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ATl'K''.
ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER
ABTHEILUNG
FUß
SYSTEMATIK, GEOGRAPHIE UND BIOLOGIE
DER THIERE.
HERAUSGEGEBEN
VON
PROF. DR. J. W. SPENGEL
IN GIESSEN.
ZWANZIGSTER BAND.
MIT 25 TAFELN UND 140 ABBILDUNGEN.
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
1904.
Alle Rechte, uanientlich das der Uebersetzune', vorbehalten.
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Inhalt.
Seite
Erstes Heft.
Ausgegeben am 2. Mai 1904.)
Spengel, .1. W., Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusten.
II. Ptychodera flava von Funafuti (Ellice-Gruppe). Mit Tafel 1
u. 2 und 2 Abbildungen im Text 1
RÖSSIG, Heineich, Von welchen Organen der Gallwespenlarven geht
der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? Mit Tafel 3 — 6 19
Zweites Heft.
(Ausgegeben am 6. Mai 1904.)
Shitkow , B. M. , Ueber einen neuen Hirsch aus Turkestan. Mit
5 Abbildungen im Text 91
Enuerlein, Günther, Die von Herrn Prof. Dr. Friede. Dahl
im Bismarck-Archipel gesammelten Copeognathen. Mit Tafel 7 105
Attems , Carl , Central- und hoch-asiatische Myriopoden. Mit
Tafel 8 und 9 113
Fuhrmann, 0., Ein getrenntgeschlechtiger Cestode. Mit Tafel 10. 131
Wandolleck, Benno, Eine bucklige Testudo graeca L. Mit 4 Ab-
bildungen im Text 151
Drittes Heft.
(Ausgegeben am 21. Jlai 1904.)
Martin, Rudolf, Die vergleichende Osteologie der Columbiformes.
Mit Tafel 11—12 und 96 Abbildungen im Text 167
Viertes Heft.
(Ausgegeben am 2:i. Juni 1904.)
HOLMGREN, Nils, Ameisen (Formica exsecta Nyl.) als Hügelbildner
in Sümpfen. Mit 14 Abbildungen im Text 353
IV Inhalt.
Seite
Thiele, Joh.. lieber eine von Herrn O. Neumann gefundene Phyllo-
poden-Art. Mit Tafel 13 371
LOMAN, J. C. C, Beiträge zur Kenntiiiss der Fauna von Süd-Afrika.
V. PycDOgoniden aus der Capcolonie und Natal. Mit Tafel 14 375
Schnee, Paul, Die Landfauna der Marschall-Inseln 387
Spengel, J. "W., Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusten.
IV. Einige weitere Beobachtungen an Ptychodera erythraea.
Mit 2 Abbildungen im Text 413
Fünftes Heft.
(Ausgegeben am IG. Juli 1904.)
Enderlein, Günthee, Die Gattung Braunsia Krieche 429
FlSCHOEDER, ¥., Beschreibung dreier Paramphistomiden-Ai-ten aus
Säugethieren. Mit Tafel 15 — 16 und 3 Abbildungen im Text 453
Mell, Camillo, Die von Oscar Neumann in Nordost-Afrika ge-
sammelten Landplanarien. Mit Tafel 17 471
Volz, Walter, Schlangen von Palembang (Sumatra) 491
Yolz, Walter, Zur Kenntniss der Suiden Sumatras, Mit Tafel 18,
1 Karte und 2 Abbildungen im Text 509
MacCallum, W. G., Echinostomum garzettae n. sp 541
Sechstes Heft.
(Ausgegeben am 31. August 1904.)
Looss, A., Zur Kenntniss des Baues der Filaria loa GuYOT. Mit
Tafel 19 549
Stingelin, Theodor, Entomostraken, gesammelt von Dr. G, Hag-
MANN im Mündungsgebiet des Amazonas. Mit Tafel 20 und
1 Kärtchen im Text 575
VON WisSEL, CuRT , Pacifische Chitonen der Sammlungen SCHAU-
INSLAND und Thilenius nebst einem Anhang über drei neu-
seeländische Species der Gattung Oncidiella. Mit Tafel 21
bis 25 und 10 Abbildungen im Text 591
FoREL, Aug.. In und mit Pflanzen lebende Ameisen aus dem
Amazonas-Gebiet und aus Peru 677
/^*
Nachdruck verboten.
Ueberselzungsrecht vorbehalten.
Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusten.
IL Ptychodera flava von Funafuti (Ellice-Gruppe).
Von
Prof. Dr. J. W. Spengel in Giessen.
Mit Taf. 1 u. 2 und 2 Abbildungen im Text.
Kurze Zeit, iiaclidem mein voriger Aufsatz (1903) zum Druck
befördert war, erhielt ich durch die Güte des Herrn Jas. P. Hill
einige Exemplare der von Mr. Hedley auf Funafuti, einer der Inseln der
Ellice-Gruppe, gesammelten und von \\'illey für identisch mit der von
ihm bei Neucaledonien gefundenen Ptychodera flava Eschsch. er-
klärten Enteropneusten. Ich bin dadurch erfreulicherweise in den
Stand gesetzt worden, die in jener Abhandlung von mir aufgeworfene
Frage, ob auch die auf Funafuti vorkommende Form der Ft. flava,
wie ich es für diejenige von Laysan nachgewiesen habe, verschieden
ist von der Pt. flava caledoniensis.
Das Material, das mir zur Untersuchung vorgelegen hat und
von dem ich den grössten Theil in Schnittserien zerlegt habe, umfasst:
1. 1 vollständiges, aber mehrfach gekrümmtes Exemplar, dessen
Gesammtlänge sich auf ungefähr 75 mm berechnet (No. 1 ).
2. 1 Exemplar von etwa der gleichen Grö!5se, dem jedoch die
( 'audalregion fehlt (No. 2). Da es etwas weniger gekrümmt war,
wurde es zur Herstellung einer Querschnittserie benutzt.
3. ein 18 mm langes Bruchstück, das Pvichel, Kragen und ein 9 mm
langes Stück des Thorax umfasst (No. 3). Die Eichel und der Kragen
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Sy.st. 1
2 J. W. Spengel,
waren fast IVs^H'^^l so gross wie bei No. 1 und 2, das Thier dürfte
danach über 10 cm lang gewesen sein. Daran wurde zunächst durch
Präparation das traubige Organ der Eichelbasis freigelegt (Fig. B),
darauf durch Entfernung einer Pleure der Kiementheil des Thorax,
der eine Länge von 7 mm hatte.
4. u. 5. 2 Yorderkörper kleinerer Individuen, beide (No. 4 u. 5)
Eichel, Kragen und ca. 12mm des Thorax enthaltend. Nr. 4, das
nahezu gerade war, wurde in Querschnitte zerlegt, während vom
vordem Theil von No. 5 Sagittalabschnitte angefertigt wurden.
6. — 8. waren 3 Bruchstücke, und zwar No. 6 ein ca 38 mm
langer Abschnitt von der Genitalregion bis zum After; ca. 4 mm
hinter dem Vorderende, die demnach auf die Genitalregion fallen,
beginnen die Lebersäckchen. No. 7 enthält nur das Hintei-ende der
Genitalregion und ca. 11 mm von der Leberregion. No. 8 ist die ab-
gelöste Caudalregion eines kleinen Individuums.
Nach den an diesem Material sich ergebenden Maassen bleibt die
Art auf Funafuti kleiner niclit nur als Pt. fl. laijsanica, die über
25 cm lang wird, sondern auch als Pf. fl. caledoniensis, für die Willey
ein mittleres Maass von 125 mm und Maximalmaasse von 175—200 mm
angiebt. Die Eichel ist 3— 6 mm lang, 3—4 mm breit; der Kragen
hat im Maximum (No. 3) 5 mm Länge und Breite, bei No. 1 und 2
etwa 5 mm Länge und Breite, bei No. 4 und 5 ca. 3"o mm; natur-
gemäss bleiben auch diese Maasse hinter denen der beiden andern
Formen zurück. Am Thorax sind die Genitalpleuren, die hinter dem
Kragen zusammenstossen, meistens so weit über die Rückenseite zu-
sammengeschlagen, dass das Kiemenfeld verdeckt ist. Bei No. 3,
wo ich eine der Pleuren abtrug, Avar das letztere ca. 7 mm lang;
bei dem kleinern Individuum wichen die Pleuren aus einander, die
Länge des Kiemenfeldes betrug ca. 4 mm. Bei No. 2 berechne ich
sie nach der Schnittserie auf ca. 5 mm. Das Maass des Kiemen-
feldes ist also ziemlich gleichmässig und zwar sehr gering, weit mehr
Willey's „brachybranchiater" Form von Pf. fl. caledoniensis ent-
sprechend als der „makrobranchiaten" oder Pf. fl. laijsanica.
Die Genitalpleuren sind bei den grössern Individuen ca. 5 mm
breit und um den als „free pharynx" Willey's vorspringenden die
Kiemen enthaltenden T h o r a x a b s c h n i 1 1 , der eine Breite von etwa
2 mm hat, meistens so zusammenrollt, dass dieser Körpertheil mit
jenen ungefähr cylindrisch erscheint und eine Breite von fast 5 mm
zeigt. In Bezug auf die rasche Verminderung ihrer Breite hinter
den Kiemen und ihre Fortsetzung verhalten sie sich wie bei den
Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusten. 3
zwei andern Formen. Die Ausdehnung des postbranchialen Thorax-
abschnittes aber oder der Genitalregion verhält sich nicht bei allen
Individuen gleich. Bei No. 1 ist zwischen dem Trennnngspuukt
der Pleuren, der um einige mm hinter dem Ende der Kiemen ge-
legen sein möchte, und deu vordersten Lebersäckchen eine Strecke
von etwa 10 mm vorhanden (so dass auf den ganzen Thorax ca.
20 mm kommen). Bei No. 2 treten dagegen die vordersten Leber-
säckchen bereits zwischen den Pleuren, die ca. 9 mm hinter dem
Kragen aus einander weichen, hervor. Da von dieser Länge reich-
lich 5 mm auf die Kiemenregion entfallen, bleiben für die Genital-
region kaum 4 mm, was auch die Schnittserie bestätigt. Da bei den
Jüngern Individuen No. 4 und 5 ebenfalls je eine etwa 10 mm lange
Kiemenregion vorhanden ist, an deren Hinterende sich noch keine
Lebersäckchen finden, so scheint dieses längere Maass die Regel bei
dieser Form, wie bei den zwei andern, zu sein. Dabei muss man
allerdings berücksichtigen (s. weiter unten), dass den vordersten
Lebersäckchen ein Abschnitt voraufgeht, in welchem Leberanfänge
im Darm vorhanden sind, die äusserlich nicht hervortreten, die obige
Begrenzung der Leberregion nach vorn hin nach den Lebersäckchen
also einigermaassen willkürlich ist.
Zu No. 2 mit der kurzen Genitalregion möchte ich bemerken,
dass nachWiLLEY's Abbildungeines „brachybranchiaten" Individuums
(tab. 26, fig. 3) nicht nur die Kiemenregion (die hier durch die
Pleuren ganz verdeckt ist), sondern der ganze Thorax, also auch die
Genitalregion, sehr kurz ist. Die Länge des Thorax, vom Kragen
bis zu den vordersten Lebersäckchen, berechnet sich nach der 6fach
vergrösserten Abbildung auf ca. 2^2 mni! Ein ähnlich geringes
]\Iaass habe ich bei der Form von Funafuti nicht getroffen.
Was die Leberregion anbetrifft, so beginnt diese äusserlich
immer mit einer Doppelreihe einfacher, ungelappter Lebersäckchen
von 5 — 6 mm Länge; dann folgen gelappte Säckchen von erheb-
licherer Grösse, in einer Ausdehnung, die bei No. 1 und 2 8 — 10 mm,
bei No. 6 nur 3 mm beträgt, und daran schliessen sich wieder ein-
fache, ungelappte, die nach einem Verlauf von etwa 8 mm in die
Querwülste der Haut ohne scharfe Grenze übergehen.
Neben den vordem einfachen Lebersäckchen tritt jederseits eine
Reihe von lateralen Lebersäckchen auf, die zunächst und in der
Gegend der gelappten durch die Fortsetzung der Genitalpleure von
der Hauptreihe getrennt ist. Gegen das Hinterende der gelappten
Säckchen scheint bei No. 1 die Pleure aufzuhören, doch zeigt sich
1*
4 J. W. Spengel,
gegen Ende der ungelappten, wo diese in Folge der Krümmung des
Präparats auf der linken Seite etwas aus einander geschoben sind,
noch eine zarte, aber deutliche Fortsetzung in Form einer feinen
Linie. Die Fortsetzung der Pleuren erstreckt sich demnach bei
dieser Form bis ans Hinterende der Leberregion. Bei No. 2 kommt
sie allerdings hinter den gelappten Säckcheu, gegen deren Hinter-
ende sie sehr schmal wird, nicht mehr zum Vorschein.
Ueber den Hinterkörper habe ich nur zu bemerken, dass die
Caudalregion etwas verbreitert und ein wenig abgeflacht ist. Sie
erreicht bei No. 1 12, bei No. 6 7 mm Länge, während die offenbar
einem Jüngern Individuum angehörige isolirte (No. 8) nur 5 mm lang
ist. Gegen den weiten After hin findet wie gewöhnlich eine Ver-
jüngung statt.
Haut.
Die Epidermis weist auf der ventralen Seite des Thorax ziem-
lich regelmässige quere Drüsenwülste auf; auf der ventralen (äussern)
Seite der Genitalpleuren sind diese z. Th. gegabelt, z. Th. durch
eingeschaltete Wülste ergänzt. Auf der dorsalen (innern) Seite finden
sich kleine, meist rundliche, z. Th. längliche und un-
regelmässig gestaltete Wülste. Auf dem Kiemenfeld
liegen zwischen den Kiemeuporen 3 Längsreihen von
Wülsten, deren mittlere dem Rückennerven entspricht.
In der Genitalregion werden die lateralen etwas
schmäler, und ungefähr ebenso treten sie hinter der
Leberregion wieder zum Vorschein, um dann allmählich
■p. ~~^ in die dorsalen ziemlich regelmässigen Querwülste des
Abdomens überzugehen. Auf dessen ventraler Seite
sind die Querwülste meist sehr regelmässig, ziemlich weit von ein-
ander entfernt. Gegen die dorsale Seite hin aber verästeln sie sich,
und die Aeste verschmelzen vielfach mit den angrenzenden ; hie und
da schalten sich auch Wülste ein, und die Fortsetzung auf die dor-
sale Seite ist meist sehr unregelmässig (Fig. A).
Die Eichel.
In den meisten Theilen der Eichel scheint, soweit das spärliche
Material es zu beurtheilen gestaltet, eine Uebereinstimmung mit Pt.
fl. cälcdoniensis zu bestehen. Das gilt zunächst von der Form des
Eicheldarms, der Herzblase, des Eichelskelets und des
ventralen Eichelseptums. Bei der unvermeidlichen Ver-
Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusten. 5
scliiedenlieit in der Richtung- der Querschnitte — vgl. 1903, p. 285
— und der unvollkommen gerathenen Orientirung- der Sagittalschnitte,
bei der auch Verbiegungen des conservirten Objects recht störend
einwirken, lässt es sich nicht entscheiden, ob den thatsächlich an-
getroffenen Unterschieden eine Bedeutung beizumessen ist. In Be-
zug auf die Herzblase muss ich nur bemerken, dass ich die in deren
Hinterzipfel bei Pt. fl. caledoniensis und Iwjsanica angetroffenen Quer-
muskelfasern (1903, p. 285) bei der Form von Funafuti auf keiner
der beiden Quersclmittserien angetroffen habe.
In Bezug- auf die Ausbildung- des traubig-en Organs steht
die Form von Funafuti nicht nur gegen Pt. fl. Iwjsanica sehr erheb-
lich, sondern auch gegen caledoniensis zurück, soweit nach dem vor-
liegenden Material ein ürtheil berechtigt ist. Auch bei dem grössten
Individuum (No. 3), an dem ich durch Präparation das Organ frei-
gelegt habe, war dieses sehr klein und wies nur je einen bläschen-
förmigen Vorsprung rechts und links auf (Fig. B). Die Schnitte
haben dies bestätigt, doch ergaben Sagittal-
schnitte (Fig. 11) nur gegenüber Pt. fl.
Jaysanica (1903, tab. 24, flg. 4) ein charakte-
ristisches Bild, das den Unterschied hervor-
treten lässt. Ein Vergleich von Quer-
schnitten (Fig. 13) mit solchen von Pt. fl.
caledoniensis ist mir leider nicht möglich, da
das zur Anfertigung solcher benutzte Exem-
plar letzterer Art noch ziemlich klein war '-«<..
und ein noch schwaches traubiges Organ
besitzt (ähnlich auch die von Willey ab- t^.
gebildeten Querschnitte, tab. 28, flg. 2 u. 3).
Bei dem jugendlichen Individuum No. 4 hat die Bildung von Aus-
stülpungen aus der Tasche, die nur eine mediane Falte entsendet,
noch nicht begonnen.
Zu einem etwas nähern Eingehen nöthigen mich die Eichel-
pf orten, deren Verhalten ich abweichend von dem bei Ft. fl. cale-
doniensis sowohl wie Pt. fl. laysanica finde. In Bezug auf diese habe
ich (1903, p. 202) angegeben, dass ich A\'illi>:y's Angabe für erstere
Form bestätigen kann, wonach m der Regel die eine Pforte nicht
nur kleiner bleibt als die andere, sondern keinen Zusammenhang mit
dem Cölom der Eichel besitzt, dass dagegen bei der Form von
Laysan beide Pforten mit dem (.'ölom in offener Verbindung stehen
(Fig. 10). Ich füge hinzu, dass ein Grössenunterschied — der bei
6 J. W. Spengel,
JFV. fl. caleäonknsis sehr beträchtlich ist — hier, wenn überhaupt vor-
handen, nur sehr geringfügig ist (Fig. 9). Bei beiden Arten sind im
Uebrigen die Pforten ganz symmetrisch zu den übrigen Organen der
Eichelbasis gelegen und ihre innern Theile, welche sich mit den
hintern Taschen des Eichelcöloms verbinden, verhalten sich gleich
und ebenfalls symmetrisch. Nur die Strecke, wo bei Pt. fl. caledo-
niensis das „Verbindungsstück" ausgefallen ist, verhält sich auf der
einen Seite abweichend. Ganz anders die Form von Funafuti. Am
ausgeprägtesten ist darin No. 4, das ich, auch weil es viel besser
erhalten ist, zuerst schildern will. Wir gehen von den 2 Kragen-
poren (Fig. 1) aus, die ungefähr in der gleichen Höhe gelegen und
von den sehr günstig gerichteten Schnitten beide getroffen sind. Es
fällt sogleich der erhebliche Unterschied in der Grösse in die Augen,
der linke ist ungefähr halb so gross wie der rechte. Beide sind sehr
gross: wie AVilley (1899, p. 231) sagt, in this species the terminal
vesicle of the dorsal canals do not open to the exterior by a narrow
minute pore, bnt they nsually open bodily by a wide orifice, equal
in breadth to their own diameter. Gehen wir nun zu dem ersten
Schnitt vor der Mündung — 3 Schnitte weiter nach vorn (Fig. 2)
— so sehen wir den Unterschied im Querdurchmesser der Pforten
sehr deutlich und zugleich eine dadurch bedingte unsymmetrische
Lage dieser und auch des zwischen ihnen gelegenen dorsalen Gefäss-
stammes, der zu beiden Seiten von den Perihämalräumen umfasst
wird, nach links verschoben. Auch die Herzblase (Ji) ist von dieser
Asymmetrie berührt. Die weitere Verfolgung der Schnitte nach vorn
nun lehrt uns, dass die linke Pforte nicht nur in der Quer-, sondern
auch in der Längsrichtung viel kleiner ist als die rechte. 3 Schnitte
weiter nach vorn ist ihr Lumen fast verschwunden, im 4. (Fig. 4)
bereits nur noch ein ganz kleines Oval (ijcl) mit einigen Kernen,
ohne deutliches Lumen, kaum zu unterscheiden von einigen zelligen
Einschlüssen des es von oben und unten berührenden chondroiden
Gew^ebes. Die rechte Pforte (per) ist dagegen noch von unvermin-
derter Grösse untl bleibt nahezu ebenso, bis 5 Schnitte weiter beide,
der noch erheblich kleiner gew^ordene und von Zellen ganz aus-
gefüllte Querschnitt der linken und die rechte Pforte durch ihr
„Verbindungsstück" mit ihrer „hintern Eicheltasche" in Zusammen-
hang treten (Fig. 5).
Aehnliche Verhältnisse, nur etwas w^eiter ausgeprägt, habe ich
auf der Querschnittserie des altern Individuums, No. 2, getroffen
(Fig. 6). Die linke Pforte, die auch hier bedeutend kleiner als die
Neue Beitriige zur Kenntniss der Euteropneusten. 7
rechte ist, wird gegen die Eichel liin weniger reducirt und scheint
— das Exemplar ist nicht so gut erhalten — ihr Lumen beizu-
behalten, bis sie, fast genau auf gleicher Höhe mit der rechten, in
das Eichelcölom übergeht.
Zum Vergleich gebe ich noch je zwei Abbildungen von Ft. fl.
laysanka (Fig. 9, 10) und caledonicnsis (Fig. 7, 8). Von erstem zeigt
Fig. 7 die symmetrische Lage und annähei'ud gleiche Grösse der
beiden Eichelporen, Fig. 10 die durchaus symmeti'ische Vereini-
gung der beiden gleich grossen Eichelpfurten mit ihren Oölomtaschen.
Von Pt. fl. caledoniensis habe ich eine Abbildung der Poren, die sich
ähnlich wie bei der Form von Funafuti verhalten und bei Willey
(tab. 28, fig. 2) sich findet, für überflüssig gehalten. Bei dem zur
Darstellung verwendeten Individuum war die linke Pforte die
grössere. Fig. 7 zeigt beide in wesentlich symmetrischer Lage, etwa
in ihrer grössten ciueren Ausdehnung. Die rechte schwindet dann,
bezw. ist unter den Einschlüssen des sie umgebenden chondroiden Ge-
webes nicht mehr zu unterscheiden — durch 5 Schnitte von je 15 i^i
hindurch — , und dann sieht man in Fig. 8 ihr A^erbindungsstück
sich auf gleicher Höhe wie die Pforte der linken Seite mit ihrer
Cölomtasche vereinigen.
Der Kragen.
Im Bau des Kragenmarks finde ich nichts von den beiden
andern Formen Abweichendes.
Von Wurzeln des Kragenmarks, deren bei Pf. fl. caledoniensis
meistens 3, bei Pt. fl. laysanica gewöhnlich 4 vorhanden sind, habe
ich bei der Form von Funafuti an 4 Exemplaren nie mehr als zwei
gefunden, und zwar besass das jugendliche Exemplar No. 4 eine,
das in Querschnitte zerlegte erwachsene No. 2 zwei, während die
zur Anfertigung von Sagittalschnitten verwendeten, das grösste,
No. 3, und das dem jugendlichen No. 4 gleichende Individuum No. 5,
gar keine hatte. Letzterer Fall ist bei einer Ptychoderide noch
niemals zur Beobachtung gekommen. Da bei zwei Individuen die
"W'uizeln ganz felilen, so ist es wohl ausgeschlossen, dass es sich um
Thiere handelt, bei denen die Bildung der Wurzeln durch irgend einen
Zufall unterbliel)en ist; es scheint vielmehr, dass bei dieser Form
die Zahl der Wurzeln, die überhaupt sehr gering ist, bis zum voll-
ständigen Mangel zurück gehen kann. Die Exemplare weisen im
Uebrigen nichts Abnormes auf
Was die vorhandenen Wurzeln anbetrittt, so will ich darüber
8 J. W. Spengel,
folgende Einzelheiten niittheilen. Bei No. 2 ist die vordere Wurzel
ziemlich kurz und vereinigt sich mit der Haut 12 Schnitte hinter
ihrem Ursprung aus dem Kragenmark, während die zweite, welche
3 Schnitte vor der Insertionsstelle der ersten entspringt, sehr schräg
nach hinten verläuft und erst 31 Schnitte weiter mit der Haut in
Zusammenhang tritt. Bei Nr. 4 ist die einzige Wurzel sehr kurz,
ihr Ursprung dagegen sehr ausgedehnt, indem er sich über 6 Schnitte
erstreckt, mit deren 2 hintersten die Insertion zusammenfällt. Bei
No. 2 liegt der Vorderrand des dorsalen Kragenseptums ein beträcht-
liches Stück hinter dieser Wurzel, die also ihrerseits ganz frei ist,
bei No. 2 bleibt die vordere frei, während mit der hintern das
Septum beginnt. Bei No. 3 ist ein normales Septum vorhanden, ob-
wohl Wurzeln fehlen.
Der Bau der Wurzeln ist wesentlich ebenso wie bei den andern
Formen. Jede enthält eine grosse Anzahl kleiner, von radiären Zellen
umstellter Markhöhlen und äusserlich eine Schicht von Nerven-
fasern, welche in die der Kragenhaut übergehen. Am Ursprung aus
dem Kragenmark enthält jede einen grossen Klumpen bräunlicher
Pigmentkügelchen, was ich bei den andern Formen nicht getroifen
habe.
Vor den Wurzeln sind, wie bei den andern Formen, auf der
dorsalen Seite des Rückenstranges zahlreiche Gefässfalten vorhanden,
die auf den Querschnitten oft als kleine Bäumchen erscheinen.
Sehr eigenthümliche Verhältnisse bietet das ventrale Septum
des Kragens mit seinen Gefässen dar, die, wie ich jetzt sehe,
z. Th. auch bei Pt. fl. caledoniensis und Pt. fl. Imjsanka bestehen.
Ein bisher bei andern Ptychoderiden nicht gefundener Zustand
ist es, dass der dem Schlund zugekehrte Abschnitt des Septums
einen mit Quermusculatur ausgestatteten Gefäss-
stamm enthält. Dieser ist nach vorn nicht nur bis zur Theilung
und zum Ringgefäss des Kragens vorhanden, sondern an Stelle des
dieses meist darstellenden Gefässgefleclites ist rechts und links eine
von einem Gefässgeflecht begleitete Fortsetzung des Gefässtammes
vorhanden , und erst im Eichelhals, wenn die Gefässe sich beiderseits
an den Hals des Eicheldarms legen, verschwindet die Musculatur
derselben.
Bei allen Formen ist an Stelle eines vollständigen Septums
eine, namentlich gegen das hintere Ende des Kragens oft sehr hohe
und der Haut sich nähernde, Gefässfalte vorhanden (vgl. 1903, p. 291).
Bei der Form aus Funafuti finde ich sie besonders hoch, hinten als
Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusten. 9
vollständiges Septiim ausgebildet und auch weiter vorn an mehreren
Stellen mit der Haut zusammenhängend, wenn auch hie und da
unterbrochen. Dass wir es hier thatsächlich mit einem Septum zu
thun haben, ist nach diesen Beobachtungen kaum zu bezweifeln, und
wenn Willey schreibt, perhaps the vascular fold suspended from
the basement-membrane of the throat-epithelium in Ft. flava is to
be interpreted as an incomplete ventral septum, but there is reason
for supposing that it would be more correct to treat the ventral
vascular complex and the ventral septum as two distinct structures
which may or may not, coincide, so scheint mir diese Ansicht bis
jetzt einer Grundlage zu entbehren, indem alle Beobachtungen für
das Gegentheil sprechen.
Die Kiemenregion.
Die Kiemen stimmen, abgesehen von ihrer oben erwähnten
geringern Ausdehnung, in allen wesentlichen Punkten mit denen von
PL fl. caledoniensis überein. Dies gilt auch von der Zahl und dem
Abstand der Synaptikel, deren ich etwa 17 — 18 an den höchst
entwickelten Kiemen finde. Auch der p o s t b r a n c h i a 1 e K i e m e n -
darm weist die gleichen Verhältnisse auf Dagegen scheinen die
dort vorhandenen die dorsalen Cölomkammern durchziehenden Gefässe
sich abweichend zu verhalten. Leider sind die Theile hier in Folge
der Contraction der Musculatur ziemlich stark verschoben, so dass
sich die Verhältnisse nicht vollständig haben aufklären lassen. So
viel ich gesehen habe, entspringen etwa an der hintern Grenze des
postbranchialen Darms zwei mit musculösen Wandungen versehene
Gefässe aus dem Rückengefässtamm, verlaufen eine kurze Strecke
schräg nach hinten, dann ziemlich quer, dem Lateralseptum dicht
angelagert, und setzen sich dann in der Längsrichtung an diesem
weit fort, um sich in abermaligem seitlichen Verlauf schliesslich mit
dem Längsgefäss des Septums zu verbinden. Die Gefässverbindung
ist hier demnach nicht nur einfacher als bei den zwei andern Formen,
sondern kommt vor Allem auch weiter nach hinten zu liegen.
Die Gonaden standen nur bei dem grössten Individuum auf
der Höhe der geschlechtlichen Entwicklung, und zwar waren es mit
Spermatozoen angefüllte Hoden. Neben diesen und deren Bildungs-
zellen waren noch beträchtliche ^fengen der Klumpen von „Dotter-
körnchen-' vorhanden. Das etwas kleinere Individuum (No. 2) war
ebenfalls ein Männchen, doch war es noch nicht zur Bildung von
fertigen Spermatozoen gekommen, sondern es lagen nur Häufchen
10 J. W. Spengel,
von Samenbildungszellen hie und da zwischen den die Gonaden fast
ganz ausfüllenden „üottermassen". Bei den noch kleinern Individuen
No. 4 und 5 traf ich zwischen den letztern dann und wann junge
Genitalzellen, von denen sich indessen nirgends entscheiden Hess, ob
es Ei- oder Samenbildungszellen waren. Unter solchen Umständen
kann ich nicht angeben, welche Grösse die reifen Eier haben. Leider
bin ich aber auch ausser Stande, das entsprechende Maass für die
beiden andern Formen anzugeben und damit eine in meinem vorigen
Aufsatz gelassene Lücke auszufüllen. Denn keines der untersuchten
Exemplare von Pt. fl. Imjsamca besass reife Eier; bei den meisten
waren in den Gonaden neben den „Dottermassen" nur junge Genital-
zellen vorhanden, die nur bei einzelnen in deutlich erkennbare Samen-
bildungszellen übergingen, nirgends aber in Eizellen, Unter den
geschnittenen Individuen von Pt. fl. caJcdoniensis, von denen die
meisten auch auf einer Stufe sehr geringer geschlechtlicher Ent-
wicklung sich befanden, war ein Weibchen mit recht zahlreichen
reifen, von einer Membran umschlossenen Eiern. Während aber für
solche WiLLEY (1899, p. 241) einen Durchmesser von 0,06 mm an-
giebt und eine frühere Angabe (1896) von 0,006 durch einen lapsus
calami erklärt, finde ich einen solchen von 0,1 mm (Keimbläschen
0,043, Keimfleck 0,007). Nach meinen Beobachtungen sind die Eier
auf dem Schnittpräparat also um mehr als die Hälfte grösser als
nach Willey's vermuthlich noch frischem Object gemachten Angaben.
Die Leberregion.
An dem histologisch sehr gut erhaltenen Material habe ich auf
das Verhalten der Leber an ihrem Vorderende etwas näher ein-
gehen können und bin im Stande, die Angabe Willey's (1899, p. 242),
dass „the first few hepatic diverticula are internal and do not cause
elevations of the integument" wesentlich bestätigen oder vielmehr
etwas erweitern zu können. Auf einer Serie von Querschnitten durch
No. 4 fiel mir auf, dass in der hintern Hälfte der Genitalregion, wo
noch keine Lebersäckchen vorhanden sind, ein ganz charakteristisches
Leberepithel mit den grünlich-bräunlichen Pigmentkörnern im freien ^)
Theil der Zellen auftritt. Bei einer nähern Untersuchung ergab sich,
1) WiLLEY bezeichnet (1. c.) diesen Theil der Zellen als „peripheral"' ;
dieser Ausdruck scheint mir irreleitend. Am Darmepithel liegt das freie
Ende der Zellen natürlich nicht peripherisch, sondern „centrad", um
Schulze's Bezeichnungsweise zu verwenden.
Nene Beiträge zur Kenntniss der Enteropiieusten. H
dass diese Zellen den Grund und die Wände von Querfalten an der
dorsalen Seite des Darms einnahmen, während auf der Höhe zwischen
je 2 Falten ein pig-mentloses Epithel diese Falten trennte. Um dieses
Verhalten zu bestätigen, habe ich Sagittalschnitte durch das einem
augenscheinlich etwa gleich alten Individuum angehörige Bruchstück
No. 5 angefertigt und dabei diese Falten sehr wohl und regelmässig
ausgebildet angetrotfen. Es zeigt sich aber, dass nicht nur „die
ersten wenigen" Leberdivertikel innerlich sind, sondern dass solche
bei einem Individuum, das ungefähr 20 Kiemenpaare in einer Länge
von etwas über 2 mm besass, bereits ungefähr 1 mm hinter dem
postbranchialen Kiemendarm beginnen und erst nach Verlauf von
4 — 5 mm in die ersten äusserlichen Lebersäckchen übergehen. Dicht
vor diesen innern Anfängen der Leber beginnen die beiden Wimp er-
furchen mit ihrem Deckwulst.
Die einige mm darauf beginnende Hauptregion der Leber mit
ihren grossen Säckchen, deren Wände wie bei den 2 andern Formen
reich quer gefaltet sind, scheint auch im Uebrigen mit Pt. fl. cale-
doniensis übereinzustimmen, indem wie bei dieser sich der zwischen
den Lebersäckchen gelegene Streifen der Eückenhaut zu einem hohen
Kiel erhebt (vgl. 1903, tab. 27. fig. 41) und die Pleuren in den inter-
sacculären Zwischenräumen als sehr hohe Leisten hervortreten. In
diesen finde ich nur noch schwach entwickelte Gonaden, während
bei Pt. fl. laysanka noch grössere vorhanden sind.
In der Gegend der hintern, einfachen Lebersäckchen finde ich
auf den Querschnitten keine Spur der Pleuren mehr, vielmehr zeigen
diese, wie es auch von aussen zu sehen war, die „lateralen Leber-
säckchen" — diese verhalten sich bei allen 3 Formen gleich — den
medialen Hauptsäckchen unmittelbar angelagert.
Ueber das A b d o m e n habe ich nichts Besonderes zu bemerken,
über die Caudalregion aber erwähne ich, dass die Wimper-
furchen, die bei den 2 andern Furchen mit dem Ende des Abdomens
Halt machen, an dem untersuchten Exemplar der Form von Funafuti
eine Strecke weit in die Caudalregion hinein reichen und dort noch
auf Schnitten vorhanden sind, welche an ihrer ventralen Seite bereits
das „Pygochord" aufweisen.
Das „Pygochord" (Willey) habe ich auf einer Serie von
Querschnitten durch die am besten erhaltene Caudalregion von No. 6
untersucht. Ich kann danach zunächst bestätigen, dass es sich nicht
um ein ununterbrochenes Gebilde handelt. Es sind vielmehr auch
hier 3 durch Zwischenräume von einander o^etrennte Stücke vorhanden
12 J- W. Spengel,
und zwar ein grösseres, das den vordem Theil des Schwanzes ein-
nimmt und sich über ca. 2 mm erstreckt, dann ein ganz kleines
Stück, das nur auf 5 Schnitten ä 15 /* vorhanden und dabei unvoll-
ständig, d. h. keine zusammenhängende Platte, sondern durchbrochen
ist, und endlich ein drittes kleines Stück, durch einige 30 Schnitte
verfolgbar, kurz vor dem After, das aber eine Strecke vor diesem
wieder aufhört.
Der „Endknopf oder das distale Stück hat meistens etwas
grössere Ausdehnung. Am vordem Stück beginnt er nicht nur zu-
erst, sondern ragt auch hinten etwa 10 Schnitte über den vollstän-
digen Theil der Platte hinaus. Ebenso beginnt der Endknopf des
2. Stücks etwa 10 Schnitte vor der übrigen Platte, aber nicht am
Darm, sondern an der Haut, um nach 15 Schnitten wieder zu enden.
Schliesslich beginnt auch das 3. Stück mit einem Endknopf an der
Haut, der erst auf dem 15. Schnitt mit einem vollständigen „Pj'go-
chord" in Zusammenhang tritt und andrerseits nach hinten sich über
dieses hinaus fortsetzt. Ebenso erstreckt sich der dorsale Theil der
Pygochorde über diese hinaus, oft in Form einzelner Zellen, die den
Darm berühren.
Dabei verhält sich der dem Endknopf anliegende ventrale
Gefässtamm in so fern eigenthümlich, als er, ziemlich genau mit
jenem zusammen, als solcher aufhört und wieder auftritt, während
auf den dazwischen gelegenen Strecken nur gewöhnliche Hautgefässe
vorhanden sind. Bei Pt. fl. caledoniensis und laijsanica tritt ein solcher
streckenweiser Schwund des Bauchgefässtammes nach meinen Prä-
paraten nicht ein; dieser bleibt dort vielmehr auch an den Stellen
erhalten, wo der Endknopf fehlt.
Ferner gestatten mir meine Beobachtungen, einen wenigstens
ziemlich wahrscheinlichen Schluss in Bezug auf die Entsteinmgs- und
Wachsthumsweise dieses in Bezug auf seine Function räthselhaften
Gebildes zu ziehen. Ich wiederhole zunächst einige der bereits in
meiner vorigen Abhandlung (1903) citirten Worte Willey's: As a
rule tlie pygochord retains its connection with the gut-epithelium, but
at irregulär intervals the basement-membrane is continued across
the line of junction so as to completely separate the pygochordal
tissue from the wall of the gut. The dilated distal end is some-
times shut off from the rest of the band, and the band itself is some-
times constricted by transverse fusions of the basement-membrane.
Sometimes the band presents a remarkable moniliform appearance
Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusten. 13
diie to this fusion of the basement-membrane at different levels
(tab. 29, fig. 15 a).
Nach meinen Beobachtungen ist das, was Willey als die Regel
hinstellt, nämlich der unmittelbare Uebergang des Darmepithels in
das Gewebe des „Pygochords", die Ausnahme, die Abtrennung des-
selben durch die Grenzmembran und das perlschnurförmige Aussehen
des quergeschnittenen Bandes in Folge der streckenweisen Verbin-
dung der beiderseitigen Grenzmembran, was Willey als einen bis-
weilen vorkommenden Fall schildert, dagegen das vorherrschende
Verhalten. Ich bin geneigt, aus meinen Befunden zu schliessen, dass
ein successives Hervortreten der Substanz des „Pygochords" aus dem
Darmepithel und ein Abschliessen der fertig gebildeten Stücke durch
die Grenzmembran stattfindet, dass also die wenigen Fälle, in denen
das an das Darmepithel angrenzende Stück des Pygochords — immer
nur dieses! — ohne Unterbrechung in jenes übergeht, ein im Stadium
der Entstehung fixirtes unfertiges Stück des „Pygochords" ist. Am
vordersten Ende besteht das „Pygochord" ausschliesslich aus einem
rundlichen Körper, der sich weiter hinten als das „erweiterte distale
Ende" darstellt. Auf dem vordersten Schnitt, der diesen Körper
getroffen hat, geht er noch ohne Grenze in das Darmepithel über,
während er im nächsten und den folgenden durch die Grenzmembran
davon abgetrennt ist. Weiter nach hinten kommen dann 1 oder 2,
schliesslich mehrere Stücke hinzu, meistens von Grenzmembran um-
schlossen und gegen das Darmepithel abgegrenzt, so das perlschnur-
förmige Aussehen darbietend. Hin und wieder trifft man das an den
Darm angrenzende Stück noch in dessen Epithel übergehend. Dass
wir die Entstehungsart des „Pygochords" aus den Beobachtungen
richtig abgelesen haben, ist um so wahrscheinlicher, als eine andere
kaum zu denken ist. Für den nachträglichen Zerfall eines ursprüng-
lich einheitlichen Bandes durch stellenweises Zusammentreten der
beiderseitigen Grenzmembranen scheint mir nichts zu sprechen. Ob
dem erweiterten distalen Ende eine besondere Bedeutung zukommt,
vermag ich nicht zu entscheiden. Thatsächlich erweist es sich einer-
seits am Vorderende als das zuerst aus dem Darmepithel austretende
Stück ; andrerseits aber vermisst man es auf weiter nach hinten ge-
legenen Theilen bisweilen als einen vom übrigen Pygochord durch
stärkern Umfang ausgezeichnetes Endstück.
14 J- W. Spengel,
Aus obiger Darstellung der äussern Gestalt und des Baues der
Enteropneusten von Funafiiti geht hervor, dass diese Form nicht,
wie WiLLEY und J. P. Hill (1898, p. 205) auf Grund ihrer augen-
scheinlich nicht sehr genauen Vergleichung behauptet hatten, mit
der von "Willey bei Neucaledonien gefundenen Art identisch ist,
sondern sich in mehreren Punkten davon unterscheidet, wenngleich
beide mit einander in vielen ihrer Merkmale übereinstimmen. Es
haben sich folgende Unterschiede ergeben:
1. Die Form scheint kleiner zu bleiben als P^. fl. caledonienm,
denn unter den mir vorliegenden Exemplaren dürfte das durch ein
vorderes Bruchstück vertretene höchstens 100 mm gemessen haben,
während das grösste vollständige 75 mm lang war, wohingegen Pf.
ß. caledoniensis 125 — 200 mm misst (gegen mehr als 230 mm bei Pt.
fl. laysanica).
2. Das „traubige Organ" des Eichelhalses trug bei dem
grössten Exemplar nur zwei bläschenförmige Ausstülpungen, gegen
etwa sieben bei Pt. fl. caledoniensis und ca. 20 bei Pt. fl. laysanica.
Unsere Form bleibt also erheblich gegen jene beiden in dieser Be-
ziehung zurück.
3. Von den zwei E i c h e 1 p f o r t e n , die wie bei Pt. fl. caledoniensis
sehr ungleich gross sind,^) ist die rechte durch besondere Geräumig-
keit ausgezeichnet und ruft durch ihre Anwesenheit eine asymme-
trische Lage der Organe des Eichelhalses hervor.
4. Die Zahl der Wurzeln des Kragenmarks beträgt 0 — 2,
gegen 2 — 3 bei Pt. fl. caledoniensis und 3—4 bei Pt. fl. laysanica.
5. Die K i e m e n r e g i 0 n erreicht nur eine Länge bis zu 7 mm,
gegen 6 — 15 bei Willey's Exemplaren von der Isle of Pines, bis
29 bei solchen von Lifu, und bei Pt. fl. laysanica je nach der Grösse
der Exemplare 12 — 27 mm.
6. Die W i m p e r f u r c h e n des Darms mit ihren D e c k w ü 1 s t e n
reichen bis ins Vorderende der Caudalregion.
Diese Eigenthümlichkeiten, abgesehen von der 3. und 5., be-
zeichnen alle ein Zurückbleiben auf einer niedern Entwicklungsstufe
und würden grossen Theils in Zusammenhang mit der unter 1 auf-
geführten geringen Körpergrösse stehen. Für die Entscheidung der
1) In der Aufzählung der Unterschiede zwischen Fl. fl. caledoniensis
und laysanica (1903, p. 230) habe ich vergessen zu erwähnen, dass bei
letzterer Form beide Eichelpforten ungefähr gleich gross sind und beide
mit den hintern Taschen des Eichelcöloms in offner Verbindung stehen.
Neue Beiträge zur Keinitniss der Entero])neusten. 15
Frage, ob die Form von Fiinafuti von den zwei andern verschieden
ist, würde es also von grösster Wichtigkeit sein zu wissen, ob die
gefundenen Exemplare wirklich annähernd die dort vorkommende
volle Grösse haben. Dass dies thatsächlich der Fall ist, dafür spricht
Hill's Angabe, the specimens obtained by ]\[r. Hedley do not exceed
3 inches in length, was auf die von mir gemessenen 75 mm fast genau
liinaus kommt. Ferner aber kann es wohl kaum zweifelhaft sein,
dass die angetroffenen Unterschiede schon bei Individuen vorhanden
sind, welche die vollen Maasse noch nicht erreicht haben. Dass dies
für Pt. fl. laijsanica gilt, ist sicher, denn das in meinem vorigen
Aufsatz von mir beschriebene ganz junge Exemplar übertraf mit
seiner Länge von 85 mm bereits das längste Exemplar der Form
von Funafuti. Auch für Ft. fl. caleäoniensis ist es zutreffend. Das
traubige Organ war schon bei einem Individuum dieser Form, dessen
Eichel und Kragen kleiner waren als bei dem Individuum No. 3
von Funafuti, reicher entwickelt als bei diesem. Und unter den in
Bezug auf das Verhalten der Kragenmarkswurzeln untersuchten
Individuen von Vi. fl. caleäoniensis, bei denen ich 3 Wurzeln gefunden
habe, war keines grösser als meine Exemplare von Funafuti, die
trotzdem höchstens 2 Wurzeln aufgewiesen haben. Für die Länge
der Kiemenregion vermag ich allerdings aus den vorliegenden Be-
obachtungen einen sichern Schluss nicht zu ziehen, zumal da diese
nach den Angaben Yon Willet, auch abgesehen von der „brachy-
branchiaten" Form, so grossen Schwankungen unterliegt. Dennoch
darf deren geringes Maass, das bei keinem bisher beobachteten In-
dividuum übei'schritten wird, gegenüber der bei Pt. fl. calcdonietisis
in der Regel angetroffenen längern Kiemenregion neben den andern
^Merkmalen als charakteristisch hingestellt werden.
Zu den bisher besprochenen Unterschieden wird vielleicht später,
wenn Untersuchungen an reicherm Material meine Beobachtungen
(S. 9) über das Verhalten der Gefässverbindungen am Hinterende
des postbranchialen Kiemendarms bestätigen sollten, darin ein
Merkmal hinzukommen , das die Form von Funafuti den beiden
andern noch schärfer gegenüberstellt. Die Erstreckung der Wimper-
furche des Darms bis in die Caudalregion, eine zwar an sich
geringfügige Erscheinung, würde sich als eine Besonderheit an-
schliessen.
Einstweilen dürfte es das Richtigste sein, die Form von Funa-
futi ebenfalls als eine Unterart der im Pacifischen Ocean weit ver-
breiteten Ptychoclera flava zu betrachten und sie zur Unterscheidung
\Q J. W. Spengel,
von Ft. fl. calcdoniensis mit Ft. //. laysanica als Ftychodera flava funa-
futica zu bezeichnen.
Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass zwar die Insel
Funafuti — ca. S'/o" S- B- — geographisch zwischen Laysan — ca.
26 ^ N. B. — und Neucaledonien — etwas über 20 " S. B. — gelegen
ist, dass Ft. fl. funafutica aber nach ihren Merkmalen nicht in dem
Sinne eine Zwäschenform zwischen den flava-Formen jener beiden
Orte darstellt, als sie durch Umwandlung der nördlichen in die süd-
liche oder umgekehrt entstanden sein könnte, denn statt einer Mittel-
zahl von blasigen Fortsätzen des traubigen Organs und von Kragen-
markswurzeln hat sie weniger als jene beiden Formen, wie auch
in der Körpergrösse. Sie w^ürde vielmehr eine Ausgangs form
darstellen können, von der die nördliche und die südliche Form ver-
schieden von einander, aber beide durch eine fortschreitende Aus-
bildung in diesen Theilen wie in der Grösse sich differenzirt haben.
Andrerseits würde sie gewissermaassen als eine Hemmungsbil-
dung betrachtet werden können, die auf Funafuti unter gewissen,
vielleicht ungünstigen Lebensbedingungen zu Stande gekommen ist;
namentlich der mehrfach vorkommende Mangel der den Ptychoderiden
sonst niemals fehlenden Kragenmarkswurzeln würde einer derartigen
Auffassung: das Wort reden.
Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusten. 17
Erklärunff der Al)])ildun£ren.
iva Kragencölom h Herzblase (Pericardialblase)
(Uv Eicbeldarra ^;c Eichelporen, pcl linke,
cJi dorsale Eicheltaschen j^cr rechte
chv ventrale Eicheltasche, das „trau- sv ventrales Eichelseptum.
bige Organ" bildend.
Tafel 1.
Fig. 1 — 6. Ptychodcra JInrn fiinnfufica.
Fig. 1. Querschnitt durch den Hals der Eichel eines Jüngern Indi-
viduums (Xo. 4), durch die Poren der Eichelpforten. 105 : 1.
Fig. 2. Dorsaler Theil des 3. darauf folgenden Schnitts durch die
Eichelpforten. 105 : 1.
Fig. 3. Dorsaler Theil des 4. auf vorigen folgenden Schnitts. Die
linke Eichelpforte {pcJ) ist zu einem kleinen ovalen Körper ohne Lumen
reducirt. 105 ; 1.
Fig. 4. Dorsaler Theil des 2. auf vorigen folgenden Schnitts. Auf
beiden Seiten sind die dorsalen Eicheltaschen {eh) angeschnitten. 105:1.
Fig. 5. Dorsaler Theil des 3. auf vorigen folgenden Sclinitts. Beide
Eichelpforten stehen mit den Eicheltaschen in Verbindung. 105: 1.
Fig. 6. Dorsaler Theil eines nahezu dem vou Fig. 5 entsprechenden
Querschnitts durch den Eichelhals eines der grössten Individuen (No. 2).
Die linke Eichelpforte {pd), die sich in Folge einer kleinen Al)\veichung
der Schnittrichtung von der rein transversalen erst auf dem folgenden
(nicht abgebildeten) Schnitte mit der hintern Eicheltasche verbindet, ist
bei diesem Individuum etwas grösser und hat bis zu ihrer Verbindung
mit der Eicheltasche ein offnes Lumen. 58 : 1.
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. 2
18 J. W. Spengel, Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusteu.
Fig. 7 u. 8. Pti/rhoricra flnrn calrdoniensis.
Fig. 7. Dorsaler Theil eines Querschnitts durch den Eichelhals, dicht
vor den Eichelporen, durch die Eichelpforten, von denen hier die linke
die grössere ist. 58 : 1.
Fig. 8. Dorsaler Theil eines Quer.schnitts aus derselben Reihe, weiter
vorn, etwa Fig. 5 entsprechend. Beide Eichelpforten, von denen die
rechte auf den zwischengelegenen (nicht abgebildeten) Schnitten unter den
Einschlüssen des chondroiden Gewebes nicht zu unterscheiden war, treten
mit den Eicheltaschen in Zusainmenhaug. 58 : 1.
Tafel 2.
Fig. 9 u. 10. Pli)r]iodcra flava laijsanica.
Fig. 9. Querschnitt durch den Eichelhals, durch die Poren der Eichel-
pforten, die von annähernd gleicher Grösse sind ; etwa der Fig. 1 ent-
sprechend. 58 : 1.
Fig. 10. Dorsaler Theil eines Querschnitts aus derselben Reihe, etwa
Fig. 5 und 6 entsprechend; die Eichelpforten verbinden sich mit den
Eicheltaschen. 58 : 1.
Fig. 11. Stück eines Sagittalschnitts durch den Eichelhals einer
Pt. fl. fuuafutica, welcher die ventrale Eicheltasche {ehv) in ihrer grössten
Ausdehnung getroffen hat. 58 : 1.
Fig. 12. Entsprechendes Stück eines derartigen Schnittes von Pt. fl.
calcdo)iirnsis, das die ventrale Eicheltasche (traubiges Organ) unter den
von mir untersuchten Exemplaren in der grössten Ausdehnung zeigt. Die
Eichel war bei diesem Individuum stark geneigt und die Schnittrichtung
nicht genau sagittal. 58 : 1.
Fig. 13. Ventrales Stück eines Querschnitts durch den Eichelhals
von Pt. fl. funafutica (No. 2), die ventrale Eicheltasche (traubiges Organ)
in ihrer grössten Ausdehnung, mit 2 bläschenförmigen Ausstülpungen.
58: 1.
Nachdruck verboten.
Uebersetzungsrecht vorbehalten .
Von welchen Organen der Gallwespenlarven geht der
Keiz zur Bildung der Pflanzengalle aus?
U n t e r s u c h II 11 g- der D r ü s e ii o r g* a ii e der Gallwespen-
larveiij zugleich ein Beitrag zur postembryonalen
Entwicklung derselben.
Von
Heinrich ßössig in Clausthal.
(Aus dem Zoologischen Institut in Freiburg i. B.)
Hierzu Taf. 3-6.
Inhaltsverzeichniss.
Seite
I. Gegenwärtiger Stand der Gallenforschung 19
II. Beobachtete Arten von Cynipiden 26
III. Fixhungä- und Untersuchungsmethoden 28
IV. Aeussere Gestalt der Cyuipidenlarven 29
V. Innere Organe 31
1. Speicheldrüsen 32
2. Oenocyten 41
3. Malpighische Gefässe 62
4. Epithel des Enddarms 67
VI. Gewonnene Resultate 68
VII. Discussion der TJntersuchungsergtbnisse 70
I. Gegeuwjirtiger Stand der Gallenforschung.
Ueber Gallwespen und ihre Gallen sind in den letzten 25 Jahren
ausser systematischen Arbeiten zwei bedeutende Abhandlungen ver-
2*
20 Heinkich Rössig,
öffentliclit worden. Es sind die Untersuchungen von Adler und
Beyeeinck. Ersterer hatte Zuchtversuche mit Gallwespen ange-
stellt und war dabei zu dem überraschenden Resultate gelangt, dass
bei einer ganzen Anzahl von Arten ein ausgesprochener Generations-
wechsel vorkommt, indem die Frühlingsgeueration aus Männchen
und AVeibchen, die Herbstgeneration nur aus Weibchen besteht.
Beide Generationen veranlassen Gallbildung, die Gallen besitzen
aber ganz verschiedene Gestalt. Diese Entdeckung veröffentlichte
Adler im Jahre 1880.
Die Arbeit von Beyerinck erschien zwei Jahre später. B. unter-
suchte die Entwicklung der Gallen vom botanischen Standpunkte
aus und beobachtete hauptsächlich die Veränderungen, welche in
den einzelnen Zellenschichten der Galle während ihres Wachsthums
vor sich gehen.
Adler sowohl als Beyerinck haben gelegentlich auch andere
Fragen berücksichtigt, auch die hier behandelte: Woher stammt der
Reiz, der das Pflanzengewebe zum Wuchern bringt? Da Gallbildung
nicht nur bei Gallwespen, sondern auch bei einer Anzahl anderer
Hymenopteren und vielen andern Insecten, bei Milben und Nema-
toden vorkommt, wird die Antwort kaum überall die gleiche sein
können. Was darüber bekannt ist, möge kurz erwähnt werden.
Am klarsten liegt der Vorgang bei einer Tenthredinide, Nematus
välUsnierii, bei welcher Adler ^) den Vorgang näher beobachtete.
„Die Wespe, mit einem feinen, sägeartigen Stachel ausgerüstet,
schneidet in die zarten Blättchen der Endtriebe von Salix amyg-
dalina ein und schiebt ihre Eier in die geöifnete Wunde. In die
Wunde des Blattes fliesst gleichzeitig von dem Drüsensecret etwas
hinein. Schon wenige Stunden nach der Verletzung nimmt die
Blattfläche ein anderes Aussehen an, und es beginnt eine reichliche
Neubildung von Zellen, die bald zu einer umschriebenen Verdickung
der Blattfläche führt. Nach Verlauf von etwa 14 Tagen ist die
bohnenförmige, grünlich-röthliche Galle vollständig ausgewachsen.
Oeffnet man sie jetzt, so liegt in dem kleinen centralen Hohlraum
immer noch das Ei, die embryonale Entwicklung ist noch nicht
vollendet; erst nach 3 Wochen schlüpft die Larve aus. Sie findet
rings um sich das fertige Ernährungsmaterial vor. In diesem Falle
wird also durch die von der Wespe bewirkte Verwundung und ein
1) lieber den Geuerationswecbsel der Eichengallwespeu, p. 208 f.
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung- der Pflanzengalle aus? 21
eingeträufeltes Gift sofort die Zellenthätigkeit zur Gallenbildung
angeregt."
Bei gallenerzengenden Cecidomyia-Xrten kann von einer Ver-
wundung der Pflanzenzelle nicht die Rede sein, weil ihnen ein
Stachel fehlt. Sie können mit ihrer vorstreckbaren Legeröhre das
Ei nur in sich öffnende Knospen schieben; die ausschlüpfende Larve
ruft erst die Gallenbildung hervor.
Die Cjaiipiden besitzen zwar einen ziemlich kräftigen Lege-
bohrer, mit welchem sie das Pflanzengewebe verletzen, um in das-
selbe ihre Eier hineinzuschieben. Zugleich tritt etwas Drüsensecret
in den Stichcanal. Letzteres scheint aber nur die Wirkung zu
haben, dass es die Eier, resp. den Eistiel, mit dem Pflanzengewebe
verklebt, allenfalls den Stichcanal schliesst. Bei Biorhisa aptera
Bosc, welche ihre Eier in grosser Masse, bis 180, in eine einzige
Knosi)e ablegt, überdeckt das Secret, das nach dem Ablegen aller
Eier hervorfliesst, die ganze Eiersamnilung wie mit einer Decke und
verklebt sie mit dem Endabschnitt der Knospe. Weitere Wirkung
scheint es nicht zu üben, denn irgend eine Reaction des Pflanzen-
gewebes ist nie beobachtet woi'den. Auch hat Bf.yerixck das
Secret gesammelt, eingetrocknet und so in A\'unden von jungen
Pflanzen eingeschoben, ohne irgend einen Einfluss auf die Pflanzen
constatiren zu können.
„Bei meiner Versuchsanstellung war es ein Leichtes, den Schleim
von der Legeröhrenspitze des Thieres auf eine feine Nadel zu über-
nehmen. Es ergab sich als eine neutral reagierende, geruch- und
geschmacklose Substanz, welche, der Luft ausgesetzt, ziemlich lange
dehnbar blieb, aber später vertrocknete und sich bräunte. Kleine
Stückchen dieser Substanz brachte ich in jugendliche, schnell
wachsende Gewebspartien von Tulpen und Erbsen, welche ich
gerade cultivirte, doch traten dadurch keine andern Gewebsverände-
rungen auf, als diejenigen, welche die Verwundungen an sich zur
Folge haben." Beykrikck, p. 68.
Adler Avie auch Beyerinck, die beiden einzigen Forscher,
welche mit Versuchen darüber, wie die Galle zu Stande kommt, sich
beschäftigt haben, stinnnen darin überein, dass sie bei den C3'ni-
piden einen Einfluss des stechenden Wespenweibchens bestimmt aus-
schliessen und die Bildung der Galle allein der Wirkung der sich
entwickelnden ^^'espenlarve zuschreiben. Beide Forscher stimmen
ferner darin überein, dass eine Gallenbildung, so verschieden auch
die Form der Galle sein mag, oder die Stelle, wo sie sich entwickelt,
22 Heinrich Rössig,
ob Wurzel, Stamm, Knospe oder Blatt, immer nur von einem Mutter-
boden ausgehen kann, dem Cambiumring-e, „der Zone bildungsfähig-er
Zellen, die von den feinsten "Wurzelfasern beginnend bis in die
Blattfläclien hinaufsteigt und wie ein Schlauch die Pflanze umhüllt."
Adler, p. 207.
Beyerinck sagt das Gleiche. ..Auf die Frage nach der Natur
der pflanzlichen Gewebe, welche sich für die Gallenbildung eignen,
lässt sich im Allgemeinen von den Cynipidengallen sagen, dass die-
selben sich aus solchen Geweben entwickeln, in welchen die Zell-
theilung sicher noch fortdauert, oder aus Geweben, bei w^elchen das
Bestehen der Zelltheilung zwar nicht bewiesen, aber doch höchst
wahrscheinlich ist . . . Betreffs der Eiablage ist es eine ausnahms-
lose Eegel, dass dieselbe an die Oberfläche oder innerhalb noch
wachsender Gewebe stattfindet. Beyerinck, p. 180 f.
Dasselbe bestätigt Eübsaamen 1899 in üebereinstimmung mit
Thomas 1901 von den Gallen der Gallmücken. Eübsaamen, p. 568.
Eine Differenz besteht zwischen den beiden erstgenannten
Forschern über den Zeitpunkt, wann eine Zellvermehrung und -Ver-
grösserung in der Nähe der Larve einsetzt. Adler nimmt auf Grund
seiner Beol)achtungen an, dass erst die ausschlüpfende Larve die
Wucherung der Zellen auslöst. Im Gegensatz dazu stellt Beyerinck
wenigstens bei einigen Arten fest, dass bereits die in der Eihaut
noch eingeschlossene Larve ihren Einfluss auf die umgebenden Zellen
geltend macht.
Adler (Ueber den Generationswechsel etc., p. 209 f.) schreibt über
Trigonaspis crusfalis: „Wenn von dieser Wespe im Mai Blätter an-
gestochen sind, so vergehen Monate, bevor eine Spur von Gallen-
bildung zu bemerken ist. Die Wespe schneidet mit ihrem ziemlich
kräftigen Stachel in die Blattrippen hinein und hinterlässt dadurch
eine deutliche Spur, wo ein Ei abgesetzt w^urde. Man kann, von
dieser geführt, leicht einige Eier aufsuchen; erst im September
schlüpfen die Larven aus und dann beginnt die Gallenbildung.
Natürlich wird es von Interesse sein, den Zeitpunkt wahrzu-
nehmen, wo die Larve dem Ei entschlüpft und die Gallenbildung
einleitet. Leider ist dies recht schwierig. Mag das Ei in einer
Knospe oder in einem Blatte eingeschlossen sein, stets ist es dem
Blicke entzogen, und es hält schwer, den Moment abzupassen, wo die
Larve ausschlüpft. Es ist mir gelungen einige Male bei Neuroferus
laevmsculus und Biorhim aptcra dieses Stadium zu beobachten. In
dem Augenblicke nun, w^o die Larve die Eihaut durchbrochen hat
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 23
und zum ersten Male mit den feinen Kiefern die nächstgelegenen
Zellen verwundet, beginnt eine rapide Zellenwuclierung. Dieselbe
geht so rasch von Statten, dass, während die Larve noch mit dem
Hinterleibsende in der Eihaut steckt, vorn bereits eine wallartige
Wucherung von Zellen sich erhebt."
Letzteres leugnet Beyerixck bestimmt. ..Einige Autoren, sagt
er, haben in dem Nagen der Gallenlarven einen Reiz sehen wollen,
welcher, nach ihrer Ansicht, die pflanzlichen Gewebe afficiren und
möglicher Weise zur Wucherung bringen könnte. — Freilich besitzen
die Cynipidenlarven selbst schon dann, wenn dieselben noch als voll-
kommen kugelförmige Tliiere innerhalb der Eischale eingeschlossen
sind, feine Chitinkiefer, allein zu dieser Zeit, wenn von einem Zer-
nagen der pflanzlichen Zellen natürlich keine Rede sein kann, ist das
Wachsthum des Gallplastems (,.Plastenr' nennt B. das vom gewöhn-
lichen Meristem durch vei"schiedene Besonderheiten abweichende
Meristem der Gallen) schon in vollem Flusse. Bei den Rhodites- Arien
liegt überdies das Kopfende der in der Eischale eingeschlossenen
Larve noch gänzlich frei in der Luft am Stielende des Eies, w^enn
das Hinterende des Thieres schon im Gallplastem vergraben ist.
Dem Frasse an und für sich kann man demnach keine Bedeutung
bei der Gallenbildung zuerkennen", p. 180.
Andrerseits macht sich die Wirkung des Reizes, der zur Gallen-
bildung führt, durch verschiedene, als leblos zu betrachtende Zell-
resp. Gewebsschichten geltend. Bei den Bhodites-Arten, orthospinae
im Speciellen, durch die Eischale, Kittmasse und die der Larve
anliegende Zellenschicht. Bei andern Gallen befinden sich zwischen
dem lebenden Thiere und der lebenden Pflanzensubstanz nur Zellen-
wand und Eischale; allein es können sich, wie z. B. bei der fenni-
nalis-GsWe zwischen denselben auch noch abgestorbene Gewebs-
schichten vorfinden, welche die Gallenbildung keineswegs beeinträch-
tigen. Diesen Thatsachen gegenüber ist der Schluss, die Gallwirkung
werde durch eine vom Gallenthiere ausgesonderte flüssige Substanz
verursacht, kaum abweisbar, p. 178.
Ferner erwähnt B., dass bei Eichencynipiden die EiuAvirkung
des Thieres auf das Pflanzenge webe kürzere Zeit dauert als bei den
Pthodife.s'- und Aular-Avten. Letztere entwickeln sich langsamer. Im
März resp. April fliegen bereits die Wespen, aber bei ihnen erwächst
im Laufe des Jahres nur eine Generation, während bei den Eichen-
cynipiden deren zwei vorkommen.
Für die Thatsache, dass der Reiz der Gallenbildung von der
24 Heinrich Rössig,
lebenden Larve ausgeht, und zwar nicht nur durch eine einmalige
Einwirkung-, sondern durch eine länger andauernde hervorgerufen
wird, spricht die von B. und allen Forschern und Sammlern fest-
gestellte Wahrnehmung, dass die Galle nur dann normal sich ent-
wickelt, wenn die Gallenlarve am Leben bleibt. Stirbt sie frühzeitig,
wie es geschehen kann, wenn Parasiten ihre Eier in die Galle legen,
oder wird bei Aphiden- und Cecidomyiden-Gallen, welche Anfangs
offen sind, das Gallenthier künstlich entfernt, so hört das Wachsthum
auf, die Galle bleibt klein. Beyerinck, p. 179, Eiedel, p. 6.
Die Galle von Apliüotrix siehokU wird durch Schmarotzer so in
ihrem Wachsthum zurückgehalten und in ihrer Structur und Gestalt
verändert, dass man sie sogar für eine besondere Art gehalten hat,
Adlee, p, 212.
Umgekehrt kann man die entgegengesetzte Wahriiehmung machen,
dass, wenn eine Cynipiden-Galle von andern, schmarotzenden Cj-ni-
piden zur Eiablage benutzt wurde, die Galle über die normale Grösse
hinauswächst, z. B. glandulae, oder abnorm und unregelmässig, höckerig,
aber grösser wird, eine bei Rhodites cgkinteriae bekannte Erscheinung,
Hier giebt sich offenbar die Summe der von mehreren ähnlich ge-
bauten Larven hervorgebrachten Eeize in einer vermehrten Zell-
wucherung zu erkennen (vgl. Eiedel, p. 62),
Von Interesse ist das ungleichmässige Wachsthum von Galle und
Larve. Manche Arten der Herbstgeneration entwickeln sich ei'st
ziemlich spät im Herbst ; von Knospengallen z. B. : autumnalis, globuli,
von Blattgallen: ostrens, rennm, nuniisntafis, laevinsculiis, lenticnlaris ;
ihre Gallen leben noch weiter und entwickeln sich fort, während sie
am Boden liegen. Bei den 3 zuletzt genannten wird hierbei die
Stärke, welche reichlich zur Zeit des Abfallens in der Gallenrinde
abgesetzt ist, aufgebraucht, und die Gallen wachsen dabei bedeutend.^)
„Die zur Erde gefallene leuticularis-GidllQ vergrössert sich hauptsäch-
lich in Folge Dehnung der sclerotischen Zellen." -) „Zur Zeit, wenn
diese Gallen im Herbst von den Blättern abgeworfen werden, sind
die darin eingeschlossenen Larven noch mikroskopisch klein, genau
kugelförmig und allseitig mit dem Nahrungsgewebe der Larven-
kammer in Berührung; erst nachdem die Gallen zur Erde gefallen
sind, wachsen die Thiere schnell weiter," ^)
Dieses ungleichmässige Wachsthum zwischen Larve und Galle
1) Beyerinck, 1. c, p, 43.
2) Derselbe, p. 84.
Vou welchen Orgauen geht der Reiz znr Bildung der Pflanzengalle aus? 25
kommt nicht nur bei der Herbstgeneration vor, sondern mehr oder
wenig-er auch bei den Frühlings- resp. Sommergallen. Von der grossen
Cijnips koIlani-GaWe sagt B. : „So lange die Dicke der Galle noch
nicht grösser ist als 9 mm, d. h. bis ungefähr Ende Juli, bleibt die
Grösse der J:ollarii-LavYe nahezu stationär ... Zu Ende des Monats
Juli wird das bis dahin so langsame ^^'achstllum der Larve ausser-
ordentlich intensiv und das gefrässige Thier verspeist dann in kurzer
Zeit das primäre Xahrungsgewebe und die Krystall schiebt voll-
ständig ...■'')
Im Laufe der vorliegenden Untersuchung ergab sich Gelegenheit,
dasselbe Verhalten an der Art Dryophania divisa Hto. sicher nach-
zuweisen. Die Galle erscheint Mitte Juni auf den Rippen der Blatt-
unterseite und erreicht einen Durchmesser von 5 — 7 mm. Gegen
Ende Juli ist sie ausgewachsen. Die junge Larve misst ca. 500 /<,
bald etwas mehr, bald weniger. Ende Juli hat sie erst 785—800 /<
erreicht, Mitte August schon 3—4 mm, Ende August ist die Wespe
bereits ausgebildet. Während also in den ersten 6 Wochen die Larve
nur um 300 // wächst, nimmt ihre Länge innerhalb der folgenden
14 Tage um mindestens 2 mm zu.
Dasselbe anfänglich verzögerte, später rapide fortschreitende
Wachsthum scheint bei Anärkus curvafor Htg., Neuroterus haccanim
L. und Dnjophanta folii L. vorzukommen und darf vielleicht bei
allen Cynipiden als vorhanden angesehen werden.
Eine Erklärung dieser Erscheinung bei Drijophanta divisa Htg.,
Cynips lioUarii Htg. etc. scheint mir nahe liegend. So lange die
Galle wächst, nimmt die Larve nur wenig an Grösse zu, erst wenn
die Galle ihre normale Grösse ganz oder zum grössern Theil erreicht
hat, nimmt die Larve die jetzt reichlich vorhandene Nahrungsmenge
gierig auf. assimilirt sie schnell und wächst dabei ebenso schnell
unter reichlicher Bildung von Fettgewebe.
Das Alles erklärt sich einfach unter der Annahme, dass während
der ersten Entwickluugsperiode der grösste Theil der aufgenommenen
Nahrung nicht dem Aufbau des Larvenkörpers zu Statten kommt,
sondern durch die Körperorgane in flüssige Stoife umgesetzt eben
jenes Secret bildet, das den Reiz zur Gallenbildung liefert. Die
Richtigkeit dieser Annahme vorausgesetzt, dürfte man weiter folgern,
dass entwedei- besondere, bei andern Lisecten-, spec. Hvmenopteren-
larven sich nicht tliidende Organe bis zu diesem Zeitpunkt bei den
1) Beyeiunck, 1. c, p. 148.
2(5 Heiniuch Rössig,
Cynipidenlarven vorhanden sind, oder falls der Reiz von Organen
ausgellt, die auch sonst vorhanden sind, diese irgend welche Be-
sonderheiten zeigen dürften, sowohl nach ihrem Bau und Aussehen
und ihrem sonstigen ^'erhalten in verschiedenen Perioden derselben
Larve als auch im A'ergleich mit den Larven von andern Hymen-
opteren. Derartige Erwägungen gaben den Anlass zu der vorliegen-
den Untersuchung. Dieselbe befasst sich daher naturgemäss zu-
nächst mit den Drüsenorganen der jungen Larve, verfolgt aber auch
deren Entwicklung bis zur Puppe und zieht andere Insecten-, be-
sonders Hymenopterenlarven zum Vergleich heran.
Meinem verehrten Lehrer Herrn Geheimrath Prof Dr. Weismann,
der mich zu diesen Untersuchungen angeregt und sie während
ihrer Ausführung im Zoologischen Institute zu Freiburg i. B. mit
lebhaftem Interesse verfolgt und durch manchen scliätzenswerthen
Eath gefördert hat, verfehle ich nicht an dieser Stelle auch öffentlich
meinen Dank auszusprechen.
Desgleichen gebe ich meiner Erkenntlichkeit Ausdruck gegen
den Privatdocenten Herrn Dr. K. Guenther, der als früherer Assi-
stent des Zoologischen Institutes meine ersten Arbeiten daselbst
leitete, sowie gegen den Herrn Privatdocenten Dr. A. Petrunkewitsch,
der durch freundliches Entgegenkommen sein Wohlwollen bei den
verschiedensten Anlässen mir erwiesen hat.
II. Beobachtete Cynipideu-Arten.
Seit Juni 1902 wurden von mir bei Freiburg i. B. (F.) folgende
Arten von Cynipiden gefunden, deren verschiedene ich auch bei
Bregenz am Bodensee (B.) während der Monate August und September
feststellen konnte. Das Datum bezeichnet den Tag, an welchem die
betr. Galle zuerst aufgenommen wurde.
1. Aiidricus autioinialis Htg. ^) Sternwald, Hirzbg. , Schlossbg. F.
Oct. Häufig.
2. Awlricus albopiDidatus Schlechtd. F. Scblossb. April. Einige
Exemplare.
3. Ändricus ccdlidoma Htg. Sternwald , Louisenböbe , F. Wenige
Exemplare. Juli, Aug.
4. Ändricus rurvator Htg. Um F. nicht selten. April.
1) Die Arten wurden bestimmt nach EiEDEL, Galleu und Gallwespen
(cf. Literaturverzeicbniss).
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 27
5. Amlriciis frrnndatrix Htg. Schönb., F. Juli. Hecken bei B. Aug.
Vereinzelt.
6. Atidriciis glandulär Htg. Hirzbg., F. Nicht selten. Oct. Schönbg.
7. Aiidricus (jhthuU Htg. Hirzbg., F. Nicht selten. Oct., Novbr. B.
einzeln. Sept.
8. Andricits ittflcdor Htg. Schlossbg., F. Mai. Einige. Sternwald.
9. AiidricKs ))irdj)ig}u'/ Adl. Littenweiler, F. Oct. Einzeln.
10. Andricus oslrrus Gm. Achufer, Rieden, B. Aug. Gartengebüsch
in F., Schlossbg. Oct. Zerstreut.
11. AiidricKs radicis Fabricius. Leere Gallen am Weggehänge:
St. Ottilien, Au, F.
12. Andricu!< solitarius FoüSCOLOMBE. Louisenhöhe, F. Aug. (Puppen).
13. Andricus testarcipcs Htg. Schönbg. Gärten, F. Juli. (Puppen).
14. Andricus trilineatus Htg. Innengalle der voraufgehenden Art.
15. Aidax hieracii Htg. Leere Gallen bei Ebnet und Sassbach, F.
16. Biorhiza lermiiinlis Fbr. Bei F. überall, häufig auf einer Eiche am
Hirzberg. April.
17. C/juij).'^ koUarii Htg. Lorettobg., F. 1 Expl. Oct. Mooswald bei
Lehen mehrere Exemplare.
18. DiaMrophus rnbi Htg. Herdern, Sternwald, F. Nicht selten. Novbr.
19. Dryoplianta disticha Htg. F. Vereinzelt zwischen der folgenden Art.
20. Drijophnnia divisa Htg. F. Ueberall im schattigen Eichengebüsch.
Häufigste Art. B. weniger häufig. Juni — Sept.
21. Dnjophaida folii L. F. und B. Juli — Oct, Nicht selten.
22. Drijopltauta longiventris Htg. Ebnet, F. Juli. Sternwald. Nur
wenige Exemplare.
23. Dri/opJicmla verrucosa ScHL. Schlossbg., F. Mai.
24. Kenrotcrus aprilinns GiR, Schlossbg., F. April. Häufig,
25. Xcirroicnis haccarum L. Schlossbg., F. Mai.
26. Xenroferns lenticularis Olivier. F. und B. Nicht selten. Sept.
27. Xeiiroicrus funiipennis Htg. Lorettobg., Hirzbg. etc. F. Häufig. Oct.
28. Neuroterns nnmisnialis Olivier. B. Einmal. Sept. Viele auf
einem Blatt.
29. Pcdiaspia pseudophdani Mayr. Kybfelsen, F. Juli.
30. lUiodites eglanteriae Htg. Merzenhausen, Hirzbg., F., B. In den
Hecken von Rieden nicht selten. Aug.
3 1 . liliodiles spinusissiitvic Gir. Au bei F. Oct. Einige Stücke.
32. Rliodites rosae L. F. nicht selten; Eisenbahndamm gegen Uffhausen,
Fuchsköpfle, Tunibcrg. B. am Pfänder.
33. Tri(jo>ias])is rcninti Gm. Schönbg., Schloasbg. F. Oct.
28 Heinrich Rössig,
Parasitäre Cynipiden wurden gefunden in den Galleu von
Drijophanta divisa und folii; Andricus cKihminaJis, gjandulae, glohuli,
malpigliii ; Blioditcs cgJanicriae und rosae.
Von Gallfliegen habe ich Hormomyia fagi Htg. zum Vergleich
herangezogen, von Aphiden Aphis mali Fabr. und zwar die Stamm-
mutter und Weibchen.
III. Fixiriiiigs- und Untersiichuiigsmethoden.
Als Fixirungsfltissigkeit habe ich zumeist Sublimat verwendet
und zwar nach Gilson mit der von Petkunkewitsch ') vorgeschlagenen
Modification. Bei jungen Larven wurde dasselbe Anfangs kalt in
Anwendung gebracht. Es lieferte gute Bilder, nur sind die Thiere
geschrumpft. Bei erwachsenen Larven und später auch bei jungen
verwendete ich es nur heiss, liess es einige Secunden einwirken und
setzte dann kaltes zu. Da bei grössern Larven die derbe Cuticula
das Fixirmittel auch so nicht gut durchliess, wurden sie noch mit
einer feinen Nadel angestochen. Die so behandelten Larven erwiesen
sich als gut fixirt und für die weitere Behandlung durchaus brauchbar.
Mit Osmiumgemischen nach Flemminq und Vom Rath habe ich
gelegentlich, vornehmlich junge Larven, fixirt. Die erhaltenen Bilder
waren aber wenig nach Wunsch, die Innenorgane sehen aus wie
verwelkt.
Je nach der Grösse verblieben die Larven 2—12 Stunden im
Sublimat, das dann mit 70 % Alkohol ausgewaschen wurde, dem
etwas lod zugesetzt war. Gehärtet wurden dann die Objecte mit
Alkohol von 96 '7o i^i^id 100 %, darauf durch Xylol in Paraffin über-
tragen. Für junge Larven genügte ein Belassen von V2 — ^ Stunde
im flüssigen Paraffin, für grössere waren wegen des reichlich vor-
handenen Fettkörpers mehrere Stunden erforderlich.
Zur Untersuchung wurden Längs- und Querschnitte angefertigt,
erstere sowohl sagittal als frontal. Die Dicke der Schnitte wurde
nach Bedarf hergestellt, bei kleinern Objecten von 2V2— 5 /.i, bei
grössern von 5—10 /<. Schnitte von 7 /< Hessen sich auch bei
grössern Larven gut anfertigen und bei stärkerer Vergrösserung
untersuchen. Eine Schnittdicke von 15 fi wurde angewendet bei
erwachsenen Wespen, deren hartes Chitin feinere Schnitte nicht ge-
1) PetrunkewitscH, Dr. Das Schicksal der Richtungskörper etc.,
in: Zool. Jahrb., V. 14, Anat., 1901, p. 575.
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 29
stattete, sowie iu solchen Fällen, wo es nur auf Uebersichtsbilder
ankam.
Aufgeklebt wurden die erhaltenen Schnittserien mit Gljcerin-
Eiweiss, zuweist aber mit Wasser, dann gefärbt und in Canada-
balsam eingebettet. Färbemittel waren in den meisten Fällen
Böhmer's Hämatoxylin mit nachfolgender Pikrokarmin-Behandlung.
Diese Doppelfärbung Hess die einzelnen Elemente genügend scharf
hervortreten. In besondei'n Fällen wurden auch andere Farbstoffe
in Anwendung gebracht : Hämalaun, Muchhämatein und ]\Iucikarmin,
Fuchsin, Bismarkbraun, Eosin, Saffranin, Pikro-Nigrosin, Berlinerblau
IV. Aeussere Gestalt der Larven.
A. Berlese 1902 hat dieselbe beschrieben und abgebildet für
Cynips tozae, aber die jüngste Larve, welche er untersuchte, war
3 mm lang. Schon diese Angabe (ganz junge Larven sind nur 400
bis 500 u lang), sowie die beigegebene flg. 65, auf welcher der mit
Nahrung vollgestopfte Magen fast das ganze Thier einnimmt, zeigen,
dass die ..junge" Larve, wie er die abgebildete nennt, ilim nicht
zu Gesicht gekommen ist. Für die während der Puppenreife bis
zum ausgewachsenen Thier vorkommenden Veränderungen der Ge-
stalt verweise ich aber auf die Ausführungen und Zeichnungen von
Beelese, da die von mir gemachten Beobachtungen sich im Wesent-
lichen damit decken.
Die jungen Larven sind an der Bauchseite sehr stark einge-
krümmt, fast kugelförmig (Taf. 3, Fig. 6 a und 7 a). Der Rücken ist
stark gewölbt. Kopf und Füsse fehlen. Der Körper besteht aus 12
Ringeln, von denen die 2 ersten die grössten sind und allein etwa
ein Drittel der gesammten Körperlänge einnehmen. (Bei dieser
Längenangabe und auch bei spätem ist nicht der Rücken-Umfang,
sondern die grösste Sehne gemessen.)
An äusserlich wahrnehmbaren Organen besitzt die kleine Larve
nur die 2 spitzen Zähnchen aus braungelbem Chitin, die von je 2
kräftigen Muskeln beAvegt werden.
Beobachtet man die aus der Galle genommene Larve unter dem
Mikroskop, so sieht man dieselbe zuweilen eine doppelte Bewegung
ausführen, aber immer sehr träge. Einmal krümmt sie die Bauch-
seite stärker ein, um sich dann wieder zu strecken, und dann bewegt
sie die kleinen Chitinkiefer, die sich rhytlimisch öftnen und schliessen.
Wenn die zangenartig über einander greifenden Spitzen sich ge-
30 Heinrich Rössig,
schlössen haben, werden beide Kiefer nach rückwärts und innen ge-
zogen, während gleichzeitig die Unterlippe stärker sich vorwölbt.
Letztere bildet, wie auch die Oberlippe, einen ovalen Wulst. Zwischen
beiden liegen rechts und links die Chitinzähnchen, in der Mitte die
Mundüftnung. Die beiden Wülste dienen offenbar als Widerlager,
wenn die Zähnchen in die Pflanzenzellen sich eingebohrt haben und
durch die erfolgende Rückwärtsbewegung die angebohrten Zellen ab-
reissen. Beyekinck spricht zwar die Vermuthung aus ^}, dass die
junge Larve durch Endosmose sich nähren könnte, weil das primäre
Nahrungsgewebe allseitig mit der Oberfläche des kugligen Larven-
körpers in Berührung sei. Diese Annahme ist wohl unhaltbar. Der
Magen selbst der jüngsten Thiere enthält Nahrung mit Spuren fester
Bestandtheile. Diese sind zwar bei der jungen Larve, wie sich er-
warten lässt, feiner, unterscheiden sich aber nicht wesentlich von
dem Mageninhalte der altern Larve. Wenn man diesen Mageninhalt
auch als breiig bezeichnen will, so kann man doch jedenfalls nicht
mit Kessler (1895) spre'chen von einem „breiigen Nahrungsstoff, der
das Thier unmittelbar umgiebt" -) und es auch bei „weiter fortge-
schrittener Entwicklung noch auf endosmotischem Wege" ernährt.
Die Muskelcontraction, welche das Schliessen der Zähnchen und
das Abreissen der Nahrungstheilchen von der Gallenwand bewirkt,
dürfte zugleich das Hervorpressen des Speicheldrüsen - Secrets be-
sorgen. Es liegt nämlich, wie auch die Fig. 3, 14 und 15 zeigen,
die Ausführöffnung der Speicheldrüsen so, dass dieselbe bei geschlos-
senen, zurückgezogenen Zähnchen und vorgewölbter Unterlippe un-
gefähr die Mitte des entstehenden Wulstes bildet. Nun sah ich
mehrmals unter dem Mikroskop bei einer eben aus der Galle ge-
nommenen, noch nicht 1 mm grossen Larve von Dryophanta divisa
Htg., von jenem Wulste der Unterlippe aus einen hellen Strahl bei
Bewegungen der Larve aufleuchten, der mich sofort an das Bild er-
innerte, das man erhält, wenn gereizte Ameisen im Sonnenschein ihre
Ameisensäure ausspritzen, nur schwächer war natürlich der Strahl.
Als ich dann, um den Zweifel auszuschliessen, ob ich nicht etwa
durch einen blossen Lichtreflex auf der glatten Epidermis irre ge-
führt sei, durch Heben und Senken des Tubus die Larve, welche
noch dieselbe Lage einnahm und die gleichen Bewegungen ausführte,
weiter beobachtete, konnte ich nichts Aehnliches mehr feststellen.
1) Beyeeinck, p. 147.
2) Kessler, p. 18.
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 31
Y. Iimen-Orü^aiie im Allgemeinen.
Die Untersucluiiig- der iimern Larvenorgane durch Präparation
in toto war wegen der geringen Grösse der jungen Larven, die nur
etwa V2 ^"^ beträgt, ausgeschlossen. Sie wurden daher in Schnitten
von 2^2 — 5 fi untersucht.
Im Allgemeinen darf gesagt werden, dass alle Organe sehr weich
und nachgiebig sind. Das zeigen Schnitte durch junge Larven, die
mit kaltem Sublimat fixirt wurden, bei denen die Organe Gelegen-
heit hatten zum Schrumpfen. Dort erscheinen die Innenorgane:
Speicheldrüsen, Magenwand, Oenocyten, MALPiGHi'sche Gefässe ge-
legentlich stark in einander gepresst und in der verschiedensten
Weise eingeschnürt und verbogen (vgl. Fig. 4, 5, 29). Auch sind
Zellgrenzen nicht immer deutlich festzustellen, wohl aber der Um-
riss der Zellkerne. Die Zellkerne sind in allen larvalen Organen
verhältnissmässig gross, enthalten in einer wenig gefärbten, fast
hj'alinen Grundmasse meist zahlreiche deutlich getrennte, wie es
scheint, durch feinstes Netzwerk hier und da verbundene, zuweilen
(ob in Folge mangelhafter Fixirung?) zu kleinern Klümpchen ver-
schmolzene Chromatinkörnchen.
Da bei zahlreichen Larven der Insecten Hautdrüsen vorkommen
(vgl. BoiuiEiiT 1891), welche die verschiedenartigsten Functionen
übernehmen, lag die Vermuthung nahe, dass vielleicht auch bei den
Cynipidenlarven solche zu finden sein möchten und, da sie dem
Pflanzengewebe direct gegenüber liegen würden, den Reiz zur Gallen-
bildung ausüben könnten. So wenigstens könnte es sein bei den
Gallen mit engem Wohnraum der Larven. Es scheint die Mehrzahl
zu sein. Anfangs liegen ja alle direct zwischen und an den Zellen
der Pflanze. Bei Drijophania divisa Htg. aber erweitert sich der
Innenraum der Galle bald bedeutend. Wenn der Querdurchmesser
der Galle 3^/., mm erreicht hat, beträgt der Querdurchnitt des Innern
Hohlraumes 2Vo mm. Die darin liegende kleine Larve ist aber nur
^2 nini lang.
Die Untersuchung ergab aber, dass Hautdrüsen nicht vorhanden
sind. Weder sind die Hypodermiszellen im allgemeinen irgend wie
auffallig modificirt, noch finden sich unter ihnen einzelne, die durch
ihre Grösse ausgezeichnet w^ären. Riesenzellen, die der Körperwand
nahe lagen, vgl. Fig. 2, 4, zeigten keinen Ausführgang und stellten
sich später als Oenocyten heraus. Es blieb daher zunächst Nichts
übrig, als an jene Drüsenorgane zu denken, die durch einen Ausführ-
32 HElNRtCH ßÖSSIG,
gang' mit der Aussenseite des Körpers in Verbindung- stehen. Als
solche aber kommen in Betracht : am vordem Körperende die Speichel-
drüsen, am hintern das Epithel des Enddarms und die Malpighi-
schen Gefässe. Der Mitteldarm mit seinem grosszelligen Epithel
kommt nicht in Frage, weil derselbe hinten blind geschlossen ist
und bis zum Ende der Larvenzeit geschlossen bleibt. Dagegen
mussten jedenfalls die in der Leibeshöhle liegenden Oenocyten wegen
ihrer auffälligen Grösse noch mit berücksichtigt werden.
1. Speicheldrüsen.
Sie sind paarweise vorhanden, haben je einen besondern Aus-
führungsgang, münden aber durch ein uupaares, gemeinsames, kurzes
Endstück der letztern nach aussen auf der Unterlippe (Fig. 13). Sie
liegen im vordem Drittel des Larvenkörpers, rechts und links neben
und etwas unter dem Mitteldarm, umgeben vom Fettkörper. Li der
jungen Larve stösst ihr distales Ende bald direct an die Oenocyten,
bald an die MALPiGHi'schen Gefässe. Die Seitenwand berührt sich
öfter mit der Wand des Mitteldarmes. Von der Hypodermis scheinen
sie regelmässig durch einiges Fettgewebe getrennt zu sein.
Ihre Gestalt ist die eines ovalen bis rundlichen Säckchens,
doch weicht sie in einzelnen Arten etwas ab. Sie wird länger bei
Rhodites rosae L., noch mehr bei Diastroplms rtibi Htg. und schliess-
lich schlauchförmig bei inquilinen Cynipiden [Synergus?].
Bei jungen Brijoplumia divisa-\j2ivyt\\ von 460 i-i Länge erreicht
die Speicheldrüse einen Längsdurchmesser von 73 /<. Die Breite ist
38 /<. Tunica propria und Litima sind sehr fein. Die oft von Secret
bedeckte Intima ist nur wo dieses fehlt mit Sicherheit nachzuweisen.
Die Epithelschicht besteht aus nicht zahlreichen, meist ziemlich
grossen Drüsenzellen, die mehr breit als hoch (vom Lumen der Drüse
aus gerechnet), mit ihrer oft etwas vorgewölbten Breitseite dem
Lumen zugekehrt sind. Hier und da erscheinen dazwischen auch
noch etwas kleinere Zellen. Km medianer Längsschnitt trifft ihrer
insgesammt etwa 10, meist aber weniger, ein Querschnitt nur 3 — 5
(Fig. 10, 13, 11, 12). Die Grösse der Zellen beträgt in der Längs-
axe der Drüse etwa 25 ,«, senkrecht dazu 14 //. Die entsprechenden
Maasse des Zellkernes sind im Durchschnitt 14 /f und 11 //. Wird
die Länge, wie es bei seitlicher Pressung vorkommt, beträchtlicher,
so wird die Breite entsprechend geringer. Das Zellplasma erscheint
homogen. Es nimmt Farbstoffe gut an, färbt sich aber nicht ganz
so tief wie die MALPiGHi'schen Gefässe, mit denen es sonst viel
Vou welchen Orgaueu geht der Reiz zur Bilduug der Pflauzengalle ans? 33
Aehnliclikeit hat bei Färbung- mit Hämatoxylin. Bei einigen Zellen
erscheint es in der Nähe der Kerne etwas tiefer violett gefärbt als
in seinen Randpartien. Der ziemlich giosse Zellkern liegt ungefähr
in der Mitte des Plasmas. Er ist rund bis oval, sogar länglich und
erreicht etwa den halben Durchmesser der Zelle. Seine Grundsubstanz,
das Paranuclein, ist hell und fast durchsichtig, so dass die lebhaft
gefärbten Chromatinkörnchen deutlich zu unterscheiden sind und in
ihm zu schwimmen scheinen.
Das Lumen der Drüse ist deutlich. Es enthält immer Spuren
gefärbten Secrets, bald mehr, bald weniger. Hämatoxylin färbt dieses
nicht, wohl aber Eosin und Pikrokarmin. Zuweilen liegt es nur als
ein dünner Ueberziig in der Nähe der Zellen (Fig. 11), ein andermal
füllt es das Säckchen vollständig aus. Letzteres ist z. B. der Fall
bei der Fig. 12, die einer c^msa-Larve vom 27. Juli angehört. Die
Gallen waren am 24. gesammelt, blieben aber bis zum 27. liegen und
waren schon stark gew^elkt. Die Larven wurden dann nach Vom
Eath iixirt. Das Secret ist mit Karmin lebhaft roth gefärbt und
zeigt bei diesem Präparate netzförmig-schaumige Structur. Zumeist
erscheint es (nach Sublimatüxii-ungj fädig bis deutlich netzförmig mit
Körnchen an den Kreuzungspunkten der Fädchen. So ist es beson-
ders bei den jüngsten Larven (Fig. 10, 11). An der rotlien Färbung
leicht kenntlich, lässt es sich auf manchen Schnitten noch ziemlich
weit in den Ausführungsgang verfolgen, fast bis zur Stelle, wo die
beiderseitigen Ausführgänge zusanimentretfen. In dem vordem ge-
meinsamen Abschnitte habe ich niemals Secret wahrgenommen.
Der Ausführgang der Speicheldrüsen (Fig. 10) erreicht etwa die
Ijänge dieser selbst. Er ist schwach aufwärts und zur Mittellinie
des Thieres hin gebogen und vereinigt sich vor dem Unterschlund-
ganglion mit dem anderseitigen Gange zu einem kurzen, gemeinschaft-
lichen P^ndstück. Die 3 Lagen sind deutlicher als in der Drüse zu
eikennen, die Epithellage ist aber bedeutend geringer entwickelt.
Die Zellen und ihre Kerne sind nicht viel grösser als z. B. bei der
Hypodermis, rundlich oder oval, 2^1-^ — 7 /< lang. Da Zellplasnia wenig
vorhanden ist, beziehen sich diese Angaben fast ausschliesslich auf
die Zellkerne, deren Nucleinkörnclien deutlich isolirt und scharf ge-
färbt sind. Das Lumen des Ganges schwankt zwischen 3 und 5 f.i
und wird auf dt^ni (Querschnitt von zumeist 4 Zellen umgeben. Eine
secernirende Tliätiiikcit dai-f man diesem Abscimitte füglich ab-
sprechen.
Von diesem der Üi'üse anliegenden paarigen Abschnitte des Aus-
Zool. Jahrb. XX. Abtli. f. Syst. 3
34 Heinrich Eössig,
fiihrgano-es uiitersclieidet sich dentlicli das nach Vereinigung* der 2
Ausführgäiige entstehende kurze unpaare Endstück. Anfangs liegen
die Zellkerne hier nur stark angehäuft, erscheinen aber sonst nicht
abweichend von denen des voraufgehenden Abschnittes. Aber schon
bald wird Gestalt und Structur der Zellen dieses Abschnittes eine
andere. Zelle und Kerne werden spindelförmig und stellen sich mit
ihrer Längsaxe fast senkrecht zum Lumen des Ausführungsganges.
Auch stehen sie dicht gedrängt. So erscheint dieser Abschnitt dicker
und, wie Längsschnitte zeigen, spindelföi-mig. Auch zeigt er wohl
(Fig. 15) ein vergrössertes, säckchenförmig erweitertes Lumen. Bei
der Frage nach der Bedeutung dieser Verdickung Hess die Lage
derselben trotz der structurellen Verschiedenheit an einen discreten
Vergleich mit der „Fadenpresse" der Spinnerraupen denken. Aber
es ist mir nicht gelungen, eine Eingmusculatur aufzufinden. Da dieser
Abschnitt aber offenbar dazu bestimmt ist, der Entleerung des
Secrets zu dienen, so müssen wir annehmen, dass bei den Contrac-
tionen der Zahn- und Lippenmuskeln dieses verdickte Stück einem
lebhaftem Drucke seitens der Gewebe ausgesetzt ist, so dass recht
wohl das in ihm angesammelte Secret in einem kleinen Strahl aus-
gepresst werden kann.
Mit dem Wachsthum der Larve nimmt auch die Grösse der
Speicheldrüsen zu, behält aber dieselben Maasse relativ zur Körper-
grösse bei. Das Wachsthum ist daher in den ersten AVochen kaum
zu bemerken. Erst nach 4 Wochen etwa hat die Drüse die doppelte
Länge erreicht, aber nicht durch Vermehrung, sondern durch Ver-
grösserung der vorhandenen Zellen, die ihren runden bis ovalen
Kern und ihr sonstiges Aussehen behalten, wie zuvor. Nur der
Kerninhalt wird nach einiger Zeit etwas heller, wohl schon in Vor-
bereitung der folgenden auffallenden Aenderung der Gestalt, die
sich vollzieht zur Zeit, wo die Larve aufhört Nahrung zu sich zu
nehmen. Es sind die ersten Anzeichen der beginnenden Degeneration,
die in erster Linie die Gestalt und das Aussehen des Zellkerns
treffen. Derselbe verliert mehr und mehr seine ovale Form und
wird stark verästelt. Es löst sich, scheint es, die Kernmembran an
der dem Drüsenlumen zugekehrten Seite, die Kernmasse treibt viele
spitze Fortsätze hervor in der Richtung zur Drüsenmitte, während
die dem Lumen abgekehrte Seite noch ihre Membran und rundliche
Gestalt behält. Der Kern hat jetzt Körbchenform. Je nach der
Richtung, in welcher er vom Schnitte getroffen wird, ist sein Bild
verschieden. Mediane Längsschnitte geben halbmondförmige Figuren
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bihlung der Pflanzengalle aus? 35
mit g-ezälmteiii Iiineiiraiide, FroDtalschnitte solclie mit durclibroclienen
und mannigfach verzweigten Kernen (Fig. 13). Wieder etwas später
beginnen die scharfen Fortsätze sich zu verlieren, Kern und Plasma
werden sich ähnlicher in der Färbung. Das Plasma ist violett, nur
etwas heller als die mehr blauschwarzen Kernmassen, deren einige
in ihren mittlem Partien nur Pikrin aufgenommen haben. Das
Plasma ist homogen, aber von zahllosen grossem und kleinern
Vacuolen durchsetzt. Diese liegen mehr in der vom Lumen der
Drüse abgewendeten Theile, aber nicht ausschliesslich. Zuweilen
enthält auch der Kern, dessen Chromatin mehr und mehr verklumpt,
solche Vacuolen, besonders in seinen Randpartien. Färbbares Secret
habe ich in diesen Stadien und später im Lumen des Drüsen-
säckchens nicht mehr gefunden.
^\'ährend dann die Vacuolen mehr und mehr sich verlieren,
schrumpfen auch die Zellen nach und nach zusammen. Fig. 14.
Jetzt verschwindet auch das Lumen, das Säckchen fällt zusammen,
Fig. 16, nur unbestimmte Ueberreste des frühern Epithels liegen
noch darin.
In dieser Zeit beginnen aber die Imaginalscheiben des künftigen
Kopfes lebhaft zu wachsen. Die Mundanlagen schieben sich vor.
Da nun das vordere Ende der Speicheldrüsen, das Endstück des
Ausführganges, an diesen fest geheftet bleibt, und andrerseits die
Propria der Speicheldrüsen und ihre Verbindung mit dem Kücken
der Larve sich erhält, so werden die Speicheldrüsen jetzt zu einem
dünnen, engen Rohr ausgezogen, das nur da, wo noch Kernreste in
ihm liegen, etwas erweitert ist. cf. Fig. 19 d.
Die Veränderungen am Ausführgange sind nicht bedeutend.
Die Intima, welche zu beträchtlicher Dicke herangewachsen war
und sich in Ringfalten gelegt hatte, Fig. 13, verschwindet zwar
gleichzeitig. Das Epithel aber bleibt und vermehrt sich, wie die
Menge der nachher zu findenden Zellkerne beweist. Der von
KowALEwsKY (1887) für die Museiden nachgewiesene Imaginalring,
von dem die Neubildung des Speicheldrüsenepithels ausgeht, findet
sich also, wie Fig. 19 a zeigt, auch bei den Cynipiden.
In der Pupi)e und der eben ausgeschlüpften Wespe, liegen die
Speicheldrüsen im vordem Abschnitte des Thorax, rechts und links
oben, vor den Flügeln. Sie bilden, wie Fig. 20 u. 21 zeigen, auch
jetzt Säckchen. Der Längsdurchmesser beträgt etwa 225 /<. ^lan
findet noch grosse Klumpen einer dunklen I^lasse im Drüsenlumen.
Nach ihrem Aussehen sind es die letzten Reste der larvalen Drüsen-
3*
36 Heinrich Rössig,
kerne, die noch nicht völlig- aufgelöst sind. Der Zellenbelag der Drüsen-
wand ist jetzt nicht verschieden von dem des Ausführganges, beide
sind klein. Die Zellen sind mehr breit als hoch, sonst nicht typisch.
Ein Blick auf dieselben lässt erkennen, dass sie nicht mehr die Be-
deutung haben im Leben der Wespe, wie die Speicheldrüsen mit
ihren grossen Zellen in der Larve. Thatsächlich ist es ja auch
zweifelhaft, ob das ausgewachsene Thier Nahrung aufnimmt, da viele
Arten, sobald sie die Galle verlassen haben, sich zur Eiablage auf
die Knospen begeben und schon bei dieser Arbeit absterben, so dass
man im Herbst die Thiere in der Stellung, die sie beim Stechen
einzunehmen pflegen, todt auf den Knospen finden kann. Flüssig-
keiten werden sicher aufgenommen. Als ich, um Eosenbedeguare
feucht zu erhalten, in den Gazekasten Wasser einspritzte, tranken
schon ausgeschlüpfte Wespen begierig von den Tröpfchen.
Phagocytose habe ich, soweit die Speicheldrüsen in Frage
kommen, nicht beobachtet. Wohl habe ich bei Larven von Diastro-
phus ruhi und lihodifes rosae, die dicht vor der Verpuppung standen,
reichlich Phagocyten in der Leibeshöhle gefunden, auch in der Nähe
der Speicheldrüsen, aber ich habe sie niemals in die Drüse eindringen
sehen.
Bei den am häufigsten untersuchten Museiden haben sich mit
Ausnahme von Kowalewsky (1887) alle Autoren des 19. Jahrh. gegen
eine Phagocytose ausgesprochen oder lassen sie doch nur in be-
schränktem Maasse zu. Nach den Arbeiten der letzten Jahre von
Kellog (1901) und Vaney (1902) scheint es, als ob sie auf bestimmte
Arten beschränkt sei. Ersterer fand sie bei Holorusia nicht, bei
Bkpharocera sehr lebhaft. Vakey fand bei Chironomus keine, bei
Simulia fast keine, sehr lebhafte hei Gastmphikts. Dabei constatiren
beide, dass die Arten, bei denen sie vorkommt, sich langsamer ent-
wickeln als jene, bei denen sie fehlt, dass also die von Van Rees
ausgesprochene Annahme, dass eine Intervention der Phagocyten
durch die längere oder kürzere Zeit der Puppenruhe bedingt sein
möchte, nicht zuzutreffen scheine. Die zahlreich vorhandenen Phago-
cyten bei Diastroplms ruhi und jRhodites rosae, bei denen im Laufe
eines Jahres nur eine Generation erwächst, sprechen ebenfalls gegen
diese Annahme.
Soweit andere Hymenopteren in Frage kommen, sagt Kakawaiew
(1898) von Lasius, dass keine Phagocytose vorhanden. x4nglas (1900)
fand Leukocyten bei den von ihm untersuchten Hymenopteren, aber
immer nur in geringer Zahl und sagt von ihnen: „On ne peut
Von welchen Organen geht der Eeiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 37
jamais constater qu'ils agissent comme phagocytes." Wo ich sie
fand, waren sie immer sehr zahlreich vorhanden, lagen z. B. in Haufen
in der Nähe der Hypodermis, der Larvenmuskeln, des Mitteldarmes
Da an diesen Stellen die Hj^podermiszellen, die Muscularis des jMittel-
darmes verschwunden waren, die ]\Iuskeln der Körperseite gleich-
falls, darf man wohl mit Recht auf eine Betheiligung der Leukocyten
schliessen.
I m a g i n a 1 e K 0 p f d r ü s e n. Es ist aus den Untersuchungen von
ScHiEMENz (1883) und Bokdas (1895) bekannt, dass die Imagines der
Hymenopteren in Kopf und Thorax eine grössere Anzahl von Drüsen
besitzen, die bei andern Insecten nicht vorkommen. Ersterer wies
bei der Honigbiene 5 Systeme nach, die er mit römischen Ziffern
bezeichnet. Nr. I — IV sind paarig vorhanden, V ist unpaar. Bokdas
bestätigt diese Angaben und dehnt sie auf eine grössere Anzahl von
Hymenopteren aus. Nach ihm besitzen die Bombus-Arten die meisten
Drüsensysterae, 9 an der Zahl, die der Verfasser mit besondern
Namen belegt. Alle andern untersuchten Arten haben weniger, aber
doch keine weniger als 5. Cynipiden sind von B. nicht untersucht.
Die verschiedenen Drüsengruppen sind zum Theil als imaginale Ab-
zweigungen der larvalen Speicheldrüsen und ihrer Ausführgänge an-
zusehen, theils aber sind es vollständige Neubildungen.
Die von mir untersuchten Cynipiden besitzen nur 2 Paar von
Drüsen: das aus der larvalen Drüse hervorgehende Thoraxdrüsen-
paar und ein neu entstehendes Paar von Kopfdrüsen, das vor dem
Obersehlundganglion, zwischen Antennen und ^Mandibeln, gelegen ist.
Jede Drüse hat ihren besondern Ausführgang, dessen Oeffnung in
der Falte des Mandibulargelenkes liegt. Sagittalschnitte durch diese
Drüse und den Ausführgang geben die Figg. 22 und 23 wieder. Sie
sind einer Puppe von Neuroterus trkolor Htü. entnommen, die dem
Ausschlüpfen nahe ist, w^eil bei den erwachsenen Wespen das feste
Chitin des Kopfes die Schnitte fast immer lädirte. Dort scheint nur
eine einfache Epithelzellenlage vorhanden zu sein, es ist daher nicht
ausgeschlossen, dass die auf Fig. 22 im Innern der Drüse liegenden
Kerne später noch zwischen die F]pithellage einwandern. In den
Drüsenzellen sind die Kerne deutlich und haben körniges Chromatin.
Sie liegen der Peripherie der Drüse genähert. Secret ist in der
Drüse noch nicht zu bemerken. Feinste Fädchen, welche gelegent-
lich die Zellen verbinden, scheinen dem Zellplasma anzugehören.
Kräftigfe Tracheen und Nervenäste treten an die Drüse heran und
38 Heinrich Eössig,
senden auch feine Fortsätze zwischen die Zellen derselben hinein.
Der Ansführg-ang ist der Lage der Drüse entsprechend nnr kurz.
Diese Kopfdrüse der Gallwespen entspricht der von Schiemenz
als Sj^stem IV bezeichneten Drüse der Honigbiene. Sie w^ar von
Wolf und GtEaber als Geruchsorgan gedeutet („Eiechschleimdrüse"
Wolf's). Schiemenz stellt diese Bedeutung in Abrede und erklärt sie
bei der Biene für eine Speicheldrüse. Boedas nennt sie glandes
mandibulaires externes und sagt von ihnen : ,,Les glandes mandibulaires
en forme de saccules ovoides, toujours tres nettes, tres characteristiques,
se rencontrent chez töus les Hymenopteres et vont deboucher par nn
canal tres court ä la base de la mandibule" p. 194. Letzteres trifft
also auch für die von Boedas nicht untersuchten Cynipiden zu.
Speicheldrüsen a' e r s c h i e d e n e r Arte n.
Bei den Arten der Gattungen: Andriais, JBiorhüa, Cynips, Dryo-
pJianta, Xexrofcrus und Trigonaspis hat die Speicheldrüse die Gestalt
eines ovalen Säckchens. Sie wird länger bei Rhodifes rosae, mehr
noch bei Biastroplms rnhi und vor allem bei den inquilinen Cyni-
piden.
Bei einer jungen rosae-Larve von 856 ,a Länge (es ist hier auch
auf die mehr gestreckte Larven form hinzuweisen) erreicht das Säck-
chen der Speicheldrüse 285 //, das ist % der Körperlänge. Es ist,
wie Fig. 3 erkennen lässt, fast so lang wie der Mitteldarm, die
Epithellage ist schwach entwickelt, Secret ist reichlich vorhanden
und erscheint als feines schwach rosa gefärbtes Netzwerk. Bei
diesen Abweichungen im Bau der Larve kann ich den Verdacht nicht
unterdrücken, dass mir für die jüngsten Stadien nicht wirkliche
ro5«<?-Larven, sondern vielleicht Parasiten derselben in die Hände ge-
kommen sind.
Von ruU standen mir gleicli junge Larven nicht zur Verfügung.
Die altern zeigen grosse Aehnlichkeit mit denen von rosae, die Drüsen
sind eher noch etwas länger.
Von den parasitären Cynipiden gilt das in erhöhtem Maasse.
Es sind Larven, die zu mehreren. 5 — 7, in den glohuU-GdLW^w lagen
und durch eine feine, gesponnene, seidenpapierdünne Wand sich gegen
einander abgegrenzt hatten. Das distale Ende der Speicheldrüse
reicht über die Ansatzstelle der MALPiGHi'schen Gefässe am Mittel-
darm noch hinaus. Die halb schematische Fig. 24 zeigt einen Längs-
schnitt derselben. Sie enthält zahlreiche Epithelzellen, deren Grösse
denen der übrigen Cynipiden gleich kommt. Sie sind gegen das
Von Avelchen Organen geht der Eeiz zur Bildung- der Pflauzengalle aus? 39
Lumen etwas vorgewölbt. Ihr Plasma ist auf dem untersuchten Stadium
dunkel violett, hat zahlreiche kleine runde Vacuolen. Der Kern ist
aufgehellt, mehr lang" als breit, vereinzelt verzweigt oder halbmond-
föimig. Die Chromatinkörnchen sind unregelniässig angeordnet, hier
und da verklumpt. Ein Bild vom Aussehen der Zellen giebt Fig. 17.
Die Zellen stehen oftenbar im letzten Stadium der Thätigkeit, dicht
vor der Degeneration.
Dei' grössern Längenausdehnung steht auch eine Erweiterung
des Lumens zur Seite. Es ist strotzend gefüllt mit einem Secret,
das bei der Doppelfärbung Hämatoxylin-Fikrokarmin lebhaft kar-
moisinroth wird, mit Hämatoxylin-Pikronigrosin blaugrau bis grün-
lich-grau. Es erscheint homogen und dicht, nur nahe am Protoplasma
der Zellen ist es hier und da etwas netzartig durchlöchert. Es zeigt
sich also nach 3[enge, Struetur und Färbung verschieden von dem
der echten Cynipiden. Diese Larve hat noch den ^litteldarm gestopft
voll von Pllanzenbrocken. Einzelne derselben sind am l^ande roth
gestreift oder einseitig roth gefärbt wie das Speicheldrüsensecret.
Es macht den Eindruck, als ob beim Abreissen der Zelle vom Secret
der Speicheldrüsen etwas daran gekommen.
Zum Vergleich der Speicheldrüsen habe ich ein Schmetterlings-
räupchen geschnitten, das in den ersten Frühlingstagen in den noch
geschlossenen Knospen der Rosentriebe lebt {Tortrix'^). Es wurde in
gleicher Weise fixirt und gefärbt, und es ergiebt sich die über-
raschendste Aehnlichkeit zwischen dem Secret der Spinndrüsen und
dem Speicheldrüsensecret der inquilinen (\vnipiden. Somit erscheint
die Folgerung nicht unberechtigt, dass bei den parasitären Cynipiden
die Speicheldrüse zur Spinndrüse geworden, resp. dass je nach den
Arten das gleiche Organ bei den Cynipiden als Si)eichel- oder als
Spinndrüse functionirt.
Speicheldrüsen verschiedener Hymenopteren.
Nach BoRDAs (1895) sind die Speicheldrüsen der Larven von
Vespa so laug, dass sie fast bis zum Hinterende der Larve reichen
und gleichmässig cylindrisch. Sie variiren nach den einzelnen
ilymenopteren-Arten sehr, von ganz kurzen geraden bis zu solchen,
welche in tausendfältigen A\'indungen sich durch das Fettgewebe
ziehen. Auch ist allen Allen gemeinsam, dass die Ausführgänge
kurz vor der Ausmündungsstelle zu einem kurzen bis sehr kurzen
gemeinschaftlichen P^ndstück sich vereinen.
Bei Vespa soll die Grösse der Zellen 0,4 — 0,6 mm erreichen und
40 Heinrich Rössig,
die der MALPiGHi'schen Gefässe um die Hälfte übertreifeii. Dabei
sind die Zellen heller und durchsichtiger. Aehnlich werden die
Speicheldrüsen verschiedener J5o/«Jm5- und Psithyriis- Arten beschineben,
nur sind sie kürzer, erreichen nur etwa Vs der Körperlänge. Nicht
viel verschieden davon sind sie bei den Larven von Polistes, Ammo-
phüus, Chrysis etc. (Die letztern würden sich also denen der Cyni-
piden nähern.) Bis zum Puppenstadium unterliegen sie keiner Ver-
änderung.
Den von Bütschli (1870) für die Speicheldrüsen angegebenen
Spiralfaden findet auch Bordas bei den untersuchten Hymenopteren.
— Bei den Cj^nipiden fehlt er immer, nur im Ausführgange findet
er sich.
Auerbach (1874), Viallanes (1882), Bordas (1895) finden, dass
die Degeneration der secernirenden Zellen der Speicheldrüsen von
vorn nach hinten fortschreitet. Das ist bei den verhältnismässig
kleinern Gallwespendrüsen nicht zu beobachten. Die Degeneration
setzt bei allen Zellen gleichzeitig ein und schreitet auch so voran ;
Bilder der spätem Stadien, wie sie Fig. 19 bringt, lassen eher auf
eine weiter fortgeschrittene Zerstörung der letzten Zellen schliessen.
Die Gallmücke Horniomyia fagi Htg.
Bei dieser sind die Speicheldrüsen bei der Larve im Juli, wenn
die Galle noch wächst, zwei ungemein breite Zellenmassen (Fig. 25).
Zellgrenzen sind nicht überall deutlich. (Vielleicht ist bei der
Fixirung mit kaltem Sublimat die Flüssigkeit durch die dicke
Cuticula zu langsam eingedi'ungen.) Die Larven sind stark ge-
schrumpft, die Organe gepresst. Die kleinen Zellkerne (alle Kerne,
auch bei der erwachsenen Larve, sind auffallend klein) sind deutlich,
liegen der Aussenseite der Zellen näher und enthalten wenige, 3 — 6,
aber dicke Chromatinschollen. Durch die Drüse zieht sich ein feiner
Chitincanal. In seiner Nähe ist das Plasma etwas heller. Im
übrigen ist es schwach netzartig structurirt und zeigt Granulirung.
Der Farbton ist in Speicheldrüse und MALriGHi'schen Gefässen
derselbe.
Die spätem Larvenstadien wurden mit heissem Sublimat be-
handelt und angestochen. Sie gaben gute Bilder. Diese zeigen,
dass die Speicheldrüsen stark entwickelt sind. Es sind jetzt zwei
Schläuche, die das sehr kurze Endstück des Ausführganges gemein-
schaftlich haben. Da der feine weisse Deckel im Boden der reifen
Galle aus sehr feinen Fäden besteht, Horniomyia fagi also wirklich
Von welchen Organen geht der Eeiz zur Bihlnng- der Pflanzengalle ans? 41
spinnt, darf man diesen nur 45 /< langen Abschnitt wohl als Faden-
presse ansprechen und wenigstens einen Abschnitt der Drüse als
Spinndrüse bezeichnen. Der vordere unpaare Abschnitt (cf. Fig. 26)
hat nur eine Breite von 9 i-i. Es ist ein Spiralfaden vorhanden von
nur 1,8—2,7 f.i Durchmesser, der sich theilt, um sich auch durch die
zwei folgenden Abschnitte der Drüse zu erstrecken, die jeder Drüse
besonders zukommen. Der nächste beginnt mit einer Breite von
9 fi, bleibt aber nur auf eine Länge von 36 n so eng. Dann be-
ginnt das Drüsenei)ithel, und die Breite dieses Theiles steigt ziem-
lich unvermittelt auf 00 /<, seine Länge beträgt etwa V3 der Ge-
samtlänge der Speicheldrüse. Der dritte und eigentliche Drüsen-
theil macht -.5 der Länge aus. Er ist stark Sföi-mig gekrümmt
und sein t]ndstück zurückgebogen, so dass es wieder näher nach
vorn liegt. Die grösste Breite beträgt etwa 135 /<, übertrifft also
die Breite des voraufgehenden Abschnitts um mehr als das Doppelte.
Auch seine Zellen sind grösser. Während die des mittlem Ab-
schnittes bis 27 .« erreichen, haben sie hier durchschnittlich 125 «
im grössten Durchmesser, ihre Kerne 63 u. Nach aussen geradlinig
begrenzt, wölben sich die Zellen abwechselnd von rechts und links
gegen die Mitte vor. Der Spiralfaden ist daher wellenförmig ge-
bogen.
Die weitere Entwicklung habe ich nicht verfolgt.
2. Oenocyten.
In den Larven und den Imagines der Insecten treten eine An-
zahl von Gebilden auf, die manches Gemeinsame haben und daher
leicht, besonders wo es sich um jugendliche Stadien derselben
handelt, mit einander verwechselt werden könnten. Es sind einzeln
liegende oder lose an einander gereihte Organe von meist runder
Gestalt, deren Zellplasma nach Structur und Färbung viel Aehnlich-
keit hat. Ich denke dal)ei an die Blutkörperchen (Leukocyten,
Phagocyten), die Pericardialzellen, die larvalen und imaginalen
Oenocyten und die jungen Fettkörperzellen. Alle diese Zellelemente
sind wolil untei' dem Namen Blutgewebe zusammengefasst oder auch
dem Fettkürper zugewiesen. Von diesen sind die Blutkörperchen
an ihrer stets geringen Grösse leicht zu erkennen. Die Pericardial-
zellen wurden schon 1873 von Gkabkr scharf charakterisirt und
vom Fettkörper getrennt. Die übrigen Zellen sind erst in jüngster
Zeit Gegenstand besonderer Studien geworden und dabei sicher
definirt. Den ersten Forschern, welche über den Fettkörper
42 Heinrich Rübsig,
schrieben, war der Unterschied zwischen den larvalen und imagi-
nalen Oenocyten überhaupt nicht bekannt. Es kann daher nicht
Wunder nehmen, dass es nach der Beschreibung heute oft unsicher
bleiben muss, welche Art ein Autor vor Augen hatte. Ausserdem
haben verschiedene Forscher dieselben Organe unter ganz ver-
schiedenen Namen beschrieben. Es möge daher im Folgenden zu-
nächst ein historisches Eeferat folgen über die Arbeiten, welche mit
den Oenocyten sich beschäftigen. Es wird zum Verständnis der
folgenden Untersuchung beitragen und dürfte solchen, die in Zukunft
mit diesen Gebilden sich zu befassen haben, die Orientirung er-
leichtern.
Der erste, welcher die Oenocyten als besondere Organe be-
achtete, scheint M. Fabee (1856) zu sein. Sikodot (1858) citirt aus
einer Arbeit desselben über die Entwicklung der Larven der
Sphegidae, dass derselbe von den ersten Tagen (?) an weisse Flecken
unter der Haut beobachtete. Diese gewinnen rapide an Zahl und
Umfang und dringen schliesslich in den ganzen Körper ein, ausge-
nommen die 2 oder 3 ersten Segmente. Beim Oefthen der Larve
sieht man, dass diese Punktirungen dem Fettgewebe angehören und
ein gut Theil desselben ausmachen. Das Fettgewebe besteht aus
zwei Theilen, einem gelblichen, der nur Fett umschliesst und einem
Stärkemehl weissen, welcher Körnchen von Harnsäure enthält.
SiRODOT selbst untersucht eine Aramophilide, Bombex vklua, und
findet dort dasselbe. Während es hier unklar bleibt, welche Art
derselbe gesehen, scheint er bei der Seidenraupe beide Arten vor
Augen gehabt zu haben. Sein tissu cellulaire sous-cutane der
tab. 19 fig. 2 u. 7 ist nach der Beschreibung wohl nichts Anderes
als die neu sich bildenden imaginalen Oenocyten, während die fig. 9
auf tab. 20 („La glande composee de fig. 9 observee dans la voisinage
d'un stigmate, penetre assez profondement dans le tissu adipeux."
p. 324) die etwas ungenau gezeichneten, traubenförmig an der
Trachea gelagerten larvalen Oenocyten sind.
Kr)LLiKER (1857) macht aufmerksam auf dieselben in einer Ab-
handlung über Lampijns nodiluca.
Landois (1865) unterscheidet sie vom Fettgewebe. Er schlägt
den Namen „Respirationszellen" vor, weil er sie zugleich mit
den Tracheen als Kespiratiousorgane ansehen möchte, und zwar die
Zellen als secernirende, die Tracheen lediglich mehr oder weniger
als Ausführungsgang derselben.
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 43
Takgioni Tozzetti (1870) beschreibt und bildet sie ab beim
Leuchtkäfer (Berlese.).
Haberlandt (1872) findet sie bei der Seidenraupe und hält sie
für ein Org-an von unbekannter Function.
Grahkr (1873) unterscheidet scharf zwischen Pericardialzellen
und den Oenocyten. die er „eingesprengte Zellen" nennt. Vom
Fettkörper unterscheidet sie deutlich ihr abweichendes chemisches
Verhalten. Sie werden in kochender verdünnter Essigsäure und selbst
in kochender verdünnter Kalilauge nicht aufgelöst. Er tritt der
Auffassung von Laxdois entgegen und sagt: Ohne Zweifel haben wir
es hier mit eigenartigen einzelligen Drüsen zu thun, über deren
Secret allerdings nicht das Geringste bekannt ist.
TiCHOMiRow (1882) nennt sie ..Drüsenkörper".
Carxoy, J. ß. (1885), beobachtet sie und unterscheidet sie vom
Fettkörper. „Le tissu adi])eux proprement dit comprend deux sortes
d'elements. les cellules ä graisse et les cellnles jaunes intercalees
(eingesprengte Zellen de Grajjer)." Sie sind bei den meisten Arthro-
poden vorhanden, und er findet in ihnen zuweilen Krystalle (von
Uraten?). Er lässt sie in Folge Durchschnürung sich vermehren.
„11 n'est pas rare de trouver de ces cellules en voie de segmentation."
v. WiELowiEjsKi (1886), der sie schon im Jahre 1882 erwähnt
hatte, schlägt in seiner Arbeit „Ueber das Blutgewebe der Insecteu"
den Namen „Oenocj'ten" vor für eine Gruppe von Zellelementen,
welche zu 5 an den Seiten der Abdominalringe von Chironomus liegen,
nicht zum Fettgewebe gerechnet werden können, an Tracheen be-
festigt sind und durch ihre weingelbe Farbe auffallen (p. 515). Er
unterscheidet 2 Arten, grosse und kleine. Letztere findet er be-
sonders an der Bauchseite der letzten Thorakal- und der Abdominal-
segmente. Er stellt das Vorkommen beider Arten in einer ganzen
Anzahl von Insecten der verschiedenen Classen fest, und sagt speciell
von den Hymenopteren, dass in den Imagines von Apis, Vcspa
und Bomhus die Oenocyten den Fettzellen angelagert sind, typisch
rundlich und von weingelber Farbe, den kleinsten Fettzellen an
Grösse etwa gleich. Sie sind häufig und gleichmässig im Körper
vertheilt, und homolog den „kleinen Oenocyten" anderer Insecten.
Von den Larven sagt er, dass die Grösse von Oenocyten und Fett-
zellen etwa gleich ist.
KowALEwsKV (1887i zeichnet sie in tab. 21 fig. 2 von Musciden-
larven und nennt sie schlechthin „Drüsen".
44 Heinrich Eössig,
Pekarski (1889) widmet iliiien (nach Koscheyndcov) als ,,Peri-
t räche alz eilen" eine besondere Arbeit (russisch geschr.). Er
beschreibt sie von Larve und Puppe von Hyponomeiita, von der Imago
von Pieris hrassicae. Bei Tenebrio molitor verringern sich die Zellen
bei der Puppe etwas an Grösse, nehmen aber zu an Zahl, man dürfe
also auf Vermehrung schliessen. Die Peritrachealzellen sollen weder
bei Fütterung noch bei Injection färbende Substanzen aufnehmen.
ScHÄFFER (1889) findet und beschreibt sie bei der Eaupe von
Hyponon)eiifa. Auf der tab. 30. fig. 32 zeichnet er ausserdem einen
Schnitt, auf welchem aus der Hypodermis Zellen entstehen, „die
vielleicht den Fettkörper der Imago liefern".
Im Jahre 1891 erschien die 10 Jahre lang von den Forschern
übersehene italienische Arbeit von Verson u. Bisson, welche sich
nur mit der Entwicklung der Larval-Oenocyten befasst. Die mit
Seidenspinnerraupen angestellten Untersuchungen ergaben folgende
Thatsachen.
In den Eiern, die 16 Tage bis zum Ausschlüpfen der Larve ge-
brauchen, waren die Oenocyten mit Sicherheit erst am 7. Tage fest-
zustellen. Sie hatten dann 7,5 fi Durchmesser, beim Ausschlüpfen
20 ^i. Beim Ausschlüpfen haben sie schon eine Veränderung durch-
gemacht, indem der Kerninhalt, das Anfangs körnige, gleichmässig
vertheilte Chromatin zu grössern Chromatinklumpen sich zusammen-
ballte und dieses Stadium wieder einem zweiten mit gleich regel-
mässig wie zu Anfang vertheilten Körnchen Platz machte.
Mit der Zunahme der Körpergrösse wächst auch die Grösse der
Oenocyten, so dass sie schliesslich in der 9 Tage alten Puppe ihre
grösste Ausdehnung mit 136 iii erreichen. Aber das Wachsthiim geht
auch in der Larve in besonderer Weise vor sich, nicht gleichmässig,
sondern stufenweise, Kern und Plasma betheiligen sich abwechselnd
daran. Zuerst wird der Kern gross und rundlich, seine Körnchen
lagern deutlich getrennt und zahlreich in einer durchsichtigen, wenig
färbbaren j\Iasse. Dann beginnen die Chromatinkörnchen zu ver-
klumpen und in der Nähe des Kernes Vacuolen im Plasma sich zu
zeigen, die grösser und zahlreicher werden, wie der Kern kleiner und
die ihn umschliessende Membran faltiger und unregelmässiger wird.
Dann zeigt das vergrösserte Plasma einen hellen, wenig färbbaren
Hof (aureole), und wenn dieser zu schwinden beginnt, fängt sogleich
der Kern wäeder an sich auszudehnen und abzurunden. Dieser Vor-
gang wiederholt sich 3— 4 mal in der Larve. Während der ersten
Häutung und meist auch der zweiten zeigen die Oenocyten gerade
Von welchen Organen geht der Eeiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 45
das Stadium, in welchem der Kern stark geschrumpft, die Plasma-
masse aber von einem weniger als sie selbst gefäi-bten Hofe um-
g-eben ist. Bei den spätem Häutungen besteht dieses Zusammentretfen
nicht mehr, so dass es zweifelhaft bleibt, ob dasselbe zu den ersten
Häutungen in physiologischei- Bezielmng steht oder nicht. Immerhin
stellte auch diese Untersuchung fest, dass die Oenocjien Drüsen-
elemente sind, deren secernirende Thätigkeit in einem deutlichen
periodischen Ehythmus erfolgt und dass an ihrer secernirenden Thätig-
keit der Kern einen directen Antheil nimmt (p. 16).
Veksox nennt diese Oenocyten nach ihrer Lage im Körper der
Raupe: „cellule glandulari hypostigmatiche".
Im Jahre 1892 veröffentlichte Verson eine zweite Arbeit über
die zweite Art von Oenocyten, die kleinen Oenocyten von Wielo-
wiEjsKi, Avelche er wiederum nach ihrer Lage im Körper benennt,
und zwar als „cellule glandulari epigastriche". Sie erscheinen 2 — 3
Tage vor der Verpuppung in breiter Schicht an der ventralen Seite
des 3., 4. und 5. Abdominalsegmentes. Anfänglich messen sie 0,02
bis 0,037 mm im Durchmesser, erreichen aber in der 5 oder 6 Tage
alten Puppe bis zu 0,06 mm. Dann beginnen sie plötzlich sich ami-
totisch zu theilen, die Theilzellen bleiben aber noch einige Zeit zu
Syncytien vereinigt, die im Imago aber zumeist sich auflösen.
In der 8 Tage alten Puppe erscheinen die epigastrischen Drüsen-
zellen ähnlich den liypostigmatischen mit einem unfärbbareu Hofe
granulirten Plasmas umgeben, was gleichfalls als Ausdruck einer
functionellen Ausscheidung betrachtet werden muss. Im Schmetter-
ling wird das gesammte Plasma granulöser, verliert seine V'erwandt-
schaft zum Karmin und Saffranin, die Kerne blähen sich zu weiten
Blasen auf, in welchen kaum einige dünne Chromatinfädchen zu
sehen sind.
Hypostigmatische und epi gastrische Drüsenzellen haben also den
Ursprung aus der Hypodermis, sowie das Ausschwitzen mikroskopisch
erkennbaren Secrets gemeinsam. Dagegen unterscheiden sie sich ab-
gesehen von der Verschiedenheit nach Grösse und Lage dadurch, dass
1. die hypostigmatischen Drüsen schon in intraovaler Periode
auftreten und bis zum Lebensende verharren, hingegen die epigastri-
schen erst zur Zeit der Spinnreife neu erscheinen;
2. dass jene während der ganzen extraovalen Entwicklung ihre
Zahl nicht ändern (?), diese aber in der Puppenperiode durch ami-
totische Kerntheilung sich massenhaft vermehren;
46 Heinrich Rössig,
3. dass bei ersteni der Kern eine ausgesprochene Neigung zur
Verästelung äussert, letztere dagegen einen Kern von stets rund-
licher, wenn nicht genau sphärischer Form besitzen, der niemals
seitliche Fortsätze treibt.
Auch diese zweite Arbeit Veeson's blieb bis 1900 unbeachtet.
Im Jahre 1891 stellte Geabek fest, dass der von Tichomieow
bei Bomhus mori, von Koeotnew bei GrijUotaJpa beschriebene „Drüsen-
körper-' nichts Anderes sei als die Oenocyten.
1892 veröifentlicht Wheelee einen Artikel, welcher speciell den
Oenocyten gewidmet ist, geht der Reihe nach die Ordnungen der
Insecten durch, überg-eht aber die Hymenopteren gänzlich. Die
Oenocyten sind ektodermalen Ursprungs, aber Bildungen sui generis,
welche nach ihrer Differenzirung vom primären Ektoderm sich nicht
theilen, sondern allmählich an Grösse zunehmen (Koschevnikov).
1898 beschreibt Kaeawaiew die Oenocyten von Lasius flavus und
bildet sie ab in den figg. 67 und 68 „die von einer unlängst ein-
gesponnenen Larve sind" (larvale Oenocyten?), als „Drüsenzellen"
schlechthin, die (imaginalen) in den figg. 1-5 als „Subhypodermal-
zellen".
1899 widmet Beelese den Oenocyten der Dipteren, speciell ihrem
Vorkommen bei MelopJiagtts, einige Worte. Bei der jungen Larve
liegen sie dicht beisammen in Gruppen in jedem Segmente (flg. 42
daselbst). Später vermehrt sich ihre Zahl. Es sind fast kuglige
Zellen, die frei liegen und ca. 40 /n im Durchmesser haben, sich von
der Larve bis zur Puppe etwas vergrössern. Das Plasma ist bei
jungen Larven von kleineu Höfen durchsetzt. In der Larve und
jüngsten Puppe sind sie zahlreich vertreten, in der altern Puppe
treten sie nach und nach zurück. B. hält sie für Excretionsorgane,
um so mehr, als bei MeJophagus die MALPiGHi'schen Gefässe erst spät
in der Puppe auftreten, wenn die Oenocyten zu verschwinden an-
fangen, die zuvor sehr zahlreich waren.
Anglas (1900) hält die Oenocyten für geschlossene, vereinzelte
Drüsen für innere Secretion. Sie unterliegen nur geringen Ver-
änderungen, nehmen niemals nach Art der Phagocyten Reste anderer
Zellen auf A. hält es für möglich, dass sie bei ihrer Vergrösserung
ein Ferment ausscheiden und vielleicht eine Rolle bei der Lyocytose
spielen.
1900 macht auch Veeson aufmersam auf seine bisher unberück-
sichtigt gebliebenen Arbeiten von 1891 und 1892 und recapitulirt
deren Resultate, nachdem
Von welchen Organen i^elit der Eeiz znr Bilfliuig' der Pflanzengalle aus? 47
KoscHEVNiKov (1900) seine Arbeit „üeber den Fettkörper und
die Oenocyten der Honigbiene", mit einer kurzen kritischen Ueber-
siclit über die Oenocyten-Literatur veröffentlicht hatte, ohne Vekson's
Arbeit zu erwähnen. K. hat in seiner Untersuchung- schärfer und
zutreffender die 2 Arten von Oenocyten nach der Zeit ihres Auf-
tretens benannt, die grossen Oenocyten von Wielowiejski als ,,lar-
vale", die kleinen als „imagi nale-'. Er findet (wie auch Wie-
LowiEJSKi angegeben) niemals mehr als einen Kern, ihre Grösse aber
wird wahrhaft riesig: in einer Puppe einer jungen Königin bis 176 /t
Durchmesser. „Ich besitze Präparate (von ausgewachsenen Drohnen-
larven), welche ganz deutlich zeigen, dass diese Zellen Fettkörper-
zellen verschlingen können." Bei den Bienen bleiben die larvalen
Oenocyten bis ins Puppenstadium und unterliegen dann dem Zerfall,
aber man kann sie auch noch im Anfang des Imagostadiums finden.
Im Stadium der ganz jungen, noch ganz weissen, nicht vollkommen
ausgebildeten Puppe erscheinen gleichzeitig mit Existenz von Larval-
Oenocyten auch Imaginal-Oenocyten. Die Bildung erfolgt in der
Hypodermis. Diese sind 5 mal kleiner als die erstem. Sie lagern
später zwischen dem Fettgewebe. Bei der Biene kann man keines-
wegs daran denken, dass der wahre Fettkörper aus diesen Zellen
hervorgeht, man kann nur von 'Oenocyten reden (gegen Schäefee).
Die Oenocyten der jungen Puppe sind merklich kleiner als die der
erwachsenen Biene, wobei ihr Kern verhältnissmässig gross ist.
Bei Injection von Ferrum sesquichloratum und nachträglicher
Behandlung mit Ferrocyankalium und HCl. bleiben auch bei der
schärfsten Färbung die Oenocyten ungefärbt. Bei fixirten Thieren
färbt sich dagegen bei dieser Färbungsmethode alles diffus blau.
Zur Physiologie der Oenocyten bemerkt K., dass er die Oeno-
cyten bei jungen Arbeitsbienen und Königinnen ohne Einschlüsse
fand, dass aber mit dem zunehmenden Alter eine Anhäufimg statt-
findet. Bei der Arbeitsbiene im Sommer finden sich nur einzelne
gelbe Körnchen, im Winter, besonders aber im Frühling finden sie
sich in Menge, nie aber erscheinen sie in solcher Menge wie bei
einer Königin, die mehrere Jahre gelebt hat. K. hält die Körnchen
für Ausscheidungsproducte des Stoffwechsels und demnach die Oeno-
cyten für Ausscheidungsorgane. Er vermuthet, dass ein üeberladen
derselben mit diesen Stoffen eine Störung im regelmässigen physio-
logischen Wechsel hervorrufen könne und damit als eine Ursache
für das Sinken der Lebensthätigkeit des Insects angesehen werden
dürfte. Bei einer über 4 Jahre alten Königin fand er aber auch
48 Heinrich Eössig,
Oenocyten, welche sich von einer bedeutenden Menge der Körnchen
befreit hatten nnd fast ganz leer erschienen, jedoch den Kern be-
wahrten. Die Pignientkörner wurden zerstreut ausserhalb der Zellen
beobachtet. Verf. zweifelt aber, ob letzteres in Folge von Zellthätig-
keit geschehen oder ob es künstlich herbeigeführt sei.
Während Lowne (1902) bei der jungen Fliegenpuppe findet,
dass die Oenocyten einer vollständigen Histolyse unterliegen, fasst
Vaney (1902) seine Resultate über dieselben in folgende Sätze
zusammen: Chez la Simtdia, le Culex, le Chirononms, durant toute la
Periode nymphale je ne vois aucun changement dans ces cellules.
Le nombre des oenocytes de la SimuUa est plus considerable ä la
flu de la pupation que chez la larve. Sans avoir constate de Stades
de division, je pense, que ces cellules se sont multipliees. Jamals
chez les Dipteres superieurs je n'ai constate la formation d'oenocytes
imaginaux differents des oenocytes larvaires. Resume: Chez les
Dipteres (sup. ?) les oenocytes ne subissent aucune histolyse durant
la nymphose.
Beelese (1902) veröffentlichte Untersuchungen über das Fett-
gewebe der Insecten und giebt in dieser Abhandlung eine Reihe von
Beobachtungen über die Oenocyten, speciell über Grösse, Aussehen etc.
derselben in jungen Hymenopterenlarven. Auch eine Gall-
wespenlarve (Cynips fo^ae), aber erst eine solche, die 3 mm lang ist,
hat er untersucht. Er findet in derselben viele Oenocyten, alle
durchschnittlich 30 ,tt gross, ihr Kern hat 10 i-i. Das Plasma ist
stärker färbbar in der Umgebung des Kernes. Einschlüsse finden
sich nicht.
Bei der erwachsenen Larve (4 mm) sind die Oenocyten nur
25 1^1 im Durchmesser, wenig färbbar und stark vacuolisirt. Der
Kern misst jetzt aber ca. 16 //. Neben diesen „leeren Oenocyten"
finden sich andere önocytenartige Zellen zerstreut im Fettgewebe,
die grösser (45 //, Kern 10 /.i) sind und beladen mit Uraten in
Kugel form mit concentrischen Zonen. „Ich bin der Meinung, dass
diese Uratzellen Nichts sind, als Oenocyten, die ihre Function be-
endet haben und überladen sind mit Excretionsproducten'". Sie
finden sich bis ins ausgewachsene Thier, dort aber nicht mehr.
Von andern Hymenopteren beansprucht zunächst eine nur 800 f.i
lange Ameisenlarve unsere Beachtung (Tcqnnoma erraiicum). Oeno-
cyten liegen in 6 Körperringen, vom 4. — 9., ca. 10 an jeder Seite,
im 9. nur 6 — 7 Zellen. Letztere sind auch kleiner als die gruppen-
weise gelagerten dicht an einander gedrängten und daher spindel-
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 49
förmig- erscheinenden Oenocyten des 4. Segments. Die Grösse ist
11 — 15 |f/. Das Plasma ist homog-en, mit Hämalaiin ziemlich gut
färbbar, der Kern rund mit deutlichem Nucleinnetz und ziemlich
grossem Nucleolus. Bei einer Larve von 1350 /ti {Pheidole pallidula)
findet B. die Oenocyten l)is 25 /< und stark färbbar mit Hämalaun,
den Nucleolus klein und nicht in allen Kernen. Bei altern Stadien
macht er die Bemerkung, dass bei der Pronympha und Nympha sich
zahlreichere Oenocyten finden als in jungen Larven. „Gli enociti
rissi (= Larval-Oenocyten) devono aver proliferato ed i loro rampolli
non restano aderenti alla colonia dl origine, ma si diffondono nel
corpo". Diese Wanderung hält er für eine active: Ritengo, che
questa migrazione avvenga non passivamente affato, ma per virtu
intrinseca e con movimenti ameboidi proprii." Letzteres schliesst er
daraus, dass diese Oenocyten pseudopodienförmige Fortsätze zeigen,
die sich zwischen die Fettzellen hineinschieben, zuweilen diese
scheinbar von zwei Seiten umklammern. Li der Puppe findet er
dann ,,einige wenige grosse Elemente'-, die mit Uraten beladen sind.
Ueber ihre Natur ist er lange im Zweifel gewesen, glaubt aber an-
nehmen zu dürfen, dass es Oenocyten sind, und der Ansicht sich an-
schliessen zu sollen, dass sie als Excretionsorgane Avährend dei- Un-
thätigkeit der MALPiGHi'schen Gefässe die Urate aus dem Körper
aufnehmen.
Für die Tenthredinide HijJotoma rosae giebt Berlese für vier
verschiedene Altersstufen folgende die Oenocyten betreffende Daten.
Im reifen Embryo von ca. 2 mm liegen wenige rundliche Oenocyten
mit homogenem Plasma, im Durchmesser von 11 — 13 ft. In der eben
ausgeschlüpften Larve (ca. 2,2 mm) haben die Oenocyten 25—30 /<.
Sie sind stark färbbar, haben scharfes Chromatinnetz und viele
Vacuolen im Plasma. Bei der Larve von 4 mm Länge messen die
Oenocyten 80 — 35 j«, sonst sind sie nicht verschieden; bei der reifen
Larve, die nicht unter 15 mm gross ist, messen die Oenocyten
60—65,«. Im Aussehen ist auch hier kein merkensw'erther Wechsel
eingetreten. Bei Ilylotoma und andern Tenthrediniden beginnen die
Oenocyten schon in den ersten Tagen des Einschlusses der I^arven
im Cocon zerstört zu werden, indem zuerst das Plasma sich aufhellt,
um schliesslich in Tropfen zu zerfallen, dann der Kern demselben
Schicksal anlieim fällt.
Kürzlich ist noch eine Arbeit veröffentlicht von Nils Holmgeen
(1902). Sie behandelt die Excretionsorgane von Apion flavijjes und
Daojtes nicjer. Falls die als Oenocyten bezeichneten Organe wirklich
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. 4
50 Heinrich Rössig,
solche sind, dann würden die an diesen Käfern gemachten Beobach-
tnng-en aucli auf die Oenocytenthätigkeit bei den Gallvvespenlarven
einiges Licht werfen. Freilich müsste man, da es sich bei diesen
Untersuchungen offenbar um imaginale Oenocyten, bei den Gallwespen
um die larvalen handelt, die Voi-aussetzung machen, dass es sich
bei beiden Oi-ganen um gleiclie Thätigkeit liandelt. N. H. schreibt
nämlich, dass es in der Leibeshöhle von Dacytes, ,jn der Nähe der
MALPiGHi'schen Gefässe einige maulbeerförmige Haufen von grossen
Oenocyten" giebt. „Sie messen bis 500 j».'' Die Zellsubstanz ist
fädig, mit Kügelchen strotzend gefüllt. Die Kügelchen enthalten
chromatophile Körnchen.
„Von besonderm Interesse ist das Yerhältniss, dass diese Oeno-
cyten mit den accessorischen Excretionsdrüsen in einer bestimmten
Lagebeziehung stehen. Man bemerkt nämlich sehr oft (flg. 12), dass
die Spitze des Excretionsorgans in eine Oenocyte eingebohrt ist oder
richtiger, dass die Oenocyte, welcher man ein gewisses selbständiges
Bewegungsvermögen zuschreiben muss, sich um die Excretionsorgane
gelagert hat."
Er hat ferner Injectionen mit Methylenblau in Pulverform vor-
genommen und gefunden, dass von den Excretionsorganen zuerst der
Kern gefärbt wird, dann im Plasma gefärbte Körnchen auftreten
und ins Drüsenluraen wandern. Die Oenocyten nehmen die Farbe
auf dieselbe Weise auf. „Es scheint aber, als nähmen die Oenocyten
die Farbe zuerst auf!, indem die Kerne dieser Zellen sich ein wenig
früher als die accessorischen Excretionsorgane färben."
Die Oenocyten der G a 1 1 w e s p e n 1 a r v e n.
Die larvalen Oenocyten der Gallwespenlarven liegen, wie bei
andern Insecten, in den ersten Abdominalringen; die in Fig. 2 ab-
gebildeten gehören z. B. dem 2. — 7. Abdominalringe an. Sie finden
sich zu beiden Seiten des Körpers zwischen dem Epithel des Mittel-
darmes und der Hypodermis, der Bauchseite etwas näher als dem
Rücken (vgl. die Fig. 1 und 2, ferner 4, 5, 29). Sie liegen nicht lose,
sondern sind an Tracheen angeheftet. Vereinzelt liegen sie so weit
nach vorn verschoben, dass sie die Speicheldrüsen berühren, zumeist
aber sind sie zwischen Hypodermis und MALPiGHi'sche Gefässe ein-
gepresst, liegen dann gar nicht selten dem Lumen der letztern so
eng und hart an (Fig. 4, 29 und besonders 5 links), dass man geneigt
sein würde, sie für besonders dilferenzirte Zellen der MALPiGHi'schen
Von welchen Organen geht der Eeiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 51
Gefässe zu halten, wenn man sie nicht an andern Stellen isolirt da-
von fände.
Ihre Zahl ist in den jungen Larven verschiedener Arten nicht
constant, auch nicht bei den Individuen derselben Art. Ja selbst
in demselben Individuum zeigen die beiden Körperhälften Verschieden-
heiten. So zeigen z. B. 7 Larven von Dnjophanta divisa Htg. aus
dem Anfang Juli, Larven von 400—600 /< Länge
rechts
links
I
4
4
II
2
2
III
3
6
IV
3
2
V
9
4
VI
3
3
VII
o
3
Daraus ergiebt sich als Durchsclinitt für jede Körperseite der
jungen Larve eine Zahl von 3 — 4 mit einem Maximum von 9, einem
Minimum von 2 Zellen. Aehnliche Zahlen finde ich auch bei jungen
Larven anderer Arten : BiorJma terminalis ^e 3; Andricus fecundatrix
Htg. (von 400 fi) 2; Andr. ostreus Gm. 3 — 4; Dryopliania foJii L.
2 — 3; Bhodites rosae L. 6; Trigonaspis renum Gm. (Larve 1070 .«,
Oenocyten 89 f.i) 4 — 6.
Noch AvechselvoUer als die Zahl kann die Gestalt der Oenocyten
nach ihrem äussern Umriss sein. Genau kreisförmig erscheint er ver-
einzelt in ganz jungen, häufiger in altern Larven, bei denen die
Oenocyten im Fettgewebe sich finden. In den Stadien, welche der
Zwischenzeit angehören, erscheinen die Oenocyten dagegen in Ge-
stalten, wie sie die Figg. 2, 4, 5, 29, 30 geben. Sie sind einge-
presst in die Gewebe des Körpers, dem vorhandenen Räume sich
anpassend. Da sie auf einer Seite festgeheftet sind, werden sie bei
seitlicher Pressung sehr häufig birnförmig, wie gestielt (Fig. 4 links,
Fig. 5 rechts). In andern Fällen sind sie oval, halbmondförmig oder
unregelmässig verbogen und eingebuchtet. Letzteres wird besonders
auffallend, wenn sie neben dem Längsmuskel der Körperseite liegen.
Dann schneidet dieser tief in das Plasma und den Kern der Oeno-
cyte ein, sie fast halbirend (Fig. 5 links, 29). Diese Unregelmässig-
keiten der Gestalt zeigen häufiger die jungen cZivm-Larven, welche
mit kaltem Sublimat fixirt wurden. Auf den Schnitten durch Larven,
die mit heissem Sublimat fixirt sind, ist die Schrumpfung weit ge-
52 Heinrich Eössig,
ringer und darum aucli die Gestalt der Körperorgane regelmässiger.
Die Oenocj'ten streben dann runde Form anzunehmen. Eines darf
man aber aus der jedem Drucke nachgebenden Gestalt schliessen,
dass die Oenocyten sehr weiche und fügsame Gebilde sind, weniger
widerstandsfähig als die übrigen Körperorgane.
Das Verhalten der Oenocyten gegen Farbstoife und ilir Aussehen
auf gefärbten Schnitten ist sehr charakteristisch. Man darf sagen,
dass dieselben, das Stadium der Degeneration ausgenommen, in allen
Larvenstadien viel weniger färbbar sind als die übrigen Drüsen des
Larvenkörpers, Speicheldrüse, Darmepithel, MALPiGHi'sche Gefässe.
Bei der zumeist von mir verwendeten Doppelfärbung, Hämatoxylin-
Pikrokarmin, erscheinen sie fast hell. Während die Speicheldrüsen
sowohl als die MALPiGHi'schen Gefässe einen blauschwarzen Farbton
angenommen haben, erscheinen die Oenocyten in ihrem Plasma schwach
rosa, und nur ihr Kernchromatin hat die Färbung der übrigen Zell-
kerne, ein etwas tieferes Blau (fast Schwarz), als es das Plasma der
MALPiGHi'schen Gefässe aufweist. Diese Beständigkeit weisen die
Oenocyten auch gegenüber einer Anzahl von andern Farbstoffen auf.
Eosin und Saifranin nehmen sie auf, aber nicht auffallend mehr als
andere Organe. Mit Parakarmin gefärbte Schnitte zeigen gleich
intensive Rothfärbung der Kerne bei Oenocyten und MALPiGHi'schen
Gelassen. Im Plasma tritt derselbe Unterschied wie beim Pikrokarmin
hervor, es ist deutlich heller geblieben, ist weniger roth, zeigt eher
einen Stich ins Gelbe. Auch den Farbton des Bismarckbraun nehmen
die Oenocyten nur schwach an. Säurefuchsin färbt alle Organe, auch
die Oenocyten scharf und dilfiis roth. Pikronigrosin lässt sie nur
wenig hervortreten, nur das mehr homogene, daher dichter erschei-
nende Plasma lässt sie von den Drüsenzellen der MALPiGHi'schen
Gefässe unterscheiden.
Auffällig anders verhalten sich die Oenocyten nach Osmium-
Fixirung (nach Vom Rath), sie sind jetzt schmutzig braun und scheinen
alle Verwandtschaft zu Farbstoffen eingebüsst zu haben. Nur hier
und da ist bei der Doppelfärbung Hämatoxylin-Pikrokarmin eine
schwache Färbung ins Röthliche wahrzunehmen. Die MALPiGHi'schen
Gefässe dagegen erscheinen kaum anders tingirt als nach Sublimat-
Fixirung.
In histologischer Beziehung lässt sich Folgendes über Plasma
und Kern der Oenocyten sagen. In jungen Larvalönocyten hat das
Plasma ein sehr homogenes Aussehen. Das gesammte Plasma er-
scheint gleichmässig dicht und fein. Trübungen oder Zonen im
Von welchen Organen geht der Reiz znr Bildung der Pflanzengalle aus? 53
Plasma habe ich niclit beobachtet. Der relativ grosse Kern ist
mit zahlreichen Chromatinkörnchen durchsetzt, die deutlich isolirt
liegen. Die Kernmembran ist scharf. Es können mehrere lichter
als die Chromatinkörnchen gefärbte, schwach bläuliche Nucleolen vor-
handen sein. Seine Gestalt ist meist constanter (rund bis länglich)
als beim Plasma. Schon in den jüngsten Larven zeigen sich aber
auch Oenocyten, deren Plasma von reichlichen Vacuolen durchsetzt
ist. Nach der von Veeson gegebenen Erklärung sind es die Hohl-
räume, in denen ein farbloses Secrettröpfchen sich sammelte, das
vom Kerne ausgeschieden durch das Plasma zur Peripherie wandert.
Da diese Vacuolen nur in Larven zur Beobachtung kommen, die mit
heissem Sublimat iixirt wurden, die in allem besser fixirt erscheinen
als die in kaltem Sublimat getödteten, in denen sich nichts der-
artiges zeigt, darf man wohl den Gedanken an ein Kunstproduct ab-
weisen und die Erscheinung dahin deuten, dass sie ein Zeichen der
lebhaften secernirenden Thätigkeit dieser Oenocyten ist.
Zur Zahl der Kerne in den Oenocyten bemerken v. Wielowiejski
und KoscHEvxiKov ausdrücklich, dass sie niemals mehr als einen Kern
in den Oenocyten wahrgenommen. Meine Fig. 27 b zeigt eine Oeno-
cyte aus einer ferminaUs-hsLr\e, welche 2 Kerne hat, deren einer
höher liegt als der andere, so dass nicht zu entscheiden ist, ob beide
einer oder zwei verschiedenen Zellen angehören. Von einer altern
autunmalis-LMYe mit 2 deutlichen Kernen in einer Oenocyte später.
Die Grösse der Larval-Oenocysten schwankt zwischen beträcht-
lichen Zahlenwerthen. Sie ist aber im Allgemeinen im Verhältnis«
zur geringen Grösse der Larve als enorm zu bezeichnen und bildet
neben dem homogenen Aussehen das auffälligste Merkmal derselben.
Bei der jüngsten Larve von Biorhisa tcrminalis Fbe. von nur 470 f.i
Länge erreicht der Durchmesser der Oenocyte 20 /< (Fig. 6 und 27).
Bei Andricus ostreus Gm. sind die entsprechenden Zahlen : 357 (.i und
23 (.t (Fig. 9) ; Andricus fecundatrix Htg. : 400 /< und 25 /< ; Bryoplianta
folii L.: 514 /« und 67 (.i (Kern 30 fi).
Sie müssen rapide wachsen; bei den jüngsten Larven von
Bryoplianta dkisa Htg., die ich Ende Juni erhielt, messen die Oeno-
cyten schon 67 (.i bei einer Gesammtlänge der Larve von nur 460 (.i.
Bei einer am 17. Juli fixirten Larve haben die Oenocyten 89 /t
(Kern 46 (.i) im Durchmesser. Bei einer am Ende Juli fixirten, die
wenigstens 4 Wochen älter ist als die zuerst genannte, hat die Ge-
sammtlänge des Thieres nur um 325 /< zugenomm-en, d. h. um die
Hälfte der frühern Länge, sie beträgt jetzt 785 /< Die Oenocyten
54 Heinrich Rössig,
aber messen jetzt 146 /< (bei einer andern selbst bis 150 f.i\ den
liüchsten bei divisa-L-cirven gefundenen Betrag. Aelinlicli ist es bei
den Larven anderer Arten. Von ^/jg der Gesammtlänge schwingen
sich die Oenocvten bis zu ^/s dei'selben empor.
Es ist auffallend, bei einer Larve von noch nicht 1 mm Länge
Oenocyten von solcher Grösse zu treifen. Absolut gerechnet giebt
es zwar Oenocvten von grösserer Ausdehnung, nach Koschevnikov
erreichen sie ja in der Puppe der Bienenkönigin bis 176 i-i. Es ist
dies aber auch der einzige mir bekannt gewordene Fall, wo die
Oenocyten eine stärkere Entwicklung zeigen als bei den Gall-
v^'espen. Eelativ aber zur Körperlänge und -Masse wird eine gleiche
Grösse von keinem bisher l^ekannt gewordenen Thiere erreicht.
Denn abgesehen davon, dass die Oenocyten bei der Bienenkönigin
erst in der Puppe das Maximum ihrer Ausdehnung erlangen sollen,
während dieses bei den Cynipiden noch in die Larvenperiode fällt,
misst die Puppe der Bienenkönigin 15—16 mm, während die Gall-
wespenlarve noch nicht einmal die Länge von 1 mm erreicht hat.
Veränderungen im Aussehen der Oenocyten und zwar des
Plasmas, wie auch des Kerns, zeigen sich mit der zunehmenden
Entwicklung der Larve und dem Wachsthum der Oenocyten. Es
mögen noch einige solcher Stadien beschrieben werden. Sie er-
innern mehrfach an Figuren und Beschreibungen, welche Verson
von seinen hypostigmatischen Drüsenzellen veröffentlicht hat. Da
man es aber bei Gallwespen nicht wie bei Bonibyx in der Hand hat,
4as Alter der betr. Larve genau zu controliren, wenn man nicht
mühsame Zuchtversuche anstellt, kann ich nicht sagen, ob die
Stadien genau so auf einander folgen wie bei Bombyx mori.
Es möge vorweg erwähnt werden, dass in altern Larven, die
heiss fixirt wurden, des öftern Oenocj'ten sich fanden mit pseudo-
podienartigen Fortsätzen, wie sie in Fig. 30 a — f in Umrissen, die
mit dem Zeichenapparat entworfen sind, gegeben werden. Solche
Bilder dürfte wohl auch Berlese vor sich gehabt haben, als er an-
nahm, dass den Oenocyten eigene Bewegung zukomme, und Koschev-
KiKov, als er behauptete, dass die Oenocyten Fettkörperzellen ver-
schlingen können.
Die Fig. 33 zeigt eine Oenocyte aus einer Dryophanfa divisa
noch aus dem Anfang Juli. Ihr Durchmesser beträgt 102 i^i, Kern
48 (.1. In diesem Stadium ist der Kern geschrumpft, seine Membran
springt mit zackigem Rande in das Protoplasma vor. Seine Chromatin-
körnchen zeigen hier und da Neigung zum Verklumpen. Das Plasma
Von welchen Organen gebt der Reiz zur Bilching der Pflanzengalle aiis? 55
ist homogen, aber es zeigen sich hier und da kleinste, kaum wahr-
nehmbare dunkle Körnchen in demselben eingelagert.
Die Fig. 28 stammt aus einer altern Larve derselben Art
(21. Juli). Es ist die grösste der in Fig. 2 bei nur 70facher Ver-
grösserung dargestellten Oenocyten bei 450facher Vergrösserung.
Sie hat 141 ,« im Durchmesser, der Kern 70 [.i. Der Kern besitzt
an einer Seite (links) einen schwach gezackten Rand, zeigt ein
Chromatin, das vielfach zu grössern Klumpen vereinigt, sonst aber
ziemlich regelmässig vertheilt ist. Stärker verändert erscheint das
Plasma. In der Umgebung des Kernes zeigt es sich auffallend hell
und durchsichtig. Aehnlich ist es in der peripheren Schicht. In
der mittlem ringförmigen Zone aber ist es ungleichmässig ange-
dunkelt, ob durch Hämatoxjdin oder etwaige unter der Grenze der
Sichtbarkeit liegende Einlagerungen, ist nicht zu entscheiden. Auch
reihenförmig angeordnete feine Körnelung zeigt sich, durchsetzt in
andern Fällen auch wohl das ganze Plasma, und es gleichen dann
diese Körnchen den kleinsten (Chromatin PjKörnchen des Kerns.
Die Figg. 31 u. 32 sind altern Larven von Andricus autumnalis
Htg. entnommen. Bei Fig. 31 ist die Chromatiumasse körnig. Die
Körnchen sind aber in Eeihen, wenigstens theilweise, angeordnet,
zwischen denen hellere Räume sich hinziehen. Das Plasma ist ge-
körnelt, überall von gleichmässiger Zusammensetzung. Fig. 32 ist
eine bei 450facher Vergrösserung gezeichnete Oenocj^te mit zwei
Kernen. Das Plasma ist homogen und zeigt nichts Besonderes.
Die Kerne sind desto auffälliger. Das Chromatin ist nicht körnig,
sondern faserig und zerzaust, etwas netzförmig, und umschliesst eine
Anzahl heller Räume. Es ist lebhaft gefärbt, und man könnte an
eine vor sich gegangene Theilung denken und die zwei Kerne für
die Bruchstücke eines zuvor einheitlichen Kernes halten. Die Maasse
stützen diese Erklärung:
Fig. 31. Durchmesser der Oenocyte 133 /ti, des Kernes 76 ft.
Fig. 32. Durchmesser der Oenocyte 134 /n, der Kernstücke
je 41 ^i.
Die Figg. 34 u. 35 entstammen einer Larve von Andricus
malpighii Adler. Ihr Durchmesser ist 110 resp. 109 /<. Die Fig. 34
zeigt gewisse Aehnlichkeit mit dem Fig. 27 dargestellten jungen
Stadium. Das Kernchromatin ist reichlich vorhanden und fein zer-
theilt. Hier ist besonders das Zellplasma der Beachtung werth. Es
ist von zahlreichen Vacuolen durchsetzt, die zum Tlieil dem Kern
dicht anliegen. Eine scheint sogar noch theilweise dem Kern ein-
56 HElNRICri RÖSSIG,
gelagert zu sein. Wir würden Avieder, nach Verson, ein Stadium
haben, in welchem der Kern nach einer Periode lebhafter Thätig-keit
sich zusammen zu ziehen beginnt, das Secret ausstösst, das nun
durch das Plasma wandert. Fig. 35 könnte dann einem etwas
spätem Stadium angehören. Die Figur stellt keinen Medianschnitt
durch den Kern dar, sondern einen solchen, der den Kern eben ge-
streift hat, nur die vorragenden Theile sind getroffen. Da die eine
Oelfnung in dem ringförmigen Kern dunkel, die andere hell ist,
könnte man zur Erklärung dieses Unterschiedes annehmen, dass im
ersten Falle der Kern zeitiger sich zusammengezogen, das Secret
verschwunden und Plasma an seine Stelle wieder getreten ist, im
zweiten aber das Secret noch der Kernmembran anlagerte.
Die Figg. 36, 37 und 39 gehören Larven an, deren Oenocyten
bereits in Degeneration sind. AVenn dieses Stadium naht oder schon
eingetreten ist, zeigt das Plasma der Oenocyten ein ganz anderes
Verhalten gegen die Farbstotfe. Es wird jetzt weniger Karmin, aber
mehr Hämatoxylin aufgenommen. Pikrin, das zuvor ganz abgelehnt
wurde, giebt jetzt ganz intensive Färbungen. Die Figg. 36 und 37
sind von Dryophanta divisa Htg. und liegen auf dem gleichen
Schnitt neben einander. Erstere misst 66 (.i, ihr Kern 24 ii im
Durchmesser. Im Vergleich zu frühern Stadien ist die Oenocyte
daher stark reducirt. Der Inhalt des Kernes bildet eine einzige
dunkle Masse. Diese schliesst bei Fig. 36 noch fest zusammen, bei
Fig. 37, die nur einen Theil des gestreiften Kernes erhalten hat,
lösen sich vom Kern dunkle Streifen ab, die unter einander ana-
stomosirend das Plasma durchziehen. Dieses enthält zahlreiche
Vacuolen, besonders in den peripheren Partien. Die Fig. 39 stellt
eine degenerirende Zelle dar aus der Larve von Cymps Jcollarii Htg.,
die mit vorigen etwa gleichen Alters ist. Sie zeigt noch deutlicher,
dass die Kernmembran in diesen Stadien verschwindet.
Die Fig. 40 ist eine bei Immersion gezeichnete 56 ./< im Durch-
messer haltende Oenocyte von Andricns mälpighii Adler. Sie ist
mit Uraten überladen. Diese bilden die charakteristischen, runden,
aus radiär gestellten Strahlen aufgebauten, bräunlichen Krystalle.
Die grössten derselben erreichen bis 7 (.i. Zahlreiche unter der
Grenze des Gesichtsfeldes liegende geben sich als dunkle Punkte
zu erkennen. Der Kern dieser Zellen ist verhältnissmässig klein,
er hat nur 15 u im Durchmesser. Das Plasma ist geschwunden.
Die Zellmembran ist an einer Seite sehr schwach, fast schon ver-
schwunden. Vermuthlich handelt es sich hier um die letzten Stadien
Von welchen Organen gebt der Eeiz zur Bildung der Pllauzengalle aus? 57
der degenerirenden und mit Uraten überladenen Oenocyten, wie sie
auch von andern Insecten angegeben werden. Ich habe solche
Zellenbilder nur einmal erhalten bei dieser Larve. Sie ist mit
Sublimat fixirt, aber nur mit Bismarckbraun gefärbt. Ungefähr 15
solcher Zellen finden sich auf einer Körperseite im Fettgewebe.
Die Larval-Oenocyten der Gallwespen erreichen ihre grösste
Ausdehnung (bis 150 /<), ehe noch der Mitteldarm vollgestopft er-
scheint von Zellgewebe. Sie gehen dann allmählich zurück, schrumpfen
zusammen und verlieren sich Avährend der Puppenruhe. In letzterm
gleichen die Cynipiden also den Tenthrediniden.
Die Frage, ob die Larval-Oenocyten sich vermehren, möchte ich
mit Ja beantworten, so weit die Cynipiden in Frage kommen.
Verson spricht bei Bomhijx nicht darüber. Beelese sagt von den
Oenocyten des Melophagus (Dipt.j bestimmt: Später vermehrt sich
ihre Zahl. Vanet glaubt bei Mücken annehmen zu dürfen, dass sie
sich vermehren. Für die Ameisen {PhddoJe imlUdula oben) kommt
Beelese zu dem Schlüsse : da die Oenocyten in der Pronympha viel
zahlreicher sind, als sie in der jungen Larve waren, müssen sie sich
vermehrt haben. Gleiches muss ich für die Cynipiden annehmen.
Ueber das Wie? findet sich keine Angabe als die von Caenoy, der
Durchschnürungen nichts Seltenes sein lässt, dessen fig. 283 aber
den Verdacht erregt, er habe eine neben Oenocyten gelegene Peri-
cardialzelle für eine Theilungsfigur gehalten. Seine Erklärung des
Vorganges dürfte gleichwohl zu Eecht bestehen, wenn es gelingt,
die meine Fis:. 32 ergänzenden Stadien nachzuweisen.
Junge Fettkörperzellen.
Noch ehe die Larve sich anschickt, in das Puppenstadium zu
treten, sieht man von umschriebenen Stellen der Hypodermis aus,
rechts und links unterhalb der Seitenlinie der Abdominalsegmente,
önocytenähnliche Gebilde sich erheben und zu ca. 30—50 ,u heran-
wachsen. Es sind junge (imaginale) Fettzellen. Sie entstehen aus
der Hypodermis, wie deutliche Kerntheilungsfiguren zeigen, deren
eine auf dem Schnitt, welchen die Fig. 51 wiedergiebt, zu sehen ist.
Diese Figur zeigt ausserdem eine Anzahl solcher Zellen, die dort in
der Nähe der Hypodermis heranwachsen. Die Theilungsspindel,
welche hier mit der Längsaxe der Hypodermis fast parallel liegt,
steht in andern Fällen, z. B. wenige Schnitte von dem hier abge-
bildeten, fast genau senkrecht dazu, und sie steckt mit dem einen
58 Heinrich Rössio,
Pole der Spindel zwischen den zahlreichen Kernen der Imaginal-
scheibe. So lan^e die daselbst heranwachsenden Zellen 30 i^i noch
nicht überschritten haben, ähneln sie nach Gestalt und Färbung- ganz
den Oenoc3'ten. Dann aber beginnt die Umbildung in tyi)ische Fett-
körperzellen. Ungefähr alle dabei auftretenden Stadien finden sich
auf dem in Fig. 52 wiedergegebenen Schnitte: noch ganz intacte
runde Zellen mit homogenem Plasma, solche in deren Plasma nur
eine Vacuole sich zeigt, Zellen mit 2 und mehr Vacuolen und
schliesslich tj'pische Fettzellen, bei denen die Vacuolen nicht nur
das Plasma, sondern auch den Zellkern gesprengt haben. Irgend
welche Eiweisskr^'stalle oder -Tröpfchen sind in diesen Vacuolen
noch nicht angehäuft.
Diese Bilder entsprechen ganz den jüngst von Berlese bei
andern Hymenopteren gefundenen. Schäefek hat diese Elntstehung
des Fettkörpers als sehr wahrscheinlich bezeichnet und sich dabei
mit Recht auf ältere Arbeiten berufen. AVeismanx, in der Metamor-
phose der Corcthra plumicornis, hatte schon Wucherungen in der
Hypodermis in einem ziemlich entwickelten Stadium der Larve ge-
sehen, und VON AA'iELOwiEjsKi hatte dann in der Untersuchung über
den Fettkörper der Corethra plnmicornis und seine Entwicklung darauf
hingewiesen, dass schon in der ganz jungen Larve unter der Hypo-
dermis eine Zellenschicht sich befindet, aus welcher sich der Fett-
körper der Imago später entwickelt. Schäfpee selbst hat Aehnliches
gefunden, und in seiner tab. 30, fig. 32 zeichnet er einen Schnitt,
von dem er sagt, dass solche Bilder „sich kaum anders deuten lassen,
denn als Bildungsheerde mit sich ablösenden Zellen". Er fand die-
selben in der Nähe der Stigmen und auf ihnen deutliche Uebergänge
zwischen den Zellen von 5 — 25 ili. Nur Mitosen hat er nicht ge-
sehen. In seiner Zusammenfassung der gewonnenen Resultate sagt
er: „Es entstehen von der Hypodermis aus einerseits Blutkörperchen,
andrerseits Fettkörperzellen, die vielleicht den Fettkörper der Imago
liefern." Letzteres trifi't, wenn nicht für alle, wenigstens für einen
Theil der Gallwespen sicher zu. Es ist nach dieser Feststellung
aber auch verständlich, wenn Carnoy klagt, dass er in den Fett-
körperzellen keine einzige Karyokinese habe finden können, ebenso
sein Irrthum, wenn er den Fettkörper durch amitotische Theilungen
sich vermekren lässt. AVenn Koschevnikov gegen Schäffer hervor-
hebt, dass man bei der Biene keineswegs daran denken könne, dass
der wahre Fettkörper aus den von der Hypodermis sich ablösenden
Imaginal-Oenocyten hervorgeht, die in der noch jungen weissen Puppe
You welchen Organen geht der Reiz znr Bildung der Pflanzengalle aus? 59
entstehen, während noch die Larval-Oenocyten existiren, so dürfte
er Recht haben, falls die Verhältnisse dort so liegen wie bei den
Cynipiden. Hier sind sich jnng-e Fettkörperzellen nnd jung-e imaginale
Oenocyten zum Verwechseln ähnlich ; beide entstehen aus der Hypo-
dermis der Abdominalsegmente und zwar an der Ventralseite; nur
zeitlich findet sich ein Unterschied. Bei den C3niipiden entstehen
die Fettkörperzellen zuerst, und zwar noch ehe die Larve zur Puppe
geworden, die Imaginal- Oenocyten aber entstehen unmittelbar danach,
wenn das Puppenstadium eben begonnen hat. Erstere werden dann
meist schon in der Nähe der Hypodermis zu typischen Fettkörper-
zellen, während letztere sich zwischen diese hineinschieben, aber, wie
ich glaube, niemals in solche verwandeln. Dass die Fettzellen auch
aus der Tracheenmatrix entstehen können, soll damit nicht in Abrede
gestellt werden, ich habe es nicht untersucht.
Die i m a g i n a 1 e n Oenocyten
der Cynipiden nehmen also, wie die genannten Forscher angeben
und meine eignen Beobachtungen bestätigen, ihren Ursprung aus
der Hypodermis der Abdominalsegmente. Sehr typische Bilder er-
hielt ich für ihre Entwicklung von Ilhodites rosae L. Man vergleiche
die Figg. 53 — 55, bei denen nur die Umrisse der Zellen und Kerne
mit dem Zeichenapparat eingetragen sind, mit den mehr ausgeführten
Figg. 56 und 57. Sie entstehen durch mitotische Theilung der an-
fänglich kleinen Zellen. Durch eine feine Membran zusammen ge-
halten, hängen sie wie Säckchen an der Hypodermis, Fig. 58, ganz
ähnlich einem Abschnitt der sich einstülpenden Stigmenanlagen.
Später löst sich die Membran des Säckchens, und die Oenocyten zer-
streuen sich in das Innere des Körpers, wo sie zwischen den Fett-
körperzellen fest eingelagert erscheinen. Es scheint aber auch der
Fall vorzukommen, dass der ganze Complex der Oenocyten von der
Hypodermis zwar abgelöst, aber durch das Häutchen noch länger
zusammengehalten wird. Dann täuschen die di(iht gedrängten Zellen,
deren Kerne deutlich, deren Zellgrenzen aber nur hier und da zu sehen
sind, ein Sjmcytium vor. Einen Schnitt durch ein solches giebt die
Fig. 59. Diese Imaginal-Oenocyten sind stets viel zahlreicher als
die larvalen, erreichen aber niemals deren enorme Grösse.
Oenocyten der inquilinen Cynipiden.
In der Fig. 38 ist eine Oenocyte aus der Inquiline der glohidi-
Galle abgebildet. Auffällig abweichend ist die Gestalt des Kernes,
ßQ Heinrich Rössig,
der solche Gestalt bei den von mir gesehenen Cynipiden nie zeigt.
Er erinnert eher an die Ameisen oder Tenthrediniden (vgl. Fig. 45).
Das stellenweise zu kleinen Klümpchen zusammengeballte Chromatin
nmgiebt ein lichter farbloser Hof, der durch eine scharfe Kern-
membran gegen das umgebende dunkler gefärbte Plasma abgegrenzt
ist. Dieses selbst ist wieder von einem etwas heilern Plasmaringe
umgeben, in welchen es mit verschiedenen kleinen Ausbuchtungen
sich vorwölbt. Der Durchmesser der Zelle ist 70 //, des Kernes 23 ,«.
Fig. 41 — 43 stammen aus einer Inquiline von Rhodifes eglanteriae
Htg. Sie gehören einer Larve an, die der Verijuppung nahe ist.
(Das Tliier stammt aus einer Galle, die noch grün am Blatt hing,
zur Zeit, wo schon die er/tow^enae- Wespen dem Ausschlüpfen nahe
waren. Neben ihm lagen noch Keste der ursprünglichen Gallen-
bewohneriu.) Die Grösse der Oenocyten beträgt 53 — 60 a. Sie sind
demnach etwas kleiner als bei echten Cj-nipiden gleichen Alters.
Auch ist der Kern derselben kleiner und ärmer an Chromatin. Wie
schon die Figuren zeigen, sind sie auch unter einander verschieden.
Nr. 41 befindet sich in einem Stadium grösserer Affinität zum Häma-
toxylin. In seinem Plasma lagern feinste kaum sichtbare Körnchen
einer dunklen Masse. Hellere Partien umgeben den Kern und senden
auch Seitenzweige in das Plasma. Nr. 42 hat ein köruchenfreies,
helleres, netzförmiges Plasma. Der Kern ist regelmässiger. Nr. 43
ist in Auflösung begriffen. Diese Oenocyte hat bereits an einer
Seite die Zellhaut eingebüsst, die Kernmembran folgt diesem Bei-
spiele. Ob die dunkle Masse der Zelle angehört, ist zweifelhaft.
Oenocyten anderer H y m e n o p t e r e n.
Um zu einem einigermaassen sichern üi'theile über die so auf-
fällig grossen Oenocyten der Gallwespenlarven zu gelangen, habe ich
es mir nicht genügen lassen, die in der Literatur gegebenen Be-
obachtungen zur Vergleichuilg heranzuziehen, sondern auch selbst
mir Schnittserien solcher Larven hergestellt, um das Verhalten der
Oenocyten gegen die von mir verwendeten Fixirungs- und Färb-
lösungen zu beobachten. Es sind dieses: eine junge Vespa crabro,
eine kleine Ameise spec. ? und die Tenthredinide Xcnicdus vallisnierii.
Die junge Vespa von 1,5 mm Länge hat zahlreiche Oenocyten
(Fig. 44). Sie sind verhältnissmässig klein, messen nur 10 i-i im
Durchmesser. Auch der Kern ist klein. Das Plasma färbt sich ähn-
lich wie in den Cynipiden. Meine Erwartung, hier grössere Oeno-
cyten schon auf jungen Stadien zu treffen, erfüllte sich also nicht,
Von welchen Orgauen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 61
im Gegeiitlieil, die 3 mal so grosse Larve liat nur halb so grosse
Oenocj'ten.
Für die Ameisen giebt schon A. Berlese für eine 0,800 mm
lange Larve von Taimioma erraiicnm die Beschreibung der Oenocyten
(vgl. oben S. 48). Sie sind zahlreicher als bei den Cynipiden. aber
auch kleiner. Sie messen nur 11 — 15 //. Ihre grösste Ausdehnung
dürfte die von Kaeaavaiew an der unlängst eingesponnenen Larve
von Lasius flnims gemessene sein, ca. 150 //. Bei den von mir her-
gestellten Schnitten ist der Kern der Oenocj'ten weniger dicht mit
Chromatin angefüllt als bei Gallwespenlarven. Sie erinnern stark
an die Oenocj-ten der Tenthredinidenlarven, wie sie von Nematus
{i-alUsnierii?) in der Fig. 45 abgebildet sind. Bei dieser raupenähn-
lichen, mehr langen als dicken Larve liegen die Oenoc3'ten in kleinen
Gruppen an der Köiperwand. Der Kern ist sehr licht, er enthält
nur wenig Chromatin, das zu kleinen Klümpchen vereinigt in der
Mitte liegt, theilweise auch dicht an der Kernmembran, diese so ver-
stärkend. Auch das Plasma ist licht. Es ist wenig gefärbt und von
einem sehr feinen Netz- oder Fadenwerk durchzogen.
Die Oenocj'ten der oben bei den Speicheldrüsen erwähnten
Lepidopteren-Raupe erinnerten in Gestalt und Farbe wieder mehr an
die Cynipiden. Sie sind im Durchmesser 60 — 76 i-i, ihr Kern 33 i-i lang.
Oenocyten von Rormomyia fa(ji Htg.
Die Figg. 46 — 49 zeigen Bilder der Oenocyten von Horwomi/ia
fagi Htg. Sie entstammen verschiedenen Altersstufen. Die auffallend
geringe Kerngrösse der Zellen zeigt sich auch hier, und sie wird be-
sonders auf den altern Stadien recht bemerkbar. Sonst zeigen die
Oenocyten alle jene Eigenthümlichkeiten , welche bereits für die
Cynipiden angeführt wurden. Sie haben, da die Haut der Larve
stark geschrumpft ist und die Oenocyten ihr nahe liegen, unter dem
Druck der entstandenen Falten die verschiedenartigsten Formen an-
genommen. Das Kernchromatin ist öfter verklumpt, theilweise wohl
wegen der Resistenz der derben Cuticula gegen die Fixirungsflüssig-
keit. Aber auch heiss fixirte und angestochene Larven zeigen
gleiche Kerne, Das Plasma ist bald homogen und dicht, bald mehr
netzförmig, bald von zahlreichen Vacuolen durchsetzt, bald ohne
diese. Die dunklen Ringe treten auch hier auf und liegen bald am
Kern, bald in der Mitte von 2 hellen Plasmaringen, bald an der
Peripherie. Die Grösse nimmt nach und nach zu. Die kleinste ge-
messene Oenocyte der 1070 ,« langen Larve hat etwa 7 /< Durchmesser.
02 Heinrich Eössig,
Bei der reifen Larve von 6 mm beträgt derselbe etwa 57 u, von
denen nnr etwa 10 in auf den Kern kommen. Obwohl also die Larve
an Grösse die Cynipiden merklich übertritl't, bleiben die Oenoc^ten
jeweils um fast % der Grösse hinter denen der C^^nipiden zurück.
Oenocyten von Aphis mali.
Apliis mali gehört zu denjenigen Aphis-kxi&\i, welche Gallen-
wirkung verursachen. Sie ruft auf den Blättern des Apfelbaumes
Kräuselung, Rothfärbnng, Auftreibung der obern Blattfläche, schliess-
lich Umrollung des Blattrandes hervor. Die Aphiden besitzen aber
keine MALPiGHi'schen Gefässe, wie ich selbst mich überzeugte.
(WiTLACziL [1882] nimmt an, dass 2 den Hinterleib durchziehende
Stränge ihnen wahrscheinlich entsprechen. Diese vereinigen sich
oberhalb des Enddarms und laufen hier in eine Spitze aus, welche
mit dem Enddarm zusammenhängt.) Die Speicheldrüsen sind wohl
entwickelt und verzweigt. Es sind schlauchförmige Gebilde mit
grossem Lumen, in welches die als dünne Lage sie einschliessenden
Zellen etwas sich vorwölben. Ich finde in ihnen sonst nichts Be-
merkenswerthes. Dagegen verdient es unsere Beachtung, dass öno-
cytenartige Gebilde schon in den noch im Mutterthier liegenden
Embryonen auftreten. Sie haben oft amöboide Form, ein homogenes
Plasma und einen massig grossen bis kleinen Kern mit reichlichem
Chromatin (vgl. Fig. 50, 1 — 5). Sie erreichen im Durchmesser 17
bis 30 /<.
Ln erwachsenen Thier sind sie entsprechend grösser. Man findet
Oenocyten von 33 ^i Durchmesser, aber auch von 40, selbst 60 (.i.
Die grössern zeigen oft dunkle Einlagerungen im Kern wie im
Plasma (Fig. 50 h). Je bedeutender die Grösse ist, desto schärfer
tritt in dem Plasma der Oenocyten die Netzstructur zu Tage
(Fig. 50 i). Ob hier nur larvale Oenocyten vorliegen oder ob auch
imaginale vorkommen, habe ich nicht verfolgt.
3. MALPiGHi'sche Gefässe.
Im Gegensatz zu den Oenocj'ten. die erst in jüngster Zeit ein-
gehendere Beachtung gefunden haben, erregten die MALPiGHi'schen
Gefässe schon viel früher die Aufmerksamkeit der Forscher und
haben daher zu einer nicht unbeträchtlichen Literatur Anlass ge-
geben. E. Schindler hat dieselbe in seiner Arbeit: Beiträge zur
Kenntniss der MALriGin'schen Gefässe der Insecten, bis zum Jahre
1878 kritisch zusammengestellt und dabei an 50 ältere Arbeiten ver-
Von welchen Organen geht der Eeiz znr Bildnng der Pflanzengalle aus? 63
wertliet. Diese betreffen allerdings der Mehrzahl nach die Organe
der ausgewachsenen Thiere, man hat sich seitdem aber auch mehr-
fach dem Studium derselben bei den Larven zugewendet.
Anfänglich für Leber- oder Gallenorgane gehalten, wurden sie
nach und nach immer sicherer als Excretionsorgane erkannt, deren
Function darin besteht, Stolfwechselproducte in flüssiger oder
krj^stalliner Form aus dem Organismus zu entfernen.
WecliselvoU wie ihre Zahl, die von zwei bis zu mehreren
Hunderten steigt, je nach der Art, ist auch ihre Grösse und Gestalt.
Bald sind sie kurze Röhrchen, bald lange Schläuche, welche die
mehrfache Länge des Körpers erreichen. Im Allgemeinen lässt sich
sagen, dass sie mit einer Ausnahme (bei der Braconide Microgaster
enden sie am Ende der Körpers seitwärts oben), am Hinterdarm sich
inseriren und durch diesen ihr Secret nach aussen abgeben und dass
Zahl und Grösse in Wechselbeziehung stehen. Wo viele vorhanden
sind, sind sie meist kurz oder dünn, wo wenige, dick oder lang.
Was speciell die MALPiGHi'schen Gefässe der Hj^menopteren-
larven betrifft, so hatte schon Grübe im Jahre 1849 die Beobach-
tung gemacht, dass bei Wespen und Hornissen die MALPioHi'schen
Gefässe der Larve in der Puppe zusammenschrumpfen und kleiner
werden und dann sofort die grosse Zahl der bleibenden Harn-
canälchen aus kleinen, dem obersten Ende des Enddarmes ring-
förmig aufsitzenden Knötchen hervorwachsen. Gleiches Verhalten
ist seitdem für Lasius flavus durch Karawaiew, für eine Anzahl
anderer Hymenopteren durch Bordas festgestellt worden. Für die
Cynipiden gilt dasselbe, ich sehe aber, dass diese Beobachtung schon
im Vorjahre durch Berlese bekannt gegeben ist. Er fügt auch die
bei seiner grössei'n Kenntniss der Insectenlarven für unsere Frage
nicht uninteressante Bemerkung hinzu: „Ich habe in keinen andern
Larven so grosse MALPiGHi'sche Gefässe gesehen."
Dieselben sind in der That, wie schon ein Blick auf die Figg. 1,
4, 5, 6 b, 9 zeigt, gewaltig zu nennen im Vergleich mit der kleinen
Larve. Es sind ihrer zwei, die, über dem Mitteldarm gelagert,
später auch wohl seitlich oder unterhalb desselben, Anfangs stark
S förmig gebogen, später mehr sich streckend, bis zur Speicheldrüse
hinaufreichen. Dabei sind ihre Zellen gross und dick, besonders
auch der Kern derselben von bedeutender Grösse.
Als ektodermale Einstülpungen haben sie die 3 Lagen, von
denen Tunica propria (Peritonealhaut) und Intima dünn und fein
sind, die epitheliale Zellage um so mächtiger. Bei der nur 470 ,«
ß4 Heinrich Eössig,
langen ienmnaUs-lja.rYe messen ilire Zellen 36 — 70 //. der Kern
\venig-stens die Hälfte. Ung-efähr 50 — 60 solcher Zellen setzen jedes
einzelne der 2 Gefässe zusammen. Aehnliclie Grösse findet sich auch
bei den andern Arten.
Dryophanta divisa von 480 fi : Zellen 50 //, Kern 36 in.
Dnjophaufa folii „ 514 „ „ 66 „ „ 36 „
Andrkus fccundatrix „ 400 „ „ 100 „ „ 66 „
Letztere ist besonders auffallend durch die enorme Grösse der Zellen.
Ich finde nur 6 derselben auf einem Sagittalschnitt (Fig. 7 b), dei-
seiner Lage nach dem auf Fig. 6 b dargestellten entspricht.
Feste, etwa krystalltörmige Stoffe habe ich in den Malpighi-
schen Gefässen niemals gefunden, wohl aber andere Zeichen, die auf
die lebhafte Thätigkeit dieser Zellen hinweisen. Es sind der grosse
chromatinreiche Kern, die an diesem schon auf sehr frühen Stadien
auftretenden Fortsätze, die bald in starke Verzweigungen übergehen,
es sind ferner grosse Lacunen in den Zellen, gefüllt mit einer gleich-
massigen Masse, die in ihrem Aussehen, ihrer Färbbarkeit, ganz
übereinstimmt mit dem Inhalte (Secret), den man hier und da im
Lumen der MALPiGHi'schen Gefässe findet. Letzteres erscheint bei
Doppelfärbung gelbroth, gleichmässig dicht bis körnig und lagert
meist an einer Seite des Lumens, angepresst an die Zelhvand.
(Fig. 5 S). Vielleicht ist dies daraus zu erklären, dass es sich um
eine zähflüssige, schleimige, nicht wässerige ^Absonderung handelt.
In den mit kaltem Sublimat fixirten Larven von Bryophanta divisa,
von denen die Figg. 1, 4, 5, 29 genommen sind, habe ich in den Zell-
kernen und auch im Plasma der MALPiuHi'schen Gefässe niemals
Secret beobachtet. Es findet sich aber noch in den ßiesenzellen
der fecundainx-lja.vYe und zwar in dem gewaltigen Kernraum, dessen
Chromatin an einer Seite zusammengedrängt liegt und typisch körnig
ist wie in andern Zellen; ihm gegenüber an der andern Seite liegt
noch innerhalb der Kernmerabran ebenso typisch gefärbtes Secret.
In den mit heissem Sublimat fixirten Larven erhielt ich etwas
andere Bilder. Dort sind die Kerne und das Plasma nicht ge-
schrumpft, der Kern füllt die Kernmembran gleichmässig aus, liegt
ihr allseitig an; hier und da findet sich Secret im Lumen; was mir
aber besonders beachtenswerth erscheint, sind die grossen Vacuolen,
die man jetzt in einzelnen Fällen findet, dem Kern, der dann in
seinem Umriss verbogen ist, anliegend oder einzeln im Plasma. Es
sind unregelmässig gestaltete bis rundliche, aber nie scharfrandige
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 65
oder gar eckige Räume, gefüllt mit derselben gelbröthliclien Masse,
die man anderswo im Drüsenlumen findet. Fig. 60 giebt einen
Schnitt wieder, der eine solche yacuolisirte Zelle getroffen hat. Sie
ist von Biorhiza terminalis und bei Immersion gezeichnet. Die
Vacuolen der obern Zellen ziehen sich durch eine ganze Anzahl der
5 fi dicken Schnitte. Auf dem vorhergehenden, über dem in der
Figur abgebildeten, gelegenen kernlosen Schnitte lag noch an Stelle
des Kernes eine grosse Vacuole, von der die fünf in der Figur ge-
zeichneten nur Abzweigungen sind. Hier ist der Kern eben ange-
schnitten. Auf den folgenden Schnitten wird er den Kernen der
benachbarten Zellen immer ähnlicher, während die Vacuolen immer
mehr sich verjüngen und schliesslich im 8. Schnitt aufgehört haben.
Diesen Befund, verglichen mit den erwähnten, erkläre ich mir
daraus, dass die Secretion in diesen Zellen wahrscheinlich eine leb-
hafte ist und dass bei der Fixirung mit kaltem Sublimat, das langsam
nur durch die Epidermis zu dringen vermag und darum die Zellen
der MALPiGHi'schen Gefässe nicht sofort tödtete, sondern im Gegen-
theil zuerst noch zu desto lebhafterer Thätigkeit reizte, die kleinern
Zellen der fZrma-Larven Zeit genug hatten, ihr Secret auszustossen.
Bei den fast doppelt so grossen Zellen der fecundafrix-hRrYe war es
nur zu einem Theil möglich, ein Theil des Secrets blieb in dem
plasmolytisch contrahirten Kern zurück. Bei der Fixirung mit
heissem Sublimat aber wurden die Eiweissbestandtheile der Zellen
durch die momentan wirkende Hitze coagulirt, die Zelle somit ge-
tödtet, und es musste die Structur der Schnitte der im Augenblick
der Fixirung vorhandenen gleich sein.
Die Zellen der MALPiGHi'schen Gefässe und damit diese selbst
vergrössern sich mit dem Wachsthum der Larve. Die 480 ii lange
Dnjophanta ^n/sa-Larve hat Zellen von 59 u (Kern 36 //); die 600 //
lange 73 ,u (Kern 50 ;«); die 714 /< lange 115 /< (Kern 56 /<)• I^ic
Drijaphanta /*o7//-Larve von 514 ,/< hat Zellen von 66 /t (Kern 36 in);
dieselbe von 714 /< Zellen von 150 ,a (Kern 70 u). So lässt sich
das Wachsthum verfolgen bis zum Beginn der Degeneration, wo die
Zellen die grösste Ausdehnung erlangen, z. B. Ändric. malpighii von
2,5 mm hat Zellen von 328 i^.
Mit der Grösse ändert sich auch die Gestalt der Zellen. In
den jungen Larven erscheint das Plasma gleichmässig dunkel ge-
färbt, oft streifig, die Kernmembran rundlich, der Kerninhalt hell,
mit deutlichen Chromatinköruchen. Schon bald entsendet aber der
Kern Auswüchse in das Plasma (bei fecundatrix schon bei der nur
Zool. Jahrb. XX. Abtb. f. Syst. Ö
QQ Heinrich Rössig,
400 fi langen Larve), die sich nach und nach vergrössern, während
der Kerninhalt sich noch mehr aufhellt. Seine Chromatinkörnchen
scheinen sich nicht zu vermehren, nur aus einander zu rücken,
bleiben aber unter einander durch feines Netzwerk verbunden. Nach
und nach wird die Verästelung- der Kerne beträchtlicher, das Plasma
ist bald dichter, granulös, bald mit verschieden färbbaren Zonen
versehen, gelegentlich auch mit grossen farblosen Yacuolen. Ge-
legentliche Erscheinungen sind mit Pikrin schwach gefärbte Vacuolen
und ein schnmtzigroth gefärbtes Plasma, das braune unregelmässig
geformte Einschlüsse enthält.
Die Degeneration setzt etwas später ein als bei den Speichel-
drüsen und schreitet langsam voran. Stärker auftretende Vacuoli-
sirung des Plasmas, veränderte Färbbarkeit von Plasma und Kern,
Verklumpen des letztern machen den Vorgang dem bei den Speichel-
drüsen beschriebenen ähnlich. Phagocyten lagern auch hier wohl
in der Nähe der MALPiciHi'schen Gefässe, dass sie aber thätigen An-
theil an der Zerstörung der Zellen nehmen, konnte ich nicht be-
obachten, in den MALPiGHi'schen Gefässen habe ich sie nie ge-
funden.
Die Angaben Beblese's, dass die verklumpten Kermnassen der
MALPiGHi'schen Gefässe in den Mitteldarm aufgenommen werden und
hier der völligen Auflösung unterliegen, kann ich nach den Be-
funden an lihodifes rosae und DiasfropJins rahi nicht bestätigen. Bei
diesen geschieht die Auflösung an Ort und Stelle. Die im End-
abschnitt des Mitteldarms liegende dunkel gefärbte Masse dürfte
nichts Anderes sein als die Reste des larvalen Mitteldarmepithels,
die, von dem neuen, aus den Cryptenzellen regenerirten Epithel ab-
gestossen, dort zu Grunde geht, wobei die Chromatinmassen als die
widerstandsfähigsten Theile noch zuletzt übrig bleiben. Dass ge-
legentlich einzelne Theile aus dem Epithel in das Lumen der
degenerirenden MALPiGHi'schen Gefässe gedrängt werden können,
scheint ein nur einmal bei Rhoditcs spinosissimae gefundener Schnitt
zu beweisen, den ich in Fig. 62 abgebildet habe. Nach Färbung
und Gestalt möchte ich wenigstens diese mitten im Drüsenlumen
liegende Masse für eine Zelle halten, die einen gänzlich verklumpten
Kern und dunkle Einlagerungen im Plasma hat.
Noch ehe die larvalen MALPiGHi'schen (befasse verschwunden
sind, erheben sich unterhalb der Insertionsstelle derselben am Hinter-
darm die ganz neu entstehenden 16 imaginalen MALriGHi'schen Ge-
fässe. Sie sind viel feiner und zarter gebaut. Weder die ganze
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 67
Drüse noch die einzelnen Zellen erreichen die Maasse der larvalen.
Die Fig. 61 giebt in Umrissen einen Schnitt durch eine Ehod. rosae-
Larve wieder, der das Grössenverhältniss zur Darstellung- bringt.
Fig. 63 aber stammt von Biorhisa tcrminalis. Es ist ein Frontal-
schnitt durch die Ansatzstelle der MALPiGHi'schen Gefässe am
Hinterdarm. Die grossen Zellen der erstem liegen oben, die kleinern
des letztern unten in der Figur. Zwischen beiden erheben sich
rechts und links die Anlagen der imaginalen Organe als kurze Aus-
stülpungen.
Als Besonderheit verdient Andrkus fecimdatrix erwähnt zu
w^erden, deren in der erwachsenen Larve sehr stark verzweigte
Drüsenkerne wie auch das Plasma eine von den übrigen Arten ab-
weichende Färbung zeigen. Der Kern ist durch Karmin röthlich
gefärbt, das Plasma aber durch Pikrin gelb. Auch bei tcrminalis-
Larven haben zuweilen einzelne Zellen grössere Neigung, Pikrin
festzuhalten.
Soweit die altern Larven einen Schluss gestatten, sind die
MALPiGHi'schen Gefässe der Inquilinen nicht minder stark entwickelt
als bei den echten Gallwespen. Bei den Inquilinen der glohuli-GaWe
sind die MALPiGHi'schen Gefässe dunkel violett, aber heller als die
Speicheldrüsen. Das Lumen ist hell und ohne Inhalt, das Plasma
unregelmässig vacuolisirt, stärker in der Nähe des Kernes und am
Eande der Zellen. Das Lumen, gegen welches die Zellen ab-
wechselnd sich vorwölben, beschreibt eine Wellenlinie. Der Kern
ist unregelmässig, verzweigt, auf Sagittalschnitten länger als breit,
sein Inhalt lockerer als das Plasma, das Chromatin ziemlich dicht,
zu kleinei-n und grossem Körnchen und Klümpchen zusammengeballt.
Bei der jungen Hormomyia-LarYe sind die MALPiGHi'schen Ge-
fässe zwar gut entwickelt, aber in der Grösse nicht so auffallend
verschieden von der Speicheldrüse wie bei den Cynipiden. Auch
hier finden sich die kleinen Kerne mit wenigen, aber dicken Chro-
matinschollen. Die Färbung ist lichter, die Zellgrenzen sind deut-
licher als in den Speicheldrüsen. Das Lumen der MALPiGHi'schen
Gefässe ist w^eit und enthält körniges Secret.
4. Epithel des Enddarmes.
Das Epithel des Enddarmes zeigt die Fig. 4 im Querschnitt,
Fig. 1 und besser 6 a und letztere vergrössert Fig. 64 im Längs-
schnitt. Die letzte Figur ist bei Immersion gezeichnet. Eine con-
tinuirliche Epithellage kleidet das Eectum aus. Die Zellen haben
5*
(jy Heineich Eössig,
die für larvale Gewebe charakteristischen runden und grossen Kerne
mit deutlichen Chromatinkörnchen. Abgesehen von der Erweiterung
des Lumens bietet aber der Enddarm keine Besonderheiten. Sein
Epithel ist, wie die Abbildung zeigt, nach Gestalt und Grösse der
Zellen nur eine Fortsetzung der Hj'podermis, von welcher es ab-
stammt. Es dürfte ihm keine secernirende Thätigkeit eignen.
Wegen der Erweiterung seines Lumens dürfen wir den Enddarm,
wie Geuee (1849) bei Wespen und Hornissen gethan, als Harnblase
bezeichnen.
Erst wenn die Larve stärker gewachsen, die Gallbildung also
vollendet ist, treten die grossen Zellen des Endabschnittes —
Eectalpapillen — hervor. Fig. 66 giebt einen Sagittalschnitt der-
selben von einer maJpigJm-ljRY\e. Es finden sich nach Beelese 4
solcher Papillen. Valle (1900) fasst ihre Bedeutung bei den Dip-
teren in die Worte zusammen: ,,Les papilles rectales des Dipteres
jouent deux röles; le rule respiratoire et le role secreteur." Da
sie auch l)ier wie bei den Dipteren erst spät auftreten, kommt ihre
Thätigkeit für unsere Frage nicht mehr in Betracht.
Während die Zellen der Papillen spindelförmig sind, dicht sich
auf einander drängen, hat der mittlere Abschnitt des Enddarmes
auch später nur ein flaches, dünnes Epithel, Fig. 65. Erst wo End-
darm und MALPiGHi'sche Gefässe zusammenhängen, zeigen sich noch
einige grössere Zellen und eine dichte Lage von Kernen. Es ist
jene Eegion, aus welcher bald die imaginalen MALPiGHi'schen Ge-
fässe hervorbrechen werden.
YI. Resultate.
1. Speicheldrüsen: Abweichend vom Verhalten der übrigen
Hymenopteren bestehen die Speicheldrüsen der Cynipidenlarve aus
kurzen ovalen Säckchen. Ein Spiralfaden findet sich nur im Aus-
führgange. Die verhältnissmässig wenigen Zellen, welche sie zu-
sammensetzen, sind in ihrem Bau wie in ihrem Verhalten gegenüber
den Farbstoffen den Zellen der MALPiGHi'schen Gefässe ähnlich.
Das Secret nimmt lebhaft alle Karminfärbungen an und ist schaumig.
Die larvalen Speicheldrüsen enthalten später grosse, verzweigte
Kerne. Sie gehen zu Grunde durch Histolyse, ohne Betheiligung von
Phagocyten. Die Degeneration trifft alle Zellen gleichzeitig. Die
Tunica propria allein bleibt erhalten. An ihr legen sich die Zellen
der imaginalen Speicheldrüsen an. Diese sind kleiner als die
Von welchen Organen gebt der Eeiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 69
larvaleii. Die Gestalt der imagiiialen Speicheldrüsen ist gleichfalls
säckchenförmig. Es zeigen sich keine Abzweigungen. Die Speichel-
drüsen der ausgewachsenen Gallwespe liegen im vordem Abschnitte
des Thorax, rechts und links vor der Insertionsstelle der Flügel.
Die erwachsene Gallwespe besitzt noch ein Drüsenpaar im Kopfe
vor den Antennen, welches im Puppenstadium angelegt wird und
dem Sj'stem IV der Honigbiene (Schiemenz) entspricht. — Etwas
länger sind die Speicheldrüsensäckchen der Larven von Dimirophus
ruhi und Bhodües rosae. Die Länge des Mitteldarmes wird über-
schritten von den Speicheldrüsen der Inquilinen. Bei diesen ist die
Speicheldrüse eine Spinndrüse. — Die Gallmücke Hormoimjia fayi Htg.
hat 2 lange tubulöse Speicheldrüsen, welche drei verschiedene Ab-
schnitte aufweisen. Durch dieselben zieht sich ein feiner Chitin-
faden als Ausführgang.
2. Oenocyten. Die Zahl der Larval-Oenocyten ist in der jungen
Larve gering, 4—8. Sie sind auffallend hell und nehmen in ihrem
Plasma Karmin nur massig auf. Sie erreichen, wie auch ihr chro-
matinreicher Kern, bedeutende Grösse. Beide machen eine Anzahl
von Veränderungen durch. Die Larval-Oenocyten sind später zahl-
reicher. Sie können sich durch amitotische Kerntheilung vermehren.
Während der Puppenperiode verschwinden sie. Einschlüsse (Urate)
wurden nur einmal gefunden.
Junge Fettkörperzellen und Imaginal-Oeuocyten sehen sich sehr
ähnlich. Beide entstehen durch mitotische Theilung von Hypodermis-
zellen, erstere früher, vor der Verpuppung, letztere in der Puppe.
Die Imaginal-Oenocyten können längere Zeit in Gruppen (Syncytien)
vereint bleiben. — Die Larval-Oenocyten der Inquilinen sind kleiner.
Ebenso die der Horniomya fagi. Oenocyten kommen auch in den
Aphiden und zwar schon im Embryo vor.
3. Die zwei MALPiGHi'schen Gefässe der Gallwespenlarven sind
sehr stark entwickelt. Zahl und Grösse der Zellen ist nach den
Arten verschieden. Sie geben schon in der jungen Larve leb-
haft ein körniges, mit Karmin färbbares Secret ab, wachsen mit der
Larve, wobei ihre Kerne stark verzweigt werden. Sie gehen durch
Plasmolyse an Ort und Stelle zu Grunde, und es entstehen 16 inia-
ginale bedeutend kleinere MALPiGHi'sche Gefässe unterhalb der
larvalen. — Die MALriom'schen Gefässe der Inquilinen sind denen
der echten Gallwespen ähnlich. — Bei Hormoimjia sind die Malpighi-
schen Gefässe nicht grösser als die Speicheldrüsen, eher kleiner.
4. Das Epithel des Enddarmes besteht nur aus niedrigen kleinen
70 Heinrich Rössig,
Zellen. Geg-en Ende der Larvenzeit erheben sich im Eectnm
Rectalpapillen, deren Zellen nnd Kerne spindelförmig sind. Secer-
nirende Thätigkeit dürfte dem jnngen Epithel nicht zukommen,
5. Die ersten AVochen ist das Wachsthum der Bnjophanta
divisa-'L2iV\Q\\ von V2 ^^"^ sehr langsam, es beträgt in 4 Wochen
mir ca. V3 n^wi- In dieser Zeit wächst die Galle zu voller Grösse
heran. Dann nimmt die Larve schnell und reichlich Nahrung auf
und wächst binnen 14 Tagen zu 3—4 mm heran.
VII. Disciission der Uutersuchungsergebiiisse.
Legen wir uns jetzt wieder die Frage vor: Was giebt bei den
Gallwespen Anlass zur Entwicklung der Pflanzengalle?, so können
wir unter kurzer Eecapitulation der schon in der Einleitung ge-
gebenen Thatsachen unser Wissen über diesen Punkt in folgende
Sätze zusammenfassen :
1. Die Galle wird hervorgerufen durch einen chemischen Reiz.
a) Pflanzen sowohl als Thiere rufen Gallen hervor, bei erstem
kann nur ein chemischer Reiz vorliegen.
b) Thatsächlich veranlasst ein chemischer Stoff, das Secret des
5, die Gallbildung bei Nemattts vallisnierii.
c) Andere Reize: Bewegung, Nagen der Larve, sind nicht ge-
nügend sicher nachgewiesen, werden sogar bestimmt in Abrede ge-
stellt. (Beyekinck: Bhodifes spmosissimae , BiorJma terminalis,
Netiroterns haccarum).
d) Eine chemische p]inwirkung setzen eine Reihe eigenartiger
Erscheinungen der Gallformen voraus, aufweiche Keener v. Marilaun ^)
hinweist: die Prolepsis: Die Erscheinung, dass durch den Ein-
fluss des Gallenthieres Gebilde in einem Jahre entstehen, die sonst
erst in 8—6 Jahren entstanden wären (Wirrzöpfe der Salix alba,
Bildung verkürzter Sprosse bis zur 5. Ordnung) ; die A n t h 0 1 3^ s e , Auf-
lösung der Staub- und Fruchtblätter in Blüthenblätter (Rhododendron
ferrugineum) ; die Vergrünung derBlüthenb]ätter(Veronica offlcinalis);
Kerner schliesst daraus, dass eine solche Abänderung des in der
Pflanzenzelle von vorn herein grundgelegten Bauplanes auf eine Ver-
änderung der specifischen Constitution des betr. Protoplasmas zurück
zu führen sei, „dass den von den Thieren ausgeschiedenen Stoffen
1) Pflanzenleben, V. 2, p. 493 ff.
Von welcheu Orgaueu geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 71
die Fähig-keit zukommt, die das Wesen der Art ausmachende speci-
lisclie Constitution des Protoplasmas in den beeinflussten Pflanzen-
zellen zu verändern."
2. Es ist ein tropfbar-flüssiger Stoff, der die Entwicklung- der
Pflanzenzelleu zur Gallbildung auslöst, kein g-asförmig-er.
An letztern könnte man denken, da ja die Larven der Gall-
wespen ganz im Pflanzengewebe eingeschlossen liegen, also die Re-
spirationsgase durch das Pflanzengewebe hindurch aufgenommen
und die verbrauchten abgeg-eben werden müssen. Gegen einen Ein-
fluss derselben spricht: a) die Entstehung der erwähnten Nematus-
galle; b) die Gallbildung bei den Aphiden und Milben, die nicht in
der Pflanze, sondern auf ihr leben; c) die Gallbildung von Bhodites
spinosissimae und Neiiroferus haccamm, deren Ei das Blattgewebe nur
in einem Punkte berührt und doch schon Wucherung der Zellen
veranlasst. Gasförmige Körper dürften in den Fällen b) und c) von
der umgebenden Luft zu schnell entfernt werden.
3. Dieser tropfbar-flüssige Stoß' ist ein Stoifwechselproduct der
lebenden Larve.
ArPEL, Adler, Beyerinck, Kerner bestätigen es, dass die
Galle nur wächst, so lange das Thier darin lebt. AVird es entfernt
oder getödtet, so hört das Wachsthum der Galle auf, mag auch der
Körper der Larve im letztern Falle zurückbleiben und in der Galle
sich zersetzen. Deshalb sind auch bisher alle Versuche, künstlich
eine Wucherung des Pflanzengewebes zu veranlassen, gescheitert
(Appel). Ich habe selbst einige Versuche unternommen. Einmal
habe ich mehrere junge terminaJis-G -dlleAi sammt den (Hunderten
von) Larven zerdrückt, die erhaltene Flüssigkeit mit einer sehr fein
ausgezogenen Pipette aufgenommen und mittels feiner Einstiche in
junge Blätter und Triebe und in Knospen von Eichen, Spiräen,
Flieder übertragen. Das Eesultat blieb negativ. Die verletzten
Stellen der Blattspreite wurden trocken, die Blattrippen und die
jungen Triebe zeigen an der verletzten Stelle gelbe bis schwarze
Ränder, die Knospen sind geschrumpft, aber irgend eine Verdickung
zeigt sich nicht. Dann habe ich den gleichen Versuch wiederholt
mit Harnsäure und chemisch reinem Harnstoff, aber mit dem gleichen
negativen Erfolge.
4. Dieses flüssige Stoffwechselproduct muss schon von der
jungen, noch in der Eihaut eingeschlossenen Larve abgeschieden
werden, ebenso aber auch noch von der aus dem Ei geschlüpften
wachsenden Larve (cf. unter 3; und oben S. 23).
72 Heinrich Rö;siö,
5. Es ist nicht die Blutflüssigkeit der Larve.
Ein Austreten derselben, durch Diosmose etwa, ist unwahr-
scheinlich und nirgends sonst beobachtet. Die Käfer Coccinella und
Timarclia sondern auf Reize hin als Vertheidigungsmittel gelbe
Flüssigkeit ab, es ist mit Gallenstoff gemischtes Blut. Das findet
sich aber nur l)ei den Imagines, nicht bei den Larven. Ausserdem
hätte man, wenn die Blutflüssigkeit als solche in Frage käme, bei
dem Versuche unter Nr. 3 ein anderes Resultat erwarten dürfen.
6. Besondere Organe, welche dieses Secret liefern könnten,
finden sich bei den Gallwespenlarven nicht.
Hautdrüsen, modificirte Hypodermiszellen, wie sie bei zahl-
reichen Lisectenlarven vorkommen, sind weder als dauernde Organe,
noch als vorübergehend wirksame (wie die Häutungsdrüsen) vor-
handen.
Es bleiben also nur die auch sonst bei Insectenlarven vor-
kommenden Drüsenorgane übrig: Speicheldrüse, MALPiGHi'sche Ge-
fässe, Epithel des Hinterdarmes (Mitteldarmepithel nicht, weil der
Mitteldarm fast bis zur Verpuppung geschlossen bleibt).
7. Das Epithel des Hinterdarmes darf man sofort als belanglos
ausschliessen wegen seiner geringen Entwicklung und Unschein-
barkeit.
8. Auch die Speicheldrüsen und ihr Secret können nicht in
Frage kommen.
Man ist geneigt, von vorn herein an diese zu denken, denn
a) Einmal haben diese Organe bei den verschiedenen Insecten-
classen eine wechselnde Function. Ihr Secret befördert bei den
einen die Verdauung, dient den andern zum Spinnen, ist im Rüssel
stechender Insecten ein Gift, das Blutandrang verursacht, trägt bei
der Honigbiene zur Ernährung der Larven bei.
b) Günstig wäre einer solchen Annahme die Lage der Ausführ-
ötfnung. Sie würde ermöglichen, dass das Secret der Speicheldrüsen
direct den durch die Zähnchen eben verletzten Zellen zugeführt
würde, der Reiz für diese sich also verdoppelte.
c) Man könnte auf die Aphiden verweisen, bei denen Rüssel-
drüsen vorhanden sind, MALPiGHi'sche Gefässe aber felilen.
Dennoch müssen wir diese Gründe zurückweisen, da ihnen
andere und gewichtigere gegenüber stehen.
a) Da schon die in der Eihaut noch eingeschlossene Larve
Gallenbildung anregt, müsste man annehmen, dass bei ihr die
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 73
Speicheldrüsen bereits functionirten, was sonst bei so jungen Stadien
der Entwicklnng- nicht vorkommt.
b) Die Thätigkeit der Speicheldrüsen müsste so lebhaft sein,
dass das Secret zwischen Larve und Eihaut bis zum hintern Eipole
hinabträufeln könnte, da die Eier von Rhod. spnwsissimae dem Blatte
nur mit diesem Pole aufgelagert sind und um ihn schon die Wuche-
runi»- der Zellen beginnt. Das ist so wenig wahrscheinlich wie a,
besonders auch deswegen, weil
c) die Entwicklung der Speicheldrüsen nur eine geringe ist.
Wohl braucht die Wirkung eines Secrets nicht von seiner Menge
allein abhängig zu sein. Eine geringe Quantität eines scharfen
Secrets kann stärker reizen als eine grosse Menge eines schwachen.
Aber wir wissen auch nichts über die Zusammensetzung der Secrete
in den Speicheldrüsen und in den MALriGiii'schen Gefässen. Es be-
dürfte einer chemischen Untersuchung beider und zwar bei Cyni-
piden und andern Insecten, um Yergleichungen und Schlüsse zu er-
möglichen.
Ist das Speicheldrüsensecret als eine Schleimart aufzufassen?
Leider gilt in diesem Punkte noch, was Mayer 1895 in seiner Ab-
handlung „Ueber Schleimfärbung" ausführt: „In der That wissen
wir vom Schleim der höhern Thiere noch recht wenig und von den
meisten AVirbellosen so gut wie gar nichts." Mater hat gefunden,
dass die reine Eiweissdrüse, Parotis, von Erinaceus sich nicht färbt.
Mucicarmin, Muchämatein, Bismarckbraun versagen. Die retro-
lingualis, eine reine Schleimdrüse, färbt sich, selbst der Schleim im
Ausführgang.
Versuche mit Mucicarmin gaben keine einwandfreien Resultate
bei den Gallwespenlarven. Wohl färbte sich das Secret in Speichel-
drüsen wie MALPiGHi'schen Gefässen, aber auch die Körperzellen, die
sich nicht färben sollten, thaten es und waren sogar lebhafter ge-
färbt als das Secret. Selbst aber auch wenn es gelänge, diese Frage
klar zu legen, bleibt zu Recht bestehen, was Krause 1895 (Zur
Histologie der Speicheldrüsen) bemerkt: „Die mikrochemischen Re-
actionen genügen nicht, wenn es sich um die Frage nach der Natur
eines von den Drüsenzellen gelieferten Secrets handelt. Sie können
höchstens die Diagnose stützen, unerlässlich aber wird immer die
chemische Untersuchung des Secrets selbst sein." Letztere ist aber
bei der geringen Grösse der Gallwespenlarven so gut wie ausge-
schlossen. Es bleibt uns daher nur übrig aus andern Erscheinungen,
Grösse, Lage und sonstigem Verhalten in verschiedenen Larvenarten
74 Heinrich Eössig,
und -Entwicklungsstufen, auf die physioloo-isclie Function der Organe
zu scliliessen. Neben der geringen Entwicklung in den echten Gall-
wespen verdient darum
d) die starke Entwicklung der Speicheldrüsen bei Inquilinen-
uud andern Hjmenopterenlarven unsere Beachtung. Erstere be-
sonders stehen den echten Gallwespen nach Körperbau und Lebens-
weise noch recht nahe. Der Schluss, dass die gleichen Organe bei
beiden noch im gleichen Sinne functioniren, ist daher wohl be-
rechtigt. Es ist aber auch ein aus der Erfahrung abgeleiteter Satz,
dass nicht mehr functionirende Organe allmählich zuriickgebildet
w^erden. Da nun die Inquilinen keine Galle melir bilden, sondern
die Gallen anderer Arten benützen, die Speicheldrüsen derselben
aber nicht kleiner geworden, sondern vergrössert sind, kann man
der Folgerung sich nicht gut entziehen, dass die Speicheldrüsen das
Secret wohl nicht liefern können. Käme es von diesen, dann müsste
eine von 5 — 7 und mehr Inquilinen besetzte Galle nicht nur ein
w^enig sich vergrössern, sondern das drei- und vierfache ihrer
normalen Ausdehnung erreichen.
9. Die MALPiGHi'schen Gefässe kommen in erster Linie in Frage,
Was ich gegen die Speicheldrüsen gesagt habe, lässt sich ins
Gegentheil verwandelt für die MALPiGHi'schen Gefässe ins Feld
führen.
a) Sie sind typische Oi'gane für Ausscheidung von Stoifwechsel-
producten. Der Mitteldarm der Hymenopteren ist aber geschlossen,
die Analöffnung functionirt daher ausschliesslich als Ausführgang
der MALPiGHi'schen Gefässe.
b) Sie functioniren schon zeitig im Laufe der Entwicklung.
c) Bei zahlreichen Untersuchungen ist in denselben Harnsäure
gefunden, seitdem Brugnatelli zum ersten Male dieselbe darin
nachgewiesen. In Jüngern Larven habe ich nichts gefunden, was
daran erinnern könnte, wohl aber ein typisches mit Karmin färb-
bares körniges Secret.
d) Für die MALPiGHi'schen Gefässe spricht ihre bedeutende
Grösse. Diese scheint, da die Nahrung der Larven eine gute ge-
nannt werden muss (eiweissreiche Zellen mit reichlich Fettröpfchen)
durch das Ausscheidungsbedürfniss von verbrauchten Körpersäften
nicht genügend motivirt zu sein. Diese auffallende Grösse tritt aber
schon im Embryonalleben hervor.
e) Sie entfalten schon zeitig eine lebliafte secernirende Thätig-
keit, wde Vacuolen im Plasma und Secret im Ausführgange beweisen.
Von welchen Organen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzeugalle aus? 75
Bei Andricus fecundatrix findet Secret sicli auch innerhalb der Kern-
niembran.
f ) AVenn die junge Larve von Bhodiies spinosissimae der rosae-Larve
ähnlich eine mehr gestreckte Gestalt besitzt, so würde das sehr gut
zu Beyerixck's Mittheilung passen, wonach das Ei mit dem hintern
Pole dem Blatte aufliegt; aber auch bei stark eingekrümmten, fast
kugligen Arten würde die Lage der Ausführöflfnung bei der Grösse
und Zahl der Zellen und der lebhaften Secretion kaum ernstlich in
Frage kommen.
g) Sind es die MALPiani'schen Gefässe, welche das zur Gallen-
bildung reizende Secret liefern, dann erklärt sich auch zu einem
Theile die Verschiedenheit der Gallenform, Diese ist gewiss zu
einem Theile abhängig von der Pflanze. Dieselbe Thierart ruft auf
verschiedenen Pflanzen etwas abweichende Gallbildungen hervor. Die
Galle der Larve von NematuspeduncuJi ist auf den unterseits weissfilzigen
Blättern von Salix incana weissfilzig, auf den kahlen Blättern von
Salix purpurea kahl (Kerker). Die Gallenform ist ferner ab-
hängig von der Stelle, an welcher die Galle entsteht, ob es Wurzel,
Kinde, Knospe, Blatt (Blattfläche, Stielrippe), Blüthe {S, $) ist. Doch
genügt das nicht zur Erklärung der Thatsaclie, dass verschiedene
Thiere auf gleicher Unterlage verschiedene Gallformen hervorrufen,
die aber in ihrer Art beständig sind. Kerner schliesst daraus auf
eine specifische Verschiedenheit der flüssigen Abscheidungsstoffe.
Diese Forderung scheinen die MALPiGHi'schen Gefässe zu erfüllen.
Sie zeigen grössere Verschiedenheiten in den einzelnen Arten als
die Speicheldrüsen. Sowohl die Grösse als die Zahl der Zellen ist
auffällig verschieden. Es haben z. B. im Durchschnitt bei einer
Länge der Larve die MALPiGHi'schen Gefässe:
von 1. icrminalis 470 i-i,
„ 2. divisa 460 „
„ 3. fecundatrix 400 „
Es kommt hinzu, dass für eine Art wenigstens, fecundatrix, bei
der gewöhnlichen Färbung eine Abweichung sich zeigt (S. 67), also
auch auf chemische Verschiedenheit der Secrete sicherer schliessen
lässt. Daraus ist gewiss auch zu einem guten Theil die so auf-
fällige Verschiedenheit der Gallenform von 1 und 3 zurück zu
führen. Beide sind bekanntlich Knospengallen, 1 giebt die apfel-
förmige Frühlingsgalle, 3 die einer Rosenknospe ähnliche und in
Zelle:
Kern :
45 ^/,
25 .«,
59 „
36 „
m „
66 „
76 Heinbich RÖSSIG,
ihren zahlreichen Schuppen eine Innengalle bergende Sommerg'alle.
Dabei wird letztere durch ein einziges Thier hervorgerufen, während
erstere 100—180 Larven zugleich birgt.
Eine genauere Kenntniss gerade der jüngsten Larvenstadien,
vielleicht besser noch der letzten Embryonalstadien, dürfte geeignet
sein, unser Wissen nach dieser Eichtung zu fördern. Vielleicht er-
giebt sich dann das Resultat, dass doch in letzter Linie die Reiz-
wirkung von der Gallwespe ausgeht, in so fern die wirksamen
Stoffe in gebundener Form in den Dotterschollen des Eies nieder-
gelegt und zum Bau der MALPiGHi'schen Gefässe (vielleicht auch
der Oenocyten?) verwendet sind und erst im Embryonalleben und
der jüngsten Larvenperiode frei und wirksam werden.
10. Auch die Oenocyten sind dabei lebhaft betheiligt (ob positiv
oder negativ?).
Es erübrigt noch der so auffällig grossen Larval-Oenocyten zu
gedenken. Welche Bedeutung kann ihnen zukommen? Nach der
heute zumeist vertretenen Auffassung sind sie Excretionsorgane,
bestimmt, harnsaure Salze aufzuspeichern und zwar, wie Verson
bei Bomhyx wahrscheinlich gemacht, während der Zeit, wo die
MALPiGHi'schen Gefässe nicht functioniren können, während der
Häutungen und der Verpuppung. Berlese kommt zu dem gleichen
Schluss. Besonders der Fall des Melophagus „dove i malpighiani
vengono solo assai tardi nella ninfa, appunto quando scompaiono
gli oenociti e questi sono abbundantissimi invece in precedenza, mi
conferma nelF idea che si tratte appunto di organi escretivi." ^)
Das angenommen, würde die Grösse der Oenocyten nicht mehr so
unerklärlich erscheinen, w^o die MALPiGiii'schen Gefässe so stark
entwickelt sind. Wie sich dieses Verhältniss bei andern Insecten
gestaltet, ob etwa eine Correlation im AVachsthum sich zeigt, ist
nicht zu sagen, da Vergleichsmaterial aus andern Insectenclassen
unter diesem Gesichtspunkte zusammengestellt so gut wie gänzlich
fehlt. Auch aus den von mir hergestellten Präparaten lässt sich
ein Schluss nach dieser Richtung nicht sicher ziehen, legt sich
aber nahe beim Vergleich folgender drei Serien von Dryophanta
divisa-hSiYYen.
1) BerlesE; A., in : Rivista Fatol, veg.
Speicheldrüseu,
Malpigh.
Gefässe,
Oenocyten,
Zellen Kern
Zellen
Kern
Zellen Kern
19 .«, 9 ^i,
59 /^
36 (.1,
50 //, 25 |t<,
40 , 21 „
73 ,
50 „
100 „ 50 ,,
56 „ 30 „
115 „
56 „
150 „ 59 „
Von welchen Organen geht der Eeiz zur Bildung der Pflanzengalle aus? 77
Larve vom Länge
1. 1. VIl. 460 ,«,
2. 14. VII. ca. 600 „
3. 21. VII. 714 „
In der gleichen Zeit, in welcher die Zellen der MALPiGHi'schen
Gefässe ihren Durchmesser vei-doppeln, erreichen die Oenoc3^ten
(und Speicheldrüsenzellen !) die dreifache Grösse. Ob das allein aus
der Aufgabe, für die MALPiGHi'schen Gefässe einzutreten, erklärt
werden kann, lasse ich einstweilen dahingestellt. Wenn die Oeno-
cyten nur dieselbe Aufgabe hätten wie die MALPiGHi'schen Gefässe,
warum sind sie dann so auffallend abweichend in ihrem Verhalten
nach Structur und Farbe? ^^^ürden so wenige Zellen genügen, wenn
auch nur für einige Tage, denselben physiologischen Arbeitseifect
zu erzielen wie so viele andere der MALPiGHi'schen Gefässe?
{tcrminalis hat 6 — 10 Oenocyteu, gegen 100 Zellen in den Malpighi-
schen Gefässen). Wahrscheinlich dürfte ihnen auch noch irgend
eine andere Aufgabe zugewiesen sein, ob eine nur negative, z. B.
ein Paralysiren von unnützen oder schädlichen Stoffen (das Gallen-
gewebe reagirt sauer, die zerdrückte Larve aber alkalisch) oder
eine positive Umwandlung bestimmter Stoffe (der Nahrung? Gallus-
säure? des Blutes?) in bestimmte andere Producte, lässt sich nicht
entscheiden.
Volle Sicherheit ist über die Frage nach den Organen, welche
das Galleu secret liefern, nicht zu erreichen. Meine Ansicht geht
dahin, dass das wirksame Secret von den MALPiGHi'schen Gefässen
abgegeben wird. Ob es auch in ihnen ausschliesslich bereitet wird,
ist fraglich. Es kommt auf die Bedeutung an, welche man den
Oenocyten beilegt. Hält man sie nur für vicariirend mit den
MALPiGHi'schen Gefässen, dann müssen letztere das Secret allein
liefern. Ich möchte aber eher annehmen, dass auch den Oenocyten
ein gewisser I^influss nicht zu versagen ist, dass sie schon die Blut-
flüssigkeit in gewisser Richtung zerlegen und so den ]\rALPiGHi'schen
Gefässen vorarbeiten. Ob diese Auffassung haltbar ist, müssen
weitere Untersuchungen zeigen.
Heinrich Rüssig,
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Von welclien Orgauen geht der Reiz zur Bildung der Pflanzengalle aus'/ 87
Erklärung der Abbildiuigeii.
A Anus LOe Larvaloenocyteu
AG Ausführgang M Mund (-öflfnung, -ende)
BM Bauchmark .1// Muskel
C Cuticula Md Mitteldarm
F Fett (-körper, -zelle) MG MALPiGHl'sche Grefässe
GAG gemeinschaftliches Stück des Oh. Schi Oberschlundganglion
Ausführganges Oe Oenocyten
G Granglion <S' Secret
IM Hinterdarm Spar Speicheldrüsen
Hp Hypodermis T Tracheen
IM Tmaginale MALPlGHrsche Gef. [I.ScJ/l TJnterschlundganglion
lOe Iraaginaloenocyten V Vacuolen.
LM Larvale MALPiGHi'sche Gef.
Die Zeichnungen wurden auf dem Arbeitstisch hergestellt, nur Fig. 5
in halber Höhe des Tubus.
Tafel 3.
Fig. 1. I)rijoj)lirt)if(i (l/r/sri Htg. 785 /< laug. Sagittalschnitt. a — m
die 12 Körperriugel. 70 : 1.
Fig. 2. Dieselbe Larve, etwas tieferer Schnitt, die grossen Oeno-
cyten zeigend, a — g entsprechen den Bezeichnvingeu auf Fig. 1. 70:1.
Fig. .3. L'//o(lilcs rosae L. jung, halbschematisch. Lange Speichel-
drüse. 70:1.
Fig. 4. Dii/nj/l/ni/la divisa Htg. 460 /< lang. Frontalschnitt. Grosse
Oenocyten, 67 u, und Malp. Gef., Zellen 7l ,«, Kern 56 fi. 70: 1.
Fig. 5. Drijophaida dirisa. Querschnitt. Oenocyten und Malp. Gef.
in einander gepresst. Letztere mit Secret. 450: 1.
Fig. 6a. i>i()iln\a Iniiiiiudis Fun. 470 /< lang. Sagittalschnitt.
70: 1.
88 Heinrich Rössig.
Fig. 6 b. Tiefer liegender Schnitt derselben Larve. Sförmig ge-
krümmte Malp. Gef. 70 : 1.
Fig. 7 a und 7 b. Umi'isszeicbnung aus der Larve von Aiidrints
fecundatrix Htg., 400 /< lang, 70 : 1. Lage wie bei 6 a und 6 b. Grössere
Zellen der MALr. Gef.
Fig. 8. Bioyhha iernu'nnJis Fbe. Querschnitt. Malp. Gef. sind
5 mal getroffen. 70 : 1.
Fig. 9 a. Äjulricus osfreuf! GiR. 357 /ti lang. 7? Ring, welcher die
Grösse des Innenraums der Galle angiebt. 70 : 1.
Fig. 9 b. Dieselbe, 2 Zellen der Malp. Gef. und ein Oenocyt bei
300facher Vergrösserung. (M. G. 48 f.i, Oeu. 23 f.i).
Fig. 10. Dryopliaiita divisn. 450 ^i lang. Speicheldrüse der linken
Seite im Frontalschnitt. 450 : 1 .
Fig. IL Drijopliauta divisa. Ende Juni. Speicheldrüse im Quer-
schnitt. 450 : 1. '
Fig. 12. Drijoplxinta divisa. 21.11. Speicheldrüse. Sagittalschnitt.
Mit schaumigem Secret gefüllt. 450:1.
Fig. 13. Andricus glandulär, Htg. Erwachsene Larve, Frontalschnitt.
Lage der Speicheldrüsen zum Mitteldarm und den Malp. Gef. zeigend.
Speicheldrüse und Malp. Gef. mit verzweigten Kernen. 70 : 1.
Tafel 4.
Fig. 14. Audricas malpighii Adler. Speicheldrüse und Malp. Gef,
vor dem Verfall. 70 : 1. Sagittalschnitt.
Fig. 15. Andricus r/Iandulac Htg. Sagittaler Durchschnitt des
GAG. 300 : 1. SjxlrÖ Mündung der Speicheldrüsen.
Fig. 16. Tihodiics spinosissimae GiR. Sagittalschnitt. Zusammen-
gefallenes Säckchen der Speicheldrüse. Kerne verklumpt. 70 : 1.
Fig. 17. Inquiline von Andricus (jlohuU Htg. Sagittalschnitt durch
2 Zellen der Speicheldrüsen. Die hellen Querlinien dürften künstlich
durch den Schnitt herbeigeführt sein. 300 : 1.
Fig. 18. Andricus malpigliii Adl. Sagittalschnitt durch das Ende
des Ausführganges der Speicheldrüsen. Mit Ringfalten der Intima. Ver-
dickung des Endabschnittes fast verschwunden. 300 : 1.
Fig. 19. Rhodites rosac L. Speicheldrüse (sagittal). Im zusammen-
gefallenen Lumen Reste der larvalen Kernmassen (LK) und im vordem
Abschnitte beginnende Regeneration des Epithels, d Combinirte Gesammt-
ansicht, a, b, c Theile bei 300facher Vergr.
Fig. 20. Dnjophanta folii L. Frontalschnitt. Imaginale Speichel-
drüse. 150 : 1.
Fig. 21 wie Fig. 20, mit larvalem Chromatinklumpen.
Fig. 22. Ncurulevus Iricolor Htg. Sagittalschnitt durch die Kopf-
drüse (System IV nach ScHiEMENZ) der Puppe. 300 : 1.
Voll Avelcheii Organeu geht der Reiz zur Bildung der Priaiizengalle aus? 89
Fig. 23. Ausführgang zu Fig. 22. l)r Kopfdrüse. Miid Anlage
der Mandibeln. 150 : 1.
Fig. 24. Inquiline von Andriciis f/Iolnili, halbschematischer Sagittal-
schnitt der Speicheldrüse. 70 ' 1.
Fig. 25. Hormomijia fagi H.'i:(jr., 1070 ,u lang. Frontalsclinitt. 70:1.
Fig. 26. Wie Fig. 25. Schematische Figur Lage und Grössen-
verhältnisse der 3 Abschnitte der Speicheldrüse einer 6 mm langen Larve
zeigend.
Fig. 27 — 51. L arval- 0 enocy ten (Beschreibung im Text!).
Fig. 27. Biorln'ui terunualis Fbi?. 460 (^i lang. Oenocyten 20 (.i,
a mit Yacuolen, b mit 2 Kernen (?). 300: L
Fig. 28. Dryophania divisa Htg. Vergr. aus der Fig. 2. Oen.
146 /<. Kern 70 ß. 450 : 1.
Fig. 29. Drijophanfa divim Htg. Oen. den Malp. Gef. anliegend,
durch den Längsmuskel der Körperseite fast durchschnürt.
Fig. 30. Oen. mit pseudopodienartigen Fortsätzen, a Drijopltaiila
divisa. 150:1. b liliodites rosae L. 300:1. c Aiidricus autumnalis
Htg. 300:1. d — f Ändrims glaiidulae Ktg.
Tafel 5.
Fig. 31. Andriciis autiwnialis Htg. 300: 1 (cf. Text S. 55).
Fig. 32. Ändricus cmtumiialis Htg. 450 : 1.
Fig. 33. Dryophanta divisa Htg. 300 : 1.
Fig. 34. Andriciis malpighii Adl. 300 : 1.
Fig. 35. Desgl.
Fig. 36 u. 37. Dryophania divisa Htg. 450: 1.
Fig. 38. Inquil. v. Andriciis glohuli Htg. 300: 1.
Fig. 30. Cynips kollarii Htg. Kernmembran aufgelöst. 300 : 1.
Fig. 40. Ändricus mnJpiqliii Adl. Oen. getüllt mit Uratkrystallen.
850:1.
Fig. 41 — 43. Inquilinen von RJioditcs cglanteriae Htg. bei Fig. 42
des Plasma durch Pikrin gelb gefärbt, 43 degenerirend. 300 : 1.
Fig. 44. Vcspa crcthro. 1,5 mm lang. 300 : 1.
Fig. 45. Tenthredinide {Nematus sp.?). 300:1.
Fig. 46 — 49. Hormomyia fagi Htg. 46: Larve 1,07 mm. 49:
Larve 6 mm. 300 : 1.
Fig. 50. Aphis mali. a — e aus Embryonen, f — i aus dem erwach-
senen $, 300 : 1.
Fig. 51. Biorhiza (erniinalis Fbk. Junge Fettkörperzellen, durch
mitotische Theilungen aus Hypodermiszellen entstehend. 5 sind auf der
90 H. EössiG, Reiz zur Bildung der Pflanzengalle.
Figur vom Schnitt getroffen. .//''-; Junge Fettköri^erzellen. 550:1. Iniq
Imaginalscheibe.
Fig. 52. ÄudricHs glandulae Htg. Uebergangsstadien der jungen
Fettkörperzellen in typische, a, b mit einer Vacuole, c, d mit 2, e mit 5 ;
f, g mit 6 sind schon typische Fettkörperzellen. 300 : 1.
Tafel 6.
Fig. 53 — 59. RhodUcs rosae L. Imaginaloenocyten. 53 — 55 Um-
risszeichnungen.
Fig. 53 u. 54. Auf einander folgende Schnitte sagittal durch die
Ventralseite der Abdominalringe. Stadium mit 3 Zellen. 300:1.
Fig. 55 — 57. Desgl. mit Theilungsfiguren. 550 : 1.
Fig. 58. Säckchen von Imaginaloenocyten einer Stigmenanlage ähn-
lich. 70:1.
Fig. 59. Syncytium frei im Fettgewebe des 1. Abdominalringes.
300: 1.
Fig. 60 — 64. MALPiaHi'sche Ge fasse.
Fig. 60. Biorliixa terminaUs Fbr. Querschnitt durch ein Malp.
Gef. Eine Zelle mit Secret in Vacuolen. 550 : 1.
Fig. 61. Rhodites rosae Jj. Umrisszeichnung, Grössenverhältniss der
degenerirenden larvalen Malp. Gef. {LM) zu den fast ganz ausgebildeten
imaginalen (AI/) darstellend. 70 : 1.
Fig. 62. Rhodiies spinosissimae GiR. Schrägschnitt durch eine de-
generirende Malp. Drüse, im Lumen eine vorgepresste Drüsenzelle. 300 : 1 .
Fig. 63. Biorhiza terminalis Fbr. Frontalschnitt durch die Ver-
bindungsstelle der Malp. Gef. und des Hinterdarmes, mit Anlagen junger
imaginaler Malp. Gef. 300 : 1.
Fig. 64. Biorhiza terminalis Fbr, Medianer Sagittalschnitt durch
den Hinterdarm, Vergrösserung der Fig. 6 a. 550: 1.
Fig. 65. Ändricus malpighii Adl. Sagittalschnitt durch den obern
Abschnitt des Hinterdarms und den untern der Malp. Gef. lU Imaginal-
ring der spätem imaginalen Malp. Gef. 120: 1.
Fig. 66. Dieselbe Larve, gleicher Schnitt wie Fig. 65. Unterer
Abschnitt des Enddarms mit den Rectalpapillen RP. 120:1.
Lippeit & Co. (G. Pät/.'sche Buchdr.), Naumburg a. Ö.
Ueberselzungsrecht vorbehalten .
Nachdruck verboten.
lieber einen neuen Hirsch aus Turkestan.
Von
B. M. Shitkow, PriA'atdoceiit an der Universität Moskau.
Mit 5 Abbildungen im Text.
Der Hirsch, welchem die folgende Abhandlung- gilt, war schon
in der zoolog-ischen Literatur erwähnt und in Kürze beschrieben.
Nach Hinweisen von Herrn Hagenheck, der das Thier im Moskauer
Zoologischen Garten sah und dasselbe als eine noch nicht be-
schriebene Art ansprach, brachte Lydekker in seinem bekannten
Werk „The deer of all lands" ^) eine kurze Beschreibung dieses
Hirsches. Lydekker führt folgende charakteristischen Merkmale
dieser Form auf: Höhe des Thieres an den Sclmltern 4 Fuss; das
Geweih nach seinem Allgemein typus ähnelt dem des „Shou" {Cervus
affinis HoDGs.), indem es eine ebensolche Biegung nach vorn besitzt
über der ]\littelsprosse wie bei letzterm. Normaler Weise aber hat
das Geweih nur 4 Sprossen, da die Eissprosse fehlt. Der Kopf ist
kurz und breit; die Färbung aschgrau (..ashygray") mit gelblicher
Schattirung. Ueber den Rücken geht ein schwarzer Riemen. Der
wenig scharf hervortretende Spiegel umschliesst den Schwanz.
Lydekker hält es für möglich, dass dieser Hirsch eine kleine west-
liche Varietät des Cervus affinis darstellt. „Diese Angaben und die
ihnen beigegebene Photographie" — schliesst Herr Lydekker —
„verdanke ich Mv. Cahl HACiKNUECK."
1) Lydekker, The deer of all lands, London 1898, p. 108. — The
Bokhara-Deer, Cervus sp. 7ior.?
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. 7
92 ' B- M. Shitkow,
Der Hirsch, um den es sich handelt, wurde vom Generalgouver-
neur von Turkestan dem Moskauer zoologischen Garten als Geschenk
vor mehr als 10 Jahren übersandt. Später wurde vom General-
gouverneur DucHowsKüi auch eine Hindin (Thier) dieser Art ge-
schickt, die noch jetzt lebt und sich vier Jahre im Garten befindet.
Was das Männchen anbelangt, so ging dasselbe im December
1902 ein, und der ausgestopfte Balg befindet sich jetzt im Zoologischen
Museum der Universität Moskau. Dieser Balg diente auch als
Material für die hier gebotene Beschreibung. Ausser dem Balge
hatte ich auch 4 Geweihe zur Verfügung, von denen eines sich am
Balge befindet, während die übrigen 3 die auf einander folgenden
Geweihabwürfe der Jahre 1899, 1901 und 1902 darstellen. Die 1900
abgeworfenen Geweihe, wie die vor 1899 gewechselten, sind leider
nicht erhalten. Uebrigens zeigen die von der Gartendirection mir
gelieferten 3 Photographien, die zu verschiedenen Zeiten im Zoolo-
gischen Garten aufgenommen wurden, dass der Typus und die Form
des Geweihes, die Zahl der Sprossen auch früher dieselben waren
wie an den Geweihabwürfen von 1899 — 1902. Jedenfalls repräsen-
tiren die 4 Geweihserien ein nicht uninteressantes Material zur
Beurtheilung der Beständigkeit der Grundzüge des Baues des Ge-
weihes unseres Hirsches und der Bedeutung dieser oder jener Ver-
änderungen in der Entwicklung und Vertheilung der Sprossen —
und das um so eher, als das letzte Geweih (zum Theil auch die
frühern) nicht vollkommen entwickelt erscheint und seinen Typus
in Folge des schon eingetretenen senilen Marasmus des Thieres
etwas verändert hat. Zur Beschreibung dieser Geweihserie gehen
wir vor Allem nunmehr über.
Sowohl die abgeworfenen als auch die am Balge befindlichen
Geweihe fallen vor allen Dingen durch ihre hell leuchtend weisse
Färbung in die Augen, durch die sie sich merklich von den eine
dunkelgraue Färbung tragenden Geweihen der Edelhirsche und
Wapitis unterscheiden. Viel auffallender als bei diesen letztern ist
auch am Geweih des Turkestan-Hirsches die Furchung ausgeprägt,
wobei die die Furchen begrenzenden und sich besonders längs der
Innenseite des Gehörnes hinziehenden engen, zusammengedrückten
niedrigen Kämmchen, an vielen Stellen unterbrochen, Erhebungen
bilden, die im Kleinen den Perlen des Rehes ähneln {Cervus capreolus L.)
Das Geweih erscheint daher sehr rauh.
Alle 4 Geweihe besitzen an den Stangen je 4 Sprossen, welche
Anzahl für diese Form typisch ist. Unten, kaum vom Rosenstock
Ueber einen neuen Hirsch aus Tuikestan. 93
entfernt (fast unmittelbar über ihm), sind schräg nach oben und
vorn die Augensprossen gerichtet. Die Augensprusse beider
Stangen ist gut entwickelt; sie gehen einander parallel und sind
somit derart gerichtet, dass beide einen rechten Winkel mit einer
Linie bilden, die man über die obere Fläche des Kopfes über die
Stirn und Schnauze des Hirsches geführt hat. Die Eissprossen fehlen.
Annähernd in der Mitte der Länge der Geweihstange zweigt sich
die im Vergleich zur Augensprosse schwach entwickelte Mittelsprosse
ab. Die Krone des GewTihes bildet eine Gabel, deren innere Sprosse,
die das Ende der Geweihstange dai-stellt, stärker entwickelt ist, die
äussere aber — äussere Spitze der ersten Endgabel oder Spitze e
nach Blasius' Terminologie ') — schwächer. Die Tlieile der Gabel
haben das Bestreben, sich einander parallel zu entwickeln, und ent-
fernen sich wenig von einander, indem sie annähernd einen Winkel
von 45" bilden.
Die Mittelsprosse hat ebenfalls eine aufwärts gehende Richtung,
im Durchschnitt mit der Geweihstange einen kleinern Winkel
bildend (etwa 60 "). als es gewöhnlich bei Edelhirschen der Fall ist.
Die Ansätze aller drei Sprossen — der Augen-, Mittel- und äussern
Gabelsprosse — liegen an der Oberfläche der Geweihstange, eine
flach ansteigende Schraubenlinie bildend: die Augen sprosse' entspringt
auf der Torderoberfläche der Stange, die Mittelsprosse an der vordem
Seitenoberfläche, die Gabelsprosse von der Seiten- oder sogar hintern
Seitenoberfläche. Die Axen des Gew^eihes sind in Gestalt eines
ziemlich gleiclimässigen Bogens nach innen und vorn gebogen, so
dass die Spitzen desselben sich einander nähern.
Lidem ich zur Beschreibung der einzelnen Geweihe und Auf-
führung von deren Maassen übergehe, muss ich Folgendes bemerken:
Die Maasse am Geweih (der Stange und den Sprossen) wurden mit
einem Bande an der Innern (concaven) Seite der Stangen und
Sprossen genommen. Als Entfernung der Sprossen von einander
wurde die Entfernung zwischen den auf der Innen-(Concav-)Seite
der Stangen, zwischen der Glitte der Sprossenansätze ; gelegenen
Punkte angenommen, indem das ]\Iaass längs der Oberfläche der
Stange genommen wurde. Die Länge der Gabelsprossen wurde von
den Punkten aus gei'echnet, die in der Mitte in der Gabelung (an
der Linenoberfläche derselben) lagen. Alle ^laasse sind, wie bei
1) Naturgesch. der Säugethiere Deutschlands, p. 451.
94
B. M. Shitkow,
den Angaben in Lydekker's Buch, in englischen Zoll gegeben.
Folgendes die Maasse der drei Geweihabwürfe:
Geweih
No. 1
Geweih
No. 2
rechts links rechts links
Geweih
No. 3
rechts links
Länge der Stange vom Roseustockrande
his zur Spitze
Länge der Augensprosse
Länge der Mittelsprosse
Abstand zwischen Augen- und Mittelsprosse
Abstand zwischen der Mitte des Mittel-
sprosseu-Ansatzes his zur Mitte der
Gabelung
Innere Gahelsprosse (Stangenende)
Aeussere Gabelsprosse
Umfang der Stange am Rosenstock
Umfang der Stange über der Mittelsprosse
(2 Zoll über dem Ansatz derselben)
Gerader Abstand vom Roseustockrande bis
zur Geweihspitze (an der Sehne des
Bogens)
39
15
38
15
8,5 9
18.5 12
11.5
7'
31
36,5 36
11,75 12
8,75 6,5
4 5,5
12.5 13.5 15,5
13 li;75 16,5
8.5
7
7
6.25
10,5
19,5
7,5
6,5
o,o
32.5 30,5 30,5
34
11,5
6,75
14,5
11.75
8
4,75
6,5
28
Geweih No. 1.
Ueber eiueii neuen Hirsch aus Turkestau.
95
Das Geweih Xo. 1 (abgeworfen im März 1899j ist von den 4
mir zur Verfüg-ung: stehenden am stärksten entwickelt. Die Enden
der Angensprossen sind etwa in der lialben Länge der Sprossen
nach oben gebogen; diese selbst zweigen sich von den Stangen
etwas über dem Rosenstock ab. Die Gabeltheile sind stark ent-
wickelt und ziemlich gleichmässig-.
Geweih No. 2.
Das Geweih No. 2 (Abwarf vom 12. März 1901) ist etwas kürzer
und schwächer als das vorhergehende und hat dabei, in Folge einer
Veränderung der Lage der Mittelsprossen und äussern (iabelsprossen,
bei gleicher Anzahl von Sprossen überhaupt, oiuen etwas veränderten
Typus des Aufbaues. Die Mittelsprosse zweigt sich nämlich sehr
nahe der Augensprosse — 4 Zoll an der lechten Stange und 5.5 an
der linken — ab. Beide äussern Gabelsprossen liegen ebenfalls
verhältnissmässig /u ualie nach den Ansätzen des Geweihes hin, so
dass beide Gabeltheile ungleichmässig entwickelt sind. An der
linken Stange dieses Geweihes z. B. (wo diese rngleichmässigkeit
auffallender ausg'eprägt ist) hat die innere Gabelsprosse (Ende der
Stange) eine Länge von 19.5 Zoll, die äussere nur 7.5 Zoll, und
der Ansatz der letztern liegt an der Stange nur wenig höher als
die Stelle, wo an normal gebauten Geweihen die Mittelsprosse ab-
96
B. ;\r. Shitkow,
zweigt. Wenn man diesem Geweih die Mittelsprosse nehmen würde,
so würde es nach seiner Form stark an das Geweih des indischen
Cervus axis Erxl. erinnern.
Das Geweih No. 3 (Abwarf vom März 1902) ist nach dem Tj^nis
von Geweih No. 1 gebaut, aber nicht nur schwächer als dieses,
sondern sogar als Geweih No. 2 entwickelt. Die Gesammtlänge des
Geweihes ist wieder geringer (34 Zoll) und Mittel- wie Gabelsprossen
Geweih No. 3.
um ein Geringes schwächer ausgebildet. Dabei erweist sich bei
einem Vergleich beider Stangen des Geweihes, dass die Mittelsprosse
an der rechten Stange etwas derber und länger ist, die Gabelsprosse
an derselben Stange aber relativ schwächer; sie sind kürzer (be-
sonders die äussere) und dünner am Ansatz (an der rechten Stange
hat der Ansatz der Innern Gabelsprosse, d. h. die Stange unmittelbar
über der Gabeltheilung — an den beiden perpendiculär zu einander
stehenden Durchmessern — eine Stärke von 3 und 3,8 cm, an der
linken von 3,7 und 4,2 cm); die Sprossen bilden im Querschnitt ein
unregelmässiges Oval und sind in der mit der Fläche der Gabel
susammenfallenden Richtung zusammengedrückt.
Das Gew^eih No. 4, das sich am Schädel (und Balge) des Hirsches
befindet, ist vollkommen ausgezackt und besitzt nur Eeste des noch
links
32,5 Zoll
11,75 „
4,5 „
12,5 „
14 „
7 „
5,25 „
6 „
5 „
Ueber eiuen neuen Hirsch aus Tnrkestan. 97
nicht völlig abgefegten Bastes. Es giebt ein viel schärferes Bild
von Altersatrophie als die beiden vorausgehenden Geweihe, Es ist
in allen seinen Tlieilen kürzer und schwächer, mit unausgebildeten
Gabeln. Nur seine Augensprossen sind genügend entwickelt, wobei
die Enden derselben nach oben gerichtet sind, wie bei den übrigen
Geweihen. Der Ansatz der ]\rittelsprossen und äussern Sprossen der
nicht vollkoninien entAvickelten Gabeln ist normal, wie an den Ge-
weihen No. 1 und 3. Hier die Maasse dieses Geweihes:
rechts
Länge der ganzen Geweihstange 32 Zoll
,, Augensprosse 12,5 „
„ ,, ]\rittelsprosse 7 „
Abstand zwischen der Mitte des Ansatzes der
Augensprossen und Mittelsprossen 13,75 ,,
„ der Mittelsprosse von der Gabelung 14 ,,
Innere Gabelsprosse 4,75 „
Aeussere ,, 1,75 „
Umfang der Stange über den Eosenstock 6,25 „
„ ,, „ die Mittelsprosse 5,25 „
Abstand zwischen Rosenstock und Geweih-
spitze, an der Sehne 27,5 „ 27,5 „
Bei einem Vergleich der beiden Stangen dieses Geweihes sehen
wir abermals, dass die Gabeltheile an der Stange fast gar nicht zur
Entwicklung gelangten, die etwas dicker und an der die Augen-
sprosse, besonders aber die Mittelsprosse stärker ausgebildet ist.
Die Entfernung der verschiedenen Punkte des am Balge gelassenen
(Teweihes ist:
Abstand der Spitzen (Krone) beider Stangen 21,75 Zoll,
„ „ ,, der "Mittelsprossen (d. h. der Ab-
stand der am weitesten von einander
entfernten Geweihpunkte) 29,5 „
„ „ am weitesten von einander entfernten
Punkte beider Stangen 27 „
„ „ Ansätze beider Stangen (der Rosenstock-
ränder) 3 „
„ „ Augensprossenansätze 5 „
,, „ Augensprossensi)itzen 6,5 „
Die Augensprossen beider Seiten sind nach ihrer Richtung
eigentlich genau parallel, aber die aufwärts gerichteten Enden der-
98
B. M. Shitkow,
selben sind ein wenig abgelenkt. \\'ie an den übrigen Geweihen
erheben sich die Augensprossen schräg über der Stirn des Thieres
und steil nach oben, annäliernd einen rechten Winkel mit der Linie
bildend, die über die Stirn und die Schnauze des Hirsches geht.
Ko^if des Cerpiis ]iagcnbcckil mit Geweih Xo. 4.
Der Grad der Biegung der Geweihe des beschriebenen Hirsches
kann, so scheint mir, ziemlich gut durch das Zahlenverhältniss aus-
gedrückt werden, welches die Länge der Stange des Geweihes und
die gerade Entfernung an der Sehne, die der Bogen der Stange
bildet, vom Eosenstock zur Geweihspitze, mit einander ergeben. So
ist die Biegung der rechten Stange von Geweih No. 1 durch das
39
Verhältniss
31
1,258 g-ekennzeichnet. Nennen wir dieses Vei"
hältniss „lUegungsindex" des Geweihes. Bei einem solchen Zahlen-
system, — das natürlich nicht die Form der Biegung ausdrückt, die
Ueber einen iienen Hirsch ans Tnrkestan. 99
das Geweih bildet, wohl aber einen Begrilf giebt vom Grade der
Biegung" der ganzen Geweihstange und g-estattet, einzelne Geweihe
in dieser Beziehung mit einander zu vergleichen — würde der Grad
der Biegung aller vier zu meiner Verfügung gewesenen Geweihe
folgendermaassen durch diesen Index ausgedrückt werden können:
von 1.258 (rechte Stange von Geweih No. 1) bis 1,164 (rechte Stange
des Geweihes No. 4). Ich maass in derselben AA'eise 10 Geweihe
von Hirschen aus der Gruppe der Edelhirsche und Wapiti (aus der
Sammlung des Zoologischen Museums der Moskauer Universität) und
erhielt Zahlen, die zwischen 1.062 und 1,166 schwankten, und nur
in einem Falle 1.200 — wobei die grüssten Indices für das Geweih
des Altai-Wapiti mit recht stark nach innen gebogener Geweihkrone
(1,166) und für zwei Geweihe von kaukasischen Hirschen, bei denen
in Folge Bildung einer wahren Krone das Geweihstangenende
Sprosse d nach Blasius' Terminologie) steil nach innen gebogen
ist. wodurch die Länge der Sehne l)edeutend verringert, der Index
aller vergrössert wird, ungeaclitet der relativen Gradheit des Haupt-
theiles der Stange (Indices 1,200 und 1,161) — erzielt wurden.
Indem ich mich einer Ycrgleichung der einzelnen Geweilie zu-
wende, muss ich vor Allem hervorheben, dass an allen 4 Geweihen
die Biegungsindices vom ersten bis zum vierten Geweih im Allge-
meinen kleiner werden, indem sie für die rechte und linke Stange
ein und desselben Geweihes annähernd sich gleich bleiben (s. oben
die Maasse), so dass an jedem Geweih beide Stangen etwa denselben
Biegungsgrad besitzen. Eine Ausnahme bildet nur die relativ stark
gestreckte linke Stange des Geweihes No. 1 mit einem Index von
1.17. Für das erste, dritte und vierte Geweih haben wir der Reihe
nach für die rechte und linke Stange die Indices: 1.258 und 1.170:
1.214 und 1.204; 1,164 und 1.182. Die nach Lage der Sprossen ab-
weichenden Stangen des zweiten Geweihes sind etwas gestreckter
als die des dritten und haben die Indices 1,188 und 1,197. Zu
gleicher Zeit erscheinen auch die bedeutendem Abweichungen im
Bau des zweiten Geweihes, durch die es sich auszeichnet, coinci-
diiend an den Stangen beider Seiten, so diese von den typischen
Geweihen in derselben Richtung aberrant gestaltend, wobei die
Aehnlichkeit und Symmetrie unter den Stangen beider Seiten ge-
walirt bleiben. Dieser Umstand nimmt den Abweichungen im Auf-
bautypus der Stangen d(Mi Chaiakter der Zufälligkeit und lässt in
demselben bestimmte Variationen erblicken.
Die beschriebene Geweihserie bildet, wie schon oben bemerkt
100 B. M. Shitkow,
worden, das Bild einer fortschreitenden Nicht -Vollentwicklung- in
Folge Alterns des Thieres. Das erste, im März 1899 abgeworfene
Geweih, ist noch sehr mächtig entwickelt; die folgenden Geweihe
verändern sich der Art, dass allmählicli die Länge und Stärke der
Stangen abnimmt, wie auch der Sprossen. Die letztern zeigen je-
doch das Bild einer gewissen Consequenz in der Entwicklung der
Altersatro])hie. Die Augensprossen werden nur sehr wenig kürzer
(es existirt ein Unterschied in der Länge derselben und zwischen
dem ersten und den übrigen Geweihen) und sind sogar vollkommen
entwickelt auch am letzten Geweih, um Einiges sogar in der Länge
die Sprossen der beiden ersten Geweihe übertreffend. Die Mittel-
sprossen verändern sich stärker, und am dritten, besonders aber am
vierten Geweih sind sie schon bedeutend verkürzt und schwächer.
Noch auffallender ist die mangelhafte Entwicklung der Gabel, deren
äussere Sprossen am letzten Geweih nur 5,25 und 1,75 Zoll Länge
aufweisen, so dass die rechte Gabel gar nicht entwickelt ist. Es
ist von Interesse, den Umstand hervorzuheben, dass an diesem
letzten Geweih die mangelhafte Gabelentwicklung an der Stange
auftrat, die einen etwas stärkern Umfang und besser entwickelte
Mittelsprosse besitzt, und umgekehrt — an der linken Stange ist
bei geringer entwickelter Mittelsprosse relativ besser die Gabel aus-
gebildet. Dasselbe Verhältniss der Sprossen, wenn auch weniger
scharf ausgeprägt, zeigen die Maasse der Sprossen der übrigen Ge-
weihe. Offenbar wird also vom Organismus eine annähernd be-
stimmte Quantität plastischen Materials auf den Aufbau beider
Stangen verwandt, und bei Mangel an diesem Material, in Folge
dessen die mangelhafte Ausbildung der Geweihe im Alter auftritt
(verbunden mit Abschwäcliung der geschlechtlichen Productions-
fähigkeit des Thieres) erscheint bei annähernd normaler Ausbildung
der einen Theile des Geweihes die mangelhafte der andern. Ein
solches Bild der Geweihentwicklung bei Hirschen bietet in bedeu-
tendem Maasse auch die von mir vorgenommene Wägung der drei
Geweihabwürfe. Hierbei ist das Gewicht der rechten und linken
Stange des ersten, zweiten und dritten Geweihes durch die Zahlen
2410 und 2400 g, 1610 und 1590 g, 1540 und 1580 g ausgedrückt.
Nur bei diesem letzten (dritten) Geweih ist der Unterschied im
Gewichte der rechten und linken Stange bis '4o des Gewichtes ge-
stiegen. Bei dem ersten Geweih (normal und regelmässig ausge-
bildet) kommt dieser Unterschied im Ganzen bloss V480 des Gewichtes
desselben gleich.
Ueber einen neuen Hirsch aus Turkestan. 101
Gehen wir niinmelir zur Beschreibung' der Färbung- und Grössen-
maasse des Hirsches über, so ist die Allg-emeinfärbung des Rum})fes
eine gTaulich-hell lehmgelbe mit stärkerer Beimischung von Grau in
der Gegend des Oberarmes und der Schienen. Das Haar ist an
einer Innenhälfte rauchgrau, an der Aussenhälfte (distalen Hälfte)
lehmgelb. Die l'nterwolle ist el)enfalls rauchgrau. Längs dem
Rückgrat von den Schultern bis zum Kreuz ist die grössere Hälfte
der Haare dunkel rauchgrau gefärbt, und stellenweise sind nur die
Spitzen lehmgelb. Daher schimmert hier dunkle Färbung durch die
äussere gelbe Farbe hindui'ch, einen merkbaren, längs dem Rückgrat
gehenden, unterbrochenen und an den Rändern verwaschenen (unklar
gegen die umgebenden Partien begrenzten) Riemen bildend. Am
Halse des Thieres fehlt jede Spur einer ^[ähne. Ein weniger als
auf dem Rücken in die Augen springender dunkler Streifen mit
unklaren Rändern zieht von den Schultern über den Hals, fast die
ganze Breite des Kopfes zwischen den Ohren einnehmend, deren
Basis und innere Muskelpartien hellweiss gezeichnet sind mit lehm-
gelber Schattiruug. Das Maul und der ganze Kopf sowie der hintere
Theil der obern Hälfte der Ohrmuscheln sind ersichtlich mehr grau;
um die Augen ist ein helles Feld bemerkbar, das ziemlich scharf
von einem grauen Augenbrauengebiet und den Wangen absticht.
Mitten auf der Stirn zwischen den Augen befindet sich ein undeut-
lich begrenzter lelimgrauer Flecken mit verwaschenen Rändern von
hellerer P'arbe als die anliegenden Partien des Kopfes. Die Unter-
lippe und das Kinn sind hell lehmweisslich.
Die lehmige Fai^'be der Brust geht auf die untere Oberfläche
des Kcirpers über und wird an der Grenze des Bauches allmählich
dunkler und bildet einen dunkelbraunen Flecken, der die Mitte des
Bauches einnimmt und scharf vom Weiss der hintein Partie des
Bauches, der A\'eichengegend und innern Seite der Schenkel absticht.
Der kleine Spiegel umfasst auch den Schwanz, über den aber vom
Rücken aus ein hell lehmfarl)ener Streifen zieht, der nur wenig-
dunkler ist als das umliegende helle Feld, aber dennoch bemerkbar
den Obertheil des Spiegels in eine rechte und linke Hälfte theilt.
P^twas unter dem Ansatz des Schwanzes ist die Breite des Spiegels
S Zoll. Dieser rückt in stumpfem Winkel auf etwa ;V ., Zoll in den
Rücken (vom Schwanzansatz gerechnet) hinein. Die Farbe des
Spiegels ist hell lehmig-weiss, jedoch merklich, aber nicht scharf,
heller als die Farbe des Rückens und der Seiten des Thieres, und
unterscheidet sich von deren Farbe durch geringere Sättigung der
102 B. M. 8HITKOW,
Lehmfarbe. Gegenüber der Mitte der Scliwanzlänge beginnen nach
unten läng-s der Schenkel g'ehend zwei dnnkel graubraune Streifen,
die von den Seiten den Schwanzspiegel begrenzen und von den
Seiten allmählich in die grau lehm-gelbe Färbung der Schenkel
übergehen. Nach unten reichen die dunklen Streifen bis an die
Schienenregion, ebenfalls allmählich in eine dunklere (im Vergleich
mit dem Rumpfe) Färbung der Schienen übergehend. Diese Streifen
sind so gebildet, dass in ihrem Bereich zu den typisch gefärbten
Haaren eine grosse Menge von Haaren mit dunklen Enden beige-
mengt sind oder sogar ganz dunkel gefäi'bte. Nach innen von den
beschriebenen Seitenstreifen liegt die reine weisse Färbung der
Innentheile der Schenkel.
Nach Maassen am gestopften Balg hat der Hirsch folgende
Dimensionen :
Höhe an den Schultern 3 Fuss 10 Zoll,
Länge des Rumpfes (vom Rande der Oberlippe bis
zur Schwanz Wurzel mit dem Bande ge-
messen, 6 „ 6 „
„ des Kopfes von der Linie, die die Mitten der
Roseustöcke verbindet, bis zum Oberlippen-
rande 1 „ 3-''/^ „
Grösste Kopfbreite (Abstand zwischen den Augen-
brauen mit dem Zirkel) — „ 8^/4 „
Länge des Ohres — „ 7^/2 ,,
„ des Hinterfusses von der Ferse bis an die
Spitzen der Afterhufe • 1 „ 6 „
Das jetzt im Zoologischen Garten noch lebende Tliier (Weibchen)
ist um 2 Zoll kleiner als das Männchen. Seine Färbung hat eine
grössere Beimengung von Grau zur Lehmfarbe der Wolle. Die
Farbe bleibt im Sommer und Winter dieselbe. Der schwarze
Rückenstreifen und am Halse ist auffallender als beim Hirsch, ebenso
sind die dunklen Streifen, die den Schwanzspiegel umgrenzen, schärfer
ausgesprochen. Diese Färbungseigen thümlichkeiten sind höchst wahr-
scheinlich durch die grössere Jugend des Weibchens bedingt. Ein
unbedeutender Unterschied liegt auch in der Färbung des Spiegels.
Die Grenze zwischen dem obern Rande desselben und dem Rücken
ist weniger klar als beim Männchen, da der Obertheil des Spiegels
und der Schwanz von oben hier eine dunklere Schattirung in Lehm-
gelb besitzen als beim Hirsch, die sich in der Sättigung der Farbe
Ueber einen neuen Hirsch aus Turkestan.
103
dem Rücken und der Seiten nähern. Der Bauch besitzt keinen
dunklen Flecken.
Zu Ehren des .Mannes, der zuerst dieses Thier als noch unbe-
schriebene Form erkannte, sclilaoe ich vor, den Turkestanhirscli
CervKS hagenhechi zu nennen. Die 1^'eihe der aufgeführten Merk-
male in der Färbung, dem Bau des Geweihes, ebenso wie die Maasse,
scheiden (liesen Hii-sdi sehr .sdiarf von den asiatischen Varietäten
des Wapiti, nähern ihn aber wieder einigen süd-asiatischen Hirschen.
Die charakteristische Biegung der Stangen unseres Cervus Imjcnhechl
104 B- M. Shitkow, Ueber einen neuen Hirsch aus Turkestaii.
veranlasste Lydekker diese Form dem Cervus affinis nahe zu stellen,
der in Indien (Butlian, Nepal) vertreten ist. Aber ausser dem
Vorhandensein der Eissprosse am Geweih des Cervus afßnis scheiden
der grosse Wuchs des letztern (er kommt an Grösse dem Wapiti
gleich), der scharf umgrenzte Caudalspiegel, die kurzen Ohren (ihre
Länge ist = Vs der Kopflänge) und viele Merkmale im Bau und
Form des Geweihes (so weit man darüber nach der Abbildung in
Lydekker's Buch urtheilen kann) beide Formen scharf von einander.
Viel näher steht er, meiner Ansicht nach, Cervus caslimirianus, der
in Kashmir und Yarkand vorkommt. Dieser letztere Hirsch hat
nach Lydekker's Beschreibung 4' — 4' 4" Höhe. Die Geweihstangen
sind in der Eichtung zur mittlem Linie gebogen, so dass die Spitzen
der beiden Stangen mehr oder weniger genähert sind. Die Augen-
sprossen haben eine stark aufwärts steigende Tendenz. Die Ohr-
länge kommt der halben Kopflänge gleich. Die Lippen, das Kinn
nnd die Ohren sind innen weisslich. Die Mähne ist wenig bemerk-
bar und nicht dunkler als der Eumpf. Soweit man nach der Ab-
bildung urtheilen kann, sind auch die Geweihe dieses Hirsches in
der allgemeinen Form viel ähnlicher denen des Cervus hagenheckii
als diejenigen des „Shou" {Cervus affinis). Das Vorhandensein von
5 Sprossen (in Folge Existenz der Eissprossen) bei Cervus cashmiriamis
wie auch die Färbung dieses Hirsches und ein grösserer Wuchs
unterscheiden ihn gut von der eben neu beschriebenen Art.^)
1) Siehe die Zeichnung von Cervus cashmirianus und die Abbildungen
der Geweihe dieses Hirsches und von Cervus affinis bei Lydekker 1. c, p. 83,
84 und 89.
Kachdruck verboten.
Uebersetzungsrecht vorbehalten .
Die von Herrn Prof. Dr. Friedr. Dahl im ßismarck-
Archipel gesammelten Copeognathen,
n e b s t B e m e r k u n g- e n ü b e r d i e p h y s i 0 1 0 g i s c li e B e d e u t u n g-
des S t i g" ra a s a c k e s.
Von
Dr. Güntber Eudeiieiu.
Mit Taf. 7.
Gelegentlich des Aufenthaltes im Bismarck- Archipel, besonders
in Ealuni, wurden in den Jahren 1896 97 von Herrn Professor
Dr. Fr. Dahl auch eine Anzahl von Copeognathen erbeutet. Die-
selben befinden sieh im Berliner Zoologischen Museum und umfassen
7 Arten, darunter ist eine neue Art, der Typus einer noch un-
bekannten Gattung-. Interessant ist ferner die Anwesenheit von
Taeniostigma elornjatum (Hag.), Calopsocxs infelix Hag., Micropsocus
icaterstradti Endeel. und Micropsocus myrmccophilus Enderl., die
bisher^) nur aus Indien bekannt waren. Soa ddhlkoHi n. g. n. sp.
scheint mir der Vertreter einer der alterthiimlichsten Copeognathen-
Gattungen zu sein.
Das gesammte Material ist in Alkohol conservirt und vorzüg-
lich erhalten.
1) Günther Enderleix, Die Copeognathen des indo-australischon
Faunengebietes, in: Ann. AIus. nation. Hungar., V. 1, 1903, p. 179 — 344,
12 Textfig., tal). 3 — 14.
106 Günther Enderlein,
Farn. Psocklae.
Su-bfam. Psocinae.
Taeniostignia Enderl. 1901.
Taeniostif/ma clonr/atunt (Hag. 1858).
Ealum. Wald. 1 ?. Von Triumfetta rhomboidea Jacq., einer
Tiliacee. 14. Mai 1896.
Da ich früher nur trocknes Mateiial zur Verfügung hatte, er-
kenne ich jetzt an diesem Alkohol-Exemplar, dass ich die beiden
Geschlechter dieser Gattung- in der Monographie der indo- australi-
schen Copeognathen verwechselt habe. Vorliegendes $ zeigt übrigens
die gleiche Eingelung der Antennen, wie sie bei dem S bekannt ist ;
es scheint so die Färbung der Fühler stark zu variiren.
Farn. Caeciliidae.
Subfam. CaJopsocinae.
Cfdopsocus Hag. 1866.
Cdlopsocus infelix Hag. 1858.
(Fig. 1.)
Ein männliches Exemplar unterscheidet sich von den mir be-
kannten Stücken (einschliesslich der Typen) durch ein für diese
Species ungewöhnlich regelmässiges Geäder (Fig. 1). Es dürfte
dieses Stück in Betreff des Geäders dem Tj'pus der Art am nächsten
kommen. Die beiden HAGEN'schen Typen haben stark anormales Ge-
äder (vgl. 1. c, tab. 6, fig. 22 a). Von diesen Stücken weicht vor-
liegendes Exemplar noch ab durch die braune Umsäumung der
Adern der Basalhälfte des Vorderflügels, die bei den Typen nur
schwach angedeutet ist, sowie durch den kürzern Stiel der Median-
gabel der Hinterflügel (das Verhältniss des Stieles zu m^ ist bei den
Typen etwa 1:1^2' t)6i vorliegendem Exemplar etwa l:o7o)- Unter
Berücksichtigung der ausserordentlich starken individuellen Variation
aller Copeognathen und ganz besonders dieser Art, ist es ganz un-
möglich, in diesem Stück etwa eine besondere Art erblicken zu
wollen, wenngleich auch innerhalb anderer Ordnungen die Ab-
weichungen genügen würden, eine neue Gattung aufzustellen. Ich halte
Im Bismarck-Archipel gesammelte Copeoguatheu. 107
es in Anbetracht der starken A'ariabilität dieser Art. die ja selbst
auf beiden Seiten eines Individuums meist völlig verschiedenes Ge-
äder aufweist, nicht einmal für angebracht, diese Form als besondere
Varietät oder Aberration zu benennen.
Als Ergänzung zu meiner frühern Artdiagnose füge ich noch
hinzu :
Fühler ISgliedrig, letztes Glied kurz und spitz. Trochanter in
der Mitte eingeschnürt. Körper blass bräunlich. Beine blass ; Mittel-
beine mit brauner Coxa und braunem Schenkel, Coxa, Trochanter
und Schenkel der Hinterbeine braun, die Schiene derselben mit Aus-
nahme des distalen Endes braun (bei den typischen Exemplaren ist
die ganze Hinterschiene braun). 1. Hintertarsenglied mit 16 Cteni-
dien, 2. mit 1 Ctenidium. Klauen ungezähnt. Verhältniss der Hinter-
tarsenglieder 4:1.
Körperlänge 3\o mm, Kopf breite ly, mm (einschliesslich der
Augen), Fühlerlänge 4Y> nim, Vorderflügellänge 4^2 nim.
Insel Raluan, eine in der Blanche-Bucht im Jahre 1878 durch
submarine Erhebung in Folge vulkanischer Thätigkeit entstandene
Insel. Auf Pflanzen. 1 S. 10. November 1896.
Subfam. Caeciliinae.
Caeciliiis Curt. 1837.
Caecilius auf/ustus Endeel. 1903.
Raluni. Grasland. An hohem Tropengras (sog. Alang-Alang)
gekätschert. 4 $?. 21. Mai 1896.
Ein Stück auf einer Seite mit einer interessanten Geäder-
aberration: der Eadialramus des Vorderflügels ist ungegabelt.
Diese Art wurde auf einem einzelnen von Neuguinea stammenden
Männchen begründet.
Subfam. Peripsocinac.
lli'cropsocus Ekdkrl. 1901.
31icropsociis ivaterstradtl Enderl. 1901.
Gunantambo. Von einem sumpfigen Brackwassergraben, am
Eande mit Cyperngräsern (Cyperus), im Innern mit Algen. 1 (J.
Zool. Jahil). XX. Abth. f. Syst. H
108 Günther Enderlein,
24. Februar 1897. (Das 1. Hintertarsenglied dieses Exemplars hat nur
11 Ctenidien.)
Ealum. An Vogelleiche, anf einer Veranda, etwa 50 m vom
Meeresufer. 1 ?. 29. Mai 1896.
Ralum. Sumpftümpel mit Süss wasser, etwa 30 m vom Meeres-
ufer entfernt, unter Büschen, ohne niedere Pflanzen, von Schweinen
oft durchwühlt. 1 ? und 1 Larve. 29. December 1896.
Mioko. An Vogelleiche auf Waldboden, etwa 200 m vom
Meere. 1 S. 16. November 1896.
Micropsociis wateräradfi scheint ein auf dem Inselgebiet von
Neuguinea bis Borneo weit verbreitetes und häufiges Insect
zu sein.
Das Stück aus Neuguinea von Simbang am Huon-Golf in
meiner Monographie war übrigens im August 1899 erbeutet.
Beide Fänge an Vogelleichen sind in einem völlig durch Glas
überwölbten Fangapparat für Aasinsecten ausgeführt, die beiden
Thiere sind also nicht zufällig hinzugefallen!
llicropsociis mprniecopJiilus Enderl. 1903.
Mit einzelnen stärkern Borsten auf dem Kopfe. 1 Hintertarsen-
glied mit 12 Ctenidien. Verhältniss des 1. — 13. Fühlergliedes =
l'.l:3:VI^:VI.^: 1:1:1 ■.1:0,9: 0,8:0,9: 0,9. Vorderflügel etwas
dunkler und schärfer gezeichnet, Cubitus im Vorderflügel ein wenig
länger als bei den Typen und daher den Hinterrand weniger steil
treffend. Radialramns und Media im Vorderflügel eine sehr kurze
Strecke verschmolzen, wie übrigens auch bei einzelnen Exemplaren
der T3^pen.
Ralum. Von einer Baumwollenpflanze. 1 5. 8. Juni 1896.
Die Originalstücke der Art stammen aus einem Ameisennest
(von Cremastogasier rogenhoferi Mayr) von einem Baume aus Vorder-
indien (Bombay). Trotz der angegebenen Verschiedenheit konnte
ich mich nicht entschliessen, vorliegendes Stück als besondere Form
aufzufassen, zumal ich keine weitern Unterschiede finden konnte.
Im Bismarck-Archipel gesammelte Copeognathen. 109
Fam. Lepidopsocidae.
Subfam. Perientominae.
JPerieutoiiiiiui Hag. 1865.
JPerientomMn biroianum Exderl. 1903.
Raliim. Sumpftümpel mit Süss wasser, etwa 30 m vom Meeres-
ufer entfernt, unter Büschen ohne weitere niedere Pflanzen, von
Schweinen oft durchwühlt.
2 $?. 29. December 1896.
Ralum. 1 $; ohne weitere Angaben.
Die Flügel aller 3 2$ sind in gleicher Weise wie die Tj'pe
sehr spärlich mit Schuppen besetzt, so dass es mir fast scheint, als
wenn die A^orderflügel dieser Art überhaupt spärlicher beschuppt sind.
Soa n, g,'^)
Kopf dicht aber kurz behaart, Stirn mit einzelnen stärkern
Borsten. Augen (Fig. 3) vorgewölbt, fein und dicht pubescirt. Die
3 Ocellen (Fig. 3) verhältnissmässig dicht zusammenstehend, der
vordere Ocellus etwas kleiner. Labialtaster 2gliedrig. Maxillar-
taster (Fig. 4) mit sehr kurzem 1. Glied und grossem dickem
Endglied. Innere Lade der Maxille (Fig. 5) mit 3 Spitzen, von
denen die äussere lang und spitz ist und weit von den übrigen ab-
steht. Clypeolus rudimentär. Clypeus relativ klein. Scheitelnaht
deutlich, ebenso die Naht zwischen Scheitel und Stirn. Schenkel
und besonders Schienen (Fig. 7) mit schmalen, nach beiden Enden
zugespitzten Schuppen besetzt, die unter die Behaarung ein-
gestreut sind. Tarsen 3gliedrig. 1. Hintertarsenglied (Fig. 9) mit
Ctenidien, die aus vielen feinen haarähnlichen Borsten zusammen-
gesetzt sind. Antennen unvollständig, vermuthlich mehr als 20gliedrig,
wie Ferientomuni Hag. Prothorax gross und breit.
Yorderflügel (Fig. 2) hier und da mit einzelnen Schuppen; ob
sie ursprünglich dichter beschuppt gewesen sind, ist nach dem ein-
zelnen Weibchen in Alkohol nicht festzustellen. Die Form der
Schuppen (Fig. 8j ist die der Gattung Amphientonium, an der Basis
sind sie zugespitzt, am Ende ziemlich gerade abgeschnitten; die
1) O('ü0g = unverletzt (die Subcosta des Vorderflügels ist nicht in
2 Theile zerrissen wie bei allen übrigen Copeognathen).
8*
110 GiJNTHEK Enderlein,
Längsriefung* ist fein imd eng. Hinterfliigel (Fig. 2) nur behaart,
besonders an der Spitze sehr lang und dicht behaart. Form des
Vorder- und Hinterflügels ziemlich breit, an der Spitze abgerundet;
Vorderflügel an der Mündung von m^, Hinterflügel an der Mündung
von ^44.5 kaum zugespitzt.
Das Geäder des Vorderflügels (Fig. 2) weicht von dem der
Gattung Perientomum Hag. nur dadurch ab, dass die Subcosta
im Gegensatz zu allen bisher bekannten Copeognathen
nicht in 2 T heile zerrissen ist; es setzt sich vielmehr am
Ende des Basalstückes die Subcosta als eine Querader bis zu r^
fort, welche die Verbindung zu dem das Pterostigma vorn ab-
schliessenden distalen Theil der Subcosta vermittelt. Die innere
Zelle Rj erhält zugleich eine sechseckige Gestalt, wobei die äussere
Seite sehr kurz ist. Stigmasack (Fig. 6) wie bei der Gattung
Perientomum Hag. Geäder des Hinterflügels (Fig. 2) wie bei der-
selben Gattung.
Von Perientomum Hag. weicht Soa n. g. ab: durch die Stellung
der Ocellen, die Flügelform, die ununterbrochene Subcosta des
Vorderflügels und durch die Schuppenform.
Soa dahliana n, sp.
Kopf und Antennen hellbraun, Scheitel rost bräunlich. Maxillar-
taster (Fig. 4) rostbraun, 1. Glied und die Basalhälfte des 2. Gliedes
sehr blass; 2. — 4. Glied dicht behaart und mit einzelnen kräftigen
und langen Borsten. Augen schwarzbraun, hell braun pubescirt. Der
ganze Kopf fein pubescirt, Stirn mit einzelnen kräftigen Borsten.
Scheitelnaht deutlich, Hinterhauptsrand in der Mitte etwas einge-
buchtet.
Thorax und Abdomen hell braun, Beine hell gelbbraun. Spitze
der Schenkel und die Schienen (Fig. 7) ausser der Behaarung mit
schmalen nach beiden Enden hin zugespitzten Schuppen besetzt.
Hintertibia (Fig. 7) mit einzelnen laugen und kräftigen Borsten.
1. Hintertarsenglied mit 18 Ctenidien. Verhältniss des Hintertarsen-
glieder 5:1:1. Klauen mit langem spitzem Zahn vor der Spitze,
vor diesem noch ein undeutlicher stumpfer Zahn. Empodium mit
Borste.
Vorderflügel (Fig. 2) hell braun, x^dern braun. Randader stark,
dicht mit Querreihen von zapfenartigen Haarbechern besetzt (wie
Perientomum etc.). Rand massig lang behaart, eine breite Randzone
kurz behaart, in derselben auch die Adern behaart. Einzelne
Im Bismarek-Arclüpel gesammelte Copeognathen. 111
Scliuppeu (Fig. 8) hier und da erhalten; dieselben sind an der Basis
zugespitzt, am Ende ziemlich gerade abgeschnitten. Stigmasack
(Fig. 6) mit ca. 9 regelmässigen, stark vergrösserten und verdickten
Theilen der Tracheenspirale.
Hinterflügel (Fig. 2) hyalin, Vorderrandzone bräunlich ange-
haucht. Adern braun. In der distalen Hälfte die Membran und die
Adern behaart, ebenso am Hinterrande in Zelle Cu, An und Ax.
Rand behaart, an Zelle By und B.^ sehr lang behaart. Am Hinter -
rand des Basaldrittels der Axillarzelle eine lange Borste.
Behaarung beider Flügel hell braun.
Körperlänge 2 mm. Vorderflügellänge 2,3 mm.
Ealum. An einer todten Krähe. 1 ?. 23. Mai 1896.
Gewidmet wurde diese Art dem Sammler Herrn Professor
Dr. Friede. Dahl.
Bemerkimgeu über die physiologische Bedeiituiig des sogen.
Stigmasackes.
An dieser Stelle will ich noch kurz auf die physiologische Be-
deutung des sogenannten Stigmasackes zu sprechen kommen. Der-
selbe liegt bei allen Copeognathen auf der Unterseite des Vorder-
flügels an der Basis des distalen Stückes der Subcosta oder am 1.
Radialast (rj an der Abzweigungsstelle von sc; seine Form ist sehr
mannigfaltig. Meist ist es ein chitinöser Zapfen, vielfach ist es
eine starke Tracheenverdickung, die zuAveilen durch stark ver-
grösserte, verdickte und losgerissene Theile der Tracheenspirale eine
Form erhält, wie sie Fig. 6 von Soa n. y. zeigt und Avie sie sich
auch bei den übrigen Lepidopsociden findet. Ueber seine Function
sind bisher keine Vermuthungen ausgesprochen worden; wie ich
mich jetzt an der Hand von lebendem und trocken conservirtem
Material überzeugen konnte, stellt er ein vorderes Flügel-
schloss dar, durch das die Vorder- und Hinterflügel in der Ruhe-
lage an einander gehalten werden. Das hintere Flügelschloss liegt
bekanntlich am Xodulus und übt seine Function beim Fluge aus.
112 Günther Enderlein, Im Bisraarck-Archipel gesammelte Copeognatben.
Als Erg'änzuDg zu meinen morphologischen Untersuchung-en der
Corrodentien (in: Zool. Anz., 1903, p. 423—437) füge ich hier in Form
einer kurzen vorläufigen Notiz an, dass ich jetzt die Isopteren auf
Grund von principiellen Unterschieden, besonders im Bau von Maxillen,
Hypopharynx und Paraglossen, als selbständige sehr niedrig stehende
Ordnung auffasse, so dass die Corrodentien nur noch die phj^logenetisch
relativ höher stehenden Unterordnungen Copeognathen und Mallo-
phagen umfassen.
Erklärung der Al)bilduugeii.
Tafel 7.
Fig. 1. Calopsocus infelix Hag. S- Yordei-- und Hinterflügel.
20 : 1.
Fig. 2. Soa dahliana ti. g. ii. sp. Vorder- und Hinterflügel. 25 : 1.
Fig. 3. Desgl. Kopf von oben. 60 : 1.
ok Oberkiefer.
Fig. 4. Desgl. Maxillartaster. 160 : 1.
Fig. 5. Desgl. Innere Lade der Maxille. 400 : 1.
Fig. 6. Desgl. Stigmasack (vorderes Vorderflügelschloss). 400 : 1.
Fig. 7. DesgL Hinterbein. 60:1.
CO Coxa, tr Trochanter, /" Femur, t Tibia, 1 — 3 1 . — 3. Tarsen-
glied.
Fig. 8. Desgl. Schuppen vom Vorderflügel. 400 : 1.
Fig. 9. Desgl. Ende des Hinterfusses. 400 : 1.
Nachdncck verboten.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
Central- und hoch-asiatische Myriopoden.
Gesammelt im Jahre 1900 von Dr. von Almassy und
Dr. VON S T U M M E E,
Bearbeitet von Dr. Carl Graf Attems.
Mit Tafel 8 und 9,
Aus dem grossen central-asiatischen Gebiet ist bisher nur eine
verschwindend kleine Zahl von Myriopoden bekannt, wie aus der
unten gegebenen Liste ersichtlich ist, und es sind dies ausschliess-
lich Chilopoden; wenn wir von einem „Callipus on'entaUs'-' Silv. aus
Transkaspien absehen, wissen wir über Diplopoden aus diesen
Gegenden gar nichts, und das ist mit Rücksicht auf den hohen
"Werth dieser Thiergruppe zur Lösung thiergeographischer Fragen
sehr zu bedauern. Die dankenswerthe Sammelthätigkeit der oben
genannten Herren während ihrer Eeise in Turkestan bringt unsere
Kenntnisse um einen kleinen Schritt weiter. Dass die Ausbeute
keine reichere war, liegt wohl zum grössten Theil daran, dass die
durchreisten Hochsteppen mit ihrer Dürre und Kahlheit alles eher
als eine reiche Entfaltung der Feuchtigkeit liebenden Diplopoden-
fauna begünstigen, und wir werden aus diesen öden Höhen wohl nie
eine grössere Zahl von Myriopoden erwarten dürfen.
Bei der derzeitigen noch mehr als lückenhaften Kenntniss so-
wohl des in Betracht kommenden als der umliegenden Gebiete wäre
es verfrüht, bezüglich der thiergeograpliischen Würdigung der
Fauna mehr zu sagen, als dass sie ein ganz paläarktisches Gepräge
114 Carl Attems,
zeigt, was ja auch nicht anders zu erwarten war. Nur die Gattung-
Escanjus, sonst noch aus Sibirien und Nordamerika bekannt, macht
eine Ausnahme. Natürlich sind die meisten Arten neu.
Um mich niclit öfters wiederholen zu müssen, gebe ich zu-
nächst ein
Verzeichniss der Fundorte und Daten.
Almaty-Pass, 3300 m, unter Steinen. 19. 7.
Karakol-baschy, ca. 3000 ra, unter Steinen, auf Grasplätzen.
Ara-bel (Syrt == Hochsteppe), bei 4000 m Seehöhe, unter Steinen am
Wasser. 20./8.
Tshakir-Korum, Plussthal, ca. 3200 m, auf steinigen Halden. 23./8.
Kubergen-ty-Pass, Nordseite, über 4000 m, unter Steinen. 26./8.
Karakol-Thal am Naryn, über 2500 m, unter Steinen. 28. /8.
Sary-bel im Naryn-Thal, über 2500 m, unter Steinen. 29./8.
Kurmenty-Pass, Südseite, unterhalb der Passliöhe, ca. 3600 m, unter
Steinen. 31./8.
Ar-tscbaly am gleichnamigen Fluss, ca. 3000 m, unter Steinen. 1./9.
Tocor-Pass, Nordseite, obere Waldregion, unter Steinen und Baumrinden.
6,/9.
Kok-dschajäk, untere Waldregion, unter Steinen. 10./9.
Aksu-Thal bei Przewalsk, untere Waldregion, unter Baumrinden. 15./9.
Kuru-Sai, an der Vereinigung des Sary-dschas und Küljü-Su. (Hochthal
des Sary-dschas), ca. 2800 — 2900 m; alpine Hochsteppe. 18./8.
Ottuk-Tasch, Nebenthal des Sary-dschas, ca. 3100 — 3200 m, enges Alpen-
thal. 15./8.
Etschkeli-Tasch, am Oberlauf des Sary-dschas, ca. 2980 — 3100 m, Hoch-
steppe. 25./8.
An den letztgenannten 3 Fundorten wurden die Thiere unter
grossen Geschiebeblöcken an den steilen TJferrändern der Flüsse ge-
fangen. Vegetation die der alpinen Hochsteppen, Klima ungemein
trocken (Almassy).
Przewalsk, ca. 1680 m. Frühjahr 1901. (Kuzulenko leg.)
Bisher waren aus Central- Asien folgende Arten bekannt :
Scntigera asiatica Sseliwanoff.
1884. Myr. d. Eussie, in: Hör. See. entoraol. Ross., V. 18.
Taschkent.
Lithohius alaicAis Teotzina.
1894. In: Hör. Soc. entomol. Ross., V. 28.
Alai.
Lithohius devertens Trotzina.
1. c.
Alai.
Central- und hoeh-asiatische Myrioporlen. 115
Lithobnis fcrganensis Tkotzina.
1. c.
Alai.
Lill/ol>ü(fi f/iganfeus Sseliavanoff.
1881. Neue Lithobiiden aus Sibirien und Central-Asien. in: Zool. Anz.,
Jg. 4, p. 15.
Changai bei Uljassutai.
LifJiobiiis /iiagniis Teützixä.
1894. In: Hör. Soc. entomol. Ross., V. 28.
Alai.
Liihohius pcAanhii. Sseliwa^'dff.
1881. in: Zool. Anz., Jg. 4, p. 15.
Tian Schan.
Litliobius riiicigucrrnc Silvestri.
1895. In: Zool. Anz., No. 474, p. 179.
Transkaspien.
Scolopcndra aralocuspica Kessler.
1874. Trudy Eussk. entomol. obscestva, V. 8, No. 1.
1884. SsELiWAXOFF, iu : Hor. Soc. entomol. Ross., V. 18.
Samarkand, Ust Urt.
Botliriogastcr signatns Kessler. 1. c.
1879. Sseliaa^^noff, in: Zool. Anz., No. 43, p. 621.
1884. Sseliavakoff, in: Hor. Soc. entomol, Ross., V. 18, p. 101.
1889. Dadaa', in: Term. rajzi füzetek., V. 12.
Samarkand, Taschkent.
Mesocanthus poros^is Sseliavanoff.
1881. In: Zapiski imp. ak. nauk. St. Petersbui'g.
1884. In: Hor. Soc. entomol. Ross., V. 18, p. 105.
Turkestan.
Mesocantlms gentinatus Silvestri.
1895. In: Zool. Anz., No. 474.
Transkaspien.
Mecistoccjtl/dlNs tiicii(crti Sseliwaxoff.
1881. In: Zapiski imp. ak. nauk. St. Petersburg.
1884. In: Hor. Soc. entomol. Ross., V. 18, p. 73.
Taschkent.
(IcopItUus Idlzeli Sseliavaxoff.
1881. In: Zapiski imp. ak. nauk. St. Petersburg, p. 7.
1889. Dauay, in: Terraesz. r. füzetek., V. 12.
Tian Schan.
GeophUus (Pachymermni) ferrugbievs C. Koch.
Samarkand (Sseliavanoff 1884).
116 Carl Attems,
Gcophüus (?) partliorum PocoCK.
1891. In: Ann. Mag. nat. Hist. (6), Y. 8, p. 218.
Samarkand.
Liste der Sammlung Aliniassy-Stummee:
Lühobins cacodontus n. sp.
LiUiohius magnus Trotz.
Lithobius magnus var. pleodonta n. var.
Litltobius jugorum n. sp.
LifJiobius curtipes subsp. iurkestaniciis n. sub.y).
Mecistocephalns edentulus n. sp.
Escaryus retusidens n. sp.
Escaryus retusidens var. oligopus n. var.
Polydesmiis str'ongylosomoides n. sp.
Polydesmus almassyi n. sp.
Polydesnms stummeri n. sp.
Tianella {n. g.) fastigata n. sp.
Isobates sp.
Ausserdem enthält die Sammlung eine nicht näher bestimmbare
Chordeumide in 1 Exemplar (!j).
Lithobius cacodontus n. sp,
Farbe: Kopf sammt Kieferfüssen und Hinteren de kastanien-
braun, der Rest des Eückens erdbraun, mit undeutlichem, ver-
waschenem Längsstriche in der Mitte.
Länge des grössten S ohne Endbeine 32 mm. Breite 3,2 mm.
Körper ganz parallelrandig.
Kopfschild sechsseitig mit abgerundeten Ecken, Seitenränder
und Hinterrand gerade. 20 Antennenglieder, Antennen bis zum
Hinterrand des 3. Rückenschildes reichend. Jederseits 5—6 schwarze
Ocellen von ungleicher Grösse in einem unregelmässigen Haufen.
Vorderrand der Kieferfnsshüfte breit, mit massig tiefer Mittelreihe
und knapp neben derselben jederseits 2 winzige Zähnchen, der übrige
grösste Theil des Hüftrandes zahnlos.
Rückenschilde glatt, glänzend, seicht grubig uneben, zerstreut
behaart, die Haare nur mikroskopisch klein. Alle Hinterecken ab-
gerundet. Hinterrand des 10., 12., 14. und 15. Schildes in der
Mitte rund ausgeschnitten.
Ventralplatten des 12.— 15. Segments, das ganze 12. und 13.
Beinpaar und die Basalglieder des 14. und 15. Beinpaares dicht kurz
filzig- behaart.
Central- und hoch-asiatische Myriopodeu. 117
Die 4 letzten Beinpaare mit je 3 kreisrunden, weit von einander
entfernten Hüftporen.
Bedornung- der Endbeine 7^-^r~J ^ ^, Hüften ohne Seitendorn,
U. 1. o. ^. U
Endklaue einfach. Beim S ist das 4. Glied oben ein wenig abge-
flacht, das 5. Glied hat eine seichte Längsfurche. Vorsprünge an
keinem Gliede.
14. Beinpaar ohne Besonderheiten,
2 mit 2-J-2 Genitalsporen; Spitze der Genitalklaue einfach.
Fundorte : Ara-bel, Karakol-Thal. — Sary-bel, Kuru-Sai, Ottuk-
Tasch, Etsch-keli-Tasch.
Ziithohius Jugorum n, sp,
Farbe bei Jungen blass erdbraun, Kopf etwas mehr röthlich;
ältere sind ziemlich dunkel graubraun, mit einem ganz verwaschenen
dunklen Längsstriche auf dem Rücken.
Länge 29 mm. Breite 2,8 mm, paralleh-andig (ohne Einschnürung
hinter dem Kopfe).
Kopfschild rundlich; 20 Antennenglieder; 3 + 3 Kieferfusshüft-
zähne; 5—6 Ocellen in einem unregelmässigen Haufen; 2—3 Ocellen
bedeutend grösser als die andern.
Rückenschilde glatt, Behaarung winzig, Ventralplatten auch fast
nackt. Hinterecken aller Rückenschilde abgerundet; Hinterrand des
4., 6., 8., 10., 12., 14. und 15. Schildes sehr seicht eingebuchtet.
Endbeine kurz und nicht oder (beim S) nur wenig verdickt;
Hüften ohne Seitendorn. Endkralle einfach; Bedornung unten
0. 1. 3. 2. 0—2, 14. Beinpaar 0. 1. 3. 3. 1. 4. Glied der Endbeine
beim c? oben mit einer sehr seichten Längsfurche.
4. 3. 3. 3 runde Hüftporen.
Der Dorn auf der Unterseite des 5. Gliedes aller Beinpaare ist
sehr gross, lang und stark.
$ mit 2 + 2 Genitalsporen, die äussern bedeutend grösser als
die Innern; Klaue einfach, spitz.
Fundorte: Kubergen-ty-Pass, Kurmenty-Pass, Ar-tschal^^, Tocor-
Pass, Przewalsk.
118 Carl Attems,
Ziithohlus niar/nus Teotz.
1894. Trotzina, in: Hör. Soc. entomol. Eoss., V. 28.
Ich beobachtete ständig 3-|-3 kleine, weit von einander ent-
fernte Kieferfusshüftzähne ; manchmal seitlich davon noch An-
deutungen einiger weiterer.
Länge des grössten S ohne Endbeine 18 mm, $ 22 mm.
26 Antennenglieder.
4. 5. 5. 4 runde Hüftporen.
Bedornung der Endbeine unten 0. 1. 3. 3. 1. 14. Beinpaar
0. 1. 3. 3. 3.
? mit 3-1-3, 3 + 4 oder 4 + 4 Genitalsporen.
5. Glied der Endbeine beim S mit einer kleinen heilem Auf-
treibung auf der Innenseite.
Fundorte: Aksu-Thal bei Przewalsk. — Alai (Trotzina).
LithoMus magnus Trotz, i'ar. pleodonta n, var,
Farbe: licht erdbraun, Kopf und Hinterende röthlich.
Länge der grössten Exemplare ohne Endbeine 30 mm. Breite
3 mm. Körper parallelrandig.
Vorderrand der Kieferfusshüfte schwach gebogen, mit 6 + 6,
6+7 oder 7 + 7 kleinen, stumpfen, schwarzen Zähnen; unterhalb
des 3. oder 4. Zahnes jeder Seite steht auf der Fläche noch ein
weiterer. Die ganze Zahnplatte reichlich behaart. Bei jungen
Thieren 4 + 3 Zähne.
25 — 30 Antennenglieder; reichlich und kurz behaart, ohne längere
Borsten.
Kopfschild sechsseitig, mit abgerundeten Ecken, Hinterrand
gerade, Seitenränder parallel.
Jederseits 7 — 8 Ocellen in 2 Horizontalreihen, oben 4, unten
3-4.
Rückenschilde glatt und glänzend, leicht grubig uneben und
mit winzigen, zerstreuten Plärchen versehen. Alle Hinterecken ab-
gerundet; der Hinterrand des 8., 10., 12., 14. und 15. Schildes seicht
eingebuchtet.
6. 7. 7. 6 oder 7. 7. 7. 6 ovale Hüftporen.
Bedornung der Endbeine ^ \ .^ » -.' — s des 14. Beinpaares
U. 1. o. o. 1 — Z
r^ ^ n o o- Hüften des 14. und 15. Beinpaares mit Seitendoru.
Central- und hoch-asiatische Myriopodeu. 119
Kralle der Endbeine einfach. Endbeine des S lang" und dünn, das
5. Glied am Ende mit einem kleinen Knoten, sonst ohne Aus-
zeichnung.
X mit 3-|-3. 3-\-4: oder 4-|-5 Genitalsporen ; die lateralen die
kleinsten; Genitalkralle kräftig-, einfach; Genitalsegment reichlich
behaart.
Fundort : Przewalsk.
Lithohius curtipes siibsp. turUestanicus n. sitbsj).
(Taf. 8, Fig. 21
Diese Subspecies unterscheidet sich von der f. gen. hauptsächlich
durch die Gestalt des Fortsatzes auf dem ö. Glied der Endbeine.
"Während er dort, beim T3^pus (cf. Fig. 1) ein Yorsprung auf der
Innenseite des Gliedendes ist, ist er hier eine eiförmige, abgeschnürte
Beule mit kraterartiger Vertiefung. (Fig. 2).
Ausserdem haben die Endbeine weniger Dornen, nämlich:
1. 0. 2. 0. 0 .., ;, n ., 1. 0. 3. 1. 0
gegenüber der i. gen. mit
0. 1. 2. 1. 0 *= *= '^ 0. 1. 3. 2. 0—1"
Scheint in den durchforschten Gegenden weitaus die häufigste
LitJiohms- Art, resp. überhaupt Myriopodenart, zu sein; sie fand sich
an folgenden Orten : AlmatT-Pass. Ara-bel. Tshakir-Korum, Sary-bel,
Karakol-Thal, Kurmenty-Pass. Ar-tschaly, Tocor-Pass, Kok-dschajäk,
Aksu-Thal, Kuru-Sai, Etschkeli-Tasch, Przewalsk.
Mecistocephalus edentiiliis n. sp.
Taf. 8, Fig. 7—12.
Es lagen mir nur 2 kleine, wahrscheinlich junge Exemplare
von blassgelber Farbe mit dunklem Kopfe vor. 41 Beinpaare.
Kopfschild vorn bedeutend breiter als hinten; der fast gerade
Vorderrand mit einer deutlichen Mittelkerbe; die Vorderecken ganz
abgerundet. Hinterecken stumpfwinklig; die Fläche sehr spärlich
beborstet.
Antennen kurz; die 5 Basalglieder zerstreut und lang beborstet;
vom ca. 6. Glied an werden die Borsten zahlreicher und kürzer;
der Uebergang ist ein allmählicher.
Auf der Unterseite des Kopfschildes vorn ist keinerlei Zahn-
oder Zackenbildung zu bemerken; eine schräge Linie grenzt den
Mitteltheil der Ventralseite des Kopfschildes von den Seitentheilen
ab: sie beginnt an den Aussenecken der Mundtheile und geht zum
120 Carl Attems,
Vordereck des ganzen Kopfschildes (Fig. 11). Der Mitteltlieil ist
massig beborstet. Die Leiste, welche die Mundöffnung seitlich be-
grenzt, springt vorn zackig vor.
Oberlippe dreitheilig; Mitteltheil ein kräftiger Kegel, Seiten-
theile glatt, ohne Zähne oder Fransen, seitlich zugespitzt; Fulkren
klein (Fig. 10).
Von den Mandibeln habe ich an dem einzigen Präparate nichts
gesehen; vielleicht sind sie ganz dünn, hyalin.
1. Maxille: Die „Innenlade" ist ziemlich deutlich abgesetzt; sie
trägt innen kleine Stacheln und läuft in einen schlanken, abge-
rundeten hyalinen Lappen aus ; ein ähnlicher, aber längerer hyaliner
Lappen endigt auch das mit dem 2. verwachsene 3. Glied. Taster-
lappen fehlen (Fig. 12).
Kieferfusshüfte recht lang, Vorderrand mit 2 stumpfen braunen
Zähnen; der Schenkel (-[- Trochanter) reicht innen bis an den Stirn-
rand, aussen überragt er ihn bedeutend. Am Ende ein grosser, ge-
rader, spitzer, endwärts gerichteter dunkelbrauner Zahn. 3. und 4.
Glied innen ohne Zahn, Krallenglied mit spitzem Basalzahn. Kralle
innen ganz fein gekerbt, mit einem winzigen Härchen in jeder Kerbe
Alle Glieder beborstet (Fig. 7, 8).
Rückenschilde massig beborstet, am Hinterende sogar reichlich,
Basalschild schmal und sehr kurz.
Ventralplatten länger als breit; an den Rändern fein beborstet,
auch auf der Fläche zerstreute winzige Härchen. 1. Ventralplatte
gross, trapezisch, fast ihrer ganzen Breite nach an die Kieferfuss-
hüfte anstossend.
Ventrale Zwischenschilde des 1. — 9. Segments in der Mitte
unter den Hauptplatten gelegen, auf dem 10. — 12. Segment in der Mitte
frei liegend, beide Hälften aber nicht verwachsen, vom 13. Segment
au verwachsen sie.
Rückenschild des Endbeinsegments gross, länger als die andern,
hinten schwach bogig. Auf der Hüfte sind von oben keine Poren
sichtbar; unten und seitlich zahlreiche kleine, gleichmässig vertheilte
Poren. Die A^entralplatte ist vorn breit, die Ränder convergiren im
Bogen zu einer abgestumpften Spitze. Die ganzen Endbeine wenig
verdickt, zerstreut beborstet, ohne Kralle. Analporen nicht ge-
sehen.
Fundort: Przewalsk.
Central- und hoch-asiatische Myriopoden. 121
Escaryus retusidens n, sj)*
Tafel 8. Fig. 4—6.
Kopfschild kastanienbraun, Antennen und der übrige Körper
gelb. Länge der grössten Exemplare 38 mm. Breite 1,2 mm.
S mit 49—53. 2 mit 51 und 53 Beinpaaren.
Kopfschild länger als breit, die Ecken ganz abgerundet, Seiten-
ränder gewölbt. Hinterrand gerade; Antennen schlank und ziemlich
lang, bis zum 6. Segment reichend, reichlich beborstet, die End-
glieder etwas dichter, aber in der Borstengrösse ist kein merklicher
Unterschied zwischen Basal- und Endgliedern. Letztes Glied löffei-
förmig ausgehöhlt.
Präbasalschild nicht sichtbar; Basalschild breit, hinten bis an
den Seiteurand des Körpers reichend. Seitenränder nach vorn con-
vergirend ; die Kieferfusspleuren endigen, von oben gesehen, hinten spitz.
Oberlippe ungetheilt, in der Mitte nicht eingebuchtet, mit 15
sehr kräftigen Zähnen, nur die seitlichen spitz, die andern ganz ab-
gerundet (Fig. 5).
Mandibel mit einem Zahnblatt und einem Kammblatt; die Zähne
des Zahnblattes sind laug, spitz und etwas ungleich stark, aber
gleich lang.
1. Maxille: Innenlade (= Medialfortsatz der Hüften) nicht ab-
gesetzt; laterales Eck der Hüften breit, stumpflappig vorspringend,
aber keinen eigentlichen Tasterlappen bildend, fein bestachelt;
2. Glied mit einem kurzen, zapfenartigen, fein bestachelten Taster-
lappen; 3. Glied lappig abgerundet, mit 3 Borsten.
Hüften der 2. Maxille ganz verwachsen, die Glieder mit wenigen
aber kräftigen Borsten; Endkralle kräftig, der Rand mit Fransen
besetzt („gekämmt"),
Kieferfüsse den Stirnrand bei Weitem nicht erreichend; Hüften
mit tiefer Mittelkerbe, die Seiten neben der Kerbe geschwärzt, aber
keinen eigentlichen Zahn bildend; keine Chitinlinien; 2., 3. und
4. Glied innen mit sehr kleinem Zahnhöcker, der eigentlich nur auf
dem 4. Glied deutlich ist; Krallenglied ganz ohne ßasalzahn; Kralle
kräftig, gut gebogen, innen glatt (Fig. 6).
Rückenschilde mit zerstreuten kurzen Borsten.
1. Ventralplatte quer rechteckig, mit abgerundeten Ecken; die
Pleuren trennen sie nicht von der Kieferfusshüfte. Der Hinterrand
der ersten 12 Ventralplatten bildet einen kleinen Vorsprung, dem
ein seichtes Grübchen am Vorderrand des folgenden Schildes ent-
]^22 Carl Attems,
spricht; diese Theile sind aber nicht durch dunklere Färbung auf-
fallend wie bei manchen GeopMlus und überhaupt schwach ent-
wickelt. Die vordem Ventralplatten sind quadratisch, die hintern
etwas länger als breit, alle fein und zerstreut behaart. Die ven-
tralen Zwischenschilde sind auf den ersten 15 Segmenten in der
Mitte getheilt, dann verwachsen sie völlig. Ventralporen fehlen ganz.
Endbeinsegment (Fig. 4). Rückenschild gross, lang, hinten ver-
schmälert und abgerundet, Ventralplatte trapezisch, etwas länger als
breit, vorn breit; beim S hinten stärker verjüngt als beim $ und
in der hintern Hälfte dicht beborstet, beim $ hier nicht stärker be-
haart. Hüften massig aufgetrieben, ventral und seitlich mit zahl-
reichen, ungleich grossen und unregelmässig vertheilten Poren, die
am obern Eande der Hüften und längs des Ventralplattenrandes am
zahlreichsten stehen; sie reichen in der distalen Hälfte bis zum
Medialrand. Die Tgiiedrigen Endbeine sind beim S ziemlich ver-
dickt und sehr reichlich behaart, beim ? nur wenig dicker als die
übrigen Beine und schwächer behaart. Genital- und Analsegment
reichlich behaart. Genitalanhänge in beiden Geschlechtern gross,
2gliedrig, beim $ bedeutend dicker und kürzer als beim d. Anal-
poren fehlen.
Fundorte : Przewalsk.
Ausser den oben beschriebenen, über 30 Exemplaren mit 49 — 53
Beinpaaren, liegen mir noch je ein ? von Karakol-Thal und
Kurmenty-Pass mit 41 Beinpaaren vor; ferner 4 Exemplare mit
35 Beinpaaren, nämlich ein $ vom Aksu-Thal und 1 S und 2 ? von
Karakol-baschy.
Ich bezeichne letztere als JExari/tis vetusidens vcir, oligopus
und bemerke, dass sie sich sonst durch gar nichts von der f. gen.
unterscheiden ausser eben durch die Beinzahl.
Anschliessend an diese neue Art gebe ich eine erweiterte
Diagnose des Escaryus sihiricus Ck., da Cook's Beschreibung nicht
genügend ist und man versucht sein könnte, beide Arten für identisch
zu halten; Herr Director Kräpelin hatte die Freundlichkeit, mir
Cook's Originalexemplare, im Besitze des Hamburger Museums, zu
leihen.
Escarijus Sibiriens Ck.
Tafel 8, Fig. 3.
Kopfschild nur unmerklich länger als breit; Hinterrand sehr
seicht eingebuchtet; Vorderrand gewölbt und im Bogen ohne sicht-
bares Eck in den Seitenrand übergehend. Antennen schlank, zurück-
Central- und hocl»-asiatisclie Mj-riopoden. 123
gelegt, bis zum 2. beintragenden Segment reichend; die Endglieder
dicht und kurz, die Basalglieder weit schwächer und länger behaart ;
der Uebergang ganz allmählich, die Haare alle fein.
Oberlippe ungetheilt, im Ganzen vorgewölbt, die Mitte nur sehr
seicht eingebuchtet; in der Mitte sind die Zähne kurz und stumpf,
seitlich laufen sie in lange Fransen aus.
Mandibel mit einem ungetheilten Zahnblatt und einem Kammblatt.
1. Maxille: Innenlade nicht abgesetzt; Basalglied (Hüften) und
2. Glied mit langen, schlanken, behaarten Tasterlappen. Hüften der
2. Maxille ganz verwachsen, alle Glieder lang und dicht beborstet,
die Kralle mit Kammborsten.
Die Kieferfüsse erreichen geschlossen den Stirnrand; Hüften
kurz und breit, ohne Zähne am Vorderrand, Schenkel mit schwachem
Innenhöcker, die andern Glieder, auch die Endkralle, ganz ohne
Zahnbildung; Kralle innen glatt.
Präbasalschild nicht sichtbar; Basalschild ziemlich kurz, aber
breit; hinten nicht bis an den Seitenrand des Körpers reichend, daher
sehen die Kieferfusspleuren von oben hinten abgestutzt aus, da sie
den Rüekenschild des 1. beintragenden Segments nicht nur mit der
Spitze berühren. Rückenschild des 1. beintragenden Segments sehr
gross, etwas breiter und merklich länger als die folgenden. Rücken-
schilde ungefurcht und fast unbehaart.
Die 1. Ventralplatte wird nur seitlich durch die 1. Pleuren von
den Kieferfusshüften getrennt, in der Mitte berührt sie sie. Ventral-
platten ohne Poren, spärlich mit winzigen Härchen versehen. Die
vordem sind breiter als lang, später quadratisch, die allerletzten
sind etwas länger als breit. Auf der 3. — 14. bildet der Hinterrand
einen kleineu Vorsprung, dem ein Eindruck am Vorderrand der nach-
folgenden entspricht; die Zwischenschilde verwachsen erst von ca.
dem 15. Segment an zu einer Querplatte.
Endbeinsegment (Fig. 3): Dorsalschild lang, hinten nur wenig
verschmälert, die Ecken abgerundet; Ventralplatte sehr lang und
schmal, 2 mal so lang wie breit, rechteckig; Hüften sehr gross, un-
behaart und nicht stark aufgetrieben, fast 2 mal so lang wie die
Ventralplatte; mit Ausnahme der durch eine bogige Furche abge-
setzten distalen Hälfte der Dorsalseite ganz mit grossem Poren
dicht bedeckt ; die Poren reichen auf der Ventralseite in der distalen
Hälfte nicht bis zum JVIedialrand. Die ganzen 7gliedrigen Endbeine
sind beim $ spärlich behaart; beim S sind sie stark verdickt und
dicht, aber sehr kurz behaart. Endglied mit kleiner Kralle.
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. 9
124 Carl Attems,
Analporen fehlen.
Fundort : Wladiwostok.
Auch die Genusdiag-nose von Escarytis bedarf einiger
Berichtigungen :
Cook uud Collins geben an. dass Chitinlinien auf den Kiefer-
fusshüften vorhanden sind; bei den 2 von mir untersuchten Arten
(sibiricus Cook (!) und retusidens n. sp.) fehlen sie, und auf den Zeich-
nungen von phißlopliilus uud liher findet man auch keine.
Eine Theilung des Zahnblattes der Mandibeln ist bei sibiricus
und retusidens nicht zu sehen und dürfte, nach den Zeichnungen zu
schliessen, auch bei phyllopMIus kaum angedeutet sein.
Der Präbasalschild ist bei sibiricus und retusidens nicht sichtbar.
Polydesnius stroiu/ylosonioides n. sp.
Taf. 9, Fig. 16, 17.
Farbe braungelb oder erdbraun ; bei manchen Exemplaren bleiben
die Prozoniten ganz licht braungelb, während die Metazoniten erd-
braun verdunkelt und dabei licht marmorirt sind; bei andern ist
der Rücken der Prozoniten ebenfalls erdbraun; immer aber sind die
Metazoniten dunkler als die Prozoniten. Der ganze Körper ist
glänzend.
Länge 11 mm. Breite 1,3 mm.
Körper ganz Sfrongijlosoma-ö.vtig] rosenkranzförmig, indem die
Einge in der Quernaht stark eingeschnürt sind und die Prozoniten
einen bedeutend kleinern Durchmesser als die Metazoniten haben;
letztere sind in den Seiten rund aufgetrieben an Stelle der Kiele.
Die Oberfläche der Prozoniten ist sehr fein chagrinirt; die
Metazoniten haben eine ganz undeutliche Felderung, durch die 2
Querreihen von Beulen angedeutet sind. Erst bei stärkerer Ver-
grösserung sieht man 3 Querreihen spitzer Härchen.
Copulationsfüsse (Fig. 16, 17): lang, schlank, sichelförmig ge-
krümmt. Der Schenkeltheil birnförmig angeschwollen und stark be-
borstet. Das Ende gabelt sich in Hauptast (Ä) und Nebenast (B).
Der Hauptast trägt das kleine unscheinbare Haarpolster und im
Innern die Samenblase mit dem Ende der Samenrinne. Unterhalb
des Haarpolsters steht ein schlanker gerader Spiess (Z); das Ende
des Hauptastes ist hakig eingekrümmt und in mehrere Spitzen zer-
theilt; der Nebenast (B) ist eine breite gebogene, abgestumpfte
Lamelle. Unterhalb der Theilungsstelle in Haupt- und Nebenast
1
Central- und hoch-asiatische Myriopoden. 125
löst sich vom Copulationsfiiss ein am Eande mit 6 stumpfen Kerb-
zälmen versehener und am Ende stumpfhakig eingekrümmter Ast
(C) los. und noch weiter proximal steht ein basalwärts gerichteter
Zahn (ä).
Fundorte: Kok-dschajäk, Przewalsk.
Folydesmus alnictsst/i n, sp.
Taf. 9, Fig. 13-15.
Erdbraun. Rückenmitte und Hinterrand der Metazoniten etwas
verdunkelt; die ganze Oberfläche matt, nicht glänzend.
Breite beim S 1;5, $ 2 mm. (Länge nicht mehr genau messbar).
Kopf mit winzigen Härchen, Rumpf unbehaart.
Halsschild so bi-eit wie der folgende Rückenschild, seitlich ab-
gerundet.
Die Kiele sind nur auf den vordersten Segmenten deutlich ; vom
5. Segment an haben die Metazoniten wohl einen grössern Umfang
als die Prozoniten und sind in den Seiten etwas aufgetrieben, aber
die ganze Gestalt erinnert, abgesehen von der Felderung des Rückens
der Metazoniten, eher an ein Strongylosoma; Ringe in der Quernaht
stark eingeschnürt.
Die Beulen der hintersten Reihe sind deutlich ausgeprägt; es
sind ihrer 8, da die Seitenbeulen, an denen auch die Poren münden,
völlig den übrigen gleichen. Die Beulen ragen als kleine Zacken
über den Hinterrand des Metazoniten vor. Die 2 vordem Beulen-
reihen sind nur durch eine schwache, undeutliche Felderung ange-
deutet.
Copulationsfüsse (Fig. 13, 14, 15). Der Theil vom Schenkel an
im Ganzen gerade. Auf den keglig angeschwollenen Schenkel folgt
eine halsartig eingeschnürte Stelle, bis zu deren Ende die starke
Beborstung auf der Hohlseite reicht. Die convexe Aussenseite bildet
hier einen abgerundeten Vorsprung [v] ; von hier an bildet das Ende
ein grosses hohles Blatt, deren eine Kante in einen langen, schlanken
bogig gekrümmten Geiselast ig) ausgeht, die andere in 2 kräftige
Zacken, einen geraden plattigen (a) und einen spitzen hakigen [h).
Diese Kante bildet unterhalb der zwei Zacken ein rundes Knie (/:),
und unterhalb desselben erhebt sich im Innern des hohlen Blattes
der Höcker, auf dessen Spitze die Samenblase nach aussen mündet.
Die Oeifnung ist nicht von Haaren umstellt, sonst aber ist die Samen-
rinne und Samenblase wie bei unsern einheimischen Pol3'desmen.
Fundorte: Almatj^-Pass, Aksu-Thal bei Przewalsk.
9*
126 Carl Attems,
Polijdesmus sttnnmeri u. sp.
Taf. 9, Fig-. 18.
Schmutzig gelb weiss, Kopf und die ersten 4—5 Segmente rotli-
bräunlicli; der Darm schimmert schwarz durch.
Länge 8 mm. Breite 0.6 — 0,7 mm.
Kopf mit schütteren, kleinen spitzen Härchen versehen. Hals-
schild bedeutend schmäler als der Kopf und die folgenden Rücken-
schilde, seitlich gleichmässig verschmälert und abgerundet.
Der Eücken ist stark gewölbt, die schmalen Kiele folgen dieser
\Yölbung. Das Vordereck aller Kiele ist abgerundet, der Seitenrand
convex und nicht gekerbt, das Hintereck auf den vordem und
mittlem Segmenten auch abgerundet, erst auf den hintern Segmenten
bildet es einen stumpfen Zacken.
Die Prozoniten sind fein chagrinirt, die j\[etazoniten glänzend;
die Sculptiir ist sehr schwach, nur auf den vordersten Segmenten
sind die Querreihen der Beulen angedeutet; 3 Querreihen winziger,
spitzer Borsten, die in der hintersten Reihe noch am stärksten sind.
Copulationsfüsse (Fig. 18). Die Umgebung der Grube, in der
die Samenrinne beginnt, auf der Innenseite des Schenkels ist kuglig
hervorgewölbt. Xm. Ende des beborsteten Schenkeltheils auf der
Hohlseite der Krümmung steht eine stumpfe Doppelzacke. Der
folgende Abschnitt ist sichelförmig gekrümmt und in 2 annähernd
gleich grosse Aeste gespalten; der eine {Ä) ist auf der Hohlseite
fein gerieft, sonst glatt, der andere (B) ist schlanker und ringsum
mit Börstchen besetzt. An der Gabelungsstelle beider mündet die
Samenblase, auch bei dieser Art ohne Haarpolster um die Mündung.
An der Grenze zwischen beborstetem Schenkel und Endabschnitt
steht eine gezackte Leiste, die auf der Hohlseite im Profil als
Doppelzacken erscheint.
Fundort: Aksu-Thal bei Przewalsk.
TianeUa n. g.
Gehört in die Subfamilie Pseudocleiclinae der Chordeumidae.
Ausser durch die allgemein dieser Gruppe zukommenden Merk-
male ist die Gattung durch Folgendes gekennzeichnet:
30 Rumpfsegmente; kleine Kiele vorhanden, Körper hinten stark
verjüngt.
S: Endhälfte der Sohle des Endgliedes der Beinpaare 3 — 7 mit
Central- und lioch-asiatische Myriopodeu. 127
Papillen : 3. — 6. Beinpaar massig- verdickt ; 7. Beinpaar schlank, die
Hüften desselben mit beborsteteu Haken. 9. Beinpaar mit grossen
Hüttliürnern.
8. und 9. Beinpaar mit Hüftsäckchen.
Als Copulationsfüsse dienen beide Beinpaare des 7. Rinoes ; doch
ist das 2. Paar noch sehr lauf beinähnlich, ögliedrig. ohne Drüse,
Hüfte mit grossem Innenfortsatz.
Basalgiieder der vordem Copulationsfüsse (= Hüften) nur lose
mit einander verbunden, tragen mehrere Fortsätze und ein Borsten-
bündel. 2. Glied (= Femur) von einfacher Gestalt. Tracheentaschen
sehr stark entwickelt, gelenkig mit der Basis der Copulationsfüsse
verbunden.
Heimath: Central-Asien.
TianeUa fastiffata n. sp,
Taf. 9, Fig. 19-26.
In Farbe und Gestalt sehr an unsere Heteroporatien erinnernd;
Grundfarbe graubraun; auf der Rückenmitte eine feine braungelbe
Längslinie, ein verwaschener, etwas breiterer, ebenso gefärbter Streif
in der Höhe der innersten und mittlem Borstenwarzen. Bauch gelb-
braun, Kopf und Antennen von der Grundfarbe (graubraun).
Grösse eines Heteroporaiia mutahile. Länge ca. 12 mm. Breite
1,7 mm. 20 Segmente. Körper hinten sehr stark verdünnt.
Kopf sehr fein und reichlich behaart; Antennen lang und schlank.
Jederseits gegen 25 Ocellen in einem dreieckigen Haufen, in
ca. 6 unregelmässigen Längsreihen.
Oberfläche des Körpers unter dem Mikroskop fein körnig rauh
erscheinend, wenig glänzend.
Rücken gewölbt, die Kiele nicht gross, aber doch deutlich aus-
geprägt, etwas oberhalb der Mitte der Höhe angesetzt. In der
Quernaht und zwischen den Segmeuten nur sehr schwache Ein-
schnürungen. Jederseits 3 Borsten warzen ; die 2 Innern stehen in
einer Querlinie, die äussere etwas dahinter; die abstehenden Borsten
sind weiss, lang und spitz (Fig. 25, 26).
c? : 1. und 2. Beinpaar normal, mit Borstenkamm auf der Sohle
des Endgliedes. 3. — 6. Beinpaar massig verdickt; die Endhälfte der
Sohle des Endgliedes trägt Papillen. 7. Beinpaar schlank, so wie
die Beinpaare hinter dem Copulationsringe ; Hüften innen mit einem
einwärts gekrümmten, mehrere Borsten tragenden, kleinen Haken
128 Carl Attems,
(Fig-. 22); Endglied am Ende mit Papillen. 8. und 9. Beinpaar mit
grossen Hüftsäcken, das 9. ausserdem mit einem langen Hörn auf
der Hüfte (Fig. 24).
Ränder des Copulationsringes einfach, ohne Zahnbildungen.
Copulationsfüsse, vorderes Paar (Fig. 19, 20, 21). Ventralplatte
eine zarte Querspange; die beiderseitigen Hüften sind nur lose mit
einander verwachsen; jede besteht aus häutigen Polstern mit mehreren
Erhebungen (a, h, c) und trägt ein Bündel von Hakenborsten ili)
und lateral von demselben einen starken Haken, dessen Rand in eine
gefranste Lamelle ausgezogen ist (g). Von den Erhebungen der
Hüfte ist der eine [ä) kuglig und trägt eine Anzahl zarter Borsten-
haare; der zweite {h) ist mehr in die Länge gezogen und dicht mit
zarten Haaren bedeckt.
Die Tracheentaschen sind sehr stark entwickelt und stehen in
gelenkiger Verbindung mit der Basis der Copulationsfüsse; median-
wärts umgreift letztere ein schalenartiger Fortsatz (m).
Der Schenkel (F) ist kräftig chitinisirt und von einfacher Ge-
stalt, ein starkes Blatt mit zum Theil schuppiger Structur. das
aussen einen eckigen Fortsatz {z) hat; das Ende ist kurz zweihörnig;
die Basis umgreift theilweise die weichhäutige Hüfte und trägt an
einer Stelle ein kleines Bündel langer, starker Borsten {l).
Das hintere Paar der Copulationsfüsse (Fig. 23) ist ögliedrig
und gleicht noch sehr einem gewöhnlichen Lauf beinpaar. Das 1. Glied
hat einen grossen kegelförmigen Innenfortsatz, der am Ende in 2 Stifte
ausgeht und eine Borste trägt; das 2. Glied ist in der Endhälfte
etwas verdickt und nach aussen gekrümmt; 3. Glied lang. 4. Glied
kurz, beide cylindrisch ; 5. Glied kegelförmig, mit einer kleinen Kralle ;
alle Glieder massig beborstet.
Fundort: Aksu-Thal bei Przewalsk.
Isobates (?) »p.
Das einzige mir vorliegende Exemplar, ein % gestattet keine ge-
nügende Beschreibung; selbst die Einreihung in die Gattung Isobates
bleibt etwas zweifelhaft.
In Gestalt und Sculptur stimmt es mit unsenn J. varicornis
überein; 48 Segmente. Rücken lebhaft quer geringelt, indem die
hintere Hälfte jedes Metazoniten schwarzbraun, das übrige licht-
gelb ist.
Cential- iiml hocli-asiatiscLe Myriopoden. 129
Erklärung der AbMlduugen.
Tafel 8.
Fig. 1. LiÜiohius curtiprs C. KoCH. Latzel's Originalexemplar, $.
5. Glied des Endbeiaes.
Fig. 2. LiiJtohius curtipes suhsp. tnrkcstanicus n. suhsp. $. 5. Glied
des Endbeines.
Fig. 3. Escarijus Sibiriens Cook (Cook's Originalexemplar aus Wladi-
wostok). Hinterende des $. Ventralseite.
Fig. 4 — 6. Escanjus rehisidrns n. sp.
Fig. 4. Hinteren de des ^. Yentralseite.
Fig. 5. Oberlippe.
Fig. 6. Kieferfüsse.
Fig. 7 — 12. Mecistocephalus edcnJulus n. sp.
Fig. 7. Ein Kieferfuss.
Fig. 8. Vorderende, Ventralseite.
Fig. 9. Vorderende, Dorsalseite.
Fig. 10. Oberlippe.
Fig. 1 1 . Ventralseite des Kopfes nach Entfernung der Mund-
theile.
Fig. 12. Die 2 Maxillenpaare.
Tafel 9.
Fig. 13 — 15. Pohjdcsimts ahnassyi n. sp.
Fig. 13. Copulationsfuss, Medialseite.
Fig. 14 u. 15. Lateralseite. Fig. 14 das Ende stärker vergr.
130 Carl Attems, Central- uud hoch-asiatische Myriopoden,
Fig. 16 u. 17. rohidrsmiis fifronrji/JoffODwidc.s n. sp.
Fig. 16. Copulationsfuss, Lateralseite.
Fig. 17. Copulationsfuss, Medialseite.
Fig. 18. P<)liji/rs)u/is siummcri n. sp.
Copulationsfuss.
Fig. 19 — 26. Tianella fasligala n. sp.
Fig. 19 — 21. Vorderes Copulationsfusspaar.
Fig. 22. Hüften des 7. Beinpaares des (5.
Fig. 23. Ein hinterer Copulationsfuss.
Fig. 24. 9. Laufbein (2. Paar des 8, Einges).
Fig. 25. Rechte Hälfte zweier mittlerer üückenschiide
Fig. 26. 10. Segment, Linke Hälfte.
Nachdruck verboten.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
Ein getrenntgeschlechtiger Cestode.
Von
Dr. 0. Fiilirinanu, Akademie Neuchätel.
Mit Taf. 10.
Der in mehrfacher Hinsicht überaus interessante und eig-en-
thümliche Cestode gehört in das von mir begründete Genus Dioi-
cocestu.s, für welches ich bereits früher 2 Arten kurz beschrieben
habe. ^) Der Typus des Genus Dioicocestus paronai Fuhrmann stammt
aus PJegadis guarrmna (Lin.), die andere Species, Dioicocestus aspera
(Mehlis), beherbergt Podiceps griscigena Bodd. Die dritte, neue, Art
wurde in Podiceps dominicus (L.) gefunden, dessen Heimath die
Antillen, Mexico, Centralamerika und das südliche Südamerika sind.
2 Exemplare dieser Taenie, ein Männchen und ein Weibchen, fanden
sich in der Sammlung des Britischen Museums, mehrere Pärchen in
der so reichen Helminthologischen Sammlung des ^Yiener Hofmuseums,
deren Vogelcestoden mir in überaus liberaler Weise von Prof.
E. VON Marenzeller zur Bestimmung überlassen wurden. Die
Londoner Exemplare waren mit dem Namen T. scolopendra Dies.
bezeichnet, und es fand sich ausserdem noch, da diese Taenie schon
äusserlich nicht die geringste Aehnlichkeit mit oben genanntem
Cestoden besitzt, der von Prof. R. Blancharü, welchei- die Sammlung
ebenfalls gesehen, herrührende, aber nie publicirte Name T. belli
1) Fl'HUMAXX, 0.. Zur Kenutniss der Acoleinae, in: Ctrbl. Bakt.,
V. 28, l'JOO, p. 363. '
132 0. Fuhrmann,
n. sp. Die Cestodeii des Wiener ]\riiseiiiiis waren mit dem wolil von
DiEsiNG (?) stammenden Namen T. erytliroccphala bezeichnet; eine
Beschreibung unter diesem Namen ist nie erfolgt. Wir nennen
diesen Cestoden auf Grund des Fehlens der Saugnäpfe Dioicocestus
acotyhis n. sp.
Schon äusserlich sind die männlichen und weiblichen Exemplare
dieses Cestoden leicht erkennbar, so dass also ein wirklicher ge-
schlechtlicher Dimorphismus besteht, der übrigens auch bei den
beiden andern Arten, D. paronai und B. aspera, von mir beobachtet
wurde. Derselbe ist namentlich deutlich sichtbar an den beiden
Londoner Exemplaren, die, wie aus nachfolgender Beschreibung her-
vorgeht, einen ausgezeichneten Erhaltungszustand aufweisen. Das
männliche Exemplar besitzt eine Länge von 4,5 cm bei einer grössten
Breite von 2^-2 mm und einer Dicke von 1 mm, während das grössere
Weibchen mehr als doppelt so lang (10 cm), 4 mm breit und 2 mm
dick ist. Was das Männchen ebenfalls leicht kenntlich macht, sind
die beiderseits weit hervorstehenden Cirri. Die AViener Exemplare
sind weniger contrahirt, da sie wohl in todtem Zustande in die Con-
servirungsflüssigskeit kamen, deshalb ist ihre Länge bedeutender;
das Weibchen misst 19 cm bei einer Breite von 3,5 mm, das Männchen,
das viel dünner, 13 cm bei 2 mm Breite. Die Strobila ist sehr
kurzgliedrig; die Gliederung beginnt beim Männchen 1 mm, beim
Weibchen 1,4 mm hinter dem Scolex. Der Kopf zeigt eine überaus
interessante Eigenthümlichkeit. Obwohl die Anatomie dieses Cestoden
auffallend mit den beiden andern Arten übereinstimmt und D. aspera ^)
sehr starke Saugnäpfe und ein grosses von doppeltem Muskelsack
umgebenes Rostellum besitzt (s. Fig. 1), zeigt sich bei unserer Art
ein vollkommener Mangel an äussern Sauggruben, und
auch das Rostellum scheint rudimentär zu sein. So erhalten wir
eine äussere Form des Scolex, wie sie sich etwa bei den Bothrio-
cephaliden Schistocephahis und namentlich Ligula findet (Fig. 2).
1) Bei J). paronni ist der Scolex abgerissen, was uns zeigt,
auch hier die Haftorgane sehr stark entwickelt sein müssen. Allerdings
findet sich die Wundstelle vollkommen verheilt mit Neugewebe; die
Cuticula ist an der Stelle normal ausgebildet, doch zeigt sich kein Wasser-
gefässnetz , noch Bildung eines cephalischen Centralnervensystems , wohl
aber gehen, namentlich beim Männchen, die embryonal entwickelten Ge-
schlechtsorgane bis ans vorderste Ende der Strobila. Es scheint also der
Scolex im Wirth , vielleicht durch starke Darmcontraction , abgerissen
und die Wunde verheilt zu sein.
Ein getrenntgeschlechtiger Cestode. 133
Da das Nervensystem und ^^'assergefäss3^stem in vollkommener Ent-
wicklung vorhanden, ist es ausgeschlossen, anzunehmen, dass der
Scolex abgerissen sei, um so mehr, als ein grosses rudimentäres
Rostellum. als einziger Rest früherer Bewaffnung, deutlich sichtbar
ist. Der Scolex ist nicht deutlich vom Halstheil abgesetzt, sondern
es endigt die Strobila am Vorderende wie z. B. bei Lignla, indem
sie sich ziemlich rasch verschmälert und zungenformig. mehr oder
weniger breit abgerundet, endigt. Auf der Höhe des Centralnerven-
systems ist der Scolex ca. 0,4 — 0,5 mm breit. Die Länge des unge-
gliederten Theiles. den man als Hals auffassen kann, der aber
äusserlich vom Scolex nicht abzutrennen ist, habe ich bereits oben
angegeben; er zeigt unregelmässige oberflächliche Falten.
ObAVohl der Scolex von dem von D. aspera total verschieden, stelle
ich diese Art trotzdem in dasselbe Genus, da uns die anatomische
Gleichheit systematisch wichtiger erscheint als die Verschiedenheit
im Bau des Kopfes, die wohl meist grösstentheils adaptiver Natur.
Wollte man bei PseudophyJHdae und Cijdoplußlidae hauptsächlich
den Bau des Scolex bei der Bildung der Genera berücksichtigen, so
kämen oft anatomisch total verschiedene Formen zusammen, wie ich
dies andern Orts gezeigt habe.^) Wenn wir nun nach der Ursache
der Rückbildung der Haftorgaue des Scolex fragen, so können wir
dieselbe vielleicht zum Theil in der Structur des Darmes des
Wirthes finden, welcher durch seine grossen Darmzotten der kiirz-
gliedrigen, mit vorstehenden Rändern ausgestatteten Strobila auch
ohne Saugnäpfe ein Ausstossen aus dem Darme verhindern.
In der Structur der Cuticula, Subcuticula, des Parenchj^ms, des
Nervensystems, Excretionssystems sowie der Musculatur sind zwischen
den beiden Geschlechtern keine wesentlichen Unterschiede zu finden,
so dass wir diese Organe für ]\[ännclien und Weibchen zusammen
besprechen können. Cuticula und Subcuticula zeigen nichts
Besonderes, ebenso ist das Parenchym ähnlich wie bei andern Cestoden
entwickelt. Im Rindenparenchym liegen wenige kleine Kalkkörperchen.
Aufgefallen sind mir ebendaselbst in grosser Zahl vorhandene, eigen-
thümliche plasmareiche Zellen, welche namentlich am Hinterende
der Proglottis in mehreren Lagen das periphere Rindenparenchym
erfüllten. Es scheinen birnförmige Zellen zu sein, deren basaler
breiter Theil allein deutlich sichtbar, weil stärker sich färbend als
1) FrpiRMANX , 0., Sur un nouveau Bothricephalide d'oiseau , iu
Arch. l'arasitol., V. 5, 1902.
134 0. FCHRMANN,
das umgebende Parencliym, während der sich verjüngende, immer der
Cuticuhi zugekehrte Theil der Zelle wegen seiner Farblosigkeit,
oder weil er sehr schief verläuft, weder auf Quer- noch auf Längs-
schnitten in seiner ganzen Ausdehnung zu erkennen ist. üeber die
Natur dieser Zellen, ob Myoblasten oder Drüsenzellen, vermag ich
nichts auszusagen.
Das Nervensystem besteht im Scolex aus 2 mächtigen
Ganglien, welche durch eine das rudimentäre Rostellum umfassende
Ringcommissur verbunden sind. Von den beiden Ganglien gehen Nerven
nach vorn sow'ie die beiden Hauptlängsnerven ab. An ihrem Ur-
sprung entspringt ebenfalls das beiderseitige dorsale und ventrale
Begleitnervenpaar. Die beiden dorsalen und ventralen zu beiden
Seiten der Medianlinie verlaufenden Längsnerven sind ebenfalls,
wenigstens in den jungen Gliedern, sehr leicht, ohne besondere
Technik sichtbar; sie liegen am Innern Rande des innern Längs-
muskelsystems, also zwischen diesem und den starken Transversal-
muskeln, während die übrigen Längsnerven im Markparenchym sich
finden. Die Muskelbündel, die diese 4 Nerven berühren, sind auf-
fallend schwächer als die umliegenden, haben also durch die An-
wesenheit dieser Nerven eine Reduction in ihrem Querschnitt er-
fahren.
Das Wassergef ässystem besteht im Scolex aus 3 Gefäss-
ringen, von w^elchen der obere engste das obere Ende des Eostellums
umfasst, die beiden andern in der Mitte und am hintern Ende des
obigen Organs gelegen sind. Diese 3 Ringe, von welchen der
erstere kreisrund, der zweite und dritte dem Querschnitt des Scolex
entsprechend oval und fast gleich gross sind, sind durch zahlreiche,
nicht sehr regelmässig vertheilte Commissuren unter einander ver-
bunden. Vom untern Gefässring gehen nun die beiden ventralen
und dorsalen, die Strobila durchziehenden Längsgefässe ab. Die
erstem sind am Hinterende jeder Proglottis durch ein feines Quer-
gefäss verbunden. Das ventrale Gefäss ist wie fast immer etwas
weiter als das dorsale; sie liegen beide über einander, ziemlich weit
vom Rande entfernt (s. Fig. 6). Die Structur dieser Gefässe zeigt
nichts Besonderes; eine deutliche Cuticula kleidet sie aus, der nach
augsen dicht gedrängt deutliche Zellen anliegen, welche zum Theil
die Primitivzellen der Wimpertrichter darstellen. Nur wenige von
der Körpermusculatur , namentlich den Dorsoventralmuskeln, ab-
stammende Fasern legen sich allerdings nur lose den Excretions-
gefässen an.
Ein getreniitgeschlechtig-er Cestode. 135
Ganz besonders interessant ist, dass, ohne specielle Färbetechnik,
die Wimpertrichter in grosser Zahl leicht sichtbar sind. Sie nm-
«reben, zu Dutzenden auf einem Querschnitt sichtbar, die Längsg-efässe,
lieg'en aucli zwischen den nahen Läng-smuskelbündeln und sclieinen
in kleinen Gruppen direct in sie zu münden (Fig. 6). Hier haben
sich also diese als Drüsenzellen aufzufassenden Gebilde noch nicht
sehr weit von ihrem Entstehungsort entfernt, wie dies im Gegensatz
zu andern Cestoden meist der Fall. In der Region zwischen zwei
Gliedern fehlen sie vollkommen. Die den Wimpertrichter bedeckende
Zelle lässt keine Ausläufer sehen, diese sind wohl contraliirt. Die
Zelle hat einen Durchmesser von 0,006 mm und einen 0,003 mm
grossen sich dunkler färbenden Kern mit deutlichem Eeticulum von
Chromatin. Der Trichter ist 0,009 mm lang und zeigt überall auf
Längsschnitten in der Mitte eine deutliche Verdickung der Wandung
(s. Fig. 4), die wie eine gestreckt spindelförmige Muskelfaser aussieht.
Ob diese Verdickung nun, wie Bugge ^) meint, von Chitin Stäbchen
herrührt, die in der Wandung liegen, oder ob es contractile und
leicht contrahirte Fibrillen sind, wie es bei diesem Cestoden den
Anschein hat, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Wimperflamme
besteht überaus deutlich aus feinen zusammen geklebten Cilien und
ist 0,0075 mm lang. Sehr hübsch lässt sich auch die Entstehung
der Wimpertrichtei' verfolgen, und deren Studium bestätigt die An-
gaben der interessanten Arbeit Bügge's. Wir finden nämlich häufig
um das Hauptwassergefäss herum grössere, den zelligen Belag der
Cuticula desselben bildende Zellen, die sich ablösend wohl theilen
und so je 3 Wimpertrichter bilden, welche man häufig noch mit
ihrem Protoplasmaleib vereinigt antrifft.
Ueberaus interessant ist die Disposition der Musculatur, nicht
nur der Strobila, sondern in noch höherm Grade die des Scolex, in
welchem das Verschwinden der Saugnäpfe natürlich nicht geringe
Veränderungen der gerade durch die Haftorgane so complicirten
Scolexmusculatur hervorgerufen.
Unter der Cuticula der Strobila liegt ein deutliches System von
äussern C^uer- und Innern Längsfasern, w^elches in den reifen Gliedern
am stärksten entwickelt ist. Die Musculatur des Parenchyms zeichnet
sich durch eine ungemein starke Entwicklung aus, die wie bei den
subcuticularen Muskeln im hintern Theil der Strobila am bedeutendsten ;
1) Bugge, Georg , Zur Kenntciss des Excretionsgefäss-Systems der
Cestoden und Trematoden, in: Zool. Jahrb., V. 16, Anat., 1902.
136 0- Fuhrmann,
ausserdem besitzt sie eine Disposition, die vollkommen anders ist
als bei den meisten Cestoden. Wir linden sonst gewöhnlich bei
Taenien eine innere Transversalmuscnlatur und ausserhalb dieser
eine oder mehrere Lagen von Längsmuskelbündeln. Bei den
Dioicocestus- Arten sowie auch bei den von mir geschaffenen Genera
Aroleus, Biplophalhis und Gyrocoelki, die zusammen die Familie der
Acoleinae bilden, finden wir 2 Längs- und 3 Transversalmuskel-
Systeme, welche mit einander a 1 1 e r n i r e n. Nach innen gelegen,
das Einden- vom Markparenchym trennend, liegt eine überaus
mächtige Transversalmuscnlatur. Auf sie folgen nach aussen grosse
Längsmuskelbündel von ovalem Querschnitt, welche häufig in einige
kleinere Muskelbündel aufgelöst sein können, also von sehr ungleicher
Grösse sind. Die grössern zählen 80 — 100 feine Fasern. Nach dem
Rande zu werden diese Muskelbündel sehr rasch kleiner, indem sie
zunächst nur noch 50, dann 40, 20 und schliesslich nur noch ca. 8
Fasern haben. Eigenthümlich ist, doch findet sich diese Erscheinung
auch bei andern Acoleinae, dass sich von dieser Längsmusculatur
einige (3—4) kleinere Bündel abgelöst haben, um sich den im Mark-
parenchym gelegenen Längsnerven anzulegen. Nach aussen von
dieser Längsmuskelzone folgt nun das zweite System von Querfasern
von geringerer Mächtigkeit. Ausserhalb von ihnen eine zweite Lage
von Längsmuskelbündeln, die etwa doppelt so zahlreich, aber nur
bis ca. 40 Fasern besitzen. Diese Bündel sind von viel regel-
mässigerer Grösse, nehmen aber auch nahe dem Eande an Grösse ab,
Nach aussen von diesem Längsmuskelsystem liegt nun eine schwache,
aber sehr deutliche Transversalmuskellage. Lateral sehen wir auf
Querschnitten namentlich die Innern Transversalmuskeln, weniger
die mittlem zwischen den Längsbündeln durch ausstrahlen; während
Längsschnitte zeigen, dass die Längsbündel jeder Schicht nicht etwa
isolirt die ganze Strobila durchziehen, sondern durch zahlreiche
Anastomosen unter einander verbunden sind. Die feinen Dorso-
ventralfasern besitzen grosse Myoblasten und sind überaus zahlreich.
Die Musculatur der Strobila ist also, wie wir gesehen haben, eine
überaus complicirte und mächtige. Ganz besonders interessant ist
es nun, diese Muskulatur bei ihrem Eintritt in den Scolex zu ver-
folgen. Bei andern Taenien ist es namentlich die Existenz der 4
mächtigen Saugnäpfe, welche eine complicirte Umstellung der Mus-
culatur zur Folge hat, die für die Anoplocephaliden von Luhe ^) in
1) LUHE, Max, Zur Morphologie des Taenieuscolex, Inaug.-Diss.,
Königsberg 1894.
Ein g-etreimtgeschlechtiger Cestode. 137
eingehender Weise studirt wurde. Da mm bei diesem Cestoden die
Saiignäpfe nur noch auf Schnitten als schwache Rudimente sichtbar
sind, ist zu erwarten, dass die Musculatur des Scolex eine be-
deutende Vereinfachung erfahren, die noch bedeutend grösser wäre,
wenn nicht ein mäclitiges Eostellnm im Centrum des Scolex läge.
Ausserdem finden wir, wie schon beschrieben, in ihm ein mächtig
entwickeltes Nervensystem und eiu aus zum Theil weiten Gefässen
bestellendes Gefässkörbchen, so dass für die Musculatur des Scolex
nur noch wenig Platz übrig bleibt, um so mehr, als der Scolex sehr
kurz, kaum 0,2 mm lang, ist bei einem Durchmesser von nur 0,48 mm.
Schon der hintere Theil des Eostellums liegt in der dichten embryonalen
Zellenmasse des Markparenchyms des Halses, welche die Wachsthums-
zone der Strobila und die Bildungsstätte der Anlage der Geschlechts-
organe ist.
Verfolgt man nun die verschiedenen Muskelschichten der Strobila
im Hals des Cestoden, so bemerkt man, dass die äussere Transversal-
musculatur und die äussern Längsmuskelbündel sich der Cuticula
anlegen und zur Subcuticularmusculatur des Scolex werden. Die
mittlere Transversalmuskelschicht verschwindet im Hals. So haben
wir also bereits direct hinter dem sehr kurzen Scolex die für alle
übrigen Taenien geltende Muskeldisposition, welche besteht aus
Innern Transversal- und äussern Längsmuskelfasern. Letztere sind
in kleine Bündel vereinigt, deren Faserzahl bei Eintritt in den
Scolex eine sehr geringe ist.
Es sind also die oben für die Strobila geschilderten eigenthüm-
lichen Muskelverhältnisse, eine in der Strobila selbst entstandene
Complication, vrelche ihren Ursprung in ihr und nicht, wie man
vielleicht erwarten könnte, im Scolex hat, welcher nur die allen
Taenien typischen j\Inskelsysteme zeigt. Verfolgen wir nun die
Quer- und Längsschnitte des Scolex, so sehen wir Folgendes: Die
auf Null reducirte Rolle der Saugnäpfe hat zur Folge, dass die
Längsmusculatur ungestört an der Peripherie des Scolex zum Scheitel
aufsteigt. Die Transversalmusculatur scheint sehr wenig entwickelt,
und man bemerkt nur wenige Fasern. Auf der Höhe des Rostellums
sieht man eine sehr grosse Zahl von Längsfasern von der oben
genannten peripheren Musculatur sich ablösen und sich dem Rostellum
zuwenden, wo sie sich an dessen vordem Theil und nicht etwa am
Hinterende desselben fixiren oder wenigstens anzulegen scheinen.
Dabei müssen die Fasern durch die Lücken des stark entwickelten
Wassergefässkörbchens dringen, welches das Rostellum vollkommen
138 0. Fuhrmann,
umhüllt. Das mächtige Rostelliim. das stark entwickelte Wasser-
g'efässystem mit seinen zum Tlieil sehr weiten Gefässen sowie das
wohl ausgebildete Nervensystem lassen nur eine schmale periphere
Parenchymzone frei, in welcher eben die oben erwähnte Musculatur
aufsteigt (s. Fig. 3). Die am Rostellum sich anlegenden Längs-
muskeln entfernen sich sofort wieder von diesem und strahlen nach
dem Vorderende des Scolex aus.
Das schon oft erwähnte Rostellum, das dem Volumen nach sehr
gut entwickelt ist, scheint aber, wenn wir seine Structur näher be-
trachten, in Reduction begriifen zu sein.
Bei Dioicocestus aspera, der anatomisch obiger Art sehr nahe
steht und von welchem ich den Scolex genauer kenne, finden wir
folgende Verhältnisse (s. Fig. 1): Der Scolex besitzt einen Durch-
messer von 0,76 mm, die 4 starken Saugnäpfe sind 0,2 mm gross.
Das Rostellum, auf welches es hier hauptsächlich ankommt, zeigt die-
selbe Structur wie bei vielen Vogeltaenien (Taenia porosa, T. undulata
etc.): es besteht aus zwei in einander geschachtelten Muskelsäcken,
von welchen der innere das eigentliche vorstülpbare hakentragende
Rostellum bildet. Dieser grosse innere Sack ist kegelförmig, 0,66 mm
lang und zeigt am hakentragenden Ende einen Durchmesser von
0,28 mm. Der äussere, sehr w^eite Muskelsack dient dem erstem
als Receptaculum, wenn er zurückgezogen ist.
Ganz anders liegen die Verhältnisse bei dem anatomisch fast
identischen D. acofylus (s. Fig. 8). Hier ist das Rostellum ebenfalls
verhältnissmässig gross, indem es in contrahirtem Zustande einen
Durchmesser von 0,12 mm zeigt. In dem einen sehr gut conservirten
Exemplar zeigt das Rostellum nur eine sehr dicke homogene, mit
Eosin sich dunkelroth färbende Wandung, in welcher man von Muskel-
fasern nichts unterscheiden kann, mit Ausnahme der von aussen an-
liegenden Parenchymmuskeln. Im Innern findet sich ein unregel-
mässiger Hohlraum. An einem andern, sehr mangelhaft conservirten
Exemplar lassen sich im selben Organ, allerdings nicht sehr deutlich,
ein zweiter (innerer) Muskelsack unterscheiden, der aber vom äussern
vollkommen umschlossen scheint. Obwohl das Rostellum überall
ganz zurückgezogen und oben erwähntes Exemplar sehr gut er-
halten war, Hessen sich keine Haken erkennen, so dass also das
Rostellum vielleicht unbewaftnet ist. Dieser Umstand wie die
Structur, vielleicht auch die Verschiedenheit des Baues bei ver-
schiedenen Exemplaren scheinen darauf hinzuweisen, dass wir es mit
einem in Reduction begriffenen Orsran zu thun haben. Diese An-
Ein getrenntgeschlechtiger Cestode. 1H9
sieht bedarf aber einer Bestätio-uno- durcli Studium einer gTössern
Anzahl i>ut conservirter Exemplare.
Während Avii- aussen keine Spur von den 4Saug-näpfen sehen, zeiovn
lückenlose Serienschnitte an den Stellen, wo dieBothridien sein sollten.
dass trotzdem 4 kleine Bläschen von 0.08 mm Durchmesser vorhanden
sind, welche aber keine Spur von Saug-napfstructur mehr aufweisen.
Es haben diese Rudimente auch, wie wir schon oben bemerkt, keinen
P^influss auf die äusserst einfach disponirte Scolexmusculatur.
Bei Betrachtung- der Geschlechtsorgane zeigt sich als auffallendes
Moment, dass die männlichen und weiblichen Organe in verschiedenen
Individuen sich finden und also bei Cestoden der auch l)ei Turbellarien
und Trematoden seltene Fall der Getrenutgeschlechtigkeit eintritt.
Wir finden also bei unserer Species sowie den früher schon von uns
kurz beschriebenen Arten /). aspera und I). paronai, auch äusserlich
leicht zu unterscheidende, männliche und weibliche Individuen.
Das 3Iiliinclieii.
Die Geschlechtsorgane des Männchens sind wie bei den beiden
andern Dioicoccsfics-Arten doppelt, was eine besonders auffallende
Eigenthiimlichkeit ist. da die weiblichen Geschlechtsdrüsen sowohl
als auch deren Ausführgänge einfach sind.
Die Zahl der Hoden ist eine sehr bedeutende, indem ich auf
einem Flächenschnitt durch eine junge Proglottis ca. 150 solcher
zählte. Doch macht diese Zahl keinen Anspruch auf Genauigkeit,
indem die Hoden hier nicht wie bei andern Cestoden sphärische oder
ovale Bläschen sind, sondern eine wirre, das ganze Markparenchyni
erfüllende blasse von schlauch- oder keulenförmigen männ-
lichen Geschlechtsdrüsen bilden. Die Hoden zeigen auch
nicht die üblichen feinen Yasa efferentia, sondern münden direct
oder mit weiten Gängen in das Vas deferens. Eine Theilung der
Hoden in zwei die beiden Copulationsorgane versorgende Gruppen ist
nicht sicht])ar. Während man bei andern Cestoden in den Hoden-
bläschen geschlechtsreifer Proglottiden Spermamutterzellen. 'I'ochter-
zellen.moi'ularartige Haufen von Spermatiden sowie fadenförmige spei--
mat<>zoi(h'n in derselben Proglottis, oft in demselben Hodenbläschen
finden kann, liegen l)ei Dioirorcsimwotißxfi die Verhältnisse ganz anders.
Die wenigen ursprünglichen Spermamutterzellen theilen sich in
allen Hoden gleichzeitig in Tochter- und Enkelzellen, und die kleine
Spermatidenzelle bleibt als solche ohne weitere l'm-
Zf.ol .Irtliiii. W. .\l)tli. f. Svst. 1"
140 f^- Führmann,
bilduiig im Hoden. Spermatozoideu werden in ihm
e b e n s 0 w e n i g w i e in d e r V e s i c u 1 a s e m i n a 1 i s des C i r r u s -
beut eis gesehen. Die Speimatiden gelangen als solche durch
das Vas deferens in die Ve s i c u 1 a s e m i n a 1 i s des Penis und werden so
durch dieses musculöse Organ in das Receptaculum seminis des
Weibchens gepresst. wo dann erst deutliche fadenförmige Spermatozoideu
am Innern Ende des Samenbehälters sichtbar sind. Diese Sperma-
tidenzellen zeigen allerdings bereits das künftige Spermatozoid. das.
wie der junge Embryo eines Fisches auf der Keimblase, so auf der
blass gefärbten Zelle als dunkler kurzer Faden aufgespannt erscheint.
Dieses bei Cestoden einzig dastehende Verhalten hat zur Folge, dass
die Hoden sehr schnell und gleichzeitig ihre Producte gebildet und
auch die Geschlechtsdrüsen sehr bald vollständig verschwinden. So
kommt es, dass der grösste Theil der Proglottiden der Strobila des
Männchens ohne Geschlechtsdrüsen und nur die mächtigen Penis-
taschen und ein Theil des Vas deferens bestehen bleiben. Ja sogar
dieVesicula seminalis ist meist leer, was sonst bei den meisten
Cestoden nicht einmal in den letzten Proglottiden der Fall ist. Da
wo sich noch Spermatidenreste linden, zeigen sich oft entwickelte
Spermatozoideu, die aber wohl nicht mehr Verwendung finden.
Das Vas deferens geht ganz gerade von der Mitte des Gliedes aus
nach dem Proglottidenrande. Es ist ein weiter C'anal, von starker
Cuticula ausgekleidet. In ganz jungen Gliedern sieht man, dass
dasselbe ursprünglich von einem Plattenepithel ausgekleidet war.
Vor dem Eintritt in die Vagina ist der Samencanal von blasigen
Zellen umhüllt, die wohl Prostatazellen darstellen. In dieser Region
findet sich auch auf der Dorsalseite des Vas deferens ein blindsack-
artiger Anhang, der sich dunkelblau färbt und vielleicht eine Drüse
darstellt (s. Fig. 6). Der Cirrusbeutel ist in ausgewachsenem Zu-
stande 0,44 mm lang bei einem Durchmesser von 0,18 mm. Er ist
gebildet von einem starken Muskelsack, dessen P'asern in der Längs-
richtung verlaufend sich leicht kreuzen; eigentliche Ringmuskeln
sind also nicht vorhanden. Innerhalb dieser Musculatur fehlt eiue
deutliche Membran und findet sich sofort das von Muskelfasern
durchquerte Parenchym. Diese Muskelfasern verlaufen von der
Wandung der ]\Iuskeltasche schief nach aussen, wo sie sich am
Cirrus anheften und so die Retractoren des mächtigen Copulations-
organs darstellen. Der Penis ist wie bei allen Acoleinae ein über-
aus stark entwickeltes Organ, mit sehr grossen Haken bewaffnet,
deren Basaltheile in der dicken Wanduno* stecken. Während sonst
Ein getrenntgesehlechtiger Cestode. 141
die Bewaifniing- des Cirrus aus einfachen Borsten oder kurzen
conischen Häkchen gebildet ist, sehen wir diese Gebikle in der
Familie der Acoleinae sich bedeutend difierenziren, indem sie nicht
nur an Grösse zunehmen, sondern auch ihre Form compliciren, so
dass dieselbe eine für die einzelnen Arten charakteristische wird.
Bei Dioicoccstus acotylus, wie übrigens auch z. B. bei Gyrocoelia
hrenis Fuhkmann, zeigen die Haken grosse Aehnlichkeit mit den
Hostellarhaken der Davaineen, welche unter allen Taenien meiner
Ansicht nach die primitivsten Hakenformen an ihrem Kostellum
zeigen.
Das Basalstück der grössten Penishaken ist 0,018 mm lang, der
aus der Cuticula hervorstehende Hakentheil zeigt eine Länge von
0,01 mm. Die Haken zeigen, wie zu erwarten, eine bestimmte Dis-
position, welche sehr an die der Haken des Rüssels der Echino-
rhynchen erinnert. Auf einem ausgestülpten. 0,3 mm langen und
genau längs geschnittenen Cirrus zählte ich ca. 45 hinter einander
liegende Haken. Vorn waren sie am kleinsten, in der Mitte am
grössten, während sie im letzten Viertel ebenfalls wieder etwas
kleiner sind. Das in den Cirrusbeutel eintretende Vas deferens
zeigt sofort eine Erweiterung zu einer mehr oder weniger grossen
Vesicula seminalis interna. Der ganze im Cirrusbeutel ge-
legene Tlieil des Vas deferens, also auch die V^esicula und der Penis,
sind von einer sehr deutlichen Ring- und äussern Längsmusculatur
umhüllt. Es sind also Cirrusbeutel und Penis sehr contractu. Durch
eine Structureigenthümlichkeit zeichnet sich der Cirrusbeutel dieses
(.'estoden aus. Ausserhalb seiner Musculatur findet sich eine doppelte
Lage dicht gedrängter grosser Zellen mit deutlichem weitmaschigem
K'eticulum im Protoplasma. Diese Fmhüllung setzt sich auch ein wenig
auf das austretende Vas deferens fort. Wenn diese Zellen Myoblasten
sind, wie ich solche schon öfteis dem Cirrusbeutel anliegend ge-
sehen, so sind dieselben von ungewöhnlicher Structur. Nach aussen
von ihnen, den Cirrusbeutel und aucli auf eine kurze Strecke das
austretende Vas deferens umhüllend, findet sich eine starke Schicht
von feinen Längsfibrillen (s. Fig. 6).
Wenn wir nun einen Blick werfen auf die Entwicklung des
Cirrusbeutels, so sehen wir. dass in ganz jungen Gliedern das Vas
deferens in demselben gebildet wird von deutlichen cubischen
Epithelzellen, die namentlich gross sind in der Gegend, wo die
Haken entstehen. Dieses Epithel wird zu einem cylindrischen, das
ganz an das Darmepithel eines Vertebraten erinnert, nur mit dem
10*
142 0- FUHRJIANN.
wichtigen Unterschiede, dass merkwürdiger \\'eise dei- Kern der
holien prismatisclien Zellen nicht an der Basis der Zelle, sondern
an dem gegen das Lumen gekehrten Ende desselben gelegen ist.
An der Basis der Zellen findet sich eine starke Membran, während
dem Lumen des V a s deferens zu die Zellen ohne Zellmembran zu
sein scheinen. Sollte sich die dicke Cuticula von der Basis der
Zellen aus bilden? Aus einem Theil dieser Epithelzellen entstehen
auch die grossen Penishaken, verfolgen konnte ich den Process leider
nicht. Zwischen dieser Epithelschicht und der Oberfläche der Cirrus-
beutelanlage liegen dicht gedrängt die embryonalen Parenchvmzellen.
aus welchen die den Penis umhüllende Musculatur. die vom Penis
zum Muskelsack ziehenden Fasern sowie die Cirrusbeutelmusculatur
entstehen, letztere wohl von der bereits bestehenden äussern doppelten
Zellenlage gebildet.
Retractoren der beiderseitigen Penistaschen halie ich nicht ge-
sehen, wohl aber finden sich zahlreiche Fasern, welche von der
ganzen Oberfläche der Penistasche schief nach dem Rande der
Proglottis verlaufen (s. Fig. 6) und so als Propulsoren desselben
functioniren. Im Ruhezustand liegt der Cirrusbeutel ca. 0,25 mm
vom Proglittidenrand entfernt, während, wenn dei- Cirrus ausgestülpt
ist. in Folge der Contraction der oben genannten Muskeln die Ge-
nitalkloake ganz verschwunden oder sogar selbst ausgestülpt ist.
Noch besonders zu bemerken ist, dass das Vas deferens zwischen
den beiden Wassergefässen und zwischen dem dorsalen Begleitnerven
und dem Hauptlängsnerven hindurch zum Rande verläuft.
Das Weibchen.
Das ^\'eibchen, oft bedeutend länger und immer doppelt so dick
wie das Männchen, zeigt als besondere zunächst auffallende Eigen-
thümlichkeit , dass die Geschlechtsdrüsen und Leitwege
einfach sind, während, wie wir gesehen haben, beim Männchen
doppelte Geschlechtsorgane sich finden. Ebenfalls sehr be-
merkenswerth ist. dass die zum Rande verlaufende Vagina nnregel-
mässig abwechselnd links oder rechts verläuft, ohne aber, wie wir
sehen werden, auszumünden.
Die Geschlechtsdrüsen liegen dem Rande, nach welchem die
Vagina verläuft, etwas genähert, was aber nur in den jüngsten
Proglottiden deutlich zum Ausdruck kommt. Das Ovarium ist ca.
1,1 mm l)reit; auf (Querschnitten sehen wir, dass dasselbe aus wenig
Ein getreiiiitg-eschlechtiger Cestode. 148
verzweigten dorsoveiitral verlaufenden Eiscliläuchen bestellt, welche
sich auf der Ventralfläche alle vereiniii-en und so die ganze Höhe
des Markparenehyras ausfüllen. Der Dotterstock ist etwas dorsal
gelegen, 0.34 mm breit und ebenfalls tief gelappt. Die Anlage des
Ovariums und des Dotterstockes ist eine netzförmige, und man sieht
sehr deutlich in dem die Maschen ausfüllenden Parenchj^m dicht
gedrängt die dorsoventralen Muskelfasern durchziehen. Eigentlich
sollte man von 2 Ovarien sprechen, denn, wie ich auch schon bei
mehreren andern Taenien deutlich beobachten konnte, ist das Mittel-
stück, welches die seitlichen Theile des Ovariums verbindet, wie
dies auch Leuckaet annimmt, nur leitender Theil und nicht, wie
das sonst häufig der Fall ist, von Eiern erfüllt, ein Theil des Ovariums.
Hier stellt das Mittelstück 2 tricliterf(">rmige im Oocapt sich ver-
einigende Oviducte dar. welche eine aus Plattenepithel bestehende
\\'andung zu besitzen scheinen und die reifen Eier, welche von den
seitlichen Ovarien sich loslösen, auffangen und zum nnpaaren Oviduct
leiten. So gemahnen diese (Tebilde ganz an die Oviducte der \ev-
tebraten. da man die epitheliale Wandung der Trichter nicht auf
die Keimstöcke weiter verfolgen kann. Der Oocapt ist trichter-
förmig mit einem Durchmesser von 0,045 und zeigt eine deutliche
epitheliale Auskleidung ohne musculöse Umhüllung, so dass er also
nicht als eine Ai't Aspirationspumpe functionirt wie bei andern
Cestoden.
Der Oviduct ist sehr kurz, nur 0,6 mm lang, und verläuft von
dem Trichter aus, der auf der Dorsalseite der Verbindungscanäle
der Ovarien liegt, fast horizontal zur Vereinigungsstelle mit der
Vagina. Von dieser Stelle an verläuft der Oviduct dorsalwärts, doch
ganz nahe der Vagina mündet in ihn der herabsteigende Dotter-
gang. Eine sog. Schalendrüse scheint hier wie auch bei I). (ispera
zu fehlen, während sie bei D. paronai nur sehr schwach ausgebildet zu
l)cstclien scheint. Ein Fehlen der Schalendrüse wird auch von Davainea
j)ro(jlottina (s. JBlakchakd) und Davainea strufhionis [y. Lixstow^) an-
gegeben, doch sind diese Angaben nicht der Wirklichkeit entsprechend,
wohl aber scheint diese Drüse hier zu fehlen. I^ebrigens scheint
mir die Bezeichnung Schalendrüse für dieses Organ niclit zutreffend,
da diese Drüse wohl nichts bei der Schalenbildung zu thun hat.
Die Hüllen der Eier werden vielmehr von dem jungen Embryo selbst
gebildet, wde solches namentlich auch die neuern Untersuchungen
von Saint Remy des Eingeheuden nachgewiesen wurde. Vielleicht
ist das Secret dieser Drüse schleimiger Natur und bestimmt, den
]^44 *^- FCHUMANN,
Eiern den Weg durcli den meist engen und langen Uterincanal zu
erleichtern. Der Fteringang, der bis dort ganz dorsal verlaufen, wendet
sich dann direct um. um in zahlreichen Windungen ganz ventral zu
ziehen, wo er in den in jugendlichem Alter unter den Ovarien ge-
legenen Uterus einmündet. Derselbe ist Anfangs ein einfacher quer
verlaufender Schlauch. Alle Geschlechtsgänge, auch der Dottergang,
sind von einem flachen Epithel ausgekleidet. Im Oviduct und Uterus-
gang sieht man immer zahlreiche Eier zum Uterus wandern, wobei
sie letztern sehr erweitern, indem die Eizellen oft nicht einzeln,
sondern bis 14, sogar bis 25 zusammen dem Uterus zuwandern. Die
Eizellen zeigen schon im Oviduct einen grossen Kern mit Kern-
körperchen; im umgebenden Protoplasma liegen grössere mit Häm-
alaun und auch mit Eosin sich stärker färbende Massen, welche wohl
Reservesubstanzen darstellen. Im Uterusgang treffen wir ferner sehr
kleine, 0,003 mm grosse Dotterzellen mit dunklem Kern und hellem
Plasma, welche oft die Eizellen umgeben oder auch allein dem
Uterus zuwandern.
Die Vagina, das eigenthümlichste Organ dieses Cestoden, ver-
läuft vom Oviduct in fast gerader Linie nach dem Proglottidenrande.
um aber, nachdem sie zwischen den beiden Längswassergefässen und
zwischen dem Hauptlängsnerven und dem dorsalen Begleitnerven
durchgezogen, sofort blind zu endigen, in einer Distanz von 0,9 mm
vom Proglottidenrande. An ihrem Beginn ganz nahe dem Oviduct zeigt
die Vagina ein spindelförmiges R e c e p t a c u 1 u m s e m i n i s , prall ge-
füllt von Spermatiden. Doch wenn die Spermatidenmasse gross ist,
verlängert sich das Receptaculum schlauchfiirmig bis ganz nahe dem
Längsnerven, von wo an dann auf einer ganz kurzen Strecke die
bis dahin dünnwandige Vagina ihre Wandung stark verdickt und
sodann plötzlich in einen kleinen wandungslosen unregelmässig
conturirten Parenchymraum mündet. Der Raum zwischen dem Ende
der Vagina und der Oberfläche der Proglottis wird erfüllt von einer
eigenthümlich diiferenzirten kegelförmigen Parenchymmasse. Die-
selbe ist fibrillär struirt. die Fasern verlaufen in der Längsaxe.
Diese mächtige, schon durch ihre Färbung leicht auffallende Masse
drängt die Parenchymmusculatur vollkommen l)ei Seite. Trotzdem
die Vagina durch dieses Gewebe verschlossen, flnden wir doch immer
die Vagina von Spermatiden erfüllt, ebenso den kleinen endständigen
Parencliymraum. Die Begattung findet also, und zwar sehr früh,
so statt, dass der Penis in die Parenchymmasse eindringt, indem er
die Cuticula durchbricht und bis zur Vagina vordringt. Nach dem
Ein getrenntgesclilechtig-er Cestode. 145
Zurückziehen des Penis verwächst dann die entstandene Wunde, was
eine leichte Veränderung in der Structur des Parenchyms zur Folge
hat und namentlich deutlich an der Cuticula sichtbar wird, die nun
sehr zart und lange viel dünner bleibt als die der Umgebung. Das
sich rasch entwickelnde Wundgewebe umwächst oft kleine Sperma-
tidenhäufchen, welche dann ganz isolirt in dem Parenchymkegel liegen.
Da die Glieder des Weibchens sehr kurz sind, so braucht der
mächtige Penis des Männchens sich nur mit seinen spitzen Haken
am Rande einzubohren und trifft so fast mit absoluter Sicherheit
die Vagina. Eline leicht papillenartige Vorwölbung erleichtert noch
das Auffinden der betreffenden Stelle.
Wie schon bei Beschreibung des Männchens bemerkt, werden
die männlichen Geschlechtsproducte in Form von Spermatiden (Fig. 7)
und nicht von Spermatozoen in den weiblichen Geschlechtsgang in-
jicirt. und so finden wir im Receptaculum seminis nicht fadenförmige
Spermatozoen. sondern kleine runde Zellen. Da die Begattung
immer nur im vordem Theil der Strobila in den ganz jungen Pro-
glottiden mit noch unentwickelten Ovarien vor sich geht, sehen wir
noch lange nur derartige Zellen in der Vagina. Mit dem Heran-
reifen der weiblichen Geschlechtsproducte treten dann auch am
medianen Ende des Receptaculum seminis, also in der Nähe des
Oviducts. stark gefärbte kurze fadenförmige Spermatozoen auf. und
so verändert sich dann die ganze Zellenmasse in gestreckt spindel-
förmige Samenfäden. Der Uterus, der Anfangs ein unter dem Ovarium
quer verlaufender Schlauch war, wird immer weiter und füllt
schliesslich das ganze Markparenchym sackförmig aus, während die
Geschlechtsdrüsen vollständig verschwinden. Auf Quer- und Flächen-
schnitten sieht man, dass zahlreiche Pfeiler und dünne unvollständige
Scheidewände die Uterushöhle vertical durchziehen, welche aus Resten
von Parenchym und namentlich aus dichtgedrängten Dorsoventral-
muskeln bestehen.
Die reifen Eier zeigen nichts Besonderes, sie sind von 3
Hüllen umgeben, einer an die sechshakige Oncosphäre anliegenden
(0,02 mm Durchmesser), einer zweiten dickern mit einem Durch-
messer von 0.025 mm und einer äussern weiten, gefalteten und sehr
zarten Schale. Immer sind die Eier aller Proglottiden befruchtet,
trotz der Hindernisse und Schwierigkeiten, welche der Begattung
in den Weg gelegt werden.
146 0. Fuhrmann,
Allffemeiues.
Der oben näher beschriebenen Cestode ist anatomisch sehr nahe
verwandt mit den beiden andern von mir gefundenen Arten des
Genns, zeigt aber bedeutende Unterschiede im Bau des Scolex.
Derselbe besitzt eine für CyclophyUidae einzig dastehende Erscheinung,
indem am wohl entwickelten Scolex die 4 Saugnäpfe äusserlich ver-
schwinden und nur noch auf Schnittserien als kleine, functionslose
Rudimente sich erkennen lassen. Dieselbe Regression scheint eben-
falls am Rostellum eintreten zu wollen, indem das mit weitem
Muskelsack umgebene wohl entwickelte Rostellum, wie wir es bei
Dioicocesfus aspera finden, sich bedeutend vereinfacht und offenbar auch
seine Bewaffnung verloren hat. Trotz dieser scheinbar syste-
matisch wichtigen Unterschiede stelle ich, mich auf die Anatomie
stützend, diese Art in das Genus Dioicocesfus.
Auffallend an den Arten dieses Genus ist besonders der Um-
stand, dass die Männchen, welche auch äusserlich von den Weibchen
verschieden sind, doppelte Copulationsorgane besitzen, die Genitalien
der Weibchen dagegen einfach sind. Durch die Verdoppelung der
Cirri wird wohl die Wahrscheinlichkeit der in Folge des Fehlens
der Vaginalöftnung ziemlich schwierigen Befruchtung der Eier er-
höht, und in der That findet man fast nie unbefruchtete Eier in
den Uteri des Weibchens. Dass diese Disposition wohl nicht die
primäre ist, zeigt eine Beobachtung an Dioicocesfus aspera, wo aus-
nahmsweise bei einem Männchen 136 auf einander folgende Pro-
glottiden nur einfache Copulationsorgane besassen, die wie die
Vagina beim Weibchen unregelniässig abwechselnd links und rechts
gelegen waren. Nur die jüngsten hinter dem Scolex gelegenen
Glieder (53) zeigten bei diesem Exemplar doppelte Cirrusbeutel in
jeder Progiottis.
Das Vorkommen im Wirthe zeigt bei den 3 Arten des Genus
Dioicocesfus eine auffallende interessante Eigenthümlichkeit, indem
diese Cestoden immer nur paarweise in ihrem Wirthe vorkommen,
und mit zwei Ausnahmen immer nur je ein Pärchen. Männchen
und Weibchen, im Darme des betreffenden Vogels angetroffen
wurden.^) Dieser Umstand erschwert die Erklärung der Entwick-
1) A^'on Dioicoccstus paroivii Fuhkmanx aus J'lci/adis ;/U((ra/nia (LiN,)
Ein getreimtg-eschlechtig-er Cestode. 147
lung- bedeutend, denn es ist nicht ohne Weiteres verständlich, wie
so sich von den mit dem Zwischenwiith gefressenen Larven meist
nur zwei oder weniger Paare von Individuen entwickeln, von welchen
die einen Männchen, die andern ebenso viele Weibchen sind.
In den Eihüllen fand ich immer nur eine Oncosphäre und nicht, wie
man vielleicht erwarten könnte, zwei. Alle Embryonen sind übrigens
identisch in Grösse und Gestalt. Wie ist es nun möglich, dass dieser
Cestode immer paarweise im Wirthe vorkommt?
Um diese eigenthümliche Ersclieinung zu erklären, scheint mir
nur eine Annahme möglich zu sein, dass nämlich die aus dem Ei
im Zwischenwirth sich entwickelnde Larve, statt wie bei den
meisten Cestoden nur einen oder wie bei Coeimrus und Echinococcus
Hunderte von Scoleces zu bilden, nur zwei Köpfe bildet, von
welchen der eine im Wirthe das Männchen, der andere das Weib-
chen hervorbringt. Verhält sich die Entwicklung wirklich so,
Avie wir vermuthen, so hätten wir hier die interessante Thatsache,
dass in der aus einer Eizelle gebildeten Larve die weiblichen und
männlichen Determinanten sich trennen und an zwei Punkten der
Larve zwei verschieden geschlechtige Individuen hervorsprossen
lassen.
Leider sind diese Cestoden zu selten und der Zwischenwirth
derselben unbekannt, um diese gewiss interessante Frage experi-
mentell aufklären zu können.
Dem anatomischen Bau zu Folge müssen wir diese Cestoden
wegen der eigenthümlichen Disposition der Musculatur der Strobila
und dem ^Mangel einer weiblichen Geschlechtsöftnung in die von mir
begründete Familie der Acolciuae stellen.
Da Bioicocestus arotylns der functionirenden Saugnäpfe entbehrt
(geographische Verbreitung : Mexico und Südamerika) habe ich 1 mal
1 Pärchen von Herrn Prof. Paroxa erhalten.
Von Dioicoccsius aspfni (Mehlis) aus Podicrjis ijrisciyeua BoDl).
(geographische Verbreitung : Europa , Mittehneerländer und West-Asien)
habe ich 3 mal je 1 Pcärchen und 1 mal 4 Weibchen und 3 Männchen
gesehen , wobei es in diesem letztern Falle wohl möglich , dass das eine
der Männchen aus dem sehr alten und macerirten Material abhanden ge-
kommen ist oder nur in Fragmenten vorhanden war.
Von Dinicocpstiis Kroli/his Fnimr.vxN aus Podiceps ilominicus (L.)
(geographische Verbreitung: Haiti, Jamaica, Cuba, Centralamerika, Süd-
amerika bis Patagonien) habe ich 1 mal 1 Pärchen , ein anderes mal
mehrere Pärchen zusammen zur Besichtigung erhalten.
148 0- Fuhrmann.
und ein in Regression begriffenes Rostelluni besitzt, muss die
Diagnose dieser CestodengTuppe jetzt einfach lauten:
A c 0 1 e i n a e. K u r z g- 1 i e d r i g e d i c k e C e s t o d e n mit einer
aus zwei Längs- und drei mit erstem a 1 1 e r n i r e n d e n
Q u e r m u s k e 1 s y s t e m e n b e s t e li e n d e n P a r e n c h y m m u s c u -
latui- der Strobila. Weibliche Geschlechtsöffnung
fehlt. Cirrus immer sehr gross und stark bewaffnet.
W i r t h e : Vö g e 1 (Ärdeiformcs und ( 'ohimhifonrws).
Xeuchatel. 11. December 1903.
Ein eetreuntireschlechtie-er Cestorle. 149
Erklärung der Abbildinigeu.
Tafel 10.
Fig. 1. Scolex von Diolcocestiis aspera (Mehlisi.
Fig. 2. Scolex von Dioicocestus acot;jlns Fuhrmakn.
ir Wassergefä.^system, A^ Längsnerv.
Fig. 3. Flächenschnitt durch den Scolex von D. arolijUis.
Ho ßostellum, J\' Nervensystem mit dem das Rostellum um-
fassenden Nervenring, \V "Wassergefässystem, Läogsgefäss, R^
oberer Grefässring, 74 mittlerer Gefässring, R., unterer Gefässring,
L.l/ Längsmusculatur, rtLJ/nach dem Scheitel peripher aufsteigende
Längsmuskelu, rLM nach dem Rostellum ziehende Längsmuskeln,
pL}[ vom Rostellum nach dem ^'orderende ausstrahlende Muskeln.
Fig. 4. "Wimperflamme des Excretionssystems.
Fig. 5. Querschnitt durch ein dorsales Längsgefäss des Excretions-
systems umgeben von einer zelligen Hülle und den zahlreichen Wimper-
flammen,
Fig. 6. Theil eines Querschnittes durch ein Männchen von ]). acot>jlifs.
Pc eigenthümliche plasmareiche Zellen, ILM innere Längsmuskel-
bündel. aLM äussere Längsmuskelbündel, ^T^f innere Transversal
musculatur, niTM mittlere Transversalrausculatur, aTM äussere
Transversalmusculatur, T)M Dorsoventralmusculatur, P Propulsoren
des Cirrusbeutels, N Hauptlängsnerv, vPn ventraler Begleitnerv,
dl'>n dorsaler Begleitnerv, r TT' ventrales Längsgefäss des Excretions-
systems, dW dorsales Längsgefäss, A' Wiraperflammen, C Cirrus,
S Samenleiter, Vs Vesicula seminalis, Vd Yas deferens, D Drüsen-
säckchen?. .1/ Musculatur des Cirrusbeutels, Z zelliger Belag de>
Cirrusbeutels, /•' äussere Längsfibrillenschicht, R Retractoren des
Cirrus,
150 ^'' Fuhrmann, Ein g-etrenutgeschlechtiger Cestode.
Fig. 7. Spermatidenzelle.
Fig. 8 und Fig. 9. Haken de^ Cirrus.
Fig. 10. Theil eines Flächenschnittes durch die Strobila des Weib-
chens von D. (icofijlu-s.
Ov Ovarium, Do Dottersack, l!f Receptaculum seminis, V Va-
gina, 1' eigenthümlich difFerenzirte Parenchymmasse vor der ver-
schlossenen Vagina, U Uterus, W Wassergefäss, iV Nerv.
Fig. 11. Reconstruction zweier Querschnitte des Weibchens von
1). acotylns.
Ov Ovarium, Od Oocapt, Ov(l Oviduct, Do Dotterstock, Dg
Dottergang, Ufi Uteringang, U Uterus, V Vagina, Rc Keceptaculum
seminis.
Kachdruck r erboten.
Uehersetsnngsrecht rorbelicdlen.
Eine bucklige Testudo graeca L.
Von
Dr. Benno Wandolleck in Dresden.
Mit 4 Abbildungen im Text.
In dem Dresdener Zoologischen Garten lebte eine Zeit lang- eine
Landschildkröte von sehr anffallender Form, die von dem Geschenk-
geber als Testudo marginaia bezeichnet worden war. Nach dem Ab-
leben kam das Thier in meine Hände.
Da ich Zweifel an der Richtigkeit der Art hegte, controllirte
ich die Bestimmnng nnd fand, dass es sich keinesw^egs um Testudo
marffinata Schöpf, sondern nur um eine monströs veränderte Testtido
graeca L. handelte.
Die auffallende ]\[onstrosität erscheint mir genügend interessant.
um sie allgemein bekannt zu geben.
Das 'J'hier (Carapax) ist 15 cm lang, kann also als etwas über
halb ausgewachsen gelten, aber während bei einem normalen Thier
das Yerhältniss der Länge zur Breite sich ungefähr wie 2 : 1,5 stellt,
hat hier die Breite stark zugenommen, so dass sie gleich der Länge
geworden ist. Dadurch bildet der Umriss fast eine Kreislinie, und
das Thier sieht von oben wie breit gequetscht aus (Fig. A). Das
Auffallendste an der äussern Erscheinung des Thieres aber ist der
Verlauf der beiden Mittellinien des Carapax. Bei einem normalen
Thier bildet jede einen einfachen, nicht allzu stark gewölbten Bogen,
hier jedoch zeigen sie vor resp. hinter der Mitte eine stark bucklige
Ausbiegung, die sich förmlich thurmartig ül)er die normale Linie
erhebt (Fig. B).
152
Benno \\'andüi,i,eck,
Auch sonst bietet der Anblick von vorn resp. von liinten ein
abweichendes Bild, da die Seiten sehr stark wulstig- g-ekrüninit sind
und sich nirgends eine winklige Absetzung- zum Plastron findet.
Der Carapax g-elit einfach bog'enförmig in das Plastron über (Fig-. C).
An dem Plastron selbst ist auffällig, dass die Längsmittellinie
hauptsächlich vorn stark aufwärts gekrümmt ist und nirgends in
ihrem Verlaufe wie bei normalen Exemplaren horizontal genannt
werden kann iFis-. 11).
Fiy. A. Aulsiclit.
Das Thier war ein Weibchen, hatte an allen Füssen nur
4 Zehen, und der Schwanznagel war sehr kurz. Es war mit einer
grossen Anzahl anderer Testudo f/raeca als Speiseschildkröte feil-
gehalten und von dem Geschenkgeber des Zoologischen Gartens als
vermeintliche Testudo »larginata erstanden worden.
Die eigenthümliche Missbildung prägt sich nun am deutlichsten
in der Form und Ausbildung der einzelnen Schilder aus. Es muss
daher bei der Beschreibung der einzelnen Schilder immer das
normale Schild als Vergleich herangezogen werden. Ich werde die
Eine bucklige Testudo graeca L.
153
BeSclireibimg' des normalen V(ii'ani>elien lassen nnd mich dabei der
Herpeloluoia enropaea von Sciikkibeh bedienen.
Fig. B.
Seiteuansiclit.
1. Vertebralia. normal:
„Von den 5 Vertebralen ist das 1. fünfeckig, bei Jüngern
Thieren immer dentlich. bei erwachsenen oft aber kaum breiter als
lang-, seine Hinterseite am kürzesten und ziemlich gerade, alle andern
Ausieht von liinten.
Seiten geschwungen, die zwei vordem in einem sehr stumpfen, in
seinem Zusammenstosse mit dem Nuchale kurz abgestutzten Winkel
convergiiend. Die H folgenden Vertebralen sind etwas kürzer, sechs-
5^54 Benno ^^'AM)OLLl•;cK.
eckig', das mittlere davon immer, das 2. und 4. gewitlmlich breiter
als lang-, an allen die unter sehr stumpfen Winkeln zusammen-
stossenden Aussenseiten am kürzesten und ziemlich gleich lang, das
o. ziemlich gleich breit, das 2. nach voi-n. das 4. nach hinten ver-
schmälert; das letzte Wirbelschild ist endlich das grösste. nach
rückwärts bedeutend erweitert, im Grunde eigentlich ungleichseitig
sechseckig, obwohl es durch die drei unter äusserst stumpfen oder
fast verschwindenden Winkeln zusammenstossenden Margin alrän der
im Ganzen mehr den Eindruck eines Trapezes mit gerundeter Hinter-
seite macht."
Anormal (Fig. A): Die Grundform des 1. Vertebrale ist auch
hier ein Fünfeck, aber seine ganze Form ist von der des normalen
so verschieden, dass man darüber die Fünfeckigkeit aus dem Gesicht
verliert. Es macht mehr den Eindruck eines Trapezes, dessen
breiteste Seite in der Mitte zu eijiem schmalen Zipfel vorgezogen
ist. Die hintere Seite ist die kleinste, die vordere ist 2^-2 mal so
gross wie die hintere. Die seitlichen Begrenzungen sind fast gerade,
jede ungefähr ^4 ^^ lang wie die vordere Seite und kaum ge-
schwaingen. Die 3 mittlem Vertebralia sind das Auffallendste an
der äussern Erscheinung des ganzen Thiei'es. sie haben zwar auch
die für das normale Thier gegebene P'orm bewahrt, sind aber ganz
klein geblieben, so dass das 2. und 3. zusammen noch nicht so lang
wie das 1. sind und alle 3 an Flächeninhalt das 1. nicht erreichen.
Sie erheben sich über alle Schilder und bilden zusammen eine kurze
starke AVölbung. Von diesen dreien ist Nr. 1 das grösste, Nr. 3
das kleinste Schild (Fig. A, Fig. B).
Das lelzte Wirbelschild ist bei diesem Exemplar nicht das
grösste. es erreicht nur '% der Grösse von 1 und ist vielleicht in
seinem Flächeninhalt so gross wie 2 und 3 zusammen. Wenn man
das Ganze als ein Trapez nimmt, d. h. die hintere Begrenzung als
eine Seite, so ist beim normalen Thier die vordere Seite ungefähr
3 mal, bei diesem Stück jedoch mehr als 4 mal in der hintern Seite
enthalten. Man kann auch hier die hintere Seite viel eher als
gerade Linie denn als eine gernndete betrachten.
Costalia normal: ..Ton den 4 Oostalpaaren ist das erste trapezo-
idisch, deutlich breiter als lang, sein gebogener Aussenrand der
grösste, sein Innenrand der kleinste, die an das erste Vertebrale
stossende Seite kürzer als die hinterste; von seinen 4 Winkeln ist
der hintere und äusserste nahezu ein rechter, der an die gemein-
schaftliche Naht der 2 ersten Vertebralen grenzende der stumpfeste.
Eine bucklige Testudo graeca L. 155
Die 2 folg-enclen Costalen sind im (Tanzen ziemlich gleich gross,
nicht ganz doppelt so breit wie lang und quer fünfeckig, ihre unter
sehr stumpfen Winkeln zusammenstossenden Innenseiten die kürzesten,
ihre auf die Axe des Körpers ziemlich rechtwinklig gerichteten
Vorder- und Hinterseiten am längsten. Das letzte Costale ist endlich
bedeutend verkleinert, deutlich breiter als lang und trapezoidisch,
nach aussen massig erweitert, sein Vorderrand etwas grösser als
der hintere."
Bei Betrachtung der Costalia muss vor Allem, abgesehen von
der bei ihnen allen am Ende des ersten Drittels ihrer Breitenaus-
dehnung liegende Knickung nach innen, die ihre Convexität verur-
sacht, die im Verhältniss zur Länge ausserordentliche Verbreiterung
auffallen. Die Art der Begrenzung der Schilder stimmt im All-
gemeinen mit der für die normalen ('ostalia gegebenen Definition
überein, das Verhältniss der Breite zur Länge stellt sich aber
folgendem! aassen dar (Fig. A. Bj. Beim normalen Thier ist die
obere Länge des \. Costale ungefähr 2'/3 mal in der Länge des
Hinterrandes, also in der Gesammtbreite des Costale, enthalten, bei
diesem Stück 5 mal. Am 2. Costale 1% mal normal, hier SV« mal,
am 3. Costale normal Vj^, hier 3^^, am 4. Costale 2 mal normal,
hier 4^/^ mal.
Beim normalen Thier bildet das erste und letzte Costale Trapeze,
die beiden mittlem längliche Rechtecke. Diese Formation der
Schilder zeigt sich auch hier bis zu dem oben erwähnten Knick,
von wo ab alle Costalia trapezoidale Form annehmen. Darin liegt
natürlich der Grund, dass der Unterrand sehr viel grösser ist als
der Oberrand. Beim 1. Costale ist er 5^2 mal, beim 2. 1=^/4 mal,
beim 3. 2V4, beim 4. 2-^/4 mal so gross.
Auch die Marginalia entsprechen in ihrer allgemeinen Form
der der normalen, sie fallen nur dadurch auf, dass die mittlem sehr
stark gewölbt sind und ihre Bogenlinie fast ganz ohne Grat in den
Bogen der Schilder des Plastrons übergeht, auch ist die Breite der
Schilder im Verhältniss zu ihrer Länge grösser als beim normalen
Thier.
ScHREiBEK giebt an, dass das Nuchale bis doppelt so lang wie
breit sei, hier ist es 2V.> mal so lang.
Eine auffallende Veränderung seiner Längen- und Breitenver-
liältnisse hat nur das letzte Marginale, das 3. Marginofemorale er-
litten (Fig. G). In der gewöhnlichen Ausbildung ist dieses Schild
meist ziemlich so lang wie breit, und die Breite überragt die Länge
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. • H
156 Benno Wandolleck,
höchstens um t;in g-aiiz Geringes, hier aber ist die Länge 4 mal in
der Breite enthalten, was dieses Schild gegenüber den andern fast
ganz verschwinden lässt.
Das stets aus zwei Platten verschmolzene Supracaudale ist
lang zu nennen; beim normalen Thier ist die Mittellinie ungefähr
so lang wie die Hälfte des Hinterrandes, liier überragt sie sie um '/.,.
An der rechten obern Ecke des Supracaudale betindet sich ein
kleines accessorisches Schildchen.
Die Axillaria sind nicht wie beim normalen Thier dreieckig,
sondern fast rechteckig, lang und schmal, ungefähr 4 mal so lang
wie breit.
Die Inguinalia fehlen als selbständige Schilder, d. h. sie sind
mit dem vorletzten Margino-laterale verschmolzen.
Eine sehr auffällige Abweichung von dem Gewöhnlichen zeigt
die Hornbekleiduug noch in Bezug auf die sog. Anwachsstreifen.
Bei einem normalen Stück bemerkt man, dass die Anwachsstreifen
bei allen Schildern mit Ausnahme der Lateralia geschlossene, con-
centrische Curven bilden. Das ist am Ausgesprochendsten bei den
Vertebralien, und hier fällt der Mittelpunkt der concentrischen
„Kreise" sehr nahe an den Mittelpunkt der Schilder selbst. Bei
dem 1. und 2. liegt er mehr nach hinten, bei dem 4. und 5. mehr
nach vorn, und nur im 3. Vertebrale fallen die Mittelpunkte zu-
sammen. Das vorliegende Exemplar besitzt nur auf dem ersten und
letzten Vertebrale Anwachsstreifen, die 3 mittlem Schilder sind voll-
kommen glatt, und nur das 2. lässt noch geringe Spuren von An-
wachsstreifen erkennen.
Auf dem 1. Vertebrale sind die Streifen des Hinterrandes und
der Seitenränder auch kaum zu bemerken, dafür aber von der Mitte
ab die des Vorderrandes sehr stark und deutlich. Das 5. Vertebrale
besitzt am Voi'derrand und den Seitenrändern keine Streifen, da-
gegen vom ersten Viertel seiner Länge ab zahlreiche und tiefe
Anwachsstreifen, die dem Hinterrande parallel laufen.
Aehnlich verhalten sich die Costalia. Obgleich sie noch wie das
1. Vertebrale in ihrem obern Viertel fast verlöschte Streifen an dem
obern und den Seitenrändern zeigen, so sind doch die eigenthüm-
lichen wie Diagonalen des Schildes aussehenden Linien gänzlich ver-
schwunden. Diese Linien entstehen beim normalen Thiere dadurch,
dass die Pocken der Anwachsstreifen alle auf den Diagonalen des
Schildes liefen.
Eine bucklige Testudo graeca L. 157
Die Marginalia untersclieiden sich in Bezug auf ihre Anwachs-
streifen durch nichts von denen eines normalen 1'hieres.
Es war als sicher anzunehmen, dass eine so auffallend gebildete
Schale auch mit Abnorm alitäten im Skelet verknüpft sein würde
und dass hauptsächlich in den Skelettheilen, die mit dem Carapax
eng verbunden sind, nämlich an den Rippen und der Wirbelsäule,
auch Veränderungen sich finden würden. Der anatomische Befund
zeigte denn auch sehr deutlich die bedeutende Antheilnahme der
"\\'irbelsäule an der Verbildung. Alle andern Skelettheile wiesen
nichts Besonderes auf, und nur der mittlere Theil der Wirbelsäule
wai' auffallend verändert und aus der normalen Lage gerückt.
Es wird vielleicht am Platze sein, wenn ich hier zuerst einmal
eine kurze Uebersicht über die normalen Verhältnisse der Rücken-
wirbelsäule bei Testndo gebe.
In der Projection von oben gesehen, hat die Rückenwirbelsäule
einen geraden Verlauf und besteht aus 8 Wirbeln, deren Grösse bis
zum 3. zu und von dort wieder constant abnimmt, so dass der 1.
die Hälfte des 3., der 8. ungefähr den vierten Theil des 3. ausmacht.
Der optische Durchschnitt von Nr. 1—6 ist biconcav, von 7 und 8
hanimerförmig. Die Rippenansätze sind bei 1, 7, 8 vertebral, bei
2 — 6 intervertebral. Zu jedem Axiale gehört ein von seinem
vordersten Theile (bei 2—6) entspringender Rückenbogen, dessen
Dornfortsatz die Verbindung der Wirbelsäule mit den Neuralia her-
stellt. Die Rückenbogen sind bei Wirbel 2 — 6 so gelagert, dass sie
intervertebral stehen, d. h. dass ihr vorderer Theil auf das nächst
vorhergehende Axiale übergreift. Die Axialien sind in ihrer Anlage
von ganz geringer Mächtigkeit und bilden nur flache Halbröhren,
der geschlossene Wirbelcanal kommt allein dadurch zu Stande, dass
schon sehr früh die zwischen zwei Bogen liegende, also eigentlich
intervertebrale Bindegewebssubstanz verknöchert, mit dem Axiale
verwächst und so ein geschlossenes knöchernes Rohr bildet. Durch
die intervertebrale Lage der Rückenbogen kommt so die vertebrale
dieser veiknöcherten Bindegewebspartie zu Stande. Zwischen zwei
auf einander folgenden Dornfortsätzen, der eben erwähnten Ver-
knöcherung und dem Carapax spannt sich eine nicht verknöchernde
bindegewebige Haut aus. In dem verknöcherten Bindegewebstheil
liegt jederseits das Loch für den abzweigenden Nerven. Bei den
\A'irbeln, bei denen die Rückeiibogen vertebral stehen, ergibt sich
die Modification von selbst so, dass bei jedem Axiale je 2 durch
11=^
j^58 Benno Wandolleck,
den Bogen getrennte Partien verknöchern und mit Axiale und Bogen
verwachsen.
Die soeben geschiklerten normalen Verhältnisse Avaren nun bei
dem vorliegenden Thiere in ganz bedeutender Weise gestört.
Während der knöcherne Carapax und die ihn mit bildenden
Rippen innerhalb einer sich deutlich kennzeichnenden mittlem
Partie, offenbar von einer bestimmten Zeit des Lebens ab, eine so
gut wie vollkommene Wachsthumshemmung erkennen lassen, war
die Wirbelsäule dieser Hemmung nicht unterworfen, sie wuchs weiter
und war in Folge des beschränkten Raumes genöthigt, aus dem
geraden Verlauf heraus zu treten und Ausbiegungen, ja förmliche
Faltungen zu bilden. Ein Herausschieben oder eine Verlängerung
in dem geraden Verlaufe war kaum ausführbar, da der 1. Rücken-
wirbel und die Sacralwirbel mit ihren starken Rippen sehr viel
fester mit dem knöchernen Carapax verbunden sind als die andern
Rückenwirbel, und weil die Befestigungspunkte jener Wirbel noch
innerhalb der Zone der Wachsthumshemmung liegen. Die übrigen
haarfeinen Rippen setzten jedoch kaum einer Verschiebung grössern
Widerstand entgegen, und so tritt dann in erster Linie eine starke
Lageveränderung der Axialia ein. Die mit den Axialia zusammen
den Wirbelcanal bildende verknöcherte Bindegewebssubstanz ver-
sucht, um diesen Ausdruck zu gebrauchen, der Bewegung der Axialia
zu folgen, ihre feste Lage zwischen den Rückenbogen lässt das
aber nicht in so bedeutender Weise zu, der Zug ist aber stark
genug, um auch die Rückenbogen und ihre Fortsätze in Mitleiden-
schaft zu ziehen. Während das mit dem Carapax verwachsene Ende
unverrückbar fest bleibt, treten die übrigen Theile aus der Sagittal-
ebene heraus, indem sie den Axialia zu folgen trachten, stehen sie
jetzt gekreuzt und regellos schief nach vorn oder hinten geneigt.
Es hat sogar, wie wir später bei der genauen Beschreibung sehen
werden, den Anschein, als ob es bei manchen Wirbeln zu einer be-
deutend geringern Verknöcherung jenes ßindegewebs-Halbrohres ge-
kommen wäre, da die Seiten fast vollkommen offen geblieben sind.
Zu jedem Wirbel gehört ein Rippenpaar, das meist intervertebral
an den Rückenbogen ansetzt. Diese Regel ist stark gestört, so dass
es den Anschein hat, als ob mancher Wirbel zwei, ein anderer da-
gegen gar keine zugehörigen Rippen hätte. Es liegt das an der
soeben geschilderten Verschiebung der Bestandtheile der Wirbel.
Bei der Mehrzahl der Wirbel ist, wie schon gesagt, der Rippen-
ansatz in normalem Zustande intervertebral. Diese Regel ist nur
Eine bucklige Testiido oraeca L.
159
beim 2. Eippenpaar eing-elialteu. Die übrigen Rippen stehen fast
überall in gar keiner Verbindnng mit den Axialien nnd sind ohne
Naht mit den Dornfortsätzen verwachsen. Da die Ansätze resp.
Verwachsungen sich naturgemäss am untersten Ende der Fortsätze
an den Rückenbogen befinden und diese
Stellen durch die Schlängelung der
Axialia in sehr verschiedenen Ebenen
liegen, so sind auch die Rippen des-
selben Paares ganz verschieden lang
und total unsymmetrisch.
Ich will nun zur genauen Be-
schreibung der Rückenwirbelsäule über-
gehen (Fig. D).
Der 1. Rückenwirbel hat noch
die normale Form und Lage, nur ist
er grösser und verhältnissmässig stärker
als gewöhnlich, ebenso ist das zuge-
hörige Rippenpaar normal und sym-
metrisch.
Der 2. Rückenwirbel ist stark ver-
längert, so dass er der längste der
ganzen Reihe Avird. Gleich hinter dem
Ansatz wird er sehr schmal und
hoch, tritt ein wenig nach rechts
aus der Geraden, um dann mit einem
starken Bogen weit nach links heraus
zu biegen. Dabei wird er selbst so
unsymmetrisch, dass der hintere Rand
links mehr nach hinten gezogen ist als rechts
Biegung ist auch der sonst durch das Axiale verdeckte, aus ver-
knöchertem Bindegewebe bestehende Theil in der Aufsicht von
unten auf der linken Seite sichtbar geworden. Man kann an dem
Wirbel nirgends eine Naht zwischen diesem Theile und dem Axiale
bemerken, auch der Wirbelcanal ist nicht rund, sondern länglich
birnförmig und sehr geräumig. Der ganze Wirbel erscheint wie
seitlich zusammengedrückt. Das Rippenpaar setzt noch normal an
und hat auch sonst den normalen Verlauf, nur ist die rechte Rippe
kürzer und schwächer. Auch der 2. Rückenbogen nebst P'ortsatz
sind normal. Die Nervenlöcher des 2. Wirbels sind normal und
liegen noch so gut wie symmetrisch. An dem letzten Ende, dem
Fig. D.
Schema des Verlaufs der Wirbel-
säule.
dl—dS Rückenwirbel 1—8. sl
u. s2 Sacralwirbel 1 u. 2. cdl — S
Dorsalrippen 1 — 8. csl, 2 Sacral-
rippen 1, 2.
In Folge dieser
160 Benno Wandolleck.
starken Bogen des 2. Rückenwirbels beginnt nun die eigentliche
Verbildung. Der 3. Eiickenbogen steht nämlich nicht mehr inter-
vertebral zwischen dem 2. und 3. Rückenwirbel, sondern noch voll-
kommen unter dem 2., der Fortsatz ist etwas schraubig gedreht und
stark nach hinten geneigt. Diese Neigung nach hinten hat einen
bedeutenden Einfluss auf den Verlauf des 3. Rippenpaares ausgeübt.
Die Ansätze dieses Paares an den Carapax oder vielmehr die Aus-
gänge von dort sind normal und symmetrisch, da ja auch der Carapax
normal angelegt wurde. Er blieb aber mit den Rippen im Wachs-
thuni zurück, während die haarfeinen freien Rippen dem nach hinten
weiter fortschreitenden Wachsthum der Wirbelsäule folgen, ihre
Ansatzstelle an die AMrbelsäule rückte nach hinten, und dadurch
ward ihr Verlauf, anstatt ein senkrecht zur Sagittalebene stehender,
ein in sehr spitzem Winkel auf diese treffender. Sie sind auch
durch den starken Zug ganz aus der Verbindung mit dem Axiale
heraus gekommen und sind fest und nahtlos mit dem untersten
Tlieile des Dornfortsatzes verwachsen. Diese Stellen liegen noch
vollkommen unter dem 2. Rückenwirbel, so dass es den Anschein
hat, als ob zwei Rippen])aare zu diesem Wirbel gehörten.
Das Axiale des 3. Rückenwirbels ist kaum halb so gross wie
das des 2., es liegt ganz ausserhalb der verticalen Mittelebene, und
zwar ist es nacli links heraus gedrängt, da es die Richtung des
letzten Endes des 2. Wirbels beibehält. Es hat den Anschein, als
ob es hinten vollkommen geschlossen wäre und als ob der nächste
Rückenwirbel an seiner rechten Seite articulire. Dieses Aussehen
zeigt aber nur das Product der scharfen Biegung, die der Wirbel
an seinem hintersten Ende erlitten hat. Angemessen dem schrägen
Abschlüsse des 2. Wirbels ist auch der Vorderrand des 3. schräg,
und zwar reicht er rechts v>-eiter nach vorn als links. Die Nerven-
löcher, wenn man die rechts und links am Wirbel liegenden Oetf-
nungen so bezeichnen kann, haben eine sehr verschiedene Ausbildung;
das rechte ist rund, klein und liegt hoch oben und ganz vorn, das
linke liegt auch sehr weit vorn, aber auf der halben Höhe des
Wirbels, ist länglich und favSt halb so gross wie das ganze Axiale.
Es hat den Anschein , als ob auf der linken Seite eine bedeutend
geringere Verknöcherung der intervertebralen Bindesubstanz ein-
getreten ist und daher der Rückenmarkscanal weit offen steht.
Dieser Wirbel, der der 3. ist, steht vollkommen auf dem 4. Rücken-
bogen und dessen Fortsatz, die beide sehr verbreitert sind, so dass
Eine bucklige Testudo graeca L. 161
unter ihm kein sogenanntes Foramen arcuale liegt, das zu ihm ge-
hörende Foramen liegt intervertebral zwischen 2. und 3. Wirbel.
Durch die auffallende Kürze des 3. "Wirbels ist es nun wieder
trotz der starken Verbildung möglich geworden, dass der 4. Rücken-
bogen Avieder intervertebral zwischen ?>. und 4. Wirbel steht. Der
4. Rückenbogen mit seinem Fortsatz ist sehr hoch, breit und auch
schraubig gedreht. Jederseits ist ein starker Längsgrat entwickelt,
an dessen unterm Theil das 4. Rippenpaar ansetzt. Der Ausgang
dieses Paares vom Carapax ist normal, doch sein Verlauf ähnelt
dem des vorigen Paares, sie stehen in spitzem Winkel zur Sagittal-
ebene. Die linke Rippe ist viel kürzer als die rechte , und ihi"
Ansatz an den Bogen liegt ein Stück vor dem der andern.
Die stärkste Verbildung zeigt nun der 4. Rückenwirbel: Er ist
so deformirt, dass er einen Theil eines Kreisbogens beschreibt, dabei
liegt sein vorderes Ende bedeutend höher als sein hinteres, und er
ist so verdreht, dass sein vorderes Ende wie schräg abgestutzt er-
scheint. Das rechte Nervenloch ist gross, senkrecht gestellt und
schlitzförmig, es weist direct nach vorn, das linke jedoch ötfnet sich
nach hinten und oben. Die Kürze des 3. Rückenwirbels, die es
möglich macht, dass dieser Wirbel ganz auf dem 4. Rückenbogen
steht und doch noch Platz für den vordem Theil des 4. Rücken-
wirbels übrig lässt, hat es verursacht, dass in der Stellung des
Rückenbogens und des Fortsatzes zum 4. Wirbel wieder das normale
Verhältniss eingetreten ist. Der 4. ^^lrbel sitzt vorn auf dem 4.,
hinten auf dem 5. Rückenbogen, und unter seiner Mitte liegt das
Foramen arcuale. Das hintere Ende des 4. Wirbels ist rechts
länger als links und ist an dieser Seite tief ausgerandet, so dass
ein 2 mm langes und ebenso breites Pseudonervenloch entsteht.
Irgend einem Zweck kann diese grosse Oeffnung nicht dienen, sie
ist eben auch nichts weiter als eine grosse, nicht verknöcherte
Partie des in der Anlage intervertebralen J3indegewebes, wodurch
wiederum ein Theil des Rückenmarkscanais offen steht. Es wird
natürlich im Leben hier durch Bindegewebe geschlossen ge-
wesen sein.
Der 5. Rückenwirbel behält ähnlich wie der 3. die ihm vom
letzten Ende des vorhergehenden Wirbels ertheilte Richtung bei.
Er liegt dem 3. ziemlich parallel und ist auch ähnlich wie jener
am hintern Ende wie geschlossen; das Axiale des 6. Wirbels setzt
sich auch rechts seitlich an das 5. an. Der Vorderrand des ^\'irbels
ist dort links, wo das grosse Loch des 4. liegt, etwas ausgerandet,
162 Benno Wandolleck,
SO dass dadurch das Loch noch vergrössert wird und ein wenig auf
den 5. Wirbel hinübergeht. Die Nervenlöcher liegen so unsym-
metrisch am AMibel. dass eine durch beide gelegte Sonde senkrecht
auf der Sagittalebene des Körpers steht. Der 5. Rückenbogen mit
dem Fortsatz ist hoch und schlank, steht intervertebral und ist ein
wenig schraubig gedreht, wodurch der x4nsatz der linken Eippe vor
dem der rechten liegt. In Folge dieser Drehung ist die rechte Rippe
des 5. Rippenpaares auch kürzer als die linke. Dadurch, dass
Rückenbogen und Fortsatz intervertebral stehen, liegt auch der An-
satz der Rippen intervertebral, ja der der rechten Seite hat fast die
normale Ansetzung, wogegen die linke Rippe höher herauf ansetzt
und dort fest mit dem Dornfortsatz verwachsen ist, der auch hier
eine starke Crista entwickelt hat.
Der 6. Rückenwirbel ist wieder sehr auffallend deformirt. Seine
Richtung bildet mit der des vorigen Wirbels einen rechten Winkel.
Das Axiale ist eigentlich nichts mehr als kaum eine Halbröhre, die
sich rechts etwas höher als links erhebt. Es ist ganz kurz, seine
Länge beträgt nur höchstens den dritten Theil des 2. Axiale. Ein
geschlossener Wirbelcanal ist nicht vorhanden, die Verknöcherung
des intervertebralen Bindegewebes ist nur so weit gegangen, um
eine schmale Brücke zwischen dem 6. und 7. Rückenbogen herzu-
stellen, die dadurch nahtlos verbunden sind. Das Auffallendste aber
ist, dass das Axiale auch nur auf der rechten Seite mit dem 6. und
7. Rückenbogen in Verbindung steht und auch hier nur mit höchst
schmalen Brücken, auf der linken Seite aber klafft eine grosse Oeff-
nung. In Folge dessen müssen natürlich auch diese Oetfnungen, die
gewissermaassen die Nervenlöcher repräsentiren, von sehr unregel-
mässiger, unsymmetrischer Gestalt sein; so liegt auch die linke
Oeffnung bedeutend tiefer als die rechte. Der 6. Dornfortsatz ist
der schlankste von allen, er ist nach hinten gebeugt, aber kaum
schraubig gedreht, wie seine Vorgänger. Der vordere Rand ist ganz
gerade, der hintere dagegen beschreibt einen Bogen, was durch die
intervertebrale Verknöcherung geschieht und Avodurch der Zusammen-
schluss des 6. und 7. Rückenb.ogens bewirkt wird. Dadurch entsteht
auch ein normales, allerdings schon fast intervertebral (nach 7 zu)
liegendes Foramen arcuale.
Das 6. Rippenpaar setzt sich nahtlos an den 6. Rückenfortsatz
an, es ist sehr schräg nach vorn gerichtet, die rechte Rippe ist be-
deutend länger als die linke.
AVar der 0. WirbelkiU-per eine Halbröhre, so ist der 7. einer
Eiue bncklige Testiulo graeca L. 163
nacli hinten spitz auslaufenden Scliuppe vergleichbar, die sich mit
dem hintern Theil ein wenig- auf den 8. A\^irbel hinaufgeschoben hat.
Auch hier kann man eigentlich nur von einem Axiale reden, denn
beiderseitig- ist der Wirbel vollkommen olfen, diese Oeffnung-en liegen
fast intervertebral. Die Eichtung- des Axiale liegt ziemlich in der
Sagittalebene des Körpers; vorn ist es sehr viel breiter und massiver
als hinten, weil der zug-ehörig-e Eückenbogen mit starken Gi-aten
dort mit dem Axiale verwachsen ist. Dadurch wird seine Form
unreg-elmässig Tförmig, weil diese Grate des Rückenbogens nach
hinten ziehen. Diese Grate sind eigentlicli nichts weiter als die
spangenförmig gewordenen Ansätze der Rippen. Der Rückenfortsatz
ist niedrig und stark, und die intervertebrale Bindegewebsverknöche-
rung hat wohl nur dazu beigetragen, dass sich der 7. Rückenbogen
muldenartig nach hinten verlängerte, ohne aber einen geschlossenen
Canal zu Stande zu bringen. Die Continuität des obern Halbrohres
des Wirbelcanals zwischen Rückenbogen 7 und 8 wird nur dadurch
zu Stande gebracht, dass sich der Rückenbogen 8, der nach vorn
geneigt ist, in eine starke Auswandung der muldenartigen Ver-
längerung des Rückenbogen 7 hineinlegt. Durch diese Anordnung
rücken die beiden Rückenbogen mit ihren Fortsätzen sehr nahe an
einander und wird das Foramen arcuale zu einer recht geringen
Oettiiung.
Der Wirbel 7 steht ganz auf dem 7. Rückenbogen.
Die Rippen stehen in sehr spitzen Winkeln zur Sagittalebene
des Körpers und die linke ist kürzer als die rechte.
Der 8. Rückenwirbel hat eine etwas regelmässigere Form als
der 7. Er kommt einem gleichseitigen Dreieck nahe, dessen Spitze
an den 1. Sacralwirbel anstösst und dessen Basis sich unter den
Hinterrand der 7. Axiale geschoben hat. Diese Lage kommt daher,
dass sich der 8. Rückenbogen in die Ausbuchtung des 7. gelegt hat,
und so ist das mit ihm verwachsene 8. Axiale unter den Hinterrand
des 7. gerathen. An diesem Wirbel ist die Verknöcherung des
intervertebralen Bindegewebes wieder eine etwas umfangreichere,
so dass wenigstens bis ungefähr zur Hälfte ein geschlossenes Rohr
entsteht. Dieser Theil ist aber deutlich durch Nähte gegen das
Axiale und den 8. Rückenbogen sowie gegen den Rückenbogen des
1. Sacrahvirbels abgesetzt. Nach hinten ist der Rückenmarkscan al
wieder weit otfen. Das horizontal liegende 8. Rippenpaar setzt sich
sehr breit an den Rückenbogen und das verknöcherte Bindegewebe
an. Die Rippen selbst weichen sehr von den normalen ab. Die
].g4 Benno Wanüolleck,
normalen sind wie ihre meisten Vorgänger feine, dünne, kurze
Spängelchen, die von einer mässiofen kegelförmigen Erhebung- des
knöchernen Carapax aus zur Wirbelsäule gehen. Nicht so bei diesem
Exemplar, hier sind es breite kräftige Spangen von ziemlicher Länge,
ihr breiter Ansatz an die Wirbelsäule ist schon erwähnt worden,
noch auffallender ist aber ihr Ausgang vom Carapax. Dieser erhebt
sich nämlich hier zu einer hohen, massigen breiten Crista, von der
die 8. Dorsal- und die 1. und 2. Sacralrippe ausgehen. Die Crista
verläuft in der Richtung der 8. Dorsalrippe, mit der sie auch naht-
los vereinigt ist, wogegen die Sacralrippen sich mit Nähten an-
setzen.
Der 8. Rückenbogen und sein Fortsatz sind stark und niedrig,
ihre eigenthümliche Lage zum 7. ist bereits geschildert worden.
Auch der 1. und 2. Sacralwirbel sind bei der Deformation in
Mitleidenschaft gezogen, und daher müssen sie ebenfalls noch hier
betrachtet werden.
In normalem Zustande sind die Wirbel gross und stark und
bilden bis auf eine jederseits liegende grössere intervertebrale Oeffnung
ein geschlossenes Rohr. Die Rückenbogen stehen vertebral, und die
Dornfortsätze schliessen sich mit einer Naht an den Carapax an.
Unten stossen die Axialia breit zusammen, oben die Rückenbogen,
eine Verknöcherung von Bindegewebe scheint kaum bei dem Aufbau
der Wirbel betheiligt zu sein. Die Wirbel haben T- oder Hammer-
form, die Naht, die die Grenze von Axiale und Rückenbogen be-
zeichnet, ist deutlich zu erkennen und schneidet unterhalb des ver-
längerten Rippenansatzes durch. Ihre Rippen sind nicht besonders
kräftig, stehen am Carapax von einander getrennt und sind mit ihm
nahtlos verbunden. Der 1. Rückenfortsatz ist kurz und breit, der
2. nach oben zu spitzer und im Ganzen schmäler. Das Foramen
arcuale ist ziemlich gross und dreieckig.
Was die allgemeine Form betriift, so ist jeder der beiden Sacral-
wirbel kleiner als die des normalen Thieres, dafür aber höher, so
dass der Wirbelcanal ein ovalerer wird. Es resultirt daraus auch,
dass die Wirbel nicht so breit sind. Die Ansätze für die Rippen
sind nicht so stark ausgezogen wie beim normalen Thier.
Das Axiale des 1. Sacralwirbels hat ungefähr die Form eines
gleichschenkligen Dreiecks, dessen Basis nach vorn, dessen Spitze
nach hinten gerichtet ist. Es erreicht mit dieser Spitze nicht den
2. Sacralwirbel, wogegen es mit dem Vorderrande den letzten Rücken-
wirbel berührt. Die intervertebraleri Löcher sind sehr weit und
Eine bucklige Testudo graeca L. 165
gTOSs, SO dass das erste Axiale dagegen fast verschwindet, auch die
Berührung- mit dem obern Bogen ist sehr viel geringer als beim
normalen.
Der 2. Sacralwirbel ist kürzer und breiter, auch ist seine Ver-
bindung mit dem Rückenbogen eine breitere, er nähert sich schon
mehr der P^orm des normalen. Die Rückenfortsätze beider Wirbel
sind kurz und breit, sie sitzen dem knöchernen Carapax auch mit
einer Naht an, doch bildet der Carapax bei jedem Fortsatz eine
kleine Erhebung.
Das Auffallendste ist, wie schon erwähnt, die Erhebung des
Carapax als Ansatz für das letzte Dorsal- und die beiden Sacral-
Rippenpaare. Während beim normalen Thier die Rippen dem
Carapax nahtlos aufgewachsen sind und in ihrer Richtung stark
divergiren, liegen sie hier mit Nähten an einander und laufen zu-
erst fast parallel. Sie sind auch stärker und fester als beim
normalen Thier. Es hat fast den Anschein, als ob diese Partie ge-
wissermaassen als Widerlager dem grössern Druck der nach Aus-
dehnung strebenden Wirbelsäule entsprechend verstärkt worden
wäre.
Damit ist der dem Carapax ansitzende anormale Theil der
Wirbelsäule besprochen; von dem knöchernen Carapax ist nur noch
zu sagen, dass er fast ganz nahtlos ist, nur das Vertebrale 2 und 3
ist durch Nähte bezeichnet, ebenso ist die Naht erhalten, die die
Costalia von den Marginalia trennt, sowie die Nähte der Marginalia.
Sonst ist alles eine feste gleichmässige Knochenkapsel, was ja auch
mit den äussern deformirten Theilen übereinstimmt.
Ueberblicken wir noch einmal im Ganzen die Verbildung des
knöchernen Carapax und der Wirbelsäule, so finden wir ein fast
gänzliches Verschwinden der Nähte, eine Faltung und Verlängerung
der Rückenwirbel, die geringere Verknöcherungen und starke Ver-
biegungen der Rückenfoi-tsätze zur Folge hat, sowie eine ganz auf-
fällige Zerrung und Verbiegung der freien Rippen.
Die Rippen standen unter einer gewissen Spannung, denn als
einige der sehr schräg stehenden an der Wirbelsäule durchbrochen
wurden, federte der Rest zu einer Lage zurück, die senkrechter auf
der Sagittalebene stand.
Die an vielen Stellen der Wirbelsäule fehlende Knochensubstanz
scheint ganz zur Verfestigung des mittlem C'arapax und zum Auf-
bau jener die 3 Rippenpaare tragenden Widerlager aufgebraucht
zu sein.
16ß Benno Wandolleck, Eine bucklige Testudo graeca L.
Es wäre wohl ein müssiges Vornehmen, wollte man sich über
die Ursachen dieser merkwürdigen Verbildung- in Betrachtungen er-
gehen. Es bleibt nur die Ursache der Wachsthumshemmung, die
durch irgend einen äussern oder Innern Umstand zu einer be-
stimmten Zeit des Lebens hervorgerufen wurde und dabei die Ver-
bildung erzeugte.
I
Lippert & Co. (G. Pätz'sche Buchdr.), Naumburg a. S.
Nachdruck verboten.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
Die vergleichende Osteologie der Columbiformes
unter besonderer Berücksichtigung- von Didunculus
s t r i g* i r 0 s t r i s.
Ein Beitrag zur Stammesgeschiclite der Tauben.
Von
Rudolf 3Iartin in Basel.
Mit Taf. 11—12 und 96 Abbildungen im Text.
Inbaltsver zeich niss.
Seite
A. Allgemeine Einleitung 168
B. Specieller Theil. Osteologie der Tauben 174
1. Der Schädel 175
2. Die Wirbelsäule und die Rippen 215
3. Der Brustgürtel 226
4. Das Becken 257
5. Die freie Extremität 299
a) vordere Extremität 300
b) hintere Extremität 313
C. Allgemeiner Theil.
Einleitung 328
Systematik 334
Stammesgeschichte 342
Die secundären Modificationen 346
Tabellarische Zusammenstellung der vorgeschlagenen Syste-
matik 348
Anhang.
Proportionen von Scapula und Coracoid Tab. I
Proportionen des Brustbeins Tab. II
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. 1^
158 Rudolf Martin,
Einleitung.
Die vergleichend anatomische Behandlung- der Yögel und
speciell der Tauben ist verhältnissmässig- neu und deshalb noch
wenig' weit gediehen.
AVohl wurden die Vögel von den vergleichenden Anatomen in
den Kreis ihrer Betrachtung aufgenommen, aber bloss als Vertreter
derOlasse; wohl führte Fürhringer auf Grund der Morphologie des
vordem Extremitätengürtels eine consequente Systematik der Gruppe
durch, doch erlaubten Zweck und Umfang des Werkes nicht, auch
näher auf kleinere Einheiten einzutreten. Der Forscher ist sich
darüber vollkommen klar, bemerkt er doch gelegentlich der Be-
urtheilung der verwandtschaftlichen Beziehungen innerhalb der
Tauben^) . . .: ,,lm Uebrigen kann ich nur den Wunsch aussprechen,
dass eine baldige Zukunft zu befriedigenden und allgemeiner an-
erkannten taxonomischen Resultaten führen möge." Dieser Wunsch
ist aber nicht erfüllt worden; 14 Jahre später lesen wir bei dem-
selben Autor"-): „Ein gutes, natürliches Sj'stem der ColumUdae ist
noch Desiderat."
Eine eingehende Zusammenfassung der anatomischen Daten wird
uns 1891 von H. Gadow =^) vorgelegt. Der systematische Theil
scheint von Fürbringer, welcher überhaupt auf dem Gebiete der
Vertebratenanatomie die Führung übernommen hat, inspirirt zu sein.
Das Versprechen, dem AVunsche Fürbringer's nachkommen zu
wollen, müsste als Anmaassung ausgelegt werden, denn die vor-
liegende Arbeit wird dieser grossen Aufgabe lange nicht gerecht.
Wenn ich dennoch nicht zaudere, diese Stückarbeit der Oeffentlieh-
keit zu übergeben, so geschieht dies bloss, um einen Anfang in der
Beantwortung der schwebenden Frage zu machen und um einen
Grundstein für den weitem Ausbau der Systematik der Tauben zu
legen.
Meine Resultate dürfen deshalb keineswegs als definitive auf-
gefasst werden; sie sind vielmehr provisorisch und müssen eventuell
einer tiefer dringenden Untersuchung der Musculatur und Einge-
weide (besonders der Darmlagerung) weichen.
Das Gebiet war, eben als teriu incognita, ein überaus ver-
1) Beiträge zur Morphologie und Systematik der Vögel, 1888, p. 1284.
2) In: Jena. Z. Naturw., 1902, p. 681.
3) In: Bronn, Class. Ordn. Thierreich, V. 6, Abth. 4, Vögel, 1891.
Die vergleichende Osteologie der Columbiforraes. 169
lockendes, zumal es so eng- an die auf Thierzucht g-erichteten Be-
mühungen des Menschen anschliesst, sogar no- h theihveise von ihm
umschlossen wird. Es wird auch leiclit verständlich, warum am
frühesten und am eingehendsten den domesticirten Tauben Auf-
inerksamkeit geschenkt wurde, die wiklen aber nur selten und erst
spät in den Kreis dei- Untersuchung aufgenommen wurden.
Es war mir daher sehr erwünscht, als mir das von Herrn
Prof. Thilenius von Breslau in Samoa gesammelte reiche Material
von Jüidunciüus strigirostris zur Bearbeitung überlassen wurde. Herr
Prof. RuD. BüKCKHARDT hatte die Güte, mir dasselbe zur Unter-
suchung zuzustellen, sowie mir bei der Beschaifiing weitern Materials
l)ehülflich zu sein.
Zunächst war also beabsichtigt, Didunculus allein der Betrach-
tung zu unterziehen, wobei der individuellen Variation ein specielles
Augenmerk geschenkt werden sollte.
Die Aufgabe versprach, da über die systematische Stellung von
Diduncuhis noch grosse Zweifel herrschen und von der Anatomie
die werthvollsten Aufschlüsse zu erwarten waren, eine äusserst
lohnende zu sein.
Bekanntlich wird Diduncuhis den übrigen Tauben bald zu-, bald
abgerückt; gewöhnlich wird ihm eine grosse Selbständigkeit ge-
schenkt. A. Newton ') ist geneigt, ihn mit Otidiphaps zu einer
Familie zu vereinigen und diese den übrigen Columhae gegenüber
zustellen. Fürbeinger '-) äussert sich, nachdem er einen Ueber-
blick über die mit dem Systeme wechselnde Stellung der Samoa-
taube gegeben hat, dahin, dass Didimeuhis wohl zu weit von den
übrigen Tauben abgerückt werde, seine Ausnahmestellung nicht
verdiene. ■"')
Es Hess sich ferner erwarten, dass das Studium dieser aberranten
Form auch einiges Licht auf die Anatomie der Columhae überhaupt,
der unter ähnlichen Bedingungen lebenden Formen speciell (Goura,
Cahenas, OtidipJiaps), zu wei'fen im Stande sein werde.
Jeden Falls war es wünschenswerth. ja absolut nothwendig, ein
weiteres Material zur Untersuchung beizuziehen, denn einerseits be-
durfte ich Anhaltspunkte zur Beuitlieilung von Didiotculus selbst,
andrerseits war es von nicht geringem Interesse, parallel gehende
1) Dictiouary of Birds, London 1898 — 96.
2) Moiphol. u. Syst. der Vögel, 1888, p. 1280.
3) Ibid., p. 1284.
12*
170 Rudolf Martin,
Transformationen als Folgen einer Anpassung- an ein und dieselbe
Lebensweise zu veifolgen.
Die Gelegenheit zu weitern Untersuchungen blieb nicht lange
aus ; durch die Güte der Herren Prof. Dr. Reichenow in Berlin und
Dr. Wunderlich, Director des Zoologischen Gartens in Köln, ge-
langte ich in den Besitz eines schönen, in Spiritus conservirten Ver-
gieichsmaterials. Leidei- fehlten die für mich interessantesten Formen :
Goiira und Otidiplmps.
Die Untersuchung überschritt nochmals die gezogenen Grenzen,
denn schon ein flüchtiger Ueberblick über die reichen Collectionen
des Britischen Museums lehrte mich, dass es ganz unstatthaft wäre,
die Treronidae allein zur Vergleichung beizuziehen, wie dies zu Be-
ginn beabsichtigt war, da sich Diäuriculus am ehesten von ihnen
ableiten zu lassen schien.
Diesem Umstand zu Folge sah ich mich veranlasst, meinen
Standpunkt zu ändern, d. h. Didunculus nicht als bevorzugtes Glied
der Columbae, sondern als gewöhnliche Taube zu betrachten,
m. a. W., ich begann den Entwurf einer vergleichenden Behand-
lung — die Bezeichnung Monographie ist nicht am Platze — der
Tauben.
Das ^[aterial schränkte die Absicht von selbst ein; ich musste
erkennen, dass zu einer allgemein vergleichend anatomischen Unter-
suchung die verhältnissmässig w^enigen und mangelhaft erhaltenen
Spirituspräparate nicht hinreichend waren ; dagegen lieferte mir das
Britische Museum für das Skelet eine reiche Ausbeute.
Es handelt sich also zunächst um eine genaue Darstellung der
osteologischen Verhältnisse der Tauben und speciell von Didunculus,
da ich in dieser Hinsicht Herrn Prof. Thilenius gegenüber meiner
Verpflichtung nachkommen möchte; ferner soll der individuellen
Variation, soweit das Material die Beobachtung derselben ermöglicht,
besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden.
Zur bildlichen Darstellung der Skeletelemente wairde erst ein
Versuch auf photographischem Wege gemacht. Ich Hess die Auf-
nahmen in halber natürlicher Grösse auf doppelte vergrössern, er-
hielt aber so starke Verzerrungen, dass ich von dieser IMethode
abliess und der Zeichnung den Vorzug gab ; so konnten auch Details,
über welche die Photographie hinweg geht, Berücksichtigung finden.
Ueber den Umfang des der vorliegenden Abhandlung zu Grunde
liegenden Materials giebt das am Schlüsse der Einleitung zusammen-
gestellte Verzeichniss den gewünschten Aufschluss.
Die vergleichende Osteologie der Coliiiiibiformes. 171
Es sei hier noch bemerkt, dass zur Beurtlieilung; der geiietischen,
mithin systematischen Zusammenhänge, wo immer mög-lich, auch die
Anatomie der Weichtheile zu Rathe gezogen wurde, ein unumgäng-
liches Mittel zur Entdeckung der natürlichen Entwicklungsbahnen.
Ich muss gestehen, dass dies in etwas mangelhafter Weise geschehen
ist; da aber nicht erwartet werden darf, dass in nächster Zeit ein
vollkommeneres Material zusammengetragen wird, scheint mir die
Verölfentlichung der vorliegenden Daten, so provisorisch sie auch
sind, berechtigt.
Endlich ein ^^'ort zur Nomenclatur! — Wenn ich mich im
Folgenden nicht der Gattungsnamen des Katalogs des Britischen
!\luseums bediene, so geschieht dies in ganz bestimmter Absicht.
Dort wird die Systematik und Charakterisirung der Gattung
und Art auf Grund rein äusserer Eigenthümlichkeiten durchgeführt.
Diese Unterscheidungsmerkmale aber genügen nicht, wie aus dem
Verlaufe meiner TIntersuchungen hervorgeht, zur Umgrenzung der
Familien und Unterfamilien. Hierfür hat die Anatomie aufzukommen.
Bei Anwendung derselben brechen die Scheidewände zwischen den
zahllosen Gattungen und Untergattungen, welche auf Grund der
äussern Erscheinung errichtet sind, zusammen, weshalb ich mich
denn auch veranlasst sehe, ihre Zahl auf Grund der anatomischen
Merkmale zu reduciren.
Es schliesst in folgender Abhandlung Carpophagd sämmtliche
Untergattungen der Unterfamilie ein ; das (ileiche gilt für Trcron
nach Ausschluss von Vinago und für Columbd nach Ausschluss von
Edopistes und Macropygia. Bei den Peristeridae fallen die Unter-
gattungen ebenfalls weg, doch kann die Reduction. der schwankenden
Körpergrösse wegen, nicht so weit durchgeführt werden wie bei den
übrigen Familien.
Durch die Verminderung der Gattungsnamen lioife ich eine
grössere Uebersichtlichkeit zu gewinnen, zugleich aber auch der
natürlichen Entwicklungsgeschichte der Tauben näher zu bleiben
und die genetischen Einheiten schärfer zusammenzufassen.
Zur Orientirung führe ich im folgenden ^laterialverzeichniss die
Untergattungen in Klammern an, halte mich im Uebrigen auch an
die Systematik des Katalogs des Britischen Museums.
172
Rudolf Martik.
I. Trrrouidd
1.
Ticron
{]^/)hi(/(i) cnlni
2.
1',
{Splii iKirrrcKs) sphrnurus
3.
)i
,. oxijiirus
4.
n
nip(tlciif<is
5.
))
sp.
6.
»
( Osmolirron) . (jrisficdudd
7.
)i
„ fiihicolUs
8.
11
„ bicinda
9.
?'
„ vernans *
10.
«
,. olax *
11.
l'liiojnt
x {Leuco/rcivii) roseicollis
12.
11
„ jamhu *
13.
11
(Sj)ilotreroN) melanocephalus
14.
11
„ mclcaiospibis
15.
A/ecfroeuas j/ulrjierriuin
16.
riKKlagasmrtensis
17.
( '(irpoj)
haga (Globicera) pacifica
18.
n
,, oceanica *
19.
11
„ ruhricera *
20.
11
aeiicd
21.
»
( Diicnhi) laeernvlafa
22.
11
( Mi/.'it irivora) hicolor
23.
11
„ spilorrJioa
24.
11
„ luctuosa
Ti'eroninae
JPtilo2)odinae
Cat 'poph a(f hiae
II. (oJumhldne.
1.
( ohi nihil
lirid rar. (loiiicstica*
2.
11
11 tijpira
3.
11
pahiiiiba
4.
11
opiias
5.
)i
phaenota
6.
11
aquatrix
7.
11
troccn,
8.
,.
riKiniloxa
9.
11
pii-riMiro
10.
11
aUiilineii
11.
11
riifnia
12.
Mrir)-o/)ijij
Kl rniiJiaiKi
13.
11
alhicapillii
14.
I'j-Ioju'stc.--
iiii(ji'(doriiis
Columbinae
f 3I<icroptj(jUuae
EcAopistiuae,
Die vergleicliende Osteologie der Columbiformes.
173
III. Peris/eridae.
1. Zenaidn cmricidaia
2. Melopdia leuropicrd
3. Turtnr {Ho))iopeHn) ji/r/iorilKs ')
4. „ „ nislvdlns ')
5. „ {S(replojjclia) rl.soriiis
6. „ „ hüorqiiatns
7. ,, „ vinnrrus
8. „ (Sj))/njirl/ti) /trjnii/is
9. (icupelia slridfd
10. „ ruNeata
11. „ {ScarddfeUa) sqiidii/nsn
12. J'rrisfcrd {(lid)iidcpflin) tinnufa
13. „ {Mctri(ipelia) niclduoptcra
14. Pltaps (Oena) capeims*
15. ,, (Tj/mpanistria) fi/D/jidiiisfr/d
16. „ {('Italcophaps) i/idicd
17. ,, clinicoptera
18. „ clegans
19. „ (Hisfrio])lidps) histrioin'ca
20. „ {Loplioplidps) pldmifrrd'^
21. „ {Ocjiphajis) loj/I/o/rs*
22. HajiJopdid Inrvatd
23. LeptopHla bvd flippt nrt
24. „ nifidviüd
25. „ jdmaiccitsis
26. Gfotrptjio)!. cristdid
27. Phlogomas spec.
28. Leucosarcia picala
29. Sfdrnoenas cipmocepJiala
30. ('dloe)ids nicohdrica*
Zenaidinae
Tnrtui'incte
Geopeliinae
Peristerhiae
PJiahinae
Geotryffoninae
Caloenadinae.
IV. Gouriddr.
1. (Iddrd coroiintd
2. ,. riciorkie
Goiirinae.
V. P)idniicnHddr.
1. Dij/iuicdl/is s/ri;/ir(isliis*
Didunculinae,
1) Nur Balg.
174 KuDOLF Martin,
Didi.
Dididne.
1. Pexophaps soUtarla.
2. Difliis hieptus.
Yon den mit * bezeichneten Formen wurden auch die AVeichtheile
untersucht. — Nachträglich wurde der Balg von Otidipltaps iiobilis einer
eingehenden Untersuchung unterzogen ; zur Beurtheilung der osteologischen
Verhältnisse war ich auf die Abbildung von A. B. Meyer angewiesen.
Es bleibt mir noch die angenehme Pflicht, allen den Herren zu
danken, welche mich bei der vorliegenden Untersuchung unterstützt
haben.
In erster Linie bin ich den Herren Proif. Dr. Zschokke, Vor-
steher der Zool. Anstalt der Univ^ersität Basel, und Eud. Burckhardt
tür das Interesse, das sie meiner Arbeit entgegenbrachten, und die mannig-
faltige Hülfe, die mir durch sie zu Theil wurde, zu Dank verpflichtet.
Herr Dr. Reichenow, Custos des Museums für Naturkunde in Berlin,
und Herr Dr. Wunderlich, Dir. des Zool. Gartens in Köln, versahen
mich mit hübschen Spirituspräparaten von Treroniden, Phabinen etc.
Durch das weitgehende Entgegenkommen der Herren Prof. Dr. Ray
Lankester, Dir. des Britischen Museums (Nat. Hist.). Dr. Bowdler
Sharpe und W. Pycraft wurde mir ermöglicht, die reichhaltigen
Materialien des Britischen Museums zu studiren, während mir die
Herren Proff. Dr. Alfred Newton und H. Gadow in Cambridge er-
laubten, die completen Serien der Riesentauben im Universitäts-
museum zu durchgehen, und manchen guten Rath mit auf den Weg
gaben. — Allen diesen Herren sei aufs beste gedankt. Ganz be-
sonders verpflichtet bin ich jedoch Herrn Prof. Thilenius in Breslau,
welcher mir das prächtige Spiritusmaterial von Bidunciüus zur
Untersuchung überlassen hat; mögen meine Resultate ihn für die
Mühen des Sammeins wenigstens einigermaassen entschädigen.
Specieller Theil.
Osteologie der Columbae.
Der Osteologie der Tauben wurde bis jetzt wenig Aufmerksam-
keit geschenkt und wäre vielleicht überhaupt vernachlässigt worden,
wenn nicht der Streit über die Verwandtschaft von Diäus und
Pezoplmps zu deren Studium gezwungen hätte.
Die vergleichende Osteologie der ColuiHbiformes. 175
Wir finden so die ersten exacten Angaben bei Strickland u.
Melville^), überhanpt in der ausgedehnten, von den Riesentauben
handelnden Literatur "-') zerstreut ; auch wurde dem Schädel der
domesticirten Tauben von A. B. Meyer ■^) durch bildliche Darstellung, von
Carl"*), wie es scheint, durch Description. besondere Aufmerksamkeit
zugewendet (Carl's Abhandlung war mii- nicht zugänglich). Eine
Zusammenfassung der aus der Osteologie gewonnenen Resultate
existirt aber bis jetzt noch niclit. denn Shuffeldt's'"') Arbeit wird
dieser Aufgabe in keiner Beziehung gerecht, obwohl es scheinbar
Absicht des Autors war, mit Hülfe des Skeletbaues die anatomischen
und verwandtschaftlichen Verhältnisse bei den Tauben aufzuklären.
I. Der Schädel.
(Textiig. A. ; Taf. 11, Fig. 1 — 6. Ferner die Abbildungen bei Owen,
A. und E. Newton, Strickland u. Melville etc.)
Die Ansicht, der Schädel sei der einzige und allein zuverlässige
Wegweiser, entstammt theils dem Umstand, dass sich zuerst an ihm
und dann am ausgiebigsten Mudificationen geltend machen, theils
wurde sie der Säugethier-Paläontologie, wo man eben oft auf den
Schädel oder sogar nur auf das Gebiss — der Grund liegt auf der
Hand — angewiesen ist, die sich glücklicher Weise als in hohem
Grade leitend erweisen, entnommen. Es ist jedoch falsch, diese
Methode in die vergleichende Anatomie hinüberzutragen und sich
mit einer Vergleichung des Schädels allein zu begnügen.
Ganz abgesehen davon, dass der Schädel der Vögel weit weniger
constant ist als der der Säugethiere und also schon aus diesem
Grunde seine Bedeutung für die vergleichende Morphologie einge-
schränkt wird, begegnen wir selbst bei Säugethieren Fällen, in
denen der Schädel resp. das Gebiss die Antwort auf eine gestellte
Frage versagt (ich erinnere an ChaUcoihcrium *•)) und die Extremität
zu Hülfe gezogen werden muss. Somit ist es bei ornithologischen
1) The Dodo and its kindred, 1848.
2) Owen, A. u. E. Newton, Milne Edwards, E. Newton u.
<'lakk, Gadow etc.
3) Abbildungen von Vogelskeleten.
4) Unters, ü. d. Schädel doni. Tauben, Realsch. Pirna.
. 5) In: Journ. Morphol., V. 17, No. 3, July 1901.
6) ChaJicotliPriwn wurde früher bekanntlich zu den Artiodactylen
gestellt. Den ersten Zweifel hegte Kowalewsky.
276 RuDOLK Martin,
Untersuchungen von vorn herein gegeben, andern Skelettheilen, d. h.
dem ganzen Skelete, in gleicher Weise die Aufmerksamkeit zuzu-
wenden.
Leider hat sich diese Methode noch wenig Bahn gebrochen,
und vor Allem scheint den englischen Ornithologen Alles, was nicht
in die Augen sjtringende systematische Merkmale liefert, der Be-
achtung kaum wertli zu sein.
Indess verdient der Schädel dennoch in hohem Grade unser
Interesse.
Ich schicke gleich hier voraus, dass Avir, in Folge der innigen
Verschmelzungen, welche die einzelnen Elemente eingehen, darauf
angewiesen sind, den Schädel regionenweise zu betrachten.
Vergleicht man jüngere Schädel mit einander, so sieht man,
dass ihre Aehnlichkeit, je weiter man zurückgeht, zunimmt, m. a. W.,
dass wir wohl im Nestlingsschädel sämmtlicher Tauben das gleiche
Bild vor Augen haben werden. Man begeht also keinen grossen
Fehler, wenn man z. B. vom Nestling von Coliimha domesfica aus-
gehend die verschiedenen Entwicklungspläne verfolgt (ich war nicht
in der Lage, den Nestling einer andern Form zu erhalten). Die
Endformen, mögen sie auch noch so aberrant sein, kommen durch
eine Summe von Modificationen der einzelnen Elemente zu Stande
und sind eben nur als solche der Beschreibung zugänglich.
Immerhin muss zugestanden werden, dass von Anfang an ver-
muthlich einige Diiferenzen im Gesichtsschädel auftreten ; so wird
namentlich die Praemaxilla bald in verschiedenen Richtungen diife-
renzirt sein ; aber dass diese Modilicationeu schon in diesem Stadium
einen Eintluss auf das Cranium ausüben, ist kaum anzunehmen.
Ich stehe daher nicht an, den Nestlingsschädel von Coluniba
domesfica als Ausgangsform zu wählen.
Fig. A.
Schädel der jungen Haustaube. 1 : 1.
pm Praemaxilla. mx Maxiila. n Nasale, hi Lacry-
male. et Ethmoideum. 2)a Palatinum jd Pteri-
goideuni. ps Praesphenoid. al Alisphenoid.
sq Squamosum. fr Frontale, par Parietale.
60 Supraoccipitale. cx-\-o Exoccipitale-^Opisth-
oticum. e Epoticum. q Quadratuni.
a) 0 c c i p i t a 1 r e g i 0 n.
fTextfig. A; Taf 11, Fig. 1—4.)
Die das Os occipitale zusammensetzenden und von besondern
Centren aus ossiiicirenden Elemente verschmelzen schon frühe spur-
Die vergleichenfle Osteologie der Colunibifoniies. 177
los unter sieb, so dass ihre Gestalt und Ausdelinun,2: selbst an den mir
vorlieg-enden jungen Schädeln der wilden Taubenformen nicht mehr
erkannt werden können.
Ebenso und ebenso früh, z. Th. schon früher, geschieht die Ver-
wachsung- dieser Knochen mit den sie umg-ebenden, also mit
E p 0 1 i c u m , P r 0 0 t i c u m und 0 p 1 s t h 0 1 i c u m ( M a s 1 0 i d Pakker's)
Parietale (etwas später) und Basisphenoid. Ich kann auch
in dieser Richtung- keine Grenzlinien erkennen, und so greifen wir
zurück zum Nestlingsschädel der Haustaube.
Die Occipitalreg-ion baut sich aus den typischen Knochen auf:
Basi- und Supraoccipitale und Exoccipitalia. Secundär
greifen noch Knochen der periotischen Region in sie über, deren
innige Beziehung zum Occiput dadurch documentirt wird, dass der
e r s t e Ve r s c h m e 1 z u n g s p r 0 c e s s dieser Region d a s 8 u p r a -
0 c c i p i t a 1 e mit dem E p o t i c u m vereinigt, das E x -
0 c c i p i t a 1 e mit dem 0 p i s t h o t i c u m und durch dieses mit
dem P r 0 0 1 i c u m (etwas später). Erst nach B e e n d i g u n g
dieser Verwachsungen beginnt die Vereinigung der
eigentlichen Occipitalelemen te unter sich.
Diese greift nicht überall gleichzeitig Platz, sondern beschränkt
sich zunächst — aus leicht erklärlichen Gründen — auf eine Ver-
schmelzung zwischen Basi- und Exoccipitale. Die Hinterhaupt-
schuppe erreicht die Ränder der Exoccipitalia erst sehr spät; regel-
mässig liegt zwischen diesen beiden Occipitalelementen das kleine
Epoticum eingeschaltet.
Das jugendliche Occiput ist noch wenig deutlich modellirt; es
enthält erst die Andeutung seiner spätem Sculptur, die im folgenden
einer einlässlichen Betrachtung unterzogen werden soll.
Die Ebene des Foramen magnum steht beim Jungen ca. 35"
zur Schädelbasis geneigt. In der Regel nimmt der Winkel im Laufe
des individuellen Wachsthums ab und zwar bei den Carpophrnjinac
und Treroninae. überhaupt der Mehrzahl dei- Tauben, bis auf ca. 25".
bei kleinen Peristeriden noch etwas mehr. Bidunculns behält den
A^'inkel von 35*' bei, ebenfalls Goura: bei Didm aber wächst er auf
55", bei Pezophaps sogar auf 58" an. Jedenfalls beträgt der Winkel
nicht 0", wie Selenka \) für die Tauben anzunehmen geneigt ist.
Das Foramen selbst variirt äusserst in seiner Gestalt und Grösse.
Es ist bald quer rechteckig (Biduncuhis), mehr rundlich (bei den
1) In: Bhoxn, Class. Ordn., Osteologisclicr Tlieil.
178 KrooLF Martin.
meisten kleinen Formen), hoch, äeckig" {Carpophaga. überhaupt die
tjrössern Tauben); Pezophaps ähnelt am ehesten Diduncultis, doch
kommt die Höhe des Foramens seiner Breite gleich; bei Didus ist
es seitlich conipress, ja die Seitenränder springen in halber Höhe
gegen das Lumen ein. Kurz, man begegnet einer grossen Varia-
bilität, nicht nur von Gattung zu Gattung oder von Art zu Art,
sondern auch von Individuum zu Individuum.
]\Iit der Form steht bis zu einem gewissen Grade auch die
Grösse des Foramens in Zusammenhang. Allgemein kann gesagt
werden, dass die hoch specialisirten Foimen. die das Flugvermögen
bereits verloren haben oder doch im ßegriife sind, es zu verlieren,
durch die verhältnissmässig kleinsten Occipitalforamina ausge-
zeichnet sind.
Die Variabilität lässt sich zum grossen Theil auf das Verhalten
der Blutgefässe zurückführen. Da, wo ein F o r a m e n s u p r a -
occipitale vorhanden ist, ist das Foramen magnum mehr depress,
da, wo es fehlt, ist es eben mit dem For. magnum zusammen ge-
flossen; man wird deshalb dessen Dorsalrand eingekerbt antreifen.
Uebergangsstadien lassen diesen Vorgang deutlich erkennen.
Das For amen supraoccipitale wechselt in seinem Vor-
handensein oder Fehlen. DiduncuJus, den meisten Carpophaginac,
Pcrisferidae und Macropijgia fehlt es gewöhnlich; es ist vorhanden
bei der jMehrzahl der Cohnnhidae, bei Carpophaga ndwiccra, Gonra,
Didus und Pezophaps. Im Falle es fehlt, ist eine andere Einrichtung
getroffen, die wir bereits kennen gelernt haben, nämlich die Incisur
im Dorsalrande des Foramen magnum ; auch diese fehlt bei Didimcnlus
oder ist nur sehr schwach angedeutet.
Vom Dorsalrand des Foramen magnum, der Crista supra-
foraminalis (supraforaminal ridge der Engländer) zieht eine
wallförmige Erhebung gegen die Schädeloberfläche, die Crista
sagittalis, welche dorsal an die später zu besprechende Lamb-
doidcrista stösst. Die Seitenflächen der Sagittalcrista fallen dach-
förmig gegen die median durch den Kamm selbst getrennten, dorsal
und lateral durch die Lambdoidcrista und ventral durch den Supra-
foraminalkamm begrenzten Gruben ab, die wir der Einfachheit wegen
Supraoccipital gruben nennen wollen (sie liegen zum grössten
Theil auf supraoccipitalem Gebiet).
Ich musste diese Bemerkungen vorausschicken, da ich gleich
hier, im Anschluss an das Foramen supraoccipitale, das unzweifelhaft
Die vergleichende Osteolog-ie der Columbiformes. |79
im Dienste der Circulation steht, auf einige weitere Einrichtung-eii
des Kreislaufs einzugehen habe.
Bei Didnnrnlus iiämlicli dringen in den Abhang der Sagittal-
crista. ungefähr in der Mitte zwischen For. niagnum und Lambdoid-
crista, Oelfnungen in die Tiefe, die sich oberflächlich in Rinnen
fortsetzen. Diese convergiren lateralwärts schwach mit dem Supra-
foraminalkamm, durchbohren den lateral absteigenden Ast der Lamb-
doidcrista, biegen dann scharf ventral um und gelangen endlich, den
Supraforaminalkamm zwischen dem Hinterhanptsloch und dem Hinter-
hauptsflügel einkerbend, auf die Schädelbasis.
Diese Einrichtung tritt mit grüsster Regelmässigkeit auf. doch
lassen sich bezüglich des speciellen Verhaltens einige Abweichungen
constatiren. So kann z. B. der Sulcus vollständig geschlossen, zu
einer R<»hre umgewandelt sein; der Supraforaminalkamm wird dann
ebenfalls nicht eingeschnitten, sondern er überspannt den Canal. Im
Grossen und Ganzen scheint dieses Verhalten das häufigere zu sein;
doch Regeln aufzustellen, wäre ein zweckloses Beginnen, da der
individuellen Variation ein weites Feld eingeräumt ist. Ich konnte
selbst bei Didunculus eine grosse Unbeständigkeit beobachten.
Wir stehen hier — Avie schon gesagt — Circulationseinrichtungen
gegenüber; die Frage, ob beide, d. h. Supraoccipitalforamen und diese
Canäle, dem gleichen speciellen Zwecke, der gleichen Function
dienen, muss verneinend beantwortet werden. Im einen Falle
handelt es sich um ein Emissarium (Foramen supraoccipitale), im
andern Falle um Einrichtungen der Blutzufuhr, um Arteriencanäle.
Der Cond^^lus oceipitalis ist durchweg nierenförmig.
Avechselt aber wenig im Verhältniss seiner i^usdehnung in der
Sagittalrichtung und seiner Breite. Dieses Verhältniss beträgt in
den meisten Fällen ^j^, kann aber bei Goura, Pesoplmps bis auf 1
steigen, bei Didns 1 sogar überschreiten.
Der Condjius ragt über den Ventralrand des For. magnum nach
hinten vor. Dabei steigen die Ränder des Hinterhauptloches von
beiden Seiten gegen ihn an, so dass bei Tauben mit breitem Foramen
dieses oft eine Nierenform erhält.
Der Gelenkkopf selbst ist stets auf breiter Basis sitzend, selbst
bei den Riesentauben, obwohl dort eine Einschnürung des Halses
angedeutet ist.
Rostral vom Condylus liegt gelegentlich eine Fossa ante-
condyloidea, die aber keineswegs zu den regelmässigen Eigen-
\QQ R'jDOLt' Maktin,
thümlichkeiten des Taubenschädels gehört. Zumeist trifft man sie
bei gTossen Taubenformen, d. h. da. wo die Modellirimg von vorn
herein prägnanter ist. Kann sie nachgewiesen werden, so hat sie
die Form eines gleichschenkligen Dreiecks, dessen Spitze ungefähr
bis in die Glitte der Basicranialfläche vorgreift.
Es hält schwer, ihr Vorhandensein oder Fehlen genau abzu-
schätzen, da die mediane Partie der Basicranialfläche stets etwas
eingesenkt ist, dieFossa antecondyloidea also bloss als eine Steigerung
der hintern Hälfte der Depression aufzufassen ist, die selbst inner-
halb der Art eine beträchtliche Reihe von Abstufungen vorführen
kann.
Die oben erwähnte Crista supraforaminalis bildet, wie
gesagt, den Dorsalrand des Foramen magnuni, läuft dann schräg
basalwärts über die Fläche der Exoccipitalia, wo sie durch den
Gefässeindruck, der oben einlässlicher besprochen wurde, eingekerbt
wird, nachdem sie zuerst zu einem kleinen Knötchen anschwillt, und
setzt sich dann in den medialen Rand des Processus paroccipi-
talis fort, in dessen Scheitel sie endet.
Der Supraforaminalkamm ist stets wohl ausgeprägt und über-
hängt das Foramen magnuni gleichsam, indem die Seitenränder des-
selben unter ihm in die Tiefe gehen.
Da, wo an Stelle des Foramen sui)raoccipitale eine Incisur tritt.
wird die Crista supraforaminalis in zwei symmetrische Hälften
getheilt.
Die Crista s a g i 1 1 a 1 i s , der wir bereits un sere Aufmerksamkeit
geschenkt haben, bedarf keiner weitern Erläuterung. Sie variirt
etwas in ihrer Länge, indem sie bei Formen mit depressem Schädel,
also bei Carpophaginae, Goura und vielen Zuchtrassen der Haustaube,
oft äusserst kurz ist, während sie sonst eine bedeutendere Länge
erreicht; die obere Grenze ist (unter den lebenden Tauben) durch
Didunadus ^gegeben; diesem zunächst folgen die Treroninae, dann
die Feristeridae, Colmnhidae, welche dann zur untern Grenzgruppe,
den Carpophaginac, und der diesen zunächst liegenden Goura überführen.
Pczophops übertrifft selbst noch Didmicidns; die ausserordentliche
Länge der Sagittalcrista dieser Form steht mit der weiter unten zu
besprechenden, abnormen Gestaltung des Occiputs in Zusammenhang.
Didus nimmt eine Mittelstellung ein.
Die Crista 1 a m b d o i d e s , welche allen Tauben in gleicher
Weise zukommt, beginnt median in einer Tförmigen Prominenz,
deren verticaler Stamm durch die Crista sagittalis dargestellt wird.
Die vergleichende Osteologie der Colnnibiformes. 181
Die Lambdoidcrista ist in den dorsalen und medialen -.. ihres
Verlaufes wohl markirt. verliert aber im distalen \,. an Schärfe.
Ihr Verlauf kann kurz beschrieben werden als ein paariger Bogen,
nach oben convex, der medial aus der medianen Protuberanz ent-
springt, lateral an der Basis des Aussenrandes des Paroccipital-
processes ansetzt.
Der Lambdakamm ist einerseits mit der Parietalfläche des
Schädels vollkommen bündig, andrerseits fällt er sehr steil g^egen
die Supraoccipitalgruben ab.
Nachdem er die Basis des Lateralrandes des Proc. paroccipitalis
erreicht hat. biegt sein Verlan! scharf um und geht so unmittelbar
in diesen Eand übei".
Unmittelbar distal von der Mitte der Crista lambdoides liegt ihr
ventral ein Hügel an, gegen welchen sie einen Zweig abschickt;
dieser Höcker entspiicht der Lage des hintern halbcirkelförmigen
Canals^), bezeichnet etwa die Bifurcation der Lambdoidcrista selbst
und grenzt die Supraoccipitalgrube von der Hinterfläche des Hinter-
hauptflügels ab: sein medialer Abhang- überbrückt den besprochenen
Arteriensulcns.
Der Processus p a r o c c i ji i t a 1 i s (Proc. a 1 a e o c c i p i t a 1 i s
i n f. Srsi H kim's, e x o c c i p i t a 1 w i n g Pyckaft's) ist dick lamellen-
fürmig. sein Rand, insbesondei'e seine Spitze, verstärkt. Seine ("on-
figuration wechselt etwas, indem er in den meisten Fällen plump
und gerundet, selten in eine vorwärts gerichtete Spitze ausgezogen
ist [DiihDu-ulns). Zumeist ragt er direct abwärts vor oder ist nach
vorn und unten gerichtet, doch stets in einer P^bene gelegen (Goura,
CarpopJiaga ) : Didnnculns dürfte allein eine Ausnalime nmchen, indem
hier der Paroccipitalfortsatz nach vorn gekrümmt und umgelegt, der
Schädelbasis auf diese Weise eng angepasst erscheint; seine Spitze
greift dann bis auf die Höhe des hintern Randes der distalen Ge-
lenkfläche des Quadratum vor, während sich sonst ein weiter
Zwischenraum dazwischen einschaltet.
Das abweichende \'erhalten des Pioc. paroccipitalis am Schädel
von Diduncnlus ist natürlich auch zu einem Theil auf die abnorme
Gestaltung des Kiefergelenkes, somit des Quadratnm zurückzu-
führen: doch davon später.
1 ) In der Literatur gewöhnlich als vorderer aufgeführt ; wir werden
unten darauf zurückzukommen haben. Hier stösst also auch das Pro-
oticuni durch das Occiput durch.
182 Rudolf Martin,
Der mediale Rand des Fortsatzes ist die Fortsetzung des Supra-
foraminalkammes. Der laterale Rand, welcher zugleich die hintere
Umgrenzung- der Ohröffnung darstellt, verläuft erst ziemlich gerade,
biegt dann distal stark einwärts und trifft den medialen Rand unter
wenig stumpfem Winkel (nur wenig über 90"). Bei Didimctihts ist
der Verlauf ein anderei'. indem er erst eine nach vorn concave Curve
bildet, bis nahe an das Quadratum herantritt, um dann in einem
Winkel einwärts zu brechen und in einer schlanken Spitze mit dem
medialen Rande zusammenzutreffen; die Ohröffnung, die sonst nach
unten weit offen ist, wird so fast allseitig knöchern umgrenzt; die
Lücke, die ausgespart ist. wird hier — wie überall, doch in ge-
ringerer Ausdehnung — von starken Sehnenfasern überbrückt.
Das Basioccipitale liegt am Schädel des Adulten mit dem
Basisp henöides in f. in einer Flucht; selten ist es winklig von
ihm abgeknickt; die in diesem Falle gebildete Kante entsi)richt der
Verbindungslinie zwischen den beiden untersten, resp. medialsten
Punkten der Unterränder der beiderseitigen F o s s a e t y m p a n i c a e.
In Wirklichkeit, d. h. in der Tiefe, stösst das Basioccipitale jedoch
bedeutend weiter rostral vor; es reicht bis an die Basis des Rückens
des Türkensattels. Das Basisphenoid überdeckt also seinen Vorder-
rand dachziegelartig.
Zwischen Basioccipitale und Ohröffnung keilt sich stets das
Exoccipitale, welches unterdessen die otischen Knochen aufge-
nommen hat, ein und drängt so jenes von der Umgrenzung der Ohr-
öffnung ab. Die Grenze zwischen Basi- und Exoccipitale wird
durch eine gerundete wallartige Erhebung angezeigt, über die in
der Regel eine Kette von Rauhigkeiten aus der Fossa autecondyloidea
zum Unterrande der Fossa tympanica schräg hinweg zieht.
Dass also das Occiput nicht ausschliesslich durch occipitale
Elemente aufgebaut wird, wie schon zu Beginn behauptet wurde, dürfte
nun ersichtlich sein. Zwischen Exoccipitale, Squamosum und Supra-
occipitale schiebt sich das mit dem Exoccipitale verschmolzene
Pro+Opisthoticum^) einerseits, das zum Anhängsel des
Supraoccipitale gewordene kleine Epoticum andrerseits ein; wir
werden weiter unten noch einmal auf diese Knochen zurückzukommen
haben. Ich weise gleich hier darauf hin. dass der der Lambdoidcrista
anliegende Höcker dem Prooticum angehöit (nicht Epoticum, wie
1) Wobei das OjDistboticum kaum auf die Schädelaussenfläche tritt.
Die vergleichende Osteologie der Cohimbiformes. 183
Sklenka ^) gelegen tlicli annimmt). Das Epoticum hat bei ausge-
wachsenen Thieien einen äusserst geringen Antheil an der IMldung
der Schädeloberfläche.
So können wir das Occiput als ein Mosaik von 3 pnarigei*! und
2 unpaarigen Knochenelementen auffassen, das durch folgenden
Umi'iss begrenzt wird:
D 0 r s a 1 : (' r 1 s t a 1 a ni b d o i d e s.
Lateral: distaler ^L der C r i s t a 1 a m b d o i d e s . :\1 a r g ( i
1 a t. Proc. paroccipitalis.
Ventral: Durch die Verbindunglinie der beiden einander am
nächsten liegenden Punkte der ventralen Rändei-
der beiderseitigen Fossae tympanicae.
Ks sei noch einer al)eiranten und einzig dastehenden Occiput-
bildung gedacht, nämlich der von Vrzoplinps. Durch den etwas weit
geholten, aber bezeichnenden Ausdruck, die Occii)italregion dieser
Taube sei ..bovin", ist eigentlich Alles gesagt, nämlich, dass sie steil
gestellt, flach und auf Kosten der Parietalzone erlndit ist. Zum
Ueberfluss entsteht dann noch die bekannte reichliche Spongiosa-
entwicklung. welche einen starken queren Wulst hervorwölbt und
so die Schädeloberfläche scharf vom Occiput abknickt.
Ganz allgemein kann gesagt werden, dass die Form des Occi])uts
mit der ganzen Schädelform in nahen Zusammenhang zu bringen ist.
Tauben mit kurzem, aber hohem Schädel [Feristeridae, Trenrnhiae
und einige Columhidac sowie IHdtincuhis) sind durch ein höheres und
steileres Occiput ausgezeichnet als Tauben mit lang gezogenem, de-
liressem Schädel, wie z. B. C<trpoplmfiinne. (i<»ira etc.
b) Os temporale.
(Textfig. A.)
in erster Linie bedarf es einer Deflnition dieses Knochen-
coniplexes und einer Rechtfertigung dieser Bezeichnung.
Futer ,.0s temporale" des Vogels verstehe ich. was
ni a n a m S ä u g e t h i e r s c h ä d e 1 tl a r u n t e r versteht, also
die K nochen m a sse. welche durch die in der .lugend
selbständigen E 1 c m e n t e d e s P i' o o t i c u m , 0 p i s t h o t i c u m .
Epoticum und Squamosum aufgebaut ist.
1) Sklknka, in: Bkonx, Class. Ordii., Vögel.
Zool. Jaluli. XX. .-Vlitli. t. Syst. 13
184 RrnoLF Martin.
Zur Ei'läuteinii<4- seien gleich liiei- die Synouyiiia dieser Elemente
beig-efügt :
a) Prootieinn Hi xley's ^^ Roch er (Petrosum) Cl^vikk's.
ß) Opistliotic um .. — Mastoideum Selkxka's.
y) Epoticum ,. — Mastoid Parker's.
Man sieht leicht, dass wenn zu diesen Stücken noch das Schuppen-
bein zugefügt wird, wir ein typisches Os temporale erhalten.
Dieser Bezeichnung gegenüber könnte einzig geltend gemacht
werden, dass z. B. Epoticnm und Opisthoticum früher mit
Knochen benachbarter Regionen verschmelzen als unter sich (mit
den Occipitalien) und deshalb eher eine Zugehörigkeit zu jenen be-
ansi)ruchen , wählend das S c h u j) p e n b e i n frühe innig mit dem
Parietale in Beziehung tritt, immerhin erst nachdem es mit dem
Prooticum verwachsen ist. Unterzieht man aber das Gehörorgan
einer Betrachtung, so fallt dieser Einwand von selbst dahin, denn
durch die verhältnissmässig mächtige Entwicklung der halbcirkel-
förmigen ('anale werden die sie beherbergenden Knochenstücke nach
hinten gezerrt, und eine Verschmelzung kommt eben am ehesten
mit den den Ossificationspunkten zunächst gelegenen Elementen zu
Stande, im vorliegenden Falle mit den Occipitalien.
Die eigentlichen 0 s s a p e r i o t i c a liegen zum grössten Theil
in der Tiefe des Schädels und treten nur in der hintern untern
Ecke der Orbita und im Occiput zu Tage. Beim Jungen sind sie
getrennt, doch liegt mir kein genügend jugendliches Stadium vor.
an dem ich noch die genaue Grenze zwischen Pro- und Opistho-
ticum verfolgen könnte (bloss noch Andeutung derselben), vielmehr
bilden diese eine einheitliche, unter sich und je mit dem Squamo-
sum und dem Exoccipitale verschmolzene Masse.
Das Epoticum ist weit abgedrängt und klebt als spindel-
förmiges Anhängsel an der Innenseite des Lateralrandes des S u p r a -
occipitale. Es bildet den medialsten Theil des sog. „hintern
Bogenganges'", eine Bezeichnung, welche mir etwas unpassend er-
scheint, da sie der Lage des betreftenden Canals nicht genau ent-
spricht und deshalb zu Missverständnissen führen kann. Ich würde
ihn am ehesten als dorsalen Bogengang, den sog. „vordem" als
caudalen und endlich den ..äussern" als lateralen bezeichnen; man
könnte so einer zweideutigen Nomenclatur aus dem Wege gehen.
Die Rolle, welche das Ei)0ticum im Schädel des erwachsenen
Thieres spielt, wurde bereits oben (s. Occipitalregion) charakterisirt.
Die vergleichende Osteologie der ("olnnibiformes. 18ö
Die Masse von Pro -f- Opi sthot icum wird in ihrem untern
medialen Theile dnrcdi dieses, in ilirer grüssern rostralen. dorsalen
und lateralen Partie durch jenes g-ebildet. Am A'nrlieg-enden Nestlings-
schädel ist die Grenze zwischen beitlen durch eine tiefere vordere
und eine kürzere hintere Incisnr angedentet.
Die Einheit von Pro -|- Opisthoticum wird vorn durcii das
l''oramen ovale begrenzt (siehe auch Selenka, in: Broxx's Class-
I »rdn. etc.); von da folgt die Grenze der grössten Tiefe der Opticus-
grube, convergirt also nach hinten mit dem Tentorialka mm.
Oft entsteht bei alten Thieren im hintern Theile der Grube zwischen
Prooticum und Tentorialkamm eine enge Spalte. Der weitere Ver-
lauf der Grenzlinie begleitet den Umriss des dorsalen (..hintern'' )
Bogenganges, zieht gegen den äussersten Punkt des Lateralrandes
des Für amen magnum. doch ohne ihn zu erreichen, streicht zum
Foramen des Vagus und von dort zur Basis des Dorsum
sellae turcicae und endlich diesem entlang wieder zum For.
ovale.
Da , W( I der Contur der P e r i o t i c a den Tentorialkamm
>chneidet. entspringt eine scharfe abwärts und vorwärts verlaufende,
gegen das Dorsum sellae turcicae sich verlierende Kante, welche
die dorsale Fläche der Knochenmasse von der medialen trennt; jene
bildet den Boden der Grube für den Lohns opticus, diese, durch
einen horizontalen Wall in einen obern. dem Prooticum. und
einen untern, dem Opisthoticum angehörenden Theil geschieden,
weist nahe dem obern Rande 2 grössere Gruben auf. Die hintere
derselben, die bedeutend tiefere, wird vom medialen Bogengänge
umzogen und stellt die Flocculus grübe dar; die vordere ist
tlacher, dreieckig, beherbergt 3 Foramina und ist als Ausmündung
des Meatus internus aufzufassen. Das grösste der 3 Foramina,
das in der Regel vorn oben gelegen ist, nimmt den Haupttheil des
Nerv, acusticus-l- facialis auf, das untere vordere den X.
Cochleae und das hintere untere die Nerven zum Vestibül um.
Das Opisthoticum allein ist relativ klein und depress. Es
l)ildet den untern Theil des caudalen Bogenganges; seine Grenze
gegen das Occipitale laterale wird stets durch den Austritt
des Nerv, vagus gekennzeichnet.
Das Prooticum beträgt ca. 'V.^— -/:; der gesammten Masse der
Periotica; von den übrig bleibenden /- 5 resp. V:j dürfte das Opisth-
oticum wiederum ca. -/g ausmachen, so dass für das Epoticum —
wie schon gesagt — ein minimaler Rest übrig bleibt.
13*
18(3 IJrDOi.F Mauti.v.
Den auffälligstini Tlieil des Temporale bildet das S qua mos um.
das einen nicht unbedeutenden Brufhtheil der Schädeloberfläclie aus-
macht.
Ks ist von annähernd i'echtAvinkliji--dreieckigei' (restalt. wobei
der rechte ^^'inkel vorn unten zu liegen kommt. Sein rostraler Rand
stösst dorsal erst mit dem intraorbitalen Frontale (siehe
Frontale) zusannnen und bildet mit diesem zusammen einen Tlieil
des hintern obern Orbitarandes. Die dorsale Spitze, welche sich
zwischen das i n t r a - un d e x t r a o r 1 > i t a 1 e Frontale eindrängt,
ist dui'ch eine kleine Prominenz am Augenhöhlenrande markirt.
Beim erwachsenen BUhmculns und bei Treromnae ist der \^orderran(l
des Squamosum stark aufgebogen und springt lamellen- oder kamm-
artig seitlich vor.
Das Siiuamosum wird also zunächst dui'ch einen Zwickel des
Frontale vom Alis})henoid getrennt: mit diesem kommt es
erst wenig oberhalb des Processus postorbit alis in Berührung:
die Naht streicht dann gegen die äussere Gelenkgrube für das
Quadrat um und findet am Rande der Fossa t ympan ica ihr
Ende.
Die Länge der Sutur zwischen intraorbitalem Frontale und
Squamosum "wird also einerseits durch die oben erwähnte Prominenz,
andrerseits durch die Basis des Processus postorbitalis bezeichnet:
die Naht folgt ohne Ausnahme dem Orbitalrande.
Der ventrale Rand des Squamosum umgrenzt mit seinem rostralen
^;., die Fossa tympanica dorsal und deckt die Gelenkgrube für den
äussern Kopf des Quadratum nach aussen ein. Die caudalen -(.
treten mit dem Prooticum, das hier an die Schädeloberfläclie tritt,
in einer Sutur zusammen; die Sutur wird durch den lateralen V.i
der Lambdoidcrist a markirt.
Die Verwachsung von Squamosum und Prooticum erstreckt
sich jedoch nicht nui' über die caudalen % des Yentralrandes des
erstem, sondern umfasst die ganze Innenseite dieses Randes; die
dorsale laterale Zone des Prooticums wird also vom Scjuamosum
dachziegelartig eingedeckt.
Der Hinterrand endlich überlagert: 1. mit seinem dorsalen ^'..
den hintei'sten Abschnitt des lateralen Randes des extraorbitalen
Frontale und 2. mit den ventralen - .j den ganzen lateralen Rand
des Parieta ] e. das durch das Schuppenbein vom Orbitalrande
gänzlich abgedrängt wird.
]\I(>glicher Weise stösst beim erwachsenen Thier die hintere
Die vergleichende Osteolog-ie der (nlunibitVirmesi. 187
Ecke des Squamosimi an das Supraoccipitale: sicher constatiren
konnte ich aber ein solches Verhalten nicht.
Der Processus postorbitalis fehlt nie. obwohl er in der
Regel keine ausnehmende »Stärke erreiclit. Didunciilus. Ijidiis und
Fezopliaps machen eine Ausnahme. Der Fortsatz ist ziemlich steil
abwärts gerichtet (ca. unter HO " zur Schädelbasis, doch kann der
Winkel geleg-entlich auch abnehmen).
In den meisten Fällen endet der Proc. postorbitalis frei: nui-
bei Dichtnc/ilits und hnclist ausnahmsweise auch bei andern Formen
spannt sich eine Knocheubrücke zwischen seinem distalen Ende und
dem P r o c e s s u s z y g o m a t i c n s {Sfaruoeiats. Lepfopfila). Wenn eine
solche Brücke vorgefunden wird, die Fossa temporalis also zu
einem Foramen geschlossen wird, so coincidirt dies immer mit Formen,
welche durcli enge Schläfengrube ausgezeichnet sind.
Der Processus z 5' g o m a t i c u s s q u a m 0 s i fehlt den meisten
Tauben. Ei- ist sehr stark bei Didunailus, schwächer bei Dkhi.'^ und
Fesophaps, schwach bei LepfoptiJa, Stamoenas, Geophaps (fig. 5, tab. 5
in Stkickland u. Melville); angedeutet ist er bei Goura; sonst
fehlt er gänzlich. Uebrigens unterliegt • sein Erscheinen und Ver-
schwinden bei den Perisferidae einer beträchtlichen Variation: er
erlangt aber nie eine morphologische Bedeutung.
Bei Didiinadns ist er seitlich comprimirt. sein Unterrand bildet
die Verlängerung des Ventralrandes des Squamosura nach vorn, sein
(»berrand läuft fast horizontal und verliert sich nach hinten all-
niählicli in der Aussenfläche des Schuppenbeines, die Fossa tempo-
ralis ventral begrenzend; die Verbindung mit dem Proc. postorbitalis
wird erst im Alter, dann aber regelmässig, hergestellt.
Die Gestalt des Fortsatzes bei den übrigen damit versehenen
Formen schliesst sich unmittell)ar an die. welche für Didunculus be-
schrieben wurde, an, natürlicli entsprechend dem betretf'enden Stärke-
grade nioditicirt.
Als von grosser Wichtigkeit erweist sich die Fossa tempo-
ralis. welche jeweilen für die Familie charakteristisch ist. Sie
wird nacli oben und vorn durch den Proc. postorbitalis, nach unten
durcli die durch den Quadratumkopf verursachte Ausbuchtung, resp.
den Oberrand des Proc. zygomaticus, im Uebrigeu durch die
Muskellinie des Musculus temporalis umgrenzt (Textfig. B — F).
Bei sämmtlichen Peristeridae, bei welchen der Proc. postorbitalis
äusserst nahe an das (^uadratum gerückt ist. ist die Grube sehr eng.
und der Muse, temporalis greift nicht oder nur selir wenig auf die
188 RuDüi.i' Mahtin.
Aussenfläche des Schuppenbeiiies über: zunächst an die Peristeriden
scliliessen sich die PfiJopodimic an.
Kine weitere Stufe wird durch die Colnmhidae eing-enommen.
Hier erscheint die Grube erweitert, und der Unterrand des Proc.
postorbitalis wird durch eine Ivreisförniig-e Muskellinie, welche un-
gefähr die Mitte der Grube als (Zentrum hat. mit der Anschwellung-
über dem Quadratumkopt verbunden. Der Schläfenmuskel greift
also merklich auf die Aussentläche des Schädels über. Hier g-Iiedert
sich aucli Calooias an.
Eine dritte Stufe endlich stellen die Carpophmjiuae und Tnro-
niiiac dar. bei welchen die Schläfengrube äusserst stark erweitert,
die Muskellinie Aveit nach hinten ausgreifend ist.
-^
Fig. E. Fig. F.
Musculus t e m !> 0 r a 1 i s. 1:1.
Fig. B. Fhaps lipliotefs. Fig. ('. Cohimha livia. Fig. D. Gonra roronafa.'^)
Fig. E. Trerou rcrnaus. Fig. F. Cnrpophaga ruhricera.
Es ist wohl möglich, dass die beiden Gruppen ihrerseits wieder
aus einauder zu halten sind ; jedenfalls glaube ich nicht an sehr nahe!
Beziehung-en zwischen Carpopliaginae imd Treroninae; doch davon später!^
Bei Treroninae folgt die Muskellinie erst dem Dorsalrande der
Fossa tympanica. dann den lateralen -/-, der Lambdoidcrista, biegt
scharf nach vorn um und erreicht in einem Bogen von oben her die
Basis des Proc. postorbitalis; die ganze umgrenzte Fläche ist ein-
gesenkt. Der M. temporalis erhält auf diese Weise eine aussei--
ordentlich grosse, nach hinten ausgreifende Ansatzfläche.
Gonra dürfte sich am ehesten den Carpophaginae anschliessen
lassen, die bedeutend von deii Treroninae abweichen können; Avir
begegnen einer Stufenleiter, welche von einer treroninen Fossa
temporalis (z. P). (^arpophaqa nihr/rera) zu Verhältnissen führt, wie sie
im Folgenden kurz skizzirt weixlen sollen.
1) Der Muskel ist hei (laitni auf Grund des Verlaufes der iMuskel-
linie recoustruirt.
Die vergleichende Osteologie der rolunilnt'urmes. \Q\)
Bei diesen Kndformen (z. B. Corp. oceanira) ist die Aiisatzflächt:'
des M. temporalis gegenüber Ircron eingeschränkt, gegenüber Colitmha
erweitert. Die Muskellinie beg-innt am Rande der Fossa tympanica
an der Stelle, an welcher die Lambdoidcrista auf ihn ausläuft. Sie
hat die Form einer Kreislinie, ähnlich wie bei Columba. doch mit
grösserm Radius gezogen, und ti-iift dorsal die Basis des Vorder-
randes des P(»storbitalfortsatzes.
Diduncidus besitzt eine gegen Erwartung kleine Schläfengrube
und eine wenig auf die Schädeloberfläche übergreifende ]\[uskellinie;
auch hier bildet diese einen Kreisbogen, der den Unter rand des
Postorbitalfortsatzes mit dem nahe gelegenen Oberrand des Proc.
zygoraaticus verbindet.
Didns mit dem sehr starken Schnabel zeigt am ehesten Ver-
hältnisse, wie wir sie bei Treroninae angetroffen haben, nur dass die
Grube stärker dorsal als caudal ausgreift und etwas tiefer ist. Bei
Fezophapft hat die Vergrösserung der Teniporalgrube ihr Maximum
erreicht, wie ein Blick auf fig. 149. tab. 12 in Xkwtox's Osteology
of the Solitaire etc. uns lehrt. Kinige Textfiguren sollen das Ge-
sagte veranschaulichen.
Es wurde bereits hervorgehoben, dass die vordere untere Ecke
des Squamosum die äussere Gelenkfläche für das Quadratum über-
deckt und dass diese Stelle etwas aufgetrieben sei; man hat sie
deshalb als Prominentia sciuamosi bezeichnet. Bei den Tauben
ist diese stets unbedeutend, kann auch ganz fehlen {Carpoplxiiininr.
Didnncnlns etc.).
Mehr Bedeutung erlangt bei Didunculus ein hinter der Stelle,
wo sonst die Prominentia squamosi zu liegen pflegt, abwärts ge-
richteter kleiner Fortsatz, der, seitlich comprimirt, vom Rande in
die Fossa tympanica vorsteht, von grosser Constanz ist und selbst
dem vorliegenden Jungen nicht abgeht.
Unmittelbar rostral und medial von diesem Fortsatz liegt eine
Oetthung: die Ausmündung des im Squamosum und zwischen ihm
und dem Prootictim gelegenen Recessns tympanicus superior.
Dieses Foramen bestimmt die Grenze von Squamosum und Perioticum
s. Petrosum und trennt zugleich die beiden Gelenkflächen für das
Quadratum.') A\'ir w^erden später noch von einem weitern Re-
cessns tymj»anicus zu sprechen haben.
1 ) Die mediale Gelenkfläche dieses Knochens liegt luimittelbar
medial von dem Foramen , ist kleiner als die äussere und gehih't voll-
kommen dem Prooticum an, wäre also dort aufzuführen gewesen.
190 RiDOLF Martin.
Am Schädel der erwachsenen Taube sind die Grenzen des
Schläfenbeins g-e<i'eniiber den andern Knochen vollständig verwischt;
wir haben al)er gesehen, dass das Verhalten dieses Knochenconiplexes
dem des Tem)) orale von Säugethieren entspricht und somit diese
Bezeichnung auch bei Vögeln vollständig gerechtfertigt ist.
c) Schädelbasis.
(Taf. 11. Fig. 3 u. 4: Textiig. R.)
Unter den Knochen der Schädelbasis verstehe ich die zwei Zonen
derSphenoide mit iliren entsprechenden Anhängen, dem Ali-
und 0 r b i 1 0 s p h e n 0 i d.
Die Nomenclatur ist in der Literatur eine etwas unsichere, und
namentlich haben sich in neuerer Zeit einige inconsequente Bezeich-
nungen eingeschlichen, die am besten wieder ausgemerzt werden.
So ist z. B. Basi temporale Parker's, basi temporal plate
Pycraft's u. a. m. kaum zulässig, besonders wenn man darunter
auch noch Basioccipitale \) versteht, wie aus folgendem Citat
Pycraft's hervorgeht: ,.. . . In the remaining members of this
group it (the basitemporal plate) is a thin triangulär plate with a
slightly concave ventral surface. Posteriously it is bounded by a
more or less well-marked precondylar fossa."
Das, was als Basitemporale bezeichnet wird, ist ein Deck-
knochen, der sich ventral an das Basisp henoid anlegt und des-
halb am ehesten zu diesem in Beziehung gebracht, sein Name
an den jenes Knochens angeschlossen wird, wie dies bereits von
Selenka gethan worden ist, indem dieser Forscher von einem Basi-
sphenoides inferior spricht. Auch Huxley hat mit seiner Be-
zeichnung P a r a s p h e n 0 i d eine weit glücklichere A\'ahl getroffen
als seine englischen Schüler.
Ich halte Selenka's Nomenclatur der Sphenoide. obwohl sie den
Vorwurf der Umständlichkeit nicht zurückweisen kann, für die con-
sequenteste und behalte sie deshalb auch hier bei. Einige Aus-
nahmen muss man mir aber gestatten.
Das Basisp henoid e um superius ist nur im Längsschnitt
durch den Nestlingsschädel zu erkennen. Es ist ein im Sagittal-
schnitt sich nach vorn zu verjüngender kurzer Keil, der sich hinten
1) AVenigstens theilweise.
Die yergleichemle Osteologie der ('ohuiiliiformes. 191
ventral über den \'orderran(l des Basioccipitale schiebt. Nahe seinem
Hinterende erhebt sich von seiner Dursaltläche das etwas nach vorn
geneigte Dorsum sellae turcicae, welches in der Jugend eine
bloss membranös überbrückte, mediane, breite Aussparung zeigt:
lateral von dieser Scharte sind die Ränder vorwärts gebogen. Die
Alisphenoide verwachsen später mit den Lateralrändern dieser
Lamelle, sowie mit der obern Zone des hintern Theils des Basi-
sphenoidkörpers. Somit bildet das Basisphenoideum su]). die Sella
turcica mit Ausnahme ihrer vordem Wand.
Tm Alter gehen die Grenzen des obern Basisphenoids verloren
lund zwar vollständig): die Durchlüftung, welche bereits in der
Jugend bis zu einem gewissen Grade vorhanden war, hat stark zu-
genommen und ist in die benachbarten Schädelpartien vorgedrungen;
sie ist als Ausläufer eines weiten Hohlraumes, des Recessus
tympanicus anterior, zu betrachten, der zwischen Basi-
sphenoideum in f. und sup. gelegen ist. Diese Höhlen dringen
bis zur Spitze des Rostrum sphenoidale (siehe unten) vor.
Der eigentliche Recess wird von den Knochenröhren der Caro-
tiden. welche nach Selenka aus dem Opisthoticum herausgebildet
werden, durchsetzt. Der Verlauf dieser ( "anale ist fast gerade, be-
ginnt an der Schädelbasis unmittelbar medial vom Scheitel der Par-
occipitalfortsätze und endet in der Tiefe der grubenförmigen Sella
turcica.
Der Recessus tympanicus anterior communicirt mit der Pauken-
höhle und also auch durch die Tuba Eustachii mit der Rachen-
höhle. Er steht ebenfalls mit den Hohlräumen des Basioc cipitale
in Verbindung.
So sehen wir. dass die ganze periotische Region oben, vorn und
unten von Höhlen umgeben ist; diese lassen sich in zwei Complexe.
den Recessus tympanicus sup. und ant.. scheiden.
Das P r a e s p h e n o i d e u m oder ( ) s h e 1 o i d e s Siolexka's ') legt
sich vorn auf das obere Basisphenoid. Ks ist ebenfalls ein nach
vorn gerichteter kleiner Keil, doch schlanker als der \'orhin be-
sprochene.
Die Basis begrenzt den Tüi'kensattel nach vorn, und die Spitze
verschwindet im Rostrum sphenoidale. Die Ausläufer des
Rec. tymp. ant. durchziehen diesen Knochen schon frühe, der den
V) Teil wähle der Consequenz wegen die erste Bezeichnung.
192 RiDoLi' Maktin.
gTössten Theil des Ventralrandes des F o r a m e n 1 a c e r u ni a n -
t e r i u s resp. des 0 p t i c n s f o r a m e n bildet.
Lateral gehen die Orbitosplienoide vom Präsplienoid ab.
Das Basisp henoideum inferius deckt das Basi-
s p li e n 0 i d e ii m s u p. und den Hinterrand des R o s t r ii m s p li e n o i -
dale von unten ein; nach hinten wächst es ventral über den
Vorderrand des Occipitale in f.. bildet lateral den untern und
untern-vordern Eand derFossa tympanica. Es verknöchert erst
ziemlich spät, namentlich sind seine Umrisse noch lange zu erkennen.
Seinem Charakter nach ist es ein eigentlicher Deckknochen.
Es ist von gleichschenklig dreieckiger Gestalt, mit breiter nach
hinten gerichteter Basis. Seine Spitze überdacht von unten die
unpaarig-e Ausmündung der Tuba Eustachii, und seine gleichen Seiten
schliessen diese zu vollständigen Knochenröhren, während seine
hintern Ecken den Paroccipitalfortsätzen anliegen.
Die Knochenplatte des untern Basisphenoids bleibt Zeit Lebens
papierdünn, wird aber von feinen Balken, welche den durch das
Basisi)henoideum inf. nach unten abgeschlossenen Eecessus tymp. ant.
durchsetzen, gestützt.
Die vordere Ecke ist stets in eine feine Spitze ausgezogen,
welche ziemlich stark über die Apertur der Eustachische n
T r 0 m p e t e vorragt.
Der Verlauf dieser geht der Naht zwischen Basisphenoideum inf
und Rostrum sphen. parallel und ist beim erwachsenen Thier stets
von aussen zu erkennen.
Die Grenze des untern Basisphenoids gegen die Occipitalregion
ist durch einen meist kräftigen Höcker, den Mammill ar fort satz
(ob mit Recht?), gegeben.
Die mediane Zone des Knochens ist concav. doch wechselt die
Foi'm der Grube ausserordentlich, wie denn überhaupt die IModel-
lirung des in Frage stehenden Schädelelements grossen Schwan-
kungen unterworfen ist. Man könnte wohl für jede Art eine Reihe
finden, welche mit Formen mit eingefallenen Basisphenoideum inf be-
ginnt und mit solchen mit stark aufgebauschtem endet; oder die
mediane Depression bildet bloss eine schmale Rinne oder eine breite,
rautenförmige Grube. Kurz: so viele Individuen wir untersuchen,
so viele Modificationen begegnen uns im Relief dieser Knochenjylatte.
Dass natürlich das Basi- und Ex occipitale auch in JMitleiden-
schaft gezogen werden, ist selbstverständlich, beruht doch der ganze
Die vergleiclieiule Osteulogie der Columbifornies. Ji)))
Vorgang auf einer grossem odei' geringern Pneuniacität der Schädel-
basis; der Umriss der ganzen Hasicra n i a 1 fl ä clie bleibt aber
starr.
Das Eostruni sphenoidale oder J'arasphen oida 1 -
rosiruni legt sirli mit seiner breiten Grnndlinie auf die ventrale
Fläche des Yorderrandes des obern Basisidienoids und drängt sich
zwischen dieses und das untere ßasisphenoid ein.
Es bildet so das Dach und die Voi'derwand der medialen Hälfte
der Tuba Eustachii. ül)er deren Ausmüntlung in die Rachenhöhle eine
lange, dreieckige, nach vorn auslaufende Grube vorgefunden wird,
welche oft durch einen medianen Wall in zwei symmetrische Hälften
getheilt wird.
Tiateral von dieser Einsenkung wurzeln die bald stiirkeiii. l)a]d
schwachem Ba si pt erygoi dfortsätz e. Sie sind stark l)ei
Didunrnlm, C<(rpop}ia[/a, Treron und SfaDiocnas; die Colionhülitc A'cr-
halten sich wechselnd, besitzen den Fortsatz aber immer, obwohl
oft nur in schwacher Ausbildung; bei Peristendac, mit Ausnahme
von Sfarnoenas, ist er durchweg sclnvach," ebenfalls bei Goiira. Bei
Pezophaps; ist er gelegentlich da, fehlt aber öfter: bei Didns: wurde
er an den ^■orhandenen Schädeln nicht vorgefunden.
Es geht aus dieser Variabilität hervor, dass bei der \ erwendung
dieses Fortsatzes als systematisches Merkmal höchste Vorsicht ge-
boten ist.
Die Seitenränder des Rostrum beginnen bereits postaxial vom
Basis]>henoidfortsatz sich aufzubiegen und so — das Präsphenoid
unten umfassend — sich zum eigentlichen kegelförmigen Eostrum
zu schliessen. welches den vordem Theil der Orbitosphenoide
stützt und sich seinerseits an den Ventralrand der verticalen Platte
des E t h m 0 i d s anlegt.
Seine Spitze überragt den Vorderrand dieses Knochens in der
Regel l)ald mehr, bald weniger, erreicht bei den einen die Verbin-
dungslinie der beiden hintern Enden der M a x i 1 1 o p a 1 a t i n a oder
überschreitet sie rostral. je nachdem der Schädel gestreckt oder
kurz ist. So greift das Sphenoidalrosti-um stets weit nach vorn bei
Carpophuf/a und Goura; es bleibt zurück bei den Trcroninac, noch
mehr bei IHdunndus: die übrigen Tauben i eilien sich zwischen diese
beiden Endformen. Pezophaps steht Carpophaffa am nächsten; Didxs
vermuthlich auch, doch ist am vollständigsteu Schädel die Spitze
weggebroclien. so dass ein sicheres Urtheil ausgeschlossen bleil>t.
Die PJifthinar iielien mit den Carpophaf/niac einig; die übrigen
194 Krixii.F !\Iaktin,
Peristendae bleiben etwas zurück. Die ('olnmhidae nähern sich den
Treronwac noch mehr, und diesen zunächst steht ^lacropygia. während
Ecfopifffcs das andere Extrem innerhalb der Familie bildet.
Das A 1 i s p h e n ü i d erscheint als Anhängsel des Basisphenoideum
sui». Es bildet die ganze Hinterwand der Orbita, ohne jedoch
bis auf dei-en Eand hinaus zu reichen, da sich zwischen diesen und
seinen Ijateralrand das intraorbitale Frontale eindrängt. Die
Grenze zwischen diesen beiden Knochen ist Zeit Lebens durch eine
schwache Rinne angedeutet, welche gegen das Olfactorius-
f 0 r a m e n — die äussere Ausmiin düng des 0 a n a 1 i s o 1 f a c t o r i u s
— verläuft.
Mit dem Squamosuni trifft das Alisphenoid im Postorbi-
talfortsatz zusammen, den es an seiner Basis aufbauen hilft.
Von hier wendet sich sein Aussenrand scharf einwärts, berührt das
Foramen ovale, das zwischen ihm und dem Pro oti cum gelegen
ist, stösst mit dem Sphenoidalrostrum, d. h. mit dessen caudaler
Platte, in einer Naht zusammen und gelangt endlich an die untere
äussere Ecke des Foramen lacerum anterius.
Der mediale resp. vordere Rand ist. entsprechend der Yer-
knöcherung, sehr variabel.
Diese vollzieht sich erst s})ät und nur bis zu einem gewissen
Grade. Vollständig verknöchert wird das Alisphenoid bei I)idu)iculns
(aber auch hier nur beim erwachsenen, beim -hingen nur unvoll-
ständig; vgl. Abbildungen), Didus, Pemphaps und oft auch bei Gourd
angetroffen. Bei allen übrigen Tauben ist es dorsal unvollständig
und wird bloss durch eine zähe ^Membran ersetzt, was zur Folge
hat, dass hinter dem Austritt des N. olfactorius in die Orbita eine
oft sehr weite Fontanelle persistirt.
Aehnliches gilt bezüglich der untern medialen Ecke, welche
auch nur bei Diduncuhis, Didus und Pesophaps im Alter vollständig
ossiticirt, bei den beiden Riesentauben sogar durch einen Wulst
verdickt ist. In diesen Fällen bildet diese Partie des Alisphenoids
die laterale und dorsale Umgrenzung des For. opticum, von dem
die übrigen Nervenlöcher abgespalten sind, während sie sonst mit
ihm zu einem For amen lacerum anterius zusammenfliessen.
Noch später') ossiticirt das Orbitosphenoid, ein ursprünglich
paariger, aber secundär zu einer medianen Platte verschmolzener
1) Das Orbitosphenoid ist der am spätesten ossificirende Knochen des
Schädels.
Die vergleichende Osteologie der ('(dinubiforiiies. 195
Kiinclieii. Es wird vom Präsphenoid gestützt, erhält desliall) von
Selekka die Bezeichnung- A 1 i h e 1 o i d e s.
Mit dem ventralen Abschnitt seines caudalen Randes begrenzt
es das For. opticum resp. lacerum ant. nach vorn, mit dem
dorsalen Abschnitt verwächst es mit dem Alisplienoid. hilft
dann die erwähnte Fontanelle, bei Dkhinodns, Didus und Vczopliapft
den Austritt des N. olfactorius nach unten begrenzen. Das
caudale '/.. seines Dorsalrandes ist in der Mehrzahl der Fälle frei
und stellt die sog-. Crista g-alli dar: bei den drei besonders auf-
g-efülirten. specialisirten Formen verwächst er aber in seiner ganzen
A u s d e h n u n g- mit dem 1*' r o n t a 1 e . was bei den übrig-en Tauben
nur auf dei' IStrecke der rosti'alen ■-'.; geschieht. Der '\'oi'derrand
endlich verschmilzt, wie überall, vollständig mit dem Hinterm nd des
Mesethm oid s.
Beim erwachsenen Tliier. auch bei Bidunculns, Didus und Fe.to-
l}haps'. ist der Dorsalrand des (»rbitosphenoids durch den Sulcus
olf a et ori us mai-kirt
Die Reilienfolge der Verschmelzungsprocesse des besprochenen
Knochens ist immer die folgende: Mesethm oid, Präsphenoid.
R 0 s t r u m s p h e n o i d a 1 e . A 1 i s p h e n o i d.
Auch innerhalb des Orbitosphenoids können grosse Fontanellen
auftreten, die mit dem For. lacerum ant. zusammenfiiessen.
d) Os ethmoideum.
(Textüg. Q u. R: ^Paf. 11. Fig. 1 u. 2.)
\\'ie überall lässt sich auch hier eine verticale und eine liDri-
zontale Platte unterscheiden; jene bildet den vordersten Rand des
Augenhöhlenseptum und den obern hintern "J'heil der Nasenscheide-
wand. Die horizontale Lamelle dient dem rostralen Rande des
Frontale, den Procc. frontales nasalis et praemaxillae
zur (Trundlage.
\m jugendlichen Schädel «tjind die Verhältnisse die denkbar ein-
fachsten : nichts als die beiden senkrecht zu einander stehenden
Platten. Allerdings erhebt sich schon hier eine leichte Crista.
welche die verticale Lamelle ziemlich genau in eine vordere und
eine hiutere Hälfte tlieilt (die hintere ist in der Regel etwas
schmäler, aber höher). Dorsal nimmt dieser Kamm an ILilie zu und
stützt streberartig- gegen den hoi-izontalen Theil.
]^9ß Rudolf Maktin,
Es fehlt also dem jungen Ethmoid tliatsächlicli nichts, was dem
alten zukommt, obwohl die Anhänge sich erst in der Entwicklung
befinden.
Zunächst was die Grenzen des Ethmoids betrifft! Der Hinter-
rand der verticalen Platte ist in der frühesten Jugend frei, steht
fast senkrecht (nur wenig nach vorn geneigt) und verwächst schon
ziemlich bald, d. h. wenn die Ossification des Orbitosphenoids
bis zu einem gewissen Grade gediehen ist, mit dessen Rostralrand.
Bevor das Thier ausgewachsen ist, lässt sich keine Spur einer Sutur
mehr nachweisen.
Der Ventralrand steht auf dem Rostrum sphenoidale auf
und wird von diesem (siehe oben) nach vorn überragt. Rostral ist
er aufgebogen und geht allmählich in den Rostralrand über, welcher
der häutigen Nasenscheidewand eine Ansatzlinie abgiebt. Der
Vorderrand ist im Alter häufig- etwas verdickt.
Die horizontale Platte ist von der Form eines gleichschenkligen
Dreiecks, dessen Grundlinie nach vorn gelegen ist. Die nach hinten
gerichtete Spitze bildet einen ziemlich spitzen Winkel, während die
lateralen Ecken bedeutend stumpfer sind. Die Schenkel des Dreiecks
stossen mit den intraorbitalen Frontalia in Suturen zusammen.
Die Basis ist etwas aufgebogen und frei.
Die bereits in der Jugend etwas abwärts gekrümmten lateralen
Ecken rollen sich im Laufe der Entwicklung ein und bilden so Dach
und Aussenwand der Fossa olfactoria, welche durch die La-
crymalia, wie später gezeigt werden soll, ergänzt wird. Zu-
gleich stellen diese eingerollten Ecken eine Art Nasenmuschel dar.
Die annähernd senkrechte Crista, welche, wie wir gesehen haben,
am Nestlingsschädel die verticale Platte in zwei Hälften theilt,
wächst im Laufe der Entwicklung zu einer nach vorn neigenden
Lamina aus, welche besonders ventral eine bedeutende Hcihe erreicht.
Wir wollen sie der Kürze halber Crista antorbitalis ^) nennen.
Erst ist sie häutig mit dem medialen Rande des Lacrymale ver-
bunden, wächst aber soweit aus, bis sie jenen Knochen erreicht und
schliesslich innig mit ihm verschmilzt. Wo wir uns auch umsehen,
bleibt eine Lücke ausgespart, durch die der N. olfactorius
in die Nasenhöhle tritt; ventral und dorsal von dieser Stelle
gedeiht der Verwachsungsprocess bis zum völligen Verschwinden
1) Ant-orbital plate Pycraft's , Praefrontale Suschkin's
(zum Theil).
Die verg-leicheude Osteologie der Colunibifurnies. 197
einer Naht. So wird am Schädel der erwachsenen Taube das (' a v u ni
nasale mit Hülfe des Lac.rymale vollständig- nach hinten g-eschlossen :
nur ventral besteht durch das ganze Leben eine weite Lücke in der
knöchernen Umwandung.
Ich hob diese Verhältnisse so eingehend hervor, weil Newton
ein besonderes Gewicht auf die Gestalt der Nasenhöhle von Vczo-
phaps legt.
Der oberste Theil der Crista antorbitalis tritt zum vordersten
Abschnitt des Seitenrandes der horizontalen Platte, m. a. ^^^ zum
hintern Rande der Nasenmuschel in Bezieliung.
Hier schliesst sich am ehesten an :
e) Lac r y m a 1 e.
(Taf. 11. Fig. 1 u. 2.)
Zwischen dei' C r i s t a antorbitalis, der lateralen Vorderecke
des Frontale und dem Joch bogen spannt sich am jugendlichen
Schädel eine rechteckige Membran, in deren Lateralrand oder ilim
doch nalie bald ein Knochenkern auftritt. Dieser wächst medial-
wärts. aufwärts und abwärts, erst zu einer compacten Lamelle, aus,
welche im Laufe der Entwicklung einen weitgehenden Durehlüftungs-
process durchzumachen hat, um schliesslich die definitive Gestalt des
Lacr3^male zu erlangen.
Diese variirt bedeutend, lässt sich aber stets auf die eines von
vorn nach hinten abgeplatteten und nach unten gerichteten Keiles
zurückführen.
Die Schneide dieses Keiles steigt medialwärts stärker oder
schwächer an ; am stärksten bei Didunculus, wo das Lacrymale über-
haupt einem Keductionsprocess anheim gefallen zu sein scheint. Es
ist hier äusserst zart und leicht gebaut, hängt durch eine annähernd
sagittal gestellte dünne und eingedrückte Lamelle mit der vordem
äussern Ecke des Frontale und durch eine quere Platte mit der
starken Crista antorbitalis, die eine compensirende Entwicklung
zeigt, zusammen. Zwischen diesen beiden Fixpunkten ist eine Lücke
ausgespart, durch welclie der ThiJinencanal seinen Weg zur Nasen-
höhle findet.
Bei allen andein Tauben, die Riesenformen von ^lauritius und
Rodriguez niclit ausgeschlossen, ist das Lacrymale viel stiirker und
seine Verbindung mit Frontale und E t h m o i d weit inniger. Von
der äussern Ecke des Lacrvmale bis zum \entralen Ende der Crista
198 Rudolf Maktin.
aiitorbitalis besteht ausser der Aussparung für den X. olfactorius
keine weitere Lücke: dafür ist der Lateralrand des Lacrvmale
ziemlich tief eingekerbt und gieht so eiu Lager für den Thränen-
canal ah.
Die mediale Kante des Knochens breitet sich dorsal zu einer
kleinen Fläche aus. welche mit der Aussenfläche der Xasenmuschel
verwächst.
Die vordere ventrale Fläche ist unten rückwärts gekrümmt, und
ihre tintere äussere Ecke steht gewöhnlich auf dem -lochbogen auf:
oft kann sich auch ein Theil (und zwar bis zur Hälfte) des lateralen
Randes dieser Fläche dem .Tochbogen eng anschmiegen. Der Aus-
schlag der individuellen Variation ist auch in dieser Hinsicht so
bedeutend, dass es mir nicht gelang, ein für Art. Gattung oder
Familie charakteristisches Verhalten wahrzunehmen.
Auf der vordem, ventralen Fläche liegt in deren oberer medialer
Ecke ein imeumatisches Foramen von bedeutendem Umfang. welche>
in die reiche Spongiosa dieses Knochens führt.
Der laterale Kand des Lacrvmale stellt zugleich den untern
Abschnitt des Vorderrandes der Augenhöhle dar.
f) Frontale.
Taf 11. Fig. 1. 2 u. 5; Textfig. Q und 1?.
Die Frontalia stellen den grössern Theil des Schädeldaches
dar, TN^elches bloss in seiner hintersten uiul vordersten Zone vom
Parietale resp. Nasale eingenommen wird.
Die riesige Ausdehnung des Frontale, durch welche die Parietalia
so zusagen auf die Hinterfläche des Schädels geschoben werden, scheint
mit der Erweiterung der ( >rbita in Zusammenhang zu bringen sein
(natürlich kein si)ecifisch columbiner. sondern allgemein a vianer
Oharakterzug).
Die avianen Schädelvei'hältnisse l)ringen das Frontale mit einer
grossen Anzahl Schädelknochen, gegenüber welchen Suturen gebildet
werden, in Beziehung. Die Nähte sind theilweise ziemlich lange
zu erkennen: am frühesten verschwindet die Sutura coronalis.
ihr folgt die Sagittalnaht und dann successive die Suturen gegenüber
Nasale, Lacrymale und Ethnmid. zuletzt endlich die übrigen intra-
orbitalen Grenzlinien.
Von vorn nach hinten gezählt stösst das Frontale bei den
Tauben mit folgenden Knochen zusammen:
l>ie vero-1 eich ende Osteologie der Coluiiiblfurmes. \QQ
a) E X t r a 0 r b i t a 1 : P r a e in a x i 1 1 a . Nasale. L a c r v ni a 1 e .
S q u a m 0 s u m , Parietal e.
/t^) Intraorbit al : Etlimoid. Orbit osp Ueno id und Ali-
.sphen oid.
Wir haben von voin herein eine Facies parietalis und
eine Facies i nt raorbi t alis zu unterscheiden. Jene besitzt ein
sehr wechselndes Kelief. ist in der Jugend median als ein breites
Thal eingesenkt, das jedoch mannigfaltig-e Abstufungen der Tiefe
zeigt. Es beginnt auf dem Scheitel des Schädels und wird rostral
etwas tiefer.
Im Laufe der Entwicklung wird dieses Thal durch die Aus-
bildung einer reichen Sj)ongiosa ausgetrieben, die Stirn also gewölbt
(siehe z. B. lig. 6. tab. 10 bei Strickland u. ]\Ielville und unsere
beistehenden Textfiguren). Andrerseits kann aber auch diese Spongiosa-
entwieklung beschränkt werden {Peristeridan oder ganz unterbleiben ;
in diesem Falle bleibt die Stirn Zeit Lebens median eingesenkt. Aber
nicht genug: das Thal kann mit zunehmendem Alter eher noch ver-
tieft, die embryonalen Charakterzüge also noch verschärft werden
(am häufigsten bei Phahinae und Geopelia; individuelle ^'ariation spielt
wohl eine grosse Eolle bezüglich dieser Veriiältnisse).
Jedenfalls betrifft die Hervorwolbung der Stirn nur deren
vordem Al)schnitt: die zwischen den Augenhöhlen gelegene Partie
bleibt immer leicht concav oder wird höchstens eingeebnet. Didm
verhält sich abweichend (fig. 1, tab. 9, Stiuckland u. Melvillej.
Bei Didunculus sind die dorsalen Känder der Orbita aufgewölbt :
ihnen nahe wird oft ein kleines Foramen angetroffen, an dessen
Stelle aber auch eine Licisur treten kann. Eine solche scheint allen
übrigen Tauben ebenfalls zuzukommen, wenigstens traf ich das
Foramen anderwärts nie an. Von grosser mori)liologischer Be-
deutung sind diese Dinge nicht.
Die grösste Breite der Frontales deckt sich mit der Projection
der Verbindungslinie der beiden hintersten Punkte der beiderseitigen
Orbitae; die schmälste Stelle liegt zwischen den beiden dorsalsten
Punkten der Augenhühlenränder ; nach vorn nimmt die Breite wieder zu.
Die Seitenränder der extraorbitalen Frontales bilden also im
Wesentlichen die dorsale l'mgrenzung der Augenhöhlen. Der Rostral-
rand läuft von der Mitttdlinie ungetahr unter einem Winkel von 45"
Uiich vorn und aussen, stösst also mit dem Lateralrand in einem
spitzen ^^'ink(d zusanmicn. resp. geht durch eine scharfe Krümmung
in ihn über. Diese vordere Aussenecke des Stirnbeins ist abwärts
Zool. Jahrb. XX. Ahth. f. Syst. 1^
200 RuDOi.v Mahtin.
gekrümmt und bildet mit dem Nasale eine Bucht, in welche das
Lacrymalc eingefügt ist (Taf. 11, Fig. 1 u. 2).
Wir haben bereits gezeigt, dass der hintere Abschnitt des
Lateralrandes des Stirnbeins durch das S(iuamosum vom hintern
Orbitalrand abgedrängt wird; er stösst unter rechtem ^^'inkel mit
dem Hinterrand des Knochens zusammen.
Dieser bildet mit dem Parietale die jederseits schwach nach
voiii concave C o r o n a 1 n a h t.
Das in tra orbitale Frontale stellt das Orbitadach dar. Es
l)ildet mit dem äussern Theil den scharfen Augenhöhlenrand, mit
dem Squ am OS um deren Hinterrand abwärts bis zum Processus
postorbitalis (siehe Squamosum). Des Verhaltens des medialen
Randes wurde oben gedacht; ebenfalls des Fortsatzes, welcher das
Alisi>henuid vom Schuppenbein abdrängt und jenes an der Bil-
dung des Orbitarandes hindert.
Auf das specielle Verhalten der die Stirn zusammensetzenden
Knochen soll si)äter eingegangen werden. m
g) Parietale.
Die Parietalzone stellt ein breites Rechteck dar. welches in der
Lambdoidcrista mit dem Occipitale. in der Coronalnaht mit dem
Frontale und seitlich mit dem Hinterrand des Squamosum
zusammenstösst.
Der Vorderrand des Scheitelbeins stösst nicht nur einfach gegen
den caudalen des Stirnbeins, sondern überlagert diesen; er ist in
der Regel etwas Sförmig mit einer breiten, seichten lateralen, min-
destens 7:; des Randes beanspruchenden Bucht und einer medialen.
Avenig markanten Zunge.
Die Sagittalnaht verschwindet in dieser Zone frühei' als in der
frontalen.
Von der Seite her schiebt sich das Squamosum ül)er die Aussen-
tiäche des Lateralrandes des Scheitelbeins.
Das Parietale bildet den ventralen Streifen der Hinterwand
der Hemisphärenhöhle und den obern Theil der Cerebellumgruben-
wand. Seine hintere laterale Ecke stösst noch ans Prooticum.
Im Schädel einer ausgewachsenen Taube lassen sich die Grenzen
des Parietale äusserlich nicht mehr allseitig feststellen; ein Sagittal-
schnitt jedoch zeigt, dass es durch seine spongiöse Structur gegen-
über den übrigen Knochen des Schädeldaches ausgezeichnet ist. Bei
grossen Formen kann allerdings die Spongiosaentwicklung in die
Die verg-leiclieucle Osteologie der Culumbifurmes. 201
Froiitalzone übergreifen, erreicht aber ihr Maximum stets in der
medianeii Partie der Parietalia. Didufi. bei dem das o-anze Schädel-
dach ausserordentlich aufgetrieben ist. macht eine Ausnahme, wälirend
bei Femphaps die parietale Verdickung am stärksten ausgeprägt ist.
(Abbildungen bei Steickland u. ]\Ielville, Owen. Nkavton etc.).
Der Tent orialkamm läuft auf der InnenÜäche des Parietale
gegen dessen Mittellinie aus.
li) Praemaxilla.
(Textfi--. (t, Q u. E; Taf. 11. Fig. l-ö.)
Obwohl die Beziehungen der Praemaxilla zu den benachbarten
Knochen stets dieselben bleiben, bestehen doch grosse Schwankungen
in der Form, welche einerseits etwa durch Turtur oder Zcnaida oder
sonst eine Ferisfcra-FoYm, andrerseits durch Didunculus begrenzt
werden; sie äussern sich hauptsächlich in der relativen Masse und
Form des Prämaxillenkiu'jjers.
In allen Fällen ist dessen Spitze abwärts gebogen ; diese Biegung
i'j-reicht ihr Maximum bei Didmicnlns. dann bei Colnmba oder Car-
pophaga oder Otidiplmps. Die Peristeridae. mit Ausnahme der Phahmac?
die Ptüopodwar und Tnroninae besitzen die am wenigsten ge-
krümmten Prämaxillenkörper.
Bezieht man die Länge des Zwischenkieferkörpers auf die
Länae des Processus frontalis des bleichen Knochens, so er-
oel)en sich ebenfalls grosse Differenzen. Das Terhältniss ist:
I
', fi
ir (Tonra.
];
,. Carpoplta(i<i.
% ■
,. Ptilopus. Turfnr überhaupt l'erisferidde
von Ph(i]ist\ und OfidipliKps.
(mit Ausnahme
1
.. Didus.
3'
/5 !
„ Columha.
'U :
.. Trerou.
%
,. Peso))li(i/is.
1
.. Vinmio.
l',o ,
,. Didmicnlns.
Schon aus den Zahlen ist ersichtlich, dass die Uebergänge keine
plötzlichen sind und dass Formen von naher Verwandtschaft nicht
immer das gleiche Verhältniss zeigen. Ich möchte beigefügte Zahlen
nicht als für die dabei aufgeführten Gattungen absolut charakte-
14*
202 Rudolf ^Iaktin,
ristisch aufg-efasst wissen ; icli bemerke ausdrücklich, dass es Mittel-
werthe sind, die nach beiden Eichtungen in einander verschwimmen.
Die Structur des Körpers ist spongiös. Seine ventrale Fläche
trägt eine mediane Einne. aus deren Seitenwällen die Gaumenfort-
sätze entspringen.
Der Processus palatinus praemaxillae bildet mit dem
Körper zusammen den vordem Theil des Mundhöhlendaches in wechseln-
der Ausdehnung; durchschnittlich beträgt der prämaxillare Antheil Vs,
schwankt aber von '/^ — -/.ö? .1^' »ac"li Alter, Individuum und Art. In
der Jugend ist der Bruchtheil stets grösser als im Alter. Hinten
verjüngt sich der Fortsatz zu einer äusserst schlanken, lateral ge-
legenen Spitze (liegt in der Verlängerung des Seitenrandes des Fort-
satzes), welche sich lateral an den Eand des Pal at in um anlegt
und zwischen diesem und dem M axillare eingebettet liegt.
Die Ventralfläche des Gaumenfortsatzes ist etwas einwärts ge-
dreht und trägt oft nahe ihrem lateralen Eande eine schwache
Einne, welche nach vorn etwas deutlicher werdend mit der der an-
dern Seite convergirt und in das mediane Thal ausmündet.
Medial von dieser Einne und ungefähr neben ihrer Mitte erhebt
sich bei Bidunmlus ein starker Hügel, der beim lebenden Thier mit
Hornsubstauz überzogen ist und gegen den hintersten ..Zahn" des
Unterkiefers arbeitet.
Fig. G.
Schnabel von Didwicahts jnv.
Profilansicht. 1:1.
Durch die dazwischen greifende Maxiila vom Proc. palatinus
getrennt, aber an der Basis seiner Dorsalfläche wurzelnd, strebt der
Processus m axillaris praemax. schräg aufwärts und nach
hinten. Er legt sich auf die dorsomediale Fläche der Maxiila,
so dass bloss sein lateraler Eand direct von aussen sichtbar wird.
Die distale Hälfte oder % des ventralen Eandes der Nasenöffnung
werden von diesem Fortsatz gebildet.
Während die beiden besprochenen Knochenspangen in der Nähe
der Ventralfläche des Prämaxillenkörpers ihren Ursprung nehmen,
entspringt der Proc. frontalis praemax. von dessen dorsalem
Umfang, läuft als gleich breit bleibendes Knochenband bis zum Stirn-
ansatz; seinen weitern Verlauf werden wir weiter unten zu ver-
folgen haben.
I
Die vergleichende Osteologie der Cohuubit'oniies. 203
Es ^\•ul•de schon hervorgehoben ^), dass sich Dichte von Pesophaps
nebenbei anch dadnrcli nnterscheide, dass bei jenem Pruc. fron-
talis und palatinus praemax. einen nach vorn parallelen, bei
diesem convergirenden Verlauf zeigen. Dieses Verhalten kann zur
Unterscheidung der beiden Eiesentauben unter sich dienlich sein,
nicht aber lassen sich Bidns und Dichtncnhts oder Fc^oji/iaps und die
übrigen Tauben damit aus einander halten.
]\Ian könnte gleich hier auf die Schnabelform als solche ein-
treten, doch ziehe ich vor, sie auf den Schluss zu versi)aren und sie
im Zusammenhange mit dem ganzen Schädel zu behandeln.
i) Maxi IIa.
(Textftg. G, Q u. R.)
Die Maxi Ha erlangt, da sie zum grössten Theil in andern
Knochen eingebettet ist. nui" geringe morphologische Bedeutung.
Dorsal liegen ihr Nasale und P r o c. m a x i 1 1 a r i s p r a e m a x.
auf. ventral wird sie von Proc. i)alatinus praemax. und
Palati num eingedeckt. Da zwischen diesen Knochen bald eine
weitgehende Verschmelzung eintritt, so ist oft nicht mehr möglich,
die Umrisse des Oberkieferknochens genau zu erkennen.
Den Beziehungen zu benachbarten Knochen entsprechend haben
wir zu unterscheiden:
1. Proc. praem axillaris
2. Proc. maxillopalatinus
o. Pro c. n a s a 1 i s
4. Pioc. zygomaticus.
Xo. 1 dürfte füglich als Körper der Maxiila betrachtet werden,
dessen hinteres Ende durch das oft als besonderer Knochen be-
handelte (Pychapt) Maxillopalatinum dargestellt wird.
Der Körper stellt eine dreikantige Pyramide vor, mit einer xen-
tralen, einer lateralen, schwach nach oben und einer medialen, dorsal
gewendeten Fläche; im hintern ^ ^ beginnt eine Compression nach
der letztgenannten Fläche, wodurch die äussern und ventralen
Mächen in eine einzige gewölbte ventrolaterale Fläche vereinigt
weiden. Dieser hinterste Theil entspricht dem Maxillopala-
tinum. die Spitze der Pyramide dem Proc. praem axillaris.
t) Nkwton , A.. Osteology of the Solitaire, in: Plül. Trans. Roy.
Soc, London, 18ö9.
204 Rl'doi,f Martin,
Die ventrale Fläche liegt dem Proc. palatiiius des Zwisclien-
kiefers und dem vordersten Theile des Palatinnm auf, die medio-
dorsale verbindet sich mit dem Maxillarfortsatz der Praemaxilla,
während die Lateralfläche zunächst frei bleibt.
Die Kante zwischen der untern und inneru Fläche der Pyramide,
resp. zwischen der äussern und innern des Maxillo palatinnm bleibt stets
frei und läuft neben dem Medialrand des Gaumenbeins in paralleler
Eichtung nach hinten.
Der Proc. nasalis ist eio-entlich auch nichts Anderes als die
dorsale Kante der Pyramide, die nach hinten und oben in einer
plumpen Ecke vorspringt. Auf diese Kante kommt der Maxillar-
fortsatz des Nasale zu liegen, der mit dem entsprechenden Fortsatz
der Praemaxilla zusammenstösst (dabei liegt dieser dorsal und
medial, jener ventral und lateral).
Von ungefähr der Mitte der Dorsalkante der Pyramide zweigt
lateral ein Grat ab. gegen den der Jochbogen anstemmt ; es ist dies
der Proc. zygomaticus des Oberkieferknochens. Zwischen ihm
und dem Nasalfortsatz liegt ein grosses F o r a m e n p n e u m a t i c u m.
Der Processus m a x i 1 1 o p a 1 a t i n u s ist eine annähernd senk-
recht gestellte, aufgetriebene Platte mit gerundeten Rändern. Hinten
läuft er spitz zu, ohne jedoch schlank zu sein; oft ist er auch in
einer von hinten oben nach vorn unten verlaufenden Linie abgestutzt,
bald ist er länger, bald kürzer, bald flacher, bald aufgetriebener,
bald mehr, bald weniger unter dem Palatinum versteckt. Die
Spongiosa des hintern Theiles des Maxillare kann so weit gedeihen,
dass sich die beiderseitigen Knochen median fast berühren und kaum
einem Papier mehr Durchlass gewähren {Carpopliaga oceanica, Co-
lumba picaBiiro, Col. alhiUneata und Col. aquafrix). Obwohl diese
Schwellung der Maxillopalatina auf individuelle Variation zurück-
zuführen ist, zeigt sie doch, wie klein der Schritt von Schizognathie
zu Desmognathie ist und ferner, dass — wenigstens im vorliegenden
Falle — die Neigung zu dieser vollkommen secundärer Natur ist.
Das Jugale und Quadratojugale verschmelzen schon frühe
unter sich und mit dem Maxillare; sie bedürfen keiner weitern Er-
läuterung-.
Die vergleichende Osteoloeie der ('olninbiformes. 205
k) Nasale.
(Textlig. G: Tat". 11. Fig. 5.)
Alle Tauben sind scliizorhinal.
Am Nasale wie am Maxillare unterscheidet die Nomenclatur so
viele Fortsätze, dass kein eigentliches Nasale mehr übrig- bleibt.
Die Gestalt des Knochens ist ungefähr die eines rechtwinkligen
Dreiecks, dessen H3'potenuse nach aussen, dessen längere Kathete
gegen die gleiche Seite des Gegenstückes und dessen kürzeste Seite
gegen das Nasenloch gewendet ist.
Die äussere Seite verschmilzt in einer Sutur mit dem Frontale,
die mediale mit dem Nasale der andern Schädelhälfte. An der
kürzern Kathete wurzeln 2 Fortsätze: medial der Processus
praem axillaris, lateral der Processus maxillaris.
Der Processus praem axillaris ist schlank, legt sich zu-
nächst, sich stets verjüngend, hart an den lateralen Rand des Proc.
frontalis des Zwisclienkiefers, verschwindet aber nachher ganz
unter demselben. Seine Basis, die beim Jungen ununterbrochen in
die Aussenfläche des Haupttheiles des Knochens übergeht, wird im
Alter, mit Ausnahme von Carpophaga und Goura. ev. Otidiphaps, von
dieser faltenartig überwachsen, so dass der Fortsatz unter das Nasale
einzudringen scheint.
Der Proc. maxillaris beginnt sich bereits mehr proximal
auszugliedern und greift medial mit seiner Basis über die des Proc.
praem a X ill aris, sodass die Schizorhinie zu Stande kommt. Be-
sonders deutlich ist dies bei allen jungen Tauben, und persistirt bei
Carpophaga etc.. wo die Stirn nicht aufgetrieben wird und desshalb
die Knochenspange des Fortsatzes im Relief deutlich hervortritt.
Nicht so bei den übrigen Formen, bei welchen durch die Schwellung
der Stirnpartie auch der Ansatz des Maxillartbrtsatzes überwachsen
wird.
Der Lateralrand des Maxillarfortsatzes bildet mit dem Fron-
tale die schon erwähnte Bucht zur Aufiiahme des L a c r y m a 1 e.
Der Haupttheil des Nasenbeins, der Processus frontalis, eben
die dreieckige Platte, stellt die Oberfläche der vordem Stirnpartie
dar. Wir werden im Abschnitte, der der Betrachtung des Schädels
im Zusammenhange gewidmet ist, sehen, dass die Verhältnisse com-
plicirter liegen, als äusserlich zu erkennen ist.
206 Rudolf Martin,
Es bleiben uns nun noch die loser mit dem Schädel verbundenen
Elemente zur Besprechung übrig: Pterj^goid. Palatinum und
Quad rat um.
1) Pter y g-oideum.
(Taf. 11, Fig. 3 u. 4.)
Verfolgen wir eine Taube mit kräftig entwickeltem P t e r 3'^ g o i d
während des Wachsthums, so treten uns alle möglichen Formen,
welche dieser Knochen innerhalb der Ordnung der Tauben annehmen
kann, entgegen. Wir wählen am besten Didmiculus.
a] Jugendstadium. Die Form ist bereits eine schwach
Sförmige. Andern Tauben, wie z. B. den Treronidae, kommt ein flach
--^förmiges Flügelbein zu: die gleiche Gestalt erhält es bei solchen,
welche den Knochen zu reduciren beginnen: hier bleibt es Zeit
Lebens ein rundlicher Knochenstab, dem wir bei andern Tauben,
d. h. solchen mit kräftig entwickeltem Pterj-goid, bloss in der frühesten
Jugend begegnen. In Reduction befindet es sich bei Feristerklae (bei
Phabinae noch weniger, desshalb auch noch nicht gerundet), Colmnha
rnfina. Col. alhilineata, Edopistes, Goura, Bidiis und Pesophaps. Hand
in Hand mit der Reduction des Knochens geht seine Streckung,
welche bei Bidus und Pesophaps ihr Maximum erreicht. Natürlich
verlangt auch hier die individuelle Variation ihr Recht und verwischt
jede Grenze, welche Typen aus einander halten könnte.
Bei Tauben mit starkem Pterygoid bleibt die Modellirung nicht
auf dieser Stufe stehen: es stellt sich eine Abplattung von oben nach
unten ein, der Knochen ward lamellenförmig. Die Lamelle liegt zu-
nächst fast horizontal, die äussere, laterale Kante etwas tiefer als
die innere: ungefähr in der Mitte des Knochens sitzt der medialen
Kante mit breiter Basis der Processus basisphenoides auf.
der mit dem Proc. basipterygoideus des Sphenoids arti-
culirt. Caudal von diesem Fortsatz ist das Pter3^goid im Sinne einer
rechtsgängigen (das linke) resp. linksgängigen (das rechte) Schraube
gedreht, die laterale Kante wird so zur ventralen, die mediale zur
dorsalen: die ventrale Fläche wird zur medialen, die dorsale zur
lateralen.
Vorn springt die laterale Kante in einer Ecke aus, ist scharf,
geht aber nach hinten, indem sie allmählich ventralwärts zieht,
in eine gerundete über und endet in der ventralen Ecke der caudalen
Gelenkfläche für das Quad rat um.
Die mediale Kante ist weniger scharf; sie spaltet sich vor dem
I)ie vergleichende Osteolügie der ('ulnml)ifVpniies. 207
Basisplienoidfortsatz. indem sie zum Tlieil in dessen sanft ansteigen-
den Vorderrand, zum Tlieil in die dorsale Kante tortgesetzt ist,
welche in der dorsalen Ecke der genannten Gelenkfiäclie endet.
Der steil abfallende Hinterrand des Basisplienoidfortsatzes ver-
läuft ebenfalls gegen den Rand dieser Gelenkfläche.
Auf dieser Stufe bleiben mit Ausnahme von Didintndns sänimt-
liche Tauben stehen.
ß) Adultes Stadium. Die laterale Kante des Knochens wächst
in ihrer Vorderhälfte bei IHdnuculus zu einer dünnen Lanu-lle aus
und dreht sich zugleich stark abwärts; so wird tiiatsächlich ein
Flügel gebildet, der mit dem starken Proc. basisphenoid es eine
Rinne l)ildet: Avir kftnnen also nicht mehr gut von einer lateralen
und medialen Kante sprechen, sondern eher von einer dorsomedialen
Kante und einem ventrolateralen Flügel. Das Stück zwischen Basi-
sphenoidtuitsatz und Articulationstiäche für Quadratum bleibt rund-
lich, stabförmig. schlank und breitet sich nur gegen die ( Jelenkdäche
conisch aus.
Ein H e m i p t e r y g o i d konnte ich, wo mir junge Schädel zu-
gänglich waren, nachweisen. So bei Didimculns, Ptilopus jamhit.
Columha domestica und Pczophaps.
Seine Abspaltung vom Pterygoid geschieht senkrecht zur Axe
dieses Knochens; es legt sich von innen und oben auf das Palati-
num und vermittelt einzig dessen Verbindung mit dem Vom er
(sofern dieses vorhanden).
Die Articulation zwischen Palatinum und Pterygoid Avird
jedoch nicht allein durch das intrapterj^goidale Pseudogelenk her-
gestellt, sondern ihre untere Partie ist ein echtes Pterygo-
pal a tin gelenk.
Endlich bezüglich des Winkels, den die beiderseitigen Ptery-
jroide bilden, sei darauf hingewiesen, dass er nicht nur von Art zu
Art Schwankungen unterworfen ist, sondern dass der Ausschlag
zwischen Jung und Alt jene sogai" noch übertrifft.
Bei Diduuculus wurden am jungen Schädel 1)3", am ausgewachsenen
<)7" — 68" gemessen; der Winkel nimmt also mit dem Alter zu; für
Goura beträgt er ca. 70", für Geophaps'^) ca. 65", Crocopus SrV'^),
('(irpnphagu ruhricera 92". Carp. oceanica 86", Treron rcrnavs 96" etc.
1) Nacli Stkickl.vm» u. Mi;lvili,k, tab. 10. ilg. 3 c und .") c.
20,S RrixiLF Martin.
Zuletzt imiss noch darauf hingewiesen werden, dass sich die
beiderseitigen Pteryg-oide nie berühren ; höchstens können die mit den
Palatina verschmolzenen Hemipterygoide in Contact kommen, aber
auch nur dann, wenn vom Vomer jede Spur verloren gegangen ist.
Auch hier macht es die individuelle Variation überflüssig oder un-
möglich, die Abstufungen aus einander zu halten.
m) P a 1 a t i n u m.
(Taf. 11, Fig. 3. 4 u. 6.)
Kinzig BichoicuJus weicht in der Gestalt dieses Knochens von
den übrigen Tauben ab, doch ist ein Zusammenhang mit ihnen nicht
zu verkennen.
Als Ausgangsform kann uns irgend eine Taube dienen, z. B.
Carpophaga ruhriccra.
Das Palatinum ist eine dünne, horizontale, nach vorn allmählich
schmäler, aber dafür dicker werdende Platte. Die Dorsaltiäclie des
vordem Endes verwächst, wie schon dargestellt wurde, mit dem
Maxillare und der Prae maxi IIa. das hintere Ende, welches
das Hemipterygoid aufgenommen hat, tritt zum Vomer resj).
zum R 0 s t r u m s p h e n o i d a 1 e in Beziehung.
Der mediale Rand des ganzen Knochens ist verstärkt und zeigt
hinten einige Complication. Ungefähr in der Mitte ist er ein-
gekerbt und spaltet sich, indem ein dorsaler, etwas gerundeter Ast
unter dem Ansatz der Crista antorbitalis des Mesethmoid an das
Sphenoidrostrum stösst, während der ventrale Ast in einer dünnen
Lamelle plötzlich wieder vorspringt; der Vorderrand derselben ist
concav und lässt so die Incisur um so tiefer erscheinen.
Diese Lamelle kann bedeutend auswachsen, ztörmig aufgefaltet
werden und ihre distale vordere Ecke in einen langen, vorwärts imd
etwas abwäi'ts-einwärts gerichteten Griffel ausgezogen sein (nament-
lich Gonra: auch Cohmiba, Caloenas. Carpopliaga). Vom Vorderrand
der Lamelle ausgehend spannt sich eine Membran über die Bucht,
die sich andrerseits mit schrägem Faserverlauf an den Medialrand
der vordem Gaumenbeinhälfte anheftet.
Nach hinten fällt die Lamelle allmählich ab und tritt, wenn sie
das hintere Ende des Palatinum erreicht hat, in das Niveau seiner
Ventralfläche zurück.
Zwischen den beiden Aesten der Medialkante liegt eine im Um-
riss dreieckige Fläche, welche, etwas concav, nach hinten oben durch
r)ie veigleichende Osteologie der Coluiiibitnrmes. 209
die Yerbindung-slinie der Enden der beiden Aeste abg-eschlossen wird.
Diese Linie wird dnrcli die Kaute zwisclien Hemipterygoid und
Palatinum dargestellt, denn jenes schiebt sich als Platte zwischen
dieses und das Eostrum sphenoidale resp. Vomer ein.
Die laterale Zone des Gaumenbeins bleibt einfach, kann aber
zu einer sehr breiten, papierdünnen Platte ausAvachsen, mit ge-
rundeter oder scharfer hinterer Ecke, kann aber auch zusammen
schrumpfen (vgl. Taf. 11, Fi^. 4 u. 6).
Aus dieser generellen Form lässt sich das Palatinum von Di-
duncuhis dadurch ableiten, dass wir uns die ganze laterale Partie,
sowie auch die mediale, ventrale Lamelle reducirt denken. Der
Querschnitt des Knochens wird dadurch dreieckig: seine Kanten
sind gerundet. Die .Structur des Knochens ändert ebenfalls in ge-
ringem Maassc. indem sie in eine mehr spongiöse übergeht.
Dieser Reductionsprocess, wenn man ihn als solchen bezeichnen
darf, wird bereits von den Trcroninac eingeleitet und war von Didns
und Pezophaps aufgenommen worden; 7>«?/^9 erweist sich darin pro-
gressiver als Pesopliaps.
n) Vomer.
Sicher nachweisen konnte ich den Vomer nur bei Didimculiis,
obwohl anzunehmen ist, dass seine eventuelle Entwicklung noch
innerhalb des Rahmens der individuellen Variation, liegt. Möglicher
^^'eise werden seine letzten ßeste von den Hemipterygoiden auf-
genommen.
Bei Dkhiucidus ist der Vomer der Knochen, der am spätesten
ossificirt. Er stellt eine längliche mediane Knochenplatte dar von
unregelmässiger, am ehesten als dreieckig zu bezeichnender (Testalt,
deren vordere, treie Spitze bis auf die Höhe der hintern Enden der
M a X i 1 1 0 p a 1 a t i n a reicht (Fig. Rj.
Zwischen den hintern Gaumenbeinenden ist diese Platte auf-
getrieben und von schw'ammigem Bau. Ihre dorsale Kante schmiegt
sich dem Sphenoidrostrum an.
o) 0 s q u a d r a t u m.
(Taf. 11, Fig. 1-4.)
Zui' Form des proximalen Gelenktheils habe ich nichts W eiteres
beizufügen. Zwischen beiden Gelenkköpfen liegt ein pneumatisches
Foramen.
210 RrnöLK Martin,
Der Knochen ersclieint gedreht nnd z^ya^ die Innenkante des
Innern Gelenkkopfes nach vorn; sie wird zum Oberrand des Pro-
cessus orbitalis. Der Lateralrand des lateralen Grelenkkopfes
läuft direct abwärts gegen den Ansatz des Proc. jugalis, der bei
IHdunculus bedeutende Stärke erreicht. Ueberliaupt ist das ganze
Quadratum bei dieser Samoaform gekräftigt und contrastirt schon
hierin bedeutend gegenüber dem Quadratum anderer Tauben.
Als viel markanter ist die Form der Gelenkfläche für die
j\Iandibel hervorzuheben.
Bei allen normalen Tauben. Bidus und Pesophaps nicht aus-
geschlossen, stellt diese Gelenkfläche einen quer gestellten Grat mit
einem höhern medialen und einem niedrigem lateralen Gipfel \w.
an die Lateralfläche des letztern ist der Proc. jugalis mit breiter
Basis angeschlossen.
Bei Diduncnlus treffen wir an Stelle dieses Grates eine lange
von vorn nach hinten gestreckte Bahn; ihre Eichtung convergirt
nach vorn unter ca. 30^' mit der Mittellinie. Ihrem medialen Eande
läuft ein stärkerer runder Wulst, dem lateralen eine niedrigere
Kante entlang, welche den beiden Gipfeln des Gelenkgrates der
übrigen Tauben entsprechen. Das Verhältniss von Länge und Breite
der gesammten Gelenkfläche beträgt 1,5.
p) Mandibula.
(Taf. 11. Fig. Ib— 4 b.)
Hier können wir uns kurz fassen. Der Oberrand des Unter-
schnabels ist dem Unterrand des Oberschnabels genau angei)asst.
Auf die sog. ..Zähne", welche sich bei Diduncidus vorfinden, brauche
ich nicht zurückzukommen, da sie zur Genüge bekannt sind.
Es ist fast überflüssig zu sagen, dass die Gelenkfläche für das
Q u a d r a t u m bei Diduncidus umgestaltet worden ist ; sie stellt sich
in Form einer von vorn nach hinten auswärts verlaufenden Einne
dar. Im engen Zusammenhange damit steht die Abweichung in der
Form des hintern Endes des Mandibelastes, das einfach lamellen-
förmig als die directe Fortsetzung der vordem Mandibelwand, deren
medialer Fläche der Gelenkfortsatz anklebt, aufzufassen ist. Bei
Didus stösst ebenfalls lateral eine Lamelle nach hinten, nicht aber
bei andern Formen, bei denen die ]\randibel gerade oder doch nur
sehr wenig schräg nach unten und vorn abgestutzt ist und durch
eine dreieckige Fläche abgeschlossen wird (vgl. flg. 1. 2, 3 u. 4, tab. 9;
Die vers;'leiclieiiile Osteologie fler Cülumbiformes. 211
flg. la— 5a, tab. 10, Stkickland u. Melville); diese Endfläche ist
auch bei Bidns zu erkennen, nicht aber bei Didunculus.
Hervorzuheben ist nocli, dass die Elemente der Mandibel bei
g-rössern Formen, vor Allem bei Didus und Pesophaps, sehr spät und
nur sehr unvollkommen verschmelzen, ja bei Dkhis überhaupt wohl
kaum, da die Stücke stets getrennt aufgefunden werden: weiter
scheint die Verwachsung bei Pezophaps gediehen zu sein.
Die Länge der Symphyse wechselt mit der Schnabelfuiiu und
ist bei Didio/culus relativ am längsten, bei Ptilopns und Pcrisferidac
(mit Ausnahme xon Phaps) am kürzesten. Zunächst Didunculus stehen
die T)rroiii)K(f. dann die Columhidac und die Phahinae; Carpophagwae.
Goura und ()iUUpl«ips liegen den Piilopodinae etc. näher.
1. Der Schädel als Ganzes.
Nach dieser vorangegangenen Detailbeschreibung habe ich noch
einige A\'orte über den Schädel im Zusammenhange hinzuzufügen.
Wie Avir gesehen haben, ergeben sich aus den Einzelheiten der
verschiedenen Knochen keine oder doch nur wenige Anhaltspunkte
zur Beurth eilung einer Form. Ich habe bis jetzt bloss den wich-
tigsten Charakterzug hervorgehoben, die Fossa temporal is, auf
welche ich kaum zurückzukommen habe.
In zweiter Linie müssen wir dem Schnabel unsere Aufmerk-
samkeit schenken, vor Allem seinei- Länge. Stärke und Stellung
gegenüber dem Schädel.
]\ran kann da mindestens 6 Grundformen unterscheiden, die uns
durch folgende Gattungen und Familien gegeben sind:
1. Carpopliaga mit Goura und Oiidiphaps.
2. Treron mit Didus und Pezophaps.
8. Columha.
4. Pcristeridac und Ptilopodinae.
5. Phaps.
6. Didunculus.
Besser als eine lange Beschreibung führen die beigefügten Text-
figuren (s. folgende Seite) das Gesagte vor Augen.
Es geht daraus so viel hervor, dass Didunculus, was Schnabel-
forni betrifft, trotz der Riesentauben, am weitesten vom generellen
'Jaubentypus abweicht. — Die grosse Aehnlichkeit zwischen Goura,
Carpophatja und Ofidiphaps ist nicht zu verkennen, ebenso wenig die
Gleichheit des Baui)lanes bei Treroninac und den beiden Riesen-
212
EüDOLi' Martin.
tauben. Edopistcs schliesst sich an die Cohimbidae an, obwohl sein
Schnabel wenig: schlanker ist.
Feristcridac (nach Ausscheidung- der Phabinae) und Ptilopodmac
stehen zweifellos einander nahe; Fliai^s lässt sich von hier aus ab-
leiten, indem man sich den Peristeridenschnal)el stark verkürzt, dafür
aber verstärkt denkt.
Fiff. .7.
Fiff. H.
I
Fi«-. K.
Fis". L.
Fia-. M.
Fig. N.
Fio-. 0.
Fiir. P.
Schuabelprof iL 1 : 1.
Fig. H. Didunculus strigirostris. Fig. J. Carpojjhaga ocecmica. Fig. K. OtuUphaps
nobilis. Fig. L. Goura coronata. Fig. M. Vinago calva.. Fig. N. Colnntha
pdhimhd. Fig. 0. Tiirtiir furliir. Fig. P. Phaps lophofcs.
Typisch ist die Stellung- des Schnabels für Carpophaga, Goura
und Otidiphaps, auch ist die Art, wie er am Schädel ansetzt, sehr
charakteristisch. Die Dorsalfläche des Schnabels geht fast direct
in die Stirnfläche über, ein Verhalten, das theilweise auf die grosse
Itie vfi-oleicliencle Osteoloffic der (\ilnmbifornie>
2ia
verticale Höhe des Schnabels an seiner Basis, theihveise auf die
Flachlieit der Stirn und auf die Abwärtsknickung- des ganzen
Schnabels zurückzufüliren ist. Am ausg-ei»rägtesten sind diese ^'er-
hältnisse bei Carpophaaa.
Bei den übrigen Tauben liegt die (Tuuinentläche mit der Scliädel-
basis annähernd in derselben horizontalen Ebene.
Bevor ich noch speciell auf die Form der Stirn zu sprechen
komme, sei noch auf die gegenseitigen Beziehungen tler vordem
Schä(U^ldachknochen und ihre nachmalige rmgestaltung- hingewiesen.
Fio-, Q.
Fiy. H.
Fiü'. Q. Sai;ittals(liiiitT dureh dvu voriU-ni Tlieil des Schädels des jniiii-eii
Dididifiilitf;. 1:1.
Fig. K. Saiiittalsrlniirr dni'eli den vnnleni Tlieil des Seliädels des erwacliseueu
DidiDicuhts. 1:1.
Der Vordenand des Frontale ist durch spongiösen Bau etwas
verdickt und liegt dem hintern Theil der horizontalen Ethmoid-
platte auf. Von vorn wächst der Processus frontalis prae-
maxillae ebenfalls über diesen Knochen empor und stösst an den
Stirnbeinrand, mit welcliem er verwächst. Diese Verhältnisse sind
bloss in einem Sagittalschnitt zu erkennen, da sie von aussen durch
eine dritte, oberflächliche Knochenlage, das Nasale, eingedeckt
werden. Dieses wächst gewaltig aus, verwächst mit dem der andern
Seite bis zur Schnabelbasis und legt sich caudal über die Naht
zwischen Praemaxilla und Frontale, so dass zwischen diesem und dem
Nasale weiter caudal eine oberflächliche Sutur gebildet wird, die
dem V(n'derrand des Stiinbeins parallel verläuft. Dieser Bau ist an
Jungen Schädeln deutlich zu erkennen, wird aber im Veidaufe der
Entwicklung verwischt.
Jede der di-ei Lagen, vor Allem aber das Nasale bei Dühni-
culiis. das P^thmoid bei den übrigen Tauben, bildet reichliches
spongiöses Gewebe aus, die drei ursprünglich compacten Platten ver-
lici'cn ihre Selbständidvcit in der allgemeinen Knodienmasse. In
214 EuDOLF Martin,
einigen Fällen lässt sich der Proc. frontalis piaemaxillae
nuf-li eine Strecke weit verfolgen.
Die Durchlüftnng greift auch in das Mesethmoid und in die
Crista antorbitalis über; DklunaUns bleibt hierin am weitesten
zurück (vgl. unsere Textfiguren sowie fig. 6. tab. 10, Strickland u.
Melville).
So kommt stets eine Auftreibung der Stirn zu Stande, welche
ihr ]\Iaximum bei den Formen erreicht, bei denen das Nasale in
hohem Grade pneumatisch ist, also bei Diduncuhis, Treron und ge-
wissen Zuchtrassen (z. B. beim sog. „ägyptischen Möhrchen").
Carpophaga, Gonra und Otkliphaps bewahren eine sehr flache
Stirn, obschon die Durchlüftung bei Carpophaga (die mir allein bei
dieser Untersuchung zugänglich war), wenigstens in den tiefern
Schichten, eine weitgehende ist.
Nicht zu verwechseln mit der Auftreibung der Stirn ist deren
Steilheit, wie sie bei den meisten Perisfcriäae angetroffen wird, trotz-
dem oft noch ein tiefes medianes Thal Zeit Lebens bestehen bleibt,
ein Zeichen der geringen Durchlüftung.
Dieser Umstand ist mit der Schädelform im Allgemeinen in Zu-
sammenhang zu bringen, denn es ist eine Thatsache, dass die
Perisferidae stets einen hohen, aber kurzen Schädel besitzen und
darin das eine Extrem vertreten, während die Carpophaginae mit
ihren Nebenformen einen langen und stark depressen Kopf auf-
weisen und somit das andei-e Extrem darstellen. Die Treroninae
stehen den Peristeriden am nächsten, ihnen schliessen sich die
übrigen Formen an. die eine Brücke hinüber zu den Carpophaginen
bilden.
Ausnahmestellungen nehmen die ausgestorbenen Riesentauben
ein, welche eine ganz abnorme Art der Auftreibung des Schädel-
daches aufweisen und uns so ganz eigenthümliche Schädelformen
vorführen. Am frappantesten ist das Verhältniss der Maasse des
Craniums zum Schnabel bei Bidus \) sowie die relative Kleinheit der
Schädelhöhle bei dieser Taube. Hier wird am deutlichsten der hohe
Grad der Specialisirung klar gelegt. Im Uebrigen sind diese Dinge
genügend bekannt, so dass ich von einer weitern Beschreibung Um-
gang nehmen kann.
1) Das Verhältniss der Länge der Schädelbat^is zur Länge der Ge-
hirnaxe beträgt für Didus 4,5, während es sonst im höchsten Falle bis 2,8
(Crn-j/oj)hti//a riibriccrd) wachsen kann.
Die vergleichende Osteolo<>:ie der Colninhiformes. 215
Dagegen, wenn K. Niiwtox und J. W. ('1;Ai;k behaupten, bei
F€.~'>])haps sei die Gehirnaxe zur Basicranialaxe parallel, so niuss ich
entschieden Einsprache erheben; der Winkel beträgt ca. 80".
Die Basic ranialfläche^) variirt bedeutend von einer breit
fünfeckigen {Di(hi)icnli(s. viele Pcrisfcridae. Carpophar/a rnhricera) bis
zu einer schmal o^■alen oder schlank dreieckigen Fläche (die übrigen
Tauben ). BemerkensAverth ist. dass z. B. Carpophaga occanica. aenea,
pacifica etc. sich zu dieser, aber Carp. ruhricerft zu jener Gruppe
schlägt.
Die Xervenaustritte zeigen keine Eigentliinnliclikeiten gegenüber
andei'U Viigeln. Hei DidxncuJus' wird der Austritt des X. trige-
minus 1 stets vom Foramen lacerum auf. abgespalten: bei
D/dus \un\ Pcmphaps existirt ein eigentliches Foranien opticuni.
indem alle Nerven durch Knochenbrücken gesondert den Schädel
verlassen.
Die Schädelhöhle lässt erkennen, dass die Hemisphären das
Mesencei)lial()n vollständig überdecken; ob dies bei Didits der
Fall war. lässt die OwKx'sche Figur i^rem. on the Dodo etc.. tab. 11.
tig. D nicht entscheiden: ich versäumte aber, den Scliädel d.-nauf
hin zu pi'üfen.
2. Die Wirbelsäule.
Die Wirbelsäule kann in Kürze abgethan werden, da sie den
am wenigsten charakteristischen Theil des ganzen Skelets darstellt.
Sie lässt. wie bei allen Vögeln, die Eintheilung in die vier
grössteu Regionen zu. von denen die erste wiederum in die eigent-
liche cervicale und die cervico-thorakale zerfallen kann,
während innerhalb des Sacrums die üblichen Ab.schnitte unter-
schieden werden mögen. Wie bereits FüiuiRixoEK betont hat. ist
diese Eintheilung als eine rein praktische aufzufassen, da die Grenzen
oft durch die individuelle Variation der Wirbelsäule entlang ver-
schoben Averden kiümen.
a) Die ("er vicalregion.
Die ( "ervicalregion umfasst in der Regel 14 Wirbel; diese Zahl
kann jedoch gelegentlich um 1 gesteigert werden, indem ein thora-
kales Element durch den Verlust der Articulation seinei- Ripi)e mit
dem Sternum einl)ezogen wird. Diese Erscheinung ist in (h^n meisten
]) Basicranialfliiche Basitemporal platc or snrface.
Z(..,l. .Talivb. X\. Al.t)i. f Svst IT)
216 Rluolf Maktix.
Fällen eine rein zufällige, d. li. eine ins Gebiet der individuellen
Variation fallende, und deshalb nicht für eine Art oder Gattung- als
Charakteristicum zu verwenden.
Immerhin ist es interessant, dass gerade nur l)estimmte Gruppen
von diesen Variationen heimgesucht wei'den. Die Cervicalregion
betrug- nach gegebener Definition 15 bei je 1 Exemplar von Colnntha
aquatrix, Carpoplmya aenea, Carp. bicolor, Carp. Jacernulafa, Trcrou
{Sphenocercus) oxijura, Treron (Osmotreron) bicincfa, PUlopus roseicollis,
P. ntelaiiorepJialus. P. mclanospilus und Alectroenas madaf/ascaricnsis- so-
wie bei Goiira coroiiafa und G. vidoriae. ' Ob dies bei Goitra stets
zutriift, vermag- ich nicht zu entscheiden, da mir bloss einzelne
Exemplare zui' Verfügung stehen; die Wahrscheinlichkeit ist aber
gross, da bei beiden in dieser Beziehung Uebereinstimmung herrscht.
Ob man richtig handelt, diesen 15. AVirbel der Cervicalregion
zuzuschlagen, bezweifle ich, da er stets mit den eigentlichen Thorakal-
wirbeln ankylosirt ist. Der P^rage ist ihrer nicht fundamentalen
Natur wegen wenig- Bedeutung- beizumessen; entscheidet man sich
aber für die Vereinigung, so sollte auch der erste, eine freie Rippe
tragende Sacralwirbel zur Thorakalregion gestellt werden, was wieder
aus praktischen Gründen unbequem ist.
Etwas erstaunt bin ich über die Bemerkungen Gadow's V) bezüg-
lich der Halswirbelsäule der Tauben. Gadow schreibt Bidus und
Pesophaps 13 echte Halswirbel zu, ebenso vielen Treron, Carpophaga
und Goura, während Columha, Phaps und Didunculus nur 12 besitzen
sollen.
Bezüglich der 3 letztgenannten Genera bin ich mit Gadow voll-
kommen einverstanden, auch trifft die von Gadow angegebene Zahl
für Bidus und Pezophnps zu, doch möchte ich diesen noch Starnoenas
zugesellen, während Treron, Carpophcuja und Goura ebenfalls bloss
12 Cervicalwirbel im engern Sinne besitzen. Eine Variation, d. h.
eine Verschiebung der Grenze zwischen eigentlichen Cervical- und
den Cervicodorsahvirbeln konnte ich nicht beobachten, obwohl sie,
wie aus Gadow's speciellen Angaben hervorgehen mag, sehr wohl
möglich ist. Was wir bei Gadow eben vermissen, ist, dass er die
speciell beobachteten Verhältnisse gleich generalisirt, ohne auf die
so charakteristischen columbinen Schwankungen Eücksicht zu nehmen.
Auf das Verhalten der die Abschnitte bezeichnenden Rippen
werde ich weiter unten einzutreten haben.
1) lu: Trans, zool. Soc. London, V. 13, Part 7. 1893
I>ie vergleichende Osteolooie der ( 'nlniiiliifnnnes. 9J7
Die echte C e r v i c a 1 r e g i o ii umfasst in der Regel die 1 2
ersten Wirbel und ist durch das Fehlen von freien Rii)i)en ausoe-
zeiclmet ; die drei einzigen Ausnalimen wurden bereits oben anuetiilirt.
Alle Cervicahvirbel tragen, mit Ausnahme der b(nden ersten —
Atlas und Axis — verschmolzene Ripitenrudiniente, welche nach hinten
sich mehr und mehi- dem \'erlialten einer freien Kippe nähern.
Die Läng-e der Oervicalwirbelsäule ist als eine mittlere zu be-
zeiclmen, doch wechselt sie etwas innerhalb der Ordnung, ohne je-
doch für einzelne (Truj)pen charakteristisch zu werden. Dass natür-
lich die Läng-e der Wirbelsäule von der grössern oder g-eringern
Schlankheit der Wirl)el direct abhängig ist. braucht nach dem Vor-
ausgeschickten kaum besonders hervorgehoben zu werden.
So zeichnet sich Diduncnlus durch selir gedrungene Wirbel aus:
namentlich sind die Xeuralbogen in der Axenrichtung schmal, wo-
durcli die Postzj^gapophysen äusserst lang erscheinen, eine Thatsache.
auf welche schon von frühern Autoren hingewiesen wurde, ohne dass
aber die Ursache dieser Erscheinung namhatt gemacht worden wäre.
Man könnte so zur Ansicht kommen, die Wirbel seien schlanker als
bei den übrigen 'J'auben. obwohl gerade das Gegentheil der Fall ist.
Auch rostral scheinen die Xeuralbogen von Didunculus tiefer ausge-
schnitten zu sein und die Präzygapoph^'sen somit mehr prominent,
als es sonst bei den Colnmhue zuzutreffen pflegt.
IHüunculus schliessen sich die PtilopocUnac und Phabinae wohl
am nächsten an. während sich die übrigen -Tauben mit schiankern
Wirbelkörpern und breitern Xeuralbogen zu einer Gruppe zusammen-
schliessen. Alle möglichen Grade von Schwankungen innerhalb
Gattungen und Arten verwischen die Grenzen zwischen den beiden
Typen.
Der 5., (>. und 7. Wirbel sind stets die schlanksten: der 8. ist
bereits wieder verkiiizt. und dies zeigt sich am deutlichsten hui Dichcn-
riilm. während z. B. Carpophwia die Verkürzung selbst noch am 9.
und 10. bedeutend weniger ausgeprägt zeigt.
Die dem Rii)i>enköpfcheii und dem die Facette für dasselbe
tragenden Höcker entsprechenden Tlieile zeigen nach ihrem Verhalten
eine regionenweise Gliederung. Im vordem Abschnitt der Hals-
wirbelsäule, mit Ausschluss der 3 ersten Wirbel, bilden diese lateral
und ventral angehäuften Massen eine tiefe mediane, ventrale
Kinne, deren ^^'andungen bereits in kleinen Lamellen ventral vor-
ragen. Im hintern Abschnitt treten diese Lamellen durch Verengerung
dei- Kinne allmählich in Berührung, eine Verschmelzung, welche an
218 Ri'DOi.i' Martin.
der Basis begiimt. wird eingeleitet, bis schliesslich auch die Anfangs
freien Enden der beiden Blätter verwachsen und so eine richtige
Spina ventralis bilden. Diese g-reift nun mit ihrer Basis
siiccessive nach hinten, so dass man bei einem Vergleich z. B. vom
8. und 11. Cervicahvirbel von Didmimliis kaum die homologen Ele-
mente erkennen könnte.
Diese Vorg-äng-e finden auf verschiedener Höhe der AA'irbelsäule
statt. Am 9. "\Virl)el \ow Didtmculus fand ich die Rinne vollständig
g-eschlossen und die beiden Lamellen nur noch an ihren Enden frei:
doch war noch keine eigentliche Spina vorhanden; der 10. Wir])el
war dann durch eine grosse, blattartig-e Spina ventralis ausge-
zeichnet. Bei Phaps histrionica wurde die Verschmelzung- der beiden
Blätter bereits am 8. und 9. AMrbel eingeleitet, indem die Kinne
äusserst eng-, spaltartig, getrotten wurde; am 10. Wirbel war wieder-
um eine starke Spina ventralis vorhanden. Bei den übrigen Arten
von Fhaps traf ich die Massen am 10. Wirbel an der Basis ver-
schmolzen, distal aber noch geti-ennt. Bei Zeuaida trkgt bereits
der 10. AMrbel eine deutliche ventrale Spina, ebenso bei Turüir, Metrio-
pelia, doch kann unter der Hand auch erst am 11. Wirbel die Ver-
schmelzung zur ventralen Sj)ina vor sich gehen (1 Exemplar von
Turtur hitorquatus). Bei Sfarnoenas verwachsen die lamellenartigen
Massen bereits am 6. Cervicahvirbel distal und bilden so an diesem
sowie an den 4 folgenden Canälchen. Am 10. Wirbel tritt eine
Streckung hinzu, und der 11. ist durch eine massive Spina gekenn-
zeichnet. Bei den Columhidae trägt in der Regel erst der 11. Wirbel
einen ventralen Dorn, ebenso bei Corpophaga lacermdata, während beim
Rest {Trerotiinae, Ptüopodinac, Carpopliaginae und Gouridae) stets schon
der 10. durch einen solchen charakterisirt ist.
Den Columhidae kommen gedrungene, relativ kurze Zj'gapo-
physen zu; diesem Umstände verdanken die Cervicahvirbel ihre ge-
drungene Gestalt.
Bei den Gouridae ist der hintere Theil der Halswirbelsäule (vom
10. oder 11. Wirbel an) stark angeschwollen und contrastirt so stark
vom vordem sehr schlanken Abschnitt.
Edopistcs, und darin stimmt diese Form am ehesten mit den
Fhabinae, überhaupt mit den Perisferidae überein, schliesst sich, in so
fern das (repräge der Halswirbelsäule ins Auge gefasst wird, eher
in der Nähe von Diduiicnlus an.
Die Winkel, welche durch die Postzy gapoph ysen gebildet
werden, sind bei Diduncuhis verhältnissmässig gross ; die Perisferidae
Die vergleichende Osteologie der Colnmbit'ormes. 219
kommen Didunculus am nächsten, während sich der Rest der Tauben
mehr von ihm entfernt. Diese Verhältnisse sind jedoch dem Winkel-
maasse unzugänglich und zeigen zudem die feinsten Schattirungen.
Als Regel kann gelten, dass der Winkel nach hinton mit der Länge
der Apophysen abnimmt
Die Neuralbogen tragen durchweg mediane, dorsale
Taberanzen. die auf dem 2. und 3. Wirbel als kräftige Knorren ent-
wickelt sind, während sie auf dem (i. — 12. fast verschwinden oder
bloss als schwache Rauhigkeiten angetroffen werden.
Die Diapophysen, wenn man überhaupt von solchen sprechen
will, sind kurz und plump, nur als unbedeutende Höcker an den
Präzygapophysen wurzelnd. An den voidern ^^'irbeln abwärts ge-
richtet wendet sie sich am 11. wenig, am 12. stärker auswärts, unter
gleichzeitiger Streckung und leitet so zu den folgenden, freie Rippen
tragenden Wirbeln über.
Die Costalfortsätze sind am o. Wirbel zu dessen Axe
parallel (sie fehlen an Atlas und Axis) und nehmen von da an
allmählich mit wachsender Grösse die Lage einer freien Rippe an,
d. h. sie drehen sich abwärts. Zugleich werden sie schlanker; das
roUum unterzieht sich vornehmlich einer Streckung und l)esitzt am
Kippenrudiment des 12. Wirbels bereits die Form desjenigen der
folgenden Rippe, zeigt aber grössere Stärke.
Eine Erscheinung, welche nicht nur allein den Tauben, sondern
den Vögeln im Allgemeinen zukommt und von Interesse sein dürfte,
da sie eine unmittelbare Folge der mechanischen Bedingungen für
die Bewegung des Halses ist, möchte ich hier erwähnen. Es ist
dies die Stellung der Gelenkfacetten an den Präzygapophysen.
Entsprechend der Sförmigen Krümmung des Halses liegen diese
im vordem Abschnitt auf der dorsomedialen Fläche der Fortsätze
und sind etwas nach vorn gerichtet, rücken aber dann gegen die
Mitte des Halses allmählich in eine mehr caudale Lage, schauen
direct dorsalwärts, etwa sehr wenig nach hinten (6., 7. und 8. Cervical-
wirbel im vorliegenden Falle).; von da an, caudalwärts fortschreitend,
kehren sie nach und nach in die ursprüngliche Lage zurück. Ich
vermuthe. dass der Grad dieser Lagedifferenzen mit der Länge des
Halses in Zusammenhang steht, doch hatte ich keine Gelegenheit,
diese Vernuithung durch Messungen zu l)estätigen.
Ohne Ausnahme trägt der 18. Wirbel ein freies Rippenpaar und
ist deshalb als erster C e r v i c o - 1 h o r a k a 1 wirbel zu betrachten. Zu-
gleich tritt an diesem Wirbel wieder zum ersten Mal eine ki'äftige,
220 EUDOI.F ]\Iahti.n.
nach vorn hakenförmige Xeuralspina anf. die an Stärke hinter
der des folgenden. 14. Wirbels etwas zurück bleibt, sonst aber gut
mit ihr übereinstimmt. Die Hakenform ist am Dorn des 2. Cervico-
dorsahvirbels weniger deutlich als an dem des ersten.
In der allgemeinen Form gehört dieser 13. und somit auch der
diesem unmittelbar gleichende 14. Wirbel unbedingt der Cervical-
region an.
Der hauptsächlichste Unterschied zwischen dieser und jenen
beiden beruht, ausser im Vorhandensein von Eippen am 13. und
14. Wirbel, auf der guten Entwicklung der Diapophysen und dem
kleinen transversalen Abstand der Postzygapophysen der Cervico-
thorakal Wirbel.
Die Articulationsfläche für das Capitulum costae liegt dem
Vorderrand des Wirbelkörpers genähert und die für das Tuber-
culum auf einem Höcker nahe der Extremität der Unterfläche der
Diapophyse.
Die Wirbel kör per der Halsregion sind allgemein avian und
bedürfen deshalb keiner weiteren Erklärung.
b) Die Thorakalregion.
Die Thorakalregion umfasst 4 Wirbel, von denen die 3 ersten,
seltener auch der 4. ankylosiren.
Die 2 ersten sind durch hohe ventrale Dornen ausgezeichnet,
die ebenfalls unter sich zu einer Crista verschmelzen. Diese fällt
nach hinten rasch ab und setzt sich bloss als ventrale Kante auf
dem 3. Dorsalwirbel fort.
Die Kammhöhe der Crista kann, wie übrigens die Enden der
Ventralspinae der Cervico-thorakalwirbel auch, ausgebreitet sein ; ich
beobachtete dies namentlich bei Macropygia cniiliana und mehreren
Carpo2ihaga- Arteu. doch untersteht der Grad der Ausbreitung einer
grossen individuellen Variation.
Die Crista selbst ist ebenfalls grossen Schwankungen unter-
worfen, die allerdings von nur untergeordneter morphologischer Be-
deutung sind. So können z. B. die Spinae ventrales der genannten
Wirbel nur distal verschmelzen, so dass an ihrer Basis ein durch
sehnige Membran geschlossenes Fenster zuiiick bleibt. Ferner variirt
die Crista in der Höhe von Individuum zu Individuum, und endlich
kann gelegentlich bloss der 1. Brustwirbel eine Spina tragen
(1 Exemplar von Zenaida auriculafa).
Die Art der Verschmelzung der Wirbel kann uns wenig sagen.
Die vei'oleicheiide Osteologie der ('ohimWt'ornu'-^. 221
da sie vom Alter der Thiere in holiein Grade abliängio- ist. Sie
beschränkt sich bei jünoern Thieren auf die \A'iibelköri)er, ergreift
in der Folge die Neuralspinae, dann die ventralen Dornen, nnd zum
8chluss treten, durch die Ossification der Ligamente, selbst noch die
Qnerfortsätze zu einander in Beziehung.
Es ist von einigem Interesse, dass die feste Verschmelzung der
8 Thorakalwirbel lange der Vollendung des Synsacrums vorausgeht.
Kine A'erschmelzung von bloss den beiden ersten Brustwirbeln
1 Exemplar von Fhaps cha/copfera), die Avohl ins Gebiet der Ab-
normitäten zu verweisen ist, ist selten; viel häutiger wird eine
Verwachsung aller 4 Brustwirbel angetroffen, eine Thatsache, die
vermutlilich jeweilen mit dem hohen Alter der Thiere in Zusammen-
hang steht.
Die Wirbelköri)er dieser 3 ankylosirten Wirbel sind im Quei--
schnitt herzförmig.
Die Nervenlöcher (Intervertebralforamina) der ganzen Prä-
sacralregion sind gross, ebenso noch dasjenige zwischen dem 1. und
2. Sacralwirbel (im weitern Sinne); dadurch contrastiren sie gegen-
über den doppelten, aber engen Löchern der Sacralregicm. Ihr üm-
riss ist von rundlicher bis ovaler Gestalt.
Der 4. Thorakalwirbel oder der 18. in der ganzen Serie ist
in der Eegel frei, gleicht im Uebrigen aber unmittelbar dem 17.
Wenn ich näher auf seine specielle Conflguration eintrete, so ge-
schieht dies im Hinblick auf Gadow's ^) kurze Beschreibung dieses
Skeletelements für Dkhis und eingedenk der wenigen, aber constanten
Modificationen. welche der Wirbel, der in Frage steht, durch die
Reihe der Tauben durchzumachen hat. Die hauptsächlichste Um-
gestaltung zeigt, wie aus dem Folgenden hervoi'gehen mag, meinei"
Ansicht nach, deutlich den Einfluss der ^Mechanik auf die Form.
Die Proportionen des Wirbelköi-pers wechseln von Art zu Art;
speciell die Articulationstiächen desselben, vorzüglich die caudale.
unterliegen zahlreichen Schwankungen des Umrisses.
Die vordere besitzt in der Kegel einen rechteckigen bis qua-
dratischen Contur, die Breite dabei stets die Höhe übertreffend; am
auffallendsten geschieht dies bei den Pfihipodinae, bei einigen Carpo-
pha()i)iue sowie bei Goxridae. Es lässt sich aber keine scharfe
Grenze ziehen, da sich die Carpop1iaga-Ari%\\ zu wechselnd verhalten
1) In: Trans, zool. Soc. London, V. 13, Part 7, 1893.
222 KUDOLF MaKTIN.
iiiul da sich ferner der Messfehler bei .so kleinen gemessenen Strecken
natui'gemäss dentlicher zur Geltung bringt. Ich möchte noch er-
wähnen, dass sich Didnnvnlus an die Ptilopodinac anschliesst.
Znm Eelief der Fläche kann nicht viel bemerkt werden,
höchstens, dass die Tiefe der Concavität von Seite zu Seite und die
Krümmung der Convexität in der verticalen Richtung variirt: dass
die Gestalt der Fläche von einigem Eintluss ist, braucht kaum zu-
gefügt zu werden.
ßemerkenswerth ist die Hei'zform dieser Fläche bei Fesophaps,
ähnlich der Form des Querschnitts der vorhergehenden Wirbel.
Grösserer Mannigfaltigkeit begegnen wir bei der Untersuchung der
hintern Sattelfläche, welche bald rechteckig, bald mehr quadratisch oder
keilförmig ist. Die grösste Breite der Fläche liegt stets auf der Ver-
bindungslinie ihi'er beiden dorsalen Ecken. Ihre Höhe kommt der
grössten Breite näher als an der vordem Sattelfläche und ist wohl in
der Mehrzahl der Fälle ihr gleich zu setzen; in wenigen Fällen (Treron
(u'ijura, Macropygia und Gourä) übertrifft sie sogar diese um weniges,
während sie bei den Pfilopodinae weit hinter ihr zurücksteht; an
die Ftilopodinae reiht sich DiduncuJns. Die Form der Fläche selbst
geht in den feinsten Abstufungen vom einen Tj'pus in den andern
über, wobei die Keilform die häufigste ist.
Die Zygapophysen sind meist schwach divergent, und die
Gelenkfacetten sind an den rostralen dorsalwärts, an den caudalen
ventralwärts gerichtet. Bemerkenswerth ist, dass sie bei Fezophaps
an den Präzygapophysen stark einwärts gedreht sind, da man solche
Verhältnisse sonst nirgends bei den Tauben in dem Maasse antrifft;
selbst Didus verhält sich in dieser Beziehung normaler, auch lassen
Goura und Didumulus keine Modificationen in dieser Richtung er-
kennen, dagegen lässt Carpophaga solche Tendenz deutlich durch-
blicken.
Die Diapophysen des 18. Wirbels schliessen sich in ihrer Form
der der vorhergehenden Querfortsätze an ; sie sind fast gerade, etwas
nach rückwärts und eventuell distal aufwärts gebogen. Eine Ver-
knöcherung der sehnigen Fasern, welche sie mit den Diapophysen
der anliegenden Wirbel verbinden, wird oft bei alten Thieren beob-
achtet.
Es sei noch einer Abnormität gedacht, nämlich dass dieser
AVirbel bei einem Exemplar von Phaps chalcoptcra mit zum Syn-
sacrum verschmolzen war; bei Goura ist eine lockere Verwachsung
mit diesem Regel.
Die vergleichende Osteolugie der Colunibifi)niies. 228
Der Rückenmarks c anal im 4. Thoiakalwirbel ist bei der
Mehrzahl der Tauben kreisrund oder leicht oval; in einem Falle
(Aletirocnas ui<(äo<jascariensis) war er sogar schwach dei)ress. Bei
Didus, Pesophaps und Goura ist er seitlich stark zusammengepresst
und oft in halber Höhe noch eingeschnürt (bei Didus ragt ein Hügel-
])aar in das Lumen des Canals vor). Bei Didnnculns konnte ich
keine solche Specialisirung erkennen: er verhält sich vollständig
generell.
Es scheint mir wahrscheinlich, dass die Erhöhung des Kücken-
markscanals, mit welcher in der Regel eine Höhenzunahme der
caudalen Sattelfläche des 18. Wirbels Hand in Hand geht, mit der
Erhöhung- des Beckens in engsten Zusammenhang- zu bringen ist.
also indirect durch die Ausbildung- der grössern Lauftahigkeit be-
dingt wäre. Erstaunlich bleibt die Thatsache, dass bei Didus der
A\'irbelköri)er relativ niedrig ist und bloss die dorsalen Partien
gleichsam emporgezerrt wurden.
c ) D i e S a c r a 1 r e g- i 0 n.
Die zum S\'nsacrum verschmolzenen ^^'irbel sollen anlässlich der
Besi)rechung des Beckens zur Behandlung- kommen. Es sei vorläuftg
nur bemerkt, dass ihre Zahl von IH bis 17 variirt. ^)
d) Die Caudalregion.
Endlich die freien Caudalwirbel! Hire Zahl wechselt von ö bis
7: dazu kommt jeweilen noch das PygostA'l. welches selbst mehrere
A\'irbel resorbirt. In der Jugend treffen wir regelmässig ein Element
mehr, welches später mit zum Pygostyl verschmilzt,
ö Ca u dal Wirbel -\- Pygostyl:
Phaps hisfrionica, Ttirtur, Metriopelia, Sfariioenas, Columha,
Edopistes, 3Iorropijf/ia, Treron oxtjura und splienuru, Pfilo-
podinae (mit Ausnahme von Aletiroenas). Didunculus.
H C a u d a 1 w i r b e 1 -\- Pygostyl:
Zenaida, Phaps, Aledroenas, Carpophaginae, Treroninae,
Gouridae.
7 Caudal Wirbel -|- Pyg'ostyl:
1 Exemplar von Zenaida auricnUda.
1) (gewöhnlich werden I)i(liis und l'f'.ophiiits wie auch (laiini 16 Sacral-
w^'bel zuerkannt. Eine genauere Zählung, namentlich mit Hülfe der
Intervertebralt'orainina, zeigt , dass die Zahl bei den Riesentauben der
madagassischen Provinz 1 7 war.
224 EuDOLK Martin.
Wie bereits gesagt, ist. die Zahl der freien Caiidalwirbel in
liohem Grade vom Alter abhängig, nnd jedenfalls kommen 7 bloss
ganz jungen Thieren zu. 5 scheint für alte Thiere die Regel zu
sein, während ab und zu 6 auftreten können, welche Zahl auch etwa
als Resultat der individuellen Variation bei Formen, welche normal
5 besitzen, angetroffen wird. Eine Wechselbeziehung zur Zahl der
Sacralwirbel konnte ich nicht constatiren, da gerade in Fällen, in
denen die Zahl der Sacralwirbel gesteigert ist, die C'audalwirbel in der
Sechszahl angetroffen wurden {Carpophaga occanica, Goura). Umgekehrt
besitzen viele Piüopodinac mit bloss 13 Sacralwirbeln 5 caudale.
Zur speciellen Conliguration der Caudalwirbel braucht nicht
viel bemerkt zu werden. Sie tragen lange Diapophysen, welche am
3. ihr Maximum erreichen und von da an caudal rasch abnehmen.
Am letzten freien Caudalwirbel sind sie, obwohl sehr kurz, doch
deutlich vorhanden, am Pygostyl fehlen sie.
Kurze, aber kräftige, vorwärts gerichtete Neuralspinae sind
durchweg vorhanden: sie erreichen im Pygostyl ihre grösste Ent-
faltung. Vom 3. Caudalwirbel an erscheint auch auf der ventralen
Fläche der ^^'irbelkörper eine knorrenartige Erhebung, die am
letzten Wirbel vor dem Pygostyl zu einer kräftigen, rundlichen
Spina auswächst; auch das Pygostyl trägt einen ventralen Dorn.
Der Rückenmarkscanal ist stark reducirt, läuft aber bis ins
Pygostyl.
Didtmculus zeichnet sich durch die kurzen, gedrungenen Quer-
fortsätze dieser Region aus.
Ich schliesse hier an die Besprechung der Wirbelsäule gleich
einige Angaben über die Rippen, welche bei der Gliederung des
Axenskelets ja die vorzüglichste Rolle spielen, an.
Es hält wohl schwer, columbine Eigenthümlichkeiten heraus-
zuheben.
Die Vertebro-costalia sind breit und in ihrer dorsalen
Hälfte durch einen ventralen Wall verstärkt. Die Processus
uncinati sind lang und gerade, meist abgestutzt.
Ventral vom Tuberculum costae liegt entweder auf der
Rostral- oder Caudalfläche der Rippe oder auf beiden zugleich ein
Foramen pneumaticum. Es liess sich nachweisen, dass seine
Lage in der Mehrzahl der Fälle auf die Vorderfläche gebannt ist.
Was die Vertheilung der Rippen längs der Wirbelsäule betrifft,
führe ich Folgendes an:
Die verii'leicheiitk' (Isteologie (\vr (\ilniiiliifoi'ines. 225
Der 13. und 14. Wiil)el trafen bewegliche, aber nidit mit dem
Sternum articuliiende. aucli nicht mit rudimentären Sternocostalia
versehene Kippen, von denen die ei'ste die Gestalt eines fast geraden,
rundlichen bis dreikantigen Knochenstabes hat, aber bereits mit
Tuberculum und Capitulum costae versehen ist. Die zweite gleicht
bereits gänzlich den V^rtebro-costalia der ecliten Thorakalrippen
und trägt in der Regel einen Processus nncinatns. Ein solcher fehlt
meistens folgenden Formen:
CarpopJtfiga acnea. Carp. hiccrnulaia. Treron ccrnaus. T. hirincfa.
Alecfrocrtas und Gonra.
Dass auch hier wiederum die individuelle Variation ihi- Recht
verlangt, braucht kaum besonders hervorgehoben zu werden.
Die 8 oder 4 folgenden Rippenpaare stellen die eigentlichen
Thorakalrippen dar. Weitaus die Mehi-zahl der Tauben besitzt deren
4. während andrer.^eits Ausnahmen stattfinden, indem rostral oder
caudal die Articulation eines Rippeni)aares vom Sternum ge-
löst wird.
Einen solchen Vorgang beobachtete ich vorzüglich am rostralen
Ende dei- Thorakalregion. was einem ZuAvachs der Cervico-thorakal-
Region um ein Element gleichkommt. Belege hiei-für sind: Columba
nihil inca, Carpophaf/a acuca, f'arp. hicolor. Carp. laceruiilata, Trerori
oxijura, T. hicinda, Ptilopus roscicollis. P. nicIaiioccpJialus. P. niclfuiospihis.
Alcdroeuas und Gonra.
Die 4. Thorakalrippe giebt bei folgenden Formen die Fühlung
mit dem Brustbein auf:
Zcnaida axrimlata, Metriopelia melanopfem, Columba picamiro. Die
Trennung ist aber nie sehr weit gediehen, da ein Sterno-costale stets
vorhanden ist und bis nahe an den Seitenrand des Brustbeins liei--
anreicht. Gelegentlich kann auch bei andern Formen auf die eine
oder andere Art die Thorakalrippenzahl redncirt wei'den. ja Asj'm-
metrie ist keine allzu grosse Seltenheit.
Durch den 19. AMrbel werden Kippen, welche sich Thorakal]-ii)pen
ähnlich verhalten, bloss durch das Fehlen von Proc. uncinati
ausgezeichnet sind , getragen. Allerdings ist das Fehlen des ge-
nannten Fortsatzes kein sicheres Charakteristicum, da ei- bereits der
vorhergehenden Ripi)e fehlen kann (Geopelia sirkda, Zenaida atiricn-
lata. Macropijfiia. Gour«): doch sind diese Ri))pen dann im Gegensatz
zu der des 19. Wirbels, welche das Sternum nicht erreicht, sondern
sich bloss an das Sternocostale der 4. Thorakalrippe anlegt, echt.
Bei Macropynia ist die l»ip|te des 19. Wirbels bis auf ein kleines
226 RcDOLF Martin,
Rudiment ilires Steriiocostale, welches dem HinteiTaiid des betreffen-
den Stückes der vorherg'ehenden Rippe anklebt, redncirt. Dies ist
der einzige Fall, in dem der 19. Wirbel rii)penlos ist.
Teil muss mich nun noch mit einig-en Worten den Behauptungen
Gadow's (in: Trans, zool. Soc. London 1893) zuwenden.
Bidus soll 13 Cervical-, 2 Cervico-thorakal- und 3 Thorakalwirbel
besitzen. Dies scheint mir eine x\berration zu sein, jedenfalls kein
g-enerelles Verhalten, indem das Sternum vorn die Verbindung mit
einer Rippe aufgegeben hat, m. a. W. um ein Element nach rück-
wärts gewandert ist (denn wir finden in vielen Fällen 5 Paar echter
Rippen); eine Tendenz, solche Verhältnisse zu Eigenthümlichkeiten
von Arten oder Gattungen zu machen, lässt sich nicht verkennen
und scheint bei I-ezophaps zur Ausführung- gelangt zu sein.
Was Treron, Carpophaga und Goura betrifft, muss ich ent-
schieden Protest erheben. Alle drei, und mit ihnen der Rest der
Tauben, besitzen 12 echte Cervical vvirbel und 2 event. 3 Cervico-
thorakalwirbel , je nachdem eine ursprünglich echte Rippe, welche
vom ersten ankylosirten Wirbel getragen wird und deshalb eher
noch der Tliorakalregion sollte beigezählt werden, sich vom Brust-
bein zurückgezogen hat oder nicht.
Die Rippe des 18. Wirbels articulirt mit dem Sternum. es sei
denn, dass die individuelle Variation die Articulation gelöst habe,
eine relativ seltene Erscheinung.
Soviel steht fest, dass morphologisch bezüglich der Wirbelsäule
und Rippen grosse Einförmigkeit herrscht und andrerseits da. wo sie
eingreift, die individuelle Variation kaum mehr Grenzen kennt. Eine
Verwerthung dieser Skelettheile zu classificatorischen Zwecken liegt
kaum innerhalb des Rahmens der Möglichkeiten. Es ist dies inter-
essant, in so fern als Herr Dr. Stromer von Reichenbach ^ i auf
andern! Gebiet und durch viel eingehendere Untersuchungen zum
gleichen Resultate geführt wurde.
3. Der Schultergürtel.
(Siehe die zahlreichen Abbildungen l)ei P'crbringer [Morphologie etc.].)
Nachdem Fürbring er in seinen breiten und sorgfältigen Aus-
einandersetzungen das Wesentliche und Unwesentliche zur Genüge dar-
1) Die Wirbel d. Laud-Raubthiere, in: Beitr. z. vergl. Anat. u. Physiol.,
Stuttgart 1!I02.
Die veroleicheiide Osteologie der ('nlnniliifdrines. 22 <
getiiaii hat. l)m ich nicht in der I^a^^ie. zur allgemeinen Kenntniss
des vSchulteigürtels Neues liinznzutTioen. Tcli kann bloss die Lücke
auszufüllen versuchen, welche durch die Vielseitigkeit der Vvb-
BEixtrKu'schen Arbeit notligedrung-en bleiben musste: das. Avas
speciell die Tauben betrifft, erwähnen.
Ich halte mich natürlich möüiiclist an die Art der Da]'ste]lun<i-,
welcjic von Fürbeingek als die zweckmässigste erachtet wurde.
a) Die Seai)nla.
Die Scapula zeigt selir verschiedene Formen, besonders in Hin-
sicht auf ihr distales Ende, und variirt in der Länge von fxS dvM
(Viudf/o raJra, l)is 7.5 dv (Gcopdia siriafa). Allgeniein kann Folgendes
gesagt werden : .Am längsten ist die Scapula bei den Fhahiuae
(6.(3 — 7.5 dv) und bei Diduncnhis (7,1 dv); die Trcroniäac inclusive
Ptüopocliuae schwanken zwischen 5,8 und 7 dv (Vinac/o calva und
T. vernans); die übrigen Tauben liegen alle innerhalb dieser Grenzen
und zwar die Mehrzahl zwischen 6 und 7 dv. Man-opijf/ia nimmt,
wie überhaupt in den Dimensionen des Schultergürtels, eine Aus-
nahmestellung ein (5,58 dv).
Dieseu Längenverschiedenheiten entsprechend, aber auch noch
von der Länge des Darmbeins abhängig, wird die Scapula den
vordem Beckenrand nach hinten überragen oder bloss erreichen
oder einen Zwischenraum offen lassen.'^
Diese Verhältnisse sind äussei"st wechselnd und zwar nicht nur
innerhalb grösserer Verbände, sondern auch innerhalb ein und der-
selben Art. so dass es schwer hält, auch nur einigermaassen sichere
Daten aufzuführen. Einige Beispiele mögen zur Erläuterung bei-
gezogen werden:
Die Scapula überlagert den Darmbeinrand in
wechselndem Maass :
1. Bei den meisten Pcristeridae (0 — 1,5 dv).
2 ,. Columhidae (0—2 dvl
.'). ,. .. Treronidae (0,5 — 1.5 dv).
4. ,. ,. VtUopodinae (1—2 dv).
5. ,. ,. meisten Carpopliar/jime (0 — 1 dv).
Ij dv mittlere Dois;ti\virl)elläiige.
228 Kri)(ii,i.' Mahtin.
Die Scapula erreicht den Vorderraiid des Darm-
beins:
1. Bei einzelnen Arten von Txrfur.
2. Zcnaida.
3. Lepiopfila.
4. Carpophaga acnea.
Die S c a p u 1 a e r r e i e li t das D a r m b e i n n i c li t bei :
1. Gouridae.
2. Did'unculus (— 0.5 dv).
3. (^olumha aquafrix ( — 1 dv).
4. Macropijgia ( — 1 dv).
5. Carpojiliaga (subgen. Mijsficivora : — 1 bis — ' ., dv).
6. . 1 lecfrocnas.
Wie gesagt, spielt die individuelle Variation, namentlich aber
die Variation der Zuchtrassen eine bedeutende Rolle. Ich be-
obachtete bei Carpoplioga aenea Schwankungen von 1 dv und bei
Columha domestica solche von sogar 2 dv.
Die grösste Breite der Scapula entfällt auf das distale Dritt-
theil und überschreitet 1 dv nur selten {Tnrivr iigrinns 1,1, Starnoenas
cfjanoccphala und Goura 1,0 dv); bei den meisten Tauben ist sie
kleiner (0,72 — 1,0 dv); eine bestimmte Eegel kann auch hier nicht
in Anwendung kommen, vielmehr zeichnet sich das distale Scapula-
ende durch einen hohen Grad der Plasticität aus, ist bald mehr
dreiekig. bald mehr säbelförmig, und diese Umrisse können sich von
Individuum zu Individuum ablösen (siehe Textfiguren S. 235).
Einer ungleich grössern Constanz begegnen wir im proximalen
Theil der Scapula.
S p e c i e 1 1 e C o n f i g u r a t i o n.
Die Gestalt ist durchweg eine gleichmässige. Die einzigen
Variationen umfassen die stärkere oder schwächere Erhöhung des
scapularen Theiles der Gelenkfläche für den Humerus und die
relative Länge des Acromions.
Der Hals ist meistens abgeplattet; nur Didimculus und die
G-ouridae weisen einen runden Scapulahals auf. Wir begegnen bei
den ausgestorbenen Riesentauben ähnlichen Verhältnissen.
1. Laterale Fläche.
Die laterale Fläche ist. mit Ausnahme von Didumidus, den
Die verffleicheufle Osteologie der Culiunbifonnes. 9^9
Gouridac und den Bidi, platt und in der Regel noch sclnvach cuncav.
Sie läuft V(irn auf den stark concaven. den GelenkknoiTen für den
Huinerus mit dem Acromion verbindenden Rand aus und ist in Folge
dessen im vordersten Tbeile am stärksten ausgehöhlt. Diese stärkere
Depi'ession macht sich eine gewisse Strecke weit nach hinten
geltend, die bei den verschiedenen Familien verschieden lang ist.
So erreicht sie den Hinterrand des Gelenkfortsatzes bei DiduncuJus
und Gonra. sie erreicht denselben nicht bei allen übrigen Tauben.
Im besten Falle greift sie bis zur Mitte des Gelenkfoilsatzes vor
{Treroninae) und ist entsprechend flacher; ähnliches Verhalten tragen
die Pfilopodiuae (mit Ausnahme von Alecfroenas), einzelne Columhidae
und die Fcristcridae (am markantesten Phaps-) zur Schau, während
die Grube bei den Carpophaga- Arten fast vollständig in Wegfall ge-
raten ist.
Das hintere Ende der Grube verhält sich verschieden. Ent-
weder es läuft auf die dorsolaterale Fläche der Scapula aus, mit
dem dorsalen Rande convergirend. oder es verlängert sich nach
hinten in eine seichte und breite Furche, welche der ganzen Scai)ula
entlang zieht. Bei Dkhim'uhis verflacht sich das Thal caudalwärts
und geht in eine ebene Fläche über, welche ihrerseits durch eine
rauhe Linie, die an der Basis des Hinterrandes des Gelenkknorrens
ansetzt und zur Mitte des Dorsalrandes des Schulterblattes verläuft,
vom übrigen Theile der lateralen Scapulafläche abgegrenzt ist. Ein
ähnliches Verhalten treffen wir bei Phaps, während bei den übrigen
Peristeridae (mit Ausnahme von Geopelia) und Treronidac die Grube
zu dei- erwähnten Rinne in Beziehung tritt. Bei den Columbidac
und Geopelia verläuft die Depression in der ungetheilten Lateral-
fläche.
Die Abi)lattung oder Höhlung der Lateralfläche wächst mit dem
Alter; so fand ich bei einem jungen PtUopus jamhu bloss eine
lei.se Andeutung einer Furche im proximalen Theile, während der
Hals im Uebrigen noch vollständig gerundet war.
Dem Vorhandensein oder Fehlen der Rinne in der äussern
Schulterblattfläche entsprechend ist eine vordere, von der ^^'urzel
des Hinterlandes des Gelenkfortsatzes zur Mitte des Dorsalrandes
der Scapula (siehe oben) verlaufende Linea e m i n e n s fehlend oder
ausgebildet. Sie fehlt deshalb den meisten Trerouidac, Pcrisferidac
(mit Ausnahme von Phaps). Gonridae, ist da und dort schwach an-
gedcnitet bei Carpopliaginae und endlich stets vorhanden bei den
Phid)i}i(tc und DiduncuJus. Den Columhidae kommt sie nie zu. obwohl
230 IiUDOLK MaHTIN.
hier die l\iiine äusserst schwach ist oder auch ganz in Wegfall ge-
ratlien kann. Macropygia zeigt ein besonderes Verhalten, indem sich
proximal der Sulcus ausbreitet und durch einen schwachen \\a\\
von der Depression des Vorderrandes getrennt ist.
Die longitudinale Rinne kann entweder die Mitte der Lateral-
fläche des Schulterblattes bezeichnen oder dem dorsalen Eande ge-
nähert sein; auch in dieser Hinsicht, wie auch — was wohl kaum
besonders braucht hervorgehoben zu werden — bezüglich der vorher
angeführten Punkte, hat sich die individuelle Variation ein breites
Wirkungsfeld zugeeignet, so dass von ,. systematischen Merkmalen"
keine Rede sein kann.
Auf alle Fälle breitet sich das caudale Ende des Sulcus mit.
der Breitenzunahme der Scapula aus, so dass die Aussenfläche der
Schaufel durch eine flache, weite Concavität gekennzeichnet ist.
Diese ist aber nicht an das Vorhandensein des Sulcus gebunden,
sondern wird gerade bei Formen wie z. B. DkhmcuJtts und Phaps
am deutlichsten angetroffen. Sie kann auch secundär durch ein
Uebergreifen der Verdickung des ventralen Randes reducirt werden
und bloss in Form einer dem dorsalen Rande genäherten Furche
stehen bleiben (Carpoph. oceanim).
In der Regel ist die Einsenkung des distalen Theils von starken
Muskellinien eingenommen, welche merkwürdiger Weise bei JDichmcnlus
am stärksten ausgebildet sind. In der Vierzahl vorhanden (die Zahl
ist jedoch variabel) stellen sie Querleisten dar, Avelche vom dorsalen
Rande ausgehend nach unten und vorn verlaufen.
Von der Mitte des Dorsalrandes oder wenig vor derselben be-
ginnt eine zweite Line a a s p e r a , welche unter entgegengesetzter
Neigung zum Dorsalrand wie die bereits beschriebene Linea eminens
nach hinten verläuft und den Ventralrand am Ende seines dritten
Viertheils trift't; durch sie wird der verbreiterte distale Theil vom
Halse geschieden.
Auch die Stärke dieser Linie unterliegt Schwankungen; sie ist
am stärksten bei Formen, deren Scapula auf der Aussenfläche keine
Furche trägt, also bei DiduncuJus und Phaps, wird aber auch ohne
Ausnahme stärker oder schwächer bei den übrigen Pcnsferidac.
Coltimbidac, (rouridac und Trcronidae angetroffen. Oft kann sie nahe
bis zum Verschwinden kommen (z. B. Carpophaginac , PtiJopodmac
und Gouridae). Bei Phaps ist sie kurz und sehr steil und trift't in
Folge dessen den Ventralrand des Schulterblattes schon in seiner
Mitte. Auch bei den Treroninae ist das Verhalten ein eigenartige>.
Die vergleichende Osteologie der ("uluinbifurnies. 231
indeiii die Linie erst stark markirt dem Dorsalrand der Scaimla
folgt, dann pirttzlich nrnbiegt nnd znoieicli fast vollständig- verwischt
wird.
Die Ansbildiing- dieser Linie, wie überhaupt der Kauhigkeiten,
Avird wohl nicht -zuletzt mit dem Alter der Thicre im Zusammen-
hang stehen.
2. Der Dorsal ran d.
Dei' vordere Abschnitt des Dorsalrandes ist gerundet, der hintere
scharf. Kr läuft ununterbrochen von der am meisten vorragenden
Ecke des Acromions bis zum hintern Knde des Schulterblattes. An
seinem A'ordern Ende inserirt das Ligamentum acrocoraco-
acromiale, und hinter dieser Stelle begrenzt er die proximale
Grube der Lateralfläche dorsal.
Von der Höhe des Hinterrandes des Gelenkfortsatzes ist er auf
eine lange Strecke gerade und biegt erst weit hinten, jedenfalls erst
im distalen ^ ,,, ventralwärts al). Eine Ausnahme bilden die Gonridae,
bei welchen der Rand nach oben convex ist. Auch kiinnen anderwärts
seltenere Ausnahmen auftreten, nämlich wenn die Scapula Säbelform
angenommen hat (etwa bei Trcroii. doch beginnt in allen Fällen die
Biegung erst hinter der ^Mitte).
Das distale, ventralwärts gekrümmte Stück Avird \o\\ Vin-
bkinctEk als Basis s c a p* u 1 a e beti-achtet. Diese ist bei den
Tauben gut abgegrenzt: bloss bei säbelfiU-miger Scapula fällt eine
sichere Ausgliederung dahin {Trcron hicincfa). Diese Ausnahmen
nicht in Rücksicht gezogen, beträgt, wie Eürbringek bereits fest-
gestellt hat, die Länge der Basis ' ^ bis -jr, der Länge des Dorsal-
randes, ein Verhältniss, das selbst bei Individuen derselben Art nicht
constant ist. Bei Pliaps ist die Basis nicht sehr scharf- abgetrennt,
beträgt aber ca. - .-, des Dorsalrandes, w'ährend sonst das Verhältniss
^.. vorzuherrschen scheint. Bei Goiira ist die Basis. relativ kürzer
(ca. %).
3. Die mediale Fläche.
Die piediale Fläche ist bald gerundet, l)ald flach; in den meisten
Fällen greift eine Aljplattung Platz. Beide Endformen weiden durch
eine Stufenleiter verbunden.
Die Räche ist gerundet bei: Biduuculns, Goura, Carpojiha-
yinac. Ptüopodinae und Veristcridae mit Ausnahme aou I'Ikijis.
Zuo]. .Jahil). XX. Alitli. l'. Svst. 1<>
232 ]\ri)tii,i' Martin.
Die Fläclie ist eben bei: Treroninae und PJiahinae.
Die Fläche ist coiicav bei: Pe.sophaps und Didm.
Die Gruppen sind schwer aus einander zu halten, zumal sich
sj^stematische Einheiten nicht durchweg gleichmässig- verhalten. So
o-ehören einzelne Carpojihaf/a- Arten bereits der zweiten Gruppe an,
während andrerseits Formen wie Vinago calva eher der ersten
Gruppe zuzugesellen sind. Die Abplattung der MedialMche ist das
Kesultat einer Anschwellung des ventralen Bandes, die dorsalwärts
vorgreift; die ursprünglich i'unde bis ovale Form des Schulterblatt-
hals-Querschnittes geht in eine dreieckige über, welche l)ei den
Phühinae am charakteristischsten ausfällt.
Die verbreiterte Fläche ist distal stets eben oder schwacli
convex. Sie ist durchweg durch eine Anschwellung verstärkt, welche
bald in die Mitte der Fläche gerückt, bald dem ventralen Bande
genähert ist oder mit diesem zusammenfällt. Auch hinsichtlich
dieses Verstärkungsbalkens kann ich kein Gesetz erkennen, immerhin
scheint bei den Treronidac, mit Ausnahme der Ptüopodinae, die Mitte,
bei den übrigen Tauben der ventrale Band verstärkt zu sein; bei
den Ptilopoddvae breitet sich die Verstärkung gleichmässig über die
ganze Fläche aus.
Vorn, unmittelbar hinter dem Bande, welcher Gelenkprotuberanz
und Acromion verl)indet, liegt bei vielen Tauben eine dreieckige
Einsenkung, welche den Vorderrand der.. Medialfläche wallartig vor-
springen lässt. Die Prägung dieser Grube wechselt rasch; bald ist
sie allseitig deutlich begrenzt, bald werden die Begrenzungslinien
nach hinten verwischt. Es scheint, dass sie bei kleinen Formen in
Wegfall gerätli und nur den grössern zukommt.
4. Der Ventralrand.
Der Ventralrand ist stets verdickt und gerundet. Er beginnt
an der Basis der Gelenkprotuberanz und läuft dem Dorsalrand zu-
nächst parallel nach hinten, divergirt aber dann allmählich, so dass
die Verbreiterung der Scapula zu Stande kommt. Gleichzeitig
schärft er sich nach hinten mehr und mehr zu.
In der caudalsten Strecke seines Verlaufes convergirt er wieder
mit dem hintern Abschnitt des Dorsalrandes — der Basis — und
stösst mit diesem in einem spitzen Winkel zusammen, so die distale
freie Ecke der Scapula bildend.
Oft trägt der Ventralrand im proximalen ^3 ein kleines
Tuberculum. auf welches namentlich bei Didus und Pcmpliaps
Die vergieicheufle Osteologie der C'olmnbifoniies. . 238
aufmerksam g-emaclit wurde. Bei den Eiesentauben der rnjulagassi-
sclieii Piüvinz ist es kräftig-, bei IHdus sogar spin aartig- entwickelt;
es findet sich constant, aber schwach bei Didunculus und den
PJiabinae. wechselnd bei den übrigen Tauben, wälii-cnd es den
Gouridae constant fehlt. Da und dort tritt es plötzlich bei einer Art
einer Gattung, bei einem Individuum einer Art auf und wird bei
der nächsten Art. beim n;ichsten Individuum gänzlich vermisst.
Der Verdickung des \'entralrandes verdankt die Aussenfläche
der Scapula zum Theil ihre Concavität, welch.e durch die Ver-
dickung des Dorsalrandes vervollständigt wird.
5. Proximales Ende.
Das proximale Ende trägt stets ein gut entwickeltes . A er o -
mion und eine stark vorspringende (Telenkpro tu beranz; beide
sind durch den bald zugeschärften, bald breiten Vorderrand ver-
bunden.
CO Acromion. Die Höhe und Länge desselben wechselt. Seine
allgemeine Gestalt ist die einer etwas gedrehten Platte, deren
Aussenfläche mehr oder weniger eben, deren Innenfläche stets in
hohem Grade convex vorgewölbt ist.
In den meisten Fällen ist der Contur des Fortsatzes (von innen
gesehen) dreieckig; die Basis des Dreiecks entspricht dem Vorder-
rand, seine Schenkel dem Dorsal- resp. Ventralrand.
Der Dorsalrand verläuft auf der Dorsalfläche des Dorsalrandes
der Scapula überhaupt und ist stark gerundet.
Die vordere, obere Ecke ist etwas ausgezogen und lateral wärts
gegen das Acrocoracoid gekrümmt und mag deshalb als Processus
a c r 0 c 0 r a c 0 i d e u s s c a p. bezeichnet werden. Dieser behält durch-
weg die gleiche Gestalt bei. variirt höchstens bezüglich seiner
gi'össern oder geringern Schlankheit.
Die vordere, untere Ecke ist breit gei'undet und tritt zum
Procoracoid in Beziehung, wie sich denn überhaupt der ganze
l'nterrand des Acromions mit diesem verbindet.
Der Dorsalrand der Scapula setzt in der obern Hälfte des
Voiderrandes des Acromions an und wölbt die Medialfläche des
Fortsatzes vor. Zwischen dem Dorsalrand des Acromions und dem
der Scapula liegt eine ebene Strecke, sonst bilden beide fast einen
einheitlichen Wulst.
Dei- Ventralrand ist erst scharf, spaltet sich aber weiter hinten
in 2 Aeste, von denen der eine sich in den Vorderrand der Scapula
16*
234 Ex'DOLF Martin.
fortsetzt, der andere noch eine Strecke weit in der Ventralfläche
des Knochens zn verfolgen ist. Durch ihn wird die hinter dem
Vorderrand gelegene Grube (siehe oben) medial begrenzt.
Durch dieses Verhalten des Unterrandes des Acromions kommt
die J)rehuiig des Fortsatzes zu Stande.
Die Länge des Acromions (vom Vorderrand der Scapula ge-
messen) wechselt ziemlich stark; folgende Messungen mögen nls Be-
leg beigefügt werden.
0,50 dv : Dicnncnlns.
0.52 — 0,58 dv: Carpophaginae.
0.58 — 0.64 dv : Cohimhidae, mit Ausnahme von Col. trocaz (0,53),
Treroninae, mit Ausnahme von Vinago calva
(0,56), Ptilopodinae, mit Ausnahme von Alectroenas
(0,56).
0,66 — 0.76 dv: Pcristeriäae. mit Ausnahme von Turin r tigri-
niis (0,6).
0,82—0,85 dv: Gouridae.
Ausser den Gouridae besitzen also die Fcristrridae die längsten
Acromialfortsätze und unter diesen wiederum Phaps; ihnen zunächst
liegen in dieser Beziehung die Ptüojjodmac, deren Acromion die
Länge von 0,62 dv meistens überschreitet, während sich die Mehr-
zahl der Treromdoc um 0,6, die Colnmhidae um 0,59 gruppiren; die
( ■arpo2)Jiaginae bleiben stets unter 0,58, und Diduncnlns endlich weicht
nur wenig von 0,50 ab.
ß) Die Gelenk p r o t u b e r a n z. Der Gelenkfortsatz ist stark
und wurzelt mit ziemlich breiter, flacher Basis am Ventralrand des
Schulterblattes. Er ist fast direct auswärts gerichtet. Sein Ende
ist ausgebreitet, nimmt gegenüber der Basis namentlich an Höhe zu,
so dass der scapulare Theil der Gelenkpfanne für den Humerus an-
nähernd halbkreisförmig ist.
Der obere Rand der Gelenkfläche begrenzt die früher erwähnte
Grube der Lateralfläche seitlich. Der hintere Rand, überhaupt der
ganze caudale l'heil der Gelenkfläche springt stärker lateralwärts
vor als die vordere Partie. Wenn man die Länge des Hinter-
randes der Protuberanz durch dv ausdrückt, so erhält man ein Ver-
hältniss. welches zwischen 0.24 und 0.44 (^^ und ■^^) schwankt. Die
Strecke ist am längsten, m. a. W. die Protuberanz ist am stärksten
l)rominent. bei den Perisferidae, speciell bei Phaps; dann folgen die
Columbidae, PfiJopodinae und die übrigen Treronidae. Die Gouridae
nehmen ung-efähr eine Mittelstelluna- ein.
Die vergleichende Osteologie der t "olunibit'ormes.
235
Fig-. S.
Fiy. W.
Fi--. T.
Fio-. X.
Fig. U
Fio-. Y.
Fiy. V.
Fi"-. Z.
Fig-. A^
Fiy. E\
Fio-. B-
Fig. F-.
Fio-. (•■-.
Fie-. (t-.
Fio-. D-^.
Fig. H-.
Fia-. J'.
Fig. K^
Fiß-. L-
Fiy. M-.
Fio-. X^
Fio-. 0'^
Fio-. p'.
Fig. Q-. Fig. R'.
L a t e r II 1 II n s i c li t des d i s t a 1 e n E n d e s des 1 i n k e n S c h it 1 1 e r b 1 a 1 1 e s. 1:1
Fig. 8. Didtmculus sfriyirostris. Fig. T. Carpophaga oceanica. Fig. U. Carpophaga
larcyiiHlata. Fig. V. Carpophaga aenea. Fig. W. Cari)ophaga bicolor. Fig. X.
Trcrnn cernans. Fig. Y. Treron biäncta. Fig. Z. SphcKOccrcits spliciiiinis. Fig. A".
V'uHigo calra. Fig. B^. Pfilopns jambn. Fig. ('^ Fiilopus inelaHOHpilns. Fig. D*.
PtUopus uielanoccpJiulm. Fig. E''^. Alectrocnas madagascariensis. Fig. F'. Fhaps
rhidcoptcfa. Fig. G-. Phaps hiatrionica. Fig. H-. Phaps indica. Fig. J'-*. Metiio-
pelia mclanoptera. Fig. K-. Turtnr vinaceus. Fig. L". Geopidia striata. Fig. M".
Mairopggia emiliana. Fig. X^ Columha picaziiro. Fig. ü'^. Columha pJiaciiota.
Fig. 1'-'. ColuHiha froraz. Fig. Q'-'. Kctopisfcs niigraturhis. Fig. R'^. (loura coronafa.
286
Rudolf Martin,
Die Scapula verbindet sich durcli den Proc. acrocora-
coideiis scap. mit dem Acrocoracoid, durch den Unterrand des
Acromions und die Unteriläche des Vorderrandes der Scapula mit
dem Procoi-acoid und durch die Gelenkprotuberanz mit dem Gelenk-
fortsatz des Coracüids, resp. mit einer unter und medial von diesem
gelegenen kleinen Fläche.
6. Distales Ende.
Hier habe ich weiter nichts beizufügen und verweise auf die
allgemeinen Bemerkungen über das Schulterblatt und auf die bei-
gegebenen Figm-en (s. vor. Seite).
b) Coracoideum.
(Textfig. S-— r-.)
Das Coracoid ist schlank und sein Hals rundlich. Die Breite
des letztern erreicht eine mittlere Dorsalwirbellänge nie, sondern be-
Eechtes ruracuid, a) Ventral-, b) Dorsalausicht. 1:1.
Fig. S^. Didunculus Htriyirostrh. Fig. T^. Carpopliaga oceanica. Fig. U^. Phaps
chalcopfera. Fig. V^. Ptilopxis roseicoUis. Fig. W^. Columha livia.
Die vergleiebende Osteolugie der Culumbifornies. 237
trägt in den meisten Fällen bloss 0,5 — 0.6 dv; in wenigen Fällen
werden diese Grenzen nicht erreicht oder überschritten: in jenem
Falle belinden sich die Carpoplnuj'nuic (0,41 — 0.48 dv), in diesem etwa
Columha Mvio, einzelne Peristerklae (vor allem Phaps) und die Gouridae.
Andrerseits ist die Ausbreitung- des sternalen Endes eine be-
deutende und beträgt mit Ausn;ihme von Macropugia und (itmm
mehr als 2 dv.
Die Beziehungen des Coracoids zu den benachbarten Knochen sind
die normalen; es erübrigt uns nur noch, einige Bemerkungen ül)('r
das gegenseitige Verhalten der paarigen Schultergürtelknochen zu
machen: doch ziehe ich vor, diese an die Besprechung der Furcula
anzuschliessen.
1. Proximales (scapulares) Ende.
Der am meisten charakteristische Theil des Coracoids ist das
starke Acrocoracoid, das die Gelenkfläche für den Humerus
bedeutend überragt und rostro-medial gerichtet ist.
Im Querschnitt ist das .\crocoracoid dreieckig, mit einer medio-
dorsalen, einer lateralen und einer ventralen Fläche.
Erstere ist in der Richtung der Axe des Knochens tief concav
und umgrenzt das Fora men triosseum auf der lateralen Seite.
Ivostral biegt sie scharf einwärts und sogar etwas rückwärts und
bildet mit der stark medial gerichteten Endfläche dei- Acrocora-
coids eine scharfe Kante und zugleich einen gegen das Schlüssel-
bein vorspringenden Fortsatz, den Processus clavicularis
s. furcalis).
Die laterale Fläche beginnt am rostralen Rande der Gelenk-
tläche für den Humerus und ist im Umriss am ehesten trapezförmig
( Basis = Kante mit der ventralen Fläche). Sie ist schwach concav und
stösst mit der Endfläche unter rechtem Winkel zusammen. Ihre
F'orm unterliegt einiger Variation, doch lässt sich stets mehr oder
weniger deutlich das Trapez erkennen.
Die ventrale Fläche ist die ununterbrochene Fortsetzung der
Ventralfläche des Coracoids; sie biegt gegen das Ende zu schwach
ventialwärts, so dass die Kante gegen die Findfläche zugeschärft wird.
Die Endfläche ist sehr stark convex und entsprechend dem Quer-
schnitt des Acrocoracoids dreieckig. Thr .\pex ist fast direct medial-
wärts gerichtet, und ihre Ecken und Kanten, vor Allem die ventrale
mediale, sind durch ihre Rauhigkeit ausgezeichnet.
Eine Variation in den feinsten Schattirun^en wird auch hier
238 lii'uoLi-' ]\lAirriN.
beobachtet und spricht sich vornehmlich in der grossem oder ge-
ringern Schlankheit des Acrocoracoids aus. Sie wird in nicht ge-
ringem Maasse durch die Körpergrüsse bedingt, dann auch — je-
doch in letzter Linie — durch die Entwicklung der Flugmusculatur
(Deltoides).
Was die Neigung des iVcrocoracoids gegenüber der Axe des
Knochens betrifft, so kann nur so viel festgestellt werden, dass sie
bei Phahinae, überhaupt Pcristeridae, grösser ist als bei den übrigen
Tauben und dass sich die Ptüopodinae auch in dieser Hinsicht (wenig-
stens in der Jugend) hier anzuschliessen scheinen. Die Differenz ist
jedoch nicht wesentlich, zumal noch innerhalb der Familie zahlreiche
Abstufungen angetroffen werden ; auch lassen sich ausgewachsene
Ptil opus- Arten durch dieses Merkmal nicht von gleich grossen Trero-
ninae unterscheiden.
Die G e 1 e n k f 1 ä c h e für den H u m e r u s ist halbmondförmig
bis oval; ihre lange Axe liegt in der Richtung des Knochens.
Das Labrum ventrale springt ziemlich stark vor. und seine
Aussenfläche bildet mit der Ventralfläche des Knochens eine flache
Rinne. Caudal geht die Gelenkfläche eben in die Lateralfläche des Cora-
coids über, und rostral ist sie winklig von der Aussenfläche des
Acrocoracoids abgegrenzt. Ihr dorsaler Rand bildet die ventrale
Umgrenzung des Foramen triosseum; ihre rostrale Ecke ist dabei
noch etwas dorsalwärts ausgezogen, während ihre caudale Ecke auf
dem lateralen Rande der die Gelenkfläche für den Gelenkfortsatz
der Scapula tragenden Pro tuberanz ausläuft.
Diese Protuberanz liegt unmittelbar lateral und dorsal von der
Basis des Vorderrandes des Procoracoids ; ihr Scheitel ragt als
scharfe Ecke lateral- und dorsalwärts vor, und die dreieckige Gelenk-
fläche ist nach vorn, oben und wenig aussen gerichtet. Ihre mediale
Ecke zieht sich in den rostralen Rand des Procoracoids aus. Die
Lage dieser Gelenkfläche gegenüber der für den Oberarmknochen
ist bei verschiedenen Familien verschieden. Ein Querschnitt schneidet
die beiden Flächen in Kanten, welche unter einem AMnkel von
185 0—140" zu einander geneigt sind bei:
Peristeridae, Ptilopodinae, Didunculus.
155 «—165 -^ bei : .
Treroninae, Carpophaginae, CoUimbidae, Gouridae.
Das Zunächstliegende war. diese Thatsachen mit dem Neigungs-
winkel von Scapula und C'oracoid in Zusammenhang zu bringen.
Es stellte sich jedoch heraus, dass dies nicht möglich war, denn der
Die vergleichende Osteologie der < 'olumbifonnes. 239
zwischen beide» Knochen liegende A\'inkel kann der gleiche sein,
die Stellung der beiden Flächen aber dennoch verschieden und nm-
gekehrt. So bleibt keine andere Erklärung, als d a s s
hier ein ziemlich c o n s t a n t e s F a ni i 1 i e n m e r k m a 1 vor-
liegt, welches a n f Verwandtschaft z u r ü c k s c h 1 i e s s e n
lässt.
Fig-. X'-. Fig. Y^
Querschnitte durch die Coracoide (auf der Höhe des iinterii Endes der
Gelenkfläche für den Humerus). 1 : 1.
Fig. X^. Dicliinculus. Fig. Y'^ Carpophaija.
Das Procoracoid wechselt sehr in seiner Gestalt, ohne sich
auch nur innerhalb einer Art gleich zu erhalten. Es wurzelt stets
mit breiter Basis auf der dorsomedialen Fläche des Coracoids,
deren rostrales ^4 — ^'o umfassend. Es wendet sich zunächst ein-
wärts, dann ventral und mit seinem oft zu einer Spitze ausgezogenen
freien Ende noch wenig lateral.
Das freie Ende unterliegt einer grossen Variation der Form;
bald ist es — wie schon gesagt — zu einer schlanken, etwas rostral
vorgreifenden Spitze verjüngt, bald erscheint diese Spitze abge-
schnitten oder in einen gerundeten Lappen ausgebreitet. Das Einzige,
was wenigstens bei ein und derselben Art eine gewisse Constanz
zeigt, ist der rostrale Eand des Procoracoids, der direct vom Ver-
halten der Scapula und der Furcula beeinflusst wird. Ueber diese Ver-
hältnisse niögen die beigegebenen Figuren Aufschluss geben (S. 244).
2. Stern ales Ende.
Mit der einzigen Ausnahme von Pezophaps wird das sternale
Ende des Coracoids durch einen starken Processus lateralis
verbreitert, so dass die medialen % des Hinterrandes des Coracoids
durch die Gelenkcrista, der laterale ' '., dui'ch den caudalen Rand des
genannten Fortsatzes gebildet wird.
Die Gelenkcrista wechselt wenig. Ihre Kante ist nach
hinten und oben concav, so dass in Folge dessen das Lahr um in-
tern um concav, das L. externum convex erscheint. Lateral
springt die Crista weiter nach hinten und stösst mit dem Hinterrand
des Lateralfortsatzes in einer scharfen P^cke zusammen.
240 EUDOLF ^IaKTIN.
Das innere Labrum ist das breitere und durchweg" siehe! förmig-,
sein innerer Zipfel abgestutzt; das äussere ist schmal bandförmig,
medial etwa doppelt so hoch wie lateral und sein rostaler Eand
--förmig-, wobei die laterale Welle schwächer und kürzer ist als
die mediale (ca. -- — % der Länge der Gelenkcrista ).
Das äussere Labrum ist winklig- von der Ventralfläche des
Knochens abgesetzt; nur selten {PhafJS) zieht sich eine seichte Einne
'seinem Rande entlang- und grenzt es so besser gegen den Haupttheil
des Knochens ab. Das innere Labrum wird stets durch eine Grube
von der Dorsalfläche des Knochens getrennt; nur da, wo es am
weitesten oral vorgreift, beginnt ein Wall, welcher die erwähnte
Grube medial begrenzt und oft eine kleine mediale von ihr ab-
spaltet, die aber in den meisten Fällen durch spongiöse Anschwellung
dieses Theiles ausgetrieben wird. Nur selten persistirt sie und zwar,
wenn die Pneumacität des Knochens etwas zurückbleibt oder die
Rauhigkeiten zum Ansatz der Ligamente durch ihre ungewcdmliche
Entwicklung zu ihrer Bildung beitragen; in diesem Falle wird sie
lateral durch den erwähnten Wall, rostral durch die rauhe vordere
Kante der medialen Ecke, medial durch die Rauhigkeiten und caudal
durch den Rand des Labrum internum begrenzt {Dkluncuhis. Phaps etc.:
grosse Variation ! ).
Die viel constantere laterale Grube nimmt etwas mehr als - ..
der Hinterfläche des Coracoids ein; sie ist annähernd dreieckig,
läuft einerseits auf den lateralen und hintern Rand des Processus
lateralis aus und stösst andrerseits an den medialen Wall und den
Rand des Labrum internum. Ihre grösste Tiefe liegt in der medio-
caudalen Ecke, von welcher ausgehend Foramina pueumatica
in den Knochen eindringen. Einzelne solcher Foramina liegen dem
ganzen Rande des Labrums entlang, sind aber von geringer Constanz
und können hier auch vollkommen fehlen. Dies trifft hauptsächlich
für die Treronidae zu, etwa auch für DidrmcnJus, doch findet man
dann in der Regel, dass eine Anzahl solcher Löcher nahe dem
lateralen Ende der Gelenkcrista in einer Grube vereinigt liegt. Es
scheint mir bemerkenswerth. dass die Foramina p n e u m a t i c a
auf diese Stellen beschränkt bleiben und dem i)roximalen Theil des
Coracoids gänzlich fehlen.
Der Boden der Grube ist eben und trägt mehrere, vom medialen
Rande ausgehende, nach hinten und aussen verlaufende Muskel-
linien.
Die Grösse und Form der Grube hängt natürlich von der Grösse
Die veryleiclioiiile Osteulogie der Cnlniiihiforincs. 241
und Form des Pioc. lateralis ab. ihre laterale Begrenzuna' ist oft
wenig- scharf.
Der Processus lateralis ist dreieckii;-. Seine freie Kcke
ist bald schlanker, bald stumpfer und in der Eegel ventral und
rostral aufg-ebogen. zugleich mit einer Verdickung versehen. Im
Uebrigen sind seine Ränder scharf, der hintere gerade, der vordere
concav. Die Vorderfläche des Fortsatzes wird durch die Ventral-
krümniung der freien Ecke schwach concav.
Der Fortsatz ist in der Regel gross, zeigt jedoch bei Gonm
und vor Allem bei Pezophüps eine starke Keduction, die in der Ke-
duction des Musculus sterno-coracoide us ihre Erklärung
findet. Bei den PUhpodiiiue und auch bei FJiaps liegt auf seiner
Ventralfläche, rostral von seinem Hinterrand und unmittelbai' an
seiner Basis, eine trichterartige Vertiefung-, die ich sonst nirgends,
ausser bei JDiiluncuJm schwach angedeutet, voi-fand.
Die mediale Ecke des sternalen Endes des Coracoids ist eben-
falls schlank ausgezogen, aber stets, mit Ausnahme von Pcwphaps.
abgestutzt. Diese Endfläche ist. entsprechend dem Querschnitt des
Fortsatzes, rhombisch. In ihrer caudalen Ecke endet die Firste der
Gelenkcrista. in ihrer dorsalen und ventralen die Ränder der beiden
Labra und endlich in ihrer rostralen die erhöhte und scharfe Linea
aspera der Dorsomedialfläche des Coracoids. welche in ihrem
caudalen ^,5 den medialen Rand des Knochens, somit des Pi-ocessus
medialis. bildet. Die dorsale Ecke der besprochenen Fläche trägt
zudem oft \T)idHncnJHS, P/iaps. theilweise Treromnae. Columhidac etc.)
eine dorsal vorragende Rauhigkeit. Bei Goura und Macropjjgia
scheint der Proc. medialis durch Erhöhung der vordem Kante
plumi)er.
J^inzig in seiner Art ist das ^■erhalten des distalen Gelenkt lieils
des Coracoids bei Pcsophaps. wo der Processus lateralis in Wegfall
gerathen. der Proc. medialis aber an seiner Stelle lang und schlank
entwickelt ist. Die Erklärung dürfte darin liegen, dass also einer-
seits durch Reduction des Musculus sterno-coracoideus zu wenigen,
wahrscheinlich sehnigen Fasern (Rauhigkeiten auf der Dorsalfiäche
des Coracoids) der Proc. lateralis unterdrückt wurde. Zugleich
geschah die Auswärtswanderung der Coracoide, und so kann man
sich eine Ziehung des Processus medialis vorstellen.
3. Ventralflä che.
Die Ventralfläche ist seitlich stark convex und geht uiiuiiicr-
))i(MlH'n in die ventrale Fläche des Acrocoracoids über. Distal
242 Rudolf .Martin.
^^■il■cl sie breiter und stösst mit dem äussern Labrum der Gelenk-
erista in einer Kante zusammen, längs welcher sie etwa zu einem
schwachen Suicus eingesenkt ist (s. oben),
Entsprechend der geringen ]\rodellirung giebt diese Fläche keine
systematischen Anhaltspunkte.
Es sei noch die bald starke, bald auch Ins zum Verschwinden
reducirte Linea aspera erwähnt, welche ungefähr in der Mitte
des Knochens beginnt und gegen das laterale Ende der sternaleu
Gelenkfläche verläuft, oft auch noch weiter lateral endet. Sie ist
am deutlichsten bei PHIopodinae, Pliaps und Didimculns. aber auch
hier nur im distalen '/o "^on grösserer Constanz. Die Ausbildung
der Linie wechselt stark und wurde bei ein und derselben Art
(z. ß. Didunrulns) einmal gut entwickelt angetroifen. das andere 'Mal
Avar sie beinahe verwischt.
4. Dorsal fläche.
Ebenso wenige Anhaltspunkte wie die ventrale bietet uns die
dorsale Fläche. Sie ist etwas abgeflacht, doch stets noch convex.
Medial wird sie durch eine von der Basis des Procoracoids aus-
gehende starke rauhe Linie von einer schmälern medialen Fläche
abgegrenzt, während sie lateral in einer distal (sternal) schärfer
Averdenden Kante mit der ventralen Fläche zusammenstösst.
Der- Hals des Coracoids erhält so einen dreieckigen Querschnitt,
dessen Ecken jedoch gerundet sind. Im Fall einer Verbreiterung
des Knochens (Phaps) geht diese Gestalt mehr und mehr verloren,
indem mit der Verbreiterung eine Abplattung Hand in Hand geht.
ßostral ist die Fläche in einer nach oben ansteigenden Kante
vorgeknickt und stützt so die Gelenkfläche für die Gelenkprotuberanz
der Scapula.
Es braucht kaum noch darauf hingewiesen zu werden, dass die
dorsale Grube des sternaleu Endes auch auf die Dorsalfläche des
Halses übergreift und dort in der Regel durch einige Rauhigkeiten
zur Inseition der Ligamente begrenzt wird.
5. M e d i a 1 e Fläche.
Die mediale Fläche beginnt im C an alis triosseus und kann
als caudale Verlängerung der medialen Fläche des Acrocoracoids
aufgefasst werden. Sie hilft somit zunächst noch den Canal für die
Endsehne des Muse, supraco racoideus begrenzen und ist auf
dieser Strecke relativ scharf von der ventralen Fläche abgesetzt.
Die vergleichende Osteologie der Coluiiibiformes. 243
Distal wird sie mit dieser confluent. eine Folge der starken Aus-
wölbnng dei- erstlich scliwacli concaven Fläche. Dorsal bildet die
stets vorhandene rauhe Linie eine Grenze zwischen den beiden an-
stossenden Flächen. Gegen den P r o c e s s n s m e d i a 1 i s , respective
gegen dessen ventrale P'läche länft diese Facette allmählich aus.
(x Laterale Fl ä che.
Die laterale Fläche, wenn man von einer solchen sprechen darf,
ist auf die Strecke vom f'andalrand der (Gelenkpfanne bis etwa in
die Mitte des ganzen Knochens beschränkt. Hier geht sie allmählich
in die dorsale und ventrale Fläche über.
c) F n r c n 1 a.
Die Furcnla ist cm durch die ganze Ordnung wenig modificirter
Knochen. Die einzige wesentliche Modification treffen wir bei Dkhis.
wo eim' Auflösung der Furcnla zu Stande kommt.
Sonst ist sie ein Uföi-miger Knochen, dessen freie Enden zur
Verbindung mit den beiden andern paarigen Schnltergiirtelknochen
zu kleinen Platten ausgewalzt sind, welche mehr oder weniger deut-
lich die verschiedenen Fortsätze unterscheiden lassen.
Der (Querschnitt ist im rostralen ' .. hoch oval, geht gegen die
Mitte in einen rundlichen über, um im caudalen ' ^ breit oval zu
werden. An der Unibiegestelle, also hauittsächlich median, ist die
Furcnla am stärksten von oben nach unten abgeplattet und zwar so
stark, dass eine vordere und eine hintere Kante entsteht.
Es ist hier der Ort. der Verbindung von Scapula. Co-
racoid und Furcnla zu gedenken. Die 3 Knochen bilden zu-
sammen das F 0 r a m e n t r i o s s e u m. Der Unterrand des proximalen
Theiles der Furcnla liegt stets dem Rostralrand des Procoracoids
auf, während dessen rostrale Ecke durch Ligamente zum Acrocora-
coid in Beziehung tritt, wobei sich die beiden Knochen direct be-
rühren.
Nicht so constant ist der directe Oontact von Furcnla und
Scapula. und zwar steht er grossen Theils unter dem Einfluss der in-
dividnellen Variation. Die beigegebenen Figuren geben am besten
Aufschluss übei- die verschiedenen Formen der Gelenkbildung. Es
sei noch bemerkt, dass sich bei einem Vergleich der FCrbring Kirschen
Abbildungen (Morjjh. d. Vögel, tab. 2, flg. 59-^64) mit den unsrigen
einige Differenzen herausstellen werden, welche wohl zum Theil auf
die individuelle Variation, zum Theil vielleicht auch auf falsche Art-
■2U
Rudolf Martin.
bestiiiiiimng- zurückzuführen sind. Auch scheinen mir die Figuren
Fi'RBiaNGEirs etwas zu stark schematisirt , um eine genaue Dai-
stellung der thntsächlichen Verliältnisse zu o-eben.
Fig. Z»
Fio-. Fl
Fio-. A'
Fiff. Bl Fio-. ("
Fio-. G\
Fis-. H"
Fig. D'.
Fiß-. E\
^
Fiff. K^
Fio-. L^
Fio-. 3P.
Fig. X'.
E echtes Gelenk zwischen Coracoid, Schulterhlatt nnfl Furcula.
1:1. Fig. N* 1:2.
Fig. ZI Didunculus striglrostris. Fig. A'\ Cnrpophaya oceanica. Fig. B^. Treron
vernans. Fig. C'\ Ptüopas roseicolüs. Fig. Dl Spheiiocerciis spheimriis. Fig. E^.
Carpophaga aenea. Fig. F^. Alectroenm madagascariemis. Fig. G''. Fhaps chal-
coptera. Fig. H-'. MetriopeUa melaHojytera. Fig. J^. Turtur vinaceus. Fig. K"
Macropggia cmiliana. Fig. L''. Columba aquatrix. Fig. M^. Edopistes migratorlus.
Fig. N\ Goura coronata.
Der Beschalfeuheit dieser Articulation darf der grossen Varia-
bilität wegen nur wenig Werth beigemessen werden.
d) Stern um.
(Textfio-. O-'-W^
Im Sternum spricht sich eine gewisse Zusammengehörigkeit der r
einzelnen Formen aus, sofern wir vom Xiphosternum absehen ji»:
und bloss den rostralen Abschnitt, das Costosternum, in Berück-
sichtigung ziehen.
r>ie vero-leichende Osteclnu-if der ( (i!niMl)itoniie.s.
24Ö
Fio-. p-'a.
Fio-. P'b.
Fiff. O'a.
Fig-. g/'a. Fig. (fh.
B|rnstbeine, &) Ventral-, b) Dorsalansicht (des proximalen Theilsl. 1:1.
Fig. 0*. Columha livia. Fig. P*. Phaps chalcoptera. Fig. Q''. Sfarnoeiias ]
ci/(inocephala.
246
Rudolf Maktin.
Fio-. T\a.
Fie-. T'b.
Fiö'. El
Fio-. S^a.
Fia-. SM).
Fio-. UM).
Fig-. U^a.
Brustbeine, a) Ventral-, b) Dorsal ansieht (des proximalen Theilsi. 1:1.
Fig. R*. Goura coronata (nur Ventralansicht). \) Fig. S^. Treron ver7i(nis.
Fig. T*. Carpophaga oceanica. Fig. U'l Ptilopns roseicollis.
1) Dorsalansicht s. OWEN, Memoir on the Dodo, tab. 12, fig. 3.
Die vergleichende Osteolo^ie der Columbifonnes.
247
Fiff. V'b.
Fig. V^a.
Fig. W\
Brustbeine, a) Ventral-, b) Dorsalausiclit (des proximalen Theilsi
Fig. V. Didunculus sfrigirostris. Fig. W^. Ptilopiis jamhu juv.
1 : 1.
1. Costosternum.
Das Costosternum ist. wie Fürbringer darg-ethan liat. in Folge
seiner Entstehungsweise von den Rippen aus auch in seinem spätem
Gepräge in nicht geringem Maasse von diesen abhängig, d. h. es
Avird kürzer oder länger sein, je nach der Zahl der mit ihm arti-
culirenden Rippen.
Die Schwankungen, welche uns in dieser Richtung bei den
Tauben entgegentreten, liegen zwischen 2 und 5. Es da)-f gesagt
werden, dass die individuellen Eigenarten nicht sehr Aveite Grenzen
fordern . denn sie beschränken sich auf 1. Es gilt auch all-
gemein, dass diese individuelle Variation in den Bereich der
Cervico-dorsalrippen fällt und nur ansnahmsweise die Rippen des
ersten zum Svnsacrum verschmolzenen Wirbels in Mitleidenschaft
zieht.
Wie FürrrinCtEr gezeigt hat. stehen die Cervico-dorsalrippen
beim Embryo in ganz derselben Beziehung zum Brustbein, wie die
sich später zu echten Rippen specialisirenden Knorpelspangen: die
Loslösung vom Sternum geschieht erst secundär. und stets bleiben
noch Reste des resorbirten Theiles persistirend : einerseits ein Theil
Zool. .Taliib, XX. Abth. f. Syst. l"*
248 Rudolf Martin,
des mit dem Brustbein versclimolzeneu Processus lateralis
anterior und andrerseits die starken sehnigen Faserzüge, welche
diesen mit den freien Enden der Halsrippen verbinden. Es kann
nun der Fall eintreten, dass die letzte Halsrippe den gleichen Weg
der Entwicklung einschlägt, wie die ihr caudal folgenden Eip])en,
d. h. zur echten Eippe wird; ihr Sternocostale ist aber auf alle
Fälle schwächer und articulirt stets am Hinterrand des Proc. late-
i'alis ant. oder doch unmittelbar an seiner Wurzel. Dem entsprechend
finden wir dort eine kleine Gelenkfacette, welche aber von den
darauf folgenden leicht als accessorisch untei'schieden werden kann,
indem sie bloss auf einer kleinen Warze an der Basis des Fortsatzes
sitzt, während die andern Knochenbalken darstellen, welche zwischen
die dorsale und ventrale Lamelle des Lateralrandes (siehe unten)
eingespannt sind und Gruben zwischen sich einschliessen.
So sehen wir denn, dass die individuelle Variation keinen oder
doch nur sehr geringen Einfluss auf das Costosternum ausübt, der
an dessen allgemeiner Configuration nichts zu ändern im Stande ist.
Diese ist für die einzelnen Familien von ziemlicher Wichtigkeit und
giebt uns ein Mittel zur Analyse und Synthese der Formen und
Familien an die Hand.
a) Der S Ulcus articularis coracoidei entspricht genau
der Gelenkcrista des sternalen Endes des Ooracoids sowie der gegen-
seitigen Stellung der Coracoide. Ihre Lage gegenüber der Mittel-
linie wird also mit dem AVachsen des intercoracoidalen Winkels
steiler werden. Doch sind diese Differenzen so gering, dass sie dem
Auge entgehen und auch einer genauen Messung nicht zugänglich
sind (Mangel an Anhaltspunkten). Würden auch solche vorliegen,
so wären sie nicht ohne '\\^eiteres vergleichbar und zwar in An-
betracht der Umgestaltungen während des postembryonalen Wachs-
thums. Leider fehlt mir ein genügendes Material, um diese Ver-
hältnisse festzulegen ; so viel ist jedoch sicher, dass die Steilheit mit
dem Alter des Individuums abnimmt, ganz unabhängig von der Ge-
staltung des äussern Labrums des Sulcus, welches in einem Fall von
Pfüopus roseicoUis erst wenig steil zur Mittellinie geneigt ist,
später stärker abtällt und zuletzt wieder der ursprünglichen Lage
nahe kommt.
Die beiderseitigen Sulci gehen entweder ununterbrochen in
einander über oder sind durch eine mehr oder weniger tiefe De-
pression in der Mittellinie getrennt. Je nachdem kann man zwei
Gruppen aus einander halten. Zu jener sind die Treronidae nach
Die verg-leidieutle Osteologie der Columbifonnes. 249
Ausschluss der Ptüopodinae, die Columhidae und die Peristeridae mit
Ausnalime der Phahinae und eventuell der Zenaidinac zu stellen, zu
dieser die Ptilopodinae, Phahinae (ev. Zenaidinae), Goxridae, I)i-
dunculus und vor Allem die Didi.
Seitlich g-eht die Rinne in die I m p r e s s i o s t e r n o - c o r a c o i d e a
iil)er und ist an der Ueberg-ang-sstelle zumeist eingesenkt. Im Boden
dieser Vertiefung liegen Foramina pneuniatica in wechselnder
Zahl (v(m 1—3).
ß) Das L a 1) r u m exte r n u m begrenzt den 8 n 1 c u s a r t i -
cularis coracoidei nach aussen und fällt, bis zu einem gewissen
Grade von der Neigung- des Sulcus unabhängig, bald steiler, bald
weniger steil lateral ab.
Auf einen bloss flüchtigen Blick möchte es scheinen, als ob der
Winkel, den die Kante des Labrums mit der Mittellinie bildet, bei
irhaps am kleinsten sei. Eine genaue Vergleichung lehrt jedoch, dass
diese Täuschung- nur auf die relativ starke Entwicklung- der Spina
externa zurückzuführen ist und dass im Gegentheil der wirkliche
Winkel wenig spitz ist. Besser als Worte giebt beifolg-ende Zu-
sammenstellung- die nöthige Auskunft.
Der Winkel niisst:
48" bei Columha Jivia.
50" „ Treron vcrnans.
52" „ Carpophaga oceanim, Goura coronafa.
54" ,. Phaps chak'opfera.
57" .. l)idnuc}ih(s sfrigirosfris.
(50" ,, Piilopns jamhu, Starnoenas njanocephala.
65" ,, Ptilopus roseicollis.
Aus dieser Aufzählung ist wenigstens das zu entnehmen, dass
mit der nöthigen Rücksicht auf die Variation innerhalb der Familie
(z. B. Phaps-Starnoenas oder Treron-Carpophaga), welche oft sehr be-
träclitlich sein kann, einerseits ein Complex von Tauben mit einem
AVinkelbetrag, der unter 55" bleibt, und andrerseits ein solcher, bei
dem dieser Werth 55" überschreitet, unterschieden werden kann.
In der Regel ist der Winkel innerhalb einer Familie bis zu
einem geAvissen Grade von der Körpergrösse des Thieres abhängig,
d. h. er wächst mit der Körpergrösse. Eine Ausnahme macht hier
Phaps chalcoptera ; diese ist, wie bereits oben bemerkt wurde, auf
die überaus starke Entwicklung der Spina externa zurückzufüliren.
Der laterale Rand des Labrums verlängert sich in den Hinter-
rand der Impressio sterno-coracoidea einerseits und in die Linea
17*
250 RiDOM' Martin.
supracora coidea andrerseits. Bald ist n- winklig- vom an-
nähernd geraden Rostralrand abgesetzt, bald — nnd dies scheint
häufiger der Fall zu sein — gelit er durch eine flachere oder
schärfere Curve in diesen über. Kine Eegel ist nicht erkennbar.
Median trägt das Labrum ext. entweder, und zwar bei der
Mehrzahl der Tauben, eine kleine Spina externa oder eine flache
Incisura.
Die Spina externa erreicht nur bei Plia2)s eine bedeutende
Grösse und ist sonst nur in Form einer dreikantigen, den Vorder-
i-and des Labrums ca. 1 mm überragenden Pyramide ausgebildet.
Bei den PtiJopodinae geräth sie in Wegfall und ist bei Dnhmailm
sehr klein, oft auch ganz reducirt; jedenfalls herrscht in beiden
Fällen die Einkerbung vor.
Da. wo die Incisur an Stelle der Spina getreten ist, finden wir
auf der Innenfläche des Labrums regelmässig eine runde Grube,
welche sich gegen den Boden des Sulcus articularis cor. und von da
auf die Ventralfläche der Spina interna auszieht und die beider-
seitigen Gelenkgruben von einander trennt. In der Regel liegt am
Boden dieser Grube ein Foramen pneumaticum.
Eine ähnliche Depression fand ich auch bei andern Formen
(Carp. aenea, Phaps histrionica etc.), doch ist sie sehi' wenig con-
stant und erscheint oder verschwindet von einem Individuum zum
andern.
y) Labrum internum und Spina interna.
Das Labrum internum überragt das Labrum externum um ein
Bedeutendes und trägt ohne Ausnahme eine grosse mediane Spina
interna.
Lateral gelit der Rand des Labrums ohne Grenze in den ge-
raden oder meist convexen Vorderrand des Processus lateralis anterior
über.
Entsprechend der Entwicklung der starken vom Sternum zum
(Joracoid gespannten Ligamente und Membranen erfährt die Kante
des Labrums und der Spina interna eine die Form wesentlich be-
einflussende Modellirung, d. h. sie wird in kleinere und grössere
Spinae ausgezogen, von denen jedoch nur die 2, in das Gebiet der
Spina interna entfallenden, constant sind und von denen die Form
der letztern abhängig ist. Der eigentliche Rand des Labrums
bleibt glatt, und der Rest der unregelmässig auftretenden Rauhig-
keiten ist auf den Rand des Costalfortsatzes beschränkt.
Wenn wir die Spitzen der der Spina interna angehörenden Vor-
Die vergleichende Osteologie der (ohiiubifürines. 251
spränge durch eine Gerade verbinden, so läuft deren caudale Ver-
läng'ernng- dem lateralen Rande des Trabeculum laterale
parallel oder trifft höchstens dessen Ende. Es ist damit gesagt, dass
die iSpinae stets ungefähr gleich starke (im Verhältniss zur Körper-
grössei Entwicklung erlangen und dass der seitliche Abfall der Spina
interna durchweg ungefähr der gleiche bleibt, sofern es sich nicht
um die extrem modificirten Taubenformen {Goura. DhIks etc.) handelt.
r)ie grössere oder geringere Breite der Spina beruht daher in erster
Linie auf der relativen Breite des Sternums. so dass die erwähnten
(Geraden parallel verschoben werden.
Immerhin darf man sich die Verhältnisse nicht so einfach vor-
stellen, wie aus dem Gesagten hervorgehen möchte; ich muss hier
beifügen, dass man eben nirgends geometrische Grundsätze aufstellen
kann und Messungen nicht auf absolute Genauigkeit Anspruch er-
heben können, sondern bloss einen approximativen Werth ausdrücken.
Zudem stossen wir auf zahlreiche Ausnahmen, so dass überhaupt
bloss von einer Regel, nicht aber von einem zwingenden Gesetze die
Rede sein kann.
So viel steht fest, dass die Spina interna für die Familie als
Charakteristicum angesprochen werden darf. Ein Blick auf die
Innentiäche (T)orsalfläclie) des Sternums genügt, zu zeigen, dass wir
2 ganz verschiedene Typen unterscheiden können, die der Kürze
halber nach den hauptsächlichsten , durch sie charakterisirten
Familien als columbiner und ptilo podiner Typus bezeichnet
werden mögen.
Der columbine Typus: Die Spina ist schlank und relativ
lang. Sie ragt auf der Innenfläche (in Folge der später zu er-
wähnenden Verdickung) als dreieckige bis rhombische Platte vor.
In ihrem hintern Theile liegt ein sehr grosses Foramen pneu-
m a t i c u m oder besser eine meist 4eckige Grube . . welche einen
< omplex von Foramina aufnimmt, und theilt so die Platte in 2 seit-
liche Balken, die gleichsam als Si)arren einerseits gegen die Innen-
fläche des Sternums si)erren. andrerseits der Spina als Stütze dienen.
Lateral von diesen Balken liegen nach hinten offene Gruben, welche
durch den verstärkten Vorderrand und die aufgetriebenen Wurzeln
der vorderen Lateralfoi'tsätze begrenzt werden. Diesem Typus ge-
hören folgende Familien und L^nteifamilien an:
( 'olumhidac
Perisieriduc
Treroninae.
252 Rudolf Martin.
Der p t i 1 0 p 0 d i 11 e Typus: Die Spina präsentirt sich auf der
Innenseite des Brustbeines als rechteckig'e, oft fast als quadratische,
scharf begrenzte Tafel. Der hintere Theil weist die gleichen Eigen-
thümlichkeiten auf. wie wir sie oben beschrieben haben, nur dass
noch regelmässig eine Depression, welche vom Foramen pneumaticum
gegen den Rostralrand des P'ortsatzes zieht, dazu kommt. Hier sind
die folgenden E'ormen unterzubringen:
PfilopocUnae
Didunculus
Carpophaginae
Gonridae.
Es sei noch zugefügt, dass einzelne Arten, z. B. Sfanwenas
cyanocephäla, Treron vernans, obwohl entschieden bei jener Gruppe
unterzubringen, doch gegen diese neigen.
Es kann kein Zweifel darüber herrschen, dass der Grad der
Ausbildung des Flugvermögens einfiussreicli ist. Am besten wird
dies durch Gonra deutlich gemacht. Dass dies aber nicht das ein-
zige Moment ist, dafür sprechen die Pfilopodinae einerseits, die Pha-
binae etc. andi'erseits. Einen Prüfstein für verwandtschaftliche Be-
ziehungen daraus zu machen, kann ich mit Rücksicht auf andere,
theilweise schon besprochene, theilweise noch zu nennende Eigeii-
thümlichkeiten, die in entgegengesetztem Sinne sprechen, nicht. Aber
als einfaches Unterscheidungsmittel dürften diese Verhältnisse gute
Dienste leisten.
ö) Der Processus lateralis anterior ist sehr plastisch
und erleidet von Art zu Art, ja auch von Individuum zu Individuum
Verschiebungen.
Sein Vorderrand ist in der Regel coiivex und nur ausnahms-
weise {Carpophaga oceanica, Macropygia emiUana, vielleicht in Folge
individueller Variation) gerade. Er ist. wie oben angedeutet wurde,
rauh, so dass er den tiefen sehnigen Fasern des Muse, sterno-
coracoideus einen guten Ansatz bietet. Das Ende des Fortsatzes
ist meist abgestutzt, oft mehr gerundet, oft mehr gerade und da und
dort wenig concav; nur selten verjüngt es sich zu einer Spitze.
Was die Richtung des Fortsatzes betrifft, kann als Regel gelten,
dass sie zur Mittellinie senkrecht steht; das äussere Ende ist ge-
wöhnlich rückwärts (caudal) abgebogen. Ausnahmsweise {Sfarnoenas)
ragt der Fortsatz mehr nach vorn und auswärts.
e) Der Costalrand verglichen mit dem ganzen Lateralrand
Die vergleichende Osteologie der Columbiforiues. 253
des Brustbeines ist bei verscliiedenen Arten sehr verschieden hing-:
das Nähere geht aus der beigefügten Maasstabelle hervor.
Allgemein, Avenn man Ptilopm jamhu in Berücksiclitignng- zieht,
geht aus der Zusammenstellung- hervor, dass das Yerliältnis von
costalem Abschnitt zum ganzen l'ostalrand mit dem Alter abnimmt ;
ferner, dass die Ptilopodinae relativ den kürzesten costalen Abschnitt
unter allen Tauben aufweisen, der allerdings von vielen Pcrisfen'dae
nur um Weniges übertrofiVn wird. Es beruht dies nicht allein auf
der Verkürzung- des costalen Abschnittes durch Ausschaltung einer
Kippe aus der Gruppe der ,.echten". sondern auch auf der Ver-
längerung des Trabe cul um laterale (z. B. Zenaida aicricidata,
3fetriope!ia melanoptera) ; wo beide Ursachen zusammen wirken, wie
beispielsweise bei den Ptilopodinae und Starnoenas cyanocephala. wird
das Verhältniss um so kleiner ausfallen.
Seinem Zwecke entsprechend breitet sich der costale Abschnitt
des Lateralrandes aus und lässt dabei eine dorsale und eine ventrale
(innere und äussere) Lamelle unterscheiden, zwischen denen die auf
Balken liegenden Gelenkfacetten für die Eippen 2 — 5 Brücken
bilden. So kommt es, dass zwischen den einzelnen Facetten tiefe
Gruben zu liegen kommen.
Die Spaltung des Eandes in- zwei Lamellen beginnt an der
Basis des Hinterrandes des Lateralfortsatzes, bald allmählich, bald
plötzlich, so dass die erste Gelenkfacette das eine Mal weniger deut-
lich, das andere Mal schärfer gegen vorn abgesetzt ist.
Obwohl zahlreiche Ausnahmen stattfinden, kann man doch eine
gewisse Regelmässigkeit in dieser Hinsicht erkennen. Die Pfilo-
podinac. Didunodus, einige Carpophaf/a- Arten und die Pcrisfcndae
müssten der zweiten Grui)i)e zugezählt werden. Eine Grenze lässt
sich abei' nicht ziehen. Diese Dinge stehen mit der Ausbildung der
Eippen in engem Zusammenhange.
Vor der ersten Gelenkfacette liegt in der Regel ein Foramen
p n e u ni a t i c u m von geringer ( 'onstanz.
Die Zahl der Rippenfacetten beträgt gewöhnlich 3 bis 4. Die
erste ist oft klein und erreicht nicht immer die innere Lamelle,
sondern sitzt bloss der äussern auf oder liegt ihr dorsal an.
Die Mehrzahl der Tauben besitzt 3 Paar Gelenkfacetten; bei
den Peristeridae scheinen 4 die Regel zu sein, doch tritft man
auch gelegentlich eine Verminderung um eine, ja sogar zwei (so
trägt das P)rustbein von Turfur tiyrinus bloss 3 Paar, das von
254 EUDOLF MaHTIN,
Starnoenas cyanocephala etwa nur 2 Paar Facetten). Umgekehrt
können einzelne CoJumba-Arten (Col. rnfina. palunibus , aquafrü-,
phaenota und Edopisfes) 4 Paar Facetten tragen, von denen aller-
dings das vorderste klein und als accessorisch sich erweist. Didun-
ciihis ist durch 4 Paar ausgezeichnet, wie auch Fezophaps und Didus]
bei letztem! ist die Fünfzahl aber ebenso häufig. Goura besitzt
3 Paare.
Hinter der caudalen Eippenfacette fallen die beiden Lamellen
des Sternalrandes ab; die äussere setzt sich in den Lateralrand des
Trabeculum laterale fort, die innere verläuft in die Verdickung des-
selben.
t) Verstärkungen der Ränder des Costosternum.
Der ganze rostrale und laterale Rand des Costosternums ist verdickt.
Die Verstärkung beginnt an der Spina interna, biegt an der Basis
des Lateralfortsatzes nach hinten um und breitet sich dann all-
mählich aus, bis es zu einer Spaltung kommt. Der laterale Zweig
läuft auf das Trabeculum laterale, der mediale folgt dem
Innern Rande der Incisura lateralis.
Im vordem Theile ist die Verstärkung nach hinten und gegen
die Mitte stark abgehoben, so dass lateral von den Stützen der Spina
interna die bereits genannten Gruben entstehen. Auf dem Lateral-
fortsatz verliert sich die Verdickung allmählich.
In den Gruben liegt eine x\.nzahl pneumatischer Foramen, die
in den Randwulst einführen und deren Zahl starken Wechseln
unterworfen ist. Ich zählte bis 10 einerseits, andrerseits aber nur 2;
kein Individuum stimmt mit dem andern hierin überein.
2. X i p h 0 s t e r n u m.
Die relative Grösse des Xiphosternums unterliegt mannigfaltigen
Schwankungen, welche sich innerhalb der Grenzen 4,25 und 1,4 be-
wegen (bezüglich der Länge des Costosternums). Ueber die Details
orientirt man sich am besten an Hand der beigegebenen Tabelle.
Es lassen sich schwerlich auf Grund des Xiphosternums scharf
umgrenzte Gruppen zusammenfassen, denn die Uebergänge sind all-
mählich und werden zudem durch die individuelle Variation und die
Verschiebungen während des Wachsthums noch vollkommener
verwischt.
Die Differenzen betreffen in erster Linie die Umrisse und Pro-
portionen. So sind im Allgemeinen die PlUopodinae und Carpo-
Die vergleichende Osteulugie der C'olnuibifoniies.
255
phogiriae durch plumpe Xiphosterna ausg-ezeichnet; ihnen schliessen
sich die Treroninae, dann die (Jolumbidae und Vhahinae an. welche
zu den übrigen Peristeridae, die in Starnoenas gipfeln, überleiten.
Auch Diduuculus und Gonra besitzen kurze äussere 'l'rabecula. wo-
durch ein schlankes Xiphosternum zu Stande kommt.
In der Eegel findet man eine grosse laterale und eine kleinere
mediale Incisur. Diese ist eben so oft (namentlich im Alten zu
einer Fenestra geschlossen. Bei Dkluncidus existirt gewöhnlich
bloss eine grosse Incisur, doch constatirte ich in einem Falle eine
Andeutung einer kleinen lateralen. Didus und Pesophaps weichen
durch ihr fast ganzrandiges Xiphosternum ab.
3. Crista (Tarina) sterni (Textflg. X'^ u. Y").
Die Crista sterni ist im Grossen und Ganzen einförmig und
läuft über die ganze Länge des Brustbeins.
Fig. X^
P r o f i 1 a u s i c h t der Crista sterni 1 : 1 .
rUdunculus sfrigirostris.
Der Vorderrand bleibt (natürlich Didus und Pezophaps ausge-
nommen, für welche ich auf die einschlägige Litei'atur verweise)
Fig. Y^
Prüf il;i nsich t der ("rista sterni. 1 : 1.
Carpophujia oceanica.
256 Rudolf Mahtin.
(lurcli die Gruppe im Wesentlichen gleich. Er ist ziig-eschärft und
concav. Der \'entialrand geht entweder continuirlich in ihn über,
so dass seine Gestalt Sförniig wird, oder str»sst in einer stumi>fen
Ecke mit ihm zusammen.
Der Ventralrand ist stets verdickt und convex. Die Krümmung
nimmt nach hinten ab. ja kann sogar in eine concave Linie über-
gehen (Carpophaga ).
Eine Verstärkung, die einerseits dem Rostralrand folgt, andrer-
seits sich nach hinten und distal ausbreitet, sitzt der Wurzel des
Vorderrandes nahe an. In diese Verstärkung führen die pneumatischen
Foramina, welche oben bei Besprechung der Spina interna erwähnt
wurden ; zahlreiche Canäle verbreiten sich von hier aus durch den
ganzen Sternalkaram.
Da und dort treten noch accessorische Luftlöcher in der Mittel-
linie der Dorsalfläche des Xiphosternums auf, welche in den caudalen
Theil der Garina führen.
Bemerkenswerth ist die Reductionserscheinung der Carina bei
Carpophaga. Dort erreicht dieselbe das hintere Sternalende nicht
mehr, sondern verliert sich schon weiter vorn in der Ventral-
fläche des Brustbeins. Die Reduction betrifft auch die Höhe der
Carina; leider kommt dies in der Maasstabelle nicht zum Aus-
druck, da gleichzeitig die Länge des ganzen Brustbeins vermindert
worden ist.
Erstaunlich ist die relativ hohe Crista bei Goura, ebenso bei
Didunculus, während die ColumUdac im Allgemeinen niedrige Brust-
beinkämme besitzen.
Die L i n e a e s u p r a c 0 r a c 0 i d e a e verlaufen zur Basis der Carina
entweder annähernd parallel [Colnmha, (kirpophaga, Goura imd PfiJopus
jamht juv.) oder convergiren mit ihr. Ihr Ursprung wurde bereits
oben angegeben. Von da verlaufen sie zum medialen Rande der
Incisura lateralis und folgen diesem bis zum hintern Brustbeinrand
oder verlieren sich bereits etwas vorher.
Sie sind immer deutlich vorhanden.
Die vergleichende Osteologie der ('(iliuiiliifdrnies. 25'!
4. Das Hcckeu.
Giebt Ulis der .Schädel ein Mittel an die Hand, die Analyse der
Tauben durchzuführen, so lehrt uns das Becken eine enge Geschlossen-
heit der ganzen Oi-dnung. Zwei Factoren sind vor Allem in Rech-
nung zu ziehen : einei-seits die verhältnissmässig geringen ^Moditicationen
dieses Skelettheiles innerhalb der Ordnung und andrerseits die grosse
Variation in der (Gattung und Species. Wir werden im Folgenden
oft A^on diesen Verhältnissen zu i'eden haben, und ich erachte es
daher für übei-flüssig. schon hier darauf einzutreten.
a) Os sacrum.
(Textflgg. A^— ^r^: Taf. 12, Fig. 7 u. 8.)
Ueber die Gliederung dieses Abschnittes der Wirbelsäule, dessen
Besprechung ich im Hinblick auf seine innigen Beziehungen zum
Gürtel der hintern Extremität — eine schlechte Bezeichnung für das
Becken eines Vogels — für diese Stelle gespart habe, ist schon oft
gestritten woi-den. Ich muss mich vollständig mit Fi'RHKiNoioii ein-
verstanden erklären, der sie als nicht von fundamentaler Bedeutung,
sdudern als nur praktischen Zwecken dienend erachtet. Da uns zu-
dem die Osteologie. wie gezeigt werden soll, keine Möglichkeit giebt,
eine exacte Gliederung durchzuführen, so möchte man etwa die Frage
aufwerfen: ist eine solche überhaupt zulässig; ist das Sacrum nicht
vielmehr als solches ins Auge zu fassen?
Eine kleine Abschweifung sei mir gestattet. — Was ist eigent-
lich das Sacrum? Die Antwort liegt auf der Hand. Es ist eine
Stütze der hintern Extremität und steht also im innigsten Zusammen-
hang mit dieser. Eine Aenderung in der Art der Locomotion oder
eher der Verwendung der Hinterextremität zieht ohne Ausnahme
eine Modification des Beckens und somit des Sacrums nach sich.
Es dürfte ausser allem Zweifel stehen, dass die hüjjfende Locomotion
eines Vogels grössere Ansprüche an die Extiemität stellt als das
Vorwärtsschieben des Körpers, wie wir es bei Reptilien antreifen.
Somit muss man von vorn herein erwarten, dass sich das Becken
fester mit der AMrbelsäuk' verbindet.
Dass die den Sacralwirbeln der Reptilien homologen Elemente
ebenfalls in dieses Sacrum einbezogen worden sind, ist nichts als
natürlich, und so warf sich denn auch schon bald die Frage auf: sind
25s Rudolf Maktin,
diese Elemente besonders gekennzeichnet? oder: wie kann ihre Ho-
mologie nachgewiesen werden ? ')
Es fehlt durchaus nicht an Versuchen, diese Frage zu lösen, und
es ist interessant, dass alle Forscher darin einig gehen, die Osteologie
könne nicht den gewünschten Aufschluss geben. Wir sehen, dass
überall, wo ein ernst gemeinter Versuch gemacht wird, die Nerven-
geflechte zu Hülfe gezogen werden.
Ein erster solcher Versuch wird von Huxley -) gemacht; wir
lesen auf p. 416 und 417: „Although all birds possess a remarkably
large sacrum. the vertebrae through the intervertebral foraraina of
which the loots of the sacral plexus (and, consequently, of the great
sciatic nerve) pass. are not provided with expanded ribs abutting
against the ilium externally and against the bodies of these verte-
brae by their inner ends.
„In recentReptiles, possessing well developed hind-limbs,the inter-
vertebral foramina through whicli the roots of the sciatic nerve pass
are wholly or in part bounded by vertebrae provided with thick
and expanded ribs ; and these ribs are connected, more or less exten-
sively, on the one band, with the bodies of these vertebrae and on
the other with the iliac bones. The vertebrae in question, of which
are ordinarily two, constitute the sacrum. In Birds the arches of
the vertebrae which correspond with these in tlieir relation to the
nerves (and therefore nuist be termed „sacral") give olf comparatively
slender transverse processes which seem to answer to those which
unite with the tubercles of the ribs in the dorsal region; and it is
by these transverse processes only that they are connected with
the ilia."
Ich führe diese Stelle an, da mir scheint, es habe sich in
(tegenbaur's ''') Uebersetzung ein Fehler eingeschlichen. Wenn dort
slender mit schwach übersetzt wird, so ist die Bedeutung des
englischen Wortes entstellt, und dann muss man auch zu Gegenbair's
1) Diese Frage muss natürlich auch bezüglich des Sacrums der
specialisirten Reptilien (Dinosaurier, Theromorphen etc.) gestellt werden.
Hier würde uns die Beantwortung derselben zu weit führen, und sie darf,
da es sich blos um Analogien handelt, ausser Aclit gelassen werden.
Immerhin lag mir daran, auf diese Formen aufmerksam zu machen.
2) Huxley, On the Classification of bii-ds, in: Proc. zool. Soc.
London, 1867.
.3) Beiträge zur Kenntniss des Beckens der Vögel , in : Jena. Z.
Naturw.. V. B, 1871.
Die vergleiclieiifle Osteolog-ie der rtilunil)if(irmes. 209
Auslegimo- dieses Citats aus Hlxley kommen. Mir scheint viel-
mehr, dass gar kein ^^'idersl»ruch zwisolien den Ansichten Hixlky's
und Gegenbauk's besteht, d. h. dass beide die beiden, resp. den einen
Acetabularwirbel (der „Costalfortsätze" trägt) als ..primäre Sacral-
wirbel" resp. als die Homuloga der rei)tilischen auffassen.
GeCtExbai'k ^) sucht den Nachweis durch die ganze Classe der
Vögel durchzuführen. m
Auch ]\rivART u. Cj.arkf. ■-) stimmen mit d(^n uenannten Autuien
überein.
Bei Gadow '^) stellt sich eine Unsicherheit ein. Nachdem ei-
(tEgenbaue die Homologie der Acetabularwirbel der Vögel mit den
Acetabularwirbeln der Reptilien hat nachweisen lassen, spricht er s])äter
1». 407 und 408) wieder von einem oder sogar von ?> ..Sacralwirbeln".
nies scheint mir absolut unzulässig und zwar aus folgenden.
rein theoretischen Gründen:
Steht man für die Homologie der reptilischen und avianen
Sacrahvirbel ein — und dies scheint bei Gauow. nach der Art und
Weise, wie er seinen Gewährsmann Gegenbalk citirt, der Fall zu
sein, — so ist einmal die Zahl dieser Elemente auf 2 festgelegt.
Andrerseits, sofern man solche Beziehungen in Abrede stellt, so
niiissen. scharf genommen, alle zum Synsacrum verschmolzenen ^^'irbel
als Sacrahvirbel bezeichnet werden: diejenigen, welche ihrer Lage
nach in nähei-er Beziehung zum Acetabulum stehen (die also ,.dop-
pelte Querfortsätze'' tragen), verdienen am ehesten die Bezeichnung
Acetabularwirbel. ein Ausdruck, durch den von Gegexbauh*)
^eine primären Sacralwii-bel vorläufig charakterisirt werden.
Die unsichere Meinungsäusserung Gadow's ist erklärlich, doch
nicht erklärlich ist mir. dass er dabei stehen geblieben ist und
nicht den geringsten Versuch gemacht hat. eine Erklärung der an-
geführten schwankenden Verhältnisse zu geben.
Ich verspare meine Meinungsäusserung auf den Schluss dieses
Abschnittes, nachdem die speciellen Verhältnisse durchgemustert
worden sind.
Zuvor sei nni- noch auf eine weitere Krage hingewiesen, welche
1 ) op. c.
2) On the sacral plexus and sacral vertebrae of Lizzards aiid otlier
vertobrata, in: Trans. Linn. Soc. London, 1879.
3) Vögel in: Broxx, Class. Ordn. Tiiierreich, V. 6, Abtli. 4, 1891.
4) op. c.
260 Rudolf Martin,
wii zu verfolgen beabsichtigen: Was stellen die ventralen Schenkel
der Querfortsätze, die Parapopliysen Owrn's, die wir in der Becken-
zone der Wirbelsäule antreffen, dar?
Die x4.nsicht der meisten Autoren geht dahin, sie seien Theile
der eigentlichen Querfortsätze, wenigstens im vordersten Abschnitte,
während sie an den Acetabularwirbeln Rippenrudiraente darstellen
sollen (Gegen BAUE, op. cit.).
Ich halte mich im Laufe der speciellen Beschreibung an Für-
BRiN(iER ^) und unterscheide also :
,,S a c r a 1 e W i r b e 1 i m weit e r n Sinne (Sacrale Wirbel Owen's) :
Alle das Vogelsacrum zusammensetzenden Wirbel. Dieselben ver-
theilen sich in:
a) Präsacrale Wirbel (Präsacrale Wirbel im Sinne von
Gegenbaur), solche, welche vor den eigentlichen Sacral-
wirbeln liegen und sich in wechselnder Anzahl aus AA'irbeln
mit wahren Rippen (Dorsalen W. von Mivart), Wirbeln mit
falschen Rippen (Dorso-lumbaren W. von Mivart) und Wirbeln
ohne deutliche Rippen (Lumbaren W. von Mivart) zusammen-
setzen können;
b) Sacrale Wirbel im engei-n Sinne (Sacrale Wirbel
im Sinne von Gegenbaur), Homologe der Sacralwirbel der
Reptilien ;
c) Post sacrale Wirbel (Postsacrale Wirbel im Sinne von
Gegenbaur), solche, die auf die eigentlichen Sacralwirbel
folgen (ungefähr den sacro-caudalen AMrbeln von Mivart
entsprechend)."
Die Rippen, welche den beiden vordem Abschnitten von a) an-
gehören, sollen der Einheitlichkeit wegen als präsacrale Rippen be-
zeichnet werden. Ferner, um vorläufig indifferent zu bleiben, lege
ich den ventralen Schenkeln der Querfortsätze (Gegenbaur) die
OwEN'sche Bezeichnung — Parapopliysen — bei, da Fragen theore-
tischer Natur am besten nach Besprechung der speciellen Verhält-
nisse in Discussion gezogen werden.
Das Sacrum wird durch eine bald grössere, bald kleinere An-
zahl Wirbel aufgebaut. Bei den recenten Tauben schwankt ihre
Zahl von 13 — 16; bei Didus und Pezophctps zählte ich im Gegensatz
zu den bisherigen Autoren 17.
1) Unters, zur Morph, u. Syst. der Vögel, 1888, p. 106.
Die vergleichende Osteologie der Culuinbifurmes. 261
Die Zälilungen wurden dui'cliweji- nach den Intei-vertebralforamina
durchü'eführt, und somit kann kein ZAveifel vorlieo-en. Dass es sich
bei meiner Zählung nicht um individuelle Variation handelt, liegt
auf der Hand, da ich das sämtliche Material, das in London nnrl
Cambridge aufgestapelt liegt, darauf hin durchgesehen habe. Bis
anhin wurde ein präsacraler Wirbel, wahrscheinlich der 5., über-
zählt, da in diesem Abschnitt eine starke Verkürzung vorliegt.
Ich bestreite nun gar nicht, dass nicht ab und zu bloss 16 Sacral-
wirbel angetroifen werden können, denn es werden sich oft Differenzen
von einem Element, das sich am caudalen Ende des Synsacrum an-
oder abgliedert, finden. Das Wesentliche ist, dass die präsacrale
Region um einen ^^*irbel reicher ist. als allgemein angenommen
wird. Ich wollte diese Thatsache bloss constatiren, ohne ihr einen
grössern Werth beizumessen.
Das Minimum von 13 S a er al wirbeln erreichen diePfilopodhmc
mit einigen Arten ; andere Arten besitzen bereits 14. Es ist hervor-
zuheben, dass in diesem Falle der 14. Sacralwirbel stets vollständig
über den Hinterrand der Hia vorragt und nur mit der vordem,
äussern Ecke seiner Diapophj'se an die hintere, innere Ecke des
ilium stösst; er verwächst oft erst im Alter mit dem Sj^nsacrum
(Pfilopus roseicollis). Frülier verwächst er z. B. bei Pliloims meJano-
cephalus, Ptil. melanospilus :, bei einem jungen PtUopus jamhu, bei
dem auch noch einige Schädelnähte sichtbar w^aren, hat der Ver-
schmelzungsprocess erst die Region vom 2. bis 11. Sacralwirbel in
Mitleidenschaft gezogen; der erste und die hinter dem 11. gelegenen
Elemente sind noch frei. Alectmenas besitzt Zeit Lebens bloss 13 Sacral-
wirbel.^)
Ob dieser 14. Sacralwirbel der Ptilopodiiiae als Neuerwerb auf-
zufassen ist oder ol) wir einem in Zerfall begrilfenen Sacruni gegen-
überstehen, lässt sich nicht ohne Weiteres entscheiden; wir müssen
später auf diese Frage zurückkommen.
Die grosse Mehrzahl der Tauben ist durch 14 Sacralwirbel
ausgezeichnet. Ich kann davon Umgang nehmen, alle zu erwähnen,
da diejenigen, die ein anderes Verhalten zeigen, dort aufgeführt
werden.
15 Sacra) w ir bei kommen folgenden Formen zu: Starnoenas
1) Abnormer Weise beobachtete ich eine (hliniilxi aeuas mit nur
13 Sacralwirbeln. Man darf dieser Thatsache nur den Werth der indi-
viduellen Variation beime.ssen. Ebenso 1 Exemplar von (J'irpouh'iiju
(trnrn.
262 liUDOLl' MakTIN,
cyanocephala, Columha maculosa, Col. albüineata. Col. frocas. CaJoenas
nicobarica, Carpophaga oceanica und Bidunculus strigirostris. ^) In den
meisten Fällen dürfte es sich um individuelle Variation handeln,
zumal wir meistens bloss 5 freie Caudalwirbel antreffen, während
sonst 6 die Regel ist, Columha oenas mit bloss 13 Sacralwirbeln aber
deren 7 besitzt. Grössere Bedeutung" erlangt diese Zahl bezüglich
Starnootas, Caloenas, Dklnnruhrs und Carpophaga oceanica, besonders
weil bei diesen eine Vermehrung der Elemente um 1 im präaceta-
bularen Abschnitte des vSacrums geschieht.
Nur bei einem Skelete von Stamoenas cyanocephaJa und bei den
Gonridae werden 16 Sacralwirbel gezählt. Bei jener geschieht
die Angliederung eines Elements am caudalen Ende des Syn-
sacrum.
Für Bidus und Pesopliaps wurde die Zahl 17 angegeben.
Ein ideales Sacrum — wenn dieser Ausdruck gestattet ist —
besitzt Didnncnlus strigiostris. Wir werden uns also zunächst mit
diesem befassen und zuweilen von hier aus die Modificationen durch
die ganze Ordnung verfolgen.
1. Die präsacralen Wirbel.
Der erste präsacrale Wirbel trägt durchweg ein Paar
freier Rippen, die in dem entsprechenden Abschnitt zur Besprechung
gekommen sind.
Der Wirbelkörper ist im Querschnitt etwas oval, die längere
Axe in der Horizontalen: nach hinten nimmt seine Höhe ab. Er
ist in der Mitte eingeschnürt und sein vorderes Ende stärker aus-
gebreitet als sein hinteres. Er trägt vorn eine Satteliläche zur
Articulation mit dem 18. Wirbel; diese Fläche unterliegt bedeutenden
Schwankungen. Bei Bidunculus ist sie stets breiter als hoch (4:3).
rechteckig, bei andern Formen mehr quadratisch (z. B. Columha
aJbilineafa, Turiur risorius, Carpopliaga aciwa); ein Bid.nnculus ähn-
liches Verhalten zeigt Vinago calva. Treron oxyura, Ptilopus rosei-
collis, Flil. mclauospiJus, Alcciroenas madagasraricusis. Herz- oder
wappenschildförmig (wobei die grösste Breite der Höhe mindestens
gleich kommt) ist diese Fläche bei den meisten Carpophaginac (in
Folge der Ausbiklung einer ventralen Längskante im vordem Theile
des Wirbelkörpers); breit niei-enförmig wird sie bei den meisten
1) In einem Falle bloss 14 beobachtet.
Die vergieicheude Osteolooie der Cülnuibitnrmes. 263
Tnroninae aiigetroifen. trapezförmig bei den übri.oen Tauben (die
Basis dorsal).
Die Formen sind natürlich nicht scliarf von einander abzn-
grenzen. denn von der breit rechteckigen zni' nierenförmigen und
von dieser zur herz- und ([uadratförmigen Gestalt ist ein kleiner
Schritt. Dagegen sind folgende Formen durch die ausnehmend
grosse relative Höhe der vordem Sattelfläche des ersten Präsacral-
wirbelkörpers scharf zu unterscheiden: Caloenas mcoharica, Gcnira
und Pezophaps. während sie bei Didm ungefähr gleich hoch wie
breit und wai)i)enschildförmig gestaltet ist.
So schwankt natürlich auch die Form des Querschnittes des
Wirbel körpers, denn der Umriss der Sattelfläclie stellt uns ja den
vordersten derselben dar. Nach hinten nimmt aber ilii-e Aehnlich-
keit zu.
Am ventralen Rande der Sattelfläclie wurzelt stets ein ventral-
wärts voiTagendes Tuberculum.
Die Articulationsfläche zur Aufnahme desCapitulum costae
sitzt auf einem Höcker an der Basis des Neuralbogens. Die Vorder-
fläche dieses Höckers ist bei Dichmcnlns mit dem Vorderrande des
Neuralbogens bündig und fällt sehr steil gegen diesen ab. Bei den
meisten übrigen Tauben liegt das Tuberculum bedeutend weiter
zurück (ungefähr in der Mitte des Bogens) und breitet sich, sanft
abfallend, weit aus. Die Variation ist indess ziemlich gi'oss. und die
Extreme stehen durch sie in ununterbrochener Verbindung.
Die Präz ygapophysen zeigen nirgends ein besonders charak-
teristisches Verhalten. Sie sind meist durch tiefe, eckige bis halb-
kreisförmige Scharten vom AVirbelkörper getrennt und wurzeln —
überflüssig zu sagen — am Vorderrande des dorsalen Bogens. Sie
sind im Querschnitt am ehesten als halbmondfr>rmig zu bezeichnen,
distal schwach vei'jüngt. Die ebene Fläche. Avelche die elliptische
Gelenkfacette für die Postzygapophyse des 18. Wirbels trägt, ist
nach innen und oben gewendet (bildet mit der Medianebene einen
Winkel von ca. 45"). Die äussere und untere Fläche ist gewiUbt.
Beide Präzygapophysen sind parallel vorwärts gerichtet. Eine
reichliclie Variation macht sich auch an ihnen geltend; es sei hier
nur bemerkt, dass die Fortsätze bei BidnucHlm relativ kurz und
schwach sind und daher die Scharten zwischen ihnen und dem
Wirbelkörper breit : ähnlich verhalten sich die meisten kleinen
Taul)enformen.
Zool. .Jahil). XX. Ahtli f. Syst. IH
264 Rudolf .Martin.
Die laterale dorsale Kante der Präzygapophyse findet ihre Fort-
setzung" in der vordem Kante der Diapopli3'se. die mediale ventrale
breitet sich in der Wandung" des Rückenmarkscanais aus.
Der Eückeumarkscanal ist im ersten Präsacralwirbel bei der
Mehrzahl der Tauben kreisrund, selten seitlich scJiwacli compress;
nur bei Pe^ophaps, Didus und Gonra besitzt er eine mehr schlitz-
förmige Gestalt.
Die Diapoph3\se ist gesondert, wenigstens an ihrem proximalen
Abschnitte. Was ihre Richtung- betrifft, so stösst man auf einige
Differenzen, allerdings von sehr geringer Constanz und deshall) auch
von geringer Bedeutung. Bei Didimculus ist der Fortsatz tlirect
auswärts g-erichtet, ebenso bei Goura, Caloenas, Didtis und Pezophaps.
Bei allen andern Tauben läuft er auswärts und mehr oder weniger
stark nach rückwärts.
Dagegen herrscht voUständig-e Einheitlichkeit bezüglich der
speciellen Coniiguration und des Verhaltens gegenüber der Diapo-
physe des nächst folgenden Wirbels.
Diduncnlus soll uns diese Verhältnisse vor Augen führen.
Im proximalen Theile ist die Diapophyse dreikantig : eine rostrale,
eine caudale und eine ventrale Kante. Diese entspringt am Tuber-
culum. auf dem die Facette für das Capitulum costae gelegen ist,
und trägt distal von der Mitte des Querfortsatzes die Gelenkfacette
für das Tuberculum costae; zugleich nimmt ihre Höhe gegen die
Mitte zu, so dass die Facette auf eine Lamelle zu liegen kommt.
Die Länge der von vorn nach hinten schmalen Gelenkfläche beträgt
ca. '/g der Diapophysenlänge. Die Höhe der Lamelle nimmt vom
medialen zum lateralen Ende der Facette wieder ziemlich rasch ab
und findet dort plötzlich ihr Ende.
Durch dieses ^'erhalten der ventralen Kante erhält der Quer-
schnitt der distalen Hälfte der Diapophyse Tform.
Die so entstandene horizontale Lamelle breitet sich mit ihrem
distalen Ende aus und verschmilzt einerseits durch ihre dorsale
Fläche mit der ventralen des Hium und andrerseits durch ihre distale
hintere Ecke mit der vordem distalen der Diapophyse des zweiten
Präsacralwirbels.
Die vordere Kante der Diapophyse trägt Rauhigkeiten, die meist
in einen oder zwei Höcker angeordnet sind und den Ligamenten
und tiefen sehnigen Fascien der Extensoren zum Ansatz zu dienen
haben. Ln hohen Alter können die Ligamente ossificiren, wie man
dies überhaupt in der Dorsalregion der Wirbelsäule oft antrifft,
Die vero-leichende Osteolooie der Colninbifornies. 265
und wir seilen dann diese Höckei' da und dort in nadeltorniige Fort-
sätze auswachsiMi.
Aelinliclien Verknr»cherungsvorgängen ist es zuzuschrtnben, wenn
bei Phaps chalcoptem der 18. Wirbel gänzlich mit dem Sacrum ver-
wäclist, so dass wir eigentlich 15 Sacralwirbel. von denen die beiden
ersten bewegliche Kippen tragen, zu zählen hätten. Icli ziehe je-
doch vor, dies nicht zu tliun, da wir es oftenbar mit einem abnormen
Vorgange zu tliun liaben. denn ein anderes Kxemplar zeigte ein
\()llständig normales Verhalten.
Die hintere Kante des Fortsatzes umschliesst mit der vordem
der nächst folgenden Diapophyse ein in Grösse und Form sehr
variables Fenster.
Auf der vordem untern Fläche liegt, von einer Depression um-
geben, ein äusserst schwankendes Foramen pneumaticum.
Grössere (""onstanz besitzt das grössere pneumatische Foiamen.
das auf der hintern Fläche unmittelbar der Basis der Diapophyse
anliegt und auch noch auf den Wirbelkörper übergreift. Aber auch
dieses Foramen kann gelegentlicli von seinem lateralen l>ande kleinere
abspalten.
Die Neuralspina ist mit denen der darauf folgenden Wiibel zur
Crista sacralis verschmolzen, die weiter unten zui' Besprechung
kommen soll. Hier sei bloss noch beigefügt, dass ihre dorsale,
vordere Ecke über die Basis schwach vorragt und durch starke
Ligamente mit der Xeuralspina des 18. AVirbels in Verbindung steht.
An der Basis des Yorderrandes des Fortsatzes liegt eine Rauhig-
keit, an der ebenfalls starke Bänder inseriren.
I )ie 3 nächst folgenden ^Mrbel — 2. bis 4. präsacrale Wirbel —
sind im Zusammenhange zu betrachten. Sie bilden eine Einheit,
grenzen die F o s s a i 1 i a c a anterior nach vom ab und schliessen
sich in ihrem Verhalten unmittelbar an den ersten Präsacralwirbel
an. Die einzige Differenz besteht darin, dass sie keine fi'eien Rii)pen
tragen und dass sie durch Körper, Neuralbogen und Xeuralspina mit
dem 1. und 5. Präsacralwirbel und unter sich verschmelzen. Wir
können uns also kurz damit befassen.
Die Wirbelkörpei" sind spurlos verwachsen; nur die Grenze
zwischen dem 1. und 2. präsacralen AVirbel wird durch eine bald
stärkere, l)ald schwächere Rauhigkeit markirt. Die Körper sind
gegenüber dem des ersten depresser, aber dafür breiter, und diese
allmähliche Zunahme an Breite erstreckt sich bei Didunculus noch
Übel- diese Region hinaus nach rückwärts; Depression und \ev-
18*
266 Rudolf BIaktin.
breiterung' gehen stets Hand in Hand. Gleichzeitig entsteht ein sehr
seichtes medianes Thal , das bei Didunculm auf der Ventralfläche
des 2. Präsacralwirbels beginnt und auf dem 11. wieder aus-
läuft. Die grösste Breite erreicht diese Grube auf dem 6. prä-
sacralen Wirbel.
Dieses Thal hat zur Folge, dass in dem ganzen Bereiche seines
Verlaufes die lateralen Flächen der Wirbelköi'per von der ventralen
kantig abgegrenzt werden, so dass ein im Querschnitt rechteckiger
Balken zu Stande kommt. Ich habe später bei der Behandlung des
Sacrum im Zusammenhang darauf zurück zu kommen.
Die Wirbelkörper lassen also keine Abgrenzung dei- H in Bede
stehenden Wirbel zu ; vielmehr ist es das Vorhandensein der P a r a p o -
physen, welche diese Zone auszeichnet. Bei DiduuculKs ist in der
Begel die Parapophyse des 2. präsacralen Wirbels am schwächsten;
sie ist hier ein schwacher, rundlicher Stab, der an dei' Seitenfläche
des zugehörigen Wirbelkörpers, genau an der Stelle, an der w^ir am
ersten die Articulationsfläche für das Capitulum costae getroffen
haben, wurzelt, sich distal ausbreitet und gegen die Ventralfläche
des Ilium stützt. Dorsal stösst sie an das distale Ende der Diapo-
physe. Die Länge der Parapophyse übertrifft die Länge des Rippen-
halses der Präsacralrippe nur wenig. Dorsal ist die Knochenspange
mit einer Kante versehen, welche sich gleich verhält wie die dor-
sale Kante des Rippenhalses der Präsacralrippe.
Die Parapophysen der folgenden 2 Wirbel zeigen, mit Ausnahme
der grössern Stärke, absolut das gleiche Verhalten wie die des vor-
hergehenden. Sie sind stärker abgeplattet und die dadurch ent-
stehentlen Kanten mehr nach vorn. resp. nach hinten gerichtet,
gleichen aber sonst auffallend einem Rippenhalse. Die vordere stösst
mit ihrem distalen Ende stets, die hintere zuweilen, ausser an das
Darmbein, an die ventrale Kante der Diapophyse.
Die Richtung dieser Fortsätze bildet mit der Mittellinie einen
nahezu rechten Winkel.
Die Verbindungslinie der distalen Enden der o Parapophysen
läuft mit der dorsalen Darmbeincrista parallel.
Ln Allgemeinen kann das für Diäuncnliis Gesagte auf alle
Columbae übertragen werden. Auf Modificationen, welche die Wirbel-
körper betreffen, kommen wir besser bei Betrachtung des Sacrum
im Zusammenhange zurück; hier sei bloss der vei'schiedenen Ent-
wicklung der Parapophysen gedacht.
Die vergleichende Osteolog-ie der ColunibitViniies. 267
Die Variation im gegenseitigen Stärkeverliältniss dieser Fort-
sätze ist zwischen den extremsten Formen nicht grösser als inner-
halb ein nnd derselben Art. Im beschriebenen Falle war die Para-
pophyse des 4. Präsacralwirbels die stärkste. Schon bei Diduncnlus
kann sie äusserst schwach werden, ja sogar ihre Verbindung mit
dem Ilinm aufgeben ; den gleichen Schwankungen begegnet man bei
den übrigen Tauben, ja sie können noch weiter gehen, indem die
Parapophyse des 4. Präsacralwirbels gänzlicli in ^^^egfall geräth
(Treron ni}ialensis, T. fulvicollis, Ptilopufi rosekollis, Colnmha oenas).
Dieses Verhalten darf dem erstgeschilderten gegenüber, das un-
bestritten der Mehrzalil der Individuen zukommt, als Ausnahme be-
trachtet werden. Es wurde nie beobachtet, dass die Para])Ophyse
des 2. präsacralen Wirbels an Stärke die des 3. übertraf, wohl aber,
dass sie atrophirt war oder nur als fadenförmige Knochenbrücke
l)ersistirte (Diduncnlus, Columha domestka). Bezüglich Bidus und
Fczoplutps kann ich nichts Neues beibringen und ^'erweise auf die
Arbeiten Owe>'s und Newton's.
Weitere specielle Beispiele für diese Variation aufzuführen,
dürfte beinahe übertiüssig sein. Ich konnte sie überall da, wo mir
das genügende Material zur Verfügung gestanden hat {Didunculus.
CarpophwiiL Treron. Colnmha, Phaps, Turtur), in gleicher Weise ver-
folgen, so dass man sie allgemein den Columbae zuschreiben darf.
Die Diapophysen der 3 Wirbel verhalten sich der des 1. Prä-
sacralwirbels ähnlich, nur dass sie nach hinten ihre Selbständig-
keit mehr und mehr einbüssen. indem die zwischen ihnen o-elegenen
Foramina eingeschränkt werden. Dieser Vorgang beruht auf der
Ausbreitung der horizontalen Lamelle des Fortsatzes auf Kosten der
verticalen. die bereits oft an der Diapophyse des 4. Präsacralwirbels
so stark reducirt ist, dass der Contact mit der Parapophyse vei'loren
geht. So stellt die Diapophyse des 4. Präsacralwirbels den Ueber-
gang zwischen tlenen der vorher gehenden und der folgenden Wirbel
dar, von welch letztern sie kaum getrennt ist.
Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Querfortsätzen der
in Frage stehenden und der caudal folgenden \\'irbel besteht in der
Verlaufsrichtung, welche bei jenen zu derjenigen der Diapophyse des
1. Präsacralwirbels parallel ist, also zur Mittellinie annähernd senk-
recht steht oder etwas nach vorn geneigt ist, während sie bei diesen
stets nach rückAVärts abweicht. Der Uebergang ist kein allmäh-
licher, sondern vollzieht sich phUzlich zwischen dem 4. und 5. prä-
sacralen A\'irl)el. Bei Fezophaps, dessen 5. Präsacralwirbel oft mit
26g KuDOLi- Martin,
einem Parapupliysenstummel . g-elegeiitlich auch mit einer schlanken
Parapophyse ausgerüstet ist, zeigt sich die Zugehörigkeit dieses
Wirbels zum ersten Abschnitt des Sacriim auch durch die Richtung
der Diapophj'se.
Einen Punkt bin ich noch gezwungen zu berühren, da Gegekbauk
gelegentlich seiner Abhandlung über das Vogelbecken eingehend
davon handelt: nämlich die Beziehungen der verticalen Lamelle oder
— wenn man lieber will — der ventralen Kante der Diapophysen
zur ganzen Diapophyse.
Bekanntlich leitet Geüenbaur die Parapophyse aus einer Ab-
spaltung dieser Kante von der horizontalen Platte des Querfortsatzes
her. Folg-ender, bei Didimculns beobachteter Vorgang scheint mir
gegen diese Ansicht zu sprechen.
Am 1. Präsacralwirbel (mit beweglicher Rippe) wurde — bei
1 Exemplar — ein Foramen beobachtet, das die ventrale Kante der
Diapophyse von der horizontalen Platte abtrennte. An allen unter-
suchten Becken war dieses Foramen am 2. Präsacralwirbel grösser,
am 3. und 4. wieder etwas kleiner. So müssen wir also einen dor-
salen und einen ventralen Schenkel, die im proximalen ^'. oder der
proximalen Hälfte getrennt verlaufen, distal versclimelzen. und zudem
eine Parapophyse unterscheiden. Auch bei Carpophaga wurde die
gleiche Erscheinung angetroffen.
Diese Abspaltung von ventralen Trabekeln kann mehr oder
minder deutlich im ganzen Bereiche des Synsacrum Platz greifen
(1 Exemplar von Phaps cli(ücopfera), ungeachtet, ob Parapopliysen
vorhanden sind oder nicht. Diese Thatsachen scheinen mir von nicht
geringer Bedeutung für die Erklärung der Natur der Parapopliysen.
von der später gehandelt werden soll.
Aus der oben berührten Thatsache, dass eventuell die Parapo-
physe des 4. Präsacralwirbels fehlen kann, geht hervor, dass dieser
Wirbel bereits zum folgenden Abschnitt des Sacrum gezählt werden
muss, dem Abschnitt, der bei dem absolut normalen vorliegenden
Becken von BiduncMlus durch den 5. und 6. Präsacralwirbel zu-
sammengesetzt wird. W^ir werden unten sehen, dass diese Region
noch von anderer Seite Zutluss erhalten kann.
Die Charakteristik dieser beiden Wirbel — des 5. und (>. Präsacral-
wirbels — bei IHdimculus ist kurz zu erledigen: sie gleichen den
vorhergehenden AMrbeln, sobald nmn sich dort die Parapophysen
weggedacht hat.
Die Wirbelkörper schliessen sich in der Form unmittelbar an
Die vergleichende Osteolog-ie der ('(dmiibifdrines. 269
jene an. und an ihnen erreicht die Breite und die relative Depression
des JSacralbalkens ihr Maximum. Bald stellt der 5., bald der 6.
diese grüsste Breite dar: meistens lässt sich schwerlich ent-
scheiden, welchem von beiden diese Rolle hauptsächlich zufällt.
— So das Gros der ''J'auben! — Ausnahmsweise übernimmt der
4. Präsacralwirbel diese Kigeuschaft {CarpopluKjd occiuiira, Goura,
Didtis und Pczophaps). Die 3 Grupi)en sind nicht scharf getrennt;
allmäliliche Uebergäng-e leiten von dei' einen zur andern über.
Dies lässt sich folgendermaassen darstellen:
B. 5. — 5. = 6. — 4. 5. 6. — 4. = 5. 4. 5.
Ein sicheres Büttel, diese beiden Wirbel von den vorhergehenden
zu unterscheiden, giebt uns die Verlaufsrichtung der Querfortsätze,
auf die bereits oben aufmerksam gemacht wurde. Sie bildet mit der
i\Iittellinie einen nach hinten sich (»Ifnenden spitzen AMukel. Da-
durch ist eine bedeutende Streckung des Fortsatzes nöthig geworden,
um den Zusammenhang mit dem Darmbein aufrecht zu erhalten.
Diese Streckung, verbunden mit einer Verbreiterung, Avird auf
Kosten der ventralen Kante der Diapophyse, die wir weiter vorn
stets angetroffen haben, bewerkstelligt. Die Diapo|)hyse besteht
dann hauptsächlich aus einer fast papierdünnen horizontalen Lamelle,
die durcli einen sehr schwachen ventralen Balken verstärkt wird:
bei Foi'men mit breitem Sacrum (Carpophaga oceanica, Carp. Jacer-
nulafa etc.) oder bei kleinen Formen kann sicli diese ventrale „Rippe"
distal verlieren.
Die horizontalen Platten der Diapophysen verschmelzen unter
sich sowohl als mit der des 4. Präsacralwirbels und des „1. primären
Sacralwirbels" ; minime unregelmässige Aussparungen gestatten den
dorsalen Nervenfasern den Durchtritt.
An einem Becken von Bichmculns beobachtete ich am 6. Sacral-
wirbel. an der Stelle, wo am 2. I)is 4. die Parai)ophysen wurzeln,
einen nadelföimigen, auswärts und wenig rückwärts gerichteten
Fortsatz, der als reducirte Parapoi)hyse zu deuten ist.
Die Spinalfortsätze betreffend sei hier bloss bemerkt, dass sie
so gut wie gleich 0 sind, da, wie später gezeigt werden soll, hier
die Erweiterung des Rückenmarkscanais liegt; die Reduction scheint
vom K'ückenmarkscanal her vor sich gegangen zu sein, während die
distalen Enden im Niveau der übrigen Neuralspinae festgehalten
wurden.
270 EuDOLF Martin,
2. Die sacralen AVirbel.
Der 7. und 8. Sacralwirbel sind bei Bidunculus sowohl in osteo-
logischer Beziehung' als auch bezüglich der Nerven als primäre
Sacralwirbel im GEUENBAiTK'schen Sinne zu bezeichnen.
Bekanntlich bestimmte Gegenbaüe die primären Sacralwirbel,
d. h. die den Sacralwirbeln der Reptilien homologen Elemente, durch
ihre Lage zum Nervus sacraiis. Bei den Tauben tritt
dieser Nerv zwischen dem 7. und 8. Sacralwirbel oder
zwischen dem 25. und 26. Wirbel überhaupt aus, und
somit wären also diese die primären Sacralwirbel.^)
Bei Didunculus triift nun noch gewöhnlich zu, dass beide Parapo-
physen tragen oder, nach Gegenbau k, Costalfortsätze.
Diese Parapophysen, um vorläufig beim alten Ausdruck zu
bleiben, entspringen an derselben Stelle des Wirbelkörpers, an der
sie bei den vordem Präsacral wirbeln entspringen ; sie sind schlanke,
gerade, rundliche und nach rückwärts gerichtete Knochenstäbe,
welche sich distal ausbreiten und unter sich und mit den distalen
Enden der Diaphysen verschmelzen. Sie stemmen gemeinsam gegen
die ventrale Verdickung des Darmbeins.
Ihre Länge übertriitt natürlich die der weiter vorn gelegenen
Parapophysen — entsprechend der Verbreiterung des Heiligenbeins —
bedeutend; zudem ist sie am 7. Sacralwirbel grösser als am 8.
Die Wirbelkörper 'stimmen in ihrer Form noch mit den vorher-
gehenden überein ; nur macht sich eine seitliche Compression geltend,
mit der ein Höherwerden Hand in Hand geht.
1) Ich beobachtete allerdings in verschiedenen Fällen {Pluips lojihotrs,
/'. /i/rtifa, Treroit. bicinrfa, Dlr/uiic/j/ns sfr/;jirostris 2 yQ, dass der 26. Spinal-
nerv der letzte kräftige, zum Plexus ischiadicus gehende Nerv ist, dass
aber noch eine feine, fadenförmige Wurzel vom 27. hinzutritt. Sie stellt
gewöhnlich die Hälfte dieses Spinalnerven dar, dessen andere Hälfte zum
Plexus pudendus geht.
Es ist hervorzuheben , dass mit diesem Verhalten der Nerven stets
auch eine osteologische Modification des Sacrum Hand in Hand geht, in
so fern , al8 entweder die Costalfortsätze am 7. Sacralwirbel bloss ein-
seitig ausgebildet sind, meistens aber ganz fehlen, was — wie unten ge-
zeigt werden soll — auf eine Rückwärtswanderung des Beckens zurück-
zuführen ist. Es ist somit anzunehmen , dass diese feine letzte Wurzel
erst secundär zum PI. ischiadicus getreten ist und der letzte kräftige,
zum Plexus gehende Nerv als Nerv, sacraiis anzusprechen ist.
Bei Cnlocnns tritt sogar noch die Hälfte des 29. Spinalnerven zum
Plex. ischiadicus, was bei der starken Specialisirung dieser Form nicht in
Erstaunen setzen kann.
Die veviileicbeiKle Osteolog-ie der Cülumliiformes. 2^1
Auch für die Diapophysen kann das für die voiiieruelienden
Bemerkte Anwendnn»^- rinden; die ventralen ..Rippen" sind aber
stärker ansgebildet, namentlich in der distalen Hälfte. Offenbar
liegt hier eine Wirkung des Vorhandenseins der Parapophysen vor
und zugleich der Lage und Function der Wirbel als Acetabular-
wirbel.
Diese primären Sacralwirbel liegen bei Didunnüus unmittelbar
vor der Queraxe. die man sich durch die Acetabula gelegt denkt,
und nicht hinter derselben, wie Gaüow allgemein anzunehmen ge-
neigt ist.
Aber nicht nur für BiduncnUis, sondern allgemein für die Tauben
können der 7. und 8. Sacralwirbel ihrer Lage nach so bestimmt
werden, nur dass sie g-eleg'entlich noch weiter nach vorn gerückt
sind und so ihre Function als Acetabularwirbcl wenigstens theilweise
aufgeben. Dadurch wird Ersatz von rückwärts nöthig, und dies ge-
schieht in verschiedenen Stadien in verschiedenem Grade, die wir
im Folgenden durchgehen wollen.
Zuvor wird es jedoch gut sein, noch den einförmigen caudalen
Abschnitt des Synsacriim der Betrachtung- zu unterziehen.
3. Die postsacralen A^'irbel.
Die seitliche Compression der ^^'irbelkörper nimmt erst noch
zu, d. h. bis ungefähr zum 10. Sacralwirbel; von hier hebt eine all-
mähliclie Abflachung an, welche am letzten Sacralwirbel den Höhe-
punkt erreicht. Zugleich läuft auf dem 10. oder 11. Sacralwirbel
das Thal aus, dem der Balken in seinem vordem Abschnitt seine
kantige Gestalt verdankt, und somit tritt zugleich eine Rundung ein.
Der AVinkel der Abgangsrichtnng der Diapophysen. zu deren
specieller Confignration ich nichts beizufügen habe, mit der !\littel-
linie. der jedenfalls ein nach hinten sich öffnender s})itzer ist, nimmt
bis zum 11. Sacralwirbel ab und nachher wieder zu und nähert sich
am letzten wieder einem rechten. Gleichzeitig nimmt die Länge
der Fortsätze nach hinten ab, d. h. bis zum 11. Sacralwirbel, nachher
wieder wenig zu.
So Dichuicitlusl Bei Carpophaga oceanica, Treroninae, Columba,
Sfaniooias, Caloenas, (ronra maciit sich gegen das caudale Fnde keine
Längenzunahme geltend; ebenso wenig bei JJidus und F<'^o})hctps.
Diduucidus ähnlich verhalten sich die übrigen Tauben.
Die Parapophysen sind bei Diduncidus, obwohl schwach, vor-
handen; sie sind am 9. und 10. und eventuell am 11. Sacralwirbel
272 EcüOLF Martin.
noch gesondert, candal aber versclimelzen sie mit der Diaphj'se. und
daher rührt die anffallende Stärke der ventralen ,.Eippen" der 3
bis 4 caudalsten Diapoplij^sen. Oft sind die Parapophvsen jedoch
im ganzen postsacralen Abschnitt des Beckens mit den zugeliörigen
Querfortsätzen verwachsen, oft aucli noch weiter rückwärts discret.
Es herrscht hier ein reiclier Wechsel von Individuum zu Individuum.
Ihid nun zurück zu den Acetabularwirbeln!
Dass das Vorhandensein von Parapophysen als Stützen des Ace-
tabulum einer rein mechanischen Anforderung entspricht, dürfte
offenbar sein, und primär existirt also auch hierin ein schwer-
wiegender Grund für die Homologisirung dieser Elemente mit den
Sacralwirbeln der Eeptilien.
Nun wurde schon oft beobachtet und in der Literatur erwähnt,
dass eventuell nur an einem, eventuell an drei Wirbeln solche Stützen
angetroffen werden ^), und diese Thatsachen veranlassen Gadow, bald
von einem, bald von drei primären Sacralwirbeln zu sprechen. Auch
wurde schon eine Unterdrückung beider Parapophysenpaare con-
statirt - ) {Buceros , Fica und gewisse Papageien ). Eis wäre also
falsch, w^enn man ohne Weiteres aus der Lage der Paraphysen auf
die primären Sacralwirbel schliessen wollte.
Wir haben mit Hilfe der Nervengeflechte den 25. und 26. Wirl^el
(resp. den 7. und 8. Sacralwirbel der recenten Tauben) als primäre
Sacralwirbel bestimmt und gesehen, dass bei Diäunculus beide
Parapophysen tragen; bei einem andern Exemplar fehlte das Parapo-
physenpaar am 7. Sacralwirbel. und bei einem weitern war nur ein-
seitig eine solche vorhanden.
Am 7. und 8. Sacralwirbel wurden bei folgenden Formen Parapo-
physen angetroffen:
Treron nipalensis juv. Zenaida mirivuloia
Carpophaga spüorrhoa Starnoenas cyanocepltala (1 ><)•
„ hicolor.
Am 7. einseitig, am 8. paarig:
Carpophaga spüorrlwa flX) Carpophaga aenea (1 )'().
1) op. c. Gadow.
2) op. c. MiVART u. Clarke.
Die vergleiclieiKle Osteolooie der Cohinibifdrnies.
273
Am 7. i)aarig. am 8. fehlend :
Carpophmja aenea ( 1 X)-
Am 7. fehlend, am 8. ])aarig':
Trero)? sp.
vernans
hicincid
c/risfiraiida
,. fnIricoUis
Vwago calva
Piilopus roseicollis
,. jambu jiiv.
melanocephalus
niekinospilns
A Jedroenas pulcherrima
madagascariensis
Meiriopelia ntclanoptera
LepioptUa hraclujpiera
Staruoenas cyaiwcephdla
Columha domestica
,. liriü
„ pJiaoiota
oenas
Carpophaga ((cnea
,. ridmcera
,, pacifica
,, hfcfuosa
„ larennilafa
Geopelii stricda
Phaps rJndropfera
,. Jüsfrioiu'cd
„ indica
,. Jophofes
„ piccda
Haplopelia larvata
Columha palumhus
,. trocaz
,. rufina
arjuafrix
Jlacropijgia emUiana
,, afhica})illa
Eciopistes migratorius.
Am 8. schwach (s) oder einseitig (e), am 9. stark und ])aarij
Cölnmha livia (s) Caloenas nicoharira (s oder e)
,, pkazuro (e) Gonra (partim).
Marropjigia aJhicapüJa (s).
Am 9. allein :
Colnmhd niactdosa
pjcasuro
(dbiliuca
Carpiophaga oceanica
Goura (partim)
Bidns
Pezophaps.
Bei Sfantoenas ajaitocc))/ia/a, welche sowohl am 7. als am 8. Sacral-
Avirbel starke Parapophysen trägt, treten diese am 9. ebenfalls noch
auffallend stark hervor.
Es handelt sich bei dieser Znsammenstellung bloss um das
markante Hervortreten ursprünglich discreter Elemente, die aber zum
Theil mit den benachbarten Knochentheilen eine innige Verschmel-
zung eingehen. Wir dürfen deshalb über die grosse Variabilität
271 Rudolf Martin,
nicht im gei'ing'steii staunen und besonders, wenn wir die Sache
etwas verfolg-en. Das A\'ichtigste geht bereits aus der Zusammen-
stellung- selbst hervor, nämlich, dass eine ununterbrochene Reihe von
einer P^ndform zur andern fuhrt.
Wir haben ferner darauf hingewiesen, dass die Parapophysen
Stützfunction haben: daraus folgt: sie wei'den sich bei stärkerer
Beanspruchung verstärken. Damit ist alles gesagt. Eine Verschie-
bung' der Acetabularregion des Beckens bürdet diese Function andern
Parapopli3'sen auf. und diese beginnen sich zu entfalten, ganz gleich-
gültig, welches ursprünglich die primären Sacralwirbel waren.
Es ist aus später zu erläuternden Gründen anzunehmen, die
Tauben seien — mit Ausnahme der Bidi und Didunculidac — eine
monophyletische Gruppe. Die primären Sacralwirbel mussten also
bei allen Tauben eine bestimmte Lage innerhalb der Wirbelreihe
eingenommen haben. Sie waren, wie bereits angegeben, der 25. und
26. Wirbel. Auch hierin weicht Diduncidits nicht ab, ja hätte sogar
noch das primitive Verhalten bewahrt. Die Mehrzahl der l^auben
hat sich von diesem Typus nur wenig entfernt; meistens beschränkt
sich die Abweichung auf das Skelet, denn ich konnte, wo ich Ge-
legenheit hatte das Verhalten des Nervus sacralisM zu prüfen,
beobachten, dass er in der Regel der letzte zum Plexus ischiadicus
tretende Spinalnerv ist {Bidunmdus strigirosfris, Carpopliarja oceanU-a,
Carp. ruhricera, Treron vernans, T. olax, PtiJopus jamhu, Colund^a
domestica). Nur selten gesellte sich noch eine weitere feine Wurzel
dazu (die erwähnten Fälle).
Bezüglich Goura konnte ich mir keine Klarheit verschalfen, da
mir das nöthige Material fehlte.
Es fände also in den meisten Fällen eine kleine Rückwärtsver-
schiebung des Beckens statt, auf die wohl die Stützelemente, noch
nicht aber die Nervengeflechte reagirt haben. Diese Verschiebung
ist ganz deutlich ; bei Bidnnciüus z. B. läuft die Axe durch die beiden
Acetabula unmittelbar hinter dem 8., bei Treron vernans quer über
den 9. und bei Carpophaga oceanica hinter dem 9. Sacralwirbel durch
Ich glaube, diese Beispiele illustriren das Gesagte zur Genüge.
Gegenbaue und nach ihm Gadow beurtheilen die Parapophjsen
der präsacralen Wirbel als ventrale Schenkel der Diapophysen, von
denen sie sich abspalten, in gleicher ^Veise, wie wir intermediäre
Trabekel sich abspalten sahen.
1) Nervus sacralis = 26. Spinalnerv.
Die verglek'heufle Ostedlogie der ('dluiiiliifunnes. 275
Sabatiek \) und später Fükbrixger in seiner Definition der Ab-
schnitte des Sacruni erklären sich mit dieser Ansicht nicht einver-
standen, und ich kann ihnen nur beistimmen, die Parapophysen
sämmtlicher Sacralwirbel, nicht nur. wie Gegen baih. die der pri-
mären, als rudimentäre Rippen zu betrachten.
Wir haben gesehen, dass Abspaltungen von den Diapopln^sen
vorkommen, dass diese aber nie eine bedeutende Grösse erreichen.
Auch entspricht das Verhalten der Para])ophysen so sehr dem-
jenigen einer Rippe, dass kaum ein Zweifel über ihre Natur herrschen
kann.
Die Parapophyse ist daher gleich dem Capitulum.
Colin ni u n d T u b e r c u 1 u m <• o s t a e.
Das S a c r u m als Ganzes stellt eine rhombische, von vorn
nach hinten oben convexe Platte dar. Die schmälste Stelle
ihres präacetabularen Theiles liegt auf der Höhe des 8. Sacralwirbels.
die des postacetabularen Abschnittes auf der Höhe des 11.. und von
da laufen die Ränder ungefähr parallel oder divergiren schwach nach
hinten (siehe Diapophj^sen der postsacralen Wirbel). Die breiteste
Stelle liegt über dem Vorderrande der Acetabula.
Uuregelmässig brechen zwischen den verwachsenen Diapophysen
Foramina verschiedener Grösse durch.
Die Xeuralspinae sämmtlicher Sacralwirbel verschmelzen zu einer
medianen ('i'ista; diese ist über den 3 ersten Sacralwirbeln schmal
und hoch, laraellenlörmig. mit 2 dorsalen Kanten, die eine dorsale
Facette von den Lateraltlächen abgrenzen. Nach hinten divergiren
die Kanten und laufen zur Crista dorsalis des Dai'mbeins parallel,
bis sie sich noch im vordem Drittel des Kreuzbeins verlieren. Zu-
gleich breitet sich die Crista aus und gleicht eher einem breiten
Wall, der nach hinten zu allmählich an Breite und Höhe abnimmt,
an Schäi'fe aber zu. Die niedrigste Stelle der Crista liegt etwa
über dem 10. oder 11. Sacralwirbel, nachher erhöht sie sich wieder
um Weniges.
Das vordere Drittel des Knochens ist zu beiden Seiten des
Kammes etwas rinnenförmig und dient den Extensores trunci
zum Ursprung. Auch das caudale Drittel trägt Rauhigkeiten, an
denen die Schwanzmuskeln gute Ansatzstellen finden.
1) Coniparaison des ceintures thoracique et pelviecne daiis la serie
des vertebres, in : ]\Iem. Acad. Sc. Lett. Montpellier, Sect. Sciences, V, •*,
1876—1879.
276 Rudolf Maktin,
Die Proportionen des Sacriim unterliegen einigen Schwankungen,
die aus den Figuren und der folgenden Tabelle ersichtlich werden.
Die Zahlen geben den Breitenlängenin dex:
Difhoicultts sfriffirosfrif^
0,4
Ptilopus! roseicoUü juv.
0,57
., rosei colli s adult.
0,57—0.55
,, miianocephalus
0,51
„ melanospüus
0,52
Akctroenas niadaf/oscariensis
0.54
,. pnlcherrima
0,54
Treron oxyura
0,54
,. spliennra
0.58-0,57
„ sp.
0,56
„ grisekauda
0,51
.. ftüvicollis
0.56
vernans
0.52
,. hicincta
0.50
Vinago ccdva
0,54
Cnrpophaga ocecniica
0,52
aenea
0,52
„ hicolor
0,47
,, luctuosa
0,47
,, lacernulata
0,52
,, spilorrhoa
0,50
Ph((ps chalcopfcra
0.54
,, hisfrionica
0,54
„ indica
0,61
Turtiir ■mnaceus
0.50
Geopelia striata
0,51
Metnopelia melanoptera
0,56
Starnoenas cyanocephala
0.47
Columha picasuro
0,53
„ phaenota
0,44
,, nifma
0,52
., trocaz
0,54
„ aquatrix
0,59
Macropijijia emilicma
0,58
Ectopistcs migrcdorius
0,57
Caloeiias nicobarica
0,41
Goura
0.37
Die vergleichende Osteologie der ColuiDbifornies. 277
Didus ca. 0.34
Pemphaps ,, 0,29
Die gTosse Variation ist direct ersiclitlich und erfordert keine
weitere Erklärung; sie zeigt auch wiederum, dass der Kreis der
Species oder des Genus einen Durchmesser hat, welcher — nach
Ausscheidung- der aberrantesten Formen — der Strecke oder den
Strecken, auf welchen sich die Tauben vertheilen, gleichkommt.
Der Rückenmarkscan al (Texttig-. Z") beginnt im 1. Sacral-
wirbel als rundliches Eolir (nur bei Didns. Pezopliaps und Goimi
seitlich stark comprimirt), erweitert sich im 5. und 6. Sacralwirbel
plötzlich, aber nur in der verticalen Eiclitung ( dies hat die Reduction
Fig. 7J.
Sagittalrichnit t durch das Sacrum von Diäancnlus strigirostris.
1 :1.
oder besser Absorption der Neuralspinae dieser Wirbel zur Folge
siehe oben) und verengert sich dann wieder, so dass im 8. Sacral-
wirbel das ursprüngliche Lumen wieder erreicht wird ; dieses nimmt
caudalwärts ganz allmählich ab ; sein Durchmesser ist bei der Aus-
mündung aus dem letzten Sacralwirbel noch ca. Vs desjenigen im 1.
Die Figur soll das Gesagte veranschaulichen; Variationen sind
kaum merkbar.
b ) 0 s i 1 e i.
Es sei wiederum Didimculus als Ausgangsform gewählt! Der
Abweichungen bei andern Formen wird am besten im Zusammen-
hange gedacht, nachdem wir uns mit der Modellirung des Knochens
bei einer Form bekannt gemacht haben.
Der vordere, dorsal concave und der hintere, dorsal convexe
Theil sind ungefähr gleich lang und durch eine nicht sehr scharfe
Kante getrennt, welche von innen und von vorn nach aussen und
hinten veiiäuft.
Der Rostralrand des vordem Theiles ist nach vorn stark convex
und etwas, namentlich im medialen Abschnitt, verdickt; er ist mit
278 ErDoi.K Mahtin,
den Präzyg';ii)uj)hyseii des 1. Sacrahvirbels Iniiidig-. Er bildet keine
ununterbrocliene Curve, sondern besteht aus einer medialen, ca. 7 nun
lang-en geraden Strecke, die zum Vorderrand der Diapophyse des
1. Sacrahvirbels ungefähr parallel läuft, und einer lateralen Strecke,
welche die mediale unter einem Winkel von etwas mehr als 90"
trifft; ihre Länge steht nur wenig hinter der des medialen Abschnittes
zurück.
Diese beiden Strecken stossen sowohl medial als lateral Ecken
bildend mit dem medialen resp. lateralen Rande des Darmbeins
zusammen.
Der mediale Rand des Darmbeins ist aufgebogen und bildet
eine starke Crista dorsal is, welche die lateralen Drittel der
Diapophj'sen der 4 ersten Sacralwirbel überdeckt, dann aber in ihrem
caudalen Verlaufe rasch abfällt, so dass sie neben dem 6. Sacralwirl)el
voUstäudig im Niveau der Sacralplatte eingeebnet ist. Denkt man
sich die Crista emporgewachsen, bis sie die der andern Seite trifft,
so entstünde ein ähnliches Gebilde, wie es uns von Didus und Fcso-
phaps, nicht aber von Goum vor Augen geführt wird.
Der Rand der Crista bildet eine nach oben und innen convexe,
ununterbrochene Curve, die übei- dem 2. und 3. Präsacralwirbel am
höchsten aufsteigt.
Caudal wird die Fortsetzung der Crista dorsalis durch die
mediale Begrenzungslinie der hintern Darmbeinhälfte gebildet.
Durch die Crista dorsalis ilei wird die Rinne, die wir im
vordem Tlieile des Sacrum erwähnt haben und in die wir die
Rumpfstrecker eingebettet fanden, vervollständigt.
Neben dem 5. Sacralwirbel spaltet sich lateral von der Christa
dorsalis ilei eine Kante ab — die Crista transversa — , die
schräg über den Knochen laufend zur Grenzlinie zwischen den
beiden Hälften des Darmbeins wird.
Diese Linie folgt erst dem Verlaufe dei- Crista dorsalis oder
divergirt doch nur sehr wenig, bis zur vordem, distalen Ecke der
Diapophj^se des ersten Acetabularwirbels. Von da biegt sie in
schwaciier Curve stärker lateralwärts um und erreicht in einer Ver-
laufsrichtung, die mit der Mittellinie einen Winkel von ca. 45"
l)ildet, den lateralen Rand des Ilium, unmittelbar hinter und über
dem Antitrochanter.
Andrerseits wendet sich der mediale Rand des Darmbeins von
dem genannten Punkte wieder einwärts und folgt dem lateralen
Contur der hintern Sacralhälfte. mit diesem in der g-leichen Ebene
Die vergleichende Osteolog-ie der Colurabiformes. 279
liegend. Der von der Crista dorsalis und vom hintern Abschnitt
des medialen Randes des Ilium gebildete Winkel beträgt ca. 130".
Die laterale Beg-renzungslinie ist vorwärts vom Acetabulnm an-
nähernd gerade, eher wenig nach aussen concav. Sie trägt un-
mittelbar hinter ilirer Mitte eine kleine Si)ina, welche der Spina
pubis an Stärke mindestens gleichkommt. Hinter dieser Spina zweigt
eine Kante oben vom Rande ab, welche bald ihre anfängliche Schärfe
verliert, aber doch noch als Tangente an den obern Rand des Ace-
tabulnm zu verfolgen ist. Diese Kante schliesst mit dem lateralen
Rande, der in seiner directen Fortsetzung durch das Pubis gebildet
wird und seinerseits die Tangente an den untern Rand der Gelenk-
pfanne darstellt, die Acetab ular fläche (acetabular surfacei ein
und grenzt sie von der dorsalen Iliumfläche ab.
An dem Punkte, der dem Berührungspunkte der Tangente ent-
spricht, biegt der laterale Darmbeinrand scharf um, folgt zunächst
der vordem Umgrenzung des Acetabulum, dann der obern und
hintern und wird so zugleich zum vordem Rande des breiten Pro-
cessus ischiadicus. der eine innige Verwachsung mit dem
Ischium eingeht und das Acetabulum vom E'oramen ischiadicum
trennt.
Der hintere Rand des Fortsatzes oder, mit andern Worten, der
vordere und obere Rand des For. ischiadicum gehört dem lateralen
Darmbeinrande au. der erst über das Foramen, dann caudal von
diesem über das Sitzbein dachartig vorspringt.
Der hinterste Abschnitt des Aussenrandes des Darmbeins con-
vergirt schwach mit der Mittellinie, und zwar steigert sich die Con-
vergenz etwas nach hinten. Er läuft mit dem caudalen Rande auf
der Spitze einer Spina zusammen, welche sich bei Didnnculus durch
ihre Schlankheit auszeichnet.
Der caudale Rand des Ilium ist nach hinten und innen stark
concav; er bildet aber keine continuirliche Curve, sondern ist in
seinei' Mitte, d. h. an der Basis des medialen Randes der genannten
Spina, geknickt. Der Uebergang des caudalen in den medialen
Iliumrand erfolgt nicht sehr abrupt, sondern bloss in einer scharfen
Biegung.
Die vordere concave Beckenhälfte ist nicht geknickt, doch der
Grad der Concavität ist grösser als der der Convexität der hintern
Hälfte. Auch ist der vordere' Theil bedeutend schmäler als der
hintere (ca. -/g). Dieser bildet einen breiten Rücken, welcher gegen
die caudale Spina flach abfällt.
Zool. Jahrb. XX. Abth- f. Syst. 1^
280 fiUüoi.F Martin.
Der AcetabulartiäclR' wurde bereits gedacht.
Das Acetabulum ist kreisrund, tief, nach vorn, oben und
unten durch stark prominente Ränder begrenzt, während es nach
hinten offener ist, indem die äussere Fläche des Proc. ischiadicus,
mit der Gelenkfläche des Antitrochanter in einer Ebene liegend,
allmählich gegen die Tiefe der Gelenkpfanne abfällt.
lieber und hinter dem Acetabulum liegt der Antitrochanter,
dessen nierenförmige Gelenkfläche in einer gleichmässigen Neigung
zur Tiefe der Gelenkpfanne steigt. Diese Gelenkfläche ist am
Trockenskelet bloss durch ihre Politur von der in sie übergehenden
Aussenfläche des Proc. ischiadicus zu unterscheiden.
Der vordere Rand des Antitrochanter fällt ziemlich steil ab
und geht in den obern Rand des Acetabulum über. Sein distaler
Rand ist ziemlich lang, vom hintern, zur Medianebene senkrecht
stehenden, scharf, vom vordem weniger scharf abgesetzt.
Dadurch erhält der Antitrochanter eine charakteristische Ge-
stalt, die keiner Variation unterworfen ist. Er ist scharf markirt
und vorspringend, zugleich aber breit und eckig. Besser als eine
weitere Beschreibung ist die Zeichnung Aufschluss zu geben im
Stande.
Die Ventralseite des Ilium bietet einen ganz andern Anblick.
Die Innenfläche des präacetabularen Theils wird durch eine
äusserst stark vorspringende Kante, welche der Linie der grössten
Concavität der Aussenfläche entspricht, scharf in zwei Hälften ge-
theilt: 1. eine laterale, horizontale, ebene und nach hinten verjüngte,
welche bis zum Foramen obturatorium ununterbrochen ver-
läuft und 2. eine mediale, windschiefe und hinten breiter werdende
Pläche. Diese ist in die Innenfläche der Crista dorsalis fortgesetzt.
Gegen die vordere Hälfte dieser Kante stützen die Costalfort-
sätze der präsacralen Wirbel, während die entsprechenden Diapo-
l)])3^sen dorsal von ihr mit der medialen Hälfte der Innenfläche des
präacetabularen Ilium verw^achsen.
Diese Kante setzt sich nach hinten als Trabekel, zwischen For.
obturatorium und For. ischiadicum durchlaufend, fort und gelaugt
so auf die Innenfläche des Sitzbeins, gegen dessen caudale, untere
Fcke sie sich verliert. Unmittelbar vor dem Acetabulum trägt der
Balken eine deutliche Kerbe, welche in eine Rinne bis zum For.
obturatorium fortgesetzt ist ; beides rührt vom Nervus o b -
turator her.
Die höchste Höhe erreicht das Trabekel unmittelbar vor dem
Die vergleichende Osteoiog-ie der Coluinbiformes. 281
Acetabuluni; es liegt dort auf seiner dorsalen Seite ein Recess, in
dessen Tiefe einige pneumatische Foramina vereinigt liegen.
Der Verlauf dieser Kante resp. Trabekels ist nicht ganz gerade;
erst divergirt er nur wenig von der Mittellinie (bis zum Costalfort-
satz des 4. Präsacralwirbels) und ist hier von der Länge der Costal-
fortsätze bedingt; dann wendet er sich mehr auswärts und bildet
den lateralen Rand der Fossa iliaca anterior zunächst, der
Fossa iliaca posterior später. Vom Rippenfortsatz des
4. Sacralwirbel an rückwärts ist er annähernd gerade.
Die mediale Fläche des vordem Darmbeinabschnitts ist schwach
concav und bildet mit dem Sacrum zusammen die Fossa iliaca
anterior, die vorn durch die Parapophyse des 4. Sacralwirbel, nach
hinten durch diejenigen der Acetabularwirbel und deren Fort-
setzung, d. h. durch einen transversalen AVall des Ilium, der zum
hintern obern Rande des Acetabuluni läuft, begrenzt wird.
Dieser Wall grenzt zudem die vordere Darmbeinhälfte von der
hintern ab, entspricht also der Crista transversa der Aussenfläche.
Hinter dem lateralen Ende dieses Walles, d. h. unter dem Anti-
trochanter, liegen grosse pneumatische Foramina.
Die Innenfläche der caudalen Hälfte wird durch die Crista
ischio- sacr alis in einen grössern rostralen und einen kleinem
caudalen Abschnitt getheilt. Jener, zusammen mit einem Theil des
Sacrum, bildet den Boden der Fossa iliaca posterior, welche
nach hinten durch den genannten Wall ihren Abschluss findet. Der
Recess, auf Avelchen Gegenbaur ^) hauptsächlich aufmerksam macht,
wird hier kaum angetroifen; eine Grube (welche zahlreiche Foramina
beherbergt) unmittelbar hinter und über dem Iscliiadicusforamen
darf füglich als ein Rest des Recesses angesprochen werden.
Die Crista ischio-sacralis ist nur in der lateralen Hälfte deut-
lich, medial breitet sie sich aus und ist bloss noch in einer relativ
schwachen Verdickung des medialen Darmbeinrandes zu erkennen,
die den Querfortsätzen des 12. bis 14. Sacralwirbel gegenübersteht.
Auch hinter dem lateralen Theile der Crista liegt eine flache
Grube, welche 3 bis mehr unregelmässige P'oramina aufnimmt.
Die Grenze zwischen Hium und Ischium ist auf der Innenfläche
des Beckens nicht zu erkennen.
Soviel über Biduncuhtsl Die übrigen Tauben schliessen sich in
der detaillirten Modellirung Didunculus unmittelbar an, und so war es
1) op. c.
19*
282 Rudolf Martin.
mir — mit Ausnahme des Aiititrochaiiter — absolut unmöglich, ein
Merkmal, welches eine gesetzmässige Umwandlung durchmacht, zu
erkennen. Vielmehr greift die individuelle Variation
weit aus und verAvischt die Grenzen zwischen Gattung
(die ja bei osteolog-ischen Untersuchungen hier über-
haupt ausser Betracht fällt), Unterfamilie und sogar
Familie.
Es sei hier bemerkt, dass bei den meisten recenten Formen — Goura
und CaJoenas nicht ausgeschlossen — die vordere Iliumhälfte schärfer
geknickt ist als bei Didtmculus; dadurch gewinnt auch die Crista
transversa an Schärfe. Geopelia macht einzig eine Ausnahme.
Die Crista dorsalis ilei ist gewöhnlich schwächer als bei Didmi-
nihis; doch greift der Unterschied nicht durch.
Die Abgrenzung der Acetabularfläche ist bald schärfer, bald
weniger scharf, auch ohne Rücksicht auf die Art.
Die Stellung dieser Fläche (und somit das Acetabulum) scheint
mir bei Didumulus, Goura und den Riesentaul^en etwas steiler zu
sein als bei den übrigen Formen; diesbezügliche Messungen auszu-
führen, ist kaum möglich.
Der Umriss des Ilium bedingt den Umriss des Beckens; ich
komme daher lieber dort darauf zu sprechen.
Hier sei noch dem Antitrochanter besondere Aufmerksamkeit
geschenkt.
Der Antitrochanter ist entschieden der constanteste und somit
wohl auch der conservativste Theil des ganzen Beckens.
Newton ^) sucht durch die Stellung des Antitrochanter Peso-
phaps von JDidns zu unterscheiden. Er sagt von Pemphaps: ,.. . . the
tro.chanterian surface is narrower, more prominent, and directed
more forward" als bei Didus. Diese Beobachtung triift in jedem
Falle zu, so gross auch die Variabilität der übrigen Theile ist.
Konnte also hier der Antitrochanter sogar zur Trennung von
Gattungen (?) in x4nwendung kommen, wie viel mehr muss er
nicht zur Unterscheidung von Familien beitragen können ! In der
That lassen sich nach der Form des ^antitrochanter folgende Gruppen
aus einander halten.
1. Typus: Der Antitrochanter breit und flach, wenig prominent;
1) On the osteology of the Solitaire, in: Phil. Trans. Roy. Soc.
London 1868.
Die vergleichende Osteologie der Col umbiform es.
283
auch nach hinten flach abfallend. Acetabulum von oben nicht
sichtbar (Textfig-. A*— D*). Colu m hicla e.
2. Tj^pus: Der Antitrochanter schlank, nach vorn sanft in
einer flachen concaven Curve, nach hinten steil abfallend; nicht sehr
Fig. A^
Fig. B^
Fig. AJ
Fig. C*. Fig. D*.
Becken in Dorsalansicht. 1:1.
ColHtnha albilineata. Fig. B*. Columba picazuro. Fig. C*. Ectopistes
migratorius. Fig. D*. Macropygia emiliana.
284
Rudolf Martin,
spitz. Seine Gelenkfläche oft, aber durchaus nicht immer stark aus-
wärts und vorwärts gerichtet {Cmyophac/inae). Der vordere Rand
Fig-. E*.
B e c k e u in I» o r s a 1 a u s i c li t. Goura coronata. 1 : 1.
vom distalen nicht scharf abgesetzt. Das Acetabulum von oben nur
wenig sichtbar (N^ — R*). Treroninne, Carpoph cu^inae.
Die vergleichende Osteologie der Coluiubiformes.
285
3. Typus: Der Antitrochanter schlank, vorn und hinten sehr
steil abfallend; das Acetabulum ist daher von oben sehr gut siclitbai-
Die Stellung- der Gelenkfacette ist etwas variabel, doch ist sie nie
so stark auswärts g-edreht wie bei Carpophafjmac (Textfig-. G* — I*)
— Peri^feridae {Älecirocuafi zeigt eine Annäherung an die
Fip-. F*.
Ym. G*.
Becken in D o r s a 1 a n s i c h t
Fig. F*. Caloenas nicobarica. Fig. G*. Metriopelia melanoptera .
Fig. H*. Phaps chalcoptera.
Treronidae. doch schneidet das Acetabulum den vordem Anti-
trochanterrand tiefer ein (Textfig. K^ — M^) — Ftilopodinac.
Die Riesen tauben, inclusive Goura (Textlig. E^) und Didim-
•286
Rudolf Maktin,
cid HS (Taf. 12, Fig-. 7. 8 u. 9), stehen diesem Typus am nächsten, während
Coloenas (Textfig. F"*), die in vielen Beziehungen mit Gotira einig
Fiff. K*.
Fiff. L*.
Fig. W
Fiff. J^
Fig. P*.
Beckeu in Do rsalau sieht. 1:1.
Fig. J'. Starnoenas cyanocephala. Fig. K*. PHlopus roseicollis. Fig. L*. Ptilopus
melanocephaluH (= roseicollis juv. ; das Becken von P. melanospilus ist nach vorn
noch mehr verjüngt als die Figur zeigt). Fig. M^. Aledroenas madagascariensis.
Fig. P*. Carpopliaga hicolor.
Die veräleicheiule Osteologie der ( "olumbiformes.
287
Fio-. N^.
Fio-. 0*.
Fig. Q*.
Fig-. R*.
Becken in i ) o r s a 1 a ii s i c li t. 1:1.
Fig-. X^. Treroii vernans. Fig. 0*. Vinayo calva. Fig-. Q*. ('arpophaija aenea.
Fig-. R*. darpophaya oceanica.
288
RinoLi' Martin,
g-elit, den Columhidac zugeliört. Es ist natürlich nicht nur möglich,
sondern in gewissen Fällen Wcahrscheinlich {Goura), dass diese
Trochant erform ein secundäier Erwerb ist.
Am anschanliclisten werden diese Verhältnisse durch die Unu'iss-
figuren der Becken wiedergegeben.
Fio-. T^.
Fig. S*.
Becken in Dorsal ansieht. 1:8.
Fig-. S^ Dklus ineiitus. Fig. T*. Pezophaps solitaria 9-
c) Os ischii.
Die beiden noch zu besprechenden Knochen sind die am
wenigsten charakteristischen des Beckens: das Ischium und das
P u b i s. Selbst auf die Gesammtform des Beckens wirken sie kaum
modificirend ein : das Pubis ist absolut starr, das Ischium verändert
seine Proportionen mit einer Verkürzung oder Streckung des post-
acetabularen Darmbeinabschnittes.
Der vordere Theil des Ischium bildet einen Abschnitt der
hintern Umrandung des Acetabulum. Er stösst mit seiner untern
Die verg-leicheiule Osteolog-ie der Columbifnrmes. 289
Ecke an das Piibis und mit seiner obern an den Proc. ischiadicus
ilei. Seine lateiale Fläclie trägt eine tiefe Dei)ression, welche
einerseits in den Grund des Acetabuluni ausläuft, andrerseits durch
eine mehr oder weniger scharfe Kante, welche an der ^\'urzel des
hintern Randes des Antitroclianter beginnt und schräg- nach hinten
zum hintern Ende des For. obturatorium verläuft, begrenzt Avird.
Diese Depression greift noch auf das Pubis über, solang-e dieses die
vordere Ihnrandung- des For. obturatorium bildet.
Das For. ischiadicum und obturatorium schnüren diesen vor-
dersten Theil vom gTössern hintern ab. Wir bezeichnen der Kürze
halber den vordem Theil als Kopf, den verengten als Hals,
während der Rest den Haupttheil des Knochens darstellt.
Der Hinterrand des Kopfes und der ünterrand des Halses stossen
an das For. obturatorium von oben, der obere Rand des Halses an
das For. ischiadium von unten, während dieses hinten vom Haupt-
theil umrandet wird.
Die vordere und obere Partie des Haupttheiles ist nach aussen
concav. die hintere untere nach aussen convex.
Der Haupttheil des Ischium stösst an das Darmbein ; bei Didun-
culus. den Perisferidae, Columbidae, den meisten Ckirpophaginae und
Goura von unten, während er bei den Treroninae mehr von der Seite
au den lateralen Hiumrand stösst und so die beiden Knochen einen
sehr stumpfen Winkel mit einander bilden. Es existirt jedoch be-
züglich des Verhältnisses von Darmbein und Sitzbein eine grosse in-
dividuelle Variation.
Das Gleiche gilt für den meist ^förmigen ventralen Rand
des Sitzbeines, der bald auf eine grössere oder kleinere Strecke, bald
gar nicht mit dem Pubis verwächst. Bei Didumulus wurde stets
eine solche Verschmelzung unmittelbar hinter dem For. obturatorium
angetroffen, selten bei andern Tauben, jedenfalls erst bei alten Thieren.
Sie kommt nie vor bei Didns und Fezophaps. Jedenfalls darf man
kein grosses Gewicht auf das Vorhandensein oder Fehlen von solchen
Verschmelzungen legen, da schliesslich von der Vereinigung durch
straffes sehniges Bindegewebe bis zur Knochenbrücke ein kleiner
Schritt ist.
Der caudale Rand des Sitzbeines ist ausgeschnitten, aber auch
dies ohne grosse Regelmässigkeit. Immerhin ist die Incisur bei
verkürzter hinterer Beckenhälfte weniger tief als bei einer Streckung
derselben ; doch gerade Goura besitzt eine flache Tncisur. Also von
einem unfehlbaren Zusammenhang kann nicht die Rede sein.
290 Rudolf Maktin,
Entspi'echeiid der Tiefe der Incisur ist die caiidale, ventrale
Ecke des Ischium bald i)liimper. bald sclilauker. Auch hier wirkt
die \'ariatioii im höchsten Grad.
Die Incisur und der Zwischenraum zwischen dem Sitzbein und
dem Schambein werden durch sehnige irembranen ül)erspannt.
Die Innenfläche des 'Ischium wird durch den beim Darmbein
erwähnten Wall der Länge nach durchsetzt.
d) Os pubis.
Der vordere, massivere Theil des Pubis. welcher den untern
Theil des Acetabulum bildet und eine innige Verschmelzung- mit dem
Ischium und Ilium eingeht, trägt eine laterale, ventrale Kaute,
welche sich in die ventrale des caudalen Fortsatzes verlängert.
Diese Kante trägt bei grössern l^ormen, die einen Musculus am-
biens besitzen, die Spina pubis, welche stets sehr klein bleibt.
Der caudale Fortsatz ist lateral coniprimirt, mit einer dorsalen
und einer ventralen Kante, einer ebenen äussern und einer gewölbten
Innern Fläche. Er umgrenzt zunächst das For. obturatorium unten
und läuft dann dem ventralen Rande des Sitzbeines entlang, jedoch
nicht parallel, sondern stets in einer nach unten convexen Curve.
steigt gegen die distale Ischiumecke wieder auf und tritt mit diesei'
bei extremen Formen, wie Didiis, Femphaps, Goura und Bidnncuhis.
oft in engere Verbindung, doch ohne zu verschmelzen.^
Von da an ist der Knochen ein gerader oder sehr wenig ab-
Avärts gebogener Stab, dessen Ende etwas verdickt ist und bald zu-
gespitzt, bald abgestutzt erscheint.
Die beiderseitigen Pubes divergiren bis zum hintern Sitzbeinende :
von da an convergiren sie wieder in verschiedenem Maasse.
e)DasBeckenalsGanzes.
(Textfigg. A-»— T*; Taf. 12, Fig. 7, 8 u. 9.)
Wii' sehen somit, dass der Umriss des Beckens wesentlich diircli
Sacrum und Ilium bedingt wird und dass Ischium und Pubis bloss
in der caudalen Hälfte die seitliche Abschliessung des Pelvis be-
werkstelligen und deshalb auf die Gestalt dieses Skelettlieiles von
nur geringem Einfluss sind.
Betrachten wir ein Becken von oben, so sehen wir, dass der
Umriss seiner Dorsalfläche, der dem Umriss des Beckens gleichzu-
setzen ist. durch folgende Linie bezeichnet wird:
Die vergleichende Osteologie der Culumbiformes. 291
Vorderer Sacralrand, Vorderrand des Ilium, Seitenrand desselben,
Kante, welche die Acetubiilarfläche von der Dorsalfläche trennt.
Antitrochantei-, Lateralrand der hintern Darmbein hälfte, Caudalrand
vom Ilium und Sacrum.
In erster Linie wird also die Form des Darmbeines die Form
des Beckens bedingen, und wenn wir im Folg-enden vom Umriss des
Beckens sprechen, so handeln wir ebenso «ut ^om Umriss des Darm-
beins.
Gleich hier verweise ich auf die beigegebenen Figuren, welche
die Schwankungen deutlicher als jede Beschreibung- vor Augen führen.
Es sei mir dcniu)ch gestattet, mit einigen Worten darauf zurück-
zukommen.
B e i e i n e r V e r g 1 e i c h u n g d e r F i g u r e n sowohl als des
Materials selbst fallen zuerst die Schwankungen in
der relativen Breite des Beckens, dann des Verhält-
nisses der Länge der vordem Becken hälfte zur Länge
der hintern und endlich die Mannigfaltigkeit in der
hintern Beckentif fnun g auf.
Dass das Sacrum einen nicht unbedeutenden Einfluss auf den
Beckenumriss ausübt, bedarf kaum der Erörterung: ich verweise auf
die angegebenen Verhältnisszahlen (S. 276 1. Dass aber das Sacrum
nicht allein der moditicirende Theil ist. wird aus folgender Zusammen-
stellung ersichtlich. Die Zahlen drücken die grösste Breite der
Üorsalfläche bezüglich der Länge des Saci'um aus:
Dichmcuhis sfrigirosfris 0,74
Ptilopus roseirolUs juv. 0,87
adult. 0,88(13S.W.)0.81(14S.W.i
,. melanocephahts 0,80
melanospüus 0,75
AlectroeiKis madagascanensis 0.84
,. pnJcherrima 0,83
Treron oxijura 0,86
,, sphennra 0.86 — 0.85
„ sp. 0,89
„ griseicauda 0,84
.. fidrkoUis 0.80
,, vernans 0,78
,. hicincia 0,78
Vinago calva 0,90
292
RCDOLF MaKTIN.
( 'arpophcff/a oceanica
0.89
,. ((C)iea
0,88
hicolor
0,76
luctnosa
0,73
,. Jacernulafa
0,87
spilorrhoa
0,81
J'liajis elialcopfcra
0.95
lii.strio)iic(i
0,94
„ indica
0,94
Turtnr cinaceus
0,82 ')
Geopelia striata
0,80 1)
Mefriopelia nielanoptera
0,93
Starnocnas cyai > occphala
0.75 1)
Colxmha picasuro
0.89
.. pJiaenota
0.84
,. ruflua
0.84
trocaz
0.86
uquatrix
0,93
Macropygia emiJiana
0,82
Ectopistes migratorius
0,88
Caloenas nicoharica
0,67
Goura
0,60
Didus
0,81
Pezophaps
0,71
Verg-leiclit man die beiden Tabellen, so wird der Zusammenhang
der gesammten Breite der Dorsalfläche und der Breite des Sacrum
klargelegt (man vergleiche z. B. Treron sp., V. calva, Phaps clialco-
ptera, P. histrionica, P. indica, Metriopclia nielanoptera, Columha aqua-
trix mit Diäuncnlus, Starnoenas, Caloenas, Goura, Didus und PccopJiaps).
Man darf sich abei' nicht dazu verleiten lassen, auf Grund eines
schmalen oder breiten Sacrum unbedingt auf ein schmales oder
breites Becken zu schliessen; dass dies zu Irrthum führen würde,
zeigen die mehr inditferenten Formen [Ptilopodinae, Treroninae, Carpo-
phaginae und ColumUdae), obwohl auch hier der Zusammenhang bis
zu einem gewissen Grade nachweisbar ist.
Die beiden Endgiuppen — Peristeridae mit Ausnahme von Starnoenas
einerseits, Didunculns, Starnoenas, Caloenas, Goura, Didus und Peso-
1) Der letzte Sacralwirbel ist prominent, und daher rührt das ab-
errante Verhältniss.
Die vergleichende Osteologie der C'olumbiforines. 293
pluq)s andrerseits — werden weit von einander abgerückt und zeigen
verliältnissmässig' gering-e Schwankungen, denn Turfiir und Gcopclia,
bei denen der letzte Sacralwirbel vollständig hinterhalb des caudalen
Diumrandes liegt und deshalb wohl eher der ("audalregion zuzu-
zählen ist, geben nach Abzug dieses Elementes ungefähr den nor-
malen Werth für Peristcridac (höher als 0,9) und sind deshalb wohl
umgrenzt. Die Werthe für die specialisirten Formen, die aber ja
nicht als eine Gruppe von genetischem Zusammenhange aufgefasst
werden dürfen, überschreiten den obern Grenzwerth von 0,74 nicht;
Bidus ist einzig in dieser Hinsicht aberrant.
Die übrigen Tauben sind nach dem Breitenindex des Beckens
nicht aus einander zu halten ; ihr oberer Grenzwerth liegt nahe am
untern der Perisferidac oder fällt sogar mit ihm zusammen {Viniujo
calva), und ihr unterer nähert sich dem obern der aberranten Formen,
obwohl nicht so stark wie der obere dem untern der Peristeriden.
Weitere Grenzlinien sind nicht zulässig, wie die Tabelle selbst zeigt,
da zudem die individuelle Variation in Rechnung gezogen werden
muss.
Diese erlangt noch einen weitern Spielraum, wenn wir statt der
Länge des Sacrum, die ja ziemlich constant ist, die Länge des
Darmbeins in Betracht ziehen.
Am deutlichsten wird uns diese Variation vor Augen geführt,
wenn wir den vordem Beckenrand in seinem Verhältniss zur Rippe
des 18. Wirbels betrachten. Wir können hier 3 Stadien unter-
scheiden, die ihrerseits durch eine ununterbrochene Kette von P]r-
scheinungen in Verbindung stehen. Einige Beispiele mögen genügen:
1. Der Vor de rr and des Ilium reicht höchstens bis
in den letzten I n t e r c o s t a 1 r a u m :
Trcron sp., Carpoplmga oceanica, C. hkolor , C. aenca,
PfilopHS roseicollis.
2. Der V o r d e r r a n d des 1 1 i u m s reicht bis zum H i n -
t e r r a n d der Rippe des 18. Wirbels:
Didnricidns sfrif/irostris, Treron fidvicollis, Carpophaga hi-
color, Carp. aenea, Ptilopus roseicollis.
3. Der Vorderrand des Ilium reicht bis zum Vor-
derrand der Rippe des 18. Wirbels:
Didnnculus strigirosfris, Treron nipalensis juv., (Jarpophaga
spilorrhoa.
Diesen Verhültnissen darf keine zu grosse Bedeutung beigemessen
294 RuDOLi' Martin,
werden, denn der vordere Darmbeinrand ist äusserst elastiscli ; bald
ist er gleiclimässig gerundet und deshalb weniger weit vorgreifend,
bald verläuft er in einer unregelmässigen Curve, an der die grösste
Convexität einmal mehr medial oder mehr lateral gelegen ist, und
daraus geht der gebrochene Vorderrand hervor, wie wir, ihn bei
Didunculus angetroffen haben, und dies führt, wenn die Knickung
stärker wird, zu einer Form wie Treron vernans (Fig. N"*) oder
Alectroenas madagascariensis (Fig. M*) oder Carpophaga hicolor
(Fig. P*), bei denen das Ilium vorn in eine Spitze ausläuft, die, meist
verdickt, weit vorgreift, üebergänge zu diesen Extremformen bilden
Coluniba albilineata (Fig. A''), C. picazuro (Fig. B^), Edopistes (Fig. C),
Vinago calva (F'ig-. 0^). Eine besondere Modellirung dieses Eandes
zeigen viele Perisieridae, bei denen er durch eine sehr scharfe Curve
mit dem medialen Rande des Darmbeines zusammenhängt, stark
nach hinten verläuft und meist ausgekerbt ist; er stösst dann mit
dem Lateralrande in einer stumpfen oder scharfen Ecke zusammen
(Vgl. Figg. G*, H' u. J'). Caloenas (Fig. F*) schliesst sich zunächst
an Didunculns an, IHdns am ehesten an Siarnoenas ; Pemphaps, Gonru
Macropygia und Ptüopus roseicollis weisen einen ziemlich gleichmässig
gewölbten vordem Darmbeinrand auf (Figg. D^ E* u. T*). P^ine
lateralwärts flacher werdende, aber continuirliche Curve zeigen
Ptüopus melanoccphalus, P. roseicollis juv., Carpophaga aenea (Figg. K^.
LS Q^).
Ferner sei bemerkt, dass z. B. Treron nernans verschiedene dieser
Stadien repräsentiren kann (ich erwähne diese Form speciell. weil
mir hier ein reicheres Material vorliegt) und dass auch das Alter
von nicht geringem Einfluss ist (Vgl. Figg. K* u. L', denn Ptü.
roseicollis juv. ist in dieser Beziehung mit Piü. melanocephalm
identisch).
Ich halte es nicht für möglich, so variable Dinge systematisch
verwenden zu können.
Dem gleichen Grade der Variation begegnen wir. wenn wir dem
Lateralrand der vordem Beckenhälfte unsere Aufmerksamkeit
schenken. Die Variation liegt innerhalb der Grenzen, die einerseits
durch Carpophaga oceanica oder VinagO calva, andrerseits durch Pe^o-
phaps, Caloenas, Siarnoenas oder Didnncnlus gegeben sind. In diesem
Falle sind die Ränder parallel oder sogar noch wenig nach hinten
convergirend, in jenem Falle eine directe und ununterbrochene Curve
vom Scheitel des Vorderrandes, welche nach hinten von der Mittel-
linie stets divergirt.
Die vergleichende Osteologie der Colnmbifdriues. 295
Zunächst an ('arpoplia;ia oceanica scliliesseii sich die übrigrii
CarpopltofiiniU' und die Treromnac, dann Macropyifia : bei den Vtihi-
podinac stellt sich bereits eine Abknickung- des lateralen Becken-
randes vom vordem ein. welche bei den meisten Cohimhidae. nament-
lich CoJnmha froca^, gesteigert wird; so gelangen wir zu den Peri-
steridac. welche sich Starnoenas eng annähern ; hier ist auch
■DiduiiculHS und Caloenas aufzuführen. Pezophaps und Goura fehlt
die Abknickung. doch sind die Ränder vollkommen i)arallel. was bei
Didnfi nicht yanz der Fall ist. obwohl die Knickung angetroffen Avird.
Auf die Form des An t i trochanter wurde bereits genügend
eingetreten: ich weise hier darauf hin. dass sie auf den ßecken-
umriss von Einfluss ist.
Der S e i t e n r a n d der hintern B e c k e n h ä If t e zeigt weniger
Mannigfaltigkeit als der der vordem. Er i.st mit wenigen Aus-
nahmen fast gerade, wechselt jedoch in seiner A'erlaufsrichtung.
Er läuft zur Mittellinie parallel oder convergiit sehr schwach
bei Edopisics niitjnitorius, Goura. Calocnns, (^arpopluuja oceanica.
Bei allen übrigen Tauben convergirt er mit der Mittellinie
stark: diese Convergenz erreicht bei Vinago calva ihr ]\Iaximum.
Vinago calca zeigt auch noch in einer andern Beziehung eine
Abweichung, nämlich in der Ausbauchung der hintern Beckenhälfte.
Auch Ptzophaps. wenigstens das Weibchen, zeigt eine ähnliche Aus-
buchtung der Seitenränder der hintern Beckenhälfte, die aber nicht
den Grad ei-reicht wie bei Vinago calva. So entsteht die breite,
etwas kuglige Gestalt des Beckens von F. calva (Fig. 0^).
Von grossem Einfluss auf die Beckenform ist das Yerhält-
niss von vorderer und hinterer Hälfte dei' Dorsalfläche
des Beckens.
Als Länge der vordem Hälfte bezeichne ich das Loth im Apex
des Vorderrandes des Darmbeins auf die Verbindungslinie der beiden
Antitrochanter und als Länge der hintern Hälfte die Senkrechte in
der caudalen. lateralen Ecke des Ilium auf die gleiche Gerade.
Das Verhältniss der vordem zur hintern Strecke ist bei der
Mehrzahl der Tauben grösser als 1 (1,2—1,5). Auch Didus und
Pezophaps sind in dieser Beziehung zum Gros der Tauben zu
schlagen (1,1 resp. 1,17); für Didioiculus ist das Verhältniss 1.01.
Diesen Formen stehen Caloenas mit einem Werthe von 0,87 und
Goura mit 0,77 gegenüber. Da zudem bei den zwei letztgenannttMi
Formen und auch bei Didunculus das Becken relativ schmal ist, so
wii-d der Futerschied von den übrigen Tauben ein äusserst scharfer.
Zool. .laLib. XX. AMh. f. Sv.st. -0
296 Rui)Oi-F Maktin.
Trotzclem Didus und Fczophaps im Werthe dieses Verhältnisses
den übrigen Tauben näher stehen, so ist ihr Beckenumriss, besonders
bei Pesophaps. ein sehr aberranter, doch in ganz anderer Richtung,
als bei Goura, (Moenas und Didimculus (Textfig. E*, F^, S^, T* und
Taf. 12, Fig. 8).
Die hintere Beckenliälfte der beiden ausgestorbenen Formen
bleibt der urspriinglichen Gestalt treu; die Modificationen be-
schränken sich auf den vordem Abschnitt und modelten dafür diesen
Theil um so intensiver um. Er erscheint — und dies gilt haupt-
sächlich für Pesophaps — äusserst schmächtig ausgezogen; die
Acetabularregion ist erweitert und prominenter als bei irgend einer
Taube. Ich möchte aber gleich darauf hinweisen, dass die Difte-
renzen zwischen Didus und Pezophaps ebenso gross sind wie zwischen
jenem und z. B. einer grossen Carpophaga. Pesophaps hat sich weiter
vom allgemeinen Typus entfernt als Didus, überhaupt ist die An-
sicht Burckhardt's '), dass zwischen Didus und Pezophaps kein
genetischer Zusammenhang bestehe, schon aus diesem Grunde ge-
rechtfertigt, wenn nicht gegeben.
Andrerseits weist auch Didus gegenüber Pesophaps einen Fort-
schritt auf, nämlich die vollständige Verwachsung der Dorsalränder
der Ilia, so dass die Crista dorsalis des Sacrum gänzlich überdacht
wird, während sie bei Pesophaps noch auf eine kürzere oder längere
Strecke sichtbar bleibt.
Auch auf die Differenz in der Form des Antitrochanter, die —
wie bereits gemeldet — schon von Newton hervorgehoben und
systematisch verw^endet wird, möchte ich von Neuem aufmerksam
machen. Das plötzliche Abbrechen der Darmbeincrista bei Peso-
phaps^ ein bekanntlich selir constantes Merkmal, dürfte ebenfalls ins
Gewicht fallen und — da ich nun gerade so weit gegangen bin — ,
so sei noch auf den nächsten Punkt gleich aufmerksam gemacht,
auf den hintern Beckenausgang, der bei Pesophaps entschieden ge-
spreizter ist als bei Didus, dank der Auswärtskrümmung der
distalen Ecken der Sitzbeine, welche bei Didus etwas schwächer
angetroifen wird.
Im hintern Beckenrand mögen ebenfalls Differenzen liegen, aber
— ganz abgesehen davon, dass diesen wenig Constanz zufallen
dürfte — ist derselbe noch nie unbeschädigt gefunden worden, und
1) Das Problem d. autarkt. Schöpfungsceutr. etc., io: Zool. Jahrb.,
V. 15, Syst., 1902.
Die vergleichende Osteoloyie iler t'olumbifoniies. 297
meine Fig-g'. S* und T^ sind also als eine Art Reconstinction nnd
Combination der verschiedenen bei-eits existirenden Abbildimgen
aufznfassen.
Soviel stellt fest, dass die Becken der beiden Riesenfoimen der
madagassisclien Provinz hoch specialisirte Formen sind und dass die
Richtung der Specialisirung' auf den Laufvogel abzielt, ferner dass
Fezophaps auf dieser Bahn weiter fortgeschritten ist als Didus.
Fnd nun zurück zu den recenten Tauben!
Der Hinterrand des Beckens resp. der Dorsalfläche desselben
zeigt eine bedeutende Variation. Er ist concav, bald stärker, bald
schwächer und läuft lateral auf die Caudalspina des Ilium hinaus.
Je nachdem diese sclilank oder breit resp. reducirt ist, ist er gegen-
über der medialen Kante der Spina gebrochen oder geht allmählich
in sie über. Jenes Verhalten treffen wir eher bei Columhidae. Pcri-
sieridae und Pfi/opodinac. dieses bei Treroninac, Carpophaf/inac,
Caloenas, Goum, Didus und Fezophaps. Auch Diduncidus muss der
zweiten Grupi)e angeschlossen werden. Man wird jedocli von einer
grossen Zahl von Abweichungen überrascht, die meistens indi-
vidueller Natur sind, so dass aus diesem Grunde dieses Merkmal
seine Bedeutung verliert (Cohmiha picaznro, C. aJbüineata, Stanioenas,
Pfdopiis roseicoUis und mdanocephcdus, Carpophaga aenea etc.).
Der hintere Beckenrand verdankt seine Streckung der Reduction
der Caudalspina des Darmbeins; um so mehr erhält man in diesem
Falle den Eindruck, das Ilium sei hinten abgestutzt; das beste Bei-
si)iel hierfür giebt Carpophaga oceanica. Zuweilen wird auch dieser
Eindruck durch die Verjüngung der hintern Beckenhälfte verwischt
(z. B. bei Ftilopus rosciconis).
Ebenfalls abgestutzt erscheint das Darmbein bei Goum und
(Jaloenas.
Bevor wir zu den Seitenrändern des Beckens übergehen, sei
noch kurz auf das Verhalten des letzten Sacralwirbels eingetreten.
Entweder liegt dieser vollständig zwischen den Darmbeinen oder
theilweise oder ganz hinter denselben. Bei der Mehrzahl der
Tauben liegt er zwischen ihnen; folgende Formen machen eine Aus-
nahme: Turtur vinaceus, Geopelia striata, Starnoenas cyanoccphala,
Colnmha trocaz, Col. aquatrix, A/acropygia cmüiana und alle FtiJo-
podinac mit 14 Sa er al wirb ein und bis zu einem gewiss<in Grade
Didunculus.
Die seitlichen Wandungen des Beckens stossen zumeist von der
Seite und unten an das Dai-mbein. Die dadurch entstehende Kante
20*
298 Ri'DOi.F Martin.
ist äusserst stumpf bei den Treronmac. bei den übiigeii Tauben stets
scharf. Es wird also von vorn herein bei den Trcroninae das Becken
nach unten offener sein. Dies hängt jedoch auch noch von der
Gestalt des Ischiuni ab. welches bei Treronmac (im Sinne des Kata-
logs des ßrit. Museums) unten stark ausgebaucht ist, wodurch eine
weite Beckenöifnung erzielt wird. Es steht steiler und ist flacher
bei den übrigen Tauben.
Bei Didm und Pesophaps ist das Sitzbein windschief, steht \w\\
vertical und ist hinten ausgetrieben, bei Pczophaps — wie bereits
gesagt — stärker als bei Didiis. Gleichmässiger und steil steht es
bei i>?fü?M?c«7ws, vorzüglich aber bei Calnenas und Gonra\ auch die
Phahinae schliessen sich Diänncuhis eng an. Bemerkenswert ist
noch, dass die caudale Ecke des Knochens bei Diclus und Pezophaps
schlank ausgezogen . weit über den Hinterrand des Darmbeins
vorragt.
Constant sind diese Verhältnisse nicht, wie ein Blick auf die
Figuren lehren mag.
^^Tr sehen bei Goura und Caloenas die Steilstellung der Ischia
am consequentesten durchgeführt, und man geht wohl nicht zu weit,
daraus zu folgern, dass es sich um eine Festigung des Gerüstes
handelt, denn wir sehen ja auch bei Diäus und Pesophaps wenigstens
den vordem Theil vertical gestellt. Das Gleiche treffen wir bei
Dklunciilus an.
Bei allen diesen Formen nimmt auch die Acetabularfläche eine
steile Stellung ein, der Antitrochanter ist verstärkt, die Dorsalkämrae
der Darmbeine emporgewachsen, erreichen aber nur bei Goura den-
jenigen des Heiligenbeins; das ganze Becken ist verschmälert und
verlängert, die ventralen Stützbalken meist stark.
Da Didunculus nun in allen diesen ■ Punkten mit den übrigen
in dieser Richtung specialisirten Tauben einig geht, obwohl der Gi'ad
der Transformation noch ein geringerer ist, so kann schon aus dem
Becken auf eine Steigerung der Lauffähigkeit geschlossen werden,
was uns die Extremität dann noch deutlicher darlegen kann.
Auf das Pubis habe ich nicht speciell zurückzukommen; das
Nöthige wurde bereits gesagt und ist aus den Abbildungen ersichtlich.
Allgemein können wir sagen, das Becken sei durchweg ein ein-
förmiges Gebilde, das durch diese seine Eigenschaft die engen Be-
ziehungen, die innerhalb der Tauben herrschen, kundgiebt, immerhin
abei" einige Avichtige Punkte für die Beurtheilnng der genetischen
Verhältnisse liefert (Antitrochanter). Einige Formen zeigen eine
Die vergleichende Osteulog'ie der Coliinibiformes. 299
analoge Umgestaltung- diueli den Erwerb oder besser die Steigerung"
der Lautfähigkeit.
Hier ist jedoch noch nicht der Ort zur P^rläuterung der Stammes-
geschichte, die später im Zusammenhange zur Behandlung kommen
■wird.
Endlich verdienen zwei weitere Punkte noch besonderes Interesse.
Wir haben wiederholt gesagt, die Costalfortsätze, durch die man
die primären Sacralwirbel von den übrigen unterscheiden wollte,
seien bloss die Resultate der mechanischen Beanspruchung. Dass
bei der Mehrzahl der Tauben die gleichen AMrbel in der ganzen
Reihe Costalfortsätze tragen (zumeist der 26. Wirbel), erklärt sich
aus der gleichen Lage des Beckens gegenüber der Wirbelsäule.
Bei Cai-pophaga oceanicu sehen wir, dass das Ilium nur den
hintern Rand der Diapophyse des L Sacralwirbels deckt, und zugleich,
dass der 9. Sacralwirbel (27. Wirbel) mit Costalfortsätzen versehen
ist. Offenbar handelt es sich hier um eine Rückwärtswanderung,
was bereits früher constatirt wurde, allerdings auf anderm Wege
(siehe Sacrum).
Bezüglich der Sacralwirbelzahl der Ft/Iopodinae wurde hervor-
gehoben, dass die Zahl l)eim Erwachsenen etwa auf 14 gesteigert
wird, der 14. aber dann stets caudal über den Hinterrand des Darm-
beins vorsteht. Es fragt sich, ob dieser 14. Sacralwirbel Neuerwerb
ist. oder ob das Sacrum einen Verkürzungsprocess begonnen hat.
Die Ilia sind in ihrer hintern Hälfte auffallend kurz und er-
wecken den Eindruck, als seien sie ebenfalls der Verkürzung anheim
gefallen, zumal dies bloss bei vollkommen ausgewachsenen Thieren
deutlich wird, während jüngere Individuen noch vollständig normal
proportionirten Beckenumriss aufweisen. In Folge dieser Verkürzung
der Ilia kam der 14. Sacralwirbel ausser Function und begann, sich
allmählich aus dem Synsacrum loszugliedern.
Diese zweite Möglichkeit gewinnt durch das Verhalten der Ex-
tremitäten an ^^'ahrscheinlichkeit.
V. Die freie Extremität.
Die Extremität als der peripherste Theil des Körpermechanismus
muss naturgemäss am innigsten mit der Umgebung zusammenhängen,
und es werden also an ihr am wenigsten verwandtschaftliche Be-
ziehungen sich erkennen lassen, und noch weniger darf sie uns zum
Zerschneiden von verwandtschaftlichen Banden verleiten.
300 Hri>oi.i' Maktix.
Speciell Avas die Tauben betrifft, herrsclit i; rosse Einförmigkeit,
oder es sind doch — nach Abzug- von Pczophaps und Didtis — die
extremsten Formen duicli eine ununterbrochene Reihe verbunden.
Die Diiferenzen beruhen — abgesehen von einigen äusserst flüssigen
Details — auf den Maassverhältnissen sowohl zwischen den beiden
Extreraitätenpaaren als auch zAvischen den einzelnen Zonen derselben
Extremität.
Nach dem Gesagten kann uns eine Beschreibung der Extremität
einer beliebigen Form ein Bild von der Gesammtheit der Tauben
geben, eine Maasstabelle die gründlichsten Differenzen vor Augen
führen.
Da uns nun stets die Ausgangsform der Arbeit. Bidnnculus.
zunächst liegen muss. so wollen wir auch die Extremitäten von hier
aus betrachten.
a) Die vordere Extremität.')
a) H u m e r u s.
Der Knochen ist leicht Sförmig geschweift, mit einer starken
proximalen Massenentfaltung; dies ist typisch columbin, nur dass die
Schwingung des Knochens bei den generelleren Taubenformen stärker
und vielleicht auch das Volumen der i)roximalen Masse relativ
grösser ist.
Auch hier zeichnen sich gute Flieger durch relativ kurzen
Humerus aus (l)ezüglich LTnterarm -|- Hand). Dies ist mechanisch
leicht zu erklären, denn der Humerus ist bei der Flugthätigkeit von
untergeordneter Bedeutung, und je länger er ist, desto ungünstiger
sind die Bedingungen für eine ausgiebige Muskelaction. Dass er
beim Fluge unbedeutend ist, zeigt der Umstand, dass die functio-
nirenden Schwingen auf Hand und Unterarm beschränkt sind.
Messungen nach der FüRBEiN(iEE'schen Methode, d. h. bezüglich
der mittlem Dorsalwirbellänge, ergeben folgende ßesultate:
Goura coronafa 8.2 dv
Didtmciihis strigirosfris 8.1 ..
Phaps c]if(k'(>})fera 7,2 ,.
„ Mstriomca 1.0 ..
„ indica 6,8 ,.
Turfnr vimtceus (5.83 ..
1) Die Orientirung ist nach dem ausgespannteu Fliioel.
Die vei'g-leiclieude Osteologie der Oolumbifuniies. 301
Zenaida auriculafa
7.0 dv
Geopclm striata
7.0 ..
Metropelia melanoptera
6.5 ..
Sfarnoenas cyanocephala
6,36 ,.
Colnmha picasxro
6,5 ,.
,. trocas
6^8 '..
., livia
7,0 ..
,. rufiua
6.6 ..
Macropijgia eni i/ia > ? a
6.1 ,.
Ectopistes migratorius
6,8 ,.
Carpophaga aenea
6.5 „
,. oceanica
6.93 ,.
„ hicolor
7.0 ,
lacernulata
6,2 „
Treron oxyura
5.7 ..
Vinago calva
6.0 „
Trcrou vernans
6,4 ,.
,, fidvicollis
6,0 „
,. hidncta
6.3 ,.
Ptilopns roseicollis
6,9 „
,. melanocephalus
7,0 ,.
„ melanospüus
6,0 „
Alectroenas madagascariensis
6.7 ,.
(rhach.j
Die Tabelle spricht für sich selbst, doch miiss ich dennoch mit
eini<ien \\'orten darauf zui'ückkommen.
Es sind zwei Gruppen, welche besonderes Interesse verdienen,
nämlich die Ftilopodinae und die Peristeridae. Die Ftilopodinae sind
kleine Thiere und im Habitus am ehesten mit kleinen Treron-Arten
zu vergleichen, jedenfalls in hohem Grade flugfähig. Dennoch
treffen wir einen relativ langen Humerus {Ftilopns melanospüus muss
aus leicht ersichtlichen Gründen ausser Acht fallen), und so con-
trastirt diese Gruppe stark gegenüber Treroniden und auch — obwohl
etwas weniger — gegenübei' Carpophaginac. Letztere ^ind aber durch-
weg grosse Formen, die theilweise auf dem Wege sind, ihr volles Flug-
vermögen einzubüssen, und können deshalb nicht mit in Vergleich
gezogen werden. Andrerseits treten uns bei den Peristeriden kleine.
Kiite Flieger entgegen, und gerade diese besitzen den relativ längsten
Humerus unter den zugehörigen Formen {Geopelia, Zenaida). Ich
glaube, diese Thatsaclien sind wichtig genug, eingehender betrachtet
3Q2 Rudolf Martin.
ZU werden und dürften einen Fingerzeig .ueben. wo orössere Zu-
sammengehörigkeit herrscht.
Wie die Tabelle übrigens selbst zeigt, kinmen keine bestinniiten
Grenzen gezogen werden; extreme Formen, wie Metriopelia. Cohim/xi
livia, C. frocas und Edopistes, greifen in fremdes Gebiet über: doch
darf die Körpergrösse nicht ausser Acht gelassen werden, die ja
beim Vogel von nicht zu unterschätzendem Einfluss auf die Vorder-
extremität ist. So lassen sich die Vorgänge, die scheinbar zu einem
Ausgleich führen, erklären und im Grunde, sind die ganzen Gruppen
so scharf getrennt wie ihre kleinen Formen.
Dkhmnilus ist ohne Zweifel flugfähig (Whitmee) \) und besitzt
einen überaus langen Oberarm. Dies scheint immerhin eine gewisse
Zugehörigkeit zu den übrigen Formen mit langem Humerus zu ver-
rathen. Dies wird um so wahrscheinlicher, wenn wir beispielsweise
eine grosse Columba {trocaz) zum Vergleiche herbeiziehen und sehen,
dass trotz des grössern Körpervolumens der Humerus bedeutend
kürzer bleibt, andrerseits aber bei Phaps schon auf eine verhältniss-
mässig geringe Grössenzunahme eine bedeutende Streckuni>- des
Obei-arms antwortet.
Das Caput humeri ist in der verticalen Richtung lang oval,
ventral schlanker zulaufend als dorsal. Die Streckung in der
Verticalen ist bei verschiedenen Formen bis zu einem verschiedenen
Grade gediehen, und zwar kann die Regel gelten, dass gute Flieger
einen längern Gelenkkopf besitzen als schlechte.
Ein Versuch, nach diesen ^Verhältnissen zu gruppiren, muss
fehlschlagen, da die Nuancirung zu fein und contiuuirlich ist und
von einem Extrem ununterbrochen zum andern führt.
Das Caput ist am niedrigsten, in der Axe des Knochens relativ
am längsten bei den Riesentauben Didus und Pesophaps und bei
Goura und Dichmcuhis; diesen schliesst sich Carpophaga zunächst
an, dann Alectroenas, und diese leitet zu den übrigen Formen über,
welche in dieser Beziehung etwa in den Peristeridae gipfeln [Phaps).
Es verdient Erwähnung, dass sich bei einer Reduction des
Caput die Gelenkfläche zuerst vom Tuberculum laterale zurückzieht.
Auf der postaxialen Seite des Humerus greift sie stark distalwärts,
während sie auf der präaxialen nur wenig ausholt und gerade abge-
schnitten ist. Distal vom dorsalen Ende der Gelenkfläche liegt auf
der postaxialen Seite des Humerus eine kräftige und stark vor-
1) On a chaoge in the habits of the Diduncnlus strigirost. in :
Proc. zuol. Soc. London, 1875, p. 495 f.
Die vergleichende üsteologie der ( 'olumbiforuies. 303
springende Kaulii;L;keit für die Insertion des ]\Inscnlus supra-
coracoidens; sie ist in der Axenriclitung- das Knochens gestreckt.
Das Tubercnlnm laterale steht in erster Linie mit der
Masse des Mnsculus pectoralis in Zusammenhang. Es ist
daher bei Carpophaginae (mit Ausnahme von Carp. aenea) klein und
wenig gekrümmt. Stärker reduciit treifen wir es nur noch bei
Pesophaps und Dithis, während es bei Goura und Didunculus stärkere
Entwicklung zeigt.
Das sicherste Merkmal der Keduction dieses Fortsatzes ist
Aveniger seine Grösse als seine Stellung zur präaxialen Fläche des
Knochens, mit der er stets eine Rinne bildet. Mit der Reduction
wird diese Rinne flacher; m. a. W. der Fortsatz ist weniger ventral-
wärts gekrümmt.
Das Gesagte wird am besten durch die erstgenannten Tauben-
formen illustrirt; Goura und Didunculus verhalten sich gleich wie
das Gros der Ordnung, indem sie die typische Krümmung des Fort-
satzes zeigen, mit der die Höhe der Garina sterni Hand in Hand geht.
Die ventrale Fläche des Tubercnlnm laterale geht in die prä-
axiale, die dorsale in die postaxiale Fläche des Humerus über. Die
Kante, welche durch die beiden Flächen gebildet wird, die Crista
lateralis, setzt sich als Linea a s p e r a bis zum lateralen Con-
dylus der Trochlea fort und ist die einzige, die sich constant vor-
tindet. während die andern von Individuum zu Individuum in ihrem
Vorhandensein oder Fehlen wechseln.
Der Fortsatz selbst fällt sehr steil gegen das Caput ab und
setzt sich in die Kammlinie desselben fort. Allerdings bei Formen
wie ('arpoplKKja, Didus und Pezophaps, gelegentlich auch Goura, ist
die Neigung des medialen Randes des Tubercnlnm eine sanftei'e.
eben auch im Zusammenhange mit der Reduction des Fortsatzes.
Am T u b e r c u 1 u m mediale (s. p e c t o r a 1 e) lassen sich wenig
und jedenfalls keine regelmässigen Modificationen erkennen. Es er-
hält sich wohl entwickelt sell)st bei Didns und Pezophapf!, ja es er-
scheint sogar schlanker und länger, wohl in Folge einer Reduction
vom distalen Rande her und einer Abnahme der Dicke des Humerus-
schaftes. Die Reduction ist bei CarpopJnuja viel weiter gediehen.
Es ist stets durch eine tiefe Depression vom postaxialen Lappen
der Gelenkfläche des Caput getrennt. Diese Grube läuft nach vorn
und unten auf eine scharfe Kante aus, welche einerseits in scharfer
Curve auf den vorragendsten Punkt des Tuberculum, andrerseits auf
die Höhe des Caput zieht. Dieser Kante entlang liegt auf der
304 EUDOI.!' M.VHTl.N.
rostralen Fläche des Knochens eine ziemlicli tiefe Rinne, welche in
ihrem weitern Verlanl'e die präaxiale Fläche des Kopfes von der
des Schaftes abgrenzt.
Die Höhe des Tnbercnlnm mediale ist durch einen Kamm dar-
gestellt, welcher von hinten innen nach vorn nnd aussen verläuft
und distal concav ist.
Distal ist das Tuberculum tief ausoehöhlt; im Grunde der Grube
liegen mehrere F'oramina pnenmatica. Proximal ist die
Höhlung durch das Tuberculum selbst und prä- und postaxial durch
Kanten, die von den beiden Enden des Kammes des Höckers schwach
convergirend dem Humerus entlang ziehen, begrenzt, während die
distale Wandung durch die anliegende Humerusfläche geliefert wird.
Die vordere der erwähnten Kanten ist die Crista medialis,
welche sich gegen den Entepicondylus noch als stärkere oder
schwächere Linie verfolgen lässt. Die hintere verliert sich bald in
der entsprechenden Fläche des Humerus. Dagegen zweigt sich von
ihr eine starke Linea aspera ab, welche gegen den lateralen
Condylus der Trochlea gerichtet ist.
Soviel allgemein! Eine reiche Variation lässt sich Betreffs der
F 0 s s a pnenmatica erkennen. Diese ist bald tiefer, bald Aveniger
tief und dies von Individuum zu Individuum. Die Masse der
Spongiosa scheint zuweilen den Boden der Grube auszutreiben, und
dies hat dann die Verminderung ihrer Tiefe zur Folge.
Auch hinsichtlich der Anzahl der Foramina pnenmatica und
ihrer gegenseitigen Lage lässt sich keine Regel geben; das eine
Mal trifft man sie in grösserer, das andere Mal in kleinerer Anzahl;
in diesem Falle besitzt dann ein einzelnes grössern Umfang und
deutet so auf Verschmelzung mehrerer hin.
Der Schaft des Humerus bedarf keiner langen Beschreibung.
Seine allgemeine Gestalt ist durch die Sförmige Schwingung des
gesammten Knochens bedingt, welche Dichts, Fes!ophaps und bis
zu einem gewissen Grade Goura und Carpophaga fehlt; bei JH(hm-
cuhis ist sie gut ausgeprägt, und die übrigen Tauben gleichen in
dieser Hinsicht unmittelbar der Samoataube.
Bezüglich der speciellen Modellirung des Schaftes wurde das
Nöthigste gelegentlich angefühlt, nämlich die beiden rauhen Linien.
Es sei noch hinzugefügt, dass die präaxiale Fläche flach ist, so dass
der Humerus eine in der Richtung der Körperaxe vor sich ge-
gangene Abplattung zeigt. Die hintere Fläche ist jedoch durchweg
wohl gerundet und wird proximal durch eine rauhe Linie, welche
Die vergleichende ( ).steologie der ('oliiml)if(irnies. 305
von der Insertionsrauliigkeit des Mnac. siipracoracoideus beg-iniit und
zur liintern Kante des Tuberculum mediale verläuft, vom Caput ab-
gegrenzt. Diese Linie dient dem Kapselband zur Insertion.
Bei einem Exemplar von Didiwcnlns stiess ich auf eine grosse,
dreieckige Oeifnung in der vordem Fläche des Schaftes, ungefähr
am Ende des ])roximalen 7:; ^^^^ KnocluMis; es scheint eine patho-
logische Bildung zu sein.
Das Foramen nutritivuni des Knochens liegt auf der post-
axialen Fläche, wenig pi'oxinial von der Mitte.
Der distale G e 1 e n k t h e i 1 ist gegenüber d em Schafte aus-
gebreitet und vorwärts gekrümmt.
Zur Stellung der Gelenkcondy li kann ich nichts beifügen
und verweise am besten auf Füebringer's allgemeines Capitel. Sie
ist natürlich von der ]\lechanik des Flügels direct abliängig; immer-
hin ist es von Interesse, dass die Axe des lateralen Condylus bei
Bidns und Pcsopliaps zur Axe des Humerus weniger geneigt ist und
die Verbreiterung des distalen Theiles des Schaftes vermisst wird;
eine Expansion wird erst durch den Ansatz der Epicondyli verursacht.
lieber der T röchle a liegt auf der Vorderfläche des Humerus
eine besonders ventral gut begrenzte Grube, welche dem Ursprung
des Musculus brachialis inferior dient. Sie ist schwach bei Didus
und Pezoplutpf!. Auf ihrem ventralen Begrenzungswall liegt ein
starkes Tuberculum. welches einen Theil des Entepicondylns dar-
stellt. Die Grube zieht als breite Rinne zwischen diesem und dem
medialen Gelenkcondylus durch bis zum distalen Rande des Humerus.
Durch die schiefe Stellung des Condylus lateralis wird die Grube
eingeengt.
Der Epicondylus medialis ragt distal und caudal stark
vor und steht durch einen Wall mit dem medialen Gelenkcondylus
in Zusammenhang. Er trägt 3 rauhe Höcker: der erste liegt auf
seiner distalen Fläche (allerdings noch stark auf die vordere über-
greifend), der zweite und grösste wurde als auf dem medioventralen
Begrenzungswall der Grube wurzelnd erwähnt, und der diitte und
kleinste liegt proximal und ventral von diesem. Diese 3 Höcker
schliessen eine seichte Einsenkung ein.
Der Epicondylus lateralis ist einfach und sitzt auf der
lateralen Fläche des lateralen Gelenkcondylus. Die Kammhöhe des
lateralen Gelenkcondylus setzt sich in der postaxialen Humerusfläche
als eine distal starke, sich aber noch im distalen Drittel verlierende
rauhe Linie fort. Diese trifft die lauhe Linie, Avelche vom Tuber-
306 Rluolf Martin.
culuiii mediale kommt, sofern diese stark üepi-ägt ist; in der Mehr-
zahl der Fälle wird ein Verhalten angetroften, wie es eben ange-
getrotfen worden ist.
Die distale rauhe Linie bildet mit dem Ectepicondylns eine
schmale Rinne und mit dem Entepicondyliis ein breites Thal, welches
einerseits zwischen die beiden (lelenkoondyli hinausläuft, andrerseits
in einen tiefen Eindruck hinter dem medialen Gelenkcondylus führt.
Diese Rinnen dienen der Sehnenführnng.
Ueber dem Ectepicondylns liegen im distalen Viertel des
Humerus noch einige unbedeutende Tnberositäten.
Bezüglich der Pneumatici tat des Humerus konnte ich keine
wesentlichen Differenzen constatiren. Die Durchlüftung ist eine
äusserst weit gediehene, und nur die Enden des Knochens sind mit
sparsamer, aber doch für eine grosse Widerstandskraft bürgende
Spongiosa ausgefüllt. Dklus und Pezophaps darauf hin zu unter-
suchen, lag nicht in meiner Tompetenz.
,j) Der Unterarm.
Der ITnterarm ist ohne Ausnahme länger als der Oberarm.
Das Verhältniss der Uhia (inclusive Olecranum) zum Humerus = 1
beträgt bei der Mehrzahl der Tauben 1,10 bis 1,20.
Die Fensfcridac vertheilen sich gleichmässig zwischen diesen
Grenzen, ebenso die CoJumhidae (hier liegen Macropi/gia und Edopistes
speciell der nutern Grenze näher, während die grossen CoJumha- Xvten
höhere Werthe aufweisen); die Treroninae liegen in der Mitte, d.h.
zwischen 1,12 und 1,16, während die Carpophoginae unbedingt der
obern Grenze genähert sind (von 1,17 an).
Ausserhalb der angegebenen Grenzen liegen nur einzelne wenige
Formen und zwar tiefer die auch sonst aberrante Starnoenas rijam-
cephaJa (1,05), und die obere Grenze wird erreicht von Bidunculiis,
überschritten von Goura (1,23).
Interessant sind die Verhältnisse, die wir bei den ausgestorbenen
Riesentauben finden. AA'enn. wir die Länge der Ulna bezüglich des
Humerus ausdrücken, so erhalten wir für Didus den Werth von nur
0,79, für Fezophaps 0,76. Es wird daraus ersichtlich, dass die Re-
duction der Ulna, also des Unterarmes, überhaupt schneller fortge-
schritten ist als die des Humerus. Weiter unten werde ich auf
diese Verhältnisse zurückkommen.
Es fragt sich, welches als das primitive Verhalten zu betrachten
ist. Die Antwort ergiebt sich aus zwei Betrachtungen.
Die vcrg-leiclieiule Osteologie der (Niluinbifoniies. 307
Hei einem juiig-eii Ptüopus jamhii hx der \\'ertli des obig-eii Ver-
hältnisses 1,14. während er bei alten 1.16 bis 1,18 beträg-t; bei einer
jung-en Chulcoph'ips hnlica ebenfalls 1,14. während bei alten Vcriste-
ridae (allerdings andere Arten) die Werthe zwischen 1,15 und 1.18
sclnvanken iPhaps rltalroptem nimmt mit 1.10 eine Ausnahmestellung-.
auf deren Charakter weiter unten eingetreten werden soll, eim.
Ferner erhellt, wenn wir uns nach der Körperg'rösse fragen, dass
den grossen Formen in der Regel ein längerer Humerus und Unter-
arm zukommt als den kleinen der gleichen Unterabtheilungen; ohne
Zweifel sind diese aber — einige Ausnahmen eingeräumt — die
generellem Formen und jene schon als Specialisirungsproducte aufzu-
fassen, für welche Ansicht auch die geographische Verbreitung spricht.
Der Umstand ferner, dass Goxra gerade den längsten Unterarm
unter den Tauben besitzt, beweist, mit den beiden übrigen Punkten
zusammen genommen, dass die S treck nng des Ihiterarms ein
s e c u n d ä r e r V o r g a n g innerhalb der G r u p p e de r C o -
lum bae ist.
^^'ir haben bis jetzt bloss auf die Ulna Bezug genommen und
deren Länge für die des Unterarmes gesetzt. Der Radius misst
in Bezug auf die Ulna 0.86 [Phaps rhakoptera) bis 0,9 (Ptüopus,
Carpophaga etc.). Die übrigen Formen liegen zwischen diesen engen
Grenzen, und selbst für die Art kann kein bestimmter Zahlen werth
gegeben werden. Für IHdnncuhis liegt er um 0,89 gruppirt.
Die Unterarmknochen lassen sich kaum nach ihrer speciellen
Moditication classiftciren. wenigstens konnte ich kein dnrchgreifendes
Merkmal verfolgen. Ich muss zugestehen, dass etwelche Differenzen
in dei' Modellirung des proximalen Theiles der Ulna angetroffen
werden, z. B. dass die die Gelenkfläche für das Radiusköpfchen
seitlich begrenzende Ecke mehr oder minder vorragend ist oder dass
die Gelenkfläche für das Ellbogengelenk in ihren Umrissen etwas
wechselt. Auch Betreifs des Radins können unwesentliche Unter-
schiede namhaft gemacht werden; so vor Allem die Oonhguration
des distalen Drittel. Der Querschnitt ist hier scharf dreieckig und
die dorsocaudale Ecke etwas ausgezogen und rauh : ebenso trägt der
präaxiale Rand eine Rauhigkeit, und so wird auf der dorsalen Fläche
eine Rinne formirt. welche zur Führung der Endsehne des Ex-
tensor cari)i radialis dient. Es kann als Regel gelten, dass
bei guten Fliegern diese Rauhigkeiten stärker, die Rinne somit tiefer
ist; da nun meist die kleinen Formen gute Flieger sind, so folgt
daraus, dass bei ihnen die Extensorenrinne tiefer ist. Also ganz
o08 KrnoLi' ]\Iaut]n.
abgesehen von der Untergruppe, sehen wir solche Verhältnisse an
verschiedenen Orten uns entgegentreten.
Ferner mit der Fingmechanik im Zusammenhang stehend ist
die Gestalt der Unterarmknüchen, im Besondern der Ulna.
So sehen wir, dass die Fensteridae, die kleinen Trerou-Avien und
die Pfilopodinae eine sehr stark gebogene Ulna besitzen, auf welche
distal der Radius von vorn abgebogen ist. Diese Krümmung der
l^nterarmknochen gipfelt in Phaps chalcoptera.
Die proximalen % des Radius sind gerade, und die Biegung
umfasst bloss das distale Drittel.
Es ist klar, dass ein solcher Rahmen, ganz abgesehen davon,
dass er eine grössere Ursprungsfläche für die distale Armmusculatur
bildet, eine grössere Festigkeit besitzt und dem Fluge dienlicher ist
als gerade Armknochen.
Solche aber treffen wir bei grossen Taubenformen, zu denen
ausser den Carpopha(jrnae (bei denen Carp. aenea allerdings eine Aus-
nahme macht) auch die Columhidac zu zählen sind, bei welchen einzig
Ectopistes und bis zu einem gewissen Grade Macropijgia Ausnahme-
stellungen einnehmen; jene näliert sich in dieser Hinsicht sogar
Phaps. und diese zeigt eine gleichmässige Krümmung der Ulna,
während sie bei den übrigen Columha- Xvttw im proximalen Bereiche
stärker ist als im distalen.
Die Streckung der Unterarmknochen erreicht den höchsten Grad
bei Didus und Pcsopliaps: diesen zunächst folgt Goura, dann die
(Jarpophaginae und endlich Didimcnlns.
Zum Schlüsse sei noch der Rauhigkeiten gedacht, welche von
den Insertionen der Handschwingen herrühren. Wir finden deren
zumeist 8, doch sind sie oft undeutlich, zumal an den beiden Enden,
und der proximalste und distalste Abschnitt der Ulna ermangelt in
der Regel solcher. Sie liegen zum grössten Theil auf der caudalen
Fläche und greifen nur wenig und zwar im distalen Bereiche auf
die dorsale über.
Ferner ist die l'mgebung des Olecranum und die der distalen
Trochlea zum Ansatz der Gelenkbänder rauh.
Der Querschnitt der Ulna ist im proximalen und distalen Drittel
dreieckig, im mittlem rundlich oval.
Auch der Radius zeigt Rauhigkeiten dem Rande des Capitulura
entlang, und diesem nahe liegt auf der rostro ventralen Fläche eine
kleine ovale Tuberositas (für die Insertion der Endsehne des Biceps).
Die Ulna ist circa doppelt so stark wie der Radius.
Die veroleiebeiifle Osteologie der Columbiformes. 309
y) Die Hau d.
Die Hand zeigt, der peripheren Lage entsprechend, eine grosse
Plasticität, sowohl was die Detailstructur als auch die Proportionen
betriftY.
Wir haben schon gelegentlich der Besprechung des Ober- und
Unterarmes darauf hingewiesen, dass beim Fluge die distalen Partien
der vordem Extremität die hauptsächlichste Arbeit zu leisten haben
und dass in Folge dieses Umstandes — auf den übrigens schon von
anderer Seite hingewiesen worden ist — mit einer höhern Bean-
spruchung die distalen Elemente an Dimension in erster Linie zu-
nehmen, aber auch bei einer Verzichtleistung auf die Locomotion in
der Luft zuerst der Reduction anheimfallen.
Einige Zahlenverhältnisse mögen das Gesagte in frappanter
Weise darthun. Die Länge der Hand (von der Wurzel des 3[eta-
carpus 2 bis zur Spitze der Endphalange des zweiten Fingers ge-
messen) giebt uns die Einheit, auf welche die Länge von Ulna -|-
Humerus bezogen wird:
Phaps chalcoptera 1,61
Tiirtur vinaceus 1,60
Zcnaida aiiriculata 1,62
(reopelia striata 1,86
Staruoenas cijanocepliala 1,71
Columha picazuro 1,51
„ rufina 1,63
Macropygia emiliana 1,75
Ectopistes mifjrafonus 1,45
Carpopliaga aenea 1,81
„ hkolor 1,80
Treron oxyura 1,78
Vinago calva 1.65
Treron vcrnnns 1,69
Ptilopus janihu juv. 1,81
., roseicollis 1,89
,, meUmoccphalns 2,0
Aledroenas madugascariensis 1,69
Didunculus strigirostris 1,89
Goura coronata 2,16
Caloenas nkobarica 1,69
Für Didns und Pczophaps vermag ich diese Verhältnisse nicht in
den obigen Werthen darzuthun. da die vollständige Hand bis jetzt
310 Rl'DOLF MaHTIN.
nicht bekannt ist. Wenn wir jedoch für P('.::opJuq)s an Stelle der
Hand die Länge des Metacarpale 2 als Einheit setzen und die Summe
der Längen von Ulna -|- Humei'us darauf beziehen, so gelangen wir
zu dem Verhält niss 4.3 (für Didus beträgt der Werth ca. 4,0. Aber
da ich es versäumt habe, die Messung an Originalen abzunehmen,
so bin ich auf die Abbildungen Gadow's angewiesen, und sehr wahr-
scheinlich übersteigt in Wirklichkeit der AVerth des Verhältnisses 4);
das gleiche Verhältniss beträgt für Phaps chalcoptcm 3,15. für Co-
Jumba picazuro 2,9, für Didmiciüus strigirostris 3,3 und für Goura vic-
foriae 3,81. Es geht daraus hervor. T\^as übrigens von Anfang an
zu erw'arten war, dass die Hand von Pezophaps und vermutlilich im
gleichen Grade die von Didus das Maximum der Verkürzung inner-
halb der Ordnung der Tauben erreicht.
AutYallend ist die kurze Hand der Ptüopodinae. und es fragt sich
auch hier wiederum, ob diese auf eine secundäre Verkürzung zurück-
zuführen ist odei" ob sie eine ursi)rüngliche Erscheinung darstellt.
Wie die Messung eines jungen Piü. jamhu zeigt , ist die
Hand in der Jugend eher etwas länger. Leider steht mir kein
Skelet eines erwachsenen Thieres derselben Art zur Verfügung, aber
ich stehe nicht an, die vorliegende junge Form mit dem etwa gleich
grossen (die erwachsenen Thiere verglichen) Ptil. roseicoUis zu ver-
gleichen. Die Vergleichung zeigt nun zur Genüge, dass
— vom Gesetze des P a r a 1 1 e 1 i s m u s der P h y 1 o - und 0 n -
1 0 g e n i e ausgehend — d i e V e r k ü r z u n g e i n e s e c u n d ä r e ist.
In was der Grund dieser Rückbildung der Hand liegt, ist schwer
zu sagen, da die PtiJopodinae vollständig flugfähige Thiere sind, und
es wäre ein Fehler, aus diesen Dimensionen auf schlechte Flieger
zu schliessen. Mir scheint, die geringe Körpergrösse spiele eiin
wichtige Rolle bei dieser sonderbaren Erscheinung, und es liegt jü
hier ein Fall der Analogie vor zwischen den PtiJopodmae und Geopelhi.
einer Zwergform - wenn ich mich dieses Ausdrucks bedienen dart
— unter den Peristeriden. Wir stossen hier auf einen AViders])rucli.
indem wir diese kleinen Formen als degenerirt beti-achten müssen.
während wir sonst gewohnt sind, von der kleinen Form, als dei'
primitiven, auszugehen und von diesen die grossen Formen entstehen
zu lassen. Es bleibt mir jedoch fraglich, ob wir die vor Allem bei
Säugethieren gewonnene Anschauung, welche in der Hauptsache aut
die eigentlichen Riesenvö.yel übertragen werden darf^ auch auf die
generellen Vogelformen übertragen dürfen. Könnte es sich hier nicht
vielmehr um eine secundäre Anpassung an ein bewegliches Leben
Die vergleichende Osteologie der ("olnrabitormes. 311
handeln, als deren Folge die Reductiou der KörpergTösse und somit
auch die des Flügels zu betrachten wäre? — Für eine solche spricht
ja auch das Fehlen des Musculus ambiens und der Caeca bei
PtUopodinae und GeopQlia; bei jenen ist zudem die Glandula uro-
pygialis abwesend oder doch nur sehr schwach entwickelt^)
Dies nur nebenbei; wir werden unten darauf zurückkommen.
Kehren wir zurück zum Aufbau des Handskelets! Wir sind
nicht im Stande, auch nur ein einziges Merkmal von grösserer oder
kleinerer Constanz aufzuführen. Wohl bemerkt man, dass die Hand
bald breiter bald schmäler ist (die einzige Strecke, die dies im Ver-
hältniss zur Länge des Metacarp. 2 ausdrückt, ist der Abstand der
beiden am weitesten von einander abliegenden Punkte der an ihren
Enden verschmolzenen Metacarpalia 2 und 3j. Bei den Perisferidae
schwankt dieses Yerhältniss von 3,7 bis 4,7, wobei Fhaps chalcopfera
das Minimum darstellt (allerdings bei Starnoenas kann das Verhält-
niss bis auf 3,()6 sinken) und das Maximum von T/(rtnr eri'eicht
wird: Geopelia liegt bei 4,4; m. a. W. : die Hand ist am gedrungensten
bei Phaps\ am schlanksten ])ei Tnrtnr (es ist aber bemerkensvverth.
dass Phaps hisirionica bedeutend von Phops chalcoptera, mdica etc.
abweicht und sich durch einen sehr schlanken Metacarpus aus-
zeichnet : 4,5). Für die Colnmhidae sind die entsprechenden Grenzen
durch Edopistes (4,1) und Columha Uvia oder Cohimha rufina (4.7)
gegeben. Macropygia und Columha phaenofa liegen der untern Grenze
näher als der obern. Die Amplitude der Variation ist hier bedeutend
kleiner als bei den Peristeriden.
Die Treronidae sind nach diesen Merkmalen deutlich in zwei
Gruppen getrennt: 1. Die Treronmae -\- CarpopJiaginar und 2. die
PtUopodinae.
Für jene Gruppe sind die Grenzen durch Carpophaga aenea und
Treron fulvicoJUs (4,0) einerseits und andrerseits durch Treron vernans
(4,6) und Carpophaga lacernidafa (4.5) angedeutet. Auch hier muss
erwähnt werden, dass die Schwankungen zwischen zwei nahe stehen-
den Formen bedeutend sein können (z. B. Treron vernans 4,6 ; Treron
1) Die^ie Angaben entnehme ich Gakrod (in: Proc. zool. Soc.
London, 187.3 u. 1874). Ich selbst hatte nicht Gelegenheit, diese Formen
auf ihr diesbezügliches Verhalten zu prüfen; Ob die Bürzeldrüse bei
(jcopcliii vorhanden ist , kann ich nicht sagen : es ist auch nur von ge-
ringem Einfluss, da die beiden andern Merkmale von grösserer Trag-
weite sind.
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. ^1
312 RuDOLi- Martin.
fulvicollis 4,0; T. hicincia 4.5; Vinayo calva 4,1 und 7\ oxijura 4.0; —
Carpophaga aenea 4,0; C. hirolor 4,1; C. lacernulata 4,5).
Die Ptilopodinae zeigen ein reg-elniässig-es Verhalten : 3.6 bis 3,8,
während Alectroenas stark abweicht (4,4). Jedenfalls aber bestätigen
diese Proportionen das oben Gesagte (bezüglich der secundären Ver-
kürzung der Hand).
Für Goiira beträgt der W'erth 4,5 und endlicli für Didunculus-
4,89. für T)id>is 4,6 und für Fezophaps 3,8. Die beiden letztern
können natürlich nicht von gleicher Bedeutung sein wie die mehr
oder weniger liugfähigen Tauben oder doch solche Tauben, welche
erst kürzlich das Flugvermögen verloren haben, da die vordere Ex-
tremität schon lange ihrer ursprünglichen Function enthoben und
dalier weniger regelmässigen Agentien unterstellt war.
Die Metacarpalia 1, 2 und 8 sind verschmolzen. Das erste
legt sich mit der ganzen Länge seines caudalen Randes an den
rosti"alen des zweiten; es trägt auf der Basis seinei' präaxialen
Kante eine Protuberanz. die bald stärker, bald schwächer ist. Bei
JDiduncnlus und Goura ist sie klein, ebenso bei einigen Carpophaginae
(z. B. Carp. lacenmlata). Es finden natürlich alle Abstufungen statt,
so dass diese Formen nicht isolirt dastehen. Bei Pezophaps tritt
dann an Stelle der Protuberanz die bekannte mächtige Knochen-
exostose, die nach den meisten Autoren (gestützt auf die Erzählung
Legüats) dem Thiere als Waffe diente.
Die Metacarpalia 2 und 3 sind, wie überall, mit den proximalen
und distalen Enden verschmolzen. Ihre relative Stärke schwankt
etwas, doch ist das zweite stets bedeutend stärker und runder als
dass ungefähr von oben voi'n nach unten hinten abgeflachte Meta-
carpale 3. Jenes ist gerade, dieses durchweg nach hinten convex
gekrümmt. Der Grad der Krümmung hängt von den oben ange-
führten Verhältnissen ab oder wohl eher umgekehrt, d. h. die Breite
der Hand wächst mit der Krümmung des Metacarpale 3; somit
kommt diese Krümmung bereits in den angegebenen Zahlen zum
Ausdruck.
Die Grundphalange des 2. Fingers ist pflugschaarartig und über-
trifft in ihrer relativen Breite den gleichen Knochen der zunächst-
stehenden Galliniformes. Eine Reduction in dieser Hinsicht ist
kaum mit Sicherheit festzustellen, denn der Umriss befindet sich
sehr im Schwanken; sollte sich aber die Verschmälerung bei Goura
als constant erweisen, so wäre dies vermuthlich ausser JDidus und
Die vero-leichende Osteologie rler Columbiforme.^. 313
Peziqthaps, die liier kaum der Erwähnung' bedürfen, der einzige Fall
einer merklichen Rückbildung.
Postaxial greift die Ausbreitung dieser Phalange in Form eines
Fortsatzes in direct distaler Richtung vor. Die Länge und Form
dieses Fortsatzes wechselt stark, doch kann immerhin (allerdings
nur mit grosser Reserve) festgestellt werden, dass er bei Ferisfendae
meist spitz zuläuft, bei Colmnhidac und dem Reste der Tauben ab-
gestutzt erscheint. Edopistes zeichnet sich durch einen äusserst
schlanken Fortsatz aus. Die FUJopodinae schliessen sich an die
Peristeriden an ; auch zeigen die Treroninae schon nicht mehr immer
die den Columbiden eigene Abstutzung. ^^'ie gesagt, diese Verhält-
nisse wechseln und sind kaum aus einander zu halten.
Bezüglich der Phalange 1 Dig. 3. und der Endphalange des
2. Fingers konnte ich keinen Wechsel, ausser in der Länge beob-
achten. Diese kommt in Hinsicht auf Phal. 2 Dig. 2. in den obigen
Längenverhältnissen wenigstens zum Theil zum Ausdruck.
Endlich die Daumenphalange variirt ebenfalls in der relativen
Länge.
So sehen wir, dass die vordere Extremität füi- die engen Be-
ziehungen der einzelnen Familien der Columbiformes eintritt, denn
wir sind auf keine tiefer greifenden Differenzen gestossen. Die
Verschiedenheiten, die wir angetrolfen haben, sind ohne Ausnahme
secundärer Natur und stets auf den Mechanismus des Fluges zurück-
zuführen. Jedenfalls geben sie uns kein Mittel an die Hand, die
einzelnen Gruppen scharf und weit von einander zu trennen.
b) Die hintere F^xtremität.
Die hintere Extremität zeigt alle möglichen Grade der Ent-
wicklung. Entsprechend der wenig l)evorzugten Locomotion auf
dem Boden ist sie bei der ]\Iehrzalil der Tauben kurz und schwach,
Avährend sie andrerseits bei einigen Formen an Höhe und Stärke
zugenommen hat oder doch im Zunehmen begriffen ist.
Welche relative Höhe die hintere Extremität haben mag, so ist
ihre Modellirung in den Einzelheiten doch stets die gleiche. Wenn
wir die einzelnen wenigen Differenzen abwägen, so dürften wir zu
dem Schlüsse kommen, dass sie eben nicht von hohem Werte und
für Verwandtschaft beweisend sind, sondern vielmehr an verschiedenen
Orten können entstanden sein, wie ich schon zum öftern darauf
hingewiesen habe, dass die Extremität sich in erster Linie an ihi'e
Function anpasst.
21*
;-{14 IiLDOi.r Martin,
tt) Das Femur.
Am proximalen Theile des Femur können wir das Caput,
die Gelenk fläche für den Antitrochanter und den Trochanter
unterscheiden.
Das Caput steht auf seinem schlanken Halse senkrecht zum
Schafte des Knochens. Es ist kuglig. doch auf der proximalen und
einwärts gerichteten Fläche etwas abgeplattet und trägt hier zwei
mehr oder weniger deutlich von einander getrennte Gruben. Diese
und in Folge dessen auch die Abflachung sind auf die Insertion des
Ligamentum teres zurückzuführen. Durch diese Verhältnisse
erhält die eigentliche Gelenkfläehe eine mehr sichelförmige
Gestalt (wenn man sie sich in eine Ebene ausgerollt denkt), umgiebt
so das Caput auf der distalen Seite und greift mit den beiden
Hörnern auf die proximale Fläche, so dass die Insertionsgrube des
Bandes vollständig von ihr umrandet ist.
Die relative Grösse des Caput variirt etwas und ist bei den
Erdtauben bedeutender als bei den übrigen. Man mag sich leicht
davon überzeugen, indem man z. B. Didnnculns mit einer Treron
vergleicht. Auch ist bei jenen die Kugelgestalt des Caput eine voll-
ständigere, denn bei den gewöhnlichen Tauben ist es wenig zugespitzt.
Die abweichende Gestaltung dieser Verhältnisse scheint sich bei
Dkhwndus erst im Verlaufe des postembryonalen Wachsthums zu voll-
ziehen, denn das vorliegende Junge schliesst sich direct an die übrigen
Tauben an. Bei Goura, Didus und Pesophaps sind die Modificationen
welche wir bei Didtmculus angetroffen haben, weiter getragen.
Das Caput ist stets deutlich vom Collum abgesetzt, dessen
Einschnürung auf der distalen und caudalen Seite am deutlichsten
ist. Auf seiner proximalen Fläche fliessen die Gelenkflächen des
Caput und diejenige für den Antitrochanter zusammen. Diese zeigt
innerhalb der Ordnung einige nicht ausser Acht zu lassende Modi-
ficationen, welche natürlich mit der Form des Antitrochanter in
engsten Zusammenhang zu bringen sind.
Diese Gelenkfläche hat bei den meisten Tauben die Form eines
gleichschenkligen Dreiecks, dessen Basis dem Trochanter anliegt
und dessen Spitze abgestutzt ist; hier stösst sie an die Crelenkfläche
des Caput. Beinahe überall bleibt sie auf die proximale Seite des
Collum beschränkt und greift höchstens sehr wenig auf seine Vorder-
fläche. So bei allen Colnmhidae, Perisfcridac und Trcroriidae. während
sie bei Didunculiis, hauptsächlich aber bei Goura, Didus und Pcso-
pliaps nach hinten ausgreift und das Collum auf der Caudalfläche
Die vergleichende Ostedlogie der <'oluinl)ifornies. ;-J15
umfasst; sie bedeckt den Streifen des proximalen Drittels derselben
bei Colocnas, die proximale Hälfte bei Didimculus nnd Goura und
die proximale Hälfte bis zwei Drittel bei Didus nnd Pesophaps. Am
stärksten ist dieses caudale Ausgreifen entschieden bei Pe^ophaps-,
und es entspricht dies ja auch der Stellung- des Antitrochanter.
Die Ausbreitung der Gelenkfläche für den Antitrochanter nach
rückwärts ist ein secundärer Vorgang, denn Biduucnlus zeigt in der
.lugend ein gleiches Verhalten wie das Gros der Tauben.
Die Gelenkfläche für den Antitrochanter ist stets über die i»ost-
axiale Fläche des Femur überhängend, doch ist dieser „Ueberhang"
— man gestatte mir diesen Ausdruck — bezüglich seiner Stärke
sehr variabel, ohne sich dabei an die Gattung, ja nicht einmal an
die Art zu halten. Unter ihnen liegt meistens ein kleines pneu-
matisches Foramen, welches bald einfach, bald doppelt ist. Ich
vermisste es bei Goura \ bei Didus ist es in eine grosse Anzahl
P'oramina aufgelöst.
Der Trochanter zeigt zwei Formen der Ausbildung, die eine
Trennung zulassen. AVir können die beiden Tj'pen. um einen kurzen
Ausdruck zu gewinnen, als den peristeriden und den trero-
niden bezeichnen.
Jener schliesst, ausser den als Peristeridae zusamraengefassten
Tauben, auch Didiowidus, die Columhidae, Goxra, Didus und Pe,zo-
phaps ein, dieser ausser den Treronidae noch Macropygia.
Es bleibt sich gleich, welches Beispiel wir aus dem einen oder
andern Tj'pus herausgreifen, um die Differenzen darznlegen, und so
wählen wir für jenen Didunculus, für diesen z. B. Treron vcrnans.
Didunctdus. obwohl in dieser Eichtung noch elier ein Anfangs-
glied darstellend, lässt dennoch die Verhältnisse, die wir als den
peristeriden Tj^pus bezeichnet haben, gut erkennen. Der Trochanter
ragt als scharfe Schneide über die Gelenkfläche für den Anti-
trochanter empor. Die Kammlinie ist die directe Fortsetzung der
hintern und seitlichen Begrenzung dieser Gelenkfläche in präaxialer
Richtung. Sie steigt von hinten nach vorn allmählich an, bis über
den höchsten Punkt der Gelenkfläche, und fällt dann langsam
(schwächer als die Gelenkfläche) wieder nach vorn ab; so erreicht
diese Schneide erst vor der Gelenkfläche für den Antitrochanter
ihre höchste Höhe, den Gipfelpunkt, von dem sie dann in scharfer
Biegung abbricht und als prominente, allmählich sich abflachende
Kante noch über den proximalen Drittel des Schaftes des Femur
läuft. Sie lässt sich jedoch noch bis zum medialen distalen Gelenk-
31(3 Eui>uLi' .Maktin,
con(l3''lus als schief über den Knochen laufende rauhe Linie ver-
folgen.
Die mediale Fläche des Trochanter ist stets concav; in der
Tiefe der Concavität liegt g-elegentlich ein pneumatisches Foramen:
dieses bleibt stets sehr klein und ist von äusserst geringer Constanz.
Vom Gipfelpunkt des Trochanter läuft eine Kante gegen das
Collum und verliert sich in der Mitte seiner Vorderfläche. Sie
grenzt die Grube der medialen Trochanterfläche von der rostralen
Fläche des Schaftes des Femur ab, sowie von der in diese über-
gehenden medialen Fläche des vom Gipfelpunkt des Trochanter
nach vorn absteigenden Kammes.
Bei den übrigen Formen dieses Typus sind die beschriebenen
Eigenthümlichkeiten noch schärfer ausgebildet; m. a. AV. der Tro-
chanter erscheint noch höher.
Zunächst Diduncuhfs, und diesen nicht übertreifend, stehen die
Cohimbidac, dann folgen die Peristeridae, Goura und die Eiesentauben.
Die ]\[odification. welche von Bidunaün^ zu diesen führt, beschränkt
sich lediglich auf eine Grössenzunahme.
Um so mehr contrastirt der treronide Typus. Der hintere
Ansatz des Trochanter wird in gleicher Weise bewerkstelligt, wie
oben beschrieben wurde; doch verläuft die Kammlinie zum lateralen
Bande der Gelenkfläche für den Antitrochanter parallel und bricht
mit dieser vorn ab. Die grösste Höhe des Trochanter liegt un-
mittelbar über der grössten Höhe dieser Fläche und nicht nach vorn
wie bei Didunculus etc. Der vordere Rand der Gelenkfläche für
den Antitrochanter setzt sich als schwache Kante bis zum vordem
Ende des Kammes des Trochanter fort.
Durch ein solches Verhalten sind folgende Gruppen gekenn-
zeichnet: Treronidae uiid Macropfjgiwac.
Der Hauptunterschied zwischen den beiden Gruppen l)eruht in
erster Linie auf einer Massen diiferenz, dann aber auch in der ver-
schiedenen Gestaltung der Kammlinie. — Dass am Trochanter von
Treronidae für die bei Bidimadus aufgeführte Concavität kein Platz
ist, versteht sich von selbst.
Die Aussenfläche des Trochanter ist i'auh; die Rauhigkeiten
sind in 3 Höcker angeordnet, von denen der hinterste an der Basis
des hintern Endes, der vorderste unter dem Gipfelpunkt des l'ro-
chanter und der dritte in der Mitte zwischen beiden gelegen ist.
Der Schaft des Knochens ist rundlich und zeigt bloss gegen
seine Extremität eine schwache Modellirung.
Die vergleichende Osteulogie der Colmubiturmes. 317
In erster Linie bewirkt die schon melirfacli erwähnte Kante
des Trochanter einen dreieckigen Querschnitt im proximalen Drittel ;
die Kante verliert sich in eine rauhe Linie, die zum medialen
Condj'lus verläuft (siehe oben). Die Deutlichkeit dieser Linie wechselt
innerhalb der Species.
Der dreieckige Querschnitt des proximalen Theils wird ferner
durch den Ansatz des Collum vervollständigt, indem die mediale
Fläche herausgezerrt erscheint, was eine Abilachung auf der prä-
und postaxialen Seite zur Folge hat. Im proximalen Viertheil dieser
so entstandenen und gerundeten medialen Kante liegt eine Tuberosität,
welche bei DidtmcuJus und Goura, namentlich bei Bidus und Pezo-
phaps an Stärke gewinnt, während sie bei den übiigen Tauben kaum
angedeutet ist.
Mit grösster Eegelmässigkeit erscheint auf der postaxialen
Femurliäche eine rauhe Linie, welche proximal unmittelbar an der
Wurzel des Trochanter ansetzt, dann schräg über den Knochen
zum medialen Condylus des distalen Gelenktheils verläuft. Ungefähr
von ihrer Mitte spalten sich unregelmässige Rauhigkeiten ab, die
sich gegen den lateralen Condylus ziehen. Einzig bei IHdus und
Pezophaps ist diese Linie unregelmässig in einzelne Tuberositäten
aufgelöst, welche netzartig den ganzen distalen Bereich des Knochens
überspinnen.
Eine kurze und zur Knochenaxe parallel verlaufende Linie setzt
liier (bei Didus und Fcsophaps) unmittelbar hinter der erwähnten
Rauhigkeit der medialen Kante des proximalen Theils an; sie er-
reicht weder das proximale noch das distale Ende des Knochens.
Das Foramen nutritivum des Femur liegt stets ungefähr
in der Glitte der hintern Fläche des Schaftes, entweder auf oder
doch in unmittelbarer Nachbarschaft der beschriebenen, quer über
den Knochen lautenden Linea aspera.
Der laterale Condylus des distalen Gelenktheils ist
überall länger als der mediale. Der Unterschied ist aber gering,
wenigstens wenn wir bloss die recenten Tauben ins Auge fassen.
Anders gestalten sich die Verhältnisse bei den Riesentauben, bei
denen der laterale Condylus stark über den medialen vorragt. Die
Expansion des Gelenktheils ist eine wechselnde; jedenfalls dürften
Didunculm und Goura in dieser Beziehung an der Spitze stehen, da
sie die Eiesentauben noch übertreffen. Bei den übrigen Formen ist
es schwer, Punkte zu markiren, da einerseits eine zu grosse Varia-
bilität, andrerseits eine zu feine Abstufung existirt.
318 Rudolf Martin.
Die Oondyli setzen vorn und hinten mittels Kanten am Schaft
des Femur an. Diese convergiren proximal, die liintern stärker als
die vordem. So kommt es vorn zur Bildung- eines Thals, hinten
zur Bildung der Fovea poplitea. Jenes variirt in seiner Breite
und Länge, doch sind die einzelnen Stufen nicht aus einander zu
halten. Die Extreme werden am ehesten durch Ptilopus (Thal lang
und schmal) und andrerseits durch Didunculus oder Goura unter den
lebenden, durch Dichis, wenn Avir die Riesenformen mit einbeziehen,
darg-estellt.
Die Fovea p o p 1 i t e a ist durchweg ziemlich seicht und von der
Gestalt eines g-leichschenkligen Dreiecks, dessen Basis der Gelenk-
rolle anliegt und dessen Seiten relativ lang sind. Nur Didus und
Pezophaps weichen, entsprechend der veränderten Lage der Gelenk-
rolle, ab, indem das Dreieck in ein ungleichseitiges übergeführt wird.
Die Grube ist auch bedeutend tiefer als bei recenten Tauben.
In der Tiefe der Fovea liegt eine Anzahl pneumatischer Fora-
mina.
Auch wenn der laterale Condylus distal nur wenig vorragt, so
trägt er auf seiner Hinterfläche doch stets eine Rolle, welche
zwischen die Tibia und Fibula hineinragt und so bedeutend zur
Festigung dieses Scharnirgelenks beiträgt, analog der Ausbildung
eines Keils an den distalen Gelenkenden der Metapodien der Rumi-
nantier und Pferde.
Das Femur als solches zeigt bei allen Tauben eine Krümmung
und zwar in zwei Richtungen: 1. es ist nach aussen convex und
2. in einer Sagittalebene sehr schwach ^förmig gekrümmt. Der
distale Schenkel des S ist stäi-ker geschweift als der proximale ; der
distale rückwärts concav. Didus und Pezophaps haben die zweite
Krümmung fast ganz eingebüsst. bei Didimctilus ist sie sehr schwach.
Der Verlust der Krümmung ist vielleicht auf ein Aufrichten der
Extremität zurückzuführen.
Was die Länge des Femur betrifft, mögen Zahlen Aufschluss
geben, und damit diese einen Vergleich mit der voi'dern Extremität
zulassen, so füge ich die Länge in Bezug auf die des Humerus bei.
Diese Masseinheit sei mit h (= Humeruslänge) bezeichnet:
Goura coronata
(3.72 dv
= 0,82
IHduneiüus strigirostris
7,7 „
= 0.95
Phaps chcdcoptera
6,26 „
= 0,87
.. histrionica
5,95 „
= 0,85
„ indica
5.98 „
= 0,88
Die veroleicheiide Osteologie der Cdlninbifürmes. 319
Turtur r'nmceus 5.94 clv ^= 0.87 li
Zenaida auriadata 6,3 .. = 0.9 ..
Geopelia striaia 6,65 ,. = 0.95 ,,
Metriopelia mcJanoptera 6,56 „ = 1,01 ,,
Sfarnoetias cyanocephala 6,67 ,, = 1,05 ,.
Cdlnmha pkazuro 5,52 ,, = 0,85 ,.
,. trocaz 5,91 „ = 0,87 ,,
hria 6.16 .. = 0,88 „
„ nißna 5,67 .. = 0.86 ,.
Macropijgia emiliana 5,24 „ = 0,86 „
Edopistes migratonus 6,18 „ = 0,91 ,.
CarpoplKiga aoica 5,33 ., =: 0,82 ..
hicoJor 5.67 ,. = 0.81 ,.
,, Jacermdafa 5,33 ,. = 0,86 „
Treron o.rijura 5,53 „ = 0.97 ..
Vinago ccäva 5,58 ,, = 0,93 ,,
Treron vernam 5,63 „ = 0,88 „
.. fnJvü'oUis 6,06 „ = 1,01 i
.. hicinda 5,73 „ = 0.91 „
Ptilopus roseicolUs 6,76 .. = 0,98 „
.. melanocephalus 6,72 „ = 0,96 „
„ melanospüns 6,06 „ = 1,01 ,.
Aledroenas nt(idag<iscariensis 5,62 ,, = 0,84 „
Aus der Tabelle g-elit hervor, dass eine grosse Unreg*elmässig'-
keit herrscht. Diese würde bei der zweiten Colonne wenig' frappiren,
wenn sie nicht durch die erste in so deutlicher Weise zu Tag-e ge-
legt würde, da ja auch der Hunierus nicht unbeträchtlichen Schwan-
kungen unterworfen ist.
\>'ie zu erwarten war, sind Diduncidns und Gonra durch die
längsten Oberschenkelknochen ausgezeichnet. Für Didus beträgt
seine Länge ca. 8,2 und für Pezophaps ca. 7,1. Hier kann natürlich
nur von approximativen Werthen die Eede sein, da sie combinirten
Skeleten entnommen sind.
Einer weitern Erläuterung bedarf die Zusammenstellung nicht.
ß) Die Tibia.
Am Unterschenkel hat die gleichförmige Function alle Diffe-
renzen verwischt, mit Ausnahme der einen, die mit der Körpergrösse
in unmittelbarstem Zusammenhang steht: die schärfere ^Lodellirung
bei grössern. die verschwommenere bei kleinen Foi-men.
320 ErDOi.F Mautin.
Die Tibia ist nach vorn concav gekrüimnt; die Krümmung- ist
in der Regel bei kleinen Formen etwas schwächer als bei grossen.
Sie erreicht ihr IMaximum bei Didunculus. Die Riesentauben heben
sich nicht von der Mehrzahl der übrigen Tauben ab.
Die proximale Gelenkfläche ist viereckig. Auf der
medialen Hälfte liegt eine Bahn, über welche der mediale Condylus
des Femur beim Strecken und Beugen wegrollt. Sie ist in der
Mitte emporgew()lbt und läuft vorn in eine stärkere, hinten in eine
schwächere Grube. Bei kleinen Formen, wie Trcron, Geopelia,
Pfilopus etc., kann die hintere Grube fehlen und durch eine ebene
Fläche ersetzt sein.
Lateral von der vordem Grube liegt ein tiefes Thal, welches
nach aussen ausmündet. Es entspringt zwischen der beschriebenen
Bahn des medialen Oond3'lus und dem Höcker, der mit dem lateralen
Condylus articulirt. Das Thal ist bei grossen Formen tiefer als bei
kleinen und an seiner Ausmündung überall mehr oder weniger deut-
lich durch einen schwachen Wall gesperrt.
Hinter und etwas lateral von diesem Thal liegt ein runder
Höcker, der von der medialen Gleitbahn durch eine seichte Rinne
getrennt ist. Dieser Höcker articulirt mit der medialen Fläche des
lateralen Condylus des Femur. Er fällt stark nach aussen und
hinten ab und bildet mit der Fibula zusammen eine Spalte, in
welche die Rolle des Condjdns lateralis eingekeilt ist.
Die Ausbildung der Crista externa und interna ist von
nicht geringem Einfluss auf den Umriss der proximalen Gelenkfläche.
In der Regel ist die Fläche tiefer als breit (Mehrzahl der Tauben
inclusive Didus). Nur in wenigen Ausnahmen ist das Verliältniss
ein umgekehrtes : zuerst und am regelmässigsten bei Fesophaps durch
eine übermässige Entfaltung der Crista externa, welche die ganze
vordere laterale Ecke der Fläche herauszerrt; ein ähnliches Ver-
hältniss beobachtete ich bei einem jungen Ptüopus janihn, aber hier
in Folge schwacher Elntwicklung der Crista interna.
Werfen wir einen Blick auf die beiden Muskelkämme des
proximalen Gelenktheiles !
Die Crista interna hat die Form eines gleichschenkligen
Dreiecks mit breiter Basis, welche dem Knochen anliegt. Sie ist
fast direct vorwärts gerichtet. Der obere Schenkel ist gegen die
Basis zu stark verdickt und treibt die mediale vordere Ecke der
proximalen Gelenkfläche nach oben vor. Die Länge der Crista be-
L>ie ver.s'leichende Osteolog-ie der ('nluinbifonues. 321
trägt ca. \^ bis ^:^ der Länge der Tibia und ilire Hülie iiiiget'älir
^/4 ihrer Basis.
Die Crista externa ist hauptsächlich an ihrem proximalen
Rande sehr dick. Bei den meisten Tauben ist sie vorwärts aus-
wärts gerichtet und bildet so mit der Crista interna eine tiefere,
mit der Fibula eine sehr flache Rinne. Ihre Basis ist kürzer als
die der Crista interna. Bei den Columhidae, Goura und einzelnen
Peristeridae {I^irtur, Metriopeliä) sowie auch bei Fezop/iaps' ist sie fast
direct auswärts g-erichtet und bildet so mit dei' Fibula eine tiefe
Rinne.
Der Schaft ist schlank, weist aber bei den Riesentauben eine
bedeutende Stärkezunahme auf. Er trägt in seinem zweiten Sechstel
auf der lateralen Fläche eine kammartige Tuberosität zum Ansatz
der Fibula. Dadurch wird die vordere Fläche auf diese Ausdehnung
etwas flach. Weiter distal ist der Schaft rundlich und zeigt erst
wieder gegen den distalen Gelenktheil eine Ausbreitung. Zugleich
entsteht auf seiner vordem Fläche, dem medialen Rande genähert,
eine Rinne, welche in den Extensorencanal führt.
Von der Crista interna läuft stets eine starke rauhe Linie,
welche gelegentlich zu einer Kante anschwellen kann, gegen den
medialen Condylus. Diese Kante beobachtete ich am stärksten bei
Treron. Sie setzt sich in den die Extensorenrinne medial begren-
zenden Wall fort und trägt hier einige besonders starke Rauhig-
keiten. Li der Mitte des Schaftes ist die Kante stark gerundet.
Sehr schwach wird sie bei Didunculus, Goura und IHdus angetroffen,
während sie bei Pezopliaps gut markir.t ist.
Unregelmässige Rauhigkeiten bedecken die ganze mediale und
hintere Fläche des proximalen Vi c^er Tibia; nur eine rauhe Linie
mehr auf der hintern Fläche ist von einiger Constanz. Sie setzt
ungefäln- in der Mitte des postaxialen Randes der proximalen Ge-
lenkfläche an, läuft direct abwärts und endet mit dem [)roximalen
Drittel der Tibia.
Auch von der Tuberositas fibularis läuft eine Linea
aspera direct gegen den lateralen Gelenkcondylus.
Der distale Gelenktheil zeigt kaum einige Modiücationen.
Der laterale Condylus ragt gegenüber dem medialen schwach distal
vor. Jener ist gewöhnlich bedeutend kleiner als der mediale. Eine
Ausnahme machen IHdimcnlus und Goura. Bei rrzophaps ist die
Grössendifferenz am stärksten, wo auch der mediale Condylus über
322 ßuDOLF Martin,
den lateraleil prominiit. Ein ähnliches Verhalten zeigt Didus. Alle
übrigen Tauben entsprechen dem zuerst Gesagten.
Bei den TfiJopodmae scheint die Expansion des Gelenktheiles
relativ am stärksten zu sein; doch missglückte ein Versuch, dies
durch Messung- festzustellen, aus Mangel an Anhaltspunkten.
Die Extensorenbrücke ist schmal, und ihr unterer Band fällt
mit der Verbindungslinie der proximalsten Punkte der Condyli zu-
sammen. Da und dort kann die Ausmündung des Canals auch tiefer
in der Fossa intercondyloidea liegen; so vor Allem bei den
Ptilopodinae: die Folge dieser Verlagerung ist. dass diese Oett'nung
breit schlitzartig wird. Auch Diduucuhis kann ein ähnliches Ver-
halten zeigen, denn innerhalb ein und derselben Art macht sich in
dieser Hinsicht eine grosse Variabilität breit. Gute Beispiele liefern
Didus und Pesophaps. Scharfe Grenzen lassen sich nicht ziehen, da
eben keine solchen gegeben sind.
Die Wälle, welche die Rinne, die zur Extensorenbrücke zieht,
begrenzen, sind von rauher Beschaifenheit, namentlich der laterale.
Den Ligamenten werden so gute Anhaltspunkte geliefert.
Die seitlichen Flächen der Condyli sind etwas concav, und die
mediale trägt einen ansehnlichen Höcker. Sie ist zudem bedeutend
tiefer gehöhlt als die laterale.
Zum Schlüsse noch einige Zahlen, welche über die Länge des
Unterschenkels Aufschluss ertheilen mögen (f = Länge des Femurs):
Gonra coronata
10,4
dv
= 1,55 f
Bidunculns strigirosfris
10.7
,.
= 1,39 ..
Phaps chalcoptera •
8,2
,.
= 1,31 ..
hisfrionica
7,9
11
= 1,33 ..
,. iiidica
9,1
11
= 1,53 „
Turfur vinaceus
7,7
11
= 1,30 „
Zenaida auriculata
8,1
^.
= 1,29 „
Geopelia striata
9,3
= 1,40 ,.
Jletriopelia melanoptera
8,5
= 1,30 „
Sfanioenas cyanocephala ■
9,6
))
= 1,45 ..
Colnmha picamiro
7.5
11
= 1,37 „
,. liria
' 8.5
,,
- 1,38 „
,, rufina
7.3
= 1,29 „
Macmpygia cmiliana
6,7
11
= 1,29 „
Eciopisies mif/ratorius
8,7
11
= 1,41 „
Carpophaga aene'a
6.7
= 1,27 ,.
73
,. = 1.29
Ü.5
,. -1.22
6.8
„ -. 1,23
6,9
,. ==1.25
7.3
„ = 1,H
7.5
,. = 1.24
7,1
,. =■ 1.25
S.4
. = 1.25
8,4
.. = 1.25
7.8
„ =^ 1.29
7.1
.. - 1.26
Die vergleichende Osteologie der CuluiuljitVirnies. 323
Carpophaga oceanica 7J dv -=- 1.30 f
„ hicolor
,, lacrmulafd
Treron oxijura
Vinmjo cdlva
Treron reriuois
ftilvicollis
hiciurtd
Ti Uop i (S roscinijlis'
„ mehmocephahis
,. melanospüus
A lecfroohis niadctf/ascariensis
y Fibula.
Die Fibula beträgt die Hälfte bis zwei Drittel der Tibia. Ks
ist kaum möglich, ilire Länge genau zu bestimmen, da sie. die
Knochensubstanz allmählich verlierend, in einen sehnigen Strang-
übergeht, der an einem kleinen Höcker der Lateraltläche des Con-
dylus lateralis sich ansetzt.
Das proximale Ende des Grilfelbeines ist verbreitert und trägt
auf der medialen Seite die halbkreisförmige Gelenkfläche für die
Rolle des Femur (siehe oben). Die hintere proximale Ecke ist dabei
ausgezogen und spitz, während die vordere einen stumpfen Winkel
darstellt.
Der ganze proximale Theil- ist rauh und zeigt eine doppelte
Krümmung: 1. nach der Seite concav der Tibia sich anschmiegend
und 2. nach vorn convex. Sobald die Tuberosität der Tibia erreicht
ist. wendet sich der Knochen wieder etwas auswärts, um dann
gerade und mit dem Schienbein annähernd parallel ihren weitern
Verlauf zu nehmen.
Die hintere Kante der Fibula ist scharf und erhebt sich nahe
dem untern Ende der Tuberositas fibularis. mit der sie eine innige
Verbindung eingeht, doch ohne zu verschmelzen, in einem Vorsi)rung.
an dem die Endsehne des Musculus iliofibularis inserirt.
Die vordere Kante ist gerundet und knorrig.
Die Verbindung mit der Tibia geschieht durch sehnige Faser-
züge und ist namentlich proximal und dann zwischen der Tuberositas
fibularis tibiae und der entsprechenden Stelle der Fibula eine sehr
enge. Selten, z. B. bei Diduncnlns. kann es zu einer Verschmelzung
kommen (wohl nur bei alten Thiereu). Bei Didiis oder Pcrophaps
beobachtete ich nie eine solche, ebenso wenig bei andern 'l'auben.
324 Rudolf Martin.
ö) ])er Metatarsus (siehe Abbildungen von Strickland u.
Mp:lvilj.e, Owen, Newton etc.).
Bezüg-lich der Bezeichnnngen am Metatarsus halten wir uns am
ehesten an die von Owen^) für Pe^ophaps angewandten, ül)Wohl dort
die Benennungen entschieden zu weit getrieben sind.
Die Charakteristik, welche Owen für Fesophaps giebt, lässt sich
fast unverändert auf alle Tauben übertragen. Natürlich sind die
rauhen Linien und Cristae bei diesen weniger scharf als bei den
Riesentauben ; das ist die einzige Differenz, welche mir bei der Ver-
gleichung in die Augen fiel.
Durchweg sind die Rauhigkeiten am Ec tometatarsns, von
Owen als Crista ectometatarsalis bezeichnet, wenig oder
kaum bemerkbar. Die Crista ectogastrocnemialis ist überall
ziemlich scharf ; ebenso wird die Crista postin terossea nie
vermisst. Die Linien und Vorsprünge des Innern Metatarsale zeigen
keine wesentlichen Abweichungen von Fempliaps.
Ich darf nicht versäumen, die Zahl und Anordnung der Selinen-
canäle in dem plantaren Fortsatz des nach hinten gequetschten
proximalen Endes des mittlem Metatarsale mit in Betracht zu ziehen.
Einige Figuren können die Verhältnisse einfacher darlegen als eine
Beschreibung. Der Grundplan bleibt stets der gleiche, nur ist er
bald weiter, bald weniger weit ausgetragen. Das Verhalten dieser
Fig. U^
Proximales Ende des 1. Metatarsus (von i)ben gesehen). 1:1.
a. Caloenas nicobarica. b DkluncnluH Htr'igirostris.
Sehnencanäle zeigt einige Constanz, doch kommen Abweichungen
vor (z. B. beobachtete ich bei Treron vernans bald 2, bald 3 Canäle;
ersteres scheint Regel zu sein). Auch sind die äussern Wandungen
der äussern Canäle oft stark verdünnt, dass der nächste »Schritt zu
einer Oeffnung des Canals führen muss (dies wurde bei Carpophaga
und Treron beobachtet). Die Anordnung der Canäle ist stets die-
selbe: 2 mediale, von denen der vordere der grössere und constantere
1) In: Trans, zool. Soc. London, 1872.
I'ie versleichende Ostenloaie der Columbifornies. 325
ist. und 1 lateraler; dieser ist den grössten Sclnvaiikung-en unter-
worfen.
So lässt das proximale Ende und der Schalt in Hinsicht auf
ihre specielle Structur keine gründlichen Ditferenzen erkennen;
diese liegen vielmehr in der allgemeinen Gestaltung des Mittel-
fusses.
Doch bevor wir auf diese eingehen, sei mir gestattet, den
distalen Gelenktheil, welcher uns auch einige Anhaltspunkte bieten
kann, in Betrachtung zu ziehen.
Der distale Theil des Metatarsus ist ausgebreitet und löst sich
in die drei ]\retapodien auf, die je eine Gelenkrolle für die Grund-
phalangen der drei vordem Zehen tragen. Diese drei (Telenkrollen
liegen nie in einer Ebene, die zur Knochenaxe parallel ist; auch
ragen sie distal ungleich weit vor (Taf. 12. Fig. 10). Der Grad
dieser Xiveaudifferenzen wechselt, und zwar können folgende Stadien
unterschieden werden (man denke sich das ganze Metatarsale auf
eine Ebene durch die beiden vordersten Punkte des i)roximalen
Endes der Metatarsalia 1 und 2 und durch den vordersten Punkt
der mittlem distalen Trochlea gelegt):
1. Innere Trochlea stark plantar war ts gebogen:
Pcristeridae, Ectopisfes, Ptilopodinae, Goura, Didunculus.
2. Mittlere Trochlea distal stark prominent:
Feristeridae, CoJumbidae (Ausnahme: Macropygia), Goura,
Didimcidus.
3. Aeussere Trochlea plantar war ts gekrümmt:
Peristeridae schwach, Columbidae schwach, Treronidae schwach,
Goura stark, Didunculus S(diwach.
Die mediale Gelenkrolle trägt einen plantaren Fortsatz, dessen
Aussenseite zur Aufnahme von Ligamenten gehöhlt ist. Die Axe
dieser Innern Trochlea läuft von innen oben und hinten nach aussen,
unten und vorn, d. h, gegen das Centrum der mittlem Trochlea.
Die VorderHäche ist glatt und stellt einen Cylinder dar, der auf
der Hinterseite eine breite Rinne trägt, welche ihre Entstehung der
Anheftung des erwähnten plantaren Fortsatzes verdankt. Dieses
zweite Metatarsale ist bis zum proximalen Rande der Trochlea mit
dem dritten verschmolzen.
Die mittlere Trochlea steht ([uer; auch sie gleicht mehr oder
Aveniger einem Cylinder mit horizontaler Axe ; die Cylindertiäche ist
iedoch tief eingeschnürt; die so entstandene Rinne beschränkt sich
326 Rudolf Martin,
aber nicht nur auf die plantare Fläche der Eolle, sondern erstreckt
sich auch noch über die ganze vordere Seite derselben. Die seit-
lichen Flächen dieser Trochlea sind schwach concav. Der ganze
Gelenktheil ist geg'enüber der Axe des Knochens schwach plantar-
wärts gekrümmt.
Die äussere Trochlea ist annäliernd das Spiegelbild der Innern ;
sie divergirt nur wenig von der Knochenaxe nach aussen und hat
die Form eines schief gedrückten Cylinders, der auf der Vorderfläche
glatt, auf der Hinterfläche eingeschnürt ist. Sein lateraler, plantarer
Rand ist zu einer Schneide ausgezogen. Das Metatarsale 4 ist
schlank und trennt sich ungefähr zu Beginn des letzten Sechstel
des Metatarsus; seine Trochlea steht jedoch durch eine starke
Knochenbrücke mit der mittlem in Verbindung. So entsteht zwischen
dem mittlem und äussern Mittelf ussknochen ein Canalis inter-
osseus. der den ColimiUdae meist fehlt.
Und nun noch ein Wort zur Gestaltung des Metatarsus im
Allgemeinen !
Die relative Länge macht innerhalb der Ordnung starke Wechsel
durch, wenn wir z. B. den Metatarsus von Treron auf der einen,
den von Goura auf der andern Seite ins Auge fassen.
Bei Treron ist er kurz und breit; proximal sind die Elemente
durch grosse Foramina getrennt, und das mittlere Metatarsale kommt
in grosser Ausdehnung auch proximal auf der Dorsalfläche zum
Vorschein; es ist zudem bedeutend stärker als die seitlichen.
Bei Carpophacia wird es bereits mehr plantarwärts gedrängt.
Die Columhidae schliessen sich Treron an.. Auch distal sind die
Elemente gut getrennt und stark divergirend. Mit andern Worten :
dieser Metatarsus steht der ursprünglichen Form viel näher als der
der übrigen Tauben. Didus schliesst sich diesem Typus an. während
sich Pezophaps dem zweiten einreiht.
Dies wird erklärlich, wenn wir uns das andere Extrem als
eine Folge einer Streckung des Metatarsus vorstellen. Das mittlere
Element wird proximal plantar hinausgequetscht und ist auf der
Vorderfläche kaum mehr sichtbar; es bleibt auch hier den lateralen
gegenüber bedeutend stärker, doch wird in Folge dieser Vorgänge
die Gesammtbreite des proximalen Endes des Metatarsus geringer.
Die Verschmelzung der drei Metatarsalia ist eine innigere, und die
Foramina interossea sind bedeutend reducirt oder fehlend
{Diännaüns). Die Divergenz der distalen Enden ist geringer als
bei Trerou etc. Eine weitere Folge dieser Verschmälerung ist dann
Die verg'Ieicheude Osteolog-ie der Colunibiformes. 327
das distale Heraustreten der mittlem Trochlea. die so gieiclisam
dem mittlem Finger eine freiere Bewegung- verschafi't, die ohne
Zweifel, Avenn diese Verschiebung- nicht geschehen wäre, beein-
trächtigt würde. Diesem Typus sind die Peristeridae, Goura und
DiduncuJus einzuverleiben.
Das Metatarsale 1 (freie Hinterzehe) bedarf keiner weitern
Erklärung; es zeigt stets dieselbe Form, über die tab. 11 in
Stkk'kland u. Melyille Aufschluss geben kann.
Einig-e Zahlen seien füi- die hauptsächlichsten Formen beigefügt :
Goura coronata 7,7 dv.
DidimrAÜus sfrüßrosfris 6,3 dv.
Phaps clidlcopteru 4,3 dv.
Columba picasuro 3,9 dv.
Treron vernans 3,7 dv.
€) Die P h a 1 a n g- e n.
Die Phalangenformel ist stets 2, 3, 4, 5.
Die (jrundph alange der Hinterzehe ist lang und übertritft die
übrigen bis zu ^/g (Carpophaga). Die Differenz ist aber meistens
g-eringer, indem sie in der Mehrzahl der Fälle ^j,, bis V^ beträgt.
Bei Phaps chalcoptera wurde ein umgekehrtes Verhältniss angetroffen,
denn dort übertraf die Grundphalange der zweiten Zehe die der
ersten um \/,o ihrer Länge; dies ist aber der einzige derartig beob-
achtete Fall. Bei Goura und Didimndns sind die Grundphalangen
der 1. und 2. Zehe fast gleich lang; Vinago calva steht Carpophaga
am nächsten.
Die Grundphalange der 3. Zehe ist mit wenigen Ausnahmen die
zweitlängste. Es wurde bereits von Newton darauf hingewiesen,
dass sie bei Didm und Pezopliaps von der Grundphalange der 2. Zehe
übertroffen wird und dies als Folge der intensivem Beanspruchung
des Fusses erklärt. Wie dem sei, ich vermag kein Frtheil abzu-
geben, doch kommt es mir eher absonderlich vor, dass hier in Folge
der iSteigerung des Laufvermögens die 2. Zehe sollte verstärkt
werden, während sonst die Laufvögel doch gerade zur Reduction
dieser Zehe neigen. Thatsache ist, dass die Grundphalange der
2. Zehe die der 3. übertrifft; das Gleiche gilt für iJidmicidus
und Goura sowie auch für die Peristeridae (mit Ausnahme von
Mefriopelia) ] diesen zunächst folgen die verschiedenen Carpophaga-
Arten, dann die übrigen Tauben ; die Treroninac und Pfdopodinae
rücken am weitesten ab.
Znol. Jahvli. XX. Abtli. f. Syst. 22
328 Rudolf Maktin.
Ganz ungeachtet der relativen Länge der Grundphalangen ist
die 2. Zehe die längste.
Die 2. Phalange der 2. Zehe beträgt -/..j bis ^/.^ ihrer Grund-
phalange; an der 3. Zehe ist dieses Yerhältniss ungefähr gleich,
während die 3. Phalange dieser Zehe ca. % der Grundphalange
ausmacht.
Die Glieder der Aussenzehe sind kurz; ihre Grundphalange
kommt der Länge der dritten der 3. Zehe am nächsten, die übrigen
betragen -'/^ bis -.5 der entsprechenden (4 rund phalange.
Die Endphalangen tragen die gewöhnlich starken Klauen, welche
bei Carpophaga ihre beste Entwicklung erlangen.
Allgemeiner T h e i 1.
Eiiileitiiiii^.
Nachdem wir uns nun eingehend mit den Formen und Form-
veränderungen des Skelets befasst haben, stehen wir vor der Auf-
gabe, entweder die vorliegenden Eesultate in einen genetischen Zu-
sammenhang zu bringen oder sie physiologisch aus einander abzu-
leiten. Die zweite Aufgabe mag dahingestellt bleiben; dagegen
wird uns die erste für einige Zeit in Anspruch nehmen.
Die Forderung eines Stammbaums irgend einer Formengruppe
deckt sich mit der einer natürlichen Systematik. Es fehlt durchaus
nicht an Versuchen, diesen Ansprüchen für die Tauben zu genügen,
und zwar suchten die verschiedenen Forscher jeweilen auf ver-
schiedenen Wegen ihr Ziel zu erreichen oder gelangten durch ver-
schiedene Abschätzung der einzelnen Merkmale zu verschiedenen
Resultaten, so dass man beinahe sagen kann, die Zahl der Systeme
komme der Zahl der Systematiker gleich.
Immerhin lassen sich alle Systeme nach ihrer Grundlage in zwei
Classen anordnen: während die altern Forscher und diejenigen,
welche sich zu dieser Richtung noch heute bekennen, die äussere
Form, hauptsächlich die Bildung des Rostrum com e um, der
Füsse und die P'ärbung, als Eintheilungsprincip erwählten, sind
auch einige Versuche gemacht worden, der Aufgabe mit Hilfe der
Anatomie nahe zu treten.
Die erstgenannte Gruppe beginnt mit Linke und gipfelt in den
Systemen von K. Bowdler Shaepe und Salvadoki. während zuerst
Die vergleichende Osteologie der Columbiformes. 329
Garrod iiiid Haswell auf Grund der Anatouiie ihre Sjsterae auf-
zubauen bestrebt waren. In viel «Tösserm ^[aasstabe führte Für-
BRixGER eine anatomiselie Gliederung- nicht nur der Tauben, sondern
der Vögel übei'liaupt durch, und diesem Beispiel folgte auch Gadow,
In neuester Zeit griff endlich Shuffeldt die Ordnung der Columbae
wieder heraus, indem er sie vom Standpunkt des Osteologen be-
trachtete.
Der Grund zur anatomischen Behandlung der Vögel wurde
l)ereits früher gelegt und zwar durch die vergleichend anatomischen
Arbeiten von Huxley, Gegekbaur, Mivart und Clarke u. a. m.
und entsprang in erster Linie aus der Tendenz, die Vögel mit den
Beptilien in Beziehung zu bringen. Erst nach und nach machte
sich das Bedürfniss geltend, einzelne abgeschlossene Formengruppen
für sich zu betrachten, und daraus entstanden eben die Arbeiten
von Garrod und Haswell, welche uns hier noch besonders inter-
essiren weiden, da sie die Tauben zum Gegenstand haben.
Kehren wir noch einmal zur ersten und alt hergebrachten Ai-t
der Systeme zurück, so dürfen wir hier füglich diejenigen bis auf
Fürrhinger und Gadow bei Seite lassen, da sie bei den beiden
Autoren eine genügende Auseinandersetzung erfahren. Hier handelt
es sich noch um die neueste Arbeit: das System, das Salvadori
dem Kataloge des Britischen Museums (Tauben) zu Grunde gelegt hat
und das im Wesentlichen an das System Sharpe's anschliesst.
SALVADORfs System hat durch den Ort der Publicatiou wohl
die rascheste und grösste Verbreitung erfahren; verfolgen wir auf-
merksam die jeweiligen typischen Merkmale, so sehen wir zunächst,
dass nothgedrungener Weise die Osteologie zur Trennung der Ord-
nung in die Columbae und Didi beigezogen werden muss, also ein
streng anatomisches Merkmal, gegen welches nichts einzuwenden
bleibt.
Die Unterordnung der Columhae wird ferner in 5 Familien ge-
schieden, und zwar werden auf Grund des Nasenloches von Anfang
an die Didiincnlidac bei Seite geschoben und den übrigen Familien
gegenüber gestellt.
Von diesen fallen zunächst die Goundac durch Besitz des
Schopfes weg, dann werden die Fensferidac auf Grund des längern
Metatarsus ausgefällt, und endlich bleiben noch die Tnromdac A'on
den Colxndjiddc zu scheiden, was mittels dei- ausgebreiteten oder
schmalen Zehensohle geschieht.
Die einzelnen Familien werden nun in mehrere Unterfamilien
22*
330 Eldolf Martin.
aufgetheilt, und zwar geschieht dies in verschiedenen Familien auf
verschiedene Weise.
Die Treronidae lassen nach dem Schnabelprofil (dessen
Verschiedenheiten aber auf tief g-reifende osteologische Diiferenzen
zurückzuführen sind) die 3 Unterfamilien der Treroninae, PiUopodinae
und Carpoiihaginae unterscheiden, deren Gattungen und Arten durch
die Färbung charakterisirt werden.
Anders die Columhidae. bei denen die relative Schwanzlänge
als geeignet erachtet wird, die Unterfamilien zu charakterisiren,
resp. die Colnmhhme den Ilacropijgiinne und Ectopistinae gegenüber
zu stellen. Diebeiden letztern werden durch die Schwanzbreite
unterschieden. Für die Gattungen kommen dann in Betracht die
Befiederung des Laufes, die relative Länge der ersten Hand-
schwinge, die Stärke des Schnabels {Macropijgiinae) sowie die Gestalt
des hintern Schwanzendes und das Vorhandensein oder Fehlen eines
Schopfes {Macropijgiinae).
Die Peristeridae werüen von Anfang an bloss durch die Grund -
färbung charakterisirt und so in 6 Unterfamilien getheilt, von
denen die der Geotrijgoninae die umfassendste ist. Die Gattungen
und Arten werden dann an der Färbungsvariation erkannt.
Für die Arten von Goura ist die Beschaffenheit des
Schopfes und die Farbe charakteristisch.
Es lässt sich nicht leugnen, dass Salvadobi durch diese Wahl
der Merkmale und deren Combination dem Ornithologen einen guten
Dienst geleistet hat. Die Schärfe der Diagnosen, die in dieser Be-
ziehung sich vorth eilhaft von denen z. B. von J. V Carus unter-
scheiden, macht das Werk zu einem vorzüglichen Bestimmungsbuch.
Auch waren ja Salvadori die Hände gewissermaassen zum vorn
herein gebunden, da er die Balgsammlung des Britischen Museum
zu rein museologischen Zwecken zu bearbeiten hatte, also der Innern
Anatomie keine Aufmerksamkeit zuwenden konnte.
Immerhin muss darauf aufmerksam gemacht werden, wie un-
gleich die gleichen Merkmale in verschiedenen Abtheilungen ver-
wendet werden, dass wohl dem einen oder andern ein zu hoher
Werth beigemessen wird und so zu tiefe Einschnitte in die Familien-
verbände entstehen. Auch darf man nicht darüber hinweggehen,
dass die Grenzen oft keine natürlichen sind, sondern heterogene
Formen in sich aufnehmen müssen, während verwandte Formen in
andere Verbände gesteckt werden. So spielen die Perisferidac,
Die ver<;leiclieiule Osteologie der Colniiibifonnes. 331
speciell die Geotrijf/oninac, die Rolle des Keliiiclitkoi'bes. in dem
alles, was sonst nirgends passen wollte, vereinigt zu finden ist.
Soweit ist man mit blosser Zuhilfenahme der äussern ^ferkmale
g-elangt, und es wirft sich ohne weiteres die Frage auf, ob auf dem
Wege der Anatomie der Erfolg- ein grösserer oder kleinerer war.
Die Antwort muss entschieden zu Ungunsten der Anatomie aus-
fallen, doch ist das ungünstige Besultat nicht der Anatomie, sondern
denen, die sie gehandhabt haben, zuzuschreiben, Gakkod, Haswell
und Shuffeldt.
Die umfassendem Arbeiten von Fühekingei; und Gadow fühle
ich mich nicht berufen zu kritisiren, zumal sie nicht besonders auf
die Columbiformes eintreten. Beide Autoi-en halten ihr Urteil zurück
und stellen die Lösung der Aufgabe einer Taubensystematik der
Anatomie der Zukunft anheim. Sie begnügen sich, bloss ihren Ver-
muthungen Ausdruck zu geben, und somit wenden wir uns also
direct den drei Forschern zu, welche die Tauben speciell zum Gegen-
stand ihrer Untersuchungen gemacht haben.
Der erste von ihnen, Garrod, hat die Frage am eingehendsten
in Angriff genommen, doch sind auch seine Versuche zu wenig
durchgreifend und die Merkmale nur einem oder wenigen Organen
entnommen.^) So gelangte Gakeod dazu. Convergenzen mit
genetischen Charakteren zu verwechseln. Wenn er z. B. auf Grund
der Abwesenheit des Musculus ambiens Phlogoenas, Starnoenas,
Geopelia, Ptüopns, Treron und Goura in eine Stammreihe anordnet,
so ist auf den ersten Blick ersichtlich, dass wir es hier mit einer
Versammlung von weit von einander abgelegenen Formen zu thun
haben. Geopelia, welche osteologisch unbedingt den Peristeridae an-
gehört, kann, was die Weichtheile betrifft, eben so gut durch Ver-
lust des Ambiens von hier aus abgeleitet Averden. Wenn auch
PhJogoenas und Starnoenas Caeca besitzen, so steht ihre Beziehung
zu den Peristeriden doch ausser aller Frage, denn dass die eine oder
andere Form alterthümliche ^\'erkzeuge, obwohl schon lange ausser
Function gesetzt, bewahren kann, ist eine häufige Erscheinung (so
machte mich z. B. Herr Dr. Hans Gadow auf ein Rudiment der
Innenzehe beim Straussen aufmerksam, das sich seit der Tertiärzeit
\Siruthio asiaticus] bis zum heutigen Tage unverändert erhalten hat.
Herr Dr. Gadow gedenkt daiübei' noch eingehend zu berichten).
1) Muse. Ambiens, (.'aeca, Carotiden, Glandula uropygialis, Rectrices.
332 RcDOLF Martin,
Eudlicli scheint mir Gaekod weit neben das Ziel geschossen
zu haben, wenn er die Verlängerung des Darmes bei Didnnculus
auf den Uebergang zur Fisch- und Molluskennahrung zurückführt,
also auf den Uebergang von Fruchtnahrung auf Fleischnahrung!
Wem ist aber nicht bekannt, dass carnivore Thiere sich gerade durch
eine Verkürzung des Darmes auszeichnen? Im Uebrigen kann ich
Gaeeod diese Behauptung auch positiv widerlegen , indem ich im
Kröpfe von Diduncnlns stets Früchte vom Umfang sehr grosser
Erbsen (eher noch grösser) und von auffallender Härte fand.
Noch weniger glücklich sind die Versuche Haswell's und zwar
hauptsächlich darum, weil er Eigenthümlichkeiten, welche einer ein-
zigen Form entnommen waren , gleich auf die ganze Familie
übertrug.
Die neueste rein osteologische Beschreibung der Tauben, die,
wenigstens nach dem anmaassenden Titel zu schliessen, die ganze
Ordnung zu behandeln vorgiebt, befasst sich mit Pterodes, einigen
nordamerikanischen Tauben und etwas mit DkhmcHlus , während
man von der Existenz anderer Formen etwa durch einen Namen in
Kenntniss gesetzt wird. Sie hat Shuffeldt zum Verfasser.
Wie angedeutet, erreicht sie das ihr gesteckte Ziel nicht;
offenbar hat dem Verfasser das nöthige Material gefehlt, respective
die Fragestellung ist dem vorliegenden Materiale nicht angepasst
worden. Das SHARPE-SATiVADoin'sche System, das Shuefeldt zum
Schlüsse seiner Abhandlung anfügt, erfährt durch die vorhergehen-
den Darlegungen weder eine bessere Begründung, noch geräth es
ins Schwanken. Auch der Behauptung. Bidunculns stehe der Gattung
Columha so nahe wie irgend einer andern Taube, fehlt ein genügen-
der Beweis. Unsere Kenntniss der Anatomie, vor allem der natür-
lichen Systematik der Tauben, wird also durch Shuffeldt nur
wenig gefördert.
Man ist somit weder auf die eine noch die andere Art den an
uns gestellten Anforderungen gerecht geworden. Man wird eben
auch hier trachten müssen, den von Fürbringer gebahnten Weg
einzuschlagen, d. h. Summen von Merkmalen gegen einander ab-
zuwägen.
Ferner muss das Fundament eines möglichst natürlichen Systems
auf der richtigen Werthschätzung der einzelnen Eigenthümlichkeiten
aufgebaut werden. Gaddw ^) hat bereits versucht, diese nach ihrem
1) In: Bronn, Class. Ordn. etc., Theil 2.
Die vergleichende Osteoloi^ie der Coluinbifonues. 333
sj'Stematisclien Wertlie tabellariscli zusammenzustellen; ich kann
den Bemerkungen nur beipflichten und füge noch Folgendes zu.
Wir haben im Laufe des speciellen l'heiles gesehen, dass einer-
seits die individuelle Variation ^) äusserst weit ausgreift, dass aber
andrerseits einzelne Skeletelemente oder Theile von solchen eine
grosse Constanz aufweisen und sich nicht oder nur wenig modificirt
durch ganze Formengrup}»en erhalten. Die Zahl dieser starren Ge-
bilde ist allerdings gering, dennoch bin i(h der Ansicht, dass man,
im Hinblick auf die Variabilität der übrigen Skelettheile, auf jene
abstellen darf und ihnen einen hohen taxonomischen Werth bei-
zulegen hat. Sie geben uns ein Mittel, die Familienverbände zu
umgrenzen.
Die m 3' 0 1 0 g i s c h e n E i g e n t h ü m 1 i c h k e i t e n führen uns
in den einzelnen Familien noch weiter und gestatten uns oft die
fortgeschrittenern Kiemente auszuscheiden. Es kann sich dabei
natürlich nicht um die Vergleichung der ]\[usk einlassen handeln, da
dies im vorliegenden Falle ein Unding ist, sondern bloss um einige
der stärker variirenden Muskeln, also Ambiens und Latissimus
dorsi posterior. Dass die Hautmuskeln ebenfalls von Bedeutung
sind, möchte ich hier als Vermuthung aussprechen; leider war ich
nicht in der Lage, sie zu untersuchen, da mein Material zum grössten
Theil hierfür zu ungenügend conservirt war.
Die Nervenge flechte von Arm und Bein, welche eingehend
studirt wurden, sind zu veränderlich einerseits (nämlich in der
Speciesj, zu constant andrerseits (in der Ordnung), um taxonomisch
ins Gewicht zu fallen.
Der Darm endlich ist von Aufenthaltsort und Ernährung zu
abhängig, um eine allzu grosse systematische Bedeutung zu besitzen.
Dagegen mag er für die Gattung und die Art seine Dienste leisten
und so mit den Merkmalen der äussern Form und P^ärbung zu-
sammen genommen zur letzten Aufspaltung der genetischen Ein-
heiten in Anwendung kommen.
1) Es scheint , dass die individuelle Variation in den zwei Unter-
ordnungen der Tauben aus verschiedenen (Quellen entspringt : bei den
('(ilionhiir aus der Indifferenz ihrer Organisation, bei den Diili gleichsam
daraus, dass die Formen, dank ihrer hohen Specialisirung, ihre volle Ver-
erbungskraft erschöpft haben und somit der Zufall ein freies Spiel be-
kommt.
334 Rudolf Martin,
Nachdem wir uns noch über diese einzelnen Punkte Rechen-
schaft gegeben haben, dürfen wir einen Versuch, die stammesge-
schichtlichen Daten in Zusammenhang zu bringen, wagen.
Systematik.
Durch die Anwendung dieser Mittel, nämlich der Anatomie,
vorzüglich der Osteologie, sowie der äussern Eigenthümlichkeiten,
werden innerhalb der Ordnung der Columbiformes verschiedene
wesentliche Verschiebungen gegenüber frühern Systemen nöthig,
welche in der Folge zur Besprechung kommen sollen.
Seitdem die Zugehörigkeit der madagassischen Riesenformen
zu den Tauben erkannt worden ist, hat man sie diesen in einer
Unterordnung, Didi, gegenübergestellt, während man die übrigen
Tauben in der Unterordnung der Columll)ae vereinigte.
Diese Trennung muss auch heute noch mit Vorbehalt beibehalten
werden, mit Vorbehalt nicht darum, weil die Ausscheidung nicht
berechtigt wäre, sondern weil sie vielleicht nicht genügend ist.
Wenn man nämlich JDidus und Pezophaps genau vergleicht, so
häufen sich die Differenzen derart, dass man sich fragt, ob es nicht
am Platze wäre, die Familie der Bididae weiter zu spalten, eventuell
sogar die Unterordnung zu lösen. Rudolf Bürckhardt ^) ist auf
deductivem Wege dazu gelangt, eine diesbezügliche Vermuthung
auszusprechen, ohne auf die anatomische Begründung der Frage ein-
zutreten.
Die Ihiterschiede im Schädel möchte ich nicht zu hoch an-
schlagen, obwohl die Umwandlung desselben bei den beiden in ganz
verschiedener Weise geschieht. Die Schnabelform bietet keinen
Anhaltspunkt, ebenso wenig die Schädelbasis (s. spec. Theil. S. 214 f.,
183, auch S. 201).
Die Wirbelsäule ist bei Didus gedrungener als bei Pczophaps,
die Rippenzahl grösser. Bei Pczophaps zählt die Halswirbelsäule
(indem ich die echten Cervical- und Cervico-thoraxwirbel zusammen-
fasse) regelmässig 15 Elemente (wovon das 15. mit dem 1(1 und 17.
verschmolzen), während JDidus in der Hälfte der Fälle bloss 14
zählt, dafür 5 echte Ri})penpaare.
Dazu kommen die Differenzen in der Scapula und hauptsächlich
im Coracoid, wobei besonders das Fehlen des Processus 1 a t e r a -
1) Problem d. antarkt. Schöpfungscentren etc., in : Zool. Jahrb.,
V. 15, Syst., 1902.
Die vergleichende Osteologie der Oolunibiformes. 335
lis cor. ins Gewicht fällt, der jxi bei älmliclier Stellung- der Knochen
bei Bidus wohl ausgebildet ist. Ferner sind die Unterschiede im
Sternum nicht zu übergehen, noch weniger die im Becken, auf
welche ja schon im speciellen Theil aufmerksam gemacht worden ist
(s. spec. Theil S. 241 und S. 280 ff.).
Endlich noch die bedeutendere Höhe der Hinterextremität bei
Pezophops bei ähnlicher Lebensweise wie Bidus und die verschiedenen
Verhältnisse innerhalb der Zonen der Extremität sind Ei-scheinungeu,
denen in der Regel zu wenig Gewicht beigelegt wird.
Auch verdient hier die Differenz der (Teschlechter bei Pe,~ophaps
erwähnt zu werden, die bei Bidus nicht oder Jedenfalls nicht in
dem Maasse beobachtet worden ist.
Mögen nun auch einige dieser Unterschiede auf secundären
^'orgängen beruhen, so existiren andere, denen jedenfalls ein höherer
A\'erth beizumessen ist (Schlankheit des ganzen Skelets von Pesophaps
Coracoid, Sternum und Becken), so dass ich geneigt bin, anzunehmen,
die beiden Formen haben schon von frühe an ihre be-
sondere Entwicklung du i' c h g e m a c h t , oder, was n o c h
wahrscheinlicher ist, sie seien niemals einig gegangen,
sondern ihre bedeutende Körpergrösse sei eine Con-
V e r g e n z e r s c h e i n u n g.'
Man hat ja in neuerer Zeit zur Genüge die Erfahrung ge-
macht, dass die Riesenvögel eine sehr heterogene Gesellschaft dar-
stellen, und es ist desshalb in dieser Beziehung höchste Vorsicht
angezeigt (vgl. Füebringee, Morph, etc., V. 2).
Natürlich kann es sich bloss um Vermuthungen handeln, und
absolut sichere Beweise sind ausgeschlossen. Immerhin möchte ich
die beiden Formen in 2 Familien aus einander ziehen: Dididae
und Pezophabidae.
Den IHdi gegenüber stehen die Colunibae, welche sich durch-
weg schon durch ihre geringere Körpergrösse von jenen abheben.
Es kann sich hier nicht darum handeln, die Gliederung de^*
reich verzweigten Stammes bis in die Spitzen der letzten Aeste und
Aestchen zu verfolgen, da einerseits — nämlich bezüglich der äussern
Merkmale — der SALVADOKi'sche Katalog befragt werden kann,
andrerseits aber das erforderliche Material zur anatomischen Unter-
suchung überhaupt fehlt und in seinem vollen Umfange auch nirgends
aufzutreiben ist. In den folgenden Zeilen sollen nur die Familien
und deren nächste Gliederung zur Besprechung gelangen.
2.
))
3.
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4.
« -i
5.
5! J
6.
» '
7.
'
4. Familie:
Gouridae
5. Familie:
Didunciilidae.
336 Rudolf Maktin,
Salvauoki und Sharpe unterscheiden bekanntlich:
1. Familie: Trcroiiidac
1. Unterfaniilie : Treroiiiiinc
2. „ PtilojiDtlinitr
3. „ Carji'ijihfif/i iiac
2. Familie: Colinvhidac
1. Unterfamilie: ('uluiubinar
2. „ Macropygiinna
3. „ Ecfopistiiiar
3. Familie : Pcrisferidar.
1. TJnterfamilie : Zciiaidiiido
Turtiiriiiae
(icü})(diinac
Pcristcr'uiac
PJiohinar
Geofnjr/oniiiar
Chloenadiiiae
Sehen wir nun zunächst nach, wie sich das Skelet, als ein
central gelegenes Organ, zu dieser Eintheilung verhält.
Indem ich auf den speciellen Theil verweise, mache ich noch
einmal darauf aufmerksam, dass nach Schädelbau, den Eigenthüm-
lichkeiten im Schultergürtel und im Becken die nachfolgenden Haupt-
gruppen zu unterscheiden sind, denen wir Familien- oder Unter-
familienrang einzuräumen geneigt sind. Als weitere Belege seien
ferner noch die der Anatomie der Weichtheile entnommenen Daten
beigefügt.
Eine erste Familie belegen wir mit dem Namen Columbidac und
fassen sie gleich wie Salvadori und Sharpe, nur dass wir die
I^nterfamilien wollen fallen lassen, indem Macropygia und Edopistcs
als blosse Genera der Gattung Columba gegenüber stehen. Ferner
geschieht ein Zuwachs von anderer Seite.
Die Familie ist charakterisirt durch die Schnabelform, die
mittelgrosse Fossa temporalis, eine schlanke Spina sterni
interna, regelmässig ovalen Brustbeinumriss; das Brustbein greift
weit unter das Becken nach hinten. P'erner ist der breite und
wenig markante An titroch anter charakteristisch. In der Regel
trägt der 8. Sacralwirbel Costalfortsätze ; oft vollzieht sich aber eine
Rückwärtsverschiebuns: des Beckens, und dann trägt der 8. Sacral-
Die vergleicheiHie Osteologie der Columbit'ornies. 337
Wirbel schwache oder nnpaarifje Costalfortsätze und der 9. starke,
oder endlich der 9. trägt allein solche. Die Gelenktiäche füi- den
Antitrochanter am ('oll um femoris ist vom peristeriden Tj'pus.
Der Metatarsus ist kurz und breit.
Der Muse, latissimus dorsi i)()sterior fehlt, der ]\1.
ambiens ist vorhanden. Beide Merkmale haben die Columbiden
mit den meisten Perisieridae gemein. Die iibrig-en Oberschenkel-
muskeln geben keine weitern Anhaltspunkte.
Das Vorhandensein der Caeca (nach Gakhod) isoliert die
Gruppe von den Treroniucte. Carpophug'nme, Pfilopadinac, Gonridac.
Didiincidits und den Pcristeridae mit Ausnahme der Gattungen
Pklogoenas, Stanioenas und Turtur.
Die Nervenplexus und Blutgefässe sind nicht besonders
charakteristisch.
Die Gattung Macropyr/ia umfasst kleinere Formen des austro-
malayischen Archipels, der Papua-Inseln. Australiens und Poly-
nesiens (Salomon-Inseln).
Osteologisch ist die Gattung nicht von Cohimha zu trennen,
ebenso wenig auf Grund der Myologie, so dass ich mich vollkommen
berechtigt erachte, den Rang einer für sie errichteten Unterfamilie
fallen zu lassen.
Der Beckenumriss ist schlanker und mehr rautenförmig als bei
Columha und Edopistcs. die hintere Extremität kürzer, sowie sich
auch einige kleine Längenditferenzen im Brustgürtel und der vordem
Extremität ergeben (Sternum relativ kürzer, ebenso der Flügel).
Dazu kommen noch die Unterschiede im Federkleide, auf die ich
nicht näher einzutreten habe, so dass die Gattung von ('ohonba und
Edopistes wohl unterschieden ist und dennoch in den constantern
Skeletpartien und anatomischen Eigenthümlichkeiten eng hier an-
schliesst.
Im Gegensatze zu Macropygia steht Ectopistes, der im ganzen
Bau die schlankste Form in der Familie darstellt. Nicht nui- die
Extremitäten, vor Allem die Hand und der Unterschenkel, sind
gegenüber den übrigen Columbiden gestreckt, sondern auch, obwohl
in geringerm Maasse. der Schnabel, während das Becken seine
Plumpheit beibehält und sich im UnirLss vollständig der Gattung CV)7?o»i«
anschliesst. Die weite continentale Verbreitung stellt wohl hohe
Anforderungen an das J^'lugverm()gen, woraus die Streckung der
Hand erklärt wird. Die Schlankheit des I\üri)ers geht Hand in Hand
mit der Schlankheit des Schwanzes.
338 Rudolf Martin.
Sind also die beiden alten Unterfamilien daliingefallen, so ist
eine andere Form der Familie beizugesellen und ihrer starken Ab-
weichung- wegen in einer besondern Unterfamilie unterzubringen.
Die alte Unterfamilie der Colunihimw wäre also erweitert und den
Caloenadinae mit den beiden bekannten Arten gegenüber gestellt.
Diese nämlich weichen osteologisch bedeutend von den Peristcridac
ab und nähern sich den Columbidac (Schädelbau. P^ossa temporalis,
Brustbein). Das Becken und besonders der Antitrochanter haben
eine kleine Umgestaltung erfahren, indem sie der höhern Bean-
spruchung angepasst worden sind. Das Becken ist schlanker und
der Antitrochanter breit (und tritt deshalb zu den Peristeridac in
scharfen (Gegensatz), doch bedeutend markanter geworden, wie über-
haupt die Modellirung des Beckens eine schärfere ist. Die hintere
Extremität ist etwas gestreckt worden, während die Hand einer
Verkürzung an heim gefallen ist.
Die hintere Portion des Latissimus dorsi fehlt ebenfalls,
wie auch der Ambiens vorhanden ist.
Dies Alles zusammen genommen mit den äussern Merkmalen
giebt beträchtliche Diiferenzen, welche den Subfamilienrang jeden-
falls rechtfertigen.
Die Caloenadinae haben schon einen beträchtlichen Grad der
Selbständigkeit erreicht und sind wohl seit längerer Zeit eine be-
sondere EntT\icklungsbahn, die zum Ratiten führen müsste. ge-
schritten.
Wir dürfen uns aber nicht verhehlen, dass gewisse Dinge am
Skelet von CkUoenas, vor Allem die Schnabelstellung, auch Anklänge
an Carpophaga zeigen.
Die zweite Familie, die Peristeridae, umfasst ebenfalls zum
grössten Teil die Formen, welche Salvadori dazu rechnet, mit Aus-
schluss der Caloenadinae und Oiklipliaps. Andrerseits ist es wohl
möglich, wenn nicht ersichtlich, dass eine andere reichere (^ruppe
als Unterfamilie dazu geschlagen werden muss, nämlich die Ptilo-
podinae.
Die Formen, die Salvadori als Peristeridae zusammenfässt (nach
Ausschluss der Caloenadinae und Ofidiphaps, was von jetzt an selbst-
verständlich ist), sind ausgezeichnet durch den schlanken Schnabel
(die Phahinae weichen ab, indem das Rostrum hier kräftig, aber sehr
kurz ist), die kleine Fossa temporalis, die schlanke Spina
Stern i interna, das leicht gebaute und in der hintern Hälfte
Die verofleichende Osteologie der Columbifornies. 339
veiiäiigerte Stern um, welches somit weit unter dem Becken nach
hinten ausgreift (weiter als bei Columbiden). Die Stellung der Ge-
leukfläche für den Trochanter der Scapula am Coracoid ist stärker
nach hinten gerichtet als bei Columhidae , Tnroninae und Carpo-
phcujinae. Die Gestalt des Beckens wechselt ziemlich stark, doch ist
die hintere Hälfte meist verkürzt und der vordere Theil schlanker
zulaufend als bei Columhidae. Der Antitrochan ter ist durch
seine Schlankheit und Prominenz charakteristisch. Die vordere Ex-
tremität ist nie besonders gestreckt, zumal die Hand nie eine auf-
fallende Länge erreicht, obwohl bei einigen Zwergformen eine auf-
fallende Kürze (Gcopelia). Die hintere Extremität dagegen ist durch-
weg relativ lang und sticht somit scharf von der der Columhidae
und Treronidae ab.
Die hintere Portion des Latissimus dorsi fehlt in der Kegel,
wird aber da und dort angetroifen (z. B. Fhaps indica); der Mus-
culus am biens ist gewöhnlich vorhanden, unterliegt aber secundär
hier und da der Reduction [Gcopelia. Fhlogoenas. Starnoenas). Wenn
nmn die Formen, denen er fehlt, betrachtet, so sieht man, dass sie
meist — wie im specielleu Theile zu zeigen versucht worden ist —
secundär specialisirt worden sind, und unsere Folgerungen werden
also hier durch die ^lyologie bestätigt. Diese Formen aber auszu-
scheiden, haben wir noch kein Pecht.
Auch hier giebt uns die Veigleichung der Xervengeflechte keine
Fingerzeige.
Die weitere Gliederung der Familie geschieht in 2 Unter-
familien, die Pcristerinae und die Fhahinae.
Ofidiphaps scheide ich aus der Familie aus und bringe ihn
anderwärts unter. Eine weitere Aufspaltung erlaul)t die Anatomie
nicht.
Die Peristerinae umfassen die SALVADOKi-SHARPE'schen Unter-
familien 1—4 und 6 und sind durch die Schnabelform und die
gewölbte Stirn ausgezeichnet. Diese erhalten sich durch alle
Formen sehr constant, so constant sich auch bei den Phahinae der
plumi)ere Schnabel und die median eingesenkte Stirn erhalten.
Sonstige anatomische Differenzen kann ich nicht aufführen,
denn ich hatte nur Gelegenheit, die Myologie der verschiedenen
Pha)»i-\Yi(iW zu Studiren.
Die dritte Familie vereinigt Formen, welche von Saiaadori in
3 Familien vertheilt wurden, nämlich die Carpophaginae. die Gouridac
340 Rl'dolf Martin,
und Otidipliaps. Wir fassen sie nach der umfangreichsten und primi-
tivsten Formengruppe als Carpophagidae zusammen.
Die Familie weicht von allen übrigen Tauben durch die Stel-
lung und Form des Schnabels ab, die nicht bloss äussere Er-
scheinungen sind, sondern auf einer Ummodelung der ganzen vordem
Schädelpartie beruhen. Die Fossa temporalis ist äusserst gross
und zeigt Anklänge an die Treroninae. Die gegenseitige Stellung
der Gelenkflächen für Humeruskopf und Scapula am Coracoid
bildet einen sehr stumpfen Winkel. Die Spina sterni interna
ist breit, Das Brustbein ist verschieden, soweit ich es aus eigener
Anschauung kenne; ich werde gleich darauf zurück zu kommen
haben. Das Becken ist bei Goura modificirt, bei Carpophaga aber
breit, kräftig und der Antitroch anter auf breiter Basis sitzend. Die
vordere Extremität zeigt bei Carpophaga keine wesentlichen Modi-
ticationen, mit der Ausnahme, dass die Hand etwas verkürzt ist.
Die hintere Extremität wechselt in der Länge beträchtlich.
Was von myologischen Eigenthümlichkeiten den drei Formen-
gruppen gemeinsam ist, kann ich nicht beurtheilen. Aus der Lite-
ratur entnehme ich, dass der hintere Kopf des Latissimus dorsi
bei Goura vorhanden ist, wie ich ihn auch bei Carpophaga con-
statiren konnte. DerAmbiens M\\t Goura. mc\\i o^htv Carpophaga.
Wie diese beiden Muskeln bei Ofid.iphaps ausgebildet sind, konnte
ich nicht in Erfahrung bringen.
Die Carpophagidae stellen die grössten heute lebenden Tauben-
formen dar.
Die Gliederung der Familie ist gegeben; wir unterscheiden
3 Unterfamilien : die Carpophaginae (im SALVADOEi'schen Sinne), die
Gourinae (= Gouridae Salvadoei's) und die Otidiphabinae (= Oiidi-
phahs).
Die Carpophaginae zeichnen sich vor den beiden übrigen Unter-
familien durch die niedrige, das hintere Ende des breiten Sternum
nicht erreichende Carina sterni, die Plumpheit des Brust-
beins (welches nicht bis auf die Höhe des Antitrochanter nach
hinten greift) und des Beckens und die kurze hintere Extre-
mität aus, was alles mit den äussern Merkmalen zusammen den
Verband scharf umgrenzt. Die vordere Extremität ist noch wenig
different.
Die Gourinae sind hoch specialisirte Carpophaga-Y orm^w, die, ab-
gesehen von der Körpergrösse. noch durch das lange, schlanke
Sternum mit den kurzen und plumpen lateralen Trabekeln, die
Die vergleicheiiile Osteologie der Coluuibifonnes. 341
hohe Crista sterni, das lange und si-hmale Becken mit den
stärker prominenten An titrochant ern, die kurze Hand und end-
lich durch die relativ bedeutendere Höhe der Hinterextremität aus-
gezeichnet sind. Entsprechend der Körpergrüsse ist auch die
Sculptur des Skelets eine schärfere.
Für OfidipJiaps kann icli leider nichts beifügen, und seine Stellung
ist eine etwas problematische. Der Gi'uiid, warum ich die Form
hierher genommen, beruht auf der Stellung und Form des Schnabels,
den Schädelmerkmalen etc., so viel eben davon in der nicht selir
deutlichen Photographie auf tab. 8 in A. B. Meyer's Abbildungen
von Vogelskeleten zu sehen ist.
Die Treronidac schliessen, nachdem wir auch die Ftilopodinae aus-
geschaltet haben und zwar auf Grund des schlanken, an Pcrisferidae
erinnernden Schnabels, der kleinen F o s s a t e m !> o r a 1 i s , der
abweichenden Stellung der (relenkflächen am Ooracoid, der Form
der Spina sterni interna, des kurzen Xiphosternum mit
den langen und schlanken äussern Trabekehi der geringen S acral -
wirbelzahl, noch die einzige Unterfamilie der Treromnae ein.
Diese ist durch das starke Rostrum, die äusserst grosse
Fossa temporalis, das schlanke Brustbein mit der schlanken
Spina interna, in der Eegel nicht sehr breites Becken (Aus-
nahme Vinago calvu) und den ziemlich prominenten A n t i -
t r 0 c h a n t e r ausgezeichnet. Der T r o c h a n t e r f e m o r i s ist nicht
prominent und die hintere Extremität kurz, während die vordere
eine mittellange Hand trägt.
Der hintere Kopf des Latissimus dorsi ist wohl entwickelt,
dagegen fehlt der Ambiens, ähnlich wie bei den Ffilopus-
Arten auch.
Es ist schwer, definitiv zu entscheiden, wo diese unterzubringen
sind. Das Skelet zeigt viele Anklänge an die Fcristcridae, doch
sind aucli solche an die Trerouidae nicht ganz in Abrede zu stellen
(Troclianter femoris, kurze hintere Extremität etc.). Andere
Eigenthümlichkeiten , wie das Vorhandensein des Muse, latissi-
mus dorsi posterior und das Fehlen des AI u s c. a m b i e n s ,
weisen darauf hin, dass sie jedenfalls schon frühe einer von der
der Peristcridae verschiedenen Entwicklungsbahn gefolgt sind. Die
auffallend kurze Hand wiedei'um lässt darauf schliessen, dass sie zu
den altern Formen in einem ähnlichen Verhältnisse stehen, wie
342 IvriHMK Mautw.
(Vf>()jiW»<i zu liou übriüvu PcrisUrührc. txho als sooumiäiv Zwerüfoniicn
aufzufassen wäivu.
Da nun die Sunuuo der mit den Pcrisirridae gemeinen ^lerk-
male grösser ist als diejenige, welche zu den Ttrnmidor üherleittM.
so bin ich g-eneigt. die Pfilopodinar als aberrante l n t ei l nni i 1 i c
der Pcristrt'idac aufzufassen, thue dies aber mit grösstor K'e-
serve. ii
Endlich die Düluuculhiael Diese stellen ohne ZwcMlel die
aberrantesie Gruppe der heutigen Tauben dar und verdienen des-
halb zum mindesten Familienrang. Die Frage, wo diese I'^iniilie an
den Hauptstamm anzuscliliessen ist. dürfte kaum mit Sicherheit zu
beantworten sein. Alle osteologischen Kigenthümlichkeiten weisen
auf eine eingehende Specialisirung hin. neben der sich aber auch
alterthümliche ^ferkmale erhalten haben (Sa er um. Latissimus
dorsi posterior. Ambiens etc.l Jedenfalls ist die Samoataube
von allen Stammverwandten gut gesondert, ja einzelne Verhältnisse
(Z. B. Schnabel) sind stärker modihcirt als bei Didiis oder Fczophaps.
Stainmessreschiehte.
Haben wir nun in aller Kürze die Tauben betrachtet, wie sie
uns iu der heutigen Schöpfung entgegentreten, so dürfte ihre
historische Entwicklung nicht ohne Interesse sein. Die Construction
eines Stammbaumes wird zwar immer sehr zweifelhaft sein, da uns
paläontologische Belege so gut wie fehlen: die wenigen subfossilen
Knochen sind sämmtlich geologisch sehr jung und lassen sich in
recente Arten einordnen, so dass sie also als geschichtliche Urkunden
nicht in Frage fallen. ' i
Die Darstellung der stammesgeschichtlichen Entwicklung der
Tauben bleibt also vor der Hand eine auf anatomische Grundlage auf-
gebaute Hypothese, doch erachte ich es dennoch als der Mühe wertli.
einen derartigen Versuch zu machen, und ich Aerweise gleich hier
auf das beigefügte Schema, welches die Stammesgeschichte in über-
sichtlicher Weise wiedergiebt.
Die Einwände, welche gegen die einzelnen Ableitungen etc. ge-
macht werden können, sind bereits bei der Besprechung der Syste-
matik aufgeführt worden, und so handelt es sich hier nur noch um
einen Entwurf der Staramessreschichte.
1) Die spärlichen tertiären Beste sind ebenfalls nicht im Stande eine
Antvort zu sfeben.
Die verg-leicliende Osteolofrie der C'oinrabifornies.
:UH
Fig. V^')
Mutlmiaasslieher Starambaura der Columbiformes.
1) Die Endigungen der Aeste zeigen den Endpunkt der bisherigen
Entwicklung au und nicht die Namen.
Zool. Jahrb. XX. AMli. 1. Syst.
28
344 Rudolf Martin,
Die Columbiformes stellten wohl im mittlem Tertiär noch eine
compacte Formeng-ruppe dar, aus der sich dann gegen die Neige
dieser Epoche einzelne Formen zu specialisiren begannen.
Der Grund dieser Specialisirung ist vermuthlich in der insularen
Beschränkung einzelner Arten zu suchen. Die Flugfähigkeit wurde
überflüssig und deshalb aufgegeben, während zugleich die Körper-
grösse zugenommen hat. Solche Vorgänge griffen gleichzeitig an
verschiedenen Orten Platz und führten zu den Riesenformen Didxs
und Pesophaps, welche dem Stamme wolü in der Nähe der treroniden
Fasern entsprungen sind.
Unterdessen entwickelte sich der Haui)tstamm weiter; spätestens
im obern Pliocän begannen sicli bereits einige Differenzen in Folge
der geographischen und klimatischen Verhältnisse herauszubilden,
zu denen sich noch Unterschiede in der Lebensweise gesellten.
Wir finden die erste Andeutung der Spaltung in die heutigen
Familien.
In dieser Zeit löste sich w^ahrscheinlich eine Form gänzlich vom
Stamme los und schlug eine ganz abweichende Bahn ein. ' Fls ist
dies DiduncuJns sfrigirosfris. An welcher Stelle dieser Ast wurzelt,
ist nicht leicht zu entscheiden, doch deuten einige Merkmale auf
den peristeriden Zweig hin. Jedenfalls aber geschah die Los-
lösung, bevor sich irgend eine Spaltung im Hauptstamme vollzogen
hatte.
Die Specialisirung von DiduncuJns ist eine weitgehende und
übertrifft in einzelnen Dingen sogar Didus und Pezophaps (Schnabel
und Schädelbasis). Fs ist schwerlich zu erklären, was der Grund
dieser Specialisimnig war; jedenfalls ist er nicht ausschliesslich in
der Ernährungs- und Lebensweise zu suchen, obwohl diese erheb-
liche Factoren darstellen werden.
In der weitern Entwicklung geschieht die allmähliche kwi-
spaltung der Ordnung in die einzelnen Familien und Unterfamilien.
Die Zeit dieses Vorgangs ist sicher noch weit ins Diluvium zurück-
zuverlegen (Zeit der Ablagerung des Deckenschotters). ^)
Es ist auch nicht mit voller Sicherheit zu constatiren, ob
damals die verschiedenen Zweige sich gleichzeitig von einander l()sten
oder ob sich dies innerhalb einer längern Spanne Zeit vollzogen
1) Diese Zeitangabe ist natürlich eine bloss approximative und be-
deutet die äusserste Grenze des \"organges.
Die verifleirlieiKle Osteolog-ie der Coininliitdinies. 345
hat. Letzteres hat allerding-s mehr ^^'ahl•sch('inlic.hkeit für sich, und
zudem sprechen auch einige ^lerkmale dafür.
A^'ohl am frühsten lösten sich die Fasein der Trerouidae und
Pem/enVfee von denen der ColHmbi(lae-\- Carpohrujiäae los: der Stamm
spaltet sich somit in zwei, von denen jener der kräftigere ist. obwohl
er nicht den Hauptstamm darzustellen scheint.
Von ihm lösen sich zunächst die Treronidde los und schlagen
eine Entwicklungsbahn ein. welche endlich zu Didunculns ähnlichen
Formen führen muss. In jüngerer Zeit lösen sich zwei grössere
Aestchen vom Zweige los. nämlich die Untergattungen Vinwio und
SpheuocercHs. Die Treronidenformen haben bis jetzt noch keine
bedeutende Grösse erreicht; die Specialisirung beanspruchte also eine
relativ lange Zeit.
Treron am nächsten und die Verbindung dieses Zweiges mit
den Pcristeridae herstellend, abei' inniger und bis in spätere Zeit
mit diesen verbunden, entspringen die Ptilopodinae aus der gemein-
samen Masse und durchlaufen mit grösserer Geschwind igkeit als die
Treroniden ihre Entwicklungsbahn, werden zu mittelgrossen und
wieder zu secuudären Zwergformen, behalten aber im l/ebrigen einen
ziemlich indifferenten Charakter.
Die Feristeridae endlich, welche den grössten Theil der Fasern
des Nebenstammes in sich aufnehmen, bleiben ziemlich indifferent,
nehmen aber an Körpergrösse zu bis zu mittelgrosser Gestalt, um
dann zum Theil wieder zu Zwergformen zu degeneriren.
Schon bald nachdem die Familie selbständig geworden ist,
schlagen einige Formen Australiens eine besondere Richtung ein
und stellen in ihrer heutigen Entwicklung die Unterfamilie der
I*habinac dar.
Die directe Fortsetzung des (4iundstammes erfährt ebenfalls
bald ein(' Ticiniung seiner Fasern und zwar wohl ebenso früh, wie
die Treroniden .selbständig werden. Diese Trennung isolirt die
Familien der ('ohimhidtic und C<irp()])ha(jid<w.
Die Colmnhidiie entsenden nahe ihrem l'rsiuunge und den Carpo-
phagiden zugekehrt den CalooKtdiwic-yAveig, entwickeln sich aber in
der Folge zu einer sehr homogenen Gi'Uppe. Einige Formen bleiben
in der Entfaltung der Kör])eigrösse zurück, unter gleichzeitiger Aus-
bildung einiger weiterer Differenzen: die (lattung Mmropyijia^
während eine andere Form, ebenfalls wenig moditicirt, zum selb-
ständigen Genus Edopistes wird. Die Arten der Gattung Colnmba
23'
346 EuDOLF Martin.
erreichen zum Tlieil bedeutende Grösse, zum Theil bleiben sie an
der untern (irenze der mittelgrossen Formen stehen.
Eine stärkere Aufspaltung- erleiden die Carpophaffidac. Die
Gourinac zweigen bald, nachdem die Familie frei geworden ist, ab
und schlagen eine besondere Balm zur Riesenform ein. Etwas
später werden die Ofidiphabinae frei und folgen einer ähnlichen Ent-
wicklungsrichtung-, doch in bedeutend langsamerm Tempo als Goura.
Die Carpophaginae endlich steigern nach und nach, theilweise unter
insularer Abschliessung, ihre Körpergrösse, ohne sonstwie stärker
specialisirt zu werden.
Merkwürdig ist das Vorkommen der grössten Carpophaga -Art,
Carpophaga ruhricera. welche einerseits die Duke of York-Insel,
andrerseits Neuirland, Neuhannover und Neubritannien bewohnt, auf
der Strecke zwischen diesen Inseln aber gänzlich vermisst wird, ob-
wohl kein Zweifel herrschen kann, dass sie früher eine viel dichtere
Verbreitung inne gehabt hat. Ueberhaupt zeichnen sich die grössern
Arten durch die Beschränkung ihrer Verbreitung auf einzelne Insel-
gruppen aus; die einzige Species, welche sich einer weiten Herr-
schaft erfi-eut, ist Carpophaga aenca, eine Form, die wohl dem ur-
sprünglichen Typus noch am nächsten steht.
Folgende während der Entwicklung in der Organi-
sation der Tauben Platz greifende Vorgänge sind
s e c u n d ä r e r N a t u r :
die Moditication des Schnabels (welcher Typus der ursprüng-
liche war, konnte nicht ermittelt werden), die Auftreibung der
Stirn, die Verkürzung der Schädelaxe (Treronidae), die Rück-
bildung der Basipterygoidfortsätze. des Pterygoid. die
Verlängerung der Hals Wirbelsäule (einerseits durch Streckung,
andrerseits durch Vermehrung der Wirbel), die dadurch bewirkte
R ü c k w ä r t s w a n d e r u n g des Brustbeins, die caudale
Verschiebung des Beckens und dessen Verschmälerung. die
Erhöhung oder Verminderung iPtüopodinae) der Sacral wirbel-
zahl, die Reduction des Processus lateralis coracoidei,
der Crista sterni und der Hand nach vorausgegangener
Streckung der ganzen Vorderextremität, die Erhöhung des Anti-
t r 0 c h a n t er und des T r o c h a n t e r f e m o r i s , die Verlängerung
der Hinterext rem i tat, die Verschmälerung des Metatarsus
und endlich die Veränderung der gegenseitigen Stellung der distalen
Gelenk rollen desselben.
Die vergleichende Osteologie der Ciiliniil)itoriiies. 347
Dazu kommt noch die Reductioii des Musculus latissimus
dorsi posterior und des Musculus ambiens, der Caeca,
der Gallenblase und der Bürzel drüse und die Verlängerung
des Darmes, ferner die Herausbildung- der Grössendi fferenz
der Geschlechter {Pezophaps] und die Uml)ildung der Jungen zu
Nesthockern.
348 Rudolf Martin,
Zum Schliisse endlich füg-e ich iidch die tabellarische üeber-
sicht der in den vorioen Seiten entworfenen und begründeten
Systematik bei:
Ordnung : Coluiiibil'oriues
1. Unterordnung: Didi
1 . Familie : Dididae
2. ,, Pezophabidae
2. Unterordnung : Coluillbae
1. Familie: (bhfmbidac
1 . Unterfamilie : Colnnibijiae
2. „ Calocnadinae
2. Familie : Pcristeridar
1. Unterfamilie: I 'r rister i nne
2. „ Phabinae
3. „ Ptilopodinac
3. Familie: Irprouidae
1. Unterfamilie: Trrroninae
4. Familie: ('arpoph(i(/idne
1 . Unterfamilie : ( Virpophaiiinae
2. „ (JourUiac
3. „ Otidiphabinae
5. Familie : DidtDifulidnc
1. Unterfamilie:. Dkhinculinae.
Die vero'leichende Osteolouie der Colniiilutornies.
349
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Die vergleichende Osteolugie der Culumbiformes. 351
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352 RuDOi-F Martin, Die verg-leicheude Osteologie der Columbifonnes.
Erklärung der Abl)ildniigeii.
Tafel 11.
Fig. 1. a Lateralansiclit des Schädels von Didunndus strigirustris juv.
b „ der Mandibel ,, „ „ „
CS Crista sagittalis, cl Crista lambdoides, c/^ deren lateraler
Ast, (12 deren medialer Ast, fot Fossa temporalis, jix Proc. zj'go-
maticus squamosi, pi» Proc. postorbitalis, /. /'/ Foramen lacerum
anterius, /'. oJ For. olfactorium, e. ao Crista autorbitalis, l Lacry-
male.
Fig. 2. a Lateralansicht des Schädels von Didiniculus strigirostris adult.
b „ der Mandibel „ „ ,. „
Fig. 3. a Basalansicht des Schädels „ „ „ juv.
b „ der IMandibel „ „ „ „
Fig. 4. a „ des Schädels „ „ „ adult.
b „ der Mandibel „ „ „ „
Fig. 5. Dorsalansicht des Schädels von Diduncidus sfrigirosiris juv.
Fig. 6. Rechtes Palatinum (2:1) von:
a Treron vernans, b Plilojnis roseicollis, c Carjiojdiaga hicolor,
d ('ar/)o/)Iiaga anim.
Tafel 12.
Fig. 7. Ventralansicht des Beckens von iJidunculns sfrigirostris.
a präsacrale Wirbel, b sacrale Wirbel, c postsacrale Wirbel,
d Crista ischio-sacralis, 1, 2, 3, f, II Costalfortsätze, /'. /. a Fossa
iliaca anterior, /'. /. jt Fossa iliaca post., / Antitrochanter.
Fig. 8. Dorsalansicht des Beckens von Dkhinculits strigirostris.
Fig. 9. Lateralansicht „ „ „ „ „
Fig. 10. Distales Grelenkende des rechten Metatarsus von:
a Car/>oj)haga aotea, b (lonra coronatn, c Pha/is chalcojitrra,
d Cohortha liria.
Lippert ii Co. (G. Pätz'sche Buchdr.), Naumburg a. S.
Nachdruck verboten .
I'rt)cr.tctsH)ig.irecht rorhehullen.
Ameisen (Formica exsecta Nyl.) als Hügelbildner in
Sümpfen.
Von
>ils Hol in irren.
(Aus dem Zootomischen Institut zu Stockholm.)
Mit 14 Abbildungen im Text.
Die vorliegenden Studien sind in den Sümpfen in der Umgebung
von Aborrträsk im Gellivare Lappmark ausgeführt. Sie bean-
spruchen nicht, etwas Vollständiges über den Gegenstand zu bieten,
sondern sind nur die Eesultate einer ziemlich flüchtigen Unter-
suchung, welche ich in meinen Mussestunden vorgenommen habe.
Bei Durchwanderung der Sümi)fe bemerkte ich öfters Gegenden,
wo Ameisenhaufen ' i in grosser ^lenge vorhanden waren. Es liegen
diese (Tegenden gewöhnlich an den Rändern der Sümpfe, wo noch
eine spärliche Nadelholzvegetation vorhanden ist. Aber auch dort,
wo es keine andere Vegetation als die typische Sumpfvegetation
giebt, traf ich oft solche durch Ameisenhaufen charakterisirte
Gegenden an. Am zahlreichsten sind die Haufen aber da. wo ein
Bächlein den Sumpf durchkreuzt. Ausserhalb der ihn kreuzenden
1 1 Nach Bestimmung von Herrn Dr. Gottfried Adler, welcher
die fragliche Ameise gütigst bestimmt hat, stammen diese Amciscnliaufen
von Fonnira exsex-tn Nyl.
Zool. Jalirb. XX. .Xbtli. f Svst. -■!
354
XlI.S HüLMGKEX.
Weide- (und Nadelholz izoiie stehen die Ameisenliaufen ziemlich dicht
bei einander, so dass man von einem Punkte sogar bis 40 zählen
kann. Die Fig. A ist nach einer Photographie reprodncirt. welche
von einer solchen Gegend genommen ist. Im offenen Sumpf aber
sind sie bei Weitem nicht so zahlreich.
Die Lage der Ameisenhaufen ist. scheint es mir, bemerkens-
Averth, indem sie nur selten auf den Sumpfhügeln gelegen sind. Im
Allgemeinen liegen die Jüngern Haufen an der Basis der Hügel des
Sumpfes, mit ihrer einen Seite mehr oder weniger gegen die Seite
Yig. A.
Partie des Sumpfes bei Aborrträsk. Gellivare.
des Hügels gestützt, oder sie liegen frei im Sumpf. Sehr gewöhnlich
trifft man Ameisenhaufen, welche zwischen zwei Hügeln gebaut sind.
Allgemein verbreitet findet man Ameisenhaufen, welche isolirt im
Sumpf liegen und sogar ringsum von Wasser umgeben sind. ' ) Die
altern Ameisenhaufen stehen gewöhnlich y-anz isolirt.
1) Oft ist diese Thatsache so zu erklären, dass die Erosion von
Hügeln, welche normal in solchen Sümpfen wie den Lappländischen vor-
kommt, hier die umliegenden Sphagnumhügel zerstört hat, während die
Ameisenhaufen von dieser Erosion unberührt geblieben sind.
Ameisen als Hügelbildner in Sümpfen. 350
Die im Vorigen geschilderte Lage der jiingein Aineisenhaufen
scheint aus der Annahme erklärlich zu sein, dass die Ameisen nicht
riskiren. dass die in Vertiefungen der ["mgebung neu angebauten
Haufen vom AMnde Aveggeführt werden, was sie ja mit den auf den
Hügeln neu angelegten zweifelsohne thun. Die Thatsache, dass es
auch auf den Sphagnumhügeln junge Ameisenhaufen giebt, lehrt uns
aber, dass die geschützte Lage, welche die Ameisenhügel im All-
gemeinen einnehmen, nicht ein Ausdruck der Litelligenz der genannten
Ameise ist, sondern nur darauf beruht, dass der ^^lnd die ungeschützt
liegenden verödet hat.
Ehe ich auf das eigentliche Thema dieses Aufsatzes eingehe,
will ich eine Beschreibung der Theile des Sumpfes bei Aborrträsk
geben, an welchen meine Untersuchungen grössten Theils sich
knüpfen.
Im Norden wird der Sumpf von einöm kleinen See Namens
Aborrträsk begrenzt. Seine östliche Grenze wird vom Gebirge
Peltovare. seine westliche vom Bächlein Aborrträskbächen gebildet.
In südlicher Eichtung erstreckt sich der Sumpf mit vielen Abbruchen
bis zum See Harrejaur. Meine L-ntersuchungen beziehen sich aber
nur auf die nördlichen Theile dieses Sumpfgebietes und zwar auf
die Gegenden am östlichen Ufer des kleinen Bächleins und auf die
Gegenden am Fusse des Peltovare.
An dem Ufer des Bächleins besteht die Vegetation aus (xrau-
weidegebüschen, mit Birke, Pichte und Kiefer (verkrüppelt) vermengt.
Die Untervegetation besteht aus B e t u 1 a nana. E u b u s c h a m a e -
morus, Eriophornm vaginatum, Andromeda poly-
ph5'llos, Vaccinium m3'rtillus. verschiedenen nicht hügel-
bildenden Moosarten, ferner als Grundvegetation aus Sphagnum-
Arten. Die Breite des Gebiets der höhern Vegetation ist nicht
gross, höchstens 20 m. Ausserhall) dieser Zone, welche ich die
Weide zone nenne, fängt die Zone der Sphagnumhügel
(Fig. A) an. Diese Hügel bilden in Folge von Frosionsvorgängen
kein zusammenhängendes Bodenkleid. Die Hügel liegen nämlich in
Eändern angeordnet, welche theils mit einander in Verbindung
stehen, ein eingesclilossenes Feld zwischen sich tVei lassend, theils
laufen sie im Sumpfe blind endend aus. Die Hügel sind als Hau])t-
bestandtheil aus Sphagn um -Arten mit Betula nana gebildet.
Ausserdem sind sie reichlich mit Polytrichum strictum (nicht
in Beständen), b'ubus chamae morus, Occycoccus micro-
carpa, Vaccinium myrtillus. uliginosum und vitis
24*
356 ^Jl-S HOLMGKKN.
idaea, Andromeda polyphyllos, Tofieldia borealis,
C a r e X c a e s p i t o s a , E r i o p h o r u m v a. g i n a t u in , K m p e t r u m ,
Salix repens etc. bekleidet. Auf den Hügelränderii kommen auch
vereinzelte straucliige Birken, verkrüppelte Fichten und Kiefern vor.
Die dritte Zone des Gebiets wird von dem wahren Sumpf (Region
der erodirten S])liagnnm-Hüg'el [XilsenJj eingenommen. Sie macht
theils den centralen Theil des Sumpfes aus, theils liegt sie zwischen
den Hügelrändern und bildet, was man in Lappland mit „Blötmyr"
bezeichnet hat. Diese Zone ist sehr feucht, an vielen Stellen un-
betretbar. moorig. Die Vegetation besteht hauptsächlich aus lil r i o -
phorum vaginatum undalpinum, Equisetum, Cornarum,
Pinguicula. Pedicularis, Amblystegien etc. In der Nähe
der Sphagnum-Hügel dringen bisweilen Betula nana. Em-
petrum und Rubus chamaemorus in diese Zone hinein.
In der W e i d e z o n e' sind die Ameisenhaufen ziemlich spärlich,
erreichen aber, wenn vorhanden, eine bedeutende (xrösse (1 m
und darüber). In der Sphagnum-Z one sind die Ameisenhaufen
am zahlreichsten, werden jedoch nie hoch (60 cm). Im
feuchten Moor sind die Haufen wieder spärlich und stehen meistens
in der Xähe der Hügelränder. Hier erreichen sie keine bedeutendere
Grösse (35—40 cm). Es sind hauptsächlich die Ameisenhaufen der
zwei letzten Zonen, mit denen wir uns nun näher beschäftigen
wollen.
Ich wäll nun eine Reihe Ameisenhaufen beschreiben, um danach
die Folgerungen zu ziehen, welche aus diesen Beschreibungen her-
vorgehen.
Ameisenhaufen A. Neu angebaut. Conisch. Höhe 10 cm.
Durchschnitt 35 cm. Ameisen zahlreich.
Lage zwischen 2 S p ha gnum- Hügeln. Grund wenig feucht.
Baumaterial: Fichtennadeln, Blätter von Andromeda, Ledum
occycoccus, Vaccinium myrtillus, Zweigchen von Andromeda, Betula
nana, Vaccinium, Occycoccus etc. Div. zerschnittene Pflanzentheile,
dürre Moossprösslinge, Excremente von Lämmern u. s. w.
Vegetation auf dem Haufen fehlt.
Vegetation in der Nähe: Sphagnum- Art en, Betula
nana, Rubus chamaemorus etc., gewöhnliche Hügelpflanzen.
Ameisenhaufen B (Fig. B). Ein wenig älter als der vorige.
Conisch, radial symmetrisch. Maasse fehlen. Ameisen sehr zahl-
reich.
Ameisen als HügelbiMuei' in Sümpfen.
357
Lage zwischen S p h a g- ii u m - Hügeln mit R u b u s c h a ni a e -
m 0 r n s , B e t u 1 a nana u. s. w.
Baumaterial wie A.
Vegetation auf dem Haufen: Von einer Seite ist Poly-
trichum strictum in dichtem Bestand beinahe bis zur Mitte des
Haufens hinaufgewachsen. Der Polyt rieh um -Teppich ist zungen-
tTirmig und umfasst den Haufen nicht, sondern liegt nur an seiner
einen Seite an. Im Pol}' tr ich um -Teppich wachsen spärliche
Individuen von Andromeda, Rubus. Vaccinium myrtillus
und vit i s idaea.
og - -
Fig. B.
Ameisenhaufen B. Scheraatiscli von der einen Seite gesehen. o(j Obere Grenze
des Polytriclmm-Teppicbs.
Ameisenhaufen C (Fig. Ci. Ein wenig älter als der vorige.
Höhe 30 cm. Länge 65 cm. Breite 50 cm. Ameisen sehr zahlreich.
Fig. C.
Optisclier Längsschnitt durch der Haufen C.
= Polytrichum-Teppicli. Hl Ameisenhaufensubstauz. Bodengrund
verlassener Theil des Haufens, luj Thitere Grenze der Haufensubstanz.
Lage zwischen Sphagnum-Hügeln mit Betula nana. Rubus
chamaemorus, Vaccinium myrtillus und uliginosum.
Baumaterial wie A.
Vegetation auf dem Haufen: Von einer Seite ist Poly-
858
Nils Holmgren,
t lieh um strictiim auf den Ameisenhaufen eingedrungen und
bildet hier einen zusammenhäng-enden . dicliten. grünen Teppich,
welcher sich über die eine Seite des Haufens bis zum Gipfel er-
streckt. In diesem Polyt rieh um -Bestand befinden sich spärliche
ug
Fiar. Da.
Individuen von Rubus chamaemorus, Vacciuium myrtillus und uligi-
nosum. Das Hinaufwachsen des Polytrichum hat bewirkt, dass der
Haufen eine längliche Form angenommen hat, indem der Poly-
h
09 -
Fig. 1).,
Ameisenhaufen D.
a Längsschnitt durch den Haufen,
h Der Haufen von oben gesehen,
um die Ausdehnung der Xarbe zu
illustriren.
ug Untere Grenze der Haufen -
Substanz.
a—h Schnittebene.
Uebrige Bezeichnungen wie
vorher.
Fig. Db.
trichum- Teppich den Zuwachs des Haufens in zwei Dimensionen
wesentlich gehemmt hat. Da der Haufen nicht in die Breite hat
Avachsen können, hat er sich in die Länge ausgezogen oder ist,
so zu sagen, nach der entgegengesetzten Seite übergeflossen.
Ameisen als Hüoelbildner in Sümpfen. 359
Im Yorliandenseiii der P o 1 y t r i c li u in - Vegetation kann mau
die Ursache suchen, dass der noch von Ameisen bewohnte Theil des
Haufens sich nicht überall bis zum (4runde des Haufens erstreckt,
sondern auf der Seite des Polj'tr ichum-Bestandes ein wenig
oberhalb des Grundes aufhört. Dies wird aber unten besser
illustrirt.
Die Dicke des Polytrichum-Teppiclis beträgt basal 5—7 cm und
läuft apicalwäits dünn aus.
Ameisenhaufen D (Fig. Da. b). Ziemlich alt. Form cylin-
drisch mit conischer Spitze (siehe die Figg. 1) a u. b). Höhe 55 cm.
Länge nach der Schnittlinie 83 cm. Ameisen zahlreich.
Lage zwischen kleinern Sphagnum-Hügeln mit Andromeda.
Betula nana. Cornaruni. IJubus, Eriopliorum vagina-
tum u. s. w.
Baumaterial wie oben.
Vegetation auf dem Haufen: Von Norden ist ein 9 cm
dichter Polytrichum- Teppich mit Eriophorum vaginatum
auf den Haufen hinaufgewachsen, welcher die nördliche Hälfte des-
selben dicht umfasst. Dieser Teppich steigt bis 4iber die Mitte des
Haufens empor und hat das „Ueberfliessen" der Ameisenhaufensubstanz
nach Süden bewirkt. Von Süden ist ein dichter Bestand von Erio-
phorum vaginatum den Haufen heraufgewachsen. Der von
Ameisen bewohnte Bezirk des Haufens umfasst nicht einmal die
obere Hälfte des Haufens, während die untere von den Ameisen
aufgegeben worden ist. Man beachte auf der F'ig. 1) a, welche einen
Durchschnitt des Haufens D vorstellt, wie die untere Grenze (ug)
des bewohnten Theiles des Haufens von den obern Vegetations-
ständen ausgehend, sich da senkt, wo die Vegetation des Haufens
am wenigsten ausgebildet ist (Fig. Da u. b bei *).
Die Länge der Ameisenhaufennarbe, wie ich nun die von oben
sichtbare Partie des Ameisenhaufens nenne, beträgt 61 cm.
An der Basis des Haufens sind ]\[oose, wie I )icranum sp.. Junger-
mannia sp. vorhanden.
Ameisenhaufen E (Fig. E). Ziemlich alt, cylindroconisch.
Höhe 55 cm. Länge 89 cm. Breite 80 cm. Ameisen ziemlich zahlreich.
Lage zwischen S ]) h a g n u m -H ü g • ■ 1 n .
Baumaterial wie oben.
Vegetation. Ein dichtei- Po ly tricli um -Teppich bekleidet
den Fuss des Haufens bis auf 42 cm Höhe und lässt eine Narbe von
860
Nils Holmgukn.
58 cm Länge und 55 cm Breite frei. Im P ulyt rieh um -Bestand
tindet man Eubus, Vaccinium uliginosum und Eriophorum vaginatum.
Auf der Narbe wächst ein Gras. Calamagrustis lapponica.
-" - og
Fig. E.
Ameisenhaufen E.
Profil ist nicht genommen.
Auf den Seiten ist der l'eppich niedriger, und die Ameisen-
haufensubstanz ist nach diesen Seiten „übergeflossen".
Fig. F.
Ameisenhaufen F.
a Längsschnitt durch den Haufen,
h Photographie des Haufens, schräg
von oben.
Fig. Fa.
Ameisenhaufen F (Fig. F a und b ( phot. )). Alt. cylindrisch.
Höhe 47 cm. Durchschnitt ungefähr 54 cm. Die Seiten steigen bei-
nahe vertical auf. und der Haufen ist apicalwärts scharf abge-
schnitten. Ameisen ziemlicli zahlreich.
Lage zwischen kleinern Hügeln mit Betula nana. Empe-
t r u m , Eubus c h a m a e m o r u s . Grauweide, E r i o p h o r u m v a g i -
natum. Andromeda und Vaccinium vitis idaea.
Baumaterial wie oben. Der Haufen scheint nicht mehr an-
gebaut zu werden, denn die Oberflächenschicht ist ziemlich fest.
Vegetation. Die Seiten des Haufens sind mit einem 7 — 9 cm
dicken, dichten Polytrichum- Teppich mit spärlichen Individuen
von Kubus. Andromeda und Vaccinium vitis idaea. be-
Ameisen als Hüijelljililiier iu .Siuuiifeii.
8H1
kleidet, welcher bis zur abgestutzten ISpitze des Hauteus liinaul reicht;
er breitet sich sogar auf der einen Seite über die Spitze des Haufens
hin aus (Fig. F b).
Fi-. Fb.
Ein Profilschnitt (Fig. F a) durch den Haufen zeigt, wie dei-
noch bewohnte Tlieil desselben die Form eines umgewendeten Kegels
hat. dessen Spitze da, wo der Teppich die geringste Ausbreitung
besitzt, ein wenig zur Seite geschoben ist. Der nn bewohnte Tlieil
ist sehr mächtig. — Die Ausdehnung der Narbe geht ans Fig. F b
hervor.
Ameisenhaufen G (Fig. G). Alt. Form cylindrisch. basal
enger als in der Mitte. Höhe 35 cm. Länge 49 cm. Breite 43 cm.
Am eisen arm.
Lage. Im feuchten ^loor (ziemlich; isolirt. Vegetation im
Moor in der nächsten Umgebung : Junge r m a n n i a sp.. P a 1 u d e 1 1 a
S(iuarrosa. Mnium sp.. ('ornarum, Eriophorum vagina-
tum, Pinguicula. Betula nana (spärlich) u. s. w.
Banmaterial wie oben. Der Haufen wird nicht mehr an-
gebaut, denn eine ziemlich dicke Oberflächenschicht ist ziem-
lich fest.
Vegetation: Ein dicker Poly trieb um -Teppich l)ekleidet
den Hügel ringsum bis zum Gipfel, nur einen engen Keil auf der
362
XlLS HOI.MC.KKN.
einen Seite von oben bis nahe der Basis frei lassend (siehe Fig. G).
Die Länge der frei gelassenen Narbe beträgt 32 cm, die Breite 22 cm.
Im Polytrichnm- Teppich sind spärliche Individuen von Cor-
narum, Betula nana, i^h-iophoruni und basal Jungermannia vor-
handen. Der noch bewohnte Theil des Haufens ist nicht gross,
^lan bemerke auf der Fig. G. dass die untere Grenzlinie des be-
U(/
'0(J
Fig. G.
Ameisenhaufen G. Optischer Längsschnitt. Bezeichnungen wie oben.
wohnten Theils da am tiefsten geht, wo die Narbe ihre grüsste Aus-
dehnung hat. und dass der bewohnte Theil des Haufens nach der-
jenigen Seite neigt, wo der Teppich am niedrigsten ist. An der
Narbe wachsen Individuen von Carex caespitosa.
Haufen H (Fig. H). Sehr alt. Form schief cylindrisch. siehe
die Fig. H. Sichere Maasse fehlen (die Höhe liegt wohl zwischen
50 und 60 cm). Sehr Am eisen arm.
og
Fig. H.
Ameisenhaufen H. Längsschnitt dui'cli den Haufen.
Sphagn um- Bekleidung. Uebrige Bezeichnungen wie oben
Ameisen als HüsrelbildiK^r in Sümpfen. 363
Lage zwischen 8 p h a g- ii u m - Hüg-t-ln ni it li e t u 1 a nana,
Andromeda, Vaccininm myrtillus und uligiuosum.
Enbns oha maemorus. Carex caespitosa. Erioi)hornm
Vagina tum etc.
Baumaterial wie oben, ^^'ird nicht mehr angel)aut.
Vegetation: Ein dichter Poly tr ich um -Teppich bekleidet
den Haufen von der Basis bis zur Spitze als dicke Lage (bis 10 cm).
Ln Teppich befinden sich B e t n 1 a nana (Keimpflanze i, V a c c i n i u m
vitis idaea, Mj-rtillus. Rubus. Cha maemorus, Andro-
meda, ( ' a r e X caespitosa. Ferner bemerke man, dass basal wärts
des Haufens Sphagnum eingedrungen ist und sich in dem basalen
Theil des Teppichs mit Polytrichum strictum mischt.
Die Narbe ist klein. Der bewohnte Theil des Haufens ist sehr
unbedeutend und stellt einen niedrigen umgekehrten Conus dai-.
dessen Spitze nach der Seite, wo der Teppich die kleinste Ausdehnung
hat. verschoben ist (Fig. H).
Ameisenhaufen .1 (Fig. Ja und b). Sehr alt. Form un-
regelmässig. Von einer Seite scheint der Haufen cjiindrisch
(Fig. J b), von der andern hat er die Form der Fig. J a. Die eine
Seite steigt senkrecht auf, während die entgegengesetzte einen
nahezu hoi-izontalen Absatz bildet. Höhe 35 cm. Länge 67 cm.
Breite 47 cm. Ohne Ameisen, verlassen.
Lage im feuchten Moor, isolirt. Die Vegetation in der nächsten
Umgebung : B e t u 1 a n a na. E m p e t r u m , C o r n a r um. E i- i o -
"7
Vig. J a.
p h 0 r u m a 1 p i n u m und y a g i n a t u m . 1\ q u i s e t u m . I ) i c r a n u m .
Amblystegien.
Baumaterial wie oben. Der Haufen ist verlas.«;en und die
Haufensubstanz ist fest zusammengedrückt.
Vegetation: Ein fester, dichter, 10— 13 cm dicker Poly-
364
Nll.S Hoi..M(iKEN.
t rieh u 111- Te])i)icli bekleidet den Haufen bis zur Spitze, eine Narbe
von nur 10 cm Läng-e und 14 cm Breite frei lassend.
Im Teppich sind Andromeda. CalomagTOstis lapponica. Em-
petrum und ein kleiner Hutpilz. Auf der Narbe wachsen in trockner
Haufensubstanz einige Flechtenindividuen (Cladonia sp.)
Fig-. Jb.
Fig-. J.
Ameisenhaufen J. a Läugsdurehschnitt. liezeiclinungen wie oben,
b Photographie des Haufens.
Der zuletzt bewohnte Theil des Haufens ist sehr unbedeutend
und stellt ein sphärisches Segment von geringer Höhe dar (Fig. J a),
dessen krumme Fläche nach innen gerichtet ist. Die Haufensubstanz
scheint nach den Seiten, da wo die Narbe ihre grösste Breite hat,
einmal übergeflossen zu sein, dies ist aber wieder durch den Teppich
ausgeebnet, so dass nunmehr nur eine schwache Andeutung eines
„Ueberfliessens" bemerkbar ist.
Ameisenhaufen K (Fig. K). Form halbkuglig. I\[aasse
fehlen. Keine Ameisen.
Lage im feuchten Moor, isolirt.
Baumaterial nicht mehr bestimmbar, vermodert.
Vegetation. Basal betindet sich eine nicht sehr hohe Lage
von Sphagnum. Die Hauptmasse der Vegetation ist durch einen
Polytr ich um -Teppich repräsent irt. Im Teppich sind Betula
nana, Eubus chamaemorus und Vaccinium myrtillus
reichlich vorhanden. Der Polytrichum -Teppich erstreckt sich
Ameisen als Hü2:elbil(liier in Siimiifen.
365
über den o-auzeu Haufen, nur eine sehr unbedeutende Narbe frei
lassend, welche ebenfalls mit zerstreuten Polytrichum -Individuen
bedeckt ist. Die Narbe ist aber deutlich.
Fig. K.
Ameisenhaufen K. Scheniatiscli. n Xaibe. Bezeichnungen übrigens wie oben.
Ameisenhaufen i?) L (Fig-. L). Es ist nicht mit Sicherheit
festgestellt, dass dieser Haufen ein alter Ameisenhaufen ist. und ich
führe ihn mit grosser Reserve an. Der Haufen ist halbkuslio-.
Ohne Ameisen, ^[aasse fehlen.
i^ig. L.
Haufen L. Längsschnitt. :-5;' Polytrichum mit Suhaguum vermisclit.
Uebrige Bezeichnungen wie oben.
Lage im feuchten Moor, isolirt.
Baumaterial nicht bestimmbar, vermodert.
Vegetation. Von der einen Seite erstreckt sich von der
Basis eine breite Zunge dicken Sph agn um -Teppichs über den
Gipfel des Haufens herauf. Basal ist dieser Teppich ringsum vor-
handen, erreicht aber keine bedeutendere Höhe. Die Partien des
Haufens, "welche nicht mit Sph agn um bekleidet sind, sind von
einem mit S p h a g n u m gemischten P ol y t r i c h u m - Tei)i)ich bedeckt.
3ö(i ^11'? Hoi.MCiREN.
Uebrige \'egetatioii wird von Dicraiium sp. (reiclilicli). Kubus clia-
maemorus, Betula nana. Salix repens. Andronieda, Erioplioruni vagi-
natum etc. gebildet.
Was es unsicher macht, dass wir es hier mit einem alten
Ameisenhaufen zu tliun haben, ist imtürlich die vollständige Ab-
wesenheit der Ameisenhaufennarbe, welche allein mit Sicherheit die
Sache entscheiden kann. Ich gestehe, dass ich keine positiven Be-
Aveise für die Gleichstellung dieses Haufens mit den vorigen an-
führen kann, allein der Eindruck, den ich von diesem Hügel auf
den Standort erhielt, war. dass hier ein alter Ameisenhaufen zu
sehen sei. Meine subjective Auffassung ist. dass der Haufen L ein
alter Ameisenhaufen ist.
Ehe ich zu den Schlussfolgerungen übergehe, welche aus der
obigen Materialsammlung zu ziehen sind, will ich der Verbreitung
des Polytrichums im Sumpf überhaupt einige A^'orte widmen.
P 0 1 y t r i c h u m s t r i c t n m kommt überhaupt nur da in Beständen
vor, wo alte Baumstümpfe, vermodertes Holz vorhanden ist. Hier
kann Poly trieb um Teppiche bilden, aber diese erreichen keine
bedeutendere Ausdehnung und sind vor Allem ziemlich locker.
Polytrichum erfordert, scheint es, verhältnissmässig trockene
Standorte, um sich reichlich entwickeln zu können. Auf den
S p h a g n u m - Hügeln kommt Polytrichum vor, bildet hier aber keine
Teppiche, sondern ist im Sphagnum-Torf zerstreut. Auf alten
vermoderten Baumstümpfen, wo es Poly trichum- Teppiche giebt,
kann man eine kräftige Sphagnum-Invasion bemerken, welche das
Polytrichum ausrottet. Da, wo Bäume vermodernd im Sumpf liegen,
scheint Polytrichum vor Sphagnum hineinzukommen, wird
aber bald von Sphagnum verdrängt. \)
S c h 1 u s s f 0 1 g e r u n g e n.
I. Die Ameisenhaufen in der Weidezone sind, wie oben hervor-
gehoben, grösser, aber nicht so zahlreich wie die der Zone der
Sphagnum -Hügel. Die überlegene Grösse beruht auf
1) Vgl. NjiiSox, A.
Ameisen als Hngelbilduer in Süiuiifeii. 367
dem r e i c li 1 i c h e r 11 Z u g- a n g- zu 1 5 a u ni a t e r i a 1. Die geringere
Anzahl der Haufen ist auf dieselbe zurückzuführen, indem eine
grössere Zahl Ameisen auf einem verhältnissmässig kleinen Gebiet
ihre Nahrung und das Baumaterial für den Haufen linden kann.
Eine Auswanderung unter Gründung neuer Staaten ist da nicht in
grösserm Maasstab von NiUhen . wo Nahrung und vor allem Bau-
material reichlich vorhanden ist. Im reichlichen Zugang zu Bau-
material ist auch die Erklärung der Thatsache zu suchen, dass in
der Weidezone die Ameisenhaufen von Pol^'trichum strictum
nicht überwachsen weiden. Denn hier vermögen die Ameisen
durch foitg-esetzte Anbauung die P o 1 y t r i c h u m - Invasion zu
hemmen.
In der Zone der Sphagnum-Hügel aber giebt es nur wenig j^au-
material. deshalb müssen die Ameisenstaaten kleinei' werden und
Auswanderung in grösserm Maasstab vorkommen, in diesem Ver-
liältniss ist die Trsache der geringern Grösse und der grössern Zahl
der hier gelegenen Ameisenhaufen zu linden.
Im feuchten Sumpf ist das Baumaterial verhältnissmässig sehr
gering. Hier sind die Ameisenhaufen auch sowohl an Zahl wie an
Grösse sehr gering. Für diese Fälle kommt noch hinzu, dass es im
feuchten Sumpf nur spärlich Orte giebt. welche, der Feuchtigkeit
wegen, eine Gründung eines Ameisenstaates erlauben, denn die
Ameisen bedürfen bei Grundlegung ihrer Staaten einer einigermaassen
trockenen Stelle.
II. Die feuchte Lage der Ameisenhaufen ist die
Ursache, dass die Ameisen im ^loor keine bestimmten,
gros Sern, allgemeinen Fahrwege bei ihrem Ausfluge
benutzen. Da wo der Fuss des Haufens von Wasser rings um-
flossen ist, sind die Ameisen entweder ganz isolirt, oder sie können
auf Pflanzen von Blatt zu Blatt klettern, bis sie festen Boden er-
reichen. Im Allgemeinen werden solche Haufen nicht mehr an-
gebaut.
III. Auf den Ameisenluiufeii kommen Pflanzen ziemlich bald
hinauf Die erste und Haupt Vegetation des Haufens ist
Polytrichum strictum. welches einen dichten 'Peppich
bildet. Die Bedingung fiir die Pol y t rieh um-I n vasion
ist die relative Trockenheit des Haufens. Der Poly-
trichum-Teppich breitet sich alhnählich über den Haufen aus. bis
er ihn «anz bedeckt.
368 ^"'"^ Hdlmgrkn,
IV. 1) i e übrige n P f 1 a n z e ii . w eiche auf de n A m eisen-
haufen hin aufkommen, sind in der Reg'el alles solche,
welche in dei' nächsten Nachbarschaft des Haufens
wachsen. Nur selten findet man andere Pflanzen, und diese
wachsen an der Narbe, wo sie als Same hingekommen sind und
ein Keimbett gefunden haben.
V. Die äussere Form des Ameisenhaufens beruht
auf dem Polytrichum- Tepp ich. Dringt Polytrichum von
einer Seite auf den Haufen ein, so ,,fliesst" die Haufensubstanz nach
der entgegengesetzten Seite über, das heisst. der Haufen wird auf
der entgegengesetzten Seite angebaut. Ferner bemerkt man, dass
die Haufensubstanz sich immer in den Richtungen ausbreitet, wo
der Teppich am niedrigsten reicht. Mit andern Worten: die
Ameisen ziehen sich vor dem P o 1 y t r i c h u m - T e p p i c h
z u r ü c k.
VI. Eine Folge des im Paragraph V berichteten Verhältnisses ist,
dass die basalen Partien des Ameisenhaufens, je nach
der Ausbreitung des Teppichs, aufgegeben werden.
Dies geschieht aber Schritt für Schritt. Die Ameisen verlassen die
basalen Partien nicht eher, als bis ihnen der Teppich zu hoch kommt.
Hieraus ist es erklärlich, dass die bewohn ten Partien
des Haufens da am tiefsten in das Innere des Haufens
hinein reichen, wo die Narbe ihre grössten Dimen-
sionen hat.
VII. Eine andere Folge der Poly trichum-In vasion
ist, dass die Ameisen im Haufen durch Auswanderung
bedeutend an Zahl reducirt werden, indem sie nicht Ge-
legenheit haben, den Haufen neu anzubauen, während der bewohn-
bare Theil immer kleiner wird. I n d i e s e m V e r h ä 1 1 n i s s k ö nn e n
wir eine Ursache des Ameisenhaufen -Reichthums in
der Zone der Sphagnum-H.ügel suchen.
VIII. Die Ameisen hören, wenn der Teppich eine
gewisse Höhe erreicht hat. auf, den Haufen aufzu-
bauen. Dies folgt unmittelbar aus VII.
IX. Der Polytrichum -Teppich verdrängt bei fortgesetzter
Verbreitung die Ameisen gänzlich.
X. Die scheinbare Abneigung, welche die Ameisen
für die vom Polytrichum bedeckten Innern Partien
Ameisen als Hügelbildner in Sümpfen. 369
des Haufens zeigen, wird durch das Verliältniss er-
klärlich, dass Pol ytrich um Wasser an sich (zieht oder)
festhält, so dass diese Partien ziemlich feucht und
deshalb für die Ameisen als Wohn statte ung-e eignet
w erde n.
XI. Aus den Paragraphen V — X geht als allgemeine Schlussfolge-
rung hervor, dass ein intensiver Kampf zwischen Poly-
trichum und den Ameisen bestehen muss. Polytrichum
geht aber hier immer siegreich aus dem Kampfe
h e r A' 0 r.
XII. A u f d e n a u s A m e i s e n h a u f e n hervorgegangenen
P 0 1 y t r i c h u m - H ü g e 1 n dringt, schon ehe die Narbe ver-
schlossen ist, Sphagnum oft basalwärts ein. Sphag-
num verdrängt im Allgemeinen Polytrichum. So ge-
schieht es sicher auch hier (in allen Fällen, wo die Poly-
trichum-Hügel nicht erodirt werden). Dies giebt den Satz:
XIII. Aus Polytrichum -Hügeln gehen durch Sphag-
num - 1 n v a s i o n normale S p h a g n u m - H ü g e 1 hervor,
welche somit d a s E n d i) r o d u c t d e r A m e i s e n h a u f e n sind.
Aus den obigen Paragraphen geht als allgemeinste Schluss-
folgerung hervor, dass die Ameisen bei der Hügelbildung
in den fraglichen Sümpfen eine grosse Rolle spielen,
indem ihre Haufen als Ansatzpunkte der Moos- und
T 0 r f V e g e t a t i 0 n dienen.
Endlich will ich einige flüchtige Wahrnehmungen über die
Haufen von Formica rufa in Lappland ankniipfen. Während diese
Haufen im mittlem Schweden (Upland) nur selten durch einge-
drungene Vegetation charakterisirt werden, sind sie in Gellivare
Lappmark oft, sogar in der Regel, von Pflanzen usurpirt. Diese
Pflanzen sind gewöhnlich Vaccinium vitis idaea, myrtillus und uligi-
nosum und Rubus chamaemorus. Das Pflanzenkleid kriecht von der
Zoul. Jahrb. XX. Abth. f. Sy.st. 25
370 ^"iLS HoLMGREN. Ameiseii als Hiigellnldner in Sümpfen.
Basis des Haufens aufwärts, indem es die Ameisen aufwärts ver-
drängt. Man findet ziemlich oft solche Haufen, welche Dank den
Pflanzen, welche den ganzen Haufen bedecken, von den Ameisen
aufgegeben worden sind.
Solche Haufen stehen gewöhnlich auf trocknem Boden und er-
reichen oft eine Höhe von 2 m. Hier bilden sich also grosse einzelne
Vaccinium-Hügel von stattlichen Dimensionen.
Im Einzelnen habe ich die Frage hier nicht untersucht. Ich
erwähne die Verhältnisse aber, um die Aufmerksamkeit auf diese
Fragen zu lenken.
Nachdruck verboten.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
lieber eine von Herrn 0. Neumann gefundene
Phyllopoden-Art.
Von
Job. Thiele in Berlin.
Mit Taf. 13.
Von seiner letzten Expedition durch Abessynien hat Herr Oscak
Xeumann auch einige Exemplare einer Ph341opoden-Art mitgebracht,
die er mir zur Bestimmung- übergeben hat. Es stellte sich heraus,
dass hier eine noch unbeschriebene Art der Gattung- Sfreptorephakts
vorliegt, welche durch die scherenförmige 2. Antenne des Männchens
charakterisirt wird, während der zwischen diesen gelegene Stirn-
fortsatz unpaarig und meist kurz ist. Nur ausnahmsweise wird
dieser zu einem langen Anhang, so bei Sfrepfocephalus prohoscidetts
Feaüenfeld. wo er zum grössten Tlieil einfach und nur am Ende
gegabelt ist.
Die mir vorliegende Art zeigt eine noch weit stärkere Ent-
wicklung des Stirn fortsatzes und ist dadurch von allen übrigen Arten
der Gattung leicht zu unterscheiden.
Die 4 männlichen untL 6 weiblichen Exemplare sind beim Trans-
port auf Kamelen etwas beschädigt, besonders die Enden der Kiemen-
füsse und die Furcalanhänge mehr oder weniger zerstossen.
Streptoceplialns neHUianni n. sp.
Die grössten der mir vorliegenden Exemjdare beider Geschlechter
sind 18 mm lang, von ziemlich gedrungener Form.
25*
372 Jon. Thiele,
Beim Alännclien sind die Greifantennen von mittlerer Länge.
Ungefähr in der Mitte des Basaltheils entspringt die nach hinten
gerichtete „Seitenborste" ; der mittlere emporgebogene Theil ist
dünner und ungefähr halb so lang wie der Basaltheil. Der scheren-
förmige Endtheil endlich, dessen Form am besten aus den Ab-
bildungen (Fig. 1, 2) zu entnehmen ist, zeigt am Beginn eine knoten-
förmige Anschwellung und verbreitert sich allmählich ein wenig.
Der vordere Scherenast ist zunächst breit und einfach, innen deutlich
ausgehöhlt und läuft in einen vordem, allmählich zugespitzten, län-
gern und einen halb so langen hintern Fortsatz aus ; zwischen beiden
findet sich eine dreieckige Platte, deren vorderer Rand concav und
deren hinterer convex ist. Der kürzere hintere Scherenast ist im
Ganzen einfach, zugespitzt, am Ende nach hinten umgebogen, sein
vorderer Eand am Anfang durch eine schmale Lamelle, weiterhin
durch einen kurzen fingerförmigen Fortsatz ausgezeichnet.
Der Stirnfortsatz ist etwa so lang wie die Greifantenne bis zum
Anfang der Schere. Ihr starker Anfangstheil ist geringelt und hinten
mit einigen kleinen zapfenförmigen Auswüchsen versehen. AVeiter-
hin zerfällt er in 3 Abschnitte, von denen der mittelste, der sich
nach hinten spiralig gekrümmt hat, als die Fortsetzung des Anfangs-
theils gelten kann, er ist hinten mit ziemlich grossen zugespitzten
Zapfen besetzt, die nach dem Ende hin kleiner werden. Die Seiten -
äste sind am Grunde breit und theilen sich bald in je 2 Endzweige,
die auch gekrümmt und mit einigen kleinen Zapfen ausgestattet
sind (Fig. 3).
Ueber die übrigen Organe des Kopfes ist nichts besonderes zu
bemerken.
Die Kiemenfüsse haben die gewöhnliche Form, indessen über-
ragt der Exopodit den Endopodit nur wenig. Die obern Lappen
der Innenseite sind mit langen Borsten besetzt. Die Borsten an den
Endopoditen der beiden ersten Füsse sind dünn und von ziemlich
geringer Grösse, während an den übrigen Beinen an der untern,
Innern Ecke 3 von ihnen zu kurzen, kräftigen, krallenartig gebogenen
Dornen umgewandelt sind (Fig. 5). Ihnen schliessen sich am Innen-
rande einige Börstchen, weiterhin kurze Dörnchen an, deren Zahl
bei den verschiedenen Beinen wechselt.
Solche Krallen sind wahrscheinlich für ein Umherkriechen auf
dem Boden angepasst, und damit dürfte die geringe Länge des Exo-
podits in Zusammenhang stehen ; ähnliche erwähnt Sars von Sfrepfo-
cephaJus dregei, doch sind sie bei dieser Art nach der Innenseite hin
Ueber eine von Herrn 0. Xeumann gefundene Phyllopoden-Art. 373
nicht so abgesetzt wie bei der hier beschriebenen. Am Exopodit
gehen die lano-en Borsten, die den untern Theil des Randes besetzen,
an der Aussenseite in kürzere Dornen über. Der Epipodit ist
schmal und am Ende kurz zugespitzt, nur .beim hintersten Bein
gezackt, dagegen trägt die Kiemenlamelle am Rande grössere und
kleinere, sägezahnförmige Zacken (Fig. 6).
Die Hiuterränder der auf die Geschlechtsorgane folgenden
5 Segmente tragen an der Ventralseite einige — meist "3 —
Dornen. Das letzte Segment ist kurz, die Furcaläste, soweit die Reste
es erkennen lassen, von der gewöhnlichen Form, beiderseits mit
Borsten besetzt.
Beim Weibchen ist die 2. Antenne eine Platte von massiger
Breite, innen fast gerade, A'orn mit einer abgesetzten Spitze ver-
sehen, in deren Umgebung einige kleine Börstcheu stehen, an der
Aussenseite abgerundet (Fig. 4).
Die Endopodite der Beine tragen ebensolche krallenförmige
Borsten wie beim ^lännchen. Der Eiersack ist lang und hinten in
eine einfache Spitze über der Mündung ausgezogen (Fig. 7). Die
Dornen an den Rändern der Abdominalsegmente fehlen dem Weibchen.
Fundort: Harro Rufa im Ennia Galla-Land (1. Juni 1900).
H74 JoH. Thiele. Eiue von Herrn 0. Xecmann gefundene Phvllopoden-Art.
Erklärimg der Abbildungen.
Tafel 13.
Fig. 1. Kopf eines Männchens in Seitenansicht.
Fig. 2. Greifantenne desselben von der Innenseite gesehen.
Fig. 3. Stirnfortsatz desselben unter Fortlassung des linken Seiten-
astes.
Fig. 4. 2. xA.ntenne eines Weibchens (Fig. 2 — 4 sind bei gleicher
Vergrösserung gezeichnet).
Fig. 5. Endopodit vom 3. Bein des Männchens.
Fig. 6. E.and des Kiemenblattes von demselben Bein.
Fisr. 7. Ende des Eiersackes vom Weibchen.
Nachdruck verboten.
UeberseUungsrecht vorbehalten.
Beiträge zur Kenntüiss der Fauna von Süd-Afrika.
E r g- e b n i s s e einer 1\ e i s e von Pro f. M a x We b e r
im Jahre 1894.
V. Pycnogoniden aus der Capcolonie und Natal.
Bearbeitet von
Dr. J. C. C. Lomaii in Amsterdam.
Mit Tafel 14,
Als icli, bei der Bearbeitung- der von der holländischen Siboga-
Kxpedition gesammelten Pycnogoniden. auch das Material unserer
]\fuseen zur Yergleichung durchmustern konnte, kamen mir einige
Gläschen in die Hände, welche die von Herrn Prof. Webek aus
Süd-Afrika mitgebrachten Formen dieser Abtheilung enthielten. Ob-
schon die Sammlung klein ist und aus nur vier Species besteht,
sind diese doch sämmtlich wichtig und verdienen besprochen zu
werden, da gerade aus dieser Gruppe fast keine süd-afrikanischen
Thiere bekannt sind. Denn wenn man die in der Nähe von Süd-
Afrika aus grösserer Tiefe gedredschten Pycnogoniden hier ausser
Betracht lässt, so sind es eigentlich nur zwei Exemplare zweier
ganz verschiedenen Gattungen, die uns als Bewohner des flachen
Wassers von Hüek in seinem „Challenger Keport" beschrieben werden,
und zwar
Discoarachne breripes Hoek ') und
Hannoniu tijpica Hoek -'}.
1) HoEK, in : Eep. sc. Res. Challenger, /ool., V. 3, PyeuogouideD, p. 74.
2) HuEK, I. c, p. 92.
37ß J- C. C. LOMAN,
Von diesen Species hat Herr Prof. Weber viele Exemplare
beiderlei Geschlechts erbeutet an der nämlichen Stelle bei Seapoint.
Da aber die beiden Unica der Challenger-Expedition Weibchen sind,
so haben die eiertragenden Männchen ]\ranches über die sj'stematische
Stellung' dieser sehr eigenthümlichen Genera gelehrt.
AVeiter ist Pycnogonum microps n. sp. ein typischer Vertreter
seiner Gattung, der sich gerade durch den winzigen Augenhügel
scharf von andern Flachwasserarten dieses Genus unterscheidet. Und
nicht weniger typisch ist auch Ammothea hrcvkanäa n. sp., eine Art,
welche die von Dohen seiner Zeit an mehreren Species begründeten
generischen Merkmale vollends zur Schau trägt.
Die vorliegende kleine Sammlung zeigt somit, dass neben ganz
aberranten, endemischen Gattungen wie Biscoarachne und Hannonia
in der Fauna Süd- Afrikas auch andere wie Ammothea und Pycnogonum
vertreten sind, die eine Verbreitung über die ganze Erde haben.
Die bekannten Arten dieser Genera stehen sich aber so nahe, dass
es nur mit Hülfe genauer Abbildungen und ausführlicher Beschrei-
bungen möglich ist sie auseinander zu halten.
Animothea hrevicauda n. sp.
Capcolonie, Port Elisabeth. 1 Expl. S-
Von dieser sehr kleinen Art wurde nur ein männliches Exemplar
gefunden, das aber völlig erwachsen zu sein scheint. Der Körper
(Fig. 1) gleicht dem der Ammothea fibulifera Dohen in mancher
Hinsicht, nicht nur in der allgemeinen Form, sondern auch in der
Bewaffnung. Er ist scheibenförmig; die Seitenfortsätze liegen dicht
an einander, nur durch einen engen Zwischenraum geschieden; sie
sind aber nicht verschmolzen.
Am breiten Vorderrand des 1. Segments steht der Augenhügel,
zu dessen beiden Seiten über den Palpen ein starker Kegelhöcker.
Der Augenhügel ist nicht besonders hoch, ein wenig nach vorn ge-
neigt und trägt eine stumpfe Spitze zwischen den nahe liegenden
Augen. Von den Segmentgrenzen sind nur zwei zu sehen, die
zwischen dem 3. und 4. Segmente ist verschwunden, auch der Hinter-
leib ist ohne Gelenk mit dem Rumpf verbunden. Das 2. Segment
ist nur halb so lang wie das 1., die verwachsenen 3. und 4. Seg-
mente sind zusammen etwas länger als das 2. Der Hinterleib ist
Avohl sehr kurz, noch nicht einmal ganz so lang wie die neben ihm
liegenden Seitenfortsätze des letzten Beinpaares, und nur wenig nach
aufwärts gerichtet.
Pycnogouideu ans der Capcolouie und Xatal. 377
Die Proboscis erreicht die Länge des Körpers; sie ist schlank
und spindelförmig:, mit g-rossen Lippen. An der innern Reuse konnte
ich 24 Borstenleisten zählen.
Die rudimentären Cheliforen sind klein; das 1. Glied kaum 4 mal
so lang- wie das 2.. das fast kugelrund ist und oben einen Einschnitt
trägt (Fig-. 2).
Die Palpen (Fig. 2) sind nur wenig länger als die Proboscis,
gekniet. Sgliedrig. von ganz derselben Gestalt wie bei A.fihnlifera,
das 4. Glied (Glied 5 und 6 nach Dohen also) zeigt die Andeutung
einer Verwachsung aus zwei ungleichen Theilen.
Die ■ Eierträger haben die typische Form und Bewatfnung der
Gattung AmmotJiea und sind kaum von denen der A. fihulifera zu
unterscheiden. Besonders ist die Bewaffnung mit Eichenl^lattstacheln
ganz ähnlich (Fig. 3).
Die Gehfüsse bilden gute Kennzeichen zur Unterscheidung der
Art; ich fürchte aber, dass das unbekannte Weibchen dadurch nicht
oder schwer zu unterscheiden sein wird, da die eigenthümlichen
Auswüchse der basalen Fussglieder nur im männlichen Geschlecht
gefunden werden, während sie bei den Weibchen Avenig entwickelt
sind oder fehlen. Ammoihea hreiicauda S besitzt oben am distalen
Ende der Seitenfortsätze aller Füsse jederseits 2 dicht neben ein-
ander liegende Kegelhöcker, die meist deutlich auf ihrer Spitze einen
kleinen Dorn tragen. Beachtung verdient, dass diese Höcker mehr
oder weniger in der Richtung des Gliedes gewachsen sind und über
das nächste Glied hinüber greifen (Fig. 4). nicht wie bei andern
Ammuthea- Arten seitlich gestellt und gekrümmt sind.
Dieselbe eigenthümliche Bewaffnung wiederholt sich am 1. Glied
der Füsse, am 2. sind die Höcker schon weniger entwickelt, am 3.
sind sie kaum sichtbar, aber es findet sich ein Höckerchen an der
nach vorn gerichteten Seite dieses Abschnitts. Die sonstige Be-
watfnung der Füsse ist der von A. fihulifera fast völlig gleich, nur
der Tarsus trägt oben eine geringere Zahl (4—5) langer Dornen.
Die Nebenkrallen erreichen die halbe Länge der Kralle selbst oder
etwas darüber.
Das Nervensystem bietet nichts Bemerkenswerthes; die Bauch-
kette besteht aus 5 grossen, deutlich getrennten Ganglien, die al)er
so nahe auf einander gerückt sind, dass die Längsconimissuren nicht
zu sehen sind. Ein kleines, kugliges Adominalganglion liegt oben
auf dem 5. Ganglion.
Die männlichen Geschlecht söffnimg-en liegen aut besondeni
378 J- C- C. LOMAX,
Höckern am 2. Gliede der letztern 2 Fasse (ein Merkmal der
Gattungj. Bei unserer Art ist das 2. (41ied der betreffenden Ex-
tremitäten kurz und der Geschlechtshöcker dick und kräftig- (Fig. 1 J).
Die Kittdrüsen am 4. Gliede der Beine stimmen in Lage und
Bau mit der von A. franciscana (I)ohen, Monographie, tab. 3, fig. 4)
genau überein. Sogar der typische Dorn neben der Mündung fehlt
auch bei A. hrevicauda nicht.
Das einzige Exemplar trug keine Eierballen.
Von andern verwandten Arten unterscheidet sich A. hrevicauda
also durch den sehr kurzen Hinterleib, durch die geknieten Palpen,
durch den ganz am Vorderrande stehenden Augenhügel von massiger
Grösse und durch die verhältnissmässig kleinen Kegeldornen auf den
Extremitäten.
Maasse in mm.
Proboscis : 0,7
Rumpf 1) :0,7
Abdomen : 0,08
3. Gehfuss : 3, —
JPijcuof/ofiiun microps.
Strand bei Illovo oder Isipungo-Natal. 1 Expl. 9.
Das Exemplar (Fig. 5) hat die Gestalt ^Wqy Fucnogonum-kvtaw:
die dicke Proboscis, den massiven, in Segmente gegliederten Körper,
deren vorderes die Proboscis, wie ein Kragen den Hals, umfasst
(Fig. 6), und die kurzen, plumpen, aber kräftigen Füsse.
Am Rumpf, der durch deutliche Gelenke in 4 Segmente getheilt
ist, sind die Seitenfortsätze ebenso breit wie die Segmente und fast
gar nicht durch Furchen von denselben geschieden. Auf dem hintern
Theil der vordem 3 Segmente findet sich ein medianer, stumpfer,
dicker, aber niedriger Buckel; ausserdem tragen die Seitenfortsätze
ähnliche, aber viel kleinere, und endlich liegt hinter dem Augen-
hügel ein noch kleinerer. Dieser Augenhügel ist bei unserer Art
1) Beim Bestimmen der Körperlänge werden die seitlichen Fortsätze
des letzten Beines mitgerechnet, wenn sie in der Richtung des Körpers,
wie oft, nach hinten gewachsen sind, ebenso oft aber nicht berücksichtigt,
wenn dieselben mehr seitlich gerichtet sind. Zur Vermeidung dieser TJn-
genauigkeiten ziehe ich es vor, die Länge des Rumpfes immer von der
Mitte des Vorderrandes bis zum Ursprung des Abdomens
zu messen.
Pycnogoniden aus der Capcoloiiie mul Xatal. 379
selir Avenig- entwickelt, die Augen nicht einmal mit der Lupe gut
wahrzunehmen, aber bei stärkerer Vergrösserung erscheint er als eine
geringe Erhabenheit, die 4 winzige Augen trägt. Im Uebrigen sind
Körper und Füsse von ebenso rauher Oberfläche wie bei andern
Arten der Gattung. Auch der kurze Hinterleib hat nichts Be-
sonderes, ist im Gegentheil. wie oft. hinten gerade wie abgeschnitten.
Die Proboscis ist von der Seite gesehen genau cylindrisch
( Fig. 6), zeigt aber von oben gesehen (Fig. 5) hinter der Mitte eine
sehr leichte Einschnürung. Die Lippen scheinen klein zu sein.
Das Lumen ist gross, tonnenförmig, denn die Reuse liegt ganz
hinten.
Die Extremitäten sind normal, haben zwar eine rauhe Ober-
fläche, zeigen jedoch nirgends grössere Buckel.
Kralle ohne Nebenki'allen.
Unter dem Mikroskop ist die Haut des Körpers überall durch
Leisten und Balken von sehr verschiedener Grösse netzförmig ge-
kammert, genau so, wie es auch bei P. liftorale vorkommt.
Die Ovarialmündungen glaube ich hinten auf der Oberseite des
2. Gliedes der Hinterfüsse gesehen zu haben, doch wai- diese Oetf-
uung nicht scharf markirt, da das einzige Exemplar wohl noch nicht
zur vollen Reife gekommen ist.
Unterscheidungsmerkmale dieser Art sind der kleine Augenhügel
und die fast vollkommen cj^liudrische Proboscis.
M a a s s e in mm
Proboscis : 1^2
Rumpf : 3
Hinterleib: Va
LGehfuss:3V2
4. Gehfuss : 2%
Disroartichnc hrei'ipes Huek.
Seapoint (Tafel-Bai) bei Capstadt. 15 Expl.
Von dieser merkwürdigen Art sammelte Herr Prof. W^eber
9 Weibchen und (5 ^lännchen, alte und junge, und da auch die von
CoLE 1) beschriebenen 11 Exemplare am selben Ort gefangen wurden,
so wäre eine nähere Besprechung eigentlich überflüssig. Die Be-
1) COLE, On Discoarachne brevipes HoEK, a Pycnogonid from South
Africa, in: Zool. Jahrb., V. 15, Syst., p. 243.
380 J- ^'- C^- LOMAN
fuiide I'ole's stimmen abei' mit den meinigen niclit überein, nnd es
werden wichtige Fragen unbeantwortet gelassen, die ich hier nicht
umgehen möchte.
Zuerst einige statistische Angaben über die mir vorliegenden
Exemplare. Die wichtige Beobachtung Cole's über die ('heliforen
dieser Art ist ohne Zweifel ein Altersunterschied und stimmt überein
mit dem ähnlichen Vorgang bei der Gattung A.mmoihea, deren zahl-
reiche Synonyme sogar diesem späten Verlust der Cheliforen zuzu-
schreiben sind. Den Genera Ammotlica und Discoarachne schliesst
sich Niimphopsis Haswell an. wie aus dem Material der Siboga-Ex-
pedition hervorgeht; nur ein sehr altes Männchen von iV. m^scos«.?
(einer demnächst zu beschreibenden neuen Species aus dem indischen
Archipel) besitzt scheerenlose Cheliforen, die übrigen behalten die
Scheeren. wenn auch mehr oder weniger rudimentär, lange Zeit bei,
und sogar eiertragenden Männchen fehlen sie nicht, obschon sie zu
nutzlosen Ivörpertheilen herabgesunken sind, da ihre Muskeln atro-
phirten. Wie Leach also in die Diagnose der von ihm ge-
gründeten Gattung Ammothea die scheerentragenden Cheliforen auf-
nimmt, so sagt auch Haswell i) in seiner Charakteristik von
NympJiopsis : „First pair of appendages well developed, cheliform".
Nach Obigem haben wir es hier mit einer Erscheinung zu thun, die
bei mehreren Gattungen ähnlich verläuft, denn auch bei Ammoiliea
fand ich einmal ein eiertragendes Männchen, wo die Scheere der
Cheliforen noch nicht ganz verkümmert war. Nun sind weiter die
11 CoLE'schen Exemplare durchschnittlich kleiner (jünger) als die
16 WEBER'schen, die mit dem Typus von Hoek übereinstimmen.
Untersuchen wir diese auf das Schwinden der Cheliforen, so er-
giebt sich, daß die Weibchen diese Theile früher verlieren als die
Männchen,
Das jüngste Exemplar, mit schon vollständig gebildetem, sonder-
barem Eierfuss und daher als Männchen zu erkennen, ist weisslich,
durchsichtig und hat 2 gliedrige Cheliforen , die denen einer er-
wachsenen Ammothea ähnlich sind (Fig. 7a). Bei vier er-
wachsenen Männchen (darunter zwei eiertragend) sieht man sehr
deutliche conische Rudimente (Fig. 7b), und nur einem, grossen,
alten Männchen fehlen auch diese.
Von den Weibchen fand ich nur eins (noch wohl nicht ganz
1) Haswell, Pycnogonida of the Australian coast, in : Proc. Linn.
Soc. N. S. Wales, V. 9, 1884, p. 1025.
Pycnogoniden aus der Capcolouie und Xatal. 381
geschlechtreif, obschon mit sicli entwickelnden Eiern in den Füssen)
mit stummeiförmigen Cheliforen (Fig. 7 c), wie aucli Colk abbildet.
Die acht andern zeigen keine S]tnr der ersten Extremität. Ich
kann nicht glauben, dass die Exemplare von Colk zur vollkommenen
Reife gekommen sind; sie sind zu klein. Wenn es bei ihm heisst^):
„None of these t'emales is as large as that of the Challenger col-
lection, the measurements of the largest averaging only obont 80",,
of these given in that report. That they are mature, however, is
evidenced by the fact that they contain füll sized ovarian eggs",
so ist das kein Beweis, denn auch bei dem etwas Jüngern Weibchen
finden sich bereits recht grosse Eier. Wahrscheinlich war auch das
Originalexemplar der Challenger-Expedition noch nicht ganz er-
wachsen, sonst hätte Hoek uns doch wohl beschrieben, dass die
Ovarialschläuche sich bis an den Tarsus erstrecken und die ersten
sechs Glieder der Füsse strotzend mit reifen Eiern
angefüllt erscheinen, wie ich es an einigen alten weiblichen Indi-
viduen feststellen konnte.
Dass CoLE jüngere Thiere untersucht hat, dem schreibe ich
auch den grossen Unterschied zu, der zwischen den von ihm ge-
fundenen Eierträger und den sogleich zu beschreil)enden Extremi-
täten der vollkommen erwachsenen Männchen besteht, lieber
den Bau der weiblichen Eierfüsse sind Hoek, Cole und ich einig.
Die Fig. 8 giebt uns nun die betreffende Extremität eines sehr alten
eiertragenden Männchens wieder. Sie ist neungliedrig, trägt an
den Gliedern 1—6 spärliche starre Haare, Glied 7 ist etwas dicker,
mit rundlicher Spitze und trägt das etwas kleinere 8. Glied auf der
Seite eingelenkt. Das letzte Glied ist noch kleiner, eiförmig, und
sitzt mit dünnerm Halstlieil auf der Spitze des vorigen. Ein
10. Glied habe ich nicht finden können; wenn es da ist, ist es jeden-
falls winzig klein und mit den vorangehenden unkenntlich ver-
schmolzen. Vielleicht ist die Abbildung Cole's nach einem
Jüngern Thiere entworfen und ist die Extremität einer Metamorphose
unterworfen, deren Ende erst in hohem Alter erreicht wird. Denn
die Gliederzahl ist nicht der einzige Unterschied, auch die Behaarung
ist eine ganz andere. Während die basalen und mittlem Glieder
nur spärlich behaart sind, ist Glied 7 mit über 20 langen starken
Haaren ausgestattet, die vorzugsweise um die Spitze angesammelt
sind, am 8. Glied zähle ich etwa 10 kaum kleinere und am End-
1) CoLE, 1. c, p. 244.
382 J- <^- C. LOMAN.
giiede etwa 12 ähnliche. Das Ganze macht bestimmt den Eindruck
eines Tastorgans.
Ein ähnlich g-ebauter männlicher Eiertiäger scheint höchst selten
zu sein. Nur für Trygacns wird dasselbe von Dohen ^) angegeben,
doch sind hier die betreffenden weiblichen Extremitäten ebenfalls
9gliedrig und nicht wie bei Discoarachne normal lOgliedrig. Es
kommen bis 10 Eierballen bei einem Männchen vor; der Durch-
messer eines Eies ist nur 0,082 mm im Maximum (Fig. 11).
Die ]\[ännchen der P.ycnogoniden unterscheiden sich ausserdem
äusserlich durch zwei Eigenheiten, den Weibchen gegenüber, auf
welche besonders Dohrn hingewiesen hat und die auch für die
Systematik wichtig sind. Es sind dies die Lage der Hodenöffnungen
und die Kittdrüsen. Besonders bei einer so aberranten Gattung wie
Discoarachne war eine Untersuchung dieser Theile sehr erwünscht, und
da CoLE über diesen Gegenstand gar keine Mittheilungen gemacht
hat, ist eine nähere Betrachtung nicht überflüssig.
Die männlichen Genitalöff nungen befinden sich am
2. Giiede der beiden letzten ß einpaare (Fig. 9), nicht auf
eigenen Höckern wie bei Anniwf hea. aber doch am hintern Ende des
Gliedes auf einer wenig vorragenden Ecke (gewissermaassen dem
Rudiment eines Höckers), und von kräftigen kurzen Haaren so dicht
umgeben, dass es äusserst schwer ist, die sehr kleine Oeffnung (S)
zu entdecken. Fast immer ist es nur die borstige Spitze, die die
Anwesenheit einer Oeffnung verräth.
Die Kittdrüsen sind ganz anders gebaut als bei Ammothea.
Zahlreiche Drüsenröhrchen münden hier in einer geräumigen, im
distalen Theil des 4. Gliedes aller Füsse gelegenen Höhle (Fig. 10 h)
von platt rundlich ovaler, unregelmässig zweilappiger Gestalt. Diese
blasenartige Einsenkung liegt hart am Chitin der Körperwand und
mündet durch eine kurze, weite Röhre oben, unweit der Spitze.
Diese Form der Kittdrüsen ist höchst selten und wird nur noch bei
der Gattung Trygaeus Dohrn gefunden.
OoLE beschreibt eine Drüse im 2. Giiede aller Füsse beim
Weibchen, die ich nicht habe finden können. Derartige Drüsen im
weiblichen Körper, die, wie Cole vermuthet, einen ähnlichen Zweck
haben wie die männlichen Kittdrüsen, sind bis heute nicht bekannt
geworden.
1) Dohrn, Die Pantopoden des Golfes von Neapel, 1881, p. IGO,
tab. 9, fig. 8.
Pycuog'oiiiden aus der Capcolonie und Natal. 383
Naclulem wir also den Bau des niännliclieii Kör])ers besser
kennen gelernt haben, können wir die Charaktere der Gattung
aufstellen.
J)is((KH'<i<'hne HoEK.
Körper kreisrund: alle Segmente verwachsen, auch die Seiten-
tbrtsätze verschmolzen; Hinterleib dünn, nach hinten gerichtet.
Proboscis gross, spindelförmig.
Cheliforus fehlt bei sehr alten Exemplaren; bei jungen l)is
kaum erwachsenen Thieren rudimentär.
P a 1 p u s kurz, ögliedrig.
Eiert räger ohne Fiederdornen; dimorph: beim $ normal.
lOgliedrig. beim ^ Ögliedrig. die letzten beiden Glieder vor der Sj)itze
des 7. eingelenkt.
Ovarien tragen reife Eier bis in das 6. Glied der Füsse.
Männliche Geschlechts ö f f n u n ti e n auf den beiden Hintei-
beinen, ohne Geschlechtshöcker.
Kittdriisen münden gemeinsam in einen geräumigen, runden
Ghitinsack, der selber mit einem kurzen Ausführungsgang sich in
der Haut (iffnet.
E i e r )) a c k e t e zahlreich.
Sehen wii' uns schliesslich nach systematisch verwandten
Gattungen um, so erhellt aus Obigem: 1. dass Discoarachnc nicht
mit Colosscndeis in eine Familie gestellt werden kann; 2. dass das
Fehlen der Cheliforen als Kriterium zur Unterscheidung von Familien
und Gattungen besser nicht gebraucht wird; 3. dass die nächst ver-
wandten sind: Tanijsti/Imn Miers (Clofenia Dohrn) und Trijgaens
DoHRN. An Tanystijlum erinnert z. B. der concentrirte, scheiben-
förmige Körper und die bis in die Spitze der Beine sich erstrecken-
den Ovarien; mit Tnjgacus aber ist gemeinsam die Lage und Zahl
der Hodenmündungen, die Dimorphie der Eierträger und die sonder-
baren Kittdiüsen, die bei keiner andern Gattung ähnlich gebaut sind.
JJdimoiiifi tjjjflcd HoEK.
Seapoint, Tafel-Bai. 4 66,^ '+^\ 1 Junges.
Das Weibchen ist aus der Beschreibung von Hokk genügend
bekannt. Das ('hallenger-Exemi»lai- ist ein sehr altes gewesen, denn
keins der W'EjjER'schen erreicht dieselbe Grösse. Die Maasse des
grössten Männchens sind in mm :
384 J- C- C. LOMAN.
Proboscis 3
Eumpf 4
Hinterleib nahe an 2
Der letzte Fuss 10
Alle Tliiere hatten die Proboscis nnter den Rumpf zurückg-e-
schlag'en (Fig. 13), wie von Ascorhynclms bekannt ist. Die Segmente
sind scharf getrennt, das erste nimmt fast die Hälfte des Rumpfes
ein und bildet vor den Augen ein weit vorspringendes Rechteck,
an dessen Vor- und Unterfläche die Clieliforen und die Proboscis
befestigt sind (Fig. 12, 13). Der Hinterleib ist beinahe so lang wie
das 1. Segment, am hintern Ende keulenförmig angeschwollen und
nach unten gerichtet. Der Augenhügel (Fig. 12, 13) ist gross, rund-
lich, aber nicht sehr hoch. Die Cheliforen schwinden nie ganz, auch
die Scheere bleibt bei den grössten Exemplaren als Rudiment er-
halten (Fig. 14 c), und Blindsäcke des Darms dringen bis an das
Scheerenglied vor. Das einzige jüngere Thier der Sammlung hatte
einen etwas grössern Cheliforus (Fig. 14 a) mit wohl ausgebildeter,
jedoch schwächlicher Scheere, der beinahe die halbe Grösse der
Proboscis erreicht.
Beim Männchen interessiren uns nun 3 Punkte: der Eierträger
und die Weise, in der die Eier getragen werden, die Genitalötfnung
und die Kittdrüsen.
Die männlichen Eierträger sind aber von genau derselben Form
wie die weiblichen, mit dem einzigen Unterschied, dass die starren
Haare, welche sie bekleiden, ein w^enig zahlreicher und die mittlem
Glieder (Glied 4 und 5) wohl etwas länger und stärker sind. Die
Eier werden von den beiden Extremitäten zusammen getragen (wie
bei Fycnogonum). Sie sind zu einem grossen Kuchen vereinigt, doch
kann man deutlich mehrere Abtheilungen unterscheiden durch tiefe
Einschnitte getrennt, was wahrscheinlich dadurch verursacht wird,
dass mehrere Weibchen demselben Männchen ihre Eier übergeben.
Die Eier sind durchschnittlich 0,09 mm gross.
Die Hodenöffnungen findet man, ganz wie bei Ammofhea, auf
ansehnlichen Höckern am 2. Gliede der hintern 2 Beinpaare (Fig. 15),
"von einigen starken Haaren umgeben.
Kittdrüsen aber habe ich leider nicht wahrnehmen können; ich
kann nur angeben, dass sie an der Stelle, wo sie bei Ammothea
liegen, bestimmt nicht vorkommen.
Die Charaktere der Gattung sind demnach:
Pycuogonideu ans der ('apcolonie niid Natal. 385
Hannonia Hoek.
Körper g-edrung-eii, deutlich gegliedert; Hinterleib lang, keulen-
förmig, nach unten gerichtet; l. Segment vor den Augen ausgezogen.
Proboscis von der Form eines Pfeifenkopfes, ganz an die
Bauchseite gebogen.
Cheliforus des erwachsenen Thieres 2gliedrig, mit ver-
kümmerter Scheere.
Palpus fehlt.
Eierträger normal lOgliedrig in beiden Geschlechtern: ohne
Fiederdornen, mit Endklaue.
Eier werden in einem grossen gelappten Kuchen von beiden
Eierträgern zugleich getragen.
Ovarien tragen Eier bis in das 6. Glied derFüsse; weibliche
Genitalötfnungen an allen Füssen; männliche Genitalöffnungen auf
starken Höckern der hintern beiden Extremitäten.
(Kittdrüsen unbekannt.)
Die systematische Stellung von Hannonia scheint mir nicht leicht
zu bestimmen. Der kräftige Körper, die kurzen Beine mit Klauen
ohne Xebenklauen sowie die grosse gelappte Eiermasse, die von den
beiden Eierfüssen getragen wird, sie bieten Anklänge an Pijcnogonum :
die Lage der Proboscis, nach hinten umgewendet unter dem Rumpf,
und ihre Form erinnern an Asrorhijnchus ; die bis in die Spitze der
Extremitäten reife Eier producirenden Ovarien und die dicken männ-
lichen Genitalhöcker sind der Farn. Ammoiheidae entlehnt.
Die normalen, in beiden Geschlechtern gleich geformten, 10-
gliedrigen Eierträger und die ungewöhnliche Form und Lage der
Proboscis entfernen die Gattung wieder aus der Nähe von Pycnogonum.
Und das gänzliche Fehlen der Palpen spricht auch nicht für eine
nähere Verwandtschaft mit Äscorhynclms oder mit Ammofhea.
Die Wahl wird hier schwer. Soviel ist aber geAviss, dass ich,
als ich das Thier zum ersten Male sah, es der äussern Erscheinung
nach sofort als einen Verwandten von Ascorhjnchus erkannt zu haben
glaubte. Bald nachher kamen bei näherer Bekanntschaft die Zweifel.
Und jetzt warte ich auf bessere Kriterien zur Entsclieidung.
Zool. Jahrb. XX. .\bf}i. f. .Syst. ^6
386 J- C. C. LoMAN, Pj'cuogoniden ans der Capcolonie und Natal,
Erklärung der Abbilduiigeii.
Tafel 14.
Animothea hrevica/ida n. sji.
Fig. 1. Körper von oben, mit rechtem Cheliforus, Palpus und
Hinterfuss. S- Grenitalhöcker,
Fig. 2. Vordertheil mit Cheliforus und Palpus, stärker vergrössert.
Fig. 3. Endglieder eines Eierträgers.
Fig. 4. Seitenfortsatz und 1. Glied (/) des 3. rechten Gangbeins.
Pyciiogonahi microps )t. sp.
Fig, 5. Körper von oben.
Fig. 6. Derselbe von der rechten Seite, ohne Füsse.
Disconrachnc brevipes Hoek.
Fig. 7. a. Cheliforus eines jungen Männchens ; b. von einem kleinen
eiertragenden Männchen ; c. von einem nicht ganz erwachsenen AVeibchen.
Fig. 8. Eierträger eines sehr alten eiertragenden Männchens.
Fig. 9. Die proximalen Glieder (/, II, III) des 3. Gangbeines eines
reifen Männchens. $ Hodenöffnung am 2. Glied.
Fig. 10. Kittdrüsen (/r) nahe der Spitze des 4. Gliedes eines Hinter-
fusses.
Fig. 11. Ei im 4-Zellen-Stadium.
Hanvonia iypica Hoek.
Fig. 12. Vordertheil von oben, vergrössert. chel Cheliforus; eit das
1. Glied des Eierträgers; A Augenhügel.
Fig. 13. Das ganze Thier von rechts, ohne Füsse.
Fig. ] 4. Drei Stadien in der Entwicklung eines Cheliforus. a. Jung ;
b. älter ; c. altes Männchen.
Fig. 15. Proximale Glieder (/, //, ///) eines Hinterfusses beim
Männchen. $ Hodenöffnung am 2. Glied auf der Spitze des Höckers.
Nachilruck verboten.
Ueberaetsungsrecht vorbehalten.
Die Landfauna der Marschall-Inseln
nebst einigen Bemerkungen zur Fauna der
Insel Nauru.
Von
Dr. med. Paul Schnee in Gross-Lichterfelde,
früher auf Jaluit (Marschall-Inseln).
Die Marschall-Inseln sind eine (-Jruppe von Atollen im Stillen
Oceane. welche sich zwischen dem ö*^ und li^ nördl. Br. und dem
161— 171 "^ östl. Länge erstrecken. Sie liegen somit etwa in der
Mitte zwischen der Carolinen- und der (Tilbert-Gruppe. 34 Inseln,
dei-en Flächeninhalt etwa 400 qkm betragen soll, setzen sie zu-
sammen. Alle sind niedrig und erheben sich nur in wenigen Fällen
höher als 1 m über die Hochwasserlinie. Ihr Boden besteht einzig
und allein aus Korallentrümmern untermischt mit Muschelschalen
und dergleichen Resten: meistens ist er recht unfruchtbar, da sich
nur wenig Humus, von abgestorbenen Pflanzen herrührend, auf
ihnen gebildet hat, welcher durch die gewaltigen, sehr häutigen
Regen noch dazu beständig ausgelaugt und fortgespült wird. Trotz-
dem sind sie dicht mit Buschwerk bedeckt, indessen ist die Anzahl
der vorkommenden Species recht gering. Ich vermochte, mit Aus-
schluß der von Europäern eingeführten, nur etwa (SO Arten zu
sammeln, von denen aber wieder ein grosser Theil eingeschleppte
Unkräuter waren.
Nauru, unter dem Namen Pleasant Island vielleicht etwas be-
kannter, liegt 1 " südlich vom Aeriuator. unter dem 167 " östl. Länge.
Die Insel besteht aus gehobenem Korallenfelsen, dessen Höhe bis
26*
388 Paul Schnee,
ZU 180 Fuss aufsteigt. Ihr Umfang- beträgt 18 km. Ein flacher,
meist sandiger Strand umgiebt den gebirgsartig aufsteigenden Kern,
der Blicke in waldige, mit Baumgipfeln bedeckte Thäler gewährt,
welche dem Verfasser nach mehrjährigem Aufenthalte auf dem ab-
solut ebenen Boden der Marschalls fast alpenmässig vorkommen
wollten. Ein grosser Teich sowie zahlreiche, tiefe Höhlen verdienen
Erwähnung. Nauru besitzt somit kaum Aehnlichkeit mit den
Atollen der erwähnten Gruppe, zn der sie aber politisch gerechnet
wird, da sie wie jene deutscher Besitz ist.
AVährend meiner mehrjährigen ärztlichen Thätigkeit auf .Taluit,
der Hauptinsel der Marschall - Gruppe , habe ich Gelegenheit ge-
nommen, die mich speciell interessirenden Kriechthiere sowie einzelne.
Freunden und Bekannten erwünschte Gattungen zu sammeln. Von
den übrigen Geschöpfen wurden nur diejenigen, welche irgend
welches biologische Interesse boten, berücksichtigt. Erst in den
letzten Monaten kam ich darauf, alle dort vorkommenden Arten,
insbesondere auch kleine Insecten, um die ich mich bisher sehr
wenig gekümmert hatte, zu sammeln, da die geringe Zahl der vor-
kommenden Lebewesen die Hoifnung eröftnete, sie ohne grosse
Schwierigkeit alle zusammen publiciren zu können. Das Kesultat
dieser meiner Thätigkeit findet man in folgenden Zeilen zusammen-
gefasst. Einige beigefügte summarische Angaben über die Herkunft
und Heimath der Arten, welche ja auf den Atollen nicht entstanden
sein können, sondern von anderswo, in letzter Linie von den grossen
Landmassen, den Continenten, stammen müssen, dürfte nicht unwill-
kommen sein. Ueber die Art und Weise, wie die Inseln besetzt
worden sind, denke ich mich an dieser Stelle noch näher aus-
zusprechen und darf somit vorläufig darauf verweisen.
Ehe ich zur Aufzählung der vorkommenden Arten übergehe,
erlaube ich mir, den zahlreichen Mitarbeitern, welche mich in den
Stand gesetzt haben, diese Arbeit zu publiciren, indem sie sich der
oft mühevollen Bestimmung unterzogen, anch an dieser Stelle meinen
besten Dank zu sagen.
Die Laudfaima der Marschall-Inseln. 389
T bedeutet Kosmopolit. ? vor einem Xamen bedeutet nicht
sicher.
A. Säugethiere.
('(Iltis famiUaris L.
Felis domesticri Briss., auch verwildert.
Siix scrofa L., auch verwildert.
Mus deeumaitus Fall. 7
? Mus niltiis L. -J-
Mus Diuscidus L. -]-
( Iris urirs L. ) , 1 • t-i ü • • • r^ • •
r, , T r köuuen nur bei h ütterung mit importirtem Crrase existiren.
nos inunis ij. j o i
Ob die von einem der doitif^en Einwohner eingeführten Lapins
sich eingewöhnen werden, bleibt abzuwarten; von den erzielten
Jungen gediehen allerdings einige gut, während die Mehrzahl starb.
Fledermäuse giebt es nicht; eine Angabe der englischen Lite-
ratur ist irrthümlich, resp. es hamlelt sich um ein verschlagenes
Exemplar jener angegebenen, weit verbreiteten Art {EmhcdJonura
scmicaudata Pea le ).
B. Vögel.
a. Hausgeflügel.
Mdecujris gcdloparo L., pflanzt sich nicht fort, neuerdings probeweise wieder
eingeführt.
(iidlus doniesticus Briss., auch verwildert.
A)ias anser domestinis L., die Jungen gehen, anscheinend in Folge des
vielen Regens, stets ein.
Anas moscJidta L.
b. AVilde Vögel,
nach einer Zusammenstellung von Herrn Prof. Reichenow, Berlin.^)
Eudynamis taitensis (Sparrm.).
( 'nrpojihaga oceanica (Less.).
Arenaria interpres (L.).
('hciradriiis fiiJrus Gm. Zugvogel. Scheint im September und October
besonders häufig. Ein Thcil der ^'ögel wandert wohl.
? ( 'hanidrius Jiiaticida L.
Tolanus incamis (Gm.).
1) S. Ibis (4), V. 4, London 1880. XXVI. FiNSCii, Ornithological
Letters from the Pacific, N. 3, p. 329 — 333.
390 Paul Schnee,
Calidris arenaria (L.).
Simienius fahif/rnsis (Gm.), geht über 40 Längegrade, von den Fidschi-
bis zu den Marquesas-Inseln (nach AVallace).
Ardea sacra Gm.
Sterna hcrgeri Scht.
Sterna melanauchen Temm.
Anoiis sfolidns (L.).
Anous kucucapillus J. Gd.
Gygis Candida (Gm.).
Anas carolinensis Gm. \ Nur einzelne berühren die Inseln während ihres
Anas acuta americana Zuges von Sibirien nach den nördlich von Austra-
B,P. [Ken liegenden Inseln, z. B. lO./ll. 1902 ein
Anas penelope L. ) Exemplar auf Jaluit gesehen.
Xyroca vallisneria (Wis.)
Puffmus sp.
Procellaria sp.
Sula sp. Ich habe ein halb erwachsenes Junges mit grüngrauem Kopfe
und weisser Haube längere Zeit in Gefangenschaft beobachtet.
Phaeton aethereus L.
Phaeion lepiurus Lacep. Daud.
Fregata aqnila (L.).
Wie mir alte Leute erzählten, gab es auf Jaluit früher einen
kleinen, auf der Erde lebenden SiugTogel, vielleicht der auf Nauru
heute noch vorhandene Tatare rehm.^)
C. Reptilien.-)
(iymnodactylus pehgieus Gir.
Gehyra oce<i)iica Lesson.
Lepidodactylus Ingubris D. et B.
Lygosoma {Keneuxia) smaragdiniim Le8S.
Lygosoma (Emoa) cyamirnni Less.
Lygosoma (Riopa) albofnsciolatuni Gthr.
D. Amphibien fehlen.
E. Fische
fehlen in den Brackwassertümpeln.
1) S. Journal für Ornithologie, Jg. 50, (5), V. 9, Leipzig 1902,
Reichenow, Vögel von Nauru, p. 254.
2) S. meinen Aufsatz: Die Kriechthiere der Marschall-Inseln, in:
Zool. Garten, V. 43, 1902, p. 354—362.
Die Landfauna der ]\Iarscliall-Inseln.
391
F. Insecten.
I. Coleoptera, det. Prof. Kolbe, Berlin.
Familie '' ''inibiduc.
('allida insulaiis BoH.
Selcnophoriis sp.
J'ldfi/suniK sj).
Carpophibis mutilutns Ek.
Carpophilun sp.
Ejumtea sp.
Eine Species.
Ci/r(oiiofum sp.
Cijdonotum sp.
Xecrohia pilifrra Reitt.
Familie Ilisteriduf.
Familie Xlfiiliilidfir.
Familie ( 'ncujidar.
Familie HijdrophUiddc.
Familie ( Icridae.
Familie Elateridae.
Monociepidius pallipes Eschz.
Monocrcpidius sp.
Siniodar-Iylns rhnirni/oiueus BoiSD.
Familie Oedeuirridae.
Ana um sj).
Ananca sp.
Familie Tcnehrifm/dae.
Amiirjiijnnis hydrophiloidcs Faikm.
Aljdulohius diaperinus Panz.
Alj>}ill(jbius picnis Ol.
Sfi()jßha(jiis pandanlcoln EscHZ. Sharp.
Trlhol'nnn fprrucjineuiii F.
Cnodal sj).
Familie < 'iirrnlii/iild'ie.
( 'rleathelcs hisidaris SciiT.
Sphenophorus sukij/es Sharp.
Eine Species.
Zwei Species.
Familie Toiincidne.
Familie ( 'enii/ihi/cidar.
392 Paul Schnee.
II. Hymeiioptera.
V e s p ar i a.^)
1. Mauerwespe, häufig.
2. Blattschneidei', seltener.
3. Huugerwespe {Erania), Larve lebt in Blatta.
4. Schenkelwespe {Sniicra).
Ameisen; det. Dr. G. Maye, "Wien.
1. Oihniomachus haematoda Linne.
2. Vollenhovia pedestris Sm.
3. ]\[onomorium destrudor Jerd.
4. Iridomijrmcx anceps RoG. subspec. papurunis Em.
5. Prenolepis cla>ide>tlma Mayr.
6. Plagiolepis lonyipes Jerd.
7. Gamponotiis niacjilains Fabr. suhsp. novae-hoUandiae Mayr.
8. Camponotus schneci Mayr.-)
III. Lepidoptera.
lieber die von Herrn Dr. Schnee auf Jaluit gesammelten
Grosschmetterlinge.
Von
Dr. Seitz in Frankfurt a. M.
Zum Verständniss der Zusammeiisetzuiig- der Falterfauna
von Jaluit ist es nöthig. sich vorzuhalten, dass diese Thiere in ihrem
biologisch wichtigsten Stande (als Imago) Luft thiere sind. Bei
der Gewohnheit der meisten Tagfalter, den Begattungsact im Fluge
vorzunehmen, machen die Thiere sich weit mehr von den Wind-
verhältnissen abhängig als andere geflügelte Insecten, und da die
Flachheit der Marschall-Inseln jeden AVindschutz ausschliesst, so
würden Arten, die — wie viele Papilio und Pieriden — zur Be-
gattung hoch in die Luft hinauf wirbeln, gerade im Fortpflanzungs-
acte leicht weggeblasen. Eher schon müssen wir nach Arten suchen,
die entweder sehr flugkräftig sind und dem Winde widerstehen
können, oder nach solchen, die viel sitzen und beim Anheben des
Sturmes sich niederfallen lassen. Solche zähen, starken oder sich
schützenden Thiere haben dann aber — in Folge dieser Eigen-
1) Die betreffenden Gläser gingen beim Trausporte verloren,
2) G. Mayr, Hyraenopterologische Miscellen II, in: Verh. zool.-bot.
Ges. Wien, 1903, p. 401—403.
Die Lanilfamia der 3Iarschall-Inselii. 393
schalten — meist eine weite \'erbreitung- und können daher auch,
im Falle localen Erlöschens auf den Inseln, A'on den benachbarten
Eilandgruppen zuriickverschlagen werden.
I. Rhopalücera.
1. Anoski xdexippiis L.
Dieser Amerikaner, der Mitte vorigen Jahrhunderts die Wande-
rung über die Sandwich-Inseln nach Australien vollendet hat, musste
die Marschall-Inseln passiren. Er ist jetzt in der ganzen Südsee
heimisch, scheint aber im eigentlichen Indien nur langsam und
stockend einzudringen. Seine sehr schnell erfolgende Ausbreitung
im östlichen Australien verlegten W. MacLeay und (i. Masters,
wie mir mündlich mitgetheilt wurde, in die Zeit von 1865—70.
Anno 1887 fand ich iien A. pJe.rippxs bei Sydney schon als dauernden
Winterschmetterling und sehr gemein. Die Exemplare aus Jaluit
gleichen ganz den Australiern und scheinen, wie auch die von Hono-
lulu, von nordamerikanischem Typus, von den Südamerikanern deut-
lich verschieden.
Aus einer ziemlich detaillirten Lebensbeschreibung, die Herr
Dr. Schnee an Ort und Stelle entwarf, geht hervor, dass auch die
frühern Stände gleiches Aussehen und Verhalten zeigen wie in
Amerika und Australien: Raupe gelb und schwarz, zebraartig ge-
streift, mit je 2 weichen Tasthörnern am Vorder- und Hintertheil;
an Asclepias curassavica (Cotton weed). Puppe eicheiförmig, frei
aufgehängt, glasig grün mit goldner Querleiste und Goldpunkten;
Verwandlung nach wenigen Tagen.
A. plcxippus trägt eine unbeugsame Farben- und Zeichnungs-
festigkeit überall auf seinen Wanderungen mit sich herum. Bei der
eminenten Verbreitung der Art, die von Pernambuco und den Oana-
rischen Inseln westwärts bis Süd- Asien und Australien reicht, würde jede
andere Species gewiss ihr Kleid mehr verändern. Diese Hartnäckigkeit
äussern Einflüssen gegenüber lässt auf ein beträchtliches Alter
dieser Form einer sonst modernen (iruppe schliessen. Es ist dabei
verwunderlich, dass erst neuerdings und, so zu sagen, unter den Augen
der Forseher die Ausbreitung dieser Art begonnen hat, und dies
legt den (bedanken nahe, dass der Schiffsverkehr das Vehikel zur
Ausbreitung gestellt hat. Wenn thatsächlich im A\'esten Nord-
amerikas A. pJexippus als Imago überwintert, so ist ein \'erkriechen
394 Paul Schnee,
desselben in Schiffsräume (wie bei unsern Vanessa) leicht denkbar,
und bei rasch fahrenden Dampfern ist eine Verschleppung* leicht
möglicli. — Abel' auch ein zweiter Punkt muss bedacht werden:
die Asclepias sind vorwiegend (Gartenpflanzen, und wir können auch
annehmen, dass die Wanderung der Falter schon früher — durch
Wind — stattgefunden, die Einbürgerung aber vor dem Import der
Futterpflanze am Wanderziel unmöglich war. Ein genaues Studium
der Einführungsdaten der verschiedenen Asclepiadeen dürfte hierfür
den Schlüssel bieten.
2. Junonia vellida F.
Von dieser Species fliegt auf Jaluit die lebhaft rothgefärbte
taitische Form, wie sie auf den meisten der östlichen Südsee-Inseln
heimisch ist. Von den typischen Australiern unterscheidet sich die
.Taluitform leicht durch das brennende Orangeroth, das bei den mir
vorliegenden Xeu-Süd-Wales-Thieren mehr durch Bräunlich- oder
Ledergelb ersetzt ist. Diese lebhaft rothen Augenringe fliessen auf
beiden Flügeln der Südseethiere breit zusammen, während die fest-
ländischen Exemplare, wenigstens auf den Hinterflügeln, die beiden
Augenringe durch eine schmale Brücke verbunden zeigen.
Der Ueberblick über ein recht grosses, meist selbst gesammeltes
Material ^) lässt mich an der Durchführbarkeit einer specifischen
Trennung der verschiedenen orifhya-, vellida- und selbst clelia-Fonnen
sowohl unter einander als auch von den neuweltlichen Formen
(lamnia, coenia, livia etc.) zweifeln. Auf Anregung des Herrn Spengel
in Giessen habe ich mich mit dem Sammeln wie Beobachten der
hierher gehörigen Jnnonia speciell befasst und gerade unter den
einzelnen Formen eine grosse Variabilität constatirt. Am con-
stantesten sind noch die Zwergformen, wie die kleine, herrlich bhuie
Form vom Nilghiri-Plateau, die rothe Uvia von den Bolivianischen
Anden sowie die insulare taifica. Die grossen Formen der Ebene
zeigen die weit gehendste Veränderlichkeit, am meisten die lavinia.
Unter 74 Exemplaren, die sämmtlich in wenigen Tagen im Agricultur-
park von Palermo (Argentinien) gefangen sind, finden sich kaum
2 völlig gleiche. Bald sind die Augen c'oe>?ia-artig erweitert, bald
winzig verkleinert, zu Punkten, wie bei der livia] der vielfach herr-
1) Selbst gesammelte Stücke von folgenden Localitäten : Aden (Arabien),
Kandy, Colombo (Ceylon), Coonoor (Nilghiris), Singapore, Hongkong,
Sydney, Adelaide, Babia, Rio de Janeiro, Montevideo, ßuenos-Aires.
Die Laiulfauna der ^[arücball-Iiiseli). 395
lieh m et all grüne Ciruiid wird zuweilen fast schwarz, manchmal rotli-
braun oder, wie bei genovefa, von Erdgrau verdrängt. I )ie (meist 4)
Augen aller Flügel finden sich bald verdoppelt, verzogen oder durch
accessorische Fleckchen und Kingelchen vermehrt. Bei den Indiern
findet sich das Blau der Oberseite bald mächtig vermehrt, bald re-
ducirt oder auf das eine Geschlecht beschränkt. Die Unterseite
zeigt — worauf auch Brandes aufmerksam macht — einen aus-
gesprochenen Saison-Dimorphismus, indem sie zur nassen Jahreszeit
scheckig- bunt und reich gezeichnet, zur Trockenzeit aber fahl und
einfarbig ist. in Nachahmung eines dürren Blattes. Was schliesslich
noch die Flügelform betrittt, die durch eine deutlich vorgezogene
Spitze die lavinia noch am ersten ars dem genannten Formenkreis
ausscheiden könnte, so ist eine totale Aenderung der Flügelgestalt
und damit auch gewisser Distanzen im Geäder bei Junonia erwiesener
Maassen eine Saisonfolge (wie bei -/. alniana-asterie), so dass sie als
systematisches Kriterium hier nicht verwendet werden kann. In wie
weit auch die afrikanischen Formen nur als Localfornien der einen,
weit verbreiteten Species aufgefasst werden müssen, darüber würden
wohl anatomische Untersuchungen Aufschluss geben.
Ueber die Raupe der taitica-ä\m\k\\e\i rellida von daluit finde
ich unter den mir freundlichst zur Verfügung gestellten biologischen
Notizen des Herrn Dr. Schnee nichts bemerkt. Zweifellos ist sie
graubraun mit kurzen, auf röthlich-braunen Flecken sich erhebenden
Dornen und nährt sich von Scrophularieen, wenn solche auf den
Inseln vorkommen, oder lässt sich wenigstens mit solchen aufziehen.
3. Htfpolhiinns bofina L.
Diese Species vereinigt noch weit mehr P'ormen in sich als die
vorige, und das Bestreben, jede Localvarietät zu benennen, hat hier
mehr Verwirrung als Ordnung hervorgerufen. Unter den 11 Exem-
plaren (4 SS, 7 $$), die mir von Jaluit vorliegen, sind auch nicht
zwei einander völlig gleich. Die SS variiren in Größe und Gestalt
der weißen Flecke, die ?$ wechseln in der Grundfarbe von schwarz-
braun bis zu ganz lichtem Gelb weiss. A echte pallescens-F ormen und
solche, die der iriaria des Hyp. mmppus^ zu ents])rechen scheinen,
wechseln mit solchen, die in der Farbenzusammensteilung der
australischen ange-Form gleichen und so in den auf den Samoa-Inseln
gewöhnlichen Typus hinüberschlagen. Da an allen Orten der Erde,
die wir als gemeinsamen Aufenthalt von llypolitunns und Danaiden
kennen, die Weibchen der Ibfpolimnus die Danaiden copiren, so
396 Paul Schnee.
köimten wir auch in der vollständig-en Vergilbung- vieler J •cilmt-bolina
eine beginnende Miniicry erblicken, wenn wir nicht eben wüssten,
dass das ]\rodell, die Anosia plcxijyims. auf der Insel in relativ später
Zeit eingewandert Aväre. Wenn die amerikanische Anosia erst auf
Jaluit eingetroffen ist, kurz vor dem sie sich in Australien aus-
breitete, so hätte sie zur Umänderung erst eine sehr kurze Zeit —
ca. 50 Jahre -r- gehabt, und es wäre sehr verständlich, wenn sich
die neue Weibchenform noch nicht consolidirt hätte und darum
jedes Exemplar einen andern Grad der Umwandlung zeigte. Aber
selbst wann die Anosia auf Jaluit Aveit älter wäre, zugeflogen ist sie
sicher; und eine Anpassung der Hjj2)oJimnas-'We\beY konnte nur
stattfinden, wenn diese bereits eine Neigung zum Vergilben in hohem
Maasse besass. Ich bin überzeugt, dass die bolinaAVeihev auch ohne
Anwesenheit des Modells, wie dies auf andern Südsee-Inseln auch
der Fall scheint, vereinzelt mit gelber Grundfarbe auftreten.
Immerhin erstaunt es mich, dass sich unter einer grössei'n Anzahl
io/ma- Weiber von den Samoa-Inseln bei völliger Uebereinstimmung
der Männchen mit den Jaluit-Männchen nur schwarze Weibchen
finden.
Die Raupe beschreibt Herr Dr. Schnee in seinen Notizen, wie
sie auch von andern boIina-Formev. bekannt ist, schwarz, mit roth-
gelbem Kopf und ebensolchen Dornen. Die letztern nesseln , wie
in den Aufzeichnungen steht „unbedeutend, wenn man mit dem
Handrücken dagegen kommt" ; dieses leichte Prickeln verursachen
auch unsre Vatiessa-JlRupen, und es scheint nur mechanische Wirkung
der Dornen zu sein. Die Eaupen leben an Taro, Wedelia und sitzen
an der Unterseite der Blätter.
Die Lebensweise des Schmetterlings von Hrjpolimnas holina bietet
manches Interessante. Auf Ceylon fand ich die Falter in der
Trockenzeit bei Tag unter den überhängenden Farnwedeln an Weg-
büschungen verborgen , vollständig wie Nachtfalter sich gebärdend.
Durch Stockschläge in das Dickicht aufgescheucht, flogen sie eine
kurze Strecke, um wieder ins Gebüsch einfällend sich zu verbergen,
und so verhielten sich Männchen wie AVeibchen, ganz entgegengesetzt
wie der gleichzeitig an denselben Localitäten fliegende Hypolimnas
misippus, der munter im Sonnenschein umherflatterte und mit seinen
lebhaften Farben kokettirte. Aus den Notizen des Herrn Dr. Schnee
geht hervor, dass die Hyp. holina sich auch auf Jaluit auf der Unter-
seite der Blätter birgt: „das Ansetzen an der Blattunterseite ist
durch die täglichen, schweren Regen bedingt".
Die Lamifauua der Marscliall-Inselii. 397
4. Badanud exvl antat ton Ls F.
Auch diese Species ist eine sehr weit verbreitete, wenn wir
die Formen alle in die Species einreihen, die ersichtlich nur locale
Vertreter der Art sind. 'I'rotz der überaus grossen Constanz bei
den Individuen aus einer Gegend ist die Art als solche doch wandel-
bar. Ich traf die B. e.vclamafionis in großer Anzahl in den Gebirgen
von Cej'lon an und (als B. dohmi) in Australien. Die Exemplare
von Jaluit. deren mir 3 vorliegen, die ganz mit einander überein-
stimmen, stehen bezüglich der Fensterflecke auf den Vorderflügeln
zwischen den Ceyhinstücken und den Australiern, den letztern näher
kommend. Bei den Männchen von Ceylon sind die Glasflecke der
Vorderflügel oft zu kaum wahrnehmbaren Spuren reducirt. bei
Australiern zeigen sie im Gegentheil zuweilen Neigung, zusammeu-
zufliessen; bei Jaluit-Stücken sind sie stets gross und deutlich, aber
scharf getrennt.
Badamia cxcJamafionis ist ein äusserst kräftiger Flieger. Er ist
tagmunter und schliesst in so fern biologisch an die Bhopalocampta
(forcsfan, pisistrafus) an , während die dunkeln Ismcnc {oedipodea,
etell-a etc.) den Tag verschlafen und meist aus den Gebüschen auf-
gestört werden müssen. Gemeinsam mit Ismene, Bhopalocampta und
manchen Hasova hat die Badamia die Eigenheit , dass sie sich auf
die Unterseite der Zweigspitzen zu setzen pflegt. Sie fliegt völlig
schnurrend, wie ein Nachtfalter; dass sie bei Tage Blumen besucht,
habe ich nie beobachtet.
Die Kaupe ist von dunkler Grundfarbe, gelb oder hell braun,
zebraartig gestreift und erinnert dadurch stark an die Raupen der
neotropischen Gattung 3Bjsoria, die Watson in seinem System der
Hes])eiiden an das entgegengesetzte Ende dieser Familie stellt. So
viel ich mich erinnere, sind die Raupen der benachbarten Gattungen
wesentlich anders, so die Raupe der Ismene oedipodea, die schwarz
mit gelbem Bauche und 2 Reihen gelber Fleckchen ist; die Jlasora-
Raupen sind grün mit dunkler Sprossenzeichnung. Dagegen kehrt
der Typus der Zeichnung, wie er sich bei den J5arfaMim- Raupen
findet, auffallender Weise bei der (gänzlich unbehaarten) Raupe von
Eaniis husiris — im tropischen Amerika — wieder.
Die Puppe von B. exclamatioms ruht nach Dr. Schnek „ohne
Gespinnst in der Erde".
398 Paul Schnee,
Soweit die Tagfalter, die mir in der kleinen ( 'ollection zugingen.
Aber bei der Constatirung- so wenig-er Arten sei nochmals daran
erinnert, dass der Falterbestand der Marscliallinseln wohl ein in-
constanter ist und dass sich vielleicht in andern Jahren noch andere
Tagfalter dort zeig-en, die sich dann, wenn gewisse Winde zeitweise
ausbleiben, wieder vermindern und endlich ganz verschwinden. Das
Fehlen beisjiielsweise der PoJijommafus haefira lässt dies vermuthen.
IL H e t e r 0 c e r a.
5. Cephonoiles pieus ('n.
Die sehr schwierige Grni)pe. die man bis vor nicht langer Zeit
mit den Haemorrhagia Geote [Hemaris Dalman) zusammengeworfen
hatte, zeigt nach ihrer neusten — der ersten gründlichen — Be-
arbeitung durch Rothschild u. Jordan folgendes Bild: eine Species
— Cephonodcs lujJas L. — zieht über drei Welttheile (einen grossen
Theil von Afrika, Asien und Australien) hinweg; und in diesem
grossen Gebiet eingelagert, zum Theil insular, ti'aten dann weitere
Formen auf. die sich mehrfach unter die Individuen der ersten Art
einmischen und oft genau die gleichen Gewohnheiten, Erscheinungs-
zeiten und Tummelplätze haben. Ein Dualismus der Hummel-
schwärmer ist uns aus dem europäischen Gebiet, wo sich der
Scabiosenschwärmer {Haem. tUyus L.) und der Geisblatt bewohnende
Haem. fuciformis L. ganz ebenso verhalten, bekannt, und noch mehr
aus Nordamerika, wo in ganz gleicher Weise an sehr vielen Orten
eine rothrandige Haemorrhigia (der thyshe-Gr nippe) und eine grau-
randige (der diffinis-Gvüp'pe) bei deutlich getrenntem Eaupenleben
als Falter auffällig neben einander erscheinen.
So treten an die Seite des echten Ceph. hijJas in Australien
Ce2)]i. hingi McLeay, in Indian Ceph. pkus-^ selbst auf räumlich be-
schränkten Inseln leben oft zwei Species Ceplwnodes friedlich bei
einander: so C, lifuensis Rothsch. und C. simpJex Rothsch. (eine
janus-Yorm) auf den Loyalitäts-Inseln, C. apus Boisd. und C. trochilns
GuEK. auf Mauritius u. s. w. Ja, es tritt sogar zuweilen eine
Haemorrhagia dualistisch zu einer C€2)honodes-¥ ovm, wo sich dann
der bestäubte Flügelrand der erstem stark reducirt und der Körper
streckt, als ob eine Aehnlichkeit mit der Cephoiiodes von einem bio-
logischen Werthe für die Haemorrhagia wäre. — Chi lo sa ?
In so fern bedaure ich es, dass in der mir überwiesenen
Die Landfanna der Marschall-Inseln. 399
Collection von Jaluit- Faltern sich nur 1 Exemplar der Ccph. piciis
befindet, das zudem noch stark defect mit völlig- zertrümmertem
Kopf und gänzlich abgeschupptem Hinterleibe sich darstellt, so dass
nicht einmal die P^irbung der Mittelsegmente mehr festgestellt
werden kann.
Die Raupen der Cephonodcf!. über die sich in den mir über-
lassenen Notizen keine Bemerkungen finden, sind, soweit bekannt,
grün mit weissem, durch eine dunkel grüne Mittellinie getheiltem
Rücken, rothem Maul und gelben Stigmen; die Puppen sehr dunkel
braun, fast schwarz, am Kopfende etwas gekielt.
Bezüglich der Lebensweise verhalten sich die CepJionodes nicht
nur unter sich, sondern auch mit den Haemorrhagia gleich; wie diese
benützen sie — im Gegensatz zu den Macroßlossa — die Beine aus-
giebig beim Besaugen der Blütlien und halten den Hinterleib stark
nach unten gekrümmt, wobei sie mit demselben wippen, wie wenn
sie stechen wollten.
6. Chrom is crotits Cn.
Von diesem stattlichen Falter enthielt die .Taluit-Sammlung
2 Exemplare, die zu der schmalbindigen Form {Chr. eras Boisd.) ge-
hören. Ganz übereinstimmende Exemplare erhielt ich durch Herrn
Fk. Marquakdt von den Samoa-Inseln. und ebensolche enthält die
Sammlung des Zoologischen Gartens in Frankfurt von Australien.
Dieser Form steht der typische Chr. erofus gegenüber (Rothschild
and .Tordax, Revision Sphing., p. 504), der auf den Andamanen.
Ceylon, den Sunda-Inseln etc. lebt und breit gerandete Hinterflügel
besitzt, während die der Form eras schmal dunkel gerandet sind.
Aus den Notizen des Herrn Dr. Schnee ergiebt sich, dass die
r//ro«//s-Exemplare aus Raupen gezüchtet sind. Von diesen sagt
Dr. S., dass sie grün oder braun seien und bei der Verpuppung eines
der untersten Blätter ihrer Futterpflanze zur Decke des Gesjünstes
auf den Erdboden befestigen. Die Raupe selbst zeigt an den Seiten
je 8 Augenfiecke.
7. Vtethi'lsa jfulc/icffa L.
^^'ie die früher erwähnten .laluitfalter, so zeigt auch diese Art
eine ungeheure Verbreitung. Sie bewohnt nicht nur die ganze alte
^\'elt in ihren gemässigten und warmen Klimaten. sondern in den
vicariirenden Formen auch die neue, von den vereinigten Staaten
bis weit nach dem Süden des neotropischen Gebietes. Wenigstens
400 Paul Schnee,
kann icli die amerikanischen Formen für nichts anders als vica-
riirende Formen halten. Dyar, in seiner neusten Liste, reducirt die
Neuweltler anf 2 gute Arten, U. ornafrix und helJa. Aber wenn man
grosse Eeihen von beiden besichtigt, so zeigen beide Formen — Avenn
auch nicht auf ein Individuum vereinigt — fast alle Zeichungs-
motive der andern Form. So zeigt eine ü. ornafrix, die ich in
Baliia fing — abei* auch nur eine von vielen — ganz den röthlichen
Anflug und das reducirte Schwarz der Hinterflügel gewisser U. hcUa,
und einer U. hella meiner Sammlung wiederum fehlt fast völlig die
Vorderflügelzeichung, so dass sie vorne — besonders auf der Unter-
seite — genau der U. ornafrix gleicht. Die U. hella wieder liefert
einen unverkennbaren Uebergang zur U. pidchella, die dann ihrer-
seits wieder stark variirt. Selbstgefangene U. ptdchella belinden
sich in meiner Sammlung von folgenden Localitäten: Giessen (nörd-
lichster Punkt), Darmstadt, Algier (Philippeville, Les-Lacs), Aegypten
(Port Said, Suez), Aden. Ce3don (Colombo), Nilghiris (Coonoor), China
(Kaulung, Hongkong), Japan (Kobe), Australien (Adelaide, Sydney).
Bei der Frage, wie die verhältnissmässig schwächlichen Utetheisa zu
einer so ungeheuren Verbreitung kommen konnten, muss zuerst ihre
Fähigkeit, Schwärme zu bilden, in Betracht gezogen werden. Solche
Üfefheisa-Schwärme sind wiederholt auf dem Meere beobachtet worden,
und wenn auch, ebenso wie bei den Heuschreckenschwärmen, zahl-
lose Idividuen untergehen, so braucht ja nur ein begattetes Weib-
chen auf eine entfernte Insel geblasen zu werden, und die Art ist
dort eingebürgert. Die Polyphagie — fast Pamphagie — der Eaupe
sorgt dafür, das die Art erhalten bleibt, und eine relativ grosse
ünempfindlichkeit gegenüber klimatischen Einflüssen lässt sie über-
all ihre Bedingungen finden. Ich fand die ü. pukheJla in den feucht-
warmen Niederungen von Ceylon ebenso, wie 7000 Fuss hoch in
den Nilghiribergen, und wieder in der Sahara, wo sie zwischen den
wenigen Salzkräutern umherflog, denen der brakische Sand ein Ge-
deihen erlaubt.
8. Calof/ranima festiva Don.
Diese schöne, über Indien und Australien verbreitete Art scheint
auf Jaluit ziemlich häufig zu sein. Die von dort stammenden Exem-
plare sind auf den Vorderflügeln blass gelb, und die Purpurbänder
derselben, die bei australischen Stücken so herrlich und tief gefärbt
sind, dass sie die lichte Grundfarbe fast auf die Hälfte der Flügel-
fläche zurückdrängen, sind ziemlich matt und mehr in kleine, röthel-
Die Lamlfauua der Marschall-Iuselu. 401
rothe Fleckchen aufgelöst, l^ebrig-eiis variiren die Falter von einer
Localität beträchtlich.
Die Raupe (vgl. Abbild, in: Iris 1897, tab. 8, fig-. 6) lebt im
Innern von Taro, dessen Stengel sie ausfrisst. Sie ist oben gelb-
braun, am Bauche röthlich und hat gelben Kopf und einen braunen
Seitenstreif. Riebe sagt von ihr, dass sie einen sehr hohen Grad
von Feuchtigkeit ohne Schaden zu ertragen vermöge (in : Iris. V. 10.
p. 248), was auch für die nächst verwandten Gruppen von Faltern
gilt. Uebrigens scheint auch die Raupe stark zu variiren und bald
bunter, bald mehr einfarbig zu sein. Die Zeit dei- Puppenruhe
giebt RiBBE auf 14 Tage an, was übrigens je nach Jahreszeit und
Gegend grossen Schwankungen unterworfen ist.
9. Sieben Exemplare einer Noctua sind dermaassen abgeschuppt,
und ihr Körper ist jeder Behaarung beraubt, dass von der ursprüng-
lichen Färbung oder Zeichung nichts mehr zu sehen ist. ^^'ie es
scheint, sind sie eine Weile in einer Flüssigkeit aufbewahrt oder
darin getödtet und dann in so weichem Zustande in Düten verpackt
worden, dass sie vollständig flach gedrückt sind. Trotzdem lässt
sich aus den noch erkennbaren anatomischen Verhältnissen be-
stimmen, dass es sich um eine Frodenia handelt. Es darf daher ge-
schlossen werden, dass hier die in der Südsee verbreitete Pfodenia
testaceoides vorliegt, und in den Resten findet sich nichts, was
dem widerspräche. Die Prodenien gehören zu den individuenreichsten
Thierformen in iliren Verbreitungsgebieten und haben grosse Ex-
pansionsgelüste. Auf Schüfen gehören sie zu den gewöhnlichsten
Erscheinungen und fliegen zuweilen so massenhaft an. dass alle
Fugen, in welche sie sich mit Vorliebe hineinpressen, gefüllt sind.
Bei Aden in Arabien beobachtete ich am 2. Juni 1891 Eulen in
dichten Schwärmen, die fast zur Hälfte aus Prodenien bestanden.
Die ersten Exemplare flogen auf dem Schifte bereits an. als das-
selbe noch über 200 ]\Ieilen von der Küste entfernt war.
lieber die Raupe der Frodenia von Jaluit wurden mir keine
Beobachtungen zugesandt. Die Gestalt derselben dürfte Agrotis-
artig oder J/awes/ra- artig sein, und ihre Lebensweise ist versteckt.
Bei der Frodenia frwjiperda, die als Imago viel Aehnlichkeit mit
der Frod. testaceoides. sowohl im Aussehen als auch in den Gewohn-
heiten hat, beobachtete ich, dass ihre Raupen sich in frischem Kuh-
dünger verpuppen. Beim Suchen nach Dungkäfern, in der Gegend
von Santos in Brasilien, fand ich nämlich zahlreiche braune Püpp-
chen lose eingebettet in den noch völlig weichen und feuchten Kuh-
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Svst. 27
402 Paul Schnee,
dünger und sah auf den die grosse Schlächterei umgebenden Wagen
Noctuenraupen sofort aus dem umgebenden Vegetationsrasen her-
vorkriechen, sobald der Düngerhaufen abgelegt und so lange er
noch warm war. Die Zucht der Püppchen ergab Frod. frugiperda
und Prod. maera.
10. Lagojjtera niaf/lca Hbn.
Dieser Falter verbreitet sich über ganz Indien und einen grossen
Theil des australischen Gebietes. Unter einem ziemlich grossen
Material meiner Sammlung stechen zwei Formen hervor: die süd-
asiatische, bei der die schwarze, und eine australisch-polynesische,
bei der die gelbe Farbe auf den Hinterflügeln dominirt. Die erste
Form ist sehr gut repräsentirt in Exemplaren von Darjeeling. Hier
sind die submarginalen Binden der Hinterflügel breit, tiefschwarz,
und die (kürzere) Innenbinde ist vollständig, nach aussen scharf
begrenzt und sendet bis in die Wurzel reichende, schwarze Strahlen
aus. Auf der Unterseite sind die Hinterflügel, besonders am Apex,
stark dunkel bestäubt. Die zweite Form zeigt reducirte schwarze
Binden: Die Submarginalbinde der Hinterflügel bleibt überall weit
vom Rande weg, zeigt verlaufene Grenzen nach dem Apex und
verlischt im Analv*^inkel. Die Innenbinde ist stark verschmälert und
die Basis rein gelb, ebenso auch die Hinterflügelunterseite, die nur
selten schwache Spuren von dunkler Bestreuung zeigt.
Die Exemplare von Jaluit sind ziemlich klein, während auf dem
australischen Continent wahre Riesen vorkommen. Auch auf den
Fidji-Inseln kommen noch sehr grosse Stücke vor. In der Färbung
stehen die Marschall-Insel-Thiere zwischen den Vitianern und den
Australiern in der Mitte. — Von der Raupe schreibt Dr. Schnee:
„Die Raupe dieses Ordensbandes ist zweigartig braun; sie lässt sich,
wenn entdeckt, an einem Faden herab, wobei sie sich ganz steif
hält; die seitlichen Plecke sehen dann wie Löcher im Holzstück-
chen aus."
11. Memif/ia frufßalis F.
Kleine, sehr matt grau gefärbte Exemplare dieser über die
ganze Südsee reichenden Art. Ein ziemlich gut erhaltenes $ zeigt
keine Spur von dem über den Innenrand der Vorderflügel hin-
ziehenden Längsschatten, und auch der vom Apex nach der Innen-
randsmitte ziehende Schrägschatten ist wenig intensiv; der Innen-
randspunkt am Ende des Basalfeldes fehlt vollständig. Ein zweites,
Die Landfauna der Marschall-Inseln. 403
anscheinend männliches Exemplar ist ohne Kopf, Abdomen und
Beine, so dass sich über die interessante Gestaltung der Hinterbeine
des S nichts sagen lässt.
12. Noch eine Geometride betindet sich in 2 ziemlich undefinir-
baren Exemplaren bei der Sammlung. Die schmutzig gelbe Grund-
farbe dürfte im Leben blass gi-ün gewesen sein und, so viel sich bei
der starken Flachgedrücktheit der Individuen aus der Flügelform
schliessen lässt, handelt es sich dabei um eine jener weitverbreiteten
Thalassodes- Arten, die sich auf zahlreichen Südsee-Inseln finden und
als TJi. opalina Btlk., Th. saturafa Snell. etc. beschrieben worden
sind. Genaueres lässt sich über diese Trümmer nicht wohl sagen.
Dies ist in Kürze, was sich über die mir überwiesene Collection
von Jaluitfaltern sagen lässt. Dass sie nicht vollständig ist, ergiebt
sich aus dem in der Einleitung gesagten. So fehlt eine der inter-
essantesten Arten — Herse convolvuli — vollständig. Rothschild
u. Jordan sagen (Revis. Sphing. p. 15) dass, während die //. convol-
vuli fast durch die ganze alte ^^'elt hin einen bestimmten Typus
bewahrt, die Exemplare von Jaluit constant abweichen: sie sind
klein und blass und von gelblichgrauer Färbung.
IV. Diptera.
1. ..Brotfruchtfliegen", klein, gelb, treten im Juni an diesen
Bäumen zahlreich auf.
2. grüne, glänzende Art.
3. Stubenfliege.
4. gr. Brummfliege.
5. eine Chalcidierart.
Die mit den Hymenopteren zusammen verpackten Dipteren
gingen theils verloren, resp. konnte eine Bestimmung nicht erzielt
werden, indessen vermochte mir Herr Dr. Döxrrz, für welchen mein
Vorgänger auf Jaluit im amtlichen Auftrage Mosquito (ad Malaria-
forschung) gesammelt hatte, mitzutheilen, der dort häufigste Mosfiuito
sei Stcgomijia fascüita F., ferner komme ein noch nicht näher be-
stimmter Culex vor. Ich selbst beobachtete eine Tipula-kri häufig.
V. Neuroptera, det. Dr. Kkmpny. Gutenstein (N.-Oesterreich).
Florfliegen :
Chri/sojKi JalHitanUf Kempny h. sp.
Flügels])ann\veite 20 — 28 mm.
Leicht gelbbraun, im Leben grünlich-gelb.
27*
404 Paul Schnee.
Kopf mit einer rostrotlien Querlinie auf dem Vorderrande der
Stirne und zwei nach aussen concaven Bogenlinien zwischen Stirn
und Scheitel.
Fühler viel länger als die Flügel, bräunlich, die ersten zwei
Glieder lichter.
Vorderflüg-el dreimal so lang- wie breit, an der Spitze elliptisch
abgerundet. Hj^alin, Geäder licht gelbbraun (grün im Leben?), die
Verzweigungen der Analadern schwarz. Die 1, Querader zwischen
dem Sector radii und dem Cubitus anticus mündet innerhalb der
('ubitalzelle. Cubitus posticus an der Wurzel spindelförmig auf-
geblasen.
Ausführliche Beschreibung in: Verh. zool. bot. Ges. Wien, 1904,
Heft 1.
YI. GymiiO£;:iiatha, det. Kempny.
Odon at a:
1. Pantola flavescens Beaur.
2. Diplax hipimctafa Brauer
3. Anax guttatus Ebr.
Pantola ist ein Weltbürger in den Tropen der alten und
neuen Welt.
Diplax bipunctata wurde ursprünglich aus Tahiti beschrieben,
ihr Vorkommen auf den Marschall-Inseln ist also nicht zu ver-
wundern. Dagegen findet sich Änax gidtatus auf Java und in Ost-
indien, ist also schon merkwürdiger. Er ist aber ein vorzüglicher
Flieger und soll öfters Schüfe zum Ausruhen benutzen.
Blatt i da e: 1 . Periplaneta orien ialis L. -f
2. Periplaneta sp. ? (schwarz, im Busche lebend).
Saltatoria, det. Dr. Brunner v. Wattenwyl (Wien).
1. Locustina, sehr häufig. Ca. 3 cm lang, grün, von den Ein-
geborenen celo genannt. (Die Exemplare gingen beim Transport
durch Zerbrechen des Glases verloren.)
2. (Jrijllacris n. sp., nahestehend aurantiaca Br. aus Amboina und
Neubritannien. Diese Form ist ei'st kürzlich eingeschleppt und
hat noch nicht alle Inseln der Gruppe erreicht, auf Providence
(Ujelang) z. B. fehlt sie.
Forficulina:
1. Chelisoclies morio F. Weit verbreitet.
2. Kl. Forficulinen-Art. 2 $$. .syy. ?
Lepismatina.
? Lepisma saccharwa L. -{-
Die Laudfauua der Marschall-Iuselii. 405
Zoophthires.
Pedicuhis capitis L. 7
Pedicubts jmhis L. 7, scheint nur gelegentlich eingeschleppt zu werden.
Coccid ae.
Mit diesen Thiereu ist es mir merkwürdig ergangen. Ich fand
solche häufig an den Zweigen von Terminalia catappa L., besonders
gut ausgebildete aber an den Früchten von Morinda citrifolia Lin.,
einem Krappgewäclise. Ich sammelte deshalb nur letztere. K. Xewstead,
Grosvenor Museum, ehester, welcher die Thiere bestimmen wollte,
glaubte darin bei makroskopischer Betrachtung eine Lccaniion- Art
zu erkennen. Nach der mikroskopischen Untersuchung schrieb er
mir aber, das scheinbare Tliier sei ein Auswuchs pflanzlicher Natur
und fügte hinzu: „No one could be more astonished of this dis-
coverj' than myself , as I had quite satisfied myself from a super-
ficial examination that I had a species of Lecanium before me!"
VoLKENs (botanische Zentralstelle für die Deutschen Kolonien), dem
ich die Sache alsdann schickte, theilte mir mit, es sei ein fungus
imperfectus, deren gebe es Hunderte, so dass eine Bestimmung des-
halb nicht gut möglich sei.
TU. Hemiptera.
Leptocoris sp.? Angeblich drei sehr ähnliche Arten n. Beeddin
(Berlin).
Wahrscheinlich Hauptnahrung von Eiidynamis faitcnsis (Spakrm.).
Eins dieser Thiere legte an der Wand eines gerade leer stehen-
den Aquariums, wohl getäuscht durch das Grün einer im daneben
stehendem Bassin befindlichen Ouvirandra, 17 länglich runde Eier
ab. welche in 2 senkrecht über einander befindlichen Klumpen, einer
neben dem andern, dort angeklebt wurden. Sie sahen zuerst weiss
aus, wurden dann aber rüthlich-braun. Die erst gelegten hatten
diese Farbe schon angenommen, während die letzten noch ganz
weiss erschienen. Diese Ablage ging um 1 Uhr Mittags am 7. 6.
1902 vor sich. ]\röglicher Weise ist diese Species im Eizustand
durch Schilfe oder durch treibende Stämme eingeschleppt worden.
406 Paul Schnee,
G. Tausendfüsser.
Myriopoda:
Scolopendra morsüans L. Weit verbreitet.
Trigonoiulus sp. ?. det, Dr. v. Attems (Wien), vielleicht der weit
verbreitete 7V. goesi Porall, nicht sicher, da sich unter den
gesammelten Stücken kein voll erwachsenes S befindet.
H. Spinnenthiere.
Arthrogastra, det. Prof. Dahl (Berlin).
Scorpionidae : Iscmiefrns macidntus Geer = europneus L., weit ver-
breitet, stammt wahrscheinlich aus Amerika.
Pseudoscorpionidae : Chelifer sji.^)
Araneina:
1. Epeira theisii Walk.
2. Heteropoda venaloria L.-|-
3. Thorellia ensifer (Thoe.)
4. Bavia sexpundata (DoL.)
Die Spinnen sind oflFenbar sehr unvollständig gesammelt.
A car ina.
Trouihididae :
1, (weiss) ,sp.? verdorben.
2. (roth) sj). ? verdorben.
Ixodidae: Rhipicephcdus scmgulneus Lateeille, det. Neumann (Tou-
louse). Weit verbreitet. Aus dem Mittelmeergebiete stammend.
Ist mit Schlachtvieh aus Sydney eingeschleppt. Ursprünglicher
Wirth ist der Hund.
I. Krebse, det. Dr. Doflein, München.
Grapsus grapsus (L.). Land.
Pachygrajjsus plicatiis (M. E.). Land.
Cardiosoma hirtij^es Dana. Land.
Geograpsus crinipes (Dana). Land und Strand.
Uca tetragonon (Heebst). Innenstrand, besonders aber Mangrove.
Ocypodn urvillei Guerin. Strand.
Sesarmn oceanica de Man. Junge Exemplare, leben in den Blatt-
achseln von Crinum asiaticum L., einer Amaryllidee.
Sesarma rotundata Hess. Riff.
1) Wird in einer vom Berliner Museum für Naturkunde in Aussicht
genommenen Publication des Herrn Prof. Dahl mit veröffentlicht werden.
Die Landfauiia der Marschall-Inselu. 407
Lagune. Wurden an einem alten Wrack,
welches einige hundert Meter vom Ufer ver-
ankert lag, gefangen.
Daira perkila (Hbst.)
Xanflio erraratus rar
sangiimea M. E.
Fseudoxins caystrus
Ai). et Wh.
Pti/cliognatl/us harhafus (M. E,). (Schlammstrand V)
Leiolophus planissimus (Hbst.). Riff?
Eriphia laevimana (Latr.). Riff.
D'apezia cyuiodoce (Hbst.). Riff.
Paguriis puiictulalus Oliv. Land, Strand.
Coenobita clypeatus Hbst. Land, Strand.
Coenohita mgosns M. E. Land, Strand.
Birgus latro L.
'? Paliiiurus. \ y_j. , , ,,
.-, c^ ,, \ reicht gesammelt.
.-' bcyUarvs\ f °
GnaihophyUum prdliduni Ortmann. Riff.
Atyoidd bisulcata Randall, 1 Exemplar. Brackwasser.
Athanas sp.'^, wahrscheinlich n. s]). Brackwasser.
Isopoda :
Lygia, vielleicht L. hawaiensis Dana. Aussenstrand, auch an den
Pandanus dort lebend.
K. Würmer.
Ich beobachtete eine Tulifex-Art, einen flach gedrückten, finger-
langen Oligochäten mit drei rothen, resp. gelben Längsstreifen, sog.
Regenwürmer, die mir übrigens mit den in Korallenblöcken am
Strande bohrenden identisch zu sein schienen, sowie eine Urolahe.
Als letztere glaube ich einen 2—3 cm langen, sehr dünnen, weissen
Wurm ansehen zu dürfen, welcher bei Regenwetter an der nassen
Rinde der Cocos herumkriecht, sich dabei an einem aus der Hinter-
leibsspitze hervordringenden Faden festhaltend. Um die Bäume be-
quemer besteigen zu können, haben die Eingeborenen in die Stämme
Kerbe geschlagen, die durch Fäulniss des umgebenden Holzes zu hand-
grossen Höhlen werden, in ihnen lebt der Wurm, der bei Feuchtig-
keit herauskommt, um bald darauf in der nächsten Oeifnung zu ver-
schwinden. Einmal sah ich 2 Exemplare aus einer Höhle heraus-
kommen. Leider ist es mir nicht gelungen das Thier zu conserviren,
die übrigen von mir gesammelten Würmer werden später veröffentlicht.
408 Paul Schnee,
L, Weichthiere, det. Prof. 0. Boettgee (Frankfurt a. M.).
Aus Jaluit 5 Arten, darunter eine neu.
1. Planaxis labiostis A. Ad,
2. Tornatellina vianücnsis Dohrn.
3. Suhulina octona (Chemn.).
4. Onchidium {verrucidatum Cuv. ?) det. Prof. Marxens (Berlin).
Beschreibung einer neuen Melanie von den Marscliall - Inseln.
Von
Prof. Dr. 0. Boettger in Fi-ankfurt a. M.
5. 31elania {Plotia) schneei n. sp,
Ch a r. Differt a M. ualanensi Fease insuJae Carolinarum JJalan
f. dimidio minore, anfr. persistenühus 7 — 8 celerius accrescentibus, mediis
infra suturam marginatam minus distinde nodulato-angulatis, ultimo
multo minus et sulcato et costato, apert. superne magis acuminata. —
T. parva conico-turrita, soJidula, nitiduJa, corneo-fusca, flammulis verti-
calibus purpureis angustis, media parte anfractuum saepe ohsoletiorihus
et nonnumquam fascia spirali lata hasali ornafa. Spira apice breviter
erosa] anfr. persistentes 7 — 8 sat rapide accrescentes, convexi, initio
spiraliter crebre et valide inciso-striati, nee non, praesertim in anfr.
mediis, e sutura arcuatim plicati, plicis angustis, subdistantibus, paullo
infra suturam nodtäo instar subangtdatis ; anfr. idtimus multo minus
distinde et spiraliter et verticaliter ornatus, media parte laevigatus,
% altitudinis testae subaequans. Sutura profunde impressa, sulco sat
profundo marginata. Apert. ovata, superne acuminata, basi subrecedens,
rotundata; perist. media parte protradum, marginibus dextro et basali
incrassatulis, leviter undulatis; columella concava, parum torta, calloso-
appressa.
Alt. 14 — 15, diam. max. 5^2 — ^^ mm; alt. apert. .5^2 — ^A ?«^- apert.
S^l^ — 3^1 ^ mm.
Fundort: Jaluit (Marschall-Inseln), 37 Stücke.
Bemerkungen: Die nächst verwandte und nächst wohnende
M. ualanensis Pease ist um das Doppelte grösser, decollirt tiefer
und behält die Verticalverzierung mit etwa 20 Rippen auch noch
auf der Schlusswindung, während unsere Art ihre höchstens 15 Ripp-
chen schon auf der vorletzten, meist aber schon auf der drittletzten
Windung vollständig eingebüsst hat.
Die Laudfauiia der Marscball-Iiiseln. 409
Charakteristisch für 31. schneei ist ausserdem, dass auch die
Spiralsculptur, die auf den Mittelwindungen sehr scharf und deut-
lich zu sehen ist, auf den letzten rnigängen nach der Mündung*
hin allmählich an Intensität erheblich abnimmt und dass die 8piral-
furchen auf allen Umgängen gegen die Mitte des Einzelumgangs
weiter aus einander rücken, während sie unter der Naht und an
der Basis enger gestellt sind. Besonders tief eingegraben zeigt sich
die erste Spirale unter der Naht.
liaiidschneckeii der Insel Nauru (Marschall-Iiiselii).
Vou
Prof. Dr. 0. Boettger in Frankfurt a. M.
Die wenigen von Herrn Kaiser 1903 gesammelten und mir
von Herrn Dr. med. Schnee zur Bestimmung übergebenen Arten
von der Insel Nauru zeichnen sich durch auffallend geringe Grösse
und durch fast durchweg einfarbige, grauweisse Schalenfärbung
aus. Auffallend und originell ist wohl keine einzige davon zu
nennen; alle schliessen sich mehr oder weniger bereits bekannten
Formen des Carolinen- Archipels an, besonders Arten der Inseln
Ponape und Ualan und zum Tlieil auch solchen des Gilbert- Archipels,
die auch räumlich nicht all zu weit von der Marschall-Gruppe ent-
fernt sind. Es ist darum augenscheinlich, dass alle Landschnecken
von Nauru nicht als autochthon, sondern als eingeschleppt zu be-
trachten sind und dass auch die heute von uns als eigenthümlich
für die Insel betrachteten Species nichts weiter sind als durch lang
andauernde Isolation verändei-te Formen der benachbarten specifischen
Inselgruppen, die zudem von ihren Stammarten nur in wenigen
Punkten abweichen und namentlich fast alle an Grösse und Intensität
der Färbung Einbusse erlitten haben.
A u f z ;l li 1 u u g d e r A r t e n.
1. Ti'ovhfnnorpJKt (Nif/ritelia) rontfgua Pse.
r<(r. naurudiKf it.
Char. Differt a hjpo insulae Ponape Carolinarum f. depressocon-
vexa, minus clcvata, anfr. soliim .1^2 **^^ ^^" — '^' «"5"*^'' spirali prope
nmhilicum magis praecipiti.
AU. (>, diam. 11 mm; alt. apert. i, Icd. apert. '> mm.
410 Paul Schnee,
Fundort: Nauru (Marschall-Inseln), nur ein todt gesammeltes
Stück (Dr. med. Schnee comm. 1902).
Bemerkungen: Diese Form ist nach directer Vergleichung
von der auf Ponape (Carolinen) vorkommenden Tr. contigua Pse.
nicht zu trennen und vermuthlich von einer der näher gelegenen
Carolinen-Inseln hierher verschleppt.
2. Trochoiufjviyha {Niffvitella) insolata n, sp.
C h a r. E grege T r. ni griteil ae (P.) insiüae Ponape CaroUnarum ,
sed t. mulfo minore, unicolore Cornea, umhilico dttplo minore. — T.
parva late perforata, conoideo-depressa, solidiusctda, albido-cornea unicolor ;
spira depresse conica laterihus convexis; apex ohhisulus. Anfr. 5 vix
convexinsculi, lente accrescenfes, superne densissime regidariter costuJafo-
striati, basi laeves; ulfimus hasi convexus, media parte acute carinatns,
^/g aUitudinis testae vix superans. Äpert. securiformis, ohliqua; perist.
Simplex, margine supero antrorsum arcuato, acuto, hasali levissime in-
crassato, subreflexo.
Alt. 5^1^, diam. 9^'j^ mm; alt. apert. 4, lat. apert. 4% mm.
Fundort: Nauru (Marschall-Inseln), ein noch nicht erwachsenes,
todt gesammeltes (1902) und ein lebendes (1903) Stück.
Bemerkungen: Diese Form liegt nur in einem, vielleicht
nicht einmal völlig erwachsenen Stücke vor. Sie gehört in unmittel-
bare Nähe von Tr. nigritella (P.), trennt sich aber von ihr durch die
bleiche Färbung und den um die Hälfte engern Nabel so scharf von
ihr, dass sie wohl als gute Art anzuerkennen sein dürfte.
3. Opeas f/racile (Hutton).
Diese im tropischen Asien und auf den pacifischen Inseln Aveit
verbreitete, wohl mit der Cultur der Banane verschleppte Art liegt
von Nauru zahlreich vor. Ich vereinige mit ihr u. a. 0. indicnm (P.)
und 0. souverbieanum (Gassies). Charakteristisch für die Stücke von
Nauru ist, dass sie hier und da weisse, opake Streifen und Punkte
auf der im Uebrigen glashellen Schale tragen. Ich lege darauf
keinen besondern Werth, da diese Erscheinung auf der Art der
Conservirung (mit Formol) beruhen kann. Ausgewachsene Stücke
zeigen 8 deutlich convexe llmgänge und messen alt. 9V2— 10, diam. .
3—31/4 mm.
Ich besitze die Art überdies von den Inseln Yap (Carolinen)
und Art (Neucaledonien), von den Inseln Ternate, Flores und Formosa,
Die Landfauna der Marschall-Iuseln. 411
von den Pliiüppinen-Inseln Mindanao. C'ebü, Lnzon und Paragua,
von der chinesischen Insel Hainan, von Ceylon, vom Festland von
Süd-Asien aus Siani. Barma, ]\radura und Bombay (Britisch-Indien)
und von Lenkoran am Kaspisee.
4. Opeas heptaf/t/riDu h. ,sj>.
Char. Differf a speciehus affinibits t. parva, pectiliariter cißimlrata,
anfr. suhacqxaJibus, apicc ohfuso, sntura perprofimda. — T. parva per-
forato-rimaia , subcijlindrato-suhulata , tenuis , sericina , cereo-hijulina ;
spira subnlata, lentissime accrescens; apex obtusus. Anfr. 7 convexius-
culi, subtus planiores, sntura perprofunda disjuncii, distincte sed ienuis-
sime striati, Icnte accrescenies ; idiimns media parte levifer planatus,
Vi altitudinis testae aequans. Apert. parva oblongo-ovalis ; perist. simplex
acutum, margine dextro strictiuscuJo, columellari fornicatim brcvissime
reflexo; columella leviter arcuata, concava.
Alt. <)^l^, diam. max. 2 mm; alt. apert. i'/o. lat. apcrt. 1 mm.
Fundort: Nauru (Marschall-Inseln), nur ein gutes Stück.
Bemerkungen: Scheint dem mir fehlenden 0. tud-eri (P.)
von „Sir Charles Hardy's Island", das überdies aus der Tuamotu-
Gruppe, von Tahiti und von Guam (Marianen) angegeben wird, nahe
zu stehen, ist aber von der Originaldiagnose Pfeiffer's abweichend
durch den entschieden stumpf zu nennenden Wirbel, die 7 statt
9 Umgänge und durch den Breiten-Längenindex 1 : 3,06, während
0. tucl-eri (P.) 1 : 3,27 verlangt, also noch schlanker sein muss. Beide
dürften sich aber besonders vor andern verwandten Arten durch
walzenförmige Gestalt und auffallend niedrigen letzten Umgang aus-
zeichnen.
5. Helicina suhsuturalia n, S2k
Char. Äff'. H. sntura li v. Mrs., sed plus dimidio minor. — T.
parva lentiformis, laeviuscula, cornco-flava atit ruhescens, fasciis 2, altera
superiore ex alba et rubro articulata aut rubro flamnmlata suturali,
altera inferiore minus distincta magis minusve lata rufo-brunnea basali
picta; spira parum alta convexa; apex rix prominnlus. saepe obscurus.
Anfr. 4 vix convexiusciUi, striatidi, spiraliter liaud lineolati, idtimus sat
acute carinatus, subtus convexus, basi planatus, ad aperturam distincte
descendens. '/- latitudinis testae aequans. Apert. perobliqua, sphaerico-
triangularis ; perist. inrrassatum, margine supero strictiusculo, oblique
descendente, patente, basali leviter expanso et vix reflexo, subangulatim
412 Paul Schnee. Die LaiKlIauua der Marschall-Inseln.
hl columelJam brevem concavani trmiseunte ; calhis hasalis magniis lote
cfftisus, bene ciramiscriptus, sed partim incrassatus.
AU. 2^!^, diam. 4'/g mm; alt. apert. 2, laf. apert. l^j^ mm.
Fundort: Nauru (Marschall-Inseln), häufig.
Bemerkungen: Das durch seine ansprechende Färbung sehr
ausgezeichnete Schneckchen hat viel Aehnlichkeit mit der mir aus
Amboina vorliegenden Hei. snturalis v. Mts.. ist aber wesentlich
kleiner und weniger scharf gekielt, und seine Mundränder sind
weniger verdickt und umgeschlagen. Die Art mag mit Hei. sonata
Lesson von Ualan (Carolinen), die ich nicht vergleichen kann und
zu der wohl Hei. zigzag Pease als Synonym gehört, Beziehungen
haben, doch wird deren Spira „vix convexa" genannt und ihr die
Grösse „alt. 2, diam. 3W' (alt. 4, diam. 6^2 mm)" zugeschrieben.
Auf der andern Seite ist Hei. oceanica Pse. von den Gilbert-Inseln
ähnlich, aber erheblich flacher und zeigt nur Dimensionen von
alt. 1^4. diam. 3 mm.
Nachdruck verboten.
TJebersetzvnfjsrecht vorbehalten .
Neue Beiträge zur Keuntniss der Enteropneusten.
IV. Ptychodera erythraea.
Von
Prof. Dr. J. W. Speiigel in Giessen.
Mit 2 Abbildungen im Text.
A\'ähreiid ich in meiner Monographie zur Untersnchiino- von
Ptychodera erythraea. auf welche ich damals die Untergattung Chlanty-
dothorax begründete, nur ein, obendrein unvollständiges, Exemplar
verwenden konnte, hat sich inzwischen die Kenntniss der Gattung
Ptychodera sehr vermehrt, hauptsächlich durch Willfa-'s Nachweis,
dass auch Eschscholtz's Ptychodera flava (1825) dazu gehört, so dass
den geltenden Nomenclaturregeln entsprechend der in meiner Mono-
graphie tür BakmocjJossus clavigerus D. Ch. verwandte Name Ptycho-
dera jener Gattung wiedergegeben werden musste (Spenuel 1901).
Es wurde jetzt Pt. flava in ihren verschiedenen localen Formen oder
nahe verwandten Arten am besten bekannt. Von den beiden in der
Monograi)hie aufgestellten Arten blieb dagegen unsere Kenntniss
wesentlich auf der damaligen Stufe, indem zwar von Pt. erythraea
im Jahre 1902 Klixzinger eine nach dem lebenden Thier gefertigte
Zeichnung veröffentlichte und einige Skizzen von verschiedenen
Körpertheilen, allein nur nach seinen im Jahre 1872 am Rothen
Meere bei Koseir angestellten flüchtigen Beobachtungen, während
Pt. iChlamydothorax) bahameusis bis jetzt überhaupt nicht wieder
angetroffen worden ist, auch nicht, als später T. H. Morgan und
414 -T. W. SrENGEL,
E. A. Andeews auf den Bahamas Enteropneusten sammelten und dort
eine Art fanden, die Willey 1899 als Pfychodera — nach geltender
Nomenclatur Balanoglossus — himiniensis n. sp. beschrieben hat.
Um so mehr war ich erfreut, als Herr Prof. Monticelli mir
ein im Neapler Zoologischen Museum vorgefundenes Exemplar zur
Bestimmung und eventuellen Untersuchung sandte, in dem ich so-
gleich mit Sicherheit eine Ptychodera erythraea zu erkennen glaubte,
obwohl sie bedeutend kleiner als das früher untersuchte Exemplar
und von ganz andrer Farbe, nämlich von der bei Enteropneusten
vorherrschenden gelblichen Färbung, war. Kurze Zeit darauf, als
Herr Prof Klunzinger in der Deutschen Zoologischen Gesellschaft
seinen oben erwähnten Vortrag hielt, aus dem hervorging, dass auch
die von ihm gesehenen Thiere die gewöhnliche Färbung hatten,
schwand mein letzter Zweifel an der Identität, und ich legte der
Versammlung das Präparat mit einigen Bemerkungen vor (in: Verh.
D. zool. Ges. 1902, p. 202).
Während das zuerst von mir beschriebene, von Kowalevsky
gesammelte, unvollständige Exemplar, dem die Eichel und fast das
ganze Abdomen nebst Caudalregion fehlte, eine Länge von etwa
15 cm besass und Klunzinger's Exemplare 20 — 30 cm lang waren,
hat das mir jetzt vorliegende ganz vollständige, in der Eegion der
farbigen Lebersäckchen und etwas davor ein wenig beschädigte nur
eine Gesamtlänge von 10 cm, war also unzweifelhaft noch bei
weitem nicht ausgewachsen. Wir werden daher erwarten dürfen,
dass gewisse Theile, von denen wir durch unsere Untersuchungen
an andern Arten wissen , dass sie bei Jüngern Exemplaren weniger
ausgebildet sind als bei alten, auch hier weniger reich entwickelt
sein werden, besonders das „blumenkohlähnliche" oder „traubige"
Organ an der ventralen Seite des Eichelhalses.
Ich theile nun zunächst die Hauptmaasse mit. Die Eichel,
nach Klunzinuer 1 cm lang und breit, finde ich ca. 6 mm lang und
7 mm breit; sie ist aber augenscheinlich etwas contrahirt. Der
Kragen, nach Klunzinger ebenfalls 1 cm in der Länge und Breite,
vorn etwas gefaltet, hat nur eine Länge von 5 mm und ist vorn,
wo er ebenfalls einige Faltungen zeigt, wie hinten 7 mm breit,
während er in der Mitte etwas eingeschnürt ist. Nahe am hintern
Rande ist die von Kl. erwähnte tj^pische Ringfurche zu sehen.
Was den nun folgenden Rumpf betriift, so ist dessen Eintheilung
wie bei andern PtycJwdera- Arten in so fern mit Schwierigkeiten
verknüpft, als die Genitalflügel (Pleuren) nicht an der vordem Grenze
Neue Beiträge znr Kenntniss der Enteropneusten. 415
der Leberregion Halt machen. sonderiL sich noch eine Strecke weit
in diese hinein erstrecken; ein genaues Maass kann ich wegen der
erwähnten Verletzung der vordem Leberregion nicht angeben, doch
dürfte sie reichlich 1 cm lang sein. Aber auch davon abgesehen,
dürfte das an dem Object ermittelte Längenmaass der Kiemenregion
in so fern nicht zuvei-lässig sein, als der die Kiemen bergende Ab-
schnitt, der nach Klunzinger „einen ca. 9 — 10 cm langen, leicht
hin und her gewundenen Cylinder darstellt", hier — und gleiches
war bei dem KowALEvsKv'schen Exemplar der Fall — sehr stark ge-
wunden ist, drei Ausbuchtungen nach links und zwei nach rechts
macht (Fig. A). So kommen auf die ganze Länge der Kiemen-
region nur etwa 13 mm, während der Kiemendarm gestreckt min-
destens um ^4 mehr messen würde, Es fragt sich aber sehr, ob
diese Schlängelung, durch die dieser Körpertheil an dem Präparat,
wie Klunzinger sehr zutreifend bemerkt, fast den Eindruck eines
zwischen den Genitalflügeln gelegenen Ringelwurms macht, erst im
Tode, also wohl durch die Contraction der Längsmusculatur, ein-
getreten ist. Da die doch damit mehr oder weniger fest ver-
bundenen Theile des Körpers, die Genitalflügel sowohl wie der Bauch
des Körpers, keine Krümmungen aufweisen, so ist doch wohl anzu-
nehmen, dass bereits im Leben der Kiementheil des Thorax ziemlich
stark geschlängelt verlaufen sein wird, wie ihn ja auch Kluxzinger's
flg. 1, allerdings sehr viel w^eniger stark, zeigt. Auffallend bleibt
mir die von diesem Beobachter angegebene grosse Länge von
9 — 10 cm, während ich auch an dem grossen KowALEvsKY'schen
Exemplar nur eine solche von 4 cm gefunden habe. (Auf Klun-
/inger's Abbildung ist das Hinterende der Kiemenregion nicht zu
erkennen.)
^lit sammt den Genitalflügeln beträgt die grösste Breite des
Thorax in der Kiemenregion ca. 9 mm. Diese sind zusammenge-
schlagen. An ihrem Vorderende stehen sie kaum 1 mm aus einander,
dann entfernen sie sich bis etwa zur Mitte der Kiemenregion auf
ca. 4 mm und rücken darauf bis zu deren Hinterende wieder zu-
sammen, so dass sie einander in der Genitalregion, in einer Aus-
dehnung von etwa 6 mm, beiühi'en. In der Kiemenregion er-
reichen sie, an Querschnitten durch dieselbe gemessen, eine grösste
Breite von ungefähr 5 mm; gegen deren Hinterende nehmen sie
etwa bis 4 mm ab und wei'den dann — die Beschädigung verhindert
hiei- eine genaue Untersuchung — sehr viel niedriger; am Ueber-
gang der gefärbten in die farblosen Lebersäckchen, wo sie wieder
416
J. W. Spengel,
in gutem Zustande erhalten sind, haben sie nur noch eine Höhe von
etwa 1 mm, um dann aufzuhören. Dass dies in der früher ange-
gebenen Weise zu Stande kommt und durch das Verschwinden der
/
Fiff. A.
Fi^.. B.
Pleuren die lateralen mit den medialen Lebersäckchen zusammen-
treten, werde ich später bei Schilderung der Leberregion zeigen.
Ich gehe darauf an dieser Stelle um so weniger ein, als Klunzinger
Nene Beiträge zur Kemitniss der Enteropneusten. 417
sagt, „eine seitliche Reihe von Knötchen, wie sie Spengel für die
ganze Lebergegend beschreibt und abbildet, habe ich nicht bemerkt"
und weder darin noch in Bezug auf die andern Lebertheile einen
sichern Anhalt zur Bestimmung der normalen Länge giebt. Die-
jenige der ganzen Leberregion giebt er auf 12 — 13 cm an. Ich
bestimme deren Länge, so reichlich wie möglich gemessen, auf etwa
3,5 cm, wovon etwa 5 mm auf die Strecke der farbigen, 8 mm auf
die der farblosen, aber gelappten und ziemlich langen Säckchen
kommen, der Rest auf die kleinen medialen und lateralen (s. unten).
Kluxzinger fand die grössten Lebersäckchen bis zu 5 mm lang; ich
messe ca. 3. Wie er finde ich sie fingerfr)rmig und mit „fiederartigen
Querfältchen" ausgestattet, d. h. Vorder- und Hinterfläche sind quer
gefaltet. Da die Grenze gegen das Abdomen nicht scharf ist, so
lässt sich auch dessen Länge einschliesslich der Caudalregion —
Klunzinger bezeichnet beide Theile zusammen als Schwanz und
giebt dafür eine Länge von 9 cm an — nur ungefähr auf knapp
3 cm angeben. Wie viel davon auf jeden der beiden Theile kommt,
kann ich nicht sagen.
Was die äusserlich wahrnehmbaren Merkmale betriift, so will
ich zunächst bemerken, dass ich die Angabe von Klunzinger, eine
dunkle gelbliche Linie in der Mittellinie der Bauchseite sei das ven-
trale Blutgefäss (1902, p. 199), für einen Irrthum halten muss, ebenso
wie verschiedene ähnliche Angaben von Willey. Ich halte es für
undenkbar, dass einer der beiden Längsgefässtämme, die immer von
dem Nervenstrange bedeckt sind, durch diesen hindurch sichtbar sei.
Das mehrfach angegebene röthliche Aussehen rührt von Pigment her,
das in den Zellen des Nervenstranges gelegen ist. Ferner erwähnt
Kluxzinger für die Bauchseite der Kiemengegend: „seitlich ziehen
mehrfach getheilte und unterbrochene Quermuskelbündel hin", sowie
für den Schwanz: „Die Haut erscheint querstreifig durch die Quer-
muskulatur". Es handelt sich in keinem dieser beiden Fälle um
die Quernmsculatur, sondern um die Drüsenwülste der Epidermis,
die an der ventralen Seite der Kiemenregion thatsächlich mehrfach
getheilt und unterbrochen, in der Caudalregion ziemlich regelmässig
quer angeordnet sind.
Mit gütiger Erlaubniss des Herrn Collegen Monticelli habe
ich von diesem Exemplare Schnitte angefertigt, und zwar habe ich
den vordem Körperabschnitt, d. h. die P^ichel, den Kragen und ein
Stück der Kiemenregion, ferner den Uebergang der letztern in die
Genitalregion und endlich di«» Caudalregion in Querschnittserien,
Zool. Jahrb. XX. Abtli. f. Svst. 28
418 J- W. Spengel.
letztere wenigstens tlieilweise zerlegt. Leider Hess die Erhaltung
recht viel zu wünscheu übrig. Zwai' Avar die Conservirung der
Gewebe manchmal recht gut. aber an verschiedenen Stellen war der
Körper zerfallen, die Schichten hatten sich z. Th. vou einander ab-
gehoben, und einige Theile waren verkrümmt oder zusammengedrückt.
So kann ich zu meinem Bedauern auch mit Hülfe dieses neuern
Materials kein vollständiges Bild von der Organisation dieser Art
geben, muss mich vielmehr damit begnügen, meine altern Angaben
in einigen Punkten, wo es mir das Object gestattete, zu ergänzen.
Die Eichel.
Solche Mängel zeigt bereits die Eichel. Die Längsmusculatur
ist stark geschrumpft und hat sich mit Ausnahme weniger ihrer
äussersten Fasern von der Haut gel(>st und zurückgezogen, so dass
diese als ein schlaffer Sack die Masse der erstem einschliesst. Die
Querschnitte zeigen die Epidermis ziemlich gut erhalten, unter der
Cuticula, die keine Wimpern mehr erkennen lässt, zunächst Drüsen-
zellen, z. Th. im Hämatoxylin dunkel gefärbt, dann sehr zahlreiche
und dicht gedrängte kleine Kerne, darauf eine kräftige Nervenfaser-
schicht, diese von den vorhergehenden augenscheinlich durch eine
starke „Membrana reticularis" getrennt, in der man kleine dunkle
Kerne erkennt. Dann folgt eine dünne Grenzmembran und dieser
noch überall dicht anliegend die Eingm usculatur, die eine etwa
ebenso dicke Lage bildet wie die Nervenfaserschicht. An deren
Innenfläche endlich trifft man rundliche bis birnförmige helle Zellen
mit kleinem dunklen Kern und die oben erwähnten spärlichen Längs-
muskelfasern, die von der geschrumpften Hauptmasse abgerissen sind.
Die Längsmusculatur umschliesst einen ziemlich eng, n,
dorsoventral gestreckten Hohlraum, dei", abgesehen von dem nur
stellenweise erhaltenen Eesten einer Lage blasser rundlicher Zellen
mit dunklem Kern, von Fasern begrenzt ist, die in radiären Zügen
in die Masse der Muskelquerschnitte abschwenken und sich darin
allmählich verlieren. Ventral und dorsal von der Höhle entsteht
durch Durchflechtung zahlreicher von ihnen ein Filz. Es ist also
eine ,.Aponeurose" vorhanden, wie sie ^^'ILLEY bei Ft. flava entdeckt
hat (s. Spengel 1903, p. 279), mit dem einzigen Unterschiede, dass
eine solche bei jener Art hauptsächlich an der dorsalen Seite, bei
unsrer aber auf beiden Seiten ungefähr gleich entwickelt ist.
Die centralen Organe sind stark deformirt und zum grossen
Theil histologisch sehr schlecht erhalten. Eine Ausnahme macht nur
Xeixe Beiträge zur Kenutui^s der Enteropneusteii. 419
die Splanchnotliek, die auf dem vordem Tlieil der Glomeruli
geradezu ungewölinlieh gut conservirt ist und sich als ein sehr regel-
mässiges, scharf begrenztes Epithel mit kleinen länglichen, senkrecht
zur Unterlage gestellten dunklen Kernen erweist.
Die Herzblase zeigt hinten die gewöhnliche Lage und Grösse.
Weiter nach vorn ist sie nebst den anliegenden Theilen ganz ver-
schoben und verzerrt. Dann wird sie auf dem Querschnitt rundlich
und nimmt l)is zu ihrem Vorderende, das ungefähr auf gleicher Höhe
wie das des Eicheldarms liegt, allmählich an Grösse ab. Die zelligen
Bestandtheile ihrer Wände sind fast ganz zerstört, ihre queren Muskel-
fasern an der dem centralen Blutraum zugekehrten Fläche sind viel-
fach sehr deutlich zu sehen. Beide Seitenflächen der Herzblase sind
grossentheils von den (Uomeruli bedeckt. Diese sind von geringer
Grösse, trotz der Füllung ihrer Gefässbahnen mit Blut. Engere, senk-
recht zu einem die Oberfläche der Herzblase überziehenden Blutsinus
entspringende Bahnen sind ziemlich eng und gehen peripherisch in
weniger zahlreiche, aber weitere über, von denen die am meisten
ventral gelegenen, welche an den Eicheldarm grenzen, sich fast con-
stant durch ihre besondere Weite auszeichnen.
Der E i c h e 1 d a r m liat in seinem vordem Theil einen sehr kleinen,
rundlichen Durchmesser. Etwas weiter nach hinten wird sein Quer-
schnitt quer oval, bedeutend breiter als hoch. Ein Lumen ist auf
dieser ganzen Strecke nirgends zu erkennen, aber auch nicht die
charakteristische ..chordaähnliche" Structur. Dann folgt auch für
diesen der verschobene und verzerrte Abschnitt, in dem er von den
Querschnitten sehr schief getroffen ist. Hier war sicher ein Lumen
mit gefalteten Wänden vorhanden. Der Uebergang in den weiten
Abschnitt, in dem der Eicheldarm den ventralen Blindsack bildet,
lässt sich aus dem angeführten (Grunde ebenso wenig verfolgen, und
auch die Form des Blindsacks ist nicht festzustellen. Die Erhaltung
des Gewebes ist hier sehr schlecht, nur in den Seitentaschen des
Blindsacks zeigt sich das ziemlich niedrige Epithel, das deren laterale
Wände bildet, einigermaassen gut erhalten. Der darauf folgende
Halstheil des Eicheldarms zeigt den gewöhnlichen bogenförmigen
Durchsclinitt, nahezu hufeisenföimig, aber mit ziemlich kurzen
Schenkeln. Seine Wände sind grossen Theils nmcerirt. Er geht,
allmählich an Breite zunehmend, bis zur l^^inmündung in die Mund-
höhle.
Von den dorsalen Eichel t aschen, die von einem gut er-
haltenen Epithel mit kleinen rundlichen Kernen ausgekleidet sind,
28*
420 J. W. Spkngel,
endigt die rechte blind. Die linke geht durch einen kurzen, offnen
Verbindungsabschnitt in die einzige Eichelpforte über. Sie schiebt
sich nahezu bis zur Mittellinie zwischen die Herzblase und die Epi-
dermis und mündet dann ganz links aus, so dass der einzige Eichel-
porus vollständig nach der linken Seite gewandt ist, also ganz wie
bei dem ersten Exemplar (Monogr., tab. 11, flg. 4. ein von der
hintern Fläche gesehener Schnitt). Er ist sehr weit, opens bodily,
wie WiLLEY von Ft. flava sagt (1899, p. 231) und erstreckt sich über
17 Schnitte.
Mit dem früher untersuchten stimmt das Object endlich überein in
dem Verhalten des für die Art besonders bezeichnenden Organs, des
„blumenkohlartigen" Körpers. Es zeigt genau die gleichen Beziehungen
zu den übrigen Organen des Eichelhalses (ventrale Eicheltaschen, Eichel-
skelet etc.), wie ich es früher eingehend beschrieben habe, und auch
die gleiche Gestaltung mit zahlreichen bläschenartigen Ausstülpungen,
deren Zahl zwar kleiner als bei dem damals untersuchten sehr grossen
Individuum sind, aber immerhin bereits sehr erheblich, so dass die
Querschnitte ganz ähnliche Bilder ergeben wie die früher abgebildeten
(Monogr., tab. 11. flg. 2—6).
Auch das Eichelskelet bietet keine Veranlassung zu einer er-
neuten Beschreibung oder Abbildung. Das chondroide Gewebe zeigt
die dort hervorgehobene reichliche Entwicklung.
Der Kragen.
Was ich über den Bau des Kragens meiner frühern Darstellung
hinzuzufügen habe, ist sehr wenig. In Bezug auf die M u s c u 1 a t u r
kann ich vollständig auf diese verweisen, ebenso wegen des Peri-
pharyngealraums. Von den Kragensepten finde ich bei
dem vorliegenden Individuum das dorsale kürzer: es ist nur etwa
im hintern Viertel des Kragens als vollständige Scheidewand aus-
gebildet; dann erleidet es am dorsalen Rande eine Unterbrechung
und wird nun nach vorn hin allmählich kürzer, um ein gutes Stück
hinter der „Wurzel" (s. u.) ganz zu verschwinden. Das ventrale,
das ich früher nicht untersucht hal)e, ist von grösserer Längs-
ausdehnung als jenes. Es nimmt fast die hintere Hälfte des Kragens
ein, wird dann ebenfalls an seinem distalen Eande, also ventral,
unterbrochen und geht etwa zwischen dem zweiten und erstem
Drittel der Kragenlänge in das Ringgefäss über, durch das die
Verbindung mit den abführenden Eichelgefässen besorgt wird. Dieses
besteht aus einem stärkern Gefäss mit musculösen Wandungen
Nene Beiträge zur Keimtiiiss der Euteruimeusten. 421
(Get'ässtamm) und eiiiig'en feinerii Canälchen, die netzig angeordnet
zu sein scheinen. Die Krage n pf orten entsprechen meiner früliern
Beschreibung; nur will ich erwähnen, dass die dorsale Falte aus
einem Epithel besteht, das niedriger ist als das der gegenüberliegenden
Wand und sich nur dadurch, und zwar sehr scharf und deutlich, ab-
hebt, dass die beiderseits an dieselbe angrenzenden Theile des Epi-
thels sehr niedrig sind.
Der Rückenstrang ist dem des früher untersuchten Exem-
plars sehr ähnlich, also aus zwei breiten Perihämalräumen gebildet,
die im grössern hintern 'i'heil des Kragens eine tiefe, vom Kragen-
mark ausgefüllte Kinne bilden. Letzteres erscheint daher hier sehr
hoch und schmal, liat übrigens vielleicht noch eine postmortale
Steigerung dieser Gestalt in Folge der schlechten Conservirung er-
litten. Nach vorn zu wird die Rinne flacher, das eingeschlossene
Kragenmark niedriger und breiter, so dass sich das Verhältniss der
beiden Durchmesser ungefähr umgekehrt, so wie ich es auch früher
gefunden habe. Nicht sicher kann ich mich dagegen über die
Existenz eines durchgehenden Hohlraumes aussprechen, da die Er-
haltung schlecht, der grössere Theil der zelligen A\'andungen zer-
fallen ist. In diesen scheinen mir die Querschnitte, indem in einem
Theil des Inhalts wohl die geschrumpfte und faltig zusammen-
gefallene cuticulare Auskleidung zu erkennen ist, auf die Existenz
eines solchen hinzuweisen, und sicher ist nicht nur, dass diese sowohl
im vordersten wie im hintersten Theil vorhanden ist, wo die Wände
ziemlich gut erhalten sind, sowie dass hier auch eine offene
Ausmündung dieses Canals vorhanden ist. Vorn liegt diese, der
sog. vordere Neuroporus, am Grunde der Furche zwischen der Vorder-
wand des Kragens und dem Eichelhalse, ungefähr ^U mm hinter dem
Hinterende des Eichelporus. Das Epithel der dorsalen Wand mit
verhältnissmässig lockern Zellen ist hier ganz scharf unterschieden
von dem durch seine sehr dicht stehenden Zellen sehr dunkel er-
scheinenden Zellen der vordem Kragenwand, so dass die Existenz einer
vordem Epidermistasche sicher ausgeschlossen werden kann. Hinten
schliesst sich eine solche von geringer Tiefe an den Canal des
Kragenmarks an, mit einer dorsalen Wand versehen, welche das
gleiche an Drüsenzellen reiche Epithel besitzt wie das Hinterende
des Kragens.
Von Wurzeln finde ich bei diesem Individuum, während das
andre deren 2 besass, nur eine. Leider ist deren Gewebe fast ganz
zerfallen, so dass ich über die Existenz von Hohlräumen in ihrem
422 J. W. Spengel,
Imiern nichts feststellen konnte. Das Gebilde entspringt in einer
sehr grossen Längsausdehnung von Kragenmark, nämlich durch
14 Schnitte von je 15 u. nimmt nur einen kurzen Verlauf ein wenig
nach hinten und verbindet sich durch 9 Schnitte mit der Epidermis.
Die Wurzel ist also sehr dick.
Ueber das Blutgefässystem des Kragens kann ich nur die
frühern Angaben bestätigen (Monogr., p. 178).
Der Rumpf.
Auch über die Kiemenregion und im Besondern über den
Kiemendarm habe ich meinen bisherigen Angaben nichts hinzuzu-
fügen, in so fern finde ich einen CInterschied, als der Oesophagus,
der bei dem früher untersuchten Individuum ungefähr von gleicher
Grösse wie die Kiemendarmhöhle war, hier nur etwa ein Viertel der
Grösse dieser auf dem Querschnitt hat. Ob dieses Verhältniss sich
in den mittlem Theilen der Kiemenregion ändert, kann ich nicht
sagen, da ich nur die vordem und die hintern in Schnitte zerlegt
habe. Ferner ist die Kiemendarmhöhle etwas breiter als hoch, die
sie einschliessenden Kiemen stark gekrümmt, und die Grenzwülste
berühren einander fast, wenn sie auch etwas gegen einander ver-
schoben sind. Dann will ich erwähnen, dass die Aussen wand der
Kiemenzungen, ihr Boden, bisweilen eine Einfalfung zeigt. Ich habe
mich inzwischen davon überzeugt, dass auf diese Erscheinung oder
ihren Mangel — letztern habe ich früher (p. 18Ö) für Pf. erythraea
hervorgehoben — kein Werth zu legen ist.
Der Darm der Kiemeni'egion geht in den der Genitalregion
durch einen postbranchialen Abschnitt über. Ich habe indessen
bei der schlechten Erhaltung nicht viel mehr thun können, als die
Anwesenheit der postbranchialen Rinne mit ilirem charakteristischen
Epithel zu constatiren , während ich weder deren natürliche Form,
die durch Krümmungen und Faltungen stark beeinträclitigt Avar,
noch die nach meinen frühern Beobachtungen diesen Darmabschnitt
umschlingende Musculatur. die nur in mehr oder weniger zerstörten
Resten vorlag, noch die in dessen Bereiche auftretenden Blutgefässe
habe beobachten können. Das Letztere wurde noch durch die An-
wesenheit sehr zahlreicher brauner Körnermassen im Cölom, haupt-
sächlich dorsal vom Darmcanal, erschwert, wie sie sich ähnlich auch
an andern Stellen des Cöloms, in den Perihäraalcanälen , in den
Genitalpleuren etc. bei diesem Exemplar finden.
So habe ich von dem Thorax nur noch die Gonaden zu be-
Neue Beiträge zur Kenntniss der Enteropneusten. 423
spreclien. deren weitaus grösster Theil auf die Kiemenregion fällt,
während dieselben hinter dieser" rasch abnehmen. Nur ein kleines
vorderstes Stück der Pleuren war von diesen ganz frei. Die dann
zuerst in der Reihe auftretenden sind aber sehr klein und zugleich
spärlich, so dass sie einander nicht berühren und bis zu 8 oder 10
auf den Querschnitt einer Pleura fallen. Sie liegen als kleine rund-
liche Körper der Aussenseite des Lateralseptums an und durchbohren
dieses mit ihrem ganz feinen Ausführungsgang, den man bis an die
Epidermis verfolgen kann. Manche dieser Körper sind Blasen mit
randständigen rundlichen Zellen, die einen kleinen Kern entlialten.
und einem körnigen Inhalt, der den Kindruck eines in einer Flüssig-
keit entstandenen Niederschlags macht. In andern, die etwas mehr
nach dem Körper zu gelegen sind, finden sich aussei' den erwähnten
Zellen einige Ballen der bekannten Dotterkliimpen, und in ver-
einzelten endlich, und zwar in solchen, die ganz nahe der Basis
einer Pleure gelegen sind, treten sehr kleine, dunkel blaue Kerne im
Lumen der übrigens wie die zuletzt geschilderten erscheinenden
Gonaden auf. Ich halte diese für Spermatiden, wenn es nicht gar schon
fertige Spermatozoen mit runden Köpfen sind, deren Schwänze zer-
stört sind oder sich der Beobachtung entziehen.
Wir finden also nicht nur. dass die Gonaden gegen das Yorder-
ende der Pleuren auf einer niedern Entwicklungsstufe stehen, sondern
dass die auf einem Querschnitt gelegenen je nach ihrem Abstand
vom Ursprung der Pleure an Reife abnehmen.
Der gleiche Zustand zeigt sich auch am Hinterende des Thorax,
wo aber die Entwicklung der Gonaden bedeutend weiter vorge-
schritten ist, derart dass diese zahlreich sind — sei es nun, dass
sie in grösserer Zahl vorhanden sind oder je eine Anzahl von kurzen
Aesten erhalten haben, was ich aber nicht sicher entscheiden kann —
und dicht gedrängt, so dass sie einander berühren. Das ist aber
nur bis zu einem gewissen Abstand vom Ursprung einer Pleure der
Fall; jenseits desselben liegen die Gonaden weiter aus einander, gegen
das freie Ende fast genau so locker wie vorn. Und damit ist auch
eine gegen den Ursprung im Ganzen zunehmende Reife verbunden :
nahe diesem findet man Gonaden, die von Spermatozoen (oder Sperma-
tiden s. 0.) strotzen und nur wenige Zellen und Dotterballen an der
Wand tragen, weiter distal solche mit zahlreichen und zum Theil
recht grossen Dotteiballen , während in dem kleinen Lumen hier
und da Spermatozoen sichtbar sind, endlich ganz gegen den freien
Rand der Pleure hii\ junge Gonaden, wie sie oben geschildert wurden.
424 J- W. Spengel,
Die Gonaden sind von zahlreichen Blutg-efässen begleitet, die,
namentlich an den jungen, sehr blutreich sind und allem Anscheine
nach wesentlich der Länge nach verlaufen: auf den Querschnitten
sieht man sämmtliche jungen Gonaden wie von einem Kranze von
grossen Gefässdurchschnitten umgeben.
Im Bereiche des postbranchialen Darms nimmt die Entwicklung
der Gonaden wieder ab. Weitei- nach hinten habe ich sie nicht
verfolgt.
Es kann nach diesen Beobachtungen kaum zweifelhaft sein, dass
auch bei Ft. eryfhraea der Ausgangspunkt für die Bildung der
Gonaden in einem mittlem Theil der Kiemenregion zu suchen ist
und dass sie sich von hier aus einerseits nach vorn, andrerseits nach
hinten enttalten ; ferner dass innerhalb der Pleuren eine Entwicklung
in distaler Richtung vor sich geht.
Von einer erneuten Untersuchung der Leberregion und ihres
üeberganges in die Abdominalregion auf Schnitten habe ich, nament-
lich auch in Anbetracht des massigen Erhaltungszustandes, geglaubt
abgeben zu können, nachdem es mir an dem ersten Exemplar der Art
gelungen war, die hier in Frage kommenden Verhältnisse genügend
aufzuklären. Ich beschränke mich auf die Beschreibung dessen, was
äusserlich sichtbar ist, und beziehe mich auf eine Photographie, die
mein College Herr Prof. Strahl so freundlich war für mich aufzu-
nehmen und die in Fig. B, S. 416, wiedergegeben ist. Die auf =74 ihrer
Grösse reducirte Photographie zeigte das Object in etwa 4facher
Vergrösserung (Fig. B also etwa in 3facher). An ihrem Oberende
sehen wir die grossen gelappten Lebersäckchen in ihrer unregel-
mässigen Anordnung, daher scheinbar in mehr als zwei Längsreihen.
Das letzte Stück der Pleure ist auf der rechten Seite unmittelbar
seitlich von den Lebersäckchen zu sehen , leider nicht ganz scharf.
Gegen ihr Hinterende treten lateral davon kleine Knötchen auf, und
diese lassen sich als eine Längsreihe nach hinten verfolgen, jenseits
des Hinterendes der Pleure unmittelbar den Lebersäckchen ange-
lagert. Es entspricht je einem dieser ein Knötchen der lateralen
Eeihe. Folgen wir diesen Doppelreihen nun weiter nach hinten, so
sehen wir die Lebersäckchen allmählich an Grösse abnehmen, bald
von etwa gleicher Grösse wie die lateralen werden und schliesslich
ganz verschwinden, während die letztern sich etwa bis zu der Stelle
fort erstrecken, wo eine Nadel in den Körper gesteckt ist, auf der
Photographie etwa 6 cm (in Fig. B etwa 4 ^2 cm), am Object also
etwa 1 7o cm weit, ohne wesentlich kleiner zu werden, bis sie zuletzt
Neue Beiträge zur Keuutniss der Eiiteropiie\;stei). 425
allmälüicli verschwinden. Die lateralen Knötchen ssiiitl die „lateralen
Lebersäckchen", also jene Aussackungen, auf deren Aelmlichkeit mit
Lebersäckchen ich in meiner iMonographie (p. 183) hingewiesen und
deren Auskleidung- mit Leberzellen ich für Pt. flava 1903 (p. 313j
nachgewiesen habe.
Weiter will ich die Photographie, die ja bis in die Einzelheiten
ganz naturgetreu ist, benutzen, um daran das Verhalten der
Drüsen Wülste der Haut zu erläutern. In der hintern Leber-
region sieht man den dorsalen Nervenstrang von zwei Reihen von
solchen begrenzt und kann sich, wenn man diese genauer ins Auge
fasst, leicht davon überzeugen, dass sie keineswegs streng sym-
metrisch angeordnet sind. Und was die seitlichen Drüsenwülste be-
trifft, so sieht man zwar, besonders deutlich links, vorherrschend je
einen derselben auf einen der lateralen Lebersäckchen übergehen,
vereinzelt treten aber auch zwei gemeinsam an ein solches heran,
und noch viel deutlicher sind Unterbi-echungen, Einschaltungen. Ab-
weichungen von der queren Verlaufsrichtung und derartige Unregel-
mässigkeiten gegen die Seite. Immerhin gehört auch Pt. erythraea
zu den Arten, die in Folge verhältnissmässig regelmässig ange-
ordneter Drüsenwülste eine Eingelung der Haut zeigen.
In meinen Aufsätzen über die verschiedenen Formen von Pfycho-
dera flava bin ich nicht auf eine Ansicht eingegangen, die Willey
über angebliche Beziehungen der Wimperfurchen des Darms zu den
Kiemen macht. Ich will die Gelegenheit, die mir die erneute Unter-
suchung von Pt. erythraea bietet, um so lieber benutzen, dies hier
nachzuholen, als bei dieser Art die in Frage kommenden Körper-
theile besonders stark ausgebildet sind. Willey (1899, p. 299) be-
merkt in seinem Capitel „Evidence of unlimited gill-slits" Folgendes.
In the subgeuns Clüaniydothorax [= Ptychodera] (as shown by Spengel
in Pt. erythraea and as I have found in Pt. flava), the ciliated groo-
ves are not simple longitudinal furrows but undergo raetameric or
interannular sacculations. [Dass diese nicht interannulär sind, son-
dern den Ringelungen entsprechen, habe ich früher (1903, p. 312)
schon dargelegt, kommt aber für die uns jetzt beschäftigende Frage
nicht in Betracht]. These sacculations often approach very closely
to the epidermis. They strongly resemble a gill-pouch betöre its
Perforation to the exterior such as I have described it in Pt. flava.
The medial covering-pad often suggests a tongue-bar (cf. tab. 29.
fig. 12 — 14). It is not unlikely that these sacculations of the cilia-
ted apparatus of the gut in the subgenus Chlamydothorax are homo-
426 J- ^^- Spengel,
dynamoiis witli tlie gill-poucli diverticula of tlie gut and, iu this
fiuality, are the vestiges of gill-slits which doubtless formerly exteu-
ded throughoiit the greater part or the whole of the trimk. Pari
passu with the phenomeiion of cephalization, a process which has
ahvays been at work in the evolntion of Metazoa, the primarily
unliniited-gill-clefts became limited to the anterior region of the
trnnk."
Wie mir scheint, sind unter Willey's zum Theil höchst gewagten
Schlussfolgerungen nicht viele, Avelche eine so ungenügende Grund-
lage haben. Den Ausgangspunkt der Behauptung, dass die Wimper-
streifen ein Rudiment (vestigesj von Kiemen darstellten, welche in
der hintern Körperregion vorhanden seien, bildet eine Aehnlich-
keit, die ich als ganz oberflächlich und bedeutungslos bezeichnen
muss, die ausschliesslich auf Querschnitten besteht, soweit sie über-
haupt vorhanden ist, in ein Nichts aber zerfliesst, sobald man sich
der räumlichen Verhältnisse bewusst ist. Von einer irgend wie
tiefer gehenden Uebereinstimmung des Deckwulstes (covering päd),
der, wie die Bezeichung für alle Ptychoderiden zutreffend sagt, ein
Wulst, d. h. eine von höhern Zellen erzeugte Verdickung des Darm-
epithels ist, mit der Zunge der Kiemen, die eine hohle ^Ausstülpung
mit einem in mehrere charakterische Theile gesonderten Epithel
(Rücken, Seiten, Boden etc.) ist, kann nicht im geringsten die Rede
sein, ebenso wenig wie von einem nähern Vergleich zwischen dem
unverkennbar durch seine besondere histologische Diiferenzirung als
Organ der Darmwand charakterisirten Wimperstreifen und der Wand
einer Kiementasche.
Wie ich ferner für Pf. flava (1903) eingehend aus einander ge-
setzt habe, ist es niclit der Wimperstreifen mit seinem Deckwulst,
an dem hier die angeblich metameren Bildungen auftreten, sondern
diese zeigen sich an andern Theilen der Darmwand, an „lateralen
Lebersäckchen", die lateral von dem Wimperstreifen auftreten und
in die dieser hineingezogen wird, bei Ft. flava caledoniensis, wie ich
früher gezeigt habe, nur dieser, während der Deckwulst „am Ein-
gange bleibt" (p. 314). Dagegen zeigen schon meine altern Beob-
achtungen an Pt. erythraea (1893, tab. 11, fig. 19, 20) ganz deutlich,
dass hier beide Theile zusammen weiter ins Innere, und zwar an
der medialen Wand des lateralen Lebersäckchens bis fast an dessen
Grund heran, rücken.
Soweit also im Bereiche der lateralen Lebersäckchen überhaupt
ein besonderes Verhalten des Wimperstreifens und des Deckwulstes
Neue Beiträge zur Keuntniss der Enteropneusten. 427
vorliegt, beruht dieses nicht auf irgend einer Differenzirung dieser
Theile selbst und im Besondern nicht auf einer auch nur von Ferne
an die Kiemen erinnernden Difterenzirung, sondern es handelt sich
um eine veränderte Lage, die in der Ausbildung der lateralen Leber-
säckchen begründet ist. Und diese haben eben so wenig eine Be-
ziehung morphologischer Art zu den Kiemen wie die medialen oder
Haupt-Lebersäckchen, die ihrerseits ebenso nahe an die Epidermis
herantj'eten, d. h. diese nach aussen vor sich herstülpen, wie die
lateralen, von denen A\'illey dies ausdrücklich erwähnt und worin
er einen Hinweis auf eine respiratorische Function sieht. Sein Ver-
such, die „metamerischen Aussackungen der Wimperfurche" für die
Lehre von der ursprünglichen unbegrenzten Ausdehnung der Kiemen
durch den ganzen Körper der Enteropneusten zu verwerthen, muss
mithin als gänzlich missglückt angesehen werden. Auf die andern
Argumente, die AVilley dafür anführt, kann ich an dieser Stelle
nicht eingehen.
Die Caudalregi on habe ich zum grossen Theil in eine Quer-
sclmittserie zerlegt, um die Existenz des bei dieser Art bisher noch
unbekannten ..Pj'gochords" und sein Verhalten festzustellen. Wie
zu erwarten war, ist es, wie bei allen bisher darauf hin untersuchten
Ptychoderiden , auch hier vorhanden und gleicht im Wesentlichen
dem von Ft. flava, wie ich es für verschiedene Formen derselben
festgestellt habe. Es ist ein sehr dünnes Band, das sich gegen die
Haut hin verdickt, auf Querschnitten unmittelbar über dem ventralen
Gefässtamm eine knöpfchenartige Anschwellung zeigt. Ferner ei*-
giebt sich, dass es wie bei der genannten Art nicht continuirlich
ist, sondern mehrere Unterbrechungen aufweist. Auf die That-
sache, dass auf den Querschnitten der Verlauf etwas geschlängelt
ist, kann ich bei dem Erhaltungszustande des Objects, dessen
Caudalregion ziemlich stark abgeplattet ist, keinen besondern Werth
legen.
Im Einzelnen kann ich folgende Beobachtungen mittheil eu. Ein
perlschnurähnliches Aussehen, das durch zahlreiche Vereinigungen
der beiderseitigen Grenzmembranen entsteht, finde ich nicht; nur
hier und da kommen solche Verbindungen vor, und auch am Ur-
sprung des Pygochords aus dem Darmcanale findet sich meist keine
Abtrennung durch die Grenzmembran. In letztern geht das Pygochord
gewöhnlich durch eine allmähliche Verbreiterung über. — An manchen
Stellen ist das Pygochord sehr dünn, so dass die beiden Grenz-
membranen nur durch eine dünne Protoplasmalage getrennt sind, in
428 J.W. Spekgel, Neue Beiträge zur Keuntiiiss der Enteropneusteu.
der spärliche Kerne in ziemlich weiten Abständen liegen. An andern
Stellen ist die Phitte dicker, die Kerne sind dann zahlreicher nnd
dichter zusammengedrängt. — Ziemlich scharf von der Platte ge-
schieden ist gewöhnlich der Endknopf. In ihm finden sich grössere
und stets dunklere Kerne, bisweilen um ein kleines Lumen herum
und dann deutlich ringförmig angeordnet; in andern Fällen ist ein
solches nicht vorhanden, und ein continuirlicher Hohlraum scheint
mir sicher nicht vorhanden zu sein. Nach dem ventralen Rande
lassen die Kerne einen ziemlich breiten Saum frei, in dem sich eine
Körnelung zeigt. Gut erhaltene Präparate von dieser Art mögen
über den wahren Bau des Endknöpfchens Aufschluss geben und uns
damit der Feststellung seiner Function auch etwas näher führen.
Gewöhnlich sind die erwähnten grössern und dunklern Kerne auf
das Endknöpfchen beschränkt. An einigen Punkten ~ ich habe
deren 3 beobachtet — erstrecken sich aber solche Zellen in mehreren
Schnitten weit in die höhern Theile der Pygochordplatte hinauf, deren
charakteristische, meist in einer Reihe über einander gelegene Kerne
ersetzend durch Stränge und Ballen, in denen immer eine Anzahl
von Kernen neben einander gelegen ist. Auch hierüber ist näherer
Aufschluss an besser erhaltenen Individuen zu erhoffen. Ich glaube
nur behaupten zu können, dass keine Fortsetzung dieser Zellen des
Endknöpfchens bis zum Darmcanal erfolgt; ich habe solche nie über
mehr als die Hälfte des Pygochords hinauf dringen sehen. — End-
lich habe ich zu erwähnen, dass das Endknöpfchen an den Punkten,
wo das Pygochord unterbrochen ist, sich allein weiter ersti-eckt,
nachdem die Platte verschwunden ist, dann aber schliesslicli auch
ein Ende erreicht, so dass vollständige Lücken zu Stande kommen
und zwar von verschiedener Ausdehnung, wie auch die Strecken,
in denen das Pygochord vorhanden sind, länger oder kürzer sein
können: das voi'derste ist sehr lang, dahinter folgen dann mehrere
kürzere ; das hinterste Ende bleibt wieder frei davon. Hier und da
ziehen sich Blutgefässe an einer Seite des Pygochords zur Darm-
wand. Der Gefässtaram erleidet an den Stellen, wo das Pygochord
fehlt, keine Unterbrechung.
d. 22. Januar 1904.
Lippert & Co. (G. Pätz'sche Buchdr), Naumburg a. S.
Nachd ruck verboten .
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
Die Braconiden-G-attung Braunsia Kriechb.
Von
Dr. Günther Eiiderleiii in Berlin.
Die von Kriechbaumer 1894 ') begründete Gattung- Braunsia, be-
nannt nach dem H^'menopterologen Dr. med. Brauns in Süd-Afrika,
ist in der vom Autor gegebenen Form unhaltbar. Das Flügelgeäder.
das wohl bei der Einordnung der Gattung in die Subfamilie Affa-
thidinae Verwendung linden darf und gerade für diese Subfamilie
sehr charakteristische Eigenthümlichkeiten zeigt, ist zu einer Charak-
teristik von Gattungen nur mit grösster Vorsicht zu verwerthen, da
es gerade in den hierzu benutzten Einzelheiten sehr variabel ist.
So variirt in der Gattung Braunsia bei Exemplaren einer Art und
zuweilen auch an einem Individuum auf beiden Seiten die Form der
2. Cubitalzelle -), dieselbe ist 3-. 4- oder öeckig; an derselben kann
der mehr oder weniger lange Aderstummel auch fehlen; vor Allem
kommt es häufig vor, dass die für die Gattung vom Autor als
wesentlich angegebene Querader zwischen 1. Cubitalzelle und
1. Discoidalzelle auf beiden Flügeln oder wenigstens auf einem
völlig fehlt.
Es bleibt somit als einziges constantes und sicheres Charak-
teristicum für die Gattung Braunsia, das sie zugleich allen übrigen
Agathidinen gegenüberstellt, die Längsriefung (resp. Anwesen-
1) in: Berlin, entomol. Zeitschr., V. '69, 1894, p. 63.
2) AsmiKAl) gieljt in seiner Classification of the Ichneumouoidea,
Washington 1900, p. 1 27, fälschlich an, dass dieselbe (areolat) bei der Gattung
liraimsi viUlig fehle.
Zool. Jahrb. XX. Abtli. f. .Syst. 29
430 Günther Enderlein,
heit von Längsleisten) des ersten Tergites und der ver-
wachsenen 2. und 3. Tergite des Abdomens.
Eine Zusammenstellung- aller übrigen unwesentlichem Charak-
tere der Gattung Braunsia gebe ich in Folgendem:
Maxillartaster ögliedrig '), Labialtaster Sgliedrig. Gesicht kurz.
Ocellen erhaben stehend. Antennen ca. 40- und mehrgliedrig;
1. Glied sehr klein und kurz, so lang wie dick, unbehaart, 2. Glied
gross und sehr dick und etwa doppelt so lang wie dick, 3. äusserst
kurz. Die übrigen Glieder immer länger (meist 2—3 mal so lang)
als dick. 2. und 3. Glied polirt glatt, spärlich behaart, die übrigen
sehr dicht und kurz behaart ; zwischen den Haaren der Geisseiglieder
machen sich helle Längslinien bemerkbar, die etwa von ^3 der
Gliedlänge sind und sich uuregelmässig über jedes Glied vertheilen;
sie stellen dünne Stellen der Chitinwandung dar. Die Anzahl der
Fühlerglieder schwankt anscheinend etwa zwischen 36 und 54, die
kleinen Arten haben meist eine geringe, die grossen eine grössere
Anzahl, doch scheint sie selbst bei derselben Art zu schwanken.
Thorax und Coxen glatt, meist polirt glatt. Antedorsum des
Mesothorax in der Medianlinie mit 2 parallelen, meist dicht neben
einander gelegenen tiefen Längsfurchen, die bei einigen Arten, be-
sonders bei allen indischen Formen, fehlen. Vor dem Scutellum ein
tief eingedrücktes rechteckiges Feld mit einigen kurzen Längs-
furchen. Pleuren und Sternit gross ausgebildet, beide einen starken
Höcker erzeugend. Die Quereindrücke der Pleuren sehr weit vorn,
schräg nach vorn gerichtet und nur ein kleines Stück abschneidend.
Mittelsegment mit 2 seitlichen, nach hinten zu etwas conver-
girenden Längskielen und 1, 2 oder 3 medianen Längskielen, die
theils durch Querkielen mit einander in Zusammenhang stehen; zu-
weilen ist es auch ganz unregelmässig runzlig.
Abdomen: 1. Tergit (morphologisch das 2.) nach hinten zu ver-
breitert, mit scharf erhabenen, nach hinten zu divergirenden Längs-
leisten, besonders in der hintern Hälfte; in der vordem Hälfte meist
nur 3 Längsleisten, 2 seitliche und 1 mittlere. 2. und 3. Tergit
völlig verwachsen ; an der Verwachsungsstelle eine scharfe, gebogene
(nach hinten offene) Querfurche (Quereindruck); beide zusammen Vs
1) Die Agathidinen-Gattungen Af/afl/irsia Westw. und Ar/atliona
Westw. sollen nach Westwoud 6gUedrige Maxillartaster besitzen.
AsHMEAD 1. c. übernimmt dies auch von demselben. Nach den WestwoOD-
schen Abbildungen scheint es sich mir aber bei dem winzigen 1. Glied
um eine unrichtige Interpretation des Palpigers zu handeln.
I
Die Braconiden-Gattung Braixnsia Krieche. 431
länger als das 1. und nehmen ungefähr die Hälfte der ganzen
Abdominallänge ein. Jedes dieser beiden Tergite ist durch einen
geraden Quereindruck, der mehr oder weniger hinter der Mitte
oder in der Mitte liegt, in zwei ungleiche Theile getheilt, die je 2
Tergite vortäuschen; hierdurch Hess sich Beulle verleiten, diese
4 Scheinstücke als Tergite von 4 Segmenten zu interpretiren.
Dieses 2. und 8. Tergit ist in der ganzen Länge von gleicher Breite,
nur hinten etwas verbreitert und an den Seiten nach unten gebogen,
und dicht und tief längs gerieft, oder vielmehr dicht mit mehr
oder weniger feinen bis groben Längsleisten (Längskielen) bedeckt,
die im letzten Feld stark nach hinten divergiren; der äusserste
Hinterrand ist häufig mehr oder weniger breit ungerieft. Diese 4
Felder behandle ich im Folgenden immer einheitlich, da die beiden
Tergite so völlig verwachsen sind, dass man nur selten eine Spur
einer Verwachsungslinie erkennen kann, und zwar als die 4 Felder
des 2. und 3. Tergits (vergleichend morphologisch des 3. und 4. Tergits).
Die 5—6 übrigen sichtbaren Tergite sehr kurz und polirt glatt.
7. Sternit (morphologisch das 8., Mittelsegment mitgezählt) beim $
stark schuppenartig verlängert, abstehend, als Schutz des Lege-
rohres. Legerohr etwa von Abdominallänge.
Hintertarsen etwa von Schienenlänge, 1. Hintertarsenglied so
lang oder etwas länger als die 4 folgenden.
Die kleine 2. Cubitalzelle im VorderÜügel 3-, 4- oder öeckig
mit langem, kurzem oder ohne Aderstummel. 1. Cubitalzelle und
1. Discordalzelle durch eine deutliche Ader getrennt, dieselbe ist
zuweilen nur als feine Linie angedeutet und fehlt häufig ganz. Es
treten alle diese Adervariationen häufig bei ein und derselben Art
auf und zuweilen auch an einem Individuum auf der linken und
rechten Seite (vgl. Br. erlangen n. sp. etc.). In der Mitte des
\'orderflügels hinter dem Pterostigma finden sich meist einige un-
regelmässige hyaline Fleckchen. Körperlänge 5—13 mm. Vorder-
flügellänge 4 — 12 mm.
Die Originalbeschreibung der Gattung
Braunsia Kriech baumer
in: Berlin, entomol. Zeitschr., V. 39, 1894, p. 63,
lautet :
„Caput anfice visum trianguläre, supra msmn transversum, po)ie
oculos oblique valde angustatum, ore rostrato.
29*
432 Günther Enderlein,
Antennac setaceac, laminac frontis utrinque insidenics.
Abdomen subsessile, elongatum, planum, medio aciailatum, segmentis
secimdo et tertio pone medium arcuato-impressis'^), 2. apice, emarginafo.
3. hasi rotundaio.
Alarum anticarum cellulae cnhitalis et discoidaUs interna distincte
divisae, nerviis recurrens a celluJa cnhitali prima receptus.
Hoc genus singidare Agathididas cum Eumicrodontidis jüngere
videtur; caput magis iUis, nervi alarum indicati et forma corporis liis
magis respondent."-
Verbreitung.
Die Gattung Brannsia war bisher nur aus Afrika bekannt.
Auf Grund vorliegender Zusammenstellung- nach dem Material der
Sammlung- des Königl. Zoolog. Museums zu Berlin wurde sie auch
im paläarktischen Gebiet und zwar in Deutschland {Braunsia ger-
manica n. sp.) und im indo-australischen Gebiet nachgewiesen. Die
24 bis jetzt bekannten Arten, von denen nur 19 vorliegen, vertheilen
sich folgendermaassen auf die einzelnen Gebiete: Paläarktische Re-
gion 1,' äthiopische Eegion 14 und indo-australische Region 9. In
der nearktischen und neotropischen Region scheint die Gattung zu
fehlen.
Die Wirthe sind völlig unbekannt.
Besti mm ungsta belle der vorliegenden Arten der
Gattung Braunsia besonders nach morphologischen
Merkmalen.
1 Antedorsum des Mesothorax mit 2 deutlichen medianen
Längsfurchen 2
Antedorsum des Mesothorax ohne mediane Längsfiirchen 13
2 Mittelsegment oben mit 1 mittlem Längsleiste 3
„ „ „ 2 ,. Längsleisten 7
Q Q
3 Flügel braun einschliesslich des Basaldrittels 4
Flügel braun, Basaldrittel gelb erlangeri n. sp.
4 Flügel gelblich gefleckt 5
Flügel einfarbig braun 6
r» Yorderflügel mit kurzem gelblich hj^alinen Querfleck vor
der Spitze reicherfi n. sp.
1) Haec impressio faclle pro limite segmenti haberi potest.
Die Braconiden-GatUiiig Braunsia Krikchb. 433
Vorder- und Hintertlügel mit gelbem Fleck in der Mitte
des Vorderrandes frkolor (Gerst,;
6 Thorax glänzend schwarz, mit Ausnahme des Prothorax
fuscipennis n. sp.
Thorax rostgelb congoensis n. sp.
7 Vorderllügel hell braun mit ockergelbem Basaldrittel und
mittlerer ockergelber Querbinde Iriegcri n. sp.
Vorderflügel bräunlichgelb-hj-alin, Pterostigma braun, Vorder-
rand dunkel braun ochracca n. sp.
{Br. hicolor (Bkulle) mit 3 mittlem Längsleisten auf dem
Mittelsegment, von denen aber die mittelste sehr undeut-
lich ist, wurde unter 8 eingeordnet.)
8 Mittelsegment mit 3 deutlichen mittlem Längsleisten 9
Mittelsegment mit 3 undeutlichen mittlem Längsleisten 12
9 Flügel braun einschliesslich des Basaldrittels 10
Flügel braun, Basaldrittel gelb analis Kkiechb.
10 Mitte des Vorderflügels mit gelblichem Fleck, Basis etwas
blasser 1 1
Flügel einfarbig braun hicolor (Brülle)
11 1. Abdominaltergit ziemlich glatt polirt hilunata Enderl.
1. Abdominaltergit stark längsriefig fencstmfa Krieche.
12 Flügel dunkel braun, Kopf oben schwarz (grosse Form)
occidenfalis n. sp.
Flügel hell braun, Kopf rostgelb (kleine Form)
nidamira n. sp.
13 Mittelsegment mit 2 oder 3 mittlem Längsleisten 14
Mittelsegment ohne Längsleisten, unregelmässig runzlig.
Körper und Beine rostgelb, Flügel braun suhsukata n. sp.
14 Mit 2 mittlem Längsleisten 15
Mit 3 mittlem Längsleisten 16
15 Flügel schwarzbraun kriechbaumeri n. sp.
Flügel hell ockergelb, Aussenrandzone bräunlich, eine
mittlere Querbinde im Vorderflügel braun fasciata n. sp.
16 Flügel hyalin . 17
Flügel hell ockergelb, Aussenrandzone scliAvach bräunlich,
ein massig grosser brauner Fleck hinter der Basis des
Pterostigmas rauchbraun bimaculata n. sp.
17 Körper schwarz, Beine rostgelb (jcnmonra n. sp.
Körper und Beine schwarz, Pro- und Mesothorax rostgelb
cariosa n, sp.
434 Gunthar Enderlein,
Bestimmungstabelle aller bekannten Arten der
GrSittwng Braunsia Kb,ibcb.b. besonders nach F ä r b u n g s -
m e r k m a 1 e n.
1 Flüg-el dunkel braun, mit oder ohne gelblichen Fleck vor
der Spitze; Flügelbasis nicht gelblich 2
Flügel hyalin, blass bräunlich oder gelb ; mit oder ohne mehr
oder weniger ausgedehnter dunkel brauner Färbung 12
2 Flügel einfarbig braun (nur einige hyaline Fleckchen hinter
dem Pterostigma) 7
Vorderflügel mit gelblichem Querfleck vor der Spitze oder
gelblichem Mittelfleck 3
3 Vorderflügel mit gelblichem Querfleck vor der Spitze 4
Vorderflügel mit gelblichem Mittelfleck 5
4 Thorax und Abdomen schwarz, Kopf. Prothorax rostgelb
ruficeps Krieche.
Abdomen schwarz, Thorax, Mittelsegment und Kopf rostgelb
reicherfi n. sp.
5 Hinterflügel ungefleckt ß
Hiuterflügel mit gelblichem Mittelfleck am Vorderrande
fricolor Gerst.
6 1. Abdominaltergit ziemlich glatt polirt hilnncda Enderl.
1 Abdominaltergit stark längsriefig fenesfrata Krieche.
7 Körper schwarz, Prothorax und Kopf rostgelb
fuscipennis n. sp.
Thorax rostgelb 8
8 Mittelsegment rostgelb 9
Mittelsegment schwarz 11
9 Abdomen schwarz 10
Abdomen rostgelb mit schwarzer Spitze (Kopf schwarz)
occidentalis n. sp.
10 Kopf rostgelb congoensis n. sp.
Kopf schwarz occidentalis n. sp. var. obscurior n.
11 Mittelsegment mit 3 deutlichen mittlem Längsleisten. Flügel
mit schwach violettem Glanz hicolor (Brülle)
Mittelsegment mit 2 mittlem Längsleisten
krieclibaumeri n. sp.
12 Flügel gelb, mit I/3 — % des distalen Flügeltheils braun
oder ausserdem mit gelber mittlerer Querbinde 13
Flügel hell ockergelb, blass bräunlich oder hyalin 17
Die Bracouideii-Gattung' Braunsia Kriechb. 435
13 Flügel mit \,. — 7.. der Flügelläng-e braun, ohne gelbe mitt-
lere Querbinde 14
Flügel -3 braun, durch die Mitte eine gelbe Querbinde 16
14 Nur die Spitze breit braun decepfor (Smith)
Die Haltte oder mehr braun 15
15 -/s der Flügel braun erlangen n. sp.
\.y der Flügel braun striata (Smith)
16 Die braune Zeichnung sehr scharf, Abdomen einfarbig rost-
gelb Irki/eri n. sp.
Nur die mittlere braune Binde der Yorderflügel scharf und
dunkel braun, alles übrige verwaschen, Hinterflügel nur
am Aussen- und Hinterrande braun angehaucht; Ab-
dominalspitze schwarz fasciata n. sp.
17 Flügel hell ockergelb, Aussenrandzone schwach bräunlich,
ein massig grosser brauner Fleck hinter der Basis des
Pterostigmas rauchbraun oder nur das Ende des Ptero-
stigma braun 18
Flügel einfarbig blass bräunlich oder hyalin 20
18 Vorderflügel hinter der Basis des Pterostigma mit einem
braunen Fleck 19
Pterostigma am Ende braun (Körper röthlich, Abdomen
dunkler; Mittelsegment mit 3 mittlem Längsleisten)
tcrminalis (Brülle)
19 Körper rostfarben, Gesicht, Vorderbeine und Mittelcoxen
blasser i^lavipennis (Smith)
Körper rostfarben, Hinterbeine sammt den Coxen und Ab-
domen vom 2. Segment ab schwarz bimaculata n. sp.
20 Flügel einfarbig blass bräunlich 21
Flügel hyalin farblos 23
21 Körper und Beine rostgelb 22
Körper und Beine rostgelb. Abdominalspitze schwarz
melannra n. sp.
22 Pterostigma braun, Mittelsegment mit 2 mittlem Längs-
leisten. Antedorsum des Mesothorax mit 2 deutlichen
Längsfurchen ochracea n. sp.
Antedorsum des Mesothorax ohne mediane Längsfurchen.
Mittelsegment unregelmässig runzlig suhsukata n sp.
23 Körper und Beine schwarz, Pro- und Mesothorax rostgelb
rariosa n. sjk
Körper schwarz, Beine rostgelb germanica n. sp.
436 GÜNTHER Enderlein,
P a 1 ä a r k t i s c h e Region:
f/emianica n, ,s^>.
Augeu massig gross, Schläfen schmal. Antennen dünn, etwas
länger als die Vorderilügel ; 2. Basalglied ziemlich dick; Anzahl der
Fühlerglieder etwa 36. Antedorsum des Mesothorax ohne Längs-
furchen. Scutellnm sehr gross nnd nach hinten ausgedehnt. Mittel-
segment sehr ranh quer runzlig, 3 mediane Längsleisten sind massig
deutlich, auch die sonst sehr scharfen seitlichen Längsleisten haben
etwas von ihrer Deutlichkeit eingebüsst.
Abdomen: 1., 2. und 3. Tergit sehr fein und dicht längs-
gerieft, die 4 Felder der beiden letztern annähernd gleich lang, das 1.
etwas länger; das letzte mit Ausnahme des Vorderrandes glatt.
7. Sternit (cf. S. 431) gross, schuppenartig und stark zugespitzt.
Legerohr fast von der Länge des Thorax und Abdomens zusammen.
Vorderflügel mit ziemlich undeutlicher Querader zwischen
1. Cubital- und \. Discoidalzelle fast 3eckig, ohne Aderstummel.
Schwarz, Coxen und Beine rostgelb. Flügel hyalin. Adern
braun, Pterostigma gross, braun.
Körperlänge 5 mm. Vorderflügellänge 47-2 mm. Flügelspannung
10 mm. Länge des Legerohres 4 mm.
Pommern: Rügen. 1 $. Gesammelt von Eeichson (im Berliner
Museum).
Cat. No. 30452.
A e t h i 0 p i s c h e Region:
fuscipeiinis n. sp.
Augen ziemlich gross, massig abstehend. Antennen etwas länger
als die Vorderflügel, 2. Basalglied verhältnissmässig dünn. Schläfen
sehr schmal. Die beiden Furchen des Antedorsum ziemlich seicht.
Scutellnm höckerartig über das Postscutellum übergreifend. Mittel-
segment polirt glatt, Medianleiste einfach.
Abdomen: Die Längsleisten des 1. Tergits wenig scharf, in
den vordem beiden Dritteln nur etwa 4 deutliche Leisten, davon
die äussern stärker, hinteres Drittel polirt glatt, fast ohne Spuren
von Leisten. 2. und 3. Tergit dicht mit feinen Längsleisteu, die etwas
weniger gleichmässig angeordnet sind, als gewöhnlich. 1. und 3.
Feld etwa 1^2 des 2. und 4. Fast % vom Ende des letzten Feldes
polirt glatt. 4.-6. Segment verhältnissmässig gross.
Die Braoouideii-Gattnug Brauiisia Kriechb. 437
Vorder flu gel: Zwischen 1, Cubital- und 1. Discoidalzelle
keine Ader oder nur angedeutet. 2. Cubitalzelle kaum mit Ader-
stummel.
Glänzend und intensiv schwarz; Prothorax und Vorderbeine,
Kopf ohne die Antennen und Ocellen rostgelb. Flügel schwarzbraun
mit hyalinen Fleckchen hinter dem Pterostigma (in der 1. Cubital-
zelle) und hinter der 2. Cubitalzelle. — Körperlänge 9 mm. Vorder-
flügellänge 7^ o mm. Flügelspannung 17 mm.
Kamerun. Barombi - Station. 1 S- Dr. Preuss Sammle.]-.
Cat. No. 30441.
i'upceps Krieche.
Untinisia ruftccps KrieCHBAU3IER, in: Berliu. entomol. Zeitschr.. V. 39,
1894, p. 64.
Guinea (Chama).
Diese Species unterscheidet sich von Braunsia fuscipennis n. sp.
durch das Vorhandensein eines gelblichen elliptischen Fleckes auf
dem Vorderflügel.
vouffoensis n. sp.
Augen gi'oss, ziemlich abstehend; Schläfen schmal. Antennen
massig dünn, etwas länger als die Vorderflügel, 2. Basalglied ziemlich
dick; Anzahl der Fühlerglieder etwa 47. Die beiden Furchen des
Antedorsums sehr tief. Scutellum erhaben, etwas nach hinten
verlängert. Mittelsegment glatt mit unregelmässigen undeutlichen
Runzeln, mittlere Leiste sehr scharf, vorn eine wenig scharfe
Querleiste.
Abdomen: 1. Tergit ziemlich kurz und gedrungen, hinten mit
ca. 9 sehr scharfen, ziemlich weit abstehenden Leisten, von denen
sich nur die mittelste und die beiden seitlichsten in die vordere
Hälfte erstrecken und hier sein- scharf ausgeprägt sind. 2. und
3. Tergit mit scharfen und dicht stehenden Leisten, 1. und 3. Feld
etwa Vjo des 2. und 4.; V:j vom Hinterrande des letzten Feldes
})olirt glatt. Die 5 übrigen sichtbaren Segmente ziemlich lang.
Vorderttügel mit undeutlicher Ader zwischen 1. Cubital- und
1. Discoidalzelle. 2. Cubitalzelle nur mit sehr kurzem Aderstummel.
Rostgelb; Abdomen (Plenren rostgelbj, Antennen, Augen. Um-
gebung der Ocellen, Hintercoxen und -beine schwarzbraun. Ocellen
braun. Flügel dunkel braun mit hyalinen Fleckchen in der
438 Günther Enderlein,
1. Cubitalzelle hinter der Basis des Pterostignias und hinter der
2. Cubitalzelle.
Körperlänge 97-2 mm- VorderflügeUäng-e 9 mm. Flüg-elspannung-
19^/3 mm.
Congo- Gebiet. Chinchoxo. 1 6- Falkenstein Sammler.
Cat. No. 30442.
occifJ entcilis n, *;/>.
Augen gross, etwas abstehend. Antennen dünn, etwas länger
als die Vorderflügel ; 2. Basalglied ziemlich dünn: Anzahl der Fühler-
glieder etwa 38—44. Schläfen ziemlich schmal. Die beiden Furchen
des Antedorsums, des Mesothorax scharf. Scutellum etwas spitz
nach hinten ausgezogen, doch hinten abgerundet. Mittelsegment
polirt glatt; mittlere Leiste mehr oder weniger scharf und nicht
ganz gerade verlaufend, seitlich dicht daneben je eine undeutliche
Leiste, besonders hinten, die nur in gewisser Beleuchtung und un-
deutlich erkennbar sind (also: undeutlich 31eistig); vorn ohne deut-
liche Querleiste.
Abdomen: 1. Tergit ziemlich lang und schlank, vordere Hälfte
mit 2 seitlichen, scharfen Leisten, der Zwischenraum stark vertieft ;
in der Mitte vom Hinterrand an eine weniger scharfe Leiste mit
Ausnalnne des vordem Drittels; die übrige hintere Hälfte meist
glatt polirt oder wenig runzlig; zuweilen ordnen sich die Runzeln
undeutlich strahlig von der Mitte des Hinterrandes aus an. 2. und
3. Tergit mit massig scharfen und sehr dicht stehenden Leisten;
das \. und 3. Feld doppelt so lang wie 2. und 4.; letzteres nur im
vordem Drittel oder Viertel gerieft.
Vorderflügel ohne Ader zwischen 1. Cubital- und 1. Discoidal-
zelle oder nur undeutliche Spuren davon. 2. Cubitalzelle 4eckig.
ohne Aderstummel oder nur mit geringen Spuren davon.
Rostgelb ; Antennen, Kopf mit Ausnahme der Obei'lippe, des
Clipeus und der Wangen, Hinterleibspitze vom 4. Feld des 2. Ter-
gits ab (mit inbegriffen) und die Scheiden des Legerohrs schwarz.
Hinterbeine mit Ausnahme der Coxen, zuweilen auch der Schenkel,
braun. Flügel braun bis dunkel braun mit unbestimmten Fleckchen
in der 1. Cubitalzelle hinter der Basis des Pterostignias und hinter
der 2. Cubitalzelle.
Körperlänge S H mm, § SV-, — 9\'., mm. Vorderflügellänge S 7 bis
77.2 inm, $ 77.2 — 8 V., mm. Länge des Legerohrs 8 mm.
Die Biaconiden-Gattuug' Braimsia Kriechb. 439
AVest- Afrika.
Tog-o: Misaliöhe, 10. 5. 1894. 1 S. E. Baumann Sammler.
Bismarckburg'. October 1891, 1 S, R. Büttnee Sammler.
Togo, Hinterland, 18. 6. 1889, 1 $, Eugen Kling Sammler.
Congo -Gebiet: Chinchoxo, 1 $, Falkenstein Sammler.
Brmmsia occidcntalis n. sp. ist der Braimsia conf/oensis n. sp. sehr
ähnlich, unterscheidet sich jedoch von ihr duix-h die angegebenen
Sculptnrunterschiede sowie durch die etwas schlankere Gestalt und
durch den schwarzen Kopf.
var. ohscnrior n.
Unterscheidet sich von der Stammform nur durch den vüUig
schwarzen Hinterleib und die braunen Hintercoxen.
Guinea, S, Alexander von Homeyer Sammler.
Kamerun, Lolodorf, 1 c?, L. Conradt Sammler; .launde-
Station. 800 m. 1 c(, 1 ?, Gustav Zenker Sammler.
Cat. No. 30443.
reich erti n. sjj.
Augen gross, etwas vorstehend. Antennen etwa von Vorder-
ilügellänge. 2. Basalglied dick; Anzahl der Fühlerglieder etwa 38.
Scheitel kurz und breit, Schläfen ziemlich breit. Die beiden Furchen
des Antedorsums des Mesothorax scharf. Scutellum perlenartig er-
haben. Mittelsegment polirt glatt, nur wenig und undeutlich rauh,
mit 1 mittlem Längsleiste, vorn mit undeutlicher und unbestimmter
Querleiste.
A b d 0 m e n : 1. Tergit mit groben, 2. und 3. mit massig groben Längs-
leisten. 1. und 3. Feld gleich lang und je doppelt so lang wie das
2. und 4. ; äusserster Hinterrand des letzten glatt. 7. Sternit (cf. S. 431)
gross, abstehend. Legerohr fast von Körperlänge.
Vorderflügel mit Ader zwischen 1. Cubital- und 1. Discoidal-
zelle und Aderstummel an der 2. Cubitalzelle.
Röthlich rostgelb; Augen, Antennen, Abdomen, Scheiden des
Legerohrs, Hintercoxen und -beine schwarz. Ocellen. Tarsen der
Mittelbeine und Trochanter der Hinterbeine braun.
Flügel schwärzlich braun, kurzer Querfleck vor der Spitze gelb-
lich hyalin. — durch ihn geht der Cubitus mitten hindurch — , und
unbestimmte hyaline Flecke hintei- der Basis des Pterostigmas in
der 1. Cubitalzelle und hinter der 2. Cubitalzelle.
440 GÜNTHEK EnDEKLBIN,
KörpeiläDg-e lö mm. Vorderflügelläiige 10 mm. Flügelspannung
217-2 ^^- Länge des Legerohrs 9 mm.
"West- Afrika, Togo. Misaliöhe. 15. 5. 1894. 1 $. E. Bau-
mann Sammler.
Cat. No. 30444.
Gewidmet sei diese Art Freund Alex. Reichert in Leipzig zur
Erinnerung an die mit ihm und dem jetzt in Villowmore (Süd-Afrika)
weilenden entomologischen Collegen Herrn Dr. med. Hans Beauns,
dem Pathen der Gattung Braunsia, einst unternommene entomolo-
gische Excursion nach Thüringen. Mögen sich jetzt nach 10 Jahren
in der Braunsia rächerti Endeelein wenigstens die Namen wieder
einmal zusammenfinden.
büunata Endeel,
Braunsia bicolor Kriechbaumee, in: Berlin, entomol. Zeitschr., V. 3'J,
1894, p. 64 (nee hirolor Beulle 1846).
Braunsia bilnnafa Endeel.
Augen massig gross, wenig abstehend. Schläfen massig breit,
abgerundet. Antennen massig dick, 2. Basalglied massig dick. Die
beiden Furchen des Antedorsums des Mesothorax deutlich, ziemlich
eng an einander gerückt. Scutellum sehr erhaben und sehr schmal.
Mittelsegment ziemlich glatt mit 3 ziemlich scharfen medianen Längs-
leisten in der ganzen Länge.
Abdomen: 1. Tergit polirt glatt, vorn nur 2 wenig scharfe
seitliche Längsleisten, hinten nur 1 mittlere deutlichere Leiste und
wenige undeutliche Spuren von Leisten. 1. und 3. Feld des 2. und
3. Tergits ist doppelt so lang wie das 2. und 4.; Leisten eng, fein
und massig scharf, Hinterhälfte des letzten Feldes glatt.
Vorderflügel ohne oder mit undeutlicher x4.der zwischen 1. Cubital-
und 1. Discoidalzelle ; 2. Cubitalzelle 4eckig, ohne Aderstummel.
Rostgelb; Scheitel, Hinterleibspitze vom 4. Feld des 2. Tergits
aus und Scheiden des Legerohrs schwarz. Antennen braun, die
beiden Basalglieder rostbraun. Hinterschienen und -tarsen etwas
dunkler. Flügelfärbung wie bei Br. fenesfrata Keiechb., doch sind
die hyalinen Flecke des Vorderflügels nicht ganz so scharf umgrenzt
wie bei dieser.
Körperlänge 8 mm. Vorderflügellänge 7 mm. Flügelspannung
15 mm. Länge des Legerohrs 8 mm.
Senegal. 1 y. Buc^uet Sammler.
Cat. No. 12541.
Die Braconiden-Gattmig' Brauiisia Kriechb. 441
Die Originalstücke stammen ans Kamerun.
Diese Species ist der ost-afrikanischen Br. fencstmta Kkiechb.
sehr ähnlich, unterscheidet sich von ihr im Wesentlichen nur durch
die Structur, besonders der des 1. Abdominalterg'ites.
feneHtvata Kriechb.
liranufiia fcnestndn Kriechbaumer, in: Berlin, entomol. Zeitschr., V. 39,
1894, p. 310.
Angen massig gross, wenig- abstehend. Schläfen ziemlich breit
und scharfkantig. Antennen massig- dick, 2. Basalglied massig dick.
Die beiden Furchen des Antedorsums des Mesothorax deutlich, ziem-
lich eng an einander gerückt. Scutellum ziemlich perlenartig. Mittel-
segment stark runzlig, mit 3 medianen Längsleisten, die sich bald
vereinigen und nur eine scharfe Leiste bilden.
Abdomen: 1. Tergit lang und schlank, von der Mitte des
Hinterrandes gehen etwas strahlig und ziemlich dicht feine Leisten
aus; vorderes Drittel schmal, polirt glatt mit nur 2 scharfen seit-
lichen Leisten, dazwischen etwas vertieft. Das 1. und 3. Feld des
2. und 3. Tergits doppelt so lang wie das 2. und 4. Leisten dicht
und fein, hinteres Drittel des 4. Feldes glatt. Legerohr etwas länger
als der Körper.
Vorderflügel mit deutlichen Aderresten oder Ader zwischen
1. Cubital- und 1. Discoidalzelle, meist nur deutliche Seitenreste.
2. Cubitalzelle 4eckig ohne oder mit nur sehr kurzem Aderstummel.
Bräunlich rostgelb; Augen, Fühler, Scheiden des Legerohrs
schwarz; Hinterschienen und -tarsen braun. Flügel braun. Vorder-
flügel mit grossem! hyalinen Mittelfleck zwischen proximaler Hälfte
des Hinterrandes des Pterostigmas und dem Hinterrande des Flügels,
der die 1. und 2. Cubitalzelle. das distale Ende der 1. Discoidal-
zelle und das proximale Ende der 1. und 2. Hinterzelle ausfüllt; bei
dem einen Stück ist die Basis der 2. Hinterzelle braun. Innerste
Basis des Vorderflügels hyalin . ebenso hinteres Basal drittel der
Hinterflügel. Adern braun, an den In'alinen Stellen gelblich.
Ost- Afrika. Delagoa-Bai. 1 $.
Xyassa-See, Langenburg. Juni-August 1898. 1 4*. Dr. Fi^lleborx
Sammler.
Cat. No. 30445.
44'2 Günther Enuerlein.
ti'icolor (Geest.),
Aqathis tricolor Gerstaeckek, in: Mooatsber. Akad. Wiss. Berlin, 1858,
p. 264.
Agathis trirohr Gerstaeckek, iu : Peters, Reise nach Mozambique, Zoo!.,
V. 5, 1862, p. 526, tab. 32, fig. 14 (nicht 15).
Hrainisin tricolor (Gerst.) m.
Diagnose nach den Typen Gerstaecker's :
Allgen massig klein, wenig gewölbt. Schläfen breit, scharf-
kantig. Antennen ziemlich dick, wenig länger als der Vorderflügel.
Furchen des Antedorsums des Mesothorax scharf und ziemlich weit
von einander gerückt. Scutellum ziemlich klein. Mittelsegment sehr
stark und unregelmässig runzlig; unter dieser Runzelung ist schwer
die in Einzahl vorhandene Medianleiste zu finden, da sie undeutlich ist.
Abdomen: 1. Tergit kurz und nach hinten stark verbreitert,
mit scharfen, wenig dicht angeordneten Längsleisten, von denen sich
im vordem Drittel nur 2 seitliche und 1 mittlere erhalten, die hier
sehr scharf sind. 2. und 3. Tergit dicht mit massig feinen Leisten
besetzt. Die Längen der 4 Felder verhalten sich etwa wie 2:1:1^/2:1 \U ;
hinteres Viertel des letzten glatt. Legerohr fast von Körperlänge.
Vorderflügel mit undeutlicher Ader zwischen 1. Cubital- und
1. Discoidalzelle. 2. Cubitalzelle 4eckig ohne oder mit sehr kurzem
Aderstummel.
Bräunlich rostroth. Antennen, Scheiden des Legerohrs, Hinter-
schienen und -tarsen schwarz, mit Ausnahme der proximalen Spitzen
der Schienen. Flügel braun, Vorderflügel mit gelblich-hyalinem
mittlem Fleck vom Vorderrand des Flügels ausgehend, das Ptero-
stigma mit Ausnahme der beiden Enden ausfüllend und nach hinten
zu sich verjüngend bis in die Mitte der Basis der 1. Hinterzelle.
Ein gleicher etwas kleinerer hyaliner Fleck findet sich an der ent-
sprechenden Stelle des Hinterflügels. Bei dem einen Exemplar findet
sich noch ein kleinerer hyaliner Fleck dicht hinter der Cubitalader
wenig ausserhalb der Mitte dei- 1. Hinterzelle des Vorderflügels.
Körperlänge 8V2 mm. Vorderflügellänge 8V2 mm. Flügelspannung
19 mm. Länge des Legerohrs 8 mm.
Mozambique. Inhambane. 2 ??. W. H. Peters Sammler.
Cat. No. 12 540.
erlangen' n. sj).
Augen ziemlich gross, massig vorstehend. Antennen etwas länger
als die Vorderflügel, 2. Basalglied sehr dick. Scutellum sehr erhaben.
Die Braconiden-Gattuug- Braunsiu Krieche. 443
Mittelsegment mit 1 Medianleiste, ohne Querleisten, niii- mit feiner,
massig scharfer Querriefung.
Die Längsleisten des 1. Abdominaltergits vorn ziemlich grob
und massig dicht, des 2. dichter und feiner; ein sehr schmaler Streif
am Hinterrand des letzten Feldes glatt. 1. und 3. Feld des 2. und
3. Tergits von gleicher Länge und doppelt so lang wie das 2. und 4.
Letztes Sternit vor der weiblichen Geschlechtsöffnung (7., cf. S. 431^
ziemlich lang. Legestachel etwas länger als der Hinterleib.
Vorderflügel mit oder ohne Ader zwischen 1. Cubitalzelle und
1. Discoidalzelle. ohne Aderrest oder mit mehr oder weniger langem
Aderstummel an der 2. Cubitalzelle.
Bräunlich ockergelb; Augen, Ocellen, Antennen, Hinterschienen
mit Ausnahme der äussersten Basis und Hintertarsen, Scheiden des
Legerohrs. 3. bis letztes Abdominaltergit und 7. Sternit schwarz.
Flügel braun. Basaldrittel ockergelb; die braune Färbung zieht
sich am Hinterrand des Hinterflügels etwas nach der Basis zu.
Vorderflügel mit kleinen lij^alinen bis gelblichen Fleckchen in der
L Cubitalzelle, hinter der proximalen Basis des Pterostigmas und
hinter der 2. Cubitalzelle.
Körperlänge 11 mm. Vorderflügellänge 10 mm.
Flügelspannung 22 mm. Länge des Legerohrs 8 — 8^2 nim.
Ost- Afrika. 7 $, je 1 von:
Somali, Dogge, 10. 5. 1901. Expedition des Frei-
herr n VON Eelanger.
Ost-Usambara, F. Fischer Sammler.
Nj^assa-See, Langenburg, Juni 1 898 , Dr. Fülleborn
Sammler.
Kitui, J. M. HiLDEBKANDT Sammler.
Mikindani, Reimer Sammler.
U Samba ra und Bond ei. Februar und März 1880, C. W.
Schmidt Sammler.
Tanga, October 1902. Methner Sammler. Von Herrn
Dr. Studt dem i\Iuseum geschenkt.
Cat. Xo. 30446.
(inalls Kriechb.
BraiDisid niialis KeieCHBAUMER, in: Berlin, eutoniol. Zeitschr., \. 39,
1894, p. 809.
Augen ziemlich gross, vorgewölbt. Antennen dick, 2. Basalglied
gross nnd dick. Die beiden Furchen des Antedorsums des Meso-
444 Günther Ender lein,
thorax sehr scharf. Sciitellum perlenartig', nur wenig- nach hinten
ausgezogen, Mittelsegment schwach runzlig, hinten 8 scharfe mitt-
lere Längsleisten, deren beide seitlichen in der Mitte durch 3—4
mehr oder weniger scharfe Querleisten abgebrochen werden, während
die mittlere sich scharf bis zum Yorderrand erhält,
Abdomen: 1. Tergit mit ziemlich groben Längsleisten. 2. und
3. Tergit mit scharfen, ziemlich kräftigen, sehr geraden Leisten
massig dicht bedeckt; 1, und 3, Feld doppelt so lang wie das 2.
und 4., letzteres im hintern Viertel glatt. Legerohr etwas kürzer
als die Körperlänge.
Vorderflügel mit oder ohne Ader zwischen 1, Cubital- und 1. Dis-
coidalzelle. 2. Discoidalzelle 4eckig bis schwach öeckig, ohne oder
mit kurzem Aderstummel.
Ockergelb; Antennen, .iugen, Ocellen, 2. bis letztes Hinterleib-
segment (zuweilen auch das 2, Tergit), Hinterschienen und -tarsen
und Scheiden des Legerohrs schwarz, Mitteltarsen braun,
Flügel braun ; Vorderflügel mit ockergelber Flügelbasis bis mehr
als Vs der Länge (bis zum Ende der Medianzelle), die 1. Cubitalzelle
ist ebenfalls ockergelb, hinter der 2, Cubitalzelle einige kleine hyaline
Flecken, sowie ein mehr oder weniger grosser hyaliner Fleck
vor der Flügelspitze in der Mitte der Länge der 3. Cubitalzelle.
durch den die Cubitalader mitten hindurchgeht. Fast die ganze
Basalhälfte des Hinterflügels ockergelb, Adern braun, an den hellen
Stellen gelblich,
Körperlänge S 10 mm. $ 11 '/a mm- Vorderflügellänge S 9'/2 mm,
$ 11 mm.
Flügelspannung c^ 20 mm, $ 22 mm. Länge des Legerohrs
97.2 iiiiTi-
Deutsch Ost- Afrika. 1 ?. Dr. Feanz Stuhlmann Sammler.
Nyassa-See, Langenburg, 26. 10, 1899, 1 S- Dr. Fülleboen
Sammler.
Bagamoyo, März 1892, 1 V'- Oberstabsarzt Dr. Steudel
Sammler.
Cat. No, 30436.
krief/etH n. sp.
Augen massig klein, ziemlich vorgewölbt. 2. Basalgiied der
Antennen ziemlich klein. Schläfen sehr schmal. Längsfurchen des
Antedorsums des Mesothorax scharf. Scutellum massig erhaben.
Die Bracouiden-Gattuug- Braunsia Krieche. 445
Mittelsegment körnig- rauh mit 2 imdeiitliclien medianen Längsleisten
und einem sehr undeutlichen Querkiel in der vordem Hälfte.
Abdomen: Läng-sleisten des 1. Tergits ziemlich g-rob, des
2. und 3. sehr fein und dicht; Felderung- annähernd gleich lang;
fast die Hälfte des Hinterrandes des letzten Feldes glatt.
Vorderflügel ohne Ader zwischen 1. C'ubital- und 1. Discoidal-
zelle oder nur schwach angedeutet. 2. Cubitalzelle ohne Ader-
stummel.
Eostgelb; Abdominalspitze etwas bräunlicher. Hinterschienen und
-tarsen bräunlich; Augen, Ocellen und Antennen schwarz. Flügel
hellbraun, Basaldrittel ockergelb, Vorderflügel mit mittlerer, ocker-
g-elber Querbinde zwischen Pterostigma und Hinterrand, Hinterflügel
mit ockergelbem Fleck an der entsprechenden Stelle des Vorder-
randes.
Körperlänge 7 Vo mm. Vorderflügellänge 6 '/o mm. Flügelspannung
14 mm.
Deutsch 0 s t - A f r i k a. Mombassa. 2 SS- J- M. Hilde-
BRAXDT Sammler.
Cat. Xo. 30447.
Gewidmet wurde diese Specie.s meinem verehrten Freund und
entomologischen Collegen Herrn Prof. Dr. R. Keieobr in Leipzig.
ochracea n. sp.
Augen ziemlich klein, Schläfen breit. Antennen ziemlich dick,
2. Basalglied massig dick. Die beiden Furchen des Antedorsums
des Mesothorax sehr dicht neben einander und sehr tief, so dass sie
fast zu einer Längsfurche verschmelzen. Mittelsegment etwas rauh,
mit 2 deutlichen mittlem Längsleisten, die nach vorn zu etwas con-
vergiren und in der ]\Iitte durch eine Quei'leiste verbunden sind.
Beine ziemlich kurz.
Abdomen sehr kurz und gedrungen. \. Tergit mit vielen mehr
oder weniger deutlichen Längsriefen. Die Riefen des 2. und 3. Ter-
gits sehi' fein und dicht. Die 4 Felder annähernd gleich lang, das
1. etwas länger. Nur der äusserste Hinterrand des 4. Feldes etwas
geglättet.
Vorderflügel, ^^orderrandader sehr dick, besonders an der Basis.
Ohne Ader zwischen 1. Cubital- und 1. Discoidalzelle. 2. Cubital-
zelle spitz dreieckig, indem die beiden Cubitalqueradern vorn ver-
schmelzen; ohne Aderstummel.
Zool. .Talirb. XX. Abtli. f. Syst. ^^0
446 Günther Enderlein,
Rostgelb ; Antennen, Aug-en nnd Ocellen schwarz. Flügel bräun-
lich-gelb-hyalin, Pterostigma braun, Vorderrand des Vorderllügels
dunkel braun.
Kiirperlänge 7 mm. Vorderflügellänge 6 mm. Flügelspannung
13 mm.
Capland. 1 S- Deege Sammler.
Cat. No. 12063.
suhsiilcata n. sp.
Augen klein, Schläfen ziemlich breit. Antennen massig dünn;
Anzahl der Fühlerglieder etwa 36. Thorax etwas rauh. Furchen
des Antedorsums des Mesothorax fehlen. Scutellum massig gross,
fast dreieckig. Mittelsegment fein runzlig rauh, ohne Längsleisten.
Abdomen: 1. Tergit breit, gedrungen, sehr fein, dicht und
undeutlich längsgerieft. 2. und 3. Tergit sehr fein, dicht und wenig
deutlich längsgerieft, Hinterhälfte des 4. Feldes polirt glatt. Das
1. Feld etwas länger als jedes der gleich langen übrigen 3. 7. Sternit
(cf. S. 431) lang, schmal und sehr spitz zulaufend. Legerohr fast
von Körperlänge.
Vorderflügel ohne Ader zwischen 1. Cubital- und 1. Discoidal-
zelle. 2. Cubitalzelle dreieckig, ohne Aderstummel. Flügel braun,
dunklere Färbung ist vor Allem diuxh eine starke und sehr dichte
Pubesciruug der ganzen Flügelfläche verursacht.
Rostgelb; Augen, Ocellen, Antennen, Scheiden des Legerohrs
und die Krallen nebst Empodium schwarz. Letztes Tarsenglied
bräunlich.
Körperlänge 5 mm. Vorderflügellänge 4 mm. Flügelspannung
9 mm. Länge des Legerohrs 47-2 mni.
Capland. 1 ?. Drege Sammler.
Cat. No. 12067.
nielanura n. sp.
Augen klein, nicht abstehend. AVangen breit. Antennen massig
dünn. Thorax etwas rauh. Furchen des Antedorsums des Meso-
thorax deutlich. Scutellum gross, erhaben, fast 3eckig. Mittel-
segment fein runzlig rauh, mit 3 feinen mittlem sehr undeutlichen
Leisten.
Abdomen: 1. Tergit breit und gedrungen, mit einigen wenig
deutlichen Leisten. 2. und 3. Tergit äusserst fein längsgerieft;
Die Bracouideu-Gattuu.o- Braunsia Kriechb. • 447
1. Feld etwas länger als jedes der gleich langen übrigen. Hinter-
rand des letzten polirt glatt.
Yorderflügel ohne Ader zwischen der 1. Cubital- und 1. Dis-
coidalzelle. 2. Cubitalzelle 3eckig, ohne Aderstummel. Vorder-
randader stark.
Eostgelb; Antennen, Augen, Ocellen, 4. bis letztes Abdominal-
segment. Hinterrand des 3. Tergits und sämmtliche letzten Tarsen-
glieder schwarz.
Flügel hell ])raun, kleine hyaline Fleckchen hinter der Basis des
Pterostigmas und der 2. Cubitalzelle.
Körperlänge 5 mm. VorderÜügellänge 4 mm. Flügelspannung
9 mm.
Capland. 1 S. Deege Sammler.
Cat. No. 12068.
I n d 0 - a u s t r a 1 i s c h e Region:
krlerhbaumeri n. »p.
Augen massig gross, Schläfen breit. Antennen ziemlich dick,
2. Basalglied klein, fast kuglig; Anzahl der Fühlerglieder etwa 45.
Thorax glatt. Furchen des Antedorsums des Mesothorax sehr un-
deutlich oder bis auf geringe Reste verschwunden. Scutellum perlen-
artig erhaben. Mittelsegment polirt glatt, mit 2 scharfen medianen
Längsleisten, die hinten ziemlich weit von einander entfernt sind,
nach vorn convergiren und kurz vor dem Yorderende sich treffen.
Dicht am Vorderrand eine Querleiste.
Abdomen: 1. Tergit mit scharfen, massig dicht gestellten
Längsleisten in der ganzen Länge. Die Längsleisten des 2. und
3. Tergits sehr scharf und massig dicht angeordnet. Die 4 Felder
annähernd gleich lang, L etwas länger; -/s des Endes des letzten
polirt glatt.
Vorderflügel. \. Cubital- und 1. Discoidalzelle verschmolzen.
2. Cubitalzelle vorn spitz, 4eckig (oder öeckig), mit ziemlich langem
Aderstummel.
Rostbraun; Augen, Antennen mit Ausnahme der beiden Basal-
glieder, Mittelsegment, Hintercoxen und -beine, Abdomen mit Aus-
nahme der Pleuren schwarz. Flügel dunkel braun, je ein hj-alines
Fleckchen hinter der Basis des Pterostigmas und hinter der 2. Cu-
bitalzelle.
30*
448 Günther Enderlein,
Körperläiio^e 11^/., mm. Vorderflügellänge IVI^ mm. Flügel-
spannung 25 mm.
Sula Besi (auch Soela Besi), Insel östlich von Celebes. 2 SS-
DoHERTY Sammler.
Cat. No. 30448.
Varietät: Seiten der Vorderhälfte des 1. Abdominaltergits
hell gelb, ebenso das Vorderende. Mittelbeine mit den Coxen braun.
Körperlänge 12 72 mm- Vorderflügellänge 13 mm. Flügelspan-
nung 29 mm.
Sumatra, Lahat. 1 S. Ditwaed Sammler.
Cat. No. 18264.
Gewidmet sei diese Art dem Andenken des Autors der Gattung.
hiinaculata n, sp,
Augen massig gross, Scliläfen breit. Antennen sehr dick;
2. Basalglied kurz und ziemlich dünn. Längsfurchen auf dem
Antedorsum des Mesothorax fehlend, kaum Reste zu erkennen,
Scutellum ziemlich gross, blasig gewölbt. Mittelsegment glatt, mit
3 ziemlich scharfen medianen Längsleisten, die sich hinten berühren
und nach vorn divergiren; vor dem Vorderrand eine undeutliche
Querleiste.
Abdomen: 1. Tergit in der ganzen Länge mit scharfen ziem-
lich weit gestellten Längsleisten. 2. und 3. Tergit mit scharfen,
ziemlich dicht gestellten Längsleisten; die 4 Felder annähernd
gleich lang, das 1. und 3. etwas länger, das letzte nur im 1. Drittel
gerieft, das übrige glatt.
Vorderflügel ohne Querader zwischen 1. Cubital- und 1. Discoi-
dalzelle. 2. Cubitalzelle 4eckig, vorn spitz, mit ziemlich langem
Aderstummel.
Eostgelb; Antennen mit Ausnahme der beiden Basalglieder,
Ocellen, Scheiden des Legerohrs, Abdomen vom 2. Tergit (in-
begriften) ab und die Hintercoxen und -beine schwarz. Aeusserstes
Vorder- und Hinterende der Hintercoxa und Vorderende der
Hinterschiene rostgelb. Flügel hell ockergelb, Aussenrandzone et-
was bräunlich angehaucht. Adern gelb; ein massig grosser rauch-
braun getrübter Fleck hinter der Basis des Pterostigmas.
Körperlänge 10 7.3 mm. Vorderflügellänge 10 mm. Flügelspan-
nung 22 mm. Länge des Legerohrs 8 mm.
Java. 1 V- E coli. Dr. R. Krieger.
Cat. No. 30449.
Die Bracoiiideii-Gattuiig' Brauusia Krieche. 449
terniinalis (Beulle).
Afj'/fhis lerminalis Beulle, in: Hist. Nat. Ins. Hym., 1846, p, 484.
L'rauNsia tcnnmnlis (Brülle) ra.
Diese auf den Moliikken (Buru-Insel) lebende Art scheint der
Braunsia bimaculafa n. sp. älinlicli zu ' sein, unterscheidet sich aber
von ihr durch das Fehlen des grossen braunen Fleckes in der Mitte
des Vorderrandes der Vorderflüg-el hinter dem Pterostigma.
flavipeiinis (S>uth),
Agathis [lavipcnnis Smith, Journ. Linn. Soc. London, Zool., V. 7, 1863,
p. 12.
Acjathis siinthn D. T., Catal. Hym., V. 4, Bracon., 1898, p. 143.
Braioisid flavipennü (Smith) m.
Diese Species, deren Körperlänge ca. 14 mm beträgt, ist der
Braunsia UmacuMa n. sp. ähnlich, doch ist die Körperfarbe ganz
rostfarben, nur Gesicht, Vorderbeine und Mittelcoxen sind blasser.
C e r a m.
f'asciata n. sp.
Antennen ziemlich dünn, 2. Basalg-lied massig dick, Schläfen
ziemlich breit. Antedorsum des Mesothorax ohne Längsfurchen.
Scutellum ziemlich flach. Mittelsegment mit 2 medianen Längs-
leisten, die nach vorn zu convergiren imd am Vorderrand sich be-
rühren. Vorn eine ziemlich deutliche Querleiste.
A b d 0 m e n : 1. Tergit mit wenig scharfen, aber ziemlich dicht
gestellten Längsleisten, vorn sind nur die beiden äussersten er-
halten, die sehr scharf sind. 2. und 3. Tergit mit ziemlich scharfen
und dichten Längsleisten; die 4 Felder annähernd gleich lang, 1.
und 3. Axenig länger; letztes polirt glatt, nur am Vorderrande noch
gerieft.
^'orderflügel. Zwischen 1. Cubital- und 1. Discoidalzelle keine
oder nur eine undeutliche Ader. 2. Cubitalzelle spitz 3eckig mit
nur geringer Andeutung eines Aderstummels.
Eostgelb ; Augen, Ocellen und Antennen (ohne die beiden Basal-
glieder) braun; 4. bis letztes Abdominalsegment schwarz.
Flügel hell ockergelb, Aussenrandzone bräunlich angehaucht,
eine massig breite mittlere Querbinde des Vorderflügels zwischen
Basis des Pterostigmas und Hinterrand braun.
Körperlänge 9 mm. Vorderflügellänge 8 mm. Flügelspannung
17V.> mm.
450 Günther Enderlein,
Lombok. Sapit, 2000'. Mai und Juni 1896. 1 c?. E coli.
FEÜHSTORrEE.
Cat. No. 30450.
eariosa n. s^).
Augen massig- gross, etwas abstehend, Schläfen ziemlich schmal.
Antennen dünn, 2. Basalglied massig dick. Antedorsum des Meso-
thorax ohne Längsfurchen. Scutellnm sehr gross und nach hinten
ausgedehnt. Mittelsegment mit 3 ziemlich scharfen, aber nicht
scharfkantigen mittlem Längsleisten; die lateralen Längsleisten
massig scharf. Die Zwischenfelder unregelmässig runzlig (undeutlich
querrunzlig).
Abdomen: 1. Tergit fein und dicht längsgerieft, vorn wenig
deutlich. 2. und 3. Tergit fein und dicht, aber scharf längsgerieft,
2.-3. Feld annähernd gleichlang, 1. doppelt so lang; letztes Feld
polirt glatt, nur das vordere Drittel gerieft.
Vorderllügel mit sehr undeutlicher Ader zwischen 1. Cubital-
und 1. Discoidalzelle. 2. Cubitalzelle vorn sehr spitz, 3eckig.
Schwarz, Pro- und Mesothorax rostroth, Beine braun. Flügel
hyalin, sehr schwach bräunlich angehaucht. Adern braun. Ptero-
stigma gross, dunkelbraun.
Körperlänge 5 mm. Vorderflügellänge 4 mm. Flügelspannung 9 mm.
Ceylon. 1 S- Nietnee Sammler.
Cat"! No. 11934.
striata (Smith).
Agathis striata Smith, in: Journ. Linn. Soc. London, V. 6, 1862,
p. 66.
Braunsia striata (Smith) m.
Djilolo.
In der Färbung der Br. erlangen n. sp. ähnlich, doch viel
grösser als diese.
deceptor (Smith).
Agathis deceptor Smith, Journ. Linn. Soc. London, Zool. , V. 7, 1863,
p. 12.
Braunsia deccj)tor (Smith) m.
Die Länge beträgt nach der Original-Diagnose 12 mm. Die
Färbung ist der der Braunsia erlangeri n. sp. gleichfalls ähnlich,
doch sind die gelblich hyalinen Flügel nur an der Spitze breit braun.
Gera m.
Die BracoDideu-Gattuug Braunsia Krieche. 451
bicolor (Brülle).
Afjdihis hlcolor BßULLE, in: Hist. Nat. In^. Hym., 1846, p. 483.
Ij'ni/nhsi'i bicolor (Brülle) m.
Augen sehr gross, Schläfen massig breit. Antennen dick, etwas
länger als die Vorderflügel, 2. Basalglied gross nnd dick; Anzahl
der Fülllerglieder etwa 54. Die Längsfurchen des Antedorsums des
Mesothorax fein und ziemlich stark einander genähert. Antodorsum
vom Dorsum verhältnissmässig wenig abgesetzt, die Parapsiden-
furchen -wenig scharf. Der polirt glatte Thorax ist überall fein und
spärlich punktirt. Scutellum gross, nach hinten etwas ausgezogen.
Mittelsegment mit 2 sehr scharfen medianen Längsleisten, die nach
vorn convergiren, aber nicht zusammenstossen, dazwischen am Hinter-
ende der Rest einer mittlem 3. Leiste. Die Felder zwischen den
medianen und den seitlichen Läugsleisten dicht mit unregelmässigen
scharfen Querleisten angefüllt.
Abdomen: Die hintere Hälfte des 1. Tergits mit ziemlich
weit stehenden, aber sehr scharfen Längsleisten, von denen die 3
schärfsten (2 seitliche und 1 mittlere) sich auf die vordere Hälfte
bis zum Yorderrand erstrecken und hier auffallend hoch und scharf-
kantig hervortreten, während die Zwischenfelder polirt glatt sind
und die undeutlichen Erhebungen sich eher zu Andeutungen von
Querleisten anordnen. 2. und 3. Tergit mit sehr scharfen, massig
dicht angeordneten Leisten ; 1. und 3. Feld fast doppelt so lang wie
das 2. und 4.; letzteres mit glattem Hinterende in V.-, seiner Länge.
Vorderflügel ohne deutliche Ader zAvischen 1. Cubital- und
1. Discoidalzelle. 2. Cubitalzelle öeckig mit ziemlich langen Ader-
stummel.
Schwarz; Kopf, Pro- und Mesothorax, Vorder- und Mittelbeine
rostgelb; Antennen mit Ausnahme der beiden Basalglieder, Augen
und Ocellen braun. Flügel l)raun mit einem schwachen rothvioletten
Schimmer, mit je einem unbestimmten hyalinen Fleckchen hinter der
Basis des Pterostigmas und hinter der 2. Cubitalzelle.
Kürperlänge 13 mm. Vorderflügellänge 12 mm. Flügelspannung
26 mm.
Süd-Celebes. Samanga. November 181)5. 1 S- Coli. Fruh-
STORFER.
Cat. No. 30451.
Vorliegendes Stück stimmt völlig mit der Beschreibung des aus
Australien stammenden 15 mm langen Originalstückes überein.
452 GüNTHEK Endeelein, Die Bacoiiiden-Gattnug Braiiiisia Keiechb.
Alphabetische Uebersicht über die Arteu der Oattimg Braunsia.
analis Krieche. 1894
bicolor (Brülle 1846)
(bicolor Kriechb. 1894 = bilu-
nata Enberl.)
bilunata Enderl.
bimaculata n. sj).
cariosa n, sp.
congoensis n. sp.
deceptor (Smith 1863)
erlangeri n. sj).
fasciata n. sp.
fenestrata Krieche. 1894
flavipennis (Smith 1863)
fuscipennis u. sp.
germanica n. sp.
krie ebb aumeri n. sjj.
kriegeri n. sp.
m elanura n. sp.
0 chrac 6 a //. sp.
occidentalis n. sp.
occidentalis rar. obscurior n.
1- e i c h e r t i n. s]).
ruficeps Krieche. 1894
(smithii D. T. 1898 = flavi-
pennis (Smith 1863)
striata (Smith 1862)
siib sul c ata n. sp.
t er min all s (Brülle 1846)
tricolor (Gerst. 1858)
Seite
Ost -Afrika
443
Australien und Celebes
451
"West- Afrika
440
Java
448
Ceylon
Congo
Ceram
450
437
450
Ost-Afrika
442
Lombok
449
Ost-Afrika
441
Ceram
449
Kamerun
436
Deutschland
436
Malayische Inseln
447
Ost- Afrika
444
Süd-Afrika
446
Süd-Afrika
445
West- Afrika
438
West- Afrika
439
Togo
West- Afrika
439
437
Djilolo
Süd-Afrika
450
446
Molukken
449
Ost-Afrika
442
Nachdruck verboten.
Uebersetxuntjsrecht vorbehalten.
Beschreibung dreier Paramphistomiden-Arten
aus Säugethieren.
Von
Dr. F. Fischoeder,
Kreisthierarzt in Königsberg' i. Pr.
(Aus dem Zoologischen Museum in Königsberg- i. Pr.)
Mit Taf. 15-16 und 3 Abbildungen im Text.
Durch gütige Vermittelung des Herrn Prof. Dr. M. Bkaux und
des Herrn Privatdocenten Dr. Luhe habe ich nach P'ertigstellung
meiner Arbeit über „die Paramphistomiden der Säugethiere" (in:
Zool. Jahrb., V. 17, Syst., 1903, p. 485—660) noch weiteres Material
zur Bearbeitung erhalten, und zwar aus den Zoologischen Museen
zu Berlin und Greifswald sowie aus der dem Herrn Prof. A. Railliet
unterstehenden Sammlung der Ecole veterinaire in Alfort. Auch
Herr Prof. Dr. Ostertag hat mir noch weiteres Material aus der
Sammlung des hygienischen Instituts der Thierärztlichen Hochschule
zu Berlin zur Verfügung gestellt. Den genannten Herren und den
Verwaltungen der Museen spreche ich an dieser Stelle meinen ver-
bindlichsten Dank aus, ebenso meinem hochverehrten Lehrer Herrn
Prof. Dr. Bkaux für die mii- während meiner Arbeit zu Tlieil ge-
wordene Unterstützung. Ueber die Ergebnisse meiner Untersuchungen
habe ich (in: Ctrbl. Bakteriol. etc., Abth. 1, Originale, V. 35. 1904.
p. 598 — 601) kurz berichtet und lasse hier, indem ich bezüglich der
Literatur auf meine oben erwähnte Arbeit hinweise, die Beschreibung
454 ^- FiSCHOEDER,
des bis dahin noch nicht näher untersuchten Paramphistomuni expla-
naftim sowie der beiden von mir aufgestellten neuen Arten Pamniph.
epicUtum und Paramph. scoliocoelium folgen:
1. Paramphistormifn expUtnatuni (Crepl,).
(Taf. 15. Fig. 1—3.)
Von dieser zunächst von Creplin (in: Arch. Naturg., Jg. 1847,
V. 1, p. 34 — 35) und dann von Bailliet u. Gomy (in: CR. Soc.
Biol. Paris 1897, 26 juin) den äussern Form Verhältnissen nach be-
schriebenen Art standen mir zur Verfügung:
1. Ein von dem GuRLT'schen Funde stammendes Originalexemplar
aus dem Zoologischen Museum zu Greifswald mit der Bezeichnung:
„Amphistomum explanatum Gr.. E duct. hepatic. et ves. feil. Bovis
fauri indici, Berlin, Gurlt".
2. Ein nach mündlicher Mittheilung von demselben Funde
stammendes Exemplar aus dem hygienischen Institut der Thier-
ärztlichen Hochschule zu Berlin mit der Bezeichnung: ,.Amphistoma
explanatum aus den Gallengängen und der Gallenblase des Zebu,
April, No. 3915; G 284; 1614."
3. 16 Exemplare aus der RAiLLiEx'schen Sammlung mit der Be-
zeichnung: „Canaux biliaires de Buffelus indicus, Gonap pres Saigon
( Cochinchine), Gomy 1897."
4. 7 Exemplare in einem andern Glase derselben Sammlung und
mit der gleichen Aufschrift wie zu 3.
Das zu 1 genannte stark geschrumpfte Originalexemplar wurde
nur als Totalpräparat nach Aufliellen in Kreosot untersucht und
abgebildet, während das unter 2 genannte Thier sowie einzelne
Exemplare aus der RAiLLiEx'schen Sammlung nach Färbung mit
Parakarmin nicht nur an Totalpräparaten untersucht, sondern auch
in Schnittserien zerlegt worden sind.
Paramph. explanatum steht der Art P. hafhi/cotijle am nächsten.
Die äussere Körpergestalt der 8 — 13 mm langen Thiere entspricht
wie bei Paramph. haihycotyle in so fern der eines ventral wärts ge-
krümmten Kegels, als auch hier der grösste Querdurchmesser des
rhieres thatsächlich dicht am hintern Körperende gelegen ist. Er
erreicht hier beinahe die Hälfte des Längsdurchmessers des Thieres
und fällt mit dem Querdurchmesser des endständigen Saugnapfes
zusammen. Von hier ab ist der in dorso ventraler Richtung etwas
abgeflachte Körper, dessen dorsoventraler Durchmesser sich zum
Pararaphistomiden-Arten aus Säugethieren. 455
queren etwa wie 5 : 7 verliält, gieichmässig" verjüngt. In der Mitte
der vordem Körperhälfte beträgt der Querdurchmesser des Thieres
etwa noch V4 i^^^d der dorsoventrale noch etwa ^/e des Längsdurcli-
messers des Thieres. (Siehe Fig. 1 u. 2.)
Der kräftig entwickelte Saugnapf erscheint in querer Rich-
tung etwas zusammengedrückt. Bei dem 8 mm grossen Original-
exemplare beträgt der Longitudinaldurchmesser des Saugnapfes
3,5 mm und der quere nur 3,0 mm, bei einer Tiefe von 1,5 mm und
einer Dicke der Muskel wan düng von 0,6 mm. Auch die Oeifnung
des Saugnapfes ist längs oval (Fig. 1), 2,3 mm lang und 1,7 mm
breit. Die den Körper bedeckende C u t i c u 1 a ist nur 0,02 — 0,025 mm
stark. Papillen oder ähnliche Bildungen waren weder am vordem
Körperpole, noch um die Mundöffnung, noch im Pharynx erkennbar.
Der Pharynx ist verhältnissmässig kräftiger entwickelt als bei
Paramph. hathycohjle. Bei dem 8 mm langen Originalexemplare be-
trägt sein Längsdurchmesser 1,0 mm, der quere 0,8 mm und die
Dicke der Muskelwandung 0,25 — 0,3 mm. Der aus dem Pharynx
hervorgehende Oesophagus ist dagegen bedeutend kürzer als bei
P. hafhycoti/Jc; er erreicht etwa nur die halbe Länge des Pharynx
und tlieilt sich in die beiden Darmschenkel, welche unter einem spitzen
Winkel aus einander tretend (Fig. 1) an die Seitenflächen des Körpers
gelangen und von diesen nur etwa 0,25—0,35 mm entfernt sich nach
hinten schlängeln, um hier, nicht wie bei P. haihycotylc schon vor
dem vordem Eande des Saugnapfes, sondern erst kurz vor dem
Grunde des Saugnapfes mit ihren medianwärts gebogenen blinden
Enden zu endigen. Das Lumen der Darmschenkel ist 0,35 — 0,45 mm
weit (Fig. 1 u. 2).
Wie bei P. hathycoiyU liegt auch hier die wenig auffallende
Genitalöffnung etwa in der Mitte des vordem Körperdrittels,
unmittelbar hinter der Gabelstelle der Darmschenkel. Auch das
Genitalatrium ist nur sehr klein. Die dasselbe umgebende, von
dem übrigen Körperparenchym wenig abgegrenzte Musculatur ist nur
0,08 — 0.1 mm stark, und die im Grunde des Atriums befindliche
Papille ist ebenfalls nur äusserst schwach entwickelt.
Die Genitalorgane sind in Folge der starken Entwicklung
des Saugnapfes weit nach vorn verschoben. Die an der Bauch-
wandung ziemlich dicht heranreichenden und mehr oder weniger
stark gelappten Hoden liegen bedeutend mehr schräg hinter
einander als bei P. hathycofi/Ic, der hintere dicht vor dem Sang-
napfe, rechts oder links von der ]\redianlinie, der vordere unmittelbar
456 F. FiSCHOEDEK,
davor, nach der andern Seite von der Medianlinie abweichend (Fig. 1).
Die Gestalt der Hoden ist annähernd rundlich; der vordere ist in
der Regel kleiner als der hintere. Bei dem 8,0 mm langen Original-
exemplare ist der Querdurchmesser des hintern Hodens 1,8 mm,
der longitudinale 1,5 und der dorso ventrale Durchmesser 1,7 mm
lang, während der Querdurchmesser des vordem Hodens 1,1 mm,
der longitudinale 1,2 mm und der dorsoventrale Durchmesser 1,3 mm
beträgt (Fig. 1 u. 2). Die aus den Lateralflächen hervorgehenden
Vasa efferentia vereinigen sich, nachdem sie den zwischen
ihnen verlaufenden Uterus gekreuzt haben, in der Nähe der Rücken-
fläche des Thieres zum gemeinschaftlichen Vas deferens. Dieses
erweitert sich zunächst zu der in lang gewundenen Schlingen verlaufen-
den Vesicula semin alis. Letztere stellt einen ovalen, 1,1 mm
langen und ca. 0,3—0,4 mm dicken Knäuel dar, welcher mit seinem
ventralen Ende etwas nach vorne gerichtet zwichen den beiden
Darmschenkeln dicht hinter der Gabelung derselben gelegen ist.
Der aus dem ventralen Pole der Vesicula seminalis hervorgehende
musculöse mit einer 0,018 bis 0,02 mm dicken Muskelwandung ver-
sehene Abschnitt des Vas deferens, die Pars musculosa, besitzt
nur eine Länge von 0,4—0,6 mm, wohingegen die Pars prosta-
tica etwas länger (0,65 — 0,7 mm) ist, so dass die diesen Theil um-
gebende Prostata nicht wie bei P. hailiycotyle eine rundliche, sondern
eine mehr ovale Form (Fig. 2) besitzt. Aus der Pars prostatica
geht der nur 0,1 — 0,15 mm lange Ductus ejaculatorius hervor,
der sich mit dem Metraterm zu dem nur eben so langen, auf der
Spitze der Genitalpapille ausmündenden Ductus h e r m a p h r o d i t i -
cus vereinigt (Fig. 2).
Die weiblichen Genitalorgane zeigen eine noch grössere
Aehnlichkeit mit denen von P. hathjcotyJe. Die Dotterstöcke, von
denen der eine stets etwas mehr nach vorne verschoben ist als der
andere, erstrecken sich vom Pharynx bis zum Saugnapfe und er-
reichen nicht die blinden Enden der Darmschenkel. Dagegen dehnen
sie sich auf die Bauch- und besonders auch auf die Rückenfläche des
Thieres weiter aus als bei P. hathycofyle. Auch die aus den Dotterstocks-
follikeln zusammengesetzten einzelnen Gruppen sind grösser und wenn
auch unregelmässig, so doch bedeutend dichter an einander gelagert
als bei der letzt genannten Art. Das aus der Vereinigung der beiden
queren Dottergänge hervorgehende Dotterreservoir liegt dicht hinter
der Schalendrüse (Textfig. A).
Der ovale Keimstock ist kräftiger entwickelt als bei P. hathycotyU.
Paramphistomiden-Arten ans Säugethiereu.
457
Sein dorsoventraler Durchmesser ist 0,8—0,9 mm und sein Querdurcli-
messer 0,6—0,7 mm lang'. Der Keimstock liegt dicht vor dem Saug-
napfe, an derselben Seite wie der vordere Hoden, in gleicher Höhe mit
dem hintern Ende des hintern Hodens und weicht mehr lateral von der
Medianlinie ab als bei P. hathijcoiijle (Fig. 3); aus seinem dorsalen
Pole geht der Keimleiter hervor, welcher in einem ventral offenen
Bogen in die median und etwas hinter dem Keimstock gelegene
ovale, 0,5—0,6 mm lange und 0,35—0,4 mm breite Schalendrüse
Fig-. A.
Weibliche Geuitalorg-ane von FarampMstomum exjjlanatum aus Bnff'ehis indicus,
Saigon, Sammlung von RAiLLiET-Alfort. Nach Sagittalschnitten schematisch dar-
gestellt.
Drs Dotterreservoir, E Excretionsblase, Ep Excretionsporns, Hh hinterer Hoden,
K Keimstock, Kg Keimgang, Lc LAURER'scher Canal, Ef Rückenfläche. Sdr Schalen-
drüse, S)i Saugnapf, Ut Uterus.
eintritt. Unmittelbar nach dem Eintritt in die Schalendrüse nimmt
der etwas erweiterte Keimgang den aus dem Dotterreservoir kom-
menden gemeinschaftlichen Dottergang auf (Fig. 3 und Textiig. A)
und, als Uterus aus dem ventralen Pole der Schalendrüse heraus-
tretend, wendet er sidi zunächst gegen den hintern Hoden (Fig. 3),
um dann in einem kurzen Bogen nach der andern Seite zu treten
und vor dem Saugnapfe bis fast dicht an die Yentralfläche zu
verlaufen (Fig. 1 u. 2). Von hier wendet er sich nach Bildung einer
458 ^- FiSCHOEDER,
Uförmigen Schlinge dorsal wärts und gelangt an der Medianlläclie
des hintern Hodens verlaufend an die Rückenfläche des Thieres, an
der er stark erweitert und mit Eiern prall gefüllt sich nach vorn
schlängelt, um dann vor dem hintern und median vom vordem Hoden
der starken Schlängelungen wieder an die Ventralfläche zu treten
(Fig. 1 u. 2), sich nach Bildung zahlreicher Schlingen zu verengen
und dann in das Metraterm überzugehen, welches, hinter und etwas
rechts von der Prostata verlaufend, sich mit dem Ductus ejacula-
torius zum Ductus hermaphroditicus vereinigt (Fig. 2). In seinem
ganzen Verlaufe ist der Uterus stark mit Eiern gefüllt, deren
Längsdurchmesser 0,115 — 0,125 mm und deren Querdurchmesser 0,065
bis 0,075 mm beträgt. Kurz vor dem Eintritt in die Schalendrüse
entspringt aus dem Keimleiter der LAURER'sche Canal, welcher zu-
nächst etwas dorsalwärts nach vorne verläuft (Textflg. A), um dann
nach Kreuzung mit der Excretionsblase in fast senkrechter Eichtung
an die Rückenfläche zu treten, in deren Medianlinie er etwa in der
Höhe des Keimstocks ausmündet (Textflg. A).
Die Excretionsblase stellt ein langes Sammelgefäss dar,
welches mit seinem blinden abgerundeten Ende am Grunde des Saug-
napfes seinen Anfang nimmt und an der Rückenfläche des Thieres.
zwischen dieser, dem Keimstock und der Schalendrüse verlaufend, in
einen engen Canal ausgeht, welcher dorsal von den Uterusschlingen
sich nach vorne hinzieht und ähnlich wie bei P. hathycotijle erst
etwa der Höhe des hintern Randes des vordem Hodens, also erst
am hintern Ende der vordem Körperhälfte , in der Mittellinie
der Rückenfläche nach aussen mündet. An der Grenze des hintern
und mittlem Drittels der Excretionsblase kommt die Kreuzung
zwischen letzterer und dem LAUREE'schen Canal zu Stande und zwar
in der Weise, dass der LAURER'sche Canal nach der Seite ausweicht,
an der der hintere Hoden liegt, während die Excretionsblase an der
Keimstockseite ihre Lage hat (Textflg. A u. Fig. 3).
2. Pavampliistonniirn epiclituiu Fischde.
(Taf. 15, Fig. 4-6.)
Im Glase No. G 280 des hygienischen Instituts der Thierärzt-
lichen Hochschule zu Berlin befand sich neben mehreren Hunderten
von Exemplaren von Farampli. dicranocoelinm Fischdr. auch ein 8 mm
langes jugendliches Exemplar, welches eine gewisse Aehnlichkeit mit
Paramph. cervi besass, sich jedoch schon äusserlich durch eine auf-
Paramphistomideii-Arteu aus Säugethiereu. 459
fallend starke Krümmung des vordem Kürperviertels und durch die
mehr nach hinten verschobene Lage der Genitalöffnung auszeichnete.
Das Glas trug die Aufschrift: ,.Ä))ip]iisformu)i conicum aus dem Pansen
eines Zebu {Bos faurns indicus)" und enthielt, wie mir nachträglich
mitgetheilt worden ist, diejenigen Thiere, welche Guklt im Jahre 1846
gleichzeitig mit Amphistomum cnimemfermn Crepl. und Amphistomum
explunatum Ckepl. gefunden und wovon er einige Exemplare an
Ceeplin zur Untersuchung gesandt hatte (in : Arch. Naturg., Jg. 1847,
V. 1, p. 30-35).
Auch in der EAiLLiEx'schen Sammlung fand ich Vertreter dieser
Art in zwei Gläsern und zwar:
1. SOKxemplare, neben 36 Stück Gastrothßax cohholdi und 20 Stück
Pcmrmph. scoliocoeUwn, in einem (^lase mit der Aufschrift: „Reticulum
et gouttiere oesophagienne de Bnffelus indicus, Saigon (Cochinchine),
A. GoMY, 1897" und
2. 200 Exemplare in einem andern Glase, w^elches die gleiche Be-
zeichnung trug und ausserdem noch 6 Exemplare von Faramphisf.
caJicophorum, 81 Exemplare von Gastroth, cohholdi und 1 Exemplar
von Gastrothylax crumenifer enthielt.
Die 5—9 mm langen Thiere sind, wie schon erwähnt, in der
Eegel in ihrem vordersten Körperviertel stark ventralwärts gebogen
(Fig. 5\ während der übrige Körper gerade gestreckt erscheint. Die
meisten Exemplare zeigen auch eine schwache AbÜachung des Körpers
in dorsoventraler Richtung in dem Verhältniss wie etwa 6 : 7, in der
vordem Körperhälfte weniger, in der hintern mehr. Aehnlich wie
bei Faramphist. cervi besitzen die Thiere den grössten l'mfang an
der Grenze zwischen dem zweiten und dritten Körperdrittel. Der
Querdurchmesser beträgt hier etwas über ein Drittel der Körper-
länge und nimmt nach vorne zu in der Weise gleichmässig ab, dass
er zwischen dem ersten und zweiten Körperdrittel noch etwas über
ein Viertel und in der Mitte des ersten Körperdrittels noch etwa
ein Fünftel des Längsdurchmessers des Thieres ausmacht. Nach
hinten zu ist F. cpiclitum weniger verjüngt als F. cervi. Auf der Höhe
des Saugnapfes beträgt der Querdurchmesser des Thieres noch bei-
nahe ein Drittel der Körperlänge. Die runde Oeffnung des end-
ständigen Saugnapfes ist ventralwärts nach hinten gerichtet
(Fig. 5). Bei 8,0 mm langen P^xemplaren beträgt der grösste Durch-
messer des stark gewölbten Saugnapfes 1,8—2,0 mm bei einer Tiefe
von 1,3 — 1,4 mm und einer Dicke der Muskelwandung von 0,3—0,4 mm.
Die den Körper umgebende Cuticula besitzt eine Stärke von
460 F. FiSCHOEDER,
0,022 — 0.03 mm und lässt weder am vordem Körperpole noch um
die Mundötfnung nocli im Pharynx Papillen erkennen.
Der Pharynx ist 0,6 — 0,9 mm lang' bei einem Qnerdurchmesser
von 0,6 — 0,9 mm und einer Dicke der Muskelwandung- von 0.22 bis
0.3 mm. Der aus ihm hervorgehende, etwa eben so lange Oesophagus
verläuft in der Richtung der Längsaxe des Pharynx (Fig. 5) nach
hinten und geht in die beiden Darmschenkel über, welche, im spitzen
AMnkel aus einander tretend (Fig. 4), sich an die Seitenflächen des
Körpers begeben und hier stärker geschlängelt als bei Paramph.
cervi nach hinten herabsteigen, um seitlich neben dem Grunde des
Saugnapfes blind zu endigen. Sie besitzen ein Lumen von 0,3 bis
0,4 mm und streben, in ihrem Verlaufe etwa 0,5—0,6 mm von den
Seitenrändern des Körpers entfernt, mehr der Rücken- als der Bauch-
fläche des Körpers zu (Fig. 5).
Die Genitalöffnung liegt an der Grenze des ersten und
zweiten Körperdrittels, weit hinter der Gabelstelle der Darmscheukel.
Die das Genitalatrium umgebende aus deutlichen Rings-, Radiär- und
Meridionalfasern bestehende Musculatur ist zwar sehr stark (0.18
bis 0.2 mm) entwickelt, von dem Körperparenchym jedoch nicht so
scharf abgesetzt, dass hier von einem Genitalnapf gesprochen werden
könnte wie bei P. cotylophorum. Die im Grunde des kleinen Atriums
sich erhebende Papille ist verhältnissmässig lang (0,25—0,28 mm)
cylindrisch und ragt bei den meisten Exemplaren aus der Genital-
öffnung nach aussen hervor (Fig. 5).
Die Hoden liegen hinter einander, nur wenig von der Mittel-
linie des Körpers abweichend und von der Bauch- und Rückenfläche
des Thieres ziemlich gleich weit entfernt (Fig. 4 u. 5), der vordere
etwas hinter der Grenze der vordem und der hintern Körper-
hälfte, der hintere dicht dahinter, mit seinem hintern Rande jedoch
noch 0,2 — 0,3 mm vom vordem Rande des Saugnapfes entfernt.
Beide Hoden sind von ovaler Gestalt, der vordere etwas kleiner
als der hintere. Der längste, dorsoventrale Durchmesser des vordem
Hodens beträgt 1,8—2,2 mm, der longitudinale 0,9—1,2 mm und der
quere 1,2—1,6 mm, während dieselben Durchmesser des hintern
Hodens 2.1—2,5 mm, 0,7—0,1 mm und 1,6— 2,0 mm ausmachen. Die aus
den Lateralflächen der beiden Hoden hervorgehenden Yasa effe-
rentia vereinigen sich im vordem Theile des mittlem Körper dritteis,
nachdem sie den vor dem vordem Hoden nach der Ventralfläche des
Thieres zustrebenden Theil des Uterus gekreuzt haben, zum Vas
d e f 6 r e n s. Sein erster, stark erweiterter Abschnitt, die V e s i c u 1 a
Paianiphistomiden-Arteu aus Säugetbieren. 461
seminalis, stellt einen ovalen stark verschlungenen Knäuel dar
(Fig-. 5), dessen dorso ventraler Durchmesser 0,8 — 1,0 mm und dessen
senkrecht zu diesem stehenden 0,4—0,6 mm betragen. Aus dem
distalen, ventralwärts nach vorne liegenden Pole der Vesicula semi-
nalis gellt die mit einer 0,018—0,022 mm dicken ]\Iuskel\vandung
ausgestattete, nur etwa 0,3—0,5 mm lange Pars musculosa
hervor, welche in einem ventralwärts oifenen Bogen nach vorne ver-
läuft, um in die in dorsoventraler Richtung fast ganz gerade ver-
laufende Pars prostatica überzugehen. Die Prostata ist nicht
wie bei Paramph. cervi rundlich, sondern länglich, 0,6—0,8 mm lang
und 0,25 — 0,3 mm dick. Der letzte, ebenfalls gerade verlaufende
und enge Abschnitt des Vas deferens, der Ductus ejaculatorius,
besitzt eine Länge von 0,18—0,2 mm und vereinigt sich am Grunde
der Genitalpapille mit dem Metraterm zu dem 0,25—0,28 mm langen
Ductus hermaphroditicus, welcher die Genitalpapille in ihrer
Längsaxe durchbohrt und auf ihrer distalen Spitze nach aussen aus-
mündet.
Die aus verschieden grossen, und zwar unregelmässig, aber
doch ziemlich dicht an einander gelagerten Gruppen bestehenden
Dotterstücke erstrecken sich vom Anfangstheil des Oesophagus
bis hinter den Grund des Saugnapfes. Sie liegen zu beiden Seiten
des Körpers, lateral von den Darm schenkein, und reichen bedeutend
weiter als bei Paramph. cervi nicht nur auf die Bauch-, sondern
auch auf die Eückenfläche des Thieres (Fig. 6). Besonders die letztere
ist so stark von den Dotterstöcken besetzt, dass sie an Total-
präparaten einen nur etwa 0,4—0,7 mm breiten median verlaufenden
dotterstocksfreien Längsstreifen aufweist, welcher gegen die von den
Dotterstöcken eingenommenen Seitenstreifen fast geradlinig und
scharf abgegrenzt erscheint.
Der ovale 0,5—0,7 mm lange und 0,4—0,5 mm breite Keim-
stock liegt zwischen dem hintern Hoden und dem Grunde des
Saugnapfes etwas näher der Rückenfläche des Thieres (Fig. 5) und
weicht etwa 0,5 — 0,6 mm von der Medianlinie des Körpers nach
derselben Seite wie der vordere Hoden ab (Fig. 4 u. 6). Aus seinem
dorsalwärts nach hinten gerichteten Pole geht der Keimgang hervor,
w^elchei- in einem ventralwärts offenen Bogen (Textfig. B), die median
und hinter dem Keim stock liegende 0,4 — 0,6 mm lange und 0,25 bis
0,3 mm dicke Schalendrüse durchbohrend, an ihrem ventralen Pole
als Uterus hervorgeht. Nach seinem Tlintritt in die Schalendrüse
nimmt der Keimgang den langen, aus dem hinter der Schalendrüse
Zool. Jahrb. XX. Abtli. f. Syst. 31
462
F. FiSCHOEDER,
g-eleg'enen Dotterreservoir kommenden gemeinscliaftliclien Dottergang
auf (Textfig. B ). Der Uterus wendet sich sofort nach seinem Aus-
tritt aus der Schalendrüse lateralwärts zur Keimstockseite (Fig. 6),
um dann an derselben dicht hinter dem Saugnapfe bis fast an die
Bauchfläche zu verlaufen und sich nach Bildung einer Uförmigen
Schlinge hinter dem hintern Hoden zur Rückenfläche zurückzubegeben.
An dieser verläuft er ähnlich wie bei Paraph. cervi weiter, indem
Fig-. B.
Weibliche Genitalor^aiie von Paramphistomiini epiclifmn aus Bos tatirus indicus,
Sammlung des lij'gienischen Instituts der Thierärztliclien Hochschule zu Berlin
No. G. 280. Nach Sagittalschnitten schematisch dargestellt.
Buchstahenerklärung wie bei Fig. A.
er zwischen dem vordem Hoden und der Vesicula seminalis wieder
an die Bauchfläche gelangt und hier nach Bildung mehrerer Windungen
sich mit dem Ductus ejaculatorius vereinigt. In seinem ganzen Ver-
laufe ist der Uterus im Allgemeinen nicht so stark erweitert und
gewunden wie bei P. cervi, aber doch prall mit Eiern gefüllt,
welche einen Längsdurchmesser von 0,145—0,155 mm und einen
Querdurchmesser von 0,075—0,08 mm besitzen. Der aus dem Keim-
gange kurz vor seinem Eintritt in die Schalendrüse entspringende
Paramphistomiden-Arten aus Säugethieren. 463
LAUKER'sche Canal steigt zuerst, etwa bis zur halben Höhe des
Keimstocks, nach vorne, um dann dorsal wärts und etwas nach hinten
umzubiegen und nach Kreuzung der Excretionsblase . etwa in der
Höhe seines Ursprunges, in der ]\[edianlinie der Rückenfläche nach
aussen zu münden (Fig. 5 u. 6 u. Textfig. B). Die Excretions-
blase beginnt mit ihrem blinden Ende hinter dem Grunde des
iSaugnapfes und erstreckt sich an der Rückenfläche des Thieres nach
vorn, um dann in einen 0,25—0,3 mm langen Canal auszugehen, der,
etwa in der Höhe der Mitte des hintern Hodens, 0,5 — 0,6 mm vor
dem LAuiiEK'schen Canal, in der Medianlinie ausmündet (Fig. 5).
Bei der Kreuzung mit dem LAUEER'schen Canal, welche an der
Grenze zwischen dem ersten und zweiten Drittel der Excretionsblase
zu Stande kommt (Fig. 5), verläuft letztere median, dorsal von der
Schalendrüse, ersterer dagegen lateral, an der Keimstockseite des
Thieres (Fig. 6).
3. I*aramphisto}nutn scoliocoeliutn Fischdr.
(Taf. 16, Fig. 7—11.)
Unter dem mir zur Verfügung stehenden RAiLLiET'schen Material
fand ich in mehreren Gläsern kleine Thiere, welche sich im Gegen-
satze zur vorigen Art durch ihre fast ganz gerade gestreckte
Körpergestalt auszeichneten, und zwar:
1. 20 Stück in einem Glase unter zahlreichen Exemplaren von
Paramphist. epiclitum und Gastroth, cohholdi mit der Aufschrift: „Re-
ticulum et gouttiere oesophagienne de Buffelus indicus, Saigon (Co-
chinchinai, A. Gomy 1897."
2. 2 Stück i]i einem andern Glase, welches die Bezeichnung;
..Rumen de Bujfelns indicus Xha-Trang (Annam), Ch. Cavie 19. 6.
1899" trug und ausserdem 3 Exemplare von Gastroth, cohholdi,
ca. 200 Stück Gastroth. eJongatus, 10 Stück Gastr. minutus und ca.
50 beschädigte, nicht mehr bestimmbare Gastrothijlax- Arten enthielt.
3. 5 Stück in einem dritten Glase mit der Bezeichnung: „Rumen
de JBos taurus, Nha-Trang (Annam), Ch. Cavie 1899." Ausserdem
befanden sich in dem Glase noch 12 Stück Paramph. cotylophorum
und 1 Stück Gastroth, mancupatus.
4. 20 Stück zum grössten Theil noch an einem Stück Pansen-
schleimhaut anhaftende Exemjtlare in einem vierten Glase, welches
die Aufschrift: „Rumen de Ilos tanrus (veau), Nha-Trang (Annam),
Ch. Cavie, 23. 4. 1899" trug.
31*
464 ^- f ISCHOEDEE,
Die in der Regel ganz gerade gestreckten Thiere besitzen meist
eine Länge von 3,0 — 5,0 mm; einzelne reife Exemplare sind jedoch
nur 2,0 mm, andere dagegen wieder bis 6,0 und 6,5 mm lang. Von
der Ventralfläclie betrachtet erscheint ihre Gestalt längs-oval. Der
längste Querdurchmesser der Thiere befindet sich in der Mitte des
Thieres, wo er etwas über ein Drittel der Körperlänge beträgt und
sowohl nach vorne vi^ie nach hinten nur sehr langsam abnimmt
(Fig. 7 u, 8). Das Hinterende ist halbkreisförmig abgerundet, das
Vorderende verhältnissmässig nur schwach verjüngt. Von der Seite
betrachtet erscheint die Bauchfläche in der Längsrichtung fast ganz
gerade, die Rückenfläche dagegen gleichmässig gewölbt (Fig. 9).
Der grösste dorsoventrale Durchmesser des Thieres liegt ebenfalls
in der Mitte des Körpers und besitzt hier etwa dieselbe Länge wie
der Querdurchmesser. Er nimmt jedoch nach hinten und besonders
auch nach vorn etwas schneller ab als der Querdurchmesser, so
dass die Thiere im Querdurchschnitt in der Mitte des Körpers rund,
im Vorder- und Hiuterende dagegen in dorsoventraler Richtung
etwas abgeflacht erscheinen. Der grösste Durchmesser des end-
ständigen Saugnapfes beträgt etwa Ve — Vs ^^^^ Körperlänge.
Bei den 5,5 mm langen Thieren ist er 1,1 mm lang, bei einer Tiefe
des Saugnapfes von 0,4 mm und einer Dicke der Muskelwandung
von 0,2 mm. Die Oelfnung des Saugnapfes ist rund, 0,6 mm im
Durchmesser (Fig. 7 — 9).
Die Körpercuticula ist 0,02 — 0,025 mm dick. Papillen am
vordem Körperpole, um die Mundöflfnung, oder im Pharj'nx sind
nicht nachweisbar.
Der längs ovale Pharynx ist kräftig entwickelt und bei vielen
Exemplaren bis 0,4 mm tief eingezogen (Fig. 9 u. 10). Sein Längs-
durchmesser^ ) beträgt 0,6— 0,7 mm, der Querdurchmesser 0,5 — 0,6 mm,
und seine Muskel wandung ist 0,2— 0,25 mm stark. Der Oesopha-
gus ist nur wenig länger als der Pharjmx. Er verläuft in einer
starken Sförmigen Krümmung dorsalwärts nach hinten (Fig. 9) und
zeigt eine ähnliche Anordnung der Musculatur wie bei Varamph.
dicranocoelium und cotylophorum (Fig. 10). Die Muskelwandung ist
im Anfangstheil des Oesophagus nicht dicker als bei den übrigen
Paramphistomiden (0,015—0,018 mm), nimmt aber nach hinten schnell
1) Die nachstehend angegebenen Maasse beziehen sich auf 5,0 — 6,0 mm
lange Exemplare,
Paramphistomiden- Arten aus Säugethieren. 465
an Stärke zu. In der Mitte des Oesophagus ist sie schon 0.05 bis
0,06 mm dick, und am Ende desselben erreicht sie eine Stärke von
0,09 — 1,0 mm. Die Verdickung der Muskelwandung beruht auf einer
starken Vermehrung der Ringmnsculatur, welche eine Stärke von
0,075 — 0,08 mm erreicht, während die periphere Längsmuskelschicht
nur eine 0,01 — 0,015 besitzt. Da die Verdickung der Musculatur
schon in der vordem Hälfte des Oesophagus stärker ist als bei
P. cotylophono», so erscheint der Oesophagus nicht wie bei diesem
erst in seiner hintern Hälfte, sondern im Ganzen birnförmig nach
hinten verdickt (Fig. 7 — 10). Die beiden Darm Schenkel treten
gabellörmig aus einander und verlaufen 0,7—0,8 mm von den Seiten-
rändern des Körpers entfernt nach hinten, um dicht vor dem Saug-
napfe blind zu endigen. In ihrem Verlaufe sind die etwa 0,25 bis
0,3 mm weiten Darmschenkel ziemlich stark, aber doch etwas weniger
als bei P. streptocoelium geschlängelt (Fig. 7) und nähern sich ähn-
lich wie bei P. dicranocoelmm weit mehr der Rücken- als der Bauch-
fläche (Fig. 9).
Die in der Regel weit offen stehende Genital Öffnung liegt
etwas weiter nach vorn als bei den 3 andern eine Kreuzung
zwischen dem LAUREE'schen Canale und der Excretionsblase nicht
aufweisenden Arten, nämlich an der Grenze des ersten und zweiten
Körperviertels, in der Höhe oder kurz hinter der Gabelstelle der
Darmschenkel (Fig. 7—10). Die das etwa 0,25 mm tiefe Atrium
umgebende Musculatur ist zwar 0,15—0,2 mm stark, von dem
übrigen Parenchym aber nicht nicht scharf abgegrenzt (Fig. 10).
Die im Grunde des Atriums sich erhebende Papille ist dick und
kräftig, aber kurz und meist zurückgezogen (Fig. 10). Die Hoden
liegen fast genau hinter einander, nur wenig von der Medianlinie
abweichend, dicht an der Ventralfläche des Thieres (Fig. 7—9), der
hintere an der Grenze des mittlem und hintern Körperdrittels.
Die im jugendlichen Znstande auftretende starke Lappung der Hoden
(Fig. 8) erscheint bei den reifen Thieren nicht mehr so tief (Fig. 7,
9u. 10). Beide Hoden besitzen in der Regel eine annähernd gleiche
Grösse und eine ovale Gestalt, deren grösster, dorsoventraler Durch-
messer 1,4—1,6 mm, der longitudinale 1,1 — 1,2 mm und der quere
1,2—1,4 mm beträgt. Bei jugendlichen Individuen (Fig. 8), selten
bei reifen Exemplaren, sieht man auch, dass ähnlich wie bei P. strepfo-
coelium die Grösse der Hoden nicht nur unter einander, sondei-n
auch im A^erhältniss zur Grösse des Körpers grossen Schwankungen
unterworfen ist. Die beiden sind den Lateralflächen der bei den Hoden
46ß F. FiSCHOEDER,
entspringenden Vasa efferentia vereinig-en sich nach Kreuzung-
mit dem vor dem vordem Hoden vertralwärts verlaufenden Uterus-
abschnitte zum Vas deferens, welches sich sofort zurVesicula
seminalis erweitert, die ihrerseits einen aus lang gewundenen
Schlingen bestehenden 0,6 — 0,7 mm langen und 0,3—0,4 mm dicken
Knäuel darstellt (Fig. 7 — 9). Aus seinem ventralwärts nach vorn ge-
richteten Pole geht die mit einer0,025— 0,028mm dicken Muskelwandung
ausgestattete Pars musculosa hervor ; diese besitzt eine Länge von
0,7 — 0,9 mm und verläuft in einer nach vorne offenen Uförmigen
Schlinge (Fig. 9), um dann in die gerade verlaufende 0,25 — 0,28 mm
lange Pars prostatica überzugehen, die von einer kugligen Prostata
umgeben wird (Fig. 9 u. 10). Der äusserst kurze (0,1 mm) Ductus
ejaculatorius vereinigt sich mit dem Metraterm zu dem 0,2— 0,23mm
langen Ductus hermaphroditicus, welcher auf der Spitze der
Genitalpapille in das Genitalatrium ausmündet (Fig. 10).
Die Dotter Stöcke zeigen einen ähnlichen Bau wie die 3 andern
Arten der Gruppe ohne Kreuzung zwischen Excretionsblase und Laukek-
schem Canal und beschränken sich auch fast ausschliesslich auf die
Seitentheile des Körpers, ohne merklich auf die Bauch- und Rückenfläche
herüber zu reichen (Fig. 11). Sie beginnen vorne in der Höhe oder
kurz hinter der Gabelstelle der Darmschenkel und reichen bis zum
Grunde des Saugnapfes (Fig. 7 u. 8). Die Dotterstocksfollikel sind
zu grössern (0,3—0,6 mm) Gruppen vereinigt, welche ziemlich dicht
neben einander liegen (Fig. 7, 8 u. 11). Aus den beiden queren
Dottergängen geht das dicht hinter der Schalendrüse gelegene
Dotterreservoir hervor, aus welchem der gemeinschaftliche Dotter
ganz entspringt, welcher seinerseits in den Keimgang führt (Fig. 9
und Textfig. C). Der Keimstock hat eine mehr ovale Form. Sein
langer (dorsoventraler) Durchmesser beträgt 0,6 — 0,8 mm. die auf
diesem senkrecht stehenden Durchmesser 0,3—0,4 mm. Er liegt
zwischen dem hintern Hoden und dem Saugnapfe, dicht vor dem
letztern, an derselben Seite wie der vordere Hoden, etwas näher
der Rücken- als der Bauchfläche. Der aus seinem dorsalen Pole
entspringende Keimgang durchbohrt nach Bildung eines ventral
offenen Bogens die median und etwas ventral von dem Keimstocke
gelegene, ebenfalls ovale 0,6—0,7 mm lange Schalendrüse in dorso-
ventraler Richtung (Fig. 9 u. 11, und Textflg. C), um an ihrem
ventralen Pole als Uterus hervorzutreten.
Letzter biegt zunächst nach der Keimstockseite um, um an dieser
an die Ventralfläche des Thieres zu treten und von hier nach Bildung
Parampliistoiiiiden-Arten aus Säugethiereu.
467
einiger Windungen (Fig. 11) umzukehren und, hinter dem hintern
Hoden verlaufend, an die Dorsalfläche des Thieres zu gelangen. An
dieser schlängelt er sich nach vorn, um dann vor dem vordem
Hoden, zwischen diesem und der Vesicula seminalis wieder an die
Bauchtiäche des Thieres zu treten und hier unter schwachen
Schlängelung-en zur Genitalöifnung zu gelangen, wo er sich mit dem
Ductus ejaculatorius vereinigt. In seinem ganzen Verlaufe ist der
Uterus ähnlich wie bei -F. orthocoelium und P. dicranocoelium nur
wenig, wenn auch etwas stärker als bei diesen beiden Arten, ge-
schlängelt und erweitert (Fig. 7, 9). Die Eier besitzen einen
Längsdurchmesser von 0,135—0,145 mm und einen Querdurchmesser
von 0.065-0.075 mm.
* Drs
-Sdr
Fig. C.
"Weibliche Genitalorgaue von Paramphistomnm scoliocoelium ans Buffelus indicus,
Saigon, Sammlung von RAiLLiET-Alfort. Nach Sagittalschnitten schematisch dar-
gestellt.
Bf Bauchfläche. Erklärung der andern Buchstaben wie bei Fig. A.
Der LAUKER'sche Canal verläuft in fast senkrechter Richtung
zur Rückenfläche, in deren Mittellinie er etwa in der Höhe seines
Ursprungs ausmündet. Eine Kreuzung zwischen dem LAUiiER'sOhen
Canal und der Kxcretionsblase ündet nicht statt. Der Excretions-
porus liegt vielmehr 0,5 — 0,6 mm hinter der Mündung des Laurek-
schen ("anals. Die Excretionsbl ase stellt ein rundliches Gefäss
dar, welches zwischen dem Keimstock und dem Öaugnapfe nahe an
der Rückenfläche liegt und durch einen 0,25 —0,3 mm langen dorsal-
468 F. FiSCHOEDEK,
wärts nach hinten verlaufenden Canal mit dem median gelegenen
Excretionsporus in Verbindung steht (Fig. 9 u. 11 und Textfig. C).
Paramphistomutn scoliocoelium besitzt eine grosse Aehnlichkeit mit
dem von mir als Amphistomtim sp. (in: Zool. Jahrb., V. 17, Syst. 1903,
p. 594) beschriebenen in einem Glase der Wiener Sammlung befind-
lichen, aus Bos taurus indicus, Calcutta, stammenden, jugendlichen
Exemplare, insbesondere in Bezug auf die Grösse und die Gestalt
des Körpers, die stark entwickelte Musculatur des Oesophagus, die
Länge sowie den Verlauf der Darmschenkel, und schliesslich auch
in Bezug auf die Lage der Hoden und der weiblichen Genitalorgane.
Da jedoch auch gewisse Diiferenzen, namentlich bezüglich der Grösse
des Pharynx, der Länge des Oesophagus und der bei Amph. sp.
anscheinend stärker entwickelten Pars musculosa bestehen, und da
ich ferner auch keine Gelegenheit gehabt habe, so jugendliche
Exemplare von P. scoliocoelium zu untersuchen, wie es das eine
einzige, dazu noch der Fläche nach halbirte Exemplar von Amph.
sp. war, so möchte ich vorläufig, obwohl ich es für sehr wahr-
scheinlich halte, dennoch nicht mit Sicherheit behaupten, dass
Amph. sp. und Paraniph. scoliocoelium eine und dieselbe Art ist.
Paramphistomiden-Arten aus Säugethiereii.
469
Evkläruiig der Abbildungen.
Die Figuren sind mit dem WiNKEL'schen Zeichenapparat für schwache
Vergrösserungen skizzirt. Bei den Seitenansichten sind die Dotterstöcke
nur soweit hineingezeichnet, als dies ohne Beeinträchtigung der Ueber-
sichtlichkeit der übrigen Organe geschehen konnte.
( 'm Cuticula
I) Darmschenkel
I)b Gabelstelle des Darms
De Ductus ejaculatorius
Df/ gemeinschaftlicher Dottergang
Dh Ductus hermaphroditicus
Drs Dotterreservoir
Dsf Dotterstöcke
E Excretionsblase
Ep Excretionsporus
(r(i Genital atrium
Gp Genitalporus
(tj)! Genitalpapille
Hh hinterer Hoden
Hv vorderer Hoden
K Keimstock
Kg Keimgang
Lc IjAUKER'scher Canal
J/ Mundöffnung
Mt Metraterm
Or Oesophagus
Ph Pharynx
Pni Pars musculosa
Ppr Pars prostatica
Pr Prostatadrüsen
Sdr Schalendrüse
Sn Saugnapf
Ut TJterus
Vs Vesicula seminalis
Tafel 15.
Fig. 1 — 3. ]'iirtn)tpliisloiiiu7)i ea-phtuntion (ÜKErL.).
(Text S. 453—458.)
Fig. ]. Bauchansicht, 13 : 1, aus Bos taurtis indicus, Originalexeraplar.
Zoologisches Museum Greifswald.
Fig. 2. Seitenansicht (Totalpräparat), 13:1, dasselbe Exemplar.
Fig. 3. Querschnitt in der Höhe des Keimstocks, 20 : 1, Genital-
gänge combinirt. Aus Bnffrhis indicus, Saigon. Sammlung von Raillikt-
Alfort.
470 ^- FiSCHOEDER,
Fig. 4 — 6. Parrmtphistoumn/ epiclilimi Fischde.
(Text S. 458—463.)
Fig. 4. Bauchansicht, 13:1, aus Buffelus iiidicus, Saigon. Typus.
Sammlung von RAILLIET-Alfort.
Fig. 5. Linke Hälfte eines rechts neben der Medianlinie halbiiten
Exemplars aus demselben Glase. 13:1,
Fig. 6. Querschnitt in der Höhe des Keimstocks, 20 : 1, Genital-
gänge combinirt. Aus Buffelus indicuSf Saigon. Sammlung von EaiI/LIET-
Alfort.
Tafel 16.
Fig. 7 — 11. Faramphisiomuni scoliocoelnim Fischde.
(Text S. 463—468.)
Fig. 7, Bauchansicht, 15:1, aus D/iffelus indicus, Saigon, Typus.
Sammlung von EAILLIET-Alfort.
Fig. 8. Bauchansicht, 18 : 1, unreifes Exemplar aus Bos kiurus,
Nha-Trang (Annam), Sammlung von E.AlLLlET-Alfort.
Fig. 9. Eechte Hälfte eines links neben der Medianlinie halbirten
Exemplars, 13:1, aus Bos taurus, Nha-Trang (Annam), Sammlung von
EAILLIET-Alfort.
Fig. 10. Sagittaler Medianschnitt durch das Vorderende, 30 : 1, aus
Bos taii7'iis, Nha-Trang (Annam), Sammlung von EAILLIET-Alfort.
Fig. 11. Querschnitt in der Höhe des Keimstocks, 25:1, Genital-
gänge combinirt. Aus Bos tourus^ Nha-Trang (Annam). Sammlung von
EAILLIET-Alfort.
Nachdruck verboten.
Uebersetzungsrecht vorbehalten.
Die von Oscar Neumann in Nordost- Afrika gesammelten
Landplanarien.
Von
Camillo 3Iell,
Demonstrator d. Zool.-Zootoni. Instituts der Universität Graz.
Mit Taf. 17.
Vom Festlande Afrikas sind nur verhältnissmässig' wenig-
Landplanarien, und diese meist nur nach Habitusbildern, bekannt.
Aus der Familie der GcopJanidae kennen wir nur die Pelmatoplmut
hneftueri Graff aus Togo an der Oberguineaküste nebst einer unbe-
stimmbaren Species aus Sambesi. Von den Bipaliidac wurde bisher,
mit Ausnahme des kosmopolitischen Placocephahis l-eivensis (Mos.)
aus der Cap-Colonie, überhaupt nichts gefunden; die CotyJoplanidae
sind durch Artiocotylns speciosus Graff vertreten. Das grösste Con-
tingent stellen die jRhynchodemidae: AmUyplana notabilis Graff,
zeuJccri Graff und elirenbenji Graff aus Kamerun ; AmUyplaim fusca
(Mos.), hiysnensis Graff, flava (Mos.) und capensis Graff von der
Cap-Colonie; Plafydemus africanus Graff vom Cap, Bolichoplana con-
radti Graff aus Togo und Othdosoma symondsi J. E. Gray aus
Gabun (AVest-Afrika). Von allen den angeführten Formen sind aber
nur Artiocotylns speciosus, Amhhjplana notabilis und fusca, welch letztere
aber nicht • geschlechtsreif war, sowie Flacocephalus Jceivcnsis anato-
misch untersucht.
Durch meinen verehrten Lehrer. Prof. L. v. Graff — welcher
472 Camillo Mell,
mir ebenso wie Herr Prof. L. Böhmig bei Ausführung der folgenden
Arbeit mit Rath und That zur Seite stand — wurde ich in die
Lage versetzt, die von Herrn Oscae Neumann in Nordost-Afrika ge-
sammelten Landplanarien, 4 Species aus der Familie der Bhjncho-
demidae. anatomisch untersuchen zu können. Was die Bearbeitung
der Formen anlangt, so fand ich es am vortheilhaftesten, jede Species
für sich zu behandeln und vor Allem auf die Anatomie des Copula-
tionsapparats näher einzugehen. Doch fanden auch die histologischen
Details, so weit es die Conservirung zuliess, Berücksichtigung.
Aniblyplana nigfescens n. sj)»
(Fig. 1-3.)
Das mir zur Verfügung stehende Exemplar ist 16 mm lang, er-
reicht seine grösste Breite (2 mm) am Ende des ersten Drittels seiner
Länge und verschmälert sich von da ab ganz allmählich zum stumpfen
Hinterende. Vorn verengt sich der Körper rasch zu der als eine
stumpfe Papille erscheinenden Spitze. Der Rücken ist schwach
convex, dagegen wölben sich Seiten und Bauch in fast kreisförmigem
Quersclmitte vor. In der Körpermitte beträgt die Dicke 1,27 mm
und die Breite 1,3 mm. Die Rückenfläche (Fig. 1) hat eine matte
gleichmässig schwarzbraune Färbung (das lebende Thier wird von
Herrn 0. Neumann als schwarz bezeichnet), das Vorderende ist
dunkel schwarz, so dass man die beiden Augen mit der Lupe nicht
erkennen kann. Die vorgewölbte Ventralseite (Fig. 2) besitzt bis
auf die nur wenig vorspringende, aber mit einer feinen medianen
Furche versehene und bis 0,7 mm breite weissliche Kriechleiste einen
gelblich-grauen Ton. Die Körperöffnungen sind auffallend weit nach
vorn gerückt. Der Mund (Fig. 2 m) unserer Form liegt 4 mm vom
Vorderende entfernt, also am Ende des ersten Körperviertels, 4 mm
hinter dieser, also genau in der Mitte der Körperlänge, der Genital-
l)orus (gö).
I n t e g u m e n t. Das dorsale Epithel enthält in grösster Menge
Chondrocysten von ei- bis wurstförmiger Gestalt, die in den ex-
remsten Fällen die ganze Zellbreite und -höhe einnehmen können.
Zwischen diesen sind auch einige Rhammiten zu beobachten. Beide
Stäbchenarten gehen auf die Ventralfläche über. Erythrophiles wie
cyanophiles Secret ist nur in der Epithelplattenschicht der Kriech-
leiste in etwas grösserer Menge abgelagert.
Musculatur. In Uebereinstimmung mit den übrigen anato-
In Nordost-Afrika gesammelte Laudplauarien. 473
misch bekannte Amblyplanen ist bei einem sehr schwachen Haut-
muskelsclilauch die Parenchymmusculatur gut, wenn auch nicht
gerade kräftig- entwickelt. Auf einem Querschnitt bilden die
schwachen, doch zahlreich vorhandenen Longitudinalbündel eine
Eingzone um das centrale Parenchym. Ventral erscheint das System
der Longitudinalfasern verstärkt, indem die einzelnen Bündel mäch-
tiger sind, enger an einander gedrängt liegen und auch eine etwas
höhere Schicht bilden. Die dorsoventralen und transversalen Bündel
enthalten im Maximum 4 Fasern, die ihrerseits wieder viel zarter
als die longitudinalen Kiemente sind. Die transvei'salen Muskeln
treten nur ventral in etwas grösserer Menge auf und biegen dann
sehr häulig schief zur Kriechleiste ab.
V e r d a u u n g s a p p a r a t. Der verhältnissmässig kleine, 1,5 mm
lange Pharynx ist cj^lindrisch mit nur wenig nach hinten abge-
rückter dorsaler Insertion. Unter dem cubischen Epithel der
Pharyngealtasche fand ich eine ganz unzweifelhafte Eigenmusculatur.
die zunächst aus 6 — 8 unter dem Epithel verlaufenden Längsfaser-
lagen besteht, auf die einige wenige Ringfasern folgen. Die Muscu-
laris der Pharyngealtasche setzt sich in gleicher Mächtigkeit auf
die Pharyngealfalte fort und bildet hier die äussere Muscularis unter
dem eingesenkten Aussenepithel. Die innere Muscularis des Pharynx
wird durch einige wenige, an das Epithel sich anschmiegende
Längsmuskelfasern und einer darauf folgenden breiten Zone zarter,
zu schwachen Bündeln gruppirter Ringfasern gebildet, welch letztere
von mächtigen, regellos vertheilten Längsmuskeln durchflochteu wird.
Die radiären Muskeln sowie die als Retractoren wirkenden Längs-
bündel der Mittelschicht sind nur schwach ausgebildet.
Nervensystem. Das Nervensystem zeigt den von mir bei
Jjolirhoplcma voeJlsIioiri Graff ^) angegebenen Bau. Ganz vorn in
rein seitlicher Lage treten die relativ grossen Augen auf, die mit
einem langen, dütenförmigen Pigmentbecher versehen sind und durch
kurze Nervi optici versorgt werden. Eine Sinneskante konnte ich
nicht beobachten.
Geschlechtsapparat. Die Hoden liegen in den seitlichen
Köperpartien in einer dichtgedrängten Reihe jederseits über und
nach aussen von den Längsnervenstämmen und stehen ventralwärts
1) C. Mell, Die Lanclplanarien der madagassischeu Subregion, in
Abb. Senckenb. naturf. Ges. Frankfurt a. M., 1903, V. 27, Heft 2
p. 227—228.
474 Gamtllo Mell,
mit den Vasa deferentia in directer Verbindung. Sie beginnen gleich
hinter den Ovarien und reichen noch einige mm hinter den Pharynx.
Die in die Länge gestreckten Ovarien treten 1 mm hinter der
vordem Körperspitze auf und ruhen in einer kleinen dorsalen Ein-
buchtung der Nervenstämme. Die Oviducte entspringen ventral aus
ihrer Mitte und werden von einer aus Ijängs- und Eingfasern zu-
sammengesetzten Muscularis umgeben, wobei die beiden Fasersj^steme
jedoch nicht räumlich getrennt sind, sondern sich unter einander
verflechten.
Die Geschlechtsöifnung (Fig. 3 gö) führt durch ein spaltartig
verengtes Atrium genitale commune {ag) in das dorsal aufsteigende,
becherförmig sich erweiternde Atrium masculinum (am), in welches
von oben her der plump birnförmige Penis (p) herabhängt. Das
Epithel des Atrium commune ist cylindrisch, mit deutlichen Cilien
besetzt, und beherbergt das Secret von erythrophilen Drüsen {agd).
Das Atrium masculinum zeigt in seinem Anf angstheil dasselbe
Epithel, gegen den Penis zu ist es cubisch, verliert seinen Cilien-
besatz und wird in der nächsten Nähe der Penisinsertion sogar
platt. Die Penisfalte selbst wird aussen von ganz platten, cilien-
losen Zellen bekleidet.
Die Musculatur des Atrium wird von Längsfasern gebildet,
denen Ringfasern beigemischt sind. Gegen die Penisfalte hin tritt
eine Scheidung der beiden Elemente in der Weise ein, dass sich die
Ringfasern dem Epithel anlegen, während die Längsfasern nach innen
folgen.
Wie die Figur deutlich erkennen lässt, tritt diese so in zwei
Schichten geschiedene Muscularis in die Penisfalte ein und bildet
hier die äussere Muscularis (pm). Der an der Penisspitze mündende
Ductus ejaculatorius (de) steigt im Penis dorsal auf, wobei sich sein
Lumen erweitert. Aus dem Penis ausgetreten bildet er einen zur
Bauchseite herabsteigenden Bogen, welcher an seinem Ende an-
schwillt, so eine vom Ductus ejaculatorius nicht scharf abgesetzte
Vesicula seminalis (vs) bildend. Das Epithel des Ductus sowohl wie
das der Vesicula seminalis ist sehr hoch und wird vom Secrete
erythrophiler Drüsen (eded) erfüllt, deren Ausführungsgänge seine
Muscularis durchbrechen. In den ventral absteigenden Schenkel des
Ductusrohrs, der Vesicula seminalis, ergiessen sich noch cyanophile
Drüsen (cded), deren Leiber aber zum Theile schon ausserhalb der
Muskelhülle (mh) zu liegen kommen; ihr sehr feinkörniges Secret
nimmt bei einer Tinction mit Hämatoxylin-Eosin blauviolette Farbe an.
In Nordost- Afrika gesammelte Landplanarien. 475
Die Muscularis des Ductus ejaculatorius nimmt an Mächtigkeit
von der Penisspitze bis zur Sameiiblase (vs) allmälilich zu und ist
an letzterer am kräftigsten. Sie besteht aus zwei einander innig durch-
flechtenden Fasersystemen, die sich unter spitzem ^A'inkel schneiden,
im Allgemeinen aber annähernd ringförmigen Verlauf zeigen (dm).
Von der ventralen Seite empfängt die Vesicula seminalis die beiden,
dicht neben einander einmündenden, in der Nähe des Genitalapparats
zu falschen Samenblasen anschwellenden Vasa deferentia (vd), die
kurz vor ihrer Einmündung eine aus verflochtenen Ring- und Längs-
fasern bestehende Muscularis erhalten (vdm).
Der gesammte Ductus ejaculatorius mit seiner Vesicula seminalis
ist in einen Muskelfilz eingebettet (mh), dessen Elemente aus sehr
feinen, nach allen Richtungen verlaufenden P'asern bestehen. Aus
dieser Muskelmasse strahlen dann einzelne Fasern in das Mesencln'm
aus, sich an den Hautmuskelschlauch der Rücken- wie der Bauch-
seite inserirend. In der Mittelschicht des Penis (p) selbst sind feine
radiäre sowie longitudinale Fasern vorhanden, welch letztere als
Retractores wirken dürften.
In die hintere Wand des Atrium commune mündet das röhren-
förmige Atrium femininum (af), welches mit einer aus Längs- und
Ringfasern gemischten Muscularis versehen ist. Es steigt unter
einem Winkel von etwa 45'^ nach oben und hinten und erweitert
sich schliesslich unvermittelt zu einem weiten, ovalen, horizontal
gestellten Sack, dem Uterus (u). Dieser entbehrt einer Eigenmuscu-
latur und ist durch ein hohes, in Zotten vorspringendes Epithel (uep)
ausgezeichnet, welches von Secretkörnchen erfüllt Avird. Dieses Secret
besitzt im basalen Theile der Zellen erj^throphilen , in ihren freien
Enden cyanophilen Charakter und dürfte von den Epithelzellen
selbst producirt werden. Vor der Einmündung in den Uterus
empfängt das Atrium femininum von den Seiten her die beiden
Oviducte (od), deren ganzer distaler Theil schon von der Höhe des
Penis an bis zu ihrer Mündung Ausführungsgänge erj'throphiler
Drüsen aufnimmt. Die Form dieser Drüsen wie auch ihr Secret
weicht von den erythrophilen Körnerdrüsen der Haut in keiner
Weise ab. Zwischen der Einmündungssteile der Oviducte und dem
distalen Ende des Atrium femininum (af) und zwar ganz nahe der
erstem zweigt sich von der Ventralseite des Atrium ein Canal (ca)
ab, der, wie die Figur zeigt, schief nach vorn zum Genitalporus
hinzieht, um schliesslich in die hintei-e Oircumferenz der Geschlechts-
öffnung auszumünden. Während sein dem Atrium femininum zu-
476 Camillo Mell,
nächst gelegenes Stück ein einfaches Eöhrchen darstellt, besitzt er
im ganzen Umkreise der untern -^^ seiner Länge zahlreiche sich
gabelnde Divertikel {cad}^ die wieder unter einander communiciren.
Dieses ganze Canalsystem ist von einem cubischen, cilientragenden
Epithel ausgekleidet, welches das Secret der zahlreichen erythrophilen
Drüsen {cadr) aufnimmt, die in den das ganze verzweigte Canal-
system umhüllenden Muskelfilz {ruf) eingelagert sind.
Die damit gegebene Verdoppelung der vom Uterus zum Atrium
commune führenden Communication erinnert an ähnliche Verhält-
nisse bei Artiocotyhis speciosus Geaff. Wie bei dieser Species, so
mündet auch bei der in Eede stehenden das beide Oviducte auf-
nehmende Eohr oberhalb des fraglichen zweiten Canals in das
Atrium commune. Während aber bei Ambl. nigrescens dieser zweite
Canal von der ventralen (hintern) Fläche des die Oviducte auf-
nehmenden Atrium genitale — Gkaff bezeichnet dasselbe^) als
„Vagina" — entspringt, geht er bei Artiocohjliis von dessen dorsaler
(vorderer) Fläche ab, und es rauss daher bei letzterer Species eine
Kreuzung der beiden Kanäle -) erfolgen. Geaff bezeichnet den in
Eede stehenden zweiten Canal als „Uterusstiel", ohne sich über seine
Function auszusprechen, während ich glaube, dass er bei der vor-
liegenden Species wahrscheinlich zur Eiablage dient. Die durch
das Netz der Divertikel gegebene Erweiterungsfähigkeit des Haupt-
canals sowie der Drüsenbesatz lassen es auch als möglich erscheinen,
dass er mit der Bildung der Eischale in Beziehung stehe.
Fundort: Bei Gardulla, im Moder des Urwaldes, ca. 2900 m
hoch, am 20. December 1900 in einem einzigen Exemplare erbeutet.
Arnhltfplana aherana n, sp,
(Fig. 4-8.)
Es liegen 4 Exemplare vor, die unter einander gut überein-
stimmen. Das grösste, 36,5 mm lange Individuum (Fig. 4) erreicht
seine Maximalbreite von 7 mm (bei einer Dicke von wenig mehr
als 2 mm) ungefähr in der Mitte. Der Körper verjüngt sich an
beiden Enden rasch zu einer stumpfen Spitze, der Vorderkörper ist
schlanker und seine Spitze stumpfer gegenüber dem breitern Hinter-
körper mit seinem mehr spitz zulaufenden Ende. Die Eückenfläche
1) L. V. Geaff, Monographie der Turbellarien. 11. Tricladida terricola
(Landplanarieu), Leipzig 1899, p. 209, fig. 58.
2) Ibid. p. 211, fig. 59.
Tu Xonlost-Afrika g-esamnielte Laiulpliinarien. 477
ist. Avie aus dem (Querschnitt (Fig-. 7) liervor.oeht, gewölbt, die Bauch-
seite schwach coucav, die Seitentheile zug-erundet. Die im Leben
..lebhaft citronengelbe", an dem Spirituspräparate dagegen matt gelbe
Dorsalfläche besitzt eine sehr feine, schwarze Medianlinie, die sich
bis an die Körperenden verfolgen lässt. Das Vorderende ist gelblich-
grau gefärbt und lässt die grossen, seitlich ein Stück hinter dem
Vorderende angebrachten Augen als schwarze, von einem hellem
Hof umrahmte Punkte deutlich hervortreten (Fig. 6«). Die Seiten-
theile des Bauches — mit Ausnahme der hier nicht abgesetzten
Seitenkante — sind dunkler (gelbbraun) pigmentirt (Fig. 5) als der
Eücken. Die gelblich-weisse Kriechleiste (M) nimmt wenig mehr
als \\ der Bauchbreite ein und ist nicht voi-gewölbt. Ca. 4 mm
hinter dem Vorderende beginnt sie sich zu verschmälern und wird
hier von dem grauen Pigmente eingefasst. welches sich in diesem
Theile des Ktirpers vom Rücken auf den Bauch fortsetzt. Die
Pharyngealöifnung ist 18,2 mm, die Geschlechtsöffnung 25 mm hinter
dem Vorderende gelegen.
Ein annäht^rnd gleich grosses Exemplar lässt die mediane dorsale
Linie gar nicht erkennen, bei einem Dritten ist sie nur auf der
vordem Spitze dunkel pigmentirt und weiter bis ins Ende der
vordem Köri)erhälfte als matte Andeutung zu verfolgen, während
das kleinste Exemplar (Länge desselben 28 mm) die schwarze Median-
linie bloss an der vordem Körperspitze zwischen den Augen an-
gedeutet hat. Bei diesen 3 Exemplaren sind die Enden des Körpers
abgernndet und zwar das vordere breiter als das hintere. Bei allen
dreien ist der Bauch nicht concav oder flach, sondern schwach vor-
gewölbt. Das ersterwähnte lässt ferner die Seitenkanten bei der
Beti-achtung von der Bauchseite dadurch deutlich hervortreten, dass
sie von den dunkler pigmentirten Seitentheilen des Bauches durch
eine seicht rinnenartige Vertiefung abgesetzt sind.
3[osELEY hat vom Cap der Guten Hotfnung einen Bhjndwdemns
flavus beschrieben ^), welchen Graff in sein Genus Amhhjplana ein-
reihte und in seiner Monographie der Landplanarien -) nach einem
im British Museum aufbewahrten Exemplare genauer beschrieb und
abbildete. Wenngleich diese Species in der Farbe mit der vor-
1) MosELEY, H. N., Notes on the structure of several forms of Land
Planarians, with a description of two new genera and several now species,
and a list of all species at present known, in : Microsc. Journ. (New ser.),
V. 17, London 1877, p. 286, 28i», fig. 18, 20—24.
2) L. V. Gkaef, 1. c, p. 511, tab. 15, fig. 1—2.
Zool. Jahrb. XX. Abtli. f. Syst. 32
478 Camillo Mell,
lieg-enden einige Aehnliclikeit zeigt, so glaube icli sie einstweilen
doch nicht mit derselben identificiren zu dürfen. Vor allem ist es
die Körperform, die ganz erheblich abweicht. Während Graff die
Ämhhjplana flava nach dem Spiritusexemplar als ,.fast drehrund, nur
wenig dorsoventral comprimirt" beschreibt, besitzen meine Exemplare
durchwegs bandartigen Charakter. Der Medianstreif, welcher bei
dem von mir abgebildeten Thier nur äusserst fein ist und sich in
dem dunkel pigmentirten Vorderende verliert, ist bei der Moseley-
schen Form bei weitem kräftiger und erreicht nicht die vordere
Spitze des Körpers. Diese ist bei A. flava viel heller gefärbt als
der übrige Köiper. während bei unsern Formen gerade hier eine
dunkle Pigmentirung auftritt. Ueberdies sind die von Moseley bei
Bhynchodemus flaviis beobachteten stäbchenförmigen Körper, wie
weiter unten ausgeführt wird, von den Rhabditen der Ämbhjpkma
abemna verschieden. lieber Mund und Geschlechtsöifnung , deren
Lage bei der Unterscheidung der Landplanarien meist sehr gute
Dienste leistet, konnten die bisherigen Beschreibungen nichts ent-
halten, Moseley erwähnt dieselben überhaupt nicht, und an Gkaef's
Exemplaren waren diese Oeflfnungen nicht erkennbar. Bemerkt muss
noch werden, dass die Fundorte der beiden Species von einander
sehr weit entfernt sind.
lutegument. Als Hauteinlagerungen finden wir zunächst Rham-
miten, welche die Epithelhöhe etwas überschreiten, wellig verbogen
und proximal in eine Spitze ausgezogen sind, während sie distal
stumpf enden. Sie sind 32 /n lang, 2 /< breit. Das andere Extrem
wird von nur ein Drittel so langen, aber dreimal so breiten Stäbchen
repräsentirt die jedoch nicht wie die erstem gleichmässig dick, sondern
mehr oder weniger spindelförmig gestaltet sind. Nie jedoch konnte ich
so lange Fäden constatiren. wie sie Moseley ^) für seinen lUiyncho-
demus flavus abgebildet hat, welche die Epithelzellenhöhe um das
Drei- bis Fünffache überschreiten. Erythrophiles sowie in geringen
Mengen auch cyanophiles Secret wird in die Epithelzellen in grossen
Mengen abgelagert. Auch die, aus eingesenkten Zellen gebildete.
Kriechleiste enthält das Secret dieser beiden Drüsen.
Musculatur. Der Hautmuskelschlauch ist gegenüber der
Amhlyphna nigrescens wesentlich verstärkt; die Längsmuskeln des-
selben bilden sogar Bündel von 10 — 12 Fasern. Die Dorsoventral-
und Transversalmuskeln der Leibesmusculatur sind mächtig ent-
1) Moseley. H. N., 1. c, p. 283, tab. 15, fig. 20—2 4.
In Nordost-Afrika ffesamraelte Landplanarien. 479
wickelt und fasern sich an beiden Enden pinselförmig- auf Die
lonyitudinalen, zu gewaltigen Bündeln gruppirten Parencliymmuskeln
bilden eine geschlossene ventrale Zone, die bis in die Seitentheile
des Thieres hinaufreicht und hier das Maximum der Entfaltung er-
reicht. Diese Muskelzone nähert sich zu Seiten der Kriechleiste dem
Hautmuskelschlauche, und die diesem zugewandte Hälfte der ein-
zelnen Bündel enthält 3—6 mal stärkere, durchweg aus contractiler
Substanz bestehende Fasern als der Rest des Bündels. Ungefähr in
der Mitte dieser Bündel treten Fasern mit kleinem centralen Lumen
auf; je weiter man nach oben kommt, desto grösser wird in den
Fasern der mit Sarkoplasma erfüllte centi-ale Eaum, und die zu oberst
gelagerten Fasern zeigen, gleich den übrigen musculösen Elementen, den
gewöhnlichen Hirudineen-Typus mit nur rindenständig ausgebildeter
contractiler Substanz. Dorsal treten die parenchymatösen Längs-
muskelbündel nur vereinzelt auf und enthalten auch eine geringere
Anzahl von Fasern. Da zu Seiten der Kriechleiste auch die Fasern
des Hautmuskelschlauches compact werden, ist es hier zu einer
localen Verstärkung der Musculatur gekommen, wodurch der Kriech-
leiste eine ausgiebige Beweglichkeit garantirt wird.
Verdauungsap parat. Der 4,2 mm lange Pharynx zeigt im
Gegensatz zu allen bisher bekannten Rhynchodemiden, bei welchen
ausschliesslich der cylindrische Pharynxtypus vertreten ist, den
kragenförmigen Typus, mit der dorsalen Insertion in der Mitte der
engen Phar^iigealtasche. Seine äussere ]\[uscularis besteht aus
4 — 5 dem Epithel anliegenden Längsfaserlagen mit darauf folgender
schwacher Eingmuskelschichte. An die epitheliale Auskleidung des
Pharynxlumens schmiegt sich eine schwache Längsmuskelschicht
an, worauf eine, aus gewaltigen Ringfasern zusammengesetzte Zone
kommt, welche von einigen Längsbündeln durchsetzt wird. Die
radiären Muskeln der Mittelschicht sind gut entwickelt.
Nervensystem. Das Gehirn erreicht seine grösste Breite,
0,42 mm. hinter der Körperspitze. Der Querschnitt des Gehirns
beträgt hier 0,8 mm resp. 0,5 mm, bei einem Körperquerschnitt von
1,3 resp. 1 mm. Nach vorn verschmälert es sich ausserordentlich
rasch, wobei die beiden Hälften zu einem einheitlichen, tief ge-
lappten Gebilde verschmelzen, welches jedoch nicht wie gewöhnlich
bis an das Vorderende zu verfolgen ist, sondern schon 0,17 mm hinter
diesem sich in feine Nervenfasern auflöst. Die Augen, die einen
Durchmesser von 168 /.i besitzen, sind wie bei Amhl. nigrescens mit
einem dütenförmigen, 176 u langen Pigmentbecher versehen, vor
32*
430 Camillo Mell,
welchem eine dünne, seitlich in Bindeg-ewebsfasern übergehende
Cornealmembran liegt. Diejenigen Eetinazellen, die vor oder gleich
neben der Oeffnung des Pigmentbechers liegen, setzen sich nach iVrt
der Kolbenangen mit den Sehkolben in Verbindung- ohne den Becher
zu durchbohren, ein Verhalten, wie es von A. Th. Schmidt M bei
Dolichoplana voeltskoivi CIkaff, Bol. feildeni Geaff und Polycladus
gayi Blanch. angegeben wird.
Geschlechtsapparat. Die Hoden stellen bei dieser Form
runde Bläschen dar, welche bemerkenswerther Weise rein ventral
gelegen sind. Anf Querschnitten findet man sie jederseits in zwei
Reihen ausserhalb der Längsnervenstämme und in gleicher Höhe
mit diesen. Bezüglich der Ovarien und Oviducte war gegenüber der
Amhhjplana nigrescens keine wesentliche Ditferenz zu constatiren.
Auch der Copulationsapparat (Fig. 8), der eine Länge von 2 mm
besitzt, ist dem der eben genannten Form ungemein ähnlich, und es
soll daher genügen, nur die Unterschiede von jenem anzugeben. Voi-
Allem fehlt der eigenthümliche, das Atrium femininum mit der Ge-
schlechtsöffnung verbindende Ganal. Der Penis {p) ist schlank kegel-
förmig und füllt das xA.trium fast vollständig ans. Die Vesicula
seminalis {vs) ist kuglig aufgetrieben, die Endabschnitte der Vasa
deferentia entbehren einer Musculatur. Die zahlreichen, in die
Samenblase einmündenden cyanophilen Drüsen {cded) sind grösser als
dort und liegen grösstentheils ausserhalb der allgemeinen Muskel-
hülle. Als Unterschiede im weiblichen Apparat wäre hervorzuheben,
dass der Uterus hier bedeutend kleiner ist und die Endabschnitte
der Oviducte keine erj^throphilen Drüsen aufweisen. Auch fehlen
der vorliegenden Art Atriumdrüsen.
Fundort. Abera (Djamdjam) ca. 3100 m hoch, im Bambus-
wald unter Baumrinde und Moder am 20. December 1900 von Herrn
0. Neumann gesammelt.
Ainblyplana ^leunianni n. sp.
(Fig. 9-12.)
Das 15 mm lange Thier ist plump, nach vorn rascher zur ab-
gerundeten Spitze verschmälert, während die Verschmälerung zu
dem schiankern stumpfen Hinterende schon von der Mundregion
1) A. Th. Schmidt, Zur Kenntniss der Tricladen-Augen und der
Anatomie von Polycladus gayi, in: Z. wiss. Zool. , V. 72, 1902,
p. 206—214.
In Nordost-Afrika gesammelte Laiuliilananeii. 481
beginnt (Fig-. 10). Seiner grüssten I^reite von 2.5 mm in der Körper-
mitte entspricht eine Dicke von 1,4 mm, und die Seiten sind bald
durch eine stum])t'e Kante (Fig. 11 ..^ von der als flaches Dach zur
Kriechleiste abfallenchjn BanchÜäche abgesetzt, bald aber mit gleich-
massiger Abrundung in dieselbe fortgesetzt (Fig. 11, links). Das
lebende Thier wird von Herrn 0. Neumaxx als ,.matt gelb mit
schwarzen Streifen" bezeichnet. An dem Spirituspräparate (Fig. 9)
ist der Grundton matt hellgelb, trägt einen kräftigen schwarzbraunen
Medianstreif, der gegen die Enden sich verschmälert, und überdies
ist die gelbe Grundfarbe dorsal mit diffusem Pigmente unterlegt,
welches sich nahe den Seitenrändern zu einem verwaschenen grauen
Bande verdichtet, das gegen die Körperenden verschwindet. Die
Grundfarbe des Bauches ist heller und zeigt eine graue Bewölkung
bloss zu Seiten der schwach gewölbten weisslichen Kriechleiste
(Fig. 10 u. 11), deren Breite in der Körpermitte etwas mehr als
ein Viertheil der Bauchbreite einnimmt. Neben der Kriechleiste sieht
man am Vorderende die beiden Augen durchschimmern. Die Mund-
öffnung ())() ist 8 mm vom Vorderende entfernt, der Geschlechts-
porus (gö) liegt 3 mm hinter dem ^lunde.
Integument. Dorsal finden sich in grösster ^lenge spindel-
förmige Chondrocysteu, deren Länge etwa - ;, der Zellhöhe beträgt.
Daneben treten noch feine, geschlängelte Rhammiten auf, die auch
im Epithel der ventralen Fläche vorkommen, während die Chondro-
Cysten sich schon in den Seitentheilen verlieren.
In der Epithelplattenschicht der Kriechleiste liegen unterhalb
der Cilienfusstücke sehr kleine, 2 f.i lange und 1 /n breite Gebilde
mehr oder weniger regelmässig angeordnet, welche mit ihrer Längs-
axe senkrecht zur Oberfläche des Thieres stehen. Diese Gebilde
sind als eine Khabditenform aufzufassen, die zweifellos ein Product
des Epithels selbst darstellt. Aehnliches wurde von mir ^) schon bei
Pelmafoplana maheensis (Gkaff) und Pehn. hraueri (Graff) gefunden,
und ich habe diese Gebilde seiner Zeit als Degenerationsproducte
von Rhabditen aufgefasst. Die genaue Xachprüliing der betreflenden
Präparate führte mich alntv auch in diesem Falle zu der Ansicht,
dass es sich nur um kleine, vom Kri('chleistene])ithel gebildete
Rhabditen handelt. Bei den bisher bekannten Aiiih/uphoKi- XvteAi
„fehlen der Kriechleiste die stäbchenförmigen Körper gänzlich".-)
1) ('. ilKLL, 1. c. p. 195 u. 203.
2) L. V. Graff, 1. c, p. 507.
482 Camillo Mell,
M u s c u 1 a t u r. Der Haiitmuskelsclilaucli ist schwach und lässt
in seiner Längsschicht nur ca. 4 Lagen von Fasern erkennen. Aber
auch die Parenchyramusculatur fällt im Gegensatz zu andern Am-
blyplanen durch die auffallend geringe Entwicklung ihrer Längs-
rauskeln auf. Diese stellen nämlich nur ganz zarte, zu kleinen
Bündeln vereinigte Fasern dar, die im gesammten Mesenchym sehr
locker und unregelmässig vertheilt sind. Nur ventral rücken die
Bündel etwas näher an einander, und die einzelnen Fasern weisen
einen grössern Durchmesser auf. Die dorsoventralen wie trans-
versalen Bündel -zeigen die für Amblyplanen gewöhnliche mächtige
Entfaltung und fasern sich an beiden Enden pinselförmig auf.
V er dauungsap parat. Der relativ kleine (1,5 mm lange
und 0.9 mm breite) Pharynx ist rein cylindrisch und in der Ruhe
horizontal gestellt; er füllt die Pharyngealtasche vollkommen aus.
Während seine Aussenmusculatur mit derjenigen des Pharynx von
Plafyd. monfamis n. sp. übereinstimmt, weicht die Muscularis dei-
Linenschicht bedeutend ab. Auf eine schwache Längsmuskelschicht
folgt nach innen eine 100 /< breite, aus dicken, unregelmässig
liegenden Ringfasern gebildete Zone, welche gegen die Mittelschicht
zu durch eine Schicht breiter Längsmuskelbündel abgegrenzt wird.
Die zahlreich vorhandenen radiären Muskeln der Mittelschicht fasern
sich unmittelbar vor der Ringmuskelzone auf und durchdringen diese
mit ihren Fasern. Die nur ganz vereinzelten Längsmuskeln sind in
der Mittelschicht unregelraässig vertheilt.
G e s c h 1 e c h t s a p p a r a t. Die rundlichen , 2 m m hinter der
Körperspitze liegenden Ovarien lagern dorsal den Längsnerven-
stämmen auf und lassen ventral aus ihrer Mitte die mit einer
schwachen Rihgmuscularis versehenen Oviducte abgehen, welche sich
bald auf die Lateralseite der Nerven begeben und hier nach hinten
ziehen. Etwa 1mm hinter den Eierstöcken treten die Hoden auf;
sie liegen über und außerhalb der Nervenstämrae jederseits in zwei
Reihen. Die median von den Oviducten verlaufenden Yasa deferentia
schmiegen sich theils direct dem ventralen Rand der Testes an, theils
sind sie mit diesen durch kurze Vasa efferentia verbunden.
Das spaltartige Atrium genitale commune (Fig. \2ag) setzt
sich direct in das becherförmige Atrium masculinum {am) fort. Das
eingesenkte Kriechleistenepithel zieht sich nur eine ganz kleine Strecke
weit auf das Atrium commune hinauf. Der weitaus grössere Theil
wird von cylindrischen Zellen mit deutlichen Zellkernen und erythro-
philem Secret der Atriumdrüsen {agä) ausgekleidet. Ein gleiches
lu Xonlost-Afrika gesammelte Laudplanarien. 483
Epithel kleidet auch die Wandung- des Atrium masculinum aus,
doch sind hier einmündende Drüsen nicht wahrzunehmen. Der Atrium-
wandung anliegend findet sich eine breite ]\luskelschieht (niani), be-
stehend aus Längsfasern, denen auch Eingmuskeln untermischt sind.
Wie bei den vorher behandelten Ambh'planen tritt auch hier an der
Penisbasis eine Scheidung der Elemente in eine äussere Ring- und
innere Läng-smuskelschicht auf, welche die äussere Penismusculatur
(p»/) bilden.
Der Ductus ejaculatorius (de) bildet, wie die Figur zeigt, ein
mächtiges, von einem hohen Epithel ausgekleidetes Eohr, welches
Schlingen bildend nach vorn zieht, dann sich gegen die Bauchseite
wendet und mit einem nach hinten umgebogenen Schenkel blind
endet. Er wird von einer mächtigen Muscularis (dm) umgeben, welche
sich aus zwei einander unter sehr spitzen Winkeln schneidenden
Fasersystemen aufbaut, die nur wenig von einem ringftJrmigen Ver-
laufe abweichen und der Ductusmusculatur der beiden oben be-
schriebenen Amblyplanen entsprechen. Innerhalb des Penis nimmt
diese Muscularis gegen die Penisspitze allmählich an Stärke ab.
Die zwischen den Fasern auftretenden Lückenräume werden von
den Ausführungsgängen der erythrophilen Ductusdrüsen (cded) erfüllt,
deren Secret in ganz enormen Mengen in das Epithel entleert wird.
Innerhalb des Penis sind zarte radiäre und longitudinale Fasern zu
bemerken, von denen die letztern wohl als Retractoren wirken.
Der gesammte Ductus ejaculatorius mit seiner Eigenrausculatur wird
von einer zarten, aus vorwiegend längs verlaufenden Fasern zusannnen-
gesetzten Muskelhülle (mh) umgeben. Die A'asa deferentia [rd) bilden
in der Nähe des Copulationsapparats unmittelbar vor der Einmündung
falsclic Samenl)lasen (ffZj) und öffnen sich von den Seiten her ein-
ander g'egenüber in die Mitte der ventralen Ductusschlinge. Der
weibliche Theil des Genitalapparats besteht aus einem schief nach
oben und hinten ziehenden Canal, dem Atrium femininum («/), welcher
mit cylindrischem Epithel ausgekleidet ist und eine, dem Atrium
masculinum gleich gebaute Muscularis besitzt. Am Beginne der
obern Hälfte des Atrium femininum mündet von hinten her der
kurze, durch den Zusammeniluss der Oviducte (bei of/J gebildete
Eiergang (äy) ein. während das dorsale Ende des weiblichen Atrium
zu einer mächtigen ovalen Blase, dem horizontal nach hinten sich
erstreckenden Uterus (u) anschwillt. Dieser besitzt keine Muscularis
und ist lediglich aus einem Epithel [uep) hoher, weit in das Lumen
vorspringender cylindrischer Zellen aufgebaut, die als Zotten in das
484 Camillo Mell,
Lumen vorspringen und Avie bei AmU. niyrescens und aberana mit
Secretkörnchen erfüllt sind. — Die ganze Configuration des männ-
lichen Copulationsapparats der vorliegenden Species erinnert noch
viel mehr als die der beiden letztgenannten an Amblyplcma notahilis
Gkaff.i) Doch erscheint bei dieser der (sehr kleine) Uterus als eine
Aussackung des Atrium niasculinum, in welches sich auch der
Drüsengang, Mangels eines besondern Atrium femininum, ölfnet.
Ein solches kommt allen 3 hier beschriebenen neuen Amhlyplana-
Species zu, ist jedoch räumlich bei A. ahcmna minder umfangreich
und weniger deutlich vom Atrium niasculinum separirt als bei A.
nigrescens und neumanni.
Fundort. Bei Abera (Djamdjam) ca. 3100m hoch, im Bambus-
wald unter Baumrinde und Moder am 20. December 1900 in einem
Exemplare gefunden.
Tlatydernus niontamis n, sp.
(Fig. 13-18.J
Das grössere der beiden Exemplare erreicht eine Länge von
14 mm bei einer grössten Breite von 1,76 mm in der Pharyngeal-
region. Nach vorn ist der Körper allmählich zu einer feinen stumpfen
Spitze verjüngt (Fig. 13), wogegen sich das Hinterende rasch zu
einer abgerundeten Spitze verschmälert. Höchst sonderbar sieht der
Querschnitt aus. Gegen die Enden des Körpers quer oval (Fig. 17
und 18) mit bald dorsal, bald ventral stärkerer Convexität, ist der-
selbe in der Mittelpartie der Körperlänge fast vierseitig, wie die
hinter dem Pharynx genommene Fig. 15 zeigt. Der Rücken ist flach,
mit stellenweise aufgewulsteten stumpfen Kanten und fällt ,mit fast
senkrechten Seitentheilen zu dem gleichfalls flachen Bauche ab,
dessen Seitenkanten aber abgerundet erscheinen. Dieser Querschnitt
ist 1,76 mm breit und 0.88 mm hoch. Die Farbe des Rückens, beim
lebenden Objecte als „schwarz" bezeichnet, ist bei den conservirten
Exemplaren dunkel graubraun (Fig. 13) und nimmt im verjüngten
Yorderkörper einen dunklern, fast schwarzen Ton an. Daselbst ist
auch die Ventralfläche (Fig. 14) grau gefärbt, welche Färbung sich
als seitliche Einfassung der Bauchseite fast 4 mm weit nach hinten
erstreckt. Im Uebrigen erscheint die Bauchseite hell schmutzig-gelb
1) L. V. G-BAFF, 1. c, p. 206, Textfig. 56.
In Nordost-Afrika gesainnielte Laudplaiiarieii. 485
und lässt eine etwas dunklere Medianlinie erkennen, die etwa dort
beginnt, wo die graue Seiteneinfassung aufhört und sich bis aus
Hinterende verfolgen lässt. Es ist diese Linie nichts anderes als die
feine rinnenartige Einfaltung der Mitte der Kriechsohle (Fig. 15^)
und die nächste Umgebung dieser Einfaltung, durch welche die
Hauptmasse der Drüsen ausmündet. In dieser Mittellinie sind die
Cilien, welche sonst auf der Kriechsohle gut erhalten sind (während
sie im Reste des Epithels zerstört waren), etwas kürzer. Auf dem
Fig. 15 dargestellten Querschnitte beträgt die Breite der Kriechsohle
(Jcl) 0,75 mm, also ungefähr die Hälfte der Bauchbreite.
Die beiden grossen Augen sind in den Seiten des Körpers (Fig. 18)
0,8 mm hinter dem Vorderende als weissliche Punkte zu erkennen,
tler Mund mit dem etwas vorgestreckten Pharjiix (Fig. 14 ph) fand
sich bei vorliegendem Exemplare 6.(5 mm vom Vorderende entfernt.
Ein Geschlechtsporus war nicht zu erkennen.
Integument. Als Hauteinlagerungen treten bloss Ehabditen
auf, wurstförmige oder an den Enden verjüngte, spindelförmige. In
der Kriechsohle fehlen sie gänzlich, dafür sind in deren ^littellinie
Ausführungsgänge cyanophiler und erythrophiler Drüsen reichlich
vorhanden, wälirend sonst nur spärliche erythrophile Drüsen zur
Haut ausmünden. Die Drüsenkante ist nur schwach ausgebildet.
Musculatur. Der Hautmuskelschlauch erscheint wie bei den
übrigen Päd tjdoiius- Arten sehr mächtig ausgebildet. Die Ring- wie
die Diagonalschicht enthalten mehrere Faserlagen. Die Längs-
bündel bilden senkrecht zur Küri)eroberfläche gestellte, im Bereiche
der Bauchlläche ganz gewaltig entwickelte Lamellen, ähnlich wie
sie Gk.iff ^) von Plutydemus grandis (Spencer) und hderoUnecdus
(Spexce«) abgebildet hat. In der Gegend der Drüsenkante fehlen
sie jedoch nicht, sondern sind nur viel schwächer ausgebildet und
stehen viel lockerer als an einer andern Stelle des Körpers. Ueber
der ^Medianlinie der Kriechsohle sind im Gegensatz zu den be-
kannten P^ormen die Längsmuskelbündel verschwunden, und an Stelle
der, der Breite der ^Medianlinie entsprechenden 4 — 5 Bündel finden
sich daselbst bloss einzelne zerstreute Längsmuskelfasern, während
die übrigen Schichten des Hautmuskelschhiuches unverändert über
diese Stelle hinweg ziehen. Auch in Bezug auf die Ausbildung der
Leibesmusculatur schliesst sich Plidydemus monfanus den übrigen
besser studirten Arten an. Die transversalen und dorsoventralen
1) L. V. GHAI-F, 1. c, p. 76, tab. 49, fig. 5—7; tab. 50. %. 12.
486 Camillo Mell,
Fasern sind sehr kräftig und grnppiren sich zu Bündeln von 6 — 8
Fasern. Die longitudinalen Muskeln sind sehr zart, im gesammten
Parenchym zerstreut und ihre Bündel setzen sich aus 3 — 4 Fasern
zusammen. Auch die dem Nervenplexus dicht anliegende, den
Platijdemus- Arten eigenthümliche Schicht dorsaler Transversal-
muskeln, welche von einzelnen longitudinalen Fasern durchflochten
wird, ist hier nachweisbar, wenngleich sie nur eine im Verhält-
niss zu den oben genannten Species schwache Entwicklung er-
fahren hat.
Oberhalb der, der Längsmuskelbündel des Hautmuskelschlauches
entbehrenden Stelle der Kriechsohle verdichtet sich die Leibes-
musculatur zu einem schwachen Muskelfilz, der durch Muskelbündel
verstärkt wird, die schief zur Längsrichtung und parallel zur
Bauchfläche des Thieres verlaufen. In dem Filze sind sehr häufig
die zur Kriechleiste absteigenden Schenkel der Transversalbündel zu
bemerken.
Im Vorderende gehen die Längsmuskellamellen des Hautmuskel-
schlauchs um den ganzen Querschnitt des Thieres herum und fehlen
nur über der Sinneskante; erst 2 mm hinter der Körperspitze weichen
sie bauchseits median aus einander und gleichzeitig tritt der erwähnte
Muskelfllz auf.
Verdauungsapparat. Die Mimdöftnung führt in die Mitte
der schlauchförmigen Pharyngealtasche. Der 1 mm lange Pharynx
ist im Gegensatz zu allen übrigen mit einem cylindrischen, in der
Euhe horizontal gestellten Pharynx ausgestatteten Platydemiden
kragenförmig , mit der dorsalen Insertion genau über der in der
Mitte der Pharyngealtasche angebrachten Mundöffnung. Auch die
Anordnung der Musculatur zeigt Abweichungen, wie der Querschnitt
durch die Falte (Fig. 16) erkennen lässt. Die Aussenschicht der-
selben wird durch eine Epithelialschicht (epe) gebildet, deren Zell-
leiber (ejjj) bis unter die Muscularis eingesenkt sind. Die letztere
besteht aus einer doppelten Lage Längsmuskelfasern (mle) und
einer ebenso breiten Zone von Ringmuskeln (mre). Die Muscularis
der Innenschicht besteht aus einer lockern, einfachen Lage von
Längsmuskeln (mli) und einer sehr breiten Ringfaserschicht (tnri),
an welche sich nach innen noch eine lockere Lage starker Längs-
fasern anlegt, gleich jenen, welche sich in der ganzen Mittelschicht
des Pharynx besonders nahe der Aussenschicht vorfinden {Im, Inii).
Die radiären Muskelbündel (rdm) sind wohl entwickelt,
Nervensystem und Sinnesorgane. Schnitte aus der
lu Nordost-Afrika gesammelte Laudplauarieu. 487
Körperspitze zeigen das Gehirn als eine einlieitliclie Punktsubstanz-
masse, die, nmgeben von zahlreiclien Ganglienzellen, fast bis an den
Hautmnskelschlauch den Querschnitt grössten Theils ausfüllt (Fig. 17).
Die das Gehirn durchsetzenden dorsoventralen Muskelfasern con-
vergiren je weiter nach hinten desto deutlicher zur Mitte der
Bauchseite. Auf den weitern Schnitten tritt die angedeutete Zwei-
theilung" immer deutlicher hervor. 0,22 mm hinter der Körperspitze
schiebt sich zwischen die beiden Gehirnhälften mesenchymatöses Ge-
webe ein. welches durch die dicht hinter einander liegenden Gehirn-
Commissuren durchciuert wird. Ihre stärkste Entfaltung erreichen
die Gehirnhälften ca. 0,25 mm hinter dem Vorderende (Fig. 18 ge),
woselbst sie einen rundlichen, peripher gelappten Querschnitt dar-
bieten. Hier treten auch die grossen, mit einem schalenförmigen
Pigmentbecher (p) versehenen Augen («) auf. Der Opticus tritt von
hinten an den Pigmentbecher heran und entspringt von dem
dorsalen Theile einer mächtigen, queren Gehirn-Commissur. Die
beiden Gehirnhälften bewahren ihre Maximalbreite in einer Aus-
dehnung von etwa 3 mm, dann verjüngen sie sich ziemlich rasch
und gehen in die weit von einander abgerückten Nervenstämme
über, die anfänglich noch durch mittlere und ventrale Commissuren
in Verbindung stehen.
Auf Schnitten aus der mittlem Körperregion erscheinen die
Nervenstämme auffallend klein, grenzen sich nur undeutlich vom
mesenchjnnatösen Gewebe ab und werden durch feine, mittlere
Commissuren verbunden.
Auf denselben Schnitten, welche die beiden Optici zeig-en, geht an
der lateroventralen Seite der Gehirnlappeu ein an seiner Frsprungs-
stelle mit einem Ganglienzellenbelag versehener Nerv ab, welcher
gegen die Uebergangsstelle der Bauch- in die Rückenfläche zieht und
sich hier unter dem Epithel auffasert. Die Epithel zellen sind an
dieser Stelle etwas unter das Niveau der übrigen eingesenkt und
fallen sowohl durch den ]\[angel an Stäbchen und cyanophilem Secret
auf wie auch durch den Besitz langer, sehr feiner Cilien. Es liegt
hier zweifelsohne eine, der Grübchen entbehrende Sinneskante
(Fig. 18 sk) vor. Sie beginnt etwa 0,22 mm hinter dem Vorderende
und ist jederseits nicht länger als 1 mm.
Von Geschlechtsorganen konnten nur die erste Anlage
des Penis sowie die Hoden constatirt werden. Diese letztern be-
ginnen ca. 3 mm hinter dem Vorderende und erscheinen unregel-
mässig zweireihig angeordnet, indem nicht selten jederseits zwei auf
483 Camillo Mell,
einem Querschnitte getroffen werden. Sie liegen zwischen dem
Obern und äussern Rande der Längsnerven einer- und dem Darme
andrerseits, innerhalb der äussern Ausstrahlung der mittlem Trans-
versalmuskeln. Ventralwärts ziehen sich die Hodenfollikel in feine,
dicht an der Aussenseite der Längsnerven herabsteigende Vasa
efferentia aus, welche sich dann ein wenig medianwärts krümmen,
um in die unter den Längsnerven liegenden Vasa defei-entia zu
münden.
Fundort. Diese Species wurde bei Abera (Djamdjam) ca.
3100 m hoch im Bambuswalde unter Baumstämmen und Moder von
Herrn Neumann in 2 Exemplaren gefunden.
Tu Noiflost-Afiika gesammelte Landplauaiieu.
489
Erklärung: der Al)l)ildiiiig:eii.
B uchstab 8 nb ez e i ch nung in den Fi gg. 3, 8 und 12.
of Atrium femininum
(Kj Atrium genitale commune
arjd Atriumdrüsen
am Atrium masculinum
ca Canal zwischen ckj und //ö
cad Divertikel desselben
cculr Drüsen der Divertikel
cded Cyanophile Drüsen des Ductus
ejaculatorius und der Samenblase
de Ductus ejaculatorius
dm,
dop Epithel desselben
cdrd Erythrophile Drüsen des Ductus
ejaculatorius und der Samenblase
cifi Eiergang
gö GeschlechtsöfFnung
id Dorsales Integument
iv Ventrales Integument
dm^ Muscularis desselben
Im, hii^ Längsmuskeln
schiebt des Pbarj^nx
der Mittel-
7nai)i Muscularis des Atrium mascu-
linum
iiif Muskelfilz
mir Ventrale Longitudinalmuskeln des
Parenchyms
od Oviduct
od))/ Muscularis desselben
odj^ Vereinigungsstelle der beiden
Oviducte
p Penis
]/))) Aeussere Muscularis des Penis
i( Uterus
iif/i Epithel desselben
fd Vas deferens
vdy Anschwellung desselben (falsche
Samenblase)
vd»i Muscularis des Vas deferens
rs Samenblase.
63
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 3.
1.
Tafel 17.
Fig. 1 — 3. A)i)hhjpl(i)Ki iiicprscois n. sp.
Das Thier von oben betrachtet, 2:1.
A'entraltläche desselben, 2:1. )>> Mund, //ö Geschlechtsporus.
Halbschematischer Medianschnitt durch die Copulatiousorgane,
490 Camillo Mell, In Nordost-Afrika gesammelte Laiidplauarien.
Fig. 4 — 8. Ämblyplana aherana n. sjj.
Fig. 4. Dorsalfläche des grössten Exemplars, 1:1.
Fig. 5. Bauchseite desselben, 1:1. vi Mund, r/ö Geschlechtsporus.
Fig. 6. Vorderende von der Seite betrachtet, 8:1. a Auge.
Fig. 7. Querschnitt aus der Körpermitte, 2:1. kl Kriechleiste.
Fig. 8. Halbschematischer Medianschnitt durch die Copulations-
organe, 35 : 1.
Fig. 9 — 12. Ambljiplana neumanni )i. sp.
Fig. 9. Das Thier von oben betrachtet, 2:1.
Fig. 10. Ventralflcäche desselben, 2:1. ni Mund, gö Geschlechts-
porus.
Fig. 11. Querschnitt aus der Körpermitte, bei ^^ die Seitenkante
ausgeprägt.
Fig. 12. Halbschematischer Medianschnitt durch den Copulations-
apparat, 56 : 1.
Fig. 13 — 18. Flatiidcnms montami>< n. sp.
Fig. 13. Dorsalfläche des Thieres, 2:1.
Fig. 14. Bauchfläche desselben, 2:1. ph vorgestreckter Pharynx.
Fig. 15. Querschnitt aus der Körpermitte, stark vergrössert. kl
Kriechsohle, * mediane Rinne derselben.
Fig. 16. Stück eines Querschnittes durch den Pharynx, 130 : 1
(Buchstabenbezeichnung s. S. 489).
Fig. 17. Querschnitt durch das Vorderende, 95 : 1.
Fig. 18. Querschnitt durch die Augenregion, a Auge, ge Gehirn,
da Darm, p Pigmentbecher des Auges, sk Sinneskanten.
Nachdruck verboten.
Uehersetzuiujsrecht vorbehalten.
Schlangen von Palembang (Sumatra).
(Reise von Dr. Walter Yolz.)
Von
Dr. Walter Volz,
Assistent am Zool. Institut der Universität Bern.
Gleich wie meine zwei frühern Arbeiten ^), macht auch die nach-
folgende Liste von Schlano-en aus Südost-Sumatra absolut keinen
Anspruch auf Vollständigkeit. Da man aber noch wenig Arl)eiten
hat, die sich speciell mit der Fauna der Residentschaft Palembang
beschäftigen und überdies unter meinem Materiale vier Arten sind,
die bis jetzt noch nicht von Sumatra bekannt wurden, so veröffent-
liche ich die Liste gleichwohl.
Das Material setzt sich zusammen aus zwei Sammlungen: die
eine davon, bestehend aus 13 verschiedenen Arten, brachte Herr
Privatdocent Dr. E. Kissling in Bern von einer Reise aus Sumatra
zurück; die andere besteht aus 22 Arten und wurde von mir auf
jener Insel zusammengebracht. Im Ganzen beträgt die Zahl der
verschiedenen Species 29.
1) W. Volz, Tische von Sumatra, in: Zool. Jahrb., V. 19, Syst.,
1903, p. 347 — 420. — W. Volz, Lacertilia von Palembang (Sumatra),
ibid., p. 421—430.
492 Walter Volz,
Farn. Boidae.
Subfam. Fytlwninae.
1. Python reticulatus Schneid.
Von dieser Schlange, die im ausgewachsenen Zustande bis zu
9 m Länge erreichen soll, sind 3 Exemplare in der Sammlung, alles
nur kleine, leicht zu transportirende Stücke.
1 Expl. von Kertadjaja (Kissling 1902). Tot. Länge 175 cm.
Schwanz 20 cm, V. 313, Sc. 75.
2 Expl. von Tandjung laut (Volz 1901). Tot. Länge 100,
Schwanz 14, Y. 304, Sc. 88 und Toi. Länge 90, Schwanz 12, V. 319.
Sc. 88.
Diese Eiesenschlange kommt allenthalben vor, sowohl in den
Urwäldern als in der Nähe der Dörfer und sogar in diesen selbst.^)
Die Malayen und namentlich die Javanen ergreifen das Thier ohne
Furcht.
Zum ersten Male traf ich diese Schlange am Oberlaufe des da-
mals noch unbekannten Semangus-Flusses. Sie flüchtete sich vor uns
in das Wasser und schwamm flussabwärts. Die Felderung auf
ihrem Rücken täuschte ungeheure Schuppen vor, und die raschen
Bewegungen Hessen sie viel grösser erscheinen, als sie war. Ich
schätzte sie auf mindestens 5 m Länge, sie maass aber in Wirklich-
keit nur 2,70 m. Diese Täuschung erklärte sich aber durch die be-
deutende Dicke ; denn der grösste Durchmesser betrug nicht weniger
als 25 cm. Diese Schlange war nämlich so vollgefressen, dass, als
man ihr nach einigen Schüssen eine Schlinge um den Hals legte
und sie daran durchs seichte Wasser zog, die Haut und der Darm
platzten. Der Inhalt des letztern bestand aus einem Napu {Trmjuhis
javanicus), dessen Schädel nach der Kloake zusah und fast von allem
Fleisch entblösst war, während das hintere Körperende noch die
Haare bedeckten.
Ein anderes Mal fingen unsere Leute am obern Batang Leko-
Fluss eine Python von genau 5 m Länge. Sie legten ihr erst eine
Schlinge um den Hals, rollten sie auf und banden sie zusammen
gleich einer Eolle Draht. Dann steckten sie eine Stange durch
1) In Bangkok (Siam) traf ich später im Hofe des Tempels "Wat
Samplum einen frisch abgehauenen Kopf dieser Schlange, die sich dort
aufgehalten hatte.
Schlangen von Palenibang (Sumatra). 493
diesen Bund, und je zwei Mann trugen sie abwechselnd. Wir
machten ihr einen Käfig- und gaben ihr einen Pariahhund. Sie Hess
ilm aber ruhig-, doch als er nach einigen Stunden seine Furcht ver-
loren hatte und beim Herumlaufen im Käfig- die Schlang-e berührte, biss
sie ihn heftig, Hess ihn aber sogleich wieder los. Einem Huhn er-
ging es ganz ähnlich, die Schlange frass es nicht, lieber welch
riesige Kraft dieses 'i'hier verfügt, konnten Avir später sehen, als
wir es in einer leeren Flaschenkiste zum Wintertransport unter-
bringen wollten. Drei kräftige Javanen versuchten umsonst, sie in
diesem Behälter unterzubringen; eine einzige Schlinge des Körpers,
welche sie über den Kistenrand hinausstreckte, erforderte eine ganze
Manneskraft, um wieder hineingestossen zu werden. Schliesslich
gelang es uns zu fünfen, das Thier zu bewältigen.
Bei einer andern Gelegenheit trafen wir im Walde einen grossen
Python, der so vollgefressen war, dass er sich nur ganz langsam
bewegen konnte. Er Hess sich, ohne Widerstand zu leisten, todt
schiessen und es zeigte sich, dass er ein ziemlich grosses Wild-
schwein gefressen hatte. Auch an Kidiangs {Cervulus munijac) soll
er sich wagen und solclie selbst mit sammt dem Geweih hinunter-
würgen.
Dagegen halte ich die vielen Erzählungen, dass dieser Python
auch den Menschen anfalle, für Erfindungen.
Der malayische Name ist „Ular sawah".
Farn. Ilysüdae.
CjjJindrophis rufus Laub.
1 Expl. von Kertadjaja (Kissling 1902). Tot. Länge 37 cm,
Schwanz 7 mm.
1 Expl. von Benakat, Lematang ilir (Volz 1900), 19 Schuppen-
reihen. Tot. Länge 22 cm, Schwanz 0,5 cm, V. 213, Sc. 7.
Rechtes Parietalschild verschmolzen mit dem Supraoculare.
Gefangen auf einem Waldweg. Die Malayen nennen diese Art
„Ular kapala dua", die „Schlange mit zwei Köi)fen". weil bei flüch-
tigem Besehen der vom Körper niclit abgesetzte Kopf sich von dem
kurzen, dicken Schwanz nicht unterscheiden lässt.
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. 33
494 Walteh Volz,
Farn. Coluhndae.
AfjJfpha.
Siibfam. Cohibrinac.
3. TropiiJonotds trianfßulifßef'us Boie.
1 Expl. Kertacljaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 75 cm. Schwanz 24 cm, Y. 141, Sc. 91.
Die dunkeln, schwärzlichen Flecke sind auf das Vorderende des
Körpers beschränkt; sie setzen sich z. Th. als schwarzer, hinterer
Rand auf die Yentralschilder fort. Beiderseitig- auf der 5. und 6.
Schuppenreihe (von unten gezählt) eine Reihe weisser Flecke in Ab-
ständen von ca. 1 cm. Von 2 zu 2 Subcaudalschildern die Suturen
dunkel.
4. Trojfidonotns vlttatus L.
1 Expl., Kertadjaja (Kissling 1902).
Diese Art ist neu für Sumatra, bis jetzt war sie nur bekannt
für Java und Celebes.
Tot. Länge 50 cm, Schwanz 14,5 cm ; Temporalia 1 -]- 2. Aeusserste
Schuppenreihe ungekielt. V. 140, Anale 2, Sc. 87. Oben braun, mit
5 schwarzen Längsstreifen; der äusserste, 3^/.. Schuppen breit, be-
ginnt direct über den Ventralschildern, die an ihrem Seitenrande
weiss gefärbt sind. Dann folgt ein l^o Schuppen breiter, brauner
Längsstreif, hierauf ein l'/^ Schuppen breiter, schwarzer Längsstreif
(welcher der typischen T. vittatus von Java fehlt); hierauf ein 2
Schuppen breiter, brauner Längsstreif und auf dem Rücken, in der
Mittellinie, der 2 Schuppen breite Rückenlängsstreif. Die 2, der
typischen Art fehlenden, mittlem Längslinien verschwinden in der
Gegend über der Kloake. Ventralen weiss, an der Basis mit schwarzem
Rande, . der sich gegen die Seiten hin bedeutend verbreitert. Kopf
oben schwarz; Internasalia, Praefrontalia, Frenale und Praeocularia
mit dunkel gelbem Fleck; Ober- und Unterlippe weiss, Suturen
zwischen den einzelnen Lippenschildern schwarz.
5. Tvopidouotus cJirfjsargus Schlegel.
1 Expl. aus einem ,.Schürfloch" in der Nähe von Pagarkaja
(Musi ilir) (Volz, 9.6. 1900). Tot. Länge 49 cm, Schwanz 12,5 cm.
Schlangen von Palembang (Sumatra). 495
V. 138, Sc. 65. Internasale etwas kürzer als Praefrontale ; 1 Prae-
ocnlare, 4 Postocnlaria; 9 obere Labialia, 4.. 5. und 6. ans Aug-e
herantretend; 6 untere Labialia in Contact mit den vordem Kinn-
schildern.
Die deutlichen gelben Seitenflecke dunkel gerändert. Die
dunkeln Flecke seitlich auf den Ventralschildern beginnen erst vom
30. Schild an regelmässig- aufzutreten.
6. Ti'oxndonotus maculatus Edeling.
1 Expl. aus einem ,,8chürfloch" bei Benakat (Lematang ilir),
(VoLz 1900).
Tot. Läng-e 18,5 cm, Schwanz 2,5 cm, V. 144, Sc. 38 (Schwanz
nicht g-anz vollständig).
7. Mact'opistliodoii rJiodomclas Boie.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Läng-e 59 cm, Schwanz 11,5 cm. V. 140, Sc. 49.
Die Reihe schAvarzer Punkte zu beiden Seiten des Bandes fehlt.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 44 cm, Schwanz 8 cm, V. 142, Sc. 51.
In einiger Entfernung vom Kopfe ist je die zweite, schräge
Schuppenreihe (von vorn unten nach hinten oben) hinten dunkel
gerändert.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 50 cm, Schwanz 7 cm (vertrocknet).
1 Expl. Muara Rupit (Yolz 1901).
Tot. Länge 51 cm, Schwanz 7 cm, V. 140, Sc. 32.
8. Coliiber oxtßcephalus Boie.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 145 cm, Schwanz 33,5 cm, V. 248, Sc. 125.
Frontale kürzer als seine Distanz vom Vorderende des Kopfes
oder vom Rostrale. Temporalia rechts 2 + 4. links 2-}- 3. 11 obere
Labialia, 6 und 7 im Contact mit dem Auge. Schuppen in 25
Reihen. \'entral- und Subcaudalschilder mit starkem Lateralkiel.
Schwanzschuppen Aveiss, mit braunem Rande. Suturen der Sub-
caudalschilder unten dunkel, der Kiel weiss.
33*
496 Walter Volz,
9. Coluber nielaniirns Schlegel.
1 Expl. von Tandjimg laut (Volz 2. I. 1902).
Tot. Länge 163 cm, Scliwanzlänge 38 cm, V. 211, Sc. 100.
Auf dem Nacken 23, auf dem Körper 19 Scliuppenreihen.
Diese Art erbeuteten wir innerhalb zweier Tage in 3 Exemplaren.
Bei einem meiner Bekannten war Nachts eine solche Schlange in
seinem Hause in einen Taubenkäfig eingedrungen und eben damit
beschäftigt, einen der Vögel zu erwürgen, als sie überrascht und
getödtet wurde. Ein anderes Exemplar hatte das Firstholz eines
Hauses, das als Stall, Badekammer etc. diente, zum Aufenthalts-
orte gewählt und stellte dort den Ratten nach. Da sie sich gelegent-
lich im Badezimmer aufhielt, so wurde sie ebenfalls geschossen, weil
man nicht wusste, ob es eine gefährliche Art war oder nicht. Am
selben Tage brachte man mir eine derselben Species, von der die
Malayen behaupteten, es sei eine jung« „Ular sawah" oder Python.
Diese Schlange kann ausserordentlich gut und schnell klettern.
10. jDendrophis inctus Gmelin.
1 Expl. von Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 186,5 cm, Schwanz 35 cm, V. 156 i), Sc. 143.
Ventralreihen der Schuppen bedeutend verbreitert, IVo — 2 mal
so breit wie die zweitäusserste Schuppenreihe, also ähnlich wie bei
D. formosus Boie. 16 cm hinter dem Vorderende des Körpers ist
die Farbe oben broncebraun, die Ventral- und Bauchschilder sind
schwarzgrün mit hellerm Rande; auf der äussersten Schuppenreihe
verläuft eine mehr oder weniger deutliche weisse, nach unten dunkel
begrenzte Linie. Dies ist die typische Färbung dieser Species,
Weiter vorn ist aber der Körper oben und seitlich heller, fast weiss,
mit deutlichen, von vorn oben nach hinten unten gerichteten,
schwarzen Streifen, 45** zur Längsaxe des Körpers geneigt, be-
ginnend an den Vertebralschildern und endigend an der schwarzen
Linie der äussersten Schuppenreihe. Diese Schrägbänder sind nach
vorn mehr und mehr verschwommen. Kopf von gewöhnlicher Färbung.
Kopfschilder normal wie bei den übrigen Exemplaren von
D. pictus. Auge kürzer als bei B. formosus Boie, der andern Art
Sumatras.
1) Nach G-. A. Boulenger, Cat. Snakes Brit. Mus,, V. 2, 1894,
p. 79, beträgt die Anzahl der Ventralen 165 — 190.
Schlangen von Palembang (Sumatra). 497
1 Expl. von gleiclier Herkunft und ähnlicher Färbung wie das
erste; vorderster Abschnitt des Körpers, mit Ausnahme der Vertebral-
und Ventralschilder, fast weiss, die obere Hälfte der Schupi)en mit
dunklerer Zeichnung.
Tot. Länge 74 cm, Schwanz 27 cm, V. 155. Sc. 138.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 36 cm, Schwanz 10,5 cm, V. 130, Sc. 75.
Oben braun, am Vorderrande mit alternirenden, dunklern Flecken ;
Ventralschilder hell, an der (xrenze der Schuppen eine dunklere,
namentlich am Sclnvanzende deutliche Begrenzungslinie.
1 Expl. Tandjung laut (Volz 1901).
Tot. Länge 64 cm, Schwanz 16,5 cm, V. 174, Sc. 76.
Oberseite dunkel, auf Vorderkörper und Kopf fast schwarz.
Oberlippe, Kopfunterseite und Kehle gelb, nach hinten dunkler
werdend.
1 Expl. Tandj. laut (Volz 1901).
Tot. Länge 85 cm, Schwanz 26 cm, V. 174. Sc. 105.
Von dunkler Färbung; gelbe Seitenlinie kaum angedeutet.
1 Expl. Tandj. laut (Volz 1902).
Wie das vorige gefärbt.
Tot. Länge 73 cm, Schwanz 24,5 cm, V. 179, Sc. 136.
11. AbUihes ballodirus Boie.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 36 cm, Schwanz 10,5 cm, V. 130, Sc. 75.
Oben braun, am Vorderende mit alternirenden, dunklern Flecken,
Ventralschilder hell, an der Grenze der Schuppen eine dunklere,
namentlich am Schwanz deutliche Begrenzungslinie.
12. CataiiUfi'ia leucocephala Dum. u. Bibr.
1 Expl., gefangen auf der Strasse zwischen Supat und Dawas
(Afd. Banju asin), (Volz 1901).
Tot. Länge 30,5 cm, Schwanz 4,5 cm, V. 136, Sc. 34.
Hintere Kinnschilder durch 2 hinter einander gelegene Schild-
chen getrennt. Oberseite des Kopfes vom Auge nach vorn dunkel
braun wie der Eücken, nach hinten bis zu der dritten Schuppen-
reihe orangegelb.
498 Walter Volz,
Opisthoglijpha.
Subfam. Homälopsinae.
13. Hijpmrhina enhydris Schneid, ixtr. hilineata Geay.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 52 cm, Schwanz 9,5 cm. V. 160. Sc. 58.
21 Schuppenreilien.
Diese Art ist neu für Sumatra.
14. Cerberiis rhyncliopH Schneid.
1 Expl. Tandjung- laut (Yolz 1902).
Tot. Länge 68 cm. Schwanz 13 cm, V. 142, Sc. 53.
15. Cantoria violacea Gieard.
1 Expl. Tandjung laut (Volz 1902).
Tot. Länge 75 cm, Schwanz 10 cm, V. 273, Sc. 62.
Diese seltene Schlange ist neu für Sumatra. Bis jetzt war sie
bekannt von der Mündung des Mulmein-Flusses (Birmah), von Singa-
pore und Borneo.
Frontale gleich lang wie breit und wie sein Abstand vom
Vorderende des Kopfes, kürzer als die Parietalen. Frenale gleich
lang wie hoch. Auch die Hälfte des vierten, untern Labiale be-
rührt die vordem Kinnschilder, letztere sind länger als die hintern.
19 Schuppenreihen.
Küi'per oben schwarzgrau; von den weissen Querbändern sind
nur schwache Spuren in Form einzelner weisser Fleckchen vor-
handen, am deutlichsten am Halse. Kopf oben von gleicher Farbe
wie der übrige Körper, unten bräunlich. Bauch einförmig weissgrau.
Subfam. Dipsaäomorphinae.
16. Dipsadomorphiis dendrophilus Boie var. mela-
notus Blke.
1 Expl. Tandjung laut (Volz 1902).
Tot. Länge 175 cm, Schwanz 33 cm, V. 220, Sc. 95.
Jederseits stehen 33 gelbe Flecken, die sich weder dorsal- noch
ventralwärts berühren.
Schlaugen von Palembang (Sumatra). 499
Dies ist eine der liäufigsteu Schlang'en. die ich wählend meines
Aufenthalts in Sumatra antraf: jedoch sah ich sie nie draussen und
am Tage, sie scheint viehnelir ein nächtliches Leben zu führen.
Das erste Exemplar, das mir gebracht wurde, fing man im Walde
nördlich von Benakat. Ein anwesender .lavane nahm sie furchtlos
in die Hand. Namentlich die Hühnerställe erhalten von dieser
Schlange Besuch, und öfters wurden wir Nachts vom Geschrei der
geängstigten Hühner geweckt, die entweder vom Musang iPara-
doxurm henuaphroditus) oder dieser Bipsaäomorphus- kvi belästigt
worden waren. Einmal war eines der Hühner von der Schlange
schon umschlungen, aber noch nicht erwürgt; später erholte es sich
sogar von tlem Schreck. In der Nähe von Tandjung laut allein
tödteten meine Leute von dieser Schlangenart in wenig Wochen
4 Stück.
17. Dij^sadoniorphtis }ü<jriveps Güxth.
1 Expl. Tand jung laut (Volz 1901).
Tot. Länge 140 cm. Schwanz 84 cm. V. 252. Sc. 134.
18. JJipsadomorplius Jaspideus Dum. et Bebe.
1 Expl. Pagarkaja (Volz 1900).
Tot. Länge 109 cm, Schwanz 30 cm, V. 251, Sc. 153, Anale
ungetheilt.
Diese Schlange ist neu für die Insel. Bisher kannte man sie
nur von Penang. Borneo und Java.
Auge gleich lang wäe die Schnauze; Internasalia ein wenig
breiter als lang, ein wenig länger als die Praefrontalia ; Frontale
l^^mal länger als breit, länger als die Schnauze, kürzer als die
Parietalia. Frenale etwas höher als breit; rechts 2, links 1 Prae-
oculare; 2 Postocularia. Temporalia 2 -{-2. 8 obere Labialia. 3.. 4.
und 5. ans Auge herantretend; 5 untere Labialia (wovon das erste
Paar nur wenig kürzer ist als die vordem Kinnschilder) im Con-
tact mit den vordem Kinnschildern. welch letztere gleich lang sind
wie die hintern, diese sind in der Mitte durch einen unpaaren Schild
getrennt. Auf sie folgt noch ein drittes, etwas kürzeres Paar von
Kinnschildein und dann gleich der erste Ventralschild. Schuppen
in 21 Iteihen, dorsale Beihe bedeutend breiter als die übrigen.
Oben braun, mit dunklern Pünktchen ; auf den Seiten mehr oder
weniger deutliche, schwarzbraune, unterbrochene Bändchen und
500 Walter Volz,
Streifen, in Abständen von diirchschnittlicli 1 cm ; darnnter ein mehr
oder weniger deutlicher weisser Fleck. Kopf brann, mit schwarzen
Zeichnungen, die hell umrandet sind; vom Occiput aus verläuft auf
den Hals ein schwarzbraunes Band, das hell gerändert ist. Ober-
lippe hell, die Suturen zwischen den einzelnen Labialen dunkel.
Unterseite hell, im ersten Drittel einfarbig, weiter nach hinten braun
getüpfelt.
Auf folgende Weise kam ich in den Besitz dieser Schlange:
Nahe beim Dorfe Pagarkaja hatte ich ein kleines altes Häuschen
gemiethet. Eines Abends, als mein Diener mein Feldbett zurecht
machen wollte, lag unter dem Kopfkissen zusammengerollt eine
Schlange, die bei dem nunmehr entstehenden Geschrei eilig zu ent-
kommen suchte. Sie wand sich dabei ausserordentlich geschickt
an den Pfählen und zwischen den Rindenstücken, aus denen das
Haus bestand, empor, wurde aber, als sie sich zwischen den Palm-
blättern des Daches verstecken wollte, erschlagen.
1 Expl. Muara Lakitan (Volz, Jan. 1901).
Internasalia etwas länger als Praefrontalia ; Frontale l^'^mal
so lang wie breit, wenig kürzer als die Parietalia. Rechts 1, links
2 Praeocularia. Temporalia 3-\-2.
Tot. Länge 110 cm, Schwanz 31 cm, V. 251, Sc. 157.
Im übrigen stimmt dieses Exemplar mit dem vorigen überein.
Dieses Thier wurde in dem Hause von chinesischen Kulis ge-
fangen. Es hatte sich unter einer Schlafmatte versteckt und kam
hervor, als sich der Eigenthümer derselben darauf legen wollte.
19. Dipsado^norplnis (Irapie^li Boie.
1 Expl. nördlich von Benakat (Volz 1900).
Tot. Länge 112 cm, Schwanz 30 cm, V. 267, Sc. 155.
Frenale gleich hoch wie breit, Temporalia 2-|-3; 3. — 5. oberes
Labiale ans Auge herantretend; 6 untere Labialia im Contact mit
den vordem Kinnschildern, welche etwas länger sind als die hintern.
Die dunklern Querbänder des Körpers sind 3 — 4 mal so breit
wie die hellen. Dunkle Longitudinalreihen der Bauchschilder deutlich.
20. Di'yophis prasinus Boie.
3 Expl. von Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 90 cm, Schwanz 31,5 cm, V. 216, Sc. 158.
Schlangen von Palembang (Sumatra). 501
Tot. Lauge 108 cm, Schwanz 37 cm. V. 220, Sc. 181.
Tot. Länge 180 cm, Schwanz 57 cm, V. 219, Sc. 165.
3 Exp]. von Tandjung laut (Volz 1901 und 1902).
Tot. Länge 70 cm, Schwanz 23,5 cm, V. 206, Sc. 165.
Tot. Länge 153 cm, Schwanz 52 cm, V. 219, Sc. 167.
Tot. Länge 165 cm, Schwanz 56 cm, V. 218, Sc. 172.
Diese schöne Schlange ist nirgends selten. Meist lebt sie auf
Sträuchern, und ich fing das grösste Exemplar in meinem Garten.
Sie scheint nicht besonders bissig zu sein, ein Eingeborner nahm
sie wenigstens furchtlos in die Hand.
Das kleinste Exemplar meiner 'Sammlung zeigt eine von der
gewöhnlichen etwas abweichende Färbung; das Grün des Rückens
ist weniger intensiv. Die gelbe Seitenlinie des erwachsenen Thieres
ist hier in der vordem Hälfte dunkel; auf der Mittellinie des
Bauches verläuft eine dunkle Linie. Oberlippe gelb, mit dunkeln
Punkten, Unterseite des Kopfes hell gelb.
21. Chrysoi}elea omata Shaw.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 75.5 cm, Schwanz 20,5 cm, V. 219, Sc. 130.
Dieses sowie das folgende Exemplar gehören zu der Varietät
A. Boulexgee's. ')
1 Expl. Tandjung laut (Volz 1902).
Tot. Länge 84 cm, Schwanz 23,5 cm, V. 222, Sc. 136.
Die Grundfarbe des Körpers ist schwarz, jede Schuppe mit
einem rundlichen oder ovalen Fleck, w^elche auf den Seiten des
Körpers schwarzgrün, auf dem Rücken schwefelgelb bis röthlich und
bis etwa zum ersten Körperdrittel wie bei vierl)lättrigen Blumen
angeordnet sind. Weiter nach hinten verschwimmt diese regel-
mässige Anordnung manchmal und fehlt auf dem Schwanz ganz,
hier fehlen auch die intensiv gelben und röthlichen Töne; auf dem
Nacken ein grosser, auf dem Halse mehrere kleinere gelbrothe Flecke.
Die meisten Suturen zwischen den Kopfschildern gelb. Oberlippe
gelb, die Schilder oben schwarz gerändert, 2. und 3. Supralabiale
mit schwarzem Fleck. Kopfunterseite, Kehle und Vordertheil des
Bauches gelb, im Uebrigen die Bauchschilder dunkel grün, nach hinten
mit schwarzen und gelben Rändchen.
1) Cat. Snakes Brit. Mus., V. 3, p. 197,
502 Walter Volz,
22. Chryso2)elea cJirt/socJiIora (Reinw.) Schle&el.
1. Expl. bei Muara Rupit auf der Strasse gefangen (Volz 1901).
Tot. Länge 64 cm, Schwanz 17 cm. Y. 192. Sc. 97.
Proteroglypha.
Subfam. Hydropliiinae.
In dem fischreichen Bauju asin (Aestuar an der Nordküste der
Residenz Palembang) lebt eine Anzahl von proteroglyphen Schlangen.
Einzelne Arten sind so häufig, dass die Fischer fast jedesmal, wenn
sie ihre reusenartig-en Netze ziehen, ein bis mehrere Exemplare in
dem Gewimmel von Fischen und Krebsen finden. Sie hüten sich
deshalb wohl, mit den Händen die Beute zu durchmustern, benutzen
vielmehr zu diesem Zweck ein aus zwei Bambusstäbchen gefertigtes
scheerenartiges Instrument. Sind Schlaugen dabei, so wird den-
selben im Nacken die Scheere angesetzt, worauf man sie wieder
lebend und unversehrt ins Meer wirft. Ich selbst wohnte einem
Fange bei, wo zugleich 3, ein anderes Mal, wo auf einmal 5 Wasser-
schlangen gefangen wurden, und den fischenden Malaj^en war dies
nichts Besonderes. Es soll wohl vorkommen, dass die Leute ge-
legentlich gebissen werden, doch ist die Gefahr nicht gross, w^eil
diese Schlangen einen sehr kleinen Mund haben und, wenn sie unter
den andern Thieren auf dem Boden des Bootes liegen, so ist ihre
auf dem Trocknen ohnehin geringe Beweglichkeit noch mehr ge-
hemmt. Von einem einzigen Todesfall bei einem Menschen in Folge
eines Bisses dieser Wasserschlangen wurde mir berichtet.
23. Hudroi}Tiis fasciattis Schneid. ^)
1 Expl. Bantung-Fluss bei Tandjung laut (Volz 1902).
Tot. Länge 92 cm, Schwanz 8,5 cm, V. 405.
Kopf sehr klein, Rostrale etwas breiter als hoch, 1 Postoculare.
Rechts 1 vorderes und kein hinteres, links 2 vordere und 1 hinteres
Temporale. Die hintern Kinnschilder berühren sich nur vorn, hinten
schieben sich einige Schuppen dazwischen. Um den Hals 31, um
1) Herrn Dr. F. Weknee, iu Wien bin ich für seine Angaben über
dieses Thier zu Dank verpflichtet.
Schlangen von Palembang (Sumatra). 503
den Körper 41 Schuppenreihen. Ventralschilder auch auf den
weissen Partien des Körpers dunkel j^efleckt.
24. Enhtjdrina vahfhadi'eH Boie.
1 Ex])!. Banju asin (Volz, Oct. 1901j.
Tot. Länge 51 cm, Schwanz 7 cm.
Rostrale nach unten zahnförmig- vorspringend; Frontale oval;
2 Postocularia, 8 obere Labialia, das 4. allein tritt ans Auge, 5.-8.
sehr klein ; in der Halsregion 49, um den Körper 55 Schuppen. Die
grauen Bänder der Oberseite dehnen sich nur bis etwa zur Hälfte
der Körperhöhe aus.
Im Darm fanden sich mehrere Exemplare von Xenopterns naritus
EiCHARDs. von 5 cm Länge.
Subfam. FJapinae.
25. Doliopliis bivivgatus Boie var. ßavieeps Tant
1 Expl. auf der Strasse Supat-Dawas (Volz 1902).
Tot. Länge 26 cm, Schwanz 2,5 cm, V. 242, Sc. 35.
26. DoJiopliis fnteMiiialis Laue. var. Jineata Geai.
1 Expl. Kertadjaja (Kisslixg 1902).
Tot. Länge 21,5 cm, Schwanz 1,2 cm, V. 157, Sc. 20.
Farn. Amhhjrcphalidae.
27. Anihlycephalus nialaccanus Peters.
1 Expl. Benakat (Volz 1900).
Tot. Länge 38 cm, Schwanz 5 cm. V. 151, Sc. 33.
1 Expl. Palembang (Volz 1901).
Oberkiefer, namentlich bei dem einen Stück, bedeutend über
den untern vorragend. Köri)erfarbe graubraun mit seitlichen dunkel
braunen bis schwarzen Querbändern, die sich auf der Medianlinie des
Rückens oft vereinigen und beiderseitig, längs der untern Schuppen,
durch ein gleichfarbiges Band verbunden sind.
Beide 'l'hiere wurden in sog. Scliürflöchern. in die sie gefallen
wareiL gefunden.
504 Walter Volz,
Fam. Viperidae.
Subfam. Crotalinae.
28. Lachesis siiniatramis Eaffles.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902).
Tot. Länge 81 cm, Schwanz 9,5 cm, Y. 194, Sc. 69.
Die zwei Reihen weisser Flecken zu Seiten des Körpers und
die gelbweisse, nach unten schwarz begrenzte Längslinie auf der
äussersten Schuppenreihe sehr deutlich.
1 Expl. Tandjung laut (Volz 1901).
Tot. Länge 112 cm, Schwanz 18,5 cm, V. 190, Sc. 68.
Oben einfach grün (die grüne Farbe wurde theilweise durch
das Formalin ausgezogen); obere Hälfte der äussersten Schuppen-
reihe weiss. Vom Auge aus läuft nach hinten ein weisser Strich,
ähnlich wie bei L. ivagleri Boie, der gegen das Ende des Kopfes
hin verschwindet. Bauchschilder grün, weiss gerandet, Unterseite
des Schwanzes vorn röthlich - weiss, welche Farbe sich alternirend
auf beiden Seiten 6 mal fleckenartig in die grüne Farbe der Eücken-
seite fortsetzt. Schwanzende roth.
1 Expl. Tandjung laut (Volz 1901).
Tot. Länge 79 cm, Schwanz 12,5 cm, V. 193, Sc. 72.
Diese beiden, sehr gefährlichen Schlangen wurden zwischen den
Balken des Fussbodens eines malayischen Wohnhauses gefangen.
]\Ian hatte ihnen einen Stock auf den Hals gedrückt, auf welchen
ein Malaye trat und nun den Kopf mit einer Rotanschlinge am
Stock befestigte. Auf diese Weise wurden sie mir beide lebend
überbracht.
29. Lachesis wagleri Boie var. D. Boül. i)
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902), schlecht erhalten.
1 Expl. von ebendaher, juv.
Tot. Länge 40 cm, Schwanz 7 cm, V. 150, Sc. 56.
Von den Subcaudalen sind 1 — 3 doppelt, 4 — 11 einfach und der
Rest wieder doppelt. Körperfarbe grün, zu beiden Seiten des Kopfes,
vom Vorderende der Lorealvertiefung bis zum Hinterende des
Kopfes, ein heller, deutlicher Strich, der durch das Auge verläuft.
1) 1. c, p. 564.
Schlangen von Palembang (Sumatra). 505
Beiderseits von der Rückenlinie je eine Reihe gelber Flecke, bis auf
den Schwanz laufend. Schwanzende heller, im Leben roth.
1 Expl. Kertadjaja (Kissling 1902) juv.
Tot. Länge 40 cm, Schwanz 7 cm, Y. 151, Sc. 54.
Der 1. — 3. Subcaudalschild doppelt, 4. — 8. einfach und der Rest
doppelt; Färbung wie das obige.
1 Expl. vom gleichen Orte.
Länge vom Yorderende zur Kloake 19,5 cm, Y. 140; Schwanz
abgebrochen, die 11 vorhandenen Subcaudalschilder alle doppelt.
Färbung wie bei den vorigen, jedoch die gelben Seitenflecke be-
deutend grösser und deutlicher.
506 Walter Volz,
Da durch die Sammlung von Dr. Kisslixg und die meinige die
Liste der sumatranisclien Schlangen wieder etwas vermehrt wurde,
so lasse ich ein Verzeiclmiss aller bis jetzt aus Sumatra bekannter
Schlangen folgen, wobei ich vor allem die gute Zusammenstellung
von F. Werner ^) benutze :
Farn. Typhlopidae.
1. Typhlops lineaius Boie 3. Tijphlops nigroalbus D. B.
2. ., hravihviis Daud. 4. „ muelleri Schleg.
Farn. Boidae.
Subfam. Pi/thoniime.
5. Python »lolurns L. 7. Pfjflton reticidaius Schneid.
6. „ eurtxs Schleg.
Farn, llijsiidae.
8. Ä)ioinalochUus ireheri v. L. d. 9. Cylindrophis rnfiis Laur.
Jeude
Fam. Xe)iopeltidae.
10. Xenopeltis nnicolor Reinw.
Fam. f'olubridae.
Aglypha.
Subfam. AcrocJwrdinae.
11. Acrochordus javanicus Hörnst. 13. Xoiodermus javanicus Reinw.
12. Chersijdriis granulatns ScHN.
1) F. "Werner, Reptilien und Bati-achier aus Sumatra, gesammelt
von Herrn Gustav Schneider jr. im Jahre 1897 — 98, in: Zool. Jahrb.,
V. 13, Syst., 1900, p. 500.
Schlangen von Palembang- (Sumatra).
507
Subfam. Colnbrinae.
14. Poli/doi/loj/his (jciiiinatus BoiE 38.
15. Trojndonotus roiisj/ici/lafus Gthk. 39.
16. „ ivi'iiKudüjerHs BoiE 40.
17. „ vittatuH L.') 41.
18. „ chrjjsdiyus SCHLEG. 42.
19. „ ntacul((tus Edeling 43.
20. Macropisihodon flaviccps D. B. 44.
21. Macropisthodon rhodonidas BoiE 45.
22. Opistliotropis rngo-sa v. L. DE J. 46.
23. Elapoides fusctis BoiE 47.
24. Lycodon aulieiis L. 48.
25. „ effrenis Cant. 49.
26. ,, albofuscHs D. B. 50.
27. „ snbchictus BoiE 51.
28. Dri/occdamns siibannuhdus D. B. 52.
29. Zaocys caritiatvs Gthr. 53.
30. „ fiiücus Gthr. 54.
31. Zamrni.s korros Schleg. 55.
32. Xendaphis J/exarjotiofiis Cant. 56.
33. Colubcr j)orj)htjr<iceus Caxt. 57.
34. „ tacninriis Cope. 58,
35. „ oxycpphalu.s Boie 59.
36. „ nirlanums Schleg. 60.
37. .. nidiatns Schleg.
Dendrophis picius Gmel.
,, for))iosi(s Boie
DeiidrflapJiis caudolmcalus Gray.
Ablabes trii-olor ScHliEG.
„ halioiliru.s Boie
„ lütigicaiida Peters
Diadophis Jiipnnctahtü V. L. d. J.
Pseudorhabdium lonyiceps Cant.
Simoles purfiurascrns Schleg.
„ orioJiiieatiis Schxeed.
„ signalus Gthr.
Oliyodon trilineatus D. B.
Cfdaninria reriitiformis D. B.
„ niargaritifera Blkr.
„ sta/dknechfi Stol.
„ hoevbni Edeling.
„ sumcdrana Edeling.
„ rirgulafa BoiE
„ hucocephala D. B.
„ agamcnsis Blkr.
„ leitcognster Blkr.
„ mclanota Jan
IgnaiiognatJms iverneri Blgr.
Opisthoglypha.
Subfam . Iloimdopsin ac.
61. IIi//isirl/iiia idumhra BoiE 65. Ifoti/alojisis biicmla L.
62. „ enlnjdris Schneid. 66. Cerberus rhgiicho/is Schneid.
63. „ fdboniacnkdn D. B. 67. Cantovla violacea Girard
64. .. /nnirfjd'i Gray.
Subfam. Di/jsadotiiu/phiiKie.
68. I)ij)sado)i/(jr/thus »inlfintarididiis 74. Psannnodgndstcs indveridodus
Boie Boie
69. DipsadomoriiJnis dendroplnjus 75. PsammodgiKisles jticlus Gthr.
Boie 76. f>rgii/)J//s /jnisiiix.s BoiE
70. Dipsadomorplnis niip-iccjis Gthu. 77. ,, fasciolntus FlsCH.
71. „ Jasjtifh'HsD.B. 78. Drgojdno/is ruhesccufi Gray.
72. „ dni/iirzi BoiE 79. Chrgsojirlea ornrda Shaw
73. „ rijinidoii Boie 80. ,. chrgsocJdora Rkixw.
1) Die fett gedruckten Arten sind neu für Sumatra.
508
Walter Yolz, Schlangen von Palembaug (Sumatra).
P r 0 1 e r 0 g 1 y p h a.
Subfara. IlijdropJi ii/iae.
81. Hydrus ]>latnrus L. 83. EnJn/drli/a ralakadieii BoiE
82. Hydrojihis faxciatus Schneid.
Subfam. Elcqnnae.
84. Bnngarns fasciahts Schneid. 88. Naja hungariis Schleg.
85. „ candidiis L. 89. Callophis gracüis Geay.
86. „ flaviceps Reinh. 90. Doliopliis hivirgaüis BoiE
87. Naja irijnidians Meer. 91. „ intestinalis Laue.
Farn. Aniblycepliatidae.
92. Amhlyceplialiis laevis Boie 93, AuMyceplmlus malaccanus Ptrs.
Fam. Viper idae.
Subfam. CrotaJinae.
94. Lachesis monticola Gthe.
95. „ purjntreoinacidatiis
Geay.
96. „ gramineiis Shaw.
97. Lachesis snmatranus Rafel.
98. „ puniceus Boie
99. ,, borneensis Ptes.
100. „ iragleri Boie.
Nachdruck verboten.
Uebersetznnffsrecht vorbehalten .
Zur Kenntniss der Suiden Sumatras.
(Reise TOii Dr. Walter Yolz.)
Von
Dr. Walter Yolz,
Assistent am Zoolog. Institut der Universität Bern.
Mit Taf. 18, 1 Karte und 2 Abbildungen im Text.
Eiuleituug. M
Mehrere Forscher, die sich mit den Suiden Ostasiens be-
schäftigten, drückten den Wunsch aus, man möchte doch diesen
Thieren durch Anlage grösserer Sammlungen melir Aufmerksamkeit
schenken. H. G. Stehlin (19)^) sagt z. B. in seinem grundlegenden
"Werke (p. 486): ,,. . . Die heutige Vertheilung (von Babirusa) auf
zwei oder mehrere Inseln ist sicher nicht durch Meeresfahrten,
sondern durch Absenkung früherer Verbindungen zu erklären.
„Es ist sehr wohl möglich, dass eine genaue rntersuchung der
Verrucosusgruppe nach morphologischen und geographischen Ge-
sichtspunkten zu ähnlichen bedeutsamen Winken über die spätere
Geschichte des südost-asiatischen Archipels führen würde. Ich bin
1) Den Herren Prof. Dr. Th. Studer in Bern und Dr. H. G. Stehlin
in Basel, welche mich mehrmals durch ihren geschätzten Rath sowie durch
Ueberlassung einschlägiger Literatur unterstützten, danke ich an dieser
Stelle auch öffentlich.
2) Die Zahlen hinter den Autornamen verweisen auf das hinten
stehende Literaturverzeichniss.
Zool. Jahrb. XX. Abtb. f. Syst. 34
510 Walter Volz,
nicht in der Lage, liier auf diesen Punkt näher einzugehen, möchte
aber doch nicht versäumen, nachdrücklich auf denselben hinzuweisen.
Die Schweine bieten vor den übrigen Säugethiergeschlechtern der
Region für eine solche Untersuchung den doppelten Vortheil, dass
sie fast auf jeder Insel einen Vertreter haben und dass sie unge-
wöhnlich rasch auf geographische Isolirung reagiren. Wenn irgendwo,
so würde es sich daher hier verlohnen, einmal eine Materialsamm-
lung in ganz grossem Stile zu veranstalten. Vermuthlich würde
sich ergeben, dass sich die heutige Vertheilung dieser Inselschweine
durch eine Ausstrahlung von zwei oder drei Centren erklären lässt,
für welche ihrerseits dann vielleicht wieder eine Bevölkerung vom
Continent aus während der Jüngern Pliocänzeit kann wahrscheinlich
gemacht werden."
Und Nehring (12) bemerkt in den „Schlussbetrachtungen" seiner
Studie (p. 26). „. . . Ferner wäre es sehr wünschenswerth, dass die
auf den einzelnen Inseln und Inselgruppen des malayischen Archipels
vorkommenden Wildschweinarten genauer als bisher in Bezug auf
ihre Artcharaktere studirt und beschrieben würden; erst dann wird
es möglich sein, die geographische Verbreitung der einzelnen Arten
sicher anzugeben und einigermaassen zuverlässige Vermuthungen
über ihre Vorgeschichte aufzustellen. Es bietet sich hier der
Forschung ein weites und interessantes Feld."
Die eben citirten Wünsche der beiden Zoologen genügen mir
zu der Annahme, dass auch eine kleine Arbeit wie die nachstehende
den Thiergeographen nicht unerwünscht sein wird, obschon das
Material, auf dass sie sich gründet, kein grosses ist.
Allgemeines.
Die Suiden Ostasiens zerfallen in 2 Gruppen, die kurzschädlige
mttatus - Gnim^e und die langschnauzige verrucosus - Grümje. Auf
dem den Sunda-Inseln zunächst gelegenen Theil des Festlandes,
Hinterindien, lebt die zur Vittatus-Gruppe gehörige Art S. cristatns
Wagn. und ein von Heude (2) unter dem Namen S. hucculentus be-
schriebenes Schwein aus Cochinchina, von dem Stehlin (p. 473,
dritte Fussnote) sagt, die Abbildung des Schädels stimme so sehr
mit derjenigen des typischen Sus verrucosus aus Java überein, dass
es nicht einmal als typische Varietät gelten könne. Heude (2)
selbst erwähnt (p. 220), dass er 2 Schädel einer Sus-ki-i aus Cochin-
china verglichen habe mit einem Schädel von S. verrucosus von Java
I
Suideu Sumatras. 511
und dabei grosse Aelinliclikeit zwischen beiden gefunden habe. Er
schreibt: „Si ravenir demontre que nous avons lä une espece diöe-
rente de celle qui represente le cräne similaire de Java, je la nomme
*S. huccnlentns h cause du grand renflement des os jugaux et de la
crete malaire." Heude erhielt unter 50 Schweineschädeln aus
Cochinchina nur 2 dieser Art, woraus wohl geschlossen werden darf,
dass das Thier daselbst selten ist.
Von Borneo ist längst die langschnauzige Art S. harhatus Müll.
et ScHLEG. bekannt. Nach Lydekfcer (4) p, 299 sollen ausserdem
noch vorkommen S. longirostris Nheg, ^ ), S. vittatus Müll, et Schleg.
und 'S', verrucosus Müll, et Schleg.
Auf Java kommen die Hauptvertreter beider Gruppen. S. verru-
cosus und S. vifiafus, vor. Dagegen scheint Celebes nur von einem
zum langschnauzigen Tjq)us gehörigen Thier, Stts celehensis Müll.
et Schleg. bewohnt zu sein.
Diese Thatsachen sind längst bekannt, und da auch die grosse
Verwandtschaft der Fauna von Hinterindien und Sumatra einerseits,
Sumatra und Borneo andrerseits ebenso bekannt ist, so wundert es
mich, dass nie Jemand die Frage aufgeworfen, ob denn nicht auch
Sumatra ein zum langschnauzigen Typus gehörendes, lebendes Schwein
aufzuweisen habe. Dubois ^) hat allerdings mitgetheilt, dass auch
S. verrucosus, zwar fossil, auf Sumatra vorkomme, und Nehkixg (12)
richtet die Frage (p. 27): „Wie viele Arten von Wildschweinen
kommen auf Sumatra vor und wie ist die geographische Verbreitung
der einzelnen Arten in horizontaler und vertikaler Eichtung? Ins-
besondere wäre die Aufmerksamkeit auf S. longirostris zu richten."
Fast scheint es mir aber, als hätte man von vorn herein, fussend
auf die Thatsache, dass Borneo kaum ein grösseres Säugethier be-
sitzt, das nicht auch in Sumatra, wenigstens in einer nahe ver-
wandten Art vorkommt, annehmen können, ein S. harhatus ähnliches
Thier müsste auch auf Sumatra leben.
Es ist sicher, dass noch viele Thiere. die man jetzt für Borneo
oder Sumatra endemisch annimmt, beide Inseln bewolinen. So wies
1) Die Art .S. loiiffirostris Nehring ist von SriLLXEU (18) längst
gestrichen, resp. mit S. barhattis MÜLL, et SCHLEG. identificirt. Trotz-
dem tritt sie in der Literatur stets noch auf, z. B. bei Lydekkek (4),
Teouessakt (23), Miller (6) ; aus diesem Grunde muss ich sie auch
gelegentlich noch erwähnen.
2) in: Natuurk. Tijdschr. Nederl. Indie, V. 51, 1891.
8i*
512
Walter Volz,
ich z. B. ^) für die sumatranische Fauna die vorher nur aus Borneo
bekannten Fische Corvina polycladiscus Blkr., Polynemiis macrononms
Blkr., Syncqdnra panoides Blkr., Engraulis crocodUus Blkr. und die
Eidechse -) Draco cornutns Günth. zum ersten Mal nach. Auch
Arten, die nur von Borneo und Malakka bekannt waren, werden
fast bei jeder neuen faunistischen Arbeit über Sumatra auch für
diese Insel nachgewiesen, z. B. fand ich dort die vorher nur für
Borneo und Malakka angeführte Schlange Cantoria violacea Girard. ^)
AVas die Suiden anbelangt, so kannte man bis vor kurzem von
Sumatra nur Sus vitiutns Müll. u. ScHLEa.
Erst seit Anfang 1902 wissen wir durch Miller (6 u. 7), dass
diese Insel auch ein langschnauziges, Sus harhcdns nahe verwandtes
Schwein, Sus oi Miller, beherbergt. Ich werde weiter unten auf
die Beschreibung dieses Thieres näher eingehen.
Folgende Tabelle zeigt die Verbreitung der Suiden auf den
grossen Sundainseln und den Gegenden des ihnen am nächsten ge-
legenen Theils des Festlandes:
yerr»cosHS-Gruppe
vitfatHs-Gr\\\}])e
Hinteriudieii
S. biicculentus Heude = S. verru-
cosus M. et S.
S.
cristatus Wagn.
Borneo
S. barbatus M. et S. = S. verru-
cosus*) M. et S.
s.
vittatus M. et S.
Sumatra
S. barbatus M. et S. = S. oi
Miller
s.
vittatiis M. et S.
Java
S. verrucosus M. et S.
s.
vittatus M. et S.
Celebes
S. celebensis M. et S.
Specieller Theil.
Gehen wir nun zur Besprechung der auf Sumatra heimischen
Wildschweine über.
1) Volz, W., Fische von Sumatra, in: Zool. Jahrb., V. 19, Syst.,
1903.
2) Volz, W., Lacertilia von Palembang (Sumatra), ibid.
3) Volz, W., Schlangen von Palembang (Sumatra), ibid., V. 20, 1904.
4) Nach Lydekker (4), p. 299, und auch nach "Wallace (vgl.
L. Rütimeyer (22), ^. 471). v. Spillner (18), p. 84, sagt: „Absolut
sicher ist das Vorkommen des Bartschweins (auf Borneo), weniger sicher
das des Pustelschweins {S. rcrrucosnsy''^
Sniilen Snniatras. - 513
1. Sus rittatus Müll, et Schleg.
Die typische Form von Sus uittaim^ bewolmt Sumatra. Boriieo
und Java. Mehrere Naturforscher, so Rütimeykk und namentlicli
F. Major vereinigen aber unter diesem Namen eine ganze Anzahl
von Thiereu, welche von andern als gute Arten oder doch scharf
umschriebene Varietäten aufgefasst werden. \) Rütimeyek (22)
schreibt z. B. (p. 471): „Der ganze Süd- und Ostabhang von Asien,
sowie die Kette der Sundainseln bis nach den ]\rolukkeu wird also
als Wohnort von Sus riftatxs mit allerlei kleinen Abänderungen an-
gesehen werden dürfen." Viel weiter geht F. Ma.jor (5), der sich
p. 297 über die Verbreitung von S. viftafus folgendermaassen äussert:
„Es ist ein und dieselbe Form von Wildschweinen, welche wir mit
geringer Modification der Schädelbildung gegenwärtig von Sardinien
bis Neu-Guinea und von Japan bis Südwest-Afrika (Damara) ver-
breitet finden. Der Schwerpunkt ihrer Verbreitung liegt offenbar
in der orientalischen und der äthiopischen Region, welche beide in
ihrer ganzen Ausdehnung dieses Wildschwein zu beherbergen
scheinen: ausserdem greift dieselbe Form aber über eiuestheils auf
die paläarktische Region (Sardinien und Japan), andrerseits auf die
australische Region (Neuguinea und umliegende Inseln)".
Aus eigener Anschauung kenne ich nur Schädel von S. vif tat ks
aus Java und Sumatra, die unzweifelhaft zu derselben Art gehören;
nach p]insicht der einschlagen Literatur scheint es mir aber, dass
Majok. wenn er selbst die afrikanischen und sardinischen Ange-
hörigen des Genus Sus zu vittatus i-echnet, viel zu weit gegangen sei.
Unser Thier, von den Malayen Sumatras Babi utan (Wald-
schwein) genannt, ist über die ganze Insel verbreitet. Müller u.
SciiLEOEL (8) und KfiNiNGSBERGER (3) geben von seiner Lebensweise
gute Schilderungen, denen ich, fussend auf die Notizen meiner Tage-
bücher, noch das Folgende beifüge:
Das gewöhnliche Wildschwein ist in der Residenz Palembang
das häufigste grosse Säugethier. Man findet es im tiefen Urwalde
sowohl als auch in der Nähe menschlicher Ansiedelungen, am
häufigsten nahe bei Tfianzungen. wo es am beijuemsten die ihm zu-
sagende Nahrung findet. Feberall längs den ^^'egen im ^\'alde trifi't
man seine Spuren, sowohl diejenigen seiner Hufe als nanientlich die
1) Heuuk (2) unterscheidet z. B. eine ganze Anzahl von verschiedenen
Artea auf dem asiatischen Festlande.
514 Walter Volz.
seines Eüssels. Wo die Erde feucht ist, wühlt das Thier tiefe
Löcher, um Würmer und Wurzeln auszugraben. In den Feldern
richtet es durch diese Wühlereien grossen Schaden an, und die
hohen, mit vieler Mühe erstellten Zäune rings um die Ladangs,
Sawahs und Pisangpflanzungen sind namentlich zum Schutze gegen
die Schweine errichtet. Dem Keise stellen sie namentlich kurz vor
der Reife nach. In dieser Zeit stellen die Malayen allerlei Lärm-
instrumente in den Feldern auf, die theils von AVächtern mittels
lauger Schnüre oder Eotantaue, theils durch den Wind bewegt
werden, um die Schweine zu scheuchen. Auch allerlei unnütze
Mittel werden von den Feldbesitzern angewandt, um sich gegen den
Besuch dieser Thiere zu schützen. Sie stecken z. B. rings um die
Felder kurze Stöcke in den Boden, deren oberes Ende sie in den
Gegenden, wo sich natürliche Asphalttümpel befinden, mit Theer be-
streichen; oder sie befestigen an diesen Stäben mittels Schnüren
dürre Blätter, Stücke Baumrinde oder Tuchlappen, die durch den
Wind hin und her bewegt werden und die „Babis" schrecken sollen.
Gewöhnlich kümmern sich diese aber nicht viel darum, nicht viel
mehr als um die Zaubersprüche, welche gelegentlich von besonders
weisen Malayen gegen sie gebraucht werden, dringen in die Felder
ein, und was sie nicht fressen oder durch Wühlen verderben, das
zerstampfen sie. Den reifen Bananen stellen sie besonders gerne
nach, schaden aber auch den jungen Pflänzlingen. Auch Zucker-
rohr, Manihot (Ubi kaju) und andere Nutzpflanzen fressen sie sehr
gerne. Kurz vor der Reisernte und während derselben wird man
durch die Malayen beständig um Schiesspulver gebeten, um aus
ihren alten, grossen Flinten auf in den Feldern marodirenden
Schweine zu schiessen.
Verlassene Ladanghäuser und sog. alte Rompoks werden von
diesen Thieren ebenfalls gerne aufgesucht. Sie finden hier allerlei
Abfälle, wühlen mit Vorliebe in der Reisspreu und fressen die
Früchte der zurückgebliebenen Culturpflanzen, wie Gurken, Kürbisse
etc. Auch in die Nähe der bewohnten Ortschaften wagen sie sich
gerne und oft, da sie von den Malayen kaum ernstlich belästigt
werden, weil dieselben als gläubige Muhamedaner nicht nur das
Fleisch der Schweine verabscheuen, sondern sogar getödtete Thiere
nicht einmal wegschaifen wollten, aus Furcht, sich durch Berührung
zu verunreinigen. Mehrere Male hatte ich Gelegenheit, direct von
meinem Hause in verschiedenen Ortschaften nach Schweinen zu
scliiessen, und einer meiner Begleiter erlegte hinter unserm Wohn-
Saiden Sumatras. 515
hause in Biiikii (Atel. Iliran) mit groben Schroten durch einen Schuss
zwei dieser Thiere. Dann und wann sah ich sie auch sich unter
die Karbaue (Wasserbüffel) mischen und ruhig zwischen diesen
grossen Wiederkäuern herumgehen, während sich dieselben in ihren
Tümpeln suhlten. Am häufigsten trifft man jedoch ihre Spuren an
den da und dort im Walde gelegenen Morästen, sog. Subans, die
auch von andern Säugern, namentlich Elefanten. Rhinoceros, Tapiren
und Hirschen aufgesucht werden und die dem Jäger deshalb ge-
wöhnlich günstige Stellen zum Anstand bieten.
Beim Reisen im Innern des Landes trifft man oft mit den
"\Mldschweinen zusammen. Die begleitenden Hunde stöbern sie
allenthalben auf. Häufig sieht man sie die Strassen und Wege
kreuzen oder denselben eine Strecke weit in gemüthlichem Trabe
folgen, manchmal allein, gelegentlich in kleinen Trüppchen.
Zur Zeit der Paarung, die wahrscheinlich nicht an so bestimmte
Jahreszeiten gebunden ist wie in gemässigten Zonen, sind mehrere
Thiere vereinigt. Die Männchen sind dabei sehr eifersüchtig auf
einander. Ihr Grunzen und Quitschen verursacht einen solchen
Lärm, dass man sie im Walde auf grosse Distanz hören kann. Ihre
sonstige Vorsicht lassen sie dabei mehr ausser Acht als gewöhnlich.
so dass man sich bis nahe an sie heranschleichen kann.
„Da in dem heissen Erdgürtel die Zeit der Fortpflanzung der
Thiere selten festen Regeln unterworfen ist", schreiben MIt^ler u.
Schlegel (8) p. 172, „so findet man auch beinahe zu allen Zeiten
des Jahres junge Schweine in den Wäldern; jedoch meist in der
Trockenzeit während des Ostmonsuns; zwischen den Monaten April
und October."
Am 19. October 1900 traf ich zwischen ]\Iusi und Lematang in
der Nähe von Kertaju eine Bache mit einigen ganz jungen Frisch-
lingen. Anfangs Januar 1901 kaufte ich in Muara Lakitan (oberer
Musi) ein Ferkel mit sehr deutlichen Längsstreifen. Am 3. Februar
1901 brachte man mir ein Ferkel, bei dem die Längsstreifung schon
stark verschwommen war.
Im dichten Walde stösst man liie und da auf die Lagerplätze
der Schweine, rumali Imbi, ,.Schweinehäuser", wie sie die Malayen
wohl auch nennen. Dieselben bestehen aus einem Gewirr von
Aesten. welche zusammen einen flachen Kegel bilden, worunter sich
das Schwein bergen kann. Das Dach dieser Schutzorte ist aber
nicht wasserdicht.
Wie ich schon andeutete, stellen die ]\[alaven den Schweinen
516 Walter Volz,
nicht eigentlich nach. Die Kubus ^) jedoch jagen sie ihres Fleisches
wegen. Ich selbst finde das Fleisch dieser Thiere recht schmack-
haft, mein Urtheil darüber ist jedoch vielleicht deshalb kein maass-
gebeiides, weil ich oft Wochen lang kein frisches Säugethierfleisch ei--
halten konnte und das Erbeuten eines Schweines dann jeAveilen ein
kleines Fest war. Die Kubus fangen die Thiere in Schlingen. Auch
die Malayeu erbeuten sie gelegentlich, aber nur zufällig. Sie
spannen nämlich längs den Waldsäumen, welche ihre Reisfelder um-
geben, Schlingen, um die Hirsche, welche kommen, um in den
Pflanzungen zu äsen, abzufangen. In diese Fallen geraten manch-
mal Schweine.
Der ärgste Feind der Babis ist aber der Tiger, dessen Haupt-
nahrung sie jedenfalls bilden. Im Tigerkoth sind, so zu sagen, stets
Schweinehaare enthalten, und wenn man ein Aas findet, das den
Ueberrest einer Tigermahlzeit bildet, so ist es fast immer dasjenige
eines Schweines. Auch von den kleinen Blutegeln (Patjets) und be-
sonders den Zecken haben die Thiere viel zu leiden. Letztere setzen
sich namentlich an solchen Stellen des Körpers an, wo sie vom Rüssel
nicht weggescheuert werden können, namentlich zwischen den Beinen,
an der Kehle, dem Bauche und den Genitalien. Dabei erreichen sie
oft den Umfang grosser Erbsen und verursachen dem Thiere jeden-
falls grosses Unbehagen.
Dass sich Sns vittatus zur Zähmung eignet, ist längst bekannt.
Das Battak-Schwein ist ein ganz naher Verwandter davon. -) Nörd-
lich vom Rawas in einer kleinen Colonie von Kubus traf ich eben-
falls 2 zahme Babi utan, die von jung auf bei diesen Leuten gelebt
haben und das Dörfchen nur zum Aufsuchen ihrer Nahrung verliessen.
Ueber die Schweine gibt es bei den Malayen eine Menge von
Sagen, nach einigen davon sind dieselben verzauberte Menschen.
1) Vgl. VoLZ, W., Lacertilia von Palembang (Sumatra), in: Zool.
Jahrb., V. 19, Syst., 1903, p. 428, Anm. 1.
2) Vgl. darüber namentlich Otto (17), p. 97.
Suideii Sumatra*.
517
Tabelle
mit den absoluten Maassen von 4 männlichen Schädeln
von Sits vitfatns von Sumatra (in mm).
1
1.
2.
3.
4.
1.
Basalläng-e des Schädels
271
281
301
284
2.
Profilläuge des Schädels bis luteniuixilhirspitze
317
329,5
357
328
3.
Forameu maguum bis Vomei-Anfaug-
44 C?)
46
46,5
48
4.
,. „ „ Mitte d. Gaumeuausschnitts
82
82
86
86
5.
Grüsste Breite dos Schädels au deu Jochbogeu
129,5
143
162
137
6.
Grüsste Stirubreite (au deu Postorbital-Fortsätzen)
88,5
98
115
93,5
7.
Kleinste „ au der oberu Thräueubeiuuaht
42
46
45
41.5
8.
Kleinste Breite zwischen deu Scheitelleist eu
34
34,5
34
31'
9.
Grösste Breite an den OccipitalHügelu
52,5
71,5
80
61,5
10.
Breite der Nasalia au der hintern Spitze der
Intermaxillaria
31
29
34
30.5
11.
Gauineubreite zwischen Vorjoch von M,
22
21
28
25
12.
)) » )5 11 ^M
28
30
31,5
30
13.
n :; ?? » 1»3
33
35,5
36,5
34
U.
Breite der Schnauze über Pg
50
52
54
52
15.
Höhe des Occiput vom Unterraude des Foramen
magnnm ab
101
109,5
123
108
16.
Höhe des ganzen Schädels iucl. Unterkiefer
190
198
223
200
17.
Lauge der Frontale und Parietale zusammen
(Mittellinie)
170,5
179
9
176
18.
18a.
Länge der Nasalia (Mittelliuie)
Grösste Länge der Palatiua dicht neben der
139
142,5
•p
142
Mittellinie
47
40
40
50
18b.
Länge des hinter M.^ liegenden Theils der Pala-
tiua (Mittellinie)
00
5
14
10
19.
(^uerdurchmesser der Orbita
37
40
47
42
20.
Höhe des Lacrymale am Orbitalraude
21
24
V
25
21.
„ „ „ über der Vorderecke der untern
Naht
26
28
?
27
22.
Länge des Lacrymale am Unterrande
20
18
9
20
28'
,, „ „ am Oberraude
50
44
54
41
24.
„ der ganzen oberu Backeuzahureihe
110
9
108,5
115
25.
„ der 3 oberu .Molaren
66
66.5
65.5
68
26
„ von Fl, P.^ und P^; (Henskl)
33
39
38
:-i9
27.
„ von M;, sup. (Mittelliuie)
29
31
32,5
30,5
28.
Breite des Vorjochs von M.. suj).
22
24
20,5
22
29.
Grösster Durchiuesser der oberu C'aniu-Alveole
20,5
25,5
28
18
30.
Länge des Intermaxillare am Alveojarrande
57
62
68
57
31.
„ „ Unterkiefers bis Hinterrand des Condylus
242
254 (?)
262
251
32.
„ „ » „ hinter M.,
165,5
165 (?)
168
167
33.
Grösste Breite des Unterkiefers bis an die Condylen
115
122
135
118
34.
Untere Backeuzaliureihe ohne P4
107
108,5
110
114
35.
Länge der 3 unteru .Molaren (Mittellinie)
67
69
71
66.5
36.
„ des .M;; inf. (Mittellinie)
32
34,5
37
30
37.
Grösste Länge der Unterkiefer-Symphyse
64,5
71(?)
70
65,5
38.
Basilarlänge
253
263
283
266
39.
Palatalläuge
189
198
215
201
518 Walter Volz,
Im Vorstehenden gebe ich eine Tabelle mit den ]\[aassen von 4
Schädeln von Sns vittafns, die alle von Snmatra stammen. Sie wird
vielleicht einem spätern Bearbeiter der indo-malayisehen Sniden sein
3Iaterial vervollständigen helfen. Die Art der Messungs weise ist
gen an dieselbe, wie sie Nehring (12) Tabelle II, p. 32 angewandt
hat. Dazu füge ich noch die Basilarlänge nach Hexsel und die
Palatallänge (vordere Spitze des Intennaxillare bis Hinterende des
Palatinum, dicht neben der Mittellinie).
Beschreibung der 4 Schädel.
1. Schädel eines fast ausgewachsenen Männchens, von Palem-
bang, 1901. M^ u. « schon etwas abgekaut. Talon von M., sup. n.
inf. erst kürzlich durchgebrochen. Eckzähne noch kurz (im Ver-
gleich mit den 2 folgenden Exemplaren). P^ unten von Po nur
durch einen 1 mm langen Zwischenraum getrennt. Alle Nähte noch
sehr deutlich.
Gesammelt von Dr. W. Volz.
2. Altes Männchen von Palembang, 1902, mit mächtigen untern
Caninen. Die Backenzähne sind alle in Thätigkeit gewesen, die
vordem z. Th. stark abgekaut. P^ oben fehlen spurlos; Pg oben
stösst direct an die Alveole des Eckzahns. Unten ist P^ wohl ent-
wickelt und stösst direct mit Po zusammen. Nähte deutlich.
Gesammelt von Dr. E. Kissling, Privatdocent in Bern.
3. Altes Männchen von Sumatra, mit kräftigen Eckzähnen.
Alle Zähne stark in Usur gewesen. P4 oben ausgefallen, ihre Al-
veolen noch deutlich. P^ unten vorhanden, von Po durch einen
3 mm langen Abstand getrennt. Nähte der Knochen z. Th. nicht
mehr sichtbar.
4. Junges Männchen von Sumatra, etwas jünger als das sub 1
beschriebene. Talon von M,, oben und unten noch in der Alveole.
P^ unten von Pg durch einen Abstand von 10 mm getrennt. Nähte
des Schädels sehr deutlich.
2. Sus harhatus MIjll. et Schleg. = Sns ol Miller (6 u. 7).
Die weiten, fast flachen Gebiete an der Nordostküste der Resident-
schaft Palembang waren bis vor wenigen Jahren fast unbekanntes
Land. Sehr weit vom Meere weg machen sich im Innern längs den
Flüssen die Gezeiten bemerkbar. Beiderseits von den Wasserläufen und
Suiden Sumatras. 519
weit hinein vom Seestrand dehnen sich Sümpfe, bewachsen in der
Nälie des Brackwassers von Mang-roven, Sonneratien und den lang-
weiligen Nipapalmen, hinter welchen die schlanke Bajas- oder Xibung-
palme ihre hell grünen ^^'edel erhebt, und dahinter und an den Ober-
läufen der Flüsse, bis wohin das Meerwasser nicht mehr dringen kann,
aber die Fluth die langsam abwärts fliessenden ^Vassermasse■n doch
noch staut, dehnen sich die unendlichen Urwälder, für welche dei'
herumschweifende Kubu das Wort „alas" gebraucht, was ungefähr
„das unendliche Waldmeer" bedeutet.
Die Menschen haben sich hier nur an ganz wenigen Stellen
dauernd angesiedelt. Einige Malayen benutzen die spärlichen Plätze,
wo sich das Land auch zur Regenzeit aus dem Meilen weit sich
dehnenden Wasser erhebt, zum Anbau von Reis. Im Innern der
Wälder nomadisiren kleine Horden der heidnischen Kubus; der
Europäer hat bis vor wenigen Jahren seinen Fuss kaum in diese
Wildnisse gesetzt. Erst vor kurzer Zeit drangen ^^'eisse bis an die
Oberläufe der grossen Ströme, welche diese Einöden durchschneiden,
hauptsächlich am Lalang bis hinüber auf das Gebiet des bis vor
wenig Jahren noch unabhängigen Sultanats Djambi. Das Petroleum.
in den Pliocänschichten , welche den Untergrund dieser Gegenden
bilden, lockte sie hierher. Diesen kühnen Eindringlingen, zum
grössten Theile Holländern, verdanken wir die Kenntniss jener
Strecken. Wo sonst kaum halbwilde Menschen hinkamen, erheben
sich jetzt europäische A\'ohnhäuser, welche eine Petroleum-Raffinerie
umgeben, die mit allen Finessen der Technik ausgestattet ist. Wege
entstanden, und das Land wurde so weit als nöthig genau karto-
graphisch aufgenommen. Dabei wurde manche interessante geologische
und geographische Thatsache gefunden; aber auch einige zoologisch
nennenswerte Beobachtungen wurden gemacht. Dem holländischen
Chefarzt einer grossen Petroleumunternehmung, Herrn Dr. A\'. Block,
verdanke ich zwei Schädel einer bis dahin in der Residentschaft
Palembang unbekannten Schweineart. Diese beiden werthvollen Ob-
jecte, welche ich im Jahre 1902 bei Herrn Dr. Block in B ajung
Lentjir am obern Lalang sah, stellte mir derselbe in liberalster
Weise zur Verfügung und schenkte sie später dem Naturhistorischen
Museum von Bern. Ich benutze auch hier die Gelegenheit, um
Herrn Dr. Block dafür meinen besten Dank auszusprechen.
Es war mir allerdings schon bekannt, bevor ich dieser beiden
Schädel ansichtig wurde, dass ausser dem überall vorkommenden
Sm vitfatus noch in einigen, der Küste nahe liegenden Stre(iken
520 Walter Volz,
eine andere Scliweineart vorkommen soll. Schon im Jahre 1900 er-
hielt ich durch Malayen, welche vom Musi oder Rawas aus nach
Nordwest-Palembang gegangen waren, um in jenen Sumpfgebieten
aus den dort häufigen Palaquium-Arten das werthvolle Guttapercha-
Harz zu sammeln, von diesen Thieren Kunde. Sie berichteten von
einem grossen Schweine von heller Körperfarbe, wie die „Schweine
der Chinesen", die alljährlich einmal vom Meere her ins Innere
wandern sollten. Diese Thiere heissen malayisch Nangwie; die
Holländer, welche davon hörten, nennen sie „Strandvarkeu" oder
Strandschweine.
Herr Dr. Block schrieb mir über die Lebensweise dieser Schweine
Folgendes :
„Das Nangwie oder Strandvarkeu zieht vom Strande des Meeres
nach dem Innern des Landes und zwar während der Monate No-
vember, December und Januar ^) und geht wieder nach dem Meeres-
strand in den Monaten Februar, März und April.
Der Zug nach dem Innern wird, wenn man den Leuten hier
glauben kann, verursacht durch die in dieser Zeit stattfindende
Reife gewisser Früchte, es ist also eine Wanderung zu bessern
Nahrungsplätzen.-) ^^'enn die Früchte^) alle aufgezehrt sind und
die trockene Jahreszeit bevorsteht, so ziehen die Thiere wieder
gegen den Strand hin. Die Zeit im Innern des Landes wird auch
zur Paarung benutzt (bessere Ernährung ?). Dass man auch während
der Jahreszeiten, wo die Nangwies am Meere leben, einige wenige
Thiere im Innern antrifft, erklärt sich dadurcli, dass von den Jungen
oder ganz alten einige zurückbleiben.
Das Hin- und Herziehen der NangAvies geschieht in grossen
'i'ruppen, deren jede ein altes Männchen zum Führer hat. Letzterer
geht erst allein über einen zu überschwimmenden Fluss; ist er auf
der andern Seite desselben angelangt und wittert hier keine Gefahr,
so stösst er einen lauten Schrei aus, worauf die Truppe folgt. In
einer Truppe sind mehrere 100 Thiere vereinigt.
Die Kubus, welche diese Schweine gerne essen, warten an ge-
wissen Stellen in lautloser Stille den Uebergang des Führers ab.
1) Also während der ersten Hälfte der Regenzeit.
2) Beehm (Thierleben) erwähnt, dass auch unser europäisches Wild-
schwein zur Zeit der Reife der Eicheln Wanderungen zu guten Nahrungs-
plätzen unternimmt ; dieselben sind freilich nicht so regelmässig, wie beim
Nangwie.
3) Bis jetzt ist nicht bekannt, was für Früchte es sind.
Suiden Sumatras.
521
Erst wenn derselbe das Signal gegeben hat und den Uebergaug
nicht nielir hindern kann, gehen die Kubus, mit Parangs ') bewaifnet.
zum Angriff über. Gewöhnlicli wird der Ueberfall gemaclit, wenn
I
die Nangwies vom Lande zum ]\Ieere ziehen. Durch die reichliche
Fütterung sind sie besser ernälirt und deshalb^sehr fett.
Das Verbreitungsgebiet des Nangwies soll sich vom Norden nacli
Süden vom Indragiri-Fluss bis zum ]\Iusi ziehen" (vgl, Kartenskizze).
1) Der Parang ist eiu Hackmesser, das den Malayeu zum Holzfällen
etc., aber auch als Waffe dient.
522 Walter Volz,
Mit dieser aiischaulicheii Schilderung, die uns Dr. Block giebt,
stimmen die Nachrichten, welche ich selbst über das Thier einziehen
konnte, überein. Jedenfalls ist sicher, dass die Nangwies grosse
Wanderungen unternehmen und dass ihnen dabei zum Uebersclnvimmen
kein Fluss zu breit ist. Ob aber ihre Wanderungen nur durch die
Eeife gewisser Früchte oder noch durch andere Ursachen bedingt
werden und ob sich dabei die Flussübergänge genau in der uns
von Dr. Block geschilderten, ihm übrigens von Malayen oder Kubu
erzählten Weise abspielen, bedarf noch weiterer Beobachtungen.
Was übrigens das südliche Verbreitungsgebiet dieser Sus-Avt an-
belangt, so kann man wohl den Musi, resp. dessen nijrdliches Zufluss-
gebiet als Südgrenze angeben. Ich habe mehrere Jahre beiderseits
von Musi und Rawas zugebracht, hörte jedoch nie, dass die Nangwies
bis an einen dieser Flüsse vorgedrungen wären, dagegen bis an
nördliche Nebenflüsse des Musi. In den Batang Leko, einen der
grössten linksufrigeu Nebenflüsse des Musi, ergiesst sich weit oben
der Sungei Kapas und in diesen wieder der Sungei Nangwie. Letz-
terer ist deshalb wichtig, weil in seiner Nähe die vielumstrittene
Grenze zwischen der Residentschaft Palembang und dem Sultanat
Djambi verläuft. Jedenfalls deutet sein Name darauf hin, dass die
Nangwies schon bis hierher kamen. Diese Schweine finden sich
ferner zu gewissen Zeiten zwischen dem obern Batang Leko, resp.
dessen linken Nebenflüssen und dem Lalang, welch letztern sie in
ansehnlichen Schaaren überschwimmen, wie mir Augenzeugen be-
richteten. Zur Zeit, als ich den Lalang befuhr, im Mai und Juni
1902, gab es dort keine Nangwies. Auch im untern Teile von
Djambi sind diese Thiere wohlbekannt. Ihr Verbreitungsgebiet
richtet sich vielleicht nach dem Vorhandensein einer uns unbekannten
Nährpflanze. Bis ins Stromgebiet des eigentlichen Banju asin
scheinen die Nangwies nicht einzudringen ^) (vgl. Kartenskizze).
Ein mir bekannter Holländer, welcher einst eines dieser Thiere
schoss, schilderte mir dasselbe als bedeutend grösser als Sus vittatus,
namentlich hochbeiniger. Die Farbe des Körpers sei weiss oder hell.
Verwundete Nangwies sollen nicht ungefährlich sein.
Zum ersten Male wird in der Literatur diese Stts- Art erwähnt
1) Zur nähern Orieutirung ül:)er die geographischen Verhältnisse in
der Residenz Palembang verweise ich auf eine Karte in: VoLZ, W., lieber
die Verbreitung von Siamanga syndactylus und Hylebates agilis in der
Residenz Palembang, in: Zool. Jahrb., V. 19, Syst., 1903, p. 670,
Saiden Sumatras. 523
durch MiLLEK (6). Dr. Abbott erbeutete im September 1901 ein
ausgewachsenes Männchen des Nang--oi-Schweines am Indragiri Fluss
(Ost-Sumatra). Dasselbe wurde von Miller (6) als Sxs oi n. sp. be-
schrieben. Dieser Name ist sehr unglücklich gewählt. Das Thier
heisst malajdsch Nangwie nicht Nang-oi. Die malayischen Eigen-
namen werden nicht nach chinesischer Art in einzelnen Silben ge-
trennt geschrieben. Es hat ungefähr denselben Sinn, das Nangwie
Sxs oi zu nennen, wie wenn man unsere Ziege Capra ge nennen
würde. Jedenfalls ist sicher, dass Sus oi j\Iiller mit dem Nangwie
der nördlichen Küstenstriche von Palembang identisch ist. Dass es
keine unbeschriebene Art ist, zeigt die weiter unten folgende Be-
schreibung und Vergleichung mit Sns harhaius Müll, et Schleg. von
Borneo. Dass Abbott das Schwein am Indragiri-Fluss erbeutete,
zeigt übrigens, dass Herr Dr. Block, resp. die von ihm ausgefragten
Eingebornen völlig Recht hatten, wenn sie behaupten, dass diese Art
bis an jenen Fluss vorkomme. Nach den Angaben Abbott's (vgl.
Miller (7) p. 147) ist das Thier in den ^^'äldern und Sagopflanzungen
längs den Ufern des Indragiri-Flusses häufig. Seine Fussspuren
können von denjenigen von Sus vittatus in Folge ihrer bedeutendem
Grösse stets unterschieden werden. Das durch Abbott gesammelte
Exemplar stammt aus der Gegend von etwa 30 Meilen oberhalb der
Gründung des Indragiri-Flusses.
Herr G. Schneider in Basel, welcher den Indragiri-Fluss eben-
falls befuhr, hörte von den Nangwies in jenen Gegenden auch
sprechen. lieber seine bezüglichen Beobachtungen und Erfahrungen
gedenkt er anderswo selbst zu berichten.
Gehen wir nun zur Beschreibung des Thleres selbst über. Ich
folge dabei vollständig der Arbeit Miller's (6), dem wir die einzigen
Angaben über das Aeussere verdanken, und bringe dieselbe über-
setzt in Sperrdruck und Anführungszeichen zum Abdruck, wo-
bei ich jeweilen, wenn nöthig, meine eignen Befunde einfüge. Letztere
vergleiche ich hauptsächlich mit den vorzüglichen Beschreibungen
des Sus barbatus von Spillner (18).
,,U n t e r e i n i g e n S ä u g e t h i e r e n , w e 1 c h e V 0 n Dr. W. L. Ab-
bott am Indragiri-Fluss, Ost-Sumatra, im September
1901 gesammelt und dem United States National
Museum in ^^'ashington geschenkt wurden, befindet
sich ein ausgewachsenes Männchen des Nang-oi, einer
grossen Schweineart, welche dem borneensischen Sus
harhat HS WC LLEH und Stis long i rostris 'Sehri^g verwandt
524 Walter Yolz,
ist. Es ist von den Arten von Sus, welche bisher be-
schrieben wurden, verschieden und mag- bezeichnet
AY erden als
Sus oi n. sp.
„Beschreibung. — Aeusserlich am meisten Sus bar-
bat us ähnlich, jedochKör per selbst spärlicher behaart
(eine Mähne fehlt, und die Haut ist nirgends durch
Borsten ganz verhüllt, ausgenommen im Gesicht), mit
zwei gut entwickelten, warzigen Protuberanzen auf
der Schnauze. Schädel im wesentlichen wie bei Sus
Jongirostris. Zähne kleiner als bei Sus longirosiris
oder Sus barbatus, der hintere untere Molar in der
Grösse stark reducirt, fast wie bei Stts celebensis.^'
Auf diese Punkte werde ich weiter unten des Näheren eingehen.
„Aeussere Merkmale. — Der Leib und Hals sind spar-
sam und gleichförmig mit schwarzen Borsten übersät,
welche nirgends die gelblichweisse Haut verhüllen.
Auf den Seiten und am Bauche sind sie sehr steif,
dicht angedrückt und nach rückwärts gerichtet, un-
gefähr 20mm lang und nahezu 5mm im Durchmesser.
Auf den Beinen sind sie weniger grob und zahlreich
genug, um einen erkennbaren dunkeln Schatten zu er-
zeugen. Längs der Mittellinie von Hals und Rücken
nehmen sie an Länge bis etwa 50 mm zu, ihr Durch-
messer nimmt zu gleicher Zeit bis 3 mm ab. Die Haare
1) i 1 d e n k e i n e M ä h n e , aber durchweg, wo sie bei andern
Schweinen vorkommt, sind die Haare weniger zer-
streut und angepresst als anderswo. Sie sind schwarz,
mit gelbbraun getupft. Kopf wie bei Sus barbatus (vgl.
tab. 30 der Verband], over de natuurlijke geschie-
denis d. Nederl. overzeesche b ez it t ingen), ausge-
nommen, dass ungefähr in der Mitte zwischen Auge
und Rüssel zwei gut entwickelte Warzen vorhanden
sind, die 30mm in der Länge und 20mm in der Breite
messen, dicht bedeckt mit steifen, geraden Borsten.
Diese Borsten sowohl als die des obern Theils des
Gesichtes sind einförmig gelblich- braun. Auf den
Wangen sind sie stark mit schwarzen gemischt.
Schwanz spärlich mit steifen, schwarzen Haaren be-
Suiden Sumatras. 595
deckt, die etwa 25 mm lang sind. Sie verhüllen die
Haut nirgends, jedoch sind sie am letzten Drittel
längs den Seiten genügend dicht, um eine deutliche,
flache Bürste zu bilden."
Da ich die sumatranischen Bartschweine nicht von Ansehen
kenne, so vergleiche ich die MiLLER'sche Beschreibung von Sus oi
mit denjenigen, welche Müller u. Schlegel (8) sowie Spillxer (18 1
von S. barhatus geben. Dabei stellen sich keine so grossen Unter-
schiede heraus, welche erlauben würden, die Thiere von Borneo von
denjenigen Sumatras specifisch zu trennen, weil sie sich in Bezug
auf Körperfärbung, Behaarung etc. stark genug unterscheiden würden.
Das Aeussere variirt übrigens bei den einzelnen Sus-Arten sehr
stark. RüTiMEYER (22) sagt darüber p. 470 bei Besprechung von
S. rittatus: „Schon die geographische Verbreitung scheint dieser
Form eine wichtige Rolle in der mit dem gemeinsamen Namen Sus
bezeichneten Gruppe anzuweisen. Erwägt man, dass bei Dickhäutern
aller Art manche Merkmale, die in vielen andern Thiergruppen nur
geringen Schwankungen unterworfen sind, wie Körpergrösse , Be-
schaifenheit des Haarkleides, ja selbst Hautfarbe so weitgehenden
individuellen und localen Schwankungen unterworfen sind, dass sie
ihren Wert zur Unterscheidung von Arten so viel als verlieren, so
wird überhaupt das Bild der Vertheilung der in Rede stehenden Ab-
theilung der Schweine ein sehr einfaches.
„Abnahme der Körpergrösse ist die allgemeinste Veränderung,
welche mit der Zertrennung auf das ost- und süd-asiatische Littoral
einhergeht. Dazu kommen allerlei Haarzierden in Form von Mähnen
oder sonstigen Haarbüscheln, sowie Entfärbungen, namentlich am
Kopf; ferner Veränderungen der Statur, Hochbeinigkeit und der-
gleichen, welchen man kaum andern als localen ^^'erth wird bei-
messen können. Sogar die allgemeine Form des Kopfes, die durch
Verkürzung oder Verlängerung des Gesichtsschädels sehr weitgehen-
den Graden von Veränderung unterliegt, wird nach den lehrreichen
Nachweisen von Natiiusius bei dieser ihre Nahrung durch ^Mihlen
gewinnenden Thiergruppe nur mit grosser Vorsicht als Species-Merk-
mal zu verwenden sein."
Ueber die Form der Schädel äussern sich auf ähnliche \\'eise
Müller u. Schlegel (8) p. 176 in Bezug auf S. verrucosus.
Die Hauptunterschiede in der Behaarung, welche zwischen der
sumatranischen und der borneensischen Form von S. barhatus be-
stehen, sind etwa die folgenden:
Zool. Jahrb. XX. khih- f. S.vst. ;35
526 Walter Volz,
Eine eigentliche Mähne scheint der Sumatra-Form zn fehlen.
Bei ihr sind die Borsten an den Seiten und am Bauche die stärksten,
während nach Spillner (18) p. 90 „am stärksten die weissgrauen
Borsten der markirten Stellen des Kopfes, zumal die des Backen-
bartes" sind. Am Ende des Schwanzes bilden die Haare bei S. oi
Miller „eine deutliche flache Bürste", Spillnee sagt vom S. har-
batus von Borneo in Bezug auf diesen Punkt: „Die Extremitäten
und der Schwanz sind tief schwarz, letzterer ist mit ebenso gefärbter
starker Endquaste versehen".
Als einen Hauptunterschied seines Sus oi von Sus harhatus macht
Miller das Vorhandensein von 2 gut entwickelten, warzigen Pro-
tuberanzen geltend. Es wurde allerdings früher angenommen, dass
Gesichtswarzeu bei S. barhatus nicht vorkommen sollen. Nach
NEHEiNa (13) p. 19 „besteht in der Behaarung und hinsichtlich des
Vorhandenseins resp. Fehlens von Gesichtswarzen ein oifenbarer
Unterschied zwischen S. longirostris und S. harbatns S. barbatus hat
nach einer bestimmten brieflichen Mittheilung JeiNtink's an mich
keine Gesichtswarzeu; S.' longirostris dagegen ist nach Grabowsky's
Angabe mit solchen versehen". Auch nach Gray (1) p. 23 u. 32
besitzt S. barbatus keine Gesichts warzen. Im Gegensatz zu diesen
bestimmt lautenden Aussagen berichtet nun v. Spillner (p. 89) das
Folgende :
„Am Oberkiefer vollzieht die Begrenzung der Querbinde ein
Büschel dicht stehender, grau weisser, straffer Borsten oberhalb des
Mundwinkels.
Es ist dieselbe Stelle, an welcher bei den Arten mit Gesichts-
warzen sich warzenähnliche Protuberanzen befinden.
Auf Grund dieses Umstandes und der nahen Verwandtschaft,
welche das Bartschwein der Schädelform nach mit den „verru-
cosen" Schweinen hat, nahm ich Veranlassung, diese Stelle genauer
zu untersuchen. Zu meiner eigenen Verwunderung konnte ich nun
mit Sicherheit auf dem Grunde dieser dicht bewachsenen Stelle bei
beiden Thieren eine warzenartige Auftreibung feststellen, die selbst
bei den getrockneten Häuten nach allen Seiten hin scharf abgesetzt
ist und sich deutlich von der übrigen Haut abhebt.
Bei der Untersuchung einer halben, in Spiritus aufbewahrten
Haut fand ich, dass die Warze bei den andern Präparaten stark
geschrumpft war, ^) sie hat die ungefähre Grösse einer kleinen "Wall-
1) Wahrscheinlich kounteu diese AVarzeu, weil sie bei ausge^-topftca
Suiden Sumatras. 527
nuss, ihre Höhe misst 13 nnu. am Grunde ist dieselbe 17 mm
breit. ^)
Meines Wissens ist für das Bartschwein etwas derartiges noch
nicht festgestellt und ich gebe zu, dass bei einer oberflächlichen Be-
sichtigung die Warzen nicht zu sehen sind, dieselben sind vielmehr
sehr versteckt und schwer aufzufinden. Zweifellos trägt das Männ-
chen diese Artcharaktere noch viel stärker ausgeprägt. Von andern
Gesichtswarzen konnte ich auch nicht die Spur feststellen".
Ebenso zeigten die Bastarde, welche aus Kreuzungen zwisclien
Bartschweinen und Hausschweinen in der Versuchsanstalt des land-
wirthschaftlichen Instituts zu Halle hervorgingen, in allen Fällen
die (lesichtswarze deutlich.
Schädel. — Der Schädel gleicht so auffallend dem-
jenigen eines alten Männchens von Sus Jongirostris
von Borneo, dass man leicht annehmen könnte, er ge-
höre einem Individuum jener Art an.
Es scheint mir hier der passende Ort, die 2 Schädel des
Sumatranischen Bartschweines, die sich in meinen Händen befinden,
zu beschreiben und sie zugleich mit den guten Angaben Nehrixg's
und V. Spillner's zu vergleichen.
Die oben citirten Worte Miller's über den Schädel genügen,
um seinen äussern Habitus zu kennen, wenn man die Arbeiten
Xehrinct's, welche über S. lom/irostris handeln, zur Hand nimmt.
Es kann sich deshalb hier nur noch um Details handeln, die Miller
in seiner Beschreibung versäumt hat, beizugeben; dabei verweise
ich aber hauptsächlich auf die hinten angefügten Messtabellen.
Die Basallänge (Entfernung zwischen dem untern Rande des
Foramen magnum und der äussersten Spitze der Intermaxillaria)
beträgt bei meinen sumatranischen männlichen Schädeln 898 resp.
438,5 mm, bei S. oi Mill. s von Indragiri 410 mm, bei S. longirosiris
XiiRG. i von Borneo 401 mm, von Java 405 mm, bei S. harbatus M.
et ScHL. S von Borneo 450, 431 resp. 400? mm.
Die Kehldorne sind schräg nach voru geneigt, so dass der auf-
steigende Ast des Unterkiefers dieselben fast gänzlich verdeckt.
Das Verhältniss der Gesammtschädelhöhe zur Basallänge liegt
Thierru stark schi-nmpfen, aus diesem (Ti-unde durch .Thntixk nicht mehr
gesehen werden.
1) Vgl. die Maasse der Warzen bei einem uiiännl. >'. oi weiter oben. —
Die von Sl'il.LXEK untersuchten Thiere waren AVeibchen.
35*
528 Walter Volz,
innerhalb der Schwankung-en von S. harbafns; das eine Maass stimmt
sog-ar genau überein mit den Verhältnissen, welche Spillner resp.
Nehring angeben. 1 : 1,59 resp. 1 : 1,66.
Auch bei diesen zwei Schädeln zeigt sich das schon von Spillner
beobachtete Verhalten, wonach bei dem grössern Schädel die Breite
der Occipitalflügel verhältnissmässig geringer ist als beim kleinern.
Bei letztem! verhält sich die Breite der Occipitalflügel zur Profil-
länge wie 1 : 6,60, beim grössern wie 1 : 7,00 {S. harhafus von Borneo
1 : 5,3—1 : 7,1).
Die Profillinie der Sumatra-Schädel ist eine recht verschiedene.
Bei dem kleinern, abgebildeten Thiere ist sie viel gestreckter und
gerader als beim altern. Eine gerade Linie, über die höchsten
Punkte der Profllcontur gelegt, ruht, mit Ausnahme von ca. 10 mm
der vordersten, sehr schwach nach unten geneigten Spitze, während
einer Strecke von etwa 4 cm auf den Nasalia auf. Dann bildet
die Contur eine schwache Einsenkung nach unten, und 2 cm vor
der engsten Stelle der Crista parietalis trifft? die Linie wieder auf
den Schädel, mit dem sie bis zur engsten Stelle in Contact bleibt.
Die tiefste Einsenkung auf den Stirnbeinen beträgt nur 8 mm. Die
tiefste Stelle zwischen den Occipitalflügeln ist 15 mm von der ge-
raden Linie entfernt. Das Profil dieses Schädels hat, von den mir
bekannten Abbildungen von S. barbatus am meisten Aehulichkeit
mit demjenigen von Müller u. Schlegel (8) tab. 31, fig. 5 ge-
gebenen.
Beim grössern Schädel ist die frontale und occipitale Einsenkung
grösser und die Profillinie deshalb weniger gestreckt. Die über die
obere Schädelcontur gelegte gerade Linie liegt vorn weniger lang
auf und ebenfalls hinten , wo sie nicht mit der engsten Stelle der
Crista parietalis zusammen-, sondern vor diese fällt. Der grösste
Abstand vom Frontale zu dieser Linie beträgt 21 mm, der grösste
Abstand von der Mitte der Occipitalflügel 29 mm. Diese Angaben
bestätigen demnach ebenfalls die Ansicht Spillner's, dass das starke
Variiren der Profillinie auch dem Bartschweine eigen sei.
Die Länge der Nasenbeine verhält sich zur Gesammtprofillänge
wie 1:2,14—1:2,20 (nach Miller 1:2), also wie bei S. barbatus
von Borneo. Auch die sumatranischen Schädel lassen keine deut-
liche Abgrenzung zwischen den Frontalia und Parietalia zu, da die
betreffenden Nähte dicht verwachsen sind.
Die Totallänge der Stirn- und Scheitelbeine zusammen beträgt
beim kleinern Exemplare 243 mm, beim grössern 269 mm. Letztere
Suideii Sumatras. 529
Zahl Übertrifft das grösste von Si'illnek angegebene ^[aass (252 mm),
bleibt aber noch um 7 mm hinter dem grössten barhattis-Schädel der
NEHRiNG'schen Sammlung (276 mm) zurück.
Die geringe Breite der Crista sagittalis wird von Xeheinö (9)
{). 349 und (10) p. 81 als ein besonderes Merkmal für sein S. lomji-
rostris angeführt, und in der That sind bis dato noch von keinem
S. harhatns so geringe Maasse gefunden worden. Si'iiiLXEK (18) p. 97
hat aber gezeigt, dass die Breite der Crista sagittalis eine sehr
wechselnde ist. Er hat bei drei sehr alten männlichen Schädeln
von S. harhatns 13, resp. 15 und 21 mm Breite des Kammes gemessen.
Die von mir gefundenen Zahlen beim Bartschw'ein Sumatras stehen
zwischen den geringsten Maassen von S. longirosfris (4 mm) und
S. harhatns (13 mm) mit 6 mm Breite beim altern und 10 mm Breite
beim Jüngern Schädel.
Auch die Wölbung des Schädels zwischen den Jochbeinfortsätzen
ist bei meinen sumatranischen Individuen bedeutender als bei S.
scrofa ferus. Das Verhältniss der Breite der Stirn (zwischen den
Jochbeinfortsätzen des Stirnbeins) zur Länge der obern Schädelpartie
(Frontale und Parietale zusammen) ist 1 : 2,3 — 1 : 2,31 ; das Verhältniss
der Stirnbreite zwischen den Thränenbeinrändern am Orbitalrande
zur obern Schädelpartie gleich 1 : 3,20—1 : 3,28 {S. harhatns 1 : 2,9
bis 1:3,1); Verhältniss der Stirnbreite an den Postorbitalfortsätzen
zur obern Protillänge des Schädels (Spitze der Nasalia bis Mitte
des Occipitalkammes) ist gleich 1 : 4,29—1 : 4,34 {S. harhatns $ 1 : 4,4);
Verhältniss dieser Stirnbreite zur Basallänge 1:3,77 — 1:3,78 {S,
harhatns S 1 : 3,46 und 1 : 3,45).
^^^as Spillner p. 98 über die Supraorbitallöcher und die von
diesen ausgehenden Rinnen aussagt, so gilt dies für die beiden
Sumatraschädel ebenso wie für S. harhatns von Borneo.
Breite der Nasalia am Hinterende der Intermaxillaria zur Länge
der Nasalia wie 1 : 5,45—1 : 5,73.
Was das Thränenbein anbelangt, so habe ich der Beschreibung
Simma'ek"s nichts beizufügen. Dieselbe stimmt für die Form der
Oberfläclie und der Konturen auch völlig für meine Schädel aus
Palembang. Anschliessen möchte ich mich ferner auch vollständig
seiner Ansicht, dass dieser Knochen lange nicht die grosse \\'ichtig-
keit besitzt, die ihm einige Zoologen beimessen wollen.
Folgende Tabelle zeigt die Verhältnisse für die beiden Schädel
von S. harhatns und vier Schädel von S. vittatns von Sumatra:
530
Walteh Yolz,
S. barbatus A.
« » B-
S. vittatns Volz
„ „ KiSSLING
„ „ B.
11 11 '-^ •
Untere
Obere 2)
Höhe 1)
Länge
Länge i
29
33,5
59
31?
33,5
—
21
20
50 1
! 24
18
44
y
9
54
25
20
51
1 : 1,15 : 2.03
1 : 1,08 : —
1 : 0.95 : 2,38
1 : 0;75 : 1,83
1 : 0,80 : 2,05
Auch was die Jochbeine betrifft, so sind keine wesentlichen
Unterschiede zwischen den Bartschweinen beider Insehi zu finden.
Der geringste Abstand zwischen den Hamiili pterygoidei und
den Bullae osseae auditoriae beträgt beim Jüngern Schädel 3 mm,
beim altern 10 mm. Diese Maasse schwanken also noch etwas mehr
als die von Spillnee angegebenen (6 — 11 mm).
Bei meinen zwei Schädeln steht das Hinterende des letzten
Backenzahns bedeutend vor dem vordem Orbitalrande (vgl. Fig. 1).
Die starke Einsenkung des Gaumens macht sich hinter den
obern Eckzähnen deutlich bemerkbar, wobei die entsprechende
Wölbung der Nasalia jedoch nur beim altern der beiden Thiere zu
sehen ist. Die Form der obern Backenzahnreihe ist ebenfalls wie
bei S. barbatus von Borneo; jedoch ist ihre flacli Sförmige Gestalt
beim altern der zwei Schädel weniger deutlich als beim i'ünoern
(Fig. 2).
Das Verhältniss der Distanz zwischen Forameu magnum und
Mitte des Gaumenausschnittes zur Basallänge ist 1:4,87 — 1:4,91
{S. barbatus S 1 : 4,74) und zur Totallänge des knöchernen Gaumens
(Palatallänge) gleich 1 : 3,92 (S. barbatus S 1 : 3,77). Palatallänge
zur Basallänge wie 1 : 1,25 bei beiden Schädeln {S. barbatus eben-
falls 1:1,25).
Das Verhältniss der Länge des Intermaxillare am Alveolarrande
zur Basallänge beträgt 1 : 4,21—1 : 4,37 (S. barbatus 1 : 4,36—1 : 4,8)
und zur Proflllänge 1:4,85—1:5,07 {S. barbatus 1:4,9-1:6,1).
Was den Bau der Palatina anbelangt, so stimmt derselbe voll-
ständig überein mit dem der Bartschweine von Borneo. Die Krümmung
nach oben beginnt hinter dem Hinterrande der letzten obern Molaren.
Ebenfalls die Unterkieferverhältnisse sind ganz ähnliche.
..Zähne. — Die Zähne, mit Ausnahme der C aninen,
sind sämmtlich kleiner und schmaler als diejenigen
1) Am Orbitalrande.
2) Inclusive verlängerter, vorderer Knochensplitter.
I
Suiden Sumatras. 531
von S. longirost ris. Obere Schneidezähne weit getrennt.
Der zweite ist von beiden, dem ersten und dritten,
d u r c h einen Z w i s c h e n r a u ni von 15 mm geschieden (b e i
S. long irost ris ist die Distanz zwischen zweitem und
erste m 5 mm und zwischen zweite m und d r i 1 1 e m n u r
2 mm). Letzter Höcker des hintern, obern Molaren
weniger gross als die Hälfte des c orr es pon dir enden
Zahns bei S. longirostris. Dritter unterer Molar nur
aus 2 Qu er Jochen und einem Endhügel bestehend, die
ganze Länge des Zahns bedeutend geringer als die-
jenige der zwei davorstehenden Zähne zusammen. In
der Form ähnelt er sehr der von Nehkinci gegebenen
Figur desselben Zahns von S. ceJehensis (12) (tab. 2.
fig. 8) und ist sehr verschieden von demjenigen von
S. Jongirosiris un d S. cristafus. (Bei S. harhafus ist dieser
Zahn, nach Neheing, von gewöhnlicher Form, d. h. mit
drei Querjochen und einem Endhügel)."
Die beiden mir aus Palembang zur Verfügung stehenden männ-
lichen Schädel von S. harhaim gehören verschieden alten Thieren au.
Der jüngere, abgebildete Schädel A zeigt alle Zähne in Usur. Je-
doch sind die zwei hintersten Molaren noch gar nicht abgenutzt.
Die ßezahnung des Oberkiefers ist vollständig (3 Incisiven und ein
Canin fehlt, doch sind die Alveolen sehr deutlich). Am Unterkiefer
sind alle Zähne erhalten mit Ausnahme des dritten Schneidezahns
der linken Seite, der spurlos fehlt. Solches Fehlen von Zähnen be-
richtet auch Spillnek (p. 105).
Schädel B gehört einem sehr alten Keiler. Im Oberkiefer be-
sitzt derselbe keinen Incisiven mehr; die Alveolen sind noch er-
halten, aber z. Th. schon fast zugewuchert, namentlich die hintern.
C^ muss vor langer Zeit verloren worden sein; die Alveole ist nur
noch ein kleines Loch. Auch von der Molarreihe fehlen mehrere
Zähne seit langer Zeit, die Alveolen sind theilweise verschwunden.
Im Unterkiefer sind die zwei vordersten Schneidezahngrubenpaare
noch sehr deutlich, die Zähne dazu können noch nicht lange fehlen,
das hinterste Paar ist jedoch auch im Begriffe zuzuwuchern. Der
rechte Eckzahn ist sehr stark abgenutzt. P4 fehlen vollständig und
spurlos. Die übrigen untern Backenzähne sind alle vorhanden und
bedeutend besser erhalten als die obern.
Beim Jüngern Schädel, der namentlich mächtige Hauer zeigt,
sind diese sowie die Schneidezähne schwarz, und beim alten Thiere
532 "Walter Volz,
sind alle Zähne völlio- geschwärzt, besonders die Schneide- und Eck-
zähne, ähnlich wie bei S. harhatus von Borneo (Spillnee p. 106).
Molaren. — Molar 1 sup. misst beim kleinern Schädel 18 mm
in der Länge, beim grössern 17 mm. Auch hier hat also der kleinere
Schädel den längern, obern M^ {S. harhatus 18^20 mm). Ein in
unserer Museumssammlung befindlicher Schädel von S. scrofa ferus
zeigt rechts ebenfalls 18 mm, links 17 mm Länge. Die M^ inf.
messen bei beiden Schädeln 17 — 17,5 mm {S. barhahts 17,5 — 11) mm).
M.2 sup. misst in der Länge bei Schädel A 23,5 mm, bei Schädel B
(dem altern) 22 mm; M._, inf. bei A 22 mm, bei B 21,5 mm.
Während Mg sup. von demjenigen von S. harhatus Borneos nicht
verschieden zu sein scheint, besteht zwischen M3 inf. der Individuen
von Sumatra und von Borneo dadui-ch ein Unterschied, dass beim
erstem nur 4 Haupthöcker und ein fünfter, hinterer Höcker vor-
handen sind; zwisclien letzterm und dem zweiten Querjoch ist noch
ein etwas niedrigerer, bieiter Höcker eingeschoben \) (vgl. Fig. 4).
Dadurch ist der Zahn von dem des S. harhatus von Borneo und auch
von dem von S. verrucosus von Java verschiedener, als letztere es
von demjenigen von S. scrofa ferus sind. -) Diese Bauart von M., inf.,
welche nach Millee's und meinen Untersuchungen constant zu sein
scheint, hat am meisten Aehnlichkeit mit derjenigen von S. celebensis
Müll, et Schleg. (vgl. Nehking (12)) und der Varietät philippensis;
ob aber dieses Merkmal bei der übrigen grossen Uebereinstimmung
zwischen S. harhatus von Sumatra und S. harhatus von Borneo ge-
nügt, um erstere Form als selbständige „gute Art" von der borneen-
sischen zu trennen, muss ich spätem Untersuchungen überlassen.
Die Form von M3 inf. meiner Schädel stimmt also mit der-
jenigen von Bus oi aus Indragiri überein; dies ist jedoch nicht der
Fall bezüglich der Längenverhältnisse, verglichen mit den der zwei
davorstehenden Zähne (M^ und Mo). Während nämlich bei dem von
Miller beschriebenen Thier die Länge von Mg inf. bedeutend ge-
ringer ist als die von M^ und M« zusammen, zeigt ein Blick auf
die S. 537 zusammengestellte Tabelle, dass bei beiden Schädeln von
Palembang Mg fast genau gleich lang, resp. in zwei Fällen sogar
ganz wenig länger ist als Mj -|- M«. Ganz gleiche Verhältnisse
zeigen sich auch bei S. harhatus resp. S. longirostris.'^) Die Länge
1) VgL darüber auch weiter oben, S. 531 bei MiLLEB.
2) Stehlin (19), p. 70.
3) Nehking (12), Tabelle II, p. 32.
Suideu Sumatras. 533
von M3 sup. ist 37, resp. 39—41 nun und die Länge der davor-
stehenden zwei Molaren 38,5 resp. 37 — 39 mm. Neheixg (9) sagt,
dass ,313 sup. bei S. Jotigirostris wesentlich kürzer ist als Mg + M^,
(35 mm : 42 mni)". Uebrigens passt der Ausspruch Mi llek's, dass die
Zähne von Sus oi, mit Ausnahme der Caninen, sämmtlich kleiner
und schmaler seien als diejenigen von .S^. lou(jirostris, absolut nicht
auf die zwei von mir untersuchten Tiere. Hier sind die Zahnver-
hältnisse zur Basalaxe sämmtlich die gleichen wie die von Xeh-
kixct (12) angegebenen.
Sämmtliche obere Prämolaren stehen dicht zusammen. Bei
Schädel A beträgt die. Distanz zwischen den Alveolarräudern von
P.. und Pj inf. links 20 mm, rechts 17 mm.
Querschnitte durch die rechten, uutern Cauinen, A vom Jüngern, B vom
altern Individuum.
Die Caninen sind, wie schon erwähnt, äusserst kräftig, ihr
Querschnitt (Fig. A u. B) zeigt die für die verrncosus-(yY\\\)^& übliche
Form. Die Maasse der Knochenkämme hinter den obei'n Caninen
betraofen :
Länge des Kammes
Höhe des Kammes aussen
Höhe des Kammes innen
Entfernung" des innern Randes vom IntermaxiHare
Breite des Schädels über den Kämmen.
Daraus ergiebt sich, dass beim alten Thiere B diese Knochen-
käuime bedeutend stärker ausgebildet sind als beim Jüngern Thiere A.
Auch bei S. harhatus ist nach Spilj.nkk (p. 109) „die Ausbildung der
Ivnochenkämme über den obern Eckzähnen der männlichen Thiere
eine sehr veränderliche."'
Die Richtung der Caninen verhält sich bei den Sumatra-Schädeln
gleich wie bei *S. harhatus von Borneo (vgl. Taf. 18).
Was die Incisiven betrifft, so glaubt Miller als einen Haupt-
unterschied zwischen S. oi und S. lomjirostris anführen zu kitnnen.
A
B
mm
mm
75
100
37
51
15
21
12
20
83
H4
534 Walter Volz,
dass bei ersterm die Sclineidezälme A'iel weiter g-etrennt seien als
bei letzterm (vgl. weiter oben, S. 531). Spillnee (p. HO) sag-t über
die Schneidezähne von S. harhafns: „Diese Zahnart variirt bei den
verschiedenen Formen des Schweins sehr stark, so anch hier; ich
verzichte desshalb darauf, eine Beschreibung- derselben zu g-eben."
Bei Exemplar A von Sumatra beträgt die Distanz zwischen J^
und Jo sup. 8 mm, zwischen J., und J.. sup. 13 mm. Die entsprechen-
den Maasse bei S. oi Miller sind je 15 mm.
Im Folgenden gebe ich der Vollständigkeit halber noch den
letzten Abschnitt der Arbeit Millee's (6) :
„Maasse. — Aeussere Maasse des Typus: Totale Länge
1870mm; Kopf und Eumpf 1575; Schwanz 295; Schulter-
höhe 850; Rumpfhöhe 800; Ohr vom Meatus 88; Ohr von
der Spitze 97; Breite des Ohrs 75; Gewicht 113kg.
Schädelmaasse des Typus: grösste Länge 480 (465), die
Zahlen in Klammern beziehen sich auf ein ausge-
wachsenes Männchen von S. Jongirostris; Basallänge
405 (390); Basila r länge (bis zur Spitze des Prä m axil-
lare) 410 (397); Palatallänge bis zur Spitze des Prä-
m a X i 1 1 a r e 330 (— ) ; Breite des Palatinums bei pml 50
(45); Breite an den Joch bogen 162 (148); geringste In-
terorbitalbreite 80 (76); Länge der Nasalia 240 (230);
grösste Breite beider Nasalia zusammen 38 (38); Höhe
des Occiput (bis zum Unterrande des Foramen magnum
140 (140))."
Dabei ist mir übrigens nicht klar, von wo Miller die Maasse
für S. longirostris genommen hat.
Mit obiger Beschreibung und Vergleichung der im Naturhisto-
rischen Museum von Bern befindlichen zwei Schädel des lang-
schnauzigen Schweins von Sumatra mit demjenigen von Borneo
glaube ich genugsam bewiesen zu haben, dass S. oi Miller von
Sumatra identisch ist mit S. harbatus Müller et Schlegel von
Borneo, welches seinerseits wieder nichts anderes ist als S. lotigi-
rosfris Nehring. Der einzige wirkliche Unterschied zwischen dem
Sumatranischen und borneensischen Thiere besteht in der Ungleich-
heit von M.. inf. Ueber diesen Punkt muss später noch mehr Klar-
heit kommen.
Durch die Steigerung des Verkehrs in NW. Palembang und die
Suiden Sumatras. 535
demnächst zu erwartende Eröffnung des Handels im Sultanat Djambi
werden watrsclieinlicli nacli und nach mehr Felle und Skelettheile
des Nangwie nach Europa kommen als bisher. Ich vermuthe sogar,
dass ich der Erste -war. welcher Scliädel dieses Thieres nach Europa
brachte. Sie zu untersuchen ist von grossem Interesse, namentlich
Avenn es Jemand thun kann, der zugleicli über Material aus Borneo
verfügt.
Das Vorkommen des BartschAveins ist bis jetzt unzweifelhaft
festgestellt für Sumatra und Borneo. Wie wir weiter unten sehen
werden, kommt auf Java S. barhatus resp. S. Jonfjirostris nicht vor.
Das Verbreitungsgebiet ist also dasselbe wie dasjenige des Orang Utan.
Die Frage, ob in Java ausser dem gewöhnlichen S. vittatus und
dem etwas seitnern S, verrucosus noch eine dritte Art vorkomme, ist
ziemlich viel discutirt worden. Xehring hat zuerst darauf aufmerk-
sam gemacht, dass sich im Zoologischen Museum in (jöttingen ein
Schädel des S. longirostris befindet, der aus Java stammt, resp.
„stammen soll". Derselbe wurde von Dr. Schwartz w'ährend der
Novara-Expedition in Java erworben, was jedoch noch lange nicht
heissen will, dass derselbe auch wirklich aus Java stammt. Müller
u. Schlegel (8j haben tab. 31, fig. 1 und 2 einen sehr lang-
gestreckten Schädel von S. verrucosus abgebildet, den Nehring eben-
falls als denjenigen eines S. longirosiris anspricht und dei- seine An-
sicht, dieses Thier sei in Java heimisch, zu stützen scheint. Ausser
diesen zwei Schädeln haben wir aber keine weitern Spuren für das
Vorkommen von S. lomjirostris resp. S. harhaius auf Java, und es
wäre sehr merkwürdig, wenn ein so grosses Thier bis jetzt auf dieser
in jeder Hinsicht weitaus am besten untersuchten Insel in holländi-
schem Besitze der Aufmerksamkeit der Forscher hätte entgehen kr>nnen.
Spillxer (18) sagt, dass Dr. Krüger, welcher 5 Jahre lang in
Tegal (Xordküste von Java) gelebt hat, sich bestimmt äussert, auf
Java kämen nur zwei Formen von ^^■ildschweinen vor, nämlich
S. riffafus und S. verrucosus. Eine Bestätigung dieser Aussage ver-
danken wir Koningsberger (3), welcher, nachdem er die Lebens-
weise von >S'. vittatus geschildert hat, folgendes mittheilt:
.AXie aus dieser Beschreibung hervorgeht, sind die drei Eigen-
schaften — die Dichtheit der Haarbedeckung, die Farbe der Haare
und der Seitenstreif längs des Kopfes — die das Aeussere dieses
Thieres bestimmen, im höchsten ^laasse der Veränderlichkeit unter-
worfen, und es kann deshalb nicht anders sein, als (hiss die ver-
schiedenen, denkbaren Extreme sehr stark auseinander laufen müssen.
536 Walter Volz,
So sprechen viele Jäger von einem rotlien, langhaarigen Strand-
scli weine, das ihrer Ansicht nach weder zu der Art vittatus, noch
zu der sogleich zu beschreibenden und leicht zu erkennenden Art
verrucosus gehören soll. Man braucht sich jedoch nur vorzustellen,
dass bei der erstgenannten Art die Behaarung stark entwickelt ist,
dass die Haare alle roth oder rothbraun von Farbe sind und dass der
Seitenstreif längs des Kopfes undeutlich ist. um zu einer Form zu
kommen, die vollständig der durch sie gegebenen Beschreibung ent-
spricht.
„Es ist in der That nicht unwahrscheinlich, dass der hier als
Möglichkeit aufgestellte Fall in Wirklichkeit vorkommt. Sus vittatus
ist auf Java sehr gemein und kommt sowohl nahe bei dem Meeres-
strand als im Gebirge vor. Am erstgenannten Platze lebt das Thier
zum grossen Theil von zahlreichen, mehr oder minder schlecht
riechenden thierischen Abfällen, die gewöhnlich in ansehnlichen
Mengen durch die See abgelagert werden, andrerseits von verschie-
denen Meeresproducten, die von den Fischern im warmen Sand zum
Trocknen gelegt werden. Im Binnenlande tritt seine omuivore Lebens-
weise mehr zu Tage. . . .
„Die Sundanesen besitzen für diese Thiere zwei Namen, bagong
und bauen. Auch sie glauben hierdurch verschiedene Thierarten anzu-
deuten; aber bei einer Nachfrage nach den Unterscheidungspunkten,
die zwischen beiden bestehen sollen, schien es uns, dass auch hier
aller Wahrscheinlichkeit nach die Veränderungen, welche durch das
Vorkommen des Thieres bedingt sind, diese zwei Namen hervorgerufen
haben. Der javanische Name ist tjeleng."
Nach Dr. Keügee (Spillnee p. 118) variirt das Pustelschwein,
S. verrucosus, sowohl in Grösse als in der Färbung ganz bedeutend.
Er hat fast schwarze und wiederum hell rostfarbene, alte Thiere
erlegt, wobei es sich seiner Ansicht nach lediglich um Localvaria-
tionen handelt, die in der typischen Gestaltung der Gesichtswarzen
etc. vollkommene Uebereinstimmung zeigen.
Zum Schlüsse möchte ich mich den am Anfange dieses Aufsatzes
geäusserten Wünschen Neheing's, Spillnee's und Stehlin's, es
möchten zukünftige Reisende aus dem indo-australischen Archipel
und vom Festlande möglichst ausgedehnte Sammlungen von Häuten
und Skeleten der dortigen Suiden mitbringen, aufs lebhafteste an-
schliessen.
Suiden Suniatras.
537
Tabelle
mit den absoluten Maassen von 2 männlichen Schädeln
von Sks harhatus von Sumatra (in mml.
1- Basallänge des Schädels
2. Prolilläug-e des Schädels his Intennaxillarspitze
3. Foramen magniim bis Vonier-Aiifang-
4. „ „ ,, Mitte des Gauraenausschnitts
5. Grösste Breite des Schädels an den Jochhog-eu
6. „ Stirubreite (an den Postorbitalfortsätzen)
7. Kleinste Stirnbreite (an der obern Thräuenbeinnaht am Orbital-
rande
8. Kleinste Breite zwischen den Scheitelleisten
9. Grösste Breite an den Occipitalflügeln
10. Breite der Nasalia an der hintern Spitze der Intermaxillaria
11. Gaumenhreite zwischen Vorjoch von Mg
12. ,. ,. ;, „ M,
l*^' )• ;i » II Ps
14. Breite der Schnanze über Pg
15. Höhe des Occiput vom Unterrande des Forameu magnum ab
16. „ „ ganzen Schädels incl. Unterkiefer
17. Länge der Parietalia und Frontalia zusammen (Mittellinie)
18. „ „ Xasalia (Mittellinie)
18a. Grösste Länge der Palatina dicht neben der IMittellinie
18b. Länge des hinter M., liegenden Teils der Palatina in der
Mittellinie
19. Qnerdurchmesser der Orbita
20. Höhe des Lacrymale am Orbitalrande
21. „ ,. ,. über der Vorderecke der untern Naht
22. Länge ,. ,, am Uuterrande
23. „ „ „ „ Oberrande
24. „ der ganzen oberu Backenzahnreihe
25. „ ,, 8 obern Molaren
26. „ von Pi, P., und P« (Hensel)
27. „ des Mg sup. (Mittellinie)
28. Breite des Vorjochs von Mg sup.
29. Längsdurchmesser der obern Canin- Alveole
30. Länge der lutermaxilla am Alveolenrande
31. „ des Unterkiefers bis Hinterraud des Condvlus
:-^2. „ ,. „ „ hinter Mg
33. Grösste Unterkieferbreite an den Condylen
34. Untere Backenzahnreihe ohne Pi
35. Länge der 3 untern Molaren
36. Länge des Mg inf. (Mittellinie)
37. Grösste Länge der UnterKiefer-S3'mphy.se
38. Basilarlänge
39. Palatallänge
898
438,5
462
505
49
52
81
90
159
171
105,5
116
74
84
10
6
70
72
38,5
41
28
29
35
30
42
46
60
67
131
144
239
275
243
269
210
235
95
92
48,5
47
40
42
29
31?
27
26?
33,5
33.5
59
5
128,5
133
75j5
78
42
44
37
/ r. 39
U. 41
21,5
/ r. 23
\1. 22
28
31
91
104
349
385
237,5
260,5
184
138.5
126,5
/r.l27
\ 1.125
79
/ r. 79
\\. 11
40
f r. 41
\ 1. .38
115
142
356
390
318
353
538 ' Waltee Volz,
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rostris Nheg.) aus Südost-Borneo, in: Zool. Anz., V. 8, 1885,
p. 347—353.
10. — , lieber zwei Schädel des Sus longirostris Nhrg. von Borneo und
Java, in: SB. Ges naturf. Erde. Berlin, 1886, p. 80—85.
11. — , lieber die Eorm der untern Eckzähne bei den Wildschweinen,
sowie über das sog. Torfschwein (Sus palustris RÜTIMEYEr), ibid.,
1888, p. 9—16.
Suiden Sumatras. 539
12. Nehring, A., Ueber Sus celebensis und Verwandte, in: Abb. Ber. zool.
anthrop.-etbnogr. Mus. Dresden, 1888 — 89, p. 1 — 34.
13. — , Ueber Sus celebensis und Verwandte, in: SB. Ges. naturf. Frde.
Berlin, 1889, p. 196.
14. — , Ueber einen Unterkiefer des Philippinen -Wildschweins, ibid.,
1890, p. 8—11.
15. — , Säugetbiere von den Philippinen, namentlich der Palawan-Gruppe,
ibid., 1894, p. 179—193.
16. — , Sus marcbei Huet und Tragulus nigricans Thomas, ibid., 1894,
p. 219—226.
17. Otto, F., Osteologische Studien zur Geschichte des Torfschweins
(Sus scrofa palustris Rütimeyer) und seiner Stellung innerhalb
des Genus Sus, in: ßevue Suisse Zool., V. 9, 1901, p. 43 — 130.
18. Spillxer, R. V., Wissenschaftiiche Ergebnisse der im Hausthier-
garten des landwirthschaftlichen Instituts angestellten Versuche
der Kreuzung des bornesischen Wildschweins mit dem europäischen
Wild- bzw. Hausschwein, in : Ber. physiol. Lab. u. Versuchsanst.
landwirthschaftl. Inst. Univ. Halle, V. 11, 1894, p. 81 — 154.
19. Stehlix, H. G., Ueber die Geschichte des Suiden-Gebisses, in:
Abb. Schweiz, palaeont. Ges., V. 26, 1899, u. V. 27, 1900,
p. 1—527.
20. HÜTIMEYER, L., Ueber lebende und fossile Schweine, in: Verh.
naturf. Ges. Basel, 1857, p. 517—554.
21. — , Neue Beiträge zur Kenntniss des Torfschweins, ibid., 1864,
p. 139—186.
22. — , Einige weitere Beiträge über das zahme Schwein und das Haus-
rind, ibid., 1877, p. 463—494.
23. Trouessart, E. L., Catalogus Mammalium tarn viventium quam
fossilium, V. 2, Berolini, 1898—99.
540 Walter Volz, Suiden Sinuatras.
Erklärung der All)l)ildiiiigeii.
Tafel 18.
Fig. 1. Schädel von Sus harhatus Müller et Schlegel (Seitenansiclit).
Fig. 2. do. (Ansicht von unten).
Fig. 3. do. (Ansicht von oben).
Fig. 4. Rechter Mg inf. von oben.
Nach druck r erboten .
UehersetzinKjtsrecht vorbehalten.
Echinostomum garzettae d. sp.
(Yoyage of Dr. W. Tolz.)
By
W. 0. MacCalluiii,
Assoc. Prof. of Piithology Johns Ho2)kms Univ. BiiUiiiiove.
With 1 figure in text.
Wliile in Benakat (Lematang-ilir) Eesidenz Palembaiig- in No-
vember 1900 Dr. W. YoLz collected two specimens of a trematode
worm from tlie intestine of Garzdta nk/ripes Tem:m. which he pre-
served in formalin and on his return trip to Europe kindly presented
to nie for study. After comparing- tliem cai-efully one was cut into
serial sagittal sections and froni tlie study of tlie wliole worm and
of the serial sections tlie following details as to tlie anatomical
structure liave been made out.
The worm is elongated measuring 10 mm in leiigth and 3 to
3.5 mm in width at its widest point a short distance behind the
ventral sucker. In the hardened condition it is ([uite tightly curved
ventrally on itself the dorsal surface being convex in both directions
while the ventral is concave and groovelike. This is largely due
to the fact that the central [»oition of the body is much thicker
than the marginal portions whicli also curvc ventrally in the con-
Zoül. Jaliili. XX. Al)tli f. .Syst •"'
542 W. G. MacCällum,
tracted condition. The anterior extremity is coiiverted into a spread-
ing- somewliat reniform structure whicli is flat ventrally and in the
Center of whicli on the fiat side there is a small sucker which is
perforated and constitutes the month. This expanded disc measures
1.4 mm transversely and .8 mm to 1.04 mm antero-posteriorly while
the mouth sucker measures only .2 mm the actual orifice being-
.16 mm in diameter. The margin of the disc is set with a Single
row of chitinous spicules 47 in number as seen in the drawing.
Those at the posterior angles of the disc are slightly inclined
to double up as regards the line of insertion but in general they
maintain one straight line. The spicules are straight and coni-
cal but although they present but one form they are not all of
the same size — the largest lateral ones measure .08 X -O-^ im^i
while anteriorly there are four or five which are smaller measuring
.03 X -015 mm. Otherwise the skin surface is entirely smooth and
unarmed.
As shown in the drawing there is a depression behind the head
disc bounded at the sides by folds which run backward from its
posterior angles and between which quite close to the anterior
extremity lies the large ventral sucker. In the hardened worm this
is quite deeply sunken between the neck-folds but doubtless the
living- worm can protrude it to a certain extent. It is very mucli
larger than the mouth sucker and its cavity extends in a backward
direction. The orifice whicli is practically round measures .5 — .8 mm
in diameter while the outer diameter of the sucker is 1.25—1.38 mm
and its depth is 1.2 mm.
In the i'eceding space between the acetabulum aiul the- reniform
head disc there opens the genital cloaca, the orifice being situated
just anterior to the acetabulum in the median line.
The greater portiou of the body lies behind the acetabulum
which reaches only 2 mm fi'om the anterior extremity. In the median
line dorsally quite far back there may be found the niinute orifice
of Lauker's canal while at a point just in front of the posterior end
of the body and also dorsally there is the orifice of the excretory
System.
The worm is greyish-white in color, in the hardened section
at least, and the vitellarium shows through as a blackish margiii
which extends from the region of the acetabulum alniost to the
posterior end although it is not continuous with that of the opposite
side at the posterior extremity. In tlie median line behind tlie
Echinostdiiinin yarzettae u. sp. 543
ventral sucker a quite large yellow area indicates tlic positioii of
tlie Uterus filled vvitli eggs.
The skiii as seeu in section exliibits a very dense liig-lily relrac-
tive superficial layer of liomogeneous appearance wliile in tlie tliicker
underlying layer there is a vertical striatiou ^\liicli witli some g-ranules
and vacuoles g-ives tlie cuticle a considerable opaeity. The paren-
chyma which supports the ergans is eomposed largely of stellate or
branching cells with vesicular nuclei. The body musculature has
the usual arrangenient. specially powerful doi-soventral and oblique
bands being found in the anterior expansion \Yliere some fibrils run
to each marginal spicule.
The anterior or mouth sucker is a very weak structure, but it
is eomposed of all the muscular layers usually found there — it communi-
cates directly with the sliort prepharynx which is lined with cuticle
and which enters the elliptical muscular pharynx. This structure
which measures .24 X -34 mm gives directly into the relatively short
Oesophagus which is surrounded by numerous glandlike cells possibly
serving to secrete some dig-estive material. This in turn divides
near the front of the acetabulum to give off the simple lateral in-
testinal coeca which run to the posterior extremity of the bod}'.
The coeca appear to possess a circular muscular coat only, with a
smooth lining of rather high epithelial cells. In this instance they
are entirely empty.
The ventral sucker shows microscopically the usual cuticular
liniiig-. radial and circular niuscle fibres and the large deeply staining
cells among these fibres which have been so frequently described.
Tiie sucker seems to be almost surrounded by a curious space or
sac in the body parenchyma Avhich evidently constitutes part of the
excretory System and will be referred to later.
This excretory System is complicated and peculiar. At the
posterior extremity in the median line there is a large tliin walled
sac lined by a flattened epithelium which opens as stated above by
means of a cuticle lined canal at a point on the dorsal surface just
in front of the posterior end of the body. Anteriorly it is conti-
nuous with widely ramifyiug sacs which penetrate every part of the
body even pushing into the tliin lateral portions between the lobules
of the vitellarium and the muscle bundles to approach the skin.
They are also seen in the most anterior part of the body, in the
head disc iutercalated in the meslies of the tissue, so that the whole
body appears as a sponge-like mass. They are lined by a transparent
36*
544 W. G. MacCallum,
thin layer of epithelial cells wliose outline can be made out only
Avitli difflculty and wliose nuclei are very small and irregulär in
form and size and in fact look like chroraatin grannies. Usually
tliese cavities are empty but tliey may contain a coagulated fluid.
It is one of these sacs tliat practically surrounds the large ventral
sucker Avlnch appears almost to be suspended in it. Altliougli this
is obviously the excretory apparatus it is diflicult to make it appear
analogous in detail with that System in other trematodes for a search
for ciliated funnels etc. in this connection has been unsuccessful.
There exists however in the body a pair of structures Avhich may
explain this lack and which otherwise would themselves be diflicult
to explain. On each side of the large median excretory sac there
is a pear-shaped thin-walled sac lined with epithelium like that of
the central sac, the bnlbous end of which is directed forward; turning
on itself posteriorly it gives off on its outer side a tube which ruus
directly forward and soon divides into three branches each of which
continues to run forward. In the sections at my disposal I cannot
trace a communication between these lateral sacs and the median
one — they lie almost directly in contact with it so that in passing
from one section to the next, one sac disappears and the other begins,
but the walls seem to be complete. No communication exists be-
tween the lateral structures on tlie two sides — there are many
sections through the median portion of the body Avhich contain no
trace of either and no external opening can be found. It seems
therefore most probable that other sections (perhaps transverse)
might show a communication between the lateral sacs and the median
one and tlius constitute one excretory System. The canals which
run forward on each side from the point of branching are tortuous
thick-walled tubes with cuticle-like lining and surrounded by a
mantle of cells which look like secreting cells — one of the tubes
especially on each side is thickly surrounded by these large pink-
staining cells. These tubes run forward toward the anterior end
of the body wliere they beconie very thin-walled and finally dis-
appear in the parenchyma. Tliey are very little if at all branched
but they are continuous with delicate thin-walled tubules which
run backward through the parenchyma and which it is exceedingly
difficult to trace. The limited amount of material is perlia])s the
only excuse for so imperfect a study of these structures in which I
have nowhere been successful in tracing out and describing the
Echinostoniuni sfarzettae n. sj). 545
terminals of tlie flner tiil)ules nor in deciding- as to tlie oiitlet of
tlie lateral reservoirs.
The generative apparatiis caii be iiiore satisfactorily described,
'{''here are two soniewliat irregulär or lobulated roimded testes lyiiig"
posteriorly in tlie median line »me beliind tlie other. They measure
about .6 mm in diameter and eacli gives off anteriorly a delicate
vas deferens wbicli runs forward to tlie cirrus sac uniting with
its fellow just before it reaclies tlie sac. The cirrus sac is a pear-
shaped structure of connective tissue opening' anteriorly into tlie
posterior dorsal angle of the cloaca whicli also receives the uterus
and which as stated above opens just anterior to and above the
ventral sucker. Tliis sac encloses another sac filled with spermato-
zoa and iramediately surrounded by smooth muscle-fibres. Outside
of this there is a mass of large cells with large vesicular nuclei
— anteriorly this inner sac passes into the thick cuticle-lined
ejaculalory duct which opens directly into the cloaca. This is so
tortuous that it is apparently quite long and roughened internally
by fissures in the cuticle — possibly the roughening is more
apparent when it is everted: surrounding the duct are many small
secretory cells.
The ovary which is rather smaller than the lobes of the testis
lies a little to one side in front of the testes and gives off from the
middle of its posterior surface an oviduct with folded and ciliated
wall which runs obliquely upw^ard and backw^ard to meet the some-
what tortuous Lauker's canal which has been already mentioned.
The resulting thick-walled tube continues dorsalwards embedded
deeply in a mass of large cells with large vesicular nuclei — the
Shell gland. — It soon receives the wide anterior Prolongation from
the Union of the conducting trunks from the vitellarium — one from
each side. Simultaneously it gives off the thick muscular tube which
is the begining of the uterus and which soon widens and becoming
abnndantly convoluted and filled with eggs occupies a large portion
of the middle of the body bet^veen the ovary and ventral sucker.
Near its begining this tube has a muscular diverticulnm wiiich is
filled with spermatozoa. T^ike the cirrus sac the uterus opens
anteriorly in front of the acetabulum in the genital cloaca. It is
wide and thin-wailed up to the region of the acetabulum wliere it
becomes a narrow thick-walled tube lined with cuticle. The eggs
are elliptical in form with a fairly thick siiell and measure about
.1 — .11 mm in lenyth bv .üö— .004 mm in breadtli.
54()
W. (t. MacCai.lum,
^^^^A»*M/^^
/
CS
e^**
— -**s — O. Lr
L. ^ic. S
The figure was drawn wity the camera lucida and is magnified 15 times.
G. C Genital Cloaca. ('. S Cirrns Sac. Ut Uterus. L. C Laurer's Caual. 0. V
Ovary. S. G Shell Gland. T. T Testes. Vif Vitellarinn). Ex. S Excretory Sac.
L. Ex. S Lateral Excretory Sac.
Eohinostoiimni gfarzettae n. sp. 547
The vitellarium is disposed in abundant lobules along- the sides
of the body, the lateral (•ollecting- ducts imiting- at the level of the
ovaiy to form trausverse ducts which uiiite and i)ass forward in the
median line to meet the uterus.
The central nervous System consists of ganglia lateral to the
Pharynx with a heavy supra-pharyngeal commissure. Nerve trunks
pass as usnal anteriorly and posteriorly from these ganglia i'unning
back laterally throughout the body.
AVith regard to the systeniatic position of this form I haA^e been
at some pains to investigate all the described si)ecies of the genus
Echinostomum into which, from the form of the head disc and the
general arrangemeut of its organs. it undoubtedly falls. ^Fany of
these are found in birds and even in the intestine of birds closely
related to the host of our form but of the sixty-three species reviewed
only a few are found to resemble it closely enougli to atford any
possibility of identity with it. Several species E. dujardini, gadonim,
labracis, pungeus, doacinum, ramosum and tahulafum could not be
compared as the literature was not at hand but since these are
chiefly forms parasitic in tishes and amphibians it is probable that
the risk of error is slight. Of the others the type form E. echinatmn
Zeder and its related forms seem to resemble it most closely.
E. echinatum is found in various species of wild and domestic birds
but it as well as E. dilafatum (which Stossich considers identical
or synonymous) is found to be easily distinguishable in that it possesses
only 87 spines in its cephalic disc arranged in part at least in a
double row while this worm has 45 — 47 spicules arranged practic-
ally in a single row.
The general conformation and arrangement of the organs as
well as the size and habitat are very similar indeed and we must
consider these forms very closely related. Echinostomum recnrvatum
Linst, of which 1 have had the opportunity of examining a specimen
determined by Stossich agrees well also in its general structure
and in the number and arrangement of its spines, but it cannot be
confused with this form on account of its minute size 3 X -7 mm.
The accessible descriptions of E. cinctum and E. nucmatum suggest
a resemblance but E. cinctum ditfers in being ver}^ mucli smallei-
and in being* possessed of a general covering of si)ines together with
a head disc which is described as suborbicular by Diesixg.
E. uncinatum is also possibly similar but from the vague description
of Diesing it is seen to differ in possessing a flattened linear body
548 ^^- Gr. MacCalia'm, Echinostomuni g-arzettae n. sp.
about 1.5 mm in width. All the other described forms seemed to
differ very decidedly from tlie oiie linder consideration whicli appa-
rently falls readily into the smaller gTonp of those closely related
to E. echinatum. Wliile closely allied witli this form liowever it
seems necessary to consider it distinct and to propose for it the
name Echmostomum garzeitne.
Lippeit & Co. (G. Pätz'selie Bucbilr.\ Naumliurg a. S.
Ndchdriick verboten.
UcbcrKctznngsrecht vorbehalten.
Zur Kenntniss des Baues der Filaria loa Guyot.
Von
«
Dr. A. Looss,
School of Medicine, Cairo.
Mit Taf. 19.
Von befreundeter Seite waren mir vor einer Reihe von Jahren
einig-e Exemplare der Filaria loa zum Geschenk gemacht worden;
eine kürzlich vorgenommene Untersuchung- dieser Exemplare setzt
mich in den Stand, unsere bisherigen Kenntnisse von dem anatomi-
schen Bau dieses interessanten Parasiten in einigen Punkten zu
vervollständigen.
Mit dem Baue der Filaria loa haben sich bisher in der Haupt-
sache nur vier Autoren beschäftigt, Maxson, Ludwig, E. Blanchard
und OzzARD. Die Arbeit Mansox's ist mir leider nicht zugänglich,
doch werden ihre Resultate von Blanchakd ausführlich reproducirt.
Danach untersuchte Manson 1 Männchen und 1 Weibchen, die von
Robertson aus dem Auge ein und derselben Patientin entfernt
worden waren. Das Männchen ist 25—30 mm lang. 0,3 mm dick,
cylindrisch, und nach beiden Enden, besonders aber nach hinten hin,
verjüngt. Ein deutlicher Hals fehlt; dagegen zeigt der Körper
0,15 mm hinter der Kopfspitze eine schulterartige Verbreiterung,
die durch den Ansatz starker Muskeln hervorgebracht Avird. Das
Hinterende ist nicht spiralig eingerollt, sondern nur etwas ein-
wärts gebogen und auf der Bauchseite anscheinend leicht aus-
gehöhlt. Es trägt zwei seitliche HautHügel und auf der Bauchfläche
Zool. Jalnb. XX. Al.Mi. f. Syst. 37
550 ^- Looss,
jederseits 5 — . mit x\usiialime der letzten, die einfach conisch gestaltet
ist — an ihren freien Enden kolbig- verdickte Papillen, die von vorn
nach hinten zu an Grösse abnehmen. Die 3 vordersten sind präanal,
dicht an einander liegend, die 4., von den vorhergehenden etwas
weiter entfernt, ist adanal oder postanal und wie die hinterste,
kleinste der Mittellinie etwas mehr genähert als die präanalen
Papillen. Die Spicula sind dünn und von ungleicher Grösse; auf
den Abbildungen erscheinen sie nach ihren freien Enden hin gleich-
massig und sehr scharf zugespitzt. Die Haut ist nicht quergestreift,
aber mit Ausnahme der vordersten und hintersten l^o iiini der
Körperlänge äusserlich bedeckt von einer grossen Zahl uni-egel-
mässig und in weiten Abständen vertheilter Höckerchen mit glatter
Oberfläche, deren grösste auf dem Mittelkörper gelegen sind und
hier ca. 0,012 mm Durchmesser bei ca. 0,004 mm Höhe besitzen.
Am Kopfende ist ein kurzer „Pharynx" sichtbar, dessen Verbindung
mit dem Darme aber nicht aufgefunden werden konnte.
Das Weibchen war 32,5 mm lang bei einer Dicke von 0,5 mm,
die nach hinten zu allmählich bis auf 0,1 mm abnahm ; das Schwanz-
ende war gerade und breit abgerundet. Die übrige Organisation
und die Höcker der Hautoberfläche entsprachen derjenigen des
Männchens. Die Genitalwege waren vollgepfropft mit Embryonen
auf allen Stadien der Entwicklung; im Morula-Stadium maassen die
Eier 0,020 : 0,030 mm ; die ausgeschlüpften Embryonen waren 0,25 mm
lang und anscheinend ohne „Scheide".
Ludwig untersuchte 1 Exemplar, welches von Saemisch in Bonn
aus dem Auge eines ehemaligen russischen Marineoffiziers entfernt
worden war, der mehrere Male, zuletzt 4 Jahre vor dem Erscheinen
des Wurmes, die afrikanische Westküste besucht hatte. Es handelte
sich um ein AA^ibchen, dessen Grösse Saemisch während des Lebens,
1. e. vor der Extraction, auf 4 — 5 cm bei ca. 1 mm Dicke taxirt hatte
und welches nach der Conservirung noch 41 mm Länge bei 0,5 mm
Dicke besass. Bei der Extraction war es an mehreren Stellen ver-
letzt woi'den , so dass grössere Theile des Darmes und besonders
der Genitalröhren schlingenförmig nach aussen hervorgetreten waren.
Das Vorderende zeigte sich nur wenig verjüngt und glatt abgerundet;
das Hinterende war stärker verjüngt, stumpf zugespitzt und in der
Medianebene leicht hakenförmig eingekrümmt. Eine deutliche
Ringelung der Haut Hess sich auf dem Vorderende nicht bemerken,
dagegen traten von der vordersten Verletzung (etwa dem Ende des
ersten Viertels der Körpeiiänge) an in Abständen von 0,08 — Ol mm
Biiu der Filaria loa Guyot. 551
Hilf einander folgende Einschnürungen der Haut auf, die nach hinten
zu dicliter auf einander folgten, allmählich aber verstiichen, so dass
das Hinterende wieder glatt war. Ausserdem wurden auf dem
Vorderende auch Andeutungen einer ganz feinen, sehr dichten Längs-
streifung, auf dem Hinterende ^Andeutungen einer gleichen Quer-
streifung aufgefunden. Die Dicke der Haut wurde am Mund- und
Schwanzende zu 0,007 mm, im Vorderkörper dagegen zu 0,018 mm
gemessen. Die wärzchenförmigen Erhebungen der Cuticula, ihrer
Natur nach Verdickungen der Cuticularsubstanz , fehlen auf den
vordersten 3 Millimetern des Körpers, treten dann erst vereinzelt,
später immer häufiger auf und reichen bis an das Schwänzende;
ihre Vertheilung lässt keine bestimmte Eegel erkennen. Sie messen
an ihrer Basis 0,011 — 0,018 mm und sind 0,007 mm hoch, ihre Ober-
fläche glatt.
Ein dem vordem Körperende entnommenes und ausgebreitetes
Hautstück liess Seitenfelder von 0,04 — 0,054 mm Breite und starke
Muskelzellen mit 0,014 — 0,018 mm grossen Kernen erkennen; im
Hinterende stieg die Breite der Seitentelder auf 0,1 mm; deutliche,
0.007 — 0,009 mm grosse Kerne lagen in ihrer Substanz.
Die terminal gelegene, winzige Mundöffnung, in deren Umgebung
Papillen nicht aufzufinden waren, führt in einen dickwandigen
Pharynx mit engem Lumen; im Darme zeigten sich helle, klumpige
Massen aufgenommener Nahrung. Der After konnte mit Sicherheit
nicht entdeckt werden; indessen nimmt der Autor eine etwa 2 mm
vor der Schwanzspitze gelegene Eintiefung der Haut vermuthungs-
weise als solchen in Anspruch.
Ebenso wenig war eine Genitalöfifnung mit Sicherheit nachzu-
weisen, und Ludwig nimmt deshalb an, dass die vorderste, an der
Grenze des ersten und zweiten Körperviertels gelegene Bruchstelle
derselben entspricht ; aus ihr hängt eine 3 mm lange, unpaare Vagina
hervor, die sich am Ende in die beiden Uteri theilt. Die ^Mn-
dungen der Genitalröhren durchziehen den ganzen Körper, nach vorn
bis 0,47 mm hinter die Kopfspitze, nach hinten bis 2 mm vor das
Schwanzende; ihre Gesammtlänge wird auf mindestens 10 cm für
jede Röhre geschätzt, so dass der gesammte Genitalschlauch rund
5 mal so lang Avie der Körper ist. In histologischer Hinsicht geht
die Vagina ohne Structuränderung in die paarigen Uteri über; die
\\'and der letztern hat eine Dicke von 0,0095 mm, wovon 0,0036 mm
auf eine äussere Bindegewebslage, 0,0058 mm auf das innere Epithel
entfallen. Letzteres lässt keine Zellgrenzen, dagegen grosse Kerne
37*
552 A. Looss.
von 0,0046 mm Durchmesser erkennen; in der äussern Lage bemerkt
man feine, quer verlaufende Muskelfasern, die auf der Vagina an
Stärke zunehmen, so dass die Dicke der Wand hier bis zu 0,014 mm
beträgt.
Das Innere der beiden Genitalschläuche und der Vagina ist
überall erfüllt von der sich entwickelnden Nachkommenschaft. In
den obern Enden, den Ovarien, finden sich die Eikeime, in den
folgenden Abschnitten, die sich nur durch ihren Inhalt als Uteri
darstellen, die verschiedenen Stadien der Embryonalentwicklung,
und weiterhin dicht zusammengedrängt Unmengen von ausge-
schlüpften Larven, die auch die ganze Vagina ausfüllen. Die reifen
Eizellen sind ziemlich in die Länge gestreckt, 0,031 mm lang und
0,012 mm dick , mit grossem Kern und ohne Spur einer Hülle.
Letztere bildet sich erst während der spätem Furchnngsstadien in
Gestalt einer dünnen durchsichtigen Membran , die deshalb als
Embryonalhülle, nicht als Eischale aufzufassen ist. Nach der Bildung
der Hülle besitzen die Eier eine Grösse von 0,045 : 0.025 mm. Das
Ausschlüpfen der zuletzt dicht in ihr aufgerollt liegenden Embryonen
wird dadurch eingeleitet, dass diese letztern sich strecken und die
Hülle ausdehnen, welche dabei schliesslich zu einem langen, schmalen,
ungemein zarten Schlauche wird^). der die Embryonen noch eine
1) Dieser Vorgang ist in China an den Embryonen einer Filaria aus
Corvus torquatiis (von spätem Autoren ,, Filaria corri iorquati Manson'S
von Annett, Dutton u. Ellio,tt y^hilaria. corvi iorquatis'-^ Manson
genannt, was aber nicht als wissenschaftlicher Name im Sinne der Nomen-
claturgesetze gelten kann) bereits von Manson beobachtet worden, doch
scheint der Autor das von Ludwig constatirte wichtige Factum, dass die
sackartige Embryonalhülle von den Embryonen noch vor der Geburt ab-
geworfen wird, übei'sehen zu haben, denn er identificirt diese Hülle der
Embryonen mit der „Scheide", welche die im Blute kreisenden Larven
mancher Filarien, vor allem der Filaria baucrofLi CoBB. umgiebt, die sich
zweifellos aber erst während des Circulirens bildet. Vgl. hierüber Makson
in: Davidson, Hygiene and diseases of warm climates , London 1893,
p. 764. Die ursprüngliche Mittheilung j\rANSON's ist mir nicht zugänglich :
sie soll von Cobbold (Observations ön Filariae, by Drs. Patrick Manson,
John R. Somerville, Joseph Banceoft, .J. F. da Silva Lima, J. L.
Paterson, P. S. de MagalhÄes, and J. Mortimer-Granville) im
Journal of the Queckett micr. Club 1880 publicirt sein, doch wird der
specielle Ort in der Literatur auf 3 verschiedene Weisen citirt. Hubee
(Bibl. d. klin. Helm., p. 275) giebt „Vol. VI, No. 43, Mai" an. Annett,
Dutton and Elliott (Malaria-Expedition, Part II, p. 21) nennen „vol. XI,
p. 130", und Stiles and Hassall (Index-Catalogue etc., p. 277) citiren :
No. „43, May, pp. 58 — 64". Was hiervon richtig ist, resp. wie die ver-
Bau der Filaria loa Guyot. 553
Zeit lang umgiebt. dann aber zu Grunde geht, so dass diese am
Ende völlig frei im untersten Theile der Uteri und in der Vagina
liegen. Sie haben jetzt eine Länge von 0,253 — 0.2G3 mm und sind
0.0048 — 0.005 mm dick; ihr A'orderende ist kurz abgerundet, das
Hinterende dagegen in einen pfriementörmigen Schwanz ausgezogen.
Ihre dünne Haut ist vollkommen glatt; im Innern war bei den
meisten Exemplaren 0.08 mm hinter dem Kopfe die Anlage der
spätem Geschlechtsötfnung ^j und 0.043 mm vor dem Hinterende die
Anlage des Afters zu erkennen.
schiedenen Angaben sich zu einander verhalten, vermag ich nicht zu ent-
scheiden.
1) Diese Deutung ist unzweifelhaft irrig. Nach dem, was ich von
der Entwicklung der Nematoden bisher gesehen habe, wird die Genital-
öffnung stets erst im vorletzten Entwicklungsstadium, das ist zwischen
der dritten und vierten Häutung, angelegt. Das meines Wissens von
SCHNEIDEH aufgestellte Gesetz, dass die Nematoden im Verlaufe ihrer
Entwicklung 4 Häutungen durchmachen, finde ich, soweit meine persön-
lichen Erfahrungen reichen, durchaus bestätigt. Bis zur dritten Häutung
sind die Genitalorgane noch klein, erst wenig über die Anlage der Larve
hinaus ent\A-ickelt und stehen noch nicht mit der Haut in Verbindung.
Diese Verbindung wird erst im vierten (vorletzten) Stadium hergestellt,
während dessen auch die Ausbildung der allgemeinen Gliederung des
Genitalapparats erfolgt. Am Ende des vierten Stadiums wird, während die
bisherige Haut sich abhebt, die definitive Körperhaut angelegt, mit der
die Genitalorgane unter Bildung der Geschlechtsöffnung in Verbindung
treten. Mit der vierten und letzten Häutung wird dann auch ihre
Communication mit der Aussenwelt hergestellt, doch vergeht stets noch
eine mehr oder minder lange Zeit, ehe die Geschlechtsproducte zur Reife
gelangen und die Production der Eier erfolgt. Bei neugeborenen Larven
kann deshalb von einer Anlage der spätem Genitalöffnung noch nicht wohl
die Rede sein, bei denen der Fihiria loa ebenso wenig wie bei denen der
Filaria liancrofti, bei welch letztern Maxsöx einen von ihm beobachteten
hellen Fleck (.,Vspot" genannt) vermuthungsweise ebenfalls mit der spätem
Genitalöffnung in Verbindung bringt. Schon der Umstand, dass der be-
treffende Fleck nach Manson (und andern Autoren) constant ist, spricht
gegen diese Deutung, da nicht alle Filarienlarven zu Weibchen mit vorn
gelegener Genitalöffnung werden. Der ..Vspot" der Filaria baiarofti-Jjaryen
entspricht nach eignen Beobachtungen vielmehr dem Nervensystem des er-
wachsenen Thieres; ob dies auch für die von LuDWUf an den Filaria loa-
Larven gesehene Structur gilt, vermag ich nicht zu sagen, da keine
weitern Details gegeben sind. Da der Autor nur von einer Anlage der
spätem Geschlechtsöffnung spricht, wahrscheinlich also bereits etwas einer
Oeffnung Aehnliches gesehen hat, so liegt die ]\[öglichkeit vor, dass es sich
in diesem Falle um den spätem Excretiousporus handelt, der bei den
Larven der Filaria bancrofti in Gestalt einer kleinen dreieckigen, der
554 -^- Looss,
Blanchard untersucht ein Männchen und ein Weibchen, die
einige Zeit nach einander demselben Patienten, einem Missionar
aus dem französischen Congogebiet, aus dem Auge extrahirt worden
waren. Das Männchen ist 22 mm lang und in der mittlem Körper-
region 0,435 mm dick. Die Haut, welche vorn 0,004 — 0,005 mm,
weiter hinten 0,009 mm Durchmesser aufweist, entbehrt jeder Spur
einer Querstreifung; die warzenförmigen Erhebungen fehlen auf dem
ersten Fünftel der Körperlänge gänzlich und nehmen auf dem letzten
allmählich ab, so dass ein 0,18 mm langes Endstück des Körpers
von ihnen ebenfalls frei bleibt. Ihre Vertheilung ist unregelmässig,
manchmal liegen sie zu mehreren dicht beisammen, nur durch einen
schmalen Zwischenraum von 0,002 — 0.004 mm von einander getrennt.
Sie erreichen an ihrer Basis bis zu 0.027 : 0.02 mm Durchmesser bei
0,009—0,012 mm Höhe.
Gegen das Kopfende zu ist der Körper zuerst leicht verjüngt,
dann plötzlich zu einem kurzen Conus mit quer abgeschnittener
Vorderfläche zusammengezogen. Auf dieser liegt die kleine trichter-
förmige Mundöifnung, die nur von der Haut gebildet wird und in
ihrer Umgebung nichts von Papillen erkennen lässt. Sie führt in
einen engen, geraden Oesophagus, der bis an die Basis des Mund-
kegels zu verfolgen ist, von hier an aber durch dicke Muskelmassen
verborgen wird. In der dorsalen und ventralen Medianlinie steht
auf dem gleichen Niveau je ein kleiner, kegelförmiger Zapfen, ähn-
lich denen, die auch bei verwandten Filarien-Arten auftreten.
Die männliche Anogenitalöffnung liegt 0,082 mm vom Schwanz-
ende entfernt; die Spicula (die in der Figur wie bei Manson sehr
schlank, fast grätenartig gezeichnet sind und mit ihren Spitzen
etwas nach aussen hervortreten) sind von ungefähr gleicher Länge
und besonders gegen ihr verdünntes Ende hin eingebogen; die
Schwanzpapillen findet Blaxchard im '\^>sentlichen wie ]\rAKS0N,
nur ist die vierte nicht adanal, sondern distinct postanal; die 3
ersten berühren einander, die beiden letzten folgen in grössern,
unter sich gleichen Zwischenräumen.
Das Weibchen ist ein noch junges Thier von 20 mm Länge,
aber bereits 0,54 mm Dicke in der Körpermitte; in den Eiröhren
finden sich erst polyedrische Eizellen von 0,025—0,035 zu 0,015 bis
Haut dicht angedrückten Höhlung kurz hinter dem Nervensystem gelegen
und offenbar dasselbe Gebilde ist, welches NoE bei den Larven der Ftlaiia
imnnlis als ..ghiandola anteriore" bezeichnet.
Bau der Filaria loa Güyot. 555
0,020 mm Durchmesser. Die Cuticularhöcker sind sehr zalilreich,
unregelmässig- vertheilt und finden sich bis auf die Kopfspitze hin ;
häutig- bilden sie Gruppen. Am Kopfende ist der conisclie Aufsatz
weniger ausgesprochen als beim ]\Iännchen, auch fehlen die beiden
Cuticularzapfen, die bei diesem vorhanden waren. Vulva und Anus
wurden mit Sicherheit nicht aufgefunden.
OzzARD giebt, ohne die bereits vorhandene Literatur zu berück-
sichtigen, eine kurze Beschreibung von 2 Männchen und 2 Weibchen,
die von THo:\rpsTONE in Opobo. Süd-Xigeria. gesammelt und an ^f ^^•soN
gesandt worden waren. Die Länge der Weibchen beträgt 50 bis
55 mm, die Maximaldicke von 0,55 mm wird bereits 0.6 mm hinter
der Koi)fspitze erreicht; das Hinterende ist scharf gekrümmt und
auf der Höhe des Afters 0,275 mm dick. Das Kopfende, auf dessen
iS])itze die Cuticula sich etwas verdickt, ist unbewaffnet, hinter ihm
keine halsartige Einschnürung vorhanden. Kleine, runde durch-
sichtige Verdickungen oder Buckel sind über den grössern Theil
der Körperhaut vertheilt, hören aber 0,6 mm vor der Schwanzspitze
auf. Au dieser ist die Haut am dünnsten, trägt aber zwei seitliche
Flügel, die über die Schwanzspitze in einander übergehen. Der
After liegt auf einer Hervorragung. der ..Analpapille", 0,3 mm vor
dem Körperende, die Geschlechtsötfnung 2,35 mm vom Kopfende ent-
fernt. Zwei üterusschläuche durchlaufen die Länge des ' Körpers
und endigen in Schlingen 1,2 mm vor der Schwanzspitze. Eine
Grenze zwischen Oesophagus und Darm war nicht zu erkennen.
Das Männchen ist 30 — 35 mm lang und ähnelt in Gestalt und
Ko])fbildung dem Weibchen; die Hautbuckel sind weniger zahlreich,
und das Schwanzende, am After noch 0.175 mm dick, ist nicht so
stark gekrümmt wie bei diesem. Die Beschreibung der Papillen
bietet gegenüber den Angaben der frühern Autoren nichts Neues.
Das Vas deferens setzt sich in zwei undeutlich erkennbare Spicula,
ein hinteres kurzes und ein vorderes längeres, fort, die nicht vor-
gestreckt sind. Die Cuticula ist auf der Bauchseite des Schwanz-
endes und über die Schwanzspitze hinweg verdickt. Der Darm
endigt in einer ..Analpapille" 0,175 mm von der Schwanzspitze ent-
fernt (demnach scheint der Autor anzunehmen, dass Darm und (4enital-
organe, wie beim Weibchen, sejtarat nach aussen münden».
Soweit die bisher vorliegenden Beschreibungen der Filaria loa,
^\'ie aus ihnen hervorgeht, herrscht unter den Autoren, von einigen
olfenbar irrthiimlichen Deutungen Ozzaiuvs abgesehen, in Bezug auf
die Form und die äussere Ausstattung des Körpers, ebenso über die
556 -^- Looss,
Gestaltung- des männlichen Schwanzendes weitgehende Ueberein-
stimmung-; betreffs der Innern Organisation dagegen lauten die An-
gaben zum Theil unsicher, zum Theil fehlen sie ganz.
Eigene Beol)aclituiigen.
Ursprünglich standen mir 3 Exemplare zur Verfügung, doch ist
im Laufe der Zeit eines davon, welches separat aufbewahrt wurde,
durch Eintrocknen völlig unbrauchbar geworden ; die beiden übrigen
sind Männchen und Weibchen und stammen von der Goldküste.
Leider war nichts mehr über die nähern Umstände in Erfahrung
zu bringen, unter denen sie erbeutet wurden, doch lässt die That-
saclie, dass sie ohne Weiteres als Füaria loa bezeichnet waren, wohl
mit Sicherheit auf ilire Herkunft aus dem menschlichen Auge schliessen,
und ihre Organisation beweist, dass die ursprüngliche Bestimmung
richtig ist. Beide Exemplare zeigten äusserlich keine Verletzung;
da es schade gewesen wäre, sie zu zerschneiden, so wurden sie nur
mittels der seit einigen Jahren von mir mit befriedigendem Er-
folge angewandten Alkohol-Glycerinmethode in Glycerin aufgehellt
und in toto untersucht. Nach längern Bemühungen gelang es auch,
sie soweit zu strecken, dass sie unter dem Deckgiase gerollt und
so von allen Seiten betrachtet werden konnten.
Das- Männchen ist nahezu 33 mm lang und im Vorderkörper
0,4 mm dick; nach hinten zu nimmt der Durchmesser allmählich
und ganz gleichmässig ab, so dass er dicht vor der vordersten
Schwanzpapille nur noch 0,15 mm beträgt. Nach dem Kopfende zu
ist eine allmähliche Verjüngung nicht nachweisbar oder wenigstens
nur auf eine ganz kurze Strecke beschränkt, auf welche der conische
etwa 0.05 mm hohe Kopfzapfen folgt. Bei der Aufhellung zeigt sich,
dass dicht hinter diesem doch eine kleine Verletzung, augenschein-
lich eine Quetschung durch eine Pincette, vorhanden ist, die zu
einer geringen Deformation des unmittelbar auf den Kopfzapfen
folgenden Körperabschnitt geführt hat. Das Weibchen ist voll-
kommen intact und besitzt eine Länge von ein wenig über 52 mm;
die Dicke des Körpers beträgt im Maximum 0,5 mm und nimmt,
wie beim Männchen, nach hinten zu gleichmässig ab, so dass sie
auf der Höhe des Anus noch ca. 0,17 mm beträgt. Der 0,07 mm
hohe, an seiner Basis 0,19 mm breite Kopfzapfen ist gegen den
übrigen Kör])er nicht durch eine Einkerbung abgesetzt (was ül)rigens
in weniger ausgesprochenem Maasse auch für das Männchen gilt,
wenn man dieses in der Eücken- oder Bauchlage betrachtet). Das
Bau der Filaria loa Goyot. 557
Scliwanzende ist leicht kreisförmio- zusammengekrümmt und etwas
hinter dem After breit abgerundet.
Beide Exemphire sind geschleclitlich voll entwickelte Thiere
und dürften ungefähr auch die normale Grösse der erwachsenen
Füaria loa zur Schau tragen, jedenfalls stimmen die Maasse gut mit
den von Ozzard beobachteten überein; nach einigen altern Autoren
kann die Länge indessen, wenn anders es sich in den betreffenden
Fällen nicht nur um Schätzungen handelt, noch weiter steigen; so
nach Bachelor auf 2^ j Zoll (= ca. 57 mmi und nach Maukel (von
Tkucy beschrieben) sogar auf 70 mm.
Die Haut finde ich bei beiden (Teschlechtern auf dem grössten
Theile des Körpers 0,009 — 0,01 mm dick, doch wird sie nach den
Körperenden zu etwas dünner und besitzt auf dem Kopfzapfen und
dem Schwanzende nur noch einen Durchmesser von 0,004 mm. Dies
stimmt demnach vollkommen mit den von Blanchard gefundenen
Massen überein , bleibt dagegen nicht unbedeutend hinter den von
Ludwig gegebenen zurück; den muthmaasslichen Grund dieser Diffe-
renz werden wir binnen kurzem sehen. Die Angabe Ozzard's, dass
die Cuticula über die Kopfspitze hinweg etwas verdickt sei, steht
mit den bisherigen Beobachtungen in AMderspruch. Ebenso wenig
habe ich am Körperende des Weibchens etwas von den Hautflügeln
entdecken können, die der Autor beschreibt. In Bezug auf die
^\'ärzchen der Haut habe ich dem Bekannten nichts Neues hinzuzu-
fügen. Ich finde sie, wie Ozzard, beim ]\Iännchen auffallend weniger
zahlreich als beim Weibchen, bei beiden Geschlechtern ausserdem
überall durch grössere Entfernungen von einander getrennt; nur
selten, dass man drei oder vier von ihnen einmal näher beisammen
gelegen findet, doch beträgt auch dann ihre gegenseitige Entfernung
noch das 4— 6 fache ihres Durchmessers. Die Yorderenden des
Körpers bleiben bei beiden Geschlechtern von ihnen frei; beim
Männchen treten die ersten vereinzelten etwa 2'/.2? beim Weibchen
etwa 3-^/4 mm hinter der Kopfspitze auf. ^Veiter nach hinten zu
werden sie allmählich zahlreicher, verschwinden beim Männchen
aber wieder gänzlich ca. 1.2 mm vor der Schwanzspitze, während
sie beim Weibchen sich bis zum äussersten KiU-perende, auf der
Bauchseite bis hinter den After erstrecken. Ihre Grösse schwankt
in ziemlich weiten (Frenzen, während ihre Höhe ungefähr der Dicke
der Haut gleichkommt. Ihre Vertheilung über den Körper ist. worin
alle Beobachter übereinstimmen, nicht an ein besonderes (lesetz ge-
bunden, scheint überdies aber auch noch mit dem Altei- der Thiere
558 -^- Looss,
zu wechseln, ^^'ie schon erwähnt, sind die ^^'ä^zcllen bei meinen
Individuen, obwohl zahlreich, doch ziemlich zerstreut, und nur ge-
legentlich liegen zwei oder oder drei in grösserer Nähe von einander;
auch Ludwig, der ebenfalls ein erwachsenes Weibchen untersuchte,
erwähnt nichts von Ansammlungen der Wärzchen in Gruppen.
Solche fanden sich dagegen in den von Blanchard studirten
Exemplaren und am ausgesprochensten bei dem jungen, erst 20 mm
langen AA'eibchen, wo sie sogar auf dem Kopfende auftraten, welches
bei altern Individuen bisher von ihnen frei gefunden worden ist.
Nach dem, was wir zur Zeit über die Entwicklung der Nematoden
wissen, müssen sie bei der letzten (4.) Häutung entstehen, mittels
deren die Thiere ihre definitive Gestalt annehmen. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach bedecken sie hier ziemlich dicht und gleichmässig
den ganzen Körper, rücken aber während des nach der letzten
Häutung erfolgenden, intensiven und mit der Ausbildung der Geni-
talien verbundenen AA'achsthums allmählich immer mehr aus einander,
so dass sie bei erwachsenen Thieren schliesslich durch mehr oder
minder weite Zwischenräume von einander getrennt erscheinen.
Bei Untersuchung mit stärkern Vergrösserungen erkennt man
im Innern der Haut eine äussere, anscheinend dichtere, und eine
innere, anscheinend weniger dichte, weichere Schicht, die durch eine
deutliche Grenzlinie von einander getrennt sind. In der vordem
Körperhälfte verläuft diese Grenzlinie im Wesentlichen gerade und
der äussern Oberfläche der Haut parallel ; nach hinten zu nimmt sie
dagegen einen fein welligen Verlauf an, und im Schwanzende des
Männchens verdichten sich die Wellen schliesslich zu minimalen
Zacken, die rings um den Körper herum laufen und den Eindruck
einer ausserordentlich feinen Querringelung hervorrufen (cf. Fig. 6) ;
nur betrifft diese Ringelung nicht die ganze Haut, sondern bloss die
innere der sie zusammensetzenden Schichten. Es erscheint mir
kaum zweifelhaft, dass die von Ludwig im Hinterende des Weibchens
beobachtete feine Querstreifung sich auf die hier beschriebene
Strucfur der Haut bezieht; andrerseits zweifle ich, ob wir es hier
mit etwas Normalem zu thun haben, und halte es für wahrschein-
licher, dass die Ringelung nur der Ausdruck einer geringen Con-
traction des Körpers ist, und das um so mehr, als sie hauptsächlich
an den gekrümmten Körperstellen auftritt. Ein unzweifelhaftes Con-
tractionsproduct sind, worauf bereits Blanchakd hinweist, die von
Ludwig beschriebenen, in Abständen von 0,08—0,1 mm von einander
verlaufenden Querringel. Der Hautmuskelschlauch der Nematoden.
Bau der Filaria loa Guyot. 559
besonders aber der Filarien, hat meinen Erfahrungen nach im Leben
und bei g-eschlechtsreifen Thieren einen ziemlich hohen Druck von
Seiten der stark geschwollenen Genitalorg-ane auszuhalten ; wird er
an irgend einer Stelle auch nur leicht verletzt, dann quellen die
Cienitalschlingen mit augenscheinlicher Gewalt (der Darm viel
weniger) nach aussen hervor, wie es bei dem von Ludwig unter-
suchten Exemplare der Fall war. Der Hautmuskelschlauch con-
trahirt sich allmählich, wobei sich die Haut nicht nur verdickt,
sondern auch in Anfangs sehr regelmässige, eine Ringelung vor-
täuschende Querfalten legt. Die von Ludwig gefundene, ungewöhn-
liche Dicke der Haut glaube ich in dieser Weise erklären zu
können. Lässt man derartig geplatzte Filarien in einer Flüssigkeit
liegen, die sie nicht direct abtödtet, dann geht der Contractions-
process weiter, und man findet am Ende nicht selten ein Convolut
von Schlingen, denen an der Stelle, wo sie zusammenlaufen, ein
kurzes, verscbrumpftes Etwas, der ursprüngliche Nematodenkörper
anhängt.
Von den 4 Läiigsbäiiderii sind nur die beiden lateralen von
aussen sichtbar. Sie beginnen vorn ganz schmal (0.009 mm) an der
Basis des Ivopfzapfezs (X. Jat Fig. 4), nehmen aber schnell, wenn
auch nicht gleich massig, an Breite zu, so dass sie am Ende des
Oesophagus beim Männchen bereits 0,063 mm . beim Weibchen
0.09 mm breit sind; bei letzterm steigt die Breite allmählich noch
weiter bis auf 0,11 mm, um wie beim Männcheii gegen das Hinter-
ende hin wieder ein wenig abzunehmen. Die Seitenbänder erreichen
bei beiden Geschlechtern das äusserste Körperende. Im Ganzen ist
ihre Breite nicht leicht mit Sicheilieit festzustellen, da sie unter
der Haut ganz allmählich in die Subcuticula übergehen, also keine
scharfen (irenzen darbieten, während sie nach innen zu von den
darunterliegenden Genitalorganen verdunkelt werden ; im Allgemeinen
ist ihr freies inneres Ende etwas breiter als ihre Ansatzstelle an
der Haut. In ihrem Innern bemerkt man die bereits von Ludwig
gesehenen Kerne, die in jeder Hälfte eines Seitenbandes je eine
ziemlich regelmässige Längsreihe bilden. Ihre (irösse schwankt
zwischen 0.008 und 0.012 mm, was mit den Befunden Ludwig's über-
einstimmt. Von den beiden Medianlinien bemerkt man bei ober-
flächlicher Einstellung nichts; auch in dem heilern Vorderende
stossen die ]\hiskelzellen in der dorsalen und ventialen Mittellinie
dicht an einander. Erst bei tieferer Einstellung zeigen sich körnige
Streifen von etwa 0,018 — 0,021 mm Breite; die Medianbänder stehen
560 ^- Looss,
deshalb, wie auch bei zahlreichen andern Nematoden, nur durch
ein schmales Septum mit der Subcuticula in Verbindung-, während
sie mit ihrem verbreiterten Ende in die Leibeshöhle vorspring-en.
Vorn beg-innen sie. soweit sich erkennen liess, an der Basis des
Koptzapfens; ihre hintere Endig'ung- war nicht festzustellen.
Die MTisciilatur hat eine auffallend kräftige Entwicklung-, was
zur Genüge die lebhaften Bewegungen erklären dürfte, von der alle
Beobachter der lebenden Filaria loa zu berichten wissen. Im
optischen Längsschnitt gesehen hat die Fibrillenscliicht der Muskel-
zellen im Vorderkörper eine Dicke von rund 0,05 mm, und über der-
selben liegt, in buckelförmige Erhebungen vorspringend und die
grossen (0,014 mm) Muskelkerne enthaltend, eine Sarcoplasmalage
von durchschnittlich ebenfalls 0,05 mm Dicke; die Musculatur allein
nimmt also im Vorderkörper beinahe den halben Durchmesser des ganzen
Körpers für sich in Anspruch. Nach hinten zu nimmt ihre Mächtig-
keit allmählich ab, beträgt aber nahe am Schwanzende im Mittel
immer noch 0,035 mm (l^^ibrillenschicht). Soweit sich feststellen liess,
liegen etwa 8 Muskelzellen in jedem Quadranten des Körpers; sie
sind ziemlich lang (1 mm) spindelförmig bei einer Breite von
ca. 0,038 mm, und greifen tief zwischen die vor und hinter ihnen
gelegenen hinein. Von jeder ]\luskelzelle treten anscheinend mehi-ere
Sarcoplasmafortsätze an die Medianlinien heran; besonders stark
sind diejenigen, welche sich direct an den Nervenring begeben. An
der Basis des Kopfzapfens hört die Musculatur ziemlich plötzlich
auf, doch setzen sich die Fibrillen, in jedem Quadranten fächerartig
ausstrahlend, noch ein kurzes Stück in denselben hinein fort; die
Seitentheile der 4 Fächer berühren sich in Punkten, die den 4 Längs-
linien entsprechen. Der Umstand, dass der Kopfzapfen somit von
]\[uskeln frei ist, erklärt seine Durchsichtigkeit, die allen bisherigen
Beobachtern das Erkennen der Mundöffnung und des an sie an-
stossenden Anfangstheils des Oesophagus gestattete.
Yerdauungstractus. Die Mundöffnung finde ich genau so,
wie sie von Blanchard beschrieben worden ist, das heisst, sie re-
präsentirt eine einfache Oeftnung in der Cuticula, die innen etwas
enger als aussen, also leicht trichterförmig gestaltet ist und direct
mit dem engen Lumen des Oesophagus in Verbindung tritt. Mund-
papillen wurden von den bisherigen Beobachtern nicht aufge-
funden ; die von Blanchard beschriebenen cuticularen Spitzchen, die
ich bei dem Männchen, wenn auch sehi- klein, ebenfalls finde, bei
dem Weibchen dagegen vermisse, können nicht als ^Mundpapillen
Bau der Filaria loa Guvot. 561
aufgefasst werden, da ihre Lagerung- in der dorsalen und ventralen
Mittellinie \) dieser Deutung- widerspricht. Bei den von mir unter-
suchten Individuen habe ich Gebilde gesehen, die wohl ^lundpapillen
sein dürften, doch ragen dieselben, wie es auch bei verwandten Arten
vorkommt, nicht über das Niveau ihrer Umgebung hervor, wogegen
ein deutlicher Nervenstrang von innen her an sie herantritt. Zwei
ziemlich grosse und sehr deutliche Lateralpapillen finden sich etwas
näher der Basis des Kopfkegels, während die etwas kleinern und
weniger deutlichen 4 submedianen Papillen ein wenig- mehr nach
der Spitze desselben hin liegen (Fig. 4).
Von dem Oesophagus wird von den frühern Autoren nur der
im Kopfzapfen gelegene Anfangstheil beschrieben; in Wirklichkeit
ist das Speiserohr beim Männchen 0,9 mm, beim Weibchen 1,1 mm
lang, von fast cylindrischer Gestalt, vorn 0,05, hinten 0,07 mm dick.
Dicht an seinem Hinterende erkennt man auf der Dorsalseite
zwischen den Muskelfasern, von einer spärlichen körnigen Masse
umgeben, einen grossen ovalen Kern von ca. 0,03 : 0,017 mm Durcli-
messer, offenbar den Kern einer dorsalen Oesophagusdrüse ; 2 kleinere,
etwa halb so grosse und weniger deutliche Kerne liegen auf der
Ventralseite, anscheinend die Kerne subventraler Oesophagusdrüsen.
Auf der Dorsalseile ist ein Strang der körnigen Drüsensubstanz
weit nach vorn zu verfolgen; die Drüsenmündungen dagegen waren
nicht zu erkennen, dürften in Anbetracht des Fehlens einer eigent-
lichen Mundhöhle aber im Innern des Oesophagus und wahrschein-
lich auf dem Niveau des Nervenringes zu suchen sein. Am Ueber-
gange in den Chylusdarm finden sich kleine Klappen, wie sie auch
sonst bei Nematoden voi'konnnen.
1) In einer Beschreibung des Sfcpht/ruir/is- (loifnfxs Dies. (Onr preseut
knowledge of the Kid ney- worin [Sclerostoma pinguicola] of Swine, in: Six-
teenth annual Report of the Bureau of Animal Industry [1899J, Washington
Dec. 1900, p. 612 — 637) schreibt Louise Taylor dem Genus ^^Sclerostonia-'-
6 Mundpapillen zu, ..von denen die dorsale und ventralt^ stärker hervor-
treten als die vier submedianen". Hier liegt offenbar eine irrige Orien-
tirung des Thierkörpers vor, denn die stärker entwickelten Papillen gehören
den Latei'allinien, nicht den ]\ledianliiiien an. Es mag bei dieser Gelegen-
heit erwähnt sein, dass ich die von der Autorin vorgenommene Namens-
änderung nicht billigen kann; der „Kidney-worm" ist, wie aus der Be-
schreibung ohne weiteres ersichtlich, weder ein „SdcroskDiKi^'', noch ein
„Sfroiirj/jl.Hs''' in dem herkömmlichen Sinne dieser Namen, sondern eine
eigene Gattung, deren Name Stf/il/auttnis früher oder später wieder her-
gestellt werden muss.
562 ^^- Looss,
Der Chylusdarm ist verhältnissmässig' schwach entwickelt
und hat vorn eine \\'eite von 0,14 mm, die am Kürperende allmählich
aber bis auf 0,025 mm gesunken ist. Sein Epithel besteht aus zahl-
reichen, ziemlich kleinen Zellen, die nach hinten zu anscheinend
eine verlängert spindelförmige Gestalt annehmen und mit ihrer
innern Fläche leicht buckeiförmig- in das Lumen vorspring-en. Das
Rectum ist nur kurz und sehr eng; die an seiner Verbindung- mit
dem Chylusdarm bei andern Nematoden sehr gewöhnlich auftreten-
den grossen Zellen (die „Analdrüsen" etc. der Autoren, nach meiner
Auffassung die Zellen eines bindegewebigen, die Verbindung zwischen
Chylusdarm und Eectum sichernden „Rectalligaments"'), sind mit
Sicherheit nicht zu erkennen, aber jedenfalls vorhanden und nur
sehr klein. Der After fällt beim Männchen mit der Genitalüffnung
zusammen und liegt bei meinem Exemplare 0,084 mm vor dei-
Schwanzspitze. Beim Weibchen vermuthet ihn Ludwig in einer
ca. 2 mm vor dem Leibesende gelegenen Einsenkung der Haut,
während Ozzabd ihn auf einer „Papille" 0,3 mm vor der Sch^'auz-
spitze findet; bei dem von mir untersuchten Weibchen liegt der
After, von deutlich entwickelten, etwas erhobenen Lippen begrenzt,
nur 0,17 mm vor derselben (Fig. 7). Von der Dorsalwandung des
Rectums strahlen wohl entwickelte Analmuskeln nach dem Rücken
hin aus.
Vom Excretionsapparat ist an dem ganzen Thiere nur wenig
zu erkennen. Ein ausserordentlich kleiner und wenig markirter
Excretionsporus findet sich beim Männchen 0,65, beim Weibchen
0,75 mm hinter der Kopfspitze in der ventralen Mittellinie (Ex
Fig. 3; in Fig. 2 auf der rechten Seite dicht unter dem Strich von
Oes gelegen). Ein mit einer dünnen, stark längsgefalteten Chitin-
wand ausgekleideter Anfangstheil der Excretionsblase lässt sich von
dem Porus aus eine kurze Strecke in das Innere des Körpers hinein
verfolgen, entzieht sich dann aber der Beobachtung vollkommen.
In den Seitenlinien bemerkt man auf derselben Höhe einen ge-
schlängelten Excretionscanal von etwa 0,0085 mm Weite; doch ist
seine Verbindung mit der Excretionsblase in keiner Weise zu er-
mitteln; anscheinend liegen hier ähnliche Verhältnisse vor wie bei
andern Nematoden (z. B. Ancylosformini), bei denen diese Verbindung
durch eine membranlose Höhlung in der Trägerzelle der Excretions-
blase hergestellt wird. Der Excretionscanal lässt sich von dem
Niveau des Porus aus nach vorn sowohl wie nach hinten noch eine
BiUi der Filaria loa Ctuyot. 563
Strecke weit verfolgen, wobei er allmählich etwas dünner wird, ent-
zieht sich schliesslich aber der Beobachtung-.
Vom Nervensystem {Nerv Fig-. 2 u. 3) ist noch weniger zu
sehen. Ein ziemlich dicker (0,025 mm) Faserring umschliesst den
Oesophagus etwas hinter der Basis des Kopfzapfens (0,20 mm beim
Männchen, 0,25 mm beim \\'eibchen); an ihn treten von vorn, von
den Seiten und schräg- von hinten sehr starke Sarcoplasmafortsätze
der vordersten Körpermuskeln heran. Stärkere Nervenfaserzüge ver-
laufen anscheinend in den Seitenlinien; es hat mir geschienen, als
ob die letzten Ausläufer derselben beim Weibchen in einer jeder-
seits dicht am Köi-perende gelegenen kleinen Papille endigten {Fap.
Fig. 7), die aber, wie die Kopfpapillen . nicht über das Niveau der
Haut hervortritt. Diese Papillen würden dann ähnlichen Papillen
entsprechen, die beim Männchen an derselben Stelle, i. e. hinter der
fünften (letzten) Schwanzpapille gelegen zu sein scheinen (cf. Pap.
Fig. 5 u. 6), aber weniger an einer Erhebung der Haut als an
einem feinen, an sie herantietenden Faserstrang kenntlich sind. Da
die Structuren ziemlich zart sind und sich nicht genauer untersuchen
lassen, auch weiteres ^Material zu einem Vergleiche fehlt, so kann
ich nur auf die ^Möglichkeit hinweisen, dass es sich hier um distincte
Papillen handelt. Von Halspapillen war nichts zu bemerken.
Die Oeiütalorgaue nehmen fast den gesammten Innenraum des
Körpers für sich in Anspruch und sind mit Unmengen von Keini-
producten gefüllt; die Fi-uchtbarkeit dieser Filarien muss eine ganz
kolossale sein.
Männchen. Die bisherigen Beschreibungen enthalten fast nur
Angaben über die äussern Sexualcharaktere. Soweit diese in Be-
tracht kommen, stimmen meine Beobachtungen im A\'esentlichen mit
dem bereits Bekannten überein. Das hintere Körperende ist nicht
wie bei verwandten Formen spiralig eingerollt, und in der That
fehlen der Filaria loa auch die schräg von den Seitenlinien nach
dem Bauche ziehenden ]\Iuskelfasern (die musculi bursales Scuneider's),
welche die Einrollung des Schwanzendes bedingen. Eine ventrale
Aushöhlung des Endabschnittes des eigentlichen Körpers, wie sie
Manson vermuthet. habe ich nicht gesehen, dagegen liegen die
schmalen, aber ziemlich dicken seitlichen Hautflügel, in denen die
Schwanzpapillen enthalten sind und die Manson bereits gesehen hat,
der Bauchseite etwas näher als der Eückenseite und convergiren
etwas nach letzterer, so dass dadurch thatsächlich eine leichte C'onca-
vität der Bauchfläche als Ganzes zu Stande kommt. Die Hautflügel
564 '^- Looss,
reifhen bis 0,7 mm vor die Schwanzspitze und sind an der breitesten
Stelle 0,029 mm breit. Ozzard erwähnt sie niciit, beschreibt da-
gegen eine Verdickung der Haut auf der Bauchseite: anscheinend
hat er das Schwanzende nur von der Seite gesehen und die ventral-
wärts vorspringenden Flügel für eine Hautverdickung gehalten (cf.
Fig. 6). In Bezug auf die allgemeine Disposition der Scliwanz-
papillen zeigt das von mir untersuchte Männclien eine Eigen-
thünilichkeit , die ich in den altern Beschreibungen nicht erwähnt
finde: die präanalen Papillen sind nämlich auf beiden Körperseiten
ausgesprochen asymmetrisch angeordnet (Fig. 5). Aut der linken
Seite entspricht das, was ich sehe, genau den Bildern, welche von
Blanchard und Manson gegeben werden (Fig. 6), d. h. die vorderste,
dickste Papille liegt ungefähr um die Länge des postanalen Körper-
abschnittes vor der Anogenitalöffnung. Auf der rechten Seite da-
gegen sind die 3 präanalen Papillen nicht nur dichter an einander,
sondern auch ziemlich dicht an die erste postanale Papille heran-
gerückt, dergestalt, dass die vorderste rechts mit der zweiten links
und die dritte rechts mit der Anogenitalöffnung auf demselben
Niveau liegen. Diese asymmetrische Anordnung der Papillen ist
bei meinem Exemplare so deutlich ausgesprochen, dass ein Zweifel
an der Thatsache selbst nicht möglich ist; die Frage bleibt nur,
ob wir es hier mit einem normalen Verhalten oder mit einer ge-
legentlichen Missbildung zu thun haben. Letzteres wäre sicher nicht
undenkbar, doch halte ich es für unwahrscheinlich, da eine Anzahl
von Nematoden mit theilweise asymmetrisch gestellten Schwanz-
papillen bekannt sind , Füaria loa also ganz gut zu ihnen gehören
kann. Trotzdem ich mich nur auf einen isolirten Befund stützen
kann, bin ich deshalb eher zu der Annahme geneigt, dass die Be-
obachtungen der altern Autoren über diesen Punkt unvollständig
sind, und das um so mehr, als die Asymmetrie der Papillen deutlich
nur bei einer Betrachtung des Schwanzendes von der Bauchseite in
die Augen springt. Blanchard giebt nur eine Ansicht der Papillen
der linken Seite, die mit dem, was ich gesehen, vollständig überein-
stimmt. Liess sich das von ihm untersuchte Thier aus irgend
welchen Gründen von der Bauchseite nicht betrachten, so würde
es sich erklären, dass ihm die Asymmetrie entgangen ist. Manson
hingegen giebt auch eine Skizze in der Bauchansicht, auf welcher
die Papillen beiderseits symmetrisch angegeben sind. Da diese
Figur aber (soweit aus der Reproduction bei Blanchard ersichtlich)
ausdrücklich als schematisch bezeichnet ist, so glaube ich sie bis
Bau der Filaria loa Guyot. 565
auf Weiteres nicht als Beleg für die thatsächliche Symmetrie der
Papillen bei dem MANsoN'schen Exemplare betrachten zu müssen,
f^eberdies beschreibt Manson die vierte Papille als „adanal oder
postanal" ; für die linke Körperseite gilt dies, wie bereits Blanchard
hervorhebt, zweifellos nicht; auf der rechten Seite dagegen liegen —
bei meinem Exemplare wenigstens — die dritte und vierte Papille
so (licht an einander, dass sie zur Noth beide als adanal bezeichnet
Averden könnten.
Die beiden postanalen Papillenpaare liegen sjmimetrisch und
verlialten sich wie von den frühern Autoren beschrieben. Hinter
dem letzten sehe ich auf jeder Körperseite noch einen feinen Faser-
strang an die Haut heran treten, der die innere Begrenzung der-
selben etwas buckeiförmig vortreibt, während der äussere Haut-
contur glatt darüber hinwegzieht {Fap. Fig. 6). Allem Anschein
nach handelt es sich hier um Nervenendigungen; ob dieselben aber
als sechstes Paar den Schwanzpapillen zuzurechnen sind, muss ich
bis auf Weiteres dahin gestellt sein lassen.
Die Anogenitalöffnung liegt bei meinem Exemplare, wie
schon erwähnt. 0.084 mm vor dem Leibesende, also genau so, wie
es bereits Blanchakd angibt. Aus ihr ragen die Si)icula zur
Hälfte hervor und zwar in der Weise, dass sie einander an der
Oefthung kreuzen, indem das linke nach rechts, das rechte nach
links gerichtet ist. Bei Anwendung stärkerer Vergrösserung und
intensiver Durchleuchtung sind auch ihre im Innern des Körpers
gelegenen Partien vollkommen deutlich zu erkennen; ich erwähne
dies ausdrücklich, da meine Befunde hier wieder von den existiren-
den Beschreibungen abweichen. Blanchakd sowohl wie Manson
zeichnen die Spicula nicht nur ziemlich lang, sondern nach dem
freien Ende zu auch stark verjüngt, so dass sie fast haarförmig
enden; bestimmte Längenmaasse werden nicht gegeben, Manson
schreibt ihnen eine „ungleiche". Blanchard „ungefähr die gleiche"
Grösse zu ; in den von beiden Autoren gegebenen Zeichnungen liegen
die vordem Enden durclischnittlich um die doppelte Länge des post-
analen Körperabschnittes vor dei- Anogenitalöifnung. Bei meinem
Exemplare sind die Spicula zunächst viel kürzer, und zwar ist
das kleinere, im ganzen nur wenig gebogene 0,113 mm, das grössere
0,176 mm lang, und dabei so stark kreisförmig gebogen, dass seine
Enden in gerader Linie 0,135 mm aus einander liegen. Sein Vorder-
ende findet sich um reichlich die einfache Länge des postanalen
Körperabschnittes vor der Anogenitalöffnung; das innere Ende des
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Svst. 38
566 *^- Lüoss,
kleinem Spicuhims liegt mit dieser fast auf dem gleichen Niveau.
Ferner finde ich beide Spicula in ganzer Ausdehnung fast gleich
dick : 0.008 mm ; nur das längere wird gegen sein inneres Ende hin
ein wenig breiter. Auf dem Querschnitt scheinen sie rinnenförmig
ausgehöhlt zu sein; ihre freien Enden sind abgerundet, nur bei
manchen Stellungen schien es, als ob sie mit leicht erhöhten Bändern
in ein Gebilde ähnlich dem etwas nach abwärts gebogenen Ausguss
z. B. einer i^bdampfschale oder eines Kruges ausliefen. Gegen das
innere Ende hin nimmt namentlich das grössere Spiculum eine quer-
gerippte Structur an. Ihre Scheiden sind in Folge der theilweisen
Protrusion stark gefaltet; die an den Enden sich inserirenden, ziem-
lich kräftigen Retractormuskeln laufen eine Strecke nach vorn und
verlieren sich dann in der Körpermusculatur.
Von der Umgebung der Anogenitalöffnung aus laufen fächer-
artig ausstrahlende Muskelbündel nach dem Rücken zu, ähnlich den
Analmuskeln des Weibchens; ihre Insertionspunkte Hessen sich mit
Sicherheit nicht bestimmen.
Die Innern männlichen Genitalien folgen dem gewöhn-
lichen Bautypus, sind aber so stark mit den Geschlechtsproducten
gefüllt, dass eine Abgrenzung einzelner Absclmitte niclit leicht
möglich ist. Circa 0,15 mm vor der Anogenitalötfnung zeigt der
männliche Leitungsapparat, der liier nur 0,04 zu 0,05 mm weit ist.
eine leichte Einschnürung, durch welche ein etwa spindelförmig ge-
stalteter Endabschnitt abgesondert wird (Fig. 5, 6); ob diesem eine
besondere Bedeutung zukommt, vermag ich niclit zu sagen. Nach
vorn hin nimmt der Leitungsweg mit der allmählich grösser werden-
den Dicke des Körpers an Durchmesser zu; seine Wand besteht
hier aus einem etwa 0,008 mm hohen, nicht sehr deutlichen Epithel,
dem sich eine ungefähr gleich dicke Schicht scharf conturirter
Ringmuskeln auflagert; in ihr finden sich von Zeit zu Zeit grosse
Kerne, die Kerne der Matrixzellen dieser Musculatur. Ca. 2,35 mm
vor der Geschlechtsöffnung zeigt der Canal eine zweite, deutliche
Einschnürung, die nicht nur eine Faltenbildung zu sein scheint.
Die Ringmusculatur ist hier merklich schwächer geworden, als sie
weiter hinten war, setzt sich aber, immer mehr abnehmend, für eine
kurze Strecke auch noch auf den folgenden Theil des Leitungs weges fort.
Bis zu dem erwähnten Einschnitte glaube ich den Ductus ejaculatorius
rechnen zu können; der nach vorn an ihn sich anschliessende Rest
des Geuitalschlauches würde demnach als Hoden incl. Samenleiter
zu betrachten sein. Er verläuft zunächst ohne Schlingenbildung,
Bau der Filaria loa Guyot. 567
aber den ganzen Innenraum des Körpers ausfüllend und dicht mit
Spermatozoen , resp. deren Entwicklung-sstadien gefüllt, nach vorn,
dabei den Darm bald auf die reclite, bald auf die linke Seite
drängend. Dieser wolil als Samenleiter zu deutende Theil hat eine
Länge von reichlich 26 mm, nimmt also den bei weitem grössten
Theil des Körpers ein. Etwa 4,5 mm vom Kopfende entfernt wird
er zu dem etwas dünnern eigentlichen Hoden, welcher einige (in
meinem Falle 2) Längsschlingen bildet und. allmählicli immer mehr an
Durchmesser verlierend, bis in das Koi)fende hinaufsteigt, um am
Nervenringe wieder nach liinten umzubiegen. Dieser rücklaufende
Theil lässt sich mit Sicherheit bis an den Anfang des ('hjiusdarms ver-
folgen, ohne dass hier sein Ende positiv zu sehen ist ; doch kann er
keinesfalls viel weiter nacli hinten reichen. Hoden incl. Samenleiter
besitzen eine Länge von rund 36 mm. der gesammte Genitalschlauch
des Männchens mit Einschluss des Ductus ejaculatorius demnach
ca. 39 mm, d. h. etwas mehr als die einfache Körperlänge.
Der Inhalt des Genitalschla uches lässt sich nur schwer
analysiren. Nahe seinem Innern Ende enthält er dicht gedrängte,
kleine, körnige Zellen von in Folge der gegenseitigen Abplattung
unregelmässiger Gestalt. Ob dieselben einer Rhachis aufsitzen, lässt
sich nicht ermitteln; wenn es der Fall ist, dann verläuft diese
Rhachis im Innern des Schlauches nicht gerade, sondern in mehr
oder mindei' dichten Windungen. Etwa 4,5 mm hinter dem Kopf-
ende, i. e. da, wo der dickere Samenleiter beginnt, liegen die Samen-
elemente augenscheinlich frei, aber immer noch dicht gedrängt. Sie
nehmen weiter nach hinten noch etwas an Grösse zu, bis sie ihr
Maximum von ca. 0,012 mm Durchmesser erreichen. 14,5 mm hinter
dem Kopfe sieht man zwischen ihnen, zuerst vereinzelt, später immer
häufiger werdend, kleinere, etwa halb so grosse Elemente mit
glänzendem Kern und schmalem Pi'otoplasmasaum auftreten, die
schliesslich den alleinigen Inhalt des Genitalschlauches bilden. Es
sind die reifen Samenelemente, einfach kugelige Zellen von 0,005
bis 0.006 mm Dui'chmesser.
Weibchen. WW aus den Eingangs recapitulirten Angaben der
altern Beobachter hervorgeht, ist die weibliche (Tenital Öffnung
mit Sicherheit zuerst von Ozzaru aufgefunden worden, während
Ludwig sie. da er sie sonst nicht zu entdecken vermochte, in der
vordersten Risstelle des von ihm untersuchten Individuums, das
ist, etwa an der Grenze des ersten und zweiten Viertels der Total-
länge vermuthet hatte. Ich kann den Befund Ozzard's bestätigen,
38*
568 A- Looss,
denn bei dem mir zur Verfügung- stehenden Weibchen liegt die
GenitaUiffnung- 2,4 mm, also nur etwa den 22. Theil der Gesammt-
länge, hinter dem Kopfende und ist, wenn es nur gelingt, das Thier
in die Seitenlage zu bringen, ohne Weiteres in Gestalt eines queren,
von etwas über das Niveau der Umgebung erhobenen Lippen be-
grenzten Spaltes zu erkennen (Vulv. Fig. 2). Bei dieser Lage der
Vulva lässt sich vorhersehen, dass auch Ludwki's x\ngabe über die
vermuthliche Länge der Vagina (3 mm) niclit stimmen wird; in der
That misst sie nicht 3. sondern fast genau 9 mm. Sie zieht in
ziemlicli gerader Richtung längs der Bauchwand des Körpers hin
und zerfällt am Ende in die beiden Uteri, die zuerst so dicht neben
einander hinlaufen und dabei das Caliber der Vagina (0,1 mm) bei-
behalten, dass die Gabelungsstelle nicht leicht zu sehen ist. Für
eine Strecke von 18,5 mm setzen sie ihren Verlauf in derselben
Weise, d. h. ohne irgend welche Schlingenbildung, nach hinten fort;
dann biegt der eine nach vorn zurück, wobei seine Dicke schnell
auf ungefähr das Doppelte (0,2 mm) steigt. Dieser vordere Uterus
zieht in leichten, auf weite Entfernungen vertheilten Wellen nach
vorn zurück, um 1,1 mm liinter der Kopfspitze, also fast genau am
Ende des Oesophagus, wieder nach hinten zurück zu kehren, wobei
er allmählich um ein geringes dünner wird. 12,8 mm hinter der
vordem Umbiegungsstelle geht er dann, nachdem er zuerst eine
schlanke, kolbenförmige Erweiterung von 0,18 mm Durchmesser, das
Receptaculum seminis, gebildet hat, unvermittelt in einen
dünnen, nur 0,06 mm weiten, 1,9 mm langen Canal, den Eileiter,
über , der seinerseits ohne scharfe Grenze mit der eigentlichen E i -
röhre in Verbindung tritt. Diese besitzt Anfangs eine Weite
von 0,12 — 0,13 mm und zieht tlieils neben, theils über dem auf-
steigenden Uterusast weiter, wobei sie immer schmäler wird und
endlich etwa 1,7 mm vor der hintern Umbiegungsstelle desselben
endigt {Ovar. a. Fig. 2). Dieses Ende ist deutlich kolbig verdickt,
0,025 mm im Durchmesser, gegen 0,016 mm Durchmesser der an-
schliessenden Eiröhre.
Die hintere Genital röhre verhält sich in Bezug auf ihre
Gliederung genau wie die vordere, hat aber einen etwas abweichenden
Verlauf. Wir hatten die beiden aus der Theilung der Vagina her-
vorgehenden Uteri an der Stelle verlassen, wo der vordere nach vorn
umbog, d. i, 18,5 mm hinter der Theilungsstelle, 27,5 mm hinter der
Genitalöffnung und ca. 30 mm liinter der Kopfspitze. Der hintere
Uterus setzt seinen Weg, ohne sein bisheriges Aussehen zu ver-
Bau der Filaria loa Guyot. 569
ändern, von hier aus noch 3,9 mm weiter, d. i. bis 22,4 mm liintor
die (Tabelung-sstelk\ fort, biegt jetzt nach A^orn um und schwillt dabei
bis auf ca. 0.2 mm Dicke an. Dieser vorwärts laufende Theil ist
aber nur kurz, denn er erreicht die Umbieo-ungsstelle des vordem
Uterus nicht, kehi't vielmehr 0,2 mm vorher um, um nunmehr definitiv
seinen Weg nach hinten zu nehmen. Hinter der Schleife steigt
seine Weite für eine längere Strecke auf das .Afaximum von 0,27 mm.
nimmt dann aber der zunehmenden Verschmächtigung des Körpers
entsprechend allmählich ab. In einer Entfernung von 0,85 mm vor
dem After angekommen, kehrt er nach vorn zurück, seinen bisherigen
Verlauf mehrmals in leichten Wellenlinien kreuzend, um schliesslich
wie der vordere Uterus ein Receptaculum seminis zu bilden und
8,2 mm vor seiner hintern Umbiegungsstelle in den hintern Eileiter
überzugehen. Abweichend von dem vordem, der ziemlich gestreckt
verlief bildet dieser hintere Eileiter eine Längsschlinge, biegt 1,8 mm
vor dem Receptaculum definitiv nach hinten zurück und geht dabei
in die Einihre über. Diese verläuft tlieils neben, tlieils über den
beiden Schenkeln des hintern Uterus und endigt, ebenfalls kolbig
verdickt, fast genau auf dem Niveau des Anus, nachdem sie un-
mittelbar vorher noch eine kurze Längsschleife gebildet hat [Orar.p.,
Fig. 2 und 7).
Rechnet man die Ausdehnung der (nlenitalröhren zusammen, so
ergiebt sich für die vordere eine Gesammtlänge von ca. 74,5, für
die hintere eine solche von ca. 68,5 mm. Addirt man hierzu die
Länge der Vagina mit 9 mm, so erhält man als Totallänge des weib-
lichen Geschlechtsapparates 152 mm, das ist rund 3mal die Länge
des Thierkörpers. Dieses Resultat bleibt hinter dem von Ludwki
berechneten (rund fünfmal die Länge des Thierkörpers) ziemlich
beträchtlich zurück; indessen ist bei Beurtheilung dieser Diiferenz
im Auge zu behalten, dass dem genannten Autor nur ein mehrfach
verletztes und contrahirtes Thier zur Verfügung stand, dessen Genital-
röhren zum grossem Theil nach aussen hervorgetreten waren, während
der Körpei- sich contrahirt hatte.
A\'eichen nun meine 1 Beobachtungen, soweit sie die Ausdehnung,
die Anordnung und die Gliederung der Genitalridiien betreffen, von
denen LrnwKi's mehrfach ab — Ditferenzen, die, wie gesagt, in
dem ungünstigen Erhaltungszustand des LiDwui'schen Exemplars
ihre Erklärung finden — so kann ich seine Aveitern Angaben über
die histologische Structur und den Inhalt derselben Organe
in allen wesentlichen Punkten bestätigen. An ihrem blinden Ende
570 -^- Looss,
werden die Eiröhren bej^renzt von einer ziemlich (0,003 mm) dicken
Membran, in der hier nnd da flach g-edrückte Kerne zu lieg-en
scheinen ; im Innern finden sich dicht gedrängte, kleine runde Kerne
von 0,005—0,006 mm Durchmesser, zwischen denen kaum Protoplasma
zu erkennen ist. Eine besondere Terminalzelle ist an keiner der
beiden Eiröhren zu unterscheiden. Weiter distalwärts lagern sich
die Kerne in der Eiröhre lockerer, und ein dunkel körniges Plasma
tritt zwischen ihnen auf; auch Zellgrenzen treten allmählich hervor,
die Eikeime scheinen um eine Rhachis gruppirt zu sein. Sie haben
von aussen, d. i. in der Richtung ihrer längern Axe, gesehen, jetzt
einen Durchmesser von 0,007 — 0,008 mm. Etwa .5 mm von dem
blinden Ende der Eiröhre entfernt scheinen sie bereits frei zu sein,
nachdem man eine Strecke vorher mehrfach Bilder erhalten hat, die
den Eindruck hervorrufen, als ob die Rhachis im Innern der Röhre
in dichte Windungen gelegt sei; doch ist es schwierig, von aussen
einen sichern Einblick in diese Verhältnisse zu gewinnen. Am Ende
der Eiröhre angekommen haben die reifen Eizellen eine in Folge
der gegenseitigen Pressung natürlich mannichfach wechselnde Gestalt
bei durchschnittlich 0,029 mm Länge und 0,012 mm Breite und ent-
halten einen grossen, ovalen Kern von 0,009 zu 0.007 mm Durch-
messer mit einem grossen, glänzenden Kernkörperchen und kleinern
Granulationen. Die äussere Begrenzung der ICiröhre ist noch die-
selbe Membran wie zu Anfang.
Am Uebergang in den Eileiter lagert sich ihr auf der Innen-
seite ein bis zu 0,02 mm hohes, aus anscheinend cylindrischen Zellen
bestehendes Epithel auf, das sich, etwas niedriger werdend, auch in
das Receptaculum seminis fortsetzt. Dieses ist auf eine Strecke von
3,8 mm dicht gefüllt mit den hügligen Samenelementeu, zwischen
denen man Anfangs, d. h. in der Nähe des Eileitereintritts, spärliche,
später immer häufiger werdende Eizellen liegen sieht, die jetzt eine
regelmässig ovale Gestalt von 0,029 mm Länge und 0,015 mm Breite
annehmen. Weiter nach vorn zu verschwinden die Spermatozoen,
und die Eier erfüllen jetzt eng an einander gelagert den ganzen
Innenraum des Uterus. Die ersten Anzeichen der Furchung
machen sieh erst verhältnissmässig weit vorn, etwa 6,2 mm vom
Anfange des Receptaculums entfernt, geltend, und zwar dadurch,
dass in den Eizellen plötzlich zwei deutliche Kerne auftreten, nach-
dem eine Zeit lang der ursprünglich einfache Kern unsichtbar
gewesen ist.
Bau der Filaria loa Guyot. 571
Ein weiteres Eingehen anf das. was sich an den intacten Thieren
von der Embryonalbiklnng' l)eobachten lässt, erscheint mir über-
riüssig-. zumal die Bilder mit dem Fortschreiten des Entwicklnngs-
processes immer schwerer analysirbar werden. Die von ihrer Hülle
umschlossenen Embryonen finde ich, ehe sie die Hülle zu strecken
beginnen, etwas kleiner als von Ludwig angegeben, nämlich 0,035
bis 0,37 zu 0.022 mm; Grössen von 0,045 zu 0.024 mm waren nirgends
zu sehen. Die Länge der in der Vagina liegenden freien Embryonen
ist ihrer dichten Gruppirung wegen nicht zu messen; ihre mittlere
Dicke beträgt 0.0047 mm, was sich mit Ludwki's Befunden deckt.
Die die Embryonen eine Zeit lang noch umgebende Embryonalhülle
konnte namentlich an den Kopftheilen oft sehr deutlich als eine
feine Kappe erkannt werden. Bei den weiter vorn in der Vagina
liegenden Embryonen war sie nicht mehr zu entdecken, was also
el)enfalls mit dem stimmt, was Ludwig berichtet.
Ueber die histologische Structur der Genitalröhren ist noch
nachzutragen, dass das Epithel, welches der Eigenmembran im
Receptaculum seminis innen aufliegt, sich durch den ganzen Rest
der Genitalröhre fortsetzt: in den stark erweiterten Theilen des
Uterus wird es meist so gedehnt, dass seine Dicke auf die der
Eigenmembran herabsinkt. In der Nähe derjenigen Stellen, wo die
aus der Theilung der Vagina hervorgehenden primären Uterus-
schenkel zum ersten ^Male umbiegen — es sind dies, nebenbei ge-
sagt, dieselben Stellen, an denen im Innern zuerst gestreckte Em-
bryonen auftreten — fängt eine ausserordentlich feine Muskellage
an. auf der Aussenfläche der Tunica propria der Genitalröliren zu
erscheinen. Die einzelne]i Fibrillen dieser Schicht bilden auf eine
lange Strecke hin noch keinen geschlossenen Mantel, sondern laufen
in einzelnen, durch grössere oder kleinere Zwischenräume von ein-
ander getrennten Bündeln. In der Schicht, in der sie liegen, sieht
man von Zeit zu Zeit Kerne, die Kerne der :\Iatrixzellen dieser
Muskeln. Die hier beschriebene Structur behält die Wand bei einer
im Allgemeinen constanten Gesammtdicke von 0.012 mm, wovon
etwa die Hälfte auf das innere Epithel kommt, bis weit nach vorn
bei. Gegen die Vereinigungsstelle zur Vagina hin rücken die ]\Iuskel-
bündel dichter zusammen, nehmen auch etwas an Dicke zu, doch
ist, wie bereits Ludwig hervorhebt, der Uebergang der Uteri in die
gemeinsame Vagina ein ganz allmählicher und nicht von Aenderungen
in der Structur der Wand begleitet. Etwa 8 mm vor der Vulva
ist die Dicke der Wand auf 0.024 mm gestiegen; die Muskelschicht
xr^o A. Looss,
ist jetzt continuirlich, 0,012 mm, das Epithel 0,011 mm dick, die
Muskelkerne sind ziemlich zahlreich. In der Nähe der Vulva end-
lich finde ich die Wand 0,039 mm dick, wovon 0,02 mm auf die
Musculatur und 0,017 mm auf das Epithel kommen; die Zellen des
letztern springen, wie schon eine Strecke vorher, mehr oder minder
erhaben in das Lumen vor.
Bau der Filaria loa Guyot. 573
Literatiirverzeichniss.
Eine ausführliche Zusammenstellung der bisher bekannt gewordenen
Fälle von Filaria loa und der auf sie bezüglichen Literatur findet sich bei
Blanchard. Die Arbeiten, auf die im Voraufgehenden speciell Bezug
genommen wurde, sind :
Annett, H. E., J. E. Button and J. H. Elliott, Report of the Ma-
laria Expedition to Nigeria, Part II, Filariasis. Liverpool School of
trop. Med., Memoir IV, London 1902.
Bachelor, H. M., Filaria loa and Pulex penetrans, in : Bull. New York
path. Soc. (2), V. 1, 1881, Febr.-March., p. 108—111, and Med.
Record, New York, V. 19, 1881, p.470— 471.
Blan'Chaed, B,., Nouveau cas de Filaria loa, in: Arch. ParasitoL, V. 2,
1899, p. 504—534.
Ludwig, H. und Th. Saemisch, lieber Filaria loa Guyot im Auge des
Menschen, in: Z. wiss. Zool., V. 60, 1895, Heft 4.
Manson, P., in: Robertson, D. A., Gase of Filaria loa, in: Trans.
ophthalm. Soc. London, V. 15, 1895.
— , Tropical diseases etc., Revised enlarged edition, London, March 1903,
p. 550.
NOE, G., Sul ciclo evolutivo della Filaria bancrofti (CobboLD) e della
Filaria immitis (Leidy), in: Ric. Lab. Anat. Roma e altri Lab. biol.,
V. 8, 1901, fasc. 3 e 4, p. 275—353.
OzzABD, A. T., Filaria loa, in: Journ. trop. Med., V. 6, 1903, May 1,
p. 139. Berichtigung hierzu von Thompstone, ibid., May 15, p. 160.
Trucy, Gh., Remarques sur la filaire de Medine et en particulier sur son
traitement. These Montpellier, 1873.
574
A. Looss, Bau der Filaria loa Guyot.
Erklärung der Al)l>ilclnii^eii.
Durchsehende B u c h s t a b e n b e z e i c h n u n ff :
Ah Anus
DcL ej Ductus ejaculatorius
Ex Excretionsporus
Int Chylusdarm
L. lat Seitenlinie
M. im Analmuskeln
M. retr. sp Retractormuskeln der
Spicula
Nerv Centralnervensystem
Oes Oesophagus
Ovar, a vordere Eiröhre
Ovar, p hintere Eiröhre
Orid. a vorderer Eileiter
Ovid. j) hinterer Eileiter
Pap Papillen des Körperendes
Pap. l laterale Kopfpapillen
Pap. shni submediane Kopfpapillen
Rec. s. a vorderes ) Receptaculum
Ret. s. p hinteres j seminis
Spie Spicula
Test Hoden
Ut* Gabelungsstelle der Vagina
Ut. a vorderer Uterus
Ut. j) hinterer Uterus
Vulr weibliche Genitalöffnuna-
Tafel 19.
Fig. 1, Filaria loa. 2:1. a Männchen, b AVeibchen.
Fig. 2. Männchen | 20 : 1. Das Arrangement des Körpers arbiträr, die
Fig. 3. Weibchen j innern Organe genau nach Messung eingezeichnet.
Fig. 4. Kopfspitze des Weibchens von der linken Seite.
Fig. 5. Hinterende des Männchens von der Bauchfläche, bei Spic^
die innern Enden der beiden Spicula.
Fig. 6. Dasselbe von der rechten Seite; das innere Ende des längern
Spiculums liegt oben, das des kürzern unten.
Fig. 7. Hinterende des Weibchens von der rechten Seite.
Nachdruck verboten.
T'cbersetzungsrecht vorbehallen.
EntomostrakeD,
gesammelt von Dr. G. Hag mann im Mündungsgebiet
(1 e s A m a z 0 n a s.
Bearbeitet von
Dr. Theodor Sting:elin in Ölten (Schweiz).
Mit Taf. 20 und 1 Kärtchen im Text.
In einem von Herrn Dr. G. Hagmaxn am Museum Goeldi in Parä
gesammelten und mir zur Bearbeitung übersandten Planktonmaterial
aus dem Rio Arama g ran de und der Furo Sant Isabel im
Mündungsgebiet des Amazonas fanden sich u. a. sechs Cladoceren-
Arten sowie eine Centropagiden-Species. welche für die Kntomo-
strakenkenntniss einige neue, sehr interessante Gesichtspunkte zu
Tage förderten.
Unter den sechs Cladoceren-Formen finden sich drei neue Arten.
Zwei weitere Species haben auf der Erde eine weite Verbi-eitung.
Die sechste Form gehört zu dem von J. Richard begründeten Genus
Bosminopm und ist mit der aus Südamerika (La Plata) beschriebenen
Species Bosmwopsi>< dtifcrsi zu identiticiren. — Die Centropagiden-
Art gehört zum Genus l^seudodiapfonuis. Sie wurde im Jahre 1894
von F. Dahl aus diesem (itdiiete beschrieben und ist seither zum
ersten mal wieder aufgefunden worden.
Ich muss hier zunächst einige wichtige, erläuternde Bemerkungen
über die oben genannten Fundorte vorausschicken.
Aus Mittheilungen des Heini Dr. .1. Hrui:i> von Schartluiusen.
576
Theodor Stingelin,
der mit Herrn Dr. Hagmann in Parä arbeitet und im Jahre 1891
zu einem Besuche in die Schweiz kam, hebe ich folgendes hervor:
1. Der Rio Aramä, im Westen der Insel Marajo [vgl. bei-
liegenden Plan!], ist nicht ein eigentlicher Fluss, sondern eine Furo
des Amazonas, d. h. ein natürlicher Canal von 100—300 m Breite
und etwa 30 m Tiefe. In sein trübes, schmutziges Amazonassüss-
wasser ergiessen sich noch einige Süsswasserflüsse ; so der Rio
Aramä grande(I), der aus dem Innern der Insel Maraj 6 kommt.
D/e Pfe//e ze/gen d/e
Strömungs Verhältnisse
be/ F/uf dn.
<§■ vom Mündungsgebiet' des
^ Amazonas.
nach 5kizze von
D-^ Huber Para.
Aequat-op
dessen Wasser in stärkern Schichten dunkel braun bis schwarz er-
scheint und darum „Schwarzwasser" genannt wird. In Folge der
gegen die atlantische Küste vordringenden ]\Ieeresflut machen sich
bis weit in den Rio Aramä grande hinauf Stauungen des Ama-
zonassüsswassers geltend. Wir haben es darum trotz Ebbe und Fluth
hier nur mit Süsswasserorganismen zu thun. — An der Stelle, wo
gedredgt wurde, findet sich eine üppige Ufervegetation. Bäume
treten bis ans Wasser hinan, und viele Wasserpflanzen wuchern am
Strande. In den Dredgen fand sich darum vorwiegend pflanzlicher
Detritus,
Entoinostrakeu vom Müudvingsg-ebiet des Amazonas. 577
2. Die im Süden der Insel ^larajö g-eleg-ene. püanzenarme Furo
Sant Isabel (II) g-eliört zum Aestuarium des Rio Parä und hat
schwach brackisches Wasser, Aveil die Meeresflut, die beim
Rio Para eintritt, bis zu dieser Furo vordrinot.
I. Cladoeera.
Farn. Holopedidae. ^ i
1. Holopedium amarajnirtfm n. .v/>. '^)
(Taf. 20 Fig. 1 und 2.)
Beschreibung des Weibchens. Die Körperforni erinnert
im Allgemeinen an diejenig-e von Holopedmm gihherum. Der dreieck-
förmige Kopf, dessen Länge ca. ^ .. der ganzen Köri)erlänge misst,
ist vom Rumpfe durch eine breite Dorsalimpression abgegrenzt und
an seinem Dorsalrande, über dem Auge, breit und tief eingebuchtet.
Sein Ventralrand verläuft fast gerade nach hinten unten und
«ndigt in einem schwach angedeuteten, stumpfen Rostrum, in Avelchem
der viereckige, grosse Pigmentfleck liegt und vor welchem beider-
seits die kurzen, distal schwach verbreiterten Tastantennen inserirt
sind. Ausser den 4— 5 endständigen Riechstäbchen findet sich noch,
wie bei H. gihherum, auf der Hinterseite dieser ersten Antennen eine
kurze Sinnesborste. Ventraler und dorsaler Kopfrand laufen vorn
in einen niedern, helmförmigen Vorsprung aus, in dessen Mitte das
ziemlich grosse, linsen- und pigmentreiche Auge liegt. Die lange,
schmale Oberlippe besitzt einen welligen Unterrand. Die Ruder-
Antennen sind cylindrisch und emästig {Holopedidae .'). Ihr kräftiges,
langes Basalstück ist proximal spiralig gekrümmt. Die beiden
Glieder des Schwimmastes (der dem Dorsalaste der zweiästigen
Cladoceren-Ruderantenne entspricht) sind ungefähr gleich lang. Nur
das äussere Glied trägt distal auf der Hinterseite ein feines Haar,
am Ende aV)er drei lange, dreigliedrige und fein gefiederte Schwimm-
borsten. Der Rumpf ist von einer zarten, chitinösen, zweiklappigen
1) lieber die in Folge der Entdeckung von Ilolopediiim amaxoiiicum
nöthig gewordene Abänderung der Familien- und (Jenusdiagnose vergleiche:
1904, Stlxgelin, Tu., Die Familie der Holopedidae, in: ßev. Suisse
2ool., V. 12, p. 53.
2) 1. c, p. 54.
578 Theodor Stingeltn,
Schale umschlossen, deren Structur an diejenige der Sididen erinnert.
Der dorsale Schalenrand ist hoch g-ewölbt, obgleich nicht in dem
Maasse wie bei H. gihberum, wo die Körperhöhe die Ivörperlänge
übertrifft.
Im Bratsacke befinden sich meistens nur 1 — 2, höchstens aber
8 Embryonen. Hinten läuft der gleichmässig und schwach gebogene,
glatte, unbeborstete ventrale Schalenrand mit dem dorsalen Schalen-
rande in einen spitzen Winkel aus.
Eine hyalin-gallertige, kuglige Körperhülle, wie bei Holopedium
gibberum, konnte hier nicht nachgewiesen werden. Der Darm macht
keine Schlinge und mündet hinter den Endkrallen des Postabdomens.
Dieses ist für die neue Art besonders charakteristisch. Es ragt nur
mit seinem Ende aus der Schale hervor, ist also kürzer als dasjenige
von H. gibberum und misst ca. ^4 der Körperlänge oder 0,18 mm.
Sein dorsaler Eand trägt nur 7 — 8 Stacheln statt 15—20 wie bei
H. gibberum. Den fein bewimperten Endkrallen fehlt der Basalzahn.
Die sehr langen, feinen, scheinbar Sgliedrigen Schwanzborsten
sitzen wie bei H. gibberum auf einem langen, conischen Fortsatze.
Die 6 Paar gleich gebauten, lamellösen Branchialfüsse (2.-5. Paar
mit flaschenförmigen Branchial anhängen) ragen über die Schalen-
klappen hinaus. Diese Krebse sind ganz durchsichtig, hyalin. Die
Weibchen besitzen meistens nur 1—2 partlienogenetisch erzeugte
Eier. Ihre Länge beträgt 0,7 — 0,75 mm, die Höhe im Mittel 0,55 mm.
Dauereierweibchen und Männchen sind nicht gefunden worden.
Fundort. Heri' Dr. G. Hagmann fing von dieser interessanten,
neuen Art viele Exemplare am 28. Februar 1900 bei Ebbe im Rio
A r a m a g r a n d e.
Ein am gleichen Tage und an derselben Stelle bei Flut ge-
dredgtes Material enthielt nur wenige Holopedien.
Farn. Daphnidae.
2. Ceriodaplinift vigaudi Richard.
1894. C. r., RiCHAEl), .1., Sur quelques auimaux inferieurs des eaux
douces du Tonkin, in: Mem. See. zool. France, V. 7, p. 239.
1894. C. r., Richard, J., Cladoceres recueillis par Barrois en Palaestine,
en Syrie et en Egypte, in: Rev. biol. Nord France, V. 6, p. 370.
1895. C. r., Sars, G. 0., On some south-African Entomostraca raised
from dried mud, in: Vidensk. Selsk. Skrift (I. math.-naturw. Cl.),
No. 8, p. 12, tab. 2, fig. 9—15.
Entimiüstraken vom Mündungsgebiet des Amazonas. 579
1898. C. cortuäd forma rü/audi, Daday, E., Mikroskopische Süsswasser-
thiere aus Ceylon, in: Termes. Füzetek, V. 21 (Anhang), p. 60,
fig. 30 a, c.
1901. ('. r., Sars, G. 0., Contributions to the knowledge of the fresh-
water Entomostraca of South-America, in : Arch. Naturvid. Christiania,
V. 23, p. 20.
1903. ' '. r., Ekmax, Svi;n, Cladoceren und freilebende Copepoden aus
Aegypten und dem Sudan, in: JÄdKHSKiiiLi), Expedition 1901, No. 26,
p. 5, fig. 4.
Hauptmerkmale des Weibchens. Körperumrisse wie bei
den meisten Ceriodaphnien oval-viereckig-. Kopf breit, niedergedrückt,
mit s[)itzem. abwärts g-ericliteten Eostralfortsatz, der weit über die
Tastantennen hinausragt. Ventralkopfrand schwach gebuchtet. Die
Stirn gerundet, ohne Stirnfortsatz, umschliesst ein grosses, linsen-
reiches Auge. Supraocularimpression breit, aber nur schwach concav.
Dorsalimpression dagegen tief. Fornixränder einfach, Sförmig ge-
bogen. Schalensculptur zart, weitmaschig reticulirt. Die freien
Schalenränder fein und spärlich beborstet, vereinigen sich hinten
über der Medianlinie in einer kurzen Spitze.
Das Postabdomen, in ganzer Länge fast gleich breit, ist am
distalen, schief abgestutzten und breit gerundeten Ende mit
5 — 6 Analzähnen bewehrt.
Endkrallen glatt und ohne Nebenkamm. — Länge des '% nur
0.35 mm, Höhe 0,27 mm.
Bemerkungen. Bei den von mir untersuchten Individuen
kam nie ein Stirnhorn vor. Der hintere Schalenwinkel scheint mit-
unter gespalten zu sein. Gleiches beobachtete Ekman. Mit G. 0. Sars
theile ich die Ansicht, dass die vorliegende Art nicht — wie Daday
vorschlägt — mit Ceriodaphnia cornuta Saes vereinigt werden kann,
bevor noch anderweitige Beobachtungen die Ansicht Daday's unter-
stützen.
Fundort. Peinige junge Weibchen sowie ein Sommereier-
weibchen mit 2 Eiern erbeutete Herr Dr. HAdMAXN am 6. März 1900
bei Fluth in der Furo Sant Isabel (Brackwasser!), sowie am
28. Februar 1900 im Rio Aramä grande.
Verbreitung. Auch Saks erwähnt diese Art aus Brasilien
(Saö Paulo und Itatiba). Sie kommt ferner vor in Afrika (Aegypten,
ägyptischer Sudan, Capland), Asien (Palästina, Tonking, Sumatra,
(Ceylon) sowie in Australien (Neuguinea). — In dem auf seine
(Jladocerenfauna \\ohl durchforschten Europa wurde sie nie gefunden.
580 Theodor Stingelin,
3. MohtodajyJirna hrasiliensis h. sjt.
(Taf. 20, Fig. 3, 4.)
Beschreibung- des Weibchens. Die Körperform und be-
sonders der Kopf erinnern sehr au Simocephalus vctulus. — Der Kopf
misst I/4 der Körperlänge und ist durcli eine tiefe Dorsalimpression
vom Rumpfe getrennt. Die Stirn ist gleichmässig gerundet und
etwas vorspringend, weshalb der ventrale Kopfrand zwischen der
Stirn und dem schwach angedeuteten Rostrum eine leichte Ein-
buchtung zeigt. Die Kopfcontur über dem Auge ist schwach concav.
Das Auge, ziemlich gross und linsenreich, liegt etwas vom Stirn-
rande entfernt. Die ersten Antennen, relativ kurz und dick, sind
beiderseits der Rosti-alprojection inserirt. In der Mitte ihrer Vorder-
seiten findet sich eine Sinnesborste. Die Endpapillen erreichen ^/g
der Antennenlänge. Der Stamm der schlanken Ruderantennen trägt
seitlich, nahe der Basis, sowie distal zwischen den beiden Schwimm-
ästen je eine 2gliedrige, befiederte Borste.
Am 4gliedrigen Schwimmaste ist das 2. Glied mit einem Dorn,
das 3. mit einer langen, 2gliedrigen Fiederborste, das Endglied mit
3 apicalen, 2gliedrigen Fiederborsten, einem kurzen seitlichen Dorn
sowie mit einem feinen, Igliedrigen Börstchen bewehrt. Der Sgliedrige
Schwimmast trägt am 1. Gliede eine kurze und am 2. Gliede eine lange,
2gliedrige Borste. Das Endglied zeigt hier dieselbe Bewehrung wie beim
4gliedrigen Schwimraaste. — Der sehr breite Fornix ist ähnlich geformt
wie bei Simocephalus und zieht sich vom Stirnrande weg bis gegen die
Dorsalimpression hin. Die Oberlippe ist ungefähr gleich lang wie
der ventrale Kopfrand und von letzterm durch eine scharfe Incisur
abgegrenzt. Eine Schalensculptur konnte nicht erkannt werden.
Der schwach convexe, ventrale Schalenrand geht ohne Grenze in
starkem Bogen in den Hinterrand über. Ersterer ist in ganzer
Länge, letzterer nur zur Hälfte mit feinen Dornen bewehrt, zwischen
denen noch Reihen feinster Härchen beobachtet wurden. Hinterei-
und dorsaler Schalenrand stossen über der Medianlinie in einem
rechten Winkel zusammen. Bei der Dorsalansicht des Thieres sieht
man an dieser Stelle zwei gegen einander gekrümmte Zähne (Fig. 4).
— Das Postabdomen, von den Schalenklappen ganz umschlossen,
verjüngt sich vom Anus weg distalwärts sehr rasch. Es trägt ausser
einem Gabeldorn noch 5 — 6 seitliche, bewimperte Zähne. Die End-
krallen, äusserst zart beborstet, sind proximal mit einem aus 8 — 10
Entomostraken vom Müudungsg'ebiet des Amazonas. 581
feinen Zähnchen zusammeng-esetzten Xebenkamme ausgerüstet. Die
sehr langen Schwanzborsten scheinen Igliedrig- zu sein. Der schlechte
Erhaltungszustand der Abdominalfortsätze ermöglichte keinen ge-
nauem Aufschluss über diese zarten Gebilde. Es scheinen ihrer
zwei vorhanden gewesen zu sein.
Die Länge eines Sommereierweibchens mit 8 Eiern betrug
0,7 mm. die Höhe 0,36 mm.
Bemerkungen. Meines Wissens sind bis heute folgende
Arten des Genus JtLoinodaphiiia Herrick (1887) = sj'n. Paramoina
Sars (1888) beschrieben worden:
1. Moina macleaiiii'KniG 1853, Sars 1888, 1896, 1901^), aus Australien
und Brasilien.
2. Moinn s^iJmincrrnKdn Brauy 1886, Daday 1898, aus Ceylon und
Neuguinea.
3. M. alabaniensis Herrick 1887, aus Mexico.
4. M. mocquenisi Eichard 1892, aus Afrika (Cougo).
Von MonociiJus lougkoUis Jurine (1820) aus der Umgebung von
Genf wird A^ermuthet, dass er diesem Genus angehöre. Resultatlos
haben sich mit dieser räthselhaften, für heutige Yergleichung ab-
solut ungenügend diagnosticirten Form schon befasst: St. Hilaire
1860. Leydig 1860, Schödler 1877, Eylmann 1886 und Richard
1892. Schon die Erwägung, dass bis heute nirgends in Europa eine
Moinodaphnia gefunden wurde, entkräftigt meiner Ansicht nach sehr
die oben erwähnte Vermuthung genannter Forscher.
Unsere neue Art steht der mexicanischen Form Moinodaphnia
alahamensis Heerick am nächsten, ist aber durch eine Anzahl ab-
weichender Merkmale leicht von jener zu unterscheiden. Es betrifft
dies besonders die Grösse, den Bau der Tast- und Ruderantennen
sowie die Bewehrung des Postabdomens.
Fundort. "Wenige weibliche Exemplare, worunter bloss ein
Sommereierweibchen, waren in einem Süsswasser-Planktonmaterial,
das zur Zeit der Ebbe am 28. Februar 1900 im Rio Aramä
grande gedredgt wurde, vorhanden.
1) Sars, G. 0., Contributions to the knowledge of the freshwater
Entomostraca of South- America, Part. I, Cladocera, in : Arch. i\Iath.
Naturvidenskab. Kristiania, V. 12, 1901, hält nun ^f. suhmiicronata und
J/. }iioc(nicnjsi für identiscli mit .1/. macleaiji (Kikg).
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. 39
582 Theodor Stingelin,
Farn. Bosminidae. ^)
1. Genas Bosmina Baird : Aeusserer Ast der Ruderantennen 4gliedrig,
innerer Ast Sgliedrig.
2. Genus Bosminopsis ~RiQ'h\ut> = sjn. Bosiiiinella D ad A.Y: Beide Aeste
der Ruderantennen Sgliedrig.
4. Bosmina Jiaf/nianni n. sp.
(Taf. 20, Fig. 5, 6.)
Beschreibung des Weibchens. Der Körper hat, in der
Seitenlage betrachtet, eine ovale Form und verjüngt sich nach hinten,
wo er durch die Hinterränder transversal abgestutzt wird. Seine
Länge, in der Längsaxe gemessen -), beträgt 0,4 — 0,42 mm ; die grösste
Höhe, vor der Körpermitte, 0,28 — 0,3 mm (Fig. 5). Die in der hintern
Hälfte meist gerade, bei Sommereierweibchen etwas convexe, bei
jungen Weibchen aber stets concave dorsale Schalencontur geht
nach vorn in regelmässiger Curve in den Kopfrand über. Die
Stirncontur ist vor dem Auge nicht vorgewölbt. Das Eostrum, sehr
kurz und stumpf, ist vom Stiel der ersten Antennen sehr deutlich
abgegrenzt. Seine Länge erreicht kaum Ve d^i' ganzen Körperlänge.
Das Auge ist sehr gross und mit 7 — 8 sehr deutlichen Eandlinsen
versehen. Die Stirnborste sitzt nahe beim Ende des Rostrums. Der
Stiel der ersten Antenne ist extrem kurz, nur 0,027 — 0,03 mm lang,
d. i. bloss Vi 4 dßi' ganzen Körperlänge, während der beinahe gerade,
am Yorderrande mit 9 — 10 Incisuren versehene Endtheil 0,14 mm
oder ca. Vs ^^^^ Körperlänge misst. Bei jungen Weibchen (Fig. 6)
sind die Antennen relativ länger und stark bogig nach hinten ge-
krümmt. Die Antennenprojection (von der Antennenspitze vertical
auf die Längsaxe des Körpers) beträgt bei erwachsenen Weibchen
bloss Vi — Vs? hei jungen Weibchen ca. Va der ganzen Körperlänge. —
Das dreieckige Schildchen ist dornförmig zugespitzt. Die Aeste der
Ruderantennen reichen bei weitem nicht auf das Niveau des untern
Schalenrandes hinab. Die Schalenklappen lassen bei erwachsenen
Lidividuen keine Structur erkennen. Bei jungen Exemplaren hin-
gegen wiesen Stirn, Rostrum und Ventralschalenrand mitunter eine
1) Familiendiagnose vgl. 1899 BüECKHARDT, G., Faunistische und
systematische Studien über das Zooplankton der grössern Seen der Schweiz
und ihrer Grenzgebiete, in: Bev. Suisse Zool., V. 7, p. 596.
2) Maasse nach der von G. Burckhardt, ibid., p. 513, tab. 19,
fig. 21, tab. 20, fig. 9, vorgeschlagenen Weise!
Entomostraken vom Mündungsgebiet des Amazonas. 583
feine Streifung' mit etliclien Queranastomosen auf. Die Mucronen
erreichen bei erwachsenen ^^'eibchen im Mittel eine Länge von
0.8 mm oder Vs ? ^^^ j langen Weibchen aber bis % der
Körperl äng-e (Fig. 6). Die Incisuren (0 — 3 bei erwachsenen,
3 — 7 bei jungen Thieren) befinden sich nicht wie gewöhnlich auf
der ventralen, sondern auf der dorsalen Seite des Mucro. —
Das Postabdomen zeigt die constanten ^lerkmale der corcgoni-lowji-
spina-(yYW\)\)e. ^) Die Elndkrallen sind gleichmässig gebogen und
proximal mit 6 — 8 schief stehenden Dörnchen versehen, die zum
Theil auf das distale Ende des Krallenträgers übergehen. Der
Körper dieser sehr durchsichtigen Thierchen ist schwach gelblich
gefärbt. Doch fällt auf den ersten Blick, sowohl bei alten als bei
jungen Individuen, eine nach Art der Ephippien scharf umgrenzte,
dorsale Zone mit gelbbrauner Pigmentirung auf (vgl. Fig. 5 u. 6).
Ein junges Weibchen mit abenteuerlich entwickeltem Mucro ist
in Fig. 6 dargestellt. Die erste Antenne ist stark gekrümmt. Koi)f,
Rostrum und die ventralen vordem Schalentheile sind zart ge-
streift. Dorsal sieht man die sattelförmige, dunkler pigmentirte
Zone. L. 0,23; Mucro 0,175 mm.
Bemerkungen. Diese neue Art aus dem Amazonasgebiet,
die ich nach meinem Freunde Dr. G. Hagmaxn benenne, hat grosse
Aehnlichkeit mit gewissen Formen der von G. Bueckhaedt aufge-
stellten 7ow^is;w?rt-Gruppe von Bosmiua coregoni Baied. '-) Was aber
Bosmina hagmanni auf den ersten Blick von allen bisher bekannten
Bosminen unterscheidet, ist die sehr abweichende Ausbildung der
]\[ucronen mit ihren dorsalen Incisuren sowie die eigenthümliche,
ephippienartig begrenzte und dunkler pigmentirte dorsale Schalen-
zone. Und da diese interessante Form meines Wissens auch die
erste Bosmine ist, die in der tropischen Zone und speciell unter
dem Aequator gefunden wurde ^), so glaube ich vollends richtig vor-
zugehen , wenn ich dieselbe als nova species in die Wissenschaft
einführe.
Fundort. Diese neue Art fand sich in Dredgen aus dem Rio
Arama grande vom 28. Februar 1900. Bei Ebbe wurden viele,
bei Flut nur wenige Exemplare erbeutet.
1) Vgl. G. Bueckhaedt, 1. c, tab. 20, fig. 28.
2) ibid., p. 629.
3) G. 0. Saes hat sich noch jüngst in Zool. Jahrb., V. 19, Syst.,
p. 63 folgendermaassen geäussert: „Das Genus Bosmina scheint
in den wärmern Gegenden derErde ganz und gar zu fehlen."
39*
584 Theodor Stingelin,
5. Sosniinojisis deitersi Eichaed.
(Taf. 20. Fig. 7, 8, 9. 10.)
1895. Genus Bosniinopsis, Eichaed, Description d'un nouveau cladocere,
in: Bull. Soc. zool. France, V. 20, p. 1 (sep.).
.1895. Bosminopsis deitersi, Richaed, ibid., p. 1 — 3, fig. 1 — 4.
Hauptmerkmale des Weibchens. Körper breit elliptisch.
Der Kopf, ca. Vs ^^^^ Körperläng-e , ist vom Rumpfe durch eine
ziemlich tiefe Dorsalimpression, die fast bis zur Mitte der dorsalen
Körpercontur verlagert ist, abgegrenzt und nach Art der Bosminen
in ein ventralwärts gerichtetes, sehr langes Rostrum verlängert, an
welchem wie directe Fortsetzung die erste Antenne inserirt ist.
Diese scheint 2gliedrig zu sein. Das distale Glied ist aber kaum
halb so lang wie das proximale und nur undeutlich von letzterm
getrennt. Einige winzige Protuberanzen an demselben dürften den
Endpapillen entsprechen. Vor dem grossen, linsenreichen Auge ist
der Stirnrand stark vorgewölbt. Ein Pigmentfleck ist nicht vor-
handen. Die Stirnborste ist vom Auge doppelt so weit entfernt wie
vom distalen Ende des Rostrums. Oberlippe wohl entwickelt (vgl.
Fig. 8). — Beide Aeste der Ruderantennen sind 3gliedrig und
apical mit je 3 feinen, langen Schwimmborsten ausgerüstet. Der
ventrale Ast besitzt noch je eine Borste am 2. und am 1. Gliede.
— Der bei eiertragenden Weibchen gleichmässig gewölbte, bei
jungen Exemplaren stets gerade dorsale Schalenrand bildet mit
dem geraden Hinterrande einen über der ^Medianlinie des Körpers
gelegenen, vorspringenden Winkel, bei jungen Weibchen bisweilen
sogar einen scharfen, weit abstehenden, nach hinten gerichteten
Stachel. An der Stelle, wo der untere und der hintere Schalenrand
zusammenstossen, ist stets ein deutlicher Mucro sichtbar, und davor
steckt die auch bei den Bosminen vorkommende Borste. Junge
Weibchen (Fig. 10) besitzen mitunter sehr lange, stiletförmig aus-
gezogene Mucronen. — Die ventralen Schalenränder sind gleichmässig
gebogen und mit winzigen, v/eit von einander entfernten Börstchen
besetzt. Eine Schalensculptur ist nur bei stärkster Vergrösserung
am Kopfe als äusserst zarte, weitmaschige Reticulation erkennbar.
Der Darm ist einfach. Das Postabdomen verjüngt sich stark gegen
sein freies Ende hin. Hinter den glatten Endkrallen bemerkt man
an einem gerundeten, präanalen Vorsprunge seitlich beiderseits
einen grossen, breiten Zahn und dahinter 4 — 5 feine Dornen. An
Entomostraken vom Mündungsgebiet des Amazonas. 585
sie scliliesst sich noch eine Eeihe feinster Börstchen an, die auf die
Anah'änder übergehen. Männchen unbekannt. Grösse: Soramereier-
weibchen mit 1 — 2 Embryonen waren 0,25—0.3 mm lang und 1,8
bis 2.3 mm hoch.
Bemerkungen. Die RiCHAED'sche Beschreibung von Bos-
minopsis deifersi stimmt in den wesentlichsten Punkten mit meinen
Beobachtungen überein. Da mir viele Exemplare zur Verfügung
standen, konnte ich die Details genauer feststellen als Richakd, dem
nur ein einziges und wahrscheinlich noch deformirtes (zerdrücktes?)
Exemplar zur Verfügung stand. Aehnlich wie bei Bosniina haffmanni,
so weichen auch hier alte und junge Individuen im K<"»rperbau (jft
beträchtlich von einander ab. Da wir es ferner mit einer der
kleinsten Cladoceren zu thun haben, bietet die Untersuchung der
Details grosse Schwierigkeiten. Diesen genannten Umständen sind
wahrscheinlich auch die folgenden Differenzen zuzuschreiben, die
noch zwischen Richard's und meinen Beobachtungen bestehen :
1. Bei sehr starker Vergrösserung bemerkte ich in gewissen
Lagen am Vorderrande des Rostrums ausser der Stirnborste noch
4—5 feine Dörnchen.
2. Der obere hintere Schalenwinkel liegt bei meinen Exemplaren
immer über der Medianlinie des Körpers und ist stets schärfer aus-
geprägt als bei der RiCHARü'schen Figur und Beschreibung; bei
jungen Thieren ist er sogar in einen Stachel verlängert.
3. Am äussern Gliede der Tastantenne hat Richard keine Pro-
tuberanzen (Endpapillen?) beobachtet.
4. Richard's Exemplar (ein Sommereierweibchen mit 4 Em-
bryonen), das in Argentinien (La Plata) gefunden wurde, war
0,46 mm lang und 0,31 mm hoch.
Meine im äquatorialen Südamerika gefundenen Exemplare maassen
nur 0,25-0,3 mm und trugen höchstens 2 Embryonen.
Verwandte Formen. Eine zweite Art dieses Genus. Bos-
minopsis zcrnovi. wurde 1901 von A. Linko \) ebenfalls nach einem
einzigen, nicht gut erhaltenen Exemplare aus dem Gouvernement
Wjatka im Wolga-Kama-Stromgebiet beschrieben. W. Meissner
hat dieselbe seither wieder massenhaft in schmutzigem Potamo-
planktou der \\'olga bei Saratow gefunden.-) Es ist sehr zu
1) 1901 Bosniinopsis xrr/iori, Linko, A., Bosminopsis im europcäis^chen
Kussland, in : Zool. Anz., V. 24, p. 345 (mit Textfig.).
2) 1902 B. j.. Meissner, W., Notiz über niedere Crustaceen des
Wolga-Flusses bei Saratow, in: Zool. Anz., V. 26, p. 51.
536 Theodor Stingelin,
wünschen, dass die interessante russische Form auf Grund des neuen
häufigen Materials eine gründliche Nachprüfung erfahre. Nach
LiNKo's Angaben soll die Dorsalimpression bei B. sernovi nur
schwach angedeutet sein. Der Mucro und die davor sitzende Borste
fehlen. Die 1. Antenne ist nur Igliedrig, die Stirn stärker vor-
gewölbt. Das Postabdomen ist aber gleich gebaut wie bei B. deitersi.
und die Grösse stimmt mit meiner B. deitersi aus dem Amazonas
überein.
Es scheint mir nicht unmöglich zu sein, dass sich Bosminopsis
zernovi bloss als Varietät von B. deitersi herausstellen dürfte.
Jüngst wurde sodann von Prof. E. von Daday in Budapest aus
dem Oberlaufe des Paraguay- Flusses noch ein ueues Genus
^^BosminelW' der Familie der Bosminidae gemeldet. ^) — Aus einer
vorläufigen Mittheilung sowie den beigegebenen Zeichnungen ist er-
sichtlich, dass Daday's Bosminella anisiti in Form und Grösse mit
meinen Exemplaren von Bosminopsis auffallend übereinstimmt. Es
fehlt jedoch die Dorsalimpression. Die erste Antenne ist nicht seg-
mentirt und sogar gänzlich mit dem Rostrum verschmolzen. Schalen-
oberfläche, Rosti'um und Antenne sind deutlich hexagonal reticulirt.
Es scheint mir, dass diese Merkmale nicht genügen für die
Aufstellung eines neuen Genus, zumal da auch bei Bosminopsis
sernovi die Dorsalimpression sehr reducirt ist und die 1. Antenne
nur Igliedrig sein soll. Uebrigens ist die Abgliederung der 1. An-
tenne vom Eostrum sowie die Segmentirung der Antenne selbst auch
bei B. deitersi bald mehr oder weniger deutlich zu erkennen. So
mag es auch um die Schalensculptur bestellt sein, wie ich bei
B. deitersi selbst beobachtete. Ich halte darum Daday's Genus Bos-
minella für identisch mit Bosminopsis Eichaed.
Fundort. Bosminopsis deitersi wurde nur an einem Orte im
Eio Aramä grande (bei Ebbe am 28. Februar 1900) gefunden
und zwar in Begleitung der drei oben beschriebenen neuen Arten.
Verbreitung des Genus. In Südamerika: La Plata,
Paraguay, Amazonasmündung ; in Europa: Wolgastromgebiet.
1) 1903. Genus Bosminella und Bosnünelln anisiti, v. Daday, E.,
Eine neue Cladoceren- Gattung aus der Familie der Bosminiden, in: Zool.
Anz., V. 26, p. 594, fig. 1—3. [Vorläufige Mittheilung.] ^
Entomostraken vom Mündungsgebiet des Amazonas. 587
Farn. Chydoridae. ^)
6. Dadaya macrops (Dadat).
(Taf. 20, Fig. 11. 12.)
1898. Alona macrops, v. Daday, E., Mikroskopische Süsswasserthiere aus
Ceylon, in: Termes. Füzetek, V. 21 (Anhang), p. 38, tal). 17a — e.
1901. Dadayn macrops, Saks, G. 0., Contributions to the knowledge of
the freshwater Entom. of South-America, I. c, V. 23, p. 74, tab. 11,
fig. 5, 5 a — 5 b.
Sars hat diese eigenthümliche, durch die ausserge wohnliche
Grösse von Auge und Pigmentfleck sowie die Lage und Läng-e der
Tastantenuen von allen übrigen Alonen so verschiedene Art zum
Repräsentanten eines neuen Genus erhoben.
Beobachtungen. Die von mir untersuchten Exemplare
stimmen in Form und Grösse mit den von Daday und Sars be-
schriebenen Thieren überein. Länge: 0,36— 0.43 mm; Höhe: 0,25
bis 0,28 mm.
Immerhin scheint auch hier der localen und individuellen
Variation ein ordentlicher Spielraum eingeräumt zu sein. — So ist
bei meinen Formen der Stirnrand vor dem Auge und dem Pigment-
fleck kaum merklich vorgewölbt, weil diese Organe der Stirn nicht
satt angepresst sind. Die Pigmentmasse von Auge und Pigment-
fleck ist bei erwachsenen Weibchen gleich gross. Letzterer hat eine
gestreckte, unregelmässig spindelförmige Gestalt. — Bei einigen
Jüngern AVeibchen war das Auge bedeutend grösser als der Pigment-
fleck. — Der Lippenanhkng ist ungefähr doppelt so lang wie die
Tastantenne und gleich geformt, vorn wellig gebuchtet, unten spitz,
aber weniger breit, als Daday zeichnet. Die Schalensculptur ist
bei jungen Thieren deutlich hexagonal reticulirt. Parallel dem
vordem, convexen Schalenrand laufen einige Transversalstreifen.
1) Der bisher gebräuchliche und allgemein bekannte Familienname
Lyncridae muss laut persönlicher Mittheilung von G. 0. Sars (1904) durch
den Namen Chydoridae ersetzt werden, weil der Name Lynceus von
0. Er. Müller zuerst dem Phyllopoden Lynceus brachyiirus, jetzt Limnetis
Jirar-hyura, beigelegt wurde. — Aus demselben Grunde muss auch der
Name der Subfaniilie Lyiiceinae sowie der Genusuame Lynceus, der ja
bekanntlich in dem grossen neuen AVerke von LilljebürG ,.Cladocera
Sueciae" weitgehende Verwendung findet, in Zukunft ganz in Wegfall
kommen. Vgl. auch 1003 Sars, G. 0., in: Annuaire Mus. St. Petersbourg,
V. 8, p. 181.
588 Theodor Stingelin,
Am breit gerundeten, hintern untern Schalenwinkel, d. i. an der
Uebergangsstelle vom borstentragenden Ventralschalenrand zum
kahlen Hinterrande der Schale, tritt auch bei alten Weibchen bis-
weilen ein äusserst feiner Dorn auf, der bei Jungen wiederum stärker
entwickelt sein kann (Fig. 12). Der hintere untere Schalenwinkel
ist somit nicht immer unbewehrt, wie Sars in seiner Genusdiagnose
angiebt. In der Form stimmt das Postabdomen mit dem von Daday
gezeichneten überein (Fig. 11). Die Dorsalränder sind auch mit je
18 einfachen Stacheln bewehrt. Hingegen erscheint der Postanal-
höcker etwas höher, und die Endkralle weist nebst dem Basaldorn
noch eine deutliche Bewimperung auf, während sie nach Daday
kahl sein soll.
Farbe braungelb. Männchen unbekannt.
Fundort. Dadaya macrops wurde bei der Flut im bracki-
schen Wasser der Furo S. Isabel den 6. März 1900 gefangen.
Verbreitung. Ceylon (Daday); Itatiba-Brasilien (Saks) und
Amazonasmündung.
II. Copepoda.
Fam. Ceniropa(jidae.
7. Pseudodiaptofiins f/rciciUs (Dahl).
1894. Weismanella qraciUs, Dahl, F., in: Ber. naturf. Ges. Freiburg
i. Br., (N. f.), Y. 8, p. 20, tab. 1, fig. 12— U.
1898. PseHdodiapfomtis gracüis, Giesbrecht,_ W. u. 0. Schmeil, in:
Das Thierreich, Lief. 6, Crustacea, p. 65.
Das bei Fluth gesammelte Brackwasser - Plankton der Furo
Sant Isabel vom 6. März 1900 enthielt auch Männchen und
Weibchen von Pseudodiaptomus gracüis, welche Art im Jahre 1894
von Dahl aus dem Mündungsgebiet des Amazonas beschrieben wurde.
— Da ich mich schon früher mit diesem Centropagiden-Genus be-
fasste [1900, in: Rev. Suisse ZooL, V. 8, p. 20], fiel es mir nicht
schwer, auch die vorliegende Form zu bestimmen.
Entomostraken vom Mündungsgebiet des Amazonas. 589
Erklärimg der Abbilduugen.
Tafel 20.
Holopediiim amaxonicum Stingelin.
Fig. 1. "Weibchen mit 2 Embryonen im Brutraume, von der rechten
Seite. Di Dorsalimpression.
Fig. 2. Postabdomen desselben Weibchens, stärker vergrössert. F
conischer Fortsatz mit den Schwanzborsten. E bewimperte Endkrallen.
Moinodaphnia hrasiliensis Stingelin,
Fig. 3. "Weibchen, von der linken Seite. Die Ruderantennen sind
weggelassen, damit der Bau des Kopfes besser zur Darstellung kommt.
Fig. 4. Zähne am hintern obern Schalenwinkel, in der Dorsalansicht
des Thieres gezeichnet.
Bosmhia Jiagmanni Stingelin.
Fig. 5. "Weibchen mit einem Embryo, von der linken Seite. ^[ Mucro.
Fig. 6. Junges "Weibchen mit abnorm entwickeltem Mucro (J/) und
seinen dorsalen Incisuren. Erste Antenne (J) gleichmässig stark
zurückgebogen. Kopf und Ventralschalenrand gestreift. Auf dem Eücken
die dunkler pigmentirte Zone.
Bosminopsis drifrrsi Richard.
Fig. 7. Erwachsenes "Weibchen, von rechts.
Fig. 8. Kopf desselben "Weibchens, stärker vergrössert. Die Kopf-
schale ist weitmaschig reticulirt. L Lippenanhang. /.' Rostrum. T 2g]ie-
drige Tastantenne.
590 Theodor Stingelin, Entomostraken vom Müudimgsgebiet des Amazonas.
Fig. 9. Postabdomen desselben Thieres.
Fig. 10. Junges Weibchen mit stark verlängertem Mucro und dorn-
förmig verlängertem obern Schalenwinkel.
Dadaya macrops (Daday).
Fig. 11. Postabdomen des "Weibchens. E bewimperte Endkralle.
Fig. 12. Ventrale hintere Schalenecke mit feinem Dorn bewehrt.
i
Nachdruck verboten.
Uehersetzungsrecht vorbehalten.
Pacifische Chitonen
der Sammlungen Schauinsland und Thilenius nebst
einem Anhang über drei neuseeländische Species der
Gattung" 0 n c i d i e 1 1 a.
Ergebnisse einer Reise nach dem Pacific, Schauinsland 1896/97,
Ergebnisse einer Reise durch Oceanien, Thilenius 1897/99.
Von
Dr. Curt Ton Wissel in Görlitz.
Mit Taf. 21—25 und 10 Abbildungen im Text.
Nachdem die vorliegende Arbeit, welche schwer unter der Un-
gunst äusserer Umstände und wiederholt wiederkehrender Erkrankung
des Verfassers gelitten hat, nun endlich zum Abschluss gebracht
worden ist, fühle ich mich gedrungen, den Herren Prof. Schauinsland
und Thilenius auch an diesem Ort nicht nur für die gütige Ueber-
lassung des interessanten Materials, sondern auch für die grosse Geduld
meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen, welche sie der durch
die oben angeführten Gründe bedingten Langsamkeit der Bearbeitung
entgegen gebracht haben. — Auch den Herren Proif. von Marxens.
MÖBius und Franz Eilhard Schulze, vor allem aber Herrn Prof.
Plate bin ich für vielfache freundliche Unterstützung sowie Herrn
Dr. VON Rabenau, Director des Museums der hiesigen „Natur-
forschenden Gesellschaft", für gütige Ueberlassung eines Arbeits-
platzes im Saale dieses Instituts zu grossem Danke verpflichtet.
Sachlich sei bemerkt, dass die Sammlung Schauinsland sich
über zahlreichere Fundorte erstreckt und daher reicher an Arten
592 CURT VON WiSSEL,
ist als die Sammlung Thilenius, durch welche sie jedoch, was Neu-
seeland anlangt, auf das Vortheilhafteste ergänzt wird.
Die Histologie wurde bei der Bearbeitung von Chiton sinclairi
Gray und zum Theil bei der von Chiton canalicatus Qu. et G. und
Chiton quoyi Deshayes berücksichtigt.
Familie Ischnochitoninae.
1. ToiiiceUa lineata Wood.
6 Exemplare aus Bare Island von Herrn Prof. Schauinsland
mitgebracht, deren grösstes eine Länge von H2 mm und eine Breite
von 22 mm, das kleinste eine Länge von 23 mm und eine Breite
von 15 mm aufwies. Pilsbry giebt eine zutreffende Beschreibung
des äussern Habitus und der Färbung. Li den Insertionsplatten
zählte ich bei der 1. Schulpe 9, den Mittelschulpen 1 und der
8. Schulpe 8 Schlitze.
Die Anordnung der Kiemen ist merobranch und abanal, und
zwar erstrecken sie sich nach vorn bis zum Litersegment 2 3, nach
hinten bis zum Intersegment 7/8. Die Zahl der Kiemen betrug bei
einem Thier von 25 mm Länge rechts 26, links 27. Der Nierenporus
befand sich jederseits zwischen Kieme 1/2, der Geschlechtsporus
zwischen Kieme 3/4.
Der ]\[antel weist 3, wenn man will 4, Arten von Hartgebilden
auf: 1. sehr kleine Eückenstacheln von 6 — 8 i-i Länge (Fig. la), mit
welchen die Rückenfläche des Mantels dicht besäet ist. Die Form und
Färbung dieser Stacheichen ist dieselbe, wie sie Plate (20, p. 130)
für Tonicella marmorea beschreibt, nämlich spitz kegelförmig bis
eiförmig mit glasheller Spitze, welche eine nur ganz feine Längs-
strichelung aufweist, während die untere stumpfe Hälfte mit dunkel
gelben Pigmentkörnchen erfüllt ist. Im Gegensatz zu der Angabe
Pläte's für die Rückenstacheln von ToniceUa marmorea, dass der
Becher nur schwach sei, erstreckt sich derselbe bei der mir vor-
liegenden Art fast bis zum distalen Ende des Stachels, von dem er
nur eine kleine Spitze von ca. V? l>is Vs der ganzen Stachellänge
hervortreten lässt. Den winzigen Zapfen bekommt man nur in wenigen
Fällen deutlich zu Gesicht. — Als zweite Art von Hartgebilden finden
sich auch hier, ebenso wie bei Tonicella marmorea, kurze Chitinborsten
von glasheller, homogener Beschaffenheit spärlich zwischen die Stacheln
eingestreut. Die dritte und vierte Art bilden die Ventral- und die
Pacifische Chitonen. 593
Kantenstacheln (Fi^. Ib); beide sind sclmpi)enförmig abgeplattet,
erstere etwa 12 — 16 //, also ungefähr doppelt so lang wie die Rücken-
stacheln, aber nur unerheblich breiter und daher mehr langgestreckt.
Ihre Spitze ist stumpf al)gestutzt. und von ihr aus ist, wie bei den
Eücken stacheln, nur viel schärfer markirt, eine Längsstrichelung bis
etwa zur Mitte bemerkbar. Das basale Ende weist analog den
Rückenstacheln ebenfalls ein braunes, körniges Pigment auf, nur
sind die Körnchen hier kleiner und dünner gesäet. Der Becher ist
bei diesen Stacheln nur klein und umgreift lediglich das stumpfe
basale Ende des Stachels. Ein winzig kleiner Zapfen war ebenfalls
nachweisbar. Die Kantenstacheln unterscheiden sich von den Ventral-
stacheln nur durch ihre fast doppelte Länge, während die Gestalt
und Structur im übrigen genau die gleiche ist.
Die Lateralfalte weist keinerlei Besonderheiten auf. Sie ver-
läuft ohne merkliche Anschwellung den Kiemen entlang, um nach
dem After zu so weit schmäler und niedriger zu werden, dass sie am
hintei'u Körperende beinahe verstreicht und eine eben nur angedeutete
Erhebung die \'erbindung beider Seiten aufrecht erhält.
Auch der Pharj'ngealapparat weist nichts von den gewöhnlichen
Yerhältnissen Abweicliendes auf. Die Speicheldrüsen (Fig. 2, sal)
sind verhältnissmässig klein. Sie zeigen in der Mitte eine allerdings
nur flache Einschnürung, wodurch sie ein zweilappiges Aussehen
gewinnen; sie münden in den vordem Theil des Lumens der ebenfalls
nur kleinen Pharyngealdivertikel (div), doch wird ihre Mündung
(o. sal) von dem Hauptlumen der Divertikel durch eine halbmond-
förmig von aussen und hinten nach innen und vorn verlaufende Falte
(P) der Dorsalwand unvollständig abgegrenzt. Das Dach des Phar3mx
ist dünnhäutig und nicht drüsig, mit Ausnahme von 2 drüsigen Falten
(/"), welche von dem hintern Drittel der Divertikel im Bogen nach
der Mitte zu verlaufen und von da einander parallel ziehen, um sich
an ihrem Ende in je 2 Theilfalten zu gabeln, welche bald in dem
nicht drüsigen Epithel verstreichen.
Von der Radula giebt Thiele eine Beschreibung nebst Ab-
bildung (25, p. 390 u. fig. 3, tab. 32), welche sich jedoch mit den von
mir gemachten Befunden nicht völlig deckt, so dass es mir zweifel-
haft erscheint, ob thatsächlich Thiele dieselbe Art vorgelegen hat
wie mir, zumal auch der Fundort, Californien, zum wenigsten
die Annahme einer localen Varietät gerechtfertigt erscheinen lässt.
So zeichnet und beschreibt Thiele den Rand des Mittelzahns als
nur schwach ausgebogen, während ich (Fig. 3, m) eine, wenn auch
594 CüET VON WiSSEL,
kleine, so doch sehr scharfe Ausbuchtung- in der Mitte desselben
wahrnahm. Der Zwischenzahn (^) ferner ist bei meinem Exemplar
bedeutend länger als bei dem Thiele's. Die übrigen Platten fand
ich dagegen so, wie sie Thiele beschreibt.
Die Form des Magens ist die „gewöhnliche", d. h. sie entspricht
dem Schema IV, welches Plate (21, p. 439) als C/wYow- Typus be-
zeichnet. Der Verlauf der Darmschlingen (Fig. 4, cP — d") ist ver-
hältnissmässig wenig complicirt und entspricht dem Nuftalochiton-
Typus Plate's (21, p. 445, 46): nach seinem Austritt aus dem Magen
wendet sich der Darm auf der dorsalen Seite des Thieres zunächst
nach rechts {cP\ biegt dann nach hinten um und zieht an der rechten
Wand der Leibeshöhle entlang (f?-), um in deren hintern Drittel
sich wiederum nach rechts und links zu wenden, mitten im Ein-
geweideknäuel bis etwa zur Mitte der Leibeshöhle nach vorn zu
ziehen [d'^) und hier eine zweite Schlinge nach rechts zu bilden,
worauf er {d"^) sich nach vorn und links wendet, an der linken
Leibeshöhlenwand dicht am Magen ein scharfes Knie nach hinten
und unten macht, um an der ventralen Leibeshöhlenwand nach hinten
zu ziehen {d'% hier noch einmal erst nach vorn und links {d% dann
wieder nach hinten und nach der Mitte umzubiegen und endlich
nach geradem Verlauf (rf^) im Anus zu endigen.
Die Hauptnierengänge reichen bis zur Kopffussfurche, Fuss-
nierengänge fehlen.
Die Eischale konnte ich leider nicht in den Kreis meiner Unter-
suchung ziehen, da sämmtliche secirten Thiere männlichen Geschlechts
waren.
2. IschnocJiiton fructicosus Gould,
Diesen IschnocJdfon hielt ich anfänglich mit der von Plate
(20, p. 113 If.) beschriebenen neuen Art IscJmochiton varians für
identisch, denn auch die mir vorliegende Species zeigt eine geradezu
erstaunliche Variabilität in der Färbung und stimmt im Uebrigen
in vielen Merkmalen mit IscJmochiton varians Plate überein: so in
der ovalen vorn und hinten gleichmässig gerundeten Gestalt, in der
Form der Schalen sowie der feinen Punktirung der Schalenoberfläche.
Auch die angegebene Grösse von 21 mm Länge und 13 mm Breite
des grössten Exemplars würde der der Mehrzahl der zahlreichen
mir vorliegenden Thiere entsprechen, wenn sich gleich unter ihnen
auch erheblich grössere fanden. — Die nähere Untersuchung ergab
jedoch so viel Abweichungen, dass eine Identität beider Arten aus-
geschlossen ist. So sagt Plate „die Schalen erscheinen dem blossen
Pacifische Chitonen. 595
Auge abgesehen von den Zuwachslinien vollständig eben". Im Gegen-
satz hierzu weisen bei IscJmochifon fructicosus die Seitenfelder eine
Anzahl von Rippen auf, welche sich aus kleinen Buckeln zusammen-
setzen und schon mit blossem Auge bequem gesehen werden können.
Zweitens beträgt die Anzahl der Schlitze bei der 1. Schulpe nicht 13,
sondern 10, bei der letzten nicht 12, sondern 9. In diesen Punkten,
sowie in allen übrigen in Betracht kommenden Einzelheiten stimmen
die mir vorliegenden Thiere mit der von Pilsbry (26, p. 91) als
Ischnochifon fructicosus Goüld aufgeführten Art überein. Die un-
wesentlichen Verschiedenheiten mit seiner Charakteristik hebe ich
bei der Beschreibung hervor.
Es lassen sich folgende Farbenvarietäten unterscheiden:
1. Graugrüne Schale mit zahlreichen kleinen, verwaschenen,
dunklern oder weisslichen Flecken. Mantel blauschwarz oder grau
mit blauschwarzen Bändern. Bei vielen Exemplaren spielt die
Grundfarbe der Schalen mehr ins Bräunliche oder gar Gelbliche,
während die Flecken dann moosgrün sind. Andere werden noch heller;
ihre Schale ist im Grundton gelblich-weiss mit zahlreichen, meist längs
gerichteten ockergelben Streifen, welche so sehr prävaliren können,
dass der Totaleindruck in Bezug auf die Farbe des Thieres dunkel
gelb ist. Andrerseits können die Streifen so spärlich auftreten, dass
die Schale beinahe weiss erscheint. Alle diese von einander abzu-
leitenden Varietäten besitzen einen mehr oder weniger dunklen Mantel.
Ebenfalls wohl von den einfach graugrünen Exemplaren in ihrer
Färbung ableitbar sind solche, welche auf graugrünem Grundton
grosse weisse Partien aufweisen. In dieser Kategorie können
wiederum 2 Modificationen unterschieden werden : a) der Kiel sämmt-
licher Schulpen besitzt ein grösseres oder kleineres Viereck oder Dreieck,
während die untern Partien dunkel gefärbt sind. Die grösste Ausdehnung
hat das Weiss in der Eegel auf der 2. und 6. Schulpe. Oder b) die
dunkle Farbe ist umgekehrt auf den Kiel beschränkt. Avährend der
untere Theil der Schalen weisslich oder gelblich ist. Der Mantel
ist in beiden Fällen bald hell, bald dunkel. Dem Fundort nach
vertheilen sich die beschriebenen Varietäten folgendermaassen : zahl-
reiche Exemplare sammelte Herr Prof. Thilenius in Tauranga auf
Neuseeland, während Herr Prof. Schauinsland deren 10 von den
Chatham-Inseln, 7 vom French-Pass (Cookstrasse) und
1 von Bare Island mitbrachte.^)
1) Bare Island ist, wie mir Herr Prof. SCHAUINSLAND mittheilt.
596 CURT VON WlSSEL,
2. Hell graue Schale mit dunkel grünen Flecken und Strichen,
welche meist in der Längsrichtung des Thieres verlaufen; Mantel
grau mit braunen Bändern ; gesammelt von Herrn Prof. Schauinsland
am French-Pass 2 und bei den Chatham-Inseln 1 Exemplar.
3. Schale mit gelbgrauem oder blaugrauem Grundton und regel-
mässigen braunen oder moosgrünen Längsstrichen. Diese Striche
können entweder dick und wenig zahlreich sein (Fig. 5), dann finden
sich deren nur 10 bis 11 auf der 1. und 8. Schulpe, welche ebenfalls
in der Längsrichtung angeordnet sind, odei' sie sind sehr zahlreich
und dünn (Fig. 6), und dann verlaufen sie auf der ersten und letzten
Schulpe in vielen concentrischen Kreisen dem Schalenrand parallel.
Der Mantel ist bräunlich bis schwärzlich. Derartig gefärbte
Exemplare wiesen ebenfalls beide Sammlungen auf, und zwar stammen
8 Stück von den Chatham-Inseln, 2 vom French-Pass und 5
aus Tauranga.
4. Endlich finden sich unter den mir zur Verfügung stehenden
Thieren ganz einfarbige, bei denen auf den Schalen jegliche Zeich-
nung fehlt. So sind bei 8 von Herrn Prof. Schauinsland auf den
Chatham-Inseln gesammelten Thieren die Schalen intensiv hell
blau, bei einem von Herrn Prof. Thilenius in Tauranga mitge-
brachten sind sie grünlich- weiss, bei einem andern eben daher gelblich-
weiss und bei 3 weitern eben daher rein weiss; der Mantel ist bei
allen hell bis weiss.
Die Structur der Schalen wird von Pilsbey zutreffend ge-
schildert. Die Seitenfelder weisen eine Anzahl von Eippen auf,
welche sich aus kleinen Buckeln zusammensetzen und schon mit
blossem Auge gut wahrgenommen werden können. Hierdurch sov/ie
durch die schon oben angegebene abweichende Anzahl der Schlitze
in den beiden Endschalen unterscheidet sich IscJinochiton frudicosus
GouLD sogleich von Isclinochiton varians Plate. Uebrigens treten
die Eippen bei Jüngern Tliieren stets deutlicher hervor als bei
grössern und altern, bei welchen überhaupt die Schalen häufig erodirt
sind. Die Zahl der Eippen giebt Pilsbey als zwischen 3 bis 6
wechselnd an. Ich zähle deren nach der nach den Seiten hin er-
eine kleine Insel zwischen Vancouver Island und dem gegenüber-
liegenden Festland von Nordwest-Amerika. Das Vorkommen ein
und derselben Art auf Neuseeland, auf den etwa 600 Seemeilen süd-
östlich davon liegenden Chatham-Inseln und dem Tausende von See-
meilen entfernten Bare Island ist zweifellos thiergeographisch sehr
merkwürdig.
Pacifische Chitonen. 597
folgten liäufig-en Gabelung- meist mehr, nämlich 10 bis 11. Die
Zwischenräume zwischen den Eippen sowie die Mittelfelder sind
g'leichmässig und fein punktirt, und auf letztern ordnen sich die wie
feine Nadelstiche aussehenden Punkte zu dünnen, sanft gebogenen
Linien an. Hierin und in Bezug auf die starken Zuwachslinien der
Seitenfelder, welche ungefähr rechtwinklig mit den schwachem der
Mittelfelder zusammenstossen, stimmen Ischnorhifon frudicosus und
varians also vollkommen überein. — Das Innere der Schalen giebt
PiLSBRY als weiss, blau oder blaugrün an, mit einem schwarzen
Halbmond auf der Endschale, was ich als zutreffend bestätigen kann.
Die Grösse der mir vorliegenden Thiere schwankte von einer
Länge von 32 mm und einer Breite von 16 mm bei dem grössten
bis zu einer Länge von 6 mm und einer Breite von 4 mm bei dem
kleinsten Exemplar.
Die Hartgebilde des Mantels treten in nur 2, wenn man
will 3, Arten auf, nämlicli 1. als kleine ovale Schuppen (Fig. 7 a),
welche seine Dorsalfiäche dicht und lückenlos bedecken. Diese
Schuppen sind in ihrer distalen Hälfte meist glasartig durchsichtig,
in der basalen dagegen mit bräunlichen oder gelblichem Pigment
durchsetzt. Ihre Oberfläche ist durch zahlreiche Längsfurchen in
ebenso viele Säulchen getheilt, welche dem freien Rande ein aus-
gezacktes Aussehen verleihen. — Die zweite Art von Hartgebilden
des Mantels sind die platt cylindrischen und glashellen Ventralschuppen,
welche keine weitern Besonderheiten aufweisen (Fig. 7b). Aus ihnen
hervorgegangen sind die etwas längern, rundern und am distalen
Ende ein wenig zugespitzten Eandstacheln (Fig. 7 c).
Die Anordnung der Kiemen ist holobranch und adanal mit
Zwischenraum. Ich zählte bei einem Exemplar recht 35, links 34,
von denen vorn sowohl wie hinten die 3 letzten winzig klein waren,
während als Maximalkiemen die 10. bis 13., von hinten an gerechnet,
bezeichnet werden müssen. Die Geschlechtsöffnung fand ich rechts
wie links zwischen Kieme 11 12, die Nierenöffnung rechts zwischen
Kieme 9/10, links zwischen Kieme 7 8. — Ein zweites Exemplar
wies rechts ebenfalls 35, links nur 31 Kiemen auf. Die Geschlechts-
öflnung lag hier rechts wie links zwischen Kieme 10,11, die Nieren-
öff"nung zwischen Kieme 7,8.
Bezüglich der L a t e r a 1 f a 1 1 e hatte ich je nach dem Schwellungs-
zustand bald den Eindruck, als ob sie mit einem typischen Lateral-
lappen neben der hintersten Kieme endige, bald wiedeium zeigte sie
in derselben Gegend nur eine kleine Anschwellung, ohne einen eigent-
Zool. Jahrb. XX. Abth- f. Syst. 40
598 CüRT VON WiSSEL,
liehen Lappen zu bilden. In beiden Fällen Hess sie sich jedoch als
ein niedriger Saum bis hinter dem Anus herum verfolgen.
Osphradien sind nicht vorhanden.
Die Mittelplatte der Eadula (Fig. 8 m) ist vorn concav. der
nach hinten umgebogene Eand ihrer Schneide ist gleichmässig ab-
gerundet; die Zwischenplatte (^) hat vorn eine flache Einbuchtung;
die Hakenplatte (h) weist bei schon stark thätigen Gliedern nur
einen Zahn auf, doch zeigen erst im Entstehen begriffene Platten
(h^), dass ursprünglich 2 gänzlich getrennte und gleich grosse Spitzen
herauswachsen. Später bildet sich zwischen beiden eine Chitinbrücke.
Dann bleibt die äussere Spitze im Wachsthum hinter der Innern
mehr und mehr zurück, um schliesslich durch Abnutzung bis auf
einen unbedeutenden Vorsprung gänzlich zu verschwinden. Der
Seitenflügel ist klein und annähernd rechteckig mit geringer Ein-
buchtung der hintern Kante. Die Seitenplatte (s) ist lang uud schmal.
Die Darm Windungen (Fig. 9) entsprechen im AVesentlichen
der Beschreibung und Abbildung, wie sie Plate für Ischnochifon
varians giebt, sind also dem HanJeya-Tyims und zwar dem Seiten-
zweig 1^ desselben (21, p. 446 ff.) zuzurechnen. Besonders hervor-
gehoben sei noch, dass der erste, vom Magen aus rechts nach hinten
verlaufende Abschnitt (d^) sich durch seine Dicke scharf gegen den
zweiten {d-} absetzt, w^elcher an der linken Leibeshöhlen wand die
erste Schlinge bildet, w^ährend d- seinerseits nach kurzem Verlauf
eine beuteiförmige Auftreibung (li) zeigt, die sich bei mehreren darauf
hin untersuchten Exemplaren an derselben Stelle vorfand, also für keine
individuelle oder pathologische Abweichung gelten kann, deren Epithel
sich jedoch histologisch von dem des übrigen Darms nicht unterschied.
Bezüglich der Nieren konnte ich nur feststellen, dass die
Hauptnierengänge nach vorn bis zur Kopffussfurche reichen, Fuss-
nierengänge aber fehlen.
Die Eischale (Fig. 10, a u. h) hat eine ähnliche Beschaffenheit,
wie dies von Ihering für die von Chiton squamosus (15, p. 134 ff.)
beschreibt, d. h. sie ist mit einem dichten Wald von Stacheln be-
setzt. Bei der vorliegenden Art sind jedoch die Stacheln winzig
klein und dünn, so dass man nur bei sehr starker Vergrösserung
ein genaueres Bild von ihnen gewinnt. Sie erinnern dann auffällig
an die erst halb erschlossene Blüthe einer Tulpe mit sehr dünnem
Stiel (Fig. 10 b); in den weitaus meisten Fällen sind an dem Kelch
nur 2 Zacken sichtbar, mitunter jedoch konnte ich auch deren 3
wahrnehmen, und ich vermuthe, dass die Zahl der Spitzen wohl
Pacifische Chitonen. 599
ebenso wie bei Chiion sriuanwsus 5 betragen wird. AVie schon er-
wähnt, ist der Stiel der Stacheln sehr dünn und verhältnissmässig-
lang, wodurch er eine grosse Biegsamkeit erhält, so dass die Stacheln
auf der Eioberfläche einen dichten Filz bilden, in welchem die
einzelnen Stacheln sich nach allen Eichtungen hin neigen und unter
einander kreuzen. An der Basis verbreitern sich die Stiele der
Stacheln um ein weniges.
Familie Mopaliidae.
3. 3IopalU( niuscosa Gould.
Von dieser Species enthielt die Sammlung nur 1 männliches
Exemplar, welches von Herrn Prof. Schauinsland von Bare Island
mitgebracht wurde. Die Länge betrug 48 mm, die Breite 41 mm.
PiLSBRY (26, p. 303 u. 304j giebt 5 sehr verschiedene Abbildungen
derselben kvt, und es scheint danach hier eine besonders grosse
Variabilität zu herrschen. Das mir vorliegende Exemplar ist stark
erodirt, daher die Farbe der Schale nicht mehr festzustellen. Jeden-
falls steht es der var. ivosnessenkii ferner als der typischen Form. —
Die Insertionsplatten fand ich geschweifter, als sie Pilsbry abbildet.
Im Uebrigen giebt Plate (21, p. 307 if.) eine sehr zutreffende Be-
schreibung, die ich in fast allen Punkten bestätigen kann und auf
welche ich daher verweise.
An K i e m e n zählte ich rechts 38, links 37, also etwas weniger
als Plate ; sie beginnen beim Intersegmentum 1/2. Die ersten 6 — 8
sind winzig klein und hell gelb gefärbt, von da an nach hinten ver-
doppelt sich ihre Länge plötzlich , um nach hinten zu weiter con-
tinuirlich an Grösse zuzunehmen und mit der zehntletzten Kieme
ungefähr die beträchtliche Maximallänge von 5—6 mm zu erreichen.
Von hier an nehmen die Kiemen wiederum continuirlich an Länge
ab und endigen in der Querebene des Intersegmentums 6/7, sind
also holobranch und abanal. — In Bezug auf die Lage der Pori des
Geschlechtsapparats und der Niere liegt hier das seltene Verhalten
vor, dass sich beide dicht neben einander in derselben Querebeue
zwischen der letzten und vorletzten Kieme und zwar um 1 und IV2 nim
nach innen von den Kiemen befinden.
Die Lateralfalte bildet keine Lappen.
Was den Pharjnigealapparat anlangt, so kann ich die Angaben
Plate's ebenfalls bestätigen, doch fand ich, was Plate nicht er-
wähnt, die Ventralfläche der Mundhöhle in zahlreiche drüsige Aus-
4Ü*
ßOO CüET VON WiSSEL,
sackuiigen ausgezogen (Fig. 11), welche ventral wärts das Subradular-
organ verdecken. Die vorliegende Art verhält sich hierin also ebenso,
wie dies Plate auch für Cryptoconchus porosus Bueeow beschrieben
hat (21, p. 322).
Die R a d u 1 a zeigt die Verhältnisse, wie sie Thiele (25. p. 396)
für Mopalia Imiclsi schildert, aber auch die von diesem Autor für
Mopalia muscosa dargestellten Zähne sind naturgetreu. Da im üebrigen
beide Figuren einander sehr ähnlich sind, dürfte es sich thatsächlich,
wie PiLSBRY will, um dieselbe Art in verschiedenen Varietäten handeln.
Die Darm schlingen sind aus der Abbildung (Fig. 11) er-
sichtlich, sie sind etwas complicirter. als dies Plate darstellt, ins-
besondere bildet cP eine Schlinge mehr.
Die H a u p t n i e r e n g ä n g e reichen nach vorn bis zur Kopffuss-
furche, nach hinten jederseits bis zum After. Fussnierengänge fehlen.
4. CJiaetoxyleura Jiahni Rochebr. (^ Flaxiphora seiiger
YouNG, Miss Cap Hörn).
Zahlreiche Exemplare von T e One und Red Bluff auf den
C h a t h a m - 1 n s e 1 n durch Herrn Prof. Schauinsland und 1 Exemplar
von Neuseeland von Herrn Prof. Thilenius gesammelt. Diese Art
hat eine grosse Aehnlichkeit mit der nachbeschriebenen Plaxipliora
setiger King, so dass Plate (21, p. 291 Anm.) sogar bestimmt an-
nimmt, es handle sich um ein und dieselbe Species. Leider stand
mir von Flaxiphora setiger King nur ein und noch dazu stark ab-
geriebenes Exemplar zur Verfügung, so dass ich in Bezug auf die
Schale nicht in der Lage w^ar, ausschlaggebende Unterschiede fest-
zustellen. Aber durch die Vergieichung der Hartgebilde des Mantels
wird .jeder Zweifel an der Artverschiedenheit ausgeschlossen, wie
ich weiter unten und bei Beschreibung von PJaxiplwra setiger King
des weitern ausführen werde.
Das grösste Exemplar hatte eine Länge von 33 mm und eine'
Breite von 22 mm, das kleinste eine Länge von 5 mm und eine
Breite von 3 mm. Die Färbung der Schalen ist sehr variabel, ent-
spricht aber im AVesentlichen der Beschreibung und den Abbildungen
Pilsbry's (26, tab. 67, Fig. 37, 38). Aus der Schilderung, wie sie
Plate giebt und die für die vorliegende Art sehr zutreffend ist,
geht hervor, dass die von diesem Forscher untersuchten Exemplare
meiner Ansicht nach nicht Plaxipliora setiger King, sondern Chaeto-
pleura lialmi Rochebr. waren. Die Grundfarbe der Schalen ist in
den meisten Fällen gelbbraun oder auch graublau. Auf diesem
Pacifische Chitonen. 601
Grunde weisen die meisten Schalen scliwarzbraune oder schwarz-
grüne Läng-sstreifen namentlich im ^Mittelfelde auf. In vielen Fällen
herrscht die Grundfarbe mehr vor. und die Streifen machen mehr
den Eindruck von Spritzflecken , oder aber letztere werden breiter
und breiter, so dass umgekehrt die Grundfarbe nur noch in Gestalt
einiger kleiner Flecken zu Tage tritt und die Schale dann beinahe
ganz braun oder schwarzgrün erscheint. Einige sehr kleine Exemplare
hatten eine einfarbig weisslich graue Schale (Fig. 12). — Was die
Sculptur der Schale anlangt, so ist die Beschreibung, welche Plate
für FJaxipliora setiger Kino giebt, ebenfalls genau für die vorliegende
Art zutreffend. Grössere Thiere haben meist stark abgeriebene
Schalen, so dass ihre Sculptur hier weniger gut festgestellt werden
kann als bei Jüngern und kleinern. — Die erste Schale weist 8 — 10
radiale Rippen auf. welche bei grossen Thieren mitunter sehr wenig
hervorü'eten und eine in sich glatte Linie darstellen. Bei jungen
Thieren jedoch erkennt man, dass sie sich ebenso wie die Diagonal-
linien der ]\rittelschalen aus einer Eeihe von scharf ausgeprägten
Buckeln zusammensetzen (Fig. 12). Ich muss hierin Plate (21, p. 291)
widersprechen, welcher der Ansiclit ist, dass diese Buckel nie die
Grösse erreichen, wie sie Rochebrune in einer Zeichnung von Chaeto-
pleum halini darstellt, trotzdem ich diese Zeichnung nicht gesehen
habe. Denn das sehr junge in meiner Zeichnung (Fig. 12) darge-
stellte Exemplar zeigte die Buckel so stark hervortretend und scharf
ausgeprägt, dass eine Steigerung in dieser Hinsicht kaum möglich ist.
Auch die Beschreibung von Plate für den Mantel von Pla.iiphora
setigerKi^G passt genau für den Mantel der hier behandelten Art, während
der des einzigen von mir als FJaxwliora setiger King recognoscirten
Exemplars in Bezug auf seine Hartgebilde von durchaus abweichen-
der Beschaffenheit ist, wie noch bei Beschreibung dieser Species zu
erörtern sein wird. — Hier, bei ChaefopJeura JiaJnn', habe ich wie
Plate 3 Arten von Hartgebilden des ]\Iantels angetroffen, nämlich:
1. auf der Dorsalseite grosse Chitinborsten (Fig. 13 ho), welclie ein-
mal in Büscheln intersegmental zwischen je 2 Schalen in geringem
Abstand von denselben angeordnet sind, zweitens dünn verstreut
und einzeln stehen oder auch zu kleinern Büscheln vereinigt auf
die übrige Manteloberfläche vertheilt sind, und drittens dicht ge-
drängt den Rand des Mantels wimperartig umsäumen. In die Spitze
sämmtlicher Borsten, so weit sie unversehrt war, habe ich stets einen
kleinen Kalkstachel eingelassen gefunden. Die Färbung der Borsten
ist blass gelblich nach der Spitze zu heller Averdend. — Zwischen
QQ2 CURT VON WiSSEL.
diesen Borsten findet sich 2. eine grosse Menge kleiner, meist
brauner, gelber oder auch ungefärbter Kalkstacheln (Fig. 13 u. 13a
st), welche der Oberseite des Mantels die hellere oder dunklere
braune Färbung verleihen. Diese Stacheln sind zwar sehr zahlreich,
bedecken jedoch nicht die ganze Manteloberfläche. Sie stecken in
kleinen Bechern, an denen ich einen Zapfen nicht entdecken konnte.
Bisweilen können sie so klein sein, dass sie nur noch winzige runde
Körnchen darstellen. Bei den grossem ist das braune oder gelbe
Pigment stets auf die untern zwei Drittel beschränkt, während die
Spitze der Stacheln farblos und glashell erscheint. Eine besondere
Structur habe ich an den Stacheln nicht wahrgenommen. 3. Mit
etwa 3 mal so langen dichtstehenden Kalkstacheln ist die Ventral-
seite des Mantels besetzt (Fig. 13 st^). Die Stacheln sind meist von
gelblicher bis bräunliclier Farbe, wennschon sich auch farblose in
grosser Anzahl darunter finden. Am Mantelrande verdoppeln sie
ihre Länge und bilden so nach aussen eine dichte Stach elpalissade,
welche sich schützend über den Basaltheil der oben erwähnten rand-
ständigen Chitinborsten legt. Vermuthlich haben wir in sämmtlichen
Chitinborsten Tastwerkzeuge zu erblicken, und spätere Unter-
suchungen würden festzustellen haben, ob sie mit einem Nerven in
Verbindung stehen oder nicht. Auch die Ventral- und Eandstacheln
besitzen einen kleinen Becher, welcher ebenfalls des Zapfens ent-
behrt (Fig. 13b st^). Die Spitze der Stacheln hat eine zarte Längs-
streifung. — "Wie der Leser sieht, deckt sich meine Beschreibung
der Hartgebilde des Mantels der vorliegenden xlrt durchaus mit der
Plate's für Plaxiphora setiger King.
Kiemen waren jederseits 45—47 vorhanden, sie reichen von
der Kopffussfurche an nach hinten bis zur Querebene des Afters,
ohne an diesen heranzutreten. Die letzten waren stets die grössten,
ihre Anordnung ist daher als holobranch und abanal zu bezeichnen.
Der Nierenporus befand sich stets zwischen Kieme 1/2, der Genital-
porus bei einem Exemplar links zwischen Kieme 5/6, rechts zwischen
Kieme 3/4, bei einem andern rechts und links zwischen Kieme 3/4.
Die Lateral falte ist breit, aber ohne Lappen.
Osphradien fehlen.
In Bezug auf die ßadula ist zu bemerken, dass die Mittel-
platte (Fig. 14 m) von ansehnlicher Grösse und Breite ist und eine
runde Schneide ohne Einbuchtungen besitzt. Die Zwischenplatte (^)
ist 1^2 ^^^ *^o lang wie die Mittelplatte und hat einen zalin-
artigen Vorsprung auf der Aussenseite. Die Hakenplatte (//) hat
Pacifische Chitoueu. 603
3 Zähne, von denen der mittelste der längste ist. ihr Stiel besitzt
einen kleinen Üügelartigen Fortsatz an seiner Innern .Seite. Die
Seitenplatte (s) ist schmal und lang und wenig gebogen.
Der Situs viscerum ist aus der Abbildung Fig. 15 ersicht-
lich und schon von Plate (21. p. 195) richtig beschrieben worden.
Ebenso wenig weiss ich der Schilderung Plate's bezüglich der
übrigen Organsysteme etwas hinzuzusetzen. Auch die Schilderung,
welche dieser Autor von der Eischale (21, p. 296 — 97) giebt, habe
ich an meinen Präparaten durchaus bestätigt gefunden, begnüge mich
daher damit, auf das genannte Werk hinzuweisen.
5. Plaxiphora setigev King (Emerton et Rossdell).
1 Exemplar vom French-Pass durch Herrn Prof. Schau-
ixsLAND gesammelt. Die Länge betrug 45 mm, die Breite 33 mm.
Die Structur der Schale war in Folge sehr starker Erosion
nicht mehr zu erkennen, ihre Farbe scheint in der Hauptsache stahl-
blau gewesen zu sein. Im Uebrigen passt die Beschreibung und Ab-
bildung Pilsbry's (26, p. 316 — 17) ausgezeichnet. Wenn er den
Mantel folgendermaassen charakterisirt : „Cxirdle rather wide, leatherj',
having at each suture a small pore bearing several long corneous
bristles, and with one or two more or less irregulär series of bristle-
bearing pores on the surface of the girdle, and a more or less dense
clothing of small soft hairs over its outer part", so passt diese Be-
schreibung vollkommen zu den von mir gemachten Beobachtungen.
Nur die letzte Angabe, die mehr oder weniger dichte Bedeckung mit
dünnen weichen Haaren, trifft für mein Exemplar nicht zu, da dessen
Mantel bis auf zwei Reihen von Borstenbüscheln und die wimper-
artigen Randborsten durchaus glatt ist. Aber Pilsbry sagt in Bezug
auf diesen Punkt selbst „more or less", und so kann diese geringe
Abweichung nicht Ausschlag gebend für die Beurtheilung sein, ob wir
hier eine andere Species vor uns haben oder nicht.
Von Hartgebilden wies der Mantel 3, eventuell 4, Arten auf:
nämlich 1. auf seiner Dorsalseite lange Chitinborsten (Fig. 16 h, h),
welche sich folgendermaassen auf seiner Oberfläche vertheilen : a) In
Poren intersegmental zwischen je 2 Schalen, sowie in 5 Poren
im Umkreis vor der ersten und 2 Poren hinter der letzten Schale
wurzelt je eine sehr starke und lange Borste, zuweilen finden sich
auch deren zwei. — b) Ein zweiter borstentragender Porenkranz
findet sich in einer Entfernung von ca. 2 mm vom Mantelrande.
ß04 CUKT VON "WiSSEL,
Diese Poren sind bei weitem zahlreicher und stehen auch dichter
als die vorerwähnten den Schalenrand einfassenden. Sie stehen in
Intervallen von 2^1^ his A^^j^ mm und auch in ihnen wurzeln je 1 bis
2 starke Borsten. Endlich findet sich noch c) in unmittelbarer Nähe
des Mantelrandes ein dritter Kranz von Chitinborsten, welche aber
bedeutend schwächer und kürzer sind als die beiden oben genannten
Kategorien und in ihrer überwiegenden Mehrzahl auch nicht auf
Poren wurzelnd regelmässig vertheilt sind, sondern vielmehr in un-
gleich dichterer Anordnung den Rand wimperartig umsäumen. Einige
dieser Eandborsten, es sind dies meist etwas stärkere, können wieder-
um etwas mehr nach innen gerückt sein und aus Poren einzeln oder
zu zweit entspringen. Sie bilden so eine vierte Eeihe, welche unge-
fähr 1 mm vom Rande entfernt ist. Jedoch treten diese nur un-
regelmässig auf. so dass man sie ebensogut auch den Randwimpern
zuzählen kann. — Die Structur der Borsten ist dieselbe wie bei
Chaetopleura hahni, aber sie tragen nur zum Theil an ihrer Spitze
einen Kalkstachel, ein anderer Theil, und zwar ebensowohl grosse
wie kleine, endigt mit unbewaffneter Spitze (Fig. 16 b, h). Die
Wurzeln der Borsten senken sich tief in das darunter liegende Mantel-
gewebe ein und stecken hier in einem weiten taschenförmigen Becher
(&^, &^). Bei starker Vergrösserung zeigen die Borsten eine zarte
Längs- sowohl wie Querstreifung, welche beide nach der farblosen
Spitze zu allmählich verstreichen und undeutlich werden. — Die
-zweite Sorte von Hartgebilden des Mantels wird durch kleine gelb-
liche Kalkstacheln repräsentirt (Fig. 16 st), welche, soweit man von
wirklich ausgebildeten Stacheln reden kann, ausschliesslich seiner
Ventralseite angehören. Sie erreichen eine Länge von 20 — 24 /«
und eine Breite von 6—8 //, nehmen aber nach dem Mandelrande zu
ständig an Grösse ab, wo sie in ihrer Neuanlage nur kleine, runde,
granulirte Körnchen von gelblicher Farbe repräsentiren (st^). An
grössern Stacheln (Fig. 16 a sf) kann man deutlich einen kleinen
farblosen Becher unterscheiden, welcher jedoch einen Zapfen ver-
missen lässt. Das in diesem Becher steckende basale Ende des
Stachels ist meist von dunkel gelber Farbe, welche nach der Mitte
zu allmählich heller wird, während die Spitze des Stachels ganz
farblos ist und eine zarte Längsriefung erkennen lässt. Die An-
ordnung der Stacheln zeigt die Tendenz zu Bildung radiärer Reihen,
doch bedecken sie nicht geschlossen die ganze Manteloberfläche,
sondern lassen die Cuticula zwischen sich frei hervortreten. Während
das Auftreten dieser Stacheln im ausgebildeten Zustand also ledig-
Pacifische Chitonen. ß05
lieh auf die Veutralseite des Mantels beschränkt ist. fehlen sie in
ihrer Erstanlage anch der Dorsalseite nicht. Äer bleiben sie je-
doch auf dem Stadium der kleinen, runden, gelblichen Körnchen
stehen (Fig. 16 sf~), als welche wir sie schon am Eande der Ventral-
seite kennen gelernt haben (sP). Sie entwickeln sich auf der Dorsal-
seite nicht mehr zu Stacheln, sondern sind offenbar rudimentär ge-
worden. Ferner ist ihr Auftreten hier scheinbar ein spärlicheres
als auf der Ventralseite, denn auf dem Rücken finden sie sich nur
unregelmässig zerstreut. Denkt man sicli jedoch die Körnchen zu
Stacheln von der Grösse der Bauchstacheln ausgewachsen, so erkennt
man sogleich, dass ihre Häufigkeit der der Ventralstacheln kaum
etwas nachgiebt, dass vielmehr die Erstanlage hier wie dort die
gleiche ist.
Die dritte Sorte von Hartgebilden ist der Ober- und Unterseite
des Mantels in gleicher Weise gemeinsam. Es sind dies mikro-
skopisch kleine, form- und farblose Kalkkörnchen (Fig. 16 Je, Je), welche
auf der Ventralseite die Lücken zwischen den Stacheln ausfüllen,
während sie auf der Dorsalseite in gleicher Weise zwischen den
rudimentären Stacheln verstreut sintl. Auch der Cuticula der Chitin-
borsten sind sie hier eingelagert. Da die rudimentären Stacheln
sowohl wie die Kalkkörnchen erst bei stai^ker Vergrösserung sicht-
bar werden, so macht die Manteloberfläche thatsächlich, wie Pilsbey
sagt, einen glatten, lederartigen Eindruck.
Die Zahl der Kiemen betrug rechts 47, links 49. Sie beginnen
vorn an der Kopffussfurche und endigen hinten am Intersegment 6/7,
und zwar sind die hintersten die grössten, so dass also ihre An-
ordnung als holobranch und abanal zu bezeichnen ist. Die Ge-
schlechtsöfihung befand sich rechts wie links zwischen Kieme 3/4.
Die Lage des Nierenporus konnte ich nicht ermitteln.
Die Lateralfalte ist massig breit und bildet keine Lateral-
lappen. Nach hinten wird sie allmählich schmäler und betheiligt
sich schliesslich an der Bildung des Sinus, in welchem sie ihr Ende
findet, ohne dass ihre beiderseitigen Hälften in einander übergehen
(Fig. 17 f).
Der Schlundapparat bietet wenig Bemerk enswerthes dar.
Erwähnt sei nur, dass die Speicheldrüsen ziemlich gross und in
mehrere Lappen verästelt sind.
Die R a d u 1 a ähnelt am meisten der Abbilduug, wie sie Thiele
(25, tab. 32, 19 und 19 a) von PlaxipJiom biramosa giebt. Namentlich
die Mittelplatte (Fig. 18 m) stimmt fast genau damit überein. Ihre
606
CURT VON WiSSEL,
Kante ist Slappig- ausg-e buchtet, und die Schneide zeig't in der
3Iitte eine kleineJEinkerbimg. Auch die Zwischenplatte (5) zeigt
Aehnlichkeit mit der von Thiele dargestellten, nur ist hier die
Schneide gerader, und der Flügel ist auf die untere Hälfte be-
schränkt. Die Hakenplatte (//) ist Szähnig, und zwar ist der
oberste Zahn etwas schwächer als der unterste und der Mittelzahn
weitaus der stärkste.
Die Lagerung der Darmschlingen
ist aus nebenstehender Textabbildung
(Fig. A), in welcher der Darm als
einfache Linie von der Bauchseite
aus betrachtet dargestellt ist, zu er-
sehen. Der Typus ist derselbe wie
bei Chaetopleura haJini, mit dem Unter-
schiede, dass bei dieser Art sich an
cV sofort die hintei' dem Magen
liegende Schlinge d^ und d^ an-
V\l*4 ^^y / J schliesst, während hier der Darm
\'\"^''^ / / zunächst eine weitere Schlinge, d^
und fF, beschreibt, ehe er den An-
schluss an «?* erreicht.
Die H a u p t n i e r e n g ä n g e
reichen nach vorn bis zur Kopffuss-
furche; Fussnierengänge fehlen.
Die Eischale ist der der vorbeschriebenen Art durchaus gleich,
so dass die Beschreibung Plate's derselben auch für die vorliegende
Species maassgebend ist.
Osphradien sind nicht vorhanden.
6. Flaxlpliora (fJauca Quoy et Gaimabd.
Von dieser Art stand mir nur ein männliches Exemplar zur
Verfügung, welches Herr Prof. Schauinsland vom French-Pass
mitbrachte. Die Länge desselben betrug 28, die Breite 18 mm. Die
Beschreibung Pilsbey's (26, p. 325 — 26) ist bis auf die Farbe des
Gürtels in allen Punkten zutreffend. Bei meinem Exemplar ist der-
selbe von blass gelblicher Farbe, vermuthlich weil der Alkohol den
ursprünglichen Farbstoff ausgezogen hat. Der Mantel ist verhält-
nissmässig breit und misst in der Mitte des Thieres jederseits 5 mm,
während die Mittelschulpen nur 8 — 9 mm Breite haben. Die Schalen
sind glatt und glänzend; die erste hat 8 Schlitze, die mittlem je
Pacifische Chitonen. 607
einen; die grossen Insertionsplatten der letzten sind ohne Schlitze
und vereinigen sich hinten zu einem dicken, in der Mitte zu einem
Sinus ausgeschweiften Wall. Der Kiel der Schalen (Fig. 19) ist
abgerundet und tritt wenig hervor; auch die Diagonallinien sind
nur eben angedeutet. Ueberhaupt entbehrt die Schale, abgesehen
von den schon mit Lupe deutlich sichtbaren Zuwachsliuien, jeglicher
Sculptur. Die Farbe ist in der Hauptsache gleichmässig schwarz-
braun, der Kiel heller braun, jederseits am Rande durch eine
schmale olivgrüne Linie eingefasst. Auf den Seitenfeldern sind
endlich noch kleine blaugrüne Flecke schon mit blossem Auge er-
kennbar.
Der Mantel ist oben wie unten hell weisslich-gelb. Seine
Eückenseite ist in ganzer Ausdehnung gleichmässig mit kürzern und
längern gelblichen Chitinborsten (Fig. 20 &, h und h\ h'^) besetzt,
welche einzeln und zu Büscheln von 2—4 aus zahlreichen Poren
hervorwachsen, so dass die Manteloberfläche ein spongiöses Aussehen
erhält (Fig. 19). Am Mantelrande bilden diese Borsten, welche hier
dünn und kurz sind, einen dichten AMmperkranz. Jede Borste
trägt an ihrer Spitze einen kleinen Kalkstachel, während sie mit
ihrer breiten Basis tief in das Mantelgewebe eingesenkt ist und
in einer glashell durchscheinenden, becherartigen Tasche steckt
(Fig. 20 h h), wie ich sie schon bei den Borsten von Flaxiphora
setiger King beschrieben habe. Den Kalkstachel habe ich bei
jeder unversehrten Borste nachweisen können, es scheint dem-
nach hier keine stachellosen Borsten zu geben. Bei sehr
kleinen Härchen (ö\ ft^) sieht man den Kalkstachel als kleines rundes
Körnchen an ihrer Spitze im Entstehen begriifen, und auch die Basal-
tasche ist hier nur klein und im Querschnitt halbmondförmig.
Ausser den eben beschriebenen Borsten besitzt die Mantelober-
seite noch eine zweite Art von Hartgebilden. Es sind dies winzig
kleine Kalkstacheln, welche lose verstreut den Raum zwischen den
Borsten ausfüllen (Fig. 20 st, st). Trotz ihrer geringen Grösse (ihre
Länge variirt zwischen 3 — 4 (.i, ihre Breite zwischen 2 — 3 u) sind
es doch, wie uns eine starke Vergrösserung lehrt, wohlausgebildete
Stacheln, welche sowohl einen Schaft wie einen Becher erkennen
lassen. Ein Zapfen liess sich jedoch an letzterm nicht nachweisen.
Ab und zu findet sich zwischen diesen typischen Stacheln auch ein
rundes, gelbliches Kalkkörnchen (Fig. 20 A-), welches hier wohl die
Erstanlage eines Stachels, nicht, wie bei Pla.riphora setiger King,
einen rudimentären Stachel vorstellt. Der Schaft jedes Stachels
6(38 CURT VON WiSSEL,
lässt ein zart gelbliches Inneres erkennen, welches meist von einer
glashellen Contur umgeben ist, mitunter sich jedoch auch bis zur
Spitze erstreckt. — Die Ventralseite des Mantels weist nur eine
Art von Hartgebilden auf, nämlich dicht gedrängt stehende, einander
dachziegelartig deckende Kalkstacheln (Fig. 20 st^, sf^), welche eine
Länge von 9 — 12 und eine Breite von 4 — 5 jf< aufweisen. Auch ihre
Farbe ist blass gelblich, vorn laufen sie entweder spitz aus öder
breit abgestutzt, doch ist es mir nicht klar geworden, ob es sich in
letztem! Falle um die natürliche Endigung handelt oder ob nicht
vielleicht die Spitze abgebrochen ist. Bei starker Vergrösserung
lässt sich an jedem Stachel leicht eine Längsrief elung und ausserdem
eine zarte Querstreifung erkennen (st^).
Die Kiemen erstrecken sich von der Kopffussfurche nach hinten
bis zum Intersegment 7/8, die letzten sind die grössten. Die Nieren-
öffnung befand sich zwischen Kieme 1/2, die Geschlechtsöffnung zwischen
Kieme 4/5, die Anordnung der Kiemen ist also holobranch und abanal.
Die Lateral falte ist massig breit und zieht, ohne wesentlich
schmäler zu werden, continuirlich hinter dem Anus herum.
Die Radula (Fig. 21) hat eine Mittelplatte (m), deren Aussen-
rand ebenso wie die Schneide einfach convex ist, ohne irgend welche
Einkerbungen zu zeigen. Unter der Mitte verläuft eine schmale
Basalleiste, welche die Platte nach hinten in Gestalt eines kleinen
Dornes überragt. Die Zwischenplatte (s) ist l^/o mal so gross wie
die Mittelplatte ; sie ist an ihrer Innenseite
in ganzer Länge von einem flügelförniigen
,'' ..••••. Fortsatz umsäumt, während die Aussenseite
einen solchen nur in ihrer hintern Hälfte
trägt. Die Hakenplatte (/?) ist Szähnig und
besitzt nur einen ganz kleinen Seitenflügel
• [. •. i an ihrer Innern Kante. Die Seitenplatte (5)
: gl I . r ,;""■./ I ist lang gestreckt und schmal.
IM. ^^ :\ I^iö Darm Windungen (Textfig. B)
l'^'J^5(/9 d^ (/' 1 haben im Wesentlichen denselben Verlauf
\ I I '• •: .• / r wie bei Chaetopleura hahni, mit dem Unter-
d'\ y' ''■■'■ Li/2 schiede, dass die erste dorsale Schlinge (fZ-
.(/.-..,■••■ /^ i)is (pj zwar auch 2 Kreise beschreibt, da-
bei aber sich noch 2 mal (cV' und d^), je
1 mal nach vorn und nach hinten ausbuchtet,
so dass hier noch 2 weitere secundäre
Fig. B. Schlingen entstehen.
Pacifische Chitonen. 609
Die Hauptnierengänge reichen bis zur Kopffussfurclie.
Fussnieren fehlen.
Osphradien sind nicht vorhanden.
7. FJuxijihora ternitnalis (Cpr.) Smith (Quoy et Gaimard?)
Von dieser Art standen mir 6 Exemplare zur Verfügung-, von
denen je 3 der Sammlung von Herrn Prof. Schauinsland und Herrn
Prof. Thilexius angeh(>rten, und zwar erbeutete ersterer sie auf den
C h a t h a m - 1 n s e 1 n . letzterer in T a n r a n g a auf Neuseeland. —
Das grösste Exemplar war 20 mm lang und 13 breit, das kleinste
12 mm lang und 6 breit. — Die Beschreibung von PiLsmjY (26,
p. 326 — 27) ist zutreffend. Als besonders hervortretender Charakter
ist bei den mir vorliegenden Thieren die für die Gattung Plaxiphora
auffallende Breite der Schalen und dem entsprechend die geringe
Ausdehnuug des Mantels hervorzuheben (Fig. 22). Es kommt näm-
lich in der Mitte des Thieres -/g der Gesammtbreite auf die Schulpe
und nur ^ ^ jederseits auf den Mantel. Die Schalen sind in ganzer
Ausdehnung mit ziemlich groben, rnnden bis ovalen Pusteln bedeckt.
Nur in Folge Abreibung derselben kann an den mittlem Schalen
der Kiel glatt erscheinen. Die erste Schale hat 5 deutliche Rippen,
welche ihrem Kand ein 5 lappiges Aussehen geben. Dagegen sind
auf den Mittelschulpen die Diagonallinien nur angedeutet. Der Kiel
ist gut ausgebildet. Die letzte Schale ist verhältnissmässig gross
und breit, ihr Mucro liegt im ersten Drittel. Die Färbung der
Schalen ist bei 4 der mir vorliegenden Exemplare, nämlich der 3 aus
Neuseeland und 1 von den Chatham-Inseln, ungemein prächtig
(Fig. 22), und zwar sind die Träger der Zeichnung die oben er-
wähnten Pusteln, welche je nach der Region von grün, violett,
carmoisinroth bis milchweiss variiren. Der Kiel ist meist intensiv
carmoisinrotli und wird von einer schmalen, milchweissen Linie um-
säumt. Die Mittelfelder sind meist intensiv moosgrün, mitunter auch
hellgrün mit weisslichen Flecken; in den Aussenfeldern dagegen
herrscht wieder die carmoisinrothe P'arbe vor, welche erst ganz am
Hinterrande wiederum von grünen und weisslichen Pusteln umgrenzt
wird. Auf der ersten Schulpe sind die 5 Rippen meist von weiss-
licher Farbe, die ihnen benachbarten Pusteln spielen sodann nach
carmoisinroth hinüber, während in der Mitte der Zwischenfelder
wieder Grün vorlierrscht. Die letzte Schale hat ebenfalls einen
rothen ]\Iucro und rothen Aussenrand, während das innere Drittel,
die Mittelfelder, ebenfalls grün sind. — Die Farbe der Mantelober-
610 CURT VON WiSSEL,
Seite ist braun und grau marmorirt, in jedem Intersegmentum be-
findet sich ein mit blossem Auge nur wenig bemerkbares Stachel-
bündel, ebenso deren 4 im Umkreis vor der ersten Schulpe, zusammen
also 18. Die Färbung der Mantelunterseite ist, wie gewöhnlich,
weisslich-gelb. — Die Farbe der Schalen der beiden andern von den
C h a t h a m - 1 n s e 1 n stammenden Exemplare ist einheitlich graugrün,
unter der Lupe werden spärliche moosgrüne Flecken sichtbar, während
der Kiel hier ebenfalls von einer weisslichen Linie umsäumt ist.
Im übrigen entspricht die Structur der Schalen genau dem oben
Gesagten, wie auch der Mantel sich von dem der oben beschriebenen
Farbenvarietät nicht unterscheidet.
Die Hartgebilde der Manteloberseite sind sehr mannigfacher
Art, aber sämmtlich Kalkgebilde (Fig. 23). Es lassen sich unter-
scheiden: 1. dicke, platte Kalkstacheln (Ä-^), welche an ihrer Basis
glashell durchsichtig sind, während im übrigen der Schaft zart längs-
gestreift erscheint. Stets Hess sich an ihnen ein ebenfalls farbloser,
durchsichtiger Becher nachweisen, dem jedoch ein Zapfen fehlte.
Die überwiegende Mehrzahl dieser Schuppenstacheln war gerade
gestreckt, doch waren auch solche, welche sich hakenförmig krümmten,
nicht selten. Bisweilen, und es handelt sich wohl hier um junge
Stacheln, hatten sie das Aussehen einer kleinen glashellen Kugel
(Je-), an welcher sich aber ebenfalls schon ein Becher nachweisen
Hess. Solch ein junger Stachel hatte einen Durchmesser von 30 fi,
während ein vollständig ausgebildeter 120—130 i^i lang und 40 /t
breit wird. Eine andere Art von Stacheln (Ic'-^) würde ich mit dem
Jugendstadium der vorbeschriebenen für identisch halten, denn auch
sie präsentiren sich im optischen Durchschnitt als kleine glashelle
Kreise von derselben Grösse. Sie besitzen jedoch einen deutlichen
Ring. Derartige Ringe (r, r) finden sich auch allein hier und da
zwischen die Stacheln eingestreut. Sie sind ziemlich hoch, röhren-
förmig ausgezogen und von bräunlich-gelber Farbe und setzen sich
aus ca. 12 Theilstücken zusammen. Es war mir nicht möglich, fest-
zustellen, ob die grossen Stacheln ursprünglich alle einen Ring hatten
und ob sich derselbe nur abgestreift hatte, oder ob wir es hier mit
2 verschiedenen iVrten von Stacheln, solche mit und solche ohne
Ring, zu thun haben. Für letztere Annahme spricht die Thatsache,
dass ich an keinem ausgebildeten Stachel einen Ring nachweisen
konnte und dass auch unter den kleinen die Mehrzahl ohne Ring
ist. — Die dritte Art von Hartgebilden der Manteloberseite ist bei
weitem die häufigste; es sind dies kleine Kalknadeln (n, n), welche
Pacifische Chitonen. 611
unregelmässig' verstreut den Raum zwischen den grössern Scbuppen-
stacheln einnehmen ; ihre Länge variirt von 8 — 24 //, ihre Breite von
2 — 3 f.1. Auch bei ihnen Hess sich ein Becher ohne Zapfen deutlich
erkennen. Ein Theil dieser Kalknadeln ist glashell und farblos, ein
anderer bräunlich-gelb, jene mit grauer, diese mit brauner Spitze,
und zwar sind beide Färbungen so vertheilt, dass die braunspitzigen
Stacheln in Zügen die farblosen durchsetzen und so dem Mantel das
braun marmorirte Aussehen verleihen. — Alle die eben beschriebenen
Harttheile sind in bunter Eeihe lose über die Manteloberfläche ver-
theilt. Von derselben Art, wie die zuletzt genannten Kalknadeln,
aber 4 — 5 mal so gross, sind die Stacheln, welche sich zu den oben
erwähnten intersegmentalen Bündeln vereinigen {sf, st), nur dass sie
ihrer Grösse entsprechend meist intensiver gelb bis braun gefärbt
sind und keine dunklere Spitze haben. Ein Becher war auch bei
ihnen deutlich zu erkennen. •
Im Gegensatz zu der eben geschilderten grossen Mannigfaltigkeit
der Harttheile der Manteloberseite, besitzt seine Yentralfläche nur
eine Art, nämlich platte Schuppenstacheln {h*) von einer Länge bis
40 und einer Breite bis 16 /ti. Diese Schuppen sind offenbar dieselben
Gebilde wie die grossen Schuppenstacheln (l-^) der Dorsalseite, denen
sie bis auf die geringere Grösse durchaus gleichen. Sie bedecken
die Mantelunterseite ziemlich dicht, aber doch nicht in völlig ge-
schlossenen Eeihen.
Die Anordnung der Kiemen ist merobranch und abanal, und
zwar reichen sie vom Intersegment 4 5 bis zum Litersegment 6 7.
Ich zählte jederseits 11, von denen die vorderste winzig klein war.
Als Maximalkiemen sind die drei letzten zu bezeichnen. Die Xieren-
öifnung lag jederseits zwischen Kieme 1/2, die Genitalöfifnung zwischen
Kieme 2/3.
Die Lateralfalte zieht ohne wesentliche Verschmälerung
hinter dem After herum und bildet keine Laterallappen.
In der Radula (Fig. 24) zeichnet sich die Mittelplatte {m)
durch besondere Grösse aus, ihre Schneide ist einfach concav ohne
Ausbuchtungen ; die Zwischenplatte (^) und die Hakenplatte (A) sind
dagegen verhältnissmässig klein, die erstere zeigt ebenfalls eine
glatte und nur wenig hervortretende Schneide und hat an der Aussen-
ecke ihrer basalen Kante einen kurzen Fortsatz. Von den drei
Zähnen der Hakeni)latte ist der mittelste sehr gross, während die
beiden Eckzähne nur klein sind.
612
CüET VON WiSSEL,
Die Darm Windungen (Textfig. C) sind sehr wenig- complicirt
und gehören dem HanJeya-Tyims an, die dorsale Schlinge bildet jedoch
an ihrem hintern Ende eine kleine Neben-
schlinge (cP) nach vorn.
Da die von mir secirten Thiere sämmtlich
männlichen Geschlechts waren, konnte ich die
Eischale nicht in den Kreis meiner Unter-
suchuno' ziehen.
Familie Amnilwclütinae.
8. Acantliochites ( Acanthochiton)
spiculosus Eeeve var. astpif/er»
Fig. C.
16 Exemplare von Herrn Prof. Thilenius
auf Neuseeland und 5 von Herrn Pi'of. Schauinsland am
French-Pass gesammelt. Das grösste Thier hatte eine Länge
von 16 mm und eine Breite von 10 mm, das kleinste eine
Länge von 7 mm und eine Breite, von 5 mm. Die Beschreibung
von PiLSBEY (26, p. 22) ist sehr zutreffend. Schon bei ober-
flächlicher Betrachtung fällt die langgestreckte und schmale
Form dieser Species (Fig. 25) ins Auge, ebenso, wie auch Pilsbey
hervorhebt, die sehr flache Gestalt der Schalen, welche einen aus-
geprägten Kiel vermissen lassen. Ein ferneres Charakteristicum sind
die mächtigen intersegmentalen Stachelbündel, sowie die ebenfalls
sehr starke Stachelpalissade am Rande des Mantels. Die Grundfarbe
des Mantels ist dunkel olivgrün, die der Schalen rosa mit braunem
Kiel. Die Schalen sind mit kleinen, runden, weisslichen, bräunlichen
oder auch olivgrünen Pusteln bedeckt, im übrigen aber so gut wie
gar nicht sculpturirt, insbesondere sind auf den Mittelschulpen keine
Diagouallinien ausgeprägt, und auf der ersten Schulpe lassen sich
auch nur bei sehr jungen Thieren 5 flache Rippen erkennen.
Die Hartgebilde des Mantels (Fig. 26) sind zwar, was ihre
Grössen Verhältnisse anlangt, sehr variabel, doch haben wir es hier
zweifellos bei allen mit ein und demselben Gebilde, dem einfachen
unsculpturirten Kalkstachel, zu thun. Die Dorsalseite des Mantels
ist. dicht mit diesen Stacheln besetzt, welche hier in der Länge von
4 — 20 fi variiren {sf^). In den meisten Fällen sind sie leicht ge-
krümmt ; ihre Farbe ist hell grünlich-gelb ; bei starker Vergrösserung
lässt sich an ihnen eine leichte Querringelung erkennen, welche der
Pacifiscbe Chitonen. 613
Ausdruck der bei der Entwicklung des Stachels auf einander folgen-
den Waclistliumsscliicliten ist; im Uebrigen ist die Oberfläche durch-
aus glatt und ohne jede Sculptur. In etwas geringerer Anzahl
kommen neben den eben beschriebenen ganz kleine, dicke Stacheln
(st-) vor, welche meist eine schwarz-bräunliche Spitze haben, sonst sich
aber von den erstem nicht unterscheiden. Die grossen inter-
segmentalen Stachelbündel weisen zwei verschiedene Sorten von
Stacheln auf. obwohl auch hier eine fundamentale Verschiedenheit
beider von einander sowie von den gewöhnlichen Rückenstacheln
nicht constatirt Averden kann. Die erste Sorte sind sehr lange und
breite Kalkstacheln (st), deren basales Drittel tief blaugrün gefärbt
ist, während sie nach der Spitze zu heller und heller werden. Auch
bei diesen Stacheln liess sich eine deutliche Querringelung erkennen.
Die zweite Sorte sind lange glashelle Nadeln (n). von denen stets
eine grosse Zahl einen Stachel umgeben und welche diesem an Länge
etwas nachstehen; die Messung ergab für die längsten Stacheln eine
Länge von 240 //, für die längsten Nadeln eine solche von 200 f^i.
Die Nadeln erscheinen durchaus aus einem Guss, und ich konnte hier
auch keine Wachsthumslinien mehr erkennen. Schliesslich finden
sich noch auf der Dorsalseite des Mantels zwischen den Stacheln
eingestreut kleine Kalkkürnchen (Je) von verschiedener Gestalt, wie
ich sie schon bei PJaxiphom setiger Kin& beschrieben habe. Die
Ventralseite des Mantels wird bedeckt durch schuppenartig abge-
plattete Stacheln {st'^), welche in ihrem Bau den Rückenstacheln
durchaus gleichen, aber farblos sind. Ihre Länge beträgt bis zu
24 u. am Mantelrande (st*) erreichen sie jedoch die doppelte Grösse,
nämlich bis 2,2 mm, und bilden hier die oben erwähnte, schon mit
blossem Auge sichtbare, starke Stachelpalissade. Hier sind sie auch,
wie die Rückenstacheln, blass grünlich-gelb gefärbt. An sämmtlichen
Stacheln der Ober- wie der Unterseite des Mantels Hessen sich
kleine Becher ohne Zapfen erkennen.
Die Anordnung der Kiemen ist merobranch und adanal mit
Zwischenraum; ihre Zahl betrug rechts wie links 20 — 21 und ZAvar
waren die letzten die Maximalkiemen. Die Kiemenreihen erstrecken
sich vom Intersegment 3/4 bis zum Intersegment 7,8. Der Niereu-
porus lag jederseits zwischen Kieme 1/2, der Genitalporus zwischen
Kieme 3/4.
Die Lateralfalte ist verhältnissmässig breit und zieht, ohne
Laterallappen zu bilden, aber auch ohne wesentliche Verschmälerung
hinter dem After herum.
Zool. Jahvb. XX. Abth. f. Syst. 41
Q1^ CURT VON WiSSEL,
Ospliadien sind nicht vorhanden.
Die Eadula zeichnet sich durch eine grosse Mittelplatte aus
(Fig. 27 m), deren Schneide concav mit kleinem Vorsprung in der
Mitte ist; die Zwischenplatte (^) ist P/^mal so gross wie die Mittel-
platte mit kleiner, ungefärbter Schneide; die Hakenplatte (h) hat 3
annähernd gleich grosse Zähne und einen winzig kleinen Flügel an
der innern Seite ihres Stieles; die Seitenplatte endlich (5) ist von
rechtwinklig gebrochener Gestalt und hat eine ziemlich breite
Schneide.
Der Darmtr actus hat einen sehr einfachen Verlauf und ge-
hört, wie man aus nebenstehender Textabbildung (Fig. D) ersieht, dem
NuUalochiton -Ty])i\s an, d. h. er bildet eine grosse
ventrale Schlinge (d^—d^), während die dorsale {d^
bis f?^) in Folge zu grosser Länge sich zu der Neben-
schlinge {d^ — d^) einstülpt.
Die H a u p t n i e r e n g ä n g e reichen bis zur
Kopffussfurche, Fussnieren fehlen.
Die secirten Thiere waren sämmtlich männ-
lichen Geschlechts, und ich nahm davon Abstand
lediglich der Untersuchung der Eischale weitere
Fig. D. Exemplare zu opfern.
9. Acanthochites (AcanthoeJiitonJ hisulcatus Pilsbry.
Von dieser Species standen mir 16 Exemplare zur Verfügung,
von denen 13 Stück durch Herrn Prof. Schauinsland am French-
Pass, 3 durch Herrn Prof. Thileniüs in Tauranga auf Neusee-
land gesammelt wurden. — Die Beschreibung Pilsbry's (26, p. 28)
ist zutreffend.
Diese Art unterscheidet sich schon makroskopisch betrachtet
von der vorigen durch ihre grössere Dicke, den nicht grünen, sondern
bräunlich-gelben Mantel, die sehr viel kleinern und ebenfalls gelb-
lichen intersegmentalen Stachelbündel, das Fehlen einer stark aus-
geprägten Stachelpalissade am Mantelrand und die geringere Aus-
dehnung der Tegmenta zu Gunsten des Mantels. Besonders auf-
fallend aber ist die starke Wölbung des Rückens und die dadurch
bedingte , im Gegensatz zu der vorher beschriebenen Art stehende,
beträchtliche Dicke der Thiere, eine Eigenschaft, welche natürlich
je nach der Blutschwellung individuell stärker oder schwächer aus-
geprägt ist, immer aber als speciflsches Charakteristicum ins Auge
Pacifische Chitonen. 615
fällt. So betrug- z. B. bei einem Tliier von 15 mm Länge die grösste
Breite auf der Fussohle gemessen nur 11 mm, dieselbe Breite an
dem sehr gewölbten Rücken dagegen 20 mm, die Dicke vom Kiel
nach der Fussohle gemessen 8 mm. Wie schon gesagt, entfällt von
der Breite des Rückens ein sehr beträchtlicher Theil auf den Mantel-
rand, während die Ausdehnung der Tegmeuta sehr reducirt ist. So
mass der Mantel bei dem in Rede stehenden Exemplar an der Stelle
der grössten Breite von 20 mm, jederseits l^j^ mm, während für das
Tegmentum der betreffenden, der vierten. Schale nur 5 mm übrig
blieben. An den Tegmenta tritt der Kiel deutlich, aber nicht scharf
hervor, die Färbung derselben ist meist grünlich-grau mit weiss-
lichen Flecken, oder es herrscht umgekehrt die weissliche Farbe
vor, und die Zeichnung ward von grau-grünlichen Flammenstrichen
gebildet; in seitnern Fällen spielt die Grundfarbe der Tegmenta ins
Rosa hinüber, und dann sind die Zeichnungsstreifen braun. Der Kiel
ist selbst bei unbeschädigten Thiereu glatt, die Seitenfelder aber
sind dicht mit jenen Pusteln besetzt, wie sie schon bei der vorher-
gehenden Art beschrieben wurden. Die Form der Tegmenta ist in
Folge des Ueberwachsens des Mantels, namentlich an ihrer vordem
Hälfte, schmal herzförmig, und zwar mehr lang als breit. Die letzte
Schulpe ist sehr klein und halbkreisförmig mit mittelständigem
Mucro. Rippen und Diagonallinien sind nicht vorhanden oder doch
nur bei ganz jungen Exemplaren auf der ersten Schulpe schwach
angedeutet.
Von Hartgebilden des Mantels Hessen sich auf der Dorsal-
seite folgende Sorten unterscheiden: 1. schuppenförmig abgeplattete
Kalkstacheln (Fig. 28 sf) von einer Länge von 18—34 /< und einer
Breite von 6 — 8;«; ihr basales Ende ist glashell und unsculpturirt,
während die distalen zwei Drittel fein längsgerieft und von blass
bräunlich-gelber Farbe sind. Eine zweite Art von Hartgebilden
wird durch kleine, dünne Kalknadeln (w). von annäliernd derselben
Länge wie die Stacheln, jedoch viel dünner, repräsentirt; diese
Nadeln sind ebenfalls farblos und meist unsculpturirt, nur an einzelnen
derselben zeigte sich das Ende stecknadelkopfartig aufgetrieben und
hier ebenfalls fein längsgerieft, so dass die Nadel eine grosse Aehn-
lichkeit mit einer aus der Erde schiessenden Spargelpfeife hat. Mit
diesen beiden Sorten von Stacheln ist die Manteloberseite dicht be-
deckt, und von ihnen lassen sich wohl auch die beiden Stachelarten,
welche die intersegmentalen Stachelbüschel zusammensetzen, her-
leiten {st^ und n^). Auch hier, wie hei Acanfhochites spiculosus, wird
41*
Q1Q Gurt von AVissel,
jeder der grossen und dicken Stacheln (sf^) von einem Bündel von
langen, feinen Nadeln (>?^) umgeben (b). Die Farlje der dicken
Stacheln ist ebenfalls blass bräunlich-gelb, während die Nadeln
wiederum farblos sind. — Die schuppenförmigen Ventralstacheln (st'^)
endlich lassen sich unschwer mit den Eückenstacheln {sf) homologi-
siren, sie unterscheiden sich A^on diesen nur dadurch, dass das glas-
helle, basale Ende auf das letzte Fünftel beschränkt ist, und da-
durch, dass, wie meist an der Unterseite des Mantels, der ganze
Stachel farblos ist. Die Länge der Ventralstacheln variirt von 16
bis 32 1^1, während sie am Manteh-and die dreifache Grösse erreichen
und hier ebenfalls, wie bei Acanthochites spicuJosus, einen Stachel-
kranz bilden, der jedoch hier sehr viel schwächer ausgebildet ist.
Einen Becher habe ich an keiner Sorte von Stacheln, weder bei
denen der Rücken-, noch bei denen der Bauchseite, entdecken können.
Die Anordnung der Kiemen ist merobranch und abanal, denn
sie erstrecken sich vom Intersegment 3/4 bis zum Intersegment 6/7;
die vordersten sind winzig klein, die hintersten die Maximalkiemen ;
ich zählte rechts 30, links 27. Die Geschlechtsöffnung befand sich
rechts zwischen Kieme 4/5, links zwischen Kieme 3/4, und zwar auf
einer penisartig langausgezogenen Papille, wie sich denn auch sämmt-
liche secirten Thiere als Männchen erwiesen. Der Nierenporus lag
rechts wie links zwischen Kieme 1/2.
Die Lateralfalte ist schmal, bildet keine Lappen und zieht
continuirlich hinter dem After herum.
Die Mittelplatte der R a d u 1 a (Fig. 29 m) ist breit, ihre Schneide
concav mit mittlerer Vorwölbung; die Zwischenplatte (js) ist klein
und schmal; die Hackenplatte (h) hat drei Zähne, von denen der
mittelste die seitlichen an Grösse weit überragt.
In Bezug auf den Pharyngealap parat ist zu bemerken,
dass die Zuckerdrüsen sehr stark entwickelt sind und eine reiche
Zottenbildung aufweisen.
Der Verlauf der Darmschlingen ist genau derselbe wie bei
Acanthochites spiculostis, und ebenso verhalten sich auch die Nieren
bezüglich ihrer Ausdehnung.
10. Acanthochites ( Acanthochitou ) violacens Quoy et
Gaimard.
Ein männliches Exemplar von Herrn Prof. Schauinsland in
Auckland gesammelt. — Pilsbry (26, V. 15, p. 39) giebt an, dass
bezüglich der Ausdehnung des Mantels eine grosse Variabilität be-
Pacifische Chitoneu. 617
stehe. — Plate (21, p, 315 ft'.) giebt von dieser Art eine aiistühr-
liche Beschreibung von 4 Exemphiren, welche ebenso wie das eine
mir vorliegende aus der Sammlung des Herrn Prof. Schauinsland
stammten. Ich kann diese Beschreibung in allen Punkten, in welchen
ich eine Nachuntersuchung machte, bestätigen und mich daher unter
Verweisung auf das genannte Werk kurz fassen. — Das mir zur
Verfügung stehende Tliier hatte eine Länge von 39 mm und eine
grösste Breite von 22 mm, von welchen nur 8 mm auf das Tegmentum
der betreffenden Schulpe, der fünften, kommen. Die Tegmenta sind
also bei dieser Art noch mehr durch den Mantel verdrängt als bei
der vorigen, und man kann in dieser Hinsicht bei den hier be-
handelten Acanthochitinen genau die Tendenz des Mantels, die
Schalen mehr und mehr zu überwuchern, verfolgen: Acantliochites
spiculosus hat noch Schalen mit recht breiten Tegmenta und einen
verhältnissmässig schmalen Mantelrand, bei Acantliochites bisulcatus
macht der Mantel schon auf Kosten der Tegmenta Fortschritte, ein
Verhältniss, welches bei der in Rede stehenden Art in noch ge-
steigertem Maasse hervortritt und welches, wie wir sehen werden,
bei der folgenden, Crijptoconclms porosus, nahezu zum Schluss des
Mantels über den Schalen führt. — Die Manteloberseite ist, wie
Plate es beschreibt, graugrün mit zerstreuten, gelblich-weisseu
Punkten und Strichen, oder es herrscht mehr der gelblich-weisse
Farbenton vor, während der grüne mehr oder weniger zurücktritt.
Das mir vorliegende Exemplar (Fig. 30j weist diese letztere Mantel-
färbung auf, indem die Manteloberseite hell gelblich-weiss erscheint.
Der Mantel erscheint für das unbewaffnete Auge und auch unter
Lupenvergrösserung glatt, abgesehen von den 18 auf je einer Warze
stehenden Stachelbündeln, welche für die ganze Familie so charak-
teristisch sind. Uebrigens machen bei dem mir vorliegenden Exemplar
auch diese Hautwarzen den Eindruck der Rückbildung, denn sie
zeigen sich lediglich als kleine, braune, granulirte Punkte. Gleich-
wohl scheint es mir nicht plausibel, dass diese doch offenbar als
Tastorgane functionirenden Gebilde sich bei einer Species rückbilden
sollten, welche durch das Bestreben, die Schalen durch den Mantel
überwuchern zu lassen, auch die Sinnesorgane der Tegmenta, die
Aestheten, ausser Function setzen würde.
Die Färbung der Schalen und ihre Sculptur sind von
PiLSBRY richtig angegeben und aus der Abbildung (Fig. 30) ersicht-
lich, während die Hartgebilde des Mantels von Plate in
durchaus zutreffender Weise beschrieben werden.
618
CüRT VON WiSSEL,
Kiemen zählte ich jederseits 32—33, von denen die vordersten
winzig klein, die hintersten als Maxiraalkiemen zu bezeichnen sind.
Sie zeichnen sich gegenüber denen andrer Arten durch verhältniss-
mässige Breite aus. Der Nierenporus liegt, wie Plate schon fest-
stellte, zwischen Kieme 1/2, den Genitalporus fand ich zwischen
Kieme 4/5.
In Bezug auf die Mundhöhle kann ich die Ausführungen
Plate's noch dahin ergänzen, dass der Subradularsack, ähnlich wie
dies Plate für Crupioconchus porosus beschreibt, in zwei drüsige
Trauben ausgezogen ist (Fig. 31).
DieKadula hat eine verhältnissmässig breite und herzförmige
Mittelplatte (Fig. 32 m), deren Schneide eine concave Wölbung mit
rundem Vorsprung in der Mitte besitzt und deren Basalplatte sich
nach vorn in einen kleinen Dorn fortsetzt. Die Schneide der
Zwischenplatte (s) ist glatt und hell; die Hakenplatte (//) hat
a. 3 Zähne; von denen der mittelste
der längste ist, auf der äussern Seite
ihres Stieles findet sich ein kleiner
flügelartiger Fortsatz; die Seiten-
platte {s) hat einen sanft gebogenen
Stiel und glatte Schneide.
Die Lagerung der Dar m -
schlingen ist aus nebenstehender
Textabbildung (Fig. E a) ersichtlich,
wobei noch hinzuzufügen ist, dass
das zwischen p und p'^ gelegene
Stück plötzlich nur die halbe Darm-
dicke aufweist und durch 2 scharf
ausgeprägte Einschnürungen (Fig. E
l>) bei 2? i^iiid P^ scharf von dem
Fig. E. Übrigen Darm abgesetzt ist.
..i-i-p'
11. Cryptoconchus (AcantJiochites) porosus (Bueeow).
12 Exemplare, welche Herr Prof. Thilenius in Tauranga auf
Neuseeland gesammelt hat. Das grösste hatte eine Länge von
50 mm und eine Breite von 25 mm, das kleinste eine Länge von
20 mm bei einer Breite von 13 mm. — Die Färbung des Rückens
wechselte von dunkel schwarzbraun bis weisslich-gelb.
Wie die vorhergehende Art, so hat Plate (21, p. 319 ff.) auch
diese Species ausführlich beschrieben, und ich kann seine treffliche
Pacifische Chitonen. 619
Besclireibiing nur in allen Punkten bestätigen, ohne derselben etwas
Wesentliches hinzufügen zu können.
Die Radula ist von Thiele (25, p. 401) richtig* beschrieben und
abgebildet.
12. KatJiarina ttinicata (Wood).
Ein Exemplar aus Bare-Island von Herrn Prof. Schauins-
land gesammelt. — Plate (21, p. 312 ff.) giebt auch von dieser Art
eine genaue Beschreibung, welche ich ebenfalls als in allen Punkten
richtig bestätigen kann. Auch die Beschreibung und die Abbildungen
Pilsbry's (26, p. 41 — 42) sind zutreffend. Nur in der Färbung des
Mantels weicht das mir vorliegende Exemplar von beiden vorge-
nannten Schilderungen ab : dieser ist nicht einfarbig schwarz, sondern
im vordem Drittel des Thieres weiss mit einzelnen braunschwarzen
Strichen. Auf der linken Seite zieht sich das Weiss bis zum Hinter-
ende, indem es ungefähr die äussere Hälfte des Mantels einnimmt,
während die an die Schalen angrenzende Hälfte braunschwarz ist.
Auf der rechten Seite herrscht in der hintern Hälfte die braun-
sclnvarze Farbe vor, doch auch hier mit eingestreuten weissen Flecken,
während die vordere Hälfte wiederum vorwiegend weiss ist. Die
Schulpen waren sämmtlich stark erodirt. Die Länge des Thieres
betrug 60 mm, seine Breite ca. 35 mm.
Die Zahl der Kiemen betrug jederseits 54, ihre Anordnung ist
holobranch und abanal; die vordersten sind winzig klein.
Der Nierenporus lag rechts wie links zwischen Kieme 12, der
Genitalporus zwischen Kieme 4 5.
Im Uebrigen ist noch die starke Ausbildung der baumförmig ver-
ästelten Speicheldrüsen, wie sie schon Plate beschreibt und
abbildet, erwähnenswert.
Die Kadula ist von Thiele (25, p. 397) richtig beschrieben
worden.
Familie Chitoninae.
13. Chiton squamosus (Lixne),
Von dieser schon sehr bekannten Art standen mir 60 Exemplare
zur Verfügung, welche von verschiedenen Oertlichkeiten herstammten,
sich jedoch in allen äussern wie Innern Merkmalen durchaus glichen.
Die meisten, nämlich 46, hat Herr Prof. Schauinsland vom French-
Pass mitgebracht, je 3 wurden von diesem Forscher und von Herrn
Q20 CURT VON WiSSEL,
Prof. Thilenius auf Stephens -Island, 2 von Herrn Prof.
Schauinsland auf den Chatham-Inseln, und je 3 von Herrn
Prof. Thilenius auf Neuseeland und Mayor -Island gesammelt.
Das grösste Tliier war 45 mm lang und 30 mm breit, das kleinste
13 mm lang und 8 mm breit.
Habitus, Sclialen- und Mantelfärbung entsprechen der Be-
schreibung Pilsbey's (26, p. 155—56).
Bei einem Exemplar von 40 mm Länge und 21* mm Breite zählte
ich rechts 38, links 37 Kiemen. Die Geschlechtöffnung befand sich
rechts zwischen Kieme 12/13, links zwischen Kieme 11/12, der Nieren-
porus jederseits eine Kieme weiter nach hinten. Die Anordnung der
Kiemen ist holobranch und adanal mit Zwischenraum.
Die Lateralfalte ist schmal und endet jederseits mit End-
lappen hinter der letzten Kieme.
Der Schlundapparat bietet nichts Be-
in erkenswerthes dar.
Die Eadula ist von Thiele (25, p. 361 u.
tab. 30, lig. 1) richtig dargestellt.
Die Darmschlingen sind die des CJiiton-
Typus und aus nebenstehender Textabbildung
(Fig. F) zu ersehen.
Die eigenartigen Stacheln der Eihülle sind
von V. Ihering (15) bereits eingehend beschrieben
worden.
Als Osphradium deute ich einen gelblichen
Fig. F. Wulst, welcher seine stärkste Ausbildung oberhalb
des Afters hat und von da nach beiden Seiten ver-
läuft, um nach innen von den Kiemenreihen in Höhe der 5. — 6. Kieme
zu verstreichen.
14. Chiton quoyi (Deshayes).
Es standen mir 36 Exemplare zur Verfügung, von denen mir
24 durch Herrn Prof. Thilenius, 12 durch Herrn Prof. Schauinsland
übermittelt wurden. Ersterer brachte sie aus Tauranga (Neu-
seeland), letzterer vom F r e n c h - P a s s mit. Das grösste Exemplar
war 25 mm lang und 23 mm breit, das kleinste 7 mm lang und
5 mm breit. Die Beschreibung von Pilsbey (26, p. 172) stimmt
genau.
Die Kiem. en sind holobranch und adanal mit Zwischenraum,
und zwar zälüte ich rechts 35, links 39, von denen die 11.— 16. als
Pacifische Chitonen. 621
die Maximalkiemen bezeichnet werden müssen. Die Geschlechts-
öffnung befand sich rechts zwischen Kieme 10/11, links zwischen
Kieme 9/10, die Nierenöffnung- jederseits 3 Kiemen weiter nach hinten.
Die Lateralfalte ist schmal und endigt hinter der letzten
Kieme jederseits mit einer ganz unbedeutenden Anschwellung, die
man kaum als Laterallappen bezeichnen kann.
Osphradien sind als kleine gelbliche Erhöhungen zu beiden
Seiten des Afters vorhanden.
Die Mittelplatte der Radula (Fig. 33, m) erinnert stark an
den Längsdurchschnitt durch einen Steinpilz, ihre Schneide ist an
der Aussenseite stark convex, an der Innenseite stark concav aus-
gebuchtet, das hintere Ende ihrer Basalplatte hat rechts und links
je einen kurzen und schmalen Seitenfortsatz; die Zwischenplatte (s)
ist verhältnissmässig gross und besitzt eine gerade Schneide; die
Hakenplatte (h) hat nur einen sehr langen und scharfen Zahn.
Behufs histologischer Untersuchung wollte ich von einem kleinen
Exemplar dieser Species eine Serie von Querschnitten anfertigen.
Diese glückten jedoch nur in der vordersten Region, während der
grösste Theil des Thieres sich als so brüchig erwies, dass die Schnitte
imverwendbar waren. Da mir von den beiden folgenden Arten,
Chiton smclairi und canalicafus, die Schnittserien besser glückten, so
stand ich vom Schneiden eines weitern Exemplars der vorliegenden
Art ab und beschränkte mich hier auf das, was ich eben an den
mangelhaften Schnitten ermitteln konnte. Die meisten dieser Befunde
deckten sich nun durchaus mit den an der folgenden Species ge-
machten, weshalb ich, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die
dort gemachten Angaben verweise. In einigen Punkten abweichend
verhielt sich das Epithel der Mundhöhle, auf welches ich da-
her auch hier des Nähern eingehen möchte: Die Mundhöhle wird,
wie dies schon Plate (19, p. 61 ff.) schildert, durch 2 Paare nahe
den Seiten von hinten nach vorn ziehende Längswülste (Fig. 34,
tv, w, w^, w'^) in 3 Räume getheilt, einen grössern medianen und
2 schmale laterale. Die letztern beiden gehen nach hinten in die
beiden sackförmigen Ausbuchtungen (s) der Mundluihle über. Der
auch von Plate als inconstant auftretend geschilderte mittlere,
dorsale Längswulst war nicht immer nachweisbar. Bei dem auf der
Zeichnung wiedergegebenen Mundhöhlendach war er nur ganz kurz
(w-): nach hinten gabelt er sich in 2 seitliche Arme, welche als
Ringwulst die Subradularganglien (//) umfassen. Um die Ganglien
herum befindet sich eine tiefe Furche (/) und ebenso vorn vor ir-
622 CüRT VON WiSSEL,
eine Längsfnrche (ß). welche nach vorn in der Mittelfurche der
Eadula ihre Fortsetzung findet. Diesen verschiedenen Regionen
entsprechend ist das Epithel der Mundhöhle von ausserordentlich
verschiedener Beschaffenheit : Da, wo das Mundrohr in die Mundhöhle
einmündet, hat das Epithel der letztern noch denselben Charakter
wie das des erstem, d. h. es ist ebenfalls ein mit intercellulären
Zwischenräumen durchsetztes, hohes Cylinderepithel (Fig. 35, c/;), nur
verdickt sich die Cuticula, wie dies schon von allen Autoren ange-
geben wird, zu einer in der mittlem Region ungemein dicken Platte,
welche nach beiden Seiten hin sich mehr und mehr verdünnt, um
schliesslich in eine ganz dünne Schicht überzugehen, welche an den
beiden äussern Längswülsten der Mundhöhle (Fig. 34 und 35, w, tv)
ihr Ende finden. Diese ringförmige Cuticula (Fig. 35, c) lässt
deutlich eine Schichtung der einzelnen Lamellen, wie sie nach ein-
ander von den Zellen des Cylinderepithels ausgeschieden werden,
erkennen. Die jüngste, den Zellen benachbarte Lamelle zeigt meist
deutlich eine Querstrichelung, weil auf jeder Cylinderzelle noch deut-
lich das von ihr ausgeschiedene Chitinprisma zu erkennen ist. Es
ist klar, dass eine von einem so dicken Chitinpanzer umgebene
Epithelfläche unmöglich der specielle Sitz von Geschmacksorganen
sein kann, wie dies Hallee (10, p. 7) will, und ich habe dem ent-
sprechend auch keinerlei Zellengruppen constatiren können, die den
Sinneszellen der von diesem Autor geschilderten Geschmacksbecher
entsprechen könnten. Lediglich vermuthungsweise möchte ich äußern,
dass sich bei den Präparaten Haller's vielleicht der Chitinbelag
beim Schneiden abgelöst hat und die Epithelzellen nunmehr mit den an
ihnen haften gebliebenen, zuletzt ausgeschiedenen Chitinsäulchen den
Eindruck von Sinneszellen vortäuschten. Das Plasma der Zellen
dieses Cylinderepithels ist hell und feingekörnelt , der ovale und
granulirte Kern liegt im basalen Drittel nahe der Mitte der Zelle.
Dieses Epithel mit dem von ihm ausgeschiedenen Chitinbelag zieht
sich auf der ventralen Fläche der Mundhöhle nach hinten bis auf
ungefähr ein Drittel ihrer Länge aus, indem es sich gleichzeitig mehr
und mehr verschmälert, und zwar derart, dass es in einer ovalen Grenz-
linie endigt und sich in seiner hintern Partie mehr und mehr von
den beiden äussern Längswülsten entfernt, an welche es in der
Gegend des Mundrohres unmittelbar anstösst, oder mit andern
Worten: es beschränkt sich nach hinten zu mehr und mehr auf die
Mitte der ventralen Mundhöhlenfläche. Wie nach den Seiten hin,
so verdünnt sich auch nach hinten zu die Cuticula allmählich, um
Pacifische Chitonen. 623
schliesslich ganz in AVegfall zn kommen, und mit dem Schwinden
der Ciiticnla ändert sich auch der Charakter des Epithels,
und dieses nimmt eine durchaus drüsige Beschaffenheit an. Wie
Plate (19, p. 62) dies schon zutreffend geschildert hat, bestehen die
den Chitinring unmittelbar begrenzenden Längswülste (iv, w) aus
zwei Sorten von Zellen, Drüsen- und Stützzellen. Auch die specielle
histologische Beschreibung, wie sie Plate von beiden Zellsorten
giebt, kann ich voll bestätigen. Die Drüsenzellen (d) waren von
langgestreckt flaschenförmiger Gestalt, welche eine Differenzirung
des Zelleibes in eine etwas ausgebauchte basale Hälfte mit wabigem
Plasmanetz und eine meist helle distale Hälfte, welche wahrschein-
lich lediglich als Ausführgang für den sich mit Hämatoxylin intensiv
blau färbenden Schleim dient, erkennen Hess. Der verhältnissmässig
kleine und runde Kern ist granulirt und findet sich meist im basalen
Ende der Zelle, nur in vereinzelten Fällen rückt er bis zur Mitte
der Zelle vor. "Weitaus die Mehrzahl aller Drüsenzellen waren
übrigens entleert und dem entsprechend absolut farblos. Auch
die mit kegelförmig den runden Kern umschliessender Verbreiterung
endigenden Stützzellen (st) habe ich so angetroffen, wie sie Plate
schildert. — Schliesslich lehrt noch ein Blick auf Fig. 35, dass das
Epithel der Seitenräume (s) ein nichtdrüsiges flaches Plattenepithel
ist, dessen Zellen keine sichtbaren Grenzen gegen einander aufwiesen.
Dorsalwärts sind wiederum die beiden Längswülste {w, yr-), und zwar
in der Gegend ihrer Vereinigung, getroffen. — Weiter nach hinten
liegende Schnitte zeigen, dass sich auf der Ventralfläche der Mund-
höhle mit dem Schwinden der Cuticula auch der Charakter des
Epithels in so fern ändert, als dieses eine zum Theil drüsige Beschaffen-
heit annimmt, d. h. es sind zwischen die typischen Epithelcylinder-
zellen ziemlich häufig die schon oben beschriebenen flaschenförmigen
Drüsenzellen eing-estreut. Das Epithel des medianen Raumes der
Dorsalfläche der Mundhöhle endlich ist dasselbe wie das der Seiten-
räume {s), also ein niedriges Plattenepithel, das des zweiten Paares
Längswülste (Fig. 34 ic'^, ic'^) sowie des medianen Wulstes dagegen
verhält sich ebenso wie das der äussern Wülste {w, w).
Li Bezug auf das Subradularorgan selbst habe ich nichts
Neues ermitteln können. In der Sinnesscheibe fand ich die drei
Zellenelemente, Flimmer-, inditterente und die typischen Sinneszellen,
wie sie Haller (10, p. 15 ff.) beschreibt, wieder, doch waren weder
Flimmern noch Sinnesborsten mehr erhalten, dagegen die Cuticula
624 CURT VON WiSSEL,
noch nachweisbar. Eine Subradulardrüse habe ich ebenso wenig-
wie Plate entdecken können.
Bezüglich des Pharynx und seiner Anhangsdrüsen giebt ein
durch seinen vordersten Theil geführter Querschnitt (Fig. 36) Aus-
kunft, welcher mittels Zeichenapparat wiedergegeben ist. Wie man
sieht, sind die morphologischen Verhältnisse so, wie man sie als
normale bezeichnen kann, d. h. .sämmtliche Anhangsdrüsen, welche
auf dem Schnitt sichtbar sind, wie die linke Speicheldrüse (saJ), die
Pharyngealdivertikel (div) und die Radulardivertikel (div'^), haben die
gewohnte Ausdehnung und die tj^pische Lagerung, so dass ich ledig-
lich die histologischen Verhältnisse einer nähern Erörterung zu
unterziehen brauche: Die Mundhöhle (mh) ist auf diesem Schnitt
in dem an ihrer Einmündung in den Pharynx gelegenen Theile ge-
troffen, und wir sehen, dass sich ihr flaches Cylinderepithel direct
in das höhere der Vorderwand des Pharynx, welche auf dem Schnitt
in einer vorspringenden Falte getroffen ist, fortsetzt (e^j). Dieses
Epithel ist ein reines Cylinderepithel und setzt sich unter Ausschluss
jeglicher anderer, Drüsen- oder Stützzellelemente, lediglich aus
schmalen Cylinderzellen zusammen, deren ovaler, granulirter Kern
ungefähr in der Mitte der Zelle liegt. Nach dem Lumen des Pharynx
zu liegt auf dem Epithel ein zartes Gerinnsel, welches wohl der
Anwesenheit von Flimmern seine Entstehung verdankt, jedoch waren
letztere nicht mehr deutlich nachzuweisen. Dorsalwärts daran an-
schliessend öffnet sich die linke Speicheldrüse (sal) in den Pharynx.
Die Zellen des letztern nehmen zunächst an Länge zu und differen-
ziren sich im Lumen der Drüse zu zwei verschiedenen Sorten, näm-
lich die eigentlichen Drüsenzellen (d) und dazwischen eingestreute
fadenförmige Stützzellen (sf). Die erstem sind von flaschenförmiger
Gestalt mit rundem, granulirten Kern im distalen Drittel der Zelle.
Ausser solchen, welche ihre volle Ausbildung schon erreicht haben,
finden sich hier und da solche eingestreut, welche erst im Entstehen
begriffen sind und erst die halbe Grösse erreicht haben. Weitaus
die meisten dieser Drüsenzellen hatten sich ihres Secrets entledigt
und erschienen einfach weiss, doch gab es auch solche, welche in
Folge des in ihnen enthaltenen Schleims eine dunkelblaue Häma-
toxylinfärbung angenommen hatten. Zwischen die Drüsenzellen ein-
gestreut finden sich in verschiedener Höhe zahlreiche spindelförmige
Stützzellenkerne eingestreut, welche jedoch nie, wie dies Plate für
die Speicheldrüse von Acanthopl. echin. schildert (19, p. 63), am distalen
Ende kegelförmig heraustreten, sondern stets zwischen den Drüsen-
Pacifische Chitonen. 625
Zellen eing^ekeilt siucL Endlich sei noch bemerkt, dass sich an dem
Speicheldrüsenepithel ein dentlicher Flimmerbelag erhalten hatte. —
An die Speicheldrüse nach anssen angrenzend ist auf dem Schnitt
der vorderste Theil des linken Pharjmgealdivertikels getroffen. Es
lassen sich hier zwei histologisch von einander abweichende Ab-
schnitte unterscheiden: 1. an die Speicheldrüse anschliessend erstreckt
sich nach links ein Epithelstreifen, der noch annähernd dieselbe
Dicke hat wie das Speicheldrüsenepithel ; dieses Stück erstreckt
sich von der Speicheldrüse bis zu dem Punkt, wo das Epithel in
einem scharfen Knie dorsal wärts umbiegt. Diese Partie ist histo-
logisch noch beinahe ebenso aufgebaut wie das Epithel der Speicliel-
drüse, d. h. es besteht ebenso wie dieses aus den oben beschriebenen
schmal flascheniürmigen Drüsenzellen mit dazwischen eingestreuten
spindelförmigen Stützzellenkernen, auch ist es von einem feinen Ge-
rinnsel umsäumt, welches auf einen Cilienbesatz schliessen lässt. Zu
diesen schon bekannten Zellelementen tritt hier jedocli noch eine
dritte Zellart. Es sind dies grosse rund flaschenförmige Drüsen-
zellen (d^), welche mit einer Menge dunkel blau geiärbter Körnchen
erfüllt sind. Wie wir später sehen werden, haben wir es hier mit
Zellen zu thun, welche mit den für die Zuckerdrüsen typischen
Körnchenzellen vollkommen identisch sind. Jedoch ist ihre Zahl
hier zunächst eine verschwindend geringe, und dies sowie der
Umstand, dass das Epithel von dem oben erwähnten Knie an eine
durchgreifende Veränderung erfährt, veranlassen mich, das eben
beschriebene Stück noch als zum Pharynx gehörig anzusehen und
das Pharyngeal divertikel {div) erst von dieser Falte an zu rechneu.
Von hier an, also in der Wandung des eigentlichen Pharyngeal-
divertikels, wird das Epithel zu einem niedrigen Cylinderepithel,
in welches hier und da die schon oben bescliriebenen Körnchen-
zellen eingestreut sind. Andere Drüsenzellen und auch Stützzellen
fehlen vollständig. Verfolgen wir von hier die Querschnittserie nach
hinten, so sehen wir, dass die Histologie des Divertikels genau die-
selbe ist wie die des Ausführganges der Zuckerdrüse, welclie in
seinem luntern AMnkel neben dem Oesophagus in den Pharynx
mündet. Nur auf der Falte, welche sich von der äussern ^\'an(l
des Ausführganges der Zuckerdrüse beinahe bis zur gegenüber-
liegenden "Wand erstreckt, ist das Epithel im Ganzen drüsiger und
entspricht genau schon dem eigentlichen Zuckerdrüsenepithel, wie
es sich an den Zotten des Drüsenkörpers vorfindet. Die Aussen-
Wandungen des A u s f ü h r g a n g e s , das m ö c h t e ich noch-
626
CURT VON WiSSEL,
mals liervorlieben, sind histologisch mit den Pharyngeal-
divertikeln durchaus übereinstimmend. Aber auch
topographisch scheinen mir die Zuckerdrüse und das
Divertikel durchaus zusammen zu gehören, denn der
Ausführgang der erstem mündet ja noch in den hin-
ter s t e n Z i p fe 1 d e s 1 e t z t e r n e i n. "Wenn daher Plate (19, p. 63)
die Yermuthung äussert, die Pharyngealdivertikel seien vielleicht
ein zweites Paar Speicheldrüsen, wenn auch vielleicht ihr Secret
ein von dem der eigentlichen Speicheldrüsen verschiedenes sein
könne, so bin ich vielmehr geneigt, diese Divertikel in
Beziehung zu den Z u c k e r d r ü s e n zu bringen und zwar
als eine Erweiterung ihres Ausführganges zu be-
trachten. Eine endgültige Klarheit über diesen Punkt werden
wohl erst ontogenetische Untersuchungen bringen, speciell die Be-
antwortung der Frage, ob die Zuckerdrüsen ektodermalen oder ento-
dermalen Ursprungs sind. — Die AVandungen der Raduladivertikel
(div'^) setzen sich ans einem niedrigen Cylinderepithel zusammen,
welches von einer dünnen, nach dem Pharynx zu an Dicke allmäh-
lich zunehmenden Cuticula überzogen ist. Ein gleiches Verhalten
zeigt auch die Aussenwand des Pharynx. — Bezüglich der Radula-
blasen (N) kann ich nur die Ausfüllrungen
Plate's (19, p. 64, 65) bestätigen und
bezüglich des Epithels der Zuckerdrüsen
verweise ich auf die folgende Art,
Chiton sinclmri, welche in diesem Punkt
mit der in Eede stehenden übereinstimmt
■ und welche ich speciell zum Gegenstand
der histologischen Untersuchung ge-
macht habe.
Der Verlauf der D a r m w i n d u n g e n
ist aus nebenstehender Textabbildung
(Fig. G) ersichtlich.
Die Eischale ist mit einem dichten
Wahl von Stacheln besetzt, welche den
Eistacheln von Isclmoclnion frucficosus
und Chiton squamosus sehr ähnlich
sehen. Auch sie (Fig. 37) scheinen an
ihrem distalen Ende 5 Zacken aufzuweisen, welche zusammen eine
kelchartige Krone bilden. Dieser Kelch ist jedoch in der Mitte
nicht napfartig ausgehöhlt, sondern es tritt im Centrum eine kleine
Fiff. G.
Pacifische Chitonen. 627
runde Kuppel hervor. An der Basis verbreitert sich der Stiel be-
trächtlicli und sitzt so mit ziemlich breiter Fläche der Eihülle auf.
Die Länge der Stacheln betrug im Maximum 50 //.
15. Chiton sinclairi (Gray).
Es standen mir 6 Exemplare zur Verfügung, welche Herr Prof
ScHAüiNSLAND tlieils am French-Pass, theils in Summer auf
Neuseeland gesammelt hat. Das grösste Thier hatte eine Länge
von 27 mm und eine Breite von 18 mm, das kleinste eine Länge
von 5 mm und eine Breite von 2^4 "i^^i- — Die Beschreibung
Pilsbry's ('26, p. 174) sowie seine Abbildungen (tab. 36, flg. 1 — 3)
sind zutreffend.
Der M a n t e 1 ist an seiner Oberseite dicht mit grossen, platten
Schuppen l)edeckt, während an der Kante kleine, farblose Stacheln
stehen und die Unterseite kleine dachziegelförmige Schuppen aufweist.
Von den 40 — 41 Kiemen jederseits sind die 14. — 20. als
jMaximalkiemen zu bezeichnen. Der Geschlechtsporus lag zwischen
Kieme 9 10, der Nierenporus zwischen Kieme 6,7. Die Anordnung
der Kiemen ist holobranch und adanal mit Zwischenraum.
Die Lateral falte ist schmal und schwillt hinter der letzten
Kieme jederseits zu einem kleinen Lappen an, setzt sich aber, darauf
wieder dünner werdend, fort und zieht hinter dem After herum.
Wie schon erwähnt, habe ich speciell diese Art zum Gegen-
stand der histologischen Untersuchung gemacht und werde dalier
der morphologischen Beschreibung eines jeden Theils stets sogleich
seine Histologie folgen lassen.
Die morphologischen Verhältnisse der Mundhöhle waren die
typischen, dagegen wies ihre Histologie einige JVIodificationen von
der der vorigen Art und auch gegenüber der Darstellung auf, welche
Plate (17, p. 61 ff.) von der histologischen Beschaffenheit der Mund-
höhle von Acanthopl. cchin. gegeben hat. Eis liess sich hier nämlich
an der entleerten Drüsenzelle der Längswülste (Fig. 38 ic, iv) keine
Differcnzirung in einen distalen, als eigentlichen Drüsenkörper
functionirenden und einen basalen, lediglich als Eeservoir oder Aus-
führgang aufzufassenden Theil erkennen. Die ganze Zelle (f^, d)
war vielmehr von einem wabigen Plasma erfüllt, sie secernirt also
in ihrer ganzen Ausdehnung. Ferner waren die Drüsenzellen hier
von ganz verschiedener Grösse, indem sich zwischen den typischen,
grossen, tlaschenförmig gestreckten auch solche von jeder andern
Grösse fanden, welche jedenfalls P^ntwicklungsstadien von der ge-
ß28 CüRT VON WiSSEL,
wohnlichen C5iindrischen Epitlielzelle zur flaschenförmigen Drüsen-
zelle darstellen. Die kleinsten nämlich sind noch hell und durch-
sichtig, wie die Epithelzellen, die grössern aber weisen bereits die
wabige Structur ' der oben beschriebenen grössten Zellen auf. Bei
diesen letztern befindet sich der kleine, runde, granulirte Kern immer
im distalen Ende der Zelle.
Auch in Bezug auf die Stützzellen weist diese Art wesentliche
Verschiedenheiten auf, da dieselben hier fast ganz fehlen. Nur
sehr selten sieht man einen kleinen, spindelförmigen Kern (sf) zwischen
die Drüsenzellen eingeklemmt, nie aber die von Plate beschriebenen
kegelförmigen, den Kern umschliessenden Zelleiber, welche nach
dem Lumen der Mundhöhle zu heraustreten. — Von nicht drüsiger
Beschaffenheit ist der hinter dem Chitinring gelegene Theil des
Mundhöhlenbodens. Dieser Theil umfasst nach vorn hufeisenförmig
die mit Cuticula versehene Epithelschicht, wird seitlich von den
Seitenwülsten begrenzt und zieht sich, kreisförmig endigend, bis
unter das vordere Ende des Subradularorgans. Das Epithel besteht
hier fast durchweg aus gewöhnlichen Cj'linderzellen (Fig. 38 r, r),
in welche nur hier und da ein Stützzellenkern (st) eingestreut ist.
Dieses Epithel zieht sich bis in die Gegend des hintern Randes des
Subradularorgans, um im hintersten Winkel der Mundhöhle im An-
schluss an die Seitenwülste wiederum drüsig zu werden. Das Dach
der Seitenräume der Mundhöhle sowie deren mittlerer, zwischen den
Wülsten gelegener Theil ist wiederum nicht drüsig und setzt sich
hier ebenfalls aus dem niedrigen Plattenepithel zusammen, wie ich
es schon für die gleichen Tlieile von Chiton quoiji beschrieben habe.
Auch bezüglich des Subradularorgans selbst gilt das dort (lesagte.
Die Speicheldrüsen sind nach Lage und Morphologie normal.
Histologisch verhalten sie sich genau wie bei Chiton quoiji, entbehren
also ebenfalls der am distalen Ende mit kegelförmiger Verbreiterung
heraustretenden Stützzellen, wohingegen auch hier zwischen die Drüsen-
zellen zahlreiche spindelförmige Stützzellenkerne eingestreut sind.
Die Raduladivertikel weisen keinerlei Besonderheiten auf,
ebenso wenig die Radulablasen. Um so bemerkenswerther dagegen
ist der Umstand, dass die Pharyngealdivertikel hier voll-
ständig fehlen. Der Pharynx weist vielmehr hier ein durchaus
einheitliches Lumen von beinahe quadratischem Querschnitt auf, und
zwar sind seine Seitenwände, also die Homologa der sonstigen
Pharyngealdivertikel, entschieden nicht drüsiger Natur. Sie weisen
nämlich genau dasselbe flaclie Cylinderepithel auf wie die Divertikel
Pacifische Chitonen. 629
von Chiton quofji, wälirend lediglich in dem Dach des Pharynx,
welches rechts und links durch eine deutliche Falte von den Seiten-
wänden abgesetzt ist, zahlreiche Drüsenzellen vorkommen. Hier
(Fig. 39) konnte ich zwei verschiedene Zellsorten unterscheiden,
nämlich 1. die eben erwähnten Drüsenzellen (s, ^) und 2. minder
häufig, aber ebenfalls noch recht zahlreich, lange, fadenförmige
Stützzellen (^-S ^^). Die Drüsenzellen sind von lang flaschen-
förmiger bis cylin drischer Gestalt und besitzen einen runden, stets
endständigen Kern mit mehreren Xucleolen. Der Kern der Stütz-
zellen dagegen ist lang spindelförmig und homogen gefärbt und
nimmt in der Zelle meist eine mittlere Lage ein. Zwischen den
einzelnen Zellen finden sich häufig intercelluläre Lücken. An einigen
günstigen Stellen, in der Furche zwischen zwei Falten, konnte ich
deutlich einen Flimmerbelag feststellen, dessen Ti'äger jedenfalls die
fadenförmigen Stützzellen sind. Nach den Seiten hin werden die
Zellen zunächst allmählich niedriger, um dann jedoch plötzlich unter
Bildung der oben erwähnten Falten in das niedrige Cylinderepithel
der Seitenwandungen überzugehen. — Die Ausführgänge der Zucker-
drüsen münden, wie immer, rechts und links vom Oesophagus in den
Pharynx, Ihr Epithel ist dasselbe niedrige Cylinderepithel, wie das
der Pharynxseiten, nur ist hier hier und da eine Drüsenzelle, und
zwar eine der für das Zuckerdrüsenepithel so charakteristischen
Körnchenzellen, eingestreut. Da hingegen, wo sich das Epithel zu
der Längsfalte des Ausführganges in dessen Lumen hinein vorstülpt,
zeigt es bereits genau dieselbe Histologie wie der eigentliche Drüsen-
körper. — Eine theoretische Bewerthung der hier eben
erörterten Verhältnisse dürfte wohl der von mir bei
Beschreibung der vorigen Art aufgestellten Hypo-
these, die Pharyngealdivertikel seien als Erweite-
rungen der Ausführgänge der Zuckerdrüsen anzusehen,
wesentlich zur Stütze gereichen. Denn wenn die Di-
vertikel lediglich Anhänge oder Reservoire der
Z u c k e r d 1' ü s e n sind, dann i s t i h r g e 1 e g e n 1 1 i c h e s F e h 1 e n ,
wie es ja auch von Plate für mehrere Arten nachge-
wiesen wurde, nicht besonders auffällig, was der Fall
sein würde, ^^' e n n wir sie als ein besonderes Drüsen-
1) a a r mit selbständiger oder gar qualitativ von der
der Speichel- und Zuckerdrüsen verschiedener Function
auffassen. Dass auch die topographischen sowie die
li istologischen Verhältnisse geeignet sind, diesemeine
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. 42
630 CüRT VON WiSSEL,
Ansicht zu bestätigen, wurde schon bei der Beschrei-
bung von Chiton quoyi hervorgehoben und kann in
vollem Umfange auch für die in Eede stehende Species
aufrecht erhalten werdeu.
Der Bau der Zuckerdrüse selbst bietet wenig Bemerkens-
werthes, und es sei nur hervorgehoben, dass die schon oben er-
wähnte Falte sich im Drüsenkörper beinahe bis zur gegenüber liegen-
den Wand vorstülpt und eine reiche Zottenbildung aufweist. Ihre
Verästelungen erfüllen im Verein mit den übrigen Eandzotten fast
das ganze Lumen der Drüse, so dass von diesem nur schmale Spalt-
räume übrig bleiben. — Was das eigentliche Drüsenepithel anlangt,
so kann ich die von Plate (19, p. 63, 64) gegebene Schilderung fast
durchweg bestätigen, und ich habe auch bei der vorliegenden Art
beide von diesem Autor unterschiedenen Drüsenelemente, Körnchen
und Tropfenzellen, nachweisen können (Fig. 40). Letztere jedoch
waren ausserordentlich spärlich vertreten (^^) und enthielten auch
nur sehr kleine Tropfen. Das Häufigkeitsverhältniss der Tropfen zu
den Körnchenzellen ist durch die Figur (Fig. 40) annähernd richtig
veranschaulicht. Die Kerne der Drüsenzellen liegen stets an deren
äusserstem distalen Ende, sie sind rund, verhältnissmässig klein und
granulirt. Die gelbbraunen Granula {g, g), wie sie Plate erwähnt,
konnte ich auch beobachten, doch nur ausserhalb der Zellen im
Lumen der Drüse den Drüsenzellen angelagert. Oft schieben sie
sich auch etwas zwischen 2 Drüsenzellen, jedoch nur auf eine ganz
kurze Strecke, nach innen hin ein. Zwischen diesen Drüsenzellen
finden sich zahlreiche Kerne von Stützzellen von zweierlei Art,
nämlich 1. lange, spindelförmige {sf, st), welche zwischen den Drüsen-
zellen meist in mittlerer Höhe derselben eingeklemmt liegen, und
2. kreisrunde (st^, st^), welche zwischen 2 Drüsenzellen nach dem
Lumen der Drüse zu heraustreten und genau so aussehen wie die
Kerne der Drüsenzellen selbst. Wir haben also 3 Reihen von Kernen
im Drüsenepithel: 1. distal die Kerne der Drüsenzellen selbst, 2. in
verschiedener Höhe zwischen den Drüsenzellen spindelförmige Stütz-
zellenkerne und 3. am Lumen der Drüse runde Stützzellenkerne.
Die Radula (Fig. 41) zeichnet sich durch eine sehr schmale
Mittelplatte (m) aus, deren Schneide concav ausgebuchtet ist und
welche an der Basis 2 flügelartige Fortsätze besitzt, welche der
ganzen Platte eine sanduhrförmige Gestalt verleihen; die Zwischen-
platte (^) ist breit, aber nicht viel länger als die Mittelplatte, an
der Innern, obern und an der äussern, untern Ecke weist sie je
Pacifische Chitonen. 631
einen kleinen Vorsprung- auf; der Stiel der Hakenplatte (/?) ist kurz
und schlank und besitzt aussen einen kleinen Flügelfortsatz; die
Seitenplatte (s) ist reclitAvinklig- gebrochen und hat eine gerade
Schneide.
Der Oesophagus hat bei dieser Species, wie ich mich bei
2 Exemplaren überzeugte, kein cj'lindrisches Lumen. Er stellt viel-
mehr eine sehr weite Röhre dar (Fig. 42), welche 2 grosse Falten
aufweist. Die eine dieser Falten klemmt sich zwischen die beiden
Zuckerdrüsen ein und zieht sich zwischen denselben ventralwärts
bis zur Radulascheide, die zweite dagegen zieht sich nach der
rechten Seite aus und drängt sich eine Strecke weit zwischen die
rechte Zuckerdrüse und die dorsale Körperwand. Auf der linken
Seite fehlt eine derartige Aussackung. — Zur Histologie bemerken
sowohl Plate (19) wie Haller (10), dass wir es hier mit einem
Flimmerepithel zu thun haben, und ersterer Autor setzt hinzu „die
Cilien sind so derb, dass sie auch bei der C'onservirung sich er-
halten*' (19, p. 66). Während ich diese Angabe bei CJiifon qiioyi
und canalkatus bestätigt fand, glaube ich mich bei der in Rede
stehenden Species überzeugt zu haben, dass die Verhältnisse wesent-
lich andere sind. Das Epithel des Oesophagus (Fig. 42) wird hier
nämlich in der Hauptsache von Cylinderzellen gebildet, deren Form
von der cubischen bis zur fadenförmigen variirt, nämlich je nach
dem Druck, welchen sie ihrer jeweiligen Lage entsprechend zu er-
leiden haben. Cubisch erscheinen sie z. B. in den oben erwähnten
beiden Falten, in welchen die Zellen der gegenüber liegenden Oeso-
phagealwände durch die aussen anliegenden Zuckerüsen, resp. durch
die rechte Zuckerdrüse und die dorsale Körperwand, fest auf einander
gepresst werden. Sowie dieser Druck fortfällt, strecken sich die
Zellen mehr und mehr in die Länge und nehmen entsprechend an
Breite ab, bis sie in den Regionen des geringsten Druckes, im vor-
liegenden Falle an der dorsalen und der linken Wand des Oeso-
phagus, sich zu langen Fadenzellen ausdehnen. Hier kann man
häufige intercelluläre Zwischenräume zwischen den einzelnen Zellen
bemerken, und letztere weichen namentlich in ihren dem Lumen zu-
gekehrten Enden aus einander, so dass es zunächst in der That
aussieht, als hätten wir hier sehr derbe Cilien vor uns, während es
in Wirklichkeit die fadenförmigen Zelleiber selbst sind, welche hier
die Function von Cilien übernommen zu haben scheinen. Dass von
Cilien selbst keine Spur vorhanden ist, zeigt sich einerseits be-
sonders deutlich an den Zellen der medianen und rechten Falte.
632 CUBT VON WiSSEL,
welche mit klarer, deutlicher Contur abschliesseii, und andrerseits
spricht das Fehlen jeglichen Gerinseis, welches auf Wimpern hin-
deuten könnte, für die Richtigkeit meiner Auffassung. Der Kern
der Epithelzellen befindet sich stets in ihrem äussern Drittel, und
auch er variirt in seiner Gestalt je nach derjenigen der zugehörigen
Zelle; in den zusammengedrückten cubischen Zellen ist er oval bis
rund, in den fadenförmigen dagegen ebenfalls stabförmig ausgezogen ;
er enthält zahlreiche kleine Granula. — Ausser dieser Zellart findet
sich, wie dies auch Plate angiebt, in sehr spärlicher Anzahl noch
eine zweite, welche wir als Drüsenzellen anzusehen haben. Ihre
Gestalt ist flaschenförmig, der Kern liegt am äussersten Ende und
ist rund und granulirt. Das Plasma enthält zahlreiche runde
Kügelchen, welche sich durch Hämatoxjdin sehr intensiv färben.
Nach aussen wird der Oesoghagus von einer dünnen Bindegewebs-
schicht mit spindelftirmigen, homogen gefärbten Kernen begrenzt. —
Verfolgt man den Oesophagus nach hinten, so sieht man, dass seine
rechte Falte in den Magen mündet, und wie deren dorsale und
ventrale Wand in ihrem bisherigen Verlauf eng auf einander ge-
presst waren, so sind sie dies auch da, wo die Falte in den Magen
ausläuft, so dass die Magenöff'nung in dorsoventraler Richtung zwar
eng, dagegen von vorn nach hinten nicht unbeträchtlich ist. Sie
ist also bei der vorliegenden Species nicht eng, wie es Plate (19,
p. 26) für Acanthpl. echin. angiebt, sondern ein breiter Spalt. Auch
von einem Sphincter konnte ich hier keine Spur entdecken, sondern
das den Oesophagus begrenzende Bindegewebe geht, ohne irgend
eine Veränderung zu erleiden, continuirlich auf den Magen über.
Das Epithel des Magens ist ein niedriges Cylinderepithel, dessen
Zellen, ohne intercelluläre Lücken frei zu lassen, eng an einander
schliessen (Fig. 43). Sie sind in allen Theilen des Magens von durch-
aus gleicher Höhe. Den ovalen, granulirten Kern habe ich stets
annähernd in der Mitte der Zelle gefunden. Er ist von einem
schmalen, lichten Hof umgeben, während der ganze übrige Zell-
leib dicht mit jenen kleinen grüngelben Granula erfüllt ist, welche
auch Hallek (9, p. 26) erwähnt, nur mit dem Untei-schiede, dass
dieser Autor dieselben bei conservirtem Material auf eine schmale
Zone zwischen Kern und Distalfläche des Epithels beschränkt sein
lässt. Auch Plate giebt für Acanfhopl. echin. an, dass die grüngelben
Körnchen nur der distalen Hälfte der Zellen eingelagert sind. Die
von letzterm Autor erwähnten Schleimzellen (19, p. 67) habe auch
ich in namhafter Anzahl beol)achten können (Fig. 43, d, d). Sie sind
Pacifische Chitouen. 633
in den meisten Fällen von dick flaschenförmiger Gestalt und färben
sich durch Häraatoxylin intensiv blau. In den Fällen, in denen sie
ihr Secret entleert haben, sind sie klar und hell, und man sieht als-
dann, dass sie einen runden, g-ranulirten Kern aufweisen. In ein-
zelnen Fällen reichen sie nicht bis an die distale Fläche des Epithels,
sondern endigen bereits vor der mittlem Region, in Höhe der Kerne
der gewöhnlichen Epithelzellen. Mitunter habe ich den Zelleib nicht
rund, sondern zipfelförmig ausgezogen angetroften, ein Befund, welcher
jedenfalls der durcli die (Jonservirung erzeugten Schrumpfung zuzu-
schreiben ist. Endlich ist öfter nur der Zelleib und nicht auch der
Ausführgang der Zelle durch den Schnitt getroffen, wodurch das
Bild einer mehr oder minder kugeligen, grossen, hellen oder dunkel
blau gefärbten Zelle mit grossem, runden, granulirten Kern hervor-
gerufen wird. Auch derartige Zellabschnitte findet man in allen
Höhen des Epithels. Ob wir es in diesen Schleimzellen mit einer
besondern Art von Zellen oder, wie Plate will, nur mit in einem
andern Stadium befindlichen Epithelzellen zu thun haben, möchte
ich dahingestellt sein lassen, aber der Umstand, dass wir neben
grossen, das distale Ende des Epithels erreichenden, auch kleine
Schleimzellen von oft nur halber Länge antreffen, welche doch schon
vollständig functionsfähig sind, scheint mir gegen die Auffassung
Plate's zu sprechen. Ausser den typischen Epithelzellen und den
Schleimzellen tritt ferner im Magenepithel noch eine dritte Zellart
sporadisch zerstreut auf. Es siml dies kleine, helle, rundliche, oder
amöboid ausgezackte Zellen mit rundem, intensiv und homogen ge-
tarbten Kern (-?, z, z). In den weitaus meisten Fällen habe ich sie
in der äussern Hälfte des Magenepithels zwischen die einzelnen
Epithelzellen oder zwischen deren distalem Ende und der dünnen
bindegewebigen Hülle des Magens eingeklemmt gefunden. Zweifels-
ohne haben wir in ihnen eingewanderte Blutkörperchen vor uns.
Nach innen wird das Magenepithel, wie dies auch Haller und
Plate angeben, von einem zarten Cuticularsaum, welcher eine feine
Querstrichelung aufweist, begrenzt (c). Dieser zeigte sich selbst da,
wo er sich erhalten hatte, vielfach zerrissen, und die Risse ent-
sprachen dann stets den Zellgrenzen des darunter liegenden Epithels,
so dass das stehen gebliebene Stück der Cuticula der Zelle oder den
Zellen, welchen es seine Entstehung verdankt, aufsitzt. Ueber dem
Cuticularsaum konnte ich bisweilen ein feines Gerinnsel {g) beob-
achten, welches auf das Vorhandensein von Cilien hindeutet, wofür
auch die schon erwähnte Quersti-ichelung der Cuticula spricht. A\'enn
g34 CUKT VON WlSSEL,
Haller behauptet, in dem Mag-en oder wenigstens in dessen untern
Abschnitt seien nie Speisereste (9, p. 26), so muss ich dem mit Plate
durchaus widersprechen, denn auch ich habe darin nicht nur Leber-
secret, sondern auch unzweideutige Nahrungsballen vorgefunden.
Wesentlich verschieden von den Zellen des eigentlichen Magen-
epithels sind diejenigen der Ausführgänge der Leber (Fig. 44, -?).
Diese sind bedeutend in die Länge gestreckt und dafür beträchtlich
schmäler als die Magenzellen. Auch schliessen sie nicht lückenlos
zusammen, sondern lassen zahlreiche intercelluläre Spalträume
zwischen sich frei; ihre Gestalt ist spitz kegelförmig mit verbrei-
tertem distalen Ende; der kleine, längliche, granulirte Kern liegt
am basalen Ende ; dieses ist auf eine Ausdehnung von einem Drittel
der Zelle klar und hell, während das mittlere Zelldrittel fast aus-
nahmslos eine sich mit Hämatoxylin intensiv färbende grobe Granu-
lirung aufweist, welche wiederum im distalen Zelldrittel der zarten
Granulirung Platz macht, Avelche durch die bereits bei Schilderung
der Magenzellen erwähnten gelbgrünen Körnchen hervorgerufen
wird. Die mittlere grobe Granulirung tritt so constant in jeder
Zelle auf, dass es bei oberflächlicher Betrachtung fast den Anschein
hat, als hätten wir hier eine zweite Reihe von Zellkernen vor uns,
was natürlich histologisch unmöglich ist. In Wirklichkeit stellt diese
grob granulirte Zone nichts anderes vor als ein durch die Conservi-
rung auf den mittlem Theil der Zelle contrahirtes Drüsensecret.
Die breiten distalen Enden der Zellen sind scharf abgeschnitten.
Zwischen den basalen Enden auch dieser Zellen findet man die
schon zwischen den Magenzellen auftretenden kleinen Blutzellen {h).
Eine Cuticula ist nicht vorhanden, und auch einen Flimmerbelag
habe ich nicht bemerken können. Da wo die Zellen des Ausführ-
gangs der Leber an das eigentliche Leberepithel anstossen, werden
sie plötzlich um ein Drittel kürzer, so dass, da die Länge der eigent-
lichen Leberzellen noch beträchtlicher ist als die der Zellen des
Ausführganges, eine schmale Rinne (r, r) gebildet wird, welche die
Grenze zwischen Leber und Ausführgang markirt. Was die Leber-
zellen selbst anlangt, so beschreiben Feenzel (7. p. 261) und Haller
(9, p. 34 ff.) nur eine Art von solchen, nämlich die mit zahlreichen
braungelben Tröpfchen erfüllten Drüsenzellen, während Plate (19,
p. 67) noch auf eine zweite Zellart hinweist, welche auf dem Längs-
schnitt von dreieckiger Gestalt sind, aber „mit ihrer nach innen
gewandten Spitze das Lumen nicht erreichen, da sie nur etwa halb
so hoch wie die benachbarten Zellen sind." Plate vermuthet, dass
Pacifische Chitonen.
635
es sich hier um ein besonderes Element handelt, ohne jedoch eine
definitive Ansicht äussern zu wollen. Auch ich habe diese zweite
Zellart, welche sogar mit ziemlicher Häufigkeit (/\i auftritt, beob-
achten können. Ihre Form ist nicht immer dreieckig, sondern kann
auch rund und viereckig sein, immer aber sind diese Zellen, wie
dies schon Plate angiebt, von höchstens der halben Länge der
typischen Leberzellen, reichen also nie an das Lumen der Leberacini
heran. Ebenso kann ich auch bestätigen, dass sie nie jene gelben
Secrettröpfchen , sondern lediglich ein sich mit Hämatoxylin nur
schwach färbendes Protoplasma mit sehr grossem runden, mittel-
ständigen Kern enthalten. Dieser Kern ist ebenso granulirt wie
der der eigentlichen Lebersecretzelle, aber immer von wenigstens
doppelter Grösse des letztern. Die typischen Secretzellen (?) habe
ich so angetroffen, wde sie von Haller und Plate beschrieben
werden : der Kern ist stets basalständig, verhältnissmässig klein und
fein granulirt. die gelbbraunen Secrettröpfchen häufen sich fast
regelmässig im distalen Theile der Zelle in grösserer Menge in einem
kleinen hellen Bläschen an, in w^elcher Form sie sich auch häufig
im Lumen der xA.cini vorfinden. Auch die Leber, sowie jeder einzelne
Lappen derselben, ist lediglich von einer dünnen bindegewebigen
Hülle umschlossen.
Der Darm (Textfig. H) hat folgenden Verlauf: nach seinem Aus-
tritt aus dem Magen zieht er sich an der rechten Leibeshöhlenwand
nach hinten bis nahezu an das hintere Ende
der Leibeshöhle (cV), biegt hier nach links
und vorn um und zieht dorsal von links
hinten nach der Mitte vorn (d-), hier biegt
er wiederum nach links, bildet, indem er
sich kurz darauf scharf nach rechts und
unten wendet, eine kleine Schlinge
wendet sich ventralwärts, zieht an
rechten Seite wiederum nach hinten
biegt hier zum 2. Mal nach innen
der 1. L'mbiegungsstelle nach vorn
zieht ventralwärts des ersten nach
aufsteigenden Schenkels nochmals nach vorn
{d'^), biegt jedoch schon hinter der oben
erwähnten kleinen Schlinge nach der Mitte
um und läuft an der Ventralfiäche der Leibeshöhle etwas links nach
hinten, um in der medianen Afteröffnung zu endigen ((?"). Der Ver-
Fiff. H.
636 CüRT VON WiSSEL,
lauf der Darmschlingen ist demnach ein wenig- complicirter und ge-
hört dem Ch?fon-Ty])i\s an.
Das Darmepithel besteht, wie dies von Plate und Hallee ge-
schildert wird, aus hohen cylindrischen Zellen (Fig. 45). Im Gegen-
satz zu der Schilderung Hallee's (9, p. 37) finde ich hier, dass das
Epithel nicht w^ellenförmig ist, sondern durchaus eben das runde
Darmlumen umschliesst. Hiervon macht nur der Enddarm eine Aus-
nahme, indem hier, wie Haller dies schildert, Hügel mit höhern
Zellen mit Thälern mit minder hohen gleichmässig abwechseln.
Hier ist also das Epithel selbst von verschiedener Dicke und in
sich wellenförmig. Wieder anders das Rectum, das Stück, welches
in der hintern Körperwand liegt. Auch hier, wie im übrigen End-
darm ist das Lumen des Darmes im Querschnitt sternförmig, aber
hier sind die Epithelzellen wieder alle von gleicher Höhe, das
Epithel bildet aber Falten, av eiche dadurch, dass die Mus-
culatur der Körperwand in ihre nach aussen gekehrten Hohlräume
eindringt, solid werden. — Die Zellen des Darmepithels sind, wie
dies auch Haller und Plate angeben, hoch cylindrisch (Fig. 45).
Auch hier erfüllen die grüngelben Kügelchen die ganze Zelle. Der
ovale feingranulirte Kern ist annähernd mittelständig. An einzelnen
Stellen fand ich ein Gerinnsel, welches auf Wimpern hinzudeuten
schien, doch waren diese selbst nicht mehr erhalten. Die Zellen
schliessen hier dicht an einander, ohne intercelluläre Lücken zu lassen,
jedoch fand ich auch hier hier und da eine kleine helle Zelle von
wechselnder Form mit stark und homogen gefärbtem Kern einge-
klemmt (^, ^), wie ich sie schon bei Beschreibung des Magen- und
des Leberepithels erwähnt habe und welche ich für Blutkörperchen
anspreche. — Was im Darm auftretende Drüsenzellen anlangt, so
weichen meine Befunde sowohl von der Schilderung Haller's wie
von der Plate's ab. Haller sagt nämlich (9, p. 39), diese Zellen
kämen bei Chitonen nur im Enddarm vor, während Plate (19, p. 68)
sie, wenn auch in w^echselnder Häufigkeit, in allen Darmtheilen an-
getrofi"en hat. Meine Präparate zeigen nun in dieser Hinsicht eine
scharf gesonderte histologische Differenzirung der einzelnen Darm-
abschuitte von einander, derart, dass sich die Schleimzellen in ihrem
Vorkommen auf den Theil des Darmes beschränken, welchen ich in
der Textfigur durch | || abgegrenzt habe. Hier aber bilden sie die
das Darmepithel ausschliesslich zusammensetzende Zellart
(Fig. 46). Es ist dies die hintere Hälfte der (vom Magen an ge-
rechnet) 1. Darmschlinge. Wie Fig. 46 zeigt, liegt hier Schleimzelle
Pacifische Chitonen. 637
neben Schleimzelle, während die andern Theile des Darmes (Fig*. 45)
nicht eine einzige aufweisen. Das Protoplasma der Schleimzellen
ist grob grannlirt nnd färbt sich intensiv mit Hämatoxylin; der
runde granulirte Kern liegt stets am basalen Ende der Zelle. Auch
hier wieder finde ich Blutkörperchen eingestreut. An ihren beiden
Enden geht diese histologisch so scharf ausgeprägte Darmstrecke
ziemlich unvermittelt in das gewöhnliche Darmepithel über. Eine
zweite drüsig-e Zone tritt im Enddarm auf, da wo, wie oben ge-
schildert, das Epithel durch ungleiche Höhe seiner Zellen wellen-
förmig wird, also vor Eintritt des Darms in die Körperwand. Diese
Region ist jedoch weit weniger scharf als Drüsenzone gekennzeichnet,
denn es treten hier nur vereinzelte in das cylindrische Epithel ein-
gestreute Drüsenzellen auf und zwar stets an den Stellen, wo durch
Verkürzung der Zellen ein Thal gebildet wird.
Des Oeftern bereits wurde in obiger Beschreibung des Ver-
dauungstractus der den Oesophagus, den Magen und die Leberlappen
nach aussen begrenzenden dünnen bindegewebigen Hülle gedacht.
Diese bildet, wie erwähnt, ein äusserst dünnes Häutchen mit einer
einschichtigen Lage kleiner, spindelförmiger und homogen gefärbter
Kerne. Von den zahlreichen bindegewebigen bzw. musculösen Ele-
menten, wie sie Plate für Acanfhpl. echin. (19, p. 73 ff.) beschreibt,
war nicht eine Spur zu entdecken, und ebenso fehlt das interstitielle
Bindegewebe, welches sich zwischen den Darmwindungen und Leber-
lappen ausbreiten soll, vollständig. Es bestehen also in dieser Hin-
sicht bei den einzelnen Species wesentliche Verschiedenheiten.
Geschlechtsorgane.
Bezüglich der Topographie von Hoden und Ovar weiss ich dem
schon Bekannten nichts Neues hinzuzufügen. Die Geschlechtsdrüse
ist an die Ventralwand der Aorta angeheftet und erstreckt sich vom
Vorderende des Pericards an nach vorn bis in das 3. Segment
hinein. Ein Befestigungsband, wie es Haller (9, p. 57) vom hintern
sowohl wie vom vordem Ende der Keimdrüse ausgehen und an das
Pericard einerseits, an das Zwerchfell andrerseits herantreten sah
und welches er für ein rückgebildetes Leibeshöhlenepithel hält, konnte
ich ebenso wenig wie Plate (19, p. 94, 95) beobachten. Ja bei der
vorliegenden Species fehlen sogar die Bindegewebszüge, welche nach
Plate bei Acanthopl. echin. vom hintern Ende des Geschlechtsorgans
nach den umliegenden Organen, dem Rectum und der Leber, sowie
an die Körperwand herantreten. Auch das Genitalorgan ist hier
638 CURT VON WlSSEL,
vielmehr, wie alle übrigen Organe, von einer dünnen, binde-
gewebigen Hülle umschlossen, welche aber keinerlei Verästelungen
oder Ausstrahlungen durch die Leibeshöhle hindurch nach andern
Körpertheilen entsendet.
Auch der innere Bau der beiderlei Geschlechtsdrüsen weist
nichts von den frühern Beschreibungen Abweichendes auf. Die
Ventralfläche wie die beiden Seitenflächen sind dicht mit Falten
besetzt, welche das Keim epithel tragen. Nur die dorsale Anheftungs-
zone an die Aorta und ein schmaler Streifen rechts und links von
derselben bis zu einer Längsfalte jederseits betheiligt sich, wie dies
schon Plate richtig angiebt, nicht au der Hervorbringung der Ge-
schlechtsproducte. sondern weist ein mit ziemlich derben Cilien be-
setztes Flimmerepithel auf. Dorsalwärts von dieser P'alte münden
die Ausführgänge der Geschlechtsdrüse in letztere ein und zwar in
der Gegend des letzten hintern Anheftungspunktes an die Aorta,
bzw. an das Pericard, wie Plate es schon angiebt. Nur in dem
letzten freien Blindsack der Genitaldrüse betheiligt sich nach meinen
Beobachtungen auch die dorsale Wand an der Bildung der Ge-
schlechtsproducte, und hier ragen also auch von oben mit Keim-
epithel besetzte Falten in das Lumen der Drüse hinein, welche
allerdings stets kürzer bleiben als die der Ventralfläche und der
Seitenwände.
In Bezug auf die Oogenese kann ich die Angaben Gaenault's
(8.) und Plate's (19.) durchweg bestätigen. In Fig. 47, a und h
habe ich zwei verschieden grosse Eistadien von Chit. sindairi wieder-
gegeben. Die Follikelmembran von « mit den ihr aussen angelagerten
Kernen ist deutlich zu erkennen, w^ährend bei h auch die Eihaut
bereits in beträchtlicher Dicke ausgeschieden ist. Diese aussen an-
gelagerten Follikelzellkerne erscheinen in dem Stadium a gänzlich
nackt, jedenfalls aber sind sie von einer ausserordentlich dünnen
Plasmaschicht umgeben, die nur ihrer Zartheit wegen für das Auge
nicht erkennbar wird. In dem vorgeschrittenen Stadium h dagegen
wird jeder der hier bedeutend grössern Follikelkerne von einem
hyalin durchscheinendem Hof umgeben, oder es ist ihm ein solches
hyalin durchscheinendes Gebilde seitlich unmittelbar angelagert.
Schon Plate (19, p. 97) hat nachgewiesen, dass wir es hier mit der
Bildung, beziehungsweise mit der ersten Anlage der Eistacheln zu
thun haben, von denen also jeder je einer Follikelzelle seinen Ur-
sprung verdankt. Ob es bei der hier in Rede stehenden Art über-
haupt zur Bildung solcher Stacheln kommt, oder ob es hier nicht
Pacifische Chitoueu. 639
vielmehr mit der Bildung- der kleinen in Figur 47. h sichtbaren
Kegelchen sein Bewenden hat. nniss ich dahin gestellt sein lassen.
Da jedoch die Eier, welche jene Gebilde aufwiesen, schon eine sehr
beträchtliche Grösse hatten und ihre Dotter auch schon g:anz hell
und von jenen durch Hämatoxylin sich intensiv färbenden Kügelchen
und Schollen völlig frei waren, glaube icli annehmen zu dürfen, dass
sie schon ihre völlige Reife erlangt hatten und daher bei dieser Art
überhaupt keine Stacheln, sondern eben nur jene kleinen, stumpfen
Kegel besitzen, die wir demnach wohl als rudimentäre Stacheln
aufzufassen haben. Was die eben erwähnten, sich durch Hämatox3'lin
intensiv färbenden Kügelchen und Schollen anlangt, so schliesse ich
mich der Ansicht (takxault's und Plate's an, dass wir es hier mit
Albumiuaten zu thun haben, auf deren Kosten das Wachsthum des
Eies vor sich geht: ihre Menge in noch jugendlichen und unent-
wickelten Eiern, und ihr allmähliches Schwinden im Laufe der
weitern Entwicklung spricht für die Richtigkeit der oben erwähnten
Erklärung.
In Jkzug- auf die Spermatogenese giebt Haller (9, p. 53)
an, dass die Spermatozoenköpfe als helle Erhebungen der Kerne
grosser Spermatoblastenzellen in grösserer Anzahl gleichzeitig auf-
treten, während Plate (19, p. 100) diesen Bildungsmodus in Abrede
stellt und die Spermatozoen vielmehr, ganz wie wir dies bei der
Spermatogenese der Thiere überhaupt zu beobachten gewöhnt sind,
dui'ch mehrere Zelltheilungen aus den ursprünglichen Mutterzellen
hervorgehen lässt. Nach den Bildern, welche mir vorlagen, schliesse
ich mich der Darstellung Plate's an, denn auch ich konnte deutlich
die verschiedenen, durch wiederholte Theilungen aus einander her-
vorgegangenen von aussen nach innen continuirlich an Grösse ab-
nehmenden Kerngenerationen unterscheiden. Ein näheres Eingehen
auf histologische Details erlaubte leider der Conservirungszustand
meiner Präi)arate nicht.
Die Lage des Oviducts und des Vas deferens ist
dieselbe, wie sie Plate schon für AccmthopL echin. (19, p. 102) an-
giebt, d. h. sie münden jederseits da in die Geschlechtsdrüse,
wo sich deren hinterste Anheftungsstelle an die Aorta befindet,
ziehen dann dem vordem Rande des Pericards folgend und von
demselben zur Hälfte überlagert nach den Seiten, um in den Ge-
schlechtspapillen ihre Ausmündung zu finden. — Das Vas deferens
unterscheidet sich vom Oviduct sofort durch seine nur die Hälfte
des Durchmessers des letztern betragrende Breite und durch seine
640 CURT VON WiSSEL,
glatte, nicht faltige Wandung-, welche ein niedriges Flimmerepithel
aufweist. — Die AVandung- des Eileiters besteht da, wo er in die
Geschlechtsdrüse einmündet, ebenfalls aus einem niedrig-en Flimmer-
epithel (Fig. 48 a), welches die Fortsetzung der nicht an der Ei-
bildung betheiligten, mit Cilien besetzten, dorsalen Wandung des
Ovars sowie der dorsalen Seite der lateralen Falte bildet. Die
Zellen sind hier von niedriger, cubischer Gestalt, von hellem Plasma
erfüllt, welches eine schwache Längsstreifung aufweist. Zwischen
den einzelnen Zellen finden sich häufige iutercelluläre Spalträume.
Der runde, granulirte Kern befindet sich in der Mitte der Zelle.
Im weitern Verlauf des Eileiters verlängern sich diese Zellen mehr
und mehr und gehen gleichzeitig Anastomosen mit einander ein. so
dass das in Fig. 4:8 b wiedergegebene Bild entsteht. Hier finden
sich Zellkerne in jeder Höhe der Zelle und in ungemein reicher
Anzahl. Auch das Plasma dieser Zellen weist eine zarte Längs-
streifung auf, sie sind also aus den in Fig. 48 a wiedergegebenen
niedrigen Zellen durch Streckung und unvollkommene Theilung
hervorgegangen, wodurch die zahlreichen Anastomosen erklärt wären.
Auch hier wieder sind zwischen den einzelnen Zellen und Zellzügen
zahlreiche iutercelluläre Lücken zu bemerken, so dass das ganze
Epithel einen maschigen Charakter hat. Wie man aus Vorstehendem
ersieht, ist eine eigentliche Grenze zwischen den Zellen der Innern
Oviductmündung und denen der eigentlichen Mucosa, wie sie Plate
für Acanfhpl. echin. (19, p. 103) beschreibt, hier nicht nachweisbar,
sondern wir haben es hier, von den gleich zu erwähnenden Stütz-
zellenkernen abgesehen, nur mit einer Zellart zu thun. Zwischen
diesen Zellen finden sich nämlich häufig sehr intensiv gefärbte, lang-
gestreckte, granulirte Zellkerne (Fig. 48 b, st, st), welche jedenfalls
den Kernen der von Plate (19, p. 103) als Fadenzellen bezeichneten
Elementen entsprechen. Den zu diesen Zellen gehörenden Plasma-
körper habe ich nicht mehr wahrnehmen können, derselbe muss
daher ausserordentlich dünn sein und den Kern als ganz schmaler
Saum umgeben. Jedenfalls findet sich hier keine dem Lumen des
Eileiters zugekehrte, kegelförmige Erweiterung des Zelleibes, wie
sie Plate bei den Fadenzellen von Acanfhpl. echin. beschreibt. Ich
bezweifle daher, dass diese Zellen bei der mir vorliegenden Species
die Träger von Cilien sein können. Was die Wimperung des Ovi-
(lucts überhaupt anlangt, so habe ich eine solche zweifellos an den
beiderseitigen Ausmündungen in das Ovar einerseits und die Kiemen-
rinne andrerseits nachweisen können. In der mittlem Partie des
Pacdfische Chitonen. 641
Eileiters sehe ich ein dickes Geriusel den Zellen angelagert oder
auch stellenweise etwas von ihnen abgehoben, über dessen Bedeutung
ich keine definitiA^e Klarheit zu erlangen vermochte: es kann sich
nämlich hier meiner Ansicht nach ebensowohl um sehr lange Cilien,
wie auch lediglich um eine Schleimschicht handeln. Doch hat die
erstere Annahme mehr Wahrscheinlichkeit, denn erstens ist diese
Schicht sehr deutlicli quergestreift, was für ihre Zusammensetzung
aus einzelnen mit einander verklebten Härchen sprechen würde, und
zweitens geht sie continuirlich und deutlich in ilie Cilien des Anfang-
und Endtheils des Oviducts über. Namentlich der letztere Grund
ist für mich bestimmend, denn die Streifung könnte schliesslich auch
dadurch zu Stande gekommen sein, dass in Folge des plötzlichen
Absterbens des Thieres bei der Conservirung die ürüsenzellen ihren
Schleim strahlenförmig hervorgeschossen haben und letzterer während
dieses Hervorschiessens sofort geronnen und in diesem Zustande
flxirt worden ist. Am Geschlechtsporus selbst werden die Oviduct-
zellen plötzlicli kürzer und gehen aussen in das mit Drüsenzellen
gemischte, flimmernde Cylinderepithel der Aussenfläche über (Fig. 48b).
— Die bindegewebige Hülle der Geschlechtsdrüse habe ich von der
gleichen Beschaffenheit gefunden wie die des gesammten Darm-
€anals, d. h. sie bestand lediglich aus einer mehrfachen Lage lang
gestreckter Fasern, in welche hier und da kleine spindelförmige
Kerne eingestreut waren. Von Plasmazellen und sternförmigen
Bindegewebszellen habe ich auch hier nichts beobachten können.
Blutgefässystem.
Dieses Organsystem hat Plate bei AccodhpJ. echin. in so aus-
führlicher Weise beschrieben, dass er bezügiicli der Genauigkeit der
Schilderung jedes einzelnen Abschnittes desselben seine Vorgänger
weit hinter sich lässt. Ich werde mich daher im Laufe meiner Be-
schreibung hauptsächlich auf die von Plate gemachten Angaben
beziehen und mich darauf beschränken, da, wo ich eine Abweichung
der von mir untersuchten Species konstatirt habe, dieselbe genauer
zu charakterisiren, während ich im Uebrigen, um ^^'iederholungen
zu vermeiden, auf das vortreffliche PLATE'sche Werk hinweise.
Das Pericard hat die bekannte Lage und Ausdehnung, d. h.
es heftet sich im Bereich der beiden letzten und theilweise des
drittletzten Segments an die Rückenfläche der Leibeshöhle an. Nach
vorn zu ist es in der Mitte spitz ausgezogen, um an dieser Spitze
die Aorta austreten zu lassen. Von diesem mittlem, am meisten
g42 CURT %'ON "WiSSEL,
nach vorn zu gelegenen Punkte ziehen die beiden vordem Seiten-
kanten des Pericards in, von vorn betrachtet, concaven Bogen nach
den Seiten und hinten. Sie bedecken dabei zum Theil die beider-
seitigen Ausführgänge der Geschleclitsdrüse, welclie ihneu genau
parallel verlaufen und mit ihrer hintern Hälfte mit dem Pericard
verwachsen sind. Von hier aus zieht das Pericard als ein dorso-
ventral abgeplatteter Beutel bis zum Hinterende der Leibeshöhle;
nach innen schlägt es sich auf den Herzmuskel und die Vorhöfe
über, deren Mnsculatur es im vordem Theile von aussen bekleidet
(Fig. 49). Die Herzkammer stellt liinten (Fig. 50, 51 vent) einen
cylindrischen Schlauch dar, dessen Hinterende nicht ganz bis zum
Hinterende des Pericards reicht ; vorn ( Fig. 49 vent) ist sie seitlich nach
unten gezogen, ihr Querschnitt hat hier also die Gestalt eines nach
unten offenen Hufeisens. Was die Verwachsung des Herzschlauchs
mit der Eückenhaut anlangt, so giebt Plate an, dass dieselbe sich
auf die ganze Länge desselben erstrecke und von hinten nach vorn
zu an Breite zunehme. Nach meinen Befunden (Fig. 50, 51 venf) hängt
sein hinterer Zipfel ohne dorsale Befestigung frei im Lumen des
Pericards. — Die Vorkammern münden mit je 2 Ostien in die Kammer
ein, welche gleichzeitig die einzigen Innern Befestigungen der Atrien
bilden, wie dies Plate schon hervorgehoben hat. An der äussern
Peripherie des Herzbeutels sind die Vorhöfe nach meinen Beobach-
tungen nur 5 mal befestigt, nämlich an den Stellen der von Plate
sogenannten constanten Atrialpori, durch welche das Blut aus der
Branchialvene in die Atrien einströmt. Die kleinen, zahlreichen
inconstanten Atrialpori Plate's habe ich an meinen Schnitten nicht
nachweisen können, doch mag das vielleicht in der Kleinheit des
Objects begründet sein und in der Unmöglichkeit, mangels lebenden
Materials Injectionen ausführen zu können. Schiff (23) hat zu-
erst und nach ihm auch Plate darauf hingewiesen, dass die beiden
Atrien hinten in einander übergehen. Auch ich kann diese Angabe
bestätigen, aber nach meinen Beobachtungen gehen die Vorhöfe nicht,
wie die beiden genannten Forscher wollen, „hinter und über der
Ventrikelspitze" (Plate 19, p. 108) in einander über, sondern sie
senken sich vielmehr hinter dem zweiten Ostienpaare jederseits nach
unten (Fig. 50 afr, atr), um sich ventralwärts von dem hintern
Ventrikelzipfel mit einander zu vereinigen (Fig. 51, afr). Der Ver-
einigungsgang zieht sich darauf unterhalb der Herzkammer zipfel-
förmig nach hinten aus, um in dem hintern unpaaren constanten
Atrialporus auszulaufen.
Pacifische Chitonen. 643
Bezüg-lich der Histologie der eben beliaiidelten Organe ver-
weise ich auf Fig. 49. Da sich Verschiedenheiten bezüglich frühern
Beschreibungen, wie man sieht, nicht ergeben haben, verzichte ich
auf eine weitere Erläuterung.
Was die peripheren Theile des Blutgefässystems an-
langt, so habe ich mich in Ermangelung lebenden ^Materials natürlich
darauf beschränken müssen, die Angaben derjenigen Autoren, welchen
ein solches zur Verfügung gestanden hat und welche durch In-
jectionen des Kreislaufsystems dessen einzelne Theile am ganzen
Thiere zur Anschauung bringen konnten, innerhalb der mir ge-
zogenen Grenzen nachzuprüfen. Ich habe mich daher bemüht, auf
den Schnitten die einzelnen Blutgefässe wiederzufinden, ihren Lauf
zu verfolgen und da Stellung zu nehmen, wo es sich darum handelte,
ein von einer Seite constatirtes, von anderer geläugnetes Gefäss zu
ermitteln oder sein Nichtvorhandensein zu bestätigen. Selbstver-
ständlich ist es mir nicht gelungen, auf diesem Wege auch alle die
kleinen Gefässe zu beobachten, welche von der Aorta und der Arteria
visceralis ausgehend die einzelnen Organe versorgen, die wichtigsten
derselben aber habe ich doch sämmtlich feststellen können. — Aus
dem Gesagten geht schon hervor, dass ich die vorzügliche Schilderung,
welche Plate von den Kreislauforganen der Chitonen giebt, soweit
ich dieselbe einer competenten Nachuntersuchung unterziehen konnte,
durchweg bestätigen kann.
Die Aorta zeigt bei ihrem Austritt aus der Herzkammer eine
geringe bulböse Anschwellung, verschmälert sich aber bald, und zwar
noch innerhalb des Pericards, zu ihrer definitiven Stärke. Im übrigen
zeigte sie bezüglich ihres Verlaufes und ihres Lageverhältnisses zu den
benachbarten Organen stets das typische, aus allen Beschreibungen
genugsam bekannte Verhalten. Dorsalwärts ist sie dreimal befestigt
und zwar an Intersegment 2, 3 und 4, ventralwärts ist sie, wie
schon oben erwähnt mit der Geschlechtsdrüse, mit Ausnahme von
deren vordersten und hintersten Zipfel, eng verwachsen. Vorn heftet
sie sich an das die Kopfhöhle von dem übrigen Leibeslumen ab-
grenzende Diaphragma an, in welchem sie mit etwas erweiterter
Oeffnung endigt, so dass das Blut also in die als Sinus fungirende
Kopfhöhle fällt.
Auch die Visceralarterie habe ich nachweisen können, und
auch hier kann ich die Schilderung Plate's durchaus bestätigen.
Gleich der Aorta beginnt sie vorn in der Querebene des Zwerchfells
und erscheint so als eine sehr lange Ausstülpung des letztern nach
644
CUET VON WiSSEL,
hinten, in welche die Eadulascheide hineinragt. Letztere wird also
von der Arteria yisceralis wie von einem Futteral umschlossen.
Nach hinten zieht sich das Blutgefäss noch um ein beträchtliches
Stück weiter hin, als die Eadulascheide reicht, und namentlich in
diesem Theil ist ersteres verhältnissmässig' leicht nachzuweisen.
Betrachtet man nämlich Querschnitte, auf welchen die Eadulascheide
noch mitgetroffen ist, so ist es zu verstehen, dass Hallee (9, p. 59)
das Vorhandensein der Visceral arterie leug-net und dass Schiff (2H)
im Zweifel darüber geblieben ist, ob es sich nicht nur um Spalt-
räume und nicht um ein festbegrenztes Gefäss handelt. Denn hier
ist in der That meist nur ein seitlicher spaltartiger Eaum zwischen
der Eadulascheide und den sie umgebenden Leberlappen bemerkbar.
Da nun die Wandung der Arterie ausserordentlich dünn und, mit
Ausnahme des erwähnten .seitlichen Spalts, fast immer fest mit dem
Epithel der Eadulascheide verklebt ist, so ist man in der That zu-
nächst geneigt, das Vorhandensein des Gefässes in Zweifel zu ziehen.
In dieser Auffassung wird man in der Eegel noch dadurch bestärkt,
dass die Arterienwandung eine täuschende Aehnlichkeit mit dem
bindegewebigen Häutchen hat, welches die einzelnen Leberläppchen
überzieht. Man hält sie also entweder lediglich für solch eine Grenz-
membran oder aber, wenn man die Duplicität derselben bemerkt,
für einen grössern Lebergang. Sowie man dagegen die Schnittserie
über das hintere Ende der Eadulascheide hinaus verfolgt, wird, wie
schon erwähnt, der wahre Sachverhalt klar, dass wir es mit einem
Blutgefäss zu thun haben.
In Bezug auf die von der Aorta abtretenden Gefässe kann ich eben-
falls die Angaben Plate's nur bestätigen. Die Intersegmental- und
Dorsalarterien habe ich wiederholt genau so constatiren können, wie
sie Plate schildert, und beschränke mich daher auf diesen Hinweis.
Ueber den Verlauf der Genitalarterien und ihr Verhalten zur
Keimdrüse sind die verschiedensten Auffassungen geäussert worden :
Ihr Entdecker Middendorf (16) und Schiff (23) lassen sie im
Lumen der Geschlechtsdrüse zunächst jede „Zotte" umranden und
darauf erst am Grunde dieser letztern, also in der Wand der Drüse,
sich zu einem feinen Geflecht verästeln. Plate bestätigt zunächst
die Angabe, dass die Genitalarterien erst durch die dorsale Wandung
des Geschlechtsorgans in dieses eintreten, um im Lumen desselben
sich zu verästeln. Aber er weicht darin von seinen Vorgängern ab,
dass er erstens den Ausdruck „Zotte" beanstandet und statt dessen
von ..Genitalfalten oder -Lamellen" spricht und zweitens die Blut-
Pacifische Cliitoneu. 645
gefässe nach ihrer Verästelung- schon an der Spitze dieser Genital-
lamellen in letztere eintreten lässt. Einen ganz abweichenden Stand-
punkt nimmt Haller ein : dieser Forscher leugnet das Vorhandensein
besonderer Genitalarterien überhaupt (9, p. 59). „Die untere Wand
der Aorta soll nur an Stellen, wo sich die Geschlechtsdrüse faltet,
oft durchbrochen sein, wodurch bewirkt wird, dass Blut in die
primäre Leibeshöhle gelangen und die Geschlechtsdrüse umspülen
kann." ..Dass die Falten und Stränge der Geschlechtsdrüse dabei
eine geeignete Eolle spielen,-' fügt er hinzu, „braucht kaum erwähnt
zu werden." Haller scheint danach folgende Auffassung zu haben:
das Blut gelaugt durch Poren in der untern Aortenwand in die
primäre Leibeshöhle und dringt, die Geschlechtsdrüse allseitig um-
spülend, von aussen in das Linere der Falten ein. Es sind also
keine eigentlichen Genitalarterien vorhanden, welche zunächst in
das Lumen der Geschlechtsdrüse eindringen und hier erst, also von
innen, wie dies Middendorf, Schiff und mit einer geringen Ab-
weichung auch Plate angeben, in die Genitalfalten eintreten. Dieser
letztern Auffassung schliesse auch ich mich an, denn ich habe
wiederholt Genitalarterien durch die dorsale Wand des Geschlechts-
organs in dieses eintreten, sich in seinem Lumen verästeln und die
Verästelungen sich alsdann zwischen den Falten des Keimepithels
verlieren sehen. Darüber, wo die Verzweigungen der Gefässe in
die Keimwülste eintreten, ob an deren Spitze, wie dies Plate will,
oder ei-st an ihrer Basis, nachdem sie sich in der Wand der Ge-
schlechtsdrüse in ein Netzwerk aufgelöst haben, wie dies Midden-
dorf und Schiff angeben, habe ich keine Klarheit erlangen können.
Die Schnitte zeigen nämlich meist ein solches Gewirr von Keim-
falten- und Gefässabschnitten, dass es ohne vorhergegangene Injection
nicht mciglich ist, zu einem sichern Urtheil über das in Rede
stehende Verhalten zu gelangen, weshalb ich meinerseits diese letztere
Frage offen lassen muss.
Bezüglich des S i n u s - u n d L a c u n e n s y s t e m s habe ich nichts
Neues ermittelt, kann aber die ausführlichen Angaben Plate's in
allen Punkten bestätigen.
Das Nervensystem.
Einen geschichtlichen Ueberblick über die das Nervensystem
der Chitonen behandelnde Literatur hat erst kürzlich Plate in
erschöpfender Weise gegeben, so dass ich in Bezug hierauf den
Leser auf diese Arbeit hinweisen kann.
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. 43
g^g CüKT VON WiSSKL,
Wie zu erwarten war, haben nach so vielen g-ründlichen Be-
arbeitungen dieses Organsystems meine Untersuchungen nicht viel
Neues ergeben. Ich werde mich daher auch hier darauf beschränken,
zu den über einzelne Punkte nocli bestehenden Oontroversen Stellung
zu nehmen.
Da ist zunächst die Frage von Interesse, ob der Schlundring,
wie Haller (10, p. 4) dies will, nocli vollständig in der Leibes wand
liegt oder, wie Plate (19, p. 157) angiebt, in der Leibeshöhle. Wie
wir sehen werden, kann nur des letztern Angabe Anspruch auf
Richtigkeit machen. Nach meinen Beobachtungen habe ich das
Cerebralmark stets gänzlich frei in der Leibeshöhle angetroffen.
Betrachtet man nämlich einen medianen Längsschnitt durch den vor
dem Schlundkopf (Fig. 52) gelegenen Theil der Leibeshöhle, so sieht
man, dass derselbe von annähernd dreieckiger Gestalt ist und von
oben und vorn durch die musculöse Körperwandung des Vorderendes
des Thieres, von unten theilweise durch die Musculatur der Mund-
scheibe (ms), von hinten dagegen durch die des Schlundkopfes und
des Mundrohres (mr) begrenzt wird. Dieser dreieckige Raum wird
nur von zwei starken dorsoventralen Schalenmuskeln (sni) und zwei
zur Buccalmusculatur geliörigen Muskelzügen {hm und hm'^) durch-
zogen, von welchen der erstere (bm) den Schlundkopf mit dem vordersten
Winkel der Leibeshöhlenwand verbindet und offenbar als Protractor
des Schlundkopfes functionirt, während der letztere {bm^yäen Pharynx
mit der Mundscheibe verbindet. Die vordere Ecke dieses Kopfhöhlen-
dreiecks wird bis zu dem hintern dorsoventralen Muskel vollständig
von reticulärem Bindegewebe (hi) erfüllt, derart, dass dasselbe sowohl
den Raum zwischen der vordem Leibeswand und dem ersten Muskel,
zwischem diesem und dem zweiten, sowie die schmalen Spalträume
zwischen den Fasern jedes einzelnen Muskels ausfüllt, während der
Raum zwischen dem zweiten Muskel einerseits und dem Schlund-
kopf sowie den beiden Buccalmuskeln andrerseits weder von Muskel-
fasern noch von Bindegewebe durchzogen ist. In diesem gänzlich
freien Raum nun liegt das Cerebralmark (cer), und zwar bildet, wie
dies schon Plate richtig dargestellt hat, sein Querschnitt ein Oval
mit schräg nach oben und vorn und nach unten und hinten gestellten
Polen, von denen der erstere sich an den hintern Dorsoventralmuskel
anlehnt, während der leztere der Innern Mundscheibenwand aufliegt.
Man ersieht also aus vorstehender Schilderung, dass das Cerebral-
mark vollständig frei in der Leibeshöhle liegt, und es
ist mir um so weniger erklärlich, wie Haller dasselbe noch in die
Pacifiscbe Chitonen. 647
Körperwaiidung hinein verlegen kann, als es nach meiner Be-
obachtung von dieser noch durch die beiden oben erwähnten Dorso-
ventralmuskeln getrennt wird. Wenn Haller (10, p, 4) ferner an-
giebt, dass der Schlundring auch von innen von ^ruskelbündeln der
Leibeshöhlenwand bedeckt Avird. so kann ich ihm darin ebenfalls
nicht beipflichten, denn nach meinen Beobachtungen liegen sämmt-
liche Muskeln, welche man etwa noch als zur Leibeshöhlenwand
gehörig betrachten könnte, vor dem Schlundring oder ausserhalb
desselben. Hierin weicht meine Darstellung auch von der Plate's
ab, denn auch diesei' Autor bringt in seiner tig. 13. tab. 1 (19)
vor dem Nerveuring innerhalb der Leibeshöhle keinerlei von deren
Wand gesonderte Muskelzüge zur Anschauung, sei es, dass diese
von ihm übersehen worden, oder aber, dass sie bei Acanthpl. echin.
mit der allgemeinen Musculatur der Leibeswand zu einem Ganzen
verschmolzen sind. Ich habe diese beiden Muskelzüge auf Schnitten
stets als von der eigentlichen Körperwand gesondert feststellen
können. Hinter dem Markstrang befindet sich, wie erwähnt, nur
die zum Schlundkopf gehörende sog. Buccalmusculatur, deren Vor-
handensein aber zu der Täuschung, als liege der Schlundiing noch
in der Körperwand, keinerlei Veranlassung geben kann.
Von der obern Kante des Cerebralmarks zieht sich dorsalwärts
an der hintern Kante des zweiten Dorsoventralmuskels entlang eine
feine bindegewebige Haut (Fig. 52, hi^) bis zur Eückenwand der
Leibeshöhle. Diese Haut endigt an der Dorsalkante des Markstranges,
wie dies Plate schon betont, ohne sich ventralwärts bis zur Mund-
scheibe fortzusetzen. Seitlich zieht diese Membran an zwei lateralen
Dorsoventralmuskeln wiederum bis zur dorsalen Körperwand in die
Höhe, wie dies ein Querschnitt (Fig. 53, hi^) aus der Gegend un-
mittelbar vor dem Schlundring zeigt. Verfolgt man die Querschnitt-
serie von hier aus um einige Schnitte nach hinten bis dahin, wo
das Cerebralmark getroffen wird (Fig. 54, bi^), so sieht man, dass
sich die in Rede stehende Haut mit dem allmählichen Verschwinden
des medianen Muskels in immer breiterer Ausdehnung auf das
Cerebralmark auflegt, bis schliesslich, noch etwas w^eiter nach hinten,
dessen ganze Dorsalkante von ihr überzogen wird und somit dorsal-
wärts vom Cerebralband ein vollständiger Abschluss der vordersten
Ecke der Leibeshöhle von deren übrigem Lumen erzielt wird. Da-
gegen bleibt ventralwärts vom Hirnmark, wie dies Plate schon
nachgewiesen hat. die Communication offen. Bis hierher also stimmt
meine Darstellung mit der Platk's in allen wesentlichen Punkten
43*
g48 Cl'rt von Wissel,
iiberein. Anders verhält es sich in Bezng auf die vom Cerebralmark
austretenden Nerven. Von diesen unterscheidet Plate vier ver-
schiedene Gruppen: eine dorsale Reihe, eine mediane und zwei
ventrale, während Haller nur die dorsale und die beiden ventralen
constatirt hat. Die Nerven der dorsalen Reihe treten nach Plate
an der vordem dorsalen Kante des Markstranges aus, ziehen sich
an der vordem Fläche der oben erwähnten Bindegewebsmembran
entlang bis zur Kürperwand hin und innerviren nach Plate den
Mantel, die Seitenwand und wahrscheinlich auch die Rückenwandung
des ersten Segments. Die Nerven der medianen Reihe sind nach
Plate die feinsten; er sagt von ihnen: „Erst auf Schnitten erweisen
sie sich als echte Nerven, w^elche von der nach aussen gekehrten
Fläche des Cerebralmarkes entspringen und die Seitenwand des
Kopfes versorgen. Sie stehen meist in der mittlem Höhe der
vordem und äussern Fläche des Gehirns, aber nicht genau in
derselben Ebene." Was diese beiden Gruppen von Nerven betrifft,
so weichen meine Beobachtungen wesentlich von denen Plate's ab.
Bei genauer Durchsicht lückenloser Schnittserien habe ich nur eine
Reihe von Nerven aus der dorsalen Hälfte des Schlundringes aus-
treten sehen. Diese Nerven (Fig. 52, n) entspringen um ein weniges
ventralwärts seiner vordem und obern Kante in wagerechter Reihe
und annähernd gleicher Höhe und ziehen von dort durch die beiden
dorsoventralen Muskelzüge und das Bindegewebe hindurch nach dem
vordem Rand des Mantels, welchen sie innerviren. Hirer Lage
nach würden sie also mehr der medianen als der dorsalen Nerven-
reihe Plate's entsprechen. Auch ist ihre Stärke keineswegs so un-
bedeutend, dass man sie leicht übersehen könnte. Von den nach
Plate direkt am dorsalen Pol des Markstranges austretenden und
an der äussern Fläche der oben erwähnten Bindegewebsmembran
dorsalwärts verlaufenden Nerven habe ich dagegen nichts wahr-
nehmen können, trotzdem dieselben stärker als die der medianen
Reihe sein sollen. Ich kann daher nur annehmen, dass hier in der
Verschiedenheit der Arten begründete Abweichungen obwalten und
dass das von mir geschilderte Verhalten das ursprünglichere ist,
während das von Plate beschriebene sich erst aus jenem abgeleitet
hat. In Bezug auf die ventrale oder, wenn man will, die beiden
ventralen Nervenreihen weiss ich den Angaben Plate's nichts Neues
hinzuzufügen, kann dieselben vielmehr nur in allen Punkten be-
stätigen. Diese Nerven (Fig. 52, n'^) entspringen entweder direct
an der ventralen und hintern Kante des Schlundringes oder in ge-
Pacifische Chitoueu. ß49
ringer Entfernung- oberliall) derselben an der nach hinten gekelirten
Fläche und innerviren aucli nacli meinen Beobachtungen aus-
schliesslich die ]\lundscheibe , in welche sie direct aus dem
Markstrang heraus eintreten. Dagegen habe ich ebenso wenig wie
Plate feststellen können, dass sie auch Zweige an zum Mund- und
ßuccalapparat gehörige Theile abgeben, wie Hallku dies angiebt.
Was die übrigen Lageverhältnisse des Centralnervensystems
anlangt, so kann ich die Schilderung Plate's in allen wesentlichen
Punkten bestätigen : Verfolgen wir das hufeisenförmig gebogene
Centralmark in seinem weitern Verlaufe nach hinten, so sehen wir,
dass dasselbe an beiden Seiten an Dicke zunimmt. Diese Dicken-
zunahme erreicht ihr ]\Iaximum kurz vor der Stelle, an welcher die
Trennung in das Lateralmark einerseits und das Pedal- plus Sub-
cerebralmark andrerseits eintritt. Fig. 58 stellt einen Schnitt durch
diese Partie des Cerebralmarkes dar, wobei zu bemerken ist, dass
die Bezeichnungen pleur, ped und suhc hier, wie auch in Fig. 55, 56,
57, anticipirt worden sind, da wir ja correcter Weise hier nur von
einem Cerebralmark sprechen können, weil die Trennung in Pleural-,
Pedal- und Subcerebralmark erst weiter nach hinten erfolgt. Mit
welchem ßecht diese Bezeichnungen für die einzelnen Theile schon
hier Verwendung fanden, darauf werde ich weiter unten bei Schilde-
rung der interessanten, schon von Plate hypothetisch verwertheten
histologischen Structur näher eingehen. Wie man sieht, hat der
Schnitt (Fig. 58) eine nach hinten zu verdickte, keulenförmige Ge-
stalt. Unmittelbar hinter der dicksten Stelle findet die erste
Spaltung des ]\Iarkstranges in der oben bezeichneten Weise statt,
d. h. das äussere abgespaltene Drittel zieht als Lateralstrang nach
hinten und bis zur Gegend der Kiemen an den Seiten des Thieres
in die Höhe, während die restirenden zwei Drittel, d. i. Pedal- plus
Subcerebralsti-ang, noch eine kurze Strecke verbunden in derselben
Höhe wie vor Abgabe des Lateralmarkes verlaufen. Bald jedoch
findet an diesem innern Theile des Markstranges die zweite Theiluug
statt, deren eines Theilungsproduct, das Subcerebralmark, hinter der
Mundröhre quer durch die Leibeshöhle hindurcli zieht, um sich mit
seiner gegenseitigen Hälfte zu vereinigen, während das zweite,
äussere Theilungsproduct, das Pedalmark, noch eine kurze Strecke
frei durch die Leibesiiöhle nach hinten zieht, um sich darauf in die
Muskelmasse des Fusses einzusenken. Noch an diesen frei in der
Leibeshöhle liegenden Abschnitt des Pedalmarkes tritt das erste
Lateropedalconnectiv heran, welches also, da auch das Lateralmark
QqQ Cürt von Wissel,
erst ein kleines Stück weiter nach hinten in die ]\Iuskelwandung
der Körperseiten eintritt, völlig frei in der Leibeshöhle liegt.
Direct an derselben Stelle, an welcher die Trennung in Pedal- und
Subcerebralmark stattfindet, entspringen aus dem letztern ungefähr
einander vis-ä-vis nach vorn und hinten zwei Nervenstränge, näm-
lich nach vorn die Buccalcommissuren, welche an die dem Schlund-
kopf direct unterhalb der Speicheldrüsen aufliegenden Buccalganglien
herantreten, nach hinten die zum Subradularorgan ziehenden Sub-
radularcommissuren. Haller weicht von dieser Schilderung in so fern
ab, als er die Subcerebralcommissuren innen von und neben der
Buccalcommissur aus dem Subcerebralmark austreten lässt, während
Plate's Beschreibung in allen diesen Punkten mit der meinigen
übereinstimmt. In Bezug auf die Buccalcommissuren sind nach ein-
ander sehr verschiedene Auffassungen vertreten worden: Während
nämlich schon Beandt (4) richtig zwei Commissuren zwischen den
beiden Buccalganglien angiebt, leugneten v. Ihebing (13) und
Haller (10) das Vorhandensein der vordem derselben, v. Iherikg
(14) corrigirte diesen Irrthum allerdings später wieder. Ich meiner-
seits habe stets beide Commissuren nachweisen können. Bei dieser
Gelegenheit möchte ich bemerken, dass ich unter Buccalcommissuren
nur die beiden Ganglienzellen enthaltenden Verbindungen der beiden
Buccalganglien unter einander verstehe, während man die nur
Nervenfasern enthaltende Verbindung des jederseitigen Buccal-
ganglion mit dem Subcerebralstrang, welche Plate auch als Buccal-
commissur bezeichnet, wohl correcter ein Connectiv nennt. Die Lage
der Buccalganglien wurde schon oben angegeben. Von ihren beiden
Commissuren ist die vordere die weitaus kürzere, indem sie die
beiden Ganglien fast direct verbindet, abgesehen davon, dass sie, wie
dies schon Plate angiebt, etwas nach vorn ausgebuciitet ist. Ebenso
kann ich die Angabe Plate's bestätigen, dass aus der ausgebuchteten
Mitte der Commissur zwei die Vorderwand der Mundhöhle ver-
sorgende Nerven austreten, die beiden zartem dagegen, welche
innen von den erstgenannten abgehen sollen, habe ich bei der vor-
liegenden Species nicht feststellen können. Ebenso habe ich nur
ein Paar nach hinten von der vordem Buccalcommissur abtretende
Nerven beobachten können, nämlich diejenigen, welche nahe an den
Buccalganglien entspringend nach hinten ziehen, um dann die
Speicheldrüsen zu innerviren. Auch hier vermochte ich also das
ausserdem noch von Plate beobachtete innere Nervenpaar, welches
in das Dach des Pharynx eindringen soll, nicht aufzufinden. Dieses
Pacifische Chitoueii. 651
negative Resultat hat wohl jedenfalls seinen Grund in den Grössen-
unterschieden der beiderseits untersuchten Arten. Die hintere Buccal-
commissur beschreibt einen weiten Bogen zwischen den Radula- und
Pharyngealdivertikeln hindurch nach hinten, wo sie auf dem Pharynx
aufliegend direct unter der Einmündungssteile des Oesophagus hin-
durchzieht. Die von Plate namhaft gemachten, von dieser Commissur
austretenden drei Nervenpaare habe auch ich sämmtlich nachweisen
können: nämlich ein Paar, welches die Raduladivertikel versorgt
und ungefähr in mittlerer Höhe jederseits aussen von der Commissur
abgeht, zweitens, den beiden Nerven dieses Paares annähernd gegen-
über die beiden Nerven des zweiten, die Pharyngealdivertikel ver-
sorgenden Paares und endlich am hintern Ende zwei stärkere
Nerven, welche an die Radulascheide und deren Muskulatur heran-
treten. Ein weiterer, sehr starker Nerv schliesslich tritt jederseits
aus dem Buccalganglion selbst aus und zwar in dem rechten Winkel,
welchen die beiden Commissuren an ihrer Ursprungsstelle mit ein-
ander bilden. Diese beiden Nerven laufen auf dem Pharynx unter-
halb der Speicheldrüsen und der Schlundkopfdivertikel nach hinten,
schlagen sich hinter den letztern nach oben auf die Dorsalseite des
Oesophagus, wo sie sich jederseits der Mittellinie nähern, so dass es
mir, ebenso wie Haller, schien, als wenn sie sich hier oberhalb des
Oesophagus, ähnlich wie die beiden Seiten der oben bescliriebenen
unteren Buccalcommissur unterhalb desselben, zu einer, dann dritten,
Buccalcommissur vereinigten. Leider gaben die Schnitte gerade an
dieser Stelle keine völlige Klarheit. Plate hat diese Nerven noch
in der A\'andung des Oesophagus eine Strecke nach hinten verfolgt.
Ich konnte nach ihrer, eben erAvähnten, grossen Annäherung an
einander auf den folgenden Schnitten nichts mehr von ihnen ent-
decken. Da sich aber wohl in diesem Punkte die verschiedenen
Species durchaus gleich verhalten dürften, möchte auch ich diese
Nerven vorläufig als Nerven und nicht als eine Commissur auffassen.
Die gegenüber von den Buccalconnectiven aus dem Subcerebralmark
austretenden Subradularconnective begeben sich in kurzem Bogen
nach hinten auf die Dorsalfläche des Subradularorgans, um von oben
jederseits in die beiden Ganglien des letztern einzutreten, welche
durch eine kurze Commissur, nicht, wie von Ihering dies will,
durch deren zwei mit einander verbunden sind. Was schliesslich
die Lage der zwei Paar den Körper der Chitonen von vorn nach
hinten durchziehenden Markstränge, des Pedal- und des Lateral-
markes, anlangt, so kann ich selbstverständlich hier noch weniger
g52 CURT VON WiSSEL,
als bei den vorher behandelten Theilen des Centralnervensj^stems
dem sclion Bekannten etwas Nenes hinznfüg'en nnd beg-nüg-e mich
daher damit, die wesentlichsten Punkte nochmals hervorzuheben,
resp, bei noch zweifelhaften, meine Befunde mitzutheilen : Das hintere
Ende des Pedalmarkes scheint stets in mehrere dünne Fasern aus-
zulaufen, welche mitunter durch Anastomosen mit einander in Ver-
bindung treten, wie dies schon Plate für Acantliopl. echin. dargestellt
hat. Auch die Angabe Plate's, dass die beiden Schenkel des Lateral-
markes sich in unveränderter Dicke über dem Enddarm mit einander
vereinigen, habe ich bestätigt gefunden. Was die von den Lateral-
strängen abgehenden Nerven anlangt, so führt Plate ausser den
beiden auch schon von frühern Autoren nachgewiesenen, zu jeder
Kieme gehörigen Nerven noch zwei weitere an, welche er als obern
und untern Mantelnerv bezeichnet. Ich habe diese beiden Nerven
ebenfalls wiedergefunden, allein sie traten in den meisten Fällen
nicht in derselben Querebene mit den Kiemennerven aus, wie Plate
meint, sondern waren fast immer erst auf Querschnitten nachzuweisen,
welche die Wurzeln der Kiemennerven nicht mehr zeigten. Zudem
sind sie auch stets bedeutend seltener als die letztern, welche con-
stant mit jeder Kieme auftreten. Das Gleiche lässt sich auch von
den Lateropedalconnectiven sagen. Auch sie sind bei weitem nicht
so zahlreich wie die Kiemen und deren Nerven, und auch bei ihnen
habe ich nicht den Eindruck gewonnen, als wenn sie vorzugsweise
mit den Kiemennerven correspondirten , denn die Fälle, wo dies
stattfand, waren keineswegs häufiger als die gegentheiligen. Zu
dem gleichen negativen Eesultat bin ich in Bezug auf das wechsel-
seitige Verhalten der Pedalcommissuren zu den Lateropedalconnec-
tiven gelangt, wenn auch hier ungleich häufiger aus den beiden
oberen Kanten des im Querschnitt annähernd rechteckigen Pedal-
stranges in derselben Ebene ein Connectiv und eine Commissur aus-
tritt. Wie schon Plate hervorhebt, sind letztere ungleich häufiger
als erstere. AVenn ich zum Schluss noch erwähne, dass ich die
beiden Eeihen von Fussnerven, die äussere an der untern, äussern
Kante, die innere an der untern, Innern Kante des erwähnten
viereckigen Markquerschnitts, stets angetroften habe, dürfte alles
auf die Topographie des Centralnervensystems sowie der von dem-
selben ausstrahlenden Nerven Bezügliche erwähnt worden sein.
Was die Histologie des Cerebralmarkes anlangt, so hat Plate
zum ersten Mal auf die typische Anordnung der Ganglienzellen
aufmerksam gemacht und auf dieselbe seine sehr interessante und,
Pacifische Chitonen. 653
wie auch ich glaube, durchaus begründete Theorie über die Zusammen-
setzung des Geliirns gestützt. Durchmustern wir nämlich eine
Querschnittserie durch den Kopf eines Chitonen von vorn nach
hinten, so erscheint auf dem ersten das Gehirn treffenden Schnitt
dieses zunächst als ein in sich einheitliches Band mit dem typischen
continuirlichen Kandbelag von Ganglienzellen, welche nach innen
die Nervenfaserschicht umschliessen, in die nur sporadisch kleine
Gruppen von Ganglienzellen eingestreut sind. Verfolgt man nun die
Serie um einige Schnitte nach hinten, so wird unter diesem ersten
Baude (Fig. 55, pkiir) ein zweiter Abschnitt sichtbar (ped), welcher
zwar fest mit dem ersten zusammenhängt, sich aber doch histologisch
deutlich durch seinen eignen Grenzbelag von Ganglienzellen als
gleichwerthigen Abschnitt des gesammten Cerebralbandes kenn-
zeichnet. Wieder weiter nach hinten (Fig. 56, ped) wächst dieser
Abschnitt auf Kosten des ersten (i)leur) in die Breite, um ihn noch
weiter nach hinten (Fig. 57, ped) in der Mitte ganz zu verdrängen,
so dass sich derselbe {pleur, pleur) auf diesem Schnitt nunmehr nur
noch an den beiden Seiten erhält. Auf demselben Schnitt aber wird
ventralwärts ein dritter Abschnitt {suhc) sichtbar, welcher sich seiner-
seits nach hinten zu verbreitert und, in derselben Weise wie vorher
der Abschnitt ped den Abschnitt pJcur, nun den erstem verdrängt.
In dieser Region sind war nun schon so weit nach hinten gekommen,
dass das ({uer vor dem Schlundko])f durchziehende Hirn nicht mehr
durch den Schnitt getroffen wird, sondern nur noch seine beiden
seitlichen, nach hinten ziehenden Schenkel. Einen solchen schräg
getroffenen Abschnitt stellt Fig. 58 dar, an welchem wir wiederum
histologisch drei Theile {pleur, ped und sid)c) unterscheiden können,
und zwar bilden diese drei Theile die directe Fortsetzung der in
gleicher Weise bezeichneten Theile der Figg. 55 — 57. Andrerseits
setzen sich diese drei unterschiedenen Abschnitte nach hinten con-
tinuirlich in das spätere Pleural- bzw. Pedal- und Subcerebralmark
fort. — Alle diese Verhältnisse hat schon Plate festgestellt und
daraus den sehr folgerichtigen Schluss gezogen, dass das äusserlich
durchaus einheitliche Cerebralmark (auch ich habe nicht einmal eine
Furche an demselben wahrnehmen können) phylogenetisch aus
mehreren ursprünglich getrennten Theilen entstanden ist, Plate
nimmt deren zwei an: Es sollen nämlich sowohl die Pedal- wie die
Lateralstränge je eine besondere vordere Bogencommissur gebildet
haben, welche beide nur durch zahlreiche vordere Lateropedal-
connective mit einander verbunden waren. Durch allmähliches
g^^ CUET VON WiSSEL,
Kürzerwerden dieser letztern wurden die beiden Bogencommissuren
einander immer näher gerückt, um scliliesslich unter Verlust der
Connectiye gänzlich mit einander zu verschmelzen. Das Snbcerebral-
mark dagegen fasst Plate als ursprünglich erste Pedalcommissur
auf. Dass dasselbe ursprünglich kein echter Markstrang gewesen
sei, glaubt der genannte Forscher daraus schliessen zu müssen, dass
der Ganglienzellenbelag an ihm nicht so dicht ist wie an den andern
Theilen des Gehirnringes, welches Verhalten in Verbindung mit der
Thatsache, dass eine grosse Anzahl von Nerven von dem Sub-
cerebralstrang abtreten, schwer verständlich sei (19, p. 160). Mit
Ausnahme dieser letzten, die genetische Bedeutung des Subcerebral-
stranges betreffenden Hj^pothese schliesse ich mich ganz der Theorie
Plate's an, nur möchte ich dem entsprechend das Cerebralmark
nicht nur, wie Plate, aus zwei, sondern vielmehr aus drei, ur-
sprünglich vollständig von einander getrennten Theilen entstanden
wissen, nämlich zunächst aus den beiden schon von Plate ange-
nommenen Bogencommissuren der Pedal- und Lateralsträuge und
drittens aus der vordem Hälfte eines Markringes, dessen hintern
Abschnitt eben das Subcerebralmark darstellt. Die Gründe, welche
Plate von dieser Deutung abhielten, wurden schon oben angeführt.
Es war vor Allem die angebliche Abnahme der Ganglienzellen bei
doch zahlreich abtretenden Nerven, welche Plate die ursprüngliche
Markstrangnatur des Subcerebralmarks unwahrscheinlich erscheinen
liess. Dem gegenüber möchte ich bemerken, dass das spärlichere
Auftreten der den Randsaum bildenden Ganglienzellen des Sub-
cerebralstranges gegenüber denjenigen des Pedal- und Lateralmarks
zwar nicht zu verkennen ist, dass aber andrerseits auch der in
Fig. 57 mit siihc bezeichnete unterste Abschnitt, welcher ja, wie wir
gesehen haben, die vordere continuirliche Fortsetzung des Sub-
cerebralstranges ist, ebenfalls nicht mehr Ganglienzellen als dieser,
dagegen weniger als die beiden andern Abschnitte {peä und pleur)
aufweist. Diesem Abschnitt {snhc) gegenüber also, mit welchem zu-
sammen es ja einen einheitlichen King bildet, hat das Cerebralmark
in nichts seine histologische Structur geändert, und so darf man
meiner Ansicht nach bei ihm weder von einer Vermehrung, noch
von einer Verminderung der Ganglienzellen sprechen. Bei dieser
Betrachtungsweise aber würde sich zwanglos die Wahrscheinlichkeit
ergeben, dass das Gehirn sich nicht nur aus zwei, sondern aus drei
ursprünglich getrennten und nur durch zahlreiche Connective mit
einander verbundenen Theilen zusammensetzt, nämlich 1. und 2. aus
Pacifische Chitouen.
655
den beiden schon von Plate angenommenen pedalen und lateralen
Bogencommissuren und 3. aus der vordem Hälfte eines das Mund-
rolir umfassenden Markringes, dessen
hintere Hälfte das Subcerebralmark
ist. Die sehematische Textfigur
Plate's würde demnach nach
meiner Auffassung die Ergänzung
durch einen innersten Eing be-
dürfen, wie dies auf nebenstehen-
der Textabbildung (Fig. J) ange-
deutet ist.
In Bezug auf die übrigen
Theile des l'entralnerveusj'Stems
kann ich die histologischen Angaben
der frühem Autoren nur bestätigen f'^"'
und gehe deshalb nicht näher auf
dieselben ein.
Fig. J.
17. CJiiton canalicatiis Qüoy et Gaimard.
Von dieser Species lagen mir zahlreiche Exemplare vor, welche
ihrer grossen Mehrzahl nach von Herrn Prof. Thilenius in T a u r a n g a
auf Neuseeland gesammelt wurden, während drei Stück von Herrn
Prof. ScHAUiNSLAKD voui Freuch-Pass mitgebracht wurden. —
Am bemerkenswerthesten ist an diesem Chiton die ungemein grosse
Variabilität in der Farbe, welche durch Wort und Bild zu erschöpfen
beinahe unmöglich ist, weshalb ich mich darauf beschränken muss,
die häufigsten Farbenvarietäten zu beschreiben mit dem Hinweis
darauf, dass dieselben ilirerseits wieder in schier zahllose Unter-
varietäten zerfallen und andrerseits auch durch ebenso viele Zwischen-
färbungen mit einander verbunden werden.
Am häufigsten sind unter den mir vorliegenden sehr zahlreiclien
Thieren solche von licht rosarother und solche von licht grüner Grund-
farbe (Fig. 59, 60). Bei beiden kann die entsprechende Grundfarbe
sich fast ausschliesslich über die gesammte Schale und den Mantel
erstrecken, was jedoch der seltnere Fall ist. In den meisten Fällen
macht sich vielmehr mehr oder weniger deutlich eine Zeiclmung in
Folge Auftretens von anders gefärbten Partien bemerkbar: so ist
sehr liäufig der Kiel bedeutend heller, wie dies bei der grünen
Varietät (Fig. GOj wiedergegeben ist, und dann beiderseits von einer
dunklern dreieckigen Zone eingefasst. Aber ebenso häufig und zwar
ß56 C0RT VON WiSSEL,
auch bei beiden Färbuugsvarietäten, ist der Kiel dunkel braunsclnvarz,
wie dies bei Fig-. 59 wiedergegeben ist. Fast immer befindet sich
am Hinterrande jedes Tegmentums eine Reihe von vier bis sechs
bräunlichen Flecken (Fig. 59, 60).
Ausser diesen beiden Hauptfärbungen kommen neue Variationen
dadurch zu Stande, dass das Rosa, beziehungsweise das Grün noch
mehr verblasst. Es resultiren daraus rein gelbe Thiere, manchmal
mit etwas rosa Anflug, manchmal mit feinen grünen Spritzflecken
besät. Oder aber das Schwarz des Kieles greift auch auf weitere
Schalentheile über, es werden ganze Schulpen braunschwarz, wie
dies auf Fig. 61 bei der ersten und letzten der Fall ist, ja es kann
die ganze Schale braunschwarz sein, ein allerdings seltener Fall.
Umgekehrt kommen auch, wenngleich ebenfalls selten, ganz hell
gelbe oder auch weissgelbe Thiere vor, deren Schale nur mit kleinen
grünlichen Flecken bedeckt ist. Eine besonders schöne Färbung
zeigte das Exemplar, welches in Fig. 62 dargestellt ist: hier sind
die erste und die letzte Schulpe ebenfalls fast ganz schAvarzbraun,
welche Farbe auch die vordem Kielhälften der ]\Iittelschulpen sowie
einen Streifen vor jeder Diagonallinie einnimmt. Der dazwischen
liegende Theil der Mittelfelder ist grün, die Seitenfelder sind
wiederum braun mit gelblich-rosarother Einfassung. — Die Grundfarbe
der Manteloberseite entspricht fast immer der der Schalen, und zwar
ist der Mantel entweder einfarbig, wie dies Fig. 59 zeigt, oder aber,
und das ist der häufigere Fall, die Grundfarbe ist durch mehr oder
weniger regelmässige Querbänder unterbrochen, wie dies die übrigen
Figuren (60—62) zeigen.
Die Sculptur der Schalen ist überall dieselbe und be-
sonders durch die tiefen längsverlaufenden Riefen der Mittelfelder
charakterisirt. Im üebrigen ist die Beschreibung Pilsbry's (26,
p. 177) zutreffend.
Die M e s s u n g ergab bei einem der grössten Thiere eine Länge
von 23 mm und eine Breite von 12 mm, bei dem kleinsten eine
Länge von 6 mm und eine Breite von 3 mm.
Die Zahl der Kiemen beträgt jederseits 30—32, und zwar
sind ca. die 12, — 20. als Maximalkiemen zu bezeichnen. Die Kiemen-
reihen endigen vorn in der Querebene des 1. Intersegments und
reichen nach hinten bis zur Querebene des Afters, ihre Anordnung
ist also holobranch und adanal mit Zwischenraum.
Die Genitalöffnung lag zwischen Kieme 7/8, die Nieren-
öffnung zwischen Kieme 6/7.
Pacifische Chitonen. 657
Die Lateralfalte ist schmal und endigt ohne Verbreiterung
an der letzten Kieme.
Osphradien sind vorhanden.
Die Lagerung der Darmschlingen ist die des Chifon-Tjj^ns.
Die Eadula (Fig. 63) hat eine sehr kleine und schmale Mittel-
platte (m), deren Schneide in der Mitte einen kleinen Zapfen trägt.
Ihre Basalplatte ist dagegen über noch ein mal so lang und wieder-
holt genau ihre Form. Die Zwischenplatte (>) besitzt einen halb-
kreisförmigen Flügelfortsatz nach innen. Die Hakenplatte (h) hat
einen langen Stiel, welcher in seinem basalen Drittel eine kleine
Hervorwölbung nach innen besitzt.
Auch von dieser Species habe ich einige Exemplare der histo-
logischen Untersuchung geopfert und fand ihre Histologie mit den bis-
herigen Schilderungen mehr übereinstimmend als die vorigen. So
wies hier der Oesophagus ein cylindrisches Lumen und echte
Cilien auf. und im Darm Hessen sich zwei histologisch so scharf
geschiedene Abschnitte, wie ich sie bei Chiton sindairi beschrieben
habe, nicht feststellen. Vielmehr waren hier die Drüsenzellen im
ganzen Verlauf des Darmcanals verstreut, traten aber dafür überall
nur verhältnissmässig spärlich auf. Das Magen- sowohl wie das
Darmepithel flimmert in allen seinen Theilen.
Auffallender Weise fehlten den sehr kleinen und jugendlichen
Exemplaren die Zuckerdrüsen gänzlich, aber in dem hintern
"\Mnkel der Phar3'ngealdivertikel findet sich jederseits eine l)lind
endende Ausstülpung, welche ein flaches cubisches Epithel aufweist,
also jedenfalls die Erstanlage der Ausführgänge der Zuckerdrüsen
repräsentirt. Diesem Befund nach würden sich die letztern erst im
Verlauf der postembryonalen Entwicklung durch Ausstülpung der
Divertikelwandung und darauf folgende Zottenbildung durch Ein-
stülpung entwickeln.
In Bezug auf die übrigen Organsysteme haben sich wesentliche
Verschiedenheiten von den für Chiton sindairi gemachten Angaben
nicht ergeben.
Die Eischale ist mit einem dichten Wald von Stacheln be-
setzt, welche denen von Chiton quoyi sehr ähnlich sind. Ihre Krone
weist jedocli nicht 5, sondern 6 Zacken auf. Zwischen diesen scheint
eine protoplasmatische Substanz enthalten zu sein, welche sich im
C'entrum des Ziukenkranzes kuppeiförmig hervorwölbt und in welcher
hell gelbe Pigmentkörnchen eing-ebettet sind.
g58 CURT TON WiSSEL,
Familie lAolophitrinae Pilsbry.
18. Onithochiton semisculptus Pilsbry.
6 Exemplare von Herrn Prof. Schautnsland auf den Chatliam-
Inseln gesammelt. Das grösste hatte eine Länge von 33 mm und
eine Breite von 29 mm, das kleinste eine Länge von 18 mm und
eine Breite von 14 mm. Diese Species zeichnet sich also durch eine
verhältnissmässig grosse Breite aus.
Die Beschreibung von Pilsbry (26, p. 244—247) ist zutreffend.
Die Schalen (Fig. 64) haben eine grosse Ausdehnung von
rechts nach links, während der Mantelrand nur schmal ist. Es
kommen z. B. bei dem Exemplar von 29 mm Breite jederseits nur
5 mm auf den Mantel, auf die entsprechende Schulpe, die 4., da-
gegen 19 mm. Der Kiel tritt sehr scharf hervor, und der Mucro
befindet sich bei sämmtlichen Schalen am Hinterrande. Die Diagonal-
linien sind ebenfalls gut ausgeprägt und die erste Schale sowie die
Seitenfelder der Mittelschalen fein radiär gefurcht. Die Färbung
der Schalen ist in den meisten Fällen lichtgrün mit dicht an
einander gereihten dunkel olivgrünen bis bräunlichen feinen Parallel-
streifen, wie dies auf der Abbildung (Fig. 64) bei Schulpe 2 und 6
wiedergegeben ist. — In einzelnen Fällen kann auch der Grundton
hell gelb bis weiss werden. — Während bei 3 der mir vorliegenden
Exemplare sämmtliche Schulpen in der beschriebenen Weise gestreift
sind, wird diese Zeichnung bei den 3 übrigen fast ganz von einem
dunkel blauschwarzen Grundton verdrängt, welcher sie nur hier und
da andeutungsweise hervortreten lässt (Fig. 64, Schulpe 1, 3, 4, 5,
7 und 8). Diese dunkle, beinahe einfarbig blauschwarze Färbung
entsteht dadurch, dass die dunkeln Linien breiter und breiter werden
und schliesslich den hell grünen oder gelben Grundton ganz oder
beinahe ganz verdrängen. — Die Augenpunkte sind auf Scliulpe 1
in zahlreichen radiären Eeihen angeordnet, auf den übrigen Schulpen
treten sie längs der Diagonallinien in doppelter bis dreifacher Reihe
und ausserdem noch bisweilen in einer weitern Reihe im hintern
Drittel der Seitenfelder auf.
Die Färbung des Mantels ist gelb und braun marmorirt.
Schon mit blossem Auge betrachtet erscheint er namentlich an seinen
dunklen Partien wie mit feinem, weissem Mehlstaub bedeckt, was
von den Spitzen der zahlreichen kleinen Kalkstacheln herrührt, welche
seine Oberfläche bedecken. Diese Kalkstacheln (Fig. 65 a) sind
Pacifische Chitonen. 659
theils ganz farblos, theils braun mit farbloser Spitze, und zwar
wechseln Gruppen von farblosen mit solchen von braunen Stacheln
unregelmässig ab, wo(lui:ch die oben erwähnte gelbbraun marmorirte
Zeichnung des Mantels hervorgerufen wird. Einige wenige farblose
Stacheln finden sich stets auch in den Complexen der braunen und
umgekehrt. Die Länge der Stacheln beträgt im Maximum ca. 400 u
und durchläuft von da alle Abstufungen bis zum Avinzigen kugel-
förmigen Stachel von 66 n Durchmesser (Fig. 65 aj. Am Mantel-
rand reihen sich die Stacheln eng an einander und bilden so eine
dichte Palissade, ohne jedoch Avesentlich an Grösse zuzunehmen. An
der Basis der Stacheln befand sich stets ein deutlicher Chitin-
becher.
Die Ventralfläch e des Mantels ist dicht mit kleinen
Kalkschuppen bedeckt (Fig. 65 b). Die Länge dieser Schuppen
beträgt ca. 120 f(, ihre Breite ca. 70 ft. Sie sind farblos und durch
zarte, nach der Spitze zu convergirende Längsstreifen sculpturirt.
Ihr basales Ende ist in der Mitte concav ausgebuchtet, und die
Schuppen sind derart in dichten radiären Reihen angeordnet, dass
stets die distale convexe Rundung einer Schuppe in die concave
Ausbuchtung der vor ihr befindlichen eingelagert ist.
In Bezug auf den äussern Habitus ist endlich noch zu be-
merken, dass die Mundscheibe durch eine tiefe, halbkreisförmige
Falte in zwei Theile zerlegt Avird. nämlich in die eigentliche Mund-
scheibe und in einen halbkreisförmig sie umgebenden, hinten in zwei
Zipfel auslaufenden Randstreifen.
Die Anordnung der Kiemen ist holobranch und adanal mit
Zwischenraum. Ihre Zahl beträgt jederseits 31 — 32, und man kann
die 4. — 19. als Maximalkiemen bezeichnen.
Die Lage der Geschlechts- und der Nierenöffnung ist
in so fern als exceptionell zu bezeichnen, als beide sich nicht in der
Querebene des Zwischenraums zweier Kiemen befinden ; GO ist viel-
mehr der Kieme 8 nach innen zu direct angeheftet, während RO in
Höhe der Basis der Kieme 5, jedoch ein ganzes Stück nach innen
gerückt, liegt.
Die Lateralfalte ist breit und bildet hinter der letzten
Kieme zwei grosse, runde Latei-allappen, worauf sie als niedrige
Leiste hinter dem After herumzieht.
Die Radula (Fig. 66) hat Aehnlichkeit mit derjenigen von
Onifhoch. nndnJatus und ruhiginosus. wie sie Thiele (25) auf tab. 30,
fig. 38 und 39 abbildet.
660
CüRT VON WiSSEL,
Fig. K.
Der Verlauf der Dar m s c h 1 i n g- e n gehört dem Chifon-Tj\)i\s an
und ist aus nebenstehender Textabbildung- (Fig. K) zu ersehen.
Die Hauptnierengänge reichen vorn
,.••"''" bis zur Kopffussfurche. Fussnieren fehlen.
Die Ermittlung der Beschaffenheit der Ei-
schale muss ich spätem Untersuchern über-
lassen, denn vier von den sechs mir vorliegen-
den Exemplaren erwiesen sich als männlich,
und ich trug Bedenken, die letzten zwei auch
noch zu verletzen, wo es sich doch nur um
eine verhältnissmässig nebensächliche Fest-
stellung handelt.
19. Onithochifou niavfnoratus n. sj).
Von dieser neuen Art stand mir nur ein
weibliches Exemplar zur Verfügung, welches
Herr Prof. Schauinsland am French-Pass
gesammelt hat. Seine Länge betrug 11 mm, die
Breite 5 mm. Der Habitus ist also schmal und
lang.
Die Färbung der Schalen (Fig. 67j ist hell rothbraun mit
grössern und kleinern weisslichen Flecken vor allem auf den Kiel-
und Mittelfeldern, welche der Schale ein marmorirtes Aussehen ver-
leihen. Der stark ausgeprägte Kiel ist etwas heller braun gefärbt
und jederseits von einem geflammten weissen Streifen eingefasst.
Der Apex liegt am hintern Ende, bei der achten Schale im letzten
Drittel. Auf der ersten Schale finden sich zahlreiche Augenflecke
in radiären Reihen, während dieselben auf den übrigen Schalen auf
eine meist einfache Reihe längs der Diagonallinie beschränkt sind.
Der Mantel ist zart rosa gefärbt mit intersegmental angeordneten
weissen Querstreifen. Bei starker Lupenvergrösserung lässt sich an
ihm eine feine dunkle Granulirung wahrnehmen, die durch die
Schuppen, mit welchen er dicht besetzt ist, hervorgerufen wird.
Die Hartgebilde der Ventralseite des Mantels sind ge-
nau dieselben, wie bei OnithocMton semiscnlpUts , nämlich kleine,
platte, farblose Kalkschuppen (Fig. 68 a), deren distale Hälfte zart
längsgerieft und deren basales Ende concav ausgebuchtet ist. Die
Länge dieser Schüppchen beträgt hier jedoch nur 50 /< und nimmt
nach dem Mantel hin bis zu 83 f^i zu (b). Bei diesen Randschuppen
verstreichen die Längsriefen Avahrscheinlich durch die Reibung mit
Pacifische Chitonen. ßßl
der Unterlage, auf welche das Thier aiigesaug-t ist, mehr und mehr,
so dass die grossem Eandschuppen meist in ganzer Ausdehnung
glatt und glashell sind. Genau dieselben Kalkschuppen stellen auch
das Hauptcontingent der Panzerung der Manteloberseite, nur
sind sie hier meist in ihrer basalen Hälfte von gelbrosarot her Farbe
(e, c, d). In Bezug auf die Grösse stehen sie den Ventralschuppen
ungefähr gleich, doch wachsen sie sich häufig auch bis zu einer
Länge von ca. 167 f.i aus. Ferner finden sich auch unter den ge-
färbten farblose, jedoch in geringer Zahl eingestreut, während auf
den schon erwähnten weissen intersegmentalen Querbändern diese
letztern die Hauptmasse bilden. — Mit diesen Kalkschuppen ist die
Manteloberfläche dicht bedeckt, während zwischen sie äusserst spär-
lich eingestreut sich kleine, farblose Kalknadeln (e) von einer Länge
Aon ca. 100 /t und einer Breite von ca. 17 (.i finden. Diese Nadeln
Hessen an ihrer Basis stets einen deutlichen Chitinbecher erkennen,
während ein solcher an den oben beschriebenen Kalkschuppen nicht
nachzuweisen war.
Die Hartelemente des Mantels sind ,:Dmit im wesent-
lichen derselben Art wie bei Omthoddion semisculptus, aber ihre
Yertheilung ist eine durchaus abweichende. Während nämlich bei
letzterer Species die abgeplatteten Kalkschuppen durchaus auf die
Ventralseite des Mantels beschränkt sind und die Dorsalseite aus-
schliesslich mit einem dichten Panzer von Stacheln mit Becher be-
setzt ist, treten diese letztern Hartgebilde bei Onithochiton manuoratus
ganz in den Hintergrund, wohingegen die Kalkschuppen der Ventral-
seite ihre Stelle auch auf dem Mantelrücken einnehmen und nur
hier und da einige spärliche Beste der wohl ursprünglichen Stachel-
bewattiiung übrig gelassen haben.
Die Zahl der Kiemen betrug rechts 23, links 24 und ihre
Anordnung ist dieselbe wie bei der vorhergehenden Art.
Auch die Lateralfalte verhält sich ebenso wie bei Onitho-
chiton scmisculptus, d. h. sie ist breit und bildet jederseits hinter der
letzten Kieme einen grossen rundlichen Lappen.
Die Radula (Fig. 69) hat eine verhältnissmässig kleine und
dünne Mittelplatte (m) mit zwei grossen seitlichen Flügeln; die
Zwischenplatte (^) ist ähnlich wie bei Omthochiton semisculptus und
zeichnet sich hier ebenfalls durch grosse Länge aus; der Stiel der
Hakenplatte (h) ist bedeutend dicker als bei der vorigen Art und
besitzt einen rundlichen nach aussen sich abzweigenden Flügel; die
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. ■l-l
gßO CURT VON WiSSEL,
Seitenplatte (s) ist klein nnd von dreieckiger Gestalt, ihre Schneide
ist sanft concav ausgebuchtet.
Die Lage der D a r m s c h 1 i n g e n ist dieselbe wie bei der vorigen
Art, und ich verweise deshalb auf die dort beigegebene Text-
abbildung.
Die H a u p t n i e r e n g ä n g e reichen vorn bis zur Kopffussfurche.
Fussnieren fehlen.
Das Ovar enthielt nur unreife Eier, so dass sich über die Ei-
schale nichts ermitteln Hess. Muthmaasslich hatte ich also ein noch
jugendliches Exemplar vor mir, und die Art dürfte vielleicht eine
weit beträchtlichere Grösse erreichen als das Tliier, welches mir
vorlag.
Anhang.
Unter dem mir von Herrn Prof. Schauinsland überlassenen
Material fanden sich ausser Chitonen noch eine Anzahl Gläser mit
Oucidiideu, und zwar gehörten dieselben 3 Species der Gattung
Oitcidiella Gkay an. Da ich andern Orts (42j dieses Genus bereits
ausführlich anatomisch und histologisch behandelt und wesentlich
abweichende Beobachtungen an dem vorliegenden Material nicht
gemacht habe, lasse ich unter Hinweis auf die genannte Arbeit hier
nur die für die Systematik wichtigen Angaben folgen.
1. Oncidiella nigricans Quot et Gaimaed.
Diese Species ist von zwei Autoren bereits kurz erwähnt, jedoch
noch nicht auf ihre Anatomie hin untersucht worden. Zum ersten
Male wird ihrer von Quoy u. Gaimard (41, p. 214) gedacht, welche
ihre Länge auf nur 3 Linien angeben. In der sehr summarischen
Beschreibung wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die gesammelten
Thiere trotz ihrer Kleinheit vermuthlich kein Jugendstadium repräsen-
tirten, da sie in sehr grosser Menge an ihren Fundorten angetroffen
worden seien. Diese Motivirung scheint mir jedoch sehr wenig stich-
haltig, weil man wohl umgekehrt eher junge Thiere kurze Zeit nach
dem Ausschlüpfen aus dem Ei heerden weise antreffen wird, während
sie als ausgewachsene Exemplare durch ihre Feinde und anderweitige
Fährnisse mehr und mehr decimirt sein werden. — Die zweite Er-
wähnung dieser Art thut Semper (39, p. 278—279, Fussnote), welcher
sie als vermuthlich sehr nahe verwandt mit OncididJa patelMdes
Q. et G. bezeichnet, was jedoch, wie wir weiter unten sehen werden,
Pacifiscbe Chitouen. 663
niclit ziitriift. da die hier behandelte Art in Betreff ihrer Anatomie,
namentlich des Geschlechtsapparats, eine durchaus gesonderte Stellung-
in dem ganzen Genus einnimmt.
Die mir vorliegenden 13 Exemplare zerfallen in 2 bezüglich
des Fundorts sowohl als auch bezüglich ihrer Grösse und Färbung
so scharf gesonderte Gruppen, dass ich nach der äussern Besichtigung
fest überzeugt war, 2 verschiedene Species vor mir zu haben. Nichts
desto weniger bewies das Eesultat der anatomischen Untersucliung
unzweifelhaft, dass ich es lediglicli mit 2 verschiedenen Alters-
stadien ein und derselben Art zu thun hatte. — Die Beschreibung,
welche Quot u. Gaüiaed von dem Aeussern und speciell von der
Färbung geben, passt merkwürdiger "Weise genau auf 2 Tliiere aus
Auckland,. deren Grösse jedoch die von den genannten Autoren
angegebene weit übertrifft. Diese beiden Thiere hatten nämlich die
für Oncidiellen stattliche Länge von ca. 18 mm und eine Breite von
ca. 13 mm. Umgekehrt wiesen die übrigen 11 Exemplare, welche
vom French-Pass stammten, nur eine Länge von ca. 8 und eine
Breite von 6 — 7 mm auf. Diese 11 kleinen Exemplare aber ver-
hielten sich in ihrer Färbung durchaus abweichend von den beiden
grossen aus Auckland stammenden Thieren. So passt die Cha-
rakteristik ..Onchidium coi'pore minimo" zwar auf die erstere Gruppe,
..toto nigro" jedoch auf die beiden grossen Exemplare. Aller-
dings wird zum Schluss noch hinzugefügt „dans (luelques individus
la couleur noire passe au verdätre*'. welche Angabe sich schon eher
mit der Färbung der kleinen in Einklang bringen lässt.
So weit das mir vorliegende ^laterial in Betracht kommt, wird
der Speciesnamen nur von den beiden grossen Exemplaren aus
Auckland (Fig. 70) gerechtfertigt, denn deren Notum zeigt aller-
dings eine, wenigstens für das unbewaffnete Auge, einheitlich grau-
schwarze Färbung. Nimmt man jedoch eine Lupe zu Hilfe, so sieht
man. dass auch bei ihnen bisweilen heller gewölkte Stellen vor-
kommen. Der Tuberkelbesatz ist ein äusserst dichter, da sich
zwischen je 2 grossen stets eine grosse Anzahl kleinerer Papillen
befinden. Zwischen den Warzen ist die Rückenhaut mit einem
dichten Netz von Runzeln bedeckt. Der Mantelrand ist verhältniss-
mässig glatt und wenig gekerbt, und auch die die Mündungen der
grossen Kanddrüsen bezeichnenden liellern Randflecken treten nur
sehr unregelmässig und spärlich auf, da das schwarze Pigment auf
dem weitaus grössten Theil der Peripherie so nahe an den Rand
herantritt, dass nur ein ganz schmaler gelblicher Saum ül)rig bleibt.
44*
gg^ CURT VON WiSSEL,
Gänzlich abweichend ist die Färbung- der 11 kleinen Exemplare
vom French-Pass (Fig-. 71), da hier der Eücken gelj und braun
marmorirt oder gewölkt erscheint, und zwar kann sich die Färbung
so aufhellen, dass die gelbe Farbe entschieden voilierrscht und nur
ganz dünne, netzförmige Züge von schwarzbraunem Pigment den
Rücken überziehen, was den Thieren eine grosse Aehnlichkeit
mit OncidielJa reticulata Semper verleiht. Da jedoch Plate (17,
p. 205 — 206) von der Anatomie dieser Species eine gänzlich ab-
weichende Schilderung giebt, ist eine Identität völlig ausgeschlossen.
— Die Rückenwarzen stehen bei diesen jugendlichen Thieren viel
zerstreuter als bei den grossen. Das Auftreten der Randpapillen
ist auch hier sehr unregelmässig, indem die dunkle Farbe bald mehr,
bald weniger von ihnen bestehen lässt. — Der Fuss und die Hypo-
nota sind verhältnissmässig hell; letztere haben an den Seiten eine
ungefähre Breite von ^^ der Fussohle. Das Athemloch liegt median,
seine Entfernung ist Vo = IV2 ii^^^ ^^ ^^i den grossen und V2 = % rnm
bei den kleinen Exemplaren. — Das Peritoneum ist unpigmentirt.
Bezüglich der Verdauungsorgane ist zu bemerken, dass
die Speicheldrüsen einen etwas compactem Eindruck machen,
als man dies sonst bei Oncidiellen gewöhnt ist, weil die Endlappen
eine runde Gestalt haben und dicht gedrängt dem Ausführgang auf-
sitzen. — Die Radulapapille ist winzig klein und ragt nicht
über die Hinterbacken des Schlundkopfs hervor. — Der Rhachiszahn
der Radula (Fig. 72 r) besitzt 2 dünne und sehr gerade gestreckte
Seitenzähnclien, welche nach vorn in derselben Querebene endigen
wie der Mittelhaken. Letzterer ist ebenfalls dünn und endigt mit
breit abgestutzter Spitze. Die Pleuralzähne (]!) sind ebenfalls ver-
hältnissmässig dünn, ihre innere Kante bildet mit dem Haiipthaken
einen stumpfen Winkel. Die Formel lautet: 86, 1, 86. — Von dem
Vorhandensein eines Kiefers habe ich mich auf Schnitten über-
zeugt, doch ist derselbe so klein und hell, dass mii' eine Isolierung
unter der Lupe nicht gelang. — Der Oesophagus war stark
magenartig erweitert, zeigte aber sonst keine Besonderheit, i^uch
der Magen hatte die für die Gattung charakteristische Gestalt und
liess alle 4 Theile gut erkennen, wie ich sie schon in meiner frühern
Arbeit für die dort behandelten Arten (42, tab. 35, fig. 13) dargestellt
habe. • — Die Lage der 3 Leberportionen sowie ihrer Ausführ-
gänge in den Magen ist die typische. Die Hinterleber ist ungefähr
1) In der Terminologie bin ich dem "Werk von Plate (17) gefolgt.
Pacifische Chitonen. 665
halb so gross wie die unter sich annähernd gleich grossen beiden
vordem Lebern. — Eine bemerkenswerthe Abweichung wies der
Verlauf des Darmrohres auf, da liier zu der einfachen primären
Schlinge, welche dem Darm aller übrigen darauf hin untersuchten
Oncidiellen eigen ist. noch eine weitere secundäre hinzutritt: der
Darm verläuft hier nämlich zunächst nach seinem Austritt aus dem
Magen, wie gewöhnlich, an der Rückenfläche der Leibeshöhle nach
vorn und rechts und biegt hier, an der Seitenwand angelangt, nach
hinten um, zieht aber nun nicht, wie sonst, direct zum After, sondern
wendet sich nach kurzem Verlauf nochmals nach vorn um und bildet
so eine annähernd viereckige, zweite Schlinge, welche an der rechten
Seitenwaud der Leibeshöhle lagert und über welche die Aorta hin-
wegzieht. Hierauf wendet sich der Darm wiederum nach vorn und
oben, bis er seinen ersten, vom Magen nach vorn laufenden Schenkel
erreicht, zu welchem parallel er nunmehr an der Dorsalfläche der
Leibeshöhle ziemlich geradlinig zum Anus zieht.
Noch mehr als durch die soeben geschilderten Besonderheiten
des Darmtractus nimmt diese Species durch die eigenartige Morpho-
logie ihrer Geschlechtsorgane unser Interesse in Anspruch, wie
aus Fig. 73 zu ersehen ist. Die Zwitterdrüse (.id) nebst Zwitter-
gang zeigt noch die gewohnten Verhältnisse, auch die ziemlich grosse
Vesicula seminalis {ves. sem) weist nichts Auffälliges auf. Ueber
den besonderen Aufbau der Eiweissdrüsen [alh] habe ich keine volle
Klarheit gewinnen können, ebenso wenig darüber, ob der Knäuel
noch ein zweites Drüsenpaar enthielt, wie ich dies (42) p. 631 — 33
für OncidkUa marginata, coqidmhensis und juan-fernanäcmana be-
schrieben habe. Die Drüsen schienen mir langgestreckt zu sein und
sich aus länglichen, sich bisweilen dichotomisch verästelnden und
einem gemeinsamen Ausführgang aufsitzenden Tubuli zusammen zu
setzen. Die Appendixdrüse {app) ist enorm gross und von platt
kreisförmiger Gestalt; sie hüllt in situ den ganzen Genitalcomplex
von rechts und unten vollständig ein. An den nahe benachbarten
Einmündungssteilen des Zwitterganges, der Appendix- und der
Eiweissdrüsen beginnt, wie immer, der Spermoviduct (spov), w'elcher
sich nach kurzem Verlauf in Oviduct {ov) und Vas deferens {väf)
spaltet. Der Oviduct stellt gleich nach seiner Scheidung vom Vas
deferens ein verhältnissmässig dünnes Rohr dar, welches jedoch nach
kurzem Verlauf sich mit dem sehr dicken Ausführgang des Recepta-
culum seminis (rec. sem) vereinigt. Dieses, und hierin liegt die
hauptsächliche Abnormität der Morphologie der Sexualorgane, ver-
gßß CrRT VON WiSSEL,
einigt sich li i e r u ii d n i c h t e r s t d i c h t v o r d e r we i b 1 i c h e ii
Geschleclitsöffnung- mit dem Oviduct. Von dieser Ver-
einigungsstelle des Oviducts mit dem Ausführgang des Receptaculum
semiuis an behält der gemeinsame, nun ebenfalls als Oviduct zu be-
zeichnende, Gang (ov^) das Kaliber des Ausführganges des Recepta-
culum seminis bei, um so nach der weiblichen Geschlechtsöffnung
zu ziehen, üngeiähr im vordem Drittel seines Verlaufes trägt er
einen ihn halbseitig umfassenden Wulst {mu), und diesem genau
gegenüber mündet auch die schlauchförmige Oviductdrüse {ov. dr\
welche wir sonst ebenfalls erst am Ende und gegenüber dem Aus-
führgang des Receptaculum seminis antreffen, in ihn ein. Der er-
wähnte Wulst {mu) erweist sich auf Schnitten (Fig. 74, nm) als
eine sehr dicke Muskelplatte von fast rein musculöser Beschaffenheit,
denn die wenigen zwischen die Muskelfasern eingestreuten Binde-
gewebszellen kommen fast gar nicht in Betracht. Erstere sind aus-
schliesslich Ringmuskeln, bilden jedoch der Gestalt der Platte ent-
sprechend nur Halbringe, welche sich in der Nähe der Spitzen des
hier nur schmal sichelförmigen Lumens (l) inseriren. Nur im Centrum
dieses Muskelhalbringes treten die musculösen Elemente gegenüber
den bindegewebigen in den Hintergrund. Anders verhält sich die
gegenüber liegende Halbseite, das eigentliche Oviductrohr: hier be-
gegnen wir lediglich an der Peripherie einigen Muskeizügen, während
der ganze übrige Theil seiner AVandung vorwiegend bindegewebiger
Natur ist (Fig. 74). Ueber den Zweck der eben geschilderten Ein-
richtung habe ich keine Klarheit gewinnen können, doch steht wohl
so viel fest, dass sie zu einer zeitweiligen Schliessung des Oviduct-
lumens dient. Dafür spricht auch das plötzliche Schmalwerden des
letztern gerade an dieser Stelle, während es sonst überall eine stern-
bis kreisförmige Form aufweist. Zur Eiablage kann diese Muskel-
platte ihrer zu grossen Entfernung von der Geschleclitsöffnung wegen
kaum in Beziehung gebracht werden. — Schliesslich sei noch be-
merkt, dass das kugelförmige Receptaculum semiuis (rec. sem) mit
ganz dünnem Hals in seinen iVusführgang ausmündet, welcher sich
darauf schnell zu seiner definitiven Dicke erweitert.
Der Penis hat an seinem Hinterende einen rundlichen Blind-
sack, welcher mit zahlreichen Kalkconcretionen erfüllt ist; sein
Retractor inserirt am hintern Leibeshöhlenende etwas links vom After.
Die Lungenhöhle ist gut entwickelt, und ihre Wandung ist
mit zahlreichen Blutgefässen versehen. Die Niere bildet nur
wenig Lamellen.
Pacifische Chitonen. 667
2. Oncidiella j^^t^nokles Qüoy et Gaimard.
1 gTOSses Exemplar von Auckland und 14 kleine von den
C h a t li a m - 1 n s e 1 n. Das erstere hatte eine Länge von 12 und eine
Breite von 10 mm , die letztern eine durchschnittliche Länge von
7—8 und eine Breite von 6 mm. Die Beschreibung von Quoy u.
Gaimabd (41, p. 212 — 213) ist recht zutreffend , nur zähle ich stets
mehr Randdrüseu, nämlich 19—20 (Fig. 75), welche im Gegensatz
zu denen der vorigen Art gut ausgeprägt und sehr regelmässig an-
geordnet sind, so dass der Mantelrand gekerbt erscheint. Auch die
kleinen Thiere haben meist dieselbe Färbung und Zeichnung, nur
eins ist ganz graugelb mit verschwommener grauer Wölkung. Der
Eiugeweidesack tritt stets stark hervor, so dass die Thiere sehr
hoch gewölbt erscheinen. — Die Ventralseite ist lehmfarben, also
dunkler als bei der vorigen Art. Die Breite der Hyponota ist =
^/.2 der der Fussohle. Das Athemloch liegt median, und seine Ent-
fernung ist ^o = 1 mm bei den grossen und \2 = ^l-i ii^^ii bei den
kleinen Exemplaren. Das Peritoneum ist schwarz pigmentirt.
Die Radulazähne (Fig. 76) zeichnen sich durch verhältniss-
mässige Breite aus; der Mittelhaken des Rhachiszahns (r) ist breit
und vorn abgerundet, seine Seitenhäkchen sind dagegen nur schmal
und gebogen; die Pleuralzähne (x>) sind nach innen concav aus-
gebuchtet, ihr Haupthaken ist breit, der Nebenhaken dagegen eben-
falls nur schmal und leicht gebogen; Formel: 137, 1, 137.
Ein Kiefer ist vorhanden. Er ist von dunkel brauner Farbe
und an den Seiten sehr stark gebogen (Fig. 77).
Die Radula Papille tritt ca. ^j^ mm hinter den Hinterbacken
des Pharynx hervor.
Oesophagus, Magen und Darm weisen nichts Besonderes
auf. Die Hinterleber ist winzig klein, ihr eigentlicher Driisen-
körper misst im Durchmesser nur ca. 1 mm, ist aber von dem Aus-
führgang deutlich abgesetzt. Die beiden andern Leberportionen
sind dagegen normal und annähernd gleich gross.
Der Sexualknäuel bietet ebenfalls die für die Gattung
typischen Verhältnisse dar. Die Vesicula seminalis ist als Blindsack
gut ausgebildet und hat die gewöhnliche Lage. Das Receptaculum
seminis mündet, wie bei fast allen Oncidiellen, dicht an der hier zu
einer Papille erweiterten weiblichen Geschleclitsöffnung, ebenso ihm
gegenüber die schlauchförmige Oviductdrüse.
ggg CüKT VON WiSSEL,
Der Retractor penis inserirt dicht vor der weiblichen Ge-
schlechtsöifnuug".
3. Oncidiella flavescens n. s^).
16 Exemplare, theils von den Chatham-Inseln, theils aus
Maunganni. — • Möglicher Weise ist diese Art identisch mit On-
cidiuni incisum Q. et G. (41, p. 211), von der ich leider keine Ab-
bildung sehen konnte. Die kurze Charakteristik : „0. corpore minimo,
■ovali, tuberculato, luteo-viridi, fusco mixto" würde auf die mir vor-
liegenden Exemplare passen, wenn man in Betracht zieht, dass der
Alkohol die gelb-grünliche Färbung sehr wohl in eine blass gelbe
umwandeln kann. An Eanddrüsen zähle ich aber doppelt so viel
wie angegeben, nämlich 19 — 24, so dass es immerhin w^ahrscheinlicher
ist, dass es sich um eine neue Art handelt. — Wie schon erwähnt,
ist die Grundfarbe des Notums überwiegend blass gelb. Bei den
meisten Exemplaren finden sich nur ganz winzige und wenig zahl-
reiche bräunliche bis schwärzliche Spritzflecken. Das in Fig. 78
wiedergegebene Thier nahm, w^as die Grösse und Häufigkeit dieser
Flecken anlangt, ungefähr eine mittlere Stellung ein, da sowohl er-
heblich dunklere Exemplare vorkommen als auch solche, welche bei-
nahe einheitlich gelb sind. Stets aber, und auch bei den zuletzt
genannten, ist der Mantelrand mit einem sehr regelmässigen Kranz
von kleinen bräunlichen Eandflecken besetzt, welche wiederum die
hell gelben Hervorwölbungen, auf denen die grossen Drüsen münden,
zwischen sich fassen. Im Uebrigen macht die Rückenfläche einen
sehr glatten Eindruck, da die Warzen nur wenig hervortreten und
auch nicht sehr zahlreich sind. — Die Ventralfläche ist ebenfalls
sehr hell weissgelb.
Die durchschnittliche Länge der Thiere betrug 7-8 mm, ihre
Breite ca. 6 mm. Die Fussohle ist sehr schmal, nämlich nur ebenso
breit wie das jederseitige Hyponotum. Das Athemloch liegt median,
seine Entfernung ist ^Z« = ^3 niM- — Das Peritoneum ist unpigmentirt.
An dem Rhachiszahn der R a d u 1 a (Fig. 79 r) ist der Mittel-
haken beträchtlich länger als die nur wenig gebogenen Seiten-
häkchen. Bei den Pleuralzähnen {p) Hess sich sow^ohl am Haupt-
wie am Seitenhäkchen eine zarte Längsriefelung unterscheiden.
Auffällig sind die sehr langen Basalplatten. Die Formel lautet:
150, 1, 150.
Ein Kiefer ist vorhanden, liess sich jedoch seiner sehr grossen
Zartheit und fast glashellen Beschaffenheit wegen nur auf Schnitten
Pacifische Chitonen. 669
feststellen, wodurch wiederum, wie icli schon andern Orts (42,
p. 600—601) vermutlmngsweise aussprach, wahrscheinlich gemacht
wird, da SS wohl alle Oncidiellen einen Kiefer besitzen
und dass da, wo ein solcher bisher noch nicht gefunden
wurde, lediglich der Mangel einer lückenlosen Schnitt-
serie daran die Schuld trägt.
Die E a d u 1 a p a p i 1 1 e tritt ca. V-2 "^«i ii^cli hinten aus dem
Schlundkopf hervor.
Der Darmtr actus weist keinerlei Besonderheiten auf.
Auch die Geschlechtsorgane zeigen das normale Verhalten und
gleichen beinahe völlig denen der vorigen Art, was auch für Lunge
und Niere gilt.
ß70 CuRT VON Wisset,,
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59-
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Tafel 21.
Ischnochiton frudicosus Gould. 2:1.
Ischnochiton fnidicosus Gould. 2:1.
Chartojdeura hahni Rochebr. 2:1.
Plnxiphora glauca Qu. et C-. 2^/2 : 1.
riaxiphora tenninalis (Cpr.) Smith. 2^/2 : 1.
AcGhthochites spiculosus Reeve. 2:1.
Acanthochites rinlaceus Qu, et G. l^/g : 1.
-62. Chiton cmiaV/'atus Qu. et G. 2^1 ^ : 1.
Onithochiton semisculptus Pilsbey. 2:1.
Onithochilon mnnnoreiis n. sp. 5:1.
Tafel 22.
Fig. 1. ToniceUa lineata "Wood. Zeiss Oc. 4, Obj. E. a Rücken-
stachel, b Ventral- und Kantenstachel.
Fig. 2. Tonicdia lineata "Wood. Lup.-Vergr. 6. Dach des Pharynx
von innen.
Fig. 3. Tonicella lineata AYgod. Zeiss Oc. 3, Obj. A. Radula.
Fig. 4. Tonicella lineata "Wood. 4:1. Situs viscerum.
Fig. 7. Ischnochiton frudicosus Gould. Zeiss Oc. 3, Obj. C.
a Riickenschuppe, b Ventralschuppe, c Randstachel.
Fig. 8. Isdinochiion fnidicosus Gould. Zeiss Oc. 3, Obj. C. Radula.
Fig. 9. Ischnochiton frudicosus Gould. 3:1. Darmschlingen.
Fig. 10. Isdüioddton frudicosus GouLD. Zeiss Oc. 4, Obj. E.
Stacheln der Eischale.
Fig. 11. Mopalia (ciliata) muscosa Gould. 2:1. Situs viscei-um.
Fig. 13. Chadopleiira hahni Rochebr. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Mantel-
aus-chnitt.
574 ClTRT VON WiSSEL,
Fig. 14. Chaetopleura hahni'RocsEB'R. Zeiss Oc, 3, Obj. A. Radula.
Fig. 15, Chaetopleura liahni Eochebr. 5:1. Situs viscerum.
Fig. 16. Plaxiphora setiger King. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Mantel-
auBSchnitt.
Fig. 17. Plaxiphora setiger King. 2:1. Hinteres Ende von unten.
Fig. 18. Plaxiphora setiger King. Zeiss Oc. 3, Obj. A. Eadula.
Fig. 20. Plaxiphora glanca Qu. et G. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Mantel-
ausschuitt.
Fig. 21. Plaxiphora glauca Qu. et G. Zeiss Oc. 3, Obj. A. ßadula.
Tafel 23.
Fig. 23. Plaxiphora terminalis (Cpr.) Smith. Zeiss Oc. 4, Obj. E.
Mantelausschnitt.
Fig. 24. Plaxiphora terminalis (Cpe.) Smith. Zeiss Oc. 3, Obj. A.
Radula.
Fig. 26. Acanthochites spiculosus E,eeve. Zeiss Oc. 4, Obj. E.
Hartgebilde des Mantels.
Fig. 27. Acanthochites spiculosus Reeve. Zeiss Oc. 3, Obj. A.
B,adula.
Fig. 28. Acanthochites bisulcatus Pilsbey. Zeiss Oc. 4, Obj. E.
Hartgebilde des Mantels.
Fig. 29. AcanthocJiites bisulcatus Pilsbey. Zeiss Oc. 3, Obj. A.
Radula.
Fig. 31. Acanthochites violaceus Qu. et G. Lup.-Vergr. 6. Hinteres
Ende des Subradularsacks.
Fig. 32. Acanthochites violaceus Qu. et G. Zeiss Oc. 3, Obj. A.
ßadula.
Fig. 33. Chiton quoyi Deshayes. Zeiss Oc. 3, Obj. A. Eadula.
Fig. 34. Chiton quoyi Deshayes. Lup.-Vergr. 6. Dach der Mund-
höhle von innen.
Fig. 35, Chiton quoyi Deshayes. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Quer-
schnitt durch die Mundhöhle.
Fig. 36. Chiton quoyi Deshayes, Zeiss Oc. 4, Obj. E, Schnitt
durch eine Hälfte des Pharynx.
Fig. 37. Chiton quoyi Deshayes. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Stachel
der Eischale.
Fig. 38. Chiton sinclairi Geay. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Querschnitt
durch die Mundhöhle.
Fig. 39. Chiton sinclairi Geay. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Querschnitt
durch das Dach des Pharynx.
Fig. 40. Chiton sinclairi Geay, Zeiss Oc. 4, Obj. E. Epithel
der Zuckerdrüsen.
Paciflsche C'hitoueu.
675
Zeiss Oc. 3, Obj. C.
Zeiss Oc. 4, Obj. E.
Radula.
Querscbnitt
Fig. 41. Chiton Sinclair i Gray
Fig. 42. Chiton sinclairi Geay.
durch den Oesophagus.
Fig. 43. Chiton sinclairi Gray. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Magenepithel.
Fig. 44. Chiton sinclairi Gray. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Epithel der
Leber und ihres Ausführganges.
Tafel 24.
Fig. 45. Ciiiton sinclairi Gray.
Fig. 46. Chiton sinclairi Gray.
Fig. 47. Chiton sinclairi Gray.
Fig. 48. Chiton sinclairi Gray.
Zeiss Oc 2, Obj. E. Darmepithel
Zeiss Oc. 2, Obj. E. Darmepithel
Zeiss Oc. 2, Obj. E. Eier.
Zeiss Oc 4, Obj. E
Zeiss Oc 4, Obj. E.
Zeiss Oc. 4, Obj. E.
Zeiss Oc. 4, Obj. E.
Zeiss Oc 4, Obj. E.
Zeiss Oc 4, Obj. E.
Epithel des
Querschnitt
Querschnitt
Querschnitt
Eileiters, a inneres Ende, b am Genitalporus.
Fig. 49. Chiton sinclairi Gray. Zeiss Oc 4, Obj. E.
durch Herz, Yorhöfe und Pericard.
Fig. 50, Chiton sinclairi Gray.
durch Herz, Vorhöfe und Pericard.
Fig. 51. Chiton sinclairi Gray.
durch Herz, Yorhöfe und Pericard.
Fig. 52. (liiton sinclairi Gray.
durch das vorderste Körperende.
Fig. 53. Chiton sinclairi Gray.
durch das vorderste Körperende.
Fig. 54. Chiton sinclairi Gray.
durch das vorderste Körperende.
Fig. 55 — 58. Chiton sinclairi Gray.
schnitte durch das Cerebralmark.
Fig. 63. Chiton canalicatus Qu. et G. Zeiss Oc. 4, Obj. A. Radula,
Fig. 65. Onithochiton semisculptus Pilsbey. Zeiss Oc. 4, Obj. E.
Hartgebilde des Mantels.
Fig. 66. Onithochiton semisculptus Pilsbey. Zeiss Oc 3, Obj. A.
Radula.
Fig. 68. Onithochiton marmoreiis n. sp. Zeiss Oc 4, Obj. E.
Hartgebilde des Mantels.
Fig. 69. Onithochiton marmoreus n, sp. Zeiss Oc. 3, Obj. C.
Radula.
Längsschnitt
Querschnitt
Querschnitt
Zeiss Oc 4, Obj. E. Quer-
Tafel 25.
Fig.
Fig.
70.
71.
Fig.
Radula.
72.
1.
Onridirlh nigricans Qu. et G. 3
Onciiliella nigricans Qu. et G. 3:1.
Oncidietla nigricans Qu. et G. Zeiss Oc. 4, Obj. E.
ß76 CuKT VON WissEL, Pacifisclie Chitonen.
Fig. 73. Oncidiella nigricans Qu. et Gr. Lup.-^^^rgr. 12. Genital-
Organe.
Fig. 74. Oncidiella nigricans Qu. et G-. Zeiss Oc. 3, Obj. C. Quer-
schnitt durch den Oviduct in der Höhe der Muskelplatte.
Fig. 75, Oncidiella ])atelloides Qu. et G. 4:1.
Fig. 76. Oncidiella jmielloides Qu. et G. Zeiss Oc, 4, Obj. E.
Radula.
Fig. 77. Oncidiella iKitclloides Qu. et G. Zeiss Oc. 3, Obj. C. Kiefer.
Fig. 78. Oncidiella flavescens n. sp. 3:1.
Fig. 79. Oncidiella flavescens n. sp. Zeiss Oc. 4, Obj. E. Radula.
Nachdruck verboten.
Ueberselziüigsrecht vorbehalten.
In und mit Pflanzen lebende Ameisen aus dem
Amazonas-Gebiet und aus Peru,
gesammelt von Herrn E. Ule und beschrieben
von
Aug. Forel in Chigny (Schweiz).
Herr E. Ule hat als Botaniker die Pflanzen und besonders die
Epiphyten des Amazonas-Gebiets erforscht. Hierbei hat er seine
Aufmerksamkeit auf die mit den Pflanzen lebenden Ameisen ge-
richtet und die sonderbare symbiotische Erscheinung- der Ameisen-
gärten entdeckt (E. Ule. Ameisengärten im Amazonas-Gebiet, in:
Engler's botan. Jahrb., V. 30, Heft 2, 1901). Bestimmte Epiphyten-
Arten werden von bestimmten Ameisen im Ueberschwemmungsgebiet
auf Baumäste gesät und mit Humus versehen. In den Wurzeln
dieser Epiphyten bauen dann die Ameisen ihr Nest. Diese Ameisen
sind Adeca ulei n. sp., traili Em., olitrix n. sp. und Camponotus femo-
ndm F. Ich verweise auf Ule's Abhandlung und füge nur noch
hinzu, dass Herr Ule ausserdem eine grosse Zahl hoch interessanter
in Symbiose mit Pflanzen, meistens in deren Höhlen lebender
Ameisen arten, besonders der Gattungen Azteca und Pseudomyrma,
entdeckt hat.
Im Folgenden gebe ich die Liste jener Ameisen-Arten mit der
Beschreibung der neuen Formen.
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Svst. 45
gY8 AüG. FOBEL,
I. Myrmicinae.
Cr'ijptocerus coniplanatiis Guerin r. ramipMJiis n. siibsp,
9. L. 5 — 5.3 mm. Ausser der geringem Grösse durch die
stumpfen, gerundeten, durchaus nicht zahnartigen Vorderecken des
Pronotums und Hinterecken des Kopfes vom t3^pischen complanatus
verschieden. Statt 2 Dornen im Ganzen hat der Seitenrand der
Basalfläche des Metanotums jederseits vorn 2 stumpfe, flache, lamellen-
artige Zähne und hinten einen schmalen, dünnen, spitzen Dorn, der
halb so lang ist wie die Basalfläche. Abdomen schmäler, viel länger
als breit; sein lamellenartiger Vorderrand ist schwarz und nicht
durchscheinend (rostfarbig und schwach durchscheinend beim typischen
complanakis). Alles Andere, insbesondere auch Sculptur, Behaarung
und Farbe, wie beim Typus der Art, aber die Basis der Stirnleisten
ist schwarz und nicht rostfarbig.
21. L. 6 mm. Die Ecken des Kopfes und des Pronotums kaum
stumpfer als beim Typus der Art und die Farbe kaum verschieden.
Aber das Abdomen ist noch länglicher als beim v- Pronotum hinten
mit einer in der Mitte abgeflachten und abgestumpften, aber nicht
gänzlich unterbrochenen Querkante. Die Seitenränder der Basal-
fläche des Metanotums bilden eine einzige, sehr convexe Ausbiegung,
die hinten mit einem flachen, dreieckigen, wenig prominenten Zahn
endigt. Abschüssige Fläche stark ausgehöhlt, von der Basalfläche
durch eine scharfe, in der Mitte schmal ausgerandete Kante getrennt.
Dornen der Knoten kürzer und stämmiger als beim v-
Glänzend, fein genetzt, mit reichlichen, aber nicht dichten
Grübchen besetzt, die jede ein viel weniger glänzendes und schuppen-
artiges Haar enthalten als beim v (letzterer matt, mit schwächern
zerstreuten Punkten). Auf dem Hinterleib schwächere, feinere zer-
streute Punkte. Kopf viel grösser und besonders viel convexer als
beim 9, aber sonst gleich geformt, ohne ausgebildete Scheibe, ähnlich
wie bei pusülus, muUispinus u. dgl.
Born Fim Jurua, Amazonas, in durchbohrten Zweigen von Platy-
miscium ulei Haems.
Gattung AUomerus Mayr.
$ und S bisher unbekannt.
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und ans Peru. 679
Alfonierus octoarticulatus Mayk.
5. L. 6 mm. Mandibelii özälmig-, breit, glänzend, reichlich
punktirt. Fühler lOg-Iiedrig, sonst wie beim 9; die
Bgliedrige Keule so lang- wie die üb r ige Geissei. Kopf
mit geradem, breitem Hinterrand, schmäler vor den
Augen, gleich massig breit hinter denselben. Die
Augen sehr gross, etwas vor der Mitte, fast die Hälfte
der Kopfseiten einnehmend. Clj'peus gross, dreieckig,
etwas zwischen den Fühlern eingeschoben. Stirn-
feld deutlich, dreieckig; Stirnrinne deutlich. Stirn-
leisten kurz, gerade, divergirend. Der kurze Fühlerschaft erreicht
kaum die hintern Ocellen. Thorax überall gerundet ; das Mesonotum
erreicht den Vorderrand, ohne das Pronotum zu überwölben. Meta-
notum mit 2 undeutlichen Beulen. Beide Stielchenglieder rundlich,
etw^as breiter als lang, das erste massig dick und lang gestielt, unten
ohne Zahn. Abdomen eiförmig, vorn nicht gestutzt. Mittel-
und HinterschitMien mit kurzen unbefiederten Spornen.
Flügel ohne Discoidalzelle. mit einer Cubitalzelle.
Die Querrippe verbindet sich mit der Cubitalrippe an
deren Theilungsstelle. Eadialzelle schwach offen
Die Flügel sind pubescent, braun gefärbt, mit braunen Eippen und
braunem Eandmal.
Kopf matt, sehr dicht und sehr fein punktirt-genetzt, überdies
dicht und etwas gröber längs gerunzelt. Einige Längsrunzeln auf
das Scutellum und einige Quer- und Schrägrunzeln auf das Meta-
notum. Der übrige Körper ziemlich glänzend und reichlich punktirt
zwischen den Punkten mehr oder weniger glatt. Ziemlich reichlich
gelblich, anliegend pubescent. Abstehende Behaarung am Körper
fein, spitz, massig reichlich, bräunlich - gelb, am Fühlerschaft und
an den Schienen fehlend.
Röthlich-braun ; Oberseite des Kopfes und des Mesonotums, sowie
der Hinterleib zum grossen Theil braun.
S. L. 5,3 mm. Mandibeln breit, kurz, undeutlich
özähnig. Fühler lang, fadenförmig, ISgliedrig. Ph-stes
G e i s s e 1 g 1 i e d kurz, so dick wie lang; alle andern
c y 1 i n d r i s c h , ziemlich gleich lang und so lang wie
der Schaft. Kopf rundlich. Aeussere Genitalklappen
länglich dreieckig, mit scharfer Spitze. Alles sonst wie
45»
ggQ Aug. Forel,
beim ?, aber die Knoten flacher und das Mesonotum ziemlich matt,
dichter punktirt, theilweise gerunzelt; ebenso der übrige Thorax.
Die gesperrt gedruckten Merkmale dürften einstweilen als
Gattungsmerkmale gelten.
Marary, Amazonas, September, in den Anschwellungen des Blatt-
stieles der Tococa setifera Pilger n. sp. Auf der Etikette steht:
Mit Ameise No. 2? — d. h. mit Pseudomyrma.
Der Grössenabstand zwischen den v i^nd den geflügelten Ge-
schlechtern ist gewaltig und erinnert an SoJenopsis. Vielleicht deutet
die obige Bemerkung auf lestobiotische Sitten der Gattung ÄUomerus.
Allonierus octoarticulatus Mayr va7\ septeniarticulatus
Mayr.
Saö Joaquim, ßio Negro, Amazonas, Februar, in den An-
schwellungen des Blattstieles einer Rubiacee (Duroia saccifera
Spruce). Das $ ist identisch mit demjenigen des octoarticulatus,
kaum etwas heller und kleiner. Bei den 9 der gleichen Colonie
sind die Fühler bald 7-, bald Sgliedrig, bald ist ein Glied der Geissei
halb getheilt. Daraus geht für mich hervor, dass die Form A. septeni-
articulatus als eigne Art nicht aufrecht erhalten werden kann,
indem ausser der Zahl der Fülllerglieder kein scharfes Unterschieds-
merkmal vorhanden ist.
Solenopsls corticalis Forel v. cmia^onensis n, subsp,
$. L. 1,4 — 1,5 mm. Etwas robuster und grösser als der Typus
der Art. Kopf breiter, nur wenig länger als breit. Schaft länger,
erreicht das hintere Fünftel oder Sechstel des Kopfes (bei corticalis-
Typus höchstens das hintere Viertel). Thoraxeinschnürung eher
etwas schwächer. Erster Stielchenknoten etwas länger gestielt und
weniger dick (von vorn nach hinten mehr comprimirt); auch der
zweite Knoten etwas länger. Vor Allem ist der Hinterleib vorn breiter,
nicht verschmälert, wie dies beim Typus der corticalis der Fall ist.
Farbe noch heller gelb, mit ganz undeutlicher, wolkiger oder fehlen-
der Querbinde am Abdomen. Sonst ganz wie corticalis t. sp., be-
sonders auch die Sculptur und die Behaarung.
$. L. 3,4—3,5 mm. Die gleichen Unterschiede wie beim 9.
Namentlich sind die Stielchenknoten sehr deutlich breiter als lang,
der Thorax weniger schmal und der Hinterleib vorn nicht so schmal.
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet uud aus Peru. 081
Etwas dunkler g-elb als der Typus von cortkalis. Flügelg-elenke,
Ocellenfleck und fast der ganze Hinterleib braun.
Cerro de Escaler, Peru. ca. 1300 m hoch, in zwiebelfijrmigen,
durch die Blattscheiden gebildeten Hohlräumen einer neuen Tillandsia
(Pseudocatopsis), von Herrn Ule gesammelt.
PJieidoJe tnitnituJa Maye.
i. -^1. Jurua Miry. Jurua, Amazonas, in den Anschwelhmgen
der Tococa ulei Pilger n. sp.
Der 2[. ist wohl etwas kleiner als Mayr's Typus (aus Teail's
Reise), knapp 2.5 mm lang. Die Streifung des Kopfes erreicht auch
seitlich nicht die Hinterhauptsecken, die ziemlich weit nach vorn
glatt sind. Das Ende des sehr kurzen Fühlerschaftes stellt dem
Auge nicht sehr fern, ungemein viel näher als der Hinterhaupts-
ecke. Die scharf gerandete Basalfläche des Metanotums ist länger
als die abschüssige und, obwohl concav, niclit in derselben Ebene
liegend wie sie, wie es in Mayk's 1'ypns sein soll. Blass gelb ; Kopf
und Thorax etwas dunkler gelb; Mandibeln etwas bräunlich-gelb.
Sonst stimmt alles genau mit den Beschreibungen Mayk's und
Emery's, auch die Kopfform mit Emery's Figur überein. Vielleicht
liandelt es sicli um eine Varietät. Die starke Behaarung besonders
an den Kopfseiten auffällig.
PhehJole unnutula Maye r, foJicola ii. snbsj)*
4. L. 2— 2,3 mm. Kopf gut so breit vorn wie hinten, wo er
stärker eingeschnitten ist als bei der typischen minufula. Pronotum
mit 2 schmälern, aber viel deutlichem, stärker vorspringenden, zahn-
artigen Höckern. Thoraxeinschnürung tiefer. Basalfläche des Meta-
notums ebenso scharf gerandet und concav, aber mehr horizontal und
in nur winzigen, stumpfen Zälinchen endend. Dagegen ist die etwas
kürzere abschüssige Fläche recht steil, von der Basalfläche scharf
getrennt. Im Uebrigen mit dem Typus der minuMa identisch.
^. L. 1,4—1,6 mm. Kopf fast so breit wie lang. Pronotum
mit 2 sehr deutlichen Zähnchen an der Stelle der Höcker der 2}..
Metanotum mit 2 scharf gerandeten Flächen, die fast rechtwinklig
getrennt sind, und mit deutlichen Zähnchen. Hell gelb; Mandibeln
dunkler. Sonst wie die typische mhiutuJa, aber durch die Pronotum-
zähne gut zu unterscheiden.
682 Aug. Foeel,
$, L. 4,2 mm. Kopf bis nahe am Hiuterhauptsgelenk längs
gerunzelt, wenig glänzend. Thorax so breit wie der Kopf. Metanotum
mit 2 länglichen stumpfen Beulen. Flügel bräunlich. Körperfarbe
braun, mit bräunlich-gelben Fühlern, Beinen, Oberkiefern und Körper-
gelenken. Sonst wie der 2j_. Augen gross, nahe am Vorderrand des
Kopfes. Pronotum ohne Höcker.
S. L. 3 mm. Kopf rundlich eiförmig. Die Augen gross, er-
reichen fast die Vorderecken. Kopf und Mesonotum matt, dicht
und fein genetzt gerunzelt. Stark und lang anliegend pubescent und
auch abstehend behaart. Kopf dunkel braun ; der übrige Körper ge-
fleckt braun und gelb. Beine, Fühler und Oberkiefer braungelb.
Sonst wie das $.
Jurua Miry, Jurua. Juni 1901, in blasenförmigen Anschwellungen
des Blattstieles von Maieta Poeppigii Mart. (das + allein in den
Anschwellungen von Maieta guianensis Aubl., gehört jedoch zweifel-
los dazu).
Creniastogaster stollii Forel var, anuizonensis n. var,
5. L. 3,6—7 mm. Nur durch die schöne, dunklere, kastanien-
braune Farbe, mit gelb gerandeten Hinterleibssegmenten, sowie durch
die kräftigern Metanotumdornen von der Stammart unterschieden.
Cachveira, Jurua, Amazonas, auf der Cecropia No. 5587 des Herrn
Ule; Para (Prof. E. Goeldi).
Die von Prof. Stoll, mit ihren einzig in ihrer Art dastehenden
Cartonbauten in Guatemala zuerst entdeckte Stammart habe ich
selbst bei Sta Marta in Columbien wieder gefunden und beobachtet,
Stoll's Beobachtung bestätigend. Komisch ist es zu sehen, wie die
grosse Ameise sich ängstlich in ihre aus grobem, deutlich sicht-
baren Holzfasern bestehenden Cartongänge verkriecht, sobald man
dieselben an einer Stelle demolirt. Sie züchtet in jenen Gängen
Rindenblattläuse. Es ist nicht anzunehmen, dass die unbedeutende
brasilianische Varietät andere Sitten habe.
Creniastogaster laevis Mayr.
$. Jurua Miry, Jurua, Amazonas, in den Anschwellungen von
Maieta tococoides Cogn.; Cachveira, Jurua, in den x4.nschwellungen
der Maieta juruensis Pilger n. sp.
Zu Mayr's Beschreibung muss hinzugefügt werden, dass der
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. 683
Scheitel und das Hinterhaupt einen mittlem Längseindruek haben.
Die V sind schmutzig- gelb, bräunlich-g-elb oder gelbbräunlich.
In Saö Joaquim; Rio NegTO, Amazonas, hat Herr Ule in An-
schwellungen von Tococa guianensis Aubl. eine etwas gi-össere (fast
3 mm lange) und schlankere Varietät der Cr. laevis gesammelt, deren
Seitenzahn am Mesonotum deutlicher ist.
Creniastogaster limafa Smith.
i. Jurua Mir}', Jurua. Amazonas. Zwischen Anthurium No. 5612
des Herrn Ule. Macht Ameisengärten nach Herrn Ule. Bates
sagt von dieser Art, dass sie in durchbohrten drüsenartigen An-
schwellungen der hängenden-Luftwurzeln einer Schmarotzerpflanze
in Ega nistet (nach Smith).
Creniastof/aster JimaUv Smith v. x>araMotica n. suhsp,
\. L. 2,4 — 2,7 mm. Kleiner und dunkler gefärbt (dunkel braun
bis schwarz) als die typische Jimata. Die Dornen des Metanotums
sind viel kürzer; sie sind kürzer, manchmal nur halb so lang wie
ihr Zwischenraum. Die Haare sind auch kürzer. Das 1. Stielchen-
glied ist vorn weniger verschmälert und hinten weniger verdickt.
Bei den Exemplaren aus Jurua ist er etwas oval geformt.
Columbien, in Parabiose mit DoUchoderus dehilis Emery lebend.
Para (Göldi). Costa Eica (Pittier). Jurua Miry, Jurua, Amazonas,
zwischen den Blattscheiden von Tillandsia n. sp. No. 5734 von Herrn
Ule. Nach Bates lebt die C. limafa i. sp. in Anschwellungen von
den Luftwurzeln einer Epiphyte.
Ich selbst habe diese Form zuerst mit Cr. hrasiliensis Mayr ver-
wechselt, die jedoch in der Mesometanotalnaht 1 Zähnchen besitzt,
das der Jimata abgeht. Die von Herrn Ule gesammelte Varietät
der r. iMrabioHca hat eine derjenigen der hrasiliensis nahe kommende
Stielchenform. Ich selbst fand in Columbien die Colonie dieser Rasse
in Termitennestern, parabiotiscli mit Doliclioderns debilis lebend. Ich
glaube nun nicht zu irren, indem ich sie als Rasse oder Subspecies
zu Jimata stelle. Vielleicht ist aber Jjrasilicnsis auch nur Subspecies
von Jimata.
Pseudottujrnia Lunu.
F. Smith hat eine grosse Zahl Arten dieser Gattung möglichst
oberflächlicli, fast ausschliesslich nach dei- bei den verschiedenen Indi-
ßg4 Aug. Fohel,
viduen der gleichen Art ungemein variirenden Farbe beschrieben. Es
folgt daraus, dass die Mehrzahl seiner Arten unentwirrbar ist. Was bis
jetzt enträthselt werden konnte, ist von Mayr, Emery und mir klar-
gestellt worden. Den Rest muss man ignoriren, oder man muss auf
die Beschreibung und Neubenennung von Pseiidomynna- Arten ver-
zichten. Ich will nun Ersteres thun.
Pseudoniyvnia denäroica Forel var, eniarf/inata n. var.
$. L. 5— 6 mm. Mit dem Typus der Art identisch, aber der
Kopf ist breiter, so breit in der Mitte wie lang, und hinten ziemlich
stark bogig eingeschnitten (beim Typus mit nur sehr schwach con-
cavem Hinterrand.
?. L. 10—10.2 mm. Mandibeln Tzähnig, am basalen Drittel
stark winklig gebrochen, an der Aussenfläche. vor dem Winkel,
mit einem viel tiefern Quereindruck als bei der Stammart, grob
längs gerunzelt. Clypeus mit sehr kurzem Lappen. Kopf so breit
wie lang, hinten breiter und tief bogig eingeschnitten. Thorax
schmäler als der Kopf Erster Stielchenknoten länger, vorn breiter,
und viel weniger scharf gerandet als beim ^, unten mit 1 starken ge-
krümmten Zahn. Mesonotum mit 2 braun gefärbten Längseindrückeu.
Körperfarbe sonst schmutzig gelb, mit 2 bräunlichen Flecken an der
Basis des Hinterleibes (der v ist braun). Flügel braungelblich an-
gehaucht, fein pubescent. Sculptur, Behaarung etc. wie beim v-
Mavany Jurua, Amazonas. September 1900, in hohlen Zweigen
der Triplaris schomburgkiana Bth. Die tj'pische Art lebt auch
in Triplaris-Arten.
Pseudoniyrnia trij>lavidis n. sp,
$. L. 4,4 — 4.8 mm. Mandibeln glänzend, mit wenigen Streifen,
gerader gestreckt als bei arhoris-sandae. Clypeus höher, gekielt,
und mehr gestutzt als bei arhoris-sanctae. 3.-9. Geisselglied mehr
als 2 mal dicker als lang; die Geissei viel dicker und kürzer als
bei arhoris-sandae und als bei deren Rasse symhiotka. Kopf schmäler
als bei arhoris-sandae, wie bei der R. symhiotica. Thorax weniger
gewölbt und breiter als bei arhoris-sandae, wie bei der R. symhiotica
ziemlich flach, aber breiter und etwas schärfer gerandet und mit
viel steilerer abschüssiger Fläche des Metanotums. Erster Knoten
wie bei arhoris-sandae, kürzer und breiter als bei symhiotica und
vorn etwas gerandet. Zweiter Knoten vorn weniger verschmälert.
Ameiseu aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. 685
Massig' glänzend; Kopf schwach glänzend; dichter und tiefer
punktirt als bei arhoris-sandae und symbiotica. Abstehende Be-
haarung wie bei diesen beiden. Die anliegende Pubescenz ist aber
länger und dichter. Auf dem Hinterleib bildet sie einen grauen
Ueberzug-, der die Sculptur zum Theil verdeckt.
Schwarzbraun; Tarsen. Schienen. Fühler und Vordertheil des
Kopfes rostfarbig; Oberkiefer braunroth; Schenkel braun.
$, L. 7,5 — 8 mm. Viel schmäler als arhoris-sandae. Mandibeln
länglicher, schmäler, schwach gebogen, durchaus nicht winklig ge-
brochen und ohne Quereindruck an der Aussenseite (beides ist bei
arhoris-sandae der Fall, wenn auch Aiel weniger als bei dendroica),
mit ca. 6 Zähnen am Endrand und 3 Zähnen am Innenrand. Kopf
länger als breit, hinten breiter, mit geradem Hinterrand (leicht
concav bei arhoris-sandae). Thorax schmal, in der Mitte kaum
breiter als vorn (viel breiter bei arhoris-sandae). Metanotum mit
2 scharf getrennten Flächen (obwohl mit gerundetem Uebergang);
abschüssige Fläche fast senkrecht. Erster Knoten wie bei arhoris-
sandae, aber der zweite vorn viel weniger und kaum verschmälert
l'/g — 1"^ mal so breit wie lang.
Bräunlich-schwarz ; Beine braun ; Oberkiefer, Fühler und Yorder-
kopf rostfarbig. Flügel bräunlich-schwärzlich tingirt, mit schwarz-
braunen Kippen und Eandmal. Behaarung und Sculptur wie beim v-
■S. L. ca. 5 mm. Kopf gerundet rechteckig, hinten breiter,
mit deutlichem fast geraden Hinterrand, Fühler eher kurz; 3. bis
letztes Geisselglied beiläufig 2 mal so lang wie dick. Thorax kaum
breiter als der Kopf. Uebrigens wie das $ bezüglich Sculptur, Be-
haarung und Farbe, aber die Oberkiefer, die Tarsen, der Schaft und
das 1. Geisselglied hell gelb. Knoten niedriger, der erste unten mit
einem kleinen Zahn, der bei der R. symbiotica der arhoris-sandae fehlt.
Jurua Miry, Jurua, Amazonas, Juni 1901, in den hohlen Zweigen
von Triplaris surinamensis Cham.
Durch die Funde des Herrn üle erhärtet sich die Thatsache
immer mehr, dass eine bestimmte Gruppe von Pscudo)nurma- Arten:
arhoris-sandae'^) Em., dendroica Forel und friplaridis n. sp. symbio-
1) Die echte Pscuddiinjniia arlxjris-s/iiwhie Emery stammt aus Bolivien.
Ich bal)e sie aber auch aus Colhiiiga , Peru, von Staudinger u. Bang
Haas erhalten. Letztere Exemplare sind etwas dunkler, haben ein etwas
breiteres und kürzeres zweites Stielchcnglied und sind etwas glänzender,
mit noch schwächerer Sculptur als der Art-Typus.
686 Aug. Forel.
tisch in den natürlichen Markhöhlen der Triplaris- Arten leben. Ich
habe selbst 1896 in Columbien beobachtet, wie die Ps. arboris-sancfae
r. symhiotka Aviithend jeden ang-reift nnd sticht, der den Banm be-
rührt, wie ihre Brnt die Markhöhlen des ganzen frischen Baumes
vom Stamm bis in die äussersten grünen Aeste ausfüllt und A\ie sie
offenbar durch die Höhle eines kleinen verdorrten abgebrochenen
Aestchens unten am Stamm in ihre zugleich so sichere und so ver-
zweigte Wohnung zuerst gelangt. Prof. Göldi hat in Para experi-
mentell gezeigt, wie eine Colonie der Pseudomyrma dendroica, die er
mit ihrer Triplaris im botanischen Garten verpflanzt hatte, bald
andere, noch unbewohnte Triplaris-Bäume besetzte (Foeel, in : Revue
Suisse de Zoologie 1904). Das $ der Ps. triplaridis weicht von arhoris-
sandae so ab, dass diese Form wohl besser als eigne Art zu be-
trachten ist. Andrerseits ist der ^, von der Farbe abgesehen, der
arboris-sanctae sehr ähnlich und ist die Gruppe sehr variabel.
Aus den Angaben Huth's (Myrmecophile und myrmecophobe
Pflanzen. Fbiedländer 1887) bezieht sich sicher Einiges auf Pseudo-
myrma und Triplaris, obwohl er die Ameisen- Arten nicht kannte.
Er spricht von den H()hlungen der Triplaris-Arten, die meistens
schon nach den Angaben älterer Autoren von beissenden Ameisen
bewohnt sind, die auf diese Weise die Pflanze erfolgreich schützen.
JPseudoniyvnia Jatinoda Mayr r. taclUgaliae n. sitbsj),
^. L. 4,5 — 5 mm. Kopf länglich rechteckig, etwas länger und
parallelrandiger als beim Arttypus und bei der var. nigrcscens Foe.
Hinter der Fühlergrube ein schwacher Eindruck für den Schaft.
Oberkiefer glänzend, mit wenig schwachen Streifen. Clypeus schwach
gekielt, mit einem kurzen, rechteckigen Mittellappen, nicht undeut-
lich dreieckig vorgezogen wie bei der Stammart und ihrer Varietät.
Thorax noch stumpfer gerandet als bei denselben. Erster Knoten
niedriger, länglicher, hinten viel schmäler, unten mit 1 Längsleiste,
die vorn und hinten mit je 1 Zähnchen endigt (zwischen ihr und
dem hintern Zähnchen 1 Intervall). Die v. nigrescens hat die
Zähnchen, aber die Leiste ist undeutlicher.
Der ganze Körper nur schwach glänzend (stark beim Arttypus),
stark, und ziemlich dicht punktirt, etwas weniger abstehend behaart
als bei der Stammart, dafür aber stark gelblich pubescent, so dass
der graugelbe Flaum die Sculptur theilweise verdeckt, besonders
auf dem Hinterleib. Fühlerschaft und Beine ebenfalls dicht punktirt.
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. ßg7
wenig glänzend, stark piibescent, mit nur wenigen, kurzen ab-
stehenden Härchen, die besonders auf den Schienen sehr spärlich und
schief sind.
Schmutzig gelbbraun; Vordertheil des Kopfes, Oberkiefer, Fühler,
Tarsen, Hinterrand der Abdominalsegmente, Gelenke und theilweise
die Knoten gelblicli.
9. L. 9 — 9,5 mm. Oberkiefer nahe der Basis winklig gebrochen
und daselbst, vor der Knickung, an der AussenHäche quer eingedrückt
und gerandet. bis zur Spitze längs gerunzelt, mit 2 Zälinen an der
Spitze und sonst schneidigem Endrand. Der sehr stark und hoch
gekielte ("lypeus hat voin 1 langen, weit vorspringenden, durch-
scheinenden Vorderlappen, auf welchem sich der Kiel bis zum con-
vexen Vorderrand fortsetzt. Kopf länglich rechteckig, um ^'5 länger
als breit, hinten stark concav und nicht breiter als vorn. Zwischen
den Augen je l rundlicher sehr deutlicher Eindruck für das Ende
des Fühlerschaftes. Die Augen sind von der Hinterhauptsecke so
entfernt wie ihre eigene Länge. Quer gestellt erreicht der Fühler-
schaft gerade den Kopfrand und längs gestellt die Mitte des Kopfi^s.
Pronotum vorn schmal, nach hinten verbreitert. Mesonotum knapp
so breit wie iler Kopf. Thorax von vorn nach hinten gleichmässig
gewölbt, mit kurzer abschüssiger Fläche des ^letanotums. 1. Knoten
l^^mal so lang wie breit, hinten kaum breiter als vorn.
Viel glänzender als der 5. Ziemlich stark und dicht punktirt.
Beliaarung wie beim i, aber die Pubescenz weniger dicht. Braun-
schwarz oder schwarzbraun; Wangen, Clj'peus, Fühlei-gruben, Fühler,
Schienen, Tarsen, Gelenke und Ränder der Hinterleibssegmente
gelbroth oder gelblich. Flügel schwarzbraun tingirt, mit schwarz-
braunen Rippen und Randmal.
S. L. 6,2 — 6,7 mm. Mandibeln glänzend, ziemlich glatt, mit
schneidigem Kaurand. Clypeus rundum concav eingedrückt, mit
einem convexen, ungekielten Mitteltheil, der nach vorn einen ge-
rundet dreieckigen, vorspringenden ^littellappen bildet. Geissei-
glieder nicht ganz 2 mal so lang wie dick; Schaft etwa so lang wie
ein Geisseiglied. Kopf länglich oval, mit bis hinten convexen Rändern,
hinten eng, mit einem scharfen, etwas concaven Hinterrand. Augen
klein, kürzer als ihre Entfernung vom Hinterrand des Kopfes.
Thorax wie beim + ; ]\[esonotum etwas breiter als der Kopf. Erster
Knoten wie beim +, aber hinten nicht breiter als vorn, unten mit
deutlicher Längsleiste und Zähnchen wie beim ^. Sculptur, Be-
haarung, Farbe und Flügel wie beim $. aber die Flügel sind
688 Aug. Forel.
kürzer und die hell gefärbten Theile blass g-elb, die Beine fast
ganz gelb, die Geissei jedoch braun, ausser dem 1. Glied.
Tarapoto. Amazonas, November 1902, in den blasenförmig an-
geschwollenen Blattstielen und Zweigen des Blütenstandes von
Tachigalia formicarum Harms n. sp.
Ich stelle diese Form provisorisch als Subspecies oder Rasse zu
latinoda Mate, bis man das ? und das S der typischen latinoda kennt,
weil der Arbeiter der iacMgaliac dem der latinoda ungemein nahe
steht. Das $ und das S sind dagegen durch die Bildung des Clypeus
und der übrigen Kopf theile ungemein eigenthümlich.
PseiidoiHyrnia caroli Foeel rar. sapii n, var.
9. L. 4,5 — 5,6 mm. Etwas schmäler als die Stammart. Vor
allem ist der Kopf rechteckig, hinten nicht breiter als vorn (beim
Typus von caroli ist er hinten breiter, mit hinten convexern Rändern).
Der Clypeuslappen ist auch sehr kurz, aber mehr rechteckig. Die
Farbe ist fast gleich, aber die heilern Theile sind mehr blass
schmutzig gelb. Sonst ganz gleich wie der Typus von caroJi.
$. L. 7,6—8,3 mm. Ungemein schmal; Kopf 0,8, Thorax 0,75
und Abdomen 1,2 mm breit an den breitesten Stellen. Die fast
geraden Kiefern sind weder geknickt noch eingedrückt, mit 2 deut-
lichen und 3 oder 4 undeutlichen Zähnen am Endrand und 1 Zahn
am Innenrand, glänzend, mit einigen Streifen und Punkten auf der
Endhälfte. Der rechteckige Kopf ist parallelrandig und sehr lang,
etwa l'^i — 1% mal (fast 2 mal) so lang wie breit, hinten stark aus-
gerandet. Clypeus mit einem rechteckigen, kurzen Lappen. Augen
klein, nehmen etwas mehr als 7:? der Kopfseiten ein. Stirnrinne
zum grössten Theil undeutlich. Der sehr kurze Fühlerschaft er-
reicht nicht die Hälfte des Kopfes und kaum die Hälfte des Auges.
Geisseiglieder kaum 2 mal so dick wie lang. Pronotum hinten nur
wenig verbreitert. Thorax der Länge nach gleichmässig schwach
gewölbt; abschüssige Metanotumfläche fast senkrecht, aber gerundet
in die längere basale Fläche übergehend. Erstes Stielchenglied
IV2 mal so lang wie hinten breit, vorn stark verschmälert, unten
vorn mit einem starken Zahne, Alles andere wie beim $, aber der
Hinterleib viel weniger pubescent. Flügel schwach gelblich ange-
haucht, mit gelben Rippen und braunem Randmal. Dem $ der
Stammart sehr älinlich.
Bom Fim, Jurua, Amazonas, Nov. 1900, in den durchbohrten
Zweigen von Sapium (Euphorbiacee) No. 5356 von Herrn Ule.
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. 689
JPseudonif/rina ulei n, sp.
S. L. 4—5 mm. ^randibeln sehr nahe an der Basis winklig
gebrochen, schwach gebogen, an der Endhälfte gestreift punktirt.
Endrand schneidig, mit 1 oder 2 Zähnen an der Spitze und einem
Zahn an der Basis. Innenrand mit 2 oder mehr Zähnen. Clypens
ungekielt, mit einem kurzen rechteckigen Vorderlappen. Kopf 1%
bis l'^/4 mal so lang wie breit, rechteckig, fast parallelrandig, vorn
so breit wie hinten, hinten schwach concav; die Seiten ganz schwach
convex. Die Augen stellen genau in der Mitte der Kopfseite, so
weit vom Vorderrand wie vom Hinterrand und nehmen etwas mehr
als das Drittel der Kopfseite ein. Der Schaft erreicht die Mitte der
Kopflänge; die mittlem Geisselglieder sind nicht 2 mal so dick wie
lang. Thorax wie bei der Ps. raroU, aber schmäler; die Basalfläche
des ^Fetanotum mehr als 2 mal so lang wie breit (fast 2'/., mal).
Erster Knoten ein klein wenig länger und zweiter Knoten vorn etwas
mehr verschmälert; ebenso das 1. eigentliche Hinterleibssegment.
Sculptur, Behaarung und Farbe genau wie bei der Ps. raroH
var. sapii.
$. L. 5,7 mm. Oberkiefer wie beim $, Clypeuslappen länger.
Kopf gut 2 mal so lang wie breit, rechteckig, mit parallelen Seiten-
rändern, hinten fast gerade und so breit wie vorn. Augen fast in
der Mitte, etwas mehr als das Drittel der Kopfseiten einnehmend.
Der Fiihlerschaft erreicht nach hinten nicht ganz die Hälfte des
Kopfes. ^Mittlere Geisselglieder fast 2 mal so dick wie lang. Thorax
noch schmäler als der Kopf; Basalfläche des Metanotums 2^4 mal so
lang wie die abschüssige. Breite des Kopfes 0,65, des Thorax 0,6,
des Hinterleibes 0,85 mm. Erstes Stielchenglied vorn stielartig ver-
schmälert, hinten knotenförmig, hinten am breitesten, so breit wie
die Hälfte der ganzen Länge des Gliedes. Zw^eites Glied gerundet
dreieckig, hinten so breit wie die Länge des ganzen Gliedes (bildet
ein gleichseitiges Dreieck). Sculptur. Farbe und Behaarung wie
beim J, aber die Pubescenz viel spärlicher. Flügel wasserhell, mit
blassen Rippen und blass braunem Eandmal. Ein einziges Exemplar.
S. L. 6 mm. Oberkiefer mit schneidigem Kaurand, gestreift,
mit etwas abgeflachter Endhälfte. Kopf hinten oval, vorn rechteckig,
l^.mal so lang wie breit. Die Augen nehmen nicht die Hälfte der
Kopfseiten ein. Erstes Geisseiglied länger als dick, zweites länger als
der Schaft, fast 4 mal so lang wie dick. Thorax und Stielchen ähnlich
wie beim ?, aber die Stielchenglieder flacher, das zweite länger als
690 Aug. Forei
liinten breit. Aeussere Genitalklappen gross, breit, kurz, sehr ge-
rundet. Farbe wie beim ?. Sculptur noch glatter, sehr glänzend.
Abstehende Behaarung äusserst s])ärlich. Pubescenz sehr kurz und
ziemlich zerstreut. Ein einziges Exemplar.
Diese Art ($) differirt von der Ps. caroli wesentlich nur durch den
noch viel längern Kopf (1-/3 — 1% mal so lang wie breit, bei caroli
nur IV3 mal so lang wie breit), den schmälern Körper und die
weniger dicken Fühler. Bei beiden Arten sind die Schenkel in der
Mitte etwas verbreitert. Die Knickung der Mandibeln ganz nahe
an der Basis ist beim l (nicht beim ^) von caroli auch angedeutet.
Jurua Mir}', Jurua, Amazonas, August 1901, in Zweigen und
Aesten von Coussapoa No. 5717 von Herrn Ule. Mit der filiformis F.
verwandt. Die lange schmale Körperform dieser und anderer Arten
V. Fsendomyrma, Adeca,^ Caniponotus etc. ist zweifellos ei^e Anpassung
zur Wohnung in engen pflanzlichen Röhren (s. unten bei Adeca).
Pseudomyrnia sericea Mayr vaj', cordiae n. var.
L. 3,5 — 4,1 mm. Unterscheidet sich vom Typus der Art durch
seine geringere Grösse, durch den Cl3'peus, dessen Vorderlappen
kürzer, breiter und rechteckig ist, durch den etwas schmälern, l'/g mal
so langen wie breiten Kopf sowie durch das 1. Stielchenglied, das
oben viel gerundeter und weniger gerandet, dafür kürzer ist.
2. Stielchenglied umgekehrt weniger breit und vorn stärker ver-
schmälert. Thorax oben etwas weniger flach. Schwarz ; Fühler,
Beine, Oberkiefer und Vorderrand des Kopfes rothgelb oder gelbroth,
Sculptur und Behaarung genau wie bei der Stammart.
$. L. 6,8—7 mm. Kopf und Flügel fehlen. So weit vorhanden
wie der ^.
Tarapo, Peru, in den Anschwellungen der obern Verzweigungen
von Cordia ind. — Von Herrn Ule gesammelt.
Pseudomyj'ma sericea Mayr var. Jom/ior n. var,
9. L. 5,5 — 6 mm. Grösser als die Stammart. Kopf noch läng-
licher, gut IV2 mal so lang wie breit. Clypeus wie bei var. cordiae.
1. Knoten dagegen fast so scharf gerandet wie bei der Stammart.
Farbe wie bei v. cordiae, aber die Geissei, mit Ausnahme des
1. Gliedes, und theilweise die Beine braun. Der var. fortis Forel
aus Mexico etwas ähnlich.
Tarapoto, Peru, in durchbohrten Zw^eigen von Platymiscium
stipulare Bth.
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. 691
I*seu(Joi}ifjrnif( serieea Mayr.
i. Strauch l)ei Jurua Miry, .Tnrua, Juni 1901. in den an-
geschwollenen Blüthenaxen und Zweigen von Pterocarpus ulei
Hakms n. sp.
Die ^ sind mit Ausnahme des mit rechteckigem kurzem Lappen
versehenen Olypeus ziemlicli tj^pisch. Der Kopf ist um ca. ^'^ länger
als breit, mit etwas convexeren Seiten als bei den obigen Varietäten.
Die Seiten des Thorax und der Knoten sowie die abschüssige Fläche
des Metanotums sind gelbroth ; sonst wie die andern. Solche Färbungen
erwähnt bereits Mayr. Unter dem 1. Stielchenglied 1 Leiste und
2 Zähnchen.
5. L. 7—7.5 mm. Mandibeln nicht geknickt, mit einem schwachen
Längseindruck aussen an der liasis, glänzend, fast glatt, nur gegen
ihr Ende mit einigen kurzen groben Streifen. Kopf gut Vl^ mal so
lang wie breit, hinten nicht breiter als vorn, und concav, mit sehr
schwach convexen Seiten. Clypeus mehr dreieckig vorgezogen.
Thorax noch schmäler als der Kopf. Pronotum, Scutellum und untere
Hälfte des Metanotums gel])roth oder braun; sonst wie der i ge-
färbt. Flügel wasseiiiell, irisirend, mit schmutzig gelben Rippen und
braunem Randmal. Im Uebrigen wie der 5. — Kopf 1,0, Thorax 0,85,
Abdomen 1.2 mm breit.
IL Bolidioderinae.
A^teca alfari Emery var, aequilata n. var.
l. L. 2,6 — 4 mm. Unterscheidet sich von der typischen alfari
durch die Kopfform. Der Kopf ist hinten kaum oder nur sehr wenig
breiter als vorn, übrigens, wie beim Typus, um ca. V5 oder ^/^ länger
als breit. Er ist grösser und rechteckiger, mit weniger gewölbten
Seiten als bei der var. ovaticcps Fokkl aus Para. Farbe und Sculptur
sind wie beim Arttypus und nicht \\\^ bei den Rassen lucida For.
und JnriduJa For. Im Uebrigen wie der Arttypus.
V. L. 7—7,4 mm. Kopf mehr rechteckig als bei der var. ovaticeps,
mit weniger convexen Seiten; sonst ganz gleich. Flügel irisirend,
gelbbräunlich angehaucht, mit braunem Randmal und bräunlich-
gelben Rippen.
S. L. 3,4 mm. Der Kopf ist hinter den Augen mehr vei'engt,
mit deutlichem! Hinterrand als beim S der R. Incidula. wo er mehr
592 '^^^'- FOHEL,
gerundet ist. Die Farbe ist gelb, wenig glänzend; die Exemplare
scheinen aber noch nicht ganz reif zu sein. Sonst wie bei hiciäiüa,
Avo das S aber schwarz und glänzend ist.
Jurna Miry, Jurua, Juni 1901, in hohlen Internodien von
Cecropia No. 5588 des Herrn Ule; Cacliveira Jurua, in hohlen
Internodien der Cecropia No. 5587 von Herrn Ule.
Azteca traili Emery.
Unter der gleichen Nummer (51b) befindet sich ein % das ich
nicht als zu dieser Art sicher gehörig zu betrachten wage, da es in
einem andern Glas ist und mir abzuweichen scheint. Es ist 7,8 mm
lang, dem $ von ^1. cdfari v. aequüata sehr ähnlich, aber mit ab-
stehend behaarten Fühlern und Beinen. Schienen und Schenkel
braun. Der Kopf mehr als ^4 (nicht ganz ^g) länger als breit (bei
aequüata ^j^), rechteckig, hinten kaum breiter. Der Schaft erreicht
nahezu den Hinterhauptsraud (es fehlt etwa ^/^o der Kopflänge,
während er bei aequHata kaum das hintere Viertel überragt). Sonst
alles ziemlich gleich.
Den $ fand Herr Ule a) in Ameisengärten:
1. in Bom Fim, Jurua, Amazonas, zwischen Gesneriacee
No. 5214,
2. in Saö Joachim, Bio Negro, zwischen der gleichen Ges-
neriacee No. 5214,
b) in Anschwellungen des Blattstiels von Tococa bullifera Mart
et Sehr., in Manaos, Amazonas.
Das $ stammt aus der No. von Saö Joachim.
Alle 5 sind typisch, und ich kann keinen Unterschied zwischen
denjenigen, die in der Anschwellung leben, und denjenigen der
Ameisengärten finden.
Azteca traili Em. v, filicis n. var.
9. L. 2,7 — 3,3 mm. Etwas grösser und dimorpher als die
typische traili. Kopf etwas länglicher, besonders beim kleinen $.
Das Stielchen ist etwas gestreckter; die Schuppe etwas niedriger,
sehr stark nach vorn geneigt, die ganze Ameise etwas schlanker.
Sonst gleich.
Cerro de Ponasa, Peru, ca. 1100 m hoch im Gebirge. In einem
Polypodium-artigen Farn mit Knollen, nach Art von Myrmecodia,
auf einer Tococa mit Ameisengärten.
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. 693
Azteca traili Em. i«. tococae u, rar.
L. 2,1 — 3 mm. Dimorpliismus Avie beim Arttj-pus. Der ebenso
längliche Kopf ist vorn weniger verengt, hinten stärker ausgehöhlt.
Die Oberkiefer sind dicker, stärker gekrümmt, massiver. Das Pro-
mesonotum bildet eine viel stärkere C'ouvexität, etwa wie bei A.
alfari Em., aber das Metanotum ist viel flacher als bei letzterer
Art. Die Schuppe ist wenig geneigt, viel höher als beim Arttypus,
fast senkrecht, ziemlich dick, hinten oben zugespitzt. Die abstehende
Behaarung ist etwas spärlicher als beim Arttypus.
Bei dieser Varietät liegen die Augen vor der Mitte der Kopf-
seiten, beim Arttypus dagegen ziemlich genau in der Glitte.
S. L. 2.7 — 3 mm. Kopf fast viereckig, mit sehi' deutlichem
Hinterrand, so breit wie lang, vor den Augen aber enger. Die con-
vexen. aber nicht grossen Augen nehmen weni^i- mehr als ^g der
Kopfseiten ein. Mittlere Geisselglieder um wenig länger als dick.
Fühlerschaft so dick wie lang. Erstes Geisseiglied kuglig. Zweites
Geisselglied 1^ ., mal so lang wie dick, am dicksten von allen. Kiefer
wie beim Arttypus. Glänzend, schwarzbraun, spärlich abstehend
behaart; Schienen fast ohne abstehende Haare. Flügel bräunlich
angehaucht, pubescent.
Jurua Miry, Jurua, Amazonas. In den Anschwellungen von
Tococa guianensis Aubl., von Herrn Ule gesammelt.
Ich habe die 2 zuletzt beschriebenen Formen als Varietäten zu
traili gestellt, obwohl sich Manches dagegen einwenden Hesse. Eine
genauere Kenntniss der geflügelten Geschlechter wird die Sache
später abklären, Emeky giebt die Kopfform des S des Arttypus
nicht an.
Azteca olitrix n. sp.
.^. L. 2—3,2 mm. Gedrungener als imiU und dunkler gefärbt.
Die Kopfform ist eigenthümlich. Beim ^ major ist der Kopf kaum
länger als breit; seine hintern zwei stärkern Drittel bilden ein
queres Rechteck, mit parallelen Seitenrändern. Von dem etwas vor
dem Vorderrand der Augen gelegenen vordem etwas kleinern Drittel
an verengt sich der Kopf rasch und stark. Hinterrand stark aus-
gehölilt. Beim kleinen ; ist der Kopf ähnlich, aber weniger aus-
gesprochen, etwas länger als breit. Kiefer breit, mit langem End-
rand, glatt, fein punktirt. Der Fühlerschaft erreicht den Hinter-
hauptsrand beim grossen >; . überragt ihn etwas beim kleinen.
Zool. Jahrb. XX. Abth. f. Syst. -iö
694 '^^^ß- FOREL,
Mittlere Geisselglieder so dick wie lang- (länger bei traili). Thorax
wie bei der var. tococae der traili; Promesonotum eher weniger ge-
wölbt, aber viel gewölbter als bei den andern Varietäten der traili.
Schuppe niedrig, vorn convex, hinten flach, oben stumpf, stark ge-
neigt, ähnlich wie bei der var. cordiae der ulei, unten hinten mit
einem starken, durchscheinenden gerundeten Lappen. Behaarung
und Sculptur wie bei der traili, aber die anliegende Pubescenz ist
kürzer, etwas spärlicher.
Braunschwarz oder schwärzlich-braun; Beine braun. Fühler
und vorderes Drittel des Kopfes rostfarbig. Ende des Fühlerschafts
bräunlich. Tarsen und Gelenke gelbröthlich. Beim kleinen 5 sind
Kopf und Thorax hell braun.
?. L. 8 mm. Dem J der A. alfari v. aequilata sehr ähnlich.
Namentlich ist die Kopfform gleich, aber der ganze Körper schmäler
und, mit Einschluss der Schienen und des Fühlerschaftes, abstehend
behaart. Die Punktirung ist schwächer und zerstreuter, der Körper
daher viel glänzender, dagegen länger pubescent, besonders der
Kopf. Die Schuppe ist viel stärker nach vorn geneigt, und das
Stielchen trägt unten einen rundlichen, durchscheinenden, nach hinten
gerichteten Lappen. Braunschwarz. Fühlergruben und Vorderecken
des Kopfes schmutzig gelbbräunlich. Mandibeln schwarzbraun, Fühler,
Tarsen, Stielchen sowie die Unterseite, das vordere Ende und die
Hinterränder der Segmente des Abdomens gelb; nur das Ende des
Fühlerschaftes bräunlich. Flügel bräunlich mit braunen Eippen und
braunem Randmal.
Jurua Miry, Jurua, Amazonas, Juli 1901, zwischen den Gesne-
riaceen mit Gallen. No. 21b, Ameisengärten bildend.
Diese Art steht jedenfalls traili und jelsMi sehr nahe.
A^teca tilei n, sp,
V. L. 2,3 — 4,8 mm. J major. Kopf gut 1.4 mm breit und fast
ebenso lang, hinten tief ausgehöhlt und mit sehr stark convexen
Seiten, fast wie bei A. lallemandi Foeel, vorn etwas schmäler als
hinten. Kiefer breit, gekrümmt, mit Szähnigem Endrand und sehr
fein gezähneltem Innenrand, sehr fein gerunzelt oder fast glatt, mit
zerstreuten Punkten. Augen vor der Mitte. Der Fühlerschaft über-
ragt deutlich den Kopfhinterrand. Alle Geisseiglieder etwas länger
als dick. Promesonotum fast so gewölbt wie bei alfari. Basalfläche
.des Metanotums niedriger, schwach gewölbt, doch nicht durch die
Ameisen aiis dem Amazonas-Gebiet und ans Peru. 695
vorragenden Stigmen von der abschüssigen Fläche getrennt; die
Stigmen liegen etwas weiter vorn nnd seitlich. Schnppe ungefähr
wie bei imili^ aber höher, oben etwas dünner.
Sculptur, Farbe und Behaarung wie bei imili-^ aber Stirn,
Scheitel und Kiefer braun und die abstehende Behaarung etwas
spärlicher.
$ minor. Kopf etwas länger als breit, mit viel weniger con-
vexen Seiten, länger als breit; der Schaft überragt den Hinterrand
des Kopfes um fast ^/^ seiner Länge. Mandibeln röthlich. Sonst
wie der grosse $.
.Turua Miry, Jurua. Amazonas; zwischen der Gesneriacee No, 577b
von Herrn Ule, Ameisengärten bauend.
Auch mit A. schimperi Em. verwandt, die aber keine abstehende
Behaarung der Tibien zeigt, weniger pubescent und schlanker ist.
Azteca ulel v, cordlae n. var.
Kleiner. L. 1,9—3,3 mm. Beim i major ist der Kopf so breit
wie lang, etwa wie bei A. mi'dleri Em., beim $ minor länglich, hinten
fast nicht breiter als vorn. Erstes Stielchenglied gestreckt. Schuppe
niedriger als beim Typus, stärker geneigt als beim Typus und bei
tmüL Stigmen wie bei traili, an der Ecke zwischen basalen und
abschüssigen Fläche etwas hervorspringend. Das Promesonotum ist
weniger gewölbt als beim Typus der Art, aber mehr als bei traili
i. sp., sonst wie ulei.
Marary Jurua, Amazonas; in den Zweiganschwellungen von
Cordia nodosa.
Diese Form ist schwierig. Man hätte sie auch als Varietät zu
traili stellen können. Doch scheint sie mir eher zu ulei zu gehören ;
vielleicht ist auch der grösste 9 nicht gesammelt worden.
Azteca ulei v. nif/ricornis n. siibsp,
2'. L. 2,5—4 mm.
V major. Kopf fast wie beim Arttypus, so breit wie lang, aber
mit viel weniger convexen Seiten. Fühler etwas kürzer und massiver;
der Schaft erreicht gerade den Hinterhauptrand ; vorletzte Geissel-
glieder so dick wie lang. Thorax wie bei der var. cordmc, aber das
Pronotum flacher, das ^[esonotum dagegen eher stärker gewölbt.
Schuppe fast so hoch wie beim Arttypus. Abstehende Be-
46*
69 -^UG. FOREL,
liaaruiig- viel spärlicher. Nur einzelne sehr zerstreute
Haare am Körper sowie an den Schienen und an dem
Fühl er Schaft. Farbloser, als der Typus von täei; Kiefer dunkler,
bräunlich. Die Fühlergeissel, mit Ausnahme des 1. Gliedes, braun-
schwarz. Die kurze, anliegende Pubescenz besonders am Kopf und
an den Gliedern etwas dichter.
2 minor. Kopf länglicher und schmäler als bei nJei i. sp. Der
Fühlerschaft überragt den Hinterrand um mehr als Y-, seiner Länge.
Farbe des Körpers schwarzbraun, mit rüthlichem Vordertheil des
Kopfes, Kiefer, Schaft und 1. Geisselglied. Beine braun.
Cachveira, Jurua, Amazonas, in Zweiganschwellungen von Cordia
nodosa.
Die Rasse oder Subspecies nigricornis ist auch mit der A. lalle-
mandi Foeel verwandt, die aber einen breitern Kopf, schlankere
Fühler, eine oben dicke, stark gerundete und durchaus nicht scliarf-
randige Schuppe hat, endlich Cartonnester baut und nicht in Inter-
nodien oder Pflanzenhöhlen lebt.
A^teca minor n. sj).
9. L. 2—2,4 mm. Kiefer mit 8 Zähnen. Der grössere $ mit
gerundetem Kopf, so breit wie lang, mit sehr convexen Seiten, dem-
jenigen der A. jelsh'd Em. ganz ähnlich, aber vorn weniger verengt.
Beim kleinen 2 ist der Kopf etwas länger als breit, mit weniger
convexen Seiten. Augen in der Mitte. Der Schaft überragt den
Kopfhinterrand um ^/^ — '/'^ seiner Länge. Mittlere Geisselglieder
so dick wie lang. Promesonotum recht schwach gewölbt. Metanotum
flach; die Stigmen liegen an den Ecken beider Flächen. Abschüssige
Fläche schief. Schuppe recht dick, niedrig, oben stumpf, gerundet.
Ziemlich glänzend, nicht dicht punktirt. Ziemlich reichlich abstehend
behaart, am ganzen Körper sowie an den Schienen und an dem
Fühlerschaft. Ziemlich reichlich pubescent, ganz wie bei jelsUi.
Schwarz oder schwarzbraun; vordere Hälfte des Kopfes, Kiefer,
Fühlerschaft, 1. Geisseiglied und Tarsen gelbroth; Beine braun; der
Rest der Geissei braunschwarz.
?. L. 7 mm. Dem 5 der A. olitrix und der A. alfari v. aeqtii-
lata sehr ähnlich, aber kleiner und weniger schmal als olitrix ; die
Kopfränder gerader als bei aequüata; Kopf übrigens gleich geformt.
Der Schaft erreicht das 3. Viertel des Kopfes. Die Schuppe ziem-
lich aufrecht, von der Seite besehen kegelförmig, viel niedriger als
bei den beiden genannten Formen, oben etwas stumpfrandig. Glanz,
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. 697
Sculptur, Behaarung und Pubescenz wie bei olitrix. Dunkel braun,
auch die Geissei; Beine rothbrann. A'orderhälfte des Kopfes, Kiefer,
Fühlerschaft, 1. Geisselglied und Tarsen rostfarbig. Hinterrand der
Abdominalsegmente schmutzig- gelb. Flügel felilen,
Jurua Miry, Jurua in hohlen Internodien von Cecropia.
Schwierige Form, als eigne Art dubiös. Der olitrix sehr nahe
stehend, aber auch der jcIskH, jedoch viel behaarter als letztere, mit
anderer Schuppe und anilers gefärbt. Auch mit tondtizi Forel ver-
wandt. Doch ist bei tonfluzi der Kojjf mehr dreieckig, der Thorax
ganz oline Ausrandung und die Farbe anders.
A^teca (luroiae n. sjf»
l. L. 2,5 — 4 mm. Der nki r. nigricornis sehr ähnlich, aber der
Fühlerschaft und die Schienen absolut ohne abstehende Haare. Der
hinten tief ausgeschnittene Kopf des grossen i ist gut um Ve länger
als breit und nähert sich dadurch etwas der A. hicolor Em.; Kopf-
seiten massig convex. Der Fühlerschaft erreicht beim i major das
hintere Siebtel des Kopfes und überragt fast den Hinterrand beim
^ minor. Die mittlem Geisselglieder so lang wie dick. Promeso-
notum schwach gewölbt, beim i minor sogar sehr schwach, so dass
die Thoraxeinschnüruug sehr gering wird. Stielchen wie bei ulei,
aber etwas länger, mit sehr weit nach vorn gelegener Schuppe;
diese ist dünner, höher und hat oben einen ganz dünnen, etwas
nach liinten zurückgebogenen Rand, der zugespitzt endigt. Unten
hinten hat das Stielchen einen gerundeten Lappen. Farbe gleich
vertheilt wie bei tilei r. nigricornis^ aber dunkler. Beine (Tarsen
oft ausgenommen). Oberseite des Kopfes, Thorax und Hinterleib
schwärzlicli-braun oder dunkel braun. Vordere Hälfte des Kopfes
(ausser der Stirne bei einer Varietät) und Kiefer röthlich, sowie
auch der Fühlerschaft und das 1. Geisselglied. Pubescenz kürzer
als bei uhi, aber ebenso dicht; Glanz gleich. Auf dem Köiper nur
einige ganz zerstreute Borstenhaare. Schienen und Fühlerschaft nur
anliegend pubescent.
Bei Ja])uru, am Jurua sup., Amazonas, in den Anschwellungen
der Zweige von Duroia hirsuta K. Sch. ; Jurua Miry, Jurua, in den
Zweigen von Pouruma No. 5719 des Herrn Fle. Ich betrachte die
Fxemplare aus Jaburu als die typischen, weil sie den grössten ^ ent-
halten. Sie haben eine braune Stirn und bräunliche Tarsen.
Diese Form ist sehr schwierig-. Sie ist einerseits der ulei
(398 '^^"^- FOREL,
r. nigricornis nahe stehend, andrerseits aber mit der hicolor Em. und
mit der lallemandi Forel (siehe Bemerkung- zur nlei r. nigricornis),
oder, besser gesagt, mit der Gruppe trigona-cliartifex verwandt,
Azteca eineryi n, sp.
$. L. 2,6 — 5 mm.
2 major. Kiefer mit 8 sehr scharfen Zähnen, gestreckt, wenig
gekrümmt, mit etwas schiefem Endrand, an der Basis wenig glänzend
und äusserst fein und dicht gestrichelt, gegen das Ende glatt, fein
zerstreut punktirt. Kopf ca. um ^/^ länger als breit (1,15 mm breit
und 1,7 mm lang), hinten tief eingeschnitten und kaum merklich
breiter als vorn, mit massig convexen Seiten, sehr ähnlich geformt
wie bei A. fheresiae, aber länger und schmäler. Augen eher klein,
vor der ]\[itte, etwa am 2. Fünftel der Kopfseiten. Der Fühler-
schaft erreicht knapp das hintere Fünftel des Kopfes. Geisseiglieder
alle etwas länger als dick; die 4 vorletzten jedoch kaum merklich
länger als dick. Pronotum ziemlich lang, vorn halsförmig, schwach
gewölbt, nach hinten aufsteigend. Mesonotum bucklig. Thorax-
einschnitt stark und breit, unten mit 2 etwas hervorragenden
Stigmen. Basalfläche des Metanotums massig, aber deutlich gewölbt.
Die Stigmen an den Seiten des Metanotums. Abschüssige Fläche fast
so lang wie die basale, sehr gerundet in dieselbe übergehend.
Schuppe stark geneigt, genau keilförmig, oben scharfrandig, mit
kurzer vorderer und längerer hinterer Fläche, beide eben.
Ziemlich dicht punktirt, massig glänzend. Körper zerstreut ab-
stehend und kurz, aber reichlich, reifartig pubescent. Beine und
Fühlerschaft nur pubescent und ohne abstehende Haare (höchstens
1 oder 2 Haare an den Hüften und Schenkeln).
Kopf (mit den Kiefern, aber ohne den Vorderrand) und Hinter-
leib, theilweise auch der Thorax braun. Der übrige Körper und die
Glieder röthlich-braungelb.
V minor. Kopf hinten breit concav, vorn verengt, weniger
lang im Verhältniss als beim grossen 9, aber länger als bei hicolor.
Der Fühlerschaft überragt ein wenig den Hinterhauptsrand. Sonst
ziemlich wie der grosse 5, aber die Kiefer röthlich und die 10
letzten Geisselglieder braun.
?. L. 9 mm. Kiefer wie beim $, aber schimmernd, dicht und
sehr fein genetzt. Der Kopf bildet ein sehr langes, durchaus
gleichmässiges Kechteck, der nahezu 2 mal so lang wie breit ist (fast
wie bei der Ä. angusticeps Em.). Der Vorderrand ist gerade, die
Ameisen aus dem Amazouas-Gebiet imd aus Peru. 699
Seitenränder absolut parallel und der Hinterraud in der Mitte tief
ausgebuclitet. Die Aug-en sind relativ kleiner als bei angiisficeps
und liegen am vordem Viertel. Der Fühlerscliaft reicht bis zur
hintern Ocelle. Die Geisselglieder etwas länger als dick ; die 4 vor-
letzten fast so dick wie lang. Thorax von vorn nach hinten gleich-
massig gewölbt; abschüssige Fläche des Metanotunis nur wenig
kürzer als die Basalfläche. Schuppe leicht oder massig nach vorn
geneigt, sehr hoch, dünn keilförmig-, oben ziemlich scharfrandig wie
beim 9, vorn und liinten mit ebenen Fläclien.
Dicht punktirt, massig glänzend; Kopf sehr dicht punktirt,
schimmernd. Al)stehende Behaarung wie beim i. Aeusserst fein
und ziemlich reichlich, reifartig pubescent. Bräunlich -schwarz;
Fühler, Yorderrand des Kopfes, Tarsen und Gelenke gelblich-roth,
fast rostfarbig. Kiefei' und Beine braun. Flügel fast wasserhell,
mit blassen Rii)pen und Randmal.
Cachveira Jurua, Amazonas, Mai lüOl, in den holileii Internodien
der Cecropia sciodaphylla Mart. (No. 5512 des Herrn Ule).
Diese schöne Art findet ihren Platz neben mayri, amfusticcps,
theresiae und Jongiccps.
Axteca lonfficeps Emery vcir, juruensis n. var.
$. L. 2,2—3,4 mm.
i major. Kiefer 7— Szähnig, stämmig, gekrümmt, glänzend, fein
punktirt. Kopf IV2 nial so lang wie breit, hinten massig seicht aus-
gerandet und wenig breiter als vorn, seitlich recht schwach convex,
Augen etwas hinter dem vordem Drittel. Der Fühlerschaft erreicht
das hintere Kopfdrittel. Drittes bis vorletztes Geisseiglied dicker als
lang. Thorax kurz und breit. Pronotum viel breiter als lang.
Promesonotum gewölbt. Einschniirung massig. Basalfläche des
Metaiiotums massig gewölbt, nur Avenig länger als breit. Stielchen
ziemlich kurz, mit ziemlich geneigter, ziemlich niedriger, oben stumpf
gerundeter Schuppe. Beine ziemlich kurz.
Ziemlich dicht punktirt, massig glänzend, recht dicht grau
pubescent, recht spärlich abstehend behaart. Am Fühlerschaft
einige, an den Schienen fast keine Borstenhaare.
Braun. Beine, Fühlerschaft, 1. Geisseiglied und Vorderrand des
Kopfes röthlich-braun. Hinterrand der AbdominaLsegmente schmutzig
gelb.
V minor, Kopf 173—!% mal so lang wie breit, hinten schwächer
ausgerandet und vorn mehr verengt als beim grossen v- Der Fühler-
700 Aug. Forel.
Schaft erreicht fast das hintere Viertel des Kopfes. Sonst genau
•wie der grosse v-
$. L. 5 — 5,2 mm. Kleiner als die tjqiische longiceps, stärker
pubescent. Kopf im Verhältniss etwas schmäler und länger, 1,4 mm
und 0,76 mm breit (bei lowjic.eps 1,5 mm lang und 0,9 mm breit),
mit durchaus parallelen Seitenrändern (sehr leicht convex bei longi-
ceps). Farbe wie beim Typus der Art. Abstehende Behaarung aber
spärlicher als beim ^^. Schuppe nicht zugespitzt, aber oben fast
scharf, kaum etwas gerundet. Flügel bräunlich.
S. L. 2,9 mm. Kopf etwas länger als breit, gerundet vier-
eckig. Schaft kaum länger als das erste kuglige Geisseiglied.
Braun. Fühler, Kiefer und Beine schmutzig blassgelb. Sonst wie
das $, so weit das einzige, schlecht conservirte, halb unreife Exemplar
zu beurtheilen gestattet.
Jurua Miry. Jurua, Amazonas. August 1901, in durchbohrten
Aesten und Zweigen einer Leguminose (Swartzia).
Da nur das $ von A, longiceps beschrieben ist, ist ihr Verhält-
niss zur vorliegenden Form nicht völlig klar. Doch handelt es sich
mindestens um eine Varietät. Aus Mexico besitze ich ein $ von
longiceps, das ich für ziemlich typisch halte.
Ar^teca coiissajjocte n. .si>.
$. L. 2,6 — 3 mm. Wie es scheint nahezu monomorph. Kopf
1^2 nial so lang wie breit, nahezu genau wie bei longiceps v. juruensis
$ major, aber hinten kaum breiter als vorn und kaum ausgerandet,
mit etwas convexern Seiten. Der Schaft erreicht nicht das hintere
Kopfdrittel, höchstens das dritte Fünftel. Kiefer weniger gekrümmt,
mit schieferm Endrand. 2. Geisseiglied dicker als lang, 3. — 10. Glied
2 mal so dick wie lang ; Fühler gegen das Ende verdickt. Pronotum
vorn ansteigend; dann ist der Thoraxrücken bis zur abschüssigen
Metanotumfläche gleich hoch und schwach convex, fast geradlinig,
nur sehr schwach zwischen Mesonotum und Metanotum ansgerandet.
Namentlich steht die Basalfläche des Metanotum auf gleicher Höhe
wie das Mesonotum. Abschüssige Fläche so lang wie die Basal-
fläche, ziemlich steil. Schuppe nicht hoch, nach vorn geneigt, keil-
förmig, aber mit stumpfem obern Rande. Beine kurz; die Schenkel,
besonders die vordem, etwas verdickt, die vordem besonders ver-
breitert (etwas abgeflacht).
Sculptur der longiceps v. juruensis :, Pubescenz fast ebenso stark.
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. 701
Abstehende Behaarung: reichlicher am Körper. Schienen und Fühler-
schaft mit einzelnen Borstenliaaren.
Braun. Fühler, Kiefer, vorderes Viertel des Kopfes, Tarsen und
Gelenke mehr gelbröthlich oder roströthlich. Hinterrand der Ab-
dominalsegmente schmutzig gelb.
A^on allen andern ^Ufeca-Arten durch die Thoraxform unter-
schieden, ist übrigens diese Art mit schumanni, brevicornis, crassicornis
und longkcps verwandt.
Jurua Miry, Jurua, Amazonas; in den Zweigen und Aesten der
Coussapoa, No. 5717 des Herrn Ule.
A^^teca taclih/aliae n. sp.
9. L. 2,4— 3,3 mm. Kleiner 9 mit fast ebenso geformtem Kopf
wie der grosse. Kiefer kurz, schwach gekrümmt, kurz gezähnt,
fast so dick an der Basis wie am Ende, glatt, schwach punktirt.
Kopf trapezförmig, hinten sehr breit, vorn stark verengt, fast so
breit hinten wie lang, mit schwach concaven Seiten, hinten in der
Mitte massig ausgebuchtet (beim kleinen ^ ist der Kopf hinten
wenig concav und vorn stärker verengt). Der Fühlerschaft erreicht
nicht ganz das hintere Sechstel des Kopfes. 3. — 10. Geisseiglied
viel dicker, ca. IV2 mal so dick wie lang; Geissei gegen das Ende
deutlich verdickt. Augen etwas vor der Mitte. Der ganze Kopf
deutlich depress, mit sehr schwach convexer Oberseite, auch beim
kleinen v. Der ganze Thorax sehr breit und kurz, sowohl dorsal
als lateral eingeschnürt. Pronotum 3 mal so breit wie lang (beim
^ minor 2^3 mal). Mesonotum breiter als lang, massig convex.
Basalfläche des Metanotums breiter als lang; abschüssige Fläche
etwas kürzer als sie. Schuppe dick, niedrig, ziemlich stark nach
vorn geneigt, oben ganz stumpf gerundet und fast so dick wie unten.
Beine kurz; Schenkel etwas, aber nicht stark verdickt.
Stark glänzend, glatt, sehr fein und weitläufig punktirt, massig
pubescent und ziemlich reichlich kurz abstehend behaart, auch an
den Schienen und am Fühlerschaft.
Schwarz. Kiefer, Vorderecken des Kopfes, Basis des Schaftes
und des 1. Geisseigliedes röthlich. Tarsen braungel blich, sowie die
untere Hälfte der abschüssigen Fläche des Metanotums. Beim kleinen
9 sind die Kiefer bräunlich.
Cerro de Escaler, Peru, im angeschwollenen Blattstiel von Tachi-
galia ind. (auf dem Gebirge, ca. 1000 m hoch), von Herrn Ule ge-
sammelt.
702 Aug. FoßEL,
Sehr eigenthümliche, abweichende Art; Stückchen eines Carton-
baues in der a-ou ihr bewohnten Anschwellung-.^)
1) At^teca eniinae n, sp.
5. L. 2,3- — ^3,2 mm. Kiefer schwach gebogen, ziemlich glatt.
$ major. Kopf fast quadratisch, vorn etwas verengt, hinten massig
concav, kaum länger als hinten breit, mit schwach convexen Kändern.
Clypeus vorn nicht eingedrückt, mit dem Vorderrand in der Mitte deutlich
convex. Augen etwas vor der llitte. Der Fühlerschaft erreicht gerade
den Hinterhauptsrand. Alle mittlem Geisselglieder etwas dicker als lang.
Thorax stämmig, kurz ; Promesonotum massig gewölbt ; Metanotum tiefer
liegend und kaum gewölbt. Die Mesometanotalfurche nicht eingedrückt.
Pronotum doppelt so breit wie lang. Basalfläche des Metanotums hinten so
breit wie lang, vorn deutlich verengt. Schuppe ziemlich niedrig, stark
geneigt, halb keilförmig, halb gerundet, vorn und hinten schwach convex,
oben stumpf gerandet. Beine etwas (leicht) deprimirt, länger als bei
tachigaliae.
Dicht punktirt und schwach glänzend. Stark, ziemlich lang und nicht
besonders fein anliegend pubescent, so dass die Sculptur theilweise ver-
deckt wird, reichlich (auch an den Schienen und am Fühlerschaft) ab-
stehend behaart. Ganz braun mit schwarzbraunem Hinterleib.
V minor. Kopf um ^/^ länger als breit, hinten sehr schwach concav.
Der Fühlerschaft überragt den Kopfhinterrand um etwa ^/g seiner Länge.
Promesonotum weniger gewölbt ; Pronotum im Verhältniss schmäler. Körper
etwas glänzender. Sonst wie der grosse i^.
$. L. 7,5 — 8 mm. Kopf fast so breit wie lang, mit ziemlich stark
convexen Seiten, in der Mitte am breitesten, hinten breit und schwach
concav, vorn wenig enger als hinten. Der Fühlerschaft überragt kaum
die hintern Ocellen. Vorderrand des Clypeus gerade. Schuppe keilförmig,
nicht hoch, stark geneigt, mit leicht concaver hinterer Fläche. Kopf fast
matt, sehr scharf und dicht punktirt. Körper sehr reichlich und lang
braun abstehend behaart. Braunschwarz ; Beine und Kiefer braun ; Vorder-
rand des Kopfes und der Kiefer röthlich. Flügel braun tiugirt und
irisirend, mit braunen Eippen und Randmal. Sonst wie der grosse J^.
(J. L. 4 — 4,2 mm. Die Kiefer bilden ein ungezähntes, spitzes Drei-
eck und erreichen einander knapp in der Mitte. Kopf fast rund, etwas
breiter als lang. Fühlerschaft ganz klein, breiter als lang; ebenso das
1. Geisseiglied. Die übrigen Geisseiglieder mit einer dichten wolligen
Pubescenz bedeckt ; das 2. am längsten und breitesten, gegen die Spitze
zu schmäler. Thorax ziemlich breit. Schuppe fast aufrecht, oben stumpf
gerandet. Der Körper noch dichter und länger abstehend behaart als
beim $, Haare dunkel braun, fast schwärzlich, an den Schienen jedoch
etwas kürzer, spärlicher. Flügel nur schwach gelblich angehaucht. Sonst
wie das $, aber ganz schwarz mit braunen Beinen und Fühlern.
Chaüas Gudas, Costa Rica, von Herrn Pittier erhalten (meine
Sammlung).
Sehr eigenthümliche Art, mit piUieri verwandt, aber grösser.
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. 703
Die A^eca-Arten zeigen g-aiiz widersprechende Verhältnisse
zwischen den Geschlechtern der gleichen Art, Bald ist der Kopf
beim $ länger, bald umgekehrt ; ebenso wechseln die Verhältnisse
zwischen den grossen und kleinen Arbeitern. Darauf hat zuerst
Emery in seiner vorzüglichen ^fonographie der Gattung Azteca hin-
gewiesen. Nach meiner Ansicht hängt dies mit der Lebensweise
zusammen. Wie die £'«Yow- Arten die Räuber des Urwaldbodens und
die Atta-kvi&ü. die Laubzerstörer des neotropischen Urwaldes sind,
so sind die Azteca mit den Psexdomyrma so recht die Beherrscher
der Bäume. Ich kenne keine einzige in der Erde wohnende jisteca
(und nur eine Psemlomijnna, die 1\ elegans Sm.). Aber wie mannig-
faltig gestaltet sich dafür das Baumleben dieser kleinen Affen unter
den Ameisen, die da überall klettern und schlüpfen. Die einen
bauen Cartonnester auf den Stämmen und Zweigen; die andern
nisten in grossen Baumhöhlen. Andere {hypophijUd) nisten unter den
dem Baumstamm sich anlegenden Blättern gewissi^- Schlingpflanzen,
deren Ränder sie mit Carton verschliessen. Weitere wiederum be-
nutzen die Höhlen todter Aestchen, während noch weitere den
natürlichen Markraum lebender Cecropia- Arten und fernere sonstige
Anschwellungen und Räumlichkeiten diverser Pflanzen bewohnen.
Endlich hat Herr Ule die besonders von Azteca-kvi^w gesäten, be-
stimmten Epiphyteu-Arten dienenden Ameisengärten entdeckt und
beschrieben. Nun deutet nach meiner Ansicht der sehr lange, schmale
Kopf des '^ und des grossen v vieler Astcca-Ävt^n wie auch vieler
Fsemlomijrma-VoYiwtw (s. oben) auf sehr schmale röhrenförmige
Wohnungen in Aestchen und Zweigchen. Der kleine v ist so wie so
schmal genug und braucht diese für starke Muskeln dienende Ver-
längerung des Kopfes nicht. Deshalb ist dann auch der Kopf beim
Weibchen am längsten, weil das $ am grössten ist. Das fast hirn-
und kieferlose Männchen braucht solches nicht. Ein flacher, depri-
mirter Kopf und breite Schenkel deuten auf eine sehr abgeflachte
"Wohnung {hypopltijlla) etc. Freilich giebt es andere Formverschieden-
heiten {trigona und aurifa, beide Cartonnester bauende Arten), die
sich so nicht erklären.
Der Artenreichthum der Gattung Asteca scheint sehr gross zu
sein. Alle haben an den Flügeln nur eine Cubitalzelle. Früher
hatte man sonderbarer Weise diese kleinen Baumbewohner fast ganz
übersehen.
Eine kleine Probe des Ameisenbaumaterials eines Ameisen-
gartens einer AMeca zwischen den Wurzeln der P^piphyten, die ich
704 -^^'^- FOREL.
der Güte des Herrn Ule verdanke, sieht einem sehr lockern und
bröckligen Anieisencarton äusserst ähnlich. In der That bestehen
alle Uebergänge zwischen den lockreren Formen des Cartons und
den einfach durch Adhärenz zusammenhaltenden Erd- oder Humus-
partikelchen, die die Erdbauten so vieler Ameisen zusammensetzen.
Es kommt schliesslich nur darauf an. ob die Ameisen etwas mehr
oder weniger oder gar keinen Drüsenkitt dazu verwenden.
Iir. Camponotinae,
Mifvmelachista iiif/eUa Roger ^.
Bocca do Tejo, Jurua, Amazonas, in Anschwellungen der Zweige
von Duroia hirsuta H. Sch. Ich glaube in der Bestimmung nicht
zu irren.
JlijrnielacJiista ulei n. si).
i. L. 2,8 — 3,2 mm. Kiefer schimmernd, dicht gestreift, vorn
mit 4 starken, hinten mit noch 2 rudimentären Zähnen. Kopf gut
so breit wie lang mit stark convexen Seiten, vorn etwas enger.
Augen etwas vor der Mitte. Der Fühlerschaft erreicht knapp das
hintere Sechstel des Kopfes. Fühler lOgliedrig; Glieder 3—6 der
Geissei dicker als lang. Promesonotum stark gewölbt. Thorax-
einschnürung eng, aber tief, mit vorspringenden Stigmen. Basal-
tläche des Metanotums etwas breiter als lang, nach hinten aufsteigend,
eher kürzer als die (ganze) abschüssige und durch eine fast winklige
Curve von ihr getrennt. Schuppe dick, oben stumpfrandig, nach
unten noch verdickt, doch etwas dünner als bei rudolphi und
weniger hoch.
Kopf glatt und glänzend. Thorax schimmernd, dicht gestreift.
Schuppe genetzt. Hinterleib glänzend, seicht, aber sehr deutlich
lederartig gerunzelt. Kurz, spitz und gelblich, massig reichlich ab-
stehend behaart. An dem Fühlerschaft und den Schienen stehen
die Haare schief.
Schwarz. Fühler und Kiefer bräunlich. Tarsen und Gelenke
gelblich.
Cerro de Escaler, 1200 m hoch, Peru, in den Anschwellungen
der Blüthenrispe der Melastomacee Xo. 6741 des Herrn Ule i)
(Pterocladon sprucei Hook).
1) JlijrnieJachistci chilensis u. sp.
\. L. 2,5 mm. Nahe sclniuiciniii Em. Kopf fast quadratisch, etwas
länger als breit, vorn etwas verengt, mit fast geraden Rändern, hinten
Ameisen aus dem Amazouas-Gebiet imd aus Peru. 705
TreiioJepis f'iüva Mayr.
Sao Joariuim, Rio Xegro, Amazonas, zwischen den Blattsclieiden
von Tillandsia paraensis Mez. 2 andere Stücke waren als Bente im
Nest (in der bezügl. Anscliwelhmg- des Blattstieles einer Enbiacee)
von AUomcrus odoariiculatus r. septemarticulatus als Bente von der
kleinen Ameise geschleppt, die an ihren Beinen hingen.
Diese in Brasilien wimmelnde Art nistet in allen möglichen
fanlen Stämmen, nnter Blättern, Blattscheiden. Einde etc. Ihr Ver-
hältniss znr Tillandsia ist rein znfällig.
Cainponotus femorcitus Fab.
c und $. Zwischen den Epiplwten Streptocalyx und Codonanthe,
in :\Ianaos (Amazonas), im März 1903. grosse Ameisengärten bildend,
von Herrn Ule gefunden. Die Einheimischen nennen jene Ameiseu-
gärten Tracuä.
sehr schwach concav, etwas abgeflacht. Augeu m der Mitte. Der Schaft
erreicht nicht das hintere Kopfviertel. Pronotum gross, breit, ziemlich
laug, nicässig gewölbt. Mesonotums gewölbt. Basalfläcbe des Metanotum
horizontal, tiefer liegend, so breit wie lang, fast flach, länger als die steile,
fast senkrechte abschüssige Fläche. Schuppe ziemlich dünn, sehr breit,
oben seicbt ausgerandet, ähnlich wie bei schinwDtni, aber viel breiter.
Geisseiglieder 3 — 6 eher breiter als laug.
Glänzend, fast ganz glatt. Abdomen seicht genetzt. Fein und nicht
reicblich abstehend behaart, auch an den Scbienen und an dem Fübler-
schaft. Fast keine Pubescenz. Ziemlich hell braun ; Beine heller ; Abdomen
dunkel braun. Fühler lOgliedrig.
Valparaiso, Chili (HoFFMANX). In meiner Sammlung.
Myinnelachista reetinota n. sp.
Fühler lOgliedrig. Körperlänge und Kopfform wie bei der letzt ern,
aber der Kopf weniger flach. Augen etwas hinter der Mitte. Der Fühler-
schaft erreicht das hintere Viertel. Thorax ähnlich wie bei Iio/fmunni,
aber kürzer, mit fast geradlinigem Rücken, ganz ohne Einschnürung.
Mittelsegment sehr gross, nicht viel kürzer als die Basalfläche des Meta-
notums. Letztere breiter als lang, gerundet in die abschüssige Fläche
übergehend und nicht winklig wie bei der hoffnianni. Schuppe ähnhch
wie bei rh/leusis-, aber schmäler, oben kaum ausgerandet.
Der ganze Körper seicht, aber scharf genetzt, weniger glänzend als
bei rhiloisis, mit ziemlich zerstreiiter, aber sehr deutlicher Pubescenz, fast
ohne abstehende Haare. Fühlerschaft und Schienen nur anliegend behaart.
Schwarzbraun. Fühler, Tarsen, Gelenke der Beine, Kiefer und Vordertheil
des Kopfes röthlich.
Valparaiso, Chili (Hoffmann), in meiner Sammlung.
706 -^UG. FOBEL,
Das $ hat einen etwas weniger breiten Kopf als der von E^iery
erhaltene Tj^pus. Sonst gleich, und auch gleich den Exemplaren
des 5, die ich aus Parä von Prof. Göldi erhielt.
Der einigermaassen an femoraius erinnernde C. rttfipes F. bildet
nach V. Iheeing auch grosse, oft hängende Baumuester auf den
Aesten im Ueberschwemmungsgebiet, aber diese sind einfache Carton-
nester.
Camimnotus ulei n. sp,
\. L. 7,5 — 10 mm. Schmaler und länger als C. haUani Emery,
von welchem er sich folgendermaassen unterscheidet:
9 major. Kopf rechteckig, gut Vs länger als breit, kaum oder
nicht breiter hinten als vorn, im übrigen hinten wie bei hdlzani aus-
gerandet. Oberkiefer kurz, dick, gebogen, 7zähnig. Clypeus scharf
gekielt, sehr kurz gelappt ; dessen Mitteltheil kaum breiter vorn als
hinten. Der Vorderrand des Lappens ist leicht und breit in der
Mitte ausgerandet. Stirnleisten Sförmig, aber sehr wenig divergent,
am hintern Ende kaum von einander entfernter als vorn. Der
Schaft überragt das Hinterhaupt um gut ^/^ seiner Länge. Die sehr
grossen Augen nehmen das 3. Viertel der Kopfseiten ein. Schuppe
oben etwas dicker und Schienen um etwas mehr abgeflacht (weniger
cylindrisch) als bei halzani. Farbe viel schmutziger und blasser
gelb als bei jener Art. Scheitel, Vordertheil und Seiten des Kopfes,
Fülllerschaft und Tarsen bräunlich; Schienen und Oberkiefer bräunlich
roth. AVie bei hdlmni sieht man auf dem blassgelben Hinterleibe
schwachgebräunte, undeutliche Querbinden. Thorax bräunlich-gelb.
Im Uebrigen wie halsani, besonders die Sculptur und die Behaarung.
Doch sind die grossen, haartragenden Punkte deutlicher und ist die
Behaarung dichter und mehr braun gefärbt.
V minor. Kopf rechteckiger als bei halmni, etwas breiter vorn
als hinten, mit fast parallelen, kaum convexen Seiten und mit sehr
deutlichem Hinterrand, indem die Kopfseiten hinter den Augen kaum
convexer sind als vor denselben. Der Kopf bildet durchaus keine
Hinterhauptsverengerung. Der Fühlerschaft überragt das Hinterhaupt
um ein gutes Drittel seiner Länge. Mitte des Clypeus vorne breiter
als beim grossen ^, sonst mit dem letztern identisch.
?. L. 10,5 — 11 mm. Thoraxrücken braun. Deutlich gezeichnete,
breite, braune Querbinden auf den Hinterleibssegmenten. Flügel
gelblich tingirt, mit gelben Rippen und gelbbraunem Randmal.
Ameisen aus dem Amazonas-Gebiet und aus Peru. 707
Körper lang und schmal. Uebrigens dem grossen i gleich, mit ebenso
rechteckigem Kopfe.
Cerro de Escaler. 1300 m, :\Iärz 1903, in den hohlen Inter-
nodien der Aeste der ("ecropia No. 6845 des Herrn Ule; Peru.
Trotz der Formunterschiede des Kopfes, der an denjenigen der
C. improprius Forel, orthoccphalus Emery etc. erinnert, ist diese Art
dem C. haJzani Emery ungemein nahe verwandt.
Herr Ule hat noch die Binoponera grandis Guerin, die Solenopsis
geminaia F. und das Tapinoma melmwcephahim F. (letztere die Samm-
lungen angreifende kosmopolitische Art) gesammelt. Diese Arten
haben jedoch keine Beziehungen zu Pflanzen.
Lippert iSi Co. (G. Pätz'sche Buclidr.), NaumbuiK a. S.
Z,H)h(/../filiiliiul„r Bd.'Jü. Ahlli./:Sii.sl
r.,n
%v.
:olog. Jahvlmcher Bd.20. Abth.rSijsl.
TaC'l.
f)A
v-'-f
10
ßl h
Wa
Ziioloif. Jahrbücher Bd. ^OAbt/iXSjst.
Zuolo,/. JuJubmJwrßil.i'OAbUi.r.Sysl.
H Rossig di>l
ülhograpkt vE SchaaUcr
Zualuj. JalirhiirJitrßil. jnAbUij: Syst
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Fuj.'lO.
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FiijAS.
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FüjAl.
c
%.j7.
fy.j.3o.
■^)
Fi,/. SO.
Fi!/..J2.
H RiSsslg.
Verlaq von Gustav Fisdierin Jena.
litliographie v.E.Scliaal, Jena
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LithügrüjjhievE.Sdiaal Jena.
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Verlag V Gustav Fischer.Jena.
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Taf: .9.
Zooloff. Jahrbücher Bd.WAhth.f. Syst.
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Tuf. 11.
Verlag v. Gusi.w Fischer. JpTii
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Zoolog. JaJu-büdier Bd. WAbtlcpSyst.
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Znolog. Jahrb. Bd. 20. Abth. f. Sijst.
Taf. 18.
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Zoolog. Mirbächer.Bd.20.AbOi.r.SysL_
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Liih.ArisivA Gillsch.Jena
Zoolog. JahrbiirlierM.20. Ahthl Syst .
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