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Full text of "Zoologische Jahrbücher"

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ZOOLOGISCHE  JAHRBÜCHER 


ABTHEILUNG 

FUß 

SYSTEMATIK,  GEOGRAPHIE  UND  BIOLOGIE 
DER    THIERE. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

PROF.  DR.  J.  W.  SPENGEL 

IN   GIESSEN. 


ZWANZIGSTER  BAND. 

MIT  25  TAFELN  UND  140  ABBILDUNGEN. 


JENA, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1904. 


Alle  Rechte,  uanientlich  das  der  Uebersetzune',  vorbehalten. 


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Inhalt. 


Seite 
Erstes  Heft. 

Ausgegeben  am  2.  Mai  1904.) 

Spengel,  .1.  W.,  Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusten. 
II.  Ptychodera  flava  von  Funafuti  (Ellice-Gruppe).  Mit  Tafel  1 
u.   2  und  2  Abbildungen  im  Text 1 

RÖSSIG,  Heineich,  Von  welchen  Organen  der  Gallwespenlarven  geht 

der  Reiz  zur  Bildung   der  Pflanzengalle   aus?     Mit  Tafel  3 — 6        19 

Zweites  Heft. 

(Ausgegeben  am  6.  Mai  1904.) 

Shitkow  ,    B.   M. ,    Ueber  einen  neuen  Hirsch  aus  Turkestan.     Mit 

5  Abbildungen  im  Text 91 

Enuerlein,    Günther,    Die  von  Herrn  Prof.  Dr.  Friede.  Dahl 

im  Bismarck-Archipel  gesammelten  Copeognathen.     Mit  Tafel  7      105 

Attems  ,    Carl  ,    Central-    und    hoch-asiatische    Myriopoden.      Mit 

Tafel  8  und  9 113 

Fuhrmann,  0.,   Ein  getrenntgeschlechtiger  Cestode.     Mit  Tafel   10.      131 

Wandolleck,  Benno,  Eine  bucklige  Testudo  graeca  L.  Mit  4  Ab- 
bildungen im  Text 151 

Drittes  Heft. 

(Ausgegeben  am  21.  Jlai  1904.) 

Martin,  Rudolf,  Die  vergleichende  Osteologie  der  Columbiformes. 

Mit  Tafel  11—12  und  96  Abbildungen  im  Text 167 

Viertes  Heft. 

(Ausgegeben  am  2:i.  Juni  1904.) 

HOLMGREN,  Nils,  Ameisen  (Formica  exsecta  Nyl.)  als  Hügelbildner 

in  Sümpfen.     Mit  14  Abbildungen  im  Text 353 


IV  Inhalt. 

Seite 
Thiele,  Joh..  lieber  eine  von  Herrn  O.  Neumann  gefundene  Phyllo- 

poden-Art.     Mit  Tafel   13 371 

LOMAN,  J.  C.  C,  Beiträge  zur  Kenntiiiss  der  Fauna  von  Süd-Afrika. 

V.  PycDOgoniden  aus  der  Capcolonie  und  Natal.     Mit  Tafel   14     375 

Schnee,  Paul,  Die  Landfauna  der  Marschall-Inseln 387 

Spengel,  J.  "W.,  Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusten. 

IV.    Einige    weitere    Beobachtungen   an     Ptychodera     erythraea. 

Mit  2  Abbildungen  im  Text 413 

Fünftes  Heft. 

(Ausgegeben  am  IG.  Juli  1904.) 

Enderlein,  Günthee,  Die  Gattung  Braunsia  Krieche 429 

FlSCHOEDER,    ¥.,    Beschreibung  dreier  Paramphistomiden-Ai-ten  aus 

Säugethieren.     Mit  Tafel   15 — 16    und  3   Abbildungen  im  Text  453 
Mell,  Camillo,    Die  von  Oscar  Neumann   in  Nordost-Afrika  ge- 
sammelten Landplanarien.     Mit  Tafel   17 471 

Volz,  Walter,  Schlangen  von  Palembang  (Sumatra) 491 

Yolz,   Walter,   Zur  Kenntniss  der  Suiden  Sumatras,    Mit  Tafel  18, 

1    Karte  und   2  Abbildungen  im  Text 509 

MacCallum,  W.   G.,   Echinostomum  garzettae  n.  sp 541 

Sechstes  Heft. 

(Ausgegeben  am  31.  August  1904.) 

Looss,  A.,    Zur  Kenntniss  des  Baues  der  Filaria  loa  GuYOT.     Mit 

Tafel  19 549 

Stingelin,  Theodor,  Entomostraken,  gesammelt  von  Dr.  G,  Hag- 
MANN  im  Mündungsgebiet  des  Amazonas.  Mit  Tafel  20  und 
1   Kärtchen  im  Text 575 

VON  WisSEL,  CuRT ,  Pacifische  Chitonen  der  Sammlungen  SCHAU- 
INSLAND  und  Thilenius  nebst  einem  Anhang  über  drei  neu- 
seeländische Species  der  Gattung  Oncidiella.  Mit  Tafel  21 
bis  25  und   10  Abbildungen  im  Text 591 

FoREL,    Aug..    In    und    mit    Pflanzen    lebende    Ameisen    aus    dem 

Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru 677 


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Nachdruck  verboten. 
Ueberselzungsrecht  vorbehalten. 


Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusten. 

IL  Ptychodera  flava  von  Funafuti  (Ellice-Gruppe). 

Von 
Prof.  Dr.  J.  W.  Spengel  in  Giessen. 

Mit  Taf.  1  u.  2  und  2  Abbildungen  im  Text. 


Kurze  Zeit,  iiaclidem  mein  voriger  Aufsatz  (1903)  zum  Druck 
befördert  war,  erhielt  ich  durch  die  Güte  des  Herrn  Jas.  P.  Hill 
einige  Exemplare  der  von  Mr.  Hedley  auf  Funafuti,  einer  der  Inseln  der 
Ellice-Gruppe,  gesammelten  und  von  \\'illey  für  identisch  mit  der  von 
ihm  bei  Neucaledonien  gefundenen  Ptychodera  flava  Eschsch.  er- 
klärten Enteropneusten.  Ich  bin  dadurch  erfreulicherweise  in  den 
Stand  gesetzt  worden,  die  in  jener  Abhandlung  von  mir  aufgeworfene 
Frage,  ob  auch  die  auf  Funafuti  vorkommende  Form  der  Ft.  flava, 
wie  ich  es  für  diejenige  von  Laysan  nachgewiesen  habe,  verschieden 
ist  von  der  Pt.  flava  caledoniensis. 

Das  Material,  das  mir  zur  Untersuchung  vorgelegen  hat  und 
von  dem  ich  den  grössten  Theil  in  Schnittserien  zerlegt  habe,  umfasst: 

1.  1  vollständiges,  aber  mehrfach  gekrümmtes  Exemplar,  dessen 
Gesammtlänge  sich  auf  ungefähr  75  mm  berechnet  (No.  1 ). 

2.  1  Exemplar  von  etwa  der  gleichen  Grö!5se,  dem  jedoch  die 
( 'audalregion  fehlt  (No.  2).  Da  es  etwas  weniger  gekrümmt  war, 
wurde  es  zur  Herstellung  einer  Querschnittserie  benutzt. 

3.  ein  18  mm  langes  Bruchstück,  das  Pvichel,  Kragen  und  ein  9  mm 
langes  Stück  des  Thorax  umfasst  (No.  3).    Die  Eichel  und  der  Kragen 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Sy.st.  1 


2  J.  W.  Spengel, 

waren  fast  IVs^H'^^l  so  gross  wie  bei  No.  1  und  2,  das  Thier  dürfte 
danach  über  10  cm  lang  gewesen  sein.  Daran  wurde  zunächst  durch 
Präparation  das  traubige  Organ  der  Eichelbasis  freigelegt  (Fig.  B), 
darauf  durch  Entfernung  einer  Pleure  der  Kiementheil  des  Thorax, 
der  eine  Länge  von  7  mm  hatte. 

4.  u.  5.  2  Yorderkörper  kleinerer  Individuen,  beide  (No.  4  u.  5) 
Eichel,  Kragen  und  ca.  12mm  des  Thorax  enthaltend.  Nr.  4,  das 
nahezu  gerade  war,  wurde  in  Querschnitte  zerlegt,  während  vom 
vordem  Theil  von  No.  5  Sagittalabschnitte  angefertigt  wurden. 

6. — 8.  waren  3  Bruchstücke,  und  zwar  No.  6  ein  ca  38  mm 
langer  Abschnitt  von  der  Genitalregion  bis  zum  After;  ca.  4  mm 
hinter  dem  Vorderende,  die  demnach  auf  die  Genitalregion  fallen, 
beginnen  die  Lebersäckchen.  No.  7  enthält  nur  das  Hintei-ende  der 
Genitalregion  und  ca.  11  mm  von  der  Leberregion.  No.  8  ist  die  ab- 
gelöste Caudalregion  eines  kleinen  Individuums. 

Nach  den  an  diesem  Material  sich  ergebenden  Maassen  bleibt  die 
Art  auf  Funafuti  kleiner  niclit  nur  als  Pt.  fl.  laijsanica,  die  über 
25  cm  lang  wird,  sondern  auch  als  Pf.  fl.  caledoniensis,  für  die  Willey 
ein  mittleres  Maass  von  125  mm  und  Maximalmaasse  von  175—200  mm 
angiebt.  Die  Eichel  ist  3— 6  mm  lang,  3—4  mm  breit;  der  Kragen 
hat  im  Maximum  (No.  3)  5  mm  Länge  und  Breite,  bei  No.  1  und  2 
etwa  5  mm  Länge  und  Breite,  bei  No.  4  und  5  ca.  3"o  mm;  natur- 
gemäss  bleiben  auch  diese  Maasse  hinter  denen  der  beiden  andern 
Formen  zurück.  Am  Thorax  sind  die  Genitalpleuren,  die  hinter  dem 
Kragen  zusammenstossen,  meistens  so  weit  über  die  Rückenseite  zu- 
sammengeschlagen, dass  das  Kiemenfeld  verdeckt  ist.  Bei  No.  3, 
wo  ich  eine  der  Pleuren  abtrug,  Avar  das  letztere  ca.  7  mm  lang; 
bei  dem  kleinern  Individuum  wichen  die  Pleuren  aus  einander,  die 
Länge  des  Kiemenfeldes  betrug  ca.  4  mm.  Bei  No.  2  berechne  ich 
sie  nach  der  Schnittserie  auf  ca.  5  mm.  Das  Maass  des  Kiemen- 
feldes ist  also  ziemlich  gleichmässig  und  zwar  sehr  gering,  weit  mehr 
Willey's  „brachybranchiater"  Form  von  Pf.  fl.  caledoniensis  ent- 
sprechend als  der  „makrobranchiaten"  oder  Pf.  fl.  laijsanica. 

Die  Genitalpleuren  sind  bei  den  grössern  Individuen  ca.  5  mm 
breit  und  um  den  als  „free  pharynx"  Willey's  vorspringenden  die 
Kiemen  enthaltenden  T  h  o  r  a  x  a  b  s  c  h  n  i  1 1 ,  der  eine  Breite  von  etwa 
2  mm  hat,  meistens  so  zusammenrollt,  dass  dieser  Körpertheil  mit 
jenen  ungefähr  cylindrisch  erscheint  und  eine  Breite  von  fast  5  mm 
zeigt.  In  Bezug  auf  die  rasche  Verminderung  ihrer  Breite  hinter 
den  Kiemen  und  ihre  Fortsetzung  verhalten  sie  sich  wie  bei  den 


Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusten.  3 

zwei  andern  Formen.  Die  Ausdehnung  des  postbranchialen  Thorax- 
abschnittes  aber  oder  der  Genitalregion  verhält  sich  nicht  bei  allen 
Individuen  gleich.  Bei  No.  1  ist  zwischen  dem  Trennnngspuukt 
der  Pleuren,  der  um  einige  mm  hinter  dem  Ende  der  Kiemen  ge- 
legen sein  möchte,  und  deu  vordersten  Lebersäckchen  eine  Strecke 
von  etwa  10  mm  vorhanden  (so  dass  auf  den  ganzen  Thorax  ca. 
20  mm  kommen).  Bei  No.  2  treten  dagegen  die  vordersten  Leber- 
säckchen bereits  zwischen  den  Pleuren,  die  ca.  9  mm  hinter  dem 
Kragen  aus  einander  weichen,  hervor.  Da  von  dieser  Länge  reich- 
lich 5  mm  auf  die  Kiemenregion  entfallen,  bleiben  für  die  Genital- 
region kaum  4  mm,  was  auch  die  Schnittserie  bestätigt.  Da  bei  den 
Jüngern  Individuen  No.  4  und  5  ebenfalls  je  eine  etwa  10  mm  lange 
Kiemenregion  vorhanden  ist,  an  deren  Hinterende  sich  noch  keine 
Lebersäckchen  finden,  so  scheint  dieses  längere  Maass  die  Regel  bei 
dieser  Form,  wie  bei  den  zwei  andern,  zu  sein.  Dabei  muss  man 
allerdings  berücksichtigen  (s.  weiter  unten),  dass  den  vordersten 
Lebersäckchen  ein  Abschnitt  voraufgeht,  in  welchem  Leberanfänge 
im  Darm  vorhanden  sind,  die  äusserlich  nicht  hervortreten,  die  obige 
Begrenzung  der  Leberregion  nach  vorn  hin  nach  den  Lebersäckchen 
also  einigermaassen  willkürlich  ist. 

Zu  No.  2  mit  der  kurzen  Genitalregion  möchte  ich  bemerken, 
dass  nachWiLLEY's  Abbildungeines  „brachybranchiaten"  Individuums 
(tab.  26,  fig.  3)  nicht  nur  die  Kiemenregion  (die  hier  durch  die 
Pleuren  ganz  verdeckt  ist),  sondern  der  ganze  Thorax,  also  auch  die 
Genitalregion,  sehr  kurz  ist.  Die  Länge  des  Thorax,  vom  Kragen 
bis  zu  den  vordersten  Lebersäckchen,  berechnet  sich  nach  der  6fach 
vergrösserten  Abbildung  auf  ca.  2^2  mni!  Ein  ähnlich  geringes 
]\Iaass  habe  ich  bei  der  Form  von  Funafuti  nicht  getroffen. 

Was  die  Leberregion  anbetrifft,  so  beginnt  diese  äusserlich 
immer  mit  einer  Doppelreihe  einfacher,  ungelappter  Lebersäckchen 
von  5 — 6  mm  Länge;  dann  folgen  gelappte  Säckchen  von  erheb- 
licherer Grösse,  in  einer  Ausdehnung,  die  bei  No.  1  und  2  8  — 10  mm, 
bei  No.  6  nur  3  mm  beträgt,  und  daran  schliessen  sich  wieder  ein- 
fache, ungelappte,  die  nach  einem  Verlauf  von  etwa  8  mm  in  die 
Querwülste  der  Haut  ohne  scharfe  Grenze  übergehen. 

Neben  den  vordem  einfachen  Lebersäckchen  tritt  jederseits  eine 
Reihe  von  lateralen  Lebersäckchen  auf,  die  zunächst  und  in  der 
Gegend  der  gelappten  durch  die  Fortsetzung  der  Genitalpleure  von 
der  Hauptreihe  getrennt  ist.  Gegen  das  Hinterende  der  gelappten 
Säckchen  scheint  bei  No.  1    die  Pleure   aufzuhören,   doch   zeigt  sich 

1* 


4  J.  W.  Spengel, 

gegen  Ende  der  ungelappten,  wo  diese  in  Folge  der  Krümmung  des 
Präparats  auf  der  linken  Seite  etwas  aus  einander  geschoben  sind, 
noch  eine  zarte,  aber  deutliche  Fortsetzung  in  Form  einer  feinen 
Linie.  Die  Fortsetzung  der  Pleuren  erstreckt  sich  demnach  bei 
dieser  Form  bis  ans  Hinterende  der  Leberregion.  Bei  No.  2  kommt 
sie  allerdings  hinter  den  gelappten  Säckcheu,  gegen  deren  Hinter- 
ende sie  sehr  schmal  wird,  nicht  mehr  zum  Vorschein. 

Ueber  den  Hinterkörper  habe  ich  nur  zu  bemerken,  dass  die 
Caudalregion  etwas  verbreitert  und  ein  wenig  abgeflacht  ist.  Sie 
erreicht  bei  No.  1  12,  bei  No.  6  7  mm  Länge,  während  die  offenbar 
einem  Jüngern  Individuum  angehörige  isolirte  (No.  8)  nur  5  mm  lang 
ist.  Gegen  den  weiten  After  hin  findet  wie  gewöhnlich  eine  Ver- 
jüngung statt. 

Haut. 

Die  Epidermis  weist   auf  der  ventralen  Seite  des  Thorax  ziem- 
lich regelmässige  quere  Drüsenwülste  auf;  auf  der  ventralen  (äussern) 
Seite  der  Genitalpleuren   sind  diese  z.  Th.  gegabelt,  z.  Th.   durch 
eingeschaltete  Wülste  ergänzt.     Auf  der  dorsalen  (innern)  Seite  finden 
sich  kleine,  meist  rundliche,  z.  Th.   längliche  und  un- 
regelmässig gestaltete  Wülste.    Auf  dem  Kiemenfeld 
liegen   zwischen  den  Kiemeuporen  3  Längsreihen  von 
Wülsten,  deren  mittlere  dem  Rückennerven  entspricht. 
In    der    Genitalregion    werden    die    lateralen    etwas 
schmäler,   und   ungefähr  ebenso  treten  sie  hinter   der 
Leberregion  wieder  zum  Vorschein,  um  dann  allmählich 
■p.   ~~^       in  die  dorsalen  ziemlich  regelmässigen  Querwülste  des 
Abdomens   überzugehen.     Auf  dessen  ventraler  Seite 
sind  die  Querwülste  meist  sehr  regelmässig,  ziemlich  weit  von  ein- 
ander entfernt.     Gegen  die  dorsale  Seite  hin  aber  verästeln  sie  sich, 
und  die  Aeste  verschmelzen  vielfach  mit  den  angrenzenden ;  hie  und 
da  schalten  sich  auch  Wülste  ein,  und  die  Fortsetzung  auf  die  dor- 
sale Seite  ist  meist  sehr  unregelmässig  (Fig.  A). 

Die  Eichel. 

In  den  meisten  Theilen  der  Eichel  scheint,  soweit  das  spärliche 
Material  es  zu  beurtheilen  gestaltet,  eine  Uebereinstimmung  mit  Pt. 
fl.  cälcdoniensis  zu  bestehen.  Das  gilt  zunächst  von  der  Form  des 
Eicheldarms,  der  Herzblase,  des  Eichelskelets  und  des 
ventralen    Eichelseptums.      Bei    der    unvermeidlichen    Ver- 


Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusten.  5 

scliiedenlieit  in  der  Richtung-  der  Querschnitte  —  vgl.  1903,  p.  285 
—  und  der  unvollkommen  gerathenen  Orientirung-  der  Sagittalschnitte, 
bei  der  auch  Verbiegungen  des  conservirten  Objects  recht  störend 
einwirken,  lässt  es  sich  nicht  entscheiden,  ob  den  thatsächlich  an- 
getroffenen Unterschieden  eine  Bedeutung  beizumessen  ist.  In  Be- 
zug auf  die  Herzblase  muss  ich  nur  bemerken,  dass  ich  die  in  deren 
Hinterzipfel  bei  Pt.  fl.  caledoniensis  und  Iwjsanica  angetroffenen  Quer- 
muskelfasern (1903,  p.  285)  bei  der  Form  von  Funafuti  auf  keiner 
der  beiden  Quersclmittserien  angetroffen  habe. 

In  Bezug-  auf  die  Ausbildung-  des  traubig-en  Organs  steht 
die  Form  von  Funafuti  nicht  nur  gegen  Pt.  fl.  Iwjsanica  sehr  erheb- 
lich, sondern  auch  gegen  caledoniensis  zurück,  soweit  nach  dem  vor- 
liegenden Material  ein  ürtheil  berechtigt  ist.  Auch  bei  dem  grössten 
Individuum  (No.  3),  an  dem  ich  durch  Präparation  das  Organ  frei- 
gelegt habe,  war  dieses  sehr  klein  und  wies  nur  je  einen  bläschen- 
förmigen Vorsprung  rechts  und  links  auf  (Fig.  B).  Die  Schnitte 
haben  dies  bestätigt,  doch  ergaben  Sagittal- 
schnitte (Fig.  11)  nur  gegenüber  Pt.  fl. 
Jaysanica  (1903,  tab.  24,  flg.  4)  ein  charakte- 
ristisches Bild,  das  den  Unterschied  hervor- 
treten lässt.  Ein  Vergleich  von  Quer- 
schnitten (Fig.  13)  mit  solchen  von  Pt.  fl. 
caledoniensis  ist  mir  leider  nicht  möglich,  da 
das  zur  Anfertigung  solcher  benutzte  Exem- 
plar letzterer  Art  noch  ziemlich  klein  war  '-«<.. 
und  ein  noch  schwaches  traubiges  Organ 
besitzt   (ähnlich  auch   die   von  Willey    ab-  t^. 

gebildeten  Querschnitte,  tab.  28,  flg.  2  u.  3). 

Bei  dem  jugendlichen  Individuum  No.  4  hat  die  Bildung  von  Aus- 
stülpungen aus  der  Tasche,  die  nur  eine  mediane  Falte  entsendet, 
noch  nicht  begonnen. 

Zu  einem  etwas  nähern  Eingehen  nöthigen  mich  die  Eichel- 
pf orten,  deren  Verhalten  ich  abweichend  von  dem  bei  Ft.  fl.  cale- 
doniensis sowohl  wie  Pt.  fl.  laysanica  finde.  In  Bezug  auf  diese  habe 
ich  (1903,  p.  202)  angegeben,  dass  ich  A\'illi>:y's  Angabe  für  erstere 
Form  bestätigen  kann,  wonach  m  der  Regel  die  eine  Pforte  nicht 
nur  kleiner  bleibt  als  die  andere,  sondern  keinen  Zusammenhang  mit 
dem  Cölom  der  Eichel  besitzt,  dass  dagegen  bei  der  Form  von 
Laysan  beide  Pforten  mit  dem  (.'ölom  in  offener  Verbindung  stehen 
(Fig.  10).     Ich   füge  hinzu,   dass   ein  Grössenunterschied  —  der  bei 


6  J.  W.  Spengel, 

JFV.  fl.  caleäonknsis  sehr  beträchtlich  ist  —  hier,  wenn  überhaupt  vor- 
handen, nur  sehr  geringfügig  ist  (Fig.  9).  Bei  beiden  Arten  sind  im 
Uebrigen  die  Pforten  ganz  symmetrisch  zu  den  übrigen  Organen  der 
Eichelbasis  gelegen  und  ihre  innern  Theile,  welche  sich  mit  den 
hintern  Taschen  des  Eichelcöloms  verbinden,  verhalten  sich  gleich 
und  ebenfalls  symmetrisch.  Nur  die  Strecke,  wo  bei  Pt.  fl.  caledo- 
niensis  das  „Verbindungsstück"  ausgefallen  ist,  verhält  sich  auf  der 
einen  Seite  abweichend.  Ganz  anders  die  Form  von  Funafuti.  Am 
ausgeprägtesten  ist  darin  No.  4,  das  ich,  auch  weil  es  viel  besser 
erhalten  ist,  zuerst  schildern  will.  Wir  gehen  von  den  2  Kragen- 
poren (Fig.  1)  aus,  die  ungefähr  in  der  gleichen  Höhe  gelegen  und 
von  den  sehr  günstig  gerichteten  Schnitten  beide  getroffen  sind.  Es 
fällt  sogleich  der  erhebliche  Unterschied  in  der  Grösse  in  die  Augen, 
der  linke  ist  ungefähr  halb  so  gross  wie  der  rechte.  Beide  sind  sehr 
gross:  wie  AVilley  (1899,  p.  231)  sagt,  in  this  species  the  terminal 
vesicle  of  the  dorsal  canals  do  not  open  to  the  exterior  by  a  narrow 
minute  pore,  bnt  they  nsually  open  bodily  by  a  wide  orifice,  equal 
in  breadth  to  their  own  diameter.  Gehen  wir  nun  zu  dem  ersten 
Schnitt  vor  der  Mündung  —  3  Schnitte  weiter  nach  vorn  (Fig.  2) 
—  so  sehen  wir  den  Unterschied  im  Querdurchmesser  der  Pforten 
sehr  deutlich  und  zugleich  eine  dadurch  bedingte  unsymmetrische 
Lage  dieser  und  auch  des  zwischen  ihnen  gelegenen  dorsalen  Gefäss- 
stammes,  der  zu  beiden  Seiten  von  den  Perihämalräumen  umfasst 
wird,  nach  links  verschoben.  Auch  die  Herzblase  (Ji)  ist  von  dieser 
Asymmetrie  berührt.  Die  weitere  Verfolgung  der  Schnitte  nach  vorn 
nun  lehrt  uns,  dass  die  linke  Pforte  nicht  nur  in  der  Quer-,  sondern 
auch  in  der  Längsrichtung  viel  kleiner  ist  als  die  rechte.  3  Schnitte 
weiter  nach  vorn  ist  ihr  Lumen  fast  verschwunden,  im  4.  (Fig.  4) 
bereits  nur  noch  ein  ganz  kleines  Oval  (ijcl)  mit  einigen  Kernen, 
ohne  deutliches  Lumen,  kaum  zu  unterscheiden  von  einigen  zelligen 
Einschlüssen  des  es  von  oben  und  unten  berührenden  chondroiden 
Gew^ebes.  Die  rechte  Pforte  (per)  ist  dagegen  noch  von  unvermin- 
derter Grösse  untl  bleibt  nahezu  ebenso,  bis  5  Schnitte  weiter  beide, 
der  noch  erheblich  kleiner  gew^ordene  und  von  Zellen  ganz  aus- 
gefüllte Querschnitt  der  linken  und  die  rechte  Pforte  durch  ihr 
„Verbindungsstück"  mit  ihrer  „hintern  Eicheltasche"  in  Zusammen- 
hang treten  (Fig.  5). 

Aehnliche  Verhältnisse,  nur  etwas  w^eiter  ausgeprägt,  habe  ich 
auf  der  Querschnittserie  des  altern  Individuums,  No.  2,  getroffen 
(Fig.  6).     Die  linke  Pforte,  die  auch  hier  bedeutend  kleiner  als  die 


Neue  Beitriige  zur  Kenntniss  der  Euteropneusten.  7 

rechte  ist,  wird  gegen  die  Eichel  liin  weniger  reducirt  und  scheint 
—  das  Exemplar  ist  nicht  so  gut  erhalten  —  ihr  Lumen  beizu- 
behalten, bis  sie,  fast  genau  auf  gleicher  Höhe  mit  der  rechten,  in 
das  Eichelcölom  übergeht. 

Zum  Vergleich  gebe  ich  noch  je  zwei  Abbildungen  von  Ft.  fl. 
laysanka  (Fig.  9,  10)  und  caledonicnsis  (Fig.  7,  8).  Von  erstem  zeigt 
Fig.  7  die  symmetrische  Lage  und  annähei'ud  gleiche  Grösse  der 
beiden  Eichelporen,  Fig.  10  die  durchaus  symmeti'ische  Vereini- 
gung der  beiden  gleich  grossen  Eichelpfurten  mit  ihren  Oölomtaschen. 
Von  Pt.  fl.  caledoniensis  habe  ich  eine  Abbildung  der  Poren,  die  sich 
ähnlich  wie  bei  der  Form  von  Funafuti  verhalten  und  bei  Willey 
(tab.  28,  fig.  2)  sich  findet,  für  überflüssig  gehalten.  Bei  dem  zur 
Darstellung  verwendeten  Individuum  war  die  linke  Pforte  die 
grössere.  Fig.  7  zeigt  beide  in  wesentlich  symmetrischer  Lage,  etwa 
in  ihrer  grössten  ciueren  Ausdehnung.  Die  rechte  schwindet  dann, 
bezw.  ist  unter  den  Einschlüssen  des  sie  umgebenden  chondroiden  Ge- 
webes nicht  mehr  zu  unterscheiden  —  durch  5  Schnitte  von  je  15  i^i 
hindurch  — ,  und  dann  sieht  man  in  Fig.  8  ihr  A^erbindungsstück 
sich  auf  gleicher  Höhe  wie  die  Pforte  der  linken  Seite  mit  ihrer 
Cölomtasche  vereinigen. 

Der  Kragen. 

Im  Bau  des  Kragenmarks  finde  ich  nichts  von  den  beiden 
andern  Formen  Abweichendes. 

Von  Wurzeln  des  Kragenmarks,  deren  bei  Pf.  fl.  caledoniensis 
meistens  3,  bei  Pt.  fl.  laysanica  gewöhnlich  4  vorhanden  sind,  habe 
ich  bei  der  Form  von  Funafuti  an  4  Exemplaren  nie  mehr  als  zwei 
gefunden,  und  zwar  besass  das  jugendliche  Exemplar  No.  4  eine, 
das  in  Querschnitte  zerlegte  erwachsene  No.  2  zwei,  während  die 
zur  Anfertigung  von  Sagittalschnitten  verwendeten,  das  grösste, 
No.  3,  und  das  dem  jugendlichen  No.  4  gleichende  Individuum  No.  5, 
gar  keine  hatte.  Letzterer  Fall  ist  bei  einer  Ptychoderide  noch 
niemals  zur  Beobachtung  gekommen.  Da  bei  zwei  Individuen  die 
"W'uizeln  ganz  felilen,  so  ist  es  wohl  ausgeschlossen,  dass  es  sich  um 
Thiere  handelt,  bei  denen  die  Bildung  der  Wurzeln  durch  irgend  einen 
Zufall  unterbliel)en  ist;  es  scheint  vielmehr,  dass  bei  dieser  Form 
die  Zahl  der  Wurzeln,  die  überhaupt  sehr  gering  ist,  bis  zum  voll- 
ständigen Mangel  zurück  gehen  kann.  Die  Exemplare  weisen  im 
Uebrigen  nichts  Abnormes  auf 

Was   die  vorhandenen  Wurzeln   anbetrittt,  so   will   ich  darüber 


8  J.  W.  Spengel, 

folgende  Einzelheiten  niittheilen.  Bei  No.  2  ist  die  vordere  Wurzel 
ziemlich  kurz  und  vereinigt  sich  mit  der  Haut  12  Schnitte  hinter 
ihrem  Ursprung  aus  dem  Kragenmark,  während  die  zweite,  welche 
3  Schnitte  vor  der  Insertionsstelle  der  ersten  entspringt,  sehr  schräg 
nach  hinten  verläuft  und  erst  31  Schnitte  weiter  mit  der  Haut  in 
Zusammenhang  tritt.  Bei  Nr.  4  ist  die  einzige  Wurzel  sehr  kurz, 
ihr  Ursprung  dagegen  sehr  ausgedehnt,  indem  er  sich  über  6  Schnitte 
erstreckt,  mit  deren  2  hintersten  die  Insertion  zusammenfällt.  Bei 
No.  2  liegt  der  Vorderrand  des  dorsalen  Kragenseptums  ein  beträcht- 
liches Stück  hinter  dieser  Wurzel,  die  also  ihrerseits  ganz  frei  ist, 
bei  No.  2  bleibt  die  vordere  frei,  während  mit  der  hintern  das 
Septum  beginnt.  Bei  No.  3  ist  ein  normales  Septum  vorhanden,  ob- 
wohl Wurzeln  fehlen. 

Der  Bau  der  Wurzeln  ist  wesentlich  ebenso  wie  bei  den  andern 
Formen.  Jede  enthält  eine  grosse  Anzahl  kleiner,  von  radiären  Zellen 
umstellter  Markhöhlen  und  äusserlich  eine  Schicht  von  Nerven- 
fasern, welche  in  die  der  Kragenhaut  übergehen.  Am  Ursprung  aus 
dem  Kragenmark  enthält  jede  einen  grossen  Klumpen  bräunlicher 
Pigmentkügelchen,  was  ich  bei  den  andern  Formen  nicht  getroifen 
habe. 

Vor  den  Wurzeln  sind,  wie  bei  den  andern  Formen,  auf  der 
dorsalen  Seite  des  Rückenstranges  zahlreiche  Gefässfalten  vorhanden, 
die  auf  den  Querschnitten  oft  als  kleine  Bäumchen  erscheinen. 

Sehr  eigenthümliche  Verhältnisse  bietet  das  ventrale  Septum 
des  Kragens  mit  seinen  Gefässen  dar,  die,  wie  ich  jetzt  sehe, 
z.  Th.  auch  bei  Pt.  fl.  caledoniensis  und  Pt.  fl.  Imjsanka  bestehen. 

Ein  bisher  bei  andern  Ptychoderiden  nicht  gefundener  Zustand 
ist  es,  dass  der  dem  Schlund  zugekehrte  Abschnitt  des  Septums 
einen  mit  Quermusculatur  ausgestatteten  Gefäss- 
stamm  enthält.  Dieser  ist  nach  vorn  nicht  nur  bis  zur  Theilung 
und  zum  Ringgefäss  des  Kragens  vorhanden,  sondern  an  Stelle  des 
dieses  meist  darstellenden  Gefässgefleclites  ist  rechts  und  links  eine 
von  einem  Gefässgeflecht  begleitete  Fortsetzung  des  Gefässtammes 
vorhanden ,  und  erst  im  Eichelhals,  wenn  die  Gefässe  sich  beiderseits 
an  den  Hals  des  Eicheldarms  legen,  verschwindet  die  Musculatur 
derselben. 

Bei  allen  Formen  ist  an  Stelle  eines  vollständigen  Septums 
eine,  namentlich  gegen  das  hintere  Ende  des  Kragens  oft  sehr  hohe 
und  der  Haut  sich  nähernde,  Gefässfalte  vorhanden  (vgl.  1903,  p.  291). 
Bei  der  Form  aus  Funafuti  finde  ich  sie  besonders  hoch,  hinten  als 


Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusten.  9 

vollständiges  Septiim  ausgebildet  und  auch  weiter  vorn  an  mehreren 
Stellen  mit  der  Haut  zusammenhängend,  wenn  auch  hie  und  da 
unterbrochen.  Dass  wir  es  hier  thatsächlich  mit  einem  Septum  zu 
thun  haben,  ist  nach  diesen  Beobachtungen  kaum  zu  bezweifeln,  und 
wenn  Willey  schreibt,  perhaps  the  vascular  fold  suspended  from 
the  basement-membrane  of  the  throat-epithelium  in  Ft.  flava  is  to 
be  interpreted  as  an  incomplete  ventral  septum,  but  there  is  reason 
for  supposing  that  it  would  be  more  correct  to  treat  the  ventral 
vascular  complex  and  the  ventral  septum  as  two  distinct  structures 
which  may  or  may  not,  coincide,  so  scheint  mir  diese  Ansicht  bis 
jetzt  einer  Grundlage  zu  entbehren,  indem  alle  Beobachtungen  für 
das  Gegentheil  sprechen. 

Die  Kiemenregion. 

Die  Kiemen  stimmen,  abgesehen  von  ihrer  oben  erwähnten 
geringern  Ausdehnung,  in  allen  wesentlichen  Punkten  mit  denen  von 
PL  fl.  caledoniensis  überein.  Dies  gilt  auch  von  der  Zahl  und  dem 
Abstand  der  Synaptikel,  deren  ich  etwa  17 — 18  an  den  höchst 
entwickelten  Kiemen  finde.  Auch  der  p  o  s  t  b  r  a n  c h i  a  1  e  K  i  e  m  e  n  - 
darm  weist  die  gleichen  Verhältnisse  auf  Dagegen  scheinen  die 
dort  vorhandenen  die  dorsalen  Cölomkammern  durchziehenden  Gefässe 
sich  abweichend  zu  verhalten.  Leider  sind  die  Theile  hier  in  Folge 
der  Contraction  der  Musculatur  ziemlich  stark  verschoben,  so  dass 
sich  die  Verhältnisse  nicht  vollständig  haben  aufklären  lassen.  So 
viel  ich  gesehen  habe,  entspringen  etwa  an  der  hintern  Grenze  des 
postbranchialen  Darms  zwei  mit  musculösen  Wandungen  versehene 
Gefässe  aus  dem  Rückengefässtamm,  verlaufen  eine  kurze  Strecke 
schräg  nach  hinten,  dann  ziemlich  quer,  dem  Lateralseptum  dicht 
angelagert,  und  setzen  sich  dann  in  der  Längsrichtung  an  diesem 
weit  fort,  um  sich  in  abermaligem  seitlichen  Verlauf  schliesslich  mit 
dem  Längsgefäss  des  Septums  zu  verbinden.  Die  Gefässverbindung 
ist  hier  demnach  nicht  nur  einfacher  als  bei  den  zwei  andern  Formen, 
sondern  kommt  vor  Allem  auch  weiter  nach  hinten  zu  liegen. 

Die  Gonaden  standen  nur  bei  dem  grössten  Individuum  auf 
der  Höhe  der  geschlechtlichen  Entwicklung,  und  zwar  waren  es  mit 
Spermatozoen  angefüllte  Hoden.  Neben  diesen  und  deren  Bildungs- 
zellen waren  noch  beträchtliche  ^fengen  der  Klumpen  von  „Dotter- 
körnchen-' vorhanden.  Das  etwas  kleinere  Individuum  (No.  2)  war 
ebenfalls  ein  Männchen,  doch  war  es  noch  nicht  zur  Bildung  von 
fertigen  Spermatozoen  gekommen,  sondern   es  lagen  nur  Häufchen 


10  J.  W.  Spengel, 

von  Samenbildungszellen  hie  und  da  zwischen  den  die  Gonaden  fast 
ganz  ausfüllenden  „üottermassen".  Bei  den  noch  kleinern  Individuen 
No.  4  und  5  traf  ich  zwischen  den  letztern  dann  und  wann  junge 
Genitalzellen,  von  denen  sich  indessen  nirgends  entscheiden  Hess,  ob 
es  Ei-  oder  Samenbildungszellen  waren.  Unter  solchen  Umständen 
kann  ich  nicht  angeben,  welche  Grösse  die  reifen  Eier  haben.  Leider 
bin  ich  aber  auch  ausser  Stande,  das  entsprechende  Maass  für  die 
beiden  andern  Formen  anzugeben  und  damit  eine  in  meinem  vorigen 
Aufsatz  gelassene  Lücke  auszufüllen.  Denn  keines  der  untersuchten 
Exemplare  von  Pt.  fl.  Imjsamca  besass  reife  Eier;  bei  den  meisten 
waren  in  den  Gonaden  neben  den  „Dottermassen"  nur  junge  Genital- 
zellen vorhanden,  die  nur  bei  einzelnen  in  deutlich  erkennbare  Samen- 
bildungszellen übergingen,  nirgends  aber  in  Eizellen,  Unter  den 
geschnittenen  Individuen  von  Pt.  fl.  caJcdoniensis,  von  denen  die 
meisten  auch  auf  einer  Stufe  sehr  geringer  geschlechtlicher  Ent- 
wicklung sich  befanden,  war  ein  Weibchen  mit  recht  zahlreichen 
reifen,  von  einer  Membran  umschlossenen  Eiern.  Während  aber  für 
solche  WiLLEY  (1899,  p.  241)  einen  Durchmesser  von  0,06  mm  an- 
giebt  und  eine  frühere  Angabe  (1896)  von  0,006  durch  einen  lapsus 
calami  erklärt,  finde  ich  einen  solchen  von  0,1  mm  (Keimbläschen 
0,043,  Keimfleck  0,007).  Nach  meinen  Beobachtungen  sind  die  Eier 
auf  dem  Schnittpräparat  also  um  mehr  als  die  Hälfte  grösser  als 
nach  Willey's  vermuthlich  noch  frischem  Object  gemachten  Angaben. 

Die  Leberregion. 

An  dem  histologisch  sehr  gut  erhaltenen  Material  habe  ich  auf 
das  Verhalten  der  Leber  an  ihrem  Vorderende  etwas  näher  ein- 
gehen können  und  bin  im  Stande,  die  Angabe  Willey's  (1899,  p.  242), 
dass  „the  first  few  hepatic  diverticula  are  internal  and  do  not  cause 
elevations  of  the  integument"  wesentlich  bestätigen  oder  vielmehr 
etwas  erweitern  zu  können.  Auf  einer  Serie  von  Querschnitten  durch 
No.  4  fiel  mir  auf,  dass  in  der  hintern  Hälfte  der  Genitalregion,  wo 
noch  keine  Lebersäckchen  vorhanden  sind,  ein  ganz  charakteristisches 
Leberepithel  mit  den  grünlich-bräunlichen  Pigmentkörnern  im  freien  ^) 
Theil  der  Zellen  auftritt.    Bei  einer  nähern  Untersuchung  ergab  sich, 


1)  WiLLEY  bezeichnet  (1.  c.)  diesen  Theil  der  Zellen  als  „peripheral"' ; 
dieser  Ausdruck  scheint  mir  irreleitend.  Am  Darmepithel  liegt  das  freie 
Ende  der  Zellen  natürlich  nicht  peripherisch,  sondern  „centrad",  um 
Schulze's  Bezeichnungsweise  zu  verwenden. 


Nene  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropiieusten.  H 

dass  diese  Zellen  den  Grund  und  die  Wände  von  Querfalten  an  der 
dorsalen  Seite  des  Darms  einnahmen,  während  auf  der  Höhe  zwischen 
je  2  Falten  ein  pig-mentloses  Epithel  diese  Falten  trennte.  Um  dieses 
Verhalten  zu  bestätigen,  habe  ich  Sagittalschnitte  durch  das  einem 
augenscheinlich  etwa  gleich  alten  Individuum  angehörige  Bruchstück 
No.  5  angefertigt  und  dabei  diese  Falten  sehr  wohl  und  regelmässig 
ausgebildet  angetrotfen.  Es  zeigt  sich  aber,  dass  nicht  nur  „die 
ersten  wenigen"  Leberdivertikel  innerlich  sind,  sondern  dass  solche 
bei  einem  Individuum,  das  ungefähr  20  Kiemenpaare  in  einer  Länge 
von  etwas  über  2  mm  besass,  bereits  ungefähr  1  mm  hinter  dem 
postbranchialen  Kiemendarm  beginnen  und  erst  nach  Verlauf  von 
4 — 5  mm  in  die  ersten  äusserlichen  Lebersäckchen  übergehen.  Dicht 
vor  diesen  innern  Anfängen  der  Leber  beginnen  die  beiden  Wimp  er- 
furchen  mit  ihrem  Deckwulst. 

Die  einige  mm  darauf  beginnende  Hauptregion  der  Leber  mit 
ihren  grossen  Säckchen,  deren  Wände  wie  bei  den  2  andern  Formen 
reich  quer  gefaltet  sind,  scheint  auch  im  Uebrigen  mit  Pt.  fl.  cale- 
doniensis  übereinzustimmen,  indem  wie  bei  dieser  sich  der  zwischen 
den  Lebersäckchen  gelegene  Streifen  der  Eückenhaut  zu  einem  hohen 
Kiel  erhebt  (vgl.  1903,  tab.  27.  fig.  41)  und  die  Pleuren  in  den  inter- 
sacculären  Zwischenräumen  als  sehr  hohe  Leisten  hervortreten.  In 
diesen  finde  ich  nur  noch  schwach  entwickelte  Gonaden,  während 
bei  Pt.  fl.  laysanka  noch  grössere  vorhanden  sind. 

In  der  Gegend  der  hintern,  einfachen  Lebersäckchen  finde  ich 
auf  den  Querschnitten  keine  Spur  der  Pleuren  mehr,  vielmehr  zeigen 
diese,  wie  es  auch  von  aussen  zu  sehen  war,  die  „lateralen  Leber- 
säckchen" —  diese  verhalten  sich  bei  allen  3  Formen  gleich  —  den 
medialen  Hauptsäckchen  unmittelbar  angelagert. 

Ueber  das  A  b  d  o  m  e  n  habe  ich  nichts  Besonderes  zu  bemerken, 
über  die  Caudalregion  aber  erwähne  ich,  dass  die  Wimper- 
furchen, die  bei  den  2  andern  Furchen  mit  dem  Ende  des  Abdomens 
Halt  machen,  an  dem  untersuchten  Exemplar  der  Form  von  Funafuti 
eine  Strecke  weit  in  die  Caudalregion  hinein  reichen  und  dort  noch 
auf  Schnitten  vorhanden  sind,  welche  an  ihrer  ventralen  Seite  bereits 
das  „Pygochord"  aufweisen. 

Das  „Pygochord"  (Willey)  habe  ich  auf  einer  Serie  von 
Querschnitten  durch  die  am  besten  erhaltene  Caudalregion  von  No.  6 
untersucht.  Ich  kann  danach  zunächst  bestätigen,  dass  es  sich  nicht 
um  ein  ununterbrochenes  Gebilde  handelt.  Es  sind  vielmehr  auch 
hier  3  durch  Zwischenräume  von  einander  o^etrennte  Stücke  vorhanden 


12  J-  W.  Spengel, 

und  zwar  ein  grösseres,  das  den  vordem  Theil  des  Schwanzes  ein- 
nimmt und  sich  über  ca.  2  mm  erstreckt,  dann  ein  ganz  kleines 
Stück,  das  nur  auf  5  Schnitten  ä  15  /*  vorhanden  und  dabei  unvoll- 
ständig, d.  h.  keine  zusammenhängende  Platte,  sondern  durchbrochen 
ist,  und  endlich  ein  drittes  kleines  Stück,  durch  einige  30  Schnitte 
verfolgbar,  kurz  vor  dem  After,  das  aber  eine  Strecke  vor  diesem 
wieder  aufhört. 

Der  „Endknopf  oder  das  distale  Stück  hat  meistens  etwas 
grössere  Ausdehnung.  Am  vordem  Stück  beginnt  er  nicht  nur  zu- 
erst, sondern  ragt  auch  hinten  etwa  10  Schnitte  über  den  vollstän- 
digen Theil  der  Platte  hinaus.  Ebenso  beginnt  der  Endknopf  des 
2.  Stücks  etwa  10  Schnitte  vor  der  übrigen  Platte,  aber  nicht  am 
Darm,  sondern  an  der  Haut,  um  nach  15  Schnitten  wieder  zu  enden. 
Schliesslich  beginnt  auch  das  3.  Stück  mit  einem  Endknopf  an  der 
Haut,  der  erst  auf  dem  15.  Schnitt  mit  einem  vollständigen  „Pj'go- 
chord"  in  Zusammenhang  tritt  und  andrerseits  nach  hinten  sich  über 
dieses  hinaus  fortsetzt.  Ebenso  erstreckt  sich  der  dorsale  Theil  der 
Pygochorde  über  diese  hinaus,  oft  in  Form  einzelner  Zellen,  die  den 
Darm  berühren. 

Dabei  verhält  sich  der  dem  Endknopf  anliegende  ventrale 
Gefässtamm  in  so  fern  eigenthümlich,  als  er,  ziemlich  genau  mit 
jenem  zusammen,  als  solcher  aufhört  und  wieder  auftritt,  während 
auf  den  dazwischen  gelegenen  Strecken  nur  gewöhnliche  Hautgefässe 
vorhanden  sind.  Bei  Pt.  fl.  caledoniensis  und  laijsanica  tritt  ein  solcher 
streckenweiser  Schwund  des  Bauchgefässtammes  nach  meinen  Prä- 
paraten nicht  ein;  dieser  bleibt  dort  vielmehr  auch  an  den  Stellen 
erhalten,  wo  der  Endknopf  fehlt. 

Ferner  gestatten  mir  meine  Beobachtungen,  einen  wenigstens 
ziemlich  wahrscheinlichen  Schluss  in  Bezug  auf  die  Entsteinmgs-  und 
Wachsthumsweise  dieses  in  Bezug  auf  seine  Function  räthselhaften 
Gebildes  zu  ziehen.  Ich  wiederhole  zunächst  einige  der  bereits  in 
meiner  vorigen  Abhandlung  (1903)  citirten  Worte  Willey's:  As  a 
rule  tlie  pygochord  retains  its  connection  with  the  gut-epithelium,  but 
at  irregulär  intervals  the  basement-membrane  is  continued  across 
the  line  of  junction  so  as  to  completely  separate  the  pygochordal 
tissue  from  the  wall  of  the  gut.  The  dilated  distal  end  is  some- 
times  shut  off  from  the  rest  of  the  band,  and  the  band  itself  is  some- 
times  constricted  by  transverse  fusions  of  the  basement-membrane. 
Sometimes   the   band  presents   a  remarkable  moniliform  appearance 


Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusten.  13 

diie  to  this  fusion  of  the   basement-membrane   at  different   levels 
(tab.  29,  fig.  15  a). 

Nach  meinen  Beobachtungen  ist  das,  was  Willey  als  die  Regel 
hinstellt,  nämlich  der  unmittelbare  Uebergang  des  Darmepithels  in 
das  Gewebe  des  „Pygochords",  die  Ausnahme,  die  Abtrennung  des- 
selben durch  die  Grenzmembran  und  das  perlschnurförmige  Aussehen 
des  quergeschnittenen  Bandes  in  Folge  der  streckenweisen  Verbin- 
dung der  beiderseitigen  Grenzmembran,  was  Willey  als  einen  bis- 
weilen vorkommenden  Fall  schildert,  dagegen  das  vorherrschende 
Verhalten.  Ich  bin  geneigt,  aus  meinen  Befunden  zu  schliessen,  dass 
ein  successives  Hervortreten  der  Substanz  des  „Pygochords"  aus  dem 
Darmepithel  und  ein  Abschliessen  der  fertig  gebildeten  Stücke  durch 
die  Grenzmembran  stattfindet,  dass  also  die  wenigen  Fälle,  in  denen 
das  an  das  Darmepithel  angrenzende  Stück  des  Pygochords  —  immer 
nur  dieses!  —  ohne  Unterbrechung  in  jenes  übergeht,  ein  im  Stadium 
der  Entstehung  fixirtes  unfertiges  Stück  des  „Pygochords"  ist.  Am 
vordersten  Ende  besteht  das  „Pygochord"  ausschliesslich  aus  einem 
rundlichen  Körper,  der  sich  weiter  hinten  als  das  „erweiterte  distale 
Ende"  darstellt.  Auf  dem  vordersten  Schnitt,  der  diesen  Körper 
getroffen  hat,  geht  er  noch  ohne  Grenze  in  das  Darmepithel  über, 
während  er  im  nächsten  und  den  folgenden  durch  die  Grenzmembran 
davon  abgetrennt  ist.  Weiter  nach  hinten  kommen  dann  1  oder  2, 
schliesslich  mehrere  Stücke  hinzu,  meistens  von  Grenzmembran  um- 
schlossen und  gegen  das  Darmepithel  abgegrenzt,  so  das  perlschnur- 
förmige Aussehen  darbietend.  Hin  und  wieder  trifft  man  das  an  den 
Darm  angrenzende  Stück  noch  in  dessen  Epithel  übergehend.  Dass 
wir  die  Entstehungsart  des  „Pygochords"  aus  den  Beobachtungen 
richtig  abgelesen  haben,  ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  eine  andere 
kaum  zu  denken  ist.  Für  den  nachträglichen  Zerfall  eines  ursprüng- 
lich einheitlichen  Bandes  durch  stellenweises  Zusammentreten  der 
beiderseitigen  Grenzmembranen  scheint  mir  nichts  zu  sprechen.  Ob 
dem  erweiterten  distalen  Ende  eine  besondere  Bedeutung  zukommt, 
vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Thatsächlich  erweist  es  sich  einer- 
seits am  Vorderende  als  das  zuerst  aus  dem  Darmepithel  austretende 
Stück ;  andrerseits  aber  vermisst  man  es  auf  weiter  nach  hinten  ge- 
legenen Theilen  bisweilen  als  einen  vom  übrigen  Pygochord  durch 
stärkern  Umfang  ausgezeichnetes  Endstück. 


14  J-  W.  Spengel, 

Aus  obiger  Darstellung  der  äussern  Gestalt  und  des  Baues  der 
Enteropneusten  von  Funafiiti  geht  hervor,  dass  diese  Form  nicht, 
wie  WiLLEY  und  J.  P.  Hill  (1898,  p.  205)  auf  Grund  ihrer  augen- 
scheinlich nicht  sehr  genauen  Vergleichung  behauptet  hatten,  mit 
der  von  "Willey  bei  Neucaledonien  gefundenen  Art  identisch  ist, 
sondern  sich  in  mehreren  Punkten  davon  unterscheidet,  wenngleich 
beide  mit  einander  in  vielen  ihrer  Merkmale  übereinstimmen.  Es 
haben  sich  folgende  Unterschiede  ergeben: 

1.  Die  Form  scheint  kleiner  zu  bleiben  als  P^.  fl.  caledonienm, 
denn  unter  den  mir  vorliegenden  Exemplaren  dürfte  das  durch  ein 
vorderes  Bruchstück  vertretene  höchstens  100  mm  gemessen  haben, 
während  das  grösste  vollständige  75  mm  lang  war,  wohingegen  Pf. 
ß.  caledoniensis  125 — 200  mm  misst  (gegen  mehr  als  230  mm  bei  Pt. 
fl.  laysanica). 

2.  Das  „traubige  Organ"  des  Eichelhalses  trug  bei  dem 
grössten  Exemplar  nur  zwei  bläschenförmige  Ausstülpungen,  gegen 
etwa  sieben  bei  Pt.  fl.  caledoniensis  und  ca.  20  bei  Pt.  fl.  laysanica. 
Unsere  Form  bleibt  also  erheblich  gegen  jene  beiden  in  dieser  Be- 
ziehung zurück. 

3.  Von  den  zwei  E  i  c  h  e  1  p  f  o  r  t  e  n ,  die  wie  bei  Pt.  fl.  caledoniensis 
sehr  ungleich  gross  sind,^)  ist  die  rechte  durch  besondere  Geräumig- 
keit ausgezeichnet  und  ruft  durch  ihre  Anwesenheit  eine  asymme- 
trische Lage  der  Organe  des  Eichelhalses  hervor. 

4.  Die  Zahl  der  Wurzeln  des  Kragenmarks  beträgt  0 — 2, 
gegen  2 — 3  bei  Pt.  fl.  caledoniensis  und  3—4  bei  Pt.  fl.  laysanica. 

5.  Die  K  i  e  m  e  n  r  e  g  i  0  n  erreicht  nur  eine  Länge  bis  zu  7  mm, 
gegen  6 — 15  bei  Willey's  Exemplaren  von  der  Isle  of  Pines,  bis 
29  bei  solchen  von  Lifu,  und  bei  Pt.  fl.  laysanica  je  nach  der  Grösse 
der  Exemplare  12 — 27  mm. 

6.  Die  W  i  m  p  e  r  f  u  r  c  h  e  n  des  Darms  mit  ihren  D  e  c  k  w  ü  1  s  t  e  n 
reichen  bis  ins  Vorderende  der  Caudalregion. 

Diese  Eigenthümlichkeiten,  abgesehen  von  der  3.  und  5.,  be- 
zeichnen alle  ein  Zurückbleiben  auf  einer  niedern  Entwicklungsstufe 
und  würden  grossen  Theils  in  Zusammenhang  mit  der  unter  1  auf- 
geführten geringen  Körpergrösse  stehen.    Für  die  Entscheidung  der 


1)  In  der  Aufzählung  der  Unterschiede  zwischen  Fl.  fl.  caledoniensis 
und  laysanica  (1903,  p.  230)  habe  ich  vergessen  zu  erwähnen,  dass  bei 
letzterer  Form  beide  Eichelpforten  ungefähr  gleich  gross  sind  und  beide 
mit  den  hintern  Taschen  des  Eichelcöloms  in  offner  Verbindung  stehen. 


Neue  Beiträge  zur  Keinitniss  der  Entero])neusten.  15 

Frage,  ob  die  Form  von  Fiinafuti  von  den  zwei  andern  verschieden 
ist,  würde  es  also  von  grösster  Wichtigkeit  sein  zu  wissen,  ob  die 
gefundenen  Exemplare  wirklich  annähernd  die  dort  vorkommende 
volle  Grösse  haben.  Dass  dies  thatsächlich  der  Fall  ist,  dafür  spricht 
Hill's  Angabe,  the  specimens  obtained  by  ]\[r.  Hedley  do  not  exceed 
3  inches  in  length,  was  auf  die  von  mir  gemessenen  75  mm  fast  genau 
liinaus  kommt.  Ferner  aber  kann  es  wohl  kaum  zweifelhaft  sein, 
dass  die  angetroffenen  Unterschiede  schon  bei  Individuen  vorhanden 
sind,  welche  die  vollen  Maasse  noch  nicht  erreicht  haben.  Dass  dies 
für  Pt.  fl.  laijsanica  gilt,  ist  sicher,  denn  das  in  meinem  vorigen 
Aufsatz  von  mir  beschriebene  ganz  junge  Exemplar  übertraf  mit 
seiner  Länge  von  85  mm  bereits  das  längste  Exemplar  der  Form 
von  Funafuti.  Auch  für  Ft.  fl.  caleäoniensis  ist  es  zutreffend.  Das 
traubige  Organ  war  schon  bei  einem  Individuum  dieser  Form,  dessen 
Eichel  und  Kragen  kleiner  waren  als  bei  dem  Individuum  No.  3 
von  Funafuti,  reicher  entwickelt  als  bei  diesem.  Und  unter  den  in 
Bezug  auf  das  Verhalten  der  Kragenmarkswurzeln  untersuchten 
Individuen  von  Vi.  fl.  caleäoniensis,  bei  denen  ich  3  Wurzeln  gefunden 
habe,  war  keines  grösser  als  meine  Exemplare  von  Funafuti,  die 
trotzdem  höchstens  2  Wurzeln  aufgewiesen  haben.  Für  die  Länge 
der  Kiemenregion  vermag  ich  allerdings  aus  den  vorliegenden  Be- 
obachtungen einen  sichern  Schluss  nicht  zu  ziehen,  zumal  da  diese 
nach  den  Angaben  Yon  Willet,  auch  abgesehen  von  der  „brachy- 
branchiaten"  Form,  so  grossen  Schwankungen  unterliegt.  Dennoch 
darf  deren  geringes  Maass,  das  bei  keinem  bisher  beobachteten  In- 
dividuum übei'schritten  wird,  gegenüber  der  bei  Pt.  fl.  calcdonietisis 
in  der  Regel  angetroffenen  längern  Kiemenregion  neben  den  andern 
^Merkmalen  als  charakteristisch  hingestellt  werden. 

Zu  den  bisher  besprochenen  Unterschieden  wird  vielleicht  später, 
wenn  Untersuchungen  an  reicherm  Material  meine  Beobachtungen 
(S.  9)  über  das  Verhalten  der  Gefässverbindungen  am  Hinterende 
des  postbranchialen  Kiemendarms  bestätigen  sollten,  darin  ein 
Merkmal  hinzukommen ,  das  die  Form  von  Funafuti  den  beiden 
andern  noch  schärfer  gegenüberstellt.  Die  Erstreckung  der  Wimper- 
furche des  Darms  bis  in  die  Caudalregion,  eine  zwar  an  sich 
geringfügige  Erscheinung,  würde  sich  als  eine  Besonderheit  an- 
schliessen. 

Einstweilen  dürfte  es  das  Richtigste  sein,  die  Form  von  Funa- 
futi ebenfalls  als  eine  Unterart  der  im  Pacifischen  Ocean  weit  ver- 
breiteten Ptychoclera  flava  zu  betrachten  und  sie  zur  Unterscheidung 


\Q  J.  W.  Spengel, 

von  Ft.  fl.  calcdoniensis  mit  Ft.  //.  laysanica  als  Ftychodera  flava  funa- 
futica  zu  bezeichnen. 

Zum  Schluss  möchte  ich  darauf  hinweisen,  dass  zwar  die  Insel 
Funafuti  —  ca.  S'/o"  S-  B-  —  geographisch  zwischen  Laysan  —  ca. 
26  ^  N.  B.  —  und  Neucaledonien  —  etwas  über  20 "  S.  B.  —  gelegen 
ist,  dass  Ft.  fl.  funafutica  aber  nach  ihren  Merkmalen  nicht  in  dem 
Sinne  eine  Zwäschenform  zwischen  den  flava-Formen  jener  beiden 
Orte  darstellt,  als  sie  durch  Umwandlung  der  nördlichen  in  die  süd- 
liche oder  umgekehrt  entstanden  sein  könnte,  denn  statt  einer  Mittel- 
zahl von  blasigen  Fortsätzen  des  traubigen  Organs  und  von  Kragen- 
markswurzeln hat  sie  weniger  als  jene  beiden  Formen,  wie  auch 
in  der  Körpergrösse.  Sie  w^ürde  vielmehr  eine  Ausgangs  form 
darstellen  können,  von  der  die  nördliche  und  die  südliche  Form  ver- 
schieden von  einander,  aber  beide  durch  eine  fortschreitende  Aus- 
bildung in  diesen  Theilen  wie  in  der  Grösse  sich  differenzirt  haben. 
Andrerseits  würde  sie  gewissermaassen  als  eine  Hemmungsbil- 
dung betrachtet  werden  können,  die  auf  Funafuti  unter  gewissen, 
vielleicht  ungünstigen  Lebensbedingungen  zu  Stande  gekommen  ist; 
namentlich  der  mehrfach  vorkommende  Mangel  der  den  Ptychoderiden 
sonst  niemals  fehlenden  Kragenmarkswurzeln  würde  einer  derartigen 
Auffassung:  das  Wort  reden. 


Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusten.  17 


Erklärunff  der  Al)])ildun£ren. 


iva  Kragencölom  h  Herzblase  (Pericardialblase) 

(Uv  Eicbeldarra  ^;c  Eichelporen,  pcl  linke, 

cJi  dorsale  Eicheltaschen  j^cr  rechte 

chv  ventrale  Eicheltasche,   das  „trau-      sv  ventrales  Eichelseptum. 
bige  Organ"   bildend. 

Tafel   1. 

Fig.   1 — 6.     Ptychodcra  JInrn  fiinnfufica. 

Fig.  1.  Querschnitt  durch  den  Hals  der  Eichel  eines  Jüngern  Indi- 
viduums (Xo.  4),   durch  die  Poren  der  Eichelpforten.      105  :  1. 

Fig.  2.  Dorsaler  Theil  des  3.  darauf  folgenden  Schnitts  durch  die 
Eichelpforten.      105  :  1. 

Fig.  3.  Dorsaler  Theil  des  4.  auf  vorigen  folgenden  Schnitts.  Die 
linke  Eichelpforte  {pcJ)  ist  zu  einem  kleinen  ovalen  Körper  ohne  Lumen 
reducirt.      105  ;  1. 

Fig.  4.  Dorsaler  Theil  des  2.  auf  vorigen  folgenden  Schnitts.  Auf 
beiden  Seiten  sind  die  dorsalen  Eicheltaschen  {eh)  angeschnitten.      105:1. 

Fig.  5.  Dorsaler  Theil  des  3.  auf  vorigen  folgenden  Sclinitts.  Beide 
Eichelpforten  stehen  mit  den  Eicheltaschen  in  Verbindung.      105:  1. 

Fig.  6.  Dorsaler  Theil  eines  nahezu  dem  vou  Fig.  5  entsprechenden 
Querschnitts  durch  den  Eichelhals  eines  der  grössten  Individuen  (No.  2). 
Die  linke  Eichelpforte  {pd),  die  sich  in  Folge  einer  kleinen  Al)\veichung 
der  Schnittrichtung  von  der  rein  transversalen  erst  auf  dem  folgenden 
(nicht  abgebildeten)  Schnitte  mit  der  hintern  Eicheltasche  verbindet,  ist 
bei  diesem  Individuum  etwas  grösser  und  hat  bis  zu  ihrer  Verbindung 
mit  der  Eicheltasche  ein  offnes  Lumen.      58  :  1. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  2 


18  J.  W.  Spengel,  Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusteu. 


Fig.   7  u.   8.      Pti/rhoricra  flnrn  calrdoniensis. 

Fig.  7.  Dorsaler  Theil  eines  Querschnitts  durch  den  Eichelhals,  dicht 
vor  den  Eichelporen,  durch  die  Eichelpforten,  von  denen  hier  die  linke 
die  grössere  ist.      58  :  1. 

Fig.  8.  Dorsaler  Theil  eines  Quer.schnitts  aus  derselben  Reihe,  weiter 
vorn,  etwa  Fig.  5  entsprechend.  Beide  Eichelpforten,  von  denen  die 
rechte  auf  den  zwischengelegenen  (nicht  abgebildeten)  Schnitten  unter  den 
Einschlüssen  des  chondroiden  Gewebes  nicht  zu  unterscheiden  war,  treten 
mit  den  Eicheltaschen  in  Zusainmenhaug.      58  :  1. 


Tafel  2. 

Fig.  9  u.   10.     Pli)r]iodcra  flava  laijsanica. 

Fig.  9.  Querschnitt  durch  den  Eichelhals,  durch  die  Poren  der  Eichel- 
pforten, die  von  annähernd  gleicher  Grösse  sind ;  etwa  der  Fig.  1  ent- 
sprechend.     58  :  1. 

Fig.  10.  Dorsaler  Theil  eines  Querschnitts  aus  derselben  Reihe,  etwa 
Fig.  5  und  6  entsprechend;  die  Eichelpforten  verbinden  sich  mit  den 
Eicheltaschen.     58  :  1. 

Fig.  11.  Stück  eines  Sagittalschnitts  durch  den  Eichelhals  einer 
Pt.  fl.  fuuafutica,  welcher  die  ventrale  Eicheltasche  {ehv)  in  ihrer  grössten 
Ausdehnung  getroffen  hat.      58  :  1. 

Fig.  12.  Entsprechendes  Stück  eines  derartigen  Schnittes  von  Pt.  fl. 
calcdo)iirnsis,  das  die  ventrale  Eicheltasche  (traubiges  Organ)  unter  den 
von  mir  untersuchten  Exemplaren  in  der  grössten  Ausdehnung  zeigt.  Die 
Eichel  war  bei  diesem  Individuum  stark  geneigt  und  die  Schnittrichtung 
nicht  genau  sagittal.      58  :  1. 

Fig.  13.  Ventrales  Stück  eines  Querschnitts  durch  den  Eichelhals 
von  Pt.  fl.  funafutica  (No.  2),  die  ventrale  Eicheltasche  (traubiges  Organ) 
in  ihrer  grössten  Ausdehnung,  mit  2  bläschenförmigen  Ausstülpungen. 
58:  1. 


Nachdruck  verboten. 
Uebersetzungsrecht  vorbehalten . 


Von  welchen  Organen  der  Gallwespenlarven  geht  der 
Keiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus? 

U  n  t  e  r  s  u  c  h  II 11  g-  der  D  r  ü  s  e  ii  o  r  g*  a  ii  e  der  Gallwespen- 

larveiij    zugleich    ein    Beitrag    zur    postembryonalen 

Entwicklung  derselben. 

Von 

Heinrich  ßössig  in  Clausthal. 

(Aus  dem  Zoologischen  Institut  in  Freiburg  i.  B.) 

Hierzu  Taf.  3-6. 


Inhaltsverzeichniss. 

Seite 

I.  Gegenwärtiger  Stand  der  Gallenforschung 19 

II.  Beobachtete  Arten  von  Cynipiden 26 

III.  Fixhungä-  und  Untersuchungsmethoden 28 

IV.  Aeussere  Gestalt  der  Cyuipidenlarven 29 

V.  Innere  Organe 31 

1.  Speicheldrüsen 32 

2.  Oenocyten 41 

3.  Malpighische  Gefässe 62 

4.  Epithel  des  Enddarms 67 

VI.  Gewonnene  Resultate 68 

VII.  Discussion   der  TJntersuchungsergtbnisse 70 

I.  Gegeuwjirtiger  Stand  der  Gallenforschung. 

Ueber  Gallwespen  und  ihre  Gallen  sind  in  den  letzten  25  Jahren 

ausser  systematischen  Arbeiten  zwei  bedeutende  Abhandlungen  ver- 

2* 


20  Heinkich  Rössig, 

öffentliclit  worden.  Es  sind  die  Untersuchungen  von  Adler  und 
Beyeeinck.  Ersterer  hatte  Zuchtversuche  mit  Gallwespen  ange- 
stellt und  war  dabei  zu  dem  überraschenden  Resultate  gelangt,  dass 
bei  einer  ganzen  Anzahl  von  Arten  ein  ausgesprochener  Generations- 
wechsel vorkommt,  indem  die  Frühlingsgeueration  aus  Männchen 
und  AVeibchen,  die  Herbstgeneration  nur  aus  Weibchen  besteht. 
Beide  Generationen  veranlassen  Gallbildung,  die  Gallen  besitzen 
aber  ganz  verschiedene  Gestalt.  Diese  Entdeckung  veröffentlichte 
Adler  im  Jahre  1880. 

Die  Arbeit  von  Beyerinck  erschien  zwei  Jahre  später.  B.  unter- 
suchte die  Entwicklung  der  Gallen  vom  botanischen  Standpunkte 
aus  und  beobachtete  hauptsächlich  die  Veränderungen,  welche  in 
den  einzelnen  Zellenschichten  der  Galle  während  ihres  Wachsthums 
vor  sich  gehen. 

Adler  sowohl  als  Beyerinck  haben  gelegentlich  auch  andere 
Fragen  berücksichtigt,  auch  die  hier  behandelte:  Woher  stammt  der 
Reiz,  der  das  Pflanzengewebe  zum  Wuchern  bringt?  Da  Gallbildung 
nicht  nur  bei  Gallwespen,  sondern  auch  bei  einer  Anzahl  anderer 
Hymenopteren  und  vielen  andern  Insecten,  bei  Milben  und  Nema- 
toden vorkommt,  wird  die  Antwort  kaum  überall  die  gleiche  sein 
können.      Was    darüber   bekannt   ist,    möge  kurz   erwähnt   werden. 

Am  klarsten  liegt  der  Vorgang  bei  einer  Tenthredinide,  Nematus 
välUsnierii,  bei  welcher  Adler  ^)  den  Vorgang  näher  beobachtete. 
„Die  Wespe,  mit  einem  feinen,  sägeartigen  Stachel  ausgerüstet, 
schneidet  in  die  zarten  Blättchen  der  Endtriebe  von  Salix  amyg- 
dalina  ein  und  schiebt  ihre  Eier  in  die  geöifnete  Wunde.  In  die 
Wunde  des  Blattes  fliesst  gleichzeitig  von  dem  Drüsensecret  etwas 
hinein.  Schon  wenige  Stunden  nach  der  Verletzung  nimmt  die 
Blattfläche  ein  anderes  Aussehen  an,  und  es  beginnt  eine  reichliche 
Neubildung  von  Zellen,  die  bald  zu  einer  umschriebenen  Verdickung 
der  Blattfläche  führt.  Nach  Verlauf  von  etwa  14  Tagen  ist  die 
bohnenförmige,  grünlich-röthliche  Galle  vollständig  ausgewachsen. 
Oeffnet  man  sie  jetzt,  so  liegt  in  dem  kleinen  centralen  Hohlraum 
immer  noch  das  Ei,  die  embryonale  Entwicklung  ist  noch  nicht 
vollendet;  erst  nach  3  Wochen  schlüpft  die  Larve  aus.  Sie  findet 
rings  um  sich  das  fertige  Ernährungsmaterial  vor.  In  diesem  Falle 
wird  also  durch  die  von  der  Wespe  bewirkte  Verwundung   und  ein 


1)  lieber  den  Geuerationswecbsel  der  Eichengallwespeu,  p.   208  f. 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung-  der  Pflanzengalle  aus?     21 

eingeträufeltes  Gift  sofort  die  Zellenthätigkeit  zur  Gallenbildung 
angeregt." 

Bei  gallenerzengenden  Cecidomyia-Xrten  kann  von  einer  Ver- 
wundung der  Pflanzenzelle  nicht  die  Rede  sein,  weil  ihnen  ein 
Stachel  fehlt.  Sie  können  mit  ihrer  vorstreckbaren  Legeröhre  das 
Ei  nur  in  sich  öffnende  Knospen  schieben;  die  ausschlüpfende  Larve 
ruft  erst  die  Gallenbildung  hervor. 

Die  Cjaiipiden  besitzen  zwar  einen  ziemlich  kräftigen  Lege- 
bohrer, mit  welchem  sie  das  Pflanzengewebe  verletzen,  um  in  das- 
selbe ihre  Eier  hineinzuschieben.  Zugleich  tritt  etwas  Drüsensecret 
in  den  Stichcanal.  Letzteres  scheint  aber  nur  die  Wirkung  zu 
haben,  dass  es  die  Eier,  resp.  den  Eistiel,  mit  dem  Pflanzengewebe 
verklebt,  allenfalls  den  Stichcanal  schliesst.  Bei  Biorhisa  aptera 
Bosc,  welche  ihre  Eier  in  grosser  Masse,  bis  180,  in  eine  einzige 
Knosi)e  ablegt,  überdeckt  das  Secret,  das  nach  dem  Ablegen  aller 
Eier  hervorfliesst,  die  ganze  Eiersamnilung  wie  mit  einer  Decke  und 
verklebt  sie  mit  dem  Endabschnitt  der  Knospe.  Weitere  Wirkung 
scheint  es  nicht  zu  üben,  denn  irgend  eine  Reaction  des  Pflanzen- 
gewebes ist  nie  beobachtet  woi'den.  Auch  hat  Bf.yerixck  das 
Secret  gesammelt,  eingetrocknet  und  so  in  A\'unden  von  jungen 
Pflanzen  eingeschoben,  ohne  irgend  einen  Einfluss  auf  die  Pflanzen 
constatiren  zu  können. 

„Bei  meiner  Versuchsanstellung  war  es  ein  Leichtes,  den  Schleim 
von  der  Legeröhrenspitze  des  Thieres  auf  eine  feine  Nadel  zu  über- 
nehmen. Es  ergab  sich  als  eine  neutral  reagierende,  geruch-  und 
geschmacklose  Substanz,  welche,  der  Luft  ausgesetzt,  ziemlich  lange 
dehnbar  blieb,  aber  später  vertrocknete  und  sich  bräunte.  Kleine 
Stückchen  dieser  Substanz  brachte  ich  in  jugendliche,  schnell 
wachsende  Gewebspartien  von  Tulpen  und  Erbsen,  welche  ich 
gerade  cultivirte,  doch  traten  dadurch  keine  andern  Gewebsverände- 
rungen auf,  als  diejenigen,  welche  die  Verwundungen  an  sich  zur 
Folge  haben."     Beykrikck,  p.  68. 

Adler  Avie  auch  Beyerinck,  die  beiden  einzigen  Forscher, 
welche  mit  Versuchen  darüber,  wie  die  Galle  zu  Stande  kommt,  sich 
beschäftigt  haben,  stinnnen  darin  überein,  dass  sie  bei  den  C3'ni- 
piden  einen  Einfluss  des  stechenden  Wespenweibchens  bestimmt  aus- 
schliessen  und  die  Bildung  der  Galle  allein  der  Wirkung  der  sich 
entwickelnden  ^^'espenlarve  zuschreiben.  Beide  Forscher  stimmen 
ferner  darin  überein,  dass  eine  Gallenbildung,  so  verschieden  auch 
die  Form  der  Galle  sein  mag,  oder  die  Stelle,  wo  sie  sich  entwickelt, 


22  Heinrich  Rössig, 

ob  Wurzel,  Stamm,  Knospe  oder  Blatt,  immer  nur  von  einem  Mutter- 
boden ausgehen  kann,  dem  Cambiumring-e,  „der  Zone  bildungsfähig-er 
Zellen,  die  von  den  feinsten  "Wurzelfasern  beginnend  bis  in  die 
Blattfläclien  hinaufsteigt  und  wie  ein  Schlauch  die  Pflanze  umhüllt." 
Adler,  p.  207. 

Beyerinck  sagt  das  Gleiche.  ..Auf  die  Frage  nach  der  Natur 
der  pflanzlichen  Gewebe,  welche  sich  für  die  Gallenbildung  eignen, 
lässt  sich  im  Allgemeinen  von  den  Cynipidengallen  sagen,  dass  die- 
selben sich  aus  solchen  Geweben  entwickeln,  in  welchen  die  Zell- 
theilung  sicher  noch  fortdauert,  oder  aus  Geweben,  bei  w^elchen  das 
Bestehen  der  Zelltheilung  zwar  nicht  bewiesen,  aber  doch  höchst 
wahrscheinlich  ist  .  .  .  Betreffs  der  Eiablage  ist  es  eine  ausnahms- 
lose Eegel,  dass  dieselbe  an  die  Oberfläche  oder  innerhalb  noch 
wachsender  Gewebe  stattfindet.     Beyerinck,  p.  180  f. 

Dasselbe  bestätigt  Eübsaamen  1899  in  üebereinstimmung  mit 
Thomas  1901   von  den  Gallen  der  Gallmücken.    Eübsaamen,  p.  568. 

Eine  Differenz  besteht  zwischen  den  beiden  erstgenannten 
Forschern  über  den  Zeitpunkt,  wann  eine  Zellvermehrung  und  -Ver- 
grösserung  in  der  Nähe  der  Larve  einsetzt.  Adler  nimmt  auf  Grund 
seiner  Beol)achtungen  an,  dass  erst  die  ausschlüpfende  Larve  die 
Wucherung  der  Zellen  auslöst.  Im  Gegensatz  dazu  stellt  Beyerinck 
wenigstens  bei  einigen  Arten  fest,  dass  bereits  die  in  der  Eihaut 
noch  eingeschlossene  Larve  ihren  Einfluss  auf  die  umgebenden  Zellen 
geltend  macht. 

Adler  (Ueber  den  Generationswechsel  etc.,  p.  209  f.)  schreibt  über 
Trigonaspis  crusfalis:  „Wenn  von  dieser  Wespe  im  Mai  Blätter  an- 
gestochen sind,  so  vergehen  Monate,  bevor  eine  Spur  von  Gallen- 
bildung zu  bemerken  ist.  Die  Wespe  schneidet  mit  ihrem  ziemlich 
kräftigen  Stachel  in  die  Blattrippen  hinein  und  hinterlässt  dadurch 
eine  deutliche  Spur,  wo  ein  Ei  abgesetzt  w^urde.  Man  kann,  von 
dieser  geführt,  leicht  einige  Eier  aufsuchen;  erst  im  September 
schlüpfen  die  Larven  aus  und  dann  beginnt  die  Gallenbildung. 

Natürlich  wird  es  von  Interesse  sein,  den  Zeitpunkt  wahrzu- 
nehmen, wo  die  Larve  dem  Ei  entschlüpft  und  die  Gallenbildung 
einleitet.  Leider  ist  dies  recht  schwierig.  Mag  das  Ei  in  einer 
Knospe  oder  in  einem  Blatte  eingeschlossen  sein,  stets  ist  es  dem 
Blicke  entzogen,  und  es  hält  schwer,  den  Moment  abzupassen,  wo  die 
Larve  ausschlüpft.  Es  ist  mir  gelungen  einige  Male  bei  Neuroferus 
laevmsculus  und  Biorhim  aptcra  dieses  Stadium  zu  beobachten.  In 
dem  Augenblicke  nun,  w^o  die  Larve  die  Eihaut  durchbrochen  hat 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     23 

und  zum  ersten  Male  mit  den  feinen  Kiefern  die  nächstgelegenen 
Zellen  verwundet,  beginnt  eine  rapide  Zellenwuclierung.  Dieselbe 
geht  so  rasch  von  Statten,  dass,  während  die  Larve  noch  mit  dem 
Hinterleibsende  in  der  Eihaut  steckt,  vorn  bereits  eine  wallartige 
Wucherung  von  Zellen  sich  erhebt." 

Letzteres  leugnet  Beyerixck  bestimmt.  ..Einige  Autoren,  sagt 
er,  haben  in  dem  Nagen  der  Gallenlarven  einen  Reiz  sehen  wollen, 
welcher,  nach  ihrer  Ansicht,  die  pflanzlichen  Gewebe  afficiren  und 
möglicher  Weise  zur  Wucherung  bringen  könnte.  —  Freilich  besitzen 
die  Cynipidenlarven  selbst  schon  dann,  wenn  dieselben  noch  als  voll- 
kommen kugelförmige  Tliiere  innerhalb  der  Eischale  eingeschlossen 
sind,  feine  Chitinkiefer,  allein  zu  dieser  Zeit,  wenn  von  einem  Zer- 
nagen der  pflanzlichen  Zellen  natürlich  keine  Rede  sein  kann,  ist  das 
Wachsthum  des  Gallplastems  (,.Plastenr'  nennt  B.  das  vom  gewöhn- 
lichen Meristem  durch  vei"schiedene  Besonderheiten  abweichende 
Meristem  der  Gallen)  schon  in  vollem  Flusse.  Bei  den  Rhodites- Arien 
liegt  überdies  das  Kopfende  der  in  der  Eischale  eingeschlossenen 
Larve  noch  gänzlich  frei  in  der  Luft  am  Stielende  des  Eies,  w^enn 
das  Hinterende  des  Thieres  schon  im  Gallplastem  vergraben  ist. 
Dem  Frasse  an  und  für  sich  kann  man  demnach  keine  Bedeutung 
bei  der  Gallenbildung  zuerkennen",  p.  180. 

Andrerseits  macht  sich  die  Wirkung  des  Reizes,  der  zur  Gallen- 
bildung führt,  durch  verschiedene,  als  leblos  zu  betrachtende  Zell- 
resp.  Gewebsschichten  geltend.  Bei  den  Bhodites-Arten,  orthospinae 
im  Speciellen,  durch  die  Eischale,  Kittmasse  und  die  der  Larve 
anliegende  Zellenschicht.  Bei  andern  Gallen  befinden  sich  zwischen 
dem  lebenden  Thiere  und  der  lebenden  Pflanzensubstanz  nur  Zellen- 
wand und  Eischale;  allein  es  können  sich,  wie  z.  B.  bei  der  fenni- 
nalis-GsWe  zwischen  denselben  auch  noch  abgestorbene  Gewebs- 
schichten vorfinden,  welche  die  Gallenbildung  keineswegs  beeinträch- 
tigen. Diesen  Thatsachen  gegenüber  ist  der  Schluss,  die  Gallwirkung 
werde  durch  eine  vom  Gallenthiere  ausgesonderte  flüssige  Substanz 
verursacht,  kaum  abweisbar,  p.  178. 

Ferner  erwähnt  B.,  dass  bei  Eichencynipiden  die  EiuAvirkung 
des  Thieres  auf  das  Pflanzenge  webe  kürzere  Zeit  dauert  als  bei  den 
Pthodife.s'-  und  Aular-Avten.  Letztere  entwickeln  sich  langsamer.  Im 
März  resp.  April  fliegen  bereits  die  Wespen,  aber  bei  ihnen  erwächst 
im  Laufe  des  Jahres  nur  eine  Generation,  während  bei  den  Eichen- 
cynipiden deren  zwei  vorkommen. 

Für   die   Thatsache,  dass  der  Reiz   der  Gallenbildung  von   der 


24  Heinrich  Rössig, 

lebenden  Larve  ausgeht,  und  zwar  nicht  nur  durch  eine  einmalige 
Einwirkung-,  sondern  durch  eine  länger  andauernde  hervorgerufen 
wird,  spricht  die  von  B.  und  allen  Forschern  und  Sammlern  fest- 
gestellte Wahrnehmung,  dass  die  Galle  nur  dann  normal  sich  ent- 
wickelt, wenn  die  Gallenlarve  am  Leben  bleibt.  Stirbt  sie  frühzeitig, 
wie  es  geschehen  kann,  wenn  Parasiten  ihre  Eier  in  die  Galle  legen, 
oder  wird  bei  Aphiden-  und  Cecidomyiden-Gallen,  welche  Anfangs 
offen  sind,  das  Gallenthier  künstlich  entfernt,  so  hört  das  Wachsthum 
auf,  die  Galle  bleibt  klein.    Beyerinck,  p.  179,  Eiedel,  p.  6. 

Die  Galle  von  Apliüotrix  siehokU  wird  durch  Schmarotzer  so  in 
ihrem  Wachsthum  zurückgehalten  und  in  ihrer  Structur  und  Gestalt 
verändert,  dass  man  sie  sogar  für  eine  besondere  Art  gehalten  hat, 
Adlee,  p,  212. 

Umgekehrt  kann  man  die  entgegengesetzte  Wahriiehmung  machen, 
dass,  wenn  eine  Cynipiden-Galle  von  andern,  schmarotzenden  Cj-ni- 
piden  zur  Eiablage  benutzt  wurde,  die  Galle  über  die  normale  Grösse 
hinauswächst,  z.  B.  glandulae,  oder  abnorm  und  unregelmässig,  höckerig, 
aber  grösser  wird,  eine  bei  Rhodites  cgkinteriae  bekannte  Erscheinung, 
Hier  giebt  sich  offenbar  die  Summe  der  von  mehreren  ähnlich  ge- 
bauten Larven  hervorgebrachten  Eeize  in  einer  vermehrten  Zell- 
wucherung zu  erkennen  (vgl.  Eiedel,  p.  62), 

Von  Interesse  ist  das  ungleichmässige  Wachsthum  von  Galle  und 
Larve.  Manche  Arten  der  Herbstgeneration  entwickeln  sich  ei'st 
ziemlich  spät  im  Herbst ;  von  Knospengallen  z.  B. :  autumnalis,  globuli, 
von  Blattgallen:  ostrens,  rennm,  nuniisntafis,  laevinsculiis,  lenticnlaris ; 
ihre  Gallen  leben  noch  weiter  und  entwickeln  sich  fort,  während  sie 
am  Boden  liegen.  Bei  den  3  zuletzt  genannten  wird  hierbei  die 
Stärke,  welche  reichlich  zur  Zeit  des  Abfallens  in  der  Gallenrinde 
abgesetzt  ist,  aufgebraucht,  und  die  Gallen  wachsen  dabei  bedeutend.^) 
„Die  zur  Erde  gefallene  leuticularis-GidllQ  vergrössert  sich  hauptsäch- 
lich in  Folge  Dehnung  der  sclerotischen  Zellen."  -)  „Zur  Zeit,  wenn 
diese  Gallen  im  Herbst  von  den  Blättern  abgeworfen  werden,  sind 
die  darin  eingeschlossenen  Larven  noch  mikroskopisch  klein,  genau 
kugelförmig  und  allseitig  mit  dem  Nahrungsgewebe  der  Larven- 
kammer in  Berührung;  erst  nachdem  die  Gallen  zur  Erde  gefallen 
sind,  wachsen  die  Thiere  schnell  weiter,"  ^) 

Dieses  ungleichmässige  Wachsthum  zwischen  Larve   und  Galle 


1)  Beyerinck,  1.  c,  p,  43. 

2)  Derselbe,  p.  84. 


Vou  welchen  Orgauen  geht  der  Reiz  znr  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     25 

kommt  nicht  nur  bei  der  Herbstgeneration  vor,  sondern  mehr  oder 
wenig-er  auch  bei  den  Frühlings-  resp.  Sommergallen.  Von  der  grossen 
Cijnips  koIlani-GaWe  sagt  B. :  „So  lange  die  Dicke  der  Galle  noch 
nicht  grösser  ist  als  9  mm,  d.  h.  bis  ungefähr  Ende  Juli,  bleibt  die 
Grösse  der  J:ollarii-LavYe  nahezu  stationär  ...  Zu  Ende  des  Monats 
Juli  wird  das  bis  dahin  so  langsame  ^^'achstllum  der  Larve  ausser- 
ordentlich intensiv  und  das  gefrässige  Thier  verspeist  dann  in  kurzer 
Zeit  das  primäre  Xahrungsgewebe  und  die  Krystall schiebt  voll- 
ständig ...■'') 

Im  Laufe  der  vorliegenden  Untersuchung  ergab  sich  Gelegenheit, 
dasselbe  Verhalten  an  der  Art  Dryophania  divisa  Hto.  sicher  nach- 
zuweisen. Die  Galle  erscheint  Mitte  Juni  auf  den  Rippen  der  Blatt- 
unterseite und  erreicht  einen  Durchmesser  von  5 — 7  mm.  Gegen 
Ende  Juli  ist  sie  ausgewachsen.  Die  junge  Larve  misst  ca.  500  /<, 
bald  etwas  mehr,  bald  weniger.  Ende  Juli  hat  sie  erst  785—800  /< 
erreicht,  Mitte  August  schon  3—4  mm,  Ende  August  ist  die  Wespe 
bereits  ausgebildet.  Während  also  in  den  ersten  6  Wochen  die  Larve 
nur  um  300  //  wächst,  nimmt  ihre  Länge  innerhalb  der  folgenden 
14  Tage  um  mindestens  2  mm  zu. 

Dasselbe  anfänglich  verzögerte,  später  rapide  fortschreitende 
Wachsthum  scheint  bei  Anärkus  curvafor  Htg.,  Neuroterus  haccanim 
L.  und  Dnjophanta  folii  L.  vorzukommen  und  darf  vielleicht  bei 
allen  Cynipiden  als  vorhanden  angesehen  werden. 

Eine  Erklärung  dieser  Erscheinung  bei  Drijophanta  divisa  Htg., 
Cynips  lioUarii  Htg.  etc.  scheint  mir  nahe  liegend.  So  lange  die 
Galle  wächst,  nimmt  die  Larve  nur  wenig  an  Grösse  zu,  erst  wenn 
die  Galle  ihre  normale  Grösse  ganz  oder  zum  grössern  Theil  erreicht 
hat,  nimmt  die  Larve  die  jetzt  reichlich  vorhandene  Nahrungsmenge 
gierig  auf.  assimilirt  sie  schnell  und  wächst  dabei  ebenso  schnell 
unter  reichlicher  Bildung  von  Fettgewebe. 

Das  Alles  erklärt  sich  einfach  unter  der  Annahme,  dass  während 
der  ersten  Entwickluugsperiode  der  grösste  Theil  der  aufgenommenen 
Nahrung  nicht  dem  Aufbau  des  Larvenkörpers  zu  Statten  kommt, 
sondern  durch  die  Körperorgane  in  flüssige  Stoife  umgesetzt  eben 
jenes  Secret  bildet,  das  den  Reiz  zur  Gallenbildung  liefert.  Die 
Richtigkeit  dieser  Annahme  vorausgesetzt,  dürfte  man  weiter  folgern, 
dass  entwedei-  besondere,  bei  andern  Lisecten-,  spec.  Hvmenopteren- 
larven  sich  nicht  tliidende  Organe   bis  zu  diesem  Zeitpunkt  bei  den 


1)  Beyeiunck,  1.  c,  p.  148. 


2(5  Heiniuch  Rössig, 

Cynipidenlarven  vorhanden  sind,  oder  falls  der  Reiz  von  Organen 
ausgellt,  die  auch  sonst  vorhanden  sind,  diese  irgend  welche  Be- 
sonderheiten zeigen  dürften,  sowohl  nach  ihrem  Bau  und  Aussehen 
und  ihrem  sonstigen  ^'erhalten  in  verschiedenen  Perioden  derselben 
Larve  als  auch  im  A'ergleich  mit  den  Larven  von  andern  Hymen- 
opteren.  Derartige  Erwägungen  gaben  den  Anlass  zu  der  vorliegen- 
den Untersuchung.  Dieselbe  befasst  sich  daher  naturgemäss  zu- 
nächst mit  den  Drüsenorganen  der  jungen  Larve,  verfolgt  aber  auch 
deren  Entwicklung  bis  zur  Puppe  und  zieht  andere  Insecten-,  be- 
sonders Hymenopterenlarven  zum  Vergleich  heran. 

Meinem  verehrten  Lehrer  Herrn  Geheimrath  Prof  Dr.  Weismann, 
der  mich  zu  diesen  Untersuchungen  angeregt  und  sie  während 
ihrer  Ausführung  im  Zoologischen  Institute  zu  Freiburg  i.  B.  mit 
lebhaftem  Interesse  verfolgt  und  durch  manchen  scliätzenswerthen 
Eath  gefördert  hat,  verfehle  ich  nicht  an  dieser  Stelle  auch  öffentlich 
meinen  Dank  auszusprechen. 

Desgleichen  gebe  ich  meiner  Erkenntlichkeit  Ausdruck  gegen 
den  Privatdocenten  Herrn  Dr.  K.  Guenther,  der  als  früherer  Assi- 
stent des  Zoologischen  Institutes  meine  ersten  Arbeiten  daselbst 
leitete,  sowie  gegen  den  Herrn  Privatdocenten  Dr.  A.  Petrunkewitsch, 
der  durch  freundliches  Entgegenkommen  sein  Wohlwollen  bei  den 
verschiedensten  Anlässen  mir  erwiesen  hat. 

II.  Beobachtete  Cynipideu-Arten. 

Seit  Juni  1902  wurden  von  mir  bei  Freiburg  i.  B.  (F.)  folgende 
Arten  von  Cynipiden  gefunden,  deren  verschiedene  ich  auch  bei 
Bregenz  am  Bodensee  (B.)  während  der  Monate  August  und  September 
feststellen  konnte.  Das  Datum  bezeichnet  den  Tag,  an  welchem  die 
betr.  Galle  zuerst  aufgenommen  wurde. 

1.  Aiidricus    autioinialis    Htg.  ^)       Sternwald,    Hirzbg. ,    Schlossbg.    F. 

Oct.     Häufig. 

2.  Awlricus    albopiDidatus    Schlechtd.     F.    Scblossb.      April.      Einige 

Exemplare. 

3.  Ändricus    ccdlidoma    Htg.       Sternwald ,     Louisenböbe ,    F.       Wenige 

Exemplare.     Juli,  Aug. 

4.  Ändricus  rurvator  Htg.     Um  F.  nicht  selten.     April. 


1)  Die  Arten  wurden  bestimmt  nach  EiEDEL,  Galleu  und  Gallwespen 
(cf.  Literaturverzeicbniss). 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     27 

5.  Amlriciis  frrnndatrix  Htg.     Schönb.,   F.    Juli.    Hecken  bei  B.    Aug. 

Vereinzelt. 

6.  Atidriciis  glandulär  Htg.    Hirzbg.,  F.    Nicht   selten.    Oct.    Schönbg. 

7.  Aiidricus  (jhthuU  Htg.    Hirzbg.,    F.     Nicht    selten.    Oct.,   Novbr.    B. 

einzeln.      Sept. 

8.  Andricits    ittflcdor    Htg.      Schlossbg.,    F.      Mai.      Einige.     Sternwald. 

9.  AiidricKs  ))irdj)ig}u'/  Adl.     Littenweiler,   F.     Oct.     Einzeln. 

10.  Andricus  oslrrus  Gm.     Achufer,    Rieden,    B.     Aug.     Gartengebüsch 

in  F.,  Schlossbg.     Oct.     Zerstreut. 

11.  AiidricKs     radicis     Fabricius.        Leere     Gallen      am     Weggehänge: 

St.  Ottilien,  Au,  F. 

12.  Andricu!<  solitarius  FoüSCOLOMBE.    Louisenhöhe,  F.    Aug.    (Puppen). 

13.  Andricus  testarcipcs  Htg.     Schönbg.  Gärten,  F.     Juli.     (Puppen). 

14.  Andricus  trilineatus  Htg.     Innengalle  der  voraufgehenden  Art. 

15.  Aidax  hieracii  Htg.     Leere  Gallen  bei  Ebnet  und  Sassbach,  F. 

16.  Biorhiza  lermiiinlis  Fbr.     Bei  F.  überall,  häufig  auf  einer  Eiche  am 

Hirzberg.     April. 

17.  C/juij).'^  koUarii  Htg.      Lorettobg.,  F.      1   Expl.     Oct.      Mooswald  bei 

Lehen  mehrere  Exemplare. 

18.  DiaMrophus  rnbi  Htg.    Herdern,   Sternwald,  F.  Nicht  selten.    Novbr. 

19.  Dryoplianta  disticha  Htg.    F.    Vereinzelt  zwischen  der  folgenden  Art. 

20.  Drijophnnia  divisa  Htg.     F.     Ueberall  im  schattigen  Eichengebüsch. 

Häufigste  Art.      B.   weniger  häufig.     Juni  —  Sept. 

21.  Dnjophaida  folii  L.     F.  und  B.     Juli — Oct,     Nicht  selten. 

22.  Drijopltauta    longiventris    Htg.     Ebnet,    F.      Juli.      Sternwald.     Nur 

wenige  Exemplare. 

23.  Dri/opJicmla  verrucosa  ScHL.     Schlossbg.,  F.     Mai. 

24.  Kenrotcrus  aprilinns  GiR,     Schlossbg.,  F.     April.     Häufig, 

25.  Xcirroicnis  haccarum  L.     Schlossbg.,  F.     Mai. 

26.  Xenroferns  lenticularis  Olivier.     F.  und  B.     Nicht  selten.     Sept. 

27.  Xeiiroicrus  funiipennis  Htg.    Lorettobg.,  Hirzbg.  etc.  F.    Häufig.  Oct. 

28.  Neuroterns   nnmisnialis   Olivier.      B.      Einmal.      Sept.      Viele    auf 

einem  Blatt. 

29.  Pcdiaspia  pseudophdani  Mayr.     Kybfelsen,  F.     Juli. 

30.  lUiodites    eglanteriae    Htg.     Merzenhausen,    Hirzbg.,    F.,    B.     In  den 

Hecken  von  Rieden  nicht  selten.     Aug. 

3 1 .  liliodiles  spinusissiitvic  Gir.     Au  bei  F.     Oct.     Einige  Stücke. 

32.  Rliodites  rosae  L.    F.   nicht  selten;   Eisenbahndamm  gegen  Uffhausen, 

Fuchsköpfle,  Tunibcrg.      B.  am  Pfänder. 

33.  Tri(jo>ias])is  rcninti   Gm.   Schönbg.,  Schloasbg.   F.      Oct. 


28  Heinrich  Rössig, 

Parasitäre  Cynipiden  wurden  gefunden  in  den  Galleu  von 
Drijophanta  divisa  und  folii;  Andricus  cKihminaJis,  gjandulae,  glohuli, 
malpigliii ;  Blioditcs  cgJanicriae  und  rosae. 

Von  Gallfliegen  habe  ich  Hormomyia  fagi  Htg.  zum  Vergleich 
herangezogen,  von  Aphiden  Aphis  mali  Fabr.  und  zwar  die  Stamm- 
mutter und  Weibchen. 


III.  Fixiriiiigs-  und  Untersiichuiigsmethoden. 

Als  Fixirungsfltissigkeit  habe  ich  zumeist  Sublimat  verwendet 
und  zwar  nach  Gilson  mit  der  von  Petkunkewitsch  ')  vorgeschlagenen 
Modification.  Bei  jungen  Larven  wurde  dasselbe  Anfangs  kalt  in 
Anwendung  gebracht.  Es  lieferte  gute  Bilder,  nur  sind  die  Thiere 
geschrumpft.  Bei  erwachsenen  Larven  und  später  auch  bei  jungen 
verwendete  ich  es  nur  heiss,  liess  es  einige  Secunden  einwirken  und 
setzte  dann  kaltes  zu.  Da  bei  grössern  Larven  die  derbe  Cuticula 
das  Fixirmittel  auch  so  nicht  gut  durchliess,  wurden  sie  noch  mit 
einer  feinen  Nadel  angestochen.  Die  so  behandelten  Larven  erwiesen 
sich  als  gut  fixirt  und  für  die  weitere  Behandlung  durchaus  brauchbar. 

Mit  Osmiumgemischen  nach  Flemminq  und  Vom  Rath  habe  ich 
gelegentlich,  vornehmlich  junge  Larven,  fixirt.  Die  erhaltenen  Bilder 
waren  aber  wenig  nach  Wunsch,  die  Innenorgane  sehen  aus  wie 
verwelkt. 

Je  nach  der  Grösse  verblieben  die  Larven  2—12  Stunden  im 
Sublimat,  das  dann  mit  70  %  Alkohol  ausgewaschen  wurde,  dem 
etwas  lod  zugesetzt  war.  Gehärtet  wurden  dann  die  Objecte  mit 
Alkohol  von  96  '7o  i^i^id  100  %,  darauf  durch  Xylol  in  Paraffin  über- 
tragen. Für  junge  Larven  genügte  ein  Belassen  von  V2 — ^  Stunde 
im  flüssigen  Paraffin,  für  grössere  waren  wegen  des  reichlich  vor- 
handenen Fettkörpers  mehrere  Stunden  erforderlich. 

Zur  Untersuchung  wurden  Längs-  und  Querschnitte  angefertigt, 
erstere  sowohl  sagittal  als  frontal.  Die  Dicke  der  Schnitte  wurde 
nach  Bedarf  hergestellt,  bei  kleinern  Objecten  von  2V2— 5  /.i,  bei 
grössern  von  5—10  /<.  Schnitte  von  7  /<  Hessen  sich  auch  bei 
grössern  Larven  gut  anfertigen  und  bei  stärkerer  Vergrösserung 
untersuchen.  Eine  Schnittdicke  von  15  fi  wurde  angewendet  bei 
erwachsenen  Wespen,  deren  hartes  Chitin  feinere  Schnitte  nicht  ge- 


1)  PetrunkewitscH,   Dr.     Das  Schicksal    der  Richtungskörper  etc., 
in:  Zool.  Jahrb.,  V.   14,  Anat.,   1901,  p.  575. 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?      29 

stattete,  sowie  iu   solchen  Fällen,   wo   es  nur   auf  Uebersichtsbilder 
ankam. 

Aufgeklebt  wurden  die  erhaltenen  Schnittserien  mit  Gljcerin- 
Eiweiss,  zuweist  aber  mit  Wasser,  dann  gefärbt  und  in  Canada- 
balsam  eingebettet.  Färbemittel  waren  in  den  meisten  Fällen 
Böhmer's  Hämatoxylin  mit  nachfolgender  Pikrokarmin-Behandlung. 
Diese  Doppelfärbung  Hess  die  einzelnen  Elemente  genügend  scharf 
hervortreten.  In  besondei'n  Fällen  wurden  auch  andere  Farbstoffe 
in  Anwendung  gebracht :  Hämalaun,  Muchhämatein  und  ]\Iucikarmin, 
Fuchsin,  Bismarkbraun,  Eosin,  Saffranin,  Pikro-Nigrosin,  Berlinerblau 

IV.  Aeussere  Gestalt  der  Larven. 

A.  Berlese  1902  hat  dieselbe  beschrieben  und  abgebildet  für 
Cynips  tozae,  aber  die  jüngste  Larve,  welche  er  untersuchte,  war 
3  mm  lang.  Schon  diese  Angabe  (ganz  junge  Larven  sind  nur  400 
bis  500  u  lang),  sowie  die  beigegebene  flg.  65,  auf  welcher  der  mit 
Nahrung  vollgestopfte  Magen  fast  das  ganze  Thier  einnimmt,  zeigen, 
dass  die  ..junge"  Larve,  wie  er  die  abgebildete  nennt,  ilim  nicht 
zu  Gesicht  gekommen  ist.  Für  die  während  der  Puppenreife  bis 
zum  ausgewachsenen  Thier  vorkommenden  Veränderungen  der  Ge- 
stalt verweise  ich  aber  auf  die  Ausführungen  und  Zeichnungen  von 
Beelese,  da  die  von  mir  gemachten  Beobachtungen  sich  im  Wesent- 
lichen damit  decken. 

Die  jungen  Larven  sind  an  der  Bauchseite  sehr  stark  einge- 
krümmt, fast  kugelförmig  (Taf.  3,  Fig.  6  a  und  7  a).  Der  Rücken  ist 
stark  gewölbt.  Kopf  und  Füsse  fehlen.  Der  Körper  besteht  aus  12 
Ringeln,  von  denen  die  2  ersten  die  grössten  sind  und  allein  etwa 
ein  Drittel  der  gesammten  Körperlänge  einnehmen.  (Bei  dieser 
Längenangabe  und  auch  bei  spätem  ist  nicht  der  Rücken-Umfang, 
sondern  die  grösste  Sehne  gemessen.) 

An  äusserlich  wahrnehmbaren  Organen  besitzt  die  kleine  Larve 
nur  die  2  spitzen  Zähnchen  aus  braungelbem  Chitin,  die  von  je  2 
kräftigen  Muskeln  beAvegt  werden. 

Beobachtet  man  die  aus  der  Galle  genommene  Larve  unter  dem 
Mikroskop,  so  sieht  man  dieselbe  zuweilen  eine  doppelte  Bewegung 
ausführen,  aber  immer  sehr  träge.  Einmal  krümmt  sie  die  Bauch- 
seite stärker  ein,  um  sich  dann  wieder  zu  strecken,  und  dann  bewegt 
sie  die  kleinen  Chitinkiefer,  die  sich  rhytlimisch  öftnen  und  schliessen. 
Wenn  die  zangenartig  über   einander  greifenden  Spitzen   sich  ge- 


30  Heinrich  Rössig, 

schlössen  haben,  werden  beide  Kiefer  nach  rückwärts  und  innen  ge- 
zogen, während  gleichzeitig  die  Unterlippe  stärker  sich  vorwölbt. 
Letztere  bildet,  wie  auch  die  Oberlippe,  einen  ovalen  Wulst.  Zwischen 
beiden  liegen  rechts  und  links  die  Chitinzähnchen,  in  der  Mitte  die 
Mundüftnung.  Die  beiden  Wülste  dienen  offenbar  als  Widerlager, 
wenn  die  Zähnchen  in  die  Pflanzenzellen  sich  eingebohrt  haben  und 
durch  die  erfolgende  Rückwärtsbewegung  die  angebohrten  Zellen  ab- 
reissen.  Beyekinck  spricht  zwar  die  Vermuthung  aus  ^},  dass  die 
junge  Larve  durch  Endosmose  sich  nähren  könnte,  weil  das  primäre 
Nahrungsgewebe  allseitig  mit  der  Oberfläche  des  kugligen  Larven- 
körpers in  Berührung  sei.  Diese  Annahme  ist  wohl  unhaltbar.  Der 
Magen  selbst  der  jüngsten  Thiere  enthält  Nahrung  mit  Spuren  fester 
Bestandtheile.  Diese  sind  zwar  bei  der  jungen  Larve,  wie  sich  er- 
warten lässt,  feiner,  unterscheiden  sich  aber  nicht  wesentlich  von 
dem  Mageninhalte  der  altern  Larve.  Wenn  man  diesen  Mageninhalt 
auch  als  breiig  bezeichnen  will,  so  kann  man  doch  jedenfalls  nicht 
mit  Kessler  (1895)  spre'chen  von  einem  „breiigen  Nahrungsstoff,  der 
das  Thier  unmittelbar  umgiebt"  -)  und  es  auch  bei  „weiter  fortge- 
schrittener Entwicklung  noch  auf  endosmotischem  Wege"  ernährt. 

Die  Muskelcontraction,  welche  das  Schliessen  der  Zähnchen  und 
das  Abreissen  der  Nahrungstheilchen  von  der  Gallenwand  bewirkt, 
dürfte  zugleich  das  Hervorpressen  des  Speicheldrüsen  -  Secrets  be- 
sorgen. Es  liegt  nämlich,  wie  auch  die  Fig.  3,  14  und  15  zeigen, 
die  Ausführöffnung  der  Speicheldrüsen  so,  dass  dieselbe  bei  geschlos- 
senen, zurückgezogenen  Zähnchen  und  vorgewölbter  Unterlippe  un- 
gefähr die  Mitte  des  entstehenden  Wulstes  bildet.  Nun  sah  ich 
mehrmals  unter  dem  Mikroskop  bei  einer  eben  aus  der  Galle  ge- 
nommenen, noch  nicht  1  mm  grossen  Larve  von  Dryophanta  divisa 
Htg.,  von  jenem  Wulste  der  Unterlippe  aus  einen  hellen  Strahl  bei 
Bewegungen  der  Larve  aufleuchten,  der  mich  sofort  an  das  Bild  er- 
innerte, das  man  erhält,  wenn  gereizte  Ameisen  im  Sonnenschein  ihre 
Ameisensäure  ausspritzen,  nur  schwächer  war  natürlich  der  Strahl. 
Als  ich  dann,  um  den  Zweifel  auszuschliessen,  ob  ich  nicht  etwa 
durch  einen  blossen  Lichtreflex  auf  der  glatten  Epidermis  irre  ge- 
führt sei,  durch  Heben  und  Senken  des  Tubus  die  Larve,  welche 
noch  dieselbe  Lage  einnahm  und  die  gleichen  Bewegungen  ausführte, 
weiter  beobachtete,  konnte  ich  nichts  Aehnliches  mehr  feststellen. 


1)  Beyeeinck,  p.  147. 

2)  Kessler,  p.  18. 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     31 

Y.  Iimen-Orü^aiie  im  Allgemeinen. 

Die  Untersucluiiig-  der  iimern  Larvenorgane  durch  Präparation 
in  toto  war  wegen  der  geringen  Grösse  der  jungen  Larven,  die  nur 
etwa  V2  ^"^  beträgt,  ausgeschlossen.  Sie  wurden  daher  in  Schnitten 
von  2^2 — 5  fi  untersucht. 

Im  Allgemeinen  darf  gesagt  werden,  dass  alle  Organe  sehr  weich 
und  nachgiebig  sind.  Das  zeigen  Schnitte  durch  junge  Larven,  die 
mit  kaltem  Sublimat  fixirt  wurden,  bei  denen  die  Organe  Gelegen- 
heit hatten  zum  Schrumpfen.  Dort  erscheinen  die  Innenorgane: 
Speicheldrüsen,  Magenwand,  Oenocyten,  MALPiGHi'sche  Gefässe  ge- 
legentlich stark  in  einander  gepresst  und  in  der  verschiedensten 
Weise  eingeschnürt  und  verbogen  (vgl.  Fig.  4,  5,  29).  Auch  sind 
Zellgrenzen  nicht  immer  deutlich  festzustellen,  wohl  aber  der  Um- 
riss  der  Zellkerne.  Die  Zellkerne  sind  in  allen  larvalen  Organen 
verhältnissmässig  gross,  enthalten  in  einer  wenig  gefärbten,  fast 
hj'alinen  Grundmasse  meist  zahlreiche  deutlich  getrennte,  wie  es 
scheint,  durch  feinstes  Netzwerk  hier  und  da  verbundene,  zuweilen 
(ob  in  Folge  mangelhafter  Fixirung?)  zu  kleinern  Klümpchen  ver- 
schmolzene Chromatinkörnchen. 

Da  bei  zahlreichen  Larven  der  Insecten  Hautdrüsen  vorkommen 
(vgl.  BoiuiEiiT  1891),  welche  die  verschiedenartigsten  Functionen 
übernehmen,  lag  die  Vermuthung  nahe,  dass  vielleicht  auch  bei  den 
Cynipidenlarven  solche  zu  finden  sein  möchten  und,  da  sie  dem 
Pflanzengewebe  direct  gegenüber  liegen  würden,  den  Reiz  zur  Gallen- 
bildung ausüben  könnten.  So  wenigstens  könnte  es  sein  bei  den 
Gallen  mit  engem  Wohnraum  der  Larven.  Es  scheint  die  Mehrzahl 
zu  sein.  Anfangs  liegen  ja  alle  direct  zwischen  und  an  den  Zellen 
der  Pflanze.  Bei  Drijophania  divisa  Htg.  aber  erweitert  sich  der 
Innenraum  der  Galle  bald  bedeutend.  Wenn  der  Querdurchmesser 
der  Galle  3^/.,  mm  erreicht  hat,  beträgt  der  Querdurchnitt  des  Innern 
Hohlraumes  2Vo  mm.  Die  darin  liegende  kleine  Larve  ist  aber  nur 
^2  nini  lang. 

Die  Untersuchung  ergab  aber,  dass  Hautdrüsen  nicht  vorhanden 
sind.  Weder  sind  die  Hypodermiszellen  im  allgemeinen  irgend  wie 
auffallig  modificirt,  noch  finden  sich  unter  ihnen  einzelne,  die  durch 
ihre  Grösse  ausgezeichnet  w^ären.  Riesenzellen,  die  der  Körperwand 
nahe  lagen,  vgl.  Fig.  2,  4,  zeigten  keinen  Ausführgang  und  stellten 
sich  später  als  Oenocyten  heraus.  Es  blieb  daher  zunächst  Nichts 
übrig,  als  an  jene  Drüsenorgane  zu  denken,  die  durch  einen  Ausführ- 


32  HElNRtCH    ßÖSSIG, 

gang'  mit  der  Aussenseite  des  Körpers  in  Verbindung-  stehen.  Als 
solche  aber  kommen  in  Betracht :  am  vordem  Körperende  die  Speichel- 
drüsen, am  hintern  das  Epithel  des  Enddarms  und  die  Malpighi- 
schen  Gefässe.  Der  Mitteldarm  mit  seinem  grosszelligen  Epithel 
kommt  nicht  in  Frage,  weil  derselbe  hinten  blind  geschlossen  ist 
und  bis  zum  Ende  der  Larvenzeit  geschlossen  bleibt.  Dagegen 
mussten  jedenfalls  die  in  der  Leibeshöhle  liegenden  Oenocyten  wegen 
ihrer  auffälligen  Grösse  noch  mit  berücksichtigt  werden. 

1.  Speicheldrüsen. 

Sie  sind  paarweise  vorhanden,  haben  je  einen  besondern  Aus- 
führungsgang, münden  aber  durch  ein  uupaares,  gemeinsames,  kurzes 
Endstück  der  letztern  nach  aussen  auf  der  Unterlippe  (Fig.  13).  Sie 
liegen  im  vordem  Drittel  des  Larvenkörpers,  rechts  und  links  neben 
und  etwas  unter  dem  Mitteldarm,  umgeben  vom  Fettkörper.  Li  der 
jungen  Larve  stösst  ihr  distales  Ende  bald  direct  an  die  Oenocyten, 
bald  an  die  MALPiGHi'schen  Gefässe.  Die  Seitenwand  berührt  sich 
öfter  mit  der  Wand  des  Mitteldarmes.  Von  der  Hypodermis  scheinen 
sie  regelmässig  durch  einiges  Fettgewebe  getrennt  zu  sein. 

Ihre  Gestalt  ist  die  eines  ovalen  bis  rundlichen  Säckchens, 
doch  weicht  sie  in  einzelnen  Arten  etwas  ab.  Sie  wird  länger  bei 
Rhodites  rosae  L.,  noch  mehr  bei  Diastroplms  rtibi  Htg.  und  schliess- 
lich schlauchförmig  bei  inquilinen  Cynipiden  [Synergus?]. 

Bei  jungen  Brijoplumia  divisa-\j2ivyt\\  von  460  i-i  Länge  erreicht 
die  Speicheldrüse  einen  Längsdurchmesser  von  73  /<.  Die  Breite  ist 
38  /<.  Tunica  propria  und  Litima  sind  sehr  fein.  Die  oft  von  Secret 
bedeckte  Intima  ist  nur  wo  dieses  fehlt  mit  Sicherheit  nachzuweisen. 
Die  Epithelschicht  besteht  aus  nicht  zahlreichen,  meist  ziemlich 
grossen  Drüsenzellen,  die  mehr  breit  als  hoch  (vom  Lumen  der  Drüse 
aus  gerechnet),  mit  ihrer  oft  etwas  vorgewölbten  Breitseite  dem 
Lumen  zugekehrt  sind.  Hier  und  da  erscheinen  dazwischen  auch 
noch  etwas  kleinere  Zellen.  Km  medianer  Längsschnitt  trifft  ihrer 
insgesammt  etwa  10,  meist  aber  weniger,  ein  Querschnitt  nur  3 — 5 
(Fig.  10,  13,  11,  12).  Die  Grösse  der  Zellen  beträgt  in  der  Längs- 
axe  der  Drüse  etwa  25  ,«,  senkrecht  dazu  14  //.  Die  entsprechenden 
Maasse  des  Zellkernes  sind  im  Durchschnitt  14  /f  und  11  //.  Wird 
die  Länge,  wie  es  bei  seitlicher  Pressung  vorkommt,  beträchtlicher, 
so  wird  die  Breite  entsprechend  geringer.  Das  Zellplasma  erscheint 
homogen.  Es  nimmt  Farbstoffe  gut  an,  färbt  sich  aber  nicht  ganz 
so  tief  wie  die  MALPiGHi'schen  Gefässe,   mit  denen  es  sonst  viel 


Vou  welchen  Orgaueu  geht  der  Reiz  zur  Bilduug  der  Pflauzengalle  ans?      33 

Aehnliclikeit  hat  bei  Färbung-  mit  Hämatoxylin.  Bei  einigen  Zellen 
erscheint  es  in  der  Nähe  der  Kerne  etwas  tiefer  violett  gefärbt  als 
in  seinen  Randpartien.  Der  ziemlich  giosse  Zellkern  liegt  ungefähr 
in  der  Mitte  des  Plasmas.  Er  ist  rund  bis  oval,  sogar  länglich  und 
erreicht  etwa  den  halben  Durchmesser  der  Zelle.  Seine  Grundsubstanz, 
das  Paranuclein,  ist  hell  und  fast  durchsichtig,  so  dass  die  lebhaft 
gefärbten  Chromatinkörnchen  deutlich  zu  unterscheiden  sind  und  in 
ihm  zu  schwimmen  scheinen. 

Das  Lumen  der  Drüse  ist  deutlich.  Es  enthält  immer  Spuren 
gefärbten  Secrets,  bald  mehr,  bald  weniger.  Hämatoxylin  färbt  dieses 
nicht,  wohl  aber  Eosin  und  Pikrokarmin.  Zuweilen  liegt  es  nur  als 
ein  dünner  Ueberziig  in  der  Nähe  der  Zellen  (Fig.  11),  ein  andermal 
füllt  es  das  Säckchen  vollständig  aus.  Letzteres  ist  z.  B.  der  Fall 
bei  der  Fig.  12,  die  einer  c^msa-Larve  vom  27.  Juli  angehört.  Die 
Gallen  waren  am  24.  gesammelt,  blieben  aber  bis  zum  27.  liegen  und 
waren  schon  stark  gew^elkt.  Die  Larven  wurden  dann  nach  Vom 
Eath  iixirt.  Das  Secret  ist  mit  Karmin  lebhaft  roth  gefärbt  und 
zeigt  bei  diesem  Präparate  netzförmig-schaumige  Structur.  Zumeist 
erscheint  es  (nach  Sublimatüxii-ungj  fädig  bis  deutlich  netzförmig  mit 
Körnchen  an  den  Kreuzungspunkten  der  Fädchen.  So  ist  es  beson- 
ders bei  den  jüngsten  Larven  (Fig.  10,  11).  An  der  rotlien  Färbung 
leicht  kenntlich,  lässt  es  sich  auf  manchen  Schnitten  noch  ziemlich 
weit  in  den  Ausführungsgang  verfolgen,  fast  bis  zur  Stelle,  wo  die 
beiderseitigen  Ausführgänge  zusanimentretfen.  In  dem  vordem  ge- 
meinsamen Abschnitte  habe  ich  niemals  Secret  wahrgenommen. 

Der  Ausführgang  der  Speicheldrüsen  (Fig.  10)  erreicht  etwa  die 
Ijänge  dieser  selbst.  Er  ist  schwach  aufwärts  und  zur  Mittellinie 
des  Thieres  hin  gebogen  und  vereinigt  sich  vor  dem  Unterschlund- 
ganglion  mit  dem  anderseitigen  Gange  zu  einem  kurzen,  gemeinschaft- 
lichen P^ndstück.  Die  3  Lagen  sind  deutlicher  als  in  der  Drüse  zu 
eikennen,  die  Epithellage  ist  aber  bedeutend  geringer  entwickelt. 
Die  Zellen  und  ihre  Kerne  sind  nicht  viel  grösser  als  z.  B.  bei  der 
Hypodermis,  rundlich  oder  oval,  2^1-^ — 7  /<  lang.  Da  Zellplasnia  wenig 
vorhanden  ist,  beziehen  sich  diese  Angaben  fast  ausschliesslich  auf 
die  Zellkerne,  deren  Nucleinkörnclien  deutlich  isolirt  und  scharf  ge- 
färbt sind.  Das  Lumen  des  Ganges  schwankt  zwischen  3  und  5  f.i 
und  wird  auf  dt^ni  (Querschnitt  von  zumeist  4  Zellen  umgeben.  Eine 
secernirende  Tliätiiikcit  dai-f  man  diesem  Abscimitte  füglich  ab- 
sprechen. 

Von  diesem  der  Üi'üse  anliegenden  paarigen  Abschnitte  des  Aus- 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abtli.  f.  Syst.  3 


34  Heinrich  Eössig, 

fiihrgano-es  uiitersclieidet  sich  dentlicli  das  nach  Vereinigung*  der  2 
Ausführgäiige  entstehende  kurze  unpaare  Endstück.  Anfangs  liegen 
die  Zellkerne  hier  nur  stark  angehäuft,  erscheinen  aber  sonst  nicht 
abweichend  von  denen  des  voraufgehenden  Abschnittes.  Aber  schon 
bald  wird  Gestalt  und  Structur  der  Zellen  dieses  Abschnittes  eine 
andere.  Zelle  und  Kerne  werden  spindelförmig  und  stellen  sich  mit 
ihrer  Längsaxe  fast  senkrecht  zum  Lumen  des  Ausführungsganges. 
Auch  stehen  sie  dicht  gedrängt.  So  erscheint  dieser  Abschnitt  dicker 
und,  wie  Längsschnitte  zeigen,  spindelföi-mig.  Auch  zeigt  er  wohl 
(Fig.  15)  ein  vergrössertes,  säckchenförmig  erweitertes  Lumen.  Bei 
der  Frage  nach  der  Bedeutung  dieser  Verdickung  Hess  die  Lage 
derselben  trotz  der  structurellen  Verschiedenheit  an  einen  discreten 
Vergleich  mit  der  „Fadenpresse"  der  Spinnerraupen  denken.  Aber 
es  ist  mir  nicht  gelungen,  eine  Eingmusculatur  aufzufinden.  Da  dieser 
Abschnitt  aber  offenbar  dazu  bestimmt  ist,  der  Entleerung  des 
Secrets  zu  dienen,  so  müssen  wir  annehmen,  dass  bei  den  Contrac- 
tionen  der  Zahn-  und  Lippenmuskeln  dieses  verdickte  Stück  einem 
lebhaftem  Drucke  seitens  der  Gewebe  ausgesetzt  ist,  so  dass  recht 
wohl  das  in  ihm  angesammelte  Secret  in  einem  kleinen  Strahl  aus- 
gepresst  werden  kann. 

Mit  dem  Wachsthum  der  Larve  nimmt  auch  die  Grösse  der 
Speicheldrüsen  zu,  behält  aber  dieselben  Maasse  relativ  zur  Körper- 
grösse  bei.  Das  Wachsthum  ist  daher  in  den  ersten  AVochen  kaum 
zu  bemerken.  Erst  nach  4  Wochen  etwa  hat  die  Drüse  die  doppelte 
Länge  erreicht,  aber  nicht  durch  Vermehrung,  sondern  durch  Ver- 
grösserung  der  vorhandenen  Zellen,  die  ihren  runden  bis  ovalen 
Kern  und  ihr  sonstiges  Aussehen  behalten,  wie  zuvor.  Nur  der 
Kerninhalt  wird  nach  einiger  Zeit  etwas  heller,  wohl  schon  in  Vor- 
bereitung der  folgenden  auffallenden  Aenderung  der  Gestalt,  die 
sich  vollzieht  zur  Zeit,  wo  die  Larve  aufhört  Nahrung  zu  sich  zu 
nehmen.  Es  sind  die  ersten  Anzeichen  der  beginnenden  Degeneration, 
die  in  erster  Linie  die  Gestalt  und  das  Aussehen  des  Zellkerns 
treffen.  Derselbe  verliert  mehr  und  mehr  seine  ovale  Form  und 
wird  stark  verästelt.  Es  löst  sich,  scheint  es,  die  Kernmembran  an 
der  dem  Drüsenlumen  zugekehrten  Seite,  die  Kernmasse  treibt  viele 
spitze  Fortsätze  hervor  in  der  Richtung  zur  Drüsenmitte,  während 
die  dem  Lumen  abgekehrte  Seite  noch  ihre  Membran  und  rundliche 
Gestalt  behält.  Der  Kern  hat  jetzt  Körbchenform.  Je  nach  der 
Richtung,  in  welcher  er  vom  Schnitte  getroffen  wird,  ist  sein  Bild 
verschieden.    Mediane  Längsschnitte  geben  halbmondförmige  Figuren 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bihlung  der  Pflanzengalle  aus?      35 

mit  g-ezälmteiii  Iiineiiraiide,  FroDtalschnitte  solclie  mit  durclibroclienen 
und  mannigfach  verzweigten  Kernen  (Fig.  13).  Wieder  etwas  später 
beginnen  die  scharfen  Fortsätze  sich  zu  verlieren,  Kern  und  Plasma 
werden  sich  ähnlicher  in  der  Färbung.  Das  Plasma  ist  violett,  nur 
etwas  heller  als  die  mehr  blauschwarzen  Kernmassen,  deren  einige 
in  ihren  mittlem  Partien  nur  Pikrin  aufgenommen  haben.  Das 
Plasma  ist  homogen,  aber  von  zahllosen  grossem  und  kleinern 
Vacuolen  durchsetzt.  Diese  liegen  mehr  in  der  vom  Lumen  der 
Drüse  abgewendeten  Theile,  aber  nicht  ausschliesslich.  Zuweilen 
enthält  auch  der  Kern,  dessen  Chromatin  mehr  und  mehr  verklumpt, 
solche  Vacuolen,  besonders  in  seinen  Randpartien.  Färbbares  Secret 
habe  ich  in  diesen  Stadien  und  später  im  Lumen  des  Drüsen- 
säckchens  nicht  mehr  gefunden. 

^\'ährend  dann  die  Vacuolen  mehr  und  mehr  sich  verlieren, 
schrumpfen  auch  die  Zellen  nach  und  nach  zusammen.  Fig.  14. 
Jetzt  verschwindet  auch  das  Lumen,  das  Säckchen  fällt  zusammen, 
Fig.  16,  nur  unbestimmte  Ueberreste  des  frühern  Epithels  liegen 
noch  darin. 

In  dieser  Zeit  beginnen  aber  die  Imaginalscheiben  des  künftigen 
Kopfes  lebhaft  zu  wachsen.  Die  Mundanlagen  schieben  sich  vor. 
Da  nun  das  vordere  Ende  der  Speicheldrüsen,  das  Endstück  des 
Ausführganges,  an  diesen  fest  geheftet  bleibt,  und  andrerseits  die 
Propria  der  Speicheldrüsen  und  ihre  Verbindung  mit  dem  Kücken 
der  Larve  sich  erhält,  so  werden  die  Speicheldrüsen  jetzt  zu  einem 
dünnen,  engen  Rohr  ausgezogen,  das  nur  da,  wo  noch  Kernreste  in 
ihm  liegen,  etwas  erweitert  ist.     cf.  Fig.  19  d. 

Die  Veränderungen  am  Ausführgange  sind  nicht  bedeutend. 
Die  Intima,  welche  zu  beträchtlicher  Dicke  herangewachsen  war 
und  sich  in  Ringfalten  gelegt  hatte,  Fig.  13,  verschwindet  zwar 
gleichzeitig.  Das  Epithel  aber  bleibt  und  vermehrt  sich,  wie  die 
Menge  der  nachher  zu  findenden  Zellkerne  beweist.  Der  von 
KowALEwsKY  (1887)  für  die  Museiden  nachgewiesene  Imaginalring, 
von  dem  die  Neubildung  des  Speicheldrüsenepithels  ausgeht,  findet 
sich  also,  wie  Fig.  19  a  zeigt,  auch  bei  den  Cynipiden. 

In  der  Pupi)e  und  der  eben  ausgeschlüpften  Wespe,  liegen  die 
Speicheldrüsen  im  vordem  Abschnitte  des  Thorax,  rechts  und  links 
oben,  vor  den  Flügeln.  Sie  bilden,  wie  Fig.  20  u.  21  zeigen,  auch 
jetzt  Säckchen.  Der  Längsdurchmesser  beträgt  etwa  225  /<.  ^lan 
findet  noch  grosse  Klumpen  einer  dunklen  I^lasse  im  Drüsenlumen. 
Nach  ihrem  Aussehen  sind  es  die  letzten  Reste  der  larvalen  Drüsen- 

3* 


36  Heinrich  Rössig, 

kerne,  die  noch  nicht  völlig-  aufgelöst  sind.  Der  Zellenbelag  der  Drüsen- 
wand ist  jetzt  nicht  verschieden  von  dem  des  Ausführganges,  beide 
sind  klein.  Die  Zellen  sind  mehr  breit  als  hoch,  sonst  nicht  typisch. 
Ein  Blick  auf  dieselben  lässt  erkennen,  dass  sie  nicht  mehr  die  Be- 
deutung haben  im  Leben  der  Wespe,  wie  die  Speicheldrüsen  mit 
ihren  grossen  Zellen  in  der  Larve.  Thatsächlich  ist  es  ja  auch 
zweifelhaft,  ob  das  ausgewachsene  Thier  Nahrung  aufnimmt,  da  viele 
Arten,  sobald  sie  die  Galle  verlassen  haben,  sich  zur  Eiablage  auf 
die  Knospen  begeben  und  schon  bei  dieser  Arbeit  absterben,  so  dass 
man  im  Herbst  die  Thiere  in  der  Stellung,  die  sie  beim  Stechen 
einzunehmen  pflegen,  todt  auf  den  Knospen  finden  kann.  Flüssig- 
keiten werden  sicher  aufgenommen.  Als  ich,  um  Eosenbedeguare 
feucht  zu  erhalten,  in  den  Gazekasten  Wasser  einspritzte,  tranken 
schon  ausgeschlüpfte  Wespen  begierig  von  den  Tröpfchen. 

Phagocytose  habe  ich,  soweit  die  Speicheldrüsen  in  Frage 
kommen,  nicht  beobachtet.  Wohl  habe  ich  bei  Larven  von  Diastro- 
phus  ruhi  und  lihodifes  rosae,  die  dicht  vor  der  Verpuppung  standen, 
reichlich  Phagocyten  in  der  Leibeshöhle  gefunden,  auch  in  der  Nähe 
der  Speicheldrüsen,  aber  ich  habe  sie  niemals  in  die  Drüse  eindringen 
sehen. 

Bei  den  am  häufigsten  untersuchten  Museiden  haben  sich  mit 
Ausnahme  von  Kowalewsky  (1887)  alle  Autoren  des  19.  Jahrh.  gegen 
eine  Phagocytose  ausgesprochen  oder  lassen  sie  doch  nur  in  be- 
schränktem Maasse  zu.  Nach  den  Arbeiten  der  letzten  Jahre  von 
Kellog  (1901)  und  Vaney  (1902)  scheint  es,  als  ob  sie  auf  bestimmte 
Arten  beschränkt  sei.  Ersterer  fand  sie  bei  Holorusia  nicht,  bei 
Bkpharocera  sehr  lebhaft.  Vakey  fand  bei  Chironomus  keine,  bei 
Simulia  fast  keine,  sehr  lebhafte  hei  Gastmphikts.  Dabei  constatiren 
beide,  dass  die  Arten,  bei  denen  sie  vorkommt,  sich  langsamer  ent- 
wickeln als  jene,  bei  denen  sie  fehlt,  dass  also  die  von  Van  Rees 
ausgesprochene  Annahme,  dass  eine  Intervention  der  Phagocyten 
durch  die  längere  oder  kürzere  Zeit  der  Puppenruhe  bedingt  sein 
möchte,  nicht  zuzutreffen  scheine.  Die  zahlreich  vorhandenen  Phago- 
cyten bei  Diastroplms  ruhi  und  jRhodites  rosae,  bei  denen  im  Laufe 
eines  Jahres  nur  eine  Generation  erwächst,  sprechen  ebenfalls  gegen 
diese  Annahme. 

Soweit  andere  Hymenopteren  in  Frage  kommen,  sagt  Kakawaiew 
(1898)  von  Lasius,  dass  keine  Phagocytose  vorhanden.  x4nglas  (1900) 
fand  Leukocyten  bei  den  von  ihm  untersuchten  Hymenopteren,  aber 
immer    nur   in    geringer   Zahl   und   sagt   von   ihnen:    „On   ne   peut 


Von  welchen  Organen  geht  der  Eeiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     37 

jamais  constater  qu'ils  agissent  comme  phagocytes."  Wo  ich  sie 
fand,  waren  sie  immer  sehr  zahlreich  vorhanden,  lagen  z.  B.  in  Haufen 
in  der  Nähe  der  Hypodermis,  der  Larvenmuskeln,  des  Mitteldarmes 
Da  an  diesen  Stellen  die  Hj^podermiszellen,  die  Muscularis  des  jMittel- 
darmes  verschwunden  waren,  die  ]\Iuskeln  der  Körperseite  gleich- 
falls, darf  man  wohl  mit  Recht  auf  eine  Betheiligung  der  Leukocyten 
schliessen. 

I  m  a  g  i  n  a  1  e  K  0  p  f  d  r  ü  s  e  n.  Es  ist  aus  den  Untersuchungen  von 
ScHiEMENz  (1883)  und  Bokdas  (1895)  bekannt,  dass  die  Imagines  der 
Hymenopteren  in  Kopf  und  Thorax  eine  grössere  Anzahl  von  Drüsen 
besitzen,  die  bei  andern  Insecten  nicht  vorkommen.  Ersterer  wies 
bei  der  Honigbiene  5  Systeme  nach,  die  er  mit  römischen  Ziffern 
bezeichnet.  Nr.  I — IV  sind  paarig  vorhanden,  V  ist  unpaar.  Bokdas 
bestätigt  diese  Angaben  und  dehnt  sie  auf  eine  grössere  Anzahl  von 
Hymenopteren  aus.  Nach  ihm  besitzen  die  Bombus-Arten  die  meisten 
Drüsensysterae,  9  an  der  Zahl,  die  der  Verfasser  mit  besondern 
Namen  belegt.  Alle  andern  untersuchten  Arten  haben  weniger,  aber 
doch  keine  weniger  als  5.  Cynipiden  sind  von  B.  nicht  untersucht. 
Die  verschiedenen  Drüsengruppen  sind  zum  Theil  als  imaginale  Ab- 
zweigungen der  larvalen  Speicheldrüsen  und  ihrer  Ausführgänge  an- 
zusehen, theils  aber  sind  es  vollständige  Neubildungen. 

Die  von  mir  untersuchten  Cynipiden  besitzen  nur  2  Paar  von 
Drüsen:  das  aus  der  larvalen  Drüse  hervorgehende  Thoraxdrüsen- 
paar und  ein  neu  entstehendes  Paar  von  Kopfdrüsen,  das  vor  dem 
Obersehlundganglion,  zwischen  Antennen  und  ^Mandibeln,  gelegen  ist. 
Jede  Drüse  hat  ihren  besondern  Ausführgang,  dessen  Oeffnung  in 
der  Falte  des  Mandibulargelenkes  liegt.  Sagittalschnitte  durch  diese 
Drüse  und  den  Ausführgang  geben  die  Figg.  22  und  23  wieder.  Sie 
sind  einer  Puppe  von  Neuroterus  trkolor  Htü.  entnommen,  die  dem 
Ausschlüpfen  nahe  ist,  w^eil  bei  den  erwachsenen  Wespen  das  feste 
Chitin  des  Kopfes  die  Schnitte  fast  immer  lädirte.  Dort  scheint  nur 
eine  einfache  Epithelzellenlage  vorhanden  zu  sein,  es  ist  daher  nicht 
ausgeschlossen,  dass  die  auf  Fig.  22  im  Innern  der  Drüse  liegenden 
Kerne  später  noch  zwischen  die  F]pithellage  einwandern.  In  den 
Drüsenzellen  sind  die  Kerne  deutlich  und  haben  körniges  Chromatin. 
Sie  liegen  der  Peripherie  der  Drüse  genähert.  Secret  ist  in  der 
Drüse  noch  nicht  zu  bemerken.  Feinste  Fädchen,  welche  gelegent- 
lich die  Zellen  verbinden,  scheinen  dem  Zellplasma  anzugehören. 
Kräftigfe  Tracheen    und  Nervenäste  treten   an  die  Drüse  heran   und 


38  Heinrich  Eössig, 

senden   auch  feine  Fortsätze   zwischen   die  Zellen   derselben   hinein. 
Der  Ansführg-ang  ist  der  Lage  der  Drüse  entsprechend  nnr  kurz. 

Diese  Kopfdrüse  der  Gallwespen  entspricht  der  von  Schiemenz 
als  Sj^stem  IV  bezeichneten  Drüse  der  Honigbiene.  Sie  w^ar  von 
Wolf  und  GtEaber  als  Geruchsorgan  gedeutet  („Eiechschleimdrüse" 
Wolf's).  Schiemenz  stellt  diese  Bedeutung  in  Abrede  und  erklärt  sie 
bei  der  Biene  für  eine  Speicheldrüse.  Boedas  nennt  sie  glandes 
mandibulaires  externes  und  sagt  von  ihnen :  ,,Les  glandes  mandibulaires 
en  forme  de  saccules  ovoides,  toujours  tres  nettes,  tres  characteristiques, 
se  rencontrent  chez  töus  les  Hymenopteres  et  vont  deboucher  par  nn 
canal  tres  court  ä  la  base  de  la  mandibule"  p.  194.  Letzteres  trifft 
also  auch  für  die  von  Boedas  nicht  untersuchten  Cynipiden  zu. 

Speicheldrüsen   a'  e  r  s  c  h  i  e  d  e  n  e  r  Arte  n. 

Bei  den  Arten  der  Gattungen:  Andriais,  JBiorhüa,  Cynips,  Dryo- 
pJianta,  Xexrofcrus  und  Trigonaspis  hat  die  Speicheldrüse  die  Gestalt 
eines  ovalen  Säckchens.  Sie  wird  länger  bei  Rhodifes  rosae,  mehr 
noch  bei  Biastroplms  rnhi  und  vor  allem  bei  den  inquilinen  Cyni- 
piden. 

Bei  einer  jungen  rosae-Larve  von  856  ,a  Länge  (es  ist  hier  auch 
auf  die  mehr  gestreckte  Larven  form  hinzuweisen)  erreicht  das  Säck- 
chen der  Speicheldrüse  285  //,  das  ist  %  der  Körperlänge.  Es  ist, 
wie  Fig.  3  erkennen  lässt,  fast  so  lang  wie  der  Mitteldarm,  die 
Epithellage  ist  schwach  entwickelt,  Secret  ist  reichlich  vorhanden 
und  erscheint  als  feines  schwach  rosa  gefärbtes  Netzwerk.  Bei 
diesen  Abweichungen  im  Bau  der  Larve  kann  ich  den  Verdacht  nicht 
unterdrücken,  dass  mir  für  die  jüngsten  Stadien  nicht  wirkliche 
ro5«<?-Larven,  sondern  vielleicht  Parasiten  derselben  in  die  Hände  ge- 
kommen sind. 

Von  ruU  standen  mir  gleicli  junge  Larven  nicht  zur  Verfügung. 
Die  altern  zeigen  grosse  Aehnlichkeit  mit  denen  von  rosae,  die  Drüsen 
sind  eher  noch  etwas  länger. 

Von  den  parasitären  Cynipiden  gilt  das  in  erhöhtem  Maasse. 
Es  sind  Larven,  die  zu  mehreren.  5 — 7,  in  den  glohuU-GdLW^w  lagen 
und  durch  eine  feine,  gesponnene,  seidenpapierdünne  Wand  sich  gegen 
einander  abgegrenzt  hatten.  Das  distale  Ende  der  Speicheldrüse 
reicht  über  die  Ansatzstelle  der  MALPiGHi'schen  Gefässe  am  Mittel- 
darm noch  hinaus.  Die  halb  schematische  Fig.  24  zeigt  einen  Längs- 
schnitt derselben.  Sie  enthält  zahlreiche  Epithelzellen,  deren  Grösse 
denen   der   übrigen   Cynipiden  gleich  kommt.    Sie  sind  gegen  das 


Von  Avelchen  Organen  geht  der  Eeiz  zur  Bildung-  der  Pflauzengalle  aus?     39 

Lumen  etwas  vorgewölbt.  Ihr  Plasma  ist  auf  dem  untersuchten  Stadium 
dunkel  violett,  hat  zahlreiche  kleine  runde  Vacuolen.  Der  Kern  ist 
aufgehellt,  mehr  lang"  als  breit,  vereinzelt  verzweigt  oder  halbmond- 
föimig.  Die  Chromatinkörnchen  sind  unregelniässig  angeordnet,  hier 
und  da  verklumpt.  Ein  Bild  vom  Aussehen  der  Zellen  giebt  Fig.  17. 
Die  Zellen  stehen  oftenbar  im  letzten  Stadium  der  Thätigkeit,  dicht 
vor  der  Degeneration. 

Dei'  grössern  Längenausdehnung  steht  auch  eine  Erweiterung 
des  Lumens  zur  Seite.  Es  ist  strotzend  gefüllt  mit  einem  Secret, 
das  bei  der  Doppelfärbung  Hämatoxylin-Fikrokarmin  lebhaft  kar- 
moisinroth  wird,  mit  Hämatoxylin-Pikronigrosin  blaugrau  bis  grün- 
lich-grau. Es  erscheint  homogen  und  dicht,  nur  nahe  am  Protoplasma 
der  Zellen  ist  es  hier  und  da  etwas  netzartig  durchlöchert.  Es  zeigt 
sich  also  nach  3[enge,  Struetur  und  Färbung  verschieden  von  dem 
der  echten  Cynipiden.  Diese  Larve  hat  noch  den  ^litteldarm  gestopft 
voll  von  Pllanzenbrocken.  Einzelne  derselben  sind  am  l^ande  roth 
gestreift  oder  einseitig  roth  gefärbt  wie  das  Speicheldrüsensecret. 
Es  macht  den  Eindruck,  als  ob  beim  Abreissen  der  Zelle  vom  Secret 
der  Speicheldrüsen  etwas  daran  gekommen. 

Zum  Vergleich  der  Speicheldrüsen  habe  ich  ein  Schmetterlings- 
räupchen  geschnitten,  das  in  den  ersten  Frühlingstagen  in  den  noch 
geschlossenen  Knospen  der  Rosentriebe  lebt  {Tortrix'^).  Es  wurde  in 
gleicher  Weise  fixirt  und  gefärbt,  und  es  ergiebt  sich  die  über- 
raschendste Aehnlichkeit  zwischen  dem  Secret  der  Spinndrüsen  und 
dem  Speicheldrüsensecret  der  inquilinen  (\vnipiden.  Somit  erscheint 
die  Folgerung  nicht  unberechtigt,  dass  bei  den  parasitären  Cynipiden 
die  Speicheldrüse  zur  Spinndrüse  geworden,  resp.  dass  je  nach  den 
Arten  das  gleiche  Organ  bei  den  Cynipiden  als  Si)eichel-  oder  als 
Spinndrüse  functionirt. 

Speicheldrüsen   verschiedener  Hymenopteren. 

Nach  BoRDAs  (1895)  sind  die  Speicheldrüsen  der  Larven  von 
Vespa  so  laug,  dass  sie  fast  bis  zum  Hinterende  der  Larve  reichen 
und  gleichmässig  cylindrisch.  Sie  variiren  nach  den  einzelnen 
ilymenopteren-Arten  sehr,  von  ganz  kurzen  geraden  bis  zu  solchen, 
welche  in  tausendfältigen  A\'indungen  sich  durch  das  Fettgewebe 
ziehen.  Auch  ist  allen  Allen  gemeinsam,  dass  die  Ausführgänge 
kurz  vor  der  Ausmündungsstelle  zu  einem  kurzen  bis  sehr  kurzen 
gemeinschaftlichen  P^ndstück  sich  vereinen. 

Bei   Vespa  soll  die  Grösse  der  Zellen  0,4 — 0,6  mm  erreichen  und 


40  Heinrich  Rössig, 

die  der  MALPiGHi'schen  Gefässe  um  die  Hälfte  übertreifeii.  Dabei 
sind  die  Zellen  heller  und  durchsichtiger.  Aehnlich  werden  die 
Speicheldrüsen  verschiedener  J5o/«Jm5-  und  Psithyriis- Arten  beschineben, 
nur  sind  sie  kürzer,  erreichen  nur  etwa  Vs  der  Körperlänge.  Nicht 
viel  verschieden  davon  sind  sie  bei  den  Larven  von  Polistes,  Ammo- 
phüus,  Chrysis  etc.  (Die  letztern  würden  sich  also  denen  der  Cyni- 
piden  nähern.)  Bis  zum  Puppenstadium  unterliegen  sie  keiner  Ver- 
änderung. 

Den  von  Bütschli  (1870)  für  die  Speicheldrüsen  angegebenen 
Spiralfaden  findet  auch  Bordas  bei  den  untersuchten  Hymenopteren. 
—  Bei  den  Cj^nipiden  fehlt  er  immer,  nur  im  Ausführgange  findet 
er  sich. 

Auerbach  (1874),  Viallanes  (1882),  Bordas  (1895)  finden,  dass 
die  Degeneration  der  secernirenden  Zellen  der  Speicheldrüsen  von 
vorn  nach  hinten  fortschreitet.  Das  ist  bei  den  verhältnismässig 
kleinern  Gallwespendrüsen  nicht  zu  beobachten.  Die  Degeneration 
setzt  bei  allen  Zellen  gleichzeitig  ein  und  schreitet  auch  so  voran ; 
Bilder  der  spätem  Stadien,  wie  sie  Fig.  19  bringt,  lassen  eher  auf 
eine  weiter  fortgeschrittene  Zerstörung  der  letzten  Zellen  schliessen. 

Die  Gallmücke  Horniomyia  fagi  Htg. 

Bei  dieser  sind  die  Speicheldrüsen  bei  der  Larve  im  Juli,  wenn 
die  Galle  noch  wächst,  zwei  ungemein  breite  Zellenmassen  (Fig.  25). 
Zellgrenzen  sind  nicht  überall  deutlich.  (Vielleicht  ist  bei  der 
Fixirung  mit  kaltem  Sublimat  die  Flüssigkeit  durch  die  dicke 
Cuticula  zu  langsam  eingedi'ungen.)  Die  Larven  sind  stark  ge- 
schrumpft, die  Organe  gepresst.  Die  kleinen  Zellkerne  (alle  Kerne, 
auch  bei  der  erwachsenen  Larve,  sind  auffallend  klein)  sind  deutlich, 
liegen  der  Aussenseite  der  Zellen  näher  und  enthalten  wenige,  3 — 6, 
aber  dicke  Chromatinschollen.  Durch  die  Drüse  zieht  sich  ein  feiner 
Chitincanal.  In  seiner  Nähe  ist  das  Plasma  etwas  heller.  Im 
übrigen  ist  es  schwach  netzartig  structurirt  und  zeigt  Granulirung. 
Der  Farbton  ist  in  Speicheldrüse  und  MALriGHi'schen  Gefässen 
derselbe. 

Die  spätem  Larvenstadien  wurden  mit  heissem  Sublimat  be- 
handelt und  angestochen.  Sie  gaben  gute  Bilder.  Diese  zeigen, 
dass  die  Speicheldrüsen  stark  entwickelt  sind.  Es  sind  jetzt  zwei 
Schläuche,  die  das  sehr  kurze  Endstück  des  Ausführganges  gemein- 
schaftlich haben.  Da  der  feine  weisse  Deckel  im  Boden  der  reifen 
Galle  aus  sehr  feinen  Fäden  besteht,   Horniomyia  fagi  also  wirklich 


Von  welchen  Organen  geht  der  Eeiz  zur  Bihlnng-  der  Pflanzengalle  ans?     41 

spinnt,  darf  man  diesen  nur  45  /<  langen  Abschnitt  wohl  als  Faden- 
presse ansprechen  und  wenigstens  einen  Abschnitt  der  Drüse  als 
Spinndrüse  bezeichnen.  Der  vordere  unpaare  Abschnitt  (cf.  Fig.  26) 
hat  nur  eine  Breite  von  9  i-i.  Es  ist  ein  Spiralfaden  vorhanden  von 
nur  1,8—2,7  f.i  Durchmesser,  der  sich  theilt,  um  sich  auch  durch  die 
zwei  folgenden  Abschnitte  der  Drüse  zu  erstrecken,  die  jeder  Drüse 
besonders  zukommen.  Der  nächste  beginnt  mit  einer  Breite  von 
9  fi,  bleibt  aber  nur  auf  eine  Länge  von  36  n  so  eng.  Dann  be- 
ginnt das  Drüsenei)ithel,  und  die  Breite  dieses  Theiles  steigt  ziem- 
lich unvermittelt  auf  00  /<,  seine  Länge  beträgt  etwa  V3  der  Ge- 
samtlänge der  Speicheldrüse.  Der  dritte  und  eigentliche  Drüsen- 
theil  macht  -.5  der  Länge  aus.  Er  ist  stark  Sföi-mig  gekrümmt 
und  sein  t]ndstück  zurückgebogen,  so  dass  es  wieder  näher  nach 
vorn  liegt.  Die  grösste  Breite  beträgt  etwa  135  /<,  übertrifft  also 
die  Breite  des  voraufgehenden  Abschnitts  um  mehr  als  das  Doppelte. 
Auch  seine  Zellen  sind  grösser.  Während  die  des  mittlem  Ab- 
schnittes bis  27  .«  erreichen,  haben  sie  hier  durchschnittlich  125  « 
im  grössten  Durchmesser,  ihre  Kerne  63  u.  Nach  aussen  geradlinig 
begrenzt,  wölben  sich  die  Zellen  abwechselnd  von  rechts  und  links 
gegen  die  Mitte  vor.  Der  Spiralfaden  ist  daher  wellenförmig  ge- 
bogen. 

Die  weitere  Entwicklung  habe  ich  nicht  verfolgt. 

2.   Oenocyten. 

In  den  Larven  und  den  Imagines  der  Insecten  treten  eine  An- 
zahl von  Gebilden  auf,  die  manches  Gemeinsame  haben  und  daher 
leicht,  besonders  wo  es  sich  um  jugendliche  Stadien  derselben 
handelt,  mit  einander  verwechselt  werden  könnten.  Es  sind  einzeln 
liegende  oder  lose  an  einander  gereihte  Organe  von  meist  runder 
Gestalt,  deren  Zellplasma  nach  Structur  und  Färbung  viel  Aehnlich- 
keit  hat.  Ich  denke  dal)ei  an  die  Blutkörperchen  (Leukocyten, 
Phagocyten),  die  Pericardialzellen,  die  larvalen  und  imaginalen 
Oenocyten  und  die  jungen  Fettkörperzellen.  Alle  diese  Zellelemente 
sind  wolil  untei'  dem  Namen  Blutgewebe  zusammengefasst  oder  auch 
dem  Fettkürper  zugewiesen.  Von  diesen  sind  die  Blutkörperchen 
an  ihrer  stets  geringen  Grösse  leicht  zu  erkennen.  Die  Pericardial- 
zellen wurden  schon  1873  von  Gkabkr  scharf  charakterisirt  und 
vom  Fettkörper  getrennt.  Die  übrigen  Zellen  sind  erst  in  jüngster 
Zeit  Gegenstand  besonderer  Studien  geworden  und  dabei  sicher 
definirt.       Den    ersten    Forschern,    welche    über    den    Fettkörper 


42  Heinrich  Rübsig, 

schrieben,  war  der  Unterschied  zwischen  den  larvalen  und  imagi- 
nalen  Oenocyten  überhaupt  nicht  bekannt.  Es  kann  daher  nicht 
Wunder  nehmen,  dass  es  nach  der  Beschreibung  heute  oft  unsicher 
bleiben  muss,  welche  Art  ein  Autor  vor  Augen  hatte.  Ausserdem 
haben  verschiedene  Forscher  dieselben  Organe  unter  ganz  ver- 
schiedenen Namen  beschrieben.  Es  möge  daher  im  Folgenden  zu- 
nächst ein  historisches  Eeferat  folgen  über  die  Arbeiten,  welche  mit 
den  Oenocyten  sich  beschäftigen.  Es  wird  zum  Verständnis  der 
folgenden  Untersuchung  beitragen  und  dürfte  solchen,  die  in  Zukunft 
mit  diesen  Gebilden  sich  zu  befassen  haben,  die  Orientirung  er- 
leichtern. 

Der  erste,  welcher  die  Oenocyten  als  besondere  Organe  be- 
achtete, scheint  M.  Fabee  (1856)  zu  sein.  Sikodot  (1858)  citirt  aus 
einer  Arbeit  desselben  über  die  Entwicklung  der  Larven  der 
Sphegidae,  dass  derselbe  von  den  ersten  Tagen  (?)  an  weisse  Flecken 
unter  der  Haut  beobachtete.  Diese  gewinnen  rapide  an  Zahl  und 
Umfang  und  dringen  schliesslich  in  den  ganzen  Körper  ein,  ausge- 
nommen die  2  oder  3  ersten  Segmente.  Beim  Oefthen  der  Larve 
sieht  man,  dass  diese  Punktirungen  dem  Fettgewebe  angehören  und 
ein  gut  Theil  desselben  ausmachen.  Das  Fettgewebe  besteht  aus 
zwei  Theilen,  einem  gelblichen,  der  nur  Fett  umschliesst  und  einem 
Stärkemehl  weissen,  welcher  Körnchen  von  Harnsäure  enthält. 

SiRODOT  selbst  untersucht  eine  Aramophilide,  Bombex  vklua,  und 
findet  dort  dasselbe.  Während  es  hier  unklar  bleibt,  welche  Art 
derselbe  gesehen,  scheint  er  bei  der  Seidenraupe  beide  Arten  vor 
Augen  gehabt  zu  haben.  Sein  tissu  cellulaire  sous-cutane  der 
tab.  19  fig.  2  u.  7  ist  nach  der  Beschreibung  wohl  nichts  Anderes 
als  die  neu  sich  bildenden  imaginalen  Oenocyten,  während  die  fig.  9 
auf  tab.  20  („La  glande  composee  de  fig.  9  observee  dans  la  voisinage 
d'un  stigmate,  penetre  assez  profondement  dans  le  tissu  adipeux." 
p.  324)  die  etwas  ungenau  gezeichneten,  traubenförmig  an  der 
Trachea  gelagerten  larvalen  Oenocyten  sind. 

Kr)LLiKER  (1857)  macht  aufmerksam  auf  dieselben  in  einer  Ab- 
handlung über  Lampijns  nodiluca. 

Landois  (1865)  unterscheidet  sie  vom  Fettgewebe.  Er  schlägt 
den  Namen  „Respirationszellen"  vor,  weil  er  sie  zugleich  mit 
den  Tracheen  als  Kespiratiousorgane  ansehen  möchte,  und  zwar  die 
Zellen  als  secernirende,  die  Tracheen  lediglich  mehr  oder  weniger 
als  Ausführungsgang  derselben. 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     43 

Takgioni  Tozzetti  (1870)  beschreibt  und  bildet  sie  ab  beim 
Leuchtkäfer  (Berlese.). 

Haberlandt  (1872)  findet  sie  bei  der  Seidenraupe  und  hält  sie 
für  ein  Org-an  von  unbekannter  Function. 

Grahkr  (1873)  unterscheidet  scharf  zwischen  Pericardialzellen 
und  den  Oenocyten.  die  er  „eingesprengte  Zellen"  nennt.  Vom 
Fettkörper  unterscheidet  sie  deutlich  ihr  abweichendes  chemisches 
Verhalten.  Sie  werden  in  kochender  verdünnter  Essigsäure  und  selbst 
in  kochender  verdünnter  Kalilauge  nicht  aufgelöst.  Er  tritt  der 
Auffassung  von  Laxdois  entgegen  und  sagt:  Ohne  Zweifel  haben  wir 
es  hier  mit  eigenartigen  einzelligen  Drüsen  zu  thun,  über  deren 
Secret  allerdings  nicht  das  Geringste  bekannt  ist. 

TiCHOMiRow  (1882)  nennt  sie  ..Drüsenkörper". 

Carxoy,  J.  ß.  (1885),  beobachtet  sie  und  unterscheidet  sie  vom 
Fettkörper.  „Le  tissu  adi])eux  proprement  dit  comprend  deux  sortes 
d'elements.  les  cellules  ä  graisse  et  les  cellnles  jaunes  intercalees 
(eingesprengte  Zellen  de  Grajjer)."  Sie  sind  bei  den  meisten  Arthro- 
poden vorhanden,  und  er  findet  in  ihnen  zuweilen  Krystalle  (von 
Uraten?).  Er  lässt  sie  in  Folge  Durchschnürung  sich  vermehren. 
„11  n'est  pas  rare  de  trouver  de  ces  cellules  en  voie  de  segmentation." 

v.  WiELowiEjsKi  (1886),  der  sie  schon  im  Jahre  1882  erwähnt 
hatte,  schlägt  in  seiner  Arbeit  „Ueber  das  Blutgewebe  der  Insecteu" 
den  Namen  „Oenocj'ten"  vor  für  eine  Gruppe  von  Zellelementen, 
welche  zu  5  an  den  Seiten  der  Abdominalringe  von  Chironomus  liegen, 
nicht  zum  Fettgewebe  gerechnet  werden  können,  an  Tracheen  be- 
festigt sind  und  durch  ihre  weingelbe  Farbe  auffallen  (p.  515).  Er 
unterscheidet  2  Arten,  grosse  und  kleine.  Letztere  findet  er  be- 
sonders an  der  Bauchseite  der  letzten  Thorakal-  und  der  Abdominal- 
segmente. Er  stellt  das  Vorkommen  beider  Arten  in  einer  ganzen 
Anzahl  von  Insecten  der  verschiedenen  Classen  fest,  und  sagt  speciell 
von  den  Hymenopteren,  dass  in  den  Imagines  von  Apis,  Vcspa 
und  Bomhus  die  Oenocyten  den  Fettzellen  angelagert  sind,  typisch 
rundlich  und  von  weingelber  Farbe,  den  kleinsten  Fettzellen  an 
Grösse  etwa  gleich.  Sie  sind  häufig  und  gleichmässig  im  Körper 
vertheilt,  und  homolog  den  „kleinen  Oenocyten"  anderer  Insecten. 
Von  den  Larven  sagt  er,  dass  die  Grösse  von  Oenocyten  und  Fett- 
zellen etwa  gleich  ist. 

KowALEwsKV  (1887i  zeichnet  sie  in  tab.  21  fig.  2  von  Musciden- 
larven  und  nennt  sie  schlechthin  „Drüsen". 


44  Heinrich  Eössig, 

Pekarski  (1889)  widmet  iliiien  (nach  Koscheyndcov)  als  ,,Peri- 
t  räche  alz  eilen"  eine  besondere  Arbeit  (russisch  geschr.).  Er 
beschreibt  sie  von  Larve  und  Puppe  von  Hyponomeiita,  von  der  Imago 
von  Pieris  hrassicae.  Bei  Tenebrio  molitor  verringern  sich  die  Zellen 
bei  der  Puppe  etwas  an  Grösse,  nehmen  aber  zu  an  Zahl,  man  dürfe 
also  auf  Vermehrung  schliessen.  Die  Peritrachealzellen  sollen  weder 
bei  Fütterung  noch  bei  Injection  färbende  Substanzen  aufnehmen. 

ScHÄFFER  (1889)  findet  und  beschreibt  sie  bei  der  Eaupe  von 
Hyponon)eiifa.  Auf  der  tab.  30.  fig.  32  zeichnet  er  ausserdem  einen 
Schnitt,  auf  welchem  aus  der  Hypodermis  Zellen  entstehen,  „die 
vielleicht  den  Fettkörper  der  Imago  liefern". 

Im  Jahre  1891  erschien  die  10  Jahre  lang  von  den  Forschern 
übersehene  italienische  Arbeit  von  Verson  u.  Bisson,  welche  sich 
nur  mit  der  Entwicklung  der  Larval-Oenocyten  befasst.  Die  mit 
Seidenspinnerraupen  angestellten  Untersuchungen  ergaben  folgende 
Thatsachen. 

In  den  Eiern,  die  16  Tage  bis  zum  Ausschlüpfen  der  Larve  ge- 
brauchen, waren  die  Oenocyten  mit  Sicherheit  erst  am  7.  Tage  fest- 
zustellen. Sie  hatten  dann  7,5  fi  Durchmesser,  beim  Ausschlüpfen 
20  ^i.  Beim  Ausschlüpfen  haben  sie  schon  eine  Veränderung  durch- 
gemacht, indem  der  Kerninhalt,  das  Anfangs  körnige,  gleichmässig 
vertheilte  Chromatin  zu  grössern  Chromatinklumpen  sich  zusammen- 
ballte und  dieses  Stadium  wieder  einem  zweiten  mit  gleich  regel- 
mässig wie  zu  Anfang  vertheilten  Körnchen  Platz  machte. 

Mit  der  Zunahme  der  Körpergrösse  wächst  auch  die  Grösse  der 
Oenocyten,  so  dass  sie  schliesslich  in  der  9  Tage  alten  Puppe  ihre 
grösste  Ausdehnung  mit  136  iii  erreichen.  Aber  das  Wachsthiim  geht 
auch  in  der  Larve  in  besonderer  Weise  vor  sich,  nicht  gleichmässig, 
sondern  stufenweise,  Kern  und  Plasma  betheiligen  sich  abwechselnd 
daran.  Zuerst  wird  der  Kern  gross  und  rundlich,  seine  Körnchen 
lagern  deutlich  getrennt  und  zahlreich  in  einer  durchsichtigen,  wenig 
färbbaren  j\Iasse.  Dann  beginnen  die  Chromatinkörnchen  zu  ver- 
klumpen und  in  der  Nähe  des  Kernes  Vacuolen  im  Plasma  sich  zu 
zeigen,  die  grösser  und  zahlreicher  werden,  wie  der  Kern  kleiner  und 
die  ihn  umschliessende  Membran  faltiger  und  unregelmässiger  wird. 
Dann  zeigt  das  vergrösserte  Plasma  einen  hellen,  wenig  färbbaren 
Hof  (aureole),  und  wenn  dieser  zu  schwinden  beginnt,  fängt  sogleich 
der  Kern  wäeder  an  sich  auszudehnen  und  abzurunden.  Dieser  Vor- 
gang wiederholt  sich  3— 4 mal  in  der  Larve.  Während  der  ersten 
Häutung   und  meist   auch  der  zweiten  zeigen  die  Oenocyten   gerade 


Von  welchen  Organen  geht  der  Eeiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     45 

das  Stadium,  in  welchem  der  Kern  stark  geschrumpft,  die  Plasma- 
masse aber  von  einem  weniger  als  sie  selbst  gefäi-bten  Hofe  um- 
g-eben  ist.  Bei  den  spätem  Häutungen  besteht  dieses  Zusammentretfen 
nicht  mehr,  so  dass  es  zweifelhaft  bleibt,  ob  dasselbe  zu  den  ersten 
Häutungen  in  physiologischei-  Bezielmng  steht  oder  nicht.  Immerhin 
stellte  auch  diese  Untersuchung  fest,  dass  die  Oenocjien  Drüsen- 
elemente sind,  deren  secernirende  Thätigkeit  in  einem  deutlichen 
periodischen  Ehythmus  erfolgt  und  dass  an  ihrer  secernirenden  Thätig- 
keit der  Kern  einen  directen  Antheil  nimmt  (p.  16). 

Veksox  nennt  diese  Oenocyten  nach  ihrer  Lage  im  Körper  der 
Raupe:  „cellule  glandulari  hypostigmatiche". 

Im  Jahre  1892  veröffentlichte  Verson  eine  zweite  Arbeit  über 
die  zweite  Art  von  Oenocyten,  die  kleinen  Oenocyten  von  Wielo- 
wiEjsKi,  Avelche  er  wiederum  nach  ihrer  Lage  im  Körper  benennt, 
und  zwar  als  „cellule  glandulari  epigastriche".  Sie  erscheinen  2 — 3 
Tage  vor  der  Verpuppung  in  breiter  Schicht  an  der  ventralen  Seite 
des  3.,  4.  und  5.  Abdominalsegmentes.  Anfänglich  messen  sie  0,02 
bis  0,037  mm  im  Durchmesser,  erreichen  aber  in  der  5  oder  6  Tage 
alten  Puppe  bis  zu  0,06  mm.  Dann  beginnen  sie  plötzlich  sich  ami- 
totisch zu  theilen,  die  Theilzellen  bleiben  aber  noch  einige  Zeit  zu 
Syncytien  vereinigt,  die  im  Imago  aber  zumeist  sich  auflösen. 

In  der  8  Tage  alten  Puppe  erscheinen  die  epigastrischen  Drüsen- 
zellen ähnlich  den  liypostigmatischen  mit  einem  unfärbbareu  Hofe 
granulirten  Plasmas  umgeben,  was  gleichfalls  als  Ausdruck  einer 
functionellen  Ausscheidung  betrachtet  werden  muss.  Im  Schmetter- 
ling wird  das  gesammte  Plasma  granulöser,  verliert  seine  V'erwandt- 
schaft  zum  Karmin  und  Saffranin,  die  Kerne  blähen  sich  zu  weiten 
Blasen  auf,  in  welchen  kaum  einige  dünne  Chromatinfädchen  zu 
sehen  sind. 

Hypostigmatische  und  epi gastrische  Drüsenzellen  haben  also  den 
Ursprung  aus  der  Hypodermis,  sowie  das  Ausschwitzen  mikroskopisch 
erkennbaren  Secrets  gemeinsam.  Dagegen  unterscheiden  sie  sich  ab- 
gesehen von  der  Verschiedenheit  nach  Grösse  und  Lage  dadurch,  dass 

1.  die  hypostigmatischen  Drüsen  schon  in  intraovaler  Periode 
auftreten  und  bis  zum  Lebensende  verharren,  hingegen  die  epigastri- 
schen erst  zur  Zeit  der  Spinnreife  neu  erscheinen; 

2.  dass  jene  während  der  ganzen  extraovalen  Entwicklung  ihre 
Zahl  nicht  ändern  (?),  diese  aber  in  der  Puppenperiode  durch  ami- 
totische Kerntheilung  sich  massenhaft  vermehren; 


46  Heinrich  Rössig, 

3.  dass  bei  ersteni  der  Kern  eine  ausgesprochene  Neigung  zur 
Verästelung  äussert,  letztere  dagegen  einen  Kern  von  stets  rund- 
licher, wenn  nicht  genau  sphärischer  Form  besitzen,  der  niemals 
seitliche  Fortsätze  treibt. 

Auch  diese  zweite  Arbeit  Veeson's  blieb  bis  1900  unbeachtet. 

Im  Jahre  1891  stellte  Geabek  fest,  dass  der  von  Tichomieow 
bei  Bomhus  mori,  von  Koeotnew  bei  GrijUotaJpa  beschriebene  „Drüsen- 
körper-'  nichts  Anderes  sei  als  die  Oenocyten. 

1892  veröifentlicht  Wheelee  einen  Artikel,  welcher  speciell  den 
Oenocyten  gewidmet  ist,  geht  der  Reihe  nach  die  Ordnungen  der 
Insecten  durch,  überg-eht  aber  die  Hymenopteren  gänzlich.  Die 
Oenocyten  sind  ektodermalen  Ursprungs,  aber  Bildungen  sui  generis, 
welche  nach  ihrer  Differenzirung  vom  primären  Ektoderm  sich  nicht 
theilen,  sondern  allmählich  an  Grösse  zunehmen  (Koschevnikov). 

1898  beschreibt  Kaeawaiew  die  Oenocyten  von  Lasius  flavus  und 
bildet  sie  ab  in  den  figg.  67  und  68  „die  von  einer  unlängst  ein- 
gesponnenen Larve  sind"  (larvale  Oenocyten?),  als  „Drüsenzellen" 
schlechthin,  die  (imaginalen)  in  den  figg.  1-5  als  „Subhypodermal- 
zellen". 

1899  widmet  Beelese  den  Oenocyten  der  Dipteren,  speciell  ihrem 
Vorkommen  bei  MelopJiagtts,  einige  Worte.  Bei  der  jungen  Larve 
liegen  sie  dicht  beisammen  in  Gruppen  in  jedem  Segmente  (flg.  42 
daselbst).  Später  vermehrt  sich  ihre  Zahl.  Es  sind  fast  kuglige 
Zellen,  die  frei  liegen  und  ca.  40  /n  im  Durchmesser  haben,  sich  von 
der  Larve  bis  zur  Puppe  etwas  vergrössern.  Das  Plasma  ist  bei 
jungen  Larven  von  kleineu  Höfen  durchsetzt.  In  der  Larve  und 
jüngsten  Puppe  sind  sie  zahlreich  vertreten,  in  der  altern  Puppe 
treten  sie  nach  und  nach  zurück.  B.  hält  sie  für  Excretionsorgane, 
um  so  mehr,  als  bei  MeJophagus  die  MALPiGHi'schen  Gefässe  erst  spät 
in  der  Puppe  auftreten,  wenn  die  Oenocyten  zu  verschwinden  an- 
fangen, die  zuvor  sehr  zahlreich  waren. 

Anglas  (1900)  hält  die  Oenocyten  für  geschlossene,  vereinzelte 
Drüsen  für  innere  Secretion.  Sie  unterliegen  nur  geringen  Ver- 
änderungen, nehmen  niemals  nach  Art  der  Phagocyten  Reste  anderer 
Zellen  auf  A.  hält  es  für  möglich,  dass  sie  bei  ihrer  Vergrösserung 
ein  Ferment  ausscheiden  und  vielleicht  eine  Rolle  bei  der  Lyocytose 
spielen. 

1900  macht  auch  Veeson  aufmersam  auf  seine  bisher  unberück- 
sichtigt gebliebenen  Arbeiten  von  1891  und  1892  und  recapitulirt 
deren  Resultate,  nachdem 


Von  welchen  Organen  i^elit  der  Eeiz  znr  Bilfliuig'  der  Pflanzengalle  aus?     47 

KoscHEVNiKov  (1900)  seine  Arbeit  „üeber  den  Fettkörper  und 
die  Oenocyten  der  Honigbiene",  mit  einer  kurzen  kritischen  Ueber- 
siclit  über  die  Oenocyten-Literatur  veröffentlicht  hatte,  ohne  Vekson's 
Arbeit  zu  erwähnen.  K.  hat  in  seiner  Untersuchung-  schärfer  und 
zutreffender  die  2  Arten  von  Oenocyten  nach  der  Zeit  ihres  Auf- 
tretens benannt,  die  grossen  Oenocyten  von  Wielowiejski  als  ,,lar- 
vale",  die  kleinen  als  „imagi  nale-'.  Er  findet  (wie  auch  Wie- 
LowiEJSKi  angegeben)  niemals  mehr  als  einen  Kern,  ihre  Grösse  aber 
wird  wahrhaft  riesig:  in  einer  Puppe  einer  jungen  Königin  bis  176  /t 
Durchmesser.  „Ich  besitze  Präparate  (von  ausgewachsenen  Drohnen- 
larven),  welche  ganz  deutlich  zeigen,  dass  diese  Zellen  Fettkörper- 
zellen verschlingen  können."  Bei  den  Bienen  bleiben  die  larvalen 
Oenocyten  bis  ins  Puppenstadium  und  unterliegen  dann  dem  Zerfall, 
aber  man  kann  sie  auch  noch  im  Anfang  des  Imagostadiums  finden. 
Im  Stadium  der  ganz  jungen,  noch  ganz  weissen,  nicht  vollkommen 
ausgebildeten  Puppe  erscheinen  gleichzeitig  mit  Existenz  von  Larval- 
Oenocyten  auch  Imaginal-Oenocyten.  Die  Bildung  erfolgt  in  der 
Hypodermis.  Diese  sind  5  mal  kleiner  als  die  erstem.  Sie  lagern 
später  zwischen  dem  Fettgewebe.  Bei  der  Biene  kann  man  keines- 
wegs daran  denken,  dass  der  wahre  Fettkörper  aus  diesen  Zellen 
hervorgeht,  man  kann  nur  von 'Oenocyten  reden  (gegen  Schäefee). 
Die  Oenocyten  der  jungen  Puppe  sind  merklich  kleiner  als  die  der 
erwachsenen  Biene,  wobei  ihr  Kern  verhältnissmässig  gross  ist. 

Bei  Injection  von  Ferrum  sesquichloratum  und  nachträglicher 
Behandlung  mit  Ferrocyankalium  und  HCl.  bleiben  auch  bei  der 
schärfsten  Färbung  die  Oenocyten  ungefärbt.  Bei  fixirten  Thieren 
färbt  sich  dagegen  bei  dieser  Färbungsmethode  alles  diffus  blau. 

Zur  Physiologie  der  Oenocyten  bemerkt  K.,  dass  er  die  Oeno- 
cyten bei  jungen  Arbeitsbienen  und  Königinnen  ohne  Einschlüsse 
fand,  dass  aber  mit  dem  zunehmenden  Alter  eine  Anhäufimg  statt- 
findet. Bei  der  Arbeitsbiene  im  Sommer  finden  sich  nur  einzelne 
gelbe  Körnchen,  im  Winter,  besonders  aber  im  Frühling  finden  sie 
sich  in  Menge,  nie  aber  erscheinen  sie  in  solcher  Menge  wie  bei 
einer  Königin,  die  mehrere  Jahre  gelebt  hat.  K.  hält  die  Körnchen 
für  Ausscheidungsproducte  des  Stoffwechsels  und  demnach  die  Oeno- 
cyten für  Ausscheidungsorgane.  Er  vermuthet,  dass  ein  üeberladen 
derselben  mit  diesen  Stoffen  eine  Störung  im  regelmässigen  physio- 
logischen Wechsel  hervorrufen  könne  und  damit  als  eine  Ursache 
für  das  Sinken  der  Lebensthätigkeit  des  Insects  angesehen  werden 
dürfte.     Bei  einer  über  4  Jahre   alten  Königin  fand   er  aber  auch 


48  Heinrich  Eössig, 

Oenocyten,  welche  sich  von  einer  bedeutenden  Menge  der  Körnchen 
befreit  hatten  nnd  fast  ganz  leer  erschienen,  jedoch  den  Kern  be- 
wahrten. Die  Pignientkörner  wurden  zerstreut  ausserhalb  der  Zellen 
beobachtet.  Verf.  zweifelt  aber,  ob  letzteres  in  Folge  von  Zellthätig- 
keit  geschehen  oder  ob  es  künstlich  herbeigeführt  sei. 

Während  Lowne  (1902)  bei  der  jungen  Fliegenpuppe  findet, 
dass  die  Oenocyten   einer   vollständigen  Histolyse  unterliegen,   fasst 

Vaney  (1902)  seine  Resultate  über  dieselben  in  folgende  Sätze 
zusammen:  Chez  la  Simtdia,  le  Culex,  le  Chirononms,  durant  toute  la 
Periode  nymphale  je  ne  vois  aucun  changement  dans  ces  cellules. 
Le  nombre  des  oenocytes  de  la  SimuUa  est  plus  considerable  ä  la 
flu  de  la  pupation  que  chez  la  larve.  Sans  avoir  constate  de  Stades 
de  division,  je  pense,  que  ces  cellules  se  sont  multipliees.  Jamals 
chez  les  Dipteres  superieurs  je  n'ai  constate  la  formation  d'oenocytes 
imaginaux  differents  des  oenocytes  larvaires.  Resume:  Chez  les 
Dipteres  (sup.  ?)  les  oenocytes  ne  subissent  aucune  histolyse  durant 
la  nymphose. 

Beelese  (1902)  veröffentlichte  Untersuchungen  über  das  Fett- 
gewebe der  Insecten  und  giebt  in  dieser  Abhandlung  eine  Reihe  von 
Beobachtungen  über  die  Oenocyten,  speciell  über  Grösse,  Aussehen  etc. 
derselben  in  jungen  Hymenopterenlarven.  Auch  eine  Gall- 
wespenlarve (Cynips  fo^ae),  aber  erst  eine  solche,  die  3  mm  lang  ist, 
hat  er  untersucht.  Er  findet  in  derselben  viele  Oenocyten,  alle 
durchschnittlich  30  ,tt  gross,  ihr  Kern  hat  10  i-i.  Das  Plasma  ist 
stärker  färbbar  in  der  Umgebung  des  Kernes.  Einschlüsse  finden 
sich  nicht. 

Bei  der  erwachsenen  Larve  (4  mm)  sind  die  Oenocyten  nur 
25  1^1  im  Durchmesser,  wenig  färbbar  und  stark  vacuolisirt.  Der 
Kern  misst  jetzt  aber  ca.  16  //.  Neben  diesen  „leeren  Oenocyten" 
finden  sich  andere  önocytenartige  Zellen  zerstreut  im  Fettgewebe, 
die  grösser  (45  //,  Kern  10  /.i)  sind  und  beladen  mit  Uraten  in 
Kugel  form  mit  concentrischen  Zonen.  „Ich  bin  der  Meinung,  dass 
diese  Uratzellen  Nichts  sind,  als  Oenocyten,  die  ihre  Function  be- 
endet haben  und  überladen  sind  mit  Excretionsproducten'".  Sie 
finden  sich  bis  ins  ausgewachsene  Thier,  dort  aber  nicht  mehr. 

Von  andern  Hymenopteren  beansprucht  zunächst  eine  nur  800  f.i 
lange  Ameisenlarve  unsere  Beachtung  (Tcqnnoma  erraiicum).  Oeno- 
cyten liegen  in  6  Körperringen,  vom  4. — 9.,  ca.  10  an  jeder  Seite, 
im  9.  nur  6 — 7  Zellen.  Letztere  sind  auch  kleiner  als  die  gruppen- 
weise gelagerten   dicht  an    einander  gedrängten   und  daher  spindel- 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     49 

förmig-  erscheinenden  Oenocyten  des  4.  Segments.  Die  Grösse  ist 
11 — 15  |f/.  Das  Plasma  ist  homog-en,  mit  Hämalaiin  ziemlich  gut 
färbbar,  der  Kern  rund  mit  deutlichem  Nucleinnetz  und  ziemlich 
grossem  Nucleolus.  Bei  einer  Larve  von  1350  /ti  {Pheidole  pallidula) 
findet  B.  die  Oenocyten  l)is  25  /<  und  stark  färbbar  mit  Hämalaun, 
den  Nucleolus  klein  und  nicht  in  allen  Kernen.  Bei  altern  Stadien 
macht  er  die  Bemerkung,  dass  bei  der  Pronympha  und  Nympha  sich 
zahlreichere  Oenocyten  finden  als  in  jungen  Larven.  „Gli  enociti 
rissi  (=  Larval-Oenocyten)  devono  aver  proliferato  ed  i  loro  rampolli 
non  restano  aderenti  alla  colonia  dl  origine,  ma  si  diffondono  nel 
corpo".  Diese  Wanderung  hält  er  für  eine  active:  Ritengo,  che 
questa  migrazione  avvenga  non  passivamente  affato,  ma  per  virtu 
intrinseca  e  con  movimenti  ameboidi  proprii."  Letzteres  schliesst  er 
daraus,  dass  diese  Oenocyten  pseudopodienförmige  Fortsätze  zeigen, 
die  sich  zwischen  die  Fettzellen  hineinschieben,  zuweilen  diese 
scheinbar  von  zwei  Seiten  umklammern.  Li  der  Puppe  findet  er 
dann  ,,einige  wenige  grosse  Elemente'-,  die  mit  Uraten  beladen  sind. 
Ueber  ihre  Natur  ist  er  lange  im  Zweifel  gewesen,  glaubt  aber  an- 
nehmen zu  dürfen,  dass  es  Oenocyten  sind,  und  der  Ansicht  sich  an- 
schliessen  zu  sollen,  dass  sie  als  Excretionsorgane  Avährend  dei-  Un- 
thätigkeit  der  MALPiGHi'schen  Gefässe  die  Urate  aus  dem  Körper 
aufnehmen. 

Für  die  Tenthredinide  HijJotoma  rosae  giebt  Berlese  für  vier 
verschiedene  Altersstufen  folgende  die  Oenocyten  betreffende  Daten. 
Im  reifen  Embryo  von  ca.  2  mm  liegen  wenige  rundliche  Oenocyten 
mit  homogenem  Plasma,  im  Durchmesser  von  11 — 13  ft.  In  der  eben 
ausgeschlüpften  Larve  (ca.  2,2  mm)  haben  die  Oenocyten  25—30  /<. 
Sie  sind  stark  färbbar,  haben  scharfes  Chromatinnetz  und  viele 
Vacuolen  im  Plasma.  Bei  der  Larve  von  4  mm  Länge  messen  die 
Oenocyten  80 — 35  j«,  sonst  sind  sie  nicht  verschieden;  bei  der  reifen 
Larve,  die  nicht  unter  15  mm  gross  ist,  messen  die  Oenocyten 
60—65,«.  Im  Aussehen  ist  auch  hier  kein  merkensw'erther  Wechsel 
eingetreten.  Bei  Ilylotoma  und  andern  Tenthrediniden  beginnen  die 
Oenocyten  schon  in  den  ersten  Tagen  des  Einschlusses  der  I^arven 
im  Cocon  zerstört  zu  werden,  indem  zuerst  das  Plasma  sich  aufhellt, 
um  schliesslich  in  Tropfen  zu  zerfallen,  dann  der  Kern  demselben 
Schicksal  anlieim  fällt. 

Kürzlich  ist  noch  eine  Arbeit  veröffentlicht  von  Nils  Holmgeen 
(1902).  Sie  behandelt  die  Excretionsorgane  von  Apion  flavijjes  und 
Daojtes  nicjer.    Falls  die  als  Oenocyten  bezeichneten  Organe  wirklich 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  4 


50  Heinrich  Rössig, 

solche  sind,  dann  würden  die  an  diesen  Käfern  gemachten  Beobach- 
tnng-en  aucli  auf  die  Oenocytenthätigkeit  bei  den  Gallvvespenlarven 
einiges  Licht  werfen.  Freilich  müsste  man,  da  es  sich  bei  diesen 
Untersuchungen  offenbar  um  imaginale  Oenocyten,  bei  den  Gallwespen 
um  die  larvalen  handelt,  die  Voi-aussetzung  machen,  dass  es  sich 
bei  beiden  Oi-ganen  um  gleiclie  Thätigkeit  liandelt.  N.  H.  schreibt 
nämlich,  dass  es  in  der  Leibeshöhle  von  Dacytes,  ,jn  der  Nähe  der 
MALPiGHi'schen  Gefässe  einige  maulbeerförmige  Haufen  von  grossen 
Oenocyten"  giebt.  „Sie  messen  bis  500  j».''  Die  Zellsubstanz  ist 
fädig,  mit  Kügelchen  strotzend  gefüllt.  Die  Kügelchen  enthalten 
chromatophile  Körnchen. 

„Von  besonderm  Interesse  ist  das  Yerhältniss,  dass  diese  Oeno- 
cyten mit  den  accessorischen  Excretionsdrüsen  in  einer  bestimmten 
Lagebeziehung  stehen.  Man  bemerkt  nämlich  sehr  oft  (flg.  12),  dass 
die  Spitze  des  Excretionsorgans  in  eine  Oenocyte  eingebohrt  ist  oder 
richtiger,  dass  die  Oenocyte,  welcher  man  ein  gewisses  selbständiges 
Bewegungsvermögen  zuschreiben  muss,  sich  um  die  Excretionsorgane 
gelagert  hat." 

Er  hat  ferner  Injectionen  mit  Methylenblau  in  Pulverform  vor- 
genommen und  gefunden,  dass  von  den  Excretionsorganen  zuerst  der 
Kern  gefärbt  wird,  dann  im  Plasma  gefärbte  Körnchen  auftreten 
und  ins  Drüsenluraen  wandern.  Die  Oenocyten  nehmen  die  Farbe 
auf  dieselbe  Weise  auf.  „Es  scheint  aber,  als  nähmen  die  Oenocyten 
die  Farbe  zuerst  auf!,  indem  die  Kerne  dieser  Zellen  sich  ein  wenig 
früher  als  die  accessorischen  Excretionsorgane  färben." 

Die  Oenocyten  der  G  a  1 1  w  e  s  p  e  n  1  a  r  v  e  n. 

Die  larvalen  Oenocyten  der  Gallwespenlarven  liegen,  wie  bei 
andern  Insecten,  in  den  ersten  Abdominalringen;  die  in  Fig.  2  ab- 
gebildeten gehören  z.  B.  dem  2. — 7.  Abdominalringe  an.  Sie  finden 
sich  zu  beiden  Seiten  des  Körpers  zwischen  dem  Epithel  des  Mittel- 
darmes und  der  Hypodermis,  der  Bauchseite  etwas  näher  als  dem 
Rücken  (vgl.  die  Fig.  1  und  2,  ferner  4,  5,  29).  Sie  liegen  nicht  lose, 
sondern  sind  an  Tracheen  angeheftet.  Vereinzelt  liegen  sie  so  weit 
nach  vorn  verschoben,  dass  sie  die  Speicheldrüsen  berühren,  zumeist 
aber  sind  sie  zwischen  Hypodermis  und  MALPiGHi'sche  Gefässe  ein- 
gepresst,  liegen  dann  gar  nicht  selten  dem  Lumen  der  letztern  so 
eng  und  hart  an  (Fig.  4,  29  und  besonders  5  links),  dass  man  geneigt 
sein  würde,  sie  für  besonders  dilferenzirte  Zellen  der  MALPiGHi'schen 


Von  welchen  Organen  geht  der  Eeiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     51 

Gefässe  zu  halten,  wenn  man  sie  nicht  an  andern  Stellen  isolirt  da- 
von fände. 

Ihre  Zahl  ist  in  den  jungen  Larven  verschiedener  Arten  nicht 
constant,  auch  nicht  bei  den  Individuen  derselben  Art.  Ja  selbst 
in  demselben  Individuum  zeigen  die  beiden  Körperhälften  Verschieden- 
heiten. So  zeigen  z.  B.  7  Larven  von  Dnjophanta  divisa  Htg.  aus 
dem  Anfang  Juli,  Larven  von  400—600  /<  Länge 


rechts 

links 

I 

4 

4 

II 

2 

2 

III 

3 

6 

IV 

3 

2 

V 

9 

4 

VI 

3 

3 

VII 

o 

3 

Daraus  ergiebt  sich  als  Durchsclinitt  für  jede  Körperseite  der 
jungen  Larve  eine  Zahl  von  3 — 4  mit  einem  Maximum  von  9,  einem 
Minimum  von  2  Zellen.  Aehnliche  Zahlen  finde  ich  auch  bei  jungen 
Larven  anderer  Arten :  BiorJma  terminalis  ^e  3;  Andricus  fecundatrix 
Htg.  (von  400  fi)  2;  Andr.  ostreus  Gm.  3 — 4;  Dryopliania  foJii  L. 
2  —  3;  Bhodites  rosae  L.  6;  Trigonaspis  renum  Gm.  (Larve  1070  .«, 
Oenocyten  89  f.i)  4 — 6. 

Noch  AvechselvoUer  als  die  Zahl  kann  die  Gestalt  der  Oenocyten 
nach  ihrem  äussern  Umriss  sein.  Genau  kreisförmig  erscheint  er  ver- 
einzelt in  ganz  jungen,  häufiger  in  altern  Larven,  bei  denen  die 
Oenocyten  im  Fettgewebe  sich  finden.  In  den  Stadien,  welche  der 
Zwischenzeit  angehören,  erscheinen  die  Oenocyten  dagegen  in  Ge- 
stalten, wie  sie  die  Figg.  2,  4,  5,  29,  30  geben.  Sie  sind  einge- 
presst  in  die  Gewebe  des  Körpers,  dem  vorhandenen  Räume  sich 
anpassend.  Da  sie  auf  einer  Seite  festgeheftet  sind,  werden  sie  bei 
seitlicher  Pressung  sehr  häufig  birnförmig,  wie  gestielt  (Fig.  4  links, 
Fig.  5  rechts).  In  andern  Fällen  sind  sie  oval,  halbmondförmig  oder 
unregelmässig  verbogen  und  eingebuchtet.  Letzteres  wird  besonders 
auffallend,  wenn  sie  neben  dem  Längsmuskel  der  Körperseite  liegen. 
Dann  schneidet  dieser  tief  in  das  Plasma  und  den  Kern  der  Oeno- 
cyte  ein,  sie  fast  halbirend  (Fig.  5  links,  29).  Diese  Unregelmässig- 
keiten der  Gestalt  zeigen  häufiger  die  jungen  cZivm-Larven,  welche 
mit  kaltem  Sublimat  fixirt  wurden.  Auf  den  Schnitten  durch  Larven, 
die  mit  heissem  Sublimat  fixirt  sind,   ist  die  Schrumpfung  weit  ge- 


52  Heinrich  Eössig, 

ringer  und  darum  aucli  die  Gestalt  der  Körperorgane  regelmässiger. 
Die  Oenocj'ten  streben  dann  runde  Form  anzunehmen.  Eines  darf 
man  aber  aus  der  jedem  Drucke  nachgebenden  Gestalt  schliessen, 
dass  die  Oenocyten  sehr  weiche  und  fügsame  Gebilde  sind,  weniger 
widerstandsfähig  als  die  übrigen  Körperorgane. 

Das  Verhalten  der  Oenocyten  gegen  Farbstoife  und  ilir  Aussehen 
auf  gefärbten  Schnitten  ist  sehr  charakteristisch.  Man  darf  sagen, 
dass  dieselben,  das  Stadium  der  Degeneration  ausgenommen,  in  allen 
Larvenstadien  viel  weniger  färbbar  sind  als  die  übrigen  Drüsen  des 
Larvenkörpers,  Speicheldrüse,  Darmepithel,  MALPiGHi'sche  Gefässe. 
Bei  der  zumeist  von  mir  verwendeten  Doppelfärbung,  Hämatoxylin- 
Pikrokarmin,  erscheinen  sie  fast  hell.  Während  die  Speicheldrüsen 
sowohl  als  die  MALPiGHi'schen  Gefässe  einen  blauschwarzen  Farbton 
angenommen  haben,  erscheinen  die  Oenocyten  in  ihrem  Plasma  schwach 
rosa,  und  nur  ihr  Kernchromatin  hat  die  Färbung  der  übrigen  Zell- 
kerne, ein  etwas  tieferes  Blau  (fast  Schwarz),  als  es  das  Plasma  der 
MALPiGHi'schen  Gefässe  aufweist.  Diese  Beständigkeit  weisen  die 
Oenocyten  auch  gegenüber  einer  Anzahl  von  andern  Farbstoffen  auf. 
Eosin  und  Saifranin  nehmen  sie  auf,  aber  nicht  auffallend  mehr  als 
andere  Organe.  Mit  Parakarmin  gefärbte  Schnitte  zeigen  gleich 
intensive  Rothfärbung  der  Kerne  bei  Oenocyten  und  MALPiGHi'schen 
Gelassen.  Im  Plasma  tritt  derselbe  Unterschied  wie  beim  Pikrokarmin 
hervor,  es  ist  deutlich  heller  geblieben,  ist  weniger  roth,  zeigt  eher 
einen  Stich  ins  Gelbe.  Auch  den  Farbton  des  Bismarckbraun  nehmen 
die  Oenocyten  nur  schwach  an.  Säurefuchsin  färbt  alle  Organe,  auch 
die  Oenocyten  scharf  und  dilfiis  roth.  Pikronigrosin  lässt  sie  nur 
wenig  hervortreten,  nur  das  mehr  homogene,  daher  dichter  erschei- 
nende Plasma  lässt  sie  von  den  Drüsenzellen  der  MALPiGHi'schen 
Gefässe  unterscheiden. 

Auffällig  anders  verhalten  sich  die  Oenocyten  nach  Osmium- 
Fixirung  (nach  Vom  Rath),  sie  sind  jetzt  schmutzig  braun  und  scheinen 
alle  Verwandtschaft  zu  Farbstoffen  eingebüsst  zu  haben.  Nur  hier 
und  da  ist  bei  der  Doppelfärbung  Hämatoxylin-Pikrokarmin  eine 
schwache  Färbung  ins  Röthliche  wahrzunehmen.  Die  MALPiGHi'schen 
Gefässe  dagegen  erscheinen  kaum  anders  tingirt  als  nach  Sublimat- 
Fixirung. 

In  histologischer  Beziehung  lässt  sich  Folgendes  über  Plasma 
und  Kern  der  Oenocyten  sagen.  In  jungen  Larvalönocyten  hat  das 
Plasma  ein  sehr  homogenes  Aussehen.  Das  gesammte  Plasma  er- 
scheint  gleichmässig  dicht   und   fein.     Trübungen   oder   Zonen    im 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  znr  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     53 

Plasma  habe  ich  niclit  beobachtet.  Der  relativ  grosse  Kern  ist 
mit  zahlreichen  Chromatinkörnchen  durchsetzt,  die  deutlich  isolirt 
liegen.  Die  Kernmembran  ist  scharf.  Es  können  mehrere  lichter 
als  die  Chromatinkörnchen  gefärbte,  schwach  bläuliche  Nucleolen  vor- 
handen sein.  Seine  Gestalt  ist  meist  constanter  (rund  bis  länglich) 
als  beim  Plasma.  Schon  in  den  jüngsten  Larven  zeigen  sich  aber 
auch  Oenocyten,  deren  Plasma  von  reichlichen  Vacuolen  durchsetzt 
ist.  Nach  der  von  Veeson  gegebenen  Erklärung  sind  es  die  Hohl- 
räume, in  denen  ein  farbloses  Secrettröpfchen  sich  sammelte,  das 
vom  Kerne  ausgeschieden  durch  das  Plasma  zur  Peripherie  wandert. 
Da  diese  Vacuolen  nur  in  Larven  zur  Beobachtung  kommen,  die  mit 
heissem  Sublimat  iixirt  wurden,  die  in  allem  besser  fixirt  erscheinen 
als  die  in  kaltem  Sublimat  getödteten,  in  denen  sich  nichts  der- 
artiges zeigt,  darf  man  wohl  den  Gedanken  an  ein  Kunstproduct  ab- 
weisen und  die  Erscheinung  dahin  deuten,  dass  sie  ein  Zeichen  der 
lebhaften  secernirenden  Thätigkeit  dieser  Oenocyten  ist. 

Zur  Zahl  der  Kerne  in  den  Oenocyten  bemerken  v.  Wielowiejski 
und  KoscHEvxiKov  ausdrücklich,  dass  sie  niemals  mehr  als  einen  Kern 
in  den  Oenocyten  wahrgenommen.  Meine  Fig.  27  b  zeigt  eine  Oeno- 
cyte  aus  einer  ferminaUs-hsLr\e,  welche  2  Kerne  hat,  deren  einer 
höher  liegt  als  der  andere,  so  dass  nicht  zu  entscheiden  ist,  ob  beide 
einer  oder  zwei  verschiedenen  Zellen  angehören.  Von  einer  altern 
autunmalis-LMYe  mit  2  deutlichen  Kernen  in  einer  Oenocyte  später. 

Die  Grösse  der  Larval-Oenocysten  schwankt  zwischen  beträcht- 
lichen Zahlenwerthen.  Sie  ist  aber  im  Allgemeinen  im  Verhältnis« 
zur  geringen  Grösse  der  Larve  als  enorm  zu  bezeichnen  und  bildet 
neben  dem  homogenen  Aussehen  das  auffälligste  Merkmal  derselben. 
Bei  der  jüngsten  Larve  von  Biorhisa  tcrminalis  Fbe.  von  nur  470  f.i 
Länge  erreicht  der  Durchmesser  der  Oenocyte  20  /<  (Fig.  6  und  27). 
Bei  Andricus  ostreus  Gm.  sind  die  entsprechenden  Zahlen :  357  (.i  und 
23  (.t  (Fig.  9) ;  Andricus  fecundatrix  Htg.  :  400  /<  und  25  /< ;  Bryoplianta 
folii  L.:  514  /«  und  67  (.i  (Kern  30  fi). 

Sie  müssen  rapide  wachsen;  bei  den  jüngsten  Larven  von 
Bryoplianta  dkisa  Htg.,  die  ich  Ende  Juni  erhielt,  messen  die  Oeno- 
cyten schon  67  (.i  bei  einer  Gesammtlänge  der  Larve  von  nur  460  (.i. 
Bei  einer  am  17.  Juli  fixirten  Larve  haben  die  Oenocyten  89  /t 
(Kern  46  (.i)  im  Durchmesser.  Bei  einer  am  Ende  Juli  fixirten,  die 
wenigstens  4  Wochen  älter  ist  als  die  zuerst  genannte,  hat  die  Ge- 
sammtlänge des  Thieres  nur  um  325  /<  zugenomm-en,  d.  h.  um  die 
Hälfte  der  frühern  Länge,  sie  beträgt  jetzt  785  /<      Die  Oenocyten 


54  Heinrich  Rössig, 

aber  messen  jetzt  146  /<  (bei  einer  andern  selbst  bis  150  f.i\  den 
liüchsten  bei  divisa-L-cirven  gefundenen  Betrag.  Aelinlicli  ist  es  bei 
den  Larven  anderer  Arten.  Von  ^/jg  der  Gesammtlänge  schwingen 
sich  die  Oenocvten  bis  zu  ^/s  dei'selben  empor. 

Es  ist  auffallend,  bei  einer  Larve  von  noch  nicht  1  mm  Länge 
Oenocyten  von  solcher  Grösse  zu  treifen.  Absolut  gerechnet  giebt 
es  zwar  Oenocvten  von  grösserer  Ausdehnung,  nach  Koschevnikov 
erreichen  sie  ja  in  der  Puppe  der  Bienenkönigin  bis  176  i-i.  Es  ist 
dies  aber  auch  der  einzige  mir  bekannt  gewordene  Fall,  wo  die 
Oenocyten  eine  stärkere  Entwicklung  zeigen  als  bei  den  Gall- 
v^'espen.  Eelativ  aber  zur  Körperlänge  und  -Masse  wird  eine  gleiche 
Grösse  von  keinem  bisher  l^ekannt  gewordenen  Thiere  erreicht. 
Denn  abgesehen  davon,  dass  die  Oenocyten  bei  der  Bienenkönigin 
erst  in  der  Puppe  das  Maximum  ihrer  Ausdehnung  erlangen  sollen, 
während  dieses  bei  den  Cynipiden  noch  in  die  Larvenperiode  fällt, 
misst  die  Puppe  der  Bienenkönigin  15—16  mm,  während  die  Gall- 
wespenlarve noch  nicht  einmal  die  Länge  von   1  mm   erreicht  hat. 

Veränderungen  im  Aussehen  der  Oenocyten  und  zwar  des 
Plasmas,  wie  auch  des  Kerns,  zeigen  sich  mit  der  zunehmenden 
Entwicklung  der  Larve  und  dem  Wachsthum  der  Oenocyten.  Es 
mögen  noch  einige  solcher  Stadien  beschrieben  werden.  Sie  er- 
innern mehrfach  an  Figuren  und  Beschreibungen,  welche  Verson 
von  seinen  hypostigmatischen  Drüsenzellen  veröffentlicht  hat.  Da 
man  es  aber  bei  Gallwespen  nicht  wie  bei  Bonibyx  in  der  Hand  hat, 
4as  Alter  der  betr.  Larve  genau  zu  controliren,  wenn  man  nicht 
mühsame  Zuchtversuche  anstellt,  kann  ich  nicht  sagen,  ob  die 
Stadien  genau  so  auf  einander  folgen  wie  bei  Bombyx  mori. 

Es  möge  vorweg  erwähnt  werden,  dass  in  altern  Larven,  die 
heiss  fixirt  wurden,  des  öftern  Oenocj'ten  sich  fanden  mit  pseudo- 
podienartigen  Fortsätzen,  wie  sie  in  Fig.  30  a — f  in  Umrissen,  die 
mit  dem  Zeichenapparat  entworfen  sind,  gegeben  werden.  Solche 
Bilder  dürfte  wohl  auch  Berlese  vor  sich  gehabt  haben,  als  er  an- 
nahm, dass  den  Oenocyten  eigene  Bewegung  zukomme,  und  Koschev- 
KiKov,  als  er  behauptete,  dass  die  Oenocyten  Fettkörperzellen  ver- 
schlingen können. 

Die  Fig.  33  zeigt  eine  Oenocyte  aus  einer  Dryophanfa  divisa 
noch  aus  dem  Anfang  Juli.  Ihr  Durchmesser  beträgt  102  i^i,  Kern 
48  (.1.  In  diesem  Stadium  ist  der  Kern  geschrumpft,  seine  Membran 
springt  mit  zackigem  Rande  in  das  Protoplasma  vor.  Seine  Chromatin- 
körnchen  zeigen  hier  und  da  Neigung  zum  Verklumpen.    Das  Plasma 


Von  welchen  Organen  gebt  der  Reiz  zur  Bilching  der  Pflanzengalle  aiis?     55 

ist  homogen,  aber  es  zeigen  sich  hier  und  da  kleinste,  kaum  wahr- 
nehmbare dunkle  Körnchen  in  demselben  eingelagert. 

Die  Fig.  28  stammt  aus  einer  altern  Larve  derselben  Art 
(21.  Juli).  Es  ist  die  grösste  der  in  Fig.  2  bei  nur  70facher  Ver- 
grösserung  dargestellten  Oenocyten  bei  450facher  Vergrösserung. 
Sie  hat  141  ,«  im  Durchmesser,  der  Kern  70  [.i.  Der  Kern  besitzt 
an  einer  Seite  (links)  einen  schwach  gezackten  Rand,  zeigt  ein 
Chromatin,  das  vielfach  zu  grössern  Klumpen  vereinigt,  sonst  aber 
ziemlich  regelmässig  vertheilt  ist.  Stärker  verändert  erscheint  das 
Plasma.  In  der  Umgebung  des  Kernes  zeigt  es  sich  auffallend  hell 
und  durchsichtig.  Aehnlich  ist  es  in  der  peripheren  Schicht.  In 
der  mittlem  ringförmigen  Zone  aber  ist  es  ungleichmässig  ange- 
dunkelt, ob  durch  Hämatoxjdin  oder  etwaige  unter  der  Grenze  der 
Sichtbarkeit  liegende  Einlagerungen,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Auch 
reihenförmig  angeordnete  feine  Körnelung  zeigt  sich,  durchsetzt  in 
andern  Fällen  auch  wohl  das  ganze  Plasma,  und  es  gleichen  dann 
diese  Körnchen  den  kleinsten  (Chromatin  PjKörnchen  des  Kerns. 

Die  Figg.  31  u.  32  sind  altern  Larven  von  Andricus  autumnalis 
Htg.  entnommen.  Bei  Fig.  31  ist  die  Chromatiumasse  körnig.  Die 
Körnchen  sind  aber  in  Eeihen,  wenigstens  theilweise,  angeordnet, 
zwischen  denen  hellere  Räume  sich  hinziehen.  Das  Plasma  ist  ge- 
körnelt,  überall  von  gleichmässiger  Zusammensetzung.  Fig.  32  ist 
eine  bei  450facher  Vergrösserung  gezeichnete  Oenocj^te  mit  zwei 
Kernen.  Das  Plasma  ist  homogen  und  zeigt  nichts  Besonderes. 
Die  Kerne  sind  desto  auffälliger.  Das  Chromatin  ist  nicht  körnig, 
sondern  faserig  und  zerzaust,  etwas  netzförmig,  und  umschliesst  eine 
Anzahl  heller  Räume.  Es  ist  lebhaft  gefärbt,  und  man  könnte  an 
eine  vor  sich  gegangene  Theilung  denken  und  die  zwei  Kerne  für 
die  Bruchstücke  eines  zuvor  einheitlichen  Kernes  halten.  Die  Maasse 
stützen  diese  Erklärung: 

Fig.  31.     Durchmesser   der  Oenocyte   133  /ti,   des  Kernes  76  ft. 

Fig.  32.  Durchmesser  der  Oenocyte  134  /n,  der  Kernstücke 
je  41  ^i. 

Die  Figg.  34  u.  35  entstammen  einer  Larve  von  Andricus 
malpighii  Adler.  Ihr  Durchmesser  ist  110  resp.  109  /<.  Die  Fig.  34 
zeigt  gewisse  Aehnlichkeit  mit  dem  Fig.  27  dargestellten  jungen 
Stadium.  Das  Kernchromatin  ist  reichlich  vorhanden  und  fein  zer- 
theilt.  Hier  ist  besonders  das  Zellplasma  der  Beachtung  werth.  Es 
ist  von  zahlreichen  Vacuolen  durchsetzt,  die  zum  Tlieil  dem  Kern 
dicht  anliegen.     Eine  scheint  sogar  noch  theilweise  dem  Kern  ein- 


56  HElNRICri   RÖSSIG, 

gelagert  zu  sein.  Wir  würden  Avieder,  nach  Verson,  ein  Stadium 
haben,  in  welchem  der  Kern  nach  einer  Periode  lebhafter  Thätig-keit 
sich  zusammen  zu  ziehen  beginnt,  das  Secret  ausstösst,  das  nun 
durch  das  Plasma  wandert.  Fig.  35  könnte  dann  einem  etwas 
spätem  Stadium  angehören.  Die  Figur  stellt  keinen  Medianschnitt 
durch  den  Kern  dar,  sondern  einen  solchen,  der  den  Kern  eben  ge- 
streift hat,  nur  die  vorragenden  Theile  sind  getroffen.  Da  die  eine 
Oelfnung  in  dem  ringförmigen  Kern  dunkel,  die  andere  hell  ist, 
könnte  man  zur  Erklärung  dieses  Unterschiedes  annehmen,  dass  im 
ersten  Falle  der  Kern  zeitiger  sich  zusammengezogen,  das  Secret 
verschwunden  und  Plasma  an  seine  Stelle  wieder  getreten  ist,  im 
zweiten  aber  das  Secret  noch  der  Kernmembran  anlagerte. 

Die  Figg.  36,  37  und  39  gehören  Larven  an,  deren  Oenocyten 
bereits  in  Degeneration  sind.  AVenn  dieses  Stadium  naht  oder  schon 
eingetreten  ist,  zeigt  das  Plasma  der  Oenocyten  ein  ganz  anderes 
Verhalten  gegen  die  Farbstotfe.  Es  wird  jetzt  weniger  Karmin,  aber 
mehr  Hämatoxylin  aufgenommen.  Pikrin,  das  zuvor  ganz  abgelehnt 
wurde,  giebt  jetzt  ganz  intensive  Färbungen.  Die  Figg.  36  und  37 
sind  von  Dryophanta  divisa  Htg.  und  liegen  auf  dem  gleichen 
Schnitt  neben  einander.  Erstere  misst  66  (.i,  ihr  Kern  24  ii  im 
Durchmesser.  Im  Vergleich  zu  frühern  Stadien  ist  die  Oenocyte 
daher  stark  reducirt.  Der  Inhalt  des  Kernes  bildet  eine  einzige 
dunkle  Masse.  Diese  schliesst  bei  Fig.  36  noch  fest  zusammen,  bei 
Fig.  37,  die  nur  einen  Theil  des  gestreiften  Kernes  erhalten  hat, 
lösen  sich  vom  Kern  dunkle  Streifen  ab,  die  unter  einander  ana- 
stomosirend  das  Plasma  durchziehen.  Dieses  enthält  zahlreiche 
Vacuolen,  besonders  in  den  peripheren  Partien.  Die  Fig.  39  stellt 
eine  degenerirende  Zelle  dar  aus  der  Larve  von  Cymps  Jcollarii  Htg., 
die  mit  vorigen  etwa  gleichen  Alters  ist.  Sie  zeigt  noch  deutlicher, 
dass  die  Kernmembran  in  diesen  Stadien  verschwindet. 

Die  Fig.  40  ist  eine  bei  Immersion  gezeichnete  56  ./<  im  Durch- 
messer haltende  Oenocyte  von  Andricns  mälpighii  Adler.  Sie  ist 
mit  Uraten  überladen.  Diese  bilden  die  charakteristischen,  runden, 
aus  radiär  gestellten  Strahlen  aufgebauten,  bräunlichen  Krystalle. 
Die  grössten  derselben  erreichen  bis  7  (.i.  Zahlreiche  unter  der 
Grenze  des  Gesichtsfeldes  liegende  geben  sich  als  dunkle  Punkte 
zu  erkennen.  Der  Kern  dieser  Zellen  ist  verhältnissmässig  klein, 
er  hat  nur  15  u  im  Durchmesser.  Das  Plasma  ist  geschwunden. 
Die  Zellmembran  ist  an  einer  Seite  sehr  schwach,  fast  schon  ver- 
schwunden.   Vermuthlich  handelt  es  sich  hier  um  die  letzten  Stadien 


Von  welchen  Organen  gebt  der  Eeiz  zur  Bildung  der  Pllauzengalle  aus?    57 

der  degenerirenden  und  mit  Uraten  überladenen  Oenocyten,  wie  sie 
auch  von  andern  Insecten  angegeben  werden.  Ich  habe  solche 
Zellenbilder  nur  einmal  erhalten  bei  dieser  Larve.  Sie  ist  mit 
Sublimat  fixirt,  aber  nur  mit  Bismarckbraun  gefärbt.  Ungefähr  15 
solcher  Zellen  finden  sich  auf  einer  Körperseite  im  Fettgewebe. 

Die  Larval-Oenocyten  der  Gallwespen  erreichen  ihre  grösste 
Ausdehnung  (bis  150  /<),  ehe  noch  der  Mitteldarm  vollgestopft  er- 
scheint von  Zellgewebe.  Sie  gehen  dann  allmählich  zurück,  schrumpfen 
zusammen  und  verlieren  sich  Avährend  der  Puppenruhe.  In  letzterm 
gleichen  die  Cynipiden  also  den  Tenthrediniden. 

Die  Frage,  ob  die  Larval-Oenocyten  sich  vermehren,  möchte  ich 
mit  Ja  beantworten,  so  weit  die  Cynipiden  in  Frage  kommen. 
Verson  spricht  bei  Bomhijx  nicht  darüber.  Beelese  sagt  von  den 
Oenocyten  des  Melophagus  (Dipt.j  bestimmt:  Später  vermehrt  sich 
ihre  Zahl.  Vanet  glaubt  bei  Mücken  annehmen  zu  dürfen,  dass  sie 
sich  vermehren.  Für  die  Ameisen  {PhddoJe  imlUdula  oben)  kommt 
Beelese  zu  dem  Schlüsse :  da  die  Oenocyten  in  der  Pronympha  viel 
zahlreicher  sind,  als  sie  in  der  jungen  Larve  waren,  müssen  sie  sich 
vermehrt  haben.  Gleiches  muss  ich  für  die  Cynipiden  annehmen. 
Ueber  das  Wie?  findet  sich  keine  Angabe  als  die  von  Caenoy,  der 
Durchschnürungen  nichts  Seltenes  sein  lässt,  dessen  fig.  283  aber 
den  Verdacht  erregt,  er  habe  eine  neben  Oenocyten  gelegene  Peri- 
cardialzelle  für  eine  Theilungsfigur  gehalten.  Seine  Erklärung  des 
Vorganges  dürfte  gleichwohl  zu  Eecht  bestehen,  wenn  es  gelingt, 
die  meine  Fis:.  32  ergänzenden  Stadien  nachzuweisen. 


Junge  Fettkörperzellen. 

Noch  ehe  die  Larve  sich  anschickt,  in  das  Puppenstadium  zu 
treten,  sieht  man  von  umschriebenen  Stellen  der  Hypodermis  aus, 
rechts  und  links  unterhalb  der  Seitenlinie  der  Abdominalsegmente, 
önocytenähnliche  Gebilde  sich  erheben  und  zu  ca.  30—50  ,u  heran- 
wachsen. Es  sind  junge  (imaginale)  Fettzellen.  Sie  entstehen  aus 
der  Hypodermis,  wie  deutliche  Kerntheilungsfiguren  zeigen,  deren 
eine  auf  dem  Schnitt,  welchen  die  Fig.  51  wiedergiebt,  zu  sehen  ist. 
Diese  Figur  zeigt  ausserdem  eine  Anzahl  solcher  Zellen,  die  dort  in 
der  Nähe  der  Hypodermis  heranwachsen.  Die  Theilungsspindel, 
welche  hier  mit  der  Längsaxe  der  Hypodermis  fast  parallel  liegt, 
steht  in  andern  Fällen,  z.  B.  wenige  Schnitte  von  dem  hier  abge- 
bildeten,  fast  genau   senkrecht  dazu,  und  sie  steckt  mit  dem  einen 


58  Heinrich  Rössio, 

Pole  der  Spindel  zwischen  den  zahlreichen  Kernen  der  Imaginal- 
scheibe.  So  lan^e  die  daselbst  heranwachsenden  Zellen  30  i^i  noch 
nicht  überschritten  haben,  ähneln  sie  nach  Gestalt  und  Färbung-  ganz 
den  Oenoc3'ten.  Dann  aber  beginnt  die  Umbildung  in  tyi)ische  Fett- 
körperzellen. Ungefähr  alle  dabei  auftretenden  Stadien  finden  sich 
auf  dem  in  Fig.  52  wiedergegebenen  Schnitte:  noch  ganz  intacte 
runde  Zellen  mit  homogenem  Plasma,  solche  in  deren  Plasma  nur 
eine  Vacuole  sich  zeigt,  Zellen  mit  2  und  mehr  Vacuolen  und 
schliesslich  tj'pische  Fettzellen,  bei  denen  die  Vacuolen  nicht  nur 
das  Plasma,  sondern  auch  den  Zellkern  gesprengt  haben.  Irgend 
welche  Eiweisskr^'stalle  oder  -Tröpfchen  sind  in  diesen  Vacuolen 
noch  nicht  angehäuft. 

Diese  Bilder  entsprechen  ganz  den  jüngst  von  Berlese  bei 
andern  Hymenopteren  gefundenen.  Schäefek  hat  diese  Elntstehung 
des  Fettkörpers  als  sehr  wahrscheinlich  bezeichnet  und  sich  dabei 
mit  Recht  auf  ältere  Arbeiten  berufen.  AVeismanx,  in  der  Metamor- 
phose der  Corcthra  plumicornis,  hatte  schon  Wucherungen  in  der 
Hypodermis  in  einem  ziemlich  entwickelten  Stadium  der  Larve  ge- 
sehen, und  VON  AA'iELOwiEjsKi  hatte  dann  in  der  Untersuchung  über 
den  Fettkörper  der  Corethra  plnmicornis  und  seine  Entwicklung  darauf 
hingewiesen,  dass  schon  in  der  ganz  jungen  Larve  unter  der  Hypo- 
dermis eine  Zellenschicht  sich  befindet,  aus  welcher  sich  der  Fett- 
körper der  Imago  später  entwickelt.  Schäfpee  selbst  hat  Aehnliches 
gefunden,  und  in  seiner  tab.  30,  fig.  32  zeichnet  er  einen  Schnitt, 
von  dem  er  sagt,  dass  solche  Bilder  „sich  kaum  anders  deuten  lassen, 
denn  als  Bildungsheerde  mit  sich  ablösenden  Zellen".  Er  fand  die- 
selben in  der  Nähe  der  Stigmen  und  auf  ihnen  deutliche  Uebergänge 
zwischen  den  Zellen  von  5 — 25  ili.  Nur  Mitosen  hat  er  nicht  ge- 
sehen. In  seiner  Zusammenfassung  der  gewonnenen  Resultate  sagt 
er:  „Es  entstehen  von  der  Hypodermis  aus  einerseits  Blutkörperchen, 
andrerseits  Fettkörperzellen,  die  vielleicht  den  Fettkörper  der  Imago 
liefern."  Letzteres  trifi't,  wenn  nicht  für  alle,  wenigstens  für  einen 
Theil  der  Gallwespen  sicher  zu.  Es  ist  nach  dieser  Feststellung 
aber  auch  verständlich,  wenn  Carnoy  klagt,  dass  er  in  den  Fett- 
körperzellen keine  einzige  Karyokinese  habe  finden  können,  ebenso 
sein  Irrthum,  wenn  er  den  Fettkörper  durch  amitotische  Theilungen 
sich  vermekren  lässt.  AVenn  Koschevnikov  gegen  Schäffer  hervor- 
hebt, dass  man  bei  der  Biene  keineswegs  daran  denken  könne,  dass 
der  wahre  Fettkörper  aus  den  von  der  Hypodermis  sich  ablösenden 
Imaginal-Oenocyten  hervorgeht,  die  in  der  noch  jungen  weissen  Puppe 


You  welchen  Organen  geht  der  Reiz  znr  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     59 

entstehen,  während  noch  die  Larval-Oenocyten  existiren,  so  dürfte 
er  Recht  haben,  falls  die  Verhältnisse  dort  so  liegen  wie  bei  den 
Cynipiden.  Hier  sind  sich  jnng-e  Fettkörperzellen  nnd  jung-e  imaginale 
Oenocyten  zum  Verwechseln  ähnlich ;  beide  entstehen  aus  der  Hypo- 
dermis  der  Abdominalsegmente  und  zwar  an  der  Ventralseite;  nur 
zeitlich  findet  sich  ein  Unterschied.  Bei  den  C3niipiden  entstehen 
die  Fettkörperzellen  zuerst,  und  zwar  noch  ehe  die  Larve  zur  Puppe 
geworden,  die  Imaginal- Oenocyten  aber  entstehen  unmittelbar  danach, 
wenn  das  Puppenstadium  eben  begonnen  hat.  Erstere  werden  dann 
meist  schon  in  der  Nähe  der  Hypodermis  zu  typischen  Fettkörper- 
zellen, während  letztere  sich  zwischen  diese  hineinschieben,  aber,  wie 
ich  glaube,  niemals  in  solche  verwandeln.  Dass  die  Fettzellen  auch 
aus  der  Tracheenmatrix  entstehen  können,  soll  damit  nicht  in  Abrede 
gestellt  werden,  ich  habe  es  nicht  untersucht. 

Die  i  m  a  g  i  n  a 1 e  n  Oenocyten 
der  Cynipiden  nehmen  also,  wie  die  genannten  Forscher  angeben 
und  meine  eignen  Beobachtungen  bestätigen,  ihren  Ursprung  aus 
der  Hypodermis  der  Abdominalsegmente.  Sehr  typische  Bilder  er- 
hielt ich  für  ihre  Entwicklung  von  Ilhodites  rosae  L.  Man  vergleiche 
die  Figg.  53 — 55,  bei  denen  nur  die  Umrisse  der  Zellen  und  Kerne 
mit  dem  Zeichenapparat  eingetragen  sind,  mit  den  mehr  ausgeführten 
Figg.  56  und  57.  Sie  entstehen  durch  mitotische  Theilung  der  an- 
fänglich kleinen  Zellen.  Durch  eine  feine  Membran  zusammen  ge- 
halten, hängen  sie  wie  Säckchen  an  der  Hypodermis,  Fig.  58,  ganz 
ähnlich  einem  Abschnitt  der  sich  einstülpenden  Stigmenanlagen. 
Später  löst  sich  die  Membran  des  Säckchens,  und  die  Oenocyten  zer- 
streuen sich  in  das  Innere  des  Körpers,  wo  sie  zwischen  den  Fett- 
körperzellen fest  eingelagert  erscheinen.  Es  scheint  aber  auch  der 
Fall  vorzukommen,  dass  der  ganze  Complex  der  Oenocyten  von  der 
Hypodermis  zwar  abgelöst,  aber  durch  das  Häutchen  noch  länger 
zusammengehalten  wird.  Dann  täuschen  die  di(iht  gedrängten  Zellen, 
deren  Kerne  deutlich,  deren  Zellgrenzen  aber  nur  hier  und  da  zu  sehen 
sind,  ein  Sjmcytium  vor.  Einen  Schnitt  durch  ein  solches  giebt  die 
Fig.  59.  Diese  Imaginal-Oenocyten  sind  stets  viel  zahlreicher  als 
die  larvalen,  erreichen  aber  niemals  deren  enorme  Grösse. 

Oenocyten  der  inquilinen  Cynipiden. 
In  der  Fig.  38  ist  eine  Oenocyte  aus  der  Inquiline  der  glohidi- 
Galle  abgebildet.    Auffällig  abweichend  ist  die  Gestalt  des  Kernes, 


ßQ  Heinrich  Rössig, 

der  solche  Gestalt  bei  den  von  mir  gesehenen  Cynipiden  nie  zeigt. 
Er  erinnert  eher  an  die  Ameisen  oder  Tenthrediniden  (vgl.  Fig.  45). 
Das  stellenweise  zu  kleinen  Klümpchen  zusammengeballte  Chromatin 
nmgiebt  ein  lichter  farbloser  Hof,  der  durch  eine  scharfe  Kern- 
membran gegen  das  umgebende  dunkler  gefärbte  Plasma  abgegrenzt 
ist.  Dieses  selbst  ist  wieder  von  einem  etwas  heilern  Plasmaringe 
umgeben,  in  welchen  es  mit  verschiedenen  kleinen  Ausbuchtungen 
sich  vorwölbt.  Der  Durchmesser  der  Zelle  ist  70  //,  des  Kernes  23  ,«. 
Fig.  41 — 43  stammen  aus  einer  Inquiline  von  Rhodifes  eglanteriae 
Htg.  Sie  gehören  einer  Larve  an,  die  der  Verijuppung  nahe  ist. 
(Das  Tliier  stammt  aus  einer  Galle,  die  noch  grün  am  Blatt  hing, 
zur  Zeit,  wo  schon  die  er/tow^enae- Wespen  dem  Ausschlüpfen  nahe 
waren.  Neben  ihm  lagen  noch  Keste  der  ursprünglichen  Gallen- 
bewohneriu.)  Die  Grösse  der  Oenocyten  beträgt  53 — 60  a.  Sie  sind 
demnach  etwas  kleiner  als  bei  echten  Cj-nipiden  gleichen  Alters. 
Auch  ist  der  Kern  derselben  kleiner  und  ärmer  an  Chromatin.  Wie 
schon  die  Figuren  zeigen,  sind  sie  auch  unter  einander  verschieden. 
Nr.  41  befindet  sich  in  einem  Stadium  grösserer  Affinität  zum  Häma- 
toxylin.  In  seinem  Plasma  lagern  feinste  kaum  sichtbare  Körnchen 
einer  dunklen  Masse.  Hellere  Partien  umgeben  den  Kern  und  senden 
auch  Seitenzweige  in  das  Plasma.  Nr.  42  hat  ein  köruchenfreies, 
helleres,  netzförmiges  Plasma.  Der  Kern  ist  regelmässiger.  Nr.  43 
ist  in  Auflösung  begriffen.  Diese  Oenocyte  hat  bereits  an  einer 
Seite  die  Zellhaut  eingebüsst,  die  Kernmembran  folgt  diesem  Bei- 
spiele.    Ob  die  dunkle  Masse  der  Zelle  angehört,  ist  zweifelhaft. 

Oenocyten  anderer  H  y  m  e  n  o  p  t  e  r  e  n. 

Um  zu  einem  einigermaassen  sichern  üi'theile  über  die  so  auf- 
fällig grossen  Oenocyten  der  Gallwespenlarven  zu  gelangen,  habe  ich 
es  mir  nicht  genügen  lassen,  die  in  der  Literatur  gegebenen  Be- 
obachtungen zur  Vergleichuilg  heranzuziehen,  sondern  auch  selbst 
mir  Schnittserien  solcher  Larven  hergestellt,  um  das  Verhalten  der 
Oenocyten  gegen  die  von  mir  verwendeten  Fixirungs-  und  Färb- 
lösungen zu  beobachten.  Es  sind  dieses:  eine  junge  Vespa  crabro, 
eine  kleine  Ameise  spec.  ?  und  die  Tenthredinide  Xcnicdus  vallisnierii. 

Die  junge  Vespa  von  1,5  mm  Länge  hat  zahlreiche  Oenocyten 
(Fig.  44).  Sie  sind  verhältnissmässig  klein,  messen  nur  10  i-i  im 
Durchmesser.  Auch  der  Kern  ist  klein.  Das  Plasma  färbt  sich  ähn- 
lich wie  in  den  Cynipiden.  Meine  Erwartung,  hier  grössere  Oeno- 
cyten schon  auf  jungen  Stadien  zu  treffen,   erfüllte  sich  also  nicht, 


Von  welchen  Orgauen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     61 

im  Gegeiitlieil,  die  3  mal  so  grosse  Larve  liat  nur  halb  so  grosse 
Oenocj'ten. 

Für  die  Ameisen  giebt  schon  A.  Berlese  für  eine  0,800  mm 
lange  Larve  von  Taimioma  erraiicnm  die  Beschreibung  der  Oenocyten 
(vgl.  oben  S.  48).  Sie  sind  zahlreicher  als  bei  den  Cynipiden.  aber 
auch  kleiner.  Sie  messen  nur  11 — 15  //.  Ihre  grösste  Ausdehnung 
dürfte  die  von  Kaeaavaiew  an  der  unlängst  eingesponnenen  Larve 
von  Lasius  flnims  gemessene  sein,  ca.  150  //.  Bei  den  von  mir  her- 
gestellten Schnitten  ist  der  Kern  der  Oenocj'ten  weniger  dicht  mit 
Chromatin  angefüllt  als  bei  Gallwespenlarven.  Sie  erinnern  stark 
an  die  Oenocj-ten  der  Tenthredinidenlarven,  wie  sie  von  Nematus 
{i-alUsnierii?)  in  der  Fig.  45  abgebildet  sind.  Bei  dieser  raupenähn- 
lichen, mehr  langen  als  dicken  Larve  liegen  die  Oenoc3'ten  in  kleinen 
Gruppen  an  der  Köiperwand.  Der  Kern  ist  sehr  licht,  er  enthält 
nur  wenig  Chromatin,  das  zu  kleinen  Klümpchen  vereinigt  in  der 
Mitte  liegt,  theilweise  auch  dicht  an  der  Kernmembran,  diese  so  ver- 
stärkend. Auch  das  Plasma  ist  licht.  Es  ist  wenig  gefärbt  und  von 
einem  sehr  feinen  Netz-  oder  Fadenwerk  durchzogen. 

Die  Oenocj'ten  der  oben  bei  den  Speicheldrüsen  erwähnten 
Lepidopteren-Raupe  erinnerten  in  Gestalt  und  Farbe  wieder  mehr  an 
die  Cynipiden.   Sie  sind  im  Durchmesser  60 — 76  i-i,  ihr  Kern  33  i-i  lang. 

Oenocyten  von  Rormomyia  fa(ji  Htg. 

Die  Figg.  46 — 49  zeigen  Bilder  der  Oenocyten  von  Horwomi/ia 
fagi  Htg.  Sie  entstammen  verschiedenen  Altersstufen.  Die  auffallend 
geringe  Kerngrösse  der  Zellen  zeigt  sich  auch  hier,  und  sie  wird  be- 
sonders auf  den  altern  Stadien  recht  bemerkbar.  Sonst  zeigen  die 
Oenocyten  alle  jene  Eigenthümlichkeiten ,  welche  bereits  für  die 
Cynipiden  angeführt  wurden.  Sie  haben,  da  die  Haut  der  Larve 
stark  geschrumpft  ist  und  die  Oenocyten  ihr  nahe  liegen,  unter  dem 
Druck  der  entstandenen  Falten  die  verschiedenartigsten  Formen  an- 
genommen. Das  Kernchromatin  ist  öfter  verklumpt,  theilweise  wohl 
wegen  der  Resistenz  der  derben  Cuticula  gegen  die  Fixirungsflüssig- 
keit.  Aber  auch  heiss  fixirte  und  angestochene  Larven  zeigen 
gleiche  Kerne,  Das  Plasma  ist  bald  homogen  und  dicht,  bald  mehr 
netzförmig,  bald  von  zahlreichen  Vacuolen  durchsetzt,  bald  ohne 
diese.  Die  dunklen  Ringe  treten  auch  hier  auf  und  liegen  bald  am 
Kern,  bald  in  der  Mitte  von  2  hellen  Plasmaringen,  bald  an  der 
Peripherie.  Die  Grösse  nimmt  nach  und  nach  zu.  Die  kleinste  ge- 
messene Oenocyte  der  1070 ,«  langen  Larve  hat  etwa  7  /<  Durchmesser. 


02  Heinrich  Eössig, 

Bei  der  reifen  Larve  von  6  mm  beträgt  derselbe  etwa  57  u,  von 
denen  nnr  etwa  10  in  auf  den  Kern  kommen.  Obwohl  also  die  Larve 
an  Grösse  die  Cynipiden  merklich  übertritl't,  bleiben  die  Oenoc^ten 
jeweils   um  fast  %  der  Grösse  hinter  denen   der  C^^nipiden  zurück. 

Oenocyten  von  Aphis  mali. 

Apliis  mali  gehört  zu  denjenigen  Aphis-kxi&\i,  welche  Gallen- 
wirkung verursachen.  Sie  ruft  auf  den  Blättern  des  Apfelbaumes 
Kräuselung,  Rothfärbnng,  Auftreibung  der  obern  Blattfläche,  schliess- 
lich Umrollung  des  Blattrandes  hervor.  Die  Aphiden  besitzen  aber 
keine  MALPiGHi'schen  Gefässe,  wie  ich  selbst  mich  überzeugte. 
(WiTLACziL  [1882]  nimmt  an,  dass  2  den  Hinterleib  durchziehende 
Stränge  ihnen  wahrscheinlich  entsprechen.  Diese  vereinigen  sich 
oberhalb  des  Enddarms  und  laufen  hier  in  eine  Spitze  aus,  welche 
mit  dem  Enddarm  zusammenhängt.)  Die  Speicheldrüsen  sind  wohl 
entwickelt  und  verzweigt.  Es  sind  schlauchförmige  Gebilde  mit 
grossem  Lumen,  in  welches  die  als  dünne  Lage  sie  einschliessenden 
Zellen  etwas  sich  vorwölben.  Ich  finde  in  ihnen  sonst  nichts  Be- 
merkenswerthes.  Dagegen  verdient  es  unsere  Beachtung,  dass  öno- 
cytenartige  Gebilde  schon  in  den  noch  im  Mutterthier  liegenden 
Embryonen  auftreten.  Sie  haben  oft  amöboide  Form,  ein  homogenes 
Plasma  und  einen  massig  grossen  bis  kleinen  Kern  mit  reichlichem 
Chromatin  (vgl.  Fig.  50,  1 — 5).  Sie  erreichen  im  Durchmesser  17 
bis  30  /<. 

Ln  erwachsenen  Thier  sind  sie  entsprechend  grösser.  Man  findet 
Oenocyten  von  33  ^i  Durchmesser,  aber  auch  von  40,  selbst  60  (.i. 
Die  grössern  zeigen  oft  dunkle  Einlagerungen  im  Kern  wie  im 
Plasma  (Fig.  50  h).  Je  bedeutender  die  Grösse  ist,  desto  schärfer 
tritt  in  dem  Plasma  der  Oenocyten  die  Netzstructur  zu  Tage 
(Fig.  50  i).  Ob  hier  nur  larvale  Oenocyten  vorliegen  oder  ob  auch 
imaginale  vorkommen,  habe  ich  nicht  verfolgt. 

3.  MALPiGHi'sche  Gefässe. 
Im  Gegensatz  zu  den  Oenocj'ten.  die  erst  in  jüngster  Zeit  ein- 
gehendere Beachtung  gefunden  haben,  erregten  die  MALPiGHi'schen 
Gefässe  schon  viel  früher  die  Aufmerksamkeit  der  Forscher  und 
haben  daher  zu  einer  nicht  unbeträchtlichen  Literatur  Anlass  ge- 
geben. E.  Schindler  hat  dieselbe  in  seiner  Arbeit:  Beiträge  zur 
Kenntniss  der  MALriGin'schen  Gefässe  der  Insecten,  bis  zum  Jahre 
1878  kritisch  zusammengestellt  und  dabei  an  50  ältere  Arbeiten  ver- 


Von  welchen  Organen  geht  der  Eeiz  znr  Bildnng  der  Pflanzengalle  aus?     63 

wertliet.  Diese  betreffen  allerdings  der  Mehrzahl  nach  die  Organe 
der  ausgewachsenen  Thiere,  man  hat  sich  seitdem  aber  auch  mehr- 
fach dem  Studium  derselben  bei  den  Larven  zugewendet. 

Anfänglich  für  Leber-  oder  Gallenorgane  gehalten,  wurden  sie 
nach  und  nach  immer  sicherer  als  Excretionsorgane  erkannt,  deren 
Function  darin  besteht,  Stolfwechselproducte  in  flüssiger  oder 
krj^stalliner  Form  aus  dem  Organismus  zu  entfernen. 

WecliselvoU  wie  ihre  Zahl,  die  von  zwei  bis  zu  mehreren 
Hunderten  steigt,  je  nach  der  Art,  ist  auch  ihre  Grösse  und  Gestalt. 
Bald  sind  sie  kurze  Röhrchen,  bald  lange  Schläuche,  welche  die 
mehrfache  Länge  des  Körpers  erreichen.  Im  Allgemeinen  lässt  sich 
sagen,  dass  sie  mit  einer  Ausnahme  (bei  der  Braconide  Microgaster 
enden  sie  am  Ende  der  Körpers  seitwärts  oben),  am  Hinterdarm  sich 
inseriren  und  durch  diesen  ihr  Secret  nach  aussen  abgeben  und  dass 
Zahl  und  Grösse  in  Wechselbeziehung  stehen.  Wo  viele  vorhanden 
sind,  sind  sie  meist  kurz  oder  dünn,  wo  wenige,  dick  oder  lang. 

Was  speciell  die  MALPiGHi'schen  Gefässe  der  Hj^menopteren- 
larven  betrifft,  so  hatte  schon  Grübe  im  Jahre  1849  die  Beobach- 
tung gemacht,  dass  bei  Wespen  und  Hornissen  die  MALPioHi'schen 
Gefässe  der  Larve  in  der  Puppe  zusammenschrumpfen  und  kleiner 
werden  und  dann  sofort  die  grosse  Zahl  der  bleibenden  Harn- 
canälchen  aus  kleinen,  dem  obersten  Ende  des  Enddarmes  ring- 
förmig aufsitzenden  Knötchen  hervorwachsen.  Gleiches  Verhalten 
ist  seitdem  für  Lasius  flavus  durch  Karawaiew,  für  eine  Anzahl 
anderer  Hymenopteren  durch  Bordas  festgestellt  worden.  Für  die 
Cynipiden  gilt  dasselbe,  ich  sehe  aber,  dass  diese  Beobachtung  schon 
im  Vorjahre  durch  Berlese  bekannt  gegeben  ist.  Er  fügt  auch  die 
bei  seiner  grössei'n  Kenntniss  der  Insectenlarven  für  unsere  Frage 
nicht  uninteressante  Bemerkung  hinzu:  „Ich  habe  in  keinen  andern 
Larven  so  grosse  MALPiGHi'sche  Gefässe  gesehen." 

Dieselben  sind  in  der  That,  wie  schon  ein  Blick  auf  die  Figg.  1, 
4,  5,  6  b,  9  zeigt,  gewaltig  zu  nennen  im  Vergleich  mit  der  kleinen 
Larve.  Es  sind  ihrer  zwei,  die,  über  dem  Mitteldarm  gelagert, 
später  auch  wohl  seitlich  oder  unterhalb  desselben,  Anfangs  stark 
S  förmig  gebogen,  später  mehr  sich  streckend,  bis  zur  Speicheldrüse 
hinaufreichen.  Dabei  sind  ihre  Zellen  gross  und  dick,  besonders 
auch  der  Kern  derselben  von  bedeutender  Grösse. 

Als  ektodermale  Einstülpungen  haben  sie  die  3  Lagen,  von 
denen  Tunica  propria  (Peritonealhaut)  und  Intima  dünn  und  fein 
sind,  die  epitheliale  Zellage  um  so  mächtiger.      Bei  der  nur  470  ,« 


ß4  Heinrich  Eössig, 

langen  ienmnaUs-lja.rYe  messen  ilire  Zellen  36 — 70  //.  der  Kern 
\venig-stens  die  Hälfte.  Ung-efähr  50 — 60  solcher  Zellen  setzen  jedes 
einzelne  der  2  Gefässe  zusammen.  Aehnliclie  Grösse  findet  sich  auch 
bei  den  andern  Arten. 

Dryophanta  divisa       von  480  fi :  Zellen  50  //,  Kern  36  in. 
Dnjophaufa  folii  „     514   „         „       66  „       „      36  „ 

Andrkus  fccundatrix     „     400   „         „     100  „       „      66   „ 

Letztere  ist  besonders  auffallend  durch  die  enorme  Grösse  der  Zellen. 
Ich  finde  nur  6  derselben  auf  einem  Sagittalschnitt  (Fig.  7  b),  dei- 
seiner  Lage  nach  dem  auf  Fig.  6  b  dargestellten  entspricht. 

Feste,  etwa  krystalltörmige  Stoffe  habe  ich  in  den  Malpighi- 
schen  Gefässen  niemals  gefunden,  wohl  aber  andere  Zeichen,  die  auf 
die  lebhafte  Thätigkeit  dieser  Zellen  hinweisen.  Es  sind  der  grosse 
chromatinreiche  Kern,  die  an  diesem  schon  auf  sehr  frühen  Stadien 
auftretenden  Fortsätze,  die  bald  in  starke  Verzweigungen  übergehen, 
es  sind  ferner  grosse  Lacunen  in  den  Zellen,  gefüllt  mit  einer  gleich- 
massigen  Masse,  die  in  ihrem  Aussehen,  ihrer  Färbbarkeit,  ganz 
übereinstimmt  mit  dem  Inhalte  (Secret),  den  man  hier  und  da  im 
Lumen  der  MALPiGHi'schen  Gefässe  findet.  Letzteres  erscheint  bei 
Doppelfärbung  gelbroth,  gleichmässig  dicht  bis  körnig  und  lagert 
meist  an  einer  Seite  des  Lumens,  angepresst  an  die  Zelhvand. 
(Fig.  5  S).  Vielleicht  ist  dies  daraus  zu  erklären,  dass  es  sich  um 
eine  zähflüssige,  schleimige,  nicht  wässerige  ^Absonderung  handelt. 
In  den  mit  kaltem  Sublimat  fixirten  Larven  von  Bryophanta  divisa, 
von  denen  die  Figg.  1,  4,  5,  29  genommen  sind,  habe  ich  in  den  Zell- 
kernen und  auch  im  Plasma  der  MALPiuHi'schen  Gefässe  niemals 
Secret  beobachtet.  Es  findet  sich  aber  noch  in  den  ßiesenzellen 
der  fecundainx-lja.vYe  und  zwar  in  dem  gewaltigen  Kernraum,  dessen 
Chromatin  an  einer  Seite  zusammengedrängt  liegt  und  typisch  körnig 
ist  wie  in  andern  Zellen;  ihm  gegenüber  an  der  andern  Seite  liegt 
noch  innerhalb  der  Kernmerabran  ebenso  typisch  gefärbtes  Secret. 
In  den  mit  heissem  Sublimat  fixirten  Larven  erhielt  ich  etwas 
andere  Bilder.  Dort  sind  die  Kerne  und  das  Plasma  nicht  ge- 
schrumpft, der  Kern  füllt  die  Kernmembran  gleichmässig  aus,  liegt 
ihr  allseitig  an;  hier  und  da  findet  sich  Secret  im  Lumen;  was  mir 
aber  besonders  beachtenswerth  erscheint,  sind  die  grossen  Vacuolen, 
die  man  jetzt  in  einzelnen  Fällen  findet,  dem  Kern,  der  dann  in 
seinem  Umriss  verbogen  ist,  anliegend  oder  einzeln  im  Plasma.  Es 
sind  unregelmässig  gestaltete  bis  rundliche,   aber  nie  scharfrandige 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     65 

oder  gar  eckige  Räume,  gefüllt  mit  derselben  gelbröthliclien  Masse, 
die  man  anderswo  im  Drüsenlumen  findet.  Fig.  60  giebt  einen 
Schnitt  wieder,  der  eine  solche  yacuolisirte  Zelle  getroffen  hat.  Sie 
ist  von  Biorhiza  terminalis  und  bei  Immersion  gezeichnet.  Die 
Vacuolen  der  obern  Zellen  ziehen  sich  durch  eine  ganze  Anzahl  der 
5  fi  dicken  Schnitte.  Auf  dem  vorhergehenden,  über  dem  in  der 
Figur  abgebildeten,  gelegenen  kernlosen  Schnitte  lag  noch  an  Stelle 
des  Kernes  eine  grosse  Vacuole,  von  der  die  fünf  in  der  Figur  ge- 
zeichneten nur  Abzweigungen  sind.  Hier  ist  der  Kern  eben  ange- 
schnitten. Auf  den  folgenden  Schnitten  wird  er  den  Kernen  der 
benachbarten  Zellen  immer  ähnlicher,  während  die  Vacuolen  immer 
mehr  sich  verjüngen  und  schliesslich  im  8.  Schnitt  aufgehört  haben. 

Diesen  Befund,  verglichen  mit  den  erwähnten,  erkläre  ich  mir 
daraus,  dass  die  Secretion  in  diesen  Zellen  wahrscheinlich  eine  leb- 
hafte ist  und  dass  bei  der  Fixirung  mit  kaltem  Sublimat,  das  langsam 
nur  durch  die  Epidermis  zu  dringen  vermag  und  darum  die  Zellen 
der  MALPiGHi'schen  Gefässe  nicht  sofort  tödtete,  sondern  im  Gegen- 
theil  zuerst  noch  zu  desto  lebhafterer  Thätigkeit  reizte,  die  kleinern 
Zellen  der  fZrma-Larven  Zeit  genug  hatten,  ihr  Secret  auszustossen. 
Bei  den  fast  doppelt  so  grossen  Zellen  der  fecundafrix-hRrYe  war  es 
nur  zu  einem  Theil  möglich,  ein  Theil  des  Secrets  blieb  in  dem 
plasmolytisch  contrahirten  Kern  zurück.  Bei  der  Fixirung  mit 
heissem  Sublimat  aber  wurden  die  Eiweissbestandtheile  der  Zellen 
durch  die  momentan  wirkende  Hitze  coagulirt,  die  Zelle  somit  ge- 
tödtet,  und  es  musste  die  Structur  der  Schnitte  der  im  Augenblick 
der  Fixirung  vorhandenen  gleich  sein. 

Die  Zellen  der  MALPiGHi'schen  Gefässe  und  damit  diese  selbst 
vergrössern  sich  mit  dem  Wachsthum  der  Larve.  Die  480  ii  lange 
Dnjophanta  ^n/sa-Larve  hat  Zellen  von  59  u  (Kern  36  //);  die  600  // 
lange  73  ,u  (Kern  50  ;«);  die  714  /<  lange  115  /<  (Kern  56  /<)•  I^ic 
Drijaphanta  /*o7//-Larve  von  514  ,/<  hat  Zellen  von  66 /t  (Kern  36  in); 
dieselbe  von  714  /<  Zellen  von  150  ,a  (Kern  70  u).  So  lässt  sich 
das  Wachsthum  verfolgen  bis  zum  Beginn  der  Degeneration,  wo  die 
Zellen  die  grösste  Ausdehnung  erlangen,  z.  B.  Ändric.  malpighii  von 
2,5  mm  hat  Zellen  von  328  i^. 

Mit  der  Grösse  ändert  sich  auch  die  Gestalt  der  Zellen.  In 
den  jungen  Larven  erscheint  das  Plasma  gleichmässig  dunkel  ge- 
färbt, oft  streifig,  die  Kernmembran  rundlich,  der  Kerninhalt  hell, 
mit  deutlichen  Chromatinköruchen.  Schon  bald  entsendet  aber  der 
Kern  Auswüchse  in  das  Plasma  (bei  fecundatrix  schon  bei   der  nur 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abtb.  f.  Syst.  Ö 


QQ  Heinrich  Rössig, 

400  fi  langen  Larve),  die  sich  nach  und  nach  vergrössern,  während 
der  Kerninhalt  sich  noch  mehr  aufhellt.  Seine  Chromatinkörnchen 
scheinen  sich  nicht  zu  vermehren,  nur  aus  einander  zu  rücken, 
bleiben  aber  unter  einander  durch  feines  Netzwerk  verbunden.  Nach 
und  nach  wird  die  Verästelung-  der  Kerne  beträchtlicher,  das  Plasma 
ist  bald  dichter,  granulös,  bald  mit  verschieden  färbbaren  Zonen 
versehen,  gelegentlich  auch  mit  grossen  farblosen  Yacuolen.  Ge- 
legentliche Erscheinungen  sind  mit  Pikrin  schwach  gefärbte  Vacuolen 
und  ein  schnmtzigroth  gefärbtes  Plasma,  das  braune  unregelmässig 
geformte  Einschlüsse  enthält. 

Die  Degeneration  setzt  etwas  später  ein  als  bei  den  Speichel- 
drüsen und  schreitet  langsam  voran.  Stärker  auftretende  Vacuoli- 
sirung  des  Plasmas,  veränderte  Färbbarkeit  von  Plasma  und  Kern, 
Verklumpen  des  letztern  machen  den  Vorgang  dem  bei  den  Speichel- 
drüsen beschriebenen  ähnlich.  Phagocyten  lagern  auch  hier  wohl 
in  der  Nähe  der  MALPiciHi'schen  Gefässe,  dass  sie  aber  thätigen  An- 
theil  an  der  Zerstörung  der  Zellen  nehmen,  konnte  ich  nicht  be- 
obachten, in  den  MALPiGHi'schen  Gefässen  habe  ich  sie  nie  ge- 
funden. 

Die  Angaben  Beblese's,  dass  die  verklumpten  Kermnassen  der 
MALPiGHi'schen  Gefässe  in  den  Mitteldarm  aufgenommen  werden  und 
hier  der  völligen  Auflösung  unterliegen,  kann  ich  nach  den  Be- 
funden an  lihodifes  rosae  und  DiasfropJins  rahi  nicht  bestätigen.  Bei 
diesen  geschieht  die  Auflösung  an  Ort  und  Stelle.  Die  im  End- 
abschnitt des  Mitteldarms  liegende  dunkel  gefärbte  Masse  dürfte 
nichts  Anderes  sein  als  die  Reste  des  larvalen  Mitteldarmepithels, 
die,  von  dem  neuen,  aus  den  Cryptenzellen  regenerirten  Epithel  ab- 
gestossen,  dort  zu  Grunde  geht,  wobei  die  Chromatinmassen  als  die 
widerstandsfähigsten  Theile  noch  zuletzt  übrig  bleiben.  Dass  ge- 
legentlich einzelne  Theile  aus  dem  Epithel  in  das  Lumen  der 
degenerirenden  MALPiGHi'schen  Gefässe  gedrängt  werden  können, 
scheint  ein  nur  einmal  bei  Rhoditcs  spinosissimae  gefundener  Schnitt 
zu  beweisen,  den  ich  in  Fig.  62  abgebildet  habe.  Nach  Färbung 
und  Gestalt  möchte  ich  wenigstens  diese  mitten  im  Drüsenlumen 
liegende  Masse  für  eine  Zelle  halten,  die  einen  gänzlich  verklumpten 
Kern  und  dunkle  Einlagerungen  im  Plasma  hat. 

Noch  ehe  die  larvalen  MALPiGHi'schen  (befasse  verschwunden 
sind,  erheben  sich  unterhalb  der  Insertionsstelle  derselben  am  Hinter- 
darm die  ganz  neu  entstehenden  16  imaginalen  MALriGHi'schen  Ge- 
fässe.    Sie  sind   viel   feiner   und  zarter   gebaut.     Weder   die  ganze 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?    67 

Drüse  noch  die  einzelnen  Zellen  erreichen  die  Maasse  der  larvalen. 
Die  Fig.  61  giebt  in  Umrissen  einen  Schnitt  durch  eine  Ehod.  rosae- 
Larve  wieder,  der  das  Grössenverhältniss  zur  Darstellung-  bringt. 
Fig.  63  aber  stammt  von  Biorhisa  tcrminalis.  Es  ist  ein  Frontal- 
schnitt durch  die  Ansatzstelle  der  MALPiGHi'schen  Gefässe  am 
Hinterdarm.  Die  grossen  Zellen  der  erstem  liegen  oben,  die  kleinern 
des  letztern  unten  in  der  Figur.  Zwischen  beiden  erheben  sich 
rechts  und  links  die  Anlagen  der  imaginalen  Organe  als  kurze  Aus- 
stülpungen. 

Als  Besonderheit  verdient  Andrkus  fecimdatrix  erwähnt  zu 
w^erden,  deren  in  der  erwachsenen  Larve  sehr  stark  verzweigte 
Drüsenkerne  wie  auch  das  Plasma  eine  von  den  übrigen  Arten  ab- 
weichende Färbung  zeigen.  Der  Kern  ist  durch  Karmin  röthlich 
gefärbt,  das  Plasma  aber  durch  Pikrin  gelb.  Auch  bei  tcrminalis- 
Larven  haben  zuweilen  einzelne  Zellen  grössere  Neigung,  Pikrin 
festzuhalten. 

Soweit  die  altern  Larven  einen  Schluss  gestatten,  sind  die 
MALPiGHi'schen  Gefässe  der  Inquilinen  nicht  minder  stark  entwickelt 
als  bei  den  echten  Gallwespen.  Bei  den  Inquilinen  der  glohuli-GaWe 
sind  die  MALPiGHi'schen  Gefässe  dunkel  violett,  aber  heller  als  die 
Speicheldrüsen.  Das  Lumen  ist  hell  und  ohne  Inhalt,  das  Plasma 
unregelmässig  vacuolisirt,  stärker  in  der  Nähe  des  Kernes  und  am 
Eande  der  Zellen.  Das  Lumen,  gegen  welches  die  Zellen  ab- 
wechselnd sich  vorwölben,  beschreibt  eine  Wellenlinie.  Der  Kern 
ist  unregelmässig,  verzweigt,  auf  Sagittalschnitten  länger  als  breit, 
sein  Inhalt  lockerer  als  das  Plasma,  das  Chromatin  ziemlich  dicht, 
zu  kleinei-n  und  grossem  Körnchen  und  Klümpchen  zusammengeballt. 

Bei  der  jungen  Hormomyia-LarYe  sind  die  MALPiGHi'schen  Ge- 
fässe zwar  gut  entwickelt,  aber  in  der  Grösse  nicht  so  auffallend 
verschieden  von  der  Speicheldrüse  wie  bei  den  Cynipiden.  Auch 
hier  finden  sich  die  kleinen  Kerne  mit  wenigen,  aber  dicken  Chro- 
matinschollen.  Die  Färbung  ist  lichter,  die  Zellgrenzen  sind  deut- 
licher als  in  den  Speicheldrüsen.  Das  Lumen  der  MALPiGHi'schen 
Gefässe  ist  w^eit  und  enthält  körniges  Secret. 

4.   Epithel  des  Enddarmes. 
Das  Epithel  des  Enddarmes  zeigt  die  Fig.  4  im  Querschnitt, 
Fig.  1    und   besser  6  a   und   letztere  vergrössert  Fig.  64  im  Längs- 
schnitt.   Die  letzte  Figur  ist  bei  Immersion  gezeichnet.     Eine  con- 
tinuirliche  Epithellage  kleidet  das  Eectum  aus.     Die  Zellen  haben 

5* 


(jy  Heineich  Eössig, 

die  für  larvale  Gewebe  charakteristischen  runden  und  grossen  Kerne 
mit  deutlichen  Chromatinkörnchen.  Abgesehen  von  der  Erweiterung 
des  Lumens  bietet  aber  der  Enddarm  keine  Besonderheiten.  Sein 
Epithel  ist,  wie  die  Abbildung  zeigt,  nach  Gestalt  und  Grösse  der 
Zellen  nur  eine  Fortsetzung  der  Hj'podermis,  von  welcher  es  ab- 
stammt. Es  dürfte  ihm  keine  secernirende  Thätigkeit  eignen. 
Wegen  der  Erweiterung  seines  Lumens  dürfen  wir  den  Enddarm, 
wie  Geuee  (1849)  bei  Wespen  und  Hornissen  gethan,  als  Harnblase 
bezeichnen. 

Erst  wenn  die  Larve  stärker  gewachsen,  die  Gallbildung  also 
vollendet  ist,  treten  die  grossen  Zellen  des  Endabschnittes  — 
Eectalpapillen  —  hervor.  Fig.  66  giebt  einen  Sagittalschnitt  der- 
selben von  einer  maJpigJm-ljRY\e.  Es  finden  sich  nach  Beelese  4 
solcher  Papillen.  Valle  (1900)  fasst  ihre  Bedeutung  bei  den  Dip- 
teren in  die  Worte  zusammen:  ,,Les  papilles  rectales  des  Dipteres 
jouent  deux  röles;  le  rule  respiratoire  et  le  role  secreteur."  Da 
sie  auch  l)ier  wie  bei  den  Dipteren  erst  spät  auftreten,  kommt  ihre 
Thätigkeit  für  unsere  Frage  nicht  mehr  in  Betracht. 

Während  die  Zellen  der  Papillen  spindelförmig  sind,  dicht  sich 
auf  einander  drängen,  hat  der  mittlere  Abschnitt  des  Enddarmes 
auch  später  nur  ein  flaches,  dünnes  Epithel,  Fig.  65.  Erst  wo  End- 
darm und  MALPiGHi'sche  Gefässe  zusammenhängen,  zeigen  sich  noch 
einige  grössere  Zellen  und  eine  dichte  Lage  von  Kernen.  Es  ist 
jene  Eegion,  aus  welcher  bald  die  imaginalen  MALPiGHi'schen  Ge- 
fässe hervorbrechen  werden. 

YI.   Resultate. 

1.  Speicheldrüsen:  Abweichend  vom  Verhalten  der  übrigen 
Hymenopteren  bestehen  die  Speicheldrüsen  der  Cynipidenlarve  aus 
kurzen  ovalen  Säckchen.  Ein  Spiralfaden  findet  sich  nur  im  Aus- 
führgange. Die  verhältnissmässig  wenigen  Zellen,  welche  sie  zu- 
sammensetzen, sind  in  ihrem  Bau  wie  in  ihrem  Verhalten  gegenüber 
den  Farbstoffen  den  Zellen  der  MALPiGHi'schen  Gefässe  ähnlich. 
Das  Secret  nimmt  lebhaft  alle  Karminfärbungen  an  und  ist  schaumig. 
Die  larvalen  Speicheldrüsen  enthalten  später  grosse,  verzweigte 
Kerne.  Sie  gehen  zu  Grunde  durch  Histolyse,  ohne  Betheiligung  von 
Phagocyten.  Die  Degeneration  trifft  alle  Zellen  gleichzeitig.  Die 
Tunica  propria  allein  bleibt  erhalten.  An  ihr  legen  sich  die  Zellen 
der    imaginalen    Speicheldrüsen    an.      Diese    sind    kleiner    als    die 


Von  welchen  Organen  gebt  der  Eeiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     69 

larvaleii.  Die  Gestalt  der  imagiiialen  Speicheldrüsen  ist  gleichfalls 
säckchenförmig.  Es  zeigen  sich  keine  Abzweigungen.  Die  Speichel- 
drüsen der  ausgewachsenen  Gallwespe  liegen  im  vordem  Abschnitte 
des  Thorax,  rechts  und  links  vor  der  Insertionsstelle  der  Flügel. 
Die  erwachsene  Gallwespe  besitzt  noch  ein  Drüsenpaar  im  Kopfe 
vor  den  Antennen,  welches  im  Puppenstadium  angelegt  wird  und 
dem  Sj'stem  IV  der  Honigbiene  (Schiemenz)  entspricht.  —  Etwas 
länger  sind  die  Speicheldrüsensäckchen  der  Larven  von  Dimirophus 
ruhi  und  Bhodües  rosae.  Die  Länge  des  Mitteldarmes  wird  über- 
schritten von  den  Speicheldrüsen  der  Inquilinen.  Bei  diesen  ist  die 
Speicheldrüse  eine  Spinndrüse.  —  Die  Gallmücke  Hormoimjia  fayi  Htg. 
hat  2  lange  tubulöse  Speicheldrüsen,  welche  drei  verschiedene  Ab- 
schnitte aufweisen.  Durch  dieselben  zieht  sich  ein  feiner  Chitin- 
faden als  Ausführgang. 

2.  Oenocyten.  Die  Zahl  der  Larval-Oenocyten  ist  in  der  jungen 
Larve  gering,  4—8.  Sie  sind  auffallend  hell  und  nehmen  in  ihrem 
Plasma  Karmin  nur  massig  auf.  Sie  erreichen,  wie  auch  ihr  chro- 
matinreicher  Kern,  bedeutende  Grösse.  Beide  machen  eine  Anzahl 
von  Veränderungen  durch.  Die  Larval-Oenocyten  sind  später  zahl- 
reicher. Sie  können  sich  durch  amitotische  Kerntheilung  vermehren. 
Während  der  Puppenperiode  verschwinden  sie.  Einschlüsse  (Urate) 
wurden  nur  einmal  gefunden. 

Junge  Fettkörperzellen  und  Imaginal-Oeuocyten  sehen  sich  sehr 
ähnlich.  Beide  entstehen  durch  mitotische  Theilung  von  Hypodermis- 
zellen,  erstere  früher,  vor  der  Verpuppung,  letztere  in  der  Puppe. 
Die  Imaginal-Oenocyten  können  längere  Zeit  in  Gruppen  (Syncytien) 
vereint  bleiben.  —  Die  Larval-Oenocyten  der  Inquilinen  sind  kleiner. 
Ebenso  die  der  Horniomya  fagi.  Oenocyten  kommen  auch  in  den 
Aphiden  und  zwar  schon  im  Embryo  vor. 

3.  Die  zwei  MALPiGHi'schen  Gefässe  der  Gallwespenlarven  sind 
sehr  stark  entwickelt.  Zahl  und  Grösse  der  Zellen  ist  nach  den 
Arten  verschieden.  Sie  geben  schon  in  der  jungen  Larve  leb- 
haft ein  körniges,  mit  Karmin  färbbares  Secret  ab,  wachsen  mit  der 
Larve,  wobei  ihre  Kerne  stark  verzweigt  werden.  Sie  gehen  durch 
Plasmolyse  an  Ort  und  Stelle  zu  Grunde,  und  es  entstehen  16  inia- 
ginale  bedeutend  kleinere  MALPiGHi'sche  Gefässe  unterhalb  der 
larvalen.  —  Die  MALriom'schen  Gefässe  der  Inquilinen  sind  denen 
der  echten  Gallwespen  ähnlich.  —  Bei  Hormoimjia  sind  die  Malpighi- 
schen  Gefässe  nicht  grösser  als  die  Speicheldrüsen,  eher  kleiner. 

4.  Das  Epithel  des  Enddarmes  besteht  nur  aus  niedrigen  kleinen 


70  Heinrich  Rössig, 

Zellen.  Geg-en  Ende  der  Larvenzeit  erheben  sich  im  Eectnm 
Rectalpapillen,  deren  Zellen  nnd  Kerne  spindelförmig  sind.  Secer- 
nirende  Thätigkeit  dürfte  dem  jnngen  Epithel  nicht  zukommen, 

5.  Die  ersten  AVochen  ist  das  Wachsthum  der  Bnjophanta 
divisa-'L2iV\Q\\  von  V2  ^^"^  sehr  langsam,  es  beträgt  in  4  Wochen 
mir  ca.  V3  n^wi-  In  dieser  Zeit  wächst  die  Galle  zu  voller  Grösse 
heran.  Dann  nimmt  die  Larve  schnell  und  reichlich  Nahrung  auf 
und  wächst  binnen  14  Tagen  zu  3—4  mm  heran. 


VII.    Disciission  der  Uutersuchungsergebiiisse. 

Legen  wir  uns  jetzt  wieder  die  Frage  vor:  Was  giebt  bei  den 
Gallwespen  Anlass  zur  Entwicklung  der  Pflanzengalle?,  so  können 
wir  unter  kurzer  Eecapitulation  der  schon  in  der  Einleitung  ge- 
gebenen Thatsachen  unser  Wissen  über  diesen  Punkt  in  folgende 
Sätze  zusammenfassen : 

1.   Die  Galle  wird  hervorgerufen  durch  einen   chemischen  Reiz. 

a)  Pflanzen  sowohl  als  Thiere  rufen  Gallen  hervor,  bei  erstem 
kann  nur  ein  chemischer  Reiz  vorliegen. 

b)  Thatsächlich  veranlasst  ein  chemischer  Stoff,  das  Secret  des 
5,  die  Gallbildung  bei  Nemattts  vallisnierii. 

c)  Andere  Reize:  Bewegung,  Nagen  der  Larve,  sind  nicht  ge- 
nügend sicher  nachgewiesen,  werden  sogar  bestimmt  in  Abrede  ge- 
stellt. (Beyekinck:  Bhodifes  spmosissimae ,  BiorJma  terminalis, 
Netiroterns  haccarum). 

d)  Eine  chemische  p]inwirkung  setzen  eine  Reihe  eigenartiger 
Erscheinungen  der  Gallformen  voraus,  aufweiche  Keener  v.  Marilaun  ^) 
hinweist:  die  Prolepsis:  Die  Erscheinung,  dass  durch  den  Ein- 
fluss  des  Gallenthieres  Gebilde  in  einem  Jahre  entstehen,  die  sonst 
erst  in  8—6  Jahren  entstanden  wären  (Wirrzöpfe  der  Salix  alba, 
Bildung  verkürzter  Sprosse  bis  zur  5.  Ordnung) ;  die  A  n  t  h  0 1 3^  s  e ,  Auf- 
lösung der  Staub-  und  Fruchtblätter  in  Blüthenblätter  (Rhododendron 
ferrugineum) ;  die  Vergrünung  derBlüthenb]ätter(Veronica  offlcinalis); 
Kerner  schliesst  daraus,  dass  eine  solche  Abänderung  des  in  der 
Pflanzenzelle  von  vorn  herein  grundgelegten  Bauplanes  auf  eine  Ver- 
änderung der  specifischen  Constitution  des  betr.  Protoplasmas  zurück 
zu  führen  sei,   „dass  den  von  den  Thieren  ausgeschiedenen  Stoffen 


1)  Pflanzenleben,  V.  2,  p.  493  ff. 


Von  welcheu  Orgaueu  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     71 

die  Fähig-keit  zukommt,  die  das  Wesen  der  Art  ausmachende  speci- 
lisclie  Constitution  des  Protoplasmas  in  den  beeinflussten  Pflanzen- 
zellen zu  verändern." 

2.  Es  ist  ein  tropfbar-flüssiger  Stoff,  der  die  Entwicklung-  der 
Pflanzenzelleu  zur  Gallbildung  auslöst,  kein  g-asförmig-er. 

An  letztern  könnte  man  denken,  da  ja  die  Larven  der  Gall- 
wespen ganz  im  Pflanzengewebe  eingeschlossen  liegen,  also  die  Re- 
spirationsgase durch  das  Pflanzengewebe  hindurch  aufgenommen 
und  die  verbrauchten  abgeg-eben  werden  müssen.  Gegen  einen  Ein- 
fluss  derselben  spricht:  a)  die  Entstehung  der  erwähnten  Nematus- 
galle;  b)  die  Gallbildung  bei  den  Aphiden  und  Milben,  die  nicht  in 
der  Pflanze,  sondern  auf  ihr  leben;  c)  die  Gallbildung  von  Bhodites 
spinosissimae  und  Neiiroferus  haccamm,  deren  Ei  das  Blattgewebe  nur 
in  einem  Punkte  berührt  und  doch  schon  Wucherung  der  Zellen 
veranlasst.  Gasförmige  Körper  dürften  in  den  Fällen  b)  und  c)  von 
der  umgebenden  Luft  zu  schnell  entfernt  werden. 

3.  Dieser  tropfbar-flüssige  Stoß'  ist  ein  Stoifwechselproduct  der 
lebenden  Larve. 

ArPEL,  Adler,  Beyerinck,  Kerner  bestätigen  es,  dass  die 
Galle  nur  wächst,  so  lange  das  Thier  darin  lebt.  AVird  es  entfernt 
oder  getödtet,  so  hört  das  Wachsthum  der  Galle  auf,  mag  auch  der 
Körper  der  Larve  im  letztern  Falle  zurückbleiben  und  in  der  Galle 
sich  zersetzen.  Deshalb  sind  auch  bisher  alle  Versuche,  künstlich 
eine  Wucherung  des  Pflanzengewebes  zu  veranlassen,  gescheitert 
(Appel).  Ich  habe  selbst  einige  Versuche  unternommen.  Einmal 
habe  ich  mehrere  junge  terminaJis-G -dlleAi  sammt  den  (Hunderten 
von)  Larven  zerdrückt,  die  erhaltene  Flüssigkeit  mit  einer  sehr  fein 
ausgezogenen  Pipette  aufgenommen  und  mittels  feiner  Einstiche  in 
junge  Blätter  und  Triebe  und  in  Knospen  von  Eichen,  Spiräen, 
Flieder  übertragen.  Das  Eesultat  blieb  negativ.  Die  verletzten 
Stellen  der  Blattspreite  wurden  trocken,  die  Blattrippen  und  die 
jungen  Triebe  zeigen  an  der  verletzten  Stelle  gelbe  bis  schwarze 
Ränder,  die  Knospen  sind  geschrumpft,  aber  irgend  eine  Verdickung 
zeigt  sich  nicht.  Dann  habe  ich  den  gleichen  Versuch  wiederholt 
mit  Harnsäure  und  chemisch  reinem  Harnstoff,  aber  mit  dem  gleichen 
negativen  Erfolge. 

4.  Dieses  flüssige  Stoffwechselproduct  muss  schon  von  der 
jungen,  noch  in  der  Eihaut  eingeschlossenen  Larve  abgeschieden 
werden,  ebenso  aber  auch  noch  von  der  aus  dem  Ei  geschlüpften 
wachsenden  Larve  (cf.  unter  3;  und  oben  S.  23). 


72  Heinrich  Rö;siö, 

5.  Es  ist  nicht  die  Blutflüssigkeit  der  Larve. 

Ein  Austreten  derselben,  durch  Diosmose  etwa,  ist  unwahr- 
scheinlich und  nirgends  sonst  beobachtet.  Die  Käfer  Coccinella  und 
Timarclia  sondern  auf  Reize  hin  als  Vertheidigungsmittel  gelbe 
Flüssigkeit  ab,  es  ist  mit  Gallenstoff  gemischtes  Blut.  Das  findet 
sich  aber  nur  l)ei  den  Imagines,  nicht  bei  den  Larven.  Ausserdem 
hätte  man,  wenn  die  Blutflüssigkeit  als  solche  in  Frage  käme,  bei 
dem  Versuche  unter  Nr.  3  ein  anderes  Resultat  erwarten  dürfen. 

6.  Besondere  Organe,  welche  dieses  Secret  liefern  könnten, 
finden  sich  bei  den  Gallwespenlarven  nicht. 

Hautdrüsen,  modificirte  Hypodermiszellen,  wie  sie  bei  zahl- 
reichen Lisectenlarven  vorkommen,  sind  weder  als  dauernde  Organe, 
noch  als  vorübergehend  wirksame  (wie  die  Häutungsdrüsen)  vor- 
handen. 

Es  bleiben  also  nur  die  auch  sonst  bei  Insectenlarven  vor- 
kommenden Drüsenorgane  übrig:  Speicheldrüse,  MALPiGHi'sche  Ge- 
fässe,  Epithel  des  Hinterdarmes  (Mitteldarmepithel  nicht,  weil  der 
Mitteldarm  fast  bis  zur  Verpuppung  geschlossen  bleibt). 

7.  Das  Epithel  des  Hinterdarmes  darf  man  sofort  als  belanglos 
ausschliessen  wegen  seiner  geringen  Entwicklung  und  Unschein- 
barkeit. 

8.  Auch  die  Speicheldrüsen  und  ihr  Secret  können  nicht  in 
Frage  kommen. 

Man  ist  geneigt,  von  vorn  herein  an  diese  zu  denken,  denn 

a)  Einmal  haben  diese  Organe  bei  den  verschiedenen  Insecten- 
classen  eine  wechselnde  Function.  Ihr  Secret  befördert  bei  den 
einen  die  Verdauung,  dient  den  andern  zum  Spinnen,  ist  im  Rüssel 
stechender  Insecten  ein  Gift,  das  Blutandrang  verursacht,  trägt  bei 
der  Honigbiene  zur  Ernährung  der  Larven  bei. 

b)  Günstig  wäre  einer  solchen  Annahme  die  Lage  der  Ausführ- 
ötfnung.  Sie  würde  ermöglichen,  dass  das  Secret  der  Speicheldrüsen 
direct  den  durch  die  Zähnchen  eben  verletzten  Zellen  zugeführt 
würde,  der  Reiz  für  diese  sich  also  verdoppelte. 

c)  Man  könnte  auf  die  Aphiden  verweisen,  bei  denen  Rüssel- 
drüsen vorhanden  sind,  MALPiGHi'sche  Gefässe  aber  felilen. 

Dennoch  müssen  wir  diese  Gründe  zurückweisen,  da  ihnen 
andere  und  gewichtigere  gegenüber  stehen. 

a)  Da  schon  die  in  der  Eihaut  noch  eingeschlossene  Larve 
Gallenbildung   anregt,    müsste    man    annehmen,    dass    bei    ihr    die 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     73 

Speicheldrüsen  bereits  functionirten,  was  sonst  bei  so  jungen  Stadien 
der  Entwicklnng-  nicht  vorkommt. 

b)  Die  Thätigkeit  der  Speicheldrüsen  müsste  so  lebhaft  sein, 
dass  das  Secret  zwischen  Larve  und  Eihaut  bis  zum  hintern  Eipole 
hinabträufeln  könnte,  da  die  Eier  von  Rhod.  spnwsissimae  dem  Blatte 
nur  mit  diesem  Pole  aufgelagert  sind  und  um  ihn  schon  die  Wuche- 
runi»- der  Zellen  beginnt.  Das  ist  so  wenig  wahrscheinlich  wie  a, 
besonders  auch  deswegen,  weil 

c)  die  Entwicklung  der  Speicheldrüsen  nur  eine  geringe  ist. 
Wohl  braucht  die  Wirkung  eines  Secrets  nicht  von  seiner  Menge 
allein  abhängig  zu  sein.  Eine  geringe  Quantität  eines  scharfen 
Secrets  kann  stärker  reizen  als  eine  grosse  Menge  eines  schwachen. 
Aber  wir  wissen  auch  nichts  über  die  Zusammensetzung  der  Secrete 
in  den  Speicheldrüsen  und  in  den  MALriGiii'schen  Gefässen.  Es  be- 
dürfte einer  chemischen  Untersuchung  beider  und  zwar  bei  Cyni- 
piden  und  andern  Insecten,  um  Yergleichungen  und  Schlüsse  zu  er- 
möglichen. 

Ist  das  Speicheldrüsensecret  als  eine  Schleimart  aufzufassen? 
Leider  gilt  in  diesem  Punkte  noch,  was  Mayer  1895  in  seiner  Ab- 
handlung „Ueber  Schleimfärbung"  ausführt:  „In  der  That  wissen 
wir  vom  Schleim  der  höhern  Thiere  noch  recht  wenig  und  von  den 
meisten  AVirbellosen  so  gut  wie  gar  nichts."  Mater  hat  gefunden, 
dass  die  reine  Eiweissdrüse,  Parotis,  von  Erinaceus  sich  nicht  färbt. 
Mucicarmin,  Muchämatein,  Bismarckbraun  versagen.  Die  retro- 
lingualis,  eine  reine  Schleimdrüse,  färbt  sich,  selbst  der  Schleim  im 
Ausführgang. 

Versuche  mit  Mucicarmin  gaben  keine  einwandfreien  Resultate 
bei  den  Gallwespenlarven.  Wohl  färbte  sich  das  Secret  in  Speichel- 
drüsen wie  MALPiGHi'schen  Gefässen,  aber  auch  die  Körperzellen,  die 
sich  nicht  färben  sollten,  thaten  es  und  waren  sogar  lebhafter  ge- 
färbt als  das  Secret.  Selbst  aber  auch  wenn  es  gelänge,  diese  Frage 
klar  zu  legen,  bleibt  zu  Recht  bestehen,  was  Krause  1895  (Zur 
Histologie  der  Speicheldrüsen)  bemerkt:  „Die  mikrochemischen  Re- 
actionen  genügen  nicht,  wenn  es  sich  um  die  Frage  nach  der  Natur 
eines  von  den  Drüsenzellen  gelieferten  Secrets  handelt.  Sie  können 
höchstens  die  Diagnose  stützen,  unerlässlich  aber  wird  immer  die 
chemische  Untersuchung  des  Secrets  selbst  sein."  Letztere  ist  aber 
bei  der  geringen  Grösse  der  Gallwespenlarven  so  gut  wie  ausge- 
schlossen. Es  bleibt  uns  daher  nur  übrig  aus  andern  Erscheinungen, 
Grösse,  Lage  und  sonstigem  Verhalten  in  verschiedenen  Larvenarten 


74  Heinrich  Eössig, 

und  -Entwicklungsstufen,  auf  die  physioloo-isclie  Function  der  Organe 
zu  scliliessen.  Neben  der  geringen  Entwicklung  in  den  echten  Gall- 
wespen verdient  darum 

d)  die  starke  Entwicklung  der  Speicheldrüsen  bei  Inquilinen- 
uud  andern  Hjmenopterenlarven  unsere  Beachtung.  Erstere  be- 
sonders stehen  den  echten  Gallwespen  nach  Körperbau  und  Lebens- 
weise noch  recht  nahe.  Der  Schluss,  dass  die  gleichen  Organe  bei 
beiden  noch  im  gleichen  Sinne  functioniren,  ist  daher  wohl  be- 
rechtigt. Es  ist  aber  auch  ein  aus  der  Erfahrung  abgeleiteter  Satz, 
dass  nicht  mehr  functionirende  Organe  allmählich  zuriickgebildet 
w^erden.  Da  nun  die  Inquilinen  keine  Galle  melir  bilden,  sondern 
die  Gallen  anderer  Arten  benützen,  die  Speicheldrüsen  derselben 
aber  nicht  kleiner  geworden,  sondern  vergrössert  sind,  kann  man 
der  Folgerung  sich  nicht  gut  entziehen,  dass  die  Speicheldrüsen  das 
Secret  wohl  nicht  liefern  können.  Käme  es  von  diesen,  dann  müsste 
eine  von  5 — 7  und  mehr  Inquilinen  besetzte  Galle  nicht  nur  ein 
w^enig  sich  vergrössern,  sondern  das  drei-  und  vierfache  ihrer 
normalen  Ausdehnung  erreichen. 

9.  Die  MALPiGHi'schen  Gefässe  kommen  in  erster  Linie  in  Frage, 
Was  ich   gegen  die  Speicheldrüsen  gesagt  habe,   lässt  sich  ins 
Gegentheil    verwandelt   für   die   MALPiGHi'schen   Gefässe    ins   Feld 
führen. 

a)  Sie  sind  typische  Oi'gane  für  Ausscheidung  von  Stoifwechsel- 
producten.  Der  Mitteldarm  der  Hymenopteren  ist  aber  geschlossen, 
die  Analöffnung  functionirt  daher  ausschliesslich  als  Ausführgang 
der  MALPiGHi'schen  Gefässe. 

b)  Sie  functioniren  schon  zeitig  im  Laufe  der  Entwicklung. 

c)  Bei  zahlreichen  Untersuchungen  ist  in  denselben  Harnsäure 
gefunden,  seitdem  Brugnatelli  zum  ersten  Male  dieselbe  darin 
nachgewiesen.  In  Jüngern  Larven  habe  ich  nichts  gefunden,  was 
daran  erinnern  könnte,  wohl  aber  ein  typisches  mit  Karmin  färb- 
bares körniges  Secret. 

d)  Für  die  MALPiGHi'schen  Gefässe  spricht  ihre  bedeutende 
Grösse.  Diese  scheint,  da  die  Nahrung  der  Larven  eine  gute  ge- 
nannt werden  muss  (eiweissreiche  Zellen  mit  reichlich  Fettröpfchen) 
durch  das  Ausscheidungsbedürfniss  von  verbrauchten  Körpersäften 
nicht  genügend  motivirt  zu  sein.  Diese  auffallende  Grösse  tritt  aber 
schon  im  Embryonalleben  hervor. 

e)  Sie  entfalten  schon  zeitig  eine  lebliafte  secernirende  Thätig- 
keit,  wde  Vacuolen  im  Plasma  und  Secret  im  Ausführgange  beweisen. 


Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzeugalle  aus?     75 


Bei  Andricus  fecundatrix  findet  Secret  sicli  auch  innerhalb  der  Kern- 
niembran. 

f )  AVenn  die  junge  Larve  von  Bhodiies  spinosissimae  der  rosae-Larve 
ähnlich  eine  mehr  gestreckte  Gestalt  besitzt,  so  würde  das  sehr  gut 
zu  Beyerixck's  Mittheilung  passen,  wonach  das  Ei  mit  dem  hintern 
Pole  dem  Blatte  aufliegt;  aber  auch  bei  stark  eingekrümmten,  fast 
kugligen  Arten  würde  die  Lage  der  Ausführöflfnung  bei  der  Grösse 
und  Zahl  der  Zellen  und  der  lebhaften  Secretion  kaum  ernstlich  in 
Frage  kommen. 

g)  Sind  es  die  MALPiani'schen  Gefässe,  welche  das  zur  Gallen- 
bildung reizende  Secret  liefern,  dann  erklärt  sich  auch  zu  einem 
Theile  die  Verschiedenheit  der  Gallenform,  Diese  ist  gewiss  zu 
einem  Theile  abhängig  von  der  Pflanze.  Dieselbe  Thierart  ruft  auf 
verschiedenen  Pflanzen  etwas  abweichende  Gallbildungen  hervor.  Die 
Galle  der  Larve  von  NematuspeduncuJi  ist  auf  den  unterseits  weissfilzigen 
Blättern  von  Salix  incana  weissfilzig,  auf  den  kahlen  Blättern  von 
Salix  purpurea  kahl  (Kerker).  Die  Gallenform  ist  ferner  ab- 
hängig von  der  Stelle,  an  welcher  die  Galle  entsteht,  ob  es  Wurzel, 
Kinde,  Knospe,  Blatt  (Blattfläche,  Stielrippe),  Blüthe  {S,  $)  ist.  Doch 
genügt  das  nicht  zur  Erklärung  der  Thatsaclie,  dass  verschiedene 
Thiere  auf  gleicher  Unterlage  verschiedene  Gallformen  hervorrufen, 
die  aber  in  ihrer  Art  beständig  sind.  Kerner  schliesst  daraus  auf 
eine  specifische  Verschiedenheit  der  flüssigen  Abscheidungsstoffe. 
Diese  Forderung  scheinen  die  MALPiGHi'schen  Gefässe  zu  erfüllen. 
Sie  zeigen  grössere  Verschiedenheiten  in  den  einzelnen  Arten  als 
die  Speicheldrüsen.  Sowohl  die  Grösse  als  die  Zahl  der  Zellen  ist 
auffällig  verschieden.    Es  haben  z.  B.  im  Durchschnitt  bei  einer 

Länge  der  Larve  die  MALPiGHi'schen  Gefässe: 

von  1.  icrminalis    470  i-i, 
„     2.  divisa  460   „ 

„     3.  fecundatrix  400  „ 

Es  kommt  hinzu,  dass  für  eine  Art  wenigstens,  fecundatrix,  bei 
der  gewöhnlichen  Färbung  eine  Abweichung  sich  zeigt  (S.  67),  also 
auch  auf  chemische  Verschiedenheit  der  Secrete  sicherer  schliessen 
lässt.  Daraus  ist  gewiss  auch  zu  einem  guten  Theil  die  so  auf- 
fällige Verschiedenheit  der  Gallenform  von  1  und  3  zurück  zu 
führen.  Beide  sind  bekanntlich  Knospengallen,  1  giebt  die  apfel- 
förmige  Frühlingsgalle,   3   die   einer  Rosenknospe  ähnliche  und  in 


Zelle: 

Kern : 

45  ^/, 

25  .«, 

59  „ 

36   „ 

m  „ 

66  „ 

76  Heinbich  RÖSSIG, 

ihren  zahlreichen  Schuppen  eine  Innengalle  bergende  Sommerg'alle. 
Dabei  wird  letztere  durch  ein  einziges  Thier  hervorgerufen,  während 
erstere  100—180  Larven  zugleich  birgt. 

Eine  genauere  Kenntniss  gerade  der  jüngsten  Larvenstadien, 
vielleicht  besser  noch  der  letzten  Embryonalstadien,  dürfte  geeignet 
sein,  unser  Wissen  nach  dieser  Eichtung  zu  fördern.  Vielleicht  er- 
giebt  sich  dann  das  Resultat,  dass  doch  in  letzter  Linie  die  Reiz- 
wirkung von  der  Gallwespe  ausgeht,  in  so  fern  die  wirksamen 
Stoffe  in  gebundener  Form  in  den  Dotterschollen  des  Eies  nieder- 
gelegt und  zum  Bau  der  MALPiGHi'schen  Gefässe  (vielleicht  auch 
der  Oenocyten?)  verwendet  sind  und  erst  im  Embryonalleben  und 
der  jüngsten  Larvenperiode  frei  und  wirksam  werden. 

10.  Auch  die  Oenocyten  sind  dabei  lebhaft  betheiligt  (ob  positiv 
oder  negativ?). 

Es  erübrigt  noch  der  so  auffällig  grossen  Larval-Oenocyten  zu 
gedenken.  Welche  Bedeutung  kann  ihnen  zukommen?  Nach  der 
heute  zumeist  vertretenen  Auffassung  sind  sie  Excretionsorgane, 
bestimmt,  harnsaure  Salze  aufzuspeichern  und  zwar,  wie  Verson 
bei  Bomhyx  wahrscheinlich  gemacht,  während  der  Zeit,  wo  die 
MALPiGHi'schen  Gefässe  nicht  functioniren  können,  während  der 
Häutungen  und  der  Verpuppung.  Berlese  kommt  zu  dem  gleichen 
Schluss.  Besonders  der  Fall  des  Melophagus  „dove  i  malpighiani 
vengono  solo  assai  tardi  nella  ninfa,  appunto  quando  scompaiono 
gli  oenociti  e  questi  sono  abbundantissimi  invece  in  precedenza,  mi 
conferma  nelF  idea  che  si  tratte  appunto  di  organi  escretivi."  ^) 
Das  angenommen,  würde  die  Grösse  der  Oenocyten  nicht  mehr  so 
unerklärlich  erscheinen,  w^o  die  MALPiGiii'schen  Gefässe  so  stark 
entwickelt  sind.  Wie  sich  dieses  Verhältniss  bei  andern  Insecten 
gestaltet,  ob  etwa  eine  Correlation  im  AVachsthum  sich  zeigt,  ist 
nicht  zu  sagen,  da  Vergleichsmaterial  aus  andern  Insectenclassen 
unter  diesem  Gesichtspunkte  zusammengestellt  so  gut  wie  gänzlich 
fehlt.  Auch  aus  den  von  mir  hergestellten  Präparaten  lässt  sich 
ein  Schluss  nach  dieser  Richtung  nicht  sicher  ziehen,  legt  sich 
aber  nahe  beim  Vergleich  folgender  drei  Serien  von  Dryophanta 
divisa-hSiYYen. 


1)  BerlesE;  A.,  in :  Rivista  Fatol,  veg. 


Speicheldrüseu, 

Malpigh. 

Gefässe, 

Oenocyten, 

Zellen      Kern 

Zellen 

Kern 

Zellen       Kern 

19  .«,    9  ^i, 

59  /^ 

36  (.1, 

50  //,     25  |t<, 

40  ,   21   „ 

73  , 

50  „ 

100  „     50  ,, 

56  „   30  „ 

115  „ 

56  „ 

150  „     59  „ 

Von  welchen  Organen  geht  der  Eeiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     77 

Larve  vom  Länge 

1.  1.  VIl.        460  ,«, 

2.  14.  VII.  ca.  600  „ 

3.  21.  VII.       714   „ 

In  der  gleichen  Zeit,  in  welcher  die  Zellen  der  MALPiGHi'schen 
Gefässe  ihren  Durchmesser  vei-doppeln,  erreichen  die  Oenoc3^ten 
(und  Speicheldrüsenzellen !)  die  dreifache  Grösse.  Ob  das  allein  aus 
der  Aufgabe,  für  die  MALPiGHi'schen  Gefässe  einzutreten,  erklärt 
werden  kann,  lasse  ich  einstweilen  dahingestellt.  Wenn  die  Oeno- 
cyten nur  dieselbe  Aufgabe  hätten  wie  die  MALPiGHi'schen  Gefässe, 
warum  sind  sie  dann  so  auffallend  abweichend  in  ihrem  Verhalten 
nach  Structur  und  Farbe?  ^^^ürden  so  wenige  Zellen  genügen,  wenn 
auch  nur  für  einige  Tage,  denselben  physiologischen  Arbeitseifect 
zu  erzielen  wie  so  viele  andere  der  MALPiGHi'schen  Gefässe? 
{tcrminalis  hat  6 — 10  Oenocyteu,  gegen  100  Zellen  in  den  Malpighi- 
schen  Gefässen).  Wahrscheinlich  dürfte  ihnen  auch  noch  irgend 
eine  andere  Aufgabe  zugewiesen  sein,  ob  eine  nur  negative,  z.  B. 
ein  Paralysiren  von  unnützen  oder  schädlichen  Stoffen  (das  Gallen- 
gewebe reagirt  sauer,  die  zerdrückte  Larve  aber  alkalisch)  oder 
eine  positive  Umwandlung  bestimmter  Stoffe  (der  Nahrung?  Gallus- 
säure? des  Blutes?)  in  bestimmte  andere  Producte,  lässt  sich  nicht 
entscheiden. 

Volle  Sicherheit  ist  über  die  Frage  nach  den  Organen,  welche 
das  Galleu secret  liefern,  nicht  zu  erreichen.  Meine  Ansicht  geht 
dahin,  dass  das  wirksame  Secret  von  den  MALPiGHi'schen  Gefässen 
abgegeben  wird.  Ob  es  auch  in  ihnen  ausschliesslich  bereitet  wird, 
ist  fraglich.  Es  kommt  auf  die  Bedeutung  an,  welche  man  den 
Oenocyten  beilegt.  Hält  man  sie  nur  für  vicariirend  mit  den 
MALPiGHi'schen  Gefässen,  dann  müssen  letztere  das  Secret  allein 
liefern.  Ich  möchte  aber  eher  annehmen,  dass  auch  den  Oenocyten 
ein  gewisser  I^influss  nicht  zu  versagen  ist,  dass  sie  schon  die  Blut- 
flüssigkeit in  gewisser  Richtung  zerlegen  und  so  den  ]\rALPiGHi'schen 
Gefässen  vorarbeiten.  Ob  diese  Auffassung  haltbar  ist,  müssen 
weitere  Untersuchungen  zeigen. 


Heinrich  Rüssig, 


Literatuiverzeichiiiss. 


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Von  welchen  Organen  geht  der  Eeiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     79 

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Von  welchen  Organen  geht  der  Keiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus?     81 

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Vou  \vel<'lioii  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bilrtnng  rlcr  PflanzengaUe  aus':"     83 

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113.  TargiONI    Tozzetti,    1870,    Sul    organo    che    fa   lume  nelle  luciole 

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Von  welchen  Organen  geht  der  Reiz  zur  Bildung-  der  Pflanzengalle  aus?     85 

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119.  Vaney,    C,    1902.     Contribution  k  l'etude  des   larves  et  des  meta- 

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120.  Van  E,EES,    J.,     1888,    Beiträge    zur    Kenntniss    der    innern    Meta- 

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p.    112  ff. 

121.  VersoN,    E.   e  E.  Birson,    1891,    Cellule    giandulari   ipostigmatiche 

nel  Bombyx  mori.  tab.  1  e  2,  in:  Boll.  Soc.  entomol.  Ital.,  Anno 
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122.  Verson,    Enrico,    1892,    Altre    cellule  glandulär!    (epigastriche)  di 

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V.  7,  2,   16  p.,  1  tab. 

123.  — ,    1897,    La  evoluzione  del  tubo  intestinale  nel  Filugello,    Parte  I, 

in:  R.  Staz.  Bacol.  Sperimentale,  Padova,  p.  917 — 956,  2  tab., 
Parte  II,  ibid.,    1898,  p.   1273—1315,  2  tab. 

124.  — ,    1900,  Beitrag  zur  Oenocyten-Literatur,    in:    Zool.   Anz.,  V.   23, 

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125.  — ,    1902,    Observations    on    the  structure  of  the  exuvial  glands  and 

the  formation  of  the  exuvial  fluid  in  insects,  ibid.,  V.  25, 
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126.  Viallanes,  M.  H.,    1882,    Sur   l'histologie    des   insectes    et   sur   les 

phenomenes  histologiques  qui  accompagnent  le  developpemeut  post- 
embryonnaire  de  ces  aniraaux,  in:  Ann.  Sc.  nat.  Zool.,  V.  14, 
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127.  Wandolleck,  B.,   1899,  Zur  Anatomie  der  cyclorhaphen  Dipteren- 

Larven:  Anat.  der  Larve  von  Platycephala  planifrons  F.,  in: 
Abh.  Ber.  zool.  anthrop.  ethnogr.  Mus.  Dresden,  Festschr.  1899, 
p.   1—40,  2  Taf.,   11  Fig.  im  Text. 

128.  Weismanx,    Dr.    A.,     1864,    Die    nachembryonale    Entwicklung    der 

Museiden  nach  Beobachtungen  an  Musca  vomitoria  und  Sarco- 
phaga  carnaria,  in:  Z.  wiss.  Zool.,  V.  14,  tab.  21 — 27,  p.  187 
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86  '  Heinrich  Rössig. 

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130.  Willem,  Victob,   1897,  Les  glandes  filieres  (coxales)  des  Lithobies, 

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131.  AViTLACZiL,  Emanuel,   1882,  Zur  Anatomie  der  Aphiden,  in:  Arb. 

zool.  Inst.  Wien,    1882,  V.  4,  p.  397—441,  3  Taf. 

132.  — ,    1885,  Die  Anatomie  der  Psylliden,    in:    Z.   wiss.   Zool.,    V.   42, 

p.  569—638,  tab.   20  —  22. 

133.  V.  WiELOWiEJSKi ,    Heinr.  ,    1882,    Studien    über    die  Lampyriden, 

ibid.,  V.  37,  p.  354—428,  tab.  23—24. 

134.  — ,     1886,    lieber    das    Blutgewebe    der    Insecten.      Eine    vorläufige 

Mittbeil.,  ibid.,  V.  43,  p.  512—536. 


Von  welclien  Orgauen  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle  aus'/     87 


Erklärung  der  Abbildiuigeii. 


A  Anus  LOe  Larvaloenocyteu 

AG  Ausführgang  M  Mund  (-öflfnung,  -ende) 

BM  Bauchmark  .1//  Muskel 

C  Cuticula  Md  Mitteldarm 

F  Fett  (-körper,   -zelle)  MG  MALPiGHl'sche   Grefässe 

GAG    gemeinschaftliches  Stück    des    Oh. Schi  Oberschlundganglion 

Ausführganges  Oe  Oenocyten 

G  Granglion  <S'  Secret 

IM  Hinterdarm  Spar  Speicheldrüsen 

Hp  Hypodermis  T  Tracheen 
IM  Tmaginale  MALPlGHrsche  Gef.         [I.ScJ/l  TJnterschlundganglion 

lOe  Iraaginaloenocyten  V  Vacuolen. 
LM  Larvale  MALPiGHi'sche  Gef. 

Die  Zeichnungen  wurden  auf  dem  Arbeitstisch  hergestellt,  nur  Fig.  5 
in  halber  Höhe  des  Tubus. 

Tafel   3. 

Fig.  1.  I)rijoj)lirt)if(i  (l/r/sri  Htg.  785  /<  laug.  Sagittalschnitt.  a — m 
die   12  Körperriugel.      70  :  1. 

Fig.  2.  Dieselbe  Larve,  etwas  tieferer  Schnitt,  die  grossen  Oeno- 
cyten zeigend,      a — g  entsprechen  den  Bezeichnvingeu  auf  Fig.    1.      70:1. 

Fig.  .3.  L'//o(lilcs  rosae  L.  jung,  halbschematisch.  Lange  Speichel- 
drüse.     70:1. 

Fig.  4.  Dii/nj/l/ni/la  divisa  Htg.  460  /<  lang.  Frontalschnitt.  Grosse 
Oenocyten,   67   u,   und  Malp.  Gef.,   Zellen   7l    ,«,   Kern  56  fi.      70:  1. 

Fig.  5.  Drijophaida  dirisa.  Querschnitt.  Oenocyten  und  Malp.  Gef. 
in  einander  gepresst.      Letztere   mit  Secret.      450:  1. 

Fig.  6a.  i>i()iln\a  Iniiiiiudis  Fun.  470  /<  lang.  Sagittalschnitt. 
70:  1. 


88  Heinrich  Rössig. 

Fig.  6  b.  Tiefer  liegender  Schnitt  derselben  Larve.  Sförmig  ge- 
krümmte Malp.  Gef.     70  :  1. 

Fig.  7  a  und  7  b.  Umi'isszeicbnung  aus  der  Larve  von  Aiidrints 
fecundatrix  Htg.,  400  /<  lang,  70  :  1.  Lage  wie  bei  6  a  und  6  b.  Grössere 
Zellen  der  MALr.  Gef. 

Fig.  8.  Bioyhha  iernu'nnJis  Fbe.  Querschnitt.  Malp.  Gef.  sind 
5  mal  getroffen.      70  :  1. 

Fig.  9  a.  Äjulricus  osfreuf!  GiR.  357  /ti  lang.  7?  Ring,  welcher  die 
Grösse  des  Innenraums  der  Galle  angiebt.      70  :  1. 

Fig.  9  b.  Dieselbe,  2  Zellen  der  Malp.  Gef.  und  ein  Oenocyt  bei 
300facher  Vergrösserung.     (M.  G.  48  f.i,  Oeu.  23  f.i). 

Fig.  10.  Dryopliaiita  divisn.  450  ^i  lang.  Speicheldrüse  der  linken 
Seite  im  Frontalschnitt.     450  :  1 . 

Fig.  IL  Drijopliauta  divisa.  Ende  Juni.  Speicheldrüse  im  Quer- 
schnitt.     450  :  1.  ' 

Fig.  12.  Drijoplxinta  divisa.  21.11.  Speicheldrüse.  Sagittalschnitt. 
Mit  schaumigem   Secret  gefüllt.      450:1. 

Fig.  13.  Andricus  glandulär,  Htg.  Erwachsene  Larve,  Frontalschnitt. 
Lage  der  Speicheldrüsen  zum  Mitteldarm  und  den  Malp.  Gef.  zeigend. 
Speicheldrüse  und  Malp.  Gef.  mit  verzweigten  Kernen.     70  :  1. 

Tafel  4. 

Fig.  14.  Audricas  malpighii  Adler.  Speicheldrüse  und  Malp.  Gef, 
vor  dem  Verfall.      70  :  1.     Sagittalschnitt. 

Fig.  15.  Andricus  r/Iandulac  Htg.  Sagittaler  Durchschnitt  des 
GAG.     300  :  1.      SjxlrÖ  Mündung  der  Speicheldrüsen. 

Fig.  16.  Tihodiics  spinosissimae  GiR.  Sagittalschnitt.  Zusammen- 
gefallenes Säckchen  der   Speicheldrüse.     Kerne  verklumpt.      70  :  1. 

Fig.  17.  Inquiline  von  Andricus  (jlohuU  Htg.  Sagittalschnitt  durch 
2  Zellen  der  Speicheldrüsen.  Die  hellen  Querlinien  dürften  künstlich 
durch  den  Schnitt  herbeigeführt  sein.      300  :  1. 

Fig.  18.  Andricus  malpigliii  Adl.  Sagittalschnitt  durch  das  Ende 
des  Ausführganges  der  Speicheldrüsen.  Mit  Ringfalten  der  Intima.  Ver- 
dickung des  Endabschnittes  fast  verschwunden.     300  :  1. 

Fig.  19.  Rhodites  rosac  L.  Speicheldrüse  (sagittal).  Im  zusammen- 
gefallenen Lumen  Reste  der  larvalen  Kernmassen  (LK)  und  im  vordem 
Abschnitte  beginnende  Regeneration  des  Epithels,  d  Combinirte  Gesammt- 
ansicht,  a,   b,  c  Theile  bei   300facher  Vergr. 

Fig.  20.  Dnjophanta  folii  L.  Frontalschnitt.  Imaginale  Speichel- 
drüse.     150  :  1. 

Fig.  21   wie  Fig.  20,   mit  larvalem  Chromatinklumpen. 

Fig.  22.  Ncurulevus  Iricolor  Htg.  Sagittalschnitt  durch  die  Kopf- 
drüse  (System  IV  nach  ScHiEMENZ)  der  Puppe.     300  :  1. 


Voll  Avelcheii  Organeu  geht  der  Reiz  zur  Bildung  der  Priaiizengalle  aus?     89 

Fig.  23.  Ausführgang  zu  Fig.  22.  l)r  Kopfdrüse.  Miid  Anlage 
der  Mandibeln.      150  :  1. 

Fig.  24.  Inquiline  von  Andriciis  f/Iolnili,  halbschematischer  Sagittal- 
schnitt  der  Speicheldrüse.      70  '  1. 

Fig.  25.     Hormomijia  fagi  H.'i:(jr.,    1070  ,u  lang.    Frontalsclinitt.    70:1. 

Fig.  26.  Wie  Fig.  25.  Schematische  Figur  Lage  und  Grössen- 
verhältnisse  der  3  Abschnitte  der  Speicheldrüse  einer  6  mm  langen  Larve 
zeigend. 

Fig.   27 — 51.     L  arval- 0  enocy  ten   (Beschreibung  im  Text!). 

Fig.  27.  Biorln'ui  terunualis  Fbi?.  460  (^i  lang.  Oenocyten  20  (.i, 
a  mit  Yacuolen,   b  mit  2  Kernen  (?).      300:  L 

Fig.  28.  Dryophania  divisa  Htg.  Vergr.  aus  der  Fig.  2.  Oen. 
146  /<.     Kern  70  ß.     450  :  1. 

Fig.  29.  Drijophanfa  divim  Htg.  Oen.  den  Malp.  Gef.  anliegend, 
durch  den  Längsmuskel  der  Körperseite  fast  durchschnürt. 

Fig.  30.  Oen.  mit  pseudopodienartigen  Fortsätzen,  a  Drijopltaiila 
divisa.  150:1.  b  liliodites  rosae  L.  300:1.  c  Aiidricus  autumnalis 
Htg.     300:1.     d — f  Ändrims  glaiidulae  Ktg. 


Tafel  5. 

Fig.  31.     Andriciis  autiwnialis  Htg.     300:  1   (cf.  Text  S.   55). 

Fig.  32.     Ändricus  cmtumiialis  Htg.     450  :  1. 

Fig.  33.     Dryophanta  divisa  Htg.     300  :  1. 

Fig.  34.     Andriciis  malpighii  Adl.     300  :  1. 

Fig.  35.     Desgl. 

Fig.  36  u.  37.     Dryophania  divisa  Htg.     450:  1. 

Fig.   38.     Inquil.  v.   Andriciis  glohuli  Htg.     300:  1. 

Fig.   30.      Cynips  kollarii  Htg.     Kernmembran  aufgelöst.     300  :  1. 

Fig.  40.  Ändricus  mnJpiqliii  Adl.  Oen.  getüllt  mit  Uratkrystallen. 
850:1. 

Fig.  41 — 43.  Inquilinen  von  RJioditcs  cglanteriae  Htg.  bei  Fig.  42 
des  Plasma  durch  Pikrin  gelb  gefärbt,   43   degenerirend.      300  :  1. 

Fig.  44.      Vcspa  crcthro.      1,5  mm  lang.     300  :  1. 

Fig.  45.     Tenthredinide  {Nematus  sp.?).     300:1. 

Fig.  46 — 49.  Hormomyia  fagi  Htg.  46:  Larve  1,07  mm.  49: 
Larve  6  mm.     300  :  1. 

Fig.  50.  Aphis  mali.  a — e  aus  Embryonen,  f — i  aus  dem  erwach- 
senen $,     300  :  1. 

Fig.  51.  Biorhiza  (erniinalis  Fbk.  Junge  Fettkörperzellen,  durch 
mitotische  Theilungen    aus  Hypodermiszellen    entstehend.     5  sind    auf  der 


90  H.  EössiG,  Reiz  zur  Bildung  der  Pflanzengalle. 

Figur  vom  Schnitt  getroffen.     .//''-;   Junge  Fettköri^erzellen.      550:1.      Iniq 
Imaginalscheibe. 

Fig.  52.  ÄudricHs  glandulae  Htg.  Uebergangsstadien  der  jungen 
Fettkörperzellen  in  typische,  a,  b  mit  einer  Vacuole,  c,  d  mit  2,  e  mit  5  ; 
f,  g  mit  6   sind  schon  typische  Fettkörperzellen.      300  :  1. 

Tafel  6. 

Fig.  53  —  59.  RhodUcs  rosae  L.  Imaginaloenocyten.  53  —  55  Um- 
risszeichnungen. 

Fig.  53  u.  54.  Auf  einander  folgende  Schnitte  sagittal  durch  die 
Ventralseite  der  Abdominalringe.      Stadium  mit  3  Zellen.      300:1. 

Fig.   55 — 57.     Desgl.   mit  Theilungsfiguren.      550  :  1. 

Fig.  58.  Säckchen  von  Imaginaloenocyten  einer  Stigmenanlage  ähn- 
lich.     70:1. 

Fig.  59.  Syncytium  frei  im  Fettgewebe  des  1.  Abdominalringes. 
300:  1. 

Fig.  60 — 64.     MALPiaHi'sche  Ge fasse. 

Fig.  60.  Biorliixa  terminaUs  Fbr.  Querschnitt  durch  ein  Malp. 
Gef.     Eine  Zelle  mit  Secret  in  Vacuolen.     550  :  1. 

Fig.  61.  Rhodites  rosae  Jj.  Umrisszeichnung,  Grössenverhältniss  der 
degenerirenden  larvalen  Malp.  Gef.  {LM)  zu  den  fast  ganz  ausgebildeten 
imaginalen  (AI/)  darstellend.      70  :  1. 

Fig.  62.  Rhodiies  spinosissimae  GiR.  Schrägschnitt  durch  eine  de- 
generirende  Malp.  Drüse,  im  Lumen  eine  vorgepresste  Drüsenzelle.    300  :  1 . 

Fig.  63.  Biorhiza  terminalis  Fbr.  Frontalschnitt  durch  die  Ver- 
bindungsstelle der  Malp.  Gef.  und  des  Hinterdarmes,  mit  Anlagen  junger 
imaginaler  Malp.  Gef.      300  :  1. 

Fig.  64.  Biorhiza  terminalis  Fbr,  Medianer  Sagittalschnitt  durch 
den  Hinterdarm,  Vergrösserung  der  Fig.   6  a.      550:  1. 

Fig.  65.  Ändricus  malpighii  Adl.  Sagittalschnitt  durch  den  obern 
Abschnitt  des  Hinterdarms  und  den  untern  der  Malp.  Gef.  lU  Imaginal- 
ring  der  spätem  imaginalen  Malp.   Gef.      120:  1. 

Fig.  66.  Dieselbe  Larve,  gleicher  Schnitt  wie  Fig.  65.  Unterer 
Abschnitt  des  Enddarms  mit  den  Rectalpapillen  RP.      120:1. 


Lippeit  &  Co.  (G.  Pät/.'sche  Buchdr.),  Naumburg  a.  Ö. 


Ueberselzungsrecht  vorbehalten . 
Nachdruck  verboten. 


lieber  einen  neuen  Hirsch  aus  Turkestan. 

Von 
B.  M.  Shitkow,  PriA'atdoceiit  an  der  Universität  Moskau. 

Mit  5  Abbildungen  im  Text. 


Der  Hirsch,  welchem  die  folgende  Abhandlung-  gilt,  war  schon 
in  der  zoolog-ischen  Literatur  erwähnt  und  in  Kürze  beschrieben. 
Nach  Hinweisen  von  Herrn  Hagenheck,  der  das  Thier  im  Moskauer 
Zoologischen  Garten  sah  und  dasselbe  als  eine  noch  nicht  be- 
schriebene Art  ansprach,  brachte  Lydekker  in  seinem  bekannten 
Werk  „The  deer  of  all  lands"  ^)  eine  kurze  Beschreibung  dieses 
Hirsches.  Lydekker  führt  folgende  charakteristischen  Merkmale 
dieser  Form  auf:  Höhe  des  Thieres  an  den  Sclmltern  4  Fuss;  das 
Geweih  nach  seinem  Allgemein typus  ähnelt  dem  des  „Shou"  {Cervus 
affinis  HoDGs.),  indem  es  eine  ebensolche  Biegung  nach  vorn  besitzt 
über  der  ]\littelsprosse  wie  bei  letzterm.  Normaler  Weise  aber  hat 
das  Geweih  nur  4  Sprossen,  da  die  Eissprosse  fehlt.  Der  Kopf  ist 
kurz  und  breit;  die  Färbung  aschgrau  (..ashygray")  mit  gelblicher 
Schattirung.  Ueber  den  Rücken  geht  ein  schwarzer  Riemen.  Der 
wenig  scharf  hervortretende  Spiegel  umschliesst  den  Schwanz. 
Lydekker  hält  es  für  möglich,  dass  dieser  Hirsch  eine  kleine  west- 
liche Varietät  des  Cervus  affinis  darstellt.  „Diese  Angaben  und  die 
ihnen  beigegebene  Photographie"  —  schliesst  Herr  Lydekker  — 
„verdanke  ich  Mv.  Cahl  HACiKNUECK." 


1)  Lydekker,  The  deer  of  all  lands,  London  1898,  p.  108.  —  The 
Bokhara-Deer,    Cervus  sp.  7ior.? 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  7 


92  '     B-  M.  Shitkow, 

Der  Hirsch,  um  den  es  sich  handelt,  wurde  vom  Generalgouver- 
neur von  Turkestan  dem  Moskauer  zoologischen  Garten  als  Geschenk 
vor  mehr  als  10  Jahren  übersandt.  Später  wurde  vom  General- 
gouverneur DucHowsKüi  auch  eine  Hindin  (Thier)  dieser  Art  ge- 
schickt, die  noch  jetzt  lebt  und  sich  vier  Jahre  im  Garten  befindet. 
Was  das  Männchen  anbelangt,  so  ging  dasselbe  im  December 
1902  ein,  und  der  ausgestopfte  Balg  befindet  sich  jetzt  im  Zoologischen 
Museum  der  Universität  Moskau.  Dieser  Balg  diente  auch  als 
Material  für  die  hier  gebotene  Beschreibung.  Ausser  dem  Balge 
hatte  ich  auch  4  Geweihe  zur  Verfügung,  von  denen  eines  sich  am 
Balge  befindet,  während  die  übrigen  3  die  auf  einander  folgenden 
Geweihabwürfe  der  Jahre  1899,  1901  und  1902  darstellen.  Die  1900 
abgeworfenen  Geweihe,  wie  die  vor  1899  gewechselten,  sind  leider 
nicht  erhalten.  Uebrigens  zeigen  die  von  der  Gartendirection  mir 
gelieferten  3  Photographien,  die  zu  verschiedenen  Zeiten  im  Zoolo- 
gischen Garten  aufgenommen  wurden,  dass  der  Typus  und  die  Form 
des  Geweihes,  die  Zahl  der  Sprossen  auch  früher  dieselben  waren 
wie  an  den  Geweihabwürfen  von  1899 — 1902.  Jedenfalls  repräsen- 
tiren  die  4  Geweihserien  ein  nicht  uninteressantes  Material  zur 
Beurtheilung  der  Beständigkeit  der  Grundzüge  des  Baues  des  Ge- 
weihes unseres  Hirsches  und  der  Bedeutung  dieser  oder  jener  Ver- 
änderungen in  der  Entwicklung  und  Vertheilung  der  Sprossen  — 
und  das  um  so  eher,  als  das  letzte  Geweih  (zum  Theil  auch  die 
frühern)  nicht  vollkommen  entwickelt  erscheint  und  seinen  Typus 
in  Folge  des  schon  eingetretenen  senilen  Marasmus  des  Thieres 
etwas  verändert  hat.  Zur  Beschreibung  dieser  Geweihserie  gehen 
wir  vor  Allem  nunmehr  über. 

Sowohl  die  abgeworfenen  als  auch  die  am  Balge  befindlichen 
Geweihe  fallen  vor  allen  Dingen  durch  ihre  hell  leuchtend  weisse 
Färbung  in  die  Augen,  durch  die  sie  sich  merklich  von  den  eine 
dunkelgraue  Färbung  tragenden  Geweihen  der  Edelhirsche  und 
Wapitis  unterscheiden.  Viel  auffallender  als  bei  diesen  letztern  ist 
auch  am  Geweih  des  Turkestan-Hirsches  die  Furchung  ausgeprägt, 
wobei  die  die  Furchen  begrenzenden  und  sich  besonders  längs  der 
Innenseite  des  Gehörnes  hinziehenden  engen,  zusammengedrückten 
niedrigen  Kämmchen,  an  vielen  Stellen  unterbrochen,  Erhebungen 
bilden,  die  im  Kleinen  den  Perlen  des  Rehes  ähneln  {Cervus  capreolus  L.) 
Das  Geweih  erscheint  daher  sehr  rauh. 

Alle  4  Geweihe  besitzen  an  den  Stangen  je  4  Sprossen,  welche 
Anzahl  für  diese  Form  typisch  ist.    Unten,   kaum  vom  Rosenstock 


Ueber  einen  neuen  Hirsch  aus  Tuikestan.  93 

entfernt  (fast  unmittelbar  über  ihm),  sind  schräg  nach  oben  und 
vorn  die  Augensprossen  gerichtet.  Die  Augensprusse  beider 
Stangen  ist  gut  entwickelt;  sie  gehen  einander  parallel  und  sind 
somit  derart  gerichtet,  dass  beide  einen  rechten  Winkel  mit  einer 
Linie  bilden,  die  man  über  die  obere  Fläche  des  Kopfes  über  die 
Stirn  und  Schnauze  des  Hirsches  geführt  hat.  Die  Eissprossen  fehlen. 
Annähernd  in  der  Mitte  der  Länge  der  Geweihstange  zweigt  sich 
die  im  Vergleich  zur  Augensprosse  schwach  entwickelte  Mittelsprosse 
ab.  Die  Krone  des  GewTihes  bildet  eine  Gabel,  deren  innere  Sprosse, 
die  das  Ende  der  Geweihstange  dai-stellt,  stärker  entwickelt  ist,  die 
äussere  aber  —  äussere  Spitze  der  ersten  Endgabel  oder  Spitze  e 
nach  Blasius'  Terminologie ')  —  schwächer.  Die  Tlieile  der  Gabel 
haben  das  Bestreben,  sich  einander  parallel  zu  entwickeln,  und  ent- 
fernen sich  wenig  von  einander,  indem  sie  annähernd  einen  Winkel 
von  45"  bilden. 

Die  Mittelsprosse  hat  ebenfalls  eine  aufwärts  gehende  Richtung, 
im  Durchschnitt  mit  der  Geweihstange  einen  kleinern  Winkel 
bildend  (etwa  60 ").  als  es  gewöhnlich  bei  Edelhirschen  der  Fall  ist. 
Die  Ansätze  aller  drei  Sprossen  —  der  Augen-,  Mittel-  und  äussern 
Gabelsprosse  —  liegen  an  der  Oberfläche  der  Geweihstange,  eine 
flach  ansteigende  Schraubenlinie  bildend:  die  Augen  sprosse' entspringt 
auf  der  Torderoberfläche  der  Stange,  die  Mittelsprosse  an  der  vordem 
Seitenoberfläche,  die  Gabelsprosse  von  der  Seiten-  oder  sogar  hintern 
Seitenoberfläche.  Die  Axen  des  Gew^eihes  sind  in  Gestalt  eines 
ziemlich  gleiclimässigen  Bogens  nach  innen  und  vorn  gebogen,  so 
dass  die  Spitzen  desselben  sich  einander  nähern. 

Lidem  ich  zur  Beschreibung  der  einzelnen  Geweihe  und  Auf- 
führung von  deren  Maassen  übergehe,  muss  ich  Folgendes  bemerken: 
Die  Maasse  am  Geweih  (der  Stange  und  den  Sprossen)  wurden  mit 
einem  Bande  an  der  Innern  (concaven)  Seite  der  Stangen  und 
Sprossen  genommen.  Als  Entfernung  der  Sprossen  von  einander 
wurde  die  Entfernung  zwischen  den  auf  der  Innen-(Concav-)Seite 
der  Stangen,  zwischen  der  Glitte  der  Sprossenansätze ;  gelegenen 
Punkte  angenommen,  indem  das  ]\Iaass  längs  der  Oberfläche  der 
Stange  genommen  wurde.  Die  Länge  der  Gabelsprossen  wurde  von 
den  Punkten  aus  gei'echnet,  die  in  der  Mitte  in  der  Gabelung  (an 
der  Linenoberfläche   derselben)   lagen.     Alle   ^laasse   sind,  wie  bei 


1)  Naturgesch.  der  Säugethiere  Deutschlands,  p.  451. 


94 


B.  M.  Shitkow, 


den   Angaben    in    Lydekker's    Buch,    in   englischen    Zoll    gegeben. 
Folgendes  die  Maasse  der  drei  Geweihabwürfe: 


Geweih 
No.  1 


Geweih 
No.  2 


rechts   links    rechts    links 


Geweih 

No.  3 

rechts     links 


Länge  der  Stange  vom  Roseustockrande 

his  zur  Spitze 
Länge  der  Augensprosse 
Länge  der  Mittelsprosse 
Abstand  zwischen  Augen-  und  Mittelsprosse 
Abstand  zwischen   der  Mitte   des   Mittel- 

sprosseu-Ansatzes    his    zur    Mitte    der 

Gabelung 
Innere  Gahelsprosse  (Stangenende) 
Aeussere  Gabelsprosse 
Umfang  der  Stange  am  Rosenstock 
Umfang  der  Stange  über  der  Mittelsprosse 

(2  Zoll  über  dem  Ansatz  derselben) 
Gerader  Abstand  vom  Roseustockrande  bis 

zur  Geweihspitze   (an    der    Sehne    des 

Bogens) 


39 
15 


38 
15 
8,5        9 
18.5      12 


11.5 

7' 


31 


36,5  36 

11,75  12 

8,75      6,5 
4  5,5 


12.5      13.5     15,5 
13         li;75    16,5 


8.5 

7 


7 
6.25 


10,5 

19,5 

7,5 

6,5 


o,o 


32.5     30,5      30,5 


34 
11,5 
6,75 
14,5 


11.75 
8 

4,75 
6,5 


28 


Geweih  No.  1. 


Ueber  eiueii  neuen  Hirsch  aus  Turkestau. 


95 


Das  Geweih  Xo.  1  (abgeworfen  im  März  1899j  ist  von  den  4 
mir  zur  Verfüg-ung:  stehenden  am  stärksten  entwickelt.  Die  Enden 
der  Angensprossen  sind  etwa  in  der  lialben  Länge  der  Sprossen 
nach  oben  gebogen;  diese  selbst  zweigen  sich  von  den  Stangen 
etwas  über  dem  Rosenstock  ab.  Die  Gabeltheile  sind  stark  ent- 
wickelt und  ziemlich  gleichmässig-. 


Geweih  No.  2. 

Das  Geweih  No.  2  (Abwarf  vom  12.  März  1901)  ist  etwas  kürzer 
und  schwächer  als  das  vorhergehende  und  hat  dabei,  in  Folge  einer 
Veränderung  der  Lage  der  Mittelsprossen  und  äussern  (iabelsprossen, 
bei  gleicher  Anzahl  von  Sprossen  überhaupt,  oiuen  etwas  veränderten 
Typus  des  Aufbaues.  Die  Mittelsprosse  zweigt  sich  nämlich  sehr 
nahe  der  Augensprosse  —  4  Zoll  an  der  lechten  Stange  und  5.5  an 
der  linken  —  ab.  Beide  äussern  Gabelsprossen  liegen  ebenfalls 
verhältnissmässig  /u  ualie  nach  den  Ansätzen  des  Geweihes  hin,  so 
dass  beide  Gabeltheile  ungleichmässig  entwickelt  sind.  An  der 
linken  Stange  dieses  Geweihes  z.  B.  (wo  diese  rngleichmässigkeit 
auffallender  ausg'eprägt  ist)  hat  die  innere  Gabelsprosse  (Ende  der 
Stange)  eine  Länge  von  19.5  Zoll,  die  äussere  nur  7.5  Zoll,  und 
der  Ansatz  der  letztern  liegt  an  der  Stange  nur  wenig  höher  als 
die  Stelle,  wo  an  normal  gebauten  Geweihen   die  Mittelsprosse  ab- 


96 


B.  ;\r.  Shitkow, 


zweigt.  Wenn  man  diesem  Geweih  die  Mittelsprosse  nehmen  würde, 
so  würde  es  nach  seiner  Form  stark  an  das  Geweih  des  indischen 
Cervus  axis  Erxl.  erinnern. 

Das  Geweih  No.  3  (Abwarf  vom  März  1902)  ist  nach  dem  Tj^nis 
von  Geweih  No.  1  gebaut,  aber  nicht  nur  schwächer  als  dieses, 
sondern  sogar  als  Geweih  No.  2  entwickelt.  Die  Gesammtlänge  des 
Geweihes  ist  wieder  geringer  (34  Zoll)  und  Mittel-  wie  Gabelsprossen 


Geweih  No.  3. 

um  ein  Geringes  schwächer  ausgebildet.  Dabei  erweist  sich  bei 
einem  Vergleich  beider  Stangen  des  Geweihes,  dass  die  Mittelsprosse 
an  der  rechten  Stange  etwas  derber  und  länger  ist,  die  Gabelsprosse 
an  derselben  Stange  aber  relativ  schwächer;  sie  sind  kürzer  (be- 
sonders die  äussere)  und  dünner  am  Ansatz  (an  der  rechten  Stange 
hat  der  Ansatz  der  Innern  Gabelsprosse,  d.  h.  die  Stange  unmittelbar 
über  der  Gabeltheilung  —  an  den  beiden  perpendiculär  zu  einander 
stehenden  Durchmessern  —  eine  Stärke  von  3  und  3,8  cm,  an  der 
linken  von  3,7  und  4,2  cm);  die  Sprossen  bilden  im  Querschnitt  ein 
unregelmässiges  Oval  und  sind  in  der  mit  der  Fläche  der  Gabel 
susammenfallenden  Richtung  zusammengedrückt. 

Das  Gew^eih  No.  4,  das  sich  am  Schädel  (und  Balge)  des  Hirsches 
befindet,  ist  vollkommen  ausgezackt  und  besitzt  nur  Eeste  des  noch 


links 

32,5  Zoll 

11,75  „ 

4,5     „ 

12,5     „ 

14       „ 

7       „ 

5,25  „ 

6       „ 
5       „ 

Ueber  eiuen  neuen  Hirsch  aus  Tnrkestan.  97 

nicht  völlig  abgefegten  Bastes.  Es  giebt  ein  viel  schärferes  Bild 
von  Altersatrophie  als  die  beiden  vorausgehenden  Geweihe,  Es  ist 
in  allen  seinen  Tlieilen  kürzer  und  schwächer,  mit  unausgebildeten 
Gabeln.  Nur  seine  Augensprossen  sind  genügend  entwickelt,  wobei 
die  Enden  derselben  nach  oben  gerichtet  sind,  wie  bei  den  übrigen 
Geweihen.  Der  Ansatz  der  ]\rittelsprossen  und  äussern  Sprossen  der 
nicht  vollkoninien  entAvickelten  Gabeln  ist  normal,  wie  an  den  Ge- 
weihen No.  1  und  3.    Hier  die  Maasse  dieses  Geweihes: 

rechts 
Länge  der  ganzen  Geweihstange  32    Zoll 

,,     Augensprosse  12,5     „ 

„        ,,     ]\rittelsprosse  7       „ 

Abstand  zwischen  der  Mitte  des  Ansatzes  der 

Augensprossen  und  Mittelsprossen    13,75  ,, 
„        der  Mittelsprosse  von  der  Gabelung   14       ,, 
Innere  Gabelsprosse  4,75  „ 

Aeussere        ,,  1,75  „ 

Umfang  der  Stange  über  den  Eosenstock  6,25  „ 

„         ,,  „     die  Mittelsprosse        5,25  „ 

Abstand  zwischen  Rosenstock  und  Geweih- 
spitze,  an  der  Sehne  27,5     „  27,5     „ 

Bei  einem  Vergleich  der  beiden  Stangen  dieses  Geweihes  sehen 
wir  abermals,  dass  die  Gabeltheile  an  der  Stange  fast  gar  nicht  zur 
Entwicklung  gelangten,  die  etwas  dicker  und  an  der  die  Augen- 
sprosse, besonders  aber  die  Mittelsprosse  stärker  ausgebildet  ist. 
Die  Entfernung  der  verschiedenen  Punkte  des  am  Balge  gelassenen 
(Teweihes  ist: 

Abstand  der  Spitzen  (Krone)  beider  Stangen  21,75  Zoll, 

„  „  ,,  der  "Mittelsprossen  (d.  h.  der  Ab- 
stand der  am  weitesten  von  einander 
entfernten  Geweihpunkte)  29,5       „ 

„        „     am    weitesten    von     einander    entfernten 

Punkte  beider  Stangen  27         „ 

„        „     Ansätze   beider  Stangen  (der  Rosenstock- 

ränder)  3         „ 

„         „     Augensprossenansätze  5         „ 

,,         „     Augensprossensi)itzen  6,5       „ 

Die  Augensprossen  beider  Seiten  sind  nach  ihrer  Richtung 
eigentlich  genau  parallel,  aber  die  aufwärts  gerichteten  Enden  der- 


98 


B.  M.  Shitkow, 


selben  sind  ein  wenig  abgelenkt.  \\'ie  an  den  übrigen  Geweihen 
erheben  sich  die  Augensprossen  schräg  über  der  Stirn  des  Thieres 
und  steil  nach  oben,  annäliernd  einen  rechten  Winkel  mit  der  Linie 
bildend,  die  über  die  Stirn  und  die  Schnauze  des  Hirsches  geht. 


Ko^if  des  Cerpiis  ]iagcnbcckil  mit  Geweih  Xo.  4. 


Der  Grad  der  Biegung  der  Geweihe  des  beschriebenen  Hirsches 
kann,  so  scheint  mir,  ziemlich  gut  durch  das  Zahlenverhältniss  aus- 
gedrückt werden,  welches  die  Länge  der  Stange  des  Geweihes  und 
die  gerade  Entfernung  an  der  Sehne,  die  der  Bogen  der  Stange 
bildet,  vom  Eosenstock  zur  Geweihspitze,  mit  einander  ergeben.  So 
ist  die  Biegung  der  rechten  Stange  von  Geweih  No.  1  durch  das 
39 


Verhältniss 


31 


1,258  g-ekennzeichnet.    Nennen  wir  dieses  Vei" 


hältniss  „lUegungsindex"  des  Geweihes.    Bei  einem  solchen  Zahlen- 
system, —  das  natürlich  nicht  die  Form  der  Biegung  ausdrückt,  die 


Ueber  einen  iienen  Hirsch  ans  Tnrkestan.  99 

das  Geweih  bildet,  wohl  aber  einen  Begrilf  giebt  vom  Grade  der 
Biegung"  der  ganzen  Geweihstange  und  g-estattet,  einzelne  Geweihe 
in  dieser  Beziehung  mit  einander  zu  vergleichen  —  würde  der  Grad 
der  Biegung  aller  vier  zu  meiner  Verfügung  gewesenen  Geweihe 
folgendermaassen  durch  diesen  Index  ausgedrückt  werden  können: 
von  1.258  (rechte  Stange  von  Geweih  No.  1)  bis  1,164  (rechte  Stange 
des  Geweihes  No.  4).  Ich  maass  in  derselben  AA'eise  10  Geweihe 
von  Hirschen  aus  der  Gruppe  der  Edelhirsche  und  Wapiti  (aus  der 
Sammlung  des  Zoologischen  Museums  der  Moskauer  Universität)  und 
erhielt  Zahlen,  die  zwischen  1.062  und  1,166  schwankten,  und  nur 
in  einem  Falle  1.200  —  wobei  die  grüssten  Indices  für  das  Geweih 
des  Altai-Wapiti  mit  recht  stark  nach  innen  gebogener  Geweihkrone 
(1,166)  und  für  zwei  Geweihe  von  kaukasischen  Hirschen,  bei  denen 
in  Folge  Bildung  einer  wahren  Krone  das  Geweihstangenende 
Sprosse  d  nach  Blasius'  Terminologie)  steil  nach  innen  gebogen 
ist.  wodurch  die  Länge  der  Sehne  l)edeutend  verringert,  der  Index 
aller  vergrössert  wird,  ungeaclitet  der  relativen  Gradheit  des  Haupt- 
theiles  der  Stange  (Indices  1,200  und  1,161)  —  erzielt  wurden. 

Indem  ich  mich  einer  Ycrgleichung  der  einzelnen  Geweilie  zu- 
wende, muss  ich  vor  Allem  hervorheben,  dass  an  allen  4  Geweihen 
die  Biegungsindices  vom  ersten  bis  zum  vierten  Geweih  im  Allge- 
meinen kleiner  werden,  indem  sie  für  die  rechte  und  linke  Stange 
ein  und  desselben  Geweihes  annähernd  sich  gleich  bleiben  (s.  oben 
die  Maasse),  so  dass  an  jedem  Geweih  beide  Stangen  etwa  denselben 
Biegungsgrad  besitzen.  Eine  Ausnahme  bildet  nur  die  relativ  stark 
gestreckte  linke  Stange  des  Geweihes  No.  1  mit  einem  Index  von 
1.17.  Für  das  erste,  dritte  und  vierte  Geweih  haben  wir  der  Reihe 
nach  für  die  rechte  und  linke  Stange  die  Indices:  1.258  und  1.170: 
1.214  und  1.204;  1,164  und  1.182.  Die  nach  Lage  der  Sprossen  ab- 
weichenden Stangen  des  zweiten  Geweihes  sind  etwas  gestreckter 
als  die  des  dritten  und  haben  die  Indices  1,188  und  1,197.  Zu 
gleicher  Zeit  erscheinen  auch  die  bedeutendem  Abweichungen  im 
Bau  des  zweiten  Geweihes,  durch  die  es  sich  auszeichnet,  coinci- 
diiend  an  den  Stangen  beider  Seiten,  so  diese  von  den  typischen 
Geweihen  in  derselben  Richtung  aberrant  gestaltend,  wobei  die 
Aehnlichkeit  und  Symmetrie  unter  den  Stangen  beider  Seiten  ge- 
walirt  bleiben.  Dieser  Umstand  nimmt  den  Abweichungen  im  Auf- 
bautypus der  Stangen  d(Mi  Chaiakter  der  Zufälligkeit  und  lässt  in 
demselben  bestimmte  Variationen  erblicken. 

Die  beschriebene  Geweihserie  bildet,   wie   schon   oben  bemerkt 


100  B.  M.  Shitkow, 

worden,  das  Bild  einer  fortschreitenden  Nicht -Vollentwicklung-  in 
Folge  Alterns  des  Thieres.  Das  erste,  im  März  1899  abgeworfene 
Geweih,  ist  noch  sehr  mächtig  entwickelt;  die  folgenden  Geweihe 
verändern  sich  der  Art,  dass  allmählicli  die  Länge  und  Stärke  der 
Stangen  abnimmt,  wie  auch  der  Sprossen.  Die  letztern  zeigen  je- 
doch das  Bild  einer  gewissen  Consequenz  in  der  Entwicklung  der 
Altersatro])hie.  Die  Augensprossen  werden  nur  sehr  wenig  kürzer 
(es  existirt  ein  Unterschied  in  der  Länge  derselben  und  zwischen 
dem  ersten  und  den  übrigen  Geweihen)  und  sind  sogar  vollkommen 
entwickelt  auch  am  letzten  Geweih,  um  Einiges  sogar  in  der  Länge 
die  Sprossen  der  beiden  ersten  Geweihe  übertreffend.  Die  Mittel- 
sprossen verändern  sich  stärker,  und  am  dritten,  besonders  aber  am 
vierten  Geweih  sind  sie  schon  bedeutend  verkürzt  und  schwächer. 
Noch  auffallender  ist  die  mangelhafte  Entwicklung  der  Gabel,  deren 
äussere  Sprossen  am  letzten  Geweih  nur  5,25  und  1,75  Zoll  Länge 
aufweisen,  so  dass  die  rechte  Gabel  gar  nicht  entwickelt  ist.  Es 
ist  von  Interesse,  den  Umstand  hervorzuheben,  dass  an  diesem 
letzten  Geweih  die  mangelhafte  Gabelentwicklung  an  der  Stange 
auftrat,  die  einen  etwas  stärkern  Umfang  und  besser  entwickelte 
Mittelsprosse  besitzt,  und  umgekehrt  —  an  der  linken  Stange  ist 
bei  geringer  entwickelter  Mittelsprosse  relativ  besser  die  Gabel  aus- 
gebildet. Dasselbe  Verhältniss  der  Sprossen,  wenn  auch  weniger 
scharf  ausgeprägt,  zeigen  die  Maasse  der  Sprossen  der  übrigen  Ge- 
weihe. Offenbar  wird  also  vom  Organismus  eine  annähernd  be- 
stimmte Quantität  plastischen  Materials  auf  den  Aufbau  beider 
Stangen  verwandt,  und  bei  Mangel  an  diesem  Material,  in  Folge 
dessen  die  mangelhafte  Ausbildung  der  Geweihe  im  Alter  auftritt 
(verbunden  mit  Abschwäcliung  der  geschlechtlichen  Productions- 
fähigkeit  des  Thieres)  erscheint  bei  annähernd  normaler  Ausbildung 
der  einen  Theile  des  Geweihes  die  mangelhafte  der  andern.  Ein 
solches  Bild  der  Geweihentwicklung  bei  Hirschen  bietet  in  bedeu- 
tendem Maasse  auch  die  von  mir  vorgenommene  Wägung  der  drei 
Geweihabwürfe.  Hierbei  ist  das  Gewicht  der  rechten  und  linken 
Stange  des  ersten,  zweiten  und  dritten  Geweihes  durch  die  Zahlen 
2410  und  2400  g,  1610  und  1590  g,  1540  und  1580  g  ausgedrückt. 
Nur  bei  diesem  letzten  (dritten)  Geweih  ist  der  Unterschied  im 
Gewichte  der  rechten  und  linken  Stange  bis  '4o  des  Gewichtes  ge- 
stiegen. Bei  dem  ersten  Geweih  (normal  und  regelmässig  ausge- 
bildet) kommt  dieser  Unterschied  im  Ganzen  bloss  V480  des  Gewichtes 
desselben  gleich. 


Ueber  einen  neuen  Hirsch  aus  Turkestan.  101 

Gehen  wir  niinmelir  zur  Beschreibung'  der  Färbung-  und  Grössen- 
maasse  des  Hirsches  über,  so  ist  die  Allg-emeinfärbung  des  Rum})fes 
eine  gTaulich-hell  lehmgelbe  mit  stärkerer  Beimischung  von  Grau  in 
der  Gegend  des  Oberarmes  und  der  Schienen.  Das  Haar  ist  an 
einer  Innenhälfte  rauchgrau,  an  der  Aussenhälfte  (distalen  Hälfte) 
lehmgelb.  Die  l'nterwolle  ist  el)enfalls  rauchgrau.  Längs  dem 
Rückgrat  von  den  Schultern  bis  zum  Kreuz  ist  die  grössere  Hälfte 
der  Haare  dunkel  rauchgrau  gefärbt,  und  stellenweise  sind  nur  die 
Spitzen  lehmgelb.  Daher  schimmert  hier  dunkle  Färbung  durch  die 
äussere  gelbe  Farbe  hindui'ch,  einen  merkbaren,  längs  dem  Rückgrat 
gehenden,  unterbrochenen  und  an  den  Rändern  verwaschenen  (unklar 
gegen  die  umgebenden  Partien  begrenzten)  Riemen  bildend.  Am 
Halse  des  Thieres  fehlt  jede  Spur  einer  ^[ähne.  Ein  weniger  als 
auf  dem  Rücken  in  die  Augen  springender  dunkler  Streifen  mit 
unklaren  Rändern  zieht  von  den  Schultern  über  den  Hals,  fast  die 
ganze  Breite  des  Kopfes  zwischen  den  Ohren  einnehmend,  deren 
Basis  und  innere  Muskelpartien  hellweiss  gezeichnet  sind  mit  lehm- 
gelber Schattiruug.  Das  Maul  und  der  ganze  Kopf  sowie  der  hintere 
Theil  der  obern  Hälfte  der  Ohrmuscheln  sind  ersichtlich  mehr  grau; 
um  die  Augen  ist  ein  helles  Feld  bemerkbar,  das  ziemlich  scharf 
von  einem  grauen  Augenbrauengebiet  und  den  Wangen  absticht. 
Mitten  auf  der  Stirn  zwischen  den  Augen  befindet  sich  ein  undeut- 
lich begrenzter  lelimgrauer  Flecken  mit  verwaschenen  Rändern  von 
hellerer  P'arbe  als  die  anliegenden  Partien  des  Kopfes.  Die  Unter- 
lippe und  das  Kinn  sind  hell  lehmweisslich. 

Die  lehmige  Fai^'be  der  Brust  geht  auf  die  untere  Oberfläche 
des  Kcirpers  über  und  wird  an  der  Grenze  des  Bauches  allmählich 
dunkler  und  bildet  einen  dunkelbraunen  Flecken,  der  die  Mitte  des 
Bauches  einnimmt  und  scharf  vom  Weiss  der  hintein  Partie  des 
Bauches,  der  A\'eichengegend  und  innern  Seite  der  Schenkel  absticht. 
Der  kleine  Spiegel  umfasst  auch  den  Schwanz,  über  den  aber  vom 
Rücken  aus  ein  hell  lehmfarl)ener  Streifen  zieht,  der  nur  wenig- 
dunkler  ist  als  das  umliegende  helle  Feld,  aber  dennoch  bemerkbar 
den  Obertheil  des  Spiegels  in  eine  rechte  und  linke  Hälfte  theilt. 
P^twas  unter  dem  Ansatz  des  Schwanzes  ist  die  Breite  des  Spiegels 
S  Zoll.  Dieser  rückt  in  stumpfem  Winkel  auf  etwa  ;V  .,  Zoll  in  den 
Rücken  (vom  Schwanzansatz  gerechnet)  hinein.  Die  Farbe  des 
Spiegels  ist  hell  lehmig-weiss,  jedoch  merklich,  aber  nicht  scharf, 
heller  als  die  Farbe  des  Rückens  und  der  Seiten  des  Thieres,  und 
unterscheidet  sich  von  deren  Farbe   durch  geringere   Sättigung  der 


102  B.    M.    8HITKOW, 

Lehmfarbe.  Gegenüber  der  Mitte  der  Scliwanzlänge  beginnen  nach 
unten  läng-s  der  Schenkel  g'ehend  zwei  dnnkel  graubraune  Streifen, 
die  von  den  Seiten  den  Schwanzspiegel  begrenzen  und  von  den 
Seiten  allmählich  in  die  grau  lehm-gelbe  Färbung  der  Schenkel 
übergehen.  Nach  unten  reichen  die  dunklen  Streifen  bis  an  die 
Schienenregion,  ebenfalls  allmählich  in  eine  dunklere  (im  Vergleich 
mit  dem  Rumpfe)  Färbung  der  Schienen  übergehend.  Diese  Streifen 
sind  so  gebildet,  dass  in  ihrem  Bereich  zu  den  typisch  gefärbten 
Haaren  eine  grosse  Menge  von  Haaren  mit  dunklen  Enden  beige- 
mengt sind  oder  sogar  ganz  dunkel  gefäi'bte.  Nach  innen  von  den 
beschriebenen  Seitenstreifen  liegt  die  reine  weisse  Färbung  der 
Innentheile  der  Schenkel. 

Nach  Maassen  am  gestopften  Balg  hat  der  Hirsch  folgende 
Dimensionen : 

Höhe  an  den  Schultern  3  Fuss  10  Zoll, 

Länge  des  Rumpfes  (vom  Rande  der  Oberlippe  bis 
zur  Schwanz  Wurzel  mit  dem  Bande  ge- 
messen, 6  „  6  „ 
„  des  Kopfes  von  der  Linie,  die  die  Mitten  der 
Roseustöcke  verbindet,  bis  zum  Oberlippen- 
rande 1     „        3-''/^  „ 

Grösste  Kopfbreite  (Abstand  zwischen  den  Augen- 
brauen mit  dem  Zirkel)  —  „         8^/4  „ 

Länge  des  Ohres  —  „         7^/2  ,, 

„       des  Hinterfusses   von   der  Ferse  bis  an  die 

Spitzen  der  Afterhufe  •        1     „        6       „ 

Das  jetzt  im  Zoologischen  Garten  noch  lebende  Tliier  (Weibchen) 
ist  um  2  Zoll  kleiner  als  das  Männchen.  Seine  Färbung  hat  eine 
grössere  Beimengung  von  Grau  zur  Lehmfarbe  der  Wolle.  Die 
Farbe  bleibt  im  Sommer  und  Winter  dieselbe.  Der  schwarze 
Rückenstreifen  und  am  Halse  ist  auffallender  als  beim  Hirsch,  ebenso 
sind  die  dunklen  Streifen,  die  den  Schwanzspiegel  umgrenzen,  schärfer 
ausgesprochen.  Diese  Färbungseigen thümlichkeiten  sind  höchst  wahr- 
scheinlich durch  die  grössere  Jugend  des  Weibchens  bedingt.  Ein 
unbedeutender  Unterschied  liegt  auch  in  der  Färbung  des  Spiegels. 
Die  Grenze  zwischen  dem  obern  Rande  desselben  und  dem  Rücken 
ist  weniger  klar  als  beim  Männchen,  da  der  Obertheil  des  Spiegels 
und  der  Schwanz  von  oben  hier  eine  dunklere  Schattirung  in  Lehm- 
gelb besitzen  als  beim  Hirsch,  die  sich  in  der  Sättigung  der  Farbe 


Ueber  einen  neuen  Hirsch  aus  Turkestan. 


103 


dem  Rücken   und    der   Seiten   nähern.      Der   Bauch   besitzt   keinen 
dunklen  Flecken. 

Zu  Ehren  des  .Mannes,  der  zuerst  dieses  Thier  als  noch  unbe- 
schriebene Form  erkannte,  sclilaoe  ich  vor,  den  Turkestanhirscli 
CervKS  hagenhechi  zu  nennen.     Die   1^'eihe   der   aufgeführten   Merk- 


male in  der  Färbung,  dem  Bau  des  Geweihes,  ebenso  wie  die  Maasse, 
scheiden  (liesen  Hii-sdi  sehr  .sdiarf  von  den  asiatischen  Varietäten 
des  Wapiti,  nähern  ihn  aber  wieder  einigen  süd-asiatischen  Hirschen. 
Die  charakteristische  Biegung  der  Stangen  unseres  Cervus  Imjcnhechl 


104  B-  M.  Shitkow,  Ueber  einen  neuen  Hirsch  aus  Turkestaii. 

veranlasste  Lydekker  diese  Form  dem  Cervus  affinis  nahe  zu  stellen, 
der  in  Indien  (Butlian,  Nepal)  vertreten  ist.  Aber  ausser  dem 
Vorhandensein  der  Eissprosse  am  Geweih  des  Cervus  afßnis  scheiden 
der  grosse  Wuchs  des  letztern  (er  kommt  an  Grösse  dem  Wapiti 
gleich),  der  scharf  umgrenzte  Caudalspiegel,  die  kurzen  Ohren  (ihre 
Länge  ist  =  Vs  der  Kopflänge)  und  viele  Merkmale  im  Bau  und 
Form  des  Geweihes  (so  weit  man  darüber  nach  der  Abbildung  in 
Lydekker's  Buch  urtheilen  kann)  beide  Formen  scharf  von  einander. 
Viel  näher  steht  er,  meiner  Ansicht  nach,  Cervus  caslimirianus,  der 
in  Kashmir  und  Yarkand  vorkommt.  Dieser  letztere  Hirsch  hat 
nach  Lydekker's  Beschreibung  4' — 4'  4"  Höhe.  Die  Geweihstangen 
sind  in  der  Eichtung  zur  mittlem  Linie  gebogen,  so  dass  die  Spitzen 
der  beiden  Stangen  mehr  oder  weniger  genähert  sind.  Die  Augen- 
sprossen haben  eine  stark  aufwärts  steigende  Tendenz.  Die  Ohr- 
länge kommt  der  halben  Kopflänge  gleich.  Die  Lippen,  das  Kinn 
nnd  die  Ohren  sind  innen  weisslich.  Die  Mähne  ist  wenig  bemerk- 
bar und  nicht  dunkler  als  der  Eumpf.  Soweit  man  nach  der  Ab- 
bildung urtheilen  kann,  sind  auch  die  Geweihe  dieses  Hirsches  in 
der  allgemeinen  Form  viel  ähnlicher  denen  des  Cervus  hagenheckii 
als  diejenigen  des  „Shou"  {Cervus  affinis).  Das  Vorhandensein  von 
5  Sprossen  (in  Folge  Existenz  der  Eissprossen)  bei  Cervus  cashmiriamis 
wie  auch  die  Färbung  dieses  Hirsches  und  ein  grösserer  Wuchs 
unterscheiden  ihn  gut  von  der  eben  neu  beschriebenen  Art.^) 


1)  Siehe  die  Zeichnung  von  Cervus  cashmirianus  und  die  Abbildungen 
der  Geweihe  dieses  Hirsches  und  von  Cervus  affinis  bei  Lydekker  1.  c,  p.  83, 
84  und  89. 


Kachdruck  verboten. 
Uebersetzungsrecht  vorbehalten . 


Die  von  Herrn  Prof.  Dr.  Friedr.  Dahl  im  ßismarck- 
Archipel  gesammelten  Copeognathen, 

n  e  b  s  t  B  e  m  e  r  k  u  n  g-  e  n  ü  b  e  r  d  i  e  p  h  y  s  i  0 1 0  g  i  s  c  li  e  B  e  d  e  u  t  u  n  g- 
des  S  t  i  g"  ra  a  s  a  c  k  e  s. 

Von 
Dr.   Güntber  Eudeiieiu. 

Mit  Taf.  7. 


Gelegentlich  des  Aufenthaltes  im  Bismarck- Archipel,  besonders 
in  Ealuni,  wurden  in  den  Jahren  1896  97  von  Herrn  Professor 
Dr.  Fr.  Dahl  auch  eine  Anzahl  von  Copeognathen  erbeutet.  Die- 
selben befinden  sieh  im  Berliner  Zoologischen  Museum  und  umfassen 
7  Arten,  darunter  ist  eine  neue  Art,  der  Typus  einer  noch  un- 
bekannten Gattung-.  Interessant  ist  ferner  die  Anwesenheit  von 
Taeniostigma  elornjatum  (Hag.),  Calopsocxs  infelix  Hag.,  Micropsocus 
icaterstradti  Endeel.  und  Micropsocus  myrmccophilus  Enderl.,  die 
bisher^)  nur  aus  Indien  bekannt  waren.  Soa  ddhlkoHi  n.  g.  n.  sp. 
scheint  mir  der  Vertreter  einer  der  alterthiimlichsten  Copeognathen- 
Gattungen  zu  sein. 

Das  gesammte  Material  ist  in  Alkohol  conservirt  und  vorzüg- 
lich erhalten. 


1)  Günther  Enderleix,  Die  Copeognathen  des  indo-australischon 
Faunengebietes,  in:  Ann.  AIus.  nation.  Hungar.,  V.  1,  1903,  p.  179 — 344, 
12  Textfig.,  tal).    3  —  14. 


106  Günther  Enderlein, 

Farn.  Psocklae. 

Su-bfam.  Psocinae. 

Taeniostignia  Enderl.  1901. 

Taeniostif/ma  clonr/atunt  (Hag.  1858). 

Ealum.  Wald.  1  ?.  Von  Triumfetta  rhomboidea  Jacq.,  einer 
Tiliacee.     14.  Mai  1896. 

Da  ich  früher  nur  trocknes  Mateiial  zur  Verfügung  hatte,  er- 
kenne ich  jetzt  an  diesem  Alkohol-Exemplar,  dass  ich  die  beiden 
Geschlechter  dieser  Gattung-  in  der  Monographie  der  indo- australi- 
schen Copeognathen  verwechselt  habe.  Vorliegendes  $  zeigt  übrigens 
die  gleiche  Eingelung  der  Antennen,  wie  sie  bei  dem  S  bekannt  ist ; 
es  scheint  so  die  Färbung  der  Fühler  stark  zu  variiren. 

Farn.  Caeciliidae. 

Subfam.  CaJopsocinae. 

Cfdopsocus  Hag.  1866. 

Cdlopsocus  infelix  Hag.  1858. 
(Fig.  1.) 
Ein  männliches  Exemplar  unterscheidet  sich  von  den  mir  be- 
kannten Stücken  (einschliesslich  der  Typen)  durch  ein  für  diese 
Species  ungewöhnlich  regelmässiges  Geäder  (Fig.  1).  Es  dürfte 
dieses  Stück  in  Betreff  des  Geäders  dem  Tj'pus  der  Art  am  nächsten 
kommen.  Die  beiden  HAGEN'schen  Typen  haben  stark  anormales  Ge- 
äder (vgl.  1.  c,  tab.  6,  fig.  22  a).  Von  diesen  Stücken  weicht  vor- 
liegendes Exemplar  noch  ab  durch  die  braune  Umsäumung  der 
Adern  der  Basalhälfte  des  Vorderflügels,  die  bei  den  Typen  nur 
schwach  angedeutet  ist,  sowie  durch  den  kürzern  Stiel  der  Median- 
gabel der  Hinterflügel  (das  Verhältniss  des  Stieles  zu  m^  ist  bei  den 
Typen  etwa  1:1^2'  t)6i  vorliegendem  Exemplar  etwa  l:o7o)-  Unter 
Berücksichtigung  der  ausserordentlich  starken  individuellen  Variation 
aller  Copeognathen  und  ganz  besonders  dieser  Art,  ist  es  ganz  un- 
möglich, in  diesem  Stück  etwa  eine  besondere  Art  erblicken  zu 
wollen,  wenngleich  auch  innerhalb  anderer  Ordnungen  die  Ab- 
weichungen genügen  würden,  eine  neue  Gattung  aufzustellen.  Ich  halte 


Im  Bismarck-Archipel  gesammelte  Copeoguatheu.  107 

es  in  Anbetracht  der  starken  A'ariabilität  dieser  Art.  die  ja  selbst 
auf  beiden  Seiten  eines  Individuums  meist  völlig  verschiedenes  Ge- 
äder  aufweist,  nicht  einmal  für  angebracht,  diese  Form  als  besondere 
Varietät  oder  Aberration  zu  benennen. 

Als  Ergänzung  zu  meiner  frühern  Artdiagnose  füge  ich  noch 
hinzu : 

Fühler  ISgliedrig,  letztes  Glied  kurz  und  spitz.  Trochanter  in 
der  Mitte  eingeschnürt.  Körper  blass  bräunlich.  Beine  blass ;  Mittel- 
beine mit  brauner  Coxa  und  braunem  Schenkel,  Coxa,  Trochanter 
und  Schenkel  der  Hinterbeine  braun,  die  Schiene  derselben  mit  Aus- 
nahme des  distalen  Endes  braun  (bei  den  typischen  Exemplaren  ist 
die  ganze  Hinterschiene  braun).  1.  Hintertarsenglied  mit  16  Cteni- 
dien,  2.  mit  1  Ctenidium.  Klauen  ungezähnt.  Verhältniss  der  Hinter- 
tarsenglieder  4:1. 

Körperlänge  3\o  mm,  Kopf  breite  ly,  mm  (einschliesslich  der 
Augen),  Fühlerlänge  4Y>  nim,  Vorderflügellänge  4^2  nim. 

Insel  Raluan,  eine  in  der  Blanche-Bucht  im  Jahre  1878  durch 
submarine  Erhebung  in  Folge  vulkanischer  Thätigkeit  entstandene 
Insel.    Auf  Pflanzen.     1  S.     10.  November  1896. 


Subfam.  Caeciliinae. 
Caeciliiis  Curt.  1837. 

Caecilius  auf/ustus  Endeel.  1903. 

Raluni.  Grasland.  An  hohem  Tropengras  (sog.  Alang-Alang) 
gekätschert.    4  $?.    21.  Mai  1896. 

Ein  Stück  auf  einer  Seite  mit  einer  interessanten  Geäder- 
aberration: der  Eadialramus  des  Vorderflügels  ist  ungegabelt. 

Diese  Art  wurde  auf  einem  einzelnen  von  Neuguinea  stammenden 
Männchen  begründet. 

Subfam.  Peripsocinac. 
lli'cropsocus  Ekdkrl.  1901. 

31icropsociis  ivaterstradtl  Enderl.  1901. 

Gunantambo.  Von  einem  sumpfigen  Brackwassergraben,  am 
Eande   mit   Cyperngräsern   (Cyperus),    im   Innern   mit  Algen.     1  (J. 

Zool.  Jahil).  XX.    Abth.  f.  Syst.  H 


108  Günther  Enderlein, 

24.  Februar  1897.  (Das  1.  Hintertarsenglied  dieses  Exemplars  hat  nur 
11  Ctenidien.) 

Ealum.  An  Vogelleiche,  anf  einer  Veranda,  etwa  50  m  vom 
Meeresufer.     1  ?.    29.  Mai  1896. 

Ralum.  Sumpftümpel  mit  Süss wasser,  etwa  30  m  vom  Meeres- 
ufer entfernt,  unter  Büschen,  ohne  niedere  Pflanzen,  von  Schweinen 
oft  durchwühlt.     1  ?  und  1  Larve.    29.  December  1896. 

Mioko.  An  Vogelleiche  auf  Waldboden,  etwa  200  m  vom 
Meere.     1  S.    16.  November  1896. 

Micropsociis  wateräradfi  scheint  ein  auf  dem  Inselgebiet  von 
Neuguinea  bis  Borneo  weit  verbreitetes  und  häufiges  Insect 
zu  sein. 

Das  Stück  aus  Neuguinea  von  Simbang  am  Huon-Golf  in 
meiner  Monographie  war  übrigens  im  August  1899  erbeutet. 

Beide  Fänge  an  Vogelleichen  sind  in  einem  völlig  durch  Glas 
überwölbten  Fangapparat  für  Aasinsecten  ausgeführt,  die  beiden 
Thiere  sind  also  nicht  zufällig  hinzugefallen! 

llicropsociis  mprniecopJiilus  Enderl.  1903. 

Mit  einzelnen  stärkern  Borsten  auf  dem  Kopfe.  1  Hintertarsen- 
glied mit  12  Ctenidien.  Verhältniss  des  1. — 13.  Fühlergliedes  = 
l'.l:3:VI^:VI.^:  1:1:1  ■.1:0,9:  0,8:0,9:  0,9.  Vorderflügel  etwas 
dunkler  und  schärfer  gezeichnet,  Cubitus  im  Vorderflügel  ein  wenig 
länger  als  bei  den  Typen  und  daher  den  Hinterrand  weniger  steil 
treffend.  Radialramns  und  Media  im  Vorderflügel  eine  sehr  kurze 
Strecke  verschmolzen,  wie  übrigens  auch  bei  einzelnen  Exemplaren 
der  T3^pen. 

Ralum.    Von  einer  Baumwollenpflanze.     1  5.    8.  Juni  1896. 

Die  Originalstücke  der  Art  stammen  aus  einem  Ameisennest 
(von  Cremastogasier  rogenhoferi  Mayr)  von  einem  Baume  aus  Vorder- 
indien (Bombay).  Trotz  der  angegebenen  Verschiedenheit  konnte 
ich  mich  nicht  entschliessen,  vorliegendes  Stück  als  besondere  Form 
aufzufassen,  zumal  ich  keine  weitern  Unterschiede  finden  konnte. 


Im  Bismarck-Archipel  gesammelte  Copeognathen.  109 

Fam.  Lepidopsocidae. 

Subfam.  Perientominae. 

JPerieutoiiiiiui  Hag.  1865. 

JPerientomMn  biroianum  Exderl.  1903. 

Raliim.  Sumpftümpel  mit  Süss wasser,  etwa  30  m  vom  Meeres- 
ufer entfernt,  unter  Büschen  ohne  weitere  niedere  Pflanzen,  von 
Schweinen  oft  durchwühlt. 

2  $?.    29.  December  1896. 

Ralum.     1  $;  ohne  weitere  Angaben. 

Die  Flügel  aller  3  2$  sind  in  gleicher  Weise  wie  die  Tj'pe 
sehr  spärlich  mit  Schuppen  besetzt,  so  dass  es  mir  fast  scheint,  als 
wenn  die  A^orderflügel  dieser  Art  überhaupt  spärlicher  beschuppt  sind. 

Soa  n,  g,'^) 

Kopf  dicht  aber  kurz  behaart,  Stirn  mit  einzelnen  stärkern 
Borsten.  Augen  (Fig.  3)  vorgewölbt,  fein  und  dicht  pubescirt.  Die 
3  Ocellen  (Fig.  3)  verhältnissmässig  dicht  zusammenstehend,  der 
vordere  Ocellus  etwas  kleiner.  Labialtaster  2gliedrig.  Maxillar- 
taster  (Fig.  4)  mit  sehr  kurzem  1.  Glied  und  grossem  dickem 
Endglied.  Innere  Lade  der  Maxille  (Fig.  5)  mit  3  Spitzen,  von 
denen  die  äussere  lang  und  spitz  ist  und  weit  von  den  übrigen  ab- 
steht. Clypeolus  rudimentär.  Clypeus  relativ  klein.  Scheitelnaht 
deutlich,  ebenso  die  Naht  zwischen  Scheitel  und  Stirn.  Schenkel 
und  besonders  Schienen  (Fig.  7)  mit  schmalen,  nach  beiden  Enden 
zugespitzten  Schuppen  besetzt,  die  unter  die  Behaarung  ein- 
gestreut sind.  Tarsen  3gliedrig.  1.  Hintertarsenglied  (Fig.  9)  mit 
Ctenidien,  die  aus  vielen  feinen  haarähnlichen  Borsten  zusammen- 
gesetzt sind.  Antennen  unvollständig,  vermuthlich  mehr  als  20gliedrig, 
wie  Ferientomuni  Hag.    Prothorax  gross  und  breit. 

Yorderflügel  (Fig.  2)  hier  und  da  mit  einzelnen  Schuppen;  ob 
sie  ursprünglich  dichter  beschuppt  gewesen  sind,  ist  nach  dem  ein- 
zelnen Weibchen  in  Alkohol  nicht  festzustellen.  Die  Form  der 
Schuppen  (Fig.  8j  ist  die  der  Gattung  Amphientonium,  an  der  Basis 
sind  sie  zugespitzt,   am   Ende  ziemlich  gerade  abgeschnitten;   die 


1)  O('ü0g  =  unverletzt    (die    Subcosta    des  Vorderflügels    ist    nicht    in 
2  Theile  zerrissen  wie  bei  allen  übrigen  Copeognathen). 

8* 


110  GiJNTHEK  Enderlein, 

Längsriefung*  ist  fein  imd  eng.  Hinterfliigel  (Fig.  2)  nur  behaart, 
besonders  an  der  Spitze  sehr  lang  und  dicht  behaart.  Form  des 
Vorder-  und  Hinterflügels  ziemlich  breit,  an  der  Spitze  abgerundet; 
Vorderflügel  an  der  Mündung  von  m^,  Hinterflügel  an  der  Mündung 
von  ^44.5  kaum  zugespitzt. 

Das  Geäder  des  Vorderflügels  (Fig.  2)  weicht  von  dem  der 
Gattung  Perientomum  Hag.  nur  dadurch  ab,  dass  die  Subcosta 
im  Gegensatz  zu  allen  bisher  bekannten  Copeognathen 
nicht  in  2  T heile  zerrissen  ist;  es  setzt  sich  vielmehr  am 
Ende  des  Basalstückes  die  Subcosta  als  eine  Querader  bis  zu  r^ 
fort,  welche  die  Verbindung  zu  dem  das  Pterostigma  vorn  ab- 
schliessenden distalen  Theil  der  Subcosta  vermittelt.  Die  innere 
Zelle  Rj  erhält  zugleich  eine  sechseckige  Gestalt,  wobei  die  äussere 
Seite  sehr  kurz  ist.  Stigmasack  (Fig.  6)  wie  bei  der  Gattung 
Perientomum  Hag.  Geäder  des  Hinterflügels  (Fig.  2)  wie  bei  der- 
selben Gattung. 

Von  Perientomum  Hag.  weicht  Soa  n.  g.  ab:  durch  die  Stellung 
der  Ocellen,  die  Flügelform,  die  ununterbrochene  Subcosta  des 
Vorderflügels  und  durch  die  Schuppenform. 

Soa  dahliana  n,  sp. 

Kopf  und  Antennen  hellbraun,  Scheitel  rost bräunlich.  Maxillar- 
taster  (Fig.  4)  rostbraun,  1.  Glied  und  die  Basalhälfte  des  2.  Gliedes 
sehr  blass;  2. — 4.  Glied  dicht  behaart  und  mit  einzelnen  kräftigen 
und  langen  Borsten.  Augen  schwarzbraun,  hell  braun  pubescirt.  Der 
ganze  Kopf  fein  pubescirt,  Stirn  mit  einzelnen  kräftigen  Borsten. 
Scheitelnaht  deutlich,  Hinterhauptsrand  in  der  Mitte  etwas  einge- 
buchtet. 

Thorax  und  Abdomen  hell  braun,  Beine  hell  gelbbraun.  Spitze 
der  Schenkel  und  die  Schienen  (Fig.  7)  ausser  der  Behaarung  mit 
schmalen  nach  beiden  Enden  hin  zugespitzten  Schuppen  besetzt. 
Hintertibia  (Fig.  7)  mit  einzelnen  laugen  und  kräftigen  Borsten. 
1.  Hintertarsenglied  mit  18  Ctenidien.  Verhältniss  des  Hintertarsen- 
glieder  5:1:1.  Klauen  mit  langem  spitzem  Zahn  vor  der  Spitze, 
vor  diesem  noch  ein  undeutlicher  stumpfer  Zahn.  Empodium  mit 
Borste. 

Vorderflügel  (Fig.  2)  hell  braun,  x^dern  braun.  Randader  stark, 
dicht  mit  Querreihen  von  zapfenartigen  Haarbechern  besetzt  (wie 
Perientomum  etc.).  Rand  massig  lang  behaart,  eine  breite  Randzone 
kurz    behaart,    in    derselben    auch    die   Adern    behaart.      Einzelne 


Im  Bismarek-Arclüpel  gesammelte  Copeognathen.  111 

Scliuppeu  (Fig.  8)  hier  und  da  erhalten;  dieselben  sind  an  der  Basis 
zugespitzt,  am  Ende  ziemlich  gerade  abgeschnitten.  Stigmasack 
(Fig.  6)  mit  ca.  9  regelmässigen,  stark  vergrösserten  und  verdickten 
Theilen  der  Tracheenspirale. 

Hinterflügel  (Fig.  2)  hyalin,  Vorderrandzone  bräunlich  ange- 
haucht. Adern  braun.  In  der  distalen  Hälfte  die  Membran  und  die 
Adern  behaart,  ebenso  am  Hinterrande  in  Zelle  Cu,  An  und  Ax. 
Rand  behaart,  an  Zelle  By  und  B.^  sehr  lang  behaart.  Am  Hinter - 
rand  des  Basaldrittels  der  Axillarzelle  eine  lange  Borste. 

Behaarung  beider  Flügel  hell  braun. 

Körperlänge  2  mm.    Vorderflügellänge  2,3  mm. 

Ealum.    An  einer  todten  Krähe.     1  ?.     23.  Mai  1896. 

Gewidmet  wurde  diese  Art  dem  Sammler  Herrn  Professor 
Dr.  Friede.  Dahl. 


Bemerkimgeu    über   die   physiologische   Bedeiituiig   des   sogen. 

Stigmasackes. 

An  dieser  Stelle  will  ich  noch  kurz  auf  die  physiologische  Be- 
deutung des  sogenannten  Stigmasackes  zu  sprechen  kommen.  Der- 
selbe liegt  bei  allen  Copeognathen  auf  der  Unterseite  des  Vorder- 
flügels an  der  Basis  des  distalen  Stückes  der  Subcosta  oder  am  1. 
Radialast  (rj  an  der  Abzweigungsstelle  von  sc;  seine  Form  ist  sehr 
mannigfaltig.  Meist  ist  es  ein  chitinöser  Zapfen,  vielfach  ist  es 
eine  starke  Tracheenverdickung,  die  zuAveilen  durch  stark  ver- 
grösserte,  verdickte  und  losgerissene  Theile  der  Tracheenspirale  eine 
Form  erhält,  wie  sie  Fig.  6  von  Soa  n.  y.  zeigt  und  Avie  sie  sich 
auch  bei  den  übrigen  Lepidopsociden  findet.  Ueber  seine  Function 
sind  bisher  keine  Vermuthungen  ausgesprochen  worden;  wie  ich 
mich  jetzt  an  der  Hand  von  lebendem  und  trocken  conservirtem 
Material  überzeugen  konnte,  stellt  er  ein  vorderes  Flügel- 
schloss  dar,  durch  das  die  Vorder-  und  Hinterflügel  in  der  Ruhe- 
lage an  einander  gehalten  werden.  Das  hintere  Flügelschloss  liegt 
bekanntlich   am  Xodulus   und  übt  seine  Function  beim  Fluge  aus. 


112     Günther  Enderlein,  Im  Bisraarck-Archipel  gesammelte  Copeognatben. 

Als  Erg'änzuDg  zu  meinen  morphologischen  Untersuchung-en  der 
Corrodentien  (in:  Zool.  Anz.,  1903,  p.  423—437)  füge  ich  hier  in  Form 
einer  kurzen  vorläufigen  Notiz  an,  dass  ich  jetzt  die  Isopteren  auf 
Grund  von  principiellen  Unterschieden,  besonders  im  Bau  von  Maxillen, 
Hypopharynx  und  Paraglossen,  als  selbständige  sehr  niedrig  stehende 
Ordnung  auffasse,  so  dass  die  Corrodentien  nur  noch  die  phj^logenetisch 
relativ  höher  stehenden  Unterordnungen  Copeognathen  und  Mallo- 
phagen  umfassen. 


Erklärung  der  Al)bilduugeii. 


Tafel  7. 

Fig.     1.       Calopsocus    infelix   Hag.      S-      Yordei--     und    Hinterflügel. 
20  :   1. 

Fig.   2.      Soa  dahliana  ti.  g.  ii.  sp.     Vorder-  und  Hinterflügel.      25  :  1. 
Fig.  3.     Desgl.     Kopf  von  oben.     60  :  1. 

ok  Oberkiefer. 
Fig.   4.     Desgl.     Maxillartaster.      160  :  1. 
Fig.  5.     Desgl.     Innere  Lade  der  Maxille.     400  :  1. 
Fig.  6.     Desgl.      Stigmasack    (vorderes  Vorderflügelschloss).     400  :  1. 
Fig.  7.     DesgL     Hinterbein.     60:1. 

CO  Coxa,  tr  Trochanter,  /"  Femur,  t  Tibia,   1 — 3  1 . — 3.  Tarsen- 
glied. 
Fig.  8.     Desgl.     Schuppen  vom  Vorderflügel.     400  :  1. 
Fig.   9.     Desgl.     Ende  des  Hinterfusses.      400  :  1. 


Nachdncck  verboten. 
Uebersetzungsrecht   vorbehalten. 


Central-  und  hoch-asiatische  Myriopoden. 

Gesammelt   im   Jahre    1900    von    Dr.   von   Almassy    und 

Dr.     VON     S  T  U  M  M  E  E, 

Bearbeitet  von  Dr.  Carl  Graf  Attems. 

Mit  Tafel  8  und  9, 


Aus  dem  grossen  central-asiatischen  Gebiet  ist  bisher  nur  eine 
verschwindend  kleine  Zahl  von  Myriopoden  bekannt,  wie  aus  der 
unten  gegebenen  Liste  ersichtlich  ist,  und  es  sind  dies  ausschliess- 
lich Chilopoden;  wenn  wir  von  einem  „Callipus  on'entaUs'-'  Silv.  aus 
Transkaspien  absehen,  wissen  wir  über  Diplopoden  aus  diesen 
Gegenden  gar  nichts,  und  das  ist  mit  Rücksicht  auf  den  hohen 
"Werth  dieser  Thiergruppe  zur  Lösung  thiergeographischer  Fragen 
sehr  zu  bedauern.  Die  dankenswerthe  Sammelthätigkeit  der  oben 
genannten  Herren  während  ihrer  Eeise  in  Turkestan  bringt  unsere 
Kenntnisse  um  einen  kleinen  Schritt  weiter.  Dass  die  Ausbeute 
keine  reichere  war,  liegt  wohl  zum  grössten  Theil  daran,  dass  die 
durchreisten  Hochsteppen  mit  ihrer  Dürre  und  Kahlheit  alles  eher 
als  eine  reiche  Entfaltung  der  Feuchtigkeit  liebenden  Diplopoden- 
fauna begünstigen,  und  wir  werden  aus  diesen  öden  Höhen  wohl  nie 
eine  grössere  Zahl  von  Myriopoden  erwarten  dürfen. 

Bei  der  derzeitigen  noch  mehr  als  lückenhaften  Kenntniss  so- 
wohl des  in  Betracht  kommenden  als  der  umliegenden  Gebiete  wäre 
es  verfrüht,  bezüglich  der  thiergeograpliischen  Würdigung  der 
Fauna  mehr  zu  sagen,  als  dass  sie  ein  ganz  paläarktisches  Gepräge 


114  Carl  Attems, 

zeigt,  was  ja  auch  nicht  anders  zu  erwarten  war.  Nur  die  Gattung- 
Escanjus,  sonst  noch  aus  Sibirien  und  Nordamerika  bekannt,  macht 
eine  Ausnahme.    Natürlich  sind  die  meisten  Arten  neu. 

Um   mich   niclit  öfters   wiederholen    zu    müssen,    gebe    ich    zu- 
nächst ein 

Verzeichniss    der    Fundorte    und    Daten. 

Almaty-Pass,   3300  m,    unter  Steinen.      19.  7. 

Karakol-baschy,   ca.   3000  ra,  unter  Steinen,  auf  Grasplätzen. 

Ara-bel    (Syrt  ==  Hochsteppe),    bei    4000  m    Seehöhe,    unter    Steinen    am 
Wasser.      20./8. 

Tshakir-Korum,  Plussthal,  ca.   3200  m,   auf  steinigen  Halden.      23./8. 

Kubergen-ty-Pass,  Nordseite,  über  4000  m,  unter  Steinen.      26./8. 

Karakol-Thal  am  Naryn,  über  2500  m,    unter  Steinen.      28. /8. 

Sary-bel  im  Naryn-Thal,   über  2500   m,  unter  Steinen.      29./8. 

Kurmenty-Pass,    Südseite,    unterhalb    der    Passliöhe,     ca.    3600    m,    unter 
Steinen.      31./8. 

Ar-tscbaly  am  gleichnamigen  Fluss,   ca.   3000  m,  unter  Steinen.      1./9. 

Tocor-Pass,  Nordseite,   obere  Waldregion,    unter  Steinen  und  Baumrinden. 
6,/9. 

Kok-dschajäk,  untere  Waldregion,    unter  Steinen.      10./9. 

Aksu-Thal    bei  Przewalsk,    untere  Waldregion,    unter  Baumrinden.      15./9. 

Kuru-Sai,    an    der  Vereinigung    des  Sary-dschas    und  Küljü-Su.    (Hochthal 
des   Sary-dschas),   ca.   2800 — 2900  m;  alpine  Hochsteppe.      18./8. 

Ottuk-Tasch,  Nebenthal  des  Sary-dschas,   ca.  3100 — 3200  m,   enges  Alpen- 
thal.     15./8. 

Etschkeli-Tasch,   am  Oberlauf  des  Sary-dschas,   ca.   2980 — 3100  m,  Hoch- 
steppe.     25./8. 

An  den  letztgenannten  3  Fundorten  wurden  die  Thiere  unter 
grossen  Geschiebeblöcken  an  den  steilen  TJferrändern  der  Flüsse  ge- 
fangen. Vegetation  die  der  alpinen  Hochsteppen,  Klima  ungemein 
trocken  (Almassy). 

Przewalsk,  ca.   1680  m.     Frühjahr   1901.      (Kuzulenko  leg.) 


Bisher  waren  aus   Central- Asien  folgende  Arten  bekannt : 

Scntigera  asiatica  Sseliwanoff. 
1884.     Myr.  d.  Eussie,  in:  Hör.  See.  entoraol.  Ross.,  V.   18. 

Taschkent. 

Lithohius  alaicAis  Teotzina. 
1894.     In:  Hör.  Soc.  entomol.  Ross.,  V.  28. 

Alai. 

Lithohius  devertens  Trotzina. 
1.   c. 

Alai. 


Central-  und  hoeh-asiatische  Myrioporlen.  115 

Lithobnis  fcrganensis  Tkotzina. 
1.  c. 

Alai. 

Lill/ol>ü(fi  f/iganfeus  Sseliavanoff. 
1881.     Neue  Lithobiiden  aus  Sibirien  und  Central-Asien.  in:    Zool.   Anz., 
Jg.  4,  p.   15. 
Changai  bei  Uljassutai. 
LifJiobiiis  /iiagniis  Teützixä. 

1894.  In:  Hör.  Soc.  entomol.  Ross.,  V.  28. 
Alai. 

Liihohius  pcAanhii.  Sseliwa^'dff. 
1881.     in:  Zool.   Anz.,  Jg.  4,   p.   15. 
Tian   Schan. 
Litliobius  riiicigucrrnc  Silvestri. 

1895.  In:  Zool.  Anz.,  No.  474,  p.   179. 
Transkaspien. 

Scolopcndra  aralocuspica  Kessler. 
1874.     Trudy  Eussk.  entomol.  obscestva,  V.  8,  No.   1. 
1884.     SsELiWAXOFF,  iu :   Hor.  Soc.  entomol.  Ross.,  V.   18. 

Samarkand,   Ust   Urt. 

Botliriogastcr  signatns  Kessler.     1.  c. 
1879.     Sseliaa^^noff,  in:  Zool.   Anz.,  No.  43,  p.  621. 
1884.      Sseliavakoff,  in:  Hor.   Soc.  entomol,  Ross.,  V.    18,  p.    101. 
1889.     Dadaa',  in:   Term.  rajzi  füzetek.,  V.   12. 

Samarkand,  Taschkent. 

Mesocanthus  poros^is  Sseliavanoff. 
1881.     In:  Zapiski  imp.  ak.  nauk.  St.  Petersbui'g. 
1884.     In:  Hor.   Soc.   entomol.  Ross.,  V.   18,  p.   105. 

Turkestan. 

Mesocantlms  gentinatus  Silvestri. 
1895.     In:  Zool.  Anz.,  No.  474. 

Transkaspien. 

Mecistoccjtl/dlNs  tiicii(crti  Sseliwaxoff. 
1881.     In:  Zapiski  imp.  ak.  nauk.   St.   Petersburg. 
1884.     In:  Hor.  Soc.  entomol.  Ross.,  V.   18,  p.  73. 

Taschkent. 

(IcopItUus  Idlzeli  Sseliavaxoff. 
1881.     In:  Zapiski  imp.  ak.  nauk.   St.  Petersburg,  p.   7. 
1889.     Dauay,  in:  Terraesz.  r.  füzetek.,  V.   12. 

Tian  Schan. 

GeophUus  (Pachymermni)  ferrugbievs  C.  Koch. 

Samarkand  (Sseliavanoff  1884). 


116  Carl  Attems, 

Gcophüus  (?)  partliorum  PocoCK. 
1891.     In:  Ann.  Mag.  nat.  Hist.  (6),  Y.  8,  p.  218. 
Samarkand. 

Liste    der    Sammlung   Aliniassy-Stummee: 

Lühobins  cacodontus  n.  sp. 

LiUiohius  magnus  Trotz. 

Lithobius  magnus  var.  pleodonta  n.  var. 

Litltobius  jugorum  n.  sp. 

LifJiobius  curtipes  subsp.  iurkestaniciis  n.  sub.y). 

Mecistocephalns  edentulus  n.  sp. 

Escaryus  retusidens  n.  sp. 

Escaryus  retusidens  var.  oligopus  n.  var. 

Polydesmiis  str'ongylosomoides  n.  sp. 

Polydesmus  almassyi  n.  sp. 

Polydesnms  stummeri  n.  sp. 

Tianella  {n.  g.)  fastigata  n.  sp. 

Isobates  sp. 

Ausserdem  enthält  die  Sammlung  eine  nicht  näher  bestimmbare 
Chordeumide  in   1   Exemplar  (!j). 

Lithobius  cacodontus  n.  sp, 

Farbe:  Kopf  sammt  Kieferfüssen  und  Hinteren  de  kastanien- 
braun,  der  Rest  des  Eückens  erdbraun,  mit  undeutlichem,  ver- 
waschenem Längsstriche  in  der  Mitte. 

Länge  des  grössten  S  ohne  Endbeine  32  mm.  Breite  3,2  mm. 
Körper  ganz  parallelrandig. 

Kopfschild  sechsseitig  mit  abgerundeten  Ecken,  Seitenränder 
und  Hinterrand  gerade.  20  Antennenglieder,  Antennen  bis  zum 
Hinterrand  des  3.  Rückenschildes  reichend.  Jederseits  5—6  schwarze 
Ocellen  von  ungleicher  Grösse  in  einem  unregelmässigen  Haufen. 
Vorderrand  der  Kieferfnsshüfte  breit,  mit  massig  tiefer  Mittelreihe 
und  knapp  neben  derselben  jederseits  2  winzige  Zähnchen,  der  übrige 
grösste  Theil  des  Hüftrandes  zahnlos. 

Rückenschilde  glatt,  glänzend,  seicht  grubig  uneben,  zerstreut 
behaart,  die  Haare  nur  mikroskopisch  klein.  Alle  Hinterecken  ab- 
gerundet. Hinterrand  des  10.,  12.,  14.  und  15.  Schildes  in  der 
Mitte  rund  ausgeschnitten. 

Ventralplatten  des  12.— 15.  Segments,  das  ganze  12.  und  13. 
Beinpaar  und  die  Basalglieder  des  14.  und  15.  Beinpaares  dicht  kurz 
filzig-  behaart. 


Central-  und  hoch-asiatische  Myriopodeu.  117 

Die  4  letzten  Beinpaare  mit  je  3  kreisrunden,  weit  von  einander 
entfernten  Hüftporen. 

Bedornung-  der  Endbeine  7^-^r~J  ^  ^,  Hüften   ohne  Seitendorn, 

U.  1.  o.  ^.  U 

Endklaue  einfach.  Beim  S  ist  das  4.  Glied  oben  ein  wenig  abge- 
flacht, das  5.  Glied  hat  eine  seichte  Längsfurche.  Vorsprünge  an 
keinem  Gliede. 

14.  Beinpaar  ohne  Besonderheiten, 

2  mit  2-J-2  Genitalsporen;  Spitze  der  Genitalklaue  einfach. 

Fundorte :  Ara-bel,  Karakol-Thal.  —  Sary-bel,  Kuru-Sai,  Ottuk- 
Tasch,  Etsch-keli-Tasch. 


Ziithohius  Jugorum  n,  sp, 

Farbe  bei  Jungen  blass  erdbraun,  Kopf  etwas  mehr  röthlich; 
ältere  sind  ziemlich  dunkel  graubraun,  mit  einem  ganz  verwaschenen 
dunklen  Längsstriche  auf  dem  Rücken. 

Länge  29  mm.  Breite  2,8  mm,  paralleh-andig  (ohne  Einschnürung 
hinter  dem  Kopfe). 

Kopfschild  rundlich;  20  Antennenglieder;  3  +  3  Kieferfusshüft- 
zähne;  5—6  Ocellen  in  einem  unregelmässigen  Haufen;  2—3  Ocellen 
bedeutend  grösser  als  die  andern. 

Rückenschilde  glatt,  Behaarung  winzig,  Ventralplatten  auch  fast 
nackt.  Hinterecken  aller  Rückenschilde  abgerundet;  Hinterrand  des 
4.,  6.,  8.,  10.,  12.,  14.  und  15.  Schildes  sehr  seicht  eingebuchtet. 

Endbeine  kurz  und  nicht  oder  (beim  S)  nur  wenig  verdickt; 
Hüften  ohne  Seitendorn.  Endkralle  einfach;  Bedornung  unten 
0.  1.  3.  2.  0—2,  14.  Beinpaar  0.  1.  3.  3.  1.  4.  Glied  der  Endbeine 
beim  c?  oben  mit  einer  sehr  seichten  Längsfurche. 

4.  3.  3.  3  runde  Hüftporen. 

Der  Dorn  auf  der  Unterseite  des  5.  Gliedes  aller  Beinpaare  ist 
sehr  gross,  lang  und  stark. 

$  mit  2  +  2  Genitalsporen,  die  äussern  bedeutend  grösser  als 
die  Innern;  Klaue  einfach,  spitz. 

Fundorte:  Kubergen-ty-Pass,  Kurmenty-Pass,  Ar-tschal^^,  Tocor- 
Pass,  Przewalsk. 


118  Carl  Attems, 

Ziithohlus  niar/nus  Teotz. 
1894.     Trotzina,  in:  Hör.  Soc.  entomol.  Eoss.,  V.  28. 

Ich  beobachtete  ständig  3-|-3  kleine,  weit  von  einander  ent- 
fernte Kieferfusshüftzähne ;  manchmal  seitlich  davon  noch  An- 
deutungen einiger  weiterer. 

Länge  des  grössten  S  ohne  Endbeine  18  mm,  $  22  mm. 

26  Antennenglieder. 

4.  5.  5.  4  runde  Hüftporen. 

Bedornung  der  Endbeine  unten  0.  1.  3.  3.  1.  14.  Beinpaar 
0.  1.  3.  3.  3. 

?  mit  3-1-3,  3  +  4  oder  4  +  4  Genitalsporen. 

5.  Glied  der  Endbeine  beim  S  mit  einer  kleinen  heilem  Auf- 
treibung auf  der  Innenseite. 

Fundorte:  Aksu-Thal  bei  Przewalsk.  —  Alai  (Trotzina). 

LithoMus  magnus  Trotz,  i'ar.  pleodonta  n,  var, 

Farbe:  licht  erdbraun,  Kopf  und  Hinterende  röthlich. 

Länge  der  grössten  Exemplare  ohne  Endbeine  30  mm.  Breite 
3  mm.     Körper  parallelrandig. 

Vorderrand  der  Kieferfusshüfte  schwach  gebogen,  mit  6  +  6, 
6+7  oder  7  +  7  kleinen,  stumpfen,  schwarzen  Zähnen;  unterhalb 
des  3.  oder  4.  Zahnes  jeder  Seite  steht  auf  der  Fläche  noch  ein 
weiterer.  Die  ganze  Zahnplatte  reichlich  behaart.  Bei  jungen 
Thieren  4  +  3  Zähne. 

25 — 30  Antennenglieder;  reichlich  und  kurz  behaart,  ohne  längere 
Borsten. 

Kopfschild  sechsseitig,  mit  abgerundeten  Ecken,  Hinterrand 
gerade,  Seitenränder  parallel. 

Jederseits  7 — 8  Ocellen  in  2  Horizontalreihen,  oben  4,  unten 
3-4. 

Rückenschilde  glatt  und  glänzend,  leicht  grubig  uneben  und 
mit  winzigen,  zerstreuten  Plärchen  versehen.  Alle  Hinterecken  ab- 
gerundet; der  Hinterrand  des  8.,  10.,  12.,  14.  und  15.  Schildes  seicht 
eingebuchtet. 

6.  7.  7.  6  oder  7.  7.  7.  6  ovale  Hüftporen. 

Bedornung   der   Endbeine   ^  \   .^  »  -.' — s    des    14.    Beinpaares 

U.  1.  o.  o.  1 — Z 

r^  ^   n  o  o-     Hüften    des   14.  und   15.  Beinpaares   mit  Seitendoru. 


Central-  und  hoch-asiatische  Myriopodeu.  119 

Kralle  der  Endbeine  einfach.  Endbeine  des  S  lang"  und  dünn,  das 
5.  Glied  am  Ende  mit  einem  kleinen  Knoten,  sonst  ohne  Aus- 
zeichnung. 

X  mit  3-|-3.  3-\-4:  oder  4-|-5  Genitalsporen ;  die  lateralen  die 
kleinsten;  Genitalkralle  kräftig-,  einfach;  Genitalsegment  reichlich 
behaart. 

Fundort :  Przewalsk. 

Lithohius  curtipes  siibsp.  turUestanicus  n.  sitbsj). 

(Taf.  8,  Fig.  21 

Diese  Subspecies  unterscheidet  sich  von  der  f.  gen.  hauptsächlich 
durch  die  Gestalt  des  Fortsatzes  auf  dem  ö.  Glied  der  Endbeine. 
"Während  er  dort,  beim  T3^pus  (cf.  Fig.  1)  ein  Yorsprung  auf  der 
Innenseite  des  Gliedendes  ist,  ist  er  hier  eine  eiförmige,  abgeschnürte 
Beule  mit  kraterartiger  Vertiefung.    (Fig.  2). 

Ausserdem    haben     die    Endbeine    weniger    Dornen,     nämlich: 

1.  0.  2.  0.  0  ..,       ;,      n  .,    1.  0.  3.  1.  0 

gegenüber  der  i.  gen.  mit 


0.  1.  2.  1.  0  *=  *= '^  0. 1.  3.  2.  0—1" 

Scheint  in  den  durchforschten  Gegenden  weitaus  die  häufigste 
LitJiohms- Art,  resp.  überhaupt  Myriopodenart,  zu  sein;  sie  fand  sich 
an  folgenden  Orten :  AlmatT-Pass.  Ara-bel.  Tshakir-Korum,  Sary-bel, 
Karakol-Thal,  Kurmenty-Pass.  Ar-tschaly,  Tocor-Pass,  Kok-dschajäk, 
Aksu-Thal,  Kuru-Sai,  Etschkeli-Tasch,  Przewalsk. 

Mecistocephalus  edentiiliis  n.  sp. 

Taf.  8,  Fig.  7—12. 

Es  lagen  mir  nur  2  kleine,  wahrscheinlich  junge  Exemplare 
von  blassgelber  Farbe  mit  dunklem  Kopfe  vor.     41  Beinpaare. 

Kopfschild  vorn  bedeutend  breiter  als  hinten;  der  fast  gerade 
Vorderrand  mit  einer  deutlichen  Mittelkerbe;  die  Vorderecken  ganz 
abgerundet.  Hinterecken  stumpfwinklig;  die  Fläche  sehr  spärlich 
beborstet. 

Antennen  kurz;  die  5  Basalglieder  zerstreut  und  lang  beborstet; 
vom  ca.  6.  Glied  an  werden  die  Borsten  zahlreicher  und  kürzer; 
der  Uebergang  ist  ein  allmählicher. 

Auf  der  Unterseite  des  Kopfschildes  vorn  ist  keinerlei  Zahn- 
oder Zackenbildung  zu  bemerken;  eine  schräge  Linie  grenzt  den 
Mitteltheil  der  Ventralseite  des  Kopfschildes  von  den  Seitentheilen 
ab:  sie  beginnt  an  den  Aussenecken  der  Mundtheile  und  geht  zum 


120  Carl  Attems, 

Vordereck  des  ganzen  Kopfschildes  (Fig.  11).  Der  Mitteltlieil  ist 
massig  beborstet.  Die  Leiste,  welche  die  Mundöffnung  seitlich  be- 
grenzt, springt  vorn  zackig  vor. 

Oberlippe  dreitheilig;  Mitteltheil  ein  kräftiger  Kegel,  Seiten- 
theile  glatt,  ohne  Zähne  oder  Fransen,  seitlich  zugespitzt;  Fulkren 
klein  (Fig.  10). 

Von  den  Mandibeln  habe  ich  an  dem  einzigen  Präparate  nichts 
gesehen;  vielleicht  sind  sie  ganz  dünn,  hyalin. 

1.  Maxille:  Die  „Innenlade"  ist  ziemlich  deutlich  abgesetzt;  sie 
trägt  innen  kleine  Stacheln  und  läuft  in  einen  schlanken,  abge- 
rundeten hyalinen  Lappen  aus ;  ein  ähnlicher,  aber  längerer  hyaliner 
Lappen  endigt  auch  das  mit  dem  2.  verwachsene  3.  Glied.  Taster- 
lappen fehlen  (Fig.  12). 

Kieferfusshüfte  recht  lang,  Vorderrand  mit  2  stumpfen  braunen 
Zähnen;  der  Schenkel  (-[- Trochanter)  reicht  innen  bis  an  den  Stirn- 
rand, aussen  überragt  er  ihn  bedeutend.  Am  Ende  ein  grosser,  ge- 
rader, spitzer,  endwärts  gerichteter  dunkelbrauner  Zahn.  3.  und  4. 
Glied  innen  ohne  Zahn,  Krallenglied  mit  spitzem  Basalzahn.  Kralle 
innen  ganz  fein  gekerbt,  mit  einem  winzigen  Härchen  in  jeder  Kerbe 
Alle  Glieder  beborstet  (Fig.  7,  8). 

Rückenschilde  massig  beborstet,   am  Hinterende  sogar  reichlich, 

Basalschild  schmal  und  sehr  kurz. 

Ventralplatten  länger  als  breit;  an  den  Rändern  fein  beborstet, 
auch  auf  der  Fläche  zerstreute  winzige  Härchen.  1.  Ventralplatte 
gross,  trapezisch,  fast  ihrer  ganzen  Breite  nach  an  die  Kieferfuss- 
hüfte anstossend. 

Ventrale  Zwischenschilde  des  1. — 9.  Segments  in  der  Mitte 
unter  den  Hauptplatten  gelegen,  auf  dem  10. — 12.  Segment  in  der  Mitte 
frei  liegend,  beide  Hälften  aber  nicht  verwachsen,  vom  13.  Segment 
au  verwachsen  sie. 

Rückenschild  des  Endbeinsegments  gross,  länger  als  die  andern, 
hinten  schwach  bogig.  Auf  der  Hüfte  sind  von  oben  keine  Poren 
sichtbar;  unten  und  seitlich  zahlreiche  kleine,  gleichmässig  vertheilte 
Poren.  Die  A^entralplatte  ist  vorn  breit,  die  Ränder  convergiren  im 
Bogen  zu  einer  abgestumpften  Spitze.  Die  ganzen  Endbeine  wenig 
verdickt,  zerstreut  beborstet,  ohne  Kralle.  Analporen  nicht  ge- 
sehen. 

Fundort:  Przewalsk. 


Central-  und  hoch-asiatische  Myriopoden.  121 

Escaryus  retusidens  n,  sj)* 

Tafel  8.  Fig.  4—6. 

Kopfschild  kastanienbraun,  Antennen  und  der  übrige  Körper 
gelb.    Länge  der  grössten  Exemplare  38  mm.  Breite  1,2  mm. 

S  mit  49—53.  2  mit  51  und  53  Beinpaaren. 

Kopfschild  länger  als  breit,  die  Ecken  ganz  abgerundet,  Seiten- 
ränder gewölbt.  Hinterrand  gerade;  Antennen  schlank  und  ziemlich 
lang,  bis  zum  6.  Segment  reichend,  reichlich  beborstet,  die  End- 
glieder etwas  dichter,  aber  in  der  Borstengrösse  ist  kein  merklicher 
Unterschied  zwischen  Basal-  und  Endgliedern.  Letztes  Glied  löffei- 
förmig ausgehöhlt. 

Präbasalschild  nicht  sichtbar;  Basalschild  breit,  hinten  bis  an 
den  Seiteurand  des  Körpers  reichend.  Seitenränder  nach  vorn  con- 
vergirend ;  die  Kieferfusspleuren  endigen,  von  oben  gesehen,  hinten  spitz. 

Oberlippe  ungetheilt,  in  der  Mitte  nicht  eingebuchtet,  mit  15 
sehr  kräftigen  Zähnen,  nur  die  seitlichen  spitz,  die  andern  ganz  ab- 
gerundet (Fig.  5). 

Mandibel  mit  einem  Zahnblatt  und  einem  Kammblatt;  die  Zähne 
des  Zahnblattes  sind  laug,  spitz  und  etwas  ungleich  stark,  aber 
gleich  lang. 

1.  Maxille:  Innenlade  (=  Medialfortsatz  der  Hüften)  nicht  ab- 
gesetzt; laterales  Eck  der  Hüften  breit,  stumpflappig  vorspringend, 
aber  keinen  eigentlichen  Tasterlappen  bildend,  fein  bestachelt; 
2.  Glied  mit  einem  kurzen,  zapfenartigen,  fein  bestachelten  Taster- 
lappen; 3.  Glied  lappig  abgerundet,  mit  3  Borsten. 

Hüften  der  2.  Maxille  ganz  verwachsen,  die  Glieder  mit  wenigen 
aber  kräftigen  Borsten;  Endkralle  kräftig,  der  Rand  mit  Fransen 
besetzt  („gekämmt"), 

Kieferfüsse  den  Stirnrand  bei  Weitem  nicht  erreichend;  Hüften 
mit  tiefer  Mittelkerbe,  die  Seiten  neben  der  Kerbe  geschwärzt,  aber 
keinen  eigentlichen  Zahn  bildend;  keine  Chitinlinien;  2.,  3.  und 
4.  Glied  innen  mit  sehr  kleinem  Zahnhöcker,  der  eigentlich  nur  auf 
dem  4.  Glied  deutlich  ist;  Krallenglied  ganz  ohne  ßasalzahn;  Kralle 
kräftig,  gut  gebogen,  innen  glatt  (Fig.  6). 

Rückenschilde  mit  zerstreuten  kurzen  Borsten. 

1.  Ventralplatte  quer  rechteckig,  mit  abgerundeten  Ecken;  die 
Pleuren  trennen  sie  nicht  von  der  Kieferfusshüfte.  Der  Hinterrand 
der  ersten  12  Ventralplatten  bildet  einen  kleinen  Vorsprung,  dem 
ein  seichtes  Grübchen  am  Vorderrand  des  folgenden  Schildes  ent- 


]^22  Carl  Attems, 

spricht;  diese  Theile  sind  aber  nicht  durch  dunklere  Färbung  auf- 
fallend wie  bei  manchen  GeopMlus  und  überhaupt  schwach  ent- 
wickelt. Die  vordem  Ventralplatten  sind  quadratisch,  die  hintern 
etwas  länger  als  breit,  alle  fein  und  zerstreut  behaart.  Die  ven- 
tralen Zwischenschilde  sind  auf  den  ersten  15  Segmenten  in  der 
Mitte  getheilt,  dann  verwachsen  sie  völlig.   Ventralporen  fehlen  ganz. 

Endbeinsegment  (Fig.  4).  Rückenschild  gross,  lang,  hinten  ver- 
schmälert und  abgerundet,  Ventralplatte  trapezisch,  etwas  länger  als 
breit,  vorn  breit;  beim  S  hinten  stärker  verjüngt  als  beim  $  und 
in  der  hintern  Hälfte  dicht  beborstet,  beim  $  hier  nicht  stärker  be- 
haart. Hüften  massig  aufgetrieben,  ventral  und  seitlich  mit  zahl- 
reichen, ungleich  grossen  und  unregelmässig  vertheilten  Poren,  die 
am  obern  Eande  der  Hüften  und  längs  des  Ventralplattenrandes  am 
zahlreichsten  stehen;  sie  reichen  in  der  distalen  Hälfte  bis  zum 
Medialrand.  Die  Tgiiedrigen  Endbeine  sind  beim  S  ziemlich  ver- 
dickt und  sehr  reichlich  behaart,  beim  ?  nur  wenig  dicker  als  die 
übrigen  Beine  und  schwächer  behaart.  Genital-  und  Analsegment 
reichlich  behaart.  Genitalanhänge  in  beiden  Geschlechtern  gross, 
2gliedrig,  beim  $  bedeutend  dicker  und  kürzer  als  beim  d.  Anal- 
poren fehlen. 

Fundorte :  Przewalsk. 

Ausser  den  oben  beschriebenen,  über  30  Exemplaren  mit  49 — 53 
Beinpaaren,  liegen  mir  noch  je  ein  ?  von  Karakol-Thal  und 
Kurmenty-Pass  mit  41  Beinpaaren  vor;  ferner  4  Exemplare  mit 
35  Beinpaaren,  nämlich  ein  $  vom  Aksu-Thal  und  1  S  und  2  ?  von 
Karakol-baschy. 

Ich  bezeichne  letztere  als  JExari/tis  vetusidens  vcir,  oligopus 
und  bemerke,  dass  sie  sich  sonst  durch  gar  nichts  von  der  f.  gen. 
unterscheiden  ausser  eben  durch  die  Beinzahl. 

Anschliessend  an  diese  neue  Art  gebe  ich  eine  erweiterte 
Diagnose  des  Escaryus  sihiricus  Ck.,  da  Cook's  Beschreibung  nicht 
genügend  ist  und  man  versucht  sein  könnte,  beide  Arten  für  identisch 
zu  halten;  Herr  Director  Kräpelin  hatte  die  Freundlichkeit,  mir 
Cook's  Originalexemplare,  im  Besitze  des  Hamburger  Museums,  zu 
leihen. 

Escarijus  Sibiriens  Ck. 
Tafel  8,  Fig.  3. 

Kopfschild  nur  unmerklich  länger  als  breit;  Hinterrand  sehr 
seicht  eingebuchtet;  Vorderrand  gewölbt  und  im  Bogen  ohne  sicht- 
bares Eck  in  den  Seitenrand  übergehend.    Antennen  schlank,  zurück- 


Central-  und  hocl»-asiatisclie  Mj-riopoden.  123 

gelegt,  bis  zum  2.  beintragenden  Segment  reichend;  die  Endglieder 
dicht  und  kurz,  die  Basalglieder  weit  schwächer  und  länger  behaart ; 
der  Uebergang  ganz  allmählich,  die  Haare  alle  fein. 

Oberlippe  ungetheilt,  im  Ganzen  vorgewölbt,  die  Mitte  nur  sehr 
seicht  eingebuchtet;  in  der  Mitte  sind  die  Zähne  kurz  und  stumpf, 
seitlich  laufen  sie  in  lange  Fransen  aus. 

Mandibel  mit  einem  ungetheilten  Zahnblatt  und  einem  Kammblatt. 

1.  Maxille:  Innenlade  nicht  abgesetzt;  Basalglied  (Hüften)  und 
2.  Glied  mit  langen,  schlanken,  behaarten  Tasterlappen.  Hüften  der 
2.  Maxille  ganz  verwachsen,  alle  Glieder  lang  und  dicht  beborstet, 
die  Kralle  mit  Kammborsten. 

Die  Kieferfüsse  erreichen  geschlossen  den  Stirnrand;  Hüften 
kurz  und  breit,  ohne  Zähne  am  Vorderrand,  Schenkel  mit  schwachem 
Innenhöcker,  die  andern  Glieder,  auch  die  Endkralle,  ganz  ohne 
Zahnbildung;  Kralle  innen  glatt. 

Präbasalschild  nicht  sichtbar;  Basalschild  ziemlich  kurz,  aber 
breit;  hinten  nicht  bis  an  den  Seitenrand  des  Körpers  reichend,  daher 
sehen  die  Kieferfusspleuren  von  oben  hinten  abgestutzt  aus,  da  sie 
den  Rüekenschild  des  1.  beintragenden  Segments  nicht  nur  mit  der 
Spitze  berühren.  Rückenschild  des  1.  beintragenden  Segments  sehr 
gross,  etwas  breiter  und  merklich  länger  als  die  folgenden.  Rücken- 
schilde ungefurcht  und  fast  unbehaart. 

Die  1.  Ventralplatte  wird  nur  seitlich  durch  die  1.  Pleuren  von 
den  Kieferfusshüften  getrennt,  in  der  Mitte  berührt  sie  sie.  Ventral- 
platten ohne  Poren,  spärlich  mit  winzigen  Härchen  versehen.  Die 
vordem  sind  breiter  als  lang,  später  quadratisch,  die  allerletzten 
sind  etwas  länger  als  breit.  Auf  der  3. — 14.  bildet  der  Hinterrand 
einen  kleineu  Vorsprung,  dem  ein  Eindruck  am  Vorderrand  der  nach- 
folgenden entspricht;  die  Zwischenschilde  verwachsen  erst  von  ca. 
dem  15.  Segment  an  zu  einer  Querplatte. 

Endbeinsegment  (Fig.  3):  Dorsalschild  lang,  hinten  nur  wenig 
verschmälert,  die  Ecken  abgerundet;  Ventralplatte  sehr  lang  und 
schmal,  2 mal  so  lang  wie  breit,  rechteckig;  Hüften  sehr  gross,  un- 
behaart und  nicht  stark  aufgetrieben,  fast  2  mal  so  lang  wie  die 
Ventralplatte;  mit  Ausnahme  der  durch  eine  bogige  Furche  abge- 
setzten distalen  Hälfte  der  Dorsalseite  ganz  mit  grossem  Poren 
dicht  bedeckt ;  die  Poren  reichen  auf  der  Ventralseite  in  der  distalen 
Hälfte  nicht  bis  zum  JVIedialrand.  Die  ganzen  7gliedrigen  Endbeine 
sind  beim  $  spärlich  behaart;  beim  S  sind  sie  stark  verdickt  und 
dicht,  aber  sehr  kurz  behaart.    Endglied  mit  kleiner  Kralle. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  9 


124  Carl  Attems, 

Analporen  fehlen. 

Fundort :  Wladiwostok. 

Auch  die  Genusdiag-nose  von  Escarytis  bedarf  einiger 
Berichtigungen : 

Cook  uud  Collins  geben  an.  dass  Chitinlinien  auf  den  Kiefer- 
fusshüften  vorhanden  sind;  bei  den  2  von  mir  untersuchten  Arten 
(sibiricus  Cook  (!)  und  retusidens  n.  sp.)  fehlen  sie,  und  auf  den  Zeich- 
nungen von  phißlopliilus  uud  liher  findet  man  auch  keine. 

Eine  Theilung  des  Zahnblattes  der  Mandibeln  ist  bei  sibiricus 
und  retusidens  nicht  zu  sehen  und  dürfte,  nach  den  Zeichnungen  zu 
schliessen,  auch  bei  phyllopMIus  kaum  angedeutet  sein. 

Der  Präbasalschild  ist  bei  sibiricus  und  retusidens  nicht  sichtbar. 

Polydesnius  stroiu/ylosonioides  n.  sp. 

Taf.  9,  Fig.  16,  17. 

Farbe  braungelb  oder  erdbraun ;  bei  manchen  Exemplaren  bleiben 
die  Prozoniten  ganz  licht  braungelb,  während  die  Metazoniten  erd- 
braun verdunkelt  und  dabei  licht  marmorirt  sind;  bei  andern  ist 
der  Rücken  der  Prozoniten  ebenfalls  erdbraun;  immer  aber  sind  die 
Metazoniten  dunkler  als  die  Prozoniten.  Der  ganze  Körper  ist 
glänzend. 

Länge  11  mm.    Breite  1,3  mm. 

Körper  ganz  Sfrongijlosoma-ö.vtig]  rosenkranzförmig,  indem  die 
Einge  in  der  Quernaht  stark  eingeschnürt  sind  und  die  Prozoniten 
einen  bedeutend  kleinern  Durchmesser  als  die  Metazoniten  haben; 
letztere  sind  in  den  Seiten  rund  aufgetrieben  an  Stelle  der  Kiele. 

Die  Oberfläche  der  Prozoniten  ist  sehr  fein  chagrinirt;  die 
Metazoniten  haben  eine  ganz  undeutliche  Felderung,  durch  die  2 
Querreihen  von  Beulen  angedeutet  sind.  Erst  bei  stärkerer  Ver- 
grösserung  sieht  man  3  Querreihen  spitzer  Härchen. 

Copulationsfüsse  (Fig.  16,  17):  lang,  schlank,  sichelförmig  ge- 
krümmt. Der  Schenkeltheil  birnförmig  angeschwollen  und  stark  be- 
borstet. Das  Ende  gabelt  sich  in  Hauptast  (Ä)  und  Nebenast  (B). 
Der  Hauptast  trägt  das  kleine  unscheinbare  Haarpolster  und  im 
Innern  die  Samenblase  mit  dem  Ende  der  Samenrinne.  Unterhalb 
des  Haarpolsters  steht  ein  schlanker  gerader  Spiess  (Z);  das  Ende 
des  Hauptastes  ist  hakig  eingekrümmt  und  in  mehrere  Spitzen  zer- 
theilt;  der  Nebenast  (B)  ist  eine  breite  gebogene,  abgestumpfte 
Lamelle.     Unterhalb  der  Theilungsstelle  in  Haupt-  und  Nebenast 


1 


Central-  und  hoch-asiatische  Myriopoden.  125 

löst  sich  vom  Copulationsfiiss  ein  am  Eande  mit  6  stumpfen  Kerb- 
zälmen  versehener  und  am  Ende  stumpfhakig  eingekrümmter  Ast 
(C)  los.  und  noch  weiter  proximal  steht  ein  basalwärts  gerichteter 
Zahn  (ä). 

Fundorte:  Kok-dschajäk,  Przewalsk. 

Folydesmus  alnictsst/i  n,  sp. 

Taf.  9,  Fig.  13-15. 

Erdbraun.  Rückenmitte  und  Hinterrand  der  Metazoniten  etwas 
verdunkelt;  die  ganze  Oberfläche  matt,  nicht  glänzend. 

Breite  beim  S  1;5,  $  2  mm.    (Länge  nicht  mehr  genau  messbar). 

Kopf  mit  winzigen  Härchen,  Rumpf  unbehaart. 

Halsschild  so  bi-eit  wie  der  folgende  Rückenschild,  seitlich  ab- 
gerundet. 

Die  Kiele  sind  nur  auf  den  vordersten  Segmenten  deutlich ;  vom 
5.  Segment  an  haben  die  Metazoniten  wohl  einen  grössern  Umfang 
als  die  Prozoniten  und  sind  in  den  Seiten  etwas  aufgetrieben,  aber 
die  ganze  Gestalt  erinnert,  abgesehen  von  der  Felderung  des  Rückens 
der  Metazoniten,  eher  an  ein  Strongylosoma;  Ringe  in  der  Quernaht 
stark  eingeschnürt. 

Die  Beulen  der  hintersten  Reihe  sind  deutlich  ausgeprägt;  es 
sind  ihrer  8,  da  die  Seitenbeulen,  an  denen  auch  die  Poren  münden, 
völlig  den  übrigen  gleichen.  Die  Beulen  ragen  als  kleine  Zacken 
über  den  Hinterrand  des  Metazoniten  vor.  Die  2  vordem  Beulen- 
reihen sind  nur  durch  eine  schwache,  undeutliche  Felderung  ange- 
deutet. 

Copulationsfüsse  (Fig.  13,  14,  15).  Der  Theil  vom  Schenkel  an 
im  Ganzen  gerade.  Auf  den  keglig  angeschwollenen  Schenkel  folgt 
eine  halsartig  eingeschnürte  Stelle,  bis  zu  deren  Ende  die  starke 
Beborstung  auf  der  Hohlseite  reicht.  Die  convexe  Aussenseite  bildet 
hier  einen  abgerundeten  Vorsprung  [v] ;  von  hier  an  bildet  das  Ende 
ein  grosses  hohles  Blatt,  deren  eine  Kante  in  einen  langen,  schlanken 
bogig  gekrümmten  Geiselast  ig)  ausgeht,  die  andere  in  2  kräftige 
Zacken,  einen  geraden  plattigen  (a)  und  einen  spitzen  hakigen  [h). 
Diese  Kante  bildet  unterhalb  der  zwei  Zacken  ein  rundes  Knie  (/:), 
und  unterhalb  desselben  erhebt  sich  im  Innern  des  hohlen  Blattes 
der  Höcker,  auf  dessen  Spitze  die  Samenblase  nach  aussen  mündet. 
Die  Oeifnung  ist  nicht  von  Haaren  umstellt,  sonst  aber  ist  die  Samen- 
rinne  und  Samenblase  wie   bei   unsern   einheimischen  Pol3'desmen. 

Fundorte:  Almatj^-Pass,  Aksu-Thal  bei  Przewalsk. 

9* 


126  Carl  Attems, 

Polijdesmus  sttnnmeri  u.  sp. 

Taf.  9,  Fig-.  18. 

Schmutzig  gelb  weiss,  Kopf  und  die  ersten  4—5  Segmente  rotli- 
bräunlicli;  der  Darm  schimmert  schwarz  durch. 

Länge  8  mm.  Breite  0.6 — 0,7  mm. 

Kopf  mit  schütteren,  kleinen  spitzen  Härchen  versehen.  Hals- 
schild bedeutend  schmäler  als  der  Kopf  und  die  folgenden  Rücken- 
schilde, seitlich  gleichmässig  verschmälert  und  abgerundet. 

Der  Eücken  ist  stark  gewölbt,  die  schmalen  Kiele  folgen  dieser 
\Yölbung.  Das  Vordereck  aller  Kiele  ist  abgerundet,  der  Seitenrand 
convex  und  nicht  gekerbt,  das  Hintereck  auf  den  vordem  und 
mittlem  Segmenten  auch  abgerundet,  erst  auf  den  hintern  Segmenten 
bildet  es  einen  stumpfen  Zacken. 

Die  Prozoniten  sind  fein  chagrinirt,  die  j\[etazoniten  glänzend; 
die  Sculptiir  ist  sehr  schwach,  nur  auf  den  vordersten  Segmenten 
sind  die  Querreihen  der  Beulen  angedeutet;  3  Querreihen  winziger, 
spitzer  Borsten,  die  in  der  hintersten  Reihe  noch  am  stärksten  sind. 

Copulationsfüsse  (Fig.  18).  Die  Umgebung  der  Grube,  in  der 
die  Samenrinne  beginnt,  auf  der  Innenseite  des  Schenkels  ist  kuglig 
hervorgewölbt.  Xm.  Ende  des  beborsteten  Schenkeltheils  auf  der 
Hohlseite  der  Krümmung  steht  eine  stumpfe  Doppelzacke.  Der 
folgende  Abschnitt  ist  sichelförmig  gekrümmt  und  in  2  annähernd 
gleich  grosse  Aeste  gespalten;  der  eine  {Ä)  ist  auf  der  Hohlseite 
fein  gerieft,  sonst  glatt,  der  andere  (B)  ist  schlanker  und  ringsum 
mit  Börstchen  besetzt.  An  der  Gabelungsstelle  beider  mündet  die 
Samenblase,  auch  bei  dieser  Art  ohne  Haarpolster  um  die  Mündung. 
An  der  Grenze  zwischen  beborstetem  Schenkel  und  Endabschnitt 
steht  eine  gezackte  Leiste,  die  auf  der  Hohlseite  im  Profil  als 
Doppelzacken  erscheint. 

Fundort:  Aksu-Thal  bei  Przewalsk. 

TianeUa  n.  g. 

Gehört    in    die    Subfamilie    Pseudocleiclinae    der    Chordeumidae. 

Ausser  durch  die  allgemein  dieser  Gruppe  zukommenden  Merk- 
male ist  die  Gattung  durch  Folgendes  gekennzeichnet: 

30  Rumpfsegmente;  kleine  Kiele  vorhanden,  Körper  hinten  stark 
verjüngt. 

S:  Endhälfte  der  Sohle  des  Endgliedes  der  Beinpaare  3 — 7  mit 


Central-  und  lioch-asiatische  Myriopodeu.  127 

Papillen :  3. — 6.  Beinpaar  massig-  verdickt ;  7.  Beinpaar  schlank,  die 
Hüften  desselben  mit  beborsteteu  Haken.  9.  Beinpaar  mit  grossen 
Hüttliürnern. 

8.  und  9.  Beinpaar  mit  Hüftsäckchen. 

Als  Copulationsfüsse  dienen  beide  Beinpaare  des  7.  Rinoes ;  doch 
ist  das  2.  Paar  noch  sehr  lauf  beinähnlich,  ögliedrig.  ohne  Drüse, 
Hüfte  mit  grossem  Innenfortsatz. 

Basalgiieder  der  vordem  Copulationsfüsse  (=  Hüften)  nur  lose 
mit  einander  verbunden,  tragen  mehrere  Fortsätze  und  ein  Borsten- 
bündel.  2.  Glied  (=  Femur)  von  einfacher  Gestalt.  Tracheentaschen 
sehr  stark  entwickelt,  gelenkig  mit  der  Basis  der  Copulationsfüsse 
verbunden. 

Heimath:  Central-Asien. 

TianeUa  fastiffata  n.  sp, 

Taf.  9,  Fig.  19-26. 

In  Farbe  und  Gestalt  sehr  an  unsere  Heteroporatien  erinnernd; 
Grundfarbe  graubraun;  auf  der  Rückenmitte  eine  feine  braungelbe 
Längslinie,  ein  verwaschener,  etwas  breiterer,  ebenso  gefärbter  Streif 
in  der  Höhe  der  innersten  und  mittlem  Borstenwarzen.  Bauch  gelb- 
braun, Kopf  und  Antennen  von  der  Grundfarbe  (graubraun). 

Grösse  eines  Heteroporaiia  mutahile.  Länge  ca.  12  mm.  Breite 
1,7  mm.     20  Segmente.     Körper  hinten  sehr  stark  verdünnt. 

Kopf  sehr  fein  und  reichlich  behaart;  Antennen  lang  und  schlank. 

Jederseits  gegen  25  Ocellen  in  einem  dreieckigen  Haufen,  in 
ca.  6  unregelmässigen  Längsreihen. 

Oberfläche  des  Körpers  unter  dem  Mikroskop  fein  körnig  rauh 
erscheinend,  wenig  glänzend. 

Rücken  gewölbt,  die  Kiele  nicht  gross,  aber  doch  deutlich  aus- 
geprägt, etwas  oberhalb  der  Mitte  der  Höhe  angesetzt.  In  der 
Quernaht  und  zwischen  den  Segmeuten  nur  sehr  schwache  Ein- 
schnürungen. Jederseits  3  Borsten warzen ;  die  2  Innern  stehen  in 
einer  Querlinie,  die  äussere  etwas  dahinter;  die  abstehenden  Borsten 
sind  weiss,  lang  und  spitz  (Fig.  25,  26). 

c? :  1.  und  2.  Beinpaar  normal,  mit  Borstenkamm  auf  der  Sohle 
des  Endgliedes.  3. — 6.  Beinpaar  massig  verdickt;  die  Endhälfte  der 
Sohle  des  Endgliedes  trägt  Papillen.  7.  Beinpaar  schlank,  so  wie 
die  Beinpaare  hinter  dem  Copulationsringe ;  Hüften  innen  mit  einem 
einwärts   gekrümmten,    mehrere   Borsten   tragenden,   kleinen   Haken 


128  Carl  Attems, 

(Fig-.  22);  Endglied  am  Ende  mit  Papillen.  8.  und  9.  Beinpaar  mit 
grossen  Hüftsäcken,  das  9.  ausserdem  mit  einem  langen  Hörn  auf 
der  Hüfte  (Fig.  24). 

Ränder  des  Copulationsringes  einfach,  ohne  Zahnbildungen. 

Copulationsfüsse,  vorderes  Paar  (Fig.  19,  20,  21).  Ventralplatte 
eine  zarte  Querspange;  die  beiderseitigen  Hüften  sind  nur  lose  mit 
einander  verwachsen;  jede  besteht  aus  häutigen  Polstern  mit  mehreren 
Erhebungen  (a,  h,  c)  und  trägt  ein  Bündel  von  Hakenborsten  ili) 
und  lateral  von  demselben  einen  starken  Haken,  dessen  Rand  in  eine 
gefranste  Lamelle  ausgezogen  ist  (g).  Von  den  Erhebungen  der 
Hüfte  ist  der  eine  [ä)  kuglig  und  trägt  eine  Anzahl  zarter  Borsten- 
haare; der  zweite  {h)  ist  mehr  in  die  Länge  gezogen  und  dicht  mit 
zarten  Haaren  bedeckt. 

Die  Tracheentaschen  sind  sehr  stark  entwickelt  und  stehen  in 
gelenkiger  Verbindung  mit  der  Basis  der  Copulationsfüsse;  median- 
wärts  umgreift  letztere  ein  schalenartiger  Fortsatz  (m). 

Der  Schenkel  (F)  ist  kräftig  chitinisirt  und  von  einfacher  Ge- 
stalt, ein  starkes  Blatt  mit  zum  Theil  schuppiger  Structur.  das 
aussen  einen  eckigen  Fortsatz  {z)  hat;  das  Ende  ist  kurz  zweihörnig; 
die  Basis  umgreift  theilweise  die  weichhäutige  Hüfte  und  trägt  an 
einer  Stelle  ein  kleines  Bündel  langer,  starker  Borsten  {l). 

Das  hintere  Paar  der  Copulationsfüsse  (Fig.  23)  ist  ögliedrig 
und  gleicht  noch  sehr  einem  gewöhnlichen  Lauf  beinpaar.  Das  1.  Glied 
hat  einen  grossen  kegelförmigen  Innenfortsatz,  der  am  Ende  in  2  Stifte 
ausgeht  und  eine  Borste  trägt;  das  2.  Glied  ist  in  der  Endhälfte 
etwas  verdickt  und  nach  aussen  gekrümmt;  3.  Glied  lang.  4.  Glied 
kurz,  beide  cylindrisch ;  5.  Glied  kegelförmig,  mit  einer  kleinen  Kralle ; 
alle  Glieder  massig  beborstet. 

Fundort:  Aksu-Thal  bei  Przewalsk. 

Isobates  (?)  »p. 

Das  einzige  mir  vorliegende  Exemplar,  ein  %  gestattet  keine  ge- 
nügende Beschreibung;  selbst  die  Einreihung  in  die  Gattung  Isobates 
bleibt  etwas  zweifelhaft. 

In  Gestalt  und  Sculptur  stimmt  es  mit  unsenn  J.  varicornis 
überein;  48  Segmente.  Rücken  lebhaft  quer  geringelt,  indem  die 
hintere  Hälfte  jedes  Metazoniten  schwarzbraun,  das  übrige  licht- 
gelb ist. 


Cential-  iiml  hocli-asiatiscLe  Myriopoden.  129 


Erklärung  der  AbMlduugen. 


Tafel  8. 

Fig.   1.      LiÜiohius    curtiprs    C.    KoCH.       Latzel's    Originalexemplar,     $. 
5.  Glied  des  Endbeiaes. 

Fig.  2.     LiiJtohius    curtipes    suhsp.    tnrkcstanicus    n.   suhsp.     $.      5.  Glied 
des  Endbeines. 

Fig.  3.     Escarijus   Sibiriens    Cook    (Cook's   Originalexemplar    aus    Wladi- 
wostok).    Hinterende  des  $.     Ventralseite. 

Fig.  4 — 6.     Escanjus  rehisidrns  n.  sp. 

Fig.  4.     Hinteren  de  des  ^.     Yentralseite. 
Fig.   5.      Oberlippe. 
Fig.  6.     Kieferfüsse. 

Fig.  7 — 12.     Mecistocephalus  edcnJulus  n.  sp. 

Fig.    7.  Ein  Kieferfuss. 

Fig.    8.  Vorderende,   Ventralseite. 

Fig.    9.  Vorderende,  Dorsalseite. 

Fig.  10.  Oberlippe. 

Fig.  1 1 .  Ventralseite  des  Kopfes  nach  Entfernung  der  Mund- 

theile. 

Fig.   12.  Die  2  Maxillenpaare. 


Tafel  9. 

Fig.   13  — 15.     Pohjdcsimts  ahnassyi  n.  sp. 

Fig.   13.     Copulationsfuss,  Medialseite. 

Fig.  14  u.  15.    Lateralseite.     Fig.  14  das  Ende  stärker  vergr. 


130  Carl  Attems,  Central-  uud  hoch-asiatische  Myriopoden, 

Fig.    16  u.    17.      rohidrsmiis  fifronrji/JoffODwidc.s  n.  sp. 
Fig.    16.      Copulationsfuss,  Lateralseite. 
Fig.   17.     Copulationsfuss,  Medialseite. 

Fig.    18.     P<)liji/rs)u/is  siummcri  n.  sp. 

Copulationsfuss. 
Fig.   19  —  26.      Tianella  fasligala  n.  sp. 

Fig.    19 — 21.     Vorderes  Copulationsfusspaar. 

Fig.   22.     Hüften  des   7.   Beinpaares  des  (5. 

Fig.   23.     Ein  hinterer  Copulationsfuss. 

Fig.  24.     9.  Laufbein  (2.  Paar  des  8,  Einges). 

Fig.  25.     Rechte  Hälfte  zweier  mittlerer  üückenschiide 

Fig.   26.      10.   Segment,  Linke  Hälfte. 


Nachdruck  verboten. 
Uebersetzungsrecht  vorbehalten. 


Ein  getrenntgeschlechtiger  Cestode. 

Von 
Dr.  0.  Fiilirinanu,  Akademie  Neuchätel. 

Mit  Taf.  10. 


Der  in  mehrfacher  Hinsicht  überaus  interessante  und  eig-en- 
thümliche  Cestode  gehört  in  das  von  mir  begründete  Genus  Dioi- 
cocestu.s,  für  welches  ich  bereits  früher  2  Arten  kurz  beschrieben 
habe.  ^)  Der  Typus  des  Genus  Dioicocestus  paronai  Fuhrmann  stammt 
aus  PJegadis  guarrmna  (Lin.),  die  andere  Species,  Dioicocestus  aspera 
(Mehlis),  beherbergt  Podiceps  griscigena  Bodd.  Die  dritte,  neue,  Art 
wurde  in  Podiceps  dominicus  (L.)  gefunden,  dessen  Heimath  die 
Antillen,  Mexico,  Centralamerika  und  das  südliche  Südamerika  sind. 
2  Exemplare  dieser  Taenie,  ein  Männchen  und  ein  Weibchen,  fanden 
sich  in  der  Sammlung  des  Britischen  Museums,  mehrere  Pärchen  in 
der  so  reichen  Helminthologischen  Sammlung  des  ^Yiener  Hofmuseums, 
deren  Vogelcestoden  mir  in  überaus  liberaler  Weise  von  Prof. 
E.  VON  Marenzeller  zur  Bestimmung  überlassen  wurden.  Die 
Londoner  Exemplare  waren  mit  dem  Namen  T.  scolopendra  Dies. 
bezeichnet,  und  es  fand  sich  ausserdem  noch,  da  diese  Taenie  schon 
äusserlich  nicht  die  geringste  Aehnlichkeit  mit  oben  genanntem 
Cestoden  besitzt,  der  von  Prof.  R.  Blancharü,  welchei-  die  Sammlung 
ebenfalls   gesehen,    herrührende,   aber   nie   publicirte  Name   T.   belli 


1)  Fl'HUMAXX,   0..    Zur  Kenutniss    der  Acoleinae,    in:    Ctrbl.  Bakt., 
V.  28,   l'JOO,  p.   363.  ' 


132  0.  Fuhrmann, 

n.  sp.  Die  Cestodeii  des  Wiener  ]\riiseiiiiis  waren  mit  dem  wolil  von 
DiEsiNG  (?)  stammenden  Namen  T.  erytliroccphala  bezeichnet;  eine 
Beschreibung  unter  diesem  Namen  ist  nie  erfolgt.  Wir  nennen 
diesen  Cestoden  auf  Grund  des  Fehlens  der  Saugnäpfe  Dioicocestus 
acotyhis  n.  sp. 

Schon  äusserlich  sind  die  männlichen  und  weiblichen  Exemplare 
dieses  Cestoden  leicht  erkennbar,  so  dass  also  ein  wirklicher  ge- 
schlechtlicher Dimorphismus  besteht,  der  übrigens  auch  bei  den 
beiden  andern  Arten,  D.  paronai  und  B.  aspera,  von  mir  beobachtet 
wurde.  Derselbe  ist  namentlich  deutlich  sichtbar  an  den  beiden 
Londoner  Exemplaren,  die,  wie  aus  nachfolgender  Beschreibung  her- 
vorgeht, einen  ausgezeichneten  Erhaltungszustand  aufweisen.  Das 
männliche  Exemplar  besitzt  eine  Länge  von  4,5  cm  bei  einer  grössten 
Breite  von  2^-2  mm  und  einer  Dicke  von  1  mm,  während  das  grössere 
Weibchen  mehr  als  doppelt  so  lang  (10  cm),  4  mm  breit  und  2  mm 
dick  ist.  Was  das  Männchen  ebenfalls  leicht  kenntlich  macht,  sind 
die  beiderseits  weit  hervorstehenden  Cirri.  Die  AViener  Exemplare 
sind  weniger  contrahirt,  da  sie  wohl  in  todtem  Zustande  in  die  Con- 
servirungsflüssigskeit  kamen,  deshalb  ist  ihre  Länge  bedeutender; 
das  Weibchen  misst  19  cm  bei  einer  Breite  von  3,5  mm,  das  Männchen, 
das  viel  dünner,  13  cm  bei  2  mm  Breite.  Die  Strobila  ist  sehr 
kurzgliedrig;  die  Gliederung  beginnt  beim  Männchen  1  mm,  beim 
Weibchen  1,4  mm  hinter  dem  Scolex.  Der  Kopf  zeigt  eine  überaus 
interessante  Eigenthümlichkeit.  Obwohl  die  Anatomie  dieses  Cestoden 
auffallend  mit  den  beiden  andern  Arten  übereinstimmt  und  D.  aspera  ^) 
sehr  starke  Saugnäpfe  und  ein  grosses  von  doppeltem  Muskelsack 
umgebenes  Rostellum  besitzt  (s.  Fig.  1),  zeigt  sich  bei  unserer  Art 
ein  vollkommener  Mangel  an  äussern  Sauggruben,  und 
auch  das  Rostellum  scheint  rudimentär  zu  sein.  So  erhalten  wir 
eine  äussere  Form  des  Scolex,  wie  sie  sich  etwa  bei  den  Bothrio- 
cephaliden   Schistocephahis    und   namentlich   Ligula   findet   (Fig.    2). 


1)  Bei  J).  paronni  ist  der  Scolex  abgerissen,  was  uns  zeigt, 
auch  hier  die  Haftorgane  sehr  stark  entwickelt  sein  müssen.  Allerdings 
findet  sich  die  Wundstelle  vollkommen  verheilt  mit  Neugewebe;  die 
Cuticula  ist  an  der  Stelle  normal  ausgebildet,  doch  zeigt  sich  kein  Wasser- 
gefässnetz ,  noch  Bildung  eines  cephalischen  Centralnervensystems ,  wohl 
aber  gehen,  namentlich  beim  Männchen,  die  embryonal  entwickelten  Ge- 
schlechtsorgane bis  ans  vorderste  Ende  der  Strobila.  Es  scheint  also  der 
Scolex  im  Wirth ,  vielleicht  durch  starke  Darmcontraction ,  abgerissen 
und  die   Wunde  verheilt  zu  sein. 


Ein  getrenntgeschlechtiger  Cestode.  133 

Da  das  Nervensystem  und  ^^'assergefäss3^stem  in  vollkommener  Ent- 
wicklung vorhanden,  ist  es  ausgeschlossen,  anzunehmen,  dass  der 
Scolex  abgerissen  sei,  um  so  mehr,  als  ein  grosses  rudimentäres 
Rostellum.  als  einziger  Rest  früherer  Bewaffnung,  deutlich  sichtbar 
ist.  Der  Scolex  ist  nicht  deutlich  vom  Halstheil  abgesetzt,  sondern 
es  endigt  die  Strobila  am  Vorderende  wie  z.  B.  bei  Lignla,  indem 
sie  sich  ziemlich  rasch  verschmälert  und  zungenformig.  mehr  oder 
weniger  breit  abgerundet,  endigt.  Auf  der  Höhe  des  Centralnerven- 
systems  ist  der  Scolex  ca.  0,4 — 0,5  mm  breit.  Die  Länge  des  unge- 
gliederten Theiles.  den  man  als  Hals  auffassen  kann,  der  aber 
äusserlich  vom  Scolex  nicht  abzutrennen  ist,  habe  ich  bereits  oben 
angegeben;  er  zeigt  unregelmässige  oberflächliche  Falten. 

ObAVohl  der  Scolex  von  dem  von  D.  aspera  total  verschieden,  stelle 
ich  diese  Art  trotzdem  in  dasselbe  Genus,  da  uns  die  anatomische 
Gleichheit  systematisch  wichtiger  erscheint  als  die  Verschiedenheit 
im  Bau  des  Kopfes,  die  wohl  meist  grösstentheils  adaptiver  Natur. 
Wollte  man  bei  PseudophyJHdae  und  Cijdoplußlidae  hauptsächlich 
den  Bau  des  Scolex  bei  der  Bildung  der  Genera  berücksichtigen,  so 
kämen  oft  anatomisch  total  verschiedene  Formen  zusammen,  wie  ich 
dies  andern  Orts  gezeigt  habe.^)  Wenn  wir  nun  nach  der  Ursache 
der  Rückbildung  der  Haftorgaue  des  Scolex  fragen,  so  können  wir 
dieselbe  vielleicht  zum  Theil  in  der  Structur  des  Darmes  des 
Wirthes  finden,  welcher  durch  seine  grossen  Darmzotten  der  kiirz- 
gliedrigen,  mit  vorstehenden  Rändern  ausgestatteten  Strobila  auch 
ohne  Saugnäpfe  ein  Ausstossen  aus  dem  Darme  verhindern. 

In  der  Structur  der  Cuticula,  Subcuticula,  des  Parenchj^ms,  des 
Nervensystems,  Excretionssystems  sowie  der  Musculatur  sind  zwischen 
den  beiden  Geschlechtern  keine  wesentlichen  Unterschiede  zu  finden, 
so  dass  wir  diese  Organe  für  ]\[ännclien  und  Weibchen  zusammen 
besprechen  können.  Cuticula  und  Subcuticula  zeigen  nichts 
Besonderes,  ebenso  ist  das  Parenchym  ähnlich  wie  bei  andern  Cestoden 
entwickelt.  Im  Rindenparenchym  liegen  wenige  kleine  Kalkkörperchen. 
Aufgefallen  sind  mir  ebendaselbst  in  grosser  Zahl  vorhandene,  eigen- 
thümliche  plasmareiche  Zellen,  welche  namentlich  am  Hinterende 
der  Proglottis  in  mehreren  Lagen  das  periphere  Rindenparenchym 
erfüllten.  Es  scheinen  birnförmige  Zellen  zu  sein,  deren  basaler 
breiter  Theil  allein  deutlich  sichtbar,   weil  stärker  sich  färbend  als 


1)  FrpiRMANX ,    0.,    Sur    un    nouveau  Bothricephalide    d'oiseau ,    iu 
Arch.  l'arasitol.,  V.   5,    1902. 


134  0.    FCHRMANN, 

das  umgebende  Parencliym,  während  der  sich  verjüngende,  immer  der 
Cuticuhi  zugekehrte  Theil  der  Zelle  wegen  seiner  Farblosigkeit, 
oder  weil  er  sehr  schief  verläuft,  weder  auf  Quer-  noch  auf  Längs- 
schnitten in  seiner  ganzen  Ausdehnung  zu  erkennen  ist.  üeber  die 
Natur  dieser  Zellen,  ob  Myoblasten  oder  Drüsenzellen,  vermag  ich 
nichts  auszusagen. 

Das  Nervensystem  besteht  im  Scolex  aus  2  mächtigen 
Ganglien,  welche  durch  eine  das  rudimentäre  Rostellum  umfassende 
Ringcommissur  verbunden  sind.  Von  den  beiden  Ganglien  gehen  Nerven 
nach  vorn  sow'ie  die  beiden  Hauptlängsnerven  ab.  An  ihrem  Ur- 
sprung entspringt  ebenfalls  das  beiderseitige  dorsale  und  ventrale 
Begleitnervenpaar.  Die  beiden  dorsalen  und  ventralen  zu  beiden 
Seiten  der  Medianlinie  verlaufenden  Längsnerven  sind  ebenfalls, 
wenigstens  in  den  jungen  Gliedern,  sehr  leicht,  ohne  besondere 
Technik  sichtbar;  sie  liegen  am  Innern  Rande  des  innern  Längs- 
muskelsystems,  also  zwischen  diesem  und  den  starken  Transversal- 
muskeln, während  die  übrigen  Längsnerven  im  Markparenchym  sich 
finden.  Die  Muskelbündel,  die  diese  4  Nerven  berühren,  sind  auf- 
fallend schwächer  als  die  umliegenden,  haben  also  durch  die  An- 
wesenheit dieser  Nerven  eine  Reduction  in  ihrem  Querschnitt  er- 
fahren. 

Das  Wassergef ässystem  besteht  im  Scolex  aus  3  Gefäss- 
ringen,  von  w^elchen  der  obere  engste  das  obere  Ende  des  Eostellums 
umfasst,  die  beiden  andern  in  der  Mitte  und  am  hintern  Ende  des 
obigen  Organs  gelegen  sind.  Diese  3  Ringe,  von  welchen  der 
erstere  kreisrund,  der  zweite  und  dritte  dem  Querschnitt  des  Scolex 
entsprechend  oval  und  fast  gleich  gross  sind,  sind  durch  zahlreiche, 
nicht  sehr  regelmässig  vertheilte  Commissuren  unter  einander  ver- 
bunden. Vom  untern  Gefässring  gehen  nun  die  beiden  ventralen 
und  dorsalen,  die  Strobila  durchziehenden  Längsgefässe  ab.  Die 
erstem  sind  am  Hinterende  jeder  Proglottis  durch  ein  feines  Quer- 
gefäss  verbunden.  Das  ventrale  Gefäss  ist  wie  fast  immer  etwas 
weiter  als  das  dorsale;  sie  liegen  beide  über  einander,  ziemlich  weit 
vom  Rande  entfernt  (s.  Fig.  6).  Die  Structur  dieser  Gefässe  zeigt 
nichts  Besonderes;  eine  deutliche  Cuticula  kleidet  sie  aus,  der  nach 
augsen  dicht  gedrängt  deutliche  Zellen  anliegen,  welche  zum  Theil 
die  Primitivzellen  der  Wimpertrichter  darstellen.  Nur  wenige  von 
der  Körpermusculatur ,  namentlich  den  Dorsoventralmuskeln,  ab- 
stammende Fasern  legen  sich  allerdings  nur  lose  den  Excretions- 
gefässen  an. 


Ein  getreniitgeschlechtig-er  Cestode.  135 

Ganz  besonders  interessant  ist,  dass,  ohne  specielle  Färbetechnik, 
die  Wimpertrichter  in  grosser  Zahl  leicht  sichtbar  sind.  Sie  nm- 
«reben,  zu  Dutzenden  auf  einem  Querschnitt  sichtbar,  die  Längsg-efässe, 
lieg'en  aucli  zwischen  den  nahen  Läng-smuskelbündeln  und  sclieinen 
in  kleinen  Gruppen  direct  in  sie  zu  münden  (Fig.  6).  Hier  haben 
sich  also  diese  als  Drüsenzellen  aufzufassenden  Gebilde  noch  nicht 
sehr  weit  von  ihrem  Entstehungsort  entfernt,  wie  dies  im  Gegensatz 
zu  andern  Cestoden  meist  der  Fall.  In  der  Region  zwischen  zwei 
Gliedern  fehlen  sie  vollkommen.  Die  den  Wimpertrichter  bedeckende 
Zelle  lässt  keine  Ausläufer  sehen,  diese  sind  wohl  contraliirt.  Die 
Zelle  hat  einen  Durchmesser  von  0,006  mm  und  einen  0,003  mm 
grossen  sich  dunkler  färbenden  Kern  mit  deutlichem  Eeticulum  von 
Chromatin.  Der  Trichter  ist  0,009  mm  lang  und  zeigt  überall  auf 
Längsschnitten  in  der  Mitte  eine  deutliche  Verdickung  der  Wandung 
(s.  Fig.  4),  die  wie  eine  gestreckt  spindelförmige  Muskelfaser  aussieht. 
Ob  diese  Verdickung  nun,  wie  Bugge  ^)  meint,  von  Chitin  Stäbchen 
herrührt,  die  in  der  Wandung  liegen,  oder  ob  es  contractile  und 
leicht  contrahirte  Fibrillen  sind,  wie  es  bei  diesem  Cestoden  den 
Anschein  hat,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Die  Wimperflamme 
besteht  überaus  deutlich  aus  feinen  zusammen  geklebten  Cilien  und 
ist  0,0075  mm  lang.  Sehr  hübsch  lässt  sich  auch  die  Entstehung 
der  Wimpertrichtei'  verfolgen,  und  deren  Studium  bestätigt  die  An- 
gaben der  interessanten  Arbeit  Bügge's.  Wir  finden  nämlich  häufig 
um  das  Hauptwassergefäss  herum  grössere,  den  zelligen  Belag  der 
Cuticula  desselben  bildende  Zellen,  die  sich  ablösend  wohl  theilen 
und  so  je  3  Wimpertrichter  bilden,  welche  man  häufig  noch  mit 
ihrem  Protoplasmaleib  vereinigt  antrifft. 

Ueberaus  interessant  ist  die  Disposition  der  Musculatur,  nicht 
nur  der  Strobila,  sondern  in  noch  höherm  Grade  die  des  Scolex,  in 
welchem  das  Verschwinden  der  Saugnäpfe  natürlich  nicht  geringe 
Veränderungen  der  gerade  durch  die  Haftorgane  so  complicirten 
Scolexmusculatur  hervorgerufen. 

Unter  der  Cuticula  der  Strobila  liegt  ein  deutliches  System  von 
äussern  C^uer-  und  Innern  Längsfasern,  w^elches  in  den  reifen  Gliedern 
am  stärksten  entwickelt  ist.  Die  Musculatur  des  Parenchyms  zeichnet 
sich  durch  eine  ungemein  starke  Entwicklung  aus,  die  wie  bei  den 
subcuticularen  Muskeln  im  hintern  Theil  der  Strobila  am  bedeutendsten ; 


1)  Bugge,    Georg  ,    Zur  Kenntciss  des  Excretionsgefäss-Systems  der 
Cestoden  und  Trematoden,  in:   Zool.  Jahrb.,   V.    16,  Anat.,    1902. 


136  0-  Fuhrmann, 

ausserdem  besitzt  sie  eine  Disposition,  die  vollkommen  anders  ist 
als  bei  den  meisten  Cestoden.  Wir  linden  sonst  gewöhnlich  bei 
Taenien  eine  innere  Transversalmuscnlatur  und  ausserhalb  dieser 
eine  oder  mehrere  Lagen  von  Längsmuskelbündeln.  Bei  den 
Dioicocestus- Arten  sowie  auch  bei  den  von  mir  geschaffenen  Genera 
Aroleus,  Biplophalhis  und  Gyrocoelki,  die  zusammen  die  Familie  der 
Acoleinae  bilden,  finden  wir  2  Längs-  und  3  Transversalmuskel- 
Systeme,  welche  mit  einander  a  1 1  e  r  n  i  r  e  n.  Nach  innen  gelegen, 
das  Einden-  vom  Markparenchym  trennend,  liegt  eine  überaus 
mächtige  Transversalmuscnlatur.  Auf  sie  folgen  nach  aussen  grosse 
Längsmuskelbündel  von  ovalem  Querschnitt,  welche  häufig  in  einige 
kleinere  Muskelbündel  aufgelöst  sein  können,  also  von  sehr  ungleicher 
Grösse  sind.  Die  grössern  zählen  80 — 100  feine  Fasern.  Nach  dem 
Rande  zu  werden  diese  Muskelbündel  sehr  rasch  kleiner,  indem  sie 
zunächst  nur  noch  50,  dann  40,  20  und  schliesslich  nur  noch  ca.  8 
Fasern  haben.  Eigenthümlich  ist,  doch  findet  sich  diese  Erscheinung 
auch  bei  andern  Acoleinae,  dass  sich  von  dieser  Längsmusculatur 
einige  (3—4)  kleinere  Bündel  abgelöst  haben,  um  sich  den  im  Mark- 
parenchym gelegenen  Längsnerven  anzulegen.  Nach  aussen  von 
dieser  Längsmuskelzone  folgt  nun  das  zweite  System  von  Querfasern 
von  geringerer  Mächtigkeit.  Ausserhalb  von  ihnen  eine  zweite  Lage 
von  Längsmuskelbündeln,  die  etwa  doppelt  so  zahlreich,  aber  nur 
bis  ca.  40  Fasern  besitzen.  Diese  Bündel  sind  von  viel  regel- 
mässigerer  Grösse,  nehmen  aber  auch  nahe  dem  Eande  an  Grösse  ab, 
Nach  aussen  von  diesem  Längsmuskelsystem  liegt  nun  eine  schwache, 
aber  sehr  deutliche  Transversalmuskellage.  Lateral  sehen  wir  auf 
Querschnitten  namentlich  die  Innern  Transversalmuskeln,  weniger 
die  mittlem  zwischen  den  Längsbündeln  durch  ausstrahlen;  während 
Längsschnitte  zeigen,  dass  die  Längsbündel  jeder  Schicht  nicht  etwa 
isolirt  die  ganze  Strobila  durchziehen,  sondern  durch  zahlreiche 
Anastomosen  unter  einander  verbunden  sind.  Die  feinen  Dorso- 
ventralfasern  besitzen  grosse  Myoblasten  und  sind  überaus  zahlreich. 
Die  Musculatur  der  Strobila  ist  also,  wie  wir  gesehen  haben,  eine 
überaus  complicirte  und  mächtige.  Ganz  besonders  interessant  ist 
es  nun,  diese  Muskulatur  bei  ihrem  Eintritt  in  den  Scolex  zu  ver- 
folgen. Bei  andern  Taenien  ist  es  namentlich  die  Existenz  der  4 
mächtigen  Saugnäpfe,  welche  eine  complicirte  Umstellung  der  Mus- 
culatur zur  Folge  hat,   die  für  die  Anoplocephaliden  von  Luhe  ^)  in 

1)  LUHE,    Max,    Zur    Morphologie    des   Taenieuscolex,    Inaug.-Diss., 
Königsberg   1894. 


Ein  g-etreimtgeschlechtiger  Cestode.  137 

eingehender  Weise  studirt  wurde.  Da  mm  bei  diesem  Cestoden  die 
Saiignäpfe  nur  noch  auf  Schnitten  als  schwache  Rudimente  sichtbar 
sind,  ist  zu  erwarten,  dass  die  Musculatur  des  Scolex  eine  be- 
deutende Vereinfachung  erfahren,  die  noch  bedeutend  grösser  wäre, 
wenn  nicht  ein  mäclitiges  Eostellnm  im  Centrum  des  Scolex  läge. 
Ausserdem  finden  wir,  wie  schon  beschrieben,  in  ihm  ein  mächtig 
entwickeltes  Nervensystem  und  eiu  aus  zum  Theil  weiten  Gefässen 
bestellendes  Gefässkörbchen,  so  dass  für  die  Musculatur  des  Scolex 
nur  noch  wenig  Platz  übrig  bleibt,  um  so  mehr,  als  der  Scolex  sehr 
kurz,  kaum  0,2  mm  lang,  ist  bei  einem  Durchmesser  von  nur  0,48  mm. 
Schon  der  hintere  Theil  des  Eostellums  liegt  in  der  dichten  embryonalen 
Zellenmasse  des  Markparenchyms  des  Halses,  welche  die  Wachsthums- 
zone  der  Strobila  und  die  Bildungsstätte  der  Anlage  der  Geschlechts- 
organe ist. 

Verfolgt  man  nun  die  verschiedenen  Muskelschichten  der  Strobila 
im  Hals  des  Cestoden,  so  bemerkt  man,  dass  die  äussere  Transversal- 
musculatur  und  die  äussern  Längsmuskelbündel  sich  der  Cuticula 
anlegen  und  zur  Subcuticularmusculatur  des  Scolex  werden.  Die 
mittlere  Transversalmuskelschicht  verschwindet  im  Hals.  So  haben 
wir  also  bereits  direct  hinter  dem  sehr  kurzen  Scolex  die  für  alle 
übrigen  Taenien  geltende  Muskeldisposition,  welche  besteht  aus 
Innern  Transversal-  und  äussern  Längsmuskelfasern.  Letztere  sind 
in  kleine  Bündel  vereinigt,  deren  Faserzahl  bei  Eintritt  in  den 
Scolex  eine  sehr  geringe  ist. 

Es  sind  also  die  oben  für  die  Strobila  geschilderten  eigenthüm- 
lichen  Muskelverhältnisse,  eine  in  der  Strobila  selbst  entstandene 
Complication,  vrelche  ihren  Ursprung  in  ihr  und  nicht,  wie  man 
vielleicht  erwarten  könnte,  im  Scolex  hat,  welcher  nur  die  allen 
Taenien  typischen  j\Inskelsysteme  zeigt.  Verfolgen  wir  nun  die 
Quer-  und  Längsschnitte  des  Scolex,  so  sehen  wir  Folgendes:  Die 
auf  Null  reducirte  Rolle  der  Saugnäpfe  hat  zur  Folge,  dass  die 
Längsmusculatur  ungestört  an  der  Peripherie  des  Scolex  zum  Scheitel 
aufsteigt.  Die  Transversalmusculatur  scheint  sehr  wenig  entwickelt, 
und  man  bemerkt  nur  wenige  Fasern.  Auf  der  Höhe  des  Rostellums 
sieht  man  eine  sehr  grosse  Zahl  von  Längsfasern  von  der  oben 
genannten  peripheren  Musculatur  sich  ablösen  und  sich  dem  Rostellum 
zuwenden,  wo  sie  sich  an  dessen  vordem  Theil  und  nicht  etwa  am 
Hinterende  desselben  fixiren  oder  wenigstens  anzulegen  scheinen. 
Dabei  müssen  die  Fasern  durch  die  Lücken  des  stark  entwickelten 
Wassergefässkörbchens  dringen,  welches  das  Rostellum  vollkommen 


138  0.  Fuhrmann, 

umhüllt.  Das  mächtige  Rostelliim.  das  stark  entwickelte  Wasser- 
g'efässystem  mit  seinen  zum  Tlieil  sehr  weiten  Gefässen  sowie  das 
wohl  ausgebildete  Nervensystem  lassen  nur  eine  schmale  periphere 
Parenchymzone  frei,  in  welcher  eben  die  oben  erwähnte  Musculatur 
aufsteigt  (s.  Fig.  3).  Die  am  Rostellum  sich  anlegenden  Längs- 
muskeln entfernen  sich  sofort  wieder  von  diesem  und  strahlen  nach 
dem  Vorderende  des  Scolex  aus. 

Das  schon  oft  erwähnte  Rostellum,  das  dem  Volumen  nach  sehr 
gut  entwickelt  ist,  scheint  aber,  wenn  wir  seine  Structur  näher  be- 
trachten, in  Reduction  begriifen  zu  sein. 

Bei  Dioicocestus  aspera,  der  anatomisch  obiger  Art  sehr  nahe 
steht  und  von  welchem  ich  den  Scolex  genauer  kenne,  finden  wir 
folgende  Verhältnisse  (s.  Fig.  1):  Der  Scolex  besitzt  einen  Durch- 
messer von  0,76  mm,  die  4  starken  Saugnäpfe  sind  0,2  mm  gross. 
Das  Rostellum,  auf  welches  es  hier  hauptsächlich  ankommt,  zeigt  die- 
selbe Structur  wie  bei  vielen  Vogeltaenien  (Taenia  porosa,  T.  undulata 
etc.):  es  besteht  aus  zwei  in  einander  geschachtelten  Muskelsäcken, 
von  welchen  der  innere  das  eigentliche  vorstülpbare  hakentragende 
Rostellum  bildet.  Dieser  grosse  innere  Sack  ist  kegelförmig,  0,66  mm 
lang  und  zeigt  am  hakentragenden  Ende  einen  Durchmesser  von 
0,28  mm.  Der  äussere,  sehr  w^eite  Muskelsack  dient  dem  erstem 
als  Receptaculum,  wenn  er  zurückgezogen  ist. 

Ganz  anders  liegen  die  Verhältnisse  bei  dem  anatomisch  fast 
identischen  D.  acofylus  (s.  Fig.  8).  Hier  ist  das  Rostellum  ebenfalls 
verhältnissmässig  gross,  indem  es  in  contrahirtem  Zustande  einen 
Durchmesser  von  0,12  mm  zeigt.  In  dem  einen  sehr  gut  conservirten 
Exemplar  zeigt  das  Rostellum  nur  eine  sehr  dicke  homogene,  mit 
Eosin  sich  dunkelroth  färbende  Wandung,  in  welcher  man  von  Muskel- 
fasern nichts  unterscheiden  kann,  mit  Ausnahme  der  von  aussen  an- 
liegenden Parenchymmuskeln.  Im  Innern  findet  sich  ein  unregel- 
mässiger Hohlraum.  An  einem  andern,  sehr  mangelhaft  conservirten 
Exemplar  lassen  sich  im  selben  Organ,  allerdings  nicht  sehr  deutlich, 
ein  zweiter  (innerer)  Muskelsack  unterscheiden,  der  aber  vom  äussern 
vollkommen  umschlossen  scheint.  Obwohl  das  Rostellum  überall 
ganz  zurückgezogen  und  oben  erwähntes  Exemplar  sehr  gut  er- 
halten war,  Hessen  sich  keine  Haken  erkennen,  so  dass  also  das 
Rostellum  vielleicht  unbewaftnet  ist.  Dieser  Umstand  wie  die 
Structur,  vielleicht  auch  die  Verschiedenheit  des  Baues  bei  ver- 
schiedenen Exemplaren  scheinen  darauf  hinzuweisen,  dass  wir  es  mit 
einem  in  Reduction  begriffenen  Orsran  zu  thun  haben.    Diese  An- 


Ein  getrenntgeschlechtiger  Cestode.  1H9 

sieht  bedarf  aber  einer  Bestätio-uno-  durcli  Studium  einer  gTössern 
Anzahl  i>ut  conservirter  Exemplare. 

Während  Avii-  aussen  keine  Spur  von  den  4Saug-näpfen  sehen,  zeiovn 
lückenlose  Serienschnitte  an  den  Stellen,  wo  dieBothridien  sein  sollten. 
dass  trotzdem  4  kleine  Bläschen  von  0.08  mm  Durchmesser  vorhanden 
sind,  welche  aber  keine  Spur  von  Saug-napfstructur  mehr  aufweisen. 
Es  haben  diese  Rudimente  auch,  wie  wir  schon  oben  bemerkt,  keinen 
P^influss  auf  die  äusserst  einfach  disponirte  Scolexmusculatur. 

Bei  Betrachtung-  der  Geschlechtsorgane  zeigt  sich  als  auffallendes 
Moment,  dass  die  männlichen  und  weiblichen  Organe  in  verschiedenen 
Individuen  sich  finden  und  also  bei  Cestoden  der  auch  l)ei  Turbellarien 
und  Trematoden  seltene  Fall  der  Getrenutgeschlechtigkeit  eintritt. 
Wir  finden  also  bei  unserer  Species  sowie  den  früher  schon  von  uns 
kurz  beschriebenen  Arten  /).  aspera  und  I).  paronai,  auch  äusserlich 
leicht  zu  unterscheidende,  männliche  und  weibliche  Individuen. 

Das  3Iiliinclieii. 

Die  Geschlechtsorgane  des  Männchens  sind  wie  bei  den  beiden 
andern  Dioicoccsfics-Arten  doppelt,  was  eine  besonders  auffallende 
Eigenthiimlichkeit  ist.  da  die  weiblichen  Geschlechtsdrüsen  sowohl 
als  auch  deren  Ausführgänge  einfach  sind. 

Die  Zahl  der  Hoden  ist  eine  sehr  bedeutende,  indem  ich  auf 
einem  Flächenschnitt  durch  eine  junge  Proglottis  ca.  150  solcher 
zählte.  Doch  macht  diese  Zahl  keinen  Anspruch  auf  Genauigkeit, 
indem  die  Hoden  hier  nicht  wie  bei  andern  Cestoden  sphärische  oder 
ovale  Bläschen  sind,  sondern  eine  wirre,  das  ganze  Markparenchyni 
erfüllende  blasse  von  schlauch-  oder  keulenförmigen  männ- 
lichen Geschlechtsdrüsen  bilden.  Die  Hoden  zeigen  auch 
nicht  die  üblichen  feinen  Yasa  efferentia,  sondern  münden  direct 
oder  mit  weiten  Gängen  in  das  Vas  deferens.  Eine  Theilung  der 
Hoden  in  zwei  die  beiden  Copulationsorgane  versorgende  Gruppen  ist 
nicht  sicht])ar.  Während  man  bei  andern  Cestoden  in  den  Hoden- 
bläschen geschlechtsreifer  Proglottiden  Spermamutterzellen.  'I'ochter- 
zellen.moi'ularartige  Haufen  von  Spermatiden  sowie  fadenförmige  spei-- 
mat<>zoi(h'n  in  derselben  Proglottis,  oft  in  demselben  Hodenbläschen 
finden  kann,  liegen  l)ei  Dioirorcsimwotißxfi  die  Verhältnisse  ganz  anders. 

Die  wenigen  ursprünglichen  Spermamutterzellen  theilen  sich  in 
allen  Hoden  gleichzeitig  in  Tochter-  und  Enkelzellen,  und  die  kleine 
Spermatidenzelle   bleibt   als   solche   ohne  weitere  l'm- 

Zf.ol    .Irtliiii.  W.     .\l)tli.  f.  Svst.  1" 


140  f^-  Führmann, 

bilduiig  im  Hoden.  Spermatozoideu  werden  in  ihm 
e b e n  s 0  w e n i g  w i e  in  d  e r  V e s i c  u  1  a  s e m i n a  1  i s  des  C i r r u s - 
beut  eis  gesehen.  Die  Speimatiden  gelangen  als  solche  durch 
das  Vas  deferens  in  die  Ve  s  i  c  u  1  a  s  e  m  i  n  a  1  i  s  des  Penis  und  werden  so 
durch  dieses  musculöse  Organ  in  das  Receptaculum  seminis  des 
Weibchens  gepresst.  wo  dann  erst  deutliche  fadenförmige  Spermatozoideu 
am  Innern  Ende  des  Samenbehälters  sichtbar  sind.  Diese  Sperma- 
tidenzellen zeigen  allerdings  bereits  das  künftige  Spermatozoid.  das. 
wie  der  junge  Embryo  eines  Fisches  auf  der  Keimblase,  so  auf  der 
blass  gefärbten  Zelle  als  dunkler  kurzer  Faden  aufgespannt  erscheint. 
Dieses  bei  Cestoden  einzig  dastehende  Verhalten  hat  zur  Folge,  dass 
die  Hoden  sehr  schnell  und  gleichzeitig  ihre  Producte  gebildet  und 
auch  die  Geschlechtsdrüsen  sehr  bald  vollständig  verschwinden.  So 
kommt  es,  dass  der  grösste  Theil  der  Proglottiden  der  Strobila  des 
Männchens  ohne  Geschlechtsdrüsen  und  nur  die  mächtigen  Penis- 
taschen und  ein  Theil  des  Vas  deferens  bestehen  bleiben.  Ja  sogar 
dieVesicula  seminalis  ist  meist  leer,  was  sonst  bei  den  meisten 
Cestoden  nicht  einmal  in  den  letzten  Proglottiden  der  Fall  ist.  Da 
wo  sich  noch  Spermatidenreste  linden,  zeigen  sich  oft  entwickelte 
Spermatozoideu,  die  aber  wohl  nicht  mehr  Verwendung  finden. 
Das  Vas  deferens  geht  ganz  gerade  von  der  Mitte  des  Gliedes  aus 
nach  dem  Proglottidenrande.  Es  ist  ein  weiter  C'anal,  von  starker 
Cuticula  ausgekleidet.  In  ganz  jungen  Gliedern  sieht  man,  dass 
dasselbe  ursprünglich  von  einem  Plattenepithel  ausgekleidet  war. 
Vor  dem  Eintritt  in  die  Vagina  ist  der  Samencanal  von  blasigen 
Zellen  umhüllt,  die  wohl  Prostatazellen  darstellen.  In  dieser  Region 
findet  sich  auch  auf  der  Dorsalseite  des  Vas  deferens  ein  blindsack- 
artiger Anhang,  der  sich  dunkelblau  färbt  und  vielleicht  eine  Drüse 
darstellt  (s.  Fig.  6).  Der  Cirrusbeutel  ist  in  ausgewachsenem  Zu- 
stande 0,44  mm  lang  bei  einem  Durchmesser  von  0,18  mm.  Er  ist 
gebildet  von  einem  starken  Muskelsack,  dessen  P'asern  in  der  Längs- 
richtung verlaufend  sich  leicht  kreuzen;  eigentliche  Ringmuskeln 
sind  also  nicht  vorhanden.  Innerhalb  dieser  Musculatur  fehlt  eiue 
deutliche  Membran  und  findet  sich  sofort  das  von  Muskelfasern 
durchquerte  Parenchym.  Diese  Muskelfasern  verlaufen  von  der 
Wandung  der  ]\Iuskeltasche  schief  nach  aussen,  wo  sie  sich  am 
Cirrus  anheften  und  so  die  Retractoren  des  mächtigen  Copulations- 
organs  darstellen.  Der  Penis  ist  wie  bei  allen  Acoleinae  ein  über- 
aus stark  entwickeltes  Organ,  mit  sehr  grossen  Haken  bewaffnet, 
deren  Basaltheile   in  der  dicken  Wanduno*  stecken.     Während  sonst 


Ein  getrenntgesehlechtiger  Cestode.  141 

die  Bewaifniing-  des  Cirrus  aus  einfachen  Borsten  oder  kurzen 
conischen  Häkchen  gebildet  ist,  sehen  wir  diese  Gebikle  in  der 
Familie  der  Acoleinae  sich  bedeutend  difierenziren,  indem  sie  nicht 
nur  an  Grösse  zunehmen,  sondern  auch  ihre  Form  compliciren,  so 
dass  dieselbe  eine  für  die  einzelnen  Arten  charakteristische  wird. 

Bei  Dioicoccstus  acotylus,  wie  übrigens  auch  z.  B.  bei  Gyrocoelia 
hrenis  Fuhkmann,  zeigen  die  Haken  grosse  Aehnlichkeit  mit  den 
Hostellarhaken  der  Davaineen,  welche  unter  allen  Taenien  meiner 
Ansicht  nach  die  primitivsten  Hakenformen  an  ihrem  Kostellum 
zeigen. 

Das  Basalstück  der  grössten  Penishaken  ist  0,018  mm  lang,  der 
aus  der  Cuticula  hervorstehende  Hakentheil  zeigt  eine  Länge  von 
0,01  mm.  Die  Haken  zeigen,  wie  zu  erwarten,  eine  bestimmte  Dis- 
position, welche  sehr  an  die  der  Haken  des  Rüssels  der  Echino- 
rhynchen  erinnert.  Auf  einem  ausgestülpten.  0,3  mm  langen  und 
genau  längs  geschnittenen  Cirrus  zählte  ich  ca.  45  hinter  einander 
liegende  Haken.  Vorn  waren  sie  am  kleinsten,  in  der  Mitte  am 
grössten,  während  sie  im  letzten  Viertel  ebenfalls  wieder  etwas 
kleiner  sind.  Das  in  den  Cirrusbeutel  eintretende  Vas  deferens 
zeigt  sofort  eine  Erweiterung  zu  einer  mehr  oder  weniger  grossen 
Vesicula  seminalis  interna.  Der  ganze  im  Cirrusbeutel  ge- 
legene Tlieil  des  Vas  deferens,  also  auch  die  V^esicula  und  der  Penis, 
sind  von  einer  sehr  deutlichen  Ring-  und  äussern  Längsmusculatur 
umhüllt.  Es  sind  also  Cirrusbeutel  und  Penis  sehr  contractu.  Durch 
eine  Structureigenthümlichkeit  zeichnet  sich  der  Cirrusbeutel  dieses 
(.'estoden  aus.  Ausserhalb  seiner  Musculatur  findet  sich  eine  doppelte 
Lage  dicht  gedrängter  grosser  Zellen  mit  deutlichem  weitmaschigem 
K'eticulum  im  Protoplasma.  Diese  Fmhüllung  setzt  sich  auch  ein  wenig 
auf  das  austretende  Vas  deferens  fort.  Wenn  diese  Zellen  Myoblasten 
sind,  wie  ich  solche  schon  öfteis  dem  Cirrusbeutel  anliegend  ge- 
sehen, so  sind  dieselben  von  ungewöhnlicher  Structur.  Nach  aussen 
von  ihnen,  den  Cirrusbeutel  und  aucli  auf  eine  kurze  Strecke  das 
austretende  Vas  deferens  umhüllend,  findet  sich  eine  starke  Schicht 
von  feinen  Längsfibrillen  (s.  Fig.  6). 

Wenn  wir  nun  einen  Blick  werfen  auf  die  Entwicklung  des 
Cirrusbeutels,  so  sehen  wir.  dass  in  ganz  jungen  Gliedern  das  Vas 
deferens  in  demselben  gebildet  wird  von  deutlichen  cubischen 
Epithelzellen,  die  namentlich  gross  sind  in  der  Gegend,  wo  die 
Haken  entstehen.  Dieses  Epithel  wird  zu  einem  cylindrischen,  das 
ganz  an  das  Darmepithel  eines  Vertebraten    erinnert,   nur  mit  dem 

10* 


142  0-    FUHRJIANN. 

wichtigen  Unterschiede,  dass  merkwürdiger  \\'eise  dei-  Kern  der 
holien  prismatisclien  Zellen  nicht  an  der  Basis  der  Zelle,  sondern 
an  dem  gegen  das  Lumen  gekehrten  Ende  desselben  gelegen  ist. 
An  der  Basis  der  Zellen  findet  sich  eine  starke  Membran,  während 
dem  Lumen  des  V a s  deferens  zu  die  Zellen  ohne  Zellmembran  zu 
sein  scheinen.  Sollte  sich  die  dicke  Cuticula  von  der  Basis  der 
Zellen  aus  bilden?  Aus  einem  Theil  dieser  Epithelzellen  entstehen 
auch  die  grossen  Penishaken,  verfolgen  konnte  ich  den  Process  leider 
nicht.  Zwischen  dieser  Epithelschicht  und  der  Oberfläche  der  Cirrus- 
beutelanlage  liegen  dicht  gedrängt  die  embryonalen  Parenchvmzellen. 
aus  welchen  die  den  Penis  umhüllende  Musculatur.  die  vom  Penis 
zum  Muskelsack  ziehenden  Fasern  sowie  die  Cirrusbeutelmusculatur 
entstehen,  letztere  wohl  von  der  bereits  bestehenden  äussern  doppelten 
Zellenlage  gebildet. 

Retractoren  der  beiderseitigen  Penistaschen  halie  ich  nicht  ge- 
sehen, wohl  aber  finden  sich  zahlreiche  Fasern,  welche  von  der 
ganzen  Oberfläche  der  Penistasche  schief  nach  dem  Rande  der 
Proglottis  verlaufen  (s.  Fig.  6)  und  so  als  Propulsoren  desselben 
functioniren.  Im  Ruhezustand  liegt  der  Cirrusbeutel  ca.  0,25  mm 
vom  Proglittidenrand  entfernt,  während,  wenn  dei-  Cirrus  ausgestülpt 
ist.  in  Folge  der  Contraction  der  oben  genannten  Muskeln  die  Ge- 
nitalkloake ganz  verschwunden  oder  sogar  selbst  ausgestülpt  ist. 
Noch  besonders  zu  bemerken  ist,  dass  das  Vas  deferens  zwischen 
den  beiden  Wassergefässen  und  zwischen  dem  dorsalen  Begleitnerven 
und  dem  Hauptlängsnerven  hindurch  zum  Rande  verläuft. 

Das  Weibchen. 

Das  ^\'eibchen,  oft  bedeutend  länger  und  immer  doppelt  so  dick 
wie  das  Männchen,  zeigt  als  besondere  zunächst  auffallende  Eigen- 
thümlichkeit ,  dass  die  Geschlechtsdrüsen  und  Leitwege 
einfach  sind,  während,  wie  wir  gesehen  haben,  beim  Männchen 
doppelte  Geschlechtsorgane  sich  finden.  Ebenfalls  sehr  be- 
merkenswerth  ist.  dass  die  zum  Rande  verlaufende  Vagina  nnregel- 
mässig  abwechselnd  links  oder  rechts  verläuft,  ohne  aber,  wie  wir 
sehen  werden,  auszumünden. 

Die  Geschlechtsdrüsen  liegen  dem  Rande,  nach  welchem  die 
Vagina  verläuft,  etwas  genähert,  was  aber  nur  in  den  jüngsten 
Proglottiden  deutlich  zum  Ausdruck  kommt.  Das  Ovarium  ist  ca. 
1,1  mm  l)reit;  auf  (Querschnitten  sehen  wir,  dass  dasselbe  aus  wenig 


Ein  getreiiiitg-eschlechtiger  Cestode.  148 

verzweigten  dorsoveiitral  verlaufenden  Eiscliläuchen  bestellt,  welche 
sich  auf  der  Ventralfläche  alle  vereiniii-en  und  so  die  ganze  Höhe 
des  Markparenehyras  ausfüllen.  Der  Dotterstock  ist  etwas  dorsal 
gelegen,  0.34  mm  breit  und  ebenfalls  tief  gelappt.  Die  Anlage  des 
Ovariums  und  des  Dotterstockes  ist  eine  netzförmige,  und  man  sieht 
sehr  deutlich  in  dem  die  Maschen  ausfüllenden  Parenchj^m  dicht 
gedrängt  die  dorsoventralen  Muskelfasern  durchziehen.  Eigentlich 
sollte  man  von  2  Ovarien  sprechen,  denn,  wie  ich  auch  schon  bei 
mehreren  andern  Taenien  deutlich  beobachten  konnte,  ist  das  Mittel- 
stück, welches  die  seitlichen  Theile  des  Ovariums  verbindet,  wie 
dies  auch  Leuckaet  annimmt,  nur  leitender  Theil  und  nicht,  wie 
das  sonst  häufig  der  Fall  ist,  von  Eiern  erfüllt,  ein  Theil  des  Ovariums. 
Hier  stellt  das  Mittelstück  2  tricliterf(">rmige  im  Oocapt  sich  ver- 
einigende Oviducte  dar.  welche  eine  aus  Plattenepithel  bestehende 
\\'andung  zu  besitzen  scheinen  und  die  reifen  Eier,  welche  von  den 
seitlichen  Ovarien  sich  loslösen,  auffangen  und  zum  nnpaaren  Oviduct 
leiten.  So  gemahnen  diese  (Tebilde  ganz  an  die  Oviducte  der  \ev- 
tebraten.  da  man  die  epitheliale  Wandung  der  Trichter  nicht  auf 
die  Keimstöcke  weiter  verfolgen  kann.  Der  Oocapt  ist  trichter- 
förmig mit  einem  Durchmesser  von  0,045  und  zeigt  eine  deutliche 
epitheliale  Auskleidung  ohne  musculöse  Umhüllung,  so  dass  er  also 
nicht  als  eine  Ai't  Aspirationspumpe  functionirt  wie  bei  andern 
Cestoden. 

Der  Oviduct  ist  sehr  kurz,  nur  0,6  mm  lang,  und  verläuft  von 
dem  Trichter  aus,  der  auf  der  Dorsalseite  der  Verbindungscanäle 
der  Ovarien  liegt,  fast  horizontal  zur  Vereinigungsstelle  mit  der 
Vagina.  Von  dieser  Stelle  an  verläuft  der  Oviduct  dorsalwärts,  doch 
ganz  nahe  der  Vagina  mündet  in  ihn  der  herabsteigende  Dotter- 
gang. Eine  sog.  Schalendrüse  scheint  hier  wie  auch  bei  I).  (ispera 
zu  fehlen,  während  sie  bei  D.  paronai  nur  sehr  schwach  ausgebildet  zu 
l)cstclien  scheint.  Ein  Fehlen  der  Schalendrüse  wird  auch  von  Davainea 
j)ro(jlottina  (s.  JBlakchakd)  und  Davainea  strufhionis  [y.  Lixstow^)  an- 
gegeben, doch  sind  diese  Angaben  nicht  der  Wirklichkeit  entsprechend, 
wohl  aber  scheint  diese  Drüse  hier  zu  fehlen.  I^ebrigens  scheint 
mir  die  Bezeichnung  Schalendrüse  für  dieses  Organ  niclit  zutreffend, 
da  diese  Drüse  wohl  nichts  bei  der  Schalenbildung  zu  thun  hat. 
Die  Hüllen  der  Eier  werden  vielmehr  von  dem  jungen  Embryo  selbst 
gebildet,  wde  solches  namentlich  auch  die  neuern  Untersuchungen 
von  Saint  Remy  des  Eingeheuden  nachgewiesen  wurde.  Vielleicht 
ist    das  Secret   dieser  Drüse   schleimiger  Natur   und   bestimmt,   den 


]^44  *^-    FCHUMANN, 

Eiern  den  Weg  durcli  den  meist  engen  und  langen  Uterincanal  zu 
erleichtern.  Der  Fteringang,  der  bis  dort  ganz  dorsal  verlaufen,  wendet 
sich  dann  direct  um.  um  in  zahlreichen  Windungen  ganz  ventral  zu 
ziehen,  wo  er  in  den  in  jugendlichem  Alter  unter  den  Ovarien  ge- 
legenen Uterus  einmündet.  Derselbe  ist  Anfangs  ein  einfacher  quer 
verlaufender  Schlauch.  Alle  Geschlechtsgänge,  auch  der  Dottergang, 
sind  von  einem  flachen  Epithel  ausgekleidet.  Im  Oviduct  und  Uterus- 
gang sieht  man  immer  zahlreiche  Eier  zum  Uterus  wandern,  wobei 
sie  letztern  sehr  erweitern,  indem  die  Eizellen  oft  nicht  einzeln, 
sondern  bis  14,  sogar  bis  25  zusammen  dem  Uterus  zuwandern.  Die 
Eizellen  zeigen  schon  im  Oviduct  einen  grossen  Kern  mit  Kern- 
körperchen;  im  umgebenden  Protoplasma  liegen  grössere  mit  Häm- 
alaun  und  auch  mit  Eosin  sich  stärker  färbende  Massen,  welche  wohl 
Reservesubstanzen  darstellen.  Im  Uterusgang  treffen  wir  ferner  sehr 
kleine,  0,003  mm  grosse  Dotterzellen  mit  dunklem  Kern  und  hellem 
Plasma,  welche  oft  die  Eizellen  umgeben  oder  auch  allein  dem 
Uterus  zuwandern. 

Die  Vagina,  das  eigenthümlichste  Organ  dieses  Cestoden,  ver- 
läuft vom  Oviduct  in  fast  gerader  Linie  nach  dem  Proglottidenrande. 
um  aber,  nachdem  sie  zwischen  den  beiden  Längswassergefässen  und 
zwischen  dem  Hauptlängsnerven  und  dem  dorsalen  Begleitnerven 
durchgezogen,  sofort  blind  zu  endigen,  in  einer  Distanz  von  0,9  mm 
vom  Proglottidenrande.  An  ihrem  Beginn  ganz  nahe  dem  Oviduct  zeigt 
die  Vagina  ein  spindelförmiges  R  e  c  e  p  t  a  c  u  1  u  m  s  e  m  i  n  i  s ,  prall  ge- 
füllt von  Spermatiden.  Doch  wenn  die  Spermatidenmasse  gross  ist, 
verlängert  sich  das  Receptaculum  schlauchfiirmig  bis  ganz  nahe  dem 
Längsnerven,  von  wo  an  dann  auf  einer  ganz  kurzen  Strecke  die 
bis  dahin  dünnwandige  Vagina  ihre  Wandung  stark  verdickt  und 
sodann  plötzlich  in  einen  kleinen  wandungslosen  unregelmässig 
conturirten  Parenchymraum  mündet.  Der  Raum  zwischen  dem  Ende 
der  Vagina  und  der  Oberfläche  der  Proglottis  wird  erfüllt  von  einer 
eigenthümlich  diiferenzirten  kegelförmigen  Parenchymmasse.  Die- 
selbe ist  fibrillär  struirt.  die  Fasern  verlaufen  in  der  Längsaxe. 
Diese  mächtige,  schon  durch  ihre  Färbung  leicht  auffallende  Masse 
drängt  die  Parenchymmusculatur  vollkommen  l)ei  Seite.  Trotzdem 
die  Vagina  durch  dieses  Gewebe  verschlossen,  flnden  wir  doch  immer 
die  Vagina  von  Spermatiden  erfüllt,  ebenso  den  kleinen  endständigen 
Parencliymraum.  Die  Begattung  findet  also,  und  zwar  sehr  früh, 
so  statt,  dass  der  Penis  in  die  Parenchymmasse  eindringt,  indem  er 
die  Cuticula  durchbricht   und  bis  zur  Vagina  vordringt.     Nach  dem 


Ein  getrenntgesclilechtig-er  Cestode.  145 

Zurückziehen  des  Penis  verwächst  dann  die  entstandene  Wunde,  was 
eine  leichte  Veränderung  in  der  Structur  des  Parenchyms  zur  Folge 
hat  und  namentlich  deutlich  an  der  Cuticula  sichtbar  wird,  die  nun 
sehr  zart  und  lange  viel  dünner  bleibt  als  die  der  Umgebung.  Das 
sich  rasch  entwickelnde  Wundgewebe  umwächst  oft  kleine  Sperma- 
tidenhäufchen, welche  dann  ganz  isolirt  in  dem  Parenchymkegel  liegen. 
Da  die  Glieder  des  Weibchens  sehr  kurz  sind,  so  braucht  der 
mächtige  Penis  des  Männchens  sich  nur  mit  seinen  spitzen  Haken 
am  Rande  einzubohren  und  trifft  so  fast  mit  absoluter  Sicherheit 
die  Vagina.  Eline  leicht  papillenartige  Vorwölbung  erleichtert  noch 
das  Auffinden  der  betreffenden  Stelle. 

Wie  schon  bei  Beschreibung  des  Männchens  bemerkt,  werden 
die  männlichen  Geschlechtsproducte  in  Form  von  Spermatiden  (Fig.  7) 
und  nicht  von  Spermatozoen  in  den  weiblichen  Geschlechtsgang  in- 
jicirt.  und  so  finden  wir  im  Receptaculum  seminis  nicht  fadenförmige 
Spermatozoen.  sondern  kleine  runde  Zellen.  Da  die  Begattung 
immer  nur  im  vordem  Theil  der  Strobila  in  den  ganz  jungen  Pro- 
glottiden  mit  noch  unentwickelten  Ovarien  vor  sich  geht,  sehen  wir 
noch  lange  nur  derartige  Zellen  in  der  Vagina.  Mit  dem  Heran- 
reifen der  weiblichen  Geschlechtsproducte  treten  dann  auch  am 
medianen  Ende  des  Receptaculum  seminis,  also  in  der  Nähe  des 
Oviducts.  stark  gefärbte  kurze  fadenförmige  Spermatozoen  auf.  und 
so  verändert  sich  dann  die  ganze  Zellenmasse  in  gestreckt  spindel- 
förmige Samenfäden.  Der  Uterus,  der  Anfangs  ein  unter  dem  Ovarium 
quer  verlaufender  Schlauch  war,  wird  immer  weiter  und  füllt 
schliesslich  das  ganze  Markparenchym  sackförmig  aus,  während  die 
Geschlechtsdrüsen  vollständig  verschwinden.  Auf  Quer-  und  Flächen- 
schnitten sieht  man,  dass  zahlreiche  Pfeiler  und  dünne  unvollständige 
Scheidewände  die  Uterushöhle  vertical  durchziehen,  welche  aus  Resten 
von  Parenchym  und  namentlich  aus  dichtgedrängten  Dorsoventral- 
muskeln  bestehen. 

Die  reifen  Eier  zeigen  nichts  Besonderes,  sie  sind  von  3 
Hüllen  umgeben,  einer  an  die  sechshakige  Oncosphäre  anliegenden 
(0,02  mm  Durchmesser),  einer  zweiten  dickern  mit  einem  Durch- 
messer von  0.025  mm  und  einer  äussern  weiten,  gefalteten  und  sehr 
zarten  Schale.  Immer  sind  die  Eier  aller  Proglottiden  befruchtet, 
trotz  der  Hindernisse  und  Schwierigkeiten,  welche  der  Begattung 
in  den  Weg  gelegt  werden. 


146  0.  Fuhrmann, 


Allffemeiues. 


Der  oben  näher  beschriebenen  Cestode  ist  anatomisch  sehr  nahe 
verwandt  mit  den  beiden  andern  von  mir  gefundenen  Arten  des 
Genns,  zeigt  aber  bedeutende  Unterschiede  im  Bau  des  Scolex. 
Derselbe  besitzt  eine  für  CyclophyUidae  einzig  dastehende  Erscheinung, 
indem  am  wohl  entwickelten  Scolex  die  4  Saugnäpfe  äusserlich  ver- 
schwinden und  nur  noch  auf  Schnittserien  als  kleine,  functionslose 
Rudimente  sich  erkennen  lassen.  Dieselbe  Regression  scheint  eben- 
falls am  Rostellum  eintreten  zu  wollen,  indem  das  mit  weitem 
Muskelsack  umgebene  wohl  entwickelte  Rostellum,  wie  wir  es  bei 
Dioicocesfus  aspera  finden,  sich  bedeutend  vereinfacht  und  offenbar  auch 
seine  Bewaffnung  verloren  hat.  Trotz  dieser  scheinbar  syste- 
matisch wichtigen  Unterschiede  stelle  ich,  mich  auf  die  Anatomie 
stützend,  diese  Art  in  das  Genus  Dioicocesfus. 

Auffallend  an  den  Arten  dieses  Genus  ist  besonders  der  Um- 
stand, dass  die  Männchen,  welche  auch  äusserlich  von  den  Weibchen 
verschieden  sind,  doppelte  Copulationsorgane  besitzen,  die  Genitalien 
der  Weibchen  dagegen  einfach  sind.  Durch  die  Verdoppelung  der 
Cirri  wird  wohl  die  Wahrscheinlichkeit  der  in  Folge  des  Fehlens 
der  Vaginalöftnung  ziemlich  schwierigen  Befruchtung  der  Eier  er- 
höht, und  in  der  That  findet  man  fast  nie  unbefruchtete  Eier  in 
den  Uteri  des  Weibchens.  Dass  diese  Disposition  wohl  nicht  die 
primäre  ist,  zeigt  eine  Beobachtung  an  Dioicocesfus  aspera,  wo  aus- 
nahmsweise bei  einem  Männchen  136  auf  einander  folgende  Pro- 
glottiden  nur  einfache  Copulationsorgane  besassen,  die  wie  die 
Vagina  beim  Weibchen  unregelniässig  abwechselnd  links  und  rechts 
gelegen  waren.  Nur  die  jüngsten  hinter  dem  Scolex  gelegenen 
Glieder  (53)  zeigten  bei  diesem  Exemplar  doppelte  Cirrusbeutel  in 
jeder  Progiottis. 

Das  Vorkommen  im  Wirthe  zeigt  bei  den  3  Arten  des  Genus 
Dioicocesfus  eine  auffallende  interessante  Eigenthümlichkeit,  indem 
diese  Cestoden  immer  nur  paarweise  in  ihrem  Wirthe  vorkommen, 
und  mit  zwei  Ausnahmen  immer  nur  je  ein  Pärchen.  Männchen 
und  Weibchen,  im  Darme  des  betreffenden  Vogels  angetroffen 
wurden.^)     Dieser  Umstand  erschwert   die  Erklärung   der  Entwick- 


1)  A^'on  Dioicoccstus  paroivii  Fuhkmanx   aus  J'lci/adis  ;/U((ra/nia  (LiN,) 


Ein  getreimtg-eschlechtig-er  Cestode.  147 

lung-  bedeutend,  denn  es  ist  nicht  ohne  Weiteres  verständlich,  wie 
so  sich  von  den  mit  dem  Zwischenwiith  gefressenen  Larven  meist 
nur  zwei  oder  weniger  Paare  von  Individuen  entwickeln,  von  welchen 
die  einen  Männchen,  die  andern  ebenso  viele  Weibchen  sind. 
In  den  Eihüllen  fand  ich  immer  nur  eine  Oncosphäre  und  nicht,  wie 
man  vielleicht  erwarten  könnte,  zwei.  Alle  Embryonen  sind  übrigens 
identisch  in  Grösse  und  Gestalt.  Wie  ist  es  nun  möglich,  dass  dieser 
Cestode  immer  paarweise  im  Wirthe  vorkommt? 

Um  diese  eigenthümliche  Ersclieinung  zu  erklären,  scheint  mir 
nur  eine  Annahme  möglich  zu  sein,  dass  nämlich  die  aus  dem  Ei 
im  Zwischenwirth  sich  entwickelnde  Larve,  statt  wie  bei  den 
meisten  Cestoden  nur  einen  oder  wie  bei  Coeimrus  und  Echinococcus 
Hunderte  von  Scoleces  zu  bilden,  nur  zwei  Köpfe  bildet,  von 
welchen  der  eine  im  Wirthe  das  Männchen,  der  andere  das  Weib- 
chen hervorbringt.  Verhält  sich  die  Entwicklung  wirklich  so, 
Avie  wir  vermuthen,  so  hätten  wir  hier  die  interessante  Thatsache, 
dass  in  der  aus  einer  Eizelle  gebildeten  Larve  die  weiblichen  und 
männlichen  Determinanten  sich  trennen  und  an  zwei  Punkten  der 
Larve  zwei  verschieden  geschlechtige  Individuen  hervorsprossen 
lassen. 

Leider  sind  diese  Cestoden  zu  selten  und  der  Zwischenwirth 
derselben  unbekannt,  um  diese  gewiss  interessante  Frage  experi- 
mentell aufklären  zu  können. 

Dem  anatomischen  Bau  zu  Folge  müssen  wir  diese  Cestoden 
wegen  der  eigenthümlichen  Disposition  der  Musculatur  der  Strobila 
und  dem  ^Mangel  einer  weiblichen  Geschlechtsöftnung  in  die  von  mir 
begründete  Familie  der  Acolciuae  stellen. 

Da  Bioicocestus  arotylns   der  functionirenden  Saugnäpfe  entbehrt 

(geographische  Verbreitung :  Mexico  und  Südamerika)  habe  ich  1  mal 
1  Pärchen  von  Herrn  Prof.   Paroxa  erhalten. 

Von  Dioicoccsius  aspfni  (Mehlis)  aus  Podicrjis  ijrisciyeua  BoDl). 
(geographische  Verbreitung :  Europa ,  Mittehneerländer  und  West-Asien) 
habe  ich  3  mal  je  1  Pcärchen  und  1  mal  4  Weibchen  und  3  Männchen 
gesehen ,  wobei  es  in  diesem  letztern  Falle  wohl  möglich ,  dass  das  eine 
der  Männchen  aus  dem  sehr  alten  und  macerirten  Material  abhanden  ge- 
kommen ist  oder  nur  in  Fragmenten  vorhanden  war. 

Von  Dinicocpstiis  Kroli/his  Fnimr.vxN  aus  Podiceps  ilominicus  (L.) 
(geographische  Verbreitung:  Haiti,  Jamaica,  Cuba,  Centralamerika,  Süd- 
amerika bis  Patagonien)  habe  ich  1  mal  1  Pärchen ,  ein  anderes  mal 
mehrere  Pärchen  zusammen  zur   Besichtigung  erhalten. 


148  0-  Fuhrmann. 

und    ein    in    Regression    begriffenes    Rostelluni    besitzt,    muss    die 
Diagnose  dieser  CestodengTuppe  jetzt  einfach  lauten: 

A  c  0 1  e  i  n  a  e.  K  u  r  z  g- 1  i  e  d  r  i  g  e  d  i  c  k  e  C  e  s  t  o  d  e  n  mit  einer 
aus  zwei  Längs-  und  drei  mit  erstem  a  1 1  e  r  n  i  r  e  n  d  e  n 
Q  u  e  r  m  u  s  k  e  1  s  y  s  t  e  m  e  n  b  e  s  t  e  li  e  n  d  e  n  P  a  r  e  n  c  h  y  m  m  u  s  c  u  - 
latui-  der  Strobila.  Weibliche  Geschlechtsöffnung 
fehlt.  Cirrus  immer  sehr  gross  und  stark  bewaffnet. 
W  i  r  t  h  e :  Vö  g  e  1  (Ärdeiformcs  und  ( 'ohimhifonrws). 

Xeuchatel.  11.  December  1903. 


Ein  eetreuntireschlechtie-er  Cestorle.  149 


Erklärung  der  Abbildinigeu. 


Tafel    10. 

Fig.   1.      Scolex  von   Diolcocestiis  aspera  (Mehlisi. 

Fig.   2.     Scolex  von   Dioicocestus  acot;jlns  Fuhrmakn. 
ir  Wassergefä.^system,   A^  Längsnerv. 

Fig.    3.      Flächenschnitt   durch   den   Scolex   von   D.  arolijUis. 

Ho  ßostellum,  J\'  Nervensystem  mit  dem  das  Rostellum  um- 
fassenden Nervenring,  \V  "Wassergefässystem,  Läogsgefäss,  R^ 
oberer  Grefässring,  74  mittlerer  Gefässring,  R.,  unterer  Gefässring, 
L.l/ Längsmusculatur,  rtLJ/nach  dem  Scheitel  peripher  aufsteigende 
Längsmuskelu,  rLM  nach  dem  Rostellum  ziehende  Längsmuskeln, 
pL}[  vom  Rostellum  nach  dem  ^'orderende  ausstrahlende  Muskeln. 

Fig.   4.      "Wimperflamme   des  Excretionssystems. 

Fig.  5.  Querschnitt  durch  ein  dorsales  Längsgefäss  des  Excretions- 
systems umgeben  von  einer  zelligen  Hülle  und  den  zahlreichen  Wimper- 
flammen, 

Fig.  6.  Theil  eines  Querschnittes  durch  ein  Männchen  von  ]).  acot>jlifs. 
Pc  eigenthümliche  plasmareiche  Zellen,  ILM  innere  Längsmuskel- 
bündel.  aLM  äussere  Längsmuskelbündel,  ^T^f  innere  Transversal 
musculatur,  niTM  mittlere  Transversalrausculatur,  aTM  äussere 
Transversalmusculatur,  T)M  Dorsoventralmusculatur,  P  Propulsoren 
des  Cirrusbeutels,  N  Hauptlängsnerv,  vPn  ventraler  Begleitnerv, 
dl'>n  dorsaler  Begleitnerv,  r  TT' ventrales  Längsgefäss  des  Excretions- 
systems, dW  dorsales  Längsgefäss,  A'  Wiraperflammen,  C  Cirrus, 
S  Samenleiter,  Vs  Vesicula  seminalis,  Vd  Yas  deferens,  D  Drüsen- 
säckchen?.  .1/  Musculatur  des  Cirrusbeutels,  Z  zelliger  Belag  de> 
Cirrusbeutels,  /•'  äussere  Längsfibrillenschicht,  R  Retractoren  des 
Cirrus, 


150  ^''  Fuhrmann,  Ein  g-etrenutgeschlechtiger  Cestode. 

Fig.   7.      Spermatidenzelle. 

Fig.  8  und  Fig.   9.      Haken  de^   Cirrus. 

Fig.   10.      Theil    eines  Flächenschnittes  durch  die  Strobila  des  Weib- 
chens von  D.  (icofijlu-s. 

Ov  Ovarium,  Do  Dottersack,  l!f  Receptaculum  seminis,  V  Va- 
gina, 1'  eigenthümlich  difFerenzirte  Parenchymmasse  vor  der  ver- 
schlossenen Vagina,    U  Uterus,    W  Wassergefäss,   iV  Nerv. 

Fig.    11.       Reconstruction     zweier    Querschnitte     des    Weibchens    von 
1).  acotylns. 

Ov  Ovarium,  Od  Oocapt,  Ov(l  Oviduct,  Do  Dotterstock,  Dg 
Dottergang,  Ufi  Uteringang,  U  Uterus,  V  Vagina,  Rc  Keceptaculum 
seminis. 


Kachdruck  r erboten. 
Uehersetsnngsrecht  rorbelicdlen. 


Eine  bucklige  Testudo  graeca  L. 

Von 
Dr.  Benno  Wandolleck  in  Dresden. 

Mit  4  Abbildungen  im  Text. 


In  dem  Dresdener  Zoologischen  Garten  lebte  eine  Zeit  lang-  eine 
Landschildkröte  von  sehr  anffallender  Form,  die  von  dem  Geschenk- 
geber als  Testudo  marginaia  bezeichnet  worden  war.  Nach  dem  Ab- 
leben kam  das  Thier  in  meine  Hände. 

Da  ich  Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Art  hegte,  controllirte 
ich  die  Bestimmnng  nnd  fand,  dass  es  sich  keinesw^egs  um  Testudo 
marffinata  Schöpf,  sondern  nur  um  eine  monströs  veränderte  Testtido 
graeca  L.  handelte. 

Die  auffallende  ]\[onstrosität  erscheint  mir  genügend  interessant. 
um  sie  allgemein  bekannt  zu  geben. 

Das  'J'hier  (Carapax)  ist  15  cm  lang,  kann  also  als  etwas  über 
halb  ausgewachsen  gelten,  aber  während  bei  einem  normalen  Thier 
das  Yerhältniss  der  Länge  zur  Breite  sich  ungefähr  wie  2 :  1,5  stellt, 
hat  hier  die  Breite  stark  zugenommen,  so  dass  sie  gleich  der  Länge 
geworden  ist.  Dadurch  bildet  der  Umriss  fast  eine  Kreislinie,  und 
das  Thier  sieht  von  oben  wie  breit  gequetscht  aus  (Fig.  A).  Das 
Auffallendste  an  der  äussern  Erscheinung  des  Thieres  aber  ist  der 
Verlauf  der  beiden  Mittellinien  des  Carapax.  Bei  einem  normalen 
Thier  bildet  jede  einen  einfachen,  nicht  allzu  stark  gewölbten  Bogen, 
hier  jedoch  zeigen  sie  vor  resp.  hinter  der  Mitte  eine  stark  bucklige 
Ausbiegung,  die  sich  förmlich  thurmartig  ül)er  die  normale  Linie 
erhebt  (Fig.  B). 


152 


Benno  \\'andüi,i,eck, 


Auch  sonst  bietet  der  Anblick  von  vorn  resp.  von  liinten  ein 
abweichendes  Bild,  da  die  Seiten  sehr  stark  wulstig-  g-ekrüninit  sind 
und  sich  nirgends  eine  winklige  Absetzung-  zum  Plastron  findet. 
Der  Carapax  g-elit  einfach  bog'enförmig  in  das  Plastron  über  (Fig-.  C). 

An  dem  Plastron  selbst  ist  auffällig,  dass  die  Längsmittellinie 
hauptsächlich  vorn  stark  aufwärts  gekrümmt  ist  und  nirgends  in 
ihrem  Verlaufe  wie  bei  normalen  Exemplaren  horizontal  genannt 
werden  kann  iFis-.  11). 


Fiy.  A.     Aulsiclit. 


Das  Thier  war  ein  Weibchen,  hatte  an  allen  Füssen  nur 
4  Zehen,  und  der  Schwanznagel  war  sehr  kurz.  Es  war  mit  einer 
grossen  Anzahl  anderer  Testudo  f/raeca  als  Speiseschildkröte  feil- 
gehalten und  von  dem  Geschenkgeber  des  Zoologischen  Gartens  als 
vermeintliche  Testudo  »larginata  erstanden  worden. 

Die  eigenthümliche  Missbildung  prägt  sich  nun  am  deutlichsten 
in  der  Form  und  Ausbildung  der  einzelnen  Schilder  aus.  Es  muss 
daher  bei  der  Beschreibung  der  einzelnen  Schilder  immer  das 
normale  Schild  als  Vergleich   herangezogen  werden.     Ich  werde  die 


Eine  bucklige  Testudo  graeca  L. 


153 


BeSclireibimg'   des  normalen  V(ii'ani>elien  lassen   nnd   mich   dabei  der 
Herpeloluoia  enropaea  von  Sciikkibeh  bedienen. 


Fig.  B. 
Seiteuansiclit. 

1.  Vertebralia.  normal: 

„Von  den  5  Vertebralen  ist  das  1.  fünfeckig,  bei  Jüngern 
Thieren  immer  dentlich.  bei  erwachsenen  oft  aber  kaum  breiter  als 
lang-,  seine  Hinterseite  am  kürzesten  und  ziemlich  gerade,  alle  andern 


Ausieht  von  liinten. 

Seiten  geschwungen,  die  zwei  vordem  in  einem  sehr  stumpfen,  in 
seinem  Zusammenstosse  mit  dem  Nuchale  kurz  abgestutzten  Winkel 
convergiiend.    Die  H  folgenden  Vertebralen  sind  etwas  kürzer,  sechs- 


5^54  Benno  ^^'AM)OLLl•;cK. 

eckig',  das  mittlere  davon  immer,  das  2.  und  4.  gewitlmlich  breiter 
als  lang-,  an  allen  die  unter  sehr  stumpfen  Winkeln  zusammen- 
stossenden  Aussenseiten  am  kürzesten  und  ziemlich  gleich  lang,  das 
o.  ziemlich  gleich  breit,  das  2.  nach  voi-n.  das  4.  nach  hinten  ver- 
schmälert; das  letzte  Wirbelschild  ist  endlich  das  grösste.  nach 
rückwärts  bedeutend  erweitert,  im  Grunde  eigentlich  ungleichseitig 
sechseckig,  obwohl  es  durch  die  drei  unter  äusserst  stumpfen  oder 
fast  verschwindenden  Winkeln  zusammenstossenden  Margin alrän der 
im  Ganzen  mehr  den  Eindruck  eines  Trapezes  mit  gerundeter  Hinter- 
seite macht." 

Anormal  (Fig.  A):  Die  Grundform  des  1.  Vertebrale  ist  auch 
hier  ein  Fünfeck,  aber  seine  ganze  Form  ist  von  der  des  normalen 
so  verschieden,  dass  man  darüber  die  Fünfeckigkeit  aus  dem  Gesicht 
verliert.  Es  macht  mehr  den  Eindruck  eines  Trapezes,  dessen 
breiteste  Seite  in  der  Mitte  zu  eijiem  schmalen  Zipfel  vorgezogen 
ist.  Die  hintere  Seite  ist  die  kleinste,  die  vordere  ist  2^-2  mal  so 
gross  wie  die  hintere.  Die  seitlichen  Begrenzungen  sind  fast  gerade, 
jede  ungefähr  ^4  ^^  lang  wie  die  vordere  Seite  und  kaum  ge- 
schwaingen.  Die  3  mittlem  Vertebralia  sind  das  Auffallendste  an 
der  äussern  Erscheinung  des  ganzen  Thiei'es.  sie  haben  zwar  auch 
die  für  das  normale  Thier  gegebene  P'orm  bewahrt,  sind  aber  ganz 
klein  geblieben,  so  dass  das  2.  und  3.  zusammen  noch  nicht  so  lang 
wie  das  1.  sind  und  alle  3  an  Flächeninhalt  das  1.  nicht  erreichen. 
Sie  erheben  sich  über  alle  Schilder  und  bilden  zusammen  eine  kurze 
starke  AVölbung.  Von  diesen  dreien  ist  Nr.  1  das  grösste,  Nr.  3 
das  kleinste  Schild  (Fig.  A,  Fig.  B). 

Das  lelzte  Wirbelschild  ist  bei  diesem  Exemplar  nicht  das 
grösste.  es  erreicht  nur  '%  der  Grösse  von  1  und  ist  vielleicht  in 
seinem  Flächeninhalt  so  gross  wie  2  und  3  zusammen.  Wenn  man 
das  Ganze  als  ein  Trapez  nimmt,  d.  h.  die  hintere  Begrenzung  als 
eine  Seite,  so  ist  beim  normalen  Thier  die  vordere  Seite  ungefähr 
3  mal,  bei  diesem  Stück  jedoch  mehr  als  4  mal  in  der  hintern  Seite 
enthalten.  Man  kann  auch  hier  die  hintere  Seite  viel  eher  als 
gerade  Linie  denn  als  eine  gernndete  betrachten. 

Costalia  normal:  ..Ton  den  4  Oostalpaaren  ist  das  erste  trapezo- 
idisch,  deutlich  breiter  als  lang,  sein  gebogener  Aussenrand  der 
grösste,  sein  Innenrand  der  kleinste,  die  an  das  erste  Vertebrale 
stossende  Seite  kürzer  als  die  hinterste;  von  seinen  4  Winkeln  ist 
der  hintere  und  äusserste  nahezu  ein  rechter,  der  an  die  gemein- 
schaftliche Naht  der  2  ersten  Vertebralen  grenzende  der  stumpfeste. 


Eine  bucklige  Testudo  graeca  L.  155 

Die  2  folg-enclen  Costalen  sind  im  (Tanzen  ziemlich  gleich  gross, 
nicht  ganz  doppelt  so  breit  wie  lang  und  quer  fünfeckig,  ihre  unter 
sehr  stumpfen  Winkeln  zusammenstossenden  Innenseiten  die  kürzesten, 
ihre  auf  die  Axe  des  Körpers  ziemlich  rechtwinklig  gerichteten 
Vorder-  und  Hinterseiten  am  längsten.  Das  letzte  Costale  ist  endlich 
bedeutend  verkleinert,  deutlich  breiter  als  lang  und  trapezoidisch, 
nach  aussen  massig  erweitert,  sein  Vorderrand  etwas  grösser  als 
der  hintere." 

Bei  Betrachtung  der  Costalia  muss  vor  Allem,  abgesehen  von 
der  bei  ihnen  allen  am  Ende  des  ersten  Drittels  ihrer  Breitenaus- 
dehnung liegende  Knickung  nach  innen,  die  ihre  Convexität  verur- 
sacht, die  im  Verhältniss  zur  Länge  ausserordentliche  Verbreiterung 
auffallen.  Die  Art  der  Begrenzung  der  Schilder  stimmt  im  All- 
gemeinen mit  der  für  die  normalen  ('ostalia  gegebenen  Definition 
überein,  das  Verhältniss  der  Breite  zur  Länge  stellt  sich  aber 
folgendem! aassen  dar  (Fig.  A.  Bj.  Beim  normalen  Thier  ist  die 
obere  Länge  des  \.  Costale  ungefähr  2'/3  mal  in  der  Länge  des 
Hinterrandes,  also  in  der  Gesammtbreite  des  Costale,  enthalten,  bei 
diesem  Stück  5  mal.  Am  2.  Costale  1%  mal  normal,  hier  SV«  mal, 
am  3.  Costale  normal  Vj^,  hier  3^^,  am  4.  Costale  2  mal  normal, 
hier  4^/^  mal. 

Beim  normalen  Thier  bildet  das  erste  und  letzte  Costale  Trapeze, 
die  beiden  mittlem  längliche  Rechtecke.  Diese  Formation  der 
Schilder  zeigt  sich  auch  hier  bis  zu  dem  oben  erwähnten  Knick, 
von  wo  ab  alle  Costalia  trapezoidale  Form  annehmen.  Darin  liegt 
natürlich  der  Grund,  dass  der  Unterrand  sehr  viel  grösser  ist  als 
der  Oberrand.  Beim  1.  Costale  ist  er  5^2  mal,  beim  2.  1=^/4  mal, 
beim  3.  2V4,  beim  4.  2-^/4  mal  so  gross. 

Auch  die  Marginalia  entsprechen  in  ihrer  allgemeinen  Form 
der  der  normalen,  sie  fallen  nur  dadurch  auf,  dass  die  mittlem  sehr 
stark  gewölbt  sind  und  ihre  Bogenlinie  fast  ganz  ohne  Grat  in  den 
Bogen  der  Schilder  des  Plastrons  übergeht,  auch  ist  die  Breite  der 
Schilder  im  Verhältniss  zu  ihrer  Länge  grösser  als  beim  normalen 
Thier. 

ScHREiBEK  giebt  an,  dass  das  Nuchale  bis  doppelt  so  lang  wie 
breit  sei,  hier  ist  es  2V.>  mal  so  lang. 

Eine  auffallende  Veränderung  seiner  Längen-  und  Breitenver- 
liältnisse  hat  nur  das  letzte  Marginale,  das  3.  Marginofemorale  er- 
litten (Fig.  G).  In  der  gewöhnlichen  Ausbildung  ist  dieses  Schild 
meist  ziemlich  so  lang  wie  breit,  und  die  Breite  überragt  die  Länge 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.        •  H 


156  Benno  Wandolleck, 

höchstens  um  t;in  g-aiiz  Geringes,  hier  aber  ist  die  Länge  4  mal  in 
der  Breite  enthalten,  was  dieses  Schild  gegenüber  den  andern  fast 
ganz  verschwinden  lässt. 

Das  stets  aus  zwei  Platten  verschmolzene  Supracaudale  ist 
lang  zu  nennen;  beim  normalen  Thier  ist  die  Mittellinie  ungefähr 
so  lang  wie  die  Hälfte  des  Hinterrandes,  liier  überragt  sie  sie  um  '/.,. 

An  der  rechten  obern  Ecke  des  Supracaudale  betindet  sich  ein 
kleines  accessorisches  Schildchen. 

Die  Axillaria  sind  nicht  wie  beim  normalen  Thier  dreieckig, 
sondern  fast  rechteckig,  lang  und  schmal,  ungefähr  4  mal  so  lang 
wie  breit. 

Die  Inguinalia  fehlen  als  selbständige  Schilder,  d.  h.  sie  sind 
mit  dem  vorletzten  Margino-laterale  verschmolzen. 

Eine  sehr  auffällige  Abweichung  von  dem  Gewöhnlichen  zeigt 
die  Hornbekleiduug  noch  in  Bezug  auf  die  sog.  Anwachsstreifen. 
Bei  einem  normalen  Stück  bemerkt  man,  dass  die  Anwachsstreifen 
bei  allen  Schildern  mit  Ausnahme  der  Lateralia  geschlossene,  con- 
centrische  Curven  bilden.  Das  ist  am  Ausgesprochendsten  bei  den 
Vertebralien,  und  hier  fällt  der  Mittelpunkt  der  concentrischen 
„Kreise"  sehr  nahe  an  den  Mittelpunkt  der  Schilder  selbst.  Bei 
dem  1.  und  2.  liegt  er  mehr  nach  hinten,  bei  dem  4.  und  5.  mehr 
nach  vorn,  und  nur  im  3.  Vertebrale  fallen  die  Mittelpunkte  zu- 
sammen. Das  vorliegende  Exemplar  besitzt  nur  auf  dem  ersten  und 
letzten  Vertebrale  Anwachsstreifen,  die  3  mittlem  Schilder  sind  voll- 
kommen glatt,  und  nur  das  2.  lässt  noch  geringe  Spuren  von  An- 
wachsstreifen erkennen. 

Auf  dem  1.  Vertebrale  sind  die  Streifen  des  Hinterrandes  und 
der  Seitenränder  auch  kaum  zu  bemerken,  dafür  aber  von  der  Mitte 
ab  die  des  Vorderrandes  sehr  stark  und  deutlich.  Das  5.  Vertebrale 
besitzt  am  Voi'derrand  und  den  Seitenrändern  keine  Streifen,  da- 
gegen vom  ersten  Viertel  seiner  Länge  ab  zahlreiche  und  tiefe 
Anwachsstreifen,  die  dem  Hinterrande  parallel  laufen. 

Aehnlich  verhalten  sich  die  Costalia.  Obgleich  sie  noch  wie  das 
1.  Vertebrale  in  ihrem  obern  Viertel  fast  verlöschte  Streifen  an  dem 
obern  und  den  Seitenrändern  zeigen,  so  sind  doch  die  eigenthüm- 
lichen  wie  Diagonalen  des  Schildes  aussehenden  Linien  gänzlich  ver- 
schwunden. Diese  Linien  entstehen  beim  normalen  Thiere  dadurch, 
dass  die  Pocken  der  Anwachsstreifen  alle  auf  den  Diagonalen  des 
Schildes  liefen. 


Eine  bucklige  Testudo  graeca  L.  157 

Die  Marginalia  untersclieiden  sich  in  Bezug  auf  ihre  Anwachs- 
streifen durch  nichts  von  denen  eines  normalen  1'hieres. 

Es  war  als  sicher  anzunehmen,  dass  eine  so  auffallend  gebildete 
Schale  auch  mit  Abnorm  alitäten  im  Skelet  verknüpft  sein  würde 
und  dass  hauptsächlich  in  den  Skelettheilen,  die  mit  dem  Carapax 
eng  verbunden  sind,  nämlich  an  den  Rippen  und  der  Wirbelsäule, 
auch  Veränderungen  sich  finden  würden.  Der  anatomische  Befund 
zeigte  denn  auch  sehr  deutlich  die  bedeutende  Antheilnahme  der 
"\\'irbelsäule  an  der  Verbildung.  Alle  andern  Skelettheile  wiesen 
nichts  Besonderes  auf,  und  nur  der  mittlere  Theil  der  Wirbelsäule 
wai'  auffallend  verändert  und  aus  der  normalen  Lage  gerückt. 

Es  wird  vielleicht  am  Platze  sein,  wenn  ich  hier  zuerst  einmal 
eine  kurze  Uebersicht  über  die  normalen  Verhältnisse  der  Rücken- 
wirbelsäule bei  Testndo  gebe. 

In  der  Projection  von  oben  gesehen,  hat  die  Rückenwirbelsäule 
einen  geraden  Verlauf  und  besteht  aus  8  Wirbeln,  deren  Grösse  bis 
zum  3.  zu  und  von  dort  wieder  constant  abnimmt,  so  dass  der  1. 
die  Hälfte  des  3.,  der  8.  ungefähr  den  vierten  Theil  des  3.  ausmacht. 
Der  optische  Durchschnitt  von  Nr.  1—6  ist  biconcav,  von  7  und  8 
hanimerförmig.  Die  Rippenansätze  sind  bei  1,  7,  8  vertebral,  bei 
2 — 6  intervertebral.  Zu  jedem  Axiale  gehört  ein  von  seinem 
vordersten  Theile  (bei  2—6)  entspringender  Rückenbogen,  dessen 
Dornfortsatz  die  Verbindung  der  Wirbelsäule  mit  den  Neuralia  her- 
stellt. Die  Rückenbogen  sind  bei  Wirbel  2 — 6  so  gelagert,  dass  sie 
intervertebral  stehen,  d.  h.  dass  ihr  vorderer  Theil  auf  das  nächst 
vorhergehende  Axiale  übergreift.  Die  Axialien  sind  in  ihrer  Anlage 
von  ganz  geringer  Mächtigkeit  und  bilden  nur  flache  Halbröhren, 
der  geschlossene  Wirbelcanal  kommt  allein  dadurch  zu  Stande,  dass 
schon  sehr  früh  die  zwischen  zwei  Bogen  liegende,  also  eigentlich 
intervertebrale  Bindegewebssubstanz  verknöchert,  mit  dem  Axiale 
verwächst  und  so  ein  geschlossenes  knöchernes  Rohr  bildet.  Durch 
die  intervertebrale  Lage  der  Rückenbogen  kommt  so  die  vertebrale 
dieser  veiknöcherten  Bindegewebspartie  zu  Stande.  Zwischen  zwei 
auf  einander  folgenden  Dornfortsätzen,  der  eben  erwähnten  Ver- 
knöcherung und  dem  Carapax  spannt  sich  eine  nicht  verknöchernde 
bindegewebige  Haut  aus.  In  dem  verknöcherten  Bindegewebstheil 
liegt  jederseits  das  Loch  für  den  abzweigenden  Nerven.  Bei  den 
\A'irbeln,  bei  denen  die  Rückeiibogen  vertebral  stehen,  ergibt  sich 
die  Modification   von   selbst   so,    dass   bei  jedem  Axiale  je   2   durch 

11=^ 


j^58  Benno  Wandolleck, 

den  Bogen  getrennte  Partien  verknöchern  und  mit  Axiale  und  Bogen 
verwachsen. 

Die  soeben  geschiklerten  normalen  Verhältnisse  Avaren  nun  bei 
dem  vorliegenden  Thiere  in  ganz  bedeutender  Weise  gestört. 

Während  der  knöcherne  Carapax  und  die  ihn  mit  bildenden 
Rippen  innerhalb  einer  sich  deutlich  kennzeichnenden  mittlem 
Partie,  offenbar  von  einer  bestimmten  Zeit  des  Lebens  ab,  eine  so 
gut  wie  vollkommene  Wachsthumshemmung  erkennen  lassen,  war 
die  Wirbelsäule  dieser  Hemmung  nicht  unterworfen,  sie  wuchs  weiter 
und  war  in  Folge  des  beschränkten  Raumes  genöthigt,  aus  dem 
geraden  Verlauf  heraus  zu  treten  und  Ausbiegungen,  ja  förmliche 
Faltungen  zu  bilden.  Ein  Herausschieben  oder  eine  Verlängerung 
in  dem  geraden  Verlaufe  war  kaum  ausführbar,  da  der  1.  Rücken- 
wirbel und  die  Sacralwirbel  mit  ihren  starken  Rippen  sehr  viel 
fester  mit  dem  knöchernen  Carapax  verbunden  sind  als  die  andern 
Rückenwirbel,  und  weil  die  Befestigungspunkte  jener  Wirbel  noch 
innerhalb  der  Zone  der  Wachsthumshemmung  liegen.  Die  übrigen 
haarfeinen  Rippen  setzten  jedoch  kaum  einer  Verschiebung  grössern 
Widerstand  entgegen,  und  so  tritt  dann  in  erster  Linie  eine  starke 
Lageveränderung  der  Axialia  ein.  Die  mit  den  Axialia  zusammen 
den  Wirbelcanal  bildende  verknöcherte  Bindegewebssubstanz  ver- 
sucht, um  diesen  Ausdruck  zu  gebrauchen,  der  Bewegung  der  Axialia 
zu  folgen,  ihre  feste  Lage  zwischen  den  Rückenbogen  lässt  das 
aber  nicht  in  so  bedeutender  Weise  zu,  der  Zug  ist  aber  stark 
genug,  um  auch  die  Rückenbogen  und  ihre  Fortsätze  in  Mitleiden- 
schaft zu  ziehen.  Während  das  mit  dem  Carapax  verwachsene  Ende 
unverrückbar  fest  bleibt,  treten  die  übrigen  Theile  aus  der  Sagittal- 
ebene  heraus,  indem  sie  den  Axialia  zu  folgen  trachten,  stehen  sie 
jetzt  gekreuzt  und  regellos  schief  nach  vorn  oder  hinten  geneigt. 
Es  hat  sogar,  wie  wir  später  bei  der  genauen  Beschreibung  sehen 
werden,  den  Anschein,  als  ob  es  bei  manchen  Wirbeln  zu  einer  be- 
deutend geringern  Verknöcherung  jenes  ßindegewebs-Halbrohres  ge- 
kommen wäre,  da  die  Seiten  fast  vollkommen  offen   geblieben  sind. 

Zu  jedem  Wirbel  gehört  ein  Rippenpaar,  das  meist  intervertebral 
an  den  Rückenbogen  ansetzt.  Diese  Regel  ist  stark  gestört,  so  dass 
es  den  Anschein  hat,  als  ob  mancher  Wirbel  zwei,  ein  anderer  da- 
gegen gar  keine  zugehörigen  Rippen  hätte.  Es  liegt  das  an  der 
soeben  geschilderten  Verschiebung  der  Bestandtheile  der  Wirbel. 
Bei  der  Mehrzahl  der  Wirbel  ist,  wie  schon  gesagt,  der  Rippen- 
ansatz  in  normalem  Zustande  intervertebral.    Diese  Regel  ist  nur 


Eine  bucklige  Testiido  oraeca  L. 


159 


beim  2.  Eippenpaar  eing-elialteu.  Die  übrigen  Rippen  stehen  fast 
überall  in  gar  keiner  Verbindnng  mit  den  Axialien  nnd  sind  ohne 
Naht  mit  den  Dornfortsätzen  verwachsen.  Da  die  Ansätze  resp. 
Verwachsungen  sich  naturgemäss  am  untersten  Ende  der  Fortsätze 
an  den  Rückenbogen  befinden  und  diese 
Stellen  durch  die  Schlängelung  der 
Axialia  in  sehr  verschiedenen  Ebenen 
liegen,  so  sind  auch  die  Rippen  des- 
selben Paares  ganz  verschieden  lang 
und  total  unsymmetrisch. 

Ich  will  nun  zur  genauen  Be- 
schreibung der  Rückenwirbelsäule  über- 
gehen (Fig.  D). 

Der  1.  Rückenwirbel  hat  noch 
die  normale  Form  und  Lage,  nur  ist 
er  grösser  und  verhältnissmässig  stärker 
als  gewöhnlich,  ebenso  ist  das  zuge- 
hörige Rippenpaar  normal  und  sym- 
metrisch. 

Der  2.  Rückenwirbel  ist  stark  ver- 
längert, so  dass  er  der  längste  der 
ganzen  Reihe  Avird.  Gleich  hinter  dem 
Ansatz  wird  er  sehr  schmal  und 
hoch,  tritt  ein  wenig  nach  rechts 
aus  der  Geraden,  um  dann  mit  einem 
starken  Bogen  weit  nach  links  heraus 
zu  biegen.  Dabei  wird  er  selbst  so 
unsymmetrisch,  dass  der  hintere  Rand 
links  mehr  nach  hinten  gezogen  ist  als  rechts 
Biegung  ist  auch  der  sonst  durch  das  Axiale  verdeckte,  aus  ver- 
knöchertem Bindegewebe  bestehende  Theil  in  der  Aufsicht  von 
unten  auf  der  linken  Seite  sichtbar  geworden.  Man  kann  an  dem 
Wirbel  nirgends  eine  Naht  zwischen  diesem  Theile  und  dem  Axiale 
bemerken,  auch  der  Wirbelcanal  ist  nicht  rund,  sondern  länglich 
birnförmig  und  sehr  geräumig.  Der  ganze  Wirbel  erscheint  wie 
seitlich  zusammengedrückt.  Das  Rippenpaar  setzt  noch  normal  an 
und  hat  auch  sonst  den  normalen  Verlauf,  nur  ist  die  rechte  Rippe 
kürzer  und  schwächer.  Auch  der  2.  Rückenbogen  nebst  P'ortsatz 
sind  normal.  Die  Nervenlöcher  des  2.  Wirbels  sind  normal  und 
liegen  noch  so  gut   wie  symmetrisch.    An  dem  letzten  Ende,  dem 


Fig.  D. 

Schema  des  Verlaufs  der  Wirbel- 
säule. 
dl—dS  Rückenwirbel  1—8.  sl 
u.  s2  Sacralwirbel  1  u.  2.  cdl — S 
Dorsalrippen  1 — 8.  csl,  2  Sacral- 
rippen  1,  2. 


In   Folge   dieser 


160  Benno  Wandolleck. 

starken  Bogen  des  2.  Rückenwirbels  beginnt  nun  die  eigentliche 
Verbildung.  Der  3.  Eiickenbogen  steht  nämlich  nicht  mehr  inter- 
vertebral  zwischen  dem  2.  und  3.  Rückenwirbel,  sondern  noch  voll- 
kommen unter  dem  2.,  der  Fortsatz  ist  etwas  schraubig  gedreht  und 
stark  nach  hinten  geneigt.  Diese  Neigung  nach  hinten  hat  einen 
bedeutenden  Einfluss  auf  den  Verlauf  des  3.  Rippenpaares  ausgeübt. 
Die  Ansätze  dieses  Paares  an  den  Carapax  oder  vielmehr  die  Aus- 
gänge von  dort  sind  normal  und  symmetrisch,  da  ja  auch  der  Carapax 
normal  angelegt  wurde.  Er  blieb  aber  mit  den  Rippen  im  Wachs- 
thuni  zurück,  während  die  haarfeinen  freien  Rippen  dem  nach  hinten 
weiter  fortschreitenden  Wachsthum  der  Wirbelsäule  folgen,  ihre 
Ansatzstelle  an  die  AMrbelsäule  rückte  nach  hinten,  und  dadurch 
ward  ihr  Verlauf,  anstatt  ein  senkrecht  zur  Sagittalebene  stehender, 
ein  in  sehr  spitzem  Winkel  auf  diese  treffender.  Sie  sind  auch 
durch  den  starken  Zug  ganz  aus  der  Verbindung  mit  dem  Axiale 
heraus  gekommen  und  sind  fest  und  nahtlos  mit  dem  untersten 
Tlieile  des  Dornfortsatzes  verwachsen.  Diese  Stellen  liegen  noch 
vollkommen  unter  dem  2.  Rückenwirbel,  so  dass  es  den  Anschein 
hat,  als  ob  zwei  Rippen])aare  zu  diesem  Wirbel  gehörten. 

Das  Axiale  des  3.  Rückenwirbels  ist  kaum  halb  so  gross  wie 
das  des  2.,  es  liegt  ganz  ausserhalb  der  verticalen  Mittelebene,  und 
zwar  ist  es  nacli  links  heraus  gedrängt,  da  es  die  Richtung  des 
letzten  Endes  des  2.  Wirbels  beibehält.  Es  hat  den  Anschein,  als 
ob  es  hinten  vollkommen  geschlossen  wäre  und  als  ob  der  nächste 
Rückenwirbel  an  seiner  rechten  Seite  articulire.  Dieses  Aussehen 
zeigt  aber  nur  das  Product  der  scharfen  Biegung,  die  der  Wirbel 
an  seinem  hintersten  Ende  erlitten  hat.  Angemessen  dem  schrägen 
Abschlüsse  des  2.  Wirbels  ist  auch  der  Vorderrand  des  3.  schräg, 
und  zwar  reicht  er  rechts  v>-eiter  nach  vorn  als  links.  Die  Nerven- 
löcher, wenn  man  die  rechts  und  links  am  Wirbel  liegenden  Oetf- 
nungen  so  bezeichnen  kann,  haben  eine  sehr  verschiedene  Ausbildung; 
das  rechte  ist  rund,  klein  und  liegt  hoch  oben  und  ganz  vorn,  das 
linke  liegt  auch  sehr  weit  vorn,  aber  auf  der  halben  Höhe  des 
Wirbels,  ist  länglich  und  favSt  halb  so  gross  wie  das  ganze  Axiale. 
Es  hat  den  Anschein ,  als  ob  auf  der  linken  Seite  eine  bedeutend 
geringere  Verknöcherung  der  intervertebralen  Bindesubstanz  ein- 
getreten ist  und  daher  der  Rückenmarkscanal  weit  offen  steht. 
Dieser  Wirbel,  der  der  3.  ist,  steht  vollkommen  auf  dem  4.  Rücken- 
bogen und  dessen  Fortsatz,   die  beide  sehr  verbreitert  sind,  so  dass 


Eine  bucklige  Testudo  graeca  L.  161 

unter  ihm  kein  sogenanntes  Foramen  arcuale  liegt,  das  zu  ihm  ge- 
hörende Foramen  liegt  intervertebral  zwischen  2.  und  3.  Wirbel. 

Durch  die  auffallende  Kürze  des  3.  "Wirbels  ist  es  nun  wieder 
trotz  der  starken  Verbildung  möglich  geworden,  dass  der  4.  Rücken- 
bogen Avieder  intervertebral  zwischen  ?>.  und  4.  Wirbel  steht.  Der 
4.  Rückenbogen  mit  seinem  Fortsatz  ist  sehr  hoch,  breit  und  auch 
schraubig  gedreht.  Jederseits  ist  ein  starker  Längsgrat  entwickelt, 
an  dessen  unterm  Theil  das  4.  Rippenpaar  ansetzt.  Der  Ausgang 
dieses  Paares  vom  Carapax  ist  normal,  doch  sein  Verlauf  ähnelt 
dem  des  vorigen  Paares,  sie  stehen  in  spitzem  Winkel  zur  Sagittal- 
ebene.  Die  linke  Rippe  ist  viel  kürzer  als  die  rechte ,  und  ihi" 
Ansatz  an  den  Bogen  liegt  ein  Stück  vor  dem  der  andern. 

Die  stärkste  Verbildung  zeigt  nun  der  4.  Rückenwirbel:  Er  ist 
so  deformirt,  dass  er  einen  Theil  eines  Kreisbogens  beschreibt,  dabei 
liegt  sein  vorderes  Ende  bedeutend  höher  als  sein  hinteres,  und  er 
ist  so  verdreht,  dass  sein  vorderes  Ende  wie  schräg  abgestutzt  er- 
scheint. Das  rechte  Nervenloch  ist  gross,  senkrecht  gestellt  und 
schlitzförmig,  es  weist  direct  nach  vorn,  das  linke  jedoch  ötfnet  sich 
nach  hinten  und  oben.  Die  Kürze  des  3.  Rückenwirbels,  die  es 
möglich  macht,  dass  dieser  Wirbel  ganz  auf  dem  4.  Rückenbogen 
steht  und  doch  noch  Platz  für  den  vordem  Theil  des  4.  Rücken- 
wirbels übrig  lässt,  hat  es  verursacht,  dass  in  der  Stellung  des 
Rückenbogens  und  des  Fortsatzes  zum  4.  Wirbel  wieder  das  normale 
Verhältniss  eingetreten  ist.  Der  4.  ^^lrbel  sitzt  vorn  auf  dem  4., 
hinten  auf  dem  5.  Rückenbogen,  und  unter  seiner  Mitte  liegt  das 
Foramen  arcuale.  Das  hintere  Ende  des  4.  Wirbels  ist  rechts 
länger  als  links  und  ist  an  dieser  Seite  tief  ausgerandet,  so  dass 
ein  2  mm  langes  und  ebenso  breites  Pseudonervenloch  entsteht. 
Irgend  einem  Zweck  kann  diese  grosse  Oeffnung  nicht  dienen,  sie 
ist  eben  auch  nichts  weiter  als  eine  grosse,  nicht  verknöcherte 
Partie  des  in  der  Anlage  intervertebralen  J3indegewebes,  wodurch 
wiederum  ein  Theil  des  Rückenmarkscanais  offen  steht.  Es  wird 
natürlich  im  Leben  hier  durch  Bindegewebe  geschlossen  ge- 
wesen sein. 

Der  5.  Rückenwirbel  behält  ähnlich  wie  der  3.  die  ihm  vom 
letzten  Ende  des  vorhergehenden  Wirbels  ertheilte  Richtung  bei. 
Er  liegt  dem  3.  ziemlich  parallel  und  ist  auch  ähnlich  wie  jener 
am  hintern  Ende  wie  geschlossen;  das  Axiale  des  6.  Wirbels  setzt 
sich  auch  rechts  seitlich  an  das  5.  an.  Der  Vorderrand  des  ^\'irbels 
ist  dort  links,   wo  das  grosse  Loch  des  4.  liegt,  etwas   ausgerandet, 


162  Benno  Wandolleck, 

SO  dass  dadurch  das  Loch  noch  vergrössert  wird  und  ein  wenig  auf 
den  5.  Wirbel  hinübergeht.  Die  Nervenlöcher  liegen  so  unsym- 
metrisch am  AMibel.  dass  eine  durch  beide  gelegte  Sonde  senkrecht 
auf  der  Sagittalebene  des  Körpers  steht.  Der  5.  Rückenbogen  mit 
dem  Fortsatz  ist  hoch  und  schlank,  steht  intervertebral  und  ist  ein 
wenig  schraubig  gedreht,  wodurch  der  x4nsatz  der  linken  Eippe  vor 
dem  der  rechten  liegt.  In  Folge  dieser  Drehung  ist  die  rechte  Rippe 
des  5.  Rippenpaares  auch  kürzer  als  die  linke.  Dadurch,  dass 
Rückenbogen  und  Fortsatz  intervertebral  stehen,  liegt  auch  der  An- 
satz der  Rippen  intervertebral,  ja  der  der  rechten  Seite  hat  fast  die 
normale  Ansetzung,  wogegen  die  linke  Rippe  höher  herauf  ansetzt 
und  dort  fest  mit  dem  Dornfortsatz  verwachsen  ist,  der  auch  hier 
eine  starke  Crista  entwickelt  hat. 

Der  6.  Rückenwirbel  ist  wieder  sehr  auffallend  deformirt.  Seine 
Richtung  bildet  mit  der  des  vorigen  Wirbels  einen  rechten  Winkel. 
Das  Axiale  ist  eigentlich  nichts  mehr  als  kaum  eine  Halbröhre,  die 
sich  rechts  etwas  höher  als  links  erhebt.  Es  ist  ganz  kurz,  seine 
Länge  beträgt  nur  höchstens  den  dritten  Theil  des  2.  Axiale.  Ein 
geschlossener  Wirbelcanal  ist  nicht  vorhanden,  die  Verknöcherung 
des  intervertebralen  Bindegewebes  ist  nur  so  weit  gegangen,  um 
eine  schmale  Brücke  zwischen  dem  6.  und  7.  Rückenbogen  herzu- 
stellen, die  dadurch  nahtlos  verbunden  sind.  Das  Auffallendste  aber 
ist,  dass  das  Axiale  auch  nur  auf  der  rechten  Seite  mit  dem  6.  und 
7.  Rückenbogen  in  Verbindung  steht  und  auch  hier  nur  mit  höchst 
schmalen  Brücken,  auf  der  linken  Seite  aber  klafft  eine  grosse  Oeff- 
nung.  In  Folge  dessen  müssen  natürlich  auch  diese  Oetfnungen,  die 
gewissermaassen  die  Nervenlöcher  repräsentiren,  von  sehr  unregel- 
mässiger, unsymmetrischer  Gestalt  sein;  so  liegt  auch  die  linke 
Oeffnung  bedeutend  tiefer  als  die  rechte.  Der  6.  Dornfortsatz  ist 
der  schlankste  von  allen,  er  ist  nach  hinten  gebeugt,  aber  kaum 
schraubig  gedreht,  wie  seine  Vorgänger.  Der  vordere  Rand  ist  ganz 
gerade,  der  hintere  dagegen  beschreibt  einen  Bogen,  was  durch  die 
intervertebrale  Verknöcherung  geschieht  und  Avodurch  der  Zusammen- 
schluss  des  6.  und  7.  Rückenb.ogens  bewirkt  wird.  Dadurch  entsteht 
auch  ein  normales,  allerdings  schon  fast  intervertebral  (nach  7  zu) 
liegendes  Foramen  arcuale. 

Das  6.  Rippenpaar  setzt  sich  nahtlos  an  den  6.  Rückenfortsatz 
an,  es  ist  sehr  schräg  nach  vorn  gerichtet,  die  rechte  Rippe  ist  be- 
deutend länger  als  die  linke. 

AVar   der   0.  WirbelkiU-per  eine  Halbröhre,   so   ist   der  7.  einer 


Eiue  bncklige  Testiulo  graeca  L.  163 

nacli  hinten  spitz  auslaufenden  Scliuppe  vergleichbar,  die  sich  mit 
dem  hintern  Theil  ein  wenig-  auf  den  8.  A\^irbel  hinaufgeschoben  hat. 
Auch  hier  kann  man  eigentlich  nur  von  einem  Axiale  reden,  denn 
beiderseitig-  ist  der  Wirbel  vollkommen  olfen,  diese  Oeffnung-en  liegen 
fast  intervertebral.  Die  Eichtung-  des  Axiale  liegt  ziemlich  in  der 
Sagittalebene  des  Körpers;  vorn  ist  es  sehr  viel  breiter  und  massiver 
als  hinten,  weil  der  zug-ehörig-e  Eückenbogen  mit  starken  Gi-aten 
dort  mit  dem  Axiale  verwachsen  ist.  Dadurch  wird  seine  Form 
unreg-elmässig  Tförmig,  weil  diese  Grate  des  Rückenbogens  nach 
hinten  ziehen.  Diese  Grate  sind  eigentlicli  nichts  weiter  als  die 
spangenförmig  gewordenen  Ansätze  der  Rippen.  Der  Rückenfortsatz 
ist  niedrig  und  stark,  und  die  intervertebrale  Bindegewebsverknöche- 
rung  hat  wohl  nur  dazu  beigetragen,  dass  sich  der  7.  Rückenbogen 
muldenartig  nach  hinten  verlängerte,  ohne  aber  einen  geschlossenen 
Canal  zu  Stande  zu  bringen.  Die  Continuität  des  obern  Halbrohres 
des  Wirbelcanals  zwischen  Rückenbogen  7  und  8  wird  nur  dadurch 
zu  Stande  gebracht,  dass  sich  der  Rückenbogen  8,  der  nach  vorn 
geneigt  ist,  in  eine  starke  Auswandung  der  muldenartigen  Ver- 
längerung des  Rückenbogen  7  hineinlegt.  Durch  diese  Anordnung 
rücken  die  beiden  Rückenbogen  mit  ihren  Fortsätzen  sehr  nahe  an 
einander  und  wird  das  Foramen  arcuale  zu  einer  recht  geringen 
Oettiiung. 

Der  Wirbel  7  steht  ganz  auf  dem  7.  Rückenbogen. 

Die  Rippen  stehen  in  sehr  spitzen  Winkeln  zur  Sagittalebene 
des  Körpers  und  die  linke  ist  kürzer  als  die  rechte. 

Der  8.  Rückenwirbel  hat  eine  etwas  regelmässigere  Form  als 
der  7.  Er  kommt  einem  gleichseitigen  Dreieck  nahe,  dessen  Spitze 
an  den  1.  Sacralwirbel  anstösst  und  dessen  Basis  sich  unter  den 
Hinterrand  der  7.  Axiale  geschoben  hat.  Diese  Lage  kommt  daher, 
dass  sich  der  8.  Rückenbogen  in  die  Ausbuchtung  des  7.  gelegt  hat, 
und  so  ist  das  mit  ihm  verwachsene  8.  Axiale  unter  den  Hinterrand 
des  7.  gerathen.  An  diesem  Wirbel  ist  die  Verknöcherung  des 
intervertebralen  Bindegewebes  wieder  eine  etwas  umfangreichere, 
so  dass  wenigstens  bis  ungefähr  zur  Hälfte  ein  geschlossenes  Rohr 
entsteht.  Dieser  Theil  ist  aber  deutlich  durch  Nähte  gegen  das 
Axiale  und  den  8.  Rückenbogen  sowie  gegen  den  Rückenbogen  des 
1.  Sacrahvirbels  abgesetzt.  Nach  hinten  ist  der  Rückenmarkscan al 
wieder  weit  otfen.  Das  horizontal  liegende  8.  Rippenpaar  setzt  sich 
sehr  breit  an  den  Rückenbogen  und  das  verknöcherte  Bindegewebe 
an.     Die  Rippen   selbst  weichen  sehr  von  den  normalen  ab.     Die 


].g4  Benno  Wanüolleck, 

normalen  sind  wie  ihre  meisten  Vorgänger  feine,  dünne,  kurze 
Spängelchen,  die  von  einer  mässiofen  kegelförmigen  Erhebung-  des 
knöchernen  Carapax  aus  zur  Wirbelsäule  gehen.  Nicht  so  bei  diesem 
Exemplar,  hier  sind  es  breite  kräftige  Spangen  von  ziemlicher  Länge, 
ihr  breiter  Ansatz  an  die  Wirbelsäule  ist  schon  erwähnt  worden, 
noch  auffallender  ist  aber  ihr  Ausgang  vom  Carapax.  Dieser  erhebt 
sich  nämlich  hier  zu  einer  hohen,  massigen  breiten  Crista,  von  der 
die  8.  Dorsal-  und  die  1.  und  2.  Sacralrippe  ausgehen.  Die  Crista 
verläuft  in  der  Richtung  der  8.  Dorsalrippe,  mit  der  sie  auch  naht- 
los vereinigt  ist,  wogegen  die  Sacralrippen  sich  mit  Nähten  an- 
setzen. 

Der  8.  Rückenbogen  und  sein  Fortsatz  sind  stark  und  niedrig, 
ihre  eigenthümliche  Lage  zum  7.  ist  bereits  geschildert  worden. 

Auch  der  1.  und  2.  Sacralwirbel  sind  bei  der  Deformation  in 
Mitleidenschaft  gezogen,  und  daher  müssen  sie  ebenfalls  noch  hier 
betrachtet  werden. 

In  normalem  Zustande  sind  die  Wirbel  gross  und  stark  und 
bilden  bis  auf  eine  jederseits  liegende  grössere  intervertebrale  Oeffnung 
ein  geschlossenes  Rohr.  Die  Rückenbogen  stehen  vertebral,  und  die 
Dornfortsätze  schliessen  sich  mit  einer  Naht  an  den  Carapax  an. 
Unten  stossen  die  Axialia  breit  zusammen,  oben  die  Rückenbogen, 
eine  Verknöcherung  von  Bindegewebe  scheint  kaum  bei  dem  Aufbau 
der  Wirbel  betheiligt  zu  sein.  Die  Wirbel  haben  T-  oder  Hammer- 
form, die  Naht,  die  die  Grenze  von  Axiale  und  Rückenbogen  be- 
zeichnet, ist  deutlich  zu  erkennen  und  schneidet  unterhalb  des  ver- 
längerten Rippenansatzes  durch.  Ihre  Rippen  sind  nicht  besonders 
kräftig,  stehen  am  Carapax  von  einander  getrennt  und  sind  mit  ihm 
nahtlos  verbunden.  Der  1.  Rückenfortsatz  ist  kurz  und  breit,  der 
2.  nach  oben  zu  spitzer  und  im  Ganzen  schmäler.  Das  Foramen 
arcuale  ist  ziemlich  gross  und  dreieckig. 

Was  die  allgemeine  Form  betriift,  so  ist  jeder  der  beiden  Sacral- 
wirbel kleiner  als  die  des  normalen  Thieres,  dafür  aber  höher,  so 
dass  der  Wirbelcanal  ein  ovalerer  wird.  Es  resultirt  daraus  auch, 
dass  die  Wirbel  nicht  so  breit  sind.  Die  Ansätze  für  die  Rippen 
sind  nicht  so  stark  ausgezogen  wie  beim  normalen  Thier. 

Das  Axiale  des  1.  Sacralwirbels  hat  ungefähr  die  Form  eines 
gleichschenkligen  Dreiecks,  dessen  Basis  nach  vorn,  dessen  Spitze 
nach  hinten  gerichtet  ist.  Es  erreicht  mit  dieser  Spitze  nicht  den 
2.  Sacralwirbel,  wogegen  es  mit  dem  Vorderrande  den  letzten  Rücken- 
wirbel berührt.     Die  intervertebraleri   Löcher  sind  sehr  weit  und 


Eine  bucklige  Testudo  graeca  L.  165 

gTOSs,  SO  dass  das  erste  Axiale  dagegen  fast  verschwindet,  auch  die 
Berührung-  mit  dem  obern  Bogen  ist  sehr  viel  geringer  als  beim 
normalen. 

Der  2.  Sacralwirbel  ist  kürzer  und  breiter,  auch  ist  seine  Ver- 
bindung mit  dem  Rückenbogen  eine  breitere,  er  nähert  sich  schon 
mehr  der  P^orm  des  normalen.  Die  Rückenfortsätze  beider  Wirbel 
sind  kurz  und  breit,  sie  sitzen  dem  knöchernen  Carapax  auch  mit 
einer  Naht  an,  doch  bildet  der  Carapax  bei  jedem  Fortsatz  eine 
kleine  Erhebung. 

Das  Auffallendste  ist,  wie  schon  erwähnt,  die  Erhebung  des 
Carapax  als  Ansatz  für  das  letzte  Dorsal-  und  die  beiden  Sacral- 
Rippenpaare.  Während  beim  normalen  Thier  die  Rippen  dem 
Carapax  nahtlos  aufgewachsen  sind  und  in  ihrer  Richtung  stark 
divergiren,  liegen  sie  hier  mit  Nähten  an  einander  und  laufen  zu- 
erst fast  parallel.  Sie  sind  auch  stärker  und  fester  als  beim 
normalen  Thier.  Es  hat  fast  den  Anschein,  als  ob  diese  Partie  ge- 
wissermaassen  als  Widerlager  dem  grössern  Druck  der  nach  Aus- 
dehnung strebenden  Wirbelsäule  entsprechend  verstärkt  worden 
wäre. 

Damit  ist  der  dem  Carapax  ansitzende  anormale  Theil  der 
Wirbelsäule  besprochen;  von  dem  knöchernen  Carapax  ist  nur  noch 
zu  sagen,  dass  er  fast  ganz  nahtlos  ist,  nur  das  Vertebrale  2  und  3 
ist  durch  Nähte  bezeichnet,  ebenso  ist  die  Naht  erhalten,  die  die 
Costalia  von  den  Marginalia  trennt,  sowie  die  Nähte  der  Marginalia. 
Sonst  ist  alles  eine  feste  gleichmässige  Knochenkapsel,  was  ja  auch 
mit  den  äussern  deformirten  Theilen  übereinstimmt. 

Ueberblicken  wir  noch  einmal  im  Ganzen  die  Verbildung  des 
knöchernen  Carapax  und  der  Wirbelsäule,  so  finden  wir  ein  fast 
gänzliches  Verschwinden  der  Nähte,  eine  Faltung  und  Verlängerung 
der  Rückenwirbel,  die  geringere  Verknöcherungen  und  starke  Ver- 
biegungen  der  Rückenfoi-tsätze  zur  Folge  hat,  sowie  eine  ganz  auf- 
fällige Zerrung  und  Verbiegung  der  freien  Rippen. 

Die  Rippen  standen  unter  einer  gewissen  Spannung,  denn  als 
einige  der  sehr  schräg  stehenden  an  der  Wirbelsäule  durchbrochen 
wurden,  federte  der  Rest  zu  einer  Lage  zurück,  die  senkrechter  auf 
der  Sagittalebene  stand. 

Die  an  vielen  Stellen  der  Wirbelsäule  fehlende  Knochensubstanz 
scheint  ganz  zur  Verfestigung  des  mittlem  C'arapax  und  zum  Auf- 
bau jener  die  3  Rippenpaare  tragenden  Widerlager  aufgebraucht 
zu  sein. 


16ß  Benno  Wandolleck,  Eine  bucklige  Testudo  graeca  L. 

Es  wäre  wohl  ein  müssiges  Vornehmen,  wollte  man  sich  über 
die  Ursachen  dieser  merkwürdigen  Verbildung-  in  Betrachtungen  er- 
gehen. Es  bleibt  nur  die  Ursache  der  Wachsthumshemmung,  die 
durch  irgend  einen  äussern  oder  Innern  Umstand  zu  einer  be- 
stimmten Zeit  des  Lebens  hervorgerufen  wurde  und  dabei  die  Ver- 
bildung erzeugte. 


I 


Lippert  &  Co.  (G.  Pätz'sche  Buchdr.),  Naumburg  a.  S. 


Nachdruck  verboten. 
Uebersetzungsrecht  vorbehalten. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Columbiformes 

unter    besonderer    Berücksichtigung-    von    Didunculus 

s  t  r  i  g*  i  r  0  s  t  r  i  s. 

Ein  Beitrag  zur  Stammesgeschiclite  der  Tauben. 

Von 

Rudolf  3Iartin  in  Basel. 

Mit  Taf.  11—12  und  96  Abbildungen  im  Text. 


Inbaltsver  zeich  niss. 

Seite 

A.  Allgemeine  Einleitung 168 

B.  Specieller  Theil.     Osteologie  der  Tauben 174 

1.  Der  Schädel 175 

2.  Die  Wirbelsäule  und  die  Rippen 215 

3.  Der  Brustgürtel 226 

4.  Das  Becken 257 

5.  Die  freie  Extremität 299 

a)  vordere  Extremität 300 

b)  hintere  Extremität 313 

C.  Allgemeiner  Theil. 

Einleitung 328 

Systematik 334 

Stammesgeschichte 342 

Die  secundären  Modificationen 346 

Tabellarische  Zusammenstellung   der  vorgeschlagenen  Syste- 
matik       348 

Anhang. 

Proportionen  von  Scapula  und  Coracoid Tab.    I 

Proportionen  des  Brustbeins Tab.  II 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  1^ 


158  Rudolf  Martin, 


Einleitung. 

Die  vergleichend  anatomische  Behandlung-  der  Yögel  und 
speciell  der  Tauben  ist  verhältnissmässig-  neu  und  deshalb  noch 
wenig'  weit  gediehen. 

AVohl  wurden  die  Vögel  von  den  vergleichenden  Anatomen  in 
den  Kreis  ihrer  Betrachtung  aufgenommen,  aber  bloss  als  Vertreter 
derOlasse;  wohl  führte  Fürhringer  auf  Grund  der  Morphologie  des 
vordem  Extremitätengürtels  eine  consequente  Systematik  der  Gruppe 
durch,  doch  erlaubten  Zweck  und  Umfang  des  Werkes  nicht,  auch 
näher  auf  kleinere  Einheiten  einzutreten.  Der  Forscher  ist  sich 
darüber  vollkommen  klar,  bemerkt  er  doch  gelegentlich  der  Be- 
urtheilung  der  verwandtschaftlichen  Beziehungen  innerhalb  der 
Tauben^)  .  .  .:  ,,lm  Uebrigen  kann  ich  nur  den  Wunsch  aussprechen, 
dass  eine  baldige  Zukunft  zu  befriedigenden  und  allgemeiner  an- 
erkannten taxonomischen  Resultaten  führen  möge."  Dieser  Wunsch 
ist  aber  nicht  erfüllt  worden;  14  Jahre  später  lesen  wir  bei  dem- 
selben Autor"-):  „Ein  gutes,  natürliches  Sj'stem  der  ColumUdae  ist 
noch  Desiderat." 

Eine  eingehende  Zusammenfassung  der  anatomischen  Daten  wird 
uns  1891  von  H.  Gadow  =^)  vorgelegt.  Der  systematische  Theil 
scheint  von  Fürbringer,  welcher  überhaupt  auf  dem  Gebiete  der 
Vertebratenanatomie  die  Führung  übernommen  hat,  inspirirt  zu  sein. 

Das  Versprechen,  dem  AVunsche  Fürbringer's  nachkommen  zu 
wollen,  müsste  als  Anmaassung  ausgelegt  werden,  denn  die  vor- 
liegende Arbeit  wird  dieser  grossen  Aufgabe  lange  nicht  gerecht. 
Wenn  ich  dennoch  nicht  zaudere,  diese  Stückarbeit  der  Oeffentlieh- 
keit  zu  übergeben,  so  geschieht  dies  bloss,  um  einen  Anfang  in  der 
Beantwortung  der  schwebenden  Frage  zu  machen  und  um  einen 
Grundstein  für  den  weitem  Ausbau  der  Systematik  der  Tauben  zu 
legen. 

Meine  Resultate  dürfen  deshalb  keineswegs  als  definitive  auf- 
gefasst  werden;  sie  sind  vielmehr  provisorisch  und  müssen  eventuell 
einer  tiefer  dringenden  Untersuchung  der  Musculatur  und  Einge- 
weide (besonders  der  Darmlagerung)  weichen. 

Das   Gebiet  war,    eben   als   teriu  incognita,   ein  überaus   ver- 


1)  Beiträge  zur  Morphologie  und  Systematik  der  Vögel,  1888,  p.  1284. 

2)  In:  Jena.  Z.   Naturw.,   1902,  p.   681. 

3)  In:  Bronn,  Class.  Ordn.  Thierreich,  V.  6,  Abth.  4,  Vögel,   1891. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Columbiforraes.  169 

lockendes,  zumal  es  so  eng-  an  die  auf  Thierzucht  g-erichteten  Be- 
mühungen des  Menschen  anschliesst,  sogar  no-  h  theihveise  von  ihm 
umschlossen  wird.  Es  wird  auch  leiclit  verständlich,  warum  am 
frühesten  und  am  eingehendsten  den  domesticirten  Tauben  Auf- 
inerksamkeit  geschenkt  wurde,  die  wiklen  aber  nur  selten  und  erst 
spät  in  den  Kreis  dei-  Untersuchung  aufgenommen  wurden. 

Es  war  mir  daher  sehr  erwünscht,  als  mir  das  von  Herrn 
Prof.  Thilenius  von  Breslau  in  Samoa  gesammelte  reiche  Material 
von  Jüidunciüus  strigirostris  zur  Bearbeitung  überlassen  wurde.  Herr 
Prof.  RuD.  BüKCKHARDT  hatte  die  Güte,  mir  dasselbe  zur  Unter- 
suchung zuzustellen,  sowie  mir  bei  der  Beschaifiing  weitern  Materials 
l)ehülflich  zu  sein. 

Zunächst  war  also  beabsichtigt,  Didunculus  allein  der  Betrach- 
tung zu  unterziehen,  wobei  der  individuellen  Variation  ein  specielles 
Augenmerk  geschenkt  werden  sollte. 

Die  Aufgabe  versprach,  da  über  die  systematische  Stellung  von 
Diduncuhis  noch  grosse  Zweifel  herrschen  und  von  der  Anatomie 
die  werthvollsten  Aufschlüsse  zu  erwarten  waren,  eine  äusserst 
lohnende  zu  sein. 

Bekanntlich  wird  Diduncuhis  den  übrigen  Tauben  bald  zu-,  bald 
abgerückt;  gewöhnlich  wird  ihm  eine  grosse  Selbständigkeit  ge- 
schenkt. A.  Newton  ')  ist  geneigt,  ihn  mit  Otidiphaps  zu  einer 
Familie  zu  vereinigen  und  diese  den  übrigen  Columhae  gegenüber 
zustellen.  Fürbeinger '-)  äussert  sich,  nachdem  er  einen  Ueber- 
blick  über  die  mit  dem  Systeme  wechselnde  Stellung  der  Samoa- 
taube  gegeben  hat,  dahin,  dass  Didimeuhis  wohl  zu  weit  von  den 
übrigen  Tauben  abgerückt  werde,  seine  Ausnahmestellung  nicht 
verdiene.  ■"') 

Es  Hess  sich  ferner  erwarten,  dass  das  Studium  dieser  aberranten 
Form  auch  einiges  Licht  auf  die  Anatomie  der  Columhae  überhaupt, 
der  unter  ähnlichen  Bedingungen  lebenden  Formen  speciell  (Goura, 
Cahenas,  OtidipJiaps),  zu  wei'fen  im  Stande  sein  werde. 

Jeden  Falls  war  es  wünschenswerth.  ja  absolut  nothwendig,  ein 
weiteres  Material  zur  Untersuchung  beizuziehen,  denn  einerseits  be- 
durfte ich  Anhaltspunkte  zur  Beuitlieilung  von  Didiotculus  selbst, 
andrerseits   war  es   von  nicht  geringem  Interesse,  parallel  gehende 


1)  Dictiouary  of  Birds,   London   1898 — 96. 

2)  Moiphol.   u.   Syst.   der  Vögel,    1888,   p.   1280. 

3)  Ibid.,  p.  1284. 

12* 


170  Rudolf  Martin, 

Transformationen    als  Folgen   einer  Anpassung-   an  ein  und  dieselbe 
Lebensweise  zu  veifolgen. 

Die  Gelegenheit  zu  weitern  Untersuchungen  blieb  nicht  lange 
aus ;  durch  die  Güte  der  Herren  Prof.  Dr.  Reichenow  in  Berlin  und 
Dr.  Wunderlich,  Director  des  Zoologischen  Gartens  in  Köln,  ge- 
langte ich  in  den  Besitz  eines  schönen,  in  Spiritus  conservirten  Ver- 
gieichsmaterials.  Leidei-  fehlten  die  für  mich  interessantesten  Formen : 
Goiira  und  Otidiplmps. 

Die  Untersuchung  überschritt  nochmals  die  gezogenen  Grenzen, 
denn  schon  ein  flüchtiger  Ueberblick  über  die  reichen  Collectionen 
des  Britischen  Museums  lehrte  mich,  dass  es  ganz  unstatthaft  wäre, 
die  Treronidae  allein  zur  Vergleichung  beizuziehen,  wie  dies  zu  Be- 
ginn beabsichtigt  war,  da  sich  Diäuriculus  am  ehesten  von  ihnen 
ableiten  zu  lassen  schien. 

Diesem  Umstand  zu  Folge  sah  ich  mich  veranlasst,  meinen 
Standpunkt  zu  ändern,  d.  h.  Didunculus  nicht  als  bevorzugtes  Glied 
der  Columbae,  sondern  als  gewöhnliche  Taube  zu  betrachten, 
m.  a.  W.,  ich  begann  den  Entwurf  einer  vergleichenden  Behand- 
lung —  die  Bezeichnung  Monographie  ist  nicht  am  Platze  —  der 
Tauben. 

Das  ^[aterial  schränkte  die  Absicht  von  selbst  ein;  ich  musste 
erkennen,  dass  zu  einer  allgemein  vergleichend  anatomischen  Unter- 
suchung die  verhältnissmässig  w^enigen  und  mangelhaft  erhaltenen 
Spirituspräparate  nicht  hinreichend  waren ;  dagegen  lieferte  mir  das 
Britische  Museum  für  das  Skelet  eine  reiche  Ausbeute. 

Es  handelt  sich  also  zunächst  um  eine  genaue  Darstellung  der 
osteologischen  Verhältnisse  der  Tauben  und  speciell  von  Didunculus, 
da  ich  in  dieser  Hinsicht  Herrn  Prof.  Thilenius  gegenüber  meiner 
Verpflichtung  nachkommen  möchte;  ferner  soll  der  individuellen 
Variation,  soweit  das  Material  die  Beobachtung  derselben  ermöglicht, 
besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet  werden. 

Zur  bildlichen  Darstellung  der  Skeletelemente  wairde  erst  ein 
Versuch  auf  photographischem  Wege  gemacht.  Ich  Hess  die  Auf- 
nahmen in  halber  natürlicher  Grösse  auf  doppelte  vergrössern,  er- 
hielt aber  so  starke  Verzerrungen,  dass  ich  von  dieser  IMethode 
abliess  und  der  Zeichnung  den  Vorzug  gab ;  so  konnten  auch  Details, 
über  welche  die  Photographie  hinweg  geht,  Berücksichtigung  finden. 

Ueber  den  Umfang  des  der  vorliegenden  Abhandlung  zu  Grunde 
liegenden  Materials  giebt  das  am  Schlüsse  der  Einleitung  zusammen- 
gestellte Verzeichniss  den  gewünschten  Aufschluss. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Coliiiiibiformes.  171 

Es  sei  hier  noch  bemerkt,  dass  zur  Beurtlieilung;  der  geiietischen, 
mithin  systematischen  Zusammenhänge,  wo  immer  mög-lich,  auch  die 
Anatomie  der  Weichtheile  zu  Rathe  gezogen  wurde,  ein  unumgäng- 
liches Mittel  zur  Entdeckung  der  natürlichen  Entwicklungsbahnen. 
Ich  muss  gestehen,  dass  dies  in  etwas  mangelhafter  Weise  geschehen 
ist;  da  aber  nicht  erwartet  werden  darf,  dass  in  nächster  Zeit  ein 
vollkommeneres  Material  zusammengetragen  wird,  scheint  mir  die 
Verölfentlichung  der  vorliegenden  Daten,  so  provisorisch  sie  auch 
sind,  berechtigt. 

Endlich  ein  ^^'ort  zur  Nomenclatur!  —  Wenn  ich  mich  im 
Folgenden  nicht  der  Gattungsnamen  des  Katalogs  des  Britischen 
!\luseums  bediene,  so  geschieht  dies  in  ganz  bestimmter  Absicht. 

Dort  wird  die  Systematik  und  Charakterisirung  der  Gattung 
und  Art  auf  Grund  rein  äusserer  Eigenthümlichkeiten  durchgeführt. 
Diese  Unterscheidungsmerkmale  aber  genügen  nicht,  wie  aus  dem 
Verlaufe  meiner  TIntersuchungen  hervorgeht,  zur  Umgrenzung  der 
Familien  und  Unterfamilien.  Hierfür  hat  die  Anatomie  aufzukommen. 
Bei  Anwendung  derselben  brechen  die  Scheidewände  zwischen  den 
zahllosen  Gattungen  und  Untergattungen,  welche  auf  Grund  der 
äussern  Erscheinung  errichtet  sind,  zusammen,  weshalb  ich  mich 
denn  auch  veranlasst  sehe,  ihre  Zahl  auf  Grund  der  anatomischen 
Merkmale  zu  reduciren. 

Es  schliesst  in  folgender  Abhandlung  Carpophagd  sämmtliche 
Untergattungen  der  Unterfamilie  ein ;  das  (ileiche  gilt  für  Trcron 
nach  Ausschluss  von  Vinago  und  für  Columbd  nach  Ausschluss  von 
Edopistes  und  Macropygia.  Bei  den  Peristeridae  fallen  die  Unter- 
gattungen ebenfalls  weg,  doch  kann  die  Reduction.  der  schwankenden 
Körpergrösse  wegen,  nicht  so  weit  durchgeführt  werden  wie  bei  den 
übrigen  Familien. 

Durch  die  Verminderung  der  Gattungsnamen  lioife  ich  eine 
grössere  Uebersichtlichkeit  zu  gewinnen,  zugleich  aber  auch  der 
natürlichen  Entwicklungsgeschichte  der  Tauben  näher  zu  bleiben 
und  die  genetischen  Einheiten  schärfer  zusammenzufassen. 

Zur  Orientirung  führe  ich  im  folgenden  ^laterialverzeichniss  die 
Untergattungen  in  Klammern  an,  halte  mich  im  Uebrigen  auch  an 
die  Systematik  des  Katalogs  des  Britischen  Museums. 


172 


Rudolf  Martik. 


I.    Trrrouidd 


1. 

Ticron 

{]^/)hi(/(i)   cnlni 

2. 

1', 

{Splii  iKirrrcKs)  sphrnurus 

3. 

)i 

,.                oxijiirus 

4. 

n 

nip(tlciif<is 

5. 

)) 

sp. 

6. 

» 

(  Osmolirron) .  (jrisficdudd 

7. 

)i 

„              fiihicolUs 

8. 

11 

„              bicinda 

9. 

?' 

„             vernans  * 

10. 

« 

,.              olax  * 

11. 

l'liiojnt 

x  {Leuco/rcivii)  roseicollis 

12. 

11 

„             jamhu  * 

13. 

11 

(Sj)ilotreroN)  melanocephalus 

14. 

11 

„             mclcaiospibis 

15. 

A/ecfroeuas  j/ulrjierriuin 

16. 

riKKlagasmrtensis 

17. 

( '(irpoj) 

haga  (Globicera)  pacifica 

18. 

n 

,,           oceanica  * 

19. 

11 

„           ruhricera  * 

20. 

11 

aeiicd 

21. 

» 

( Diicnhi)   laeernvlafa 

22. 

11 

( Mi/.'it irivora)   hicolor 

23. 

11 

„              spilorrJioa 

24. 

11 

„              luctuosa 

Ti'eroninae 


JPtilo2)odinae 


Cat  'poph  a(f  hiae 


II.    (oJumhldne. 


1. 

(  ohi nihil 

lirid  rar.  (loiiicstica* 

2. 

11 

11     tijpira 

3. 

11 

pahiiiiba 

4. 

11 

opiias 

5. 

)i 

phaenota 

6. 

11 

aquatrix 

7. 

11 

troccn, 

8. 

,. 

riKiniloxa 

9. 

11 

pii-riMiro 

10. 

11 

aUiilineii 

11. 

11 

riifnia 

12. 

Mrir)-o/)ijij 

Kl    rniiJiaiKi 

13. 

11 

alhicapillii 

14. 

I'j-Ioju'stc.-- 

iiii(ji'(doriiis 

Columbinae 


f  3I<icroptj(jUuae 
EcAopistiuae, 


Die  vergleicliende  Osteologie  der  Columbiformes. 


173 


III.   Peris/eridae. 

1.  Zenaidn  cmricidaia 

2.  Melopdia  leuropicrd 

3.  Turtnr  {Ho))iopeHn)  ji/r/iorilKs  ') 

4.  „  „  nislvdlns  ') 

5.  „  {S(replojjclia)  rl.soriiis 

6.  „  „  hüorqiiatns 

7.  ,,  „  vinnrrus 

8.  „  (Sj))/njirl/ti)   /trjnii/is 

9.  (icupelia  slridfd 

10.  „         ruNeata 

11.  „  {ScarddfeUa)   sqiidii/nsn 

12.  J'rrisfcrd  {(lid)iidcpflin)  tinnufa 

13.  „  {Mctri(ipelia)  niclduoptcra 

14.  Pltaps  (Oena)  capeims* 

15.  ,,  (Tj/mpanistria)  fi/D/jidiiisfr/d 

16.  „  {('Italcophaps)  i/idicd 

17.  ,,  clinicoptera 

18.  „  clegans 

19.  „  (Hisfrio])lidps)  histrioin'ca 

20.  „  {Loplioplidps)  pldmifrrd'^ 

21.  „  {Ocjiphajis)   loj/I/o/rs* 

22.  HajiJopdid  Inrvatd 

23.  LeptopHla  bvd flippt nrt 

24.  „  nifidviüd 

25.  „         jdmaiccitsis 

26.  Gfotrptjio)!.  cristdid 

27.  Phlogomas  spec. 

28.  Leucosarcia  picala 

29.  Sfdrnoenas  cipmocepJiala 

30.  ('dloe)ids  nicohdrica* 


Zenaidinae 


Tnrtui'incte 


Geopeliinae 


Peristerhiae 


PJiahinae 


Geotryffoninae 


Caloenadinae. 


IV.    Gouriddr. 


1.  (Iddrd  coroiintd 

2.  ,.        riciorkie 


Goiirinae. 


V.   P)idniicnHddr. 
1.    Dij/iuicdl/is  s/ri;/ir(isliis* 


Didunculinae, 


1)  Nur  Balg. 


174  KuDOLF  Martin, 


Didi. 

Dididne. 


1.  Pexophaps  soUtarla. 

2.  Difliis  hieptus. 


Yon  den  mit  *  bezeichneten  Formen  wurden  auch  die  AVeichtheile 
untersucht.  —  Nachträglich  wurde  der  Balg  von  Otidipltaps  iiobilis  einer 
eingehenden  Untersuchung  unterzogen ;  zur  Beurtheilung  der  osteologischen 
Verhältnisse  war  ich  auf  die  Abbildung  von  A.   B.  Meyer  angewiesen. 

Es  bleibt  mir  noch  die  angenehme  Pflicht,  allen  den  Herren  zu 
danken,  welche  mich  bei  der  vorliegenden  Untersuchung  unterstützt 
haben. 

In  erster  Linie  bin  ich  den  Herren  Proif.  Dr.  Zschokke,  Vor- 
steher der  Zool.  Anstalt  der  Univ^ersität  Basel,  und  Eud.  Burckhardt 
tür  das  Interesse,  das  sie  meiner  Arbeit  entgegenbrachten,  und  die  mannig- 
faltige Hülfe,  die  mir  durch  sie  zu  Theil  wurde,  zu  Dank  verpflichtet. 
Herr  Dr.  Reichenow,  Custos  des  Museums  für  Naturkunde  in  Berlin, 
und  Herr  Dr.  Wunderlich,  Dir.  des  Zool.  Gartens  in  Köln,  versahen 
mich  mit  hübschen  Spirituspräparaten  von  Treroniden,  Phabinen  etc. 
Durch  das  weitgehende  Entgegenkommen  der  Herren  Prof.  Dr.  Ray 
Lankester,  Dir.  des  Britischen  Museums  (Nat.  Hist.).  Dr.  Bowdler 
Sharpe  und  W.  Pycraft  wurde  mir  ermöglicht,  die  reichhaltigen 
Materialien  des  Britischen  Museums  zu  studiren,  während  mir  die 
Herren  Proff.  Dr.  Alfred  Newton  und  H.  Gadow  in  Cambridge  er- 
laubten, die  completen  Serien  der  Riesentauben  im  Universitäts- 
museum zu  durchgehen,  und  manchen  guten  Rath  mit  auf  den  Weg 
gaben.  —  Allen  diesen  Herren  sei  aufs  beste  gedankt.  Ganz  be- 
sonders verpflichtet  bin  ich  jedoch  Herrn  Prof.  Thilenius  in  Breslau, 
welcher  mir  das  prächtige  Spiritusmaterial  von  Bidunciüus  zur 
Untersuchung  überlassen  hat;  mögen  meine  Resultate  ihn  für  die 
Mühen  des  Sammeins  wenigstens  einigermaassen  entschädigen. 


Specieller  Theil. 
Osteologie  der  Columbae. 

Der  Osteologie  der  Tauben  wurde  bis  jetzt  wenig  Aufmerksam- 
keit geschenkt  und  wäre  vielleicht  überhaupt  vernachlässigt  worden, 
wenn  nicht  der  Streit  über  die  Verwandtschaft  von  Diäus  und 
Pezoplmps  zu  deren  Studium  gezwungen  hätte. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  ColuiHbiformes.  175 

Wir  finden  so  die  ersten  exacten  Angaben  bei  Strickland  u. 
Melville^),  überhanpt  in  der  ausgedehnten,  von  den  Riesentauben 
handelnden  Literatur "-')  zerstreut ;  auch  wurde  dem  Schädel  der 
domesticirten  Tauben  von  A.  B.  Meyer  ■^)  durch  bildliche  Darstellung,  von 
Carl"*),  wie  es  scheint,  durch  Description.  besondere  Aufmerksamkeit 
zugewendet  (Carl's  Abhandlung  war  mii-  nicht  zugänglich).  Eine 
Zusammenfassung  der  aus  der  Osteologie  gewonnenen  Resultate 
existirt  aber  bis  jetzt  noch  niclit.  denn  Shuffeldt's'"')  Arbeit  wird 
dieser  Aufgabe  in  keiner  Beziehung  gerecht,  obwohl  es  scheinbar 
Absicht  des  Autors  war,  mit  Hülfe  des  Skeletbaues  die  anatomischen 
und  verwandtschaftlichen  Verhältnisse  bei  den  Tauben  aufzuklären. 

I.  Der  Schädel. 

(Textiig.  A. ;  Taf.  11,  Fig.  1 — 6.     Ferner  die  Abbildungen  bei  Owen, 
A.  und  E.  Newton,  Strickland  u.  Melville  etc.) 

Die  Ansicht,  der  Schädel  sei  der  einzige  und  allein  zuverlässige 
Wegweiser,  entstammt  theils  dem  Umstand,  dass  sich  zuerst  an  ihm 
und  dann  am  ausgiebigsten  Mudificationen  geltend  machen,  theils 
wurde  sie  der  Säugethier-Paläontologie,  wo  man  eben  oft  auf  den 
Schädel  oder  sogar  nur  auf  das  Gebiss  —  der  Grund  liegt  auf  der 
Hand  —  angewiesen  ist,  die  sich  glücklicher  Weise  als  in  hohem 
Grade  leitend  erweisen,  entnommen.  Es  ist  jedoch  falsch,  diese 
Methode  in  die  vergleichende  Anatomie  hinüberzutragen  und  sich 
mit  einer  Vergleichung  des  Schädels  allein  zu  begnügen. 

Ganz  abgesehen  davon,  dass  der  Schädel  der  Vögel  weit  weniger 
constant  ist  als  der  der  Säugethiere  und  also  schon  aus  diesem 
Grunde  seine  Bedeutung  für  die  vergleichende  Morphologie  einge- 
schränkt wird,  begegnen  wir  selbst  bei  Säugethieren  Fällen,  in 
denen  der  Schädel  resp.  das  Gebiss  die  Antwort  auf  eine  gestellte 
Frage  versagt  (ich  erinnere  an  ChaUcoihcrium  *•))  und  die  Extremität 
zu  Hülfe  gezogen  werden  muss.     Somit  ist  es   bei  ornithologischen 


1)  The  Dodo  and  its  kindred,   1848. 

2)  Owen,    A.    u.   E.    Newton,    Milne Edwards,    E.  Newton    u. 
<'lakk,  Gadow  etc. 

3)  Abbildungen  von  Vogelskeleten. 

4)  Unters,   ü.   d.   Schädel  doni.   Tauben,   Realsch.   Pirna. 
.   5)  In:  Journ.  Morphol.,   V.    17,   No.   3,    July   1901. 

6)   ChaJicotliPriwn    wurde    früher     bekanntlich    zu    den    Artiodactylen 
gestellt.     Den  ersten  Zweifel   hegte  Kowalewsky. 


276  RuDOLK  Martin, 

Untersuchungen  von  vorn  herein  gegeben,  andern  Skelettheilen,  d.  h. 
dem  ganzen  Skelete,  in  gleicher  Weise  die  Aufmerksamkeit  zuzu- 
wenden. 

Leider  hat  sich  diese  Methode  noch  wenig  Bahn  gebrochen, 
und  vor  Allem  scheint  den  englischen  Ornithologen  Alles,  was  nicht 
in  die  Augen  sjtringende  systematische  Merkmale  liefert,  der  Be- 
achtung kaum  wertli  zu  sein. 

Indess  verdient  der  Schädel  dennoch  in  hohem  Grade  unser 
Interesse. 

Ich  schicke  gleich  hier  voraus,  dass  Avir,  in  Folge  der  innigen 
Verschmelzungen,  welche  die  einzelnen  Elemente  eingehen,  darauf 
angewiesen  sind,  den  Schädel  regionenweise  zu  betrachten. 

Vergleicht  man  jüngere  Schädel  mit  einander,  so  sieht  man, 
dass  ihre  Aehnlichkeit,  je  weiter  man  zurückgeht,  zunimmt,  m.  a.  W., 
dass  wir  wohl  im  Nestlingsschädel  sämmtlicher  Tauben  das  gleiche 
Bild  vor  Augen  haben  werden.  Man  begeht  also  keinen  grossen 
Fehler,  wenn  man  z.  B.  vom  Nestling  von  Coliimha  domesfica  aus- 
gehend die  verschiedenen  Entwicklungspläne  verfolgt  (ich  war  nicht 
in  der  Lage,  den  Nestling  einer  andern  Form  zu  erhalten).  Die 
Endformen,  mögen  sie  auch  noch  so  aberrant  sein,  kommen  durch 
eine  Summe  von  Modificationen  der  einzelnen  Elemente  zu  Stande 
und  sind  eben  nur  als  solche  der  Beschreibung  zugänglich. 

Immerhin  muss  zugestanden  werden,  dass  von  Anfang  an  ver- 
muthlich  einige  Diiferenzen  im  Gesichtsschädel  auftreten ;  so  wird 
namentlich  die  Praemaxilla  bald  in  verschiedenen  Richtungen  diife- 
renzirt  sein ;  aber  dass  diese  Modilicationeu  schon  in  diesem  Stadium 
einen  Eintluss  auf  das  Cranium  ausüben,  ist  kaum  anzunehmen. 

Ich  stehe  daher  nicht  an,  den  Nestlingsschädel  von  Coluniba 
domesfica  als  Ausgangsform  zu  wählen. 

Fig.  A. 

Schädel  der  jungen  Haustaube.     1  :  1. 

pm  Praemaxilla.  mx  Maxiila.  n  Nasale,  hi  Lacry- 
male.  et  Ethmoideum.  2)a  Palatinum  jd  Pteri- 
goideuni.  ps  Praesphenoid.  al  Alisphenoid. 
sq  Squamosum.  fr  Frontale,  par  Parietale. 
60  Supraoccipitale.  cx-\-o  Exoccipitale-^Opisth- 
oticum.     e  Epoticum.     q  Quadratuni. 

a)  0  c  c  i  p  i  t  a  1  r  e  g  i  0  n. 
fTextfig.  A;  Taf  11,  Fig.  1—4.) 
Die    das  Os  occipitale   zusammensetzenden    und   von   besondern 
Centren  aus  ossiiicirenden  Elemente  verschmelzen  schon  frühe  spur- 


Die  vergleichenfle  Osteologie  der  Colunibifoniies.  177 

los  unter  sieb,  so  dass  ihre  Gestalt  und  Ausdelinun,2:  selbst  an  den  mir 
vorlieg-enden  jungen  Schädeln  der  wilden  Taubenformen  nicht  mehr 
erkannt  werden  können. 

Ebenso  und  ebenso  früh,  z.  Th.  schon  früher,  geschieht  die  Ver- 
wachsung- dieser  Knochen  mit  den  sie  umg-ebenden,  also  mit 
E  p  0 1  i  c  u  m ,  P  r  0  0  t  i  c  u  m  und  0  p  1  s  t  h  0 1  i  c  u  m  ( M  a  s  1 0  i  d  Pakker's) 
Parietale  (etwas  später)  und  Basisphenoid.  Ich  kann  auch 
in  dieser  Richtung-  keine  Grenzlinien  erkennen,  und  so  greifen  wir 
zurück  zum  Nestlingsschädel  der  Haustaube. 

Die  Occipitalreg-ion  baut  sich  aus  den  typischen  Knochen  auf: 
Basi-  und  Supraoccipitale  und  Exoccipitalia.  Secundär 
greifen  noch  Knochen  der  periotischen  Region  in  sie  über,  deren 
innige  Beziehung  zum  Occiput  dadurch  documentirt  wird,  dass  der 
e  r  s  t  e  Ve  r  s  c  h  m  e  1  z  u  n  g  s  p  r  0  c  e  s  s  dieser  Region  d  a  s  8  u  p  r  a  - 
0  c  c  i  p  i  t  a  1  e  mit  dem  E  p  o  t  i  c  u  m  vereinigt,  das  E  x  - 
0  c  c  i  p  i  t  a  1  e  mit  dem  0  p  i  s  t  h  o  t  i  c  u  m  und  durch  dieses  mit 
dem  P  r  0  0 1  i  c  u  m  (etwas  später).  Erst  nach  B  e  e  n  d  i  g  u  n  g 
dieser  Verwachsungen  beginnt  die  Vereinigung  der 
eigentlichen  Occipitalelemen  te  unter  sich. 

Diese  greift  nicht  überall  gleichzeitig  Platz,  sondern  beschränkt 
sich  zunächst  —  aus  leicht  erklärlichen  Gründen  —  auf  eine  Ver- 
schmelzung zwischen  Basi-  und  Exoccipitale.  Die  Hinterhaupt- 
schuppe erreicht  die  Ränder  der  Exoccipitalia  erst  sehr  spät;  regel- 
mässig liegt  zwischen  diesen  beiden  Occipitalelementen  das  kleine 
Epoticum  eingeschaltet. 

Das  jugendliche  Occiput  ist  noch  wenig  deutlich  modellirt;  es 
enthält  erst  die  Andeutung  seiner  spätem  Sculptur,  die  im  folgenden 
einer  einlässlichen  Betrachtung  unterzogen  werden  soll. 

Die  Ebene  des  Foramen  magnum  steht  beim  Jungen  ca.  35" 
zur  Schädelbasis  geneigt.  In  der  Regel  nimmt  der  Winkel  im  Laufe 
des  individuellen  Wachsthums  ab  und  zwar  bei  den  Carpophrnjinac 
und  Treroninae.  überhaupt  der  Mehrzahl  dei-  Tauben,  bis  auf  ca.  25". 
bei  kleinen  Peristeriden  noch  etwas  mehr.  Bidunculns  behält  den 
A^'inkel  von  35*'  bei,  ebenfalls  Goura:  bei  Didm  aber  wächst  er  auf 
55",  bei  Pezophaps  sogar  auf  58"  an.  Jedenfalls  beträgt  der  Winkel 
nicht  0",  wie  Selenka  \)  für  die  Tauben  anzunehmen  geneigt  ist. 

Das  Foramen  selbst  variirt  äusserst  in  seiner  Gestalt  und  Grösse. 
Es  ist   bald   quer  rechteckig   (Biduncuhis),    mehr   rundlich    (bei  den 


1)  In:  Bhoxn,   Class.   Ordn.,  Osteologisclicr  Tlieil. 


178  KrooLF  Martin. 

meisten  kleinen  Formen),  hoch,  äeckig"  {Carpophaga.  überhaupt  die 
tjrössern  Tauben);  Pezophaps  ähnelt  am  ehesten  Diduncultis,  doch 
kommt  die  Höhe  des  Foramens  seiner  Breite  gleich;  bei  Didus  ist 
es  seitlich  conipress,  ja  die  Seitenränder  springen  in  halber  Höhe 
gegen  das  Lumen  ein.  Kurz,  man  begegnet  einer  grossen  Varia- 
bilität, nicht  nur  von  Gattung  zu  Gattung  oder  von  Art  zu  Art, 
sondern  auch  von  Individuum  zu  Individuum. 

]\Iit  der  Form  steht  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  die 
Grösse  des  Foramens  in  Zusammenhang.  Allgemein  kann  gesagt 
werden,  dass  die  hoch  specialisirten  Foimen.  die  das  Flugvermögen 
bereits  verloren  haben  oder  doch  im  ßegriife  sind,  es  zu  verlieren, 
durch  die  verhältnissmässig  kleinsten  Occipitalforamina  ausge- 
zeichnet sind. 

Die  Variabilität  lässt  sich  zum  grossen  Theil  auf  das  Verhalten 
der  Blutgefässe  zurückführen.  Da,  wo  ein  F  o  r  a  m  e  n  s  u  p  r  a  - 
occipitale  vorhanden  ist,  ist  das  Foramen  magnum  mehr  depress, 
da,  wo  es  fehlt,  ist  es  eben  mit  dem  For.  magnum  zusammen  ge- 
flossen; man  wird  deshalb  dessen  Dorsalrand  eingekerbt  antreifen. 
Uebergangsstadien  lassen  diesen  Vorgang  deutlich  erkennen. 

Das  For  amen  supraoccipitale  wechselt  in  seinem  Vor- 
handensein oder  Fehlen.  DiduncuJus,  den  meisten  Carpophaginac, 
Pcrisferidae  und  Macropijgia  fehlt  es  gewöhnlich;  es  ist  vorhanden 
bei  der  jMehrzahl  der  Cohnnhidae,  bei  Carpophaga  ndwiccra,  Gonra, 
Didus  und  Pezophaps.  Im  Falle  es  fehlt,  ist  eine  andere  Einrichtung 
getroffen,  die  wir  bereits  kennen  gelernt  haben,  nämlich  die  Incisur 
im  Dorsalrande  des  Foramen  magnum ;  auch  diese  fehlt  bei  Didimcnlus 
oder  ist  nur  sehr  schwach  angedeutet. 

Vom  Dorsalrand  des  Foramen  magnum,  der  Crista  supra- 
foraminalis  (supraforaminal  ridge  der  Engländer)  zieht  eine 
wallförmige  Erhebung  gegen  die  Schädeloberfläche,  die  Crista 
sagittalis,  welche  dorsal  an  die  später  zu  besprechende  Lamb- 
doidcrista  stösst.  Die  Seitenflächen  der  Sagittalcrista  fallen  dach- 
förmig gegen  die  median  durch  den  Kamm  selbst  getrennten,  dorsal 
und  lateral  durch  die  Lambdoidcrista  und  ventral  durch  den  Supra- 
foraminalkamm  begrenzten  Gruben  ab,  die  wir  der  Einfachheit  wegen 
Supraoccipital gruben  nennen  wollen  (sie  liegen  zum  grössten 
Theil  auf  supraoccipitalem  Gebiet). 

Ich  musste  diese  Bemerkungen  vorausschicken,  da  ich  gleich 
hier,  im  Anschluss  an  das  Foramen  supraoccipitale,  das  unzweifelhaft 


Die  vergleichende  Osteolog-ie  der  Columbiformes.  |79 

im  Dienste  der  Circulation  steht,  auf  einige  weitere  Einrichtung-eii 
des  Kreislaufs  einzugehen  habe. 

Bei  Didnnrnlus  iiämlicli  dringen  in  den  Abhang  der  Sagittal- 
crista.  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  For.  niagnum  und  Lambdoid- 
crista,  Oelfnungen  in  die  Tiefe,  die  sich  oberflächlich  in  Rinnen 
fortsetzen.  Diese  convergiren  lateralwärts  schwach  mit  dem  Supra- 
foraminalkamm,  durchbohren  den  lateral  absteigenden  Ast  der  Lamb- 
doidcrista,  biegen  dann  scharf  ventral  um  und  gelangen  endlich,  den 
Supraforaminalkamm  zwischen  dem  Hinterhanptsloch  und  dem  Hinter- 
hauptsflügel einkerbend,  auf  die  Schädelbasis. 

Diese  Einrichtung  tritt  mit  grüsster  Regelmässigkeit  auf.  doch 
lassen  sich  bezüglich  des  speciellen  Verhaltens  einige  Abweichungen 
constatiren.  So  kann  z.  B.  der  Sulcus  vollständig  geschlossen,  zu 
einer  R<»hre  umgewandelt  sein;  der  Supraforaminalkamm  wird  dann 
ebenfalls  nicht  eingeschnitten,  sondern  er  überspannt  den  Canal.  Im 
Grossen  und  Ganzen  scheint  dieses  Verhalten  das  häufigere  zu  sein; 
doch  Regeln  aufzustellen,  wäre  ein  zweckloses  Beginnen,  da  der 
individuellen  Variation  ein  weites  Feld  eingeräumt  ist.  Ich  konnte 
selbst  bei  Didunculus  eine  grosse  Unbeständigkeit  beobachten. 

Wir  stehen  hier  —  Avie  schon  gesagt  —  Circulationseinrichtungen 
gegenüber;  die  Frage,  ob  beide,  d.  h.  Supraoccipitalforamen  und  diese 
Canäle,  dem  gleichen  speciellen  Zwecke,  der  gleichen  Function 
dienen,  muss  verneinend  beantwortet  werden.  Im  einen  Falle 
handelt  es  sich  um  ein  Emissarium  (Foramen  supraoccipitale),  im 
andern  Falle  um  Einrichtungen   der  Blutzufuhr,   um  Arteriencanäle. 

Der  Cond^^lus  oceipitalis  ist  durchweg  nierenförmig. 
Avechselt  aber  wenig  im  Verhältniss  seiner  i^usdehnung  in  der 
Sagittalrichtung  und  seiner  Breite.  Dieses  Verhältniss  beträgt  in 
den  meisten  Fällen  ^j^,  kann  aber  bei  Goura,  Pesoplmps  bis  auf  1 
steigen,  bei  Didns  1  sogar  überschreiten. 

Der  Condjius  ragt  über  den  Ventralrand  des  For.  magnum  nach 
hinten  vor.  Dabei  steigen  die  Ränder  des  Hinterhauptloches  von 
beiden  Seiten  gegen  ihn  an,  so  dass  bei  Tauben  mit  breitem  Foramen 
dieses  oft  eine  Nierenform  erhält. 

Der  Gelenkkopf  selbst  ist  stets  auf  breiter  Basis  sitzend,  selbst 
bei  den  Riesentauben,  obwohl  dort  eine  Einschnürung  des  Halses 
angedeutet  ist. 

Rostral  vom  Condylus  liegt  gelegentlich  eine  Fossa  ante- 
condyloidea,   die   aber   keineswegs  zu  den  regelmässigen  Eigen- 


\QQ  R'jDOLt'  Maktin, 

thümlichkeiten  des  Taubenschädels  gehört.  Zumeist  trifft  man  sie 
bei  gTossen  Taubenformen,  d.  h.  da.  wo  die  Modellirimg  von  vorn 
herein  prägnanter  ist.  Kann  sie  nachgewiesen  werden,  so  hat  sie 
die  Form  eines  gleichschenkligen  Dreiecks,  dessen  Spitze  ungefähr 
bis  in  die  Glitte  der  Basicranialfläche  vorgreift. 

Es  hält  schwer,  ihr  Vorhandensein  oder  Fehlen  genau  abzu- 
schätzen, da  die  mediane  Partie  der  Basicranialfläche  stets  etwas 
eingesenkt  ist,  dieFossa  antecondyloidea  also  bloss  als  eine  Steigerung 
der  hintern  Hälfte  der  Depression  aufzufassen  ist,  die  selbst  inner- 
halb der  Art  eine  beträchtliche  Reihe  von  Abstufungen  vorführen 
kann. 

Die  oben  erwähnte  Crista  supraforaminalis  bildet,  wie 
gesagt,  den  Dorsalrand  des  Foramen  magnuni,  läuft  dann  schräg 
basalwärts  über  die  Fläche  der  Exoccipitalia,  wo  sie  durch  den 
Gefässeindruck,  der  oben  einlässlicher  besprochen  wurde,  eingekerbt 
wird,  nachdem  sie  zuerst  zu  einem  kleinen  Knötchen  anschwillt,  und 
setzt  sich  dann  in  den  medialen  Rand  des  Processus  paroccipi- 
talis  fort,  in  dessen  Scheitel  sie  endet. 

Der  Supraforaminalkamm  ist  stets  wohl  ausgeprägt  und  über- 
hängt das  Foramen  magnuni  gleichsam,  indem  die  Seitenränder  des- 
selben unter  ihm  in  die  Tiefe  gehen. 

Da,  wo  an  Stelle  des  Foramen  sui)raoccipitale  eine  Incisur  tritt. 
wird  die  Crista  supraforaminalis  in  zwei  symmetrische  Hälften 
getheilt. 

Die  Crista  s  a  g  i  1 1  a  1  i  s ,  der  wir  bereits  un sere  Aufmerksamkeit 
geschenkt  haben,  bedarf  keiner  weitern  Erläuterung.  Sie  variirt 
etwas  in  ihrer  Länge,  indem  sie  bei  Formen  mit  depressem  Schädel, 
also  bei  Carpophaginae,  Goura  und  vielen  Zuchtrassen  der  Haustaube, 
oft  äusserst  kurz  ist,  während  sie  sonst  eine  bedeutendere  Länge 
erreicht;  die  obere  Grenze  ist  (unter  den  lebenden  Tauben)  durch 
Didunadus  ^gegeben;  diesem  zunächst  folgen  die  Treroninae,  dann 
die  Feristeridae,  Colmnhidae,  welche  dann  zur  untern  Grenzgruppe, 
den  Carpophaginac,  und  der  diesen  zunächst  liegenden  Goura  überführen. 
Pczophops  übertrifft  selbst  noch  Didmicidns;  die  ausserordentliche 
Länge  der  Sagittalcrista  dieser  Form  steht  mit  der  weiter  unten  zu 
besprechenden,  abnormen  Gestaltung  des  Occiputs  in  Zusammenhang. 
Didus  nimmt  eine  Mittelstellung  ein. 

Die  Crista  1  a  m  b  d  o  i  d  e  s ,  welche  allen  Tauben  in  gleicher 
Weise  zukommt,  beginnt  median  in  einer  Tförmigen  Prominenz, 
deren  verticaler  Stamm   durch  die  Crista  sagittalis  dargestellt  wird. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Colnnibiformes.  181 

Die  Lambdoidcrista  ist  in  den  dorsalen  und  medialen  -..  ihres 
Verlaufes  wohl  markirt.  verliert  aber  im  distalen  \,.  an  Schärfe. 
Ihr  Verlauf  kann  kurz  beschrieben  werden  als  ein  paariger  Bogen, 
nach  oben  convex,  der  medial  aus  der  medianen  Protuberanz  ent- 
springt, lateral  an  der  Basis  des  Aussenrandes  des  Paroccipital- 
processes  ansetzt. 

Der  Lambdakamm  ist  einerseits  mit  der  Parietalfläche  des 
Schädels  vollkommen  bündig,  andrerseits  fällt  er  sehr  steil  g^egen 
die  Supraoccipitalgruben  ab. 

Nachdem  er  die  Basis  des  Lateralrandes  des  Proc.  paroccipitalis 
erreicht  hat.  biegt  sein  Verlan!  scharf  um  und  geht  so  unmittelbar 
in  diesen  Eand  übei". 

Unmittelbar  distal  von  der  Mitte  der  Crista  lambdoides  liegt  ihr 
ventral  ein  Hügel  an,  gegen  welchen  sie  einen  Zweig  abschickt; 
dieser  Höcker  entspiicht  der  Lage  des  hintern  halbcirkelförmigen 
Canals^),  bezeichnet  etwa  die  Bifurcation  der  Lambdoidcrista  selbst 
und  grenzt  die  Supraoccipitalgrube  von  der  Hinterfläche  des  Hinter- 
hauptflügels ab:  sein  medialer  Abhang-  überbrückt  den  besprochenen 
Arteriensulcns. 

Der  Processus  p  a  r  o  c  c  i  ji  i  t  a  1  i  s  (Proc.  a  1  a  e  o  c  c  i  p  i  t  a  1  i  s 
i  n  f.  Srsi  H kim's,  e  x  o  c  c  i  p  i  t  a  1  w  i  n  g  Pyckaft's)  ist  dick  lamellen- 
fürmig.  sein  Rand,  insbesondei'e  seine  Spitze,  verstärkt.  Seine  ("on- 
figuration  wechselt  etwas,  indem  er  in  den  meisten  Fällen  plump 
und  gerundet,  selten  in  eine  vorwärts  gerichtete  Spitze  ausgezogen 
ist  [DiihDu-ulns).  Zumeist  ragt  er  direct  abwärts  vor  oder  ist  nach 
vorn  und  unten  gerichtet,  doch  stets  in  einer  P^bene  gelegen  (Goura, 
CarpopJiaga ) :  Didnnculns  dürfte  allein  eine  Ausnalime  nmchen,  indem 
hier  der  Paroccipitalfortsatz  nach  vorn  gekrümmt  und  umgelegt,  der 
Schädelbasis  auf  diese  Weise  eng  angepasst  erscheint;  seine  Spitze 
greift  dann  bis  auf  die  Höhe  des  hintern  Randes  der  distalen  Ge- 
lenkfläche  des  Quadratum  vor,  während  sich  sonst  ein  weiter 
Zwischenraum  dazwischen  einschaltet. 

Das  abweichende  \'erhalten  des  Pioc.  paroccipitalis  am  Schädel 
von  Diduncnlus  ist  natürlich  auch  zu  einem  Theil  auf  die  abnorme 
Gestaltung  des  Kiefergelenkes,  somit  des  Quadratnm  zurückzu- 
führen: doch  davon  später. 

1 )  In  der  Literatur  gewöhnlich  als  vorderer  aufgeführt ;  wir  werden 
unten  darauf  zurückzukommen  haben.  Hier  stösst  also  auch  das  Pro- 
oticuni   durch   das   Occiput  durch. 


182  Rudolf  Martin, 

Der  mediale  Rand  des  Fortsatzes  ist  die  Fortsetzung  des  Supra- 
foraminalkammes.  Der  laterale  Rand,  welcher  zugleich  die  hintere 
Umgrenzung-  der  Ohröffnung  darstellt,  verläuft  erst  ziemlich  gerade, 
biegt  dann  distal  stark  einwärts  und  trifft  den  medialen  Rand  unter 
wenig  stumpfem  Winkel  (nur  wenig  über  90").  Bei  Didimctihts  ist 
der  Verlauf  ein  anderei'.  indem  er  erst  eine  nach  vorn  concave  Curve 
bildet,  bis  nahe  an  das  Quadratum  herantritt,  um  dann  in  einem 
Winkel  einwärts  zu  brechen  und  in  einer  schlanken  Spitze  mit  dem 
medialen  Rande  zusammenzutreffen;  die  Ohröffnung,  die  sonst  nach 
unten  weit  offen  ist,  wird  so  fast  allseitig  knöchern  umgrenzt;  die 
Lücke,  die  ausgespart  ist.  wird  hier  —  wie  überall,  doch  in  ge- 
ringerer Ausdehnung  —  von  starken  Sehnenfasern  überbrückt. 

Das  Basioccipitale  liegt  am  Schädel  des  Adulten  mit  dem 
Basisp  henöides  in  f.  in  einer  Flucht;  selten  ist  es  winklig  von 
ihm  abgeknickt;  die  in  diesem  Falle  gebildete  Kante  entsi)richt  der 
Verbindungslinie  zwischen  den  beiden  untersten,  resp.  medialsten 
Punkten  der  Unterränder  der  beiderseitigen  F  o  s  s  a  e  t  y  m  p  a  n  i  c  a  e. 
In  Wirklichkeit,  d.  h.  in  der  Tiefe,  stösst  das  Basioccipitale  jedoch 
bedeutend  weiter  rostral  vor;  es  reicht  bis  an  die  Basis  des  Rückens 
des  Türkensattels.  Das  Basisphenoid  überdeckt  also  seinen  Vorder- 
rand dachziegelartig. 

Zwischen  Basioccipitale  und  Ohröffnung  keilt  sich  stets  das 
Exoccipitale,  welches  unterdessen  die  otischen  Knochen  aufge- 
nommen hat,  ein  und  drängt  so  jenes  von  der  Umgrenzung  der  Ohr- 
öffnung ab.  Die  Grenze  zwischen  Basi-  und  Exoccipitale  wird 
durch  eine  gerundete  wallartige  Erhebung  angezeigt,  über  die  in 
der  Regel  eine  Kette  von  Rauhigkeiten  aus  der  Fossa  autecondyloidea 
zum  Unterrande  der  Fossa  tympanica  schräg  hinweg  zieht. 

Dass  also  das  Occiput  nicht  ausschliesslich  durch  occipitale 
Elemente  aufgebaut  wird,  wie  schon  zu  Beginn  behauptet  wurde,  dürfte 
nun  ersichtlich  sein.  Zwischen  Exoccipitale,  Squamosum  und  Supra- 
occipitale  schiebt  sich  das  mit  dem  Exoccipitale  verschmolzene 
Pro+Opisthoticum^)  einerseits,  das  zum  Anhängsel  des 
Supraoccipitale  gewordene  kleine  Epoticum  andrerseits  ein;  wir 
werden  weiter  unten  noch  einmal  auf  diese  Knochen  zurückzukommen 
haben.  Ich  weise  gleich  hier  darauf  hin.  dass  der  der  Lambdoidcrista 
anliegende   Höcker   dem  Prooticum   angehöit   (nicht   Epoticum,    wie 


1)  Wobei    das   OjDistboticum    kaum    auf   die   Schädelaussenfläche  tritt. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Cohimbiformes.  183 

Sklenka  ^)  gelegen tlicli  annimmt).  Das  Epoticum  hat  bei  ausge- 
wachsenen Thieien  einen  äusserst  geringen  Antheil  an  der  IMldung 
der  Schädeloberfläche. 

So  können  wir  das  Occiput  als  ein  Mosaik  von  3  pnarigei*!  und 
2  unpaarigen  Knochenelementen  auffassen,  das  durch  folgenden 
Umi'iss  begrenzt  wird: 

D 0 r s a  1 :      (' r  1  s  t a  1  a ni  b d  o i  d  e s. 

Lateral:    distaler    ^L    der    C  r  i  s  t  a    1  a  m  b  d  o  i  d  e  s .    :\1  a  r  g  ( i 

1  a  t.  Proc.  paroccipitalis. 
Ventral:    Durch  die  Verbindunglinie  der  beiden  einander  am 
nächsten   liegenden   Punkte    der  ventralen  Rändei- 
der  beiderseitigen  Fossae  tympanicae. 

Ks  sei  noch  einer  al)eiranten  und  einzig  dastehenden  Occiput- 
bildung  gedacht,  nämlich  der  von  Vrzoplinps.  Durch  den  etwas  weit 
geholten,  aber  bezeichnenden  Ausdruck,  die  Occii)italregion  dieser 
Taube  sei  ..bovin",  ist  eigentlich  Alles  gesagt,  nämlich,  dass  sie  steil 
gestellt,  flach  und  auf  Kosten  der  Parietalzone  erlndit  ist.  Zum 
Ueberfluss  entsteht  dann  noch  die  bekannte  reichliche  Spongiosa- 
entwicklung.  welche  einen  starken  queren  Wulst  hervorwölbt  und 
so  die  Schädeloberfläche  scharf  vom  Occiput  abknickt. 

Ganz  allgemein  kann  gesagt  werden,  dass  die  Form  des  Occi])uts 
mit  der  ganzen  Schädelform  in  nahen  Zusammenhang  zu  bringen  ist. 
Tauben  mit  kurzem,  aber  hohem  Schädel  [Feristeridae,  Trenrnhiae 
und  einige  Columhidac  sowie  IHdtincuhis)  sind  durch  ein  höheres  und 
steileres  Occiput  ausgezeichnet  als  Tauben  mit  lang  gezogenem,  de- 
liressem  Schädel,  wie  z.  B.  C<trpoplmfiinne.  (i<»ira  etc. 

b)   Os   temporale. 
(Textfig.  A.) 

in  erster  Linie  bedarf  es  einer  Deflnition  dieses  Knochen- 
coniplexes  und  einer  Rechtfertigung  dieser  Bezeichnung. 

Futer  ,.0s  temporale"  des  Vogels  verstehe  ich.  was 
ni  a  n  a  m  S  ä  u  g  e  t  h  i  e  r  s  c  h  ä  d  e  1  tl  a  r  u  n  t  e  r  versteht,  also 
die  K  nochen  m  a  sse.  welche  durch  die  in  der  .lugend 
selbständigen  E 1  c  m  e  n  t  e  d  e  s  P  i'  o  o  t  i  c  u  m ,  0  p  i  s  t  h  o  t  i  c  u  m  . 
Epoticum  und  Squamosum  aufgebaut  ist. 


1)  Sklknka,   in:   Bkonx,   Class.   Ordii.,   Vögel. 

Zool.  Jaluli.  XX.   .-Vlitli.  t.  Syst.  13 


184  RrnoLF  Martin. 

Zur  Ei'läuteinii<4-  seien  gleich  liiei-  die  Synouyiiia  dieser  Elemente 
beig-efügt : 

a)  Prootieinn  Hi  xley's  ^^  Roch  er  (Petrosum)  Cl^vikk's. 

ß)  Opistliotic  um     ..         —  Mastoideum  Selkxka's. 

y)  Epoticum  ,.         —  Mastoid  Parker's. 

Man  sieht  leicht,  dass  wenn  zu  diesen  Stücken  noch  das  Schuppen- 
bein zugefügt  wird,  wir  ein  typisches  Os  temporale  erhalten. 

Dieser  Bezeichnung  gegenüber  könnte  einzig  geltend  gemacht 
werden,  dass  z.  B.  Epoticnm  und  Opisthoticum  früher  mit 
Knochen  benachbarter  Regionen  verschmelzen  als  unter  sich  (mit 
den  Occipitalien)  und  deshalb  eher  eine  Zugehörigkeit  zu  jenen  be- 
ansi)ruchen ,  wählend  das  S c h u j) p e n b e i n  frühe  innig  mit  dem 
Parietale  in  Beziehung  tritt,  immerhin  erst  nachdem  es  mit  dem 
Prooticum  verwachsen  ist.  Unterzieht  man  aber  das  Gehörorgan 
einer  Betrachtung,  so  fallt  dieser  Einwand  von  selbst  dahin,  denn 
durch  die  verhältnissmässig  mächtige  Entwicklung  der  halbcirkel- 
förmigen  ('anale  werden  die  sie  beherbergenden  Knochenstücke  nach 
hinten  gezerrt,  und  eine  Verschmelzung  kommt  eben  am  ehesten 
mit  den  den  Ossificationspunkten  zunächst  gelegenen  Elementen  zu 
Stande,  im  vorliegenden  Falle  mit  den  Occipitalien. 

Die  eigentlichen  0  s  s  a  p  e  r  i  o  t  i  c  a  liegen  zum  grössten  Theil 
in  der  Tiefe  des  Schädels  und  treten  nur  in  der  hintern  untern 
Ecke  der  Orbita  und  im  Occiput  zu  Tage.  Beim  Jungen  sind  sie 
getrennt,  doch  liegt  mir  kein  genügend  jugendliches  Stadium  vor. 
an  dem  ich  noch  die  genaue  Grenze  zwischen  Pro-  und  Opistho- 
ticum verfolgen  könnte  (bloss  noch  Andeutung  derselben),  vielmehr 
bilden  diese  eine  einheitliche,  unter  sich  und  je  mit  dem  Squamo- 
sum  und  dem  Exoccipitale  verschmolzene  Masse. 

Das  Epoticum  ist  weit  abgedrängt  und  klebt  als  spindel- 
förmiges Anhängsel  an  der  Innenseite  des  Lateralrandes  des  S  u  p  r  a  - 
occipitale.  Es  bildet  den  medialsten  Theil  des  sog.  „hintern 
Bogenganges'",  eine  Bezeichnung,  welche  mir  etwas  unpassend  er- 
scheint, da  sie  der  Lage  des  betreftenden  Canals  nicht  genau  ent- 
spricht und  deshalb  zu  Missverständnissen  führen  kann.  Ich  würde 
ihn  am  ehesten  als  dorsalen  Bogengang,  den  sog.  „vordem"  als 
caudalen  und  endlich  den  ..äussern"  als  lateralen  bezeichnen;  man 
könnte  so  einer  zweideutigen  Nomenclatur  aus  dem  Wege  gehen. 

Die  Rolle,  welche  das  Ei)0ticum  im  Schädel  des  erwachsenen 
Thieres  spielt,  wurde  bereits  oben  (s.  Occipitalregion)  charakterisirt. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  ("olnnibiformes.  18ö 

Die  Masse  von  Pro  -f-  Opi  sthot  icum  wird  in  ihrem  untern 
medialen  Theile  dnrcdi  dieses,  in  ilirer  grüssern  rostralen.  dorsalen 
und  lateralen  Partie  durch  jenes  g-ebildet.  Am  A'nrlieg-enden  Nestlings- 
schädel  ist  die  Grenze  zwischen  beitlen  durch  eine  tiefere  vordere 
und  eine  kürzere  hintere  Incisnr  angedentet. 

Die  Einheit  von  Pro  -|-  Opisthoticum  wird  vorn  durcii  das 
l''oramen  ovale  begrenzt  (siehe  auch  Selenka,  in:  Broxx's  Class- 
I  »rdn.  etc.);  von  da  folgt  die  Grenze  der  grössten  Tiefe  der  Opticus- 
grube,  convergirt  also  nach  hinten  mit  dem  Tentorialka  mm. 
Oft  entsteht  bei  alten  Thieren  im  hintern  Theile  der  Grube  zwischen 
Prooticum  und  Tentorialkamm  eine  enge  Spalte.  Der  weitere  Ver- 
lauf der  Grenzlinie  begleitet  den  Umriss  des  dorsalen  (..hintern'' ) 
Bogenganges,  zieht  gegen  den  äussersten  Punkt  des  Lateralrandes 
des  Für  amen  magnum.  doch  ohne  ihn  zu  erreichen,  streicht  zum 
Foramen  des  Vagus  und  von  dort  zur  Basis  des  Dorsum 
sellae  turcicae  und  endlich  diesem  entlang  wieder  zum  For. 
ovale. 

Da ,  W( I  der  Contur  der  P  e  r  i  o  t  i  c  a  den  Tentorialkamm 
>chneidet.  entspringt  eine  scharfe  abwärts  und  vorwärts  verlaufende, 
gegen  das  Dorsum  sellae  turcicae  sich  verlierende  Kante,  welche 
die  dorsale  Fläche  der  Knochenmasse  von  der  medialen  trennt;  jene 
bildet  den  Boden  der  Grube  für  den  Lohns  opticus,  diese,  durch 
einen  horizontalen  Wall  in  einen  obern.  dem  Prooticum.  und 
einen  untern,  dem  Opisthoticum  angehörenden  Theil  geschieden, 
weist  nahe  dem  obern  Rande  2  grössere  Gruben  auf.  Die  hintere 
derselben,  die  bedeutend  tiefere,  wird  vom  medialen  Bogengänge 
umzogen  und  stellt  die  Flocculus grübe  dar;  die  vordere  ist 
tlacher,  dreieckig,  beherbergt  3  Foramina  und  ist  als  Ausmündung 
des  Meatus  internus  aufzufassen.  Das  grösste  der  3  Foramina, 
das  in  der  Regel  vorn  oben  gelegen  ist,  nimmt  den  Haupttheil  des 
Nerv,  acusticus-l-  facialis  auf,  das  untere  vordere  den  X. 
Cochleae  und   das  hintere  untere  die  Nerven  zum  Vestibül  um. 

Das  Opisthoticum  allein  ist  relativ  klein  und  depress.  Es 
l)ildet  den  untern  Theil  des  caudalen  Bogenganges;  seine  Grenze 
gegen  das  Occipitale  laterale  wird  stets  durch  den  Austritt 
des  Nerv,  vagus  gekennzeichnet. 

Das  Prooticum  beträgt  ca.  'V.^— -/:;  der  gesammten  Masse  der 
Periotica;  von  den  übrig  bleibenden /- 5  resp.  V:j  dürfte  das  Opisth- 
oticum wiederum  ca.  -/g  ausmachen,  so  dass  für  das  Epoticum  — 
wie  schon  gesagt  —  ein  minimaler  Rest  übrig  bleibt. 

13* 


18(3  IJrDOi.F  Mauti.v. 

Den  auffälligstini  Tlieil  des  Temporale  bildet  das  S  qua  mos  um. 
das  einen  nicht  unbedeutenden  Brufhtheil  der  Schädeloberfläclie  aus- 
macht. 

Ks  ist  von  annähernd  i'echtAvinkliji--dreieckigei'  (restalt.  wobei 
der  rechte  ^^'inkel  vorn  unten  zu  liegen  kommt.  Sein  rostraler  Rand 
stösst  dorsal  erst  mit  dem  intraorbitalen  Frontale  (siehe 
Frontale)  zusannnen  und  bildet  mit  diesem  zusammen  einen  Tlieil 
des  hintern  obern  Orbitarandes.  Die  dorsale  Spitze,  welche  sich 
zwischen  das  i  n  t  r  a  -  un d  e  x  t  r  a  o  r  1  >  i  t  a  1  e  Frontale  eindrängt, 
ist  dui'ch  eine  kleine  Prominenz  am  Augenhöhlenrande  markirt. 
Beim  erwachsenen  BUhmculns  und  bei  Treromnae  ist  der  \^orderran(l 
des  Squamosum  stark  aufgebogen  und  springt  lamellen-  oder  kamm- 
artig seitlich  vor. 

Das  Siiuamosum  wird  also  zunächst  dui'ch  einen  Zwickel  des 
Frontale  vom  Alis})henoid  getrennt:  mit  diesem  kommt  es 
erst  wenig  oberhalb  des  Processus  postorbit alis  in  Berührung: 
die  Naht  streicht  dann  gegen  die  äussere  Gelenkgrube  für  das 
Quadrat  um  und  findet  am  Rande  der  Fossa  t  ympan  ica  ihr 
Ende. 

Die  Länge  der  Sutur  zwischen  intraorbitalem  Frontale  und 
Squamosum  "wird  also  einerseits  durch  die  oben  erwähnte  Prominenz, 
andrerseits  durch  die  Basis  des  Processus  postorbitalis  bezeichnet: 
die  Naht  folgt  ohne  Ausnahme  dem  Orbitalrande. 

Der  ventrale  Rand  des  Squamosum  umgrenzt  mit  seinem  rostralen 
^;.,  die  Fossa  tympanica  dorsal  und  deckt  die  Gelenkgrube  für  den 
äussern  Kopf  des  Quadratum  nach  aussen  ein.  Die  caudalen  -(. 
treten  mit  dem  Prooticum,  das  hier  an  die  Schädeloberfläclie  tritt, 
in  einer  Sutur  zusammen;  die  Sutur  wird  durch  den  lateralen  V.i 
der  Lambdoidcrist a  markirt. 

Die  Verwachsung  von  Squamosum  und  Prooticum  erstreckt 
sich  jedoch  nicht  nui'  über  die  caudalen  %  des  Yentralrandes  des 
erstem,  sondern  umfasst  die  ganze  Innenseite  dieses  Randes;  die 
dorsale  laterale  Zone  des  Prooticums  wird  also  vom  Scjuamosum 
dachziegelartig  eingedeckt. 

Der  Hinterrand  endlich  überlagert:  1.  mit  seinem  dorsalen  ^'.. 
den  hintei'sten  Abschnitt  des  lateralen  Randes  des  extraorbitalen 
Frontale  und  2.  mit  den  ventralen  -  .j  den  ganzen  lateralen  Rand 
des  Parieta  ]  e.  das  durch  das  Schuppenbein  vom  Orbitalrande 
gänzlich  abgedrängt  wird. 

]\I(>glicher   Weise   stösst    beim    erwachsenen   Thier    die   hintere 


Die  vergleichende  Osteolog-ie  der  (nlunibitVirmesi.  187 

Ecke  des  Squamosimi  an  das  Supraoccipitale:  sicher  constatiren 
konnte  ich  aber  ein  solches  Verhalten  nicht. 

Der  Processus  postorbitalis  fehlt  nie.  obwohl  er  in  der 
Regel  keine  ausnehmende  »Stärke  erreiclit.  Didunciilus.  Ijidiis  und 
Fezopliaps  machen  eine  Ausnahme.  Der  Fortsatz  ist  ziemlich  steil 
abwärts  gerichtet  (ca.  unter  HO  "  zur  Schädelbasis,  doch  kann  der 
Winkel  geleg-entlich  auch  abnehmen). 

In  den  meisten  Fällen  endet  der  Proc.  postorbitalis  frei:  nui- 
bei  Dichtnc/ilits  und  hnclist  ausnahmsweise  auch  bei  andern  Formen 
spannt  sich  eine  Knocheubrücke  zwischen  seinem  distalen  Ende  und 
dem  P  r  o  c  e  s  s  u  s  z  y  g  o  m  a  t  i  c  n  s  {Sfaruoeiats.  Lepfopfila).  Wenn  eine 
solche  Brücke  vorgefunden  wird,  die  Fossa  temporalis  also  zu 
einem  Foramen  geschlossen  wird,  so  coincidirt  dies  immer  mit  Formen, 
welche  durcli  enge  Schläfengrube  ausgezeichnet  sind. 

Der  Processus  z  5'  g  o  m  a  t  i  c  u  s  s  q  u  a  m  0  s  i  fehlt  den  meisten 
Tauben.  Ei-  ist  sehr  stark  bei  Didunailus,  schwächer  bei  Dkhi.'^  und 
Fesophaps,  schwach  bei  LepfoptiJa,  Stamoenas,  Geophaps  (fig.  5,  tab.  5 
in  Stkickland  u.  Melville);  angedeutet  ist  er  bei  Goura;  sonst 
fehlt  er  gänzlich.  Uebrigens  unterliegt  •  sein  Erscheinen  und  Ver- 
schwinden bei  den  Perisferidae  einer  beträchtlichen  Variation:  er 
erlangt  aber  nie  eine  morphologische  Bedeutung. 

Bei  Didiinadns  ist  er  seitlich  comprimirt.  sein  Unterrand  bildet 
die  Verlängerung  des  Ventralrandes  des  Squamosura  nach  vorn,  sein 
(»berrand  läuft  fast  horizontal  und  verliert  sich  nach  hinten  all- 
niählicli  in  der  Aussenfläche  des  Schuppenbeines,  die  Fossa  tempo- 
ralis ventral  begrenzend;  die  Verbindung  mit  dem  Proc.  postorbitalis 
wird  erst  im  Alter,  dann  aber  regelmässig,  hergestellt. 

Die  Gestalt  des  Fortsatzes  bei  den  übrigen  damit  versehenen 
Formen  schliesst  sich  unmittell)ar  an  die.  welche  für  Didunculus  be- 
schrieben wurde,  an,  natürlicli  entsprechend  dem  betretf'enden  Stärke- 
grade nioditicirt. 

Als  von  grosser  Wichtigkeit  erweist  sich  die  Fossa  tempo- 
ralis. welche  jeweilen  für  die  Familie  charakteristisch  ist.  Sie 
wird  nacli  oben  und  vorn  durch  den  Proc.  postorbitalis,  nach  unten 
durcli  die  durch  den  Quadratumkopf  verursachte  Ausbuchtung,  resp. 
den  Oberrand  des  Proc.  zygomaticus,  im  Uebrigeu  durch  die 
Muskellinie  des  Musculus  temporalis  umgrenzt  (Textfig.  B — F). 

Bei  sämmtlichen  Peristeridae,  bei  welchen  der  Proc.  postorbitalis 
äusserst  nahe  an  das  (^uadratum  gerückt  ist.  ist  die  Grube  sehr  eng. 
und  der  Muse,  temporalis  greift  nicht  oder  nur  selir  wenig  auf  die 


188  RuDüi.i'  Mahtin. 

Aussenfläche  des  Schuppenbeiiies  über:  zunächst  an  die  Peristeriden 
scliliessen  sich  die  PfiJopodimic  an. 

Kine  weitere  Stufe  wird  durch  die  Colnmhidae  eing-enommen. 
Hier  erscheint  die  Grube  erweitert,  und  der  Unterrand  des  Proc. 
postorbitalis  wird  durch  eine  Ivreisförniig-e  Muskellinie,  welche  un- 
gefähr die  Mitte  der  Grube  als  (Zentrum  hat.  mit  der  Anschwellung- 
über  dem  Quadratumkopt  verbunden.  Der  Schläfenmuskel  greift 
also  merklich  auf  die  Aussentläche  des  Schädels  über.  Hier  g-Iiedert 
sich  aucli  Calooias  an. 

Eine  dritte  Stufe  endlich  stellen  die  Carpophmjiuae  und  Tnro- 
niiiac  dar.  bei  welchen  die  Schläfengrube  äusserst  stark  erweitert, 
die  Muskellinie  Aveit  nach  hinten  ausgreifend  ist. 


-^ 


Fig.  E.  Fig.  F. 


Musculus   t  e  m  !>  0  r  a  1  i  s.     1:1. 

Fig.  B.  Fhaps  lipliotefs.     Fig.  ('.  Cohimha  livia.     Fig.  D.  Gonra  roronafa.'^) 

Fig.  E.  Trerou  rcrnaus.     Fig.  F.  Cnrpophaga  ruhricera. 

Es  ist  wohl  möglich,  dass  die  beiden  Gruppen  ihrerseits  wieder 
aus  einauder  zu  halten  sind ;  jedenfalls  glaube  ich  nicht  an  sehr  nahe! 
Beziehung-en  zwischen  Carpopliaginae  imd  Treroninae;  doch  davon  später!^ 

Bei  Treroninae  folgt  die  Muskellinie  erst  dem  Dorsalrande  der 
Fossa  tympanica.  dann  den  lateralen  -/-,  der  Lambdoidcrista,  biegt 
scharf  nach  vorn  um  und  erreicht  in  einem  Bogen  von  oben  her  die 
Basis  des  Proc.  postorbitalis;  die  ganze  umgrenzte  Fläche  ist  ein- 
gesenkt. Der  M.  temporalis  erhält  auf  diese  Weise  eine  aussei-- 
ordentlich  grosse,  nach  hinten  ausgreifende  Ansatzfläche. 

Gonra  dürfte  sich  am  ehesten  den  Carpophaginae  anschliessen 
lassen,  die  bedeutend  von  deii  Treroninae  abweichen  können;  Avir 
begegnen  einer  Stufenleiter,  welche  von  einer  treroninen  Fossa 
temporalis  (z.  P).  (^arpophaqa  nihr/rera)  zu  Verhältnissen  führt,  wie  sie 
im  Folgenden  kurz  skizzirt  weixlen  sollen. 


1)    Der  Muskel   ist    hei    (laitni    auf  Grund    des  Verlaufes  der  iMuskel- 
linie  recoustruirt. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  rolunilnt'urmes.  \Q\) 

Bei  diesen  Kndformen  (z.  B.  Corp.  oceanira)  ist  die  Aiisatzflächt:' 
des  M.  temporalis  gegenüber  Ircron  eingeschränkt,  gegenüber  Colitmha 
erweitert.  Die  Muskellinie  beg-innt  am  Rande  der  Fossa  tympanica 
an  der  Stelle,  an  welcher  die  Lambdoidcrista  auf  ihn  ausläuft.  Sie 
hat  die  Form  einer  Kreislinie,  ähnlich  wie  bei  Columba.  doch  mit 
grösserm  Radius  gezogen,  und  ti-iift  dorsal  die  Basis  des  Vorder- 
randes des  P(»storbitalfortsatzes. 

Diduncidus  besitzt  eine  gegen  Erwartung  kleine  Schläfengrube 
und  eine  wenig  auf  die  Schädeloberfläche  übergreifende  ]\[uskellinie; 
auch  hier  bildet  diese  einen  Kreisbogen,  der  den  Unter rand  des 
Postorbitalfortsatzes  mit  dem  nahe  gelegenen  Oberrand  des  Proc. 
zygoraaticus  verbindet. 

Didns  mit  dem  sehr  starken  Schnabel  zeigt  am  ehesten  Ver- 
hältnisse, wie  wir  sie  bei  Treroninae  angetroffen  haben,  nur  dass  die 
Grube  stärker  dorsal  als  caudal  ausgreift  und  etwas  tiefer  ist.  Bei 
Fezophapft  hat  die  Vergrösserung  der  Teniporalgrube  ihr  Maximum 
erreicht,  wie  ein  Blick  auf  fig.  149.  tab.  12  in  Xkwtox's  Osteology 
of  the  Solitaire  etc.  uns  lehrt.  Kinige  Textfiguren  sollen  das  Ge- 
sagte veranschaulichen. 

Es  wurde  bereits  hervorgehoben,  dass  die  vordere  untere  Ecke 
des  Squamosum  die  äussere  Gelenkfläche  für  das  Quadratum  über- 
deckt und  dass  diese  Stelle  etwas  aufgetrieben  sei;  man  hat  sie 
deshalb  als  Prominentia  sciuamosi  bezeichnet.  Bei  den  Tauben 
ist  diese  stets  unbedeutend,  kann  auch  ganz  fehlen  {Carpoplxiiininr. 
Didnncnlns  etc.). 

Mehr  Bedeutung  erlangt  bei  Didunculus  ein  hinter  der  Stelle, 
wo  sonst  die  Prominentia  squamosi  zu  liegen  pflegt,  abwärts  ge- 
richteter kleiner  Fortsatz,  der,  seitlich  comprimirt,  vom  Rande  in 
die  Fossa  tympanica  vorsteht,  von  grosser  Constanz  ist  und  selbst 
dem  vorliegenden  Jungen  nicht  abgeht. 

Unmittelbar  rostral  und  medial  von  diesem  Fortsatz  liegt  eine 
Oetthung:  die  Ausmündung  des  im  Squamosum  und  zwischen  ihm 
und  dem  Prootictim  gelegenen  Recessns  tympanicus  superior. 
Dieses  Foramen  bestimmt  die  Grenze  von  Squamosum  und  Perioticum 
s.  Petrosum  und  trennt  zugleich  die  beiden  Gelenkflächen  für  das 
Quadratum.')  A\'ir  w^erden  später  noch  von  einem  weitern  Re- 
cessns tymj»anicus  zu  sprechen  haben. 

1 )  Die  mediale  Gelenkfläche  dieses  Knochens  liegt  luimittelbar 
medial  von  dem  Foramen ,  ist  kleiner  als  die  äussere  und  gehih't  voll- 
kommen dem   Prooticum  an,   wäre  also  dort  aufzuführen  gewesen. 


190  RiDOLF  Martin. 

Am  Schädel  der  erwachsenen  Taube  sind  die  Grenzen  des 
Schläfenbeins  g-e<i'eniiber  den  andern  Knochen  vollständig  verwischt; 
wir  haben  al)er  gesehen,  dass  das  Verhalten  dieses  Knochenconiplexes 
dem  des  Tem)) orale  von  Säugethieren  entspricht  und  somit  diese 
Bezeichnung  auch  bei  Vögeln  vollständig  gerechtfertigt  ist. 

c)  Schädelbasis. 
(Taf.  11.  Fig.  3  u.  4:  Textiig.  R.) 

Unter  den  Knochen  der  Schädelbasis  verstehe  ich  die  zwei  Zonen 
derSphenoide  mit  iliren  entsprechenden  Anhängen,  dem  Ali- 
und  0  r  b  i  1 0  s  p  h  e  n  0  i  d. 

Die  Nomenclatur  ist  in  der  Literatur  eine  etwas  unsichere,  und 
namentlich  haben  sich  in  neuerer  Zeit  einige  inconsequente  Bezeich- 
nungen eingeschlichen,  die  am  besten  wieder  ausgemerzt  werden. 
So  ist  z.  B.  Basi temporale  Parker's,  basi temporal  plate 
Pycraft's  u.  a.  m.  kaum  zulässig,  besonders  wenn  man  darunter 
auch  noch  Basioccipitale  \)  versteht,  wie  aus  folgendem  Citat 
Pycraft's  hervorgeht:  ,..  .  .  In  the  remaining  members  of  this 
group  it  (the  basitemporal  plate)  is  a  thin  triangulär  plate  with  a 
slightly  concave  ventral  surface.  Posteriously  it  is  bounded  by  a 
more  or  less  well-marked  precondylar  fossa." 

Das,  was  als  Basitemporale  bezeichnet  wird,  ist  ein  Deck- 
knochen, der  sich  ventral  an  das  Basisp henoid  anlegt  und  des- 
halb am  ehesten  zu  diesem  in  Beziehung  gebracht,  sein  Name 
an  den  jenes  Knochens  angeschlossen  wird,  wie  dies  bereits  von 
Selenka  gethan  worden  ist,  indem  dieser  Forscher  von  einem  Basi- 
sphenoides  inferior  spricht.  Auch  Huxley  hat  mit  seiner  Be- 
zeichnung P  a  r  a  s  p  h  e  n  0  i  d  eine  weit  glücklichere  A\'ahl  getroffen 
als  seine  englischen  Schüler. 

Ich  halte  Selenka's  Nomenclatur  der  Sphenoide.  obwohl  sie  den 
Vorwurf  der  Umständlichkeit  nicht  zurückweisen  kann,  für  die  con- 
sequenteste  und  behalte  sie  deshalb  auch  hier  bei.  Einige  Aus- 
nahmen muss  man  mir  aber  gestatten. 

Das  Basisp  henoid  e  um  superius  ist  nur  im  Längsschnitt 
durch  den  Nestlingsschädel  zu  erkennen.  Es  ist  ein  im  Sagittal- 
schnitt  sich  nach  vorn  zu  verjüngender  kurzer  Keil,  der  sich  hinten 


1)  AVenigstens  theilweise. 


Die  yergleichemle  Osteologie  der  ('ohuiiliiformes.  191 

ventral  über  den  \'orderran(l  des  Basioccipitale  schiebt.  Nahe  seinem 
Hinterende  erhebt  sich  von  seiner  Dursaltläche  das  etwas  nach  vorn 
geneigte  Dorsum  sellae  turcicae,  welches  in  der  Jugend  eine 
bloss  membranös  überbrückte,  mediane,  breite  Aussparung  zeigt: 
lateral  von  dieser  Scharte  sind  die  Ränder  vorwärts  gebogen.  Die 
Alisphenoide  verwachsen  später  mit  den  Lateralrändern  dieser 
Lamelle,  sowie  mit  der  obern  Zone  des  hintern  Theils  des  Basi- 
sphenoidkörpers.  Somit  bildet  das  Basisphenoideum  su]).  die  Sella 
turcica  mit  Ausnahme  ihrer  vordem  Wand. 

Tm  Alter  gehen  die  Grenzen  des  obern  Basisphenoids  verloren 
lund  zwar  vollständig):  die  Durchlüftung,  welche  bereits  in  der 
Jugend  bis  zu  einem  gewissen  Grade  vorhanden  war,  hat  stark  zu- 
genommen und  ist  in  die  benachbarten  Schädelpartien  vorgedrungen; 
sie  ist  als  Ausläufer  eines  weiten  Hohlraumes,  des  Recessus 
tympanicus  anterior,  zu  betrachten,  der  zwischen  Basi- 
sphenoideum in  f.  und  sup.  gelegen  ist.  Diese  Höhlen  dringen 
bis  zur  Spitze  des  Rostrum  sphenoidale  (siehe  unten)  vor. 

Der  eigentliche  Recess  wird  von  den  Knochenröhren  der  Caro- 
tiden.  welche  nach  Selenka  aus  dem  Opisthoticum  herausgebildet 
werden,  durchsetzt.  Der  Verlauf  dieser  ( "anale  ist  fast  gerade,  be- 
ginnt an  der  Schädelbasis  unmittelbar  medial  vom  Scheitel  der  Par- 
occipitalfortsätze  und  endet  in  der  Tiefe  der  grubenförmigen  Sella 
turcica. 

Der  Recessus  tympanicus  anterior  communicirt  mit  der  Pauken- 
höhle und  also  auch  durch  die  Tuba  Eustachii  mit  der  Rachen- 
höhle. Er  steht  ebenfalls  mit  den  Hohlräumen  des  Basioc cipitale 
in  Verbindung. 

So  sehen  wir.  dass  die  ganze  periotische  Region  oben,  vorn  und 
unten  von  Höhlen  umgeben  ist;  diese  lassen  sich  in  zwei  Complexe. 
den  Recessus  tympanicus  sup.  und  ant..  scheiden. 

Das  P r  a  e s p h  e n o i  d  e  u  m  oder  ( ) s  h e  1  o i d  e  s  Siolexka's  ')  legt 
sich  vorn  auf  das  obere  Basisphenoid.  Ks  ist  ebenfalls  ein  nach 
vorn  gerichteter  kleiner  Keil,  doch  schlanker  als  der  \'orhin  be- 
sprochene. 

Die  Basis  begrenzt  den  Tüi'kensattel  nach  vorn,  und  die  Spitze 
verschwindet  im  Rostrum  sphenoidale.  Die  Ausläufer  des 
Rec.  tymp.  ant.   durchziehen   diesen  Knochen   schon    frühe,    der   den 


V)  Teil   wähle  der  Consequenz   wegen  die   erste  Bezeichnung. 


192  RiDoLi'  Maktin. 

gTössten   Theil    des   Ventralrandes    des    F  o  r  a  m  e  n   1  a  c  e  r  u  ni    a  n  - 
t  e  r  i  u  s  resp.  des  0  p  t  i  c  n  s  f  o  r  a  m  e  n  bildet. 

Lateral  gehen  die  Orbitosplienoide  vom  Präsplienoid  ab. 

Das  Basisp  henoideum  inferius  deckt  das  Basi- 
s  p  li  e  n  0  i  d  e  ii m  s  u  p.  und  den  Hinterrand  des  R  o  s  t  r  ii  m  s  p  li  e  n  o i  - 
dale  von  unten  ein;  nach  hinten  wächst  es  ventral  über  den 
Vorderrand  des  Occipitale  in  f..  bildet  lateral  den  untern  und 
untern-vordern  Eand  derFossa  tympanica.  Es  verknöchert  erst 
ziemlich  spät,  namentlich  sind  seine  Umrisse  noch  lange  zu  erkennen. 
Seinem  Charakter  nach  ist  es  ein  eigentlicher  Deckknochen. 

Es  ist  von  gleichschenklig  dreieckiger  Gestalt,  mit  breiter  nach 
hinten  gerichteter  Basis.  Seine  Spitze  überdacht  von  unten  die 
unpaarig-e  Ausmündung  der  Tuba  Eustachii,  und  seine  gleichen  Seiten 
schliessen  diese  zu  vollständigen  Knochenröhren,  während  seine 
hintern  Ecken  den  Paroccipitalfortsätzen  anliegen. 

Die  Knochenplatte  des  untern  Basisphenoids  bleibt  Zeit  Lebens 
papierdünn,  wird  aber  von  feinen  Balken,  welche  den  durch  das 
Basisi)henoideum  inf.  nach  unten  abgeschlossenen  Eecessus  tymp.  ant. 
durchsetzen,  gestützt. 

Die  vordere  Ecke  ist  stets  in  eine  feine  Spitze  ausgezogen, 
welche  ziemlich  stark  über  die  Apertur  der  Eustachische  n 
T  r  0  m  p  e  t  e  vorragt. 

Der  Verlauf  dieser  geht  der  Naht  zwischen  Basisphenoideum  inf 
und  Rostrum  sphen.  parallel  und  ist  beim  erwachsenen  Thier  stets 
von  aussen  zu  erkennen. 

Die  Grenze  des  untern  Basisphenoids  gegen  die  Occipitalregion 
ist  durch  einen  meist  kräftigen  Höcker,  den  Mammill  ar fort satz 
(ob  mit  Recht?),  gegeben. 

Die  mediane  Zone  des  Knochens  ist  concav.  doch  wechselt  die 
Foi'm  der  Grube  ausserordentlich,  wie  denn  überhaupt  die  IModel- 
lirung  des  in  Frage  stehenden  Schädelelements  grossen  Schwan- 
kungen unterworfen  ist.  Man  könnte  wohl  für  jede  Art  eine  Reihe 
finden,  welche  mit  Formen  mit  eingefallenen  Basisphenoideum  inf  be- 
ginnt und  mit  solchen  mit  stark  aufgebauschtem  endet;  oder  die 
mediane  Depression  bildet  bloss  eine  schmale  Rinne  oder  eine  breite, 
rautenförmige  Grube.  Kurz:  so  viele  Individuen  wir  untersuchen, 
so  viele  Modificationen  begegnen  uns  im  Relief  dieser  Knochenjylatte. 
Dass  natürlich  das  Basi-  und  Ex  occipitale  auch  in  JMitleiden- 
schaft  gezogen  werden,  ist  selbstverständlich,  beruht  doch  der  ganze 


Die  vergleiclieiule  Osteulogie  der  Columbifornies.  Ji))) 

Vorgang  auf  einer  grossem  odei'  geringern  Pneuniacität  der  Schädel- 
basis; der  Umriss  der  ganzen  Hasicra  n  i  a  1  fl  ä  clie  bleibt  aber 
starr. 

Das  Eostruni  sphenoidale  oder  J'arasphen  oida  1 - 
rosiruni  legt  sirli  mit  seiner  breiten  Grnndlinie  auf  die  ventrale 
Fläche  des  Yorderrandes  des  obern  Basisidienoids  und  drängt  sich 
zwischen  dieses  und  das  untere  ßasisphenoid  ein. 

Es  bildet  so  das  Dach  und  die  Voi'derwand  der  medialen  Hälfte 
der  Tuba  Eustachii.  ül)er  deren  Ausmüntlung  in  die  Rachenhöhle  eine 
lange,  dreieckige,  nach  vorn  auslaufende  Grube  vorgefunden  wird, 
welche  oft  durch  einen  medianen  Wall  in  zwei  symmetrische  Hälften 
getheilt  wird. 

Tiateral  von  dieser  Einsenkung  wurzeln  die  bald  stiirkeiii.  l)a]d 
schwachem  Ba  si  pt erygoi  dfortsätz  e.  Sie  sind  stark  l)ei 
Didunrnlm,  C<(rpop}ia[/a,  Treron  und  SfaDiocnas;  die  Colionhülitc  A'cr- 
halten  sich  wechselnd,  besitzen  den  Fortsatz  aber  immer,  obwohl 
oft  nur  in  schwacher  Ausbildung;  bei  Peristendac,  mit  Ausnahme 
von  Sfarnoenas,  ist  er  durchweg  sclnvach,"  ebenfalls  bei  Goiira.  Bei 
Pezophaps;  ist  er  gelegentlich  da,  fehlt  aber  öfter:  bei  Didns:  wurde 
er  an  den  ^■orhandenen  Schädeln  nicht  vorgefunden. 

Es  geht  aus  dieser  Variabilität  hervor,  dass  bei  der  \  erwendung 
dieses  Fortsatzes  als  systematisches  Merkmal  höchste  Vorsicht  ge- 
boten ist. 

Die  Seitenränder  des  Rostrum  beginnen  bereits  postaxial  vom 
Basis]>henoidfortsatz  sich  aufzubiegen  und  so  —  das  Präsphenoid 
unten  umfassend  —  sich  zum  eigentlichen  kegelförmigen  Eostrum 
zu  schliessen.  welches  den  vordem  Theil  der  Orbitosphenoide 
stützt  und  sich  seinerseits  an  den  Ventralrand  der  verticalen  Platte 
des  E  t  h  m  0  i  d  s  anlegt. 

Seine  Spitze  überragt  den  Vorderrand  dieses  Knochens  in  der 
Regel  l)ald  mehr,  bald  weniger,  erreicht  bei  den  einen  die  Verbin- 
dungslinie der  beiden  hintern  Enden  der  M  a  x  i  1 1  o  p  a  1  a  t  i  n  a  oder 
überschreitet  sie  rostral.  je  nachdem  der  Schädel  gestreckt  oder 
kurz  ist.  So  greift  das  Sphenoidalrosti-um  stets  weit  nach  vorn  bei 
Carpophuf/a  und  Goura;  es  bleibt  zurück  bei  den  Trcroninac,  noch 
mehr  bei  IHdunndus:  die  übrigen  Tauben  i  eilien  sich  zwischen  diese 
beiden  Endformen.  Pezophaps  steht  Carpophaffa  am  nächsten;  Didxs 
vermuthlich  auch,  doch  ist  am  vollständigsteu  Schädel  die  Spitze 
weggebroclien.  so  dass  ein  sicheres  Urtheil  ausgeschlossen  bleil>t. 
Die    PJifthinar    iielien    mit     den    Carpophaf/niac    einig;    die    übrigen 


194  Krixii.F  !\Iaktin, 

Peristendae  bleiben  etwas  zurück.  Die  ('olnmhidae  nähern  sich  den 
Treronwac  noch  mehr,  und  diesen  zunächst  steht  ^lacropygia.  während 
Ecfopifffcs  das  andere  Extrem  innerhalb  der  Familie  bildet. 

Das  A  1  i  s  p  h  e  n  ü  i  d  erscheint  als  Anhängsel  des  Basisphenoideum 
sui».  Es  bildet  die  ganze  Hinterwand  der  Orbita,  ohne  jedoch 
bis  auf  dei-en  Eand  hinaus  zu  reichen,  da  sich  zwischen  diesen  und 
seinen  Ijateralrand  das  intraorbitale  Frontale  eindrängt.  Die 
Grenze  zwischen  diesen  beiden  Knochen  ist  Zeit  Lebens  durch  eine 
schwache  Rinne  angedeutet,  welche  gegen  das  Olfactorius- 
f  0  r  a  m  e  n  —  die  äussere  Ausmiin düng  des  0  a  n  a  1  i  s  o  1  f  a  c  t  o  r  i  u  s 
—  verläuft. 

Mit  dem  Squamosuni  trifft  das  Alisphenoid  im  Postorbi- 
talfortsatz zusammen,  den  es  an  seiner  Basis  aufbauen  hilft. 
Von  hier  wendet  sich  sein  Aussenrand  scharf  einwärts,  berührt  das 
Foramen  ovale,  das  zwischen  ihm  und  dem  Pro oti cum  gelegen 
ist,  stösst  mit  dem  Sphenoidalrostrum,  d.  h.  mit  dessen  caudaler 
Platte,  in  einer  Naht  zusammen  und  gelangt  endlich  an  die  untere 
äussere  Ecke  des  Foramen  lacerum  anterius. 

Der  mediale  resp.  vordere  Rand  ist.  entsprechend  der  Yer- 
knöcherung,  sehr  variabel. 

Diese  vollzieht  sich  erst  s})ät  und  nur  bis  zu  einem  gewissen 
Grade.  Vollständig  verknöchert  wird  das  Alisphenoid  bei  I)idu)iculns 
(aber  auch  hier  nur  beim  erwachsenen,  beim  -hingen  nur  unvoll- 
ständig; vgl.  Abbildungen),  Didus,  Pemphaps  und  oft  auch  bei  Gourd 
angetroffen.  Bei  allen  übrigen  Tauben  ist  es  dorsal  unvollständig 
und  wird  bloss  durch  eine  zähe  ^Membran  ersetzt,  was  zur  Folge 
hat,  dass  hinter  dem  Austritt  des  N.  olfactorius  in  die  Orbita  eine 
oft  sehr  weite  Fontanelle  persistirt. 

Aehnliches  gilt  bezüglich  der  untern  medialen  Ecke,  welche 
auch  nur  bei  Diduncuhis,  Didus  und  Pesophaps  im  Alter  vollständig 
ossiticirt,  bei  den  beiden  Riesentauben  sogar  durch  einen  Wulst 
verdickt  ist.  In  diesen  Fällen  bildet  diese  Partie  des  Alisphenoids 
die  laterale  und  dorsale  Umgrenzung  des  For.  opticum,  von  dem 
die  übrigen  Nervenlöcher  abgespalten  sind,  während  sie  sonst  mit 
ihm  zu  einem  For  amen  lacerum  anterius  zusammenfliessen. 

Noch  später')  ossiticirt  das  Orbitosphenoid,  ein  ursprünglich 
paariger,   aber   secundär  zu   einer  medianen  Platte   verschmolzener 

1)  Das  Orbitosphenoid  ist  der  am  spätesten  ossificirende  Knochen  des 
Schädels. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  ('(dinubiforiiies.  195 

Kiinclieii.      Es   wird    vom  Präsphenoid  gestützt,   erhält    desliall)    von 
Selekka  die  Bezeichnung-  A 1  i  h  e  1  o  i  d  e  s. 

Mit  dem  ventralen  Abschnitt  seines  caudalen  Randes  begrenzt 
es  das  For.  opticum  resp.  lacerum  ant.  nach  vorn,  mit  dem 
dorsalen  Abschnitt  verwächst  es  mit  dem  Alisplienoid.  hilft 
dann  die  erwähnte  Fontanelle,  bei  Dkhinodns,  Didus  und  Vczopliapft 
den  Austritt  des  N.  olfactorius  nach  unten  begrenzen.  Das 
caudale  '/..  seines  Dorsalrandes  ist  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  frei 
und  stellt  die  sog-.  Crista  g-alli  dar:  bei  den  drei  besonders  auf- 
g-efülirten.  specialisirten  Formen  verwächst  er  aber  in  seiner  ganzen 
A  u  s  d  e  h  n  u  n  g-  mit  dem  1*'  r  o  n  t  a  1  e .  was  bei  den  übrig-en  Tauben 
nur  auf  dei'  IStrecke  der  rosti'alen  ■-'.;  geschieht.  Der  '\'oi'derrand 
endlich  verschmilzt,  wie  überall,  vollständig  mit  dem  Hinterm nd  des 
Mesethm  oid  s. 

Beim  erwachsenen  Tliier.  auch  bei  Bidunculns,  Didus  und  Fe.to- 
l}haps'.  ist  der  Dorsalrand  des  (»rbitosphenoids  durch  den  Sulcus 
olf  a  et  ori  us  mai-kirt 

Die  Reilienfolge  der  Verschmelzungsprocesse  des  besprochenen 
Knochens  ist  immer  die  folgende:  Mesethm  oid,  Präsphenoid. 
R  0  s  t  r  u  m  s  p  h  e  n  o  i  d  a  1  e .  A 1  i  s  p  h  e  n  o  i  d. 

Auch  innerhalb  des  Orbitosphenoids  können  grosse  Fontanellen 
auftreten,  die  mit  dem  For.  lacerum  ant.  zusammenfiiessen. 

d)    Os    ethmoideum. 
(Textüg.  Q  u.  R:  ^Paf.  11.  Fig.  1  u.  2.) 

\\'ie  überall  lässt  sich  auch  hier  eine  verticale  und  eine  liDri- 
zontale  Platte  unterscheiden;  jene  bildet  den  vordersten  Rand  des 
Augenhöhlenseptum  und  den  obern  hintern  "J'heil  der  Nasenscheide- 
wand. Die  horizontale  Lamelle  dient  dem  rostralen  Rande  des 
Frontale,  den  Procc.  frontales  nasalis  et  praemaxillae 
zur  (Trundlage. 

\m  jugendlichen  Schädel  «tjind  die  Verhältnisse  die  denkbar  ein- 
fachsten :  nichts  als  die  beiden  senkrecht  zu  einander  stehenden 
Platten.  Allerdings  erhebt  sich  schon  hier  eine  leichte  Crista. 
welche  die  verticale  Lamelle  ziemlich  genau  in  eine  vordere  und 
eine  hiutere  Hälfte  tlieilt  (die  hintere  ist  in  der  Regel  etwas 
schmäler,  aber  höher).  Dorsal  nimmt  dieser  Kamm  an  ILilie  zu  und 
stützt  streberartig-  gegen  den  hoi-izontalen  Theil. 


]^9ß  Rudolf  Maktin, 

Es  fehlt  also  dem  jungen  Ethmoid  tliatsächlicli  nichts,  was  dem 
alten  zukommt,  obwohl  die  Anhänge  sich  erst  in  der  Entwicklung 
befinden. 

Zunächst  was  die  Grenzen  des  Ethmoids  betrifft!  Der  Hinter- 
rand der  verticalen  Platte  ist  in  der  frühesten  Jugend  frei,  steht 
fast  senkrecht  (nur  wenig  nach  vorn  geneigt)  und  verwächst  schon 
ziemlich  bald,  d.  h.  wenn  die  Ossification  des  Orbitosphenoids 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  gediehen  ist,  mit  dessen  Rostralrand. 
Bevor  das  Thier  ausgewachsen  ist,  lässt  sich  keine  Spur  einer  Sutur 
mehr  nachweisen. 

Der  Ventralrand  steht  auf  dem  Rostrum  sphenoidale  auf 
und  wird  von  diesem  (siehe  oben)  nach  vorn  überragt.  Rostral  ist 
er  aufgebogen  und  geht  allmählich  in  den  Rostralrand  über,  welcher 
der  häutigen  Nasenscheidewand  eine  Ansatzlinie  abgiebt.  Der 
Vorderrand  ist  im  Alter  häufig-  etwas  verdickt. 

Die  horizontale  Platte  ist  von  der  Form  eines  gleichschenkligen 
Dreiecks,  dessen  Grundlinie  nach  vorn  gelegen  ist.  Die  nach  hinten 
gerichtete  Spitze  bildet  einen  ziemlich  spitzen  Winkel,  während  die 
lateralen  Ecken  bedeutend  stumpfer  sind.  Die  Schenkel  des  Dreiecks 
stossen  mit  den  intraorbitalen  Frontalia  in  Suturen  zusammen. 
Die  Basis  ist  etwas  aufgebogen  und  frei. 

Die  bereits  in  der  Jugend  etwas  abwärts  gekrümmten  lateralen 
Ecken  rollen  sich  im  Laufe  der  Entwicklung  ein  und  bilden  so  Dach 
und  Aussenwand  der  Fossa  olfactoria,  welche  durch  die  La- 
crymalia,  wie  später  gezeigt  werden  soll,  ergänzt  wird.  Zu- 
gleich  stellen   diese  eingerollten  Ecken  eine  Art  Nasenmuschel  dar. 

Die  annähernd  senkrechte  Crista,  welche,  wie  wir  gesehen  haben, 
am  Nestlingsschädel  die  verticale  Platte  in  zwei  Hälften  theilt, 
wächst  im  Laufe  der  Entwicklung  zu  einer  nach  vorn  neigenden 
Lamina  aus,  welche  besonders  ventral  eine  bedeutende  Hcihe  erreicht. 
Wir  wollen  sie  der  Kürze  halber  Crista  antorbitalis  ^)  nennen. 
Erst  ist  sie  häutig  mit  dem  medialen  Rande  des  Lacrymale  ver- 
bunden, wächst  aber  soweit  aus,  bis  sie  jenen  Knochen  erreicht  und 
schliesslich  innig  mit  ihm  verschmilzt.  Wo  wir  uns  auch  umsehen, 
bleibt  eine  Lücke  ausgespart,  durch  die  der  N.  olfactorius 
in  die  Nasenhöhle  tritt;  ventral  und  dorsal  von  dieser  Stelle 
gedeiht    der   Verwachsungsprocess    bis    zum    völligen   Verschwinden 


1)  Ant-orbital    plate  Pycraft's  ,    Praefrontale    Suschkin's 
(zum  Theil). 


Die  verg-leicheude  Osteologie  der  Colunibifurnies.  197 

einer  Naht.  So  wird  am  Schädel  der  erwachsenen  Taube  das  (' a  v u ni 
nasale  mit  Hülfe  des Lac.rymale  vollständig-  nach  hinten  g-eschlossen : 
nur  ventral  besteht  durch  das  ganze  Leben  eine  weite  Lücke  in  der 
knöchernen  Umwandung. 

Ich  hob  diese  Verhältnisse  so  eingehend  hervor,  weil  Newton 
ein  besonderes  Gewicht  auf  die  Gestalt  der  Nasenhöhle  von  Vczo- 
phaps  legt. 

Der  oberste  Theil  der  Crista  antorbitalis  tritt  zum  vordersten 
Abschnitt  des  Seitenrandes  der  horizontalen  Platte,  m.  a.  ^^^  zum 
hintern  Rande  der  Nasenmuschel  in  Bezieliung. 

Hier  schliesst  sich  am  ehesten  an : 

e)  Lac  r  y  m  a  1  e. 
(Taf.  11.  Fig.  1  u.  2.) 

Zwischen  dei'  C  r  i  s  t  a  antorbitalis,  der  lateralen  Vorderecke 
des  Frontale  und  dem  Joch  bogen  spannt  sich  am  jugendlichen 
Schädel  eine  rechteckige  Membran,  in  deren  Lateralrand  oder  ilim 
doch  nalie  bald  ein  Knochenkern  auftritt.  Dieser  wächst  medial- 
wärts.  aufwärts  und  abwärts,  erst  zu  einer  compacten  Lamelle,  aus, 
welche  im  Laufe  der  Entwicklung  einen  weitgehenden  Durehlüftungs- 
process  durchzumachen  hat,  um  schliesslich  die  definitive  Gestalt  des 
Lacr3^male  zu  erlangen. 

Diese  variirt  bedeutend,  lässt  sich  aber  stets  auf  die  eines  von 
vorn  nach  hinten  abgeplatteten  und  nach  unten  gerichteten  Keiles 
zurückführen. 

Die  Schneide  dieses  Keiles  steigt  medialwärts  stärker  oder 
schwächer  an ;  am  stärksten  bei  Didunculus,  wo  das  Lacrymale  über- 
haupt einem  Keductionsprocess  anheim  gefallen  zu  sein  scheint.  Es 
ist  hier  äusserst  zart  und  leicht  gebaut,  hängt  durch  eine  annähernd 
sagittal  gestellte  dünne  und  eingedrückte  Lamelle  mit  der  vordem 
äussern  Ecke  des  Frontale  und  durch  eine  quere  Platte  mit  der 
starken  Crista  antorbitalis,  die  eine  compensirende  Entwicklung 
zeigt,  zusammen.  Zwischen  diesen  beiden  Fixpunkten  ist  eine  Lücke 
ausgespart,  durch  welclie  der  ThiJinencanal  seinen  Weg  zur  Nasen- 
höhle findet. 

Bei  allen  andein  Tauben,  die  Riesenformen  von  ^lauritius  und 
Rodriguez  niclit  ausgeschlossen,  ist  das  Lacrymale  viel  stiirker  und 
seine  Verbindung  mit  Frontale  und  E  t  h  m  o  i  d  weit  inniger.  Von 
der  äussern  Ecke  des  Lacrvmale  bis  zum  \entralen  Ende  der  Crista 


198  Rudolf  Maktin. 

aiitorbitalis  besteht  ausser  der  Aussparung  für  den  X.  olfactorius 
keine  weitere  Lücke:  dafür  ist  der  Lateralrand  des  Lacrvmale 
ziemlich  tief  eingekerbt  und  gieht  so  eiu  Lager  für  den  Thränen- 
canal  ah. 

Die  mediale  Kante  des  Knochens  breitet  sich  dorsal  zu  einer 
kleinen  Fläche  aus.  welche  mit  der  Aussenfläche  der  Xasenmuschel 
verwächst. 

Die  vordere  ventrale  Fläche  ist  unten  rückwärts  gekrümmt,  und 
ihre  tintere  äussere  Ecke  steht  gewöhnlich  auf  dem  -lochbogen  auf: 
oft  kann  sich  auch  ein  Theil  (und  zwar  bis  zur  Hälfte)  des  lateralen 
Randes  dieser  Fläche  dem  .Tochbogen  eng  anschmiegen.  Der  Aus- 
schlag der  individuellen  Variation  ist  auch  in  dieser  Hinsicht  so 
bedeutend,  dass  es  mir  nicht  gelang,  ein  für  Art.  Gattung  oder 
Familie  charakteristisches  Verhalten  wahrzunehmen. 

Auf  der  vordem,  ventralen  Fläche  liegt  in  deren  oberer  medialer 
Ecke  ein  imeumatisches  Foramen  von  bedeutendem  Umfang.  welche> 
in  die  reiche  Spongiosa  dieses  Knochens  führt. 

Der  laterale  Kand  des  Lacrvmale  stellt  zugleich  den  untern 
Abschnitt  des  Vorderrandes  der  Augenhöhle  dar. 

f)   Frontale. 
Taf  11.  Fig.  1.  2  u.  5;  Textfig.  Q  und  1?. 

Die  Frontalia  stellen  den  grössern  Theil  des  Schädeldaches 
dar,  TN^elches  bloss  in  seiner  hintersten  uiul  vordersten  Zone  vom 
Parietale  resp.  Nasale  eingenommen  wird. 

Die  riesige  Ausdehnung  des  Frontale,  durch  welche  die  Parietalia 
so  zusagen  auf  die  Hinterfläche  des  Schädels  geschoben  werden,  scheint 
mit  der  Erweiterung  der  ( >rbita  in  Zusammenhang  zu  bringen  sein 
(natürlich  kein  si)ecifisch  columbiner.  sondern  allgemein  a vianer 
Oharakterzug). 

Die  avianen  Schädelvei'hältnisse  l)ringen  das  Frontale  mit  einer 
grossen  Anzahl  Schädelknochen,  gegenüber  welchen  Suturen  gebildet 
werden,  in  Beziehung.  Die  Nähte  sind  theilweise  ziemlich  lange 
zu  erkennen:  am  frühesten  verschwindet  die  Sutura  coronalis. 
ihr  folgt  die  Sagittalnaht  und  dann  successive  die  Suturen  gegenüber 
Nasale,  Lacrymale  und  Ethnmid.  zuletzt  endlich  die  übrigen  intra- 
orbitalen Grenzlinien. 

Von  vorn  nach  hinten  gezählt  stösst  das  Frontale  bei  den 
Tauben  mit  folgenden  Knochen  zusammen: 


l>ie  vero-1  eich  ende  Osteologie  der  Coluiiiblfurmes.  \QQ 

a)  E  X  t  r  a  0  r  b  i  t  a  1 :  P  r  a  e  in  a  x  i  1 1  a  .  Nasale.  L  a  c  r  v  ni  a  1  e . 
S  q  u  a  m  0  s  u  m ,   Parietal  e. 

/t^)  Intraorbit  al :  Etlimoid.  Orbit  osp Ueno id  und  Ali- 
.sphen  oid. 

Wir  haben  von  voin  herein  eine  Facies  parietalis  und 
eine  Facies  i  nt  raorbi  t  alis  zu  unterscheiden.  Jene  besitzt  ein 
sehr  wechselndes  Kelief.  ist  in  der  Jugend  median  als  ein  breites 
Thal  eingesenkt,  das  jedoch  mannigfaltig-e  Abstufungen  der  Tiefe 
zeigt.  Es  beginnt  auf  dem  Scheitel  des  Schädels  und  wird  rostral 
etwas  tiefer. 

Im  Laufe  der  Entwicklung  wird  dieses  Thal  durch  die  Aus- 
bildung einer  reichen  Sj)ongiosa  ausgetrieben,  die  Stirn  also  gewölbt 
(siehe  z.  B.  lig.  6.  tab.  10  bei  Strickland  u.  ]\Ielville  und  unsere 
beistehenden  Textfiguren).  Andrerseits  kann  aber  auch  diese  Spongiosa- 
entwieklung  beschränkt  werden  {Peristeridan  oder  ganz  unterbleiben ; 
in  diesem  Falle  bleibt  die  Stirn  Zeit  Lebens  median  eingesenkt.  Aber 
nicht  genug:  das  Thal  kann  mit  zunehmendem  Alter  eher  noch  ver- 
tieft, die  embryonalen  Charakterzüge  also  noch  verschärft  werden 
(am  häufigsten  bei  Phahinae  und  Geopelia;  individuelle  ^'ariation  spielt 
wohl  eine  grosse  Eolle  bezüglich  dieser  Veriiältnisse). 

Jedenfalls  betrifft  die  Hervorwolbung  der  Stirn  nur  deren 
vordem  Al)schnitt:  die  zwischen  den  Augenhöhlen  gelegene  Partie 
bleibt  immer  leicht  concav  oder  wird  höchstens  eingeebnet.  Didm 
verhält  sich  abweichend  (fig.  1,  tab.  9,  Stiuckland  u.  Melvillej. 

Bei  Didunculus  sind  die  dorsalen  Känder  der  Orbita  aufgewölbt : 
ihnen  nahe  wird  oft  ein  kleines  Foramen  angetroffen,  an  dessen 
Stelle  aber  auch  eine  Licisur  treten  kann.  Eine  solche  scheint  allen 
übrigen  Tauben  ebenfalls  zuzukommen,  wenigstens  traf  ich  das 
Foramen  anderwärts  nie  an.  Von  grosser  mori)liologischer  Be- 
deutung sind  diese  Dinge  nicht. 

Die  grösste  Breite  der  Frontales  deckt  sich  mit  der  Projection 
der  Verbindungslinie  der  beiden  hintersten  Punkte  der  beiderseitigen 
Orbitae;  die  schmälste  Stelle  liegt  zwischen  den  beiden  dorsalsten 
Punkten  der  Augenhühlenränder ;  nach  vorn  nimmt  die  Breite  wieder  zu. 

Die  Seitenränder  der  extraorbitalen  Frontales  bilden  also  im 
Wesentlichen  die  dorsale  l'mgrenzung  der  Augenhöhlen.  Der  Rostral- 
rand  läuft  von  der  Mitttdlinie  ungetahr  unter  einem  Winkel  von  45" 
Uiich  vorn  und  aussen,  stösst  also  mit  dem  Lateralrand  in  einem 
spitzen  ^^'ink(d  zusanmicn.  resp.  geht  durch  eine  scharfe  Krümmung 
in  ihn  über.     Diese  vordere  Aussenecke   des  Stirnbeins   ist  abwärts 

Zool.  Jahrb.  XX.    Ahth.  f.  Syst.  1^ 


200  RuDOi.v  Mahtin. 

gekrümmt  und  bildet  mit  dem  Nasale  eine  Bucht,  in  welche  das 
Lacrymalc  eingefügt  ist  (Taf.  11,  Fig.  1  u.  2). 

Wir  haben  bereits  gezeigt,  dass  der  hintere  Abschnitt  des 
Lateralrandes  des  Stirnbeins  durch  das  S(iuamosum  vom  hintern 
Orbitalrand  abgedrängt  wird;  er  stösst  unter  rechtem  ^^'inkel  mit 
dem  Hinterrand  des  Knochens  zusammen. 

Dieser  bildet  mit  dem  Parietale  die  jederseits  schwach  nach 
voiii  concave  C o r o n a  1  n a h t. 

Das  in tra orbitale  Frontale  stellt  das  Orbitadach  dar.  Es 
l)ildet  mit  dem  äussern  Theil  den  scharfen  Augenhöhlenrand,  mit 
dem  Squ  am  OS  um  deren  Hinterrand  abwärts  bis  zum  Processus 
postorbitalis  (siehe  Squamosum).  Des  Verhaltens  des  medialen 
Randes  wurde  oben  gedacht;  ebenfalls  des  Fortsatzes,  welcher  das 
Alisi>henuid  vom  Schuppenbein  abdrängt  und  jenes  an  der  Bil- 
dung des  Orbitarandes  hindert. 

Auf  das  specielle  Verhalten  der  die  Stirn  zusammensetzenden 
Knochen  soll  si)äter  eingegangen  werden.  m 

g)   Parietale. 

Die  Parietalzone  stellt  ein  breites  Rechteck  dar.  welches  in  der 
Lambdoidcrista  mit  dem  Occipitale.  in  der  Coronalnaht  mit  dem 
Frontale  und  seitlich  mit  dem  Hinterrand  des  Squamosum 
zusammenstösst. 

Der  Vorderrand  des  Scheitelbeins  stösst  nicht  nur  einfach  gegen 
den  caudalen  des  Stirnbeins,  sondern  überlagert  diesen;  er  ist  in 
der  Regel  etwas  Sförmig  mit  einer  breiten,  seichten  lateralen,  min- 
destens 7:;  des  Randes  beanspruchenden  Bucht  und  einer  medialen. 
Avenig  markanten  Zunge. 

Die  Sagittalnaht  verschwindet  in  dieser  Zone  frühei'  als  in  der 
frontalen. 

Von  der  Seite  her  schiebt  sich  das  Squamosum  ül)er  die  Aussen- 
tiäche  des  Lateralrandes  des  Scheitelbeins. 

Das  Parietale  bildet  den  ventralen  Streifen  der  Hinterwand 
der  Hemisphärenhöhle  und  den  obern  Theil  der  Cerebellumgruben- 
wand.     Seine  hintere  laterale  Ecke  stösst  noch  ans  Prooticum. 

Im  Schädel  einer  ausgewachsenen  Taube  lassen  sich  die  Grenzen 
des  Parietale  äusserlich  nicht  mehr  allseitig  feststellen;  ein  Sagittal- 
schnitt  jedoch  zeigt,  dass  es  durch  seine  spongiöse  Structur  gegen- 
über den  übrigen  Knochen  des  Schädeldaches  ausgezeichnet  ist.  Bei 
grossen   Formen   kann    allerdings   die   Spongiosaentwicklung  in    die 


Die  verg-leiclieucle  Osteologie  der  Culumbifurmes.  201 

Froiitalzone  übergreifen,  erreicht  aber  ihr  Maximum  stets  in  der 
medianeii  Partie  der  Parietalia.  Didufi.  bei  dem  das  o-anze  Schädel- 
dach ausserordentlich  aufgetrieben  ist.  macht  eine  Ausnahme,  wälirend 
bei  Femphaps  die  parietale  Verdickung  am  stärksten  ausgeprägt  ist. 
(Abbildungen  bei  Steickland  u.  ]\Ielville,  Owen.  Nkavton  etc.). 

Der  Tent  orialkamm  läuft  auf  der  InnenÜäche  des  Parietale 
gegen  dessen  Mittellinie  aus. 

li)   Praemaxilla. 
(Textfi--.  (t,  Q  u.  E;  Taf.  11.  Fig.  l-ö.) 

Obwohl  die  Beziehungen  der  Praemaxilla  zu  den  benachbarten 
Knochen  stets  dieselben  bleiben,  bestehen  doch  grosse  Schwankungen 
in  der  Form,  welche  einerseits  etwa  durch  Turtur  oder  Zcnaida  oder 
sonst  eine  Ferisfcra-FoYm,  andrerseits  durch  Didunculus  begrenzt 
werden;  sie  äussern  sich  hauptsächlich  in  der  relativen  Masse  und 
Form  des  Prämaxillenkiu'jjers. 

In  allen  Fällen  ist  dessen  Spitze  abwärts  gebogen ;  diese  Biegung 
i'j-reicht  ihr  Maximum  bei  Didmicnlns.  dann  bei  Colnmba  oder  Car- 
pophaga  oder  Otidiplmps.  Die  Peristeridae.  mit  Ausnahme  der  Phahmac? 
die  Ptüopodwar  und  Tnroninae  besitzen  die  am  wenigsten  ge- 
krümmten Prämaxillenkörper. 

Bezieht  man  die  Länge  des  Zwischenkieferkörpers  auf  die 
Länae  des  Processus  frontalis  des  bleichen  Knochens,  so  er- 
oel)en  sich  ebenfalls  grosse  Differenzen.     Das  Terhältniss  ist: 


I 


',  fi 

ir  (Tonra. 

]; 

,.     Carpoplta(i<i. 

%       ■ 

,.    Ptilopus.   Turfnr   überhaupt  l'erisferidde 
von  Ph(i]ist\  und  OfidipliKps. 

(mit  Ausnahme 

1 

..     Didus. 

3' 

/5           ! 

„     Columha. 

'U       : 

..     Trerou. 

% 

,.    Peso))li(i/is. 

1 

..     Vinmio. 

l',o       , 

,.    Didmicnlns. 

Schon  aus  den  Zahlen  ist  ersichtlich,  dass  die  Uebergänge  keine 
plötzlichen  sind  und  dass  Formen  von  naher  Verwandtschaft  nicht 
immer  das  gleiche  Verhältniss  zeigen.  Ich  möchte  beigefügte  Zahlen 
nicht   als   für   die   dabei   aufgeführten  Gattungen   absolut  charakte- 

14* 


202  Rudolf  ^Iaktin, 

ristisch  aufg-efasst  wissen ;  icli  bemerke  ausdrücklich,  dass  es  Mittel- 
werthe  sind,  die  nach  beiden  Eichtungen  in  einander  verschwimmen. 

Die  Structur  des  Körpers  ist  spongiös.  Seine  ventrale  Fläche 
trägt  eine  mediane  Einne.  aus  deren  Seitenwällen  die  Gaumenfort- 
sätze entspringen. 

Der  Processus  palatinus  praemaxillae  bildet  mit  dem 
Körper  zusammen  den  vordem  Theil  des  Mundhöhlendaches  in  wechseln- 
der Ausdehnung;  durchschnittlich  beträgt  der  prämaxillare  Antheil  Vs, 
schwankt  aber  von  '/^ — -/.ö?  .1^'  »ac"li  Alter,  Individuum  und  Art.  In 
der  Jugend  ist  der  Bruchtheil  stets  grösser  als  im  Alter.  Hinten 
verjüngt  sich  der  Fortsatz  zu  einer  äusserst  schlanken,  lateral  ge- 
legenen Spitze  (liegt  in  der  Verlängerung  des  Seitenrandes  des  Fort- 
satzes), welche  sich  lateral  an  den  Eand  des  Pal  at  in  um  anlegt 
und  zwischen  diesem  und  dem  M axillare  eingebettet  liegt. 

Die  Ventralfläche  des  Gaumenfortsatzes  ist  etwas  einwärts  ge- 
dreht und  trägt  oft  nahe  ihrem  lateralen  Eande  eine  schwache 
Einne,  welche  nach  vorn  etwas  deutlicher  werdend  mit  der  der  an- 
dern Seite  convergirt  und  in  das  mediane  Thal  ausmündet. 

Medial  von  dieser  Einne  und  ungefähr  neben  ihrer  Mitte  erhebt 
sich  bei  Bidunmlus  ein  starker  Hügel,  der  beim  lebenden  Thier  mit 
Hornsubstauz  überzogen  ist  und  gegen  den  hintersten  ..Zahn"  des 
Unterkiefers  arbeitet. 

Fig.  G. 

Schnabel  von  Didwicahts  jnv. 
Profilansicht.     1:1. 

Durch  die  dazwischen  greifende  Maxiila  vom  Proc.  palatinus 
getrennt,  aber  an  der  Basis  seiner  Dorsalfläche  wurzelnd,  strebt  der 
Processus  m axillaris  praemax.  schräg  aufwärts  und  nach 
hinten.  Er  legt  sich  auf  die  dorsomediale  Fläche  der  Maxiila, 
so  dass  bloss  sein  lateraler  Eand  direct  von  aussen  sichtbar  wird. 
Die  distale  Hälfte  oder  %  des  ventralen  Eandes  der  Nasenöffnung 
werden  von  diesem  Fortsatz  gebildet. 

Während  die  beiden  besprochenen  Knochenspangen  in  der  Nähe 
der  Ventralfläche  des  Prämaxillenkörpers  ihren  Ursprung  nehmen, 
entspringt  der  Proc.  frontalis  praemax.  von  dessen  dorsalem 
Umfang,  läuft  als  gleich  breit  bleibendes  Knochenband  bis  zum  Stirn- 
ansatz; seinen  weitern  Verlauf  werden  wir  weiter  unten  zu  ver- 
folgen haben. 


I 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Cohuubit'oniies.  203 

Es  ^\•ul•de  schon  hervorgehoben  ^),  dass  sich  Dichte  von  Pesophaps 
nebenbei  anch  dadnrcli  nnterscheide,  dass  bei  jenem  Pruc.  fron- 
talis und  palatinus  praemax.  einen  nach  vorn  parallelen,  bei 
diesem  convergirenden  Verlauf  zeigen.  Dieses  Verhalten  kann  zur 
Unterscheidung  der  beiden  Eiesentauben  unter  sich  dienlich  sein, 
nicht  aber  lassen  sich  Bidns  und  Dichtncnhts  oder  Fc^oji/iaps  und  die 
übrigen  Tauben  damit  aus  einander  halten. 

]\Ian  könnte  gleich  hier  auf  die  Schnabelform  als  solche  ein- 
treten, doch  ziehe  ich  vor,  sie  auf  den  Schluss  zu  versi)aren  und  sie 
im  Zusammenhange  mit  dem  ganzen  Schädel  zu  behandeln. 

i)  Maxi  IIa. 
(Textftg.  G,  Q  u.  R.) 

Die  Maxi  Ha  erlangt,  da  sie  zum  grössten  Theil  in  andern 
Knochen  eingebettet  ist.  nui"  geringe  morphologische  Bedeutung. 

Dorsal  liegen  ihr  Nasale  und  P  r  o  c.  m  a  x  i  1 1  a  r  i  s  p  r  a  e  m  a  x. 
auf.  ventral  wird  sie  von  Proc.  i)alatinus  praemax.  und 
Palati num  eingedeckt.  Da  zwischen  diesen  Knochen  bald  eine 
weitgehende  Verschmelzung  eintritt,  so  ist  oft  nicht  mehr  möglich, 
die  Umrisse  des  Oberkieferknochens  genau  zu  erkennen. 

Den  Beziehungen  zu  benachbarten  Knochen  entsprechend  haben 
wir  zu  unterscheiden: 

1.  Proc.  praem axillaris 

2.  Proc.  maxillopalatinus 
o.  Pro  c.  n  a  s  a  1  i  s 

4.  Pioc.  zygomaticus. 

Xo.  1  dürfte  füglich  als  Körper  der  Maxiila  betrachtet  werden, 
dessen  hinteres  Ende  durch  das  oft  als  besonderer  Knochen  be- 
handelte (Pychapt)  Maxillopalatinum  dargestellt  wird. 

Der  Körper  stellt  eine  dreikantige  Pyramide  vor,  mit  einer  xen- 
tralen,  einer  lateralen,  schwach  nach  oben  und  einer  medialen,  dorsal 
gewendeten  Fläche;  im  hintern  ^  ^  beginnt  eine  Compression  nach 
der  letztgenannten  Fläche,  wodurch  die  äussern  und  ventralen 
Mächen  in  eine  einzige  gewölbte  ventrolaterale  Fläche  vereinigt 
weiden.  Dieser  hinterste  Theil  entspricht  dem  Maxillopala- 
tinum.  die  Spitze  der  Pyramide  dem  Proc.  praem  axillaris. 

t)  Nkwton  ,  A..  Osteology  of  the  Solitaire,  in:  Plül.  Trans.  Roy. 
Soc,   London,    18ö9. 


204  Rl'doi,f  Martin, 

Die  ventrale  Fläche  liegt  dem  Proc.  palatiiius  des  Zwisclien- 
kiefers  und  dem  vordersten  Theile  des  Palatinnm  auf,  die  medio- 
dorsale verbindet  sich  mit  dem  Maxillarfortsatz  der  Praemaxilla, 
während  die  Lateralfläche  zunächst  frei  bleibt. 

Die  Kante  zwischen  der  untern  und  inneru  Fläche  der  Pyramide, 
resp.  zwischen  der  äussern  und  innern  des  Maxillo  palatinnm  bleibt  stets 
frei  und  läuft  neben  dem  Medialrand  des  Gaumenbeins  in  paralleler 
Eichtung  nach  hinten. 

Der  Proc.  nasalis  ist  eio-entlich  auch  nichts  Anderes  als  die 
dorsale  Kante  der  Pyramide,  die  nach  hinten  und  oben  in  einer 
plumpen  Ecke  vorspringt.  Auf  diese  Kante  kommt  der  Maxillar- 
fortsatz des  Nasale  zu  liegen,  der  mit  dem  entsprechenden  Fortsatz 
der  Praemaxilla  zusammenstösst  (dabei  liegt  dieser  dorsal  und 
medial,  jener  ventral  und  lateral). 

Von  ungefähr  der  Mitte  der  Dorsalkante  der  Pyramide  zweigt 
lateral  ein  Grat  ab.  gegen  den  der  Jochbogen  anstemmt ;  es  ist  dies 
der  Proc.  zygomaticus  des  Oberkieferknochens.  Zwischen  ihm 
und  dem  Nasalfortsatz  liegt  ein  grosses  F  o  r  a  m  e  n  p  n  e  u  m  a  t  i  c  u  m. 

Der  Processus  m  a  x  i  1 1  o  p  a  1  a  t  i  n  u  s  ist  eine  annähernd  senk- 
recht gestellte,  aufgetriebene  Platte  mit  gerundeten  Rändern.  Hinten 
läuft  er  spitz  zu,  ohne  jedoch  schlank  zu  sein;  oft  ist  er  auch  in 
einer  von  hinten  oben  nach  vorn  unten  verlaufenden  Linie  abgestutzt, 
bald  ist  er  länger,  bald  kürzer,  bald  flacher,  bald  aufgetriebener, 
bald  mehr,  bald  weniger  unter  dem  Palatinum  versteckt.  Die 
Spongiosa  des  hintern  Theiles  des  Maxillare  kann  so  weit  gedeihen, 
dass  sich  die  beiderseitigen  Knochen  median  fast  berühren  und  kaum 
einem  Papier  mehr  Durchlass  gewähren  {Carpopliaga  oceanica,  Co- 
lumba  picaBiiro,  Col.  alhiUneata  und  Col.  aquafrix).  Obwohl  diese 
Schwellung  der  Maxillopalatina  auf  individuelle  Variation  zurück- 
zuführen ist,  zeigt  sie  doch,  wie  klein  der  Schritt  von  Schizognathie 
zu  Desmognathie  ist  und  ferner,  dass  —  wenigstens  im  vorliegenden 
Falle  —  die  Neigung  zu  dieser  vollkommen  secundärer  Natur  ist. 

Das  Jugale  und  Quadratojugale  verschmelzen  schon  frühe 
unter  sich  und  mit  dem  Maxillare;  sie  bedürfen  keiner  weitern  Er- 
läuterung-. 


Die  vergleichende  Osteoloeie  der  ('olninbiformes.  205 


k)  Nasale. 
(Textlig.  G:  Tat".  11.  Fig.  5.) 

Alle  Tauben  sind  scliizorhinal. 

Am  Nasale  wie  am  Maxillare  unterscheidet  die  Nomenclatur  so 
viele  Fortsätze,  dass  kein  eigentliches  Nasale  mehr  übrig-  bleibt. 

Die  Gestalt  des  Knochens  ist  ungefähr  die  eines  rechtwinkligen 
Dreiecks,  dessen  H3'potenuse  nach  aussen,  dessen  längere  Kathete 
gegen  die  gleiche  Seite  des  Gegenstückes  und  dessen  kürzeste  Seite 
gegen  das  Nasenloch  gewendet  ist. 

Die  äussere  Seite  verschmilzt  in  einer  Sutur  mit  dem  Frontale, 
die  mediale  mit  dem  Nasale  der  andern  Schädelhälfte.  An  der 
kürzern  Kathete  wurzeln  2  Fortsätze:  medial  der  Processus 
praem axillaris,  lateral  der  Processus  maxillaris. 

Der  Processus  praem  axillaris  ist  schlank,  legt  sich  zu- 
nächst, sich  stets  verjüngend,  hart  an  den  lateralen  Rand  des  Proc. 
frontalis  des  Zwisclienkiefers,  verschwindet  aber  nachher  ganz 
unter  demselben.  Seine  Basis,  die  beim  Jungen  ununterbrochen  in 
die  Aussenfläche  des  Haupttheiles  des  Knochens  übergeht,  wird  im 
Alter,  mit  Ausnahme  von  Carpophaga  und  Goura.  ev.  Otidiphaps,  von 
dieser  faltenartig  überwachsen,  so  dass  der  Fortsatz  unter  das  Nasale 
einzudringen  scheint. 

Der  Proc.  maxillaris  beginnt  sich  bereits  mehr  proximal 
auszugliedern  und  greift  medial  mit  seiner  Basis  über  die  des  Proc. 
praem  a  X  ill  aris,  sodass  die  Schizorhinie  zu  Stande  kommt.  Be- 
sonders deutlich  ist  dies  bei  allen  jungen  Tauben,  und  persistirt  bei 
Carpophaga  etc..  wo  die  Stirn  nicht  aufgetrieben  wird  und  desshalb 
die  Knochenspange  des  Fortsatzes  im  Relief  deutlich  hervortritt. 
Nicht  so  bei  den  übrigen  Formen,  bei  welchen  durch  die  Schwellung 
der  Stirnpartie  auch  der  Ansatz  des  Maxillartbrtsatzes  überwachsen 
wird. 

Der  Lateralrand  des  Maxillarfortsatzes  bildet  mit  dem  Fron- 
tale die  schon  erwähnte  Bucht  zur  Aufiiahme  des  L  a  c  r  y  m  a  1  e. 
Der  Haupttheil  des  Nasenbeins,  der  Processus  frontalis,  eben 
die  dreieckige  Platte,  stellt  die  Oberfläche  der  vordem  Stirnpartie 
dar.  Wir  werden  im  Abschnitte,  der  der  Betrachtung  des  Schädels 
im  Zusammenhange  gewidmet  ist,  sehen,  dass  die  Verhältnisse  com- 
plicirter  liegen,  als  äusserlich  zu  erkennen  ist. 


206  Rudolf  Martin, 

Es  bleiben  uns  nun  noch  die  loser  mit  dem  Schädel  verbundenen 
Elemente  zur  Besprechung  übrig:  Pterj^goid.  Palatinum  und 
Quad  rat  um. 

1)  Pter y g-oideum. 
(Taf.  11,  Fig.  3  u.  4.) 

Verfolgen  wir  eine  Taube  mit  kräftig  entwickeltem  P  t  e  r  3'^  g  o  i  d 
während  des  Wachsthums,  so  treten  uns  alle  möglichen  Formen, 
welche  dieser  Knochen  innerhalb  der  Ordnung  der  Tauben  annehmen 
kann,  entgegen.     Wir  wählen  am  besten  Didmiculus. 

a]  Jugendstadium.  Die  Form  ist  bereits  eine  schwach 
Sförmige.  Andern  Tauben,  wie  z.  B.  den  Treronidae,  kommt  ein  flach 
--^förmiges  Flügelbein  zu:  die  gleiche  Gestalt  erhält  es  bei  solchen, 
welche  den  Knochen  zu  reduciren  beginnen:  hier  bleibt  es  Zeit 
Lebens  ein  rundlicher  Knochenstab,  dem  wir  bei  andern  Tauben, 
d.  h.  solchen  mit  kräftig  entwickeltem  Pterj-goid,  bloss  in  der  frühesten 
Jugend  begegnen.  In  Reduction  befindet  es  sich  bei  Feristerklae  (bei 
Phabinae  noch  weniger,  desshalb  auch  noch  nicht  gerundet),  Colmnha 
rnfina.  Col.  alhilineata,  Edopistes,  Goura,  Bidiis  und  Pesophaps.  Hand 
in  Hand  mit  der  Reduction  des  Knochens  geht  seine  Streckung, 
welche  bei  Bidus  und  Pesophaps  ihr  Maximum  erreicht.  Natürlich 
verlangt  auch  hier  die  individuelle  Variation  ihr  Recht  und  verwischt 
jede  Grenze,  welche  Typen  aus  einander  halten  könnte. 

Bei  Tauben  mit  starkem  Pterygoid  bleibt  die  Modellirung  nicht 
auf  dieser  Stufe  stehen:  es  stellt  sich  eine  Abplattung  von  oben  nach 
unten  ein,  der  Knochen  ward  lamellenförmig.  Die  Lamelle  liegt  zu- 
nächst fast  horizontal,  die  äussere,  laterale  Kante  etwas  tiefer  als 
die  innere:  ungefähr  in  der  Mitte  des  Knochens  sitzt  der  medialen 
Kante  mit  breiter  Basis  der  Processus  basisphenoides  auf. 
der  mit  dem  Proc.  basipterygoideus  des  Sphenoids  arti- 
culirt.  Caudal  von  diesem  Fortsatz  ist  das  Pter3^goid  im  Sinne  einer 
rechtsgängigen  (das  linke)  resp.  linksgängigen  (das  rechte)  Schraube 
gedreht,  die  laterale  Kante  wird  so  zur  ventralen,  die  mediale  zur 
dorsalen:  die  ventrale  Fläche  wird  zur  medialen,  die  dorsale  zur 
lateralen. 

Vorn  springt  die  laterale  Kante  in  einer  Ecke  aus,  ist  scharf, 
geht  aber  nach  hinten,  indem  sie  allmählich  ventralwärts  zieht, 
in  eine  gerundete  über  und  endet  in  der  ventralen  Ecke  der  caudalen 
Gelenkfläche  für  das  Quad  rat  um. 

Die  mediale  Kante  ist  weniger  scharf;  sie  spaltet  sich  vor  dem 


I)ie  vergleichende  Osteolügie  der  ('ulnml)ifVpniies.  207 

Basisplienoidfortsatz.  indem  sie  zum  Tlieil  in  dessen  sanft  ansteigen- 
den Vorderrand,  zum  Tlieil  in  die  dorsale  Kante  tortgesetzt  ist, 
welche  in  der  dorsalen  Ecke  der  genannten  Gelenkfiäclie  endet. 

Der  steil  abfallende  Hinterrand  des  Basisplienoidfortsatzes  ver- 
läuft ebenfalls  gegen  den  Rand  dieser  Gelenkfläche. 

Auf  dieser  Stufe  bleiben  mit  Ausnahme  von  Didintndns  sänimt- 
liche  Tauben  stehen. 

ß)  Adultes  Stadium.  Die  laterale  Kante  des  Knochens  wächst 
in  ihrer  Vorderhälfte  bei  IHdnuculus  zu  einer  dünnen  Lanu-lle  aus 
und  dreht  sich  zugleich  stark  abwärts;  so  wird  tiiatsächlich  ein 
Flügel  gebildet,  der  mit  dem  starken  Proc.  basisphenoid  es  eine 
Rinne  l)ildet:  Avir  kftnnen  also  nicht  mehr  gut  von  einer  lateralen 
und  medialen  Kante  sprechen,  sondern  eher  von  einer  dorsomedialen 
Kante  und  einem  ventrolateralen  Flügel.  Das  Stück  zwischen  Basi- 
sphenoidtuitsatz  und  Articulationstiäche  für  Quadratum  bleibt  rund- 
lich, stabförmig.  schlank  und  breitet  sich  nur  gegen  die  ( Jelenkdäche 
conisch  aus. 

Ein  H  e  m  i  p  t  e  r  y  g o  i  d  konnte  ich,  wo  mir  junge  Schädel  zu- 
gänglich waren,  nachweisen.  So  bei  Didimculns,  Ptilopus  jamhit. 
Columha  domestica  und  Pczophaps. 

Seine  Abspaltung  vom  Pterygoid  geschieht  senkrecht  zur  Axe 
dieses  Knochens;  es  legt  sich  von  innen  und  oben  auf  das  Palati- 
num  und  vermittelt  einzig  dessen  Verbindung  mit  dem  Vom  er 
(sofern  dieses  vorhanden). 

Die  Articulation  zwischen  Palatinum  und  Pterygoid  Avird 
jedoch  nicht  allein  durch  das  intrapterj^goidale  Pseudogelenk  her- 
gestellt, sondern  ihre  untere  Partie  ist  ein  echtes  Pterygo- 
pal  a  tin  gelenk. 

Endlich  bezüglich  des  Winkels,  den  die  beiderseitigen  Ptery- 
jroide  bilden,  sei  darauf  hingewiesen,  dass  er  nicht  nur  von  Art  zu 
Art  Schwankungen  unterworfen  ist,  sondern  dass  der  Ausschlag 
zwischen  Jung  und  Alt  jene  sogai"  noch  übertrifft. 

Bei  Diduuculus  wurden  am  jungen  Schädel  1)3",  am  ausgewachsenen 
<)7" — 68"  gemessen;  der  Winkel  nimmt  also  mit  dem  Alter  zu;  für 
Goura  beträgt  er  ca.  70",  für  Geophaps'^)  ca.  65",  Crocopus  SrV'^), 
('(irpnphagu  ruhricera  92".  Carp.  oceanica  86",  Treron  rcrnavs  96"  etc. 

1)  Nacli  Stkickl.vm»  u.  Mi;lvili,k,  tab.    10.  ilg.  3  c  und  .")  c. 


20,S  RrixiLF   Martin. 

Zuletzt  imiss  noch  darauf  hingewiesen  werden,  dass  sich  die 
beiderseitigen  Pteryg-oide  nie  berühren ;  höchstens  können  die  mit  den 
Palatina  verschmolzenen  Hemipterygoide  in  Contact  kommen,  aber 
auch  nur  dann,  wenn  vom  Vomer  jede  Spur  verloren  gegangen  ist. 
Auch  hier  macht  es  die  individuelle  Variation  überflüssig  oder  un- 
möglich, die  Abstufungen  aus  einander  zu  halten. 

m)  P  a  1  a  t  i  n  u  m. 
(Taf.  11,  Fig.  3.  4  u.  6.) 

Kinzig  BichoicuJus  weicht  in  der  Gestalt  dieses  Knochens  von 
den  übrigen  Tauben  ab,  doch  ist  ein  Zusammenhang  mit  ihnen  nicht 
zu  verkennen. 

Als  Ausgangsform  kann  uns  irgend  eine  Taube  dienen,  z.  B. 
Carpophaga  ruhriccra. 

Das  Palatinum  ist  eine  dünne,  horizontale,  nach  vorn  allmählich 
schmäler,  aber  dafür  dicker  werdende  Platte.  Die  Dorsaltiäclie  des 
vordem  Endes  verwächst,  wie  schon  dargestellt  wurde,  mit  dem 
Maxillare  und  der  Prae  maxi  IIa.  das  hintere  Ende,  welches 
das  Hemipterygoid  aufgenommen  hat,  tritt  zum  Vomer  resj). 
zum  R  0  s  t  r  u  m  s  p  h  e  n  o  i  d  a  1  e  in  Beziehung. 

Der  mediale  Rand  des  ganzen  Knochens  ist  verstärkt  und  zeigt 
hinten  einige  Complication.  Ungefähr  in  der  Mitte  ist  er  ein- 
gekerbt und  spaltet  sich,  indem  ein  dorsaler,  etwas  gerundeter  Ast 
unter  dem  Ansatz  der  Crista  antorbitalis  des  Mesethmoid  an  das 
Sphenoidrostrum  stösst,  während  der  ventrale  Ast  in  einer  dünnen 
Lamelle  plötzlich  wieder  vorspringt;  der  Vorderrand  derselben  ist 
concav  und  lässt  so  die  Incisur  um  so  tiefer  erscheinen. 

Diese  Lamelle  kann  bedeutend  auswachsen,  ztörmig  aufgefaltet 
werden  und  ihre  distale  vordere  Ecke  in  einen  langen,  vorwärts  imd 
etwas  abwäi'ts-einwärts  gerichteten  Griffel  ausgezogen  sein  (nament- 
lich Gonra:  auch  Cohmiba,  Caloenas.  Carpopliaga).  Vom  Vorderrand 
der  Lamelle  ausgehend  spannt  sich  eine  Membran  über  die  Bucht, 
die  sich  andrerseits  mit  schrägem  Faserverlauf  an  den  Medialrand 
der  vordem  Gaumenbeinhälfte  anheftet. 

Nach  hinten  fällt  die  Lamelle  allmählich  ab  und  tritt,  wenn  sie 
das  hintere  Ende  des  Palatinum  erreicht  hat,  in  das  Niveau  seiner 
Ventralfläche  zurück. 

Zwischen  den  beiden  Aesten  der  Medialkante  liegt  eine  im  Um- 
riss  dreieckige  Fläche,  welche,  etwas  concav,  nach  hinten  oben  durch 


r)ie  veigleichende  Osteologie  der  Coluiiibitnrmes.  209 

die  Yerbindung-slinie  der  Enden  der  beiden  Aeste  abg-eschlossen  wird. 
Diese  Linie  wird  dnrcli  die  Kaute  zwisclien  Hemipterygoid  und 
Palatinum  dargestellt,  denn  jenes  schiebt  sich  als  Platte  zwischen 
dieses  und  das  Eostrum  sphenoidale  resp.  Vomer  ein. 

Die  laterale  Zone  des  Gaumenbeins  bleibt  einfach,  kann  aber 
zu  einer  sehr  breiten,  papierdünnen  Platte  ausAvachsen,  mit  ge- 
rundeter oder  scharfer  hinterer  Ecke,  kann  aber  auch  zusammen 
schrumpfen  (vgl.  Taf.  11,  Fi^.  4  u.  6). 

Aus  dieser  generellen  Form  lässt  sich  das  Palatinum  von  Di- 
duncuhis  dadurch  ableiten,  dass  wir  uns  die  ganze  laterale  Partie, 
sowie  auch  die  mediale,  ventrale  Lamelle  reducirt  denken.  Der 
Querschnitt  des  Knochens  wird  dadurch  dreieckig:  seine  Kanten 
sind  gerundet.  Die  .Structur  des  Knochens  ändert  ebenfalls  in  ge- 
ringem Maassc.  indem  sie  in  eine  mehr  spongiöse  übergeht. 

Dieser  Reductionsprocess,  wenn  man  ihn  als  solchen  bezeichnen 
darf,  wird  bereits  von  den  Trcroninac  eingeleitet  und  war  von  Didns 
und  Pezophaps  aufgenommen  worden;  7>«?/^9  erweist  sich  darin  pro- 
gressiver als  Pesopliaps. 

n)  Vomer. 

Sicher  nachweisen  konnte  ich  den  Vomer  nur  bei  Didimculiis, 
obwohl  anzunehmen  ist,  dass  seine  eventuelle  Entwicklung  noch 
innerhalb  des  Rahmens  der  individuellen  Variation,  liegt.  Möglicher 
^^'eise  werden  seine  letzten  ßeste  von  den  Hemipterygoiden  auf- 
genommen. 

Bei  Dkhiucidus  ist  der  Vomer  der  Knochen,  der  am  spätesten 
ossificirt.  Er  stellt  eine  längliche  mediane  Knochenplatte  dar  von 
unregelmässiger,  am  ehesten  als  dreieckig  zu  bezeichnender  (Testalt, 
deren  vordere,  treie  Spitze  bis  auf  die  Höhe  der  hintern  Enden  der 
M  a  X i  1 1 0 p  a  1  a t i n  a  reicht  (Fig.  Rj. 

Zwischen  den  hintern  Gaumenbeinenden  ist  diese  Platte  auf- 
getrieben und  von  schw'ammigem  Bau.  Ihre  dorsale  Kante  schmiegt 
sich  dem  Sphenoidrostrum  an. 

o)  0  s   q  u  a  d  r  a  t  u  m. 
(Taf.  11,  Fig.  1-4.) 

Zui'  Form  des  proximalen  Gelenktheils  habe  ich  nichts  W  eiteres 
beizufügen.  Zwischen  beiden  Gelenkköpfen  liegt  ein  pneumatisches 
Foramen. 


210  RrnöLK  Martin, 

Der  Knochen  ersclieint  gedreht  nnd  z^ya^  die  Innenkante  des 
Innern  Gelenkkopfes  nach  vorn;  sie  wird  zum  Oberrand  des  Pro- 
cessus orbitalis.  Der  Lateralrand  des  lateralen  Grelenkkopfes 
läuft  direct  abwärts  gegen  den  Ansatz  des  Proc.  jugalis,  der  bei 
IHdunculus  bedeutende  Stärke  erreicht.  Ueberliaupt  ist  das  ganze 
Quadratum  bei  dieser  Samoaform  gekräftigt  und  contrastirt  schon 
hierin  bedeutend  gegenüber  dem  Quadratum  anderer  Tauben. 

Als  viel  markanter  ist  die  Form  der  Gelenkfläche  für  die 
j\Iandibel  hervorzuheben. 

Bei  allen  normalen  Tauben.  Bidus  und  Pesophaps  nicht  aus- 
geschlossen, stellt  diese  Gelenkfläche  einen  quer  gestellten  Grat  mit 
einem  höhern  medialen  und  einem  niedrigem  lateralen  Gipfel  \w. 
an  die  Lateralfläche  des  letztern  ist  der  Proc.  jugalis  mit  breiter 
Basis  angeschlossen. 

Bei  Diduncnlus  treffen  wir  an  Stelle  dieses  Grates  eine  lange 
von  vorn  nach  hinten  gestreckte  Bahn;  ihre  Eichtung  convergirt 
nach  vorn  unter  ca.  30^'  mit  der  Mittellinie.  Ihrem  medialen  Eande 
läuft  ein  stärkerer  runder  Wulst,  dem  lateralen  eine  niedrigere 
Kante  entlang,  welche  den  beiden  Gipfeln  des  Gelenkgrates  der 
übrigen  Tauben  entsprechen.  Das  Verhältniss  von  Länge  und  Breite 
der  gesammten  Gelenkfläche  beträgt  1,5. 

p)  Mandibula. 
(Taf.  11.  Fig.  Ib— 4  b.) 

Hier  können  wir  uns  kurz  fassen.  Der  Oberrand  des  Unter- 
schnabels ist  dem  Unterrand  des  Oberschnabels  genau  angei)asst. 
Auf  die  sog.  ..Zähne",  welche  sich  bei  Diduncidus  vorfinden,  brauche 
ich  nicht  zurückzukommen,  da  sie  zur  Genüge  bekannt  sind. 

Es  ist  fast  überflüssig  zu  sagen,  dass  die  Gelenkfläche  für  das 
Q  u  a  d  r  a  t  u  m  bei  Diduncidus  umgestaltet  worden  ist ;  sie  stellt  sich 
in  Form  einer  von  vorn  nach  hinten  auswärts  verlaufenden  Einne 
dar.  Im  engen  Zusammenhange  damit  steht  die  Abweichung  in  der 
Form  des  hintern  Endes  des  Mandibelastes,  das  einfach  lamellen- 
förmig  als  die  directe  Fortsetzung  der  vordem  Mandibelwand,  deren 
medialer  Fläche  der  Gelenkfortsatz  anklebt,  aufzufassen  ist.  Bei 
Didus  stösst  ebenfalls  lateral  eine  Lamelle  nach  hinten,  nicht  aber 
bei  andern  Formen,  bei  denen  die  ]\randibel  gerade  oder  doch  nur 
sehr  wenig  schräg  nach  unten  und  vorn  abgestutzt  ist  und  durch 
eine  dreieckige  Fläche  abgeschlossen  wird  (vgl.  flg.  1.  2,  3  u.  4,  tab.  9; 


Die  vers;'leiclieiiile  Osteologie  fler  Cülumbiformes.  211 

flg.  la— 5a,  tab.  10,  Stkickland  u.  Melville);  diese  Endfläche  ist 
auch  bei  Bidns  zu  erkennen,  nicht  aber  bei  Didunculus. 

Hervorzuheben  ist  nocli,  dass  die  Elemente  der  Mandibel  bei 
g-rössern  Formen,  vor  Allem  bei  Didus  und  Pesophaps,  sehr  spät  und 
nur  sehr  unvollkommen  verschmelzen,  ja  bei  Dkhis  überhaupt  wohl 
kaum,  da  die  Stücke  stets  getrennt  aufgefunden  werden:  weiter 
scheint  die  Verwachsung  bei  Pezophaps  gediehen  zu  sein. 

Die  Länge  der  Symphyse  wechselt  mit  der  Schnabelfuiiu  und 
ist  bei  Didio/culus  relativ  am  längsten,  bei  Ptilopns  und  Pcrisferidac 
(mit  Ausnahme  xon  Phaps)  am  kürzesten.  Zunächst  Didunculus  stehen 
die  T)rroiii)K(f.  dann  die  Columhidac  und  die  Phahinae;  Carpophagwae. 
Goura  und  ()iUUpl«ips  liegen  den  Piilopodinae  etc.  näher. 

1.    Der  Schädel  als  Ganzes. 

Nach  dieser  vorangegangenen  Detailbeschreibung  habe  ich  noch 
einige  A\'orte  über  den  Schädel  im  Zusammenhange  hinzuzufügen. 

Wie  Avir  gesehen  haben,  ergeben  sich  aus  den  Einzelheiten  der 
verschiedenen  Knochen  keine  oder  doch  nur  wenige  Anhaltspunkte 
zur  Beurth eilung  einer  Form.  Ich  habe  bis  jetzt  bloss  den  wich- 
tigsten Charakterzug  hervorgehoben,  die  Fossa  temporal is,  auf 
welche  ich  kaum  zurückzukommen  habe. 

In  zweiter  Linie  müssen  wir  dem  Schnabel  unsere  Aufmerk- 
samkeit schenken,  vor  Allem  seinei-  Länge.  Stärke  und  Stellung 
gegenüber  dem  Schädel. 

]\ran  kann  da  mindestens  6  Grundformen  unterscheiden,  die  uns 
durch  folgende  Gattungen  und  Familien  gegeben  sind: 

1.  Carpopliaga  mit  Goura  und  Oiidiphaps. 

2.  Treron  mit  Didus  und  Pezophaps. 
8.    Columha. 

4.  Pcristeridac  und  Ptilopodinae. 

5.  Phaps. 

6.  Didunculus. 

Besser  als  eine  lange  Beschreibung  führen  die  beigefügten  Text- 
figuren (s.  folgende  Seite)  das  Gesagte  vor  Augen. 

Es  geht  daraus  so  viel  hervor,  dass  Didunculus,  was  Schnabel- 
forni  betrifft,  trotz  der  Riesentauben,  am  weitesten  vom  generellen 
'Jaubentypus  abweicht.  —  Die  grosse  Aehnlichkeit  zwischen  Goura, 
Carpophatja  und  Ofidiphaps  ist  nicht  zu  verkennen,  ebenso  wenig  die 
Gleichheit    des   Baui)lanes    bei   Treroninac   und   den   beiden   Riesen- 


212 


EüDOLi'  Martin. 


tauben.    Edopistcs  schliesst   sich  an  die  Cohimbidae  an,  obwohl  sein 
Schnabel  wenig:  schlanker  ist. 

Feristcridac  (nach  Ausscheidung-  der  Phabinae)  und  Ptilopodmac 
stehen  zweifellos  einander  nahe;  Fliai^s  lässt  sich  von  hier  aus  ab- 
leiten, indem  man  sich  den  Peristeridenschnal)el  stark  verkürzt,  dafür 
aber  verstärkt  denkt. 


Fiff.  .7. 


Fiff.  H. 


I 


Fi«-.  K. 


Fis".  L. 


Fia-.  M. 


Fig.  N. 


Fio-.  0. 


Fiir.  P. 


Schuabelprof  iL     1  :  1. 

Fig.  H.  Didunculus  strigirostris.     Fig.  J.  Carpojjhaga  ocecmica.    Fig.  K.  OtuUphaps 

nobilis.     Fig.    L.    Goura    coronata.     Fig.    M.    Vinago    calva..     Fig.   N.    Colnntha 

pdhimhd.     Fig.  0.   Tiirtiir  furliir.     Fig.  P.  Phaps  lophofcs. 

Typisch  ist  die  Stellung-  des  Schnabels  für  Carpophaga,  Goura 
und  Otidiphaps,  auch  ist  die  Art,  wie  er  am  Schädel  ansetzt,  sehr 
charakteristisch.  Die  Dorsalfläche  des  Schnabels  geht  fast  direct 
in  die  Stirnfläche  über,  ein  Verhalten,  das  theilweise  auf  die  grosse 


Itie  vfi-oleicliencle  Osteoloffic  der  (\ilnmbifornie> 


2ia 


verticale  Höhe  des  Schnabels  an  seiner  Basis,  theihveise  auf  die 
Flachlieit  der  Stirn  und  auf  die  Abwärtsknickung-  des  ganzen 
Schnabels  zurückzufüliren  ist.  Am  ausg-ei»rägtesten  sind  diese  ^'er- 
hältnisse  bei  Carpophaaa. 

Bei  den  übrigen  Tauben  liegt  die  (Tuuinentläche  mit  der  Scliädel- 
basis  annähernd  in  derselben  horizontalen  Ebene. 

Bevor  ich  noch  speciell  auf  die  Form  der  Stirn  zu  sprechen 
komme,  sei  noch  auf  die  gegenseitigen  Beziehungen  tler  vordem 
Schä(U^ldachknochen  und  ihre  nachmalige  rmgestaltung-  hingewiesen. 


Fio-,  Q. 


Fiy.  H. 


Fiü'.  Q.  Sai;ittals(liiiitT    dureh    dvu    voriU-ni   Tlieil    des    Schädels    des   jniiii-eii 

Dididifiilitf;.  1:1. 

Fig.  K.  Saiiittalsrlniirr  dni'eli  den  vnnleni  Tlieil  des  Seliädels  des  erwacliseueu 

DidiDicuhts.  1:1. 


Der  Vordenand  des  Frontale  ist  durch  spongiösen  Bau  etwas 
verdickt  und  liegt  dem  hintern  Theil  der  horizontalen  Ethmoid- 
platte  auf.  Von  vorn  wächst  der  Processus  frontalis  prae- 
maxillae  ebenfalls  über  diesen  Knochen  empor  und  stösst  an  den 
Stirnbeinrand,  mit  welcliem  er  verwächst.  Diese  Verhältnisse  sind 
bloss  in  einem  Sagittalschnitt  zu  erkennen,  da  sie  von  aussen  durch 
eine  dritte,  oberflächliche  Knochenlage,  das  Nasale,  eingedeckt 
werden.  Dieses  wächst  gewaltig  aus,  verwächst  mit  dem  der  andern 
Seite  bis  zur  Schnabelbasis  und  legt  sich  caudal  über  die  Naht 
zwischen  Praemaxilla  und  Frontale,  so  dass  zwischen  diesem  und  dem 
Nasale  weiter  caudal  eine  oberflächliche  Sutur  gebildet  wird,  die 
dem  V(n'derrand  des  Stiinbeins  parallel  verläuft.  Dieser  Bau  ist  an 
Jungen  Schädeln  deutlich  zu  erkennen,  wird  aber  im  Veidaufe  der 
Entwicklung  verwischt. 

Jede  der  di-ei  Lagen,  vor  Allem  aber  das  Nasale  bei  Dühni- 
culiis.  das  P^thmoid  bei  den  übrigen  Tauben,  bildet  reichliches 
spongiöses  Gewebe  aus,  die  drei  ursprünglich  compacten  Platten  ver- 
lici'cn    ihre  Selbständidvcit    in    der    allgemeinen    Knodienmasse.      In 


214  EuDOLF  Martin, 

einigen  Fällen  lässt  sich  der  Proc.  frontalis  piaemaxillae 
nuf-li  eine  Strecke  weit  verfolgen. 

Die  Durchlüftnng  greift  auch  in  das  Mesethmoid  und  in  die 
Crista  antorbitalis  über;  DklunaUns  bleibt  hierin  am  weitesten 
zurück  (vgl.  unsere  Textfiguren  sowie  fig.  6.  tab.  10,  Strickland  u. 
Melville). 

So  kommt  stets  eine  Auftreibung  der  Stirn  zu  Stande,  welche 
ihr  ]\Iaximum  bei  den  Formen  erreicht,  bei  denen  das  Nasale  in 
hohem  Grade  pneumatisch  ist,  also  bei  Diduncuhis,  Treron  und  ge- 
wissen Zuchtrassen  (z.  B.  beim  sog.  „ägyptischen  Möhrchen"). 

Carpophaga,  Gonra  und  Otkliphaps  bewahren  eine  sehr  flache 
Stirn,  obschon  die  Durchlüftung  bei  Carpophaga  (die  mir  allein  bei 
dieser  Untersuchung  zugänglich  war),  wenigstens  in  den  tiefern 
Schichten,  eine  weitgehende  ist. 

Nicht  zu  verwechseln  mit  der  Auftreibung  der  Stirn  ist  deren 
Steilheit,  wie  sie  bei  den  meisten  Perisfcriäae  angetroffen  wird,  trotz- 
dem oft  noch  ein  tiefes  medianes  Thal  Zeit  Lebens  bestehen  bleibt, 
ein  Zeichen  der  geringen  Durchlüftung. 

Dieser  Umstand  ist  mit  der  Schädelform  im  Allgemeinen  in  Zu- 
sammenhang zu  bringen,  denn  es  ist  eine  Thatsache,  dass  die 
Perisferidae  stets  einen  hohen,  aber  kurzen  Schädel  besitzen  und 
darin  das  eine  Extrem  vertreten,  während  die  Carpophaginae  mit 
ihren  Nebenformen  einen  langen  und  stark  depressen  Kopf  auf- 
weisen und  somit  das  andei-e  Extrem  darstellen.  Die  Treroninae 
stehen  den  Peristeriden  am  nächsten,  ihnen  schliessen  sich  die 
übrigen  Formen  an.  die  eine  Brücke  hinüber  zu  den  Carpophaginen 
bilden. 

Ausnahmestellungen  nehmen  die  ausgestorbenen  Riesentauben 
ein,  welche  eine  ganz  abnorme  Art  der  Auftreibung  des  Schädel- 
daches aufweisen  und  uns  so  ganz  eigenthümliche  Schädelformen 
vorführen.  Am  frappantesten  ist  das  Verhältniss  der  Maasse  des 
Craniums  zum  Schnabel  bei  Bidus  \)  sowie  die  relative  Kleinheit  der 
Schädelhöhle  bei  dieser  Taube.  Hier  wird  am  deutlichsten  der  hohe 
Grad  der  Specialisirung  klar  gelegt.  Im  Uebrigen  sind  diese  Dinge 
genügend  bekannt,  so  dass  ich  von  einer  weitern  Beschreibung  Um- 
gang nehmen  kann. 


1)  Das  Verhältniss  der  Länge  der  Schädelbat^is  zur  Länge  der  Ge- 
hirnaxe  beträgt  für  Didus  4,5,  während  es  sonst  im  höchsten  Falle  bis  2,8 
(Crn-j/oj)hti//a  riibriccrd)  wachsen  kann. 


Die  vergleichende  Osteolo<>:ie  der  Colninhiformes.  215 

Dagegen,  wenn  K.  Niiwtox  und  J.  W.  ('1;Ai;k  behaupten,  bei 
F€.~'>])haps  sei  die  Gehirnaxe  zur  Basicranialaxe  parallel,  so  niuss  ich 
entschieden  Einsprache  erheben;  der  Winkel  beträgt  ca.  80". 

Die  Basic ranialfläche^)  variirt  bedeutend  von  einer  breit 
fünfeckigen  {Di(hi)icnli(s.  viele  Pcrisfcridae.  Carpophar/a  rnhricera)  bis 
zu  einer  schmal  o^■alen  oder  schlank  dreieckigen  Fläche  (die  übrigen 
Tauben ).  BemerkensAverth  ist.  dass  z.  B.  Carpophaga  occanica.  aenea, 
pacifica  etc.  sich  zu  dieser,  aber  Carp.  ruhricerft  zu  jener  Gruppe 
schlägt. 

Die  Xervenaustritte  zeigen  keine  Eigentliinnliclikeiten  gegenüber 
andei'U  Viigeln.  Hei  DidxncuJus'  wird  der  Austritt  des  X.  trige- 
minus  1  stets  vom  Foramen  lacerum  auf.  abgespalten:  bei 
D/dus  \un\  Pcmphaps  existirt  ein  eigentliches  Foranien  opticuni. 
indem  alle  Nerven  durch  Knochenbrücken  gesondert  den  Schädel 
verlassen. 

Die  Schädelhöhle  lässt  erkennen,  dass  die  Hemisphären  das 
Mesencei)lial()n  vollständig  überdecken;  ob  dies  bei  Didits  der 
Fall  war.  lässt  die  OwKx'sche  Figur  i^rem.  on  the  Dodo  etc..  tab.  11. 
tig.  D  nicht  entscheiden:  ich  versäumte  aber,  den  Scliädel  d.-nauf 
hin  zu  pi'üfen. 

2.    Die  Wirbelsäule. 

Die  Wirbelsäule  kann  in  Kürze  abgethan  werden,  da  sie  den 
am  wenigsten  charakteristischen  Theil  des  ganzen  Skelets  darstellt. 

Sie  lässt.  wie  bei  allen  Vögeln,  die  Eintheilung  in  die  vier 
grössteu  Regionen  zu.  von  denen  die  erste  wiederum  in  die  eigent- 
liche cervicale  und  die  cervico-thorakale  zerfallen  kann, 
während  innerhalb  des  Sacrums  die  üblichen  Ab.schnitte  unter- 
schieden werden  mögen.  Wie  bereits  FüiuiRixoEK  betont  hat.  ist 
diese  Eintheilung  als  eine  rein  praktische  aufzufassen,  da  die  Grenzen 
oft  durch  die  individuelle  Variation  der  Wirbelsäule  entlang  ver- 
schoben Averden  kiümen. 

a)  Die  ("er vicalregion. 

Die  ( "ervicalregion  umfasst  in  der  Regel  14  Wirbel;  diese  Zahl 
kann  jedoch  gelegentlich  um  1  gesteigert  werden,  indem  ein  thora- 
kales  Element  durch  den  Verlust  der  Articulation  seinei-  Ripi)e  mit 
dem  Sternum  einl)ezogen  wird.     Diese  Erscheinung  ist  in  (h^n  meisten 

])   Basicranialfliiche  Basitemporal  platc   or   snrface. 

Z(..,l.  .Talivb.  X\.      Al.t)i.   f    Svst  IT) 


216  Rluolf  Maktix. 

Fällen  eine  rein  zufällige,  d.  li.  eine  ins  Gebiet  der  individuellen 
Variation  fallende,  und  deshalb  nicht  für  eine  Art  oder  Gattung-  als 
Charakteristicum  zu  verwenden. 

Immerhin  ist  es  interessant,  dass  gerade  nur  l)estimmte  Gruppen 
von  diesen  Variationen  heimgesucht  wei'den.  Die  Cervicalregion 
betrug-  nach  gegebener  Definition  15  bei  je  1  Exemplar  von  Colnntha 
aquatrix,  Carpoplmya  aenea,  Carp.  bicolor,  Carp.  Jacernulafa,  Trcrou 
{Sphenocercus)  oxijura,  Treron  (Osmotreron)  bicincfa,  PUlopus  roseicollis, 
P.  ntelaiiorepJialus.  P.  mclanospilus  und  Alectroenas  madaf/ascaricnsis-  so- 
wie bei  Goiira  coroiiafa  und  G.  vidoriae.  '  Ob  dies  bei  Goitra  stets 
zutriift,  vermag-  ich  nicht  zu  entscheiden,  da  mir  bloss  einzelne 
Exemplare  zui'  Verfügung  stehen;  die  Wahrscheinlichkeit  ist  aber 
gross,  da  bei  beiden  in  dieser  Beziehung  Uebereinstimmung  herrscht. 

Ob  man  richtig  handelt,  diesen  15.  AVirbel  der  Cervicalregion 
zuzuschlagen,  bezweifle  ich,  da  er  stets  mit  den  eigentlichen  Thorakal- 
wirbeln  ankylosirt  ist.  Der  P^rage  ist  ihrer  nicht  fundamentalen 
Natur  wegen  wenig-  Bedeutung-  beizumessen;  entscheidet  man  sich 
aber  für  die  Vereinigung,  so  sollte  auch  der  erste,  eine  freie  Rippe 
tragende  Sacralwirbel  zur  Thorakalregion  gestellt  werden,  was  wieder 
aus  praktischen  Gründen  unbequem  ist. 

Etwas  erstaunt  bin  ich  über  die  Bemerkungen  Gadow's  V)  bezüg- 
lich der  Halswirbelsäule  der  Tauben.  Gadow  schreibt  Bidus  und 
Pesophaps  13  echte  Halswirbel  zu,  ebenso  vielen  Treron,  Carpophaga 
und  Goura,  während  Columha,  Phaps  und  Didunculus  nur  12  besitzen 
sollen. 

Bezüglich  der  3  letztgenannten  Genera  bin  ich  mit  Gadow  voll- 
kommen einverstanden,  auch  trifft  die  von  Gadow  angegebene  Zahl 
für  Bidus  und  Pezophnps  zu,  doch  möchte  ich  diesen  noch  Starnoenas 
zugesellen,  während  Treron,  Carpophcuja  und  Goura  ebenfalls  bloss 
12  Cervicalwirbel  im  engern  Sinne  besitzen.  Eine  Variation,  d.  h. 
eine  Verschiebung  der  Grenze  zwischen  eigentlichen  Cervical-  und 
den  Cervicodorsahvirbeln  konnte  ich  nicht  beobachten,  obwohl  sie, 
wie  aus  Gadow's  speciellen  Angaben  hervorgehen  mag,  sehr  wohl 
möglich  ist.  Was  wir  bei  Gadow  eben  vermissen,  ist,  dass  er  die 
speciell  beobachteten  Verhältnisse  gleich  generalisirt,  ohne  auf  die 
so  charakteristischen  columbinen  Schwankungen  Eücksicht  zu  nehmen. 

Auf  das  Verhalten  der  die  Abschnitte  bezeichnenden  Rippen 
werde  ich  weiter  unten  einzutreten  haben. 


1)  lu:  Trans,   zool.   Soc.   London,   V.    13,    Part   7.    1893 


I>ie  vergleichende  Osteolooie  der  ( 'nlniiiliifnnnes.  9J7 

Die  echte  C  e  r v  i  c  a  1  r  e  g  i  o  ii  umfasst  in  der  Regel  die  1 2 
ersten  Wirbel  und  ist  durch  das  Fehlen  von  freien  Rii)i)en  ausoe- 
zeiclmet ;  die  drei  einzigen  Ausnalimen  wurden  bereits  oben  anuetiilirt. 

Alle  Cervicahvirbel  tragen,  mit  Ausnahme  der  b(nden  ersten  — 
Atlas  und  Axis  —  verschmolzene  Ripitenrudiniente,  welche  nach  hinten 
sich  mehr  und  mehi-  dem  \'erlialten  einer  freien  Kippe  nähern. 

Die  Läng-e  der  Oervicalwirbelsäule  ist  als  eine  mittlere  zu  be- 
zeiclmen,  doch  wechselt  sie  etwas  innerhalb  der  Ordnung,  ohne  je- 
doch für  einzelne  (Truj)pen  charakteristisch  zu  werden.  Dass  natür- 
lich die  Läng-e  der  Wirbelsäule  von  der  grössern  oder  g-eringern 
Schlankheit  der  Wirl)el  direct  abhängig  ist.  braucht  nach  dem  Vor- 
ausgeschickten kaum  besonders  hervorgehoben  zu  werden. 

So  zeichnet  sich  Diduncnlus  durch  selir  gedrungene  Wirbel  aus: 
namentlich  sind  die  Xeuralbogen  in  der  Axenrichtung  schmal,  wo- 
durcli  die  Postzj^gapophysen  äusserst  lang  erscheinen,  eine  Thatsache. 
auf  welche  schon  von  frühern  Autoren  hingewiesen  wurde,  ohne  dass 
aber  die  Ursache  dieser  Erscheinung  namhatt  gemacht  worden  wäre. 
Man  könnte  so  zur  Ansicht  kommen,  die  Wirbel  seien  schlanker  als 
bei  den  übrigen  'J'auben.  obwohl  gerade  das  Gegentheil  der  Fall  ist. 
Auch  rostral  scheinen  die  Xeuralbogen  von  Didunculus  tiefer  ausge- 
schnitten zu  sein  und  die  Präzygapoph^'sen  somit  mehr  prominent, 
als  es  sonst  bei  den  Colnmhue  zuzutreffen  pflegt. 

IHüunculus  schliessen  sich  die  PtilopocUnac  und  Phabinae  wohl 
am  nächsten  an.  während  sich  die  übrigen  -Tauben  mit  schiankern 
Wirbelkörpern  und  breitern  Xeuralbogen  zu  einer  Gruppe  zusammen- 
schliessen.  Alle  möglichen  Grade  von  Schwankungen  innerhalb 
Gattungen  und  Arten  verwischen  die  Grenzen  zwischen  den  beiden 
Typen. 

Der  5.,  (>.  und  7.  Wirbel  sind  stets  die  schlanksten:  der  8.  ist 
bereits  wieder  verkiiizt.  und  dies  zeigt  sich  am  deutlichsten  hui Dichcn- 
riilm.  während  z.  B.  Carpophwia  die  Verkürzung  selbst  noch  am  9. 
und  10.  bedeutend  weniger  ausgeprägt  zeigt. 

Die  dem  Rii)i>enköpfcheii  und  dem  die  Facette  für  dasselbe 
tragenden  Höcker  entsprechenden  Tlieile  zeigen  nach  ihrem  Verhalten 
eine  regionenweise  Gliederung.  Im  vordem  Abschnitt  der  Hals- 
wirbelsäule, mit  Ausschluss  der  3  ersten  Wirbel,  bilden  diese  lateral 
und  ventral  angehäuften  Massen  eine  tiefe  mediane,  ventrale 
Kinne,  deren  ^^'andungen  bereits  in  kleinen  Lamellen  ventral  vor- 
ragen. Im  hintern  Abschnitt  treten  diese  Lamellen  durch  Verengerung 
dei-  Kinne  allmählich  in  Berührung,   eine  Verschmelzung,  welche  an 


218  Ri'DOi.i'  Martin. 

der  Basis  begiimt.  wird  eingeleitet,  bis  schliesslich  auch  die  Anfangs 
freien  Enden  der  beiden  Blätter  verwachsen  und  so  eine  richtige 
Spina  ventralis  bilden.  Diese  g-reift  nun  mit  ihrer  Basis 
siiccessive  nach  hinten,  so  dass  man  bei  einem  Vergleich  z.  B.  vom 
8.  und  11.  Cervicahvirbel  von  Didmimliis  kaum  die  homologen  Ele- 
mente erkennen  könnte. 

Diese  Vorg-äng-e  finden  auf  verschiedener  Höhe  der  AA'irbelsäule 
statt.  Am  9.  "\Virl)el  \ow  Didtmculus  fand  ich  die  Rinne  vollständig 
g-eschlossen  und  die  beiden  Lamellen  nur  noch  an  ihren  Enden  frei: 
doch  war  noch  keine  eigentliche  Spina  vorhanden;  der  10.  Wir])el 
war  dann  durch  eine  grosse,  blattartig-e  Spina  ventralis  ausge- 
zeichnet. Bei  Phaps  histrionica  wurde  die  Verschmelzung-  der  beiden 
Blätter  bereits  am  8.  und  9.  AMrbel  eingeleitet,  indem  die  Kinne 
äusserst  eng-,  spaltartig,  getrotten  wurde;  am  10.  Wirbel  war  wieder- 
um eine  starke  Spina  ventralis  vorhanden.  Bei  den  übrigen  Arten 
von  Fhaps  traf  ich  die  Massen  am  10.  Wirbel  an  der  Basis  ver- 
schmolzen, distal  aber  noch  geti-ennt.  Bei  Zeuaida  trkgt  bereits 
der  10.  AMrbel  eine  deutliche  ventrale  Spina,  ebenso  bei  Turüir,  Metrio- 
pelia,  doch  kann  unter  der  Hand  auch  erst  am  11.  Wirbel  die  Ver- 
schmelzung zur  ventralen  Sj)ina  vor  sich  gehen  (1  Exemplar  von 
Turtur  hitorquatus).  Bei  Sfarnoenas  verwachsen  die  lamellenartigen 
Massen  bereits  am  6.  Cervicahvirbel  distal  und  bilden  so  an  diesem 
sowie  an  den  4  folgenden  Canälchen.  Am  10.  Wirbel  tritt  eine 
Streckung  hinzu,  und  der  11.  ist  durch  eine  massive  Spina  gekenn- 
zeichnet. Bei  den  Columhidae  trägt  in  der  Regel  erst  der  11.  Wirbel 
einen  ventralen  Dorn,  ebenso  bei  Corpophaga  lacermdata,  während  beim 
Rest  {Trerotiinae,  Ptüopodinac,  Carpopliaginae  und  Gouridae)  stets  schon 
der  10.  durch  einen  solchen  charakterisirt  ist. 

Den  Columhidae  kommen  gedrungene,  relativ  kurze  Zj'gapo- 
physen  zu;  diesem  Umstände  verdanken  die  Cervicahvirbel  ihre  ge- 
drungene Gestalt. 

Bei  den  Gouridae  ist  der  hintere  Theil  der  Halswirbelsäule  (vom 
10.  oder  11.  Wirbel  an)  stark  angeschwollen  und  contrastirt  so  stark 
vom  vordem  sehr  schlanken  Abschnitt. 

Edopistcs,  und  darin  stimmt  diese  Form  am  ehesten  mit  den 
Fhabinae,  überhaupt  mit  den  Perisferidae  überein,  schliesst  sich,  in  so 
fern  das  (repräge  der  Halswirbelsäule  ins  Auge  gefasst  wird,  eher 
in  der  Nähe  von  Diduiicnlus  an. 

Die  Winkel,  welche  durch  die  Postzy gapoph ysen  gebildet 
werden,  sind  bei  Diduncuhis  verhältnissmässig  gross ;  die  Perisferidae 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Colnmbit'ormes.  219 

kommen  Didunculus  am  nächsten,  während  sich  der  Rest  der  Tauben 
mehr  von  ihm  entfernt.  Diese  Verhältnisse  sind  jedoch  dem  Winkel- 
maasse  unzugänglich  und  zeigen  zudem  die  feinsten  Schattirungen. 
Als  Regel  kann  gelten,  dass  der  Winkel  nach  hinton  mit  der  Länge 
der  Apophysen  abnimmt 

Die  Neuralbogen  tragen  durchweg  mediane,  dorsale 
Taberanzen.  die  auf  dem  2.  und  3.  Wirbel  als  kräftige  Knorren  ent- 
wickelt sind,  während  sie  auf  dem  (i. — 12.  fast  verschwinden  oder 
bloss  als  schwache  Rauhigkeiten  angetroffen  werden. 

Die  Diapophysen,  wenn  man  überhaupt  von  solchen  sprechen 
will,  sind  kurz  und  plump,  nur  als  unbedeutende  Höcker  an  den 
Präzygapophysen  wurzelnd.  An  den  voidern  ^^'irbeln  abwärts  ge- 
richtet wendet  sie  sich  am  11.  wenig,  am  12.  stärker  auswärts,  unter 
gleichzeitiger  Streckung  und  leitet  so  zu  den  folgenden,  freie  Rippen 
tragenden  Wirbeln  über. 

Die  Costalfortsätze  sind  am  o.  Wirbel  zu  dessen  Axe 
parallel  (sie  fehlen  an  Atlas  und  Axis)  und  nehmen  von  da  an 
allmählich  mit  wachsender  Grösse  die  Lage  einer  freien  Rippe  an, 
d.  h.  sie  drehen  sich  abwärts.  Zugleich  werden  sie  schlanker;  das 
roUum  unterzieht  sich  vornehmlich  einer  Streckung  und  l)esitzt  am 
Kippenrudiment  des  12.  Wirbels  bereits  die  Form  desjenigen  der 
folgenden  Rippe,  zeigt  aber  grössere  Stärke. 

Eine  Erscheinung,  welche  nicht  nur  allein  den  Tauben,  sondern 
den  Vögeln  im  Allgemeinen  zukommt  und  von  Interesse  sein  dürfte, 
da  sie  eine  unmittelbare  Folge  der  mechanischen  Bedingungen  für 
die  Bewegung  des  Halses  ist,  möchte  ich  hier  erwähnen.  Es  ist 
dies  die  Stellung  der  Gelenkfacetten  an  den  Präzygapophysen. 

Entsprechend  der  Sförmigen  Krümmung  des  Halses  liegen  diese 
im  vordem  Abschnitt  auf  der  dorsomedialen  Fläche  der  Fortsätze 
und  sind  etwas  nach  vorn  gerichtet,  rücken  aber  dann  gegen  die 
Mitte  des  Halses  allmählich  in  eine  mehr  caudale  Lage,  schauen 
direct  dorsalwärts,  etwa  sehr  wenig  nach  hinten  (6.,  7.  und  8.  Cervical- 
wirbel  im  vorliegenden  Falle).;  von  da  an,  caudalwärts  fortschreitend, 
kehren  sie  nach  und  nach  in  die  ursprüngliche  Lage  zurück.  Ich 
vermuthe.  dass  der  Grad  dieser  Lagedifferenzen  mit  der  Länge  des 
Halses  in  Zusammenhang  steht,  doch  hatte  ich  keine  Gelegenheit, 
diese  Vernuithung  durch  Messungen  zu  l)estätigen. 

Ohne  Ausnahme  trägt  der  18.  Wirbel  ein  freies  Rippenpaar  und 
ist  deshalb  als  erster  C  e  r  v  i  c  o  - 1  h  o  r  a  k  a  1  wirbel  zu  betrachten.  Zu- 
gleich tritt  an  diesem  Wirbel  wieder  zum  ersten  Mal  eine  ki'äftige, 


220  EUDOI.F  ]\Iahti.n. 

nach  vorn  hakenförmige  Xeuralspina  anf.  die  an  Stärke  hinter 
der  des  folgenden.  14.  Wirbels  etwas  zurück  bleibt,  sonst  aber  gut 
mit  ihr  übereinstimmt.  Die  Hakenform  ist  am  Dorn  des  2.  Cervico- 
dorsahvirbels  weniger  deutlich  als  an  dem  des  ersten. 

In  der  allgemeinen  Form  gehört  dieser  13.  und  somit  auch  der 
diesem  unmittelbar  gleichende  14.  Wirbel  unbedingt  der  Cervical- 
region  an. 

Der  hauptsächlichste  Unterschied  zwischen  dieser  und  jenen 
beiden  beruht,  ausser  im  Vorhandensein  von  Eippen  am  13.  und 
14.  Wirbel,  auf  der  guten  Entwicklung  der  Diapophysen  und  dem 
kleinen  transversalen  Abstand  der  Postzygapophysen  der  Cervico- 
thorakal  Wirbel. 

Die  Articulationsfläche  für  das  Capitulum  costae  liegt  dem 
Vorderrand  des  Wirbelkörpers  genähert  und  die  für  das  Tuber- 
culum  auf  einem  Höcker  nahe  der  Extremität  der  Unterfläche  der 
Diapophyse. 

Die  Wirbel  kör  per  der  Halsregion  sind  allgemein  avian  und 
bedürfen  deshalb  keiner  weiteren  Erklärung. 

b)  Die  Thorakalregion. 

Die  Thorakalregion  umfasst  4  Wirbel,  von  denen  die  3  ersten, 
seltener  auch  der  4.  ankylosiren. 

Die  2  ersten  sind  durch  hohe  ventrale  Dornen  ausgezeichnet, 
die  ebenfalls  unter  sich  zu  einer  Crista  verschmelzen.  Diese  fällt 
nach  hinten  rasch  ab  und  setzt  sich  bloss  als  ventrale  Kante  auf 
dem  3.  Dorsalwirbel  fort. 

Die  Kammhöhe  der  Crista  kann,  wie  übrigens  die  Enden  der 
Ventralspinae  der  Cervico-thorakalwirbel  auch,  ausgebreitet  sein ;  ich 
beobachtete  dies  namentlich  bei  Macropygia  cniiliana  und  mehreren 
Carpo2ihaga- Arteu.  doch  untersteht  der  Grad  der  Ausbreitung  einer 
grossen  individuellen  Variation. 

Die  Crista  selbst  ist  ebenfalls  grossen  Schwankungen  unter- 
worfen, die  allerdings  von  nur  untergeordneter  morphologischer  Be- 
deutung sind.  So  können  z.  B.  die  Spinae  ventrales  der  genannten 
Wirbel  nur  distal  verschmelzen,  so  dass  an  ihrer  Basis  ein  durch 
sehnige  Membran  geschlossenes  Fenster  zuiiick  bleibt.  Ferner  variirt 
die  Crista  in  der  Höhe  von  Individuum  zu  Individuum,  und  endlich 
kann  gelegentlich  bloss  der  1.  Brustwirbel  eine  Spina  tragen 
(1  Exemplar  von  Zenaida  auriculafa). 

Die  Art  der  Verschmelzung  der  Wirbel  kann  uns  wenig  sagen. 


Die  vei'oleicheiide  Osteologie  der  ('ohimWt'ornu'-^.  221 

da  sie  vom  Alter  der  Thiere  in  holiein  Grade  abliängio-  ist.  Sie 
beschränkt  sich  bei  jünoern  Thieren  auf  die  \A'iibelköri)er,  ergreift 
in  der  Folge  die  Neuralspinae,  dann  die  ventralen  Dornen,  nnd  zum 
8chluss  treten,  durch  die  Ossification  der  Ligamente,  selbst  noch  die 
Qnerfortsätze  zu  einander  in  Beziehung. 

Es  ist  von  einigem  Interesse,  dass  die  feste  Verschmelzung  der 
8  Thorakalwirbel  lange  der  Vollendung  des  Synsacrums  vorausgeht. 

Kine  A'erschmelzung  von  bloss  den  beiden  ersten  Brustwirbeln 
1  Exemplar  von  Fhaps  cha/copfera),  die  Avohl  ins  Gebiet  der  Ab- 
normitäten zu  verweisen  ist,  ist  selten;  viel  häutiger  wird  eine 
Verwachsung  aller  4  Brustwirbel  angetroffen,  eine  Thatsache,  die 
vermutlilich  jeweilen  mit  dem  hohen  Alter  der  Thiere  in  Zusammen- 
hang steht. 

Die  Wirbelköri)er  dieser  3  ankylosirten  Wirbel  sind  im  Quei-- 
schnitt  herzförmig. 

Die  Nervenlöcher  (Intervertebralforamina)  der  ganzen  Prä- 
sacralregion  sind  gross,  ebenso  noch  dasjenige  zwischen  dem  1.  und 
2.  Sacralwirbel  (im  weitern  Sinne);  dadurch  contrastiren  sie  gegen- 
über den  doppelten,  aber  engen  Löchern  der  Sacralregicm.  Ihr  üm- 
riss  ist  von  rundlicher  bis  ovaler  Gestalt. 

Der  4.  Thorakalwirbel  oder  der  18.  in  der  ganzen  Serie  ist 
in  der  Eegel  frei,  gleicht  im  Uebrigen  aber  unmittelbar  dem  17. 
Wenn  ich  näher  auf  seine  specielle  Conflguration  eintrete,  so  ge- 
schieht dies  im  Hinblick  auf  Gadow's  ^)  kurze  Beschreibung  dieses 
Skeletelements  für  Dkhis  und  eingedenk  der  wenigen,  aber  constanten 
Modificationen.  welche  der  Wirbel,  der  in  Frage  steht,  durch  die 
Reihe  der  Tauben  durchzumachen  hat.  Die  hauptsächlichste  Um- 
gestaltung zeigt,  wie  aus  dem  Folgenden  hervoi'gehen  mag,  meinei" 
Ansicht  nach,  deutlich  den  Einfluss  der  ^Mechanik  auf  die  Form. 

Die  Proportionen  des  Wirbelköi-pers  wechseln  von  Art  zu  Art; 
speciell  die  Articulationstiächen  desselben,  vorzüglich  die  caudale. 
unterliegen  zahlreichen  Schwankungen  des  Umrisses. 

Die  vordere  besitzt  in  der  Kegel  einen  rechteckigen  bis  qua- 
dratischen Contur,  die  Breite  dabei  stets  die  Höhe  übertreffend;  am 
auffallendsten  geschieht  dies  bei  den  Pfihipodinae,  bei  einigen  Carpo- 
pha()i)iue  sowie  bei  Goxridae.  Es  lässt  sich  aber  keine  scharfe 
Grenze  ziehen,  da  sich  die  Carpop1iaga-Ari%\\  zu  wechselnd  verhalten 


1)  In:   Trans,   zool.   Soc.   London,   V.    13,   Part   7,    1893. 


222  KUDOLF    MaKTIN. 

iiiul  da  sich  ferner  der  Messfehler  bei  .so  kleinen  gemessenen  Strecken 
natui'gemäss  dentlicher  zur  Geltung  bringt.  Ich  möchte  noch  er- 
wähnen, dass  sich  Didnnvnlus  an  die  Ptilopodinac  anschliesst. 

Znm  Eelief  der  Fläche  kann  nicht  viel  bemerkt  werden, 
höchstens,  dass  die  Tiefe  der  Concavität  von  Seite  zu  Seite  und  die 
Krümmung  der  Convexität  in  der  verticalen  Richtung  variirt:  dass 
die  Gestalt  der  Fläche  von  einigem  Eintluss  ist,  braucht  kaum  zu- 
gefügt zu  werden. 

ßemerkenswerth  ist  die  Hei'zform  dieser  Fläche  bei  Fesophaps, 
ähnlich  der  Form  des  Querschnitts  der  vorhergehenden  Wirbel. 

Grösserer  Mannigfaltigkeit  begegnen  wir  bei  der  Untersuchung  der 
hintern  Sattelfläche,  welche  bald  rechteckig,  bald  mehr  quadratisch  oder 
keilförmig  ist.  Die  grösste  Breite  der  Fläche  liegt  stets  auf  der  Ver- 
bindungslinie ihi'er  beiden  dorsalen  Ecken.  Ihre  Höhe  kommt  der 
grössten  Breite  näher  als  an  der  vordem  Sattelfläche  und  ist  wohl  in 
der  Mehrzahl  der  Fälle  ihr  gleich  zu  setzen;  in  wenigen  Fällen  (Treron 
(u'ijura,  Macropygia  und  Gourä)  übertrifft  sie  sogar  diese  um  weniges, 
während  sie  bei  den  Pfilopodinae  weit  hinter  ihr  zurücksteht;  an 
die  Ftilopodinae  reiht  sich  DiduncuJns.  Die  Form  der  Fläche  selbst 
geht  in  den  feinsten  Abstufungen  vom  einen  Tj'pus  in  den  andern 
über,  wobei  die  Keilform  die  häufigste  ist. 

Die  Zygapophysen  sind  meist  schwach  divergent,  und  die 
Gelenkfacetten  sind  an  den  rostralen  dorsalwärts,  an  den  caudalen 
ventralwärts  gerichtet.  Bemerkenswerth  ist,  dass  sie  bei  Fezophaps 
an  den  Präzygapophysen  stark  einwärts  gedreht  sind,  da  man  solche 
Verhältnisse  sonst  nirgends  bei  den  Tauben  in  dem  Maasse  antrifft; 
selbst  Didus  verhält  sich  in  dieser  Beziehung  normaler,  auch  lassen 
Goura  und  Didumulus  keine  Modificationen  in  dieser  Richtung  er- 
kennen, dagegen  lässt  Carpophaga  solche  Tendenz  deutlich  durch- 
blicken. 

Die  Diapophysen  des  18.  Wirbels  schliessen  sich  in  ihrer  Form 
der  der  vorhergehenden  Querfortsätze  an ;  sie  sind  fast  gerade,  etwas 
nach  rückwärts  und  eventuell  distal  aufwärts  gebogen.  Eine  Ver- 
knöcherung der  sehnigen  Fasern,  welche  sie  mit  den  Diapophysen 
der  anliegenden  Wirbel  verbinden,  wird  oft  bei  alten  Thieren  beob- 
achtet. 

Es  sei  noch  einer  Abnormität  gedacht,  nämlich  dass  dieser 
AVirbel  bei  einem  Exemplar  von  Phaps  chalcoptcra  mit  zum  Syn- 
sacrum  verschmolzen  war;  bei  Goura  ist  eine  lockere  Verwachsung 
mit  diesem  Regel. 


Die  vergleichende  Osteolugie  der  Colunibifi)niies.  228 

Der  Rückenmarks  c  anal  im  4.  Thoiakalwirbel  ist  bei  der 
Mehrzahl  der  Tauben  kreisrund  oder  leicht  oval;  in  einem  Falle 
(Aletirocnas  ui<(äo<jascariensis)  war  er  sogar  schwach  dei)ress.  Bei 
Didus,  Pesophaps  und  Goura  ist  er  seitlich  stark  zusammengepresst 
und  oft  in  halber  Höhe  noch  eingeschnürt  (bei  Didus  ragt  ein  Hügel- 
])aar  in  das  Lumen  des  Canals  vor).  Bei  Didnnculns  konnte  ich 
keine  solche  Specialisirung  erkennen:  er  verhält  sich  vollständig 
generell. 

Es  scheint  mir  wahrscheinlich,  dass  die  Erhöhung  des  Kücken- 
markscanals,  mit  welcher  in  der  Regel  eine  Höhenzunahme  der 
caudalen  Sattelfläche  des  18.  Wirbels  Hand  in  Hand  geht,  mit  der 
Erhöhung-  des  Beckens  in  engsten  Zusammenhang-  zu  bringen  ist. 
also  indirect  durch  die  Ausbildung-  der  grössern  Lauftahigkeit  be- 
dingt wäre.  Erstaunlich  bleibt  die  Thatsache,  dass  bei  Didus  der 
A\'irbelköri)er  relativ  niedrig  ist  und  bloss  die  dorsalen  Partien 
gleichsam  emporgezerrt  wurden. 

c )  D  i  e  S  a  c  r  a  1  r  e g-  i  0  n. 

Die  zum  S\'nsacrum  verschmolzenen  ^^'irbel  sollen  anlässlich  der 
Besi)rechung  des  Beckens  zur  Behandlung-  kommen.  Es  sei  vorläuftg 
nur  bemerkt,  dass  ihre  Zahl  von  IH  bis  17  variirt.  ^) 

d)  Die  Caudalregion. 

Endlich  die  freien  Caudalwirbel!     Hire  Zahl  wechselt  von  ö  bis 
7:  dazu  kommt  jeweilen  noch  das  PygostA'l.   welches  selbst  mehrere 
A\'irbel  resorbirt.     In  der  Jugend  treffen  wir  regelmässig  ein  Element 
mehr,  welches  später  mit  zum  Pygostyl  verschmilzt, 
ö  Ca u dal  Wirbel  -\-  Pygostyl: 

Phaps  hisfrionica,  Ttirtur,  Metriopelia,  Sfariioenas,  Columha, 
Edopistes,  3Iorropijf/ia,  Treron  oxtjura  und  splienuru,   Pfilo- 
podinae  (mit  Ausnahme  von  Aletiroenas).  Didunculus. 
H  C  a  u  d  a  1  w  i  r  b  e  1  -\-  Pygostyl: 

Zenaida,     Phaps,     Aledroenas,    Carpophaginae,    Treroninae, 
Gouridae. 
7  Caudal Wirbel  -|-  Pyg'ostyl: 

1  Exemplar  von  Zenaida  auricnUda. 


1)  (gewöhnlich  werden  I)i(liis  und  l'f'.ophiiits  wie  auch  (laiini  16  Sacral- 
w^'bel  zuerkannt.  Eine  genauere  Zählung,  namentlich  mit  Hülfe  der 
Intervertebralt'orainina,  zeigt ,  dass  die  Zahl  bei  den  Riesentauben  der 
madagassischen   Provinz    1 7   war. 


224  EuDOLK  Martin. 

Wie  bereits  gesagt,  ist.  die  Zahl  der  freien  Caiidalwirbel  in 
liohem  Grade  vom  Alter  abhängig,  nnd  jedenfalls  kommen  7  bloss 
ganz  jungen  Thieren  zu.  5  scheint  für  alte  Thiere  die  Regel  zu 
sein,  während  ab  und  zu  6  auftreten  können,  welche  Zahl  auch  etwa 
als  Resultat  der  individuellen  Variation  bei  Formen,  welche  normal 
5  besitzen,  angetroffen  wird.  Eine  Wechselbeziehung  zur  Zahl  der 
Sacralwirbel  konnte  ich  nicht  constatiren,  da  gerade  in  Fällen,  in 
denen  die  Zahl  der  Sacralwirbel  gesteigert  ist,  die  C'audalwirbel  in  der 
Sechszahl  angetroffen  wurden  {Carpophaga  occanica,  Goura).  Umgekehrt 
besitzen    viele   Piüopodinac   mit   bloss    13   Sacralwirbeln   5  caudale. 

Zur  speciellen  Conliguration  der  Caudalwirbel  braucht  nicht 
viel  bemerkt  zu  werden.  Sie  tragen  lange  Diapophysen,  welche  am 
3.  ihr  Maximum  erreichen  und  von  da  an  caudal  rasch  abnehmen. 
Am  letzten  freien  Caudalwirbel  sind  sie,  obwohl  sehr  kurz,  doch 
deutlich  vorhanden,  am  Pygostyl  fehlen  sie. 

Kurze,  aber  kräftige,  vorwärts  gerichtete  Neuralspinae  sind 
durchweg  vorhanden:  sie  erreichen  im  Pygostyl  ihre  grösste  Ent- 
faltung. Vom  3.  Caudalwirbel  an  erscheint  auch  auf  der  ventralen 
Fläche  der  ^^'irbelkörper  eine  knorrenartige  Erhebung,  die  am 
letzten  Wirbel  vor  dem  Pygostyl  zu  einer  kräftigen,  rundlichen 
Spina  auswächst;  auch  das  Pygostyl  trägt  einen  ventralen  Dorn. 

Der  Rückenmarkscanal  ist  stark  reducirt,  läuft  aber  bis  ins 
Pygostyl. 

Didtmculus  zeichnet  sich  durch  die  kurzen,  gedrungenen  Quer- 
fortsätze dieser  Region  aus. 

Ich  schliesse  hier  an  die  Besprechung  der  Wirbelsäule  gleich 
einige  Angaben  über  die  Rippen,  welche  bei  der  Gliederung  des 
Axenskelets  ja  die  vorzüglichste  Rolle  spielen,  an. 

Es  hält  wohl  schwer,  columbine  Eigenthümlichkeiten  heraus- 
zuheben. 

Die  Vertebro-costalia  sind  breit  und  in  ihrer  dorsalen 
Hälfte  durch  einen  ventralen  Wall  verstärkt.  Die  Processus 
uncinati  sind  lang  und  gerade,  meist  abgestutzt. 

Ventral  vom  Tuberculum  costae  liegt  entweder  auf  der 
Rostral-  oder  Caudalfläche  der  Rippe  oder  auf  beiden  zugleich  ein 
Foramen  pneumaticum.  Es  liess  sich  nachweisen,  dass  seine 
Lage  in  der  Mehrzahl  der  Fälle   auf  die  Vorderfläche   gebannt  ist. 

Was  die  Vertheilung  der  Rippen  längs  der  Wirbelsäule  betrifft, 
führe  ich  Folgendes  an: 


Die  verii'leicheiitk'  (Isteologie  (\vr  (\ilniiiliifoi'ines.  225 

Der  13.  und  14.  Wiil)el  trafen  bewegliche,  aber  nidit  mit  dem 
Sternum  articuliiende.  aucli  nicht  mit  rudimentären  Sternocostalia 
versehene  Kippen,  von  denen  die  ei'ste  die  Gestalt  eines  fast  geraden, 
rundlichen  bis  dreikantigen  Knochenstabes  hat,  aber  bereits  mit 
Tuberculum  und  Capitulum  costae  versehen  ist.  Die  zweite  gleicht 
bereits  gänzlich  den  V^rtebro-costalia  der  ecliten  Thorakalrippen 
und  trägt  in  der  Regel  einen  Processus  nncinatns.  Ein  solcher  fehlt 
meistens  folgenden  Formen: 

CarpopJtfiga  acnea.  Carp.  hiccrnulaia.  Treron  ccrnaus.  T.  hirincfa. 
Alecfrocrtas  und  Gonra. 

Dass  auch  hier  wiederum  die  individuelle  Variation  ihi-  Recht 
verlangt,  braucht  kaum  besonders  hervorgehoben  zu  werden. 

Die  8  oder  4  folgenden  Rippenpaare  stellen  die  eigentlichen 
Thorakalrippen  dar.  Weitaus  die  Mehi-zahl  der  Tauben  besitzt  deren 
4.  während  andrer.^eits  Ausnahmen  stattfinden,  indem  rostral  oder 
caudal  die  Articulation  eines  Rippeni)aares  vom  Sternum  ge- 
löst wird. 

Einen  solchen  Vorgang  beobachtete  ich  vorzüglich  am  rostralen 
Ende  dei-  Thorakalregion.  was  einem  ZuAvachs  der  Cervico-thorakal- 
Region  um  ein  Element  gleichkommt.  Belege  hiei-für  sind:  Columba 
nihil inca,  Carpophaf/a  acuca,  f'arp.  hicolor.  Carp.  laceruiilata,  Trerori 
oxijura,  T.  hicinda,  Ptilopus  roscicollis.  P.  nicIaiioccpJialus.  P.  niclfuiospihis. 
Alcdroeuas  und  Gonra. 

Die  4.  Thorakalrippe  giebt  bei  folgenden  Formen  die  Fühlung 
mit  dem  Brustbein  auf: 

Zcnaida  axrimlata,  Metriopelia  melanopfem,  Columba  picamiro.  Die 
Trennung  ist  aber  nie  sehr  weit  gediehen,  da  ein  Sterno-costale  stets 
vorhanden  ist  und  bis  nahe  an  den  Seitenrand  des  Brustbeins  liei-- 
anreicht.  Gelegentlich  kann  auch  bei  andern  Formen  auf  die  eine 
oder  andere  Art  die  Thorakalrippenzahl  redncirt  wei'den.  ja  Asj'm- 
metrie   ist  keine   allzu  grosse  Seltenheit. 

Durch  den  19.  AMrbel  werden  Kippen,  welche  sich  Thorakal]-ii)pen 
ähnlich  verhalten,  bloss  durch  das  Fehlen  von  Proc.  uncinati 
ausgezeichnet  sind ,  getragen.  Allerdings  ist  das  Fehlen  des  ge- 
nannten Fortsatzes  kein  sicheres  Charakteristicum,  da  ei-  bereits  der 
vorhergehenden  Ripi)e  fehlen  kann  (Geopelia  sirkda,  Zenaida  atiricn- 
lata.  Macropijfiia.  Gour«):  doch  sind  diese  Ri))pen  dann  im  Gegensatz 
zu  der  des  19.  Wirbels,  welche  das  Sternum  nicht  erreicht,  sondern 
sich  bloss  an  das  Sternocostale  der  4.  Thorakalrippe  anlegt,  echt. 

Bei  Macropynia  ist  die  l»ip|te  des  19.  Wirbels  bis  auf  ein  kleines 


226  RcDOLF  Martin, 

Rudiment  ilires  Steriiocostale,  welches  dem  HinteiTaiid  des  betreffen- 
den Stückes  der  vorherg'ehenden  Rippe  anklebt,  redncirt.  Dies  ist 
der  einzige  Fall,  in  dem  der  19.  Wirbel  rii)penlos  ist. 

Teil  muss  mich  nun  noch  mit  einig-en  Worten  den  Behauptungen 
Gadow's  (in:  Trans,  zool.  Soc.  London  1893)  zuwenden. 

Bidus  soll  13  Cervical-,  2  Cervico-thorakal-  und  3  Thorakalwirbel 
besitzen.  Dies  scheint  mir  eine  x\berration  zu  sein,  jedenfalls  kein 
g-enerelles  Verhalten,  indem  das  Sternum  vorn  die  Verbindung  mit 
einer  Rippe  aufgegeben  hat,  m.  a.  W.  um  ein  Element  nach  rück- 
wärts gewandert  ist  (denn  wir  finden  in  vielen  Fällen  5  Paar  echter 
Rippen);  eine  Tendenz,  solche  Verhältnisse  zu  Eigenthümlichkeiten 
von  Arten  oder  Gattungen  zu  machen,  lässt  sich  nicht  verkennen 
und  scheint  bei  I-ezophaps  zur  Ausführung-  gelangt  zu  sein. 

Was  Treron,  Carpophaga  und  Goura  betrifft,  muss  ich  ent- 
schieden Protest  erheben.  Alle  drei,  und  mit  ihnen  der  Rest  der 
Tauben,  besitzen  12  echte  Cervical vvirbel  und  2  event.  3  Cervico- 
thorakalwirbel ,  je  nachdem  eine  ursprünglich  echte  Rippe,  welche 
vom  ersten  ankylosirten  Wirbel  getragen  wird  und  deshalb  eher 
noch  der  Tliorakalregion  sollte  beigezählt  werden,  sich  vom  Brust- 
bein zurückgezogen  hat  oder  nicht. 

Die  Rippe  des  18.  Wirbels  articulirt  mit  dem  Sternum.  es  sei 
denn,  dass  die  individuelle  Variation  die  Articulation  gelöst  habe, 
eine  relativ  seltene  Erscheinung. 

Soviel  steht  fest,  dass  morphologisch  bezüglich  der  Wirbelsäule 
und  Rippen  grosse  Einförmigkeit  herrscht  und  andrerseits  da.  wo  sie 
eingreift,  die  individuelle  Variation  kaum  mehr  Grenzen  kennt.  Eine 
Verwerthung  dieser  Skelettheile  zu  classificatorischen  Zwecken  liegt 
kaum  innerhalb  des  Rahmens  der  Möglichkeiten.  Es  ist  dies  inter- 
essant, in  so  fern  als  Herr  Dr.  Stromer  von  Reichenbach  ^  i  auf 
andern!  Gebiet  und  durch  viel  eingehendere  Untersuchungen  zum 
gleichen  Resultate  geführt  wurde. 

3.   Der  Schultergürtel. 

(Siehe  die  zahlreichen  Abbildungen  l)ei  P'crbringer  [Morphologie  etc.].) 

Nachdem  Fürbring  er  in  seinen  breiten  und  sorgfältigen  Aus- 
einandersetzungen das  Wesentliche  und  Unwesentliche  zur  Genüge  dar- 


1)   Die  Wirbel  d.  Laud-Raubthiere,  in:  Beitr.  z.  vergl.  Anat.  u.  Physiol., 
Stuttgart    1!I02. 


Die  veroleicheiide  Osteologie  der  ('nlnniliifdrines.  22  < 

getiiaii  hat.  l)m  ich  nicht  in  der  I^a^^ie.  zur  allgemeinen  Kenntniss 
des  vSchulteigürtels  Neues  liinznzutTioen.  Tcli  kann  bloss  die  Lücke 
auszufüllen  versuchen,  welche  durch  die  Vielseitigkeit  der  Vvb- 
BEixtrKu'schen  Arbeit  notligedrung-en  bleiben  musste:  das.  Avas 
speciell  die  Tauben  betrifft,  erwähnen. 

Ich  halte  mich  natürlich  möüiiclist  an    die  Art  der  Da]'ste]lun<i-, 
welcjic  von  Fürbeingek  als  die  zweckmässigste  erachtet  wurde. 


a)    Die  Seai)nla. 

Die  Scapula  zeigt  selir  verschiedene  Formen,  besonders  in  Hin- 
sicht auf  ihr  distales  Ende,  und  variirt  in  der  Länge  von  fxS  dvM 
(Viudf/o  raJra,  l)is  7.5  dv  (Gcopdia  siriafa).  Allgeniein  kann  Folgendes 
gesagt  werden :  .Am  längsten  ist  die  Scapula  bei  den  Fhahiuae 
(6.(3 — 7.5  dv)  und  bei  Diduncnhis  (7,1  dv);  die  Trcroniäac  inclusive 
Ptüopocliuae  schwanken  zwischen  5,8  und  7  dv  (Vinac/o  calva  und 
T.  vernans);  die  übrigen  Tauben  liegen  alle  innerhalb  dieser  Grenzen 
und  zwar  die  Mehrzahl  zwischen  6  und  7  dv.  Man-opijf/ia  nimmt, 
wie  überhaupt  in  den  Dimensionen  des  Schultergürtels,  eine  Aus- 
nahmestellung ein  (5,58  dv). 

Dieseu  Längenverschiedenheiten  entsprechend,  aber  auch  noch 
von  der  Länge  des  Darmbeins  abhängig,  wird  die  Scapula  den 
vordem  Beckenrand  nach  hinten  überragen  oder  bloss  erreichen 
oder  einen  Zwischenraum  offen  lassen.'^ 

Diese  Verhältnisse  sind  äussei"st  wechselnd  und  zwar  nicht  nur 
innerhalb  grösserer  Verbände,  sondern  auch  innerhalb  ein  und  der- 
selben Art.  so  dass  es  schwer  hält,  auch  nur  einigermaassen  sichere 
Daten  aufzuführen.  Einige  Beispiele  mögen  zur  Erläuterung  bei- 
gezogen werden: 

Die  Scapula  überlagert  den  Darmbeinrand  in 
wechselndem  Maass : 

1.  Bei  den  meisten  Pcristeridae  (0 — 1,5  dv). 

2 ,.        Columhidae  (0—2  dvl 

.').     ,.       ..     Treronidae  (0,5 — 1.5  dv). 

4.  ,.       ,.     VtUopodinae  (1—2  dv). 

5.  ,.       ,.     meisten  Carpopliar/jime  (0  —  1   dv). 


Ij   dv  mittlere  Dois;ti\virl)elläiige. 


228  Kri)(ii,i.'  Mahtin. 

Die  Scapula  erreicht  den  Vorderraiid  des  Darm- 
beins: 

1.  Bei  einzelnen  Arten  von  Txrfur. 

2.  Zcnaida. 

3.  Lepiopfila. 

4.  Carpophaga  acnea. 

Die   S  c  a  p  u  1  a   e  r  r  e  i  e  li  t  das   D  a  r  m  b  e  i  n   n  i  c  li  t   bei : 

1.  Gouridae. 

2.  Did'unculus  (—  0.5  dv). 

3.  (^olumha  aquafrix  ( —  1  dv). 

4.  Macropijgia  ( —  1   dv). 

5.  Carpojiliaga  (subgen.  Mijsficivora :  —  1  bis  —    '  .,  dv). 

6.  .  1  lecfrocnas. 

Wie  gesagt,  spielt  die  individuelle  Variation,  namentlich  aber 
die  Variation  der  Zuchtrassen  eine  bedeutende  Rolle.  Ich  be- 
obachtete bei  Carpoplioga  aenea  Schwankungen  von  1  dv  und  bei 
Columha  domestica  solche  von  sogar  2  dv. 

Die  grösste  Breite  der  Scapula  entfällt  auf  das  distale  Dritt- 
theil  und  überschreitet  1  dv  nur  selten  {Tnrivr  iigrinns  1,1,  Starnoenas 
cfjanoccphala  und  Goura  1,0  dv);  bei  den  meisten  Tauben  ist  sie 
kleiner  (0,72 — 1,0  dv);  eine  bestimmte  Eegel  kann  auch  hier  nicht 
in  Anwendung  kommen,  vielmehr  zeichnet  sich  das  distale  Scapula- 
ende  durch  einen  hohen  Grad  der  Plasticität  aus,  ist  bald  mehr 
dreiekig.  bald  mehr  säbelförmig,  und  diese  Umrisse  können  sich  von 
Individuum  zu  Individuum  ablösen  (siehe  Textfiguren  S.  235). 

Einer  ungleich  grössern  Constanz  begegnen  wir  im  proximalen 
Theil  der  Scapula. 

S  p  e  c  i  e  1 1  e    C  o  n  f  i  g  u  r  a  t  i  o  n. 

Die    Gestalt    ist   durchweg   eine    gleichmässige.      Die   einzigen 

Variationen   umfassen   die  stärkere   oder   schwächere  Erhöhung  des 

scapularen  Theiles  der  Gelenkfläche  für  den  Humerus  und  die 
relative  Länge  des  Acromions. 

Der   Hals    ist   meistens    abgeplattet;    nur    Didimculus   und  die 

G-ouridae  weisen  einen  runden  Scapulahals  auf.  Wir  begegnen  bei 
den  ausgestorbenen  Riesentauben  ähnlichen  Verhältnissen. 

1.  Laterale  Fläche. 

Die   laterale   Fläche   ist.    mit   Ausnahme   von   Didumidus,    den 


Die  verffleicheufle  Osteologie  der  Culiunbifonnes.  9^9 

Gouridac  und  den  Bidi,  platt  und  in  der  Regel  noch  sclnvach  cuncav. 
Sie  läuft  V(irn  auf  den  stark  concaven.  den  GelenkknoiTen  für  den 
Huinerus  mit  dem  Acromion  verbindenden  Rand  aus  und  ist  in  Folge 
dessen  im  vordersten  Tbeile  am  stärksten  ausgehöhlt.  Diese  stärkere 
Depi'ession  macht  sich  eine  gewisse  Strecke  weit  nach  hinten 
geltend,  die  bei  den  verschiedenen  Familien  verschieden  lang  ist. 
So  erreicht  sie  den  Hinterrand  des  Gelenkfortsatzes  bei  DiduncuJus 
und  Gonra.  sie  erreicht  denselben  nicht  bei  allen  übrigen  Tauben. 
Im  besten  Falle  greift  sie  bis  zur  Mitte  des  Gelenkfoilsatzes  vor 
{Treroninae)  und  ist  entsprechend  flacher;  ähnliches  Verhalten  tragen 
die  Pfilopodiuae  (mit  Ausnahme  von  Alecfroenas),  einzelne  Columhidae 
und  die  Fcristcridae  (am  markantesten  Phaps-)  zur  Schau,  während 
die  Grube  bei  den  Carpophaga- Arten  fast  vollständig  in  Wegfall  ge- 
raten ist. 

Das  hintere  Ende  der  Grube  verhält  sich  verschieden.  Ent- 
weder es  läuft  auf  die  dorsolaterale  Fläche  der  Scapula  aus,  mit 
dem  dorsalen  Rande  convergirend.  oder  es  verlängert  sich  nach 
hinten  in  eine  seichte  und  breite  Furche,  welche  der  ganzen  Scai)ula 
entlang  zieht.  Bei  Dkhim'uhis  verflacht  sich  das  Thal  caudalwärts 
und  geht  in  eine  ebene  Fläche  über,  welche  ihrerseits  durch  eine 
rauhe  Linie,  die  an  der  Basis  des  Hinterrandes  des  Gelenkknorrens 
ansetzt  und  zur  Mitte  des  Dorsalrandes  des  Schulterblattes  verläuft, 
vom  übrigen  Theile  der  lateralen  Scapulafläche  abgegrenzt  ist.  Ein 
ähnliches  Verhalten  treffen  wir  bei  Phaps,  während  bei  den  übrigen 
Peristeridae  (mit  Ausnahme  von  Geopelia)  und  Treronidac  die  Grube 
zu  dei-  erwähnten  Rinne  in  Beziehung  tritt.  Bei  den  Columbidac 
und  Geopelia  verläuft  die  Depression  in  der  ungetheilten  Lateral- 
fläche. 

Die  Abi)lattung  oder  Höhlung  der  Lateralfläche  wächst  mit  dem 
Alter;  so  fand  ich  bei  einem  jungen  PtUopus  jamhu  bloss  eine 
lei.se  Andeutung  einer  Furche  im  proximalen  Theile,  während  der 
Hals  im  Uebrigen  noch  vollständig  gerundet  war. 

Dem  Vorhandensein  oder  Fehlen  der  Rinne  in  der  äussern 
Schulterblattfläche  entsprechend  ist  eine  vordere,  von  der  ^^'urzel 
des  Hinterlandes  des  Gelenkfortsatzes  zur  Mitte  des  Dorsalrandes 
der  Scapula  (siehe  oben)  verlaufende  Linea  e  m  i  n  e  n  s  fehlend  oder 
ausgebildet.  Sie  fehlt  deshalb  den  meisten  Trerouidac,  Pcrisferidac 
(mit  Ausnahme  von  Phaps).  Gonridae,  ist  da  und  dort  schwach  an- 
gedcnitet  bei  Carpopliaginae  und  endlich  stets  vorhanden  bei  den 
Phid)i}i(tc  und  DiduncuJus.    Den  Columhidae  kommt  sie  nie  zu.  obwohl 


230  IiUDOLK    MaHTIN. 

hier  die  l\iiine  äusserst  schwach  ist  oder  auch  ganz  in  Wegfall  ge- 
ratlien  kann.  Macropygia  zeigt  ein  besonderes  Verhalten,  indem  sich 
proximal  der  Sulcus  ausbreitet  und  durch  einen  schwachen  \\a\\ 
von  der  Depression  des  Vorderrandes  getrennt  ist. 

Die  longitudinale  Rinne  kann  entweder  die  Mitte  der  Lateral- 
fläche des  Schulterblattes  bezeichnen  oder  dem  dorsalen  Eande  ge- 
nähert sein;  auch  in  dieser  Hinsicht,  wie  auch  —  was  wohl  kaum 
besonders  braucht  hervorgehoben  zu  werden  —  bezüglich  der  vorher 
angeführten  Punkte,  hat  sich  die  individuelle  Variation  ein  breites 
Wirkungsfeld  zugeeignet,  so  dass  von  ,. systematischen  Merkmalen" 
keine  Rede  sein  kann. 

Auf  alle  Fälle  breitet  sich  das  caudale  Ende  des  Sulcus  mit. 
der  Breitenzunahme  der  Scapula  aus,  so  dass  die  Aussenfläche  der 
Schaufel  durch  eine  flache,  weite  Concavität  gekennzeichnet  ist. 
Diese  ist  aber  nicht  an  das  Vorhandensein  des  Sulcus  gebunden, 
sondern  wird  gerade  bei  Formen  wie  z.  B.  DkhmcuJtts  und  Phaps 
am  deutlichsten  angetroffen.  Sie  kann  auch  secundär  durch  ein 
Uebergreifen  der  Verdickung  des  ventralen  Randes  reducirt  werden 
und  bloss  in  Form  einer  dem  dorsalen  Rande  genäherten  Furche 
stehen  bleiben  (Carpoph.  oceanim). 

In  der  Regel  ist  die  Einsenkung  des  distalen  Theils  von  starken 
Muskellinien  eingenommen,  welche  merkwürdiger  Weise  bei  JDichmcnlus 
am  stärksten  ausgebildet  sind.  In  der  Vierzahl  vorhanden  (die  Zahl 
ist  jedoch  variabel)  stellen  sie  Querleisten  dar,  Avelche  vom  dorsalen 
Rande  ausgehend  nach  unten  und  vorn  verlaufen. 

Von  der  Mitte  des  Dorsalrandes  oder  wenig  vor  derselben  be- 
ginnt eine  zweite  Line  a  a  s  p  e  r  a ,  welche  unter  entgegengesetzter 
Neigung  zum  Dorsalrand  wie  die  bereits  beschriebene  Linea  eminens 
nach  hinten  verläuft  und  den  Ventralrand  am  Ende  seines  dritten 
Viertheils  trift't;  durch  sie  wird  der  verbreiterte  distale  Theil  vom 
Halse  geschieden. 

Auch  die  Stärke  dieser  Linie  unterliegt  Schwankungen;  sie  ist 
am  stärksten  bei  Formen,  deren  Scapula  auf  der  Aussenfläche  keine 
Furche  trägt,  also  bei  DiduncuJus  und  Phaps,  wird  aber  auch  ohne 
Ausnahme  stärker  oder  schwächer  bei  den  übrigen  Pcnsferidac. 
Coltimbidac,  (rouridac  und  Trcronidae  angetroffen.  Oft  kann  sie  nahe 
bis  zum  Verschwinden  kommen  (z.  B.  Carpophaginac ,  PtiJopodmac 
und  Gouridae).  Bei  Phaps  ist  sie  kurz  und  sehr  steil  und  trift't  in 
Folge  dessen  den  Ventralrand  des  Schulterblattes  schon  in  seiner 
Mitte.     Auch  bei  den  Treroninae  ist  das  Verhalten  ein  eigenartige>. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  ("uluinbifurnies.  231 

indeiii  die  Linie  erst  stark  markirt  dem  Dorsalrand  der  Scaimla 
folgt,  dann  pirttzlich  nrnbiegt  nnd  znoieicli  fast  vollständig-  verwischt 
wird. 

Die  Ansbildiing-  dieser  Linie,  wie  überhaupt  der  Kauhigkeiten, 
Avird  wohl  nicht  -zuletzt  mit  dem  Alter  der  Thicre  im  Zusammen- 
hang stehen. 

2.  Der  Dorsal  ran  d. 

Dei'  vordere  Abschnitt  des  Dorsalrandes  ist  gerundet,  der  hintere 
scharf.  Kr  läuft  ununterbrochen  von  der  am  meisten  vorragenden 
Ecke  des  Acromions  bis  zum  hintern  Knde  des  Schulterblattes.  An 
seinem  A'ordern  Ende  inserirt  das  Ligamentum  acrocoraco- 
acromiale,  und  hinter  dieser  Stelle  begrenzt  er  die  proximale 
Grube  der  Lateralfläche  dorsal. 

Von  der  Höhe  des  Hinterrandes  des  Gelenkfortsatzes  ist  er  auf 
eine  lange  Strecke  gerade  und  biegt  erst  weit  hinten,  jedenfalls  erst 
im  distalen  ^ ,,,  ventralwärts  al).  Eine  Ausnahme  bilden  die  Gonridae, 
bei  welchen  der  Rand  nach  oben  convex  ist.  Auch  kiinnen  anderwärts 
seltenere  Ausnahmen  auftreten,  nämlich  wenn  die  Scapula  Säbelform 
angenommen  hat  (etwa  bei  Trcroii.  doch  beginnt  in  allen  Fällen  die 
Biegung  erst  hinter  der  ^Mitte). 

Das  distale,  ventralwärts  gekrümmte  Stück  Avird  \o\\  Vin- 
bkinctEk  als  Basis  s  c  a  p*  u  1  a  e  beti-achtet.  Diese  ist  bei  den 
Tauben  gut  abgegrenzt:  bloss  bei  säbelfiU-miger  Scapula  fällt  eine 
sichere  Ausgliederung  dahin  {Trcron  hicincfa).  Diese  Ausnahmen 
nicht  in  Rücksicht  gezogen,  beträgt,  wie  Eürbringek  bereits  fest- 
gestellt hat,  die  Länge  der  Basis  '  ^  bis  -jr,  der  Länge  des  Dorsal- 
randes, ein  Verhältniss,  das  selbst  bei  Individuen  derselben  Art  nicht 
constant  ist.  Bei  Pliaps  ist  die  Basis  nicht  sehr  scharf-  abgetrennt, 
beträgt  aber  ca.  - .-,  des  Dorsalrandes,  w'ährend  sonst  das  Verhältniss 
^..  vorzuherrschen  scheint.  Bei  Goiira  ist  die  Basis. relativ  kürzer 
(ca.  %). 

3.  Die  mediale  Fläche. 

Die  piediale  Fläche  ist  bald  gerundet,  l)ald  flach;  in  den  meisten 
Fällen  greift  eine  Aljplattung  Platz.  Beide  Endformen  weiden  durch 
eine  Stufenleiter  verbunden. 

Die  Räche  ist  gerundet  bei:  Biduuculns,  Goura,  Carpojiha- 
yinac.  Ptüopodinae  und  Veristcridae  mit  Ausnahme  aou  I'Ikijis. 

Zuo].  .Jahil).  XX.    Alitli.  l'.  Svst.  1<> 


232  ]\ri)tii,i'  Martin. 

Die  Fläclie  ist  eben  bei:  Treroninae  und  PJiahinae. 

Die  Fläche  ist  coiicav  bei:  Pe.sophaps  und  Didm. 

Die  Gruppen  sind  schwer  aus  einander  zu  halten,  zumal  sich 
sj^stematische  Einheiten  nicht  durchweg  gleichmässig-  verhalten.  So 
o-ehören  einzelne  Carpojihaf/a- Arten  bereits  der  zweiten  Gruppe  an, 
während  andrerseits  Formen  wie  Vinago  calva  eher  der  ersten 
Gruppe  zuzugesellen  sind.  Die  Abplattung  der  MedialMche  ist  das 
Kesultat  einer  Anschwellung  des  ventralen  Bandes,  die  dorsalwärts 
vorgreift;  die  ursprünglich  i'unde  bis  ovale  Form  des  Schulterblatt- 
hals-Querschnittes geht  in  eine  dreieckige  über,  welche  l)ei  den 
Phühinae  am  charakteristischsten  ausfällt. 

Die  verbreiterte  Fläche  ist  distal  stets  eben  oder  schwacli 
convex.  Sie  ist  durchweg  durch  eine  Anschwellung  verstärkt,  welche 
bald  in  die  Mitte  der  Fläche  gerückt,  bald  dem  ventralen  Bande 
genähert  ist  oder  mit  diesem  zusammenfällt.  Auch  hinsichtlich 
dieses  Verstärkungsbalkens  kann  ich  kein  Gesetz  erkennen,  immerhin 
scheint  bei  den  Treronidac,  mit  Ausnahme  der  Ptüopodinae,  die  Mitte, 
bei  den  übrigen  Tauben  der  ventrale  Band  verstärkt  zu  sein;  bei 
den  Ptilopoddvae  breitet  sich  die  Verstärkung  gleichmässig  über  die 
ganze  Fläche  aus. 

Vorn,  unmittelbar  hinter  dem  Bande,  welcher  Gelenkprotuberanz 
und  Acromion  verl)indet,  liegt  bei  vielen  Tauben  eine  dreieckige 
Einsenkung,  welche  den  Vorderrand  der..  Medialfläche  wallartig  vor- 
springen lässt.  Die  Prägung  dieser  Grube  wechselt  rasch;  bald  ist 
sie  allseitig  deutlich  begrenzt,  bald  werden  die  Begrenzungslinien 
nach  hinten  verwischt.  Es  scheint,  dass  sie  bei  kleinen  Formen  in 
Wegfall  gerätli  und  nur  den  grössern  zukommt. 

4.    Der  Ventralrand. 

Der  Ventralrand  ist  stets  verdickt  und  gerundet.  Er  beginnt 
an  der  Basis  der  Gelenkprotuberanz  und  läuft  dem  Dorsalrand  zu- 
nächst parallel  nach  hinten,  divergirt  aber  dann  allmählich,  so  dass 
die  Verbreiterung  der  Scapula  zu  Stande  kommt.  Gleichzeitig 
schärft  er  sich  nach  hinten  mehr  und  mehr  zu. 

In  der  caudalsten  Strecke  seines  Verlaufes  convergirt  er  wieder 
mit  dem  hintern  Abschnitt  des  Dorsalrandes  —  der  Basis  —  und 
stösst  mit  diesem  in  einem  spitzen  Winkel  zusammen,  so  die  distale 
freie  Ecke  der  Scapula  bildend. 

Oft  trägt  der  Ventralrand  im  proximalen  ^3  ein  kleines 
Tuberculum.   auf  welches  namentlich   bei   Didus  und   Pcmpliaps 


Die  vergieicheufle  Osteologie  der  C'olmnbifoniies.  .    238 

aufmerksam  g-emaclit  wurde.  Bei  den  Eiesentauben  der  rnjulagassi- 
sclieii  Piüvinz  ist  es  kräftig-,  bei  IHdus  sogar  spin aartig-  entwickelt; 
es  findet  sich  constant,  aber  schwach  bei  Didunculus  und  den 
PJiabinae.  wechselnd  bei  den  übrigen  Tauben,  wälii-cnd  es  den 
Gouridae  constant  fehlt.  Da  und  dort  tritt  es  plötzlich  bei  einer  Art 
einer  Gattung,  bei  einem  Individuum  einer  Art  auf  und  wird  bei 
der  nächsten  Art.  beim  n;ichsten  Individuum  gänzlich  vermisst. 

Der  Verdickung  des  \'entralrandes  verdankt  die  Aussenfläche 
der  Scapula  zum  Theil  ihre  Concavität,  welch.e  durch  die  Ver- 
dickung des  Dorsalrandes  vervollständigt  wird. 

5.    Proximales  Ende. 

Das  proximale  Ende  trägt  stets  ein  gut  entwickeltes .  A er  o - 
mion  und  eine  stark  vorspringende  (Telenkpro  tu  beranz;  beide 
sind  durch  den  bald  zugeschärften,  bald  breiten  Vorderrand  ver- 
bunden. 

CO  Acromion.  Die  Höhe  und  Länge  desselben  wechselt.  Seine 
allgemeine  Gestalt  ist  die  einer  etwas  gedrehten  Platte,  deren 
Aussenfläche  mehr  oder  weniger  eben,  deren  Innenfläche  stets  in 
hohem  Grade  convex  vorgewölbt  ist. 

In  den  meisten  Fällen  ist  der  Contur  des  Fortsatzes  (von  innen 
gesehen)  dreieckig;  die  Basis  des  Dreiecks  entspricht  dem  Vorder- 
rand, seine  Schenkel  dem  Dorsal-  resp.  Ventralrand. 

Der  Dorsalrand  verläuft  auf  der  Dorsalfläche  des  Dorsalrandes 
der  Scapula  überhaupt  und  ist  stark  gerundet. 

Die  vordere,  obere  Ecke  ist  etwas  ausgezogen  und  lateral wärts 
gegen  das  Acrocoracoid  gekrümmt  und  mag  deshalb  als  Processus 
a  c  r  0  c  0  r  a  c  0  i  d  e  u  s  s  c  a  p.  bezeichnet  werden.  Dieser  behält  durch- 
weg die  gleiche  Gestalt  bei.  variirt  höchstens  bezüglich  seiner 
gi'össern  oder  geringern  Schlankheit. 

Die  vordere,  untere  Ecke  ist  breit  gei'undet  und  tritt  zum 
Procoracoid  in  Beziehung,  wie  sich  denn  überhaupt  der  ganze 
l'nterrand  des  Acromions  mit  diesem  verbindet. 

Der  Dorsalrand  der  Scapula  setzt  in  der  obern  Hälfte  des 
Voiderrandes  des  Acromions  an  und  wölbt  die  Medialfläche  des 
Fortsatzes  vor.  Zwischen  dem  Dorsalrand  des  Acromions  und  dem 
der  Scapula  liegt  eine  ebene  Strecke,  sonst  bilden  beide  fast  einen 
einheitlichen  Wulst. 

Dei-  Ventralrand  ist  erst  scharf,  spaltet  sich  aber  weiter  hinten 
in  2  Aeste,  von  denen  der  eine  sich  in  den  Vorderrand  der  Scapula 

16* 


234  Ex'DOLF  Martin. 

fortsetzt,  der  andere  noch  eine  Strecke  weit  in  der  Ventralfläche 
des  Knochens  zn  verfolgen  ist.  Durch  ihn  wird  die  hinter  dem 
Vorderrand  gelegene  Grube  (siehe  oben)  medial  begrenzt. 

Durch  dieses  Verhalten  des  Unterrandes  des  Acromions  kommt 
die  J)rehuiig  des  Fortsatzes  zu  Stande. 

Die  Länge  des  Acromions  (vom  Vorderrand  der  Scapula  ge- 
messen) wechselt  ziemlich  stark;  folgende  Messungen  mögen  nls  Be- 
leg beigefügt  werden. 

0,50  dv :  Dicnncnlns. 
0.52 — 0,58  dv:   Carpophaginae. 

0.58 — 0.64  dv :   Cohimhidae,  mit  Ausnahme  von  Col.  trocaz  (0,53), 

Treroninae,    mit    Ausnahme    von    Vinago    calva 

(0,56),  Ptilopodinae,  mit  Ausnahme  von  Alectroenas 

(0,56). 

0,66 — 0.76  dv:  Pcristeriäae.   mit    Ausnahme    von    Turin r   tigri- 

niis  (0,6). 
0,82—0,85  dv:  Gouridae. 
Ausser  den  Gouridae  besitzen  also  die  Fcristrridae  die  längsten 
Acromialfortsätze  und  unter  diesen  wiederum  Phaps;  ihnen  zunächst 
liegen  in  dieser  Beziehung  die  Ptüojjodmac,  deren  Acromion  die 
Länge  von  0,62  dv  meistens  überschreitet,  während  sich  die  Mehr- 
zahl der  Treromdoc  um  0,6,  die  Colnmhidae  um  0,59  gruppiren;  die 
( ■arpo2)Jiaginae  bleiben  stets  unter  0,58,  und  Diduncnlns  endlich  weicht 
nur  wenig  von  0,50  ab. 

ß)  Die  Gelenk  p  r  o  t  u  b  e  r  a  n  z.  Der  Gelenkfortsatz  ist  stark 
und  wurzelt  mit  ziemlich  breiter,  flacher  Basis  am  Ventralrand  des 
Schulterblattes.  Er  ist  fast  direct  auswärts  gerichtet.  Sein  Ende 
ist  ausgebreitet,  nimmt  gegenüber  der  Basis  namentlich  an  Höhe  zu, 
so  dass  der  scapulare  Theil  der  Gelenkpfanne  für  den  Humerus  an- 
nähernd halbkreisförmig  ist. 

Der  obere  Rand  der  Gelenkfläche  begrenzt  die  früher  erwähnte 
Grube  der  Lateralfläche  seitlich.  Der  hintere  Rand,  überhaupt  der 
ganze  caudale  l'heil  der  Gelenkfläche  springt  stärker  lateralwärts 
vor  als  die  vordere  Partie.  Wenn  man  die  Länge  des  Hinter- 
randes der  Protuberanz  durch  dv  ausdrückt,  so  erhält  man  ein  Ver- 
hältniss.  welches  zwischen  0.24  und  0.44  (^^  und  ■^^)  schwankt.  Die 
Strecke  ist  am  längsten,  m.  a.  W.  die  Protuberanz  ist  am  stärksten 
l)rominent.  bei  den  Perisferidae,  speciell  bei  Phaps;  dann  folgen  die 
Columbidae,  PfiJopodinae  und  die  übrigen  Treronidae.  Die  Gouridae 
nehmen  ung-efähr  eine  Mittelstelluna-  ein. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  t  "olunibit'ormes. 


235 


Fig-.  S. 


Fiy.  W. 


Fi--.  T. 


Fio-.  X. 


Fig.  U 


Fio-.  Y. 


Fiy.  V. 


Fi"-.  Z. 


Fig-.  A^ 


Fiy.  E\ 


Fio-.  B- 


Fig.  F-. 


Fio-.  (•■-. 


Fie-.  (t-. 


Fio-.  D-^. 


Fig.  H-. 


Fia-.  J'. 


Fig.  K^ 


Fiß-.  L- 


Fiy.  M-. 


Fio-.  X^ 


Fio-.  0'^ 


Fio-.  p'. 


Fig.  Q-.  Fig.  R'. 

L  a  t  e  r  II 1 II  n  s  i  c  li  t  des  d  i  s  t  a  1  e  n  E  n  d  e  s  des  1  i  n  k  e  n  S  c  h  it  1 1  e  r  b  1  a  1 1  e  s.  1:1 
Fig.  8.  Didtmculus  sfriyirostris.  Fig.  T.  Carpophaga  oceanica.  Fig.  U.  Carpophaga 
larcyiiHlata.  Fig.  V.  Carpophaga  aenea.  Fig.  W.  Cari)ophaga  bicolor.  Fig.  X. 
Trcrnn  cernans.  Fig.  Y.  Treron  biäncta.  Fig.  Z.  SphcKOccrcits  spliciiiinis.  Fig.  A". 
V'uHigo  calra.  Fig.  B^.  Pfilopns  jambn.  Fig.  ('^  Fiilopus  inelaHOHpilns.  Fig.  D*. 
PtUopus  uielanoccpJiulm.  Fig.  E''^.  Alectrocnas  madagascariensis.  Fig.  F'.  Fhaps 
rhidcoptcfa.  Fig.  G-.  Phaps  hiatrionica.  Fig.  H-.  Phaps  indica.  Fig.  J'-*.  Metiio- 
pelia  mclanoptera.  Fig.  K-.  Turtnr  vinaceus.  Fig.  L".  Geopidia  striata.  Fig.  M". 
Mairopggia  emiliana.  Fig.  X^  Columha  picaziiro.  Fig.  ü'^.  Columha  pJiaciiota. 
Fig.  1'-'.  ColuHiha  froraz.    Fig.  Q'-'.   Kctopisfcs  niigraturhis.    Fig.  R'^.  (loura  coronafa. 


286 


Rudolf  Martin, 


Die  Scapula  verbindet  sich  durcli  den  Proc.  acrocora- 
coideiis  scap.  mit  dem  Acrocoracoid,  durch  den  Unterrand  des 
Acromions  und  die  Unteriläche  des  Vorderrandes  der  Scapula  mit 
dem  Procoi-acoid  und  durch  die  Gelenkprotuberanz  mit  dem  Gelenk- 
fortsatz des  Coracüids,  resp.  mit  einer  unter  und  medial  von  diesem 
gelegenen  kleinen  Fläche. 

6.  Distales  Ende. 

Hier  habe  ich  weiter  nichts  beizufügen  und  verweise  auf  die 
allgemeinen  Bemerkungen  über  das  Schulterblatt  und  auf  die  bei- 
gegebenen Figm-en  (s.  vor.  Seite). 

b)  Coracoideum. 
(Textfig.  S-— r-.) 
Das  Coracoid   ist   schlank   und   sein  Hals  rundlich.     Die  Breite 
des  letztern  erreicht  eine  mittlere  Dorsalwirbellänge  nie,  sondern  be- 


Eechtes  ruracuid,  a)  Ventral-,  b)  Dorsalausicht.     1:1. 

Fig.  S^.  Didunculus  Htriyirostrh.     Fig.  T^.  Carpopliaga  oceanica.     Fig.  U^.  Phaps 

chalcopfera.     Fig.  V^.  Ptilopxis  roseicoUis.     Fig.  W^.  Columha  livia. 


Die  vergleiebende  Osteolugie  der  Culumbifornies.  237 

trägt  in  den  meisten  Fällen  bloss  0,5 — 0.6  dv;  in  wenigen  Fällen 
werden  diese  Grenzen  nicht  erreicht  oder  überschritten:  in  jenem 
Falle  belinden  sich  die  Carpoplnuj'nuic  (0,41  —  0.48  dv),  in  diesem  etwa 
Columha  Mvio,  einzelne  Peristerklae  (vor  allem  Phaps)  und  die  Gouridae. 

Andrerseits  ist  die  Ausbreitung-  des  sternalen  Endes  eine  be- 
deutende und  beträgt  mit  Ausn;ihme  von  Macropugia  und  (itmm 
mehr  als  2  dv. 

Die  Beziehungen  des  Coracoids  zu  den  benachbarten  Knochen  sind 
die  normalen;  es  erübrigt  uns  nur  noch,  einige  Bemerkungen  ül)('r 
das  gegenseitige  Verhalten  der  paarigen  Schultergürtelknochen  zu 
machen:  doch  ziehe  ich  vor,  diese  an  die  Besprechung  der  Furcula 
anzuschliessen. 

1.  Proximales  (scapulares)  Ende. 

Der  am  meisten  charakteristische  Theil  des  Coracoids  ist  das 
starke  Acrocoracoid,  das  die  Gelenkfläche  für  den  Humerus 
bedeutend  überragt  und  rostro-medial  gerichtet  ist. 

Im  Querschnitt  ist  das  .\crocoracoid  dreieckig,  mit  einer  medio- 
dorsalen, einer  lateralen  und  einer  ventralen  Fläche. 

Erstere  ist  in  der  Richtung  der  Axe  des  Knochens  tief  concav 
und  umgrenzt  das  Fora men  triosseum  auf  der  lateralen  Seite. 
Ivostral  biegt  sie  scharf  einwärts  und  sogar  etwas  rückwärts  und 
bildet  mit  der  stark  medial  gerichteten  Endfläche  dei-  Acrocora- 
coids  eine  scharfe  Kante  und  zugleich  einen  gegen  das  Schlüssel- 
bein vorspringenden  Fortsatz,  den  Processus  clavicularis 
s.  furcalis). 

Die  laterale  Fläche  beginnt  am  rostralen  Rande  der  Gelenk- 
tläche  für  den  Humerus  und  ist  im  Umriss  am  ehesten  trapezförmig 
( Basis  =  Kante  mit  der  ventralen  Fläche).  Sie  ist  schwach  concav  und 
stösst  mit  der  Endfläche  unter  rechtem  Winkel  zusammen.  Ihre 
F'orm  unterliegt  einiger  Variation,  doch  lässt  sich  stets  mehr  oder 
weniger  deutlich  das  Trapez  erkennen. 

Die  ventrale  Fläche  ist  die  ununterbrochene  Fortsetzung  der 
Ventralfläche  des  Coracoids;  sie  biegt  gegen  das  Ende  zu  schwach 
ventialwärts,  so  dass  die  Kante  gegen  die  Findfläche  zugeschärft  wird. 

Die  Endfläche  ist  sehr  stark  convex  und  entsprechend  dem  Quer- 
schnitt des  Acrocoracoids  dreieckig.  Thr  .\pex  ist  fast  direct  medial- 
wärts  gerichtet,  und  ihre  Ecken  und  Kanten,  vor  Allem  die  ventrale 
mediale,  sind  durch  ihre  Rauhigkeit  ausgezeichnet. 

Eine  Variation   in  den  feinsten   Schattirun^en   wird   auch   hier 


238  lii'uoLi-'  ]\lAirriN. 

beobachtet  und  spricht  sich  vornehmlich  in  der  grossem  oder  ge- 
ringern Schlankheit  des  Acrocoracoids  aus.  Sie  wird  in  nicht  ge- 
ringem Maasse  durch  die  Körpergrüsse  bedingt,  dann  auch  —  je- 
doch in  letzter  Linie  —  durch  die  Entwicklung  der  Flugmusculatur 
(Deltoides). 

Was  die  Neigung  des  iVcrocoracoids  gegenüber  der  Axe  des 
Knochens  betrifft,  so  kann  nur  so  viel  festgestellt  werden,  dass  sie 
bei  Phahinae,  überhaupt  Pcristeridae,  grösser  ist  als  bei  den  übrigen 
Tauben  und  dass  sich  die  Ptüopodinae  auch  in  dieser  Hinsicht  (wenig- 
stens in  der  Jugend)  hier  anzuschliessen  scheinen.  Die  Differenz  ist 
jedoch  nicht  wesentlich,  zumal  noch  innerhalb  der  Familie  zahlreiche 
Abstufungen  angetroffen  werden ;  auch  lassen  sich  ausgewachsene 
Ptil opus- Arten  durch  dieses  Merkmal  nicht  von  gleich  grossen  Trero- 
ninae  unterscheiden. 

Die  G  e  1  e  n  k  f  1  ä  c  h  e  für  den  H  u  m  e  r  u  s  ist  halbmondförmig 
bis  oval;  ihre  lange  Axe  liegt  in  der  Richtung  des  Knochens. 

Das  Labrum  ventrale  springt  ziemlich  stark  vor.  und  seine 
Aussenfläche  bildet  mit  der  Ventralfläche  des  Knochens  eine  flache 
Rinne.  Caudal  geht  die  Gelenkfläche  eben  in  die  Lateralfläche  des  Cora- 
coids  über,  und  rostral  ist  sie  winklig  von  der  Aussenfläche  des 
Acrocoracoids  abgegrenzt.  Ihr  dorsaler  Rand  bildet  die  ventrale 
Umgrenzung  des  Foramen  triosseum;  ihre  rostrale  Ecke  ist  dabei 
noch  etwas  dorsalwärts  ausgezogen,  während  ihre  caudale  Ecke  auf 
dem  lateralen  Rande  der  die  Gelenkfläche  für  den  Gelenkfortsatz 
der  Scapula  tragenden  Pro  tuberanz  ausläuft. 

Diese  Protuberanz  liegt  unmittelbar  lateral  und  dorsal  von  der 
Basis  des  Vorderrandes  des  Procoracoids ;  ihr  Scheitel  ragt  als 
scharfe  Ecke  lateral-  und  dorsalwärts  vor,  und  die  dreieckige  Gelenk- 
fläche ist  nach  vorn,  oben  und  wenig  aussen  gerichtet.  Ihre  mediale 
Ecke  zieht  sich  in  den  rostralen  Rand  des  Procoracoids  aus.  Die 
Lage  dieser  Gelenkfläche  gegenüber  der  für  den  Oberarmknochen 
ist  bei  verschiedenen  Familien  verschieden.  Ein  Querschnitt  schneidet 
die  beiden  Flächen  in  Kanten,  welche  unter  einem  AMnkel  von 

185  0—140"  zu  einander  geneigt  sind  bei: 
Peristeridae,  Ptilopodinae,  Didunculus. 

155  «—165  -^  bei : . 

Treroninae,  Carpophaginae,  CoUimbidae,  Gouridae. 

Das  Zunächstliegende  war.  diese  Thatsachen  mit  dem  Neigungs- 
winkel von  Scapula  und  C'oracoid  in  Zusammenhang  zu  bringen. 
Es  stellte  sich  jedoch  heraus,  dass  dies  nicht  möglich  war,  denn  der 


Die  vergleichende  Osteologie  der  < 'olumbifonnes.  239 

zwischen  beide»  Knochen  liegende  A\'inkel  kann  der  gleiche  sein, 
die  Stellung  der  beiden  Flächen  aber  dennoch  verschieden  und  nm- 
gekehrt.  So  bleibt  keine  andere  Erklärung,  als  d a s s 
hier  ein  ziemlich  c  o  n  s  t  a  n  t  e  s  F  a  ni  i  1  i  e  n  m  e  r  k  m  a  1  vor- 
liegt, welches  a  n  f  Verwandtschaft  z  u  r  ü  c  k  s  c  h  1  i  e  s  s  e  n 
lässt. 


Fig-.  X'-.  Fig.  Y^ 

Querschnitte   durch   die   Coracoide   (auf  der   Höhe   des   iinterii    Endes   der 

Gelenkfläche  für  den  Humerus).     1 : 1. 

Fig.  X^.  Dicliinculus.    Fig.  Y'^  Carpophaija. 

Das  Procoracoid  wechselt  sehr  in  seiner  Gestalt,  ohne  sich 
auch  nur  innerhalb  einer  Art  gleich  zu  erhalten.  Es  wurzelt  stets 
mit  breiter  Basis  auf  der  dorsomedialen  Fläche  des  Coracoids, 
deren  rostrales  ^4  — ^'o  umfassend.  Es  wendet  sich  zunächst  ein- 
wärts, dann  ventral  und  mit  seinem  oft  zu  einer  Spitze  ausgezogenen 
freien  Ende  noch  wenig  lateral. 

Das  freie  Ende  unterliegt  einer  grossen  Variation  der  Form; 
bald  ist  es  —  wie  schon  gesagt  —  zu  einer  schlanken,  etwas  rostral 
vorgreifenden  Spitze  verjüngt,  bald  erscheint  diese  Spitze  abge- 
schnitten oder  in  einen  gerundeten  Lappen  ausgebreitet.  Das  Einzige, 
was  wenigstens  bei  ein  und  derselben  Art  eine  gewisse  Constanz 
zeigt,  ist  der  rostrale  Eand  des  Procoracoids,  der  direct  vom  Ver- 
halten der  Scapula  und  der  Furcula  beeinflusst  wird.  Ueber  diese  Ver- 
hältnisse niögen  die  beigegebenen  Figuren  Aufschluss  geben  (S.  244). 

2.  Stern ales  Ende. 

Mit  der  einzigen  Ausnahme  von  Pezophaps  wird  das  sternale 
Ende  des  Coracoids  durch  einen  starken  Processus  lateralis 
verbreitert,  so  dass  die  medialen  %  des  Hinterrandes  des  Coracoids 
durch  die  Gelenkcrista,  der  laterale  ' '.,  dui'ch  den  caudalen  Rand  des 
genannten  Fortsatzes  gebildet  wird. 

Die  Gelenkcrista  wechselt  wenig.  Ihre  Kante  ist  nach 
hinten  und  oben  concav,  so  dass  in  Folge  dessen  das  Lahr  um  in- 
tern um  concav,  das  L.  externum  convex  erscheint.  Lateral 
springt  die  Crista  weiter  nach  hinten  und  stösst  mit  dem  Hinterrand 
des  Lateralfortsatzes  in  einer  scharfen  P^cke  zusammen. 


240  EUDOLF    ^IaKTIN. 

Das  innere  Labrum  ist  das  breitere  und  durchweg"  siehe! förmig-, 
sein  innerer  Zipfel  abgestutzt;  das  äussere  ist  schmal  bandförmig, 
medial  etwa  doppelt  so  hoch  wie  lateral  und  sein  rostaler  Eand 
--förmig-,  wobei  die  laterale  Welle  schwächer  und  kürzer  ist  als 
die  mediale  (ca.  --  —  %  der  Länge  der  Gelenkcrista ). 

Das  äussere  Labrum  ist  winklig-  von  der  Ventralfläche  des 
Knochens  abgesetzt;  nur  selten  {PhafJS)  zieht  sich  eine  seichte  Einne 
'seinem  Rande  entlang-  und  grenzt  es  so  besser  gegen  den  Haupttheil 
des  Knochens  ab.  Das  innere  Labrum  wird  stets  durch  eine  Grube 
von  der  Dorsalfläche  des  Knochens  getrennt;  nur  da,  wo  es  am 
weitesten  oral  vorgreift,  beginnt  ein  Wall,  welcher  die  erwähnte 
Grube  medial  begrenzt  und  oft  eine  kleine  mediale  von  ihr  ab- 
spaltet, die  aber  in  den  meisten  Fällen  durch  spongiöse  Anschwellung 
dieses  Theiles  ausgetrieben  wird.  Nur  selten  persistirt  sie  und  zwar, 
wenn  die  Pneumacität  des  Knochens  etwas  zurückbleibt  oder  die 
Rauhigkeiten  zum  Ansatz  der  Ligamente  durch  ihre  ungewcdmliche 
Entwicklung  zu  ihrer  Bildung  beitragen;  in  diesem  Falle  wird  sie 
lateral  durch  den  erwähnten  Wall,  rostral  durch  die  rauhe  vordere 
Kante  der  medialen  Ecke,  medial  durch  die  Rauhigkeiten  und  caudal 
durch  den  Rand  des  Labrum  internum  begrenzt  {Dkluncuhis.  Phaps  etc.: 
grosse  Variation ! ). 

Die  viel  constantere  laterale  Grube  nimmt  etwas  mehr  als  - .. 
der  Hinterfläche  des  Coracoids  ein;  sie  ist  annähernd  dreieckig, 
läuft  einerseits  auf  den  lateralen  und  hintern  Rand  des  Processus 
lateralis  aus  und  stösst  andrerseits  an  den  medialen  Wall  und  den 
Rand  des  Labrum  internum.  Ihre  grösste  Tiefe  liegt  in  der  medio- 
caudalen  Ecke,  von  welcher  ausgehend  Foramina  pueumatica 
in  den  Knochen  eindringen.  Einzelne  solcher  Foramina  liegen  dem 
ganzen  Rande  des  Labrums  entlang,  sind  aber  von  geringer  Constanz 
und  können  hier  auch  vollkommen  fehlen.  Dies  trifft  hauptsächlich 
für  die  Treronidae  zu,  etwa  auch  für  DidrmcnJus,  doch  findet  man 
dann  in  der  Regel,  dass  eine  Anzahl  solcher  Löcher  nahe  dem 
lateralen  Ende  der  Gelenkcrista  in  einer  Grube  vereinigt  liegt.  Es 
scheint  mir  bemerkenswerth.  dass  die  Foramina  p  n  e  u  m  a  t  i  c  a 
auf  diese  Stellen  beschränkt  bleiben  und  dem  i)roximalen  Theil  des 
Coracoids  gänzlich  fehlen. 

Der  Boden  der  Grube  ist  eben  und  trägt  mehrere,  vom  medialen 
Rande  ausgehende,  nach  hinten  und  aussen  verlaufende  Muskel- 
linien. 

Die  Grösse  und  Form  der  Grube  hängt  natürlich  von  der  Grösse 


Die  veryleiclioiiile  Osteulogie  der  Cnlniiihiforincs.  241 

und  Form  des  Pioc.  lateralis  ab.  ihre  laterale  Begrenzuna'  ist  oft 
wenig-  scharf. 

Der  Processus  lateralis  ist  dreieckii;-.  Seine  freie  Kcke 
ist  bald  schlanker,  bald  stumpfer  und  in  der  Eegel  ventral  und 
rostral  aufg-ebogen.  zugleich  mit  einer  Verdickung  versehen.  Im 
Uebrigen  sind  seine  Ränder  scharf,  der  hintere  gerade,  der  vordere 
concav.  Die  Vorderfläche  des  Fortsatzes  wird  durch  die  Ventral- 
krümniung  der  freien  Ecke  schwach  concav. 

Der  Fortsatz  ist  in  der  Regel  gross,  zeigt  jedoch  bei  Gonm 
und  vor  Allem  bei  Pezophüps  eine  starke  Keduction,  die  in  der  Ke- 
duction  des  Musculus  sterno-coracoide  us  ihre  Erklärung 
findet.  Bei  den  PUhpodiiiue  und  auch  bei  FJiaps  liegt  auf  seiner 
Ventralfläche,  rostral  von  seinem  Hinterrand  und  unmittelbai'  an 
seiner  Basis,  eine  trichterartige  Vertiefung-,  die  ich  sonst  nirgends, 
ausser  bei  JDiiluncuJm  schwach  angedeutet,  voi-fand. 

Die  mediale  Ecke  des  sternalen  Endes  des  Coracoids  ist  eben- 
falls schlank  ausgezogen,  aber  stets,  mit  Ausnahme  von  Pcwphaps. 
abgestutzt.  Diese  Endfläche  ist.  entsprechend  dem  Querschnitt  des 
Fortsatzes,  rhombisch.  In  ihrer  caudalen  Ecke  endet  die  Firste  der 
Gelenkcrista.  in  ihrer  dorsalen  und  ventralen  die  Ränder  der  beiden 
Labra  und  endlich  in  ihrer  rostralen  die  erhöhte  und  scharfe  Linea 
aspera  der  Dorsomedialfläche  des  Coracoids.  welche  in  ihrem 
caudalen  ^,5  den  medialen  Rand  des  Knochens,  somit  des  Pi-ocessus 
medialis.  bildet.  Die  dorsale  Ecke  der  besprochenen  Fläche  trägt 
zudem  oft  \T)idHncnJHS,  P/iaps.  theilweise  Treromnae.  Columhidac  etc.) 
eine  dorsal  vorragende  Rauhigkeit.  Bei  Goura  und  Macropjjgia 
scheint  der  Proc.  medialis  durch  Erhöhung  der  vordem  Kante 
plumi)er. 

J^inzig  in  seiner  Art  ist  das  ^■erhalten  des  distalen  Gelenkt lieils 
des  Coracoids  bei  Pcsophaps.  wo  der  Processus  lateralis  in  Wegfall 
gerathen.  der  Proc.  medialis  aber  an  seiner  Stelle  lang  und  schlank 
entwickelt  ist.  Die  Erklärung  dürfte  darin  liegen,  dass  also  einer- 
seits durch  Reduction  des  Musculus  sterno-coracoideus  zu  wenigen, 
wahrscheinlich  sehnigen  Fasern  (Rauhigkeiten  auf  der  Dorsalfiäche 
des  Coracoids)  der  Proc.  lateralis  unterdrückt  wurde.  Zugleich 
geschah  die  Auswärtswanderung  der  Coracoide,  und  so  kann  man 
sich  eine  Ziehung  des  Processus  medialis  vorstellen. 

3.   Ventralflä  che. 

Die  Ventralfläche  ist  seitlich  stark  convex  und  geht  uiiuiiicr- 
))i(MlH'n     in    die    ventrale    Fläche    des   Acrocoracoids    über.      Distal 


242  Rudolf  .Martin. 

^^■il■cl  sie  breiter  und  stösst  mit  dem  äussern  Labrum  der  Gelenk- 
erista  in  einer  Kante  zusammen,  längs  welcher  sie  etwa  zu  einem 
schwachen  Suicus  eingesenkt  ist  (s.  oben), 

Entsprechend  der  geringen  ]\rodellirung  giebt  diese  Fläche  keine 
systematischen  Anhaltspunkte. 

Es  sei  noch  die  bald  starke,  bald  auch  Ins  zum  Verschwinden 
reducirte  Linea  aspera  erwähnt,  welche  ungefähr  in  der  Mitte 
des  Knochens  beginnt  und  gegen  das  laterale  Ende  der  sternaleu 
Gelenkfläche  verläuft,  oft  auch  noch  weiter  lateral  endet.  Sie  ist 
am  deutlichsten  bei  PHIopodinae,  Pliaps  und  Didimculns.  aber  auch 
hier  nur  im  distalen  '/o  "^on  grösserer  Constanz.  Die  Ausbildung 
der  Linie  wechselt  stark  und  wurde  bei  ein  und  derselben  Art 
(z.  ß.  Didunrulns)  einmal  gut  entwickelt  angetroifen.  das  andere  'Mal 
Avar  sie  beinahe  verwischt. 

4.  Dorsal  fläche. 

Ebenso  wenige  Anhaltspunkte  wie  die  ventrale  bietet  uns  die 
dorsale  Fläche.  Sie  ist  etwas  abgeflacht,  doch  stets  noch  convex. 
Medial  wird  sie  durch  eine  von  der  Basis  des  Procoracoids  aus- 
gehende starke  rauhe  Linie  von  einer  schmälern  medialen  Fläche 
abgegrenzt,  während  sie  lateral  in  einer  distal  (sternal)  schärfer 
Averdenden  Kante  mit  der  ventralen  Fläche  zusammenstösst. 

Der-  Hals  des  Coracoids  erhält  so  einen  dreieckigen  Querschnitt, 
dessen  Ecken  jedoch  gerundet  sind.  Im  Fall  einer  Verbreiterung 
des  Knochens  (Phaps)  geht  diese  Gestalt  mehr  und  mehr  verloren, 
indem   mit  der  Verbreiterung  eine  Abplattung  Hand  in  Hand  geht. 

ßostral  ist  die  Fläche  in  einer  nach  oben  ansteigenden  Kante 
vorgeknickt  und  stützt  so  die  Gelenkfläche  für  die  Gelenkprotuberanz 
der  Scapula. 

Es  braucht  kaum  noch  darauf  hingewiesen  zu  werden,  dass  die 
dorsale  Grube  des  sternaleu  Endes  auch  auf  die  Dorsalfläche  des 
Halses  übergreift  und  dort  in  der  Regel  durch  einige  Rauhigkeiten 
zur  Inseition  der  Ligamente  begrenzt  wird. 

5.  M  e  d  i  a  1  e  Fläche. 

Die  mediale  Fläche  beginnt  im  C an alis  triosseus  und  kann 
als  caudale  Verlängerung  der  medialen  Fläche  des  Acrocoracoids 
aufgefasst  werden.  Sie  hilft  somit  zunächst  noch  den  Canal  für  die 
Endsehne  des  Muse,  supraco  racoideus  begrenzen  und  ist  auf 
dieser  Strecke   relativ    scharf  von    der   ventralen  Fläche  abgesetzt. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Coluiiibiformes.  243 

Distal  wird  sie  mit  dieser  confluent.  eine  Folge  der  starken  Aus- 
wölbnng  dei-  erstlich  scliwacli  concaven  Fläche.  Dorsal  bildet  die 
stets  vorhandene  rauhe  Linie  eine  Grenze  zwischen  den  beiden  an- 
stossenden  Flächen.  Gegen  den  P  r  o  c  e  s  s  n  s  m  e  d  i  a  1  i  s ,  respective 
gegen  dessen  ventrale  P'läche  länft  diese  Facette  allmählich  aus. 

(x  Laterale  Fl  ä  che. 

Die  laterale  Fläche,  wenn  man  von  einer  solchen  sprechen  darf, 
ist  auf  die  Strecke  vom  f'andalrand  der  (Gelenkpfanne  bis  etwa  in 
die  Mitte  des  ganzen  Knochens  beschränkt.  Hier  geht  sie  allmählich 
in  die  dorsale  und  ventrale  Fläche  über. 

c)   F  n  r  c  n  1  a. 

Die  Furcnla  ist  cm  durch  die  ganze  Ordnung  wenig  modificirter 
Knochen.  Die  einzige  wesentliche  Modification  treffen  wir  bei  Dkhis. 
wo  eim'  Auflösung  der  Furcnla  zu  Stande  kommt. 

Sonst  ist  sie  ein  Uföi-miger  Knochen,  dessen  freie  Enden  zur 
Verbindung  mit  den  beiden  andern  paarigen  Schnltergiirtelknochen 
zu  kleinen  Platten  ausgewalzt  sind,  welche  mehr  oder  weniger  deut- 
lich die  verschiedenen  Fortsätze  unterscheiden  lassen. 

Der  (Querschnitt  ist  im  rostralen  ' ..  hoch  oval,  geht  gegen  die 
Mitte  in  einen  rundlichen  über,  um  im  caudalen  '  ^  breit  oval  zu 
werden.  An  der  Unibiegestelle,  also  hauittsächlich  median,  ist  die 
Furcnla  am  stärksten  von  oben  nach  unten  abgeplattet  und  zwar  so 
stark,  dass  eine  vordere  und  eine  hintere  Kante  entsteht. 

Es  ist  hier  der  Ort.  der  Verbindung  von  Scapula.  Co- 
racoid  und  Furcnla  zu  gedenken.  Die  3  Knochen  bilden  zu- 
sammen das  F  0  r  a  m  e  n  t  r  i  o  s  s  e  u  m.  Der  Unterrand  des  proximalen 
Theiles  der  Furcnla  liegt  stets  dem  Rostralrand  des  Procoracoids 
auf,  während  dessen  rostrale  Ecke  durch  Ligamente  zum  Acrocora- 
coid  in  Beziehung  tritt,  wobei  sich  die  beiden  Knochen  direct  be- 
rühren. 

Nicht  so  constant  ist  der  directe  Oontact  von  Furcnla  und 
Scapula.  und  zwar  steht  er  grossen  Theils  unter  dem  Einfluss  der  in- 
dividnellen  Variation.  Die  beigegebenen  Figuren  geben  am  besten 
Aufschluss  übei-  die  verschiedenen  Formen  der  Gelenkbildung.  Es 
sei  noch  bemerkt,  dass  sich  bei  einem  Vergleich  der  FCrbring Kirschen 
Abbildungen  (Morjjh.  d.  Vögel,  tab.  2,  flg.  59-^64)  mit  den  unsrigen 
einige  Differenzen  herausstellen  werden,  welche  wohl  zum  Theil  auf 
die  individuelle  Variation,  zum  Theil  vielleicht  auch  auf  falsche  Art- 


■2U 


Rudolf  Martin. 


bestiiiiiimng-  zurückzuführen  sind.  Auch  scheinen  mir  die  Figuren 
Fi'RBiaNGEirs  etwas  zu  stark  schematisirt ,  um  eine  genaue  Dai- 
stellung  der  thntsächlichen  Verliältnisse  zu  o-eben. 


Fig.  Z» 


Fio-.  Fl 


Fio-.  A' 


Fiff.   Bl        Fio-.  (" 


Fio-.  G\ 


Fis-.  H" 


Fig.  D'. 


Fiß-.  E\ 


^ 


Fiff.  K^ 


Fio-.  L^ 


Fio-.  3P. 


Fig.  X'. 


E  echtes    Gelenk    zwischen    Coracoid,    Schulterhlatt    nnfl    Furcula. 

1:1.  Fig.  N*  1:2. 

Fig.  ZI  Didunculus  striglrostris.  Fig.  A'\  Cnrpophaya  oceanica.  Fig.  B^.  Treron 
vernans.  Fig.  C'\  Ptüopas  roseicolüs.  Fig.  Dl  Spheiiocerciis  spheimriis.  Fig.  E^. 
Carpophaga  aenea.  Fig.  F^.  Alectroenm  madagascariemis.  Fig.  G''.  Fhaps  chal- 
coptera.  Fig.  H-'.  MetriopeUa  melaHojytera.  Fig.  J^.  Turtur  vinaceus.  Fig.  K" 
Macropggia  cmiliana.  Fig.  L''.  Columba  aquatrix.  Fig.  M^.  Edopistes  migratorlus. 
Fig.  N\  Goura  coronata. 

Der  Beschalfeuheit  dieser  Articulation   darf  der  grossen  Varia- 
bilität wegen  nur  wenig  Werth  beigemessen  werden. 


d)  Stern  um. 
(Textfio-.  O-'-W^ 


Im  Sternum  spricht  sich  eine  gewisse  Zusammengehörigkeit  der    r 
einzelnen  Formen   aus,   sofern   wir   vom  Xiphosternum   absehen    ji»: 
und  bloss  den  rostralen  Abschnitt,  das  Costosternum,  in  Berück- 
sichtigung ziehen. 


r>ie  vero-leichende  Osteclnu-if  der  (  (i!niMl)itoniie.s. 


24Ö 


Fio-.  p-'a. 


Fio-.  P'b. 


Fiff.  O'a. 


Fig-.  g/'a.  Fig.    (fh. 

B|rnstbeine,  &)  Ventral-,  b)  Dorsalansicht  (des  proximalen  Theilsl.    1:1. 
Fig.  0*.  Columha  livia.     Fig.  P*.  Phaps  chalcoptera.     Fig.  Q''.  Sfarnoeiias  ] 

ci/(inocephala. 


246 


Rudolf  Maktin. 


Fio-.  T\a. 


Fie-.  T'b. 


Fiö'.  El 


Fio-.  S^a. 


Fia-.  SM). 


Fio-.  UM). 


Fig-.  U^a. 


Brustbeine,  a)  Ventral-,  b)  Dorsal  ansieht  (des  proximalen  Theilsi.     1:1. 

Fig.  R*.    Goura  coronata  (nur  Ventralansicht).  \)     Fig.  S^.  Treron  ver7i(nis. 

Fig.  T*.  Carpophaga  oceanica.    Fig.  U'l  Ptilopns  roseicollis. 


1)  Dorsalansicht  s.   OWEN,   Memoir  on  the  Dodo,   tab.    12,  fig.   3. 


Die  vergleichende  Osteolo^ie  der  Columbifonnes. 


247 


Fiff.  V'b. 


Fig.  V^a. 

Fig.  W\ 

Brustbeine,    a)  Ventral-,    b)  Dorsalausiclit  (des  proximalen  Theilsi 
Fig.  V.  Didunculus  sfrigirostris.     Fig.  W^.  Ptilopiis  jamhu  juv. 


1  :  1. 


1.  Costosternum. 

Das  Costosternum  ist.  wie  Fürbringer  darg-ethan  liat.  in  Folge 
seiner  Entstehungsweise  von  den  Rippen  aus  auch  in  seinem  spätem 
Gepräge  in  nicht  geringem  Maasse  von  diesen  abhängig,  d.  h.  es 
Avird  kürzer  oder  länger  sein,  je  nach  der  Zahl  der  mit  ihm  arti- 
culirenden  Rippen. 

Die  Schwankungen,  welche  uns  in  dieser  Richtung  bei  den 
Tauben  entgegentreten,  liegen  zwischen  2  und  5.  Es  da)-f  gesagt 
werden,  dass  die  individuellen  Eigenarten  nicht  sehr  Aveite  Grenzen 
fordern .  denn  sie  beschränken  sich  auf  1.  Es  gilt  auch  all- 
gemein, dass  diese  individuelle  Variation  in  den  Bereich  der 
Cervico-dorsalrippen  fällt  und  nur  ansnahmsweise  die  Rippen  des 
ersten  zum  Svnsacrum  verschmolzenen  Wirbels  in  Mitleidenschaft 
zieht. 

Wie  FürrrinCtEr  gezeigt  hat.  stehen  die  Cervico-dorsalrippen 
beim  Embryo  in  ganz  derselben  Beziehung  zum  Brustbein,  wie  die 
sich  später  zu  echten  Rippen  specialisirenden  Knorpelspangen:  die 
Loslösung  vom  Sternum  geschieht  erst  secundär.  und  stets  bleiben 
noch  Reste  des  resorbirten  Theiles  persistirend :  einerseits  ein  Theil 

Zool.  .Taliib,  XX.    Abth.  f.  Syst.  l"* 


248  Rudolf  Martin, 

des  mit  dem  Brustbein  versclimolzeneu  Processus  lateralis 
anterior  und  andrerseits  die  starken  sehnigen  Faserzüge,  welche 
diesen  mit  den  freien  Enden  der  Halsrippen  verbinden.  Es  kann 
nun  der  Fall  eintreten,  dass  die  letzte  Halsrippe  den  gleichen  Weg 
der  Entwicklung  einschlägt,  wie  die  ihr  caudal  folgenden  Eip])en, 
d.  h.  zur  echten  Eippe  wird;  ihr  Sternocostale  ist  aber  auf  alle 
Fälle  schwächer  und  articulirt  stets  am  Hinterrand  des  Proc.  late- 
i'alis  ant.  oder  doch  unmittelbar  an  seiner  Wurzel.  Dem  entsprechend 
finden  wir  dort  eine  kleine  Gelenkfacette,  welche  aber  von  den 
darauf  folgenden  leicht  als  accessorisch  untei'schieden  werden  kann, 
indem  sie  bloss  auf  einer  kleinen  Warze  an  der  Basis  des  Fortsatzes 
sitzt,  während  die  andern  Knochenbalken  darstellen,  welche  zwischen 
die  dorsale  und  ventrale  Lamelle  des  Lateralrandes  (siehe  unten) 
eingespannt  sind  und  Gruben  zwischen  sich  einschliessen. 

So  sehen  wir  denn,  dass  die  individuelle  Variation  keinen  oder 
doch  nur  sehr  geringen  Einfluss  auf  das  Costosternum  ausübt,  der 
an  dessen  allgemeiner  Configuration  nichts  zu  ändern  im  Stande  ist. 
Diese  ist  für  die  einzelnen  Familien  von  ziemlicher  Wichtigkeit  und 
giebt  uns  ein  Mittel  zur  Analyse  und  Synthese  der  Formen  und 
Familien  an  die  Hand. 

a)  Der  S Ulcus  articularis  coracoidei  entspricht  genau 
der  Gelenkcrista  des  sternalen  Endes  des  Ooracoids  sowie  der  gegen- 
seitigen Stellung  der  Coracoide.  Ihre  Lage  gegenüber  der  Mittel- 
linie wird  also  mit  dem  AVachsen  des  intercoracoidalen  Winkels 
steiler  werden.  Doch  sind  diese  Differenzen  so  gering,  dass  sie  dem 
Auge  entgehen  und  auch  einer  genauen  Messung  nicht  zugänglich 
sind  (Mangel  an  Anhaltspunkten).  Würden  auch  solche  vorliegen, 
so  wären  sie  nicht  ohne  '\\^eiteres  vergleichbar  und  zwar  in  An- 
betracht der  Umgestaltungen  während  des  postembryonalen  Wachs- 
thums.  Leider  fehlt  mir  ein  genügendes  Material,  um  diese  Ver- 
hältnisse festzulegen ;  so  viel  ist  jedoch  sicher,  dass  die  Steilheit  mit 
dem  Alter  des  Individuums  abnimmt,  ganz  unabhängig  von  der  Ge- 
staltung des  äussern  Labrums  des  Sulcus,  welches  in  einem  Fall  von 
Pfüopus  roseicoUis  erst  wenig  steil  zur  Mittellinie  geneigt  ist, 
später  stärker  abtällt  und  zuletzt  wieder  der  ursprünglichen  Lage 
nahe  kommt. 

Die  beiderseitigen  Sulci  gehen  entweder  ununterbrochen  in 
einander  über  oder  sind  durch  eine  mehr  oder  weniger  tiefe  De- 
pression in  der  Mittellinie  getrennt.  Je  nachdem  kann  man  zwei 
Gruppen   aus   einander  halten.    Zu  jener   sind   die  Treronidae  nach 


Die  verg-leidieutle  Osteologie  der  Columbifonnes.  249 

Ausschluss  der  Ptüopodinae,  die  Columhidae  und  die  Peristeridae  mit 
Ausnalime  der  Phahinae  und  eventuell  der  Zenaidinac  zu  stellen,  zu 
dieser  die  Ptilopodinae,  Phahinae  (ev.  Zenaidinae),  Goxridae,  I)i- 
dunculus  und  vor  Allem  die  Didi. 

Seitlich  g-eht  die  Rinne  in  die  I  m  p  r  e  s  s  i  o  s  t  e  r  n  o  -  c  o  r  a  c  o  i  d  e  a 
iil)er  und  ist  an  der  Ueberg-ang-sstelle  zumeist  eingesenkt.  Im  Boden 
dieser  Vertiefung  liegen  Foramina  pneuniatica  in  wechselnder 
Zahl  (v(m  1—3). 

ß)  Das  L  a  1)  r  u  m  exte  r  n  u  m  begrenzt  den  8  n  1  c  u  s  a  r  t  i  - 
cularis  coracoidei  nach  aussen  und  fällt,  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  von  der  Neigung-  des  Sulcus  unabhängig,  bald  steiler,  bald 
weniger  steil  lateral  ab. 

Auf  einen  bloss  flüchtigen  Blick  möchte  es  scheinen,  als  ob  der 
Winkel,  den  die  Kante  des  Labrums  mit  der  Mittellinie  bildet,  bei 
irhaps  am  kleinsten  sei.  Eine  genaue  Vergleichung  lehrt  jedoch,  dass 
diese  Täuschung-  nur  auf  die  relativ  starke  Entwicklung-  der  Spina 
externa  zurückzuführen  ist  und  dass  im  Gegentheil  der  wirkliche 
Winkel  wenig  spitz  ist.  Besser  als  Worte  giebt  beifolg-ende  Zu- 
sammenstellung- die  nöthige  Auskunft. 

Der  Winkel  niisst: 

48"  bei  Columha  Jivia. 

50"     „    Treron  vcrnans. 

52"     „    Carpophaga  oceanim,  Goura  coronafa. 

54"     ,.    Phaps  chak'opfera. 

57"     ..    l)idnuc}ih(s  sfrigirosfris. 

(50"     ,,    Piilopns  jamhu,  Starnoenas  njanocephala. 

65"     ,,    Ptilopus  roseicollis. 

Aus  dieser  Aufzählung  ist  wenigstens  das  zu  entnehmen,  dass 
mit  der  nöthigen  Rücksicht  auf  die  Variation  innerhalb  der  Familie 
(z.  B.  Phaps-Starnoenas  oder  Treron-Carpophaga),  welche  oft  sehr  be- 
träclitlich  sein  kann,  einerseits  ein  Complex  von  Tauben  mit  einem 
AVinkelbetrag,  der  unter  55"  bleibt,  und  andrerseits  ein  solcher,  bei 
dem  dieser  Werth  55"  überschreitet,  unterschieden  werden  kann. 

In  der  Regel  ist  der  Winkel  innerhalb  einer  Familie  bis  zu 
einem  geAvissen  Grade  von  der  Körpergrösse  des  Thieres  abhängig, 
d.  h.  er  wächst  mit  der  Körpergrösse.  Eine  Ausnahme  macht  hier 
Phaps  chalcoptera ;  diese  ist,  wie  bereits  oben  bemerkt  wurde,  auf 
die  überaus   starke  Entwicklung  der  Spina  externa  zurückzufüliren. 

Der  laterale  Rand  des  Labrums  verlängert  sich  in  den  Hinter- 
rand der  Impressio  sterno-coracoidea  einerseits  und  in  die  Linea 

17* 


250  RiDOM'  Martin. 

supracora  coidea  andrerseits.  Bald  ist  n-  winklig-  vom  an- 
nähernd geraden  Rostralrand  abgesetzt,  bald  —  nnd  dies  scheint 
häufiger  der  Fall  zu  sein  —  gelit  er  durch  eine  flachere  oder 
schärfere  Curve  in  diesen  über.     Kine  Eegel  ist  nicht  erkennbar. 

Median  trägt  das  Labrum  ext.  entweder,  und  zwar  bei  der 
Mehrzahl  der  Tauben,  eine  kleine  Spina  externa  oder  eine  flache 
Incisura. 

Die  Spina  externa  erreicht  nur  bei  Plia2)s  eine  bedeutende 
Grösse  und  ist  sonst  nur  in  Form  einer  dreikantigen,  den  Vorder- 
i-and  des  Labrums  ca.  1  mm  überragenden  Pyramide  ausgebildet. 
Bei  den  PtiJopodinae  geräth  sie  in  Wegfall  und  ist  bei  Dnhmailm 
sehr  klein,  oft  auch  ganz  reducirt;  jedenfalls  herrscht  in  beiden 
Fällen  die  Einkerbung  vor. 

Da.  wo  die  Incisur  an  Stelle  der  Spina  getreten  ist,  finden  wir 
auf  der  Innenfläche  des  Labrums  regelmässig  eine  runde  Grube, 
welche  sich  gegen  den  Boden  des  Sulcus  articularis  cor.  und  von  da 
auf  die  Ventralfläche  der  Spina  interna  auszieht  und  die  beider- 
seitigen Gelenkgruben  von  einander  trennt.  In  der  Regel  liegt  am 
Boden  dieser  Grube  ein  Foramen  pneumaticum. 

Eine  ähnliche  Depression  fand  ich  auch  bei  andern  Formen 
(Carp.  aenea,  Phaps  histrionica  etc.),  doch  ist  sie  sehi'  wenig  con- 
stant  und  erscheint  oder  verschwindet  von  einem  Individuum  zum 
andern. 

y)  Labrum  internum  und  Spina  interna. 

Das  Labrum  internum  überragt  das  Labrum  externum  um  ein 
Bedeutendes  und  trägt  ohne  Ausnahme  eine  grosse  mediane  Spina 
interna. 

Lateral  gelit  der  Rand  des  Labrums  ohne  Grenze  in  den  ge- 
raden oder  meist  convexen  Vorderrand  des  Processus  lateralis  anterior 
über. 

Entsprechend  der  Entwicklung  der  starken  vom  Sternum  zum 
(Joracoid  gespannten  Ligamente  und  Membranen  erfährt  die  Kante 
des  Labrums  und  der  Spina  interna  eine  die  Form  wesentlich  be- 
einflussende Modellirung,  d.  h.  sie  wird  in  kleinere  und  grössere 
Spinae  ausgezogen,  von  denen  jedoch  nur  die  2,  in  das  Gebiet  der 
Spina  interna  entfallenden,  constant  sind  und  von  denen  die  Form 
der  letztern  abhängig  ist.  Der  eigentliche  Rand  des  Labrums 
bleibt  glatt,  und  der  Rest  der  unregelmässig  auftretenden  Rauhig- 
keiten ist  auf  den  Rand  des  Costalfortsatzes  beschränkt. 

Wenn  wir  die  Spitzen  der  der  Spina  interna  angehörenden  Vor- 


Die  vergleichende  Osteologie  der  (ohiiubifürines.  251 

spränge  durch  eine  Gerade  verbinden,  so  läuft  deren  caudale  Ver- 
läng'ernng-  dem  lateralen  Rande  des  Trabeculum  laterale 
parallel  oder  trifft  höchstens  dessen  Ende.  Es  ist  damit  gesagt,  dass 
die  iSpinae  stets  ungefähr  gleich  starke  (im  Verhältniss  zur  Körper- 
grössei  Entwicklung  erlangen  und  dass  der  seitliche  Abfall  der  Spina 
interna  durchweg  ungefähr  der  gleiche  bleibt,  sofern  es  sich  nicht 
um  die  extrem  modificirten  Taubenformen  {Goura.  DhIks etc.)  handelt. 
r)ie  grössere  oder  geringere  Breite  der  Spina  beruht  daher  in  erster 
Linie  auf  der  relativen  Breite  des  Sternums.  so  dass  die  erwähnten 
(Geraden  parallel  verschoben  werden. 

Immerhin  darf  man  sich  die  Verhältnisse  nicht  so  einfach  vor- 
stellen, wie  aus  dem  Gesagten  hervorgehen  möchte;  ich  muss  hier 
beifügen,  dass  man  eben  nirgends  geometrische  Grundsätze  aufstellen 
kann  und  Messungen  nicht  auf  absolute  Genauigkeit  Anspruch  er- 
heben können,  sondern  bloss  einen  approximativen  Werth  ausdrücken. 
Zudem  stossen  wir  auf  zahlreiche  Ausnahmen,  so  dass  überhaupt 
bloss  von  einer  Regel,  nicht  aber  von  einem  zwingenden  Gesetze  die 
Rede  sein  kann. 

So  viel  steht  fest,  dass  die  Spina  interna  für  die  Familie  als 
Charakteristicum  angesprochen  werden  darf.  Ein  Blick  auf  die 
Innentiäche  (T)orsalfläclie)  des  Sternums  genügt,  zu  zeigen,  dass  wir 
2  ganz  verschiedene  Typen  unterscheiden  können,  die  der  Kürze 
halber  nach  den  hauptsächlichsten ,  durch  sie  charakterisirten 
Familien  als  columbiner  und  ptilo  podiner  Typus  bezeichnet 
werden  mögen. 

Der  columbine  Typus:  Die  Spina  ist  schlank  und  relativ 
lang.  Sie  ragt  auf  der  Innenfläche  (in  Folge  der  später  zu  er- 
wähnenden Verdickung)  als  dreieckige  bis  rhombische  Platte  vor. 
In  ihrem  hintern  Theile  liegt  ein  sehr  grosses  Foramen  pneu- 
m  a  t  i  c  u  m  oder  besser  eine  meist  4eckige  Grube . .  welche  einen 
<  omplex  von  Foramina  aufnimmt,  und  theilt  so  die  Platte  in  2  seit- 
liche Balken,  die  gleichsam  als  Si)arren  einerseits  gegen  die  Innen- 
fläche des  Sternums  si)erren.  andrerseits  der  Spina  als  Stütze  dienen. 
Lateral  von  diesen  Balken  liegen  nach  hinten  offene  Gruben,  welche 
durch  den  verstärkten  Vorderrand  und  die  aufgetriebenen  Wurzeln 
der  vorderen  Lateralfoi'tsätze  begrenzt  werden.  Diesem  Typus  ge- 
hören folgende  Familien  und  L^nteifamilien  an: 

( 'olumhidac 

Perisieriduc 

Treroninae. 


252  Rudolf  Martin. 

Der  p  t  i  1 0  p  0  d  i  11  e  Typus:  Die  Spina  präsentirt  sich  auf  der 
Innenseite  des  Brustbeines  als  rechteckig'e,  oft  fast  als  quadratische, 
scharf  begrenzte  Tafel.  Der  hintere  Theil  weist  die  gleichen  Eigen- 
thümlichkeiten  auf.  wie  wir  sie  oben  beschrieben  haben,  nur  dass 
noch  regelmässig  eine  Depression,  welche  vom  Foramen  pneumaticum 
gegen  den  Rostralrand  des  P'ortsatzes  zieht,  dazu  kommt.  Hier  sind 
die  folgenden  E'ormen  unterzubringen: 

PfilopocUnae 
Didunculus 
Carpophaginae 
Gonridae. 

Es  sei  noch  zugefügt,  dass  einzelne  Arten,  z.  B.  Sfanwenas 
cyanocephäla,  Treron  vernans,  obwohl  entschieden  bei  jener  Gruppe 
unterzubringen,  doch  gegen  diese  neigen. 

Es  kann  kein  Zweifel  darüber  herrschen,  dass  der  Grad  der 
Ausbildung  des  Flugvermögens  einfiussreicli  ist.  Am  besten  wird 
dies  durch  Gonra  deutlich  gemacht.  Dass  dies  aber  nicht  das  ein- 
zige Moment  ist,  dafür  sprechen  die  Pfilopodinae  einerseits,  die  Pha- 
binae  etc.  andi'erseits.  Einen  Prüfstein  für  verwandtschaftliche  Be- 
ziehungen daraus  zu  machen,  kann  ich  mit  Rücksicht  auf  andere, 
theilweise  schon  besprochene,  theilweise  noch  zu  nennende  Eigeii- 
thümlichkeiten,  die  in  entgegengesetztem  Sinne  sprechen,  nicht.  Aber 
als  einfaches  Unterscheidungsmittel  dürften  diese  Verhältnisse  gute 
Dienste  leisten. 

ö)  Der  Processus  lateralis  anterior  ist  sehr  plastisch 
und  erleidet  von  Art  zu  Art,  ja  auch  von  Individuum  zu  Individuum 
Verschiebungen. 

Sein  Vorderrand  ist  in  der  Regel  coiivex  und  nur  ausnahms- 
weise {Carpophaga  oceanica,  Macropygia  emiUana,  vielleicht  in  Folge 
individueller  Variation)  gerade.  Er  ist.  wie  oben  angedeutet  wurde, 
rauh,  so  dass  er  den  tiefen  sehnigen  Fasern  des  Muse,  sterno- 
coracoideus  einen  guten  Ansatz  bietet.  Das  Ende  des  Fortsatzes 
ist  meist  abgestutzt,  oft  mehr  gerundet,  oft  mehr  gerade  und  da  und 
dort  wenig  concav;  nur  selten  verjüngt  es  sich  zu  einer  Spitze. 

Was  die  Richtung  des  Fortsatzes  betrifft,  kann  als  Regel  gelten, 
dass  sie  zur  Mittellinie  senkrecht  steht;  das  äussere  Ende  ist  ge- 
wöhnlich rückwärts  (caudal)  abgebogen.  Ausnahmsweise  {Sfarnoenas) 
ragt  der  Fortsatz  mehr  nach  vorn  und  auswärts. 

e)  Der  Costalrand  verglichen   mit  dem   ganzen  Lateralrand 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Columbiforiues.  253 

des  Brustbeines  ist  bei  verscliiedenen  Arten  sehr  verschieden  hing-: 
das  Nähere  geht  aus  der  beigefügten  Maasstabelle  hervor. 

Allgemein,  Avenn  man  Ptilopm  jamhu  in  Berücksiclitignng-  zieht, 
geht  aus  der  Zusammenstellung-  hervor,  dass  das  Yerliältnis  von 
costalem  Abschnitt  zum  ganzen  l'ostalrand  mit  dem  Alter  abnimmt ; 
ferner,  dass  die  Ptilopodinae  relativ  den  kürzesten  costalen  Abschnitt 
unter  allen  Tauben  aufweisen,  der  allerdings  von  vielen  Pcrisfen'dae 
nur  um  Weniges  übertrofiVn  wird.  Es  beruht  dies  nicht  allein  auf 
der  Verkürzung-  des  costalen  Abschnittes  durch  Ausschaltung  einer 
Kippe  aus  der  Gruppe  der  ,.echten".  sondern  auch  auf  der  Ver- 
längerung des  Trabe cul um  laterale  (z.  B.  Zenaida  aicricidata, 
3fetriope!ia  melanoptera) ;  wo  beide  Ursachen  zusammen  wirken,  wie 
beispielsweise  bei  den  Ptilopodinae  und  Starnoenas  cyanocephala.  wird 
das  Verhältniss  um  so  kleiner  ausfallen. 

Seinem  Zwecke  entsprechend  breitet  sich  der  costale  Abschnitt 
des  Lateralrandes  aus  und  lässt  dabei  eine  dorsale  und  eine  ventrale 
(innere  und  äussere)  Lamelle  unterscheiden,  zwischen  denen  die  auf 
Balken  liegenden  Gelenkfacetten  für  die  Eippen  2 — 5  Brücken 
bilden.  So  kommt  es,  dass  zwischen  den  einzelnen  Facetten  tiefe 
Gruben  zu  liegen  kommen. 

Die  Spaltung  des  Eandes  in-  zwei  Lamellen  beginnt  an  der 
Basis  des  Hinterrandes  des  Lateralfortsatzes,  bald  allmählich,  bald 
plötzlich,  so  dass  die  erste  Gelenkfacette  das  eine  Mal  weniger  deut- 
lich, das  andere  Mal  schärfer  gegen  vorn  abgesetzt  ist. 

Obwohl  zahlreiche  Ausnahmen  stattfinden,  kann  man  doch  eine 
gewisse  Regelmässigkeit  in  dieser  Hinsicht  erkennen.  Die  Pfilo- 
podinac.  Didunodus,  einige  Carpophaf/a- Arten  und  die  Pcrisfcndae 
müssten  der  zweiten  Grui)i)e  zugezählt  werden.  Eine  Grenze  lässt 
sich  abei'  nicht  ziehen.  Diese  Dinge  stehen  mit  der  Ausbildung  der 
Eippen  in  engem  Zusammenhange. 

Vor  der  ersten  Gelenkfacette  liegt  in  der  Regel  ein  Foramen 
p  n  e  u  ni  a  t  i  c  u  m  von  geringer  ( 'onstanz. 

Die  Zahl  der  Rippenfacetten  beträgt  gewöhnlich  3  bis  4.  Die 
erste  ist  oft  klein  und  erreicht  nicht  immer  die  innere  Lamelle, 
sondern  sitzt  bloss  der  äussern  auf  oder  liegt  ihr  dorsal  an. 

Die  Mehrzahl  der  Tauben  besitzt  3  Paar  Gelenkfacetten;  bei 
den  Peristeridae  scheinen  4  die  Regel  zu  sein,  doch  tritft  man 
auch  gelegentlich  eine  Verminderung  um  eine,  ja  sogar  zwei  (so 
trägt    das    P)rustbein    von    Turfur   tiyrinus   bloss    3    Paar,    das    von 


254  EUDOLF    MaHTIN, 

Starnoenas  cyanocephala  etwa  nur  2  Paar  Facetten).  Umgekehrt 
können  einzelne  CoJumba-Arten  (Col.  rnfina.  palunibus ,  aquafrü-, 
phaenota  und  Edopisfes)  4  Paar  Facetten  tragen,  von  denen  aller- 
dings das  vorderste  klein  und  als  accessorisch  sich  erweist.  Didun- 
ciihis  ist  durch  4  Paar  ausgezeichnet,  wie  auch  Fezophaps  und  Didus] 
bei  letztem!  ist  die  Fünfzahl  aber  ebenso  häufig.  Goura  besitzt 
3  Paare. 

Hinter  der  caudalen  Eippenfacette  fallen  die  beiden  Lamellen 
des  Sternalrandes  ab;  die  äussere  setzt  sich  in  den  Lateralrand  des 
Trabeculum  laterale  fort,  die  innere  verläuft  in  die  Verdickung  des- 
selben. 

t)  Verstärkungen  der  Ränder  des  Costosternum. 
Der  ganze  rostrale  und  laterale  Rand  des  Costosternums  ist  verdickt. 
Die  Verstärkung  beginnt  an  der  Spina  interna,  biegt  an  der  Basis 
des  Lateralfortsatzes  nach  hinten  um  und  breitet  sich  dann  all- 
mählich aus,  bis  es  zu  einer  Spaltung  kommt.  Der  laterale  Zweig 
läuft  auf  das  Trabeculum  laterale,  der  mediale  folgt  dem 
Innern  Rande  der  Incisura  lateralis. 

Im  vordem  Theile  ist  die  Verstärkung  nach  hinten  und  gegen 
die  Mitte  stark  abgehoben,  so  dass  lateral  von  den  Stützen  der  Spina 
interna  die  bereits  genannten  Gruben  entstehen.  Auf  dem  Lateral- 
fortsatz verliert  sich  die  Verdickung  allmählich. 

In  den  Gruben  liegt  eine  x\.nzahl  pneumatischer  Foramen,  die 
in  den  Randwulst  einführen  und  deren  Zahl  starken  Wechseln 
unterworfen  ist.  Ich  zählte  bis  10  einerseits,  andrerseits  aber  nur  2; 
kein  Individuum  stimmt  mit  dem  andern  hierin  überein. 

2.   X  i  p  h  0  s  t  e  r  n  u  m. 

Die  relative  Grösse  des  Xiphosternums  unterliegt  mannigfaltigen 
Schwankungen,  welche  sich  innerhalb  der  Grenzen  4,25  und  1,4  be- 
wegen (bezüglich  der  Länge  des  Costosternums).  Ueber  die  Details 
orientirt  man  sich  am  besten  an  Hand  der  beigegebenen  Tabelle. 

Es  lassen  sich  schwerlich  auf  Grund  des  Xiphosternums  scharf 
umgrenzte  Gruppen  zusammenfassen,  denn  die  Uebergänge  sind  all- 
mählich und  werden  zudem  durch  die  individuelle  Variation  und  die 
Verschiebungen  während  des  Wachsthums  noch  vollkommener 
verwischt. 

Die  Differenzen  betreffen  in  erster  Linie  die  Umrisse  und  Pro- 
portionen.     So    sind    im    Allgemeinen    die    PlUopodinae   und   Carpo- 


Die  vergleichende  Osteulugie  der  C'olnuibifoniies. 


255 


phogiriae  durch  plumpe  Xiphosterna  ausg-ezeichnet;  ihnen  schliessen 
sich  die  Treroninae,  dann  die  (Jolumbidae  und  Vhahinae  an.  welche 
zu  den  übrigen  Peristeridae,  die  in  Starnoenas  gipfeln,  überleiten. 
Auch  Diduuculus  und  Gonra  besitzen  kurze  äussere  'l'rabecula.  wo- 
durch ein  schlankes  Xiphosternum  zu  Stande  kommt. 

In  der  Eegel  findet  man  eine  grosse  laterale  und  eine  kleinere 
mediale  Incisur.  Diese  ist  eben  so  oft  (namentlich  im  Alten  zu 
einer  Fenestra  geschlossen.  Bei  Dkluncidus  existirt  gewöhnlich 
bloss  eine  grosse  Incisur,  doch  constatirte  ich  in  einem  Falle  eine 
Andeutung  einer  kleinen  lateralen.  Didus  und  Pesophaps  weichen 
durch  ihr  fast  ganzrandiges  Xiphosternum  ab. 

3.   Crista  (Tarina)  sterni  (Textflg.  X'^  u.  Y"). 

Die  Crista  sterni  ist  im  Grossen  und  Ganzen  einförmig  und 
läuft  über  die  ganze  Länge  des  Brustbeins. 


Fig.  X^ 

P  r  o  f  i  1  a  u  s  i  c  h  t  der  Crista  sterni      1  :  1 . 

rUdunculus  sfrigirostris. 

Der  Vorderrand   bleibt   (natürlich    Didus  und  Pezophaps   ausge- 
nommen,   für   welche   ich   auf  die    einschlägige   Litei'atur   verweise) 


Fig.  Y^ 

Prüf  il;i  nsich  t  der  ("rista  sterni.     1  :  1. 

Carpophujia  oceanica. 


256  Rudolf  Mahtin. 

(lurcli  die  Gruppe  im  Wesentlichen  gleich.  Er  ist  ziig-eschärft  und 
concav.  Der  \'entialrand  geht  entweder  continuirlich  in  ihn  über, 
so  dass  seine  Gestalt  Sförniig  wird,  oder  str»sst  in  einer  stumi>fen 
Ecke  mit  ihm  zusammen. 

Der  Ventralrand  ist  stets  verdickt  und  convex.  Die  Krümmung 
nimmt  nach  hinten  ab.  ja  kann  sogar  in  eine  concave  Linie  über- 
gehen (Carpophaga ). 

Eine  Verstärkung,  die  einerseits  dem  Rostralrand  folgt,  andrer- 
seits sich  nach  hinten  und  distal  ausbreitet,  sitzt  der  Wurzel  des 
Vorderrandes  nahe  an.  In  diese  Verstärkung  führen  die  pneumatischen 
Foramina,  welche  oben  bei  Besprechung  der  Spina  interna  erwähnt 
wurden ;  zahlreiche  Canäle  verbreiten  sich  von  hier  aus  durch  den 
ganzen  Sternalkaram. 

Da  und  dort  treten  noch  accessorische  Luftlöcher  in  der  Mittel- 
linie der  Dorsalfläche  des  Xiphosternums  auf,  welche  in  den  caudalen 
Theil  der  Garina  führen. 

Bemerkenswerth  ist  die  Reductionserscheinung  der  Carina  bei 
Carpophaga.  Dort  erreicht  dieselbe  das  hintere  Sternalende  nicht 
mehr,  sondern  verliert  sich  schon  weiter  vorn  in  der  Ventral- 
fläche des  Brustbeins.  Die  Reduction  betrifft  auch  die  Höhe  der 
Carina;  leider  kommt  dies  in  der  Maasstabelle  nicht  zum  Aus- 
druck, da  gleichzeitig  die  Länge  des  ganzen  Brustbeins  vermindert 
worden  ist. 

Erstaunlich  ist  die  relativ  hohe  Crista  bei  Goura,  ebenso  bei 
Didunculus,  während  die  ColumUdac  im  Allgemeinen  niedrige  Brust- 
beinkämme besitzen. 


Die  L  i  n  e  a  e  s  u  p  r  a  c  0  r  a  c  0  i  d  e  a  e  verlaufen  zur  Basis  der  Carina 
entweder  annähernd  parallel  [Colnmha,  (kirpophaga,  Goura  imd  PfiJopus 
jamht  juv.)  oder  convergiren  mit  ihr.  Ihr  Ursprung  wurde  bereits 
oben  angegeben.  Von  da  verlaufen  sie  zum  medialen  Rande  der 
Incisura  lateralis  und  folgen  diesem  bis  zum  hintern  Brustbeinrand 
oder  verlieren  sich  bereits  etwas  vorher. 

Sie  sind  immer  deutlich  vorhanden. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  ('(iliuiiliifdrnies.  25'! 


4.  Das  Hcckeu. 

Giebt  Ulis  der  .Schädel  ein  Mittel  an  die  Hand,  die  Analyse  der 
Tauben  durchzuführen,  so  lehrt  uns  das  Becken  eine  enge  Geschlossen- 
heit der  ganzen  Oi-dnung.  Zwei  Factoren  sind  vor  Allem  in  Rech- 
nung zu  ziehen :  einei-seits  die  verhältnissmässig  geringen  ^Moditicationen 
dieses  Skelettheiles  innerhalb  der  Ordnung  und  andrerseits  die  grosse 
Variation  in  der  (Gattung  und  Species.  Wir  werden  im  Folgenden 
oft  A^on  diesen  Verhältnissen  zu  i'eden  haben,  und  ich  erachte  es 
daher  für  übei-flüssig.  schon  hier  darauf  einzutreten. 

a)  Os   sacrum. 
(Textflgg.  A^— ^r^:  Taf.  12,  Fig.  7  u.  8.) 

Ueber  die  Gliederung  dieses  Abschnittes  der  Wirbelsäule,  dessen 
Besprechung  ich  im  Hinblick  auf  seine  innigen  Beziehungen  zum 
Gürtel  der  hintern  Extremität  —  eine  schlechte  Bezeichnung  für  das 
Becken  eines  Vogels  —  für  diese  Stelle  gespart  habe,  ist  schon  oft 
gestritten  woi-den.  Ich  muss  mich  vollständig  mit  Fi'RHKiNoioii  ein- 
verstanden erklären,  der  sie  als  nicht  von  fundamentaler  Bedeutung, 
sdudern  als  nur  praktischen  Zwecken  dienend  erachtet.  Da  uns  zu- 
dem die  Osteologie.  wie  gezeigt  werden  soll,  keine  Möglichkeit  giebt, 
eine  exacte  Gliederung  durchzuführen,  so  möchte  man  etwa  die  Frage 
aufwerfen:  ist  eine  solche  überhaupt  zulässig;  ist  das  Sacrum  nicht 
vielmehr  als  solches  ins  Auge  zu  fassen? 

Eine  kleine  Abschweifung  sei  mir  gestattet.  —  Was  ist  eigent- 
lich das  Sacrum?  Die  Antwort  liegt  auf  der  Hand.  Es  ist  eine 
Stütze  der  hintern  Extremität  und  steht  also  im  innigsten  Zusammen- 
hang mit  dieser.  Eine  Aenderung  in  der  Art  der  Locomotion  oder 
eher  der  Verwendung  der  Hinterextremität  zieht  ohne  Ausnahme 
eine  Modification  des  Beckens  und  somit  des  Sacrums  nach  sich. 
Es  dürfte  ausser  allem  Zweifel  stehen,  dass  die  hüjjfende  Locomotion 
eines  Vogels  grössere  Ansprüche  an  die  Extiemität  stellt  als  das 
Vorwärtsschieben  des  Körpers,  wie  wir  es  bei  Reptilien  antreifen. 
Somit  muss  man  von  vorn  herein  erwarten,  dass  sich  das  Becken 
fester  mit  der  AMrbelsäuk'  verbindet. 

Dass  die  den  Sacralwirbeln  der  Reptilien  homologen  Elemente 
ebenfalls  in  dieses  Sacrum  einbezogen  worden  sind,  ist  nichts  als 
natürlich,  und  so  warf  sich  denn  auch  schon  bald  die  Frage  auf:  sind 


25s  Rudolf  Maktin, 

diese  Elemente  besonders  gekennzeichnet?  oder:  wie  kann  ihre  Ho- 
mologie nachgewiesen  werden  ?  ') 

Es  fehlt  durchaus  nicht  an  Versuchen,  diese  Frage  zu  lösen,  und 
es  ist  interessant,  dass  alle  Forscher  darin  einig  gehen,  die  Osteologie 
könne  nicht  den  gewünschten  Aufschluss  geben.  Wir  sehen,  dass 
überall,  wo  ein  ernst  gemeinter  Versuch  gemacht  wird,  die  Nerven- 
geflechte zu  Hülfe  gezogen  werden. 

Ein  erster  solcher  Versuch  wird  von  Huxley -)  gemacht;  wir 
lesen  auf  p.  416  und  417:  „Although  all  birds  possess  a  remarkably 
large  sacrum.  the  vertebrae  through  the  intervertebral  foraraina  of 
which  the  loots  of  the  sacral  plexus  (and,  consequently,  of  the  great 
sciatic  nerve)  pass.  are  not  provided  with  expanded  ribs  abutting 
against  the  ilium  externally  and  against  the  bodies  of  these  verte- 
brae by  their  inner  ends. 

„In  recentReptiles,  possessing  well  developed  hind-limbs,the  inter- 
vertebral foramina  through  whicli  the  roots  of  the  sciatic  nerve  pass 
are  wholly  or  in  part  bounded  by  vertebrae  provided  with  thick 
and  expanded  ribs ;  and  these  ribs  are  connected,  more  or  less  exten- 
sively,  on  the  one  band,  with  the  bodies  of  these  vertebrae  and  on 
the  other  with  the  iliac  bones.  The  vertebrae  in  question,  of  which 
are  ordinarily  two,  constitute  the  sacrum.  In  Birds  the  arches  of 
the  vertebrae  which  correspond  with  these  in  tlieir  relation  to  the 
nerves  (and  therefore  nuist  be  termed  „sacral")  give  olf  comparatively 
slender  transverse  processes  which  seem  to  answer  to  those  which 
unite  with  the  tubercles  of  the  ribs  in  the  dorsal  region;  and  it  is 
by  these  transverse  processes  only  that  they  are  connected  with 
the  ilia." 

Ich  führe  diese  Stelle  an,  da  mir  scheint,  es  habe  sich  in 
(tegenbaur's  ''')  Uebersetzung  ein  Fehler  eingeschlichen.  Wenn  dort 
slender  mit  schwach  übersetzt  wird,  so  ist  die  Bedeutung  des 
englischen  Wortes  entstellt,  und  dann  muss  man  auch  zu  Gegenbair's 


1)  Diese  Frage  muss  natürlich  auch  bezüglich  des  Sacrums  der 
specialisirten  Reptilien  (Dinosaurier,  Theromorphen  etc.)  gestellt  werden. 
Hier  würde  uns  die  Beantwortung  derselben  zu  weit  führen,  und  sie  darf, 
da  es  sich  blos  um  Analogien  handelt,  ausser  Aclit  gelassen  werden. 
Immerhin  lag  mir  daran,   auf  diese  Formen  aufmerksam  zu  machen. 

2)  Huxley,  On  the  Classification  of  bii-ds,  in:  Proc.  zool.  Soc. 
London,   1867. 

.3)  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Beckens  der  Vögel ,  in :  Jena.  Z. 
Naturw..   V.    B,   1871. 


Die  vergleiclieiifle  Osteolog-ie  der  rtilunil)if(irmes.  209 

Auslegimo-  dieses  Citats  aus  Hlxley  kommen.  Mir  scheint  viel- 
mehr, dass  gar  kein  ^^'idersl»ruch  zwisolien  den  Ansichten  Hixlky's 
und  Gegenbauk's  besteht,  d.  h.  dass  beide  die  beiden,  resp.  den  einen 
Acetabularwirbel  (der  „Costalfortsätze"  trägt)  als  ..primäre  Sacral- 
wirbel"  resp.  als  die  Homuloga  der  rei)tilischen  auffassen. 

GeCtExbai'k  ^)  sucht  den  Nachweis  durch  die  ganze  Classe  der 
Vögel  durchzuführen.  m 

Auch  ]\rivART  u.  Cj.arkf.  ■-)  stimmen  mit  d(^n  uenannten  Autuien 
überein. 

Bei  Gadow  '^)  stellt  sich  eine  Unsicherheit  ein.  Nachdem  ei- 
(tEgenbaue  die  Homologie  der  Acetabularwirbel  der  Vögel  mit  den 
Acetabularwirbeln  der  Reptilien  hat  nachweisen  lassen,  spricht  er  s])äter 
1».  407  und  408)  wieder  von  einem  oder  sogar  von  ?>  ..Sacralwirbeln". 
nies  scheint  mir  absolut  unzulässig  und  zwar  aus  folgenden. 
rein  theoretischen  Gründen: 

Steht  man  für  die  Homologie  der  reptilischen  und  avianen 
Sacrahvirbel  ein  —  und  dies  scheint  bei  Gauow.  nach  der  Art  und 
Weise,  wie  er  seinen  Gewährsmann  Gegenbalk  citirt,  der  Fall  zu 
sein,  —  so  ist  einmal  die  Zahl  dieser  Elemente  auf  2  festgelegt. 
Andrerseits,  sofern  man  solche  Beziehungen  in  Abrede  stellt,  so 
niiissen.  scharf  genommen,  alle  zum  Synsacrum  verschmolzenen  ^^'irbel 
als  Sacrahvirbel  bezeichnet  werden:  diejenigen,  welche  ihrer  Lage 
nach  in  nähei-er  Beziehung  zum  Acetabulum  stehen  (die  also  ,.dop- 
pelte  Querfortsätze''  tragen),  verdienen  am  ehesten  die  Bezeichnung 
Acetabularwirbel.  ein  Ausdruck,  durch  den  von  Gegexbauh*) 
^eine  primären  Sacralwii-bel  vorläufig  charakterisirt  werden. 

Die  unsichere  Meinungsäusserung  Gadow's  ist  erklärlich,  doch 
nicht  erklärlich  ist  mir.  dass  er  dabei  stehen  geblieben  ist  und 
nicht  den  geringsten  Versuch  gemacht  hat.  eine  Erklärung  der  an- 
geführten schwankenden  Verhältnisse  zu  geben. 

Ich  verspare  meine  Meinungsäusserung  auf  den  Schluss  dieses 
Abschnittes,  nachdem  die  speciellen  Verhältnisse  durchgemustert 
worden  sind. 

Zuvor  sei  nni-  noch  auf  eine  weitere  Krage  hingewiesen,  welche 

1 )  op.  c. 

2)  On  the  sacral  plexus  and  sacral  vertebrae  of  Lizzards  aiid  otlier 
vertobrata,  in:   Trans.  Linn.  Soc.   London,    1879. 

3)  Vögel   in:  Broxx,   Class.   Ordn.   Tiiierreich,   V.   6,   Abtli.   4,    1891. 

4)  op.  c. 


260  Rudolf  Martin, 

wii  zu  verfolgen  beabsichtigen:  Was  stellen  die  ventralen  Schenkel 
der  Querfortsätze,  die  Parapopliysen  Owrn's,  die  wir  in  der  Becken- 
zone der  Wirbelsäule  antreffen,  dar? 

Die  x4.nsicht  der  meisten  Autoren  geht  dahin,  sie  seien  Theile 
der  eigentlichen  Querfortsätze,  wenigstens  im  vordersten  Abschnitte, 
während  sie  an  den  Acetabularwirbeln  Rippenrudiraente  darstellen 
sollen  (Gegen BAUE,  op.  cit.). 

Ich  halte  mich  im  Laufe  der  speciellen  Beschreibung  an  Für- 
BRiN(iER  ^)  und  unterscheide  also : 

,,S  a c r  a  1  e  W i  r  b  e  1  i m  weit  e r  n  Sinne  (Sacrale  Wirbel  Owen's)  : 
Alle  das  Vogelsacrum  zusammensetzenden  Wirbel.  Dieselben  ver- 
theilen  sich  in: 

a)  Präsacrale  Wirbel  (Präsacrale  Wirbel  im  Sinne  von 
Gegenbaur),  solche,  welche  vor  den  eigentlichen  Sacral- 
wirbeln  liegen  und  sich  in  wechselnder  Anzahl  aus  AA'irbeln 
mit  wahren  Rippen  (Dorsalen  W.  von  Mivart),  Wirbeln  mit 
falschen  Rippen  (Dorso-lumbaren  W.  von  Mivart)  und  Wirbeln 
ohne  deutliche  Rippen  (Lumbaren  W.  von  Mivart)  zusammen- 
setzen können; 

b)  Sacrale  Wirbel  im  engei-n  Sinne  (Sacrale  Wirbel 
im  Sinne  von  Gegenbaur),  Homologe  der  Sacralwirbel  der 
Reptilien ; 

c)  Post  sacrale  Wirbel  (Postsacrale  Wirbel  im  Sinne  von 
Gegenbaur),  solche,  die  auf  die  eigentlichen  Sacralwirbel 
folgen  (ungefähr  den  sacro-caudalen  AMrbeln  von  Mivart 
entsprechend)." 

Die  Rippen,  welche  den  beiden  vordem  Abschnitten  von  a)  an- 
gehören, sollen  der  Einheitlichkeit  wegen  als  präsacrale  Rippen  be- 
zeichnet werden.  Ferner,  um  vorläufig  indifferent  zu  bleiben,  lege 
ich  den  ventralen  Schenkeln  der  Querfortsätze  (Gegenbaur)  die 
OwEN'sche  Bezeichnung  —  Parapopliysen  —  bei,  da  Fragen  theore- 
tischer Natur  am  besten  nach  Besprechung  der  speciellen  Verhält- 
nisse in  Discussion  gezogen  werden. 

Das  Sacrum  wird  durch  eine  bald  grössere,  bald  kleinere  An- 
zahl Wirbel  aufgebaut.  Bei  den  recenten  Tauben  schwankt  ihre 
Zahl  von  13 — 16;  bei  Didus  und  Pezophctps  zählte  ich  im  Gegensatz 
zu  den  bisherigen  Autoren  17. 


1)  Unters,   zur  Morph,  u.  Syst.   der  Vögel,    1888,   p.   106. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Culuinbifurmes.  261 

Die  Zälilungen  wurden  dui'cliweji-  nach  den  Intei-vertebralforamina 
durchü'eführt,  und  somit  kann  kein  ZAveifel  vorlieo-en.  Dass  es  sich 
bei  meiner  Zählung  nicht  um  individuelle  Variation  handelt,  liegt 
auf  der  Hand,  da  ich  das  sämtliche  Material,  das  in  London  nnrl 
Cambridge  aufgestapelt  liegt,  darauf  hin  durchgesehen  habe.  Bis 
anhin  wurde  ein  präsacraler  Wirbel,  wahrscheinlich  der  5.,  über- 
zählt, da  in  diesem  Abschnitt  eine  starke  Verkürzung  vorliegt. 

Ich  bestreite  nun  gar  nicht,  dass  nicht  ab  und  zu  bloss  16  Sacral- 
wirbel  angetroifen  werden  können,  denn  es  werden  sich  oft  Differenzen 
von  einem  Element,  das  sich  am  caudalen  Ende  des  Synsacrum  an- 
oder abgliedert,  finden.  Das  Wesentliche  ist,  dass  die  präsacrale 
Region  um  einen  ^^*irbel  reicher  ist.  als  allgemein  angenommen 
wird.  Ich  wollte  diese  Thatsache  bloss  constatiren,  ohne  ihr  einen 
grössern  Werth  beizumessen. 

Das  Minimum  von  13  S a er al  wirbeln  erreichen  diePfilopodhmc 
mit  einigen  Arten ;  andere  Arten  besitzen  bereits  14.  Es  ist  hervor- 
zuheben, dass  in  diesem  Falle  der  14.  Sacralwirbel  stets  vollständig 
über  den  Hinterrand  der  Hia  vorragt  und  nur  mit  der  vordem, 
äussern  Ecke  seiner  Diapophj'se  an  die  hintere,  innere  Ecke  des 
ilium  stösst;  er  verwächst  oft  erst  im  Alter  mit  dem  Sj^nsacrum 
(Pfilopus  roseicollis).  Frülier  verwächst  er  z.  B.  bei  Pliloims  meJano- 
cephalus,  Ptil.  melanospilus :,  bei  einem  jungen  PtUopus  jamhu,  bei 
dem  auch  noch  einige  Schädelnähte  sichtbar  w^aren,  hat  der  Ver- 
schmelzungsprocess  erst  die  Region  vom  2.  bis  11.  Sacralwirbel  in 
Mitleidenschaft  gezogen;  der  erste  und  die  hinter  dem  11.  gelegenen 
Elemente  sind  noch  frei.  Alectmenas  besitzt  Zeit  Lebens  bloss  13  Sacral- 
wirbel.^) 

Ob  dieser  14.  Sacralwirbel  der  Ptilopodiiiae  als  Neuerwerb  auf- 
zufassen ist  oder  ol)  wir  einem  in  Zerfall  begrilfenen  Sacruni  gegen- 
überstehen, lässt  sich  nicht  ohne  Weiteres  entscheiden;  wir  müssen 
später  auf  diese  Frage  zurückkommen. 

Die  grosse  Mehrzahl  der  Tauben  ist  durch  14  Sacralwirbel 
ausgezeichnet.  Ich  kann  davon  Umgang  nehmen,  alle  zu  erwähnen, 
da  diejenigen,  die  ein  anderes  Verhalten  zeigen,  dort  aufgeführt 
werden. 

15  Sacra)  w  ir bei   kommen   folgenden  Formen   zu:   Starnoenas 

1)  Abnormer  Weise  beobachtete  ich  eine  (hliniilxi  aeuas  mit  nur 
13  Sacralwirbeln.  Man  darf  dieser  Thatsache  nur  den  Werth  der  indi- 
viduellen Variation  beime.ssen.  Ebenso  1  Exemplar  von  (J'irpouh'iiju 
(trnrn. 


262  liUDOLl'    MakTIN, 

cyanocephala,  Columha  maculosa,  Col.  albüineata.  Col.  frocas.  CaJoenas 
nicobarica,  Carpophaga  oceanica  und  Bidunculus  strigirostris.  ^)  In  den 
meisten  Fällen  dürfte  es  sich  um  individuelle  Variation  handeln, 
zumal  wir  meistens  bloss  5  freie  Caudalwirbel  antreffen,  während 
sonst  6  die  Regel  ist,  Columha  oenas  mit  bloss  13  Sacralwirbeln  aber 
deren  7  besitzt.  Grössere  Bedeutung"  erlangt  diese  Zahl  bezüglich 
Starnootas,  Caloenas,  Dklnnruhrs  und  Carpophaga  oceanica,  besonders 
weil  bei  diesen  eine  Vermehrung  der  Elemente  um  1  im  präaceta- 
bularen  Abschnitte  des  vSacrums  geschieht. 

Nur  bei  einem  Skelete  von  Stamoenas  cyanocephaJa  und  bei  den 
Gonridae  werden  16  Sacralwirbel  gezählt.  Bei  jener  geschieht 
die  Angliederung  eines  Elements  am  caudalen  Ende  des  Syn- 
sacrum. 

Für  Bidus  und  Pesopliaps  wurde  die  Zahl  17  angegeben. 

Ein  ideales  Sacrum  —  wenn  dieser  Ausdruck  gestattet  ist  — 
besitzt  Didnncnlus  strigiostris.  Wir  werden  uns  also  zunächst  mit 
diesem  befassen  und  zuweilen  von  hier  aus  die  Modificationen  durch 
die  ganze  Ordnung  verfolgen. 

1.   Die   präsacralen  Wirbel. 

Der  erste  präsacrale  Wirbel  trägt  durchweg  ein  Paar 
freier  Rippen,  die  in  dem  entsprechenden  Abschnitt  zur  Besprechung 
gekommen  sind. 

Der  Wirbelkörper  ist  im  Querschnitt  etwas  oval,  die  längere 
Axe  in  der  Horizontalen:  nach  hinten  nimmt  seine  Höhe  ab.  Er 
ist  in  der  Mitte  eingeschnürt  und  sein  vorderes  Ende  stärker  aus- 
gebreitet als  sein  hinteres.  Er  trägt  vorn  eine  Satteliläche  zur 
Articulation  mit  dem  18.  Wirbel;  diese  Fläche  unterliegt  bedeutenden 
Schwankungen.  Bei  Bidunculus  ist  sie  stets  breiter  als  hoch  (4:3). 
rechteckig,  bei  andern  Formen  mehr  quadratisch  (z.  B.  Columha 
aJbilineafa,  Turiur  risorius,  Carpopliaga  aciwa);  ein  Bid.nnculus  ähn- 
liches Verhalten  zeigt  Vinago  calva.  Treron  oxyura,  Ptilopus  rosei- 
collis,  Flil.  mclauospiJus,  Alcciroenas  madagasraricusis.  Herz-  oder 
wappenschildförmig  (wobei  die  grösste  Breite  der  Höhe  mindestens 
gleich  kommt)  ist  diese  Fläche  bei  den  meisten  Carpophaginac  (in 
Folge  der  Ausbiklung  einer  ventralen  Längskante  im  vordem  Theile 
des   Wirbelkörpers);    breit   niei-enförmig    wird   sie    bei   den   meisten 


1)  In   einem   Falle   bloss    14    beobachtet. 


Die  vergieicheude  Osteolooie  der  Cülnuibitnrmes.  263 

Tnroninae  aiigetroifen.  trapezförmig  bei  den  übri.oen  Tauben  (die 
Basis  dorsal). 

Die  Formen  sind  natürlich  nicht  scliarf  von  einander  abzn- 
grenzen.  denn  von  der  breit  rechteckigen  zni'  nierenförmigen  und 
von  dieser  zur  herz-  und  ([uadratförmigen  Gestalt  ist  ein  kleiner 
Schritt.  Dagegen  sind  folgende  Formen  durch  die  ausnehmend 
grosse  relative  Höhe  der  vordem  Sattelfläche  des  ersten  Präsacral- 
wirbelkörpers  scharf  zu  unterscheiden:  Caloenas  mcoharica,  Gcnira 
und  Pezophaps.  während  sie  bei  Didm  ungefähr  gleich  hoch  wie 
breit  und  wai)i)enschildförmig  gestaltet  ist. 

So  schwankt  natürlich  auch  die  Form  des  Querschnittes  des 
Wirbel körpers,  denn  der  Umriss  der  Sattelfläclie  stellt  uns  ja  den 
vordersten  derselben  dar.  Nach  hinten  nimmt  aber  ilii-e  Aehnlich- 
keit  zu. 

Am  ventralen  Rande  der  Sattelfläclie  wurzelt  stets  ein  ventral- 
wärts  voiTagendes  Tuberculum. 

Die  Articulationsfläche  zur  Aufnahme  desCapitulum  costae 
sitzt  auf  einem  Höcker  an  der  Basis  des  Neuralbogens.  Die  Vorder- 
fläche dieses  Höckers  ist  bei  Dichmcnlns  mit  dem  Vorderrande  des 
Neuralbogens  bündig  und  fällt  sehr  steil  gegen  diesen  ab.  Bei  den 
meisten  übrigen  Tauben  liegt  das  Tuberculum  bedeutend  weiter 
zurück  (ungefähr  in  der  Mitte  des  Bogens)  und  breitet  sich,  sanft 
abfallend,  weit  aus.  Die  Variation  ist  indess  ziemlich  gi'oss.  und  die 
Extreme  stehen  durch  sie  in  ununterbrochener  Verbindung. 

Die  Präz ygapophysen  zeigen  nirgends  ein  besonders  charak- 
teristisches Verhalten.  Sie  sind  meist  durch  tiefe,  eckige  bis  halb- 
kreisförmige Scharten  vom  AVirbelkörper  getrennt  und  wurzeln  — 
überflüssig  zu  sagen  —  am  Vorderrande  des  dorsalen  Bogens.  Sie 
sind  im  Querschnitt  am  ehesten  als  halbmondfr>rmig  zu  bezeichnen, 
distal  schwach  vei'jüngt.  Die  ebene  Fläche.  Avelche  die  elliptische 
Gelenkfacette  für  die  Postzygapophyse  des  18.  Wirbels  trägt,  ist 
nach  innen  und  oben  gewendet  (bildet  mit  der  Medianebene  einen 
Winkel  von  ca.  45").  Die  äussere  und  untere  Fläche  ist  gewiUbt. 
Beide  Präzygapophysen  sind  parallel  vorwärts  gerichtet.  Eine 
reichliclie  Variation  macht  sich  auch  an  ihnen  geltend;  es  sei  hier 
nur  bemerkt,  dass  die  Fortsätze  bei  BidnucHlm  relativ  kurz  und 
schwach  sind  und  daher  die  Scharten  zwischen  ihnen  und  dem 
Wirbelkörper  breit :  ähnlich  verhalten  sich  die  meisten  kleinen 
Taul)enformen. 

Zool.  .Jahil).  XX.    Ahtli    f.  Syst.  IH 


264  Rudolf  .Martin. 

Die  laterale  dorsale  Kante  der  Präzygapophyse  findet  ihre  Fort- 
setzung" in  der  vordem  Kante  der  Diapopli3'se.  die  mediale  ventrale 
breitet  sich  in  der  Wandung"  des  Rückenmarkscanais  aus. 

Der  Eückeumarkscanal  ist  im  ersten  Präsacralwirbel  bei  der 
Mehrzahl  der  Tauben  kreisrund,  selten  seitlich  scJiwacli  compress; 
nur  bei  Pe^ophaps,  Didus  und  Gonra  besitzt  er  eine  mehr  schlitz- 
förmige Gestalt. 

Die  Diapoph3\se  ist  gesondert,  wenigstens  an  ihrem  proximalen 
Abschnitte.  Was  ihre  Richtung-  betrifft,  so  stösst  man  auf  einige 
Differenzen,  allerdings  von  sehr  geringer  Constanz  und  deshall)  auch 
von  geringer  Bedeutung.  Bei  Didimculus  ist  der  Fortsatz  tlirect 
auswärts  g-erichtet,  ebenso  bei  Goura,  Caloenas,  Didtis  und  Pezophaps. 
Bei  allen  andern  Tauben  läuft  er  auswärts  und  mehr  oder  weniger 
stark  nach  rückwärts. 

Dagegen  herrscht  voUständig-e  Einheitlichkeit  bezüglich  der 
speciellen  Coniiguration  und  des  Verhaltens  gegenüber  der  Diapo- 
physe  des  nächst  folgenden  Wirbels. 

Diduncnlus  soll  uns  diese  Verhältnisse  vor  Augen  führen. 

Im  proximalen  Theile  ist  die  Diapophyse  dreikantig :  eine  rostrale, 
eine  caudale  und  eine  ventrale  Kante.  Diese  entspringt  am  Tuber- 
culum.  auf  dem  die  Facette  für  das  Capitulum  costae  gelegen  ist, 
und  trägt  distal  von  der  Mitte  des  Querfortsatzes  die  Gelenkfacette 
für  das  Tuberculum  costae;  zugleich  nimmt  ihre  Höhe  gegen  die 
Mitte  zu,  so  dass  die  Facette  auf  eine  Lamelle  zu  liegen  kommt. 
Die  Länge  der  von  vorn  nach  hinten  schmalen  Gelenkfläche  beträgt 
ca.  '/g  der  Diapophysenlänge.  Die  Höhe  der  Lamelle  nimmt  vom 
medialen  zum  lateralen  Ende  der  Facette  wieder  ziemlich  rasch  ab 
und  findet  dort  plötzlich  ihr  Ende. 

Durch  dieses  ^'erhalten  der  ventralen  Kante  erhält  der  Quer- 
schnitt der  distalen  Hälfte  der  Diapophyse  Tform. 

Die  so  entstandene  horizontale  Lamelle  breitet  sich  mit  ihrem 
distalen  Ende  aus  und  verschmilzt  einerseits  durch  ihre  dorsale 
Fläche  mit  der  ventralen  des  Hium  und  andrerseits  durch  ihre  distale 
hintere  Ecke  mit  der  vordem  distalen  der  Diapophyse  des  zweiten 
Präsacralwirbels. 

Die  vordere  Kante  der  Diapophyse  trägt  Rauhigkeiten,  die  meist 
in  einen  oder  zwei  Höcker  angeordnet  sind  und  den  Ligamenten 
und  tiefen  sehnigen  Fascien  der  Extensoren  zum  Ansatz  zu  dienen 
haben.  Ln  hohen  Alter  können  die  Ligamente  ossificiren,  wie  man 
dies   überhaupt   in    der   Dorsalregion    der  Wirbelsäule    oft   antrifft, 


Die  vero-leichende  Osteolooie  der  Colninbifornies.  265 

und  wir  seilen  dann  diese  Höckei'  da  und  dort  in  nadeltorniige  Fort- 
sätze auswachsiMi. 

Aelinliclien  Verknr»cherungsvorgängen  ist  es  zuzuschrtnben,  wenn 
bei  Phaps  chalcoptem  der  18.  Wirbel  gänzlich  mit  dem  Sacrum  ver- 
wäclist,  so  dass  wir  eigentlich  15  Sacralwirbel.  von  denen  die  beiden 
ersten  bewegliche  Kippen  tragen,  zu  zählen  hätten.  Icli  ziehe  je- 
doch vor,  dies  nicht  zu  tliun,  da  wir  es  oftenbar  mit  einem  abnormen 
Vorgange  zu  tliun  liaben.  denn  ein  anderes  Kxemplar  zeigte  ein 
\()llständig  normales  Verhalten. 

Die  hintere  Kante  des  Fortsatzes  umschliesst  mit  der  vordem 
der  nächst  folgenden  Diapophyse  ein  in  Grösse  und  Form  sehr 
variables  Fenster. 

Auf  der  vordem  untern  Fläche  liegt,  von  einer  Depression  um- 
geben, ein  äusserst  schwankendes  Foramen  pneumaticum. 

Grössere  (""onstanz  besitzt  das  grössere  pneumatische  Foiamen. 
das  auf  der  hintern  Fläche  unmittelbar  der  Basis  der  Diapophyse 
anliegt  und  auch  noch  auf  den  Wirbelkörper  übergreift.  Aber  auch 
dieses  Foramen  kann  gelegentlicli  von  seinem  lateralen  l>ande  kleinere 
abspalten. 

Die  Neuralspina  ist  mit  denen  der  darauf  folgenden  Wiibel  zur 
Crista  sacralis  verschmolzen,  die  weiter  unten  zui'  Besprechung 
kommen  soll.  Hier  sei  bloss  noch  beigefügt,  dass  ihre  dorsale, 
vordere  Ecke  über  die  Basis  schwach  vorragt  und  durch  starke 
Ligamente  mit  der  Xeuralspina  des  18.  AVirbels  in  Verbindung  steht. 
An  der  Basis  des  Yorderrandes  des  Fortsatzes  liegt  eine  Rauhig- 
keit, an  der  ebenfalls  starke  Bänder  inseriren. 

I  )ie  3  nächst  folgenden  ^Mrbel  —  2.  bis  4.  präsacrale  Wirbel  — 
sind  im  Zusammenhange  zu  betrachten.  Sie  bilden  eine  Einheit, 
grenzen  die  F  o  s  s  a  i  1  i  a  c  a  anterior  nach  vom  ab  und  schliessen 
sich  in  ihrem  Verhalten  unmittelbar  an  den  ersten  Präsacralwirbel 
an.  Die  einzige  Differenz  besteht  darin,  dass  sie  keine  fi'eien  Rii)pen 
tragen  und  dass  sie  durch  Körper,  Neuralbogen  und  Xeuralspina  mit 
dem  1.  und  5.  Präsacralwirbel  und  unter  sich  verschmelzen.  Wir 
können  uns  also  kurz  damit  befassen. 

Die  Wirbelkörpei"  sind  spurlos  verwachsen;  nur  die  Grenze 
zwischen  dem  1.  und  2.  präsacralen  AVirbel  wird  durch  eine  bald 
stärkere,  l)ald  schwächere  Rauhigkeit  markirt.  Die  Körper  sind 
gegenüber  dem  des  ersten  depresser,  aber  dafür  breiter,  und  diese 
allmähliche  Zunahme  an  Breite  erstreckt  sich  bei  Didunculus  noch 
Übel-    diese   Region    hinaus    nach    rückwärts;    Depression    und   \ev- 

18* 


266  Rudolf  BIaktin. 

breiterung'  gehen  stets  Hand  in  Hand.  Gleichzeitig  entsteht  ein  sehr 
seichtes  medianes  Thal ,  das  bei  Didunculm  auf  der  Ventralfläche 
des  2.  Präsacralwirbels  beginnt  und  auf  dem  11.  wieder  aus- 
läuft. Die  grösste  Breite  erreicht  diese  Grube  auf  dem  6.  prä- 
sacralen  Wirbel. 

Dieses  Thal  hat  zur  Folge,  dass  in  dem  ganzen  Bereiche  seines 
Verlaufes  die  lateralen  Flächen  der  Wirbelköi'per  von  der  ventralen 
kantig  abgegrenzt  werden,  so  dass  ein  im  Querschnitt  rechteckiger 
Balken  zu  Stande  kommt.  Ich  habe  später  bei  der  Behandlung  des 
Sacrum  im  Zusammenhang  darauf  zurück  zu  kommen. 

Die  Wirbelkörper  lassen  also  keine  Abgrenzung  dei-  H  in  Bede 
stehenden  Wirbel  zu ;  vielmehr  ist  es  das  Vorhandensein  der  P  a  r  a  p  o  - 
physen,  welche  diese  Zone  auszeichnet.  Bei  DiduuculKs  ist  in  der 
Begel  die  Parapophyse  des  2.  präsacralen  Wirbels  am  schwächsten; 
sie  ist  hier  ein  schwacher,  rundlicher  Stab,  der  an  dei'  Seitenfläche 
des  zugehörigen  Wirbelkörpers,  genau  an  der  Stelle,  an  der  w^ir  am 
ersten  die  Articulationsfläche  für  das  Capitulum  costae  getroffen 
haben,  wurzelt,  sich  distal  ausbreitet  und  gegen  die  Ventralfläche 
des  Ilium  stützt.  Dorsal  stösst  sie  an  das  distale  Ende  der  Diapo- 
physe.  Die  Länge  der  Parapophyse  übertrifft  die  Länge  des  Rippen- 
halses  der  Präsacralrippe  nur  wenig.  Dorsal  ist  die  Knochenspange 
mit  einer  Kante  versehen,  welche  sich  gleich  verhält  wie  die  dor- 
sale Kante  des  Rippenhalses  der  Präsacralrippe. 

Die  Parapophysen  der  folgenden  2  Wirbel  zeigen,  mit  Ausnahme 
der  grössern  Stärke,  absolut  das  gleiche  Verhalten  wie  die  des  vor- 
hergehenden. Sie  sind  stärker  abgeplattet  und  die  dadurch  ent- 
stehentlen  Kanten  mehr  nach  vorn.  resp.  nach  hinten  gerichtet, 
gleichen  aber  sonst  auffallend  einem  Rippenhalse.  Die  vordere  stösst 
mit  ihrem  distalen  Ende  stets,  die  hintere  zuweilen,  ausser  an  das 
Darmbein,  an  die  ventrale  Kante  der  Diapophyse. 

Die  Richtung  dieser  Fortsätze  bildet  mit  der  Mittellinie  einen 
nahezu  rechten  Winkel. 

Die  Verbindungslinie  der  distalen  Enden  der  o  Parapophysen 
läuft  mit  der  dorsalen  Darmbeincrista  parallel. 

Ln  Allgemeinen  kann  das  für  Diäuncnliis  Gesagte  auf  alle 
Columbae  übertragen  werden.  Auf  Modificationen,  welche  die  Wirbel- 
körper betreffen,  kommen  wir  besser  bei  Betrachtung  des  Sacrum 
im  Zusammenhange  zurück;  hier  sei  bloss  der  vei'schiedenen  Ent- 
wicklung der  Parapophysen  gedacht. 


Die  vergleichende  Osteolog-ie  der  ColunibitViniies.  267 

Die  Variation  im  gegenseitigen  Stärkeverliältniss  dieser  Fort- 
sätze ist  zwischen  den  extremsten  Formen  nicht  grösser  als  inner- 
halb ein  nnd  derselben  Art.  Im  beschriebenen  Falle  war  die  Para- 
pophyse  des  4.  Präsacralwirbels  die  stärkste.  Schon  bei  Diduncnlus 
kann  sie  äusserst  schwach  werden,  ja  sogar  ihre  Verbindung  mit 
dem  Ilinm  aufgeben ;  den  gleichen  Schwankungen  begegnet  man  bei 
den  übrigen  Tauben,  ja  sie  können  noch  weiter  gehen,  indem  die 
Parapophyse  des  4.  Präsacralwirbels  gänzlicli  in  ^^^egfall  geräth 
(Treron  ni}ialensis,  T.  fulvicollis,  Ptilopufi  rosekollis,  Colnmha  oenas). 
Dieses  Verhalten  darf  dem  erstgeschilderten  gegenüber,  das  un- 
bestritten der  Mehrzalil  der  Individuen  zukommt,  als  Ausnahme  be- 
trachtet werden.  Es  wurde  nie  beobachtet,  dass  die  Para])Ophyse 
des  2.  präsacralen  Wirbels  an  Stärke  die  des  3.  übertraf,  wohl  aber, 
dass  sie  atrophirt  war  oder  nur  als  fadenförmige  Knochenbrücke 
l)ersistirte  (Diduncnlus,  Columha  domestka).  Bezüglich  Bidus  und 
Fczoplutps  kann  ich  nichts  Neues  beibringen  und  ^'erweise  auf  die 
Arbeiten  Owe>'s  und  Newton's. 

Weitere  specielle  Beispiele  für  diese  Variation  aufzuführen, 
dürfte  beinahe  übertiüssig  sein.  Ich  konnte  sie  überall  da,  wo  mir 
das  genügende  Material  zur  Verfügung  gestanden  hat  {Didunculus. 
CarpophwiiL  Treron.  Colnmha,  Phaps,  Turtur),  in  gleicher  Weise  ver- 
folgen, so  dass  man  sie  allgemein  den  Columbae  zuschreiben  darf. 

Die  Diapophysen  der  3  Wirbel  verhalten  sich  der  des  1.  Prä- 
sacralwirbels ähnlich,  nur  dass  sie  nach  hinten  ihre  Selbständig- 
keit mehr  und  mehr  einbüssen.  indem  die  zwischen  ihnen  o-elegenen 
Foramina  eingeschränkt  werden.  Dieser  Vorgang  beruht  auf  der 
Ausbreitung  der  horizontalen  Lamelle  des  Fortsatzes  auf  Kosten  der 
verticalen.  die  bereits  oft  an  der  Diapophyse  des  4.  Präsacralwirbels 
so  stark  reducirt  ist,  dass  der  Contact  mit  der  Parapophyse  vei'loren 
geht.  So  stellt  die  Diapophyse  des  4.  Präsacralwirbels  den  Ueber- 
gang  zwischen  tlenen  der  vorher  gehenden  und  der  folgenden  Wirbel 
dar,  von  welch  letztern  sie  kaum  getrennt  ist. 

Ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  den  Querfortsätzen  der 
in  Frage  stehenden  und  der  caudal  folgenden  \\'irbel  besteht  in  der 
Verlaufsrichtung,  welche  bei  jenen  zu  derjenigen  der  Diapophyse  des 
1.  Präsacralwirbels  parallel  ist,  also  zur  Mittellinie  annähernd  senk- 
recht steht  oder  etwas  nach  vorn  geneigt  ist,  während  sie  bei  diesen 
stets  nach  rückAVärts  abweicht.  Der  Uebergang  ist  kein  allmäh- 
licher, sondern  vollzieht  sich  phUzlich  zwischen  dem  4.  und  5.  prä- 
sacralen A\'irl)el.     Bei  Fezophaps,   dessen   5.  Präsacralwirbel   oft    mit 


26g  KuDOLi-  Martin, 

einem  Parapupliysenstummel .  g-elegeiitlich  auch  mit  einer  schlanken 
Parapophyse  ausgerüstet  ist,  zeigt  sich  die  Zugehörigkeit  dieses 
Wirbels  zum  ersten  Abschnitt  des  Sacriim  auch  durch  die  Richtung 
der  Diapophj'se. 

Einen  Punkt  bin  ich  noch  gezwungen  zu  berühren,  da  Gegekbauk 
gelegentlich  seiner  Abhandlung  über  das  Vogelbecken  eingehend 
davon  handelt:  nämlich  die  Beziehungen  der  verticalen  Lamelle  oder 
—  wenn  man  lieber  will  —  der  ventralen  Kante  der  Diapophysen 
zur  ganzen  Diapophyse. 

Bekanntlich  leitet  Geüenbaur  die  Parapophyse  aus  einer  Ab- 
spaltung dieser  Kante  von  der  horizontalen  Platte  des  Querfortsatzes 
her.  Folg-ender,  bei  Didimculns  beobachteter  Vorgang  scheint  mir 
gegen  diese  Ansicht  zu  sprechen. 

Am  1.  Präsacralwirbel  (mit  beweglicher  Rippe)  wurde  —  bei 
1  Exemplar  —  ein  Foramen  beobachtet,  das  die  ventrale  Kante  der 
Diapophyse  von  der  horizontalen  Platte  abtrennte.  An  allen  unter- 
suchten Becken  war  dieses  Foramen  am  2.  Präsacralwirbel  grösser, 
am  3.  und  4.  wieder  etwas  kleiner.  So  müssen  wir  also  einen  dor- 
salen und  einen  ventralen  Schenkel,  die  im  proximalen  ^'.  oder  der 
proximalen  Hälfte  getrennt  verlaufen,  distal  versclimelzen.  und  zudem 
eine  Parapophyse  unterscheiden.  Auch  bei  Carpophaga  wurde  die 
gleiche  Erscheinung  angetroffen. 

Diese  Abspaltung  von  ventralen  Trabekeln  kann  mehr  oder 
minder  deutlich  im  ganzen  Bereiche  des  Synsacrum  Platz  greifen 
(1  Exemplar  von  Phaps  cli(ücopfera),  ungeachtet,  ob  Parapopliysen 
vorhanden  sind  oder  nicht.  Diese  Thatsachen  scheinen  mir  von  nicht 
geringer  Bedeutung  für  die  Erklärung  der  Natur  der  Parapopliysen. 
von  der  später  gehandelt  werden  soll. 

Aus  der  oben  berührten  Thatsache,  dass  eventuell  die  Parapo- 
physe des  4.  Präsacralwirbels  fehlen  kann,  geht  hervor,  dass  dieser 
Wirbel  bereits  zum  folgenden  Abschnitt  des  Sacrum  gezählt  werden 
muss,  dem  Abschnitt,  der  bei  dem  absolut  normalen  vorliegenden 
Becken  von  BiduncMlus  durch  den  5.  und  6.  Präsacralwirbel  zu- 
sammengesetzt wird.  W^ir  werden  unten  sehen,  dass  diese  Region 
noch  von  anderer  Seite  Zutluss  erhalten  kann. 

Die  Charakteristik  dieser  beiden  Wirbel  —  des  5.  und  (>.  Präsacral- 
wirbels —  bei  IHdimculus  ist  kurz  zu  erledigen:  sie  gleichen  den 
vorhergehenden  AMrbeln,  sobald  nmn  sich  dort  die  Parapophysen 
weggedacht  hat. 

Die  Wirbelkörper  schliessen   sich   in   der   Form  unmittelbar  an 


Die  vergleichende  Osteolog-ie  der  ('(dmiibifdrines.  269 

jene  an.  und  an  ihnen  erreicht  die  Breite  und  die  relative  Depression 
des  JSacralbalkens  ihr  Maximum.  Bald  stellt  der  5.,  bald  der  6. 
diese  grüsste  Breite  dar:  meistens  lässt  sich  schwerlich  ent- 
scheiden, welchem  von  beiden  diese  Rolle  hauptsächlich  zufällt. 
—  So  das  Gros  der  ''J'auben!  —  Ausnahmsweise  übernimmt  der 
4.  Präsacralwirbel  diese  Kigeuschaft  {CarpopluKjd  occiuiira,  Goura, 
Didtis  und  Pczophaps).  Die  3  Grupi)en  sind  nicht  scharf  getrennt; 
allmäliliche  Uebergäng-e  leiten  von  dei'  einen  zur  andern  über. 
Dies  lässt  sich  folgendermaassen  darstellen: 

B.     5.   —   5.  =  6.   —   4.     5.     6.   —   4.  =  5.    4.     5. 

Ein  sicheres  Büttel,  diese  beiden  Wirbel  von  den  vorhergehenden 
zu  unterscheiden,  giebt  uns  die  Verlaufsrichtung  der  Querfortsätze, 
auf  die  bereits  oben  aufmerksam  gemacht  wurde.  Sie  bildet  mit  der 
i\Iittellinie  einen  nach  hinten  sich  (»Ifnenden  spitzen  AMukel.  Da- 
durch ist  eine  bedeutende  Streckung  des  Fortsatzes  nöthig  geworden, 
um  den  Zusammenhang  mit  dem  Darmbein  aufrecht  zu  erhalten. 

Diese  Streckung,  verbunden  mit  einer  Verbreiterung,  Avird  auf 
Kosten  der  ventralen  Kante  der  Diapophyse,  die  wir  weiter  vorn 
stets  angetroffen  haben,  bewerkstelligt.  Die  Diapo|)hyse  besteht 
dann  hauptsächlich  aus  einer  fast  papierdünnen  horizontalen  Lamelle, 
die  durcli  einen  sehr  schwachen  ventralen  Balken  verstärkt  wird: 
bei  Foi'men  mit  breitem  Sacrum  (Carpophaga  oceanica,  Carp.  Jacer- 
nulafa  etc.)  oder  bei  kleinen  Formen  kann  sicli  diese  ventrale  „Rippe" 
distal  verlieren. 

Die  horizontalen  Platten  der  Diapophysen  verschmelzen  unter 
sich  sowohl  als  mit  der  des  4.  Präsacralwirbels  und  des  „1.  primären 
Sacralwirbels" ;  minime  unregelmässige  Aussparungen  gestatten  den 
dorsalen  Nervenfasern  den  Durchtritt. 

An  einem  Becken  von  Bichmculns  beobachtete  ich  am  6.  Sacral- 
wirbel.  an  der  Stelle,  wo  am  2.  I)is  4.  die  Parai)ophysen  wurzeln, 
einen  nadelföimigen,  auswärts  und  wenig  rückwärts  gerichteten 
Fortsatz,  der  als  reducirte  Parapoi)hyse  zu  deuten  ist. 

Die  Spinalfortsätze  betreffend  sei  hier  bloss  bemerkt,  dass  sie 
so  gut  wie  gleich  0  sind,  da,  wie  später  gezeigt  werden  soll,  hier 
die  Erweiterung  des  Rückenmarkscanais  liegt;  die  Reduction  scheint 
vom  K'ückenmarkscanal  her  vor  sich  gegangen  zu  sein,  während  die 
distalen  Enden  im  Niveau  der  übrigen  Neuralspinae  festgehalten 
wurden. 


270  EuDOLF  Martin, 

2.  Die  sacralen  AVirbel. 

Der  7.  und  8.  Sacralwirbel  sind  bei  Bidunculus  sowohl  in  osteo- 
logischer  Beziehung'  als  auch  bezüglich  der  Nerven  als  primäre 
Sacralwirbel  im  GEUENBAiTK'schen  Sinne  zu  bezeichnen. 

Bekanntlich  bestimmte  Gegenbaüe  die  primären  Sacralwirbel, 
d.  h.  die  den  Sacralwirbeln  der  Reptilien  homologen  Elemente,  durch 
ihre  Lage  zum  Nervus  sacraiis.  Bei  den  Tauben  tritt 
dieser  Nerv  zwischen  dem  7.  und  8.  Sacralwirbel  oder 
zwischen  dem  25.  und  26.  Wirbel  überhaupt  aus,  und 
somit  wären  also  diese  die  primären  Sacralwirbel.^) 
Bei  Didunculus  triift  nun  noch  gewöhnlich  zu,  dass  beide  Parapo- 
physen  tragen  oder,  nach  Gegenbau k,  Costalfortsätze. 

Diese  Parapophysen,  um  vorläufig  beim  alten  Ausdruck  zu 
bleiben,  entspringen  an  derselben  Stelle  des  Wirbelkörpers,  an  der 
sie  bei  den  vordem  Präsacral wirbeln  entspringen ;  sie  sind  schlanke, 
gerade,  rundliche  und  nach  rückwärts  gerichtete  Knochenstäbe, 
welche  sich  distal  ausbreiten  und  unter  sich  und  mit  den  distalen 
Enden  der  Diaphysen  verschmelzen.  Sie  stemmen  gemeinsam  gegen 
die  ventrale  Verdickung  des  Darmbeins. 

Ihre  Länge  übertriitt  natürlich  die  der  weiter  vorn  gelegenen 
Parapophysen  —  entsprechend  der  Verbreiterung  des  Heiligenbeins  — 
bedeutend;  zudem  ist  sie  am  7.  Sacralwirbel  grösser  als  am  8. 

Die  Wirbelkörper 'stimmen  in  ihrer  Form  noch  mit  den  vorher- 
gehenden überein ;  nur  macht  sich  eine  seitliche  Compression  geltend, 
mit  der  ein  Höherwerden  Hand  in  Hand  geht. 

1)  Ich  beobachtete  allerdings  in  verschiedenen  Fällen  {Pluips  lojihotrs, 
/'.  /i/rtifa,  Treroit.  bicinrfa,  Dlr/uiic/j/ns  sfr/;jirostris  2  yQ,  dass  der  26.  Spinal- 
nerv der  letzte  kräftige,  zum  Plexus  ischiadicus  gehende  Nerv  ist,  dass 
aber  noch  eine  feine,  fadenförmige  Wurzel  vom  27.  hinzutritt.  Sie  stellt 
gewöhnlich  die  Hälfte  dieses  Spinalnerven  dar,  dessen  andere  Hälfte  zum 
Plexus  pudendus  geht. 

Es  ist  hervorzuheben ,  dass  mit  diesem  Verhalten  der  Nerven  stets 
auch  eine  osteologische  Modification  des  Sacrum  Hand  in  Hand  geht,  in 
so  fern ,  al8  entweder  die  Costalfortsätze  am  7.  Sacralwirbel  bloss  ein- 
seitig ausgebildet  sind,  meistens  aber  ganz  fehlen,  was  —  wie  unten  ge- 
zeigt werden  soll  —  auf  eine  Rückwärtswanderung  des  Beckens  zurück- 
zuführen ist.  Es  ist  somit  anzunehmen ,  dass  diese  feine  letzte  Wurzel 
erst  secundär  zum  PI.  ischiadicus  getreten  ist  und  der  letzte  kräftige, 
zum   Plexus  gehende  Nerv  als  Nerv,  sacraiis  anzusprechen  ist. 

Bei  Cnlocnns  tritt  sogar  noch  die  Hälfte  des  29.  Spinalnerven  zum 
Plex.  ischiadicus,  was  bei  der  starken  Specialisirung  dieser  Form  nicht  in 
Erstaunen  setzen  kann. 


Die  veviileicbeiKle  Osteolog-ie  der  Cülumliiformes.  2^1 

Auch  für  die  Diapophysen  kann  das  für  die  voiiieruelienden 
Bemerkte  Anwendnn»^-  rinden;  die  ventralen  ..Rippen"  sind  aber 
stärker  ansgebildet,  namentlich  in  der  distalen  Hälfte.  Offenbar 
liegt  hier  eine  Wirkung  des  Vorhandenseins  der  Parapophysen  vor 
und  zugleich  der  Lage  und  Function  der  Wirbel  als  Acetabular- 
wirbel. 

Diese  primären  Sacralwirbel  liegen  bei  Didunnüus  unmittelbar 
vor  der  Queraxe.  die  man  sich  durch  die  Acetabula  gelegt  denkt, 
und  nicht  hinter  derselben,  wie  Gaüow  allgemein  anzunehmen  ge- 
neigt ist. 

Aber  nicht  nur  für  BiduncnUis,  sondern  allgemein  für  die  Tauben 
können  der  7.  und  8.  Sacralwirbel  ihrer  Lage  nach  so  bestimmt 
werden,  nur  dass  sie  g-eleg'entlich  noch  weiter  nach  vorn  gerückt 
sind  und  so  ihre  Function  als  Acetabularwirbcl  wenigstens  theilweise 
aufgeben.  Dadurch  wird  Ersatz  von  rückwärts  nöthig,  und  dies  ge- 
schieht in  verschiedenen  Stadien  in  verschiedenem  Grade,  die  wir 
im  Folgenden  durchgehen  wollen. 

Zuvor  wird  es  jedoch  gut  sein,  noch  den  einförmigen  caudalen 
Abschnitt  des  Synsacriim  der  Betrachtung-  zu  unterziehen. 

3.  Die  postsacralen  A^'irbel. 

Die  seitliche  Compression  der  ^^'irbelkörper  nimmt  erst  noch 
zu,  d.  h.  bis  ungefähr  zum  10.  Sacralwirbel;  von  hier  hebt  eine  all- 
mähliclie  Abflachung  an,  welche  am  letzten  Sacralwirbel  den  Höhe- 
punkt erreicht.  Zugleich  läuft  auf  dem  10.  oder  11.  Sacralwirbel 
das  Thal  aus,  dem  der  Balken  in  seinem  vordem  Abschnitt  seine 
kantige  Gestalt  verdankt,  und  somit  tritt  zugleich  eine  Rundung  ein. 

Der  AVinkel  der  Abgangsrichtnng  der  Diapophysen.  zu  deren 
specieller  Confignration  ich  nichts  beizufügen  habe,  mit  der  !\littel- 
linie.  der  jedenfalls  ein  nach  hinten  sich  öffnender  s})itzer  ist,  nimmt 
bis  zum  11.  Sacralwirbel  ab  und  nachher  wieder  zu  und  nähert  sich 
am  letzten  wieder  einem  rechten.  Gleichzeitig  nimmt  die  Länge 
der  Fortsätze  nach  hinten  ab,  d.  h.  bis  zum  11.  Sacralwirbel,  nachher 
wieder  wenig  zu. 

So  Dichuicitlusl  Bei  Carpophaga  oceanica,  Treroninae,  Columba, 
Sfaniooias,  Caloenas,  (ronra  maciit  sich  gegen  das  caudale  Fnde  keine 
Längenzunahme  geltend;  ebenso  wenig  bei  JJidus  und  F<'^o})hctps. 
Diduucidus  ähnlich  verhalten  sich  die  übrigen  Tauben. 

Die  Parapophysen  sind  bei  Diduncidus,  obwohl  schwach,  vor- 
handen;  sie   sind   am  9.  und  10.  und  eventuell  am  11.  Sacralwirbel 


272  EcüOLF  Martin. 

noch  gesondert,  candal  aber  versclimelzen  sie  mit  der  Diaphj'se.  und 
daher  rührt  die  anffallende  Stärke  der  ventralen  ,.Eippen"  der  3 
bis  4  caudalsten  Diapoplij^sen.  Oft  sind  die  Parapophvsen  jedoch 
im  ganzen  postsacralen  Abschnitt  des  Beckens  mit  den  zugeliörigen 
Querfortsätzen  verwachsen,  oft  aucli  noch  weiter  rückwärts  discret. 
Es  herrscht  hier  ein  reiclier  Wechsel  von  Individuum  zu  Individuum. 


Ihid  nun  zurück  zu  den  Acetabularwirbeln! 

Dass  das  Vorhandensein  von  Parapophysen  als  Stützen  des  Ace- 
tabulum  einer  rein  mechanischen  Anforderung  entspricht,  dürfte 
offenbar  sein,  und  primär  existirt  also  auch  hierin  ein  schwer- 
wiegender Grund  für  die  Homologisirung  dieser  Elemente  mit  den 
Sacralwirbeln  der  Eeptilien. 

Nun  wurde  schon  oft  beobachtet  und  in  der  Literatur  erwähnt, 
dass  eventuell  nur  an  einem,  eventuell  an  drei  Wirbeln  solche  Stützen 
angetroffen  werden  ^),  und  diese  Thatsachen  veranlassen  Gadow,  bald 
von  einem,  bald  von  drei  primären  Sacralwirbeln  zu  sprechen.  Auch 
wurde  schon  eine  Unterdrückung  beider  Parapophysenpaare  con- 
statirt  - )  {Buceros ,  Fica  und  gewisse  Papageien ).  Eis  wäre  also 
falsch,  w^enn  man  ohne  Weiteres  aus  der  Lage  der  Paraphysen  auf 
die  primären  Sacralwirbel  schliessen  wollte. 

Wir  haben  mit  Hilfe  der  Nervengeflechte  den  25.  und  26.  Wirl^el 
(resp.  den  7.  und  8.  Sacralwirbel  der  recenten  Tauben)  als  primäre 
Sacralwirbel  bestimmt  und  gesehen,  dass  bei  Diäunculus  beide 
Parapophysen  tragen;  bei  einem  andern  Exemplar  fehlte  das  Parapo- 
physenpaar  am  7.  Sacralwirbel.  und  bei  einem  weitern  war  nur  ein- 
seitig eine  solche  vorhanden. 

Am  7.  und  8.  Sacralwirbel  wurden  bei  folgenden  Formen  Parapo- 
physen angetroffen: 

Treron  nipalensis  juv.  Zenaida  mirivuloia 

Carpophaga  spüorrhoa  Starnoenas  cyanocepltala  (1  ><)• 

„  hicolor. 

Am  7.  einseitig,  am  8.  paarig: 
Carpophaga  spüorrlwa  flX)  Carpophaga  aenea  (1 )'(). 


1)  op.  c.  Gadow. 

2)  op.  c.  MiVART  u.  Clarke. 


Die  vergleiclieiKle  Osteolooie  der  Cohinibifdrnies. 


273 


Am  7.  i)aarig.  am  8.  fehlend : 
Carpophmja  aenea  ( 1  X)- 

Am  7.  fehlend,  am  8.  ])aarig': 
Trero)?  sp. 

vernans 
hicincid 
c/risfiraiida 
,.       fnIricoUis 
Vwago  calva 
Piilopus  roseicollis 
,.         jambu  jiiv. 

melanocephalus 
niekinospilns 
A  Jedroenas  pulcherrima 

madagascariensis 
Meiriopelia  ntclanoptera 
LepioptUa  hraclujpiera 
Staruoenas  cyaiwcephdla 
Columha  domestica 
,.       liriü 
„       pJiaoiota 
oenas 


Carpophaga  ((cnea 
,.  ridmcera 

,,  pacifica 

,,  hfcfuosa 

„  larennilafa 

Geopelii  stricda 
Phaps  rJndropfera 
,.      Jüsfrioiu'cd 
„      indica 
,.      Jophofes 
„     piccda 
Haplopelia  larvata 
Columha  palumhus 
,.       trocaz 
,.       rufina 
arjuafrix 
Jlacropijgia  emUiana 

,,  afhica})illa 

Eciopistes  migratorius. 


Am  8.  schwach  (s)  oder  einseitig  (e),  am  9.  stark  und  ])aarij 
Cölnmha  livia  (s)  Caloenas  nicoharira  (s  oder  e) 

,,      pkazuro  (e)  Gonra  (partim). 

Marropjigia  aJhicapüJa  (s). 


Am  9.  allein : 
Colnmhd  niactdosa 


pjcasuro 
(dbiliuca 


Carpiophaga  oceanica 
Goura  (partim) 
Bidns 
Pezophaps. 

Bei  Sfantoenas  ajaitocc))/ia/a,  welche  sowohl  am  7.  als  am  8.  Sacral- 
Avirbel  starke  Parapophysen  trägt,  treten  diese  am  9.  ebenfalls  noch 
auffallend  stark  hervor. 

Es  handelt  sich  bei  dieser  Znsammenstellung  bloss  um  das 
markante  Hervortreten  ursprünglich  discreter  Elemente,  die  aber  zum 
Theil  mit  den  benachbarten  Knochentheilen  eine  innige  Verschmel- 
zung   eingehen.     Wir   dürfen   deshalb   über   die   grosse   Variabilität 


271  Rudolf  Martin, 

nicht  im  gei'ing'steii  staunen  und  besonders,  wenn  wir  die  Sache 
etwas  verfolg-en.  Das  A\'ichtigste  geht  bereits  aus  der  Zusammen- 
stellung- selbst  hervor,  nämlich,  dass  eine  ununterbrochene  Reihe  von 
einer  P^ndform  zur  andern  fuhrt. 

Wir  haben  ferner  darauf  hingewiesen,  dass  die  Parapophysen 
Stützfunction  haben:  daraus  folgt:  sie  wei'den  sich  bei  stärkerer 
Beanspruchung  verstärken.  Damit  ist  alles  gesagt.  Eine  Verschie- 
bung' der  Acetabularregion  des  Beckens  bürdet  diese  Function  andern 
Parapopli3'sen  auf.  und  diese  beginnen  sich  zu  entfalten,  ganz  gleich- 
gültig, welches  ursprünglich  die  primären  Sacralwirbel  waren. 

Es  ist  aus  später  zu  erläuternden  Gründen  anzunehmen,  die 
Tauben  seien  —  mit  Ausnahme  der  Bidi  und  Didunculidac  —  eine 
monophyletische  Gruppe.  Die  primären  Sacralwirbel  mussten  also 
bei  allen  Tauben  eine  bestimmte  Lage  innerhalb  der  Wirbelreihe 
eingenommen  haben.  Sie  waren,  wie  bereits  angegeben,  der  25.  und 
26.  Wirbel.  Auch  hierin  weicht  Diduncidits  nicht  ab,  ja  hätte  sogar 
noch  das  primitive  Verhalten  bewahrt.  Die  Mehrzahl  der  l^auben 
hat  sich  von  diesem  Typus  nur  wenig  entfernt;  meistens  beschränkt 
sich  die  Abweichung  auf  das  Skelet,  denn  ich  konnte,  wo  ich  Ge- 
legenheit hatte  das  Verhalten  des  Nervus  sacralisM  zu  prüfen, 
beobachten,  dass  er  in  der  Regel  der  letzte  zum  Plexus  ischiadicus 
tretende  Spinalnerv  ist  {Bidunmdus  strigirosfris,  Carpopliarja  oceanU-a, 
Carp.  ruhricera,  Treron  vernans,  T.  olax,  PtiJopus  jamhu,  Colund^a 
domestica).  Nur  selten  gesellte  sich  noch  eine  weitere  feine  Wurzel 
dazu  (die  erwähnten  Fälle). 

Bezüglich  Goura  konnte  ich  mir  keine  Klarheit  verschalfen,  da 
mir  das  nöthige  Material  fehlte. 

Es  fände  also  in  den  meisten  Fällen  eine  kleine  Rückwärtsver- 
schiebung des  Beckens  statt,  auf  die  wohl  die  Stützelemente,  noch 
nicht  aber  die  Nervengeflechte  reagirt  haben.  Diese  Verschiebung 
ist  ganz  deutlich ;  bei  Bidnnciüus  z.  B.  läuft  die  Axe  durch  die  beiden 
Acetabula  unmittelbar  hinter  dem  8.,  bei  Treron  vernans  quer  über 
den  9.  und  bei  Carpophaga  oceanica  hinter  dem  9.  Sacralwirbel  durch 
Ich  glaube,  diese  Beispiele  illustriren  das  Gesagte  zur  Genüge. 

Gegenbaue  und  nach  ihm  Gadow  beurtheilen  die  Parapophjsen 
der  präsacralen  Wirbel  als  ventrale  Schenkel  der  Diapophysen,  von 
denen  sie  sich  abspalten,  in  gleicher  ^Veise,  wie  wir  intermediäre 
Trabekel  sich  abspalten  sahen. 


1)  Nervus  sacralis  =  26.   Spinalnerv. 


Die  verglek'heufle  Ostedlogie  der  ('dluiiiliifunnes.  275 

Sabatiek  \)  und  später  Fükbrixger  in  seiner  Definition  der  Ab- 
schnitte des  Sacruni  erklären  sich  mit  dieser  Ansicht  nicht  einver- 
standen, und  ich  kann  ihnen  nur  beistimmen,  die  Parapophysen 
sämmtlicher  Sacralwirbel,  nicht  nur.  wie  Gegen baih.  die  der  pri- 
mären, als  rudimentäre  Rippen  zu  betrachten. 

Wir  haben  gesehen,  dass  Abspaltungen  von  den  Diapopln^sen 
vorkommen,   dass   diese   aber  nie  eine  bedeutende  Grösse  erreichen. 

Auch  entspricht  das  Verhalten  der  Para])ophysen  so  sehr  dem- 
jenigen einer  Rippe,  dass  kaum  ein  Zweifel  über  ihre  Natur  herrschen 
kann. 

Die  Parapophyse  ist  daher  gleich  dem  Capitulum. 
Colin  ni  u  n  d  T  u  b  e  r  c  u  1  u  m  <•  o  s  t  a  e. 

Das  S  a  c  r  u  m  als  Ganzes  stellt  eine  rhombische,  von  vorn 
nach  hinten  oben  convexe  Platte  dar.  Die  schmälste  Stelle 
ihres  präacetabularen  Theiles  liegt  auf  der  Höhe  des  8.  Sacralwirbels. 
die  des  postacetabularen  Abschnittes  auf  der  Höhe  des  11..  und  von 
da  laufen  die  Ränder  ungefähr  parallel  oder  divergiren  schwach  nach 
hinten  (siehe  Diapophj^sen  der  postsacralen  Wirbel).  Die  breiteste 
Stelle  liegt  über  dem  Vorderrande  der  Acetabula. 

Uuregelmässig  brechen  zwischen  den  verwachsenen  Diapophysen 
Foramina  verschiedener  Grösse  durch. 

Die  Xeuralspinae  sämmtlicher  Sacralwirbel  verschmelzen  zu  einer 
medianen  ('i'ista;  diese  ist  über  den  3  ersten  Sacralwirbeln  schmal 
und  hoch,  laraellenlörmig.  mit  2  dorsalen  Kanten,  die  eine  dorsale 
Facette  von  den  Lateraltlächen  abgrenzen.  Nach  hinten  divergiren 
die  Kanten  und  laufen  zur  Crista  dorsalis  des  Dai'mbeins  parallel, 
bis  sie  sich  noch  im  vordem  Drittel  des  Kreuzbeins  verlieren.  Zu- 
gleich breitet  sich  die  Crista  aus  und  gleicht  eher  einem  breiten 
Wall,  der  nach  hinten  zu  allmählich  an  Breite  und  Höhe  abnimmt, 
an  Schäi'fe  aber  zu.  Die  niedrigste  Stelle  der  Crista  liegt  etwa 
über  dem  10.  oder  11.  Sacralwirbel,  nachher  erhöht  sie  sich  wieder 
um  Weniges. 

Das  vordere  Drittel  des  Knochens  ist  zu  beiden  Seiten  des 
Kammes  etwas  rinnenförmig  und  dient  den  Extensores  trunci 
zum  Ursprung.  Auch  das  caudale  Drittel  trägt  Rauhigkeiten,  an 
denen  die  Schwanzmuskeln  gute  Ansatzstellen  finden. 

1)  Coniparaison  des  ceintures  thoracique  et  pelviecne  daiis  la  serie 
des  vertebres,  in :  ]\Iem.  Acad.  Sc.  Lett.  Montpellier,  Sect.  Sciences,  V,  •*, 
1876—1879. 


276  Rudolf  Maktin, 

Die  Proportionen  des  Sacriim  unterliegen  einigen  Schwankungen, 
die  aus  den  Figuren  und  der  folgenden  Tabelle  ersichtlich  werden. 
Die  Zahlen  geben  den  Breitenlängenin  dex: 


Difhoicultts  sfriffirosfrif^ 

0,4 

Ptilopus!  roseicoUü  juv. 

0,57 

.,      rosei colli s  adult. 

0,57—0.55 

,,       miianocephalus 

0,51 

„       melanospüus 

0,52 

Akctroenas  niadaf/oscariensis 

0.54 

,.           pnlcherrima 

0,54 

Treron  oxyura 

0,54 

,.       spliennra 

0.58-0,57 

„       sp. 

0,56 

„       grisekauda 

0,51 

..       ftüvicollis 

0.56 

vernans 

0.52 

,.       hicincta 

0.50 

Vinago  ccdva 

0,54 

Cnrpophaga  ocecniica 

0,52 

aenea 

0,52 

„           hicolor 

0,47 

,,           luctuosa 

0,47 

,,           lacernulata 

0,52 

,,           spilorrhoa 

0,50 

Ph((ps  chalcopfcra 

0.54 

,,       hisfrionica 

0,54 

„       indica 

0,61 

Turtiir  ■mnaceus 

0.50 

Geopelia  striata 

0,51 

Metnopelia  melanoptera 

0,56 

Starnoenas  cyanocephala 

0.47 

Columha  picasuro 

0,53 

„       phaenota 

0,44 

,,        nifma 

0,52 

.,        trocaz 

0,54 

„        aquatrix 

0,59 

Macropijijia  emilicma 

0,58 

Ectopistcs  migrcdorius 

0,57 

Caloeiias  nicobarica 

0,41 

Goura 

0.37 

Die  vergleichende  Osteologie  der  ColuiDbifornies.  277 

Didus  ca.  0.34 

Pemphaps  ,,   0,29 

Die  gTosse  Variation  ist  direct  ersiclitlich  und  erfordert  keine 
weitere  Erklärung;  sie  zeigt  auch  wiederum,  dass  der  Kreis  der 
Species  oder  des  Genus  einen  Durchmesser  hat,  welcher  —  nach 
Ausscheidung-  der  aberrantesten  Formen  —  der  Strecke  oder  den 
Strecken,  auf  welchen  sich  die  Tauben  vertheilen,  gleichkommt. 

Der  Rückenmarkscan  al  (Texttig-.  Z")  beginnt  im  1.  Sacral- 
wirbel  als  rundliches  Eolir  (nur  bei  Didns.  Pezopliaps  und  Goimi 
seitlich  stark  comprimirt),  erweitert  sich  im  5.  und  6.  Sacralwirbel 
plötzlich,  aber  nur  in  der  verticalen  Eiclitung  ( dies  hat  die  Reduction 


Fig.  7J. 

Sagittalrichnit  t    durch    das    Sacrum    von    Diäancnlus  strigirostris. 

1  :1. 

oder  besser  Absorption  der  Neuralspinae  dieser  Wirbel  zur  Folge 
siehe  oben)  und  verengert  sich  dann  wieder,  so  dass  im  8.  Sacral- 
wirbel das  ursprüngliche  Lumen  wieder  erreicht  wird ;  dieses  nimmt 
caudalwärts  ganz  allmählich  ab ;  sein  Durchmesser  ist  bei  der  Aus- 
mündung aus  dem  letzten  Sacralwirbel  noch  ca.  Vs  desjenigen  im  1. 
Die  Figur  soll  das  Gesagte  veranschaulichen;  Variationen  sind 
kaum  merkbar. 

b )  0  s  i  1  e  i. 

Es  sei  wiederum  Didimculus  als  Ausgangsform  gewählt!  Der 
Abweichungen  bei  andern  Formen  wird  am  besten  im  Zusammen- 
hange gedacht,  nachdem  wir  uns  mit  der  Modellirung  des  Knochens 
bei  einer  Form  bekannt  gemacht  haben. 

Der  vordere,  dorsal  concave  und  der  hintere,  dorsal  convexe 
Theil  sind  ungefähr  gleich  lang  und  durch  eine  nicht  sehr  scharfe 
Kante  getrennt,  welche  von  innen  und  von  vorn  nach  aussen  und 
hinten  veiiäuft. 

Der  Rostralrand  des  vordem  Theiles  ist  nach  vorn  stark  convex 
und  etwas,  namentlich  im  medialen  Abschnitt,  verdickt;   er  ist  mit 


278  ErDoi.K  Mahtin, 

den  Präzyg';ii)uj)hyseii  des  1.  Sacrahvirbels  Iniiidig-.  Er  bildet  keine 
ununterbrocliene  Curve,  sondern  besteht  aus  einer  medialen,  ca.  7  nun 
lang-en  geraden  Strecke,  die  zum  Vorderrand  der  Diapophyse  des 
1.  Sacrahvirbels  ungefähr  parallel  läuft,  und  einer  lateralen  Strecke, 
welche  die  mediale  unter  einem  Winkel  von  etwas  mehr  als  90" 
trifft;  ihre  Länge  steht  nur  wenig  hinter  der  des  medialen  Abschnittes 
zurück. 

Diese  beiden  Strecken  stossen  sowohl  medial  als  lateral  Ecken 
bildend  mit  dem  medialen  resp.  lateralen  Rande  des  Darmbeins 
zusammen. 

Der  mediale  Rand  des  Darmbeins  ist  aufgebogen  und  bildet 
eine  starke  Crista  dorsal is,  welche  die  lateralen  Drittel  der 
Diapophj'sen  der  4  ersten  Sacralwirbel  überdeckt,  dann  aber  in  ihrem 
caudalen  Verlaufe  rasch  abfällt,  so  dass  sie  neben  dem  6.  Sacralwirl)el 
voUstäudig  im  Niveau  der  Sacralplatte  eingeebnet  ist.  Denkt  man 
sich  die  Crista  emporgewachsen,  bis  sie  die  der  andern  Seite  trifft, 
so  entstünde  ein  ähnliches  Gebilde,  wie  es  uns  von  Didus  und  Fcso- 
phaps,  nicht  aber  von  Goum  vor  Augen  geführt  wird. 

Der  Rand  der  Crista  bildet  eine  nach  oben  und  innen  convexe, 
ununterbrochene  Curve,  die  übei-  dem  2.  und  3.  Präsacralwirbel  am 
höchsten  aufsteigt. 

Caudal  wird  die  Fortsetzung  der  Crista  dorsalis  durch  die 
mediale  Begrenzungslinie  der  hintern  Darmbeinhälfte  gebildet. 

Durch  die  Crista  dorsalis  ilei  wird  die  Rinne,  die  wir  im 
vordem  Tlieile  des  Sacrum  erwähnt  haben  und  in  die  wir  die 
Rumpfstrecker  eingebettet  fanden,  vervollständigt. 

Neben  dem  5.  Sacralwirbel  spaltet  sich  lateral  von  der  Christa 
dorsalis  ilei  eine  Kante  ab  —  die  Crista  transversa  — ,  die 
schräg  über  den  Knochen  laufend  zur  Grenzlinie  zwischen  den 
beiden  Hälften  des  Darmbeins  wird. 

Diese  Linie  folgt  erst  dem  Verlaufe  dei-  Crista  dorsalis  oder 
divergirt  doch  nur  sehr  wenig,  bis  zur  vordem,  distalen  Ecke  der 
Diapophj^se  des  ersten  Acetabularwirbels.  Von  da  biegt  sie  in 
schwaciier  Curve  stärker  lateralwärts  um  und  erreicht  in  einer  Ver- 
laufsrichtung,  die  mit  der  Mittellinie  einen  Winkel  von  ca.  45" 
l)ildet,  den  lateralen  Rand  des  Ilium,  unmittelbar  hinter  und  über 
dem  Antitrochanter. 

Andrerseits  wendet  sich  der  mediale  Rand  des  Darmbeins  von 
dem  genannten  Punkte  wieder  einwärts  und  folgt  dem  lateralen 
Contur   der   hintern  Sacralhälfte.   mit  diesem  in  der  g-leichen  Ebene 


Die  vergleichende  Osteolog-ie  der  Colurabiformes.  279 

liegend.  Der  von  der  Crista  dorsalis  und  vom  hintern  Abschnitt 
des  medialen  Randes   des  Ilium   gebildete  Winkel   beträgt  ca.  130". 

Die  laterale  Beg-renzungslinie  ist  vorwärts  vom  Acetabulnm  an- 
nähernd gerade,  eher  wenig  nach  aussen  concav.  Sie  trägt  un- 
mittelbar hinter  ilirer  Mitte  eine  kleine  Si)ina,  welche  der  Spina 
pubis  an  Stärke  mindestens  gleichkommt.  Hinter  dieser  Spina  zweigt 
eine  Kante  oben  vom  Rande  ab,  welche  bald  ihre  anfängliche  Schärfe 
verliert,  aber  doch  noch  als  Tangente  an  den  obern  Rand  des  Ace- 
tabulnm zu  verfolgen  ist.  Diese  Kante  schliesst  mit  dem  lateralen 
Rande,  der  in  seiner  directen  Fortsetzung  durch  das  Pubis  gebildet 
wird  und  seinerseits  die  Tangente  an  den  untern  Rand  der  Gelenk- 
pfanne darstellt,  die  Acetab  ular fläche  (acetabular  surfacei  ein 
und  grenzt  sie  von  der  dorsalen  Iliumfläche  ab. 

An  dem  Punkte,  der  dem  Berührungspunkte  der  Tangente  ent- 
spricht, biegt  der  laterale  Darmbeinrand  scharf  um,  folgt  zunächst 
der  vordem  Umgrenzung  des  Acetabulum,  dann  der  obern  und 
hintern  und  wird  so  zugleich  zum  vordem  Rande  des  breiten  Pro- 
cessus ischiadicus.  der  eine  innige  Verwachsung  mit  dem 
Ischium  eingeht  und  das  Acetabulum  vom  E'oramen  ischiadicum 
trennt. 

Der  hintere  Rand  des  Fortsatzes  oder,  mit  andern  Worten,  der 
vordere  und  obere  Rand  des  For.  ischiadicum  gehört  dem  lateralen 
Darmbeinrande  au.  der  erst  über  das  Foramen,  dann  caudal  von 
diesem  über  das  Sitzbein  dachartig  vorspringt. 

Der  hinterste  Abschnitt  des  Aussenrandes  des  Darmbeins  con- 
vergirt  schwach  mit  der  Mittellinie,  und  zwar  steigert  sich  die  Con- 
vergenz  etwas  nach  hinten.  Er  läuft  mit  dem  caudalen  Rande  auf 
der  Spitze  einer  Spina  zusammen,  welche  sich  bei  Didnnculus  durch 
ihre  Schlankheit  auszeichnet. 

Der  caudale  Rand  des  Ilium  ist  nach  hinten  und  innen  stark 
concav;  er  bildet  aber  keine  continuirliche  Curve,  sondern  ist  in 
seinei'  Mitte,  d.  h.  an  der  Basis  des  medialen  Randes  der  genannten 
Spina,  geknickt.  Der  Uebergang  des  caudalen  in  den  medialen 
Iliumrand  erfolgt  nicht  sehr  abrupt,  sondern  bloss  in  einer  scharfen 
Biegung. 

Die  vordere  concave  Beckenhälfte  ist  nicht  geknickt,  doch  der 
Grad  der  Concavität  ist  grösser  als  der  der  Convexität  der  hintern 
Hälfte.  Auch  ist  der  vordere'  Theil  bedeutend  schmäler  als  der 
hintere  (ca.  -/g).  Dieser  bildet  einen  breiten  Rücken,  welcher  gegen 
die  caudale  Spina  flach  abfällt. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth-  f.  Syst.  1^ 


280  fiUüoi.F  Martin. 

Der  AcetabulartiäclR'  wurde  bereits  gedacht. 

Das  Acetabulum  ist  kreisrund,  tief,  nach  vorn,  oben  und 
unten  durch  stark  prominente  Ränder  begrenzt,  während  es  nach 
hinten  offener  ist,  indem  die  äussere  Fläche  des  Proc.  ischiadicus, 
mit  der  Gelenkfläche  des  Antitrochanter  in  einer  Ebene  liegend, 
allmählich  gegen  die  Tiefe  der  Gelenkpfanne  abfällt. 

lieber  und  hinter  dem  Acetabulum  liegt  der  Antitrochanter, 
dessen  nierenförmige  Gelenkfläche  in  einer  gleichmässigen  Neigung 
zur  Tiefe  der  Gelenkpfanne  steigt.  Diese  Gelenkfläche  ist  am 
Trockenskelet  bloss  durch  ihre  Politur  von  der  in  sie  übergehenden 
Aussenfläche  des  Proc.  ischiadicus  zu  unterscheiden. 

Der  vordere  Rand  des  Antitrochanter  fällt  ziemlich  steil  ab 
und  geht  in  den  obern  Rand  des  Acetabulum  über.  Sein  distaler 
Rand  ist  ziemlich  lang,  vom  hintern,  zur  Medianebene  senkrecht 
stehenden,  scharf,  vom  vordem  weniger  scharf  abgesetzt. 

Dadurch  erhält  der  Antitrochanter  eine  charakteristische  Ge- 
stalt, die  keiner  Variation  unterworfen  ist.  Er  ist  scharf  markirt 
und  vorspringend,  zugleich  aber  breit  und  eckig.  Besser  als  eine 
weitere  Beschreibung  ist  die  Zeichnung  Aufschluss  zu  geben  im 
Stande. 

Die  Ventralseite  des  Ilium  bietet  einen  ganz  andern  Anblick. 

Die  Innenfläche  des  präacetabularen  Theils  wird  durch  eine 
äusserst  stark  vorspringende  Kante,  welche  der  Linie  der  grössten 
Concavität  der  Aussenfläche  entspricht,  scharf  in  zwei  Hälften  ge- 
theilt:  1.  eine  laterale,  horizontale,  ebene  und  nach  hinten  verjüngte, 
welche  bis  zum  Foramen  obturatorium  ununterbrochen  ver- 
läuft und  2.  eine  mediale,  windschiefe  und  hinten  breiter  werdende 
Pläche.    Diese  ist  in  die  Innenfläche  der  Crista  dorsalis  fortgesetzt. 

Gegen  die  vordere  Hälfte  dieser  Kante  stützen  die  Costalfort- 
sätze  der  präsacralen  Wirbel,  während  die  entsprechenden  Diapo- 
l)])3^sen  dorsal  von  ihr  mit  der  medialen  Hälfte  der  Innenfläche  des 
präacetabularen  Ilium  verw^achsen. 

Diese  Kante  setzt  sich  nach  hinten  als  Trabekel,  zwischen  For. 
obturatorium  und  For.  ischiadicum  durchlaufend,  fort  und  gelaugt 
so  auf  die  Innenfläche  des  Sitzbeins,  gegen  dessen  caudale,  untere 
Fcke  sie  sich  verliert.  Unmittelbar  vor  dem  Acetabulum  trägt  der 
Balken  eine  deutliche  Kerbe,  welche  in  eine  Rinne  bis  zum  For. 
obturatorium  fortgesetzt  ist ;  beides  rührt  vom  Nervus  o  b  - 
turator  her. 

Die  höchste  Höhe  erreicht   das  Trabekel  unmittelbar   vor   dem 


Die  vergleichende  Osteoiog-ie  der  Coluinbiformes.  281 

Acetabuluni;  es  liegt  dort  auf  seiner  dorsalen  Seite  ein  Recess,  in 
dessen  Tiefe  einige  pneumatische  Foramina  vereinigt  liegen. 

Der  Verlauf  dieser  Kante  resp.  Trabekels  ist  nicht  ganz  gerade; 
erst  divergirt  er  nur  wenig  von  der  Mittellinie  (bis  zum  Costalfort- 
satz  des  4.  Präsacralwirbels)  und  ist  hier  von  der  Länge  der  Costal- 
fortsätze  bedingt;  dann  wendet  er  sich  mehr  auswärts  und  bildet 
den  lateralen  Rand  der  Fossa  iliaca  anterior  zunächst,  der 
Fossa  iliaca  posterior  später.  Vom  Rippenfortsatz  des 
4.  Sacralwirbel  an  rückwärts  ist  er  annähernd  gerade. 

Die  mediale  Fläche  des  vordem  Darmbeinabschnitts  ist  schwach 
concav  und  bildet  mit  dem  Sacrum  zusammen  die  Fossa  iliaca 
anterior,  die  vorn  durch  die  Parapophyse  des  4.  Sacralwirbel,  nach 
hinten  durch  diejenigen  der  Acetabularwirbel  und  deren  Fort- 
setzung, d.  h.  durch  einen  transversalen  AVall  des  Ilium,  der  zum 
hintern  obern  Rande  des  Acetabuluni  läuft,  begrenzt  wird. 

Dieser  Wall  grenzt  zudem  die  vordere  Darmbeinhälfte  von  der 
hintern  ab,  entspricht  also  der  Crista  transversa  der  Aussenfläche. 
Hinter  dem  lateralen  Ende  dieses  Walles,  d.  h.  unter  dem  Anti- 
trochanter,  liegen  grosse  pneumatische  Foramina. 

Die  Innenfläche  der  caudalen  Hälfte  wird  durch  die  Crista 
ischio- sacr alis  in  einen  grössern  rostralen  und  einen  kleinem 
caudalen  Abschnitt  getheilt.  Jener,  zusammen  mit  einem  Theil  des 
Sacrum,  bildet  den  Boden  der  Fossa  iliaca  posterior,  welche 
nach  hinten  durch  den  genannten  Wall  ihren  Abschluss  findet.  Der 
Recess,  auf  Avelchen  Gegenbaur  ^)  hauptsächlich  aufmerksam  macht, 
wird  hier  kaum  angetroifen;  eine  Grube  (welche  zahlreiche  Foramina 
beherbergt)  unmittelbar  hinter  und  über  dem  Iscliiadicusforamen 
darf  füglich  als  ein  Rest  des  Recesses  angesprochen  werden. 

Die  Crista  ischio-sacralis  ist  nur  in  der  lateralen  Hälfte  deut- 
lich, medial  breitet  sie  sich  aus  und  ist  bloss  noch  in  einer  relativ 
schwachen  Verdickung  des  medialen  Darmbeinrandes  zu  erkennen, 
die  den  Querfortsätzen  des   12.  bis  14.  Sacralwirbel  gegenübersteht. 

Auch  hinter  dem  lateralen  Theile  der  Crista  liegt  eine  flache 
Grube,  welche  3  bis  mehr  unregelmässige  P'oramina  aufnimmt. 

Die  Grenze  zwischen  Hium  und  Ischium  ist  auf  der  Innenfläche 
des  Beckens  nicht  zu  erkennen. 

Soviel  über  Biduncuhtsl  Die  übrigen  Tauben  schliessen  sich  in 
der  detaillirten  Modellirung  Didunculus  unmittelbar  an,  und  so  war  es 

1)  op.  c. 

19* 


282  Rudolf  Martin. 

mir  —  mit  Ausnahme  des  Aiititrochaiiter  —  absolut  unmöglich,  ein 
Merkmal,  welches  eine  gesetzmässige  Umwandlung  durchmacht,  zu 
erkennen.  Vielmehr  greift  die  individuelle  Variation 
weit  aus  und  verAvischt  die  Grenzen  zwischen  Gattung 
(die  ja  bei  osteolog-ischen  Untersuchungen  hier  über- 
haupt ausser  Betracht  fällt),  Unterfamilie  und  sogar 
Familie. 

Es  sei  hier  bemerkt,  dass  bei  den  meisten  recenten  Formen  —  Goura 
und  CaJoenas  nicht  ausgeschlossen  —  die  vordere  Iliumhälfte  schärfer 
geknickt  ist  als  bei  Didtmculus;  dadurch  gewinnt  auch  die  Crista 
transversa  an  Schärfe.     Geopelia  macht  einzig  eine  Ausnahme. 

Die  Crista  dorsalis  ilei  ist  gewöhnlich  schwächer  als  bei  Didmi- 
nihis;  doch  greift  der  Unterschied  nicht  durch. 

Die  Abgrenzung  der  Acetabularfläche  ist  bald  schärfer,  bald 
weniger  scharf,  auch  ohne  Rücksicht  auf  die  Art. 

Die  Stellung  dieser  Fläche  (und  somit  das  Acetabulum)  scheint 
mir  bei  Didumulus,  Goura  und  den  Riesentaul^en  etwas  steiler  zu 
sein  als  bei  den  übrigen  Formen;  diesbezügliche  Messungen  auszu- 
führen, ist  kaum  möglich. 

Der  Umriss  des  Ilium  bedingt  den  Umriss  des  Beckens;  ich 
komme  daher  lieber  dort  darauf  zu  sprechen. 

Hier  sei  noch  dem  Antitrochanter  besondere  Aufmerksamkeit 
geschenkt. 

Der  Antitrochanter  ist  entschieden  der  constanteste  und  somit 
wohl  auch  der  conservativste  Theil  des  ganzen  Beckens. 

Newton  ^)  sucht  durch  die  Stellung  des  Antitrochanter  Peso- 
phaps  von  JDidns  zu  unterscheiden.  Er  sagt  von  Pemphaps:  ,..  .  .  the 
tro.chanterian  surface  is  narrower,  more  prominent,  and  directed 
more  forward"  als  bei  Didus.  Diese  Beobachtung  triift  in  jedem 
Falle  zu,  so  gross  auch  die  Variabilität  der  übrigen  Theile  ist. 

Konnte  also  hier  der  Antitrochanter  sogar  zur  Trennung  von 
Gattungen  (?)  in  x4nwendung  kommen,  wie  viel  mehr  muss  er 
nicht  zur  Unterscheidung  von  Familien  beitragen  können !  In  der 
That  lassen  sich  nach  der  Form  des  ^antitrochanter  folgende  Gruppen 
aus  einander  halten. 

1.  Typus:  Der  Antitrochanter  breit  und  flach,  wenig  prominent; 

1)  On  the  osteology  of  the  Solitaire,  in:  Phil.  Trans.  Roy.  Soc. 
London    1868. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Col  umbiform  es. 


283 


auch   nach    hinten   flach   abfallend.      Acetabulum    von    oben    nicht 

sichtbar  (Textfig-.  A*— D*).  Colu m hicla e. 

2.   Tj^pus:    Der   Antitrochanter  schlank,   nach   vorn   sanft   in 

einer  flachen  concaven  Curve,  nach  hinten  steil  abfallend;  nicht  sehr 


Fig.  A^ 


Fig.  B^ 


Fig.  AJ 


Fig.  C*.  Fig.  D*. 

Becken  in  Dorsalansicht.     1:1. 

ColHtnha  albilineata.    Fig.  B*.  Columba  picazuro.    Fig.  C*.  Ectopistes 
migratorius.    Fig.  D*.  Macropygia  emiliana. 


284 


Rudolf  Martin, 


spitz.     Seine  Gelenkfläche  oft,  aber  durchaus  nicht  immer  stark  aus- 
wärts und  vorwärts  gerichtet  {Cmyophac/inae).     Der  vordere  Rand 


Fig-.  E*. 
B e c k e u  in  I» o r s a  1  a u s i c li t.     Goura  coronata.     1  : 1. 

vom  distalen  nicht  scharf  abgesetzt.    Das  Acetabulum  von  oben  nur 
wenig  sichtbar  (N^ — R*).  Treroninne,  Carpoph cu^inae. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Coluiubiformes. 


285 


3.  Typus:  Der  Antitrochanter  schlank,  vorn  und  hinten  sehr 
steil  abfallend;  das  Acetabulum  ist  daher  von  oben  sehr  gut  siclitbai- 
Die  Stellung-  der  Gelenkfacette  ist  etwas  variabel,  doch  ist  sie  nie 
so  stark  auswärts  g-edreht  wie  bei  Carpophafjmac  (Textfig-.  G* — I*) 
—    Peri^feridae    {Älecirocuafi     zeigt     eine    Annäherung    an    die 


Fip-.  F*. 


Ym.  G*. 


Becken  in  D o r s a 1 a n s i c h t 


Fig.  F*.  Caloenas  nicobarica.    Fig.  G*.  Metriopelia  melanoptera . 
Fig.  H*.  Phaps  chalcoptera. 


Treronidae.     doch    schneidet   das    Acetabulum     den    vordem    Anti- 
trochanterrand  tiefer  ein  (Textfig.  K^ — M^)  —  Ftilopodinac. 

Die  Riesen  tauben,  inclusive  Goura  (Textlig.  E^)  und  Didim- 


•286 


Rudolf  Maktin, 


cid  HS  (Taf.  12,  Fig-.  7.  8  u.  9),  stehen  diesem  Typus  am  nächsten,  während 
Coloenas  (Textfig.  F"*),    die   in   vielen   Beziehungen   mit   Gotira   einig 


Fiff.  K*. 


Fiff.  L*. 


Fig.  W 


Fiff.  J^ 


Fig.  P*. 

Beckeu  in  Do rsalau sieht.     1:1. 

Fig.  J'.  Starnoenas  cyanocephala.    Fig.  K*.  PHlopus  roseicollis.    Fig.  L*.  Ptilopus 

melanocephaluH  (=  roseicollis  juv. ;   das  Becken  von  P.  melanospilus  ist  nach  vorn 

noch  mehr  verjüngt  als  die  Figur  zeigt).     Fig.  M^.   Aledroenas  madagascariensis. 

Fig.  P*.  Carpopliaga  hicolor. 


Die  veräleicheiule  Osteologie  der  ( "olumbiformes. 


287 


Fio-.  N^. 


Fio-.  0*. 


Fig.  Q*. 


Fig-.  R*. 


Becken  in  i ) o r s a  1  a ii s i c li t.    1:1. 

Fig-.  X^.  Treroii  vernans.    Fig.  0*.   Vinayo  calva.    Fig-.  Q*.  ('arpophaija  aenea. 
Fig-.  R*.  darpophaya  oceanica. 


288 


RinoLi'  Martin, 


g-elit,  den  Columhidac  zugeliört.  Es  ist  natürlich  nicht  nur  möglich, 
sondern  in  gewissen  Fällen  Wcahrscheinlich  {Goura),  dass  diese 
Trochant erform  ein  secundäier  Erwerb  ist. 

Am  anschanliclisten  werden  diese  Verhältnisse  durch  die  Unu'iss- 


figuren  der  Becken  wiedergegeben. 


Fio-.  T^. 


Fig.  S*. 

Becken  in  Dorsal  ansieht.     1:8. 
Fig-.  S^  Dklus  ineiitus.     Fig.  T*.  Pezophaps  solitaria  9- 

c)  Os  ischii. 

Die  beiden  noch  zu  besprechenden  Knochen  sind  die  am 
wenigsten  charakteristischen  des  Beckens:  das  Ischium  und  das 
P  u  b  i  s.  Selbst  auf  die  Gesammtform  des  Beckens  wirken  sie  kaum 
modificirend  ein :  das  Pubis  ist  absolut  starr,  das  Ischium  verändert 
seine  Proportionen  mit  einer  Verkürzung  oder  Streckung  des  post- 
acetabularen  Darmbeinabschnittes. 

Der  vordere  Theil  des  Ischium  bildet  einen  Abschnitt  der 
hintern  Umrandung  des  Acetabulum.     Er  stösst  mit   seiner  untern 


Die  verg-leicheiule  Osteolog-ie  der  Columbifnrmes.  289 

Ecke  an  das  Piibis  und  mit  seiner  obern  an  den  Proc.  ischiadicus 
ilei.  Seine  lateiale  Fläclie  trägt  eine  tiefe  Dei)ression,  welche 
einerseits  in  den  Grund  des  Acetabuluni  ausläuft,  andrerseits  durch 
eine  mehr  oder  weniger  scharfe  Kante,  welche  an  der  ^\'urzel  des 
hintern  Randes  des  Antitroclianter  beginnt  und  schräg-  nach  hinten 
zum  hintern  Ende  des  For.  obturatorium  verläuft,  begrenzt  Avird. 
Diese  Depression  greift  noch  auf  das  Pubis  über,  solang-e  dieses  die 
vordere  Ihnrandung-  des  For.  obturatorium  bildet. 

Das  For.  ischiadicum  und  obturatorium  schnüren  diesen  vor- 
dersten Theil  vom  gTössern  hintern  ab.  Wir  bezeichnen  der  Kürze 
halber  den  vordem  Theil  als  Kopf,  den  verengten  als  Hals, 
während  der  Rest  den  Haupttheil  des  Knochens  darstellt. 

Der  Hinterrand  des  Kopfes  und  der  ünterrand  des  Halses  stossen 
an  das  For.  obturatorium  von  oben,  der  obere  Rand  des  Halses  an 
das  For.  ischiadium  von  unten,  während  dieses  hinten  vom  Haupt- 
theil umrandet  wird. 

Die  vordere  und  obere  Partie  des  Haupttheiles  ist  nach  aussen 
concav.  die  hintere  untere  nach  aussen  convex. 

Der  Haupttheil  des  Ischium  stösst  an  das  Darmbein ;  bei  Didun- 
culus.  den  Perisferidae,  Columbidae,  den  meisten  Ckirpophaginae  und 
Goura  von  unten,  während  er  bei  den  Treroninae  mehr  von  der  Seite 
au  den  lateralen  Hiumrand  stösst  und  so  die  beiden  Knochen  einen 
sehr  stumpfen  Winkel  mit  einander  bilden.  Es  existirt  jedoch  be- 
züglich des  Verhältnisses  von  Darmbein  und  Sitzbein  eine  grosse  in- 
dividuelle Variation. 

Das  Gleiche  gilt  für  den  meist  ^förmigen  ventralen  Rand 
des  Sitzbeines,  der  bald  auf  eine  grössere  oder  kleinere  Strecke,  bald 
gar  nicht  mit  dem  Pubis  verwächst.  Bei  Didumulus  wurde  stets 
eine  solche  Verschmelzung  unmittelbar  hinter  dem  For.  obturatorium 
angetroffen,  selten  bei  andern  Tauben,  jedenfalls  erst  bei  alten  Thieren. 
Sie  kommt  nie  vor  bei  Didns  und  Fezophaps.  Jedenfalls  darf  man 
kein  grosses  Gewicht  auf  das  Vorhandensein  oder  Fehlen  von  solchen 
Verschmelzungen  legen,  da  schliesslich  von  der  Vereinigung  durch 
straffes  sehniges  Bindegewebe  bis  zur  Knochenbrücke  ein  kleiner 
Schritt  ist. 

Der  caudale  Rand  des  Sitzbeines  ist  ausgeschnitten,  aber  auch 
dies  ohne  grosse  Regelmässigkeit.  Immerhin  ist  die  Incisur  bei 
verkürzter  hinterer  Beckenhälfte  weniger  tief  als  bei  einer  Streckung 
derselben ;  doch  gerade  Goura  besitzt  eine  flache  Tncisur.  Also  von 
einem  unfehlbaren  Zusammenhang  kann  nicht  die  Rede  sein. 


290  Rudolf  Maktin, 

Entspi'echeiid  der  Tiefe  der  Incisur  ist  die  caiidale,  ventrale 
Ecke  des  Ischium  bald  i)liimper.  bald  sclilauker.  Auch  hier  wirkt 
die  \'ariatioii  im  höchsten  Grad. 

Die  Incisur  und  der  Zwischenraum  zwischen  dem  Sitzbein  und 
dem  Schambein  werden  durch  sehnige  irembranen  ül)erspannt. 

Die  Innenfläche  des  'Ischium  wird  durch  den  beim  Darmbein 
erwähnten  Wall  der  Länge  nach  durchsetzt. 

d)   Os  pubis. 

Der  vordere,  massivere  Theil  des  Pubis.  welcher  den  untern 
Theil  des  Acetabulum  bildet  und  eine  innige  Verschmelzung-  mit  dem 
Ischium  und  Ilium  eingeht,  trägt  eine  laterale,  ventrale  Kaute, 
welche  sich  in  die  ventrale  des  caudalen  Fortsatzes  verlängert. 
Diese  Kante  trägt  bei  grössern  l^ormen,  die  einen  Musculus  am- 
biens  besitzen,    die  Spina  pubis,   welche  stets  sehr  klein  bleibt. 

Der  caudale  Fortsatz  ist  lateral  coniprimirt,  mit  einer  dorsalen 
und  einer  ventralen  Kante,  einer  ebenen  äussern  und  einer  gewölbten 
Innern  Fläche.  Er  umgrenzt  zunächst  das  For.  obturatorium  unten 
und  läuft  dann  dem  ventralen  Rande  des  Sitzbeines  entlang,  jedoch 
nicht  parallel,  sondern  stets  in  einer  nach  unten  convexen  Curve. 
steigt  gegen  die  distale  Ischiumecke  wieder  auf  und  tritt  mit  diesei' 
bei  extremen  Formen,  wie  Didiis,  Femphaps,  Goura  und  Bidnncuhis. 
oft  in  engere  Verbindung,  doch  ohne  zu  verschmelzen.^ 

Von  da  an  ist  der  Knochen  ein  gerader  oder  sehr  wenig  ab- 
Avärts  gebogener  Stab,  dessen  Ende  etwas  verdickt  ist  und  bald  zu- 
gespitzt, bald  abgestutzt  erscheint. 

Die  beiderseitigen  Pubes  divergiren  bis  zum  hintern  Sitzbeinende : 
von  da  an  convergiren  sie  wieder  in  verschiedenem  Maasse. 

e)DasBeckenalsGanzes. 
(Textfigg.  A-»— T*;  Taf.  12,  Fig.  7,  8  u.  9.) 

Wii'  sehen  somit,  dass  der  Umriss  des  Beckens  wesentlich  diircli 
Sacrum  und  Ilium  bedingt  wird  und  dass  Ischium  und  Pubis  bloss 
in  der  caudalen  Hälfte  die  seitliche  Abschliessung  des  Pelvis  be- 
werkstelligen und  deshalb  auf  die  Gestalt  dieses  Skelettlieiles  von 
nur  geringem  Einfluss  sind. 

Betrachten  wir  ein  Becken  von  oben,  so  sehen  wir,  dass  der 
Umriss  seiner  Dorsalfläche,  der  dem  Umriss  des  Beckens  gleichzu- 
setzen ist.  durch  folgende  Linie  bezeichnet  wird: 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Culumbiformes.  291 

Vorderer  Sacralrand,  Vorderrand  des  Ilium,  Seitenrand  desselben, 
Kante,  welche  die  Acetubiilarfläche  von  der  Dorsalfläche  trennt. 
Antitrochantei-,  Lateralrand  der  hintern  Darmbein hälfte,  Caudalrand 
vom  Ilium  und  Sacrum. 

In  erster  Linie  wird  also  die  Form  des  Darmbeines  die  Form 
des  Beckens  bedingen,  und  wenn  wir  im  Folg-enden  vom  Umriss  des 
Beckens  sprechen,  so  handeln  wir  ebenso  «ut  ^om  Umriss  des  Darm- 
beins. 

Gleich  hier  verweise  ich  auf  die  beigegebenen  Figuren,  welche 
die  Schwankungen  deutlicher  als  jede  Beschreibung-  vor  Augen  führen. 

Es  sei  mir  dcniu)ch  gestattet,  mit  einigen  Worten  darauf  zurück- 
zukommen. 

B  e  i  e  i  n  e  r  V  e  r  g  1  e  i  c  h  u  n  g  d  e  r  F  i  g  u  r  e  n  sowohl  als  des 
Materials  selbst  fallen  zuerst  die  Schwankungen  in 
der  relativen  Breite  des  Beckens,  dann  des  Verhält- 
nisses der  Länge  der  vordem  Becken  hälfte  zur  Länge 
der  hintern  und  endlich  die  Mannigfaltigkeit  in  der 
hintern  Beckentif  fnun  g  auf. 

Dass  das  Sacrum  einen  nicht  unbedeutenden  Einfluss  auf  den 
Beckenumriss  ausübt,  bedarf  kaum  der  Erörterung:  ich  verweise  auf 
die  angegebenen  Verhältnisszahlen  (S.  276 1.  Dass  aber  das  Sacrum 
nicht  allein  der  moditicirende  Theil  ist.  wird  aus  folgender  Zusammen- 
stellung ersichtlich.  Die  Zahlen  drücken  die  grösste  Breite  der 
Üorsalfläche  bezüglich  der  Länge  des  Saci'um  aus: 

Dichmcuhis  sfrigirosfris  0,74 

Ptilopus  roseirolUs  juv.  0,87 

adult.  0,88(13S.W.)0.81(14S.W.i 

,.      melanocephahts  0,80 

melanospüus  0,75 

AlectroeiKis  madagascanensis  0.84 

,.  pnJcherrima  0,83 

Treron  oxijura  0,86 

,,      sphennra  0.86 — 0.85 

„      sp.  0,89 

„      griseicauda  0,84 

..      fidrkoUis  0.80 

,,       vernans  0,78 

,.      hicincia  0,78 

Vinago  calva  0,90 


292 


RCDOLF    MaKTIN. 

( 'arpophcff/a    oceanica 

0.89 

,.              ((C)iea 

0,88 

hicolor 

0,76 

luctnosa 

0,73 

,.             Jacernulafa 

0,87 

spilorrhoa 

0,81 

J'liajis  elialcopfcra 

0.95 

lii.strio)iic(i 

0,94 

„       indica 

0,94 

Turtnr  cinaceus 

0,82 ') 

Geopelia  striata 

0,80  1) 

Mefriopelia  nielanoptera 

0,93 

Starnocnas  cyai > occphala 

0.75  1) 

Colxmha  picasuro 

0.89 

..        pJiaenota 

0.84 

,.        ruflua 

0.84 

trocaz 

0.86 

uquatrix 

0,93 

Macropygia  emiJiana 

0,82 

Ectopistes  migratorius 

0,88 

Caloenas  nicoharica 

0,67 

Goura 

0,60 

Didus 

0,81 

Pezophaps 

0,71 

Verg-leiclit  man  die  beiden  Tabellen,  so  wird  der  Zusammenhang 
der  gesammten  Breite  der  Dorsalfläche  und  der  Breite  des  Sacrum 
klargelegt  (man  vergleiche  z.  B.  Treron  sp.,  V.  calva,  Phaps  clialco- 
ptera,  P.  histrionica,  P.  indica,  Metriopclia  nielanoptera,  Columha  aqua- 
trix  mit  Diäuncnlus,  Starnoenas,  Caloenas,  Goura,  Didus  und  PccopJiaps). 
Man  darf  sich  abei'  nicht  dazu  verleiten  lassen,  auf  Grund  eines 
schmalen  oder  breiten  Sacrum  unbedingt  auf  ein  schmales  oder 
breites  Becken  zu  schliessen;  dass  dies  zu  Irrthum  führen  würde, 
zeigen  die  mehr  inditferenten  Formen  [Ptilopodinae,  Treroninae,  Carpo- 
phaginae  und  ColumUdae),  obwohl  auch  hier  der  Zusammenhang  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  nachweisbar  ist. 

Die  beiden  Endgiuppen  —  Peristeridae  mit  Ausnahme  von  Starnoenas 
einerseits,  Didunculns,  Starnoenas,  Caloenas,    Goura,  Didus  und  Peso- 


1)  Der  letzte  Sacralwirbel    ist    prominent,    und    daher    rührt    das  ab- 
errante  Verhältniss. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  C'olumbiforines.  293 

pluq)s  andrerseits  —  werden  weit  von  einander  abgerückt  und  zeigen 
verliältnissmässig'  gering-e  Schwankungen,  denn  Turfiir  und  Gcopclia, 
bei  denen  der  letzte  Sacralwirbel  vollständig  hinterhalb  des  caudalen 
Diumrandes  liegt  und  deshalb  wohl  eher  der  ("audalregion  zuzu- 
zählen ist,  geben  nach  Abzug  dieses  Elementes  ungefähr  den  nor- 
malen Werth  für  Peristcridac  (höher  als  0,9)  und  sind  deshalb  wohl 
umgrenzt.  Die  Werthe  für  die  specialisirten  Formen,  die  aber  ja 
nicht  als  eine  Gruppe  von  genetischem  Zusammenhange  aufgefasst 
werden  dürfen,  überschreiten  den  obern  Grenzwerth  von  0,74  nicht; 
Bidus  ist  einzig  in  dieser  Hinsicht  aberrant. 

Die  übrigen  Tauben  sind  nach  dem  Breitenindex  des  Beckens 
nicht  aus  einander  zu  halten ;  ihr  oberer  Grenzwerth  liegt  nahe  am 
untern  der  Perisferidac  oder  fällt  sogar  mit  ihm  zusammen  {Viniujo 
calva),  und  ihr  unterer  nähert  sich  dem  obern  der  aberranten  Formen, 
obwohl  nicht  so  stark  wie  der  obere  dem  untern  der  Peristeriden. 
Weitere  Grenzlinien  sind  nicht  zulässig,  wie  die  Tabelle  selbst  zeigt, 
da  zudem  die  individuelle  Variation  in  Rechnung  gezogen  werden 
muss. 

Diese  erlangt  noch  einen  weitern  Spielraum,  wenn  wir  statt  der 
Länge  des  Sacrum,  die  ja  ziemlich  constant  ist,  die  Länge  des 
Darmbeins  in  Betracht  ziehen. 

Am  deutlichsten  wird  uns  diese  Variation  vor  Augen  geführt, 
wenn  wir  den  vordem  Beckenrand  in  seinem  Verhältniss  zur  Rippe 
des  18.  Wirbels  betrachten.  Wir  können  hier  3  Stadien  unter- 
scheiden, die  ihrerseits  durch  eine  ununterbrochene  Kette  von  P]r- 
scheinungen  in  Verbindung  stehen.     Einige  Beispiele  mögen  genügen: 

1.  Der  Vor  de  rr  and   des  Ilium    reicht   höchstens  bis 
in  den  letzten  I n  t  e  r c o s t a 1 r  a u m  : 

Trcron    sp.,    Carpoplmga    oceanica,    C.    hkolor ,    C.   aenca, 
PfilopHS  roseicollis. 

2.  Der  V  o  r  d  e  r  r  a  n  d  des  1 1  i  u  m  s  reicht   bis   zum  H  i  n  - 
t  e  r  r  a  n  d  der  Rippe  des  18.  Wirbels: 

Didnricidns  sfrif/irostris,   Treron  fidvicollis,  Carpophaga  hi- 
color,  Carp.  aenea,  Ptilopus  roseicollis. 

3.  Der  Vorderrand    des   Ilium   reicht  bis   zum    Vor- 
derrand der  Rippe  des  18.  Wirbels: 

Didnnculus  strigirosfris,  Treron  nipalensis  juv.,  (Jarpophaga 
spilorrhoa. 
Diesen  Verhültnissen  darf  keine  zu  grosse  Bedeutung  beigemessen 


294  RuDOLi'  Martin, 

werden,  denn  der  vordere  Darmbeinrand  ist  äusserst  elastiscli ;  bald 
ist  er  gleiclimässig  gerundet  und  deshalb  weniger  weit  vorgreifend, 
bald  verläuft  er  in  einer  unregelmässigen  Curve,  an  der  die  grösste 
Convexität  einmal  mehr  medial  oder  mehr  lateral  gelegen  ist,  und 
daraus  geht  der  gebrochene  Vorderrand  hervor,  wie  wir,  ihn  bei 
Didunculus  angetroffen  haben,  und  dies  führt,  wenn  die  Knickung 
stärker  wird,  zu  einer  Form  wie  Treron  vernans  (Fig.  N"*)  oder 
Alectroenas  madagascariensis  (Fig.  M*)  oder  Carpophaga  hicolor 
(Fig.  P*),  bei  denen  das  Ilium  vorn  in  eine  Spitze  ausläuft,  die,  meist 
verdickt,  weit  vorgreift,  üebergänge  zu  diesen  Extremformen  bilden 
Coluniba  albilineata  (Fig.  A''),  C.  picazuro  (Fig.  B^),  Edopistes  (Fig.  C), 
Vinago  calva  (F'ig-.  0^).  Eine  besondere  Modellirung  dieses  Eandes 
zeigen  viele  Perisieridae,  bei  denen  er  durch  eine  sehr  scharfe  Curve 
mit  dem  medialen  Rande  des  Darmbeines  zusammenhängt,  stark 
nach  hinten  verläuft  und  meist  ausgekerbt  ist;  er  stösst  dann  mit 
dem  Lateralrande  in  einer  stumpfen  oder  scharfen  Ecke  zusammen 
(Vgl.  Figg.  G*,  H'  u.  J').  Caloenas  (Fig.  F*)  schliesst  sich  zunächst 
an  Didunculns  an,  IHdns  am  ehesten  an  Siarnoenas ;  Pemphaps,  Gonru 
Macropygia  und  Ptüopus  roseicollis  weisen  einen  ziemlich  gleichmässig 
gewölbten  vordem  Darmbeinrand  auf  (Figg.  D^  E*  u.  T*).  P^ine 
lateralwärts  flacher  werdende,  aber  continuirliche  Curve  zeigen 
Ptüopus  melanoccphalus,  P.  roseicollis  juv.,  Carpophaga  aenea  (Figg.  K^. 

LS  Q^). 

Ferner  sei  bemerkt,  dass  z.  B.  Treron  nernans  verschiedene  dieser 
Stadien  repräsentiren  kann  (ich  erwähne  diese  Form  speciell.  weil 
mir  hier  ein  reicheres  Material  vorliegt)  und  dass  auch  das  Alter 
von  nicht  geringem  Einfluss  ist  (Vgl.  Figg.  K*  u.  L',  denn  Ptü. 
roseicollis  juv.  ist  in  dieser  Beziehung  mit  Piü.  melanocephalm 
identisch). 

Ich  halte  es  nicht  für  möglich,  so  variable  Dinge  systematisch 
verwenden  zu  können. 

Dem  gleichen  Grade  der  Variation  begegnen  wir.  wenn  wir  dem 
Lateralrand  der  vordem  Beckenhälfte  unsere  Aufmerksamkeit 
schenken.  Die  Variation  liegt  innerhalb  der  Grenzen,  die  einerseits 
durch  Carpophaga  oceanica  oder  VinagO  calva,  andrerseits  durch  Pe^o- 
phaps,  Caloenas,  Siarnoenas  oder  Didnncnlus  gegeben  sind.  In  diesem 
Falle  sind  die  Ränder  parallel  oder  sogar  noch  wenig  nach  hinten 
convergirend,  in  jenem  Falle  eine  directe  und  ununterbrochene  Curve 
vom  Scheitel  des  Vorderrandes,  welche  nach  hinten  von  der  Mittel- 
linie stets  divergirt. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Colnmbifdriues.  295 

Zunächst  an  ('arpoplia;ia  oceanica  scliliesseii  sich  die  übrigrii 
CarpopltofiiniU'  und  die  Treromnac,  dann  Macropyifia :  bei  den  Vtihi- 
podinac  stellt  sich  bereits  eine  Abknickung-  des  lateralen  Becken- 
randes vom  vordem  ein.  welche  bei  den  meisten  Cohimhidae.  nament- 
lich CoJnmha  froca^,  gesteigert  wird;  so  gelangen  wir  zu  den  Peri- 
steridac.  welche  sich  Starnoenas  eng  annähern ;  hier  ist  auch 
■DiduiiculHS  und  Caloenas  aufzuführen.  Pezophaps  und  Goura  fehlt 
die  Abknickung.  doch  sind  die  Ränder  vollkommen  i)arallel.  was  bei 
Didnfi  nicht  yanz  der  Fall  ist.  obwohl  die  Knickung  angetroffen  Avird. 

Auf  die  Form  des  An  t  i  trochanter  wurde  bereits  genügend 
eingetreten:  ich  weise  hier  darauf  hin.  dass  sie  auf  den  ßecken- 
umriss  von  Einfluss  ist. 

Der  S  e  i  t  e  n  r  a n  d  der  hintern  B  e c  k  e  n  h  ä  If  t  e  zeigt  weniger 
Mannigfaltigkeit  als  der  der  vordem.  Er  i.st  mit  wenigen  Aus- 
nahmen fast  gerade,  wechselt  jedoch  in  seiner  A'erlaufsrichtung. 

Er  läuft  zur  Mittellinie  parallel  oder  convergiit  sehr  schwach 
bei  Edopisics  niitjnitorius,  Goura.  Calocnns,  (^arpopluuja  oceanica. 

Bei  allen  übrigen  Tauben  convergirt  er  mit  der  Mittellinie 
stark:  diese  Convergenz  erreicht  bei  Vinago  calva  ihr  ]\Iaximum. 

Vinago  calca  zeigt  auch  noch  in  einer  andern  Beziehung  eine 
Abweichung,  nämlich  in  der  Ausbauchung  der  hintern  Beckenhälfte. 
Auch  Ptzophaps.  wenigstens  das  Weibchen,  zeigt  eine  ähnliche  Aus- 
buchtung der  Seitenränder  der  hintern  Beckenhälfte,  die  aber  nicht 
den  Grad  ei-reicht  wie  bei  Vinago  calva.  So  entsteht  die  breite, 
etwas  kuglige  Gestalt  des  Beckens  von  F.  calva  (Fig.  0^). 

Von  grossem  Einfluss  auf  die  Beckenform  ist  das  Yerhält- 
niss  von  vorderer  und  hinterer  Hälfte  dei'  Dorsalfläche 
des  Beckens. 

Als  Länge  der  vordem  Hälfte  bezeichne  ich  das  Loth  im  Apex 
des  Vorderrandes  des  Darmbeins  auf  die  Verbindungslinie  der  beiden 
Antitrochanter  und  als  Länge  der  hintern  Hälfte  die  Senkrechte  in 
der  caudalen.  lateralen  Ecke  des  Ilium  auf  die  gleiche  Gerade. 

Das  Verhältniss  der  vordem  zur  hintern  Strecke  ist  bei  der 
Mehrzahl  der  Tauben  grösser  als  1  (1,2—1,5).  Auch  Didus  und 
Pezophaps  sind  in  dieser  Beziehung  zum  Gros  der  Tauben  zu 
schlagen  (1,1  resp.  1,17);  für  Didioiculus  ist  das  Verhältniss  1.01. 
Diesen  Formen  stehen  Caloenas  mit  einem  Werthe  von  0,87  und 
Goura  mit  0,77  gegenüber.  Da  zudem  bei  den  zwei  letztgenannttMi 
Formen  und  auch  bei  Didunculus  das  Becken  relativ  schmal  ist,  so 
wii-d  der  Futerschied  von  den  übrigen  Tauben  ein  äusserst  scharfer. 

Zool.  .laLib.  XX.     AMh.  f.  Sv.st.  -0 


296  Rui)Oi-F  Maktin. 

Trotzclem  Didus  und  Fczophaps  im  Werthe  dieses  Verhältnisses 
den  übrigen  Tauben  näher  stehen,  so  ist  ihr  Beckenumriss,  besonders 
bei  Pesophaps.  ein  sehr  aberranter,  doch  in  ganz  anderer  Richtung, 
als  bei  Goura,  (Moenas  und  Didimculus  (Textfig.  E*,  F^,  S^,  T*  und 
Taf.  12,  Fig.  8). 

Die  hintere  Beckenliälfte  der  beiden  ausgestorbenen  Formen 
bleibt  der  urspriinglichen  Gestalt  treu;  die  Modificationen  be- 
schränken sich  auf  den  vordem  Abschnitt  und  modelten  dafür  diesen 
Theil  um  so  intensiver  um.  Er  erscheint  —  und  dies  gilt  haupt- 
sächlich für  Pesophaps  —  äusserst  schmächtig  ausgezogen;  die 
Acetabularregion  ist  erweitert  und  prominenter  als  bei  irgend  einer 
Taube.  Ich  möchte  aber  gleich  darauf  hinweisen,  dass  die  Difte- 
renzen  zwischen  Didus  und  Pezophaps  ebenso  gross  sind  wie  zwischen 
jenem  und  z.  B.  einer  grossen  Carpophaga.  Pesophaps  hat  sich  weiter 
vom  allgemeinen  Typus  entfernt  als  Didus,  überhaupt  ist  die  An- 
sicht Burckhardt's  '),  dass  zwischen  Didus  und  Pezophaps  kein 
genetischer  Zusammenhang  bestehe,  schon  aus  diesem  Grunde  ge- 
rechtfertigt, wenn  nicht  gegeben. 

Andrerseits  weist  auch  Didus  gegenüber  Pesophaps  einen  Fort- 
schritt auf,  nämlich  die  vollständige  Verwachsung  der  Dorsalränder 
der  Ilia,  so  dass  die  Crista  dorsalis  des  Sacrum  gänzlich  überdacht 
wird,  während  sie  bei  Pesophaps  noch  auf  eine  kürzere  oder  längere 
Strecke  sichtbar  bleibt. 

Auch  auf  die  Differenz  in  der  Form  des  Antitrochanter,  die  — 
wie  bereits  gemeldet  —  schon  von  Newton  hervorgehoben  und 
systematisch  verw^endet  wird,  möchte  ich  von  Neuem  aufmerksam 
machen.  Das  plötzliche  Abbrechen  der  Darmbeincrista  bei  Peso- 
phaps^ ein  bekanntlich  selir  constantes  Merkmal,  dürfte  ebenfalls  ins 
Gewicht  fallen  und  —  da  ich  nun  gerade  so  weit  gegangen  bin  — , 
so  sei  noch  auf  den  nächsten  Punkt  gleich  aufmerksam  gemacht, 
auf  den  hintern  Beckenausgang,  der  bei  Pesophaps  entschieden  ge- 
spreizter ist  als  bei  Didus,  dank  der  Auswärtskrümmung  der 
distalen  Ecken  der  Sitzbeine,  welche  bei  Didus  etwas  schwächer 
angetroifen  wird. 

Im  hintern  Beckenrand  mögen  ebenfalls  Differenzen  liegen,  aber 
—  ganz  abgesehen  davon,  dass  diesen  wenig  Constanz  zufallen 
dürfte  —  ist  derselbe  noch  nie  unbeschädigt  gefunden  worden,  und 

1)  Das  Problem  d.  autarkt.  Schöpfungsceutr.  etc.,  io:  Zool.  Jahrb., 
V.    15,  Syst.,  1902. 


Die  vergleichende  Osteoloyie  iler  t'olumbifoniies.  297 

meine  Fig-g'.  S*  und  T^  sind  also  als  eine  Art  Reconstinction  nnd 
Combination  der  verschiedenen  bei-eits  existirenden  Abbildimgen 
aufznfassen. 

Soviel  stellt  fest,  dass  die  Becken  der  beiden  Riesenfoimen  der 
madagassisclien  Provinz  hoch  specialisirte  Formen  sind  und  dass  die 
Richtung  der  Specialisirung'  auf  den  Laufvogel  abzielt,  ferner  dass 
Fezophaps  auf  dieser  Bahn  weiter  fortgeschritten  ist  als  Didus. 

Fnd  nun  zurück  zu  den  recenten  Tauben! 

Der  Hinterrand  des  Beckens  resp.  der  Dorsalfläche  desselben 
zeigt  eine  bedeutende  Variation.  Er  ist  concav,  bald  stärker,  bald 
schwächer   und   läuft  lateral  auf  die  Caudalspina   des  Ilium  hinaus. 

Je  nachdem  diese  sclilank  oder  breit  resp.  reducirt  ist,  ist  er  gegen- 
über der  medialen  Kante  der  Spina  gebrochen  oder  geht  allmählich 
in  sie  über.  Jenes  Verhalten  treffen  wir  eher  bei  Columhidae.  Pcri- 
sieridae  und  Pfi/opodinac.  dieses  bei  Treroninac,  Carpophaf/inac, 
Caloenas,  Goum,  Didus  und  Fezophaps.  Auch  Diduncidus  muss  der 
zweiten  Grupi)e  angeschlossen  werden.  Man  wird  jedocli  von  einer 
grossen  Zahl  von  Abweichungen  überrascht,  die  meistens  indi- 
vidueller Natur  sind,  so  dass  aus  diesem  Grunde  dieses  Merkmal 
seine  Bedeutung  verliert  (Cohmiha  picaznro,  C.  aJbüineata,  Stanioenas, 
Pfdopiis  roseicoUis  und  mdanocephcdus,  Carpophaga  aenea  etc.). 

Der  hintere  Beckenrand  verdankt  seine  Streckung  der  Reduction 
der  Caudalspina  des  Darmbeins;  um  so  mehr  erhält  man  in  diesem 
Falle  den  Eindruck,  das  Ilium  sei  hinten  abgestutzt;  das  beste  Bei- 
si)iel  hierfür  giebt  Carpophaga  oceanica.  Zuweilen  wird  auch  dieser 
Eindruck  durch  die  Verjüngung  der  hintern  Beckenhälfte  verwischt 
(z.  B.  bei  Ftilopus  rosciconis). 

Ebenfalls  abgestutzt  erscheint  das  Darmbein  bei  Goum  und 
(Jaloenas. 

Bevor  wir  zu  den  Seitenrändern  des  Beckens  übergehen,  sei 
noch  kurz  auf  das  Verhalten  des  letzten  Sacralwirbels  eingetreten. 
Entweder  liegt  dieser  vollständig  zwischen  den  Darmbeinen  oder 
theilweise  oder  ganz  hinter  denselben.  Bei  der  Mehrzahl  der 
Tauben  liegt  er  zwischen  ihnen;  folgende  Formen  machen  eine  Aus- 
nahme: Turtur  vinaceus,  Geopelia  striata,  Starnoenas  cyanoccphala, 
Colnmha  trocaz,  Col.  aquatrix,  A/acropygia  cmüiana  und  alle  FtiJo- 
podinac  mit  14  Sa  er  al  wirb  ein  und  bis  zu  einem  gewiss<in  Grade 
Didunculus. 

Die  seitlichen  Wandungen  des  Beckens  stossen  zumeist  von  der 
Seite  und  unten  an  das  Dai-mbein.     Die  dadurch  entstehende  Kante 

20* 


298  Ri'DOi.F  Martin. 

ist  äusserst  stumpf  bei  den  Treronmac.  bei  den  übiigeii  Tauben  stets 
scharf.  Es  wird  also  von  vorn  herein  bei  den  Trcroninae  das  Becken 
nach  unten  offener  sein.  Dies  hängt  jedoch  auch  noch  von  der 
Gestalt  des  Ischiuni  ab.  welches  bei  Treronmac  (im  Sinne  des  Kata- 
logs des  ßrit.  Museums)  unten  stark  ausgebaucht  ist,  wodurch  eine 
weite  Beckenöifnung  erzielt  wird.  Es  steht  steiler  und  ist  flacher 
bei  den  übrigen  Tauben. 

Bei  Didm  und  Pesophaps  ist  das  Sitzbein  windschief,  steht  \w\\ 
vertical  und  ist  hinten  ausgetrieben,  bei  Pczophaps  —  wie  bereits 
gesagt  —  stärker  als  bei  Didiis.  Gleichmässiger  und  steil  steht  es 
bei  i>?fü?M?c«7ws,  vorzüglich  aber  bei  Calnenas  und  Gonra\  auch  die 
Phahinae  schliessen  sich  Diänncuhis  eng  an.  Bemerkenswert  ist 
noch,  dass  die  caudale  Ecke  des  Knochens  bei  Diclus  und  Pezophaps 
schlank  ausgezogen .  weit  über  den  Hinterrand  des  Darmbeins 
vorragt. 

Constant  sind  diese  Verhältnisse  nicht,  wie  ein  Blick  auf  die 
Figuren  lehren  mag. 

^^Tr  sehen  bei  Goura  und  Caloenas  die  Steilstellung  der  Ischia 
am  consequentesten  durchgeführt,  und  man  geht  wohl  nicht  zu  weit, 
daraus  zu  folgern,  dass  es  sich  um  eine  Festigung  des  Gerüstes 
handelt,  denn  wir  sehen  ja  auch  bei  Diäus  und  Pesophaps  wenigstens 
den  vordem  Theil  vertical  gestellt.  Das  Gleiche  treffen  wir  bei 
Dklunciilus  an. 

Bei  allen  diesen  Formen  nimmt  auch  die  Acetabularfläche  eine 
steile  Stellung  ein,  der  Antitrochanter  ist  verstärkt,  die  Dorsalkämrae 
der  Darmbeine  emporgewachsen,  erreichen  aber  nur  bei  Goura  den- 
jenigen des  Heiligenbeins;  das  ganze  Becken  ist  verschmälert  und 
verlängert,  die  ventralen  Stützbalken  meist  stark. 

Da  Didunculus  nun  in  allen  diesen  ■  Punkten  mit  den  übrigen 
in  dieser  Richtung  specialisirten  Tauben  einig  geht,  obwohl  der  Gi'ad 
der  Transformation  noch  ein  geringerer  ist,  so  kann  schon  aus  dem 
Becken  auf  eine  Steigerung  der  Lauffähigkeit  geschlossen  werden, 
was  uns  die  Extremität  dann  noch  deutlicher  darlegen  kann. 

Auf  das  Pubis  habe  ich  nicht  speciell  zurückzukommen;  das 
Nöthige  wurde  bereits  gesagt  und  ist  aus  den  Abbildungen  ersichtlich. 

Allgemein  können  wir  sagen,  das  Becken  sei  durchweg  ein  ein- 
förmiges Gebilde,  das  durch  diese  seine  Eigenschaft  die  engen  Be- 
ziehungen, die  innerhalb  der  Tauben  herrschen,  kundgiebt,  immerhin 
abei"  einige  Avichtige  Punkte  für  die  Beurtheilnng  der  genetischen 
Verhältnisse   liefert   (Antitrochanter).     Einige    Formen   zeigen   eine 


Die  vergleichende  Osteulog'ie  der  Coliinibiformes.  299 

analoge  Umgestaltung-  diueli  den  Erwerb  oder  besser  die  Steigerung" 
der  Lautfähigkeit. 

Hier  ist  jedoch  noch  nicht  der  Ort  zur  P^rläuterung  der  Stammes- 
geschichte, die  später  im  Zusammenhange  zur  Behandlung  kommen 
■wird. 

Endlich  verdienen  zwei  weitere  Punkte  noch  besonderes  Interesse. 

Wir  haben  wiederholt  gesagt,  die  Costalfortsätze,  durch  die  man 
die  primären  Sacralwirbel  von  den  übrigen  unterscheiden  wollte, 
seien  bloss  die  Resultate  der  mechanischen  Beanspruchung.  Dass 
bei  der  Mehrzahl  der  Tauben  die  gleichen  AMrbel  in  der  ganzen 
Reihe  Costalfortsätze  tragen  (zumeist  der  26.  Wirbel),  erklärt  sich 
aus  der  gleichen  Lage  des  Beckens  gegenüber  der  Wirbelsäule. 

Bei  Cai-pophaga  oceanicu  sehen  wir,  dass  das  Ilium  nur  den 
hintern  Rand  der  Diapophyse  des  L  Sacralwirbels  deckt,  und  zugleich, 
dass  der  9.  Sacralwirbel  (27.  Wirbel)  mit  Costalfortsätzen  versehen 
ist.  Offenbar  handelt  es  sich  hier  um  eine  Rückwärtswanderung, 
was  bereits  früher  constatirt  wurde,  allerdings  auf  anderm  Wege 
(siehe  Sacrum). 

Bezüglich  der  Sacralwirbelzahl  der  Ft/Iopodinae  wurde  hervor- 
gehoben, dass  die  Zahl  l)eim  Erwachsenen  etwa  auf  14  gesteigert 
wird,  der  14.  aber  dann  stets  caudal  über  den  Hinterrand  des  Darm- 
beins vorsteht.  Es  fragt  sich,  ob  dieser  14.  Sacralwirbel  Neuerwerb 
ist.  oder  ob  das  Sacrum  einen  Verkürzungsprocess  begonnen  hat. 

Die  Ilia  sind  in  ihrer  hintern  Hälfte  auffallend  kurz  und  er- 
wecken den  Eindruck,  als  seien  sie  ebenfalls  der  Verkürzung  anheim 
gefallen,  zumal  dies  bloss  bei  vollkommen  ausgewachsenen  Thieren 
deutlich  wird,  während  jüngere  Individuen  noch  vollständig  normal 
proportionirten  Beckenumriss  aufweisen.  In  Folge  dieser  Verkürzung 
der  Ilia  kam  der  14.  Sacralwirbel  ausser  Function  und  begann,  sich 
allmählich  aus  dem  Synsacrum  loszugliedern. 

Diese  zweite  Möglichkeit  gewinnt  durch  das  Verhalten  der  Ex- 
tremitäten an  ^^'ahrscheinlichkeit. 

V.  Die  freie  Extremität. 

Die  Extremität  als  der  peripherste  Theil  des  Körpermechanismus 
muss  naturgemäss  am  innigsten  mit  der  Umgebung  zusammenhängen, 
und  es  werden  also  an  ihr  am  wenigsten  verwandtschaftliche  Be- 
ziehungen sich  erkennen  lassen,  und  noch  weniger  darf  sie  uns  zum 
Zerschneiden   von  verwandtschaftlichen  Banden  verleiten. 


300  Hri>oi.i'  Maktix. 

Speciell  Avas  die  Tauben  betrifft,  herrsclit  i; rosse  Einförmigkeit, 
oder  es  sind  doch  —  nach  Abzug-  von  Pczophaps  und  Didtis  —  die 
extremsten  Formen  duicli  eine  ununterbrochene  Reihe  verbunden. 
Die  Diiferenzen  beruhen  —  abgesehen  von  einigen  äusserst  flüssigen 
Details  —  auf  den  Maassverhältnissen  sowohl  zwischen  den  beiden 
Extreraitätenpaaren  als  auch  zAvischen  den  einzelnen  Zonen  derselben 
Extremität. 

Nach  dem  Gesagten  kann  uns  eine  Beschreibung  der  Extremität 
einer  beliebigen  Form  ein  Bild  von  der  Gesammtheit  der  Tauben 
geben,  eine  Maasstabelle  die  gründlichsten  Differenzen  vor  Augen 
führen. 

Da  uns  nun  stets  die  Ausgangsform  der  Arbeit.  Bidnnculus. 
zunächst  liegen  muss.  so  wollen  wir  auch  die  Extremitäten  von  hier 
aus  betrachten. 

a)  Die  vordere  Extremität.') 
a)  H u m e r u s. 

Der  Knochen  ist  leicht  Sförmig  geschweift,  mit  einer  starken 
proximalen  Massenentfaltung;  dies  ist  typisch  columbin,  nur  dass  die 
Schwingung  des  Knochens  bei  den  generelleren  Taubenformen  stärker 
und  vielleicht  auch  das  Volumen  der  i)roximalen  Masse  relativ 
grösser  ist. 

Auch  hier  zeichnen  sich  gute  Flieger  durch  relativ  kurzen 
Humerus  aus  (l)ezüglich  LTnterarm  -|-  Hand).  Dies  ist  mechanisch 
leicht  zu  erklären,  denn  der  Humerus  ist  bei  der  Flugthätigkeit  von 
untergeordneter  Bedeutung,  und  je  länger  er  ist,  desto  ungünstiger 
sind  die  Bedingungen  für  eine  ausgiebige  Muskelaction.  Dass  er 
beim  Fluge  unbedeutend  ist,  zeigt  der  Umstand,  dass  die  functio- 
nirenden  Schwingen  auf  Hand  und  Unterarm  beschränkt  sind. 

Messungen  nach  der  FüRBEiN(iEE'schen  Methode,  d.  h.  bezüglich 
der  mittlem  Dorsalwirbellänge,  ergeben  folgende  ßesultate: 

Goura  coronafa  8.2  dv 

Didtmciihis  strigirosfris  8.1  .. 

Phaps  c]if(k'(>})fera  7,2  ,. 

„      Mstriomca  1.0  .. 

„      indica  6,8  ,. 

Turfnr  vimtceus  (5.83  .. 

1)  Die  Orientirung  ist  nach   dem  ausgespannteu  Fliioel. 


Die  vei'g-leiclieude  Osteologie  der  Oolumbifuniies.  301 


Zenaida  auriculafa 

7.0  dv 

Geopclm  striata 

7.0    .. 

Metropelia  melanoptera 

6.5    .. 

Sfarnoenas  cyanocephala 

6,36  ,. 

Colnmha  picasxro 

6,5    ,. 

,.        trocas 

6^8     '.. 

.,        livia 

7,0    .. 

,.        rufiua 

6.6    .. 

Macropijgia  eni  i/ia  >  ?  a 

6.1    ,. 

Ectopistes  migratorius 

6,8    ,. 

Carpophaga  aenea 

6.5    „ 

,.           oceanica 

6.93  ,. 

„           hicolor 

7.0    , 

lacernulata 

6,2    „ 

Treron  oxyura 

5.7    .. 

Vinago  calva 

6.0    „ 

Trcrou  vernans 

6,4    ,. 

,,       fidvicollis 

6,0    „ 

,.        hidncta 

6.3    ,. 

Ptilopns  roseicollis 

6,9    „ 

,.         melanocephalus 

7,0    ,. 

„         melanospüus 

6,0    „ 

Alectroenas  madagascariensis 

6.7    ,. 

(rhach.j 


Die  Tabelle  spricht  für  sich  selbst,  doch  miiss  ich  dennoch  mit 
eini<ien  \\'orten  darauf  zui'ückkommen. 

Es  sind  zwei  Gruppen,  welche  besonderes  Interesse  verdienen, 
nämlich  die  Ftilopodinae  und  die  Peristeridae.  Die  Ftilopodinae  sind 
kleine  Thiere  und  im  Habitus  am  ehesten  mit  kleinen  Treron-Arten 
zu  vergleichen,  jedenfalls  in  hohem  Grade  flugfähig.  Dennoch 
treffen  wir  einen  relativ  langen  Humerus  {Ftilopns  melanospüus  muss 
aus  leicht  ersichtlichen  Gründen  ausser  Acht  fallen),  und  so  con- 
trastirt  diese  Gruppe  stark  gegenüber  Treroniden  und  auch  —  obwohl 
etwas  weniger  —  gegenübei'  Carpophaginac.  Letztere  ^ind  aber  durch- 
weg grosse  Formen,  die  theilweise  auf  dem  Wege  sind,  ihr  volles  Flug- 
vermögen  einzubüssen,  und  können  deshalb  nicht  mit  in  Vergleich 
gezogen  werden.  Andrerseits  treten  uns  bei  den  Peristeriden  kleine. 
Kiite  Flieger  entgegen,  und  gerade  diese  besitzen  den  relativ  längsten 
Humerus  unter  den  zugehörigen  Formen  {Geopelia,  Zenaida).  Ich 
glaube,  diese  Thatsaclien  sind  wichtig  genug,  eingehender  betrachtet 


3Q2  Rudolf  Martin. 

ZU   werden   und   dürften   einen   Fingerzeig  .ueben.    wo   orössere  Zu- 
sammengehörigkeit herrscht. 

Wie  die  Tabelle  übrigens  selbst  zeigt,  kinmen  keine  bestinniiten 
Grenzen  gezogen  werden;  extreme  Formen,  wie  Metriopelia.  Cohim/xi 
livia,  C.  frocas  und  Edopistes,  greifen  in  fremdes  Gebiet  über:  doch 
darf  die  Körpergrösse  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden,  die  ja 
beim  Vogel  von  nicht  zu  unterschätzendem  Einfluss  auf  die  Vorder- 
extremität  ist.  So  lassen  sich  die  Vorgänge,  die  scheinbar  zu  einem 
Ausgleich  führen,  erklären  und  im  Grunde,  sind  die  ganzen  Gruppen 
so  scharf  getrennt  wie  ihre  kleinen  Formen. 

Dkhmnilus  ist  ohne  Zweifel  flugfähig  (Whitmee)  \)  und  besitzt 
einen  überaus  langen  Oberarm.  Dies  scheint  immerhin  eine  gewisse 
Zugehörigkeit  zu  den  übrigen  Formen  mit  langem  Humerus  zu  ver- 
rathen.  Dies  wird  um  so  wahrscheinlicher,  wenn  wir  beispielsweise 
eine  grosse  Columba  {trocaz)  zum  Vergleiche  herbeiziehen  und  sehen, 
dass  trotz  des  grössern  Körpervolumens  der  Humerus  bedeutend 
kürzer  bleibt,  andrerseits  aber  bei  Phaps  schon  auf  eine  verhältniss- 
mässig  geringe  Grössenzunahme  eine  bedeutende  Streckuni>-  des 
Obei-arms  antwortet. 

Das  Caput  humeri  ist  in  der  verticalen  Richtung  lang  oval, 
ventral  schlanker  zulaufend  als  dorsal.  Die  Streckung  in  der 
Verticalen  ist  bei  verschiedenen  Formen  bis  zu  einem  verschiedenen 
Grade  gediehen,  und  zwar  kann  die  Regel  gelten,  dass  gute  Flieger 
einen  längern  Gelenkkopf  besitzen  als  schlechte. 

Ein  Versuch,  nach  diesen  ^Verhältnissen  zu  gruppiren,  muss 
fehlschlagen,  da  die  Nuancirung  zu  fein  und  contiuuirlich  ist  und 
von  einem  Extrem  ununterbrochen  zum  andern  führt. 

Das  Caput  ist  am  niedrigsten,  in  der  Axe  des  Knochens  relativ 
am  längsten  bei  den  Riesentauben  Didus  und  Pesophaps  und  bei 
Goura  und  Dichmcuhis;  diesen  schliesst  sich  Carpophaga  zunächst 
an,  dann  Alectroenas,  und  diese  leitet  zu  den  übrigen  Formen  über, 
welche  in  dieser  Beziehung  etwa  in  den  Peristeridae  gipfeln  [Phaps). 

Es  verdient  Erwähnung,  dass  sich  bei  einer  Reduction  des 
Caput  die  Gelenkfläche  zuerst  vom  Tuberculum  laterale  zurückzieht. 
Auf  der  postaxialen  Seite  des  Humerus  greift  sie  stark  distalwärts, 
während  sie  auf  der  präaxialen  nur  wenig  ausholt  und  gerade  abge- 
schnitten ist.  Distal  vom  dorsalen  Ende  der  Gelenkfläche  liegt  auf 
der   postaxialen    Seite    des   Humerus   eine    kräftige   und   stark   vor- 

1)  On  a  chaoge  in  the  habits  of  the  Diduncnlus  strigirost.  in : 
Proc.   zuol.   Soc.  London,    1875,  p.  495  f. 


Die  vergleichende  üsteologie  der  ( 'olumbiforuies.  303 

springende  Kaulii;L;keit  für  die  Insertion  des  ]\Inscnlus  supra- 
coracoidens;  sie  ist  in  der  Axenriclitung-  das  Knochens  gestreckt. 

Das  Tubercnlnm  laterale  steht  in  erster  Linie  mit  der 
Masse  des  Mnsculus  pectoralis  in  Zusammenhang.  Es  ist 
daher  bei  Carpophaginae  (mit  Ausnahme  von  Carp.  aenea)  klein  und 
wenig  gekrümmt.  Stärker  reduciit  treifen  wir  es  nur  noch  bei 
Pesophaps  und  Dithis,  während  es  bei  Goura  und  Didunculus  stärkere 
Entwicklung  zeigt. 

Das  sicherste  Merkmal  der  Keduction  dieses  Fortsatzes  ist 
Aveniger  seine  Grösse  als  seine  Stellung  zur  präaxialen  Fläche  des 
Knochens,  mit  der  er  stets  eine  Rinne  bildet.  Mit  der  Reduction 
wird  diese  Rinne  flacher;  m.  a.  W.  der  Fortsatz  ist  weniger  ventral- 
wärts  gekrümmt. 

Das  Gesagte  wird  am  besten  durch  die  erstgenannten  Tauben- 
formen illustrirt;  Goura  und  Didunculus  verhalten  sich  gleich  wie 
das  Gros  der  Ordnung,  indem  sie  die  typische  Krümmung  des  Fort- 
satzes zeigen,  mit  der  die  Höhe  der  Garina  sterni  Hand  in  Hand  geht. 

Die  ventrale  Fläche  des  Tubercnlnm  laterale  geht  in  die  prä- 
axiale, die  dorsale  in  die  postaxiale  Fläche  des  Humerus  über.  Die 
Kante,  welche  durch  die  beiden  Flächen  gebildet  wird,  die  Crista 
lateralis,  setzt  sich  als  Linea  a s  p  e  r  a  bis  zum  lateralen  Con- 
dylus  der  Trochlea  fort  und  ist  die  einzige,  die  sich  constant  vor- 
tindet.  während  die  andern  von  Individuum  zu  Individuum  in  ihrem 
Vorhandensein  oder  Fehlen  wechseln. 

Der  Fortsatz  selbst  fällt  sehr  steil  gegen  das  Caput  ab  und 
setzt  sich  in  die  Kammlinie  desselben  fort.  Allerdings  bei  Formen 
wie  ('arpoplKKja,  Didus  und  Pezophaps,  gelegentlich  auch  Goura,  ist 
die  Neigung  des  medialen  Randes  des  Tubercnlnm  eine  sanftei'e. 
eben  auch  im  Zusammenhange  mit  der  Reduction  des  Fortsatzes. 

Am  T  u  b  e  r  c  u  1  u  m  mediale  (s.  p  e  c  t  o  r  a  1  e)  lassen  sich  wenig 
und  jedenfalls  keine  regelmässigen  Modificationen  erkennen.  Es  er- 
hält sich  wohl  entwickelt  sell)st  bei  Didns  und  Pezophapf!,  ja  es  er- 
scheint sogar  schlanker  und  länger,  wohl  in  Folge  einer  Reduction 
vom  distalen  Rande  her  und  einer  Abnahme  der  Dicke  des  Humerus- 
schaftes.     Die  Reduction  ist  bei  CarpopJnuja  viel  weiter  gediehen. 

Es  ist  stets  durch  eine  tiefe  Depression  vom  postaxialen  Lappen 
der  Gelenkfläche  des  Caput  getrennt.  Diese  Grube  läuft  nach  vorn 
und  unten  auf  eine  scharfe  Kante  aus,  welche  einerseits  in  scharfer 
Curve  auf  den  vorragendsten  Punkt  des  Tuberculum,  andrerseits  auf 
die  Höhe   des   Caput   zieht.     Dieser  Kante   entlang   liegt   auf  der 


304  EUDOI.!'    M.VHTl.N. 

rostralen  Fläche  des  Knochens  eine  ziemlicli  tiefe  Rinne,  welche  in 
ihrem  weitern  Verlanl'e  die  präaxiale  Fläche  des  Kopfes  von  der 
des  Schaftes  abgrenzt. 

Die  Höhe  des  Tnbercnlnm  mediale  ist  durch  einen  Kamm  dar- 
gestellt, welcher  von  hinten  innen  nach  vorn  nnd  aussen  verläuft 
und  distal  concav  ist. 

Distal  ist  das  Tuberculum  tief  ausoehöhlt;  im  Grunde  der  Grube 
liegen  mehrere  F'oramina  pnenmatica.  Proximal  ist  die 
Höhlung  durch  das  Tuberculum  selbst  und  prä-  und  postaxial  durch 
Kanten,  die  von  den  beiden  Enden  des  Kammes  des  Höckers  schwach 
convergirend  dem  Humerus  entlang  ziehen,  begrenzt,  während  die 
distale  Wandung  durch  die  anliegende  Humerusfläche  geliefert  wird. 

Die  vordere  der  erwähnten  Kanten  ist  die  Crista  medialis, 
welche  sich  gegen  den  Entepicondylus  noch  als  stärkere  oder 
schwächere  Linie  verfolgen  lässt.  Die  hintere  verliert  sich  bald  in 
der  entsprechenden  Fläche  des  Humerus.  Dagegen  zweigt  sich  von 
ihr  eine  starke  Linea  aspera  ab,  welche  gegen  den  lateralen 
Condylus  der  Trochlea  gerichtet  ist. 

Soviel  allgemein!  Eine  reiche  Variation  lässt  sich  Betreffs  der 
F  0  s  s  a  pnenmatica  erkennen.  Diese  ist  bald  tiefer,  bald  Aveniger 
tief  und  dies  von  Individuum  zu  Individuum.  Die  Masse  der 
Spongiosa  scheint  zuweilen  den  Boden  der  Grube  auszutreiben,  und 
dies  hat  dann  die  Verminderung  ihrer  Tiefe  zur  Folge. 

Auch  hinsichtlich  der  Anzahl  der  Foramina  pnenmatica  und 
ihrer  gegenseitigen  Lage  lässt  sich  keine  Regel  geben;  das  eine 
Mal  trifft  man  sie  in  grösserer,  das  andere  Mal  in  kleinerer  Anzahl; 
in  diesem  Falle  besitzt  dann  ein  einzelnes  grössern  Umfang  und 
deutet  so  auf  Verschmelzung  mehrerer  hin. 

Der  Schaft  des  Humerus  bedarf  keiner  langen  Beschreibung. 
Seine  allgemeine  Gestalt  ist  durch  die  Sförmige  Schwingung  des 
gesammten  Knochens  bedingt,  welche  Dichts,  Fes!ophaps  und  bis 
zu  einem  gewissen  Grade  Goura  und  Carpophaga  fehlt;  bei  JH(hm- 
cuhis  ist  sie  gut  ausgeprägt,  und  die  übrigen  Tauben  gleichen  in 
dieser  Hinsicht  unmittelbar  der  Samoataube. 

Bezüglich  der  speciellen  Modellirung  des  Schaftes  wurde  das 
Nöthigste  gelegentlich  angefühlt,  nämlich  die  beiden  rauhen  Linien. 
Es  sei  noch  hinzugefügt,  dass  die  präaxiale  Fläche  flach  ist,  so  dass 
der  Humerus  eine  in  der  Richtung  der  Körperaxe  vor  sich  ge- 
gangene Abplattung  zeigt.  Die  hintere  Fläche  ist  jedoch  durchweg 
wohl  gerundet   und   wird  proximal   durch   eine   rauhe  Linie,   welche 


Die  vergleichende  ( ).steologie  der  ('oliiml)if(irnies.  305 

von  der  Insertionsrauliigkeit  des  Mnac.  siipracoracoideus  beg-iniit  und 
zur  liintern  Kante  des  Tuberculum  mediale  verläuft,  vom  Caput  ab- 
gegrenzt.    Diese  Linie  dient  dem  Kapselband  zur  Insertion. 

Bei  einem  Exemplar  von  Didiwcnlns  stiess  ich  auf  eine  grosse, 
dreieckige  Oeifnung  in  der  vordem  Fläche  des  Schaftes,  ungefähr 
am  Ende  des  ])roximalen  7:;  ^^^^  KnocluMis;  es  scheint  eine  patho- 
logische Bildung  zu  sein. 

Das  Foramen  nutritivuni  des  Knochens  liegt  auf  der  post- 
axialen Fläche,  wenig  pi'oxinial  von  der  Mitte. 

Der  distale  G  e  1  e  n  k  t  h  e  i  1  ist  gegenüber  d em  Schafte  aus- 
gebreitet und  vorwärts  gekrümmt. 

Zur  Stellung  der  Gelenkcondy li  kann  ich  nichts  beifügen 
und  verweise  am  besten  auf  Füebringer's  allgemeines  Capitel.  Sie 
ist  natürlich  von  der  ]\lechanik  des  Flügels  direct  abliängig;  immer- 
hin ist  es  von  Interesse,  dass  die  Axe  des  lateralen  Condylus  bei 
Bidns  und  Pcsopliaps  zur  Axe  des  Humerus  weniger  geneigt  ist  und 
die  Verbreiterung  des  distalen  Theiles  des  Schaftes  vermisst  wird; 
eine  Expansion  wird  erst  durch  den  Ansatz  der  Epicondyli  verursacht. 

lieber  der  T  röchle  a  liegt  auf  der  Vorderfläche  des  Humerus 
eine  besonders  ventral  gut  begrenzte  Grube,  welche  dem  Ursprung 
des  Musculus  brachialis  inferior  dient.  Sie  ist  schwach  bei  Didus 
und  Pezoplutpf!.  Auf  ihrem  ventralen  Begrenzungswall  liegt  ein 
starkes  Tuberculum.  welches  einen  Theil  des  Entepicondylns  dar- 
stellt. Die  Grube  zieht  als  breite  Rinne  zwischen  diesem  und  dem 
medialen  Gelenkcondylus  durch  bis  zum  distalen  Rande  des  Humerus. 
Durch  die  schiefe  Stellung  des  Condylus  lateralis  wird  die  Grube 
eingeengt. 

Der  Epicondylus  medialis  ragt  distal  und  caudal  stark 
vor  und  steht  durch  einen  Wall  mit  dem  medialen  Gelenkcondylus 
in  Zusammenhang.  Er  trägt  3  rauhe  Höcker:  der  erste  liegt  auf 
seiner  distalen  Fläche  (allerdings  noch  stark  auf  die  vordere  über- 
greifend), der  zweite  und  grösste  wurde  als  auf  dem  medioventralen 
Begrenzungswall  der  Grube  wurzelnd  erwähnt,  und  der  diitte  und 
kleinste  liegt  proximal  und  ventral  von  diesem.  Diese  3  Höcker 
schliessen  eine  seichte  Einsenkung  ein. 

Der  Epicondylus  lateralis  ist  einfach  und  sitzt  auf  der 
lateralen  Fläche  des  lateralen  Gelenkcondylus.  Die  Kammhöhe  des 
lateralen  Gelenkcondylus  setzt  sich  in  der  postaxialen  Humerusfläche 
als  eine  distal  starke,  sich  aber  noch  im  distalen  Drittel  verlierende 
rauhe  Linie  fort.      Diese  trifft  die  lauhe  Linie,  Avelche  vom  Tuber- 


306  Rluolf  Martin. 

culuiii  mediale  kommt,  sofern  diese  stark  üepi-ägt  ist;  in  der  Mehr- 
zahl der  Fälle  wird  ein  Verhalten  angetroften,  wie  es  eben  ange- 
getrotfen  worden  ist. 

Die  distale  rauhe  Linie  bildet  mit  dem  Ectepicondylns  eine 
schmale  Rinne  und  mit  dem  Entepicondyliis  ein  breites  Thal,  welches 
einerseits  zwischen  die  beiden  (lelenkoondyli  hinausläuft,  andrerseits 
in  einen  tiefen  Eindruck  hinter  dem  medialen  Gelenkcondylus  führt. 
Diese  Rinnen  dienen  der  Sehnenführnng. 

Ueber  dem  Ectepicondylns  liegen  im  distalen  Viertel  des 
Humerus  noch  einige  unbedeutende  Tnberositäten. 

Bezüglich  der  Pneumatici  tat  des  Humerus  konnte  ich  keine 
wesentlichen  Differenzen  constatiren.  Die  Durchlüftung  ist  eine 
äusserst  weit  gediehene,  und  nur  die  Enden  des  Knochens  sind  mit 
sparsamer,  aber  doch  für  eine  grosse  Widerstandskraft  bürgende 
Spongiosa  ausgefüllt.  Dklus  und  Pezophaps  darauf  hin  zu  unter- 
suchen, lag  nicht  in  meiner  Tompetenz. 

,j)  Der  Unterarm. 

Der  ITnterarm  ist  ohne  Ausnahme  länger  als  der  Oberarm. 
Das  Verhältniss  der  Uhia  (inclusive  Olecranum)  zum  Humerus  =  1 
beträgt  bei  der  Mehrzahl  der  Tauben  1,10  bis  1,20. 

Die  Fensfcridac  vertheilen  sich  gleichmässig  zwischen  diesen 
Grenzen,  ebenso  die  CoJumhidae  (hier  liegen  Macropi/gia  und  Edopistes 
speciell  der  nutern  Grenze  näher,  während  die  grossen  CoJumha- Xvten 
höhere  Werthe  aufweisen);  die  Treroninae  liegen  in  der  Mitte,  d.h. 
zwischen  1,12  und  1,16,  während  die  Carpophoginae  unbedingt  der 
obern  Grenze  genähert  sind  (von  1,17  an). 

Ausserhalb  der  angegebenen  Grenzen  liegen  nur  einzelne  wenige 
Formen  und  zwar  tiefer  die  auch  sonst  aberrante  Starnoenas  rijam- 
cephaJa  (1,05),  und  die  obere  Grenze  wird  erreicht  von  Bidunculiis, 
überschritten  von  Goura  (1,23). 

Interessant  sind  die  Verhältnisse,  die  wir  bei  den  ausgestorbenen 
Riesentauben  finden.  AA'enn.  wir  die  Länge  der  Ulna  bezüglich  des 
Humerus  ausdrücken,  so  erhalten  wir  für  Didus  den  Werth  von  nur 
0,79,  für  Fezophaps  0,76.  Es  wird  daraus  ersichtlich,  dass  die  Re- 
duction  der  Ulna,  also  des  Unterarmes,  überhaupt  schneller  fortge- 
schritten ist  als  die  des  Humerus.  Weiter  unten  werde  ich  auf 
diese  Verhältnisse  zurückkommen. 

Es  fragt  sich,  welches  als  das  primitive  Verhalten  zu  betrachten 
ist.     Die  Antwort  ergiebt  sich  aus  zwei  Betrachtungen. 


Die  vcrg-leiclieiule  Osteologie  der  (Niluinbifoniies.  307 

Hei  einem  juiig-eii  Ptüopus  jamhii  hx  der  \\'ertli  des  obig-eii  Ver- 
hältnisses 1,14.  während  er  bei  alten  1.16  bis  1,18  beträg-t;  bei  einer 
jung-en  Chulcoph'ips  hnlica  ebenfalls  1,14.  während  bei  alten  Vcriste- 
ridae  (allerdings  andere  Arten)  die  Werthe  zwischen  1,15  und  1.18 
sclnvanken  iPhaps  rltalroptem  nimmt  mit  1.10  eine  Ausnahmestellung-. 
auf  deren  Charakter  weiter  unten  eingetreten  werden  soll,  eim. 

Ferner  erhellt,  wenn  wir  uns  nach  der  Körperg'rösse  fragen,  dass 
den  grossen  Formen  in  der  Regel  ein  längerer  Humerus  und  Unter- 
arm zukommt  als  den  kleinen  der  gleichen  Unterabtheilungen;  ohne 
Zweifel  sind  diese  aber  —  einige  Ausnahmen  eingeräumt  —  die 
generellem  Formen  und  jene  schon  als  Specialisirungsproducte  aufzu- 
fassen, für  welche  Ansicht  auch  die  geographische  Verbreitung  spricht. 

Der  Umstand  ferner,  dass  Goxra  gerade  den  längsten  Unterarm 
unter  den  Tauben  besitzt,  beweist,  mit  den  beiden  übrigen  Punkten 
zusammen  genommen,  dass  die  S  treck nng  des  Ihiterarms  ein 
s e c u n d ä r e r  V o r g a n g  innerhalb  der  G r u p p  e  de r  C o - 
lum  bae  ist. 

^^'ir  haben  bis  jetzt  bloss  auf  die  Ulna  Bezug  genommen  und 
deren  Länge  für  die  des  Unterarmes  gesetzt.  Der  Radius  misst 
in  Bezug  auf  die  Ulna  0.86  [Phaps  rhakoptera)  bis  0,9  (Ptüopus, 
Carpophaga  etc.).  Die  übrigen  Formen  liegen  zwischen  diesen  engen 
Grenzen,  und  selbst  für  die  Art  kann  kein  bestimmter  Zahlen werth 
gegeben  werden.     Für  IHdnncuhis  liegt  er  um  0,89  gruppirt. 

Die  Unterarmknochen  lassen  sich  kaum  nach  ihrer  speciellen 
Moditication  classiftciren.  wenigstens  konnte  ich  kein  dnrchgreifendes 
Merkmal  verfolgen.  Ich  muss  zugestehen,  dass  etwelche  Differenzen 
in  dei'  Modellirung  des  proximalen  Theiles  der  Ulna  angetroffen 
werden,  z.  B.  dass  die  die  Gelenkfläche  für  das  Radiusköpfchen 
seitlich  begrenzende  Ecke  mehr  oder  minder  vorragend  ist  oder  dass 
die  Gelenkfläche  für  das  Ellbogengelenk  in  ihren  Umrissen  etwas 
wechselt.  Auch  Betreifs  des  Radins  können  unwesentliche  Unter- 
schiede namhaft  gemacht  werden;  so  vor  Allem  die  Oonhguration 
des  distalen  Drittel.  Der  Querschnitt  ist  hier  scharf  dreieckig  und 
die  dorsocaudale  Ecke  etwas  ausgezogen  und  rauh :  ebenso  trägt  der 
präaxiale  Rand  eine  Rauhigkeit,  und  so  wird  auf  der  dorsalen  Fläche 
eine  Rinne  formirt.  welche  zur  Führung  der  Endsehne  des  Ex- 
tensor  cari)i  radialis  dient.  Es  kann  als  Regel  gelten,  dass 
bei  guten  Fliegern  diese  Rauhigkeiten  stärker,  die  Rinne  somit  tiefer 
ist;  da  nun  meist  die  kleinen  Formen  gute  Flieger  sind,  so  folgt 
daraus,   dass   bei   ihnen   die   Extensorenrinne   tiefer   ist.     Also  ganz 


o08  KrnoLi'  ]\Iaut]n. 

abgesehen  von  der  Untergruppe,  sehen  wir  solche  Verhältnisse  an 
verschiedenen  Orten  uns  entgegentreten. 

Ferner  mit  der  Fingmechanik  im  Zusammenhang  stehend  ist 
die  Gestalt  der  Unterarmknüchen,  im  Besondern  der  Ulna. 

So  sehen  wir,  dass  die  Fensteridae,  die  kleinen  Trerou-Avien  und 
die  Pfilopodinae  eine  sehr  stark  gebogene  Ulna  besitzen,  auf  welche 
distal  der  Radius  von  vorn  abgebogen  ist.  Diese  Krümmung  der 
l^nterarmknochen  gipfelt  in  Phaps  chalcoptera. 

Die  proximalen  %  des  Radius  sind  gerade,  und  die  Biegung 
umfasst  bloss  das  distale  Drittel. 

Es  ist  klar,  dass  ein  solcher  Rahmen,  ganz  abgesehen  davon, 
dass  er  eine  grössere  Ursprungsfläche  für  die  distale  Armmusculatur 
bildet,  eine  grössere  Festigkeit  besitzt  und  dem  Fluge  dienlicher  ist 
als  gerade  Armknochen. 

Solche  aber  treffen  wir  bei  grossen  Taubenformen,  zu  denen 
ausser  den  Carpopha(jrnae  (bei  denen  Carp.  aenea  allerdings  eine  Aus- 
nahme macht)  auch  die  Columhidac  zu  zählen  sind,  bei  welchen  einzig 
Ectopistes  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade  Macropijgia  Ausnahme- 
stellungen einnehmen;  jene  näliert  sich  in  dieser  Hinsicht  sogar 
Phaps.  und  diese  zeigt  eine  gleichmässige  Krümmung  der  Ulna, 
während  sie  bei  den  übrigen  Columha- Xvttw  im  proximalen  Bereiche 
stärker  ist  als  im  distalen. 

Die  Streckung  der  Unterarmknochen  erreicht  den  höchsten  Grad 
bei  Didus  und  Pcsopliaps:  diesen  zunächst  folgt  Goura,  dann  die 
(Jarpophaginae  und  endlich  Didimcnlns. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  der  Rauhigkeiten  gedacht,  welche  von 
den  Insertionen  der  Handschwingen  herrühren.  Wir  finden  deren 
zumeist  8,  doch  sind  sie  oft  undeutlich,  zumal  an  den  beiden  Enden, 
und  der  proximalste  und  distalste  Abschnitt  der  Ulna  ermangelt  in 
der  Regel  solcher.  Sie  liegen  zum  grössten  Theil  auf  der  caudalen 
Fläche  und  greifen  nur  wenig  und  zwar  im  distalen  Bereiche  auf 
die  dorsale  über. 

Ferner  ist  die  l'mgebung  des  Olecranum  und  die  der  distalen 
Trochlea  zum  Ansatz  der  Gelenkbänder  rauh. 

Der  Querschnitt  der  Ulna  ist  im  proximalen  und  distalen  Drittel 
dreieckig,  im  mittlem  rundlich  oval. 

Auch  der  Radius  zeigt  Rauhigkeiten  dem  Rande  des  Capitulura 
entlang,  und  diesem  nahe  liegt  auf  der  rostro ventralen  Fläche  eine 
kleine  ovale  Tuberositas  (für  die  Insertion  der  Endsehne  des  Biceps). 

Die  Ulna  ist  circa  doppelt  so  stark  wie  der  Radius. 


Die  veroleiebeiifle  Osteologie  der  Columbiformes.  309 

y)  Die  Hau  d. 

Die  Hand  zeigt,  der  peripheren  Lage  entsprechend,  eine  grosse 
Plasticität,  sowohl  was  die  Detailstructur  als  auch  die  Proportionen 
betriftY. 

Wir  haben  schon  gelegentlich  der  Besprechung  des  Ober-  und 
Unterarmes  darauf  hingewiesen,  dass  beim  Fluge  die  distalen  Partien 
der  vordem  Extremität  die  hauptsächlichste  Arbeit  zu  leisten  haben 
und  dass  in  Folge  dieses  Umstandes  —  auf  den  übrigens  schon  von 
anderer  Seite  hingewiesen  worden  ist  —  mit  einer  höhern  Bean- 
spruchung die  distalen  Elemente  an  Dimension  in  erster  Linie  zu- 
nehmen, aber  auch  bei  einer  Verzichtleistung  auf  die  Locomotion  in 
der  Luft  zuerst  der  Reduction  anheimfallen. 

Einige  Zahlenverhältnisse  mögen  das  Gesagte  in  frappanter 
Weise  darthun.  Die  Länge  der  Hand  (von  der  Wurzel  des  3[eta- 
carpus  2  bis  zur  Spitze  der  Endphalange  des  zweiten  Fingers  ge- 
messen) giebt  uns  die  Einheit,  auf  welche  die  Länge  von  Ulna  -|- 
Humerus  bezogen  wird: 

Phaps  chalcoptera  1,61 

Tiirtur  vinaceus  1,60 

Zcnaida  aiiriculata  1,62 

(reopelia  striata  1,86 

Staruoenas  cijanocepliala  1,71 

Columha  picazuro  1,51 

„         rufina  1,63 

Macropygia  emiliana  1,75 

Ectopistes  mifjrafonus  1,45 

Carpopliaga  aenea  1,81 

„  hkolor  1,80 

Treron  oxyura  1,78 

Vinago  calva  1.65 

Treron  vcrnnns  1,69 

Ptilopus  janihu  juv.  1,81 

.,         roseicollis  1,89 

,,         meUmoccphalns  2,0 

Aledroenas  madugascariensis     1,69 

Didunculus  strigirostris  1,89 

Goura  coronata  2,16 

Caloenas  nkobarica  1,69 

Für  Didns  und  Pczophaps  vermag  ich  diese  Verhältnisse  nicht  in 

den  obigen  Werthen  darzuthun.   da   die  vollständige  Hand  bis  jetzt 


310  Rl'DOLF    MaHTIN. 

nicht  bekannt  ist.  Wenn  wir  jedoch  für  P('.::opJuq)s  an  Stelle  der 
Hand  die  Länge  des  Metacarpale  2  als  Einheit  setzen  und  die  Summe 
der  Längen  von  Ulna  -|-  Humei'us  darauf  beziehen,  so  gelangen  wir 
zu  dem  Verhält niss  4.3  (für  Didus  beträgt  der  Werth  ca.  4,0.  Aber 
da  ich  es  versäumt  habe,  die  Messung  an  Originalen  abzunehmen, 
so  bin  ich  auf  die  Abbildungen  Gadow's  angewiesen,  und  sehr  wahr- 
scheinlich übersteigt  in  Wirklichkeit  der  AVerth  des  Verhältnisses  4); 
das  gleiche  Verhältniss  beträgt  für  Phaps  chalcoptcm  3,15.  für  Co- 
Jumba  picazuro  2,9,  für  Didmiciüus  strigirostris  3,3  und  für  Goura  vic- 
foriae  3,81.  Es  geht  daraus  hervor.  T\^as  übrigens  von  Anfang  an 
zu  erw'arten  war,  dass  die  Hand  von  Pezophaps  und  vermutlilich  im 
gleichen  Grade  die  von  Didus  das  Maximum  der  Verkürzung  inner- 
halb der  Ordnung  der  Tauben  erreicht. 

AutYallend  ist  die  kurze  Hand  der  Ptüopodinae.  und  es  fragt  sich 
auch  hier  wiederum,  ob  diese  auf  eine  secundäre  Verkürzung  zurück- 
zuführen ist  odei"  ob  sie  eine  ursi)rüngliche  Erscheinung  darstellt. 

Wie  die  Messung  eines  jungen  Piü.  jamhu  zeigt ,  ist  die 
Hand  in  der  Jugend  eher  etwas  länger.  Leider  steht  mir  kein 
Skelet  eines  erwachsenen  Thieres  derselben  Art  zur  Verfügung,  aber 
ich  stehe  nicht  an,  die  vorliegende  junge  Form  mit  dem  etwa  gleich 
grossen  (die  erwachsenen  Thiere  verglichen)  Ptil.  roseicoUis  zu  ver- 
gleichen.    Die  Vergleichung  zeigt  nun  zur  Genüge,   dass 

—  vom  Gesetze  des  P  a  r  a  1 1  e  1  i  s  m  u  s  der  P  h  y  1  o  -  und  0  n  - 
1 0 g e n i e  ausgehend  —  d i e  V e r k ü r z u n g  e i n e  s e c u n d ä r  e  ist. 

In  was  der  Grund  dieser  Rückbildung  der  Hand  liegt,  ist  schwer 
zu  sagen,  da  die  PtiJopodinae  vollständig  flugfähige  Thiere  sind,  und 
es  wäre  ein  Fehler,  aus  diesen  Dimensionen  auf  schlechte  Flieger 
zu  schliessen.  Mir  scheint,  die  geringe  Körpergrösse  spiele  eiin 
wichtige  Rolle  bei  dieser  sonderbaren  Erscheinung,  und  es  liegt  jü 
hier  ein  Fall  der  Analogie  vor  zwischen  den  PtiJopodmae  und  Geopelhi. 
einer  Zwergform     -  wenn  ich  mich  dieses  Ausdrucks  bedienen  dart 

—  unter  den  Peristeriden.  Wir  stossen  hier  auf  einen  AViders])rucli. 
indem  wir  diese  kleinen  Formen  als  degenerirt  beti-achten  müssen. 
während  wir  sonst  gewohnt  sind,  von  der  kleinen  Form,  als  dei' 
primitiven,  auszugehen  und  von  diesen  die  grossen  Formen  entstehen 
zu  lassen.  Es  bleibt  mir  jedoch  fraglich,  ob  wir  die  vor  Allem  bei 
Säugethieren  gewonnene  Anschauung,  welche  in  der  Hauptsache  aut 
die  eigentlichen  Riesenvö.yel  übertragen  werden  darf^  auch  auf  die 
generellen  Vogelformen  übertragen  dürfen.  Könnte  es  sich  hier  nicht 
vielmehr  um  eine  secundäre  Anpassung   an    ein   bewegliches  Leben 


Die  vergleichende  Osteologie  der  ("olnrabitormes.  311 

handeln,  als  deren  Folge  die  Reductiou  der  KörpergTösse  und  somit 
auch  die  des  Flügels  zu  betrachten  wäre?  —  Für  eine  solche  spricht 
ja  auch  das  Fehlen  des  Musculus  ambiens  und  der  Caeca  bei 
PtUopodinae  und  GeopQlia;  bei  jenen  ist  zudem  die  Glandula  uro- 
pygialis  abwesend  oder  doch  nur  sehr  schwach  entwickelt^) 

Dies  nur  nebenbei;  wir  werden  unten  darauf  zurückkommen. 

Kehren  wir  zurück  zum  Aufbau  des  Handskelets!  Wir  sind 
nicht  im  Stande,  auch  nur  ein  einziges  Merkmal  von  grösserer  oder 
kleinerer  Constanz  aufzuführen.  Wohl  bemerkt  man,  dass  die  Hand 
bald  breiter  bald  schmäler  ist  (die  einzige  Strecke,  die  dies  im  Ver- 
hältniss  zur  Länge  des  Metacarp.  2  ausdrückt,  ist  der  Abstand  der 
beiden  am  weitesten  von  einander  abliegenden  Punkte  der  an  ihren 
Enden  verschmolzenen  Metacarpalia  2  und  3j.  Bei  den  Perisferidae 
schwankt  dieses  Yerhältniss  von  3,7  bis  4,7,  wobei  Fhaps  chalcopfera 
das  Minimum  darstellt  (allerdings  bei  Starnoenas  kann  das  Verhält- 
niss  bis  auf  3,()6  sinken)  und  das  Maximum  von  T/(rtnr  eri'eicht 
wird:  Geopelia  liegt  bei  4,4;  m.  a.  W. :  die  Hand  ist  am  gedrungensten 
bei  Phaps\  am  schlanksten  ])ei  Tnrtnr  (es  ist  aber  bemerkensvverth. 
dass  Phaps  hisirionica  bedeutend  von  Phops  chalcoptera,  mdica  etc. 
abweicht  und  sich  durch  einen  sehr  schlanken  Metacarpus  aus- 
zeichnet :  4,5).  Für  die  Colnmhidae  sind  die  entsprechenden  Grenzen 
durch  Edopistes  (4,1)  und  Columha  Uvia  oder  Cohimha  rufina  (4.7) 
gegeben.  Macropygia  und  Columha  phaenofa  liegen  der  untern  Grenze 
näher  als  der  obern.  Die  Amplitude  der  Variation  ist  hier  bedeutend 
kleiner  als  bei  den  Peristeriden. 

Die  Treronidae  sind  nach  diesen  Merkmalen  deutlich  in  zwei 
Gruppen  getrennt:  1.  Die  Treronmae  -\-  CarpopJiaginar  und  2.  die 
PtUopodinae. 

Für  jene  Gruppe  sind  die  Grenzen  durch  Carpophaga  aenea  und 
Treron  fulvicoJUs  (4,0)  einerseits  und  andrerseits  durch  Treron  vernans 
(4,6)  und  Carpophaga  lacernidafa  (4.5)  angedeutet.  Auch  hier  muss 
erwähnt  werden,  dass  die  Schwankungen  zwischen  zwei  nahe  stehen- 
den Formen  bedeutend  sein  können  (z.  B.  Treron  vernans  4,6 ;  Treron 

1)  Die^ie  Angaben  entnehme  ich  Gakrod  (in:  Proc.  zool.  Soc. 
London,  187.3  u.  1874).  Ich  selbst  hatte  nicht  Gelegenheit,  diese  Formen 
auf  ihr  diesbezügliches  Verhalten  zu  prüfen;  Ob  die  Bürzeldrüse  bei 
(jcopcliii  vorhanden  ist ,  kann  ich  nicht  sagen :  es  ist  auch  nur  von  ge- 
ringem Einfluss,  da  die  beiden  andern  Merkmale  von  grösserer  Trag- 
weite sind. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  ^1 


312  RuDOLi-  Martin. 

fulvicollis  4,0;  T.  hicincia  4.5;  Vinayo  calva  4,1  und  7\  oxijura  4.0;  — 
Carpophaga  aenea  4,0;  C.  hirolor  4,1;  C.  lacernulata  4,5). 

Die  Ptilopodinae  zeigen  ein  reg-elniässig-es  Verhalten :  3.6  bis  3,8, 
während  Alectroenas  stark  abweicht  (4,4).  Jedenfalls  aber  bestätigen 
diese  Proportionen  das  oben  Gesagte  (bezüglich  der  secundären  Ver- 
kürzung der  Hand). 

Für  Goiira  beträgt  der  W'erth  4,5  und  endlicli  für  Didunculus- 
4,89.  für  T)id>is  4,6  und  für  Fezophaps  3,8.  Die  beiden  letztern 
können  natürlich  nicht  von  gleicher  Bedeutung  sein  wie  die  mehr 
oder  weniger  liugfähigen  Tauben  oder  doch  solche  Tauben,  welche 
erst  kürzlich  das  Flugvermögen  verloren  haben,  da  die  vordere  Ex- 
tremität schon  lange  ihrer  ursprünglichen  Function  enthoben  und 
dalier  weniger  regelmässigen  Agentien  unterstellt  war. 

Die  Metacarpalia  1,  2  und  8  sind  verschmolzen.  Das  erste 
legt  sich  mit  der  ganzen  Länge  seines  caudalen  Randes  an  den 
rosti"alen  des  zweiten;  es  trägt  auf  der  Basis  seinei'  präaxialen 
Kante  eine  Protuberanz.  die  bald  stärker,  bald  schwächer  ist.  Bei 
JDiduncnlus  und  Goura  ist  sie  klein,  ebenso  bei  einigen  Carpophaginae 
(z.  B.  Carp.  lacenmlata).  Es  finden  natürlich  alle  Abstufungen  statt, 
so  dass  diese  Formen  nicht  isolirt  dastehen.  Bei  Pezophaps  tritt 
dann  an  Stelle  der  Protuberanz  die  bekannte  mächtige  Knochen- 
exostose,  die  nach  den  meisten  Autoren  (gestützt  auf  die  Erzählung 
Legüats)  dem  Thiere  als  Waffe  diente. 

Die  Metacarpalia  2  und  3  sind,  wie  überall,  mit  den  proximalen 
und  distalen  Enden  verschmolzen.  Ihre  relative  Stärke  schwankt 
etwas,  doch  ist  das  zweite  stets  bedeutend  stärker  und  runder  als 
dass  ungefähr  von  oben  voi'n  nach  unten  hinten  abgeflachte  Meta- 
carpale  3.  Jenes  ist  gerade,  dieses  durchweg  nach  hinten  convex 
gekrümmt.  Der  Grad  der  Krümmung  hängt  von  den  oben  ange- 
führten Verhältnissen  ab  oder  wohl  eher  umgekehrt,  d.  h.  die  Breite 
der  Hand  wächst  mit  der  Krümmung  des  Metacarpale  3;  somit 
kommt  diese  Krümmung  bereits  in  den  angegebenen  Zahlen  zum 
Ausdruck. 

Die  Grundphalange  des  2.  Fingers  ist  pflugschaarartig  und  über- 
trifft in  ihrer  relativen  Breite  den  gleichen  Knochen  der  zunächst- 
stehenden Galliniformes.  Eine  Reduction  in  dieser  Hinsicht  ist 
kaum  mit  Sicherheit  festzustellen,  denn  der  Umriss  befindet  sich 
sehr  im  Schwanken;  sollte  sich  aber  die  Verschmälerung  bei  Goura 
als  constant  erweisen,  so  wäre   dies   vermuthlich  ausser  JDidus  und 


Die  vero-leichende  Osteologie  rler  Columbiforme.^.  313 

Peziqthaps,  die  liier  kaum  der  Erwähnung'  bedürfen,  der  einzige  Fall 
einer  merklichen  Rückbildung. 

Postaxial  greift  die  Ausbreitung  dieser  Phalange  in  Form  eines 
Fortsatzes  in  direct  distaler  Richtung  vor.  Die  Länge  und  Form 
dieses  Fortsatzes  wechselt  stark,  doch  kann  immerhin  (allerdings 
nur  mit  grosser  Reserve)  festgestellt  werden,  dass  er  bei  Ferisfendae 
meist  spitz  zuläuft,  bei  Colmnhidac  und  dem  Reste  der  Tauben  ab- 
gestutzt erscheint.  Edopistes  zeichnet  sich  durch  einen  äusserst 
schlanken  Fortsatz  aus.  Die  FUJopodinae  schliessen  sich  an  die 
Peristeriden  an ;  auch  zeigen  die  Treroninae  schon  nicht  mehr  immer 
die  den  Columbiden  eigene  Abstutzung.  ^^'ie  gesagt,  diese  Verhält- 
nisse wechseln  und  sind  kaum  aus  einander  zu  halten. 

Bezüglich  der  Phalange  1  Dig.  3.  und  der  Endphalange  des 
2.  Fingers  konnte  ich  keinen  Wechsel,  ausser  in  der  Länge  beob- 
achten. Diese  kommt  in  Hinsicht  auf  Phal.  2  Dig.  2.  in  den  obigen 
Längenverhältnissen  wenigstens  zum  Theil  zum  Ausdruck. 

Endlich  die  Daumenphalange  variirt  ebenfalls  in  der  relativen 
Länge. 

So  sehen  wir,  dass  die  vordere  Extremität  füi-  die  engen  Be- 
ziehungen der  einzelnen  Familien  der  Columbiformes  eintritt,  denn 
wir  sind  auf  keine  tiefer  greifenden  Differenzen  gestossen.  Die 
Verschiedenheiten,  die  wir  angetrolfen  haben,  sind  ohne  Ausnahme 
secundärer  Natur  und  stets  auf  den  Mechanismus  des  Fluges  zurück- 
zuführen. Jedenfalls  geben  sie  uns  kein  Mittel  an  die  Hand,  die 
einzelnen  Gruppen  scharf  und  weit  von  einander  zu  trennen. 

b)   Die   hintere  F^xtremität. 

Die  hintere  Extremität  zeigt  alle  möglichen  Grade  der  Ent- 
wicklung. Entsprechend  der  wenig  l)evorzugten  Locomotion  auf 
dem  Boden  ist  sie  bei  der  ]\Iehrzalil  der  Tauben  kurz  und  schwach, 
Avährend  sie  andrerseits  bei  einigen  Formen  an  Höhe  und  Stärke 
zugenommen  hat  oder  doch  im  Zunehmen  begriffen  ist. 

Welche  relative  Höhe  die  hintere  Extremität  haben  mag,  so  ist 
ihre  Modellirung  in  den  Einzelheiten  doch  stets  die  gleiche.  Wenn 
wir  die  einzelnen  wenigen  Differenzen  abwägen,  so  dürften  wir  zu 
dem  Schlüsse  kommen,  dass  sie  eben  nicht  von  hohem  Werte  und 
für  Verwandtschaft  beweisend  sind,  sondern  vielmehr  an  verschiedenen 
Orten  können  entstanden  sein,  wie  ich  schon  zum  öftern  darauf 
hingewiesen  habe,  dass  die  Extremität  sich  in  erster  Linie  an  ihi'e 
Function  anpasst. 

21* 


;-{14  IiLDOi.r  Martin, 

tt)  Das  Femur. 

Am  proximalen  Theile  des  Femur  können  wir  das  Caput, 
die  Gelenk  fläche  für  den  Antitrochanter  und  den  Trochanter 
unterscheiden. 

Das  Caput  steht  auf  seinem  schlanken  Halse  senkrecht  zum 
Schafte  des  Knochens.  Es  ist  kuglig.  doch  auf  der  proximalen  und 
einwärts  gerichteten  Fläche  etwas  abgeplattet  und  trägt  hier  zwei 
mehr  oder  weniger  deutlich  von  einander  getrennte  Gruben.  Diese 
und  in  Folge  dessen  auch  die  Abflachung  sind  auf  die  Insertion  des 
Ligamentum  teres  zurückzuführen.  Durch  diese  Verhältnisse 
erhält  die  eigentliche  Gelenkfläehe  eine  mehr  sichelförmige 
Gestalt  (wenn  man  sie  sich  in  eine  Ebene  ausgerollt  denkt),  umgiebt 
so  das  Caput  auf  der  distalen  Seite  und  greift  mit  den  beiden 
Hörnern  auf  die  proximale  Fläche,  so  dass  die  Insertionsgrube  des 
Bandes  vollständig  von  ihr  umrandet  ist. 

Die  relative  Grösse  des  Caput  variirt  etwas  und  ist  bei  den 
Erdtauben  bedeutender  als  bei  den  übrigen.  Man  mag  sich  leicht 
davon  überzeugen,  indem  man  z.  B.  Didnnculns  mit  einer  Treron 
vergleicht.  Auch  ist  bei  jenen  die  Kugelgestalt  des  Caput  eine  voll- 
ständigere, denn  bei  den  gewöhnlichen  Tauben  ist  es  wenig  zugespitzt. 

Die  abweichende  Gestaltung  dieser  Verhältnisse  scheint  sich  bei 
Dkhwndus  erst  im  Verlaufe  des  postembryonalen  Wachsthums  zu  voll- 
ziehen, denn  das  vorliegende  Junge  schliesst  sich  direct  an  die  übrigen 
Tauben  an.  Bei  Goura,  Didus  und  Pesophaps  sind  die  Modificationen 
welche  wir  bei  Didtmculus  angetroffen  haben,  weiter  getragen. 

Das  Caput  ist  stets  deutlich  vom  Collum  abgesetzt,  dessen 
Einschnürung  auf  der  distalen  und  caudalen  Seite  am  deutlichsten 
ist.  Auf  seiner  proximalen  Fläche  fliessen  die  Gelenkflächen  des 
Caput  und  diejenige  für  den  Antitrochanter  zusammen.  Diese  zeigt 
innerhalb  der  Ordnung  einige  nicht  ausser  Acht  zu  lassende  Modi- 
ficationen, welche  natürlich  mit  der  Form  des  Antitrochanter  in 
engsten  Zusammenhang  zu  bringen  sind. 

Diese  Gelenkfläche  hat  bei  den  meisten  Tauben  die  Form  eines 
gleichschenkligen  Dreiecks,  dessen  Basis  dem  Trochanter  anliegt 
und  dessen  Spitze  abgestutzt  ist;  hier  stösst  sie  an  die  Crelenkfläche 
des  Caput.  Beinahe  überall  bleibt  sie  auf  die  proximale  Seite  des 
Collum  beschränkt  und  greift  höchstens  sehr  wenig  auf  seine  Vorder- 
fläche. So  bei  allen  Colnmhidae,  Perisfcridac  und  Trcroriidae.  während 
sie  bei  Didunculiis,  hauptsächlich  aber  bei  Goura,  Didus  und  Pcso- 
pliaps  nach   hinten   ausgreift   und  das  Collum   auf  der  Caudalfläche 


Die  vergleichende  Ostedlogie  der  <'oluinl)ifornies.  ;-J15 

umfasst;  sie  bedeckt  den  Streifen  des  proximalen  Drittels  derselben 
bei  Colocnas,  die  proximale  Hälfte  bei  Didimculus  nnd  Goura  und 
die  proximale  Hälfte  bis  zwei  Drittel  bei  Didus  nnd  Pesophaps.  Am 
stärksten  ist  dieses  caudale  Ausgreifen  entschieden  bei  Pe^ophaps-, 
und  es  entspricht  dies  ja  auch  der  Stellung-  des  Antitrochanter. 

Die  Ausbreitung  der  Gelenkfläche  für  den  Antitrochanter  nach 
rückwärts  ist  ein  secundärer  Vorgang,  denn  Biduucnlus  zeigt  in  der 
.lugend  ein  gleiches  Verhalten  wie  das  Gros  der  Tauben. 

Die  Gelenkfläche  für  den  Antitrochanter  ist  stets  über  die  i»ost- 
axiale  Fläche  des  Femur  überhängend,  doch  ist  dieser  „Ueberhang" 
—  man  gestatte  mir  diesen  Ausdruck  —  bezüglich  seiner  Stärke 
sehr  variabel,  ohne  sich  dabei  an  die  Gattung,  ja  nicht  einmal  an 
die  Art  zu  halten.  Unter  ihnen  liegt  meistens  ein  kleines  pneu- 
matisches Foramen,  welches  bald  einfach,  bald  doppelt  ist.  Ich 
vermisste  es  bei  Goura  \  bei  Didus  ist  es  in  eine  grosse  Anzahl 
P'oramina  aufgelöst. 

Der  Trochanter  zeigt  zwei  Formen  der  Ausbildung,  die  eine 
Trennung  zulassen.  AVir  können  die  beiden  Tj'pen.  um  einen  kurzen 
Ausdruck  zu  gewinnen,  als  den  peristeriden  und  den  trero- 
niden  bezeichnen. 

Jener  schliesst,  ausser  den  als  Peristeridae  zusamraengefassten 
Tauben,  auch  Didiowidus,  die  Columhidae,  Goxra,  Didus  und  Pe,zo- 
phaps  ein,  dieser  ausser  den  Treronidae  noch  Macropygia. 

Es  bleibt  sich  gleich,  welches  Beispiel  wir  aus  dem  einen  oder 
andern  Tj'pus  herausgreifen,  um  die  Differenzen  darznlegen,  und  so 
wählen  wir  für  jenen  Didunculus,  für  diesen  z.  B.  Treron  vcrnans. 

Didunctdus.  obwohl  in  dieser  Eichtung  noch  elier  ein  Anfangs- 
glied darstellend,  lässt  dennoch  die  Verhältnisse,  die  wir  als  den 
peristeriden  Tj^pus  bezeichnet  haben,  gut  erkennen.  Der  Trochanter 
ragt  als  scharfe  Schneide  über  die  Gelenkfläche  für  den  Anti- 
trochanter empor.  Die  Kammlinie  ist  die  directe  Fortsetzung  der 
hintern  und  seitlichen  Begrenzung  dieser  Gelenkfläche  in  präaxialer 
Richtung.  Sie  steigt  von  hinten  nach  vorn  allmählich  an,  bis  über 
den  höchsten  Punkt  der  Gelenkfläche,  und  fällt  dann  langsam 
(schwächer  als  die  Gelenkfläche)  wieder  nach  vorn  ab;  so  erreicht 
diese  Schneide  erst  vor  der  Gelenkfläche  für  den  Antitrochanter 
ihre  höchste  Höhe,  den  Gipfelpunkt,  von  dem  sie  dann  in  scharfer 
Biegung  abbricht  und  als  prominente,  allmählich  sich  abflachende 
Kante  noch  über  den  proximalen  Drittel  des  Schaftes  des  Femur 
läuft.    Sie  lässt  sich  jedoch  noch  bis  zum  medialen  distalen  Gelenk- 


31(3  Eui>uLi'  .Maktin, 

con(l3''lus  als  schief  über  den  Knochen  laufende  rauhe  Linie  ver- 
folgen. 

Die  mediale  Fläche  des  Trochanter  ist  stets  concav;  in  der 
Tiefe  der  Concavität  liegt  g-elegentlich  ein  pneumatisches  Foramen: 
dieses  bleibt  stets  sehr  klein  und  ist  von  äusserst  geringer  Constanz. 

Vom  Gipfelpunkt  des  Trochanter  läuft  eine  Kante  gegen  das 
Collum  und  verliert  sich  in  der  Mitte  seiner  Vorderfläche.  Sie 
grenzt  die  Grube  der  medialen  Trochanterfläche  von  der  rostralen 
Fläche  des  Schaftes  des  Femur  ab,  sowie  von  der  in  diese  über- 
gehenden medialen  Fläche  des  vom  Gipfelpunkt  des  Trochanter 
nach  vorn  absteigenden  Kammes. 

Bei  den  übrigen  Formen  dieses  Typus  sind  die  beschriebenen 
Eigenthümlichkeiten  noch  schärfer  ausgebildet;  m.  a.  AV.  der  Tro- 
chanter erscheint  noch  höher. 

Zunächst  Diduncuhfs,  und  diesen  nicht  übertreifend,  stehen  die 
Cohimbidac,  dann  folgen  die  Peristeridae,  Goura  und  die  Eiesentauben. 
Die  ]\[odification.  welche  von  Bidunaün^  zu  diesen  führt,  beschränkt 
sich  lediglich  auf  eine  Grössenzunahme. 

Um  so  mehr  contrastirt  der  treronide  Typus.  Der  hintere 
Ansatz  des  Trochanter  wird  in  gleicher  Weise  bewerkstelligt,  wie 
oben  beschrieben  wurde;  doch  verläuft  die  Kammlinie  zum  lateralen 
Bande  der  Gelenkfläche  für  den  Antitrochanter  parallel  und  bricht 
mit  dieser  vorn  ab.  Die  grösste  Höhe  des  Trochanter  liegt  un- 
mittelbar über  der  grössten  Höhe  dieser  Fläche  und  nicht  nach  vorn 
wie  bei  Didunculus  etc.  Der  vordere  Rand  der  Gelenkfläche  für 
den  Antitrochanter  setzt  sich  als  schwache  Kante  bis  zum  vordem 
Ende  des  Kammes  des  Trochanter  fort. 

Durch  ein  solches  Verhalten  sind  folgende  Gruppen  gekenn- 
zeichnet: Treronidae  uiid  Macropfjgiwac. 

Der  Hauptunterschied  zwischen  den  beiden  Gruppen  l)eruht  in 
erster  Linie  auf  einer  Massen diiferenz,  dann  aber  auch  in  der  ver- 
schiedenen Gestaltung  der  Kammlinie.  —  Dass  am  Trochanter  von 
Treronidae  für  die  bei  Bidimadus  aufgeführte  Concavität  kein  Platz 
ist,  versteht  sich  von  selbst. 

Die  Aussenfläche  des  Trochanter  ist  i'auh;  die  Rauhigkeiten 
sind  in  3  Höcker  angeordnet,  von  denen  der  hinterste  an  der  Basis 
des  hintern  Endes,  der  vorderste  unter  dem  Gipfelpunkt  des  l'ro- 
chanter   und   der  dritte  in  der  Mitte  zwischen  beiden  gelegen  ist. 

Der  Schaft  des  Knochens  ist  rundlich  und  zeigt  bloss  gegen 
seine  Extremität  eine  schwache  Modellirung. 


Die  vergleichende  Osteulogie  der  Colmubiturmes.  317 

In  erster  Linie  bewirkt  die  schon  melirfacli  erwähnte  Kante 
des  Trochanter  einen  dreieckigen  Querschnitt  im  proximalen  Drittel ; 
die  Kante  verliert  sich  in  eine  rauhe  Linie,  die  zum  medialen 
Condj'lus  verläuft  (siehe  oben).  Die  Deutlichkeit  dieser  Linie  wechselt 
innerhalb  der  Species. 

Der  dreieckige  Querschnitt  des  proximalen  Theils  wird  ferner 
durch  den  Ansatz  des  Collum  vervollständigt,  indem  die  mediale 
Fläche  herausgezerrt  erscheint,  was  eine  Abilachung  auf  der  prä- 
und  postaxialen  Seite  zur  Folge  hat.  Im  proximalen  Viertheil  dieser 
so  entstandenen  und  gerundeten  medialen  Kante  liegt  eine  Tuberosität, 
welche  bei  DidtmcuJus  und  Goura,  namentlich  bei  Bidus  und  Pezo- 
phaps  an  Stärke  gewinnt,  während  sie  bei  den  übiigen  Tauben  kaum 
angedeutet  ist. 

Mit  grösster  Eegelmässigkeit  erscheint  auf  der  postaxialen 
Femurliäche  eine  rauhe  Linie,  welche  proximal  unmittelbar  an  der 
Wurzel  des  Trochanter  ansetzt,  dann  schräg  über  den  Knochen 
zum  medialen  Condylus  des  distalen  Gelenktheils  verläuft.  Ungefähr 
von  ihrer  Mitte  spalten  sich  unregelmässige  Rauhigkeiten  ab,  die 
sich  gegen  den  lateralen  Condylus  ziehen.  Einzig  bei  IHdus  und 
Pezophaps  ist  diese  Linie  unregelmässig  in  einzelne  Tuberositäten 
aufgelöst,  welche  netzartig  den  ganzen  distalen  Bereich  des  Knochens 
überspinnen. 

Eine  kurze  und  zur  Knochenaxe  parallel  verlaufende  Linie  setzt 
liier  (bei  Didus  und  Fcsophaps)  unmittelbar  hinter  der  erwähnten 
Rauhigkeit  der  medialen  Kante  des  proximalen  Theils  an;  sie  er- 
reicht weder  das  proximale  noch  das  distale  Ende  des  Knochens. 

Das  Foramen  nutritivum  des  Femur  liegt  stets  ungefähr 
in  der  Glitte  der  hintern  Fläche  des  Schaftes,  entweder  auf  oder 
doch  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  der  beschriebenen,  quer  über 
den  Knochen  lautenden  Linea  aspera. 

Der  laterale  Condylus  des  distalen  Gelenktheils  ist 
überall  länger  als  der  mediale.  Der  Unterschied  ist  aber  gering, 
wenigstens  wenn  wir  bloss  die  recenten  Tauben  ins  Auge  fassen. 
Anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse  bei  den  Riesentauben,  bei 
denen  der  laterale  Condylus  stark  über  den  medialen  vorragt.  Die 
Expansion  des  Gelenktheils  ist  eine  wechselnde;  jedenfalls  dürften 
Didunculm  und  Goura  in  dieser  Beziehung  an  der  Spitze  stehen,  da 
sie  die  Eiesentauben  noch  übertreffen.  Bei  den  übrigen  Formen  ist 
es  schwer,  Punkte  zu  markiren,  da  einerseits  eine  zu  grosse  Varia- 
bilität, andrerseits  eine  zu  feine  Abstufung  existirt. 


318  Rudolf  Martin. 

Die  Oondyli  setzen  vorn  und  hinten  mittels  Kanten  am  Schaft 
des  Femur  an.  Diese  convergiren  proximal,  die  liintern  stärker  als 
die  vordem.  So  kommt  es  vorn  zur  Bildung-  eines  Thals,  hinten 
zur  Bildung  der  Fovea  poplitea.  Jenes  variirt  in  seiner  Breite 
und  Länge,  doch  sind  die  einzelnen  Stufen  nicht  aus  einander  zu 
halten.  Die  Extreme  werden  am  ehesten  durch  Ptilopus  (Thal  lang 
und  schmal)  und  andrerseits  durch  Didunculus  oder  Goura  unter  den 
lebenden,  durch  Dichis,  wenn  Avir  die  Riesenformen  mit  einbeziehen, 
darg-estellt. 

Die  Fovea  p  o  p  1  i  t  e  a  ist  durchweg  ziemlich  seicht  und  von  der 
Gestalt  eines  g-leichschenkligen  Dreiecks,  dessen  Basis  der  Gelenk- 
rolle anliegt  und  dessen  Seiten  relativ  lang  sind.  Nur  Didus  und 
Pezophaps  weichen,  entsprechend  der  veränderten  Lage  der  Gelenk- 
rolle, ab,  indem  das  Dreieck  in  ein  ungleichseitiges  übergeführt  wird. 
Die  Grube  ist  auch  bedeutend  tiefer  als  bei  recenten  Tauben. 

In  der  Tiefe  der  Fovea  liegt  eine  Anzahl  pneumatischer  Fora- 
mina. 

Auch  wenn  der  laterale  Condylus  distal  nur  wenig  vorragt,  so 
trägt  er  auf  seiner  Hinterfläche  doch  stets  eine  Rolle,  welche 
zwischen  die  Tibia  und  Fibula  hineinragt  und  so  bedeutend  zur 
Festigung  dieses  Scharnirgelenks  beiträgt,  analog  der  Ausbildung 
eines  Keils  an  den  distalen  Gelenkenden  der  Metapodien  der  Rumi- 
nantier  und  Pferde. 

Das  Femur  als  solches  zeigt  bei  allen  Tauben  eine  Krümmung 
und  zwar  in  zwei  Richtungen:  1.  es  ist  nach  aussen  convex  und 
2.  in  einer  Sagittalebene  sehr  schwach  ^förmig  gekrümmt.  Der 
distale  Schenkel  des  S  ist  stäi-ker  geschweift  als  der  proximale ;  der 
distale  rückwärts  concav.  Didus  und  Pezophaps  haben  die  zweite 
Krümmung  fast  ganz  eingebüsst.  bei  Didimctilus  ist  sie  sehr  schwach. 
Der  Verlust  der  Krümmung  ist  vielleicht  auf  ein  Aufrichten  der 
Extremität  zurückzuführen. 

Was  die  Länge  des  Femur  betrifft,  mögen  Zahlen  Aufschluss 
geben,  und  damit  diese  einen  Vergleich  mit  der  voi'dern  Extremität 
zulassen,  so  füge  ich  die  Länge  in  Bezug  auf  die  des  Humerus  bei. 
Diese  Masseinheit  sei  mit  h  (=  Humeruslänge)  bezeichnet: 


Goura  coronata 

(3.72  dv 

=  0,82 

IHduneiüus  strigirostris 

7,7      „ 

=  0.95 

Phaps  chcdcoptera 

6,26    „ 

=  0,87 

..       histrionica 

5,95    „ 

=  0,85 

„       indica 

5.98    „ 

=  0,88 

Die  veroleicheiide  Osteologie  der  Cdlninbifürmes.  319 

Turtur  r'nmceus  5.94  clv  ^=  0.87  li 

Zenaida  auriadata  6,3  ..  =  0.9  .. 

Geopelia  striaia  6,65  ,.  =  0.95  ,, 

Metriopelia  mcJanoptera  6,56  „  =  1,01  ,, 

Sfarnoetias  cyanocephala  6,67  ,,  =  1,05  ,. 

Cdlnmha  pkazuro  5,52  ,,  =  0,85  ,. 

,.        trocaz  5,91  „  =  0,87  ,, 

hria  6.16  ..  =  0,88  „ 

„        nißna  5,67  ..  =  0.86  ,. 

Macropijgia  emiliana  5,24  „  =  0,86  „ 

Edopistes  migratonus  6,18  „  =  0,91  ,. 

CarpoplKiga  aoica  5,33  .,  =:  0,82  .. 

hicoJor  5.67  ,.  =  0.81  ,. 

,,  Jacermdafa  5,33  ,.  =  0,86  „ 

Treron  o.rijura  5,53  „  =  0.97  .. 

Vinago  ccäva  5,58  ,,  =  0,93  ,, 

Treron  vernam  5,63  „  =  0,88  „ 

..       fnJvü'oUis  6,06  „  =  1,01  i 

..       hicinda  5,73  „  =  0.91  „ 

Ptilopus  roseicolUs  6,76  ..  =  0,98  „ 

..        melanocephalus  6,72  „  =  0,96  „ 

„         melanospüns  6,06  „  =  1,01  ,. 

Aledroenas  nt(idag<iscariensis    5,62  ,,  =  0,84  „ 

Aus  der  Tabelle  g-elit  hervor,  dass  eine  grosse  Unreg*elmässig'- 
keit  herrscht.  Diese  würde  bei  der  zweiten  Colonne  wenig'  frappiren, 
wenn  sie  nicht  durch  die  erste  in  so  deutlicher  Weise  zu  Tag-e  ge- 
legt würde,  da  ja  auch  der  Hunierus  nicht  unbeträchtlichen  Schwan- 
kungen unterworfen  ist. 

\>'ie  zu  erwarten  war,  sind  Diduncidns  und  Gonra  durch  die 
längsten  Oberschenkelknochen  ausgezeichnet.  Für  Didus  beträgt 
seine  Länge  ca.  8,2  und  für  Pezophaps  ca.  7,1.  Hier  kann  natürlich 
nur  von  approximativen  Werthen  die  Eede  sein,  da  sie  combinirten 
Skeleten  entnommen  sind. 

Einer  weitern  Erläuterung  bedarf  die  Zusammenstellung  nicht. 

ß)  Die  Tibia. 

Am  Unterschenkel  hat  die  gleichförmige  Function  alle  Diffe- 
renzen verwischt,  mit  Ausnahme  der  einen,  die  mit  der  Körpergrösse 
in  unmittelbarstem  Zusammenhang  steht:  die  schärfere  ^Lodellirung 
bei  grössern.  die  verschwommenere  bei  kleinen  Foi-men. 


320  ErDOi.F  Mautin. 

Die  Tibia  ist  nach  vorn  concav  gekrüimnt;  die  Krümmung-  ist 
in  der  Regel  bei  kleinen  Formen  etwas  schwächer  als  bei  grossen. 
Sie  erreicht  ihr  IMaximum  bei  Didunculus.  Die  Riesentauben  heben 
sich  nicht  von  der  Mehrzahl  der  übrigen  Tauben  ab. 

Die  proximale  Gelenkfläche  ist  viereckig.  Auf  der 
medialen  Hälfte  liegt  eine  Bahn,  über  welche  der  mediale  Condylus 
des  Femur  beim  Strecken  und  Beugen  wegrollt.  Sie  ist  in  der 
Mitte  emporgew()lbt  und  läuft  vorn  in  eine  stärkere,  hinten  in  eine 
schwächere  Grube.  Bei  kleinen  Formen,  wie  Trcron,  Geopelia, 
Pfilopus  etc.,  kann  die  hintere  Grube  fehlen  und  durch  eine  ebene 
Fläche  ersetzt  sein. 

Lateral  von  der  vordem  Grube  liegt  ein  tiefes  Thal,  welches 
nach  aussen  ausmündet.  Es  entspringt  zwischen  der  beschriebenen 
Bahn  des  medialen  Oond3'lus  und  dem  Höcker,  der  mit  dem  lateralen 
Condylus  articulirt.  Das  Thal  ist  bei  grossen  Formen  tiefer  als  bei 
kleinen  und  an  seiner  Ausmündung  überall  mehr  oder  weniger  deut- 
lich durch  einen  schwachen  Wall  gesperrt. 

Hinter  und  etwas  lateral  von  diesem  Thal  liegt  ein  runder 
Höcker,  der  von  der  medialen  Gleitbahn  durch  eine  seichte  Rinne 
getrennt  ist.  Dieser  Höcker  articulirt  mit  der  medialen  Fläche  des 
lateralen  Condylus  des  Femur.  Er  fällt  stark  nach  aussen  und 
hinten  ab  und  bildet  mit  der  Fibula  zusammen  eine  Spalte,  in 
welche  die  Rolle  des  Condjdns  lateralis  eingekeilt  ist. 

Die  Ausbildung  der  Crista  externa  und  interna  ist  von 
nicht  geringem  Einfluss  auf  den  Umriss  der  proximalen  Gelenkfläche. 
In  der  Regel  ist  die  Fläche  tiefer  als  breit  (Mehrzahl  der  Tauben 
inclusive  Didus).  Nur  in  wenigen  Ausnahmen  ist  das  Verliältniss 
ein  umgekehrtes :  zuerst  und  am  regelmässigsten  bei  Fesophaps  durch 
eine  übermässige  Entfaltung  der  Crista  externa,  welche  die  ganze 
vordere  laterale  Ecke  der  Fläche  herauszerrt;  ein  ähnliches  Ver- 
hältniss  beobachtete  ich  bei  einem  jungen  Ptüopus  janihn,  aber  hier 
in  Folge  schwacher  Elntwicklung  der  Crista  interna. 

Werfen  wir  einen  Blick  auf  die  beiden  Muskelkämme  des 
proximalen  Gelenktheiles ! 

Die  Crista  interna  hat  die  Form  eines  gleichschenkligen 
Dreiecks  mit  breiter  Basis,  welche  dem  Knochen  anliegt.  Sie  ist 
fast  direct  vorwärts  gerichtet.  Der  obere  Schenkel  ist  gegen  die 
Basis  zu  stark  verdickt  und  treibt  die  mediale  vordere  Ecke  der 
proximalen  Gelenkfläche   nach  oben  vor.     Die  Länge   der  Crista  be- 


L>ie  ver.s'leichende  Osteolog-ie  der  ('nluinbifonues.  321 

trägt  ca.  \^  bis  ^:^  der  Länge  der  Tibia  und  ilire  Hülie  iiiiget'älir 
^/4  ihrer  Basis. 

Die  Crista  externa  ist  hauptsächlich  an  ihrem  proximalen 
Rande  sehr  dick.  Bei  den  meisten  Tauben  ist  sie  vorwärts  aus- 
wärts gerichtet  und  bildet  so  mit  der  Crista  interna  eine  tiefere, 
mit  der  Fibula  eine  sehr  flache  Rinne.  Ihre  Basis  ist  kürzer  als 
die  der  Crista  interna.  Bei  den  Columhidae,  Goura  und  einzelnen 
Peristeridae  {I^irtur,  Metriopeliä)  sowie  auch  bei  Fezop/iaps'  ist  sie  fast 
direct  auswärts  g-erichtet  und  bildet  so  mit  dei'  Fibula  eine  tiefe 
Rinne. 

Der  Schaft  ist  schlank,  weist  aber  bei  den  Riesentauben  eine 
bedeutende  Stärkezunahme  auf.  Er  trägt  in  seinem  zweiten  Sechstel 
auf  der  lateralen  Fläche  eine  kammartige  Tuberosität  zum  Ansatz 
der  Fibula.  Dadurch  wird  die  vordere  Fläche  auf  diese  Ausdehnung 
etwas  flach.  Weiter  distal  ist  der  Schaft  rundlich  und  zeigt  erst 
wieder  gegen  den  distalen  Gelenktheil  eine  Ausbreitung.  Zugleich 
entsteht  auf  seiner  vordem  Fläche,  dem  medialen  Rande  genähert, 
eine  Rinne,  welche  in  den  Extensorencanal  führt. 

Von  der  Crista  interna  läuft  stets  eine  starke  rauhe  Linie, 
welche  gelegentlich  zu  einer  Kante  anschwellen  kann,  gegen  den 
medialen  Condylus.  Diese  Kante  beobachtete  ich  am  stärksten  bei 
Treron.  Sie  setzt  sich  in  den  die  Extensorenrinne  medial  begren- 
zenden Wall  fort  und  trägt  hier  einige  besonders  starke  Rauhig- 
keiten. Li  der  Mitte  des  Schaftes  ist  die  Kante  stark  gerundet. 
Sehr  schwach  wird  sie  bei  Didunculus,  Goura  und  IHdus  angetroffen, 
während  sie  bei  Pezopliaps  gut  markir.t  ist. 

Unregelmässige  Rauhigkeiten  bedecken  die  ganze  mediale  und 
hintere  Fläche  des  proximalen  Vi  c^er  Tibia;  nur  eine  rauhe  Linie 
mehr  auf  der  hintern  Fläche  ist  von  einiger  Constanz.  Sie  setzt 
ungefäln-  in  der  Mitte  des  postaxialen  Randes  der  proximalen  Ge- 
lenkfläche an,  läuft  direct  abwärts  und  endet  mit  dem  [)roximalen 
Drittel  der  Tibia. 

Auch  von  der  Tuberositas  fibularis  läuft  eine  Linea 
aspera  direct  gegen  den  lateralen  Gelenkcondylus. 

Der  distale  Gelenktheil  zeigt  kaum  einige  Modiücationen. 
Der  laterale  Condylus  ragt  gegenüber  dem  medialen  schwach  distal 
vor.  Jener  ist  gewöhnlich  bedeutend  kleiner  als  der  mediale.  Eine 
Ausnahme  machen  IHdimcnlus  und  Goura.  Bei  rrzophaps  ist  die 
Grössendifferenz  am  stärksten,  wo  auch  der  mediale  Condylus  über 


322  ßuDOLF  Martin, 

den  lateraleil  prominiit.  Ein  ähnliches  Verhalten  zeigt  Didus.  Alle 
übrigen  Tauben  entsprechen  dem  zuerst  Gesagten. 

Bei  den  TfiJopodmae  scheint  die  Expansion  des  Gelenktheiles 
relativ  am  stärksten  zu  sein;  doch  missglückte  ein  Versuch,  dies 
durch  Messung-  festzustellen,  aus  Mangel  an  Anhaltspunkten. 

Die  Extensorenbrücke  ist  schmal,  und  ihr  unterer  Band  fällt 
mit  der  Verbindungslinie  der  proximalsten  Punkte  der  Condyli  zu- 
sammen. Da  und  dort  kann  die  Ausmündung  des  Canals  auch  tiefer 
in  der  Fossa  intercondyloidea  liegen;  so  vor  Allem  bei  den 
Ptilopodinae:  die  Folge  dieser  Verlagerung  ist.  dass  diese  Oett'nung 
breit  schlitzartig  wird.  Auch  Diduucuhis  kann  ein  ähnliches  Ver- 
halten zeigen,  denn  innerhalb  ein  und  derselben  Art  macht  sich  in 
dieser  Hinsicht  eine  grosse  Variabilität  breit.  Gute  Beispiele  liefern 
Didus  und  Pesophaps.  Scharfe  Grenzen  lassen  sich  nicht  ziehen,  da 
eben  keine  solchen  gegeben  sind. 

Die  Wälle,  welche  die  Rinne,  die  zur  Extensorenbrücke  zieht, 
begrenzen,  sind  von  rauher  Beschaifenheit,  namentlich  der  laterale. 
Den  Ligamenten  werden  so  gute  Anhaltspunkte  geliefert. 

Die  seitlichen  Flächen  der  Condyli  sind  etwas  concav,  und  die 
mediale  trägt  einen  ansehnlichen  Höcker.  Sie  ist  zudem  bedeutend 
tiefer  gehöhlt  als  die  laterale. 

Zum  Schlüsse  noch  einige  Zahlen,  welche  über  die  Länge  des 
Unterschenkels  Aufschluss  ertheilen  mögen  (f  =  Länge  des  Femurs): 


Gonra  coronata 

10,4 

dv 

=  1,55  f 

Bidunculns  strigirosfris 

10.7 

,. 

=  1,39  .. 

Phaps  chalcoptera   • 

8,2 

,. 

=  1,31  .. 

hisfrionica 

7,9 

11 

=  1,33  .. 

,.       iiidica 

9,1 

11 

=  1,53  „ 

Turfur  vinaceus 

7,7 

11 

=  1,30  „ 

Zenaida  auriculata 

8,1 

^. 

=  1,29  „ 

Geopelia  striata 

9,3 

=  1,40  ,. 

Jletriopelia  melanoptera 

8,5 

=  1,30  „ 

Sfanioenas  cyanocephala  ■ 

9,6 

)) 

=  1,45  .. 

Colnmha  picamiro 

7.5 

11 

=  1,37  „ 

,.        liria 

'    8.5 

,, 

-  1,38  „ 

,,       rufina 

7.3 

=  1,29  „ 

Macmpygia  cmiliana 

6,7 

11 

=  1,29  „ 

Eciopisies  mif/ratorius 

8,7 

11 

=  1,41  „ 

Carpophaga  aene'a 

6.7 

=  1,27  ,. 

73 

,.  =  1.29 

Ü.5 

,.  -1.22 

6.8 

„  -.  1,23 

6,9 

,.  ==1.25 

7.3 

„  =  1,H 

7.5 

,.  =  1.24 

7,1 

,.  =■  1.25 

S.4 

.  =  1.25 

8,4 

..  =  1.25 

7.8 

„  =^  1.29 

7.1 

..    -  1.26 

Die  vergleichende  Osteologie  der  CuluiuljitVirnies.  323 

Carpophaga  oceanica  7J  dv  -=-  1.30  f 

„  hicolor 

,,  lacrmulafd 

Treron  oxijura 
Vinmjo  cdlva 
Treron  reriuois 
ftilvicollis 
hiciurtd 
Ti  Uop  i  (S  roscinijlis' 
„         mehmocephahis 
,.         melanospüus 
A  lecfroohis  niadctf/ascariensis 
y  Fibula. 

Die  Fibula  beträgt  die  Hälfte  bis  zwei  Drittel  der  Tibia.  Ks 
ist  kaum  möglich,  ilire  Länge  genau  zu  bestimmen,  da  sie.  die 
Knochensubstanz  allmählich  verlierend,  in  einen  sehnigen  Strang- 
übergeht, der  an  einem  kleinen  Höcker  der  Lateraltläche  des  Con- 
dylus  lateralis  sich  ansetzt. 

Das  proximale  Ende  des  Grilfelbeines  ist  verbreitert  und  trägt 
auf  der  medialen  Seite  die  halbkreisförmige  Gelenkfläche  für  die 
Rolle  des  Femur  (siehe  oben).  Die  hintere  proximale  Ecke  ist  dabei 
ausgezogen  und  spitz,  während  die  vordere  einen  stumpfen  Winkel 
darstellt. 

Der  ganze  proximale  Theil-  ist  rauh  und  zeigt  eine  doppelte 
Krümmung:  1.  nach  der  Seite  concav  der  Tibia  sich  anschmiegend 
und  2.  nach  vorn  convex.  Sobald  die  Tuberosität  der  Tibia  erreicht 
ist.  wendet  sich  der  Knochen  wieder  etwas  auswärts,  um  dann 
gerade  und  mit  dem  Schienbein  annähernd  parallel  ihren  weitern 
Verlauf  zu  nehmen. 

Die  hintere  Kante  der  Fibula  ist  scharf  und  erhebt  sich  nahe 
dem  untern  Ende  der  Tuberositas  fibularis.  mit  der  sie  eine  innige 
Verbindung  eingeht,  doch  ohne  zu  verschmelzen,  in  einem  Vorsi)rung. 
an  dem  die  Endsehne  des  Musculus  iliofibularis  inserirt. 
Die  vordere  Kante  ist  gerundet  und  knorrig. 
Die  Verbindung  mit  der  Tibia  geschieht  durch  sehnige  Faser- 
züge und  ist  namentlich  proximal  und  dann  zwischen  der  Tuberositas 
fibularis  tibiae  und  der  entsprechenden  Stelle  der  Fibula  eine  sehr 
enge.  Selten,  z.  B.  bei  Diduncnlns.  kann  es  zu  einer  Verschmelzung 
kommen  (wohl  nur  bei  alten  Thiereu).  Bei  Didiis  oder  Pcrophaps 
beobachtete  ich  nie  eine   solche,  ebenso   wenig  bei  andern  'l'auben. 


324  Rudolf  Martin. 

ö)  ])er  Metatarsus  (siehe  Abbildungen  von  Strickland  u. 
Mp:lvilj.e,  Owen,  Newton  etc.). 

Bezüg-lich  der  Bezeichnnngen  am  Metatarsus  halten  wir  uns  am 
ehesten  an  die  von  Owen^)  für  Pe^ophaps  angewandten,  ül)Wohl  dort 
die  Benennungen  entschieden  zu  weit  getrieben  sind. 

Die  Charakteristik,  welche  Owen  für  Fesophaps  giebt,  lässt  sich 
fast  unverändert  auf  alle  Tauben  übertragen.  Natürlich  sind  die 
rauhen  Linien  und  Cristae  bei  diesen  weniger  scharf  als  bei  den 
Riesentauben ;  das  ist  die  einzige  Differenz,  welche  mir  bei  der  Ver- 
gleichung  in  die  Augen   fiel. 

Durchweg  sind  die  Rauhigkeiten  am  Ec tometatarsns,  von 
Owen  als  Crista  ectometatarsalis  bezeichnet,  wenig  oder 
kaum  bemerkbar.  Die  Crista  ectogastrocnemialis  ist  überall 
ziemlich  scharf ;  ebenso  wird  die  Crista  postin terossea  nie 
vermisst.  Die  Linien  und  Vorsprünge  des  Innern  Metatarsale  zeigen 
keine  wesentlichen  Abweichungen  von  Fempliaps. 

Ich  darf  nicht  versäumen,  die  Zahl  und  Anordnung  der  Selinen- 
canäle  in  dem  plantaren  Fortsatz  des  nach  hinten  gequetschten 
proximalen  Endes  des  mittlem  Metatarsale  mit  in  Betracht  zu  ziehen. 
Einige  Figuren  können  die  Verhältnisse  einfacher  darlegen  als  eine 
Beschreibung.  Der  Grundplan  bleibt  stets  der  gleiche,  nur  ist  er 
bald  weiter,    bald   weniger  weit  ausgetragen.    Das  Verhalten  dieser 


Fig.  U^ 

Proximales  Ende  des  1.  Metatarsus  (von  i)ben  gesehen).     1:1. 
a.  Caloenas  nicobarica.     b  DkluncnluH  Htr'igirostris. 

Sehnencanäle  zeigt  einige  Constanz,  doch  kommen  Abweichungen 
vor  (z.  B.  beobachtete  ich  bei  Treron  vernans  bald  2,  bald  3  Canäle; 
ersteres  scheint  Regel  zu  sein).  Auch  sind  die  äussern  Wandungen 
der  äussern  Canäle  oft  stark  verdünnt,  dass  der  nächste  »Schritt  zu 
einer  Oeffnung  des  Canals  führen  muss  (dies  wurde  bei  Carpophaga 
und  Treron  beobachtet).  Die  Anordnung  der  Canäle  ist  stets  die- 
selbe: 2  mediale,  von  denen  der  vordere  der  grössere  und  constantere 


1)  In:  Trans,  zool.  Soc.   London,    1872. 


I'ie  versleichende  Ostenloaie  der  Columbifornies.  325 

ist.  und  1  lateraler;  dieser  ist  den  grössten  Sclnvaiikung-en  unter- 
worfen. 

So  lässt  das  proximale  Ende  und  der  Schalt  in  Hinsicht  auf 
ihre  specielle  Structur  keine  gründlichen  Ditferenzen  erkennen; 
diese  liegen  vielmehr  in  der  allgemeinen  Gestaltung  des  Mittel- 
fusses. 

Doch  bevor  wir  auf  diese  eingehen,  sei  mir  gestattet,  den 
distalen  Gelenktheil,  welcher  uns  auch  einige  Anhaltspunkte  bieten 
kann,  in  Betrachtung  zu  ziehen. 

Der  distale  Theil  des  Metatarsus  ist  ausgebreitet  und  löst  sich 
in  die  drei  ]\retapodien  auf,  die  je  eine  Gelenkrolle  für  die  Grund- 
phalangen der  drei  vordem  Zehen  tragen.  Diese  drei  (Telenkrollen 
liegen  nie  in  einer  Ebene,  die  zur  Knochenaxe  parallel  ist;  auch 
ragen  sie  distal  ungleich  weit  vor  (Taf.  12.  Fig.  10).  Der  Grad 
dieser  Xiveaudifferenzen  wechselt,  und  zwar  können  folgende  Stadien 
unterschieden  werden  (man  denke  sich  das  ganze  Metatarsale  auf 
eine  Ebene  durch  die  beiden  vordersten  Punkte  des  i)roximalen 
Endes  der  Metatarsalia  1  und  2  und  durch  den  vordersten  Punkt 
der  mittlem  distalen  Trochlea  gelegt): 

1.  Innere  Trochlea  stark  plantar  war  ts  gebogen: 
Pcristeridae,  Ectopisfes,  Ptilopodinae,  Goura,  Didunculus. 

2.  Mittlere  Trochlea  distal  stark  prominent: 
Feristeridae,     CoJumbidae    (Ausnahme:     Macropygia),     Goura, 
Didimcidus. 

3.  Aeussere  Trochlea  plantar  war  ts  gekrümmt: 
Peristeridae  schwach,  Columbidae  schwach,  Treronidae  schwach, 
Goura  stark,  Didunculus  S(diwach. 

Die  mediale  Gelenkrolle  trägt  einen  plantaren  Fortsatz,  dessen 
Aussenseite  zur  Aufnahme  von  Ligamenten  gehöhlt  ist.  Die  Axe 
dieser  Innern  Trochlea  läuft  von  innen  oben  und  hinten  nach  aussen, 
unten  und  vorn,  d.  h,  gegen  das  Centrum  der  mittlem  Trochlea. 
Die  VorderHäche  ist  glatt  und  stellt  einen  Cylinder  dar,  der  auf 
der  Hinterseite  eine  breite  Rinne  trägt,  welche  ihre  Entstehung  der 
Anheftung  des  erwähnten  plantaren  Fortsatzes  verdankt.  Dieses 
zweite  Metatarsale  ist  bis  zum  proximalen  Rande  der  Trochlea  mit 
dem  dritten  verschmolzen. 

Die  mittlere  Trochlea  steht  ([uer;  auch  sie  gleicht  mehr  oder 
Aveniger  einem  Cylinder  mit  horizontaler  Axe ;  die  Cylindertiäche  ist 
iedoch  tief  eingeschnürt;   die  so  entstandene  Rinne  beschränkt  sich 


326  Rudolf  Martin, 

aber  nicht  nur  auf  die  plantare  Fläche  der  Eolle,  sondern  erstreckt 
sich  auch  noch  über  die  ganze  vordere  Seite  derselben.  Die  seit- 
lichen Flächen  dieser  Trochlea  sind  schwach  concav.  Der  ganze 
Gelenktheil  ist  geg'enüber  der  Axe  des  Knochens  schwach  plantar- 
wärts  gekrümmt. 

Die  äussere  Trochlea  ist  annäliernd  das  Spiegelbild  der  Innern ; 
sie  divergirt  nur  wenig  von  der  Knochenaxe  nach  aussen  und  hat 
die  Form  eines  schief  gedrückten  Cylinders,  der  auf  der  Vorderfläche 
glatt,  auf  der  Hinterfläche  eingeschnürt  ist.  Sein  lateraler,  plantarer 
Rand  ist  zu  einer  Schneide  ausgezogen.  Das  Metatarsale  4  ist 
schlank  und  trennt  sich  ungefähr  zu  Beginn  des  letzten  Sechstel 
des  Metatarsus;  seine  Trochlea  steht  jedoch  durch  eine  starke 
Knochenbrücke  mit  der  mittlem  in  Verbindung.  So  entsteht  zwischen 
dem  mittlem  und  äussern  Mittelf ussknochen  ein  Canalis  inter- 
osseus.  der  den  ColimiUdae  meist  fehlt. 

Und  nun  noch  ein  Wort  zur  Gestaltung  des  Metatarsus  im 
Allgemeinen ! 

Die  relative  Länge  macht  innerhalb  der  Ordnung  starke  Wechsel 
durch,  wenn  wir  z.  B.  den  Metatarsus  von  Treron  auf  der  einen, 
den  von  Goura  auf  der  andern  Seite  ins  Auge  fassen. 

Bei  Treron  ist  er  kurz  und  breit;  proximal  sind  die  Elemente 
durch  grosse  Foramina  getrennt,  und  das  mittlere  Metatarsale  kommt 
in  grosser  Ausdehnung  auch  proximal  auf  der  Dorsalfläche  zum 
Vorschein;  es  ist  zudem  bedeutend  stärker  als  die  seitlichen. 

Bei  Carpophacia  wird  es  bereits  mehr  plantarwärts  gedrängt. 
Die  Columhidae  schliessen  sich  Treron  an..  Auch  distal  sind  die 
Elemente  gut  getrennt  und  stark  divergirend.  Mit  andern  Worten : 
dieser  Metatarsus  steht  der  ursprünglichen  Form  viel  näher  als  der 
der  übrigen  Tauben.  Didus  schliesst  sich  diesem  Typus  an.  während 
sich  Pezophaps  dem  zweiten  einreiht. 

Dies  wird  erklärlich,  wenn  wir  uns  das  andere  Extrem  als 
eine  Folge  einer  Streckung  des  Metatarsus  vorstellen.  Das  mittlere 
Element  wird  proximal  plantar  hinausgequetscht  und  ist  auf  der 
Vorderfläche  kaum  mehr  sichtbar;  es  bleibt  auch  hier  den  lateralen 
gegenüber  bedeutend  stärker,  doch  wird  in  Folge  dieser  Vorgänge 
die  Gesammtbreite  des  proximalen  Endes  des  Metatarsus  geringer. 
Die  Verschmelzung  der  drei  Metatarsalia  ist  eine  innigere,  und  die 
Foramina  interossea  sind  bedeutend  reducirt  oder  fehlend 
{Diännaüns).  Die  Divergenz  der  distalen  Enden  ist  geringer  als 
bei  Trerou  etc.     Eine  weitere  Folge  dieser  Verschmälerung  ist  dann 


Die  verg'Ieicheude  Osteolog-ie  der  Colunibiformes.  327 

das  distale  Heraustreten  der  mittlem  Trochlea.  die  so  gieiclisam 
dem  mittlem  Finger  eine  freiere  Bewegung-  verschafi't,  die  ohne 
Zweifel,  Avenn  diese  Verschiebung-  nicht  geschehen  wäre,  beein- 
trächtigt würde.  Diesem  Typus  sind  die  Peristeridae,  Goura  und 
DiduncuJus  einzuverleiben. 

Das  Metatarsale  1  (freie  Hinterzehe)  bedarf  keiner  weitern 
Erklärung;  es  zeigt  stets  dieselbe  Form,  über  die  tab.  11  in 
Stkk'kland  u.  Melyille  Aufschluss  geben  kann. 

Einig-e  Zahlen  seien  füi-  die  hauptsächlichsten  Formen  beigefügt : 
Goura  coronata  7,7  dv. 

DidimrAÜus  sfrüßrosfris    6,3  dv. 
Phaps  clidlcopteru  4,3  dv. 

Columba  picasuro  3,9  dv. 

Treron  vernans  3,7  dv. 

€)  Die  P  h  a  1  a  n  g-  e  n. 

Die  Phalangenformel  ist  stets  2,  3,  4,  5. 

Die  (jrundph alange  der  Hinterzehe  ist  lang  und  übertritft  die 
übrigen  bis  zu  ^/g  (Carpophaga).  Die  Differenz  ist  aber  meistens 
g-eringer,  indem  sie  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  ^j,,  bis  V^  beträgt. 
Bei  Phaps  chalcoptera  wurde  ein  umgekehrtes  Verhältniss  angetroffen, 
denn  dort  übertraf  die  Grundphalange  der  zweiten  Zehe  die  der 
ersten  um  \/,o  ihrer  Länge;  dies  ist  aber  der  einzige  derartig  beob- 
achtete Fall.  Bei  Goura  und  Didimndns  sind  die  Grundphalangen 
der  1.  und  2.  Zehe  fast  gleich  lang;  Vinago  calva  steht  Carpophaga 
am  nächsten. 

Die  Grundphalange  der  3.  Zehe  ist  mit  wenigen  Ausnahmen  die 
zweitlängste.  Es  wurde  bereits  von  Newton  darauf  hingewiesen, 
dass  sie  bei  Didm  und  Pezopliaps  von  der  Grundphalange  der  2.  Zehe 
übertroffen  wird  und  dies  als  Folge  der  intensivem  Beanspruchung 
des  Fusses  erklärt.  Wie  dem  sei,  ich  vermag  kein  Frtheil  abzu- 
geben, doch  kommt  es  mir  eher  absonderlich  vor,  dass  hier  in  Folge 
der  iSteigerung  des  Laufvermögens  die  2.  Zehe  sollte  verstärkt 
werden,  während  sonst  die  Laufvögel  doch  gerade  zur  Reduction 
dieser  Zehe  neigen.  Thatsache  ist,  dass  die  Grundphalange  der 
2.  Zehe  die  der  3.  übertrifft;  das  Gleiche  gilt  für  iJidmicidus 
und  Goura  sowie  auch  für  die  Peristeridae  (mit  Ausnahme  von 
Mefriopelia)  ]  diesen  zunächst  folgen  die  verschiedenen  Carpophaga- 
Arten,  dann  die  übrigen  Tauben ;  die  Treroninac  und  Pfdopodinae 
rücken  am  weitesten  ab. 

Znol.  Jahvli.  XX.    Abtli.  f.  Syst.  22 


328  Rudolf  Maktin. 

Ganz  ungeachtet  der  relativen  Länge  der  Grundphalangen  ist 
die  2.  Zehe  die  längste. 

Die  2.  Phalange  der  2.  Zehe  beträgt  -/..j  bis  ^/.^  ihrer  Grund- 
phalange;  an  der  3.  Zehe  ist  dieses  Yerhältniss  ungefähr  gleich, 
während  die  3.  Phalange  dieser  Zehe  ca.  %  der  Grundphalange 
ausmacht. 

Die  Glieder  der  Aussenzehe  sind  kurz;  ihre  Grundphalange 
kommt  der  Länge  der  dritten  der  3.  Zehe  am  nächsten,  die  übrigen 
betragen  -'/^  bis  -.5  der  entsprechenden  (4  rund  phalange. 

Die  Endphalangen  tragen  die  gewöhnlich  starken  Klauen,  welche 
bei  Carpophaga  ihre  beste  Entwicklung  erlangen. 


Allgemeiner  T  h  e  i  1. 

Eiiileitiiiii^. 

Nachdem  wir  uns  nun  eingehend  mit  den  Formen  und  Form- 
veränderungen des  Skelets  befasst  haben,  stehen  wir  vor  der  Auf- 
gabe, entweder  die  vorliegenden  Eesultate  in  einen  genetischen  Zu- 
sammenhang zu  bringen  oder  sie  physiologisch  aus  einander  abzu- 
leiten. Die  zweite  Aufgabe  mag  dahingestellt  bleiben;  dagegen 
wird  uns  die  erste  für  einige  Zeit  in  Anspruch  nehmen. 

Die  Forderung  eines  Stammbaums  irgend  einer  Formengruppe 
deckt  sich  mit  der  einer  natürlichen  Systematik.  Es  fehlt  durchaus 
nicht  an  Versuchen,  diesen  Ansprüchen  für  die  Tauben  zu  genügen, 
und  zwar  suchten  die  verschiedenen  Forscher  jeweilen  auf  ver- 
schiedenen Wegen  ihr  Ziel  zu  erreichen  oder  gelangten  durch  ver- 
schiedene Abschätzung  der  einzelnen  Merkmale  zu  verschiedenen 
Resultaten,  so  dass  man  beinahe  sagen  kann,  die  Zahl  der  Systeme 
komme  der  Zahl  der  Systematiker  gleich. 

Immerhin  lassen  sich  alle  Systeme  nach  ihrer  Grundlage  in  zwei 
Classen  anordnen:  während  die  altern  Forscher  und  diejenigen, 
welche  sich  zu  dieser  Richtung  noch  heute  bekennen,  die  äussere 
Form,  hauptsächlich  die  Bildung  des  Rostrum  com e um,  der 
Füsse  und  die  P'ärbung,  als  Eintheilungsprincip  erwählten,  sind 
auch  einige  Versuche  gemacht  worden,  der  Aufgabe  mit  Hilfe  der 
Anatomie  nahe  zu  treten. 

Die  erstgenannte  Gruppe  beginnt  mit  Linke  und  gipfelt  in  den 
Systemen  von  K.  Bowdler  Shaepe  und  Salvadoki.   während  zuerst 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Columbiformes.  329 

Garrod  iiiid  Haswell  auf  Grund  der  Anatouiie  ihre  Sjsterae  auf- 
zubauen bestrebt  waren.  In  viel  «Tösserm  ^[aasstabe  führte  Für- 
BRixGER  eine  anatomiselie  Gliederung-  nicht  nur  der  Tauben,  sondern 
der  Vögel  übei'liaupt  durch,  und  diesem  Beispiel  folgte  auch  Gadow, 
In  neuester  Zeit  griff  endlich  Shuffeldt  die  Ordnung  der  Columbae 
wieder  heraus,  indem  er  sie  vom  Standpunkt  des  Osteologen  be- 
trachtete. 

Der  Grund  zur  anatomischen  Behandlung  der  Vögel  wurde 
l)ereits  früher  gelegt  und  zwar  durch  die  vergleichend  anatomischen 
Arbeiten  von  Huxley,  Gegekbaur,  Mivart  und  Clarke  u.  a.  m. 
und  entsprang  in  erster  Linie  aus  der  Tendenz,  die  Vögel  mit  den 
Beptilien  in  Beziehung  zu  bringen.  Erst  nach  und  nach  machte 
sich  das  Bedürfniss  geltend,  einzelne  abgeschlossene  Formengruppen 
für  sich  zu  betrachten,  und  daraus  entstanden  eben  die  Arbeiten 
von  Garrod  und  Haswell,  welche  uns  hier  noch  besonders  inter- 
essiren  weiden,  da  sie  die  Tauben  zum  Gegenstand  haben. 

Kehren  wir  noch  einmal  zur  ersten  und  alt  hergebrachten  Ai-t 
der  Systeme  zurück,  so  dürfen  wir  hier  füglich  diejenigen  bis  auf 
Fürrhinger  und  Gadow  bei  Seite  lassen,  da  sie  bei  den  beiden 
Autoren  eine  genügende  Auseinandersetzung  erfahren.  Hier  handelt 
es  sich  noch  um  die  neueste  Arbeit:  das  System,  das  Salvadori 
dem  Kataloge  des  Britischen  Museums  (Tauben)  zu  Grunde  gelegt  hat 
und  das  im  Wesentlichen  an  das  System  Sharpe's  anschliesst. 

SALVADORfs  System  hat  durch  den  Ort  der  Publicatiou  wohl 
die  rascheste  und  grösste  Verbreitung  erfahren;  verfolgen  wir  auf- 
merksam die  jeweiligen  typischen  Merkmale,  so  sehen  wir  zunächst, 
dass  nothgedrungener  Weise  die  Osteologie  zur  Trennung  der  Ord- 
nung in  die  Columbae  und  Didi  beigezogen  werden  muss,  also  ein 
streng  anatomisches  Merkmal,  gegen  welches  nichts  einzuwenden 
bleibt. 

Die  Unterordnung  der  Columhae  wird  ferner  in  5  Familien  ge- 
schieden, und  zwar  werden  auf  Grund  des  Nasenloches  von  Anfang 
an  die  Didiincnlidac  bei  Seite  geschoben  und  den  übrigen  Familien 
gegenüber  gestellt. 

Von  diesen  fallen  zunächst  die  Goundac  durch  Besitz  des 
Schopfes  weg,  dann  werden  die  Fensferidac  auf  Grund  des  längern 
Metatarsus  ausgefällt,  und  endlich  bleiben  noch  die  Tnromdac  A'on 
den  Colxndjiddc  zu  scheiden,  was  mittels  dei-  ausgebreiteten  oder 
schmalen  Zehensohle  geschieht. 

Die   einzelnen  Familien   werden   nun   in   mehrere  Unterfamilien 

22* 


330  Eldolf  Martin. 

aufgetheilt,  und  zwar  geschieht  dies  in  verschiedenen  Familien  auf 
verschiedene  Weise. 

Die  Treronidae  lassen  nach  dem  Schnabelprofil  (dessen 
Verschiedenheiten  aber  auf  tief  g-reifende  osteologische  Diiferenzen 
zurückzuführen  sind)  die  3  Unterfamilien  der  Treroninae,  PiUopodinae 
und  Carpoiihaginae  unterscheiden,  deren  Gattungen  und  Arten  durch 
die  Färbung  charakterisirt  werden. 

Anders  die  Columhidae.  bei  denen  die  relative  Schwanzlänge 
als  geeignet  erachtet  wird,  die  Unterfamilien  zu  charakterisiren, 
resp.  die  Colnmhhme  den  Ilacropijgiinne  und  Ectopistinae  gegenüber 
zu  stellen.  Diebeiden  letztern  werden  durch  die  Schwanzbreite 
unterschieden.  Für  die  Gattungen  kommen  dann  in  Betracht  die 
Befiederung  des  Laufes,  die  relative  Länge  der  ersten  Hand- 
schwinge, die  Stärke  des  Schnabels  {Macropijgiinae)  sowie  die  Gestalt 
des  hintern  Schwanzendes  und  das  Vorhandensein  oder  Fehlen  eines 
Schopfes  {Macropijgiinae). 

Die  Peristeridae  werüen  von  Anfang  an  bloss  durch  die  Grund - 
färbung  charakterisirt  und  so  in  6  Unterfamilien  getheilt,  von 
denen  die  der  Geotrijgoninae  die  umfassendste  ist.  Die  Gattungen 
und  Arten  werden  dann  an  der  Färbungsvariation  erkannt. 

Für  die  Arten  von  Goura  ist  die  Beschaffenheit  des 
Schopfes  und  die  Farbe  charakteristisch. 

Es  lässt  sich  nicht  leugnen,  dass  Salvadobi  durch  diese  Wahl 
der  Merkmale  und  deren  Combination  dem  Ornithologen  einen  guten 
Dienst  geleistet  hat.  Die  Schärfe  der  Diagnosen,  die  in  dieser  Be- 
ziehung sich  vorth eilhaft  von  denen  z.  B.  von  J.  V  Carus  unter- 
scheiden, macht  das  Werk  zu  einem  vorzüglichen  Bestimmungsbuch. 
Auch  waren  ja  Salvadori  die  Hände  gewissermaassen  zum  vorn 
herein  gebunden,  da  er  die  Balgsammlung  des  Britischen  Museum 
zu  rein  museologischen  Zwecken  zu  bearbeiten  hatte,  also  der  Innern 
Anatomie  keine  Aufmerksamkeit  zuwenden  konnte. 

Immerhin  muss  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  wie  un- 
gleich die  gleichen  Merkmale  in  verschiedenen  Abtheilungen  ver- 
wendet werden,  dass  wohl  dem  einen  oder  andern  ein  zu  hoher 
Werth  beigemessen  wird  und  so  zu  tiefe  Einschnitte  in  die  Familien- 
verbände entstehen.  Auch  darf  man  nicht  darüber  hinweggehen, 
dass  die  Grenzen  oft  keine  natürlichen  sind,  sondern  heterogene 
Formen  in  sich  aufnehmen  müssen,  während  verwandte  Formen  in 
andere    Verbände    gesteckt    werden.      So    spielen    die    Perisferidac, 


Die  ver<;leiclieiule  Osteologie  der  Colniiibifonnes.  331 

speciell  die  Geotrijf/oninac,  die  Rolle  des  Keliiiclitkoi'bes.  in  dem 
alles,  was  sonst  nirgends  passen  wollte,  vereinigt  zu  finden  ist. 

Soweit  ist  man  mit  blosser  Zuhilfenahme  der  äussern  ^ferkmale 
g-elangt,  und  es  wirft  sich  ohne  weiteres  die  Frage  auf,  ob  auf  dem 
Wege  der  Anatomie  der  Erfolg-  ein  grösserer  oder  kleinerer  war. 

Die  Antwort  muss  entschieden  zu  Ungunsten  der  Anatomie  aus- 
fallen, doch  ist  das  ungünstige  Besultat  nicht  der  Anatomie,  sondern 
denen,  die  sie  gehandhabt  haben,  zuzuschreiben,  Gakkod,  Haswell 
und  Shuffeldt. 

Die  umfassendem  Arbeiten  von  Fühekingei;  und  Gadow  fühle 
ich  mich  nicht  berufen  zu  kritisiren,  zumal  sie  nicht  besonders  auf 
die  Columbiformes  eintreten.  Beide  Autoi-en  halten  ihr  Urteil  zurück 
und  stellen  die  Lösung  der  Aufgabe  einer  Taubensystematik  der 
Anatomie  der  Zukunft  anheim.  Sie  begnügen  sich,  bloss  ihren  Ver- 
muthungen  Ausdruck  zu  geben,  und  somit  wenden  wir  uns  also 
direct  den  drei  Forschern  zu,  welche  die  Tauben  speciell  zum  Gegen- 
stand ihrer  Untersuchungen  gemacht  haben. 

Der  erste  von  ihnen,  Garrod,  hat  die  Frage  am  eingehendsten 
in  Angriff  genommen,  doch  sind  auch  seine  Versuche  zu  wenig 
durchgreifend  und  die  Merkmale  nur  einem  oder  wenigen  Organen 
entnommen.^)  So  gelangte  Gakeod  dazu.  Convergenzen  mit 
genetischen  Charakteren  zu  verwechseln.  Wenn  er  z.  B.  auf  Grund 
der  Abwesenheit  des  Musculus  ambiens  Phlogoenas,  Starnoenas, 
Geopelia,  Ptüopns,  Treron  und  Goura  in  eine  Stammreihe  anordnet, 
so  ist  auf  den  ersten  Blick  ersichtlich,  dass  wir  es  hier  mit  einer 
Versammlung  von  weit  von  einander  abgelegenen  Formen  zu  thun 
haben.  Geopelia,  welche  osteologisch  unbedingt  den  Peristeridae  an- 
gehört, kann,  was  die  Weichtheile  betrifft,  eben  so  gut  durch  Ver- 
lust des  Ambiens  von  hier  aus  abgeleitet  Averden.  Wenn  auch 
PhJogoenas  und  Starnoenas  Caeca  besitzen,  so  steht  ihre  Beziehung 
zu  den  Peristeriden  doch  ausser  aller  Frage,  denn  dass  die  eine  oder 
andere  Form  alterthümliche  ^\'erkzeuge,  obwohl  schon  lange  ausser 
Function  gesetzt,  bewahren  kann,  ist  eine  häufige  Erscheinung  (so 
machte  mich  z.  B.  Herr  Dr.  Hans  Gadow  auf  ein  Rudiment  der 
Innenzehe  beim  Straussen  aufmerksam,  das  sich  seit  der  Tertiärzeit 
\Siruthio  asiaticus]  bis  zum  heutigen  Tage  unverändert  erhalten  hat. 
Herr  Dr.  Gadow  gedenkt  daiübei'  noch  eingehend  zu  berichten). 


1)  Muse.  Ambiens,   (.'aeca,   Carotiden,   Glandula   uropygialis,   Rectrices. 


332  RcDOLF  Martin, 

Eudlicli  scheint  mir  Gaekod  weit  neben  das  Ziel  geschossen 
zu  haben,  wenn  er  die  Verlängerung  des  Darmes  bei  Didnnculus 
auf  den  Uebergang  zur  Fisch-  und  Molluskennahrung  zurückführt, 
also  auf  den  Uebergang  von  Fruchtnahrung  auf  Fleischnahrung! 
Wem  ist  aber  nicht  bekannt,  dass  carnivore  Thiere  sich  gerade  durch 
eine  Verkürzung  des  Darmes  auszeichnen?  Im  Uebrigen  kann  ich 
Gaeeod  diese  Behauptung  auch  positiv  widerlegen ,  indem  ich  im 
Kröpfe  von  Diduncnlns  stets  Früchte  vom  Umfang  sehr  grosser 
Erbsen  (eher  noch  grösser)  und  von  auffallender  Härte  fand. 

Noch  weniger  glücklich  sind  die  Versuche  Haswell's  und  zwar 
hauptsächlich  darum,  weil  er  Eigenthümlichkeiten,  welche  einer  ein- 
zigen Form  entnommen  waren ,  gleich  auf  die  ganze  Familie 
übertrug. 

Die  neueste  rein  osteologische  Beschreibung  der  Tauben,  die, 
wenigstens  nach  dem  anmaassenden  Titel  zu  schliessen,  die  ganze 
Ordnung  zu  behandeln  vorgiebt,  befasst  sich  mit  Pterodes,  einigen 
nordamerikanischen  Tauben  und  etwas  mit  DkhmcHlus ,  während 
man  von  der  Existenz  anderer  Formen  etwa  durch  einen  Namen  in 
Kenntniss  gesetzt  wird.     Sie  hat  Shuffeldt  zum  Verfasser. 

Wie  angedeutet,  erreicht  sie  das  ihr  gesteckte  Ziel  nicht; 
offenbar  hat  dem  Verfasser  das  nöthige  Material  gefehlt,  respective 
die  Fragestellung  ist  dem  vorliegenden  Materiale  nicht  angepasst 
worden.  Das  SHARPE-SATiVADoin'sche  System,  das  Shuefeldt  zum 
Schlüsse  seiner  Abhandlung  anfügt,  erfährt  durch  die  vorhergehen- 
den Darlegungen  weder  eine  bessere  Begründung,  noch  geräth  es 
ins  Schwanken.  Auch  der  Behauptung.  Bidunculns  stehe  der  Gattung 
Columha  so  nahe  wie  irgend  einer  andern  Taube,  fehlt  ein  genügen- 
der Beweis.  Unsere  Kenntniss  der  Anatomie,  vor  allem  der  natür- 
lichen Systematik  der  Tauben,  wird  also  durch  Shuffeldt  nur 
wenig  gefördert. 

Man  ist  somit  weder  auf  die  eine  noch  die  andere  Art  den  an 
uns  gestellten  Anforderungen  gerecht  geworden.  Man  wird  eben 
auch  hier  trachten  müssen,  den  von  Fürbringer  gebahnten  Weg 
einzuschlagen,  d.  h.  Summen  von  Merkmalen  gegen  einander  ab- 
zuwägen. 

Ferner  muss  das  Fundament  eines  möglichst  natürlichen  Systems 
auf  der  richtigen  Werthschätzung  der  einzelnen  Eigenthümlichkeiten 
aufgebaut  werden.    Gaddw  ^)  hat  bereits  versucht,  diese  nach  ihrem 


1)  In:  Bronn,   Class.   Ordn.   etc.,   Theil   2. 


Die  vergleichende  Osteoloi^ie  der  Coluinbifonues.  333 

sj'Stematisclien    Wertlie    tabellariscli    zusammenzustellen;    ich   kann 
den  Bemerkungen  nur  beipflichten  und  füge  noch  Folgendes  zu. 

Wir  haben  im  Laufe  des  speciellen  l'heiles  gesehen,  dass  einer- 
seits die  individuelle  Variation  ^)  äusserst  weit  ausgreift,  dass  aber 
andrerseits  einzelne  Skeletelemente  oder  Theile  von  solchen  eine 
grosse  Constanz  aufweisen  und  sich  nicht  oder  nur  wenig  modificirt 
durch  ganze  Formengrup}»en  erhalten.  Die  Zahl  dieser  starren  Ge- 
bilde ist  allerdings  gering,  dennoch  bin  i(h  der  Ansicht,  dass  man, 
im  Hinblick  auf  die  Variabilität  der  übrigen  Skelettheile,  auf  jene 
abstellen  darf  und  ihnen  einen  hohen  taxonomischen  Werth  bei- 
zulegen hat.  Sie  geben  uns  ein  Mittel,  die  Familienverbände  zu 
umgrenzen. 

Die  m  3'  0 1 0  g  i  s  c  h  e  n  E  i  g  e  n  t  h  ü  m  1  i  c  h  k  e  i  t  e  n  führen  uns 
in  den  einzelnen  Familien  noch  weiter  und  gestatten  uns  oft  die 
fortgeschrittenern  Kiemente  auszuscheiden.  Es  kann  sich  dabei 
natürlich  nicht  um  die  Vergleichung  der  ]\[usk einlassen  handeln,  da 
dies  im  vorliegenden  Falle  ein  Unding  ist,  sondern  bloss  um  einige 
der  stärker  variirenden  Muskeln,  also  Ambiens  und  Latissimus 
dorsi  posterior.  Dass  die  Hautmuskeln  ebenfalls  von  Bedeutung 
sind,  möchte  ich  hier  als  Vermuthung  aussprechen;  leider  war  ich 
nicht  in  der  Lage,  sie  zu  untersuchen,  da  mein  Material  zum  grössten 
Theil  hierfür  zu  ungenügend  conservirt  war. 

Die  Nervenge  flechte  von  Arm  und  Bein,  welche  eingehend 
studirt  wurden,  sind  zu  veränderlich  einerseits  (nämlich  in  der 
Speciesj,  zu  constant  andrerseits  (in  der  Ordnung),  um  taxonomisch 
ins  Gewicht  zu  fallen. 

Der  Darm  endlich  ist  von  Aufenthaltsort  und  Ernährung  zu 
abhängig,  um  eine  allzu  grosse  systematische  Bedeutung  zu  besitzen. 
Dagegen  mag  er  für  die  Gattung  und  die  Art  seine  Dienste  leisten 
und  so  mit  den  Merkmalen  der  äussern  Form  und  P^ärbung  zu- 
sammen genommen  zur  letzten  Aufspaltung  der  genetischen  Ein- 
heiten in  Anwendung  kommen. 


1)  Es  scheint ,  dass  die  individuelle  Variation  in  den  zwei  Unter- 
ordnungen der  Tauben  aus  verschiedenen  (Quellen  entspringt :  bei  den 
('(ilionhiir  aus  der  Indifferenz  ihrer  Organisation,  bei  den  Diili  gleichsam 
daraus,  dass  die  Formen,  dank  ihrer  hohen  Specialisirung,  ihre  volle  Ver- 
erbungskraft erschöpft  haben  und  somit  der  Zufall  ein  freies  Spiel  be- 
kommt. 


334  Rudolf  Martin, 

Nachdem  wir  uns  noch  über  diese  einzelnen  Punkte  Rechen- 
schaft gegeben  haben,  dürfen  wir  einen  Versuch,  die  stammesge- 
schichtlichen  Daten  in  Zusammenhang  zu  bringen,  wagen. 

Systematik. 

Durch  die  Anwendung  dieser  Mittel,  nämlich  der  Anatomie, 
vorzüglich  der  Osteologie,  sowie  der  äussern  Eigenthümlichkeiten, 
werden  innerhalb  der  Ordnung  der  Columbiformes  verschiedene 
wesentliche  Verschiebungen  gegenüber  frühern  Systemen  nöthig, 
welche  in  der  Folge  zur  Besprechung  kommen  sollen. 

Seitdem  die  Zugehörigkeit  der  madagassischen  Riesenformen 
zu  den  Tauben  erkannt  worden  ist,  hat  man  sie  diesen  in  einer 
Unterordnung,  Didi,  gegenübergestellt,  während  man  die  übrigen 
Tauben  in  der  Unterordnung  der  Columll)ae  vereinigte. 

Diese  Trennung  muss  auch  heute  noch  mit  Vorbehalt  beibehalten 
werden,  mit  Vorbehalt  nicht  darum,  weil  die  Ausscheidung  nicht 
berechtigt  wäre,  sondern  weil  sie  vielleicht  nicht  genügend  ist. 

Wenn  man  nämlich  JDidus  und  Pezophaps  genau  vergleicht,  so 
häufen  sich  die  Differenzen  derart,  dass  man  sich  fragt,  ob  es  nicht 
am  Platze  wäre,  die  Familie  der  Bididae  weiter  zu  spalten,  eventuell 
sogar  die  Unterordnung  zu  lösen.  Rudolf  Bürckhardt  ^)  ist  auf 
deductivem  Wege  dazu  gelangt,  eine  diesbezügliche  Vermuthung 
auszusprechen,  ohne  auf  die  anatomische  Begründung  der  Frage  ein- 
zutreten. 

Die  Ihiterschiede  im  Schädel  möchte  ich  nicht  zu  hoch  an- 
schlagen, obwohl  die  Umwandlung  desselben  bei  den  beiden  in  ganz 
verschiedener  Weise  geschieht.  Die  Schnabelform  bietet  keinen 
Anhaltspunkt,  ebenso  wenig  die  Schädelbasis  (s.  spec.  Theil.  S.  214  f., 
183,  auch  S.  201). 

Die  Wirbelsäule  ist  bei  Didus  gedrungener  als  bei  Pczophaps, 
die  Rippenzahl  grösser.  Bei  Pczophaps  zählt  die  Halswirbelsäule 
(indem  ich  die  echten  Cervical-  und  Cervico-thoraxwirbel  zusammen- 
fasse) regelmässig  15  Elemente  (wovon  das  15.  mit  dem  1(1  und  17. 
verschmolzen),  während  JDidus  in  der  Hälfte  der  Fälle  bloss  14 
zählt,  dafür  5  echte  Ri})penpaare. 

Dazu  kommen  die  Differenzen  in  der  Scapula  und  hauptsächlich 
im  Coracoid,  wobei  besonders  das  Fehlen  des  Processus  1  a  t  e  r  a  - 


1)    Problem    d.    antarkt.    Schöpfungscentren    etc.,    in :    Zool.    Jahrb., 
V.   15,  Syst.,   1902. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Oolunibiformes.  335 

lis  cor.  ins  Gewicht  fällt,  der  jxi  bei  älmliclier  Stellung-  der  Knochen 
bei  Bidus  wohl  ausgebildet  ist.  Ferner  sind  die  Unterschiede  im 
Sternum  nicht  zu  übergehen,  noch  weniger  die  im  Becken,  auf 
welche  ja  schon  im  speciellen  Theil  aufmerksam  gemacht  worden  ist 
(s.  spec.  Theil  S.  241  und  S.  280  ff.). 

Endlich  noch  die  bedeutendere  Höhe  der  Hinterextremität  bei 
Pezophops  bei  ähnlicher  Lebensweise  wie  Bidus  und  die  verschiedenen 
Verhältnisse  innerhalb  der  Zonen  der  Extremität  sind  Ei-scheinungeu, 
denen  in  der  Regel  zu  wenig  Gewicht  beigelegt  wird. 

Auch  verdient  hier  die  Differenz  der  (Teschlechter  bei  Pe,~ophaps 
erwähnt  zu  werden,  die  bei  Bidus  nicht  oder  Jedenfalls  nicht  in 
dem  Maasse  beobachtet  worden  ist. 

Mögen  nun  auch  einige  dieser  Unterschiede  auf  secundären 
^'orgängen  beruhen,  so  existiren  andere,  denen  jedenfalls  ein  höherer 
A\'erth  beizumessen  ist  (Schlankheit  des  ganzen  Skelets  von  Pesophaps 
Coracoid,  Sternum  und  Becken),  so  dass  ich  geneigt  bin,  anzunehmen, 
die  beiden  Formen  haben  schon  von  frühe  an  ihre  be- 
sondere Entwicklung  du i' c h g e m a c h t ,  oder,  was  n o c h 
wahrscheinlicher  ist,  sie  seien  niemals  einig  gegangen, 
sondern  ihre  bedeutende  Körpergrösse  sei  eine  Con- 
V  e  r  g  e  n  z  e  r  s  c  h  e  i  n  u  n  g.' 

Man  hat  ja  in  neuerer  Zeit  zur  Genüge  die  Erfahrung  ge- 
macht, dass  die  Riesenvögel  eine  sehr  heterogene  Gesellschaft  dar- 
stellen, und  es  ist  desshalb  in  dieser  Beziehung  höchste  Vorsicht 
angezeigt  (vgl.  Füebringee,  Morph,  etc.,  V.  2). 

Natürlich  kann  es  sich  bloss  um  Vermuthungen  handeln,  und 
absolut  sichere  Beweise  sind  ausgeschlossen.  Immerhin  möchte  ich 
die  beiden  Formen  in  2  Familien  aus  einander  ziehen:  Dididae 
und  Pezophabidae. 

Den  IHdi  gegenüber  stehen  die  Colunibae,  welche  sich  durch- 
weg schon  durch  ihre  geringere  Körpergrösse  von  jenen  abheben. 

Es  kann  sich  hier  nicht  darum  handeln,  die  Gliederung  de^* 
reich  verzweigten  Stammes  bis  in  die  Spitzen  der  letzten  Aeste  und 
Aestchen  zu  verfolgen,  da  einerseits  —  nämlich  bezüglich  der  äussern 
Merkmale  —  der  SALVADOKi'sche  Katalog  befragt  werden  kann, 
andrerseits  aber  das  erforderliche  Material  zur  anatomischen  Unter- 
suchung überhaupt  fehlt  und  in  seinem  vollen  Umfange  auch  nirgends 
aufzutreiben  ist.  In  den  folgenden  Zeilen  sollen  nur  die  Familien 
und  deren  nächste  Gliederung  zur  Besprechung  gelangen. 


2. 

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4.   Familie: 

Gouridae 

5.  Familie: 

Didunciilidae. 

336  Rudolf  Maktin, 

Salvauoki  und  Sharpe  unterscheiden  bekanntlich: 

1.  Familie:    Trcroiiidac 

1.  Unterfaniilie  :    Treroiiiiinc 

2.  „  PtilojiDtlinitr 

3.  „  Carji'ijihfif/i  iiac 

2.  Familie:    Colinvhidac 

1.  Unterfamilie:    ('uluiubinar 

2.  „  Macropygiinna 

3.  „  Ecfopistiiiar 

3.  Familie :    Pcrisferidar. 

1.  TJnterfamilie  :    Zciiaidiiido 
Turtiiriiiae 
(icü})(diinac 
Pcristcr'uiac 
PJiohinar 
Geofnjr/oniiiar 
Chloenadiiiae 


Sehen  wir  nun  zunächst  nach,  wie  sich  das  Skelet,  als  ein 
central  gelegenes  Organ,  zu  dieser  Eintheilung  verhält. 

Indem  ich  auf  den  speciellen  Theil  verweise,  mache  ich  noch 
einmal  darauf  aufmerksam,  dass  nach  Schädelbau,  den  Eigenthüm- 
lichkeiten  im  Schultergürtel  und  im  Becken  die  nachfolgenden  Haupt- 
gruppen zu  unterscheiden  sind,  denen  wir  Familien-  oder  Unter- 
familienrang einzuräumen  geneigt  sind.  Als  weitere  Belege  seien 
ferner  noch  die  der  Anatomie  der  Weichtheile  entnommenen  Daten 
beigefügt. 

Eine  erste  Familie  belegen  wir  mit  dem  Namen  Columbidac  und 
fassen  sie  gleich  wie  Salvadori  und  Sharpe,  nur  dass  wir  die 
I^nterfamilien  wollen  fallen  lassen,  indem  Macropygia  und  Edopistcs 
als  blosse  Genera  der  Gattung  Columba  gegenüber  stehen.  Ferner 
geschieht  ein  Zuwachs  von  anderer  Seite. 

Die  Familie  ist  charakterisirt  durch  die  Schnabelform,  die 
mittelgrosse  Fossa  temporalis,  eine  schlanke  Spina  sterni 
interna,  regelmässig  ovalen  Brustbeinumriss;  das  Brustbein  greift 
weit  unter  das  Becken  nach  hinten.  P'erner  ist  der  breite  und 
wenig  markante  An  titroch  anter  charakteristisch.  In  der  Regel 
trägt  der  8.  Sacralwirbel  Costalfortsätze ;  oft  vollzieht  sich  aber  eine 
Rückwärtsverschiebuns:  des  Beckens,   und  dann  trägt  der  8.  Sacral- 


Die  vergleicheiHie  Osteologie  der  Columbit'ornies.  337 

Wirbel  schwache  oder  nnpaarifje  Costalfortsätze  und  der  9.  starke, 
oder  endlich  der  9.  trägt  allein  solche.  Die  Gelenktiäche  füi-  den 
Antitrochanter  am  ('oll um  femoris  ist  vom  peristeriden  Tj'pus. 
Der  Metatarsus  ist  kurz  und  breit. 

Der  Muse,  latissimus  dorsi  i)()sterior  fehlt,  der  ]\1. 
ambiens  ist  vorhanden.  Beide  Merkmale  haben  die  Columbiden 
mit  den  meisten  Perisieridae  gemein.  Die  iibrig-en  Oberschenkel- 
muskeln geben  keine  weitern  Anhaltspunkte. 

Das  Vorhandensein  der  Caeca  (nach  Gakhod)  isoliert  die 
Gruppe  von  den  Treroniucte.  Carpophug'nme,  Pfilopadinac,  Gonridac. 
Didiincidits  und  den  Pcristeridae  mit  Ausnahme  der  Gattungen 
Pklogoenas,  Stanioenas  und  Turtur. 

Die  Nervenplexus  und  Blutgefässe  sind  nicht  besonders 
charakteristisch. 

Die  Gattung  Macropyr/ia  umfasst  kleinere  Formen  des  austro- 
malayischen  Archipels,  der  Papua-Inseln.  Australiens  und  Poly- 
nesiens (Salomon-Inseln). 

Osteologisch  ist  die  Gattung  nicht  von  Cohimha  zu  trennen, 
ebenso  wenig  auf  Grund  der  Myologie,  so  dass  ich  mich  vollkommen 
berechtigt  erachte,  den  Rang  einer  für  sie  errichteten  Unterfamilie 
fallen  zu  lassen. 

Der  Beckenumriss  ist  schlanker  und  mehr  rautenförmig  als  bei 
Columha  und  Edopistcs.  die  hintere  Extremität  kürzer,  sowie  sich 
auch  einige  kleine  Längenditferenzen  im  Brustgürtel  und  der  vordem 
Extremität  ergeben  (Sternum  relativ  kürzer,  ebenso  der  Flügel). 
Dazu  kommen  noch  die  Unterschiede  im  Federkleide,  auf  die  ich 
nicht  näher  einzutreten  habe,  so  dass  die  Gattung  von  ('ohonba  und 
Edopistes  wohl  unterschieden  ist  und  dennoch  in  den  constantern 
Skeletpartien  und  anatomischen  Eigenthümlichkeiten  eng  hier  an- 
schliesst. 

Im  Gegensatze  zu  Macropygia  steht  Ectopistes,  der  im  ganzen 
Bau  die  schlankste  Form  in  der  Familie  darstellt.  Nicht  nui-  die 
Extremitäten,  vor  Allem  die  Hand  und  der  Unterschenkel,  sind 
gegenüber  den  übrigen  Columbiden  gestreckt,  sondern  auch,  obwohl 
in  geringerm  Maasse.  der  Schnabel,  während  das  Becken  seine 
Plumpheit  beibehält  und  sich  im  UnirLss  vollständig  der  Gattung  CV)7?o»i« 
anschliesst.  Die  weite  continentale  Verbreitung  stellt  wohl  hohe 
Anforderungen  an  das  J^'lugverm()gen,  woraus  die  Streckung  der 
Hand  erklärt  wird.  Die  Schlankheit  des  I\üri)ers  geht  Hand  in  Hand 
mit  der  Schlankheit  des  Schwanzes. 


338  Rudolf  Martin. 

Sind  also  die  beiden  alten  Unterfamilien  daliingefallen,  so  ist 
eine  andere  Form  der  Familie  beizugesellen  und  ihrer  starken  Ab- 
weichung- wegen  in  einer  besondern  Unterfamilie  unterzubringen. 
Die  alte  Unterfamilie  der  Colunihimw  wäre  also  erweitert  und  den 
Caloenadinae  mit  den  beiden  bekannten  Arten  gegenüber  gestellt. 

Diese  nämlich  weichen  osteologisch  bedeutend  von  den  Peristcridac 
ab  und  nähern  sich  den  Columbidac  (Schädelbau.  P^ossa  temporalis, 
Brustbein).  Das  Becken  und  besonders  der  Antitrochanter  haben 
eine  kleine  Umgestaltung  erfahren,  indem  sie  der  höhern  Bean- 
spruchung angepasst  worden  sind.  Das  Becken  ist  schlanker  und 
der  Antitrochanter  breit  (und  tritt  deshalb  zu  den  Peristeridac  in 
scharfen  (Gegensatz),  doch  bedeutend  markanter  geworden,  wie  über- 
haupt die  Modellirung  des  Beckens  eine  schärfere  ist.  Die  hintere 
Extremität  ist  etwas  gestreckt  worden,  während  die  Hand  einer 
Verkürzung  an  heim  gefallen  ist. 

Die  hintere  Portion  des  Latissimus  dorsi  fehlt  ebenfalls, 
wie  auch  der  Ambiens  vorhanden  ist. 

Dies  Alles  zusammen  genommen  mit  den  äussern  Merkmalen 
giebt  beträchtliche  Diiferenzen,  welche  den  Subfamilienrang  jeden- 
falls rechtfertigen. 

Die  Caloenadinae  haben  schon  einen  beträchtlichen  Grad  der 
Selbständigkeit  erreicht  und  sind  wohl  seit  längerer  Zeit  eine  be- 
sondere EntT\icklungsbahn,  die  zum  Ratiten  führen  müsste.  ge- 
schritten. 

Wir  dürfen  uns  aber  nicht  verhehlen,  dass  gewisse  Dinge  am 
Skelet  von  CkUoenas,  vor  Allem  die  Schnabelstellung,  auch  Anklänge 
an  Carpophaga  zeigen. 

Die  zweite  Familie,  die  Peristeridae,  umfasst  ebenfalls  zum 
grössten  Teil  die  Formen,  welche  Salvadori  dazu  rechnet,  mit  Aus- 
schluss der  Caloenadinae  und  Oiklipliaps.  Andrerseits  ist  es  wohl 
möglich,  wenn  nicht  ersichtlich,  dass  eine  andere  reichere  (^ruppe 
als  Unterfamilie  dazu  geschlagen  werden  muss,  nämlich  die  Ptilo- 
podinae. 

Die  Formen,  die  Salvadori  als  Peristeridae  zusammenfässt  (nach 
Ausschluss  der  Caloenadinae  und  Ofidiphaps,  was  von  jetzt  an  selbst- 
verständlich ist),  sind  ausgezeichnet  durch  den  schlanken  Schnabel 
(die  Phahinae  weichen  ab,  indem  das  Rostrum  hier  kräftig,  aber  sehr 
kurz  ist),  die  kleine  Fossa  temporalis,  die  schlanke  Spina 
Stern i   interna,    das   leicht  gebaute   und   in   der  hintern  Hälfte 


Die  verofleichende  Osteologie  der  Columbifornies.  339 

veiiäiigerte  Stern  um,  welches  somit  weit  unter  dem  Becken  nach 
hinten  ausgreift  (weiter  als  bei  Columbiden).  Die  Stellung  der  Ge- 
leukfläche  für  den  Trochanter  der  Scapula  am  Coracoid  ist  stärker 
nach  hinten  gerichtet  als  bei  Columhidae ,  Tnroninae  und  Carpo- 
phcujinae.  Die  Gestalt  des  Beckens  wechselt  ziemlich  stark,  doch  ist 
die  hintere  Hälfte  meist  verkürzt  und  der  vordere  Theil  schlanker 
zulaufend  als  bei  Columhidae.  Der  Antitrochan  ter  ist  durch 
seine  Schlankheit  und  Prominenz  charakteristisch.  Die  vordere  Ex- 
tremität ist  nie  besonders  gestreckt,  zumal  die  Hand  nie  eine  auf- 
fallende Länge  erreicht,  obwohl  bei  einigen  Zwergformen  eine  auf- 
fallende Kürze  (Gcopelia).  Die  hintere  Extremität  dagegen  ist  durch- 
weg relativ  lang  und  sticht  somit  scharf  von  der  der  Columhidae 
und  Treronidae  ab. 

Die  hintere  Portion  des  Latissimus  dorsi  fehlt  in  der  Kegel, 
wird  aber  da  und  dort  angetroifen  (z.  B.  Fhaps  indica);  der  Mus- 
culus am biens  ist  gewöhnlich  vorhanden,  unterliegt  aber  secundär 
hier  und  da  der  Reduction  [Gcopelia.  Fhlogoenas.  Starnoenas).  Wenn 
nmn  die  Formen,  denen  er  fehlt,  betrachtet,  so  sieht  man,  dass  sie 
meist  —  wie  im  specielleu  Theile  zu  zeigen  versucht  worden  ist  — 
secundär  specialisirt  worden  sind,  und  unsere  Folgerungen  werden 
also  hier  durch  die  ^lyologie  bestätigt.  Diese  Formen  aber  auszu- 
scheiden, haben  wir  noch  kein  Pecht. 

Auch  hier  giebt  uns  die  Veigleichung  der  Xervengeflechte  keine 
Fingerzeige. 

Die  weitere  Gliederung  der  Familie  geschieht  in  2  Unter- 
familien, die  Pcristerinae  und  die  Fhahinae. 

Ofidiphaps  scheide  ich  aus  der  Familie  aus  und  bringe  ihn 
anderwärts  unter.  Eine  weitere  Aufspaltung  erlaul)t  die  Anatomie 
nicht. 

Die  Peristerinae  umfassen  die  SALVADOKi-SHARPE'schen  Unter- 
familien 1—4  und  6  und  sind  durch  die  Schnabelform  und  die 
gewölbte  Stirn  ausgezeichnet.  Diese  erhalten  sich  durch  alle 
Formen  sehr  constant,  so  constant  sich  auch  bei  den  Phahinae  der 
plumi)ere  Schnabel  und  die  median  eingesenkte  Stirn  erhalten. 

Sonstige  anatomische  Differenzen  kann  ich  nicht  aufführen, 
denn  ich  hatte  nur  Gelegenheit,  die  Myologie  der  verschiedenen 
Pha)»i-\Yi(iW  zu  Studiren. 

Die  dritte  Familie  vereinigt  Formen,  welche  von  Saiaadori  in 
3  Familien  vertheilt  wurden,  nämlich  die  Carpophaginae.  die  Gouridac 


340  Rl'dolf  Martin, 

und  Otidipliaps.  Wir  fassen  sie  nach  der  umfangreichsten  und  primi- 
tivsten Formengruppe  als  Carpophagidae  zusammen. 

Die  Familie  weicht  von  allen  übrigen  Tauben  durch  die  Stel- 
lung und  Form  des  Schnabels  ab,  die  nicht  bloss  äussere  Er- 
scheinungen sind,  sondern  auf  einer  Ummodelung  der  ganzen  vordem 
Schädelpartie  beruhen.  Die  Fossa  temporalis  ist  äusserst  gross 
und  zeigt  Anklänge  an  die  Treroninae.  Die  gegenseitige  Stellung 
der  Gelenkflächen  für  Humeruskopf  und  Scapula  am  Coracoid 
bildet  einen  sehr  stumpfen  Winkel.  Die  Spina  sterni  interna 
ist  breit,  Das  Brustbein  ist  verschieden,  soweit  ich  es  aus  eigener 
Anschauung  kenne;  ich  werde  gleich  darauf  zurück  zu  kommen 
haben.  Das  Becken  ist  bei  Goura  modificirt,  bei  Carpophaga  aber 
breit,  kräftig  und  der  Antitroch anter  auf  breiter  Basis  sitzend.  Die 
vordere  Extremität  zeigt  bei  Carpophaga  keine  wesentlichen  Modi- 
ticationen,  mit  der  Ausnahme,  dass  die  Hand  etwas  verkürzt  ist. 
Die  hintere  Extremität  wechselt  in  der  Länge  beträchtlich. 

Was  von  myologischen  Eigenthümlichkeiten  den  drei  Formen- 
gruppen gemeinsam  ist,  kann  ich  nicht  beurtheilen.  Aus  der  Lite- 
ratur entnehme  ich,  dass  der  hintere  Kopf  des  Latissimus  dorsi 
bei  Goura  vorhanden  ist,  wie  ich  ihn  auch  bei  Carpophaga  con- 
statiren  konnte.  DerAmbiens  M\\t  Goura.  mc\\i  o^htv  Carpophaga. 
Wie  diese  beiden  Muskeln  bei  Ofid.iphaps  ausgebildet  sind,  konnte 
ich  nicht  in  Erfahrung  bringen. 

Die  Carpophagidae  stellen  die  grössten  heute  lebenden  Tauben- 
formen dar. 

Die  Gliederung  der  Familie  ist  gegeben;  wir  unterscheiden 
3  Unterfamilien :  die  Carpophaginae  (im  SALVADOEi'schen  Sinne),  die 
Gourinae  (=  Gouridae  Salvadoei's)  und  die  Otidiphabinae  (=  Oiidi- 
phahs). 

Die  Carpophaginae  zeichnen  sich  vor  den  beiden  übrigen  Unter- 
familien durch  die  niedrige,  das  hintere  Ende  des  breiten  Sternum 
nicht  erreichende  Carina  sterni,  die  Plumpheit  des  Brust- 
beins (welches  nicht  bis  auf  die  Höhe  des  Antitrochanter  nach 
hinten  greift)  und  des  Beckens  und  die  kurze  hintere  Extre- 
mität aus,  was  alles  mit  den  äussern  Merkmalen  zusammen  den 
Verband  scharf  umgrenzt.  Die  vordere  Extremität  ist  noch  wenig 
different. 

Die  Gourinae  sind  hoch  specialisirte  Carpophaga-Y orm^w,  die,  ab- 
gesehen von  der  Körpergrösse.  noch  durch  das  lange,  schlanke 
Sternum   mit   den   kurzen   und   plumpen   lateralen  Trabekeln,   die 


Die  vergleicheiiile  Osteologie  der  Coluuibifonnes.  341 

hohe  Crista  sterni,  das  lange  und  si-hmale  Becken  mit  den 
stärker  prominenten  An titrochant  ern,  die  kurze  Hand  und  end- 
lich durch  die  relativ  bedeutendere  Höhe  der  Hinterextremität  aus- 
gezeichnet sind.  Entsprechend  der  Körpergrüsse  ist  auch  die 
Sculptur  des  Skelets  eine  schärfere. 

Für  OfidipJiaps  kann  icli  leider  nichts  beifügen,  und  seine  Stellung 
ist  eine  etwas  problematische.  Der  Gi'uiid,  warum  ich  die  Form 
hierher  genommen,  beruht  auf  der  Stellung  und  Form  des  Schnabels, 
den  Schädelmerkmalen  etc.,  so  viel  eben  davon  in  der  nicht  selir 
deutlichen  Photographie  auf  tab.  8  in  A.  B.  Meyer's  Abbildungen 
von  Vogelskeleten  zu  sehen  ist. 

Die  Treronidac  schliessen,  nachdem  wir  auch  die  Ftilopodinae  aus- 
geschaltet haben  und  zwar  auf  Grund  des  schlanken,  an  Pcrisferidae 
erinnernden  Schnabels,  der  kleinen  F o s s a  t  e m !> o r a  1  i s ,  der 
abweichenden  Stellung  der  (relenkflächen  am  Ooracoid,  der  Form 
der  Spina  sterni  interna,  des  kurzen  Xiphosternum  mit 
den  langen  und  schlanken  äussern  Trabekehi  der  geringen  S acral - 
wirbelzahl,  noch  die  einzige  Unterfamilie  der  Treromnae  ein. 

Diese  ist  durch  das  starke  Rostrum,  die  äusserst  grosse 
Fossa  temporalis,  das  schlanke  Brustbein  mit  der  schlanken 
Spina  interna,  in  der  Eegel  nicht  sehr  breites  Becken  (Aus- 
nahme Vinago  calvu)  und  den  ziemlich  prominenten  A  n  t  i  - 
t  r  0  c  h  a  n  t  e  r  ausgezeichnet.  Der  T  r  o  c  h  a  n  t  e  r  f  e  m  o  r  i  s  ist  nicht 
prominent  und  die  hintere  Extremität  kurz,  während  die  vordere 
eine  mittellange  Hand  trägt. 

Der  hintere  Kopf  des  Latissimus  dorsi  ist  wohl  entwickelt, 
dagegen  fehlt  der  Ambiens,  ähnlich  wie  bei  den  Ffilopus- 
Arten  auch. 

Es  ist  schwer,  definitiv  zu  entscheiden,  wo  diese  unterzubringen 
sind.  Das  Skelet  zeigt  viele  Anklänge  an  die  Fcristcridae,  doch 
sind  aucli  solche  an  die  Trerouidae  nicht  ganz  in  Abrede  zu  stellen 
(Troclianter  femoris,  kurze  hintere  Extremität  etc.).  Andere 
Eigenthümlichkeiten ,  wie  das  Vorhandensein  des  Muse,  latissi- 
mus dorsi  posterior  und  das  Fehlen  des  AI  u  s  c.  a  m  b  i  e  n  s , 
weisen  darauf  hin,  dass  sie  jedenfalls  schon  frühe  einer  von  der 
der  Peristcridae  verschiedenen  Entwicklungsbahn  gefolgt  sind.  Die 
auffallend  kurze  Hand  wiedei'um  lässt  darauf  schliessen,  dass  sie  zu 
den    altern    Formen    in    einem   ähnlichen    Verhältnisse    stehen,    wie 


342  IvriHMK   Mautw. 

(Vf>()jiW»<i  zu  liou  übriüvu  PcrisUrührc.  txho  als  sooumiäiv  Zwerüfoniicn 
aufzufassen  wäivu. 

Da  nun  die  Sunuuo  der  mit  den  Pcrisirridae  gemeinen  ^lerk- 
male  grösser  ist  als  diejenige,  welche  zu  den  Ttrnmidor  üherleittM. 
so  bin  ich  g-eneigt.  die  Pfilopodinar  als  aberrante  l  n  t  ei  l  nni  i  1  i  c 
der  Pcristrt'idac  aufzufassen,  thue  dies  aber  mit  grösstor  K'e- 
serve.  ii 

Endlich  die  Düluuculhiael  Diese  stellen  ohne  ZwcMlel  die 
aberrantesie  Gruppe  der  heutigen  Tauben  dar  und  verdienen  des- 
halb zum  mindesten  Familienrang.  Die  Frage,  wo  diese  I'^iniilie  an 
den  Hauptstamm  anzuscliliessen  ist.  dürfte  kaum  mit  Sicherheit  zu 
beantworten  sein.  Alle  osteologischen  Kigenthümlichkeiten  weisen 
auf  eine  eingehende  Specialisirung  hin.  neben  der  sich  aber  auch 
alterthümliche  ^ferkmale  erhalten  haben  (Sa  er  um.  Latissimus 
dorsi  posterior.  Ambiens  etc.l  Jedenfalls  ist  die  Samoataube 
von  allen  Stammverwandten  gut  gesondert,  ja  einzelne  Verhältnisse 
(Z.  B.  Schnabel)  sind  stärker  modihcirt  als  bei  Didiis  oder  Fczophaps. 

Stainmessreschiehte. 

Haben  wir  nun  in  aller  Kürze  die  Tauben  betrachtet,  wie  sie 
uns  iu  der  heutigen  Schöpfung  entgegentreten,  so  dürfte  ihre 
historische  Entwicklung  nicht  ohne  Interesse  sein.  Die  Construction 
eines  Stammbaumes  wird  zwar  immer  sehr  zweifelhaft  sein,  da  uns 
paläontologische  Belege  so  gut  wie  fehlen:  die  wenigen  subfossilen 
Knochen  sind  sämmtlich  geologisch  sehr  jung  und  lassen  sich  in 
recente  Arten  einordnen,  so  dass  sie  also  als  geschichtliche  Urkunden 
nicht  in  Frage  fallen. '  i 

Die  Darstellung  der  stammesgeschichtlichen  Entwicklung  der 
Tauben  bleibt  also  vor  der  Hand  eine  auf  anatomische  Grundlage  auf- 
gebaute Hypothese,  doch  erachte  ich  es  dennoch  als  der  Mühe  wertli. 
einen  derartigen  Versuch  zu  machen,  und  ich  Aerweise  gleich  hier 
auf  das  beigefügte  Schema,  welches  die  Stammesgeschichte  in  über- 
sichtlicher Weise  wiedergiebt. 

Die  Einwände,  welche  gegen  die  einzelnen  Ableitungen  etc.  ge- 
macht werden  können,  sind  bereits  bei  der  Besprechung  der  Syste- 
matik aufgeführt  worden,  und  so  handelt  es  sich  hier  nur  noch  um 
einen  Entwurf  der  Staramessreschichte. 


1)  Die  spärlichen  tertiären  Beste   sind  ebenfalls  nicht  im  Stande  eine 
Antvort  zu   sfeben. 


Die  verg-leicliende  Osteolofrie  der  C'oinrabifornies. 


:UH 


Fig.  V^') 
Mutlmiaasslieher  Starambaura  der  Columbiformes. 


1)  Die    Endigungen    der  Aeste     zeigen    den   Endpunkt  der    bisherigen 
Entwicklung  au   und  nicht  die    Namen. 
Zool.  Jahrb.  XX.    AMli.  1.  Syst. 


28 


344  Rudolf  Martin, 

Die  Columbiformes  stellten  wohl  im  mittlem  Tertiär  noch  eine 
compacte  Formeng-ruppe  dar,  aus  der  sich  dann  gegen  die  Neige 
dieser  Epoche  einzelne  Formen  zu  specialisiren  begannen. 

Der  Grund  dieser  Specialisirung  ist  vermuthlich  in  der  insularen 
Beschränkung  einzelner  Arten  zu  suchen.  Die  Flugfähigkeit  wurde 
überflüssig  und  deshalb  aufgegeben,  während  zugleich  die  Körper- 
grösse  zugenommen  hat.  Solche  Vorgänge  griffen  gleichzeitig  an 
verschiedenen  Orten  Platz  und  führten  zu  den  Riesenformen  Didxs 
und  Pesophaps,  welche  dem  Stamme  wolü  in  der  Nähe  der  treroniden 
Fasern  entsprungen  sind. 

Unterdessen  entwickelte  sich  der  Haui)tstamm  weiter;  spätestens 
im  obern  Pliocän  begannen  sicli  bereits  einige  Differenzen  in  Folge 
der  geographischen  und  klimatischen  Verhältnisse  herauszubilden, 
zu  denen  sich  noch  Unterschiede  in  der  Lebensweise  gesellten. 
Wir  finden  die  erste  Andeutung  der  Spaltung  in  die  heutigen 
Familien. 

In  dieser  Zeit  löste  sich  w^ahrscheinlich  eine  Form  gänzlich  vom 
Stamme  los  und  schlug  eine  ganz  abweichende  Bahn  ein.  '  Fls  ist 
dies  DiduncuJns  sfrigirosfris.  An  welcher  Stelle  dieser  Ast  wurzelt, 
ist  nicht  leicht  zu  entscheiden,  doch  deuten  einige  Merkmale  auf 
den  peristeriden  Zweig  hin.  Jedenfalls  aber  geschah  die  Los- 
lösung, bevor  sich  irgend  eine  Spaltung  im  Hauptstamme  vollzogen 
hatte. 

Die  Specialisirung  von  DiduncuJns  ist  eine  weitgehende  und 
übertrifft  in  einzelnen  Dingen  sogar  Didus  und  Pezophaps  (Schnabel 
und  Schädelbasis).  Fs  ist  schwerlich  zu  erklären,  was  der  Grund 
dieser  Specialisimnig  war;  jedenfalls  ist  er  nicht  ausschliesslich  in 
der  Ernährungs-  und  Lebensweise  zu  suchen,  obwohl  diese  erheb- 
liche Factoren  darstellen  werden. 

In  der  weitern  Entwicklung  geschieht  die  allmähliche  kwi- 
spaltung  der  Ordnung  in  die  einzelnen  Familien  und  Unterfamilien. 
Die  Zeit  dieses  Vorgangs  ist  sicher  noch  weit  ins  Diluvium  zurück- 
zuverlegen  (Zeit  der  Ablagerung  des  Deckenschotters).  ^) 

Es  ist  auch  nicht  mit  voller  Sicherheit  zu  constatiren,  ob 
damals  die  verschiedenen  Zweige  sich  gleichzeitig  von  einander  l()sten 
oder   ob  sich   dies   innerhalb   einer   längern   Spanne   Zeit  vollzogen 


1)  Diese   Zeitangabe    ist    natürlich    eine    bloss    approximative  und   be- 
deutet  die  äusserste  Grenze   des    \"organges. 


Die  verifleirlieiKle  Osteolog-ie  der  Coininliitdinies.  345 

hat.  Letzteres  hat  allerding-s  mehr  ^^'ahl•sch('inlic.hkeit  für  sich,  und 
zudem  sprechen  auch  einige  ^lerkmale  dafür. 

A^'ohl  am  frühsten  lösten  sich  die  Fasein  der  Trerouidae  und 
Pem/enVfee  von  denen  der  ColHmbi(lae-\- Carpohrujiäae  los:  der  Stamm 
spaltet  sich  somit  in  zwei,  von  denen  jener  der  kräftigere  ist.  obwohl 
er  nicht  den  Hauptstamm  darzustellen  scheint. 

Von  ihm  lösen  sich  zunächst  die  Treronidde  los  und  schlagen 
eine  Entwicklungsbahn  ein.  welche  endlich  zu  Didunculns  ähnlichen 
Formen  führen  muss.  In  jüngerer  Zeit  lösen  sich  zwei  grössere 
Aestchen  vom  Zweige  los.  nämlich  die  Untergattungen  Vinwio  und 
SpheuocercHs.  Die  Treronidenformen  haben  bis  jetzt  noch  keine 
bedeutende  Grösse  erreicht;  die  Specialisirung  beanspruchte  also  eine 
relativ  lange  Zeit. 

Treron  am  nächsten  und  die  Verbindung  dieses  Zweiges  mit 
den  Pcristeridae  herstellend,  abei'  inniger  und  bis  in  spätere  Zeit 
mit  diesen  verbunden,  entspringen  die  Ptilopodinae  aus  der  gemein- 
samen Masse  und  durchlaufen  mit  grösserer  Geschwind igkeit  als  die 
Treroniden  ihre  Entwicklungsbahn,  werden  zu  mittelgrossen  und 
wieder  zu  secuudären  Zwergformen,  behalten  aber  im  l/ebrigen  einen 
ziemlich  indifferenten  Charakter. 

Die  Feristeridae  endlich,  welche  den  grössten  Theil  der  Fasern 
des  Nebenstammes  in  sich  aufnehmen,  bleiben  ziemlich  indifferent, 
nehmen  aber  an  Körpergrösse  zu  bis  zu  mittelgrosser  Gestalt,  um 
dann  zum  Theil  wieder  zu  Zwergformen  zu  degeneriren. 

Schon  bald  nachdem  die  Familie  selbständig  geworden  ist, 
schlagen  einige  Formen  Australiens  eine  besondere  Richtung  ein 
und  stellen  in  ihrer  heutigen  Entwicklung  die  Unterfamilie  der 
I*habinac  dar. 

Die  directe  Fortsetzung  des  (4iundstammes  erfährt  ebenfalls 
bald  ein('  Ticiniung  seiner  Fasern  und  zwar  wohl  ebenso  früh,  wie 
die  Treroniden  .selbständig  werden.  Diese  Trennung  isolirt  die 
Familien  der  ('ohimhidtic  und  C<irp()])ha(jid<w. 

Die  Colmnhidiie  entsenden  nahe  ihrem  l'rsiuunge  und  den  Carpo- 
phagiden  zugekehrt  den  CalooKtdiwic-yAveig,  entwickeln  sich  aber  in 
der  Folge  zu  einer  sehr  homogenen  Gi'Uppe.  Einige  Formen  bleiben 
in  der  Entfaltung  der  Kör])eigrösse  zurück,  unter  gleichzeitiger  Aus- 
bildung einiger  weiterer  Differenzen:  die  (lattung  Mmropyijia^ 
während  eine  andere  Form,  ebenfalls  wenig  moditicirt,  zum  selb- 
ständigen  Genus   Edopistes  wird.     Die  Arten   der  Gattung  Colnmba 

23' 


346  EuDOLF   Martin. 

erreichen  zum  Tlieil  bedeutende  Grösse,  zum  Theil  bleiben  sie  an 
der  untern  (irenze  der  mittelgrossen  Formen  stehen. 

Eine  stärkere  Aufspaltung-  erleiden  die  Carpophaffidac.  Die 
Gourinac  zweigen  bald,  nachdem  die  Familie  frei  geworden  ist,  ab 
und  schlagen  eine  besondere  Balm  zur  Riesenform  ein.  Etwas 
später  werden  die  Ofidiphabinae  frei  und  folgen  einer  ähnlichen  Ent- 
wicklungsrichtung-, doch  in  bedeutend  langsamerm  Tempo  als  Goura. 
Die  Carpophaginae  endlich  steigern  nach  und  nach,  theilweise  unter 
insularer  Abschliessung,  ihre  Körpergrösse,  ohne  sonstwie  stärker 
specialisirt  zu  werden. 

Merkwürdig  ist  das  Vorkommen  der  grössten  Carpophaga -Art, 
Carpophaga  ruhricera.  welche  einerseits  die  Duke  of  York-Insel, 
andrerseits  Neuirland,  Neuhannover  und  Neubritannien  bewohnt,  auf 
der  Strecke  zwischen  diesen  Inseln  aber  gänzlich  vermisst  wird,  ob- 
wohl kein  Zweifel  herrschen  kann,  dass  sie  früher  eine  viel  dichtere 
Verbreitung  inne  gehabt  hat.  Ueberhaupt  zeichnen  sich  die  grössern 
Arten  durch  die  Beschränkung  ihrer  Verbreitung  auf  einzelne  Insel- 
gruppen aus;  die  einzige  Species,  welche  sich  einer  weiten  Herr- 
schaft erfi-eut,  ist  Carpophaga  aenca,  eine  Form,  die  wohl  dem  ur- 
sprünglichen Typus  noch  am  nächsten  steht. 

Folgende  während  der  Entwicklung  in  der  Organi- 
sation der  Tauben  Platz  greifende  Vorgänge  sind 
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die  Moditication  des  Schnabels  (welcher  Typus  der  ursprüng- 
liche war,  konnte  nicht  ermittelt  werden),  die  Auftreibung  der 
Stirn,  die  Verkürzung  der  Schädelaxe  (Treronidae),  die  Rück- 
bildung der  Basipterygoidfortsätze.  des  Pterygoid.  die 
Verlängerung  der  Hals  Wirbelsäule  (einerseits  durch  Streckung, 
andrerseits  durch  Vermehrung  der  Wirbel),  die  dadurch  bewirkte 
R  ü  c  k  w  ä  r  t  s  w  a  n  d  e  r  u  n  g  des  Brustbeins,  die  caudale 
Verschiebung  des  Beckens  und  dessen  Verschmälerung.  die 
Erhöhung  oder  Verminderung  iPtüopodinae)  der  Sacral  wirbel- 
zahl, die  Reduction  des  Processus  lateralis  coracoidei, 
der  Crista  sterni  und  der  Hand  nach  vorausgegangener 
Streckung  der  ganzen  Vorderextremität,  die  Erhöhung  des  Anti- 
t r 0 c h  a n  t er  und  des  T r o c h a n t e r  f e m o r i s ,  die  Verlängerung 
der  Hinterext  rem  i  tat,  die  Verschmälerung  des  Metatarsus 
und  endlich  die  Veränderung  der  gegenseitigen  Stellung  der  distalen 
Gelenk  rollen  desselben. 


Die  vergleichende  Osteologie  der  Ciiliniil)itoriiies.  347 

Dazu  kommt  noch  die  Reductioii  des  Musculus  latissimus 
dorsi  posterior  und  des  Musculus  ambiens,  der  Caeca, 
der  Gallenblase  und  der  Bürzel drüse  und  die  Verlängerung 
des  Darmes,  ferner  die  Herausbildung-  der  Grössendi  fferenz 
der  Geschlechter  {Pezophaps]  und  die  Uml)ildung  der  Jungen  zu 
Nesthockern. 


348  Rudolf  Martin, 

Zum   Schliisse  endlich   füg-e   ich   iidch   die    tabellarische    üeber- 

sicht    der    in    den  vorioen    Seiten    entworfenen    und    begründeten 
Systematik  bei: 


Ordnung :  Coluiiibil'oriues 

1.   Unterordnung:   Didi 

1 .  Familie  :   Dididae 

2.  ,,  Pezophabidae 

2.   Unterordnung  :    Coluillbae 

1.  Familie:    (bhfmbidac 

1 .  Unterfamilie  :    Colnnibijiae 

2.  „  Calocnadinae 

2.  Familie :   Pcristeridar 

1.  Unterfamilie:    I 'r rister i nne 

2.  „  Phabinae 

3.  „  Ptilopodinac 

3.  Familie:    Irprouidae 

1.   Unterfamilie:    Trrroninae 

4.  Familie:    ('arpoph(i(/idne 

1 .  Unterfamilie  :    (  Virpophaiiinae 

2.  „  (JourUiac 

3.  „  Otidiphabinae 

5.  Familie :    DidtDifulidnc 

1.   Unterfamilie:.  Dkhinculinae. 


Die  vero'leichende  Osteolouie  der  Colniiilutornies. 


349 


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Die  vergleichende  Osteolugie  der  Culumbiformes.  351 


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352  RuDOi-F  Martin,  Die  verg-leicheude  Osteologie  der  Columbifonnes. 


Erklärung  der  Abl)ildniigeii. 


Tafel    11. 

Fig.    1.      a  Lateralansiclit    des    Schädels    von    Didunndus  strigirustris   juv. 

b  „  der  Mandibel      ,,  „  „  „ 

CS    Crista  sagittalis,    cl    Crista    lambdoides,    c/^    deren    lateraler 

Ast,  (12   deren  medialer  Ast,  fot  Fossa  temporalis,  jix  Proc.  zj'go- 

maticus  squamosi,    pi»    Proc.  postorbitalis,    /.   /'/   Foramen  lacerum 

anterius,  /'.   oJ  For.   olfactorium,  e.  ao  Crista  autorbitalis,   l  Lacry- 

male. 

Fig.   2.      a  Lateralansicht    des   Schädels  von   Didiniculus  strigirostris  adult. 

b  „  der  Mandibel     „  „  ,.  „ 

Fig.   3.      a  Basalansicht        des  Schädels      „  „  „  juv. 

b  „  der  IMandibel     „  „  „  „ 

Fig.   4.      a  „  des  Schädels      „  „  „  adult. 

b  „  der  Mandibel     „  „  „  „ 

Fig.   5.     Dorsalansicht   des  Schädels  von  Diduncidus  sfrigirosiris  juv. 
Fig.   6.     Rechtes  Palatinum  (2:1)  von: 

a  Treron  vernans,    b    Plilojnis  roseicollis,    c   Carjiojdiaga  hicolor, 
d   ('ar/)o/)Iiaga  anim. 

Tafel    12. 

Fig.   7.      Ventralansicht  des  Beckens  von  iJidunculns  sfrigirostris. 

a    präsacrale  Wirbel,    b  sacrale  Wirbel,    c    postsacrale   Wirbel, 
d   Crista  ischio-sacralis,    1,  2,  3,  f,  II  Costalfortsätze,  /'.  /.  a  Fossa 
iliaca  anterior,  /'.  /.  jt  Fossa  iliaca  post.,   /  Antitrochanter. 
Fig.  8.     Dorsalansicht  des  Beckens  von  Dkhinculits  strigirostris. 
Fig.   9.     Lateralansicht   „  „  „  „  „ 

Fig.   10.     Distales  Grelenkende  des  rechten  Metatarsus  von: 

a   Car/>oj)haga    aotea,    b   (lonra    coronatn,    c    Pha/is    chalcojitrra, 
d   Cohortha  liria. 


Lippert  ii  Co.  (G.  Pätz'sche  Buchdr.),  Naumburg  a.  S. 


Nachdruck  verboten . 
I'rt)cr.tctsH)ig.irecht    rorhehullen. 


Ameisen  (Formica   exsecta  Nyl.)   als   Hügelbildner   in 

Sümpfen. 

Von 
>ils   Hol  in  irren. 

(Aus  dem  Zootomischen  Institut  zu  Stockholm.) 

Mit  14  Abbildungen  im  Text. 


Die  vorliegenden  Studien  sind  in  den  Sümpfen  in  der  Umgebung 
von  Aborrträsk  im  Gellivare  Lappmark  ausgeführt.  Sie  bean- 
spruchen nicht,  etwas  Vollständiges  über  den  Gegenstand  zu  bieten, 
sondern  sind  nur  die  Eesultate  einer  ziemlich  flüchtigen  Unter- 
suchung, welche  ich  in  meinen  Mussestunden  vorgenommen  habe. 

Bei  Durchwanderung  der  Sümi)fe  bemerkte  ich  öfters  Gegenden, 
wo  Ameisenhaufen  '  i  in  grosser  ^lenge  vorhanden  waren.  Es  liegen 
diese  (Tegenden  gewöhnlich  an  den  Rändern  der  Sümpfe,  wo  noch 
eine  spärliche  Nadelholzvegetation  vorhanden  ist.  Aber  auch  dort, 
wo  es  keine  andere  Vegetation  als  die  typische  Sumpfvegetation 
giebt,  traf  ich  oft  solche  durch  Ameisenhaufen  charakterisirte 
Gegenden  an.  Am  zahlreichsten  sind  die  Haufen  aber  da.  wo  ein 
Bächlein   den  Sumpf  durchkreuzt.     Ausserhalb   der  ihn   kreuzenden 


1 1  Nach    Bestimmung   von    Herrn    Dr.  Gottfried   Adler,    welcher 

die   fragliche  Ameise  gütigst  bestimmt    hat,  stammen    diese  Amciscnliaufen 
von  Fonnira  exsex-tn  Nyl. 

Zool.  Jalirb.  XX.    .Xbtli.  f  Svst.  -■! 


354 


XlI.S    HüLMGKEX. 


Weide-  (und  Nadelholz izoiie  stehen  die  Ameisenliaufen  ziemlich  dicht 
bei  einander,  so  dass  man  von  einem  Punkte  sogar  bis  40  zählen 
kann.  Die  Fig.  A  ist  nach  einer  Photographie  reprodncirt.  welche 
von  einer  solchen  Gegend  genommen  ist.  Im  offenen  Sumpf  aber 
sind  sie  bei  Weitem  nicht  so  zahlreich. 

Die  Lage  der  Ameisenhaufen  ist.  scheint  es  mir,  bemerkens- 
Averth,  indem  sie  nur  selten  auf  den  Sumpfhügeln  gelegen  sind.  Im 
Allgemeinen  liegen  die  Jüngern  Haufen  an  der  Basis  der  Hügel  des 
Sumpfes,   mit   ihrer   einen  Seite  mehr  oder  weniger  gegen  die  Seite 


Yig.  A. 
Partie  des  Sumpfes  bei  Aborrträsk.  Gellivare. 

des  Hügels  gestützt,  oder  sie  liegen  frei  im  Sumpf.  Sehr  gewöhnlich 
trifft  man  Ameisenhaufen,  welche  zwischen  zwei  Hügeln  gebaut  sind. 
Allgemein  verbreitet  findet  man  Ameisenhaufen,  welche  isolirt  im 
Sumpf  liegen  und  sogar  ringsum  von  Wasser  umgeben  sind. ' )  Die 
altern  Ameisenhaufen  stehen  gewöhnlich  y-anz  isolirt. 


1)  Oft  ist  diese  Thatsache  so  zu  erklären,  dass  die  Erosion  von 
Hügeln,  welche  normal  in  solchen  Sümpfen  wie  den  Lappländischen  vor- 
kommt, hier  die  umliegenden  Sphagnumhügel  zerstört  hat,  während  die 
Ameisenhaufen  von   dieser  Erosion  unberührt  geblieben    sind. 


Ameisen  als  Hügelbildner  in  Sümpfen.  350 

Die  im  Vorigen  geschilderte  Lage  der  jiingein  Aineisenhaufen 
scheint  aus  der  Annahme  erklärlich  zu  sein,  dass  die  Ameisen  nicht 
riskiren.  dass  die  in  Vertiefungen  der  ["mgebung  neu  angebauten 
Haufen  vom  AMnde  Aveggeführt  werden,  was  sie  ja  mit  den  auf  den 
Hügeln  neu  angelegten  zweifelsohne  thun.  Die  Thatsache,  dass  es 
auch  auf  den  Sphagnumhügeln  junge  Ameisenhaufen  giebt,  lehrt  uns 
aber,  dass  die  geschützte  Lage,  welche  die  Ameisenhügel  im  All- 
gemeinen einnehmen,  nicht  ein  Ausdruck  der  Litelligenz  der  genannten 
Ameise  ist,  sondern  nur  darauf  beruht,  dass  der  ^^lnd  die  ungeschützt 
liegenden  verödet  hat. 

Ehe  ich  auf  das  eigentliche  Thema  dieses  Aufsatzes  eingehe, 
will  ich  eine  Beschreibung  der  Theile  des  Sumpfes  bei  Aborrträsk 
geben,  an  welchen  meine  Untersuchungen  grössten  Theils  sich 
knüpfen. 

Im  Norden  wird  der  Sumpf  von  einöm  kleinen  See  Namens 
Aborrträsk  begrenzt.  Seine  östliche  Grenze  wird  vom  Gebirge 
Peltovare.  seine  westliche  vom  Bächlein  Aborrträskbächen  gebildet. 
In  südlicher  Eichtung  erstreckt  sich  der  Sumpf  mit  vielen  Abbruchen 
bis  zum  See  Harrejaur.  Meine  L-ntersuchungen  beziehen  sich  aber 
nur  auf  die  nördlichen  Theile  dieses  Sumpfgebietes  und  zwar  auf 
die  Gegenden  am  östlichen  Ufer  des  kleinen  Bächleins  und  auf  die 
Gegenden  am  Fusse  des  Peltovare. 

An  dem  Ufer  des  Bächleins  besteht  die  Vegetation  aus  (xrau- 
weidegebüschen,  mit  Birke,  Pichte  und  Kiefer  (verkrüppelt)  vermengt. 
Die  Untervegetation  besteht  aus  B  e  t  u  1  a  nana.  E  u  b  u  s  c  h  a  m  a  e  - 
morus,  Eriophornm  vaginatum,  Andromeda  poly- 
ph5'llos,  Vaccinium  m3'rtillus.  verschiedenen  nicht  hügel- 
bildenden Moosarten,  ferner  als  Grundvegetation  aus  Sphagnum- 
Arten.  Die  Breite  des  Gebiets  der  höhern  Vegetation  ist  nicht 
gross,  höchstens  20  m.  Ausserhall)  dieser  Zone,  welche  ich  die 
Weide zone  nenne,  fängt  die  Zone  der  Sphagnumhügel 
(Fig.  A)  an.  Diese  Hügel  bilden  in  Folge  von  Frosionsvorgängen 
kein  zusammenhängendes  Bodenkleid.  Die  Hügel  liegen  nämlich  in 
Eändern  angeordnet,  welche  theils  mit  einander  in  Verbindung 
stehen,  ein  eingesclilossenes  Feld  zwischen  sich  tVei  lassend,  theils 
laufen  sie  im  Sumpfe  blind  endend  aus.  Die  Hügel  sind  als  Hau])t- 
bestandtheil  aus  Sphagn  um -Arten  mit  Betula  nana  gebildet. 
Ausserdem  sind  sie  reichlich  mit  Polytrichum  strictum  (nicht 
in  Beständen),  b'ubus  chamae morus,  Occycoccus  micro- 
carpa,    Vaccinium     myrtillus.     uliginosum     und     vitis 

24* 


356  ^Jl-S    HOLMGKKN. 

idaea,  Andromeda  polyphyllos,  Tofieldia  borealis, 
C  a  r  e  X  c  a  e  s  p  i  t  o  s  a ,  E  r  i  o  p  h  o  r  u  m  v  a.  g  i  n  a  t  u  in ,  K  m  p  e  t  r  u  m , 
Salix  repens  etc.  bekleidet.  Auf  den  Hügelränderii  kommen  auch 
vereinzelte  straucliige  Birken,  verkrüppelte  Fichten  und  Kiefern  vor. 
Die  dritte  Zone  des  Gebiets  wird  von  dem  wahren  Sumpf  (Region 
der  erodirten  S])liagnnm-Hüg'el  [XilsenJj  eingenommen.  Sie  macht 
theils  den  centralen  Theil  des  Sumpfes  aus,  theils  liegt  sie  zwischen 
den  Hügelrändern  und  bildet,  was  man  in  Lappland  mit  „Blötmyr" 
bezeichnet  hat.  Diese  Zone  ist  sehr  feucht,  an  vielen  Stellen  un- 
betretbar.  moorig.  Die  Vegetation  besteht  hauptsächlich  aus  lil  r  i  o  - 
phorum  vaginatum  undalpinum,  Equisetum,  Cornarum, 
Pinguicula.  Pedicularis,  Amblystegien  etc.  In  der  Nähe 
der  Sphagnum-Hügel  dringen  bisweilen  Betula  nana.  Em- 
petrum  und  Rubus  chamaemorus  in  diese  Zone  hinein. 

In  der  W  e  i  d  e  z  o  n  e'  sind  die  Ameisenhaufen  ziemlich  spärlich, 
erreichen  aber,  wenn  vorhanden,  eine  bedeutende  (xrösse  (1  m 
und  darüber).  In  der  Sphagnum-Z  one  sind  die  Ameisenhaufen 
am  zahlreichsten,  werden  jedoch  nie  hoch  (60  cm).  Im 
feuchten  Moor  sind  die  Haufen  wieder  spärlich  und  stehen  meistens 
in  der  Xähe  der  Hügelränder.  Hier  erreichen  sie  keine  bedeutendere 
Grösse  (35—40  cm).  Es  sind  hauptsächlich  die  Ameisenhaufen  der 
zwei  letzten  Zonen,  mit  denen  wir  uns  nun  näher  beschäftigen 
wollen. 

Ich  wäll  nun  eine  Reihe  Ameisenhaufen  beschreiben,  um  danach 
die  Folgerungen  zu  ziehen,  welche  aus  diesen  Beschreibungen  her- 
vorgehen. 

Ameisenhaufen  A.  Neu  angebaut.  Conisch.  Höhe  10  cm. 
Durchschnitt  35  cm.     Ameisen  zahlreich. 

Lage   zwischen   2  S p ha gnum- Hügeln.     Grund  wenig  feucht. 

Baumaterial:  Fichtennadeln,  Blätter  von  Andromeda,  Ledum 
occycoccus,  Vaccinium  myrtillus,  Zweigchen  von  Andromeda,  Betula 
nana,  Vaccinium,  Occycoccus  etc.  Div.  zerschnittene  Pflanzentheile, 
dürre  Moossprösslinge,  Excremente  von  Lämmern  u.  s.  w. 

Vegetation  auf  dem  Haufen  fehlt. 

Vegetation  in  der  Nähe:  Sphagnum- Art en,  Betula 
nana,  Rubus  chamaemorus  etc.,  gewöhnliche  Hügelpflanzen. 

Ameisenhaufen  B  (Fig.  B).  Ein  wenig  älter  als  der  vorige. 
Conisch,  radial  symmetrisch.  Maasse  fehlen.  Ameisen  sehr  zahl- 
reich. 


Ameisen  als  HügelbiMuei'  in  Sümpfen. 


357 


Lage  zwischen  S  p  h  a  g-  ii  u  m  -  Hügeln  mit  R  u  b  u  s  c  h  a  ni  a  e  - 
m  0  r  n  s ,  B  e  t  u  1  a  nana  u.  s.  w. 

Baumaterial  wie  A. 

Vegetation  auf  dem  Haufen:  Von  einer  Seite  ist  Poly- 
trichum  strictum  in  dichtem  Bestand  beinahe  bis  zur  Mitte  des 
Haufens  hinaufgewachsen.  Der  Polyt  rieh  um -Teppich  ist  zungen- 
tTirmig  und  umfasst  den  Haufen  nicht,  sondern  liegt  nur  an  seiner 
einen  Seite  an.  Im  Pol}' tr  ich  um -Teppich  wachsen  spärliche 
Individuen  von  Andromeda,  Rubus.  Vaccinium  myrtillus 
und  vit  i  s  idaea. 


og  -  - 


Fig.  B. 

Ameisenhaufen  B.     Scheraatiscli   von   der  einen   Seite   gesehen.     o(j  Obere   Grenze 
des  Polytriclmm-Teppicbs. 


Ameisenhaufen  C  (Fig.  Ci.     Ein  wenig  älter  als  der  vorige. 
Höhe  30  cm.     Länge  65  cm.    Breite  50  cm.     Ameisen  sehr  zahlreich. 


Fig.  C. 
Optisclier  Längsschnitt  durch  der  Haufen  C. 

=    Polytrichum-Teppicli.       Hl    Ameisenhaufensubstauz.  Bodengrund 

verlassener  Theil  des  Haufens,     luj  Thitere  Grenze  der  Haufensubstanz. 


Lage  zwischen  Sphagnum-Hügeln  mit  Betula   nana.  Rubus 
chamaemorus,  Vaccinium  myrtillus  und  uliginosum. 
Baumaterial  wie  A. 
Vegetation  auf  dem  Haufen:    Von  einer  Seite  ist  Poly- 


858 


Nils  Holmgren, 


t  lieh  um  strictiim  auf  den  Ameisenhaufen  eingedrungen  und 
bildet  hier  einen  zusammenhäng-enden .  dicliten.  grünen  Teppich, 
welcher  sich  über  die  eine  Seite  des  Haufens  bis  zum  Gipfel  er- 
streckt.    In  diesem  Polyt  rieh  um -Bestand  befinden  sich  spärliche 


ug 


Fiar.  Da. 


Individuen  von  Rubus  chamaemorus,  Vacciuium  myrtillus  und  uligi- 
nosum.    Das  Hinaufwachsen  des  Polytrichum  hat  bewirkt,  dass  der 
Haufen   eine   längliche  Form   angenommen  hat,   indem  der  Poly- 
h 


09  - 


Fig.  1)., 
Ameisenhaufen  D. 

a  Längsschnitt  durch  den  Haufen, 
h  Der   Haufen    von    oben   gesehen, 

um  die  Ausdehnung  der  Xarbe  zu 

illustriren. 

ug  Untere  Grenze    der  Haufen - 

Substanz. 
a—h  Schnittebene. 

Uebrige  Bezeichnungen  wie 
vorher. 


Fig.  Db. 

trichum- Teppich  den  Zuwachs  des  Haufens  in  zwei  Dimensionen 
wesentlich  gehemmt  hat.  Da  der  Haufen  nicht  in  die  Breite  hat 
Avachsen  können,  hat  er  sich  in  die  Länge  ausgezogen  oder  ist, 
so  zu  sagen,  nach  der  entgegengesetzten  Seite  übergeflossen. 


Ameisen  als  Hüoelbildner  in  Sümpfen.  359 

Im  Yorliandenseiii  der  P  o  1  y  t  r  i  c  li  u  in  -  Vegetation  kann  mau 
die  Ursache  suchen,  dass  der  noch  von  Ameisen  bewohnte  Theil  des 
Haufens  sich  nicht  überall  bis  zum  (4runde  des  Haufens  erstreckt, 
sondern  auf  der  Seite  des  Polj'tr ichum-Bestandes  ein  wenig 
oberhalb  des  Grundes  aufhört.  Dies  wird  aber  unten  besser 
illustrirt. 

Die  Dicke  des  Polytrichum-Teppiclis  beträgt  basal  5—7  cm  und 
läuft  apicalwäits  dünn  aus. 

Ameisenhaufen  D  (Fig.  Da.  b).  Ziemlich  alt.  Form  cylin- 
drisch  mit  conischer  Spitze  (siehe  die  Figg.  1)  a  u.  b).  Höhe  55  cm. 
Länge  nach  der  Schnittlinie  83  cm.     Ameisen  zahlreich. 

Lage  zwischen  kleinern  Sphagnum-Hügeln  mit  Andromeda. 
Betula  nana.  Cornaruni.  IJubus,  Eriopliorum  vagina- 
tum  u.  s.  w. 

Baumaterial  wie  oben. 

Vegetation  auf  dem  Haufen:  Von  Norden  ist  ein  9  cm 
dichter  Polytrichum- Teppich  mit  Eriophorum  vaginatum 
auf  den  Haufen  hinaufgewachsen,  welcher  die  nördliche  Hälfte  des- 
selben dicht  umfasst.  Dieser  Teppich  steigt  bis  4iber  die  Mitte  des 
Haufens  empor  und  hat  das  „Ueberfliessen"  der  Ameisenhaufensubstanz 
nach  Süden  bewirkt.  Von  Süden  ist  ein  dichter  Bestand  von  Erio- 
phorum vaginatum  den  Haufen  heraufgewachsen.  Der  von 
Ameisen  bewohnte  Bezirk  des  Haufens  umfasst  nicht  einmal  die 
obere  Hälfte  des  Haufens,  während  die  untere  von  den  Ameisen 
aufgegeben  worden  ist.  Man  beachte  auf  der  F'ig.  1)  a,  welche  einen 
Durchschnitt  des  Haufens  D  vorstellt,  wie  die  untere  Grenze  (ug) 
des  bewohnten  Theiles  des  Haufens  von  den  obern  Vegetations- 
ständen ausgehend,  sich  da  senkt,  wo  die  Vegetation  des  Haufens 
am  wenigsten  ausgebildet  ist  (Fig.  Da  u.  b  bei  *). 

Die  Länge  der  Ameisenhaufennarbe,  wie  ich  nun  die  von  oben 
sichtbare  Partie  des  Ameisenhaufens  nenne,  beträgt  61  cm. 

An  der  Basis  des  Haufens  sind  ]\[oose,  wie  I  )icranum  sp..  Junger- 
mannia  sp.  vorhanden. 

Ameisenhaufen  E  (Fig.  E).  Ziemlich  alt,  cylindroconisch. 
Höhe  55  cm.  Länge  89  cm.   Breite  80  cm.   Ameisen  ziemlich  zahlreich. 

Lage  zwischen  S  ])  h  a  g  n  u  m  -H  ü  g  •  ■  1  n . 

Baumaterial  wie  oben. 

Vegetation.  Ein  dichtei-  Po  ly  tricli  um -Teppich  bekleidet 
den  Fuss  des  Haufens  bis  auf  42  cm  Höhe  und  lässt  eine  Narbe  von 


860 


Nils  Holmgukn. 


58  cm  Länge  und  55  cm  Breite  frei.  Im  P  ulyt  rieh  um -Bestand 
tindet  man  Eubus,  Vaccinium  uliginosum  und  Eriophorum  vaginatum. 
Auf  der  Narbe  wächst  ein  Gras.  Calamagrustis  lapponica. 


-"  -  og 


Fig.  E. 
Ameisenhaufen  E. 


Profil  ist  nicht  genommen. 

Auf  den   Seiten   ist   der   l'eppich   niedriger,   und   die   Ameisen- 
haufensubstanz ist  nach  diesen  Seiten  „übergeflossen". 


Fig.  F. 
Ameisenhaufen  F. 

a     Längsschnitt     durch     den     Haufen, 

h    Photographie    des    Haufens,    schräg 

von  oben. 


Fig.  Fa. 

Ameisenhaufen  F  (Fig.  F  a  und  b  ( phot. )).  Alt.  cylindrisch. 
Höhe  47  cm.  Durchschnitt  ungefähr  54  cm.  Die  Seiten  steigen  bei- 
nahe vertical  auf.  und  der  Haufen  ist  apicalwärts  scharf  abge- 
schnitten.   Ameisen  ziemlicli  zahlreich. 

Lage  zwischen  kleinern  Hügeln  mit  Betula  nana.  Empe- 
t  r  u  m ,  Eubus  c  h  a  m  a  e  m  o  r  u  s .  Grauweide,  E  r  i  o  p  h  o  r  u  m  v  a  g  i  - 
natum.  Andromeda  und  Vaccinium  vitis  idaea. 

Baumaterial  wie  oben.  Der  Haufen  scheint  nicht  mehr  an- 
gebaut zu  werden,  denn  die  Oberflächenschicht  ist  ziemlich  fest. 

Vegetation.  Die  Seiten  des  Haufens  sind  mit  einem  7 — 9  cm 
dicken,  dichten  Polytrichum- Teppich  mit  spärlichen  Individuen 
von   Kubus.   Andromeda   und  Vaccinium   vitis   idaea.   be- 


Ameisen  als  Hüijelljililiier  iu  .Siuuiifeii. 


8H1 


kleidet,  welcher  bis  zur  abgestutzten  ISpitze  des  Hauteus  liinaul  reicht; 
er  breitet  sich  sogar  auf  der  einen  Seite  über  die  Spitze  des  Haufens 
hin  aus  (Fig.  F  b). 


Fi-.  Fb. 


Ein  Profilschnitt  (Fig.  F  a)  durch  den  Haufen  zeigt,  wie  dei- 
noch  bewohnte  Tlieil  desselben  die  Form  eines  umgewendeten  Kegels 
hat.  dessen  Spitze  da,  wo  der  Teppich  die  geringste  Ausbreitung 
besitzt,  ein  wenig  zur  Seite  geschoben  ist.  Der  nn bewohnte  Tlieil 
ist  sehr  mächtig.  —  Die  Ausdehnung  der  Narbe  geht  ans  Fig.  F  b 
hervor. 

Ameisenhaufen  G  (Fig.  G).  Alt.  Form  cylindrisch.  basal 
enger  als  in  der  Mitte.  Höhe  35  cm.  Länge  49  cm.  Breite  43  cm. 
Am  eisen  arm. 

Lage.  Im  feuchten  ^loor  (ziemlich;  isolirt.  Vegetation  im 
Moor  in  der  nächsten  Umgebung :  Junge  r  m  a  n  n  i  a  sp..  P  a  1  u  d  e  1 1  a 
S(iuarrosa.  Mnium  sp..  ('ornarum,  Eriophorum  vagina- 
tum,  Pinguicula.  Betula  nana  (spärlich)  u.  s.  w. 

Banmaterial  wie  oben.  Der  Haufen  wird  nicht  mehr  an- 
gebaut, denn  eine  ziemlich  dicke  Oberflächenschicht  ist  ziem- 
lich fest. 

Vegetation:  Ein  dicker  Poly  trieb  um -Teppich  l)ekleidet 
den  Hügel   ringsum   bis   zum  Gipfel,   nur  einen   engen  Keil  auf  der 


362 


XlLS    HOI.MC.KKN. 


einen  Seite  von  oben  bis  nahe  der  Basis  frei  lassend  (siehe  Fig.  G). 
Die  Länge  der  frei  gelassenen  Narbe  beträgt  32  cm,  die  Breite  22  cm. 
Im  Polytrichnm- Teppich  sind  spärliche  Individuen  von  Cor- 
narum,  Betula  nana,  i^h-iophoruni  und  basal  Jungermannia  vor- 
handen. Der  noch  bewohnte  Theil  des  Haufens  ist  nicht  gross, 
^lan   bemerke   auf  der  Fig.  G.   dass   die   untere  Grenzlinie   des  be- 


U(/ 


'0(J 


Fig.  G. 
Ameisenhaufen  G.     Optischer  Längsschnitt.    Bezeichnungen  wie  oben. 

wohnten  Theils  da  am  tiefsten  geht,  wo  die  Narbe  ihre  grüsste  Aus- 
dehnung hat.  und  dass  der  bewohnte  Theil  des  Haufens  nach  der- 
jenigen Seite  neigt,  wo  der  Teppich  am  niedrigsten  ist.  An  der 
Narbe  wachsen  Individuen  von  Carex  caespitosa. 

Haufen  H  (Fig.  H).  Sehr  alt.  Form  schief  cylindrisch.  siehe 
die  Fig.  H.  Sichere  Maasse  fehlen  (die  Höhe  liegt  wohl  zwischen 
50  und  60  cm).     Sehr  Am  eisen  arm. 


og 


Fig.  H. 

Ameisenhaufen  H.    Längsschnitt  dui'cli  den  Haufen. 
Sphagn um- Bekleidung.     Uebrige  Bezeichnungen  wie  oben 


Ameisen  als  HüsrelbildiK^r  in  Sümpfen.  363 

Lage  zwischen  8  p  h  a  g-  ii  u  m  -  Hüg-t-ln  ni it  li  e  t  u  1  a  nana, 
Andromeda,  Vaccininm  myrtillus  und  uligiuosum. 
Enbns  oha  maemorus.  Carex  caespitosa.  Erioi)hornm 
Vagina  tum  etc. 

Baumaterial  wie  oben,     ^^'ird  nicht  mehr  angel)aut. 

Vegetation:  Ein  dichter  Poly  tr  ich  um -Teppich  bekleidet 
den  Haufen  von  der  Basis  bis  zur  Spitze  als  dicke  Lage  (bis  10  cm). 
Ln  Teppich  befinden  sich  B  e t  n  1  a  nana  (Keimpflanze i,  V a c c i n  i u m 
vitis  idaea,  Mj-rtillus.  Rubus.  Cha maemorus,  Andro- 
meda, ( '  a  r  e  X  caespitosa.  Ferner  bemerke  man,  dass  basal wärts 
des  Haufens  Sphagnum  eingedrungen  ist  und  sich  in  dem  basalen 
Theil  des  Teppichs  mit  Polytrichum  strictum  mischt. 

Die  Narbe  ist  klein.  Der  bewohnte  Theil  des  Haufens  ist  sehr 
unbedeutend  und  stellt  einen  niedrigen  umgekehrten  Conus  dai-. 
dessen  Spitze  nach  der  Seite,  wo  der  Teppich  die  kleinste  Ausdehnung 
hat.  verschoben   ist  (Fig.  H). 

Ameisenhaufen  .1  (Fig.  Ja  und  b).  Sehr  alt.  Form  un- 
regelmässig. Von  einer  Seite  scheint  der  Haufen  cjiindrisch 
(Fig.  J  b),  von  der  andern  hat  er  die  Form  der  Fig.  J  a.  Die  eine 
Seite  steigt  senkrecht  auf,  während  die  entgegengesetzte  einen 
nahezu  hoi-izontalen  Absatz  bildet.  Höhe  35  cm.  Länge  67  cm. 
Breite  47  cm.     Ohne  Ameisen,  verlassen. 

Lage  im  feuchten  Moor,  isolirt.  Die  Vegetation  in  der  nächsten 
Umgebung :    B  e  t  u  1  a    n  a  na.    E  m  p  e  t  r  u  m ,    C  o  r  n  a  r  um.    E  i-  i  o  - 

"7 


Vig.  J  a. 

p  h  0  r  u  m  a  1  p  i  n  u  m  und  y  a  g  i  n  a  t  u  m .  1\  q  u  i  s  e  t  u  m  .  I )  i  c  r  a  n  u  m . 
Amblystegien. 

Baumaterial  wie  oben.  Der  Haufen  ist  verlas.«;en  und  die 
Haufensubstanz  ist  fest  zusammengedrückt. 

Vegetation:    Ein    fester,   dichter,   10— 13  cm    dicker  Poly- 


364 


Nll.S    Hoi..M(iKEN. 


t rieh u  111- Te])i)icli  bekleidet  den  Haufen  bis  zur  Spitze,  eine  Narbe 
von  nur  10  cm  Läng-e  und  14  cm  Breite  frei  lassend. 

Im  Teppich  sind  Andromeda.  CalomagTOstis  lapponica.  Em- 
petrum  und  ein  kleiner  Hutpilz.  Auf  der  Narbe  wachsen  in  trockner 
Haufensubstanz  einige  Flechtenindividuen  (Cladonia  sp.) 


Fig-.  Jb. 

Fig-.  J. 

Ameisenhaufen  J.     a  Läugsdurehschnitt.     liezeiclinungen  wie  oben, 
b  Photographie  des  Haufens. 


Der  zuletzt  bewohnte  Theil  des  Haufens  ist  sehr  unbedeutend 
und  stellt  ein  sphärisches  Segment  von  geringer  Höhe  dar  (Fig.  J  a), 
dessen  krumme  Fläche  nach  innen  gerichtet  ist.  Die  Haufensubstanz 
scheint  nach  den  Seiten,  da  wo  die  Narbe  ihre  grösste  Breite  hat, 
einmal  übergeflossen  zu  sein,  dies  ist  aber  wieder  durch  den  Teppich 
ausgeebnet,  so  dass  nunmehr  nur  eine  schwache  Andeutung  eines 
„Ueberfliessens"  bemerkbar  ist. 

Ameisenhaufen  K  (Fig.  K).  Form  halbkuglig.  I\[aasse 
fehlen.    Keine  Ameisen. 

Lage  im  feuchten  Moor,  isolirt. 

Baumaterial  nicht  mehr  bestimmbar,  vermodert. 

Vegetation.  Basal  betindet  sich  eine  nicht  sehr  hohe  Lage 
von  Sphagnum.  Die  Hauptmasse  der  Vegetation  ist  durch  einen 
Polytr  ich  um -Teppich  repräsent  irt.  Im  Teppich  sind  Betula 
nana,  Eubus  chamaemorus  und  Vaccinium  myrtillus 
reichlich   vorhanden.     Der   Polytrichum -Teppich    erstreckt    sich 


Ameisen  als  Hü2:elbil(liier  in  Siimiifen. 


365 


über  den  o-auzeu  Haufen,  nur  eine  sehr  unbedeutende  Narbe  frei 
lassend,  welche  ebenfalls  mit  zerstreuten  Polytrichum -Individuen 
bedeckt  ist.     Die  Narbe  ist  aber  deutlich. 


Fig.  K. 
Ameisenhaufen  K.     Scheniatiscli.  n  Xaibe.     Bezeichnungen  übrigens  wie  oben. 

Ameisenhaufen  i?)  L  (Fig-.  L).  Es  ist  nicht  mit  Sicherheit 
festgestellt,  dass  dieser  Haufen  ein  alter  Ameisenhaufen  ist.  und  ich 
führe  ihn  mit  grosser  Reserve  an.  Der  Haufen  ist  halbkuslio-. 
Ohne  Ameisen,     ^[aasse  fehlen. 


i^ig.  L. 

Haufen  L.     Längsschnitt.     :-5;'  Polytrichum  mit  Suhaguum  vermisclit. 
Uebrige  Bezeichnungen  wie  oben. 


Lage  im  feuchten  Moor,  isolirt. 

Baumaterial  nicht  bestimmbar,  vermodert. 

Vegetation.  Von  der  einen  Seite  erstreckt  sich  von  der 
Basis  eine  breite  Zunge  dicken  Sph  agn  um -Teppichs  über  den 
Gipfel  des  Haufens  herauf.  Basal  ist  dieser  Teppich  ringsum  vor- 
handen, erreicht  aber  keine  bedeutendere  Höhe.  Die  Partien  des 
Haufens,  "welche  nicht  mit  Sph  agn  um  bekleidet  sind,  sind  von 
einem  mit  S p h  a g n u m  gemischten  P ol y  t r i c h u m  - Tei)i)ich  bedeckt. 


3ö(i  ^11'?    Hoi.MCiREN. 

Uebrige  \'egetatioii  wird  von  Dicraiium  sp.  (reiclilicli).  Kubus  clia- 
maemorus,  Betula  nana.  Salix  repens.  Andronieda,  Erioplioruni  vagi- 
natum  etc.  gebildet. 

Was  es  unsicher  macht,  dass  wir  es  hier  mit  einem  alten 
Ameisenhaufen  zu  tliun  haben,  ist  imtürlich  die  vollständige  Ab- 
wesenheit der  Ameisenhaufennarbe,  welche  allein  mit  Sicherheit  die 
Sache  entscheiden  kann.  Ich  gestehe,  dass  ich  keine  positiven  Be- 
Aveise  für  die  Gleichstellung  dieses  Haufens  mit  den  vorigen  an- 
führen kann,  allein  der  Eindruck,  den  ich  von  diesem  Hügel  auf 
den  Standort  erhielt,  war.  dass  hier  ein  alter  Ameisenhaufen  zu 
sehen  sei.  Meine  subjective  Auffassung  ist.  dass  der  Haufen  L  ein 
alter  Ameisenhaufen  ist. 


Ehe  ich  zu  den  Schlussfolgerungen  übergehe,  welche  aus  der 
obigen  Materialsammlung  zu  ziehen  sind,  will  ich  der  Verbreitung 
des  Polytrichums  im  Sumpf  überhaupt  einige  A^'orte  widmen. 
P  0  1  y  t  r  i  c  h  u  m  s  t  r  i  c  t  n  m  kommt  überhaupt  nur  da  in  Beständen 
vor,  wo  alte  Baumstümpfe,  vermodertes  Holz  vorhanden  ist.  Hier 
kann  Poly  trieb  um  Teppiche  bilden,  aber  diese  erreichen  keine 
bedeutendere  Ausdehnung  und  sind  vor  Allem  ziemlich  locker. 
Polytrichum  erfordert,  scheint  es,  verhältnissmässig  trockene 
Standorte,  um  sich  reichlich  entwickeln  zu  können.  Auf  den 
S  p  h  a  g  n  u  m  -  Hügeln  kommt  Polytrichum  vor,  bildet  hier  aber  keine 
Teppiche,  sondern  ist  im  Sphagnum-Torf  zerstreut.  Auf  alten 
vermoderten  Baumstümpfen,  wo  es  Poly trichum- Teppiche  giebt, 
kann  man  eine  kräftige  Sphagnum-Invasion  bemerken,  welche  das 
Polytrichum  ausrottet.  Da,  wo  Bäume  vermodernd  im  Sumpf  liegen, 
scheint  Polytrichum  vor  Sphagnum  hineinzukommen,  wird 
aber  bald  von  Sphagnum  verdrängt.  \) 

S  c  h  1  u  s  s  f  0  1  g  e  r  u  n  g  e  n. 

I.  Die  Ameisenhaufen  in  der  Weidezone  sind,  wie  oben  hervor- 
gehoben, grösser,  aber  nicht  so  zahlreich  wie  die  der  Zone  der 
Sphagnum -Hügel.      Die    überlegene    Grösse    beruht    auf 

1)  Vgl.  NjiiSox,  A. 


Ameisen  als  Hngelbilduer  in  Süiuiifeii.  367 

dem  r e i c li  1  i c h e r  11  Z u g- a n g-  zu  1 5  a u ni  a  t e r i a  1.  Die  geringere 
Anzahl  der  Haufen  ist  auf  dieselbe  zurückzuführen,  indem  eine 
grössere  Zahl  Ameisen  auf  einem  verhältnissmässig  kleinen  Gebiet 
ihre  Nahrung  und  das  Baumaterial  für  den  Haufen  linden  kann. 
Eine  Auswanderung  unter  Gründung  neuer  Staaten  ist  da  nicht  in 
grösserm  Maasstab  von  NiUhen .  wo  Nahrung  und  vor  allem  Bau- 
material reichlich  vorhanden  ist.  Im  reichlichen  Zugang  zu  Bau- 
material ist  auch  die  Erklärung  der  Thatsache  zu  suchen,  dass  in 
der  Weidezone  die  Ameisenhaufen  von  Pol^'trichum  strictum 
nicht  überwachsen  weiden.  Denn  hier  vermögen  die  Ameisen 
durch  foitg-esetzte  Anbauung  die  P  o  1  y  t  r  i  c  h  u  m  -  Invasion  zu 
hemmen. 

In  der  Zone  der  Sphagnum-Hügel  aber  giebt  es  nur  wenig  j^au- 
material.  deshalb  müssen  die  Ameisenstaaten  kleinei'  werden  und 
Auswanderung  in  grösserm  Maasstab  vorkommen,  in  diesem  Ver- 
liältniss  ist  die  Trsache  der  geringern  Grösse  und  der  grössern  Zahl 
der  hier  gelegenen  Ameisenhaufen  zu  linden. 

Im  feuchten  Sumpf  ist  das  Baumaterial  verhältnissmässig  sehr 
gering.  Hier  sind  die  Ameisenhaufen  auch  sowohl  an  Zahl  wie  an 
Grösse  sehr  gering.  Für  diese  Fälle  kommt  noch  hinzu,  dass  es  im 
feuchten  Sumpf  nur  spärlich  Orte  giebt.  welche,  der  Feuchtigkeit 
wegen,  eine  Gründung  eines  Ameisenstaates  erlauben,  denn  die 
Ameisen  bedürfen  bei  Grundlegung  ihrer  Staaten  einer  einigermaassen 
trockenen  Stelle. 

II.  Die  feuchte  Lage  der  Ameisenhaufen  ist  die 
Ursache,  dass  die  Ameisen  im  ^loor  keine  bestimmten, 
gros  Sern,  allgemeinen  Fahrwege  bei  ihrem  Ausfluge 
benutzen.  Da  wo  der  Fuss  des  Haufens  von  Wasser  rings  um- 
flossen ist,  sind  die  Ameisen  entweder  ganz  isolirt,  oder  sie  können 
auf  Pflanzen  von  Blatt  zu  Blatt  klettern,  bis  sie  festen  Boden  er- 
reichen. Im  Allgemeinen  werden  solche  Haufen  nicht  mehr  an- 
gebaut. 

III.  Auf  den  Ameisenluiufeii  kommen  Pflanzen  ziemlich  bald 
hinauf  Die  erste  und  Haupt  Vegetation  des  Haufens  ist 
Polytrichum  strictum.  welches  einen  dichten  'Peppich 
bildet.  Die  Bedingung  fiir  die  Pol  y  t  rieh  um-I  n  vasion 
ist  die  relative  Trockenheit  des  Haufens.  Der  Poly- 
trichum-Teppich  breitet  sich  alhnählich  über  den  Haufen  aus.  bis 
er  ihn  «anz  bedeckt. 


368  ^"'"^  Hdlmgrkn, 

IV.  1) i e  übrige n  P  f  1  a  n  z e ii .  w  eiche  auf  de n  A m eisen- 
haufen  hin  aufkommen,  sind  in  der  Reg'el  alles  solche, 
welche  in  dei'  nächsten  Nachbarschaft  des  Haufens 
wachsen.  Nur  selten  findet  man  andere  Pflanzen,  und  diese 
wachsen  an  der  Narbe,  wo  sie  als  Same  hingekommen  sind  und 
ein  Keimbett  gefunden  haben. 

V.  Die  äussere  Form  des  Ameisenhaufens  beruht 
auf  dem  Polytrichum- Tepp  ich.  Dringt  Polytrichum  von 
einer  Seite  auf  den  Haufen  ein,  so  ,,fliesst"  die  Haufensubstanz  nach 
der  entgegengesetzten  Seite  über,  das  heisst.  der  Haufen  wird  auf 
der  entgegengesetzten  Seite  angebaut.  Ferner  bemerkt  man,  dass 
die  Haufensubstanz  sich  immer  in  den  Richtungen  ausbreitet,  wo 
der  Teppich  am  niedrigsten  reicht.  Mit  andern  Worten:  die 
Ameisen  ziehen  sich  vor  dem  P  o  1  y  t  r  i  c  h  u  m  -  T  e  p  p  i  c  h 
z  u  r  ü  c  k. 

VI.  Eine  Folge  des  im  Paragraph  V  berichteten  Verhältnisses  ist, 
dass  die  basalen  Partien  des  Ameisenhaufens,  je  nach 
der  Ausbreitung  des  Teppichs,  aufgegeben  werden. 
Dies  geschieht  aber  Schritt  für  Schritt.  Die  Ameisen  verlassen  die 
basalen  Partien  nicht  eher,  als  bis  ihnen  der  Teppich  zu  hoch  kommt. 
Hieraus  ist  es  erklärlich,  dass  die  bewohn ten  Partien 
des  Haufens  da  am  tiefsten  in  das  Innere  des  Haufens 
hinein  reichen,  wo  die  Narbe  ihre  grössten  Dimen- 
sionen hat. 

VII.  Eine  andere  Folge  der  Poly trichum-In vasion 
ist,  dass  die  Ameisen  im  Haufen  durch  Auswanderung 
bedeutend  an  Zahl  reducirt  werden,  indem  sie  nicht  Ge- 
legenheit haben,  den  Haufen  neu  anzubauen,  während  der  bewohn- 
bare Theil  immer  kleiner  wird.  I  n  d  i  e  s  e  m  V  e  r  h  ä  1 1  n  i  s  s  k  ö  nn  e n 
wir  eine  Ursache  des  Ameisenhaufen -Reichthums  in 
der  Zone  der  Sphagnum-H.ügel  suchen. 

VIII.  Die  Ameisen  hören,  wenn  der  Teppich  eine 
gewisse  Höhe  erreicht  hat.  auf,  den  Haufen  aufzu- 
bauen.    Dies  folgt  unmittelbar  aus  VII. 

IX.  Der  Polytrichum -Teppich  verdrängt  bei  fortgesetzter 
Verbreitung  die  Ameisen  gänzlich. 

X.  Die  scheinbare  Abneigung,  welche  die  Ameisen 
für    die    vom    Polytrichum    bedeckten    Innern    Partien 


Ameisen  als  Hügelbildner  in  Sümpfen.  369 

des  Haufens  zeigen,  wird  durch  das  Verliältniss  er- 
klärlich, dass  Pol ytrich um  Wasser  an  sich  (zieht  oder) 
festhält,  so  dass  diese  Partien  ziemlich  feucht  und 
deshalb  für  die  Ameisen  als  Wohn  statte  ung-e  eignet 
w  erde  n. 

XI.  Aus  den  Paragraphen  V — X  geht  als  allgemeine  Schlussfolge- 
rung hervor,  dass  ein  intensiver  Kampf  zwischen  Poly- 
trichum  und  den  Ameisen  bestehen  muss.  Polytrichum 
geht  aber  hier  immer  siegreich  aus  dem  Kampfe 
h  e  r  A'  0  r. 

XII.  A  u  f  d  e  n  a  u  s  A  m  e  i  s  e  n  h  a  u  f  e  n  hervorgegangenen 
P 0 1  y t r i c h u m - H ü g e  1  n  dringt,  schon  ehe  die  Narbe  ver- 
schlossen ist,  Sphagnum  oft  basalwärts  ein.  Sphag- 
num  verdrängt  im  Allgemeinen  Polytrichum.  So  ge- 
schieht es  sicher  auch  hier  (in  allen  Fällen,  wo  die  Poly- 
trichum-Hügel  nicht  erodirt  werden).     Dies  giebt  den  Satz: 

XIII.  Aus  Polytrichum -Hügeln  gehen  durch  Sphag- 
num - 1  n  v  a  s  i  o  n  normale  S  p  h  a  g  n  u  m  -  H  ü  g  e  1  hervor, 
welche  somit  d  a  s  E  n  d  i)  r  o  d  u  c  t  d  e  r  A  m  e  i  s  e  n  h  a  u  f  e  n  sind. 


Aus  den  obigen  Paragraphen  geht  als  allgemeinste  Schluss- 
folgerung hervor,  dass  die  Ameisen  bei  der  Hügelbildung 
in  den  fraglichen  Sümpfen  eine  grosse  Rolle  spielen, 
indem  ihre  Haufen  als  Ansatzpunkte  der  Moos-  und 
T  0  r  f  V  e  g  e  t  a  t  i  0  n  dienen. 


Endlich  will  ich  einige  flüchtige  Wahrnehmungen  über  die 
Haufen  von  Formica  rufa  in  Lappland  ankniipfen.  Während  diese 
Haufen  im  mittlem  Schweden  (Upland)  nur  selten  durch  einge- 
drungene Vegetation  charakterisirt  werden,  sind  sie  in  Gellivare 
Lappmark  oft,  sogar  in  der  Regel,  von  Pflanzen  usurpirt.  Diese 
Pflanzen  sind  gewöhnlich  Vaccinium  vitis  idaea,  myrtillus  und  uligi- 
nosum  und  Rubus  chamaemorus.    Das  Pflanzenkleid  kriecht  von  der 

Zoul.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Sy.st.  25 


370  ^"iLS  HoLMGREN.  Ameiseii  als  Hiigellnldner  in  Sümpfen. 

Basis  des  Haufens  aufwärts,  indem  es  die  Ameisen  aufwärts  ver- 
drängt. Man  findet  ziemlich  oft  solche  Haufen,  welche  Dank  den 
Pflanzen,  welche  den  ganzen  Haufen  bedecken,  von  den  Ameisen 
aufgegeben  worden  sind. 

Solche  Haufen  stehen  gewöhnlich  auf  trocknem  Boden  und  er- 
reichen oft  eine  Höhe  von  2  m.  Hier  bilden  sich  also  grosse  einzelne 
Vaccinium-Hügel  von  stattlichen  Dimensionen. 

Im  Einzelnen  habe  ich  die  Frage  hier  nicht  untersucht.  Ich 
erwähne  die  Verhältnisse  aber,  um  die  Aufmerksamkeit  auf  diese 
Fragen  zu  lenken. 


Nachdruck  verboten. 
Uebersetzungsrecht  vorbehalten. 


lieber  eine  von  Herrn  0.  Neumann  gefundene 
Phyllopoden-Art. 


Von 
Job.  Thiele   in  Berlin. 

Mit  Taf.  13. 


Von  seiner  letzten  Expedition  durch  Abessynien  hat  Herr  Oscak 
Xeumann  auch  einige  Exemplare  einer  Ph341opoden-Art  mitgebracht, 
die  er  mir  zur  Bestimmung-  übergeben  hat.  Es  stellte  sich  heraus, 
dass  hier  eine  noch  unbeschriebene  Art  der  Gattung-  Sfreptorephakts 
vorliegt,  welche  durch  die  scherenförmige  2.  Antenne  des  Männchens 
charakterisirt  wird,  während  der  zwischen  diesen  gelegene  Stirn- 
fortsatz unpaarig  und  meist  kurz  ist.  Nur  ausnahmsweise  wird 
dieser  zu  einem  langen  Anhang,  so  bei  Sfrepfocephalus  prohoscidetts 
Feaüenfeld.  wo  er  zum  grössten  Tlieil  einfach  und  nur  am  Ende 
gegabelt  ist. 

Die  mir  vorliegende  Art  zeigt  eine  noch  weit  stärkere  Ent- 
wicklung des  Stirn fortsatzes  und  ist  dadurch  von  allen  übrigen  Arten 
der  Gattung  leicht  zu  unterscheiden. 

Die  4  männlichen  untL  6  weiblichen  Exemplare  sind  beim  Trans- 
port auf  Kamelen  etwas  beschädigt,  besonders  die  Enden  der  Kiemen- 
füsse  und  die  Furcalanhänge  mehr  oder  weniger  zerstossen. 

Streptoceplialns  neHUianni  n.  sp. 

Die  grössten  der  mir  vorliegenden  Exemjdare  beider  Geschlechter 
sind  18  mm  lang,  von  ziemlich  gedrungener  Form. 

25* 


372  Jon.  Thiele, 

Beim  Alännclien  sind  die  Greifantennen  von  mittlerer  Länge. 
Ungefähr  in  der  Mitte  des  Basaltheils  entspringt  die  nach  hinten 
gerichtete  „Seitenborste" ;  der  mittlere  emporgebogene  Theil  ist 
dünner  und  ungefähr  halb  so  lang  wie  der  Basaltheil.  Der  scheren- 
förmige  Endtheil  endlich,  dessen  Form  am  besten  aus  den  Ab- 
bildungen (Fig.  1,  2)  zu  entnehmen  ist,  zeigt  am  Beginn  eine  knoten- 
förmige Anschwellung  und  verbreitert  sich  allmählich  ein  wenig. 
Der  vordere  Scherenast  ist  zunächst  breit  und  einfach,  innen  deutlich 
ausgehöhlt  und  läuft  in  einen  vordem,  allmählich  zugespitzten,  län- 
gern und  einen  halb  so  langen  hintern  Fortsatz  aus ;  zwischen  beiden 
findet  sich  eine  dreieckige  Platte,  deren  vorderer  Rand  concav  und 
deren  hinterer  convex  ist.  Der  kürzere  hintere  Scherenast  ist  im 
Ganzen  einfach,  zugespitzt,  am  Ende  nach  hinten  umgebogen,  sein 
vorderer  Eand  am  Anfang  durch  eine  schmale  Lamelle,  weiterhin 
durch  einen  kurzen  fingerförmigen  Fortsatz  ausgezeichnet. 

Der  Stirnfortsatz  ist  etwa  so  lang  wie  die  Greifantenne  bis  zum 
Anfang  der  Schere.  Ihr  starker  Anfangstheil  ist  geringelt  und  hinten 
mit  einigen  kleinen  zapfenförmigen  Auswüchsen  versehen.  AVeiter- 
hin  zerfällt  er  in  3  Abschnitte,  von  denen  der  mittelste,  der  sich 
nach  hinten  spiralig  gekrümmt  hat,  als  die  Fortsetzung  des  Anfangs- 
theils  gelten  kann,  er  ist  hinten  mit  ziemlich  grossen  zugespitzten 
Zapfen  besetzt,  die  nach  dem  Ende  hin  kleiner  werden.  Die  Seiten - 
äste  sind  am  Grunde  breit  und  theilen  sich  bald  in  je  2  Endzweige, 
die  auch  gekrümmt  und  mit  einigen  kleinen  Zapfen  ausgestattet 
sind  (Fig.  3). 

Ueber  die  übrigen  Organe  des  Kopfes  ist  nichts  besonderes  zu 
bemerken. 

Die  Kiemenfüsse  haben  die  gewöhnliche  Form,  indessen  über- 
ragt der  Exopodit  den  Endopodit  nur  wenig.  Die  obern  Lappen 
der  Innenseite  sind  mit  langen  Borsten  besetzt.  Die  Borsten  an  den 
Endopoditen  der  beiden  ersten  Füsse  sind  dünn  und  von  ziemlich 
geringer  Grösse,  während  an  den  übrigen  Beinen  an  der  untern, 
Innern  Ecke  3  von  ihnen  zu  kurzen,  kräftigen,  krallenartig  gebogenen 
Dornen  umgewandelt  sind  (Fig.  5).  Ihnen  schliessen  sich  am  Innen- 
rande einige  Börstchen,  weiterhin  kurze  Dörnchen  an,  deren  Zahl 
bei  den  verschiedenen  Beinen  wechselt. 

Solche  Krallen  sind  wahrscheinlich  für  ein  Umherkriechen  auf 
dem  Boden  angepasst,  und  damit  dürfte  die  geringe  Länge  des  Exo- 
podits  in  Zusammenhang  stehen ;  ähnliche  erwähnt  Sars  von  Sfrepfo- 
cephaJus  dregei,  doch  sind  sie  bei  dieser  Art  nach  der  Innenseite  hin 


Ueber  eine  von  Herrn  0.  Xeumann  gefundene  Phyllopoden-Art.  373 

nicht  so  abgesetzt  wie  bei  der  hier  beschriebenen.  Am  Exopodit 
gehen  die  lano-en  Borsten,  die  den  untern  Theil  des  Randes  besetzen, 
an  der  Aussenseite  in  kürzere  Dornen  über.  Der  Epipodit  ist 
schmal  und  am  Ende  kurz  zugespitzt,  nur  .beim  hintersten  Bein 
gezackt,  dagegen  trägt  die  Kiemenlamelle  am  Rande  grössere  und 
kleinere,  sägezahnförmige  Zacken  (Fig.  6). 

Die  Hiuterränder  der  auf  die  Geschlechtsorgane  folgenden 
5  Segmente  tragen  an  der  Ventralseite  einige  —  meist  "3  — 
Dornen.  Das  letzte  Segment  ist  kurz,  die  Furcaläste,  soweit  die  Reste 
es  erkennen  lassen,  von  der  gewöhnlichen  Form,  beiderseits  mit 
Borsten  besetzt. 

Beim  Weibchen  ist  die  2.  Antenne  eine  Platte  von  massiger 
Breite,  innen  fast  gerade,  A'orn  mit  einer  abgesetzten  Spitze  ver- 
sehen, in  deren  Umgebung  einige  kleine  Börstcheu  stehen,  an  der 
Aussenseite  abgerundet  (Fig.  4). 

Die  Endopodite  der  Beine  tragen  ebensolche  krallenförmige 
Borsten  wie  beim  ^lännchen.  Der  Eiersack  ist  lang  und  hinten  in 
eine  einfache  Spitze  über  der  Mündung  ausgezogen  (Fig.  7).  Die 
Dornen  an  den  Rändern  der  Abdominalsegmente  fehlen  dem  Weibchen. 

Fundort:  Harro  Rufa  im  Ennia  Galla-Land  (1.  Juni  1900). 


H74      JoH.  Thiele.  Eiue  von  Herrn  0.  Xecmann  gefundene  Phvllopoden-Art. 


Erklärimg  der  Abbildungen. 


Tafel   13. 

Fig.    1.     Kopf  eines  Männchens  in  Seitenansicht. 

Fig.   2.     Greifantenne  desselben  von  der  Innenseite  gesehen. 

Fig.  3.  Stirnfortsatz  desselben  unter  Fortlassung  des  linken  Seiten- 
astes. 

Fig.  4.  2.  xA.ntenne  eines  Weibchens  (Fig.  2 — 4  sind  bei  gleicher 
Vergrösserung  gezeichnet). 

Fig.   5.     Endopodit  vom  3.  Bein  des  Männchens. 

Fig.   6.     E.and  des  Kiemenblattes  von  demselben  Bein. 

Fisr.   7.     Ende  des  Eiersackes  vom  Weibchen. 


Nachdruck  verboten. 
UeberseUungsrecht  vorbehalten. 


Beiträge  zur  Kenntüiss  der  Fauna  von  Süd-Afrika. 

E  r  g-  e  b  n  i  s  s  e  einer  1\  e  i  s  e  von  Pro  f.  M  a  x  We  b  e  r 
im  Jahre  1894. 

V.  Pycnogoniden  aus  der  Capcolonie  und  Natal. 

Bearbeitet  von 

Dr.  J.  C.  C.  Lomaii  in  Amsterdam. 

Mit  Tafel  14, 


Als  icli,  bei  der  Bearbeitung-  der  von  der  holländischen  Siboga- 
Kxpedition  gesammelten  Pycnogoniden.  auch  das  Material  unserer 
]\fuseen  zur  Yergleichung  durchmustern  konnte,  kamen  mir  einige 
Gläschen  in  die  Hände,  welche  die  von  Herrn  Prof.  Webek  aus 
Süd-Afrika  mitgebrachten  Formen  dieser  Abtheilung  enthielten.  Ob- 
schon  die  Sammlung  klein  ist  und  aus  nur  vier  Species  besteht, 
sind  diese  doch  sämmtlich  wichtig  und  verdienen  besprochen  zu 
werden,  da  gerade  aus  dieser  Gruppe  fast  keine  süd-afrikanischen 
Thiere  bekannt  sind.  Denn  wenn  man  die  in  der  Nähe  von  Süd- 
Afrika  aus  grösserer  Tiefe  gedredschten  Pycnogoniden  hier  ausser 
Betracht  lässt,  so  sind  es  eigentlich  nur  zwei  Exemplare  zweier 
ganz  verschiedenen  Gattungen,  die  uns  als  Bewohner  des  flachen 
Wassers  von  Hüek  in  seinem  „Challenger  Keport"  beschrieben  werden, 
und  zwar 

Discoarachne  breripes  Hoek ')  und 

Hannoniu  tijpica  Hoek  -'}. 


1)  HoEK,  in :  Eep.  sc.  Res.  Challenger,  /ool.,  V.  3,  PyeuogouideD,  p.  74. 

2)  HuEK,  I.  c,  p.  92. 


37ß  J-    C.    C.    LOMAN, 

Von  diesen  Species  hat  Herr  Prof.  Weber  viele  Exemplare 
beiderlei  Geschlechts  erbeutet  an  der  nämlichen  Stelle  bei  Seapoint. 
Da  aber  die  beiden  Unica  der  Challenger-Expedition  Weibchen  sind, 
so  haben  die  eiertragenden  Männchen  ]\ranches  über  die  sj'stematische 
Stellung'  dieser  sehr  eigenthümlichen  Genera  gelehrt. 

AVeiter  ist  Pycnogonum  microps  n.  sp.  ein  typischer  Vertreter 
seiner  Gattung,  der  sich  gerade  durch  den  winzigen  Augenhügel 
scharf  von  andern  Flachwasserarten  dieses  Genus  unterscheidet.  Und 
nicht  weniger  typisch  ist  auch  Ammothea  hrcvkanäa  n.  sp.,  eine  Art, 
welche  die  von  Dohen  seiner  Zeit  an  mehreren  Species  begründeten 
generischen  Merkmale  vollends  zur  Schau  trägt. 

Die  vorliegende  kleine  Sammlung  zeigt  somit,  dass  neben  ganz 
aberranten,  endemischen  Gattungen  wie  Biscoarachne  und  Hannonia 
in  der  Fauna  Süd- Afrikas  auch  andere  wie  Ammothea  und  Pycnogonum 
vertreten  sind,  die  eine  Verbreitung  über  die  ganze  Erde  haben. 
Die  bekannten  Arten  dieser  Genera  stehen  sich  aber  so  nahe,  dass 
es  nur  mit  Hülfe  genauer  Abbildungen  und  ausführlicher  Beschrei- 
bungen möglich  ist  sie  auseinander  zu  halten. 

Animothea  hrevicauda  n.  sp. 

Capcolonie,  Port  Elisabeth.    1  Expl.    S- 

Von  dieser  sehr  kleinen  Art  wurde  nur  ein  männliches  Exemplar 
gefunden,  das  aber  völlig  erwachsen  zu  sein  scheint.  Der  Körper 
(Fig.  1)  gleicht  dem  der  Ammothea  fibulifera  Dohen  in  mancher 
Hinsicht,  nicht  nur  in  der  allgemeinen  Form,  sondern  auch  in  der 
Bewaffnung.  Er  ist  scheibenförmig;  die  Seitenfortsätze  liegen  dicht 
an  einander,  nur  durch  einen  engen  Zwischenraum  geschieden;  sie 
sind  aber  nicht  verschmolzen. 

Am  breiten  Vorderrand  des  1.  Segments  steht  der  Augenhügel, 
zu  dessen  beiden  Seiten  über  den  Palpen  ein  starker  Kegelhöcker. 
Der  Augenhügel  ist  nicht  besonders  hoch,  ein  wenig  nach  vorn  ge- 
neigt und  trägt  eine  stumpfe  Spitze  zwischen  den  nahe  liegenden 
Augen.  Von  den  Segmentgrenzen  sind  nur  zwei  zu  sehen,  die 
zwischen  dem  3.  und  4.  Segmente  ist  verschwunden,  auch  der  Hinter- 
leib ist  ohne  Gelenk  mit  dem  Rumpf  verbunden.  Das  2.  Segment 
ist  nur  halb  so  lang  wie  das  1.,  die  verwachsenen  3.  und  4.  Seg- 
mente sind  zusammen  etwas  länger  als  das  2.  Der  Hinterleib  ist 
Avohl  sehr  kurz,  noch  nicht  einmal  ganz  so  lang  wie  die  neben  ihm 
liegenden  Seitenfortsätze  des  letzten  Beinpaares,  und  nur  wenig  nach 
aufwärts  gerichtet. 


Pycnogouideu  ans  der  Capcolouie  und  Xatal.  377 

Die  Proboscis  erreicht  die  Länge  des  Körpers;  sie  ist  schlank 
und  spindelförmig:,  mit  g-rossen  Lippen.  An  der  innern  Reuse  konnte 
ich  24  Borstenleisten  zählen. 

Die  rudimentären  Cheliforen  sind  klein;  das  1.  Glied  kaum  4 mal 
so  lang-  wie  das  2..  das  fast  kugelrund  ist  und  oben  einen  Einschnitt 
trägt  (Fig-.  2). 

Die  Palpen  (Fig.  2)  sind  nur  wenig  länger  als  die  Proboscis, 
gekniet.  Sgliedrig.  von  ganz  derselben  Gestalt  wie  bei  A.fihnlifera, 
das  4.  Glied  (Glied  5  und  6  nach  Dohen  also)  zeigt  die  Andeutung 
einer  Verwachsung  aus  zwei  ungleichen  Theilen. 

Die  ■  Eierträger  haben  die  typische  Form  und  Bewatfnung  der 
Gattung  AmmotJiea  und  sind  kaum  von  denen  der  A.  fihulifera  zu 
unterscheiden.  Besonders  ist  die  Bewaffnung  mit  Eichenl^lattstacheln 
ganz  ähnlich  (Fig.  3). 

Die  Gehfüsse  bilden  gute  Kennzeichen  zur  Unterscheidung  der 
Art;  ich  fürchte  aber,  dass  das  unbekannte  Weibchen  dadurch  nicht 
oder  schwer  zu  unterscheiden  sein  wird,  da  die  eigenthümlichen 
Auswüchse  der  basalen  Fussglieder  nur  im  männlichen  Geschlecht 
gefunden  werden,  während  sie  bei  den  Weibchen  Avenig  entwickelt 
sind  oder  fehlen.  Ammoihea  hreiicauda  S  besitzt  oben  am  distalen 
Ende  der  Seitenfortsätze  aller  Füsse  jederseits  2  dicht  neben  ein- 
ander liegende  Kegelhöcker,  die  meist  deutlich  auf  ihrer  Spitze  einen 
kleinen  Dorn  tragen.  Beachtung  verdient,  dass  diese  Höcker  mehr 
oder  weniger  in  der  Richtung  des  Gliedes  gewachsen  sind  und  über 
das  nächste  Glied  hinüber  greifen  (Fig.  4).  nicht  wie  bei  andern 
Ammuthea- Arten  seitlich  gestellt  und  gekrümmt  sind. 

Dieselbe  eigenthümliche  Bewaffnung  wiederholt  sich  am  1.  Glied 
der  Füsse,  am  2.  sind  die  Höcker  schon  weniger  entwickelt,  am  3. 
sind  sie  kaum  sichtbar,  aber  es  findet  sich  ein  Höckerchen  an  der 
nach  vorn  gerichteten  Seite  dieses  Abschnitts.  Die  sonstige  Be- 
watfnung der  Füsse  ist  der  von  A.  fihulifera  fast  völlig  gleich,  nur 
der  Tarsus  trägt  oben  eine  geringere  Zahl  (4—5)  langer  Dornen. 
Die  Nebenkrallen  erreichen  die  halbe  Länge  der  Kralle  selbst  oder 
etwas  darüber. 

Das  Nervensystem  bietet  nichts  Bemerkenswerthes;  die  Bauch- 
kette besteht  aus  5  grossen,  deutlich  getrennten  Ganglien,  die  al)er 
so  nahe  auf  einander  gerückt  sind,  dass  die  Längsconimissuren  nicht 
zu  sehen  sind.  Ein  kleines,  kugliges  Adominalganglion  liegt  oben 
auf  dem  5.  Ganglion. 

Die    männlichen    Geschlecht söffnimg-en    liegen    aut    besondeni 


378  J-    C-    C.    LOMAX, 

Höckern  am  2.  Gliede  der  letztern  2  Fasse  (ein  Merkmal  der 
Gattungj.  Bei  unserer  Art  ist  das  2.  (41ied  der  betreffenden  Ex- 
tremitäten kurz  und  der  Geschlechtshöcker  dick  und  kräftig-  (Fig.  1  J). 

Die  Kittdrüsen  am  4.  Gliede  der  Beine  stimmen  in  Lage  und 
Bau  mit  der  von  A.  franciscana  (I)ohen,  Monographie,  tab.  3,  fig.  4) 
genau  überein.  Sogar  der  typische  Dorn  neben  der  Mündung  fehlt 
auch  bei  A.  hrevicauda  nicht. 

Das  einzige  Exemplar  trug  keine  Eierballen. 

Von  andern  verwandten  Arten  unterscheidet  sich  A.  hrevicauda 
also  durch  den  sehr  kurzen  Hinterleib,  durch  die  geknieten  Palpen, 
durch  den  ganz  am  Vorderrande  stehenden  Augenhügel  von  massiger 
Grösse  und  durch  die  verhältnissmässig  kleinen  Kegeldornen  auf  den 
Extremitäten. 

Maasse    in    mm. 

Proboscis  :  0,7 
Rumpf  1)    :0,7 
Abdomen  :  0,08 
3.  Gehfuss :  3, — 


JPijcuof/ofiiun  microps. 

Strand  bei  Illovo  oder  Isipungo-Natal.     1  Expl.     9. 

Das  Exemplar  (Fig.  5)  hat  die  Gestalt  ^Wqy  Fucnogonum-kvtaw: 
die  dicke  Proboscis,  den  massiven,  in  Segmente  gegliederten  Körper, 
deren  vorderes  die  Proboscis,  wie  ein  Kragen  den  Hals,  umfasst 
(Fig.  6),  und  die  kurzen,  plumpen,  aber  kräftigen  Füsse. 

Am  Rumpf,  der  durch  deutliche  Gelenke  in  4  Segmente  getheilt 
ist,  sind  die  Seitenfortsätze  ebenso  breit  wie  die  Segmente  und  fast 
gar  nicht  durch  Furchen  von  denselben  geschieden.  Auf  dem  hintern 
Theil  der  vordem  3  Segmente  findet  sich  ein  medianer,  stumpfer, 
dicker,  aber  niedriger  Buckel;  ausserdem  tragen  die  Seitenfortsätze 
ähnliche,  aber  viel  kleinere,  und  endlich  liegt  hinter  dem  Augen- 
hügel ein   noch  kleinerer.    Dieser  Augenhügel   ist  bei  unserer  Art 


1)  Beim  Bestimmen  der  Körperlänge  werden  die  seitlichen  Fortsätze 
des  letzten  Beines  mitgerechnet,  wenn  sie  in  der  Richtung  des  Körpers, 
wie  oft,  nach  hinten  gewachsen  sind,  ebenso  oft  aber  nicht  berücksichtigt, 
wenn  dieselben  mehr  seitlich  gerichtet  sind.  Zur  Vermeidung  dieser  TJn- 
genauigkeiten  ziehe  ich  es  vor,  die  Länge  des  Rumpfes  immer  von  der 
Mitte  des  Vorderrandes  bis  zum  Ursprung  des  Abdomens 
zu  messen. 


Pycnogoniden  aus  der  Capcoloiiie  mul  Xatal.  379 

selir  Avenig-  entwickelt,  die  Augen  nicht  einmal  mit  der  Lupe  gut 
wahrzunehmen,  aber  bei  stärkerer  Vergrösserung  erscheint  er  als  eine 
geringe  Erhabenheit,  die  4  winzige  Augen  trägt.  Im  Uebrigen  sind 
Körper  und  Füsse  von  ebenso  rauher  Oberfläche  wie  bei  andern 
Arten  der  Gattung.  Auch  der  kurze  Hinterleib  hat  nichts  Be- 
sonderes, ist  im  Gegentheil.  wie  oft.  hinten  gerade  wie  abgeschnitten. 

Die  Proboscis  ist  von  der  Seite  gesehen  genau  cylindrisch 
( Fig.  6),  zeigt  aber  von  oben  gesehen  (Fig.  5)  hinter  der  Mitte  eine 
sehr  leichte  Einschnürung.  Die  Lippen  scheinen  klein  zu  sein. 
Das  Lumen  ist  gross,  tonnenförmig,  denn  die  Reuse  liegt  ganz 
hinten. 

Die  Extremitäten  sind  normal,  haben  zwar  eine  rauhe  Ober- 
fläche, zeigen  jedoch  nirgends  grössere  Buckel. 

Kralle  ohne  Nebenki'allen. 

Unter  dem  Mikroskop  ist  die  Haut  des  Körpers  überall  durch 
Leisten  und  Balken  von  sehr  verschiedener  Grösse  netzförmig  ge- 
kammert,  genau  so,  wie  es  auch  bei  P.  liftorale  vorkommt. 

Die  Ovarialmündungen  glaube  ich  hinten  auf  der  Oberseite  des 
2.  Gliedes  der  Hinterfüsse  gesehen  zu  haben,  doch  wai-  diese  Oetf- 
uung  nicht  scharf  markirt,  da  das  einzige  Exemplar  wohl  noch  nicht 
zur  vollen  Reife  gekommen  ist. 

Unterscheidungsmerkmale  dieser  Art  sind  der  kleine  Augenhügel 
und  die  fast  vollkommen  cj^liudrische  Proboscis. 

M a a s s e    in    mm 
Proboscis  :  1^2 
Rumpf       :  3 
Hinterleib:  Va 
LGehfuss:3V2 
4.  Gehfuss  :  2% 

Disroartichnc  hrei'ipes  Huek. 

Seapoint  (Tafel-Bai)  bei  Capstadt.    15  Expl. 

Von  dieser  merkwürdigen  Art  sammelte  Herr  Prof.  W^eber 
9  Weibchen  und  (5  ^lännchen,  alte  und  junge,  und  da  auch  die  von 
CoLE  1)  beschriebenen  11  Exemplare  am  selben  Ort  gefangen  wurden, 
so  wäre  eine  nähere  Besprechung   eigentlich   überflüssig.     Die  Be- 


1)  COLE,   On  Discoarachne  brevipes  HoEK,   a  Pycnogonid  from  South 
Africa,  in:  Zool.   Jahrb.,   V.    15,   Syst.,  p.  243. 


380  J-    ^'-    C^-    LOMAN 

fuiide  I'ole's  stimmen  abei'  mit  den  meinigen  niclit  überein,  nnd  es 
werden  wichtige  Fragen  unbeantwortet  gelassen,  die  ich  hier  nicht 
umgehen  möchte. 

Zuerst  einige  statistische  Angaben  über  die  mir  vorliegenden 
Exemplare.  Die  wichtige  Beobachtung  Cole's  über  die  ('heliforen 
dieser  Art  ist  ohne  Zweifel  ein  Altersunterschied  und  stimmt  überein 
mit  dem  ähnlichen  Vorgang  bei  der  Gattung  A.mmoihea,  deren  zahl- 
reiche Synonyme  sogar  diesem  späten  Verlust  der  Cheliforen  zuzu- 
schreiben sind.  Den  Genera  Ammotlica  und  Discoarachne  schliesst 
sich  Niimphopsis  Haswell  an.  wie  aus  dem  Material  der  Siboga-Ex- 
pedition  hervorgeht;  nur  ein  sehr  altes  Männchen  von  iV.  m^scos«.? 
(einer  demnächst  zu  beschreibenden  neuen  Species  aus  dem  indischen 
Archipel)  besitzt  scheerenlose  Cheliforen,  die  übrigen  behalten  die 
Scheeren.  wenn  auch  mehr  oder  weniger  rudimentär,  lange  Zeit  bei, 
und  sogar  eiertragenden  Männchen  fehlen  sie  nicht,  obschon  sie  zu 
nutzlosen  Ivörpertheilen  herabgesunken  sind,  da  ihre  Muskeln  atro- 
phirten.  Wie  Leach  also  in  die  Diagnose  der  von  ihm  ge- 
gründeten Gattung  Ammothea  die  scheerentragenden  Cheliforen  auf- 
nimmt, so  sagt  auch  Haswell  i)  in  seiner  Charakteristik  von 
NympJiopsis :  „First  pair  of  appendages  well  developed,  cheliform". 
Nach  Obigem  haben  wir  es  hier  mit  einer  Erscheinung  zu  thun,  die 
bei  mehreren  Gattungen  ähnlich  verläuft,  denn  auch  bei  Ammoiliea 
fand  ich  einmal  ein  eiertragendes  Männchen,  wo  die  Scheere  der 
Cheliforen  noch  nicht  ganz  verkümmert  war.  Nun  sind  weiter  die 
11  CoLE'schen  Exemplare  durchschnittlich  kleiner  (jünger)  als  die 
16  WEBER'schen,  die  mit  dem  Typus  von  Hoek  übereinstimmen. 
Untersuchen  wir  diese  auf  das  Schwinden  der  Cheliforen,  so  er- 
giebt  sich,  daß  die  Weibchen  diese  Theile  früher  verlieren  als  die 
Männchen, 

Das  jüngste  Exemplar,  mit  schon  vollständig  gebildetem,  sonder- 
barem Eierfuss  und  daher  als  Männchen  zu  erkennen,  ist  weisslich, 
durchsichtig  und  hat  2  gliedrige  Cheliforen ,  die  denen  einer  er- 
wachsenen Ammothea  ähnlich  sind  (Fig.  7a).  Bei  vier  er- 
wachsenen Männchen  (darunter  zwei  eiertragend)  sieht  man  sehr 
deutliche  conische  Rudimente  (Fig.  7b),  und  nur  einem,  grossen, 
alten  Männchen  fehlen  auch  diese. 

Von  den  Weibchen   fand   ich   nur   eins  (noch  wohl  nicht  ganz 


1)  Haswell,  Pycnogonida  of  the  Australian  coast,    in :    Proc.   Linn. 
Soc.  N.  S.  Wales,  V.  9,   1884,  p.   1025. 


Pycnogoniden  aus  der  Capcolouie  und  Xatal.  381 

geschlechtreif,  obschon  mit  sicli  entwickelnden  Eiern  in  den  Füssen) 
mit  stummeiförmigen  Cheliforen  (Fig.  7  c),  wie  aucli  Colk  abbildet. 
Die  acht  andern  zeigen  keine  S]tnr  der  ersten  Extremität.  Ich 
kann  nicht  glauben,  dass  die  Exemplare  von  Colk  zur  vollkommenen 
Reife  gekommen  sind;  sie  sind  zu  klein.  Wenn  es  bei  ihm  heisst^): 
„None  of  these  t'emales  is  as  large  as  that  of  the  Challenger  col- 
lection,  the  measurements  of  the  largest  averaging  only  obont  80",, 
of  these  given  in  that  report.  That  they  are  mature,  however,  is 
evidenced  by  the  fact  that  they  contain  füll  sized  ovarian  eggs", 
so  ist  das  kein  Beweis,  denn  auch  bei  dem  etwas  Jüngern  Weibchen 
finden  sich  bereits  recht  grosse  Eier.  Wahrscheinlich  war  auch  das 
Originalexemplar  der  Challenger-Expedition  noch  nicht  ganz  er- 
wachsen, sonst  hätte  Hoek  uns  doch  wohl  beschrieben,  dass  die 
Ovarialschläuche  sich  bis  an  den  Tarsus  erstrecken  und  die  ersten 
sechs  Glieder  der  Füsse  strotzend  mit  reifen  Eiern 
angefüllt  erscheinen,  wie  ich  es  an  einigen  alten  weiblichen  Indi- 
viduen feststellen  konnte. 

Dass  CoLE  jüngere  Thiere  untersucht  hat,  dem  schreibe  ich 
auch  den  grossen  Unterschied  zu,  der  zwischen  den  von  ihm  ge- 
fundenen Eierträger  und  den  sogleich  zu  beschreil)enden  Extremi- 
täten der  vollkommen  erwachsenen  Männchen  besteht,  lieber 
den  Bau  der  weiblichen  Eierfüsse  sind  Hoek,  Cole  und  ich  einig. 
Die  Fig.  8  giebt  uns  nun  die  betreffende  Extremität  eines  sehr  alten 
eiertragenden  Männchens  wieder.  Sie  ist  neungliedrig,  trägt  an 
den  Gliedern  1—6  spärliche  starre  Haare,  Glied  7  ist  etwas  dicker, 
mit  rundlicher  Spitze  und  trägt  das  etwas  kleinere  8.  Glied  auf  der 
Seite  eingelenkt.  Das  letzte  Glied  ist  noch  kleiner,  eiförmig,  und 
sitzt  mit  dünnerm  Halstlieil  auf  der  Spitze  des  vorigen.  Ein 
10.  Glied  habe  ich  nicht  finden  können;  wenn  es  da  ist,  ist  es  jeden- 
falls winzig  klein  und  mit  den  vorangehenden  unkenntlich  ver- 
schmolzen. Vielleicht  ist  die  Abbildung  Cole's  nach  einem 
Jüngern  Thiere  entworfen  und  ist  die  Extremität  einer  Metamorphose 
unterworfen,  deren  Ende  erst  in  hohem  Alter  erreicht  wird.  Denn 
die  Gliederzahl  ist  nicht  der  einzige  Unterschied,  auch  die  Behaarung 
ist  eine  ganz  andere.  Während  die  basalen  und  mittlem  Glieder 
nur  spärlich  behaart  sind,  ist  Glied  7  mit  über  20  langen  starken 
Haaren  ausgestattet,  die  vorzugsweise  um  die  Spitze  angesammelt 
sind,   am  8.  Glied   zähle   ich   etwa  10  kaum  kleinere  und  am   End- 


1)  CoLE,  1.  c,  p.  244. 


382  J-    <^-    C.    LOMAN. 

giiede  etwa  12  ähnliche.    Das  Ganze  macht  bestimmt  den  Eindruck 
eines  Tastorgans. 

Ein  ähnlich  g-ebauter  männlicher  Eiertiäger  scheint  höchst  selten 
zu  sein.  Nur  für  Trygacns  wird  dasselbe  von  Dohen  ^)  angegeben, 
doch  sind  hier  die  betreffenden  weiblichen  Extremitäten  ebenfalls 
9gliedrig  und  nicht  wie  bei  Discoarachne  normal  lOgliedrig.  Es 
kommen  bis  10  Eierballen  bei  einem  Männchen  vor;  der  Durch- 
messer eines  Eies  ist  nur  0,082  mm  im  Maximum  (Fig.  11). 

Die  ]\[ännchen  der  P.ycnogoniden  unterscheiden  sich  ausserdem 
äusserlich  durch  zwei  Eigenheiten,  den  Weibchen  gegenüber,  auf 
welche  besonders  Dohrn  hingewiesen  hat  und  die  auch  für  die 
Systematik  wichtig  sind.  Es  sind  dies  die  Lage  der  Hodenöffnungen 
und  die  Kittdrüsen.  Besonders  bei  einer  so  aberranten  Gattung  wie 
Discoarachne  war  eine  Untersuchung  dieser  Theile  sehr  erwünscht,  und 
da  CoLE  über  diesen  Gegenstand  gar  keine  Mittheilungen  gemacht 
hat,  ist  eine  nähere  Betrachtung  nicht  überflüssig. 

Die  männlichen  Genitalöff nungen  befinden  sich  am 
2.  Giiede  der  beiden  letzten  ß einpaare  (Fig.  9),  nicht  auf 
eigenen  Höckern  wie  bei  Anniwf hea.  aber  doch  am  hintern  Ende  des 
Gliedes  auf  einer  wenig  vorragenden  Ecke  (gewissermaassen  dem 
Rudiment  eines  Höckers),  und  von  kräftigen  kurzen  Haaren  so  dicht 
umgeben,  dass  es  äusserst  schwer  ist,  die  sehr  kleine  Oeffnung  (S) 
zu  entdecken.  Fast  immer  ist  es  nur  die  borstige  Spitze,  die  die 
Anwesenheit  einer  Oeffnung  verräth. 

Die  Kittdrüsen  sind  ganz  anders  gebaut  als  bei  Ammothea. 
Zahlreiche  Drüsenröhrchen  münden  hier  in  einer  geräumigen,  im 
distalen  Theil  des  4.  Gliedes  aller  Füsse  gelegenen  Höhle  (Fig.  10  h) 
von  platt  rundlich  ovaler,  unregelmässig  zweilappiger  Gestalt.  Diese 
blasenartige  Einsenkung  liegt  hart  am  Chitin  der  Körperwand  und 
mündet  durch  eine  kurze,  weite  Röhre  oben,  unweit  der  Spitze. 
Diese  Form  der  Kittdrüsen  ist  höchst  selten  und  wird  nur  noch  bei 
der  Gattung  Trygaeus  Dohrn  gefunden. 

OoLE  beschreibt  eine  Drüse  im  2.  Giiede  aller  Füsse  beim 
Weibchen,  die  ich  nicht  habe  finden  können.  Derartige  Drüsen  im 
weiblichen  Körper,  die,  wie  Cole  vermuthet,  einen  ähnlichen  Zweck 
haben  wie  die  männlichen  Kittdrüsen,  sind  bis  heute  nicht  bekannt 
geworden. 


1)  Dohrn,    Die   Pantopoden    des  Golfes  von  Neapel,    1881,    p.   IGO, 
tab.  9,  fig.  8. 


Pycuog'oiiiden  aus  der  Capcolonie  und  Natal.  383 

Naclulem  wir  also  den  Bau  des  niännliclieii  Kör])ers  besser 
kennen  gelernt  haben,  können  wir  die  Charaktere  der  Gattung 
aufstellen. 

J)is((KH'<i<'hne  HoEK. 

Körper  kreisrund:  alle  Segmente  verwachsen,  auch  die  Seiten- 
tbrtsätze  verschmolzen;  Hinterleib  dünn,  nach  hinten  gerichtet. 

Proboscis  gross,  spindelförmig. 

Cheliforus  fehlt  bei  sehr  alten  Exemplaren;  bei  jungen  l)is 
kaum  erwachsenen  Thieren  rudimentär. 

P  a  1  p  u  s  kurz,  ögliedrig. 

Eiert räger  ohne  Fiederdornen;  dimorph:  beim  $  normal. 
lOgliedrig.  beim  ^  Ögliedrig.  die  letzten  beiden  Glieder  vor  der  Sj)itze 
des  7.  eingelenkt. 

Ovarien  tragen  reife  Eier  bis  in  das  6.  Glied  der  Füsse. 

Männliche  Geschlechts ö f  f  n  u n  ti  e n  auf  den  beiden  Hintei- 
beinen,  ohne  Geschlechtshöcker. 

Kittdriisen  münden  gemeinsam  in  einen  geräumigen,  runden 
Ghitinsack,  der  selber  mit  einem  kurzen  Ausführungsgang  sich  in 
der  Haut  (iffnet. 

E  i  e  r ))  a  c  k  e  t  e  zahlreich. 

Sehen  wii'  uns  schliesslich  nach  systematisch  verwandten 
Gattungen  um,  so  erhellt  aus  Obigem:  1.  dass  Discoarachnc  nicht 
mit  Colosscndeis  in  eine  Familie  gestellt  werden  kann;  2.  dass  das 
Fehlen  der  Cheliforen  als  Kriterium  zur  Unterscheidung  von  Familien 
und  Gattungen  besser  nicht  gebraucht  wird;  3.  dass  die  nächst  ver- 
wandten sind:  Tanijsti/Imn  Miers  (Clofenia  Dohrn)  und  Trijgaens 
DoHRN.  An  Tanystijlum  erinnert  z.  B.  der  concentrirte,  scheiben- 
förmige Körper  und  die  bis  in  die  Spitze  der  Beine  sich  erstrecken- 
den Ovarien;  mit  Tnjgacus  aber  ist  gemeinsam  die  Lage  und  Zahl 
der  Hodenmündungen,  die  Dimorphie  der  Eierträger  und  die  sonder- 
baren Kittdiüsen,  die  bei  keiner  andern  Gattung  ähnlich  gebaut  sind. 


JJdimoiiifi  tjjjflcd  HoEK. 

Seapoint,  Tafel-Bai.    4  66,^  '+^\  1  Junges. 

Das  Weibchen  ist  aus  der  Beschreibung  von  Hokk  genügend 
bekannt.  Das  ('hallenger-Exemi»lai-  ist  ein  sehr  altes  gewesen,  denn 
keins  der  W'EjjER'schen  erreicht  dieselbe  Grösse.  Die  Maasse  des 
grössten  Männchens  sind  in  mm : 


384  J-    C-    C.    LOMAN. 

Proboscis  3 

Eumpf  4 

Hinterleib  nahe  an  2 

Der  letzte  Fuss  10 

Alle  Tliiere  hatten  die  Proboscis  nnter  den  Rumpf  zurückg-e- 
schlag'en  (Fig.  13),  wie  von  Ascorhynclms  bekannt  ist.  Die  Segmente 
sind  scharf  getrennt,  das  erste  nimmt  fast  die  Hälfte  des  Rumpfes 
ein  und  bildet  vor  den  Augen  ein  weit  vorspringendes  Rechteck, 
an  dessen  Vor-  und  Unterfläche  die  Clieliforen  und  die  Proboscis 
befestigt  sind  (Fig.  12,  13).  Der  Hinterleib  ist  beinahe  so  lang  wie 
das  1.  Segment,  am  hintern  Ende  keulenförmig  angeschwollen  und 
nach  unten  gerichtet.  Der  Augenhügel  (Fig.  12,  13)  ist  gross,  rund- 
lich, aber  nicht  sehr  hoch.  Die  Cheliforen  schwinden  nie  ganz,  auch 
die  Scheere  bleibt  bei  den  grössten  Exemplaren  als  Rudiment  er- 
halten (Fig.  14  c),  und  Blindsäcke  des  Darms  dringen  bis  an  das 
Scheerenglied  vor.  Das  einzige  jüngere  Thier  der  Sammlung  hatte 
einen  etwas  grössern  Cheliforus  (Fig.  14  a)  mit  wohl  ausgebildeter, 
jedoch  schwächlicher  Scheere,  der  beinahe  die  halbe  Grösse  der 
Proboscis  erreicht. 

Beim  Männchen  interessiren  uns  nun  3  Punkte:  der  Eierträger 
und  die  Weise,  in  der  die  Eier  getragen  werden,  die  Genitalötfnung 
und  die  Kittdrüsen. 

Die  männlichen  Eierträger  sind  aber  von  genau  derselben  Form 
wie  die  weiblichen,  mit  dem  einzigen  Unterschied,  dass  die  starren 
Haare,  welche  sie  bekleiden,  ein  w^enig  zahlreicher  und  die  mittlem 
Glieder  (Glied  4  und  5)  wohl  etwas  länger  und  stärker  sind.  Die 
Eier  werden  von  den  beiden  Extremitäten  zusammen  getragen  (wie 
bei  Fycnogonum).  Sie  sind  zu  einem  grossen  Kuchen  vereinigt,  doch 
kann  man  deutlich  mehrere  Abtheilungen  unterscheiden  durch  tiefe 
Einschnitte  getrennt,  was  wahrscheinlich  dadurch  verursacht  wird, 
dass  mehrere  Weibchen  demselben  Männchen  ihre  Eier  übergeben. 

Die  Eier  sind  durchschnittlich  0,09  mm  gross. 

Die  Hodenöffnungen  findet  man,  ganz  wie  bei  Ammofhea,  auf 
ansehnlichen  Höckern  am  2.  Gliede  der  hintern  2  Beinpaare  (Fig.  15), 
"von  einigen  starken  Haaren  umgeben. 

Kittdrüsen  aber  habe  ich  leider  nicht  wahrnehmen  können;  ich 
kann  nur  angeben,  dass  sie  an  der  Stelle,  wo  sie  bei  Ammothea 
liegen,  bestimmt  nicht  vorkommen. 

Die  Charaktere  der  Gattung  sind  demnach: 


Pycuogonideu  ans  der  ('apcolonie  niid  Natal.  385 

Hannonia  Hoek. 

Körper  g-edrung-eii,  deutlich  gegliedert;  Hinterleib  lang,  keulen- 
förmig, nach  unten  gerichtet;  l.  Segment  vor  den  Augen  ausgezogen. 

Proboscis  von  der  Form  eines  Pfeifenkopfes,  ganz  an  die 
Bauchseite  gebogen. 

Cheliforus  des  erwachsenen  Thieres  2gliedrig,  mit  ver- 
kümmerter Scheere. 

Palpus  fehlt. 

Eierträger  normal  lOgliedrig  in  beiden  Geschlechtern:  ohne 
Fiederdornen,  mit  Endklaue. 

Eier  werden  in  einem  grossen  gelappten  Kuchen  von  beiden 
Eierträgern  zugleich  getragen. 

Ovarien  tragen  Eier  bis  in  das  6.  Glied  derFüsse;  weibliche 
Genitalötfnungen  an  allen  Füssen;  männliche  Genitalöffnungen  auf 
starken  Höckern  der  hintern  beiden  Extremitäten. 

(Kittdrüsen  unbekannt.) 

Die  systematische  Stellung  von  Hannonia  scheint  mir  nicht  leicht 
zu  bestimmen.  Der  kräftige  Körper,  die  kurzen  Beine  mit  Klauen 
ohne  Xebenklauen  sowie  die  grosse  gelappte  Eiermasse,  die  von  den 
beiden  Eierfüssen  getragen  wird,  sie  bieten  Anklänge  an  Pijcnogonum : 
die  Lage  der  Proboscis,  nach  hinten  umgewendet  unter  dem  Rumpf, 
und  ihre  Form  erinnern  an  Asrorhijnchus ;  die  bis  in  die  Spitze  der 
Extremitäten  reife  Eier  producirenden  Ovarien  und  die  dicken  männ- 
lichen Genitalhöcker  sind  der  Farn.  Ammoiheidae  entlehnt. 

Die  normalen,  in  beiden  Geschlechtern  gleich  geformten,  10- 
gliedrigen  Eierträger  und  die  ungewöhnliche  Form  und  Lage  der 
Proboscis  entfernen  die  Gattung  wieder  aus  der  Nähe  von  Pycnogonum. 
Und  das  gänzliche  Fehlen  der  Palpen  spricht  auch  nicht  für  eine 
nähere  Verwandtschaft  mit  Äscorhynclms  oder  mit  Ammofhea. 

Die  Wahl  wird  hier  schwer.  Soviel  ist  aber  geAviss,  dass  ich, 
als  ich  das  Thier  zum  ersten  Male  sah,  es  der  äussern  Erscheinung 
nach  sofort  als  einen  Verwandten  von  Ascorhjnchus  erkannt  zu  haben 
glaubte.  Bald  nachher  kamen  bei  näherer  Bekanntschaft  die  Zweifel. 
Und  jetzt  warte  ich  auf  bessere  Kriterien  zur  Entsclieidung. 


Zool.  Jahrb.  XX.    .\bf}i.  f.  .Syst.  ^6 


386  J-  C.  C.  LoMAN,  Pj'cuogoniden  ans  der  Capcolonie  und  Natal, 


Erklärung  der  Abbilduiigeii. 


Tafel   14. 

Animothea  hrevica/ida  n.  sji. 

Fig.   1.  Körper    von    oben,     mit    rechtem    Cheliforus,     Palpus    und 

Hinterfuss.  S-     Grenitalhöcker, 

Fig.   2.  Vordertheil    mit  Cheliforus  und  Palpus,    stärker  vergrössert. 

Fig.   3.  Endglieder  eines  Eierträgers. 

Fig.  4.  Seitenfortsatz  und  1.   Glied  (/)  des  3.  rechten  Gangbeins. 

Pyciiogonahi   microps  )t.  sp. 

Fig,  5.     Körper  von  oben. 

Fig.   6.     Derselbe  von  der  rechten  Seite,  ohne  Füsse. 

Disconrachnc  brevipes  Hoek. 

Fig.   7.  a.  Cheliforus  eines  jungen  Männchens ;  b.   von  einem  kleinen 

eiertragenden  Männchen ;   c.  von  einem  nicht  ganz  erwachsenen  AVeibchen. 

Fig.  8.  Eierträger  eines  sehr  alten  eiertragenden  Männchens. 

Fig.  9.  Die  proximalen  Glieder  (/,  II,  III)  des  3.  Gangbeines  eines 
reifen  Männchens.      $  Hodenöffnung  am   2.   Glied. 

Fig.  10.  Kittdrüsen  (/r)  nahe  der  Spitze  des  4.  Gliedes  eines  Hinter- 
fusses. 

Fig.   11.  Ei  im  4-Zellen-Stadium. 

Hanvonia  iypica  Hoek. 

Fig.  12.  Vordertheil  von  oben,  vergrössert.  chel  Cheliforus;  eit  das 
1.   Glied  des  Eierträgers;   A   Augenhügel. 

Fig.   13.     Das  ganze  Thier  von  rechts,  ohne  Füsse. 

Fig.  ]  4.  Drei  Stadien  in  der  Entwicklung  eines  Cheliforus.  a.  Jung ; 
b.   älter ;    c.   altes  Männchen. 

Fig.  15.  Proximale  Glieder  (/,  //,  ///)  eines  Hinterfusses  beim 
Männchen.      $  Hodenöffnung  am  2.  Glied  auf  der  Spitze  des  Höckers. 


Nachilruck  verboten. 
Ueberaetsungsrecht   vorbehalten. 


Die  Landfauna  der  Marschall-Inseln 

nebst     einigen    Bemerkungen    zur    Fauna    der 
Insel  Nauru. 

Von 
Dr.  med.  Paul  Schnee  in  Gross-Lichterfelde, 

früher  auf  Jaluit  (Marschall-Inseln). 


Die  Marschall-Inseln  sind  eine  (-Jruppe  von  Atollen  im  Stillen 
Oceane.  welche  sich  zwischen  dem  ö*^  und  li^  nördl.  Br.  und  dem 
161— 171  "^  östl.  Länge  erstrecken.  Sie  liegen  somit  etwa  in  der 
Mitte  zwischen  der  Carolinen-  und  der  (Tilbert-Gruppe.  34  Inseln, 
dei-en  Flächeninhalt  etwa  400  qkm  betragen  soll,  setzen  sie  zu- 
sammen. Alle  sind  niedrig  und  erheben  sich  nur  in  wenigen  Fällen 
höher  als  1  m  über  die  Hochwasserlinie.  Ihr  Boden  besteht  einzig 
und  allein  aus  Korallentrümmern  untermischt  mit  Muschelschalen 
und  dergleichen  Resten:  meistens  ist  er  recht  unfruchtbar,  da  sich 
nur  wenig  Humus,  von  abgestorbenen  Pflanzen  herrührend,  auf 
ihnen  gebildet  hat,  welcher  durch  die  gewaltigen,  sehr  häutigen 
Regen  noch  dazu  beständig  ausgelaugt  und  fortgespült  wird.  Trotz- 
dem sind  sie  dicht  mit  Buschwerk  bedeckt,  indessen  ist  die  Anzahl 
der  vorkommenden  Species  recht  gering.  Ich  vermochte,  mit  Aus- 
schluß der  von  Europäern  eingeführten,  nur  etwa  (SO  Arten  zu 
sammeln,  von  denen  aber  wieder  ein  grosser  Theil  eingeschleppte 
Unkräuter  waren. 

Nauru,  unter  dem  Namen  Pleasant  Island  vielleicht  etwas  be- 
kannter, liegt  1 "  südlich  vom  Aeriuator.  unter  dem  167 "  östl.  Länge. 
Die    Insel   besteht   aus   gehobenem   Korallenfelsen,   dessen  Höhe   bis 

26* 


388  Paul  Schnee, 

ZU  180  Fuss  aufsteigt.  Ihr  Umfang-  beträgt  18  km.  Ein  flacher, 
meist  sandiger  Strand  umgiebt  den  gebirgsartig  aufsteigenden  Kern, 
der  Blicke  in  waldige,  mit  Baumgipfeln  bedeckte  Thäler  gewährt, 
welche  dem  Verfasser  nach  mehrjährigem  Aufenthalte  auf  dem  ab- 
solut ebenen  Boden  der  Marschalls  fast  alpenmässig  vorkommen 
wollten.  Ein  grosser  Teich  sowie  zahlreiche,  tiefe  Höhlen  verdienen 
Erwähnung.  Nauru  besitzt  somit  kaum  Aehnlichkeit  mit  den 
Atollen  der  erwähnten  Gruppe,  zn  der  sie  aber  politisch  gerechnet 
wird,  da  sie  wie  jene  deutscher  Besitz  ist. 

AVährend  meiner  mehrjährigen  ärztlichen  Thätigkeit  auf  .Taluit, 
der  Hauptinsel  der  Marschall  -  Gruppe ,  habe  ich  Gelegenheit  ge- 
nommen, die  mich  speciell  interessirenden  Kriechthiere  sowie  einzelne. 
Freunden  und  Bekannten  erwünschte  Gattungen  zu  sammeln.  Von 
den  übrigen  Geschöpfen  wurden  nur  diejenigen,  welche  irgend 
welches  biologische  Interesse  boten,  berücksichtigt.  Erst  in  den 
letzten  Monaten  kam  ich  darauf,  alle  dort  vorkommenden  Arten, 
insbesondere  auch  kleine  Insecten,  um  die  ich  mich  bisher  sehr 
wenig  gekümmert  hatte,  zu  sammeln,  da  die  geringe  Zahl  der  vor- 
kommenden Lebewesen  die  Hoifnung  eröftnete,  sie  ohne  grosse 
Schwierigkeit  alle  zusammen  publiciren  zu  können.  Das  Kesultat 
dieser  meiner  Thätigkeit  findet  man  in  folgenden  Zeilen  zusammen- 
gefasst.  Einige  beigefügte  summarische  Angaben  über  die  Herkunft 
und  Heimath  der  Arten,  welche  ja  auf  den  Atollen  nicht  entstanden 
sein  können,  sondern  von  anderswo,  in  letzter  Linie  von  den  grossen 
Landmassen,  den  Continenten,  stammen  müssen,  dürfte  nicht  unwill- 
kommen sein.  Ueber  die  Art  und  Weise,  wie  die  Inseln  besetzt 
worden  sind,  denke  ich  mich  an  dieser  Stelle  noch  näher  aus- 
zusprechen und  darf  somit  vorläufig  darauf  verweisen. 

Ehe  ich  zur  Aufzählung  der  vorkommenden  Arten  übergehe, 
erlaube  ich  mir,  den  zahlreichen  Mitarbeitern,  welche  mich  in  den 
Stand  gesetzt  haben,  diese  Arbeit  zu  publiciren,  indem  sie  sich  der 
oft  mühevollen  Bestimmung  unterzogen,  anch  an  dieser  Stelle  meinen 
besten  Dank  zu  sagen. 


Die  Laudfaima  der  Marschall-Inseln.  389 

T  bedeutet  Kosmopolit.  ?  vor  einem  Xamen  bedeutet  nicht 
sicher. 

A.  Säugethiere. 

('(Iltis  famiUaris  L. 

Felis  domesticri  Briss.,   auch  verwildert. 

Siix  scrofa  L.,   auch  verwildert. 

Mus  deeumaitus  Fall.  7 

?  Mus  niltiis  L.  -J- 

Mus  Diuscidus  L.  -]- 

( Iris  urirs  L.   )  ,  1    •  t-i   ü  •     •  •  r^  •    • 

r,       ,  T     r  köuuen  nur  bei  h  ütterung  mit  importirtem  Crrase  existiren. 

nos  inunis  ij.  j  o  i 

Ob  die  von  einem  der  doitif^en  Einwohner  eingeführten  Lapins 
sich  eingewöhnen  werden,  bleibt  abzuwarten;  von  den  erzielten 
Jungen  gediehen  allerdings  einige  gut,  während  die  Mehrzahl  starb. 

Fledermäuse  giebt  es  nicht;  eine  Angabe  der  englischen  Lite- 
ratur ist  irrthümlich,  resp.  es  hamlelt  sich  um  ein  verschlagenes 
Exemplar  jener  angegebenen,  weit  verbreiteten  Art  {EmhcdJonura 
scmicaudata  Pea le ). 


B.  Vögel. 

a.  Hausgeflügel. 

Mdecujris  gcdloparo  L.,  pflanzt  sich  nicht  fort,  neuerdings  probeweise  wieder 

eingeführt. 
(iidlus  doniesticus  Briss.,  auch  verwildert. 
A)ias  anser  domestinis  L.,    die  Jungen   gehen,    anscheinend    in  Folge    des 

vielen  Regens,  stets  ein. 
Anas  moscJidta  L. 

b.  AVilde   Vögel, 

nach  einer  Zusammenstellung  von  Herrn  Prof.  Reichenow,  Berlin.^) 

Eudynamis  taitensis  (Sparrm.). 

( 'nrpojihaga  oceanica  (Less.). 

Arenaria  interpres  (L.). 

('hciradriiis    fiiJrus  Gm.      Zugvogel.      Scheint    im    September    und    October 

besonders  häufig.      Ein  Thcil  der  ^'ögel  wandert  wohl. 
?  ( 'hanidrius  Jiiaticida  L. 
Tolanus  incamis  (Gm.). 


1)  S.  Ibis  (4),  V.  4,  London  1880.     XXVI.  FiNSCii,  Ornithological 
Letters  from  the  Pacific,  N.  3,  p.  329 — 333. 


390  Paul  Schnee, 

Calidris  arenaria  (L.). 

Simienius  fahif/rnsis  (Gm.),    geht    über  40  Längegrade,    von  den  Fidschi- 

bis  zu  den  Marquesas-Inseln  (nach  AVallace). 
Ardea  sacra  Gm. 
Sterna  hcrgeri  Scht. 
Sterna  melanauchen  Temm. 
Anoiis  sfolidns  (L.). 
Anous  kucucapillus  J.  Gd. 
Gygis  Candida  (Gm.). 

Anas  carolinensis  Gm.  \  Nur    einzelne    berühren    die  Inseln   während    ihres 
Anas   acuta   americana    Zuges  von  Sibirien  nach  den  nördlich  von  Austra- 

B,P.  [Ken    liegenden    Inseln,     z.  B.    lO./ll.    1902    ein 

Anas  penelope  L.  )  Exemplar  auf  Jaluit  gesehen. 

Xyroca  vallisneria  (Wis.) 
Puffmus  sp. 
Procellaria  sp. 
Sula  sp.     Ich    habe    ein    halb  erwachsenes  Junges  mit  grüngrauem  Kopfe 

und  weisser  Haube  längere  Zeit  in  Gefangenschaft  beobachtet. 
Phaeton  aethereus  L. 
Phaeion  lepiurus  Lacep.  Daud. 
Fregata  aqnila  (L.). 

Wie  mir  alte  Leute  erzählten,  gab  es  auf  Jaluit  früher  einen 
kleinen,  auf  der  Erde  lebenden  SiugTogel,  vielleicht  der  auf  Nauru 
heute  noch  vorhandene  Tatare  rehm.^) 

C.  Reptilien.-) 

(iymnodactylus  pehgieus  Gir. 
Gehyra  oce<i)iica  Lesson. 
Lepidodactylus  Ingubris  D.  et  B. 
Lygosoma  {Keneuxia)  smaragdiniim  Le8S. 
Lygosoma  (Emoa)  cyamirnni  Less. 
Lygosoma  (Riopa)  albofnsciolatuni  Gthr. 

D.  Amphibien  fehlen. 

E.  Fische 

fehlen  in  den  Brackwassertümpeln. 


1)  S.    Journal   für    Ornithologie,    Jg.  50,    (5),    V.  9,    Leipzig    1902, 
Reichenow,  Vögel  von  Nauru,  p.  254. 

2)  S.    meinen    Aufsatz:    Die    Kriechthiere    der    Marschall-Inseln,    in: 
Zool.  Garten,  V.  43,   1902,  p.   354—362. 


Die  Landfauna  der  ]\Iarscliall-Inseln. 


391 


F.  Insecten. 

I.  Coleoptera,  det.  Prof.  Kolbe,  Berlin. 

Familie   ''  ''inibiduc. 


('allida  insulaiis  BoH. 
Selcnophoriis  sp. 

J'ldfi/suniK  sj). 

Carpophibis  mutilutns  Ek. 
Carpophilun  sp. 
Ejumtea  sp. 

Eine  Species. 

Ci/r(oiiofum  sp. 
Cijdonotum  sp. 

Xecrohia  pilifrra  Reitt. 


Familie  Ilisteriduf. 
Familie  Xlfiiliilidfir. 

Familie   ( 'ncujidar. 
Familie  HijdrophUiddc. 

Familie   ( Icridae. 


Familie  Elateridae. 
Monociepidius  pallipes  Eschz. 
Monocrcpidius  sp. 
Siniodar-Iylns  rhnirni/oiueus  BoiSD. 

Familie    Oedeuirridae. 
Ana  um  sj). 
Ananca  sp. 

Familie   Tcnehrifm/dae. 
Amiirjiijnnis  hydrophiloidcs  Faikm. 
Aljdulohius  diaperinus  Panz. 
Alj>}ill(jbius  picnis  Ol. 
Sfi()jßha(jiis  pandanlcoln  EscHZ.   Sharp. 
Trlhol'nnn  fprrucjineuiii  F. 
Cnodal  sj). 

Familie    <  'iirrnlii/iild'ie. 
( 'rleathelcs  hisidaris  SciiT. 
Sphenophorus  sukij/es  Sharp. 


Eine  Species. 
Zwei  Species. 


Familie   Toiincidne. 
Familie   ( 'enii/ihi/cidar. 


392  Paul  Schnee. 

II.  Hymeiioptera. 

V  e  s  p  ar  i  a.^) 

1.  Mauerwespe,  häufig. 

2.  Blattschneidei',   seltener. 

3.  Huugerwespe  {Erania),  Larve  lebt  in  Blatta. 

4.  Schenkelwespe  {Sniicra). 

Ameisen;  det.  Dr.  G.  Maye,  "Wien. 

1.  Oihniomachus  haematoda  Linne. 

2.  Vollenhovia  pedestris  Sm. 

3.  ]\[onomorium  destrudor  Jerd. 

4.  Iridomijrmcx  anceps  RoG.  subspec.  papurunis  Em. 

5.  Prenolepis  cla>ide>tlma  Mayr. 

6.  Plagiolepis  lonyipes  Jerd. 

7.  Gamponotiis  niacjilains  Fabr.  suhsp.  novae-hoUandiae  Mayr. 

8.  Camponotus  schneci  Mayr.-) 

III.  Lepidoptera. 

lieber  die  von  Herrn  Dr.  Schnee  auf  Jaluit  gesammelten 
Grosschmetterlinge. 

Von 

Dr.  Seitz  in  Frankfurt  a.  M. 

Zum  Verständniss  der  Zusammeiisetzuiig-  der  Falterfauna 
von  Jaluit  ist  es  nöthig.  sich  vorzuhalten,  dass  diese  Thiere  in  ihrem 
biologisch  wichtigsten  Stande  (als  Imago)  Luft  thiere  sind.  Bei 
der  Gewohnheit  der  meisten  Tagfalter,  den  Begattungsact  im  Fluge 
vorzunehmen,  machen  die  Thiere  sich  weit  mehr  von  den  Wind- 
verhältnissen abhängig  als  andere  geflügelte  Insecten,  und  da  die 
Flachheit  der  Marschall-Inseln  jeden  AVindschutz  ausschliesst,  so 
würden  Arten,  die  —  wie  viele  Papilio  und  Pieriden  —  zur  Be- 
gattung hoch  in  die  Luft  hinauf  wirbeln,  gerade  im  Fortpflanzungs- 
acte  leicht  weggeblasen.  Eher  schon  müssen  wir  nach  Arten  suchen, 
die  entweder  sehr  flugkräftig  sind  und  dem  Winde  widerstehen 
können,  oder  nach  solchen,  die  viel  sitzen  und  beim  Anheben  des 
Sturmes  sich  niederfallen  lassen.  Solche  zähen,  starken  oder  sich 
schützenden  Thiere   haben   dann    aber   —  in  Folge  dieser  Eigen- 


1)  Die  betreffenden   Gläser  gingen  beim  Trausporte  verloren, 

2)  G.  Mayr,    Hyraenopterologische  Miscellen  II,    in:  Verh.   zool.-bot. 
Ges.  Wien,   1903,  p.  401—403. 


Die  Lanilfamia  der  3Iarschall-Inselii.  393 

schalten  —  meist  eine  weite  \'erbreitung-  und  können  daher  auch, 
im  Falle  localen  Erlöschens  auf  den  Inseln,  A'on  den  benachbarten 
Eilandgruppen  zuriickverschlagen  werden. 


I.  Rhopalücera. 
1.   Anoski  xdexippiis  L. 

Dieser  Amerikaner,  der  Mitte  vorigen  Jahrhunderts  die  Wande- 
rung über  die  Sandwich-Inseln  nach  Australien  vollendet  hat,  musste 
die  Marschall-Inseln  passiren.  Er  ist  jetzt  in  der  ganzen  Südsee 
heimisch,  scheint  aber  im  eigentlichen  Indien  nur  langsam  und 
stockend  einzudringen.  Seine  sehr  schnell  erfolgende  Ausbreitung 
im  östlichen  Australien  verlegten  W.  MacLeay  und  (i.  Masters, 
wie  mir  mündlich  mitgetheilt  wurde,  in  die  Zeit  von  1865—70. 
Anno  1887  fand  ich  iien  A.  pJe.rippxs  bei  Sydney  schon  als  dauernden 
Winterschmetterling  und  sehr  gemein.  Die  Exemplare  aus  Jaluit 
gleichen  ganz  den  Australiern  und  scheinen,  wie  auch  die  von  Hono- 
lulu, von  nordamerikanischem  Typus,  von  den  Südamerikanern  deut- 
lich verschieden. 

Aus  einer  ziemlich  detaillirten  Lebensbeschreibung,  die  Herr 
Dr.  Schnee  an  Ort  und  Stelle  entwarf,  geht  hervor,  dass  auch  die 
frühern  Stände  gleiches  Aussehen  und  Verhalten  zeigen  wie  in 
Amerika  und  Australien:  Raupe  gelb  und  schwarz,  zebraartig  ge- 
streift, mit  je  2  weichen  Tasthörnern  am  Vorder-  und  Hintertheil; 
an  Asclepias  curassavica  (Cotton  weed).  Puppe  eicheiförmig,  frei 
aufgehängt,  glasig  grün  mit  goldner  Querleiste  und  Goldpunkten; 
Verwandlung  nach  wenigen  Tagen. 

A.  plcxippus  trägt  eine  unbeugsame  Farben-  und  Zeichnungs- 
festigkeit  überall  auf  seinen  Wanderungen  mit  sich  herum.  Bei  der 
eminenten  Verbreitung  der  Art,  die  von  Pernambuco  und  den  Oana- 
rischen  Inseln  westwärts  bis  Süd- Asien  und  Australien  reicht,  würde  jede 
andere  Species  gewiss  ihr  Kleid  mehr  verändern.  Diese  Hartnäckigkeit 
äussern  Einflüssen  gegenüber  lässt  auf  ein  beträchtliches  Alter 
dieser  Form  einer  sonst  modernen  (iruppe  schliessen.  Es  ist  dabei 
verwunderlich,  dass  erst  neuerdings  und,  so  zu  sagen,  unter  den  Augen 
der  Forseher  die  Ausbreitung  dieser  Art  begonnen  hat,  und  dies 
legt  den  (bedanken  nahe,  dass  der  Schiffsverkehr  das  Vehikel  zur 
Ausbreitung  gestellt  hat.  Wenn  thatsächlich  im  A\'esten  Nord- 
amerikas A.  pJexippus  als  Imago  überwintert,  so  ist  ein  \'erkriechen 


394  Paul  Schnee, 

desselben  in  Schiffsräume  (wie  bei  unsern  Vanessa)  leicht  denkbar, 
und  bei  rasch  fahrenden  Dampfern  ist  eine  Verschleppung*  leicht 
möglicli.  —  Abel'  auch  ein  zweiter  Punkt  muss  bedacht  werden: 
die  Asclepias  sind  vorwiegend  (Gartenpflanzen,  und  wir  können  auch 
annehmen,  dass  die  Wanderung  der  Falter  schon  früher  —  durch 
Wind  —  stattgefunden,  die  Einbürgerung  aber  vor  dem  Import  der 
Futterpflanze  am  Wanderziel  unmöglich  war.  Ein  genaues  Studium 
der  Einführungsdaten  der  verschiedenen  Asclepiadeen  dürfte  hierfür 
den  Schlüssel  bieten. 

2.  Junonia  vellida  F. 

Von  dieser  Species  fliegt  auf  Jaluit  die  lebhaft  rothgefärbte 
taitische  Form,  wie  sie  auf  den  meisten  der  östlichen  Südsee-Inseln 
heimisch  ist.  Von  den  typischen  Australiern  unterscheidet  sich  die 
.Taluitform  leicht  durch  das  brennende  Orangeroth,  das  bei  den  mir 
vorliegenden  Xeu-Süd-Wales-Thieren  mehr  durch  Bräunlich-  oder 
Ledergelb  ersetzt  ist.  Diese  lebhaft  rothen  Augenringe  fliessen  auf 
beiden  Flügeln  der  Südseethiere  breit  zusammen,  während  die  fest- 
ländischen Exemplare,  wenigstens  auf  den  Hinterflügeln,  die  beiden 
Augenringe  durch  eine  schmale  Brücke  verbunden  zeigen. 

Der  Ueberblick  über  ein  recht  grosses,  meist  selbst  gesammeltes 
Material  ^)  lässt  mich  an  der  Durchführbarkeit  einer  specifischen 
Trennung  der  verschiedenen  orifhya-,  vellida-  und  selbst  clelia-Fonnen 
sowohl  unter  einander  als  auch  von  den  neuweltlichen  Formen 
(lamnia,  coenia,  livia  etc.)  zweifeln.  Auf  Anregung  des  Herrn  Spengel 
in  Giessen  habe  ich  mich  mit  dem  Sammeln  wie  Beobachten  der 
hierher  gehörigen  Jnnonia  speciell  befasst  und  gerade  unter  den 
einzelnen  Formen  eine  grosse  Variabilität  constatirt.  Am  con- 
stantesten  sind  noch  die  Zwergformen,  wie  die  kleine,  herrlich  bhuie 
Form  vom  Nilghiri-Plateau,  die  rothe  Uvia  von  den  Bolivianischen 
Anden  sowie  die  insulare  taifica.  Die  grossen  Formen  der  Ebene 
zeigen  die  weit  gehendste  Veränderlichkeit,  am  meisten  die  lavinia. 
Unter  74  Exemplaren,  die  sämmtlich  in  wenigen  Tagen  im  Agricultur- 
park  von  Palermo  (Argentinien)  gefangen  sind,  finden  sich  kaum 
2  völlig  gleiche.  Bald  sind  die  Augen  c'oe>?ia-artig  erweitert,  bald 
winzig  verkleinert,  zu  Punkten,  wie  bei  der  livia]  der  vielfach  herr- 


1)  Selbst  gesammelte  Stücke  von  folgenden  Localitäten  :  Aden  (Arabien), 
Kandy,  Colombo  (Ceylon),  Coonoor  (Nilghiris),  Singapore,  Hongkong, 
Sydney,  Adelaide,   Babia,   Rio  de  Janeiro,  Montevideo,  ßuenos-Aires. 


Die  Laiulfauna  der  ^[arücball-Iiiseli).  395 

lieh  m  et  all  grüne  Ciruiid  wird  zuweilen  fast  schwarz,  manchmal  rotli- 
braun  oder,  wie  bei  genovefa,  von  Erdgrau  verdrängt.  I  )ie  (meist  4) 
Augen  aller  Flügel  finden  sich  bald  verdoppelt,  verzogen  oder  durch 
accessorische  Fleckchen  und  Kingelchen  vermehrt.  Bei  den  Indiern 
findet  sich  das  Blau  der  Oberseite  bald  mächtig  vermehrt,  bald  re- 
ducirt  oder  auf  das  eine  Geschlecht  beschränkt.  Die  Unterseite 
zeigt  —  worauf  auch  Brandes  aufmerksam  macht  —  einen  aus- 
gesprochenen Saison-Dimorphismus,  indem  sie  zur  nassen  Jahreszeit 
scheckig- bunt  und  reich  gezeichnet,  zur  Trockenzeit  aber  fahl  und 
einfarbig  ist.  in  Nachahmung  eines  dürren  Blattes.  Was  schliesslich 
noch  die  Flügelform  betrittt,  die  durch  eine  deutlich  vorgezogene 
Spitze  die  lavinia  noch  am  ersten  ars  dem  genannten  Formenkreis 
ausscheiden  könnte,  so  ist  eine  totale  Aenderung  der  Flügelgestalt 
und  damit  auch  gewisser  Distanzen  im  Geäder  bei  Junonia  erwiesener 
Maassen  eine  Saisonfolge  (wie  bei  -/.  alniana-asterie),  so  dass  sie  als 
systematisches  Kriterium  hier  nicht  verwendet  werden  kann.  In  wie 
weit  auch  die  afrikanischen  Formen  nur  als  Localfornien  der  einen, 
weit  verbreiteten  Species  aufgefasst  werden  müssen,  darüber  würden 
wohl  anatomische  Untersuchungen  Aufschluss  geben. 

Ueber  die  Raupe  der  taitica-ä\m\k\\e\i  rellida  von  daluit  finde 
ich  unter  den  mir  freundlichst  zur  Verfügung  gestellten  biologischen 
Notizen  des  Herrn  Dr.  Schnee  nichts  bemerkt.  Zweifellos  ist  sie 
graubraun  mit  kurzen,  auf  röthlich-braunen  Flecken  sich  erhebenden 
Dornen  und  nährt  sich  von  Scrophularieen,  wenn  solche  auf  den 
Inseln  vorkommen,  oder  lässt  sich  wenigstens  mit  solchen  aufziehen. 

3.  Htfpolhiinns  bofina  L. 

Diese  Species  vereinigt  noch  weit  mehr  P'ormen  in  sich  als  die 
vorige,  und  das  Bestreben,  jede  Localvarietät  zu  benennen,  hat  hier 
mehr  Verwirrung  als  Ordnung  hervorgerufen.  Unter  den  11  Exem- 
plaren (4  SS,  7  $$),  die  mir  von  Jaluit  vorliegen,  sind  auch  nicht 
zwei  einander  völlig  gleich.  Die  SS  variiren  in  Größe  und  Gestalt 
der  weißen  Flecke,  die  ?$  wechseln  in  der  Grundfarbe  von  schwarz- 
braun bis  zu  ganz  lichtem  Gelb  weiss.  A  echte  pallescens-F  ormen  und 
solche,  die  der  iriaria  des  Hyp.  mmppus^  zu  ents])rechen  scheinen, 
wechseln  mit  solchen,  die  in  der  Farbenzusammensteilung  der 
australischen  ange-Form  gleichen  und  so  in  den  auf  den  Samoa-Inseln 
gewöhnlichen  Typus  hinüberschlagen.  Da  an  allen  Orten  der  Erde, 
die  wir  als  gemeinsamen  Aufenthalt  von  llypolitunns  und  Danaiden 
kennen,   die   Weibchen    der   Ibfpolimnus   die    Danaiden    copiren,    so 


396  Paul  Schnee. 

köimten  wir  auch  in  der  vollständig-en  Vergilbung-  vieler  J •cilmt-bolina 
eine  beginnende  Miniicry  erblicken,  wenn  wir  nicht  eben  wüssten, 
dass  das  ]\rodell,  die  Anosia  plcxijyims.  auf  der  Insel  in  relativ  später 
Zeit  eingewandert  Aväre.  Wenn  die  amerikanische  Anosia  erst  auf 
Jaluit  eingetroffen  ist,  kurz  vor  dem  sie  sich  in  Australien  aus- 
breitete, so  hätte  sie  zur  Umänderung  erst  eine  sehr  kurze  Zeit  — 
ca.  50  Jahre  -r-  gehabt,  und  es  wäre  sehr  verständlich,  wenn  sich 
die  neue  Weibchenform  noch  nicht  consolidirt  hätte  und  darum 
jedes  Exemplar  einen  andern  Grad  der  Umwandlung  zeigte.  Aber 
selbst  wann  die  Anosia  auf  Jaluit  Aveit  älter  wäre,  zugeflogen  ist  sie 
sicher;  und  eine  Anpassung  der  Hjj2)oJimnas-'We\beY  konnte  nur 
stattfinden,  wenn  diese  bereits  eine  Neigung  zum  Vergilben  in  hohem 
Maasse  besass.  Ich  bin  überzeugt,  dass  die  bolinaAVeihev  auch  ohne 
Anwesenheit  des  Modells,  wie  dies  auf  andern  Südsee-Inseln  auch 
der  Fall  scheint,  vereinzelt  mit  gelber  Grundfarbe  auftreten. 
Immerhin  erstaunt  es  mich,  dass  sich  unter  einer  grössei'n  Anzahl 
io/ma- Weiber  von  den  Samoa-Inseln  bei  völliger  Uebereinstimmung 
der  Männchen  mit  den  Jaluit-Männchen  nur  schwarze  Weibchen 
finden. 

Die  Raupe  beschreibt  Herr  Dr.  Schnee  in  seinen  Notizen,  wie 
sie  auch  von  andern  boIina-Formev.  bekannt  ist,  schwarz,  mit  roth- 
gelbem Kopf  und  ebensolchen  Dornen.  Die  letztern  nesseln ,  wie 
in  den  Aufzeichnungen  steht  „unbedeutend,  wenn  man  mit  dem 
Handrücken  dagegen  kommt" ;  dieses  leichte  Prickeln  verursachen 
auch  unsre  Vatiessa-JlRupen,  und  es  scheint  nur  mechanische  Wirkung 
der  Dornen  zu  sein.  Die  Eaupen  leben  an  Taro,  Wedelia  und  sitzen 
an  der  Unterseite  der  Blätter. 

Die  Lebensweise  des  Schmetterlings  von  Hrjpolimnas  holina  bietet 
manches  Interessante.  Auf  Ceylon  fand  ich  die  Falter  in  der 
Trockenzeit  bei  Tag  unter  den  überhängenden  Farnwedeln  an  Weg- 
büschungen  verborgen ,  vollständig  wie  Nachtfalter  sich  gebärdend. 
Durch  Stockschläge  in  das  Dickicht  aufgescheucht,  flogen  sie  eine 
kurze  Strecke,  um  wieder  ins  Gebüsch  einfällend  sich  zu  verbergen, 
und  so  verhielten  sich  Männchen  wie  AVeibchen,  ganz  entgegengesetzt 
wie  der  gleichzeitig  an  denselben  Localitäten  fliegende  Hypolimnas 
misippus,  der  munter  im  Sonnenschein  umherflatterte  und  mit  seinen 
lebhaften  Farben  kokettirte.  Aus  den  Notizen  des  Herrn  Dr.  Schnee 
geht  hervor,  dass  die  Hyp.  holina  sich  auch  auf  Jaluit  auf  der  Unter- 
seite der  Blätter  birgt:  „das  Ansetzen  an  der  Blattunterseite  ist 
durch  die  täglichen,  schweren  Regen  bedingt". 


Die  Lamifauua  der  Marscliall-Inselii.  397 

4.  Badanud  exvl  antat  ton  Ls  F. 

Auch  diese  Species  ist  eine  sehr  weit  verbreitete,  wenn  wir 
die  Formen  alle  in  die  Species  einreihen,  die  ersichtlich  nur  locale 
Vertreter  der  Art  sind.  'I'rotz  der  überaus  grossen  Constanz  bei 
den  Individuen  aus  einer  Gegend  ist  die  Art  als  solche  doch  wandel- 
bar. Ich  traf  die  B.  e.vclamafionis  in  großer  Anzahl  in  den  Gebirgen 
von  Cej'lon  an  und  (als  B.  dohmi)  in  Australien.  Die  Exemplare 
von  Jaluit.  deren  mir  3  vorliegen,  die  ganz  mit  einander  überein- 
stimmen, stehen  bezüglich  der  Fensterflecke  auf  den  Vorderflügeln 
zwischen  den  Ceyhinstücken  und  den  Australiern,  den  letztern  näher 
kommend.  Bei  den  Männchen  von  Ceylon  sind  die  Glasflecke  der 
Vorderflügel  oft  zu  kaum  wahrnehmbaren  Spuren  reducirt.  bei 
Australiern  zeigen  sie  im  Gegentheil  zuweilen  Neigung,  zusammeu- 
zufliessen;  bei  Jaluit-Stücken  sind  sie  stets  gross  und  deutlich,  aber 
scharf  getrennt. 

Badamia  cxcJamafionis  ist  ein  äusserst  kräftiger  Flieger.  Er  ist 
tagmunter  und  schliesst  in  so  fern  biologisch  an  die  Bhopalocampta 
(forcsfan,  pisistrafus)  an ,  während  die  dunkeln  Ismcnc  {oedipodea, 
etell-a  etc.)  den  Tag  verschlafen  und  meist  aus  den  Gebüschen  auf- 
gestört werden  müssen.  Gemeinsam  mit  Ismene,  Bhopalocampta  und 
manchen  Hasova  hat  die  Badamia  die  Eigenheit ,  dass  sie  sich  auf 
die  Unterseite  der  Zweigspitzen  zu  setzen  pflegt.  Sie  fliegt  völlig 
schnurrend,  wie  ein  Nachtfalter;  dass  sie  bei  Tage  Blumen  besucht, 
habe  ich  nie  beobachtet. 

Die  Kaupe  ist  von  dunkler  Grundfarbe,  gelb  oder  hell  braun, 
zebraartig  gestreift  und  erinnert  dadurch  stark  an  die  Raupen  der 
neotropischen  Gattung  3Bjsoria,  die  Watson  in  seinem  System  der 
Hes])eiiden  an  das  entgegengesetzte  Ende  dieser  Familie  stellt.  So 
viel  ich  mich  erinnere,  sind  die  Raupen  der  benachbarten  Gattungen 
wesentlich  anders,  so  die  Raupe  der  Ismene  oedipodea,  die  schwarz 
mit  gelbem  Bauche  und  2  Reihen  gelber  Fleckchen  ist;  die  Jlasora- 
Raupen  sind  grün  mit  dunkler  Sprossenzeichnung.  Dagegen  kehrt 
der  Typus  der  Zeichnung,  wie  er  sich  bei  den  J5arfaMim- Raupen 
findet,  auffallender  Weise  bei  der  (gänzlich  unbehaarten)  Raupe  von 
Eaniis  husiris  —  im  tropischen  Amerika  —  wieder. 

Die  Puppe  von  B.  exclamatioms  ruht  nach  Dr.  Schnek  „ohne 
Gespinnst  in  der  Erde". 


398  Paul  Schnee, 

Soweit  die  Tagfalter,  die  mir  in  der  kleinen  ( 'ollection  zugingen. 
Aber  bei  der  Constatirung-  so  wenig-er  Arten  sei  nochmals  daran 
erinnert,  dass  der  Falterbestand  der  Marscliallinseln  wohl  ein  in- 
constanter  ist  und  dass  sich  vielleicht  in  andern  Jahren  noch  andere 
Tagfalter  dort  zeig-en,  die  sich  dann,  wenn  gewisse  Winde  zeitweise 
ausbleiben,  wieder  vermindern  und  endlich  ganz  verschwinden.  Das 
Fehlen  beisjiielsweise  der  PoJijommafus  haefira   lässt   dies  vermuthen. 


IL    H  e  t  e  r  0  c  e  r  a. 
5.  Cephonoiles  pieus  ('n. 

Die  sehr  schwierige  Grni)pe.  die  man  bis  vor  nicht  langer  Zeit 
mit  den  Haemorrhagia  Geote  [Hemaris  Dalman)  zusammengeworfen 
hatte,  zeigt  nach  ihrer  neusten  —  der  ersten  gründlichen  —  Be- 
arbeitung durch  Rothschild  u.  Jordan  folgendes  Bild:  eine  Species 
—  Cephonodcs  lujJas  L.  —  zieht  über  drei  Welttheile  (einen  grossen 
Theil  von  Afrika,  Asien  und  Australien)  hinweg;  und  in  diesem 
grossen  Gebiet  eingelagert,  zum  Theil  insular,  ti'aten  dann  weitere 
Formen  auf.  die  sich  mehrfach  unter  die  Individuen  der  ersten  Art 
einmischen  und  oft  genau  die  gleichen  Gewohnheiten,  Erscheinungs- 
zeiten und  Tummelplätze  haben.  Ein  Dualismus  der  Hummel- 
schwärmer ist  uns  aus  dem  europäischen  Gebiet,  wo  sich  der 
Scabiosenschwärmer  {Haem.  tUyus  L.)  und  der  Geisblatt  bewohnende 
Haem.  fuciformis  L.  ganz  ebenso  verhalten,  bekannt,  und  noch  mehr 
aus  Nordamerika,  wo  in  ganz  gleicher  Weise  an  sehr  vielen  Orten 
eine  rothrandige  Haemorrhigia  (der  thyshe-Gr nippe)  und  eine  grau- 
randige  (der  diffinis-Gvüp'pe)  bei  deutlich  getrenntem  Eaupenleben 
als  Falter  auffällig  neben  einander  erscheinen. 

So  treten  an  die  Seite  des  echten  Ceph.  hijJas  in  Australien 
Ce2)]i.  hingi  McLeay,  in  Indian  Ceph.  pkus-^  selbst  auf  räumlich  be- 
schränkten Inseln  leben  oft  zwei  Species  Ceplwnodes  friedlich  bei 
einander:  so  C,  lifuensis  Rothsch.  und  C.  simpJex  Rothsch.  (eine 
janus-Yorm)  auf  den  Loyalitäts-Inseln,  C.  apus  Boisd.  und  C.  trochilns 
GuEK.  auf  Mauritius  u.  s.  w.  Ja,  es  tritt  sogar  zuweilen  eine 
Haemorrhagia  dualistisch  zu  einer  C€2)honodes-¥ ovm,  wo  sich  dann 
der  bestäubte  Flügelrand  der  erstem  stark  reducirt  und  der  Körper 
streckt,  als  ob  eine  Aehnlichkeit  mit  der  Cephoiiodes  von  einem  bio- 
logischen Werthe  für  die  Haemorrhagia  wäre.  —  Chi  lo  sa  ? 

In    so    fern    bedaure    ich    es,    dass    in    der   mir    überwiesenen 


Die  Landfanna  der  Marschall-Inseln.  399 

Collection  von  Jaluit- Faltern  sich  nur  1  Exemplar  der  Ccph.  piciis 
befindet,  das  zudem  noch  stark  defect  mit  völlig-  zertrümmertem 
Kopf  und  gänzlich  abgeschupptem  Hinterleibe  sich  darstellt,  so  dass 
nicht  einmal  die  P^irbung  der  Mittelsegmente  mehr  festgestellt 
werden  kann. 

Die  Raupen  der  Cephonodcf!.  über  die  sich  in  den  mir  über- 
lassenen  Notizen  keine  Bemerkungen  finden,  sind,  soweit  bekannt, 
grün  mit  weissem,  durch  eine  dunkel  grüne  Mittellinie  getheiltem 
Rücken,  rothem  Maul  und  gelben  Stigmen;  die  Puppen  sehr  dunkel 
braun,  fast  schwarz,  am  Kopfende  etwas  gekielt. 

Bezüglich  der  Lebensweise  verhalten  sich  die  CepJionodes  nicht 
nur  unter  sich,  sondern  auch  mit  den  Haemorrhagia  gleich;  wie  diese 
benützen  sie  —  im  Gegensatz  zu  den  Macroßlossa  —  die  Beine  aus- 
giebig beim  Besaugen  der  Blütlien  und  halten  den  Hinterleib  stark 
nach  unten  gekrümmt,  wobei  sie  mit  demselben  wippen,  wie  wenn 
sie  stechen  wollten. 

6.  Chrom  is  crotits  Cn. 

Von  diesem  stattlichen  Falter  enthielt  die  .Taluit-Sammlung 
2  Exemplare,  die  zu  der  schmalbindigen  Form  {Chr.  eras  Boisd.)  ge- 
hören. Ganz  übereinstimmende  Exemplare  erhielt  ich  durch  Herrn 
Fk.  Marquakdt  von  den  Samoa-Inseln.  und  ebensolche  enthält  die 
Sammlung  des  Zoologischen  Gartens  in  Frankfurt  von  Australien. 
Dieser  Form  steht  der  typische  Chr.  erofus  gegenüber  (Rothschild 
and  .Tordax,  Revision  Sphing.,  p.  504),  der  auf  den  Andamanen. 
Ceylon,  den  Sunda-Inseln  etc.  lebt  und  breit  gerandete  Hinterflügel 
besitzt,  während  die  der  Form  eras  schmal  dunkel  gerandet  sind. 

Aus  den  Notizen  des  Herrn  Dr.  Schnee  ergiebt  sich,  dass  die 
r//ro«//s-Exemplare  aus  Raupen  gezüchtet  sind.  Von  diesen  sagt 
Dr.  S.,  dass  sie  grün  oder  braun  seien  und  bei  der  Verpuppung  eines 
der  untersten  Blätter  ihrer  Futterpflanze  zur  Decke  des  Gesjünstes 
auf  den  Erdboden  befestigen.  Die  Raupe  selbst  zeigt  an  den  Seiten 
je  8  Augenfiecke. 

7.     Vtethi'lsa  jfulc/icffa  L. 

^^'ie  die  früher  erwähnten  .laluitfalter,  so  zeigt  auch  diese  Art 
eine  ungeheure  Verbreitung.  Sie  bewohnt  nicht  nur  die  ganze  alte 
^\'elt  in  ihren  gemässigten  und  warmen  Klimaten.  sondern  in  den 
vicariirenden  Formen  auch  die  neue,  von  den  vereinigten  Staaten 
bis  weit  nach   dem  Süden   des  neotropischen  Gebietes.     Wenigstens 


400  Paul  Schnee, 

kann  icli  die  amerikanischen  Formen  für  nichts  anders  als  vica- 
riirende  Formen  halten.  Dyar,  in  seiner  neusten  Liste,  reducirt  die 
Neuweltler  anf  2  gute  Arten,  U.  ornafrix  und  helJa.  Aber  wenn  man 
grosse  Eeihen  von  beiden  besichtigt,  so  zeigen  beide  Formen  —  Avenn 
auch  nicht  auf  ein  Individuum  vereinigt  —  fast  alle  Zeichungs- 
motive  der  andern  Form.  So  zeigt  eine  ü.  ornafrix,  die  ich  in 
Baliia  fing  —  abei*  auch  nur  eine  von  vielen  —  ganz  den  röthlichen 
Anflug  und  das  reducirte  Schwarz  der  Hinterflügel  gewisser  U.  hcUa, 
und  einer  U.  hella  meiner  Sammlung  wiederum  fehlt  fast  völlig  die 
Vorderflügelzeichung,  so  dass  sie  vorne  —  besonders  auf  der  Unter- 
seite —  genau  der  U.  ornafrix  gleicht.  Die  U.  hella  wieder  liefert 
einen  unverkennbaren  Uebergang  zur  U.  pidchella,  die  dann  ihrer- 
seits wieder  stark  variirt.  Selbstgefangene  U.  ptdchella  belinden 
sich  in  meiner  Sammlung  von  folgenden  Localitäten:  Giessen  (nörd- 
lichster Punkt),  Darmstadt,  Algier  (Philippeville,  Les-Lacs),  Aegypten 
(Port  Said,  Suez),  Aden.  Ce3don  (Colombo),  Nilghiris  (Coonoor),  China 
(Kaulung,  Hongkong),  Japan  (Kobe),  Australien  (Adelaide,  Sydney). 
Bei  der  Frage,  wie  die  verhältnissmässig  schwächlichen  Utetheisa  zu 
einer  so  ungeheuren  Verbreitung  kommen  konnten,  muss  zuerst  ihre 
Fähigkeit,  Schwärme  zu  bilden,  in  Betracht  gezogen  werden.  Solche 
Üfefheisa-Schwärme  sind  wiederholt  auf  dem  Meere  beobachtet  worden, 
und  wenn  auch,  ebenso  wie  bei  den  Heuschreckenschwärmen,  zahl- 
lose Idividuen  untergehen,  so  braucht  ja  nur  ein  begattetes  Weib- 
chen auf  eine  entfernte  Insel  geblasen  zu  werden,  und  die  Art  ist 
dort  eingebürgert.  Die  Polyphagie  —  fast  Pamphagie  —  der  Eaupe 
sorgt  dafür,  das  die  Art  erhalten  bleibt,  und  eine  relativ  grosse 
ünempfindlichkeit  gegenüber  klimatischen  Einflüssen  lässt  sie  über- 
all ihre  Bedingungen  finden.  Ich  fand  die  ü.  pukheJla  in  den  feucht- 
warmen Niederungen  von  Ceylon  ebenso,  wie  7000  Fuss  hoch  in 
den  Nilghiribergen,  und  wieder  in  der  Sahara,  wo  sie  zwischen  den 
wenigen  Salzkräutern  umherflog,  denen  der  brakische  Sand  ein  Ge- 
deihen erlaubt. 

8.  Calof/ranima  festiva  Don. 

Diese  schöne,  über  Indien  und  Australien  verbreitete  Art  scheint 
auf  Jaluit  ziemlich  häufig  zu  sein.  Die  von  dort  stammenden  Exem- 
plare sind  auf  den  Vorderflügeln  blass  gelb,  und  die  Purpurbänder 
derselben,  die  bei  australischen  Stücken  so  herrlich  und  tief  gefärbt 
sind,  dass  sie  die  lichte  Grundfarbe  fast  auf  die  Hälfte  der  Flügel- 
fläche zurückdrängen,  sind  ziemlich  matt  und  mehr  in  kleine,  röthel- 


Die  Lamlfauua  der  Marschall-Iuselu.  401 

rothe  Fleckchen  aufgelöst,  l^ebrig-eiis  variiren  die  Falter  von  einer 
Localität  beträchtlich. 

Die  Raupe  (vgl.  Abbild,  in:  Iris  1897,  tab.  8,  fig-.  6)  lebt  im 
Innern  von  Taro,  dessen  Stengel  sie  ausfrisst.  Sie  ist  oben  gelb- 
braun, am  Bauche  röthlich  und  hat  gelben  Kopf  und  einen  braunen 
Seitenstreif.  Riebe  sagt  von  ihr,  dass  sie  einen  sehr  hohen  Grad 
von  Feuchtigkeit  ohne  Schaden  zu  ertragen  vermöge  (in :  Iris.  V.  10. 
p.  248),  was  auch  für  die  nächst  verwandten  Gruppen  von  Faltern 
gilt.  Uebrigens  scheint  auch  die  Raupe  stark  zu  variiren  und  bald 
bunter,  bald  mehr  einfarbig  zu  sein.  Die  Zeit  dei-  Puppenruhe 
giebt  RiBBE  auf  14  Tage  an,  was  übrigens  je  nach  Jahreszeit  und 
Gegend  grossen  Schwankungen  unterworfen  ist. 

9.  Sieben  Exemplare  einer  Noctua  sind  dermaassen  abgeschuppt, 
und  ihr  Körper  ist  jeder  Behaarung  beraubt,  dass  von  der  ursprüng- 
lichen Färbung  oder  Zeichung  nichts  mehr  zu  sehen  ist.  ^^'ie  es 
scheint,  sind  sie  eine  Weile  in  einer  Flüssigkeit  aufbewahrt  oder 
darin  getödtet  und  dann  in  so  weichem  Zustande  in  Düten  verpackt 
worden,  dass  sie  vollständig  flach  gedrückt  sind.  Trotzdem  lässt 
sich  aus  den  noch  erkennbaren  anatomischen  Verhältnissen  be- 
stimmen, dass  es  sich  um  eine  Frodenia  handelt.  Es  darf  daher  ge- 
schlossen werden,  dass  hier  die  in  der  Südsee  verbreitete  Pfodenia 
testaceoides  vorliegt,  und  in  den  Resten  findet  sich  nichts,  was 
dem  widerspräche.  Die  Prodenien  gehören  zu  den  individuenreichsten 
Thierformen  in  iliren  Verbreitungsgebieten  und  haben  grosse  Ex- 
pansionsgelüste. Auf  Schüfen  gehören  sie  zu  den  gewöhnlichsten 
Erscheinungen  und  fliegen  zuweilen  so  massenhaft  an.  dass  alle 
Fugen,  in  welche  sie  sich  mit  Vorliebe  hineinpressen,  gefüllt  sind. 
Bei  Aden  in  Arabien  beobachtete  ich  am  2.  Juni  1891  Eulen  in 
dichten  Schwärmen,  die  fast  zur  Hälfte  aus  Prodenien  bestanden. 
Die  ersten  Exemplare  flogen  auf  dem  Schifte  bereits  an.  als  das- 
selbe noch  über  200  ]\Ieilen  von  der  Küste  entfernt  war. 

lieber  die  Raupe  der  Frodenia  von  Jaluit  wurden  mir  keine 
Beobachtungen  zugesandt.  Die  Gestalt  derselben  dürfte  Agrotis- 
artig  oder  J/awes/ra- artig  sein,  und  ihre  Lebensweise  ist  versteckt. 
Bei  der  Frodenia  frwjiperda,  die  als  Imago  viel  Aehnlichkeit  mit 
der  Frod.  testaceoides.  sowohl  im  Aussehen  als  auch  in  den  Gewohn- 
heiten hat,  beobachtete  ich,  dass  ihre  Raupen  sich  in  frischem  Kuh- 
dünger verpuppen.  Beim  Suchen  nach  Dungkäfern,  in  der  Gegend 
von  Santos  in  Brasilien,  fand  ich  nämlich  zahlreiche  braune  Püpp- 
chen  lose  eingebettet  in  den  noch  völlig  weichen  und  feuchten  Kuh- 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Svst.  27 


402  Paul  Schnee, 

dünger  und  sah  auf  den  die  grosse  Schlächterei  umgebenden  Wagen 
Noctuenraupen  sofort  aus  dem  umgebenden  Vegetationsrasen  her- 
vorkriechen, sobald  der  Düngerhaufen  abgelegt  und  so  lange  er 
noch  warm  war.  Die  Zucht  der  Püppchen  ergab  Frod.  frugiperda 
und  Prod.  maera. 

10.  Lagojjtera  niaf/lca  Hbn. 

Dieser  Falter  verbreitet  sich  über  ganz  Indien  und  einen  grossen 
Theil  des  australischen  Gebietes.  Unter  einem  ziemlich  grossen 
Material  meiner  Sammlung  stechen  zwei  Formen  hervor:  die  süd- 
asiatische, bei  der  die  schwarze,  und  eine  australisch-polynesische, 
bei  der  die  gelbe  Farbe  auf  den  Hinterflügeln  dominirt.  Die  erste 
Form  ist  sehr  gut  repräsentirt  in  Exemplaren  von  Darjeeling.  Hier 
sind  die  submarginalen  Binden  der  Hinterflügel  breit,  tiefschwarz, 
und  die  (kürzere)  Innenbinde  ist  vollständig,  nach  aussen  scharf 
begrenzt  und  sendet  bis  in  die  Wurzel  reichende,  schwarze  Strahlen 
aus.  Auf  der  Unterseite  sind  die  Hinterflügel,  besonders  am  Apex, 
stark  dunkel  bestäubt.  Die  zweite  Form  zeigt  reducirte  schwarze 
Binden:  Die  Submarginalbinde  der  Hinterflügel  bleibt  überall  weit 
vom  Rande  weg,  zeigt  verlaufene  Grenzen  nach  dem  Apex  und 
verlischt  im  Analv*^inkel.  Die  Innenbinde  ist  stark  verschmälert  und 
die  Basis  rein  gelb,  ebenso  auch  die  Hinterflügelunterseite,  die  nur 
selten  schwache  Spuren  von  dunkler  Bestreuung  zeigt. 

Die  Exemplare  von  Jaluit  sind  ziemlich  klein,  während  auf  dem 
australischen  Continent  wahre  Riesen  vorkommen.  Auch  auf  den 
Fidji-Inseln  kommen  noch  sehr  grosse  Stücke  vor.  In  der  Färbung 
stehen  die  Marschall-Insel-Thiere  zwischen  den  Vitianern  und  den 
Australiern  in  der  Mitte.  —  Von  der  Raupe  schreibt  Dr.  Schnee: 
„Die  Raupe  dieses  Ordensbandes  ist  zweigartig  braun;  sie  lässt  sich, 
wenn  entdeckt,  an  einem  Faden  herab,  wobei  sie  sich  ganz  steif 
hält;  die  seitlichen  Plecke  sehen  dann  wie  Löcher  im  Holzstück- 
chen aus." 

11.  Memif/ia  frufßalis  F. 

Kleine,  sehr  matt  grau  gefärbte  Exemplare  dieser  über  die 
ganze  Südsee  reichenden  Art.  Ein  ziemlich  gut  erhaltenes  $  zeigt 
keine  Spur  von  dem  über  den  Innenrand  der  Vorderflügel  hin- 
ziehenden Längsschatten,  und  auch  der  vom  Apex  nach  der  Innen- 
randsmitte  ziehende  Schrägschatten  ist  wenig  intensiv;  der  Innen- 
randspunkt  am  Ende  des  Basalfeldes  fehlt  vollständig.     Ein  zweites, 


Die  Landfauna  der  Marschall-Inseln.  403 

anscheinend  männliches  Exemplar  ist  ohne  Kopf,  Abdomen  und 
Beine,  so  dass  sich  über  die  interessante  Gestaltung  der  Hinterbeine 
des  S  nichts  sagen  lässt. 

12.  Noch  eine  Geometride  betindet  sich  in  2  ziemlich  undefinir- 
baren  Exemplaren  bei  der  Sammlung.  Die  schmutzig  gelbe  Grund- 
farbe dürfte  im  Leben  blass  gi-ün  gewesen  sein  und,  so  viel  sich  bei 
der  starken  Flachgedrücktheit  der  Individuen  aus  der  Flügelform 
schliessen  lässt,  handelt  es  sich  dabei  um  eine  jener  weitverbreiteten 
Thalassodes- Arten,  die  sich  auf  zahlreichen  Südsee-Inseln  finden  und 
als  TJi.  opalina  Btlk.,  Th.  saturafa  Snell.  etc.  beschrieben  worden 
sind.    Genaueres  lässt  sich  über  diese  Trümmer  nicht  wohl  sagen. 

Dies  ist  in  Kürze,  was  sich  über  die  mir  überwiesene  Collection 
von  Jaluitfaltern  sagen  lässt.  Dass  sie  nicht  vollständig  ist,  ergiebt 
sich  aus  dem  in  der  Einleitung  gesagten.  So  fehlt  eine  der  inter- 
essantesten Arten  —  Herse  convolvuli  —  vollständig.  Rothschild 
u.  Jordan  sagen  (Revis.  Sphing.  p.  15)  dass,  während  die  //.  convol- 
vuli fast  durch  die  ganze  alte  ^^'elt  hin  einen  bestimmten  Typus 
bewahrt,  die  Exemplare  von  Jaluit  constant  abweichen:  sie  sind 
klein  und  blass  und  von  gelblichgrauer  Färbung. 

IV.  Diptera. 

1.  ..Brotfruchtfliegen",  klein,  gelb,  treten  im  Juni  an  diesen 
Bäumen  zahlreich  auf. 

2.  grüne,  glänzende  Art. 

3.  Stubenfliege. 

4.  gr.  Brummfliege. 

5.  eine  Chalcidierart. 

Die  mit  den  Hymenopteren  zusammen  verpackten  Dipteren 
gingen  theils  verloren,  resp.  konnte  eine  Bestimmung  nicht  erzielt 
werden,  indessen  vermochte  mir  Herr  Dr.  Döxrrz,  für  welchen  mein 
Vorgänger  auf  Jaluit  im  amtlichen  Auftrage  Mosquito  (ad  Malaria- 
forschung) gesammelt  hatte,  mitzutheilen,  der  dort  häufigste  Mosfiuito 
sei  Stcgomijia  fascüita  F.,  ferner  komme  ein  noch  nicht  näher  be- 
stimmter Culex  vor.     Ich   selbst  beobachtete  eine  Tipula-kri  häufig. 

V.   Neuroptera,  det.  Dr.  Kkmpny.    Gutenstein  (N.-Oesterreich). 
Florfliegen : 

Chri/sojKi  JalHitanUf  Kempny  h.  sp. 
Flügels])ann\veite  20 — 28  mm. 
Leicht  gelbbraun,  im  Leben  grünlich-gelb. 

27* 


404  Paul  Schnee. 

Kopf  mit  einer  rostrotlien  Querlinie  auf  dem  Vorderrande  der 
Stirne  und  zwei  nach  aussen  concaven  Bogenlinien  zwischen  Stirn 
und  Scheitel. 

Fühler  viel  länger  als  die  Flügel,  bräunlich,  die  ersten  zwei 
Glieder  lichter. 

Vorderflüg-el  dreimal  so  lang-  wie  breit,  an  der  Spitze  elliptisch 
abgerundet.  Hj^alin,  Geäder  licht  gelbbraun  (grün  im  Leben?),  die 
Verzweigungen  der  Analadern  schwarz.  Die  1,  Querader  zwischen 
dem  Sector  radii  und  dem  Cubitus  anticus  mündet  innerhalb  der 
('ubitalzelle.  Cubitus  posticus  an  der  Wurzel  spindelförmig  auf- 
geblasen. 

Ausführliche  Beschreibung  in:  Verh.  zool.  bot.  Ges.  Wien,  1904, 
Heft  1. 

YI.  GymiiO£;:iiatha,  det.  Kempny. 
Odon  at  a: 

1.  Pantola  flavescens  Beaur. 

2.  Diplax  hipimctafa  Brauer 

3.  Anax  guttatus  Ebr. 

Pantola  ist  ein  Weltbürger  in  den  Tropen  der  alten  und 
neuen  Welt. 

Diplax  bipunctata  wurde  ursprünglich  aus  Tahiti  beschrieben, 
ihr  Vorkommen  auf  den  Marschall-Inseln  ist  also  nicht  zu  ver- 
wundern. Dagegen  findet  sich  Änax  gidtatus  auf  Java  und  in  Ost- 
indien, ist  also  schon  merkwürdiger.  Er  ist  aber  ein  vorzüglicher 
Flieger  und  soll  öfters  Schüfe  zum  Ausruhen  benutzen. 

Blatt  i da e:   1 .  Periplaneta  orien ialis  L. -f 

2.  Periplaneta  sp.  ?  (schwarz,  im  Busche  lebend). 

Saltatoria,  det.  Dr.  Brunner  v.  Wattenwyl  (Wien). 

1.  Locustina,     sehr    häufig.      Ca.    3   cm    lang,    grün,    von    den    Ein- 

geborenen celo  genannt.     (Die  Exemplare  gingen  beim  Transport 
durch  Zerbrechen  des  Glases  verloren.) 

2.  (Jrijllacris    n.    sp.,    nahestehend    aurantiaca  Br.    aus  Amboina    und 

Neubritannien.     Diese  Form  ist  ei'st  kürzlich  eingeschleppt  und 
hat  noch  nicht  alle  Inseln  der  Gruppe  erreicht,  auf  Providence 
(Ujelang)  z.  B.  fehlt  sie. 
Forficulina: 

1.  Chelisoclies  morio  F.     Weit  verbreitet. 

2.  Kl.  Forficulinen-Art.     2  $$.     .syy.  ? 
Lepismatina. 

?  Lepisma  saccharwa  L.  -{- 


Die  Laudfauua  der  Marschall-Iuselii.  405 

Zoophthires. 

Pedicuhis  capitis  L.  7 

Pedicubts  jmhis  L.  7,   scheint  nur  gelegentlich  eingeschleppt  zu  werden. 

Coccid  ae. 

Mit  diesen  Thiereu  ist  es  mir  merkwürdig  ergangen.  Ich  fand 
solche  häufig  an  den  Zweigen  von  Terminalia  catappa  L.,  besonders 
gut  ausgebildete  aber  an  den  Früchten  von  Morinda  citrifolia  Lin., 
einem  Krappgewäclise.  Ich  sammelte  deshalb  nur  letztere.  K.  Xewstead, 
Grosvenor  Museum,  ehester,  welcher  die  Thiere  bestimmen  wollte, 
glaubte  darin  bei  makroskopischer  Betrachtung  eine  Lccaniion- Art 
zu  erkennen.  Nach  der  mikroskopischen  Untersuchung  schrieb  er 
mir  aber,  das  scheinbare  Tliier  sei  ein  Auswuchs  pflanzlicher  Natur 
und  fügte  hinzu:  „No  one  could  be  more  astonished  of  this  dis- 
coverj'  than  myself ,  as  I  had  quite  satisfied  myself  from  a  super- 
ficial examination  that  I  had  a  species  of  Lecanium  before  me!" 
VoLKENs  (botanische  Zentralstelle  für  die  Deutschen  Kolonien),  dem 
ich  die  Sache  alsdann  schickte,  theilte  mir  mit,  es  sei  ein  fungus 
imperfectus,  deren  gebe  es  Hunderte,  so  dass  eine  Bestimmung  des- 
halb nicht  gut  möglich  sei. 


TU.  Hemiptera. 

Leptocoris  sp.?  Angeblich  drei  sehr  ähnliche  Arten  n.  Beeddin 
(Berlin). 

Wahrscheinlich  Hauptnahrung  von  Eiidynamis  faitcnsis  (Spakrm.). 

Eins  dieser  Thiere  legte  an  der  Wand  eines  gerade  leer  stehen- 
den Aquariums,  wohl  getäuscht  durch  das  Grün  einer  im  daneben 
stehendem  Bassin  befindlichen  Ouvirandra,  17  länglich  runde  Eier 
ab.  welche  in  2  senkrecht  über  einander  befindlichen  Klumpen,  einer 
neben  dem  andern,  dort  angeklebt  wurden.  Sie  sahen  zuerst  weiss 
aus,  wurden  dann  aber  rüthlich-braun.  Die  erst  gelegten  hatten 
diese  Farbe  schon  angenommen,  während  die  letzten  noch  ganz 
weiss  erschienen.  Diese  Ablage  ging  um  1  Uhr  Mittags  am  7. 6. 
1902  vor  sich.  ]\röglicher  Weise  ist  diese  Species  im  Eizustand 
durch  Schilfe   oder  durch   treibende  Stämme  eingeschleppt  worden. 


406  Paul  Schnee, 

G.   Tausendfüsser. 

Myriopoda: 

Scolopendra  morsüans  L.     Weit  verbreitet. 

Trigonoiulus  sp.  ?.  det,  Dr.  v.  Attems  (Wien),  vielleicht  der  weit 
verbreitete  7V.  goesi  Porall,  nicht  sicher,  da  sich  unter  den 
gesammelten  Stücken  kein  voll  erwachsenes  S   befindet. 

H.  Spinnenthiere. 

Arthrogastra,  det.  Prof.  Dahl  (Berlin). 

Scorpionidae :  Iscmiefrns  macidntus  Geer  =  europneus  L.,  weit  ver- 
breitet, stammt  wahrscheinlich  aus  Amerika. 

Pseudoscorpionidae :   Chelifer  sji.^) 

Araneina: 

1.  Epeira  theisii  Walk. 

2.  Heteropoda  venaloria  L.-|- 

3.  Thorellia  ensifer  (Thoe.) 

4.  Bavia  sexpundata  (DoL.) 

Die  Spinnen  sind  oflFenbar  sehr  unvollständig  gesammelt. 

A  car  ina. 

Trouihididae : 

1,  (weiss)   ,sp.?  verdorben. 

2.  (roth)  sj).  ?  verdorben. 

Ixodidae:  Rhipicephcdus  scmgulneus  Lateeille,  det.  Neumann  (Tou- 
louse). Weit  verbreitet.  Aus  dem  Mittelmeergebiete  stammend. 
Ist  mit  Schlachtvieh  aus  Sydney  eingeschleppt.  Ursprünglicher 
Wirth  ist  der  Hund. 

I.  Krebse,  det.  Dr.  Doflein,  München. 

Grapsus  grapsus  (L.).     Land. 
Pachygrajjsus  plicatiis  (M.  E.).     Land. 
Cardiosoma  hirtij^es  Dana.     Land. 
Geograpsus  crinipes  (Dana).     Land  und  Strand. 
Uca  tetragonon  (Heebst).     Innenstrand,  besonders  aber  Mangrove. 
Ocypodn  urvillei  Guerin.     Strand. 

Sesarmn  oceanica  de  Man.     Junge   Exemplare,    leben   in    den   Blatt- 
achseln von  Crinum  asiaticum  L.,  einer  Amaryllidee. 
Sesarma  rotundata  Hess.     Riff. 


1)  Wird   in  einer  vom  Berliner  Museum  für  Naturkunde  in  Aussicht 
genommenen  Publication  des  Herrn  Prof.  Dahl  mit  veröffentlicht  werden. 


Die  Landfauiia  der  Marschall-Inselu.  407 


Lagune.      Wurden    an    einem    alten    Wrack, 
welches  einige  hundert  Meter  vom  Ufer  ver- 
ankert lag,  gefangen. 


Daira  perkila  (Hbst.) 
Xanflio  erraratus  rar 

sangiimea  M.  E. 
Fseudoxins  caystrus 

Ai).  et  Wh. 

Pti/cliognatl/us  harhafus  (M.  E,).     (Schlammstrand  V) 

Leiolophus  planissimus  (Hbst.).     Riff? 

Eriphia  laevimana  (Latr.).     Riff. 

D'apezia  cyuiodoce  (Hbst.).     Riff. 

Paguriis  puiictulalus  Oliv.     Land,  Strand. 

Coenobita  clypeatus  Hbst.     Land,  Strand. 

Coenohita  mgosns  M.  E.     Land,  Strand. 

Birgus  latro  L. 

'?  Paliiiurus.  \   y_j.  ,  ,  ,, 

.-,  c^    ,,  \  reicht  gesammelt. 

.-'  bcyUarvs\   f  ° 

GnaihophyUum  prdliduni  Ortmann.     Riff. 

Atyoidd  bisulcata  Randall,   1  Exemplar.     Brackwasser. 

Athanas  sp.'^,  wahrscheinlich  n.  s]).     Brackwasser. 

Isopoda : 

Lygia,    vielleicht  L.  hawaiensis    Dana.     Aussenstrand,    auch    an    den 
Pandanus  dort  lebend. 


K.  Würmer. 

Ich  beobachtete  eine  Tulifex-Art,  einen  flach  gedrückten,  finger- 
langen Oligochäten  mit  drei  rothen,  resp.  gelben  Längsstreifen,  sog. 
Regenwürmer,  die  mir  übrigens  mit  den  in  Korallenblöcken  am 
Strande  bohrenden  identisch  zu  sein  schienen,  sowie  eine  Urolahe. 
Als  letztere  glaube  ich  einen  2—3  cm  langen,  sehr  dünnen,  weissen 
Wurm  ansehen  zu  dürfen,  welcher  bei  Regenwetter  an  der  nassen 
Rinde  der  Cocos  herumkriecht,  sich  dabei  an  einem  aus  der  Hinter- 
leibsspitze hervordringenden  Faden  festhaltend.  Um  die  Bäume  be- 
quemer besteigen  zu  können,  haben  die  Eingeborenen  in  die  Stämme 
Kerbe  geschlagen,  die  durch  Fäulniss  des  umgebenden  Holzes  zu  hand- 
grossen  Höhlen  werden,  in  ihnen  lebt  der  Wurm,  der  bei  Feuchtig- 
keit herauskommt,  um  bald  darauf  in  der  nächsten  Oeifnung  zu  ver- 
schwinden. Einmal  sah  ich  2  Exemplare  aus  einer  Höhle  heraus- 
kommen. Leider  ist  es  mir  nicht  gelungen  das  Thier  zu  conserviren, 
die  übrigen  von  mir  gesammelten  Würmer  werden  später  veröffentlicht. 


408  Paul  Schnee, 

L,  Weichthiere,  det.  Prof.  0.  Boettgee  (Frankfurt  a.  M.). 
Aus  Jaluit  5  Arten,  darunter  eine  neu. 

1.  Planaxis  labiostis  A.  Ad, 

2.  Tornatellina  vianücnsis  Dohrn. 

3.  Suhulina  octona  (Chemn.). 

4.  Onchidium  {verrucidatum  Cuv.  ?)  det.  Prof.  Marxens  (Berlin). 

Beschreibung   einer  neuen   Melanie   von  den  Marscliall  -  Inseln. 

Von 

Prof.  Dr.  0.  Boettger  in  Fi-ankfurt  a.  M. 

5.   31elania  {Plotia)  schneei  n.  sp, 

Ch a r.  Differt  a  M.  ualanensi  Fease  insuJae  Carolinarum  JJalan 
f.  dimidio  minore,  anfr.  persistenühus  7 — 8  celerius  accrescentibus,  mediis 
infra  suturam  marginatam  minus  distinde  nodulato-angulatis,  ultimo 
multo  minus  et  sulcato  et  costato,  apert.  superne  magis  acuminata.  — 
T.  parva  conico-turrita,  soJidula,  nitiduJa,  corneo-fusca,  flammulis  verti- 
calibus  purpureis  angustis,  media  parte  anfractuum  saepe  ohsoletiorihus 
et  nonnumquam  fascia  spirali  lata  hasali  ornafa.  Spira  apice  breviter 
erosa]  anfr.  persistentes  7 — 8  sat  rapide  accrescentes,  convexi,  initio 
spiraliter  crebre  et  valide  inciso-striati,  nee  non,  praesertim  in  anfr. 
mediis,  e  sutura  arcuatim  plicati,  plicis  angustis,  subdistantibus,  paullo 
infra  suturam  nodtäo  instar  subangtdatis ;  anfr.  idtimus  multo  minus 
distinde  et  spiraliter  et  verticaliter  ornatus,  media  parte  laevigatus, 
%  altitudinis  testae  subaequans.  Sutura  profunde  impressa,  sulco  sat 
profundo  marginata.  Apert.  ovata,  superne  acuminata,  basi  subrecedens, 
rotundata;  perist.  media  parte  protradum,  marginibus  dextro  et  basali 
incrassatulis,  leviter  undulatis;  columella  concava,  parum  torta,  calloso- 
appressa. 

Alt.  14 — 15,  diam.  max.  5^2 — ^^  mm;  alt.  apert.  .5^2 — ^A  ?«^-  apert. 
S^l^ — 3^1  ^  mm. 

Fundort:  Jaluit  (Marschall-Inseln),  37  Stücke. 

Bemerkungen:  Die  nächst  verwandte  und  nächst  wohnende 
M.  ualanensis  Pease  ist  um  das  Doppelte  grösser,  decollirt  tiefer 
und  behält  die  Verticalverzierung  mit  etwa  20  Rippen  auch  noch 
auf  der  Schlusswindung,  während  unsere  Art  ihre  höchstens  15  Ripp- 
chen schon  auf  der  vorletzten,  meist  aber  schon  auf  der  drittletzten 
Windung  vollständig  eingebüsst  hat. 


Die  Laudfauiia  der  Marscball-Iiiseln.  409 

Charakteristisch  für  31.  schneei  ist  ausserdem,  dass  auch  die 
Spiralsculptur,  die  auf  den  Mittelwindungen  sehr  scharf  und  deut- 
lich zu  sehen  ist,  auf  den  letzten  rnigängen  nach  der  Mündung* 
hin  allmählich  an  Intensität  erheblich  abnimmt  und  dass  die  8piral- 
furchen  auf  allen  Umgängen  gegen  die  Mitte  des  Einzelumgangs 
weiter  aus  einander  rücken,  während  sie  unter  der  Naht  und  an 
der  Basis  enger  gestellt  sind.  Besonders  tief  eingegraben  zeigt  sich 
die  erste  Spirale  unter  der  Naht. 

liaiidschneckeii  der  Insel  Nauru  (Marschall-Iiiselii). 

Vou 

Prof.  Dr.  0.  Boettger  in  Frankfurt  a.  M. 

Die  wenigen  von  Herrn  Kaiser  1903  gesammelten  und  mir 
von  Herrn  Dr.  med.  Schnee  zur  Bestimmung  übergebenen  Arten 
von  der  Insel  Nauru  zeichnen  sich  durch  auffallend  geringe  Grösse 
und  durch  fast  durchweg  einfarbige,  grauweisse  Schalenfärbung 
aus.  Auffallend  und  originell  ist  wohl  keine  einzige  davon  zu 
nennen;  alle  schliessen  sich  mehr  oder  weniger  bereits  bekannten 
Formen  des  Carolinen- Archipels  an,  besonders  Arten  der  Inseln 
Ponape  und  Ualan  und  zum  Tlieil  auch  solchen  des  Gilbert- Archipels, 
die  auch  räumlich  nicht  all  zu  weit  von  der  Marschall-Gruppe  ent- 
fernt sind.  Es  ist  darum  augenscheinlich,  dass  alle  Landschnecken 
von  Nauru  nicht  als  autochthon,  sondern  als  eingeschleppt  zu  be- 
trachten sind  und  dass  auch  die  heute  von  uns  als  eigenthümlich 
für  die  Insel  betrachteten  Species  nichts  weiter  sind  als  durch  lang 
andauernde  Isolation  verändei-te  Formen  der  benachbarten  specifischen 
Inselgruppen,  die  zudem  von  ihren  Stammarten  nur  in  wenigen 
Punkten  abweichen  und  namentlich  fast  alle  an  Grösse  und  Intensität 
der  Färbung  Einbusse  erlitten  haben. 

A  u  f  z  ;l  li  1  u  u  g  d  e  r  A  r  t  e  n. 

1.  Ti'ovhfnnorpJKt  (Nif/ritelia)  rontfgua  Pse. 
r<(r.  naurudiKf  it. 

Char.  Differt  a  hjpo  insulae  Ponape  Carolinarum  f.  depressocon- 
vexa,  minus  clcvata,  anfr.  soliim  .1^2  **^^  ^^" — '^'  «"5"*^''  spirali  prope 
nmhilicum  magis  praecipiti. 

AU.  (>,  diam.  11  mm;  alt.  apert.   i,  Icd.  apert.  '>  mm. 


410  Paul  Schnee, 

Fundort:  Nauru  (Marschall-Inseln),  nur  ein  todt  gesammeltes 
Stück  (Dr.  med.  Schnee  comm.  1902). 

Bemerkungen:  Diese  Form  ist  nach  directer  Vergleichung 
von  der  auf  Ponape  (Carolinen)  vorkommenden  Tr.  contigua  Pse. 
nicht  zu  trennen  und  vermuthlich  von  einer  der  näher  gelegenen 
Carolinen-Inseln  hierher  verschleppt. 

2.  Trochoiufjviyha  {Niffvitella)  insolata  n,  sp. 

C h a r.  E  grege  T r.  ni griteil ae  (P.)  insiüae Ponape  CaroUnarum , 
sed  t.  mulfo  minore,  unicolore  Cornea,  umhilico  dttplo  minore.  —  T. 
parva  late  perforata,  conoideo-depressa,  solidiusctda,  albido-cornea  unicolor ; 
spira  depresse  conica  laterihus  convexis;  apex  ohhisulus.  Anfr.  5  vix 
convexinsculi,  lente  accrescenfes,  superne  densissime  regidariter  costuJafo- 
striati,  basi  laeves;  ulfimus  hasi  convexus,  media  parte  acute  carinatns, 
^/g  aUitudinis  testae  vix  superans.  Äpert.  securiformis,  ohliqua;  perist. 
Simplex,  margine  supero  antrorsum  arcuato,  acuto,  hasali  levissime  in- 
crassato,  subreflexo. 

Alt.  5^1^,  diam.  9^'j^  mm;  alt.  apert.  4,  lat.  apert.  4%  mm. 

Fundort:  Nauru  (Marschall-Inseln),  ein  noch  nicht  erwachsenes, 
todt  gesammeltes  (1902)  und  ein  lebendes  (1903)  Stück. 

Bemerkungen:  Diese  Form  liegt  nur  in  einem,  vielleicht 
nicht  einmal  völlig  erwachsenen  Stücke  vor.  Sie  gehört  in  unmittel- 
bare Nähe  von  Tr.  nigritella  (P.),  trennt  sich  aber  von  ihr  durch  die 
bleiche  Färbung  und  den  um  die  Hälfte  engern  Nabel  so  scharf  von 
ihr,  dass  sie  wohl  als  gute  Art  anzuerkennen  sein  dürfte. 

3.  Opeas  f/racile  (Hutton). 

Diese  im  tropischen  Asien  und  auf  den  pacifischen  Inseln  Aveit 
verbreitete,  wohl  mit  der  Cultur  der  Banane  verschleppte  Art  liegt 
von  Nauru  zahlreich  vor.  Ich  vereinige  mit  ihr  u.  a.  0.  indicnm  (P.) 
und  0.  souverbieanum  (Gassies).  Charakteristisch  für  die  Stücke  von 
Nauru  ist,  dass  sie  hier  und  da  weisse,  opake  Streifen  und  Punkte 
auf  der  im  Uebrigen  glashellen  Schale  tragen.  Ich  lege  darauf 
keinen  besondern  Werth,  da  diese  Erscheinung  auf  der  Art  der 
Conservirung  (mit  Formol)  beruhen  kann.  Ausgewachsene  Stücke 
zeigen  8  deutlich  convexe  llmgänge  und  messen  alt.  9V2— 10,  diam.  . 
3—31/4  mm. 

Ich  besitze  die  Art  überdies  von  den  Inseln  Yap  (Carolinen) 
und  Art  (Neucaledonien),  von  den  Inseln  Ternate,  Flores  und  Formosa, 


Die  Landfauna  der  Marschall-Iuseln.  411 

von  den  Pliiüppinen-Inseln  Mindanao.  C'ebü,  Lnzon  und  Paragua, 
von  der  chinesischen  Insel  Hainan,  von  Ceylon,  vom  Festland  von 
Süd-Asien  aus  Siani.  Barma,  ]\radura  und  Bombay  (Britisch-Indien) 
und  von  Lenkoran  am  Kaspisee. 

4.  Opeas  heptaf/t/riDu  h.  ,sj>. 

Char.  Differf  a  speciehus  affinibits  t.  parva,  pectiliariter  cißimlrata, 
anfr.  suhacqxaJibus,  apicc  ohfuso,  sntura  perprofimda.  —  T.  parva  per- 
forato-rimaia ,  subcijlindrato-suhulata ,  tenuis ,  sericina ,  cereo-hijulina ; 
spira  subnlata,  lentissime  accrescens;  apex  obtusus.  Anfr.  7  convexius- 
culi,  subtus  planiores,  sntura  perprofunda  disjuncii,  distincte  sed  ienuis- 
sime  striati,  Icnte  accrescenies ;  idiimns  media  parte  levifer  planatus, 
Vi  altitudinis  testae  aequans.  Apert.  parva  oblongo-ovalis ;  perist.  simplex 
acutum,  margine  dextro  strictiuscuJo,  columellari  fornicatim  brcvissime 
reflexo;  columella  leviter  arcuata,  concava. 

Alt.  <)^l^,  diam.  max.  2  mm;  alt.  apert.  i'/o.  lat.  apcrt.   1  mm. 

Fundort:  Nauru  (Marschall-Inseln),  nur  ein  gutes  Stück. 

Bemerkungen:  Scheint  dem  mir  fehlenden  0.  tud-eri  (P.) 
von  „Sir  Charles  Hardy's  Island",  das  überdies  aus  der  Tuamotu- 
Gruppe,  von  Tahiti  und  von  Guam  (Marianen)  angegeben  wird,  nahe 
zu  stehen,  ist  aber  von  der  Originaldiagnose  Pfeiffer's  abweichend 
durch  den  entschieden  stumpf  zu  nennenden  Wirbel,  die  7  statt 
9  Umgänge  und  durch  den  Breiten-Längenindex  1 : 3,06,  während 
0.  tucl-eri  (P.)  1 : 3,27  verlangt,  also  noch  schlanker  sein  muss.  Beide 
dürften  sich  aber  besonders  vor  andern  verwandten  Arten  durch 
walzenförmige  Gestalt  und  auffallend  niedrigen  letzten  Umgang  aus- 
zeichnen. 

5.  Helicina  suhsuturalia  n,  S2k 

Char.  Äff'.  H.  sntura li  v.  Mrs.,  sed  plus  dimidio  minor.  —  T. 
parva  lentiformis,  laeviuscula,  cornco-flava  atit  ruhescens,  fasciis  2,  altera 
superiore  ex  alba  et  rubro  articulata  aut  rubro  flamnmlata  suturali, 
altera  inferiore  minus  distincta  magis  minusve  lata  rufo-brunnea  basali 
picta;  spira  parum  alta  convexa;  apex  rix  prominnlus.  saepe  obscurus. 
Anfr.  4  vix  convexiusciUi,  striatidi,  spiraliter  liaud  lineolati,  idtimus  sat 
acute  carinatus,  subtus  convexus,  basi  planatus,  ad  aperturam  distincte 
descendens.  '/-  latitudinis  testae  aequans.  Apert.  perobliqua,  sphaerico- 
triangularis ;  perist.  inrrassatum,  margine  supero  strictiusculo,  oblique 
descendente,  patente,   basali  leviter  expanso  et  vix  reflexo,  subangulatim 


412  Paul  Schnee.  Die  LaiKlIauua  der  Marschall-Inseln. 

hl  columelJam  brevem  concavani  trmiseunte ;  calhis  hasalis  magniis  lote 
cfftisus,  bene  ciramiscriptus,  sed  partim  incrassatus. 

AU.  2^!^,  diam.  4'/g  mm;  alt.  apert.  2,  laf.  apert.  l^j^  mm. 

Fundort:  Nauru  (Marschall-Inseln),  häufig. 

Bemerkungen:  Das  durch  seine  ansprechende  Färbung  sehr 
ausgezeichnete  Schneckchen  hat  viel  Aehnlichkeit  mit  der  mir  aus 
Amboina  vorliegenden  Hei.  snturalis  v.  Mts..  ist  aber  wesentlich 
kleiner  und  weniger  scharf  gekielt,  und  seine  Mundränder  sind 
weniger  verdickt  und  umgeschlagen.  Die  Art  mag  mit  Hei.  sonata 
Lesson  von  Ualan  (Carolinen),  die  ich  nicht  vergleichen  kann  und 
zu  der  wohl  Hei.  zigzag  Pease  als  Synonym  gehört,  Beziehungen 
haben,  doch  wird  deren  Spira  „vix  convexa"  genannt  und  ihr  die 
Grösse  „alt.  2,  diam.  3W'  (alt.  4,  diam.  6^2  mm)"  zugeschrieben. 
Auf  der  andern  Seite  ist  Hei.  oceanica  Pse.  von  den  Gilbert-Inseln 
ähnlich,  aber  erheblich  flacher  und  zeigt  nur  Dimensionen  von 
alt.  1^4.  diam.  3  mm. 


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TJebersetzvnfjsrecht   vorbehalten . 


Neue  Beiträge  zur  Keuntniss  der  Enteropneusten. 

IV.  Ptychodera  erythraea. 

Von 
Prof.  Dr.  J.  W.  Speiigel  in  Giessen. 

Mit  2  Abbildungen  im  Text. 


A\'ähreiid  ich  in  meiner  Monographie  zur  Untersnchiino-  von 
Ptychodera  erythraea.  auf  welche  ich  damals  die  Untergattung  Chlanty- 
dothorax  begründete,  nur  ein,  obendrein  unvollständiges,  Exemplar 
verwenden  konnte,  hat  sich  inzwischen  die  Kenntniss  der  Gattung 
Ptychodera  sehr  vermehrt,  hauptsächlich  durch  Willfa-'s  Nachweis, 
dass  auch  Eschscholtz's  Ptychodera  flava  (1825)  dazu  gehört,  so  dass 
den  geltenden  Nomenclaturregeln  entsprechend  der  in  meiner  Mono- 
graphie tür  BakmocjJossus  clavigerus  D.  Ch.  verwandte  Name  Ptycho- 
dera jener  Gattung  wiedergegeben  werden  musste  (Spenuel  1901). 
Es  wurde  jetzt  Pt.  flava  in  ihren  verschiedenen  localen  Formen  oder 
nahe  verwandten  Arten  am  besten  bekannt.  Von  den  beiden  in  der 
Monograi)hie  aufgestellten  Arten  blieb  dagegen  unsere  Kenntniss 
wesentlich  auf  der  damaligen  Stufe,  indem  zwar  von  Pt.  erythraea 
im  Jahre  1902  Klixzinger  eine  nach  dem  lebenden  Thier  gefertigte 
Zeichnung  veröffentlichte  und  einige  Skizzen  von  verschiedenen 
Körpertheilen,  allein  nur  nach  seinen  im  Jahre  1872  am  Rothen 
Meere  bei  Koseir  angestellten  flüchtigen  Beobachtungen,  während 
Pt.  iChlamydothorax)  bahameusis  bis  jetzt  überhaupt  nicht  wieder 
angetroffen  worden  ist,  auch  nicht,   als  später  T.  H.  Morgan  und 


414  -T.    W.    SrENGEL, 

E.  A.  Andeews  auf  den  Bahamas  Enteropneusten  sammelten  und  dort 
eine  Art  fanden,  die  Willey  1899  als  Pfychodera  —  nach  geltender 
Nomenclatur  Balanoglossus  —  himiniensis  n.  sp.  beschrieben  hat. 

Um  so  mehr  war  ich  erfreut,  als  Herr  Prof.  Monticelli  mir 
ein  im  Neapler  Zoologischen  Museum  vorgefundenes  Exemplar  zur 
Bestimmung  und  eventuellen  Untersuchung  sandte,  in  dem  ich  so- 
gleich mit  Sicherheit  eine  Ptychodera  erythraea  zu  erkennen  glaubte, 
obwohl  sie  bedeutend  kleiner  als  das  früher  untersuchte  Exemplar 
und  von  ganz  andrer  Farbe,  nämlich  von  der  bei  Enteropneusten 
vorherrschenden  gelblichen  Färbung,  war.  Kurze  Zeit  darauf,  als 
Herr  Prof  Klunzinger  in  der  Deutschen  Zoologischen  Gesellschaft 
seinen  oben  erwähnten  Vortrag  hielt,  aus  dem  hervorging,  dass  auch 
die  von  ihm  gesehenen  Thiere  die  gewöhnliche  Färbung  hatten, 
schwand  mein  letzter  Zweifel  an  der  Identität,  und  ich  legte  der 
Versammlung  das  Präparat  mit  einigen  Bemerkungen  vor  (in:  Verh. 
D.  zool.  Ges.  1902,  p.  202). 

Während  das  zuerst  von  mir  beschriebene,  von  Kowalevsky 
gesammelte,  unvollständige  Exemplar,  dem  die  Eichel  und  fast  das 
ganze  Abdomen  nebst  Caudalregion  fehlte,  eine  Länge  von  etwa 
15  cm  besass  und  Klunzinger's  Exemplare  20 — 30  cm  lang  waren, 
hat  das  mir  jetzt  vorliegende  ganz  vollständige,  in  der  Eegion  der 
farbigen  Lebersäckchen  und  etwas  davor  ein  wenig  beschädigte  nur 
eine  Gesamtlänge  von  10  cm,  war  also  unzweifelhaft  noch  bei 
weitem  nicht  ausgewachsen.  Wir  werden  daher  erwarten  dürfen, 
dass  gewisse  Theile,  von  denen  wir  durch  unsere  Untersuchungen 
an  andern  Arten  wissen ,  dass  sie  bei  Jüngern  Exemplaren  weniger 
ausgebildet  sind  als  bei  alten,  auch  hier  weniger  reich  entwickelt 
sein  werden,  besonders  das  „blumenkohlähnliche"  oder  „traubige" 
Organ  an  der  ventralen  Seite  des  Eichelhalses. 

Ich  theile  nun  zunächst  die  Hauptmaasse  mit.  Die  Eichel, 
nach  Klunzinuer  1  cm  lang  und  breit,  finde  ich  ca.  6  mm  lang  und 
7  mm  breit;  sie  ist  aber  augenscheinlich  etwas  contrahirt.  Der 
Kragen,  nach  Klunzinger  ebenfalls  1  cm  in  der  Länge  und  Breite, 
vorn  etwas  gefaltet,  hat  nur  eine  Länge  von  5  mm  und  ist  vorn, 
wo  er  ebenfalls  einige  Faltungen  zeigt,  wie  hinten  7  mm  breit, 
während  er  in  der  Mitte  etwas  eingeschnürt  ist.  Nahe  am  hintern 
Rande  ist  die  von  Kl.  erwähnte  tj^pische  Ringfurche  zu  sehen. 

Was  den  nun  folgenden  Rumpf  betriift,  so  ist  dessen  Eintheilung 
wie  bei  andern  PtycJwdera- Arten  in  so  fern  mit  Schwierigkeiten 
verknüpft,  als  die  Genitalflügel  (Pleuren)  nicht  an  der  vordem  Grenze 


Neue  Beiträge  znr  Kenntniss  der  Enteropneusten.  415 

der  Leberregion  Halt  machen.  sonderiL  sich  noch  eine  Strecke  weit 
in  diese  hinein  erstrecken;  ein  genaues  Maass  kann  ich  wegen  der 
erwähnten  Verletzung  der  vordem  Leberregion  nicht  angeben,  doch 
dürfte  sie  reichlich  1  cm  lang  sein.  Aber  auch  davon  abgesehen, 
dürfte  das  an  dem  Object  ermittelte  Längenmaass  der  Kiemenregion 
in  so  fern  nicht  zuvei-lässig  sein,  als  der  die  Kiemen  bergende  Ab- 
schnitt, der  nach  Klunzinger  „einen  ca.  9 — 10  cm  langen,  leicht 
hin  und  her  gewundenen  Cylinder  darstellt",  hier  —  und  gleiches 
war  bei  dem  KowALEvsKv'schen  Exemplar  der  Fall  —  sehr  stark  ge- 
wunden ist,  drei  Ausbuchtungen  nach  links  und  zwei  nach  rechts 
macht  (Fig.  A).  So  kommen  auf  die  ganze  Länge  der  Kiemen- 
region nur  etwa  13  mm,  während  der  Kiemendarm  gestreckt  min- 
destens um  ^4  mehr  messen  würde,  Es  fragt  sich  aber  sehr,  ob 
diese  Schlängelung,  durch  die  dieser  Körpertheil  an  dem  Präparat, 
wie  Klunzinger  sehr  zutreifend  bemerkt,  fast  den  Eindruck  eines 
zwischen  den  Genitalflügeln  gelegenen  Ringelwurms  macht,  erst  im 
Tode,  also  wohl  durch  die  Contraction  der  Längsmusculatur,  ein- 
getreten ist.  Da  die  doch  damit  mehr  oder  weniger  fest  ver- 
bundenen Theile  des  Körpers,  die  Genitalflügel  sowohl  wie  der  Bauch 
des  Körpers,  keine  Krümmungen  aufweisen,  so  ist  doch  wohl  anzu- 
nehmen, dass  bereits  im  Leben  der  Kiementheil  des  Thorax  ziemlich 
stark  geschlängelt  verlaufen  sein  wird,  wie  ihn  ja  auch  Kluxzinger's 
flg.  1,  allerdings  sehr  viel  w^eniger  stark,  zeigt.  Auffallend  bleibt 
mir  die  von  diesem  Beobachter  angegebene  grosse  Länge  von 
9 — 10  cm,  während  ich  auch  an  dem  grossen  KowALEvsKY'schen 
Exemplar  nur  eine  solche  von  4  cm  gefunden  habe.  (Auf  Klun- 
/inger's  Abbildung  ist  das  Hinterende  der  Kiemenregion  nicht  zu 
erkennen.) 

^lit  sammt  den  Genitalflügeln  beträgt  die  grösste  Breite  des 
Thorax  in  der  Kiemenregion  ca.  9  mm.  Diese  sind  zusammenge- 
schlagen. An  ihrem  Vorderende  stehen  sie  kaum  1  mm  aus  einander, 
dann  entfernen  sie  sich  bis  etwa  zur  Mitte  der  Kiemenregion  auf 
ca.  4  mm  und  rücken  darauf  bis  zu  deren  Hinterende  wieder  zu- 
sammen, so  dass  sie  einander  in  der  Genitalregion,  in  einer  Aus- 
dehnung von  etwa  6  mm,  beiühi'en.  In  der  Kiemenregion  er- 
reichen sie,  an  Querschnitten  durch  dieselbe  gemessen,  eine  grösste 
Breite  von  ungefähr  5  mm;  gegen  deren  Hinterende  nehmen  sie 
etwa  bis  4  mm  ab  und  wei'den  dann  —  die  Beschädigung  verhindert 
hiei-  eine  genaue  Untersuchung  —  sehr  viel  niedriger;  am  Ueber- 
gang  der  gefärbten   in   die   farblosen  Lebersäckchen,  wo  sie  wieder 


416 


J.  W.  Spengel, 


in  gutem  Zustande  erhalten  sind,  haben  sie  nur  noch  eine  Höhe  von 
etwa  1  mm,  um  dann  aufzuhören.  Dass  dies  in  der  früher  ange- 
gebenen Weise  zu  Stande  kommt  und  durch  das  Verschwinden  der 


/ 


Fiff.  A. 


Fi^..  B. 


Pleuren  die  lateralen  mit  den  medialen  Lebersäckchen  zusammen- 
treten, werde  ich  später  bei  Schilderung  der  Leberregion  zeigen. 
Ich  gehe  darauf  an  dieser  Stelle  um  so  weniger  ein,  als  Klunzinger 


Nene  Beiträge  zur  Kemitniss  der  Enteropneusten.  417 

sagt,  „eine  seitliche  Reihe  von  Knötchen,  wie  sie  Spengel  für  die 
ganze  Lebergegend  beschreibt  und  abbildet,  habe  ich  nicht  bemerkt" 
und  weder  darin  noch  in  Bezug  auf  die  andern  Lebertheile  einen 
sichern  Anhalt  zur  Bestimmung  der  normalen  Länge  giebt.  Die- 
jenige der  ganzen  Leberregion  giebt  er  auf  12 — 13  cm  an.  Ich 
bestimme  deren  Länge,  so  reichlich  wie  möglich  gemessen,  auf  etwa 
3,5  cm,  wovon  etwa  5  mm  auf  die  Strecke  der  farbigen,  8  mm  auf 
die  der  farblosen,  aber  gelappten  und  ziemlich  langen  Säckchen 
kommen,  der  Rest  auf  die  kleinen  medialen  und  lateralen  (s.  unten). 
Kluxzinger  fand  die  grössten  Lebersäckchen  bis  zu  5  mm  lang;  ich 
messe  ca.  3.  Wie  er  finde  ich  sie  fingerfr)rmig  und  mit  „fiederartigen 
Querfältchen"  ausgestattet,  d.  h.  Vorder-  und  Hinterfläche  sind  quer 
gefaltet.  Da  die  Grenze  gegen  das  Abdomen  nicht  scharf  ist,  so 
lässt  sich  auch  dessen  Länge  einschliesslich  der  Caudalregion  — 
Klunzinger  bezeichnet  beide  Theile  zusammen  als  Schwanz  und 
giebt  dafür  eine  Länge  von  9  cm  an  —  nur  ungefähr  auf  knapp 
3  cm  angeben.  Wie  viel  davon  auf  jeden  der  beiden  Theile  kommt, 
kann  ich  nicht  sagen. 

Was  die  äusserlich  wahrnehmbaren  Merkmale  betriift,  so  will 
ich  zunächst  bemerken,  dass  ich  die  Angabe  von  Klunzinger,  eine 
dunkle  gelbliche  Linie  in  der  Mittellinie  der  Bauchseite  sei  das  ven- 
trale Blutgefäss  (1902,  p.  199),  für  einen  Irrthum  halten  muss,  ebenso 
wie  verschiedene  ähnliche  Angaben  von  Willey.  Ich  halte  es  für 
undenkbar,  dass  einer  der  beiden  Längsgefässtämme,  die  immer  von 
dem  Nervenstrange  bedeckt  sind,  durch  diesen  hindurch  sichtbar  sei. 
Das  mehrfach  angegebene  röthliche  Aussehen  rührt  von  Pigment  her, 
das  in  den  Zellen  des  Nervenstranges  gelegen  ist.  Ferner  erwähnt 
Kluxzinger  für  die  Bauchseite  der  Kiemengegend:  „seitlich  ziehen 
mehrfach  getheilte  und  unterbrochene  Quermuskelbündel  hin",  sowie 
für  den  Schwanz:  „Die  Haut  erscheint  querstreifig  durch  die  Quer- 
muskulatur". Es  handelt  sich  in  keinem  dieser  beiden  Fälle  um 
die  Quernmsculatur,  sondern  um  die  Drüsenwülste  der  Epidermis, 
die  an  der  ventralen  Seite  der  Kiemenregion  thatsächlich  mehrfach 
getheilt  und  unterbrochen,  in  der  Caudalregion  ziemlich  regelmässig 
quer  angeordnet  sind. 

Mit  gütiger  Erlaubniss  des  Herrn  Collegen  Monticelli  habe 
ich  von  diesem  Exemplare  Schnitte  angefertigt,  und  zwar  habe  ich 
den  vordem  Körperabschnitt,  d.  h.  die  P^ichel,  den  Kragen  und  ein 
Stück  der  Kiemenregion,  ferner  den  Uebergang  der  letztern  in  die 
Genitalregion   und   endlich   di«»   Caudalregion   in   Querschnittserien, 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abtli.  f.  Svst.  28 


418  J-  W.  Spengel. 

letztere  wenigstens  tlieilweise  zerlegt.  Leider  Hess  die  Erhaltung 
recht  viel  zu  wünscheu  übrig.  Zwai'  Avar  die  Conservirung  der 
Gewebe  manchmal  recht  gut.  aber  an  verschiedenen  Stellen  war  der 
Körper  zerfallen,  die  Schichten  hatten  sich  z.  Th.  vou  einander  ab- 
gehoben, und  einige  Theile  waren  verkrümmt  oder  zusammengedrückt. 
So  kann  ich  zu  meinem  Bedauern  auch  mit  Hülfe  dieses  neuern 
Materials  kein  vollständiges  Bild  von  der  Organisation  dieser  Art 
geben,  muss  mich  vielmehr  damit  begnügen,  meine  altern  Angaben 
in  einigen  Punkten,   wo   es   mir  das  Object  gestattete,   zu  ergänzen. 

Die  Eichel. 

Solche  Mängel  zeigt  bereits  die  Eichel.  Die  Längsmusculatur 
ist  stark  geschrumpft  und  hat  sich  mit  Ausnahme  weniger  ihrer 
äussersten  Fasern  von  der  Haut  gel(>st  und  zurückgezogen,  so  dass 
diese  als  ein  schlaffer  Sack  die  Masse  der  erstem  einschliesst.  Die 
Querschnitte  zeigen  die  Epidermis  ziemlich  gut  erhalten,  unter  der 
Cuticula,  die  keine  Wimpern  mehr  erkennen  lässt,  zunächst  Drüsen- 
zellen, z.  Th.  im  Hämatoxylin  dunkel  gefärbt,  dann  sehr  zahlreiche 
und  dicht  gedrängte  kleine  Kerne,  darauf  eine  kräftige  Nervenfaser- 
schicht, diese  von  den  vorhergehenden  augenscheinlich  durch  eine 
starke  „Membrana  reticularis"  getrennt,  in  der  man  kleine  dunkle 
Kerne  erkennt.  Dann  folgt  eine  dünne  Grenzmembran  und  dieser 
noch  überall  dicht  anliegend  die  Eingm  usculatur,  die  eine  etwa 
ebenso  dicke  Lage  bildet  wie  die  Nervenfaserschicht.  An  deren 
Innenfläche  endlich  trifft  man  rundliche  bis  birnförmige  helle  Zellen 
mit  kleinem  dunklen  Kern  und  die  oben  erwähnten  spärlichen  Längs- 
muskelfasern, die  von  der  geschrumpften  Hauptmasse  abgerissen  sind. 

Die  Längsmusculatur  umschliesst  einen  ziemlich  eng,  n, 
dorsoventral  gestreckten  Hohlraum,  dei",  abgesehen  von  dem  nur 
stellenweise  erhaltenen  Eesten  einer  Lage  blasser  rundlicher  Zellen 
mit  dunklem  Kern,  von  Fasern  begrenzt  ist,  die  in  radiären  Zügen 
in  die  Masse  der  Muskelquerschnitte  abschwenken  und  sich  darin 
allmählich  verlieren.  Ventral  und  dorsal  von  der  Höhle  entsteht 
durch  Durchflechtung  zahlreicher  von  ihnen  ein  Filz.  Es  ist  also 
eine  ,.Aponeurose"  vorhanden,  wie  sie  ^^'ILLEY  bei  Ft.  flava  entdeckt 
hat  (s.  Spengel  1903,  p.  279),  mit  dem  einzigen  Unterschiede,  dass 
eine  solche  bei  jener  Art  hauptsächlich  an  der  dorsalen  Seite,  bei 
unsrer  aber  auf  beiden  Seiten  ungefähr  gleich  entwickelt  ist. 

Die  centralen  Organe  sind  stark  deformirt  und  zum  grossen 
Theil  histologisch  sehr  schlecht  erhalten.    Eine  Ausnahme  macht  nur 


Xeixe  Beiträge  zur  Kenutui^s  der  Enteropneusteii.  419 

die  Splanchnotliek,  die  auf  dem  vordem  Tlieil  der  Glomeruli 
geradezu  ungewölinlieh  gut  conservirt  ist  und  sich  als  ein  sehr  regel- 
mässiges, scharf  begrenztes  Epithel  mit  kleinen  länglichen,  senkrecht 
zur  Unterlage  gestellten  dunklen  Kernen  erweist. 

Die  Herzblase  zeigt  hinten  die  gewöhnliche  Lage  und  Grösse. 
Weiter  nach  vorn  ist  sie  nebst  den  anliegenden  Theilen  ganz  ver- 
schoben und  verzerrt.  Dann  wird  sie  auf  dem  Querschnitt  rundlich 
und  nimmt  l)is  zu  ihrem  Vorderende,  das  ungefähr  auf  gleicher  Höhe 
wie  das  des  Eicheldarms  liegt,  allmählich  an  Grösse  ab.  Die  zelligen 
Bestandtheile  ihrer  Wände  sind  fast  ganz  zerstört,  ihre  queren  Muskel- 
fasern an  der  dem  centralen  Blutraum  zugekehrten  Fläche  sind  viel- 
fach sehr  deutlich  zu  sehen.  Beide  Seitenflächen  der  Herzblase  sind 
grossentheils  von  den  (Uomeruli  bedeckt.  Diese  sind  von  geringer 
Grösse,  trotz  der  Füllung  ihrer  Gefässbahnen  mit  Blut.  Engere,  senk- 
recht zu  einem  die  Oberfläche  der  Herzblase  überziehenden  Blutsinus 
entspringende  Bahnen  sind  ziemlich  eng  und  gehen  peripherisch  in 
weniger  zahlreiche,  aber  weitere  über,  von  denen  die  am  meisten 
ventral  gelegenen,  welche  an  den  Eicheldarm  grenzen,  sich  fast  con- 
stant  durch  ihre  besondere  Weite  auszeichnen. 

Der  E  i  c  h  e  1  d  a  r  m  liat  in  seinem  vordem  Theil  einen  sehr  kleinen, 
rundlichen  Durchmesser.  Etwas  weiter  nach  hinten  wird  sein  Quer- 
schnitt quer  oval,  bedeutend  breiter  als  hoch.  Ein  Lumen  ist  auf 
dieser  ganzen  Strecke  nirgends  zu  erkennen,  aber  auch  nicht  die 
charakteristische  ..chordaähnliche"  Structur.  Dann  folgt  auch  für 
diesen  der  verschobene  und  verzerrte  Abschnitt,  in  dem  er  von  den 
Querschnitten  sehr  schief  getroffen  ist.  Hier  war  sicher  ein  Lumen 
mit  gefalteten  Wänden  vorhanden.  Der  Uebergang  in  den  weiten 
Abschnitt,  in  dem  der  Eicheldarm  den  ventralen  Blindsack  bildet, 
lässt  sich  aus  dem  angeführten  (Grunde  ebenso  wenig  verfolgen,  und 
auch  die  Form  des  Blindsacks  ist  nicht  festzustellen.  Die  Erhaltung 
des  Gewebes  ist  hier  sehr  schlecht,  nur  in  den  Seitentaschen  des 
Blindsacks  zeigt  sich  das  ziemlich  niedrige  Epithel,  das  deren  laterale 
Wände  bildet,  einigermaassen  gut  erhalten.  Der  darauf  folgende 
Halstheil  des  Eicheldarms  zeigt  den  gewöhnlichen  bogenförmigen 
Durchsclinitt,  nahezu  hufeisenföimig,  aber  mit  ziemlich  kurzen 
Schenkeln.  Seine  Wände  sind  grossen  Theils  nmcerirt.  Er  geht, 
allmählich  an  Breite  zunehmend,  bis  zur  l^^inmündung  in  die  Mund- 
höhle. 

Von  den  dorsalen  Eichel  t  aschen,  die  von  einem  gut  er- 
haltenen Epithel   mit  kleinen   rundlichen  Kernen   ausgekleidet  sind, 

28* 


420  J.  W.  Spkngel, 

endigt  die  rechte  blind.  Die  linke  geht  durch  einen  kurzen,  offnen 
Verbindungsabschnitt  in  die  einzige  Eichelpforte  über.  Sie  schiebt 
sich  nahezu  bis  zur  Mittellinie  zwischen  die  Herzblase  und  die  Epi- 
dermis und  mündet  dann  ganz  links  aus,  so  dass  der  einzige  Eichel- 
porus  vollständig  nach  der  linken  Seite  gewandt  ist,  also  ganz  wie 
bei  dem  ersten  Exemplar  (Monogr.,  tab.  11,  flg.  4.  ein  von  der 
hintern  Fläche  gesehener  Schnitt).  Er  ist  sehr  weit,  opens  bodily, 
wie  WiLLEY  von  Ft.  flava  sagt  (1899,  p.  231)  und  erstreckt  sich  über 
17  Schnitte. 

Mit  dem  früher  untersuchten  stimmt  das  Object  endlich  überein  in 
dem  Verhalten  des  für  die  Art  besonders  bezeichnenden  Organs,  des 
„blumenkohlartigen"  Körpers.  Es  zeigt  genau  die  gleichen  Beziehungen 
zu  den  übrigen  Organen  des  Eichelhalses  (ventrale  Eicheltaschen,  Eichel- 
skelet  etc.),  wie  ich  es  früher  eingehend  beschrieben  habe,  und  auch 
die  gleiche  Gestaltung  mit  zahlreichen  bläschenartigen  Ausstülpungen, 
deren  Zahl  zwar  kleiner  als  bei  dem  damals  untersuchten  sehr  grossen 
Individuum  sind,  aber  immerhin  bereits  sehr  erheblich,  so  dass  die 
Querschnitte  ganz  ähnliche  Bilder  ergeben  wie  die  früher  abgebildeten 
(Monogr.,  tab.  11.  flg.  2—6). 

Auch  das  Eichelskelet  bietet  keine  Veranlassung  zu  einer  er- 
neuten Beschreibung  oder  Abbildung.  Das  chondroide  Gewebe  zeigt 
die  dort  hervorgehobene  reichliche  Entwicklung. 

Der  Kragen. 

Was  ich  über  den  Bau  des  Kragens  meiner  frühern  Darstellung 
hinzuzufügen  habe,  ist  sehr  wenig.  In  Bezug  auf  die  M  u  s  c  u  1  a  t  u  r 
kann  ich  vollständig  auf  diese  verweisen,  ebenso  wegen  des  Peri- 
pharyngealraums.  Von  den  Kragensepten  finde  ich  bei 
dem  vorliegenden  Individuum  das  dorsale  kürzer:  es  ist  nur  etwa 
im  hintern  Viertel  des  Kragens  als  vollständige  Scheidewand  aus- 
gebildet; dann  erleidet  es  am  dorsalen  Rande  eine  Unterbrechung 
und  wird  nun  nach  vorn  hin  allmählich  kürzer,  um  ein  gutes  Stück 
hinter  der  „Wurzel"  (s.  u.)  ganz  zu  verschwinden.  Das  ventrale, 
das  ich  früher  nicht  untersucht  hal)e,  ist  von  grösserer  Längs- 
ausdehnung als  jenes.  Es  nimmt  fast  die  hintere  Hälfte  des  Kragens 
ein,  wird  dann  ebenfalls  an  seinem  distalen  Eande,  also  ventral, 
unterbrochen  und  geht  etwa  zwischen  dem  zweiten  und  erstem 
Drittel  der  Kragenlänge  in  das  Ringgefäss  über,  durch  das  die 
Verbindung  mit  den  abführenden  Eichelgefässen  besorgt  wird.  Dieses 
besteht    aus    einem    stärkern    Gefäss    mit    musculösen   Wandungen 


Nene  Beiträge  zur  Keimtiiiss  der  Euteruimeusten.  421 

(Get'ässtamm)  und  eiiiig'en  feinerii  Canälchen,  die  netzig  angeordnet 
zu  sein  scheinen.  Die  Krage n pf orten  entsprechen  meiner  früliern 
Beschreibung;  nur  will  ich  erwähnen,  dass  die  dorsale  Falte  aus 
einem  Epithel  besteht,  das  niedriger  ist  als  das  der  gegenüberliegenden 
Wand  und  sich  nur  dadurch,  und  zwar  sehr  scharf  und  deutlich,  ab- 
hebt, dass  die  beiderseits  an  dieselbe  angrenzenden  Theile  des  Epi- 
thels sehr  niedrig  sind. 

Der  Rückenstrang  ist  dem  des  früher  untersuchten  Exem- 
plars sehr  ähnlich,  also  aus  zwei  breiten  Perihämalräumen  gebildet, 
die  im  grössern  hintern  'i'heil  des  Kragens  eine  tiefe,  vom  Kragen- 
mark ausgefüllte  Kinne  bilden.  Letzteres  erscheint  daher  hier  sehr 
hoch  und  schmal,  liat  übrigens  vielleicht  noch  eine  postmortale 
Steigerung  dieser  Gestalt  in  Folge  der  schlechten  Conservirung  er- 
litten. Nach  vorn  zu  wird  die  Rinne  flacher,  das  eingeschlossene 
Kragenmark  niedriger  und  breiter,  so  dass  sich  das  Verhältniss  der 
beiden  Durchmesser  ungefähr  umgekehrt,  so  wie  ich  es  auch  früher 
gefunden  habe.  Nicht  sicher  kann  ich  mich  dagegen  über  die 
Existenz  eines  durchgehenden  Hohlraumes  aussprechen,  da  die  Er- 
haltung schlecht,  der  grössere  Theil  der  zelligen  A\'andungen  zer- 
fallen ist.  In  diesen  scheinen  mir  die  Querschnitte,  indem  in  einem 
Theil  des  Inhalts  wohl  die  geschrumpfte  und  faltig  zusammen- 
gefallene cuticulare  Auskleidung  zu  erkennen  ist,  auf  die  Existenz 
eines  solchen  hinzuweisen,  und  sicher  ist  nicht  nur,  dass  diese  sowohl 
im  vordersten  wie  im  hintersten  Theil  vorhanden  ist,  wo  die  Wände 
ziemlich  gut  erhalten  sind,  sowie  dass  hier  auch  eine  offene 
Ausmündung  dieses  Canals  vorhanden  ist.  Vorn  liegt  diese,  der 
sog.  vordere  Neuroporus,  am  Grunde  der  Furche  zwischen  der  Vorder- 
wand des  Kragens  und  dem  Eichelhalse,  ungefähr  ^U  mm  hinter  dem 
Hinterende  des  Eichelporus.  Das  Epithel  der  dorsalen  Wand  mit 
verhältnissmässig  lockern  Zellen  ist  hier  ganz  scharf  unterschieden 
von  dem  durch  seine  sehr  dicht  stehenden  Zellen  sehr  dunkel  er- 
scheinenden Zellen  der  vordem  Kragenwand,  so  dass  die  Existenz  einer 
vordem  Epidermistasche  sicher  ausgeschlossen  werden  kann.  Hinten 
schliesst  sich  eine  solche  von  geringer  Tiefe  an  den  Canal  des 
Kragenmarks  an,  mit  einer  dorsalen  Wand  versehen,  welche  das 
gleiche  an  Drüsenzellen  reiche  Epithel  besitzt  wie  das  Hinterende 
des  Kragens. 

Von  Wurzeln  finde  ich  bei  diesem  Individuum,  während  das 
andre  deren  2  besass,  nur  eine.  Leider  ist  deren  Gewebe  fast  ganz 
zerfallen,  so  dass  ich  über  die  Existenz  von  Hohlräumen  in  ihrem 


422  J.  W.  Spengel, 

Imiern  nichts  feststellen  konnte.  Das  Gebilde  entspringt  in  einer 
sehr  grossen  Längsausdehnung  von  Kragenmark,  nämlich  durch 
14  Schnitte  von  je  15  u.  nimmt  nur  einen  kurzen  Verlauf  ein  wenig 
nach  hinten  und  verbindet  sich  durch  9  Schnitte  mit  der  Epidermis. 
Die  Wurzel  ist  also  sehr  dick. 

Ueber  das  Blutgefässystem  des  Kragens  kann  ich  nur  die 
frühern  Angaben  bestätigen  (Monogr.,  p.  178). 

Der  Rumpf. 

Auch  über  die  Kiemenregion  und  im  Besondern  über  den 
Kiemendarm  habe  ich  meinen  bisherigen  Angaben  nichts  hinzuzu- 
fügen, in  so  fern  finde  ich  einen  CInterschied,  als  der  Oesophagus, 
der  bei  dem  früher  untersuchten  Individuum  ungefähr  von  gleicher 
Grösse  wie  die  Kiemendarmhöhle  war,  hier  nur  etwa  ein  Viertel  der 
Grösse  dieser  auf  dem  Querschnitt  hat.  Ob  dieses  Verhältniss  sich 
in  den  mittlem  Theilen  der  Kiemenregion  ändert,  kann  ich  nicht 
sagen,  da  ich  nur  die  vordem  und  die  hintern  in  Schnitte  zerlegt 
habe.  Ferner  ist  die  Kiemendarmhöhle  etwas  breiter  als  hoch,  die 
sie  einschliessenden  Kiemen  stark  gekrümmt,  und  die  Grenzwülste 
berühren  einander  fast,  wenn  sie  auch  etwas  gegen  einander  ver- 
schoben sind.  Dann  will  ich  erwähnen,  dass  die  Aussen  wand  der 
Kiemenzungen,  ihr  Boden,  bisweilen  eine  Einfalfung  zeigt.  Ich  habe 
mich  inzwischen  davon  überzeugt,  dass  auf  diese  Erscheinung  oder 
ihren  Mangel  —  letztern  habe  ich  früher  (p.  18Ö)  für  Pf.  erythraea 
hervorgehoben  —  kein  Werth  zu  legen  ist. 

Der  Darm  der  Kiemeni'egion  geht  in  den  der  Genitalregion 
durch  einen  postbranchialen  Abschnitt  über.  Ich  habe  indessen 
bei  der  schlechten  Erhaltung  nicht  viel  mehr  thun  können,  als  die 
Anwesenheit  der  postbranchialen  Rinne  mit  ilirem  charakteristischen 
Epithel  zu  constatiren ,  während  ich  weder  deren  natürliche  Form, 
die  durch  Krümmungen  und  Faltungen  stark  beeinträclitigt  Avar, 
noch  die  nach  meinen  frühern  Beobachtungen  diesen  Darmabschnitt 
umschlingende  Musculatur.  die  nur  in  mehr  oder  weniger  zerstörten 
Resten  vorlag,  noch  die  in  dessen  Bereiche  auftretenden  Blutgefässe 
habe  beobachten  können.  Das  Letztere  wurde  noch  durch  die  An- 
wesenheit sehr  zahlreicher  brauner  Körnermassen  im  Cölom,  haupt- 
sächlich dorsal  vom  Darmcanal,  erschwert,  wie  sie  sich  ähnlich  auch 
an  andern  Stellen  des  Cöloms,  in  den  Perihäraalcanälen ,  in  den 
Genitalpleuren  etc.  bei  diesem  Exemplar  finden. 

So  habe  ich  von  dem  Thorax  nur  noch   die  Gonaden  zu  be- 


Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Enteropneusten.  423 

spreclien.  deren  weitaus  grösster  Theil  auf  die  Kiemenregion  fällt, 
während  dieselben  hinter  dieser"  rasch  abnehmen.  Nur  ein  kleines 
vorderstes  Stück  der  Pleuren  war  von  diesen  ganz  frei.  Die  dann 
zuerst  in  der  Reihe  auftretenden  sind  aber  sehr  klein  und  zugleich 
spärlich,  so  dass  sie  einander  nicht  berühren  und  bis  zu  8  oder  10 
auf  den  Querschnitt  einer  Pleura  fallen.  Sie  liegen  als  kleine  rund- 
liche Körper  der  Aussenseite  des  Lateralseptums  an  und  durchbohren 
dieses  mit  ihrem  ganz  feinen  Ausführungsgang,  den  man  bis  an  die 
Epidermis  verfolgen  kann.  Manche  dieser  Körper  sind  Blasen  mit 
randständigen  rundlichen  Zellen,  die  einen  kleinen  Kern  entlialten. 
und  einem  körnigen  Inhalt,  der  den  Kindruck  eines  in  einer  Flüssig- 
keit entstandenen  Niederschlags  macht.  In  andern,  die  etwas  mehr 
nach  dem  Körper  zu  gelegen  sind,  finden  sich  aussei'  den  erwähnten 
Zellen  einige  Ballen  der  bekannten  Dotterkliimpen,  und  in  ver- 
einzelten endlich,  und  zwar  in  solchen,  die  ganz  nahe  der  Basis 
einer  Pleure  gelegen  sind,  treten  sehr  kleine,  dunkel  blaue  Kerne  im 
Lumen  der  übrigens  wie  die  zuletzt  geschilderten  erscheinenden 
Gonaden  auf.  Ich  halte  diese  für  Spermatiden,  wenn  es  nicht  gar  schon 
fertige  Spermatozoen  mit  runden  Köpfen  sind,  deren  Schwänze  zer- 
stört sind  oder  sich  der  Beobachtung  entziehen. 

Wir  finden  also  nicht  nur.  dass  die  Gonaden  gegen  das  Yorder- 
ende  der  Pleuren  auf  einer  niedern  Entwicklungsstufe  stehen,  sondern 
dass  die  auf  einem  Querschnitt  gelegenen  je  nach  ihrem  Abstand 
vom  Ursprung  der  Pleure  an  Reife  abnehmen. 

Der  gleiche  Zustand  zeigt  sich  auch  am  Hinterende  des  Thorax, 
wo  aber  die  Entwicklung  der  Gonaden  bedeutend  weiter  vorge- 
schritten ist,  derart  dass  diese  zahlreich  sind  —  sei  es  nun,  dass 
sie  in  grösserer  Zahl  vorhanden  sind  oder  je  eine  Anzahl  von  kurzen 
Aesten  erhalten  haben,  was  ich  aber  nicht  sicher  entscheiden  kann  — 
und  dicht  gedrängt,  so  dass  sie  einander  berühren.  Das  ist  aber 
nur  bis  zu  einem  gewissen  Abstand  vom  Ursprung  einer  Pleure  der 
Fall;  jenseits  desselben  liegen  die  Gonaden  weiter  aus  einander,  gegen 
das  freie  Ende  fast  genau  so  locker  wie  vorn.  Und  damit  ist  auch 
eine  gegen  den  Ursprung  im  Ganzen  zunehmende  Reife  verbunden : 
nahe  diesem  findet  man  Gonaden,  die  von  Spermatozoen  (oder  Sperma- 
tiden s.  0.)  strotzen  und  nur  wenige  Zellen  und  Dotterballen  an  der 
Wand  tragen,  weiter  distal  solche  mit  zahlreichen  und  zum  Theil 
recht  grossen  Dotteiballen ,  während  in  dem  kleinen  Lumen  hier 
und  da  Spermatozoen  sichtbar  sind,  endlich  ganz  gegen  den  freien 
Rand  der  Pleure  hii\  junge  Gonaden,  wie  sie  oben  geschildert  wurden. 


424  J-  W.  Spengel, 

Die  Gonaden  sind  von  zahlreichen  Blutg-efässen  begleitet,  die, 
namentlich  an  den  jungen,  sehr  blutreich  sind  und  allem  Anscheine 
nach  wesentlich  der  Länge  nach  verlaufen:  auf  den  Querschnitten 
sieht  man  sämmtliche  jungen  Gonaden  wie  von  einem  Kranze  von 
grossen  Gefässdurchschnitten  umgeben. 

Im  Bereiche  des  postbranchialen  Darms  nimmt  die  Entwicklung 
der  Gonaden  wieder  ab.  Weitei-  nach  hinten  habe  ich  sie  nicht 
verfolgt. 

Es  kann  nach  diesen  Beobachtungen  kaum  zweifelhaft  sein,  dass 
auch  bei  Ft.  eryfhraea  der  Ausgangspunkt  für  die  Bildung  der 
Gonaden  in  einem  mittlem  Theil  der  Kiemenregion  zu  suchen  ist 
und  dass  sie  sich  von  hier  aus  einerseits  nach  vorn,  andrerseits  nach 
hinten  enttalten ;  ferner  dass  innerhalb  der  Pleuren  eine  Entwicklung 
in  distaler  Richtung  vor  sich  geht. 

Von  einer  erneuten  Untersuchung  der  Leberregion  und  ihres 
üeberganges  in  die  Abdominalregion  auf  Schnitten  habe  ich,  nament- 
lich auch  in  Anbetracht  des  massigen  Erhaltungszustandes,  geglaubt 
abgeben  zu  können,  nachdem  es  mir  an  dem  ersten  Exemplar  der  Art 
gelungen  war,  die  hier  in  Frage  kommenden  Verhältnisse  genügend 
aufzuklären.  Ich  beschränke  mich  auf  die  Beschreibung  dessen,  was 
äusserlich  sichtbar  ist,  und  beziehe  mich  auf  eine  Photographie,  die 
mein  College  Herr  Prof.  Strahl  so  freundlich  war  für  mich  aufzu- 
nehmen und  die  in  Fig.  B,  S.  416,  wiedergegeben  ist.  Die  auf  =74  ihrer 
Grösse  reducirte  Photographie  zeigte  das  Object  in  etwa  4facher 
Vergrösserung  (Fig.  B  also  etwa  in  3facher).  An  ihrem  Oberende 
sehen  wir  die  grossen  gelappten  Lebersäckchen  in  ihrer  unregel- 
mässigen Anordnung,  daher  scheinbar  in  mehr  als  zwei  Längsreihen. 
Das  letzte  Stück  der  Pleure  ist  auf  der  rechten  Seite  unmittelbar 
seitlich  von  den  Lebersäckchen  zu  sehen ,  leider  nicht  ganz  scharf. 
Gegen  ihr  Hinterende  treten  lateral  davon  kleine  Knötchen  auf,  und 
diese  lassen  sich  als  eine  Längsreihe  nach  hinten  verfolgen,  jenseits 
des  Hinterendes  der  Pleure  unmittelbar  den  Lebersäckchen  ange- 
lagert. Es  entspricht  je  einem  dieser  ein  Knötchen  der  lateralen 
Eeihe.  Folgen  wir  diesen  Doppelreihen  nun  weiter  nach  hinten,  so 
sehen  wir  die  Lebersäckchen  allmählich  an  Grösse  abnehmen,  bald 
von  etwa  gleicher  Grösse  wie  die  lateralen  werden  und  schliesslich 
ganz  verschwinden,  während  die  letztern  sich  etwa  bis  zu  der  Stelle 
fort  erstrecken,  wo  eine  Nadel  in  den  Körper  gesteckt  ist,  auf  der 
Photographie  etwa  6  cm  (in  Fig.  B  etwa  4  ^2  cm),  am  Object  also 
etwa  1  7o  cm  weit,  ohne  wesentlich  kleiner  zu  werden,  bis  sie  zuletzt 


Neue  Beiträge  zur  Keuutniss  der  Eiiteropiie\;stei).  425 

allmälüicli  verschwinden.  Die  lateralen  Knötchen  ssiiitl  die  „lateralen 
Lebersäckchen",  also  jene  Aussackungen,  auf  deren  Aelmlichkeit  mit 
Lebersäckchen  ich  in  meiner  iMonographie  (p.  183)  hingewiesen  und 
deren  Auskleidung-  mit  Leberzellen  ich  für  Pt.  flava  1903  (p.  313j 
nachgewiesen  habe. 

Weiter  will  ich  die  Photographie,  die  ja  bis  in  die  Einzelheiten 
ganz  naturgetreu  ist,  benutzen,  um  daran  das  Verhalten  der 
Drüsen  Wülste  der  Haut  zu  erläutern.  In  der  hintern  Leber- 
region sieht  man  den  dorsalen  Nervenstrang  von  zwei  Reihen  von 
solchen  begrenzt  und  kann  sich,  wenn  man  diese  genauer  ins  Auge 
fasst,  leicht  davon  überzeugen,  dass  sie  keineswegs  streng  sym- 
metrisch angeordnet  sind.  Und  was  die  seitlichen  Drüsenwülste  be- 
trifft, so  sieht  man  zwar,  besonders  deutlich  links,  vorherrschend  je 
einen  derselben  auf  einen  der  lateralen  Lebersäckchen  übergehen, 
vereinzelt  treten  aber  auch  zwei  gemeinsam  an  ein  solches  heran, 
und  noch  viel  deutlicher  sind  Unterbi-echungen,  Einschaltungen.  Ab- 
weichungen von  der  queren  Verlaufsrichtung  und  derartige  Unregel- 
mässigkeiten gegen  die  Seite.  Immerhin  gehört  auch  Pt.  erythraea 
zu  den  Arten,  die  in  Folge  verhältnissmässig  regelmässig  ange- 
ordneter Drüsenwülste  eine  Eingelung  der  Haut  zeigen. 

In  meinen  Aufsätzen  über  die  verschiedenen  Formen  von  Pfycho- 
dera  flava  bin  ich  nicht  auf  eine  Ansicht  eingegangen,  die  Willey 
über  angebliche  Beziehungen  der  Wimperfurchen  des  Darms  zu  den 
Kiemen  macht.  Ich  will  die  Gelegenheit,  die  mir  die  erneute  Unter- 
suchung von  Pt.  erythraea  bietet,  um  so  lieber  benutzen,  dies  hier 
nachzuholen,  als  bei  dieser  Art  die  in  Frage  kommenden  Körper- 
theile  besonders  stark  ausgebildet  sind.  Willey  (1899,  p.  299)  be- 
merkt in  seinem  Capitel  „Evidence  of  unlimited  gill-slits"  Folgendes. 
In  the  subgeuns  Clüaniydothorax  [=  Ptychodera]  (as  shown  by  Spengel 
in  Pt.  erythraea  and  as  I  have  found  in  Pt.  flava),  the  ciliated  groo- 
ves  are  not  simple  longitudinal  furrows  but  undergo  raetameric  or 
interannular  sacculations.  [Dass  diese  nicht  interannulär  sind,  son- 
dern den  Ringelungen  entsprechen,  habe  ich  früher  (1903,  p.  312) 
schon  dargelegt,  kommt  aber  für  die  uns  jetzt  beschäftigende  Frage 
nicht  in  Betracht].  These  sacculations  often  approach  very  closely 
to  the  epidermis.  They  strongly  resemble  a  gill-pouch  betöre  its 
Perforation  to  the  exterior  such  as  I  have  described  it  in  Pt.  flava. 
The  medial  covering-pad  often  suggests  a  tongue-bar  (cf.  tab.  29. 
fig.  12 — 14).  It  is  not  unlikely  that  these  sacculations  of  the  cilia- 
ted apparatus  of  the  gut  in  the  subgenus  Chlamydothorax  are  homo- 


426  J-  ^^-  Spengel, 

dynamoiis  witli  tlie  gill-poucli  diverticula  of  tlie  gut  and,  iu  this 
fiuality,  are  the  vestiges  of  gill-slits  which  doubtless  formerly  exteu- 
ded  throughoiit  the  greater  part  or  the  whole  of  the  trimk.  Pari 
passu  with  the  phenomeiion  of  cephalization,  a  process  which  has 
ahvays  been  at  work  in  the  evolntion  of  Metazoa,  the  primarily 
unliniited-gill-clefts  became  limited  to  the  anterior  region  of  the 
trnnk." 

Wie  mir  scheint,  sind  unter  Willey's  zum  Theil  höchst  gewagten 
Schlussfolgerungen  nicht  viele,  Avelche  eine  so  ungenügende  Grund- 
lage haben.  Den  Ausgangspunkt  der  Behauptung,  dass  die  Wimper- 
streifen ein  Rudiment  (vestigesj  von  Kiemen  darstellten,  welche  in 
der  hintern  Körperregion  vorhanden  seien,  bildet  eine  Aehnlich- 
keit,  die  ich  als  ganz  oberflächlich  und  bedeutungslos  bezeichnen 
muss,  die  ausschliesslich  auf  Querschnitten  besteht,  soweit  sie  über- 
haupt vorhanden  ist,  in  ein  Nichts  aber  zerfliesst,  sobald  man  sich 
der  räumlichen  Verhältnisse  bewusst  ist.  Von  einer  irgend  wie 
tiefer  gehenden  Uebereinstimmung  des  Deckwulstes  (covering  päd), 
der,  wie  die  Bezeichung  für  alle  Ptychoderiden  zutreffend  sagt,  ein 
Wulst,  d.  h.  eine  von  höhern  Zellen  erzeugte  Verdickung  des  Darm- 
epithels ist,  mit  der  Zunge  der  Kiemen,  die  eine  hohle  ^Ausstülpung 
mit  einem  in  mehrere  charakterische  Theile  gesonderten  Epithel 
(Rücken,  Seiten,  Boden  etc.)  ist,  kann  nicht  im  geringsten  die  Rede 
sein,  ebenso  wenig  wie  von  einem  nähern  Vergleich  zwischen  dem 
unverkennbar  durch  seine  besondere  histologische  Diiferenzirung  als 
Organ  der  Darmwand  charakterisirten  Wimperstreifen  und  der  Wand 
einer  Kiementasche. 

Wie  ich  ferner  für  Pf.  flava  (1903)  eingehend  aus  einander  ge- 
setzt habe,  ist  es  niclit  der  Wimperstreifen  mit  seinem  Deckwulst, 
an  dem  hier  die  angeblich  metameren  Bildungen  auftreten,  sondern 
diese  zeigen  sich  an  andern  Theilen  der  Darmwand,  an  „lateralen 
Lebersäckchen",  die  lateral  von  dem  Wimperstreifen  auftreten  und 
in  die  dieser  hineingezogen  wird,  bei  Ft.  flava  caledoniensis,  wie  ich 
früher  gezeigt  habe,  nur  dieser,  während  der  Deckwulst  „am  Ein- 
gange bleibt"  (p.  314).  Dagegen  zeigen  schon  meine  altern  Beob- 
achtungen an  Pt.  erythraea  (1893,  tab.  11,  fig.  19,  20)  ganz  deutlich, 
dass  hier  beide  Theile  zusammen  weiter  ins  Innere,  und  zwar  an 
der  medialen  Wand  des  lateralen  Lebersäckchens  bis  fast  an  dessen 
Grund  heran,  rücken. 

Soweit  also  im  Bereiche  der  lateralen  Lebersäckchen  überhaupt 
ein  besonderes  Verhalten  des  Wimperstreifens  und  des  Deckwulstes 


Neue  Beiträge  zur  Keuntniss  der  Enteropneusten.  427 

vorliegt,  beruht  dieses  nicht  auf  irgend  einer  Differenzirung  dieser 
Theile  selbst  und  im  Besondern  nicht  auf  einer  auch  nur  von  Ferne 
an  die  Kiemen  erinnernden  Difterenzirung,  sondern  es  handelt  sich 
um  eine  veränderte  Lage,  die  in  der  Ausbildung  der  lateralen  Leber- 
säckchen  begründet  ist.  Und  diese  haben  eben  so  wenig  eine  Be- 
ziehung morphologischer  Art  zu  den  Kiemen  wie  die  medialen  oder 
Haupt-Lebersäckchen,  die  ihrerseits  ebenso  nahe  an  die  Epidermis 
herantj'eten,  d.  h.  diese  nach  aussen  vor  sich  herstülpen,  wie  die 
lateralen,  von  denen  A\'illey  dies  ausdrücklich  erwähnt  und  worin 
er  einen  Hinweis  auf  eine  respiratorische  Function  sieht.  Sein  Ver- 
such, die  „metamerischen  Aussackungen  der  Wimperfurche"  für  die 
Lehre  von  der  ursprünglichen  unbegrenzten  Ausdehnung  der  Kiemen 
durch  den  ganzen  Körper  der  Enteropneusten  zu  verwerthen,  muss 
mithin  als  gänzlich  missglückt  angesehen  werden.  Auf  die  andern 
Argumente,  die  AVilley  dafür  anführt,  kann  ich  an  dieser  Stelle 
nicht  eingehen. 

Die  Caudalregi  on  habe  ich  zum  grossen  Theil  in  eine  Quer- 
sclmittserie  zerlegt,  um  die  Existenz  des  bei  dieser  Art  bisher  noch 
unbekannten  ..Pj'gochords"  und  sein  Verhalten  festzustellen.  Wie 
zu  erwarten  war,  ist  es,  wie  bei  allen  bisher  darauf  hin  untersuchten 
Ptychoderiden ,  auch  hier  vorhanden  und  gleicht  im  Wesentlichen 
dem  von  Ft.  flava,  wie  ich  es  für  verschiedene  Formen  derselben 
festgestellt  habe.  Es  ist  ein  sehr  dünnes  Band,  das  sich  gegen  die 
Haut  hin  verdickt,  auf  Querschnitten  unmittelbar  über  dem  ventralen 
Gefässtamm  eine  knöpfchenartige  Anschwellung  zeigt.  Ferner  ei*- 
giebt  sich,  dass  es  wie  bei  der  genannten  Art  nicht  continuirlich 
ist,  sondern  mehrere  Unterbrechungen  aufweist.  Auf  die  That- 
sache,  dass  auf  den  Querschnitten  der  Verlauf  etwas  geschlängelt 
ist,  kann  ich  bei  dem  Erhaltungszustande  des  Objects,  dessen 
Caudalregion  ziemlich  stark  abgeplattet  ist,  keinen  besondern  Werth 
legen. 

Im  Einzelnen  kann  ich  folgende  Beobachtungen  mittheil eu.  Ein 
perlschnurähnliches  Aussehen,  das  durch  zahlreiche  Vereinigungen 
der  beiderseitigen  Grenzmembranen  entsteht,  finde  ich  nicht;  nur 
hier  und  da  kommen  solche  Verbindungen  vor,  und  auch  am  Ur- 
sprung des  Pygochords  aus  dem  Darmcanale  findet  sich  meist  keine 
Abtrennung  durch  die  Grenzmembran.  In  letztern  geht  das  Pygochord 
gewöhnlich  durch  eine  allmähliche  Verbreiterung  über.  —  An  manchen 
Stellen  ist  das  Pygochord  sehr  dünn,  so  dass  die  beiden  Grenz- 
membranen nur  durch  eine  dünne  Protoplasmalage  getrennt  sind,  in 


428         J.W.  Spekgel,  Neue  Beiträge  zur  Keuntiiiss  der  Enteropneusteu. 

der  spärliche  Kerne  in  ziemlich  weiten  Abständen  liegen.  An  andern 
Stellen  ist  die  Phitte  dicker,  die  Kerne  sind  dann  zahlreicher  nnd 
dichter  zusammengedrängt.  —  Ziemlich  scharf  von  der  Platte  ge- 
schieden ist  gewöhnlich  der  Endknopf.  In  ihm  finden  sich  grössere 
und  stets  dunklere  Kerne,  bisweilen  um  ein  kleines  Lumen  herum 
und  dann  deutlich  ringförmig  angeordnet;  in  andern  Fällen  ist  ein 
solches  nicht  vorhanden,  und  ein  continuirlicher  Hohlraum  scheint 
mir  sicher  nicht  vorhanden  zu  sein.  Nach  dem  ventralen  Rande 
lassen  die  Kerne  einen  ziemlich  breiten  Saum  frei,  in  dem  sich  eine 
Körnelung  zeigt.  Gut  erhaltene  Präparate  von  dieser  Art  mögen 
über  den  wahren  Bau  des  Endknöpfchens  Aufschluss  geben  und  uns 
damit  der  Feststellung  seiner  Function  auch  etwas  näher  führen. 
Gewöhnlich  sind  die  erwähnten  grössern  und  dunklern  Kerne  auf 
das  Endknöpfchen  beschränkt.  An  einigen  Punkten  ~  ich  habe 
deren  3  beobachtet  —  erstrecken  sich  aber  solche  Zellen  in  mehreren 
Schnitten  weit  in  die  höhern  Theile  der  Pygochordplatte  hinauf,  deren 
charakteristische,  meist  in  einer  Reihe  über  einander  gelegene  Kerne 
ersetzend  durch  Stränge  und  Ballen,  in  denen  immer  eine  Anzahl 
von  Kernen  neben  einander  gelegen  ist.  Auch  hierüber  ist  näherer 
Aufschluss  an  besser  erhaltenen  Individuen  zu  erhoffen.  Ich  glaube 
nur  behaupten  zu  können,  dass  keine  Fortsetzung  dieser  Zellen  des 
Endknöpfchens  bis  zum  Darmcanal  erfolgt;  ich  habe  solche  nie  über 
mehr  als  die  Hälfte  des  Pygochords  hinauf  dringen  sehen.  —  End- 
lich habe  ich  zu  erwähnen,  dass  das  Endknöpfchen  an  den  Punkten, 
wo  das  Pygochord  unterbrochen  ist,  sich  allein  weiter  ersti-eckt, 
nachdem  die  Platte  verschwunden  ist,  dann  aber  schliesslicli  auch 
ein  Ende  erreicht,  so  dass  vollständige  Lücken  zu  Stande  kommen 
und  zwar  von  verschiedener  Ausdehnung,  wie  auch  die  Strecken, 
in  denen  das  Pygochord  vorhanden  sind,  länger  oder  kürzer  sein 
können:  das  voi'derste  ist  sehr  lang,  dahinter  folgen  dann  mehrere 
kürzere ;  das  hinterste  Ende  bleibt  wieder  frei  davon.  Hier  und  da 
ziehen  sich  Blutgefässe  an  einer  Seite  des  Pygochords  zur  Darm- 
wand. Der  Gefässtaram  erleidet  an  den  Stellen,  wo  das  Pygochord 
fehlt,  keine  Unterbrechung. 

d.  22.  Januar  1904. 


Lippert  &  Co.  (G.  Pätz'sche  Buchdr),  Naumburg  a.  S. 


Nachd  ruck  verboten . 
Uebersetzungsrecht  vorbehalten. 


Die  Braconiden-G-attung  Braunsia  Kriechb. 

Von 
Dr.  Günther  Eiiderleiii  in  Berlin. 


Die  von  Kriechbaumer  1894  ')  begründete  Gattung-  Braunsia,  be- 
nannt nach  dem  H^'menopterologen  Dr.  med.  Brauns  in  Süd-Afrika, 
ist  in  der  vom  Autor  gegebenen  Form  unhaltbar.  Das  Flügelgeäder. 
das  wohl  bei  der  Einordnung  der  Gattung  in  die  Subfamilie  Affa- 
thidinae  Verwendung  linden  darf  und  gerade  für  diese  Subfamilie 
sehr  charakteristische  Eigenthümlichkeiten  zeigt,  ist  zu  einer  Charak- 
teristik von  Gattungen  nur  mit  grösster  Vorsicht  zu  verwerthen,  da 
es  gerade  in  den  hierzu  benutzten  Einzelheiten  sehr  variabel  ist. 
So  variirt  in  der  Gattung  Braunsia  bei  Exemplaren  einer  Art  und 
zuweilen  auch  an  einem  Individuum  auf  beiden  Seiten  die  Form  der 
2.  Cubitalzelle -),  dieselbe  ist  3-.  4-  oder  öeckig;  an  derselben  kann 
der  mehr  oder  weniger  lange  Aderstummel  auch  fehlen;  vor  Allem 
kommt  es  häufig  vor,  dass  die  für  die  Gattung  vom  Autor  als 
wesentlich  angegebene  Querader  zwischen  1.  Cubitalzelle  und 
1.  Discoidalzelle  auf  beiden  Flügeln  oder  wenigstens  auf  einem 
völlig  fehlt. 

Es  bleibt  somit  als  einziges  constantes  und  sicheres  Charak- 
teristicum  für  die  Gattung  Braunsia,  das  sie  zugleich  allen  übrigen 
Agathidinen  gegenüberstellt,   die  Längsriefung  (resp.  Anwesen- 


1)  in:  Berlin,  entomol.  Zeitschr.,  V.   '69,    1894,  p.   63. 

2)  AsmiKAl)  gieljt  in  seiner  Classification  of  the  Ichneumouoidea, 
Washington  1900,  p.  1  27,  fälschlich  an,  dass  dieselbe  (areolat)  bei  der  Gattung 
liraimsi  viUlig  fehle. 

Zool.  Jahrb.  XX.   Abtli.  f.  .Syst.  29 


430  Günther  Enderlein, 

heit  von  Längsleisten)  des  ersten  Tergites  und  der  ver- 
wachsenen 2.  und  3.  Tergite  des  Abdomens. 

Eine  Zusammenstellung-  aller  übrigen  unwesentlichem  Charak- 
tere der  Gattung  Braunsia  gebe  ich  in  Folgendem: 

Maxillartaster  ögliedrig  '),  Labialtaster  Sgliedrig.  Gesicht  kurz. 
Ocellen  erhaben  stehend.  Antennen  ca.  40-  und  mehrgliedrig; 
1.  Glied  sehr  klein  und  kurz,  so  lang  wie  dick,  unbehaart,  2.  Glied 
gross  und  sehr  dick  und  etwa  doppelt  so  lang  wie  dick,  3.  äusserst 
kurz.  Die  übrigen  Glieder  immer  länger  (meist  2—3  mal  so  lang) 
als  dick.  2.  und  3.  Glied  polirt  glatt,  spärlich  behaart,  die  übrigen 
sehr  dicht  und  kurz  behaart ;  zwischen  den  Haaren  der  Geisseiglieder 
machen  sich  helle  Längslinien  bemerkbar,  die  etwa  von  ^3  der 
Gliedlänge  sind  und  sich  uuregelmässig  über  jedes  Glied  vertheilen; 
sie  stellen  dünne  Stellen  der  Chitinwandung  dar.  Die  Anzahl  der 
Fühlerglieder  schwankt  anscheinend  etwa  zwischen  36  und  54,  die 
kleinen  Arten  haben  meist  eine  geringe,  die  grossen  eine  grössere 
Anzahl,  doch  scheint  sie  selbst  bei  derselben  Art  zu  schwanken. 

Thorax  und  Coxen  glatt,  meist  polirt  glatt.  Antedorsum  des 
Mesothorax  in  der  Medianlinie  mit  2  parallelen,  meist  dicht  neben 
einander  gelegenen  tiefen  Längsfurchen,  die  bei  einigen  Arten,  be- 
sonders bei  allen  indischen  Formen,  fehlen.  Vor  dem  Scutellum  ein 
tief  eingedrücktes  rechteckiges  Feld  mit  einigen  kurzen  Längs- 
furchen. Pleuren  und  Sternit  gross  ausgebildet,  beide  einen  starken 
Höcker  erzeugend.  Die  Quereindrücke  der  Pleuren  sehr  weit  vorn, 
schräg  nach  vorn  gerichtet  und  nur  ein  kleines  Stück  abschneidend. 

Mittelsegment  mit  2  seitlichen,  nach  hinten  zu  etwas  conver- 
girenden  Längskielen  und  1,  2  oder  3  medianen  Längskielen,  die 
theils  durch  Querkielen  mit  einander  in  Zusammenhang  stehen;  zu- 
weilen ist  es  auch  ganz  unregelmässig  runzlig. 

Abdomen:  1.  Tergit  (morphologisch  das  2.)  nach  hinten  zu  ver- 
breitert, mit  scharf  erhabenen,  nach  hinten  zu  divergirenden  Längs- 
leisten, besonders  in  der  hintern  Hälfte;  in  der  vordem  Hälfte  meist 
nur  3  Längsleisten,  2  seitliche  und  1  mittlere.  2.  und  3.  Tergit 
völlig  verwachsen ;  an  der  Verwachsungsstelle  eine  scharfe,  gebogene 
(nach  hinten  offene)  Querfurche  (Quereindruck);  beide  zusammen  Vs 


1)  Die  Agathidinen-Gattungen  Af/afl/irsia  Westw.  und  Ar/atliona 
Westw.  sollen  nach  Westwoud  6gUedrige  Maxillartaster  besitzen. 
AsHMEAD  1.  c.  übernimmt  dies  auch  von  demselben.  Nach  den  WestwoOD- 
schen  Abbildungen  scheint  es  sich  mir  aber  bei  dem  winzigen  1.  Glied 
um  eine  unrichtige  Interpretation  des  Palpigers  zu  handeln. 


I 


Die  Braconiden-Gattung  Braixnsia  Krieche.  431 

länger  als  das  1.  und  nehmen  ungefähr  die  Hälfte  der  ganzen 
Abdominallänge  ein.  Jedes  dieser  beiden  Tergite  ist  durch  einen 
geraden  Quereindruck,  der  mehr  oder  weniger  hinter  der  Mitte 
oder  in  der  Mitte  liegt,  in  zwei  ungleiche  Theile  getheilt,  die  je  2 
Tergite  vortäuschen;  hierdurch  Hess  sich  Beulle  verleiten,  diese 
4  Scheinstücke  als  Tergite  von  4  Segmenten  zu  interpretiren. 
Dieses  2.  und  8.  Tergit  ist  in  der  ganzen  Länge  von  gleicher  Breite, 
nur  hinten  etwas  verbreitert  und  an  den  Seiten  nach  unten  gebogen, 
und  dicht  und  tief  längs  gerieft,  oder  vielmehr  dicht  mit  mehr 
oder  weniger  feinen  bis  groben  Längsleisten  (Längskielen)  bedeckt, 
die  im  letzten  Feld  stark  nach  hinten  divergiren;  der  äusserste 
Hinterrand  ist  häufig  mehr  oder  weniger  breit  ungerieft.  Diese  4 
Felder  behandle  ich  im  Folgenden  immer  einheitlich,  da  die  beiden 
Tergite  so  völlig  verwachsen  sind,  dass  man  nur  selten  eine  Spur 
einer  Verwachsungslinie  erkennen  kann,  und  zwar  als  die  4  Felder 
des  2.  und  3.  Tergits  (vergleichend  morphologisch  des  3.  und  4.  Tergits). 
Die  5—6  übrigen  sichtbaren  Tergite  sehr  kurz  und  polirt  glatt. 
7.  Sternit  (morphologisch  das  8.,  Mittelsegment  mitgezählt)  beim  $ 
stark  schuppenartig  verlängert,  abstehend,  als  Schutz  des  Lege- 
rohres.   Legerohr  etwa  von  Abdominallänge. 

Hintertarsen  etwa  von  Schienenlänge,  1.  Hintertarsenglied  so 
lang  oder  etwas  länger  als  die  4  folgenden. 

Die  kleine  2.  Cubitalzelle  im  VorderÜügel  3-,  4-  oder  öeckig 
mit  langem,  kurzem  oder  ohne  Aderstummel.  1.  Cubitalzelle  und 
1.  Discordalzelle  durch  eine  deutliche  Ader  getrennt,  dieselbe  ist 
zuweilen  nur  als  feine  Linie  angedeutet  und  fehlt  häufig  ganz.  Es 
treten  alle  diese  Adervariationen  häufig  bei  ein  und  derselben  Art 
auf  und  zuweilen  auch  an  einem  Individuum  auf  der  linken  und 
rechten  Seite  (vgl.  Br.  erlangen  n.  sp.  etc.).  In  der  Mitte  des 
\'orderflügels  hinter  dem  Pterostigma  finden  sich  meist  einige  un- 
regelmässige hyaline  Fleckchen.  Körperlänge  5—13  mm.  Vorder- 
flügellänge 4 — 12  mm. 

Die  Originalbeschreibung  der  Gattung 

Braunsia  Kriech  baumer 
in:  Berlin,  entomol.  Zeitschr.,  V.  39,  1894,  p.  63, 
lautet : 

„Caput  anfice  visum  trianguläre,  supra  msmn  transversum,  po)ie 
oculos  oblique  valde  angustatum,  ore  rostrato. 

29* 


432  Günther  Enderlein, 

Antennac  setaceac,  laminac  frontis  utrinque  insidenics. 

Abdomen  subsessile,  elongatum,  planum,  medio  aciailatum,  segmentis 
secimdo  et  tertio  pone  medium  arcuato-impressis'^),  2.  apice,  emarginafo. 
3.  hasi  rotundaio. 

Alarum  anticarum  cellulae  cnhitalis  et  discoidaUs  interna  distincte 
divisae,  nerviis  recurrens  a  celluJa  cnhitali  prima  receptus. 

Hoc  genus  singidare  Agathididas  cum  Eumicrodontidis  jüngere 
videtur;  caput  magis  iUis,  nervi  alarum  indicati  et  forma  corporis  liis 
magis  respondent."- 

Verbreitung. 

Die  Gattung  Brannsia  war  bisher  nur  aus  Afrika  bekannt. 
Auf  Grund  vorliegender  Zusammenstellung-  nach  dem  Material  der 
Sammlung-  des  Königl.  Zoolog.  Museums  zu  Berlin  wurde  sie  auch 
im  paläarktischen  Gebiet  und  zwar  in  Deutschland  {Braunsia  ger- 
manica n.  sp.)  und  im  indo-australischen  Gebiet  nachgewiesen.  Die 
24  bis  jetzt  bekannten  Arten,  von  denen  nur  19  vorliegen,  vertheilen 
sich  folgendermaassen  auf  die  einzelnen  Gebiete:  Paläarktische  Re- 
gion 1,'  äthiopische  Eegion  14  und  indo-australische  Region  9.  In 
der  nearktischen  und  neotropischen  Region  scheint  die  Gattung  zu 
fehlen. 

Die  Wirthe  sind  völlig  unbekannt. 

Besti mm ungsta belle    der    vorliegenden    Arten    der 
Gattung    Braunsia    besonders    nach    morphologischen 

Merkmalen. 

1  Antedorsum    des    Mesothorax    mit    2    deutlichen    medianen 

Längsfurchen  2 

Antedorsum  des  Mesothorax  ohne  mediane  Längsfiirchen  13 

2  Mittelsegment  oben  mit  1  mittlem  Längsleiste  3 

„  „       „     2         ,.        Längsleisten  7 

Q  Q 

3  Flügel  braun  einschliesslich  des  Basaldrittels                              4 
Flügel  braun,  Basaldrittel  gelb  erlangeri  n.  sp. 

4  Flügel  gelblich  gefleckt  5 
Flügel  einfarbig  braun  6 

r»    Yorderflügel    mit   kurzem   gelblich   hj^alinen   Querfleck  vor 
der  Spitze  reicherfi  n.  sp. 


1)   Haec  impressio   faclle  pro  limite   segmenti  haberi  potest. 


Die  Braconiden-GatUiiig  Braunsia  Krikchb.  433 

Vorder-  und  Hintertlügel  mit  gelbem  Fleck  in  der  Mitte 
des  Vorderrandes  frkolor  (Gerst,; 

6  Thorax  glänzend  schwarz,  mit  Ausnahme  des  Prothorax 

fuscipennis  n.  sp. 
Thorax  rostgelb  congoensis  n.  sp. 

7  Vorderllügel   hell  braun   mit  ockergelbem  Basaldrittel   und 

mittlerer  ockergelber  Querbinde  Iriegcri  n.  sp. 

Vorderflügel  bräunlichgelb-hj-alin,  Pterostigma  braun,  Vorder- 
rand dunkel  braun  ochracca  n.  sp. 

{Br.  hicolor  (Bkulle)  mit  3  mittlem  Längsleisten  auf  dem 
Mittelsegment,  von  denen  aber  die  mittelste  sehr  undeut- 
lich ist,  wurde  unter  8  eingeordnet.) 

8  Mittelsegment  mit  3  deutlichen  mittlem  Längsleisten  9 
Mittelsegment  mit  3  undeutlichen  mittlem  Längsleisten          12 

9  Flügel  braun  einschliesslich  des  Basaldrittels  10 
Flügel  braun,  Basaldrittel  gelb                      analis  Kkiechb. 

10  Mitte  des  Vorderflügels  mit   gelblichem  Fleck,   Basis  etwas 

blasser  1 1 

Flügel  einfarbig  braun  hicolor  (Brülle) 

11  1.  Abdominaltergit  ziemlich  glatt  polirt      hilunata  Enderl. 
1.  Abdominaltergit  stark  längsriefig        fencstmfa  Krieche. 

12  Flügel  dunkel  braun,  Kopf  oben  schwarz  (grosse  Form) 

occidenfalis  n.  sp. 
Flügel  hell  braun,  Kopf  rostgelb  (kleine  Form) 

nidamira  n.  sp. 

13  Mittelsegment  mit  2  oder  3  mittlem  Längsleisten  14 
Mittelsegment    ohne    Längsleisten,    unregelmässig   runzlig. 

Körper  und  Beine  rostgelb,  Flügel  braun    suhsukata  n.  sp. 

14  Mit  2  mittlem  Längsleisten  15 
Mit  3  mittlem  Längsleisten                                                         16 

15  Flügel  schwarzbraun  kriechbaumeri  n.  sp. 
Flügel    hell    ockergelb,     Aussenrandzone    bräunlich,     eine 

mittlere  Querbinde  im  Vorderflügel  braun    fasciata  n.  sp. 

16  Flügel  hyalin  .  17 
Flügel   hell   ockergelb,   Aussenrandzone  scliAvach  bräunlich, 

ein   massig   grosser   brauner  Fleck   hinter   der  Basis  des 
Pterostigmas  rauchbraun  bimaculata  n.  sp. 

17  Körper  schwarz,  Beine  rostgelb  (jcnmonra  n.  sp. 
Körper   und  Beine   schwarz,   Pro-  und  Mesothorax  rostgelb 

cariosa  n,  sp. 


434  Gunthar  Enderlein, 

Bestimmungstabelle   aller  bekannten   Arten  der 
GrSittwng  Braunsia  Kb,ibcb.b.  besonders  nach  F ä r b u n g s - 

m  e  r  k  m  a  1  e  n. 

1  Flüg-el  dunkel   braun,   mit  oder  ohne  gelblichen  Fleck  vor 

der  Spitze;  Flügelbasis  nicht  gelblich  2 

Flügel  hyalin,  blass  bräunlich  oder  gelb ;  mit  oder  ohne  mehr 
oder  weniger  ausgedehnter  dunkel  brauner  Färbung  12 

2  Flügel  einfarbig  braun  (nur  einige  hyaline  Fleckchen  hinter 

dem  Pterostigma)  7 
Vorderflügel  mit  gelblichem  Querfleck  vor  der  Spitze  oder 

gelblichem  Mittelfleck  3 

3  Vorderflügel  mit  gelblichem  Querfleck  vor  der  Spitze  4 
Vorderflügel  mit  gelblichem  Mittelfleck  5 

4  Thorax  und  Abdomen  schwarz,  Kopf.  Prothorax  rostgelb 

ruficeps  Krieche. 
Abdomen  schwarz,  Thorax,  Mittelsegment  und  Kopf  rostgelb 

reicherfi  n.  sp. 

5  Hinterflügel  ungefleckt  ß 
Hiuterflügel  mit  gelblichem  Mittelfleck  am  Vorderrande 

fricolor  Gerst. 

6  1.  Abdominaltergit  ziemlich  glatt  polirt      hilnncda  Enderl. 
1     Abdominaltergit  stark  längsriefig  fenesfrata  Krieche. 

7  Körper  schwarz,  Prothorax  und  Kopf  rostgelb 

fuscipennis  n.  sp. 

Thorax  rostgelb  8 

8  Mittelsegment  rostgelb  9 
Mittelsegment  schwarz  11 

9  Abdomen  schwarz  10 
Abdomen  rostgelb  mit  schwarzer  Spitze  (Kopf  schwarz) 

occidentalis  n.  sp. 

10  Kopf  rostgelb  congoensis  n.  sp. 
Kopf  schwarz                       occidentalis  n.  sp.  var.  obscurior  n. 

11  Mittelsegment  mit  3  deutlichen  mittlem  Längsleisten.   Flügel 

mit  schwach  violettem  Glanz  hicolor  (Brülle) 

Mittelsegment  mit  2  mittlem  Längsleisten 

krieclibaumeri  n.  sp. 

12  Flügel   gelb,   mit   I/3 — %    des   distalen   Flügeltheils   braun 
oder  ausserdem  mit  gelber  mittlerer  Querbinde  13 
Flügel  hell  ockergelb,  blass  bräunlich  oder  hyalin  17 


Die  Bracouideii-Gattung'  Braunsia  Kriechb.  435 

13  Flügel  mit  \,. — 7..  der  Flügelläng-e  braun,  ohne  gelbe  mitt- 

lere Querbinde  14 

Flügel  -3  braun,  durch  die  Mitte  eine  gelbe  Querbinde           16 

14  Nur  die  Spitze  breit  braun  decepfor  (Smith) 
Die  Haltte  oder  mehr  braun  15 

15  -/s  der  Flügel  braun  erlangen  n.  sp. 
\.y  der  Flügel  braun  striata  (Smith) 

16  Die  braune  Zeichnung  sehr  scharf,  Abdomen  einfarbig  rost- 

gelb Irki/eri  n.  sp. 

Nur  die  mittlere  braune  Binde  der  Yorderflügel  scharf  und 
dunkel  braun,  alles  übrige  verwaschen,  Hinterflügel  nur 
am  Aussen-  und  Hinterrande  braun  angehaucht;  Ab- 
dominalspitze schwarz  fasciata  n.  sp. 

17  Flügel  hell   ockergelb,  Aussenrandzone  schwach  bräunlich, 

ein  massig  grosser  brauner  Fleck  hinter  der  Basis  des 
Pterostigmas  rauchbraun  oder  nur  das  Ende  des  Ptero- 
stigma  braun  18 

Flügel  einfarbig  blass  bräunlich  oder  hyalin  20 

18  Vorderflügel   hinter  der  Basis   des  Pterostigma   mit    einem 

braunen  Fleck  19 

Pterostigma  am  Ende  braun  (Körper  röthlich,  Abdomen 
dunkler;  Mittelsegment  mit  3  mittlem  Längsleisten) 

tcrminalis  (Brülle) 

19  Körper  rostfarben,   Gesicht,  Vorderbeine   und  Mittelcoxen 

blasser  i^lavipennis  (Smith) 

Körper  rostfarben,  Hinterbeine  sammt  den  Coxen  und  Ab- 
domen vom  2.  Segment  ab  schwarz  bimaculata  n.  sp. 

20  Flügel  einfarbig  blass  bräunlich  21 
Flügel  hyalin  farblos  23 

21  Körper  und  Beine  rostgelb  22 
Körper  und  Beine  rostgelb.  Abdominalspitze  schwarz 

melannra  n.  sp. 

22  Pterostigma   braun,    Mittelsegment  mit  2  mittlem   Längs- 

leisten.    Antedorsum   des   Mesothorax   mit  2  deutlichen 

Längsfurchen  ochracea  n.  sp. 

Antedorsum   des   Mesothorax    ohne    mediane   Längsfurchen. 

Mittelsegment  unregelmässig  runzlig         suhsukata  n   sp. 

23  Körper  und  Beine  schwarz,  Pro-  und  Mesothorax  rostgelb 

rariosa  n.  sjk 
Körper  schwarz,  Beine  rostgelb  germanica  n.  sp. 


436  GÜNTHER  Enderlein, 

P  a  1  ä  a  r  k  t  i  s  c  h  e   Region: 
f/emianica  n,  ,s^>. 

Augeu  massig  gross,  Schläfen  schmal.  Antennen  dünn,  etwas 
länger  als  die  Vorderilügel ;  2.  Basalglied  ziemlich  dick;  Anzahl  der 
Fühlerglieder  etwa  36.  Antedorsum  des  Mesothorax  ohne  Längs- 
furchen.  Scutellnm  sehr  gross  nnd  nach  hinten  ausgedehnt.  Mittel- 
segment sehr  ranh  quer  runzlig,  3  mediane  Längsleisten  sind  massig 
deutlich,  auch  die  sonst  sehr  scharfen  seitlichen  Längsleisten  haben 
etwas  von  ihrer  Deutlichkeit  eingebüsst. 

Abdomen:  1.,  2.  und  3.  Tergit  sehr  fein  und  dicht  längs- 
gerieft, die  4  Felder  der  beiden  letztern  annähernd  gleich  lang,  das  1. 
etwas  länger;  das  letzte  mit  Ausnahme  des  Vorderrandes  glatt. 
7.  Sternit  (cf.  S.  431)  gross,  schuppenartig  und  stark  zugespitzt. 
Legerohr  fast  von  der  Länge  des  Thorax  und  Abdomens  zusammen. 

Vorderflügel  mit  ziemlich  undeutlicher  Querader  zwischen 
1.  Cubital-  und  \.  Discoidalzelle  fast  3eckig,  ohne  Aderstummel. 

Schwarz,  Coxen  und  Beine  rostgelb.  Flügel  hyalin.  Adern 
braun,  Pterostigma  gross,  braun. 

Körperlänge  5  mm.  Vorderflügellänge  47-2  mm.  Flügelspannung 
10  mm.    Länge  des  Legerohres  4  mm. 

Pommern:  Rügen.  1  $.  Gesammelt  von  Eeichson  (im  Berliner 
Museum). 

Cat.  No.  30452. 

A  e  t  h  i  0  p  i  s  c  h  e  Region: 
fuscipeiinis  n.  sp. 

Augen  ziemlich  gross,  massig  abstehend.  Antennen  etwas  länger 
als  die  Vorderflügel,  2.  Basalglied  verhältnissmässig  dünn.  Schläfen 
sehr  schmal.  Die  beiden  Furchen  des  Antedorsum  ziemlich  seicht. 
Scutellnm  höckerartig  über  das  Postscutellum  übergreifend.  Mittel- 
segment polirt  glatt,  Medianleiste  einfach. 

Abdomen:  Die  Längsleisten  des  1.  Tergits  wenig  scharf,  in 
den  vordem  beiden  Dritteln  nur  etwa  4  deutliche  Leisten,  davon 
die  äussern  stärker,  hinteres  Drittel  polirt  glatt,  fast  ohne  Spuren 
von  Leisten.  2.  und  3.  Tergit  dicht  mit  feinen  Längsleisteu,  die  etwas 
weniger  gleichmässig  angeordnet  sind,  als  gewöhnlich.  1.  und  3. 
Feld  etwa  1^2  des  2.  und  4.  Fast  %  vom  Ende  des  letzten  Feldes 
polirt  glatt.    4.-6.  Segment  verhältnissmässig  gross. 


Die  Braoouideii-Gattnug  Brauiisia  Kriechb.  437 

Vorder  flu  gel:  Zwischen  1,  Cubital-  und  1.  Discoidalzelle 
keine  Ader  oder  nur  angedeutet.  2.  Cubitalzelle  kaum  mit  Ader- 
stummel. 

Glänzend  und  intensiv  schwarz;  Prothorax  und  Vorderbeine, 
Kopf  ohne  die  Antennen  und  Ocellen  rostgelb.  Flügel  schwarzbraun 
mit  hyalinen  Fleckchen  hinter  dem  Pterostigma  (in  der  1.  Cubital- 
zelle) und  hinter  der  2.  Cubitalzelle.  —  Körperlänge  9  mm.  Vorder- 
flügellänge 7^  o  mm.    Flügelspannung  17  mm. 

Kamerun.      Barombi  -  Station.     1    S-      Dr.    Preuss    Sammle.]-. 

Cat.  No.  30441. 

i'upceps  Krieche. 

Untinisia   ruftccps  KrieCHBAU3IER,    in:    Berliu.   entomol.   Zeitschr..    V.    39, 
1894,  p.   64. 

Guinea  (Chama). 

Diese  Species  unterscheidet  sich  von  Braunsia  fuscipennis  n.  sp. 
durch  das  Vorhandensein  eines  gelblichen  elliptischen  Fleckes  auf 
dem  Vorderflügel. 

vouffoensis  n.  sp. 

Augen  gi'oss,  ziemlich  abstehend;  Schläfen  schmal.  Antennen 
massig  dünn,  etwas  länger  als  die  Vorderflügel,  2.  Basalglied  ziemlich 
dick;  Anzahl  der  Fühlerglieder  etwa  47.  Die  beiden  Furchen  des 
Antedorsums  sehr  tief.  Scutellum  erhaben,  etwas  nach  hinten 
verlängert.  Mittelsegment  glatt  mit  unregelmässigen  undeutlichen 
Runzeln,  mittlere  Leiste  sehr  scharf,  vorn  eine  wenig  scharfe 
Querleiste. 

Abdomen:  1.  Tergit  ziemlich  kurz  und  gedrungen,  hinten  mit 
ca.  9  sehr  scharfen,  ziemlich  weit  abstehenden  Leisten,  von  denen 
sich  nur  die  mittelste  und  die  beiden  seitlichsten  in  die  vordere 
Hälfte  erstrecken  und  hier  sein-  scharf  ausgeprägt  sind.  2.  und 
3.  Tergit  mit  scharfen  und  dicht  stehenden  Leisten,  1.  und  3.  Feld 
etwa  Vjo  des  2.  und  4.;  V:j  vom  Hinterrande  des  letzten  Feldes 
})olirt  glatt.     Die  5  übrigen  sichtbaren  Segmente  ziemlich  lang. 

Vorderttügel  mit  undeutlicher  Ader  zwischen  1.  Cubital-  und 
1.  Discoidalzelle.    2.  Cubitalzelle  nur  mit  sehr  kurzem  Aderstummel. 

Rostgelb;  Abdomen  (Plenren  rostgelbj,  Antennen,  Augen.  Um- 
gebung der  Ocellen,  Hintercoxen  und  -beine  schwarzbraun.  Ocellen 
braun.      Flügel    dunkel     braun    mit    hyalinen    Fleckchen    in    der 


438  Günther  Enderlein, 

1.  Cubitalzelle   hinter  der   Basis   des   Pterostignias   und   hinter   der 

2.  Cubitalzelle. 

Körperlänge  97-2  mm-  VorderflügeUäng-e  9  mm.  Flüg-elspannung- 
19^/3  mm. 

Congo- Gebiet.    Chinchoxo.     1  6-    Falkenstein  Sammler. 
Cat.  No.  30442. 

occifJ entcilis  n,  *;/>. 

Augen  gross,  etwas  abstehend.  Antennen  dünn,  etwas  länger 
als  die  Vorderflügel ;  2.  Basalglied  ziemlich  dünn:  Anzahl  der  Fühler- 
glieder etwa  38—44.  Schläfen  ziemlich  schmal.  Die  beiden  Furchen 
des  Antedorsums,  des  Mesothorax  scharf.  Scutellum  etwas  spitz 
nach  hinten  ausgezogen,  doch  hinten  abgerundet.  Mittelsegment 
polirt  glatt;  mittlere  Leiste  mehr  oder  weniger  scharf  und  nicht 
ganz  gerade  verlaufend,  seitlich  dicht  daneben  je  eine  undeutliche 
Leiste,  besonders  hinten,  die  nur  in  gewisser  Beleuchtung  und  un- 
deutlich erkennbar  sind  (also:  undeutlich  31eistig);  vorn  ohne  deut- 
liche Querleiste. 

Abdomen:  1.  Tergit  ziemlich  lang  und  schlank,  vordere  Hälfte 
mit  2  seitlichen,  scharfen  Leisten,  der  Zwischenraum  stark  vertieft ; 
in  der  Mitte  vom  Hinterrand  an  eine  weniger  scharfe  Leiste  mit 
Ausnalnne  des  vordem  Drittels;  die  übrige  hintere  Hälfte  meist 
glatt  polirt  oder  wenig  runzlig;  zuweilen  ordnen  sich  die  Runzeln 
undeutlich  strahlig  von  der  Mitte  des  Hinterrandes  aus   an.     2.  und 

3.  Tergit  mit  massig  scharfen  und  sehr  dicht  stehenden  Leisten; 
das  \.  und  3.  Feld  doppelt  so  lang  wie  2.  und  4.;  letzteres  nur  im 
vordem  Drittel  oder  Viertel  gerieft. 

Vorderflügel  ohne  Ader  zwischen  1.  Cubital-  und  1.  Discoidal- 
zelle  oder  nur  undeutliche  Spuren  davon.  2.  Cubitalzelle  4eckig. 
ohne  Aderstummel  oder  nur  mit  geringen  Spuren  davon. 

Rostgelb ;  Antennen,  Kopf  mit  Ausnahme  der  Obei'lippe,  des 
Clipeus  und  der  Wangen,  Hinterleibspitze  vom  4.  Feld  des  2.  Ter- 
gits  ab  (mit  inbegriffen)  und  die  Scheiden  des  Legerohrs  schwarz. 
Hinterbeine  mit  Ausnahme  der  Coxen,  zuweilen  auch  der  Schenkel, 
braun.  Flügel  braun  bis  dunkel  braun  mit  unbestimmten  Fleckchen 
in  der  1.  Cubitalzelle  hinter  der  Basis  des  Pterostignias  und  hinter 
der  2.  Cubitalzelle. 

Körperlänge  S  H  mm,  §  SV-, — 9\'.,  mm.  Vorderflügellänge  S  7  bis 
77.2  inm,  $  77.2  — 8  V.,  mm.     Länge  des  Legerohrs  8  mm. 


Die  Biaconiden-Gattuug'  Braimsia  Kriechb.  439 

AVest- Afrika. 

Tog-o:    Misaliöhe,    10.  5.  1894.   1  S.  E.  Baumann  Sammler. 

Bismarckburg'.    October  1891,  1  S,   R.  Büttnee  Sammler. 

Togo,   Hinterland,  18.  6.  1889,  1  $,   Eugen  Kling  Sammler. 

Congo -Gebiet:  Chinchoxo,  1  $,  Falkenstein  Sammler. 

Brmmsia  occidcntalis  n.  sp.  ist  der  Braimsia  conf/oensis  n.  sp.  sehr 

ähnlich,   unterscheidet   sich   jedoch    von   ihr  duix-h   die  angegebenen 

Sculptnrunterschiede   sowie  durch  die  etwas  schlankere  Gestalt  und 

durch  den  schwarzen  Kopf. 

var.  ohscnrior  n. 

Unterscheidet  sich  von  der  Stammform  nur  durch  den  vüUig 
schwarzen  Hinterleib  und  die  braunen  Hintercoxen. 

Guinea,  S,  Alexander  von  Homeyer  Sammler. 

Kamerun,  Lolodorf,  1  c?,  L.  Conradt  Sammler;  .launde- 
Station.  800  m.  1  c(,  1  ?,  Gustav  Zenker  Sammler. 

Cat.  No.  30443. 

reich erti  n.  sjj. 

Augen  gross,  etwas  vorstehend.  Antennen  etwa  von  Vorder- 
ilügellänge.  2.  Basalglied  dick;  Anzahl  der  Fühlerglieder  etwa  38. 
Scheitel  kurz  und  breit,  Schläfen  ziemlich  breit.  Die  beiden  Furchen 
des  Antedorsums  des  Mesothorax  scharf.  Scutellum  perlenartig  er- 
haben. Mittelsegment  polirt  glatt,  nur  wenig  und  undeutlich  rauh, 
mit  1  mittlem  Längsleiste,  vorn  mit  undeutlicher  und  unbestimmter 
Querleiste. 

A  b  d  0  m  e  n :  1.  Tergit  mit  groben,  2.  und  3.  mit  massig  groben  Längs- 
leisten. 1.  und  3.  Feld  gleich  lang  und  je  doppelt  so  lang  wie  das 
2.  und  4. ;  äusserster  Hinterrand  des  letzten  glatt.  7.  Sternit  (cf.  S.  431) 
gross,  abstehend.     Legerohr  fast  von  Körperlänge. 

Vorderflügel  mit  Ader  zwischen  1.  Cubital-  und  1.  Discoidal- 
zelle  und  Aderstummel  an  der  2.  Cubitalzelle. 

Röthlich  rostgelb;  Augen,  Antennen,  Abdomen,  Scheiden  des 
Legerohrs,  Hintercoxen  und  -beine  schwarz.  Ocellen.  Tarsen  der 
Mittelbeine  und  Trochanter  der  Hinterbeine  braun. 

Flügel  schwärzlich  braun,  kurzer  Querfleck  vor  der  Spitze  gelb- 
lich hyalin.  —  durch  ihn  geht  der  Cubitus  mitten  hindurch  — ,  und 
unbestimmte  hyaline  Flecke  hintei-  der  Basis  des  Pterostigmas  in 
der  1.  Cubitalzelle  und  hinter  der  2.  Cubitalzelle. 


440  GÜNTHEK   EnDEKLBIN, 

KörpeiläDg-e  lö  mm.  Vorderflügelläiige  10  mm.  Flügelspannung 
217-2  ^^-    Länge  des  Legerohrs  9  mm. 

"West- Afrika,    Togo.    Misaliöhe.    15.  5.  1894.    1  $.     E.  Bau- 
mann Sammler. 

Cat.  No.  30444. 

Gewidmet  sei  diese  Art  Freund  Alex.  Reichert  in  Leipzig  zur 
Erinnerung  an  die  mit  ihm  und  dem  jetzt  in  Villowmore  (Süd-Afrika) 
weilenden  entomologischen  Collegen  Herrn  Dr.  med.  Hans  Beauns, 
dem  Pathen  der  Gattung  Braunsia,  einst  unternommene  entomolo- 
gische Excursion  nach  Thüringen.  Mögen  sich  jetzt  nach  10  Jahren 
in  der  Braunsia  rächerti  Endeelein  wenigstens  die  Namen  wieder 
einmal  zusammenfinden. 

büunata  Endeel, 

Braunsia  bicolor  Kriechbaumee,    in:    Berlin,    entomol.    Zeitschr.,   V.   3'J, 

1894,  p.   64  (nee  hirolor  Beulle   1846). 
Braunsia  bilnnafa  Endeel. 

Augen  massig  gross,  wenig  abstehend.  Schläfen  massig  breit, 
abgerundet.  Antennen  massig  dick,  2.  Basalglied  massig  dick.  Die 
beiden  Furchen  des  Antedorsums  des  Mesothorax  deutlich,  ziemlich 
eng  an  einander  gerückt.  Scutellum  sehr  erhaben  und  sehr  schmal. 
Mittelsegment  ziemlich  glatt  mit  3  ziemlich  scharfen  medianen  Längs- 
leisten in  der  ganzen  Länge. 

Abdomen:  1.  Tergit  polirt  glatt,  vorn  nur  2  wenig  scharfe 
seitliche  Längsleisten,  hinten  nur  1  mittlere  deutlichere  Leiste  und 
wenige  undeutliche  Spuren  von  Leisten.  1.  und  3.  Feld  des  2.  und 
3.  Tergits  ist  doppelt  so  lang  wie  das  2.  und  4.;  Leisten  eng,  fein 
und  massig  scharf,  Hinterhälfte  des  letzten  Feldes  glatt. 

Vorderflügel  ohne  oder  mit  undeutlicher  x4.der  zwischen  1.  Cubital- 
und  1.  Discoidalzelle ;  2.  Cubitalzelle  4eckig,  ohne  Aderstummel. 

Rostgelb;  Scheitel,  Hinterleibspitze  vom  4.  Feld  des  2.  Tergits 
aus  und  Scheiden  des  Legerohrs  schwarz.  Antennen  braun,  die 
beiden  Basalglieder  rostbraun.  Hinterschienen  und  -tarsen  etwas 
dunkler.  Flügelfärbung  wie  bei  Br.  fenesfrata  Keiechb.,  doch  sind 
die  hyalinen  Flecke  des  Vorderflügels  nicht  ganz  so  scharf  umgrenzt 
wie  bei  dieser. 

Körperlänge  8  mm.  Vorderflügellänge  7  mm.  Flügelspannung 
15  mm.     Länge  des  Legerohrs  8  mm. 

Senegal.     1  y.     Buc^uet  Sammler. 

Cat.  No.  12541. 


Die  Braconiden-Gattmig'  Brauiisia  Kriechb.  441 

Die  Originalstücke  stammen  ans  Kamerun. 

Diese  Species  ist  der  ost-afrikanischen  Br.  fencstmta  Kkiechb. 
sehr  ähnlich,  unterscheidet  sich  von  ihr  im  Wesentlichen  nur  durch 
die  Structur,  besonders  der  des  1.  Abdominalterg'ites. 

feneHtvata  Kriechb. 

liranufiia  fcnestndn  Kriechbaumer,  in:   Berlin,  entomol.  Zeitschr.,  V.  39, 
1894,  p.   310. 

Angen  massig  gross,  wenig-  abstehend.  Schläfen  ziemlich  breit 
und  scharfkantig.  Antennen  massig-  dick,  2.  Basalglied  massig  dick. 
Die  beiden  Furchen  des  Antedorsums  des  Mesothorax  deutlich,  ziem- 
lich eng  an  einander  gerückt.  Scutellum  ziemlich  perlenartig.  Mittel- 
segment stark  runzlig,  mit  3  medianen  Längsleisten,  die  sich  bald 
vereinigen  und  nur  eine  scharfe  Leiste  bilden. 

Abdomen:  1.  Tergit  lang  und  schlank,  von  der  Mitte  des 
Hinterrandes  gehen  etwas  strahlig  und  ziemlich  dicht  feine  Leisten 
aus;  vorderes  Drittel  schmal,  polirt  glatt  mit  nur  2  scharfen  seit- 
lichen Leisten,  dazwischen  etwas  vertieft.  Das  1.  und  3.  Feld  des 
2.  und  3.  Tergits  doppelt  so  lang  wie  das  2.  und  4.  Leisten  dicht 
und  fein,  hinteres  Drittel  des  4.  Feldes  glatt.  Legerohr  etwas  länger 
als  der  Körper. 

Vorderflügel    mit    deutlichen    Aderresten    oder    Ader    zwischen 

1.  Cubital-   und   1.  Discoidalzelle,   meist   nur  deutliche  Seitenreste. 

2.  Cubitalzelle  4eckig  ohne  oder  mit  nur  sehr  kurzem  Aderstummel. 

Bräunlich  rostgelb;  Augen,  Fühler,  Scheiden  des  Legerohrs 
schwarz;  Hinterschienen  und  -tarsen  braun.  Flügel  braun.  Vorder- 
flügel mit  grossem!  hyalinen  Mittelfleck  zwischen  proximaler  Hälfte 
des  Hinterrandes  des  Pterostigmas  und  dem  Hinterrande  des  Flügels, 
der  die  1.  und  2.  Cubitalzelle.  das  distale  Ende  der  1.  Discoidal- 
zelle und  das  proximale  Ende  der  1.  und  2.  Hinterzelle  ausfüllt;  bei 
dem  einen  Stück  ist  die  Basis  der  2.  Hinterzelle  braun.  Innerste 
Basis  des  Vorderflügels  hyalin .  ebenso  hinteres  Basal  drittel  der 
Hinterflügel.     Adern  braun,  an  den  In'alinen  Stellen  gelblich. 

Ost- Afrika.    Delagoa-Bai.  1  $. 

Xyassa-See,  Langenburg.  Juni-August  1898.  1  4*.  Dr.  Fi^lleborx 
Sammler. 

Cat.  No.  30445. 


44'2  Günther  Enuerlein. 

ti'icolor  (Geest.), 

Aqathis  tricolor  Gerstaeckek,  in:  Mooatsber.  Akad.   Wiss.  Berlin,   1858, 

p.  264. 
Agathis  trirohr  Gerstaeckek,  iu :  Peters,  Reise  nach  Mozambique,  Zoo!., 

V.  5,   1862,  p.   526,  tab.  32,  fig.    14  (nicht  15). 
Hrainisin   tricolor  (Gerst.)  m. 

Diagnose  nach  den  Typen  Gerstaecker's  : 

Allgen  massig  klein,  wenig  gewölbt.  Schläfen  breit,  scharf- 
kantig. Antennen  ziemlich  dick,  wenig  länger  als  der  Vorderflügel. 
Furchen  des  Antedorsums  des  Mesothorax  scharf  und  ziemlich  weit 
von  einander  gerückt.  Scutellum  ziemlich  klein.  Mittelsegment  sehr 
stark  und  unregelmässig  runzlig;  unter  dieser  Runzelung  ist  schwer 
die  in  Einzahl  vorhandene  Medianleiste  zu  finden,  da  sie  undeutlich  ist. 

Abdomen:  1.  Tergit  kurz  und  nach  hinten  stark  verbreitert, 
mit  scharfen,  wenig  dicht  angeordneten  Längsleisten,  von  denen  sich 
im  vordem  Drittel  nur  2  seitliche  und  1  mittlere  erhalten,  die  hier 
sehr  scharf  sind.  2.  und  3.  Tergit  dicht  mit  massig  feinen  Leisten 
besetzt.  Die  Längen  der  4  Felder  verhalten  sich  etwa  wie  2:1:1^/2:1  \U ; 
hinteres  Viertel   des   letzten   glatt.     Legerohr  fast  von  Körperlänge. 

Vorderflügel  mit  undeutlicher  Ader  zwischen  1.  Cubital-  und 
1.  Discoidalzelle.  2.  Cubitalzelle  4eckig  ohne  oder  mit  sehr  kurzem 
Aderstummel. 

Bräunlich  rostroth.  Antennen,  Scheiden  des  Legerohrs,  Hinter- 
schienen und  -tarsen  schwarz,  mit  Ausnahme  der  proximalen  Spitzen 
der  Schienen.  Flügel  braun,  Vorderflügel  mit  gelblich-hyalinem 
mittlem  Fleck  vom  Vorderrand  des  Flügels  ausgehend,  das  Ptero- 
stigma  mit  Ausnahme  der  beiden  Enden  ausfüllend  und  nach  hinten 
zu  sich  verjüngend  bis  in  die  Mitte  der  Basis  der  1.  Hinterzelle. 
Ein  gleicher  etwas  kleinerer  hyaliner  Fleck  findet  sich  an  der  ent- 
sprechenden Stelle  des  Hinterflügels.  Bei  dem  einen  Exemplar  findet 
sich  noch  ein  kleinerer  hyaliner  Fleck  dicht  hinter  der  Cubitalader 
wenig  ausserhalb  der  Mitte  dei-  1.  Hinterzelle  des  Vorderflügels. 

Körperlänge  8V2  mm.  Vorderflügellänge  8V2  mm.  Flügelspannung 
19  mm.    Länge  des  Legerohrs  8  mm. 

Mozambique.     Inhambane.     2  ??.    W.  H.  Peters   Sammler. 

Cat.  No.  12  540. 

erlangen'  n.  sj). 

Augen  ziemlich  gross,  massig  vorstehend.  Antennen  etwas  länger 
als  die  Vorderflügel,  2.  Basalglied  sehr  dick.    Scutellum  sehr  erhaben. 


Die  Braconiden-Gattuug-  Braunsiu  Krieche.  443 

Mittelsegment  mit  1  Medianleiste,   ohne  Querleisten,   niii-  mit  feiner, 
massig  scharfer  Querriefung. 

Die  Längsleisten  des  1.  Abdominaltergits  vorn  ziemlich  grob 
und  massig  dicht,  des  2.  dichter  und  feiner;  ein  sehr  schmaler  Streif 
am  Hinterrand  des  letzten  Feldes  glatt.  1.  und  3.  Feld  des  2.  und 
3.  Tergits  von  gleicher  Länge  und  doppelt  so  lang  wie  das  2.  und  4. 
Letztes  Sternit  vor  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung  (7.,  cf.  S.  431^ 
ziemlich  lang.     Legestachel  etwas  länger  als  der  Hinterleib. 

Vorderflügel  mit  oder  ohne  Ader  zwischen  1.  Cubitalzelle  und 
1.  Discoidalzelle.  ohne  Aderrest  oder  mit  mehr  oder  weniger  langem 
Aderstummel  an  der  2.  Cubitalzelle. 

Bräunlich  ockergelb;  Augen,  Ocellen,  Antennen,  Hinterschienen 
mit  Ausnahme  der  äussersten  Basis  und  Hintertarsen,  Scheiden  des 
Legerohrs.  3.  bis  letztes  Abdominaltergit  und  7.  Sternit  schwarz. 

Flügel  braun.  Basaldrittel  ockergelb;  die  braune  Färbung  zieht 
sich  am  Hinterrand  des  Hinterflügels  etwas  nach  der  Basis  zu. 
Vorderflügel  mit  kleinen  lij^alinen  bis  gelblichen  Fleckchen  in  der 
L  Cubitalzelle,  hinter  der  proximalen  Basis  des  Pterostigmas  und 
hinter  der  2.  Cubitalzelle. 

Körperlänge  11  mm.     Vorderflügellänge  10  mm. 
Flügelspannung  22  mm.    Länge  des  Legerohrs  8 — 8^2  nim. 
Ost- Afrika.    7  $,  je  1  von: 

Somali,  Dogge,  10.  5.   1901.     Expedition  des  Frei- 
herr n  VON  Eelanger. 
Ost-Usambara,  F.  Fischer  Sammler. 
Nj^assa-See,    Langenburg,    Juni    1 898 ,    Dr.    Fülleborn 

Sammler. 
Kitui,  J.  M.  HiLDEBKANDT  Sammler. 
Mikindani,  Reimer  Sammler. 
U  Samba  ra  und  Bond  ei.   Februar  und  März  1880,   C.  W. 

Schmidt  Sammler. 
Tanga,    October    1902.      Methner   Sammler.     Von   Herrn 
Dr.  Studt  dem  i\Iuseum  geschenkt. 
Cat.  Xo.  30446. 

(inalls  Kriechb. 

BraiDisid  niialis  KeieCHBAUMER,    in:    Berlin,    eutoniol.   Zeitschr.,    \.   39, 
1894,  p.   809. 

Augen  ziemlich  gross,  vorgewölbt.  Antennen  dick,  2.  Basalglied 
gross  nnd   dick.     Die  beiden   Furchen  des  Antedorsums  des  Meso- 


444  Günther  Ender  lein, 

thorax  sehr  scharf.  Sciitellum  perlenartig',  nur  wenig-  nach  hinten 
ausgezogen,  Mittelsegment  schwach  runzlig,  hinten  8  scharfe  mitt- 
lere Längsleisten,  deren  beide  seitlichen  in  der  Mitte  durch  3—4 
mehr  oder  weniger  scharfe  Querleisten  abgebrochen  werden,  während 
die  mittlere  sich  scharf  bis  zum  Yorderrand  erhält, 

Abdomen:  1.  Tergit  mit  ziemlich  groben  Längsleisten.  2.  und 
3.  Tergit  mit  scharfen,  ziemlich  kräftigen,  sehr  geraden  Leisten 
massig  dicht  bedeckt;  1,  und  3,  Feld  doppelt  so  lang  wie  das  2. 
und  4.,  letzteres  im  hintern  Viertel  glatt.  Legerohr  etwas  kürzer 
als  die  Körperlänge. 

Vorderflügel  mit  oder  ohne  Ader  zwischen  1,  Cubital-  und  1.  Dis- 
coidalzelle.  2.  Discoidalzelle  4eckig  bis  schwach  öeckig,  ohne  oder 
mit  kurzem  Aderstummel. 

Ockergelb;  Antennen,  .iugen,  Ocellen,  2.  bis  letztes  Hinterleib- 
segment (zuweilen  auch  das  2,  Tergit),  Hinterschienen  und  -tarsen 
und  Scheiden  des  Legerohrs  schwarz,     Mitteltarsen  braun, 

Flügel  braun ;  Vorderflügel  mit  ockergelber  Flügelbasis  bis  mehr 
als  Vs  der  Länge  (bis  zum  Ende  der  Medianzelle),  die  1.  Cubitalzelle 
ist  ebenfalls  ockergelb,  hinter  der  2,  Cubitalzelle  einige  kleine  hyaline 
Flecken,  sowie  ein  mehr  oder  weniger  grosser  hyaliner  Fleck 
vor  der  Flügelspitze  in  der  Mitte  der  Länge  der  3.  Cubitalzelle. 
durch  den  die  Cubitalader  mitten  hindurchgeht.  Fast  die  ganze 
Basalhälfte  des  Hinterflügels  ockergelb,  Adern  braun,  an  den  hellen 
Stellen  gelblich, 

Körperlänge  S  10  mm.  $  11 '/a  mm-  Vorderflügellänge  S  9'/2  mm, 
$  11  mm. 

Flügelspannung  c^  20  mm,  $  22  mm.  Länge  des  Legerohrs 
97.2  iiiiTi- 

Deutsch  Ost- Afrika.    1  ?.    Dr.  Feanz  Stuhlmann  Sammler. 
Nyassa-See,   Langenburg,   26.  10,  1899,  1  S-    Dr.  Fülleboen 

Sammler. 
Bagamoyo,  März  1892,   1  V'-     Oberstabsarzt   Dr.  Steudel 
Sammler. 

Cat.  No,  30436. 

krief/etH  n.  sp. 

Augen  massig  klein,  ziemlich  vorgewölbt.  2.  Basalgiied  der 
Antennen  ziemlich  klein.  Schläfen  sehr  schmal.  Längsfurchen  des 
Antedorsums    des   Mesothorax    scharf.     Scutellum    massig   erhaben. 


Die  Bracouiden-Gattuug-  Braunsia  Krieche.  445 

Mittelsegment  körnig-  rauh  mit  2  imdeiitliclien  medianen  Längsleisten 
und  einem  sehr  undeutlichen  Querkiel  in  der  vordem  Hälfte. 

Abdomen:  Läng-sleisten  des  1.  Tergits  ziemlich  g-rob,  des 
2.  und  3.  sehr  fein  und  dicht;  Felderung-  annähernd  gleich  lang; 
fast  die  Hälfte  des  Hinterrandes  des  letzten  Feldes  glatt. 

Vorderflügel  ohne  Ader  zwischen  1.  C'ubital-  und  1.  Discoidal- 
zelle  oder  nur  schwach  angedeutet.  2.  Cubitalzelle  ohne  Ader- 
stummel. 

Eostgelb;  Abdominalspitze  etwas  bräunlicher.  Hinterschienen  und 
-tarsen  bräunlich;  Augen,  Ocellen  und  Antennen  schwarz.  Flügel 
hellbraun,  Basaldrittel  ockergelb,  Vorderflügel  mit  mittlerer,  ocker- 
g-elber  Querbinde  zwischen  Pterostigma  und  Hinterrand,  Hinterflügel 
mit  ockergelbem  Fleck  an  der  entsprechenden  Stelle  des  Vorder- 
randes. 

Körperlänge  7  Vo  mm.  Vorderflügellänge  6 '/o  mm.  Flügelspannung 
14  mm. 

Deutsch  0  s  t  -  A  f  r  i  k  a.  Mombassa.  2  SS-  J-  M.  Hilde- 
BRAXDT  Sammler. 

Cat.  Xo.  30447. 

Gewidmet  wurde  diese  Specie.s  meinem  verehrten  Freund  und 
entomologischen  Collegen  Herrn  Prof.  Dr.  R.  Keieobr  in  Leipzig. 

ochracea  n.  sp. 

Augen  ziemlich  klein,  Schläfen  breit.  Antennen  ziemlich  dick, 
2.  Basalglied  massig  dick.  Die  beiden  Furchen  des  Antedorsums 
des  Mesothorax  sehr  dicht  neben  einander  und  sehr  tief,  so  dass  sie 
fast  zu  einer  Längsfurche  verschmelzen.  Mittelsegment  etwas  rauh, 
mit  2  deutlichen  mittlem  Längsleisten,  die  nach  vorn  zu  etwas  con- 
vergiren  und  in  der  ]\Iitte  durch  eine  Quei'leiste  verbunden  sind. 
Beine  ziemlich  kurz. 

Abdomen  sehr  kurz  und  gedrungen.  \.  Tergit  mit  vielen  mehr 
oder  weniger  deutlichen  Längsriefen.  Die  Riefen  des  2.  und  3.  Ter- 
gits  sehi'  fein  und  dicht.  Die  4  Felder  annähernd  gleich  lang,  das 
1.  etwas  länger.  Nur  der  äusserste  Hinterrand  des  4.  Feldes  etwas 
geglättet. 

Vorderflügel,  ^^orderrandader  sehr  dick,  besonders  an  der  Basis. 
Ohne  Ader  zwischen  1.  Cubital-  und  1.  Discoidalzelle.  2.  Cubital- 
zelle spitz  dreieckig,  indem  die  beiden  Cubitalqueradern  vorn  ver- 
schmelzen; ohne  Aderstummel. 

Zool.  .Talirb.  XX.    Abtli.  f.  Syst.  ^^0 


446  Günther  Enderlein, 

Rostgelb ;  Antennen,  Aug-en  nnd  Ocellen  schwarz.  Flügel  bräun- 
lich-gelb-hyalin,  Pterostigma  braun,  Vorderrand  des  Vorderllügels 
dunkel  braun. 

Kiirperlänge  7  mm.  Vorderflügellänge  6  mm.  Flügelspannung 
13  mm. 

Capland.     1  S-    Deege  Sammler. 

Cat.  No.  12063. 

suhsiilcata  n.  sp. 

Augen  klein,  Schläfen  ziemlich  breit.  Antennen  massig  dünn; 
Anzahl  der  Fühlerglieder  etwa  36.  Thorax  etwas  rauh.  Furchen 
des  Antedorsums  des  Mesothorax  fehlen.  Scutellum  massig  gross, 
fast  dreieckig.    Mittelsegment  fein  runzlig  rauh,  ohne  Längsleisten. 

Abdomen:  1.  Tergit  breit,  gedrungen,  sehr  fein,  dicht  und 
undeutlich  längsgerieft.  2.  und  3.  Tergit  sehr  fein,  dicht  und  wenig 
deutlich  längsgerieft,  Hinterhälfte  des  4.  Feldes  polirt  glatt.  Das 
1.  Feld  etwas  länger  als  jedes  der  gleich  langen  übrigen  3.  7.  Sternit 
(cf.  S.  431)  lang,  schmal  und  sehr  spitz  zulaufend.  Legerohr  fast 
von  Körperlänge. 

Vorderflügel  ohne  Ader  zwischen  1.  Cubital-  und  1.  Discoidal- 
zelle.  2.  Cubitalzelle  dreieckig,  ohne  Aderstummel.  Flügel  braun, 
dunklere  Färbung  ist  vor  Allem  diuxh  eine  starke  und  sehr  dichte 
Pubesciruug  der  ganzen  Flügelfläche  verursacht. 

Rostgelb;  Augen,  Ocellen,  Antennen,  Scheiden  des  Legerohrs 
und  die  Krallen  nebst  Empodium  schwarz.  Letztes  Tarsenglied 
bräunlich. 

Körperlänge  5  mm.  Vorderflügellänge  4  mm.  Flügelspannung 
9  mm.    Länge  des  Legerohrs  47-2  mni. 

Capland.    1  ?.     Drege  Sammler. 

Cat.  No.  12067. 

nielanura  n.  sp. 

Augen  klein,  nicht  abstehend.  AVangen  breit.  Antennen  massig 
dünn.  Thorax  etwas  rauh.  Furchen  des  Antedorsums  des  Meso- 
thorax deutlich.  Scutellum  gross,  erhaben,  fast  3eckig.  Mittel- 
segment fein  runzlig  rauh,  mit  3  feinen  mittlem  sehr  undeutlichen 
Leisten. 

Abdomen:  1.  Tergit  breit  und  gedrungen,  mit  einigen  wenig 
deutlichen   Leisten.     2.    und   3.  Tergit   äusserst   fein   längsgerieft; 


Die  Bracouideu-Gattuu.o-  Braunsia  Kriechb.  •  447 

1.  Feld  etwas  länger  als  jedes  der  gleich  langen  übrigen.  Hinter- 
rand des  letzten  polirt  glatt. 

Yorderflügel  ohne  Ader  zwischen  der  1.  Cubital-  und  1.  Dis- 
coidalzelle.  2.  Cubitalzelle  3eckig,  ohne  Aderstummel.  Vorder- 
randader stark. 

Eostgelb;  Antennen,  Augen,  Ocellen,  4.  bis  letztes  Abdominal- 
segment. Hinterrand  des  3.  Tergits  und  sämmtliche  letzten  Tarsen- 
glieder  schwarz. 

Flügel  hell  ])raun,  kleine  hyaline  Fleckchen  hinter  der  Basis  des 
Pterostigmas  und  der  2.  Cubitalzelle. 

Körperlänge  5  mm.  VorderÜügellänge  4  mm.  Flügelspannung 
9  mm. 

Capland.     1  S.     Deege  Sammler. 

Cat.  No.  12068. 

I  n  d  0  -  a  u  s  t  r  a  1  i  s  c  h  e  Region: 

krlerhbaumeri  n.  »p. 

Augen  massig  gross,  Schläfen  breit.    Antennen  ziemlich  dick, 

2.  Basalglied  klein,  fast  kuglig;  Anzahl  der  Fühlerglieder  etwa  45. 
Thorax  glatt.  Furchen  des  Antedorsums  des  Mesothorax  sehr  un- 
deutlich oder  bis  auf  geringe  Reste  verschwunden.  Scutellum  perlen- 
artig erhaben.  Mittelsegment  polirt  glatt,  mit  2  scharfen  medianen 
Längsleisten,  die  hinten  ziemlich  weit  von  einander  entfernt  sind, 
nach  vorn  convergiren  und  kurz  vor  dem  Yorderende  sich  treffen. 
Dicht  am  Vorderrand  eine  Querleiste. 

Abdomen:  1.  Tergit  mit  scharfen,  massig  dicht  gestellten 
Längsleisten  in   der  ganzen  Länge.    Die  Längsleisten  des  2.  und 

3.  Tergits  sehr  scharf  und  massig  dicht  angeordnet.  Die  4  Felder 
annähernd  gleich  lang,  L  etwas  länger;  -/s  des  Endes  des  letzten 
polirt  glatt. 

Vorderflügel.  \.  Cubital-  und  1.  Discoidalzelle  verschmolzen. 
2.  Cubitalzelle  vorn  spitz,  4eckig  (oder  öeckig),  mit  ziemlich  langem 
Aderstummel. 

Rostbraun;  Augen,  Antennen  mit  Ausnahme  der  beiden  Basal- 
glieder, Mittelsegment,  Hintercoxen  und  -beine,  Abdomen  mit  Aus- 
nahme der  Pleuren  schwarz.  Flügel  dunkel  braun,  je  ein  hj-alines 
Fleckchen  hinter  der  Basis  des  Pterostigmas  und  hinter  der  2.  Cu- 
bitalzelle. 

30* 


448  Günther  Enderlein, 

Körperläiio^e  11^/.,  mm.  Vorderflügellänge  IVI^  mm.  Flügel- 
spannung 25  mm. 

Sula  Besi  (auch  Soela  Besi),  Insel  östlich  von  Celebes.  2  SS- 
DoHERTY  Sammler. 

Cat.  No.  30448. 

Varietät:  Seiten  der  Vorderhälfte  des  1.  Abdominaltergits 
hell  gelb,  ebenso  das  Vorderende.     Mittelbeine  mit  den  Coxen  braun. 

Körperlänge  12  72  mm-  Vorderflügellänge  13  mm.  Flügelspan- 
nung 29  mm. 

Sumatra,  Lahat.     1  S.    Ditwaed  Sammler. 

Cat.  No.  18264. 

Gewidmet  sei  diese  Art  dem  Andenken  des  Autors  der  Gattung. 

hiinaculata  n,  sp, 

Augen  massig  gross,  Scliläfen  breit.  Antennen  sehr  dick; 
2.  Basalglied  kurz  und  ziemlich  dünn.  Längsfurchen  auf  dem 
Antedorsum  des  Mesothorax  fehlend,  kaum  Reste  zu  erkennen, 
Scutellum  ziemlich  gross,  blasig  gewölbt.  Mittelsegment  glatt,  mit 
3  ziemlich  scharfen  medianen  Längsleisten,  die  sich  hinten  berühren 
und  nach  vorn  divergiren;  vor  dem  Vorderrand  eine  undeutliche 
Querleiste. 

Abdomen:  1.  Tergit  in  der  ganzen  Länge  mit  scharfen  ziem- 
lich weit  gestellten  Längsleisten.  2.  und  3.  Tergit  mit  scharfen, 
ziemlich  dicht  gestellten  Längsleisten;  die  4  Felder  annähernd 
gleich  lang,  das  1.  und  3.  etwas  länger,  das  letzte  nur  im  1.  Drittel 
gerieft,  das  übrige  glatt. 

Vorderflügel  ohne  Querader  zwischen  1.  Cubital-  und  1.  Discoi- 
dalzelle.  2.  Cubitalzelle  4eckig,  vorn  spitz,  mit  ziemlich  langem 
Aderstummel. 

Eostgelb;  Antennen  mit  Ausnahme  der  beiden  Basalglieder, 
Ocellen,  Scheiden  des  Legerohrs,  Abdomen  vom  2.  Tergit  (in- 
begriften)  ab  und  die  Hintercoxen  und  -beine  schwarz.  Aeusserstes 
Vorder-  und  Hinterende  der  Hintercoxa  und  Vorderende  der 
Hinterschiene  rostgelb.  Flügel  hell  ockergelb,  Aussenrandzone  et- 
was bräunlich  angehaucht.  Adern  gelb;  ein  massig  grosser  rauch- 
braun getrübter  Fleck  hinter  der  Basis  des  Pterostigmas. 

Körperlänge  10 7.3  mm.  Vorderflügellänge  10  mm.  Flügelspan- 
nung 22  mm.    Länge  des  Legerohrs  8  mm. 

Java.     1  V-     E  coli.  Dr.  R.  Krieger. 

Cat.  No.  30449. 


Die  Bracoiiideii-Gattuiig'  Brauusia  Krieche.  449 

terniinalis  (Beulle). 

Afj'/fhis  lerminalis  Beulle,   in:  Hist.  Nat.   Ins.  Hym.,    1846,  p,  484. 
L'rauNsia  tcnnmnlis  (Brülle)  ra. 

Diese  auf  den  Moliikken  (Buru-Insel)  lebende  Art  scheint  der 
Braunsia  bimaculafa  n.  sp.  älinlicli  zu '  sein,  unterscheidet  sich  aber 
von  ihr  durch  das  Fehlen  des  grossen  braunen  Fleckes  in  der  Mitte 
des  Vorderrandes  der  Vorderflüg-el  hinter  dem  Pterostigma. 

flavipeiinis  (S>uth), 

Agathis  [lavipcnnis  Smith,  Journ.   Linn.  Soc.  London,  Zool.,  V.  7,   1863, 

p.    12. 
Acjathis  siinthn  D.  T.,  Catal.   Hym.,  V.  4,  Bracon.,   1898,  p.   143. 
Braioisid  flavipennü  (Smith)  m. 

Diese  Species,  deren  Körperlänge  ca.  14  mm  beträgt,  ist  der 
Braunsia  UmacuMa  n.  sp.  ähnlich,  doch  ist  die  Körperfarbe  ganz 
rostfarben,  nur  Gesicht,  Vorderbeine   und  Mittelcoxen   sind   blasser. 

C  e  r  a  m. 

f'asciata  n.  sp. 

Antennen  ziemlich  dünn,  2.  Basalg-lied  massig  dick,  Schläfen 
ziemlich  breit.  Antedorsum  des  Mesothorax  ohne  Längsfurchen. 
Scutellum  ziemlich  flach.  Mittelsegment  mit  2  medianen  Längs- 
leisten, die  nach  vorn  zu  convergiren  imd  am  Vorderrand  sich  be- 
rühren.   Vorn  eine  ziemlich  deutliche  Querleiste. 

A  b  d  0  m  e  n :  1.  Tergit  mit  wenig  scharfen,  aber  ziemlich  dicht 
gestellten  Längsleisten,  vorn  sind  nur  die  beiden  äussersten  er- 
halten, die  sehr  scharf  sind.  2.  und  3.  Tergit  mit  ziemlich  scharfen 
und  dichten  Längsleisten;  die  4  Felder  annähernd  gleich  lang,  1. 
und  3.  Axenig  länger;  letztes  polirt  glatt,  nur  am  Vorderrande  noch 
gerieft. 

^'orderflügel.  Zwischen  1.  Cubital-  und  1.  Discoidalzelle  keine 
oder  nur  eine  undeutliche  Ader.  2.  Cubitalzelle  spitz  3eckig  mit 
nur  geringer  Andeutung  eines  Aderstummels. 

Eostgelb ;  Augen,  Ocellen  und  Antennen  (ohne  die  beiden  Basal- 
glieder) braun;  4.  bis  letztes  Abdominalsegment  schwarz. 

Flügel  hell  ockergelb,  Aussenrandzone  bräunlich  angehaucht, 
eine  massig  breite  mittlere  Querbinde  des  Vorderflügels  zwischen 
Basis  des  Pterostigmas  und  Hinterrand  braun. 

Körperlänge  9  mm.  Vorderflügellänge  8  mm.  Flügelspannung 
17V.>  mm. 


450  Günther  Enderlein, 

Lombok.    Sapit,   2000'.     Mai   und  Juni  1896.     1  c?.    E  coli. 

FEÜHSTORrEE. 

Cat.  No.  30450. 

eariosa  n.  s^). 

Augen  massig-  gross,  etwas  abstehend,  Schläfen  ziemlich  schmal. 
Antennen  dünn,  2.  Basalglied  massig  dick.  Antedorsum  des  Meso- 
thorax  ohne  Längsfurchen.  Scutellnm  sehr  gross  und  nach  hinten 
ausgedehnt.  Mittelsegment  mit  3  ziemlich  scharfen,  aber  nicht 
scharfkantigen  mittlem  Längsleisten;  die  lateralen  Längsleisten 
massig  scharf.  Die  Zwischenfelder  unregelmässig  runzlig  (undeutlich 
querrunzlig). 

Abdomen:  1.  Tergit  fein  und  dicht  längsgerieft,  vorn  wenig 
deutlich.  2.  und  3.  Tergit  fein  und  dicht,  aber  scharf  längsgerieft, 
2.-3.  Feld  annähernd  gleichlang,  1.  doppelt  so  lang;  letztes  Feld 
polirt  glatt,  nur  das  vordere  Drittel  gerieft. 

Vorderllügel  mit  sehr  undeutlicher  Ader  zwischen  1.  Cubital- 
und  1.  Discoidalzelle.    2.  Cubitalzelle  vorn  sehr  spitz,  3eckig. 

Schwarz,  Pro-  und  Mesothorax  rostroth,  Beine  braun.  Flügel 
hyalin,  sehr  schwach  bräunlich  angehaucht.  Adern  braun.  Ptero- 
stigma  gross,  dunkelbraun. 

Körperlänge  5  mm.  Vorderflügellänge  4  mm.  Flügelspannung  9  mm. 

Ceylon.     1  S-    Nietnee  Sammler. 

Cat"!  No.  11934. 

striata  (Smith). 

Agathis    striata    Smith,    in:     Journ.    Linn.    Soc.    London,    V.   6,     1862, 

p.  66. 
Braunsia  striata  (Smith)  m. 

Djilolo. 

In  der  Färbung  der  Br.  erlangen  n.  sp.  ähnlich,  doch  viel 
grösser  als  diese. 

deceptor  (Smith). 

Agathis  deceptor  Smith,    Journ.  Linn.   Soc.  London,   Zool. ,    V.    7,    1863, 

p.   12. 
Braunsia  deccj)tor  (Smith)  m. 

Die  Länge  beträgt  nach  der  Original-Diagnose  12  mm.  Die 
Färbung  ist  der  der  Braunsia  erlangeri  n.  sp.  gleichfalls  ähnlich, 
doch  sind  die  gelblich  hyalinen  Flügel  nur  an  der  Spitze  breit  braun. 

Gera  m. 


Die  BracoDideu-Gattuug  Braunsia  Krieche.  451 

bicolor  (Brülle). 

Afjdihis  hlcolor  BßULLE,   in:  Hist.  Nat.  In^.   Hym.,   1846,  p.  483. 

Ij'ni/nhsi'i  bicolor  (Brülle)  m. 

Augen  sehr  gross,  Schläfen  massig  breit.  Antennen  dick,  etwas 
länger  als  die  Vorderflügel,  2.  Basalglied  gross  nnd  dick;  Anzahl 
der  Fülllerglieder  etwa  54.  Die  Längsfurchen  des  Antedorsums  des 
Mesothorax  fein  und  ziemlich  stark  einander  genähert.  Antodorsum 
vom  Dorsum  verhältnissmässig  wenig  abgesetzt,  die  Parapsiden- 
furchen  -wenig  scharf.  Der  polirt  glatte  Thorax  ist  überall  fein  und 
spärlich  punktirt.  Scutellum  gross,  nach  hinten  etwas  ausgezogen. 
Mittelsegment  mit  2  sehr  scharfen  medianen  Längsleisten,  die  nach 
vorn  convergiren,  aber  nicht  zusammenstossen,  dazwischen  am  Hinter- 
ende der  Rest  einer  mittlem  3.  Leiste.  Die  Felder  zwischen  den 
medianen  und  den  seitlichen  Läugsleisten  dicht  mit  unregelmässigen 
scharfen  Querleisten  angefüllt. 

Abdomen:  Die  hintere  Hälfte  des  1.  Tergits  mit  ziemlich 
weit  stehenden,  aber  sehr  scharfen  Längsleisten,  von  denen  die  3 
schärfsten  (2  seitliche  und  1  mittlere)  sich  auf  die  vordere  Hälfte 
bis  zum  Yorderrand  erstrecken  und  hier  auffallend  hoch  und  scharf- 
kantig hervortreten,  während  die  Zwischenfelder  polirt  glatt  sind 
und  die  undeutlichen  Erhebungen  sich  eher  zu  Andeutungen  von 
Querleisten  anordnen.  2.  und  3.  Tergit  mit  sehr  scharfen,  massig 
dicht  angeordneten  Leisten ;  1.  und  3.  Feld  fast  doppelt  so  lang  wie 
das  2.  und  4.;  letzteres  mit  glattem  Hinterende  in  V.-,  seiner  Länge. 

Vorderflügel  ohne  deutliche  Ader  zAvischen  1.  Cubital-  und 
1.  Discoidalzelle.  2.  Cubitalzelle  öeckig  mit  ziemlich  langen  Ader- 
stummel. 

Schwarz;  Kopf,  Pro-  und  Mesothorax,  Vorder-  und  Mittelbeine 
rostgelb;  Antennen  mit  Ausnahme  der  beiden  Basalglieder,  Augen 
und  Ocellen  braun.  Flügel  l)raun  mit  einem  schwachen  rothvioletten 
Schimmer,  mit  je  einem  unbestimmten  hyalinen  Fleckchen  hinter  der 
Basis  des  Pterostigmas  und  hinter  der  2.  Cubitalzelle. 

Kürperlänge  13  mm.  Vorderflügellänge  12  mm.  Flügelspannung 
26  mm. 

Süd-Celebes.    Samanga.    November  181)5.     1  S-    Coli.  Fruh- 

STORFER. 

Cat.  No.  30451. 

Vorliegendes  Stück  stimmt  völlig  mit  der  Beschreibung  des  aus 
Australien  stammenden  15  mm  langen  Originalstückes  überein. 


452  GüNTHEK  Endeelein,  Die  Bacoiiiden-Gattnug  Braiiiisia  Keiechb. 


Alphabetische  Uebersicht  über  die  Arteu  der  Oattimg  Braunsia. 


analis  Krieche.   1894 

bicolor  (Brülle  1846) 

(bicolor  Kriechb.  1894  =  bilu- 
nata  Enberl.) 

bilunata  Enderl. 

bimaculata  n.  sj). 

cariosa   n,  sp. 

congoensis  n.  sp. 

deceptor  (Smith   1863) 

erlangeri  n.  sj). 

fasciata  n.  sp. 

fenestrata  Krieche.   1894 

flavipennis  (Smith  1863) 

fuscipennis  u.  sp. 

germanica  n.  sp. 

krie  ebb  aumeri  n.  sjj. 

kriegeri  n.  sp. 

m  elanura  n.  sp. 

0  chrac  6  a  //.  sp. 

occidentalis  n.   sp. 

occidentalis   rar.   obscurior  n. 

1-  e  i  c  h  e  r  t  i  n.  s]). 

ruficeps  Krieche.   1894 

(smithii  D.  T.   1898  =  flavi- 
pennis (Smith  1863) 

striata  (Smith  1862) 

siib  sul  c  ata  n.  sp. 

t  er  min  all  s  (Brülle  1846) 

tricolor  (Gerst.  1858) 


Seite 

Ost -Afrika 

443 

Australien  und  Celebes 

451 

"West- Afrika 

440 

Java 

448 

Ceylon 
Congo 
Ceram 

450 
437 
450 

Ost-Afrika 

442 

Lombok 

449 

Ost-Afrika 

441 

Ceram 

449 

Kamerun 

436 

Deutschland 

436 

Malayische  Inseln 

447 

Ost- Afrika 

444 

Süd-Afrika 

446 

Süd-Afrika 

445 

West- Afrika 

438 

West- Afrika 

439 

Togo 
West- Afrika 

439 
437 

Djilolo 
Süd-Afrika 

450 
446 

Molukken 

449 

Ost-Afrika 

442 

Nachdruck  verboten. 
Uebersetxuntjsrecht  vorbehalten. 


Beschreibung  dreier  Paramphistomiden-Arten 
aus  Säugethieren. 

Von 
Dr.  F.  Fischoeder, 

Kreisthierarzt  in  Königsberg'  i.  Pr. 

(Aus  dem  Zoologischen  Museum  in  Königsberg-  i.  Pr.) 

Mit  Taf.  15-16  und  3  Abbildungen  im  Text. 


Durch  gütige  Vermittelung  des  Herrn  Prof.  Dr.  M.  Bkaux  und 
des  Herrn  Privatdocenten  Dr.  Luhe  habe  ich  nach  P'ertigstellung 
meiner  Arbeit  über  „die  Paramphistomiden  der  Säugethiere"  (in: 
Zool.  Jahrb.,  V.  17,  Syst.,  1903,  p.  485—660)  noch  weiteres  Material 
zur  Bearbeitung  erhalten,  und  zwar  aus  den  Zoologischen  Museen 
zu  Berlin  und  Greifswald  sowie  aus  der  dem  Herrn  Prof.  A.  Railliet 
unterstehenden  Sammlung  der  Ecole  veterinaire  in  Alfort.  Auch 
Herr  Prof.  Dr.  Ostertag  hat  mir  noch  weiteres  Material  aus  der 
Sammlung  des  hygienischen  Instituts  der  Thierärztlichen  Hochschule 
zu  Berlin  zur  Verfügung  gestellt.  Den  genannten  Herren  und  den 
Verwaltungen  der  Museen  spreche  ich  an  dieser  Stelle  meinen  ver- 
bindlichsten Dank  aus,  ebenso  meinem  hochverehrten  Lehrer  Herrn 
Prof.  Dr.  Bkaux  für  die  mii-  während  meiner  Arbeit  zu  Tlieil  ge- 
wordene Unterstützung.  Ueber  die  Ergebnisse  meiner  Untersuchungen 
habe  ich  (in:  Ctrbl.  Bakteriol.  etc.,  Abth.  1,  Originale,  V.  35.  1904. 
p.  598 — 601)  kurz  berichtet  und  lasse  hier,  indem  ich  bezüglich  der 
Literatur  auf  meine  oben  erwähnte  Arbeit  hinweise,  die  Beschreibung 


454  ^-    FiSCHOEDER, 

des  bis  dahin  noch  nicht  näher  untersuchten  Paramphistomuni  expla- 
naftim  sowie  der  beiden  von  mir  aufgestellten  neuen  Arten  Pamniph. 
epicUtum  und  Paramph.  scoliocoelium  folgen: 

1.  Paramphistormifn  expUtnatuni  (Crepl,). 

(Taf.  15.  Fig.  1—3.) 

Von  dieser  zunächst  von  Creplin  (in:  Arch.  Naturg.,  Jg.  1847, 
V.  1,  p.  34 — 35)  und  dann  von  Bailliet  u.  Gomy  (in:  CR.  Soc. 
Biol.  Paris  1897,  26  juin)  den  äussern  Form  Verhältnissen  nach  be- 
schriebenen Art  standen  mir  zur  Verfügung: 

1.  Ein  von  dem  GuRLT'schen  Funde  stammendes  Originalexemplar 
aus  dem  Zoologischen  Museum  zu  Greifswald  mit  der  Bezeichnung: 
„Amphistomum  explanatum  Gr..  E  duct.  hepatic.  et  ves.  feil.  Bovis 
fauri  indici,  Berlin,  Gurlt". 

2.  Ein  nach  mündlicher  Mittheilung  von  demselben  Funde 
stammendes  Exemplar  aus  dem  hygienischen  Institut  der  Thier- 
ärztlichen  Hochschule  zu  Berlin  mit  der  Bezeichnung:  ,.Amphistoma 
explanatum  aus  den  Gallengängen  und  der  Gallenblase  des  Zebu, 
April,  No.  3915;  G  284;  1614." 

3.  16  Exemplare  aus  der  RAiLLiEx'schen  Sammlung  mit  der  Be- 
zeichnung: „Canaux  biliaires  de  Buffelus  indicus,  Gonap  pres  Saigon 
( Cochinchine),  Gomy  1897." 

4.  7  Exemplare  in  einem  andern  Glase  derselben  Sammlung  und 
mit  der  gleichen  Aufschrift  wie  zu  3. 

Das  zu  1  genannte  stark  geschrumpfte  Originalexemplar  wurde 
nur  als  Totalpräparat  nach  Aufliellen  in  Kreosot  untersucht  und 
abgebildet,  während  das  unter  2  genannte  Thier  sowie  einzelne 
Exemplare  aus  der  RAiLLiEx'schen  Sammlung  nach  Färbung  mit 
Parakarmin  nicht  nur  an  Totalpräparaten  untersucht,  sondern  auch 
in  Schnittserien  zerlegt  worden  sind. 

Paramph.  explanatum  steht  der  Art  P.  hafhi/cotijle  am  nächsten. 
Die  äussere  Körpergestalt  der  8 — 13  mm  langen  Thiere  entspricht 
wie  bei  Paramph.  haihycotyle  in  so  fern  der  eines  ventral wärts  ge- 
krümmten Kegels,  als  auch  hier  der  grösste  Querdurchmesser  des 
rhieres  thatsächlich  dicht  am  hintern  Körperende  gelegen  ist.  Er 
erreicht  hier  beinahe  die  Hälfte  des  Längsdurchmessers  des  Thieres 
und  fällt  mit  dem  Querdurchmesser  des  endständigen  Saugnapfes 
zusammen.  Von  hier  ab  ist  der  in  dorso ventraler  Richtung  etwas 
abgeflachte   Körper,    dessen    dorsoventraler   Durchmesser   sich  zum 


Pararaphistomiden-Arten  aus  Säugethieren.  455 

queren  etwa  wie  5 :  7  verliält,  gieichmässig"  verjüngt.  In  der  Mitte 
der  vordem  Körperhälfte  beträgt  der  Querdurchmesser  des  Thieres 
etwa  noch  V4  i^^^d  der  dorsoventrale  noch  etwa  ^/e  des  Längsdurcli- 
messers  des  Thieres.     (Siehe  Fig.  1  u.  2.) 

Der  kräftig  entwickelte  Saugnapf  erscheint  in  querer  Rich- 
tung etwas  zusammengedrückt.  Bei  dem  8  mm  grossen  Original- 
exemplare beträgt  der  Longitudinaldurchmesser  des  Saugnapfes 
3,5  mm  und  der  quere  nur  3,0  mm,  bei  einer  Tiefe  von  1,5  mm  und 
einer  Dicke  der  Muskel wan düng  von  0,6  mm.  Auch  die  Oeifnung 
des  Saugnapfes  ist  längs  oval  (Fig.  1),  2,3  mm  lang  und  1,7  mm 
breit.  Die  den  Körper  bedeckende  C  u  t  i  c  u  1  a  ist  nur  0,02 — 0,025  mm 
stark.  Papillen  oder  ähnliche  Bildungen  waren  weder  am  vordem 
Körperpole,  noch  um  die  Mundöffnung,  noch  im  Pharynx  erkennbar. 

Der  Pharynx  ist  verhältnissmässig  kräftiger  entwickelt  als  bei 
Paramph.  hathycohjle.  Bei  dem  8  mm  langen  Originalexemplare  be- 
trägt sein  Längsdurchmesser  1,0  mm,  der  quere  0,8  mm  und  die 
Dicke  der  Muskelwandung  0,25 — 0,3  mm.  Der  aus  dem  Pharynx 
hervorgehende  Oesophagus  ist  dagegen  bedeutend  kürzer  als  bei 
P.  hafhycoti/Jc;  er  erreicht  etwa  nur  die  halbe  Länge  des  Pharynx 
und  tlieilt  sich  in  die  beiden  Darmschenkel,  welche  unter  einem  spitzen 
Winkel  aus  einander  tretend  (Fig.  1)  an  die  Seitenflächen  des  Körpers 
gelangen  und  von  diesen  nur  etwa  0,25—0,35  mm  entfernt  sich  nach 
hinten  schlängeln,  um  hier,  nicht  wie  bei  P.  haihycotylc  schon  vor 
dem  vordem  Eande  des  Saugnapfes,  sondern  erst  kurz  vor  dem 
Grunde  des  Saugnapfes  mit  ihren  medianwärts  gebogenen  blinden 
Enden  zu  endigen.  Das  Lumen  der  Darmschenkel  ist  0,35 — 0,45  mm 
weit  (Fig.  1  u.  2). 

Wie  bei  P.  hathycoiyU  liegt  auch  hier  die  wenig  auffallende 
Genitalöffnung  etwa  in  der  Mitte  des  vordem  Körperdrittels, 
unmittelbar  hinter  der  Gabelstelle  der  Darmschenkel.  Auch  das 
Genitalatrium  ist  nur  sehr  klein.  Die  dasselbe  umgebende,  von 
dem  übrigen  Körperparenchym  wenig  abgegrenzte  Musculatur  ist  nur 
0,08 — 0.1  mm  stark,  und  die  im  Grunde  des  Atriums  befindliche 
Papille  ist  ebenfalls  nur  äusserst  schwach  entwickelt. 

Die  Genitalorgane  sind  in  Folge  der  starken  Entwicklung 
des  Saugnapfes  weit  nach  vorn  verschoben.  Die  an  der  Bauch- 
wandung ziemlich  dicht  heranreichenden  und  mehr  oder  weniger 
stark  gelappten  Hoden  liegen  bedeutend  mehr  schräg  hinter 
einander  als  bei  P.  hathycofi/Ic,  der  hintere  dicht  vor  dem  Sang- 
napfe, rechts  oder  links  von  der  ]\redianlinie,  der  vordere  unmittelbar 


456  F.    FiSCHOEDEK, 

davor,  nach  der  andern  Seite  von  der  Medianlinie  abweichend  (Fig.  1). 
Die  Gestalt  der  Hoden  ist  annähernd  rundlich;  der  vordere  ist  in 
der  Regel  kleiner  als  der  hintere.  Bei  dem  8,0  mm  langen  Original- 
exemplare ist  der  Querdurchmesser  des  hintern  Hodens  1,8  mm, 
der  longitudinale  1,5  und  der  dorso ventrale  Durchmesser  1,7  mm 
lang,  während  der  Querdurchmesser  des  vordem  Hodens  1,1  mm, 
der  longitudinale  1,2  mm  und  der  dorsoventrale  Durchmesser  1,3  mm 
beträgt  (Fig.  1  u.  2).  Die  aus  den  Lateralflächen  hervorgehenden 
Vasa  efferentia  vereinigen  sich,  nachdem  sie  den  zwischen 
ihnen  verlaufenden  Uterus  gekreuzt  haben,  in  der  Nähe  der  Rücken- 
fläche des  Thieres  zum  gemeinschaftlichen  Vas  deferens.  Dieses 
erweitert  sich  zunächst  zu  der  in  lang  gewundenen  Schlingen  verlaufen- 
den Vesicula  semin alis.  Letztere  stellt  einen  ovalen,  1,1  mm 
langen  und  ca.  0,3—0,4  mm  dicken  Knäuel  dar,  welcher  mit  seinem 
ventralen  Ende  etwas  nach  vorne  gerichtet  zwichen  den  beiden 
Darmschenkeln  dicht  hinter  der  Gabelung  derselben  gelegen  ist. 
Der  aus  dem  ventralen  Pole  der  Vesicula  seminalis  hervorgehende 
musculöse  mit  einer  0,018  bis  0,02  mm  dicken  Muskelwandung  ver- 
sehene Abschnitt  des  Vas  deferens,  die  Pars  musculosa,  besitzt 
nur  eine  Länge  von  0,4—0,6  mm,  wohingegen  die  Pars  prosta- 
tica  etwas  länger  (0,65 — 0,7  mm)  ist,  so  dass  die  diesen  Theil  um- 
gebende Prostata  nicht  wie  bei  P.  hailiycotyle  eine  rundliche,  sondern 
eine  mehr  ovale  Form  (Fig.  2)  besitzt.  Aus  der  Pars  prostatica 
geht  der  nur  0,1 — 0,15  mm  lange  Ductus  ejaculatorius  hervor, 
der  sich  mit  dem  Metraterm  zu  dem  nur  eben  so  langen,  auf  der 
Spitze  der  Genitalpapille  ausmündenden  Ductus  h  e  r  m  a  p  h  r  o  d  i  t  i  - 
cus  vereinigt  (Fig.  2). 

Die  weiblichen  Genitalorgane  zeigen  eine  noch  grössere 
Aehnlichkeit  mit  denen  von  P.  hathjcotyJe.  Die  Dotterstöcke,  von 
denen  der  eine  stets  etwas  mehr  nach  vorne  verschoben  ist  als  der 
andere,  erstrecken  sich  vom  Pharynx  bis  zum  Saugnapfe  und  er- 
reichen nicht  die  blinden  Enden  der  Darmschenkel.  Dagegen  dehnen 
sie  sich  auf  die  Bauch-  und  besonders  auch  auf  die  Rückenfläche  des 
Thieres  weiter  aus  als  bei  P.  hathycofyle.  Auch  die  aus  den  Dotterstocks- 
follikeln  zusammengesetzten  einzelnen  Gruppen  sind  grösser  und  wenn 
auch  unregelmässig,  so  doch  bedeutend  dichter  an  einander  gelagert 
als  bei  der  letzt  genannten  Art.  Das  aus  der  Vereinigung  der  beiden 
queren  Dottergänge  hervorgehende  Dotterreservoir  liegt  dicht  hinter 
der  Schalendrüse  (Textfig.  A). 

Der  ovale  Keimstock  ist  kräftiger  entwickelt  als  bei  P.  hathycotyU. 


Paramphistomiden-Arten  ans  Säugethiereu. 


457 


Sein  dorsoventraler  Durchmesser  ist  0,8—0,9  mm  und  sein  Querdurcli- 
messer  0,6—0,7  mm  lang'.  Der  Keimstock  liegt  dicht  vor  dem  Saug- 
napfe, an  derselben  Seite  wie  der  vordere  Hoden,  in  gleicher  Höhe  mit 
dem  hintern  Ende  des  hintern  Hodens  und  weicht  mehr  lateral  von  der 
Medianlinie  ab  als  bei  P.  hathijcoiijle  (Fig.  3);  aus  seinem  dorsalen 
Pole  geht  der  Keimleiter  hervor,  welcher  in  einem  ventral  offenen 
Bogen  in  die  median  und  etwas  hinter  dem  Keimstock  gelegene 
ovale,  0,5—0,6  mm  lange  und  0,35—0,4  mm  breite  Schalendrüse 


Fig-.  A. 

Weibliche  Geuitalorg-ane  von  FarampMstomum  exjjlanatum   aus  Bnff'ehis  indicus, 
Saigon,   Sammlung  von  RAiLLiET-Alfort.    Nach  Sagittalschnitten   schematisch   dar- 
gestellt. 

Drs  Dotterreservoir,   E  Excretionsblase,   Ep  Excretionsporns,    Hh  hinterer   Hoden, 
K  Keimstock,  Kg  Keimgang,  Lc  LAURER'scher  Canal,  Ef  Rückenfläche.  Sdr  Schalen- 
drüse, S)i  Saugnapf,  Ut  Uterus. 

eintritt.  Unmittelbar  nach  dem  Eintritt  in  die  Schalendrüse  nimmt 
der  etwas  erweiterte  Keimgang  den  aus  dem  Dotterreservoir  kom- 
menden gemeinschaftlichen  Dottergang  auf  (Fig.  3  und  Textiig.  A) 
und,  als  Uterus  aus  dem  ventralen  Pole  der  Schalendrüse  heraus- 
tretend, wendet  er  sidi  zunächst  gegen  den  hintern  Hoden  (Fig.  3), 
um  dann  in  einem  kurzen  Bogen  nach  der  andern  Seite  zu  treten 
und  vor  dem  Saugnapfe  bis  fast  dicht  an  die  Yentralfläche  zu 
verlaufen  (Fig.  1  u.  2).    Von  hier  wendet  er  sich  nach  Bildung  einer 


458  ^-    FiSCHOEDER, 

Uförmigen  Schlinge  dorsal wärts  und  gelangt  an  der  Medianlläclie 
des  hintern  Hodens  verlaufend  an  die  Rückenfläche  des  Thieres,  an 
der  er  stark  erweitert  und  mit  Eiern  prall  gefüllt  sich  nach  vorn 
schlängelt,  um  dann  vor  dem  hintern  und  median  vom  vordem  Hoden 
der  starken  Schlängelungen  wieder  an  die  Ventralfläche  zu  treten 
(Fig.  1  u.  2),  sich  nach  Bildung  zahlreicher  Schlingen  zu  verengen 
und  dann  in  das  Metraterm  überzugehen,  welches,  hinter  und  etwas 
rechts  von  der  Prostata  verlaufend,  sich  mit  dem  Ductus  ejacula- 
torius  zum  Ductus  hermaphroditicus  vereinigt  (Fig.  2).  In  seinem 
ganzen  Verlaufe  ist  der  Uterus  stark  mit  Eiern  gefüllt,  deren 
Längsdurchmesser  0,115 — 0,125  mm  und  deren  Querdurchmesser  0,065 
bis  0,075  mm  beträgt.  Kurz  vor  dem  Eintritt  in  die  Schalendrüse 
entspringt  aus  dem  Keimleiter  der  LAURER'sche  Canal,  welcher  zu- 
nächst etwas  dorsalwärts  nach  vorne  verläuft  (Textflg.  A),  um  dann 
nach  Kreuzung  mit  der  Excretionsblase  in  fast  senkrechter  Eichtung 
an  die  Rückenfläche  zu  treten,  in  deren  Medianlinie  er  etwa  in  der 
Höhe  des  Keimstocks  ausmündet  (Textflg.  A). 

Die  Excretionsblase  stellt  ein  langes  Sammelgefäss  dar, 
welches  mit  seinem  blinden  abgerundeten  Ende  am  Grunde  des  Saug- 
napfes seinen  Anfang  nimmt  und  an  der  Rückenfläche  des  Thieres. 
zwischen  dieser,  dem  Keimstock  und  der  Schalendrüse  verlaufend,  in 
einen  engen  Canal  ausgeht,  welcher  dorsal  von  den  Uterusschlingen 
sich  nach  vorne  hinzieht  und  ähnlich  wie  bei  P.  hathycotijle  erst 
etwa  der  Höhe  des  hintern  Randes  des  vordem  Hodens,  also  erst 
am  hintern  Ende  der  vordem  Körperhälfte ,  in  der  Mittellinie 
der  Rückenfläche  nach  aussen  mündet.  An  der  Grenze  des  hintern 
und  mittlem  Drittels  der  Excretionsblase  kommt  die  Kreuzung 
zwischen  letzterer  und  dem  LAUREE'schen  Canal  zu  Stande  und  zwar 
in  der  Weise,  dass  der  LAURER'sche  Canal  nach  der  Seite  ausweicht, 
an  der  der  hintere  Hoden  liegt,  während  die  Excretionsblase  an  der 
Keimstockseite  ihre  Lage  hat  (Textflg.  A  u.  Fig.  3). 

2.   Pavampliistonniirn  epiclituiu  Fischde. 
(Taf.  15,  Fig.  4-6.) 

Im  Glase  No.  G  280  des  hygienischen  Instituts  der  Thierärzt- 
lichen  Hochschule  zu  Berlin  befand  sich  neben  mehreren  Hunderten 
von  Exemplaren  von  Farampli.  dicranocoelinm  Fischdr.  auch  ein  8  mm 
langes  jugendliches  Exemplar,  welches  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit 
Paramph.  cervi  besass,  sich  jedoch  schon  äusserlich  durch  eine  auf- 


Paramphistomideii-Arteu  aus  Säugethiereu.  459 

fallend  starke  Krümmung  des  vordem  Kürperviertels  und  durch  die 
mehr  nach  hinten  verschobene  Lage  der  Genitalöffnung  auszeichnete. 
Das  Glas  trug  die  Aufschrift:  ,.Ä))ip]iisformu)i  conicum  aus  dem  Pansen 
eines  Zebu  {Bos  faurns  indicus)"  und  enthielt,  wie  mir  nachträglich 
mitgetheilt  worden  ist,  diejenigen  Thiere,  welche  Guklt  im  Jahre  1846 
gleichzeitig  mit  Amphistomum  cnimemfermn  Crepl.  und  Amphistomum 
explunatum  Ckepl.  gefunden  und  wovon  er  einige  Exemplare  an 
Ceeplin  zur  Untersuchung  gesandt  hatte  (in :  Arch.  Naturg.,  Jg.  1847, 
V.  1,  p.  30-35). 

Auch  in  der  EAiLLiEx'schen  Sammlung  fand  ich  Vertreter  dieser 
Art  in  zwei  Gläsern  und  zwar: 

1.  SOKxemplare,  neben  36  Stück  Gastrothßax  cohholdi  und  20  Stück 
Pcmrmph.  scoliocoeUwn,  in  einem  (^lase  mit  der  Aufschrift:  „Reticulum 
et  gouttiere  oesophagienne  de  Bnffelus  indicus,  Saigon  (Cochinchine), 
A.  GoMY,  1897"  und 

2.  200  Exemplare  in  einem  andern  Glase,  w^elches  die  gleiche  Be- 
zeichnung trug  und  ausserdem  noch  6  Exemplare  von  Faramphisf. 
caJicophorum,  81  Exemplare  von  Gastroth,  cohholdi  und  1  Exemplar 
von  Gastrothylax  crumenifer  enthielt. 

Die  5—9  mm  langen  Thiere  sind,  wie  schon  erwähnt,  in  der 
Eegel  in  ihrem  vordersten  Körperviertel  stark  ventralwärts  gebogen 
(Fig.  5\  während  der  übrige  Körper  gerade  gestreckt  erscheint.  Die 
meisten  Exemplare  zeigen  auch  eine  schwache  AbÜachung  des  Körpers 
in  dorsoventraler  Richtung  in  dem  Verhältniss  wie  etwa  6 : 7,  in  der 
vordem  Körperhälfte  weniger,  in  der  hintern  mehr.  Aehnlich  wie 
bei  Faramphist.  cervi  besitzen  die  Thiere  den  grössten  l'mfang  an 
der  Grenze  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Körperdrittel.  Der 
Querdurchmesser  beträgt  hier  etwas  über  ein  Drittel  der  Körper- 
länge und  nimmt  nach  vorne  zu  in  der  Weise  gleichmässig  ab,  dass 
er  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Körperdrittel  noch  etwas  über 
ein  Viertel  und  in  der  Mitte  des  ersten  Körperdrittels  noch  etwa 
ein  Fünftel  des  Längsdurchmessers  des  Thieres  ausmacht.  Nach 
hinten  zu  ist  F.  cpiclitum  weniger  verjüngt  als  F.  cervi.  Auf  der  Höhe 
des  Saugnapfes  beträgt  der  Querdurchmesser  des  Thieres  noch  bei- 
nahe ein  Drittel  der  Körperlänge.  Die  runde  Oeffnung  des  end- 
ständigen Saugnapfes  ist  ventralwärts  nach  hinten  gerichtet 
(Fig.  5).  Bei  8,0  mm  langen  P^xemplaren  beträgt  der  grösste  Durch- 
messer des  stark  gewölbten  Saugnapfes  1,8—2,0  mm  bei  einer  Tiefe 
von  1,3 — 1,4  mm  und  einer  Dicke  der  Muskelwandung  von  0,3—0,4  mm. 

Die  den  Körper  umgebende  Cuticula   besitzt  eine  Stärke  von 


460  F.    FiSCHOEDER, 

0,022 — 0.03  mm  und  lässt  weder  am  vordem  Körperpole  noch  um 
die  Mundötfnung  nocli  im  Pharynx  Papillen  erkennen. 

Der  Pharynx  ist  0,6 — 0,9  mm  lang'  bei  einem  Qnerdurchmesser 
von  0,6 — 0,9  mm  und  einer  Dicke  der  Muskelwandung-  von  0.22  bis 
0.3  mm.  Der  aus  ihm  hervorgehende,  etwa  eben  so  lange  Oesophagus 
verläuft  in  der  Richtung  der  Längsaxe  des  Pharynx  (Fig.  5)  nach 
hinten  und  geht  in  die  beiden  Darmschenkel  über,  welche,  im  spitzen 
AMnkel  aus  einander  tretend  (Fig.  4),  sich  an  die  Seitenflächen  des 
Körpers  begeben  und  hier  stärker  geschlängelt  als  bei  Paramph. 
cervi  nach  hinten  herabsteigen,  um  seitlich  neben  dem  Grunde  des 
Saugnapfes  blind  zu  endigen.  Sie  besitzen  ein  Lumen  von  0,3  bis 
0,4  mm  und  streben,  in  ihrem  Verlaufe  etwa  0,5—0,6  mm  von  den 
Seitenrändern  des  Körpers  entfernt,  mehr  der  Rücken-  als  der  Bauch- 
fläche des  Körpers  zu  (Fig.  5). 

Die  Genitalöffnung  liegt  an  der  Grenze  des  ersten  und 
zweiten  Körperdrittels,  weit  hinter  der  Gabelstelle  der  Darmscheukel. 
Die  das  Genitalatrium  umgebende  aus  deutlichen  Rings-,  Radiär-  und 
Meridionalfasern  bestehende  Musculatur  ist  zwar  sehr  stark  (0.18 
bis  0.2  mm)  entwickelt,  von  dem  Körperparenchym  jedoch  nicht  so 
scharf  abgesetzt,  dass  hier  von  einem  Genitalnapf  gesprochen  werden 
könnte  wie  bei  P.  cotylophorum.  Die  im  Grunde  des  kleinen  Atriums 
sich  erhebende  Papille  ist  verhältnissmässig  lang  (0,25—0,28  mm) 
cylindrisch  und  ragt  bei  den  meisten  Exemplaren  aus  der  Genital- 
öffnung nach  aussen  hervor  (Fig.  5). 

Die  Hoden  liegen  hinter  einander,  nur  wenig  von  der  Mittel- 
linie des  Körpers  abweichend  und  von  der  Bauch-  und  Rückenfläche 
des  Thieres  ziemlich  gleich  weit  entfernt  (Fig.  4  u.  5),  der  vordere 
etwas  hinter  der  Grenze  der  vordem  und  der  hintern  Körper- 
hälfte, der  hintere  dicht  dahinter,  mit  seinem  hintern  Rande  jedoch 
noch  0,2 — 0,3  mm  vom  vordem  Rande  des  Saugnapfes  entfernt. 
Beide  Hoden  sind  von  ovaler  Gestalt,  der  vordere  etwas  kleiner 
als  der  hintere.  Der  längste,  dorsoventrale  Durchmesser  des  vordem 
Hodens  beträgt  1,8—2,2  mm,  der  longitudinale  0,9—1,2  mm  und  der 
quere  1,2—1,6  mm,  während  dieselben  Durchmesser  des  hintern 
Hodens  2.1—2,5  mm,  0,7—0,1  mm  und  1,6— 2,0  mm  ausmachen.  Die  aus 
den  Lateralflächen  der  beiden  Hoden  hervorgehenden  Yasa  effe- 
rentia  vereinigen  sich  im  vordem  Theile  des  mittlem  Körper  dritteis, 
nachdem  sie  den  vor  dem  vordem  Hoden  nach  der  Ventralfläche  des 
Thieres  zustrebenden  Theil  des  Uterus  gekreuzt  haben,  zum  Vas 
d  e  f  6  r  e  n  s.    Sein  erster,  stark  erweiterter  Abschnitt,  die  V  e  s  i  c  u  1  a 


Paianiphistomiden-Arteu  aus  Säugetbieren.  461 

seminalis,  stellt  einen  ovalen  stark  verschlungenen  Knäuel  dar 
(Fig-.  5),  dessen  dorso ventraler  Durchmesser  0,8 — 1,0  mm  und  dessen 
senkrecht  zu  diesem  stehenden  0,4—0,6  mm  betragen.  Aus  dem 
distalen,  ventralwärts  nach  vorne  liegenden  Pole  der  Vesicula  semi- 
nalis gellt  die  mit  einer  0,018—0,022  mm  dicken  ]\Iuskel\vandung 
ausgestattete,  nur  etwa  0,3—0,5  mm  lange  Pars  musculosa 
hervor,  welche  in  einem  ventralwärts  oifenen  Bogen  nach  vorne  ver- 
läuft, um  in  die  in  dorsoventraler  Richtung  fast  ganz  gerade  ver- 
laufende Pars  prostatica  überzugehen.  Die  Prostata  ist  nicht 
wie  bei  Paramph.  cervi  rundlich,  sondern  länglich,  0,6—0,8  mm  lang 
und  0,25 — 0,3  mm  dick.  Der  letzte,  ebenfalls  gerade  verlaufende 
und  enge  Abschnitt  des  Vas  deferens,  der  Ductus  ejaculatorius, 
besitzt  eine  Länge  von  0,18—0,2  mm  und  vereinigt  sich  am  Grunde 
der  Genitalpapille  mit  dem  Metraterm  zu  dem  0,25—0,28  mm  langen 
Ductus  hermaphroditicus,  welcher  die  Genitalpapille  in  ihrer 
Längsaxe  durchbohrt  und  auf  ihrer  distalen  Spitze  nach  aussen  aus- 
mündet. 

Die  aus  verschieden  grossen,  und  zwar  unregelmässig,  aber 
doch  ziemlich  dicht  an  einander  gelagerten  Gruppen  bestehenden 
Dotterstücke  erstrecken  sich  vom  Anfangstheil  des  Oesophagus 
bis  hinter  den  Grund  des  Saugnapfes.  Sie  liegen  zu  beiden  Seiten 
des  Körpers,  lateral  von  den  Darm  schenkein,  und  reichen  bedeutend 
weiter  als  bei  Paramph.  cervi  nicht  nur  auf  die  Bauch-,  sondern 
auch  auf  die  Eückenfläche  des  Thieres  (Fig.  6).  Besonders  die  letztere 
ist  so  stark  von  den  Dotterstöcken  besetzt,  dass  sie  an  Total- 
präparaten einen  nur  etwa  0,4—0,7  mm  breiten  median  verlaufenden 
dotterstocksfreien  Längsstreifen  aufweist,  welcher  gegen  die  von  den 
Dotterstöcken  eingenommenen  Seitenstreifen  fast  geradlinig  und 
scharf  abgegrenzt  erscheint. 

Der  ovale  0,5—0,7  mm  lange  und  0,4—0,5  mm  breite  Keim- 
stock  liegt  zwischen  dem  hintern  Hoden  und  dem  Grunde  des 
Saugnapfes  etwas  näher  der  Rückenfläche  des  Thieres  (Fig.  5)  und 
weicht  etwa  0,5 — 0,6  mm  von  der  Medianlinie  des  Körpers  nach 
derselben  Seite  wie  der  vordere  Hoden  ab  (Fig.  4  u.  6).  Aus  seinem 
dorsalwärts  nach  hinten  gerichteten  Pole  geht  der  Keimgang  hervor, 
w^elchei-  in  einem  ventralwärts  offenen  Bogen  (Textfig.  B),  die  median 
und  hinter  dem  Keim  stock  liegende  0,4 — 0,6  mm  lange  und  0,25  bis 
0,3  mm  dicke  Schalendrüse  durchbohrend,  an  ihrem  ventralen  Pole 
als  Uterus  hervorgeht.  Nach  seinem  Tlintritt  in  die  Schalendrüse 
nimmt  der  Keimgang  den  langen,  aus  dem   hinter  der  Schalendrüse 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abtli.  f.  Syst.  31 


462 


F.    FiSCHOEDER, 


g-eleg'enen  Dotterreservoir  kommenden  gemeinscliaftliclien  Dottergang 
auf  (Textfig.  B ).  Der  Uterus  wendet  sich  sofort  nach  seinem  Aus- 
tritt aus  der  Schalendrüse  lateralwärts  zur  Keimstockseite  (Fig.  6), 
um  dann  an  derselben  dicht  hinter  dem  Saugnapfe  bis  fast  an  die 
Bauchfläche  zu  verlaufen  und  sich  nach  Bildung  einer  Uförmigen 
Schlinge  hinter  dem  hintern  Hoden  zur  Rückenfläche  zurückzubegeben. 
An  dieser   verläuft   er   ähnlich  wie  bei  Paraph.  cervi  weiter,   indem 


Fig-.  B. 

Weibliche  Genitalor^aiie   von  Paramphistomiini  epiclifmn  aus  Bos  tatirus  indicus, 

Sammlung   des   lij'gienischen  Instituts   der  Thierärztliclien   Hochschule   zu   Berlin 

No.  G.  280.     Nach  Sagittalschnitten  schematisch  dargestellt. 

Buchstahenerklärung  wie  bei  Fig.  A. 

er  zwischen  dem  vordem  Hoden  und  der  Vesicula  seminalis  wieder 
an  die  Bauchfläche  gelangt  und  hier  nach  Bildung  mehrerer  Windungen 
sich  mit  dem  Ductus  ejaculatorius  vereinigt.  In  seinem  ganzen  Ver- 
laufe ist  der  Uterus  im  Allgemeinen  nicht  so  stark  erweitert  und 
gewunden  wie  bei  P.  cervi,  aber  doch  prall  mit  Eiern  gefüllt, 
welche  einen  Längsdurchmesser  von  0,145—0,155  mm  und  einen 
Querdurchmesser  von  0,075—0,08  mm  besitzen.  Der  aus  dem  Keim- 
gange kurz  vor   seinem  Eintritt  in   die  Schalendrüse    entspringende 


Paramphistomiden-Arten  aus  Säugethieren.  463 

LAUKER'sche  Canal  steigt  zuerst,  etwa  bis  zur  halben  Höhe  des 
Keimstocks,  nach  vorne,  um  dann  dorsal wärts  und  etwas  nach  hinten 
umzubiegen  und  nach  Kreuzung  der  Excretionsblase .  etwa  in  der 
Höhe  seines  Ursprunges,  in  der  ]\[edianlinie  der  Rückenfläche  nach 
aussen  zu  münden  (Fig.  5  u.  6  u.  Textfig.  B).  Die  Excretions- 
blase beginnt  mit  ihrem  blinden  Ende  hinter  dem  Grunde  des 
iSaugnapfes  und  erstreckt  sich  an  der  Rückenfläche  des  Thieres  nach 
vorn,  um  dann  in  einen  0,25—0,3  mm  langen  Canal  auszugehen,  der, 
etwa  in  der  Höhe  der  Mitte  des  hintern  Hodens,  0,5  —  0,6  mm  vor 
dem  LAuiiEK'schen  Canal,  in  der  Medianlinie  ausmündet  (Fig.  5). 
Bei  der  Kreuzung  mit  dem  LAUEER'schen  Canal,  welche  an  der 
Grenze  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  Drittel  der  Excretionsblase 
zu  Stande  kommt  (Fig.  5),  verläuft  letztere  median,  dorsal  von  der 
Schalendrüse,  ersterer  dagegen  lateral,  an  der  Keimstockseite  des 
Thieres  (Fig.  6). 

3.  I*aramphisto}nutn  scoliocoeliutn  Fischdr. 
(Taf.  16,  Fig.  7—11.) 

Unter  dem  mir  zur  Verfügung  stehenden  RAiLLiET'schen  Material 
fand  ich  in  mehreren  Gläsern  kleine  Thiere,  welche  sich  im  Gegen- 
satze zur  vorigen  Art  durch  ihre  fast  ganz  gerade  gestreckte 
Körpergestalt  auszeichneten,  und  zwar: 

1.  20  Stück  in  einem  Glase  unter  zahlreichen  Exemplaren  von 
Paramphist.  epiclitum  und  Gastroth,  cohholdi  mit  der  Aufschrift:  „Re- 
ticulum  et  gouttiere  oesophagienne  de  Buffelus  indicus,  Saigon  (Co- 
chinchinai,  A.  Gomy  1897." 

2.  2  Stück  i]i  einem  andern  Glase,  welches  die  Bezeichnung; 
..Rumen  de  Bujfelns  indicus  Xha-Trang  (Annam),  Ch.  Cavie  19.  6. 
1899"  trug  und  ausserdem  3  Exemplare  von  Gastroth,  cohholdi, 
ca.  200  Stück  Gastroth.  eJongatus,  10  Stück  Gastr.  minutus  und  ca. 
50  beschädigte,   nicht  mehr  bestimmbare  Gastrothijlax- Arten  enthielt. 

3.  5  Stück  in  einem  dritten  Glase  mit  der  Bezeichnung:  „Rumen 
de  JBos  taurus,  Nha-Trang  (Annam),  Ch.  Cavie  1899."  Ausserdem 
befanden  sich  in  dem  Glase  noch  12  Stück  Paramph.  cotylophorum 
und  1  Stück  Gastroth,  mancupatus. 

4.  20  Stück  zum  grössten  Theil  noch  an  einem  Stück  Pansen- 
schleimhaut anhaftende  Exemjtlare  in  einem  vierten  Glase,  welches 
die  Aufschrift:  „Rumen  de  Ilos  tanrus  (veau),  Nha-Trang  (Annam), 
Ch.  Cavie,  23.  4.  1899"  trug. 

31* 


464  ^-    f  ISCHOEDEE, 

Die  in  der  Regel  ganz  gerade  gestreckten  Thiere  besitzen  meist 
eine  Länge  von  3,0 — 5,0  mm;  einzelne  reife  Exemplare  sind  jedoch 
nur  2,0  mm,  andere  dagegen  wieder  bis  6,0  und  6,5  mm  lang.  Von 
der  Ventralfläclie  betrachtet  erscheint  ihre  Gestalt  längs-oval.  Der 
längste  Querdurchmesser  der  Thiere  befindet  sich  in  der  Mitte  des 
Thieres,  wo  er  etwas  über  ein  Drittel  der  Körperlänge  beträgt  und 
sowohl  nach  vorne  vi^ie  nach  hinten  nur  sehr  langsam  abnimmt 
(Fig.  7  u,  8).  Das  Hinterende  ist  halbkreisförmig  abgerundet,  das 
Vorderende  verhältnissmässig  nur  schwach  verjüngt.  Von  der  Seite 
betrachtet  erscheint  die  Bauchfläche  in  der  Längsrichtung  fast  ganz 
gerade,  die  Rückenfläche  dagegen  gleichmässig  gewölbt  (Fig.  9). 
Der  grösste  dorsoventrale  Durchmesser  des  Thieres  liegt  ebenfalls 
in  der  Mitte  des  Körpers  und  besitzt  hier  etwa  dieselbe  Länge  wie 
der  Querdurchmesser.  Er  nimmt  jedoch  nach  hinten  und  besonders 
auch  nach  vorn  etwas  schneller  ab  als  der  Querdurchmesser,  so 
dass  die  Thiere  im  Querdurchschnitt  in  der  Mitte  des  Körpers  rund, 
im  Vorder-  und  Hiuterende  dagegen  in  dorsoventraler  Richtung 
etwas  abgeflacht  erscheinen.  Der  grösste  Durchmesser  des  end- 
ständigen Saugnapfes  beträgt  etwa  Ve — Vs  ^^^^  Körperlänge. 
Bei  den  5,5  mm  langen  Thieren  ist  er  1,1  mm  lang,  bei  einer  Tiefe 
des  Saugnapfes  von  0,4  mm  und  einer  Dicke  der  Muskelwandung 
von  0,2  mm.  Die  Oelfnung  des  Saugnapfes  ist  rund,  0,6  mm  im 
Durchmesser  (Fig.  7 — 9). 

Die  Körpercuticula  ist  0,02 — 0,025  mm  dick.  Papillen  am 
vordem  Körperpole,  um  die  Mundöflfnung,  oder  im  Pharj'nx  sind 
nicht  nachweisbar. 

Der  längs  ovale  Pharynx  ist  kräftig  entwickelt  und  bei  vielen 
Exemplaren  bis  0,4  mm  tief  eingezogen  (Fig.  9  u.  10).  Sein  Längs- 
durchmesser^ )  beträgt  0,6—  0,7  mm,  der  Querdurchmesser  0,5 — 0,6  mm, 
und  seine  Muskel wandung  ist  0,2— 0,25  mm  stark.  Der  Oesopha- 
gus ist  nur  wenig  länger  als  der  Pharjmx.  Er  verläuft  in  einer 
starken  Sförmigen  Krümmung  dorsalwärts  nach  hinten  (Fig.  9)  und 
zeigt  eine  ähnliche  Anordnung  der  Musculatur  wie  bei  Varamph. 
dicranocoelium  und  cotylophorum  (Fig.  10).  Die  Muskelwandung  ist 
im  Anfangstheil  des  Oesophagus  nicht  dicker  als  bei  den  übrigen 
Paramphistomiden  (0,015—0,018  mm),  nimmt  aber  nach  hinten  schnell 


1)  Die  nachstehend  angegebenen  Maasse  beziehen  sich  auf  5,0  —  6,0  mm 
lange  Exemplare, 


Paramphistomiden- Arten  aus  Säugethieren.  465 

an  Stärke  zu.  In  der  Mitte  des  Oesophagus  ist  sie  schon  0.05  bis 
0,06  mm  dick,  und  am  Ende  desselben  erreicht  sie  eine  Stärke  von 
0,09 — 1,0  mm.  Die  Verdickung  der  Muskelwandung  beruht  auf  einer 
starken  Vermehrung  der  Ringmnsculatur,  welche  eine  Stärke  von 
0,075 — 0,08  mm  erreicht,  während  die  periphere  Längsmuskelschicht 
nur  eine  0,01 — 0,015  besitzt.  Da  die  Verdickung  der  Musculatur 
schon  in  der  vordem  Hälfte  des  Oesophagus  stärker  ist  als  bei 
P.  cotylophono»,  so  erscheint  der  Oesophagus  nicht  wie  bei  diesem 
erst  in  seiner  hintern  Hälfte,  sondern  im  Ganzen  birnförmig  nach 
hinten  verdickt  (Fig.  7 — 10).  Die  beiden  Darm  Schenkel  treten 
gabellörmig  aus  einander  und  verlaufen  0,7—0,8  mm  von  den  Seiten- 
rändern des  Körpers  entfernt  nach  hinten,  um  dicht  vor  dem  Saug- 
napfe blind  zu  endigen.  In  ihrem  Verlaufe  sind  die  etwa  0,25  bis 
0,3  mm  weiten  Darmschenkel  ziemlich  stark,  aber  doch  etwas  weniger 
als  bei  P.  streptocoelium  geschlängelt  (Fig.  7)  und  nähern  sich  ähn- 
lich wie  bei  P.  dicranocoelmm  weit  mehr  der  Rücken-  als  der  Bauch- 
fläche (Fig.  9). 

Die  in  der  Regel  weit  offen  stehende  Genital  Öffnung  liegt 
etwas  weiter  nach  vorn  als  bei  den  3  andern  eine  Kreuzung 
zwischen  dem  LAUREE'schen  Canale  und  der  Excretionsblase  nicht 
aufweisenden  Arten,  nämlich  an  der  Grenze  des  ersten  und  zweiten 
Körperviertels,  in  der  Höhe  oder  kurz  hinter  der  Gabelstelle  der 
Darmschenkel  (Fig.  7—10).  Die  das  etwa  0,25  mm  tiefe  Atrium 
umgebende  Musculatur  ist  zwar  0,15—0,2  mm  stark,  von  dem 
übrigen  Parenchym  aber  nicht  nicht  scharf  abgegrenzt  (Fig.  10). 
Die  im  Grunde  des  Atriums  sich  erhebende  Papille  ist  dick  und 
kräftig,  aber  kurz  und  meist  zurückgezogen  (Fig.  10).  Die  Hoden 
liegen  fast  genau  hinter  einander,  nur  wenig  von  der  Medianlinie 
abweichend,  dicht  an  der  Ventralfläche  des  Thieres  (Fig.  7—9),  der 
hintere  an  der  Grenze  des  mittlem  und  hintern  Körperdrittels. 
Die  im  jugendlichen  Znstande  auftretende  starke  Lappung  der  Hoden 
(Fig.  8)  erscheint  bei  den  reifen  Thieren  nicht  mehr  so  tief  (Fig.  7, 
9u.  10).  Beide  Hoden  besitzen  in  der  Regel  eine  annähernd  gleiche 
Grösse  und  eine  ovale  Gestalt,  deren  grösster,  dorsoventraler  Durch- 
messer 1,4—1,6  mm,  der  longitudinale  1,1 — 1,2  mm  und  der  quere 
1,2—1,4  mm  beträgt.  Bei  jugendlichen  Individuen  (Fig.  8),  selten 
bei  reifen  Exemplaren,  sieht  man  auch,  dass  ähnlich  wie  bei  P.  strepfo- 
coelium  die  Grösse  der  Hoden  nicht  nur  unter  einander,  sondei-n 
auch  im  A^erhältniss  zur  Grösse  des  Körpers  grossen  Schwankungen 
unterworfen  ist.  Die  beiden  sind  den  Lateralflächen  der  bei  den  Hoden 


46ß  F.    FiSCHOEDER, 

entspringenden  Vasa  efferentia  vereinig-en  sich  nach  Kreuzung- 
mit  dem  vor  dem  vordem  Hoden  vertralwärts  verlaufenden  Uterus- 
abschnitte zum  Vas  deferens,  welches  sich  sofort  zurVesicula 
seminalis  erweitert,  die  ihrerseits  einen  aus  lang  gewundenen 
Schlingen  bestehenden  0,6 — 0,7  mm  langen  und  0,3—0,4  mm  dicken 
Knäuel  darstellt  (Fig.  7 — 9).  Aus  seinem  ventralwärts  nach  vorn  ge- 
richteten Pole  geht  die  mit  einer0,025— 0,028mm  dicken  Muskelwandung 
ausgestattete  Pars  musculosa  hervor ;  diese  besitzt  eine  Länge  von 
0,7 — 0,9  mm  und  verläuft  in  einer  nach  vorne  offenen  Uförmigen 
Schlinge  (Fig.  9),  um  dann  in  die  gerade  verlaufende  0,25 — 0,28  mm 
lange  Pars  prostatica  überzugehen,  die  von  einer  kugligen  Prostata 
umgeben  wird  (Fig.  9  u.  10).  Der  äusserst  kurze  (0,1  mm)  Ductus 
ejaculatorius  vereinigt  sich  mit  dem  Metraterm  zu  dem  0,2— 0,23mm 
langen  Ductus  hermaphroditicus,  welcher  auf  der  Spitze  der 
Genitalpapille  in  das  Genitalatrium  ausmündet  (Fig.  10). 

Die  Dotter  Stöcke  zeigen  einen  ähnlichen  Bau  wie  die  3  andern 
Arten  der  Gruppe  ohne  Kreuzung  zwischen  Excretionsblase  und  Laukek- 
schem  Canal  und  beschränken  sich  auch  fast  ausschliesslich  auf  die 
Seitentheile  des  Körpers,  ohne  merklich  auf  die  Bauch-  und  Rückenfläche 
herüber  zu  reichen  (Fig.  11).  Sie  beginnen  vorne  in  der  Höhe  oder 
kurz  hinter  der  Gabelstelle  der  Darmschenkel  und  reichen  bis  zum 
Grunde  des  Saugnapfes  (Fig.  7  u.  8).  Die  Dotterstocksfollikel  sind 
zu  grössern  (0,3—0,6  mm)  Gruppen  vereinigt,  welche  ziemlich  dicht 
neben  einander  liegen  (Fig.  7,  8  u.  11).  Aus  den  beiden  queren 
Dottergängen  geht  das  dicht  hinter  der  Schalendrüse  gelegene 
Dotterreservoir  hervor,  aus  welchem  der  gemeinschaftliche  Dotter 
ganz  entspringt,  welcher  seinerseits  in  den  Keimgang  führt  (Fig.  9 
und  Textfig.  C).  Der  Keimstock  hat  eine  mehr  ovale  Form.  Sein 
langer  (dorsoventraler)  Durchmesser  beträgt  0,6  —  0,8  mm.  die  auf 
diesem  senkrecht  stehenden  Durchmesser  0,3—0,4  mm.  Er  liegt 
zwischen  dem  hintern  Hoden  und  dem  Saugnapfe,  dicht  vor  dem 
letztern,  an  derselben  Seite  wie  der  vordere  Hoden,  etwas  näher 
der  Rücken-  als  der  Bauchfläche.  Der  aus  seinem  dorsalen  Pole 
entspringende  Keimgang  durchbohrt  nach  Bildung  eines  ventral 
offenen  Bogens  die  median  und  etwas  ventral  von  dem  Keimstocke 
gelegene,  ebenfalls  ovale  0,6—0,7  mm  lange  Schalendrüse  in  dorso- 
ventraler Richtung  (Fig.  9  u.  11,  und  Textflg.  C),  um  an  ihrem 
ventralen  Pole  als  Uterus  hervorzutreten. 

Letzter  biegt  zunächst  nach  der  Keimstockseite  um,  um  an  dieser 
an  die  Ventralfläche  des  Thieres  zu  treten  und  von  hier  nach  Bildung 


Parampliistoiiiiden-Arten  aus  Säugethiereu. 


467 


einiger  Windungen  (Fig.  11)  umzukehren  und,  hinter  dem  hintern 
Hoden  verlaufend,  an  die  Dorsalfläche  des  Thieres  zu  gelangen.  An 
dieser  schlängelt  er  sich  nach  vorn,  um  dann  vor  dem  vordem 
Hoden,  zwischen  diesem  und  der  Vesicula  seminalis  wieder  an  die 
Bauchtiäche  des  Thieres  zu  treten  und  hier  unter  schwachen 
Schlängelung-en  zur  Genitalöifnung  zu  gelangen,  wo  er  sich  mit  dem 
Ductus  ejaculatorius  vereinigt.  In  seinem  ganzen  Verlaufe  ist  der 
Uterus  ähnlich  wie  bei  -F.  orthocoelium  und  P.  dicranocoelium  nur 
wenig,  wenn  auch  etwas  stärker  als  bei  diesen  beiden  Arten,  ge- 
schlängelt und  erweitert  (Fig.  7,  9).  Die  Eier  besitzen  einen 
Längsdurchmesser  von  0,135—0,145  mm  und  einen  Querdurchmesser 
von  0.065-0.075  mm. 


*    Drs 


-Sdr 


Fig.  C. 

"Weibliche  Genitalorgaue  von  Paramphistomnm  scoliocoelium  ans  Buffelus  indicus, 
Saigon,  Sammlung   von  RAiLLiET-Alfort.    Nach  Sagittalschnitten   schematisch  dar- 
gestellt. 
Bf  Bauchfläche.    Erklärung  der  andern  Buchstaben  wie  bei  Fig.  A. 


Der  LAUKER'sche  Canal  verläuft  in  fast  senkrechter  Richtung 
zur  Rückenfläche,  in  deren  Mittellinie  er  etwa  in  der  Höhe  seines 
Ursprungs  ausmündet.  Eine  Kreuzung  zwischen  dem  LAUiiER'sOhen 
Canal  und  der  Kxcretionsblase  ündet  nicht  statt.  Der  Excretions- 
porus  liegt  vielmehr  0,5 — 0,6  mm  hinter  der  Mündung  des  Laurek- 
schen  ("anals.  Die  Excretionsbl  ase  stellt  ein  rundliches  Gefäss 
dar,  welches  zwischen  dem  Keimstock  und  dem  Öaugnapfe  nahe  an 
der  Rückenfläche  liegt  und  durch  einen  0,25  —0,3  mm  langen  dorsal- 


468  F.    FiSCHOEDEK, 

wärts  nach  hinten  verlaufenden  Canal  mit  dem  median  gelegenen 
Excretionsporus  in  Verbindung  steht  (Fig.  9  u.  11  und  Textfig.  C). 
Paramphistomutn  scoliocoelium  besitzt  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit 
dem  von  mir  als  Amphistomtim  sp.  (in:  Zool.  Jahrb.,  V.  17,  Syst.  1903, 
p.  594)  beschriebenen  in  einem  Glase  der  Wiener  Sammlung  befind- 
lichen, aus  Bos  taurus  indicus,  Calcutta,  stammenden,  jugendlichen 
Exemplare,  insbesondere  in  Bezug  auf  die  Grösse  und  die  Gestalt 
des  Körpers,  die  stark  entwickelte  Musculatur  des  Oesophagus,  die 
Länge  sowie  den  Verlauf  der  Darmschenkel,  und  schliesslich  auch 
in  Bezug  auf  die  Lage  der  Hoden  und  der  weiblichen  Genitalorgane. 
Da  jedoch  auch  gewisse  Diiferenzen,  namentlich  bezüglich  der  Grösse 
des  Pharynx,  der  Länge  des  Oesophagus  und  der  bei  Amph.  sp. 
anscheinend  stärker  entwickelten  Pars  musculosa  bestehen,  und  da 
ich  ferner  auch  keine  Gelegenheit  gehabt  habe,  so  jugendliche 
Exemplare  von  P.  scoliocoelium  zu  untersuchen,  wie  es  das  eine 
einzige,  dazu  noch  der  Fläche  nach  halbirte  Exemplar  von  Amph. 
sp.  war,  so  möchte  ich  vorläufig,  obwohl  ich  es  für  sehr  wahr- 
scheinlich halte,  dennoch  nicht  mit  Sicherheit  behaupten,  dass 
Amph.  sp.  und  Paraniph.  scoliocoelium  eine  und  dieselbe  Art  ist. 


Paramphistomiden-Arten  aus  Säugethiereii. 


469 


Evkläruiig  der  Abbildungen. 


Die  Figuren  sind  mit  dem  WiNKEL'schen  Zeichenapparat  für  schwache 
Vergrösserungen  skizzirt.  Bei  den  Seitenansichten  sind  die  Dotterstöcke 
nur  soweit  hineingezeichnet,  als  dies  ohne  Beeinträchtigung  der  Ueber- 
sichtlichkeit  der  übrigen  Organe  geschehen  konnte. 


( 'm   Cuticula 

I)  Darmschenkel 

I)b  Gabelstelle  des  Darms 

De  Ductus  ejaculatorius 

Df/  gemeinschaftlicher  Dottergang 

Dh  Ductus  hermaphroditicus 

Drs  Dotterreservoir 

Dsf  Dotterstöcke 

E  Excretionsblase 

Ep  Excretionsporus 

(r(i  Genital  atrium 

Gp  Genitalporus 

(tj)!  Genitalpapille 

Hh  hinterer  Hoden 

Hv  vorderer  Hoden 


K  Keimstock 

Kg  Keimgang 

Lc  IjAUKER'scher  Canal 

J/  Mundöffnung 

Mt  Metraterm 

Or  Oesophagus 

Ph  Pharynx 

Pni  Pars  musculosa 

Ppr  Pars  prostatica 

Pr  Prostatadrüsen 

Sdr  Schalendrüse 

Sn  Saugnapf 

Ut  TJterus 

Vs  Vesicula  seminalis 


Tafel    15. 

Fig.   1 — 3.      ]'iirtn)tpliisloiiiu7)i  ea-phtuntion   (ÜKErL.). 

(Text  S.  453—458.) 

Fig.  ].  Bauchansicht,  13  :  1,  aus  Bos  taurtis  indicus,  Originalexeraplar. 
Zoologisches  Museum  Greifswald. 

Fig.  2.      Seitenansicht  (Totalpräparat),   13:1,   dasselbe  Exemplar. 

Fig.  3.  Querschnitt  in  der  Höhe  des  Keimstocks,  20  :  1,  Genital- 
gänge combinirt.  Aus  Bnffrhis  indicus,  Saigon.  Sammlung  von  Raillikt- 
Alfort. 


470  ^-   FiSCHOEDER, 


Fig.  4 — 6.     Parrmtphistoumn/  epiclilimi  Fischde. 
(Text  S.  458—463.) 

Fig.  4.  Bauchansicht,  13:1,  aus  Buffelus  iiidicus,  Saigon.  Typus. 
Sammlung  von  RAILLIET-Alfort. 

Fig.  5.  Linke  Hälfte  eines  rechts  neben  der  Medianlinie  halbiiten 
Exemplars   aus   demselben  Glase.      13:1, 

Fig.  6.  Querschnitt  in  der  Höhe  des  Keimstocks,  20  :  1,  Genital- 
gänge combinirt.  Aus  Buffelus  indicuSf  Saigon.  Sammlung  von  EaiI/LIET- 
Alfort. 

Tafel    16. 

Fig.   7 — 11.     Faramphisiomuni  scoliocoelnim  Fischde. 

(Text  S.  463—468.) 

Fig.  7,  Bauchansicht,  15:1,  aus  D/iffelus  indicus,  Saigon,  Typus. 
Sammlung  von  EAILLIET-Alfort. 

Fig.  8.  Bauchansicht,  18  :  1,  unreifes  Exemplar  aus  Bos  kiurus, 
Nha-Trang  (Annam),   Sammlung  von  E.AlLLlET-Alfort. 

Fig.  9.  Eechte  Hälfte  eines  links  neben  der  Medianlinie  halbirten 
Exemplars,  13:1,  aus  Bos  taurus,  Nha-Trang  (Annam),  Sammlung  von 
EAILLIET-Alfort. 

Fig.  10.  Sagittaler  Medianschnitt  durch  das  Vorderende,  30  :  1,  aus 
Bos  taii7'iis,  Nha-Trang  (Annam),   Sammlung  von  EAILLIET-Alfort. 

Fig.  11.  Querschnitt  in  der  Höhe  des  Keimstocks,  25:1,  Genital- 
gänge  combinirt.      Aus    Bos  tourus^    Nha-Trang  (Annam).      Sammlung  von 

EAILLIET-Alfort. 


Nachdruck  verboten. 
Uebersetzungsrecht  vorbehalten. 


Die  von  Oscar  Neumann  in  Nordost- Afrika  gesammelten 

Landplanarien. 

Von 

Camillo  3Iell, 

Demonstrator  d.  Zool.-Zootoni.  Instituts  der  Universität  Graz. 

Mit  Taf.  17. 


Vom  Festlande  Afrikas  sind  nur  verhältnissmässig'  wenig- 
Landplanarien,  und  diese  meist  nur  nach  Habitusbildern,  bekannt. 
Aus  der  Familie  der  GcopJanidae  kennen  wir  nur  die  Pelmatoplmut 
hneftueri  Graff  aus  Togo  an  der  Oberguineaküste  nebst  einer  unbe- 
stimmbaren Species  aus  Sambesi.  Von  den  Bipaliidac  wurde  bisher, 
mit  Ausnahme  des  kosmopolitischen  Placocephahis  l-eivensis  (Mos.) 
aus  der  Cap-Colonie,  überhaupt  nichts  gefunden;  die  CotyJoplanidae 
sind  durch  Artiocotylns  speciosus  Graff  vertreten.  Das  grösste  Con- 
tingent  stellen  die  jRhynchodemidae:  AmUyplana  notabilis  Graff, 
zeuJccri  Graff  und  elirenbenji  Graff  aus  Kamerun ;  AmUyplaim  fusca 
(Mos.),  hiysnensis  Graff,  flava  (Mos.)  und  capensis  Graff  von  der 
Cap-Colonie;  Plafydemus  africanus  Graff  vom  Cap,  Bolichoplana  con- 
radti  Graff  aus  Togo  und  Othdosoma  symondsi  J.  E.  Gray  aus 
Gabun  (AVest-Afrika).  Von  allen  den  angeführten  Formen  sind  aber 
nur  Artiocotylns  speciosus,  Amhhjplana  notabilis  und  fusca,  welch  letztere 
aber  nicht  •  geschlechtsreif  war,  sowie  Flacocephalus  Jceivcnsis  anato- 
misch untersucht. 

Durch  meinen  verehrten  Lehrer.  Prof.  L.  v.  Graff  —  welcher 


472  Camillo  Mell, 

mir  ebenso  wie  Herr  Prof.  L.  Böhmig  bei  Ausführung  der  folgenden 
Arbeit  mit  Rath  und  That  zur  Seite  stand  —  wurde  ich  in  die 
Lage  versetzt,  die  von  Herrn  Oscae  Neumann  in  Nordost-Afrika  ge- 
sammelten Landplanarien,  4  Species  aus  der  Familie  der  Bhjncho- 
demidae.  anatomisch  untersuchen  zu  können.  Was  die  Bearbeitung 
der  Formen  anlangt,  so  fand  ich  es  am  vortheilhaftesten,  jede  Species 
für  sich  zu  behandeln  und  vor  Allem  auf  die  Anatomie  des  Copula- 
tionsapparats  näher  einzugehen.  Doch  fanden  auch  die  histologischen 
Details,  so  weit  es  die  Conservirung  zuliess,  Berücksichtigung. 

Aniblyplana  nigfescens  n.  sj)» 

(Fig.  1-3.) 

Das  mir  zur  Verfügung  stehende  Exemplar  ist  16  mm  lang,  er- 
reicht seine  grösste  Breite  (2  mm)  am  Ende  des  ersten  Drittels  seiner 
Länge  und  verschmälert  sich  von  da  ab  ganz  allmählich  zum  stumpfen 
Hinterende.  Vorn  verengt  sich  der  Körper  rasch  zu  der  als  eine 
stumpfe  Papille  erscheinenden  Spitze.  Der  Rücken  ist  schwach 
convex,  dagegen  wölben  sich  Seiten  und  Bauch  in  fast  kreisförmigem 
Quersclmitte  vor.  In  der  Körpermitte  beträgt  die  Dicke  1,27  mm 
und  die  Breite  1,3  mm.  Die  Rückenfläche  (Fig.  1)  hat  eine  matte 
gleichmässig  schwarzbraune  Färbung  (das  lebende  Thier  wird  von 
Herrn  0.  Neumann  als  schwarz  bezeichnet),  das  Vorderende  ist 
dunkel  schwarz,  so  dass  man  die  beiden  Augen  mit  der  Lupe  nicht 
erkennen  kann.  Die  vorgewölbte  Ventralseite  (Fig.  2)  besitzt  bis 
auf  die  nur  wenig  vorspringende,  aber  mit  einer  feinen  medianen 
Furche  versehene  und  bis  0,7  mm  breite  weissliche  Kriechleiste  einen 
gelblich-grauen  Ton.  Die  Körperöffnungen  sind  auffallend  weit  nach 
vorn  gerückt.  Der  Mund  (Fig.  2  m)  unserer  Form  liegt  4  mm  vom 
Vorderende  entfernt,  also  am  Ende  des  ersten  Körperviertels,  4  mm 
hinter  dieser,  also  genau  in  der  Mitte  der  Körperlänge,  der  Genital- 
l)orus  (gö). 

I  n  t  e  g  u  m  e  n  t.  Das  dorsale  Epithel  enthält  in  grösster  Menge 
Chondrocysten  von  ei-  bis  wurstförmiger  Gestalt,  die  in  den  ex- 
remsten  Fällen  die  ganze  Zellbreite  und  -höhe  einnehmen  können. 
Zwischen  diesen  sind  auch  einige  Rhammiten  zu  beobachten.  Beide 
Stäbchenarten  gehen  auf  die  Ventralfläche  über.  Erythrophiles  wie 
cyanophiles  Secret  ist  nur  in  der  Epithelplattenschicht  der  Kriech- 
leiste in  etwas  grösserer  Menge  abgelagert. 

Musculatur.     In   Uebereinstimmung  mit  den  übrigen  anato- 


In  Nordost-Afrika  gesammelte  Laudplauarien.  473 

misch  bekannte  Amblyplanen  ist  bei  einem  sehr  schwachen  Haut- 
muskelsclilauch  die  Parenchymmusculatur  gut,  wenn  auch  nicht 
gerade  kräftig-  entwickelt.  Auf  einem  Querschnitt  bilden  die 
schwachen,  doch  zahlreich  vorhandenen  Longitudinalbündel  eine 
Eingzone  um  das  centrale  Parenchym.  Ventral  erscheint  das  System 
der  Longitudinalfasern  verstärkt,  indem  die  einzelnen  Bündel  mäch- 
tiger sind,  enger  an  einander  gedrängt  liegen  und  auch  eine  etwas 
höhere  Schicht  bilden.  Die  dorsoventralen  und  transversalen  Bündel 
enthalten  im  Maximum  4  Fasern,  die  ihrerseits  wieder  viel  zarter 
als  die  longitudinalen  Kiemente  sind.  Die  transvei'salen  Muskeln 
treten  nur  ventral  in  etwas  grösserer  Menge  auf  und  biegen  dann 
sehr  häulig  schief  zur  Kriechleiste  ab. 

V  e  r  d  a  u  u  n  g  s  a p  p  a  r  a  t.  Der  verhältnissmässig  kleine,  1,5  mm 
lange  Pharynx  ist  cj^lindrisch  mit  nur  wenig  nach  hinten  abge- 
rückter dorsaler  Insertion.  Unter  dem  cubischen  Epithel  der 
Pharyngealtasche  fand  ich  eine  ganz  unzweifelhafte  Eigenmusculatur. 
die  zunächst  aus  6 — 8  unter  dem  Epithel  verlaufenden  Längsfaser- 
lagen  besteht,  auf  die  einige  wenige  Ringfasern  folgen.  Die  Muscu- 
laris  der  Pharyngealtasche  setzt  sich  in  gleicher  Mächtigkeit  auf 
die  Pharyngealfalte  fort  und  bildet  hier  die  äussere  Muscularis  unter 
dem  eingesenkten  Aussenepithel.  Die  innere  Muscularis  des  Pharynx 
wird  durch  einige  wenige,  an  das  Epithel  sich  anschmiegende 
Längsmuskelfasern  und  einer  darauf  folgenden  breiten  Zone  zarter, 
zu  schwachen  Bündeln  gruppirter  Ringfasern  gebildet,  welch  letztere 
von  mächtigen,  regellos  vertheilten  Längsmuskeln  durchflochteu  wird. 
Die  radiären  Muskeln  sowie  die  als  Retractoren  wirkenden  Längs- 
bündel der  Mittelschicht  sind  nur  schwach  ausgebildet. 

Nervensystem.  Das  Nervensystem  zeigt  den  von  mir  bei 
Jjolirhoplcma  voeJlsIioiri  Graff  ^)  angegebenen  Bau.  Ganz  vorn  in 
rein  seitlicher  Lage  treten  die  relativ  grossen  Augen  auf,  die  mit 
einem  langen,  dütenförmigen  Pigmentbecher  versehen  sind  und  durch 
kurze  Nervi  optici  versorgt  werden.  Eine  Sinneskante  konnte  ich 
nicht  beobachten. 

Geschlechtsapparat.  Die  Hoden  liegen  in  den  seitlichen 
Köperpartien  in  einer  dichtgedrängten  Reihe  jederseits  über  und 
nach  aussen  von  den  Längsnervenstämmen  und  stehen  ventralwärts 


1)  C.  Mell,  Die  Lanclplanarien  der  madagassischeu  Subregion,  in 
Abb.  Senckenb.  naturf.  Ges.  Frankfurt  a.  M.,  1903,  V.  27,  Heft  2 
p.  227—228. 


474  Gamtllo  Mell, 

mit  den  Vasa  deferentia  in  directer  Verbindung.  Sie  beginnen  gleich 
hinter  den  Ovarien  und  reichen  noch  einige  mm  hinter  den  Pharynx. 

Die  in  die  Länge  gestreckten  Ovarien  treten  1  mm  hinter  der 
vordem  Körperspitze  auf  und  ruhen  in  einer  kleinen  dorsalen  Ein- 
buchtung der  Nervenstämme.  Die  Oviducte  entspringen  ventral  aus 
ihrer  Mitte  und  werden  von  einer  aus  Ijängs-  und  Eingfasern  zu- 
sammengesetzten Muscularis  umgeben,  wobei  die  beiden  Fasersj^steme 
jedoch  nicht  räumlich  getrennt  sind,  sondern  sich  unter  einander 
verflechten. 

Die  Geschlechtsöifnung  (Fig.  3  gö)  führt  durch  ein  spaltartig 
verengtes  Atrium  genitale  commune  {ag)  in  das  dorsal  aufsteigende, 
becherförmig  sich  erweiternde  Atrium  masculinum  (am),  in  welches 
von  oben  her  der  plump  birnförmige  Penis  (p)  herabhängt.  Das 
Epithel  des  Atrium  commune  ist  cylindrisch,  mit  deutlichen  Cilien 
besetzt,  und  beherbergt  das  Secret  von  erythrophilen  Drüsen  {agd). 
Das  Atrium  masculinum  zeigt  in  seinem  Anf angstheil  dasselbe 
Epithel,  gegen  den  Penis  zu  ist  es  cubisch,  verliert  seinen  Cilien- 
besatz  und  wird  in  der  nächsten  Nähe  der  Penisinsertion  sogar 
platt.  Die  Penisfalte  selbst  wird  aussen  von  ganz  platten,  cilien- 
losen  Zellen  bekleidet. 

Die  Musculatur  des  Atrium  wird  von  Längsfasern  gebildet, 
denen  Ringfasern  beigemischt  sind.  Gegen  die  Penisfalte  hin  tritt 
eine  Scheidung  der  beiden  Elemente  in  der  Weise  ein,  dass  sich  die 
Ringfasern  dem  Epithel  anlegen,  während  die  Längsfasern  nach  innen 
folgen. 

Wie  die  Figur  deutlich  erkennen  lässt,  tritt  diese  so  in  zwei 
Schichten  geschiedene  Muscularis  in  die  Penisfalte  ein  und  bildet 
hier  die  äussere  Muscularis  (pm).  Der  an  der  Penisspitze  mündende 
Ductus  ejaculatorius  (de)  steigt  im  Penis  dorsal  auf,  wobei  sich  sein 
Lumen  erweitert.  Aus  dem  Penis  ausgetreten  bildet  er  einen  zur 
Bauchseite  herabsteigenden  Bogen,  welcher  an  seinem  Ende  an- 
schwillt, so  eine  vom  Ductus  ejaculatorius  nicht  scharf  abgesetzte 
Vesicula  seminalis  (vs)  bildend.  Das  Epithel  des  Ductus  sowohl  wie 
das  der  Vesicula  seminalis  ist  sehr  hoch  und  wird  vom  Secrete 
erythrophiler  Drüsen  (eded)  erfüllt,  deren  Ausführungsgänge  seine 
Muscularis  durchbrechen.  In  den  ventral  absteigenden  Schenkel  des 
Ductusrohrs,  der  Vesicula  seminalis,  ergiessen  sich  noch  cyanophile 
Drüsen  (cded),  deren  Leiber  aber  zum  Theile  schon  ausserhalb  der 
Muskelhülle  (mh)  zu  liegen  kommen;  ihr  sehr  feinkörniges  Secret 
nimmt  bei  einer  Tinction  mit  Hämatoxylin-Eosin  blauviolette  Farbe  an. 


In  Nordost- Afrika  gesammelte  Landplanarien.  475 

Die  Muscularis  des  Ductus  ejaculatorius  nimmt  an  Mächtigkeit 
von  der  Penisspitze  bis  zur  Sameiiblase  (vs)  allmälilich  zu  und  ist 
an  letzterer  am  kräftigsten.  Sie  besteht  aus  zwei  einander  innig  durch- 
flechtenden Fasersystemen,  die  sich  unter  spitzem  ^A'inkel  schneiden, 
im  Allgemeinen  aber  annähernd  ringförmigen  Verlauf  zeigen  (dm). 
Von  der  ventralen  Seite  empfängt  die  Vesicula  seminalis  die  beiden, 
dicht  neben  einander  einmündenden,  in  der  Nähe  des  Genitalapparats 
zu  falschen  Samenblasen  anschwellenden  Vasa  deferentia  (vd),  die 
kurz  vor  ihrer  Einmündung  eine  aus  verflochtenen  Ring-  und  Längs- 
fasern bestehende  Muscularis  erhalten  (vdm). 

Der  gesammte  Ductus  ejaculatorius  mit  seiner  Vesicula  seminalis 
ist  in  einen  Muskelfilz  eingebettet  (mh),  dessen  Elemente  aus  sehr 
feinen,  nach  allen  Richtungen  verlaufenden  P'asern  bestehen.  Aus 
dieser  Muskelmasse  strahlen  dann  einzelne  Fasern  in  das  Mesencln'm 
aus,  sich  an  den  Hautmuskelschlauch  der  Rücken-  wie  der  Bauch- 
seite inserirend.  In  der  Mittelschicht  des  Penis  (p)  selbst  sind  feine 
radiäre  sowie  longitudinale  Fasern  vorhanden,  welch  letztere  als 
Retractores  wirken  dürften. 

In  die  hintere  Wand  des  Atrium  commune  mündet  das  röhren- 
förmige Atrium  femininum  (af),  welches  mit  einer  aus  Längs-  und 
Ringfasern  gemischten  Muscularis  versehen  ist.  Es  steigt  unter 
einem  Winkel  von  etwa  45'^  nach  oben  und  hinten  und  erweitert 
sich  schliesslich  unvermittelt  zu  einem  weiten,  ovalen,  horizontal 
gestellten  Sack,  dem  Uterus  (u).  Dieser  entbehrt  einer  Eigenmuscu- 
latur  und  ist  durch  ein  hohes,  in  Zotten  vorspringendes  Epithel  (uep) 
ausgezeichnet,  welches  von  Secretkörnchen  erfüllt  Avird.  Dieses  Secret 
besitzt  im  basalen  Theile  der  Zellen  erj^throphilen ,  in  ihren  freien 
Enden  cyanophilen  Charakter  und  dürfte  von  den  Epithelzellen 
selbst  producirt  werden.  Vor  der  Einmündung  in  den  Uterus 
empfängt  das  Atrium  femininum  von  den  Seiten  her  die  beiden 
Oviducte  (od),  deren  ganzer  distaler  Theil  schon  von  der  Höhe  des 
Penis  an  bis  zu  ihrer  Mündung  Ausführungsgänge  erj'throphiler 
Drüsen  aufnimmt.  Die  Form  dieser  Drüsen  wie  auch  ihr  Secret 
weicht  von  den  erythrophilen  Körnerdrüsen  der  Haut  in  keiner 
Weise  ab.  Zwischen  der  Einmündungssteile  der  Oviducte  und  dem 
distalen  Ende  des  Atrium  femininum  (af)  und  zwar  ganz  nahe  der 
erstem  zweigt  sich  von  der  Ventralseite  des  Atrium  ein  Canal  (ca) 
ab,  der,  wie  die  Figur  zeigt,  schief  nach  vorn  zum  Genitalporus 
hinzieht,  um  schliesslich  in  die  hintei-e  Oircumferenz  der  Geschlechts- 
öffnung auszumünden.     Während   sein   dem   Atrium   femininum   zu- 


476  Camillo  Mell, 

nächst  gelegenes  Stück  ein  einfaches  Eöhrchen  darstellt,  besitzt  er 
im  ganzen  Umkreise  der  untern  -^^  seiner  Länge  zahlreiche  sich 
gabelnde  Divertikel  {cad}^  die  wieder  unter  einander  communiciren. 
Dieses  ganze  Canalsystem  ist  von  einem  cubischen,  cilientragenden 
Epithel  ausgekleidet,  welches  das  Secret  der  zahlreichen  erythrophilen 
Drüsen  {cadr)  aufnimmt,  die  in  den  das  ganze  verzweigte  Canal- 
system umhüllenden  Muskelfilz  {ruf)  eingelagert  sind. 

Die  damit  gegebene  Verdoppelung  der  vom  Uterus  zum  Atrium 
commune  führenden  Communication  erinnert  an  ähnliche  Verhält- 
nisse bei  Artiocotyhis  speciosus  Geaff.  Wie  bei  dieser  Species,  so 
mündet  auch  bei  der  in  Eede  stehenden  das  beide  Oviducte  auf- 
nehmende Eohr  oberhalb  des  fraglichen  zweiten  Canals  in  das 
Atrium  commune.  Während  aber  bei  Ambl.  nigrescens  dieser  zweite 
Canal  von  der  ventralen  (hintern)  Fläche  des  die  Oviducte  auf- 
nehmenden Atrium  genitale  —  Gkaff  bezeichnet  dasselbe^)  als 
„Vagina"  —  entspringt,  geht  er  bei  Artiocohjliis  von  dessen  dorsaler 
(vorderer)  Fläche  ab,  und  es  rauss  daher  bei  letzterer  Species  eine 
Kreuzung  der  beiden  Kanäle  -)  erfolgen.  Geaff  bezeichnet  den  in 
Eede  stehenden  zweiten  Canal  als  „Uterusstiel",  ohne  sich  über  seine 
Function  auszusprechen,  während  ich  glaube,  dass  er  bei  der  vor- 
liegenden Species  wahrscheinlich  zur  Eiablage  dient.  Die  durch 
das  Netz  der  Divertikel  gegebene  Erweiterungsfähigkeit  des  Haupt- 
canals  sowie  der  Drüsenbesatz  lassen  es  auch  als  möglich  erscheinen, 
dass  er  mit  der  Bildung  der  Eischale  in  Beziehung  stehe. 

Fundort:  Bei  Gardulla,  im  Moder  des  Urwaldes,  ca.  2900  m 
hoch,  am  20.  December  1900  in  einem  einzigen  Exemplare  erbeutet. 

Arnhltfplana  aherana  n,  sp, 

(Fig.  4-8.) 

Es  liegen  4  Exemplare  vor,  die  unter  einander  gut  überein- 
stimmen. Das  grösste,  36,5  mm  lange  Individuum  (Fig.  4)  erreicht 
seine  Maximalbreite  von  7  mm  (bei  einer  Dicke  von  wenig  mehr 
als  2  mm)  ungefähr  in  der  Mitte.  Der  Körper  verjüngt  sich  an 
beiden  Enden  rasch  zu  einer  stumpfen  Spitze,  der  Vorderkörper  ist 
schlanker  und  seine  Spitze  stumpfer  gegenüber  dem  breitern  Hinter- 
körper mit  seinem  mehr  spitz  zulaufenden  Ende.    Die  Eückenfläche 


1)  L.  V.  Geaff,  Monographie  der  Turbellarien.   11.  Tricladida  terricola 
(Landplanarieu),  Leipzig   1899,  p.   209,   fig.   58. 

2)  Ibid.  p.  211,  fig.  59. 


Tu  Xonlost-Afrika  g-esamnielte  Laiulpliinarien.  477 

ist.  Avie  aus  dem  (Querschnitt  (Fig-.  7)  liervor.oeht,  gewölbt,  die  Bauch- 
seite schwach  coucav,  die  Seitentheile  zug-erundet.  Die  im  Leben 
..lebhaft  citronengelbe",  an  dem  Spirituspräparate  dagegen  matt  gelbe 
Dorsalfläche  besitzt  eine  sehr  feine,  schwarze  Medianlinie,  die  sich 
bis  an  die  Körperenden  verfolgen  lässt.  Das  Vorderende  ist  gelblich- 
grau gefärbt  und  lässt  die  grossen,  seitlich  ein  Stück  hinter  dem 
Vorderende  angebrachten  Augen  als  schwarze,  von  einem  hellem 
Hof  umrahmte  Punkte  deutlich  hervortreten  (Fig.  6«).  Die  Seiten- 
theile  des  Bauches  —  mit  Ausnahme  der  hier  nicht  abgesetzten 
Seitenkante  —  sind  dunkler  (gelbbraun)  pigmentirt  (Fig.  5)  als  der 
Eücken.  Die  gelblich-weisse  Kriechleiste  (M)  nimmt  wenig  mehr 
als  \\  der  Bauchbreite  ein  und  ist  nicht  voi-gewölbt.  Ca.  4  mm 
hinter  dem  Vorderende  beginnt  sie  sich  zu  verschmälern  und  wird 
hier  von  dem  grauen  Pigmente  eingefasst.  welches  sich  in  diesem 
Theile  des  Ktirpers  vom  Rücken  auf  den  Bauch  fortsetzt.  Die 
Pharyngealöifnung  ist  18,2  mm,  die  Geschlechtsöffnung  25  mm  hinter 
dem  Vorderende  gelegen. 

Ein  annäht^rnd  gleich  grosses  Exemplar  lässt  die  mediane  dorsale 
Linie  gar  nicht  erkennen,  bei  einem  Dritten  ist  sie  nur  auf  der 
vordem  Spitze  dunkel  pigmentirt  und  weiter  bis  ins  Ende  der 
vordem  Köri)erhälfte  als  matte  Andeutung  zu  verfolgen,  während 
das  kleinste  Exemplar  (Länge  desselben  28  mm)  die  schwarze  Median- 
linie bloss  an  der  vordem  Körperspitze  zwischen  den  Augen  an- 
gedeutet hat.  Bei  diesen  3  Exemplaren  sind  die  Enden  des  Körpers 
abgernndet  und  zwar  das  vordere  breiter  als  das  hintere.  Bei  allen 
dreien  ist  der  Bauch  nicht  concav  oder  flach,  sondern  schwach  vor- 
gewölbt. Das  ersterwähnte  lässt  ferner  die  Seitenkanten  bei  der 
Beti-achtung  von  der  Bauchseite  dadurch  deutlich  hervortreten,  dass 
sie  von  den  dunkler  pigmentirten  Seitentheilen  des  Bauches  durch 
eine  seicht  rinnenartige  Vertiefung  abgesetzt  sind. 

3[osELEY  hat  vom  Cap  der  Guten  Hotfnung  einen  Bhjndwdemns 
flavus  beschrieben  ^),  welchen  Graff  in  sein  Genus  Amhhjplana  ein- 
reihte und  in  seiner  Monographie  der  Landplanarien  -)  nach  einem 
im  British  Museum  aufbewahrten  Exemplare  genauer  beschrieb  und 
abbildete.     Wenngleich   diese  Species   in   der  Farbe   mit  der  vor- 


1)  MosELEY,  H.  N.,  Notes  on  the  structure  of  several  forms  of  Land 
Planarians,  with  a  description  of  two  new  genera  and  several  now  species, 
and  a  list  of  all  species  at  present  known,  in  :  Microsc.  Journ.  (New  ser.), 
V.   17,  London   1877,  p.   286,  28i»,  fig.   18,  20—24. 

2)  L.  V.  Gkaef,  1.  c,  p.  511,  tab.   15,  fig.   1—2. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abtli.  f.  Syst.  32 


478  Camillo  Mell, 

lieg-enden  einige  Aehnliclikeit  zeigt,  so  glaube  icli  sie  einstweilen 
doch  nicht  mit  derselben  identificiren  zu  dürfen.  Vor  allem  ist  es 
die  Körperform,  die  ganz  erheblich  abweicht.  Während  Graff  die 
Ämhhjplana  flava  nach  dem  Spiritusexemplar  als  ,.fast  drehrund,  nur 
wenig  dorsoventral  comprimirt"  beschreibt,  besitzen  meine  Exemplare 
durchwegs  bandartigen  Charakter.  Der  Medianstreif,  welcher  bei 
dem  von  mir  abgebildeten  Thier  nur  äusserst  fein  ist  und  sich  in 
dem  dunkel  pigmentirten  Vorderende  verliert,  ist  bei  der  Moseley- 
schen  Form  bei  weitem  kräftiger  und  erreicht  nicht  die  vordere 
Spitze  des  Körpers.  Diese  ist  bei  A.  flava  viel  heller  gefärbt  als 
der  übrige  Köiper.  während  bei  unsern  Formen  gerade  hier  eine 
dunkle  Pigmentirung  auftritt.  Ueberdies  sind  die  von  Moseley  bei 
Bhynchodemus  flaviis  beobachteten  stäbchenförmigen  Körper,  wie 
weiter  unten  ausgeführt  wird,  von  den  Rhabditen  der  Ämbhjpkma 
abemna  verschieden.  lieber  Mund  und  Geschlechtsöifnung ,  deren 
Lage  bei  der  Unterscheidung  der  Landplanarien  meist  sehr  gute 
Dienste  leistet,  konnten  die  bisherigen  Beschreibungen  nichts  ent- 
halten, Moseley  erwähnt  dieselben  überhaupt  nicht,  und  an  Gkaef's 
Exemplaren  waren  diese  Oeflfnungen  nicht  erkennbar.  Bemerkt  muss 
noch  werden,  dass  die  Fundorte  der  beiden  Species  von  einander 
sehr  weit  entfernt  sind. 

lutegument.  Als  Hauteinlagerungen  finden  wir  zunächst  Rham- 
miten,  welche  die  Epithelhöhe  etwas  überschreiten,  wellig  verbogen 
und  proximal  in  eine  Spitze  ausgezogen  sind,  während  sie  distal 
stumpf  enden.  Sie  sind  32  /n  lang,  2  /<  breit.  Das  andere  Extrem 
wird  von  nur  ein  Drittel  so  langen,  aber  dreimal  so  breiten  Stäbchen 
repräsentirt  die  jedoch  nicht  wie  die  erstem  gleichmässig  dick,  sondern 
mehr  oder  weniger  spindelförmig  gestaltet  sind.  Nie  jedoch  konnte  ich 
so  lange  Fäden  constatiren.  wie  sie  Moseley  ^)  für  seinen  lUiyncho- 
demus  flavus  abgebildet  hat,  welche  die  Epithelzellenhöhe  um  das 
Drei-  bis  Fünffache  überschreiten.  Erythrophiles  sowie  in  geringen 
Mengen  auch  cyanophiles  Secret  wird  in  die  Epithelzellen  in  grossen 
Mengen  abgelagert.  Auch  die,  aus  eingesenkten  Zellen  gebildete. 
Kriechleiste  enthält  das  Secret  dieser  beiden  Drüsen. 

Musculatur.  Der  Hautmuskelschlauch  ist  gegenüber  der 
Amhlyphna  nigrescens  wesentlich  verstärkt;  die  Längsmuskeln  des- 
selben bilden  sogar  Bündel  von  10 — 12  Fasern.  Die  Dorsoventral- 
und    Transversalmuskeln    der   Leibesmusculatur    sind   mächtig    ent- 


1)  Moseley.   H.  N.,  1.  c,  p.  283,  tab.   15,  fig.   20—2  4. 


In  Nordost-Afrika  ffesamraelte  Landplanarien.  479 

wickelt  und  fasern  sich  an  beiden  Enden  pinselförmig-  auf  Die 
lonyitudinalen,  zu  gewaltigen  Bündeln  gruppirten  Parencliymmuskeln 
bilden  eine  geschlossene  ventrale  Zone,  die  bis  in  die  Seitentheile 
des  Thieres  hinaufreicht  und  hier  das  Maximum  der  Entfaltung  er- 
reicht. Diese  Muskelzone  nähert  sich  zu  Seiten  der  Kriechleiste  dem 
Hautmuskelschlauche,  und  die  diesem  zugewandte  Hälfte  der  ein- 
zelnen Bündel  enthält  3—6  mal  stärkere,  durchweg  aus  contractiler 
Substanz  bestehende  Fasern  als  der  Rest  des  Bündels.  Ungefähr  in 
der  Mitte  dieser  Bündel  treten  Fasern  mit  kleinem  centralen  Lumen 
auf;  je  weiter  man  nach  oben  kommt,  desto  grösser  wird  in  den 
Fasern  der  mit  Sarkoplasma  erfüllte  centi-ale  Eaum,  und  die  zu  oberst 
gelagerten  Fasern  zeigen,  gleich  den  übrigen  musculösen  Elementen,  den 
gewöhnlichen  Hirudineen-Typus  mit  nur  rindenständig  ausgebildeter 
contractiler  Substanz.  Dorsal  treten  die  parenchymatösen  Längs- 
muskelbündel  nur  vereinzelt  auf  und  enthalten  auch  eine  geringere 
Anzahl  von  Fasern.  Da  zu  Seiten  der  Kriechleiste  auch  die  Fasern 
des  Hautmuskelschlauches  compact  werden,  ist  es  hier  zu  einer 
localen  Verstärkung  der  Musculatur  gekommen,  wodurch  der  Kriech- 
leiste eine  ausgiebige  Beweglichkeit  garantirt  wird. 

Verdauungsap  parat.  Der  4,2  mm  lange  Pharynx  zeigt  im 
Gegensatz  zu  allen  bisher  bekannten  Rhynchodemiden,  bei  welchen 
ausschliesslich  der  cylindrische  Pharynxtypus  vertreten  ist,  den 
kragenförmigen  Typus,  mit  der  dorsalen  Insertion  in  der  Mitte  der 
engen  Phar^iigealtasche.  Seine  äussere  ]\[uscularis  besteht  aus 
4 — 5  dem  Epithel  anliegenden  Längsfaserlagen  mit  darauf  folgender 
schwacher  Eingmuskelschichte.  An  die  epitheliale  Auskleidung  des 
Pharynxlumens  schmiegt  sich  eine  schwache  Längsmuskelschicht 
an,  worauf  eine,  aus  gewaltigen  Ringfasern  zusammengesetzte  Zone 
kommt,  welche  von  einigen  Längsbündeln  durchsetzt  wird.  Die 
radiären  Muskeln  der  Mittelschicht  sind  gut  entwickelt. 

Nervensystem.  Das  Gehirn  erreicht  seine  grösste  Breite, 
0,42  mm.  hinter  der  Körperspitze.  Der  Querschnitt  des  Gehirns 
beträgt  hier  0,8  mm  resp.  0,5  mm,  bei  einem  Körperquerschnitt  von 
1,3  resp.  1  mm.  Nach  vorn  verschmälert  es  sich  ausserordentlich 
rasch,  wobei  die  beiden  Hälften  zu  einem  einheitlichen,  tief  ge- 
lappten Gebilde  verschmelzen,  welches  jedoch  nicht  wie  gewöhnlich 
bis  an  das  Vorderende  zu  verfolgen  ist,  sondern  schon  0,17  mm  hinter 
diesem  sich  in  feine  Nervenfasern  auflöst.  Die  Augen,  die  einen 
Durchmesser  von  168  /.i  besitzen,  sind  wie  bei  Amhl.  nigrescens  mit 
einem   dütenförmigen,    176  u   langen    Pigmentbecher   versehen,  vor 

32* 


430  Camillo  Mell, 

welchem  eine  dünne,  seitlich  in  Bindeg-ewebsfasern  übergehende 
Cornealmembran  liegt.  Diejenigen  Eetinazellen,  die  vor  oder  gleich 
neben  der  Oeffnung  des  Pigmentbechers  liegen,  setzen  sich  nach  iVrt 
der  Kolbenangen  mit  den  Sehkolben  in  Verbindung-  ohne  den  Becher 
zu  durchbohren,  ein  Verhalten,  wie  es  von  A.  Th.  Schmidt  M  bei 
Dolichoplana  voeltskoivi  CIkaff,  Bol.  feildeni  Geaff  und  Polycladus 
gayi  Blanch.  angegeben  wird. 

Geschlechtsapparat.  Die  Hoden  stellen  bei  dieser  Form 
runde  Bläschen  dar,  welche  bemerkenswerther  Weise  rein  ventral 
gelegen  sind.  Anf  Querschnitten  findet  man  sie  jederseits  in  zwei 
Reihen  ausserhalb  der  Längsnervenstämme  und  in  gleicher  Höhe 
mit  diesen.  Bezüglich  der  Ovarien  und  Oviducte  war  gegenüber  der 
Amhhjplana  nigrescens  keine  wesentliche  Ditferenz  zu  constatiren. 
Auch  der  Copulationsapparat  (Fig.  8),  der  eine  Länge  von  2  mm 
besitzt,  ist  dem  der  eben  genannten  Form  ungemein  ähnlich,  und  es 
soll  daher  genügen,  nur  die  Unterschiede  von  jenem  anzugeben.  Voi- 
Allem  fehlt  der  eigenthümliche,  das  Atrium  femininum  mit  der  Ge- 
schlechtsöffnung verbindende  Ganal.  Der  Penis  {p)  ist  schlank  kegel- 
förmig und  füllt  das  xA.trium  fast  vollständig  ans.  Die  Vesicula 
seminalis  {vs)  ist  kuglig  aufgetrieben,  die  Endabschnitte  der  Vasa 
deferentia  entbehren  einer  Musculatur.  Die  zahlreichen,  in  die 
Samenblase  einmündenden  cyanophilen  Drüsen  {cded)  sind  grösser  als 
dort  und  liegen  grösstentheils  ausserhalb  der  allgemeinen  Muskel- 
hülle. Als  Unterschiede  im  weiblichen  Apparat  wäre  hervorzuheben, 
dass  der  Uterus  hier  bedeutend  kleiner  ist  und  die  Endabschnitte 
der  Oviducte  keine  erj^throphilen  Drüsen  aufweisen.  Auch  fehlen 
der  vorliegenden  Art  Atriumdrüsen. 

Fundort.  Abera  (Djamdjam)  ca.  3100  m  hoch,  im  Bambus- 
wald unter  Baumrinde  und  Moder  am  20.  December  1900  von  Herrn 
0.  Neumann  gesammelt. 

Ainblyplana  ^leunianni  n.  sp. 

(Fig.  9-12.) 

Das  15  mm  lange  Thier  ist  plump,  nach  vorn  rascher  zur  ab- 
gerundeten Spitze  verschmälert,  während  die  Verschmälerung  zu 
dem    schiankern    stumpfen  Hinterende   schon    von  der  Mundregion 


1)  A.  Th.  Schmidt,  Zur  Kenntniss  der  Tricladen-Augen  und  der 
Anatomie  von  Polycladus  gayi,  in:  Z.  wiss.  Zool. ,  V.  72,  1902, 
p.   206—214. 


In  Nordost-Afrika  gesammelte  Laiuliilananeii.  481 

beginnt  (Fig-.  10).  Seiner  grüssten  I^reite  von  2.5  mm  in  der  Körper- 
mitte entspricht  eine  Dicke  von  1,4  mm,  und  die  Seiten  sind  bald 
durch  eine  stum])t'e  Kante  (Fig.  11  ..^  von  der  als  flaches  Dach  zur 
Kriechleiste  abfallenchjn  BanchÜäche  abgesetzt,  bald  aber  mit  gleich- 
massiger  Abrundung  in  dieselbe  fortgesetzt  (Fig.  11,  links).  Das 
lebende  Thier  wird  von  Herrn  0.  Neumaxx  als  ,.matt  gelb  mit 
schwarzen  Streifen"  bezeichnet.  An  dem  Spirituspräparate  (Fig.  9) 
ist  der  Grundton  matt  hellgelb,  trägt  einen  kräftigen  schwarzbraunen 
Medianstreif,  der  gegen  die  Enden  sich  verschmälert,  und  überdies 
ist  die  gelbe  Grundfarbe  dorsal  mit  diffusem  Pigmente  unterlegt, 
welches  sich  nahe  den  Seitenrändern  zu  einem  verwaschenen  grauen 
Bande  verdichtet,  das  gegen  die  Körperenden  verschwindet.  Die 
Grundfarbe  des  Bauches  ist  heller  und  zeigt  eine  graue  Bewölkung 
bloss  zu  Seiten  der  schwach  gewölbten  weisslichen  Kriechleiste 
(Fig.  10  u.  11),  deren  Breite  in  der  Körpermitte  etwas  mehr  als 
ein  Viertheil  der  Bauchbreite  einnimmt.  Neben  der  Kriechleiste  sieht 
man  am  Vorderende  die  beiden  Augen  durchschimmern.  Die  Mund- 
öffnung ())()  ist  8  mm  vom  Vorderende  entfernt,  der  Geschlechts- 
porus  (gö)  liegt  3  mm  hinter  dem  ^lunde. 

Integument.  Dorsal  finden  sich  in  grösster  ^lenge  spindel- 
förmige Chondrocysteu,  deren  Länge  etwa  - ;,  der  Zellhöhe  beträgt. 
Daneben  treten  noch  feine,  geschlängelte  Rhammiten  auf,  die  auch 
im  Epithel  der  ventralen  Fläche  vorkommen,  während  die  Chondro- 
Cysten  sich  schon  in  den  Seitentheilen  verlieren. 

In  der  Epithelplattenschicht  der  Kriechleiste  liegen  unterhalb 
der  Cilienfusstücke  sehr  kleine,  2  f.i  lange  und  1  /n  breite  Gebilde 
mehr  oder  weniger  regelmässig  angeordnet,  welche  mit  ihrer  Längs- 
axe  senkrecht  zur  Oberfläche  des  Thieres  stehen.  Diese  Gebilde 
sind  als  eine  Khabditenform  aufzufassen,  die  zweifellos  ein  Product 
des  Epithels  selbst  darstellt.  Aehnliches  wurde  von  mir  ^)  schon  bei 
Pelmafoplana  maheensis  (Gkaff)  und  Pehn.  hraueri  (Graff)  gefunden, 
und  ich  habe  diese  Gebilde  seiner  Zeit  als  Degenerationsproducte 
von  Rhabditen  aufgefasst.  Die  genaue  Xachprüliing  der  betreflenden 
Präparate  führte  mich  alntv  auch  in  diesem  Falle  zu  der  Ansicht, 
dass  es  sich  nur  um  kleine,  vom  Kri('chleistene])ithel  gebildete 
Rhabditen  handelt.  Bei  den  bisher  bekannten  Aiiih/uphoKi-  XvteAi 
„fehlen  der  Kriechleiste  die  stäbchenförmigen  Körper  gänzlich".-) 

1)  ('.  ilKLL,  1.  c.  p.  195  u.  203. 

2)  L.  V.  Graff,  1.  c,  p.  507. 


482  Camillo  Mell, 

M  u  s  c  u  1  a  t  u  r.  Der  Haiitmuskelsclilaucli  ist  schwach  und  lässt 
in  seiner  Längsschicht  nur  ca.  4  Lagen  von  Fasern  erkennen.  Aber 
auch  die  Parenchyramusculatur  fällt  im  Gegensatz  zu  andern  Am- 
blyplanen  durch  die  auffallend  geringe  Entwicklung  ihrer  Längs- 
rauskeln  auf.  Diese  stellen  nämlich  nur  ganz  zarte,  zu  kleinen 
Bündeln  vereinigte  Fasern  dar,  die  im  gesammten  Mesenchym  sehr 
locker  und  unregelmässig  vertheilt  sind.  Nur  ventral  rücken  die 
Bündel  etwas  näher  an  einander,  und  die  einzelnen  Fasern  weisen 
einen  grössern  Durchmesser  auf.  Die  dorsoventralen  wie  trans- 
versalen Bündel  -zeigen  die  für  Amblyplanen  gewöhnliche  mächtige 
Entfaltung  und  fasern  sich  an  beiden  Enden  pinselförmig  auf. 

V er dauungsap parat.  Der  relativ  kleine  (1,5  mm  lange 
und  0.9  mm  breite)  Pharynx  ist  rein  cylindrisch  und  in  der  Ruhe 
horizontal  gestellt;  er  füllt  die  Pharyngealtasche  vollkommen  aus. 
Während  seine  Aussenmusculatur  mit  derjenigen  des  Pharynx  von 
Plafyd.  monfamis  n.  sp.  übereinstimmt,  weicht  die  Muscularis  dei- 
Linenschicht  bedeutend  ab.  Auf  eine  schwache  Längsmuskelschicht 
folgt  nach  innen  eine  100  /<  breite,  aus  dicken,  unregelmässig 
liegenden  Ringfasern  gebildete  Zone,  welche  gegen  die  Mittelschicht 
zu  durch  eine  Schicht  breiter  Längsmuskelbündel  abgegrenzt  wird. 
Die  zahlreich  vorhandenen  radiären  Muskeln  der  Mittelschicht  fasern 
sich  unmittelbar  vor  der  Ringmuskelzone  auf  und  durchdringen  diese 
mit  ihren  Fasern.  Die  nur  ganz  vereinzelten  Längsmuskeln  sind  in 
der  Mittelschicht  unregelraässig  vertheilt. 

G  e  s  c  h  1  e  c  h  t  s  a  p  p  a  r  a  t.  Die  rundlichen ,  2  m  m  hinter  der 
Körperspitze  liegenden  Ovarien  lagern  dorsal  den  Längsnerven- 
stämmen  auf  und  lassen  ventral  aus  ihrer  Mitte  die  mit  einer 
schwachen  Rihgmuscularis  versehenen  Oviducte  abgehen,  welche  sich 
bald  auf  die  Lateralseite  der  Nerven  begeben  und  hier  nach  hinten 
ziehen.  Etwa  1mm  hinter  den  Eierstöcken  treten  die  Hoden  auf; 
sie  liegen  über  und  außerhalb  der  Nervenstämrae  jederseits  in  zwei 
Reihen.  Die  median  von  den  Oviducten  verlaufenden  Yasa  deferentia 
schmiegen  sich  theils  direct  dem  ventralen  Rand  der  Testes  an,  theils 
sind  sie  mit  diesen  durch  kurze  Vasa  efferentia  verbunden. 

Das  spaltartige  Atrium  genitale  commune  (Fig.  \2ag)  setzt 
sich  direct  in  das  becherförmige  Atrium  masculinum  {am)  fort.  Das 
eingesenkte  Kriechleistenepithel  zieht  sich  nur  eine  ganz  kleine  Strecke 
weit  auf  das  Atrium  commune  hinauf.  Der  weitaus  grössere  Theil 
wird  von  cylindrischen  Zellen  mit  deutlichen  Zellkernen  und  erythro- 
philem   Secret   der  Atriumdrüsen   {agä)   ausgekleidet.     Ein  gleiches 


lu  Xonlost-Afrika  gesammelte  Laudplanarien.  483 

Epithel  kleidet  auch  die  Wandung-  des  Atrium  masculinum  aus, 
doch  sind  hier  einmündende  Drüsen  nicht  wahrzunehmen.  Der  Atrium- 
wandung  anliegend  findet  sich  eine  breite  ]\luskelschieht  (niani),  be- 
stehend aus  Längsfasern,  denen  auch  Eingmuskeln  untermischt  sind. 
Wie  bei  den  vorher  behandelten  Ambh'planen  tritt  auch  hier  an  der 
Penisbasis  eine  Scheidung  der  Elemente  in  eine  äussere  Ring-  und 
innere  Läng-smuskelschicht  auf,  welche  die  äussere  Penismusculatur 
(p»/)  bilden. 

Der  Ductus  ejaculatorius  (de)  bildet,  wie  die  Figur  zeigt,  ein 
mächtiges,  von  einem  hohen  Epithel  ausgekleidetes  Eohr,  welches 
Schlingen  bildend  nach  vorn  zieht,  dann  sich  gegen  die  Bauchseite 
wendet  und  mit  einem  nach  hinten  umgebogenen  Schenkel  blind 
endet.  Er  wird  von  einer  mächtigen  Muscularis  (dm)  umgeben,  welche 
sich  aus  zwei  einander  unter  sehr  spitzen  Winkeln  schneidenden 
Fasersystemen  aufbaut,  die  nur  wenig  von  einem  ringftJrmigen  Ver- 
laufe abweichen  und  der  Ductusmusculatur  der  beiden  oben  be- 
schriebenen Amblyplanen  entsprechen.  Innerhalb  des  Penis  nimmt 
diese  Muscularis  gegen  die  Penisspitze  allmählich  an  Stärke  ab. 
Die  zwischen  den  Fasern  auftretenden  Lückenräume  werden  von 
den  Ausführungsgängen  der  erythrophilen  Ductusdrüsen  (cded)  erfüllt, 
deren  Secret  in  ganz  enormen  Mengen  in  das  Epithel  entleert  wird. 
Innerhalb  des  Penis  sind  zarte  radiäre  und  longitudinale  Fasern  zu 
bemerken,  von  denen  die  letztern  wohl  als  Retractoren  wirken. 
Der  gesammte  Ductus  ejaculatorius  mit  seiner  Eigenrausculatur  wird 
von  einer  zarten,  aus  vorwiegend  längs  verlaufenden  Fasern  zusannnen- 
gesetzten  Muskelhülle  (mh)  umgeben.  Die  A'asa  deferentia  [rd)  bilden 
in  der  Nähe  des  Copulationsapparats  unmittelbar  vor  der  Einmündung 
falsclic  Samenl)lasen  (ffZj)  und  öffnen  sich  von  den  Seiten  her  ein- 
ander g'egenüber  in  die  Mitte  der  ventralen  Ductusschlinge.  Der 
weibliche  Theil  des  Genitalapparats  besteht  aus  einem  schief  nach 
oben  und  hinten  ziehenden  Canal,  dem  Atrium  femininum  («/),  welcher 
mit  cylindrischem  Epithel  ausgekleidet  ist  und  eine,  dem  Atrium 
masculinum  gleich  gebaute  Muscularis  besitzt.  Am  Beginne  der 
obern  Hälfte  des  Atrium  femininum  mündet  von  hinten  her  der 
kurze,  durch  den  Zusammeniluss  der  Oviducte  (bei  of/J  gebildete 
Eiergang  (äy)  ein.  während  das  dorsale  Ende  des  weiblichen  Atrium 
zu  einer  mächtigen  ovalen  Blase,  dem  horizontal  nach  hinten  sich 
erstreckenden  Uterus  (u)  anschwillt.  Dieser  besitzt  keine  Muscularis 
und  ist  lediglich  aus  einem  Epithel  [uep)  hoher,  weit  in  das  Lumen 
vorspringender  cylindrischer  Zellen  aufgebaut,  die  als  Zotten  in  das 


484  Camillo  Mell, 

Lumen  vorspringen  und  Avie  bei  AmU.  niyrescens  und  aberana  mit 
Secretkörnchen  erfüllt  sind.  —  Die  ganze  Configuration  des  männ- 
lichen Copulationsapparats  der  vorliegenden  Species  erinnert  noch 
viel  mehr  als  die  der  beiden  letztgenannten  an  Amblyplcma  notahilis 
Gkaff.i)  Doch  erscheint  bei  dieser  der  (sehr  kleine)  Uterus  als  eine 
Aussackung  des  Atrium  niasculinum,  in  welches  sich  auch  der 
Drüsengang,  Mangels  eines  besondern  Atrium  femininum,  ölfnet. 
Ein  solches  kommt  allen  3  hier  beschriebenen  neuen  Amhlyplana- 
Species  zu,  ist  jedoch  räumlich  bei  A.  ahcmna  minder  umfangreich 
und  weniger  deutlich  vom  Atrium  niasculinum  separirt  als  bei  A. 
nigrescens  und  neumanni. 

Fundort.  Bei  Abera  (Djamdjam)  ca.  3100m  hoch,  im  Bambus- 
wald unter  Baumrinde  und  Moder  am  20.  December  1900  in  einem 
Exemplare  gefunden. 

Tlatydernus  niontamis  n,  sp. 

(Fig.  13-18.J 

Das  grössere  der  beiden  Exemplare  erreicht  eine  Länge  von 
14  mm  bei  einer  grössten  Breite  von  1,76  mm  in  der  Pharyngeal- 
region.  Nach  vorn  ist  der  Körper  allmählich  zu  einer  feinen  stumpfen 
Spitze  verjüngt  (Fig.  13),  wogegen  sich  das  Hinterende  rasch  zu 
einer  abgerundeten  Spitze  verschmälert.  Höchst  sonderbar  sieht  der 
Querschnitt  aus.  Gegen  die  Enden  des  Körpers  quer  oval  (Fig.  17 
und  18)  mit  bald  dorsal,  bald  ventral  stärkerer  Convexität,  ist  der- 
selbe in  der  Mittelpartie  der  Körperlänge  fast  vierseitig,  wie  die 
hinter  dem  Pharynx  genommene  Fig.  15  zeigt.  Der  Rücken  ist  flach, 
mit  stellenweise  aufgewulsteten  stumpfen  Kanten  und  fällt  ,mit  fast 
senkrechten  Seitentheilen  zu  dem  gleichfalls  flachen  Bauche  ab, 
dessen  Seitenkanten  aber  abgerundet  erscheinen.  Dieser  Querschnitt 
ist  1,76  mm  breit  und  0.88  mm  hoch.  Die  Farbe  des  Rückens,  beim 
lebenden  Objecte  als  „schwarz"  bezeichnet,  ist  bei  den  conservirten 
Exemplaren  dunkel  graubraun  (Fig.  13)  und  nimmt  im  verjüngten 
Yorderkörper  einen  dunklern,  fast  schwarzen  Ton  an.  Daselbst  ist 
auch  die  Ventralfläche  (Fig.  14)  grau  gefärbt,  welche  Färbung  sich 
als  seitliche  Einfassung  der  Bauchseite  fast  4  mm  weit  nach  hinten 
erstreckt.  Im  Uebrigen  erscheint  die  Bauchseite  hell  schmutzig-gelb 


1)  L.  V.  G-BAFF,  1.  c,  p.   206,  Textfig.   56. 


In  Nordost-Afrika  gesainnielte  Laudplaiiarieii.  485 

und  lässt  eine  etwas  dunklere  Medianlinie  erkennen,  die  etwa  dort 
beginnt,  wo  die  graue  Seiteneinfassung  aufhört  und  sich  bis  aus 
Hinterende  verfolgen  lässt.  Es  ist  diese  Linie  nichts  anderes  als  die 
feine  rinnenartige  Einfaltung  der  Mitte  der  Kriechsohle  (Fig.  15^) 
und  die  nächste  Umgebung  dieser  Einfaltung,  durch  welche  die 
Hauptmasse  der  Drüsen  ausmündet.  In  dieser  Mittellinie  sind  die 
Cilien,  welche  sonst  auf  der  Kriechsohle  gut  erhalten  sind  (während 
sie  im  Reste  des  Epithels  zerstört  waren),  etwas  kürzer.  Auf  dem 
Fig.  15  dargestellten  Querschnitte  beträgt  die  Breite  der  Kriechsohle 
(Jcl)  0,75  mm,  also  ungefähr  die  Hälfte  der  Bauchbreite. 

Die  beiden  grossen  Augen  sind  in  den  Seiten  des  Körpers  (Fig.  18) 
0,8  mm  hinter  dem  Vorderende  als  weissliche  Punkte  zu  erkennen, 
tler  Mund  mit  dem  etwas  vorgestreckten  Pharjiix  (Fig.  14  ph)  fand 
sich  bei  vorliegendem  Exemplare  6.(5  mm  vom  Vorderende  entfernt. 
Ein  Geschlechtsporus  war  nicht  zu  erkennen. 

Integument.  Als  Hauteinlagerungen  treten  bloss  Ehabditen 
auf,  wurstförmige  oder  an  den  Enden  verjüngte,  spindelförmige.  In 
der  Kriechsohle  fehlen  sie  gänzlich,  dafür  sind  in  deren  ^littellinie 
Ausführungsgänge  cyanophiler  und  erythrophiler  Drüsen  reichlich 
vorhanden,  wälirend  sonst  nur  spärliche  erythrophile  Drüsen  zur 
Haut  ausmünden.     Die  Drüsenkante  ist  nur  schwach  ausgebildet. 

Musculatur.  Der  Hautmuskelschlauch  erscheint  wie  bei  den 
übrigen  Päd tjdoiius- Arten  sehr  mächtig  ausgebildet.  Die  Ring-  wie 
die  Diagonalschicht  enthalten  mehrere  Faserlagen.  Die  Längs- 
bündel bilden  senkrecht  zur  Küri)eroberfläche  gestellte,  im  Bereiche 
der  Bauchlläche  ganz  gewaltig  entwickelte  Lamellen,  ähnlich  wie 
sie  Gk.iff  ^)  von  Plutydemus  grandis  (Spencer)  und  hderoUnecdus 
(Spexce«)  abgebildet  hat.  In  der  Gegend  der  Drüsenkante  fehlen 
sie  jedoch  nicht,  sondern  sind  nur  viel  schwächer  ausgebildet  und 
stehen  viel  lockerer  als  an  einer  andern  Stelle  des  Körpers.  Ueber 
der  ^Medianlinie  der  Kriechsohle  sind  im  Gegensatz  zu  den  be- 
kannten P^ormen  die  Längsmuskelbündel  verschwunden,  und  an  Stelle 
der,  der  Breite  der  ^Medianlinie  entsprechenden  4 — 5  Bündel  finden 
sich  daselbst  bloss  einzelne  zerstreute  Längsmuskelfasern,  während 
die  übrigen  Schichten  des  Hautmuskelschhiuches  unverändert  über 
diese  Stelle  hinweg  ziehen.  Auch  in  Bezug  auf  die  Ausbildung  der 
Leibesmusculatur  schliesst  sich  Plidydemus  monfanus  den  übrigen 
besser  studirten    Arten   an.     Die   transversalen   und   dorsoventralen 

1)  L.  V.   GHAI-F,    1.   c,    p.    76,    tab.   49,   fig.   5—7;    tab.   50.    %.    12. 


486  Camillo  Mell, 

Fasern  sind  sehr  kräftig  und  grnppiren  sich  zu  Bündeln  von  6 — 8 
Fasern.  Die  longitudinalen  Muskeln  sind  sehr  zart,  im  gesammten 
Parenchym  zerstreut  und  ihre  Bündel  setzen  sich  aus  3 — 4  Fasern 
zusammen.  Auch  die  dem  Nervenplexus  dicht  anliegende,  den 
Platijdemus- Arten  eigenthümliche  Schicht  dorsaler  Transversal- 
muskeln, welche  von  einzelnen  longitudinalen  Fasern  durchflochten 
wird,  ist  hier  nachweisbar,  wenngleich  sie  nur  eine  im  Verhält- 
niss  zu  den  oben  genannten  Species  schwache  Entwicklung  er- 
fahren hat. 

Oberhalb  der,  der  Längsmuskelbündel  des  Hautmuskelschlauches 
entbehrenden  Stelle  der  Kriechsohle  verdichtet  sich  die  Leibes- 
musculatur  zu  einem  schwachen  Muskelfilz,  der  durch  Muskelbündel 
verstärkt  wird,  die  schief  zur  Längsrichtung  und  parallel  zur 
Bauchfläche  des  Thieres  verlaufen.  In  dem  Filze  sind  sehr  häufig 
die  zur  Kriechleiste  absteigenden  Schenkel  der  Transversalbündel  zu 
bemerken. 

Im  Vorderende  gehen  die  Längsmuskellamellen  des  Hautmuskel- 
schlauchs  um  den  ganzen  Querschnitt  des  Thieres  herum  und  fehlen 
nur  über  der  Sinneskante;  erst  2  mm  hinter  der  Körperspitze  weichen 
sie  bauchseits  median  aus  einander  und  gleichzeitig  tritt  der  erwähnte 
Muskelfllz  auf. 

Verdauungsapparat.  Die  Mimdöftnung  führt  in  die  Mitte 
der  schlauchförmigen  Pharyngealtasche.  Der  1  mm  lange  Pharynx 
ist  im  Gegensatz  zu  allen  übrigen  mit  einem  cylindrischen,  in  der 
Euhe  horizontal  gestellten  Pharynx  ausgestatteten  Platydemiden 
kragenförmig ,  mit  der  dorsalen  Insertion  genau  über  der  in  der 
Mitte  der  Pharyngealtasche  angebrachten  Mundöffnung.  Auch  die 
Anordnung  der  Musculatur  zeigt  Abweichungen,  wie  der  Querschnitt 
durch  die  Falte  (Fig.  16)  erkennen  lässt.  Die  Aussenschicht  der- 
selben wird  durch  eine  Epithelialschicht  (epe)  gebildet,  deren  Zell- 
leiber (ejjj)  bis  unter  die  Muscularis  eingesenkt  sind.  Die  letztere 
besteht  aus  einer  doppelten  Lage  Längsmuskelfasern  (mle)  und 
einer  ebenso  breiten  Zone  von  Ringmuskeln  (mre).  Die  Muscularis 
der  Innenschicht  besteht  aus  einer  lockern,  einfachen  Lage  von 
Längsmuskeln  (mli)  und  einer  sehr  breiten  Ringfaserschicht  (tnri), 
an  welche  sich  nach  innen  noch  eine  lockere  Lage  starker  Längs- 
fasern  anlegt,  gleich  jenen,  welche  sich  in  der  ganzen  Mittelschicht 
des  Pharynx  besonders  nahe  der  Aussenschicht  vorfinden  {Im,  Inii). 
Die  radiären  Muskelbündel  (rdm)  sind  wohl  entwickelt, 

Nervensystem    und    Sinnesorgane.      Schnitte    aus    der 


lu  Nordost-Afrika  gesammelte  Laudplauarieu.  487 

Körperspitze  zeigen  das  Gehirn  als  eine  einlieitliclie  Punktsubstanz- 
masse,  die,  nmgeben  von  zahlreiclien  Ganglienzellen,  fast  bis  an  den 
Hautmnskelschlauch  den  Querschnitt  grössten  Theils  ausfüllt  (Fig.  17). 
Die  das  Gehirn  durchsetzenden  dorsoventralen  Muskelfasern  con- 
vergiren  je  weiter  nach  hinten  desto  deutlicher  zur  Mitte  der 
Bauchseite.  Auf  den  weitern  Schnitten  tritt  die  angedeutete  Zwei- 
theilung" immer  deutlicher  hervor.  0,22  mm  hinter  der  Körperspitze 
schiebt  sich  zwischen  die  beiden  Gehirnhälften  mesenchymatöses  Ge- 
webe ein.  welches  durch  die  dicht  hinter  einander  liegenden  Gehirn- 
Commissuren  durchciuert  wird.  Ihre  stärkste  Entfaltung  erreichen 
die  Gehirnhälften  ca.  0,25  mm  hinter  dem  Vorderende  (Fig.  18  ge), 
woselbst  sie  einen  rundlichen,  peripher  gelappten  Querschnitt  dar- 
bieten. Hier  treten  auch  die  grossen,  mit  einem  schalenförmigen 
Pigmentbecher  (p)  versehenen  Augen  («)  auf.  Der  Opticus  tritt  von 
hinten  an  den  Pigmentbecher  heran  und  entspringt  von  dem 
dorsalen  Theile  einer  mächtigen,  queren  Gehirn-Commissur.  Die 
beiden  Gehirnhälften  bewahren  ihre  Maximalbreite  in  einer  Aus- 
dehnung von  etwa  3  mm,  dann  verjüngen  sie  sich  ziemlich  rasch 
und  gehen  in  die  weit  von  einander  abgerückten  Nervenstämme 
über,  die  anfänglich  noch  durch  mittlere  und  ventrale  Commissuren 
in  Verbindung  stehen. 

Auf  Schnitten  aus  der  mittlem  Körperregion  erscheinen  die 
Nervenstämme  auffallend  klein,  grenzen  sich  nur  undeutlich  vom 
mesenchjnnatösen  Gewebe  ab  und  werden  durch  feine,  mittlere 
Commissuren  verbunden. 

Auf  denselben  Schnitten,  welche  die  beiden  Optici  zeig-en,  geht  an 
der  lateroventralen  Seite  der  Gehirnlappeu  ein  an  seiner  Frsprungs- 
stelle  mit  einem  Ganglienzellenbelag  versehener  Nerv  ab,  welcher 
gegen  die  Uebergangsstelle  der  Bauch-  in  die  Rückenfläche  zieht  und 
sich  hier  unter  dem  Epithel  auffasert.  Die  Epithel zellen  sind  an 
dieser  Stelle  etwas  unter  das  Niveau  der  übrigen  eingesenkt  und 
fallen  sowohl  durch  den  ]\[angel  an  Stäbchen  und  cyanophilem  Secret 
auf  wie  auch  durch  den  Besitz  langer,  sehr  feiner  Cilien.  Es  liegt 
hier  zweifelsohne  eine,  der  Grübchen  entbehrende  Sinneskante 
(Fig.  18  sk)  vor.  Sie  beginnt  etwa  0,22  mm  hinter  dem  Vorderende 
und  ist  jederseits  nicht  länger  als  1  mm. 

Von  Geschlechtsorganen  konnten  nur  die  erste  Anlage 
des  Penis  sowie  die  Hoden  constatirt  werden.  Diese  letztern  be- 
ginnen ca.  3  mm  hinter  dem  Vorderende  und  erscheinen  unregel- 
mässig zweireihig  angeordnet,  indem  nicht  selten  jederseits  zwei  auf 


483  Camillo  Mell, 

einem  Querschnitte  getroffen  werden.  Sie  liegen  zwischen  dem 
Obern  und  äussern  Rande  der  Längsnerven  einer-  und  dem  Darme 
andrerseits,  innerhalb  der  äussern  Ausstrahlung  der  mittlem  Trans- 
versalmuskeln. Ventralwärts  ziehen  sich  die  Hodenfollikel  in  feine, 
dicht  an  der  Aussenseite  der  Längsnerven  herabsteigende  Vasa 
efferentia  aus,  welche  sich  dann  ein  wenig  medianwärts  krümmen, 
um  in  die  unter  den  Längsnerven  liegenden  Vasa  defei-entia  zu 
münden. 

Fundort.  Diese  Species  wurde  bei  Abera  (Djamdjam)  ca. 
3100  m  hoch  im  Bambuswalde  unter  Baumstämmen  und  Moder  von 
Herrn  Neumann  in  2  Exemplaren  gefunden. 


Tu  Noiflost-Afiika  gesammelte  Landplauaiieu. 


489 


Erklärung:  der  Al)l)ildiiiig:eii. 


B  uchstab  8  nb  ez  e  i  ch  nung  in  den  Fi  gg.   3,   8  und   12. 


of  Atrium  femininum 

(Kj  Atrium  genitale  commune 

arjd  Atriumdrüsen 

am  Atrium  masculinum 

ca  Canal   zwischen  ckj  und  //ö 

cad  Divertikel  desselben 

cculr  Drüsen  der  Divertikel 

cded  Cyanophile  Drüsen    des    Ductus 

ejaculatorius    und    der   Samenblase 
de  Ductus   ejaculatorius 
dm, 

dop  Epithel  desselben 
cdrd  Erythrophile  Drüsen  des  Ductus 

ejaculatorius    und    der   Samenblase 
cifi  Eiergang 
gö  GeschlechtsöfFnung 
id  Dorsales  Integument 
iv  Ventrales   Integument 


dm^    Muscularis  desselben 


Im,    hii^     Längsmuskeln 
schiebt  des  Pbarj^nx 


der    Mittel- 


7nai)i  Muscularis  des  Atrium  mascu- 
linum 

iiif  Muskelfilz 

mir  Ventrale  Longitudinalmuskeln  des 
Parenchyms 

od  Oviduct 

od))/  Muscularis  desselben 

odj^  Vereinigungsstelle  der  beiden 
Oviducte 

p  Penis 

]/)))    Aeussere    Muscularis    des    Penis 

i(  Uterus 

iif/i  Epithel  desselben 

fd  Vas   deferens 

vdy  Anschwellung  desselben  (falsche 
Samenblase) 

vd»i  Muscularis  des  Vas  deferens 

rs  Samenblase. 


63 


Fig.  1. 

Fig.  2. 

Fig.  3. 
1. 


Tafel    17. 

Fig.   1  —  3.     A)i)hhjpl(i)Ki  iiicprscois  n.  sp. 

Das  Thier  von  oben  betrachtet,  2:1. 

A'entraltläche  desselben,  2:1.      )>>  Mund,  //ö  Geschlechtsporus. 

Halbschematischer  Medianschnitt  durch  die  Copulatiousorgane, 


490  Camillo  Mell,  In  Nordost-Afrika  gesammelte  Laiidplauarien. 

Fig.  4 — 8.     Ämblyplana  aherana  n.  sjj. 

Fig.   4.     Dorsalfläche  des  grössten  Exemplars,    1:1. 
Fig.   5.     Bauchseite  desselben,   1:1.      vi  Mund,    r/ö  Geschlechtsporus. 
Fig.   6.     Vorderende  von  der  Seite  betrachtet,   8:1.     a  Auge. 
Fig.   7.     Querschnitt  aus  der  Körpermitte,   2:1.     kl  Kriechleiste. 
Fig.   8.      Halbschematischer     Medianschnitt     durch     die     Copulations- 
organe,   35  :  1. 

Fig.   9 — 12.      Ambljiplana  neumanni  )i.  sp. 

Fig.   9.     Das  Thier  von  oben  betrachtet,   2:1. 

Fig.  10.  Ventralflcäche  desselben,  2:1.  ni  Mund,  gö  Geschlechts- 
porus. 

Fig.  11.  Querschnitt  aus  der  Körpermitte,  bei  ^^  die  Seitenkante 
ausgeprägt. 

Fig.  12.  Halbschematischer  Medianschnitt  durch  den  Copulations- 
apparat,  56  :  1. 

Fig.   13 — 18.     Flatiidcnms  montami><  n.  sp. 

Fig.   13.     Dorsalfläche  des  Thieres,   2:1. 

Fig.    14.     Bauchfläche    desselben,    2:1.     ph    vorgestreckter   Pharynx. 

Fig.  15.  Querschnitt  aus  der  Körpermitte,  stark  vergrössert.  kl 
Kriechsohle,  *  mediane  Rinne  derselben. 

Fig.  16.  Stück  eines  Querschnittes  durch  den  Pharynx,  130  :  1 
(Buchstabenbezeichnung  s.   S.   489). 

Fig.    17.     Querschnitt  durch  das  Vorderende,   95  :  1. 

Fig.  18.  Querschnitt  durch  die  Augenregion,  a  Auge,  ge  Gehirn, 
da  Darm,  p  Pigmentbecher   des  Auges,  sk  Sinneskanten. 


Nachdruck  verboten. 
Uehersetzuiujsrecht  vorbehalten. 


Schlangen  von  Palembang  (Sumatra). 
(Reise  von  Dr.  Walter  Yolz.) 

Von 

Dr.  Walter  Volz, 

Assistent  am  Zool.  Institut  der  Universität  Bern. 


Gleich  wie  meine  zwei  frühern  Arbeiten  ^),  macht  auch  die  nach- 
folgende Liste  von  Schlano-en  aus  Südost-Sumatra  absolut  keinen 
Anspruch  auf  Vollständigkeit.  Da  man  aber  noch  wenig  Arl)eiten 
hat,  die  sich  speciell  mit  der  Fauna  der  Residentschaft  Palembang 
beschäftigen  und  überdies  unter  meinem  Materiale  vier  Arten  sind, 
die  bis  jetzt  noch  nicht  von  Sumatra  bekannt  wurden,  so  veröffent- 
liche ich  die  Liste  gleichwohl. 

Das  Material  setzt  sich  zusammen  aus  zwei  Sammlungen:  die 
eine  davon,  bestehend  aus  13  verschiedenen  Arten,  brachte  Herr 
Privatdocent  Dr.  E.  Kissling  in  Bern  von  einer  Reise  aus  Sumatra 
zurück;  die  andere  besteht  aus  22  Arten  und  wurde  von  mir  auf 
jener  Insel  zusammengebracht.  Im  Ganzen  beträgt  die  Zahl  der 
verschiedenen  Species  29. 


1)  W.  Volz,  Tische  von  Sumatra,  in:  Zool.  Jahrb.,  V.  19,  Syst., 
1903,  p.  347 — 420.  —  W.  Volz,  Lacertilia  von  Palembang  (Sumatra), 
ibid.,    p.  421—430. 


492  Walter  Volz, 

Farn.  Boidae. 
Subfam.  Fytlwninae. 

1.    Python  reticulatus  Schneid. 

Von  dieser  Schlange,  die  im  ausgewachsenen  Zustande  bis  zu 
9  m  Länge  erreichen  soll,  sind  3  Exemplare  in  der  Sammlung,  alles 
nur  kleine,  leicht  zu  transportirende  Stücke. 

1  Expl.  von  Kertadjaja  (Kissling  1902).  Tot.  Länge  175  cm. 
Schwanz  20  cm,  V.  313,  Sc.  75. 

2  Expl.  von  Tandjung  laut  (Volz  1901).  Tot.  Länge  100, 
Schwanz  14,  Y.  304,  Sc.  88  und  Toi.  Länge  90,  Schwanz  12,  V.  319. 
Sc.  88. 

Diese  Eiesenschlange  kommt  allenthalben  vor,  sowohl  in  den 
Urwäldern  als  in  der  Nähe  der  Dörfer  und  sogar  in  diesen  selbst.^) 
Die  Malayen  und  namentlich  die  Javanen  ergreifen  das  Thier  ohne 
Furcht. 

Zum  ersten  Male  traf  ich  diese  Schlange  am  Oberlaufe  des  da- 
mals noch  unbekannten  Semangus-Flusses.  Sie  flüchtete  sich  vor  uns 
in  das  Wasser  und  schwamm  flussabwärts.  Die  Felderung  auf 
ihrem  Rücken  täuschte  ungeheure  Schuppen  vor,  und  die  raschen 
Bewegungen  Hessen  sie  viel  grösser  erscheinen,  als  sie  war.  Ich 
schätzte  sie  auf  mindestens  5  m  Länge,  sie  maass  aber  in  Wirklich- 
keit nur  2,70  m.  Diese  Täuschung  erklärte  sich  aber  durch  die  be- 
deutende Dicke ;  denn  der  grösste  Durchmesser  betrug  nicht  weniger 
als  25  cm.  Diese  Schlange  war  nämlich  so  vollgefressen,  dass,  als 
man  ihr  nach  einigen  Schüssen  eine  Schlinge  um  den  Hals  legte 
und  sie  daran  durchs  seichte  Wasser  zog,  die  Haut  und  der  Darm 
platzten.  Der  Inhalt  des  letztern  bestand  aus  einem  Napu  {Trmjuhis 
javanicus),  dessen  Schädel  nach  der  Kloake  zusah  und  fast  von  allem 
Fleisch  entblösst  war,  während  das  hintere  Körperende  noch  die 
Haare  bedeckten. 

Ein  anderes  Mal  fingen  unsere  Leute  am  obern  Batang  Leko- 
Fluss  eine  Python  von  genau  5  m  Länge.  Sie  legten  ihr  erst  eine 
Schlinge  um  den  Hals,  rollten  sie  auf  und  banden  sie  zusammen 
gleich   einer  Eolle  Draht.     Dann   steckten   sie  eine  Stange  durch 


1)  In  Bangkok  (Siam)  traf  ich  später  im  Hofe  des  Tempels  "Wat 
Samplum  einen  frisch  abgehauenen  Kopf  dieser  Schlange,  die  sich  dort 
aufgehalten  hatte. 


Schlangen  von  Palenibang  (Sumatra).  493 

diesen  Bund,  und  je  zwei  Mann  trugen  sie  abwechselnd.  Wir 
machten  ihr  einen  Käfig-  und  gaben  ihr  einen  Pariahhund.  Sie  Hess 
ilm  aber  ruhig-,  doch  als  er  nach  einigen  Stunden  seine  Furcht  ver- 
loren hatte  und  beim  Herumlaufen  im  Käfig-  die  Schlang-e  berührte,  biss 
sie  ihn  heftig,  Hess  ihn  aber  sogleich  wieder  los.  Einem  Huhn  er- 
ging es  ganz  ähnlich,  die  Schlange  frass  es  nicht,  lieber  welch 
riesige  Kraft  dieses  'i'hier  verfügt,  konnten  Avir  später  sehen,  als 
wir  es  in  einer  leeren  Flaschenkiste  zum  Wintertransport  unter- 
bringen wollten.  Drei  kräftige  Javanen  versuchten  umsonst,  sie  in 
diesem  Behälter  unterzubringen;  eine  einzige  Schlinge  des  Körpers, 
welche  sie  über  den  Kistenrand  hinausstreckte,  erforderte  eine  ganze 
Manneskraft,  um  wieder  hineingestossen  zu  werden.  Schliesslich 
gelang  es  uns  zu  fünfen,  das  Thier  zu  bewältigen. 

Bei  einer  andern  Gelegenheit  trafen  wir  im  Walde  einen  grossen 
Python,  der  so  vollgefressen  war,  dass  er  sich  nur  ganz  langsam 
bewegen  konnte.  Er  Hess  sich,  ohne  Widerstand  zu  leisten,  todt 
schiessen  und  es  zeigte  sich,  dass  er  ein  ziemlich  grosses  Wild- 
schwein gefressen  hatte.  Auch  an  Kidiangs  {Cervulus  munijac)  soll 
er  sich  wagen  und  solclie  selbst  mit  sammt  dem  Geweih  hinunter- 
würgen. 

Dagegen  halte  ich  die  vielen  Erzählungen,  dass  dieser  Python 
auch  den  Menschen  anfalle,  für  Erfindungen. 
Der  malayische  Name  ist  „Ular  sawah". 


Farn.  Ilysüdae. 

CjjJindrophis  rufus  Laub. 

1  Expl.  von  Kertadjaja  (Kissling  1902).  Tot.  Länge  37  cm, 
Schwanz  7  mm. 

1  Expl.  von  Benakat,  Lematang  ilir  (Volz  1900),  19  Schuppen- 
reihen.    Tot.  Länge  22  cm,  Schwanz  0,5  cm,  V.  213,  Sc.  7. 

Rechtes  Parietalschild  verschmolzen  mit  dem  Supraoculare. 

Gefangen  auf  einem  Waldweg.  Die  Malayen  nennen  diese  Art 
„Ular  kapala  dua",  die  „Schlange  mit  zwei  Köi)fen".  weil  bei  flüch- 
tigem Besehen  der  vom  Körper  niclit  abgesetzte  Kopf  sich  von  dem 
kurzen,  dicken  Schwanz  nicht  unterscheiden  lässt. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  33 


494  Walteh  Volz, 

Farn.  Coluhndae. 

AfjJfpha. 

Siibfam.  Cohibrinac. 

3.    TropiiJonotds  trianfßulifßef'us  Boie. 

1  Expl.  Kertacljaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  75  cm.  Schwanz  24  cm,  Y.  141,  Sc.  91. 

Die  dunkeln,  schwärzlichen  Flecke  sind  auf  das  Vorderende  des 
Körpers  beschränkt;  sie  setzen  sich  z.  Th.  als  schwarzer,  hinterer 
Rand  auf  die  Yentralschilder  fort.  Beiderseitig-  auf  der  5.  und  6. 
Schuppenreihe  (von  unten  gezählt)  eine  Reihe  weisser  Flecke  in  Ab- 
ständen von  ca.  1  cm.  Von  2  zu  2  Subcaudalschildern  die  Suturen 
dunkel. 

4.    Trojfidonotns  vlttatus  L. 

1  Expl.,  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Diese  Art  ist  neu  für  Sumatra,  bis  jetzt  war  sie  nur  bekannt 
für  Java  und  Celebes. 

Tot.  Länge  50  cm,  Schwanz  14,5  cm ;  Temporalia  1  -]-  2.  Aeusserste 
Schuppenreihe  ungekielt.  V.  140,  Anale  2,  Sc.  87.  Oben  braun,  mit 
5  schwarzen  Längsstreifen;  der  äusserste,  3^/..  Schuppen  breit,  be- 
ginnt direct  über  den  Ventralschildern,  die  an  ihrem  Seitenrande 
weiss  gefärbt  sind.  Dann  folgt  ein  l^o  Schuppen  breiter,  brauner 
Längsstreif,  hierauf  ein  l'/^  Schuppen  breiter,  schwarzer  Längsstreif 
(welcher  der  typischen  T.  vittatus  von  Java  fehlt);  hierauf  ein  2 
Schuppen  breiter,  brauner  Längsstreif  und  auf  dem  Rücken,  in  der 
Mittellinie,  der  2  Schuppen  breite  Rückenlängsstreif.  Die  2,  der 
typischen  Art  fehlenden,  mittlem  Längslinien  verschwinden  in  der 
Gegend  über  der  Kloake.  Ventralen  weiss,  an  der  Basis  mit  schwarzem 
Rande, .  der  sich  gegen  die  Seiten  hin  bedeutend  verbreitert.  Kopf 
oben  schwarz;  Internasalia,  Praefrontalia,  Frenale  und  Praeocularia 
mit  dunkel  gelbem  Fleck;  Ober-  und  Unterlippe  weiss,  Suturen 
zwischen  den  einzelnen  Lippenschildern  schwarz. 

5.    Tvopidouotus  cJirfjsargus  Schlegel. 

1  Expl.  aus  einem  ,.Schürfloch"  in  der  Nähe  von  Pagarkaja 
(Musi   ilir)  (Volz,   9.6.  1900).     Tot.  Länge  49  cm,   Schwanz  12,5  cm. 


Schlangen  von  Palembang  (Sumatra).  495 

V.  138,  Sc.  65.  Internasale  etwas  kürzer  als  Praefrontale ;  1  Prae- 
ocnlare,  4  Postocnlaria;  9  obere  Labialia,  4..  5.  und  6.  ans  Aug-e 
herantretend;  6  untere  Labialia  in  Contact  mit  den  vordem  Kinn- 
schildern. 

Die  deutlichen  gelben  Seitenflecke  dunkel  gerändert.  Die 
dunkeln  Flecke  seitlich  auf  den  Ventralschildern  beginnen  erst  vom 
30.  Schild  an  regelmässig-  aufzutreten. 


6.  Ti'oxndonotus  maculatus  Edeling. 

1  Expl.  aus  einem  ,,8chürfloch"  bei  Benakat  (Lematang  ilir), 
(VoLz  1900). 

Tot.  Läng-e  18,5  cm,  Schwanz  2,5  cm,  V.  144,  Sc.  38  (Schwanz 
nicht  g-anz  vollständig). 

7.  Mact'opistliodoii  rJiodomclas  Boie. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Läng-e  59  cm,  Schwanz  11,5  cm.  V.  140,  Sc.  49. 

Die  Reihe  schAvarzer  Punkte  zu  beiden  Seiten  des  Bandes  fehlt. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  44  cm,  Schwanz  8  cm,  V.  142,  Sc.  51. 

In  einiger  Entfernung  vom  Kopfe  ist  je  die  zweite,  schräge 
Schuppenreihe  (von  vorn  unten  nach  hinten  oben)  hinten  dunkel 
gerändert. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  50  cm,  Schwanz  7  cm  (vertrocknet). 

1  Expl.  Muara  Rupit  (Yolz  1901). 

Tot.  Länge  51  cm,  Schwanz  7  cm,  V.  140,  Sc.  32. 

8.    Coliiber  oxtßcephalus  Boie. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  145  cm,  Schwanz  33,5  cm,  V.  248,  Sc.  125. 

Frontale  kürzer  als  seine  Distanz  vom  Vorderende  des  Kopfes 
oder  vom  Rostrale.  Temporalia  rechts  2  + 4.  links  2-}- 3.  11  obere 
Labialia,  6  und  7  im  Contact  mit  dem  Auge.  Schuppen  in  25 
Reihen.  \'entral-  und  Subcaudalschilder  mit  starkem  Lateralkiel. 
Schwanzschuppen  Aveiss,  mit  braunem  Rande.  Suturen  der  Sub- 
caudalschilder unten  dunkel,  der  Kiel  weiss. 

33* 


496  Walter  Volz, 

9.    Coluber  nielaniirns  Schlegel. 

1  Expl.  von  Tandjimg  laut  (Volz  2.  I.  1902). 

Tot.  Länge  163  cm,  Scliwanzlänge  38  cm,  V.  211,  Sc.  100. 
Auf  dem  Nacken  23,  auf  dem  Körper  19  Scliuppenreihen. 

Diese  Art  erbeuteten  wir  innerhalb  zweier  Tage  in  3  Exemplaren. 
Bei  einem  meiner  Bekannten  war  Nachts  eine  solche  Schlange  in 
seinem  Hause  in  einen  Taubenkäfig  eingedrungen  und  eben  damit 
beschäftigt,  einen  der  Vögel  zu  erwürgen,  als  sie  überrascht  und 
getödtet  wurde.  Ein  anderes  Exemplar  hatte  das  Firstholz  eines 
Hauses,  das  als  Stall,  Badekammer  etc.  diente,  zum  Aufenthalts- 
orte gewählt  und  stellte  dort  den  Ratten  nach.  Da  sie  sich  gelegent- 
lich im  Badezimmer  aufhielt,  so  wurde  sie  ebenfalls  geschossen,  weil 
man  nicht  wusste,  ob  es  eine  gefährliche  Art  war  oder  nicht.  Am 
selben  Tage  brachte  man  mir  eine  derselben  Species,  von  der  die 
Malayen  behaupteten,   es  sei  eine  jung«  „Ular  sawah"  oder  Python. 

Diese  Schlange  kann  ausserordentlich  gut  und  schnell  klettern. 

10.    jDendrophis  inctus  Gmelin. 

1  Expl.  von  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  186,5  cm,  Schwanz  35  cm,  V.  156  i),  Sc.  143. 

Ventralreihen  der  Schuppen  bedeutend  verbreitert,  IVo — 2  mal 
so  breit  wie  die  zweitäusserste  Schuppenreihe,  also  ähnlich  wie  bei 
D.  formosus  Boie.  16  cm  hinter  dem  Vorderende  des  Körpers  ist 
die  Farbe  oben  broncebraun,  die  Ventral-  und  Bauchschilder  sind 
schwarzgrün  mit  hellerm  Rande;  auf  der  äussersten  Schuppenreihe 
verläuft  eine  mehr  oder  weniger  deutliche  weisse,  nach  unten  dunkel 
begrenzte  Linie.  Dies  ist  die  typische  Färbung  dieser  Species, 
Weiter  vorn  ist  aber  der  Körper  oben  und  seitlich  heller,  fast  weiss, 
mit  deutlichen,  von  vorn  oben  nach  hinten  unten  gerichteten, 
schwarzen  Streifen,  45**  zur  Längsaxe  des  Körpers  geneigt,  be- 
ginnend an  den  Vertebralschildern  und  endigend  an  der  schwarzen 
Linie  der  äussersten  Schuppenreihe.  Diese  Schrägbänder  sind  nach 
vorn  mehr  und  mehr  verschwommen.  Kopf  von  gewöhnlicher  Färbung. 

Kopfschilder  normal  wie  bei  den  übrigen  Exemplaren  von 
D.  pictus.  Auge  kürzer  als  bei  B.  formosus  Boie,  der  andern  Art 
Sumatras. 


1)  Nach  G-.  A.  Boulenger,    Cat.  Snakes   Brit.  Mus,,    V.  2,    1894, 
p.   79,  beträgt  die  Anzahl  der  Ventralen   165 — 190. 


Schlangen  von  Palembang  (Sumatra).  497 

1  Expl.  von  gleiclier  Herkunft  und  ähnlicher  Färbung  wie  das 
erste;  vorderster  Abschnitt  des  Körpers,  mit  Ausnahme  der  Vertebral- 
und  Ventralschilder,  fast  weiss,  die  obere  Hälfte  der  Schupi)en  mit 
dunklerer  Zeichnung. 

Tot.  Länge  74  cm,  Schwanz  27  cm,  V.  155.  Sc.  138. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  36  cm,  Schwanz  10,5  cm,  V.  130,  Sc.  75. 

Oben  braun,  am  Vorderrande  mit  alternirenden,  dunklern  Flecken  ; 
Ventralschilder  hell,  an  der  (xrenze  der  Schuppen  eine  dunklere, 
namentlich  am  Sclnvanzende  deutliche  Begrenzungslinie. 

1  Expl.  Tandjung  laut  (Volz  1901). 

Tot.  Länge  64  cm,  Schwanz  16,5  cm,  V.  174,  Sc.  76. 

Oberseite  dunkel,  auf  Vorderkörper  und  Kopf  fast  schwarz. 
Oberlippe,  Kopfunterseite  und  Kehle  gelb,  nach  hinten  dunkler 
werdend. 

1  Expl.  Tandj.  laut  (Volz  1901). 

Tot.  Länge  85  cm,  Schwanz  26  cm,  V.  174.  Sc.  105. 

Von  dunkler  Färbung;  gelbe  Seitenlinie  kaum  angedeutet. 

1  Expl.  Tandj.  laut  (Volz  1902). 

Wie  das  vorige  gefärbt. 

Tot.  Länge  73  cm,  Schwanz  24,5  cm,  V.  179,  Sc.  136. 

11.    AbUihes  ballodirus  Boie. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  36  cm,  Schwanz  10,5  cm,  V.  130,  Sc.  75. 

Oben  braun,  am  Vorderende  mit  alternirenden,  dunklern  Flecken, 
Ventralschilder  hell,  an  der  Grenze  der  Schuppen  eine  dunklere, 
namentlich  am  Schwanz  deutliche  Begrenzungslinie. 

12.    CataiiUfi'ia  leucocephala  Dum.  u.  Bibr. 

1  Expl.,  gefangen  auf  der  Strasse  zwischen  Supat  und  Dawas 
(Afd.  Banju  asin),  (Volz  1901). 

Tot.  Länge  30,5  cm,  Schwanz  4,5  cm,  V.  136,  Sc.  34. 

Hintere  Kinnschilder  durch  2  hinter  einander  gelegene  Schild- 
chen getrennt.  Oberseite  des  Kopfes  vom  Auge  nach  vorn  dunkel 
braun  wie  der  Eücken,  nach  hinten  bis  zu  der  dritten  Schuppen- 
reihe orangegelb. 


498  Walter  Volz, 

Opisthoglijpha. 
Subfam.  Homälopsinae. 

13.    Hijpmrhina  enhydris  Schneid,  ixtr.  hilineata  Geay. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  52  cm,  Schwanz  9,5  cm.  V.  160.  Sc.  58. 

21  Schuppenreilien. 

Diese  Art  ist  neu  für  Sumatra. 

14.    Cerberiis  rhyncliopH  Schneid. 

1  Expl.  Tandjung-  laut  (Yolz  1902). 

Tot.  Länge  68  cm.  Schwanz  13  cm,  V.  142,  Sc.  53. 

15.    Cantoria  violacea  Gieard. 

1  Expl.  Tandjung  laut  (Volz  1902). 

Tot.  Länge  75  cm,  Schwanz  10  cm,  V.  273,  Sc.  62. 

Diese  seltene  Schlange  ist  neu  für  Sumatra.  Bis  jetzt  war  sie 
bekannt  von  der  Mündung  des  Mulmein-Flusses  (Birmah),  von  Singa- 
pore  und  Borneo. 

Frontale  gleich  lang  wie  breit  und  wie  sein  Abstand  vom 
Vorderende  des  Kopfes,  kürzer  als  die  Parietalen.  Frenale  gleich 
lang  wie  hoch.  Auch  die  Hälfte  des  vierten,  untern  Labiale  be- 
rührt die  vordem  Kinnschilder,  letztere  sind  länger  als  die  hintern. 
19  Schuppenreihen. 

Küi'per  oben  schwarzgrau;  von  den  weissen  Querbändern  sind 
nur  schwache  Spuren  in  Form  einzelner  weisser  Fleckchen  vor- 
handen, am  deutlichsten  am  Halse.  Kopf  oben  von  gleicher  Farbe 
wie  der  übrige  Körper,  unten  bräunlich.    Bauch  einförmig  weissgrau. 

Subfam.  Dipsaäomorphinae. 

16.   Dipsadomorphiis  dendrophilus  Boie  var.  mela- 

notus  Blke. 

1  Expl.  Tandjung  laut  (Volz  1902). 
Tot.  Länge  175  cm,  Schwanz  33  cm,  V.  220,  Sc.  95. 
Jederseits  stehen  33  gelbe  Flecken,  die  sich  weder  dorsal-  noch 
ventralwärts  berühren. 


Schlaugen  von  Palembang  (Sumatra).  499 

Dies  ist  eine  der  liäufigsteu  Schlang'en.  die  ich  wählend  meines 
Aufenthalts  in  Sumatra  antraf:  jedoch  sah  ich  sie  nie  draussen  und 
am  Tage,  sie  scheint  viehnelir  ein  nächtliches  Leben  zu  führen. 
Das  erste  Exemplar,  das  mir  gebracht  wurde,  fing  man  im  Walde 
nördlich  von  Benakat.  Ein  anwesender  .lavane  nahm  sie  furchtlos 
in  die  Hand.  Namentlich  die  Hühnerställe  erhalten  von  dieser 
Schlange  Besuch,  und  öfters  wurden  wir  Nachts  vom  Geschrei  der 
geängstigten  Hühner  geweckt,  die  entweder  vom  Musang  iPara- 
doxurm  henuaphroditus)  oder  dieser  Bipsaäomorphus- kvi  belästigt 
worden  waren.  Einmal  war  eines  der  Hühner  von  der  Schlange 
schon  umschlungen,  aber  noch  nicht  erwürgt;  später  erholte  es  sich 
sogar  von  tlem  Schreck.  In  der  Nähe  von  Tandjung  laut  allein 
tödteten  meine  Leute  von  dieser  Schlangenart  in  wenig  Wochen 
4  Stück. 

17.    Dij^sadoniorphtis  }ü<jriveps  Güxth. 

1  Expl.  Tand  jung  laut  (Volz  1901). 

Tot.  Länge  140  cm.  Schwanz  84  cm.  V.  252.  Sc.  134. 


18.   JJipsadomorplius  Jaspideus  Dum.  et  Bebe. 

1  Expl.  Pagarkaja  (Volz  1900). 

Tot.  Länge  109  cm,  Schwanz  30  cm,  V.  251,  Sc.  153,  Anale 
ungetheilt. 

Diese  Schlange  ist  neu  für  die  Insel.  Bisher  kannte  man  sie 
nur  von  Penang.  Borneo  und  Java. 

Auge  gleich  lang  wäe  die  Schnauze;  Internasalia  ein  wenig 
breiter  als  lang,  ein  wenig  länger  als  die  Praefrontalia ;  Frontale 
l^^mal  länger  als  breit,  länger  als  die  Schnauze,  kürzer  als  die 
Parietalia.  Frenale  etwas  höher  als  breit;  rechts  2,  links  1  Prae- 
oculare;  2  Postocularia.  Temporalia  2 -{-2.  8  obere  Labialia.  3..  4. 
und  5.  ans  Auge  herantretend;  5  untere  Labialia  (wovon  das  erste 
Paar  nur  wenig  kürzer  ist  als  die  vordem  Kinnschilder)  im  Con- 
tact  mit  den  vordem  Kinnschildern.  welch  letztere  gleich  lang  sind 
wie  die  hintern,  diese  sind  in  der  Mitte  durch  einen  unpaaren  Schild 
getrennt.  Auf  sie  folgt  noch  ein  drittes,  etwas  kürzeres  Paar  von 
Kinnschildein  und  dann  gleich  der  erste  Ventralschild.  Schuppen 
in  21  Iteihen,  dorsale  Beihe  bedeutend  breiter  als  die  übrigen. 

Oben  braun,  mit  dunklern  Pünktchen ;  auf  den  Seiten  mehr  oder 
weniger    deutliche,    schwarzbraune,    unterbrochene    Bändchen     und 


500  Walter  Volz, 

Streifen,  in  Abständen  von  diirchschnittlicli  1  cm ;  darnnter  ein  mehr 
oder  weniger  deutlicher  weisser  Fleck.  Kopf  brann,  mit  schwarzen 
Zeichnungen,  die  hell  umrandet  sind;  vom  Occiput  aus  verläuft  auf 
den  Hals  ein  schwarzbraunes  Band,  das  hell  gerändert  ist.  Ober- 
lippe hell,  die  Suturen  zwischen  den  einzelnen  Labialen  dunkel. 
Unterseite  hell,  im  ersten  Drittel  einfarbig,  weiter  nach  hinten  braun 
getüpfelt. 

Auf  folgende  Weise  kam  ich  in  den  Besitz  dieser  Schlange: 
Nahe  beim  Dorfe  Pagarkaja  hatte  ich  ein  kleines  altes  Häuschen 
gemiethet.  Eines  Abends,  als  mein  Diener  mein  Feldbett  zurecht 
machen  wollte,  lag  unter  dem  Kopfkissen  zusammengerollt  eine 
Schlange,  die  bei  dem  nunmehr  entstehenden  Geschrei  eilig  zu  ent- 
kommen suchte.  Sie  wand  sich  dabei  ausserordentlich  geschickt 
an  den  Pfählen  und  zwischen  den  Rindenstücken,  aus  denen  das 
Haus  bestand,  empor,  wurde  aber,  als  sie  sich  zwischen  den  Palm- 
blättern des  Daches  verstecken  wollte,  erschlagen. 

1  Expl.  Muara  Lakitan  (Volz,  Jan.  1901). 

Internasalia  etwas  länger  als  Praefrontalia ;  Frontale  l^'^mal 
so  lang  wie  breit,  wenig  kürzer  als  die  Parietalia.  Rechts  1,  links 
2  Praeocularia.    Temporalia  3-\-2. 

Tot.  Länge  110  cm,  Schwanz  31  cm,  V.  251,  Sc.  157. 

Im  übrigen  stimmt  dieses  Exemplar  mit  dem   vorigen  überein. 

Dieses  Thier  wurde  in  dem  Hause  von  chinesischen  Kulis  ge- 
fangen. Es  hatte  sich  unter  einer  Schlafmatte  versteckt  und  kam 
hervor,  als  sich  der  Eigenthümer  derselben  darauf  legen  wollte. 


19.   Dipsado^norplnis  (Irapie^li  Boie. 

1  Expl.  nördlich  von  Benakat  (Volz  1900). 

Tot.  Länge  112  cm,  Schwanz  30  cm,  V.  267,  Sc.  155. 

Frenale  gleich  hoch  wie  breit,  Temporalia  2-|-3;  3. — 5.  oberes 
Labiale  ans  Auge  herantretend;  6  untere  Labialia  im  Contact  mit 
den  vordem  Kinnschildern,  welche  etwas  länger  sind  als  die  hintern. 

Die  dunklern  Querbänder  des  Körpers  sind  3 — 4  mal  so  breit 
wie  die  hellen.   Dunkle  Longitudinalreihen  der  Bauchschilder  deutlich. 

20.    Di'yophis  prasinus  Boie. 

3  Expl.  von  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  90  cm,  Schwanz  31,5  cm,  V.  216,  Sc.  158. 


Schlangen  von  Palembang  (Sumatra).  501 

Tot.  Lauge  108  cm,  Schwanz  37  cm.  V.  220,  Sc.  181. 

Tot.  Länge  180  cm,  Schwanz  57  cm,  V.  219,  Sc.  165. 

3  Exp].  von  Tandjung  laut  (Volz  1901  und  1902). 

Tot.  Länge  70  cm,  Schwanz  23,5  cm,  V.  206,  Sc.  165. 

Tot.  Länge  153  cm,  Schwanz  52  cm,  V.  219,  Sc.  167. 

Tot.  Länge  165  cm,  Schwanz  56  cm,  V.  218,  Sc.  172. 

Diese  schöne  Schlange  ist  nirgends  selten.  Meist  lebt  sie  auf 
Sträuchern,  und  ich  fing  das  grösste  Exemplar  in  meinem  Garten. 
Sie  scheint  nicht  besonders  bissig  zu  sein,  ein  Eingeborner  nahm 
sie  wenigstens  furchtlos  in  die  Hand. 

Das  kleinste  Exemplar  meiner  'Sammlung  zeigt  eine  von  der 
gewöhnlichen  etwas  abweichende  Färbung;  das  Grün  des  Rückens 
ist  weniger  intensiv.  Die  gelbe  Seitenlinie  des  erwachsenen  Thieres 
ist  hier  in  der  vordem  Hälfte  dunkel;  auf  der  Mittellinie  des 
Bauches  verläuft  eine  dunkle  Linie.  Oberlippe  gelb,  mit  dunkeln 
Punkten,  Unterseite  des  Kopfes  hell  gelb. 

21.    Chrysoi}elea  omata  Shaw. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  75.5  cm,  Schwanz  20,5  cm,  V.  219,  Sc.  130. 

Dieses  sowie  das  folgende  Exemplar  gehören  zu  der  Varietät 
A.  Boulexgee's.  ') 

1  Expl.  Tandjung  laut  (Volz  1902). 

Tot.  Länge  84  cm,  Schwanz  23,5  cm,  V.  222,  Sc.  136. 

Die  Grundfarbe  des  Körpers  ist  schwarz,  jede  Schuppe  mit 
einem  rundlichen  oder  ovalen  Fleck,  w^elche  auf  den  Seiten  des 
Körpers  schwarzgrün,  auf  dem  Rücken  schwefelgelb  bis  röthlich  und 
bis  etwa  zum  ersten  Körperdrittel  wie  bei  vierl)lättrigen  Blumen 
angeordnet  sind.  Weiter  nach  hinten  verschwimmt  diese  regel- 
mässige Anordnung  manchmal  und  fehlt  auf  dem  Schwanz  ganz, 
hier  fehlen  auch  die  intensiv  gelben  und  röthlichen  Töne;  auf  dem 
Nacken  ein  grosser,  auf  dem  Halse  mehrere  kleinere  gelbrothe  Flecke. 
Die  meisten  Suturen  zwischen  den  Kopfschildern  gelb.  Oberlippe 
gelb,  die  Schilder  oben  schwarz  gerändert,  2.  und  3.  Supralabiale 
mit  schwarzem  Fleck.  Kopfunterseite,  Kehle  und  Vordertheil  des 
Bauches  gelb,  im  Uebrigen  die  Bauchschilder  dunkel  grün,  nach  hinten 
mit  schwarzen  und  gelben  Rändchen. 


1)  Cat.  Snakes  Brit.  Mus.,  V.  3,  p.   197, 


502  Walter  Volz, 

22.    Chryso2)elea  cJirt/socJiIora  (Reinw.)  Schle&el. 

1.  Expl.  bei  Muara  Rupit  auf  der  Strasse  gefangen  (Volz  1901). 
Tot.  Länge  64  cm,  Schwanz  17  cm.  Y.  192.  Sc.  97. 

Proteroglypha. 

Subfam.  Hydropliiinae. 

In  dem  fischreichen  Bauju  asin  (Aestuar  an  der  Nordküste  der 
Residenz  Palembang)  lebt  eine  Anzahl  von  proteroglyphen  Schlangen. 
Einzelne  Arten  sind  so  häufig,  dass  die  Fischer  fast  jedesmal,  wenn 
sie  ihre  reusenartig-en  Netze  ziehen,  ein  bis  mehrere  Exemplare  in 
dem  Gewimmel  von  Fischen  und  Krebsen  finden.  Sie  hüten  sich 
deshalb  wohl,  mit  den  Händen  die  Beute  zu  durchmustern,  benutzen 
vielmehr  zu  diesem  Zweck  ein  aus  zwei  Bambusstäbchen  gefertigtes 
scheerenartiges  Instrument.  Sind  Schlaugen  dabei,  so  wird  den- 
selben im  Nacken  die  Scheere  angesetzt,  worauf  man  sie  wieder 
lebend  und  unversehrt  ins  Meer  wirft.  Ich  selbst  wohnte  einem 
Fange  bei,  wo  zugleich  3,  ein  anderes  Mal,  wo  auf  einmal  5  Wasser- 
schlangen gefangen  wurden,  und  den  fischenden  Malaj^en  war  dies 
nichts  Besonderes.  Es  soll  wohl  vorkommen,  dass  die  Leute  ge- 
legentlich gebissen  werden,  doch  ist  die  Gefahr  nicht  gross,  w^eil 
diese  Schlangen  einen  sehr  kleinen  Mund  haben  und,  wenn  sie  unter 
den  andern  Thieren  auf  dem  Boden  des  Bootes  liegen,  so  ist  ihre 
auf  dem  Trocknen  ohnehin  geringe  Beweglichkeit  noch  mehr  ge- 
hemmt. Von  einem  einzigen  Todesfall  bei  einem  Menschen  in  Folge 
eines  Bisses  dieser  Wasserschlangen  wurde  mir  berichtet. 

23.    Hudroi}Tiis  fasciattis  Schneid.  ^) 

1  Expl.  Bantung-Fluss  bei  Tandjung  laut  (Volz  1902). 

Tot.  Länge  92  cm,  Schwanz  8,5  cm,  V.  405. 

Kopf  sehr  klein,  Rostrale  etwas  breiter  als  hoch,  1  Postoculare. 
Rechts  1  vorderes  und  kein  hinteres,  links  2  vordere  und  1  hinteres 
Temporale.  Die  hintern  Kinnschilder  berühren  sich  nur  vorn,  hinten 
schieben  sich  einige  Schuppen  dazwischen.     Um  den  Hals  31,  um 


1)  Herrn  Dr.   F.  Weknee,  iu  Wien  bin  ich  für  seine  Angaben  über 
dieses  Thier  zu  Dank  verpflichtet. 


Schlangen  von  Palembang  (Sumatra).  503 

den   Körper    41    Schuppenreihen.      Ventralschilder    auch    auf    den 
weissen  Partien  des  Körpers  dunkel  j^efleckt. 


24.    Enhtjdrina  vahfhadi'eH  Boie. 

1  Ex])!.  Banju  asin  (Volz,  Oct.  1901j. 

Tot.  Länge  51  cm,  Schwanz  7  cm. 

Rostrale  nach  unten  zahnförmig-  vorspringend;  Frontale  oval; 
2  Postocularia,  8  obere  Labialia,  das  4.  allein  tritt  ans  Auge,  5.-8. 
sehr  klein ;  in  der  Halsregion  49,  um  den  Körper  55  Schuppen.  Die 
grauen  Bänder  der  Oberseite  dehnen  sich  nur  bis  etwa  zur  Hälfte 
der  Körperhöhe  aus. 

Im  Darm  fanden  sich  mehrere  Exemplare  von  Xenopterns  naritus 
EiCHARDs.  von  5  cm  Länge. 

Subfam.  FJapinae. 

25.  Doliopliis  bivivgatus  Boie  var.  ßavieeps  Tant 

1  Expl.  auf  der  Strasse  Supat-Dawas  (Volz  1902). 
Tot.  Länge  26  cm,  Schwanz  2,5  cm,  V.  242,  Sc.  35. 

26.  DoJiopliis  fnteMiiialis  Laue.  var.  Jineata  Geai. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kisslixg  1902). 

Tot.  Länge  21,5  cm,  Schwanz  1,2  cm,  V.  157,  Sc.  20. 

Farn.  Amhhjrcphalidae. 

27.    Anihlycephalus  nialaccanus  Peters. 

1  Expl.  Benakat  (Volz  1900). 

Tot.  Länge  38  cm,  Schwanz  5  cm.  V.  151,  Sc.  33. 

1  Expl.  Palembang  (Volz  1901). 

Oberkiefer,  namentlich  bei  dem  einen  Stück,  bedeutend  über 
den  untern  vorragend.  Köri)erfarbe  graubraun  mit  seitlichen  dunkel 
braunen  bis  schwarzen  Querbändern,  die  sich  auf  der  Medianlinie  des 
Rückens  oft  vereinigen  und  beiderseitig,  längs  der  untern  Schuppen, 
durch  ein  gleichfarbiges  Band  verbunden  sind. 

Beide  'l'hiere  wurden  in  sog.  Scliürflöchern.  in  die  sie  gefallen 
wareiL  gefunden. 


504  Walter  Volz, 

Fam.  Viperidae. 
Subfam.  Crotalinae. 

28.   Lachesis  siiniatramis  Eaffles. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902). 

Tot.  Länge  81  cm,  Schwanz  9,5  cm,  Y.  194,  Sc.  69. 

Die  zwei  Reihen  weisser  Flecken  zu  Seiten  des  Körpers  und 
die  gelbweisse,  nach  unten  schwarz  begrenzte  Längslinie  auf  der 
äussersten  Schuppenreihe  sehr  deutlich. 

1  Expl.  Tandjung  laut  (Volz  1901). 

Tot.  Länge  112  cm,  Schwanz  18,5  cm,  V.  190,  Sc.  68. 

Oben  einfach  grün  (die  grüne  Farbe  wurde  theilweise  durch 
das  Formalin  ausgezogen);  obere  Hälfte  der  äussersten  Schuppen- 
reihe weiss.  Vom  Auge  aus  läuft  nach  hinten  ein  weisser  Strich, 
ähnlich  wie  bei  L.  ivagleri  Boie,  der  gegen  das  Ende  des  Kopfes 
hin  verschwindet.  Bauchschilder  grün,  weiss  gerandet,  Unterseite 
des  Schwanzes  vorn  röthlich  -  weiss,  welche  Farbe  sich  alternirend 
auf  beiden  Seiten  6  mal  fleckenartig  in  die  grüne  Farbe  der  Eücken- 
seite  fortsetzt.    Schwanzende  roth. 

1  Expl.  Tandjung  laut  (Volz  1901). 

Tot.  Länge  79  cm,  Schwanz  12,5  cm,  V.  193,  Sc.  72. 

Diese  beiden,  sehr  gefährlichen  Schlangen  wurden  zwischen  den 
Balken  des  Fussbodens  eines  malayischen  Wohnhauses  gefangen. 
]\Ian  hatte  ihnen  einen  Stock  auf  den  Hals  gedrückt,  auf  welchen 
ein  Malaye  trat  und  nun  den  Kopf  mit  einer  Rotanschlinge  am 
Stock  befestigte.  Auf  diese  Weise  wurden  sie  mir  beide  lebend 
überbracht. 

29.   Lachesis  wagleri  Boie  var.  D.  Boül.  i) 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902),  schlecht  erhalten. 

1  Expl.  von  ebendaher,  juv. 

Tot.  Länge  40  cm,  Schwanz  7  cm,  V.  150,  Sc.  56. 

Von  den  Subcaudalen  sind  1 — 3  doppelt,  4 — 11  einfach  und  der 
Rest  wieder  doppelt.  Körperfarbe  grün,  zu  beiden  Seiten  des  Kopfes, 
vom  Vorderende  der  Lorealvertiefung  bis  zum  Hinterende  des 
Kopfes,  ein  heller,  deutlicher  Strich,   der  durch  das  Auge  verläuft. 

1)  1.  c,  p.  564. 


Schlangen  von  Palembang  (Sumatra).  505 

Beiderseits  von  der  Rückenlinie  je  eine  Reihe  gelber  Flecke,  bis  auf 
den  Schwanz  laufend.    Schwanzende  heller,  im  Leben  roth. 

1  Expl.  Kertadjaja  (Kissling  1902)  juv. 

Tot.  Länge  40  cm,  Schwanz  7  cm,  Y.  151,  Sc.  54. 

Der  1. — 3.  Subcaudalschild  doppelt,  4. — 8.  einfach  und  der  Rest 
doppelt;  Färbung  wie  das  obige. 

1  Expl.  vom  gleichen  Orte. 

Länge  vom  Yorderende  zur  Kloake  19,5  cm,  Y.  140;  Schwanz 
abgebrochen,  die  11  vorhandenen  Subcaudalschilder  alle  doppelt. 
Färbung  wie  bei  den  vorigen,  jedoch  die  gelben  Seitenflecke  be- 
deutend grösser  und  deutlicher. 


506  Walter  Volz, 


Da  durch  die  Sammlung  von  Dr.  Kisslixg  und  die  meinige  die 
Liste  der  sumatranisclien  Schlangen  wieder  etwas  vermehrt  wurde, 
so  lasse  ich  ein  Verzeiclmiss  aller  bis  jetzt  aus  Sumatra  bekannter 
Schlangen  folgen,  wobei  ich  vor  allem  die  gute  Zusammenstellung 
von  F.  Werner  ^)  benutze : 

Farn.    Typhlopidae. 

1.  Typhlops  lineaius  Boie  3.   Tijphlops  nigroalbus  D.  B. 

2.  .,        hravihviis  Daud.  4.  „  muelleri  Schleg. 


Farn.  Boidae. 

Subfam.  Pi/thoniime. 

5.  Python  »lolurns  L.  7.  Pfjflton  reticidaius  Schneid. 

6.  „        eurtxs  Schleg. 


Farn,  llijsiidae. 

8.  Ä)ioinalochUus    ireheri    v.    L.    d.      9.   Cylindrophis  rnfiis  Laur. 
Jeude 


Fam.   Xe)iopeltidae. 

10.  Xenopeltis  nnicolor  Reinw. 

Fam.   f'olubridae. 
Aglypha. 

Subfam.  AcrocJwrdinae. 

11.  Acrochordus  javanicus  Hörnst.      13.  Xoiodermus  javanicus  Reinw. 

12.  Chersijdriis  granulatns  ScHN. 


1)  F.  "Werner,  Reptilien  und  Bati-achier  aus  Sumatra,  gesammelt 
von  Herrn  Gustav  Schneider  jr.  im  Jahre  1897 — 98,  in:  Zool.  Jahrb., 
V.   13,  Syst.,   1900,  p.  500. 


Schlangen  von  Palembang-  (Sumatra). 


507 


Subfam.   Colnbrinae. 


14.  Poli/doi/loj/his  (jciiiinatus  BoiE  38. 

15.  Trojndonotus  roiisj/ici/lafus  Gthk.  39. 

16.  „             ivi'iiKudüjerHs  BoiE  40. 

17.  „            vittatuH  L.')  41. 

18.  „                 chrjjsdiyus  SCHLEG.  42. 

19.  „             ntacul((tus  Edeling  43. 

20.  Macropisihodon  flaviccps  D.  B.  44. 

21.  Macropisthodon  rhodonidas  BoiE  45. 

22.  Opistliotropis  rngo-sa  v.  L.  DE  J.  46. 

23.  Elapoides  fusctis  BoiE  47. 

24.  Lycodon  aulieiis  L.  48. 

25.  „        effrenis  Cant.  49. 

26.  ,,        albofuscHs  D.  B.  50. 

27.  „         snbchictus  BoiE  51. 

28.  Dri/occdamns  siibannuhdus  D.  B.  52. 

29.  Zaocys  caritiatvs  Gthr.  53. 

30.  „       fiiücus  Gthr.  54. 

31.  Zamrni.s  korros  Schleg.  55. 

32.  Xendaphis  J/exarjotiofiis  Cant.  56. 

33.  Colubcr  j)orj)htjr<iceus  Caxt.  57. 

34.  „       tacninriis  Cope.  58, 

35.  „       oxycpphalu.s  Boie  59. 

36.  „       nirlanums  Schleg.  60. 

37.  ..       nidiatns  Schleg. 


Dendrophis  picius  Gmel. 

,,         for))iosi(s  Boie 
DeiidrflapJiis  caudolmcalus  Gray. 
Ablabes  trii-olor  ScHliEG. 
„         halioiliru.s  Boie 
„         lütigicaiida  Peters 
Diadophis  Jiipnnctahtü  V.  L.  d.  J. 
Pseudorhabdium  lonyiceps  Cant. 
Simoles  purfiurascrns  Schleg. 
„  orioJiiieatiis  Schxeed. 

„         signalus  Gthr. 
Oliyodon  trilineatus  D.  B. 
Cfdaninria  reriitiformis  D.  B. 

„  niargaritifera  Blkr. 

„  sta/dknechfi  Stol. 

„  hoevbni  Edeling. 

„  sumcdrana   Edeling. 

„  rirgulafa  BoiE 

„  hucocephala  D.  B. 

„  agamcnsis  Blkr. 

„  leitcognster  Blkr. 

„  mclanota  Jan 

IgnaiiognatJms  iverneri  Blgr. 


Opisthoglypha. 

Subfam .   Iloimdopsin ac. 

61.  IIi//isirl/iiia  idumhra  BoiE  65.   Ifoti/alojisis  biicmla  L. 

62.  „  enlnjdris  Schneid.       66.   Cerberus  rhgiicho/is  Schneid. 

63.  „  fdboniacnkdn  D.  B.      67.  Cantovla  violacea  Girard 

64.  ..  /nnirfjd'i  Gray. 


Subfam.   Di/jsadotiiu/phiiKie. 

68.  I)ij)sado)i/(jr/thus  »inlfintarididiis  74.  Psannnodgndstcs  indveridodus 

Boie  Boie 

69.  DipsadomoriiJnis  dendroplnjus  75.  PsammodgiKisles  jticlus  Gthr. 

Boie  76.  f>rgii/)J//s  /jnisiiix.s  BoiE 

70.  Dipsadomorplnis  niip-iccjis  Gthu.  77.          ,,          fasciolntus  FlsCH. 

71.  „             Jasjtifh'HsD.B.  78.  Drgojdno/is  ruhesccufi  Gray. 

72.  „              dni/iirzi  BoiE  79.  Chrgsojirlea  ornrda  Shaw 

73.  „              rijinidoii  Boie  80.            ,.           chrgsocJdora  Rkixw. 


1)  Die  fett  gedruckten  Arten  sind  neu  für  Sumatra. 


508 


Walter  Yolz,  Schlangen  von  Palembaug  (Sumatra). 


P  r  0 1  e  r  0  g  1  y  p  h  a. 

Subfara.  IlijdropJi  ii/iae. 

81.  Hydrus  ]>latnrus  L.  83.  EnJn/drli/a  ralakadieii  BoiE 

82.  Hydrojihis  faxciatus  Schneid. 

Subfam.  Elcqnnae. 

84.  Bnngarns  fasciahts  Schneid.         88.  Naja  hungariis  Schleg. 

85.  „  candidiis  L.  89.   Callophis  gracüis  Geay. 

86.  „  flaviceps  Reinh.  90.  Doliopliis  hivirgaüis  BoiE 

87.  Naja  irijnidians  Meer.  91.  „  intestinalis  Laue. 

Farn.  Aniblycepliatidae. 
92.  Amhlyceplialiis  laevis  Boie  93,  AuMyceplmlus  malaccanus  Ptrs. 


Fam.    Viper idae. 
Subfam.    CrotaJinae. 


94.  Lachesis  monticola  Gthe. 

95.  „        purjntreoinacidatiis 

Geay. 

96.  „        gramineiis  Shaw. 


97.  Lachesis  snmatranus  Rafel. 

98.  „        puniceus  Boie 

99.  ,,         borneensis  Ptes. 
100.  „         iragleri  Boie. 


Nachdruck  verboten. 
Uebersetznnffsrecht   vorbehalten . 


Zur  Kenntniss  der   Suiden  Sumatras. 
(Reise  TOii  Dr.  Walter  Yolz.) 

Von 

Dr.  Walter  Yolz, 

Assistent  am  Zoolog.  Institut  der  Universität  Bern. 

Mit  Taf.  18,  1  Karte  und  2  Abbildungen  im  Text. 


Eiuleituug.  M 

Mehrere  Forscher,  die  sich  mit  den  Suiden  Ostasiens  be- 
schäftigten, drückten  den  Wunsch  aus,  man  möchte  doch  diesen 
Thieren  durch  Anlage  grösserer  Sammlungen  melir  Aufmerksamkeit 
schenken.  H.  G.  Stehlin  (19)^)  sagt  z.  B.  in  seinem  grundlegenden 
"Werke  (p.  486):  ,,.  .  .  Die  heutige  Vertheilung  (von  Babirusa)  auf 
zwei  oder  mehrere  Inseln  ist  sicher  nicht  durch  Meeresfahrten, 
sondern  durch  Absenkung  früherer  Verbindungen  zu  erklären. 

„Es  ist  sehr  wohl  möglich,  dass  eine  genaue  rntersuchung  der 
Verrucosusgruppe  nach  morphologischen  und  geographischen  Ge- 
sichtspunkten zu  ähnlichen  bedeutsamen  Winken  über  die  spätere 
Geschichte  des  südost-asiatischen  Archipels  führen   würde.     Ich  bin 


1)  Den  Herren  Prof.  Dr.  Th.  Studer  in  Bern  und  Dr.  H.  G.  Stehlin 
in  Basel,  welche  mich  mehrmals  durch  ihren  geschätzten  Rath  sowie  durch 
Ueberlassung  einschlägiger  Literatur  unterstützten,  danke  ich  an  dieser 
Stelle   auch  öffentlich. 

2)  Die  Zahlen  hinter  den  Autornamen  verweisen  auf  das  hinten 
stehende  Literaturverzeichniss. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abtb.  f.  Syst.  34 


510  Walter  Volz, 

nicht  in  der  Lage,  liier  auf  diesen  Punkt  näher  einzugehen,  möchte 
aber  doch  nicht  versäumen,  nachdrücklich  auf  denselben  hinzuweisen. 
Die  Schweine  bieten  vor  den  übrigen  Säugethiergeschlechtern  der 
Region  für  eine  solche  Untersuchung  den  doppelten  Vortheil,  dass 
sie  fast  auf  jeder  Insel  einen  Vertreter  haben  und  dass  sie  unge- 
wöhnlich rasch  auf  geographische  Isolirung  reagiren.  Wenn  irgendwo, 
so  würde  es  sich  daher  hier  verlohnen,  einmal  eine  Materialsamm- 
lung in  ganz  grossem  Stile  zu  veranstalten.  Vermuthlich  würde 
sich  ergeben,  dass  sich  die  heutige  Vertheilung  dieser  Inselschweine 
durch  eine  Ausstrahlung  von  zwei  oder  drei  Centren  erklären  lässt, 
für  welche  ihrerseits  dann  vielleicht  wieder  eine  Bevölkerung  vom 
Continent  aus  während  der  Jüngern  Pliocänzeit  kann  wahrscheinlich 
gemacht  werden." 

Und  Nehring  (12)  bemerkt  in  den  „Schlussbetrachtungen"  seiner 
Studie  (p.  26).  „.  .  .  Ferner  wäre  es  sehr  wünschenswerth,  dass  die 
auf  den  einzelnen  Inseln  und  Inselgruppen  des  malayischen  Archipels 
vorkommenden  Wildschweinarten  genauer  als  bisher  in  Bezug  auf 
ihre  Artcharaktere  studirt  und  beschrieben  würden;  erst  dann  wird 
es  möglich  sein,  die  geographische  Verbreitung  der  einzelnen  Arten 
sicher  anzugeben  und  einigermaassen  zuverlässige  Vermuthungen 
über  ihre  Vorgeschichte  aufzustellen.  Es  bietet  sich  hier  der 
Forschung  ein  weites  und  interessantes  Feld." 

Die  eben  citirten  Wünsche  der  beiden  Zoologen  genügen  mir 
zu  der  Annahme,  dass  auch  eine  kleine  Arbeit  wie  die  nachstehende 
den  Thiergeographen  nicht  unerwünscht  sein  wird,  obschon  das 
Material,  auf  dass  sie  sich  gründet,  kein  grosses  ist. 

Allgemeines. 

Die  Suiden  Ostasiens  zerfallen  in  2  Gruppen,  die  kurzschädlige 
mttatus  -  Gnim^e  und  die  langschnauzige  verrucosus  -  Grümje.  Auf 
dem  den  Sunda-Inseln  zunächst  gelegenen  Theil  des  Festlandes, 
Hinterindien,  lebt  die  zur  Vittatus-Gruppe  gehörige  Art  S.  cristatns 
Wagn.  und  ein  von  Heude  (2)  unter  dem  Namen  S.  hucculentus  be- 
schriebenes Schwein  aus  Cochinchina,  von  dem  Stehlin  (p.  473, 
dritte  Fussnote)  sagt,  die  Abbildung  des  Schädels  stimme  so  sehr 
mit  derjenigen  des  typischen  Sus  verrucosus  aus  Java  überein,  dass 
es  nicht  einmal  als  typische  Varietät  gelten  könne.  Heude  (2) 
selbst  erwähnt  (p.  220),  dass  er  2  Schädel  einer  Sus-ki-i  aus  Cochin- 
china verglichen  habe  mit  einem  Schädel  von  S.  verrucosus  von  Java 


I 


Suideu  Sumatras.  511 

und  dabei  grosse  Aelinliclikeit  zwischen  beiden  gefunden  habe.  Er 
schreibt:  „Si  ravenir  demontre  que  nous  avons  lä  une  espece  diöe- 
rente  de  celle  qui  represente  le  cräne  similaire  de  Java,  je  la  nomme 
*S.  huccnlentns  h  cause  du  grand  renflement  des  os  jugaux  et  de  la 
crete  malaire."  Heude  erhielt  unter  50  Schweineschädeln  aus 
Cochinchina  nur  2  dieser  Art,  woraus  wohl  geschlossen  werden  darf, 
dass  das  Thier  daselbst  selten  ist. 

Von  Borneo  ist  längst  die  langschnauzige  Art  S.  harhatus  Müll. 
et  ScHLEG.  bekannt.  Nach  Lydekfcer  (4)  p,  299  sollen  ausserdem 
noch  vorkommen  S.  longirostris  Nheg,  ^ ),  S.  vittatus  Müll,  et  Schleg. 
und  'S',  verrucosus  Müll,  et  Schleg. 

Auf  Java  kommen  die  Hauptvertreter  beider  Gruppen.  S.  verru- 
cosus und  S.  vifiafus,  vor.  Dagegen  scheint  Celebes  nur  von  einem 
zum  langschnauzigen  Tjq)us  gehörigen  Thier,  Stts  celehensis  Müll. 
et  Schleg.  bewohnt  zu  sein. 

Diese  Thatsachen  sind  längst  bekannt,  und  da  auch  die  grosse 
Verwandtschaft  der  Fauna  von  Hinterindien  und  Sumatra  einerseits, 
Sumatra  und  Borneo  andrerseits  ebenso  bekannt  ist,  so  wundert  es 
mich,  dass  nie  Jemand  die  Frage  aufgeworfen,  ob  denn  nicht  auch 
Sumatra  ein  zum  langschnauzigen  Typus  gehörendes,  lebendes  Schwein 
aufzuweisen  habe.  Dubois  ^)  hat  allerdings  mitgetheilt,  dass  auch 
S.  verrucosus,  zwar  fossil,  auf  Sumatra  vorkomme,  und  Nehkixg  (12) 
richtet  die  Frage  (p.  27):  „Wie  viele  Arten  von  Wildschweinen 
kommen  auf  Sumatra  vor  und  wie  ist  die  geographische  Verbreitung 
der  einzelnen  Arten  in  horizontaler  und  vertikaler  Eichtung?  Ins- 
besondere wäre  die  Aufmerksamkeit  auf  S.  longirostris  zu  richten." 
Fast  scheint  es  mir  aber,  als  hätte  man  von  vorn  herein,  fussend 
auf  die  Thatsache,  dass  Borneo  kaum  ein  grösseres  Säugethier  be- 
sitzt, das  nicht  auch  in  Sumatra,  wenigstens  in  einer  nahe  ver- 
wandten Art  vorkommt,  annehmen  können,  ein  S.  harhatus  ähnliches 
Thier  müsste  auch  auf  Sumatra  leben. 

Es  ist  sicher,  dass  noch  viele  Thiere.  die  man  jetzt  für  Borneo 
oder  Sumatra  endemisch  annimmt,  beide  Inseln  bewolinen.    So  wies 


1)  Die  Art  .S.  loiiffirostris  Nehring  ist  von  SriLLXEU  (18)  längst 
gestrichen,  resp.  mit  S.  barhattis  MÜLL,  et  SCHLEG.  identificirt.  Trotz- 
dem tritt  sie  in  der  Literatur  stets  noch  auf,  z.  B.  bei  Lydekkek  (4), 
Teouessakt  (23),  Miller  (6) ;  aus  diesem  Grunde  muss  ich  sie  auch 
gelegentlich   noch  erwähnen. 

2)  in:  Natuurk.  Tijdschr.  Nederl.  Indie,  V.  51,   1891. 

8i* 


512 


Walter  Volz, 


ich  z.  B.  ^)  für  die  sumatranische  Fauna  die  vorher  nur  aus  Borneo 
bekannten  Fische  Corvina  polycladiscus  Blkr.,  Polynemiis  macrononms 
Blkr.,  Syncqdnra  panoides  Blkr.,  Engraulis  crocodUus  Blkr.  und  die 
Eidechse  -)  Draco  cornutns  Günth.  zum  ersten  Mal  nach.  Auch 
Arten,  die  nur  von  Borneo  und  Malakka  bekannt  waren,  werden 
fast  bei  jeder  neuen  faunistischen  Arbeit  über  Sumatra  auch  für 
diese  Insel  nachgewiesen,  z.  B.  fand  ich  dort  die  vorher  nur  für 
Borneo  und  Malakka  angeführte  Schlange  Cantoria  violacea  Girard.  ^) 

AVas  die  Suiden  anbelangt,  so  kannte  man  bis  vor  kurzem  von 
Sumatra  nur  Sus  vitiutns  Müll.  u.  ScHLEa. 

Erst  seit  Anfang  1902  wissen  wir  durch  Miller  (6  u.  7),  dass 
diese  Insel  auch  ein  langschnauziges,  Sus  harhcdns  nahe  verwandtes 
Schwein,  Sus  oi  Miller,  beherbergt.  Ich  werde  weiter  unten  auf 
die  Beschreibung  dieses  Thieres  näher  eingehen. 

Folgende  Tabelle  zeigt  die  Verbreitung  der  Suiden  auf  den 
grossen  Sundainseln  und  den  Gegenden  des  ihnen  am  nächsten  ge- 
legenen Theils  des  Festlandes: 


yerr»cosHS-Gruppe 

vitfatHs-Gr\\\}])e 

Hinteriudieii 

S.  biicculentus  Heude  =  S.  verru- 
cosus M.  et  S. 

S. 

cristatus  Wagn. 

Borneo 

S.  barbatus  M.  et  S.  =  S.  verru- 
cosus*) M.  et  S. 

s. 

vittatus  M.  et  S. 

Sumatra 

S.    barbatus   M.    et   S.  =  S.   oi 
Miller 

s. 

vittatiis  M.  et  S. 

Java 

S.  verrucosus  M.  et  S. 

s. 

vittatus  M.  et  S. 

Celebes 

S.  celebensis  M.  et  S. 

Specieller  Theil. 

Gehen  wir  nun  zur  Besprechung  der  auf  Sumatra  heimischen 
Wildschweine  über. 


1)  Volz,  W.,  Fische  von  Sumatra,  in:  Zool.  Jahrb.,  V.  19,  Syst., 
1903. 

2)  Volz,  W.,   Lacertilia  von  Palembang  (Sumatra),  ibid. 

3)  Volz,  W.,  Schlangen  von  Palembang  (Sumatra),  ibid.,  V.  20,  1904. 

4)  Nach  Lydekker  (4),  p.  299,  und  auch  nach  "Wallace  (vgl. 
L.  Rütimeyer  (22),  ^.  471).  v.  Spillner  (18),  p.  84,  sagt:  „Absolut 
sicher  ist  das  Vorkommen  des  Bartschweins  (auf  Borneo),  weniger  sicher 
das  des  Pustelschweins  {S.   rcrrucosnsy''^ 


Sniilen  Snniatras.         -  513 


1.    Sus  rittatus  Müll,  et  Schleg. 

Die  typische  Form  von  Sus  uittaim^  bewolmt  Sumatra.  Boriieo 
und  Java.  Mehrere  Naturforscher,  so  Rütimeykk  und  namentlicli 
F.  Major  vereinigen  aber  unter  diesem  Namen  eine  ganze  Anzahl 
von  Thiereu,  welche  von  andern  als  gute  Arten  oder  doch  scharf 
umschriebene  Varietäten  aufgefasst  werden.  \)  Rütimeyek  (22) 
schreibt  z.  B.  (p.  471):  „Der  ganze  Süd-  und  Ostabhang  von  Asien, 
sowie  die  Kette  der  Sundainseln  bis  nach  den  ]\rolukkeu  wird  also 
als  Wohnort  von  Sus  riftatxs  mit  allerlei  kleinen  Abänderungen  an- 
gesehen werden  dürfen."  Viel  weiter  geht  F.  Ma.jor  (5),  der  sich 
p.  297  über  die  Verbreitung  von  S.  viftafus  folgendermaassen  äussert: 
„Es  ist  ein  und  dieselbe  Form  von  Wildschweinen,  welche  wir  mit 
geringer  Modification  der  Schädelbildung  gegenwärtig  von  Sardinien 
bis  Neu-Guinea  und  von  Japan  bis  Südwest-Afrika  (Damara)  ver- 
breitet finden.  Der  Schwerpunkt  ihrer  Verbreitung  liegt  offenbar 
in  der  orientalischen  und  der  äthiopischen  Region,  welche  beide  in 
ihrer  ganzen  Ausdehnung  dieses  Wildschwein  zu  beherbergen 
scheinen:  ausserdem  greift  dieselbe  Form  aber  über  eiuestheils  auf 
die  paläarktische  Region  (Sardinien  und  Japan),  andrerseits  auf  die 
australische  Region  (Neuguinea  und  umliegende  Inseln)". 

Aus  eigener  Anschauung  kenne  ich  nur  Schädel  von  S.  vif  tat  ks 
aus  Java  und  Sumatra,  die  unzweifelhaft  zu  derselben  Art  gehören; 
nach  p]insicht  der  einschlagen  Literatur  scheint  es  mir  aber,  dass 
Majok.  wenn  er  selbst  die  afrikanischen  und  sardinischen  Ange- 
hörigen des  Genus  Sus  zu  vittatus  i-echnet,  viel  zu  weit  gegangen  sei. 

Unser  Thier,  von  den  Malayen  Sumatras  Babi  utan  (Wald- 
schwein)  genannt,  ist  über  die  ganze  Insel  verbreitet.  Müller  u. 
SciiLEOEL  (8)  und  KfiNiNGSBERGER  (3)  geben  von  seiner  Lebensweise 
gute  Schilderungen,  denen  ich,  fussend  auf  die  Notizen  meiner  Tage- 
bücher, noch  das  Folgende  beifüge: 

Das  gewöhnliche  Wildschwein  ist  in  der  Residenz  Palembang 
das  häufigste  grosse  Säugethier.  Man  findet  es  im  tiefen  Urwalde 
sowohl  als  auch  in  der  Nähe  menschlicher  Ansiedelungen,  am 
häufigsten  nahe  bei  Tfianzungen.  wo  es  am  beijuemsten  die  ihm  zu- 
sagende Nahrung  findet.  Feberall  längs  den  ^^'egen  im  ^\'alde  trifi't 
man  seine  Spuren,  sowohl  diejenigen  seiner  Hufe  als  nanientlich  die 


1)  Heuuk  (2)  unterscheidet  z.  B.  eine  ganze  Anzahl  von  verschiedenen 
Artea  auf  dem  asiatischen  Festlande. 


514  Walter  Volz. 

seines  Eüssels.  Wo  die  Erde  feucht  ist,  wühlt  das  Thier  tiefe 
Löcher,  um  Würmer  und  Wurzeln  auszugraben.  In  den  Feldern 
richtet  es  durch  diese  Wühlereien  grossen  Schaden  an,  und  die 
hohen,  mit  vieler  Mühe  erstellten  Zäune  rings  um  die  Ladangs, 
Sawahs  und  Pisangpflanzungen  sind  namentlich  zum  Schutze  gegen 
die  Schweine  errichtet.  Dem  Keise  stellen  sie  namentlich  kurz  vor 
der  Reife  nach.  In  dieser  Zeit  stellen  die  Malayen  allerlei  Lärm- 
instrumente in  den  Feldern  auf,  die  theils  von  AVächtern  mittels 
lauger  Schnüre  oder  Eotantaue,  theils  durch  den  Wind  bewegt 
werden,  um  die  Schweine  zu  scheuchen.  Auch  allerlei  unnütze 
Mittel  werden  von  den  Feldbesitzern  angewandt,  um  sich  gegen  den 
Besuch  dieser  Thiere  zu  schützen.  Sie  stecken  z.  B.  rings  um  die 
Felder  kurze  Stöcke  in  den  Boden,  deren  oberes  Ende  sie  in  den 
Gegenden,  wo  sich  natürliche  Asphalttümpel  befinden,  mit  Theer  be- 
streichen; oder  sie  befestigen  an  diesen  Stäben  mittels  Schnüren 
dürre  Blätter,  Stücke  Baumrinde  oder  Tuchlappen,  die  durch  den 
Wind  hin  und  her  bewegt  werden  und  die  „Babis"  schrecken  sollen. 
Gewöhnlich  kümmern  sich  diese  aber  nicht  viel  darum,  nicht  viel 
mehr  als  um  die  Zaubersprüche,  welche  gelegentlich  von  besonders 
weisen  Malayen  gegen  sie  gebraucht  werden,  dringen  in  die  Felder 
ein,  und  was  sie  nicht  fressen  oder  durch  Wühlen  verderben,  das 
zerstampfen  sie.  Den  reifen  Bananen  stellen  sie  besonders  gerne 
nach,  schaden  aber  auch  den  jungen  Pflänzlingen.  Auch  Zucker- 
rohr, Manihot  (Ubi  kaju)  und  andere  Nutzpflanzen  fressen  sie  sehr 
gerne.  Kurz  vor  der  Reisernte  und  während  derselben  wird  man 
durch  die  Malayen  beständig  um  Schiesspulver  gebeten,  um  aus 
ihren  alten,  grossen  Flinten  auf  in  den  Feldern  marodirenden 
Schweine  zu  schiessen. 

Verlassene  Ladanghäuser  und  sog.  alte  Rompoks  werden  von 
diesen  Thieren  ebenfalls  gerne  aufgesucht.  Sie  finden  hier  allerlei 
Abfälle,  wühlen  mit  Vorliebe  in  der  Reisspreu  und  fressen  die 
Früchte  der  zurückgebliebenen  Culturpflanzen,  wie  Gurken,  Kürbisse 
etc.  Auch  in  die  Nähe  der  bewohnten  Ortschaften  wagen  sie  sich 
gerne  und  oft,  da  sie  von  den  Malayen  kaum  ernstlich  belästigt 
werden,  weil  dieselben  als  gläubige  Muhamedaner  nicht  nur  das 
Fleisch  der  Schweine  verabscheuen,  sondern  sogar  getödtete  Thiere 
nicht  einmal  wegschaifen  wollten,  aus  Furcht,  sich  durch  Berührung 
zu  verunreinigen.  Mehrere  Male  hatte  ich  Gelegenheit,  direct  von 
meinem  Hause  in  verschiedenen  Ortschaften  nach  Schweinen  zu 
scliiessen,  und  einer  meiner  Begleiter  erlegte  hinter  unserm  Wohn- 


Saiden  Sumatras.  515 

hause  in  Biiikii  (Atel.  Iliran)  mit  groben  Schroten  durch  einen  Schuss 
zwei  dieser  Thiere.  Dann  und  wann  sah  ich  sie  auch  sich  unter 
die  Karbaue  (Wasserbüffel)  mischen  und  ruhig  zwischen  diesen 
grossen  Wiederkäuern  herumgehen,  während  sich  dieselben  in  ihren 
Tümpeln  suhlten.  Am  häufigsten  trifft  man  jedoch  ihre  Spuren  an 
den  da  und  dort  im  Walde  gelegenen  Morästen,  sog.  Subans,  die 
auch  von  andern  Säugern,  namentlich  Elefanten.  Rhinoceros,  Tapiren 
und  Hirschen  aufgesucht  werden  und  die  dem  Jäger  deshalb  ge- 
wöhnlich günstige  Stellen  zum  Anstand  bieten. 

Beim  Reisen  im  Innern  des  Landes  trifft  man  oft  mit  den 
"\Mldschweinen  zusammen.  Die  begleitenden  Hunde  stöbern  sie 
allenthalben  auf.  Häufig  sieht  man  sie  die  Strassen  und  Wege 
kreuzen  oder  denselben  eine  Strecke  weit  in  gemüthlichem  Trabe 
folgen,  manchmal  allein,  gelegentlich  in  kleinen  Trüppchen. 

Zur  Zeit  der  Paarung,  die  wahrscheinlich  nicht  an  so  bestimmte 
Jahreszeiten  gebunden  ist  wie  in  gemässigten  Zonen,  sind  mehrere 
Thiere  vereinigt.  Die  Männchen  sind  dabei  sehr  eifersüchtig  auf 
einander.  Ihr  Grunzen  und  Quitschen  verursacht  einen  solchen 
Lärm,  dass  man  sie  im  Walde  auf  grosse  Distanz  hören  kann.  Ihre 
sonstige  Vorsicht  lassen  sie  dabei  mehr  ausser  Acht  als  gewöhnlich. 
so  dass  man  sich  bis  nahe  an  sie  heranschleichen  kann. 

„Da  in  dem  heissen  Erdgürtel  die  Zeit  der  Fortpflanzung  der 
Thiere  selten  festen  Regeln  unterworfen  ist",  schreiben  MIt^ler  u. 
Schlegel  (8)  p.  172,  „so  findet  man  auch  beinahe  zu  allen  Zeiten 
des  Jahres  junge  Schweine  in  den  Wäldern;  jedoch  meist  in  der 
Trockenzeit  während  des  Ostmonsuns;  zwischen  den  Monaten  April 
und  October." 

Am  19.  October  1900  traf  ich  zwischen  ]\Iusi  und  Lematang  in 
der  Nähe  von  Kertaju  eine  Bache  mit  einigen  ganz  jungen  Frisch- 
lingen. Anfangs  Januar  1901  kaufte  ich  in  Muara  Lakitan  (oberer 
Musi)  ein  Ferkel  mit  sehr  deutlichen  Längsstreifen.  Am  3.  Februar 
1901  brachte  man  mir  ein  Ferkel,  bei  dem  die  Längsstreifung  schon 
stark  verschwommen  war. 

Im  dichten  Walde  stösst  man  liie  und  da  auf  die  Lagerplätze 
der  Schweine,  rumali  Imbi,  ,.Schweinehäuser",  wie  sie  die  Malayen 
wohl  auch  nennen.  Dieselben  bestehen  aus  einem  Gewirr  von 
Aesten.  welche  zusammen  einen  flachen  Kegel  bilden,  worunter  sich 
das  Schwein  bergen  kann.  Das  Dach  dieser  Schutzorte  ist  aber 
nicht  wasserdicht. 

Wie  ich   schon   andeutete,  stellen   die  ]\[alaven   den  Schweinen 


516  Walter  Volz, 

nicht  eigentlich  nach.  Die  Kubus  ^)  jedoch  jagen  sie  ihres  Fleisches 
wegen.  Ich  selbst  finde  das  Fleisch  dieser  Thiere  recht  schmack- 
haft, mein  Urtheil  darüber  ist  jedoch  vielleicht  deshalb  kein  maass- 
gebeiides,  weil  ich  oft  Wochen  lang  kein  frisches  Säugethierfleisch  ei-- 
halten  konnte  und  das  Erbeuten  eines  Schweines  dann  jeAveilen  ein 
kleines  Fest  war.  Die  Kubus  fangen  die  Thiere  in  Schlingen.  Auch 
die  Malayeu  erbeuten  sie  gelegentlich,  aber  nur  zufällig.  Sie 
spannen  nämlich  längs  den  Waldsäumen,  welche  ihre  Reisfelder  um- 
geben, Schlingen,  um  die  Hirsche,  welche  kommen,  um  in  den 
Pflanzungen  zu  äsen,  abzufangen.  In  diese  Fallen  geraten  manch- 
mal Schweine. 

Der  ärgste  Feind  der  Babis  ist  aber  der  Tiger,  dessen  Haupt- 
nahrung sie  jedenfalls  bilden.  Im  Tigerkoth  sind,  so  zu  sagen,  stets 
Schweinehaare  enthalten,  und  wenn  man  ein  Aas  findet,  das  den 
Ueberrest  einer  Tigermahlzeit  bildet,  so  ist  es  fast  immer  dasjenige 
eines  Schweines.  Auch  von  den  kleinen  Blutegeln  (Patjets)  und  be- 
sonders den  Zecken  haben  die  Thiere  viel  zu  leiden.  Letztere  setzen 
sich  namentlich  an  solchen  Stellen  des  Körpers  an,  wo  sie  vom  Rüssel 
nicht  weggescheuert  werden  können,  namentlich  zwischen  den  Beinen, 
an  der  Kehle,  dem  Bauche  und  den  Genitalien.  Dabei  erreichen  sie 
oft  den  Umfang  grosser  Erbsen  und  verursachen  dem  Thiere  jeden- 
falls grosses  Unbehagen. 

Dass  sich  Sns  vittatus  zur  Zähmung  eignet,  ist  längst  bekannt. 
Das  Battak-Schwein  ist  ein  ganz  naher  Verwandter  davon.  -)  Nörd- 
lich vom  Rawas  in  einer  kleinen  Colonie  von  Kubus  traf  ich  eben- 
falls 2  zahme  Babi  utan,  die  von  jung  auf  bei  diesen  Leuten  gelebt 
haben  und  das  Dörfchen  nur  zum  Aufsuchen  ihrer  Nahrung  verliessen. 

Ueber  die  Schweine  gibt  es  bei  den  Malayen  eine  Menge  von 
Sagen,  nach  einigen  davon  sind  dieselben  verzauberte  Menschen. 


1)  Vgl.   VoLZ,    W.,  Lacertilia    von    Palembang    (Sumatra),    in:    Zool. 
Jahrb.,  V.    19,  Syst.,   1903,  p.  428,  Anm.   1. 

2)  Vgl.  darüber  namentlich  Otto  (17),  p.    97. 


Suideii  Sumatra*. 


517 


Tabelle 

mit  den  absoluten  Maassen  von  4  männlichen  Schädeln 

von  Sits  vitfatns  von  Sumatra  (in  mm). 


1 

1. 

2. 

3. 

4. 

1. 

Basalläng-e  des  Schädels 

271 

281 

301 

284 

2. 

Profilläuge  des  Schädels  bis  luteniuixilhirspitze 

317 

329,5 

357 

328 

3. 

Forameu  maguum  bis  Vomei-Anfaug- 

44  C?) 

46 

46,5 

48 

4. 

,.              „          „     Mitte  d.  Gaumeuausschnitts 

82 

82 

86 

86 

5. 

Grüsste  Breite  dos  Schädels  au  deu  Jochbogeu 

129,5 

143 

162 

137 

6. 

Grüsste  Stirubreite  (au  deu  Postorbital-Fortsätzen) 

88,5 

98 

115 

93,5 

7. 

Kleinste         „          au  der  oberu  Thräueubeiuuaht 

42 

46 

45 

41.5 

8. 

Kleinste  Breite  zwischen  deu  Scheitelleist eu 

34 

34,5 

34 

31' 

9. 

Grösste  Breite  an  den  OccipitalHügelu 

52,5 

71,5 

80 

61,5 

10. 

Breite    der    Nasalia    au    der    hintern    Spitze    der 

Intermaxillaria 

31 

29 

34 

30.5 

11. 

Gauineubreite  zwischen  Vorjoch  von  M, 

22 

21 

28 

25 

12. 

))                                       »                                    )5                         11         ^M 

28 

30 

31,5 

30 

13. 

n                               :;                            ??                    »       1»3 

33 

35,5 

36,5 

34 

U. 

Breite  der  Schnauze  über  Pg 

50 

52 

54 

52 

15. 

Höhe  des  Occiput  vom   Unterraude  des   Foramen 

magnnm  ab 

101 

109,5 

123 

108 

16. 

Höhe  des  ganzen  Schädels  iucl.  Unterkiefer 

190 

198 

223 

200 

17. 

Lauge    der    Frontale    und    Parietale    zusammen 

(Mittellinie) 

170,5 

179 

9 

176 

18. 
18a. 

Länge  der  Nasalia  (Mittelliuie) 

Grösste    Länge     der    Palatiua    dicht    neben     der 

139 

142,5 

•p 

142 

Mittellinie 

47 

40 

40 

50 

18b. 

Länge  des  hinter  M.^   liegenden  Theils   der  Pala- 

tiua (Mittellinie) 

00 

5 

14 

10 

19. 

(^uerdurchmesser  der  Orbita 

37 

40 

47 

42 

20. 

Höhe  des  Lacrymale  am  Orbitalraude 

21 

24 

V 

25 

21. 

„       „            „        über  der  Vorderecke  der  untern 

Naht 

26 

28 

? 

27 

22. 

Länge  des  Lacrymale  am  Unterrande 

20 

18 

9 

20 

28' 

,,          „             „           am  Oberraude 

50 

44 

54 

41 

24. 

„      der  ganzen  oberu  Backeuzahureihe 

110 

9 

108,5 

115 

25. 

„       der  3  oberu  .Molaren 

66 

66.5 

65.5 

68 

26 

„       von  Fl,  P.^  und  P^;  (Henskl) 

33 

39 

38 

:-i9 

27. 

„       von  M;,  sup.  (Mittelliuie) 

29 

31 

32,5 

30,5 

28. 

Breite  des  Vorjochs  von  M..  suj). 

22 

24 

20,5 

22 

29. 

Grösster  Durchiuesser  der  oberu  C'aniu-Alveole 

20,5 

25,5 

28 

18 

30. 

Länge  des  Intermaxillare  am  Alveojarrande 

57 

62 

68 

57 

31. 

„          „  Unterkiefers  bis  Hinterrand  des  Condylus 

242 

254  (?) 

262 

251 

32. 

„          „            »              „  hinter  M., 

165,5 

165  (?) 

168 

167 

33. 

Grösste  Breite  des  Unterkiefers  bis  an  die  Condylen 

115 

122 

135 

118 

34. 

Untere  Backeuzaliureihe  ohne  P4 

107 

108,5 

110 

114 

35. 

Länge  der  3  unteru  .Molaren  (Mittellinie) 

67 

69 

71 

66.5 

36. 

„       des  .M;;  inf.  (Mittellinie) 

32 

34,5 

37 

30 

37. 

Grösste  Länge  der  Unterkiefer-Symphyse 

64,5 

71(?) 

70 

65,5 

38. 

Basilarlänge 

253 

263 

283 

266 

39. 

Palatalläuge 

189 

198 

215 

201 

518  Walter  Volz, 

Im  Vorstehenden  gebe  ich  eine  Tabelle  mit  den  ]\[aassen  von  4 
Schädeln  von  Sns  vittafns,  die  alle  von  Snmatra  stammen.  Sie  wird 
vielleicht  einem  spätern  Bearbeiter  der  indo-malayisehen  Sniden  sein 
3Iaterial  vervollständigen  helfen.  Die  Art  der  Messungs weise  ist 
gen  an  dieselbe,  wie  sie  Nehring  (12)  Tabelle  II,  p.  32  angewandt 
hat.  Dazu  füge  ich  noch  die  Basilarlänge  nach  Hexsel  und  die 
Palatallänge  (vordere  Spitze  des  Intennaxillare  bis  Hinterende  des 
Palatinum,  dicht  neben  der  Mittellinie). 

Beschreibung   der  4   Schädel. 

1.  Schädel  eines  fast  ausgewachsenen  Männchens,  von  Palem- 
bang,  1901.  M^  u. «  schon  etwas  abgekaut.  Talon  von  M.,  sup.  n. 
inf.  erst  kürzlich  durchgebrochen.  Eckzähne  noch  kurz  (im  Ver- 
gleich mit  den  2  folgenden  Exemplaren).  P^  unten  von  Po  nur 
durch  einen  1  mm  langen  Zwischenraum  getrennt.  Alle  Nähte  noch 
sehr  deutlich. 

Gesammelt  von  Dr.  W.  Volz. 

2.  Altes  Männchen  von  Palembang,  1902,  mit  mächtigen  untern 
Caninen.  Die  Backenzähne  sind  alle  in  Thätigkeit  gewesen,  die 
vordem  z.  Th.  stark  abgekaut.  P^  oben  fehlen  spurlos;  Pg  oben 
stösst  direct  an  die  Alveole  des  Eckzahns.  Unten  ist  P^  wohl  ent- 
wickelt und  stösst  direct  mit  Po  zusammen.     Nähte  deutlich. 

Gesammelt  von  Dr.  E.  Kissling,  Privatdocent  in  Bern. 

3.  Altes  Männchen  von  Sumatra,  mit  kräftigen  Eckzähnen. 
Alle  Zähne  stark  in  Usur  gewesen.  P4  oben  ausgefallen,  ihre  Al- 
veolen noch  deutlich.  P^  unten  vorhanden,  von  Po  durch  einen 
3  mm  langen  Abstand  getrennt.  Nähte  der  Knochen  z.  Th.  nicht 
mehr  sichtbar. 

4.  Junges  Männchen  von  Sumatra,  etwas  jünger  als  das  sub  1 
beschriebene.  Talon  von  M,,  oben  und  unten  noch  in  der  Alveole. 
P^  unten  von  Pg  durch  einen  Abstand  von  10  mm  getrennt.  Nähte 
des  Schädels  sehr  deutlich. 


2.    Sus  harhatus  MIjll.   et  Schleg.  =  Sns  ol   Miller  (6  u.  7). 

Die  weiten,  fast  flachen  Gebiete  an  der  Nordostküste  der  Resident- 
schaft Palembang  waren  bis  vor  wenigen  Jahren  fast  unbekanntes 
Land.  Sehr  weit  vom  Meere  weg  machen  sich  im  Innern  längs  den 
Flüssen  die  Gezeiten  bemerkbar.  Beiderseits  von  den  Wasserläufen  und 


Suiden  Sumatras.  519 

weit  hinein  vom  Seestrand  dehnen  sich  Sümpfe,  bewachsen  in  der 
Nälie  des  Brackwassers  von  Mang-roven,  Sonneratien  und  den  lang- 
weiligen Nipapalmen,  hinter  welchen  die  schlanke  Bajas-  oder  Xibung- 
palme  ihre  hell  grünen  ^^'edel  erhebt,  und  dahinter  und  an  den  Ober- 
läufen der  Flüsse,  bis  wohin  das  Meerwasser  nicht  mehr  dringen  kann, 
aber  die  Fluth  die  langsam  abwärts  fliessenden  ^Vassermasse■n  doch 
noch  staut,  dehnen  sich  die  unendlichen  Urwälder,  für  welche  dei' 
herumschweifende  Kubu  das  Wort  „alas"  gebraucht,  was  ungefähr 
„das  unendliche  Waldmeer"  bedeutet. 

Die  Menschen  haben  sich  hier  nur  an  ganz  wenigen  Stellen 
dauernd  angesiedelt.  Einige  Malayen  benutzen  die  spärlichen  Plätze, 
wo  sich  das  Land  auch  zur  Regenzeit  aus  dem  Meilen  weit  sich 
dehnenden  Wasser  erhebt,  zum  Anbau  von  Reis.  Im  Innern  der 
Wälder  nomadisiren  kleine  Horden  der  heidnischen  Kubus;  der 
Europäer  hat  bis  vor  wenigen  Jahren  seinen  Fuss  kaum  in  diese 
Wildnisse  gesetzt.  Erst  vor  kurzer  Zeit  drangen  ^^'eisse  bis  an  die 
Oberläufe  der  grossen  Ströme,  welche  diese  Einöden  durchschneiden, 
hauptsächlich  am  Lalang  bis  hinüber  auf  das  Gebiet  des  bis  vor 
wenig  Jahren  noch  unabhängigen  Sultanats  Djambi.  Das  Petroleum. 
in  den  Pliocänschichten ,  welche  den  Untergrund  dieser  Gegenden 
bilden,  lockte  sie  hierher.  Diesen  kühnen  Eindringlingen,  zum 
grössten  Theile  Holländern,  verdanken  wir  die  Kenntniss  jener 
Strecken.  Wo  sonst  kaum  halbwilde  Menschen  hinkamen,  erheben 
sich  jetzt  europäische  A\'ohnhäuser,  welche  eine  Petroleum-Raffinerie 
umgeben,  die  mit  allen  Finessen  der  Technik  ausgestattet  ist.  Wege 
entstanden,  und  das  Land  wurde  so  weit  als  nöthig  genau  karto- 
graphisch aufgenommen.  Dabei  wurde  manche  interessante  geologische 
und  geographische  Thatsache  gefunden;  aber  auch  einige  zoologisch 
nennenswerte  Beobachtungen  wurden  gemacht.  Dem  holländischen 
Chefarzt  einer  grossen  Petroleumunternehmung,  Herrn  Dr.  A\'.  Block, 
verdanke  ich  zwei  Schädel  einer  bis  dahin  in  der  Residentschaft 
Palembang  unbekannten  Schweineart.  Diese  beiden  werthvollen  Ob- 
jecte,  welche  ich  im  Jahre  1902  bei  Herrn  Dr.  Block  in  B ajung 
Lentjir  am  obern  Lalang  sah,  stellte  mir  derselbe  in  liberalster 
Weise  zur  Verfügung  und  schenkte  sie  später  dem  Naturhistorischen 
Museum  von  Bern.  Ich  benutze  auch  hier  die  Gelegenheit,  um 
Herrn  Dr.  Block  dafür  meinen  besten  Dank  auszusprechen. 

Es  war  mir  allerdings  schon  bekannt,  bevor  ich  dieser  beiden 
Schädel  ansichtig  wurde,  dass  ausser  dem  überall  vorkommenden 
Sm  vitfatus   noch   in   einigen,    der  Küste  nahe   liegenden   Stre(iken 


520  Walter  Volz, 

eine  andere  Scliweineart  vorkommen  soll.  Schon  im  Jahre  1900  er- 
hielt ich  durch  Malayen,  welche  vom  Musi  oder  Rawas  aus  nach 
Nordwest-Palembang  gegangen  waren,  um  in  jenen  Sumpfgebieten 
aus  den  dort  häufigen  Palaquium-Arten  das  werthvolle  Guttapercha- 
Harz  zu  sammeln,  von  diesen  Thieren  Kunde.  Sie  berichteten  von 
einem  grossen  Schweine  von  heller  Körperfarbe,  wie  die  „Schweine 
der  Chinesen",  die  alljährlich  einmal  vom  Meere  her  ins  Innere 
wandern  sollten.  Diese  Thiere  heissen  malayisch  Nangwie;  die 
Holländer,  welche  davon  hörten,  nennen  sie  „Strandvarkeu"  oder 
Strandschweine. 

Herr  Dr.  Block  schrieb  mir  über  die  Lebensweise  dieser  Schweine 
Folgendes : 

„Das  Nangwie  oder  Strandvarkeu  zieht  vom  Strande  des  Meeres 
nach  dem  Innern  des  Landes  und  zwar  während  der  Monate  No- 
vember, December  und  Januar  ^)  und  geht  wieder  nach  dem  Meeres- 
strand in  den  Monaten  Februar,  März  und  April. 

Der  Zug  nach  dem  Innern  wird,  wenn  man  den  Leuten  hier 
glauben  kann,  verursacht  durch  die  in  dieser  Zeit  stattfindende 
Reife  gewisser  Früchte,  es  ist  also  eine  Wanderung  zu  bessern 
Nahrungsplätzen.-)  ^^'enn  die  Früchte^)  alle  aufgezehrt  sind  und 
die  trockene  Jahreszeit  bevorsteht,  so  ziehen  die  Thiere  wieder 
gegen  den  Strand  hin.  Die  Zeit  im  Innern  des  Landes  wird  auch 
zur  Paarung  benutzt  (bessere  Ernährung ?).  Dass  man  auch  während 
der  Jahreszeiten,  wo  die  Nangwies  am  Meere  leben,  einige  wenige 
Thiere  im  Innern  antrifft,  erklärt  sich  dadurcli,  dass  von  den  Jungen 
oder  ganz  alten  einige  zurückbleiben. 

Das  Hin-  und  Herziehen  der  NangAvies  geschieht  in  grossen 
'i'ruppen,  deren  jede  ein  altes  Männchen  zum  Führer  hat.  Letzterer 
geht  erst  allein  über  einen  zu  überschwimmenden  Fluss;  ist  er  auf 
der  andern  Seite  desselben  angelangt  und  wittert  hier  keine  Gefahr, 
so  stösst  er  einen  lauten  Schrei  aus,  worauf  die  Truppe  folgt.  In 
einer  Truppe  sind  mehrere  100  Thiere  vereinigt. 

Die  Kubus,  welche  diese  Schweine  gerne  essen,  warten  an  ge- 
wissen Stellen  in  lautloser  Stille  den  Uebergang  des  Führers  ab. 


1)  Also  während  der  ersten  Hälfte  der  Regenzeit. 

2)  Beehm  (Thierleben)  erwähnt,  dass  auch  unser  europäisches  Wild- 
schwein zur  Zeit  der  Reife  der  Eicheln  Wanderungen  zu  guten  Nahrungs- 
plätzen unternimmt ;  dieselben  sind  freilich  nicht  so  regelmässig,  wie  beim 
Nangwie. 

3)  Bis  jetzt  ist  nicht  bekannt,  was  für  Früchte  es  sind. 


Suiden  Sumatras. 


521 


Erst  wenn  derselbe  das  Signal  gegeben  hat  und  den  Uebergaug 
nicht  nielir  hindern  kann,  gehen  die  Kubus,  mit  Parangs ')  bewaifnet. 
zum  Angriff  über.     Gewöhnlicli  wird   der  Ueberfall   gemaclit,   wenn 


I 


die  Nangwies  vom  Lande  zum  ]\Ieere  ziehen.    Durch  die  reichliche 
Fütterung  sind  sie  besser  ernälirt  und  deshalb^sehr  fett. 

Das  Verbreitungsgebiet  des  Nangwies  soll  sich  vom  Norden  nacli 
Süden  vom  Indragiri-Fluss  bis  zum  ]\Iusi  ziehen"  (vgl,  Kartenskizze). 


1)  Der  Parang  ist  eiu  Hackmesser,   das  den  Malayeu  zum  Holzfällen 
etc.,  aber  auch  als  Waffe  dient. 


522  Walter  Volz, 

Mit  dieser  aiischaulicheii  Schilderung,  die  uns  Dr.  Block  giebt, 
stimmen  die  Nachrichten,  welche  ich  selbst  über  das  Thier  einziehen 
konnte,  überein.  Jedenfalls  ist  sicher,  dass  die  Nangwies  grosse 
Wanderungen  unternehmen  und  dass  ihnen  dabei  zum  Uebersclnvimmen 
kein  Fluss  zu  breit  ist.  Ob  aber  ihre  Wanderungen  nur  durch  die 
Eeife  gewisser  Früchte  oder  noch  durch  andere  Ursachen  bedingt 
werden  und  ob  sich  dabei  die  Flussübergänge  genau  in  der  uns 
von  Dr.  Block  geschilderten,  ihm  übrigens  von  Malayen  oder  Kubu 
erzählten  Weise  abspielen,  bedarf  noch  weiterer  Beobachtungen. 
Was  übrigens  das  südliche  Verbreitungsgebiet  dieser  Sus-Avt  an- 
belangt, so  kann  man  wohl  den  Musi,  resp.  dessen  nijrdliches  Zufluss- 
gebiet als  Südgrenze  angeben.  Ich  habe  mehrere  Jahre  beiderseits 
von  Musi  und  Rawas  zugebracht,  hörte  jedoch  nie,  dass  die  Nangwies 
bis  an  einen  dieser  Flüsse  vorgedrungen  wären,  dagegen  bis  an 
nördliche  Nebenflüsse  des  Musi.  In  den  Batang  Leko,  einen  der 
grössten  linksufrigeu  Nebenflüsse  des  Musi,  ergiesst  sich  weit  oben 
der  Sungei  Kapas  und  in  diesen  wieder  der  Sungei  Nangwie.  Letz- 
terer ist  deshalb  wichtig,  weil  in  seiner  Nähe  die  vielumstrittene 
Grenze  zwischen  der  Residentschaft  Palembang  und  dem  Sultanat 
Djambi  verläuft.  Jedenfalls  deutet  sein  Name  darauf  hin,  dass  die 
Nangwies  schon  bis  hierher  kamen.  Diese  Schweine  finden  sich 
ferner  zu  gewissen  Zeiten  zwischen  dem  obern  Batang  Leko,  resp. 
dessen  linken  Nebenflüssen  und  dem  Lalang,  welch  letztern  sie  in 
ansehnlichen  Schaaren  überschwimmen,  wie  mir  Augenzeugen  be- 
richteten. Zur  Zeit,  als  ich  den  Lalang  befuhr,  im  Mai  und  Juni 
1902,  gab  es  dort  keine  Nangwies.  Auch  im  untern  Teile  von 
Djambi  sind  diese  Thiere  wohlbekannt.  Ihr  Verbreitungsgebiet 
richtet  sich  vielleicht  nach  dem  Vorhandensein  einer  uns  unbekannten 
Nährpflanze.  Bis  ins  Stromgebiet  des  eigentlichen  Banju  asin 
scheinen  die  Nangwies  nicht  einzudringen  ^)  (vgl.  Kartenskizze). 

Ein  mir  bekannter  Holländer,  welcher  einst  eines  dieser  Thiere 
schoss,  schilderte  mir  dasselbe  als  bedeutend  grösser  als  Sus  vittatus, 
namentlich  hochbeiniger.  Die  Farbe  des  Körpers  sei  weiss  oder  hell. 
Verwundete  Nangwies  sollen  nicht  ungefährlich  sein. 

Zum  ersten  Male  wird   in  der  Literatur  diese  Stts- Art  erwähnt 


1)  Zur  nähern  Orieutirung  ül:)er  die  geographischen  Verhältnisse  in 
der  Residenz  Palembang  verweise  ich  auf  eine  Karte  in:  VoLZ,  W.,  lieber 
die  Verbreitung  von  Siamanga  syndactylus  und  Hylebates  agilis  in  der 
Residenz  Palembang,  in:   Zool.  Jahrb.,   V.    19,   Syst.,    1903,  p.   670, 


Saiden  Sumatras.  523 

durch  MiLLEK  (6).  Dr.  Abbott  erbeutete  im  September  1901  ein 
ausgewachsenes  Männchen  des  Nang--oi-Schweines  am  Indragiri  Fluss 
(Ost-Sumatra).  Dasselbe  wurde  von  Miller  (6)  als  Sxs  oi  n.  sp.  be- 
schrieben. Dieser  Name  ist  sehr  unglücklich  gewählt.  Das  Thier 
heisst  malajdsch  Nangwie  nicht  Nang-oi.  Die  malayischen  Eigen- 
namen werden  nicht  nach  chinesischer  Art  in  einzelnen  Silben  ge- 
trennt geschrieben.  Es  hat  ungefähr  denselben  Sinn,  das  Nangwie 
Sxs  oi  zu  nennen,  wie  wenn  man  unsere  Ziege  Capra  ge  nennen 
würde.  Jedenfalls  ist  sicher,  dass  Sus  oi  j\Iiller  mit  dem  Nangwie 
der  nördlichen  Küstenstriche  von  Palembang  identisch  ist.  Dass  es 
keine  unbeschriebene  Art  ist,  zeigt  die  weiter  unten  folgende  Be- 
schreibung und  Vergleichung  mit  Sns  harhaius  Müll,  et  Schleg.  von 
Borneo.  Dass  Abbott  das  Schwein  am  Indragiri-Fluss  erbeutete, 
zeigt  übrigens,  dass  Herr  Dr.  Block,  resp.  die  von  ihm  ausgefragten 
Eingebornen  völlig  Recht  hatten,  wenn  sie  behaupten,  dass  diese  Art 
bis  an  jenen  Fluss  vorkomme.  Nach  den  Angaben  Abbott's  (vgl. 
Miller  (7)  p.  147)  ist  das  Thier  in  den  ^^'äldern  und  Sagopflanzungen 
längs  den  Ufern  des  Indragiri-Flusses  häufig.  Seine  Fussspuren 
können  von  denjenigen  von  Sus  vittatus  in  Folge  ihrer  bedeutendem 
Grösse  stets  unterschieden  werden.  Das  durch  Abbott  gesammelte 
Exemplar  stammt  aus  der  Gegend  von  etwa  30  Meilen  oberhalb  der 
Gründung  des  Indragiri-Flusses. 

Herr  G.  Schneider  in  Basel,  welcher  den  Indragiri-Fluss  eben- 
falls befuhr,  hörte  von  den  Nangwies  in  jenen  Gegenden  auch 
sprechen.  lieber  seine  bezüglichen  Beobachtungen  und  Erfahrungen 
gedenkt  er  anderswo  selbst  zu  berichten. 

Gehen  wir  nun  zur  Beschreibung  des  Thleres  selbst  über.  Ich 
folge  dabei  vollständig  der  Arbeit  Miller's  (6),  dem  wir  die  einzigen 
Angaben  über  das  Aeussere  verdanken,  und  bringe  dieselbe  über- 
setzt in  Sperrdruck  und  Anführungszeichen  zum  Abdruck,  wo- 
bei ich  jeweilen,  wenn  nöthig,  meine  eignen  Befunde  einfüge.  Letztere 
vergleiche  ich  hauptsächlich  mit  den  vorzüglichen  Beschreibungen 
des  Sus  barbatus  von  Spillner  (18). 

,,U  n  t  e  r  e  i n i  g  e  n  S  ä u  g  e  t  h  i  e  r  e  n ,  w e  1  c  h  e  V  0  n  Dr.  W.  L.  Ab- 
bott am  Indragiri-Fluss,  Ost-Sumatra,  im  September 
1901  gesammelt  und  dem  United  States  National 
Museum  in  ^^'ashington  geschenkt  wurden,  befindet 
sich  ein  ausgewachsenes  Männchen  des  Nang-oi,  einer 
grossen  Schweineart,  welche  dem  borneensischen  Sus 
harhat HS  WC LLEH    und  Stis  long i rostris  'Sehri^g   verwandt 


524  Walter  Yolz, 

ist.  Es  ist  von  den  Arten  von  Sus,  welche  bisher  be- 
schrieben wurden,  verschieden  und  mag-  bezeichnet 
AY erden  als 

Sus  oi  n.  sp. 

„Beschreibung.  —  Aeusserlich  am  meisten  Sus  bar- 
bat us  ähnlich,  jedochKör  per  selbst  spärlicher  behaart 
(eine  Mähne  fehlt,  und  die  Haut  ist  nirgends  durch 
Borsten  ganz  verhüllt,  ausgenommen  im  Gesicht),  mit 
zwei  gut  entwickelten,  warzigen  Protuberanzen  auf 
der  Schnauze.  Schädel  im  wesentlichen  wie  bei  Sus 
Jongirostris.  Zähne  kleiner  als  bei  Sus  longirosiris 
oder  Sus  barbatus,  der  hintere  untere  Molar  in  der 
Grösse  stark  reducirt,  fast  wie  bei  Stts  celebensis.^' 

Auf  diese  Punkte  werde  ich  weiter  unten  des  Näheren  eingehen. 

„Aeussere  Merkmale.  —  Der  Leib  und  Hals  sind  spar- 
sam und  gleichförmig  mit  schwarzen  Borsten  übersät, 
welche  nirgends  die  gelblichweisse  Haut  verhüllen. 
Auf  den  Seiten  und  am  Bauche  sind  sie  sehr  steif, 
dicht  angedrückt  und  nach  rückwärts  gerichtet,  un- 
gefähr 20mm  lang  und  nahezu  5mm  im  Durchmesser. 
Auf  den  Beinen  sind  sie  weniger  grob  und  zahlreich 
genug,  um  einen  erkennbaren  dunkeln  Schatten  zu  er- 
zeugen. Längs  der  Mittellinie  von  Hals  und  Rücken 
nehmen  sie  an  Länge  bis  etwa  50  mm  zu,  ihr  Durch- 
messer nimmt  zu  gleicher  Zeit  bis  3  mm  ab.  Die  Haare 
1) i  1  d e n  k e i n e  M ä h n e ,  aber  durchweg,  wo  sie  bei  andern 
Schweinen  vorkommt,  sind  die  Haare  weniger  zer- 
streut und  angepresst  als  anderswo.  Sie  sind  schwarz, 
mit  gelbbraun  getupft.  Kopf  wie  bei  Sus  barbatus  (vgl. 
tab.  30  der  Verband],  over  de  natuurlijke  geschie- 
denis  d.  Nederl.  overzeesche  b  ez  it  t  ingen),  ausge- 
nommen, dass  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  Auge 
und  Rüssel  zwei  gut  entwickelte  Warzen  vorhanden 
sind,  die  30mm  in  der  Länge  und  20mm  in  der  Breite 
messen,  dicht  bedeckt  mit  steifen,  geraden  Borsten. 
Diese  Borsten  sowohl  als  die  des  obern  Theils  des 
Gesichtes  sind  einförmig  gelblich- braun.  Auf  den 
Wangen  sind  sie  stark  mit  schwarzen  gemischt. 
Schwanz   spärlich   mit   steifen,   schwarzen  Haaren   be- 


Suiden  Sumatras.  595 

deckt,  die  etwa  25  mm  lang  sind.  Sie  verhüllen  die 
Haut  nirgends,  jedoch  sind  sie  am  letzten  Drittel 
längs  den  Seiten  genügend  dicht,  um  eine  deutliche, 
flache  Bürste  zu  bilden." 

Da  ich  die  sumatranischen  Bartschweine  nicht  von  Ansehen 
kenne,  so  vergleiche  ich  die  MiLLER'sche  Beschreibung  von  Sus  oi 
mit  denjenigen,  welche  Müller  u.  Schlegel  (8)  sowie  Spillxer  (18 1 
von  S.  barhatus  geben.  Dabei  stellen  sich  keine  so  grossen  Unter- 
schiede heraus,  welche  erlauben  würden,  die  Thiere  von  Borneo  von 
denjenigen  Sumatras  specifisch  zu  trennen,  weil  sie  sich  in  Bezug 
auf  Körperfärbung,  Behaarung  etc.  stark  genug  unterscheiden  würden. 
Das  Aeussere  variirt  übrigens  bei  den  einzelnen  Sus-Arten  sehr 
stark.  RüTiMEYER  (22)  sagt  darüber  p.  470  bei  Besprechung  von 
S.  rittatus:  „Schon  die  geographische  Verbreitung  scheint  dieser 
Form  eine  wichtige  Rolle  in  der  mit  dem  gemeinsamen  Namen  Sus 
bezeichneten  Gruppe  anzuweisen.  Erwägt  man,  dass  bei  Dickhäutern 
aller  Art  manche  Merkmale,  die  in  vielen  andern  Thiergruppen  nur 
geringen  Schwankungen  unterworfen  sind,  wie  Körpergrösse ,  Be- 
schaifenheit  des  Haarkleides,  ja  selbst  Hautfarbe  so  weitgehenden 
individuellen  und  localen  Schwankungen  unterworfen  sind,  dass  sie 
ihren  Wert  zur  Unterscheidung  von  Arten  so  viel  als  verlieren,  so 
wird  überhaupt  das  Bild  der  Vertheilung  der  in  Rede  stehenden  Ab- 
theilung der  Schweine  ein  sehr  einfaches. 

„Abnahme  der  Körpergrösse  ist  die  allgemeinste  Veränderung, 
welche  mit  der  Zertrennung  auf  das  ost-  und  süd-asiatische  Littoral 
einhergeht.  Dazu  kommen  allerlei  Haarzierden  in  Form  von  Mähnen 
oder  sonstigen  Haarbüscheln,  sowie  Entfärbungen,  namentlich  am 
Kopf;  ferner  Veränderungen  der  Statur,  Hochbeinigkeit  und  der- 
gleichen, welchen  man  kaum  andern  als  localen  ^^'erth  wird  bei- 
messen können.  Sogar  die  allgemeine  Form  des  Kopfes,  die  durch 
Verkürzung  oder  Verlängerung  des  Gesichtsschädels  sehr  weitgehen- 
den Graden  von  Veränderung  unterliegt,  wird  nach  den  lehrreichen 
Nachweisen  von  Natiiusius  bei  dieser  ihre  Nahrung  durch  ^Mihlen 
gewinnenden  Thiergruppe  nur  mit  grosser  Vorsicht  als  Species-Merk- 
mal  zu  verwenden  sein." 

Ueber  die  Form  der  Schädel  äussern  sich  auf  ähnliche  \\'eise 
Müller  u.  Schlegel  (8)  p.  176  in  Bezug  auf  S.  verrucosus. 

Die  Hauptunterschiede  in  der  Behaarung,  welche  zwischen  der 
sumatranischen  und  der  borneensischen  Form  von  S.  barhatus  be- 
stehen, sind  etwa  die  folgenden: 

Zool.  Jahrb.  XX.    khih-  f.  S.vst.  ;35 


526  Walter  Volz, 

Eine  eigentliche  Mähne  scheint  der  Sumatra-Form  zn  fehlen. 
Bei  ihr  sind  die  Borsten  an  den  Seiten  und  am  Bauche  die  stärksten, 
während  nach  Spillner  (18)  p.  90  „am  stärksten  die  weissgrauen 
Borsten  der  markirten  Stellen  des  Kopfes,  zumal  die  des  Backen- 
bartes" sind.  Am  Ende  des  Schwanzes  bilden  die  Haare  bei  S.  oi 
Miller  „eine  deutliche  flache  Bürste",  Spillnee  sagt  vom  S.  har- 
batus  von  Borneo  in  Bezug  auf  diesen  Punkt:  „Die  Extremitäten 
und  der  Schwanz  sind  tief  schwarz,  letzterer  ist  mit  ebenso  gefärbter 
starker  Endquaste  versehen". 

Als  einen  Hauptunterschied  seines  Sus  oi  von  Sus  harhatus  macht 
Miller  das  Vorhandensein  von  2  gut  entwickelten,  warzigen  Pro- 
tuberanzen geltend.  Es  wurde  allerdings  früher  angenommen,  dass 
Gesichtswarzeu  bei  S.  barhatus  nicht  vorkommen  sollen.  Nach 
NEHEiNa  (13)  p.  19  „besteht  in  der  Behaarung  und  hinsichtlich  des 
Vorhandenseins  resp.  Fehlens  von  Gesichtswarzen  ein  oifenbarer 
Unterschied  zwischen  S.  longirostris  und  S.  harbatns  S.  barbatus  hat 
nach  einer  bestimmten  brieflichen  Mittheilung  JeiNtink's  an  mich 
keine  Gesichtswarzeu;  S.' longirostris  dagegen  ist  nach  Grabowsky's 
Angabe  mit  solchen  versehen".  Auch  nach  Gray  (1)  p.  23  u.  32 
besitzt  S.  barbatus  keine  Gesichts warzen.  Im  Gegensatz  zu  diesen 
bestimmt  lautenden  Aussagen  berichtet  nun  v.  Spillner  (p.  89)  das 
Folgende : 

„Am  Oberkiefer  vollzieht  die  Begrenzung  der  Querbinde  ein 
Büschel  dicht  stehender,  grau  weisser,  straffer  Borsten  oberhalb  des 
Mundwinkels. 

Es  ist  dieselbe  Stelle,  an  welcher  bei  den  Arten  mit  Gesichts- 
warzen sich  warzenähnliche  Protuberanzen  befinden. 

Auf  Grund  dieses  Umstandes  und  der  nahen  Verwandtschaft, 
welche  das  Bartschwein  der  Schädelform  nach  mit  den  „verru- 
cosen"  Schweinen  hat,  nahm  ich  Veranlassung,  diese  Stelle  genauer 
zu  untersuchen.  Zu  meiner  eigenen  Verwunderung  konnte  ich  nun 
mit  Sicherheit  auf  dem  Grunde  dieser  dicht  bewachsenen  Stelle  bei 
beiden  Thieren  eine  warzenartige  Auftreibung  feststellen,  die  selbst 
bei  den  getrockneten  Häuten  nach  allen  Seiten  hin  scharf  abgesetzt 
ist  und  sich  deutlich  von  der  übrigen  Haut  abhebt. 

Bei  der  Untersuchung  einer  halben,  in  Spiritus  aufbewahrten 
Haut  fand  ich,  dass  die  Warze  bei  den  andern  Präparaten  stark 
geschrumpft  war,  ^)  sie  hat  die  ungefähre  Grösse  einer  kleinen  "Wall- 


1)    Wahrscheinlich    kounteu   diese  AVarzeu,    weil  sie  bei  ausge^-topftca 


Suiden  Sumatras.  527 

nuss,  ihre  Höhe  misst  13  nnu.  am  Grunde  ist  dieselbe  17  mm 
breit.  ^) 

Meines  Wissens  ist  für  das  Bartschwein  etwas  derartiges  noch 
nicht  festgestellt  und  ich  gebe  zu,  dass  bei  einer  oberflächlichen  Be- 
sichtigung die  Warzen  nicht  zu  sehen  sind,  dieselben  sind  vielmehr 
sehr  versteckt  und  schwer  aufzufinden.  Zweifellos  trägt  das  Männ- 
chen diese  Artcharaktere  noch  viel  stärker  ausgeprägt.  Von  andern 
Gesichtswarzen  konnte  ich  auch  nicht  die  Spur  feststellen". 

Ebenso  zeigten  die  Bastarde,  welche  aus  Kreuzungen  zwisclien 
Bartschweinen  und  Hausschweinen  in  der  Versuchsanstalt  des  land- 
wirthschaftlichen  Instituts  zu  Halle  hervorgingen,  in  allen  Fällen 
die  (lesichtswarze  deutlich. 

Schädel.  —  Der  Schädel  gleicht  so  auffallend  dem- 
jenigen eines  alten  Männchens  von  Sus  Jongirostris 
von  Borneo,  dass  man  leicht  annehmen  könnte,  er  ge- 
höre einem  Individuum  jener  Art  an. 

Es  scheint  mir  hier  der  passende  Ort,  die  2  Schädel  des 
Sumatranischen  Bartschweines,  die  sich  in  meinen  Händen  befinden, 
zu  beschreiben  und  sie  zugleich  mit  den  guten  Angaben  Nehrixg's 
und  V.  Spillner's  zu  vergleichen. 

Die  oben  citirten  Worte  Miller's  über  den  Schädel  genügen, 
um  seinen  äussern  Habitus  zu  kennen,  wenn  man  die  Arbeiten 
Xehrinct's,  welche  über  S.  lom/irostris  handeln,  zur  Hand  nimmt. 
Es  kann  sich  deshalb  hier  nur  noch  um  Details  handeln,  die  Miller 
in  seiner  Beschreibung  versäumt  hat,  beizugeben;  dabei  verweise 
ich  aber  hauptsächlich  auf  die  hinten  angefügten  Messtabellen. 

Die  Basallänge  (Entfernung  zwischen  dem  untern  Rande  des 
Foramen  magnum  und  der  äussersten  Spitze  der  Intermaxillaria) 
beträgt  bei  meinen  sumatranischen  männlichen  Schädeln  898  resp. 
438,5  mm,  bei  S.  oi  Mill.  s  von  Indragiri  410  mm,  bei  S.  longirosiris 
XiiRG.  i  von  Borneo  401  mm,  von  Java  405  mm,  bei  S.  harbatus  M. 
et  ScHL.  S  von  Borneo  450,  431  resp.  400?  mm. 

Die  Kehldorne  sind  schräg  nach  voru  geneigt,  so  dass  der  auf- 
steigende Ast  des  Unterkiefers  dieselben  fast  gänzlich  verdeckt. 

Das  Verhältniss  der  Gesammtschädelhöhe  zur  Basallänge  liegt 


Thierru  stark  schi-nmpfen,   aus   diesem  (Ti-unde   durch  .Thntixk    nicht  mehr 
gesehen  werden. 

1)  Vgl.   die  Maasse  der  Warzen  bei  einem  uiiännl.  >'.  oi  weiter  oben.  — 
Die  von  Sl'il.LXEK  untersuchten  Thiere  waren  AVeibchen. 

35* 


528  Walter  Volz, 

innerhalb  der  Schwankung-en  von  S.  harbafns;  das  eine  Maass  stimmt 
sog-ar  genau  überein  mit  den  Verhältnissen,  welche  Spillner  resp. 
Nehring  angeben.  1  :  1,59  resp.  1 : 1,66. 

Auch  bei  diesen  zwei  Schädeln  zeigt  sich  das  schon  von  Spillner 
beobachtete  Verhalten,  wonach  bei  dem  grössern  Schädel  die  Breite 
der  Occipitalflügel  verhältnissmässig  geringer  ist  als  beim  kleinern. 
Bei  letztem!  verhält  sich  die  Breite  der  Occipitalflügel  zur  Profil- 
länge wie  1 : 6,60,  beim  grössern  wie  1 : 7,00  {S.  harhafus  von  Borneo 
1  :  5,3—1  :  7,1). 

Die  Profillinie  der  Sumatra-Schädel  ist  eine  recht  verschiedene. 
Bei  dem  kleinern,  abgebildeten  Thiere  ist  sie  viel  gestreckter  und 
gerader  als  beim  altern.  Eine  gerade  Linie,  über  die  höchsten 
Punkte  der  Profllcontur  gelegt,  ruht,  mit  Ausnahme  von  ca.  10  mm 
der  vordersten,  sehr  schwach  nach  unten  geneigten  Spitze,  während 
einer  Strecke  von  etwa  4  cm  auf  den  Nasalia  auf.  Dann  bildet 
die  Contur  eine  schwache  Einsenkung  nach  unten,  und  2  cm  vor 
der  engsten  Stelle  der  Crista  parietalis  trifft?  die  Linie  wieder  auf 
den  Schädel,  mit  dem  sie  bis  zur  engsten  Stelle  in  Contact  bleibt. 
Die  tiefste  Einsenkung  auf  den  Stirnbeinen  beträgt  nur  8  mm.  Die 
tiefste  Stelle  zwischen  den  Occipitalflügeln  ist  15  mm  von  der  ge- 
raden Linie  entfernt.  Das  Profil  dieses  Schädels  hat,  von  den  mir 
bekannten  Abbildungen  von  S.  barbatus  am  meisten  Aehulichkeit 
mit  demjenigen  von  Müller  u.  Schlegel  (8)  tab.  31,  fig.  5  ge- 
gebenen. 

Beim  grössern  Schädel  ist  die  frontale  und  occipitale  Einsenkung 
grösser  und  die  Profillinie  deshalb  weniger  gestreckt.  Die  über  die 
obere  Schädelcontur  gelegte  gerade  Linie  liegt  vorn  weniger  lang 
auf  und  ebenfalls  hinten ,  wo  sie  nicht  mit  der  engsten  Stelle  der 
Crista  parietalis  zusammen-,  sondern  vor  diese  fällt.  Der  grösste 
Abstand  vom  Frontale  zu  dieser  Linie  beträgt  21  mm,  der  grösste 
Abstand  von  der  Mitte  der  Occipitalflügel  29  mm.  Diese  Angaben 
bestätigen  demnach  ebenfalls  die  Ansicht  Spillner's,  dass  das  starke 
Variiren  der  Profillinie  auch  dem  Bartschweine  eigen  sei. 

Die  Länge  der  Nasenbeine  verhält  sich  zur  Gesammtprofillänge 
wie  1:2,14—1:2,20  (nach  Miller  1:2),  also  wie  bei  S.  barbatus 
von  Borneo.  Auch  die  sumatranischen  Schädel  lassen  keine  deut- 
liche Abgrenzung  zwischen  den  Frontalia  und  Parietalia  zu,  da  die 
betreffenden  Nähte  dicht  verwachsen  sind. 

Die  Totallänge  der  Stirn-  und  Scheitelbeine  zusammen  beträgt 
beim  kleinern  Exemplare  243  mm,  beim  grössern  269  mm.   Letztere 


Suideii  Sumatras.  529 

Zahl  Übertrifft  das  grösste  von  Si'illnek  angegebene  ^[aass  (252  mm), 
bleibt  aber  noch  um  7  mm  hinter  dem  grössten  barhattis-Schädel  der 
NEHRiNG'schen  Sammlung  (276  mm)  zurück. 

Die  geringe  Breite  der  Crista  sagittalis  wird  von  Xeheinö  (9) 
{).  349  und  (10)  p.  81  als  ein  besonderes  Merkmal  für  sein  S.  lomji- 
rostris  angeführt,  und  in  der  That  sind  bis  dato  noch  von  keinem 
S.  harhatns  so  geringe  Maasse  gefunden  worden.  Si'iiiLXEK  (18)  p.  97 
hat  aber  gezeigt,  dass  die  Breite  der  Crista  sagittalis  eine  sehr 
wechselnde  ist.  Er  hat  bei  drei  sehr  alten  männlichen  Schädeln 
von  S.  harhatns  13,  resp.  15  und  21  mm  Breite  des  Kammes  gemessen. 
Die  von  mir  gefundenen  Zahlen  beim  Bartschw'ein  Sumatras  stehen 
zwischen  den  geringsten  Maassen  von  S.  longirosfris  (4  mm)  und 
S.  harhatns  (13  mm)  mit  6  mm  Breite  beim  altern  und  10  mm  Breite 
beim  Jüngern  Schädel. 

Auch  die  Wölbung  des  Schädels  zwischen  den  Jochbeinfortsätzen 
ist  bei  meinen  sumatranischen  Individuen  bedeutender  als  bei  S. 
scrofa  ferus.  Das  Verhältniss  der  Breite  der  Stirn  (zwischen  den 
Jochbeinfortsätzen  des  Stirnbeins)  zur  Länge  der  obern  Schädelpartie 
(Frontale  und  Parietale  zusammen)  ist  1 :  2,3 — 1 :  2,31 ;  das  Verhältniss 
der  Stirnbreite  zwischen  den  Thränenbeinrändern  am  Orbitalrande 
zur  obern  Schädelpartie  gleich  1 :  3,20—1  :  3,28  {S.  harhatns  1 :  2,9 
bis  1:3,1);  Verhältniss  der  Stirnbreite  an  den  Postorbitalfortsätzen 
zur  obern  Protillänge  des  Schädels  (Spitze  der  Nasalia  bis  Mitte 
des  Occipitalkammes)  ist  gleich  1  :  4,29—1 :  4,34  {S.  harhatns  $  1 :  4,4); 
Verhältniss  dieser  Stirnbreite  zur  Basallänge  1:3,77 — 1:3,78  {S, 
harhatns  S  1 :  3,46  und  1 :  3,45). 

^^^as  Spillner  p.  98  über  die  Supraorbitallöcher  und  die  von 
diesen  ausgehenden  Rinnen  aussagt,  so  gilt  dies  für  die  beiden 
Sumatraschädel  ebenso  wie  für  S.  harhatns  von  Borneo. 

Breite  der  Nasalia  am  Hinterende  der  Intermaxillaria  zur  Länge 
der  Nasalia  wie  1 :  5,45—1 :  5,73. 

Was  das  Thränenbein  anbelangt,  so  habe  ich  der  Beschreibung 
Simma'ek"s  nichts  beizufügen.  Dieselbe  stimmt  für  die  Form  der 
Oberfläclie  und  der  Konturen  auch  völlig  für  meine  Schädel  aus 
Palembang.  Anschliessen  möchte  ich  mich  ferner  auch  vollständig 
seiner  Ansicht,  dass  dieser  Knochen  lange  nicht  die  grosse  \\'ichtig- 
keit  besitzt,  die  ihm  einige  Zoologen  beimessen  wollen. 

Folgende  Tabelle  zeigt  die  Verhältnisse  für  die  beiden  Schädel 
von  S.  harhatns  und  vier  Schädel  von  S.  vittatns  von  Sumatra: 


530 


Walteh  Yolz, 


S.  barbatus  A. 

«         »         B- 

S.  vittatns  Volz 

„  „  KiSSLING 

„        „        B. 

11  11  '-^  • 


Untere 

Obere  2) 

Höhe  1) 

Länge 

Länge    i 

29 

33,5 

59 

31? 

33,5 

— 

21 

20 

50        1 

!       24 

18 

44 

y 

9 

54 

25 

20 

51 

1 : 1,15  :  2.03 
1 : 1,08  :  — 
1  :  0.95  :  2,38 
1 :  0;75  : 1,83 


1  :  0,80 :  2,05 


Auch  was  die  Jochbeine  betrifft,  so  sind  keine  wesentlichen 
Unterschiede  zwischen   den  Bartschweinen  beider  Insehi  zu  finden. 

Der  geringste  Abstand  zwischen  den  Hamiili  pterygoidei  und 
den  Bullae  osseae  auditoriae  beträgt  beim  Jüngern  Schädel  3  mm, 
beim  altern  10  mm.  Diese  Maasse  schwanken  also  noch  etwas  mehr 
als  die  von  Spillnee  angegebenen  (6 — 11  mm). 

Bei  meinen  zwei  Schädeln  steht  das  Hinterende  des  letzten 
Backenzahns  bedeutend  vor  dem  vordem  Orbitalrande  (vgl.  Fig.  1). 

Die  starke  Einsenkung  des  Gaumens  macht  sich  hinter  den 
obern  Eckzähnen  deutlich  bemerkbar,  wobei  die  entsprechende 
Wölbung  der  Nasalia  jedoch  nur  beim  altern  der  beiden  Thiere  zu 
sehen  ist.  Die  Form  der  obern  Backenzahnreihe  ist  ebenfalls  wie 
bei  S.  barbatus  von  Borneo;  jedoch  ist  ihre  flacli  Sförmige  Gestalt 
beim  altern  der  zwei  Schädel  weniger  deutlich  als  beim  i'ünoern 
(Fig.  2). 

Das  Verhältniss  der  Distanz  zwischen  Forameu  magnum  und 
Mitte  des  Gaumenausschnittes  zur  Basallänge  ist  1:4,87 — 1:4,91 
{S.  barbatus  S  1 : 4,74)  und  zur  Totallänge  des  knöchernen  Gaumens 
(Palatallänge)  gleich  1 : 3,92  (S.  barbatus  S  1 : 3,77).  Palatallänge 
zur  Basallänge  wie  1 : 1,25  bei  beiden  Schädeln  {S.  barbatus  eben- 
falls 1:1,25). 

Das  Verhältniss  der  Länge  des  Intermaxillare  am  Alveolarrande 
zur  Basallänge  beträgt  1 :  4,21—1 :  4,37  (S.  barbatus  1 :  4,36—1 :  4,8) 
und  zur  Proflllänge  1:4,85—1:5,07  {S.  barbatus  1:4,9-1:6,1). 

Was  den  Bau  der  Palatina  anbelangt,  so  stimmt  derselbe  voll- 
ständig überein  mit  dem  der  Bartschweine  von  Borneo.  Die  Krümmung 
nach  oben  beginnt  hinter  dem  Hinterrande  der  letzten  obern  Molaren. 
Ebenfalls  die  Unterkieferverhältnisse  sind  ganz  ähnliche. 

..Zähne.  —  Die  Zähne,  mit  Ausnahme  der  C aninen, 
sind  sämmtlich    kleiner  und   schmaler  als   diejenigen 


1)  Am   Orbitalrande. 

2)  Inclusive  verlängerter,  vorderer  Knochensplitter. 


I 


Suiden  Sumatras.  531 

von  S.  longirost ris.  Obere  Schneidezähne  weit  getrennt. 
Der  zweite  ist  von  beiden,  dem  ersten  und  dritten, 
d u r c h  einen  Z w i s c h e n r a u ni  von  15  mm  geschieden  (b e i 
S.  long irost ris  ist  die  Distanz  zwischen  zweitem  und 
erste m  5  mm  und  zwischen  zweite m  und  d r i 1 1 e m  n u r 
2  mm).  Letzter  Höcker  des  hintern,  obern  Molaren 
weniger  gross  als  die  Hälfte  des  c  orr  es  pon  dir  enden 
Zahns  bei  S.  longirostris.  Dritter  unterer  Molar  nur 
aus  2  Qu  er  Jochen  und  einem  Endhügel  bestehend,  die 
ganze  Länge  des  Zahns  bedeutend  geringer  als  die- 
jenige der  zwei  davorstehenden  Zähne  zusammen.  In 
der  Form  ähnelt  er  sehr  der  von  Nehkinci  gegebenen 
Figur  desselben  Zahns  von  S.  ceJehensis  (12)  (tab.  2. 
fig.  8)  und  ist  sehr  verschieden  von  demjenigen  von 
S.  Jongirosiris  un  d  S.  cristafus.  (Bei  S.  harhafus  ist  dieser 
Zahn,  nach  Neheing,  von  gewöhnlicher  Form,  d.  h.  mit 
drei  Querjochen  und  einem  Endhügel)." 

Die  beiden  mir  aus  Palembang  zur  Verfügung  stehenden  männ- 
lichen Schädel  von  S.  harhaim  gehören  verschieden  alten  Thieren  au. 
Der  jüngere,  abgebildete  Schädel  A  zeigt  alle  Zähne  in  Usur.  Je- 
doch sind  die  zwei  hintersten  Molaren  noch  gar  nicht  abgenutzt. 
Die  ßezahnung  des  Oberkiefers  ist  vollständig  (3  Incisiven  und  ein 
Canin  fehlt,  doch  sind  die  Alveolen  sehr  deutlich).  Am  Unterkiefer 
sind  alle  Zähne  erhalten  mit  Ausnahme  des  dritten  Schneidezahns 
der  linken  Seite,  der  spurlos  fehlt.  Solches  Fehlen  von  Zähnen  be- 
richtet auch  Spillnek  (p.  105). 

Schädel  B  gehört  einem  sehr  alten  Keiler.  Im  Oberkiefer  be- 
sitzt derselbe  keinen  Incisiven  mehr;  die  Alveolen  sind  noch  er- 
halten, aber  z.  Th.  schon  fast  zugewuchert,  namentlich  die  hintern. 
C^  muss  vor  langer  Zeit  verloren  worden  sein;  die  Alveole  ist  nur 
noch  ein  kleines  Loch.  Auch  von  der  Molarreihe  fehlen  mehrere 
Zähne  seit  langer  Zeit,  die  Alveolen  sind  theilweise  verschwunden. 
Im  Unterkiefer  sind  die  zwei  vordersten  Schneidezahngrubenpaare 
noch  sehr  deutlich,  die  Zähne  dazu  können  noch  nicht  lange  fehlen, 
das  hinterste  Paar  ist  jedoch  auch  im  Begriffe  zuzuwuchern.  Der 
rechte  Eckzahn  ist  sehr  stark  abgenutzt.  P4  fehlen  vollständig  und 
spurlos.  Die  übrigen  untern  Backenzähne  sind  alle  vorhanden  und 
bedeutend  besser  erhalten  als  die  obern. 

Beim  Jüngern  Schädel,  der  namentlich  mächtige  Hauer  zeigt, 
sind  diese  sowie  die  Schneidezähne  schwarz,  und  beim  alten  Thiere 


532  "Walter  Volz, 

sind  alle  Zähne  völlio-  geschwärzt,  besonders  die  Schneide-  und  Eck- 
zähne, ähnlich  wie  bei  S.  harhatus  von  Borneo  (Spillnee  p.  106). 

Molaren.  —  Molar  1  sup.  misst  beim  kleinern  Schädel  18  mm 
in  der  Länge,  beim  grössern  17  mm.  Auch  hier  hat  also  der  kleinere 
Schädel  den  längern,  obern  M^  {S.  harhatus  18^20  mm).  Ein  in 
unserer  Museumssammlung  befindlicher  Schädel  von  S.  scrofa  ferus 
zeigt  rechts  ebenfalls  18  mm,  links  17  mm  Länge.  Die  M^  inf. 
messen  bei  beiden  Schädeln  17 — 17,5  mm  {S.  barhahts  17,5 — 11)  mm). 
M.2  sup.  misst  in  der  Länge  bei  Schädel  A  23,5  mm,  bei  Schädel  B 
(dem  altern)  22  mm;  M._,  inf.  bei  A  22  mm,  bei  B  21,5  mm. 

Während  Mg  sup.  von  demjenigen  von  S.  harhatus  Borneos  nicht 
verschieden  zu  sein  scheint,  besteht  zwischen  M3  inf.  der  Individuen 
von  Sumatra  und  von  Borneo  dadui-ch  ein  Unterschied,  dass  beim 
erstem  nur  4  Haupthöcker  und  ein  fünfter,  hinterer  Höcker  vor- 
handen sind;  zwisclien  letzterm  und  dem  zweiten  Querjoch  ist  noch 
ein  etwas  niedrigerer,  bieiter  Höcker  eingeschoben \)  (vgl.  Fig.  4). 
Dadurch  ist  der  Zahn  von  dem  des  S.  harhatus  von  Borneo  und  auch 
von  dem  von  S.  verrucosus  von  Java  verschiedener,  als  letztere  es 
von  demjenigen  von  S.  scrofa  ferus  sind.  -)  Diese  Bauart  von  M.,  inf., 
welche  nach  Millee's  und  meinen  Untersuchungen  constant  zu  sein 
scheint,  hat  am  meisten  Aehnlichkeit  mit  derjenigen  von  S.  celebensis 
Müll,  et  Schleg.  (vgl.  Nehking  (12))  und  der  Varietät  philippensis; 
ob  aber  dieses  Merkmal  bei  der  übrigen  grossen  Uebereinstimmung 
zwischen  S.  harhatus  von  Sumatra  und  S.  harhatus  von  Borneo  ge- 
nügt, um  erstere  Form  als  selbständige  „gute  Art"  von  der  borneen- 
sischen  zu  trennen,  muss  ich  spätem  Untersuchungen  überlassen. 

Die  Form  von  M3  inf.  meiner  Schädel  stimmt  also  mit  der- 
jenigen von  Bus  oi  aus  Indragiri  überein;  dies  ist  jedoch  nicht  der 
Fall  bezüglich  der  Längenverhältnisse,  verglichen  mit  den  der  zwei 
davorstehenden  Zähne  (M^  und  Mo).  Während  nämlich  bei  dem  von 
Miller  beschriebenen  Thier  die  Länge  von  Mg  inf.  bedeutend  ge- 
ringer ist  als  die  von  M^  und  M«  zusammen,  zeigt  ein  Blick  auf 
die  S.  537  zusammengestellte  Tabelle,  dass  bei  beiden  Schädeln  von 
Palembang  Mg  fast  genau  gleich  lang,  resp.  in  zwei  Fällen  sogar 
ganz  wenig  länger  ist  als  Mj  -|-  M«.  Ganz  gleiche  Verhältnisse 
zeigen  sich   auch   bei   S.  harhatus  resp.  S.  longirostris.'^)    Die   Länge 


1)  VgL   darüber  auch  weiter  oben,   S.   531   bei  MiLLEB. 

2)  Stehlin  (19),  p.   70. 

3)  Nehking  (12),  Tabelle  II,  p.  32. 


Suideu  Sumatras.  533 

von  M3  sup.  ist  37,  resp.  39—41  nun  und  die  Länge  der  davor- 
stehenden zwei  Molaren  38,5  resp.  37 — 39  mm.  Neheixg  (9)  sagt, 
dass  ,313  sup.  bei  S.  Jotigirostris  wesentlich  kürzer  ist  als  Mg  +  M^, 
(35  mm  :  42  mni)".  Uebrigens  passt  der  Ausspruch  Mi llek's,  dass  die 
Zähne  von  Sus  oi,  mit  Ausnahme  der  Caninen,  sämmtlich  kleiner 
und  schmaler  seien  als  diejenigen  von  .S^.  lou(jirostris,  absolut  nicht 
auf  die  zwei  von  mir  untersuchten  Tiere.  Hier  sind  die  Zahnver- 
hältnisse zur  Basalaxe  sämmtlich  die  gleichen  wie  die  von  Xeh- 
kixct  (12)  angegebenen. 

Sämmtliche  obere  Prämolaren  stehen  dicht  zusammen.  Bei 
Schädel  A  beträgt  die.  Distanz  zwischen  den  Alveolarräudern  von 
P..  und  Pj  inf.  links  20  mm,  rechts  17  mm. 


Querschnitte  durch  die  rechten,  uutern  Cauinen,  A  vom  Jüngern,  B  vom 
altern  Individuum. 

Die  Caninen  sind,  wie  schon  erwähnt,  äusserst  kräftig,  ihr 
Querschnitt  (Fig.  A  u.  B)  zeigt  die  für  die  verrncosus-(yY\\\)^&  übliche 
Form.  Die  Maasse  der  Knochenkämme  hinter  den  obei'n  Caninen 
betraofen : 


Länge  des  Kammes 

Höhe  des  Kammes  aussen 

Höhe  des  Kammes  innen 

Entfernung"  des  innern  Randes  vom  IntermaxiHare 

Breite  des  Schädels  über  den  Kämmen. 

Daraus  ergiebt  sich,  dass  beim  alten  Thiere  B  diese  Knochen- 
käuime  bedeutend  stärker  ausgebildet  sind  als  beim  Jüngern  Thiere  A. 
Auch  bei  S.  harhatus  ist  nach  Spilj.nkk  (p.  109)  „die  Ausbildung  der 
Ivnochenkämme  über  den  obern  Eckzähnen  der  männlichen  Thiere 
eine  sehr  veränderliche."' 

Die  Richtung  der  Caninen  verhält  sich  bei  den  Sumatra-Schädeln 
gleich  wie  bei  *S.  harhatus  von  Borneo  (vgl.  Taf.  18). 

Was  die  Incisiven  betrifft,  so  glaubt  Miller  als  einen  Haupt- 
unterschied  zwischen    S.  oi  und  S.  lomjirostris  anführen  zu  kitnnen. 


A 

B 

mm 

mm 

75 

100 

37 

51 

15 

21 

12 

20 

83 

H4 

534  Walter  Volz, 

dass  bei  ersterm  die  Sclineidezälme  A'iel  weiter  g-etrennt  seien  als 
bei  letzterm  (vgl.  weiter  oben,  S.  531).  Spillnee  (p.  HO)  sag-t  über 
die  Schneidezähne  von  S.  harhafns:  „Diese  Zahnart  variirt  bei  den 
verschiedenen  Formen  des  Schweins  sehr  stark,  so  anch  hier;  ich 
verzichte  desshalb  darauf,  eine  Beschreibung-  derselben  zu  g-eben." 

Bei  Exemplar  A  von  Sumatra  beträgt  die  Distanz  zwischen  J^ 
und  Jo  sup.  8  mm,  zwischen  J.,  und  J..  sup.  13  mm.  Die  entsprechen- 
den Maasse  bei  S.  oi  Miller  sind  je  15  mm. 

Im  Folgenden  gebe  ich  der  Vollständigkeit  halber  noch  den 
letzten  Abschnitt  der  Arbeit  Millee's  (6) : 

„Maasse.  —  Aeussere  Maasse  des  Typus:  Totale  Länge 
1870mm;  Kopf  und  Eumpf  1575;  Schwanz  295;  Schulter- 
höhe 850;  Rumpfhöhe  800;  Ohr  vom  Meatus  88;  Ohr  von 
der  Spitze  97;  Breite  des  Ohrs  75;  Gewicht  113kg. 
Schädelmaasse  des  Typus:  grösste  Länge  480  (465),  die 
Zahlen  in  Klammern  beziehen  sich  auf  ein  ausge- 
wachsenes Männchen  von  S.  Jongirostris;  Basallänge 
405  (390);  Basila r länge  (bis  zur  Spitze  des  Prä m axil- 
lare) 410  (397);  Palatallänge  bis  zur  Spitze  des  Prä- 
m a X i  1 1  a r e  330  (— ) ;  Breite  des  Palatinums  bei  pml  50 
(45);  Breite  an  den  Joch  bogen  162  (148);  geringste  In- 
terorbitalbreite  80  (76);  Länge  der  Nasalia  240  (230); 
grösste  Breite  beider  Nasalia  zusammen  38  (38);  Höhe 
des  Occiput  (bis  zum  Unterrande  des  Foramen  magnum 
140  (140))." 

Dabei  ist  mir  übrigens  nicht  klar,  von  wo  Miller  die  Maasse 
für  S.  longirostris  genommen  hat. 


Mit  obiger  Beschreibung  und  Vergleichung  der  im  Naturhisto- 
rischen Museum  von  Bern  befindlichen  zwei  Schädel  des  lang- 
schnauzigen  Schweins  von  Sumatra  mit  demjenigen  von  Borneo 
glaube  ich  genugsam  bewiesen  zu  haben,  dass  S.  oi  Miller  von 
Sumatra  identisch  ist  mit  S.  harbatus  Müller  et  Schlegel  von 
Borneo,  welches  seinerseits  wieder  nichts  anderes  ist  als  S.  lotigi- 
rosfris  Nehring.  Der  einzige  wirkliche  Unterschied  zwischen  dem 
Sumatranischen  und  borneensischen  Thiere  besteht  in  der  Ungleich- 
heit von  M..  inf.  Ueber  diesen  Punkt  muss  später  noch  mehr  Klar- 
heit kommen. 

Durch  die  Steigerung  des  Verkehrs  in  NW.  Palembang  und  die 


Suiden  Sumatras.  535 

demnächst  zu  erwartende  Eröffnung  des  Handels  im  Sultanat  Djambi 
werden  watrsclieinlicli  nacli  und  nach  mehr  Felle  und  Skelettheile 
des  Nangwie  nach  Europa  kommen  als  bisher.  Ich  vermuthe  sogar, 
dass  ich  der  Erste  -war.  welcher  Scliädel  dieses  Thieres  nach  Europa 
brachte.  Sie  zu  untersuchen  ist  von  grossem  Interesse,  namentlich 
Avenn  es  Jemand  thun  kann,  der  zugleicli  über  Material  aus  Borneo 
verfügt. 

Das  Vorkommen  des  BartschAveins  ist  bis  jetzt  unzweifelhaft 
festgestellt  für  Sumatra  und  Borneo.  Wie  wir  weiter  unten  sehen 
werden,  kommt  auf  Java  S.  barhatus  resp.  S.  Jonfjirostris  nicht  vor. 
Das  Verbreitungsgebiet  ist  also  dasselbe  wie  dasjenige  des  Orang  Utan. 

Die  Frage,  ob  in  Java  ausser  dem  gewöhnlichen  S.  vittatus  und 
dem  etwas  seitnern  S,  verrucosus  noch  eine  dritte  Art  vorkomme,  ist 
ziemlich  viel  discutirt  worden.  Xehring  hat  zuerst  darauf  aufmerk- 
sam gemacht,  dass  sich  im  Zoologischen  Museum  in  (jöttingen  ein 
Schädel  des  S.  longirostris  befindet,  der  aus  Java  stammt,  resp. 
„stammen  soll".  Derselbe  wurde  von  Dr.  Schwartz  w'ährend  der 
Novara-Expedition  in  Java  erworben,  was  jedoch  noch  lange  nicht 
heissen  will,  dass  derselbe  auch  wirklich  aus  Java  stammt.  Müller 
u.  Schlegel  (8j  haben  tab.  31,  fig.  1  und  2  einen  sehr  lang- 
gestreckten Schädel  von  S.  verrucosus  abgebildet,  den  Nehring  eben- 
falls als  denjenigen  eines  S.  longirosiris  anspricht  und  dei-  seine  An- 
sicht, dieses  Thier  sei  in  Java  heimisch,  zu  stützen  scheint.  Ausser 
diesen  zwei  Schädeln  haben  wir  aber  keine  weitern  Spuren  für  das 
Vorkommen  von  S.  lomjirostris  resp.  S.  harhaius  auf  Java,  und  es 
wäre  sehr  merkwürdig,  wenn  ein  so  grosses  Thier  bis  jetzt  auf  dieser 
in  jeder  Hinsicht  weitaus  am  besten  untersuchten  Insel  in  holländi- 
schem Besitze  der  Aufmerksamkeit  der  Forscher  hätte  entgehen  kr>nnen. 

Spillxer  (18)  sagt,  dass  Dr.  Krüger,  welcher  5  Jahre  lang  in 
Tegal  (Xordküste  von  Java)  gelebt  hat,  sich  bestimmt  äussert,  auf 
Java  kämen  nur  zwei  Formen  von  ^^■ildschweinen  vor,  nämlich 
S.  riffafus  und  S.  verrucosus.  Eine  Bestätigung  dieser  Aussage  ver- 
danken wir  Koningsberger  (3),  welcher,  nachdem  er  die  Lebens- 
weise von  >S'.  vittatus  geschildert  hat,  folgendes  mittheilt: 

.AXie  aus  dieser  Beschreibung  hervorgeht,  sind  die  drei  Eigen- 
schaften —  die  Dichtheit  der  Haarbedeckung,  die  Farbe  der  Haare 
und  der  Seitenstreif  längs  des  Kopfes  —  die  das  Aeussere  dieses 
Thieres  bestimmen,  im  höchsten  ^laasse  der  Veränderlichkeit  unter- 
worfen, und  es  kann  deshalb  nicht  anders  sein,  als  (hiss  die  ver- 
schiedenen, denkbaren  Extreme  sehr  stark  auseinander  laufen  müssen. 


536  Walter  Volz, 

So  sprechen  viele  Jäger  von  einem  rotlien,  langhaarigen  Strand- 
scli weine,  das  ihrer  Ansicht  nach  weder  zu  der  Art  vittatus,  noch 
zu  der  sogleich  zu  beschreibenden  und  leicht  zu  erkennenden  Art 
verrucosus  gehören  soll.  Man  braucht  sich  jedoch  nur  vorzustellen, 
dass  bei  der  erstgenannten  Art  die  Behaarung  stark  entwickelt  ist, 
dass  die  Haare  alle  roth  oder  rothbraun  von  Farbe  sind  und  dass  der 
Seitenstreif  längs  des  Kopfes  undeutlich  ist.  um  zu  einer  Form  zu 
kommen,  die  vollständig  der  durch  sie  gegebenen  Beschreibung  ent- 
spricht. 

„Es  ist  in  der  That  nicht  unwahrscheinlich,  dass  der  hier  als 
Möglichkeit  aufgestellte  Fall  in  Wirklichkeit  vorkommt.  Sus  vittatus 
ist  auf  Java  sehr  gemein  und  kommt  sowohl  nahe  bei  dem  Meeres- 
strand als  im  Gebirge  vor.  Am  erstgenannten  Platze  lebt  das  Thier 
zum  grossen  Theil  von  zahlreichen,  mehr  oder  minder  schlecht 
riechenden  thierischen  Abfällen,  die  gewöhnlich  in  ansehnlichen 
Mengen  durch  die  See  abgelagert  werden,  andrerseits  von  verschie- 
denen Meeresproducten,  die  von  den  Fischern  im  warmen  Sand  zum 
Trocknen  gelegt  werden.  Im  Binnenlande  tritt  seine  omuivore  Lebens- 
weise mehr  zu  Tage.  .  .  . 

„Die  Sundanesen  besitzen  für  diese  Thiere  zwei  Namen,  bagong 
und  bauen.  Auch  sie  glauben  hierdurch  verschiedene  Thierarten  anzu- 
deuten; aber  bei  einer  Nachfrage  nach  den  Unterscheidungspunkten, 
die  zwischen  beiden  bestehen  sollen,  schien  es  uns,  dass  auch  hier 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  Veränderungen,  welche  durch  das 
Vorkommen  des  Thieres  bedingt  sind,  diese  zwei  Namen  hervorgerufen 
haben.     Der  javanische  Name  ist  tjeleng." 

Nach  Dr.  Keügee  (Spillnee  p.  118)  variirt  das  Pustelschwein, 
S.  verrucosus,  sowohl  in  Grösse  als  in  der  Färbung  ganz  bedeutend. 
Er  hat  fast  schwarze  und  wiederum  hell  rostfarbene,  alte  Thiere 
erlegt,  wobei  es  sich  seiner  Ansicht  nach  lediglich  um  Localvaria- 
tionen  handelt,  die  in  der  typischen  Gestaltung  der  Gesichtswarzen 
etc.  vollkommene  Uebereinstimmung  zeigen. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  mich  den  am  Anfange  dieses  Aufsatzes 
geäusserten  Wünschen  Neheing's,  Spillnee's  und  Stehlin's,  es 
möchten  zukünftige  Reisende  aus  dem  indo-australischen  Archipel 
und  vom  Festlande  möglichst  ausgedehnte  Sammlungen  von  Häuten 
und  Skeleten  der  dortigen  Suiden  mitbringen,  aufs  lebhafteste  an- 
schliessen. 


Suiden  Suniatras. 


537 


Tabelle 

mit  den  absoluten  Maassen  von  2  männlichen  Schädeln 

von  Sks  harhatus  von  Sumatra  (in  mml. 


1-  Basallänge  des  Schädels 

2.  Prolilläug-e  des  Schädels  his  Intennaxillarspitze 

3.  Foramen  magniim  bis  Vonier-Aiifang- 

4.  „  „  ,,     Mitte  des  Gauraenausschnitts 

5.  Grösste  Breite  des  Schädels  an  den  Jochhog-eu 

6.  „        Stirubreite  (an  den  Postorbitalfortsätzen) 

7.  Kleinste  Stirnbreite  (an  der  obern  Thräuenbeinnaht  am  Orbital- 

rande 

8.  Kleinste  Breite  zwischen  den  Scheitelleisten 

9.  Grösste  Breite  an  den  Occipitalflügeln 

10.  Breite  der  Nasalia  an  der   hintern  Spitze  der  Intermaxillaria 

11.  Gaumenhreite  zwischen  Vorjoch  von  Mg 

12.        ,.         ,.        ;,     „  M, 

l*^'  )•  ;i  »  II       Ps 

14.  Breite  der  Schnanze  über  Pg 

15.  Höhe  des  Occiput  vom  Unterrande   des  Forameu  magnum  ab 

16.  „       „     ganzen  Schädels  incl.  Unterkiefer 

17.  Länge  der  Parietalia  und  Frontalia  zusammen  (Mittellinie) 

18.  „        „     Xasalia  (Mittellinie) 

18a.  Grösste  Länge  der  Palatina  dicht  neben  der  IMittellinie 

18b.  Länge    des   hinter   M.,    liegenden  Teils    der  Palatina    in    der 
Mittellinie 

19.  Qnerdurchmesser  der  Orbita 

20.  Höhe  des  Lacrymale  am  Orbitalrande 

21.  „        ,.  ,.  über  der  Vorderecke  der  untern  Naht 

22.  Länge  ,.  ,,  am  Uuterrande 

23.  „       „  „  „    Oberrande 

24.  „      der  ganzen  oberu  Backenzahnreihe 

25.  „        ,,     8  obern  Molaren 

26.  „      von  Pi,  P.,  und  P«  (Hensel) 

27.  „      des  Mg  sup.  (Mittellinie) 

28.  Breite  des  Vorjochs  von  Mg  sup. 

29.  Längsdurchmesser  der  obern  Canin- Alveole 

30.  Länge  der  lutermaxilla  am  Alveolenrande 

31.  „       des  Unterkiefers  bis  Hinterraud  des  Condvlus 
:-^2.         „        ,.  „  „    hinter  Mg 

33.  Grösste  Unterkieferbreite  an  den  Condylen 

34.  Untere  Backenzahnreihe  ohne  Pi 

35.  Länge  der  3  untern  Molaren 

36.  Länge  des  Mg  inf.  (Mittellinie) 

37.  Grösste  Länge  der  UnterKiefer-S3'mphy.se 

38.  Basilarlänge 

39.  Palatallänge 


898 

438,5 

462 

505 

49 

52 

81 

90 

159 

171 

105,5 

116 

74 

84 

10 

6 

70 

72 

38,5 

41 

28 

29 

35 

30 

42 

46 

60 

67 

131 

144 

239 

275 

243 

269 

210 

235 

95 

92 

48,5 

47 

40 

42 

29 

31? 

27 

26? 

33,5 

33.5 

59 

5 

128,5 

133 

75j5 

78 

42 

44 

37 

/  r.  39 
U.  41 

21,5 

/  r.  23 
\1.  22 

28 

31 

91 

104 

349 

385 

237,5 

260,5 

184 

138.5 

126,5 

/r.l27 
\  1.125 

79 

/  r.  79 

\\.  11 

40 

f  r.  41 
\  1.  .38 

115 

142 

356 

390 

318 

353 

538  '  Waltee  Volz, 


Literaturverzeichiiiss. 


1.  Gray,  J.,   Synopsis  of  the  species  of  Pigs  {Siiidae),   in:    Proc.  zool. 

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2.  Heude,  P.  M.,  Etüde   sur  les  Suilliens  de  l'Asie  Orientale,  in:  Mein. 

conc.  l'Hist.  nat.  Empire  chinois.,  V.  2,  Chang-Hai  1888,  p.  52 — 64, 
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B.     KONIXGSBEEGEK,   J.   C,   De  Zoogdieren  van  Java,  in:   Mededlg.  uit 
s'Lands  Plantentuin,   V.  54,  Batavia  1902,  p,   1 — 71. 

4.  Lydekker,  E,.,   A  geographica!  history  of  Mammals,   Cambridge  1896, 

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7.  — ,  Mammals  collected  by  Dr.  W.  L.  Abbott   in  the  region  of  the 

Indragiri-River,  Sumatra,    in :    Proc.   Acad.  nat.   Sc.  Philadelphia, 
V.  54,   1902,  p.   143-159. 

8.  MÜLLER,    S.  und  H.  Schlegel,    Over    de  wilde    zwijnen    van    den 

indischen    Archipel,    in:    Verband,    nat.    Geschied,    nederl.    overz. 
bezitt.   —  Zool.  —   1839—1844,  p.   169-182. 

9.  Nehring,    A.,    lieber  eine  neue  Art  von  Wildschweinen   (Sus  longi- 

rostris  Nheg.)    aus    Südost-Borneo,    in:    Zool.  Anz.,  V.  8,    1885, 
p.  347—353. 

10.  — ,  lieber  zwei  Schädel  des   Sus  longirostris  Nhrg.   von  Borneo  und 

Java,   in:   SB.  Ges    naturf.  Erde.   Berlin,    1886,   p.  80—85. 

11.  — ,  lieber    die  Eorm    der    untern  Eckzähne    bei  den  Wildschweinen, 

sowie  über  das  sog.  Torfschwein  (Sus  palustris  RÜTIMEYEr),  ibid., 
1888,  p.  9—16. 


Suiden  Sumatras.  539 

12.  Nehring,  A.,  Ueber  Sus  celebensis  und  Verwandte,  in:  Abb.  Ber.  zool. 

anthrop.-etbnogr.   Mus.   Dresden,    1888 — 89,  p.    1  —  34. 

13.  — ,  Ueber  Sus  celebensis  und  Verwandte,  in:  SB.   Ges.   naturf.  Frde. 

Berlin,   1889,  p.   196. 

14.  — ,    Ueber    einen  Unterkiefer    des    Philippinen -Wildschweins,    ibid., 

1890,  p.  8—11. 

15.  — ,   Säugetbiere  von  den  Philippinen,  namentlich  der  Palawan-Gruppe, 

ibid.,   1894,  p.   179—193. 

16.  — ,   Sus  marcbei  Huet  und  Tragulus  nigricans  Thomas,  ibid.,    1894, 

p.   219—226. 

17.  Otto,    F.,    Osteologische    Studien    zur    Geschichte    des    Torfschweins 

(Sus  scrofa  palustris  Rütimeyer)  und  seiner  Stellung  innerhalb 
des  Genus  Sus,  in:   ßevue  Suisse  Zool.,   V.  9,   1901,   p.  43 — 130. 

18.  Spillxer,    R.   V.,    Wissenschaftiiche    Ergebnisse    der    im    Hausthier- 

garten  des  landwirthschaftlichen  Instituts  angestellten  Versuche 
der  Kreuzung  des  bornesischen  Wildschweins  mit  dem  europäischen 
Wild-  bzw.  Hausschwein,  in :  Ber.  physiol.  Lab.  u.  Versuchsanst. 
landwirthschaftl.  Inst.  Univ.  Halle,  V.   11,   1894,  p.   81  —  154. 

19.  Stehlix,    H.   G.,    Ueber    die    Geschichte    des    Suiden-Gebisses,    in: 

Abb.  Schweiz,  palaeont.  Ges.,  V.  26,  1899,  u.  V.  27,  1900, 
p.   1—527. 

20.  HÜTIMEYER,    L.,     Ueber    lebende    und    fossile    Schweine,    in:    Verh. 

naturf.  Ges.  Basel,   1857,  p.  517—554. 

21.  — ,    Neue    Beiträge    zur    Kenntniss    des    Torfschweins,    ibid.,     1864, 

p.   139—186. 

22.  — ,  Einige  weitere  Beiträge  über  das  zahme  Schwein  und  das  Haus- 

rind, ibid.,   1877,  p.  463—494. 

23.  Trouessart,    E.  L.,    Catalogus    Mammalium    tarn    viventium    quam 

fossilium,   V.   2,  Berolini,    1898—99. 


540  Walter  Volz,  Suiden  Sinuatras. 


Erklärung  der  All)l)ildiiiigeii. 


Tafel   18. 

Fig.  1.  Schädel  von  Sus  harhatus  Müller  et  Schlegel  (Seitenansiclit). 

Fig.  2.  do.   (Ansicht  von  unten). 

Fig.  3.  do.  (Ansicht  von  oben). 

Fig.  4.  Rechter  Mg  inf.   von  oben. 


Nach  druck  r  erboten . 
UehersetzinKjtsrecht  vorbehalten. 


Echinostomum  garzettae  d.  sp. 
(Yoyage  of  Dr.  W.  Tolz.) 

By 
W.  0.  MacCalluiii, 

Assoc.  Prof.  of  Piithology  Johns  Ho2)kms  Univ.  BiiUiiiiove. 
With  1  figure  in  text. 


Wliile  in  Benakat  (Lematang-ilir)  Eesidenz  Palembaiig-  in  No- 
vember 1900  Dr.  W.  YoLz  collected  two  specimens  of  a  trematode 
worm  from  tlie  intestine  of  Garzdta  nk/ripes  Tem:m.  which  he  pre- 
served  in  formalin  and  on  his  return  trip  to  Europe  kindly  presented 
to  nie  for  study.  After  comparing-  tliem  cai-efully  one  was  cut  into 
serial  sagittal  sections  and  froni  tlie  study  of  tlie  wliole  worm  and 
of  the  serial  sections  tlie  following  details  as  to  tlie  anatomical 
structure  liave  been  made  out. 

The  worm  is  elongated  measuring  10  mm  in  leiigth  and  3  to 
3.5  mm  in  width  at  its  widest  point  a  short  distance  behind  the 
ventral  sucker.  In  the  hardened  condition  it  is  ([uite  tightly  curved 
ventrally  on  itself  the  dorsal  surface  being  convex  in  both  directions 
while  the  ventral  is  concave  and  groovelike.  This  is  largely  due 
to  the  fact  that  the  central  [»oition  of  the  body  is  much  thicker 
than   the   marginal   portions  whicli  also  curvc  ventrally  in  the  con- 

Zoül.  Jaliili.  XX.    Al)tli    f.  .Syst  •"' 


542  W.  G.  MacCällum, 

tracted  condition.  The  anterior  extremity  is  coiiverted  into  a  spread- 
ing-  somewliat  reniform  structure  whicli  is  flat  ventrally  and  in  the 
Center  of  whicli  on  the  fiat  side  there  is  a  small  sucker  which  is 
perforated  and  constitutes  the  month.  This  expanded  disc  measures 
1.4  mm  transversely  and  .8  mm  to  1.04  mm  antero-posteriorly  while 
the  mouth  sucker  measures  only  .2  mm  the  actual  orifice  being- 
.16  mm  in  diameter.  The  margin  of  the  disc  is  set  with  a  Single 
row  of  chitinous  spicules  47  in  number  as  seen  in  the  drawing. 
Those  at  the  posterior  angles  of  the  disc  are  slightly  inclined 
to  double  up  as  regards  the  line  of  insertion  but  in  general  they 
maintain  one  straight  line.  The  spicules  are  straight  and  coni- 
cal  but  although  they  present  but  one  form  they  are  not  all  of 
the  same  size  —  the  largest  lateral  ones  measure  .08  X  -O-^  im^i 
while  anteriorly  there  are  four  or  five  which  are  smaller  measuring 
.03  X  -015  mm.  Otherwise  the  skin  surface  is  entirely  smooth  and 
unarmed. 

As  shown  in  the  drawing  there  is  a  depression  behind  the  head 
disc  bounded  at  the  sides  by  folds  which  run  backward  from  its 
posterior  angles  and  between  which  quite  close  to  the  anterior 
extremity  lies  the  large  ventral  sucker.  In  the  hardened  worm  this 
is  quite  deeply  sunken  between  the  neck-folds  but  doubtless  the 
living-  worm  can  protrude  it  to  a  certain  extent.  It  is  very  mucli 
larger  than  the  mouth  sucker  and  its  cavity  extends  in  a  backward 
direction.  The  orifice  whicli  is  practically  round  measures  .5 — .8  mm 
in  diameter  while  the  outer  diameter  of  the  sucker  is  1.25—1.38  mm 
and  its  depth  is  1.2  mm. 

In  the  i'eceding  space  between  the  acetabulum  aiul  the- reniform 
head  disc  there  opens  the  genital  cloaca,  the  orifice  being  situated 
just  anterior  to  the  acetabulum  in  the  median  line. 

The  greater  portiou  of  the  body  lies  behind  the  acetabulum 
which  reaches  only  2  mm  fi'om  the  anterior  extremity.  In  the  median 
line  dorsally  quite  far  back  there  may  be  found  the  niinute  orifice 
of  Lauker's  canal  while  at  a  point  just  in  front  of  the  posterior  end 
of  the  body  and  also  dorsally  there  is  the  orifice  of  the  excretory 
System. 

The  worm  is  greyish-white  in  color,  in  the  hardened  section 
at  least,  and  the  vitellarium  shows  through  as  a  blackish  margiii 
which  extends  from  the  region  of  the  acetabulum  alniost  to  the 
posterior  end  although  it  is  not  continuous  with  that  of  the  opposite 
side   at   the   posterior   extremity.     In   tlie   median  line   behind   tlie 


Echinostdiiinin  yarzettae  u.  sp.  543 

ventral   sucker  a  quite  large   yellow  area   indicates  tlic  positioii  of 
tlie  Uterus  filled  vvitli  eggs. 

The  skiii  as  seeu  in  section  exliibits  a  very  dense  liig-lily  relrac- 
tive  superficial  layer  of  liomogeneous  appearance  wliile  in  tlie  tliicker 
underlying  layer  there  is  a  vertical  striatiou  ^\liicli  witli  some  g-ranules 
and  vacuoles  g-ives  tlie  cuticle  a  considerable  opaeity.  The  paren- 
chyma  which  supports  the  ergans  is  eomposed  largely  of  stellate  or 
branching  cells  with  vesicular  nuclei.  The  body  musculature  has 
the  usual  arrangenient.  specially  powerful  doi-soventral  and  oblique 
bands  being  found  in  the  anterior  expansion  \Yliere  some  fibrils  run 
to  each  marginal  spicule. 

The  anterior  or  mouth  sucker  is  a  very  weak  structure,  but  it 
is  eomposed  of  all  the  muscular  layers  usually  found  there  —  it  communi- 
cates  directly  with  the  sliort  prepharynx  which  is  lined  with  cuticle 
and  which  enters  the  elliptical  muscular  pharynx.  This  structure 
which  measures  .24  X  -34  mm  gives  directly  into  the  relatively  short 
Oesophagus  which  is  surrounded  by  numerous  glandlike  cells  possibly 
serving  to  secrete  some  dig-estive  material.  This  in  turn  divides 
near  the  front  of  the  acetabulum  to  give  off  the  simple  lateral  in- 
testinal coeca  which  run  to  the  posterior  extremity  of  the  bod}'. 
The  coeca  appear  to  possess  a  circular  muscular  coat  only,  with  a 
smooth  lining  of  rather  high  epithelial  cells.  In  this  instance  they 
are  entirely  empty. 

The  ventral  sucker  shows  microscopically  the  usual  cuticular 
liniiig-.  radial  and  circular  niuscle  fibres  and  the  large  deeply  staining 
cells  among  these  fibres  which  have  been  so  frequently  described. 
Tiie  sucker  seems  to  be  almost  surrounded  by  a  curious  space  or 
sac  in  the  body  parenchyma  Avhich  evidently  constitutes  part  of  the 
excretory  System  and  will  be  referred  to  later. 

This  excretory  System  is  complicated  and  peculiar.  At  the 
posterior  extremity  in  the  median  line  there  is  a  large  tliin  walled 
sac  lined  by  a  flattened  epithelium  which  opens  as  stated  above  by 
means  of  a  cuticle  lined  canal  at  a  point  on  the  dorsal  surface  just 
in  front  of  the  posterior  end  of  the  body.  Anteriorly  it  is  conti- 
nuous  with  widely  ramifyiug  sacs  which  penetrate  every  part  of  the 
body  even  pushing  into  the  tliin  lateral  portions  between  the  lobules 
of  the  vitellarium  and  the  muscle  bundles  to  approach  the  skin. 
They  are  also  seen  in  the  most  anterior  part  of  the  body,  in  the 
head  disc  iutercalated  in  the  meslies  of  the  tissue,  so  that  the  whole 
body  appears  as  a  sponge-like  mass.    They  are  lined  by  a  transparent 

36* 


544  W.  G.  MacCallum, 

thin  layer  of  epithelial  cells  wliose  outline  can  be  made  out  only 
Avitli  difflculty  and  wliose  nuclei  are  very  small  and  irregulär  in 
form  and  size  and  in  fact  look  like  chroraatin  grannies.  Usually 
tliese  cavities  are  empty  but  tliey  may  contain  a  coagulated  fluid. 
It  is  one  of  these  sacs  tliat  practically  surrounds  the  large  ventral 
sucker  Avlnch  appears  almost  to  be  suspended  in  it.  Altliougli  this 
is  obviously  the  excretory  apparatus  it  is  diflicult  to  make  it  appear 
analogous  in  detail  with  that  System  in  other  trematodes  for  a  search 
for  ciliated  funnels  etc.  in  this  connection  has  been  unsuccessful. 
There  exists  however  in  the  body  a  pair  of  structures  Avhich  may 
explain  this  lack  and  which  otherwise  would  themselves  be  diflicult 
to  explain.  On  each  side  of  the  large  median  excretory  sac  there 
is  a  pear-shaped  thin-walled  sac  lined  with  epithelium  like  that  of 
the  central  sac,  the  bnlbous  end  of  which  is  directed  forward;  turning 
on  itself  posteriorly  it  gives  off  on  its  outer  side  a  tube  which  ruus 
directly  forward  and  soon  divides  into  three  branches  each  of  which 
continues  to  run  forward.  In  the  sections  at  my  disposal  I  cannot 
trace  a  communication  between  these  lateral  sacs  and  the  median 
one  —  they  lie  almost  directly  in  contact  with  it  so  that  in  passing 
from  one  section  to  the  next,  one  sac  disappears  and  the  other  begins, 
but  the  walls  seem  to  be  complete.  No  communication  exists  be- 
tween the  lateral  structures  on  tlie  two  sides  —  there  are  many 
sections  through  the  median  portion  of  the  body  Avhich  contain  no 
trace  of  either  and  no  external  opening  can  be  found.  It  seems 
therefore  most  probable  that  other  sections  (perhaps  transverse) 
might  show  a  communication  between  the  lateral  sacs  and  the  median 
one  and  tlius  constitute  one  excretory  System.  The  canals  which 
run  forward  on  each  side  from  the  point  of  branching  are  tortuous 
thick-walled  tubes  with  cuticle-like  lining  and  surrounded  by  a 
mantle  of  cells  which  look  like  secreting  cells  —  one  of  the  tubes 
especially  on  each  side  is  thickly  surrounded  by  these  large  pink- 
staining  cells.  These  tubes  run  forward  toward  the  anterior  end 
of  the  body  wliere  they  beconie  very  thin-walled  and  finally  dis- 
appear  in  the  parenchyma.  Tliey  are  very  little  if  at  all  branched 
but  they  are  continuous  with  delicate  thin-walled  tubules  which 
run  backward  through  the  parenchyma  and  which  it  is  exceedingly 
difficult  to  trace.  The  limited  amount  of  material  is  perlia])s  the 
only  excuse  for  so  imperfect  a  study  of  these  structures  in  which  I 
have   nowhere  been   successful    in   tracing    out    and   describing   the 


Echinostoniuni  sfarzettae  n.  sj).  545 

terminals  of  tlie  flner  tiil)ules  nor  in  deciding-  as  to  tlie  oiitlet  of 
tlie  lateral  reservoirs. 

The  generative  apparatiis  caii  be  iiiore  satisfactorily  described, 
'{''here  are  two  soniewliat  irregulär  or  lobulated  roimded  testes  lyiiig" 
posteriorly  in  tlie  median  line  »me  beliind  tlie  other.  They  measure 
about  .6  mm  in  diameter  and  eacli  gives  off  anteriorly  a  delicate 
vas  deferens  wbicli  runs  forward  to  tlie  cirrus  sac  uniting  with 
its  fellow  just  before  it  reaclies  tlie  sac.  The  cirrus  sac  is  a  pear- 
shaped  structure  of  connective  tissue  opening'  anteriorly  into  tlie 
posterior  dorsal  angle  of  the  cloaca  whicli  also  receives  the  uterus 
and  which  as  stated  above  opens  just  anterior  to  and  above  the 
ventral  sucker.  Tliis  sac  encloses  another  sac  filled  with  spermato- 
zoa  and  iramediately  surrounded  by  smooth  muscle-fibres.  Outside 
of  this  there  is  a  mass  of  large  cells  with  large  vesicular  nuclei 
—  anteriorly  this  inner  sac  passes  into  the  thick  cuticle-lined 
ejaculalory  duct  which  opens  directly  into  the  cloaca.  This  is  so 
tortuous  that  it  is  apparently  quite  long  and  roughened  internally 
by  fissures  in  the  cuticle  —  possibly  the  roughening  is  more 
apparent  when  it  is  everted:  surrounding  the  duct  are  many  small 
secretory  cells. 

The  ovary  which  is  rather  smaller  than  the  lobes  of  the  testis 
lies  a  little  to  one  side  in  front  of  the  testes  and  gives  off  from  the 
middle  of  its  posterior  surface  an  oviduct  with  folded  and  ciliated 
wall  which  runs  obliquely  upw^ard  and  backw^ard  to  meet  the  some- 
what  tortuous  Lauker's  canal  which  has  been  already  mentioned. 
The  resulting  thick-walled  tube  continues  dorsalwards  embedded 
deeply  in  a  mass  of  large  cells  with  large  vesicular  nuclei  —  the 
Shell  gland.  —  It  soon  receives  the  wide  anterior  Prolongation  from 
the  Union  of  the  conducting  trunks  from  the  vitellarium  —  one  from 
each  side.  Simultaneously  it  gives  off  the  thick  muscular  tube  which 
is  the  begining  of  the  uterus  and  which  soon  widens  and  becoming 
abnndantly  convoluted  and  filled  with  eggs  occupies  a  large  portion 
of  the  middle  of  the  body  bet^veen  the  ovary  and  ventral  sucker. 
Near  its  begining  this  tube  has  a  muscular  diverticulnm  wiiich  is 
filled  with  spermatozoa.  T^ike  the  cirrus  sac  the  uterus  opens 
anteriorly  in  front  of  the  acetabulum  in  the  genital  cloaca.  It  is 
wide  and  thin-wailed  up  to  the  region  of  the  acetabulum  wliere  it 
becomes  a  narrow  thick-walled  tube  lined  with  cuticle.  The  eggs 
are  elliptical  in  form  with  a  fairly  thick  siiell  and  measure  about 
.1  — .11  mm  in  lenyth  bv  .üö— .004  mm  in  breadtli. 


54() 


W.  (t.  MacCai.lum, 


^^^^A»*M/^^ 


/ 


CS 


e^** 


— -**s — O.   Lr 


L.  ^ic.  S 


The  figure  was  drawn  wity  the  camera  lucida  and  is  magnified  15  times. 

G.  C  Genital  Cloaca.     ('.  S  Cirrns  Sac.     Ut  Uterus.    L.  C  Laurer's  Caual.     0.  V 

Ovary.    S.  G  Shell  Gland.     T.  T  Testes.     Vif  Vitellarinn).     Ex.  S  Excretory  Sac. 

L.  Ex.  S  Lateral  Excretory  Sac. 


Eohinostoiimni  gfarzettae  n.  sp.  547 

The  vitellarium  is  disposed  in  abundant  lobules  along-  the  sides 
of  the  body,  the  lateral  (•ollecting-  ducts  imiting-  at  the  level  of  the 
ovaiy  to  form  trausverse  ducts  which  uiiite  and  i)ass  forward  in  the 
median  line  to  meet  the  uterus. 

The  central  nervous  System  consists  of  ganglia  lateral  to  the 
Pharynx  with  a  heavy  supra-pharyngeal  commissure.  Nerve  trunks 
pass  as  usnal  anteriorly  and  posteriorly  from  these  ganglia  i'unning 
back  laterally  throughout  the  body. 

AVith  regard  to  the  systeniatic  position  of  this  form  I  haA^e  been 
at  some  pains  to  investigate  all  the  described  si)ecies  of  the  genus 
Echinostomum  into  which,  from  the  form  of  the  head  disc  and  the 
general  arrangemeut  of  its  organs.  it  undoubtedly  falls.  ^Fany  of 
these  are  found  in  birds  and  even  in  the  intestine  of  birds  closely 
related  to  the  host  of  our  form  but  of  the  sixty-three  species  reviewed 
only  a  few  are  found  to  resemble  it  closely  enougli  to  atford  any 
possibility  of  identity  with  it.  Several  species  E.  dujardini,  gadonim, 
labracis,  pungeus,  doacinum,  ramosum  and  tahulafum  could  not  be 
compared  as  the  literature  was  not  at  hand  but  since  these  are 
chiefly  forms  parasitic  in  tishes  and  amphibians  it  is  probable  that 
the  risk  of  error  is  slight.  Of  the  others  the  type  form  E.  echinatmn 
Zeder  and  its  related  forms  seem  to  resemble  it  most  closely. 
E.  echinatum  is  found  in  various  species  of  wild  and  domestic  birds 
but  it  as  well  as  E.  dilafatum  (which  Stossich  considers  identical 
or  synonymous)  is  found  to  be  easily  distinguishable  in  that  it  possesses 
only  87  spines  in  its  cephalic  disc  arranged  in  part  at  least  in  a 
double  row  while  this  worm  has  45 — 47  spicules  arranged  practic- 
ally  in  a  single  row. 

The  general  conformation  and  arrangement  of  the  organs  as 
well  as  the  size  and  habitat  are  very  similar  indeed  and  we  must 
consider  these  forms  very  closely  related.  Echinostomum  recnrvatum 
Linst,  of  which  1  have  had  the  opportunity  of  examining  a  specimen 
determined  by  Stossich  agrees  well  also  in  its  general  structure 
and  in  the  number  and  arrangement  of  its  spines,  but  it  cannot  be 
confused  with  this  form  on  account  of  its  minute  size  3  X  -7  mm. 
The  accessible  descriptions  of  E.  cinctum  and  E.  nucmatum  suggest 
a  resemblance  but  E.  cinctum  ditfers  in  being  ver}^  mucli  smallei- 
and  in  being*  possessed  of  a  general  covering  of  si)ines  together  with 
a  head  disc  which  is  described  as  suborbicular  by  Diesixg. 
E.  uncinatum  is  also  possibly  similar  but  from  the  vague  description 
of  Diesing  it  is  seen  to  differ  in  possessing  a  flattened   linear  body 


548  ^^-  Gr.  MacCalia'm,  Echinostomuni  g-arzettae  n.  sp. 

about  1.5  mm  in  width.  All  the  other  described  forms  seemed  to 
differ  very  decidedly  from  tlie  oiie  linder  consideration  whicli  appa- 
rently  falls  readily  into  the  smaller  gTonp  of  those  closely  related 
to  E.  echinatum.  Wliile  closely  allied  witli  this  form  liowever  it 
seems  necessary  to  consider  it  distinct  and  to  propose  for  it  the 
name  Echmostomum  garzeitne. 


Lippeit  &  Co.  (G.  Pätz'selie  Bucbilr.\  Naumliurg  a.  S. 


Ndchdriick  verboten. 
UcbcrKctznngsrecht  vorbehalten. 


Zur  Kenntniss  des  Baues  der  Filaria  loa  Guyot. 

Von 
« 

Dr.  A.  Looss, 

School   of   Medicine,    Cairo. 
Mit  Taf.  19. 


Von  befreundeter  Seite  waren  mir  vor  einer  Reihe  von  Jahren 
einig-e  Exemplare  der  Filaria  loa  zum  Geschenk  gemacht  worden; 
eine  kürzlich  vorgenommene  Untersuchung-  dieser  Exemplare  setzt 
mich  in  den  Stand,  unsere  bisherigen  Kenntnisse  von  dem  anatomi- 
schen Bau  dieses  interessanten  Parasiten  in  einigen  Punkten  zu 
vervollständigen. 

Mit  dem  Baue  der  Filaria  loa  haben  sich  bisher  in  der  Haupt- 
sache nur  vier  Autoren  beschäftigt,  Maxson,  Ludwig,  E.  Blanchard 
und  OzzARD.  Die  Arbeit  Mansox's  ist  mir  leider  nicht  zugänglich, 
doch  werden  ihre  Resultate  von  Blanchakd  ausführlich  reproducirt. 
Danach  untersuchte  Manson  1  Männchen  und  1  Weibchen,  die  von 
Robertson  aus  dem  Auge  ein  und  derselben  Patientin  entfernt 
worden  waren.  Das  Männchen  ist  25—30  mm  lang.  0,3  mm  dick, 
cylindrisch,  und  nach  beiden  Enden,  besonders  aber  nach  hinten  hin, 
verjüngt.  Ein  deutlicher  Hals  fehlt;  dagegen  zeigt  der  Körper 
0,15  mm  hinter  der  Kopfspitze  eine  schulterartige  Verbreiterung, 
die  durch  den  Ansatz  starker  Muskeln  hervorgebracht  Avird.  Das 
Hinterende  ist  nicht  spiralig  eingerollt,  sondern  nur  etwas  ein- 
wärts gebogen  und  auf  der  Bauchseite  anscheinend  leicht  aus- 
gehöhlt.  Es  trägt  zwei  seitliche  HautHügel  und  auf  der  Bauchfläche 

Zool.  Jalnb.  XX.    Al.Mi.  f.  Syst.  37 


550  ^-  Looss, 

jederseits  5  — .  mit  x\usiialime  der  letzten,  die  einfach  conisch  gestaltet 
ist  —  an  ihren  freien  Enden  kolbig-  verdickte  Papillen,  die  von  vorn 
nach  hinten  zu  an  Grösse  abnehmen.  Die  3  vordersten  sind  präanal, 
dicht  an  einander  liegend,  die  4.,  von  den  vorhergehenden  etwas 
weiter  entfernt,  ist  adanal  oder  postanal  und  wie  die  hinterste, 
kleinste  der  Mittellinie  etwas  mehr  genähert  als  die  präanalen 
Papillen.  Die  Spicula  sind  dünn  und  von  ungleicher  Grösse;  auf 
den  Abbildungen  erscheinen  sie  nach  ihren  freien  Enden  hin  gleich- 
massig  und  sehr  scharf  zugespitzt.  Die  Haut  ist  nicht  quergestreift, 
aber  mit  Ausnahme  der  vordersten  und  hintersten  l^o  iiini  der 
Körperlänge  äusserlich  bedeckt  von  einer  grossen  Zahl  uni-egel- 
mässig  und  in  weiten  Abständen  vertheilter  Höckerchen  mit  glatter 
Oberfläche,  deren  grösste  auf  dem  Mittelkörper  gelegen  sind  und 
hier  ca.  0,012  mm  Durchmesser  bei  ca.  0,004  mm  Höhe  besitzen. 
Am  Kopfende  ist  ein  kurzer  „Pharynx"  sichtbar,  dessen  Verbindung 
mit  dem  Darme  aber  nicht  aufgefunden  werden  konnte. 

Das  Weibchen  war  32,5  mm  lang  bei  einer  Dicke  von  0,5  mm, 
die  nach  hinten  zu  allmählich  bis  auf  0,1  mm  abnahm ;  das  Schwanz- 
ende war  gerade  und  breit  abgerundet.  Die  übrige  Organisation 
und  die  Höcker  der  Hautoberfläche  entsprachen  derjenigen  des 
Männchens.  Die  Genitalwege  waren  vollgepfropft  mit  Embryonen 
auf  allen  Stadien  der  Entwicklung;  im  Morula-Stadium  maassen  die 
Eier  0,020  :  0,030  mm ;  die  ausgeschlüpften  Embryonen  waren  0,25  mm 
lang  und  anscheinend  ohne  „Scheide". 

Ludwig  untersuchte  1  Exemplar,  welches  von  Saemisch  in  Bonn 
aus  dem  Auge  eines  ehemaligen  russischen  Marineoffiziers  entfernt 
worden  war,  der  mehrere  Male,  zuletzt  4  Jahre  vor  dem  Erscheinen 
des  Wurmes,  die  afrikanische  Westküste  besucht  hatte.  Es  handelte 
sich  um  ein  AA^ibchen,  dessen  Grösse  Saemisch  während  des  Lebens, 
1.  e.  vor  der  Extraction,  auf  4 — 5  cm  bei  ca.  1  mm  Dicke  taxirt  hatte 
und  welches  nach  der  Conservirung  noch  41  mm  Länge  bei  0,5  mm 
Dicke  besass.  Bei  der  Extraction  war  es  an  mehreren  Stellen  ver- 
letzt woi'den ,  so  dass  grössere  Theile  des  Darmes  und  besonders 
der  Genitalröhren  schlingenförmig  nach  aussen  hervorgetreten  waren. 
Das  Vorderende  zeigte  sich  nur  wenig  verjüngt  und  glatt  abgerundet; 
das  Hinterende  war  stärker  verjüngt,  stumpf  zugespitzt  und  in  der 
Medianebene  leicht  hakenförmig  eingekrümmt.  Eine  deutliche 
Ringelung  der  Haut  Hess  sich  auf  dem  Vorderende  nicht  bemerken, 
dagegen  traten  von  der  vordersten  Verletzung  (etwa  dem  Ende  des 
ersten  Viertels  der  Körpeiiänge)  an  in  Abständen  von  0,08 — Ol  mm 


Biiu  der  Filaria  loa  Guyot.  551 

Hilf  einander  folgende  Einschnürungen  der  Haut  auf,  die  nach  hinten 
zu  dicliter  auf  einander  folgten,  allmählich  aber  verstiichen,  so  dass 
das  Hinterende  wieder  glatt  war.  Ausserdem  wurden  auf  dem 
Vorderende  auch  Andeutungen  einer  ganz  feinen,  sehr  dichten  Längs- 
streifung,  auf  dem  Hinterende  ^Andeutungen  einer  gleichen  Quer- 
streifung aufgefunden.  Die  Dicke  der  Haut  wurde  am  Mund-  und 
Schwanzende  zu  0,007  mm,  im  Vorderkörper  dagegen  zu  0,018  mm 
gemessen.  Die  wärzchenförmigen  Erhebungen  der  Cuticula,  ihrer 
Natur  nach  Verdickungen  der  Cuticularsubstanz ,  fehlen  auf  den 
vordersten  3  Millimetern  des  Körpers,  treten  dann  erst  vereinzelt, 
später  immer  häufiger  auf  und  reichen  bis  an  das  Schwänzende; 
ihre  Vertheilung  lässt  keine  bestimmte  Eegel  erkennen.  Sie  messen 
an  ihrer  Basis  0,011  —  0,018  mm  und  sind  0,007  mm  hoch,  ihre  Ober- 
fläche glatt. 

Ein  dem  vordem  Körperende  entnommenes  und  ausgebreitetes 
Hautstück  liess  Seitenfelder  von  0,04 — 0,054  mm  Breite  und  starke 
Muskelzellen  mit  0,014 — 0,018  mm  grossen  Kernen  erkennen;  im 
Hinterende  stieg  die  Breite  der  Seitentelder  auf  0,1  mm;  deutliche, 
0.007 — 0,009  mm  grosse  Kerne  lagen  in  ihrer  Substanz. 

Die  terminal  gelegene,  winzige  Mundöffnung,  in  deren  Umgebung 
Papillen  nicht  aufzufinden  waren,  führt  in  einen  dickwandigen 
Pharynx  mit  engem  Lumen;  im  Darme  zeigten  sich  helle,  klumpige 
Massen  aufgenommener  Nahrung.  Der  After  konnte  mit  Sicherheit 
nicht  entdeckt  werden;  indessen  nimmt  der  Autor  eine  etwa  2  mm 
vor  der  Schwanzspitze  gelegene  Eintiefung  der  Haut  vermuthungs- 
weise  als  solchen  in  Anspruch. 

Ebenso  wenig  war  eine  Genitalöfifnung  mit  Sicherheit  nachzu- 
weisen, und  Ludwig  nimmt  deshalb  an,  dass  die  vorderste,  an  der 
Grenze  des  ersten  und  zweiten  Körperviertels  gelegene  Bruchstelle 
derselben  entspricht ;  aus  ihr  hängt  eine  3  mm  lange,  unpaare  Vagina 
hervor,  die  sich  am  Ende  in  die  beiden  Uteri  theilt.  Die  ^Mn- 
dungen  der  Genitalröhren  durchziehen  den  ganzen  Körper,  nach  vorn 
bis  0,47  mm  hinter  die  Kopfspitze,  nach  hinten  bis  2  mm  vor  das 
Schwanzende;  ihre  Gesammtlänge  wird  auf  mindestens  10  cm  für 
jede  Röhre  geschätzt,  so  dass  der  gesammte  Genitalschlauch  rund 
5  mal  so  lang  Avie  der  Körper  ist.  In  histologischer  Hinsicht  geht 
die  Vagina  ohne  Structuränderung  in  die  paarigen  Uteri  über;  die 
\\'and  der  letztern  hat  eine  Dicke  von  0,0095  mm,  wovon  0,0036  mm 
auf  eine  äussere  Bindegewebslage,  0,0058  mm  auf  das  innere  Epithel 
entfallen.    Letzteres   lässt  keine  Zellgrenzen,   dagegen  grosse  Kerne 

37* 


552  A.  Looss. 

von  0,0046  mm  Durchmesser  erkennen;  in  der  äussern  Lage  bemerkt 
man  feine,  quer  verlaufende  Muskelfasern,  die  auf  der  Vagina  an 
Stärke  zunehmen,  so  dass  die  Dicke  der  Wand  hier  bis  zu  0,014  mm 
beträgt. 

Das  Innere  der  beiden  Genitalschläuche  und  der  Vagina  ist 
überall  erfüllt  von  der  sich  entwickelnden  Nachkommenschaft.  In 
den  obern  Enden,  den  Ovarien,  finden  sich  die  Eikeime,  in  den 
folgenden  Abschnitten,  die  sich  nur  durch  ihren  Inhalt  als  Uteri 
darstellen,  die  verschiedenen  Stadien  der  Embryonalentwicklung, 
und  weiterhin  dicht  zusammengedrängt  Unmengen  von  ausge- 
schlüpften Larven,  die  auch  die  ganze  Vagina  ausfüllen.  Die  reifen 
Eizellen  sind  ziemlich  in  die  Länge  gestreckt,  0,031  mm  lang  und 
0,012  mm  dick ,  mit  grossem  Kern  und  ohne  Spur  einer  Hülle. 
Letztere  bildet  sich  erst  während  der  spätem  Furchnngsstadien  in 
Gestalt  einer  dünnen  durchsichtigen  Membran ,  die  deshalb  als 
Embryonalhülle,  nicht  als  Eischale  aufzufassen  ist.  Nach  der  Bildung 
der  Hülle  besitzen  die  Eier  eine  Grösse  von  0,045  : 0.025  mm.  Das 
Ausschlüpfen  der  zuletzt  dicht  in  ihr  aufgerollt  liegenden  Embryonen 
wird  dadurch  eingeleitet,  dass  diese  letztern  sich  strecken  und  die 
Hülle  ausdehnen,  welche  dabei  schliesslich  zu  einem  langen,  schmalen, 
ungemein   zarten  Schlauche   wird^).   der   die  Embryonen   noch   eine 


1)  Dieser  Vorgang  ist  in  China  an  den  Embryonen  einer  Filaria  aus 
Corvus  torquatiis  (von  spätem  Autoren  ,,  Filaria  corri  iorquati  Manson'S 
von  Annett,  Dutton  u.  Ellio,tt  y^hilaria.  corvi  iorquatis'-^  Manson 
genannt,  was  aber  nicht  als  wissenschaftlicher  Name  im  Sinne  der  Nomen- 
claturgesetze  gelten  kann)  bereits  von  Manson  beobachtet  worden,  doch 
scheint  der  Autor  das  von  Ludwig  constatirte  wichtige  Factum,  dass  die 
sackartige  Embryonalhülle  von  den  Embryonen  noch  vor  der  Geburt  ab- 
geworfen wird,  übei'sehen  zu  haben,  denn  er  identificirt  diese  Hülle  der 
Embryonen  mit  der  „Scheide",  welche  die  im  Blute  kreisenden  Larven 
mancher  Filarien,  vor  allem  der  Filaria  baucrofLi  CoBB.  umgiebt,  die  sich 
zweifellos  aber  erst  während  des  Circulirens  bildet.  Vgl.  hierüber  Makson 
in:  Davidson,  Hygiene  and  diseases  of  warm  climates ,  London  1893, 
p.  764.  Die  ursprüngliche  Mittheilung  j\rANSON's  ist  mir  nicht  zugänglich  : 
sie  soll  von  Cobbold  (Observations  ön  Filariae,  by  Drs.  Patrick  Manson, 
John  R.  Somerville,  Joseph  Banceoft,  .J.  F.  da  Silva  Lima,  J.  L. 
Paterson,  P.  S.  de  MagalhÄes,  and  J.  Mortimer-Granville)  im 
Journal  of  the  Queckett  micr.  Club  1880  publicirt  sein,  doch  wird  der 
specielle  Ort  in  der  Literatur  auf  3  verschiedene  Weisen  citirt.  Hubee 
(Bibl.  d.  klin.  Helm.,  p.  275)  giebt  „Vol.  VI,  No.  43,  Mai"  an.  Annett, 
Dutton  and  Elliott  (Malaria-Expedition,  Part  II,  p.  21)  nennen  „vol.  XI, 
p.  130",  und  Stiles  and  Hassall  (Index-Catalogue  etc.,  p.  277)  citiren : 
No.   „43,  May,  pp.   58 — 64".     Was  hiervon  richtig  ist,  resp.  wie  die  ver- 


Bau  der  Filaria  loa  Guyot.  553 

Zeit  lang  umgiebt.  dann  aber  zu  Grunde  geht,  so  dass  diese  am 
Ende  völlig  frei  im  untersten  Theile  der  Uteri  und  in  der  Vagina 
liegen.  Sie  haben  jetzt  eine  Länge  von  0,253 — 0.2G3  mm  und  sind 
0.0048 — 0.005  mm  dick;  ihr  A'orderende  ist  kurz  abgerundet,  das 
Hinterende  dagegen  in  einen  pfriementörmigen  Schwanz  ausgezogen. 
Ihre  dünne  Haut  ist  vollkommen  glatt;  im  Innern  war  bei  den 
meisten  Exemplaren  0.08  mm  hinter  dem  Kopfe  die  Anlage  der 
spätem  Geschlechtsötfnung  ^j  und  0.043  mm  vor  dem  Hinterende  die 
Anlage  des  Afters  zu  erkennen. 


schiedenen  Angaben  sich  zu   einander  verhalten,    vermag  ich  nicht  zu  ent- 
scheiden. 

1)  Diese  Deutung  ist  unzweifelhaft  irrig.  Nach  dem,  was  ich  von 
der  Entwicklung  der  Nematoden  bisher  gesehen  habe,  wird  die  Genital- 
öffnung stets  erst  im  vorletzten  Entwicklungsstadium,  das  ist  zwischen 
der  dritten  und  vierten  Häutung,  angelegt.  Das  meines  Wissens  von 
SCHNEIDEH  aufgestellte  Gesetz,  dass  die  Nematoden  im  Verlaufe  ihrer 
Entwicklung  4  Häutungen  durchmachen,  finde  ich,  soweit  meine  persön- 
lichen Erfahrungen  reichen,  durchaus  bestätigt.  Bis  zur  dritten  Häutung 
sind  die  Genitalorgane  noch  klein,  erst  wenig  über  die  Anlage  der  Larve 
hinaus  ent\A-ickelt  und  stehen  noch  nicht  mit  der  Haut  in  Verbindung. 
Diese  Verbindung  wird  erst  im  vierten  (vorletzten)  Stadium  hergestellt, 
während  dessen  auch  die  Ausbildung  der  allgemeinen  Gliederung  des 
Genitalapparats  erfolgt.  Am  Ende  des  vierten  Stadiums  wird,  während  die 
bisherige  Haut  sich  abhebt,  die  definitive  Körperhaut  angelegt,  mit  der 
die  Genitalorgane  unter  Bildung  der  Geschlechtsöffnung  in  Verbindung 
treten.  Mit  der  vierten  und  letzten  Häutung  wird  dann  auch  ihre 
Communication  mit  der  Aussenwelt  hergestellt,  doch  vergeht  stets  noch 
eine  mehr  oder  minder  lange  Zeit,  ehe  die  Geschlechtsproducte  zur  Reife 
gelangen  und  die  Production  der  Eier  erfolgt.  Bei  neugeborenen  Larven 
kann  deshalb  von  einer  Anlage  der  spätem  Genitalöffnung  noch  nicht  wohl 
die  Rede  sein,  bei  denen  der  Fihiria  loa  ebenso  wenig  wie  bei  denen  der 
Filaria  liancrofti,  bei  welch  letztern  Maxsöx  einen  von  ihm  beobachteten 
hellen  Fleck  (.,Vspot"  genannt)  vermuthungsweise  ebenfalls  mit  der  spätem 
Genitalöffnung  in  Verbindung  bringt.  Schon  der  Umstand,  dass  der  be- 
treffende Fleck  nach  Manson  (und  andern  Autoren)  constant  ist,  spricht 
gegen  diese  Deutung,  da  nicht  alle  Filarienlarven  zu  Weibchen  mit  vorn 
gelegener  Genitalöffnung  werden.  Der  ..Vspot"  der  Filaria  baiarofti-Jjaryen 
entspricht  nach  eignen  Beobachtungen  vielmehr  dem  Nervensystem  des  er- 
wachsenen Thieres;  ob  dies  auch  für  die  von  LuDWUf  an  den  Filaria  loa- 
Larven  gesehene  Structur  gilt,  vermag  ich  nicht  zu  sagen,  da  keine 
weitern  Details  gegeben  sind.  Da  der  Autor  nur  von  einer  Anlage  der 
spätem  Geschlechtsöffnung  spricht,  wahrscheinlich  also  bereits  etwas  einer 
Oeffnung  Aehnliches  gesehen  hat,  so  liegt  die  ]\[öglichkeit  vor,  dass  es  sich 
in  diesem  Falle  um  den  spätem  Excretiousporus  handelt,  der  bei  den 
Larven    der    Filaria    bancrofti    in   Gestalt    einer    kleinen    dreieckigen,    der 


554  -^-  Looss, 

Blanchard  untersucht  ein  Männchen  und  ein  Weibchen,  die 
einige  Zeit  nach  einander  demselben  Patienten,  einem  Missionar 
aus  dem  französischen  Congogebiet,  aus  dem  Auge  extrahirt  worden 
waren.  Das  Männchen  ist  22  mm  lang  und  in  der  mittlem  Körper- 
region 0,435  mm  dick.  Die  Haut,  welche  vorn  0,004 — 0,005  mm, 
weiter  hinten  0,009  mm  Durchmesser  aufweist,  entbehrt  jeder  Spur 
einer  Querstreifung;  die  warzenförmigen  Erhebungen  fehlen  auf  dem 
ersten  Fünftel  der  Körperlänge  gänzlich  und  nehmen  auf  dem  letzten 
allmählich  ab,  so  dass  ein  0,18  mm  langes  Endstück  des  Körpers 
von  ihnen  ebenfalls  frei  bleibt.  Ihre  Vertheilung  ist  unregelmässig, 
manchmal  liegen  sie  zu  mehreren  dicht  beisammen,  nur  durch  einen 
schmalen  Zwischenraum  von  0,002 — 0.004  mm  von  einander  getrennt. 
Sie  erreichen  an  ihrer  Basis  bis  zu  0.027 : 0.02  mm  Durchmesser  bei 
0,009—0,012  mm  Höhe. 

Gegen  das  Kopfende  zu  ist  der  Körper  zuerst  leicht  verjüngt, 
dann  plötzlich  zu  einem  kurzen  Conus  mit  quer  abgeschnittener 
Vorderfläche  zusammengezogen.  Auf  dieser  liegt  die  kleine  trichter- 
förmige Mundöifnung,  die  nur  von  der  Haut  gebildet  wird  und  in 
ihrer  Umgebung  nichts  von  Papillen  erkennen  lässt.  Sie  führt  in 
einen  engen,  geraden  Oesophagus,  der  bis  an  die  Basis  des  Mund- 
kegels zu  verfolgen  ist,  von  hier  an  aber  durch  dicke  Muskelmassen 
verborgen  wird.  In  der  dorsalen  und  ventralen  Medianlinie  steht 
auf  dem  gleichen  Niveau  je  ein  kleiner,  kegelförmiger  Zapfen,  ähn- 
lich denen,  die  auch  bei  verwandten  Filarien-Arten  auftreten. 

Die  männliche  Anogenitalöffnung  liegt  0,082  mm  vom  Schwanz- 
ende entfernt;  die  Spicula  (die  in  der  Figur  wie  bei  Manson  sehr 
schlank,  fast  grätenartig  gezeichnet  sind  und  mit  ihren  Spitzen 
etwas  nach  aussen  hervortreten)  sind  von  ungefähr  gleicher  Länge 
und  besonders  gegen  ihr  verdünntes  Ende  hin  eingebogen;  die 
Schwanzpapillen  findet  Blaxchard  im  '\^>sentlichen  wie  ]\rAKS0N, 
nur  ist  die  vierte  nicht  adanal,  sondern  distinct  postanal;  die  3 
ersten  berühren  einander,  die  beiden  letzten  folgen  in  grössern, 
unter  sich  gleichen  Zwischenräumen. 

Das  Weibchen  ist  ein  noch  junges  Thier  von  20  mm  Länge, 
aber  bereits  0,54  mm  Dicke  in  der  Körpermitte;  in  den  Eiröhren 
finden  sich  erst  polyedrische  Eizellen  von  0,025—0,035  zu  0,015  bis 


Haut  dicht  angedrückten  Höhlung  kurz  hinter  dem  Nervensystem  gelegen 
und  offenbar  dasselbe  Gebilde  ist,  welches  NoE  bei  den  Larven  der  Ftlaiia 
imnnlis   als    ..ghiandola  anteriore"    bezeichnet. 


Bau  der  Filaria  loa  Güyot.  555 

0,020  mm  Durchmesser.  Die  Cuticularhöcker  sind  sehr  zalilreich, 
unregelmässig-  vertheilt  und  finden  sich  bis  auf  die  Kopfspitze  hin ; 
häutig-  bilden  sie  Gruppen.  Am  Kopfende  ist  der  conisclie  Aufsatz 
weniger  ausgesprochen  als  beim  ]\Iännchen,  auch  fehlen  die  beiden 
Cuticularzapfen,  die  bei  diesem  vorhanden  waren.  Vulva  und  Anus 
wurden  mit  Sicherheit  nicht  aufgefunden. 

OzzARD  giebt,  ohne  die  bereits  vorhandene  Literatur  zu  berück- 
sichtigen, eine  kurze  Beschreibung  von  2  Männchen  und  2  Weibchen, 
die  von  THo:\rpsTONE  in  Opobo.  Süd-Xigeria.  gesammelt  und  an  ^f  ^^•soN 
gesandt  worden  waren.  Die  Länge  der  Weibchen  beträgt  50  bis 
55  mm,  die  Maximaldicke  von  0,55  mm  wird  bereits  0.6  mm  hinter 
der  Koi)fspitze  erreicht;  das  Hinterende  ist  scharf  gekrümmt  und 
auf  der  Höhe  des  Afters  0,275  mm  dick.  Das  Kopfende,  auf  dessen 
iS])itze  die  Cuticula  sich  etwas  verdickt,  ist  unbewaffnet,  hinter  ihm 
keine  halsartige  Einschnürung  vorhanden.  Kleine,  runde  durch- 
sichtige Verdickungen  oder  Buckel  sind  über  den  grössern  Theil 
der  Körperhaut  vertheilt,  hören  aber  0,6  mm  vor  der  Schwanzspitze 
auf.  Au  dieser  ist  die  Haut  am  dünnsten,  trägt  aber  zwei  seitliche 
Flügel,  die  über  die  Schwanzspitze  in  einander  übergehen.  Der 
After  liegt  auf  einer  Hervorragung.  der  ..Analpapille",  0,3  mm  vor 
dem  Körperende,  die  Geschlechtsötfnung  2,35  mm  vom  Kopfende  ent- 
fernt. Zwei  üterusschläuche  durchlaufen  die  Länge  des  '  Körpers 
und  endigen  in  Schlingen  1,2  mm  vor  der  Schwanzspitze.  Eine 
Grenze  zwischen  Oesophagus  und  Darm  war  nicht  zu  erkennen. 

Das  Männchen  ist  30 — 35  mm  lang  und  ähnelt  in  Gestalt  und 
Ko])fbildung  dem  Weibchen;  die  Hautbuckel  sind  weniger  zahlreich, 
und  das  Schwanzende,  am  After  noch  0.175  mm  dick,  ist  nicht  so 
stark  gekrümmt  wie  bei  diesem.  Die  Beschreibung  der  Papillen 
bietet  gegenüber  den  Angaben  der  frühern  Autoren  nichts  Neues. 
Das  Vas  deferens  setzt  sich  in  zwei  undeutlich  erkennbare  Spicula, 
ein  hinteres  kurzes  und  ein  vorderes  längeres,  fort,  die  nicht  vor- 
gestreckt sind.  Die  Cuticula  ist  auf  der  Bauchseite  des  Schwanz- 
endes und  über  die  Schwanzspitze  hinweg  verdickt.  Der  Darm 
endigt  in  einer  ..Analpapille"  0,175  mm  von  der  Schwanzspitze  ent- 
fernt (demnach  scheint  der  Autor  anzunehmen,  dass  Darm  und  (4enital- 
organe,  wie  beim  Weibchen,  sejtarat  nach  aussen  münden». 

Soweit  die  bisher  vorliegenden  Beschreibungen  der  Filaria  loa, 
^\'ie  aus  ihnen  hervorgeht,  herrscht  unter  den  Autoren,  von  einigen 
olfenbar  irrthiimlichen  Deutungen  Ozzaiuvs  abgesehen,  in  Bezug  auf 
die  Form  und  die  äussere  Ausstattung  des  Körpers,  ebenso  über  die 


556  -^-  Looss, 

Gestaltung-  des  männlichen  Schwanzendes  weitgehende  Ueberein- 
stimmung-;  betreffs  der  Innern  Organisation  dagegen  lauten  die  An- 
gaben zum  Theil  unsicher,  zum  Theil  fehlen  sie  ganz. 

Eigene  Beol)aclituiigen. 

Ursprünglich  standen  mir  3  Exemplare  zur  Verfügung,  doch  ist 
im  Laufe  der  Zeit  eines  davon,  welches  separat  aufbewahrt  wurde, 
durch  Eintrocknen  völlig  unbrauchbar  geworden ;  die  beiden  übrigen 
sind  Männchen  und  Weibchen  und  stammen  von  der  Goldküste. 
Leider  war  nichts  mehr  über  die  nähern  Umstände  in  Erfahrung 
zu  bringen,  unter  denen  sie  erbeutet  wurden,  doch  lässt  die  That- 
saclie,  dass  sie  ohne  Weiteres  als  Füaria  loa  bezeichnet  waren,  wohl 
mit  Sicherheit  auf  ilire  Herkunft  aus  dem  menschlichen  Auge  schliessen, 
und  ihre  Organisation  beweist,  dass  die  ursprüngliche  Bestimmung 
richtig  ist.  Beide  Exemplare  zeigten  äusserlich  keine  Verletzung; 
da  es  schade  gewesen  wäre,  sie  zu  zerschneiden,  so  wurden  sie  nur 
mittels  der  seit  einigen  Jahren  von  mir  mit  befriedigendem  Er- 
folge angewandten  Alkohol-Glycerinmethode  in  Glycerin  aufgehellt 
und  in  toto  untersucht.  Nach  längern  Bemühungen  gelang  es  auch, 
sie  soweit  zu  strecken,  dass  sie  unter  dem  Deckgiase  gerollt  und 
so  von  allen  Seiten  betrachtet  werden  konnten. 

Das- Männchen  ist  nahezu  33  mm  lang  und  im  Vorderkörper 
0,4  mm  dick;  nach  hinten  zu  nimmt  der  Durchmesser  allmählich 
und  ganz  gleichmässig  ab,  so  dass  er  dicht  vor  der  vordersten 
Schwanzpapille  nur  noch  0,15  mm  beträgt.  Nach  dem  Kopfende  zu 
ist  eine  allmähliche  Verjüngung  nicht  nachweisbar  oder  wenigstens 
nur  auf  eine  ganz  kurze  Strecke  beschränkt,  auf  welche  der  conische 
etwa  0.05  mm  hohe  Kopfzapfen  folgt.  Bei  der  Aufhellung  zeigt  sich, 
dass  dicht  hinter  diesem  doch  eine  kleine  Verletzung,  augenschein- 
lich eine  Quetschung  durch  eine  Pincette,  vorhanden  ist,  die  zu 
einer  geringen  Deformation  des  unmittelbar  auf  den  Kopfzapfen 
folgenden  Körperabschnitt  geführt  hat.  Das  Weibchen  ist  voll- 
kommen intact  und  besitzt  eine  Länge  von  ein  wenig  über  52  mm; 
die  Dicke  des  Körpers  beträgt  im  Maximum  0,5  mm  und  nimmt, 
wie  beim  Männchen,  nach  hinten  zu  gleichmässig  ab,  so  dass  sie 
auf  der  Höhe  des  Anus  noch  ca.  0,17  mm  beträgt.  Der  0,07  mm 
hohe,  an  seiner  Basis  0,19  mm  breite  Kopfzapfen  ist  gegen  den 
übrigen  Kör])er  nicht  durch  eine  Einkerbung  abgesetzt  (was  ül)rigens 
in  weniger  ausgesprochenem  Maasse  auch  für  das  Männchen  gilt, 
wenn  man  dieses  in   der  Eücken-  oder  Bauchlage  betrachtet).     Das 


Bau  der  Filaria  loa  Goyot.  557 

Scliwanzende  ist  leicht  kreisförmio-  zusammengekrümmt  und  etwas 
hinter  dem  After  breit  abgerundet. 

Beide  Exemphire  sind  geschleclitlich  voll  entwickelte  Thiere 
und  dürften  ungefähr  auch  die  normale  Grösse  der  erwachsenen 
Füaria  loa  zur  Schau  tragen,  jedenfalls  stimmen  die  Maasse  gut  mit 
den  von  Ozzard  beobachteten  überein;  nach  einigen  altern  Autoren 
kann  die  Länge  indessen,  wenn  anders  es  sich  in  den  betreffenden 
Fällen  nicht  nur  um  Schätzungen  handelt,  noch  weiter  steigen;  so 
nach  Bachelor  auf  2^  j  Zoll  (=  ca.  57  mmi  und  nach  Maukel  (von 
Tkucy  beschrieben)  sogar  auf  70  mm. 

Die  Haut  finde  ich  bei  beiden  (Teschlechtern  auf  dem  grössten 
Theile  des  Körpers  0,009 — 0,01  mm  dick,  doch  wird  sie  nach  den 
Körperenden  zu  etwas  dünner  und  besitzt  auf  dem  Kopfzapfen  und 
dem  Schwanzende  nur  noch  einen  Durchmesser  von  0,004  mm.  Dies 
stimmt  demnach  vollkommen  mit  den  von  Blanchard  gefundenen 
Massen  überein ,  bleibt  dagegen  nicht  unbedeutend  hinter  den  von 
Ludwig  gegebenen  zurück;  den  muthmaasslichen  Grund  dieser  Diffe- 
renz werden  wir  binnen  kurzem  sehen.  Die  Angabe  Ozzard's,  dass 
die  Cuticula  über  die  Kopfspitze  hinweg  etwas  verdickt  sei,  steht 
mit  den  bisherigen  Beobachtungen  in  AMderspruch.  Ebenso  wenig 
habe  ich  am  Körperende  des  Weibchens  etwas  von  den  Hautflügeln 
entdecken  können,  die  der  Autor  beschreibt.  In  Bezug  auf  die 
^\'ärzchen  der  Haut  habe  ich  dem  Bekannten  nichts  Neues  hinzuzu- 
fügen. Ich  finde  sie,  wie  Ozzard,  beim  ]\Iännchen  auffallend  weniger 
zahlreich  als  beim  Weibchen,  bei  beiden  Geschlechtern  ausserdem 
überall  durch  grössere  Entfernungen  von  einander  getrennt;  nur 
selten,  dass  man  drei  oder  vier  von  ihnen  einmal  näher  beisammen 
gelegen  findet,  doch  beträgt  auch  dann  ihre  gegenseitige  Entfernung 
noch  das  4— 6  fache  ihres  Durchmessers.  Die  Yorderenden  des 
Körpers  bleiben  bei  beiden  Geschlechtern  von  ihnen  frei;  beim 
Männchen  treten  die  ersten  vereinzelten  etwa  2'/.2?  beim  Weibchen 
etwa  3-^/4  mm  hinter  der  Kopfspitze  auf.  ^Veiter  nach  hinten  zu 
werden  sie  allmählich  zahlreicher,  verschwinden  beim  Männchen 
aber  wieder  gänzlich  ca.  1.2  mm  vor  der  Schwanzspitze,  während 
sie  beim  Weibchen  sich  bis  zum  äussersten  KiU-perende,  auf  der 
Bauchseite  bis  hinter  den  After  erstrecken.  Ihre  Grösse  schwankt 
in  ziemlich  weiten  (Frenzen,  während  ihre  Höhe  ungefähr  der  Dicke 
der  Haut  gleichkommt.  Ihre  Vertheilung  über  den  Körper  ist.  worin 
alle  Beobachter  übereinstimmen,  nicht  an  ein  besonderes  (lesetz  ge- 
bunden,  scheint  überdies  aber  auch  noch  mit  dem  Altei-  der  Thiere 


558  -^-  Looss, 

zu  wechseln,  ^^'ie  schon  erwähnt,  sind  die  ^^'ä^zcllen  bei  meinen 
Individuen,  obwohl  zahlreich,  doch  ziemlich  zerstreut,  und  nur  ge- 
legentlich liegen  zwei  oder  oder  drei  in  grösserer  Nähe  von  einander; 
auch  Ludwig,  der  ebenfalls  ein  erwachsenes  Weibchen  untersuchte, 
erwähnt  nichts  von  Ansammlungen  der  Wärzchen  in  Gruppen. 
Solche  fanden  sich  dagegen  in  den  von  Blanchard  studirten 
Exemplaren  und  am  ausgesprochensten  bei  dem  jungen,  erst  20  mm 
langen  AA'eibchen,  wo  sie  sogar  auf  dem  Kopfende  auftraten,  welches 
bei  altern  Individuen  bisher  von  ihnen  frei  gefunden  worden  ist. 
Nach  dem,  was  wir  zur  Zeit  über  die  Entwicklung  der  Nematoden 
wissen,  müssen  sie  bei  der  letzten  (4.)  Häutung  entstehen,  mittels 
deren  die  Thiere  ihre  definitive  Gestalt  annehmen.  Aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  bedecken  sie  hier  ziemlich  dicht  und  gleichmässig 
den  ganzen  Körper,  rücken  aber  während  des  nach  der  letzten 
Häutung  erfolgenden,  intensiven  und  mit  der  Ausbildung  der  Geni- 
talien verbundenen  AA'achsthums  allmählich  immer  mehr  aus  einander, 
so  dass  sie  bei  erwachsenen  Thieren  schliesslich  durch  mehr  oder 
minder  weite  Zwischenräume  von  einander  getrennt  erscheinen. 

Bei  Untersuchung  mit  stärkern  Vergrösserungen  erkennt  man 
im  Innern  der  Haut  eine  äussere,  anscheinend  dichtere,  und  eine 
innere,  anscheinend  weniger  dichte,  weichere  Schicht,  die  durch  eine 
deutliche  Grenzlinie  von  einander  getrennt  sind.  In  der  vordem 
Körperhälfte  verläuft  diese  Grenzlinie  im  Wesentlichen  gerade  und 
der  äussern  Oberfläche  der  Haut  parallel ;  nach  hinten  zu  nimmt  sie 
dagegen  einen  fein  welligen  Verlauf  an,  und  im  Schwanzende  des 
Männchens  verdichten  sich  die  Wellen  schliesslich  zu  minimalen 
Zacken,  die  rings  um  den  Körper  herum  laufen  und  den  Eindruck 
einer  ausserordentlich  feinen  Querringelung  hervorrufen  (cf.  Fig.  6) ; 
nur  betrifft  diese  Ringelung  nicht  die  ganze  Haut,  sondern  bloss  die 
innere  der  sie  zusammensetzenden  Schichten.  Es  erscheint  mir 
kaum  zweifelhaft,  dass  die  von  Ludwig  im  Hinterende  des  Weibchens 
beobachtete  feine  Querstreifung  sich  auf  die  hier  beschriebene 
Strucfur  der  Haut  bezieht;  andrerseits  zweifle  ich,  ob  wir  es  hier 
mit  etwas  Normalem  zu  thun  haben,  und  halte  es  für  wahrschein- 
licher, dass  die  Ringelung  nur  der  Ausdruck  einer  geringen  Con- 
traction  des  Körpers  ist,  und  das  um  so  mehr,  als  sie  hauptsächlich 
an  den  gekrümmten  Körperstellen  auftritt.  Ein  unzweifelhaftes  Con- 
tractionsproduct  sind,  worauf  bereits  Blanchakd  hinweist,  die  von 
Ludwig  beschriebenen,  in  Abständen  von  0,08—0,1  mm  von  einander 
verlaufenden  Querringel.     Der  Hautmuskelschlauch   der  Nematoden. 


Bau  der  Filaria  loa  Guyot.  559 

besonders  aber  der  Filarien,  hat  meinen  Erfahrungen  nach  im  Leben 
und  bei  g-eschlechtsreifen  Thieren  einen  ziemlich  hohen  Druck  von 
Seiten  der  stark  geschwollenen  Genitalorg-ane  auszuhalten ;  wird  er 
an  irgend  einer  Stelle  auch  nur  leicht  verletzt,  dann  quellen  die 
Cienitalschlingen  mit  augenscheinlicher  Gewalt  (der  Darm  viel 
weniger)  nach  aussen  hervor,  wie  es  bei  dem  von  Ludwig  unter- 
suchten Exemplare  der  Fall  war.  Der  Hautmuskelschlauch  con- 
trahirt  sich  allmählich,  wobei  sich  die  Haut  nicht  nur  verdickt, 
sondern  auch  in  Anfangs  sehr  regelmässige,  eine  Ringelung  vor- 
täuschende Querfalten  legt.  Die  von  Ludwig  gefundene,  ungewöhn- 
liche Dicke  der  Haut  glaube  ich  in  dieser  Weise  erklären  zu 
können.  Lässt  man  derartig  geplatzte  Filarien  in  einer  Flüssigkeit 
liegen,  die  sie  nicht  direct  abtödtet,  dann  geht  der  Contractions- 
process  weiter,  und  man  findet  am  Ende  nicht  selten  ein  Convolut 
von  Schlingen,  denen  an  der  Stelle,  wo  sie  zusammenlaufen,  ein 
kurzes,  verscbrumpftes  Etwas,  der  ursprüngliche  Nematodenkörper 
anhängt. 

Von  den  4  Läiigsbäiiderii  sind  nur  die  beiden  lateralen  von 
aussen  sichtbar.  Sie  beginnen  vorn  ganz  schmal  (0.009  mm)  an  der 
Basis  des  Ivopfzapfezs  (X.  Jat  Fig.  4),  nehmen  aber  schnell,  wenn 
auch  nicht  gleich  massig,  an  Breite  zu,  so  dass  sie  am  Ende  des 
Oesophagus  beim  Männchen  bereits  0,063  mm .  beim  Weibchen 
0.09  mm  breit  sind;  bei  letzterm  steigt  die  Breite  allmählich  noch 
weiter  bis  auf  0,11  mm,  um  wie  beim  Männcheii  gegen  das  Hinter- 
ende hin  wieder  ein  wenig  abzunehmen.  Die  Seitenbänder  erreichen 
bei  beiden  Geschlechtern  das  äusserste  Körperende.  Im  Ganzen  ist 
ihre  Breite  nicht  leicht  mit  Sicheilieit  festzustellen,  da  sie  unter 
der  Haut  ganz  allmählich  in  die  Subcuticula  übergehen,  also  keine 
scharfen  (irenzen  darbieten,  während  sie  nach  innen  zu  von  den 
darunterliegenden  Genitalorganen  verdunkelt  werden ;  im  Allgemeinen 
ist  ihr  freies  inneres  Ende  etwas  breiter  als  ihre  Ansatzstelle  an 
der  Haut.  In  ihrem  Innern  bemerkt  man  die  bereits  von  Ludwig 
gesehenen  Kerne,  die  in  jeder  Hälfte  eines  Seitenbandes  je  eine 
ziemlich  regelmässige  Längsreihe  bilden.  Ihre  (irösse  schwankt 
zwischen  0.008  und  0.012  mm,  was  mit  den  Befunden  Ludwig's  über- 
einstimmt. Von  den  beiden  Medianlinien  bemerkt  man  bei  ober- 
flächlicher Einstellung  nichts;  auch  in  dem  heilern  Vorderende 
stossen  die  ]\hiskelzellen  in  der  dorsalen  und  ventialen  Mittellinie 
dicht  an  einander.  Erst  bei  tieferer  Einstellung  zeigen  sich  körnige 
Streifen  von  etwa  0,018 — 0,021  mm  Breite;  die  Medianbänder  stehen 


560  ^-  Looss, 

deshalb,  wie  auch  bei  zahlreichen  andern  Nematoden,  nur  durch 
ein  schmales  Septum  mit  der  Subcuticula  in  Verbindung-,  während 
sie  mit  ihrem  verbreiterten  Ende  in  die  Leibeshöhle  vorspring-en. 
Vorn  beg-innen  sie.  soweit  sich  erkennen  liess,  an  der  Basis  des 
Koptzapfens;  ihre  hintere  Endig'ung-  war  nicht  festzustellen. 

Die  MTisciilatur  hat  eine  auffallend  kräftige  Entwicklung-,  was 
zur  Genüge  die  lebhaften  Bewegungen  erklären  dürfte,  von  der  alle 
Beobachter  der  lebenden  Filaria  loa  zu  berichten  wissen.  Im 
optischen  Längsschnitt  gesehen  hat  die  Fibrillenscliicht  der  Muskel- 
zellen im  Vorderkörper  eine  Dicke  von  rund  0,05  mm,  und  über  der- 
selben liegt,  in  buckelförmige  Erhebungen  vorspringend  und  die 
grossen  (0,014  mm)  Muskelkerne  enthaltend,  eine  Sarcoplasmalage 
von  durchschnittlich  ebenfalls  0,05  mm  Dicke;  die  Musculatur  allein 
nimmt  also  im  Vorderkörper  beinahe  den  halben  Durchmesser  des  ganzen 
Körpers  für  sich  in  Anspruch.  Nach  hinten  zu  nimmt  ihre  Mächtig- 
keit allmählich  ab,  beträgt  aber  nahe  am  Schwanzende  im  Mittel 
immer  noch  0,035  mm  (l^^ibrillenschicht).  Soweit  sich  feststellen  liess, 
liegen  etwa  8  Muskelzellen  in  jedem  Quadranten  des  Körpers;  sie 
sind  ziemlich  lang  (1  mm)  spindelförmig  bei  einer  Breite  von 
ca.  0,038  mm,  und  greifen  tief  zwischen  die  vor  und  hinter  ihnen 
gelegenen  hinein.  Von  jeder  ]\luskelzelle  treten  anscheinend  mehi-ere 
Sarcoplasmafortsätze  an  die  Medianlinien  heran;  besonders  stark 
sind  diejenigen,  welche  sich  direct  an  den  Nervenring  begeben.  An 
der  Basis  des  Kopfzapfens  hört  die  Musculatur  ziemlich  plötzlich 
auf,  doch  setzen  sich  die  Fibrillen,  in  jedem  Quadranten  fächerartig 
ausstrahlend,  noch  ein  kurzes  Stück  in  denselben  hinein  fort;  die 
Seitentheile  der  4  Fächer  berühren  sich  in  Punkten,  die  den  4  Längs- 
linien entsprechen.  Der  Umstand,  dass  der  Kopfzapfen  somit  von 
]\[uskeln  frei  ist,  erklärt  seine  Durchsichtigkeit,  die  allen  bisherigen 
Beobachtern  das  Erkennen  der  Mundöffnung  und  des  an  sie  an- 
stossenden  Anfangstheils  des  Oesophagus  gestattete. 

Yerdauungstractus.  Die  Mundöffnung  finde  ich  genau  so, 
wie  sie  von  Blanchard  beschrieben  worden  ist,  das  heisst,  sie  re- 
präsentirt  eine  einfache  Oeftnung  in  der  Cuticula,  die  innen  etwas 
enger  als  aussen,  also  leicht  trichterförmig  gestaltet  ist  und  direct 
mit  dem  engen  Lumen  des  Oesophagus  in  Verbindung  tritt.  Mund- 
papillen wurden  von  den  bisherigen  Beobachtern  nicht  aufge- 
funden ;  die  von  Blanchard  beschriebenen  cuticularen  Spitzchen,  die 
ich  bei  dem  Männchen,  wenn  auch  sehi-  klein,  ebenfalls  finde,  bei 
dem    Weibchen   dagegen   vermisse,    können   nicht   als   ^Mundpapillen 


Bau  der  Filaria  loa  Guvot.  561 

aufgefasst  werden,  da  ihre  Lagerung-  in  der  dorsalen  und  ventralen 
Mittellinie  \)  dieser  Deutung-  widerspricht.  Bei  den  von  mir  unter- 
suchten Individuen  habe  ich  Gebilde  gesehen,  die  wohl  ^lundpapillen 
sein  dürften,  doch  ragen  dieselben,  wie  es  auch  bei  verwandten  Arten 
vorkommt,  nicht  über  das  Niveau  ihrer  Umgebung  hervor,  wogegen 
ein  deutlicher  Nervenstrang  von  innen  her  an  sie  herantritt.  Zwei 
ziemlich  grosse  und  sehr  deutliche  Lateralpapillen  finden  sich  etwas 
näher  der  Basis  des  Kopfkegels,  während  die  etwas  kleinern  und 
weniger  deutlichen  4  submedianen  Papillen  ein  wenig-  mehr  nach 
der  Spitze  desselben  hin  liegen  (Fig.  4). 

Von  dem  Oesophagus  wird  von  den  frühern  Autoren  nur  der 
im  Kopfzapfen  gelegene  Anfangstheil  beschrieben;  in  Wirklichkeit 
ist  das  Speiserohr  beim  Männchen  0,9  mm,  beim  Weibchen  1,1  mm 
lang,  von  fast  cylindrischer  Gestalt,  vorn  0,05,  hinten  0,07  mm  dick. 
Dicht  an  seinem  Hinterende  erkennt  man  auf  der  Dorsalseite 
zwischen  den  Muskelfasern,  von  einer  spärlichen  körnigen  Masse 
umgeben,  einen  grossen  ovalen  Kern  von  ca.  0,03  :  0,017  mm  Durcli- 
messer,  offenbar  den  Kern  einer  dorsalen  Oesophagusdrüse ;  2  kleinere, 
etwa  halb  so  grosse  und  weniger  deutliche  Kerne  liegen  auf  der 
Ventralseite,  anscheinend  die  Kerne  subventraler  Oesophagusdrüsen. 
Auf  der  Dorsalseile  ist  ein  Strang  der  körnigen  Drüsensubstanz 
weit  nach  vorn  zu  verfolgen;  die  Drüsenmündungen  dagegen  waren 
nicht  zu  erkennen,  dürften  in  Anbetracht  des  Fehlens  einer  eigent- 
lichen Mundhöhle  aber  im  Innern  des  Oesophagus  und  wahrschein- 
lich auf  dem  Niveau  des  Nervenringes  zu  suchen  sein.  Am  Ueber- 
gange  in  den  Chylusdarm  finden  sich  kleine  Klappen,  wie  sie  auch 
sonst  bei  Nematoden  voi'konnnen. 


1)  In  einer  Beschreibung  des  Sfcpht/ruir/is-  (loifnfxs  Dies.  (Onr  preseut 
knowledge  of  the  Kid ney- worin  [Sclerostoma  pinguicola]  of  Swine,  in:  Six- 
teenth  annual  Report  of  the  Bureau  of  Animal  Industry  [1899J,  Washington 
Dec.  1900,  p.  612  —  637)  schreibt  Louise  Taylor  dem  Genus  ^^Sclerostonia-'- 
6  Mundpapillen  zu,  ..von  denen  die  dorsale  und  ventralt^  stärker  hervor- 
treten als  die  vier  submedianen".  Hier  liegt  offenbar  eine  irrige  Orien- 
tirung  des  Thierkörpers  vor,  denn  die  stärker  entwickelten  Papillen  gehören 
den  Latei'allinien,  nicht  den  ]\ledianliiiien  an.  Es  mag  bei  dieser  Gelegen- 
heit erwähnt  sein,  dass  ich  die  von  der  Autorin  vorgenommene  Namens- 
änderung nicht  billigen  kann;  der  „Kidney-worm"  ist,  wie  aus  der  Be- 
schreibung ohne  weiteres  ersichtlich,  weder  ein  „SdcroskDiKi^'',  noch  ein 
„Sfroiirj/jl.Hs'''  in  dem  herkömmlichen  Sinne  dieser  Namen,  sondern  eine 
eigene  Gattung,  deren  Name  Stf/il/auttnis  früher  oder  später  wieder  her- 
gestellt werden   muss. 


562  ^^-  Looss, 

Der  Chylusdarm  ist  verhältnissmässig'  schwach  entwickelt 
und  hat  vorn  eine  \\'eite  von  0,14  mm,  die  am  Kürperende  allmählich 
aber  bis  auf  0,025  mm  gesunken  ist.  Sein  Epithel  besteht  aus  zahl- 
reichen, ziemlich  kleinen  Zellen,  die  nach  hinten  zu  anscheinend 
eine  verlängert  spindelförmige  Gestalt  annehmen  und  mit  ihrer 
innern  Fläche  leicht  buckeiförmig-  in  das  Lumen  vorspring-en.  Das 
Rectum  ist  nur  kurz  und  sehr  eng;  die  an  seiner  Verbindung-  mit 
dem  Chylusdarm  bei  andern  Nematoden  sehr  gewöhnlich  auftreten- 
den grossen  Zellen  (die  „Analdrüsen"  etc.  der  Autoren,  nach  meiner 
Auffassung  die  Zellen  eines  bindegewebigen,  die  Verbindung  zwischen 
Chylusdarm  und  Eectum  sichernden  „Rectalligaments"'),  sind  mit 
Sicherheit  nicht  zu  erkennen,  aber  jedenfalls  vorhanden  und  nur 
sehr  klein.  Der  After  fällt  beim  Männchen  mit  der  Genitalüffnung 
zusammen  und  liegt  bei  meinem  Exemplare  0,084  mm  vor  dei- 
Schwanzspitze.  Beim  Weibchen  vermuthet  ihn  Ludwig  in  einer 
ca.  2  mm  vor  dem  Leibesende  gelegenen  Einsenkung  der  Haut, 
während  Ozzabd  ihn  auf  einer  „Papille"  0,3  mm  vor  der  Sch^'auz- 
spitze  findet;  bei  dem  von  mir  untersuchten  Weibchen  liegt  der 
After,  von  deutlich  entwickelten,  etwas  erhobenen  Lippen  begrenzt, 
nur  0,17  mm  vor  derselben  (Fig.  7).  Von  der  Dorsalwandung  des 
Rectums  strahlen  wohl  entwickelte  Analmuskeln  nach  dem  Rücken 
hin  aus. 

Vom  Excretionsapparat  ist  an  dem  ganzen  Thiere  nur  wenig 
zu  erkennen.  Ein  ausserordentlich  kleiner  und  wenig  markirter 
Excretionsporus  findet  sich  beim  Männchen  0,65,  beim  Weibchen 
0,75  mm  hinter  der  Kopfspitze  in  der  ventralen  Mittellinie  (Ex 
Fig.  3;  in  Fig.  2  auf  der  rechten  Seite  dicht  unter  dem  Strich  von 
Oes  gelegen).  Ein  mit  einer  dünnen,  stark  längsgefalteten  Chitin- 
wand ausgekleideter  Anfangstheil  der  Excretionsblase  lässt  sich  von 
dem  Porus  aus  eine  kurze  Strecke  in  das  Innere  des  Körpers  hinein 
verfolgen,  entzieht  sich  dann  aber  der  Beobachtung  vollkommen. 
In  den  Seitenlinien  bemerkt  man  auf  derselben  Höhe  einen  ge- 
schlängelten  Excretionscanal  von  etwa  0,0085  mm  Weite;  doch  ist 
seine  Verbindung  mit  der  Excretionsblase  in  keiner  Weise  zu  er- 
mitteln; anscheinend  liegen  hier  ähnliche  Verhältnisse  vor  wie  bei 
andern  Nematoden  (z.  B.  Ancylosformini),  bei  denen  diese  Verbindung 
durch  eine  membranlose  Höhlung  in  der  Trägerzelle  der  Excretions- 
blase hergestellt  wird.  Der  Excretionscanal  lässt  sich  von  dem 
Niveau  des  Porus  aus  nach  vorn  sowohl   wie  nach  hinten  noch  eine 


BiUi  der  Filaria  loa  Ctuyot.  563 

Strecke  weit  verfolgen,  wobei  er  allmählich  etwas  dünner  wird,  ent- 
zieht sich  schliesslich  aber  der  Beobachtung-. 

Vom  Nervensystem  {Nerv  Fig-.  2  u.  3)  ist  noch  weniger  zu 
sehen.  Ein  ziemlich  dicker  (0,025  mm)  Faserring  umschliesst  den 
Oesophagus  etwas  hinter  der  Basis  des  Kopfzapfens  (0,20  mm  beim 
Männchen,  0,25  mm  beim  \\'eibchen);  an  ihn  treten  von  vorn,  von 
den  Seiten  und  schräg-  von  hinten  sehr  starke  Sarcoplasmafortsätze 
der  vordersten  Körpermuskeln  heran.  Stärkere  Nervenfaserzüge  ver- 
laufen anscheinend  in  den  Seitenlinien;  es  hat  mir  geschienen,  als 
ob  die  letzten  Ausläufer  derselben  beim  Weibchen  in  einer  jeder- 
seits  dicht  am  Köi-perende  gelegenen  kleinen  Papille  endigten  {Fap. 
Fig.  7),  die  aber,  wie  die  Kopfpapillen .  nicht  über  das  Niveau  der 
Haut  hervortritt.  Diese  Papillen  würden  dann  ähnlichen  Papillen 
entsprechen,  die  beim  Männchen  an  derselben  Stelle,  i.  e.  hinter  der 
fünften  (letzten)  Schwanzpapille  gelegen  zu  sein  scheinen  (cf.  Pap. 
Fig.  5  u.  6),  aber  weniger  an  einer  Erhebung  der  Haut  als  an 
einem  feinen,  an  sie  herantietenden  Faserstrang  kenntlich  sind.  Da 
die  Structuren  ziemlich  zart  sind  und  sich  nicht  genauer  untersuchen 
lassen,  auch  weiteres  ^Material  zu  einem  Vergleiche  fehlt,  so  kann 
ich  nur  auf  die  ^Möglichkeit  hinweisen,  dass  es  sich  hier  um  distincte 
Papillen  handelt.     Von  Halspapillen  war  nichts  zu  bemerken. 

Die  Oeiütalorgaue  nehmen  fast  den  gesammten  Innenraum  des 
Körpers  für  sich  in  Anspruch  und  sind  mit  Unmengen  von  Keini- 
producten  gefüllt;  die  Fi-uchtbarkeit  dieser  Filarien  muss  eine  ganz 
kolossale  sein. 

Männchen.  Die  bisherigen  Beschreibungen  enthalten  fast  nur 
Angaben  über  die  äussern  Sexualcharaktere.  Soweit  diese  in  Be- 
tracht kommen,  stimmen  meine  Beobachtungen  im  A\'esentlichen  mit 
dem  bereits  Bekannten  überein.  Das  hintere  Körperende  ist  nicht 
wie  bei  verwandten  Formen  spiralig  eingerollt,  und  in  der  That 
fehlen  der  Filaria  loa  auch  die  schräg  von  den  Seitenlinien  nach 
dem  Bauche  ziehenden  ]\Iuskelfasern  (die  musculi  bursales  Scuneider's), 
welche  die  Einrollung  des  Schwanzendes  bedingen.  Eine  ventrale 
Aushöhlung  des  Endabschnittes  des  eigentlichen  Körpers,  wie  sie 
Manson  vermuthet.  habe  ich  nicht  gesehen,  dagegen  liegen  die 
schmalen,  aber  ziemlich  dicken  seitlichen  Hautflügel,  in  denen  die 
Schwanzpapillen  enthalten  sind  und  die  Manson  bereits  gesehen  hat, 
der  Bauchseite  etwas  näher  als  der  Eückenseite  und  convergiren 
etwas  nach  letzterer,  so  dass  dadurch  thatsächlich  eine  leichte  C'onca- 
vität  der  Bauchfläche  als  Ganzes  zu  Stande  kommt.    Die  Hautflügel 


564  '^-  Looss, 

reifhen  bis  0,7  mm  vor  die  Schwanzspitze  und  sind  an  der  breitesten 
Stelle  0,029  mm  breit.  Ozzard  erwähnt  sie  niciit,  beschreibt  da- 
gegen eine  Verdickung  der  Haut  auf  der  Bauchseite:  anscheinend 
hat  er  das  Schwanzende  nur  von  der  Seite  gesehen  und  die  ventral- 
wärts  vorspringenden  Flügel  für  eine  Hautverdickung  gehalten  (cf. 
Fig.  6).  In  Bezug  auf  die  allgemeine  Disposition  der  Scliwanz- 
papillen  zeigt  das  von  mir  untersuchte  Männclien  eine  Eigen- 
thünilichkeit ,  die  ich  in  den  altern  Beschreibungen  nicht  erwähnt 
finde:  die  präanalen  Papillen  sind  nämlich  auf  beiden  Körperseiten 
ausgesprochen  asymmetrisch  angeordnet  (Fig.  5).  Aut  der  linken 
Seite  entspricht  das,  was  ich  sehe,  genau  den  Bildern,  welche  von 
Blanchard  und  Manson  gegeben  werden  (Fig.  6),  d.  h.  die  vorderste, 
dickste  Papille  liegt  ungefähr  um  die  Länge  des  postanalen  Körper- 
abschnittes vor  der  Anogenitalöffnung.  Auf  der  rechten  Seite  da- 
gegen sind  die  3  präanalen  Papillen  nicht  nur  dichter  an  einander, 
sondern  auch  ziemlich  dicht  an  die  erste  postanale  Papille  heran- 
gerückt, dergestalt,  dass  die  vorderste  rechts  mit  der  zweiten  links 
und  die  dritte  rechts  mit  der  Anogenitalöffnung  auf  demselben 
Niveau  liegen.  Diese  asymmetrische  Anordnung  der  Papillen  ist 
bei  meinem  Exemplare  so  deutlich  ausgesprochen,  dass  ein  Zweifel 
an  der  Thatsache  selbst  nicht  möglich  ist;  die  Frage  bleibt  nur, 
ob  wir  es  hier  mit  einem  normalen  Verhalten  oder  mit  einer  ge- 
legentlichen Missbildung  zu  thun  haben.  Letzteres  wäre  sicher  nicht 
undenkbar,  doch  halte  ich  es  für  unwahrscheinlich,  da  eine  Anzahl 
von  Nematoden  mit  theilweise  asymmetrisch  gestellten  Schwanz- 
papillen  bekannt  sind ,  Füaria  loa  also  ganz  gut  zu  ihnen  gehören 
kann.  Trotzdem  ich  mich  nur  auf  einen  isolirten  Befund  stützen 
kann,  bin  ich  deshalb  eher  zu  der  Annahme  geneigt,  dass  die  Be- 
obachtungen der  altern  Autoren  über  diesen  Punkt  unvollständig 
sind,  und  das  um  so  mehr,  als  die  Asymmetrie  der  Papillen  deutlich 
nur  bei  einer  Betrachtung  des  Schwanzendes  von  der  Bauchseite  in 
die  Augen  springt.  Blanchard  giebt  nur  eine  Ansicht  der  Papillen 
der  linken  Seite,  die  mit  dem,  was  ich  gesehen,  vollständig  überein- 
stimmt. Liess  sich  das  von  ihm  untersuchte  Thier  aus  irgend 
welchen  Gründen  von  der  Bauchseite  nicht  betrachten,  so  würde 
es  sich  erklären,  dass  ihm  die  Asymmetrie  entgangen  ist.  Manson 
hingegen  giebt  auch  eine  Skizze  in  der  Bauchansicht,  auf  welcher 
die  Papillen  beiderseits  symmetrisch  angegeben  sind.  Da  diese 
Figur  aber  (soweit  aus  der  Reproduction  bei  Blanchard  ersichtlich) 
ausdrücklich   als   schematisch   bezeichnet  ist,   so   glaube  ich  sie  bis 


Bau  der  Filaria  loa  Guyot.  565 

auf  Weiteres  nicht  als  Beleg  für  die  thatsächliche  Symmetrie  der 
Papillen  bei  dem  MANsoN'schen  Exemplare  betrachten  zu  müssen, 
f^eberdies  beschreibt  Manson  die  vierte  Papille  als  „adanal  oder 
postanal" ;  für  die  linke  Körperseite  gilt  dies,  wie  bereits  Blanchard 
hervorhebt,  zweifellos  nicht;  auf  der  rechten  Seite  dagegen  liegen  — 
bei  meinem  Exemplare  wenigstens  —  die  dritte  und  vierte  Papille 
so  (licht  an  einander,  dass  sie  zur  Noth  beide  als  adanal  bezeichnet 
Averden  könnten. 

Die  beiden  postanalen  Papillenpaare  liegen  sjmimetrisch  und 
verlialten  sich  wie  von  den  frühern  Autoren  beschrieben.  Hinter 
dem  letzten  sehe  ich  auf  jeder  Körperseite  noch  einen  feinen  Faser- 
strang an  die  Haut  heran  treten,  der  die  innere  Begrenzung  der- 
selben etwas  buckeiförmig  vortreibt,  während  der  äussere  Haut- 
contur  glatt  darüber  hinwegzieht  {Fap.  Fig.  6).  Allem  Anschein 
nach  handelt  es  sich  hier  um  Nervenendigungen;  ob  dieselben  aber 
als  sechstes  Paar  den  Schwanzpapillen  zuzurechnen  sind,  muss  ich 
bis  auf  Weiteres  dahin  gestellt  sein  lassen. 

Die  Anogenitalöffnung  liegt  bei  meinem  Exemplare,  wie 
schon  erwähnt.  0.084  mm  vor  dem  Leibesende,  also  genau  so,  wie 
es  bereits  Blanchakd  angibt.  Aus  ihr  ragen  die  Si)icula  zur 
Hälfte  hervor  und  zwar  in  der  Weise,  dass  sie  einander  an  der 
Oefthung  kreuzen,  indem  das  linke  nach  rechts,  das  rechte  nach 
links  gerichtet  ist.  Bei  Anwendung  stärkerer  Vergrösserung  und 
intensiver  Durchleuchtung  sind  auch  ihre  im  Innern  des  Körpers 
gelegenen  Partien  vollkommen  deutlich  zu  erkennen;  ich  erwähne 
dies  ausdrücklich,  da  meine  Befunde  hier  wieder  von  den  existiren- 
den  Beschreibungen  abweichen.  Blanchakd  sowohl  wie  Manson 
zeichnen  die  Spicula  nicht  nur  ziemlich  lang,  sondern  nach  dem 
freien  Ende  zu  auch  stark  verjüngt,  so  dass  sie  fast  haarförmig 
enden;  bestimmte  Längenmaasse  werden  nicht  gegeben,  Manson 
schreibt  ihnen  eine  „ungleiche".  Blanchard  „ungefähr  die  gleiche" 
Grösse  zu ;  in  den  von  beiden  Autoren  gegebenen  Zeichnungen  liegen 
die  vordem  Enden  durclischnittlich  um  die  doppelte  Länge  des  post- 
analen Körperabschnittes  vor  dei-  Anogenitalöifnung.  Bei  meinem 
Exemplare  sind  die  Spicula  zunächst  viel  kürzer,  und  zwar  ist 
das  kleinere,  im  ganzen  nur  wenig  gebogene  0,113  mm,  das  grössere 
0,176  mm  lang,  und  dabei  so  stark  kreisförmig  gebogen,  dass  seine 
Enden  in  gerader  Linie  0,135  mm  aus  einander  liegen.  Sein  Vorder- 
ende findet  sich  um  reichlich  die  einfache  Länge  des  postanalen 
Körperabschnittes  vor  der  Anogenitalöffnung;   das   innere  Ende  des 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Svst.  38 


566  *^-  Lüoss, 

kleinem  Spicuhims  liegt  mit  dieser  fast  auf  dem  gleichen  Niveau. 
Ferner  finde  ich  beide  Spicula  in  ganzer  Ausdehnung  fast  gleich 
dick :  0.008  mm ;  nur  das  längere  wird  gegen  sein  inneres  Ende  hin 
ein  wenig  breiter.  Auf  dem  Querschnitt  scheinen  sie  rinnenförmig 
ausgehöhlt  zu  sein;  ihre  freien  Enden  sind  abgerundet,  nur  bei 
manchen  Stellungen  schien  es,  als  ob  sie  mit  leicht  erhöhten  Bändern 
in  ein  Gebilde  ähnlich  dem  etwas  nach  abwärts  gebogenen  Ausguss 
z.  B.  einer  i^bdampfschale  oder  eines  Kruges  ausliefen.  Gegen  das 
innere  Ende  hin  nimmt  namentlich  das  grössere  Spiculum  eine  quer- 
gerippte Structur  an.  Ihre  Scheiden  sind  in  Folge  der  theilweisen 
Protrusion  stark  gefaltet;  die  an  den  Enden  sich  inserirenden,  ziem- 
lich kräftigen  Retractormuskeln  laufen  eine  Strecke  nach  vorn  und 
verlieren  sich  dann  in  der  Körpermusculatur. 

Von  der  Umgebung  der  Anogenitalöffnung  aus  laufen  fächer- 
artig ausstrahlende  Muskelbündel  nach  dem  Rücken  zu,  ähnlich  den 
Analmuskeln  des  Weibchens;  ihre  Insertionspunkte  Hessen  sich  mit 
Sicherheit  nicht  bestimmen. 

Die  Innern  männlichen  Genitalien  folgen  dem  gewöhn- 
lichen Bautypus,  sind  aber  so  stark  mit  den  Geschlechtsproducten 
gefüllt,  dass  eine  Abgrenzung  einzelner  Absclmitte  niclit  leicht 
möglich  ist.  Circa  0,15  mm  vor  der  Anogenitalötfnung  zeigt  der 
männliche  Leitungsapparat,  der  liier  nur  0,04  zu  0,05  mm  weit  ist. 
eine  leichte  Einschnürung,  durch  welche  ein  etwa  spindelförmig  ge- 
stalteter Endabschnitt  abgesondert  wird  (Fig.  5,  6);  ob  diesem  eine 
besondere  Bedeutung  zukommt,  vermag  ich  niclit  zu  sagen.  Nach 
vorn  hin  nimmt  der  Leitungsweg  mit  der  allmählich  grösser  werden- 
den Dicke  des  Körpers  an  Durchmesser  zu;  seine  Wand  besteht 
hier  aus  einem  etwa  0,008  mm  hohen,  nicht  sehr  deutlichen  Epithel, 
dem  sich  eine  ungefähr  gleich  dicke  Schicht  scharf  conturirter 
Ringmuskeln  auflagert;  in  ihr  finden  sich  von  Zeit  zu  Zeit  grosse 
Kerne,  die  Kerne  der  Matrixzellen  dieser  Musculatur.  Ca.  2,35  mm 
vor  der  Geschlechtsöffnung  zeigt  der  Canal  eine  zweite,  deutliche 
Einschnürung,  die  nicht  nur  eine  Faltenbildung  zu  sein  scheint. 
Die  Ringmusculatur  ist  hier  merklich  schwächer  geworden,  als  sie 
weiter  hinten  war,  setzt  sich  aber,  immer  mehr  abnehmend,  für  eine 
kurze  Strecke  auch  noch  auf  den  folgenden  Theil  des  Leitungs  weges  fort. 
Bis  zu  dem  erwähnten  Einschnitte  glaube  ich  den  Ductus  ejaculatorius 
rechnen  zu  können;  der  nach  vorn  an  ihn  sich  anschliessende  Rest 
des  Geuitalschlauches  würde  demnach  als  Hoden  incl.  Samenleiter 
zu  betrachten   sein.     Er  verläuft   zunächst  ohne   Schlingenbildung, 


Bau  der  Filaria  loa  Guyot.  567 

aber  den  ganzen  Innenraum  des  Körpers  ausfüllend  und  dicht  mit 
Spermatozoen ,  resp.  deren  Entwicklung-sstadien  gefüllt,  nach  vorn, 
dabei  den  Darm  bald  auf  die  reclite,  bald  auf  die  linke  Seite 
drängend.  Dieser  wolil  als  Samenleiter  zu  deutende  Theil  hat  eine 
Länge  von  reichlich  26  mm,  nimmt  also  den  bei  weitem  grössten 
Theil  des  Körpers  ein.  Etwa  4,5  mm  vom  Kopfende  entfernt  wird 
er  zu  dem  etwas  dünnern  eigentlichen  Hoden,  welcher  einige  (in 
meinem  Falle  2)  Längsschlingen  bildet  und.  allmählicli  immer  mehr  an 
Durchmesser  verlierend,  bis  in  das  Koi)fende  hinaufsteigt,  um  am 
Nervenringe  wieder  nach  liinten  umzubiegen.  Dieser  rücklaufende 
Theil  lässt  sich  mit  Sicherheit  bis  an  den  Anfang  des  ('hjiusdarms  ver- 
folgen, ohne  dass  hier  sein  Ende  positiv  zu  sehen  ist ;  doch  kann  er 
keinesfalls  viel  weiter  nacli  hinten  reichen.  Hoden  incl.  Samenleiter 
besitzen  eine  Länge  von  rund  36  mm.  der  gesammte  Genitalschlauch 
des  Männchens  mit  Einschluss  des  Ductus  ejaculatorius  demnach 
ca.  39  mm,  d.  h.  etwas  mehr  als  die  einfache  Körperlänge. 

Der  Inhalt  des  Genitalschla  uches  lässt  sich  nur  schwer 
analysiren.  Nahe  seinem  Innern  Ende  enthält  er  dicht  gedrängte, 
kleine,  körnige  Zellen  von  in  Folge  der  gegenseitigen  Abplattung 
unregelmässiger  Gestalt.  Ob  dieselben  einer  Rhachis  aufsitzen,  lässt 
sich  nicht  ermitteln;  wenn  es  der  Fall  ist,  dann  verläuft  diese 
Rhachis  im  Innern  des  Schlauches  nicht  gerade,  sondern  in  mehr 
oder  mindei'  dichten  Windungen.  Etwa  4,5  mm  hinter  dem  Kopf- 
ende, i.  e.  da,  wo  der  dickere  Samenleiter  beginnt,  liegen  die  Samen- 
elemente augenscheinlich  frei,  aber  immer  noch  dicht  gedrängt.  Sie 
nehmen  weiter  nach  hinten  noch  etwas  an  Grösse  zu,  bis  sie  ihr 
Maximum  von  ca.  0,012  mm  Durchmesser  erreichen.  14,5  mm  hinter 
dem  Kopfe  sieht  man  zwischen  ihnen,  zuerst  vereinzelt,  später  immer 
häufiger  werdend,  kleinere,  etwa  halb  so  grosse  Elemente  mit 
glänzendem  Kern  und  schmalem  Pi'otoplasmasaum  auftreten,  die 
schliesslich  den  alleinigen  Inhalt  des  Genitalschlauches  bilden.  Es 
sind  die  reifen  Samenelemente,  einfach  kugelige  Zellen  von  0,005 
bis  0.006  mm  Dui'chmesser. 

Weibchen.  WW  aus  den  Eingangs  recapitulirten  Angaben  der 
altern  Beobachter  hervorgeht,  ist  die  weibliche  (Tenital Öffnung 
mit  Sicherheit  zuerst  von  Ozzaru  aufgefunden  worden,  während 
Ludwig  sie.  da  er  sie  sonst  nicht  zu  entdecken  vermochte,  in  der 
vordersten  Risstelle  des  von  ihm  untersuchten  Individuums,  das 
ist,  etwa  an  der  Grenze  des  ersten  und  zweiten  Viertels  der  Total- 
länge vermuthet  hatte.    Ich   kann  den  Befund  Ozzard's  bestätigen, 

38* 


568  A-  Looss, 

denn  bei  dem  mir  zur  Verfügung-  stehenden  Weibchen  liegt  die 
GenitaUiffnung-  2,4  mm,  also  nur  etwa  den  22.  Theil  der  Gesammt- 
länge,  hinter  dem  Kopfende  und  ist,  wenn  es  nur  gelingt,  das  Thier 
in  die  Seitenlage  zu  bringen,  ohne  Weiteres  in  Gestalt  eines  queren, 
von  etwas  über  das  Niveau  der  Umgebung  erhobenen  Lippen  be- 
grenzten Spaltes  zu  erkennen  (Vulv.  Fig.  2).  Bei  dieser  Lage  der 
Vulva  lässt  sich  vorhersehen,  dass  auch  Ludwki's  x\ngabe  über  die 
vermuthliche  Länge  der  Vagina  (3  mm)  niclit  stimmen  wird;  in  der 
That  misst  sie  nicht  3.  sondern  fast  genau  9  mm.  Sie  zieht  in 
ziemlicli  gerader  Richtung  längs  der  Bauchwand  des  Körpers  hin 
und  zerfällt  am  Ende  in  die  beiden  Uteri,  die  zuerst  so  dicht  neben 
einander  hinlaufen  und  dabei  das  Caliber  der  Vagina  (0,1  mm)  bei- 
behalten, dass  die  Gabelungsstelle  nicht  leicht  zu  sehen  ist.  Für 
eine  Strecke  von  18,5  mm  setzen  sie  ihren  Verlauf  in  derselben 
Weise,  d.  h.  ohne  irgend  welche  Schlingenbildung,  nach  hinten  fort; 
dann  biegt  der  eine  nach  vorn  zurück,  wobei  seine  Dicke  schnell 
auf  ungefähr  das  Doppelte  (0,2  mm)  steigt.  Dieser  vordere  Uterus 
zieht  in  leichten,  auf  weite  Entfernungen  vertheilten  Wellen  nach 
vorn  zurück,  um  1,1  mm  liinter  der  Kopfspitze,  also  fast  genau  am 
Ende  des  Oesophagus,  wieder  nach  hinten  zurück  zu  kehren,  wobei 
er  allmählich  um  ein  geringes  dünner  wird.  12,8  mm  hinter  der 
vordem  Umbiegungsstelle  geht  er  dann,  nachdem  er  zuerst  eine 
schlanke,  kolbenförmige  Erweiterung  von  0,18  mm  Durchmesser,  das 
Receptaculum  seminis,  gebildet  hat,  unvermittelt  in  einen 
dünnen,  nur  0,06  mm  weiten,  1,9  mm  langen  Canal,  den  Eileiter, 
über ,  der  seinerseits  ohne  scharfe  Grenze  mit  der  eigentlichen  E  i  - 
röhre  in  Verbindung  tritt.  Diese  besitzt  Anfangs  eine  Weite 
von  0,12 — 0,13  mm  und  zieht  tlieils  neben,  theils  über  dem  auf- 
steigenden Uterusast  weiter,  wobei  sie  immer  schmäler  wird  und 
endlich  etwa  1,7  mm  vor  der  hintern  Umbiegungsstelle  desselben 
endigt  {Ovar.  a.  Fig.  2).  Dieses  Ende  ist  deutlich  kolbig  verdickt, 
0,025  mm  im  Durchmesser,  gegen  0,016  mm  Durchmesser  der  an- 
schliessenden Eiröhre. 

Die  hintere  Genital  röhre  verhält  sich  in  Bezug  auf  ihre 
Gliederung  genau  wie  die  vordere,  hat  aber  einen  etwas  abweichenden 
Verlauf.  Wir  hatten  die  beiden  aus  der  Theilung  der  Vagina  her- 
vorgehenden Uteri  an  der  Stelle  verlassen,  wo  der  vordere  nach  vorn 
umbog,  d.  i,  18,5  mm  hinter  der  Theilungsstelle,  27,5  mm  hinter  der 
Genitalöffnung  und  ca.  30  mm  liinter  der  Kopfspitze.  Der  hintere 
Uterus  setzt  seinen  Weg,  ohne   sein  bisheriges  Aussehen  zu  ver- 


Bau  der  Filaria  loa  Guyot.  569 

ändern,  von  hier  aus  noch  3,9  mm  weiter,  d.  i.  bis  22,4  mm  liintor 
die  (Tabelung-sstelk\  fort,  biegt  jetzt  nach  A^orn  um  und  schwillt  dabei 
bis  auf  ca.  0.2  mm  Dicke  an.  Dieser  vorwärts  laufende  Theil  ist 
aber  nur  kurz,  denn  er  erreicht  die  Umbieo-ungsstelle  des  vordem 
Uterus  nicht,  kehi't  vielmehr  0,2  mm  vorher  um,  um  nunmehr  definitiv 
seinen  Weg  nach  hinten  zu  nehmen.  Hinter  der  Schleife  steigt 
seine  Weite  für  eine  längere  Strecke  auf  das  .Afaximum  von  0,27  mm. 
nimmt  dann  aber  der  zunehmenden  Verschmächtigung  des  Körpers 
entsprechend  allmählich  ab.  In  einer  Entfernung  von  0,85  mm  vor 
dem  After  angekommen,  kehrt  er  nach  vorn  zurück,  seinen  bisherigen 
Verlauf  mehrmals  in  leichten  Wellenlinien  kreuzend,  um  schliesslich 
wie  der  vordere  Uterus  ein  Receptaculum  seminis  zu  bilden  und 
8,2  mm  vor  seiner  hintern  Umbiegungsstelle  in  den  hintern  Eileiter 
überzugehen.  Abweichend  von  dem  vordem,  der  ziemlich  gestreckt 
verlief  bildet  dieser  hintere  Eileiter  eine  Längsschlinge,  biegt  1,8  mm 
vor  dem  Receptaculum  definitiv  nach  hinten  zurück  und  geht  dabei 
in  die  Einihre  über.  Diese  verläuft  tlieils  neben,  tlieils  über  den 
beiden  Schenkeln  des  hintern  Uterus  und  endigt,  ebenfalls  kolbig 
verdickt,  fast  genau  auf  dem  Niveau  des  Anus,  nachdem  sie  un- 
mittelbar vorher  noch  eine  kurze  Längsschleife  gebildet  hat  [Orar.p., 
Fig.  2  und  7). 

Rechnet  man  die  Ausdehnung  der  (nlenitalröhren  zusammen,  so 
ergiebt  sich  für  die  vordere  eine  Gesammtlänge  von  ca.  74,5,  für 
die  hintere  eine  solche  von  ca.  68,5  mm.  Addirt  man  hierzu  die 
Länge  der  Vagina  mit  9  mm,  so  erhält  man  als  Totallänge  des  weib- 
lichen Geschlechtsapparates  152  mm,  das  ist  rund  3mal  die  Länge 
des  Thierkörpers.  Dieses  Resultat  bleibt  hinter  dem  von  Ludwki 
berechneten  (rund  fünfmal  die  Länge  des  Thierkörpers)  ziemlich 
beträchtlich  zurück;  indessen  ist  bei  Beurtheilung  dieser  Diiferenz 
im  Auge  zu  behalten,  dass  dem  genannten  Autor  nur  ein  mehrfach 
verletztes  und  contrahirtes  Thier  zur  Verfügung  stand,  dessen  Genital- 
röhren zum  grossem  Theil  nach  aussen  hervorgetreten  waren,  während 
der  Körpei-  sich  contrahirt  hatte. 

A\'eichen  nun  meine  1  Beobachtungen,  soweit  sie  die  Ausdehnung, 
die  Anordnung  und  die  Gliederung  der  Genitalridiien  betreffen,  von 
denen  LrnwKi's  mehrfach  ab  —  Ditferenzen,  die,  wie  gesagt,  in 
dem  ungünstigen  Erhaltungszustand  des  LiDwui'schen  Exemplars 
ihre  Erklärung  finden  —  so  kann  ich  seine  Aveitern  Angaben  über 
die  histologische  Structur  und  den  Inhalt  derselben  Organe 
in   allen  wesentlichen  Punkten  bestätigen.     An  ihrem  blinden  Ende 


570  -^-  Looss, 

werden  die  Eiröhren  bej^renzt  von  einer  ziemlich  (0,003  mm)  dicken 
Membran,  in  der  hier  nnd  da  flach  g-edrückte  Kerne  zu  lieg-en 
scheinen ;  im  Innern  finden  sich  dicht  gedrängte,  kleine  runde  Kerne 
von  0,005—0,006  mm  Durchmesser,  zwischen  denen  kaum  Protoplasma 
zu  erkennen  ist.  Eine  besondere  Terminalzelle  ist  an  keiner  der 
beiden  Eiröhren  zu  unterscheiden.  Weiter  distalwärts  lagern  sich 
die  Kerne  in  der  Eiröhre  lockerer,  und  ein  dunkel  körniges  Plasma 
tritt  zwischen  ihnen  auf;  auch  Zellgrenzen  treten  allmählich  hervor, 
die  Eikeime  scheinen  um  eine  Rhachis  gruppirt  zu  sein.  Sie  haben 
von  aussen,  d.  i.  in  der  Richtung  ihrer  längern  Axe,  gesehen,  jetzt 
einen  Durchmesser  von  0,007 — 0,008  mm.  Etwa  .5  mm  von  dem 
blinden  Ende  der  Eiröhre  entfernt  scheinen  sie  bereits  frei  zu  sein, 
nachdem  man  eine  Strecke  vorher  mehrfach  Bilder  erhalten  hat,  die 
den  Eindruck  hervorrufen,  als  ob  die  Rhachis  im  Innern  der  Röhre 
in  dichte  Windungen  gelegt  sei;  doch  ist  es  schwierig,  von  aussen 
einen  sichern  Einblick  in  diese  Verhältnisse  zu  gewinnen.  Am  Ende 
der  Eiröhre  angekommen  haben  die  reifen  Eizellen  eine  in  Folge 
der  gegenseitigen  Pressung  natürlich  mannichfach  wechselnde  Gestalt 
bei  durchschnittlich  0,029  mm  Länge  und  0,012  mm  Breite  und  ent- 
halten einen  grossen,  ovalen  Kern  von  0,009  zu  0.007  mm  Durch- 
messer mit  einem  grossen,  glänzenden  Kernkörperchen  und  kleinern 
Granulationen.  Die  äussere  Begrenzung  der  ICiröhre  ist  noch  die- 
selbe Membran  wie  zu  Anfang. 

Am  Uebergang  in  den  Eileiter  lagert  sich  ihr  auf  der  Innen- 
seite ein  bis  zu  0,02  mm  hohes,  aus  anscheinend  cylindrischen  Zellen 
bestehendes  Epithel  auf,  das  sich,  etwas  niedriger  werdend,  auch  in 
das  Receptaculum  seminis  fortsetzt.  Dieses  ist  auf  eine  Strecke  von 
3,8  mm  dicht  gefüllt  mit  den  hügligen  Samenelementeu,  zwischen 
denen  man  Anfangs,  d.  h.  in  der  Nähe  des  Eileitereintritts,  spärliche, 
später  immer  häufiger  werdende  Eizellen  liegen  sieht,  die  jetzt  eine 
regelmässig  ovale  Gestalt  von  0,029  mm  Länge  und  0,015  mm  Breite 
annehmen.  Weiter  nach  vorn  zu  verschwinden  die  Spermatozoen, 
und  die  Eier  erfüllen  jetzt  eng  an  einander  gelagert  den  ganzen 
Innenraum  des  Uterus.  Die  ersten  Anzeichen  der  Furchung 
machen  sieh  erst  verhältnissmässig  weit  vorn,  etwa  6,2  mm  vom 
Anfange  des  Receptaculums  entfernt,  geltend,  und  zwar  dadurch, 
dass  in  den  Eizellen  plötzlich  zwei  deutliche  Kerne  auftreten,  nach- 
dem eine  Zeit  lang  der  ursprünglich  einfache  Kern  unsichtbar 
gewesen  ist. 


Bau  der  Filaria  loa  Guyot.  571 

Ein  weiteres  Eingehen  anf  das.  was  sich  an  den  intacten  Thieren 
von  der  Embryonalbiklnng'  l)eobachten  lässt,  erscheint  mir  über- 
riüssig-.  zumal  die  Bilder  mit  dem  Fortschreiten  des  Entwicklnngs- 
processes  immer  schwerer  analysirbar  werden.  Die  von  ihrer  Hülle 
umschlossenen  Embryonen  finde  ich,  ehe  sie  die  Hülle  zu  strecken 
beginnen,  etwas  kleiner  als  von  Ludwig  angegeben,  nämlich  0,035 
bis  0,37  zu  0.022  mm;  Grössen  von  0,045  zu  0.024  mm  waren  nirgends 
zu  sehen.  Die  Länge  der  in  der  Vagina  liegenden  freien  Embryonen 
ist  ihrer  dichten  Gruppirung  wegen  nicht  zu  messen;  ihre  mittlere 
Dicke  beträgt  0.0047  mm,  was  sich  mit  Ludwki's  Befunden  deckt. 
Die  die  Embryonen  eine  Zeit  lang  noch  umgebende  Embryonalhülle 
konnte  namentlich  an  den  Kopftheilen  oft  sehr  deutlich  als  eine 
feine  Kappe  erkannt  werden.  Bei  den  weiter  vorn  in  der  Vagina 
liegenden  Embryonen  war  sie  nicht  mehr  zu  entdecken,  was  also 
el)enfalls  mit  dem  stimmt,  was  Ludwig  berichtet. 

Ueber  die  histologische  Structur  der  Genitalröhren  ist  noch 
nachzutragen,  dass  das  Epithel,  welches  der  Eigenmembran  im 
Receptaculum  seminis  innen  aufliegt,  sich  durch  den  ganzen  Rest 
der  Genitalröhre  fortsetzt:  in  den  stark  erweiterten  Theilen  des 
Uterus  wird  es  meist  so  gedehnt,  dass  seine  Dicke  auf  die  der 
Eigenmembran  herabsinkt.  In  der  Nähe  derjenigen  Stellen,  wo  die 
aus  der  Theilung  der  Vagina  hervorgehenden  primären  Uterus- 
schenkel zum  ersten  ^Male  umbiegen  —  es  sind  dies,  nebenbei  ge- 
sagt, dieselben  Stellen,  an  denen  im  Innern  zuerst  gestreckte  Em- 
bryonen auftreten  —  fängt  eine  ausserordentlich  feine  Muskellage 
an.  auf  der  Aussenfläche  der  Tunica  propria  der  Genitalröliren  zu 
erscheinen.  Die  einzelne]i  Fibrillen  dieser  Schicht  bilden  auf  eine 
lange  Strecke  hin  noch  keinen  geschlossenen  Mantel,  sondern  laufen 
in  einzelnen,  durch  grössere  oder  kleinere  Zwischenräume  von  ein- 
ander getrennten  Bündeln.  In  der  Schicht,  in  der  sie  liegen,  sieht 
man  von  Zeit  zu  Zeit  Kerne,  die  Kerne  der  :\Iatrixzellen  dieser 
Muskeln.  Die  hier  beschriebene  Structur  behält  die  Wand  bei  einer 
im  Allgemeinen  constanten  Gesammtdicke  von  0.012  mm,  wovon 
etwa  die  Hälfte  auf  das  innere  Epithel  kommt,  bis  weit  nach  vorn 
bei.  Gegen  die  Vereinigungsstelle  zur  Vagina  hin  rücken  die  ]\Iuskel- 
bündel  dichter  zusammen,  nehmen  auch  etwas  an  Dicke  zu,  doch 
ist,  wie  bereits  Ludwig  hervorhebt,  der  Uebergang  der  Uteri  in  die 
gemeinsame  Vagina  ein  ganz  allmählicher  und  nicht  von  Aenderungen 
in  der  Structur  der  Wand  begleitet.  Etwa  8  mm  vor  der  Vulva 
ist  die  Dicke  der  Wand  auf  0.024  mm  gestiegen;  die  Muskelschicht 


xr^o  A.  Looss, 

ist  jetzt  continuirlich,  0,012  mm,  das  Epithel  0,011  mm  dick,  die 
Muskelkerne  sind  ziemlich  zahlreich.  In  der  Nähe  der  Vulva  end- 
lich finde  ich  die  Wand  0,039  mm  dick,  wovon  0,02  mm  auf  die 
Musculatur  und  0,017  mm  auf  das  Epithel  kommen;  die  Zellen  des 
letztern  springen,  wie  schon  eine  Strecke  vorher,  mehr  oder  minder 
erhaben  in  das  Lumen  vor. 


Bau  der  Filaria  loa  Guyot.  573 


Literatiirverzeichniss. 


Eine  ausführliche  Zusammenstellung  der  bisher  bekannt  gewordenen 
Fälle  von  Filaria  loa  und  der  auf  sie  bezüglichen  Literatur  findet  sich  bei 
Blanchard.  Die  Arbeiten,  auf  die  im  Voraufgehenden  speciell  Bezug 
genommen  wurde,   sind : 

Annett,  H.  E.,  J.  E.  Button  and  J.  H.  Elliott,  Report  of  the  Ma- 
laria Expedition  to  Nigeria,  Part  II,  Filariasis.  Liverpool  School  of 
trop.  Med.,  Memoir  IV,  London   1902. 

Bachelor,  H.  M.,  Filaria  loa  and  Pulex  penetrans,  in :  Bull.  New  York 
path.  Soc.  (2),  V.  1,  1881,  Febr.-March.,  p.  108—111,  and  Med. 
Record,  New  York,  V.   19,   1881,  p.470— 471. 

Blan'Chaed,  B,.,  Nouveau  cas  de  Filaria  loa,  in:  Arch.  ParasitoL,  V.  2, 
1899,  p.  504—534. 

Ludwig,  H.  und  Th.  Saemisch,  lieber  Filaria  loa  Guyot  im  Auge  des 
Menschen,  in:  Z.  wiss.   Zool.,   V.   60,    1895,  Heft  4. 

Manson,   P.,    in:    Robertson,    D.  A.,    Gase    of  Filaria   loa,    in:    Trans. 

ophthalm.  Soc.  London,  V.   15,   1895. 
— ,  Tropical  diseases  etc.,   Revised  enlarged  edition,  London,  March  1903, 

p.   550. 
NOE,  G.,    Sul    ciclo    evolutivo    della    Filaria  bancrofti    (CobboLD)    e    della 

Filaria  immitis  (Leidy),  in:  Ric.  Lab.  Anat.  Roma  e  altri  Lab.  biol., 

V.  8,   1901,  fasc.  3  e  4,  p.  275—353. 
OzzABD,  A.  T.,  Filaria  loa,    in:    Journ.  trop.   Med.,   V.   6,   1903,    May   1, 

p.  139.  Berichtigung  hierzu  von  Thompstone,  ibid.,  May  15,  p.  160. 
Trucy,  Gh.,  Remarques  sur  la  filaire  de  Medine  et   en  particulier  sur  son 

traitement.     These  Montpellier,    1873. 


574 


A.  Looss,  Bau  der  Filaria  loa  Guyot. 


Erklärung  der  Al)l>ilclnii^eii. 


Durchsehende    B  u  c  h  s  t  a  b  e  n  b  e  z  e  i  c  h  n  u  n  ff  : 


Ah   Anus 

DcL  ej  Ductus  ejaculatorius 

Ex  Excretionsporus 

Int  Chylusdarm 

L.  lat  Seitenlinie 

M.  im  Analmuskeln 

M.  retr.  sp    Retractormuskeln    der 

Spicula 
Nerv  Centralnervensystem 
Oes  Oesophagus 
Ovar,  a  vordere  Eiröhre 
Ovar,  p  hintere  Eiröhre 
Orid.  a  vorderer  Eileiter 


Ovid.  j)  hinterer  Eileiter 

Pap  Papillen  des  Körperendes 

Pap.  l  laterale  Kopfpapillen 

Pap.  shni  submediane  Kopfpapillen 

Rec.  s.  a  vorderes  )    Receptaculum 

Ret.   s.  p  hinteres    j  seminis 

Spie  Spicula 

Test  Hoden 

Ut*  Gabelungsstelle  der  Vagina 

Ut.  a  vorderer  Uterus 

Ut.  j)  hinterer  Uterus 

Vulr  weibliche  Genitalöffnuna- 


Tafel   19. 

Fig.    1,     Filaria  loa.      2:1.      a  Männchen,  b  AVeibchen. 

Fig.   2.      Männchen  |  20  :  1.   Das  Arrangement  des  Körpers  arbiträr,  die 

Fig.   3.     Weibchen  j  innern  Organe  genau  nach  Messung  eingezeichnet. 

Fig.   4.     Kopfspitze   des  Weibchens  von  der  linken   Seite. 

Fig.  5.  Hinterende  des  Männchens  von  der  Bauchfläche,  bei  Spic^ 
die  innern  Enden  der  beiden  Spicula. 

Fig.  6.  Dasselbe  von  der  rechten  Seite;  das  innere  Ende  des  längern 
Spiculums  liegt  oben,   das  des  kürzern  unten. 

Fig.    7.     Hinterende  des  Weibchens  von  der  rechten  Seite. 


Nachdruck  verboten. 
T'cbersetzungsrecht  vorbehallen. 


EntomostrakeD, 

gesammelt  von  Dr.  G.  Hag  mann   im  Mündungsgebiet 
(1  e  s    A  m  a  z  0  n  a  s. 

Bearbeitet  von 
Dr.  Theodor  Sting:elin  in  Ölten  (Schweiz). 

Mit  Taf.  20  und  1  Kärtchen  im  Text. 


In  einem  von  Herrn  Dr.  G.  Hagmaxn  am  Museum  Goeldi  in  Parä 
gesammelten  und  mir  zur  Bearbeitung  übersandten  Planktonmaterial 
aus  dem  Rio  Arama  g  ran  de  und  der  Furo  Sant  Isabel  im 
Mündungsgebiet  des  Amazonas  fanden  sich  u.  a.  sechs  Cladoceren- 
Arten  sowie  eine  Centropagiden-Species.  welche  für  die  Kntomo- 
strakenkenntniss  einige  neue,  sehr  interessante  Gesichtspunkte  zu 
Tage  förderten. 

Unter  den  sechs  Cladoceren-Formen  finden  sich  drei  neue  Arten. 
Zwei  weitere  Species  haben  auf  der  Erde  eine  weite  Verbi-eitung. 
Die  sechste  Form  gehört  zu  dem  von  J.  Richard  begründeten  Genus 
Bosminopm  und  ist  mit  der  aus  Südamerika  (La  Plata)  beschriebenen 
Species  Bosmwopsi><  dtifcrsi  zu  identiticiren.  —  Die  Centropagiden- 
Art  gehört  zum  Genus  l^seudodiapfonuis.  Sie  wurde  im  Jahre  1894 
von  F.  Dahl  aus  diesem  (itdiiete  beschrieben  und  ist  seither  zum 
ersten  mal  wieder  aufgefunden  worden. 

Ich  muss  hier  zunächst  einige  wichtige,  erläuternde  Bemerkungen 
über  die  oben  genannten  Fundorte  vorausschicken. 

Aus  Mittheilungen    des    Heini    Dr.  .1.  Hrui:i>    von  Schartluiusen. 


576 


Theodor  Stingelin, 


der  mit  Herrn  Dr.  Hagmann  in  Parä  arbeitet  und  im  Jahre  1891 
zu  einem  Besuche  in  die  Schweiz  kam,  hebe  ich  folgendes  hervor: 
1.  Der  Rio  Aramä,  im  Westen  der  Insel  Marajo  [vgl.  bei- 
liegenden Plan!],  ist  nicht  ein  eigentlicher  Fluss,  sondern  eine  Furo 
des  Amazonas,  d.  h.  ein  natürlicher  Canal  von  100—300  m  Breite 
und  etwa  30  m  Tiefe.  In  sein  trübes,  schmutziges  Amazonassüss- 
wasser  ergiessen  sich  noch  einige  Süsswasserflüsse ;  so  der  Rio 
Aramä  grande(I),  der  aus  dem  Innern  der  Insel  Maraj  6  kommt. 


D/e  Pfe//e  ze/gen  d/e 
Strömungs  Verhältnisse 
be/  F/uf  dn. 


<§■    vom  Mündungsgebiet' des 
^  Amazonas. 

nach  5kizze  von 
D-^  Huber  Para. 


Aequat-op 


dessen  Wasser  in  stärkern  Schichten  dunkel  braun  bis  schwarz  er- 
scheint und  darum  „Schwarzwasser"  genannt  wird.  In  Folge  der 
gegen  die  atlantische  Küste  vordringenden  ]\Ieeresflut  machen  sich 
bis  weit  in  den  Rio  Aramä  grande  hinauf  Stauungen  des  Ama- 
zonassüsswassers  geltend.  Wir  haben  es  darum  trotz  Ebbe  und  Fluth 
hier  nur  mit  Süsswasserorganismen  zu  thun.  —  An  der  Stelle,  wo 
gedredgt  wurde,  findet  sich  eine  üppige  Ufervegetation.  Bäume 
treten  bis  ans  Wasser  hinan,  und  viele  Wasserpflanzen  wuchern  am 
Strande.  In  den  Dredgen  fand  sich  darum  vorwiegend  pflanzlicher 
Detritus, 


Entoinostrakeu  vom  Müudvingsg-ebiet  des  Amazonas.  577 

2.  Die  im  Süden  der  Insel  ^larajö  g-eleg-ene.  püanzenarme  Furo 
Sant  Isabel  (II)  g-eliört  zum  Aestuarium  des  Rio  Parä  und  hat 
schwach  brackisches  Wasser,  Aveil  die  Meeresflut,  die  beim 
Rio  Para  eintritt,  bis  zu  dieser  Furo  vordrinot. 


I.  Cladoeera. 

Farn.  Holopedidae.  ^  i 

1.  Holopedium  amarajnirtfm  n.  .v/>. '^) 

(Taf.  20  Fig.  1  und  2.) 

Beschreibung  des  Weibchens.  Die  Körperforni  erinnert 
im  Allgemeinen  an  diejenig-e  von  Holopedmm  gihherum.  Der  dreieck- 
förmige  Kopf,  dessen  Länge  ca.  ^ ..  der  ganzen  Köri)erlänge  misst, 
ist  vom  Rumpfe  durch  eine  breite  Dorsalimpression  abgegrenzt  und 
an  seinem  Dorsalrande,  über  dem  Auge,  breit  und  tief  eingebuchtet. 
Sein  Ventralrand  verläuft  fast  gerade  nach  hinten  unten  und 
«ndigt  in  einem  schwach  angedeuteten,  stumpfen  Rostrum,  in  Avelchem 
der  viereckige,  grosse  Pigmentfleck  liegt  und  vor  welchem  beider- 
seits die  kurzen,  distal  schwach  verbreiterten  Tastantennen  inserirt 
sind.  Ausser  den  4— 5  endständigen  Riechstäbchen  findet  sich  noch, 
wie  bei  H.  gihherum,  auf  der  Hinterseite  dieser  ersten  Antennen  eine 
kurze  Sinnesborste.  Ventraler  und  dorsaler  Kopfrand  laufen  vorn 
in  einen  niedern,  helmförmigen  Vorsprung  aus,  in  dessen  Mitte  das 
ziemlich  grosse,  linsen-  und  pigmentreiche  Auge  liegt.  Die  lange, 
schmale  Oberlippe  besitzt  einen  welligen  Unterrand.  Die  Ruder- 
Antennen  sind  cylindrisch  und  emästig  {Holopedidae .').  Ihr  kräftiges, 
langes  Basalstück  ist  proximal  spiralig  gekrümmt.  Die  beiden 
Glieder  des  Schwimmastes  (der  dem  Dorsalaste  der  zweiästigen 
Cladoceren-Ruderantenne  entspricht)  sind  ungefähr  gleich  lang.  Nur 
das  äussere  Glied  trägt  distal  auf  der  Hinterseite  ein  feines  Haar, 
am  Ende  aV)er  drei  lange,  dreigliedrige  und  fein  gefiederte  Schwimm- 
borsten.   Der  Rumpf  ist  von  einer  zarten,  chitinösen,  zweiklappigen 


1)  lieber  die  in  Folge  der  Entdeckung  von  Ilolopediiim  amaxoiiicum 
nöthig  gewordene  Abänderung  der  Familien-  und  (Jenusdiagnose  vergleiche: 
1904,  Stlxgelin,  Tu.,  Die  Familie  der  Holopedidae,  in:  ßev.  Suisse 
2ool.,  V.   12,  p.  53. 

2)  1.  c,  p.  54. 


578  Theodor  Stingeltn, 

Schale  umschlossen,  deren  Structur  an  diejenige  der  Sididen  erinnert. 
Der  dorsale  Schalenrand  ist  hoch  g-ewölbt,  obgleich  nicht  in  dem 
Maasse  wie  bei  H.  gihberum,  wo  die  Körperhöhe  die  Ivörperlänge 
übertrifft. 

Im  Bratsacke  befinden  sich  meistens  nur  1 — 2,  höchstens  aber 
8  Embryonen.  Hinten  läuft  der  gleichmässig  und  schwach  gebogene, 
glatte,  unbeborstete  ventrale  Schalenrand  mit  dem  dorsalen  Schalen- 
rande in  einen  spitzen  Winkel  aus. 

Eine  hyalin-gallertige,  kuglige  Körperhülle,  wie  bei  Holopedium 
gibberum,  konnte  hier  nicht  nachgewiesen  werden.  Der  Darm  macht 
keine  Schlinge  und  mündet  hinter  den  Endkrallen  des  Postabdomens. 
Dieses  ist  für  die  neue  Art  besonders  charakteristisch.  Es  ragt  nur 
mit  seinem  Ende  aus  der  Schale  hervor,  ist  also  kürzer  als  dasjenige 
von  H.  gibberum  und  misst  ca.  ^4  der  Körperlänge  oder  0,18  mm. 
Sein  dorsaler  Eand  trägt  nur  7 — 8  Stacheln  statt  15—20  wie  bei 
H.  gibberum.  Den  fein  bewimperten  Endkrallen  fehlt  der  Basalzahn. 
Die  sehr  langen,  feinen,  scheinbar  Sgliedrigen  Schwanzborsten 
sitzen  wie  bei  H.  gibberum  auf  einem  langen,  conischen  Fortsatze. 
Die  6  Paar  gleich  gebauten,  lamellösen  Branchialfüsse  (2.-5.  Paar 
mit  flaschenförmigen  Branchial anhängen)  ragen  über  die  Schalen- 
klappen hinaus.  Diese  Krebse  sind  ganz  durchsichtig,  hyalin.  Die 
Weibchen  besitzen  meistens  nur  1—2  partlienogenetisch  erzeugte 
Eier.  Ihre  Länge  beträgt  0,7 — 0,75  mm,  die  Höhe  im  Mittel  0,55  mm. 
Dauereierweibchen  und  Männchen  sind  nicht  gefunden  worden. 

Fundort.  Heri'  Dr.  G.  Hagmann  fing  von  dieser  interessanten, 
neuen  Art  viele  Exemplare  am  28.  Februar  1900  bei  Ebbe  im  Rio 
A  r  a  m  a  g  r  a  n  d  e. 

Ein  am  gleichen  Tage  und  an  derselben  Stelle  bei  Flut  ge- 
dredgtes  Material  enthielt  nur  wenige  Holopedien. 

Farn.  Daphnidae. 

2.  Ceriodaplinift  vigaudi  Richard. 

1894.  C.  r.,  RiCHAEl),  .1.,  Sur  quelques  auimaux  inferieurs  des  eaux 
douces  du  Tonkin,  in:  Mem.  See.  zool.   France,   V.   7,  p.   239. 

1894.  C.  r.,  Richard,  J.,  Cladoceres  recueillis  par  Barrois  en  Palaestine, 
en  Syrie    et  en  Egypte,    in:    Rev.  biol.   Nord  France,   V.   6,    p.   370. 

1895.  C.  r.,  Sars,  G.  0.,  On  some  south-African  Entomostraca  raised 
from  dried  mud,  in:  Vidensk.  Selsk.  Skrift  (I.  math.-naturw.  Cl.), 
No.  8,  p.    12,  tab.  2,  fig.  9—15. 


Entimiüstraken  vom  Mündungsgebiet  des  Amazonas.  579 

1898.      C.  cortuäd  forma  rü/audi,  Daday,  E.,  Mikroskopische  Süsswasser- 

thiere    aus    Ceylon,    in:    Termes.    Füzetek,    V.    21    (Anhang),    p.   60, 

fig.   30  a,   c. 
1901.      ('.   r.,   Sars,   G.   0.,    Contributions    to  the  knowledge  of  the  fresh- 

water  Entomostraca  of  South-America,  in  :   Arch.  Naturvid.  Christiania, 

V.   23,  p.   20. 
1903.      ' '.  r.,  Ekmax,   Svi;n,    Cladoceren    und    freilebende  Copepoden   aus 

Aegypten  und  dem  Sudan,  in:  JÄdKHSKiiiLi),  Expedition  1901,  No.  26, 

p.  5,  fig.  4. 

Hauptmerkmale  des  Weibchens.  Körperumrisse  wie  bei 
den  meisten  Ceriodaphnien  oval-viereckig-.  Kopf  breit,  niedergedrückt, 
mit  s[)itzem.  abwärts  g-ericliteten  Eostralfortsatz,  der  weit  über  die 
Tastantennen  hinausragt.  Ventralkopfrand  schwach  gebuchtet.  Die 
Stirn  gerundet,  ohne  Stirnfortsatz,  umschliesst  ein  grosses,  linsen- 
reiches Auge.  Supraocularimpression  breit,  aber  nur  schwach  concav. 
Dorsalimpression  dagegen  tief.  Fornixränder  einfach,  Sförmig  ge- 
bogen. Schalensculptur  zart,  weitmaschig  reticulirt.  Die  freien 
Schalenränder  fein  und  spärlich  beborstet,  vereinigen  sich  hinten 
über  der  Medianlinie  in  einer  kurzen  Spitze. 

Das  Postabdomen,  in  ganzer  Länge  fast  gleich  breit,  ist  am 
distalen,  schief  abgestutzten  und  breit  gerundeten  Ende  mit 
5 — 6  Analzähnen  bewehrt. 

Endkrallen  glatt  und  ohne  Nebenkamm.  —  Länge  des  '%  nur 
0.35  mm,  Höhe  0,27  mm. 

Bemerkungen.  Bei  den  von  mir  untersuchten  Individuen 
kam  nie  ein  Stirnhorn  vor.  Der  hintere  Schalenwinkel  scheint  mit- 
unter gespalten  zu  sein.  Gleiches  beobachtete  Ekman.  Mit  G.  0.  Sars 
theile  ich  die  Ansicht,  dass  die  vorliegende  Art  nicht  —  wie  Daday 
vorschlägt  —  mit  Ceriodaphnia  cornuta  Saes  vereinigt  werden  kann, 
bevor  noch  anderweitige  Beobachtungen  die  Ansicht  Daday's  unter- 
stützen. 

Fundort.  Peinige  junge  Weibchen  sowie  ein  Sommereier- 
weibchen  mit  2  Eiern  erbeutete  Herr  Dr.  HAdMAXN  am  6.  März  1900 
bei  Fluth  in  der  Furo  Sant  Isabel  (Brackwasser!),  sowie  am 
28.  Februar  1900  im  Rio  Aramä  grande. 

Verbreitung.  Auch  Saks  erwähnt  diese  Art  aus  Brasilien 
(Saö  Paulo  und  Itatiba).  Sie  kommt  ferner  vor  in  Afrika  (Aegypten, 
ägyptischer  Sudan,  Capland),  Asien  (Palästina,  Tonking,  Sumatra, 
(Ceylon)  sowie  in  Australien  (Neuguinea).  —  In  dem  auf  seine 
(Jladocerenfauna  \\ohl  durchforschten  Europa  wurde  sie  nie  gefunden. 


580  Theodor  Stingelin, 


3.  MohtodajyJirna  hrasiliensis  h.  sjt. 

(Taf.  20,  Fig.  3,  4.) 

Beschreibung-  des  Weibchens.  Die  Körperform  und  be- 
sonders der  Kopf  erinnern  sehr  au  Simocephalus  vctulus.  —  Der  Kopf 
misst  I/4  der  Körperlänge  und  ist  durcli  eine  tiefe  Dorsalimpression 
vom  Rumpfe  getrennt.  Die  Stirn  ist  gleichmässig  gerundet  und 
etwas  vorspringend,  weshalb  der  ventrale  Kopfrand  zwischen  der 
Stirn  und  dem  schwach  angedeuteten  Rostrum  eine  leichte  Ein- 
buchtung zeigt.  Die  Kopfcontur  über  dem  Auge  ist  schwach  concav. 
Das  Auge,  ziemlich  gross  und  linsenreich,  liegt  etwas  vom  Stirn- 
rande entfernt.  Die  ersten  Antennen,  relativ  kurz  und  dick,  sind 
beiderseits  der  Rosti-alprojection  inserirt.  In  der  Mitte  ihrer  Vorder- 
seiten findet  sich  eine  Sinnesborste.  Die  Endpapillen  erreichen  ^/g 
der  Antennenlänge.  Der  Stamm  der  schlanken  Ruderantennen  trägt 
seitlich,  nahe  der  Basis,  sowie  distal  zwischen  den  beiden  Schwimm- 
ästen je  eine  2gliedrige,  befiederte  Borste. 

Am  4gliedrigen  Schwimmaste  ist  das  2.  Glied  mit  einem  Dorn, 
das  3.  mit  einer  langen,  2gliedrigen  Fiederborste,  das  Endglied  mit 
3  apicalen,  2gliedrigen  Fiederborsten,  einem  kurzen  seitlichen  Dorn 
sowie  mit  einem  feinen,  Igliedrigen  Börstchen  bewehrt.  Der  Sgliedrige 
Schwimmast  trägt  am  1.  Gliede  eine  kurze  und  am  2.  Gliede  eine  lange, 
2gliedrige  Borste.  Das  Endglied  zeigt  hier  dieselbe  Bewehrung  wie  beim 
4gliedrigen  Schwimraaste.  —  Der  sehr  breite  Fornix  ist  ähnlich  geformt 
wie  bei  Simocephalus  und  zieht  sich  vom  Stirnrande  weg  bis  gegen  die 
Dorsalimpression  hin.  Die  Oberlippe  ist  ungefähr  gleich  lang  wie 
der  ventrale  Kopfrand  und  von  letzterm  durch  eine  scharfe  Incisur 
abgegrenzt.  Eine  Schalensculptur  konnte  nicht  erkannt  werden. 
Der  schwach  convexe,  ventrale  Schalenrand  geht  ohne  Grenze  in 
starkem  Bogen  in  den  Hinterrand  über.  Ersterer  ist  in  ganzer 
Länge,  letzterer  nur  zur  Hälfte  mit  feinen  Dornen  bewehrt,  zwischen 
denen  noch  Reihen  feinster  Härchen  beobachtet  wurden.  Hinterei- 
und  dorsaler  Schalenrand  stossen  über  der  Medianlinie  in  einem 
rechten  Winkel  zusammen.  Bei  der  Dorsalansicht  des  Thieres  sieht 
man  an  dieser  Stelle  zwei  gegen  einander  gekrümmte  Zähne  (Fig.  4). 
—  Das  Postabdomen,  von  den  Schalenklappen  ganz  umschlossen, 
verjüngt  sich  vom  Anus  weg  distalwärts  sehr  rasch.  Es  trägt  ausser 
einem  Gabeldorn  noch  5 — 6  seitliche,  bewimperte  Zähne.  Die  End- 
krallen, äusserst  zart  beborstet,   sind  proximal  mit  einem  aus  8 — 10 


Entomostraken  vom  Müudungsg'ebiet  des  Amazonas.  581 

feinen  Zähnchen  zusammeng-esetzten  Xebenkamme  ausgerüstet.  Die 
sehr  langen  Schwanzborsten  scheinen  Igliedrig-  zu  sein.  Der  schlechte 
Erhaltungszustand  der  Abdominalfortsätze  ermöglichte  keinen  ge- 
nauem Aufschluss  über  diese  zarten  Gebilde.  Es  scheinen  ihrer 
zwei  vorhanden  gewesen  zu  sein. 

Die  Länge  eines  Sommereierweibchens  mit  8  Eiern  betrug 
0,7  mm.  die  Höhe  0,36  mm. 

Bemerkungen.  Meines  Wissens  sind  bis  heute  folgende 
Arten  des  Genus  JtLoinodaphiiia  Herrick  (1887)  =  sj'n.  Paramoina 
Sars  (1888)  beschrieben  worden: 

1.  Moina  macleaiiii'KniG  1853,  Sars  1888,  1896,   1901^),  aus  Australien 

und  Brasilien. 

2.  Moinn    s^iJmincrrnKdn    Brauy    1886,    Daday    1898,    aus    Ceylon   und 

Neuguinea. 

3.  M.  alabaniensis  Herrick  1887,  aus  Mexico. 

4.  M.  mocquenisi  Eichard   1892,  aus  Afrika  (Cougo). 

Von  MonociiJus  lougkoUis  Jurine  (1820)  aus  der  Umgebung  von 
Genf  wird  A^ermuthet,  dass  er  diesem  Genus  angehöre.  Resultatlos 
haben  sich  mit  dieser  räthselhaften,  für  heutige  Yergleichung  ab- 
solut ungenügend  diagnosticirten  Form  schon  befasst:  St.  Hilaire 
1860.  Leydig  1860,  Schödler  1877,  Eylmann  1886  und  Richard 
1892.  Schon  die  Erwägung,  dass  bis  heute  nirgends  in  Europa  eine 
Moinodaphnia  gefunden  wurde,  entkräftigt  meiner  Ansicht  nach  sehr 
die  oben  erwähnte  Vermuthung  genannter  Forscher. 

Unsere  neue  Art  steht  der  mexicanischen  Form  Moinodaphnia 
alahamensis  Heerick  am  nächsten,  ist  aber  durch  eine  Anzahl  ab- 
weichender Merkmale  leicht  von  jener  zu  unterscheiden.  Es  betrifft 
dies  besonders  die  Grösse,  den  Bau  der  Tast-  und  Ruderantennen 
sowie  die  Bewehrung  des  Postabdomens. 

Fundort.  "Wenige  weibliche  Exemplare,  worunter  bloss  ein 
Sommereierweibchen,  waren  in  einem  Süsswasser-Planktonmaterial, 
das  zur  Zeit  der  Ebbe  am  28.  Februar  1900  im  Rio  Aramä 
grande  gedredgt  wurde,  vorhanden. 


1)  Sars,  G.  0.,  Contributions  to  the  knowledge  of  the  freshwater 
Entomostraca  of  South- America,  Part.  I,  Cladocera,  in :  Arch.  i\Iath. 
Naturvidenskab.  Kristiania,  V.  12,  1901,  hält  nun  ^f.  suhmiicronata  und 
J/.   }iioc(nicnjsi  für  identiscli  mit  .1/.  macleaiji  (Kikg). 


Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  39 


582  Theodor  Stingelin, 

Farn.  Bosminidae.  ^) 

1.  Genas  Bosmina  Baird  :    Aeusserer  Ast    der  Ruderantennen  4gliedrig, 

innerer  Ast  Sgliedrig. 

2.  Genus  Bosminopsis  ~RiQ'h\ut>  =  sjn.  Bosiiiinella  D ad A.Y:  Beide  Aeste 

der  Ruderantennen   Sgliedrig. 

4.  Bosmina  Jiaf/nianni  n.  sp. 

(Taf.  20,  Fig.  5,  6.) 

Beschreibung  des  Weibchens.  Der  Körper  hat,  in  der 
Seitenlage  betrachtet,  eine  ovale  Form  und  verjüngt  sich  nach  hinten, 
wo  er  durch  die  Hinterränder  transversal  abgestutzt  wird.  Seine 
Länge,  in  der  Längsaxe  gemessen  -),  beträgt  0,4 — 0,42  mm ;  die  grösste 
Höhe,  vor  der  Körpermitte,  0,28 — 0,3  mm  (Fig.  5).  Die  in  der  hintern 
Hälfte  meist  gerade,  bei  Sommereierweibchen  etwas  convexe,  bei 
jungen  Weibchen  aber  stets  concave  dorsale  Schalencontur  geht 
nach  vorn  in  regelmässiger  Curve  in  den  Kopfrand  über.  Die 
Stirncontur  ist  vor  dem  Auge  nicht  vorgewölbt.  Das  Eostrum,  sehr 
kurz  und  stumpf,  ist  vom  Stiel  der  ersten  Antennen  sehr  deutlich 
abgegrenzt.  Seine  Länge  erreicht  kaum  Ve  d^i'  ganzen  Körperlänge. 
Das  Auge  ist  sehr  gross  und  mit  7 — 8  sehr  deutlichen  Eandlinsen 
versehen.  Die  Stirnborste  sitzt  nahe  beim  Ende  des  Rostrums.  Der 
Stiel  der  ersten  Antenne  ist  extrem  kurz,  nur  0,027 — 0,03  mm  lang, 
d.  i.  bloss  Vi 4  dßi'  ganzen  Körperlänge,  während  der  beinahe  gerade, 
am  Yorderrande  mit  9 — 10  Incisuren  versehene  Endtheil  0,14  mm 
oder  ca.  Vs  ^^^^  Körperlänge  misst.  Bei  jungen  Weibchen  (Fig.  6) 
sind  die  Antennen  relativ  länger  und  stark  bogig  nach  hinten  ge- 
krümmt. Die  Antennenprojection  (von  der  Antennenspitze  vertical 
auf  die  Längsaxe  des  Körpers)  beträgt  bei  erwachsenen  Weibchen 
bloss  Vi — Vs?  hei  jungen  Weibchen  ca.  Va  der  ganzen  Körperlänge.  — 
Das  dreieckige  Schildchen  ist  dornförmig  zugespitzt.  Die  Aeste  der 
Ruderantennen  reichen  bei  weitem  nicht  auf  das  Niveau  des  untern 
Schalenrandes  hinab.  Die  Schalenklappen  lassen  bei  erwachsenen 
Lidividuen  keine  Structur  erkennen.  Bei  jungen  Exemplaren  hin- 
gegen wiesen  Stirn,  Rostrum  und  Ventralschalenrand  mitunter  eine 


1)  Familiendiagnose  vgl.  1899  BüECKHARDT,  G.,  Faunistische  und 
systematische  Studien  über  das  Zooplankton  der  grössern  Seen  der  Schweiz 
und  ihrer  Grenzgebiete,  in:  Bev.   Suisse  Zool.,  V.   7,  p.   596. 

2)  Maasse  nach  der  von  G.  Burckhardt,  ibid.,  p.  513,  tab.  19, 
fig.   21,  tab.   20,  fig.   9,  vorgeschlagenen  Weise! 


Entomostraken  vom  Mündungsgebiet  des  Amazonas.  583 

feine  Streifung'  mit  etliclien  Queranastomosen  auf.  Die  Mucronen 
erreichen  bei  erwachsenen  ^^'eibchen  im  Mittel  eine  Länge  von 
0.8  mm  oder  Vs ?  ^^^  j langen  Weibchen  aber  bis  %  der 
Körperl äng-e  (Fig.  6).  Die  Incisuren  (0 — 3  bei  erwachsenen, 
3 — 7  bei  jungen  Thieren)  befinden  sich  nicht  wie  gewöhnlich  auf 
der  ventralen,  sondern  auf  der  dorsalen  Seite  des  Mucro.  — 
Das  Postabdomen  zeigt  die  constanten  ^lerkmale  der  corcgoni-lowji- 
spina-(yYW\)\)e.  ^)  Die  Elndkrallen  sind  gleichmässig  gebogen  und 
proximal  mit  6 — 8  schief  stehenden  Dörnchen  versehen,  die  zum 
Theil  auf  das  distale  Ende  des  Krallenträgers  übergehen.  Der 
Körper  dieser  sehr  durchsichtigen  Thierchen  ist  schwach  gelblich 
gefärbt.  Doch  fällt  auf  den  ersten  Blick,  sowohl  bei  alten  als  bei 
jungen  Individuen,  eine  nach  Art  der  Ephippien  scharf  umgrenzte, 
dorsale  Zone   mit  gelbbrauner  Pigmentirung   auf  (vgl.  Fig.  5  u.  6). 

Ein  junges  Weibchen  mit  abenteuerlich  entwickeltem  Mucro  ist 
in  Fig.  6  dargestellt.  Die  erste  Antenne  ist  stark  gekrümmt.  Koi)f, 
Rostrum  und  die  ventralen  vordem  Schalentheile  sind  zart  ge- 
streift. Dorsal  sieht  man  die  sattelförmige,  dunkler  pigmentirte 
Zone.    L.  0,23;  Mucro  0,175  mm. 

Bemerkungen.  Diese  neue  Art  aus  dem  Amazonasgebiet, 
die  ich  nach  meinem  Freunde  Dr.  G.  Hagmaxn  benenne,  hat  grosse 
Aehnlichkeit  mit  gewissen  Formen  der  von  G.  Bueckhaedt  aufge- 
stellten 7ow^is;w?rt-Gruppe  von  Bosmiua  coregoni  Baied.  '-)  Was  aber 
Bosmina  hagmanni  auf  den  ersten  Blick  von  allen  bisher  bekannten 
Bosminen  unterscheidet,  ist  die  sehr  abweichende  Ausbildung  der 
]\[ucronen  mit  ihren  dorsalen  Incisuren  sowie  die  eigenthümliche, 
ephippienartig  begrenzte  und  dunkler  pigmentirte  dorsale  Schalen- 
zone. Und  da  diese  interessante  Form  meines  Wissens  auch  die 
erste  Bosmine  ist,  die  in  der  tropischen  Zone  und  speciell  unter 
dem  Aequator  gefunden  wurde  ^),  so  glaube  ich  vollends  richtig  vor- 
zugehen ,  wenn  ich  dieselbe  als  nova  species  in  die  Wissenschaft 
einführe. 

Fundort.  Diese  neue  Art  fand  sich  in  Dredgen  aus  dem  Rio 
Arama  grande  vom  28.  Februar  1900.  Bei  Ebbe  wurden  viele, 
bei  Flut  nur  wenige  Exemplare  erbeutet. 


1)  Vgl.  G.  Bueckhaedt,  1.  c,  tab.  20,  fig.  28. 

2)  ibid.,  p.  629. 

3)  G.  0.  Saes  hat  sich  noch  jüngst  in  Zool.  Jahrb.,  V.  19,  Syst., 
p.  63  folgendermaassen  geäussert:  „Das  Genus  Bosmina  scheint 
in  den  wärmern  Gegenden  derErde  ganz  und  gar  zu  fehlen." 

39* 


584  Theodor  Stingelin, 


5.  Sosniinojisis  deitersi  Eichaed. 
(Taf.  20.  Fig.  7,  8,  9.  10.) 

1895.     Genus  Bosniinopsis,  Eichaed,  Description  d'un  nouveau  cladocere, 

in:  Bull.  Soc.  zool.  France,  V.  20,  p.    1   (sep.). 
.1895.     Bosminopsis  deitersi,  Richaed,  ibid.,  p.   1 — 3,  fig.    1 — 4. 

Hauptmerkmale  des  Weibchens.  Körper  breit  elliptisch. 
Der  Kopf,  ca.  Vs  ^^^^  Körperläng-e ,  ist  vom  Rumpfe  durch  eine 
ziemlich  tiefe  Dorsalimpression,  die  fast  bis  zur  Mitte  der  dorsalen 
Körpercontur  verlagert  ist,  abgegrenzt  und  nach  Art  der  Bosminen 
in  ein  ventralwärts  gerichtetes,  sehr  langes  Rostrum  verlängert,  an 
welchem  wie  directe  Fortsetzung  die  erste  Antenne  inserirt  ist. 
Diese  scheint  2gliedrig  zu  sein.  Das  distale  Glied  ist  aber  kaum 
halb  so  lang  wie  das  proximale  und  nur  undeutlich  von  letzterm 
getrennt.  Einige  winzige  Protuberanzen  an  demselben  dürften  den 
Endpapillen  entsprechen.  Vor  dem  grossen,  linsenreichen  Auge  ist 
der  Stirnrand  stark  vorgewölbt.  Ein  Pigmentfleck  ist  nicht  vor- 
handen. Die  Stirnborste  ist  vom  Auge  doppelt  so  weit  entfernt  wie 
vom  distalen  Ende  des  Rostrums.  Oberlippe  wohl  entwickelt  (vgl. 
Fig.  8).  —  Beide  Aeste  der  Ruderantennen  sind  3gliedrig  und 
apical  mit  je  3  feinen,  langen  Schwimmborsten  ausgerüstet.  Der 
ventrale  Ast  besitzt  noch  je  eine  Borste  am  2.  und  am  1.  Gliede. 
—  Der  bei  eiertragenden  Weibchen  gleichmässig  gewölbte,  bei 
jungen  Exemplaren  stets  gerade  dorsale  Schalenrand  bildet  mit 
dem  geraden  Hinterrande  einen  über  der  ^Medianlinie  des  Körpers 
gelegenen,  vorspringenden  Winkel,  bei  jungen  Weibchen  bisweilen 
sogar  einen  scharfen,  weit  abstehenden,  nach  hinten  gerichteten 
Stachel.  An  der  Stelle,  wo  der  untere  und  der  hintere  Schalenrand 
zusammenstossen,  ist  stets  ein  deutlicher  Mucro  sichtbar,  und  davor 
steckt  die  auch  bei  den  Bosminen  vorkommende  Borste.  Junge 
Weibchen  (Fig.  10)  besitzen  mitunter  sehr  lange,  stiletförmig  aus- 
gezogene Mucronen.  —  Die  ventralen  Schalenränder  sind  gleichmässig 
gebogen  und  mit  winzigen,  v/eit  von  einander  entfernten  Börstchen 
besetzt.  Eine  Schalensculptur  ist  nur  bei  stärkster  Vergrösserung 
am  Kopfe  als  äusserst  zarte,  weitmaschige  Reticulation  erkennbar. 
Der  Darm  ist  einfach.  Das  Postabdomen  verjüngt  sich  stark  gegen 
sein  freies  Ende  hin.  Hinter  den  glatten  Endkrallen  bemerkt  man 
an  einem  gerundeten,  präanalen  Vorsprunge  seitlich  beiderseits 
einen  grossen,  breiten  Zahn  und  dahinter  4 — 5  feine  Dornen.    An 


Entomostraken  vom  Mündungsgebiet   des  Amazonas.  585 

sie  scliliesst  sich  noch  eine  Eeihe  feinster  Börstchen  an,  die  auf  die 
Anah'änder  übergehen.  Männchen  unbekannt.  Grösse:  Soramereier- 
weibchen  mit  1 — 2  Embryonen  waren  0,25—0.3  mm  lang  und  1,8 
bis  2.3  mm  hoch. 

Bemerkungen.  Die  RiCHAED'sche  Beschreibung  von  Bos- 
minopsis  deifersi  stimmt  in  den  wesentlichsten  Punkten  mit  meinen 
Beobachtungen  überein.  Da  mir  viele  Exemplare  zur  Verfügung 
standen,  konnte  ich  die  Details  genauer  feststellen  als  Richakd,  dem 
nur  ein  einziges  und  wahrscheinlich  noch  deformirtes  (zerdrücktes?) 
Exemplar  zur  Verfügung  stand.  Aehnlich  wie  bei  Bosniina  haffmanni, 
so  weichen  auch  hier  alte  und  junge  Individuen  im  K<"»rperbau  (jft 
beträchtlich  von  einander  ab.  Da  wir  es  ferner  mit  einer  der 
kleinsten  Cladoceren  zu  thun  haben,  bietet  die  Untersuchung  der 
Details  grosse  Schwierigkeiten.  Diesen  genannten  Umständen  sind 
wahrscheinlich  auch  die  folgenden  Differenzen  zuzuschreiben,  die 
noch  zwischen  Richard's  und  meinen  Beobachtungen  bestehen  : 

1.  Bei  sehr  starker  Vergrösserung  bemerkte  ich  in  gewissen 
Lagen  am  Vorderrande  des  Rostrums  ausser  der  Stirnborste  noch 
4—5  feine  Dörnchen. 

2.  Der  obere  hintere  Schalenwinkel  liegt  bei  meinen  Exemplaren 
immer  über  der  Medianlinie  des  Körpers  und  ist  stets  schärfer  aus- 
geprägt als  bei  der  RiCHARü'schen  Figur  und  Beschreibung;  bei 
jungen  Thieren  ist  er  sogar  in  einen  Stachel  verlängert. 

3.  Am  äussern  Gliede  der  Tastantenne  hat  Richard  keine  Pro- 
tuberanzen (Endpapillen?)  beobachtet. 

4.  Richard's  Exemplar  (ein  Sommereierweibchen  mit  4  Em- 
bryonen), das  in  Argentinien  (La  Plata)  gefunden  wurde,  war 
0,46  mm  lang  und  0,31  mm  hoch. 

Meine  im  äquatorialen  Südamerika  gefundenen  Exemplare  maassen 
nur  0,25-0,3  mm  und  trugen  höchstens  2  Embryonen. 

Verwandte  Formen.  Eine  zweite  Art  dieses  Genus.  Bos- 
minopsis  zcrnovi.  wurde  1901  von  A.  Linko  \)  ebenfalls  nach  einem 
einzigen,  nicht  gut  erhaltenen  Exemplare  aus  dem  Gouvernement 
Wjatka  im  Wolga-Kama-Stromgebiet  beschrieben.  W.  Meissner 
hat  dieselbe  seither  wieder  massenhaft  in  schmutzigem  Potamo- 
planktou    der   \\'olga    bei  Saratow   gefunden.-)     Es  ist  sehr  zu 


1)  1901   Bosniinopsis  xrr/iori,  Linko,  A.,  Bosminopsis  im  europcäis^chen 
Kussland,   in :  Zool.  Anz.,  V.   24,  p.  345  (mit  Textfig.). 

2)  1902    B.  j..  Meissner,  W.,    Notiz    über    niedere    Crustaceen    des 
Wolga-Flusses  bei  Saratow,  in:  Zool.  Anz.,  V.  26,  p.  51. 


536  Theodor  Stingelin, 

wünschen,  dass  die  interessante  russische  Form  auf  Grund  des  neuen 
häufigen  Materials  eine  gründliche  Nachprüfung  erfahre.  Nach 
LiNKo's  Angaben  soll  die  Dorsalimpression  bei  B.  sernovi  nur 
schwach  angedeutet  sein.  Der  Mucro  und  die  davor  sitzende  Borste 
fehlen.  Die  1.  Antenne  ist  nur  Igliedrig,  die  Stirn  stärker  vor- 
gewölbt. Das  Postabdomen  ist  aber  gleich  gebaut  wie  bei  B.  deitersi. 
und  die  Grösse  stimmt  mit  meiner  B.  deitersi  aus  dem  Amazonas 
überein. 

Es  scheint  mir  nicht  unmöglich  zu  sein,  dass  sich  Bosminopsis 
zernovi  bloss  als  Varietät  von  B.  deitersi  herausstellen  dürfte. 

Jüngst  wurde  sodann  von  Prof.  E.  von  Daday  in  Budapest  aus 
dem  Oberlaufe  des  Paraguay- Flusses  noch  ein  ueues  Genus 
^^BosminelW'  der  Familie  der  Bosminidae  gemeldet.  ^)  —  Aus  einer 
vorläufigen  Mittheilung  sowie  den  beigegebenen  Zeichnungen  ist  er- 
sichtlich, dass  Daday's  Bosminella  anisiti  in  Form  und  Grösse  mit 
meinen  Exemplaren  von  Bosminopsis  auffallend  übereinstimmt.  Es 
fehlt  jedoch  die  Dorsalimpression.  Die  erste  Antenne  ist  nicht  seg- 
mentirt  und  sogar  gänzlich  mit  dem  Rostrum  verschmolzen.  Schalen- 
oberfläche, Rosti'um  und  Antenne  sind  deutlich  hexagonal  reticulirt. 

Es  scheint  mir,  dass  diese  Merkmale  nicht  genügen  für  die 
Aufstellung  eines  neuen  Genus,  zumal  da  auch  bei  Bosminopsis 
sernovi  die  Dorsalimpression  sehr  reducirt  ist  und  die  1.  Antenne 
nur  Igliedrig  sein  soll.  Uebrigens  ist  die  Abgliederung  der  1.  An- 
tenne vom  Eostrum  sowie  die  Segmentirung  der  Antenne  selbst  auch 
bei  B.  deitersi  bald  mehr  oder  weniger  deutlich  zu  erkennen.  So 
mag  es  auch  um  die  Schalensculptur  bestellt  sein,  wie  ich  bei 
B.  deitersi  selbst  beobachtete.  Ich  halte  darum  Daday's  Genus  Bos- 
minella für  identisch  mit  Bosminopsis  Eichaed. 

Fundort.  Bosminopsis  deitersi  wurde  nur  an  einem  Orte  im 
Eio  Aramä  grande  (bei  Ebbe  am  28.  Februar  1900)  gefunden 
und  zwar  in  Begleitung  der  drei  oben  beschriebenen  neuen  Arten. 

Verbreitung  des  Genus.  In  Südamerika:  La  Plata, 
Paraguay,  Amazonasmündung ;  in  Europa:  Wolgastromgebiet. 


1)  1903.  Genus  Bosminella  und  Bosnünelln  anisiti,  v.  Daday,  E., 
Eine  neue  Cladoceren- Gattung  aus  der  Familie  der  Bosminiden,  in:  Zool. 
Anz.,    V.   26,  p.  594,  fig.   1—3.      [Vorläufige  Mittheilung.]  ^ 


Entomostraken  vom  Mündungsgebiet  des  Amazonas.  587 

Farn.  Chydoridae.  ^) 

6.  Dadaya  macrops  (Dadat). 
(Taf.  20,  Fig.  11.  12.) 

1898.  Alona  macrops,  v.  Daday,  E.,  Mikroskopische  Süsswasserthiere  aus 
Ceylon,    in:     Termes.  Füzetek,   V.   21   (Anhang),  p.   38,  tal).    17a — e. 

1901.  Dadayn  macrops,  Saks,  G.  0.,  Contributions  to  the  knowledge  of 
the  freshwater  Entom.  of  South-America,  I.  c,  V.  23,  p.  74,  tab.  11, 
fig.  5,  5  a — 5  b. 

Sars  hat  diese  eigenthümliche,  durch  die  ausserge wohnliche 
Grösse  von  Auge  und  Pigmentfleck  sowie  die  Lage  und  Läng-e  der 
Tastantenuen  von  allen  übrigen  Alonen  so  verschiedene  Art  zum 
Repräsentanten  eines  neuen  Genus  erhoben. 

Beobachtungen.  Die  von  mir  untersuchten  Exemplare 
stimmen  in  Form  und  Grösse  mit  den  von  Daday  und  Sars  be- 
schriebenen Thieren  überein.  Länge:  0,36— 0.43  mm;  Höhe:  0,25 
bis  0,28  mm. 

Immerhin  scheint  auch  hier  der  localen  und  individuellen 
Variation  ein  ordentlicher  Spielraum  eingeräumt  zu  sein.  —  So  ist 
bei  meinen  Formen  der  Stirnrand  vor  dem  Auge  und  dem  Pigment- 
fleck kaum  merklich  vorgewölbt,  weil  diese  Organe  der  Stirn  nicht 
satt  angepresst  sind.  Die  Pigmentmasse  von  Auge  und  Pigment- 
fleck ist  bei  erwachsenen  Weibchen  gleich  gross.  Letzterer  hat  eine 
gestreckte,  unregelmässig  spindelförmige  Gestalt.  —  Bei  einigen 
Jüngern  AVeibchen  war  das  Auge  bedeutend  grösser  als  der  Pigment- 
fleck. —  Der  Lippenanhkng  ist  ungefähr  doppelt  so  lang  wie  die 
Tastantenne  und  gleich  geformt,  vorn  wellig  gebuchtet,  unten  spitz, 
aber  weniger  breit,  als  Daday  zeichnet.  Die  Schalensculptur  ist 
bei  jungen  Thieren  deutlich  hexagonal  reticulirt.  Parallel  dem 
vordem,   convexen   Schalenrand   laufen    einige    Transversalstreifen. 


1)  Der  bisher  gebräuchliche  und  allgemein  bekannte  Familienname 
Lyncridae  muss  laut  persönlicher  Mittheilung  von  G.  0.  Sars  (1904)  durch 
den  Namen  Chydoridae  ersetzt  werden,  weil  der  Name  Lynceus  von 
0.  Er.  Müller  zuerst  dem  Phyllopoden  Lynceus  brachyiirus,  jetzt  Limnetis 
Jirar-hyura,  beigelegt  wurde.  —  Aus  demselben  Grunde  muss  auch  der 
Name  der  Subfaniilie  Lyiiceinae  sowie  der  Genusuame  Lynceus,  der  ja 
bekanntlich  in  dem  grossen  neuen  AVerke  von  LilljebürG  ,.Cladocera 
Sueciae"  weitgehende  Verwendung  findet,  in  Zukunft  ganz  in  Wegfall 
kommen.  Vgl.  auch  1003  Sars,  G.  0.,  in:  Annuaire  Mus.  St.  Petersbourg, 
V.  8,  p.   181. 


588  Theodor  Stingelin, 

Am  breit  gerundeten,  hintern  untern  Schalenwinkel,  d.  i.  an  der 
Uebergangsstelle  vom  borstentragenden  Ventralschalenrand  zum 
kahlen  Hinterrande  der  Schale,  tritt  auch  bei  alten  Weibchen  bis- 
weilen ein  äusserst  feiner  Dorn  auf,  der  bei  Jungen  wiederum  stärker 
entwickelt  sein  kann  (Fig.  12).  Der  hintere  untere  Schalenwinkel 
ist  somit  nicht  immer  unbewehrt,  wie  Sars  in  seiner  Genusdiagnose 
angiebt.  In  der  Form  stimmt  das  Postabdomen  mit  dem  von  Daday 
gezeichneten  überein  (Fig.  11).  Die  Dorsalränder  sind  auch  mit  je 
18  einfachen  Stacheln  bewehrt.  Hingegen  erscheint  der  Postanal- 
höcker etwas  höher,  und  die  Endkralle  weist  nebst  dem  Basaldorn 
noch  eine  deutliche  Bewimperung  auf,  während  sie  nach  Daday 
kahl  sein  soll. 

Farbe  braungelb.     Männchen  unbekannt. 

Fundort.  Dadaya  macrops  wurde  bei  der  Flut  im  bracki- 
schen Wasser  der  Furo  S.  Isabel  den  6.  März  1900  gefangen. 

Verbreitung.  Ceylon  (Daday);  Itatiba-Brasilien  (Saks)  und 
Amazonasmündung. 

II.   Copepoda. 

Fam.  Ceniropa(jidae. 

7.  Pseudodiaptofiins  f/rciciUs  (Dahl). 

1894.      Weismanella    qraciUs,    Dahl,  F.,    in:    Ber.    naturf.    Ges.    Freiburg 

i.  Br.,  (N.  f.),  Y.  8,  p.  20,  tab.   1,   fig.    12— U. 
1898.      PseHdodiapfomtis   gracüis,    Giesbrecht,_  W.    u.    0.    Schmeil,    in: 

Das  Thierreich,  Lief.  6,  Crustacea,  p.  65. 

Das  bei  Fluth  gesammelte  Brackwasser  -  Plankton  der  Furo 
Sant  Isabel  vom  6.  März  1900  enthielt  auch  Männchen  und 
Weibchen  von  Pseudodiaptomus  gracüis,  welche  Art  im  Jahre  1894 
von  Dahl  aus  dem  Mündungsgebiet  des  Amazonas  beschrieben  wurde. 
—  Da  ich  mich  schon  früher  mit  diesem  Centropagiden-Genus  be- 
fasste  [1900,  in:  Rev.  Suisse  ZooL,  V.  8,  p.  20],  fiel  es  mir  nicht 
schwer,  auch  die  vorliegende  Form  zu  bestimmen. 


Entomostraken  vom  Mündungsgebiet  des  Amazonas.  589 


Erklärimg  der  Abbilduugen. 


Tafel  20. 

Holopediiim  amaxonicum  Stingelin. 

Fig.  1.  "Weibchen  mit  2  Embryonen  im  Brutraume,  von  der  rechten 
Seite.      Di  Dorsalimpression. 

Fig.  2.  Postabdomen  desselben  Weibchens,  stärker  vergrössert.  F 
conischer  Fortsatz  mit  den  Schwanzborsten.     E  bewimperte  Endkrallen. 

Moinodaphnia  hrasiliensis  Stingelin, 

Fig.  3.  "Weibchen,  von  der  linken  Seite.  Die  Ruderantennen  sind 
weggelassen,  damit  der  Bau  des  Kopfes  besser  zur  Darstellung  kommt. 

Fig.  4.  Zähne  am  hintern  obern  Schalenwinkel,  in  der  Dorsalansicht 
des  Thieres  gezeichnet. 

Bosmhia  Jiagmanni  Stingelin. 

Fig.   5.     "Weibchen  mit  einem  Embryo,  von  der  linken  Seite.    ^[  Mucro. 

Fig.  6.  Junges  "Weibchen  mit  abnorm  entwickeltem  Mucro  (J/)  und 
seinen  dorsalen  Incisuren.  Erste  Antenne  (J)  gleichmässig  stark 
zurückgebogen.  Kopf  und  Ventralschalenrand  gestreift.  Auf  dem  Eücken 
die  dunkler  pigmentirte  Zone. 

Bosminopsis  drifrrsi  Richard. 

Fig.   7.     Erwachsenes  "Weibchen,  von  rechts. 

Fig.  8.  Kopf  desselben  "Weibchens,  stärker  vergrössert.  Die  Kopf- 
schale ist  weitmaschig  reticulirt.  L  Lippenanhang.  /.'  Rostrum.  T  2g]ie- 
drige  Tastantenne. 


590     Theodor  Stingelin,  Entomostraken  vom  Müudimgsgebiet  des  Amazonas. 

Fig.   9.     Postabdomen  desselben  Thieres. 

Fig.   10.     Junges  Weibchen  mit  stark  verlängertem  Mucro  und  dorn- 
förmig  verlängertem  obern  Schalenwinkel. 

Dadaya  macrops  (Daday). 

Fig.   11.     Postabdomen  des  "Weibchens.     E  bewimperte  Endkralle. 
Fig.   12.     Ventrale  hintere  Schalenecke  mit  feinem  Dorn  bewehrt. 


i 


Nachdruck  verboten. 
Uehersetzungsrecht   vorbehalten. 


Pacifische  Chitonen 

der  Sammlungen   Schauinsland   und  Thilenius   nebst 

einem  Anhang  über  drei  neuseeländische  Species  der 

Gattung"  0  n  c  i  d  i  e  1 1  a. 

Ergebnisse    einer   Reise    nach   dem   Pacific,    Schauinsland   1896/97, 
Ergebnisse  einer  Reise  durch   Oceanien,   Thilenius   1897/99. 

Von 

Dr.  Curt  Ton  Wissel  in  Görlitz. 

Mit  Taf.  21—25  und  10  Abbildungen  im  Text. 


Nachdem  die  vorliegende  Arbeit,  welche  schwer  unter  der  Un- 
gunst äusserer  Umstände  und  wiederholt  wiederkehrender  Erkrankung 
des  Verfassers  gelitten  hat,  nun  endlich  zum  Abschluss  gebracht 
worden  ist,  fühle  ich  mich  gedrungen,  den  Herren  Prof.  Schauinsland 
und  Thilenius  auch  an  diesem  Ort  nicht  nur  für  die  gütige  Ueber- 
lassung  des  interessanten  Materials,  sondern  auch  für  die  grosse  Geduld 
meinen  aufrichtigsten  Dank  auszusprechen,  welche  sie  der  durch 
die  oben  angeführten  Gründe  bedingten  Langsamkeit  der  Bearbeitung 
entgegen  gebracht  haben.  —  Auch  den  Herren  Proif.  von  Marxens. 
MÖBius  und  Franz  Eilhard  Schulze,  vor  allem  aber  Herrn  Prof. 
Plate  bin  ich  für  vielfache  freundliche  Unterstützung  sowie  Herrn 
Dr.  VON  Rabenau,  Director  des  Museums  der  hiesigen  „Natur- 
forschenden Gesellschaft",  für  gütige  Ueberlassung  eines  Arbeits- 
platzes im  Saale  dieses  Instituts  zu  grossem  Danke  verpflichtet. 

Sachlich  sei  bemerkt,  dass  die  Sammlung  Schauinsland  sich 
über  zahlreichere  Fundorte  erstreckt  und  daher  reicher  an  Arten 


592  CURT    VON   WiSSEL, 

ist  als  die  Sammlung  Thilenius,  durch  welche  sie  jedoch,  was  Neu- 
seeland anlangt,  auf  das  Vortheilhafteste  ergänzt  wird. 

Die  Histologie  wurde  bei  der  Bearbeitung  von  Chiton  sinclairi 
Gray  und  zum  Theil  bei  der  von  Chiton  canalicatus  Qu.  et  G.  und 
Chiton  quoyi  Deshayes  berücksichtigt. 


Familie  Ischnochitoninae. 

1.  ToiiiceUa  lineata  Wood. 

6  Exemplare  aus  Bare  Island  von  Herrn  Prof.  Schauinsland 
mitgebracht,  deren  grösstes  eine  Länge  von  H2  mm  und  eine  Breite 
von  22  mm,  das  kleinste  eine  Länge  von  23  mm  und  eine  Breite 
von  15  mm  aufwies.  Pilsbry  giebt  eine  zutreffende  Beschreibung 
des  äussern  Habitus  und  der  Färbung.  Li  den  Insertionsplatten 
zählte  ich  bei  der  1.  Schulpe  9,  den  Mittelschulpen  1  und  der 
8.  Schulpe  8  Schlitze. 

Die  Anordnung  der  Kiemen  ist  merobranch  und  abanal,  und 
zwar  erstrecken  sie  sich  nach  vorn  bis  zum  Litersegment  2  3,  nach 
hinten  bis  zum  Intersegment  7/8.  Die  Zahl  der  Kiemen  betrug  bei 
einem  Thier  von  25  mm  Länge  rechts  26,  links  27.  Der  Nierenporus 
befand  sich  jederseits  zwischen  Kieme  1/2,  der  Geschlechtsporus 
zwischen  Kieme  3/4. 

Der  ]\[antel  weist  3,  wenn  man  will  4,  Arten  von  Hartgebilden 
auf:  1.  sehr  kleine  Eückenstacheln  von  6 — 8  i-i  Länge  (Fig.  la),  mit 
welchen  die  Rückenfläche  des  Mantels  dicht  besäet  ist.  Die  Form  und 
Färbung  dieser  Stacheichen  ist  dieselbe,  wie  sie  Plate  (20,  p.  130) 
für  Tonicella  marmorea  beschreibt,  nämlich  spitz  kegelförmig  bis 
eiförmig  mit  glasheller  Spitze,  welche  eine  nur  ganz  feine  Längs- 
strichelung  aufweist,  während  die  untere  stumpfe  Hälfte  mit  dunkel 
gelben  Pigmentkörnchen  erfüllt  ist.  Im  Gegensatz  zu  der  Angabe 
Pläte's  für  die  Rückenstacheln  von  ToniceUa  marmorea,  dass  der 
Becher  nur  schwach  sei,  erstreckt  sich  derselbe  bei  der  mir  vor- 
liegenden Art  fast  bis  zum  distalen  Ende  des  Stachels,  von  dem  er 
nur  eine  kleine  Spitze  von  ca.  V?  l>is  Vs  der  ganzen  Stachellänge 
hervortreten  lässt.  Den  winzigen  Zapfen  bekommt  man  nur  in  wenigen 
Fällen  deutlich  zu  Gesicht.  —  Als  zweite  Art  von  Hartgebilden  finden 
sich  auch  hier,  ebenso  wie  bei  Tonicella  marmorea,  kurze  Chitinborsten 
von  glasheller,  homogener  Beschaffenheit  spärlich  zwischen  die  Stacheln 
eingestreut.    Die  dritte  und  vierte  Art  bilden  die  Ventral-  und  die 


Pacifische  Chitonen.  593 

Kantenstacheln  (Fi^.  Ib);  beide  sind  sclmpi)enförmig  abgeplattet, 
erstere  etwa  12  —  16  //,  also  ungefähr  doppelt  so  lang  wie  die  Rücken- 
stacheln, aber  nur  unerheblich  breiter  und  daher  mehr  langgestreckt. 
Ihre  Spitze  ist  stumpf  al)gestutzt.  und  von  ihr  aus  ist,  wie  bei  den 
Eücken stacheln,  nur  viel  schärfer  markirt,  eine  Längsstrichelung  bis 
etwa  zur  Mitte  bemerkbar.  Das  basale  Ende  weist  analog  den 
Rückenstacheln  ebenfalls  ein  braunes,  körniges  Pigment  auf,  nur 
sind  die  Körnchen  hier  kleiner  und  dünner  gesäet.  Der  Becher  ist 
bei  diesen  Stacheln  nur  klein  und  umgreift  lediglich  das  stumpfe 
basale  Ende  des  Stachels.  Ein  winzig  kleiner  Zapfen  war  ebenfalls 
nachweisbar.  Die  Kantenstacheln  unterscheiden  sich  von  den  Ventral- 
stacheln nur  durch  ihre  fast  doppelte  Länge,  während  die  Gestalt 
und  Structur  im  übrigen  genau  die  gleiche  ist. 

Die  Lateralfalte  weist  keinerlei  Besonderheiten  auf.  Sie  ver- 
läuft ohne  merkliche  Anschwellung  den  Kiemen  entlang,  um  nach 
dem  After  zu  so  weit  schmäler  und  niedriger  zu  werden,  dass  sie  am 
hintei'u  Körperende  beinahe  verstreicht  und  eine  eben  nur  angedeutete 
Erhebung  die  \'erbindung  beider  Seiten  aufrecht  erhält. 

Auch  der  Pharj'ngealapparat  weist  nichts  von  den  gewöhnlichen 
Yerhältnissen  Abweicliendes  auf.  Die  Speicheldrüsen  (Fig.  2,  sal) 
sind  verhältnissmässig  klein.  Sie  zeigen  in  der  Mitte  eine  allerdings 
nur  flache  Einschnürung,  wodurch  sie  ein  zweilappiges  Aussehen 
gewinnen;  sie  münden  in  den  vordem  Theil  des  Lumens  der  ebenfalls 
nur  kleinen  Pharyngealdivertikel  (div),  doch  wird  ihre  Mündung 
(o.  sal)  von  dem  Hauptlumen  der  Divertikel  durch  eine  halbmond- 
förmig von  aussen  und  hinten  nach  innen  und  vorn  verlaufende  Falte 
(P)  der  Dorsalwand  unvollständig  abgegrenzt.  Das  Dach  des  Phar3mx 
ist  dünnhäutig  und  nicht  drüsig,  mit  Ausnahme  von  2  drüsigen  Falten 
(/"),  welche  von  dem  hintern  Drittel  der  Divertikel  im  Bogen  nach 
der  Mitte  zu  verlaufen  und  von  da  einander  parallel  ziehen,  um  sich 
an  ihrem  Ende  in  je  2  Theilfalten  zu  gabeln,  welche  bald  in  dem 
nicht  drüsigen  Epithel  verstreichen. 

Von  der  Radula  giebt  Thiele  eine  Beschreibung  nebst  Ab- 
bildung (25,  p.  390  u.  fig.  3,  tab.  32),  welche  sich  jedoch  mit  den  von 
mir  gemachten  Befunden  nicht  völlig  deckt,  so  dass  es  mir  zweifel- 
haft erscheint,  ob  thatsächlich  Thiele  dieselbe  Art  vorgelegen  hat 
wie  mir,  zumal  auch  der  Fundort,  Californien,  zum  wenigsten 
die  Annahme  einer  localen  Varietät  gerechtfertigt  erscheinen  lässt. 
So  zeichnet  und  beschreibt  Thiele  den  Rand  des  Mittelzahns  als 
nur  schwach   ausgebogen,  während  ich  (Fig.  3,  m)  eine,  wenn  auch 


594  CüET    VON    WiSSEL, 

kleine,  so  doch  sehr  scharfe  Ausbuchtung-  in  der  Mitte  desselben 
wahrnahm.  Der  Zwischenzahn  (^)  ferner  ist  bei  meinem  Exemplar 
bedeutend  länger  als  bei  dem  Thiele's.  Die  übrigen  Platten  fand 
ich  dagegen  so,  wie  sie  Thiele  beschreibt. 

Die  Form  des  Magens  ist  die  „gewöhnliche",  d.  h.  sie  entspricht 
dem  Schema  IV,  welches  Plate  (21,  p.  439)  als  C/wYow- Typus  be- 
zeichnet. Der  Verlauf  der  Darmschlingen  (Fig.  4,  cP — d")  ist  ver- 
hältnissmässig  wenig  complicirt  und  entspricht  dem  Nuftalochiton- 
Typus  Plate's  (21,  p.  445,  46):  nach  seinem  Austritt  aus  dem  Magen 
wendet  sich  der  Darm  auf  der  dorsalen  Seite  des  Thieres  zunächst 
nach  rechts  {cP\  biegt  dann  nach  hinten  um  und  zieht  an  der  rechten 
Wand  der  Leibeshöhle  entlang  (f?-),  um  in  deren  hintern  Drittel 
sich  wiederum  nach  rechts  und  links  zu  wenden,  mitten  im  Ein- 
geweideknäuel bis  etwa  zur  Mitte  der  Leibeshöhle  nach  vorn  zu 
ziehen  [d'^)  und  hier  eine  zweite  Schlinge  nach  rechts  zu  bilden, 
worauf  er  {d"^)  sich  nach  vorn  und  links  wendet,  an  der  linken 
Leibeshöhlenwand  dicht  am  Magen  ein  scharfes  Knie  nach  hinten 
und  unten  macht,  um  an  der  ventralen  Leibeshöhlenwand  nach  hinten 
zu  ziehen  {d'%  hier  noch  einmal  erst  nach  vorn  und  links  {d%  dann 
wieder  nach  hinten  und  nach  der  Mitte  umzubiegen  und  endlich 
nach  geradem  Verlauf  (rf^)  im  Anus  zu  endigen. 

Die  Hauptnierengänge  reichen  bis  zur  Kopffussfurche,  Fuss- 
nierengänge  fehlen. 

Die  Eischale  konnte  ich  leider  nicht  in  den  Kreis  meiner  Unter- 
suchung ziehen,  da  sämmtliche  secirten  Thiere  männlichen  Geschlechts 
waren. 

2.  IschnocJiiton  fructicosus  Gould, 

Diesen  IschnocJdfon  hielt  ich  anfänglich  mit  der  von  Plate 
(20,  p.  113  If.)  beschriebenen  neuen  Art  IscJmochiton  varians  für 
identisch,  denn  auch  die  mir  vorliegende  Species  zeigt  eine  geradezu 
erstaunliche  Variabilität  in  der  Färbung  und  stimmt  im  Uebrigen 
in  vielen  Merkmalen  mit  IscJmochiton  varians  Plate  überein:  so  in 
der  ovalen  vorn  und  hinten  gleichmässig  gerundeten  Gestalt,  in  der 
Form  der  Schalen  sowie  der  feinen  Punktirung  der  Schalenoberfläche. 
Auch  die  angegebene  Grösse  von  21  mm  Länge  und  13  mm  Breite 
des  grössten  Exemplars  würde  der  der  Mehrzahl  der  zahlreichen 
mir  vorliegenden  Thiere  entsprechen,  wenn  sich  gleich  unter  ihnen 
auch  erheblich  grössere  fanden.  —  Die  nähere  Untersuchung  ergab 
jedoch  so  viel  Abweichungen,  dass  eine  Identität  beider  Arten  aus- 
geschlossen ist.    So  sagt  Plate  „die  Schalen  erscheinen  dem  blossen 


Pacifische  Chitonen.  595 

Auge  abgesehen  von  den  Zuwachslinien  vollständig  eben".  Im  Gegen- 
satz hierzu  weisen  bei  IscJmochifon  fructicosus  die  Seitenfelder  eine 
Anzahl  von  Rippen  auf,  welche  sich  aus  kleinen  Buckeln  zusammen- 
setzen und  schon  mit  blossem  Auge  bequem  gesehen  werden  können. 
Zweitens  beträgt  die  Anzahl  der  Schlitze  bei  der  1.  Schulpe  nicht  13, 
sondern  10,  bei  der  letzten  nicht  12,  sondern  9.  In  diesen  Punkten, 
sowie  in  allen  übrigen  in  Betracht  kommenden  Einzelheiten  stimmen 
die  mir  vorliegenden  Thiere  mit  der  von  Pilsbry  (26,  p.  91)  als 
Ischnochifon  fructicosus  Goüld  aufgeführten  Art  überein.  Die  un- 
wesentlichen Verschiedenheiten  mit  seiner  Charakteristik  hebe  ich 
bei  der  Beschreibung  hervor. 

Es  lassen  sich  folgende  Farbenvarietäten  unterscheiden: 
1.  Graugrüne  Schale  mit  zahlreichen  kleinen,  verwaschenen, 
dunklern  oder  weisslichen  Flecken.  Mantel  blauschwarz  oder  grau 
mit  blauschwarzen  Bändern.  Bei  vielen  Exemplaren  spielt  die 
Grundfarbe  der  Schalen  mehr  ins  Bräunliche  oder  gar  Gelbliche, 
während  die  Flecken  dann  moosgrün  sind.  Andere  werden  noch  heller; 
ihre  Schale  ist  im  Grundton  gelblich-weiss  mit  zahlreichen,  meist  längs 
gerichteten  ockergelben  Streifen,  welche  so  sehr  prävaliren  können, 
dass  der  Totaleindruck  in  Bezug  auf  die  Farbe  des  Thieres  dunkel 
gelb  ist.  Andrerseits  können  die  Streifen  so  spärlich  auftreten,  dass 
die  Schale  beinahe  weiss  erscheint.  Alle  diese  von  einander  abzu- 
leitenden Varietäten  besitzen  einen  mehr  oder  weniger  dunklen  Mantel. 
Ebenfalls  wohl  von  den  einfach  graugrünen  Exemplaren  in  ihrer 
Färbung  ableitbar  sind  solche,  welche  auf  graugrünem  Grundton 
grosse  weisse  Partien  aufweisen.  In  dieser  Kategorie  können 
wiederum  2  Modificationen  unterschieden  werden :  a)  der  Kiel  sämmt- 
licher  Schulpen  besitzt  ein  grösseres  oder  kleineres  Viereck  oder  Dreieck, 
während  die  untern  Partien  dunkel  gefärbt  sind.  Die  grösste  Ausdehnung 
hat  das  Weiss  in  der  Eegel  auf  der  2.  und  6.  Schulpe.  Oder  b)  die 
dunkle  Farbe  ist  umgekehrt  auf  den  Kiel  beschränkt.  Avährend  der 
untere  Theil  der  Schalen  weisslich  oder  gelblich  ist.  Der  Mantel 
ist  in  beiden  Fällen  bald  hell,  bald  dunkel.  Dem  Fundort  nach 
vertheilen  sich  die  beschriebenen  Varietäten  folgendermaassen :  zahl- 
reiche Exemplare  sammelte  Herr  Prof.  Thilenius  in  Tauranga  auf 
Neuseeland,  während  Herr  Prof.  Schauinsland  deren  10  von  den 
Chatham-Inseln,  7  vom  French-Pass  (Cookstrasse)  und 
1  von  Bare  Island  mitbrachte.^) 


1)  Bare  Island  ist,    wie  mir  Herr  Prof.  SCHAUINSLAND  mittheilt. 


596  CURT   VON   WlSSEL, 

2.  Hell  graue  Schale  mit  dunkel  grünen  Flecken  und  Strichen, 
welche  meist  in  der  Längsrichtung  des  Thieres  verlaufen;  Mantel 
grau  mit  braunen  Bändern ;  gesammelt  von  Herrn  Prof.  Schauinsland 
am  French-Pass  2  und  bei  den  Chatham-Inseln  1  Exemplar. 

3.  Schale  mit  gelbgrauem  oder  blaugrauem  Grundton  und  regel- 
mässigen braunen  oder  moosgrünen  Längsstrichen.  Diese  Striche 
können  entweder  dick  und  wenig  zahlreich  sein  (Fig.  5),  dann  finden 
sich  deren  nur  10  bis  11  auf  der  1.  und  8.  Schulpe,  welche  ebenfalls 
in  der  Längsrichtung  angeordnet  sind,  odei'  sie  sind  sehr  zahlreich 
und  dünn  (Fig.  6),  und  dann  verlaufen  sie  auf  der  ersten  und  letzten 
Schulpe  in  vielen  concentrischen  Kreisen  dem  Schalenrand  parallel. 
Der  Mantel  ist  bräunlich  bis  schwärzlich.  Derartig  gefärbte 
Exemplare  wiesen  ebenfalls  beide  Sammlungen  auf,  und  zwar  stammen 
8  Stück  von  den  Chatham-Inseln,  2  vom  French-Pass  und  5 
aus  Tauranga. 

4.  Endlich  finden  sich  unter  den  mir  zur  Verfügung  stehenden 
Thieren  ganz  einfarbige,  bei  denen  auf  den  Schalen  jegliche  Zeich- 
nung fehlt.  So  sind  bei  8  von  Herrn  Prof.  Schauinsland  auf  den 
Chatham-Inseln  gesammelten  Thieren  die  Schalen  intensiv  hell 
blau,  bei  einem  von  Herrn  Prof.  Thilenius  in  Tauranga  mitge- 
brachten sind  sie  grünlich- weiss,  bei  einem  andern  eben  daher  gelblich- 
weiss  und  bei  3  weitern  eben  daher  rein  weiss;  der  Mantel  ist  bei 
allen  hell  bis  weiss. 

Die  Structur  der  Schalen  wird  von  Pilsbey  zutreffend  ge- 
schildert. Die  Seitenfelder  weisen  eine  Anzahl  von  Eippen  auf, 
welche  sich  aus  kleinen  Buckeln  zusammensetzen  und  schon  mit 
blossem  Auge  gut  wahrgenommen  werden  können.  Hierdurch  sov/ie 
durch  die  schon  oben  angegebene  abweichende  Anzahl  der  Schlitze 
in  den  beiden  Endschalen  unterscheidet  sich  IscJinochiton  frudicosus 
GouLD  sogleich  von  Isclinochiton  varians  Plate.  Uebrigens  treten 
die  Eippen  bei  Jüngern  Tliieren  stets  deutlicher  hervor  als  bei 
grössern  und  altern,  bei  welchen  überhaupt  die  Schalen  häufig  erodirt 
sind.  Die  Zahl  der  Eippen  giebt  Pilsbey  als  zwischen  3  bis  6 
wechselnd  an.    Ich  zähle  deren  nach  der  nach  den  Seiten  hin  er- 


eine kleine  Insel  zwischen  Vancouver  Island  und  dem  gegenüber- 
liegenden Festland  von  Nordwest-Amerika.  Das  Vorkommen  ein 
und  derselben  Art  auf  Neuseeland,  auf  den  etwa  600  Seemeilen  süd- 
östlich davon  liegenden  Chatham-Inseln  und  dem  Tausende  von  See- 
meilen entfernten  Bare  Island  ist  zweifellos  thiergeographisch  sehr 
merkwürdig. 


Pacifische  Chitonen.  597 

folgten  liäufig-en  Gabelung-  meist  mehr,  nämlich  10  bis  11.  Die 
Zwischenräume  zwischen  den  Eippen  sowie  die  Mittelfelder  sind 
g'leichmässig  und  fein  punktirt,  und  auf  letztern  ordnen  sich  die  wie 
feine  Nadelstiche  aussehenden  Punkte  zu  dünnen,  sanft  gebogenen 
Linien  an.  Hierin  und  in  Bezug  auf  die  starken  Zuwachslinien  der 
Seitenfelder,  welche  ungefähr  rechtwinklig  mit  den  schwachem  der 
Mittelfelder  zusammenstossen,  stimmen  Ischnorhifon  frudicosus  und 
varians  also  vollkommen  überein.  —  Das  Innere  der  Schalen  giebt 
PiLSBRY  als  weiss,  blau  oder  blaugrün  an,  mit  einem  schwarzen 
Halbmond  auf  der  Endschale,  was  ich  als  zutreffend  bestätigen  kann. 

Die  Grösse  der  mir  vorliegenden  Thiere  schwankte  von  einer 
Länge  von  32  mm  und  einer  Breite  von  16  mm  bei  dem  grössten 
bis  zu  einer  Länge  von  6  mm  und  einer  Breite  von  4  mm  bei  dem 
kleinsten  Exemplar. 

Die  Hartgebilde  des  Mantels  treten  in  nur  2,  wenn  man 
will  3,  Arten  auf,  nämlicli  1.  als  kleine  ovale  Schuppen  (Fig.  7  a), 
welche  seine  Dorsalfiäche  dicht  und  lückenlos  bedecken.  Diese 
Schuppen  sind  in  ihrer  distalen  Hälfte  meist  glasartig  durchsichtig, 
in  der  basalen  dagegen  mit  bräunlichen  oder  gelblichem  Pigment 
durchsetzt.  Ihre  Oberfläche  ist  durch  zahlreiche  Längsfurchen  in 
ebenso  viele  Säulchen  getheilt,  welche  dem  freien  Rande  ein  aus- 
gezacktes Aussehen  verleihen.  —  Die  zweite  Art  von  Hartgebilden 
des  Mantels  sind  die  platt  cylindrischen  und  glashellen  Ventralschuppen, 
welche  keine  weitern  Besonderheiten  aufweisen  (Fig.  7b).  Aus  ihnen 
hervorgegangen  sind  die  etwas  längern,  rundern  und  am  distalen 
Ende  ein  wenig  zugespitzten  Eandstacheln  (Fig.  7  c). 

Die  Anordnung  der  Kiemen  ist  holobranch  und  adanal  mit 
Zwischenraum.  Ich  zählte  bei  einem  Exemplar  recht  35,  links  34, 
von  denen  vorn  sowohl  wie  hinten  die  3  letzten  winzig  klein  waren, 
während  als  Maximalkiemen  die  10.  bis  13.,  von  hinten  an  gerechnet, 
bezeichnet  werden  müssen.  Die  Geschlechtsöffnung  fand  ich  rechts 
wie  links  zwischen  Kieme  11 12,  die  Nierenöffnung  rechts  zwischen 
Kieme  9/10,  links  zwischen  Kieme  7  8.  —  Ein  zweites  Exemplar 
wies  rechts  ebenfalls  35,  links  nur  31  Kiemen  auf.  Die  Geschlechts- 
öflnung  lag  hier  rechts  wie  links  zwischen  Kieme  10,11,  die  Nieren- 
öff"nung  zwischen  Kieme  7,8. 

Bezüglich  der  L  a  t  e  r  a  1  f  a  1 1  e  hatte  ich  je  nach  dem  Schwellungs- 
zustand bald  den  Eindruck,  als  ob  sie  mit  einem  typischen  Lateral- 
lappen neben  der  hintersten  Kieme  endige,  bald  wiedeium  zeigte  sie 
in  derselben  Gegend  nur  eine  kleine  Anschwellung,  ohne  einen  eigent- 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth-  f.  Syst.  40 


598  CüRT   VON   WiSSEL, 

liehen  Lappen  zu  bilden.    In  beiden  Fällen  Hess  sie  sich  jedoch  als 
ein  niedriger  Saum  bis  hinter  dem  Anus  herum  verfolgen. 
Osphradien  sind  nicht  vorhanden. 

Die  Mittelplatte  der  Eadula  (Fig.  8  m)  ist  vorn  concav.   der 
nach  hinten   umgebogene  Eand  ihrer  Schneide  ist  gleichmässig  ab- 
gerundet; die  Zwischenplatte  (^)  hat  vorn  eine  flache  Einbuchtung; 
die  Hakenplatte  (h)  weist   bei  schon  stark  thätigen   Gliedern  nur 
einen  Zahn  auf,  doch  zeigen  erst  im  Entstehen  begriffene  Platten 
(h^),  dass  ursprünglich  2  gänzlich  getrennte  und  gleich  grosse  Spitzen 
herauswachsen.    Später  bildet  sich  zwischen  beiden  eine  Chitinbrücke. 
Dann   bleibt   die   äussere   Spitze  im  Wachsthum   hinter   der   Innern 
mehr  und   mehr  zurück,   um   schliesslich   durch  Abnutzung   bis  auf 
einen   unbedeutenden   Vorsprung    gänzlich    zu   verschwinden.     Der 
Seitenflügel  ist  klein  und  annähernd  rechteckig  mit  geringer  Ein- 
buchtung der  hintern  Kante.    Die  Seitenplatte  (s)  ist  lang  uud  schmal. 
Die  Darm  Windungen  (Fig.  9)   entsprechen  im  AVesentlichen 
der  Beschreibung   und  Abbildung,    wie   sie  Plate   für  Ischnochifon 
varians  giebt,   sind   also   dem  HanJeya-Tyims  und  zwar  dem  Seiten- 
zweig 1^  desselben  (21,  p.  446  ff.)  zuzurechnen.    Besonders  hervor- 
gehoben sei  noch,  dass  der  erste,  vom  Magen  aus  rechts  nach  hinten 
verlaufende  Abschnitt  (d^)  sich  durch  seine  Dicke  scharf  gegen  den 
zweiten  {d-}  absetzt,   w^elcher  an   der  linken  Leibeshöhlen  wand  die 
erste  Schlinge  bildet,  w^ährend  d-  seinerseits  nach  kurzem  Verlauf 
eine  beuteiförmige  Auftreibung  (li)  zeigt,  die  sich  bei  mehreren  darauf 
hin  untersuchten  Exemplaren  an  derselben  Stelle  vorfand,  also  für  keine 
individuelle  oder  pathologische  Abweichung  gelten  kann,  deren  Epithel 
sich  jedoch  histologisch  von  dem  des  übrigen  Darms  nicht  unterschied. 
Bezüglich   der  Nieren   konnte   ich   nur  feststellen,    dass  die 
Hauptnierengänge  nach  vorn  bis  zur  Kopffussfurche  reichen,  Fuss- 
nierengänge  aber  fehlen. 

Die  Eischale  (Fig.  10,  a  u.  h)  hat  eine  ähnliche  Beschaffenheit, 
wie  dies  von  Ihering  für  die  von  Chiton  squamosus  (15,  p.  134  ff.) 
beschreibt,  d.  h.  sie  ist  mit  einem  dichten  Wald  von  Stacheln  be- 
setzt. Bei  der  vorliegenden  Art  sind  jedoch  die  Stacheln  winzig 
klein  und  dünn,  so  dass  man  nur  bei  sehr  starker  Vergrösserung 
ein  genaueres  Bild  von  ihnen  gewinnt.  Sie  erinnern  dann  auffällig 
an  die  erst  halb  erschlossene  Blüthe  einer  Tulpe  mit  sehr  dünnem 
Stiel  (Fig.  10  b);  in  den  weitaus  meisten  Fällen  sind  an  dem  Kelch 
nur  2  Zacken  sichtbar,  mitunter  jedoch  konnte  ich  auch  deren  3 
wahrnehmen,  und  ich  vermuthe,   dass   die  Zahl  der  Spitzen  wohl 


Pacifische  Chitonen.  599 

ebenso  wie  bei  Chiion  sriuanwsus  5  betragen  wird.  AVie  schon  er- 
wähnt, ist  der  Stiel  der  Stacheln  sehr  dünn  und  verhältnissmässig- 
lang,  wodurch  er  eine  grosse  Biegsamkeit  erhält,  so  dass  die  Stacheln 
auf  der  Eioberfläche  einen  dichten  Filz  bilden,  in  welchem  die 
einzelnen  Stacheln  sich  nach  allen  Eichtungen  hin  neigen  und  unter 
einander  kreuzen.  An  der  Basis  verbreitern  sich  die  Stiele  der 
Stacheln  um  ein  weniges. 

Familie  Mopaliidae. 

3.   3IopalU(  niuscosa  Gould. 

Von  dieser  Species  enthielt  die  Sammlung  nur  1  männliches 
Exemplar,  welches  von  Herrn  Prof.  Schauinsland  von  Bare  Island 
mitgebracht  wurde.  Die  Länge  betrug  48  mm,  die  Breite  41  mm. 
PiLSBRY  (26,  p.  303  u.  304j  giebt  5  sehr  verschiedene  Abbildungen 
derselben  kvt,  und  es  scheint  danach  hier  eine  besonders  grosse 
Variabilität  zu  herrschen.  Das  mir  vorliegende  Exemplar  ist  stark 
erodirt,  daher  die  Farbe  der  Schale  nicht  mehr  festzustellen.  Jeden- 
falls steht  es  der  var.  ivosnessenkii  ferner  als  der  typischen  Form.  — 
Die  Insertionsplatten  fand  ich  geschweifter,  als  sie  Pilsbry  abbildet. 
Im  Uebrigen  giebt  Plate  (21,  p.  307  if.)  eine  sehr  zutreffende  Be- 
schreibung, die  ich  in  fast  allen  Punkten  bestätigen  kann  und  auf 
welche  ich  daher  verweise. 

An  K  i  e  m  e  n  zählte  ich  rechts  38,  links  37,  also  etwas  weniger 
als  Plate  ;  sie  beginnen  beim  Intersegmentum  1/2.  Die  ersten  6 — 8 
sind  winzig  klein  und  hell  gelb  gefärbt,  von  da  an  nach  hinten  ver- 
doppelt sich  ihre  Länge  plötzlich ,  um  nach  hinten  zu  weiter  con- 
tinuirlich  an  Grösse  zuzunehmen  und  mit  der  zehntletzten  Kieme 
ungefähr  die  beträchtliche  Maximallänge  von  5—6  mm  zu  erreichen. 
Von  hier  an  nehmen  die  Kiemen  wiederum  continuirlich  an  Länge 
ab  und  endigen  in  der  Querebene  des  Intersegmentums  6/7,  sind 
also  holobranch  und  abanal.  —  In  Bezug  auf  die  Lage  der  Pori  des 
Geschlechtsapparats  und  der  Niere  liegt  hier  das  seltene  Verhalten 
vor,  dass  sich  beide  dicht  neben  einander  in  derselben  Querebeue 
zwischen  der  letzten  und  vorletzten  Kieme  und  zwar  um  1  und  IV2  nim 
nach  innen  von  den  Kiemen  befinden. 

Die  Lateralfalte  bildet  keine  Lappen. 

Was  den  Pharjnigealapparat  anlangt,  so  kann  ich  die  Angaben 
Plate's  ebenfalls  bestätigen,  doch  fand  ich,  was  Plate  nicht  er- 
wähnt,  die  Ventralfläche  der  Mundhöhle  in  zahlreiche  drüsige  Aus- 

4Ü* 


ßOO  CüET    VON    WiSSEL, 

sackuiigen  ausgezogen  (Fig.  11),  welche  ventral wärts  das  Subradular- 
organ  verdecken.  Die  vorliegende  Art  verhält  sich  hierin  also  ebenso, 
wie  dies  Plate  auch  für  Cryptoconchus  porosus  Bueeow  beschrieben 
hat  (21,  p.  322). 

Die  R  a  d  u  1  a  zeigt  die  Verhältnisse,  wie  sie  Thiele  (25.  p.  396) 
für  Mopalia  Imiclsi  schildert,  aber  auch  die  von  diesem  Autor  für 
Mopalia  muscosa  dargestellten  Zähne  sind  naturgetreu.  Da  im  üebrigen 
beide  Figuren  einander  sehr  ähnlich  sind,  dürfte  es  sich  thatsächlich, 
wie  PiLSBRY  will,  um  dieselbe  Art  in  verschiedenen  Varietäten  handeln. 

Die  Darm  schlingen  sind  aus  der  Abbildung  (Fig.  11)  er- 
sichtlich, sie  sind  etwas  complicirter.  als  dies  Plate  darstellt,  ins- 
besondere bildet  cP  eine  Schlinge  mehr. 

Die  H  a  u  p  t  n  i  e  r  e  n  g  ä  n  g  e  reichen  nach  vorn  bis  zur  Kopffuss- 
furche,  nach  hinten  jederseits  bis  zum  After.   Fussnierengänge  fehlen. 

4.    CJiaetoxyleura  Jiahni  Rochebr.  (^  Flaxiphora  seiiger 
YouNG,  Miss  Cap  Hörn). 

Zahlreiche  Exemplare  von  T  e  One  und  Red  Bluff  auf  den 
C  h  a  t  h  a  m  - 1  n  s  e  1  n  durch  Herrn  Prof.  Schauinsland  und  1  Exemplar 
von  Neuseeland  von  Herrn  Prof.  Thilenius  gesammelt.  Diese  Art 
hat  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  nachbeschriebenen  Plaxipliora 
setiger  King,  so  dass  Plate  (21,  p.  291  Anm.)  sogar  bestimmt  an- 
nimmt, es  handle  sich  um  ein  und  dieselbe  Species.  Leider  stand 
mir  von  Flaxiphora  setiger  King  nur  ein  und  noch  dazu  stark  ab- 
geriebenes Exemplar  zur  Verfügung,  so  dass  ich  in  Bezug  auf  die 
Schale  nicht  in  der  Lage  w^ar,  ausschlaggebende  Unterschiede  fest- 
zustellen. Aber  durch  die  Vergieichung  der  Hartgebilde  des  Mantels 
wird  .jeder  Zweifel  an  der  Artverschiedenheit  ausgeschlossen,  wie 
ich  weiter  unten  und  bei  Beschreibung  von  PJaxiplwra  setiger  King 
des  weitern  ausführen  werde. 

Das  grösste  Exemplar  hatte  eine  Länge  von  33  mm  und  eine' 
Breite  von  22  mm,  das  kleinste  eine  Länge  von  5  mm  und  eine 
Breite  von  3  mm.  Die  Färbung  der  Schalen  ist  sehr  variabel,  ent- 
spricht aber  im  AVesentlichen  der  Beschreibung  und  den  Abbildungen 
Pilsbry's  (26,  tab.  67,  Fig.  37,  38).  Aus  der  Schilderung,  wie  sie 
Plate  giebt  und  die  für  die  vorliegende  Art  sehr  zutreffend  ist, 
geht  hervor,  dass  die  von  diesem  Forscher  untersuchten  Exemplare 
meiner  Ansicht  nach  nicht  Plaxipliora  setiger  King,  sondern  Chaeto- 
pleura  lialmi  Rochebr.  waren.  Die  Grundfarbe  der  Schalen  ist  in 
den   meisten  Fällen   gelbbraun    oder    auch   graublau.     Auf   diesem 


Pacifische  Chitonen.  601 

Grunde  weisen  die  meisten  Schalen  scliwarzbraune  oder  schwarz- 
grüne Läng-sstreifen  namentlich  im  ^Mittelfelde  auf.  In  vielen  Fällen 
herrscht  die  Grundfarbe  mehr  vor.  und  die  Streifen  machen  mehr 
den  Eindruck  von  Spritzflecken ,  oder  aber  letztere  werden  breiter 
und  breiter,  so  dass  umgekehrt  die  Grundfarbe  nur  noch  in  Gestalt 
einiger  kleiner  Flecken  zu  Tage  tritt  und  die  Schale  dann  beinahe 
ganz  braun  oder  schwarzgrün  erscheint.  Einige  sehr  kleine  Exemplare 
hatten  eine  einfarbig  weisslich  graue  Schale  (Fig.  12).  —  Was  die 
Sculptur  der  Schale  anlangt,  so  ist  die  Beschreibung,  welche  Plate 
für  FJaxipliora  setiger  Kino  giebt,  ebenfalls  genau  für  die  vorliegende 
Art  zutreffend.  Grössere  Thiere  haben  meist  stark  abgeriebene 
Schalen,  so  dass  ihre  Sculptur  hier  weniger  gut  festgestellt  werden 
kann  als  bei  Jüngern  und  kleinern.  —  Die  erste  Schale  weist  8 — 10 
radiale  Rippen  auf.  welche  bei  grossen  Thieren  mitunter  sehr  wenig 
hervorü'eten  und  eine  in  sich  glatte  Linie  darstellen.  Bei  jungen 
Thieren  jedoch  erkennt  man,  dass  sie  sich  ebenso  wie  die  Diagonal- 
linien der  ]\rittelschalen  aus  einer  Eeihe  von  scharf  ausgeprägten 
Buckeln  zusammensetzen  (Fig.  12).  Ich  muss  hierin  Plate  (21,  p.  291) 
widersprechen,  welcher  der  Ansiclit  ist,  dass  diese  Buckel  nie  die 
Grösse  erreichen,  wie  sie  Rochebrune  in  einer  Zeichnung  von  Chaeto- 
pleum  halini  darstellt,  trotzdem  ich  diese  Zeichnung  nicht  gesehen 
habe.  Denn  das  sehr  junge  in  meiner  Zeichnung  (Fig.  12)  darge- 
stellte Exemplar  zeigte  die  Buckel  so  stark  hervortretend  und  scharf 
ausgeprägt,  dass  eine  Steigerung  in  dieser  Hinsicht  kaum  möglich  ist. 
Auch  die  Beschreibung  von  Plate  für  den  Mantel  von  Pla.iiphora 
setigerKi^G  passt  genau  für  den  Mantel  der  hier  behandelten  Art,  während 
der  des  einzigen  von  mir  als  FJaxwliora  setiger  King  recognoscirten 
Exemplars  in  Bezug  auf  seine  Hartgebilde  von  durchaus  abweichen- 
der Beschaffenheit  ist,  wie  noch  bei  Beschreibung  dieser  Species  zu 
erörtern  sein  wird.  —  Hier,  bei  ChaefopJeura  JiaJnn',  habe  ich  wie 
Plate  3  Arten  von  Hartgebilden  des  ]\Iantels  angetroffen,  nämlich: 
1.  auf  der  Dorsalseite  grosse  Chitinborsten  (Fig.  13  ho),  welclie  ein- 
mal in  Büscheln  intersegmental  zwischen  je  2  Schalen  in  geringem 
Abstand  von  denselben  angeordnet  sind,  zweitens  dünn  verstreut 
und  einzeln  stehen  oder  auch  zu  kleinern  Büscheln  vereinigt  auf 
die  übrige  Manteloberfläche  vertheilt  sind,  und  drittens  dicht  ge- 
drängt den  Rand  des  Mantels  wimperartig  umsäumen.  In  die  Spitze 
sämmtlicher  Borsten,  so  weit  sie  unversehrt  war,  habe  ich  stets  einen 
kleinen  Kalkstachel  eingelassen  gefunden.  Die  Färbung  der  Borsten 
ist  blass  gelblich  nach  der  Spitze   zu  heller  Averdend.  —  Zwischen 


QQ2  CURT   VON   WiSSEL. 

diesen  Borsten  findet  sich  2.  eine  grosse  Menge  kleiner,  meist 
brauner,  gelber  oder  auch  ungefärbter  Kalkstacheln  (Fig.  13  u.  13a 
st),  welche  der  Oberseite  des  Mantels  die  hellere  oder  dunklere 
braune  Färbung  verleihen.  Diese  Stacheln  sind  zwar  sehr  zahlreich, 
bedecken  jedoch  nicht  die  ganze  Manteloberfläche.  Sie  stecken  in 
kleinen  Bechern,  an  denen  ich  einen  Zapfen  nicht  entdecken  konnte. 
Bisweilen  können  sie  so  klein  sein,  dass  sie  nur  noch  winzige  runde 
Körnchen  darstellen.  Bei  den  grossem  ist  das  braune  oder  gelbe 
Pigment  stets  auf  die  untern  zwei  Drittel  beschränkt,  während  die 
Spitze  der  Stacheln  farblos  und  glashell  erscheint.  Eine  besondere 
Structur  habe  ich  an  den  Stacheln  nicht  wahrgenommen.  3.  Mit 
etwa  3  mal  so  langen  dichtstehenden  Kalkstacheln  ist  die  Ventral- 
seite des  Mantels  besetzt  (Fig.  13  st^).  Die  Stacheln  sind  meist  von 
gelblicher  bis  bräunliclier  Farbe,  wennschon  sich  auch  farblose  in 
grosser  Anzahl  darunter  finden.  Am  Mantelrande  verdoppeln  sie 
ihre  Länge  und  bilden  so  nach  aussen  eine  dichte  Stach elpalissade, 
welche  sich  schützend  über  den  Basaltheil  der  oben  erwähnten  rand- 
ständigen Chitinborsten  legt.  Vermuthlich  haben  wir  in  sämmtlichen 
Chitinborsten  Tastwerkzeuge  zu  erblicken,  und  spätere  Unter- 
suchungen würden  festzustellen  haben,  ob  sie  mit  einem  Nerven  in 
Verbindung  stehen  oder  nicht.  Auch  die  Ventral-  und  Eandstacheln 
besitzen  einen  kleinen  Becher,  welcher  ebenfalls  des  Zapfens  ent- 
behrt (Fig.  13b  st^).  Die  Spitze  der  Stacheln  hat  eine  zarte  Längs- 
streifung.  —  "Wie  der  Leser  sieht,  deckt  sich  meine  Beschreibung 
der  Hartgebilde  des  Mantels  der  vorliegenden  xlrt  durchaus  mit  der 
Plate's  für  Plaxiphora  setiger  King. 

Kiemen  waren  jederseits  45—47  vorhanden,  sie  reichen  von 
der  Kopffussfurche  an  nach  hinten  bis  zur  Querebene  des  Afters, 
ohne  an  diesen  heranzutreten.  Die  letzten  waren  stets  die  grössten, 
ihre  Anordnung  ist  daher  als  holobranch  und  abanal  zu  bezeichnen. 
Der  Nierenporus  befand  sich  stets  zwischen  Kieme  1/2,  der  Genital- 
porus  bei  einem  Exemplar  links  zwischen  Kieme  5/6,  rechts  zwischen 
Kieme  3/4,   bei  einem  andern  rechts  und  links  zwischen  Kieme  3/4. 

Die  Lateral  falte  ist  breit,  aber  ohne  Lappen. 

Osphradien  fehlen. 

In  Bezug  auf  die  ßadula  ist  zu  bemerken,  dass  die  Mittel- 
platte (Fig.  14  m)  von  ansehnlicher  Grösse  und  Breite  ist  und  eine 
runde  Schneide  ohne  Einbuchtungen  besitzt.  Die  Zwischenplatte  (^) 
ist  1^2  ^^^  *^o  lang  wie  die  Mittelplatte  und  hat  einen  zalin- 
artigen  Vorsprung  auf  der  Aussenseite.    Die  Hakenplatte  (//)  hat 


Pacifische  Chitoueu.  603 

3  Zähne,  von  denen  der  mittelste  der  längste  ist.  ihr  Stiel  besitzt 
einen  kleinen  Üügelartigen  Fortsatz  an  seiner  Innern  .Seite.  Die 
Seitenplatte  (s)  ist  schmal  und  lang  und  wenig  gebogen. 

Der  Situs  viscerum  ist  aus  der  Abbildung  Fig.  15  ersicht- 
lich und   schon  von  Plate  (21.  p.  195)   richtig  beschrieben  worden. 

Ebenso  wenig  weiss  ich  der  Schilderung  Plate's  bezüglich  der 
übrigen  Organsysteme  etwas  hinzuzusetzen.  Auch  die  Schilderung, 
welche  dieser  Autor  von  der  Eischale  (21,  p.  296 — 97)  giebt,  habe 
ich  an  meinen  Präparaten  durchaus  bestätigt  gefunden,  begnüge  mich 
daher  damit,  auf  das  genannte  Werk  hinzuweisen. 

5.    Plaxiphora  setigev  King  (Emerton  et  Rossdell). 

1  Exemplar  vom  French-Pass  durch  Herrn  Prof.  Schau- 
ixsLAND   gesammelt.    Die  Länge  betrug  45  mm,   die  Breite  33  mm. 

Die  Structur  der  Schale  war  in  Folge  sehr  starker  Erosion 
nicht  mehr  zu  erkennen,  ihre  Farbe  scheint  in  der  Hauptsache  stahl- 
blau gewesen  zu  sein.  Im  Uebrigen  passt  die  Beschreibung  und  Ab- 
bildung Pilsbry's  (26,  p.  316 — 17)  ausgezeichnet.  Wenn  er  den 
Mantel  folgendermaassen  charakterisirt :  „Cxirdle  rather  wide,  leatherj', 
having  at  each  suture  a  small  pore  bearing  several  long  corneous 
bristles,  and  with  one  or  two  more  or  less  irregulär  series  of  bristle- 
bearing  pores  on  the  surface  of  the  girdle,  and  a  more  or  less  dense 
clothing  of  small  soft  hairs  over  its  outer  part",  so  passt  diese  Be- 
schreibung vollkommen  zu  den  von  mir  gemachten  Beobachtungen. 
Nur  die  letzte  Angabe,  die  mehr  oder  weniger  dichte  Bedeckung  mit 
dünnen  weichen  Haaren,  trifft  für  mein  Exemplar  nicht  zu,  da  dessen 
Mantel  bis  auf  zwei  Reihen  von  Borstenbüscheln  und  die  wimper- 
artigen Randborsten  durchaus  glatt  ist.  Aber  Pilsbry  sagt  in  Bezug 
auf  diesen  Punkt  selbst  „more  or  less",  und  so  kann  diese  geringe 
Abweichung  nicht  Ausschlag  gebend  für  die  Beurtheilung  sein,  ob  wir 
hier  eine  andere  Species  vor  uns  haben  oder  nicht. 

Von  Hartgebilden  wies  der  Mantel  3,  eventuell  4,  Arten  auf: 
nämlich  1.  auf  seiner  Dorsalseite  lange  Chitinborsten  (Fig.  16  h,  h), 
welche  sich  folgendermaassen  auf  seiner  Oberfläche  vertheilen :  a)  In 
Poren  intersegmental  zwischen  je  2  Schalen,  sowie  in  5  Poren 
im  Umkreis  vor  der  ersten  und  2  Poren  hinter  der  letzten  Schale 
wurzelt  je  eine  sehr  starke  und  lange  Borste,  zuweilen  finden  sich 
auch  deren  zwei.  —  b)  Ein  zweiter  borstentragender  Porenkranz 
findet  sich   in   einer  Entfernung  von  ca.  2  mm   vom  Mantelrande. 


ß04  CUKT   VON   "WiSSEL, 

Diese  Poren  sind  bei  weitem  zahlreicher  und  stehen  auch  dichter 
als  die  vorerwähnten  den  Schalenrand  einfassenden.  Sie  stehen  in 
Intervallen  von  2^1^  his  A^^j^  mm  und  auch  in  ihnen  wurzeln  je  1  bis 
2  starke  Borsten.  Endlich  findet  sich  noch  c)  in  unmittelbarer  Nähe 
des  Mantelrandes  ein  dritter  Kranz  von  Chitinborsten,  welche  aber 
bedeutend  schwächer  und  kürzer  sind  als  die  beiden  oben  genannten 
Kategorien  und  in  ihrer  überwiegenden  Mehrzahl  auch  nicht  auf 
Poren  wurzelnd  regelmässig  vertheilt  sind,  sondern  vielmehr  in  un- 
gleich dichterer  Anordnung  den  Rand  wimperartig  umsäumen.  Einige 
dieser  Eandborsten,  es  sind  dies  meist  etwas  stärkere,  können  wieder- 
um etwas  mehr  nach  innen  gerückt  sein  und  aus  Poren  einzeln  oder 
zu  zweit  entspringen.  Sie  bilden  so  eine  vierte  Eeihe,  welche  unge- 
fähr 1  mm  vom  Rande  entfernt  ist.  Jedoch  treten  diese  nur  un- 
regelmässig auf.  so  dass  man  sie  ebensogut  auch  den  Randwimpern 
zuzählen  kann.  —  Die  Structur  der  Borsten  ist  dieselbe  wie  bei 
Chaetopleura  hahni,  aber  sie  tragen  nur  zum  Theil  an  ihrer  Spitze 
einen  Kalkstachel,  ein  anderer  Theil,  und  zwar  ebensowohl  grosse 
wie  kleine,  endigt  mit  unbewaffneter  Spitze  (Fig.  16  b,  h).  Die 
Wurzeln  der  Borsten  senken  sich  tief  in  das  darunter  liegende  Mantel- 
gewebe ein  und  stecken  hier  in  einem  weiten  taschenförmigen  Becher 
(&^,  &^).  Bei  starker  Vergrösserung  zeigen  die  Borsten  eine  zarte 
Längs-  sowohl  wie  Querstreifung,  welche  beide  nach  der  farblosen 
Spitze  zu  allmählich  verstreichen  und  undeutlich  werden.  —  Die 
-zweite  Sorte  von  Hartgebilden  des  Mantels  wird  durch  kleine  gelb- 
liche Kalkstacheln  repräsentirt  (Fig.  16  st),  welche,  soweit  man  von 
wirklich  ausgebildeten  Stacheln  reden  kann,  ausschliesslich  seiner 
Ventralseite  angehören.  Sie  erreichen  eine  Länge  von  20 — 24  /« 
und  eine  Breite  von  6—8  //,  nehmen  aber  nach  dem  Mandelrande  zu 
ständig  an  Grösse  ab,  wo  sie  in  ihrer  Neuanlage  nur  kleine,  runde, 
granulirte  Körnchen  von  gelblicher  Farbe  repräsentiren  (st^).  An 
grössern  Stacheln  (Fig.  16  a  sf)  kann  man  deutlich  einen  kleinen 
farblosen  Becher  unterscheiden,  welcher  jedoch  einen  Zapfen  ver- 
missen lässt.  Das  in  diesem  Becher  steckende  basale  Ende  des 
Stachels  ist  meist  von  dunkel  gelber  Farbe,  welche  nach  der  Mitte 
zu  allmählich  heller  wird,  während  die  Spitze  des  Stachels  ganz 
farblos  ist  und  eine  zarte  Längsriefung  erkennen  lässt.  Die  An- 
ordnung der  Stacheln  zeigt  die  Tendenz  zu  Bildung  radiärer  Reihen, 
doch  bedecken  sie  nicht  geschlossen  die  ganze  Manteloberfläche, 
sondern  lassen  die  Cuticula  zwischen  sich  frei  hervortreten.  Während 
das  Auftreten  dieser  Stacheln  im  ausgebildeten  Zustand  also  ledig- 


Pacifische  Chitonen.  ß05 

lieh  auf  die  Veutralseite  des  Mantels  beschränkt  ist.  fehlen  sie  in 
ihrer  Erstanlage  anch  der  Dorsalseite  nicht.  Äer  bleiben  sie  je- 
doch auf  dem  Stadium  der  kleinen,  runden,  gelblichen  Körnchen 
stehen  (Fig.  16  sf~),  als  welche  wir  sie  schon  am  Eande  der  Ventral- 
seite kennen  gelernt  haben  (sP).  Sie  entwickeln  sich  auf  der  Dorsal- 
seite nicht  mehr  zu  Stacheln,  sondern  sind  offenbar  rudimentär  ge- 
worden. Ferner  ist  ihr  Auftreten  hier  scheinbar  ein  spärlicheres 
als  auf  der  Ventralseite,  denn  auf  dem  Rücken  finden  sie  sich  nur 
unregelmässig  zerstreut.  Denkt  man  sicli  jedoch  die  Körnchen  zu 
Stacheln  von  der  Grösse  der  Bauchstacheln  ausgewachsen,  so  erkennt 
man  sogleich,  dass  ihre  Häufigkeit  der  der  Ventralstacheln  kaum 
etwas  nachgiebt,  dass  vielmehr  die  Erstanlage  hier  wie  dort  die 
gleiche  ist. 

Die  dritte  Sorte  von  Hartgebilden  ist  der  Ober-  und  Unterseite 
des  Mantels  in  gleicher  Weise  gemeinsam.  Es  sind  dies  mikro- 
skopisch kleine,  form-  und  farblose  Kalkkörnchen  (Fig.  16  Je,  Je),  welche 
auf  der  Ventralseite  die  Lücken  zwischen  den  Stacheln  ausfüllen, 
während  sie  auf  der  Dorsalseite  in  gleicher  Weise  zwischen  den 
rudimentären  Stacheln  verstreut  sintl.  Auch  der  Cuticula  der  Chitin- 
borsten sind  sie  hier  eingelagert.  Da  die  rudimentären  Stacheln 
sowohl  wie  die  Kalkkörnchen  erst  bei  stai^ker  Vergrösserung  sicht- 
bar werden,  so  macht  die  Manteloberfläche  thatsächlich,  wie  Pilsbey 
sagt,  einen  glatten,  lederartigen  Eindruck. 

Die  Zahl  der  Kiemen  betrug  rechts  47,  links  49.  Sie  beginnen 
vorn  an  der  Kopffussfurche  und  endigen  hinten  am  Intersegment  6/7, 
und  zwar  sind  die  hintersten  die  grössten,  so  dass  also  ihre  An- 
ordnung als  holobranch  und  abanal  zu  bezeichnen  ist.  Die  Ge- 
schlechtsöfihung  befand  sich  rechts  wie  links  zwischen  Kieme  3/4. 
Die  Lage  des  Nierenporus  konnte  ich  nicht  ermitteln. 

Die  Lateralfalte  ist  massig  breit  und  bildet  keine  Lateral- 
lappen. Nach  hinten  wird  sie  allmählich  schmäler  und  betheiligt 
sich  schliesslich  an  der  Bildung  des  Sinus,  in  welchem  sie  ihr  Ende 
findet,  ohne  dass  ihre  beiderseitigen  Hälften  in  einander  übergehen 
(Fig.  17  f). 

Der  Schlundapparat  bietet  wenig  Bemerk enswerthes  dar. 
Erwähnt  sei  nur,  dass  die  Speicheldrüsen  ziemlich  gross  und  in 
mehrere  Lappen  verästelt  sind. 

Die  R  a  d  u  1  a  ähnelt  am  meisten  der  Abbilduug,  wie  sie  Thiele 
(25,  tab.  32,  19  und  19  a)  von  PlaxipJiom  biramosa  giebt.  Namentlich 
die  Mittelplatte  (Fig.  18  m)  stimmt  fast  genau  damit  überein.    Ihre 


606 


CURT   VON    WiSSEL, 


Kante  ist  Slappig-  ausg-e buchtet,  und  die  Schneide  zeig't  in  der 
3Iitte  eine  kleineJEinkerbimg.  Auch  die  Zwischenplatte  (5)  zeigt 
Aehnlichkeit  mit  der  von  Thiele  dargestellten,  nur  ist  hier  die 
Schneide  gerader,  und  der  Flügel  ist  auf  die  untere  Hälfte  be- 
schränkt. Die  Hakenplatte  (//)  ist  Szähnig,  und  zwar  ist  der 
oberste  Zahn   etwas  schwächer  als  der  unterste  und  der  Mittelzahn 

weitaus  der  stärkste. 

Die  Lagerung  der  Darmschlingen 
ist  aus  nebenstehender  Textabbildung 
(Fig.  A),  in  welcher  der  Darm  als 
einfache  Linie  von  der  Bauchseite 
aus  betrachtet  dargestellt  ist,  zu  er- 
sehen. Der  Typus  ist  derselbe  wie 
bei  Chaetopleura  haJini,  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  bei  dieser  Art  sich  an 
cV  sofort  die  hintei'  dem  Magen 
liegende    Schlinge    d^    und    d^    an- 

V\l*4 ^^y  /  J  schliesst,    während    hier    der   Darm 

\'\"^''^  /  /  zunächst  eine  weitere  Schlinge,   d^ 

und  fF,  beschreibt,  ehe  er  den  An- 
schluss  an  «?*  erreicht. 

Die    H  a  u  p  t  n  i  e  r  e  n  g  ä  n  g  e 

reichen  nach  vorn  bis  zur  Kopffuss- 

furche;  Fussnierengänge  fehlen. 

Die  Eischale  ist  der  der  vorbeschriebenen  Art  durchaus  gleich, 

so  dass  die  Beschreibung  Plate's  derselben  auch  für  die  vorliegende 

Species  maassgebend  ist. 

Osphradien  sind  nicht  vorhanden. 

6.  Flaxlpliora  (fJauca  Quoy  et  Gaimabd. 

Von  dieser  Art  stand  mir  nur  ein  männliches  Exemplar  zur 
Verfügung,  welches  Herr  Prof.  Schauinsland  vom  French-Pass 
mitbrachte.  Die  Länge  desselben  betrug  28,  die  Breite  18  mm.  Die 
Beschreibung  Pilsbey's  (26,  p.  325 — 26)  ist  bis  auf  die  Farbe  des 
Gürtels  in  allen  Punkten  zutreffend.  Bei  meinem  Exemplar  ist  der- 
selbe von  blass  gelblicher  Farbe,  vermuthlich  weil  der  Alkohol  den 
ursprünglichen  Farbstoff  ausgezogen  hat.  Der  Mantel  ist  verhält- 
nissmässig  breit  und  misst  in  der  Mitte  des  Thieres  jederseits  5  mm, 
während  die  Mittelschulpen  nur  8 — 9  mm  Breite  haben.  Die  Schalen 
sind  glatt  und  glänzend;  die  erste  hat  8  Schlitze,  die  mittlem  je 


Pacifische  Chitonen.  607 

einen;  die  grossen  Insertionsplatten  der  letzten  sind  ohne  Schlitze 
und  vereinigen  sich  hinten  zu  einem  dicken,  in  der  Mitte  zu  einem 
Sinus  ausgeschweiften  Wall.  Der  Kiel  der  Schalen  (Fig.  19)  ist 
abgerundet  und  tritt  wenig  hervor;  auch  die  Diagonallinien  sind 
nur  eben  angedeutet.  Ueberhaupt  entbehrt  die  Schale,  abgesehen 
von  den  schon  mit  Lupe  deutlich  sichtbaren  Zuwachsliuien,  jeglicher 
Sculptur.  Die  Farbe  ist  in  der  Hauptsache  gleichmässig  schwarz- 
braun, der  Kiel  heller  braun,  jederseits  am  Rande  durch  eine 
schmale  olivgrüne  Linie  eingefasst.  Auf  den  Seitenfeldern  sind 
endlich  noch  kleine  blaugrüne  Flecke  schon  mit  blossem  Auge  er- 
kennbar. 

Der  Mantel  ist  oben  wie  unten  hell  weisslich-gelb.  Seine 
Eückenseite  ist  in  ganzer  Ausdehnung  gleichmässig  mit  kürzern  und 
längern  gelblichen  Chitinborsten  (Fig.  20  &,  h  und  h\  h'^)  besetzt, 
welche  einzeln  und  zu  Büscheln  von  2—4  aus  zahlreichen  Poren 
hervorwachsen,  so  dass  die  Manteloberfläche  ein  spongiöses  Aussehen 
erhält  (Fig.  19).  Am  Mantelrande  bilden  diese  Borsten,  welche  hier 
dünn  und  kurz  sind,  einen  dichten  AMmperkranz.  Jede  Borste 
trägt  an  ihrer  Spitze  einen  kleinen  Kalkstachel,  während  sie  mit 
ihrer  breiten  Basis  tief  in  das  Mantelgewebe  eingesenkt  ist  und 
in  einer  glashell  durchscheinenden,  becherartigen  Tasche  steckt 
(Fig.  20  h  h),  wie  ich  sie  schon  bei  den  Borsten  von  Flaxiphora 
setiger  King  beschrieben  habe.  Den  Kalkstachel  habe  ich  bei 
jeder  unversehrten  Borste  nachweisen  können,  es  scheint  dem- 
nach hier  keine  stachellosen  Borsten  zu  geben.  Bei  sehr 
kleinen  Härchen  (ö\  ft^)  sieht  man  den  Kalkstachel  als  kleines  rundes 
Körnchen  an  ihrer  Spitze  im  Entstehen  begriifen,  und  auch  die  Basal- 
tasche ist  hier  nur  klein  und  im  Querschnitt  halbmondförmig. 

Ausser  den  eben  beschriebenen  Borsten  besitzt  die  Mantelober- 
seite noch  eine  zweite  Art  von  Hartgebilden.  Es  sind  dies  winzig 
kleine  Kalkstacheln,  welche  lose  verstreut  den  Raum  zwischen  den 
Borsten  ausfüllen  (Fig.  20  st,  st).  Trotz  ihrer  geringen  Grösse  (ihre 
Länge  variirt  zwischen  3 — 4  (.i,  ihre  Breite  zwischen  2 — 3  u)  sind 
es  doch,  wie  uns  eine  starke  Vergrösserung  lehrt,  wohlausgebildete 
Stacheln,  welche  sowohl  einen  Schaft  wie  einen  Becher  erkennen 
lassen.  Ein  Zapfen  liess  sich  jedoch  an  letzterm  nicht  nachweisen. 
Ab  und  zu  findet  sich  zwischen  diesen  typischen  Stacheln  auch  ein 
rundes,  gelbliches  Kalkkörnchen  (Fig.  20  A-),  welches  hier  wohl  die 
Erstanlage  eines  Stachels,  nicht,  wie  bei  Pla.riphora  setiger  King, 
einen   rudimentären  Stachel   vorstellt.     Der   Schaft  jedes   Stachels 


6(38  CURT    VON   WiSSEL, 

lässt  ein  zart  gelbliches  Inneres  erkennen,  welches  meist  von  einer 
glashellen  Contur  umgeben  ist,  mitunter  sich  jedoch  auch  bis  zur 
Spitze  erstreckt.  —  Die  Ventralseite  des  Mantels  weist  nur  eine 
Art  von  Hartgebilden  auf,  nämlich  dicht  gedrängt  stehende,  einander 
dachziegelartig  deckende  Kalkstacheln  (Fig.  20  st^,  sf^),  welche  eine 
Länge  von  9 — 12  und  eine  Breite  von  4 — 5  jf<  aufweisen.  Auch  ihre 
Farbe  ist  blass  gelblich,  vorn  laufen  sie  entweder  spitz  aus  öder 
breit  abgestutzt,  doch  ist  es  mir  nicht  klar  geworden,  ob  es  sich  in 
letztem!  Falle  um  die  natürliche  Endigung  handelt  oder  ob  nicht 
vielleicht  die  Spitze  abgebrochen  ist.  Bei  starker  Vergrösserung 
lässt  sich  an  jedem  Stachel  leicht  eine  Längsrief elung  und  ausserdem 
eine  zarte  Querstreifung  erkennen  (st^). 

Die  Kiemen  erstrecken  sich  von  der  Kopffussfurche  nach  hinten 
bis  zum  Intersegment  7/8,  die  letzten  sind  die  grössten.  Die  Nieren- 
öffnung befand  sich  zwischen  Kieme  1/2,  die  Geschlechtsöffnung  zwischen 
Kieme  4/5,  die  Anordnung  der  Kiemen  ist  also  holobranch  und  abanal. 
Die  Lateral  falte  ist  massig  breit  und  zieht,  ohne  wesentlich 
schmäler  zu  werden,  continuirlich  hinter  dem  Anus  herum. 

Die  Radula  (Fig.  21)  hat  eine  Mittelplatte  (m),  deren  Aussen- 
rand  ebenso  wie  die  Schneide  einfach  convex  ist,  ohne  irgend  welche 
Einkerbungen  zu  zeigen.  Unter  der  Mitte  verläuft  eine  schmale 
Basalleiste,  welche  die  Platte  nach  hinten  in  Gestalt  eines  kleinen 
Dornes  überragt.    Die  Zwischenplatte  (s)  ist  l^/o  mal  so  gross  wie 

die  Mittelplatte ;  sie  ist  an  ihrer  Innenseite 

in  ganzer  Länge  von  einem  flügelförniigen 

,''   ..••••.  Fortsatz  umsäumt,  während  die  Aussenseite 

einen   solchen   nur   in  ihrer  hintern  Hälfte 

trägt.   Die  Hakenplatte  (/?)  ist  Szähnig  und 

besitzt  nur  einen  ganz  kleinen  Seitenflügel 

•  [.    •.  i        an  ihrer  Innern  Kante.    Die  Seitenplatte  (5) 

:  gl  I  . r      ,;""■./  I        ist  lang  gestreckt  und  schmal. 

IM.   ^^     :\  I^iö   Darm  Windungen    (Textfig.  B) 

l'^'J^5(/9  d^  (/'  1        haben   im  Wesentlichen  denselben  Verlauf 
\    I    I  '•   •:        .•  /  r       wie  bei  Chaetopleura  hahni,  mit  dem  Unter- 
d'\     y'  ''■■'■  Li/2      schiede,  dass  die  erste  dorsale  Schlinge  (fZ- 
.(/.-..,■••■    /^       i)is  (pj  zwar  auch  2  Kreise  beschreibt,  da- 
bei  aber  sich   noch   2  mal   (cV'  und  d^),  je 
1  mal  nach  vorn  und  nach  hinten  ausbuchtet, 
so    dass    hier    noch   2    weitere    secundäre 
Fig.  B.  Schlingen  entstehen. 


Pacifische  Chitonen.  609 

Die  Hauptnierengänge  reichen  bis  zur  Kopffussfurclie. 
Fussnieren  fehlen. 

Osphradien  sind  nicht  vorhanden. 

7.    FJuxijihora  ternitnalis  (Cpr.)  Smith  (Quoy  et  Gaimard?) 

Von  dieser  Art  standen  mir  6  Exemplare  zur  Verfügung-,  von 
denen  je  3  der  Sammlung  von  Herrn  Prof.  Schauinsland  und  Herrn 
Prof.  Thilexius  angeh(>rten,  und  zwar  erbeutete  ersterer  sie  auf  den 
C  h  a  t  h  a  m  - 1  n  s  e  1  n .  letzterer  in  T  a  n  r  a  n  g  a  auf  Neuseeland.  — 
Das  grösste  Exemplar  war  20  mm  lang  und  13  breit,  das  kleinste 
12  mm  lang  und  6  breit.  —  Die  Beschreibung  von  PiLsmjY  (26, 
p.  326 — 27)  ist  zutreffend.  Als  besonders  hervortretender  Charakter 
ist  bei  den  mir  vorliegenden  Thieren  die  für  die  Gattung  Plaxiphora 
auffallende  Breite  der  Schalen  und  dem  entsprechend  die  geringe 
Ausdehnuug  des  Mantels  hervorzuheben  (Fig.  22).  Es  kommt  näm- 
lich in  der  Mitte  des  Thieres  -/g  der  Gesammtbreite  auf  die  Schulpe 
und  nur  ^  ^  jederseits  auf  den  Mantel.  Die  Schalen  sind  in  ganzer 
Ausdehnung  mit  ziemlich  groben,  rnnden  bis  ovalen  Pusteln  bedeckt. 
Nur  in  Folge  Abreibung  derselben  kann  an  den  mittlem  Schalen 
der  Kiel  glatt  erscheinen.  Die  erste  Schale  hat  5  deutliche  Rippen, 
welche  ihrem  Kand  ein  5 lappiges  Aussehen  geben.  Dagegen  sind 
auf  den  Mittelschulpen  die  Diagonallinien  nur  angedeutet.  Der  Kiel 
ist  gut  ausgebildet.  Die  letzte  Schale  ist  verhältnissmässig  gross 
und  breit,  ihr  Mucro  liegt  im  ersten  Drittel.  Die  Färbung  der 
Schalen  ist  bei  4  der  mir  vorliegenden  Exemplare,  nämlich  der  3  aus 
Neuseeland  und  1  von  den  Chatham-Inseln,  ungemein  prächtig 
(Fig.  22),  und  zwar  sind  die  Träger  der  Zeichnung  die  oben  er- 
wähnten Pusteln,  welche  je  nach  der  Region  von  grün,  violett, 
carmoisinroth  bis  milchweiss  variiren.  Der  Kiel  ist  meist  intensiv 
carmoisinrotli  und  wird  von  einer  schmalen,  milchweissen  Linie  um- 
säumt. Die  Mittelfelder  sind  meist  intensiv  moosgrün,  mitunter  auch 
hellgrün  mit  weisslichen  Flecken;  in  den  Aussenfeldern  dagegen 
herrscht  wieder  die  carmoisinrothe  P'arbe  vor,  welche  erst  ganz  am 
Hinterrande  wiederum  von  grünen  und  weisslichen  Pusteln  umgrenzt 
wird.  Auf  der  ersten  Schulpe  sind  die  5  Rippen  meist  von  weiss- 
licher  Farbe,  die  ihnen  benachbarten  Pusteln  spielen  sodann  nach 
carmoisinroth  hinüber,  während  in  der  Mitte  der  Zwischenfelder 
wieder  Grün  vorlierrscht.  Die  letzte  Schale  hat  ebenfalls  einen 
rothen  ]\Iucro  und  rothen  Aussenrand,  während  das  innere  Drittel, 
die  Mittelfelder,  ebenfalls  grün  sind.  —  Die  Farbe  der  Mantelober- 


610  CURT   VON   WiSSEL, 

Seite  ist  braun  und  grau  marmorirt,  in  jedem  Intersegmentum  be- 
findet sich  ein  mit  blossem  Auge  nur  wenig  bemerkbares  Stachel- 
bündel, ebenso  deren  4  im  Umkreis  vor  der  ersten  Schulpe,  zusammen 
also  18.  Die  Färbung  der  Mantelunterseite  ist,  wie  gewöhnlich, 
weisslich-gelb.  —  Die  Farbe  der  Schalen  der  beiden  andern  von  den 
C  h  a  t  h  a  m  - 1  n  s  e  1  n  stammenden  Exemplare  ist  einheitlich  graugrün, 
unter  der  Lupe  werden  spärliche  moosgrüne  Flecken  sichtbar,  während 
der  Kiel  hier  ebenfalls  von  einer  weisslichen  Linie  umsäumt  ist. 
Im  übrigen  entspricht  die  Structur  der  Schalen  genau  dem  oben 
Gesagten,  wie  auch  der  Mantel  sich  von  dem  der  oben  beschriebenen 
Farbenvarietät  nicht  unterscheidet. 

Die  Hartgebilde  der  Manteloberseite  sind  sehr  mannigfacher 
Art,  aber  sämmtlich  Kalkgebilde  (Fig.  23).  Es  lassen  sich  unter- 
scheiden: 1.  dicke,  platte  Kalkstacheln  (Ä-^),  welche  an  ihrer  Basis 
glashell  durchsichtig  sind,  während  im  übrigen  der  Schaft  zart  längs- 
gestreift erscheint.  Stets  Hess  sich  an  ihnen  ein  ebenfalls  farbloser, 
durchsichtiger  Becher  nachweisen,  dem  jedoch  ein  Zapfen  fehlte. 
Die  überwiegende  Mehrzahl  dieser  Schuppenstacheln  war  gerade 
gestreckt,  doch  waren  auch  solche,  welche  sich  hakenförmig  krümmten, 
nicht  selten.  Bisweilen,  und  es  handelt  sich  wohl  hier  um  junge 
Stacheln,  hatten  sie  das  Aussehen  einer  kleinen  glashellen  Kugel 
(Je-),  an  welcher  sich  aber  ebenfalls  schon  ein  Becher  nachweisen 
Hess.  Solch  ein  junger  Stachel  hatte  einen  Durchmesser  von  30  fi, 
während  ein  vollständig  ausgebildeter  120—130  i^i  lang  und  40  /t 
breit  wird.  Eine  andere  Art  von  Stacheln  (Ic'-^)  würde  ich  mit  dem 
Jugendstadium  der  vorbeschriebenen  für  identisch  halten,  denn  auch 
sie  präsentiren  sich  im  optischen  Durchschnitt  als  kleine  glashelle 
Kreise  von  derselben  Grösse.  Sie  besitzen  jedoch  einen  deutlichen 
Ring.  Derartige  Ringe  (r,  r)  finden  sich  auch  allein  hier  und  da 
zwischen  die  Stacheln  eingestreut.  Sie  sind  ziemlich  hoch,  röhren- 
förmig ausgezogen  und  von  bräunlich-gelber  Farbe  und  setzen  sich 
aus  ca.  12  Theilstücken  zusammen.  Es  war  mir  nicht  möglich,  fest- 
zustellen, ob  die  grossen  Stacheln  ursprünglich  alle  einen  Ring  hatten 
und  ob  sich  derselbe  nur  abgestreift  hatte,  oder  ob  wir  es  hier  mit 
2  verschiedenen  iVrten  von  Stacheln,  solche  mit  und  solche  ohne 
Ring,  zu  thun  haben.  Für  letztere  Annahme  spricht  die  Thatsache, 
dass  ich  an  keinem  ausgebildeten  Stachel  einen  Ring  nachweisen 
konnte  und  dass  auch  unter  den  kleinen  die  Mehrzahl  ohne  Ring 
ist.  —  Die  dritte  Art  von  Hartgebilden  der  Manteloberseite  ist  bei 
weitem  die  häufigste;  es  sind  dies  kleine  Kalknadeln  (n,  n),  welche 


Pacifische  Chitonen.  611 

unregelmässig'  verstreut  den  Raum  zwischen  den  grössern  Scbuppen- 
stacheln  einnehmen ;  ihre  Länge  variirt  von  8 — 24  //,  ihre  Breite  von 
2 — 3  f.1.  Auch  bei  ihnen  Hess  sich  ein  Becher  ohne  Zapfen  deutlich 
erkennen.  Ein  Theil  dieser  Kalknadeln  ist  glashell  und  farblos,  ein 
anderer  bräunlich-gelb,  jene  mit  grauer,  diese  mit  brauner  Spitze, 
und  zwar  sind  beide  Färbungen  so  vertheilt,  dass  die  braunspitzigen 
Stacheln  in  Zügen  die  farblosen  durchsetzen  und  so  dem  Mantel  das 
braun  marmorirte  Aussehen  verleihen.  —  Alle  die  eben  beschriebenen 
Harttheile  sind  in  bunter  Eeihe  lose  über  die  Manteloberfläche  ver- 
theilt. Von  derselben  Art,  wie  die  zuletzt  genannten  Kalknadeln, 
aber  4 — 5  mal  so  gross,  sind  die  Stacheln,  welche  sich  zu  den  oben 
erwähnten  intersegmentalen  Bündeln  vereinigen  {sf,  st),  nur  dass  sie 
ihrer  Grösse  entsprechend  meist  intensiver  gelb  bis  braun  gefärbt 
sind  und  keine  dunklere  Spitze  haben.  Ein  Becher  war  auch  bei 
ihnen  deutlich  zu  erkennen.      • 

Im  Gegensatz  zu  der  eben  geschilderten  grossen  Mannigfaltigkeit 
der  Harttheile  der  Manteloberseite,  besitzt  seine  Yentralfläche  nur 
eine  Art,  nämlich  platte  Schuppenstacheln  {h*)  von  einer  Länge  bis 
40  und  einer  Breite  bis  16  /ti.  Diese  Schuppen  sind  offenbar  dieselben 
Gebilde  wie  die  grossen  Schuppenstacheln  (l-^)  der  Dorsalseite,  denen 
sie  bis  auf  die  geringere  Grösse  durchaus  gleichen.  Sie  bedecken 
die  Mantelunterseite  ziemlich  dicht,  aber  doch  nicht  in  völlig  ge- 
schlossenen Eeihen. 

Die  Anordnung  der  Kiemen  ist  merobranch  und  abanal,  und 
zwar  reichen  sie  vom  Intersegment  4  5  bis  zum  Litersegment  6  7. 
Ich  zählte  jederseits  11,  von  denen  die  vorderste  winzig  klein  war. 
Als  Maximalkiemen  sind  die  drei  letzten  zu  bezeichnen.  Die  Xieren- 
öifnung  lag  jederseits  zwischen  Kieme  1/2,  die  Genitalöfifnung  zwischen 
Kieme  2/3. 

Die  Lateralfalte  zieht  ohne  wesentliche  Verschmälerung 
hinter  dem  After  herum  und  bildet  keine  Laterallappen. 

In  der  Radula  (Fig.  24)  zeichnet  sich  die  Mittelplatte  {m) 
durch  besondere  Grösse  aus,  ihre  Schneide  ist  einfach  concav  ohne 
Ausbuchtungen ;  die  Zwischenplatte  (^)  und  die  Hakenplatte  (A)  sind 
dagegen  verhältnissmässig  klein,  die  erstere  zeigt  ebenfalls  eine 
glatte  und  nur  wenig  hervortretende  Schneide  und  hat  an  der  Aussen- 
ecke  ihrer  basalen  Kante  einen  kurzen  Fortsatz.  Von  den  drei 
Zähnen  der  Hakeni)latte  ist  der  mittelste  sehr  gross,  während  die 
beiden  Eckzähne  nur  klein  sind. 


612 


CüET    VON    WiSSEL, 


Die  Darm  Windungen  (Textfig.  C)  sind  sehr  wenig- complicirt 
und  gehören  dem  HanJeya-Tyims  an,  die  dorsale  Schlinge  bildet  jedoch 
an    ihrem    hintern    Ende    eine    kleine    Neben- 
schlinge (cP)  nach  vorn. 

Da  die  von  mir  secirten  Thiere  sämmtlich 
männlichen  Geschlechts  waren,  konnte  ich  die 
Eischale  nicht  in  den  Kreis  meiner  Unter- 
suchuno'  ziehen. 


Familie  Amnilwclütinae. 

8.   Acantliochites   ( Acanthochiton) 

spiculosus  Eeeve  var.  astpif/er» 

Fig.  C. 

16  Exemplare  von  Herrn  Prof.  Thilenius 

auf  Neuseeland  und  5  von  Herrn  Pi'of.  Schauinsland  am 
French-Pass  gesammelt.  Das  grösste  Thier  hatte  eine  Länge 
von  16  mm  und  eine  Breite  von  10  mm,  das  kleinste  eine 
Länge  von  7  mm  und  eine  Breite,  von  5  mm.  Die  Beschreibung 
von  PiLSBEY  (26,  p.  22)  ist  sehr  zutreffend.  Schon  bei  ober- 
flächlicher Betrachtung  fällt  die  langgestreckte  und  schmale 
Form  dieser  Species  (Fig.  25)  ins  Auge,  ebenso,  wie  auch  Pilsbey 
hervorhebt,  die  sehr  flache  Gestalt  der  Schalen,  welche  einen  aus- 
geprägten Kiel  vermissen  lassen.  Ein  ferneres  Charakteristicum  sind 
die  mächtigen  intersegmentalen  Stachelbündel,  sowie  die  ebenfalls 
sehr  starke  Stachelpalissade  am  Rande  des  Mantels.  Die  Grundfarbe 
des  Mantels  ist  dunkel  olivgrün,  die  der  Schalen  rosa  mit  braunem 
Kiel.  Die  Schalen  sind  mit  kleinen,  runden,  weisslichen,  bräunlichen 
oder  auch  olivgrünen  Pusteln  bedeckt,  im  übrigen  aber  so  gut  wie 
gar  nicht  sculpturirt,  insbesondere  sind  auf  den  Mittelschulpen  keine 
Diagouallinien  ausgeprägt,  und  auf  der  ersten  Schulpe  lassen  sich 
auch  nur  bei  sehr  jungen  Thieren  5  flache  Rippen  erkennen. 

Die  Hartgebilde  des  Mantels  (Fig.  26)  sind  zwar,  was  ihre 
Grössen  Verhältnisse  anlangt,  sehr  variabel,  doch  haben  wir  es  hier 
zweifellos  bei  allen  mit  ein  und  demselben  Gebilde,  dem  einfachen 
unsculpturirten  Kalkstachel,  zu  thun.  Die  Dorsalseite  des  Mantels 
ist.  dicht  mit  diesen  Stacheln  besetzt,  welche  hier  in  der  Länge  von 
4 — 20  fi  variiren  {sf^).  In  den  meisten  Fällen  sind  sie  leicht  ge- 
krümmt ;  ihre  Farbe  ist  hell  grünlich-gelb ;  bei  starker  Vergrösserung 
lässt  sich  an  ihnen  eine  leichte  Querringelung  erkennen,  welche  der 


Pacifiscbe  Chitonen.  613 

Ausdruck  der  bei  der  Entwicklung  des  Stachels  auf  einander  folgen- 
den Waclistliumsscliicliten  ist;  im  Uebrigen  ist  die  Oberfläche  durch- 
aus glatt  und  ohne  jede  Sculptur.  In  etwas  geringerer  Anzahl 
kommen  neben  den  eben  beschriebenen  ganz  kleine,  dicke  Stacheln 
(st-)  vor,  welche  meist  eine  schwarz-bräunliche  Spitze  haben,  sonst  sich 
aber  von  den  erstem  nicht  unterscheiden.  Die  grossen  inter- 
segmentalen  Stachelbündel  weisen  zwei  verschiedene  Sorten  von 
Stacheln  auf.  obwohl  auch  hier  eine  fundamentale  Verschiedenheit 
beider  von  einander  sowie  von  den  gewöhnlichen  Rückenstacheln 
nicht  constatirt  Averden  kann.  Die  erste  Sorte  sind  sehr  lange  und 
breite  Kalkstacheln  (st),  deren  basales  Drittel  tief  blaugrün  gefärbt 
ist,  während  sie  nach  der  Spitze  zu  heller  und  heller  werden.  Auch 
bei  diesen  Stacheln  liess  sich  eine  deutliche  Querringelung  erkennen. 
Die  zweite  Sorte  sind  lange  glashelle  Nadeln  (n).  von  denen  stets 
eine  grosse  Zahl  einen  Stachel  umgeben  und  welche  diesem  an  Länge 
etwas  nachstehen;  die  Messung  ergab  für  die  längsten  Stacheln  eine 
Länge  von  240  //,  für  die  längsten  Nadeln  eine  solche  von  200  f^i. 
Die  Nadeln  erscheinen  durchaus  aus  einem  Guss,  und  ich  konnte  hier 
auch  keine  Wachsthumslinien  mehr  erkennen.  Schliesslich  finden 
sich  noch  auf  der  Dorsalseite  des  Mantels  zwischen  den  Stacheln 
eingestreut  kleine  Kalkkürnchen  (Je)  von  verschiedener  Gestalt,  wie 
ich  sie  schon  bei  PJaxiphom  setiger  Kin&  beschrieben  habe.  Die 
Ventralseite  des  Mantels  wird  bedeckt  durch  schuppenartig  abge- 
plattete Stacheln  {st'^),  welche  in  ihrem  Bau  den  Rückenstacheln 
durchaus  gleichen,  aber  farblos  sind.  Ihre  Länge  beträgt  bis  zu 
24  u.  am  Mantelrande  (st*)  erreichen  sie  jedoch  die  doppelte  Grösse, 
nämlich  bis  2,2  mm,  und  bilden  hier  die  oben  erwähnte,  schon  mit 
blossem  Auge  sichtbare,  starke  Stachelpalissade.  Hier  sind  sie  auch, 
wie  die  Rückenstacheln,  blass  grünlich-gelb  gefärbt.  An  sämmtlichen 
Stacheln  der  Ober-  wie  der  Unterseite  des  Mantels  Hessen  sich 
kleine  Becher  ohne  Zapfen  erkennen. 

Die  Anordnung  der  Kiemen  ist  merobranch  und  adanal  mit 
Zwischenraum;  ihre  Zahl  betrug  rechts  wie  links  20 — 21  und  ZAvar 
waren  die  letzten  die  Maximalkiemen.  Die  Kiemenreihen  erstrecken 
sich  vom  Intersegment  3/4  bis  zum  Intersegment  7,8.  Der  Niereu- 
porus  lag  jederseits  zwischen  Kieme  1/2,  der  Genitalporus  zwischen 
Kieme  3/4. 

Die  Lateralfalte  ist  verhältnissmässig  breit  und  zieht,  ohne 
Laterallappen  zu  bilden,  aber  auch  ohne  wesentliche  Verschmälerung 
hinter  dem  After  herum. 

Zool.  Jahvb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  41 


Q1^  CURT   VON   WiSSEL, 

Ospliadien  sind  nicht  vorhanden. 

Die  Eadula  zeichnet  sich  durch  eine  grosse  Mittelplatte  aus 
(Fig.  27  m),  deren  Schneide  concav  mit  kleinem  Vorsprung  in  der 
Mitte  ist;  die  Zwischenplatte  (^)  ist  P/^mal  so  gross  wie  die  Mittel- 
platte mit  kleiner,  ungefärbter  Schneide;  die  Hakenplatte  (h)  hat  3 
annähernd  gleich  grosse  Zähne  und  einen  winzig  kleinen  Flügel  an 
der  innern  Seite  ihres  Stieles;  die  Seitenplatte  endlich  (5)  ist  von 
rechtwinklig  gebrochener  Gestalt  und  hat  eine  ziemlich  breite 
Schneide. 

Der  Darmtr actus  hat  einen  sehr  einfachen  Verlauf  und  ge- 
hört, wie  man  aus  nebenstehender  Textabbildung  (Fig.  D)  ersieht,  dem 
NuUalochiton -Ty])i\s  an,  d.  h.  er  bildet  eine  grosse 
ventrale  Schlinge  (d^—d^),  während  die  dorsale  {d^ 
bis  f?^)  in  Folge  zu  grosser  Länge  sich  zu  der  Neben- 
schlinge {d^ — d^)  einstülpt. 

Die    H  a  u  p  t  n  i  e  r  e  n  g  ä  n  g  e    reichen   bis    zur 
Kopffussfurche,  Fussnieren  fehlen. 

Die    secirten    Thiere   waren   sämmtlich    männ- 
lichen  Geschlechts,    und  ich   nahm   davon   Abstand 
lediglich  der  Untersuchung  der  Eischale  weitere 
Fig.  D.  Exemplare  zu  opfern. 

9.   Acanthochites  (AcanthoeJiitonJ  hisulcatus  Pilsbry. 

Von  dieser  Species  standen  mir  16  Exemplare  zur  Verfügung, 
von  denen  13  Stück  durch  Herrn  Prof.  Schauinsland  am  French- 
Pass,  3  durch  Herrn  Prof.  Thileniüs  in  Tauranga  auf  Neusee- 
land gesammelt  wurden.  —  Die  Beschreibung  Pilsbry's  (26,  p.  28) 
ist  zutreffend. 

Diese  Art  unterscheidet  sich  schon  makroskopisch  betrachtet 
von  der  vorigen  durch  ihre  grössere  Dicke,  den  nicht  grünen,  sondern 
bräunlich-gelben  Mantel,  die  sehr  viel  kleinern  und  ebenfalls  gelb- 
lichen intersegmentalen  Stachelbündel,  das  Fehlen  einer  stark  aus- 
geprägten Stachelpalissade  am  Mantelrand  und  die  geringere  Aus- 
dehnung der  Tegmenta  zu  Gunsten  des  Mantels.  Besonders  auf- 
fallend aber  ist  die  starke  Wölbung  des  Rückens  und  die  dadurch 
bedingte ,  im  Gegensatz  zu  der  vorher  beschriebenen  Art  stehende, 
beträchtliche  Dicke  der  Thiere,  eine  Eigenschaft,  welche  natürlich 
je  nach  der  Blutschwellung  individuell  stärker  oder  schwächer  aus- 
geprägt ist,   immer  aber  als  speciflsches  Charakteristicum  ins  Auge 


Pacifische  Chitonen.  615 

fällt.  So  betrug-  z.  B.  bei  einem  Tliier  von  15  mm  Länge  die  grösste 
Breite  auf  der  Fussohle  gemessen  nur  11  mm,  dieselbe  Breite  an 
dem  sehr  gewölbten  Rücken  dagegen  20  mm,  die  Dicke  vom  Kiel 
nach  der  Fussohle  gemessen  8  mm.  Wie  schon  gesagt,  entfällt  von 
der  Breite  des  Rückens  ein  sehr  beträchtlicher  Theil  auf  den  Mantel- 
rand, während  die  Ausdehnung  der  Tegmeuta  sehr  reducirt  ist.  So 
mass  der  Mantel  bei  dem  in  Rede  stehenden  Exemplar  an  der  Stelle 
der  grössten  Breite  von  20  mm,  jederseits  l^j^  mm,  während  für  das 
Tegmentum  der  betreffenden,  der  vierten.  Schale  nur  5  mm  übrig 
blieben.  An  den  Tegmenta  tritt  der  Kiel  deutlich,  aber  nicht  scharf 
hervor,  die  Färbung  derselben  ist  meist  grünlich-grau  mit  weiss- 
lichen  Flecken,  oder  es  herrscht  umgekehrt  die  weissliche  Farbe 
vor,  und  die  Zeichnung  ward  von  grau-grünlichen  Flammenstrichen 
gebildet;  in  seitnern  Fällen  spielt  die  Grundfarbe  der  Tegmenta  ins 
Rosa  hinüber,  und  dann  sind  die  Zeichnungsstreifen  braun.  Der  Kiel 
ist  selbst  bei  unbeschädigten  Thiereu  glatt,  die  Seitenfelder  aber 
sind  dicht  mit  jenen  Pusteln  besetzt,  wie  sie  schon  bei  der  vorher- 
gehenden Art  beschrieben  wurden.  Die  Form  der  Tegmenta  ist  in 
Folge  des  Ueberwachsens  des  Mantels,  namentlich  an  ihrer  vordem 
Hälfte,  schmal  herzförmig,  und  zwar  mehr  lang  als  breit.  Die  letzte 
Schulpe  ist  sehr  klein  und  halbkreisförmig  mit  mittelständigem 
Mucro.  Rippen  und  Diagonallinien  sind  nicht  vorhanden  oder  doch 
nur  bei  ganz  jungen  Exemplaren  auf  der  ersten  Schulpe  schwach 
angedeutet. 

Von  Hartgebilden  des  Mantels  Hessen  sich  auf  der  Dorsal- 
seite folgende  Sorten  unterscheiden:  1.  schuppenförmig  abgeplattete 
Kalkstacheln  (Fig.  28  sf)  von  einer  Länge  von  18—34  /<  und  einer 
Breite  von  6  — 8;«;  ihr  basales  Ende  ist  glashell  und  unsculpturirt, 
während  die  distalen  zwei  Drittel  fein  längsgerieft  und  von  blass 
bräunlich-gelber  Farbe  sind.  Eine  zweite  Art  von  Hartgebilden 
wird  durch  kleine,  dünne  Kalknadeln  (w).  von  annäliernd  derselben 
Länge  wie  die  Stacheln,  jedoch  viel  dünner,  repräsentirt;  diese 
Nadeln  sind  ebenfalls  farblos  und  meist  unsculpturirt,  nur  an  einzelnen 
derselben  zeigte  sich  das  Ende  stecknadelkopfartig  aufgetrieben  und 
hier  ebenfalls  fein  längsgerieft,  so  dass  die  Nadel  eine  grosse  Aehn- 
lichkeit  mit  einer  aus  der  Erde  schiessenden  Spargelpfeife  hat.  Mit 
diesen  beiden  Sorten  von  Stacheln  ist  die  Manteloberseite  dicht  be- 
deckt, und  von  ihnen  lassen  sich  wohl  auch  die  beiden  Stachelarten, 
welche  die  intersegmentalen  Stachelbüschel  zusammensetzen,  her- 
leiten {st^  und  n^).     Auch  hier,  wie  hei  Acanfhochites  spiculosus,  wird 

41* 


Q1Q  Gurt  von  AVissel, 

jeder  der  grossen  und  dicken  Stacheln  (sf^)  von  einem  Bündel  von 
langen,  feinen  Nadeln  (>?^)  umgeben  (b).  Die  Farlje  der  dicken 
Stacheln  ist  ebenfalls  blass  bräunlich-gelb,  während  die  Nadeln 
wiederum  farblos  sind.  —  Die  schuppenförmigen  Ventralstacheln  (st'^) 
endlich  lassen  sich  unschwer  mit  den  Eückenstacheln  {sf)  homologi- 
siren,  sie  unterscheiden  sich  A^on  diesen  nur  dadurch,  dass  das  glas- 
helle, basale  Ende  auf  das  letzte  Fünftel  beschränkt  ist,  und  da- 
durch, dass,  wie  meist  an  der  Unterseite  des  Mantels,  der  ganze 
Stachel  farblos  ist.  Die  Länge  der  Ventralstacheln  variirt  von  16 
bis  32  1^1,  während  sie  am  Manteh-and  die  dreifache  Grösse  erreichen 
und  hier  ebenfalls,  wie  bei  Acanthochites  spicuJosus,  einen  Stachel- 
kranz bilden,  der  jedoch  hier  sehr  viel  schwächer  ausgebildet  ist. 
Einen  Becher  habe  ich  an  keiner  Sorte  von  Stacheln,  weder  bei 
denen  der  Rücken-,  noch  bei  denen  der  Bauchseite,  entdecken  können. 

Die  Anordnung  der  Kiemen  ist  merobranch  und  abanal,  denn 
sie  erstrecken  sich  vom  Intersegment  3/4  bis  zum  Intersegment  6/7; 
die  vordersten  sind  winzig  klein,  die  hintersten  die  Maximalkiemen ; 
ich  zählte  rechts  30,  links  27.  Die  Geschlechtsöffnung  befand  sich 
rechts  zwischen  Kieme  4/5,  links  zwischen  Kieme  3/4,  und  zwar  auf 
einer  penisartig  langausgezogenen  Papille,  wie  sich  denn  auch  sämmt- 
liche  secirten  Thiere  als  Männchen  erwiesen.  Der  Nierenporus  lag 
rechts  wie  links  zwischen  Kieme  1/2. 

Die  Lateralfalte  ist  schmal,  bildet  keine  Lappen  und  zieht 
continuirlich  hinter  dem  After  herum. 

Die  Mittelplatte  der  R  a  d  u  1  a  (Fig.  29  m)  ist  breit,  ihre  Schneide 
concav  mit  mittlerer  Vorwölbung;  die  Zwischenplatte  (js)  ist  klein 
und  schmal;  die  Hackenplatte  (h)  hat  drei  Zähne,  von  denen  der 
mittelste  die  seitlichen  an  Grösse  weit  überragt. 

In  Bezug  auf  den  Pharyngealap parat  ist  zu  bemerken, 
dass  die  Zuckerdrüsen  sehr  stark  entwickelt  sind  und  eine  reiche 
Zottenbildung  aufweisen. 

Der  Verlauf  der  Darmschlingen  ist  genau  derselbe  wie  bei 
Acanthochites  spiculostis,  und  ebenso  verhalten  sich  auch  die  Nieren 
bezüglich  ihrer  Ausdehnung. 

10.  Acanthochites  ( Acanthochitou )  violacens  Quoy  et 

Gaimard. 

Ein  männliches  Exemplar  von  Herrn  Prof.  Schauinsland  in 
Auckland  gesammelt.  —  Pilsbry  (26,  V.  15,  p.  39)  giebt  an,  dass 
bezüglich  der  Ausdehnung  des  Mantels  eine  grosse  Variabilität  be- 


Pacifische  Chitoneu.  617 

stehe.  —  Plate  (21,  p,  315  ft'.)  giebt  von  dieser  Art  eine  aiistühr- 
liche  Beschreibung  von  4  Exemphiren,  welche  ebenso  wie  das  eine 
mir  vorliegende  aus  der  Sammlung  des  Herrn  Prof.  Schauinsland 
stammten.  Ich  kann  diese  Beschreibung  in  allen  Punkten,  in  welchen 
ich  eine  Nachuntersuchung  machte,  bestätigen  und  mich  daher  unter 
Verweisung  auf  das  genannte  Werk  kurz  fassen.  —  Das  mir  zur 
Verfügung  stehende  Tliier  hatte  eine  Länge  von  39  mm  und  eine 
grösste  Breite  von  22  mm,  von  welchen  nur  8  mm  auf  das  Tegmentum 
der  betreffenden  Schulpe,  der  fünften,  kommen.  Die  Tegmenta  sind 
also  bei  dieser  Art  noch  mehr  durch  den  Mantel  verdrängt  als  bei 
der  vorigen,  und  man  kann  in  dieser  Hinsicht  bei  den  hier  be- 
handelten Acanthochitinen  genau  die  Tendenz  des  Mantels,  die 
Schalen  mehr  und  mehr  zu  überwuchern,  verfolgen:  Acantliochites 
spiculosus  hat  noch  Schalen  mit  recht  breiten  Tegmenta  und  einen 
verhältnissmässig  schmalen  Mantelrand,  bei  Acantliochites  bisulcatus 
macht  der  Mantel  schon  auf  Kosten  der  Tegmenta  Fortschritte,  ein 
Verhältniss,  welches  bei  der  in  Rede  stehenden  Art  in  noch  ge- 
steigertem Maasse  hervortritt  und  welches,  wie  wir  sehen  werden, 
bei  der  folgenden,  Crijptoconclms  porosus,  nahezu  zum  Schluss  des 
Mantels  über  den  Schalen  führt.  —  Die  Manteloberseite  ist,  wie 
Plate  es  beschreibt,  graugrün  mit  zerstreuten,  gelblich-weisseu 
Punkten  und  Strichen,  oder  es  herrscht  mehr  der  gelblich-weisse 
Farbenton  vor,  während  der  grüne  mehr  oder  weniger  zurücktritt. 
Das  mir  vorliegende  Exemplar  (Fig.  30j  weist  diese  letztere  Mantel- 
färbung auf,  indem  die  Manteloberseite  hell  gelblich-weiss  erscheint. 
Der  Mantel  erscheint  für  das  unbewaffnete  Auge  und  auch  unter 
Lupenvergrösserung  glatt,  abgesehen  von  den  18  auf  je  einer  Warze 
stehenden  Stachelbündeln,  welche  für  die  ganze  Familie  so  charak- 
teristisch sind.  Uebrigens  machen  bei  dem  mir  vorliegenden  Exemplar 
auch  diese  Hautwarzen  den  Eindruck  der  Rückbildung,  denn  sie 
zeigen  sich  lediglich  als  kleine,  braune,  granulirte  Punkte.  Gleich- 
wohl scheint  es  mir  nicht  plausibel,  dass  diese  doch  offenbar  als 
Tastorgane  functionirenden  Gebilde  sich  bei  einer  Species  rückbilden 
sollten,  welche  durch  das  Bestreben,  die  Schalen  durch  den  Mantel 
überwuchern  zu  lassen,  auch  die  Sinnesorgane  der  Tegmenta,  die 
Aestheten,  ausser  Function  setzen  würde. 

Die  Färbung  der  Schalen  und  ihre  Sculptur  sind  von 
PiLSBRY  richtig  angegeben  und  aus  der  Abbildung  (Fig.  30)  ersicht- 
lich, während  die  Hartgebilde  des  Mantels  von  Plate  in 
durchaus  zutreffender  Weise  beschrieben  werden. 


618 


CüRT   VON   WiSSEL, 


Kiemen  zählte  ich  jederseits  32—33,  von  denen  die  vordersten 
winzig  klein,  die  hintersten  als  Maxiraalkiemen  zu  bezeichnen  sind. 
Sie  zeichnen  sich  gegenüber  denen  andrer  Arten  durch  verhältniss- 
mässige  Breite  aus.  Der  Nierenporus  liegt,  wie  Plate  schon  fest- 
stellte, zwischen  Kieme  1/2,  den  Genitalporus  fand  ich  zwischen 
Kieme  4/5. 

In  Bezug  auf  die  Mundhöhle  kann  ich  die  Ausführungen 
Plate's  noch  dahin  ergänzen,  dass  der  Subradularsack,  ähnlich  wie 
dies  Plate  für  Crupioconchus  porosus  beschreibt,  in  zwei  drüsige 
Trauben  ausgezogen  ist  (Fig.  31). 

DieKadula  hat  eine  verhältnissmässig  breite  und  herzförmige 
Mittelplatte  (Fig.  32  m),  deren  Schneide  eine  concave  Wölbung  mit 
rundem  Vorsprung  in  der  Mitte  besitzt  und  deren  Basalplatte  sich 
nach  vorn  in  einen  kleinen  Dorn  fortsetzt.  Die  Schneide  der 
Zwischenplatte  (s)  ist  glatt  und  hell;  die  Hakenplatte  (//)  hat 
a.  3  Zähne;   von   denen   der   mittelste 

der  längste  ist,  auf  der  äussern  Seite 
ihres  Stieles  findet  sich  ein  kleiner 
flügelartiger  Fortsatz;  die  Seiten- 
platte {s)  hat  einen  sanft  gebogenen 
Stiel  und  glatte  Schneide. 

Die  Lagerung  der  Dar  m  - 
schlingen  ist  aus  nebenstehender 
Textabbildung  (Fig.  E  a)  ersichtlich, 
wobei  noch  hinzuzufügen  ist,  dass 
das  zwischen  p  und  p'^  gelegene 
Stück  plötzlich  nur  die  halbe  Darm- 
dicke aufweist  und  durch  2  scharf 
ausgeprägte  Einschnürungen  (Fig.  E 
l>)  bei  2?  i^iiid  P^  scharf  von  dem 
Fig.  E.  Übrigen  Darm  abgesetzt  ist. 


..i-i-p' 


11.  Cryptoconchus  (AcantJiochites)  porosus  (Bueeow). 

12  Exemplare,  welche  Herr  Prof.  Thilenius  in  Tauranga  auf 
Neuseeland  gesammelt  hat.  Das  grösste  hatte  eine  Länge  von 
50  mm  und  eine  Breite  von  25  mm,  das  kleinste  eine  Länge  von 
20  mm  bei  einer  Breite  von  13  mm.  —  Die  Färbung  des  Rückens 
wechselte  von  dunkel  schwarzbraun  bis  weisslich-gelb. 

Wie  die  vorhergehende  Art,  so  hat  Plate  (21,  p.  319 ff.)  auch 
diese  Species  ausführlich  beschrieben,   und  ich  kann  seine  treffliche 


Pacifische  Chitonen.  619 

Besclireibiing  nur  in  allen  Punkten  bestätigen,  ohne  derselben  etwas 
Wesentliches  hinzufügen  zu  können. 

Die  Radula  ist  von  Thiele  (25,  p.  401)  richtig*  beschrieben  und 
abgebildet. 

12.  KatJiarina  ttinicata  (Wood). 

Ein  Exemplar  aus  Bare-Island  von  Herrn  Prof.  Schauins- 
land gesammelt.  —  Plate  (21,  p.  312  ff.)  giebt  auch  von  dieser  Art 
eine  genaue  Beschreibung,  welche  ich  ebenfalls  als  in  allen  Punkten 
richtig  bestätigen  kann.  Auch  die  Beschreibung  und  die  Abbildungen 
Pilsbry's  (26,  p.  41 — 42)  sind  zutreffend.  Nur  in  der  Färbung  des 
Mantels  weicht  das  mir  vorliegende  Exemplar  von  beiden  vorge- 
nannten Schilderungen  ab :  dieser  ist  nicht  einfarbig  schwarz,  sondern 
im  vordem  Drittel  des  Thieres  weiss  mit  einzelnen  braunschwarzen 
Strichen.  Auf  der  linken  Seite  zieht  sich  das  Weiss  bis  zum  Hinter- 
ende, indem  es  ungefähr  die  äussere  Hälfte  des  Mantels  einnimmt, 
während  die  an  die  Schalen  angrenzende  Hälfte  braunschwarz  ist. 
Auf  der  rechten  Seite  herrscht  in  der  hintern  Hälfte  die  braun- 
sclnvarze  Farbe  vor,  doch  auch  hier  mit  eingestreuten  weissen  Flecken, 
während  die  vordere  Hälfte  wiederum  vorwiegend  weiss  ist.  Die 
Schulpen  waren  sämmtlich  stark  erodirt.  Die  Länge  des  Thieres 
betrug  60  mm,  seine  Breite  ca.  35  mm. 

Die  Zahl  der  Kiemen  betrug  jederseits  54,  ihre  Anordnung  ist 
holobranch  und  abanal;  die  vordersten  sind  winzig  klein. 

Der  Nierenporus  lag  rechts  wie  links  zwischen  Kieme  12,  der 
Genitalporus  zwischen  Kieme  4  5. 

Im  Uebrigen  ist  noch  die  starke  Ausbildung  der  baumförmig  ver- 
ästelten Speicheldrüsen,  wie  sie  schon  Plate  beschreibt  und 
abbildet,  erwähnenswert. 

Die  Kadula  ist  von  Thiele  (25,  p.  397)  richtig  beschrieben 
worden. 

Familie  Chitoninae. 

13.  Chiton  squamosus  (Lixne), 

Von  dieser  schon  sehr  bekannten  Art  standen  mir  60  Exemplare 
zur  Verfügung,  welche  von  verschiedenen  Oertlichkeiten  herstammten, 
sich  jedoch  in  allen  äussern  wie  Innern  Merkmalen  durchaus  glichen. 
Die  meisten,  nämlich  46,  hat  Herr  Prof.  Schauinsland  vom  French- 
Pass  mitgebracht,  je  3  wurden  von  diesem  Forscher  und  von  Herrn 


Q20  CURT    VON    WiSSEL, 

Prof.  Thilenius  auf  Stephens -Island,  2  von  Herrn  Prof. 
Schauinsland  auf  den  Chatham-Inseln,  und  je  3  von  Herrn 
Prof.  Thilenius  auf  Neuseeland  und  Mayor -Island  gesammelt. 
Das  grösste  Tliier  war  45  mm  lang  und  30  mm  breit,  das  kleinste 
13  mm  lang  und  8  mm  breit. 

Habitus,  Sclialen-  und  Mantelfärbung  entsprechen  der  Be- 
schreibung Pilsbey's  (26,  p.  155—56). 

Bei  einem  Exemplar  von  40  mm  Länge  und  21*  mm  Breite  zählte 
ich  rechts  38,  links  37  Kiemen.  Die  Geschlechtöffnung  befand  sich 
rechts  zwischen  Kieme  12/13,  links  zwischen  Kieme  11/12,  der  Nieren- 
porus  jederseits  eine  Kieme  weiter  nach  hinten.  Die  Anordnung  der 
Kiemen  ist  holobranch  und  adanal  mit  Zwischenraum. 

Die  Lateralfalte  ist  schmal  und  endet  jederseits  mit  End- 
lappen hinter  der  letzten  Kieme. 

Der  Schlundapparat  bietet  nichts  Be- 
in erkenswerthes  dar. 

Die  Eadula  ist  von  Thiele  (25,  p.  361  u. 
tab.  30,  lig.  1)  richtig  dargestellt. 

Die  Darmschlingen  sind  die  des  CJiiton- 
Typus  und  aus  nebenstehender  Textabbildung 
(Fig.  F)  zu  ersehen. 

Die  eigenartigen  Stacheln  der  Eihülle  sind 
von  V.  Ihering  (15)  bereits  eingehend  beschrieben 
worden. 

Als  Osphradium  deute  ich  einen  gelblichen 
Fig.  F.  Wulst,  welcher  seine  stärkste  Ausbildung  oberhalb 

des  Afters  hat  und  von  da  nach  beiden  Seiten  ver- 
läuft, um  nach  innen  von  den  Kiemenreihen  in  Höhe  der  5. — 6.  Kieme 
zu  verstreichen. 

14.    Chiton  quoyi  (Deshayes). 

Es  standen  mir  36  Exemplare  zur  Verfügung,  von  denen  mir 
24  durch  Herrn  Prof.  Thilenius,  12  durch  Herrn  Prof.  Schauinsland 
übermittelt  wurden.  Ersterer  brachte  sie  aus  Tauranga  (Neu- 
seeland), letzterer  vom  F  r  e  n  c  h  -  P  a  s  s  mit.  Das  grösste  Exemplar 
war  25  mm  lang  und  23  mm  breit,  das  kleinste  7  mm  lang  und 
5  mm  breit.  Die  Beschreibung  von  Pilsbey  (26,  p.  172)  stimmt 
genau. 

Die  Kiem. en  sind  holobranch  und  adanal  mit  Zwischenraum, 
und  zwar  zälüte  ich  rechts  35,  links  39,  von  denen  die  11.— 16.  als 


Pacifische  Chitonen.  621 

die  Maximalkiemen  bezeichnet  werden  müssen.  Die  Geschlechts- 
öffnung befand  sich  rechts  zwischen  Kieme  10/11,  links  zwischen 
Kieme  9/10,  die  Nierenöffnung-  jederseits  3  Kiemen  weiter  nach  hinten. 

Die  Lateralfalte  ist  schmal  und  endigt  hinter  der  letzten 
Kieme  jederseits  mit  einer  ganz  unbedeutenden  Anschwellung,  die 
man  kaum  als  Laterallappen  bezeichnen  kann. 

Osphradien  sind  als  kleine  gelbliche  Erhöhungen  zu  beiden 
Seiten  des  Afters  vorhanden. 

Die  Mittelplatte  der  Radula  (Fig.  33,  m)  erinnert  stark  an 
den  Längsdurchschnitt  durch  einen  Steinpilz,  ihre  Schneide  ist  an 
der  Aussenseite  stark  convex,  an  der  Innenseite  stark  concav  aus- 
gebuchtet, das  hintere  Ende  ihrer  Basalplatte  hat  rechts  und  links 
je  einen  kurzen  und  schmalen  Seitenfortsatz;  die  Zwischenplatte  (s) 
ist  verhältnissmässig  gross  und  besitzt  eine  gerade  Schneide;  die 
Hakenplatte  (h)  hat  nur  einen  sehr  langen  und  scharfen  Zahn. 

Behufs  histologischer  Untersuchung  wollte  ich  von  einem  kleinen 
Exemplar  dieser  Species  eine  Serie  von  Querschnitten  anfertigen. 
Diese  glückten  jedoch  nur  in  der  vordersten  Region,  während  der 
grösste  Theil  des  Thieres  sich  als  so  brüchig  erwies,  dass  die  Schnitte 
imverwendbar  waren.  Da  mir  von  den  beiden  folgenden  Arten, 
Chiton  smclairi  und  canalicafus,  die  Schnittserien  besser  glückten,  so 
stand  ich  vom  Schneiden  eines  weitern  Exemplars  der  vorliegenden 
Art  ab  und  beschränkte  mich  hier  auf  das,  was  ich  eben  an  den 
mangelhaften  Schnitten  ermitteln  konnte.  Die  meisten  dieser  Befunde 
deckten  sich  nun  durchaus  mit  den  an  der  folgenden  Species  ge- 
machten, weshalb  ich,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  auf  die 
dort  gemachten  Angaben  verweise.  In  einigen  Punkten  abweichend 
verhielt  sich  das  Epithel  der  Mundhöhle,  auf  welches  ich  da- 
her auch  hier  des  Nähern  eingehen  möchte:  Die  Mundhöhle  wird, 
wie  dies  schon  Plate  (19,  p.  61  ff.)  schildert,  durch  2  Paare  nahe 
den  Seiten  von  hinten  nach  vorn  ziehende  Längswülste  (Fig.  34, 
tv,  w,  w^,  w'^)  in  3  Räume  getheilt,  einen  grössern  medianen  und 
2  schmale  laterale.  Die  letztern  beiden  gehen  nach  hinten  in  die 
beiden  sackförmigen  Ausbuchtungen  (s)  der  Mundluihle  über.  Der 
auch  von  Plate  als  inconstant  auftretend  geschilderte  mittlere, 
dorsale  Längswulst  war  nicht  immer  nachweisbar.  Bei  dem  auf  der 
Zeichnung  wiedergegebenen  Mundhöhlendach  war  er  nur  ganz  kurz 
(w-):  nach  hinten  gabelt  er  sich  in  2  seitliche  Arme,  welche  als 
Ringwulst  die  Subradularganglien  (//)  umfassen.  Um  die  Ganglien 
herum  befindet  sich  eine  tiefe  Furche  (/)   und  ebenso  vorn  vor  ir- 


622  CüRT   VON   WiSSEL, 

eine  Längsfnrche  (ß).  welche  nach  vorn  in  der  Mittelfurche  der 
Eadula  ihre  Fortsetzung  findet.  Diesen  verschiedenen  Regionen 
entsprechend  ist  das  Epithel  der  Mundhöhle  von  ausserordentlich 
verschiedener  Beschaffenheit :  Da,  wo  das  Mundrohr  in  die  Mundhöhle 
einmündet,  hat  das  Epithel  der  letztern  noch  denselben  Charakter 
wie  das  des  erstem,  d.  h.  es  ist  ebenfalls  ein  mit  intercellulären 
Zwischenräumen  durchsetztes,  hohes  Cylinderepithel  (Fig.  35,  c/;),  nur 
verdickt  sich  die  Cuticula,  wie  dies  schon  von  allen  Autoren  ange- 
geben wird,  zu  einer  in  der  mittlem  Region  ungemein  dicken  Platte, 
welche  nach  beiden  Seiten  hin  sich  mehr  und  mehr  verdünnt,  um 
schliesslich  in  eine  ganz  dünne  Schicht  überzugehen,  welche  an  den 
beiden  äussern  Längswülsten  der  Mundhöhle  (Fig.  34  und  35,  w,  tv) 
ihr  Ende  finden.  Diese  ringförmige  Cuticula  (Fig.  35,  c)  lässt 
deutlich  eine  Schichtung  der  einzelnen  Lamellen,  wie  sie  nach  ein- 
ander von  den  Zellen  des  Cylinderepithels  ausgeschieden  werden, 
erkennen.  Die  jüngste,  den  Zellen  benachbarte  Lamelle  zeigt  meist 
deutlich  eine  Querstrichelung,  weil  auf  jeder  Cylinderzelle  noch  deut- 
lich das  von  ihr  ausgeschiedene  Chitinprisma  zu  erkennen  ist.  Es 
ist  klar,  dass  eine  von  einem  so  dicken  Chitinpanzer  umgebene 
Epithelfläche  unmöglich  der  specielle  Sitz  von  Geschmacksorganen 
sein  kann,  wie  dies  Hallee  (10,  p.  7)  will,  und  ich  habe  dem  ent- 
sprechend auch  keinerlei  Zellengruppen  constatiren  können,  die  den 
Sinneszellen  der  von  diesem  Autor  geschilderten  Geschmacksbecher 
entsprechen  könnten.  Lediglich  vermuthungsweise  möchte  ich  äußern, 
dass  sich  bei  den  Präparaten  Haller's  vielleicht  der  Chitinbelag 
beim  Schneiden  abgelöst  hat  und  die  Epithelzellen  nunmehr  mit  den  an 
ihnen  haften  gebliebenen,  zuletzt  ausgeschiedenen  Chitinsäulchen  den 
Eindruck  von  Sinneszellen  vortäuschten.  Das  Plasma  der  Zellen 
dieses  Cylinderepithels  ist  hell  und  feingekörnelt ,  der  ovale  und 
granulirte  Kern  liegt  im  basalen  Drittel  nahe  der  Mitte  der  Zelle. 
Dieses  Epithel  mit  dem  von  ihm  ausgeschiedenen  Chitinbelag  zieht 
sich  auf  der  ventralen  Fläche  der  Mundhöhle  nach  hinten  bis  auf 
ungefähr  ein  Drittel  ihrer  Länge  aus,  indem  es  sich  gleichzeitig  mehr 
und  mehr  verschmälert,  und  zwar  derart,  dass  es  in  einer  ovalen  Grenz- 
linie endigt  und  sich  in  seiner  hintern  Partie  mehr  und  mehr  von 
den  beiden  äussern  Längswülsten  entfernt,  an  welche  es  in  der 
Gegend  des  Mundrohres  unmittelbar  anstösst,  oder  mit  andern 
Worten:  es  beschränkt  sich  nach  hinten  zu  mehr  und  mehr  auf  die 
Mitte  der  ventralen  Mundhöhlenfläche.  Wie  nach  den  Seiten  hin, 
so  verdünnt  sich  auch  nach  hinten  zu  die  Cuticula  allmählich,  um 


Pacifische  Chitonen.  623 

schliesslich  ganz  in  AVegfall  zn  kommen,  und  mit  dem  Schwinden 
der  Ciiticnla  ändert  sich  auch  der  Charakter  des  Epithels, 
und  dieses  nimmt  eine  durchaus  drüsige  Beschaffenheit  an.  Wie 
Plate  (19,  p.  62)  dies  schon  zutreffend  geschildert  hat,  bestehen  die 
den  Chitinring  unmittelbar  begrenzenden  Längswülste  (iv,  w)  aus 
zwei  Sorten  von  Zellen,  Drüsen-  und  Stützzellen.  Auch  die  specielle 
histologische  Beschreibung,  wie  sie  Plate  von  beiden  Zellsorten 
giebt,  kann  ich  voll  bestätigen.  Die  Drüsenzellen  (d)  waren  von 
langgestreckt  flaschenförmiger  Gestalt,  welche  eine  Differenzirung 
des  Zelleibes  in  eine  etwas  ausgebauchte  basale  Hälfte  mit  wabigem 
Plasmanetz  und  eine  meist  helle  distale  Hälfte,  welche  wahrschein- 
lich lediglich  als  Ausführgang  für  den  sich  mit  Hämatoxylin  intensiv 
blau  färbenden  Schleim  dient,  erkennen  Hess.  Der  verhältnissmässig 
kleine  und  runde  Kern  ist  granulirt  und  findet  sich  meist  im  basalen 
Ende  der  Zelle,  nur  in  vereinzelten  Fällen  rückt  er  bis  zur  Mitte 
der  Zelle  vor.  "Weitaus  die  Mehrzahl  aller  Drüsenzellen  waren 
übrigens  entleert  und  dem  entsprechend  absolut  farblos.  Auch 
die  mit  kegelförmig  den  runden  Kern  umschliessender  Verbreiterung 
endigenden  Stützzellen  (st)  habe  ich  so  angetroffen,  wie  sie  Plate 
schildert.  —  Schliesslich  lehrt  noch  ein  Blick  auf  Fig.  35,  dass  das 
Epithel  der  Seitenräume  (s)  ein  nichtdrüsiges  flaches  Plattenepithel 
ist,  dessen  Zellen  keine  sichtbaren  Grenzen  gegen  einander  aufwiesen. 
Dorsalwärts  sind  wiederum  die  beiden  Längswülste  {w,  yr-),  und  zwar 
in  der  Gegend  ihrer  Vereinigung,  getroffen.  —  Weiter  nach  hinten 
liegende  Schnitte  zeigen,  dass  sich  auf  der  Ventralfläche  der  Mund- 
höhle mit  dem  Schwinden  der  Cuticula  auch  der  Charakter  des 
Epithels  in  so  fern  ändert,  als  dieses  eine  zum  Theil  drüsige  Beschaffen- 
heit annimmt,  d.  h.  es  sind  zwischen  die  typischen  Epithelcylinder- 
zellen  ziemlich  häufig  die  schon  oben  beschriebenen  flaschenförmigen 
Drüsenzellen  eing-estreut.  Das  Epithel  des  medianen  Raumes  der 
Dorsalfläche  der  Mundhöhle  endlich  ist  dasselbe  wie  das  der  Seiten- 
räume {s),  also  ein  niedriges  Plattenepithel,  das  des  zweiten  Paares 
Längswülste  (Fig.  34  ic'^,  ic'^)  sowie  des  medianen  Wulstes  dagegen 
verhält  sich  ebenso  wie  das  der  äussern  Wülste  {w,  w). 

Li  Bezug  auf  das  Subradularorgan  selbst  habe  ich  nichts 
Neues  ermitteln  können.  In  der  Sinnesscheibe  fand  ich  die  drei 
Zellenelemente,  Flimmer-,  inditterente  und  die  typischen  Sinneszellen, 
wie  sie  Haller  (10,  p.  15  ff.)  beschreibt,  wieder,  doch  waren  weder 
Flimmern  noch  Sinnesborsten  mehr  erhalten,    dagegen  die  Cuticula 


624  CURT    VON   WiSSEL, 

noch  nachweisbar.    Eine   Subradulardrüse   habe   ich    ebenso   wenig- 
wie  Plate  entdecken  können. 

Bezüglich  des  Pharynx  und  seiner  Anhangsdrüsen  giebt  ein 
durch  seinen  vordersten  Theil  geführter  Querschnitt  (Fig.  36)  Aus- 
kunft, welcher  mittels  Zeichenapparat  wiedergegeben  ist.  Wie  man 
sieht,  sind  die  morphologischen  Verhältnisse  so,  wie  man  sie  als 
normale  bezeichnen  kann,  d.  h.  .sämmtliche  Anhangsdrüsen,  welche 
auf  dem  Schnitt  sichtbar  sind,  wie  die  linke  Speicheldrüse  (saJ),  die 
Pharyngealdivertikel  (div)  und  die  Radulardivertikel  (div'^),  haben  die 
gewohnte  Ausdehnung  und  die  tj^pische  Lagerung,  so  dass  ich  ledig- 
lich die  histologischen  Verhältnisse  einer  nähern  Erörterung  zu 
unterziehen  brauche:  Die  Mundhöhle  (mh)  ist  auf  diesem  Schnitt 
in  dem  an  ihrer  Einmündung  in  den  Pharynx  gelegenen  Theile  ge- 
troffen, und  wir  sehen,  dass  sich  ihr  flaches  Cylinderepithel  direct 
in  das  höhere  der  Vorderwand  des  Pharynx,  welche  auf  dem  Schnitt 
in  einer  vorspringenden  Falte  getroffen  ist,  fortsetzt  (e^j).  Dieses 
Epithel  ist  ein  reines  Cylinderepithel  und  setzt  sich  unter  Ausschluss 
jeglicher  anderer,  Drüsen-  oder  Stützzellelemente,  lediglich  aus 
schmalen  Cylinderzellen  zusammen,  deren  ovaler,  granulirter  Kern 
ungefähr  in  der  Mitte  der  Zelle  liegt.  Nach  dem  Lumen  des  Pharynx 
zu  liegt  auf  dem  Epithel  ein  zartes  Gerinnsel,  welches  wohl  der 
Anwesenheit  von  Flimmern  seine  Entstehung  verdankt,  jedoch  waren 
letztere  nicht  mehr  deutlich  nachzuweisen.  Dorsalwärts  daran  an- 
schliessend öffnet  sich  die  linke  Speicheldrüse  (sal)  in  den  Pharynx. 
Die  Zellen  des  letztern  nehmen  zunächst  an  Länge  zu  und  differen- 
ziren  sich  im  Lumen  der  Drüse  zu  zwei  verschiedenen  Sorten,  näm- 
lich die  eigentlichen  Drüsenzellen  (d)  und  dazwischen  eingestreute 
fadenförmige  Stützzellen  (sf).  Die  erstem  sind  von  flaschenförmiger 
Gestalt  mit  rundem,  granulirten  Kern  im  distalen  Drittel  der  Zelle. 
Ausser  solchen,  welche  ihre  volle  Ausbildung  schon  erreicht  haben, 
finden  sich  hier  und  da  solche  eingestreut,  welche  erst  im  Entstehen 
begriffen  sind  und  erst  die  halbe  Grösse  erreicht  haben.  Weitaus 
die  meisten  dieser  Drüsenzellen  hatten  sich  ihres  Secrets  entledigt 
und  erschienen  einfach  weiss,  doch  gab  es  auch  solche,  welche  in 
Folge  des  in  ihnen  enthaltenen  Schleims  eine  dunkelblaue  Häma- 
toxylinfärbung  angenommen  hatten.  Zwischen  die  Drüsenzellen  ein- 
gestreut finden  sich  in  verschiedener  Höhe  zahlreiche  spindelförmige 
Stützzellenkerne  eingestreut,  welche  jedoch  nie,  wie  dies  Plate  für 
die  Speicheldrüse  von  Acanthopl.  echin.  schildert  (19,  p.  63),  am  distalen 
Ende  kegelförmig  heraustreten,  sondern  stets  zwischen  den  Drüsen- 


Pacifische  Chitonen.  625 

Zellen  eing^ekeilt  siucL  Endlich  sei  noch  bemerkt,  dass  sich  an  dem 
Speicheldrüsenepithel  ein  dentlicher  Flimmerbelag  erhalten  hatte.  — 
An  die  Speicheldrüse  nach  anssen  angrenzend  ist  auf  dem  Schnitt 
der  vorderste  Theil  des  linken  Pharjmgealdivertikels  getroffen.  Es 
lassen  sich  hier  zwei  histologisch  von  einander  abweichende  Ab- 
schnitte unterscheiden:  1.  an  die  Speicheldrüse  anschliessend  erstreckt 
sich  nach  links  ein  Epithelstreifen,  der  noch  annähernd  dieselbe 
Dicke  hat  wie  das  Speicheldrüsenepithel ;  dieses  Stück  erstreckt 
sich  von  der  Speicheldrüse  bis  zu  dem  Punkt,  wo  das  Epithel  in 
einem  scharfen  Knie  dorsal wärts  umbiegt.  Diese  Partie  ist  histo- 
logisch noch  beinahe  ebenso  aufgebaut  wie  das  Epithel  der  Speicliel- 
drüse,  d.  h.  es  besteht  ebenso  wie  dieses  aus  den  oben  beschriebenen 
schmal  flascheniürmigen  Drüsenzellen  mit  dazwischen  eingestreuten 
spindelförmigen  Stützzellenkernen,  auch  ist  es  von  einem  feinen  Ge- 
rinnsel umsäumt,  welches  auf  einen  Cilienbesatz  schliessen  lässt.  Zu 
diesen  schon  bekannten  Zellelementen  tritt  hier  jedocli  noch  eine 
dritte  Zellart.  Es  sind  dies  grosse  rund  flaschenförmige  Drüsen- 
zellen (d^),  welche  mit  einer  Menge  dunkel  blau  geiärbter  Körnchen 
erfüllt  sind.  Wie  wir  später  sehen  werden,  haben  wir  es  hier  mit 
Zellen  zu  thun,  welche  mit  den  für  die  Zuckerdrüsen  typischen 
Körnchenzellen  vollkommen  identisch  sind.  Jedoch  ist  ihre  Zahl 
hier  zunächst  eine  verschwindend  geringe,  und  dies  sowie  der 
Umstand,  dass  das  Epithel  von  dem  oben  erwähnten  Knie  an  eine 
durchgreifende  Veränderung  erfährt,  veranlassen  mich,  das  eben 
beschriebene  Stück  noch  als  zum  Pharynx  gehörig  anzusehen  und 
das  Pharyngeal divertikel  {div)  erst  von  dieser  Falte  an  zu  rechneu. 
Von  hier  an,  also  in  der  Wandung  des  eigentlichen  Pharyngeal- 
divertikels, wird  das  Epithel  zu  einem  niedrigen  Cylinderepithel, 
in  welches  hier  und  da  die  schon  oben  bescliriebenen  Körnchen- 
zellen eingestreut  sind.  Andere  Drüsenzellen  und  auch  Stützzellen 
fehlen  vollständig.  Verfolgen  wir  von  hier  die  Querschnittserie  nach 
hinten,  so  sehen  wir,  dass  die  Histologie  des  Divertikels  genau  die- 
selbe ist  wie  die  des  Ausführganges  der  Zuckerdrüse,  welclie  in 
seinem  luntern  AMnkel  neben  dem  Oesophagus  in  den  Pharynx 
mündet.  Nur  auf  der  Falte,  welche  sich  von  der  äussern  ^\'an(l 
des  Ausführganges  der  Zuckerdrüse  beinahe  bis  zur  gegenüber- 
liegenden "Wand  erstreckt,  ist  das  Epithel  im  Ganzen  drüsiger  und 
entspricht  genau  schon  dem  eigentlichen  Zuckerdrüsenepithel,  wie 
es  sich  an  den  Zotten  des  Drüsenkörpers  vorfindet.  Die  Aussen- 
Wandungen  des  A  u  s  f  ü  h  r  g  a  n  g  e  s ,   das   m  ö  c  h  t  e   ich  noch- 


626 


CURT    VON    WiSSEL, 


mals  liervorlieben,  sind  histologisch  mit  den  Pharyngeal- 
divertikeln durchaus  übereinstimmend.  Aber  auch 
topographisch  scheinen  mir  die  Zuckerdrüse  und  das 
Divertikel  durchaus  zusammen  zu  gehören,  denn  der 
Ausführgang  der  erstem  mündet  ja  noch  in  den  hin- 
ter s  t  e  n  Z  i  p  fe  1  d  e  s  1  e  t  z  t  e  r  n  e  i  n.  "Wenn  daher  Plate  (19,  p.  63) 
die  Yermuthung  äussert,  die  Pharyngealdivertikel  seien  vielleicht 
ein  zweites  Paar  Speicheldrüsen,  wenn  auch  vielleicht  ihr  Secret 
ein  von  dem  der  eigentlichen  Speicheldrüsen  verschiedenes  sein 
könne,  so  bin  ich  vielmehr  geneigt,  diese  Divertikel  in 
Beziehung  zu  den  Z u c k e r d r ü s e n  zu  bringen  und  zwar 
als  eine  Erweiterung  ihres  Ausführganges  zu  be- 
trachten. Eine  endgültige  Klarheit  über  diesen  Punkt  werden 
wohl  erst  ontogenetische  Untersuchungen  bringen,  speciell  die  Be- 
antwortung der  Frage,  ob  die  Zuckerdrüsen  ektodermalen  oder  ento- 
dermalen  Ursprungs  sind.  —  Die  AVandungen  der  Raduladivertikel 
(div'^)  setzen  sich  ans  einem  niedrigen  Cylinderepithel  zusammen, 
welches  von  einer  dünnen,  nach  dem  Pharynx  zu  an  Dicke  allmäh- 
lich zunehmenden  Cuticula  überzogen  ist.  Ein  gleiches  Verhalten 
zeigt   auch  die  Aussenwand  des  Pharynx.  —  Bezüglich  der  Radula- 

blasen  (N)  kann  ich  nur  die  Ausfüllrungen 
Plate's  (19,  p.  64,  65)  bestätigen  und 
bezüglich  des  Epithels  der  Zuckerdrüsen 
verweise  ich  auf  die  folgende  Art, 
Chiton  sinclmri,  welche  in  diesem  Punkt 
mit  der  in  Eede  stehenden  übereinstimmt 
■  und  welche  ich  speciell  zum  Gegenstand 
der  histologischen  Untersuchung  ge- 
macht habe. 

Der  Verlauf  der  D  a  r  m  w  i  n  d  u  n  g  e  n 
ist  aus  nebenstehender  Textabbildung 
(Fig.  G)  ersichtlich. 

Die  Eischale  ist  mit  einem  dichten 

Wahl  von  Stacheln  besetzt,   welche  den 

Eistacheln    von    Isclmoclnion    frucficosus 

und     Chiton     squamosus     sehr     ähnlich 

sehen.    Auch  sie  (Fig.  37)  scheinen  an 

ihrem  distalen  Ende  5  Zacken  aufzuweisen,  welche  zusammen  eine 

kelchartige  Krone  bilden.     Dieser  Kelch  ist   jedoch   in   der  Mitte 

nicht  napfartig  ausgehöhlt,  sondern  es  tritt  im  Centrum  eine  kleine 


Fiff.  G. 


Pacifische  Chitonen.  627 

runde  Kuppel  hervor.  An  der  Basis  verbreitert  sich  der  Stiel  be- 
trächtlicli  und  sitzt  so  mit  ziemlich  breiter  Fläche  der  Eihülle  auf. 
Die  Länge  der  Stacheln  betrug  im  Maximum  50  //. 

15.  Chiton  sinclairi  (Gray). 

Es  standen  mir  6  Exemplare  zur  Verfügung,  welche  Herr  Prof 
ScHAüiNSLAND  tlieils  am  French-Pass,  theils  in  Summer  auf 
Neuseeland  gesammelt  hat.  Das  grösste  Thier  hatte  eine  Länge 
von  27  mm  und  eine  Breite  von  18  mm,  das  kleinste  eine  Länge 
von  5  mm  und  eine  Breite  von  2^4  "i^^i-  —  Die  Beschreibung 
Pilsbry's  ('26,  p.  174)  sowie  seine  Abbildungen  (tab.  36,  flg.  1 — 3) 
sind  zutreffend. 

Der  M  a  n  t  e  1  ist  an  seiner  Oberseite  dicht  mit  grossen,  platten 
Schuppen  l)edeckt,  während  an  der  Kante  kleine,  farblose  Stacheln 
stehen  und  die  Unterseite  kleine  dachziegelförmige  Schuppen  aufweist. 

Von  den  40 — 41  Kiemen  jederseits  sind  die  14. — 20.  als 
jMaximalkiemen  zu  bezeichnen.  Der  Geschlechtsporus  lag  zwischen 
Kieme  9  10,  der  Nierenporus  zwischen  Kieme  6,7.  Die  Anordnung 
der  Kiemen  ist  holobranch  und  adanal  mit  Zwischenraum. 

Die  Lateral  falte  ist  schmal  und  schwillt  hinter  der  letzten 
Kieme  jederseits  zu  einem  kleinen  Lappen  an,  setzt  sich  aber,  darauf 
wieder  dünner  werdend,  fort  und  zieht  hinter  dem  After  herum. 

Wie  schon  erwähnt,  habe  ich  speciell  diese  Art  zum  Gegen- 
stand der  histologischen  Untersuchung  gemacht  und  werde  dalier 
der  morphologischen  Beschreibung  eines  jeden  Theils  stets  sogleich 
seine  Histologie  folgen  lassen. 

Die  morphologischen  Verhältnisse  der  Mundhöhle  waren  die 
typischen,  dagegen  wies  ihre  Histologie  einige  JVIodificationen  von 
der  der  vorigen  Art  und  auch  gegenüber  der  Darstellung  auf,  welche 
Plate  (17,  p.  61  ff.)  von  der  histologischen  Beschaffenheit  der  Mund- 
höhle von  Acanthopl.  cchin.  gegeben  hat.  Eis  liess  sich  hier  nämlich 
an  der  entleerten  Drüsenzelle  der  Längswülste  (Fig.  38  ic,  iv)  keine 
Differcnzirung  in  einen  distalen,  als  eigentlichen  Drüsenkörper 
functionirenden  und  einen  basalen,  lediglich  als  Eeservoir  oder  Aus- 
führgang aufzufassenden  Theil  erkennen.  Die  ganze  Zelle  (f^,  d) 
war  vielmehr  von  einem  wabigen  Plasma  erfüllt,  sie  secernirt  also 
in  ihrer  ganzen  Ausdehnung.  Ferner  waren  die  Drüsenzellen  hier 
von  ganz  verschiedener  Grösse,  indem  sich  zwischen  den  typischen, 
grossen,  tlaschenförmig  gestreckten  auch  solche  von  jeder  andern 
Grösse  fanden,   welche  jedenfalls  P^ntwicklungsstadien  von  der  ge- 


ß28  CüRT   VON   WiSSEL, 

wohnlichen  C5iindrischen  Epitlielzelle  zur  flaschenförmigen  Drüsen- 
zelle darstellen.  Die  kleinsten  nämlich  sind  noch  hell  und  durch- 
sichtig, wie  die  Epithelzellen,  die  grössern  aber  weisen  bereits  die 
wabige  Structur '  der  oben  beschriebenen  grössten  Zellen  auf.  Bei 
diesen  letztern  befindet  sich  der  kleine,  runde,  granulirte  Kern  immer 
im  distalen  Ende  der  Zelle. 

Auch  in  Bezug  auf  die  Stützzellen  weist  diese  Art  wesentliche 
Verschiedenheiten  auf,  da  dieselben  hier  fast  ganz  fehlen.  Nur 
sehr  selten  sieht  man  einen  kleinen,  spindelförmigen  Kern  (sf)  zwischen 
die  Drüsenzellen  eingeklemmt,  nie  aber  die  von  Plate  beschriebenen 
kegelförmigen,  den  Kern  umschliessenden  Zelleiber,  welche  nach 
dem  Lumen  der  Mundhöhle  zu  heraustreten.  —  Von  nicht  drüsiger 
Beschaffenheit  ist  der  hinter  dem  Chitinring  gelegene  Theil  des 
Mundhöhlenbodens.  Dieser  Theil  umfasst  nach  vorn  hufeisenförmig 
die  mit  Cuticula  versehene  Epithelschicht,  wird  seitlich  von  den 
Seitenwülsten  begrenzt  und  zieht  sich,  kreisförmig  endigend,  bis 
unter  das  vordere  Ende  des  Subradularorgans.  Das  Epithel  besteht 
hier  fast  durchweg  aus  gewöhnlichen  Cj'linderzellen  (Fig.  38  r,  r), 
in  welche  nur  hier  und  da  ein  Stützzellenkern  (st)  eingestreut  ist. 
Dieses  Epithel  zieht  sich  bis  in  die  Gegend  des  hintern  Randes  des 
Subradularorgans,  um  im  hintersten  Winkel  der  Mundhöhle  im  An- 
schluss  an  die  Seitenwülste  wiederum  drüsig  zu  werden.  Das  Dach 
der  Seitenräume  der  Mundhöhle  sowie  deren  mittlerer,  zwischen  den 
Wülsten  gelegener  Theil  ist  wiederum  nicht  drüsig  und  setzt  sich 
hier  ebenfalls  aus  dem  niedrigen  Plattenepithel  zusammen,  wie  ich 
es  schon  für  die  gleichen  Tlieile  von  Chiton  quoiji  beschrieben  habe. 
Auch  bezüglich   des  Subradularorgans  selbst  gilt  das  dort  (lesagte. 

Die  Speicheldrüsen  sind  nach  Lage  und  Morphologie  normal. 
Histologisch  verhalten  sie  sich  genau  wie  bei  Chiton  quoiji,  entbehren 
also  ebenfalls  der  am  distalen  Ende  mit  kegelförmiger  Verbreiterung 
heraustretenden  Stützzellen,  wohingegen  auch  hier  zwischen  die  Drüsen- 
zellen zahlreiche  spindelförmige  Stützzellenkerne  eingestreut  sind. 

Die  Raduladivertikel  weisen  keinerlei  Besonderheiten  auf, 
ebenso  wenig  die  Radulablasen.  Um  so  bemerkenswerther  dagegen 
ist  der  Umstand,  dass  die  Pharyngealdivertikel  hier  voll- 
ständig fehlen.  Der  Pharynx  weist  vielmehr  hier  ein  durchaus 
einheitliches  Lumen  von  beinahe  quadratischem  Querschnitt  auf,  und 
zwar  sind  seine  Seitenwände,  also  die  Homologa  der  sonstigen 
Pharyngealdivertikel,  entschieden  nicht  drüsiger  Natur.  Sie  weisen 
nämlich  genau  dasselbe  flaclie  Cylinderepithel  auf  wie  die  Divertikel 


Pacifische  Chitonen.  629 

von   Chiton   quofji,    wälirend    lediglich    in    dem    Dach    des   Pharynx, 
welches  rechts  und  links  durch  eine  deutliche  Falte  von  den  Seiten- 
wänden   abgesetzt    ist,    zahlreiche    Drüsenzellen   vorkommen.     Hier 
(Fig.   39)  konnte   ich   zwei   verschiedene   Zellsorten    unterscheiden, 
nämlich   1.  die   eben   erwähnten   Drüsenzellen   (s,  ^)   und   2.  minder 
häufig,    aber    ebenfalls    noch    recht    zahlreich,    lange,    fadenförmige 
Stützzellen    (^-S    ^^).      Die    Drüsenzellen    sind    von    lang    flaschen- 
förmiger  bis   cylin drischer  Gestalt  und  besitzen  einen  runden,   stets 
endständigen  Kern   mit   mehreren  Xucleolen.     Der  Kern   der  Stütz- 
zellen  dagegen   ist   lang    spindelförmig   und   homogen  gefärbt    und 
nimmt  in   der   Zelle   meist   eine   mittlere   Lage   ein.     Zwischen  den 
einzelnen  Zellen  finden  sich  häufig  intercelluläre  Lücken.   An  einigen 
günstigen  Stellen,   in  der  Furche  zwischen  zwei  Falten,  konnte  ich 
deutlich  einen  Flimmerbelag  feststellen,  dessen  Ti'äger  jedenfalls  die 
fadenförmigen   Stützzellen  sind.     Nach  den    Seiten    hin   werden   die 
Zellen  zunächst  allmählich  niedriger,  um  dann  jedoch  plötzlich  unter 
Bildung  der  oben  erwähnten  Falten   in  das  niedrige  Cylinderepithel 
der  Seitenwandungen  überzugehen.  —  Die  Ausführgänge  der  Zucker- 
drüsen münden,  wie  immer,  rechts  und  links  vom  Oesophagus  in  den 
Pharynx,   Ihr  Epithel  ist  dasselbe  niedrige  Cylinderepithel,  wie  das 
der  Pharynxseiten,   nur  ist   hier   hier  und  da  eine  Drüsenzelle,  und 
zwar   eine   der   für   das  Zuckerdrüsenepithel  so    charakteristischen 
Körnchenzellen,  eingestreut.    Da  hingegen,   wo  sich  das  Epithel  zu 
der  Längsfalte  des  Ausführganges  in  dessen  Lumen  hinein  vorstülpt, 
zeigt  es  bereits  genau  dieselbe  Histologie  wie  der  eigentliche  Drüsen- 
körper. —   Eine  theoretische  Bewerthung   der  hier  eben 
erörterten  Verhältnisse   dürfte   wohl   der   von   mir  bei 
Beschreibung    der    vorigen   Art    aufgestellten    Hypo- 
these,  die    Pharyngealdivertikel    seien    als    Erweite- 
rungen der  Ausführgänge  der  Zuckerdrüsen  anzusehen, 
wesentlich   zur  Stütze   gereichen.     Denn  wenn   die  Di- 
vertikel    lediglich     Anhänge      oder     Reservoire     der 
Z  u  c  k  e  r  d  1'  ü  s  e  n  sind,  dann  i  s  t  i  h  r  g  e  1  e  g  e  n  1 1  i  c  h  e  s  F  e  h  1  e  n , 
wie   es  ja  auch  von  Plate   für  mehrere  Arten   nachge- 
wiesen wurde,  nicht  besonders  auffällig,  was  der  Fall 
sein   würde,  ^^'  e  n  n  wir  sie  als   ein  besonderes  Drüsen- 
1)  a  a  r   mit    selbständiger    oder  gar   qualitativ  von   der 
der  Speichel-  und  Zuckerdrüsen  verschiedener  Function 
auffassen.    Dass  auch   die    topographischen  sowie  die 
li  istologischen  Verhältnisse  geeignet  sind,  diesemeine 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  42 


630  CüRT   VON   WiSSEL, 

Ansicht  zu  bestätigen,  wurde  schon  bei  der  Beschrei- 
bung von  Chiton  quoyi  hervorgehoben  und  kann  in 
vollem  Umfange  auch  für  die  in  Eede  stehende  Species 
aufrecht   erhalten  werdeu. 

Der  Bau  der  Zuckerdrüse  selbst  bietet  wenig  Bemerkens- 
werthes,  und  es  sei  nur  hervorgehoben,  dass  die  schon  oben  er- 
wähnte Falte  sich  im  Drüsenkörper  beinahe  bis  zur  gegenüber  liegen- 
den Wand  vorstülpt  und  eine  reiche  Zottenbildung  aufweist.  Ihre 
Verästelungen  erfüllen  im  Verein  mit  den  übrigen  Eandzotten  fast 
das  ganze  Lumen  der  Drüse,  so  dass  von  diesem  nur  schmale  Spalt- 
räume übrig  bleiben.  —  Was  das  eigentliche  Drüsenepithel  anlangt, 
so  kann  ich  die  von  Plate  (19,  p.  63,  64)  gegebene  Schilderung  fast 
durchweg  bestätigen,  und  ich  habe  auch  bei  der  vorliegenden  Art 
beide  von  diesem  Autor  unterschiedenen  Drüsenelemente,  Körnchen 
und  Tropfenzellen,  nachweisen  können  (Fig.  40).  Letztere  jedoch 
waren  ausserordentlich  spärlich  vertreten  (^^)  und  enthielten  auch 
nur  sehr  kleine  Tropfen.  Das  Häufigkeitsverhältniss  der  Tropfen  zu 
den  Körnchenzellen  ist  durch  die  Figur  (Fig.  40)  annähernd  richtig 
veranschaulicht.  Die  Kerne  der  Drüsenzellen  liegen  stets  an  deren 
äusserstem  distalen  Ende,  sie  sind  rund,  verhältnissmässig  klein  und 
granulirt.  Die  gelbbraunen  Granula  {g,  g),  wie  sie  Plate  erwähnt, 
konnte  ich  auch  beobachten,  doch  nur  ausserhalb  der  Zellen  im 
Lumen  der  Drüse  den  Drüsenzellen  angelagert.  Oft  schieben  sie 
sich  auch  etwas  zwischen  2  Drüsenzellen,  jedoch  nur  auf  eine  ganz 
kurze  Strecke,  nach  innen  hin  ein.  Zwischen  diesen  Drüsenzellen 
finden  sich  zahlreiche  Kerne  von  Stützzellen  von  zweierlei  Art, 
nämlich  1.  lange,  spindelförmige  {sf,  st),  welche  zwischen  den  Drüsen- 
zellen meist  in  mittlerer  Höhe  derselben  eingeklemmt  liegen,  und 
2.  kreisrunde  (st^,  st^),  welche  zwischen  2  Drüsenzellen  nach  dem 
Lumen  der  Drüse  zu  heraustreten  und  genau  so  aussehen  wie  die 
Kerne  der  Drüsenzellen  selbst.  Wir  haben  also  3  Reihen  von  Kernen 
im  Drüsenepithel:  1.  distal  die  Kerne  der  Drüsenzellen  selbst,  2.  in 
verschiedener  Höhe  zwischen  den  Drüsenzellen  spindelförmige  Stütz- 
zellenkerne und  3.  am  Lumen  der  Drüse  runde  Stützzellenkerne. 

Die  Radula  (Fig.  41)  zeichnet  sich  durch  eine  sehr  schmale 
Mittelplatte  (m)  aus,  deren  Schneide  concav  ausgebuchtet  ist  und 
welche  an  der  Basis  2  flügelartige  Fortsätze  besitzt,  welche  der 
ganzen  Platte  eine  sanduhrförmige  Gestalt  verleihen;  die  Zwischen- 
platte (^)  ist  breit,  aber  nicht  viel  länger  als  die  Mittelplatte,  an 
der  Innern,  obern   und   an   der   äussern,   untern  Ecke   weist  sie  je 


Pacifische  Chitonen.  631 

einen  kleinen  Vorsprung-  auf;  der  Stiel  der  Hakenplatte  (/?)  ist  kurz 
und  schlank  und  besitzt  aussen  einen  kleinen  Flügelfortsatz;  die 
Seitenplatte  (s)  ist  reclitAvinklig-  gebrochen  und  hat  eine  gerade 
Schneide. 

Der  Oesophagus  hat  bei  dieser  Species,  wie  ich  mich  bei 
2  Exemplaren  überzeugte,  kein  cj'lindrisches  Lumen.  Er  stellt  viel- 
mehr eine  sehr  weite  Röhre  dar  (Fig.  42),  welche  2  grosse  Falten 
aufweist.  Die  eine  dieser  Falten  klemmt  sich  zwischen  die  beiden 
Zuckerdrüsen  ein  und  zieht  sich  zwischen  denselben  ventralwärts 
bis  zur  Radulascheide,  die  zweite  dagegen  zieht  sich  nach  der 
rechten  Seite  aus  und  drängt  sich  eine  Strecke  weit  zwischen  die 
rechte  Zuckerdrüse  und  die  dorsale  Körperwand.  Auf  der  linken 
Seite  fehlt  eine  derartige  Aussackung.  —  Zur  Histologie  bemerken 
sowohl  Plate  (19)  wie  Haller  (10),  dass  wir  es  hier  mit  einem 
Flimmerepithel  zu  thun  haben,  und  ersterer  Autor  setzt  hinzu  „die 
Cilien  sind  so  derb,  dass  sie  auch  bei  der  C'onservirung  sich  er- 
halten*' (19,  p.  66).  Während  ich  diese  Angabe  bei  CJiifon  qiioyi 
und  canalkatus  bestätigt  fand,  glaube  ich  mich  bei  der  in  Rede 
stehenden  Species  überzeugt  zu  haben,  dass  die  Verhältnisse  wesent- 
lich andere  sind.  Das  Epithel  des  Oesophagus  (Fig.  42)  wird  hier 
nämlich  in  der  Hauptsache  von  Cylinderzellen  gebildet,  deren  Form 
von  der  cubischen  bis  zur  fadenförmigen  variirt,  nämlich  je  nach 
dem  Druck,  welchen  sie  ihrer  jeweiligen  Lage  entsprechend  zu  er- 
leiden haben.  Cubisch  erscheinen  sie  z.  B.  in  den  oben  erwähnten 
beiden  Falten,  in  welchen  die  Zellen  der  gegenüber  liegenden  Oeso- 
phagealwände  durch  die  aussen  anliegenden  Zuckerüsen,  resp.  durch 
die  rechte  Zuckerdrüse  und  die  dorsale  Körperwand,  fest  auf  einander 
gepresst  werden.  Sowie  dieser  Druck  fortfällt,  strecken  sich  die 
Zellen  mehr  und  mehr  in  die  Länge  und  nehmen  entsprechend  an 
Breite  ab,  bis  sie  in  den  Regionen  des  geringsten  Druckes,  im  vor- 
liegenden Falle  an  der  dorsalen  und  der  linken  Wand  des  Oeso- 
phagus, sich  zu  langen  Fadenzellen  ausdehnen.  Hier  kann  man 
häufige  intercelluläre  Zwischenräume  zwischen  den  einzelnen  Zellen 
bemerken,  und  letztere  weichen  namentlich  in  ihren  dem  Lumen  zu- 
gekehrten Enden  aus  einander,  so  dass  es  zunächst  in  der  That 
aussieht,  als  hätten  wir  hier  sehr  derbe  Cilien  vor  uns,  während  es 
in  Wirklichkeit  die  fadenförmigen  Zelleiber  selbst  sind,  welche  hier 
die  Function  von  Cilien  übernommen  zu  haben  scheinen.  Dass  von 
Cilien  selbst  keine  Spur  vorhanden  ist,  zeigt  sich  einerseits  be- 
sonders deutlich  an   den  Zellen  der  medianen   und   rechten   Falte. 


632  CUBT   VON   WiSSEL, 

welche  mit  klarer,  deutlicher  Contur  abschliesseii,  und  andrerseits 
spricht  das  Fehlen  jeglichen  Gerinseis,  welches  auf  Wimpern  hin- 
deuten könnte,  für  die  Richtigkeit  meiner  Auffassung.  Der  Kern 
der  Epithelzellen  befindet  sich  stets  in  ihrem  äussern  Drittel,  und 
auch  er  variirt  in  seiner  Gestalt  je  nach  derjenigen  der  zugehörigen 
Zelle;  in  den  zusammengedrückten  cubischen  Zellen  ist  er  oval  bis 
rund,  in  den  fadenförmigen  dagegen  ebenfalls  stabförmig  ausgezogen ; 
er  enthält  zahlreiche  kleine  Granula.  —  Ausser  dieser  Zellart  findet 
sich,  wie  dies  auch  Plate  angiebt,  in  sehr  spärlicher  Anzahl  noch 
eine  zweite,  welche  wir  als  Drüsenzellen  anzusehen  haben.  Ihre 
Gestalt  ist  flaschenförmig,  der  Kern  liegt  am  äussersten  Ende  und 
ist  rund  und  granulirt.  Das  Plasma  enthält  zahlreiche  runde 
Kügelchen,  welche  sich  durch  Hämatoxjdin  sehr  intensiv  färben. 
Nach  aussen  wird  der  Oesoghagus  von  einer  dünnen  Bindegewebs- 
schicht  mit  spindelftirmigen,  homogen  gefärbten  Kernen  begrenzt.  — 
Verfolgt  man  den  Oesophagus  nach  hinten,  so  sieht  man,  dass  seine 
rechte  Falte  in  den  Magen  mündet,  und  wie  deren  dorsale  und 
ventrale  Wand  in  ihrem  bisherigen  Verlauf  eng  auf  einander  ge- 
presst  waren,  so  sind  sie  dies  auch  da,  wo  die  Falte  in  den  Magen 
ausläuft,  so  dass  die  Magenöff'nung  in  dorsoventraler  Richtung  zwar 
eng,  dagegen  von  vorn  nach  hinten  nicht  unbeträchtlich  ist.  Sie 
ist  also  bei  der  vorliegenden  Species  nicht  eng,  wie  es  Plate  (19, 
p.  26)  für  Acanthpl.  echin.  angiebt,  sondern  ein  breiter  Spalt.  Auch 
von  einem  Sphincter  konnte  ich  hier  keine  Spur  entdecken,  sondern 
das  den  Oesophagus  begrenzende  Bindegewebe  geht,  ohne  irgend 
eine  Veränderung  zu  erleiden,  continuirlich  auf  den  Magen  über. 

Das  Epithel  des  Magens  ist  ein  niedriges  Cylinderepithel,  dessen 
Zellen,  ohne  intercelluläre  Lücken  frei  zu  lassen,  eng  an  einander 
schliessen  (Fig.  43).  Sie  sind  in  allen  Theilen  des  Magens  von  durch- 
aus gleicher  Höhe.  Den  ovalen,  granulirten  Kern  habe  ich  stets 
annähernd  in  der  Mitte  der  Zelle  gefunden.  Er  ist  von  einem 
schmalen,  lichten  Hof  umgeben,  während  der  ganze  übrige  Zell- 
leib dicht  mit  jenen  kleinen  grüngelben  Granula  erfüllt  ist,  welche 
auch  Hallek  (9,  p.  26)  erwähnt,  nur  mit  dem  Untei-schiede,  dass 
dieser  Autor  dieselben  bei  conservirtem  Material  auf  eine  schmale 
Zone  zwischen  Kern  und  Distalfläche  des  Epithels  beschränkt  sein 
lässt.  Auch  Plate  giebt  für  Acanfhopl.  echin.  an,  dass  die  grüngelben 
Körnchen  nur  der  distalen  Hälfte  der  Zellen  eingelagert  sind.  Die 
von  letzterm  Autor  erwähnten  Schleimzellen  (19,  p.  67)  habe  auch 
ich  in  namhafter  Anzahl  beol)achten  können  (Fig.  43,  d,  d).    Sie  sind 


Pacifische  Chitouen.  633 

in  den  meisten  Fällen  von  dick  flaschenförmiger  Gestalt  und  färben 
sich  durch  Häraatoxylin  intensiv  blau.  In  den  Fällen,  in  denen  sie 
ihr  Secret  entleert  haben,  sind  sie  klar  und  hell,  und  man  sieht  als- 
dann, dass  sie  einen  runden,  g-ranulirten  Kern  aufweisen.  In  ein- 
zelnen Fällen  reichen  sie  nicht  bis  an  die  distale  Fläche  des  Epithels, 
sondern  endigen  bereits  vor  der  mittlem  Region,  in  Höhe  der  Kerne 
der  gewöhnlichen  Epithelzellen.  Mitunter  habe  ich  den  Zelleib  nicht 
rund,  sondern  zipfelförmig  ausgezogen  angetroften,  ein  Befund,  welcher 
jedenfalls  der  durcli  die  (Jonservirung  erzeugten  Schrumpfung  zuzu- 
schreiben ist.  Endlich  ist  öfter  nur  der  Zelleib  und  nicht  auch  der 
Ausführgang  der  Zelle  durch  den  Schnitt  getroffen,  wodurch  das 
Bild  einer  mehr  oder  minder  kugeligen,  grossen,  hellen  oder  dunkel 
blau  gefärbten  Zelle  mit  grossem,  runden,  granulirten  Kern  hervor- 
gerufen wird.  Auch  derartige  Zellabschnitte  findet  man  in  allen 
Höhen  des  Epithels.  Ob  wir  es  in  diesen  Schleimzellen  mit  einer 
besondern  Art  von  Zellen  oder,  wie  Plate  will,  nur  mit  in  einem 
andern  Stadium  befindlichen  Epithelzellen  zu  thun  haben,  möchte 
ich  dahingestellt  sein  lassen,  aber  der  Umstand,  dass  wir  neben 
grossen,  das  distale  Ende  des  Epithels  erreichenden,  auch  kleine 
Schleimzellen  von  oft  nur  halber  Länge  antreffen,  welche  doch  schon 
vollständig  functionsfähig  sind,  scheint  mir  gegen  die  Auffassung 
Plate's  zu  sprechen.  Ausser  den  typischen  Epithelzellen  und  den 
Schleimzellen  tritt  ferner  im  Magenepithel  noch  eine  dritte  Zellart 
sporadisch  zerstreut  auf.  Es  siml  dies  kleine,  helle,  rundliche,  oder 
amöboid  ausgezackte  Zellen  mit  rundem,  intensiv  und  homogen  ge- 
tarbten  Kern  (-?,  z,  z).  In  den  weitaus  meisten  Fällen  habe  ich  sie 
in  der  äussern  Hälfte  des  Magenepithels  zwischen  die  einzelnen 
Epithelzellen  oder  zwischen  deren  distalem  Ende  und  der  dünnen 
bindegewebigen  Hülle  des  Magens  eingeklemmt  gefunden.  Zweifels- 
ohne haben  wir  in  ihnen  eingewanderte  Blutkörperchen  vor  uns. 
Nach  innen  wird  das  Magenepithel,  wie  dies  auch  Haller  und 
Plate  angeben,  von  einem  zarten  Cuticularsaum,  welcher  eine  feine 
Querstrichelung  aufweist,  begrenzt  (c).  Dieser  zeigte  sich  selbst  da, 
wo  er  sich  erhalten  hatte,  vielfach  zerrissen,  und  die  Risse  ent- 
sprachen dann  stets  den  Zellgrenzen  des  darunter  liegenden  Epithels, 
so  dass  das  stehen  gebliebene  Stück  der  Cuticula  der  Zelle  oder  den 
Zellen,  welchen  es  seine  Entstehung  verdankt,  aufsitzt.  Ueber  dem 
Cuticularsaum  konnte  ich  bisweilen  ein  feines  Gerinnsel  {g)  beob- 
achten, welches  auf  das  Vorhandensein  von  Cilien  hindeutet,  wofür 
auch  die  schon  erwähnte  Quersti-ichelung  der  Cuticula  spricht.   A\'enn 


g34  CUKT    VON    WlSSEL, 

Haller  behauptet,  in  dem  Mag-en  oder  wenigstens  in  dessen  untern 
Abschnitt  seien  nie  Speisereste  (9,  p.  26),  so  muss  ich  dem  mit  Plate 
durchaus  widersprechen,  denn  auch  ich  habe  darin  nicht  nur  Leber- 
secret,  sondern  auch  unzweideutige  Nahrungsballen  vorgefunden. 

Wesentlich  verschieden  von  den  Zellen  des  eigentlichen  Magen- 
epithels sind  diejenigen  der  Ausführgänge  der  Leber  (Fig.  44,  -?). 
Diese  sind  bedeutend  in  die  Länge  gestreckt  und  dafür  beträchtlich 
schmäler  als  die  Magenzellen.  Auch  schliessen  sie  nicht  lückenlos 
zusammen,  sondern  lassen  zahlreiche  intercelluläre  Spalträume 
zwischen  sich  frei;  ihre  Gestalt  ist  spitz  kegelförmig  mit  verbrei- 
tertem distalen  Ende;  der  kleine,  längliche,  granulirte  Kern  liegt 
am  basalen  Ende ;  dieses  ist  auf  eine  Ausdehnung  von  einem  Drittel 
der  Zelle  klar  und  hell,  während  das  mittlere  Zelldrittel  fast  aus- 
nahmslos eine  sich  mit  Hämatoxylin  intensiv  färbende  grobe  Granu- 
lirung  aufweist,  welche  wiederum  im  distalen  Zelldrittel  der  zarten 
Granulirung  Platz  macht,  Avelche  durch  die  bereits  bei  Schilderung 
der  Magenzellen  erwähnten  gelbgrünen  Körnchen  hervorgerufen 
wird.  Die  mittlere  grobe  Granulirung  tritt  so  constant  in  jeder 
Zelle  auf,  dass  es  bei  oberflächlicher  Betrachtung  fast  den  Anschein 
hat,  als  hätten  wir  hier  eine  zweite  Reihe  von  Zellkernen  vor  uns, 
was  natürlich  histologisch  unmöglich  ist.  In  Wirklichkeit  stellt  diese 
grob  granulirte  Zone  nichts  anderes  vor  als  ein  durch  die  Conservi- 
rung  auf  den  mittlem  Theil  der  Zelle  contrahirtes  Drüsensecret. 
Die  breiten  distalen  Enden  der  Zellen  sind  scharf  abgeschnitten. 
Zwischen  den  basalen  Enden  auch  dieser  Zellen  findet  man  die 
schon  zwischen  den  Magenzellen  auftretenden  kleinen  Blutzellen  {h). 
Eine  Cuticula  ist  nicht  vorhanden,  und  auch  einen  Flimmerbelag 
habe  ich  nicht  bemerken  können.  Da  wo  die  Zellen  des  Ausführ- 
gangs der  Leber  an  das  eigentliche  Leberepithel  anstossen,  werden 
sie  plötzlich  um  ein  Drittel  kürzer,  so  dass,  da  die  Länge  der  eigent- 
lichen Leberzellen  noch  beträchtlicher  ist  als  die  der  Zellen  des 
Ausführganges,  eine  schmale  Rinne  (r,  r)  gebildet  wird,  welche  die 
Grenze  zwischen  Leber  und  Ausführgang  markirt.  Was  die  Leber- 
zellen selbst  anlangt,  so  beschreiben  Feenzel  (7.  p.  261)  und  Haller 
(9,  p.  34  ff.)  nur  eine  Art  von  solchen,  nämlich  die  mit  zahlreichen 
braungelben  Tröpfchen  erfüllten  Drüsenzellen,  während  Plate  (19, 
p.  67)  noch  auf  eine  zweite  Zellart  hinweist,  welche  auf  dem  Längs- 
schnitt von  dreieckiger  Gestalt  sind,  aber  „mit  ihrer  nach  innen 
gewandten  Spitze  das  Lumen  nicht  erreichen,  da  sie  nur  etwa  halb 
so  hoch  wie  die  benachbarten  Zellen  sind."     Plate  vermuthet,  dass 


Pacifische  Chitonen. 


635 


es  sich  hier  um  ein  besonderes  Element  handelt,  ohne  jedoch  eine 
definitive  Ansicht  äussern  zu  wollen.  Auch  ich  habe  diese  zweite 
Zellart,  welche  sogar  mit  ziemlicher  Häufigkeit  (/\i  auftritt,  beob- 
achten können.  Ihre  Form  ist  nicht  immer  dreieckig,  sondern  kann 
auch  rund  und  viereckig  sein,  immer  aber  sind  diese  Zellen,  wie 
dies  schon  Plate  angiebt,  von  höchstens  der  halben  Länge  der 
typischen  Leberzellen,  reichen  also  nie  an  das  Lumen  der  Leberacini 
heran.  Ebenso  kann  ich  auch  bestätigen,  dass  sie  nie  jene  gelben 
Secrettröpfchen ,  sondern  lediglich  ein  sich  mit  Hämatoxylin  nur 
schwach  färbendes  Protoplasma  mit  sehr  grossem  runden,  mittel- 
ständigen Kern  enthalten.  Dieser  Kern  ist  ebenso  granulirt  wie 
der  der  eigentlichen  Lebersecretzelle,  aber  immer  von  wenigstens 
doppelter  Grösse  des  letztern.  Die  typischen  Secretzellen  (?)  habe 
ich  so  angetroffen,  wde  sie  von  Haller  und  Plate  beschrieben 
werden :  der  Kern  ist  stets  basalständig,  verhältnissmässig  klein  und 
fein  granulirt.  die  gelbbraunen  Secrettröpfchen  häufen  sich  fast 
regelmässig  im  distalen  Theile  der  Zelle  in  grösserer  Menge  in  einem 
kleinen  hellen  Bläschen  an,  in  w^elcher  Form  sie  sich  auch  häufig 
im  Lumen  der  xA.cini  vorfinden.  Auch  die  Leber,  sowie  jeder  einzelne 
Lappen  derselben,  ist  lediglich  von  einer  dünnen  bindegewebigen 
Hülle  umschlossen. 

Der  Darm  (Textfig.  H)  hat  folgenden  Verlauf:  nach  seinem  Aus- 
tritt aus  dem  Magen  zieht  er  sich  an  der  rechten  Leibeshöhlenwand 
nach  hinten  bis  nahezu  an  das  hintere  Ende 
der  Leibeshöhle  (cV),  biegt  hier  nach  links 
und  vorn   um   und   zieht   dorsal   von  links 
hinten  nach  der  Mitte  vorn  (d-),  hier  biegt 
er  wiederum  nach  links,  bildet,  indem  er 
sich   kurz   darauf  scharf  nach   rechts  und 
unten   wendet,    eine   kleine   Schlinge 
wendet    sich    ventralwärts,    zieht    an 
rechten  Seite  wiederum   nach   hinten 
biegt    hier    zum   2.    Mal    nach    innen 
der    1.    L'mbiegungsstelle    nach    vorn 
zieht   ventralwärts   des    ersten   nach 
aufsteigenden  Schenkels  nochmals  nach  vorn 
{d'^),    biegt  jedoch  schon   hinter    der   oben 
erwähnten  kleinen  Schlinge  nach  der  Mitte 
um  und  läuft  an  der  Ventralfiäche  der  Leibeshöhle  etwas  links  nach 
hinten,  um  in  der  medianen  Afteröffnung  zu  endigen  ((?").   Der  Ver- 


Fiff.  H. 


636  CüRT    VON    WiSSEL, 

lauf  der  Darmschlingen  ist  demnach  ein  wenig-  complicirter  und  ge- 
hört dem  Ch?fon-Ty])i\s  an. 

Das  Darmepithel  besteht,  wie  dies  von  Plate  und  Hallee  ge- 
schildert wird,  aus  hohen  cylindrischen  Zellen  (Fig.  45).  Im  Gegen- 
satz zu  der  Schilderung  Hallee's  (9,  p.  37)  finde  ich  hier,  dass  das 
Epithel  nicht  w^ellenförmig  ist,  sondern  durchaus  eben  das  runde 
Darmlumen  umschliesst.  Hiervon  macht  nur  der  Enddarm  eine  Aus- 
nahme, indem  hier,  wie  Haller  dies  schildert,  Hügel  mit  höhern 
Zellen  mit  Thälern  mit  minder  hohen  gleichmässig  abwechseln. 
Hier  ist  also  das  Epithel  selbst  von  verschiedener  Dicke  und  in 
sich  wellenförmig.  Wieder  anders  das  Rectum,  das  Stück,  welches 
in  der  hintern  Körperwand  liegt.  Auch  hier,  wie  im  übrigen  End- 
darm ist  das  Lumen  des  Darmes  im  Querschnitt  sternförmig,  aber 
hier  sind  die  Epithelzellen  wieder  alle  von  gleicher  Höhe,  das 
Epithel  bildet  aber  Falten,  av eiche  dadurch,  dass  die  Mus- 
culatur  der  Körperwand  in  ihre  nach  aussen  gekehrten  Hohlräume 
eindringt,  solid  werden.  —  Die  Zellen  des  Darmepithels  sind,  wie 
dies  auch  Haller  und  Plate  angeben,  hoch  cylindrisch  (Fig.  45). 
Auch  hier  erfüllen  die  grüngelben  Kügelchen  die  ganze  Zelle.  Der 
ovale  feingranulirte  Kern  ist  annähernd  mittelständig.  An  einzelnen 
Stellen  fand  ich  ein  Gerinnsel,  welches  auf  Wimpern  hinzudeuten 
schien,  doch  waren  diese  selbst  nicht  mehr  erhalten.  Die  Zellen 
schliessen  hier  dicht  an  einander,  ohne  intercelluläre  Lücken  zu  lassen, 
jedoch  fand  ich  auch  hier  hier  und  da  eine  kleine  helle  Zelle  von 
wechselnder  Form  mit  stark  und  homogen  gefärbtem  Kern  einge- 
klemmt (^,  ^),  wie  ich  sie  schon  bei  Beschreibung  des  Magen-  und 
des  Leberepithels  erwähnt  habe  und  welche  ich  für  Blutkörperchen 
anspreche.  —  Was  im  Darm  auftretende  Drüsenzellen  anlangt,  so 
weichen  meine  Befunde  sowohl  von  der  Schilderung  Haller's  wie 
von  der  Plate's  ab.  Haller  sagt  nämlich  (9,  p.  39),  diese  Zellen 
kämen  bei  Chitonen  nur  im  Enddarm  vor,  während  Plate  (19,  p.  68) 
sie,  wenn  auch  in  w^echselnder  Häufigkeit,  in  allen  Darmtheilen  an- 
getrofi"en  hat.  Meine  Präparate  zeigen  nun  in  dieser  Hinsicht  eine 
scharf  gesonderte  histologische  Differenzirung  der  einzelnen  Darm- 
abschuitte  von  einander,  derart,  dass  sich  die  Schleimzellen  in  ihrem 
Vorkommen  auf  den  Theil  des  Darmes  beschränken,  welchen  ich  in 
der  Textfigur  durch  |  ||  abgegrenzt  habe.  Hier  aber  bilden  sie  die 
das  Darmepithel  ausschliesslich  zusammensetzende  Zellart 
(Fig.  46).  Es  ist  dies  die  hintere  Hälfte  der  (vom  Magen  an  ge- 
rechnet) 1.  Darmschlinge.    Wie  Fig.  46  zeigt,  liegt  hier  Schleimzelle 


Pacifische  Chitonen.  637 

neben  Schleimzelle,  während  die  andern  Theile  des  Darmes  (Fig*.  45) 
nicht  eine  einzige  aufweisen.  Das  Protoplasma  der  Schleimzellen 
ist  grob  grannlirt  nnd  färbt  sich  intensiv  mit  Hämatoxylin;  der 
runde  granulirte  Kern  liegt  stets  am  basalen  Ende  der  Zelle.  Auch 
hier  wieder  finde  ich  Blutkörperchen  eingestreut.  An  ihren  beiden 
Enden  geht  diese  histologisch  so  scharf  ausgeprägte  Darmstrecke 
ziemlich  unvermittelt  in  das  gewöhnliche  Darmepithel  über.  Eine 
zweite  drüsig-e  Zone  tritt  im  Enddarm  auf,  da  wo,  wie  oben  ge- 
schildert, das  Epithel  durch  ungleiche  Höhe  seiner  Zellen  wellen- 
förmig wird,  also  vor  Eintritt  des  Darms  in  die  Körperwand.  Diese 
Region  ist  jedoch  weit  weniger  scharf  als  Drüsenzone  gekennzeichnet, 
denn  es  treten  hier  nur  vereinzelte  in  das  cylindrische  Epithel  ein- 
gestreute Drüsenzellen  auf  und  zwar  stets  an  den  Stellen,  wo  durch 
Verkürzung  der  Zellen  ein  Thal  gebildet  wird. 

Des  Oeftern  bereits  wurde  in  obiger  Beschreibung  des  Ver- 
dauungstractus  der  den  Oesophagus,  den  Magen  und  die  Leberlappen 
nach  aussen  begrenzenden  dünnen  bindegewebigen  Hülle  gedacht. 
Diese  bildet,  wie  erwähnt,  ein  äusserst  dünnes  Häutchen  mit  einer 
einschichtigen  Lage  kleiner,  spindelförmiger  und  homogen  gefärbter 
Kerne.  Von  den  zahlreichen  bindegewebigen  bzw.  musculösen  Ele- 
menten, wie  sie  Plate  für  Acanfhpl.  echin.  (19,  p.  73  ff.)  beschreibt, 
war  nicht  eine  Spur  zu  entdecken,  und  ebenso  fehlt  das  interstitielle 
Bindegewebe,  welches  sich  zwischen  den  Darmwindungen  und  Leber- 
lappen ausbreiten  soll,  vollständig.  Es  bestehen  also  in  dieser  Hin- 
sicht bei  den  einzelnen  Species  wesentliche  Verschiedenheiten. 

Geschlechtsorgane. 

Bezüglich  der  Topographie  von  Hoden  und  Ovar  weiss  ich  dem 
schon  Bekannten  nichts  Neues  hinzuzufügen.  Die  Geschlechtsdrüse 
ist  an  die  Ventralwand  der  Aorta  angeheftet  und  erstreckt  sich  vom 
Vorderende  des  Pericards  an  nach  vorn  bis  in  das  3.  Segment 
hinein.  Ein  Befestigungsband,  wie  es  Haller  (9,  p.  57)  vom  hintern 
sowohl  wie  vom  vordem  Ende  der  Keimdrüse  ausgehen  und  an  das 
Pericard  einerseits,  an  das  Zwerchfell  andrerseits  herantreten  sah 
und  welches  er  für  ein  rückgebildetes  Leibeshöhlenepithel  hält,  konnte 
ich  ebenso  wenig  wie  Plate  (19,  p.  94,  95)  beobachten.  Ja  bei  der 
vorliegenden  Species  fehlen  sogar  die  Bindegewebszüge,  welche  nach 
Plate  bei  Acanthopl.  echin.  vom  hintern  Ende  des  Geschlechtsorgans 
nach  den  umliegenden  Organen,  dem  Rectum  und  der  Leber,  sowie 
an  die  Körperwand   herantreten.    Auch  das   Genitalorgan  ist  hier 


638  CURT    VON    WlSSEL, 

vielmehr,  wie  alle  übrigen  Organe,  von  einer  dünnen,  binde- 
gewebigen Hülle  umschlossen,  welche  aber  keinerlei  Verästelungen 
oder  Ausstrahlungen  durch  die  Leibeshöhle  hindurch  nach  andern 
Körpertheilen  entsendet. 

Auch  der  innere  Bau  der  beiderlei  Geschlechtsdrüsen  weist 
nichts  von  den  frühern  Beschreibungen  Abweichendes  auf.  Die 
Ventralfläche  wie  die  beiden  Seitenflächen  sind  dicht  mit  Falten 
besetzt,  welche  das  Keim  epithel  tragen.  Nur  die  dorsale  Anheftungs- 
zone  an  die  Aorta  und  ein  schmaler  Streifen  rechts  und  links  von 
derselben  bis  zu  einer  Längsfalte  jederseits  betheiligt  sich,  wie  dies 
schon  Plate  richtig  angiebt,  nicht  au  der  Hervorbringung  der  Ge- 
schlechtsproducte.  sondern  weist  ein  mit  ziemlich  derben  Cilien  be- 
setztes Flimmerepithel  auf.  Dorsalwärts  von  dieser  P'alte  münden 
die  Ausführgänge  der  Geschlechtsdrüse  in  letztere  ein  und  zwar  in 
der  Gegend  des  letzten  hintern  Anheftungspunktes  an  die  Aorta, 
bzw.  an  das  Pericard,  wie  Plate  es  schon  angiebt.  Nur  in  dem 
letzten  freien  Blindsack  der  Genitaldrüse  betheiligt  sich  nach  meinen 
Beobachtungen  auch  die  dorsale  Wand  an  der  Bildung  der  Ge- 
schlechtsproducte,  und  hier  ragen  also  auch  von  oben  mit  Keim- 
epithel besetzte  Falten  in  das  Lumen  der  Drüse  hinein,  welche 
allerdings  stets  kürzer  bleiben  als  die  der  Ventralfläche  und  der 
Seitenwände. 

In  Bezug  auf  die  Oogenese  kann  ich  die  Angaben  Gaenault's 
(8.)  und  Plate's  (19.)  durchweg  bestätigen.  In  Fig.  47,  a  und  h 
habe  ich  zwei  verschieden  grosse  Eistadien  von  Chit.  sindairi  wieder- 
gegeben. Die  Follikelmembran  von  «  mit  den  ihr  aussen  angelagerten 
Kernen  ist  deutlich  zu  erkennen,  w^ährend  bei  h  auch  die  Eihaut 
bereits  in  beträchtlicher  Dicke  ausgeschieden  ist.  Diese  aussen  an- 
gelagerten Follikelzellkerne  erscheinen  in  dem  Stadium  a  gänzlich 
nackt,  jedenfalls  aber  sind  sie  von  einer  ausserordentlich  dünnen 
Plasmaschicht  umgeben,  die  nur  ihrer  Zartheit  wegen  für  das  Auge 
nicht  erkennbar  wird.  In  dem  vorgeschrittenen  Stadium  h  dagegen 
wird  jeder  der  hier  bedeutend  grössern  Follikelkerne  von  einem 
hyalin  durchscheinendem  Hof  umgeben,  oder  es  ist  ihm  ein  solches 
hyalin  durchscheinendes  Gebilde  seitlich  unmittelbar  angelagert. 
Schon  Plate  (19,  p.  97)  hat  nachgewiesen,  dass  wir  es  hier  mit  der 
Bildung,  beziehungsweise  mit  der  ersten  Anlage  der  Eistacheln  zu 
thun  haben,  von  denen  also  jeder  je  einer  Follikelzelle  seinen  Ur- 
sprung verdankt.  Ob  es  bei  der  hier  in  Rede  stehenden  Art  über- 
haupt zur  Bildung  solcher  Stacheln   kommt,   oder  ob   es  hier  nicht 


Pacifische  Chitoueu.  639 

vielmehr  mit  der  Bildung-  der  kleinen  in  Figur  47.  h  sichtbaren 
Kegelchen  sein  Bewenden  hat.  nniss  ich  dahin  gestellt  sein  lassen. 
Da  jedoch  die  Eier,  welche  jene  Gebilde  aufwiesen,  schon  eine  sehr 
beträchtliche  Grösse  hatten  und  ihre  Dotter  auch  schon  g:anz  hell 
und  von  jenen  durch  Hämatoxylin  sich  intensiv  färbenden  Kügelchen 
und  Schollen  völlig  frei  waren,  glaube  icli  annehmen  zu  dürfen,  dass 
sie  schon  ihre  völlige  Reife  erlangt  hatten  und  daher  bei  dieser  Art 
überhaupt  keine  Stacheln,  sondern  eben  nur  jene  kleinen,  stumpfen 
Kegel  besitzen,  die  wir  demnach  wohl  als  rudimentäre  Stacheln 
aufzufassen  haben.  Was  die  eben  erwähnten,  sich  durch  Hämatox3'lin 
intensiv  färbenden  Kügelchen  und  Schollen  anlangt,  so  schliesse  ich 
mich  der  Ansicht  (takxault's  und  Plate's  an,  dass  wir  es  hier  mit 
Albumiuaten  zu  thun  haben,  auf  deren  Kosten  das  Wachsthum  des 
Eies  vor  sich  geht:  ihre  Menge  in  noch  jugendlichen  und  unent- 
wickelten Eiern,  und  ihr  allmähliches  Schwinden  im  Laufe  der 
weitern  Entwicklung  spricht  für  die  Richtigkeit  der  oben  erwähnten 
Erklärung. 

In  Jkzug-  auf  die  Spermatogenese  giebt  Haller  (9,  p.  53) 
an,  dass  die  Spermatozoenköpfe  als  helle  Erhebungen  der  Kerne 
grosser  Spermatoblastenzellen  in  grösserer  Anzahl  gleichzeitig  auf- 
treten, während  Plate  (19,  p.  100)  diesen  Bildungsmodus  in  Abrede 
stellt  und  die  Spermatozoen  vielmehr,  ganz  wie  wir  dies  bei  der 
Spermatogenese  der  Thiere  überhaupt  zu  beobachten  gewöhnt  sind, 
dui'ch  mehrere  Zelltheilungen  aus  den  ursprünglichen  Mutterzellen 
hervorgehen  lässt.  Nach  den  Bildern,  welche  mir  vorlagen,  schliesse 
ich  mich  der  Darstellung  Plate's  an,  denn  auch  ich  konnte  deutlich 
die  verschiedenen,  durch  wiederholte  Theilungen  aus  einander  her- 
vorgegangenen von  aussen  nach  innen  continuirlich  an  Grösse  ab- 
nehmenden Kerngenerationen  unterscheiden.  Ein  näheres  Eingehen 
auf  histologische  Details  erlaubte  leider  der  Conservirungszustand 
meiner  Präi)arate  nicht. 

Die  Lage  des  Oviducts  und  des  Vas  deferens  ist 
dieselbe,  wie  sie  Plate  schon  für  AccmthopL  echin.  (19,  p.  102)  an- 
giebt,  d.  h.  sie  münden  jederseits  da  in  die  Geschlechtsdrüse, 
wo  sich  deren  hinterste  Anheftungsstelle  an  die  Aorta  befindet, 
ziehen  dann  dem  vordem  Rande  des  Pericards  folgend  und  von 
demselben  zur  Hälfte  überlagert  nach  den  Seiten,  um  in  den  Ge- 
schlechtspapillen  ihre  Ausmündung  zu  finden.  —  Das  Vas  deferens 
unterscheidet  sich  vom  Oviduct  sofort  durch  seine  nur  die  Hälfte 
des  Durchmessers  des  letztern  betragrende  Breite  und   durch  seine 


640  CURT    VON    WiSSEL, 

glatte,  nicht  faltige  Wandung-,  welche  ein  niedriges  Flimmerepithel 
aufweist.  —  Die  AVandung-  des  Eileiters  besteht  da,  wo  er  in  die 
Geschlechtsdrüse  einmündet,  ebenfalls  aus  einem  niedrig-en  Flimmer- 
epithel (Fig.  48  a),  welches  die  Fortsetzung  der  nicht  an  der  Ei- 
bildung  betheiligten,  mit  Cilien  besetzten,  dorsalen  Wandung  des 
Ovars  sowie  der  dorsalen  Seite  der  lateralen  Falte  bildet.  Die 
Zellen  sind  hier  von  niedriger,  cubischer  Gestalt,  von  hellem  Plasma 
erfüllt,  welches  eine  schwache  Längsstreifung  aufweist.  Zwischen 
den  einzelnen  Zellen  finden  sich  häufige  iutercelluläre  Spalträume. 
Der  runde,  granulirte  Kern  befindet  sich  in  der  Mitte  der  Zelle. 
Im  weitern  Verlauf  des  Eileiters  verlängern  sich  diese  Zellen  mehr 
und  mehr  und  gehen  gleichzeitig  Anastomosen  mit  einander  ein.  so 
dass  das  in  Fig.  4:8  b  wiedergegebene  Bild  entsteht.  Hier  finden 
sich  Zellkerne  in  jeder  Höhe  der  Zelle  und  in  ungemein  reicher 
Anzahl.  Auch  das  Plasma  dieser  Zellen  weist  eine  zarte  Längs- 
streifung auf,  sie  sind  also  aus  den  in  Fig.  48  a  wiedergegebenen 
niedrigen  Zellen  durch  Streckung  und  unvollkommene  Theilung 
hervorgegangen,  wodurch  die  zahlreichen  Anastomosen  erklärt  wären. 
Auch  hier  wieder  sind  zwischen  den  einzelnen  Zellen  und  Zellzügen 
zahlreiche  iutercelluläre  Lücken  zu  bemerken,  so  dass  das  ganze 
Epithel  einen  maschigen  Charakter  hat.  Wie  man  aus  Vorstehendem 
ersieht,  ist  eine  eigentliche  Grenze  zwischen  den  Zellen  der  Innern 
Oviductmündung  und  denen  der  eigentlichen  Mucosa,  wie  sie  Plate 
für  Acanfhpl.  echin.  (19,  p.  103)  beschreibt,  hier  nicht  nachweisbar, 
sondern  wir  haben  es  hier,  von  den  gleich  zu  erwähnenden  Stütz- 
zellenkernen abgesehen,  nur  mit  einer  Zellart  zu  thun.  Zwischen 
diesen  Zellen  finden  sich  nämlich  häufig  sehr  intensiv  gefärbte,  lang- 
gestreckte, granulirte  Zellkerne  (Fig.  48  b,  st,  st),  welche  jedenfalls 
den  Kernen  der  von  Plate  (19,  p.  103)  als  Fadenzellen  bezeichneten 
Elementen  entsprechen.  Den  zu  diesen  Zellen  gehörenden  Plasma- 
körper habe  ich  nicht  mehr  wahrnehmen  können,  derselbe  muss 
daher  ausserordentlich  dünn  sein  und  den  Kern  als  ganz  schmaler 
Saum  umgeben.  Jedenfalls  findet  sich  hier  keine  dem  Lumen  des 
Eileiters  zugekehrte,  kegelförmige  Erweiterung  des  Zelleibes,  wie 
sie  Plate  bei  den  Fadenzellen  von  Acanfhpl.  echin.  beschreibt.  Ich 
bezweifle  daher,  dass  diese  Zellen  bei  der  mir  vorliegenden  Species 
die  Träger  von  Cilien  sein  können.  Was  die  Wimperung  des  Ovi- 
(lucts  überhaupt  anlangt,  so  habe  ich  eine  solche  zweifellos  an  den 
beiderseitigen  Ausmündungen  in  das  Ovar  einerseits  und  die  Kiemen- 
rinne  andrerseits  nachweisen   können.     In   der  mittlem  Partie   des 


Pacdfische  Chitonen.  641 

Eileiters  sehe  ich  ein  dickes  Geriusel  den  Zellen  angelagert  oder 
auch  stellenweise  etwas  von  ihnen  abgehoben,  über  dessen  Bedeutung 
ich  keine  definitiA^e  Klarheit  zu  erlangen  vermochte:  es  kann  sich 
nämlich  hier  meiner  Ansicht  nach  ebensowohl  um  sehr  lange  Cilien, 
wie  auch  lediglich  um  eine  Schleimschicht  handeln.  Doch  hat  die 
erstere  Annahme  mehr  Wahrscheinlichkeit,  denn  erstens  ist  diese 
Schicht  sehr  deutlicli  quergestreift,  was  für  ihre  Zusammensetzung 
aus  einzelnen  mit  einander  verklebten  Härchen  sprechen  würde,  und 
zweitens  geht  sie  continuirlich  und  deutlich  in  ilie  Cilien  des  Anfang- 
und  Endtheils  des  Oviducts  über.  Namentlich  der  letztere  Grund 
ist  für  mich  bestimmend,  denn  die  Streifung  könnte  schliesslich  auch 
dadurch  zu  Stande  gekommen  sein,  dass  in  Folge  des  plötzlichen 
Absterbens  des  Thieres  bei  der  Conservirung  die  ürüsenzellen  ihren 
Schleim  strahlenförmig  hervorgeschossen  haben  und  letzterer  während 
dieses  Hervorschiessens  sofort  geronnen  und  in  diesem  Zustande 
flxirt  worden  ist.  Am  Geschlechtsporus  selbst  werden  die  Oviduct- 
zellen  plötzlicli  kürzer  und  gehen  aussen  in  das  mit  Drüsenzellen 
gemischte,  flimmernde  Cylinderepithel  der  Aussenfläche  über  (Fig.  48b). 
—  Die  bindegewebige  Hülle  der  Geschlechtsdrüse  habe  ich  von  der 
gleichen  Beschaffenheit  gefunden  wie  die  des  gesammten  Darm- 
€anals,  d.  h.  sie  bestand  lediglich  aus  einer  mehrfachen  Lage  lang 
gestreckter  Fasern,  in  welche  hier  und  da  kleine  spindelförmige 
Kerne  eingestreut  waren.  Von  Plasmazellen  und  sternförmigen 
Bindegewebszellen  habe  ich  auch  hier  nichts  beobachten  können. 

Blutgefässystem. 

Dieses  Organsystem  hat  Plate  bei  AccodhpJ.  echin.  in  so  aus- 
führlicher Weise  beschrieben,  dass  er  bezügiicli  der  Genauigkeit  der 
Schilderung  jedes  einzelnen  Abschnittes  desselben  seine  Vorgänger 
weit  hinter  sich  lässt.  Ich  werde  mich  daher  im  Laufe  meiner  Be- 
schreibung hauptsächlich  auf  die  von  Plate  gemachten  Angaben 
beziehen  und  mich  darauf  beschränken,  da,  wo  ich  eine  Abweichung 
der  von  mir  untersuchten  Species  konstatirt  habe,  dieselbe  genauer 
zu  charakterisiren,  während  ich  im  Uebrigen,  um  ^^'iederholungen 
zu  vermeiden,  auf  das  vortreffliche  PLATE'sche  Werk  hinweise. 

Das  Pericard  hat  die  bekannte  Lage  und  Ausdehnung,  d.  h. 
es  heftet  sich  im  Bereich  der  beiden  letzten  und  theilweise  des 
drittletzten  Segments  an  die  Rückenfläche  der  Leibeshöhle  an.  Nach 
vorn  zu  ist  es  in  der  Mitte  spitz  ausgezogen,  um  an  dieser  Spitze 
die  Aorta  austreten  zu  lassen.    Von   diesem  mittlem,    am   meisten 


g42  CURT    %'ON   "WiSSEL, 

nach  vorn  zu  gelegenen  Punkte  ziehen  die  beiden  vordem  Seiten- 
kanten des  Pericards  in,  von  vorn  betrachtet,  concaven  Bogen  nach 
den  Seiten  und  hinten.  Sie  bedecken  dabei  zum  Theil  die  beider- 
seitigen Ausführgänge  der  Geschleclitsdrüse,  welclie  ihneu  genau 
parallel  verlaufen  und  mit  ihrer  hintern  Hälfte  mit  dem  Pericard 
verwachsen  sind.  Von  hier  aus  zieht  das  Pericard  als  ein  dorso- 
ventral  abgeplatteter  Beutel  bis  zum  Hinterende  der  Leibeshöhle; 
nach  innen  schlägt  es  sich  auf  den  Herzmuskel  und  die  Vorhöfe 
über,  deren  Mnsculatur  es  im  vordem  Theile  von  aussen  bekleidet 
(Fig.  49).  Die  Herzkammer  stellt  liinten  (Fig.  50,  51  vent)  einen 
cylindrischen  Schlauch  dar,  dessen  Hinterende  nicht  ganz  bis  zum 
Hinterende  des  Pericards  reicht ;  vorn  ( Fig.  49  vent)  ist  sie  seitlich  nach 
unten  gezogen,  ihr  Querschnitt  hat  hier  also  die  Gestalt  eines  nach 
unten  offenen  Hufeisens.  Was  die  Verwachsung  des  Herzschlauchs 
mit  der  Eückenhaut  anlangt,  so  giebt  Plate  an,  dass  dieselbe  sich 
auf  die  ganze  Länge  desselben  erstrecke  und  von  hinten  nach  vorn 
zu  an  Breite  zunehme.  Nach  meinen  Befunden  (Fig.  50,  51  venf)  hängt 
sein  hinterer  Zipfel  ohne  dorsale  Befestigung  frei  im  Lumen  des 
Pericards.  —  Die  Vorkammern  münden  mit  je  2  Ostien  in  die  Kammer 
ein,  welche  gleichzeitig  die  einzigen  Innern  Befestigungen  der  Atrien 
bilden,  wie  dies  Plate  schon  hervorgehoben  hat.  An  der  äussern 
Peripherie  des  Herzbeutels  sind  die  Vorhöfe  nach  meinen  Beobach- 
tungen nur  5  mal  befestigt,  nämlich  an  den  Stellen  der  von  Plate 
sogenannten  constanten  Atrialpori,  durch  welche  das  Blut  aus  der 
Branchialvene  in  die  Atrien  einströmt.  Die  kleinen,  zahlreichen 
inconstanten  Atrialpori  Plate's  habe  ich  an  meinen  Schnitten  nicht 
nachweisen  können,  doch  mag  das  vielleicht  in  der  Kleinheit  des 
Objects  begründet  sein  und  in  der  Unmöglichkeit,  mangels  lebenden 
Materials  Injectionen  ausführen  zu  können.  Schiff  (23)  hat  zu- 
erst und  nach  ihm  auch  Plate  darauf  hingewiesen,  dass  die  beiden 
Atrien  hinten  in  einander  übergehen.  Auch  ich  kann  diese  Angabe 
bestätigen,  aber  nach  meinen  Beobachtungen  gehen  die  Vorhöfe  nicht, 
wie  die  beiden  genannten  Forscher  wollen,  „hinter  und  über  der 
Ventrikelspitze"  (Plate  19,  p.  108)  in  einander  über,  sondern  sie 
senken  sich  vielmehr  hinter  dem  zweiten  Ostienpaare  jederseits  nach 
unten  (Fig.  50  afr,  atr),  um  sich  ventralwärts  von  dem  hintern 
Ventrikelzipfel  mit  einander  zu  vereinigen  (Fig.  51,  afr).  Der  Ver- 
einigungsgang zieht  sich  darauf  unterhalb  der  Herzkammer  zipfel- 
förmig  nach  hinten  aus,  um  in  dem  hintern  unpaaren  constanten 
Atrialporus  auszulaufen. 


Pacifische  Chitonen.  643 

Bezüg-lich  der  Histologie  der  eben  beliaiidelten  Organe  ver- 
weise ich  auf  Fig.  49.  Da  sich  Verschiedenheiten  bezüglich  frühern 
Beschreibungen,  wie  man  sieht,  nicht  ergeben  haben,  verzichte  ich 
auf  eine  weitere  Erläuterung. 

Was  die  peripheren  Theile  des  Blutgefässystems  an- 
langt, so  habe  ich  mich  in  Ermangelung  lebenden  ^Materials  natürlich 
darauf  beschränken  müssen,  die  Angaben  derjenigen  Autoren,  welchen 
ein  solches  zur  Verfügung  gestanden  hat  und  welche  durch  In- 
jectionen  des  Kreislaufsystems  dessen  einzelne  Theile  am  ganzen 
Thiere  zur  Anschauung  bringen  konnten,  innerhalb  der  mir  ge- 
zogenen Grenzen  nachzuprüfen.  Ich  habe  mich  daher  bemüht,  auf 
den  Schnitten  die  einzelnen  Blutgefässe  wiederzufinden,  ihren  Lauf 
zu  verfolgen  und  da  Stellung  zu  nehmen,  wo  es  sich  darum  handelte, 
ein  von  einer  Seite  constatirtes,  von  anderer  geläugnetes  Gefäss  zu 
ermitteln  oder  sein  Nichtvorhandensein  zu  bestätigen.  Selbstver- 
ständlich ist  es  mir  nicht  gelungen,  auf  diesem  Wege  auch  alle  die 
kleinen  Gefässe  zu  beobachten,  welche  von  der  Aorta  und  der  Arteria 
visceralis  ausgehend  die  einzelnen  Organe  versorgen,  die  wichtigsten 
derselben  aber  habe  ich  doch  sämmtlich  feststellen  können.  —  Aus 
dem  Gesagten  geht  schon  hervor,  dass  ich  die  vorzügliche  Schilderung, 
welche  Plate  von  den  Kreislauforganen  der  Chitonen  giebt,  soweit 
ich  dieselbe  einer  competenten  Nachuntersuchung  unterziehen  konnte, 
durchweg  bestätigen  kann. 

Die  Aorta  zeigt  bei  ihrem  Austritt  aus  der  Herzkammer  eine 
geringe  bulböse  Anschwellung,  verschmälert  sich  aber  bald,  und  zwar 
noch  innerhalb  des  Pericards,  zu  ihrer  definitiven  Stärke.  Im  übrigen 
zeigte  sie  bezüglich  ihres  Verlaufes  und  ihres  Lageverhältnisses  zu  den 
benachbarten  Organen  stets  das  typische,  aus  allen  Beschreibungen 
genugsam  bekannte  Verhalten.  Dorsalwärts  ist  sie  dreimal  befestigt 
und  zwar  an  Intersegment  2,  3  und  4,  ventralwärts  ist  sie,  wie 
schon  oben  erwähnt  mit  der  Geschlechtsdrüse,  mit  Ausnahme  von 
deren  vordersten  und  hintersten  Zipfel,  eng  verwachsen.  Vorn  heftet 
sie  sich  an  das  die  Kopfhöhle  von  dem  übrigen  Leibeslumen  ab- 
grenzende Diaphragma  an,  in  welchem  sie  mit  etwas  erweiterter 
Oeffnung  endigt,  so  dass  das  Blut  also  in  die  als  Sinus  fungirende 
Kopfhöhle  fällt. 

Auch  die  Visceralarterie  habe  ich  nachweisen  können,  und 
auch  hier  kann  ich  die  Schilderung  Plate's  durchaus  bestätigen. 
Gleich  der  Aorta  beginnt  sie  vorn  in  der  Querebene  des  Zwerchfells 
und  erscheint  so  als  eine  sehr  lange  Ausstülpung  des  letztern  nach 


644 


CUET    VON    WiSSEL, 


hinten,  in  welche  die  Eadulascheide  hineinragt.  Letztere  wird  also 
von  der  Arteria  yisceralis  wie  von  einem  Futteral  umschlossen. 
Nach  hinten  zieht  sich  das  Blutgefäss  noch  um  ein  beträchtliches 
Stück  weiter  hin,  als  die  Eadulascheide  reicht,  und  namentlich  in 
diesem  Theil  ist  ersteres  verhältnissmässig'  leicht  nachzuweisen. 
Betrachtet  man  nämlich  Querschnitte,  auf  welchen  die  Eadulascheide 
noch  mitgetroffen  ist,  so  ist  es  zu  verstehen,  dass  Hallee  (9,  p.  59) 
das  Vorhandensein  der  Visceral arterie  leug-net  und  dass  Schiff  (2H) 
im  Zweifel  darüber  geblieben  ist,  ob  es  sich  nicht  nur  um  Spalt- 
räume und  nicht  um  ein  festbegrenztes  Gefäss  handelt.  Denn  hier 
ist  in  der  That  meist  nur  ein  seitlicher  spaltartiger  Eaum  zwischen 
der  Eadulascheide  und  den  sie  umgebenden  Leberlappen  bemerkbar. 
Da  nun  die  Wandung  der  Arterie  ausserordentlich  dünn  und,  mit 
Ausnahme  des  erwähnten  .seitlichen  Spalts,  fast  immer  fest  mit  dem 
Epithel  der  Eadulascheide  verklebt  ist,  so  ist  man  in  der  That  zu- 
nächst geneigt,  das  Vorhandensein  des  Gefässes  in  Zweifel  zu  ziehen. 
In  dieser  Auffassung  wird  man  in  der  Eegel  noch  dadurch  bestärkt, 
dass  die  Arterienwandung  eine  täuschende  Aehnlichkeit  mit  dem 
bindegewebigen  Häutchen  hat,  welches  die  einzelnen  Leberläppchen 
überzieht.  Man  hält  sie  also  entweder  lediglich  für  solch  eine  Grenz- 
membran oder  aber,  wenn  man  die  Duplicität  derselben  bemerkt, 
für  einen  grössern  Lebergang.  Sowie  man  dagegen  die  Schnittserie 
über  das  hintere  Ende  der  Eadulascheide  hinaus  verfolgt,  wird,  wie 
schon  erwähnt,  der  wahre  Sachverhalt  klar,  dass  wir  es  mit  einem 
Blutgefäss  zu  thun  haben. 

In  Bezug  auf  die  von  der  Aorta  abtretenden  Gefässe  kann  ich  eben- 
falls die  Angaben  Plate's  nur  bestätigen.  Die  Intersegmental-  und 
Dorsalarterien  habe  ich  wiederholt  genau  so  constatiren  können,  wie 
sie  Plate  schildert,  und  beschränke  mich  daher  auf  diesen  Hinweis. 

Ueber  den  Verlauf  der  Genitalarterien  und  ihr  Verhalten  zur 
Keimdrüse  sind  die  verschiedensten  Auffassungen  geäussert  worden : 
Ihr  Entdecker  Middendorf  (16)  und  Schiff  (23)  lassen  sie  im 
Lumen  der  Geschlechtsdrüse  zunächst  jede  „Zotte"  umranden  und 
darauf  erst  am  Grunde  dieser  letztern,  also  in  der  Wand  der  Drüse, 
sich  zu  einem  feinen  Geflecht  verästeln.  Plate  bestätigt  zunächst 
die  Angabe,  dass  die  Genitalarterien  erst  durch  die  dorsale  Wandung 
des  Geschlechtsorgans  in  dieses  eintreten,  um  im  Lumen  desselben 
sich  zu  verästeln.  Aber  er  weicht  darin  von  seinen  Vorgängern  ab, 
dass  er  erstens  den  Ausdruck  „Zotte"  beanstandet  und  statt  dessen 
von  ..Genitalfalten  oder  -Lamellen"  spricht  und  zweitens   die  Blut- 


Pacifische  Cliitoneu.  645 

gefässe  nach  ihrer  Verästelung-  schon  an  der  Spitze  dieser  Genital- 
lamellen in  letztere  eintreten  lässt.  Einen  ganz  abweichenden  Stand- 
punkt nimmt  Haller  ein :  dieser  Forscher  leugnet  das  Vorhandensein 
besonderer  Genitalarterien  überhaupt  (9,  p.  59).  „Die  untere  Wand 
der  Aorta  soll  nur  an  Stellen,  wo  sich  die  Geschlechtsdrüse  faltet, 
oft  durchbrochen  sein,  wodurch  bewirkt  wird,  dass  Blut  in  die 
primäre  Leibeshöhle  gelangen  und  die  Geschlechtsdrüse  umspülen 
kann."  ..Dass  die  Falten  und  Stränge  der  Geschlechtsdrüse  dabei 
eine  geeignete  Eolle  spielen,-'  fügt  er  hinzu,  „braucht  kaum  erwähnt 
zu  werden."  Haller  scheint  danach  folgende  Auffassung  zu  haben: 
das  Blut  gelaugt  durch  Poren  in  der  untern  Aortenwand  in  die 
primäre  Leibeshöhle  und  dringt,  die  Geschlechtsdrüse  allseitig  um- 
spülend, von  aussen  in  das  Linere  der  Falten  ein.  Es  sind  also 
keine  eigentlichen  Genitalarterien  vorhanden,  welche  zunächst  in 
das  Lumen  der  Geschlechtsdrüse  eindringen  und  hier  erst,  also  von 
innen,  wie  dies  Middendorf,  Schiff  und  mit  einer  geringen  Ab- 
weichung auch  Plate  angeben,  in  die  Genitalfalten  eintreten.  Dieser 
letztern  Auffassung  schliesse  auch  ich  mich  an,  denn  ich  habe 
wiederholt  Genitalarterien  durch  die  dorsale  Wand  des  Geschlechts- 
organs in  dieses  eintreten,  sich  in  seinem  Lumen  verästeln  und  die 
Verästelungen  sich  alsdann  zwischen  den  Falten  des  Keimepithels 
verlieren  sehen.  Darüber,  wo  die  Verzweigungen  der  Gefässe  in 
die  Keimwülste  eintreten,  ob  an  deren  Spitze,  wie  dies  Plate  will, 
oder  ei-st  an  ihrer  Basis,  nachdem  sie  sich  in  der  Wand  der  Ge- 
schlechtsdrüse in  ein  Netzwerk  aufgelöst  haben,  wie  dies  Midden- 
dorf und  Schiff  angeben,  habe  ich  keine  Klarheit  erlangen  können. 
Die  Schnitte  zeigen  nämlich  meist  ein  solches  Gewirr  von  Keim- 
falten- und  Gefässabschnitten,  dass  es  ohne  vorhergegangene  Injection 
nicht  mciglich  ist,  zu  einem  sichern  Urtheil  über  das  in  Rede 
stehende  Verhalten  zu  gelangen,  weshalb  ich  meinerseits  diese  letztere 
Frage  offen  lassen  muss. 

Bezüglich  des  S  i  n  u  s  -  u  n  d  L  a  c  u  n  e  n  s  y  s  t  e  m  s  habe  ich  nichts 
Neues  ermittelt,  kann  aber  die  ausführlichen  Angaben  Plate's  in 
allen  Punkten  bestätigen. 

Das  Nervensystem. 

Einen  geschichtlichen  Ueberblick  über  die  das  Nervensystem 
der  Chitonen  behandelnde  Literatur  hat  erst  kürzlich  Plate  in 
erschöpfender  Weise  gegeben,  so  dass  ich  in  Bezug  hierauf  den 
Leser  auf  diese  Arbeit  hinweisen  kann. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  43 


g^g  CüKT    VON    WiSSKL, 

Wie  zu  erwarten  war,  haben  nach  so  vielen  g-ründlichen  Be- 
arbeitungen dieses  Organsystems  meine  Untersuchungen  nicht  viel 
Neues  ergeben.  Ich  werde  mich  daher  auch  hier  darauf  beschränken, 
zu  den  über  einzelne  Punkte  nocli  bestehenden  Oontroversen  Stellung 
zu  nehmen. 

Da  ist  zunächst  die  Frage  von  Interesse,  ob  der  Schlundring, 
wie  Haller  (10,  p.  4)  dies  will,  nocli  vollständig  in  der  Leibes  wand 
liegt  oder,  wie  Plate  (19,  p.  157)  angiebt,  in  der  Leibeshöhle.  Wie 
wir  sehen  werden,  kann  nur  des  letztern  Angabe  Anspruch  auf 
Richtigkeit  machen.  Nach  meinen  Beobachtungen  habe  ich  das 
Cerebralmark  stets  gänzlich  frei  in  der  Leibeshöhle  angetroffen. 
Betrachtet  man  nämlich  einen  medianen  Längsschnitt  durch  den  vor 
dem  Schlundkopf  (Fig.  52)  gelegenen  Theil  der  Leibeshöhle,  so  sieht 
man,  dass  derselbe  von  annähernd  dreieckiger  Gestalt  ist  und  von 
oben  und  vorn  durch  die  musculöse  Körperwandung  des  Vorderendes 
des  Thieres,  von  unten  theilweise  durch  die  Musculatur  der  Mund- 
scheibe (ms),  von  hinten  dagegen  durch  die  des  Schlundkopfes  und 
des  Mundrohres  (mr)  begrenzt  wird.  Dieser  dreieckige  Raum  wird 
nur  von  zwei  starken  dorsoventralen  Schalenmuskeln  (sni)  und  zwei 
zur  Buccalmusculatur  geliörigen  Muskelzügen  {hm  und  hm'^)  durch- 
zogen, von  welchen  der  erstere  (bm)  den  Schlundkopf  mit  dem  vordersten 
Winkel  der  Leibeshöhlenwand  verbindet  und  offenbar  als  Protractor 
des  Schlundkopfes  functionirt,  während  der  letztere  {bm^yäen  Pharynx 
mit  der  Mundscheibe  verbindet.  Die  vordere  Ecke  dieses  Kopfhöhlen- 
dreiecks wird  bis  zu  dem  hintern  dorsoventralen  Muskel  vollständig 
von  reticulärem  Bindegewebe  (hi)  erfüllt,  derart,  dass  dasselbe  sowohl 
den  Raum  zwischen  der  vordem  Leibeswand  und  dem  ersten  Muskel, 
zwischem  diesem  und  dem  zweiten,  sowie  die  schmalen  Spalträume 
zwischen  den  Fasern  jedes  einzelnen  Muskels  ausfüllt,  während  der 
Raum  zwischen  dem  zweiten  Muskel  einerseits  und  dem  Schlund- 
kopf sowie  den  beiden  Buccalmuskeln  andrerseits  weder  von  Muskel- 
fasern noch  von  Bindegewebe  durchzogen  ist.  In  diesem  gänzlich 
freien  Raum  nun  liegt  das  Cerebralmark  (cer),  und  zwar  bildet,  wie 
dies  schon  Plate  richtig  dargestellt  hat,  sein  Querschnitt  ein  Oval 
mit  schräg  nach  oben  und  vorn  und  nach  unten  und  hinten  gestellten 
Polen,  von  denen  der  erstere  sich  an  den  hintern  Dorsoventralmuskel 
anlehnt,  während  der  leztere  der  Innern  Mundscheibenwand  aufliegt. 
Man  ersieht  also  aus  vorstehender  Schilderung,  dass  das  Cerebral- 
mark vollständig  frei  in  der  Leibeshöhle  liegt,  und  es 
ist  mir  um  so  weniger  erklärlich,  wie  Haller  dasselbe  noch  in  die 


Pacifiscbe  Chitonen.  647 

Körperwaiidung  hinein  verlegen  kann,  als  es  nach  meiner  Be- 
obachtung von  dieser  noch  durch  die  beiden  oben  erwähnten  Dorso- 
ventralmuskeln  getrennt  wird.  Wenn  Haller  (10,  p,  4)  ferner  an- 
giebt,  dass  der  Schlundring  auch  von  innen  von  ^ruskelbündeln  der 
Leibeshöhlenwand  bedeckt  Avird.  so  kann  ich  ihm  darin  ebenfalls 
nicht  beipflichten,  denn  nach  meinen  Beobachtungen  liegen  sämmt- 
liche  Muskeln,  welche  man  etwa  noch  als  zur  Leibeshöhlenwand 
gehörig  betrachten  könnte,  vor  dem  Schlundring  oder  ausserhalb 
desselben.  Hierin  weicht  meine  Darstellung  auch  von  der  Plate's 
ab,  denn  auch  diesei'  Autor  bringt  in  seiner  tig.  13.  tab.  1  (19) 
vor  dem  Nerveuring  innerhalb  der  Leibeshöhle  keinerlei  von  deren 
Wand  gesonderte  Muskelzüge  zur  Anschauung,  sei  es,  dass  diese 
von  ihm  übersehen  worden,  oder  aber,  dass  sie  bei  Acanthpl.  echin. 
mit  der  allgemeinen  Musculatur  der  Leibeswand  zu  einem  Ganzen 
verschmolzen  sind.  Ich  habe  diese  beiden  Muskelzüge  auf  Schnitten 
stets  als  von  der  eigentlichen  Körperwand  gesondert  feststellen 
können.  Hinter  dem  Markstrang  befindet  sich,  wie  erwähnt,  nur 
die  zum  Schlundkopf  gehörende  sog.  Buccalmusculatur,  deren  Vor- 
handensein aber  zu  der  Täuschung,  als  liege  der  Schlundiing  noch 
in  der  Körperwand,  keinerlei  Veranlassung  geben  kann. 

Von  der  obern  Kante  des  Cerebralmarks  zieht  sich  dorsalwärts 
an  der  hintern  Kante  des  zweiten  Dorsoventralmuskels  entlang  eine 
feine  bindegewebige  Haut  (Fig.  52,  hi^)  bis  zur  Eückenwand  der 
Leibeshöhle.  Diese  Haut  endigt  an  der  Dorsalkante  des  Markstranges, 
wie  dies  Plate  schon  betont,  ohne  sich  ventralwärts  bis  zur  Mund- 
scheibe fortzusetzen.  Seitlich  zieht  diese  Membran  an  zwei  lateralen 
Dorsoventralmuskeln  wiederum  bis  zur  dorsalen  Körperwand  in  die 
Höhe,  wie  dies  ein  Querschnitt  (Fig.  53,  hi^)  aus  der  Gegend  un- 
mittelbar vor  dem  Schlundring  zeigt.  Verfolgt  man  die  Querschnitt- 
serie von  hier  aus  um  einige  Schnitte  nach  hinten  bis  dahin,  wo 
das  Cerebralmark  getroffen  wird  (Fig.  54,  bi^),  so  sieht  man,  dass 
sich  die  in  Rede  stehende  Haut  mit  dem  allmählichen  Verschwinden 
des  medianen  Muskels  in  immer  breiterer  Ausdehnung  auf  das 
Cerebralmark  auflegt,  bis  schliesslich,  noch  etwas  w^eiter  nach  hinten, 
dessen  ganze  Dorsalkante  von  ihr  überzogen  wird  und  somit  dorsal- 
wärts vom  Cerebralband  ein  vollständiger  Abschluss  der  vordersten 
Ecke  der  Leibeshöhle  von  deren  übrigem  Lumen  erzielt  wird.  Da- 
gegen bleibt  ventralwärts  vom  Hirnmark,  wie  dies  Plate  schon 
nachgewiesen  hat.  die  Communication  offen.  Bis  hierher  also  stimmt 
meine  Darstellung  mit   der  Platk's  in   allen  wesentlichen  Punkten 

43* 


g48  Cl'rt  von  Wissel, 

iiberein.  Anders  verhält  es  sich  in  Bezng  auf  die  vom  Cerebralmark 
austretenden  Nerven.  Von  diesen  unterscheidet  Plate  vier  ver- 
schiedene Gruppen:  eine  dorsale  Reihe,  eine  mediane  und  zwei 
ventrale,  während  Haller  nur  die  dorsale  und  die  beiden  ventralen 
constatirt  hat.  Die  Nerven  der  dorsalen  Reihe  treten  nach  Plate 
an  der  vordem  dorsalen  Kante  des  Markstranges  aus,  ziehen  sich 
an  der  vordem  Fläche  der  oben  erwähnten  Bindegewebsmembran 
entlang  bis  zur  Kürperwand  hin  und  innerviren  nach  Plate  den 
Mantel,  die  Seitenwand  und  wahrscheinlich  auch  die  Rückenwandung 
des  ersten  Segments.  Die  Nerven  der  medianen  Reihe  sind  nach 
Plate  die  feinsten;  er  sagt  von  ihnen:  „Erst  auf  Schnitten  erweisen 
sie  sich  als  echte  Nerven,  w^elche  von  der  nach  aussen  gekehrten 
Fläche  des  Cerebralmarkes  entspringen  und  die  Seitenwand  des 
Kopfes  versorgen.  Sie  stehen  meist  in  der  mittlem  Höhe  der 
vordem  und  äussern  Fläche  des  Gehirns,  aber  nicht  genau  in 
derselben  Ebene."  Was  diese  beiden  Gruppen  von  Nerven  betrifft, 
so  weichen  meine  Beobachtungen  wesentlich  von  denen  Plate's  ab. 
Bei  genauer  Durchsicht  lückenloser  Schnittserien  habe  ich  nur  eine 
Reihe  von  Nerven  aus  der  dorsalen  Hälfte  des  Schlundringes  aus- 
treten sehen.  Diese  Nerven  (Fig.  52,  n)  entspringen  um  ein  weniges 
ventralwärts  seiner  vordem  und  obern  Kante  in  wagerechter  Reihe 
und  annähernd  gleicher  Höhe  und  ziehen  von  dort  durch  die  beiden 
dorsoventralen  Muskelzüge  und  das  Bindegewebe  hindurch  nach  dem 
vordem  Rand  des  Mantels,  welchen  sie  innerviren.  Hirer  Lage 
nach  würden  sie  also  mehr  der  medianen  als  der  dorsalen  Nerven- 
reihe Plate's  entsprechen.  Auch  ist  ihre  Stärke  keineswegs  so  un- 
bedeutend, dass  man  sie  leicht  übersehen  könnte.  Von  den  nach 
Plate  direkt  am  dorsalen  Pol  des  Markstranges  austretenden  und 
an  der  äussern  Fläche  der  oben  erwähnten  Bindegewebsmembran 
dorsalwärts  verlaufenden  Nerven  habe  ich  dagegen  nichts  wahr- 
nehmen können,  trotzdem  dieselben  stärker  als  die  der  medianen 
Reihe  sein  sollen.  Ich  kann  daher  nur  annehmen,  dass  hier  in  der 
Verschiedenheit  der  Arten  begründete  Abweichungen  obwalten  und 
dass  das  von  mir  geschilderte  Verhalten  das  ursprünglichere  ist, 
während  das  von  Plate  beschriebene  sich  erst  aus  jenem  abgeleitet 
hat.  In  Bezug  auf  die  ventrale  oder,  wenn  man  will,  die  beiden 
ventralen  Nervenreihen  weiss  ich  den  Angaben  Plate's  nichts  Neues 
hinzuzufügen,  kann  dieselben  vielmehr  nur  in  allen  Punkten  be- 
stätigen. Diese  Nerven  (Fig.  52,  n'^)  entspringen  entweder  direct 
an  der  ventralen  und  hintern  Kante  des  Schlundringes  oder  in  ge- 


Pacifische  Chitoueu.  ß49 

ringer  Entfernung-  oberliall)  derselben  an  der  nach  hinten  gekelirten 
Fläche  und  innerviren  aucli  nacli  meinen  Beobachtungen  aus- 
schliesslich die  ]\lundscheibe ,  in  welche  sie  direct  aus  dem 
Markstrang  heraus  eintreten.  Dagegen  habe  ich  ebenso  wenig  wie 
Plate  feststellen  können,  dass  sie  auch  Zweige  an  zum  Mund-  und 
ßuccalapparat  gehörige  Theile  abgeben,  wie  Hallku  dies  angiebt. 
Was  die  übrigen  Lageverhältnisse  des  Centralnervensystems 
anlangt,  so  kann  ich  die  Schilderung  Plate's  in  allen  wesentlichen 
Punkten  bestätigen :  Verfolgen  wir  das  hufeisenförmig  gebogene 
Centralmark  in  seinem  weitern  Verlaufe  nach  hinten,  so  sehen  wir, 
dass  dasselbe  an  beiden  Seiten  an  Dicke  zunimmt.  Diese  Dicken- 
zunahme erreicht  ihr  ]\Iaximum  kurz  vor  der  Stelle,  an  welcher  die 
Trennung  in  das  Lateralmark  einerseits  und  das  Pedal-  plus  Sub- 
cerebralmark  andrerseits  eintritt.  Fig.  58  stellt  einen  Schnitt  durch 
diese  Partie  des  Cerebralmarkes  dar,  wobei  zu  bemerken  ist,  dass 
die  Bezeichnungen  pleur,  ped  und  suhc  hier,  wie  auch  in  Fig.  55,  56, 
57,  anticipirt  worden  sind,  da  wir  ja  correcter  Weise  hier  nur  von 
einem  Cerebralmark  sprechen  können,  weil  die  Trennung  in  Pleural-, 
Pedal-  und  Subcerebralmark  erst  weiter  nach  hinten  erfolgt.  Mit 
welchem  ßecht  diese  Bezeichnungen  für  die  einzelnen  Theile  schon 
hier  Verwendung  fanden,  darauf  werde  ich  weiter  unten  bei  Schilde- 
rung der  interessanten,  schon  von  Plate  hypothetisch  verwertheten 
histologischen  Structur  näher  eingehen.  Wie  man  sieht,  hat  der 
Schnitt  (Fig.  58)  eine  nach  hinten  zu  verdickte,  keulenförmige  Ge- 
stalt. Unmittelbar  hinter  der  dicksten  Stelle  findet  die  erste 
Spaltung  des  ]\Iarkstranges  in  der  oben  bezeichneten  Weise  statt, 
d.  h.  das  äussere  abgespaltene  Drittel  zieht  als  Lateralstrang  nach 
hinten  und  bis  zur  Gegend  der  Kiemen  an  den  Seiten  des  Thieres 
in  die  Höhe,  während  die  restirenden  zwei  Drittel,  d.  i.  Pedal-  plus 
Subcerebralsti-ang,  noch  eine  kurze  Strecke  verbunden  in  derselben 
Höhe  wie  vor  Abgabe  des  Lateralmarkes  verlaufen.  Bald  jedoch 
findet  an  diesem  innern  Theile  des  Markstranges  die  zweite  Theiluug 
statt,  deren  eines  Theilungsproduct,  das  Subcerebralmark,  hinter  der 
Mundröhre  quer  durch  die  Leibeshöhle  hindurcli  zieht,  um  sich  mit 
seiner  gegenseitigen  Hälfte  zu  vereinigen,  während  das  zweite, 
äussere  Theilungsproduct,  das  Pedalmark,  noch  eine  kurze  Strecke 
frei  durch  die  Leibesiiöhle  nach  hinten  zieht,  um  sich  darauf  in  die 
Muskelmasse  des  Fusses  einzusenken.  Noch  an  diesen  frei  in  der 
Leibeshöhle  liegenden  Abschnitt  des  Pedalmarkes  tritt  das  erste 
Lateropedalconnectiv  heran,  welches  also,  da  auch  das  Lateralmark 


QqQ  Cürt  von  Wissel, 

erst  ein  kleines  Stück  weiter  nach  hinten  in  die  ]\Iuskelwandung 
der  Körperseiten  eintritt,  völlig  frei  in  der  Leibeshöhle  liegt. 
Direct  an  derselben  Stelle,  an  welcher  die  Trennung  in  Pedal-  und 
Subcerebralmark  stattfindet,  entspringen  aus  dem  letztern  ungefähr 
einander  vis-ä-vis  nach  vorn  und  hinten  zwei  Nervenstränge,  näm- 
lich nach  vorn  die  Buccalcommissuren,  welche  an  die  dem  Schlund- 
kopf direct  unterhalb  der  Speicheldrüsen  aufliegenden  Buccalganglien 
herantreten,  nach  hinten  die  zum  Subradularorgan  ziehenden  Sub- 
radularcommissuren.  Haller  weicht  von  dieser  Schilderung  in  so  fern 
ab,  als  er  die  Subcerebralcommissuren  innen  von  und  neben  der 
Buccalcommissur  aus  dem  Subcerebralmark  austreten  lässt,  während 
Plate's  Beschreibung  in  allen  diesen  Punkten  mit  der  meinigen 
übereinstimmt.  In  Bezug  auf  die  Buccalcommissuren  sind  nach  ein- 
ander sehr  verschiedene  Auffassungen  vertreten  worden:  Während 
nämlich  schon  Beandt  (4)  richtig  zwei  Commissuren  zwischen  den 
beiden  Buccalganglien  angiebt,  leugneten  v.  Ihebing  (13)  und 
Haller  (10)  das  Vorhandensein  der  vordem  derselben,  v.  Iherikg 
(14)  corrigirte  diesen  Irrthum  allerdings  später  wieder.  Ich  meiner- 
seits habe  stets  beide  Commissuren  nachweisen  können.  Bei  dieser 
Gelegenheit  möchte  ich  bemerken,  dass  ich  unter  Buccalcommissuren 
nur  die  beiden  Ganglienzellen  enthaltenden  Verbindungen  der  beiden 
Buccalganglien  unter  einander  verstehe,  während  man  die  nur 
Nervenfasern  enthaltende  Verbindung  des  jederseitigen  Buccal- 
ganglion  mit  dem  Subcerebralstrang,  welche  Plate  auch  als  Buccal- 
commissur bezeichnet,  wohl  correcter  ein  Connectiv  nennt.  Die  Lage 
der  Buccalganglien  wurde  schon  oben  angegeben.  Von  ihren  beiden 
Commissuren  ist  die  vordere  die  weitaus  kürzere,  indem  sie  die 
beiden  Ganglien  fast  direct  verbindet,  abgesehen  davon,  dass  sie,  wie 
dies  schon  Plate  angiebt,  etwas  nach  vorn  ausgebuciitet  ist.  Ebenso 
kann  ich  die  Angabe  Plate's  bestätigen,  dass  aus  der  ausgebuchteten 
Mitte  der  Commissur  zwei  die  Vorderwand  der  Mundhöhle  ver- 
sorgende Nerven  austreten,  die  beiden  zartem  dagegen,  welche 
innen  von  den  erstgenannten  abgehen  sollen,  habe  ich  bei  der  vor- 
liegenden Species  nicht  feststellen  können.  Ebenso  habe  ich  nur 
ein  Paar  nach  hinten  von  der  vordem  Buccalcommissur  abtretende 
Nerven  beobachten  können,  nämlich  diejenigen,  welche  nahe  an  den 
Buccalganglien  entspringend  nach  hinten  ziehen,  um  dann  die 
Speicheldrüsen  zu  innerviren.  Auch  hier  vermochte  ich  also  das 
ausserdem  noch  von  Plate  beobachtete  innere  Nervenpaar,  welches 
in  das  Dach  des  Pharynx  eindringen  soll,  nicht  aufzufinden.    Dieses 


Pacifische  Chitoueii.  651 

negative  Resultat  hat  wohl  jedenfalls  seinen  Grund  in  den  Grössen- 
unterschieden  der  beiderseits  untersuchten  Arten.  Die  hintere  Buccal- 
commissur  beschreibt  einen  weiten  Bogen  zwischen  den  Radula-  und 
Pharyngealdivertikeln  hindurch  nach  hinten,  wo  sie  auf  dem  Pharynx 
aufliegend  direct  unter  der  Einmündungssteile  des  Oesophagus  hin- 
durchzieht. Die  von  Plate  namhaft  gemachten,  von  dieser  Commissur 
austretenden  drei  Nervenpaare  habe  auch  ich  sämmtlich  nachweisen 
können:  nämlich  ein  Paar,  welches  die  Raduladivertikel  versorgt 
und  ungefähr  in  mittlerer  Höhe  jederseits  aussen  von  der  Commissur 
abgeht,  zweitens,  den  beiden  Nerven  dieses  Paares  annähernd  gegen- 
über die  beiden  Nerven  des  zweiten,  die  Pharyngealdivertikel  ver- 
sorgenden Paares  und  endlich  am  hintern  Ende  zwei  stärkere 
Nerven,  welche  an  die  Radulascheide  und  deren  Muskulatur  heran- 
treten. Ein  weiterer,  sehr  starker  Nerv  schliesslich  tritt  jederseits 
aus  dem  Buccalganglion  selbst  aus  und  zwar  in  dem  rechten  Winkel, 
welchen  die  beiden  Commissuren  an  ihrer  Ursprungsstelle  mit  ein- 
ander bilden.  Diese  beiden  Nerven  laufen  auf  dem  Pharynx  unter- 
halb der  Speicheldrüsen  und  der  Schlundkopfdivertikel  nach  hinten, 
schlagen  sich  hinter  den  letztern  nach  oben  auf  die  Dorsalseite  des 
Oesophagus,  wo  sie  sich  jederseits  der  Mittellinie  nähern,  so  dass  es 
mir,  ebenso  wie  Haller,  schien,  als  wenn  sie  sich  hier  oberhalb  des 
Oesophagus,  ähnlich  wie  die  beiden  Seiten  der  oben  bescliriebenen 
unteren  Buccalcommissur  unterhalb  desselben,  zu  einer,  dann  dritten, 
Buccalcommissur  vereinigten.  Leider  gaben  die  Schnitte  gerade  an 
dieser  Stelle  keine  völlige  Klarheit.  Plate  hat  diese  Nerven  noch 
in  der  A\'andung  des  Oesophagus  eine  Strecke  nach  hinten  verfolgt. 
Ich  konnte  nach  ihrer,  eben  erAvähnten,  grossen  Annäherung  an 
einander  auf  den  folgenden  Schnitten  nichts  mehr  von  ihnen  ent- 
decken. Da  sich  aber  wohl  in  diesem  Punkte  die  verschiedenen 
Species  durchaus  gleich  verhalten  dürften,  möchte  auch  ich  diese 
Nerven  vorläufig  als  Nerven  und  nicht  als  eine  Commissur  auffassen. 
Die  gegenüber  von  den  Buccalconnectiven  aus  dem  Subcerebralmark 
austretenden  Subradularconnective  begeben  sich  in  kurzem  Bogen 
nach  hinten  auf  die  Dorsalfläche  des  Subradularorgans,  um  von  oben 
jederseits  in  die  beiden  Ganglien  des  letztern  einzutreten,  welche 
durch  eine  kurze  Commissur,  nicht,  wie  von  Ihering  dies  will, 
durch  deren  zwei  mit  einander  verbunden  sind.  Was  schliesslich 
die  Lage  der  zwei  Paar  den  Körper  der  Chitonen  von  vorn  nach 
hinten  durchziehenden  Markstränge,  des  Pedal-  und  des  Lateral- 
markes, anlangt,  so  kann  ich  selbstverständlich   hier  noch  weniger 


g52  CURT    VON    WiSSEL, 

als  bei  den  vorher  behandelten  Theilen  des  Centralnervensj^stems 
dem  sclion  Bekannten  etwas  Nenes  hinznfüg'en  nnd  beg-nüg-e  mich 
daher  damit,  die  wesentlichsten  Punkte  nochmals  hervorzuheben, 
resp,  bei  noch  zweifelhaften,  meine  Befunde  mitzutheilen :  Das  hintere 
Ende  des  Pedalmarkes  scheint  stets  in  mehrere  dünne  Fasern  aus- 
zulaufen, welche  mitunter  durch  Anastomosen  mit  einander  in  Ver- 
bindung treten,  wie  dies  schon  Plate  für  Acantliopl.  echin.  dargestellt 
hat.  Auch  die  Angabe  Plate's,  dass  die  beiden  Schenkel  des  Lateral- 
markes sich  in  unveränderter  Dicke  über  dem  Enddarm  mit  einander 
vereinigen,  habe  ich  bestätigt  gefunden.  Was  die  von  den  Lateral- 
strängen abgehenden  Nerven  anlangt,  so  führt  Plate  ausser  den 
beiden  auch  schon  von  frühern  Autoren  nachgewiesenen,  zu  jeder 
Kieme  gehörigen  Nerven  noch  zwei  weitere  an,  welche  er  als  obern 
und  untern  Mantelnerv  bezeichnet.  Ich  habe  diese  beiden  Nerven 
ebenfalls  wiedergefunden,  allein  sie  traten  in  den  meisten  Fällen 
nicht  in  derselben  Querebene  mit  den  Kiemennerven  aus,  wie  Plate 
meint,  sondern  waren  fast  immer  erst  auf  Querschnitten  nachzuweisen, 
welche  die  Wurzeln  der  Kiemennerven  nicht  mehr  zeigten.  Zudem 
sind  sie  auch  stets  bedeutend  seltener  als  die  letztern,  welche  con- 
stant  mit  jeder  Kieme  auftreten.  Das  Gleiche  lässt  sich  auch  von 
den  Lateropedalconnectiven  sagen.  Auch  sie  sind  bei  weitem  nicht 
so  zahlreich  wie  die  Kiemen  und  deren  Nerven,  und  auch  bei  ihnen 
habe  ich  nicht  den  Eindruck  gewonnen,  als  wenn  sie  vorzugsweise 
mit  den  Kiemennerven  correspondirten ,  denn  die  Fälle,  wo  dies 
stattfand,  waren  keineswegs  häufiger  als  die  gegentheiligen.  Zu 
dem  gleichen  negativen  Eesultat  bin  ich  in  Bezug  auf  das  wechsel- 
seitige Verhalten  der  Pedalcommissuren  zu  den  Lateropedalconnec- 
tiven gelangt,  wenn  auch  hier  ungleich  häufiger  aus  den  beiden 
oberen  Kanten  des  im  Querschnitt  annähernd  rechteckigen  Pedal- 
stranges in  derselben  Ebene  ein  Connectiv  und  eine  Commissur  aus- 
tritt. Wie  schon  Plate  hervorhebt,  sind  letztere  ungleich  häufiger 
als  erstere.  AVenn  ich  zum  Schluss  noch  erwähne,  dass  ich  die 
beiden  Eeihen  von  Fussnerven,  die  äussere  an  der  untern,  äussern 
Kante,  die  innere  an  der  untern,  Innern  Kante  des  erwähnten 
viereckigen  Markquerschnitts,  stets  angetroften  habe,  dürfte  alles 
auf  die  Topographie  des  Centralnervensystems  sowie  der  von  dem- 
selben ausstrahlenden  Nerven  Bezügliche  erwähnt  worden  sein. 

Was  die  Histologie  des  Cerebralmarkes  anlangt,  so  hat  Plate 
zum  ersten  Mal  auf  die  typische  Anordnung  der  Ganglienzellen 
aufmerksam  gemacht  und  auf  dieselbe  seine  sehr  interessante  und, 


Pacifische  Chitonen.  653 

wie  auch  ich  glaube,  durchaus  begründete  Theorie  über  die  Zusammen- 
setzung   des    Geliirns    gestützt.      Durchmustern   wir    nämlich    eine 
Querschnittserie    durch   den   Kopf  eines    Chitonen   von   vorn    nach 
hinten,   so  erscheint   auf  dem   ersten   das  Gehirn  treffenden  Schnitt 
dieses  zunächst  als  ein  in  sich  einheitliches  Band  mit  dem  typischen 
continuirlichen   Kandbelag    von   Ganglienzellen,  welche   nach  innen 
die   Nervenfaserschicht    umschliessen,   in   die  nur  sporadisch  kleine 
Gruppen  von  Ganglienzellen  eingestreut  sind.   Verfolgt  man  nun  die 
Serie  um  einige  Schnitte  nach  hinten,  so  wird   unter   diesem   ersten 
Baude  (Fig.  55,  pkiir)  ein  zweiter  Abschnitt  sichtbar  (ped),  welcher 
zwar  fest  mit  dem  ersten  zusammenhängt,  sich  aber  doch  histologisch 
deutlich    durch    seinen    eignen    Grenzbelag   von   Ganglienzellen   als 
gleichwerthigen    Abschnitt    des    gesammten    Cerebralbandes    kenn- 
zeichnet.    Wieder  weiter  nach  hinten   (Fig.  56,  ped)   wächst   dieser 
Abschnitt  auf  Kosten  des  ersten  (i)leur)  in  die  Breite,   um   ihn  noch 
weiter  nach  hinten  (Fig.  57,  ped)  in  der  Mitte  ganz  zu  verdrängen, 
so  dass  sich  derselbe  {pleur,  pleur)  auf  diesem  Schnitt  nunmehr  nur 
noch  an  den  beiden  Seiten  erhält.    Auf  demselben  Schnitt  aber  wird 
ventralwärts  ein  dritter  Abschnitt  {suhc)  sichtbar,  welcher  sich  seiner- 
seits nach  hinten  zu  verbreitert  und,  in  derselben  Weise  wie  vorher 
der  Abschnitt  ped  den  Abschnitt  pJcur,   nun  den  erstem  verdrängt. 
In  dieser  Region  sind  war  nun  schon  so  weit  nach  hinten  gekommen, 
dass  das  ({uer  vor  dem  Schlundko])f  durchziehende  Hirn  nicht  mehr 
durch  den  Schnitt  getroffen  wird,  sondern  nur  noch  seine   beiden 
seitlichen,   nach  hinten   ziehenden  Schenkel.    Einen   solchen   schräg 
getroffenen  Abschnitt  stellt  Fig.  58  dar,   an  welchem  wir  wiederum 
histologisch   drei  Theile  {pleur,  ped  und  sid)c)  unterscheiden  können, 
und   zwar  bilden   diese   drei  Theile   die   directe  Fortsetzung  der  in 
gleicher  Weise  bezeichneten  Theile   der  Figg.  55 — 57.    Andrerseits 
setzen  sich  diese  drei  unterschiedenen  Abschnitte  nach  hinten  con- 
tinuirlich  in  das  spätere  Pleural-  bzw.  Pedal-  und  Subcerebralmark 
fort.  —  Alle   diese   Verhältnisse   hat   schon   Plate  festgestellt   und 
daraus  den  sehr  folgerichtigen  Schluss  gezogen,   dass  das  äusserlich 
durchaus  einheitliche  Cerebralmark  (auch  ich  habe  nicht  einmal  eine 
Furche     an     demselben    wahrnehmen    können)    phylogenetisch    aus 
mehreren  ursprünglich  getrennten   Theilen   entstanden   ist,     Plate 
nimmt  deren  zwei  an:  Es  sollen  nämlich  sowohl  die  Pedal-  wie  die 
Lateralstränge  je   eine   besondere  vordere  Bogencommissur  gebildet 
haben,    welche    beide   nur    durch    zahlreiche    vordere    Lateropedal- 
connective    mit    einander    verbunden    waren.     Durch    allmähliches 


g^^  CUET    VON    WiSSEL, 

Kürzerwerden  dieser  letztern  wurden  die  beiden  Bogencommissuren 
einander  immer  näher  gerückt,  um  scliliesslich  unter  Verlust  der 
Connectiye  gänzlich  mit  einander  zu  verschmelzen.  Das  Snbcerebral- 
mark  dagegen  fasst  Plate  als  ursprünglich  erste  Pedalcommissur 
auf.  Dass  dasselbe  ursprünglich  kein  echter  Markstrang  gewesen 
sei,  glaubt  der  genannte  Forscher  daraus  schliessen  zu  müssen,  dass 
der  Ganglienzellenbelag  an  ihm  nicht  so  dicht  ist  wie  an  den  andern 
Theilen  des  Gehirnringes,  welches  Verhalten  in  Verbindung  mit  der 
Thatsache,  dass  eine  grosse  Anzahl  von  Nerven  von  dem  Sub- 
cerebralstrang  abtreten,  schwer  verständlich  sei  (19,  p.  160).  Mit 
Ausnahme  dieser  letzten,  die  genetische  Bedeutung  des  Subcerebral- 
stranges  betreffenden  Hj^pothese  schliesse  ich  mich  ganz  der  Theorie 
Plate's  an,  nur  möchte  ich  dem  entsprechend  das  Cerebralmark 
nicht  nur,  wie  Plate,  aus  zwei,  sondern  vielmehr  aus  drei,  ur- 
sprünglich vollständig  von  einander  getrennten  Theilen  entstanden 
wissen,  nämlich  zunächst  aus  den  beiden  schon  von  Plate  ange- 
nommenen Bogencommissuren  der  Pedal-  und  Lateralsträuge  und 
drittens  aus  der  vordem  Hälfte  eines  Markringes,  dessen  hintern 
Abschnitt  eben  das  Subcerebralmark  darstellt.  Die  Gründe,  welche 
Plate  von  dieser  Deutung  abhielten,  wurden  schon  oben  angeführt. 
Es  war  vor  Allem  die  angebliche  Abnahme  der  Ganglienzellen  bei 
doch  zahlreich  abtretenden  Nerven,  welche  Plate  die  ursprüngliche 
Markstrangnatur  des  Subcerebralmarks  unwahrscheinlich  erscheinen 
liess.  Dem  gegenüber  möchte  ich  bemerken,  dass  das  spärlichere 
Auftreten  der  den  Randsaum  bildenden  Ganglienzellen  des  Sub- 
cerebralstranges  gegenüber  denjenigen  des  Pedal-  und  Lateralmarks 
zwar  nicht  zu  verkennen  ist,  dass  aber  andrerseits  auch  der  in 
Fig.  57  mit  siihc  bezeichnete  unterste  Abschnitt,  welcher  ja,  wie  wir 
gesehen  haben,  die  vordere  continuirliche  Fortsetzung  des  Sub- 
cerebralstranges  ist,  ebenfalls  nicht  mehr  Ganglienzellen  als  dieser, 
dagegen  weniger  als  die  beiden  andern  Abschnitte  {peä  und  pleur) 
aufweist.  Diesem  Abschnitt  {snhc)  gegenüber  also,  mit  welchem  zu- 
sammen es  ja  einen  einheitlichen  King  bildet,  hat  das  Cerebralmark 
in  nichts  seine  histologische  Structur  geändert,  und  so  darf  man 
meiner  Ansicht  nach  bei  ihm  weder  von  einer  Vermehrung,  noch 
von  einer  Verminderung  der  Ganglienzellen  sprechen.  Bei  dieser 
Betrachtungsweise  aber  würde  sich  zwanglos  die  Wahrscheinlichkeit 
ergeben,  dass  das  Gehirn  sich  nicht  nur  aus  zwei,  sondern  aus  drei 
ursprünglich  getrennten  und  nur  durch  zahlreiche  Connective  mit 
einander  verbundenen  Theilen  zusammensetzt,  nämlich  1.  und  2.  aus 


Pacifische  Chitouen. 


655 


den  beiden  schon  von  Plate  angenommenen  pedalen  und  lateralen 
Bogencommissuren  und  3.  aus  der  vordem  Hälfte  eines  das  Mund- 
rolir  umfassenden  Markringes,  dessen 
hintere  Hälfte  das  Subcerebralmark 
ist.  Die  sehematische  Textfigur 
Plate's  würde  demnach  nach 
meiner  Auffassung  die  Ergänzung 
durch  einen  innersten  Eing  be- 
dürfen, wie  dies  auf  nebenstehen- 
der Textabbildung  (Fig.  J)  ange- 
deutet ist. 

In  Bezug  auf  die  übrigen 
Theile  des  l'entralnerveusj'Stems 
kann  ich  die  histologischen  Angaben 
der  frühem  Autoren  nur  bestätigen  f'^"' 
und  gehe  deshalb  nicht  näher  auf 
dieselben  ein. 


Fig.  J. 


17.  CJiiton  canalicatiis  Qüoy  et  Gaimard. 

Von  dieser  Species  lagen  mir  zahlreiche  Exemplare  vor,  welche 
ihrer  grossen  Mehrzahl  nach  von  Herrn  Prof.  Thilenius  in  T  a  u  r  a  n  g  a 
auf  Neuseeland  gesammelt  wurden,  während  drei  Stück  von  Herrn 
Prof.  ScHAUiNSLAKD  voui  Freuch-Pass  mitgebracht  wurden.  — 
Am  bemerkenswerthesten  ist  an  diesem  Chiton  die  ungemein  grosse 
Variabilität  in  der  Farbe,  welche  durch  Wort  und  Bild  zu  erschöpfen 
beinahe  unmöglich  ist,  weshalb  ich  mich  darauf  beschränken  muss, 
die  häufigsten  Farbenvarietäten  zu  beschreiben  mit  dem  Hinweis 
darauf,  dass  dieselben  ilirerseits  wieder  in  schier  zahllose  Unter- 
varietäten zerfallen  und  andrerseits  auch  durch  ebenso  viele  Zwischen- 
färbungen mit  einander  verbunden  werden. 

Am  häufigsten  sind  unter  den  mir  vorliegenden  sehr  zahlreiclien 
Thieren  solche  von  licht  rosarother  und  solche  von  licht  grüner  Grund- 
farbe (Fig.  59,  60).  Bei  beiden  kann  die  entsprechende  Grundfarbe 
sich  fast  ausschliesslich  über  die  gesammte  Schale  und  den  Mantel 
erstrecken,  was  jedoch  der  seltnere  Fall  ist.  In  den  meisten  Fällen 
macht  sich  vielmehr  mehr  oder  weniger  deutlich  eine  Zeiclmung  in 
Folge  Auftretens  von  anders  gefärbten  Partien  bemerkbar:  so  ist 
sehr  liäufig  der  Kiel  bedeutend  heller,  wie  dies  bei  der  grünen 
Varietät  (Fig.  GOj  wiedergegeben  ist,  und  dann  beiderseits  von  einer 
dunklern  dreieckigen  Zone  eingefasst.    Aber  ebenso  häufig   und  zwar 


ß56  C0RT    VON   WiSSEL, 

auch  bei  beiden  Färbuugsvarietäten,  ist  der  Kiel  dunkel  braunsclnvarz, 
wie  dies  bei  Fig-.  59  wiedergegeben  ist.  Fast  immer  befindet  sich 
am  Hinterrande  jedes  Tegmentums  eine  Reihe  von  vier  bis  sechs 
bräunlichen  Flecken  (Fig.  59,  60). 

Ausser  diesen  beiden  Hauptfärbungen  kommen  neue  Variationen 
dadurch  zu  Stande,  dass  das  Rosa,  beziehungsweise  das  Grün  noch 
mehr  verblasst.  Es  resultiren  daraus  rein  gelbe  Thiere,  manchmal 
mit  etwas  rosa  Anflug,  manchmal  mit  feinen  grünen  Spritzflecken 
besät.  Oder  aber  das  Schwarz  des  Kieles  greift  auch  auf  weitere 
Schalentheile  über,  es  werden  ganze  Schulpen  braunschwarz,  wie 
dies  auf  Fig.  61  bei  der  ersten  und  letzten  der  Fall  ist,  ja  es  kann 
die  ganze  Schale  braunschwarz  sein,  ein  allerdings  seltener  Fall. 
Umgekehrt  kommen  auch,  wenngleich  ebenfalls  selten,  ganz  hell 
gelbe  oder  auch  weissgelbe  Thiere  vor,  deren  Schale  nur  mit  kleinen 
grünlichen  Flecken  bedeckt  ist.  Eine  besonders  schöne  Färbung 
zeigte  das  Exemplar,  welches  in  Fig.  62  dargestellt  ist:  hier  sind 
die  erste  und  die  letzte  Schulpe  ebenfalls  fast  ganz  schAvarzbraun, 
welche  Farbe  auch  die  vordem  Kielhälften  der  ]\Iittelschulpen  sowie 
einen  Streifen  vor  jeder  Diagonallinie  einnimmt.  Der  dazwischen 
liegende  Theil  der  Mittelfelder  ist  grün,  die  Seitenfelder  sind 
wiederum  braun  mit  gelblich-rosarother  Einfassung.  —  Die  Grundfarbe 
der  Manteloberseite  entspricht  fast  immer  der  der  Schalen,  und  zwar 
ist  der  Mantel  entweder  einfarbig,  wie  dies  Fig.  59  zeigt,  oder  aber, 
und  das  ist  der  häufigere  Fall,  die  Grundfarbe  ist  durch  mehr  oder 
weniger  regelmässige  Querbänder  unterbrochen,  wie  dies  die  übrigen 
Figuren  (60—62)  zeigen. 

Die  Sculptur  der  Schalen  ist  überall  dieselbe  und  be- 
sonders durch  die  tiefen  längsverlaufenden  Riefen  der  Mittelfelder 
charakterisirt.  Im  üebrigen  ist  die  Beschreibung  Pilsbry's  (26, 
p.  177)  zutreffend. 

Die  M  e  s  s  u  n  g  ergab  bei  einem  der  grössten  Thiere  eine  Länge 
von  23  mm  und  eine  Breite  von  12  mm,  bei  dem  kleinsten  eine 
Länge  von  6  mm  und  eine  Breite  von  3  mm. 

Die  Zahl  der  Kiemen  beträgt  jederseits  30—32,  und  zwar 
sind  ca.  die  12, — 20.  als  Maximalkiemen  zu  bezeichnen.  Die  Kiemen- 
reihen endigen  vorn  in  der  Querebene  des  1.  Intersegments  und 
reichen  nach  hinten  bis  zur  Querebene  des  Afters,  ihre  Anordnung 
ist  also  holobranch  und  adanal  mit  Zwischenraum. 

Die  Genitalöffnung  lag  zwischen  Kieme  7/8,  die  Nieren- 
öffnung zwischen  Kieme  6/7. 


Pacifische  Chitonen.  657 

Die  Lateralfalte  ist  schmal  und  endigt  ohne  Verbreiterung 
an  der  letzten  Kieme. 

Osphradien  sind  vorhanden. 

Die  Lagerung  der  Darmschlingen  ist   die  des  Chifon-Tjj^ns. 

Die  Eadula  (Fig.  63)  hat  eine  sehr  kleine  und  schmale  Mittel- 
platte (m),  deren  Schneide  in  der  Mitte  einen  kleinen  Zapfen  trägt. 
Ihre  Basalplatte  ist  dagegen  über  noch  ein  mal  so  lang  und  wieder- 
holt genau  ihre  Form.  Die  Zwischenplatte  (>)  besitzt  einen  halb- 
kreisförmigen Flügelfortsatz  nach  innen.  Die  Hakenplatte  (h)  hat 
einen  langen  Stiel,  welcher  in  seinem  basalen  Drittel  eine  kleine 
Hervorwölbung  nach  innen  besitzt. 

Auch  von  dieser  Species  habe  ich  einige  Exemplare  der  histo- 
logischen Untersuchung  geopfert  und  fand  ihre  Histologie  mit  den  bis- 
herigen Schilderungen  mehr  übereinstimmend  als  die  vorigen.  So 
wies  hier  der  Oesophagus  ein  cylindrisches  Lumen  und  echte 
Cilien  auf.  und  im  Darm  Hessen  sich  zwei  histologisch  so  scharf 
geschiedene  Abschnitte,  wie  ich  sie  bei  Chiton  sindairi  beschrieben 
habe,  nicht  feststellen.  Vielmehr  waren  hier  die  Drüsenzellen  im 
ganzen  Verlauf  des  Darmcanals  verstreut,  traten  aber  dafür  überall 
nur  verhältnissmässig  spärlich  auf.  Das  Magen-  sowohl  wie  das 
Darmepithel  flimmert  in  allen  seinen  Theilen. 

Auffallender  Weise  fehlten  den  sehr  kleinen  und  jugendlichen 
Exemplaren  die  Zuckerdrüsen  gänzlich,  aber  in  dem  hintern 
"\Mnkel  der  Phar3'ngealdivertikel  findet  sich  jederseits  eine  l)lind 
endende  Ausstülpung,  welche  ein  flaches  cubisches  Epithel  aufweist, 
also  jedenfalls  die  Erstanlage  der  Ausführgänge  der  Zuckerdrüsen 
repräsentirt.  Diesem  Befund  nach  würden  sich  die  letztern  erst  im 
Verlauf  der  postembryonalen  Entwicklung  durch  Ausstülpung  der 
Divertikelwandung  und  darauf  folgende  Zottenbildung  durch  Ein- 
stülpung entwickeln. 

In  Bezug  auf  die  übrigen  Organsysteme  haben  sich  wesentliche 
Verschiedenheiten  von  den  für  Chiton  sindairi  gemachten  Angaben 
nicht  ergeben. 

Die  Eischale  ist  mit  einem  dichten  Wald  von  Stacheln  be- 
setzt, welche  denen  von  Chiton  quoyi  sehr  ähnlich  sind.  Ihre  Krone 
weist  jedocli  nicht  5,  sondern  6  Zacken  auf.  Zwischen  diesen  scheint 
eine  protoplasmatische  Substanz  enthalten  zu  sein,  welche  sich  im 
C'entrum  des  Ziukenkranzes  kuppeiförmig  hervorwölbt  und  in  welcher 
hell  gelbe  Pigmentkörnchen  eing-ebettet  sind. 


g58  CURT   TON   WiSSEL, 

Familie  lAolophitrinae  Pilsbry. 

18.  Onithochiton  semisculptus  Pilsbry. 

6  Exemplare  von  Herrn  Prof.  Schautnsland  auf  den  Chatliam- 
Inseln  gesammelt.  Das  grösste  hatte  eine  Länge  von  33  mm  und 
eine  Breite  von  29  mm,  das  kleinste  eine  Länge  von  18  mm  und 
eine  Breite  von  14  mm.  Diese  Species  zeichnet  sich  also  durch  eine 
verhältnissmässig  grosse  Breite  aus. 

Die  Beschreibung  von  Pilsbry  (26,  p.  244—247)   ist  zutreffend. 

Die  Schalen  (Fig.  64)  haben  eine  grosse  Ausdehnung  von 
rechts  nach  links,  während  der  Mantelrand  nur  schmal  ist.  Es 
kommen  z.  B.  bei  dem  Exemplar  von  29  mm  Breite  jederseits  nur 
5  mm  auf  den  Mantel,  auf  die  entsprechende  Schulpe,  die  4.,  da- 
gegen 19  mm.  Der  Kiel  tritt  sehr  scharf  hervor,  und  der  Mucro 
befindet  sich  bei  sämmtlichen  Schalen  am  Hinterrande.  Die  Diagonal- 
linien sind  ebenfalls  gut  ausgeprägt  und  die  erste  Schale  sowie  die 
Seitenfelder  der  Mittelschalen  fein  radiär  gefurcht.  Die  Färbung 
der  Schalen  ist  in  den  meisten  Fällen  lichtgrün  mit  dicht  an 
einander  gereihten  dunkel  olivgrünen  bis  bräunlichen  feinen  Parallel- 
streifen, wie  dies  auf  der  Abbildung  (Fig.  64)  bei  Schulpe  2  und  6 
wiedergegeben  ist.  —  In  einzelnen  Fällen  kann  auch  der  Grundton 
hell  gelb  bis  weiss  werden.  —  Während  bei  3  der  mir  vorliegenden 
Exemplare  sämmtliche  Schulpen  in  der  beschriebenen  Weise  gestreift 
sind,  wird  diese  Zeichnung  bei  den  3  übrigen  fast  ganz  von  einem 
dunkel  blauschwarzen  Grundton  verdrängt,  welcher  sie  nur  hier  und 
da  andeutungsweise  hervortreten  lässt  (Fig.  64,  Schulpe  1,  3,  4,  5, 
7  und  8).  Diese  dunkle,  beinahe  einfarbig  blauschwarze  Färbung 
entsteht  dadurch,  dass  die  dunkeln  Linien  breiter  und  breiter  werden 
und  schliesslich  den  hell  grünen  oder  gelben  Grundton  ganz  oder 
beinahe  ganz  verdrängen.  —  Die  Augenpunkte  sind  auf  Scliulpe  1 
in  zahlreichen  radiären  Eeihen  angeordnet,  auf  den  übrigen  Schulpen 
treten  sie  längs  der  Diagonallinien  in  doppelter  bis  dreifacher  Reihe 
und  ausserdem  noch  bisweilen  in  einer  weitern  Reihe  im  hintern 
Drittel  der  Seitenfelder  auf. 

Die  Färbung  des  Mantels  ist  gelb  und  braun  marmorirt. 
Schon  mit  blossem  Auge  betrachtet  erscheint  er  namentlich  an  seinen 
dunklen  Partien  wie  mit  feinem,  weissem  Mehlstaub  bedeckt,  was 
von  den  Spitzen  der  zahlreichen  kleinen  Kalkstacheln  herrührt,  welche 
seine    Oberfläche    bedecken.     Diese    Kalkstacheln    (Fig.  65  a)   sind 


Pacifische  Chitonen.  659 

theils  ganz  farblos,  theils  braun  mit  farbloser  Spitze,  und  zwar 
wechseln  Gruppen  von  farblosen  mit  solchen  von  braunen  Stacheln 
unregelmässig  ab,  wo(lui:ch  die  oben  erwähnte  gelbbraun  marmorirte 
Zeichnung  des  Mantels  hervorgerufen  wird.  Einige  wenige  farblose 
Stacheln  finden  sich  stets  auch  in  den  Complexen  der  braunen  und 
umgekehrt.  Die  Länge  der  Stacheln  beträgt  im  Maximum  ca.  400  u 
und  durchläuft  von  da  alle  Abstufungen  bis  zum  Avinzigen  kugel- 
förmigen Stachel  von  66  n  Durchmesser  (Fig.  65 aj.  Am  Mantel- 
rand reihen  sich  die  Stacheln  eng  an  einander  und  bilden  so  eine 
dichte  Palissade,  ohne  jedoch  Avesentlich  an  Grösse  zuzunehmen.  An 
der  Basis  der  Stacheln  befand  sich  stets  ein  deutlicher  Chitin- 
becher. 

Die  Ventralfläch  e  des  Mantels  ist  dicht  mit  kleinen 
Kalkschuppen  bedeckt  (Fig.  65  b).  Die  Länge  dieser  Schuppen 
beträgt  ca.  120  f(,  ihre  Breite  ca.  70  ft.  Sie  sind  farblos  und  durch 
zarte,  nach  der  Spitze  zu  convergirende  Längsstreifen  sculpturirt. 
Ihr  basales  Ende  ist  in  der  Mitte  concav  ausgebuchtet,  und  die 
Schuppen  sind  derart  in  dichten  radiären  Reihen  angeordnet,  dass 
stets  die  distale  convexe  Rundung  einer  Schuppe  in  die  concave 
Ausbuchtung  der  vor  ihr  befindlichen  eingelagert  ist. 

In  Bezug  auf  den  äussern  Habitus  ist  endlich  noch  zu  be- 
merken, dass  die  Mundscheibe  durch  eine  tiefe,  halbkreisförmige 
Falte  in  zwei  Theile  zerlegt  Avird.  nämlich  in  die  eigentliche  Mund- 
scheibe und  in  einen  halbkreisförmig  sie  umgebenden,  hinten  in  zwei 
Zipfel  auslaufenden  Randstreifen. 

Die  Anordnung  der  Kiemen  ist  holobranch  und  adanal  mit 
Zwischenraum.  Ihre  Zahl  beträgt  jederseits  31 — 32,  und  man  kann 
die  4. — 19.  als  Maximalkiemen  bezeichnen. 

Die  Lage  der  Geschlechts-  und  der  Nierenöffnung  ist 
in  so  fern  als  exceptionell  zu  bezeichnen,  als  beide  sich  nicht  in  der 
Querebene  des  Zwischenraums  zweier  Kiemen  befinden ;  GO  ist  viel- 
mehr der  Kieme  8  nach  innen  zu  direct  angeheftet,  während  RO  in 
Höhe  der  Basis  der  Kieme  5,  jedoch  ein  ganzes  Stück  nach  innen 
gerückt,  liegt. 

Die  Lateralfalte  ist  breit  und  bildet  hinter  der  letzten 
Kieme  zwei  grosse,  runde  Latei-allappen,  worauf  sie  als  niedrige 
Leiste  hinter  dem  After  herumzieht. 

Die  Radula  (Fig.  66)  hat  Aehnlichkeit  mit  derjenigen  von 
Onifhoch.  nndnJatus  und  ruhiginosus.  wie  sie  Thiele  (25)  auf  tab.  30, 
fig.  38  und  39  abbildet. 


660 


CüRT    VON    WiSSEL, 


Fig.  K. 


Der  Verlauf  der  Dar m  s  c h  1  i  n  g-  e n  gehört  dem  Chifon-Tj\)i\s  an 
und  ist  aus  nebenstehender  Textabbildung-  (Fig.  K)  zu  ersehen. 

Die   Hauptnierengänge  reichen  vorn 
,.••"''"        bis  zur  Kopffussfurche.    Fussnieren  fehlen. 

Die  Ermittlung  der  Beschaffenheit  der  Ei- 
schale muss  ich  spätem  Untersuchern  über- 
lassen, denn  vier  von  den  sechs  mir  vorliegen- 
den Exemplaren  erwiesen  sich  als  männlich, 
und  ich  trug  Bedenken,  die  letzten  zwei  auch 
noch  zu  verletzen,  wo  es  sich  doch  nur  um 
eine  verhältnissmässig  nebensächliche  Fest- 
stellung handelt. 

19.  Onithochifou  niavfnoratus  n.  sj). 

Von  dieser  neuen  Art  stand  mir  nur  ein 
weibliches  Exemplar  zur  Verfügung,  welches 
Herr  Prof.  Schauinsland  am  French-Pass 
gesammelt  hat.  Seine  Länge  betrug  11  mm,  die 
Breite  5  mm.  Der  Habitus  ist  also  schmal  und 
lang. 
Die  Färbung  der  Schalen  (Fig.  67j  ist  hell  rothbraun  mit 
grössern  und  kleinern  weisslichen  Flecken  vor  allem  auf  den  Kiel- 
und  Mittelfeldern,  welche  der  Schale  ein  marmorirtes  Aussehen  ver- 
leihen. Der  stark  ausgeprägte  Kiel  ist  etwas  heller  braun  gefärbt 
und  jederseits  von  einem  geflammten  weissen  Streifen  eingefasst. 
Der  Apex  liegt  am  hintern  Ende,  bei  der  achten  Schale  im  letzten 
Drittel.  Auf  der  ersten  Schale  finden  sich  zahlreiche  Augenflecke 
in  radiären  Reihen,  während  dieselben  auf  den  übrigen  Schalen  auf 
eine  meist  einfache  Reihe  längs  der  Diagonallinie  beschränkt  sind. 
Der  Mantel  ist  zart  rosa  gefärbt  mit  intersegmental  angeordneten 
weissen  Querstreifen.  Bei  starker  Lupenvergrösserung  lässt  sich  an 
ihm  eine  feine  dunkle  Granulirung  wahrnehmen,  die  durch  die 
Schuppen,  mit  welchen  er  dicht  besetzt  ist,  hervorgerufen  wird. 

Die  Hartgebilde  der  Ventralseite  des  Mantels  sind  ge- 
nau dieselben,  wie  bei  OnithocMton  semiscnlpUts ,  nämlich  kleine, 
platte,  farblose  Kalkschuppen  (Fig.  68  a),  deren  distale  Hälfte  zart 
längsgerieft  und  deren  basales  Ende  concav  ausgebuchtet  ist.  Die 
Länge  dieser  Schüppchen  beträgt  hier  jedoch  nur  50  /<  und  nimmt 
nach  dem  Mantel  hin  bis  zu  83  f^i  zu  (b).  Bei  diesen  Randschuppen 
verstreichen  die  Längsriefen  Avahrscheinlich  durch   die  Reibung  mit 


Pacifische  Chitonen.  ßßl 

der  Unterlage,  auf  welche  das  Thier  aiigesaug-t  ist,  mehr  und  mehr, 
so  dass  die  grossem  Eandschuppen  meist  in  ganzer  Ausdehnung 
glatt  und  glashell  sind.  Genau  dieselben  Kalkschuppen  stellen  auch 
das  Hauptcontingent  der  Panzerung  der  Manteloberseite,  nur 
sind  sie  hier  meist  in  ihrer  basalen  Hälfte  von  gelbrosarot  her  Farbe 
(e,  c,  d).  In  Bezug  auf  die  Grösse  stehen  sie  den  Ventralschuppen 
ungefähr  gleich,  doch  wachsen  sie  sich  häufig  auch  bis  zu  einer 
Länge  von  ca.  167  f.i  aus.  Ferner  finden  sich  auch  unter  den  ge- 
färbten farblose,  jedoch  in  geringer  Zahl  eingestreut,  während  auf 
den  schon  erwähnten  weissen  intersegmentalen  Querbändern  diese 
letztern  die  Hauptmasse  bilden.  —  Mit  diesen  Kalkschuppen  ist  die 
Manteloberfläche  dicht  bedeckt,  während  zwischen  sie  äusserst  spär- 
lich eingestreut  sich  kleine,  farblose  Kalknadeln  (e)  von  einer  Länge 
Aon  ca.  100  /t  und  einer  Breite  von  ca.  17  (.i  finden.  Diese  Nadeln 
Hessen  an  ihrer  Basis  stets  einen  deutlichen  Chitinbecher  erkennen, 
während  ein  solcher  an  den  oben  beschriebenen  Kalkschuppen  nicht 
nachzuweisen  war. 

Die  Hartelemente  des  Mantels  sind  ,:Dmit  im  wesent- 
lichen derselben  Art  wie  bei  Omthoddion  semisculptus,  aber  ihre 
Yertheilung  ist  eine  durchaus  abweichende.  Während  nämlich  bei 
letzterer  Species  die  abgeplatteten  Kalkschuppen  durchaus  auf  die 
Ventralseite  des  Mantels  beschränkt  sind  und  die  Dorsalseite  aus- 
schliesslich mit  einem  dichten  Panzer  von  Stacheln  mit  Becher  be- 
setzt ist,  treten  diese  letztern  Hartgebilde  bei  Onithochiton  manuoratus 
ganz  in  den  Hintergrund,  wohingegen  die  Kalkschuppen  der  Ventral- 
seite ihre  Stelle  auch  auf  dem  Mantelrücken  einnehmen  und  nur 
hier  und  da  einige  spärliche  Beste  der  wohl  ursprünglichen  Stachel- 
bewattiiung  übrig  gelassen  haben. 

Die  Zahl  der  Kiemen  betrug  rechts  23,  links  24  und  ihre 
Anordnung  ist  dieselbe  wie  bei  der  vorhergehenden  Art. 

Auch  die  Lateralfalte  verhält  sich  ebenso  wie  bei  Onitho- 
chiton scmisculptus,  d.  h.  sie  ist  breit  und  bildet  jederseits  hinter  der 
letzten  Kieme  einen  grossen  rundlichen  Lappen. 

Die  Radula  (Fig.  69)  hat  eine  verhältnissmässig  kleine  und 
dünne  Mittelplatte  (m)  mit  zwei  grossen  seitlichen  Flügeln;  die 
Zwischenplatte  (^)  ist  ähnlich  wie  bei  Omthochiton  semisculptus  und 
zeichnet  sich  hier  ebenfalls  durch  grosse  Länge  aus;  der  Stiel  der 
Hakenplatte  (h)  ist  bedeutend  dicker  als  bei  der  vorigen  Art  und 
besitzt  einen  rundlichen  nach  aussen  sich  abzweigenden  Flügel;  die 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  ■l-l 


gßO  CURT   VON   WiSSEL, 

Seitenplatte  (s)  ist  klein  nnd  von  dreieckiger  Gestalt,  ihre  Schneide 
ist  sanft  concav  ausgebuchtet. 

Die  Lage  der  D  a  r  m  s  c  h  1  i  n  g  e  n  ist  dieselbe  wie  bei  der  vorigen 
Art,  und  ich  verweise  deshalb  auf  die  dort  beigegebene  Text- 
abbildung. 

Die  H  a  u  p  t  n  i  e  r  e  n  g  ä  n  g  e  reichen  vorn  bis  zur  Kopffussfurche. 
Fussnieren  fehlen. 

Das  Ovar  enthielt  nur  unreife  Eier,  so  dass  sich  über  die  Ei- 
schale nichts  ermitteln  Hess.  Muthmaasslich  hatte  ich  also  ein  noch 
jugendliches  Exemplar  vor  mir,  und  die  Art  dürfte  vielleicht  eine 
weit  beträchtlichere  Grösse  erreichen  als  das  Tliier,  welches  mir 
vorlag. 

Anhang. 

Unter  dem  mir  von  Herrn  Prof.  Schauinsland  überlassenen 
Material  fanden  sich  ausser  Chitonen  noch  eine  Anzahl  Gläser  mit 
Oucidiideu,  und  zwar  gehörten  dieselben  3  Species  der  Gattung 
Oitcidiella  Gkay  an.  Da  ich  andern  Orts  (42j  dieses  Genus  bereits 
ausführlich  anatomisch  und  histologisch  behandelt  und  wesentlich 
abweichende  Beobachtungen  an  dem  vorliegenden  Material  nicht 
gemacht  habe,  lasse  ich  unter  Hinweis  auf  die  genannte  Arbeit  hier 
nur  die  für  die  Systematik  wichtigen  Angaben  folgen. 

1.  Oncidiella  nigricans  Quot  et  Gaimaed. 

Diese  Species  ist  von  zwei  Autoren  bereits  kurz  erwähnt,  jedoch 
noch  nicht  auf  ihre  Anatomie  hin  untersucht  worden.  Zum  ersten 
Male  wird  ihrer  von  Quoy  u.  Gaimard  (41,  p.  214)  gedacht,  welche 
ihre  Länge  auf  nur  3  Linien  angeben.  In  der  sehr  summarischen 
Beschreibung  wird  ausdrücklich  hervorgehoben,  dass  die  gesammelten 
Thiere  trotz  ihrer  Kleinheit  vermuthlich  kein  Jugendstadium  repräsen- 
tirten,  da  sie  in  sehr  grosser  Menge  an  ihren  Fundorten  angetroffen 
worden  seien.  Diese  Motivirung  scheint  mir  jedoch  sehr  wenig  stich- 
haltig, weil  man  wohl  umgekehrt  eher  junge  Thiere  kurze  Zeit  nach 
dem  Ausschlüpfen  aus  dem  Ei  heerden weise  antreffen  wird,  während 
sie  als  ausgewachsene  Exemplare  durch  ihre  Feinde  und  anderweitige 
Fährnisse  mehr  und  mehr  decimirt  sein  werden.  —  Die  zweite  Er- 
wähnung dieser  Art  thut  Semper  (39,  p.  278—279,  Fussnote),  welcher 
sie  als  vermuthlich  sehr  nahe  verwandt  mit  OncididJa  patelMdes 
Q.  et  G.  bezeichnet,  was  jedoch,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden, 


Pacifiscbe  Chitouen.  663 

niclit  ziitriift.  da  die  hier  behandelte  Art  in  Betreff  ihrer  Anatomie, 
namentlich  des  Geschlechtsapparats,  eine  durchaus  gesonderte  Stellung- 
in  dem  ganzen  Genus  einnimmt. 

Die  mir  vorliegenden  13  Exemplare  zerfallen  in  2  bezüglich 
des  Fundorts  sowohl  als  auch  bezüglich  ihrer  Grösse  und  Färbung 
so  scharf  gesonderte  Gruppen,  dass  ich  nach  der  äussern  Besichtigung 
fest  überzeugt  war,  2  verschiedene  Species  vor  mir  zu  haben.  Nichts 
desto  weniger  bewies  das  Eesultat  der  anatomischen  Untersucliung 
unzweifelhaft,  dass  ich  es  lediglicli  mit  2  verschiedenen  Alters- 
stadien ein  und  derselben  Art  zu  thun  hatte.  —  Die  Beschreibung, 
welche  Quot  u.  Gaüiaed  von  dem  Aeussern  und  speciell  von  der 
Färbung  geben,  passt  merkwürdiger  "Weise  genau  auf  2  Tliiere  aus 
Auckland,.  deren  Grösse  jedoch  die  von  den  genannten  Autoren 
angegebene  weit  übertrifft.  Diese  beiden  Thiere  hatten  nämlich  die 
für  Oncidiellen  stattliche  Länge  von  ca.  18  mm  und  eine  Breite  von 
ca.  13  mm.  Umgekehrt  wiesen  die  übrigen  11  Exemplare,  welche 
vom  French-Pass  stammten,  nur  eine  Länge  von  ca.  8  und  eine 
Breite  von  6 — 7  mm  auf.  Diese  11  kleinen  Exemplare  aber  ver- 
hielten sich  in  ihrer  Färbung  durchaus  abweichend  von  den  beiden 
grossen  aus  Auckland  stammenden  Thieren.  So  passt  die  Cha- 
rakteristik ..Onchidium  coi'pore  minimo"  zwar  auf  die  erstere  Gruppe, 
..toto  nigro"  jedoch  auf  die  beiden  grossen  Exemplare.  Aller- 
dings wird  zum  Schluss  noch  hinzugefügt  „dans  (luelques  individus 
la  couleur  noire  passe  au  verdätre*'.  welche  Angabe  sich  schon  eher 
mit  der  Färbung  der  kleinen  in  Einklang  bringen  lässt. 

So  weit  das  mir  vorliegende  ^laterial  in  Betracht  kommt,  wird 
der  Speciesnamen  nur  von  den  beiden  grossen  Exemplaren  aus 
Auckland  (Fig.  70)  gerechtfertigt,  denn  deren  Notum  zeigt  aller- 
dings eine,  wenigstens  für  das  unbewaffnete  Auge,  einheitlich  grau- 
schwarze Färbung.  Nimmt  man  jedoch  eine  Lupe  zu  Hilfe,  so  sieht 
man.  dass  auch  bei  ihnen  bisweilen  heller  gewölkte  Stellen  vor- 
kommen. Der  Tuberkelbesatz  ist  ein  äusserst  dichter,  da  sich 
zwischen  je  2  grossen  stets  eine  grosse  Anzahl  kleinerer  Papillen 
befinden.  Zwischen  den  Warzen  ist  die  Rückenhaut  mit  einem 
dichten  Netz  von  Runzeln  bedeckt.  Der  Mantelrand  ist  verhältniss- 
mässig  glatt  und  wenig  gekerbt,  und  auch  die  die  Mündungen  der 
grossen  Kanddrüsen  bezeichnenden  liellern  Randflecken  treten  nur 
sehr  unregelmässig  und  spärlich  auf,  da  das  schwarze  Pigment  auf 
dem  weitaus  grössten  Theil  der  Peripherie  so  nahe  an  den  Rand 
herantritt,  dass  nur  ein  ganz  schmaler  gelblicher  Saum  ül)rig  bleibt. 

44* 


gg^  CURT   VON    WiSSEL, 

Gänzlich  abweichend  ist  die  Färbung-  der  11  kleinen  Exemplare 
vom  French-Pass  (Fig-.  71),  da  hier  der  Eücken  gelj  und  braun 
marmorirt  oder  gewölkt  erscheint,  und  zwar  kann  sich  die  Färbung 
so  aufhellen,  dass  die  gelbe  Farbe  entschieden  voilierrscht  und  nur 
ganz  dünne,  netzförmige  Züge  von  schwarzbraunem  Pigment  den 
Rücken  überziehen,  was  den  Thieren  eine  grosse  Aehnlichkeit 
mit  OncidielJa  reticulata  Semper  verleiht.  Da  jedoch  Plate  (17, 
p.  205 — 206)  von  der  Anatomie  dieser  Species  eine  gänzlich  ab- 
weichende Schilderung  giebt,  ist  eine  Identität  völlig  ausgeschlossen. 
—  Die  Rückenwarzen  stehen  bei  diesen  jugendlichen  Thieren  viel 
zerstreuter  als  bei  den  grossen.  Das  Auftreten  der  Randpapillen 
ist  auch  hier  sehr  unregelmässig,  indem  die  dunkle  Farbe  bald  mehr, 
bald  weniger  von  ihnen  bestehen  lässt.  —  Der  Fuss  und  die  Hypo- 
nota  sind  verhältnissmässig  hell;  letztere  haben  an  den  Seiten  eine 
ungefähre  Breite  von  ^^  der  Fussohle.  Das  Athemloch  liegt  median, 
seine  Entfernung  ist  Vo  =  IV2  ii^^^  ^^  ^^i  den  grossen  und  V2  =  %  rnm 
bei   den   kleinen    Exemplaren.  —   Das  Peritoneum  ist  unpigmentirt. 

Bezüglich  der  Verdauungsorgane  ist  zu  bemerken,  dass 
die  Speicheldrüsen  einen  etwas  compactem  Eindruck  machen, 
als  man  dies  sonst  bei  Oncidiellen  gewöhnt  ist,  weil  die  Endlappen 
eine  runde  Gestalt  haben  und  dicht  gedrängt  dem  Ausführgang  auf- 
sitzen. —  Die  Radulapapille  ist  winzig  klein  und  ragt  nicht 
über  die  Hinterbacken  des  Schlundkopfs  hervor.  —  Der  Rhachiszahn 
der  Radula  (Fig.  72  r)  besitzt  2  dünne  und  sehr  gerade  gestreckte 
Seitenzähnclien,  welche  nach  vorn  in  derselben  Querebene  endigen 
wie  der  Mittelhaken.  Letzterer  ist  ebenfalls  dünn  und  endigt  mit 
breit  abgestutzter  Spitze.  Die  Pleuralzähne  (]!)  sind  ebenfalls  ver- 
hältnissmässig dünn,  ihre  innere  Kante  bildet  mit  dem  Haiipthaken 
einen  stumpfen  Winkel.  Die  Formel  lautet:  86,  1,  86.  —  Von  dem 
Vorhandensein  eines  Kiefers  habe  ich  mich  auf  Schnitten  über- 
zeugt, doch  ist  derselbe  so  klein  und  hell,  dass  mii'  eine  Isolierung 
unter  der  Lupe  nicht  gelang.  —  Der  Oesophagus  war  stark 
magenartig  erweitert,  zeigte  aber  sonst  keine  Besonderheit,  i^uch 
der  Magen  hatte  die  für  die  Gattung  charakteristische  Gestalt  und 
liess  alle  4  Theile  gut  erkennen,  wie  ich  sie  schon  in  meiner  frühern 
Arbeit  für  die  dort  behandelten  Arten  (42,  tab.  35,  fig.  13)  dargestellt 
habe.  • —  Die  Lage  der  3  Leberportionen  sowie  ihrer  Ausführ- 
gänge in  den  Magen  ist  die  typische.    Die  Hinterleber  ist  ungefähr 


1)  In  der  Terminologie    bin  ich  dem  "Werk  von  Plate  (17)    gefolgt. 


Pacifische  Chitonen.  665 

halb  so  gross  wie  die  unter  sich  annähernd  gleich  grossen  beiden 
vordem  Lebern.  —  Eine  bemerkenswerthe  Abweichung  wies  der 
Verlauf  des  Darmrohres  auf,  da  liier  zu  der  einfachen  primären 
Schlinge,  welche  dem  Darm  aller  übrigen  darauf  hin  untersuchten 
Oncidiellen  eigen  ist.  noch  eine  weitere  secundäre  hinzutritt:  der 
Darm  verläuft  hier  nämlich  zunächst  nach  seinem  Austritt  aus  dem 
Magen,  wie  gewöhnlich,  an  der  Rückenfläche  der  Leibeshöhle  nach 
vorn  und  rechts  und  biegt  hier,  an  der  Seitenwand  angelangt,  nach 
hinten  um,  zieht  aber  nun  nicht,  wie  sonst,  direct  zum  After,  sondern 
wendet  sich  nach  kurzem  Verlauf  nochmals  nach  vorn  um  und  bildet 
so  eine  annähernd  viereckige,  zweite  Schlinge,  welche  an  der  rechten 
Seitenwaud  der  Leibeshöhle  lagert  und  über  welche  die  Aorta  hin- 
wegzieht. Hierauf  wendet  sich  der  Darm  wiederum  nach  vorn  und 
oben,  bis  er  seinen  ersten,  vom  Magen  nach  vorn  laufenden  Schenkel 
erreicht,  zu  welchem  parallel  er  nunmehr  an  der  Dorsalfläche  der 
Leibeshöhle  ziemlich  geradlinig  zum  Anus  zieht. 

Noch  mehr  als  durch  die  soeben  geschilderten  Besonderheiten 
des  Darmtractus  nimmt  diese  Species  durch  die  eigenartige  Morpho- 
logie ihrer  Geschlechtsorgane  unser  Interesse  in  Anspruch,  wie 
aus  Fig.  73  zu  ersehen  ist.  Die  Zwitterdrüse  (.id)  nebst  Zwitter- 
gang zeigt  noch  die  gewohnten  Verhältnisse,  auch  die  ziemlich  grosse 
Vesicula  seminalis  {ves.  sem)  weist  nichts  Auffälliges  auf.  Ueber 
den  besonderen  Aufbau  der  Eiweissdrüsen  [alh]  habe  ich  keine  volle 
Klarheit  gewinnen  können,  ebenso  wenig  darüber,  ob  der  Knäuel 
noch  ein  zweites  Drüsenpaar  enthielt,  wie  ich  dies  (42)  p.  631 — 33 
für  OncidkUa  marginata,  coqidmhensis  und  juan-fernanäcmana  be- 
schrieben habe.  Die  Drüsen  schienen  mir  langgestreckt  zu  sein  und 
sich  aus  länglichen,  sich  bisweilen  dichotomisch  verästelnden  und 
einem  gemeinsamen  Ausführgang  aufsitzenden  Tubuli  zusammen  zu 
setzen.  Die  Appendixdrüse  {app)  ist  enorm  gross  und  von  platt 
kreisförmiger  Gestalt;  sie  hüllt  in  situ  den  ganzen  Genitalcomplex 
von  rechts  und  unten  vollständig  ein.  An  den  nahe  benachbarten 
Einmündungssteilen  des  Zwitterganges,  der  Appendix-  und  der 
Eiweissdrüsen  beginnt,  wie  immer,  der  Spermoviduct  (spov),  w'elcher 
sich  nach  kurzem  Verlauf  in  Oviduct  {ov)  und  Vas  deferens  {väf) 
spaltet.  Der  Oviduct  stellt  gleich  nach  seiner  Scheidung  vom  Vas 
deferens  ein  verhältnissmässig  dünnes  Rohr  dar,  welches  jedoch  nach 
kurzem  Verlauf  sich  mit  dem  sehr  dicken  Ausführgang  des  Recepta- 
culum  seminis  (rec.  sem)  vereinigt.  Dieses,  und  hierin  liegt  die 
hauptsächliche  Abnormität  der  Morphologie  der  Sexualorgane,  ver- 


gßß  CrRT    VON    WiSSEL, 

einigt  sich  li i e  r  u ii  d  n  i c h t  e r s t  d i  c h t  v o  r  d e r  we i b  1  i c h  e ii 
Geschleclitsöffnung-  mit  dem  Oviduct.  Von  dieser  Ver- 
einigungsstelle des  Oviducts  mit  dem  Ausführgang  des  Receptaculum 
semiuis  an  behält  der  gemeinsame,  nun  ebenfalls  als  Oviduct  zu  be- 
zeichnende, Gang  (ov^)  das  Kaliber  des  Ausführganges  des  Recepta- 
culum seminis  bei,  um  so  nach  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung 
zu  ziehen,  üngeiähr  im  vordem  Drittel  seines  Verlaufes  trägt  er 
einen  ihn  halbseitig  umfassenden  Wulst  {mu),  und  diesem  genau 
gegenüber  mündet  auch  die  schlauchförmige  Oviductdrüse  {ov.  dr\ 
welche  wir  sonst  ebenfalls  erst  am  Ende  und  gegenüber  dem  Aus- 
führgang des  Receptaculum  seminis  antreffen,  in  ihn  ein.  Der  er- 
wähnte Wulst  {mu)  erweist  sich  auf  Schnitten  (Fig.  74,  nm)  als 
eine  sehr  dicke  Muskelplatte  von  fast  rein  musculöser  Beschaffenheit, 
denn  die  wenigen  zwischen  die  Muskelfasern  eingestreuten  Binde- 
gewebszellen kommen  fast  gar  nicht  in  Betracht.  Erstere  sind  aus- 
schliesslich Ringmuskeln,  bilden  jedoch  der  Gestalt  der  Platte  ent- 
sprechend nur  Halbringe,  welche  sich  in  der  Nähe  der  Spitzen  des 
hier  nur  schmal  sichelförmigen  Lumens  (l)  inseriren.  Nur  im  Centrum 
dieses  Muskelhalbringes  treten  die  musculösen  Elemente  gegenüber 
den  bindegewebigen  in  den  Hintergrund.  Anders  verhält  sich  die 
gegenüber  liegende  Halbseite,  das  eigentliche  Oviductrohr:  hier  be- 
gegnen wir  lediglich  an  der  Peripherie  einigen  Muskeizügen,  während 
der  ganze  übrige  Theil  seiner  AVandung  vorwiegend  bindegewebiger 
Natur  ist  (Fig.  74).  Ueber  den  Zweck  der  eben  geschilderten  Ein- 
richtung habe  ich  keine  Klarheit  gewinnen  können,  doch  steht  wohl 
so  viel  fest,  dass  sie  zu  einer  zeitweiligen  Schliessung  des  Oviduct- 
lumens  dient.  Dafür  spricht  auch  das  plötzliche  Schmalwerden  des 
letztern  gerade  an  dieser  Stelle,  während  es  sonst  überall  eine  stern- 
bis  kreisförmige  Form  aufweist.  Zur  Eiablage  kann  diese  Muskel- 
platte ihrer  zu  grossen  Entfernung  von  der  Geschleclitsöffnung  wegen 
kaum  in  Beziehung  gebracht  werden.  —  Schliesslich  sei  noch  be- 
merkt, dass  das  kugelförmige  Receptaculum  semiuis  (rec.  sem)  mit 
ganz  dünnem  Hals  in  seinen  iVusführgang  ausmündet,  welcher  sich 
darauf  schnell  zu  seiner  definitiven  Dicke  erweitert. 

Der  Penis  hat  an  seinem  Hinterende  einen  rundlichen  Blind- 
sack, welcher  mit  zahlreichen  Kalkconcretionen  erfüllt  ist;  sein 
Retractor  inserirt  am  hintern  Leibeshöhlenende  etwas  links  vom  After. 

Die  Lungenhöhle  ist  gut  entwickelt,  und  ihre  Wandung  ist 
mit  zahlreichen  Blutgefässen  versehen.  Die  Niere  bildet  nur 
wenig  Lamellen. 


Pacifische  Chitonen.  667 

2.  Oncidiella  j^^t^nokles  Qüoy  et  Gaimard. 

1  gTOSses  Exemplar  von  Auckland  und  14  kleine  von  den 
C  h  a  t  li  a  m  - 1  n  s  e  1  n.  Das  erstere  hatte  eine  Länge  von  12  und  eine 
Breite  von  10  mm ,  die  letztern  eine  durchschnittliche  Länge  von 
7—8  und  eine  Breite  von  6  mm.  Die  Beschreibung  von  Quoy  u. 
Gaimabd  (41,  p.  212 — 213)  ist  recht  zutreffend ,  nur  zähle  ich  stets 
mehr  Randdrüseu,  nämlich  19—20  (Fig.  75),  welche  im  Gegensatz 
zu  denen  der  vorigen  Art  gut  ausgeprägt  und  sehr  regelmässig  an- 
geordnet sind,  so  dass  der  Mantelrand  gekerbt  erscheint.  Auch  die 
kleinen  Thiere  haben  meist  dieselbe  Färbung  und  Zeichnung,  nur 
eins  ist  ganz  graugelb  mit  verschwommener  grauer  Wölkung.  Der 
Eiugeweidesack  tritt  stets  stark  hervor,  so  dass  die  Thiere  sehr 
hoch  gewölbt  erscheinen.  —  Die  Ventralseite  ist  lehmfarben,  also 
dunkler  als  bei  der  vorigen  Art.  Die  Breite  der  Hyponota  ist  = 
^/.2  der  der  Fussohle.  Das  Athemloch  liegt  median,  und  seine  Ent- 
fernung ist  ^o  =  1  mm  bei  den  grossen  und  \2  =  ^l-i  ii^^ii  bei  den 
kleinen  Exemplaren.    Das  Peritoneum  ist  schwarz  pigmentirt. 

Die  Radulazähne  (Fig.  76)  zeichnen  sich  durch  verhältniss- 
mässige  Breite  aus;  der  Mittelhaken  des  Rhachiszahns  (r)  ist  breit 
und  vorn  abgerundet,  seine  Seitenhäkchen  sind  dagegen  nur  schmal 
und  gebogen;  die  Pleuralzähne  (x>)  sind  nach  innen  concav  aus- 
gebuchtet, ihr  Haupthaken  ist  breit,  der  Nebenhaken  dagegen  eben- 
falls nur  schmal  und  leicht  gebogen;  Formel:  137,  1,  137. 

Ein  Kiefer  ist  vorhanden.  Er  ist  von  dunkel  brauner  Farbe 
und  an  den  Seiten  sehr  stark  gebogen  (Fig.  77). 

Die  Radula Papille  tritt  ca.  ^j^  mm  hinter  den  Hinterbacken 
des  Pharynx  hervor. 

Oesophagus,  Magen  und  Darm  weisen  nichts  Besonderes 
auf.  Die  Hinterleber  ist  winzig  klein,  ihr  eigentlicher  Driisen- 
körper  misst  im  Durchmesser  nur  ca.  1  mm,  ist  aber  von  dem  Aus- 
führgang deutlich  abgesetzt.  Die  beiden  andern  Leberportionen 
sind  dagegen  normal  und  annähernd  gleich  gross. 

Der  Sexualknäuel  bietet  ebenfalls  die  für  die  Gattung 
typischen  Verhältnisse  dar.  Die  Vesicula  seminalis  ist  als  Blindsack 
gut  ausgebildet  und  hat  die  gewöhnliche  Lage.  Das  Receptaculum 
seminis  mündet,  wie  bei  fast  allen  Oncidiellen,  dicht  an  der  hier  zu 
einer  Papille  erweiterten  weiblichen  Geschleclitsöffnung,  ebenso  ihm 
gegenüber  die  schlauchförmige  Oviductdrüse. 


ggg  CüKT    VON    WiSSEL, 

Der  Retractor  penis  inserirt  dicht  vor  der  weiblichen  Ge- 
schlechtsöifnuug". 

3.  Oncidiella  flavescens  n.  s^). 

16  Exemplare,  theils  von  den  Chatham-Inseln,  theils  aus 
Maunganni.  — •  Möglicher  Weise  ist  diese  Art  identisch  mit  On- 
cidiuni  incisum  Q.  et  G.  (41,  p.  211),  von  der  ich  leider  keine  Ab- 
bildung sehen  konnte.  Die  kurze  Charakteristik :  „0.  corpore  minimo, 
■ovali,  tuberculato,  luteo-viridi,  fusco  mixto"  würde  auf  die  mir  vor- 
liegenden Exemplare  passen,  wenn  man  in  Betracht  zieht,  dass  der 
Alkohol  die  gelb-grünliche  Färbung  sehr  wohl  in  eine  blass  gelbe 
umwandeln  kann.  An  Eanddrüsen  zähle  ich  aber  doppelt  so  viel 
wie  angegeben,  nämlich  19 — 24,  so  dass  es  immerhin  w^ahrscheinlicher 
ist,  dass  es  sich  um  eine  neue  Art  handelt.  —  Wie  schon  erwähnt, 
ist  die  Grundfarbe  des  Notums  überwiegend  blass  gelb.  Bei  den 
meisten  Exemplaren  finden  sich  nur  ganz  winzige  und  wenig  zahl- 
reiche bräunliche  bis  schwärzliche  Spritzflecken.  Das  in  Fig.  78 
wiedergegebene  Thier  nahm,  w^as  die  Grösse  und  Häufigkeit  dieser 
Flecken  anlangt,  ungefähr  eine  mittlere  Stellung  ein,  da  sowohl  er- 
heblich dunklere  Exemplare  vorkommen  als  auch  solche,  welche  bei- 
nahe einheitlich  gelb  sind.  Stets  aber,  und  auch  bei  den  zuletzt 
genannten,  ist  der  Mantelrand  mit  einem  sehr  regelmässigen  Kranz 
von  kleinen  bräunlichen  Eandflecken  besetzt,  welche  wiederum  die 
hell  gelben  Hervorwölbungen,  auf  denen  die  grossen  Drüsen  münden, 
zwischen  sich  fassen.  Im  Uebrigen  macht  die  Rückenfläche  einen 
sehr  glatten  Eindruck,  da  die  Warzen  nur  wenig  hervortreten  und 
auch  nicht  sehr  zahlreich  sind.  —  Die  Ventralfläche  ist  ebenfalls 
sehr  hell  weissgelb. 

Die  durchschnittliche  Länge  der  Thiere  betrug  7-8  mm,  ihre 
Breite  ca.  6  mm.  Die  Fussohle  ist  sehr  schmal,  nämlich  nur  ebenso 
breit  wie  das  jederseitige  Hyponotum.  Das  Athemloch  liegt  median, 
seine  Entfernung  ist  ^Z«  =  ^3  niM-  —  Das  Peritoneum  ist  unpigmentirt. 

An  dem  Rhachiszahn  der  R  a  d  u  1  a  (Fig.  79  r)  ist  der  Mittel- 
haken beträchtlich  länger  als  die  nur  wenig  gebogenen  Seiten- 
häkchen. Bei  den  Pleuralzähnen  {p)  Hess  sich  sow^ohl  am  Haupt- 
wie  am  Seitenhäkchen  eine  zarte  Längsriefelung  unterscheiden. 
Auffällig  sind  die  sehr  langen  Basalplatten.  Die  Formel  lautet: 
150,  1,  150. 

Ein  Kiefer  ist  vorhanden,  liess  sich  jedoch  seiner  sehr  grossen 
Zartheit  und  fast  glashellen  Beschaffenheit  wegen  nur  auf  Schnitten 


Pacifische  Chitonen.  669 

feststellen,  wodurch  wiederum,  wie  icli  schon  andern  Orts  (42, 
p.  600—601)  vermutlmngsweise  aussprach,  wahrscheinlich  gemacht 
wird,  da  SS  wohl  alle  Oncidiellen  einen  Kiefer  besitzen 
und  dass  da,  wo  ein  solcher  bisher  noch  nicht  gefunden 
wurde,  lediglich  der  Mangel  einer  lückenlosen  Schnitt- 
serie daran  die  Schuld  trägt. 

Die  E  a  d  u  1  a  p  a  p  i  1 1  e  tritt  ca.  V-2  "^«i  ii^cli  hinten  aus  dem 
Schlundkopf  hervor. 

Der  Darmtr actus  weist  keinerlei  Besonderheiten  auf. 

Auch  die  Geschlechtsorgane  zeigen  das  normale  Verhalten  und 
gleichen  beinahe  völlig  denen  der  vorigen  Art,  was  auch  für  Lunge 
und  Niere  gilt. 


ß70  CuRT  VON  Wisset,, 


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Pacifische  Chitonen.  673 


Erkläruug  der  Abl)ilduugeu. 


Fig. 

5. 

Fig. 

6. 

Fig. 

12. 

Fig. 

19. 

Fig. 

22. 

Fig. 

25. 

Fig. 

SO. 

Fig. 

59- 

Fig. 

64. 

Fig. 

67. 

Tafel   21. 

Ischnochiton  frudicosus  Gould.     2:1. 
Ischnochiton  fnidicosus  Gould.     2:1. 

Chartojdeura  hahni  Rochebr.     2:1. 

Plnxiphora  glauca  Qu.  et  C-.     2^/2  :  1. 

riaxiphora  tenninalis  (Cpr.)  Smith.     2^/2  :  1. 

AcGhthochites  spiculosus  Reeve.     2:1. 

Acanthochites  rinlaceus  Qu,  et  G.     l^/g  :  1. 
-62.      Chiton  cmiaV/'atus  Qu.  et  G.     2^1  ^  :  1. 

Onithochiton  semisculptus  Pilsbey.     2:1. 

Onithochilon  mnnnoreiis  n.  sp.     5:1. 

Tafel    22. 

Fig.  1.  ToniceUa  lineata  "Wood.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.  a  Rücken- 
stachel,  b  Ventral-  und  Kantenstachel. 

Fig.  2.  Tonicdia  lineata  "Wood.  Lup.-Vergr.  6.  Dach  des  Pharynx 
von   innen. 

Fig.  3.      Tonicella    lineata  AYgod.      Zeiss    Oc.  3,    Obj.  A.      Radula. 

Fig.  4.      Tonicella  lineata  "Wood.     4:1.     Situs  viscerum. 

Fig.  7.  Ischnochiton  frudicosus  Gould.  Zeiss  Oc.  3,  Obj.  C. 
a  Riickenschuppe,   b  Ventralschuppe,   c  Randstachel. 

Fig.  8.     Isdinochiion  fnidicosus  Gould.  Zeiss  Oc.  3,  Obj.  C.  Radula. 

Fig.  9.     Ischnochiton  frudicosus  Gould.     3:1.     Darmschlingen. 

Fig.  10.  Isdüioddton  frudicosus  GouLD.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E. 
Stacheln  der  Eischale. 

Fig.   11.     Mopalia  (ciliata)  muscosa   Gould.     2:1.      Situs  viscei-um. 

Fig.  13.  Chadopleiira  hahni  Rochebr.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.  Mantel- 
aus-chnitt. 


574  ClTRT   VON   WiSSEL, 

Fig.  14.  Chaetopleura  hahni'RocsEB'R.  Zeiss  Oc,  3,  Obj.  A.    Radula. 

Fig.   15,  Chaetopleura  liahni  Eochebr.     5:1.     Situs  viscerum. 

Fig.  16.  Plaxiphora  setiger  King.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.  Mantel- 
auBSchnitt. 

Fig.   17.  Plaxiphora  setiger  King.     2:1.     Hinteres  Ende  von  unten. 

Fig.  18.  Plaxiphora  setiger  King.     Zeiss  Oc.  3,  Obj.  A.     Eadula. 

Fig.  20.  Plaxiphora  glanca  Qu.  et  G.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.  Mantel- 
ausschuitt. 

Fig.  21.  Plaxiphora  glauca  Qu.  et  G.     Zeiss  Oc.  3,  Obj.  A.    ßadula. 

Tafel    23. 

Fig.  23.  Plaxiphora  terminalis  (Cpr.)  Smith.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E. 
Mantelausschnitt. 

Fig.  24.  Plaxiphora  terminalis  (Cpe.)  Smith.  Zeiss  Oc.  3,  Obj.  A. 
Radula. 

Fig.  26.  Acanthochites  spiculosus  E,eeve.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E. 
Hartgebilde  des  Mantels. 

Fig.  27.  Acanthochites  spiculosus  Reeve.  Zeiss  Oc.  3,  Obj.  A. 
B,adula. 

Fig.  28.  Acanthochites  bisulcatus  Pilsbey.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E. 
Hartgebilde  des  Mantels. 

Fig.  29.  AcanthocJiites  bisulcatus  Pilsbey.  Zeiss  Oc.  3,  Obj.  A. 
Radula. 

Fig.  31.  Acanthochites  violaceus  Qu.  et  G.  Lup.-Vergr.  6.  Hinteres 
Ende  des  Subradularsacks. 

Fig.  32.  Acanthochites  violaceus  Qu.  et  G.  Zeiss  Oc.  3,  Obj.  A. 
ßadula. 

Fig.  33.     Chiton  quoyi  Deshayes.     Zeiss  Oc.  3,  Obj.  A.     Eadula. 
Fig.  34.      Chiton  quoyi  Deshayes.     Lup.-Vergr.  6.     Dach  der  Mund- 
höhle von  innen. 

Fig.  35,  Chiton  quoyi  Deshayes.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.  Quer- 
schnitt durch  die  Mundhöhle. 

Fig.  36.  Chiton  quoyi  Deshayes,  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E,  Schnitt 
durch  eine  Hälfte  des  Pharynx. 

Fig.  37.  Chiton  quoyi  Deshayes.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.  Stachel 
der  Eischale. 

Fig.  38.  Chiton  sinclairi  Geay.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.  Querschnitt 
durch  die  Mundhöhle. 

Fig.  39.  Chiton  sinclairi  Geay.  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.  Querschnitt 
durch  das  Dach  des  Pharynx. 

Fig.  40.  Chiton  sinclairi  Geay,  Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.  Epithel 
der  Zuckerdrüsen. 


Paciflsche  C'hitoueu. 


675 


Zeiss  Oc.  3,  Obj.  C. 
Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E. 


Radula. 
Querscbnitt 


Fig.  41.      Chiton  Sinclair i  Gray 

Fig.  42.      Chiton  sinclairi  Geay. 
durch  den  Oesophagus. 

Fig.   43.     Chiton  sinclairi  Gray.    Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.    Magenepithel. 

Fig.  44.     Chiton  sinclairi  Gray.     Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.     Epithel  der 
Leber  und  ihres  Ausführganges. 


Tafel  24. 


Fig.  45.  Ciiiton  sinclairi  Gray. 

Fig.  46.  Chiton  sinclairi  Gray. 

Fig.  47.  Chiton  sinclairi  Gray. 

Fig.  48.  Chiton  sinclairi  Gray. 


Zeiss  Oc  2,  Obj.  E.    Darmepithel 
Zeiss  Oc.  2,  Obj.  E.    Darmepithel 

Zeiss  Oc.  2,  Obj.  E.     Eier. 

Zeiss  Oc  4,  Obj.  E 


Zeiss  Oc  4,  Obj.  E. 
Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E. 
Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E. 
Zeiss  Oc  4,  Obj.  E. 
Zeiss  Oc  4,  Obj.  E. 


Epithel  des 
Querschnitt 
Querschnitt 
Querschnitt 


Eileiters,  a  inneres  Ende,  b  am  Genitalporus. 

Fig.  49.     Chiton  sinclairi  Gray.     Zeiss  Oc  4,  Obj.  E. 
durch  Herz,  Yorhöfe  und  Pericard. 

Fig.  50,     Chiton  sinclairi  Gray. 
durch  Herz,  Vorhöfe  und  Pericard. 

Fig.  51.     Chiton  sinclairi  Gray. 
durch  Herz,  Yorhöfe  und  Pericard. 

Fig.  52.     (liiton  sinclairi  Gray. 
durch  das  vorderste  Körperende. 

Fig.  53.      Chiton  sinclairi  Gray. 
durch  das  vorderste  Körperende. 

Fig.  54.     Chiton  sinclairi  Gray. 
durch  das  vorderste  Körperende. 

Fig.  55 — 58.     Chiton  sinclairi  Gray. 
schnitte  durch  das  Cerebralmark. 

Fig.  63.     Chiton  canalicatus  Qu.  et  G.     Zeiss  Oc.  4,  Obj.  A.  Radula, 

Fig.  65.     Onithochiton  semisculptus  Pilsbey.     Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E. 
Hartgebilde  des  Mantels. 

Fig.  66.     Onithochiton  semisculptus  Pilsbey.     Zeiss  Oc  3,  Obj.  A. 
Radula. 

Fig.  68.      Onithochiton    marmoreiis    n.    sp.      Zeiss    Oc    4,    Obj.    E. 
Hartgebilde  des  Mantels. 

Fig.  69.      Onithochiton    marmoreus    n,    sp.      Zeiss    Oc.    3,    Obj.    C. 
Radula. 


Längsschnitt 
Querschnitt 
Querschnitt 


Zeiss  Oc  4,  Obj.  E.     Quer- 


Tafel    25. 


Fig. 
Fig. 

70. 
71. 

Fig. 
Radula. 

72. 

1. 


Onridirlh  nigricans  Qu.  et  G.     3 

Onciiliella  nigricans  Qu.  et  G.     3:1. 

Oncidietla    nigricans    Qu.    et    G.      Zeiss    Oc.    4,    Obj.    E. 


ß76  CuKT  VON  WissEL,  Pacifisclie  Chitonen. 

Fig.  73.  Oncidiella  nigricans  Qu.  et  Gr.  Lup.-^^^rgr.  12.  Genital- 
Organe. 

Fig.  74.  Oncidiella  nigricans  Qu.  et  G-.  Zeiss  Oc.  3,  Obj.  C.  Quer- 
schnitt durch  den  Oviduct  in  der  Höhe  der  Muskelplatte. 

Fig.  75,  Oncidiella  ])atelloides  Qu.  et  G.     4:1. 

Fig.  76.  Oncidiella  jmielloides  Qu.  et  G.  Zeiss  Oc,  4,  Obj.  E. 
Radula. 

Fig.  77.  Oncidiella  iKitclloides  Qu.  et  G.  Zeiss  Oc.  3,  Obj.  C.  Kiefer. 

Fig.  78.  Oncidiella  flavescens  n.  sp.     3:1. 

Fig.  79.  Oncidiella  flavescens  n.  sp.     Zeiss  Oc.  4,  Obj.  E.    Radula. 


Nachdruck  verboten. 
Ueberselziüigsrecht  vorbehalten. 


In  und  mit  Pflanzen  lebende  Ameisen  aus  dem 
Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru, 

gesammelt  von  Herrn  E.  Ule  und  beschrieben 


von 


Aug.  Forel  in  Chigny  (Schweiz). 


Herr  E.  Ule  hat  als  Botaniker  die  Pflanzen  und  besonders  die 
Epiphyten  des  Amazonas-Gebiets  erforscht.  Hierbei  hat  er  seine 
Aufmerksamkeit  auf  die  mit  den  Pflanzen  lebenden  Ameisen  ge- 
richtet und  die  sonderbare  symbiotische  Erscheinung-  der  Ameisen- 
gärten entdeckt  (E.  Ule.  Ameisengärten  im  Amazonas-Gebiet,  in: 
Engler's  botan.  Jahrb.,  V.  30,  Heft  2,  1901).  Bestimmte  Epiphyten- 
Arten  werden  von  bestimmten  Ameisen  im  Ueberschwemmungsgebiet 
auf  Baumäste  gesät  und  mit  Humus  versehen.  In  den  Wurzeln 
dieser  Epiphyten  bauen  dann  die  Ameisen  ihr  Nest.  Diese  Ameisen 
sind  Adeca  ulei  n.  sp.,  traili  Em.,  olitrix  n.  sp.  und  Camponotus  femo- 
ndm  F.  Ich  verweise  auf  Ule's  Abhandlung  und  füge  nur  noch 
hinzu,  dass  Herr  Ule  ausserdem  eine  grosse  Zahl  hoch  interessanter 
in  Symbiose  mit  Pflanzen,  meistens  in  deren  Höhlen  lebender 
Ameisen  arten,  besonders  der  Gattungen  Azteca  und  Pseudomyrma, 
entdeckt  hat. 

Im  Folgenden  gebe  ich  die  Liste  jener  Ameisen-Arten  mit  der 
Beschreibung  der  neuen  Formen. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Svst.  45 


gY8  AüG.   FOBEL, 


I.  Myrmicinae. 
Cr'ijptocerus  coniplanatiis  Guerin  r.  ramipMJiis  n.  siibsp, 

9.  L.  5 — 5.3  mm.  Ausser  der  geringem  Grösse  durch  die 
stumpfen,  gerundeten,  durchaus  nicht  zahnartigen  Vorderecken  des 
Pronotums  und  Hinterecken  des  Kopfes  vom  t3^pischen  complanatus 
verschieden.  Statt  2  Dornen  im  Ganzen  hat  der  Seitenrand  der 
Basalfläche  des  Metanotums  jederseits  vorn  2  stumpfe,  flache,  lamellen- 
artige Zähne  und  hinten  einen  schmalen,  dünnen,  spitzen  Dorn,  der 
halb  so  lang  ist  wie  die  Basalfläche.  Abdomen  schmäler,  viel  länger 
als  breit;  sein  lamellenartiger  Vorderrand  ist  schwarz  und  nicht 
durchscheinend  (rostfarbig  und  schwach  durchscheinend  beim  typischen 
complanakis).  Alles  Andere,  insbesondere  auch  Sculptur,  Behaarung 
und  Farbe,  wie  beim  Typus  der  Art,  aber  die  Basis  der  Stirnleisten 
ist  schwarz  und  nicht  rostfarbig. 

21.  L.  6  mm.  Die  Ecken  des  Kopfes  und  des  Pronotums  kaum 
stumpfer  als  beim  Typus  der  Art  und  die  Farbe  kaum  verschieden. 
Aber  das  Abdomen  ist  noch  länglicher  als  beim  v-  Pronotum  hinten 
mit  einer  in  der  Mitte  abgeflachten  und  abgestumpften,  aber  nicht 
gänzlich  unterbrochenen  Querkante.  Die  Seitenränder  der  Basal- 
fläche des  Metanotums  bilden  eine  einzige,  sehr  convexe  Ausbiegung, 
die  hinten  mit  einem  flachen,  dreieckigen,  wenig  prominenten  Zahn 
endigt.  Abschüssige  Fläche  stark  ausgehöhlt,  von  der  Basalfläche 
durch  eine  scharfe,  in  der  Mitte  schmal  ausgerandete  Kante  getrennt. 
Dornen  der  Knoten  kürzer  und  stämmiger  als  beim  v- 

Glänzend,  fein  genetzt,  mit  reichlichen,  aber  nicht  dichten 
Grübchen  besetzt,  die  jede  ein  viel  weniger  glänzendes  und  schuppen- 
artiges Haar  enthalten  als  beim  v  (letzterer  matt,  mit  schwächern 
zerstreuten  Punkten).  Auf  dem  Hinterleib  schwächere,  feinere  zer- 
streute Punkte.  Kopf  viel  grösser  und  besonders  viel  convexer  als 
beim  9,  aber  sonst  gleich  geformt,  ohne  ausgebildete  Scheibe,  ähnlich 
wie  bei  pusülus,  muUispinus  u.  dgl. 

Born  Fim  Jurua,  Amazonas,  in  durchbohrten  Zweigen  von  Platy- 
miscium  ulei  Haems. 

Gattung  AUomerus  Mayr. 

$  und  S  bisher  unbekannt. 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  ans  Peru.  679 


Alfonierus  octoarticulatus  Mayk. 

5.  L.  6  mm.  Mandibelii  özälmig-,  breit,  glänzend,  reichlich 
punktirt.  Fühler  lOg-Iiedrig,  sonst  wie  beim  9;  die 
Bgliedrige  Keule  so  lang-  wie  die  üb r ige  Geissei.  Kopf 
mit  geradem,  breitem  Hinterrand,  schmäler  vor  den 
Augen,  gleich  massig  breit  hinter  denselben.  Die 
Augen  sehr  gross,  etwas  vor  der  Mitte,  fast  die  Hälfte 
der  Kopfseiten  einnehmend.  Clj'peus  gross,  dreieckig, 
etwas  zwischen  den  Fühlern  eingeschoben.  Stirn- 
feld  deutlich,  dreieckig;  Stirnrinne  deutlich.  Stirn- 
leisten kurz,  gerade,  divergirend.  Der  kurze  Fühlerschaft  erreicht 
kaum  die  hintern  Ocellen.  Thorax  überall  gerundet ;  das  Mesonotum 
erreicht  den  Vorderrand,  ohne  das  Pronotum  zu  überwölben.  Meta- 
notum  mit  2  undeutlichen  Beulen.  Beide  Stielchenglieder  rundlich, 
etw^as  breiter  als  lang,  das  erste  massig  dick  und  lang  gestielt,  unten 
ohne  Zahn.  Abdomen  eiförmig,  vorn  nicht  gestutzt.  Mittel- 
und  HinterschitMien  mit  kurzen  unbefiederten  Spornen. 
Flügel  ohne  Discoidalzelle.  mit  einer  Cubitalzelle. 
Die  Querrippe  verbindet  sich  mit  der  Cubitalrippe  an 
deren  Theilungsstelle.  Eadialzelle  schwach  offen 
Die  Flügel  sind  pubescent,  braun  gefärbt,  mit  braunen  Eippen  und 
braunem  Eandmal. 

Kopf  matt,  sehr  dicht  und  sehr  fein  punktirt-genetzt,  überdies 
dicht  und  etwas  gröber  längs  gerunzelt.  Einige  Längsrunzeln  auf 
das  Scutellum  und  einige  Quer-  und  Schrägrunzeln  auf  das  Meta- 
notum.  Der  übrige  Körper  ziemlich  glänzend  und  reichlich  punktirt 
zwischen  den  Punkten  mehr  oder  weniger  glatt.  Ziemlich  reichlich 
gelblich,  anliegend  pubescent.  Abstehende  Behaarung  am  Körper 
fein,  spitz,  massig  reichlich,  bräunlich  -  gelb,  am  Fühlerschaft  und 
an  den  Schienen  fehlend. 

Röthlich-braun ;  Oberseite  des  Kopfes  und  des  Mesonotums,  sowie 
der  Hinterleib  zum  grossen  Theil  braun. 

S.  L.  5,3  mm.  Mandibeln  breit,  kurz,  undeutlich 
özähnig.  Fühler  lang,  fadenförmig,  ISgliedrig.  Ph-stes 
G  e  i  s  s  e  1  g  1  i  e  d  kurz,  so  dick  wie  lang;  alle  andern 
c y  1  i n d r i s c h ,  ziemlich  gleich  lang  und  so  lang  wie 
der  Schaft.  Kopf  rundlich.  Aeussere  Genitalklappen 
länglich  dreieckig,  mit  scharfer  Spitze.    Alles  sonst  wie 

45» 


ggQ  Aug.  Forel, 

beim  ?,  aber  die  Knoten  flacher  und  das  Mesonotum  ziemlich  matt, 
dichter  punktirt,  theilweise  gerunzelt;  ebenso  der  übrige  Thorax. 

Die  gesperrt  gedruckten  Merkmale  dürften  einstweilen  als 
Gattungsmerkmale  gelten. 

Marary,  Amazonas,  September,  in  den  Anschwellungen  des  Blatt- 
stieles der  Tococa  setifera  Pilger  n.  sp.  Auf  der  Etikette  steht: 
Mit  Ameise  No.  2?  —  d.  h.  mit  Pseudomyrma. 

Der  Grössenabstand  zwischen  den  v  i^nd  den  geflügelten  Ge- 
schlechtern ist  gewaltig  und  erinnert  an  SoJenopsis.  Vielleicht  deutet 
die  obige  Bemerkung  auf  lestobiotische  Sitten  der  Gattung  ÄUomerus. 

Allonierus   octoarticulatus   Mayr    va7\   septeniarticulatus 

Mayr. 

Saö  Joaquim,  ßio  Negro,  Amazonas,  Februar,  in  den  An- 
schwellungen des  Blattstieles  einer  Rubiacee  (Duroia  saccifera 
Spruce).  Das  $  ist  identisch  mit  demjenigen  des  octoarticulatus, 
kaum  etwas  heller  und  kleiner.  Bei  den  9  der  gleichen  Colonie 
sind  die  Fühler  bald  7-,  bald  Sgliedrig,  bald  ist  ein  Glied  der  Geissei 
halb  getheilt.  Daraus  geht  für  mich  hervor,  dass  die  Form  A.  septeni- 
articulatus als  eigne  Art  nicht  aufrecht  erhalten  werden  kann, 
indem  ausser  der  Zahl  der  Fülllerglieder  kein  scharfes  Unterschieds- 
merkmal vorhanden  ist. 

Solenopsls  corticalis  Forel  v.  cmia^onensis  n,  subsp, 

$.  L.  1,4 — 1,5  mm.  Etwas  robuster  und  grösser  als  der  Typus 
der  Art.  Kopf  breiter,  nur  wenig  länger  als  breit.  Schaft  länger, 
erreicht  das  hintere  Fünftel  oder  Sechstel  des  Kopfes  (bei  corticalis- 
Typus  höchstens  das  hintere  Viertel).  Thoraxeinschnürung  eher 
etwas  schwächer.  Erster  Stielchenknoten  etwas  länger  gestielt  und 
weniger  dick  (von  vorn  nach  hinten  mehr  comprimirt);  auch  der 
zweite  Knoten  etwas  länger.  Vor  Allem  ist  der  Hinterleib  vorn  breiter, 
nicht  verschmälert,  wie  dies  beim  Typus  der  corticalis  der  Fall  ist. 
Farbe  noch  heller  gelb,  mit  ganz  undeutlicher,  wolkiger  oder  fehlen- 
der Querbinde  am  Abdomen.  Sonst  ganz  wie  corticalis  t.  sp.,  be- 
sonders auch  die  Sculptur  und  die  Behaarung. 

$.  L.  3,4—3,5  mm.  Die  gleichen  Unterschiede  wie  beim  9. 
Namentlich  sind  die  Stielchenknoten  sehr  deutlich  breiter  als  lang, 
der  Thorax  weniger  schmal  und  der  Hinterleib  vorn  nicht  so  schmal. 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  uud  aus  Peru.  081 

Etwas   dunkler  g-elb  als   der  Typus   von    cortkalis.     Flügelg-elenke, 
Ocellenfleck  und  fast  der  ganze  Hinterleib  braun. 

Cerro  de  Escaler,  Peru.  ca.  1300  m  hoch,  in  zwiebelfijrmigen, 
durch  die  Blattscheiden  gebildeten  Hohlräumen  einer  neuen  Tillandsia 
(Pseudocatopsis),  von  Herrn  Ule  gesammelt. 

PJieidoJe  tnitnituJa  Maye. 

i.  -^1.  Jurua  Miry.  Jurua,  Amazonas,  in  den  Anschwelhmgen 
der  Tococa  ulei  Pilger  n.  sp. 

Der  2[.  ist  wohl  etwas  kleiner  als  Mayr's  Typus  (aus  Teail's 
Reise),  knapp  2.5  mm  lang.  Die  Streifung  des  Kopfes  erreicht  auch 
seitlich  nicht  die  Hinterhauptsecken,  die  ziemlich  weit  nach  vorn 
glatt  sind.  Das  Ende  des  sehr  kurzen  Fühlerschaftes  stellt  dem 
Auge  nicht  sehr  fern,  ungemein  viel  näher  als  der  Hinterhaupts- 
ecke. Die  scharf  gerandete  Basalfläche  des  Metanotums  ist  länger 
als  die  abschüssige  und,  obwohl  concav,  niclit  in  derselben  Ebene 
liegend  wie  sie,  wie  es  in  Mayk's  1'ypns  sein  soll.  Blass  gelb ;  Kopf 
und  Thorax  etwas  dunkler  gelb;  Mandibeln  etwas  bräunlich-gelb. 
Sonst  stimmt  alles  genau  mit  den  Beschreibungen  Mayk's  und 
Emery's,  auch  die  Kopfform  mit  Emery's  Figur  überein.  Vielleicht 
liandelt  es  sicli  um  eine  Varietät.  Die  starke  Behaarung  besonders 
an  den  Kopfseiten  auffällig. 

PhehJole  unnutula  Maye  r,  foJicola  ii.  snbsj)* 

4.  L.  2— 2,3  mm.  Kopf  gut  so  breit  vorn  wie  hinten,  wo  er 
stärker  eingeschnitten  ist  als  bei  der  typischen  minufula.  Pronotum 
mit  2  schmälern,  aber  viel  deutlichem,  stärker  vorspringenden,  zahn- 
artigen Höckern.  Thoraxeinschnürung  tiefer.  Basalfläche  des  Meta- 
notums  ebenso  scharf  gerandet  und  concav,  aber  mehr  horizontal  und 
in  nur  winzigen,  stumpfen  Zälinchen  endend.  Dagegen  ist  die  etwas 
kürzere  abschüssige  Fläche  recht  steil,  von  der  Basalfläche  scharf 
getrennt.     Im  Uebrigen  mit  dem  Typus  der  minuMa  identisch. 

^.  L.  1,4—1,6  mm.  Kopf  fast  so  breit  wie  lang.  Pronotum 
mit  2  sehr  deutlichen  Zähnchen  an  der  Stelle  der  Höcker  der  2}.. 
Metanotum  mit  2  scharf  gerandeten  Flächen,  die  fast  rechtwinklig 
getrennt  sind,  und  mit  deutlichen  Zähnchen.  Hell  gelb;  Mandibeln 
dunkler.  Sonst  wie  die  typische  mhiutuJa,  aber  durch  die  Pronotum- 
zähne  gut  zu  unterscheiden. 


682  Aug.  Foeel, 

$,  L.  4,2  mm.  Kopf  bis  nahe  am  Hiuterhauptsgelenk  längs 
gerunzelt,  wenig  glänzend.  Thorax  so  breit  wie  der  Kopf.  Metanotum 
mit  2  länglichen  stumpfen  Beulen.  Flügel  bräunlich.  Körperfarbe 
braun,  mit  bräunlich-gelben  Fühlern,  Beinen,  Oberkiefern  und  Körper- 
gelenken. Sonst  wie  der  2j_.  Augen  gross,  nahe  am  Vorderrand  des 
Kopfes.    Pronotum  ohne  Höcker. 

S.  L.  3  mm.  Kopf  rundlich  eiförmig.  Die  Augen  gross,  er- 
reichen fast  die  Vorderecken.  Kopf  und  Mesonotum  matt,  dicht 
und  fein  genetzt  gerunzelt.  Stark  und  lang  anliegend  pubescent  und 
auch  abstehend  behaart.  Kopf  dunkel  braun ;  der  übrige  Körper  ge- 
fleckt braun  und  gelb.  Beine,  Fühler  und  Oberkiefer  braungelb. 
Sonst  wie  das  $. 

Jurua  Miry,  Jurua.  Juni  1901,  in  blasenförmigen  Anschwellungen 
des  Blattstieles  von  Maieta  Poeppigii  Mart.  (das  +  allein  in  den 
Anschwellungen  von  Maieta  guianensis  Aubl.,  gehört  jedoch  zweifel- 
los dazu). 

Creniastogaster  stollii  Forel  var,  anuizonensis  n.  var, 

5.  L.  3,6—7  mm.  Nur  durch  die  schöne,  dunklere,  kastanien- 
braune Farbe,  mit  gelb  gerandeten  Hinterleibssegmenten,  sowie  durch 
die  kräftigern  Metanotumdornen   von   der  Stammart   unterschieden. 

Cachveira,  Jurua,  Amazonas,  auf  der  Cecropia  No.  5587  des  Herrn 
Ule;  Para  (Prof.  E.  Goeldi). 

Die  von  Prof.  Stoll,  mit  ihren  einzig  in  ihrer  Art  dastehenden 
Cartonbauten  in  Guatemala  zuerst  entdeckte  Stammart  habe  ich 
selbst  bei  Sta  Marta  in  Columbien  wieder  gefunden  und  beobachtet, 
Stoll's  Beobachtung  bestätigend.  Komisch  ist  es  zu  sehen,  wie  die 
grosse  Ameise  sich  ängstlich  in  ihre  aus  grobem,  deutlich  sicht- 
baren Holzfasern  bestehenden  Cartongänge  verkriecht,  sobald  man 
dieselben  an  einer  Stelle  demolirt.  Sie  züchtet  in  jenen  Gängen 
Rindenblattläuse.  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  die  unbedeutende 
brasilianische  Varietät  andere  Sitten  habe. 

Creniastogaster  laevis  Mayr. 

$.  Jurua  Miry,  Jurua,  Amazonas,  in  den  Anschwellungen  von 
Maieta  tococoides  Cogn.;  Cachveira,  Jurua,  in  den  x4.nschwellungen 
der  Maieta  juruensis  Pilger  n.  sp. 

Zu  Mayr's  Beschreibung  muss  hinzugefügt  werden,   dass  der 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  683 

Scheitel  und  das  Hinterhaupt  einen  mittlem  Längseindruek  haben. 
Die  V  sind  schmutzig-  gelb,  bräunlich-g-elb  oder  gelbbräunlich. 

In  Saö  Joaquim;  Rio  NegTO,  Amazonas,  hat  Herr  Ule  in  An- 
schwellungen von  Tococa  guianensis  Aubl.  eine  etwas  gi-össere  (fast 
3  mm  lange)  und  schlankere  Varietät  der  Cr.  laevis  gesammelt,  deren 
Seitenzahn  am  Mesonotum  deutlicher  ist. 

Creniastogaster  limafa  Smith. 

i.  Jurua  Mir}',  Jurua.  Amazonas.  Zwischen  Anthurium  No.  5612 
des  Herrn  Ule.  Macht  Ameisengärten  nach  Herrn  Ule.  Bates 
sagt  von  dieser  Art,  dass  sie  in  durchbohrten  drüsenartigen  An- 
schwellungen der  hängenden-Luftwurzeln  einer  Schmarotzerpflanze 
in  Ega  nistet  (nach  Smith). 

Creniastof/aster  JimaUv  Smith  v.  x>araMotica  n.  suhsp, 

\.  L.  2,4 — 2,7  mm.  Kleiner  und  dunkler  gefärbt  (dunkel  braun 
bis  schwarz)  als  die  typische  Jimata.  Die  Dornen  des  Metanotums 
sind  viel  kürzer;  sie  sind  kürzer,  manchmal  nur  halb  so  lang  wie 
ihr  Zwischenraum.  Die  Haare  sind  auch  kürzer.  Das  1.  Stielchen- 
glied ist  vorn  weniger  verschmälert  und  hinten  weniger  verdickt. 
Bei  den  Exemplaren  aus  Jurua  ist  er  etwas  oval  geformt. 

Columbien,  in  Parabiose  mit  DoUchoderus  dehilis  Emery  lebend. 
Para  (Göldi).  Costa  Eica  (Pittier).  Jurua  Miry,  Jurua,  Amazonas, 
zwischen  den  Blattscheiden  von  Tillandsia  n.  sp.  No.  5734  von  Herrn 
Ule.  Nach  Bates  lebt  die  C.  limafa  i.  sp.  in  Anschwellungen  von 
den  Luftwurzeln  einer  Epiphyte. 

Ich  selbst  habe  diese  Form  zuerst  mit  Cr.  hrasiliensis  Mayr  ver- 
wechselt, die  jedoch  in  der  Mesometanotalnaht  1  Zähnchen  besitzt, 
das  der  Jimata  abgeht.  Die  von  Herrn  Ule  gesammelte  Varietät 
der  r.  iMrabioHca  hat  eine  derjenigen  der  hrasiliensis  nahe  kommende 
Stielchenform.  Ich  selbst  fand  in  Columbien  die  Colonie  dieser  Rasse 
in  Termitennestern,  parabiotiscli  mit  Doliclioderns  debilis  lebend.  Ich 
glaube  nun  nicht  zu  irren,  indem  ich  sie  als  Rasse  oder  Subspecies 
zu  Jimata  stelle.  Vielleicht  ist  aber  Jjrasilicnsis  auch  nur  Subspecies 
von  Jimata. 

Pseudottujrnia  Lunu. 

F.  Smith  hat  eine  grosse  Zahl  Arten  dieser  Gattung  möglichst 
oberflächlicli,  fast  ausschliesslich  nach  dei-  bei  den  verschiedenen  Indi- 


ßg4  Aug.  Fohel, 

viduen  der  gleichen  Art  ungemein  variirenden  Farbe  beschrieben.  Es 
folgt  daraus,  dass  die  Mehrzahl  seiner  Arten  unentwirrbar  ist.  Was  bis 
jetzt  enträthselt  werden  konnte,  ist  von  Mayr,  Emery  und  mir  klar- 
gestellt worden.  Den  Rest  muss  man  ignoriren,  oder  man  muss  auf 
die  Beschreibung  und  Neubenennung  von  Pseiidomynna- Arten  ver- 
zichten.   Ich  will  nun  Ersteres  thun. 

Pseudoniyvnia  denäroica  Forel  var,  eniarf/inata  n.  var. 

$.  L.  5— 6  mm.  Mit  dem  Typus  der  Art  identisch,  aber  der 
Kopf  ist  breiter,  so  breit  in  der  Mitte  wie  lang,  und  hinten  ziemlich 
stark  bogig  eingeschnitten  (beim  Typus  mit  nur  sehr  schwach  con- 
cavem  Hinterrand. 

?.  L.  10—10.2  mm.  Mandibeln  Tzähnig,  am  basalen  Drittel 
stark  winklig  gebrochen,  an  der  Aussenfläche.  vor  dem  Winkel, 
mit  einem  viel  tiefern  Quereindruck  als  bei  der  Stammart,  grob 
längs  gerunzelt.  Clypeus  mit  sehr  kurzem  Lappen.  Kopf  so  breit 
wie  lang,  hinten  breiter  und  tief  bogig  eingeschnitten.  Thorax 
schmäler  als  der  Kopf  Erster  Stielchenknoten  länger,  vorn  breiter, 
und  viel  weniger  scharf  gerandet  als  beim  ^,  unten  mit  1  starken  ge- 
krümmten Zahn.  Mesonotum  mit  2  braun  gefärbten  Längseindrückeu. 
Körperfarbe  sonst  schmutzig  gelb,  mit  2  bräunlichen  Flecken  an  der 
Basis  des  Hinterleibes  (der  v  ist  braun).  Flügel  braungelblich  an- 
gehaucht,  fein   pubescent.     Sculptur,  Behaarung  etc.  wie  beim   v- 

Mavany  Jurua,  Amazonas.  September  1900,  in  hohlen  Zweigen 
der  Triplaris  schomburgkiana  Bth.  Die  tj'pische  Art  lebt  auch 
in  Triplaris-Arten. 

Pseudoniyrnia  trij>lavidis  n.  sp, 

$.  L.  4,4 — 4.8  mm.  Mandibeln  glänzend,  mit  wenigen  Streifen, 
gerader  gestreckt  als  bei  arhoris-sandae.  Clypeus  höher,  gekielt, 
und  mehr  gestutzt  als  bei  arhoris-sanctae.  3.-9.  Geisselglied  mehr 
als  2  mal  dicker  als  lang;  die  Geissei  viel  dicker  und  kürzer  als 
bei  arhoris-sandae  und  als  bei  deren  Rasse  symhiotka.  Kopf  schmäler 
als  bei  arhoris-sandae,  wie  bei  der  R.  symhiotica.  Thorax  weniger 
gewölbt  und  breiter  als  bei  arhoris-sandae,  wie  bei  der  R.  symhiotica 
ziemlich  flach,  aber  breiter  und  etwas  schärfer  gerandet  und  mit 
viel  steilerer  abschüssiger  Fläche  des  Metanotums.  Erster  Knoten 
wie  bei  arhoris-sandae,  kürzer  und  breiter  als  bei  symhiotica  und 
vorn  etwas  gerandet.    Zweiter  Knoten   vorn  weniger  verschmälert. 


Ameiseu  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  685 

Massig'  glänzend;  Kopf  schwach  glänzend;  dichter  und  tiefer 
punktirt  als  bei  arhoris-sandae  und  symbiotica.  Abstehende  Be- 
haarung wie  bei  diesen  beiden.  Die  anliegende  Pubescenz  ist  aber 
länger  und  dichter.  Auf  dem  Hinterleib  bildet  sie  einen  grauen 
Ueberzug-,  der  die  Sculptur  zum  Theil  verdeckt. 

Schwarzbraun;  Tarsen.  Schienen.  Fühler  und  Vordertheil  des 
Kopfes  rostfarbig;  Oberkiefer  braunroth;  Schenkel  braun. 

$,  L.  7,5 — 8  mm.  Viel  schmäler  als  arhoris-sandae.  Mandibeln 
länglicher,  schmäler,  schwach  gebogen,  durchaus  nicht  winklig  ge- 
brochen und  ohne  Quereindruck  an  der  Aussenseite  (beides  ist  bei 
arhoris-sandae  der  Fall,  wenn  auch  Aiel  weniger  als  bei  dendroica), 
mit  ca.  6  Zähnen  am  Endrand  und  3  Zähnen  am  Innenrand.  Kopf 
länger  als  breit,  hinten  breiter,  mit  geradem  Hinterrand  (leicht 
concav  bei  arhoris-sandae).  Thorax  schmal,  in  der  Mitte  kaum 
breiter  als  vorn  (viel  breiter  bei  arhoris-sandae).  Metanotum  mit 
2  scharf  getrennten  Flächen  (obwohl  mit  gerundetem  Uebergang); 
abschüssige  Fläche  fast  senkrecht.  Erster  Knoten  wie  bei  arhoris- 
sandae,  aber  der  zweite  vorn  viel  weniger  und  kaum  verschmälert 
l'/g — 1"^  mal  so  breit  wie  lang. 

Bräunlich-schwarz ;  Beine  braun ;  Oberkiefer,  Fühler  und  Yorder- 
kopf  rostfarbig.  Flügel  bräunlich-schwärzlich  tingirt,  mit  schwarz- 
braunen Kippen  und  Eandmal.    Behaarung  und  Sculptur  wie  beim  v- 

■S.  L.  ca.  5  mm.  Kopf  gerundet  rechteckig,  hinten  breiter, 
mit  deutlichem  fast  geraden  Hinterrand,  Fühler  eher  kurz;  3.  bis 
letztes  Geisselglied  beiläufig  2  mal  so  lang  wie  dick.  Thorax  kaum 
breiter  als  der  Kopf.  Uebrigens  wie  das  $  bezüglich  Sculptur,  Be- 
haarung und  Farbe,  aber  die  Oberkiefer,  die  Tarsen,  der  Schaft  und 
das  1.  Geisselglied  hell  gelb.  Knoten  niedriger,  der  erste  unten  mit 
einem  kleinen  Zahn,  der  bei  der  R.  symbiotica  der  arhoris-sandae  fehlt. 

Jurua  Miry,  Jurua,  Amazonas,  Juni  1901,  in  den  hohlen  Zweigen 
von  Triplaris  surinamensis  Cham. 

Durch  die  Funde  des  Herrn  üle  erhärtet  sich  die  Thatsache 
immer  mehr,  dass  eine  bestimmte  Gruppe  von  Pscudo)nurma- Arten: 
arhoris-sandae'^)  Em.,  dendroica  Forel   und  friplaridis  n.  sp.   symbio- 


1)  Die  echte  Pscuddiinjniia  arlxjris-s/iiwhie  Emery  stammt  aus  Bolivien. 
Ich  bal)e  sie  aber  auch  aus  Colhiiiga ,  Peru,  von  Staudinger  u.  Bang 
Haas  erhalten.  Letztere  Exemplare  sind  etwas  dunkler,  haben  ein  etwas 
breiteres  und  kürzeres  zweites  Stielchcnglied  und  sind  etwas  glänzender, 
mit  noch  schwächerer  Sculptur  als  der  Art-Typus. 


686  Aug.  Forel. 

tisch  in  den  natürlichen  Markhöhlen  der  Triplaris- Arten  leben.  Ich 
habe  selbst  1896  in  Columbien  beobachtet,  wie  die  Ps.  arboris-sancfae 
r.  symhiotka  Aviithend  jeden  ang-reift  nnd  sticht,  der  den  Banm  be- 
rührt, wie  ihre  Brnt  die  Markhöhlen  des  ganzen  frischen  Baumes 
vom  Stamm  bis  in  die  äussersten  grünen  Aeste  ausfüllt  und  A\ie  sie 
offenbar  durch  die  Höhle  eines  kleinen  verdorrten  abgebrochenen 
Aestchens  unten  am  Stamm  in  ihre  zugleich  so  sichere  und  so  ver- 
zweigte Wohnung  zuerst  gelangt.  Prof.  Göldi  hat  in  Para  experi- 
mentell gezeigt,  wie  eine  Colonie  der  Pseudomyrma  dendroica,  die  er 
mit  ihrer  Triplaris  im  botanischen  Garten  verpflanzt  hatte,  bald 
andere,  noch  unbewohnte  Triplaris-Bäume  besetzte  (Foeel,  in :  Revue 
Suisse  de  Zoologie  1904).  Das  $  der  Ps.  triplaridis  weicht  von  arhoris- 
sandae  so  ab,  dass  diese  Form  wohl  besser  als  eigne  Art  zu  be- 
trachten ist.  Andrerseits  ist  der  ^,  von  der  Farbe  abgesehen,  der 
arboris-sanctae  sehr  ähnlich  und  ist  die  Gruppe  sehr  variabel. 

Aus  den  Angaben  Huth's  (Myrmecophile  und  myrmecophobe 
Pflanzen.  Fbiedländer  1887)  bezieht  sich  sicher  Einiges  auf  Pseudo- 
myrma und  Triplaris,  obwohl  er  die  Ameisen- Arten  nicht  kannte. 
Er  spricht  von  den  H()hlungen  der  Triplaris-Arten,  die  meistens 
schon  nach  den  Angaben  älterer  Autoren  von  beissenden  Ameisen 
bewohnt  sind,  die  auf  diese  Weise  die  Pflanze  erfolgreich  schützen. 

JPseudoniyvnia  Jatinoda  Mayr  r.  taclUgaliae  n.  sitbsj), 

^.  L.  4,5 — 5  mm.  Kopf  länglich  rechteckig,  etwas  länger  und 
parallelrandiger  als  beim  Arttypus  und  bei  der  var.  nigrcscens  Foe. 
Hinter  der  Fühlergrube  ein  schwacher  Eindruck  für  den  Schaft. 
Oberkiefer  glänzend,  mit  wenig  schwachen  Streifen.  Clypeus  schwach 
gekielt,  mit  einem  kurzen,  rechteckigen  Mittellappen,  nicht  undeut- 
lich dreieckig  vorgezogen  wie  bei  der  Stammart  und  ihrer  Varietät. 
Thorax  noch  stumpfer  gerandet  als  bei  denselben.  Erster  Knoten 
niedriger,  länglicher,  hinten  viel  schmäler,  unten  mit  1  Längsleiste, 
die  vorn  und  hinten  mit  je  1  Zähnchen  endigt  (zwischen  ihr  und 
dem  hintern  Zähnchen  1  Intervall).  Die  v.  nigrescens  hat  die 
Zähnchen,  aber  die  Leiste  ist  undeutlicher. 

Der  ganze  Körper  nur  schwach  glänzend  (stark  beim  Arttypus), 
stark,  und  ziemlich  dicht  punktirt,  etwas  weniger  abstehend  behaart 
als  bei  der  Stammart,  dafür  aber  stark  gelblich  pubescent,  so  dass 
der  graugelbe  Flaum  die  Sculptur  theilweise  verdeckt,  besonders 
auf  dem  Hinterleib.   Fühlerschaft  und  Beine  ebenfalls  dicht  punktirt. 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  ßg7 

wenig  glänzend,  stark  piibescent,  mit  nur  wenigen,  kurzen  ab- 
stehenden Härchen,  die  besonders  auf  den  Schienen  sehr  spärlich  und 
schief  sind. 

Schmutzig  gelbbraun;  Vordertheil  des  Kopfes,  Oberkiefer,  Fühler, 
Tarsen,  Hinterrand  der  Abdominalsegmente,  Gelenke  und  theilweise 
die  Knoten  gelblicli. 

9.  L.  9 — 9,5  mm.  Oberkiefer  nahe  der  Basis  winklig  gebrochen 
und  daselbst,  vor  der  Knickung,  an  der  AussenHäche  quer  eingedrückt 
und  gerandet.  bis  zur  Spitze  längs  gerunzelt,  mit  2  Zälinen  an  der 
Spitze  und  sonst  schneidigem  Endrand.  Der  sehr  stark  und  hoch 
gekielte  ("lypeus  hat  voin  1  langen,  weit  vorspringenden,  durch- 
scheinenden Vorderlappen,  auf  welchem  sich  der  Kiel  bis  zum  con- 
vexen  Vorderrand  fortsetzt.  Kopf  länglich  rechteckig,  um  ^'5  länger 
als  breit,  hinten  stark  concav  und  nicht  breiter  als  vorn.  Zwischen 
den  Augen  je  l  rundlicher  sehr  deutlicher  Eindruck  für  das  Ende 
des  Fühlerschaftes.  Die  Augen  sind  von  der  Hinterhauptsecke  so 
entfernt  wie  ihre  eigene  Länge.  Quer  gestellt  erreicht  der  Fühler- 
schaft gerade  den  Kopfrand  und  längs  gestellt  die  Mitte  des  Kopfi^s. 
Pronotum  vorn  schmal,  nach  hinten  verbreitert.  Mesonotum  knapp 
so  breit  wie  iler  Kopf.  Thorax  von  vorn  nach  hinten  gleichmässig 
gewölbt,  mit  kurzer  abschüssiger  Fläche  des  ^letanotums.  1.  Knoten 
l^^mal  so  lang  wie  breit,  hinten  kaum  breiter  als  vorn. 

Viel  glänzender  als  der  5.  Ziemlich  stark  und  dicht  punktirt. 
Beliaarung  wie  beim  i,  aber  die  Pubescenz  weniger  dicht.  Braun- 
schwarz oder  schwarzbraun;  Wangen,  Clj'peus,  Fühlei-gruben,  Fühler, 
Schienen,  Tarsen,  Gelenke  und  Ränder  der  Hinterleibssegmente 
gelbroth  oder  gelblich.  Flügel  schwarzbraun  tingirt,  mit  schwarz- 
braunen Rippen  und  Randmal. 

S.  L.  6,2 — 6,7  mm.  Mandibeln  glänzend,  ziemlich  glatt,  mit 
schneidigem  Kaurand.  Clypeus  rundum  concav  eingedrückt,  mit 
einem  convexen,  ungekielten  Mitteltheil,  der  nach  vorn  einen  ge- 
rundet dreieckigen,  vorspringenden  ^littellappen  bildet.  Geissei- 
glieder nicht  ganz  2 mal  so  lang  wie  dick;  Schaft  etwa  so  lang  wie 
ein  Geisseiglied.  Kopf  länglich  oval,  mit  bis  hinten  convexen  Rändern, 
hinten  eng,  mit  einem  scharfen,  etwas  concaven  Hinterrand.  Augen 
klein,  kürzer  als  ihre  Entfernung  vom  Hinterrand  des  Kopfes. 
Thorax  wie  beim  + ;  ]\[esonotum  etwas  breiter  als  der  Kopf.  Erster 
Knoten  wie  beim  +,  aber  hinten  nicht  breiter  als  vorn,  unten  mit 
deutlicher  Längsleiste  und  Zähnchen  wie  beim  ^.  Sculptur,  Be- 
haarung,   Farbe    und   Flügel    wie    beim    $.    aber   die    Flügel    sind 


688  Aug.  Forel. 

kürzer  und  die  hell  gefärbten  Theile  blass  g-elb,  die  Beine  fast 
ganz  gelb,  die  Geissei  jedoch  braun,  ausser  dem  1.  Glied. 

Tarapoto.  Amazonas,  November  1902,  in  den  blasenförmig  an- 
geschwollenen Blattstielen  und  Zweigen  des  Blütenstandes  von 
Tachigalia  formicarum  Harms  n.  sp. 

Ich  stelle  diese  Form  provisorisch  als  Subspecies  oder  Rasse  zu 
latinoda  Mate,  bis  man  das  ?  und  das  S  der  typischen  latinoda  kennt, 
weil  der  Arbeiter  der  iacMgaliac  dem  der  latinoda  ungemein  nahe 
steht.  Das  $  und  das  S  sind  dagegen  durch  die  Bildung  des  Clypeus 
und  der  übrigen  Kopf  theile  ungemein  eigenthümlich. 

PseiidoiHyrnia  caroli  Foeel  rar.  sapii  n,  var. 

9.  L.  4,5 — 5,6  mm.  Etwas  schmäler  als  die  Stammart.  Vor 
allem  ist  der  Kopf  rechteckig,  hinten  nicht  breiter  als  vorn  (beim 
Typus  von  caroli  ist  er  hinten  breiter,  mit  hinten  convexern  Rändern). 
Der  Clypeuslappen  ist  auch  sehr  kurz,  aber  mehr  rechteckig.  Die 
Farbe  ist  fast  gleich,  aber  die  heilern  Theile  sind  mehr  blass 
schmutzig  gelb.    Sonst  ganz  gleich  wie  der  Typus  von  caroJi. 

$.  L.  7,6—8,3  mm.  Ungemein  schmal;  Kopf  0,8,  Thorax  0,75 
und  Abdomen  1,2  mm  breit  an  den  breitesten  Stellen.  Die  fast 
geraden  Kiefern  sind  weder  geknickt  noch  eingedrückt,  mit  2  deut- 
lichen und  3  oder  4  undeutlichen  Zähnen  am  Endrand  und  1  Zahn 
am  Innenrand,  glänzend,  mit  einigen  Streifen  und  Punkten  auf  der 
Endhälfte.  Der  rechteckige  Kopf  ist  parallelrandig  und  sehr  lang, 
etwa  l'^i — 1%  mal  (fast  2  mal)  so  lang  wie  breit,  hinten  stark  aus- 
gerandet.  Clypeus  mit  einem  rechteckigen,  kurzen  Lappen.  Augen 
klein,  nehmen  etwas  mehr  als  7:?  der  Kopfseiten  ein.  Stirnrinne 
zum  grössten  Theil  undeutlich.  Der  sehr  kurze  Fühlerschaft  er- 
reicht nicht  die  Hälfte  des  Kopfes  und  kaum  die  Hälfte  des  Auges. 
Geisseiglieder  kaum  2  mal  so  dick  wie  lang.  Pronotum  hinten  nur 
wenig  verbreitert.  Thorax  der  Länge  nach  gleichmässig  schwach 
gewölbt;  abschüssige  Metanotumfläche  fast  senkrecht,  aber  gerundet 
in  die  längere  basale  Fläche  übergehend.  Erstes  Stielchenglied 
IV2  mal  so  lang  wie  hinten  breit,  vorn  stark  verschmälert,  unten 
vorn  mit  einem  starken  Zahne,  Alles  andere  wie  beim  $,  aber  der 
Hinterleib  viel  weniger  pubescent.  Flügel  schwach  gelblich  ange- 
haucht, mit  gelben  Rippen  und  braunem  Randmal.  Dem  $  der 
Stammart  sehr  älinlich. 

Bom  Fim,  Jurua,  Amazonas,  Nov.  1900,  in  den  durchbohrten 
Zweigen  von  Sapium  (Euphorbiacee)  No.  5356  von  Herrn  Ule. 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  689 

JPseudonif/rina  ulei  n,  sp. 

S.  L.  4—5  mm.  ^randibeln  sehr  nahe  an  der  Basis  winklig 
gebrochen,  schwach  gebogen,  an  der  Endhälfte  gestreift  punktirt. 
Endrand  schneidig,  mit  1  oder  2  Zähnen  an  der  Spitze  und  einem 
Zahn  an  der  Basis.  Innenrand  mit  2  oder  mehr  Zähnen.  Clypens 
ungekielt,  mit  einem  kurzen  rechteckigen  Vorderlappen.  Kopf  1% 
bis  l'^/4  mal  so  lang  wie  breit,  rechteckig,  fast  parallelrandig,  vorn 
so  breit  wie  hinten,  hinten  schwach  concav;  die  Seiten  ganz  schwach 
convex.  Die  Augen  stellen  genau  in  der  Mitte  der  Kopfseite,  so 
weit  vom  Vorderrand  wie  vom  Hinterrand  und  nehmen  etwas  mehr 
als  das  Drittel  der  Kopfseite  ein.  Der  Schaft  erreicht  die  Mitte  der 
Kopflänge;  die  mittlem  Geisselglieder  sind  nicht  2  mal  so  dick  wie 
lang.  Thorax  wie  bei  der  Ps.  raroU,  aber  schmäler;  die  Basalfläche 
des  ^Fetanotum  mehr  als  2  mal  so  lang  wie  breit  (fast  2'/.,  mal). 
Erster  Knoten  ein  klein  wenig  länger  und  zweiter  Knoten  vorn  etwas 
mehr  verschmälert;  ebenso  das  1.  eigentliche  Hinterleibssegment. 

Sculptur,  Behaarung  und  Farbe  genau  wie  bei  der  Ps.  raroH 
var.  sapii. 

$.  L.  5,7  mm.  Oberkiefer  wie  beim  $,  Clypeuslappen  länger. 
Kopf  gut  2  mal  so  lang  wie  breit,  rechteckig,  mit  parallelen  Seiten- 
rändern, hinten  fast  gerade  und  so  breit  wie  vorn.  Augen  fast  in 
der  Mitte,  etwas  mehr  als  das  Drittel  der  Kopfseiten  einnehmend. 
Der  Fiihlerschaft  erreicht  nach  hinten  nicht  ganz  die  Hälfte  des 
Kopfes.  ^Mittlere  Geisselglieder  fast  2  mal  so  dick  wie  lang.  Thorax 
noch  schmäler  als  der  Kopf;  Basalfläche  des  Metanotums  2^4  mal  so 
lang  wie  die  abschüssige.  Breite  des  Kopfes  0,65,  des  Thorax  0,6, 
des  Hinterleibes  0,85  mm.  Erstes  Stielchenglied  vorn  stielartig  ver- 
schmälert, hinten  knotenförmig,  hinten  am  breitesten,  so  breit  wie 
die  Hälfte  der  ganzen  Länge  des  Gliedes.  Zw^eites  Glied  gerundet 
dreieckig,  hinten  so  breit  wie  die  Länge  des  ganzen  Gliedes  (bildet 
ein  gleichseitiges  Dreieck).  Sculptur.  Farbe  und  Behaarung  wie 
beim  J,  aber  die  Pubescenz  viel  spärlicher.  Flügel  wasserhell,  mit 
blassen  Rippen  und  blass  braunem  Eandmal.    Ein  einziges  Exemplar. 

S.  L.  6  mm.  Oberkiefer  mit  schneidigem  Kaurand,  gestreift, 
mit  etwas  abgeflachter  Endhälfte.  Kopf  hinten  oval,  vorn  rechteckig, 
l^.mal  so  lang  wie  breit.  Die  Augen  nehmen  nicht  die  Hälfte  der 
Kopfseiten  ein.  Erstes  Geisseiglied  länger  als  dick,  zweites  länger  als 
der  Schaft,  fast  4  mal  so  lang  wie  dick.  Thorax  und  Stielchen  ähnlich 
wie  beim  ?,  aber  die  Stielchenglieder  flacher,  das  zweite  länger  als 


690  Aug.  Forei 

liinten  breit.  Aeussere  Genitalklappen  gross,  breit,  kurz,  sehr  ge- 
rundet. Farbe  wie  beim  ?.  Sculptur  noch  glatter,  sehr  glänzend. 
Abstehende  Behaarung  äusserst  s])ärlich.  Pubescenz  sehr  kurz  und 
ziemlich  zerstreut.    Ein  einziges  Exemplar. 

Diese  Art  ($)  differirt  von  der  Ps.  caroli  wesentlich  nur  durch  den 
noch  viel  längern  Kopf  (1-/3 — 1%  mal  so  lang  wie  breit,  bei  caroli 
nur  IV3  mal  so  lang  wie  breit),  den  schmälern  Körper  und  die 
weniger  dicken  Fühler.  Bei  beiden  Arten  sind  die  Schenkel  in  der 
Mitte  etwas  verbreitert.  Die  Knickung  der  Mandibeln  ganz  nahe 
an   der  Basis   ist  beim  l  (nicht  beim  ^)  von  caroli  auch  angedeutet. 

Jurua  Mir}',  Jurua,  Amazonas,  August  1901,  in  Zweigen  und 
Aesten  von  Coussapoa  No.  5717  von  Herrn  Ule.  Mit  der  filiformis  F. 
verwandt.  Die  lange  schmale  Körperform  dieser  und  anderer  Arten 
V.  Fsendomyrma,  Adeca,^  Caniponotus  etc.  ist  zweifellos  ei^e  Anpassung 
zur  Wohnung  in  engen  pflanzlichen  Röhren  (s.  unten  bei  Adeca). 

Pseudomyrnia  sericea  Mayr  vaj',  cordiae  n.  var. 

L.  3,5 — 4,1  mm.  Unterscheidet  sich  vom  Typus  der  Art  durch 
seine  geringere  Grösse,  durch  den  Cl3'peus,  dessen  Vorderlappen 
kürzer,  breiter  und  rechteckig  ist,  durch  den  etwas  schmälern,  l'/g  mal 
so  langen  wie  breiten  Kopf  sowie  durch  das  1.  Stielchenglied,  das 
oben  viel  gerundeter  und  weniger  gerandet,  dafür  kürzer  ist. 
2.  Stielchenglied  umgekehrt  weniger  breit  und  vorn  stärker  ver- 
schmälert. Thorax  oben  etwas  weniger  flach.  Schwarz ;  Fühler, 
Beine,  Oberkiefer  und  Vorderrand  des  Kopfes  rothgelb  oder  gelbroth, 
Sculptur  und  Behaarung  genau  wie  bei  der  Stammart. 

$.  L.  6,8—7  mm.  Kopf  und  Flügel  fehlen.  So  weit  vorhanden 
wie  der  ^. 

Tarapo,  Peru,  in  den  Anschwellungen  der  obern  Verzweigungen 
von  Cordia  ind.  —  Von  Herrn  Ule  gesammelt. 

Pseudomyj'ma  sericea  Mayr  var.  Jom/ior  n.  var, 

9.  L.  5,5  —  6  mm.  Grösser  als  die  Stammart.  Kopf  noch  läng- 
licher, gut  IV2  mal  so  lang  wie  breit.  Clypeus  wie  bei  var.  cordiae. 
1.  Knoten  dagegen  fast  so  scharf  gerandet  wie  bei  der  Stammart. 
Farbe  wie  bei  v.  cordiae,  aber  die  Geissei,  mit  Ausnahme  des 
1.  Gliedes,  und  theilweise  die  Beine  braun.  Der  var.  fortis  Forel 
aus  Mexico  etwas  ähnlich. 

Tarapoto,  Peru,  in  durchbohrten  Zw^eigen  von  Platymiscium 
stipulare  Bth. 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  691 


I*seu(Joi}ifjrnif(  serieea  Mayr. 

i.  Strauch  l)ei  Jurua  Miry,  .Tnrua,  Juni  1901.  in  den  an- 
geschwollenen Blüthenaxen  und  Zweigen  von  Pterocarpus  ulei 
Hakms  n.  sp. 

Die  ^  sind  mit  Ausnahme  des  mit  rechteckigem  kurzem  Lappen 
versehenen  Olypeus  ziemlicli  tj^pisch.  Der  Kopf  ist  um  ca.  ^'^  länger 
als  breit,  mit  etwas  convexeren  Seiten  als  bei  den  obigen  Varietäten. 
Die  Seiten  des  Thorax  und  der  Knoten  sowie  die  abschüssige  Fläche 
des  Metanotums  sind  gelbroth ;  sonst  wie  die  andern.  Solche  Färbungen 
erwähnt  bereits  Mayr.  Unter  dem  1.  Stielchenglied  1  Leiste  und 
2  Zähnchen. 

5.  L.  7—7.5  mm.  Mandibeln  nicht  geknickt,  mit  einem  schwachen 
Längseindruck  aussen  an  der  liasis,  glänzend,  fast  glatt,  nur  gegen 
ihr  Ende  mit  einigen  kurzen  groben  Streifen.  Kopf  gut  Vl^  mal  so 
lang  wie  breit,  hinten  nicht  breiter  als  vorn,  und  concav,  mit  sehr 
schwach  convexen  Seiten.  Clypeus  mehr  dreieckig  vorgezogen. 
Thorax  noch  schmäler  als  der  Kopf.  Pronotum,  Scutellum  und  untere 
Hälfte  des  Metanotums  gel])roth  oder  braun;  sonst  wie  der  i  ge- 
färbt. Flügel  wasseiiiell,  irisirend,  mit  schmutzig  gelben  Rippen  und 
braunem  Randmal.  Im  Uebrigen  wie  der  5.  —  Kopf  1,0,  Thorax  0,85, 
Abdomen  1.2  mm  breit. 

IL  Bolidioderinae. 

A^teca  alfari  Emery  var,  aequilata  n.  var. 

l.  L.  2,6 — 4  mm.  Unterscheidet  sich  von  der  typischen  alfari 
durch  die  Kopfform.  Der  Kopf  ist  hinten  kaum  oder  nur  sehr  wenig 
breiter  als  vorn,  übrigens,  wie  beim  Typus,  um  ca.  V5  oder  ^/^  länger 
als  breit.  Er  ist  grösser  und  rechteckiger,  mit  weniger  gewölbten 
Seiten  als  bei  der  var.  ovaticcps  Fokkl  aus  Para.  Farbe  und  Sculptur 
sind  wie  beim  Arttypus  und  nicht  \\\^  bei  den  Rassen  lucida  For. 
und  JnriduJa  For.     Im  Uebrigen  wie  der  Arttypus. 

V.  L.  7—7,4  mm.  Kopf  mehr  rechteckig  als  bei  der  var.  ovaticeps, 
mit  weniger  convexen  Seiten;  sonst  ganz  gleich.  Flügel  irisirend, 
gelbbräunlich  angehaucht,  mit  braunem  Randmal  und  bräunlich- 
gelben Rippen. 

S.  L.  3,4  mm.  Der  Kopf  ist  hinter  den  Augen  mehr  vei'engt, 
mit  deutlichem!  Hinterrand   als  beim  S  der  R.  Incidula.  wo  er  mehr 


592  '^^^'-   FOHEL, 

gerundet  ist.  Die  Farbe  ist  gelb,  wenig  glänzend;  die  Exemplare 
scheinen  aber  noch  nicht  ganz  reif  zu  sein.  Sonst  wie  bei  hiciäiüa, 
Avo  das  S  aber  schwarz  und  glänzend  ist. 

Jurna  Miry,  Jurua,  Juni  1901,  in  hohlen  Internodien  von 
Cecropia  No.  5588  des  Herrn  Ule;  Cacliveira  Jurua,  in  hohlen 
Internodien  der  Cecropia  No.  5587  von  Herrn  Ule. 

Azteca  traili  Emery. 

Unter  der  gleichen  Nummer  (51b)  befindet  sich  ein  %  das  ich 
nicht  als  zu  dieser  Art  sicher  gehörig  zu  betrachten  wage,  da  es  in 
einem  andern  Glas  ist  und  mir  abzuweichen  scheint.  Es  ist  7,8  mm 
lang,  dem  $  von  ^1.  cdfari  v.  aequüata  sehr  ähnlich,  aber  mit  ab- 
stehend behaarten  Fühlern  und  Beinen.  Schienen  und  Schenkel 
braun.  Der  Kopf  mehr  als  ^4  (nicht  ganz  ^g)  länger  als  breit  (bei 
aequüata  ^j^),  rechteckig,  hinten  kaum  breiter.  Der  Schaft  erreicht 
nahezu  den  Hinterhauptsraud  (es  fehlt  etwa  ^/^o  der  Kopflänge, 
während  er  bei  aequHata  kaum  das  hintere  Viertel  überragt).  Sonst 
alles  ziemlich  gleich. 

Den  $  fand  Herr  Ule  a)  in  Ameisengärten: 

1.  in    Bom   Fim,  Jurua,   Amazonas,   zwischen   Gesneriacee 
No.  5214, 

2.  in  Saö  Joachim,  Bio  Negro,  zwischen  der  gleichen  Ges- 
neriacee No.  5214, 

b)  in  Anschwellungen  des  Blattstiels  von  Tococa  bullifera  Mart 
et  Sehr.,  in  Manaos,  Amazonas. 

Das  $  stammt  aus  der  No.  von  Saö  Joachim. 

Alle  5  sind  typisch,  und  ich  kann  keinen  Unterschied  zwischen 
denjenigen,  die  in  der  Anschwellung  leben,  und  denjenigen  der 
Ameisengärten  finden. 

Azteca  traili  Em.  v,  filicis  n.  var. 

9.  L.  2,7  —  3,3  mm.  Etwas  grösser  und  dimorpher  als  die 
typische  traili.  Kopf  etwas  länglicher,  besonders  beim  kleinen  $. 
Das  Stielchen  ist  etwas  gestreckter;  die  Schuppe  etwas  niedriger, 
sehr  stark  nach  vorn  geneigt,  die  ganze  Ameise  etwas  schlanker. 
Sonst  gleich. 

Cerro  de  Ponasa,  Peru,  ca.  1100  m  hoch  im  Gebirge.  In  einem 
Polypodium-artigen  Farn  mit  Knollen,  nach  Art  von  Myrmecodia, 
auf  einer  Tococa  mit  Ameisengärten. 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  693 

Azteca  traili  Em.  i«.  tococae  u,  rar. 

L.  2,1 — 3  mm.  Dimorpliismus  Avie  beim  Arttj-pus.  Der  ebenso 
längliche  Kopf  ist  vorn  weniger  verengt,  hinten  stärker  ausgehöhlt. 
Die  Oberkiefer  sind  dicker,  stärker  gekrümmt,  massiver.  Das  Pro- 
mesonotum  bildet  eine  viel  stärkere  C'ouvexität,  etwa  wie  bei  A. 
alfari  Em.,  aber  das  Metanotum  ist  viel  flacher  als  bei  letzterer 
Art.  Die  Schuppe  ist  wenig  geneigt,  viel  höher  als  beim  Arttypus, 
fast  senkrecht,  ziemlich  dick,  hinten  oben  zugespitzt.  Die  abstehende 
Behaarung  ist  etwas  spärlicher  als  beim  Arttypus. 

Bei  dieser  Varietät  liegen  die  Augen  vor  der  Mitte  der  Kopf- 
seiten, beim  Arttypus  dagegen  ziemlich  genau  in  der  Glitte. 

S.  L.  2.7 — 3  mm.  Kopf  fast  viereckig,  mit  sehi'  deutlichem 
Hinterrand,  so  breit  wie  lang,  vor  den  Augen  aber  enger.  Die  con- 
vexen.  aber  nicht  grossen  Augen  nehmen  weni^i-  mehr  als  ^g  der 
Kopfseiten  ein.  Mittlere  Geisselglieder  um  wenig  länger  als  dick. 
Fühlerschaft  so  dick  wie  lang.  Erstes  Geisseiglied  kuglig.  Zweites 
Geisselglied  1^ .,  mal  so  lang  wie  dick,  am  dicksten  von  allen.  Kiefer 
wie  beim  Arttypus.  Glänzend,  schwarzbraun,  spärlich  abstehend 
behaart;  Schienen  fast  ohne  abstehende  Haare.  Flügel  bräunlich 
angehaucht,  pubescent. 

Jurua  Miry,  Jurua,  Amazonas.  In  den  Anschwellungen  von 
Tococa  guianensis  Aubl.,  von  Herrn  Ule  gesammelt. 

Ich  habe  die  2  zuletzt  beschriebenen  Formen  als  Varietäten  zu 
traili  gestellt,  obwohl  sich  Manches  dagegen  einwenden  Hesse.  Eine 
genauere  Kenntniss  der  geflügelten  Geschlechter  wird  die  Sache 
später  abklären,  Emeky  giebt  die  Kopfform  des  S  des  Arttypus 
nicht  an. 

Azteca  olitrix  n.  sp. 

.^.  L.  2—3,2  mm.  Gedrungener  als  imiU  und  dunkler  gefärbt. 
Die  Kopfform  ist  eigenthümlich.  Beim  ^  major  ist  der  Kopf  kaum 
länger  als  breit;  seine  hintern  zwei  stärkern  Drittel  bilden  ein 
queres  Rechteck,  mit  parallelen  Seitenrändern.  Von  dem  etwas  vor 
dem  Vorderrand  der  Augen  gelegenen  vordem  etwas  kleinern  Drittel 
an  verengt  sich  der  Kopf  rasch  und  stark.  Hinterrand  stark  aus- 
gehölilt.  Beim  kleinen  ;  ist  der  Kopf  ähnlich,  aber  weniger  aus- 
gesprochen, etwas  länger  als  breit.  Kiefer  breit,  mit  langem  End- 
rand, glatt,  fein  punktirt.  Der  Fühlerschaft  erreicht  den  Hinter- 
hauptsrand   beim    grossen    >; .    überragt    ihn    etwas    beim    kleinen. 

Zool.  Jahrb.  XX.    Abth.  f.  Syst.  -iö 


694  '^^^ß-    FOREL, 

Mittlere  Geisselglieder  so  dick  wie  lang-  (länger  bei  traili).  Thorax 
wie  bei  der  var.  tococae  der  traili;  Promesonotum  eher  weniger  ge- 
wölbt, aber  viel  gewölbter  als  bei  den  andern  Varietäten  der  traili. 
Schuppe  niedrig,  vorn  convex,  hinten  flach,  oben  stumpf,  stark  ge- 
neigt, ähnlich  wie  bei  der  var.  cordiae  der  ulei,  unten  hinten  mit 
einem  starken,  durchscheinenden  gerundeten  Lappen.  Behaarung 
und  Sculptur  wie  bei  der  traili,  aber  die  anliegende  Pubescenz  ist 
kürzer,  etwas  spärlicher. 

Braunschwarz  oder  schwärzlich-braun;  Beine  braun.  Fühler 
und  vorderes  Drittel  des  Kopfes  rostfarbig.  Ende  des  Fühlerschafts 
bräunlich.  Tarsen  und  Gelenke  gelbröthlich.  Beim  kleinen  5  sind 
Kopf  und  Thorax  hell  braun. 

?.  L.  8  mm.  Dem  J  der  A.  alfari  v.  aequilata  sehr  ähnlich. 
Namentlich  ist  die  Kopfform  gleich,  aber  der  ganze  Körper  schmäler 
und,  mit  Einschluss  der  Schienen  und  des  Fühlerschaftes,  abstehend 
behaart.  Die  Punktirung  ist  schwächer  und  zerstreuter,  der  Körper 
daher  viel  glänzender,  dagegen  länger  pubescent,  besonders  der 
Kopf.  Die  Schuppe  ist  viel  stärker  nach  vorn  geneigt,  und  das 
Stielchen  trägt  unten  einen  rundlichen,  durchscheinenden,  nach  hinten 
gerichteten  Lappen.  Braunschwarz.  Fühlergruben  und  Vorderecken 
des  Kopfes  schmutzig  gelbbräunlich.  Mandibeln  schwarzbraun,  Fühler, 
Tarsen,  Stielchen  sowie  die  Unterseite,  das  vordere  Ende  und  die 
Hinterränder  der  Segmente  des  Abdomens  gelb;  nur  das  Ende  des 
Fühlerschaftes  bräunlich.  Flügel  bräunlich  mit  braunen  Eippen  und 
braunem  Randmal. 

Jurua  Miry,  Jurua,  Amazonas,  Juli  1901,  zwischen  den  Gesne- 
riaceen  mit  Gallen.    No.  21b,  Ameisengärten  bildend. 

Diese  Art  steht  jedenfalls  traili  und  jelsMi  sehr  nahe. 

A^teca  tilei  n,  sp, 

V.  L.  2,3 — 4,8  mm.  J major.  Kopf  gut  1.4  mm  breit  und  fast 
ebenso  lang,  hinten  tief  ausgehöhlt  und  mit  sehr  stark  convexen 
Seiten,  fast  wie  bei  A.  lallemandi  Foeel,  vorn  etwas  schmäler  als 
hinten.  Kiefer  breit,  gekrümmt,  mit  Szähnigem  Endrand  und  sehr 
fein  gezähneltem  Innenrand,  sehr  fein  gerunzelt  oder  fast  glatt,  mit 
zerstreuten  Punkten.  Augen  vor  der  Mitte.  Der  Fühlerschaft  über- 
ragt deutlich  den  Kopfhinterrand.  Alle  Geisseiglieder  etwas  länger 
als  dick.  Promesonotum  fast  so  gewölbt  wie  bei  alfari.  Basalfläche 
.des  Metanotums  niedriger,  schwach  gewölbt,  doch  nicht  durch  die 


Ameisen  aiis  dem  Amazonas-Gebiet  und  ans  Peru.  695 

vorragenden  Stigmen  von  der  abschüssigen  Fläche  getrennt;  die 
Stigmen  liegen  etwas  weiter  vorn  nnd  seitlich.  Schnppe  ungefähr 
wie  bei  imili^  aber  höher,  oben  etwas  dünner. 

Sculptur,  Farbe  und  Behaarung  wie  bei  imili-^  aber  Stirn, 
Scheitel  und  Kiefer  braun  und  die  abstehende  Behaarung  etwas 
spärlicher. 

$  minor.  Kopf  etwas  länger  als  breit,  mit  viel  weniger  con- 
vexen  Seiten,  länger  als  breit;  der  Schaft  überragt  den  Hinterrand 
des  Kopfes  um  fast  ^/^  seiner  Länge.  Mandibeln  röthlich.  Sonst 
wie  der  grosse  $. 

.Turua  Miry,  Jurua.  Amazonas;  zwischen  der  Gesneriacee  No,  577b 
von  Herrn  Ule,  Ameisengärten  bauend. 

Auch  mit  A.  schimperi  Em.  verwandt,  die  aber  keine  abstehende 
Behaarung  der  Tibien  zeigt,  weniger  pubescent  und  schlanker  ist. 

Azteca  ulel  v,  cordlae  n.  var. 

Kleiner.  L.  1,9—3,3  mm.  Beim  i  major  ist  der  Kopf  so  breit 
wie  lang,  etwa  wie  bei  A.  mi'dleri  Em.,  beim  $  minor  länglich,  hinten 
fast  nicht  breiter  als  vorn.  Erstes  Stielchenglied  gestreckt.  Schuppe 
niedriger  als  beim  Typus,  stärker  geneigt  als  beim  Typus  und  bei 
tmüL  Stigmen  wie  bei  traili,  an  der  Ecke  zwischen  basalen  und 
abschüssigen  Fläche  etwas  hervorspringend.  Das  Promesonotum  ist 
weniger  gewölbt  als  beim  Typus  der  Art,  aber  mehr  als  bei  traili 
i.  sp.,  sonst  wie  ulei. 

Marary  Jurua,  Amazonas;  in  den  Zweiganschwellungen  von 
Cordia  nodosa. 

Diese  Form  ist  schwierig.  Man  hätte  sie  auch  als  Varietät  zu 
traili  stellen  können.  Doch  scheint  sie  mir  eher  zu  ulei  zu  gehören ; 
vielleicht  ist  auch  der  grösste  9  nicht  gesammelt  worden. 

Azteca  ulei  v.  nif/ricornis  n.  siibsp, 

2'.    L.  2,5—4  mm. 

V  major.  Kopf  fast  wie  beim  Arttypus,  so  breit  wie  lang,  aber 
mit  viel  weniger  convexen  Seiten.  Fühler  etwas  kürzer  und  massiver; 
der  Schaft  erreicht  gerade  den  Hinterhauptrand ;  vorletzte  Geissel- 
glieder  so  dick  wie  lang.  Thorax  wie  bei  der  var.  cordmc,  aber  das 
Pronotum  flacher,  das  ^[esonotum  dagegen  eher  stärker  gewölbt. 
Schuppe    fast    so    hoch   wie    beim    Arttypus.     Abstehende   Be- 

46* 


69  -^UG.    FOREL, 

liaaruiig-  viel  spärlicher.  Nur  einzelne  sehr  zerstreute 
Haare  am  Körper  sowie  an  den  Schienen  und  an  dem 
Fühl  er  Schaft.  Farbloser,  als  der  Typus  von  täei;  Kiefer  dunkler, 
bräunlich.  Die  Fühlergeissel,  mit  Ausnahme  des  1.  Gliedes,  braun- 
schwarz. Die  kurze,  anliegende  Pubescenz  besonders  am  Kopf  und 
an  den  Gliedern  etwas  dichter. 

2  minor.  Kopf  länglicher  und  schmäler  als  bei  nJei  i.  sp.  Der 
Fühlerschaft  überragt  den  Hinterrand  um  mehr  als  Y-,  seiner  Länge. 
Farbe  des  Körpers  schwarzbraun,  mit  rüthlichem  Vordertheil  des 
Kopfes,  Kiefer,  Schaft  und  1.  Geisselglied.     Beine  braun. 

Cachveira,  Jurua,  Amazonas,  in  Zweiganschwellungen  von  Cordia 
nodosa. 

Die  Rasse  oder  Subspecies  nigricornis  ist  auch  mit  der  A.  lalle- 
mandi  Foeel  verwandt,  die  aber  einen  breitern  Kopf,  schlankere 
Fühler,  eine  oben  dicke,  stark  gerundete  und  durchaus  nicht  scliarf- 
randige  Schuppe  hat,  endlich  Cartonnester  baut  und  nicht  in  Inter- 
nodien  oder  Pflanzenhöhlen  lebt. 

A^teca  minor  n.  sj). 

9.  L.  2—2,4  mm.  Kiefer  mit  8  Zähnen.  Der  grössere  $  mit 
gerundetem  Kopf,  so  breit  wie  lang,  mit  sehr  convexen  Seiten,  dem- 
jenigen der  A.  jelsh'd  Em.  ganz  ähnlich,  aber  vorn  weniger  verengt. 
Beim  kleinen  2  ist  der  Kopf  etwas  länger  als  breit,  mit  weniger 
convexen  Seiten.  Augen  in  der  Mitte.  Der  Schaft  überragt  den 
Kopfhinterrand  um  ^/^ — '/'^  seiner  Länge.  Mittlere  Geisselglieder 
so  dick  wie  lang.  Promesonotum  recht  schwach  gewölbt.  Metanotum 
flach;  die  Stigmen  liegen  an  den  Ecken  beider  Flächen.  Abschüssige 
Fläche  schief.  Schuppe  recht  dick,  niedrig,  oben  stumpf,  gerundet. 
Ziemlich  glänzend,  nicht  dicht  punktirt.  Ziemlich  reichlich  abstehend 
behaart,  am  ganzen  Körper  sowie  an  den  Schienen  und  an  dem 
Fühlerschaft.     Ziemlich  reichlich  pubescent,  ganz  wie  bei  jelsUi. 

Schwarz  oder  schwarzbraun;  vordere  Hälfte  des  Kopfes,  Kiefer, 
Fühlerschaft,  1.  Geisseiglied  und  Tarsen  gelbroth;  Beine  braun;  der 
Rest  der  Geissei  braunschwarz. 

?.  L.  7  mm.  Dem  5  der  A.  olitrix  und  der  A.  alfari  v.  aeqtii- 
lata  sehr  ähnlich,  aber  kleiner  und  weniger  schmal  als  olitrix ;  die 
Kopfränder  gerader  als  bei  aequüata;  Kopf  übrigens  gleich  geformt. 
Der  Schaft  erreicht  das  3.  Viertel  des  Kopfes.  Die  Schuppe  ziem- 
lich aufrecht,  von  der  Seite  besehen  kegelförmig,  viel  niedriger  als 
bei  den  beiden  genannten  Formen,  oben  etwas  stumpfrandig.    Glanz, 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  697 

Sculptur,  Behaarung  und  Pubescenz  wie  bei  olitrix.  Dunkel  braun, 
auch  die  Geissei;  Beine  rothbrann.  A'orderhälfte  des  Kopfes,  Kiefer, 
Fühlerschaft,  1.  Geisselglied  und  Tarsen  rostfarbig.  Hinterrand  der 
Abdominalsegmente  schmutzig-  gelb.     Flügel  felilen, 

Jurua  Miry,  Jurua  in  hohlen  Internodien  von  Cecropia. 

Schwierige  Form,  als  eigne  Art  dubiös.  Der  olitrix  sehr  nahe 
stehend,  aber  auch  der  jcIskH,  jedoch  viel  behaarter  als  letztere,  mit 
anderer  Schuppe  und  anilers  gefärbt.  Auch  mit  tondtizi  Forel  ver- 
wandt. Doch  ist  bei  tonfluzi  der  Kojjf  mehr  dreieckig,  der  Thorax 
ganz  oline  Ausrandung  und  die  Farbe  anders. 

A^teca  (luroiae  n.  sjf» 

l.  L.  2,5 — 4  mm.  Der  nki  r.  nigricornis  sehr  ähnlich,  aber  der 
Fühlerschaft  und  die  Schienen  absolut  ohne  abstehende  Haare.  Der 
hinten  tief  ausgeschnittene  Kopf  des  grossen  i  ist  gut  um  Ve  länger 
als  breit  und  nähert  sich  dadurch  etwas  der  A.  hicolor  Em.;  Kopf- 
seiten massig  convex.  Der  Fühlerschaft  erreicht  beim  i  major  das 
hintere  Siebtel  des  Kopfes  und  überragt  fast  den  Hinterrand  beim 
^  minor.  Die  mittlem  Geisselglieder  so  lang  wie  dick.  Promeso- 
notum  schwach  gewölbt,  beim  i  minor  sogar  sehr  schwach,  so  dass 
die  Thoraxeinschnüruug  sehr  gering  wird.  Stielchen  wie  bei  ulei, 
aber  etwas  länger,  mit  sehr  weit  nach  vorn  gelegener  Schuppe; 
diese  ist  dünner,  höher  und  hat  oben  einen  ganz  dünnen,  etwas 
nach  liinten  zurückgebogenen  Rand,  der  zugespitzt  endigt.  Unten 
hinten  hat  das  Stielchen  einen  gerundeten  Lappen.  Farbe  gleich 
vertheilt  wie  bei  tilei  r.  nigricornis^  aber  dunkler.  Beine  (Tarsen 
oft  ausgenommen).  Oberseite  des  Kopfes,  Thorax  und  Hinterleib 
schwärzlicli-braun  oder  dunkel  braun.  Vordere  Hälfte  des  Kopfes 
(ausser  der  Stirne  bei  einer  Varietät)  und  Kiefer  röthlich,  sowie 
auch  der  Fühlerschaft  und  das  1.  Geisselglied.  Pubescenz  kürzer 
als  bei  uhi,  aber  ebenso  dicht;  Glanz  gleich.  Auf  dem  Köiper  nur 
einige  ganz  zerstreute  Borstenhaare.  Schienen  und  Fühlerschaft  nur 
anliegend  pubescent. 

Bei  Ja])uru,  am  Jurua  sup.,  Amazonas,  in  den  Anschwellungen 
der  Zweige  von  Duroia  hirsuta  K.  Sch.  ;  Jurua  Miry,  Jurua,  in  den 
Zweigen  von  Pouruma  No.  5719  des  Herrn  Fle.  Ich  betrachte  die 
Fxemplare  aus  Jaburu  als  die  typischen,  weil  sie  den  grössten  ^  ent- 
halten.   Sie  haben   eine  braune  Stirn  und  bräunliche  Tarsen. 

Diese   Form    ist    sehr   schwierig-.     Sie   ist   einerseits   der   ulei 


(398  '^^"^-   FOREL, 

r.  nigricornis  nahe  stehend,  andrerseits  aber  mit  der  hicolor  Em.  und 
mit  der  lallemandi  Forel  (siehe  Bemerkung-  zur  nlei  r.  nigricornis), 
oder,  besser  gesagt,  mit  der  Gruppe  trigona-cliartifex  verwandt, 

Azteca  eineryi  n,  sp. 

$.     L.  2,6 — 5  mm. 

2  major.  Kiefer  mit  8  sehr  scharfen  Zähnen,  gestreckt,  wenig 
gekrümmt,  mit  etwas  schiefem  Endrand,  an  der  Basis  wenig  glänzend 
und  äusserst  fein  und  dicht  gestrichelt,  gegen  das  Ende  glatt,  fein 
zerstreut  punktirt.  Kopf  ca.  um  ^/^  länger  als  breit  (1,15  mm  breit 
und  1,7  mm  lang),  hinten  tief  eingeschnitten  und  kaum  merklich 
breiter  als  vorn,  mit  massig  convexen  Seiten,  sehr  ähnlich  geformt 
wie  bei  A.  fheresiae,  aber  länger  und  schmäler.  Augen  eher  klein, 
vor  der  ]\[itte,  etwa  am  2.  Fünftel  der  Kopfseiten.  Der  Fühler- 
schaft erreicht  knapp  das  hintere  Fünftel  des  Kopfes.  Geisseiglieder 
alle  etwas  länger  als  dick;  die  4  vorletzten  jedoch  kaum  merklich 
länger  als  dick.  Pronotum  ziemlich  lang,  vorn  halsförmig,  schwach 
gewölbt,  nach  hinten  aufsteigend.  Mesonotum  bucklig.  Thorax- 
einschnitt stark  und  breit,  unten  mit  2  etwas  hervorragenden 
Stigmen.  Basalfläche  des  Metanotums  massig,  aber  deutlich  gewölbt. 
Die  Stigmen  an  den  Seiten  des  Metanotums.  Abschüssige  Fläche  fast 
so  lang  wie  die  basale,  sehr  gerundet  in  dieselbe  übergehend. 
Schuppe  stark  geneigt,  genau  keilförmig,  oben  scharfrandig,  mit 
kurzer  vorderer  und  längerer  hinterer  Fläche,  beide  eben. 

Ziemlich  dicht  punktirt,  massig  glänzend.  Körper  zerstreut  ab- 
stehend und  kurz,  aber  reichlich,  reifartig  pubescent.  Beine  und 
Fühlerschaft  nur  pubescent  und  ohne  abstehende  Haare  (höchstens 
1  oder  2  Haare  an  den  Hüften  und  Schenkeln). 

Kopf  (mit  den  Kiefern,  aber  ohne  den  Vorderrand)  und  Hinter- 
leib, theilweise  auch  der  Thorax  braun.  Der  übrige  Körper  und  die 
Glieder  röthlich-braungelb. 

V  minor.  Kopf  hinten  breit  concav,  vorn  verengt,  weniger 
lang  im  Verhältniss  als  beim  grossen  9,  aber  länger  als  bei  hicolor. 
Der  Fühlerschaft  überragt  ein  wenig  den  Hinterhauptsrand.  Sonst 
ziemlich  wie  der  grosse  5,  aber  die  Kiefer  röthlich  und  die  10 
letzten  Geisselglieder  braun. 

?.  L.  9  mm.  Kiefer  wie  beim  $,  aber  schimmernd,  dicht  und 
sehr  fein  genetzt.  Der  Kopf  bildet  ein  sehr  langes,  durchaus 
gleichmässiges  Kechteck,  der  nahezu  2  mal  so  lang  wie  breit  ist  (fast 
wie   bei   der   Ä.  angusticeps  Em.).    Der  Vorderrand  ist  gerade,   die 


Ameisen  aus  dem  Amazouas-Gebiet  imd  aus  Peru.  699 

Seitenränder  absolut  parallel  und  der  Hinterraud  in  der  Mitte  tief 
ausgebuclitet.  Die  Aug-en  sind  relativ  kleiner  als  bei  angiisficeps 
und  liegen  am  vordem  Viertel.  Der  Fühlerscliaft  reicht  bis  zur 
hintern  Ocelle.  Die  Geisselglieder  etwas  länger  als  dick ;  die  4  vor- 
letzten fast  so  dick  wie  lang.  Thorax  von  vorn  nach  hinten  gleich- 
massig  gewölbt;  abschüssige  Fläche  des  Metanotunis  nur  wenig 
kürzer  als  die  Basalfläche.  Schuppe  leicht  oder  massig  nach  vorn 
geneigt,  sehr  hoch,  dünn  keilförmig-,  oben  ziemlich  scharfrandig  wie 
beim  9,  vorn  und  liinten  mit  ebenen  Fläclien. 

Dicht  punktirt,  massig  glänzend;  Kopf  sehr  dicht  punktirt, 
schimmernd.  Al)stehende  Behaarung  wie  beim  i.  Aeusserst  fein 
und  ziemlich  reichlich,  reifartig  pubescent.  Bräunlich -schwarz; 
Fühler,  Yorderrand  des  Kopfes,  Tarsen  und  Gelenke  gelblich-roth, 
fast  rostfarbig.  Kiefei'  und  Beine  braun.  Flügel  fast  wasserhell, 
mit  blassen  Rii)pen  und  Randmal. 

Cachveira  Jurua,  Amazonas,  Mai  lüOl,  in  den  holileii  Internodien 
der  Cecropia  sciodaphylla  Mart.  (No.  5512  des  Herrn  Ule). 

Diese  schöne  Art  findet  ihren  Platz  neben  mayri,  amfusticcps, 
theresiae  und  Jongiccps. 

Axteca  lonfficeps  Emery  vcir,  juruensis  n.  var. 

$.     L.  2,2—3,4  mm. 

i  major.  Kiefer  7— Szähnig,  stämmig,  gekrümmt,  glänzend,  fein 
punktirt.  Kopf  IV2  nial  so  lang  wie  breit,  hinten  massig  seicht  aus- 
gerandet  und  wenig  breiter  als  vorn,  seitlich  recht  schwach  convex, 
Augen  etwas  hinter  dem  vordem  Drittel.  Der  Fühlerschaft  erreicht 
das  hintere  Kopfdrittel.  Drittes  bis  vorletztes  Geisseiglied  dicker  als 
lang.  Thorax  kurz  und  breit.  Pronotum  viel  breiter  als  lang. 
Promesonotum  gewölbt.  Einschniirung  massig.  Basalfläche  des 
Metaiiotums  massig  gewölbt,  nur  Avenig  länger  als  breit.  Stielchen 
ziemlich  kurz,  mit  ziemlich  geneigter,  ziemlich  niedriger,  oben  stumpf 
gerundeter  Schuppe.     Beine  ziemlich  kurz. 

Ziemlich  dicht  punktirt,  massig  glänzend,  recht  dicht  grau 
pubescent,  recht  spärlich  abstehend  behaart.  Am  Fühlerschaft 
einige,  an  den  Schienen  fast  keine  Borstenhaare. 

Braun.  Beine,  Fühlerschaft,  1.  Geisseiglied  und  Vorderrand  des 
Kopfes  röthlich-braun.  Hinterrand  der  AbdominaLsegmente  schmutzig 
gelb. 

V  minor,  Kopf  173—!%  mal  so  lang  wie  breit,  hinten  schwächer 
ausgerandet  und  vorn  mehr  verengt  als  beim  grossen  v-    Der  Fühler- 


700  Aug.  Forel. 

Schaft  erreicht  fast  das  hintere  Viertel  des  Kopfes.  Sonst  genau 
•wie  der  grosse  v- 

$.  L.  5 — 5,2  mm.  Kleiner  als  die  tjqiische  longiceps,  stärker 
pubescent.  Kopf  im  Verhältniss  etwas  schmäler  und  länger,  1,4  mm 
und  0,76  mm  breit  (bei  lowjic.eps  1,5  mm  lang  und  0,9  mm  breit), 
mit  durchaus  parallelen  Seitenrändern  (sehr  leicht  convex  bei  longi- 
ceps). Farbe  wie  beim  Typus  der  Art.  Abstehende  Behaarung  aber 
spärlicher  als  beim  ^^.  Schuppe  nicht  zugespitzt,  aber  oben  fast 
scharf,  kaum  etwas  gerundet.     Flügel  bräunlich. 

S.  L.  2,9  mm.  Kopf  etwas  länger  als  breit,  gerundet  vier- 
eckig. Schaft  kaum  länger  als  das  erste  kuglige  Geisseiglied. 
Braun.  Fühler,  Kiefer  und  Beine  schmutzig  blassgelb.  Sonst  wie 
das  $,  so  weit  das  einzige,  schlecht  conservirte,  halb  unreife  Exemplar 
zu  beurtheilen  gestattet. 

Jurua  Miry.  Jurua,  Amazonas.  August  1901,  in  durchbohrten 
Aesten  und  Zweigen  einer  Leguminose  (Swartzia). 

Da  nur  das  $  von  A,  longiceps  beschrieben  ist,  ist  ihr  Verhält- 
niss zur  vorliegenden  Form  nicht  völlig  klar.  Doch  handelt  es  sich 
mindestens  um  eine  Varietät.  Aus  Mexico  besitze  ich  ein  $  von 
longiceps,  das  ich  für  ziemlich  typisch  halte. 

Ar^teca  coiissajjocte  n.  .si>. 

$.  L.  2,6 — 3  mm.  Wie  es  scheint  nahezu  monomorph.  Kopf 
1^2  nial  so  lang  wie  breit,  nahezu  genau  wie  bei  longiceps  v.  juruensis 
$  major,  aber  hinten  kaum  breiter  als  vorn  und  kaum  ausgerandet, 
mit  etwas  convexern  Seiten.  Der  Schaft  erreicht  nicht  das  hintere 
Kopfdrittel,  höchstens  das  dritte  Fünftel.  Kiefer  weniger  gekrümmt, 
mit  schieferm  Endrand.  2.  Geisseiglied  dicker  als  lang,  3. — 10.  Glied 
2  mal  so  dick  wie  lang ;  Fühler  gegen  das  Ende  verdickt.  Pronotum 
vorn  ansteigend;  dann  ist  der  Thoraxrücken  bis  zur  abschüssigen 
Metanotumfläche  gleich  hoch  und  schwach  convex,  fast  geradlinig, 
nur  sehr  schwach  zwischen  Mesonotum  und  Metanotum  ansgerandet. 
Namentlich  steht  die  Basalfläche  des  Metanotum  auf  gleicher  Höhe 
wie  das  Mesonotum.  Abschüssige  Fläche  so  lang  wie  die  Basal- 
fläche, ziemlich  steil.  Schuppe  nicht  hoch,  nach  vorn  geneigt,  keil- 
förmig, aber  mit  stumpfem  obern  Rande.  Beine  kurz;  die  Schenkel, 
besonders  die  vordem,  etwas  verdickt,  die  vordem  besonders  ver- 
breitert (etwas  abgeflacht). 

Sculptur  der  longiceps  v.  juruensis :,  Pubescenz  fast  ebenso  stark. 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  701 

Abstehende  Behaarung:  reichlicher  am  Körper.  Schienen  und  Fühler- 
schaft mit  einzelnen  Borstenliaaren. 

Braun.  Fühler,  Kiefer,  vorderes  Viertel  des  Kopfes,  Tarsen  und 
Gelenke  mehr  gelbröthlich  oder  roströthlich.  Hinterrand  der  Ab- 
dominalsegmente schmutzig  gelb. 

A^on  allen  andern  ^Ufeca-Arten  durch  die  Thoraxform  unter- 
schieden, ist  übrigens  diese  Art  mit  schumanni,  brevicornis,  crassicornis 
und  longkcps  verwandt. 

Jurua  Miry,  Jurua,  Amazonas;  in  den  Zweigen  und  Aesten  der 
Coussapoa,  No.  5717  des  Herrn  Ule. 

A^^teca  taclih/aliae  n.  sp. 

9.  L.  2,4— 3,3  mm.  Kleiner  9  mit  fast  ebenso  geformtem  Kopf 
wie  der  grosse.  Kiefer  kurz,  schwach  gekrümmt,  kurz  gezähnt, 
fast  so  dick  an  der  Basis  wie  am  Ende,  glatt,  schwach  punktirt. 
Kopf  trapezförmig,  hinten  sehr  breit,  vorn  stark  verengt,  fast  so 
breit  hinten  wie  lang,  mit  schwach  concaven  Seiten,  hinten  in  der 
Mitte  massig  ausgebuchtet  (beim  kleinen  ^  ist  der  Kopf  hinten 
wenig  concav  und  vorn  stärker  verengt).  Der  Fühlerschaft  erreicht 
nicht  ganz  das  hintere  Sechstel  des  Kopfes.  3. — 10.  Geisseiglied 
viel  dicker,  ca.  IV2  mal  so  dick  wie  lang;  Geissei  gegen  das  Ende 
deutlich  verdickt.  Augen  etwas  vor  der  Mitte.  Der  ganze  Kopf 
deutlich  depress,  mit  sehr  schwach  convexer  Oberseite,  auch  beim 
kleinen  v.  Der  ganze  Thorax  sehr  breit  und  kurz,  sowohl  dorsal 
als  lateral  eingeschnürt.  Pronotum  3  mal  so  breit  wie  lang  (beim 
^  minor  2^3  mal).  Mesonotum  breiter  als  lang,  massig  convex. 
Basalfläche  des  Metanotums  breiter  als  lang;  abschüssige  Fläche 
etwas  kürzer  als  sie.  Schuppe  dick,  niedrig,  ziemlich  stark  nach 
vorn  geneigt,  oben  ganz  stumpf  gerundet  und  fast  so  dick  wie  unten. 
Beine  kurz;  Schenkel  etwas,  aber  nicht  stark  verdickt. 

Stark  glänzend,  glatt,  sehr  fein  und  weitläufig  punktirt,  massig 
pubescent  und  ziemlich  reichlich  kurz  abstehend  behaart,  auch  an 
den  Schienen  und  am  Fühlerschaft. 

Schwarz.  Kiefer,  Vorderecken  des  Kopfes,  Basis  des  Schaftes 
und  des  1.  Geisseigliedes  röthlich.  Tarsen  braungel  blich,  sowie  die 
untere  Hälfte  der  abschüssigen  Fläche  des  Metanotums.  Beim  kleinen 
9  sind  die  Kiefer  bräunlich. 

Cerro  de  Escaler,  Peru,  im  angeschwollenen  Blattstiel  von  Tachi- 
galia  ind.  (auf  dem  Gebirge,  ca.  1000  m  hoch),  von  Herrn  Ule  ge- 
sammelt. 


702  Aug.  FoßEL, 

Sehr  eigenthümliche,  abweichende  Art;  Stückchen  eines  Carton- 
baues  in  der  a-ou  ihr  bewohnten  Anschwellung-.^) 


1)  At^teca  eniinae  n,  sp. 

5.     L.   2,3- — ^3,2  mm.     Kiefer  schwach  gebogen,   ziemlich  glatt. 

$  major.  Kopf  fast  quadratisch,  vorn  etwas  verengt,  hinten  massig 
concav,  kaum  länger  als  hinten  breit,  mit  schwach  convexen  Kändern. 
Clypeus  vorn  nicht  eingedrückt,  mit  dem  Vorderrand  in  der  Mitte  deutlich 
convex.  Augen  etwas  vor  der  llitte.  Der  Fühlerschaft  erreicht  gerade 
den  Hinterhauptsrand.  Alle  mittlem  Geisselglieder  etwas  dicker  als  lang. 
Thorax  stämmig,  kurz ;  Promesonotum  massig  gewölbt ;  Metanotum  tiefer 
liegend  und  kaum  gewölbt.  Die  Mesometanotalfurche  nicht  eingedrückt. 
Pronotum  doppelt  so  breit  wie  lang.  Basalfläche  des  Metanotums  hinten  so 
breit  wie  lang,  vorn  deutlich  verengt.  Schuppe  ziemlich  niedrig,  stark 
geneigt,  halb  keilförmig,  halb  gerundet,  vorn  und  hinten  schwach  convex, 
oben  stumpf  gerandet.  Beine  etwas  (leicht)  deprimirt,  länger  als  bei 
tachigaliae. 

Dicht  punktirt  und  schwach  glänzend.  Stark,  ziemlich  lang  und  nicht 
besonders  fein  anliegend  pubescent,  so  dass  die  Sculptur  theilweise  ver- 
deckt wird,  reichlich  (auch  an  den  Schienen  und  am  Fühlerschaft)  ab- 
stehend behaart.     Ganz  braun  mit  schwarzbraunem  Hinterleib. 

V  minor.  Kopf  um  ^/^  länger  als  breit,  hinten  sehr  schwach  concav. 
Der  Fühlerschaft  überragt  den  Kopfhinterrand  um  etwa  ^/g  seiner  Länge. 
Promesonotum  weniger  gewölbt ;  Pronotum  im  Verhältniss  schmäler.  Körper 
etwas  glänzender.     Sonst  wie  der  grosse   i^. 

$.  L.  7,5 — 8  mm.  Kopf  fast  so  breit  wie  lang,  mit  ziemlich  stark 
convexen  Seiten,  in  der  Mitte  am  breitesten,  hinten  breit  und  schwach 
concav,  vorn  wenig  enger  als  hinten.  Der  Fühlerschaft  überragt  kaum 
die  hintern  Ocellen.  Vorderrand  des  Clypeus  gerade.  Schuppe  keilförmig, 
nicht  hoch,  stark  geneigt,  mit  leicht  concaver  hinterer  Fläche.  Kopf  fast 
matt,  sehr  scharf  und  dicht  punktirt.  Körper  sehr  reichlich  und  lang 
braun  abstehend  behaart.  Braunschwarz  ;  Beine  und  Kiefer  braun  ;  Vorder- 
rand des  Kopfes  und  der  Kiefer  röthlich.  Flügel  braun  tiugirt  und 
irisirend,  mit  braunen  Eippen  und  Randmal.      Sonst  wie  der  grosse   J^. 

(J.  L.  4 — 4,2  mm.  Die  Kiefer  bilden  ein  ungezähntes,  spitzes  Drei- 
eck und  erreichen  einander  knapp  in  der  Mitte.  Kopf  fast  rund,  etwas 
breiter  als  lang.  Fühlerschaft  ganz  klein,  breiter  als  lang;  ebenso  das 
1.  Geisseiglied.  Die  übrigen  Geisseiglieder  mit  einer  dichten  wolligen 
Pubescenz  bedeckt ;  das  2.  am  längsten  und  breitesten,  gegen  die  Spitze 
zu  schmäler.  Thorax  ziemlich  breit.  Schuppe  fast  aufrecht,  oben  stumpf 
gerandet.  Der  Körper  noch  dichter  und  länger  abstehend  behaart  als 
beim  $,  Haare  dunkel  braun,  fast  schwärzlich,  an  den  Schienen  jedoch 
etwas  kürzer,  spärlicher.  Flügel  nur  schwach  gelblich  angehaucht.  Sonst 
wie  das  $,  aber  ganz  schwarz  mit  braunen  Beinen  und  Fühlern. 

Chaüas  Gudas,  Costa  Rica,  von  Herrn  Pittier  erhalten  (meine 
Sammlung). 

Sehr  eigenthümliche  Art,   mit  piUieri  verwandt,  aber  grösser. 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  703 

Die  A^eca-Arten  zeigen  g-aiiz  widersprechende  Verhältnisse 
zwischen  den  Geschlechtern  der  gleichen  Art,  Bald  ist  der  Kopf 
beim  $  länger,  bald  umgekehrt ;  ebenso  wechseln  die  Verhältnisse 
zwischen  den  grossen  und  kleinen  Arbeitern.  Darauf  hat  zuerst 
Emery  in  seiner  vorzüglichen  ^fonographie  der  Gattung  Azteca  hin- 
gewiesen. Nach  meiner  Ansicht  hängt  dies  mit  der  Lebensweise 
zusammen.  Wie  die  £'«Yow- Arten  die  Räuber  des  Urwaldbodens  und 
die  Atta-kvi&ü.  die  Laubzerstörer  des  neotropischen  Urwaldes  sind, 
so  sind  die  Azteca  mit  den  Psexdomyrma  so  recht  die  Beherrscher 
der  Bäume.  Ich  kenne  keine  einzige  in  der  Erde  wohnende  jisteca 
(und  nur  eine  Psemlomijnna,  die  1\  elegans  Sm.).  Aber  wie  mannig- 
faltig gestaltet  sich  dafür  das  Baumleben  dieser  kleinen  Affen  unter 
den  Ameisen,  die  da  überall  klettern  und  schlüpfen.  Die  einen 
bauen  Cartonnester  auf  den  Stämmen  und  Zweigen;  die  andern 
nisten  in  grossen  Baumhöhlen.  Andere  {hypophijUd)  nisten  unter  den 
dem  Baumstamm  sich  anlegenden  Blättern  gewissi^-  Schlingpflanzen, 
deren  Ränder  sie  mit  Carton  verschliessen.  Weitere  wiederum  be- 
nutzen die  Höhlen  todter  Aestchen,  während  noch  weitere  den 
natürlichen  Markraum  lebender  Cecropia- Arten  und  fernere  sonstige 
Anschwellungen  und  Räumlichkeiten  diverser  Pflanzen  bewohnen. 
Endlich  hat  Herr  Ule  die  besonders  von  Azteca-kvi^w  gesäten,  be- 
stimmten Epiphyteu-Arten  dienenden  Ameisengärten  entdeckt  und 
beschrieben.  Nun  deutet  nach  meiner  Ansicht  der  sehr  lange,  schmale 
Kopf  des  '^  und  des  grossen  v  vieler  Astcca-Ävt^n  wie  auch  vieler 
Fsemlomijrma-VoYiwtw  (s.  oben)  auf  sehr  schmale  röhrenförmige 
Wohnungen  in  Aestchen  und  Zweigchen.  Der  kleine  v  ist  so  wie  so 
schmal  genug  und  braucht  diese  für  starke  Muskeln  dienende  Ver- 
längerung des  Kopfes  nicht.  Deshalb  ist  dann  auch  der  Kopf  beim 
Weibchen  am  längsten,  weil  das  $  am  grössten  ist.  Das  fast  hirn- 
und  kieferlose  Männchen  braucht  solches  nicht.  Ein  flacher,  depri- 
mirter  Kopf  und  breite  Schenkel  deuten  auf  eine  sehr  abgeflachte 
"Wohnung  {hypopltijlla)  etc.  Freilich  giebt  es  andere  Formverschieden- 
heiten {trigona  und  aurifa,  beide  Cartonnester  bauende  Arten),  die 
sich  so  nicht  erklären. 

Der  Artenreichthum  der  Gattung  Asteca  scheint  sehr  gross  zu 
sein.  Alle  haben  an  den  Flügeln  nur  eine  Cubitalzelle.  Früher 
hatte  man  sonderbarer  Weise  diese  kleinen  Baumbewohner  fast  ganz 
übersehen. 

Eine  kleine  Probe  des  Ameisenbaumaterials  eines  Ameisen- 
gartens einer  AMeca  zwischen  den  Wurzeln  der  P^piphyten,   die   ich 


704  -^^'^-    FOREL. 

der  Güte  des  Herrn  Ule  verdanke,  sieht  einem  sehr  lockern  und 
bröckligen  Anieisencarton  äusserst  ähnlich.  In  der  That  bestehen 
alle  Uebergänge  zwischen  den  lockreren  Formen  des  Cartons  und 
den  einfach  durch  Adhärenz  zusammenhaltenden  Erd-  oder  Humus- 
partikelchen, die  die  Erdbauten  so  vieler  Ameisen  zusammensetzen. 
Es  kommt  schliesslich  nur  darauf  an.  ob  die  Ameisen  etwas  mehr 
oder  weniger  oder  gar  keinen  Drüsenkitt  dazu  verwenden. 

Iir.    Camponotinae, 

Mifvmelachista  iiif/eUa  Roger  ^. 

Bocca  do  Tejo,  Jurua,  Amazonas,  in  Anschwellungen  der  Zweige 
von  Duroia  hirsuta  H.  Sch.  Ich  glaube  in  der  Bestimmung  nicht 
zu  irren. 

JlijrnielacJiista  ulei  n.  si). 

i.  L.  2,8 — 3,2  mm.  Kiefer  schimmernd,  dicht  gestreift,  vorn 
mit  4  starken,  hinten  mit  noch  2  rudimentären  Zähnen.  Kopf  gut 
so  breit  wie  lang  mit  stark  convexen  Seiten,  vorn  etwas  enger. 
Augen  etwas  vor  der  Mitte.  Der  Fühlerschaft  erreicht  knapp  das 
hintere  Sechstel  des  Kopfes.  Fühler  lOgliedrig;  Glieder  3—6  der 
Geissei  dicker  als  lang.  Promesonotum  stark  gewölbt.  Thorax- 
einschnürung eng,  aber  tief,  mit  vorspringenden  Stigmen.  Basal- 
tläche  des  Metanotums  etwas  breiter  als  lang,  nach  hinten  aufsteigend, 
eher  kürzer  als  die  (ganze)  abschüssige  und  durch  eine  fast  winklige 
Curve  von  ihr  getrennt.  Schuppe  dick,  oben  stumpfrandig,  nach 
unten  noch  verdickt,  doch  etwas  dünner  als  bei  rudolphi  und 
weniger  hoch. 

Kopf  glatt  und  glänzend.  Thorax  schimmernd,  dicht  gestreift. 
Schuppe  genetzt.  Hinterleib  glänzend,  seicht,  aber  sehr  deutlich 
lederartig  gerunzelt.  Kurz,  spitz  und  gelblich,  massig  reichlich  ab- 
stehend behaart.  An  dem  Fühlerschaft  und  den  Schienen  stehen 
die  Haare  schief. 

Schwarz.  Fühler  und  Kiefer  bräunlich.  Tarsen  und  Gelenke 
gelblich. 

Cerro  de  Escaler,  1200  m  hoch,  Peru,  in  den  Anschwellungen 
der  Blüthenrispe  der  Melastomacee  Xo.  6741  des  Herrn  Ule  i) 
(Pterocladon  sprucei  Hook). 


1)  JlijrnieJachistci  chilensis  u.  sp. 

\.     L.  2,5  mm.      Nahe  sclniuiciniii  Em.      Kopf  fast  quadratisch,  etwas 
länger    als    breit,    vorn    etwas    verengt,    mit  fast  geraden  Rändern,    hinten 


Ameisen  aus  dem  Amazouas-Gebiet  imd  aus  Peru.  705 

TreiioJepis  f'iüva  Mayr. 

Sao  Joariuim,  Rio  Xegro,  Amazonas,  zwischen  den  Blattsclieiden 
von  Tillandsia  paraensis  Mez.  2  andere  Stücke  waren  als  Bente  im 
Nest  (in  der  bezügl.  Anscliwelhmg-  des  Blattstieles  einer  Enbiacee) 
von  AUomcrus  odoariiculatus  r.  septemarticulatus  als  Bente  von  der 
kleinen  Ameise  geschleppt,  die  an  ihren  Beinen  hingen. 

Diese  in  Brasilien  wimmelnde  Art  nistet  in  allen  möglichen 
fanlen  Stämmen,  nnter  Blättern,  Blattscheiden.  Einde  etc.  Ihr  Ver- 
hältniss  znr  Tillandsia  ist  rein  znfällig. 

Cainponotus  femorcitus  Fab. 
c  und  $.   Zwischen  den  Epiplwten  Streptocalyx  und  Codonanthe, 
in  :\Ianaos  (Amazonas),  im  März  1903.  grosse  Ameisengärten  bildend, 
von  Herrn  Ule  gefunden.    Die  Einheimischen  nennen  jene  Ameiseu- 
gärten  Tracuä. 

sehr  schwach  concav,  etwas  abgeflacht.  Augeu  m  der  Mitte.  Der  Schaft 
erreicht  nicht  das  hintere  Kopfviertel.  Pronotum  gross,  breit,  ziemlich 
laug,  nicässig  gewölbt.  Mesonotums  gewölbt.  Basalfläcbe  des  Metanotum 
horizontal,  tiefer  liegend,  so  breit  wie  lang,  fast  flach,  länger  als  die  steile, 
fast  senkrechte  abschüssige  Fläche.  Schuppe  ziemlich  dünn,  sehr  breit, 
oben  seicbt  ausgerandet,  ähnlich  wie  bei  schinwDtni,  aber  viel  breiter. 
Geisseiglieder  3 — 6  eher  breiter  als  laug. 

Glänzend,  fast  ganz  glatt.  Abdomen  seicht  genetzt.  Fein  und  nicht 
reicblich  abstehend  behaart,  auch  an  den  Scbienen  und  an  dem  Fübler- 
schaft.  Fast  keine  Pubescenz.  Ziemlich  hell  braun  ;  Beine  heller ;  Abdomen 
dunkel  braun.     Fühler  lOgliedrig. 

Valparaiso,   Chili  (HoFFMANX).     In  meiner  Sammlung. 

Myinnelachista  reetinota  n.  sp. 

Fühler  lOgliedrig.  Körperlänge  und  Kopfform  wie  bei  der  letzt ern, 
aber  der  Kopf  weniger  flach.  Augen  etwas  hinter  der  Mitte.  Der  Fühler- 
schaft erreicht  das  hintere  Viertel.  Thorax  ähnlich  wie  bei  Iio/fmunni, 
aber  kürzer,  mit  fast  geradlinigem  Rücken,  ganz  ohne  Einschnürung. 
Mittelsegment  sehr  gross,  nicht  viel  kürzer  als  die  Basalfläche  des  Meta- 
notums.  Letztere  breiter  als  lang,  gerundet  in  die  abschüssige  Fläche 
übergehend  und  nicht  winklig  wie  bei  der  hoffnianni.  Schuppe  ähnhch 
wie   bei  rh/leusis-,  aber  schmäler,  oben  kaum  ausgerandet. 

Der  ganze  Körper  seicht,  aber  scharf  genetzt,  weniger  glänzend  als 
bei  rhiloisis,  mit  ziemlich  zerstreiiter,  aber  sehr  deutlicher  Pubescenz,  fast 
ohne  abstehende  Haare.  Fühlerschaft  und  Schienen  nur  anliegend  behaart. 
Schwarzbraun.  Fühler,  Tarsen,  Gelenke  der  Beine,  Kiefer  und  Vordertheil 
des  Kopfes  röthlich. 

Valparaiso,  Chili  (Hoffmann),  in  meiner  Sammlung. 


706  -^UG.    FOBEL, 

Das  $  hat  einen  etwas  weniger  breiten  Kopf  als  der  von  E^iery 
erhaltene  Tj^pus.  Sonst  gleich,  und  auch  gleich  den  Exemplaren 
des  5,  die  ich  aus  Parä  von  Prof.  Göldi  erhielt. 

Der  einigermaassen  an  femoraius  erinnernde  C.  rttfipes  F.  bildet 
nach  V.  Iheeing  auch  grosse,  oft  hängende  Baumuester  auf  den 
Aesten  im  Ueberschwemmungsgebiet,  aber  diese  sind  einfache  Carton- 
nester. 

Camimnotus  ulei  n.  sp, 

\.  L.  7,5 — 10  mm.  Schmaler  und  länger  als  C.  haUani  Emery, 
von  welchem  er  sich  folgendermaassen  unterscheidet: 

9  major.  Kopf  rechteckig,  gut  Vs  länger  als  breit,  kaum  oder 
nicht  breiter  hinten  als  vorn,  im  übrigen  hinten  wie  bei  hdlzani  aus- 
gerandet.  Oberkiefer  kurz,  dick,  gebogen,  7zähnig.  Clypeus  scharf 
gekielt,  sehr  kurz  gelappt ;  dessen  Mitteltheil  kaum  breiter  vorn  als 
hinten.  Der  Vorderrand  des  Lappens  ist  leicht  und  breit  in  der 
Mitte  ausgerandet.  Stirnleisten  Sförmig,  aber  sehr  wenig  divergent, 
am  hintern  Ende  kaum  von  einander  entfernter  als  vorn.  Der 
Schaft  überragt  das  Hinterhaupt  um  gut  ^/^  seiner  Länge.  Die  sehr 
grossen  Augen  nehmen  das  3.  Viertel  der  Kopfseiten  ein.  Schuppe 
oben  etwas  dicker  und  Schienen  um  etwas  mehr  abgeflacht  (weniger 
cylindrisch)  als  bei  halzani.  Farbe  viel  schmutziger  und  blasser 
gelb  als  bei  jener  Art.  Scheitel,  Vordertheil  und  Seiten  des  Kopfes, 
Fülllerschaft  und  Tarsen  bräunlich;  Schienen  und  Oberkiefer  bräunlich 
roth.  AVie  bei  hdlmni  sieht  man  auf  dem  blassgelben  Hinterleibe 
schwachgebräunte,  undeutliche  Querbinden.  Thorax  bräunlich-gelb. 
Im  Uebrigen  wie  halsani,  besonders  die  Sculptur  und  die  Behaarung. 
Doch  sind  die  grossen,  haartragenden  Punkte  deutlicher  und  ist  die 
Behaarung  dichter  und  mehr  braun  gefärbt. 

V  minor.  Kopf  rechteckiger  als  bei  halmni,  etwas  breiter  vorn 
als  hinten,  mit  fast  parallelen,  kaum  convexen  Seiten  und  mit  sehr 
deutlichem  Hinterrand,  indem  die  Kopfseiten  hinter  den  Augen  kaum 
convexer  sind  als  vor  denselben.  Der  Kopf  bildet  durchaus  keine 
Hinterhauptsverengerung.  Der  Fühlerschaft  überragt  das  Hinterhaupt 
um  ein  gutes  Drittel  seiner  Länge.  Mitte  des  Clypeus  vorne  breiter 
als  beim  grossen  ^,  sonst  mit  dem  letztern  identisch. 

?.  L.  10,5 — 11  mm.  Thoraxrücken  braun.  Deutlich  gezeichnete, 
breite,  braune  Querbinden  auf  den  Hinterleibssegmenten.  Flügel 
gelblich    tingirt,    mit    gelben    Rippen    und    gelbbraunem   Randmal. 


Ameisen  aus  dem  Amazonas-Gebiet  und  aus  Peru.  707 

Körper  lang  und  schmal.  Uebrigens  dem  grossen  i  gleich,  mit  ebenso 
rechteckigem  Kopfe. 

Cerro  de  Escaler.  1300  m,  :\Iärz  1903,  in  den  hohlen  Inter- 
nodien  der  Aeste  der  ("ecropia  No.  6845  des  Herrn  Ule;  Peru. 

Trotz  der  Formunterschiede  des  Kopfes,  der  an  denjenigen  der 
C.  improprius  Forel,  orthoccphalus  Emery  etc.  erinnert,  ist  diese  Art 
dem  C.  haJzani  Emery  ungemein  nahe  verwandt. 

Herr  Ule  hat  noch  die  Binoponera  grandis  Guerin,  die  Solenopsis 
geminaia  F.  und  das  Tapinoma  melmwcephahim  F.  (letztere  die  Samm- 
lungen angreifende  kosmopolitische  Art)  gesammelt.  Diese  Arten 
haben  jedoch  keine  Beziehungen  zu  Pflanzen. 


Lippert  iSi  Co.  (G.  Pätz'sche  Buclidr.),  NaumbuiK  a.  S. 


Z,H)h(/../filiiliiul„r  Bd.'Jü.  Ahlli./:Sii.sl 


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Verlaq  von  Gustav  Fisdierin  Jena. 


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LithügrüjjhievE.Sdiaal  Jena. 


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Verlag  V  Gustav Fischer.Jena. 


Zoolog.  tJahf'biicJter  Bd.  '?OAbt}i.f.Syst. 


Taf.  8. 


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Verlag  v  Gustav  Fischer.  ,"i-na 


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Taf:   .9. 


Zooloff.  Jahrbücher  Bd.WAhth.f.  Syst. 


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Tuf.   11. 


Verlag  v.  Gusi.w  Fischer.  JpTii 


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Zoolog.  JaJu-büdier  Bd.  WAbtlcpSyst. 


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Zoolog.  Jahi'üuiJi^rßd.  :^OAbtA  f'SysL 


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Znolog.  Jahrb.     Bd.  20.     Abth.  f.  Sijst. 


Taf.  18. 


Verlau  von  Gustav  Fischer  in  Jeiui. 

Crnvoiidnuk  von  J.  1$.  übenieUer,  München. 


Zoolog.  Mirbächer.Bd.20.AbOi.r.SysL_ 

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Zoolog.  JahrbiirlierM.20.  Ahthl  Syst . 


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