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Full text of "Zoologische Jahrbücher"

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ZOOLOGISCHE  JAHRBÜCHER. 


ABTEIIAING 

FÜK 

SYSTEMATIK,  GEOGRAPHIE  UND  BIOLOGIE 

DER    TIERE. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

PROF.  DR-  J.  W.  SPENGEL 

IN   GIESSEN. 


SIEBENÜNDZWANZIGSTER  BAND. 

MIT  30  TAFELN  UND  58  ABBILDUNGEN  IM  TEXT. 


JENA, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 

1909. 


Alle  Rechte,  namentlich  das  der  Übersetzung,  vorbehalten. 


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Inhalt. 


Erstes  Heft. 

(Aiiso-egeben  am  5.  Oktober  1908.) 

Seite 
STRpnEF,  R.,   Über  die  Muskulatur  der  Salpeii   uud  ihre  systematische 

Bedeutung.     Mit  Tafel   1 — 4   und    1 1    Abbildungen  im  Text      .  1 

"Wernee,  Feanz,   Zur  Kenntnis   der  Orthopteren-Fauna  von  Tripolis 

und  Barka.      Mit  Tafel   5—6 83 

Berichtigung  zu  TsuzuKi,  Über  die  Anopheles- Arten  in  Japan  .      .      144 

Zweites  Heft. 

(Ausgegeben  am  7.  Jaiuiar  1909.) 

Enderlein,  Günther,  Oniscomyia  dorni.     Mit  Tafel  7  und   1  Ab- 
bildung im  Text 145 

Vosselee,  J.,  Die  Gattung  Myrmecophana  BrüNNER.     Mit  Tafel  8 

und   13  Abbilduneen  im  Text 157 

KOHN,    F.   G. ,    Über    eine  Besonderheit    der  Pferdezeichnung.      Mit 

17   Abbildungen  im  Text 210 

Drittes  Heft. 

(Ausgegeben  am  25.  Februar  1309.) 

GuDERNATSCn,   J.   F.,    Manatus  latirostris  Harl.     l\rit  Tafel   9  und 

3  Abbildungen   im  Text 225 

Klaptocz,    Bruno,    Beitrag  zur  Kenntnis  der  Säuger  von  Tripolis 

und   Barka.      Wit  2  Abbildungen  im   Text 237 

Rebel,   H.,  Lepidopteren  aus  Tripolis  und  Barka.      Mit  1  Abbildung 

im  Text .273 

StüRANY,  R.,   Mollusken  aus  Tripolis   und  Barka.     IMit  Tafel  10—11      291 

Hesse,    P.,    Die  systematische  Stellung  von  Helix  leachii  Fee.  und 

gyrostoma  Fek 313 


IV  Inhalt. 

Seite 

Viertes  Heft. 

(Ausgegeben  am  18.  Mai  1909.) 

Japha,  Arnold,  Die  Trutzstellung  des  Abendpfauenauges  (Sraerinthus 

ocellata  L.).     Mit  Tafel   12 321 

LÜDERWALDT,  H.,  Beitrag  zur  Ornithologie  des  Campo  Itatiaya      .     329 

KOSMINSKY,  Petp:r,  Einwirkung  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetter- 
linge.    Mit  Tafel   13—17 361 

Attems,   Carl  Graf,    Äthiopische  Myriopoden.     Mit  Tafel   18  und 

3   Abbildungen   im  Text 391 

Fünftes  Heft. 

(Ausgegeben  am  24.  Mai  1909.) 

DOLLO,  Louis,  Les  Poissons  Voiliers.     Avec  2  figures  dans  le  texte.     419 

V.   SCHULTIIESS    HecHBERG,    A.,    Hymenopteren    aus    Tripolis    und 

Barka  (exkl.  Formicidae) 439 

Hartlaub,  Gl.,  Über  einige  von  Cii.  Gravier  in  Djibuti  ge- 
sammelte Medusen.     Mit  Tafel    19—23 446 

Karny,  H.,   Ost-afrikanische  Orthopteren 477 

ZuGMAYER,    Erich,    Beiträge  zur  Herpetologie  von  Zentral- Asien.     481 

Sechstes  Heft. 

(Ausgegeben  am  8.  Juli  1909.) 

Martynow,  Andreas,  Die  Trichopteren  des  Kaukasus.    Mit  Tafel  24 

bis  27  und   1   Abbildung  im  Text 509 

Annandale,  N.,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  Fauna  von  Süd-Afrika. 

With   3  figs.  in  text 559 

"Werner,  F.,  Bruno  Klaptocz.     Nachruf 569 

KlaptoCZ  -|-,  Bruno,  Physiographische  und  faunistische  Züge  ein- 
zelner Teile  von  Tripolis  und  Barka.      Mit  Tafel  28—29     .      .      571 

"Werner,    Franz,    Reptilien,    Batrachier    und    Fische    von    Tripolis 

und  Barka.     Mit  Tafel  30 595 

Kammerer  ,  Paul  ,  Coluber  longissimus  im  Böhmerwald,  Zamenis 
gemonensis  im  Böhmerwald,  Wienerwiild,  den  kleinen  Karpathen, 
Süd-Steiermark  und  Kärnten.      Mit   1   Abbildung  im  Text    .      .      647 


Nachdruck  verboten. 
übersetznngsrccht  vorbehalten. 


Über  die  Muskulatur  der  Salpen  und  ihre 
systematische  Bedeutung. 

Von 
Dl.  R.  Streiff, 

Assistent  am  Zoologischen  Institut  in  Gießen. 

(Aus  dem  Zoologischen  Institut  der  Universität  Gießen.) 

Mit  Tafel  1-4  nnd  11  Abbildangen  im  Text. 


Einleitung  nnd  Historisches. 

Die  vorliegende  Arbeit  verdankt  ihre  Entstehung  einem  Aufent- 
halt auf  der  Zoologischen  Station  in  Yillefranche-sur-mer  von  Ende 
März  bis  Anfang  Juli  1906.  In  den  Weihnachtsferieu  1906/07  stellte 
mir  die  Stationsleitung  in  entgegenkommender  A^'eise  wieder  einen 
Arbeitsplatz  zur  Verfügung,  wodurch  mir  die  Möglichkeit  wurde, 
früher  gewonnene  Kesultate  nochmals  zu  prüfen.  Ich  spreche  der 
Stationsleitung,  besonders  Herrn  Dr.  v.  Davidoff,  meinen  verbind- 
lichsten Dank  aus. 

Bei  der  Diagnose  der  einzelnen  Salpen-Arten  spielt  die  Mus- 
kulatur die  dominierende  Rolle.  Apstein  \)  hat  in  seiner  neuesten 
Salpenarbeit  eine  Bestimmungstabelle  der  bekannten  Arten  gegeben; 
abgesehen  von  den  Cyclosalpen.  wo  auch  andere  Organe  in  Betracht 
kommen,  sind  es  nur  die  Muskeln,  welche  zur  Feststellung  der  Art 
benutzt  werden.  Es  handelt  sich  dabei  lediglich  um  die  Körper- 
muskulatur im  engern  Sinne,  deren  Elemente  im  Gegensatz  zur  Mus- 
kulatur der  beiden  Körperöffnungen  immer  deutlich  zu  unterscheiden 
sind.    Jedoch  ist  der  Begrift"  der  Körpermuskeln  sowohl  bei  Apstein 


1)  Apstein,  Die  Salpen,  iu :  Deutsche  Südpolarexpedition  1901 — 1903, 
Vol.   9,  Zool.,  Vol.   1,  Heft   3,   1906. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  1 


2  Pi.  Streiff, 

als  auch  bei  den  andern  Autoren,  die  darüber  gearbeitet  haben,  ganz 
willkürlicli,  seine  Abgrenzung  gegen  die  Begriffe  der  Mund-  und  Cloaken- 
muskulatur  nur  rein  oberfläclilich.  nicht  nacli  einer  für  alle  Salpen 
geltenden  Kegel  konstruiert.  So  ist  es  möglich,  daß  Apstein  und 
die  andern  Autoren  bei  einigen  Salpen  ]\ruskeln  zur  Körpermuskulatur 
zählen.  Avelche  sie  bei  andern  nicht  berücksichtigen,  wie  sich  das 
aus  der  spätem  Darstellung  ergeben  wird.  Der  Versuch  einer  Homo- 
logisierung  der  3  ]\luskelgruppen  bei  den  verschiedenen  Salpen  ist 
nicht  gemacht  worden,  was  zum  Teil  damit  zusammenhängt,  daß  die 
Muskulatur  der  beiden  Körperöffnungen  eine  sehr  kümmerliche,  vor 
allen  Dingen  nicht  analytische  Bearbeitung  erfahren  hat.  Die  Ab- 
bildungen zeigen  gewöhnlich  nur  das,  was  man  von  außen  sieht,  ohne 
auch  darin  vollständig  zu  sein;  auch  Lahille '),  der  eine  genauere 
Abbildung  der  Mundmuskulatur  von  Salpa  confoedemta  gibt,  läßt  die 
morphologisch  gesonderten  Elemente  nicht  hervortreten.  Meines 
Wissens  ist  Letjckaet  '-),  welcher  keine  speziellen  Abbildungen  gibt, 
der  einzige,  der  darauf  hinweist,  daß  wir  es  an  beiden  Öffnungen 
mit  zwei  Systemen  von  Sphincteren  zu  tun  haben,  einem  äußei-n  und 
einem  Innern.  Diese  Anschauung  entspricht  durchaus  den  Tatsachen. 
Alle  andern  Autoren  (Vogt  ^j,  Apsteix  u.  A.)  beschreiben  die  Mus- 
kulatur der  Leibesöttnungen  als  eine,  vielfach  gespaltene  und  ver- 
zweigte Muskelmasse,  es  sei  denn,  daß  die  Muskulatur  der  Mund- 
öftnung  in  besonderer  AVeise  ausgebildet  (bzw.  rückgebildet)  ist,  wie 
bei  S.  zonaria,  deren  genauer  anatomischer  Bau  seinerzeit  von 
EscHRiCHT-^)  studiert  worden  ist.  Er  beschreibt  2  Muskeln  der 
Mundöttnung,  welche  er  auch  mit  Namen  belegt.  Brooks  ^)  gibt  eine 
ganz  gute  Abbildung  und  Beschreibung  der  Mundmuskulatur  eines 
Embryos  von  Salpa  pinnata.  Doch  sind  sie  beide  nicht  voll- 
ständig, die  Zusammengehörigkeit  der  einzelnen  Teile  ist  nicht  er- 
kannt,   da    dies    auch    nur   auf  vergleichend   anatomischem   AVege 


J)  Lahille,  f.,  Recherches  sur  les  Tuniciers,  Theses  (Paris),  Toulouse 
1890. 

2)  Leuckart,  E,.,  Zoologische  Untersuchungen,  Heft  2,  Salpen  und 
Verwandte,   Gießen   1854. 

3)  VoüT,  C,  Recherches  sur  les  animaux  inferieurs  de  la  mediterranee, 
Mem.   2,   Sur  les   Tuniciers  nageants  de  la  Mer  de  Nice. 

4)  EsCHElCHT,  Dax.,  Anatomisk-physiologiske  Undersögelser  over 
Salperne.  in:  Dansk.  Vid.  Selsk.,  naturv.  math.  Aft..  Vol.  8.  Kopenhagen 
1841. 

5)  Brooks,  W.  K.,  The  genus  Salpa,  in :  Mem.  biol.  Lab.  John 
Hopkins  Univ.,  Vol.  2,   1893. 


über  die  ^Muskulatur  der  Salpen.  3 

mög-]ich  ist.  Wie  wiclitig-  es  ist.  eine  präzise  Scheidung-  der  3  Muskel- 
gruppen des  Salpenküri)ers  vorzunehmen,  um  eine  Basis  für  die 
Homologisierung  der  ]\Iuskeln  bei  den  verschiedenen  Arten  zu  ge- 
winnen, ist  besonders  ersichtlich  bei  aberranten  Formen,  wie  es 
z.  B.  die  Proles  gregata  von  5.  virgukt  ist.  In  den  Auseinandersetzungen 
über  die  Bedeutung  der  einzelnen  Muskeln  dieser  Form  herrscht  bis  auf 
den  lieutigen  Tag  die  größte  Konfusion.  Die  Muskeln  der  Salpen  sind 
nur  in  ihren  topographischen  Beziehungen  zueinander  zu  systema- 
tischen Zwecken  besclirieben  worden,  nicht  in  ihren  Beziehungen  zu 
andern  Organen,  was  aber  notwendig  ist,  wenn  man  konstante  An- 
haltspunkte für  die  Scheidung  der  3  erwähnten  Muskelgruppen  er- 
halten will. 

Die  folgende  Arbeit  hat  sich  neben  dieser  Frage  ganz  besonders 
eine  eingehende  Beschreibung  der  Mund-  und  Cloakenmuskulatur  zur 
Aufgabe  gestellt.  Ursprünglich  beabsichtigte  ich.  im  Zusammenhang 
mit  der  Muskulatur  eine  Bearbeitung  des  Mantels  und  seiner  Diffe- 
renzierungen ^)  zu  geben,  doch  habe  icli  mir  das  für  später  vor- 
halten. 

Die  Untersuchungen  haben  mehrfach  Veranlassung  zu  systema- 
tischen Erwägungen  gegeben,  welche  dazu  führten,  den  bestehenden 
Gruppierungen  innerhalb  des  Genus  Scdpa  Aveitere  Stützen  zu  ver- 
leihen, andrerseits  einige  Formen,  deren  Stellung  innerhalb  der 
Gattung  unklar  ist,  in  nähere  verwandtschaftliche  Beziehungen  zu 
bringen.  Es  sei  eine  kurze  Übersicht  über  die  Geschichte  der 
Salpensystematik  vorausgeschickt  im  Anschluß  an  die  Darstellung, 
welche  Apstein  -)  in  seiner  Bearbeitung  der  Salpen  der  Plankton- 
expedition (1894)  gibt. 

Die  von  Foeskäl  ^)  im  Jahre  1775  begründete  Gattung  Salpa 
wurde  1827  von  Blaixville  *)  in  die  beiden  Untergattungen  Cyclo- 
salpa  und   SciIjm  geteilt,   was   im  Laufe  der  Zeit  immer  anerkannt 


1)  Unter  den  Diiferenzierungen  des  Mantels  verstehe  ich  außer  den 
Fortsätzen  und  Zacken  auch  die  bekannten  Längsrippen  und  Kanten, 
die  bei  einigen  Salpen  sehr  scharf  hervortreten.  In  neuerer  Zeit  hat 
namentlich  Brooks  (1.  c)  auf  sie  hingewiesen  und  sie  bei  mehreren  Saljien 
als   „ridges"   erwähnt. 

2)  Apstein,  Die  Thaliacea  der  Planktonexpedition,  B.  Verteilung  der 
Salpen,  in:   Ergebn.  Planktonexped.,  Vol.   2,   E.  a.  B.    1894. 

3)  FoRSKAL,  Petrus,  Descriptiones  animalium,  quae  in  itinere  orientali 
observavit,   1775. 

4)  Blaixville,  in:  Dictionnaire  des  Sciences  naturelles,  Vol.  47, 
1827. 

1* 


4  R.  Streiff. 

worden  ist.  Ein  weiterer  P^ingriff  in  das  System  wurde  von  Lahille  ^) 
gemacht,  indem  er  die  Untergattung-  Salpa  in  4  Untergattungen, 
Salpa.  Thalia.  Perjea  und  Jasis.  auflöste.  Herdman  -)  schließt  sich 
ihm  in  seiner  Bearbeitung  der  Challenger-Salpen  an.  Apstein  ^) 
unterwirft  sein  System  mit  Recht  einer  scharfen  Kritik,  da  die  Ein- 
teilung fast  nur  auf  das  Verhalten  des  Embryos  Bezug  nimmt  und 
daher  Salpen  miteinander  vereinigt,  deren  nahe  Zusammengehörigkeit 
auf  jeden  Fall  in  Frage  zu  stellen  ist.  Er  erkennt  nur  eine  der 
4  Untergattungen  an.  nämlich  Salpa  i.  e.  S..  welche  „eine  natürliche 
Grui)pe  bildet",  die  auch  schon  seinei'zeit  von  Tkaustedt  *)  als 
,.c?//«»(?r?6'«-CTrui)pe''  bezeichnet  wird,  er  begründet  auch  seinerseits 
die  Berechtigung  dieser  Gruppe  durch  Aufzählung  der  gemeinsamen 
Merkmale  ihrer  Vertreter.  Dagegen  bestreitet  er  mit  sachlichen 
Belegen  die  Natürlichkeit  und  Selbständigkeit  der  3  andern  Unter- 
gattungen und  kommt  schließlich  dazu,  daß  vorderhand  kein  Be- 
dürfnis für  eine  Spaltung  der  Untergattung  Salpa  vorliege.  Damit 
gelangte  die  Salpensystematik  auf  den  toten  Punkt.  In  seinen 
spätem  Arbeiteil  hat  Apstein  die  c?//«'w(/nca-Gruppe  nicht  mehr  er- 
wähnt und  nur  die  Untergattungen  Cijdosalpa  und  Salpa  unter- 
schieden. 

Aus  dieser  kurzen  Übersicht  greife  ich  das  Feststehende  heraus. 
Die  Berechtigung  der  Untergattung  Cijclosalpa  bedarf,  wie  gesagt, 
keiner  Erörterung.  Meine  Untersuchungen  zeigen  weitere  gemein- 
same Charaktere  der  in  dieser  Untergattung  vereinigten  Salpen. 
Dasselbe  gilt  von  der  Gruppe  innerhalb  der  Untergattung  Salpa, 
der  Salpa  i.  e.  S.  Lahille,  bzw.  der  ,.c?/Z?nf/n'ra-Gruppe"  Traustedt, 
die  auch  Apstein  sanktioniert  hat.  Ich  halte  diese  Gruppe  un- 
bedingt aufrecht  und  stelle  sie  —  ich  nehme  damit  die  systematischen 
Ergebnisse  vorweg,  Avas  auch  zur  Erleichterung  der  Darstellung 
geschieht  —  einer  andern  Gruppe  von  Salpen  der  Untergattung 
Sal2)a  gegenüber,  deren  Zusammengehörigkeit  auf  Grund  mannig- 
facher gemeinsamer  Merkmale  als  glaubhaft  erscheint.  Zur  ,.cylindrica- 
Gruppe"  vereinigt  Traustedt  Sal2)a  cylindrica,  fusiformis,  maxima 
und  punctata.     Diese  Formen,   mit  Ausnahme  von  S.  cijlinärica,   sind 


1)  Lahille,  1.  c. 

2)  Herdman,  Report  upon  the  Tiinicata,  in  :  Report  sc.  Res.  Challenger, 
ZooL,  Vol.  27. 

3)  s.  vor.   Seite,  Anm.   2. 

4)  Traustedt,  Spolia  atlantica.     Bidrag  til  Kuudskab  orn  Salperue, 
in  :   A'idensk.  Selsk.   Skr.  (6),  nat.   math.  Afd.,  Vol.   2,  Kopenhagen   1885. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  5 

von  mir  untersucht  -worden.  Ilinen  stelle  ich  geg-enüber  als  2.  Gruppe 
der  Untergattung-  Salpa  o  ebenfalls  von  mir  untersuchte  Arten,  näm- 
lich S.  mucronata,  confoederata  und  sonaria.  Damit  vereinige  ich  zu 
einer  Gruppe  die  3  Untergattungen  von  Lahille:  Thalia,  Pegca  und 
Jasis.  deren  bestbekannte  Vertreter  die  genannten  8  Salpen  sind. 
Ich  bin  aber  weit  entfernt  davon,  auch  alle  andern  nach  dem 
LAHiLLE'schen  System  zu  diesen  Untergattungen  gehörenden  Sali)en 
ebenfalls  zu  meiner  neugebildeten  Gruppe  zuzuzählen.  Ich  komme 
darauf  noch  zurück.  Es  entstand  die  Frage,  ob  die  beiden  Gruppen 
der  Untergattung  Salpa  nicht  den  Wert  von  Untergattungen,  gleich 
dem  der  Untergattung  Ctjdosalpa,  haben  könnten,  wobei  der  ..cijUndrica- 
Gruppe"  der  Name  Lahille's:  Salpa  i.  e.  S.  zufallen  müßte.  Die 
Frage  ist  durchaus  diskutabel,  wie  ich  später  zeigen  werde.  Ich 
sehe  jedoch  in  dieser  Arbeit  von  der  Aufstellung  von  Untergattungen 
ab,  einmal,  weil  mir  nicht  alle  bekannten  Salpen-Arten  zur  Unter- 
suchung vorlagen,  dann  auch,  weil  ich  den  alten  guteingebürgerten 
Namen  Salpa  für  die  betreftenden  Arten  (z.  B.  mucronata)  nicht  um- 
ändern wollte.  Zur  leichtern  Unterscheidung  für  den  Lauf  der  Dar- 
stellung möchte  ich  aber  für  die  Gruppen  an  sich  Bezeichnungen 
einführen,  und  die  1.  Gruppe  {,,cylindrica-Gv\\\>\\&-')  die  Poljmyarier, 
die  2.  die  Oligomyarier  nennen,  was  nur  zu  bedeuten  hat,  daß  die 
eine  Gruppe  mehr,  die  andere  Aveniger  Muskeln  besitzt.  Ich  bin 
mir  völlig  dessen  bewußt,  daß  einzelne  Unterschiede  zwischen  den 
Salpen  meiner  Gruppe  der  Oligomyarier,  auf  die  ich  ausdrücklich 
hinweisen  werde,  recht  bedeutend  sind,  so  daß  mau  manchmal  im 
Zweifel  sein  könnte,  ob  ihr  Zusammenschluß  gegenüber  der  Lahille- 
schen  Trennung  auf  die  Dauer  standhalten  könnte,  doch  muß  man 
andrerseits  sagen,  daß  gerade  sehr  charakteristische  Eigenschaften, 
welche  diese  Salpeu  vor  allen  andern  auszeichnen,  unbedingt  ihre 
Vereinigung  den  andeim  gegenüber  erfordern. 

Im  Folgenden  gebe  ich  das  Verzeichnis  der  von  mir  in  der  soli- 
tären  wie  auch  in  der  gregaten  Form  untersuchten,  in  der  Bucht 
von  Villefranche  vorkommenden  Arten;  sie  sind  nach  meiner  Ein- 
teilung systematisch  geordnet: 

Subgenus    Ci/closalpa : 

1.  Cijchsalpa  p'nviata  Foksk. 

2.  Ctjclosaljja  virgHla-dolichosonic  VoGT-ToDAEO 

Subgenus   SnIjKi : 

I.   Gruppe  P  0  1  y  m  y  a  r  i  e  r 

1.  Salpa  niaxima-africana  Forsk. 


6  fi.  Streiff, 

2.  Salpa  fusiformis-rroicinata  Cuvier-Chamisso 

3,  Snlpa  punctata  Forsk.-Vogt 

II.   Gruppe  0 1  i  g  0  m  y  a  !•  i  e  r 

1.  Salpa  miicronata-äemocratica  Forsk. 

2.  Salpa  co)ifoederata-scutigera  Forsk. 

3.  SaJpa  zonaria-cordiformis  Pallas-Quoy  et  G-aimard. 

Nach  dem  Beispiel  Apstein's  bzw.  nacli  den  geltenden  Nomen- 
klaturgesetzen  werde  ich  in  der  folgenden  Darstellung  nur  den  einen, 
in  der  Liste  voranstellenden  Speciesnamen  anführen.^) 

Allgemeine  Torl)einerliuiigoii. 

Bevor  ich  auf  die  allgemeinen  Punkte  des  Verhaltens  der  ]\rund- 
und  Cloakenmuskulatur  eingehe,  möchte  ich  einige  orientierende 
Bemerkungen  über  den  Bau  der  beiden  Körperöffnungen  voraus- 
schicken. Ihre  Qualifikation  als  systematische  Mei'kmale  haben  sie 
bisher  lediglich  durch  ihre  terminale  bzw.  dorsale  Lage  erhalten, 
ohne  daß  dabei  auf  ihre  morphologische  Beschaffenheit  eingegangen 
worden  wäre.  Diese  einseitige  Verwertung  der  topographischen 
Eigenschaften  erweist  sich  nicht  als  fördernd,  zumal  in  gut  be- 
stimmten Gruppen  von  Salpen,  wie  z.  B.  im  Untergenus  Cijcloscdpa, 
verschiedene  Kombinationen  vorkommen,  es  ist  daher  im  Prinzip 
unberechtigt,  wenn  Apstein-)  gelegentlich  auf  Grund  verschiedener 
Kombinationen  in  betreff  der  Lage  der  KörperöÖ'nungen  die  nähere 
Zusammengehörigkeit  von  Arten  bestreitet.  Ganz  anders  Avird  die 
Sache  aber,  sobald  sich  die  verschiedene  Lage  als  ein  Ausdruck 
morphologischer  Verschiedenheit  dokumentiert.  In  einem  solchen 
Fall  ist  ihr  S3'stematischer  Wert  außer  ZAveifel.  Besonders  deutlich 
ist  dies  am  Bau  der  Cloakenöftnung  der  von  mir  untersuchten 
Salpen  zu  erkennen.  Es  lassen  sich  ohne  Frage  2  l^pen  unter- 
scheiden: die  (Uoakenöffnungen  nach  dem  1.  Typus  sind  alle  rohr- 
förmig,  die  nach  dem  2.  klappenförmig.  Der  rohrförmige  Typus,  als 
dessen  Paradigma  Salpa  pinnata  (vgl.  Fig.  2  u.  4)  in  beiden  Formen 
gelten  möge,  ist  durchweg  in  der  Untergattung  Cydosalpa  und  in 
der  Gruppe  der  Polymyarier  vertreten,  während  der  Klai)pentypus 
—  vgl.  S.  zonaria.  Fig.  33  —  nur  bei  den  Oligomyariern  vorkommt. 
Dieses  Merkmal  scheint  mir  überaus  wichtig  zu  sein,  um  so  wichtiger, 
als  die  Cloakenmuskulatur  entsprechend  den  beiden  verschiedenen 


1)  Ich    habe    die  Namen    vorangesetzt,    denen  die  Priorität  zukommt. 

2)  Al'STEIN,   1.   c.   (p.  -i). 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  7 

Baiitypen  der  Cloake  ebenfalls  nach  zwei  sehr  verschiedenen  Plänen 
angeordnet  ist.  Durch  eine  starke  Verkürzuno-  der  rohrfürmigen 
Cloakenöffnung  kann  eine  dorsale  Lag-e  herbeigeführt  werden,  wie 
z.  B.  bei  Sal2)a  virgiUa  greg.  (Fig.  7)  oder  S.  punctata  greg..  doch 
bleibt  der  Eohrtypus  immer  bestehen,  in  jedem  Falle  durch  die 
Muskulatur  gekennzeichnet,  oder  es  kann  durch  eine  starke  Ver- 
längerung der  Körperfortsätze  eine  dorsale  Lage  der  Cloakenötfnung- 
herbeigeführt  werden,  wie  z.  B.  bei  S.  fusiformis  greg'..  doch  auch 
hier  ist  der  Rohrtypus  ohne  weiteres  kenntlich.  Dagegen  ist  die 
Klappe  der  Oligomyarier  ihrerseits  als  ein  ganz  bestimmter  Mecha- 
nismus ein  Typus  für  sich,  der  auch  den  ältei'u  Beobachtern  nicht 
entgangen  ist :  Pallas  \)  nennt  sie  in  seiner  Beschreibung  von  SaJpa 
sonaria  (=  Ilolothurinm  zonarium)  eine  valvula  und  sagt:  ..Anus 
lunatus.  valvula  semicirculari  exactissime  clausus."  Später  wurde 
der  Name  ..Klappe"'  von  mehreren  Autoren  gebraucht.  Leückart-) 
nennt  auch  die  vordere  Öffnung  Klappe.  Die  einzige  Form  unter 
den  von  mir  untersuchten  Oligomyariern.  welche  keine  Klappe, 
sondern  eine  rohrförmige  Cloakenötfnung  besitzt,  ist  die  solitäre 
Form  von  Salpa  confoederata,  doch  ist  die  Muskulatur  nach  dem 
Typus  der  Klappenöftnung  angeordnet,  und  auch  die  greg.-Form  ist 
im  Besitz  einer  Klappe,  wenngleich  letztere  nicht  in  allen  Teilen 
ausgebildet  ist.  Es  scheint  mir  diese  Salpen-Art.  wovon  später  die 
Rede  sein  wird,  eine  Übergangsform  zwischen  den  Poly-  und  den 
Oligomj'ariern  zu  sein. 

Zur  vorläufigen  Charakterisierung  des  Unterschiedes  zwischen 
den  beiden  Tj^pen  möchte  ich  noch  Folgendes  sagen.  Während  bei 
dem  rohrförmigen  Cloakentypus  der  Körpermantel  kontinuierlich  ohne 
jegliche  Abgrenzung  in  den  Mantel  des  Cloakenrohres  übergeht, 
gegen  seinen  Rand  hin  allmählich  dünner  werdend,  ist  bei  dem 
Klappentypus  stets  dorsal  eine  Grenze  in  Gestalt  einer  queren 
Furche  vorhanden;  in  dieser  Furche  geht  die  Bewegung  der  Klappe 
senkrecht  zur  vertikalen  Körperebene  wie  durch  ein  Charnier  streng 
geregelt  vor  sich.  Diese  Querfurche  ist  auch  bei  S.  confoederata  greg. 
(Fig.  25  Ax)  vorhanden  und  am  lebenden  Tier  immer  deutlich  zu 
beobachten,  bei  konservierten  Exemplaren  ist  sie  selten  deutlich  zu 
sehen,  jedenfalls  nicht  so  wie  bei  den  beiden  andern  Formen  der 
Oligomyarier.     Auf  die  andern  Bewegungsfurchen   der  Klappe,   ver- 


1)  Pallas,  Pet.  Sim.,  Spicilegia  zoologica,  Berolini  1767 

2)  1.  c. 


8  R-  Streiff, 

mittels  derer  eine  bestimmte  Führung-  der  Bewegung-,  wie  das  beim 
Kohrtypus  nicht  der  Fall  ist,  erzielt  wird,  und  auf  weitere  Eigen- 
schaften komme  ich  bei  der  speziellen  Betrachtung-  zurück. 

Was  den  Bau  der  IMundüffnung  anbetrifft,  so  sind  ihre  Ver- 
schiedenheiten im  wesentlichen  durch  die  verschiedene  Ausbildung- 
eines  Abschnitts  gegeben .  welchen  ich  als  ]\Iundsegel  oder  einfach 
als  Segel  bezeichnen  werde.  Es  sind  die  in  die  Mundöffnung  um- 
geklappten vordersten  Abschnitte  der  Ober-  resp.  der  Unterlippe, 
welche  durch  festes  Aneinanderlegen  den  völligen  Verschluß  der 
Mund(")ffnung  bedingen  (vgl.  z.  B.  Fig.  12  05  u.  its).  Das  untere,  zur 
Unterlippe  gehörige  Segel  ist  immer  vorhanden ,  gewöhnlich  sehr 
stark  ausgebildet,  das  obere  kann  völlig  fehlen.  Morphologisch  ist  der 
nach  hinten,  bzw.  innen  gerichtete  Rand  des  Segels  der  vordere  und  über- 
haupt das  vordere  Ende  des  Tieres.  Ob  die  bei  den  Salpen  vor- 
kommenden Mundsegelbildungen  alle  morphologisch  gleichwertig 
sind,  ist  eine  Frage,  die  ihre  Erörterung  im  gegebenen  Falle  finden 
wird.  Von  der  Umklappungsstelle  an  beginnt  die  Ober-  bzw.  Unter- 
lippe, welche  so  weit  wie  die  Mundmuskulatur  reicht. 

Wie  ich  bereits  in  der  Einleitung  erwähnte,  hat  allein  Leuckaet 
darauf  hingewiesen,  daß  es  sich  bei  der  Mund-  und  Analmuskulatur 
der  Salpen  um  zwei  Systeme  von  Sphincteren  handelt.  In  der  Tat 
lassen  sich  zwei  Systeme  nachweisen,  sie  sind  bei  einiger  Übung 
leicht  voneinander  durch  Präparation  zu  trennen,  da  sie  in  den 
meisten  Fällen  nicht  untereinander  durch  Verbindungsstränge  ver- 
bunden sind.  Schwieriger  ist  die  Präparation  manchmal  bei  der 
]\Iundmuskulatur,  wo  die  beiden  Systeme  im  Mundwinkel  dicht  über- 
einanderliegen ,  während  sie  an  der  Cloakenöft'nung  meist  schon 
topographisch  gut  getrennt  sind. 

Die  beiden  Systeme  der  Mundmuskulatur  lassen  sich  auf  je 
einen  Muskel  zurückführen,  der  in  seinem  obern  dorsalen  und  in 
seinem  untern  ventralen  Abschnitt  unter  Umständen  in  2  Teil- 
muskeln zerfallen  kann.  Die  dorsalen  und  die  ventralen  Teilmuskeln 
vereinigen  sich  in  den  meisten  Fällen  seitlich  im  ^Mundwinkel  zu 
einem  kurzen  oft  beschriebenen  zügeiförmigen  Muskel,  welchen  ich 
das  Zügelstück  (des  einen  bzw.  des  andern  Muskels)  nennen  werde. 
Das  Zügelstück  des  vordem  Muskels  liegt  seitlich  immer  über  dem 
des  zweiten,  mit  andern  Worten,  es  ist  dem  Ectoderm,  das  zweite 
dem  Entoderm  zugekehrt. 

Der  leichtern  Übersicht  wegen  gebe  ich  auch  den  beiden  Mund- 
muskeln Namen  und  zwar  nach  ihren  topographischen  Beziehungen. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  9 

Der  1.  Muskel  geliört  dem  Segel  an  und  soll  Seg-elmuskel  heißen, 
der  2.  wegen  seiner  Lage  auf  den  Lippen  Lippenmuskel.  Diese 
beiden  eig-entliclien  Mundmuskeln  finden  sich  bei  allen  untersuchten 
Salpen.  Außer  ihnen  zähle  ich  zur  Mundmuskulatur  noch  einen 
Muskel,  welcher  immer  durch  seine  Lage  auf  dem  Flimmerbogen 
gekenntzeichnet  ist.  Abgesehen  von  einem  resp.  zwei  Fällen  endet 
oder  verläuft  er  dorsal  auch  vor  dem  Ganglion.  Ich  nenne  ihn  den 
Bogenmuskel.  Er  kreuzt  im  ]\rundwinkel  die  Zügelstücke  der  beiden 
vordem  Muskeln.  Als  sein  Derivat  betrachte  ich  die  beiden  kleinen 
Längsmuskeln,  welche  von  der  Oberlippe  nach  hinten  abgehen;  es 
läßt  sich  dies  vergleichend  anatomisch  mit  einiger  Sicherheit  fest- 
stellen. Damit  hätten  wir  für  die  Mundmuskulatur  3  Muskeln, 
welche  sich  am  Körper  immer  mit  Sicherheit  bestimmen  und  von 
der  folgenden  Körpermuskulatur  scheiden  lassen.  Gerade  der  Bogen- 
muskel ist  häufig  auch  von  Apstein  bei  manchen  Salpen  als  Körper- 
muskel mitgezählt  worden .  bei  andern  nicht,  durch  seine  Lage  auf 
dem  Flimmerbogen  ist  er  jedoch  immer  unzweideutig. 

Zur  Cloakenmuskulatur  zähle  ich  ebenfalls  3  Muskeln,  die  ich 
als  L,  2.  und  3.  Cloakenmuskel  bezeichnen  werde.  Der  2.  u.  3.  Muskel 
entsprechen  dem  Lippen-  bzw.  Segelmuskel  der  Mundöifnung,  denn 
der  letzte  Cloakenmuskel,  der  3..  ist  bei  den  Formen  mit  der  klappen- 
förmigen  Cloakenölfnung  auf  eine  Bildung  beschränkt,  die  man  auch 
hier  sehr  gut  als  Segel  bezeichnen  kann,  da  sie  ganz  in  derselben 
Weise  wie  bei  der  Mundöffnung  funktioniert.  Der  3.  Muskel  zer- 
fällt bei  den  Cyclosalpen  und  Polymyariern  dorsal  und  ventral  in 
eine  große  Anzahl  von  dünnen  Teilmuskeln.  Die  dorsalen  Teil- 
muskeln vereinigen  sich  in  den  meisten  Fällen  zu  einem  Zügelstück. 
Bei  den  Oligomyariern  ist  die  Zahl  der  Teilmuskeln  eine  viel  ge- 
ringere, der  Muskel  zeigt  in  seiner  Ausbildung  einen  ganz  be- 
stimmten Typus,  der  sich  trotz  mannigfacher  Abweichungen  doch 
immer  wieder  erkennen  läßt.  Der  2.  Cloakenmuskel  stellt  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  einen  einfachen  Muskelring  dar,  der  seitlich 
einen  Knick  nach  vorn  oder  ein  Zügelstück  haben  kann.  Hin  und 
wieder  zerfällt  er  auch  in  Teilmuskeln.  Bei  den  Oligomyariern 
kommen  Besonderheiten  in  seiner  Ausbildung  vor. 

Der  2.  und  3.  Cloakenmuskel  ließen  sich  verhältnismäßig  recht 
leicht  bei  den  verschiedenen  Salpen-Arten  homologisieren,  um  so 
schwieriger  war  die  allgemein  gültige  Feststellung  des  1.  Muskels. 
Zunächst  dachte  ich  nicht  an  die  Existenz  eines  solchen,  es  lag  mir 
nur   daran,   eine   widerspruchslose  Scheidung  der  Körpermuskulatur 


10  R-  Streiff, 

von  der  Cloakenniuskulatur  zu  finden,  d.  li.  für  den  letzten  Körper- 
niuskel  eine  Bezieliung-  zu  einem  bei  allen  Formen  konstanten 
anatomischen  Merkmal  zu  finden.  Eine  solche  war  für  die  unter- 
suchten Cyclosalpen  und  Polymyarier  gegeben  durch  die  konstante 
Insertion  des  vor  dem  2.  Cloakenmnskel  gelegenen  Muskels:  sie  liegt 
immer  hinter  dem  Nucleus  bzw.  hinter  dem  Magen  (Cyclosalpen), 
während  der  weiter  nach  vorn  folgende  zu  beiden  Seiten  des  Nucleus 
bzw.  des  Magens  inseriert.  Bei  den  Oligomyariern  ist  ein  solcher 
Muskel  nicht  vorhanden,  der  letzte  Körpermuskel  inseriert  zu  beiden 
Seiten  des  Nucleus,  nur  bei  der  gregaten  Form  von  Scdpa  confoedemta 
ist  auch  der  in  Frage  kommende  Muskel  da.  Vergleichend  anato- 
mische Überlegungen  lassen  es  aber,  wie  mir  scheint,  mit  recht 
viel  Sicherheit  annehmen,  daß  dieser  Muskel  hier  bis  zum  völligen 
Schwund  reduziert  ist.  Avas  insofern  nicht  verwunderlich  wäre,  als 
die  Klappeneinrichtung  zum  Verschluß  der  Cloake  dank  ihrer  prä- 
zisen Funktionsfähigkeit  einer  stärker  ausgebildeten  Cloaken- 
niuskulatur entbehren  kann.  Ferner  kommt  der  Umstand  hinzu, 
daß  ich  bei  Embryonen  von  Sal2Ki  confoederata ,  welche  in  der 
solitären  Form  im  erwachsenen  Zustande  diesen  Muskel  nicht  be- 
sitzt, seine  Spuren  ganz  deutlich  nachweisen  konnte.  Auch  aus  dem 
Verhalten  der  andern  Salpen-Gruppen  läßt  sich  Stützmaterial  für 
diese  Anschauung  finden.  Am  stärksten  ist  der  Muskel  bei  den  Cyclo- 
salpen ausgebildet,  ebensogut  bei  den  solitären  Formen  der  Poly- 
mj'arier,  während  er  bei  den  gregaten  Formen  bedeutend  schwächer 
entwickelt  und  speziell  bei  S.  pundata  sehr  stark  reduziert  ist.  Eine 
endgültige  Entscheidung  kann  diese  Frage  nur  durch  entwicklungs- 
geschichtliche Untersuchungen  über  die  Muskulatur  der  betreffenden 
Salpen  erhalten.  Die  vorhandenen  entwicklungsgeschichtlichen 
Arbeiten  über  Salpen  sind  zu  allgemein  gehalten,  in  speziellem 
Fragen  der  ]\Tuskelbildung  zu  oberflächlich,  als  daß  man  daraus 
Schlüsse  ziehen  könnte. 

Daß  ich  diesen  Muskel  als  1.  Cloakenmnskel  bezeichne  und  der 
Cloakenniuskulatur  zuzähle,  geschieht  auf  Grund  der  Beobachtungen, 
die  man  an  jungen  Kettensalpen  und  Embryonen  machen  kann,  ins- 
besondere an  solchen  von  Salpa  pinnata.  Schon  Leuckaet  u.  A. 
(Brooks)  w'eisen  darauf  hin,  daß  bei  Embryonen  die  beiden  Köiper- 
öffnungen  dorsal  sehr  nahe  aneinander  gerückt  sind,  jedenfalls  be- 
deutend näher  stehen  als  bei  den  erwachsenen  Tieren;  sie  gleichen 
darin  den  Ascidien.  Je  älter  die  Embrj'onen  werden,  desto  mehr 
rücken  die  Offnungen  auseinander,  auf  einem  Stadium  aber,   wo  die 


über  die  Muskulatur  der  ftalpen.  11 

Muskelreifeii  schon  distinkt  ausgebildet  sind,  liegt  die  Cloaken- 
öttnung-  nuch  A'öllig  dorsal,  das  Cloakenrohr.  welches  bei  der  er- 
wachsenen Form  gerade  gestreckt  ist.  ist  dort  rechtwinklig  nach 
oben  gebogen  (vgl.  Fig.  o  u.  4).  Der  in  Frage  kommende  Muskel 
grenzt  die  Basis  des  kegelförmigen  Cloakenrohrs  kreisförmig  ab,  er 
verläuft  den  andern  C'loakenmuskeln  parallel  und  stellt  den  proxi- 
malsten  Teil  des  cloacalen  Spinnet ers  dar,  als  den  man  ihn  un- 
befangenerweise unbedingt  anerkennen  muß.  Im  Schlußkapitel  komme 
ich  noch  hierauf  zurück  bei  einer  kurzen  Besprechung  der  Homo- 
logien der  Muskulatur  der  Salpen  mit  derjenigen  anderer  Tunicaten, 
worauf  auch  Lahille  seinerzeit  eingegangen  ist. 

Der  Vorteil,  den  die  genaue  Feststellung  der  3  Mundmuskeln 
und  der  3  Cloakenmuskehi  bietet,  wird  sich  aus  der  folgenden 
speziellen  Bearbeitung  der  einzelnen  Salpen  ergeben. 


Spezieller  Teil. 
Untergenus  Cy cl  osalpa. 

SaJpa  2>iititfff(f^  sol. 
(Fig.  1  u.  2.) 

Der  leichtern  Darstellung  wegen  möchte  ich  die  obern  dorsalen 
Halbringe  der  beiden  ersten  aufeinander  folgenden  Mundmuskeln,  des 
Segel-  und  des  Lippenmuskels,  mit  A  und  B  bezeichnen,  die  untern 
ventralen  mit  a  und  h.  Im  Falle,  wenn  sich  einer  der  Halbringe 
verdoppelt,  bezeichne  ich  den  distalen  Teilmuskel  mit  AI,  den 
proximalen  mit  A  2  etc.  Diese  Bezeichnungen  sind  auch  in  allen 
Abbildungen  angewandt  worden.  Bei  den  symmetrischen  Salpen 
werde  ich  natürlich  nur  die  eine  Körperhälfte  beschreiben. 

Die  Oberlippe  von  Salpa  pinnata  hat  kein  eingeklapptes  Segel, 
während  das  Segel  der  Unterlippe  weit  in  das  Innere  der  Mund- 
öffnung hineinragt,  dementsprechend  ist  der  dorsale  Halbring  des 
Segelmuskels  schwacli.  der  ventrale  dagegen  sehr  stark  entwickelt. 
Der  dorsale  Halbring  erreicht  den  Mundwinkel  nicht,  verbindet  sich 
daher  auch  nicht  mit  dem  ventralen  zu  einem  gemeinsamen  Zügel- 
stück, sondern  endet  bereits  auf  derOberlipi)e.  Er  besteht  aus  2.  manch- 
mal 3  sehr  schmalen  Teilmuskeln,  welche  den  äußersten  vordem 
Rand  der  Oberlippe  einnehmen,  einen  Teil  der  Oberlippe,  der  jeden- 
falls  der  Segelpartie   der   andern  Salpen  entspricht,   bei  den  Cyclo- 


12  R.  Streiff, 

salpen  aber  niclit  eingeklajjpt  ist.  Der  ventrale  Abschnitt  des  Seg-el- 
muskels  zerfällt  in  die  2  kräftigen  Teilnmskeln  al  nnd  a2.  welche 
sich  im  Mundwinkel  zum  Zügelstück  {zd)  vereinigen.  Das  Zügel- 
stück wendet  sich  unter  einem  kleinen  Winkel  nach  oben  und  reicht 
nach  hinten  bis  an  den  1.  Körpermuskel. 

Der  Lippenmuskel  ist  dorsal  stärker  ausgebildet  als  ventral. 
Er  besteht  dorsal  aus  den  beiden  gleichstarken  Teilmuskeln  Bl  und 
B  2.  welche  seitlich  über  dem  Mundwinkel  zusammenfließen  und  sich 
im  ^Mundwinkel  mit  dem  nur  einteiligen  ventralen  Halbring  zum 
gemeinsamen  Zügelstück  vereinigen,  welches,  wie  bereits  in  der  Ein- 
leitung angedeutet  wurde,  nach  innen  von  dem  Zügelstück  des 
Segelmuskels  liegt.  Genau  genommen  bildet  das  Zügelstück  des 
Lippenmuskels  keine  Vereinigung  seiner  beiden  Halbringe,  sondern 
es  ist  eine  Fortsetzung  des  ventralen,  während  der  dorsale  an  dessen 
Rand  ansetzt:  die  Fasern  des  dorsalen  laufen  demnach  senkrecht  zu 
denen  des  ventralen.  Dieses  Zügelstück  wendet  sich  in  seinem 
weitern  Verlauf  nach  unten  und  reicht  ebenfalls  bis  zum  l.  Kürper- 
muskel. 

Der  Bogenmuskel  kreuzt  die  beiden  beschriebenen  ^lundmuskeln 
im  ]\rundwinkel.  er  ist  dabei  unter  den  beiden  andern,  also  ganz, 
nach  innen  gelegen.  Nach  unten  tritt  er  bis  in  die  Nähe  des 
Endostyls.  während  er  nach  oben  zu  nicht  die  dorsale  Medianlinie 
erreicht,  sondern  früher  in  der  Region  zwischen  Hj'pophyse  und 
Ganglion  endet.  Kurz  vor  seinem  Ende  gibt  er  den  Muskel  c  ab, 
welcher  nach  vorn  bis  beinahe  an  den  Muskel  B2  heranreicht. 
Diesen  Muskel  e  erachte  ich  dem  kleinen  Längsmuskel  homolog^ 
welcher  sich  auf  jeder  Seite  der  Oberlippe  bei  fast  allen  Salpen 
findet.  Sie  sind  sehr  bekannt.  Leuckaet  ^)  erwähnt  sie  und  nennt 
sie  die  Levatoreu  der  Oberlippe.  Daß  sie  ein  Derivat  des  Bogen- 
muskels  sind,  wie  ich  im  allgemeinen  Teil  erwähnte,  schließe  ich 
aus  ihrem  Zusammenhang  mit  ihm  bei  allen  Formen  der  Cyclosalpen 
und  außerdem  bei  Salpa  confoederata. 

Der  Bogenmuskel  von  S.  pinnata  wird  von  Apstein  nicht  zur 
Körpermuskulatur  gerechnet,  während  er  ihr  die  beiden  ersten 
Cloakenmuskeln  zuzählt,  was  insofern  verständlich  ist,  als  sie  in  ihrer 
Breite  den  Küri)ermuskeln  wenig  nachstehen.  Ich  werde  bei  den 
Cyclosalpen  die  ArsTEiN'schen  Bestimmungen  der  K()rpermuskeln 
angeben,  um  für  das,  was  ich  in  der  Einleitung  darüber  gesagt  habe, 


1)  Leuckart,  1.  c. 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  13 

die  tatsächlichen  Belege  zu  geben.  Es  wird  die  willkürliche  Be- 
stimmung" der  Körpermuskelu  hier  besonders  klar. 

Der  1.  Cloakenmuskel  (Fig-.  1)  qualifiziert  sich  durch  seine  In- 
sertion hinter  dem  Älagen,  zu  den  Seiten  der  bei  den  Cyclosalpen 
vorhandenen  beiden  Blinddärme.  Dorsal  nähert  er  sich  dem  letzten 
Körpermuskel.  Seitlich  hat  er  einen  Knick  in  der  Eichtung-  nach 
hinten.  Der  2.  Cloakenmuskel  hat  seitlich  eine  Ausbuchtung-  nach  vorn, 
mit  der  er  den  1.  berührt.  Der  3.  Cloakenmuskel  besteht  aus  einer 
beträchtlichen  Anzahl  sehr  feiner  Teilmuskeln.  Er  ist  bei  der  solitären 
Form  insofern  von  besonderm  Interesse,  als  er  nur  eine  Andeutung- 
von  der  Bildung-  eines  Ziegelstücks  zeigt  (vgl.  Abbildung)  und  damit, 
abgesehen  von  der  gregaten  Form  dieser  Salpe,  wo  auch  die  An- 
deutung davon  fehlt,  den  primitivsten  Zustand  dieses  Muskels  allen 
andern  von  mir  untersuchten  Salpen  gegenüber  charakterisiert.  Eine 
Scheidung  der  Teilmuskeln  in  dorsale  und  ventrale  Abschnitte  wie 
bei  den  andern  Salpen  ist  nicht  vorhanden. 

Zwischen  den  beschriebenen  Mund-  und  Cloakenmuskeln  liegen 
6  Körpermuskeln,  eine  Zahl,  welche,  wie  ich  vorausgreifend  be- 
merken will,  für  alle  solitären  Cyclosalpen  charakteristisch  ist.  Ihre 
Form  und  ihr  Verlauf  ist  bekannt,  außerdem  aus  der  Figur  er- 
sichtlich. Dorsal  sind  sie  unterbrochen;  die  dorsalen  Enden  zeigen 
hin  und  wieder,  wie  ich  bei  einigen  Exemplaren  beobachten  konnte, 
eine  kurze  Spaltung;  in  einem  Falle  waren  die  beiden  ersten  Muskeln 
dorsal  auf  der  linken  Seite  verschmolzen.  Erwähnen  möchte  ich 
noch,  daß  Bkooks  M  von  der  unzweifelhaften  Homologie  der  Muskeln 
bei  den  solitären  Formen  der  Cyclosalpen  spricht. 


1)  Brooks,  The  homologies  of  the  muscles  of  the  subgenus  Cyclosalpa, 
in :  Johns  Hopkins  Univ.  Circular.  Notes  from  the  biol.  Labor.  New  series, 
1907,  No.  3,  Whole  No.    195. 

Da  Brooks  in  dieser  vorläufigen  Mitteilung  die  Muskeln  von  Salpn 
pimiata  bezeichnet,  z.  T.  auch  die  Mundmuskeln,  so  gebe  ich  zur  Ver- 
ständigung   eine    kleine    vergleichende  Tabelle    seiner   und  meiner  Bezeich- 

;en : 

1  =B2-\-:ib  5-1-6=1  12=  1.   Cloakenm. 

2  =c  7  —  11  =  2  —  6  13  =  2.  „ 

3  J-  4  =  r 


14  R-  Stretff. 

Salp((  pinnata  greg-. 
(Fio-.  3  u.  4.) 

Die  Mnndniiiskulatur  zeigt  einzelne  Unterschiede  g-eg'enübei'  der 
solitären  Form.  Der  Seg-elmiiskel  ist  ebenso  gestaltet,  bis  auf  den 
Muskel  A,  der  hier  noch  mehr  reduziert  ist  und  nur  aus  einem 
schmalen  Bändclien  besteht.  Das  Zügelstück  des  Lippenmuskels 
lehnt  sich  eng  an  die  Unterseite  des  Züg-elstücks  des  Segelmuskels 
und  läuft  gemeinsam  mit  ihm  bis  zum  1.  Körpermuskel.  Die  ver- 
einigten Muskeln  B  1  und  B  2  setzen  nicht  vollständig  an  das  wie 
bei  der  solitären  Form  vom  Muskel  h  gebildete  Zügelstück,  sondern 
ein  schmaler  hinterer  Streifen  läuft  unter  dem  Zügelstück  weiter, 
verschmilzt  mit  dem  untern  Teile  des  Bogenmuskels  und  reicht  mit 
diesem  bis  in  das  Haftorgan  hinein.  Der  obere  Teil  des  Bogenmuskels 
ist  wie  bei  der  solitären  Form  beschälten;  mit  seinem  Ende  berührt 
er  den  1.  Körpermuskel. 

Der  1.  Cloakenmuskel  der  gregaten  Salpen-Formeu  hat  nur  bei 
den  Cyclosalpen  seine  volle  Selbständigkeit  bewahrt,  doch  bildet 
er  schon  hier  eine  Gruppe  mit  den  beiden  letzten  Körpermuskeln, 
Ich  betone  dies,  weil  es  später  von  ^Vichtigkeit  sein  wird.  Er  ist 
{X)  ebenso  breit  wie  die  Kürpermuskeln  und  immer  als  4.  Körper- 
muskel beschrieben  worden.  Beim  altern  Tier  hat  sich  die  ursprüng- 
liche Lage  stark  verschoben.  (Vgl.  die  beiden  Abbildungen.)  Der 
2.  Cloakenmuskel,  der  auch  recht  breit  ist,  hat  ein  ziemlich  langes 
Zügelstück,  welches  an  den  Hinterrand  des  1.  stößt.  Der  3.  Muskel 
zeigt,  wie  erwähnt,  hier  das  primitivste  Verhalten,  er  ist  in  keiner 
Weise  differenziert  und  besteht  gewöhnlich  aus  8  schmalen  pa- 
rallelen Teilmuskelchen. 

Die  Körpermuskulatur  besteht  aus  4  Muskeln,  eine  Zahl,  welche 
für  die  gregaten  Formen  der  Cyclosalpen  ebenso  charakteristisch 
zu  sein  scheint  wie  die  Zahl  6  für  die  solitären.  Das  Verhalten  der 
beiden  ersten,  welche  die  vordere  Gruppe  bilden,  ist  bekannt.  Die 
beiden  hintern  bilden,  wie  gesagt,  eine  Gruppe  mit  dem  1.  Cloaken- 
muskel. Der  3.  nähert  sich  ihm  in  der  dorsalen  Medianlinie,  stößt 
aber  nicht  mit  ihm  zusammen.  Als  4.  betrachte  ich  den  seitlich 
gelegenen,  nur  bis  zur  halben  Körperhöhe  reichenden  Muskel.  Er 
stößt  an  den  1.  Cloakenmuskel.  ohne  sich  mit  ihm  zu  verbinden, 
gegenüber  der  Stelle,  an  welcher  das  Zügelstück  des  2.  Cloaken- 
muskels  herantritt.  Bei  der  jungen  Stolosalpe  ist  er  relativ 
größer  und  den   andern  Körpermuskeln  parallel.    Er  wird  von  den 


übet-  die  Muskulatur  der  Sali)eii.  15 

Autoren  bei  der  Muskelbeschreibung-  gewühiüich  nicht  beachtet  und 
wohl  stillschweigend  als  abgespaltener  Ast  des  von  den  Autoren 
als  4.  Körpermuskel  beschriebenen  Muskels  (meines  1.  Cloaken- 
muskels)  aufgefaßt.  Eine  Verbindung-  mit  ihm.  wie  man  es  bei  einem 
abgespaltenen  Muskel  erwarten  könnte,  liegt,  wie  gesagt,  nicht  vor. 
Aus  dem  Vergleich  mit  den  Polymvariern  (s.  w.  u.)  scheint  mir  seine 
Qualifikation  als  4.  Körpermuskel  jedoch  zweifellos. 

Cyclosa! pa  v  /  >  'f/t  da  sol . 

(Fig-.  5.) 

Die  Körpermuskeln  gleichen  denen  von  S.  pinnata,  ebenso  stimmt 
die  Mundmuskulatur  bis  auf  einzelne  Details  mit  der  beschriebenen 
überein.  Das  Zügelstück  des  Lippenmuskels  teilt  sich  bei  manchen 
Exemplaren,  wie  bei  dem  abgebildeten,  in  2  Äste,  der  obere  lehnt 
sich  an  das  Zügelstück  des  Segelmuskels  und  reicht  mit  diesem  bis 
an  den  1.  Körpermuskel.  Die  beiden  Muskeln  B 1  und  B  2  geben 
nach  ihrer  Vereinigung-  mit  Muskel  h  1  im  Mundwinkel  noch  ein 
kleines  Muskelchen  h2  ab,  welches  sich  gleich  dem  bei  S.  innnata 
greg-.  beschriebenen  schmalen  Muskelstreifen  an  den  Bogenmuskel 
anlegt. 

Die  beiden  ersten  Cloakenmuskelu  sind  genau  wie  bei  S.  pinnata 
sol.  gestaltet.  Hier  rechnet  jedoch  Apstein  \)  nur  den  1.  zur  Körper- 
muskulatur, wodurch  diese  Salpe  nach  seiner  Zählung  nur  7  Muskeln 
gegen  8  bei  S.  pinnata  hat.  Der  3.  Muskel  ist  hier  bedeutend  mehr 
ditferen ziert,  seine  Teilmuskeln  zerfallen  in  einen  obern  dorsalen 
und  einen  untern  ventralen  Abschnitt.  Die  obern  Abschnitte  der 
Teilmuskeln  verbinden  sich  zu  einem  gemeinsamen'  Zügelstück, 
welches,  sich  nach  vorn  wendend,  den  2.  Cloakenmuskel  an-  der 
Innenseite  kreuzt  und  ventral  mit  dem  symmetrischen  Zügelstück 
verschmilzt. 

Von  den  dazwischen  liegenden  6  Körpermuskeln  ist  der  1.,  wie 
bekannt,  dorsal  mit  dem  6..  ventral  mit  dem  5.  durch  einen  Längs- 
niuskel  verbunden. 

Cyclosalpa  vivfßida  greg. 

(Fig.  6-8.) 

Diese  wunderbare,  außerordentlich  asymmetrische  Form  ist  be- 
kanntlich von  Vogt  -)  im  Busen  von  Villefranche  gefunden  und  zu- 


1)  Apsteix,  1.  c.  (p.  1).  2)  Vogt,  1.  c. 


16  R-  Streiff, 

erst  besclii'iebeu  worden.  Apstein  vervollständigt  die  Beschreibung 
und  gibt  eine  genauere  Aufstellung  der  asj^mmetrischen  ]\luskulatur. 
Dabei  kommt  er  zu  recht  verwickelten  Resultaten  und  rechnet  z.  B. 
einen  regulären,  den  ]\fund  umfassenden  Mundmuskel  zur  Körper- 
muskulatur. Mit  Hilfe  der  in  dieser  Arbeit  aufgestellten  Grund- 
sätze ist  die  Muskulatur  recht  leicht  zu  entziftern  und  ohne  weiteres 
mit  der  von  Salpa  pinnata  greg.  zu  homologisieren. 

Die  ]\rundmuskulatur  (Fig.  6)  ist  entsprechend  der  Asymmetrie 
der  Tiere  ebenfalls  as3'mmetrisch.  Apstein  i)  weist  bereits  darauf 
hin.  daß  bei  den  asj'mmetrischen  Kettensalpen  die  Tiere  der  einen 
Kettenseite  denen  der  andern  spiegelbildlich  sind,  daß  die  einen  Tiere 
geAvissermaßen  nach  der  einen  Seite  hin  asj'mmetrisch  sind,  die 
andern  nach  der  andern.  Ich  bringe  dies  in  Erinnerung,  weil  ich 
im  folgenden  nur  das  Tier  der  einen  Kettenseite  beschreiben  werde ; 
bei  dem  der  andern  Kettenseite  sind  die  asymmetrischen  Bildungen 
der  linken  Seite  des  beschriebenen  auf  der  rechten  Seite  zu  linden 
und  umgekehrt.  Ich  möchte  die  Erscheinung  als  Heteroasymmetrie 
bezeichnen,  sie  ist  bei  den  Kettensalpen  in  weiterm  Umfange  zu 
erkennen,  als  Apsteix  annimmt,  d.  h.  nicht  nur  bei  hochgradig 
asymmetrischen  Formen,  wie  C.  virguJa.  S.  punctata,  S.  rostrata  und 
asymmetrka,  sondern  auch  bei  Formen,  welche  sich  durch  Fortsätze 
auszeichnen,  wie  S.  maxima.  S.  fusiformis  u.  a.  Saes  '^)  macht  schon 
seinerzeit  darauf  aufmerksam,  daß  die  Fortsätze  bei  S.  fusiformis 
bald  auf  der  einen,  bald  auf  der  andern  Seite  ausgebildet  sind. 

Der  Segelmuskel  unterscheidet  sich  von  den  beschriebenen 
Formen  dadurch,  daß  der  IVluskel  A  stärker  ausgebildet  ist  und  sich 
seitlich  verlängert,  um  an  der  Bildung  des  Zügelstücks  teilzunehmen. 
Auf  der  rechten  Seite  verbindet  sich  das  Zügelstück  des  Segel- 
niuskels  mit  dem  obern  Abschnitt  des  Bogenmuskels  zu  einem  gemein- 
vsamen  ]\ruskel  (Apstein's  erstem  Körpermuskel!),  welcher  bis  an  den 
1.  Körpermuskel  reicht.  Rechts  verbindet  es  sich  mit  dem  Zügel- 
stück des  Lippenmuskels.  Der  Lippenmuskel  hat  rechts  sein  normales 
Gepräge,  das  kurze  Zügelstück  lehnt  sich  an  den  untern  Abschnitt 
des  Bogenmuskels  und  verläuft  in  der  Richtung  nach  unten;  links 
gehen  die  beiden  Muskeln  Bl  und  B2  ihre  eignen  "Wege:  der 
schmälere  Muskel  B 1  tritt  an  sein  rechtmäßiges  Zügelstück,  während 
B2   sich   im  Mundwinkel   mit   dem    untern   Abschnitt   des  Bogen- 


1)  Apsteix,  1.  c.  (p.  3). 

2)  Sars,  in:  Fauna  littoralis  Norvegiae,  Heft   1,   Christiania   1846. 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  17 

miiskels  verbindet.  Der  obere  Abscliuitt  des  linken  Bogenmuskels 
ist  bedeutend  länger  als  der  des  rechten,  er  erreicht  trotzdem  den 
1.  Körpermuskel  nicht.  Die  beiden  kleinen  ^Muskeln  c,  von  denen 
der  rechte  länger  ist,  treten,  einen  Bogen  beschreibend,  wie  gewöhn- 
lich bis  an  den  Muskel  B2  heran. 

Das  merkwürdige  Muskelbild  dieser  Salpe  wird  nicht  zum 
mindesten  dadurch  hervorgerufen,  daß  der  1.  Cloakenmuskel  (Fig.  7X) 
dorsal  so  weit  nach  vorn  rückt,  daß  er  an  den  2.  Körpermuskel  stößt. 
Dadurch  wird  der  3.  Körpermuskel  aus  der  dorsalen  Mediane  ver- 
drängt, ebenso  der  4.  Muskel,  der  auch  bei  Ä.  pinnata  nicht  mit 
seinem  symmetrischen  Muskel  dorsal  zusammenstößt ;  der  1.  Cloaken- 
muskel ist  wie  bei  allen  greg.  Cyclosalpen  ein  durchaus  selbständiger 
]\tuskel.  Er  ist  hier  sehr  stark  ausgebildet,  in  seiner  Gestalt,  von  oben 
gesehen,  ungefähr  fünfeckig,  die  rechte  Seite  ist  länger  als  die  linke. 
Er  ist  wieder  charakterisiert  durch  seine  Insertion  hinter  der  Magen- 
gegend bzw.  über  ihr,  da  sich  der  Darmtractus  bei  dieser  Salpe  in 
die  Schwanzbildung  auszieht. 

Der  2.  Cloakenmuskel  zeigt  ein  besonderes  Verhalten.  Auf  der 
linken  Seite  ist  ein  kleines  Zügelstück  ausgebildet,  auf  der  rechten 
nicht.  Der  Muskel  teilt  sich  links  in  2  Äste,  welche  den  rechten 
Mundwinkel  umlaufen  und  auf  der  ventralen  Seite  links  nicht  das 
Zügelstück  erreichen.  Der  3.  Cloakenmuskel  zerfällt  in  eine  geringe 
Anzahl  von  schwachen  Teilmuskelchen,  deren  dorsale  Abschnitte  sich 
zu  einem  kuizen  Zügelstück  verbinden.  Eine  genauere  Bestimmung 
der  Teilmuskeln  muß  ich  mir  versagen,  da  das  Material  sie  nicht 
zuließ. 

Die  Körpermuskulatur  weist  die  normale  Zahl  von  4  Muskeln 
auf,  von  denen  die  beiden  ersten  unter  sich,  die  beiden  letzten  mit 
dem  1.  Cloakenmuskel  eine  Gruppe  bilden.  Die  beiden  Gruppen 
ihrerseits  sind  durch  starke  dorsale  Verkürzung  dieser  Salpe,  wie 
gesagt,  bis  zur  innigen  Berührung  einander  genähert.  Die  beiden 
ersten  Körpermuskeln  stoßen  dorsal  zusammen,  doch  nicht  in  der 
Mitte,  sondern  mehr  rechts.  Es  ist  dies  die  Stelle,  welche  Apstein  ^) 
in  seiner  Beschreibung  als  Muskelplatte  (/r)  bezeichnet.  Dem  asym- 
metrischen Bauplan  des  Tieres  entsprechend  sind  die  beiden  linken 
Muskelabschnitte  länger  als  die  rechten,  die  linken  stoßen  bei  ihrer 
Insertion  am  vordem  Winkel  des  Haftorgans  zusammen  und  erinnern 
durch   dieses  Verhalten   an  Sal2)a  pinnata.    Links  von  der  Apstein- 


1)  1.  c.  (p.  4). 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst. 


18  R.  Streiff. 

sehen  Muskelplatte  lehnt  sich  der  1.  Cloakenmuskel  au  die  linke 
Seite  des  2.  Körperniuskels.  Bei  oberflächlichem  Hinsehen  ist  kaum 
eine  Grenze  zu  finden,  doch  ist  sie  bei  näherer  Cutersuchung-  fest- 
zustellen. Der  linke  3.  Körpernmskel  lehnt  sich  in  seinem  oberu 
Verlauf  ein  Stück  weit  eng  an  den  2.  und  tritt  an  deu  Cloaken- 
muskel au  der  Stelle,  wo  jener  sich  von  diesem  trennt.  Der  Verlauf 
der  andern  Körpermuskeln  ergibt  sich  aus  den  Abbildungen.  Ich 
hebe  noch  besonders  hervor,  daß  die  hintern  Körpermuskeln  nicht 
etwa  abgespaltene  Äste  des  Cloakenmuskels  sind,  ihre  Fasern  stoßen 
vielmehr  senkrecht  an  die  Fasern  des  Cloakenmuskels.  Als  zur 
Körpermuskulatur  gehörig  habe  ich  noch  2  sonderbare  breite,  bisher 
noch  nicht  beschriebene  Muskeln  auf  der  ventralen  Seite  zu  er- 
wähnen. Sie  g-ehören  zum  Haftorgan,  der  eine  erstreckt  sich  an 
seiner  Vorderseite  mehr  nach  der  rechten  Seite  hinneigend,  der 
andere  umschließt  in  Form  eines  Halbz^iinders  die  linke  Hinterseite 
des  Organs.  Sie  entsprechen,  wie  man  wohl  annehmen  kann,  dem 
Teil  der  Muskeln  von  S.  pinnafa  greg..  welchei-  sich  in  das  Haftorg-an 
hinein  verlängert.  Zu  welchen  Körpermuskeln  der  eine  oder  andere 
dieser  j\Iuskeln  bei  Sal2M  virgula  gehört,  möchte  ich  nicht  entscheiden  ; 
von  Interesse  ist  ihre  relativ  starke  Breite.^) 


Im  Folgenden  möchte  ich  noch  einmal  die  myologischen  Merk- 
male der  untersuchten  Cyclosalpen  zusammenfassen. 

1)  Da  die  ApSTElN'sche  Beschreibung  der  Muskulatur  dieser  Salpe 
sehr  kompliziert  ist.  bin  ich  nicht  näher  darauf  eingegangen.  Zur  Orien- 
tierung gebe  ich  folgende  Tabelle  der  ArSTElx'scheu  und  meiner  Be- 
zeichnungen : 

a    ^  linke  Hälfte  des  1. Körpermuskels -|- Segelmuskel  mit  rechtem  Zügelstück 

(.1    =  Teil  des  Lippenmuskels 

ß    =  rechte  Hälfte  des    1.  -|-  linke  des   2.    Körpermuskels 

ß'  =  unterer  Teil  des  linken   2.   Körpermuskels 

ß"  =   3.  linker  Körpei-muskel 

y  =  rechte  Hälfte  des  2.  Körpermuskels  -j-  rechte  Hälfte  des  1.  Cloaken- 
muskels 

y'  =  ein  Teil   der  linken  Hälfte  des   1.    Cloakenmuskels 

y"  =  ein  Teil  der  linken  Hälfte  des  1.  Cloakenmuskels -)- 4.  linker  Körper- 
muskel 

(5  =   3.  rechter  Körpermuskel 

€    =   4.   rechter    Fvörpermuskel 

/t   ^  Teil  der  linken  Hälfte  des    1.   Cloakenmuskels. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeii.  19 

Solitäre  Form:  Für  den  Segelmuske]  besteht  eine  Reduktion 
im  dorsalen  Abschnitt  und  Zweiteiligkeit  im  ventralen,  für  den 
Lippenmuskel  Zweiteilio-keit  im  dorsalen  Abschnitt  und  Einfachheit 
im  ventralen,  für  den  Bogenmuskel  Zusammenhang-  mit  dem  kleinen 
Muskel  c.  Körpermuskeln  sind  (>  vorhanden.  Die  ersten  beiden 
Cloakenmuskeln  sind  einfach,  der  3.  ist  nach  dem  rohrförmig'en 
Cloakentypus  gestaltet. 

Greg-ate  Form:  Für  die  Mundmuskulatur  gilt  dasselbe  (ab- 
gesehen von  der  stärkern  Ausbildung  des  dorsalen  Segelmuskel- 
abschnitts bei  CycJos.  virg.  greg.).  Körpermuskeln  sind  4  vorhanden, 
davon  bilden  die  beiden  ersten  eine  Gruppe,  während  die  beiden 
letzten  mit  dem  1.  Cloakenmuskel  zu  einer  Gruppe  vereinigt  sind. 
Der  1.  Cloakenmuskel  zeigt  keinerlei  Eeduktion.  Der  2.  und  3.  wie 
bei  der  solitären  Form. 


Außer  diesen  beiden  beschriebeneu  Formen  werden  dem  Unter- 
genus Cijclosalpa  zugerechnet  Cijclosalpa  affmis  und  Cijclosalpa  floridana 
Apstein  (=  C.  hakeri  Ritter).  Cijclosalpa  affmis  schließt  sich  eng, 
auch  in  der  Muskulatur,  soweit  ich  das  nach  den  Abbildungen  be- 
urteilen kann  und  wie  das  schon  oft  von  verschiedenen  Autoren 
hervorgehoben  ist,  an  C.  pinnafa  an,  so  daß  ich  auf  eine  Besprechung 
verzichten  kann.  C.  floridana  zeigt  in  der  solitären  Form  den  aus- 
gesprochenen Tj'pus  von  r.  virr/uJa.  Aus  der  ApsTEiN'schen  Ab- 
bildung läßt  sich  die  Übereinstimmung  der  Muskulatur  mit  C.  virgula 
ohne  Zweifel  ersehen.  Trotzdem  gibt  Apstein^)  für  diese  Form 
10  Muskeln  an  und  erreicht  damit  das  Höchstmaß  für  die  Cj'clo- 
salpen;  bei  C.  pinnata  zählt  er,  wie  gesagt,  8.  bei  C.  virgida  nur  7. 
Es  hängt  damit  zusammen,  daß  er  außer  den  eigentlichen  Körper- 
muskeln bei  C.  virgida  nur  den  1.  Cloakenmuskel  mitrechnet,  bei 
C.  pinnata  die  beiden  ersten  Cloakenmuskeln.  während  er  bei  C. 
floridana  außer  diesen  noch  das  Zügelstück  des  3.  Cloakenmuskels 
bzw.  seinen  1.  Teilmuskel  und  den  Bogenmuskel  hinzuzieht.  Es  ist 
dies  ein  eklatantes  Beispiel  dafür,  wie  willkürlich  die  Körpermuskeln 
der  Salpen  bestimmt  werden  können.  Allerdings  sagt  Aj-stein  in 
der  Beschreibung,  daß  er  nicht  ganz  sicher  darüber  sei,  ob  der  9. 
und  10.  ]\[uskel  von  C.  floridana  wirklich  Körpermuskeln  seien  oder 

1)  1.  c.  (p.  1). 

2* 


20  ^-  Streiff, 

zur  Ausströmini.o-söffniin^  gehören.  Apstein  läßt  den  Bogen niiiskel, 
seinen  1.  Körpermuskel,  dorsal  hinter  dem  Ganglion  verlaufen, 
während  Rittek  ^)  ihn  vor  dem  Ganglion  einzeichnet.  Ich  glaube, 
daß  Ritter  wohl  in  dieser  Beziehung  recht  hat.  Der  Muskel,  der 
nach  Apstein's  Beschreibung  von  der  Einströmungsöffnung  kommt 
und  mit  dem  2.  Körpermuskel  verschmilzt,  ist  nach  meiner  Nomen- 
klatur das  Zügelstück  des  Lippenmuskels.  Die  Muskeln  der  gregaten 
Form  von  S.  floridana  mit  denen  der  beschriebenen  zu  homologisieren 
ist  schwierig,  da  die  ApsTEiN'sche  Abbildung  zu  schematisch  ist. 
Eher  ginge  es  nach  der  RixTER'schen  Abbildung.  r>er  1.  Cloaken- 
muskel  stößt  jedenfalls  dorsal  mit  dem  3.  Körpermuskel  zusammen, 
der  4.  Körpermuskel  scheint  sich  ähnlich  wie  bei  C.  vircjula  zu  ver- 
halten. Ganz  eigentümlich  ist  der  2.  Körpermuskel  gebildet,  da  die 
beiden  Hälften  dorsal  nicht  zusammentreten.  Die  eine  Hälfte  ver- 
schmilzt dorsal  mit  dem  1.  Körpermuskel,  während  die  zweite  nur 
ventral  mit  ihm  verbunden  ist,  sich  in  der  Mitte  der  Körperseite 
nach  hinten  wendet  und  an  den  3.  Körpermuskel  tritt. 

Außer  diesen  4  unzweifelliaften  Cj'closalpen  könnte  man  viel- 
leicht noch  eine  Form  zu  dieser  Gruppe  rechnen,  deren  verwandt- 
schaftliche Beziehungen  unklar  sind.  Ich  meine  Salpa  rostrata. 
Leider  lag  sie  mir  nicht  zur  Untersuchung  vor,  so  daß  ich  meine 
Schlüsse  nur  nach  den  Abbildungen  von  Apsteix  ziehen  kann. 
Apstein  gibt  die  Muskulatur  der  Körperöffnungen  nicht  an.  Ganz  be- 
sonders scheint  mir  die  greg.  Form  für  eine  Verwandtschaft  mit 
C.  virgula  zu  sprechen.  Die  asj'mmetrische  Muskulatur  ist  in  ihrer 
Anordnung  der  von  S.  virgula  sehr  ähnlich  und  ganz  anders  als  z.  B. 
bei  einer  andern  ebenfalls  asj^mmetrischen  Salpe  aus  der  Gruppe 
der  Polymyarier,  nämlich  Salpa  imndata.  Die  Vierzalil  der  Muskeln 
scheint  nach  der  Abbildung  sicher  zu  sein,  ebenso  das  Zusammen- 
treten des  1.  Cloakenmuskels  mit  dem  2.  Körpermuskel,  auch  scheint 
mir  die  ApsTEix'sche  Muskelplatte  vorhanden  zu  sein.  Bei  dem 
Embi-yo,  den  Apstein  abbildet,  lassen  sich  auch  Beziehungen  zu  den 
Cyclosalpen  erkennen.  Die  Zahl  der  Muskeln  ist  6;  Apstein  gibt 
allerdings  7  an.  doch  ist  der  7,  nach  meiner  Einteilung  der  1.  Cloaken- 
muskel.  Daß  diese  Salpe  einen  Nucleus  hat,  ist  nicht  von  schwer- 
wiegender Bedeutung,  sie  könnte   in   dieser  Beziehung  eine  Über- 


1)  Ritter,  The  pelagic  Timicata  of  the  Sau  Diego  Region,  excepting 
tbe  Larvacea,  in :  Univ.  California  Publicatious,  Zool.,  Vol.  2,  No.  3, 
p.   51—112,    1905. 


über  die  Miisknlatm-  der  Salpeii.  21 

g'angsfonii  sein.  Auch  bei  C.  virgiila  greg.  ist  eine  Konzentnerung- 
der  Eingeweide  vorlianden.  C.  virgula  stellt  aber  sicher  in  mancher 
Beziehung  eine  Übergangsform  dar,  wovon  später  noch  die  Rede 
sein  wird. 

Nach  dem  LAHiLLE'schen  System  müßte  S.  rostrata  gemeinsam 
mit  S.  mucronata  zur  Gattung  Thalia  gehören,  was  Apstein  gründlich 
zurückgewiesen  hat.  Ich  gebe  die  Annahme,  daß  Salpa  rostrata 
ev.  zu  den  Cyclosalpen  gehören  könnte,  natürlich  mit  Vorbehalt 
wieder.  Erst  genaue  Untersuchungen  der  Muskulatur  können  die 
Frage  klären. 

Untergenus  Salpa. 

1.  Gruppe:  Polymyarier. 

SaJpd  inaxima  sol. 

(Fig.  9—11.) 

Die  Mundmuskulatur  der  solitären  Formen  dieser  Gruppe  zeigt 
der  der  Cyclosalpen  gegenüber  wesentliche  Unterschiede.  Salpa 
niaxima  kann  sehr  gut  als  Typus  gelten.  Der  ventrale  Abschnitt 
des  Segelmuskels  zerfällt  allerdings  nicht  in  2  Teilmuskeln  wie  bei 
ihren  Verwandten  (und  auch  bei  den  Cyclosalpen),  sondern  er  ist 
einfach.  Der  dorsale  Abschnitt  ist  bedeutend  schmäler,  er  verläuft 
auf  dem  schmalen  obern  Segel  und  trilft  nicht  mit  seinem  symmetrischen 
Muskel  in  der  dorsalen  Medianlinie  zusammen,  sondern  endet  in  eine 
Spitze  ausgezogen  viel  früher.  Beide  Abschnitte  des  Segelmuskels 
verbinden  sich  zu  einem  gemeinsamen  Zügelstück.  Der  Lippenmuskel 
besteht  dorsal  aus  2  Teilmuskeln,  von  denen  Muskel  B2  gut  aus- 
gebildet ist,  während  Muskel  B  1  bereits  eine  Reduktion  zeigt,  in- 
dem er  dorsal,  wie  Muskel  .1,  unterbrochen  ist.  Ventral  weist  er 
außer  seinem  bekannten  ventralen  Abschnitt  noch,  wie  bei  C.  virgula 
sol.,  das  kleine  Muskelchen  h  2  auf,  welches  dem  Flimmerbogen  bzw. 
dem  Bogenmuskel  parallel  läuft.  Das  Zügelstück  des  Lippenmuskels 
ist  auf  ganz  andere  Weise  gebildet,  als  wir  es  bis  jetzt  kennen 
gelernt  haben.  Der  vordere  Rand  des  Muskels  hat  sich  im  Mund- 
winkel nach  außen  umgeklappt  und  in  der  Richtung  nach 
hinten  zum  Zügelstück  verlängert  (vgl.  Fig.  9  sh),  der  Muskel  selbst 
liegt  also  unter  seinem  Zügelstück;  die  morphologische  Innenseite  des 
Zügelstücks,  welche  eine  Fortsetzung  der  Innenseite  des  Muskels 
ist,  ist  nach  außen  gekehrt.  Der  Bogenmuskel  ist  relativ  kurz  und 
breit,  mit  dem  kleinen  Muskel  c  hängt  er  nicht  zusammen. 


22  R-  Stkeiff, 

Der  1.  Cloakenmuskel  imterscheitlet  sich  kaum  von  den  Körper- 
muskeln, er  ist  nur  wenig  schmäler.  Er  inseriert  hinter  dem  Nucleus 
in  der  Nähe  zweier  sonderbarer  knopfföimiger  Verdickungen,  welche 
nur  bei  *S.  maxima  sol.  vorhanden  sind  (Fig.  11  Fs).  Meyen^)  hielt 
sie  seinerzeit  für  Ovarien;  dieser  Irrtum  wurde  von  Apstein  be- 
richtigt. Der  2.  Cloakenmuskel  (Fig.  10)  ist  bedeutend  schmäler, 
seitlich  ist  er  in  der  Richtung  nach  vorn  geknickt  und  läuft  in  ein 
kurzes  Zügelstück  aus.  Der  3.  Cloakenmuskel  ist  ähnlich  wie  bei 
C.  viryula  sol.  gebildet.  Die  Zahl  der  Teilmuskeln  beträgt  14—16, 
die  vordem  sind  breiter,  nach  hinten  werden  sie  allmählich  schmäler. 
Die  obern  dorsalen  Teilmuskein  vereinigen  sich  zu  einem  Zügelstück, 
welches  an  der  Innenseite  des  2.  Cloakenmuskels  vorübergeht.  Die 
ventralen  Teilmuskeln  sind  parallel  und  den  dorsalen  übergelagert, 
wie  das  aus  der  Abbildung  hervorgeht.  Der  kleine  Muskel  a  (vgl. 
Abbildung)  findet  sich  mit  großer  Regelmäßigkeit;  er  stellt  wahr- 
scheinlich ein  abgetrenntes  Stück  vom  Zügelstück  dar. 

Die  Zahl  der  dazwischenliegenden  Kürpermuskeln  beträgt  ge- 
wöhnlich 8;  hin  und  wieder  finden  sich  auch  9.  wie  dies  auch  von 
andern  Autoren  angegeben  wird,  wobei  dann  meistens  2  Muskeln 
durch  Anastomosen  miteinander  verbunden  sind.  Die  IMuskeln  sind 
parallel,  manchmal  nähern  sich  die  3  ersten  Muskeln  ein  wenig  in 
der  dorsalen  Medianlinie,  besonders  nahe  rückt  der  1.  an  den  2. 
heran.  Alle  Muskeln  sind  als  Halbringe  nur  auf  die  obere  Seite  des 
Körpers  beschränkt. 

Salpa  maxima  greg. 
(Fig.  12-14.) 
Die  3  Mundmuskeln  sind  im  Mundwinkel  anders  gelagert  als  bei 
der  solitären  Form :  Das  Zügelstück  des  Segelmuskels  liegt  wie  dort 
über  dem  des  Lippenmuskels,  der  Bogenmuskel  dagegen  kreuzt  die 
beiden  Zügelstücke  nicht  an  der  Innenseite,  sondern  läuft  an  der 
Außenseite  über  sie  hinweg,  eine  Anordnung,  welche  sich  nur  bei  den 
gregaten  Formen  der  Polymyarier  triift.  Der  Segelmuskel  ist  dorsal 
ebenso  wie  bei  der  solitären  Form  beschaffen,  ventral  teilt  er  sich 
in  2  Teilmuskeln.  Durch  die  Verbindung  des  dorsalen  und  ventralen 
Abschnitts  zu  einem  Zügelstück  zeigt  er  dieselben  Verhältnisse  wie 


1)  Metex,  Beiträge  zur  Zoologie,  gesammelt  auf  eiuer  Reise  um  die 
Erde,    1.   Abt.,    Über    die    Salpen,    in:    Nova    Acta    Acad.    Leop.    Card., 


Vol.   16,   1832. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeii.  23 

S.  virgula  greg.  Der  Lippenmuskel  ist  anders  gestaltet  als  bei  der 
solitären  Form,  das  durch  Umklappuiig  entstandene  Zügelstück  fehlt. 
Das  hier  voi'handene  Zügelstück  ist  sehr  schmal,  es  stellt  eine  Ver- 
längerung des  dorsalen  Muskelabschnitts  dar.  Morpholog-isch  gleich- 
Avertig  ist  dieses  Zügelstück  vielleicht  dem  kleinen  IVhiskel  h2  der 
solitären  Form.  Der  ^Muskel  B  1  ist  hier  dorsal  nicht  unterbrochen, 
doch  ist  insofern  ebenfalls  der  Anfang  einer  Reduktion  vorhanden,  als  er 
bedeutend  schmäler  ist  als  Muskel  B2,  während  bei  den  Cyclosalpen 
beide  Teiluiuskeln  gleichstark  entwickelt  sind.  Der  Bogenmuskel 
ist  länger  und  schmäler  als  bei  der  sol.  Form,  am  untern  Ende  teilt 
er  sich  in  2  kurze  Aste,  von  denen  sich  der  eine  in  der  Richtung- 
nach  vorn  wendet. 

Den  1.  Cloakenmuskel  bespreche  icli  im  Zusammenhang  mit  der 
Körpermuskulatur.  Der  2.  und  3.  verhalten  sich  ebenso  wie  bei  der 
sol.  Form,  sie  sind  nur  schwächer  entwickelt  (Fig.  13).  Der  2.  hat 
auch  den  seitlichen  Knick,  jedoch  kein  Zügelstück.  Der  3.  besteht 
aus  weniger  Teilmuskeln,  dagegen  ist  sein  Zügelstück  länger  und 
verläuft  gerade  nach  vorn. 

Die  Körpermuskeln   sind   ebenso   wie   bei   den  Cyclosalpen   und 
wie  fast  bei  allen  gregaten  Formen  der  bekannten  Salpen- Arten  in 
2  deutlich  voneinander  geschiedenen  Gruppen  angeordnet.    Der  ersten 
Gruppe  gehören  in  der  für  die  Polymyarier  charakteristischen  Weise 
4  Muskeln  an.   welche   sich  in  der  dorsalen  Medianlinie  aneinander- 
legen.     Genauer  gesagt,  legen  sich  nur  ]\Iuskel  2  und  3  aneinander, 
während  Muskel  1   und  2   einerseits   und  3   und  4   andrerseits   mit- 
einander verschmelzen.   Man  kann  die  beiden  Muskelpaare  als  je  einen 
sich   zu   beiden  Seiten  der  dorsalen  Mittellinie  in  2  Äste  gabelnden 
Muskel  auffassen.    Es  läßt  sich  dann  diese  Muskelgruppe  direkt  auf 
die  1.  Körpermuskelgruppe  der  Cyclosalpen  zurückführen.    Dasselbe 
gilt  auch  ohne  weiteres  von  der  2.  Muskelgruppe,  zu  der  sich  genau 
wie   bei  den  Cyclosalpen  die  beiden  letzten  Körpermuskeln  und  der 
1.  Cloakenmuskel   vereinigen.     Der   Unterschied   besteht   darin,  daß 
der  1.  Cloakenmuskel  hier  seine  Selbständigkeit  verloren  hat,  er  hat 
gewissermaßen   die  Rolle   mit   dem  letzten  Körpermuskel  getauscht 
und  erscheint  auf  seine  Kosten  reduziert.     Denn  während  jeuer  bis 
zur  dorsalen  Medianlinie   vordringt  (vgl.  Cyclosalpen),   bleibt   dieser 
als   selbständiger  Muskel   auf  die   untere   Seitenhälfte  des  Körpers 
beschränkt.    Der  5.  Körpermuskel  ist  von  der  Medianebene  zunächst 
nach  vorn  gerichtet,  biegt  dann  erst  gerade  nach  unten,  der  G.  Muskel 
läuft  von   der  Mittellinie  gerade  nach  unten.     Seitlich  teilt  er  sich 


24  R-  Streiff, 

in  einen  vordem,  seine  eigne  Fortsetzung-  bildenden,  und  einen  hintern 
Ast,  welcher  den  1.  Cloakenmuskel  vorstellt.  Der  eine  Ast  des  6.  Muskels 
und  zwar  auf  der  Seite,  wo  sich  der  hintere  Fortsatz  der  Salpe  be- 
findet, ist  ventral  ein  kleines  Stück  weit  unterbrochen.  Dadurch 
entsteht  ein  kleines  isoliertes,  vor  dem  Xucleus  gelegenes  Muskel- 
stückchen, welches  für  S.  maxima  greg.  und  S.  fusifonnis  greg. 
charakteristisch  ist  (vgl.  Textfig.  E  u.  G  6'y).  Es  kann,  wie  an- 
gedeutet wurde,  ebenso  wie  der  hintere  Fortsatz  bald  rechts,  bald 
links  gelegen  sein  dank  der  Heteroasymnietrie  dieser  Salpe. 

Der  hintere  Ast  des  6.  Muskels,  der  1,  Cloakenmuskel,  ist  dorsal 
mit  ihm  verschmolzen,  doch  ist  die  Verschmelzungslinie  oft  deutlich 
erkennbar.  Als  1.  Cloakenmuskel  dokumentiert  sich  dieser  Muskel 
unzweideutig  durch  seine  Insertion  hinter  bzw.  über  dem  Nucleus, 
an  der  ventralen  Basis  des  Cloakenrohres. 

Sdlpa  fusifot'niis  sol. 
(Fig.  15.) 

Über  diese  Salpe  kann  ich  mich  recht  kurz  fassen,  da  die 
Muskulatur  im  großen  und  ganzen  fast  völlig  mit  der  von  S.  maxima 
übereinstimmt.  Die  Cloakenötfnung  zeigt  insofern  eine  kleine  Ab- 
weichung vom  richtigen  ßohrtypus.  als  sie  bedeutend  verkürzt  ist 
und  nicht  wie  bei  S.  maxima  über  den  Xucleus  hinwegreicht.  Sie 
ist  dorsoventral  abgeplattet,  man  könnte  von  einer  Ober-  und  einer 
Unterlippe  sprechen.  Der  dorsale  Rand  hat  median  eine  kleine 
Einkerbung.  Entsprechend  dieser  Gestaltung  ist  auch  die  Mus- 
kulatur der  Cloakenöffnung  besonders  differenziert.  Der  ganze 
Apparat  der  Cloakenöffnung  läßt  eine  Andeutung  des  Typus  er- 
kennen,  wie  wir  ihn   bei  den  Oligomyariern  kennen  lernen  werden. 

Der  Segelmuskel  ist  ventral  in  2  Teilmuskeln  gespalten,  ebenso 
wie  bei  der  greg.  Form  von  S.  maxima  oder  wie  bei  den  Cyclosalpen. 
Der  Lippenmuskel  ist  ganz  so  beschaffen  wie  bei  S.  maxima  sol., 
auch  hier  findet  sich  ein  sekundäres  übergeklapptes  Zügelstück. 

Der  1.  Cloakenmuskel,  der  von  den  Autoren  wie  bei  S.  maxima 
stets  zur  Körpermuskulatur  gerechnet  wird,  da  er  sich  in  der  Größe 
auch  gar  nicht  von  ihnen  unterscheidet,  rückt  in  der  Medianlinie 
bis  zur  Berührung  mit  dem  letzten  Körpermuskel  vor.  Der  2.  Cloaken- 
muskel ist  seitlich  in  der  Richtung  nach  vorn  geknickt,  er  hat  kein 
Zügelstück,  wohl  aber  die  erste  Andeutung  eines  solchen,  da  die 
Muskelfasern   des  ventralen  Abschnittes  nicht  kontinuierlich  in  den 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  25 

dorsalen  übergehen,  sondern  senkrecht  zu  ihnen  stehen,  wie  das  aus 
der  Abbiklimg-  (Fig.  15)  ersichtlich  ist.  Der  obere  dorsale  Abschnitt 
des  3.  Cloakenmuskels,  dessen  Ziigelstück  den  vorigen  an  der  Knick- 
stelle von  innen  kreuzt  und  neben  dem  Ende  des  1.  CJloakenmuskels 
zur  Insertion  kommt,  zerfällt  in  ungefähr  10  Teilmuskeln.  Die  ei'- 
wähnte  Eigenart  besteht  darin,  daß  die  beiden  ersten  Teilmuskeln 
die  folgenden  an  Breite  bedeutend  übertreffen,  der  1.  ist  sogar 
breiter  als  der  davor  gelegene  2.  Cloakenmuskel.  Ferner  zeigen 
einige  der  folgenden  mediane  Schleifenbildungen,  wie  das  auch  bei 
den  Oligomyariern  vorkommt.  Wie  bei  Scdpa  maxinia  sol.  ist  auch 
hier  ein  kleines  Muskelchen  «  vorhanden. 

Die  Köpermuskeln  sind  auch  in  der  Achtzahl  vorhanden.  Die 
Annäherung  der  3  ersten  Muskeln,  welche  bei  /Sa/p«  maxima  sol. 
hin  und  wieder  schwach  augedeutet  ist,  ist  hier  stets  bis  zur  völligen 
Berührung  durchgeführt. 

Salpa  fiisiforniis  greg. 

Die  Muskulatur  der  Mund-  und  Cloakenöffnung  ist  ebenso  be- 
schaffen wäe  bei  Salpa  maxima  greg.  ivleine  Unterschiede  zeigen 
sich  im  Verhalten  des  Bogenmuskels  auf  der  dorsalen  Seite,  er  ist 
hier  länger  und  läuft  in  seinem  hintern  Abschnitt  der  Längsachse 
des  Körpers  nahezu  parallel.  Der  letzte  Cloakenmuskel  hat  ein 
paar  Teilmuskeln  weniger. 

Die  Zahl  und  die  Gruppierung  der  Körpermuskeln  ist  genau 
dieselbe.  Als  wichtiges  diagnostisches  Merkmal  zur  Unterscheidung 
von  S.  maxima  und  fusiformis,  auch  für  den  ungeübten  Beobachter, 
ist  das  seitliche  Zusammentreten  des  4.  und  5.  Körpermuskels  be- 
kannt. Die  beiden  ersten  und  der  3.  und  4.  Körpermuskel  hängen 
auch  hier  so  eng  zusammen,  daß  man  sie  als  je  2  Aste  eines  Muskels 
auffassen  kann.  Die  Verbindung  des  2.  und  3.  Muskels  dorsal  ist 
hier  inniger  als  bei  S.  maxima. 

Erwähnen  möchte  ich  noch,  daß  Apstein  den  Verlauf  des 
1.  Cloakenmuskels  bei  S.  fusiformis,  maxima  und  einigen  andern 
typischen  Polymyariern  in  seinen  Abbildungen  immer  richtig  angibt. 

Salpa  punctata  sol. 
(Fig.  16—18.) 

A\'er  diese  Salpe  nur  in  konservierten  Individuen  gesehen  hat, 
kann  sich  schwer  einen  Beeriff  von  der  zarten  hellbläulichen  Farbe 


26  R    Stkeiff, 

ihres  Mantels  und  der  scliünen  gefälligen  Form  ihres  Körpers 
machen.  Ich  habe  sie  leider  nur  ein  einziges  Mal  lebend  zur  Unter- 
suchung bekommen,  es  war  ein  prächtiges  ausgewachsenes  Exemplar; 
gleichzeitig  wurde  mir  eine  Kette  mit  reifen  Embryonen  gebracht. 
Sowohl  an  dem  ausgewachsenen  Tier  als  auch  an  den  freigewordenen 
relativ  großen,  etwa  2^2  ^"Hi  langen  Eml)rYonen  konnte  ich  die 
außerordentliche  Geschicklichkeit  und  Schnelligkeit,  mit  der  sich 
diese  Tiere  beAvegen ,  beobachten.  Bei  jeder  Kontraktion  der 
stark  entwickelten  Muskulatur  schießen  sie  geradezu  durch  das 
A\'asser.  Die  charakteristische  Körperform  dieser  Salpe.  welche  eine 
Verengerung  des  Körperquerschnittes  vor  der  Cloakenöifnung  auf- 
weist (Fig.  16).  Avie  das  schon  Vogt  ')  bei  einem  abgebildeten  Embryo 
gut  wiedergibt,  begünstigt  jedenfalls  die  Schnelligkeit  beim  Schwimmen. 
Der  Versuch,  den  ich  machte,  das  erwachsene  Exemplar  in  (^hrom- 
essigsäure  zu  konservieren,  mißlang  vollständig,  der  Körper  schrumpfte 
zu  einem  Klumpen  zusammen.  Ein  anderes  erwachsenes  Exemplar, 
welches  mir  Heri-  Dr.  Dayidoff  in  liebenswürdiger  Weise  überließ, 
war  in  Formol  konserviert  worden  und  hatte  die  Form  ganz  gut 
erhalten.  Die  Embrj'onen  ließen  sich  in  Chromessigsäure  leidlich 
konservieren,  sehr  gut  in  Flemming  "scher  Lösung. 

Das  Cloakenrohr  dieser  Salpe  ist  Avie  bei  S.  fusiformis  dorso- 
ventral  abgeplattet,  aber  nicht  verkürzt,  sondern  es  ragt  Avie  bei 
S.  maxima  über  den  Nucleus  hinaus. 

In  der  allgemeinen  Beschaifenheit  dei-  Muskulatur  nimmt  diese 
Salpe  eine  Sonderstellung  in  ihrer  Gruppe  ein.  Die  Muskeln  sind 
nicht  ventral  unterbrochen,  sondern  umgeben  als  geschlossene  Ringe 
den  Körper.  Sie  zeichnen  sich  außerdem  durch  ihre  große  Breite 
aus;  die  Intermuscularräume  sind  daher  sehr  schmal. 

Die  Mundmuskeln  sind  auch  bi'eiter.  In  der  Abbildung  (Fig.  17) 
habe  ich  die  Mundmuskulatur  eines  eben  freigeAvordenen  Embryos 
AAiedergegeben.  Der  dorsale  Abschnitt  des  Segelmuskels  verhält 
sich  abAveichend.  indem  er  nicht  A'om  Zügelstück  ausgeht;  er 
Avendet  sicli  nicht  zum  Mundwinkel,  sondern  geht  am  Rande 
bleibend  direkt  vom  obern  Segel  in  das  untere  über  und  ver- 
bindet sich  hiei-  durch  Anastomosen  mit  dem  vordem  Ast  des  Avie 
bei  S.  fusiformis  gespaltenen  ventralen  Teil  des  Segelmuskels.  Der 
Lippeumuskel  hat  das  für  die  solitären  Formen  der  Polymyarier 
charakteristische    sekundär  gebildete   Zügelstück.   Avelches  hier  eine 

1)  1.   c. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  27 

einzig-  dastehende  Ausbildung-  erfahren  liat :  es  ist  enorm  verläng-ert. 
Am  Vorderrand  des  1.  Körpermuskels  teilt  es  sich  in  2  Äste:  der 
obere  (Fig.  16  sho)  kreuzt  die  Körpermuskeln  an  der  Innenseite  und 
endet  am  Hinterrand  des  7.  Körpermuskels,  der  untere  läuft  mehr 
ventrahvärts  und  ebenfalls  an  der  Innenseite  der  Körpermuskeln 
bis  zum  Hinterrand  des  3.  Apsteix  \)  hat  diese  Muskeln  beschrieben 
und  abgebildet.  Der  Muskel  h  2.  welchei*  bei  den  beschriebenen 
Polvmvariern  als  kleines  Muskelclien  ausgebildet  war.  ist  hier  mit 
dem  untern  Teil  des  Bogenmuskels  zu  einem  breiten  Muskel  ver- 
schmolzen, welcher  ventral  nicht  unterbrochen  ist.  Der  obere  Teil 
des  Bogenmuskels  ist  auch  abweichend  gestaltet,  er  verschmälert 
sich  medianwärts,  lehnt  sich  an  den  1.  Körpermuskel  und  ist  in  der 
dorsalen  Mitte  ebenfalls  nicht  unterbrochen.  Der  Bogenmuskel  bildet 
also  bei  dieser  Salpe  gleich  den  Körpermuskeln  einen  geschlossenen 
Reifen.  Der  Bogenmuskel  verläuft  dorsal  direkt  hinter  dem  Ganglion ; 
es  ist  das  einer  von  den  Fällen,  welche  ich  in  der  Einleitung  an- 
deutete. Der  Muskel  c  ist  beim  erwachsenen  Tier  relativ  lang  und 
breit,  er  reicht  bis  zum  Vorderrande  des  Muskels  B  2. 

Die  Cloakenmuskulatur  weist  einzelne  Unterschiede  auf.  welche 
jedoch  nicht  wesentlicher  Natur  sind.  Der  1.  Cloakenmuskel  tritt 
wie  bei  S.  fusiformis  dorsal  in  der  Mediane  an  den  letzten  Körper- 
niuskel  heran.  "\Me  die  Körpermuskeln  ist  er  ventral  nicht  unter- 
brochen. Seitlich  ist  er  in  der  Richtung  nach  hinten  ausgebuchtet, 
fast  bis  zur  Berührung  mit  dem  folgenden  Muskel.  Der  2.  Cloaken- 
muskel rückt  dorsal  in  der  Mediane  auch  nach  vorn,  recht  nahe  an 
den  1.  heran,  ventral  teilt  er  sich  in  2  Teilmuskeln  ij  1  und  y 2 
(Fig.  18),  einen  vordem  breitern  und  einen  hintern  viel  schmälern, 
ein  Verhalten,  das  wir  bei  einigen  Oligomyariern  wiederlinden 
werden.  Das  Zügelstück  des  3.  Muskels  ist  relativ  sehr  breit,  es 
kreuzt  die  beiden  vorhergehenden  Muskeln  an  der  Innenseite.  Die 
beiden  symmetrischen  Zligelstücke  inserieren  auf  der  ventralen 
Medianlinie  nicht  getrennt,  sondern  laufen  direkt  hinter  dem  Nucleus 
vor  dem  1.  Cloakenmuskel  ineinander  über.  Die  beiden  vordem 
dorsalen  Teilmuskeln  sind  wie  bei  S.  fusiformis  breiter  als  die  fol- 
genden, die  hintern  zeigen  median  den  Anfang  einer  Differenzierung. 
Anders,   als   wir  es  kennen  gelernt  haben,   verhalten  sich  die  Teil- 


1)  Apsteix.  Die  Salpen  der  deutschen  TiefseeexpeJitiou,  iu :  Wiss. 
Ergcbn.  der  deutschen  Tiefseeexpedition  auf  d.  Dampfer  Valdivia  1898 — 99, 
Vol.   12.  Lief.  3.    1906. 


28  R-  Stbeiff, 

muskeln  der  ventralen  Hälfte.  Sie  kreuzen  auch  hier  das  Züg-el- 
stück  an  der  Außenseite,  enden  aber  dann  nicht  frei,  sondern  g'ehen 
in  die  dorsalen  Teilmuskeln  über,  wie  es  auf  der  Abbildung  wieder- 
gegeben ist. 

Die  Zahl  der  Körpermuskeln  ist  wie  bei  den  beiden  beschriebenen 
Formen  8.  Apstein  gibt  10  an.  Er  rechnet  hier  auch  den  Bogen- 
muskel  zur  Körpermuskulatur,  während  er  bei  S.  maxima  und  S.  fusi- 
formis  nur  den  1.  Cloakenmuskel  dazu  zählt. 

Sfilpa  punctata  greg. 
(Fig.  19—21.) 

Diese  Salpe  gehört  zu  den  hochgradig  asj^mmetrischen  Formen, 
dementsprechend  ist  auch  die  Heteroasymnietrie  sehr  deutlich.  In 
der  Ausbildung  der  Muskulatur  schließt  sie  sich  vollkommen  dem 
Typus  der  beschriebenen  Polymyarier  an.  Im  Folgenden  soll  ein 
Tier  der  linken  Kettenseite  beschrieben  werden,  welches  sich  da- 
durch auszeichnet,  daß  die  Muskulatur  des  vordem  Körperendes 
links  verkürzt  und  rechts  verlängert,  am  hintern  Körperende  da- 
gegen rechts  verkürzt  und  links  verlängert  ist.  Besonders  klar 
treten  diese  Verhältnisse  beim  Bogenmuskel  einerseits  und  beim 
letzten  Körpermuskel  andrerseits  zutage.  Beim  Tier  der  rechten 
Kettenseite  liegt  das  spiegelbildliche  Verhalten  vor.  Die  dorsal 
liegende  Mundöffnung  ist  schief.  Die  Cloakenöffnung  ist  rohrförmig. 
Der  obere  Band   der  Öffnung   hat  median  einen  kleinen  Vorsprung. 

AVas  das  allgemeine  Verhalten  der  Muskulatur  anbetrifft,  so 
zeigen  die  ]\ruskelreifen  in  ihrem  Bau  eine  Eigentümlichkeit,  welche 
ich  sonst  bei  keiner  Salpe  gefunden  habe.  Schon  bei  schwacher 
Vergrößerung  unter  der  Lupe  sieht  man ,  daß  jeder  Muskelreifen 
aus  einem  dunklern  mittlem  breiten  Streifen  besteht,  man  könnte 
ihn  als  Markstreifen  bezeichnen;  auf  jeder  Seite  befindet  sich 
noch  ein  schmaler  heller  Streifen,  ein  Rindenstreifen.  Den  feinern 
Bau  dieser  verschiedenartigen  den  Muskel  zusammensetzenden 
Elemente  habe  ich  nicht  untersucht. 

Die  Mundmuskulatur  stimmt  in  ihrem  allgemeinen  Verhalten 
ganz  mit  dem  überein,  wie  wir  es  bei  den  beiden  vorhergehenden 
Arten  kennen  gelernt  haben.  Der  Bogenmuskel  ist.  wie  gesagt,  auf 
der  rechten  Seite  stärker  entwickelt  als  auf  der  linken,  er  ist  länger 
und  bedeutend  breiter,   namentlich   auf  der  ventralen  Körperhälfte. 

Der  2.  Cloakenmuskel  —   den   1.  bespreche  ich   wieder  im  Zu- 


über  die  3Iuskulatiu-  der  Salpeii.  29 

sammeiiliang-  mit  den  Körpermuskeln  —  ist  ein  einfacher  Ring.  Der 
3.  Cloakenmuskel  (Fig.  19)  ist  bedeutend  komplizierter  als  bei  den 
gregaten  Formen  der  beiden  beschriebenen  Salpen.  er  ist  älmlich 
differenziert  wie  bei  der  solitären  Form  dieser  Salpe  und  der 
Salpa  fusiformis.  Von  dem  gemeinsamen  Zügelstück  gehen  dorsal 
5  Teilmuskeln  ab.  von  denen  die  beiden  ersten  nach  vorn,  die  H 
andern  nach  hinten  gerichtet  sind,  der  vorderste  bildet  eine  halb- 
kreisförmige Sclileife  nach  vorn,  der  distalste  eine  kleine  Schleife 
nach  hinten,  welche  sich  in  den  Vorsprung  des  Randes  der  Oftnung 
hineinstreckt.  Ventral  geht  von  dem  Zügelstück  nur  ein  Teilmuskel 
ab.  Außer  diesen  Teilmuskeln  kommen  noch  3  hinzu,  welche  un- 
unterbrochene Ringe  bilden  und  nicht  mit  dem  Zügelstück  in  Zu- 
sammenhang stehen.  Ihr  Verlauf  ist  aus  der  Zeichnung  zu  ersehen. 
Zur  Körpermuskulatur  gehören  6  Muskeln,  von  denen  einerseits 
die  4  ersten  dorsal  genähert  sind,  andrerseits  stoßen  der  5.  und  6. 
zusammen.  Es  bilden  also  dieselben  Muskeln  Gruppen  wie  bei  den 
andern  Poljmyariern,  doch  ist  der  Verlauf  im  einzelnen  hier  anders. 
Die  beiden  ersten  Muskeln  sind  dorsal  in  der  Mitte  und  auf  der 
ganzen  linken  Seite  miteinander  vereinigt  und  setzen  sich  links 
ventral  recht  weit  nach  vorn  an.  Ihre  Ausdehnung  von  der 
dorsalen  Medianlinie  bis  zum  ventralen  Ansatz  ist  viel  kürzer 
als  auf  der  rechten  Seite.  Rechts  von  der  dorsalen  Medianlinie 
teilen  sich  die  beiden  Muskeln,  der  1.  inseriert  ventral  auf  der 
rechten  Seite  weiter  nach  hinten  als  auf  der  linken  Seite,  der  2. 
ist  enorm  verlängert  und  reicht  ventral  auf  die  linke  Seite  hinüber, 
seine  Insertion  ist  sehr  Aveit  nach  hinten  versetzt  in  den  luter- 
muscularraum  zwischen  dem  5.  und  6.  Körpermuskel  der  linken 
Seite.  Die  beiden  folgenden  Muskeln  berühren  sich  weder  unter- 
einander noch  mit  dem  2.  Körpermuskel,  doch  ist  die  Entfernung 
zwischen  diesen  Muskeln  eine  geringere  als  zwischen  dem  4.  und  5. 
Die  beiden  Hälften  des  3.  und  4.  Muskels  sind  ungefähr  sleichlang, 
während  beim  5.  die  linke  Seite  länger  wird.  Extrem  wird  dieses 
Verhältnis  beim  6.  Muskel,  welcher  auf  der  rechten  Seite  sehr  lang 
ist,  auf  der  linken  Seite  dagegen  besitzt  er  kaum  die  Hälfte  seiner 
Länge  auf  der  rechten.  Die  Anlehnung  des  6.  Muskels  an  den  5. 
geschieht  in  besonderer  Weise.  Dorsal  in  der  ]\Iitte  lehnt  sich  nur 
der  hintere  hellere  Streifen  (vgl.  oben)  eng  an  den  5.  Muskel  an. 
» die  Faserenden  des  dunklen  mittlem  Streifens  und  des  vordem 
heilern  treten  unter  einem  stumpfen  Winkel  an  ihn  heran  (vgl. 
Fig.  20  ö  u.  6).  die  beiden  Hälften  des  6.  Muskels  sind  also  median 


30  R-  Streiff, 

mit  dem  5.  mir  durch  den  li intern  heilern  Streifen  verbunden. 
Ventral  inseriert  die  linke  Muskelhälfte  vor,  die  rechte  zur  Seite 
des  Nucleus  (Fig-.  21  6).  An  den  6.  ^luskel  bzw.  an  seinen  hintern 
hellen  Streifen  scliließt  sich  dorsal  fest  ein  nui-  aus  einem  eben- 
solchen hellen  Streifen  bestehender  Muskel  an,  welcher  sich  seitlich 
von  ihm  trennt  und  über  der  Xucleuspartie  bzw.  hinter  ihr  zur 
Insertion  kommt:  es  ist  der  stark  reduzierte  1.  Cloakenmuskel. 
Zunächst  hatte  ich  diesen  Muskel  übersehen  und  glaubte  schon,  daß 
er  hier  völlig  fehle.  Erst  bei  genauerer  Untersuchung  konnte  ich 
ihn  als  ein  sehr  schmales,  schwach  lichtbrechendes  Bändchen  fest- 
stellen. Wie  ich  bereits  mitteilte,  fehlt  der  Muskel  bei  den  Oligo- 
myariern,  bis  auf  eine  Ausnahme;  es  war  daher  von  besonderem 
Interesse,  auch  hier  die  starke  Reduktion  zu  konstatieren. 


Die  gemeinsamen  myologischen  Merkmale  der  untersuchten  Poly- 
myarier  sind  die  folgenden:  Solitäre  Form:  Der  Segelmuskel  ist 
dorsal  einteilig,  ventral  zweiteilig  (bei  S.  maxima  sol.  einteilig).  Der 
Lippenmuskel  ist  dorsal  zweiteilig,  ventral  einteilig  mit  kurzem 
Muskel  h  2  und  sekundärem  Zügelstück.  Der  Bogenmuskel  ist  vom 
kleinen  Längsmuskel  c  getrennt.  Ivürpermuskeln  sind  8  (oder  mehr) 
vorhanden.  Die  beiden  ersten  Cloakenmuskeln  sind  einfach,  der  3. 
nach  dem  rohrförmigen  Cloakentypus  gestaltet  (mit  beginnender 
Differenzierung  bei  S.  fusiformis  und  inmctaia).  Gregate  Form: 
Der  Segelmuskel  ist  dorsal  einfach,  ventral  zweiteilig.  Der  Lippen- 
muskel dorsal  zweiteilig,  ventral  einfach,  mit  einfachem  Zügelstück. 
Der  Bogenmuskel  ist  vom  Längsmuskel  c  getrennt,  er  liegt  als 
äußerster  Muskel  den  beiden  andern  Mundmuskeln  auf.  Körper- 
muskeln sind  6  vorhanden,  die  4  ersten  bilden  eine  Gruppe,  die  2 
letzten  bilden  zusammen  mit  dem  1.  Cloakenmuskel  eine  Gruppe.  Der 
1.  Cloakenmuskel  ist  nur  ventral  selbständig,  der  2.  ist  einfach, 
der  3.  nach  dem  rohrförmigen  Cloakentypus  gestaltet. 


Als  unzweifelhaft  in  diese  Gruppe  gehörig  betrachte  ich  außer 
der  erwähnten  Salpa  cißindrica  (vgl.  Apsteix.  Teaustedt)  Saljja 
fusiformis  rar.  ccMnntcL  Salpa  amhoinensis  und  Salpa  asymmeirica. 
Nach  den  Abbildungen  von  Apsteix  scheint  mir  darüber  keine 
weitere  Diskussion  notwendig  zu  sein.  Ferner  bin  ich  geneigt  hier- 
her zu   zälilen   Salpa  liexagona,   Salpa  picteti  und    Salpa  tilesii.     Der 


über  die  Miiskulatur  der  Salpen.  31 

völlige  Nachweis  kann  natüiiicli  erst  durch  die  l'ntei'.suchiino-  oe- 
bracht  werden,  doch  spricht  manches,  was  man  aus  den  Abbildungen 
erkennen  kann,  dafür,  l^ei  den  solitären  Formen  ist  es  vor  allem 
die  große  Zahl  der  Körpermuskeln  und  die  rohrförmige  Cloaken- 
öffnung-.  was  auf  eine  Zug'ehörigkeit  zu  den  Polymj'ariern  hinweist. 
S.  amboinensis  sol.  hat  schon  1  oeler  2  Muskeln  mehr  als  S.  maxinia, 
bei  S.  picteti  erreicht  die  Zahl  ein  ]\raximum.  Ich  erwähnte  schon 
bei  der  Beschreibung-  von  S.  ma.iima.  daß  sich  manchmal  ein  Muskel 
verdoppelt  und  daß  dann  die  beiden  Muskeln  durch  Anastomosen 
verbunden  sind.  Es  ist  genau  dasselbe  Bild,  wie  wir  es  bei 
S.  amhoinensis  und  pidcii  linden,  wo  ebenfalls  oft  viele  Muskeln 
miteinander  durch  Anastomosen  verbunden  sind.  Auch  die  Mund- 
muskulatur scheint,  soweit  sie  bei  Apstein  eing'ezeichnet  ist,  mit 
der  von  Salim  maxima  übereinzustimmen.  S.  Hlesii  hat  ein  ganz 
eigenartiges  Mu.skelbild.  einmal  deswegen,  weil  die  Muskeln 
mehrfach  unterbrochen  sind,  dann  auch,  weil  sie  so  schmal  sind. 
Doch  ist  ihre  Zahl  sehr  groß.  In  der  Form  des  Hinterendes 
ähnelt  diese  Salpe  der  S.  imncUda:  die  Form  der  Cloaken- 
öffnung  läßt  sich  auf  die  von  S.  pnnctata  zurückführen,  denn 
schon  dort  bogen  sich  die  beiden  Seitenränder  des  Cloaken- 
rohres  recht  weit  seitlich  vor,  besonders  die  Spitzen.  Denkt  man 
sich  diese  Seitenränder  verlängert,  so  kommt  man  zu  den  beiden 
Fortsätzen  der  S.  tilesii.  im  übrigen  hat  sie  den  ausgesprochenen 
rohrförmigen  Cloakentypus.  Das  letztere  gilt  auch  für  S.  hexagona 
sol.  Diese  Form  erinnert  wieder  durch  die  sehr  breiten  Muskel- 
bänder und  die  oft  verschwindend  schmalen  Intermuscularräume  an 

5.  pundata.  Die  Zahl  der  Muskeln  stimmt  auch  vielleicht  überein, 
doch  läßt  sich  das  nicht  genau  feststellen.  Die  gregate  Form  von 
SciJpa  hexagona  zeigt  in  charakteristischer  Weise  die  bekannten 
2  Muskelgruppen  zu  4  bzw.  2  Ivörpermuskeln.  Der  1.  Cloaken- 
muskel  ist  bei  Apsteix  leider  nicht  angegeben.  Bei  der  gregaten 
Form  der  S.  tilesn  sind  die  Körpermuskeln  auch  in  2  Gruppen  an- 
geordnet. Nach  der  Lage  des  Embryos  zu  urteilen  ist  der  Muskel, 
welchen  Apsteix  als  4.  angibt,  der  1.  ]\Iuskel  der  2.  hintern  Gruppe, 
der   von   dem   2.  Muskel   dieser  Gruppe   sehr  weit  entfernt  ist.   den 

6.  Muskel  (Apsteix)  halte  ich  daher  für  den  1.  Cloakenmuskel,  welcher 
hier  nur  in  der  Mitte  mit  dem  letzten  Körpermuskel  verbunden 
wäre  und  sich  recht  bald  seitlich  von  ihm  trennen  würde.  Zur 
1.  Gruppe  würden  in  diesem  Falle  nur  3  Muskeln  gehören,  was 
übrigens   auch   bei  S.  cißmdrica.   deren  Zugehörigkeit    zu   den  Poly- 


32  R-  Streiff, 

myariein  außer  Zweifel  steht,  der  Fall  ist.  Diese  beiden  Salpen 
maclieu  damit  eine  Ausnahme  von  der  für  die  gre;saten  Formen  der 
Polymyarier  aufg'estellten  Yierzahl  in  der  1.  Gruppe  der  Kürper- 
muskeln. Höchstwahrscheinlich  gehört  auch  S.  magalhauica  in  diese 
Gruppe,  doch  möchte  ich  mich  nicht  näher  dazu  äußern,  da  ich  die 
Muskulatur  nach  den  Abbildungen  niclit  sicher  bestimmen  kann. 
Nach  dem  LAiiiLLE'schen  System  müßten  S.  hexagomi,  tilesil  und 
magalhanica  dem  Untergenus  Jasis  (mit  S.  sonaria  zusammen)  zu- 
gezälilt  werden.  Ich  halte  das,  abgesehen  von  andern  Gründen, 
schon  deshalb  für  ausgeschlossen,  weil  sie  alle  in  beiden  Formen 
eine  rohrförmige  Cloakenöffnung  besitzen. 


2.  Gruppe:  Oligomyarier. 


Salpa  cotifoederata  sol. 

(Fig.  23.) 

Wie  bereits  in  der  Einleitung  bemerkt  wurde,  ist  diese  Salpe 
die  einzige  unter  den  Oligomyariern.  welche  eine  rohrförmige  Cloaken- 
öffnung besitzt,  w^ährend  alle  andern,  auch  ihre  gregate  Form,  sich 
durch  eine  w^ohlausgebildete  Verschlußeinrichtung  der  Cloakenöfthung, 
eine  Klappe,  auszeichnen.  Mir  standen  2  Exemplare  zur  Verfügung. 
Bei  dem  einen  konnte  man  am  dorsalen  Rand  des  Cloakenrohres 
ein  eingeklapptes  Segel  beobachten,  ähnlich  wie  es  bei  den  Klappen 
vorkommt,  beim  andern  fehlte  diese  Bildung;  ich  möchte  daher 
nicht  entscheiden,  ob  es  sich  beim  ersten  um  eine  normale  Bildung 
handelte  oder  ob  sie  vielleicht  durch  die  Konservierung  entstanden 
Avar.  Wie  aber  schon  erwähnt,  zeigt  die  Muskulatur  der  Cloaken- 
öffnung unbedingte  Anklänge  an  den  Klappentypus,  so  daß  diese 
Form  durch  die  Vermischung  beider  Typen  sehr  schön  als  Über- 
gangsform gelten  kann. 

Die  Gestalt  dieser  Salpe  ist  sehr  ungewöhnlich.  Durch  die 
starke  bauchige  Auswölbung  ventral  in  der  vordem  Hälfte  des 
Körpers,  welche  bei  altern  Embryonen  genau  in  derselben  Weise 
ausgebildet  ist  wie  beim  erwachsenen  Tier,  hat  sie  etwas  Un- 
geschicktes an  sich;  die  im  Vergleich  zur  Körpermasse  gering  und 
nur  dorsal  entwickelte  Muskulatur  erweckt  die  Vorstellung,  daß  sich 
das  Tier  nur  mit  Mühe  bewegen  kann,  was  in  der  Tat  der  Fall 
ist.     Die  Bewegung  hat  etwas  sehr  Schwerfälliges. 

Die  Oberlippe  hat   wie  bei  den  Cyclosalpen  kein  eingeklapptes 


über  die  Muskulatur  der  Salpeii.  33 

Segel   wälirend   die  Unterlippe,   wie   gewöhnlich,   ein   breites  Segel 
besitzt.    Die  Cloakenölfnung  ragt  weit  über  den  Nucleus  hinweg. 

Die  Mundmusknlatur,  welche  mit  der  von  mir  abgebildeten 
]\rnndnuiskulatnr  der  gregaten  Form  (Fig.  23)  übereinstimmt,  unter- 
scheidet sich  in  mehrfacher  Hinsiclit  von  der  der  beschriebenen 
Sali)en-Arten.  Der  Segelmuskel  liegt  wie  dort  ganz  nach  außen. 
Sein  Zügelstück  ist  schmal,  ebenso  der  dorsale  Abschnitt,  welcher 
nicht  umlaufend  ist,  sondern  ein  gutes  Stück  vor  der  Medianlinie 
in  eine  Spitze  ausläuft.  Der  untere  Abschnitt,  Muskel  a,  ist  nur 
wenig  breiter.  Der  Form  nach  stimmt  dieser  Muskel  nur  mit  der- 
jenigen überein.  wie  wir  sie  für  die  solitäre  Form  von  Salpa  niaxima 
beschrieben  haben,  während  er  bei  allen  andern  Arten  doi)i)elt  war. 
Der  Lippenmuskel  dieser  Salpe  und,  wie  wir  sehen  werden,  auch 
der  andern  Oligomj'arier  zeichnet  sich  durch  zwei  Eigentümlichkeiten 
aus.  Erstens  ist  der  dorsale  Abschnitt  immer  einfach,  es  existieren 
nicht,  wie  wir  es  bis  jetzt  kennen  gelernt  haben,  die  Muskel  Bl 
und  B  2,  sondern  lediglich  ein  Muskel  B,  welcher  sich  den  andern 
Mundmuskeln  gegenüber  durch  seine  recht  bedeutende  Breite  aus- 
zeichnet. Zweitens  ist  im  Gegensatz  dazu  und  zu  den  beschriebenen 
Salpen  der  ventrale  Abschnitt  hier  doppelt.  Der  Muskel  B  ver- 
längert sich  seitlich  zu  einem  Zügelstück,  welches  nach  innen  vom 
Zügelstück  des  Segelmuskels  liegt.  Im  Mundwinkel  geht  von  der 
vordem  Seite  des  IMuskels  B  der  proximale  Teilmuskel  des  ventralen 
Abschnittes,  Muskel  h  2,  ab.  Der  distale  Teilmuskel  h  1,  der  dem 
Segelrande  bzw.  dem  Muskel  a  zunächst  gelegene,  ist  hier  ganz 
selbständig,  er  läuft  im  Mundwinkel  an  der  Außenseite  vor  Muskel  B 
vorüber  und  verlängert  sich  in  ein  eignes  Zügelstück,  welches 
zwischen  dem  Zügelstück  des  Segelmuskels  und  dem  beschriebenen 
des  Muskels  B  liegt.  Es  läßt  sich  bei  dieser  Gelegenheit  die  Frage 
stellen,  ob  dieser  Muskel  nicht  ebensogut  ein  abgetrennter  Ast  des 
Segelmuskels  sein  könnte,  so  daß  wir  dann  in  Übereinstimmung  mit 
den  meisten  Polymyariern  und  den  C'yclosalpen  einen  doppelten 
ventralen  Abschnitt  dieses  Muskels  hätten.  Dagegen  lassen  sich 
aber  gewichtige  Gründe  anführen.  Erstens  ist  eine  vollständige 
Trennung  der  beiden  Teilmuskeln  des  ventralen  Abschnittes  des 
Segelmuskels,  wo  solche  bei  den  beschriebenen  Salpen  vorkommen, 
nie  vorhanden,  der  Abschnitt  zerfällt  erst  immer  distalwärts  vom 
gemeinsamen  Zügelstück  und  vom  Mundwinkel,  auf  dem  untern 
Segel  in  seine  beiden  Teile,  andrerseits  haben  wir  bereits  ein  Bei- 
spiel   für    die   völlige   Abtrennung   des   ventralen    Abschnittes   des 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  3 


34  R-  Streiff, 

Lippenmuskels  in  dem  Verhalten  bei  der  solitären  Form  von  Cydo- 
salpa  virgula.  Zweitens  läßt  sich  in  der  Reihe  der  Salpen  unbeding't 
eine  allmähliche  Reduktion  des  Segelmuskels  erkennen,  wie  wir  noch 
weiter  sehen  werden,  wofür  wir  auch  schon  bei  Salpu  maxima  sol. 
ein  Beispiel  hatten;  dort  bestand  ebenfalls  nur  eine  Einteiligkeit 
des  ventralen  Segelmuskelabschnittes,  eine  Eigenschaft,  w^elche  wir 
als  eine  progressive  bezeichnen  müssen,  wenn  wir  die  Oligomyarier 
als  die  liöchstentwickelten  Formen  ansehen.  Ich  gehe  darauf  noch 
später  ein.  Drittens  würde  sich  das  Verhalten  des  Lippenmuskels 
mit  dem  der  andern  01igom3'arier  decken,  wenn  wir  den  in  Rede 
stehenden  Muskel  ihm  zuzählen.  Namentlich  der  von  der  Vorder- 
seite des  Muskels  B  abgehende  Muskel  h2  ist  charakteristisch  für 
die  Oligomyarier.  Zu  bemerken  ist  noch,  daß  sich  das  Zügelstück 
des  Muskels  B  bei  der  solitären  Form  in  2  Aste  teilt  und  nicht 
einfach  bleibt,  wie  es  auf  der  Abbildung  von  der  gregaten  Form  zu 
sehen  ist.  Auf  diese  Weise  liegen  4  kleine  Muskelenden  über- 
einander. 

Der  Bogenmuskel  reicht  nach  unten  zu  nui-  bis  an  den  Mund- 
winkel, er  hört  unter  den  Zügelstücken  auf.  Er  ist  seiner  ganzen 
Länge  nach  gespalten  in  einen  vordem  und  einen  hintern  Muskel, 
welche  nur  durch  den  Flimmerbogen  voneinander  getrennt  sind. 
Dei"  vordere  beschreibt  einen  Bogen  medianwärts  und  nach  vorn 
und  geht  direkt  in  den  kleinen  Längsmuskel  C  über,  welcher  seiner- 
seits bis  an  den  Muskel  B  heranreicht.  Der  direkte  Zusammenhang 
dieser  beiden  Muskeln  kommt,  wie  beschrieben  wurde,  stets  bei  den 
Cyclosalpen  vor,  sonst  findet  er  sich  außer  bei  dieser  Salpe  nicht; 
hier  fehlt  die  gemeinsame  nach  hinten  verlaufende  AY^irzel  beider 
Muskeln.  Der  hintere  Teilmuskel  des  Bogenmuskels  reiclit  nur  bis 
zur  Umbiegungsstelle  des  vordem. 

Die  wichtigsten  Merkmale  der  Cloakenmuskulatur  der  Oligo- 
myarier im  allgemeinen  bestehen  in  einer  bis  zum  völligen  Schwunde 
gehenden  Reduktion  des  l.  Cloakenmuskels  und  in  einer  Reduktion 
der  Zalil  der  Teilmuskeln  des  3.  Während  wir  schon  bei  den 
gregaten  Formen  der  Polymyarier  im  allgemeinen  den  1.  Cloaken- 
muskel  gegenüber  dem  der  Cyclosalpen  als  bedeutend  reduziert 
gefunden  haben,  so  war  er  besonders  bei  Salpa  punctata  am 
schwächsten  ausgebildet  und  bestand  nur  aus  einem  schmalen 
Bändchen.  Salpa  punctata  stellt  in  dieser  Beziehung  eine  Ubergangs- 
form  in  dem  einen  Lager  vor,  während  S.  confoederata  unbedingt 
als  solche  im  andern  gelten  kann.    Beim  erwachsenen  solitären  Tier 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  35 

ist  der  1.  Cloakenmuskel  überhaupt  nicht  mehr  vorhanden,  dagegen 
konnte  ich  ihn  bei  kleinen,  ungefähr  1  cm  langen,  in  der  Form 
aber  schon  völlig  ausgebildeten  Embryonen,  welche  in  FLEMMiNG'scher 
Lösung  konserviert  waren,  auf  Flächenpräparaten  deutlich  nach- 
weisen. In  der  Abbildung  (Fig.  22),  welche  die  Muskulatur  eines 
erwachsenen  Individuums  darstellt,  habe  ich  die  nur  beim  Embryo 
vorhandenen  Muskelelemente  mit  punktierten  Linien  hineingezeichnet. 
Der  4.  Körpermuskel  verlängert  sich  beim  Embryo  ventralwärts  und 
teilt  sich  wie  der  6.  bei  den  gregaten  Polymyariern  in  einen  vordem 
und  einen  hintern  Ast.  Der  vordere,  der  eigentliche,  verlängerte 
4.  Körpermuskel  ist  sehr  schwach  ausgebildet  und  schmal,  er  wendet 
sich  gegen  den  Nucleus,  an  dessen  Seite  er  zur  Insertion  gelangt.  Der 
hintere  Ast.  der  1,  Cloakenmuskel,  geht  in  der  ventralen  Mittellinie 
hinter  dem  Nucleus  direkt  in  den  symmetrischen  Muskel  über.  Beim 
erwachsenen  Tier  fehlt,  wie  aus  den  punktierten  Linien  hervorgeht, 
der  ganze  untere  sich  teilende  Abschnitt  des  4.  Körpermuskels. 
Ebenso  fehlt  liier  eine  seitliche  Verbindung  zwischen  dem  dorsalen 
und  ventralen  Abschnitt  des  2.  Cloakenmuskels,  welche  beim  Embryo 
vorhanden  ist  und  damit  keinen  Zweifel  aufkommen  läßt,  daß  die 
Teile  zueinander  gehören.  Vom  dorsalen  Abschnitt  geht  von  der 
obern  hintern  Seite  ein  kurzes  Muskelendchen  (y  2)  ab,  in  welchem 
wir  vielleicht  ein  Kudiment  eines  2.  schmälern  Teilmuskels  des 
ventralen  Abschnittes  sehen  können,  wie  wir  ihn  auch  bei  S. 
imndata  sol.  vorfanden.  Beim  Embryo  verlängert  sich  der  obere 
Abschnitt  direkt  in  den  untern,  welcher  seitlich  dem  Hinterrande  des 

1,  Cloakenmuskels  eng  anliegt  und  ventral  ohne  Unterbrechung  in 
den  symmetrischen  Muskel  übergeht.  Der  o.  Cloakenmuskel  ist 
recht  kompliziert  und  infolge  von  Unterbrechungen  seiner  Teile  auch 
nicht  ohne  weiteres  verständlich.  Sein  oberer  dorsaler  Abschnitt 
zerfällt  in  3  Teilmuskeln,  welche  ich  liier  wie  bei  den  andern  Oligo- 
myariern  mit  sl,  z2  und  s3  bezeichnen  werde.  Der  Muskel  2I 
bildet    einen    Halbkreis,    welcher    sich    weit    nach    vorn    vor    den 

2.  Cloakenmuskel  erstreckt.  Ein  Stück  weit  ist  er  unterbrochen  — 
die  beiden  Enden  liegen  nicht  in  derselben  Linie,  sondern  sind  etwas 
gegeneinander  verschoben  —  und  geht  dann  sich  gabelnd  in  den 
gemeinsamen  Stamm  der  dorsalen  Teilmiiskeln  über.  Der  Muskel  s  2 
teilt  sich  in  der  Medianlinie,  die  beiden  Enden  biegen  rechtwinklig 
nach  vorn  ab  und  verlängern  sich  dicht  nebeneinander  laufend  ein 
Stück  weit  in  der  Richtung  nach  vorn.  Der  Musksl  z  3  zeigt  keine 
Besonderheiten.    Die  3  Muskeln  vereinigen  sich  zu  einem  gemein- 

3* 


36  R-  Streiff, 

Samen  Stamm,  welcher  schräg-  nach  nnten  und  vorn  verläuft,  eine 
Strecke  weit  unterbrochen  ist  und  sich  schließlich  seinerseits  mit 
dem  1.  sehr  breiten  Teilmuskel  des  ventralen  Muskelabschnittes  zu 
einem  gemeinsamen  Zügelstück  vereinigt,  welches  an  der  Außen- 
seite des  2.  Cloakenmuskels  auf  diesem  zur  Insertion  gelangt.  Der 
Verlauf  des  Zügelstücks  an  der  Außenseite  des  2.  Cloakenmuskels 
ist  charakteristisch  für  alle  Oligomyarier,  im  Gegensatz  zu  den 
Cj^closalpen  und  den  Polj^myariern,  wo  das  Zügelstück,  wie  beschrieben 
wurde,  immer  an  der  Innenseite  des  2.  Muskels  verläuft.  Diese  Tat- 
sache ist  insofern  interessant,  als  sich  der  distalste  Muskel  der 
Cloaken Öffnung  dem  proximalen  gegenüber  bei  den  Oligomyariern 
ebenso  verhält  wie  die  gleichen  Muskel  der  Mundüffnung,  wie  denn 
auch  durch  die  x\usbildung  des  Klappenapparats  bei  den  Oligo- 
myariern die  beiden  Körperöifnungen  einen  deutlich  analogen  Auf- 
bau zeigen.  Die  folgenden  ventralen  Teilmuskeln  sind  sehr  schmal, 
der  2.  ist  auf  die  ventrale  Mittelpartie  beschränkt,  er  erreicht  nicht 
den  dorsalen  Abschnitt.  Die  beiden  folgenden  Teilmuskeln  treten 
an  die  dorsalen  an  der  Stelle,  wo  diese  zur  Bildung  des  gemein- 
samen Stammes,  des  dorsalen  Abschnitts  des  Zügelstückes,  zu- 
sammentreten, im  Winkel  der  Cloakenöflfnung.  Der  distalste  ist  mit 
dem  Muskel  s3  durch  eine  Anastomose  verbunden. 

Das  Verhalten  des  3.  Cloakenmuskels  bei  dieser  Form  ist  noch 
nicht  in  allen  Punkten  das  typische  für  die  Oligomyarier,  doch  läßt 
es  sich  darauf  mit  Leichtigkeit  zurückführen.  Streichen  wir  den 
1.  breiten  Teilmuskel  des  ventralen  Abschnitts  sowie  den  2.  redu- 
zierten und  die  Anastomose  zwischen  den  distalsten,  so  bleiben  die 
Teile  übrig,  welche  den  Grundbestand  des  3.  Cloakenmuskels  bei 
den  Oligomyariern  ausmachen.  Dorsal  finden  sich  immer  3  Muskeln, 
die  sich  zwar  verschieden  verhalten  können,  von  denen  einer  auch 
sekundär  (oder  primär?)  seinerseits  in  mehrere  Teilmuskelchen  zer- 
fallen kann,  ventral  finden  sich  dagegen  immer  2  Teilmuskeln.  Die 
große  Zahl  der  Teilmuskeln,  wie  wir  sie  bei  den  Cyclosalpen  und 
Polym3^ariern  fanden,  ist  stark  reduziert,  vor  allem  ist  die  Zahl 
hier  bestimmt  geworden. 

Die  Körpermuskulatur  besteht  aus  4  Muskeln,  von  denen  je  2, 
wie  bekannt,  so  angeordnet  sind,  daß  sie  den  Buchstaben  X  bilden, 
eine  Eigentümlichkeit  beider  Formen  dieser  Salpen.  welche  beim 
Bestimmen  das  schnellste  und  sicherste  Unterscheidungsmerkmal  ab- 
gibt. Die  Muskeln  reichen  seitlich  sehr  wenig  weit,  sie  sind  eigent- 
lich nur  auf  ein  schmales  dorsales  Feld  beschiänkt.    Auch  sind  sie 


über  die  Mi;skulatur  der  Salpen.  37 

relativ  schmal,  die  Muskelmasse  ist  im  Verhältnis  zur  Körpermasse 
sehr  gering-  entwickelt:  hierin  wie  in  der  unförmlichen  Gestalt 
unterscheidet  sich  diese  Salpe  von  allen  andern,  sehr  wesentlich 
auch  von  denen,  mit  welchen  ich  sie  auf  Grund  anderer  wichtiger 
Übereinstimmung  in  den  Eigenschaften  zur  Gruppe  der  Oligomyarier 
vereinio-t  habe. 


Scilpa  confoederata  greg. 

(Fig.  23—25.) 

Die  Oberlippe  hat,  wde  bei  der  solitären  Form,  kein  eingeklapptes 
Segel.  Die  dorsal  gelegene  Kloaken ötfnung  zeigt  unverkennbar 
den  Typus  einer  Klappe,  wie  er  für  die  Oligomyarier  charakte- 
ristisch ist.  Die  Form  der  Klappe  (Fig.  25  Kl)  ist  die  eines  Trapezes, 
dessen  Basis  distal wärts  gerichtet  ist  und  den  Eand  der  Klappe 
bildet.  Die  andern  3  Seiten  sind  vom  Körper  durch  flache  konkave 
Falten  {IccF)  getrennt.  In  der  Mitte  des  Trapezes,  das  gegen  die 
Körperlängsachse  ein  wenig  geneigt  ist,  verläuft  eine  konvexe 
Falte  (mcvF).  Ein  eingeklapptes  Segel  ist  an  der  Klappe  nicht 
vorhanden.  Die  Bewegung  dieser  Klappe  geschieht  folgendermaßen : 
bei  der  Verengung  des  Körpers  durch  die  Kontraktion  der  Körper- 
muskulatur vertiefen  sich  die  3  konkaven  Falten,  während  sich  die 
konvexe  Mittelfalte  erhebt.  Dadurch  erhebt  sich  auch  der  Rand 
der  Klappe  vom  untern  Rande  der  Cloakenötfnung,  und  das  Atem- 
wasser kann  durch  die  entstehende  Öffnung  ausströmen.  Der  untere 
Rand  der  Cloakenöffnung,  welcher  durch  die  obere  Partie  des  den 
Nucleus  umgebenden  festern  und  dickern  Mantel  gebildet  ward,  hat 
ein  kurzes  Segel,  welches  aber  nicht  wie  bei  der  Mundöffnung  ein- 
geklappt ist,  sondern  gerade  nach  hinten  ausgestreckt  ist.  Es  ent- 
spricht also  durchaus  dem  ventralen  Teil  des  Cloakenrohres  der 
andern  Salpen,  nur  daß  dieser  hier  stark  verkürzt  ist;  in  geringerm 
Maße  w^ar  es  schon  bei  S.  fusiformis  sol.  der  Fall.  Auf  dem  Segel 
verläuft  der  ventrale  Abschnitt  des  letzten  Cloakennuiskels. 

Die  Mundmuskulatur  habe  ich  schon  bei  Besprechung  der  soli- 
tären Form  erledigt.  Ich  füge  noch  hinzu,  daß  die  beiden  Teil- 
muskel des  Bogenmuskels  nicht  die  Zügelstücke  erreichen,  sondern 
schon  über  ihnen  enden  (Fig.  23). 

Der  1.  Cloakenmuskel  (Fig.  24)  ist  bei  der  gregaten  Form  auch 
im  erwachsenen  Zustande  erhalten,  doch  ist  er  nicht  mit  dem  letzten 
Körpermuskel  verbunden,  sondern  endet  frei  unter  ihm.    Wir  er- 


38  ^-  Streiff, 

kennen  ihn  als  1.  Cloakenmuskel  in  gewohnter  Weise  daran,  daß 
er  hinter  dem  Nuclens  bzw.  über  ihm  zur  Insertion  kommt,  die 
beiden  Enden  reichen  nicht  bis  zur  ventralen  Medianlinie,  sondern 
inserieren  mehr  seitlich  unter  den  Winkeln  der  Cloakenoffnung.    Der 

2.  Cloakenmuskel  ist  nur  in  der  ventralen  Körperhälfte  ausgebildet, 
er  läuft  dem  1.  parallel  und  endet  ein  Stück  weit  hinter  ihm.    Der 

3.  Cloakenmuskel  entspricht  ganz  dem  Tj'pus.  wie  wir  ihn  bei  der 
Beschreibung-  der  solitären  Form  für  die  Oligomvarier  erwähnt 
haben.  Von  einem  gemeinsamen  Zügelstück,  welches  hier  den  2. 
und  den  1.  Cloakenmuskel  an  der  Außenseite  kreuzt,  gehen  dorsal  3 
und  ventral  2  Teilmuskeln  ab.  Muskel  2I  ist  breit,  von  den  andern 
ist  er  durch  seine  mehr  proximale  Lage  ein  Stück  weit  entfernt, 
wie  wir  das  auch  bei  der  solitären  Form  gesehen  haben.  Die  beiden 
andern  Teilmuskeln  gehen  vom  Zügelstück  zunächst  als  ein  Muskel 
ab,  sie  teilen  sich  über  dem  Mundwinkel  und  erreichen  nicht  die 
Medianlinie,  sondern  enden  sehr  bald  in  schmale  Spitzen  ausgezogen. 
Längs  dem  Bande  der  Klappe  findet  sich  median  noch  ein  kleines 
Muskelchen,  welches  jedenfalls  den  Rest  des  reduzierten  medianen 
Abschnitts  vom  Muskel  3  3  vorstellt. 

Die  Körpermuskeln  sind  relativ  breiter  als  bei  der  solitären 
Form,  sie  bilden  wie  dort  zweimal  den  Buchstaben  X.  Sehr  inter- 
essant ist  eine  Notiz  von  Lahille.M  Er  gibt  an,  daß  er  zuweilen 
eine  Verdoppelung  des  1.  Körpermuskels  gefunden  hat.  und  sagt, 
daß  die  Disposition  der  Körpermuskulatur  dann  an  die  von  Sal2)a 
mucronaia  greg.  erinnert.  Ich  habe  die  Verdoppelung  nicht  be- 
obachtet. Die  Körperform  dieser  Salpe  zeigt  in  keiner  Weise  das 
Unförmliche  der  solitären  Form,  sie  erinnert  namentlich  im  jugend- 
lichen Alter  an  S.  mucronaia  sol.,  besonders  auch  im  Profil. 

Salpa  niueroiiata  sol. 
(Fig.  26—28.) 

Die  Mundöftnung  liegt  terminal.  Ober-  und  Unterlippe  haben 
ein  Segel.  Das  Verhältnis  der  Lippen  zu  den  Segeln  ist  hier 
ein  anderes,  als  wir  es  bis  jetzt  kennen  gelernt  haben.  Während 
bei  allen  beschriebenen  Salpen  der  Mantel  der  Lippen  direkt  in  die 
Segel  überging,  diese  die  verlängerten,  dünner  werdenden  Enden 
der  Lippen   darstellten,  ragt  hier  der  Mantel  der  Lippen  über  die 

1)  1. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  39 

Basis  der  Segel  als  knorplig  fester  Mundrand  hinaus.  Die  Basis 
der  Segel  liegt  schon  im  Bereich  des  Mundes,  und  sie  erscheinen 
den  Lippen  gegenüber  als  mehr  selbständige  Bildungen  als  bei  den 
andern  Salpen  (vgl.  Fig-.  26).  Der  Mundrand  ist  in  charakteristischer 
Weise  ausgezackt  (vgl.  die  Abbildung  von  Brooks  ^)),  die  Lippen, 
namentlich  die  Oberlippe,  erscheinen  aus  einzelnen  Teilen  zusammen- 
gesetzt. Die  Klappe  hat  ungefähr  die  Form  eines  gleichschenkligen 
Dreiecks,  welches  mit  der  Spitze  distahvärts  gerichtet  ist.  eine  Form 
(Fig.  28),  welche  man  bei  keiner  andern  Salpe  antrifft,  jedoch  ohne 
Schwierigkeit  aus  der  von  Salpa  covfoederata  greg.  ableiten  kann. 
Denken  wir  uns,  daß  die  Klappe,  wie  wir  sie  bei  S.  confocderata 
kennen  gelernt  haben,  nur  im  Bereich  der  proximalen  Querfurche 
mit  dem  Körper  in  Verbindung  geblieben  ist,  sich  dagegen  im  Ver- 
lauf der  seitlichen  Längsfurchen  vom  Körper  losgelöst  hat.  daß  ferner 
die  dort  vorhandene  Trapezform  hier  auf  dem  Kopf  steht  und  zu 
einem  mit  der  Spitze  distahvärts  gerichteten  gleichschenkligen 
Dreieck  geworden  ist,  so  haben  wir  die  Form  der  in  Rede  stehenden 
Klappe.  Das  Dreieck  ist  mit  seiner  Basis  am  Körper  befestigt,  um 
seine  Basis  als  Achse  kann  das  Auf-  und  Zuklappen  nur  in  einer 
Richtung  vor  sich  gehen.  Die  Klappe  besitzt  ein  Segel,  welches 
seitlich  in  die  segeiförmige  Verlängerung  des  untern  Randes  der 
Cloakenöftnung  übergeht.  Wie  bei  der  Mundöffnung  ragt  der  Rand 
der  Klappe  über  die  Basis  des  Segels  hinaus.  Zu  beiden  Seiten 
ist  die  Klappe  von  2  spitzen  Körperfortsätzen  tlankiert. 

Die  Mundmuskulatur  dieser  Salpe  und  ihrer  gregaten  Form, 
wie  wir  später  sehen  werden,  bietet  zum  Teil  eigenartige  Verhält- 
nisse, welche  sich  nicht  immer  ganz  einwandfrei  deuten  lassen. 
Der  Segelmuskel  ist  in  seinem  ventralen  Abschnitt  doppelt,  zeigt 
somit  hierin  ein  Merkmal  des  Segelmuskels  der  Polymyarier  und  der 
Cyclosalpen.  Ein  Unterschied  besteht  insofern,  als  der  vordere  Teil- 
muskel a  1  sich  nicht  mit  dem  andern  zu  einem  gemeinsamen  Zügei- 
stück  vereinigt,  sondern,  ohne  überliaupt  den  Mundwinkel  zu  er- 
reichen, frei  auf  dem  Segel  seitlich  endet.  Muskel  a2  verlängert 
sich  bis  zum  Mundwinkel  und  verbindet  sich  mit  Muskel  A  zu  einem 
gemeinsamen  Zügelstück.  Muskel  A  endet  dorsal  vor  der  Mediane 
wie  bei  S.  confoederata.  Der  Lippenmuskel  ist  ganz  nach  der  Art 
der  Oligomyarier  gestaltet.  Der  vordere  Teilmuskel  des  ventralen 
Abschnitts   h  1   ist   wie   bei  Salpa   confoederata   vollständig   von   den 


1)  Brooks,  1.  c.  (3  Taf.). 


40  R-  Streiff, 

andern  Muskelteilen  getrennt,  er  verlängert  sich  seitlich  in  ein 
Zügelstück,  Avelches  so  weit  nach  hinten  reicht  wie  das  Zügelstück 
des  Segelmuskels,  dessen  unterm  Rande  es  eng  anliegt.  Er  ist 
breiter  als  die  Teilmuskeln  des  Segelmuskels  und  als  der  2.  Teil- 
muskel des  Lippenmuskels.  Dieser,  Muskel  h2,  geht  im  Mundwinkel 
von  der  vordem  Seite  des  dorsalen  Abschnitts  ab.  Ich  wies  schon 
bei  der  Besprechung  des  untern  Lippenmuskelabschnitts  bei  S.  con- 
foedcrata  auf  die  Übereinstimmung  hin,  welche  in  dieser  Beziehung 
bei  den  Oligomyariern  vorhanden  ist;  wir  finden  hier  in  der  Tat 
genau  dieselbe  Beschaffenheit:  einen  vom  dorsalen  Abschnitt  ge- 
trennten breitern  frei  endenden  distalen  Muskel  h  1  und  einen  von 
dessen  vorderer  Seite  abgehenden  schmälern  proximalen  Muskel  h  2. 
Auch  der  Umstand,  daß  der  ventrale  Segelmuskel  hier  seine  Zwei- 
teiligkeit beibehalten  hat,  ist  geeignet,  die  Bedenken  (vgl.  oben  bei 
S.  confoederata)  gegen  die  Zugehörigkeit  des  Muskels  b  1  zum  Lippen- 
muskel auszuschalten,  denn  mehr  als  2  Teilmuskeln  für  die  ven- 
tralen Abschnitte  der  ersten  beiden  Mundmuskeln  finden  sich  bei 
keiner  der  beschriebenen  Salpen.  Der  dorsale  Abschnitt  des  Lippen- 
muskels, Muskel  B,  ist  fast  so  breit  wie  die  Körpermuskeln  und 
zerfällt  nicht  in  Teile.  Bei  oberflächlicher  Untersuchung  glaubt 
man,  daß  Muskel  B  sich  ventralwärts  bis  in  die  Nähe  des  Endostyls 
fortsetzt,  in  der  Tat  endet  er  aber  schon  in  der  Nähe  des  Zügel- 
stücks, im  Mundwinkel;  er  läuft  in  mehrere  Zacken  aus,  welche  in 
die  Zacken  eines  andern  Muskels  so  fest  hineingreifen,  daß  die 
beiden  Muskeln  einheitlich  erscheinen.  Ich  halte  den  untern  Muskel 
für  den  1.  Teilmuskel  des  Bogenmuskels,  während  ich  als  2.  den 
von  den  Autoren  als  1.  Körpermuskel  angeführten  betrachte  (vgl. 
Fig.  28  C  2).  Die  Gründe  für  eine  solche  Auffassung  sehe  ich  zu- 
nächst in  dem  Verhalten  des  Bogenmuskels  bei  der  gregaten  Form, 
wo  er  auch  zweiteilig  ist,  allerdings  liegen  die  beiden  Teile  dort 
eng  aneinander,  die  Grenze  ist  aber  zu  erkennen,  außerdem  ist 
der  vordere  genau  so  beschaffen  wie  bei  der  solitären  Form, 
d.  h.  er  verbindet  sich  durch  Zacken  fest  mit  dem  Muskel  B, 
das  obere  Ende  des  2.  dagegen  verlängert  sich  und  biegt  in  der 
Richtung  nach  hinten  ab  (Fig.  29).  S.  niucroncda  würde  in  der 
ZAveiteiligkeit  des  Bogenmuskels  mit  den  andern  Oligomyariern 
übereinstimmen,  denn  bei  S.  "onaria  ist  er  auch  deutlich  zweiteilig, 
die  beiden  Teilmuskeln  stoßen  in  der  Mitte  aneinander,  sind  aber 
dorsal  und  ventral  getrennt.  Die  besondere  Eigentümlichkeit 
der    solitären   Form    von   *S'.   nmcronato,  würde   darin   bestehen,   daß 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  41 


die  beiden  Teilmuskeln  des  Bog-enmuskels  recht  weit  voneinander 
getrennt  sind.  Der  2.  Teilmuskel  verläuft  in  seinem  obern  Ab- 
schnitt ein  Stück  weit  auf  dem  Flimmerbog-en,  wodurch  er  sich  als 
Bog-enmuskel  bestätigt.  Mit  seinem  dorsalen  Ende  wendet  er  sich 
nach  hinten  und  tritt  in  die  Nähe  des  1.  Körpermuskels,  so  daß  er  den 
Eindruck  macht,  als  ob  er  zu  den  Körpermuskeln  gehöre.  Eine  noch 
weiter  gehende  Annäherung  liaben  wir  bei  Salpa  punctata  sol.  kennen 
gelernt,  wo  der  Bogenmuskel  sich  an  den  1.  Körpermuskel  anlehnte; 
andere  Übereinstimmungen  mit  dieser  Salpe  liegen  darin,  daß  der 
in  Rede  stehende  Teilmuskel  ventral  nicht  unterbrochen  ist,  ferner, 
daß  er  hinter  dem  Ganglion  gelegen  ist.  Da  ich  ursprünglich  für 
die  topographische  Bestimmung-  des  Bogenmuskels  seine  Lage  vor 
dem  Ganglion  und  nicht  seine  Beziehung  zum  Flimmerbogen  an- 
genommen hatte,  so  war  ich  lange  im  Zweifel,  ob  der  2,  Teilmuskel 
des  Bogenmuskels  bei  S.  mucronata  —  bei  S.  punctata  sind  die  Ver- 
hältnisse unzweideutig  —  nicht  der  1.  Körpermuskel  sein  könnte, 
der  Bügenmuskel  daher  nur  sein  1.  kurzer  Teilmuskel.  Die  Lage 
hinter  dem  Ganglion  kommt  aber  nicht  unbedingt  in  Betracht, 
da  bei  beiden  Formen  von  S.  mucronata  eine  Verschiebung  des 
Ganglions  in  der  Richtung  nach  vorn  eingetreten  ist,  ebenso  bei 
Salpa  zonaria  greg.;  es  liegt  ein  Stück  weit  vor  dem  Punkt,  wo  die 
beiden  Flimmerbogen  in  der  dorsalen  Medianlinie  zusammentreft'en, 
während  es  bei  S.  zonaria  sol.  gerade  auf  diesem  Punkt,  bei  allen 
andern  Salpen  mehr  oder  w^eniger  weit  hinter  ihm  gelegen  ist. 
Erwähnen  möchte  ich  noch  eine  Abbildung  eines  Embryos  von  S. 
mucronata,  welche  Salensky^)  gibt  und  die  auch  in  das  Lehrbuch 
von  KoRscHELT  u.  Heider  -)  übergegangen  ist.  Die  Mund-  und 
Cloakenmuskulatur  ist  fortgelassen  worden,  hinter  dem  Ganglion 
bilden  3  (s.  w.  u.)  Muskeln  die  L  Gruppe  der  Körpermuskulatur. 
Im  Text  sagt  er  leider  nichts  darüber,  doch  spricht  die  Figur  für 
die  Zugehörigkeit  des  in  Rede  stehenden  Muskels  zur  Mundmuskulatur. 

Die  kleinen  Längsmuskeln  c  sind  schmale  Bändchen,  welche 
sich  vorn  in  2  kurze  Enden  gabeln. 

Der  1.  Cloakenmuskel  fehlt  vollständig,  es  existiert  kein  Muskel, 
welcher  in  der  bekannten  Weise  hinter  dem  Nucleus  bzw.  über  ihm 
inseriert.    Einerseits  ist  die  Körpermuskulatur  vollständig  bestimmt. 

1)  Salensky,  "W.,  lieber  die  embryonale  Entwicklungsgeschichte  der 
Salpen,  in:   Z.  wiss.  Zool.,   Vol.   27,    1876,   tab.    15,   fig.   22. 

2)  Korschelt  und  Heider,  Lehrbuch  der  vergl.  Eutwickelungs- 
geschichte  der  Wirbellosen,   Spez.   Teil,   Heft  3,   fig.   803. 


42  R-  Stbeiff, 

der  letzte  Körpermuskel  endet  ventral  vor  bzw.  zu  den  Seiten  des 
Nucleus,  andrerseits  sind  die  beiden  andern  Cloakenmuskeln.  wie 
wir  gleich  sehen  werden,  in  allen  ihren  Teilen  eindeutig  und 
außerdem  durch  die  Lage  ihres  ventralen  Abschnitts  auf  der  segel- 
förmigen  Verlängerung  des  untern  Randes  der  Cloakenfifthung  auch 
topographisch  bestimmt.  Wir  können  daher  nur  annehmen,  daß  die 
völlige  Reduktion  des  1.  Cloakenmuskels,  ebenso,  wie  wir  es  bei 
ausgewachsenen  Individuen  von  S.  confoederata  sol.  konstatieren 
konnten,  auch  hier  eingetreten  ist.  Eine  Ersparnis  der  Muskel- 
kraft durch  die  Reduktion  des  1.  Cloakenmuskels  ist  in  physiologi- 
scher Hinsicht,  wie  gesagt,  verständlich,  da  der  vorzügliche  Yerschluß- 
apparat,  den  die  (UoakenöfFnung  dieser  Salpen  in  der  Klappe  besitzt, 
nur  relativ  geringe  Kraft  zur  Bewegung  der  Klappe,  nicht  aber 
eine  krampfartige  Muskelwirkung  zur  Verengerung  (und  gleich- 
zeitigem Verschluß)  eines  zj'lindrischen  Rohres,  wie  es  bei  den 
Salpen  mit  rohrförmiger  Cloakenöffnung  notwendig  ist,  braucht. 
Von  großem  Interesse  wäre  der  Nachweis  einer  embryonalen  Anlage 
dieses  Muskels,  womit  die  ausgesprochene  Auffassung  weiter  be- 
gründet werden  würde.  Der  2.  Cloakenmuskel  (Fig.  27)  ist  ein 
einfacher,  dorsal  breiter,  ventral  schmälerer  Ringmuskel.  Das  Zügel- 
stück des  3.  Muskels  kreuzt  den  2.  seitlich  an  seiner  Außenseite. 
Von  dem  Zügelstück  gehen  dorsal  3,  ventral  2  Teilmuskeln  ab,  ganz 
wie  bei  S.  confoederata  greg.  Der  vorderste  der  dorsalen  Teil- 
muskeln  ist  wie  dort  viel  breiter  als  die  beiden  andern  und  liegt 
viel  weiter  nach  vorn.  Die  Muskel  ^2  und  ^5  gehören  dem  Segel 
der  Klappe  an.  sie  sind  beide  nicht  unterbrochen.  Muskel  s2  ist 
einfach,  während  ^3  sich  jederseits  vor  der  Mittellinie  seinerseits 
in  3  Teilbändchen  teilt,  welche  Schleifen  bilden,  ähnlich,  wie  wir 
das  schon  bei  einigen  Polymyariern  kennen  gelernt  haben.  Die 
beiden  ventralen  Teilmuskeln  sind  einfach,  sie  gehen  zunächst  als 
ein  Muskel  vom  Zügelstück  ab,  teilen  sich  aber  bald. 

Die  Körpermuskulatur  besteht  aus  5  Muskeln  (vgl.  oben  Bogen- 
muskel),  von  denen  die  3  ersten  und  der  4.  und  5.  je  eine  Gruppe 
bilden.  Die  ]\Iuskeln  sind  geschlossene  Reifen;  nur  der  5.  ist  ventral 
unterbrochen.  In  der  ventralen  Medianlinie  stoßen  der  3.  und 
4.  Muskel  zusammen. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  43 

Salpa  2}iucronata  greg. 
(Fii>-.  29  u.  30.) 

Die  Muiidötfiuing  liegt  reclit  weit  dorsal,  die  Unterlippe  springt 
vor,  doch  geht  sie  direkt  in  das  untere  Segel  über;  weder  sie  noch 
die  Oberlippe  bilden  einen  über  die  Segelbasis  hinweg  reichenden  Rand 
in  der  Art,  wie  ich  es  bei  der  solitäreu  Form  beschrieben  habe.  Die 
Klappe  ist  wie  bei  S.  confoederaia  greg.  gebildet,  sie  ist  nicht  sehr  scharf 
abgesetzt  und  eigentlich  nur  am  lebenden  Tier  deutlich  zu  erkennen. 

Die  Mundnuiskulatur  (Fig.  29)  zeigt  Abweichungen  gegenüber 
der  der  solitären  Form,  ganz  besonders  durch  das  Vorhandensein 
eines  überzähligen  dorsalen  Muskels,  welcher  zwischen  den  Muskeln  A 
und  B  gelegen  ist.  Nach  den  Erfahrungen  bei  den  andern  Salpen 
kann  man  diesen  Muskel  nur  als  vordem  Teilmuskel  des  Lippen- 
muskels auffassen,  womit  diese  Salpe  mehr  noch  als  die  solitäre 
Form,  was  ihre  Mundmuskulatur  anbetrifft,  eine  Vermischung  der 
Charaktere  der  Polymj'arier  (und  Cyclosalpen)  und  Oligomyarier  auf- 
weisen würde.  Dieser  Teilmuskel  B 1  verhält  sich  aber  anders  als 
bei  den  Polymyariern  (und  Cyclosalpeni,  er  ist  nicht  mit  dem 
hintern  Teilmuskel  B  2  verbunden,  sondern  ganz  isoliert,  seine  Ver- 
längerung im  Mundwinkel  verläuft  an  der  Innenseite  des  Zügelstücks 
des  Segelmuskels.  Ich  konnte  bisher  nur  einen  Fall  konstatieren, 
wo  ebenfalls  eine  Trennung  der  beiden  Teilmuskeln  vorliegt.  Das 
war  an  der  einen  j\rundseite  von  Cyclosalpa  virgida  greg.  der  Fall, 
wo  der  Muskel  B  1  sich  nicht  mit  B2  verbindet,  sondern  unabhängig 
von  ihm  an  sein  Zügelstück  tritt  (vgl.  Fig.  6,  Muskel  B  1  auf  der 
rechten  Seite  der  Zeichnung).  Der  dorsale  Abschnitt  des  Segel- 
muskels ist  median  nicht  unterbrochen,  ventral  verlängert  sich  auch 
der  1.  Teilmuskel  (cf.  forma  sol.)  bis  zum  gemeinsamen  Zügelstück. 
Der  2.  dorsale  Teilmuskel  des  Lippenmuskels  entspricht  ganz  dem  ein- 
teiligen dorsalen  Abschnitt  des  Lippenmuskels  der  solitären  Form, 
er  endet  bereits  im  Mundwinkel  und  verbindet  sich  in  derselben  Art 
mit  dem  1.  Teilmuskel  des  Bogenmuskels.  Die  beiden  Teilmuskeln 
des  ventralen  Abschnitts  verbinden  sich  zu  einem  sehr  kurzen  Zügel- 
stück; merkwürdigerweise  ist  die  Verbindung  des  Muskels  12  mit 
dem  Muskel  B  verloren  gegangen.  Den  Bogenmuskel  habe  ich  schon 
bei  der  solitären  Form  besprochen.  Bemerken  möchte  ich  noch,  daß 
bei  manchen  Individuen  die  Trennungslinie  zwischen  den  beiden 
Teilmuskeln  sehr  deutlich  zu  sehen  ist,  während  bei  andern  die 
beiden  Teile   nicht  so  scharf  auseinandergehalten  sind.    Die  beiden 


44  R-  Streiff, 

kleinen  Läng-smnskeln  sind  schmal,   sie  reichen  nach  vorn  über  den 
Mnskel  B  2  hinaus. 

Der  1.  Cloakenmuskel  fehlt,  die  beiden  andern  zeigen  in 
den  Winkeln  der  Cloakenöffnnno-  ein  asymmetrisches  Verhalten 
(Fig.  30).  Hierin,  wie  auch  in  der  Foi'm  des  Körpers  und  in  der 
Anordnung  der  Haftorgane,  zeigt  sich  die  Heteroasymmetrie  der 
Tiere  der  beiden  Kettenseiten.  Der  2.  Cloakenmuskel  unterscheidet 
sich  von  dem  der  solitären  Form  dadurch,  daß  er  ventral  zweiteilig  ist; 
er  gleicht  darin  dem  Muskel  von  S.  punctata  sol.  Links  stoßen  der 
dorsale  Muskel  und  die  beiden  ventralen  Teilmuskeln  ungefähr  einen 
rechten  Winkel  bildend  zusammen,  rechts  sind  sie  nicht  vereinigt. 
Die  beiden  ventralen  Teilmuskeln  verlängern  sich  seitlich  und  ver- 
binden sich  mit  dem  vordem  ventralen  Teilmuskel  des  3.  Cloaken- 
muskels  zu  einem  gemeinsamen  Zügelstück,  welches  ein  Stück  weit 
über  den  5.  Kürpermuskel  nach  vorn  liin  reicht.  Der  dorsale  Muskel- 
abschnitt vereinigt  sich  mit  den  beiden  vordem  dorsalen  Teilmuskeln 
des  3.  Cloakenmuskels  zu  einem  gemeinsamen  Zügelstück.  Links 
treten  die  beiden  letztgenannten  Muskeln  mit  dem  1.  ventralen 
Teilmuskel  zu  einem  Zügelstück  zusammen,  welches  hinter  dem 
letzten  Körpermuskel  endet.  Der  3.  dorsale  Teilmuskel  und  der 
2.  ventrale  hängen  nicht  mit  den  andern  zusammen,  sondern  stellen 
den  obern  bzw.  untern  Abschnitt  eines  Ringmuskels  vor,  welcher 
längs  dem  Rande  der  Cloakenöttnung  verläuft.  Wenn  auch  die 
Zahl  der  Teilmuskeln  des  3.  Cloakenmuskels  dorsal  und  ventral  mit 
der  Zahl  bei  der  solitären  Form  übereinstimmt,  so  zeigen  sich  in 
der  Disposition  doch  merkliche  Unterschiede.  In  erster  Linie  ist 
die  Abtrennung  des  circulären  distalen  Muskels  zu  nennen,  ferner 
die  nähere  Beziehung  der  beiden  ersten  dorsalen  Teilmuskeln  zu- 
einander, während  bei  der  solitären  Form  und  bei  S.  confoederata 
der  1.  Muskel  eine  mehr  isolierte  Stellung  einnahm  und  die  beiden 
folgenden  topographisch  zusammengehörten.  Die  Abtrennung  des 
distalen  circulären  Muskels  können  wir  auch  recht  gut  aus  dem 
Verhalten  bei  S.  confoederata  sol.  ableiten.  Wie  erwähnt,  bestand 
dort  eine  Anastomose  zwischen  den  beiden  distalsten  Teilmuskeln 
des  3.  Cloakenmuskels  (Fig.  22  «»«).  Denken  wir  uns  nun,  daß  diese 
Verbindung  erhalten  bleibt,  dagegen  die  Verbindung  beider  Muskeln 
mit  dem  Zügelstück  {n  1,  n2)  aufgehoben  wird,  so  ist  der  Zustand 
bei  *S'.  mucronata  greg.  erreicht.  Diese  Form  leitet  in  der  Anordnung 
der  Teilmuskeln  des  3.  Cloakenmuskels,  wie  wir  sehen  werden,  zu 
den  Verhältnissen  bei  S.  zonaria  über. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  45 

In  der  Zahl  der  Körpermuskehi  stimmen  die  beiden  Formen 
dieser  Salpe  überein.  auch  die  Verteilnng-  der  Muskeln  in  Gruppen  ist 
dieselbe.  Der  5.  Muskel  ist  ganz  bedeutend  schmäler  und  kürzer 
als  die  vorhergehenden,  in  der  hintern  Muskelgruppe  kommt  die 
Asymmetrie  zum  Ausdruck  (Fig.  30). 


Salpa  ^onaria  sol. 
(Fig.  31.) 

Der  Körper  ist  am  vordem  Ende  stark  dorsoventral  abgeplattet, 
nach  hinten  wird  er  bedeutend  höher.  Der  Xucleus  ragt  stark  hervor. 
Diese  charakteristische  Form  gleicht  im  Profil  fast  der  einer  kurz- 
schaftigen  Pistole.  EscHRiCHT  \)  gibt  in  seiner  ausführlichen  Arbeit 
über  Salpa  sonaria  sehr  gute  detaillierte  Abbildungen,  auch  vom 
Profil.-)  Da  der  Mantel  dieser  Salpe  und  ihrer  gregaten  Form 
so  hart  ist  wie  wohl  bei  keinei'  andern,  läßt  sie  sich  vorzüglich 
konservieren;  die  altern  Beobachter  Eschkicht  und  Pallas-^)  (vgl. 
forma  greg.),  welche  nur  in  Alkohol  konserviertes  Material  hatten, 
geben  daher  Abbildungen,  die  der  Körperform  ganz  entsprechen. 
Die  Mundöffnung  liegt  terminal,  sie  ist  ein  schmaler  wagerechter 
Spalt,  ihr  Rand  ragt  wie  bei  S.  mncronata  sol.  über  die  Basis  des 
untern  und  obern  Segels  hinaus.  Die  beiden  Segel  sind  auffallend 
dünn.  Die  Klappe  der  Cloakenöffnung  ist  dreieckig,  der  hintere 
Eand  abgerundet  (vgl.  Fig.  33).  Die  Spitze  des  Dreiecks  ist  aber 
nicht  nach  hinten  gerichtet  wie  bei  S.  mncronata  sol.,  sondern  liegt 
proximal,  desgleichen  sind  die  Seitenränder  nicht  völlig  vom  Körper 
losgelöst,  sondern  nur  durch  Furchen  wie  bei  S.  confoederata  greg. 
von  ihm  getrennt.  In  ihrer  Beschaffenheit  stimmt  die  Klappe  mit 
der  von  S.  confoederata  überein,  nur  daß  hier  an  Stelle  des  Trapezes 
ein  Dreieck  tritt.  Die  dort  vorhandene  mediane  konvexe  Längs- 
falte ist  hier  durch  eine  Furche  ersetzt.  Die  Mechanik  ist  dieselbe: 
bei  der  Kontraktion  der  Körpermu^kulatur  hebt  sich  die  mediane 
Furche,  die  beiden  Hälften  rücken  zusammen,  so  daß  die  Klappe 
die  Form  eines  Giebeldaches  annimmt.  Das  Atemwasser  kann  durch 
die  klaffende  Öttuung  austreten.     Auf  jeder  Hälfte  der  Klappe  sitzt 


1)  EsCHRICHT,   1.    c. 

2)  Der  Auffassung  der  damaligeu  Zeit  entsprechend  hält  er  die  dorsale 
Seite  für  die  ventrale  und  umgekehrt. 

3)  1.   c. 


46 


R.  Streiff, 


eine  dreieckige  Platte  fester  Mantelsubstanz  (vgl.  Textfig.  A),  welche 
nach  hinten  über  die  Basis  des  obern  Segels  der  Cloakenöffnung 
hinausragt;  auf  der  medianen  Furche  ist  der  Mantel  äußerst  dünn. 
Die  vom  obern  Segel  und  von  der  untern  segeiförmigen  Verlängerung 
des  Randes  gebildete  Cloakenöffnung  ist  relativ  recht  klein  (Fig.  33 
punktierte  Linie).  Die  Klappe  dieser  Salpe  und  ihrer  gregaten 
Form  steht  jedenfalls  anf  der  höchsten  Stufe  der  Entwicklung. 


kTf, 


Fig.  A. 

Salpa  zonaria  sol.     Querschnitt  durch  die  Klappe. 

PI  die  beiden  Mautelplatteu.     inF  mediane  Furche.     IccF  laterale  Furchen. 

Cm  Mantel.     iT  innere  Tunica. 


Im  Bau  der  Mundmuskulatur  (Fig.  32,  Mundmusk.  der  greg. 
Form)  nimmt  diese  Salpe  eine  ganz  gesonderte  Stellung  ein.  Ganz 
vorn  ist  jederseits  im  Mundwinkel  ein  kurzer  Muskel  angebracht, 
"welcher  nur  wenig  auf  die  dorsale  bzw.  die  ventrale  Körperfläche 
reicht.  Die  beiden  Muskeln  sehen  wie  2  kleine  Klammern  aus,  die 
den  Mundwinkel  einfassen.  Eschricht\)  nennt  diesen  Muskel 
„Boilemuskel"'.  Er  ist  von  eigentümlicher  histologischer  Struktur, 
welche  bedeutend  von  der  der  normal  funktionierenden  Muskeln 
abweicht,  er  ist  kompakter  als  die  andern  Muskeln  und  beim 
konservierten  Tier  dunkler.  Es  scheint  mir  keinem  Zweifel  zu 
unterliegen,  daß  wir  in  diesem  Muskel  den  Rest  des  degenerierten 
Segelmuskels  vor  uns  haben.  Ich  schließe  das  aus  seiner  Orien- 
tierung: er  liegt  am  weitesten  nach  vorn  und  an  der  Außenseite  vom 


1)   ESCHEICHT,   1.   c. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  47 

folgenden  Muskel.  Denken  wir  uns  die  Reduktion  des  Muskels  von 
der  ventralen  und  dorsalen  Mediane  (letzteres  ist  ja  bei  mehreren 
Salpen  der  Fall)  ausgehend,  so  ist  von  diesem  Muskel  nur  der 
seitliche  Teil,  wo  sich  der  dorsale  und  ventrale  Abschnitt  zur  Bil- 
dung des  Zügelstückes  trafen,  übrig  geblieben.  Die  Beziehungen 
zum  Segel  sind  völlig  erloschen.  Dagegen  hat  der  2.  Muskel,  den 
ich  für  den  Lippenmuskel  halte,  volle  Herrschaft  über  das  Segel 
erlangt.  Eschricht  nennt  diesen  Muskel  „Snöi'emuskel".  Er  be- 
steht aus  einem  dorsalen  und  ventralen,  breiten  Muskelband,  welche 
längs  dem  Rande  des  obern  bzw.  untern  Segels  verlaufen.  Ihre 
seitlichen  Verlängerungen  legen  sich  mit  der  Breitseite  aneinander 
und  bilden  auf  diese  Weise  ein  wagerecht  (in  der  frontalen  Körper- 
ebene) verlaufendes  Zügelstück,  welches  sich  recht  weit  nach  hinten 
erstreckt  und  an  der  Außenseite  des  Bogenmuskels  endet.  Von  oben 
gesehen  ist  der  Muskel  halbkreisförmig.  Es  lassen  sich  zwei  Fälle 
denken,  wie  die  Beziehungen  des  Lippenmuskels  zum  Segel  ent- 
standen sind.  Entweder  ist  das  ursprüngliche  Segel  in  Gemeinschaft 
mit  seinem  Muskel  reduziert  worden,  und  an  der  Stelle,  wo  sich  der 
Lippenmuskel  befindet,  ist  durch  Faltenbildung  ein  neues  Segel  ent- 
standen, in  diesem  Falle  wäre  das  Segel  von  Salpa  sonaria  dem  der 
andern  Salpen  nicht  homolog,  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  der  Lippen- 
muskel ist  nach  vorn  gerückt  und  hat  die  Funktionen  des  rückgebildeten 
Segelmuskels  übernommen.  Wichtig  ist  das  Verhalten  der  beiden  ersten 
Mundmuskeln  bei  der  gregaten  Form:  die  beiden  beschriebenen 
Muskeln  stimmen  ganz  überein  mit  denselben  Teilen  bei  dieser  Form, 
auch  der  reduzierte  Segelmuskel  hat  dieselbe  klammerförmige  Ge- 
staltung. Hinzu  kommt  aber  noch  ein  schmaler  Muskel  h  2,  welcher 
von  der  vordem  Seite  des  dorsalen  Abschnitts  des  Lippenmuskels 
—  in  der  Zeichnung  macht  es  den  Eindruck,  als  ob  er  von  der 
hintern  Seite  käme,  doch  dreht  sich  der  Muskel  in  seinem  Ver- 
lauf um  seine  Längsachse,  so  daß  sich  der  vordere  Rand  nach 
hinten  kehrt  —  auf  die  Unterlippe  bzw.  die  Basis  des  Segels  ab- 
geht und  damit  proximal  vom  beschriebenen  untern  Abschnitt  ver- 
läuft. Durch  diesen  Umstand  wird  die  Homologie  des  Lippenmuskels 
mit  dem  von  S.  confoederafa  und  S.  mucromda  sol.  vollständig.  Ich 
bemerke  noch  einmal,  daß  die  Muskeln  B  und  hl  sich  im  Mund- 
winkel nur  mit  der  Breitseite  aneinanderlegen.  Sie  bleiben  getrennt, 
wie  das  bei  den  genannten  Salpen  auch  der  Fall  ist.  Bei  der  solitären 
Form  konnte  ich  den  Muskel  h2  nicht  nachweisen.  Da  ich  nur 
2  Exemplare  zur  Untersuchung  hatte,  halte  ich  es  für  möglich,  daß 


48  ß-  Streiff, 

er  sich  noch  hin  und  wieder  findet.  Bei  der  gregaten  Form  macht 
seine  Substanz  einen  nicht  g-anz  normalen,  lebensfähigen  Eindruck, 
sondern  mehr  den  einer  beginnenden  Degeneration.  Bei  S.  sonaria 
liegen  die  Verhältnisse  auch  bei  der  ]\rund(itfnung,  da  sie  einen 
l)latten  engen  Spalt  vorstellt  und  ein  weiter  nach  innen  ge- 
legenes Segel  besitzt,  in  mechanischer  Beziehung  so  günstig,  daß 
ein  Teil  der  Muskulatur  erspart  werden  konnte.  Der  Bogenmuskel 
besteht  aus  2  Teilmuskeln,  welche  eng  aneinander  liegen  und  nur 
dorsal  und  ventral  divergieren;  ihre  Breite  ist  bedeutend.  Bei  der 
gregaten  Form  berühren  sich  die  beiden  Teilmuskelu  seitlicli  nur 
ein  kurzes  Stück  weit,  entfernen  sich  dagegen  dorsal  und  ventral 
recht  beträchtlich  voneinander.  Die  kleinen  Längsmuskeln  c,  welche 
wir  bei  allen  andern  Salpen  gefunden  haben,  sind  weder  bei  der  solitären 
noch  bei  der  gregaten  Form  vorhanden.  Faßt  man  sie  mit  Leuckart 
als  Levatoren  der  Oberlippe  auf,  so  ist  es  erklärlich,  daß  sie  hier 
fehlen,  denn  die  Oberlippe  beteiligt  sich  kaum  aktiv  an  der  Öft'nung 
des  Mundes.  Während  der  quere  Mundspalt  vielleicht  höchstens 
durch  die  Wirkung  des  Bogenmuskels  zur  Ellipse  erhöht  bzw.  seit- 
lich verkürzt  wird,  beteiligt  sich  in  erster  Linie  das  Segel  bei  der 
Öifnung  und  Schließung  des  Mundes.  Bei  S.  mucronata  ist  der 
mechanische  Apparat  ähnlich,  wenn  auch  seine  Ausbildung  in  diesem 
Sinne  noch  keine  perfekte  ist;  wie  gesagt,  sind  die  Levatoren  bei 
ihr  bereits  zu  sehr  schmalen  Muskelbänderchen  reduziert.  Bei  allen 
andern  Salpen  muß  die  Oberlippe  durch  die  gut  ausgebildeten 
Levatoren  gehoben  werden. 

Es  lassen  sich  hierzu  Analogien  bei  den  Fischen  finden.  Die 
meisten  Fische  müssen  ihr  Maul  zum  Wassereintritt  durch  aktive 
Kieferbewegung  öffnen,  bei  einzelnen  aber.  z.  B.  bei  einigen  Panzer- 
welsen {Lorkaria  etc.),  ist  das  Maul  ständig  als  schmaler  Spalt  ge- 
öffnet, der  Wassereinfluß  wird  durch  die  segeiförmigen  Bildungen  in 
der  Mundhöhle  geregelt. 

Der  1.  Cloakenmuskel  (Fig.  31)  fehlt  vollständig  wie  bei  S. 
mucronata.  Der  2.  Muskel,  Escheicht's  „Lukkemuskel",  ist  bei  beiden 
Formen  dieser  Salpe  von  sehr  charakteristischem  Bau  und  unge- 
wöhnlichem histologischen  Aussehen.  Seiner  Struktur  nach  gleicht 
er  dem  Segelmuskel,  er  ist  auch  bei  konservierten  solitären  Indi- 
viduen ebenso  dunkel  gefärbt  wie  jener.  Sein  dorsales  Ende  in- 
seriert bei  beiden  Formen  seitlich  auf  der  Klappe.  Es  zerfällt  in 
3  Äste,  welche  bei  der  gregaten  Form  gleichlang  sind,  bei  der 
solitären  Form  kann  der  eine  Ast  kürzer  sein,  während  die  andern 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  49 

sich  iiocli  weiter  teilen  können.  Besser  noch  läßt  sich  dieses  ge- 
spaltene Miiskelende  ein  gezacktes  nennen.  Bei  der  solitären  Form 
Avird  der  Muskel  seitlich  breiter  und  endet  in  einem  breiten  Zügelstück, 
von  dessen  oberer  Seite  der  untere  Abschnitt  des  Muskels  abgeht 
und  seinerseits  auf  der  segelartigen  Unterlippe  verläuft.  Seitlich, 
ein  wenig  höher,  geht  noch  ein  2.  Muskel  vom  obern  Abschnitt  ab. 
Avelcher  sehr  bald  mit  dem  eben  beschriebenen  verschmilzt;  wir 
haben  also  im  obern  Teil  des  untern  Abschnitts  2  Teilmuskeln,  ein  Ver- 
halten, das  wir  bereits  mehrere  ]\rale  kennen  gelernt  haben.  Der 
o.  rioakenmuskel  läßt  sich  in  der  Zahl  seiner  Teilmuskeln  auf  das 
Schema  zurückführen,  w^elches  wir  für  die  Oligomj^arier  beschrieben 
haben.     Der   obere  Abschnitt   zerfällt   zunächst   in  3,   der  untere  in 

2  Teilmuskeln.  Wie  bei  S.  nmcronata  greg.  bilden  der  3.  dorsale 
und  der  2.  ventrale  Teilmuskel  den  dorsalen  bzw.  ventralen  Halb- 
ring eines  circulären  Muskels,  welcher  längs  dem  Rand  der  Cloaken- 
(•tfnung  verläuft.  Das  Zügelstück,  welches  sich  hier  seitlich  recht 
weit  nach  oben  richtet  und  an  der  Außenseite  des  2.  Cloakenmuskels 
verläuft,  geht  direkt  in  den  1.  ventralen  Teilmuskel  über.  Die  Ab- 
gangsstelle des  1.  dorsalen  Teilmuskels  liegt  verhältnismäßig  recht 
weit   ventral.     Der   Teilmuskel  z  1   spaltet  sich   nun   seinerseits   in 

3  feine  Muskelchen,  von  welchen  sich  2  auf  der  Klappe  noch  einmal 
lür  eine  kurze  Strecke  spalten.  Die  Enden  der  Muskelchen  reichen 
bis  an  die  mediane  Längsfurche  der  Klappe.  Der  2.  dorsale  ist 
seitlich  nicht  mit  dem  Zügelstück  verbunden,  er  endet  bereits  vor 
dem  Seitenrande  der  Klappe.  In  der  Mitte  ist  er  unterbrochen,  seine 
Enden  biegen  nach  vorn  um  und  laufen  ein  Stück  weit  der  medianen 
Längsfurche  parallel.  Seitlich  verläuft  er  unter  den  Teilmuskelchen 
von  z  1.  parallel  dem  Klappenrande.  Auch  in  der  Beziehung,  daß 
Muskel  zl  sich  nicht  proximalwärts  isoliert,  sondern  z\a  z  2  in  nähere 
Lagebeziehungen  tritt,  gleicht  diese  Salpe  am  meisten  der  gregaten 
Form  von  S.  mucronata. 

Die  Körpermuskulatur  besteht  aus  4  sehr  breiten,  kräftigen  und 
einem  5.  schmälern  ^luskel.  Alle  sind  dorsal  und  ventral  in  der 
Medianlinie  unterbrochen. 


Zool.  Jahrb.  XXVII.    .\bt.  f.  Syst. 


50  R-  Streiff, 


(Fi^.  32  II.  88.) 

Diese  Kettensalpe  ist  in  der  Hinsicht  asymmetrisch,  als  sie 
nur  auf  der  einen  Seite  an  ihrem  Hinterende  einen  Fortsatz  hat. 
Merkwiirdio-erweise  ist  jedocii  dieser  Fortsatz  im  Gegensatz  zu 
allen  andern  damit  versehenen  Salpeii  bei  den  Tieren  der  rechten 
und  linken  Kettenseite  auf  derselben  Körperseite,  nämlich  auf 
der  rechten,  ausgebildet.  Die  Heteroasymmetrie  kommt  in  dieser 
Beziehung  nicht  zum  Ausdruck.  Ich  bin  jedoch  geneigt,  diese 
Eigenschaft  für  eine  sekundäre  zu  halten,  welche  vielleicht  durch 
die  Form  der  Kette,  welche  den  Typus  einer  solchen  mit  liegend(Mi 
Individuen  darstellt,  bedingt  ist.  Die  Mundöffnung  liegt  dorsal, 
wie  bei  S.  mucronata  greg.,  die  Segel  sind  jedoch  ganz  wie  bei  der 
solitären  Form  ausgebildet,  ebenso  stimmt  der  Bau  der  Klappe  der 
C^loakenöffnung  ganz  mit  dem  der  solitären  Form  überein. 

Die  Mundmuskulatur  habe  ich  bereits  bei  der  solitären  Form 
besprochen. 

Die  Cloakenmuskulatur  weicht  wenig  von  der  der  solitären 
Form  ab.  Der  1.  Cloakenmuskel  fehlt  auch  hier.  Der  obere  Ab- 
schnitt des  2.  entspricht  ganz  in  seiner  Form  dem  der  solitären 
Salpe;  wie  bemerkt,  sind  die  8  Zacken  des  obern  Endes  gleichlang 
und  gut  voneinander  geschieden.  Der  untere  Abschnitt  zerfällt  in 
2  schmale  Teilmuskeln,  welche  hier  nicht  vom  breiten  Zügelstück 
bzw.  von  der  Mitte  des  obern  Abschnittes  abgehen,  sondern  zusammen 
mit  dem  schmalen  Zügelstück  des  3.  Cloakenmuskels  der  vor- 
dem der  8  erwähnten  Zacken  an  der  Außenseite  anliegen.  Die 
beiden  Teilmuskelu  bleiben  getrennt.  Das  Zügelstück  des  3.  Cloaken- 
muskels setzt  sich  ventralwärts  direkt  in  den  1.  ventralen  Teil- 
muskel fort,  seitlich  geht  von  ihm  der  1.  obere  Teilmuskel  ab, 
welcher  sich  erst  kurz  vor  der  medianen  Furche  in  3  feine  an  den 
Furchenrand  tretende  Muskelchen  auflöst.  Vor  diesen  stoßen  noch 
2  kurze  feine  Muskelchen  an  den  Furchenrand,  welche  aber  seitlich 
nicht  in  Verbindung  mit  dem  Hauptstamm  treten.  Ein  2.  dorsalei- 
Teilmuskel  fehlt  hier,  dagegen  ist  der  längs  dem  Kande  der  Cloaken- 
öffnung  verlaufende  circuläre  Muskel  wie  bei  der  solitären  Form 
beschaffen. 

Die  Körpermuskulatur  besteht  wie  bei  der  solitären  Form  aus 
5  Muskeln;  diese  Kettensalpe  ist  die  einzige  von  allen  untersuchten. 


i'ber  die  Muskulatur  der  Salpeu.  51 

bei  Avelclier  die  Körpermuskeln  alle  parallel  verlaufen.  Nur  der  1. 
ist  hier  dorsal  unterbrochen,  während  sie  ventral  alle  unterbrochen 
sind.  Vom  5.  Muskel  spaltet  sich  ein  Teil  lateral  auf  der  rechten 
Köi-perseite  ab  und  verläuft  als  bedeutend  schmälerer  Teilmuskel 
venti-ahvärts.  Auf  der  linken  Seite  ist  das  nicht  der  Fall,  doch 
tindet  sich  bei  genauerer  Untersuchung-  ventral  seitlich  vom  Nucleus 
das  Rudiment  eines  solchen  Teilmuskels,  ein  kleines  Muskelstückchen 
(5v  'J'extfig.  Kl.  welches  in  seiner  Trennung  vom  Hauptmuskel  an 
das  Verhalten  des  6.  Körpermuskels  bei  Salpa  maximu  greg.  und 
fusiformis  greg.  erinnert  (Texttig.  E  u.  G  6v).  Es  ist  möglich,  daß 
sowohl  der  Teilmuskel  auf  der  rechten  Seite  als  dieses  Muskelchen 
dem  6.  Körpermiiskel  der  genannten  Salpen  entspricht.  In  keinem 
Fall  aber  haben  wir  hierin  etwa  die  Überbleibsel  eines  1.  Cloakenmuskels 
zu  sehen,  denn,  wäe  gesagt,  liegen  die  beiden  Elemente  zu  den  Seiten 
des  Nucleus.  nicht  hinter  bzw.  über  ihm. 


Die  Oligomyarier  hängen,  wie  aus  der  Beschreibung  hervorgeht, 
durch  mannigfache  Übergänge  miteinander  zusamiuen.  unterscheiden 
sich  aber  im  einzelnen  in  mancher  Beziehung  recht  bedeutend.  Eine 
allgemeine  Zusammenfassung  ihrer  nn'ologischen  Merkmale  hat  daher 
nicht  die  durchweg  geltende  Bedeutung,  wie  es  bei  den  Cj^closalpen 
und  Polymyariern  der  Fall  war.  Von  besonderm  Interesse  ist  die 
weitgehende  Übereinstimmung  der  solitären  und  der  gregaten  Form 
in  den  Eigenschaften  ihrer  Muskulatur,  insbesondere  stimmt  auch 
die  Zahl  der  Körpermuskeln  bei  beiden  Formen  völlig  überein.  Das 
folgende  Schema  bezieht  sich  daher  auf  beide  Formen: 

Für  den  Segelmuskel  läßt  sich  allgemein  nur  sagen,  daß  er 
Keduktionserscheinungen  zeigt.  Der  Lippenmuskel  ist  dorsal  ein- 
teilig, ventral  zweiteilig.  Der  Bogenmuskel  ist  zweiteilig.  Körpei- 
muskeln  sind  5  vorhanden  (bzw.  4  bei  S.  confoederala.  bei  der  gregaten 
Form  ist  einmal  ein  5.  beobachtet  worden .  vgl.  Lahille).  Der 
1.  Cloakenmuskel  fehlt.  Der  2.  ist  gewöhnlich  einfach  oder  ventral 
doppelt.  Der  3.  zerfällt  dorsal  in  n.  ventral  in  2  Teilmuskeln.  Sein 
Zügelstück  liegt  an  der  Außenseite  des  2.  Muskels.  Typus  der 
^fuskulatur  für  die  klappenartige  Cloakenöffhung. 


52  R-  Streiff, 

Als  eine  S.  mucronata  sehr  nahe  verwandte  Form  wäre  liierher 
S.  flafjellifera  zu  rechnen.  Die  von  Herdmax  ^i  beschriebene  S.  nitida, 
welche  nach  der  Abbildung  in  ihrer  Muskulatur  fast  völlig-  mit 
derjenigen  von  S.  .sonaria  übereinstimmt,  so  daß  man  sie  fast  für 
dieselbe  Art   halten  könnte,   gehört  ebenfiills  zu  den  Oligomyariern. 

Ferner  glaube  ich  hier  Salpa  henseni  einfügen  zu  müssen.  Die 
gregate  Form  zeigt  in  ihrer  Körpergestalt  eine  auffallende  Überein- 
stimmung mit  aS'.  confocderata  greg.  Nach  den  Abbildungen  von 
Apstein  -)  scheint  sie  (in  beiden  Formen)  eine  Cloakenöffnung  nach 
dem  Klappentypus  zu  besitzen.  Die  Muskulatur  zeigt,  soweit 
sich  das  beurteilen  läßt,  Anklänge  an  Saljoa  confoederata,  namentlich 
die  der  gregaten  Form.  Es  ist  eine  Gruppe  von  2  vordem  Körper- 
nuiskeln,  die  dorsal  in  ziemlich  großer  Ausdehnung  verschmolzen 
sind,  und  eine  Gruppe  von  2  hintern  Muskeln,  deren  2.  noch  mit 
dem  1.  Cloakenmuskel  verbunden  ist.  vorhanden.  Die  solitäre  Form, 
welche  durch  ihre  sonderbaren  Körperanhänge  das  Abnorme  in  der 
Form  von  S.  confoedenda  sol.  noch  übertriift.  hat  in  der  1.  Gruppe 
der  Körpermuskeln  8,  in  der  2.  2  Muskeln,  würde  also  in  dieser 
Beziehung  mit  den  Oligomyariern  völlig  übereinstimmen.  Es  ist  mir 
sehr  wahrscheinlich,  daß  diese  Salpe  die  Reihe  der  Übergänge  in 
dieser  Gruppe  vervollständigt. 


Von  den  bisher  beschriebenen  Salpen  habe  ich  noch  eine  von 
Herdman^j  abgebildete  Form.  Sal2)a  moUis.  zu  erwähnen,  welche 
Apstein  als  zweifelhafte  Art  in  seinem  A^erzeichnis  anführt.  Ich 
halte  sie  entschieden  auch  dafür,  möglicherweise  handelt  es  sich 
um  ein  durch  die  Konservierung  erzeugtes  Kunstprodukt. 

Allgemeiner  Teil. 

Mit  den  speziellen  Untersuchungen  glaube  ich  die  Grenzen  der 
3  Muskelsysteme  des  Salpenkörpers.  ebenso  die  Homologien  der 
einzelnen  Elemente  der  Muskulaturen  der  Körperöttnungen  und  die 
allgemeine  Homologie  der  als  Körpermuskulatur  im  engern  Sinne 
aufzufassenden  Muskelbänder  zur  Genüge  klargelegt  zu  haben» 


1)  Herdman,  1.  c. 

2)  1.  c. 

3)  1.  c. 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  53 

Icli  rcsiiiniere  im  Folg-endeii  noch  einmal  kurz  das  Hauptergebnis : 
bei  allen  untersuchten  Salpen-Arten  läßt  sich  die  Mundmuskulatur 
bei  beiden  Formen  auf  3  Mnskeln  zurückführen ;  dasselbe  gilt  für 
die  Oloakenmuskulatur,  hier  abgesehen  von  2  Fällen,  wo  nur 
2  Cloakenmuskeln  vorhanden  sind,  wo  jedoch  ein  8.  augenschein- 
lich sekundär  der  vfilligen  Reduktion  verfallen  ist.  Zwischen  diesen 
beiden  ^Fuskelsystemen  der  Körperöifnungen  ist  die  eigentliche 
Körpermuskulatur  eingeschaltet,  welche  als  Gesamtmasse  ihrerseits 
bei  den  3  Sali)en-Gruppen  homolog  ist.  im  Einzelfall  aber  in  mehr 
oder  weniger  Teilmuskeln  zerfällt. 

Vergleichen  wir  die  3  Salpen-Gruppen  untereinander,  so  ist  es 
nicht  zu  leugnen,  daß  sich  die  CVclosalpen  und  die  Pol^-myarier  in 
der  Ausbildung  der  Muskulatur  und  der  K<)rperöttnungen  bedeutend 
näher  stehen  als  die  Polymyarier  den  Oligomyariern,  mit  denen  sie 
zum  Untergenns  Sal^m  verbunden  sind. 

Was  zunächst  die  Mundmuskulatur  anbetrifft,  so  ist  die  Zwei- 
teiligkeit des  ventralen  Abschnitts  des  Segelmuskels  ein  den  Cyclo- 
salpen  und  Polymyariern  zukommendes  Merkmal:  bei  den  Oligo- 
myariern  kommt  es  nur  S.  mucronata  zu.  der  vordere  Teilmuskel 
der  solitären  Form  zeigt  hier  jedoch  die  Anfänge  der  Reduktion, 
.andrerseits  verhält  sich  die  solitäre  Form  .  von  S.  maxima  in  der 
Beziehung  progressiv,  als  der  ]\Iuskel  bei  ihr  nur  einteilig  ist.  Der 
Lippenmuskel  ist  durchweg  bei  den  Cyclosalpen  und  Polymyariern 
dorsal  zweiteilig,  ventral  ist  er  einfach.  Für  die  Oligomyarier  ist 
gerade  das  Umgekehrte  die  Regel,  nur  S.  mucronata  greg.  und  S. 
sonaria  sol.  machen  eine  Ausnahme,  indem  die  eine  dorsal  einen 
zweiteiligen  Lippenmuskel  besitzt,  die  andere  ventral  einen  ein- 
teiligen. Doch  scheint  es  mir',  daß  es  sich  bei  S.  sonaria  um  einen 
sekundären  Schwund  handelt,  da  der  proximale  ventrale  Teilmuskel 
bei  sonstiger  völlig  übereinstimmender  Organisation  des  Lippen- 
muskels bei  der  gregaten  Form  vorhanden  ist,  jedoch  die  Zeichen 
beginnender  Reduktion  zeigt. 

Der  Bogenmuskel  hat  in  allen  3  Gruppen  seine  charakteristische 
Form.  Von  Interesse  ist  der  Umstand,  daß  seine  Verbindung  mit  den 
kleinen  Längsmuskeln  außer  bei  den  Cyclosalpen  noch  bei  S.  con- 
foederata  zu  finden  ist.  Diese  Formen  stimmen  auch  darin  überein, 
daß  sie  die  einzigen  sind,  deren  Oberlippe  kein  eingeklapptes  Segel 
besitzt. 

Die  Körpermuskulatur   hat   ebenfalls   für  die  3  Gruppen   recht 


54  R-  Streifp, 

bestimmte  Verhältnisse.  Brooks  ')  sagt,  daß  es  schwer  sei.  fest- 
zustellen, welche  Zahl  der  Kür])ermuskeln  am  meisten  charakteristisch 
für  die  Salpen  sei.  Bei  der  Auflösung'  in  (ji'uppen  lassen  sich  diese 
Schwierigkeiten  mehr  oder  wenig-er  überwinden.  Für  die  Cyclo- 
salpen  haben  wir  eine  ganz  bestimmte  Zahl  von  Muskeln  für  beide 
Formen  nachgewiesen,  für  die  Polymyarier  mit  Einschluß  der  nicht 
untersuchten  Formen  lassen  sich  die  Zahlen  nicht  allgemeingültig 
festlegen.      Doch    glaube    ich,     daß    wir    die    erwähnte    Zahl    von 


'n' 


8  Muskeln  füi'  die  solitären  Formen  und  6  für  die  gregaten  wohl  als 
die  Normalzahl  aufzufassen  haben,  ebenso  wie  wir  die  Zahl  5  als 
Norm  für  beide  Formen  der  Oligomyarier  ansehen  können.  ti'Otz  dei- 
Ausnahmen  in  beiden  Fällen.  Denn  namentlich  die  Arten,  deren 
solitäre  Formen  sich  durch  eine  größere  Anzahl  von  Muskelbändern 
auszeichnen,  wie  S.  amhoinensis  und  S.  pideti,  welche  ich  den  Poly- 
myariern  zugesellt  habe,  zeigen  nach  Apsteix  ^)  eine  recht  bedeutende 
Variation  in  der  Zahl  der  Körpermuskeln:  so  gibt  Apsteix  für  *S'. 
p?c/e^i  21— 26  Muskeln,  für  S.  amhoinensis  10 — 13  an.  Wie  ich  schon 
mitteilte,  kommen  in  dieser  Beziehung  auch  Variationen  bei  S.  maxima 
vor.  Es  scheint  mir  daher  in  dieser  Gruppe  die  Zahl  8  für  die 
Körpermuskeln  doch  die  ursprüngliche  zu  sein,  wie  sie  bei 
*S'.  fusiformis  und  lynnctata  regelmäßig  auftritt.  Das  Überschreiten 
dieser  Zahl  ist  jedenfalls  ein  sekundäres  ^'erhalten,  was  auch  meiner 
Meinung  nach  daraus  hervorgeht,  daß  die  einzelnen  Muskeln,  wenn 
sie  in  der  Überzahl  vorhanden  sind,  manchmal  nur  unvollkommen 
voneinander  getrennt  sind  und  immer  durch  Anastomosen  zusammen- 
hängen. Die  Sonderstellung,  welche  S.  confoedenda  unter  den  Oligo- 
myariern  durch  die  Vierzahl  ihrer  Kürpermuskeln  einnimmt,  ist 
jedenfalls  nicht  von  großer  Bedeutung:  vielleicht  handelt  es  sich 
auch  hier  um  eine  sekundäre  Reduktion,  um  so  mehr,  als  Lahille, 
wie  ich  schon  mitteilte,  einen  Fall  beobachtet  hat,  wo  in  der 
1.  Grupi)e  ein  überzähliger  Muskel  vorhanden  war.  Außerdem  hat 
S.  heuseni,  welche  ich  nach  der  Beschreibung  und  Abbildung  der 
andern  Autoren  für  die  nächste  Verwandte  von  .S'.  confoederata  zu 
halten  geneigt  bin,  nach  der  Abbildung  von  A]-steix=^)  in  der  soli- 
tären Form  5  Körpermuskeln. 

Die  Übereinstimmung   der  Cyclosalpen    und  Polymyarier  in  der 


1)  Brooks,  The  genus  Salpa  (p.  2). 

2)  ApisTEix,  1.  c.  (p.  1  u.  26). 

3)  Apsteix.  1.  c  (p.  26). 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  55 

Organisation   der   Cloakenüffnung  und   ihrer   j\Iiiskulatur   gegeniiber 
den  Oligorayai-iern  ist  zur  Genüge  beschrieben  und  gewürdigt  worden. 
Wenn    die    ersten   beiden   Salpen-Gruppen    in    den   liier   unter- 
suchten Eigenschaften  durchaus  einander  näher  stellen  als  die  beiden 
zum   Untergenus   Salpa   vereinigten  Gruppen,   so   nimmt   andrerseits 
das  Subgenus  Cijdosalpa  den  andern  Salpen  gegenüber  eine  isolierte 
Stellung  ein.  wenn  man  die  Charakteie  berücksichtigt,  w'elche  seinei-- 
zeit  Blainvili.k  1)  veranlaßten,  dieses  Subgenus  zu  begründen.    Hier- 
hin  gehört   in   erster  Linie   die  Art  und  Weise,  wie   sich   die  gre- 
gaten  Individuen   zur  Kette   verbinden,   welche   dem   Subgenus   den 
Namen    verliehen    hat.     Bekanntlich    ist    die   Kettenform    bei    den 
C3'closalpen    eine    rosettenförmige ,    während    sie    bei    den    andern 
Salpen   eine   zweizeilige   ist.     Dementsprechend   finden   wir   bei   den 
Cyclosalpen  nur  1  großes  Haftorgan,  während  bei  den  andern  Salpen 
deren  8  vorhanden   sind.     Hier   schien   eine   unüberbrückbare  Kluft 
zu   bestehen,   welche  eine  nähere  Verwandtschaft  der  beiden  Unter- 
genera ausschloß.    Beooks  -)  äußert  sich  zu  dieser  Frage  wie  folgt : 
,.We  know  of  no  species,  w^iich  stand  midway  between  those  of  the 
pinnata   group   and  the  ordinary  Salpae,   and  we  tlierefore  have  no 
l)hylogeuetic   evidence,    but    it   seems   probable   that  Salpa  pinnata 
gives  US  the  primitive  method,   and  that  originally  a  Single  process 
joined  each  salpa  on  to  four  others,  and  that  this  Single  process  has 
been  gradually  converted  into  eight  separate  ones."    Mit  dieser  zu- 
letzt  ausgesprochenen   Meinung   hat  BRüOK^<   absolut   recht.    In  der 
Tat  läßt  sich  ein  Übergang   finden.     Daß   es  bis  jetzt  noch   nicht 
geschehen  ist,   liegt  daran,  daß  merkwürdigerweise  die  wahre  Form 
der  Kette  von  Cyclosalpa  virgida  unbekannt  geblieben  ist.    Diese  in 
jeder  Beziehung  echte  Cyclosalpe  bildet  keine  rosettenförmige  Kette, 
sondern     eine    zweizeilige.      Wenngleich    sich    in    der    Kettenform 
einige  Unterschiede  den  andei'u  Salpen  gegenüber  zeigen,  so  ist  sie 
jedenfalls  unbedingt  in  dieser  Beziehung  als  überleitende  Form  auf- 
zufassen. Der  Irrtum  in  bezug  auf  die  Kettenform  hat  sich  seit  Vogt's  "'j 
erster  Beschreibung  dieser  Salpe   in   der  Literatur  erhalten.     Vogt 
beschreibt   die  Kette   als   mit   der   von  S.  pinnata   übereinstimmend. 
Ich   kann   es  mir   nur  so   erklären,   daß   er  zufällig  eine  Kette  von 
nur  wenio-en  Individuen  vor   sich  hatte,  welche,   da  die  Verbinduno- 


1)  ].  c. 

2)  1.   c,   The  genus  Salpa. 

3)  Vogt,  1.  c. 


56 


R.  Stkeiff. 


ventral  median  dnrch  die  großen  nnpaaren  Haftorgane  zustande 
kommt,  unter  Umständen  rosettenförmig  aussehen  konnte.  Apstein  ^) 
hat  mehi-facli  Bedenken  gegen  die  VoGT'sche  Auffassung  der  Kette 
geäußert  und  macht  auch  in  seiner  neuesten  Arbeit  ein  Fragezeichen 
dazu.  Er  weist  mit  Eecht  darauf  hin,  daß  es  nicht  verständlich 
sei,  wie  sich  bei  dem  kurzen  „tornisterföi-migen  Anhange"  mehrere 
Tiere  um  einen  Mittelpunkt  ordnen  könnten,  und  sagt,  es  sei  eher 
möglich,  daß  die  Anlieftungsstellen  der  einzelnen  Individuen  mit  den 
Seitenteilen  zusammenstoßen:  in  diesem  Falle  wäre  die  Kette  nicht 
Stern-,  sondern  ringförmig.  Um  diese  Verhältnisse  zu  klären  und 
um  andrerseits  zu  zeigen,  daß  ^ich  auch  in  dieser  Beziehung  die 
Polymyarier  sehr  gut  an  die  Cyclosalpen  anschließen  lassen,  schalte 
ich  hier  eine  kurze  Untersuchung  über  die  Haftorgane  der  Salpen  ein. 

Die  Haftorgane. 

Ich  beginne  mit  Cydosalpa  virgula.  Wie  gesagt,  ist  die  Form 
der  Kette  eine  zweizeilige,  d.  h.  ihre  Glieder  sind  in  2  Eeihen  zu 
beiden  Seiten  einer  idealen  Längsachse  angeordnet;  sie  können  in 
großer  Anzahl  zur  Kette  vereinigt  sein.  Schon  bei  der  Betrachtung 
des  Stolos  der  solitären  Form  (Textfig.  B)  kann  man  sich  davon 
überzeugen,  daß  selbst  die  ältesten  den  distalen  Abschnitt  bildenden 
Individuen    in    ihrer    zweizeiligen   Anordnung    verharren,   niemals 


Str 


Fig.  B. 

2  Stoloindividuen  von  Salpa  virgula.    Linke  Kettenseite. 

SYr  Stolorolir.    Em  Verbindung'  der  jungen  Salpe  mit  dem  Stolorcihr.    Die  punktierten 
Linien  auf  den  Haftorgaiien  stellen  die  Grenzen  des  Haftorgans  eines  rechtsseitigen 

Tieres  vor.     (Haftorgane  vgl.  Fig.  8j. 


1)  1.  c.  (p.  3). 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  57 

scliiiiiien  sich  sternföimige  kleine  Gruppen  von  jung-en  Tieren  ab, 
wie  es  bei  S.  pinnata  der  Fall  ist,  die  Kette  gleicht  vielmehr  ganz 
dem  Verhalten,  wie  wir  es  z.  B.  bei  Salpa  maxima  finden.  Auch 
die  freiwerdenden  Ketten  bestehen  normalerweise  aus  einer  großen 
Zahl  von  Individuen.  Im  Museum  der  Station  zu  \illeiranche  ward 
eine  schön  konservierte  Kette  aufgehoben,  welche  sich  aus  un- 
gefähr 60  Individuen  zusammensetzt,  doch  glaube  ich,  daß  es 
unter  Umständen  mehr  Individuen  sein  können,  wie  bei  Salpa 
maxima.  Bei  äußerer  Betrachtung  fällt  ein  Unterschied  den  andern 
Salpen  gegenüber  auf:  die  Längsachse  der  Kette  ist  keine  gerade 
Linie,  sondern  eine  langgezogene  Spirale,  w^elche  an  den  die  Ein- 
geweide enthaltenden  Fortsätzen  zu  erkennen  ist.  Diese  bei  kon- 
servierten  Tieren  opaken  Fortsätze  der  Individuen  beider  Ketten- 
seiten lehnen  sich  aneinander  bzw.  mit  ihren  Spitzen  auf  die  Basen 
der  tblgenden  und  bilden  auf  diese  Weise  eine  zweizeilige,  kork- 
zieherartig um  die  Kette  verlaufende  Linie.  Die  Entstehung  einer 
solchen  Kette  kann  man  sich  in  der  Weise  denken,  daß  immer  je 
2  weiter  folgende  Individuen  der  Kette,  welche  ursprünglich  jeden- 
falls eine  mit  stehenden  Individuen,  wie  bei  Salpa  pinnata,  war,  ein 
Stückchen  an  den  vorhergehenden  hiuunterrutschen  und  sich  dabei 
ein  w^enig  in  der  Richtung  einer  Spirale  drehen.  Die  ganze  Kette 
hängt  gewissermaßen  am  obersten  Individuenpaar. 

Das  Haftorgan  von  Salpa  virgula  hat  Apstein  ^)  der  Form  nach 
richtig  beschrieben  und  abgebildet,  doch  ist  er  auf  die  Details  nicht 
eingegangen,  da  er  sonst  nicht  die  Vermutung  hätte  aussprechen 
können,  daß  es  sich  bei  dieser  Kette  um  eine  ringförmige  handeln 
könne.  Das  Haftorgan  ist  als  großes  abgeplattet  zylinderförmiges  Ge- 
bilde der  Mitte  der  ventralen  Seite  gleichsam  angeklebt.  Beim  Tier 
der  rechten  Kettenseite  (vgl.  Fig.  8)  ist  es  auf  der  rechten  Seite 
ein  wenig  nach  vorn,  auf  der  linken  ein  wenig  nach  hinten  ver- 
schoben, beim  Tier  der  linken  Kettenseite  liegen  diese  Verhältnisse 
natürlicherweise  umgekehrt.  Es  ist  daher  nicht  senkrecht  zur  Körper- 
längsaclise  orientiert,  sondern  ein  wenig  geneigt.  Die  beiden  End- 
flächen des  Zylinders  dienen  zur  Anheftung  an  die  Individuen  der- 
selben Kettenseite,  wie  das  auf  der  Textligur  zu  sehen  ist,  welche 
2  junge  noch  am  Stolorohr  hängende  Individuen  zeigt.  Auf  der 
äußern    Wölbung   des   Zjiinders  ist  rechts  und  links  je   ein  durch 

1)  1.  c.  (p.  3). 


58  ß-  Streikf. 

einen  scliwach  erhobenen  Eand  kenntlicher  biskuitfönuiger  Bezirk 
vorbanden,  von  welcliem  der  reclite  zur  Verbindung-  mit  einem  eben- 
falls rechten  ebensolchen  Bezirk  des  vorhergehenden  Tieres  der 
linken  Kettenseite,  der  linke  mit  einem  solchen  des  folgenden  dient. 
Auf  der  Textabbildung  habe  ich  durch  2  punktierte  Linien  die  End- 
flächen des  Haftorgans  des  gegenüber-  und  dazwischenliegenden 
Tieres  der  rechten  Kettenseite  angedeutet.  Der  rechte  biskuitförmige 
Bezirk  des  1.  und  der  linke  des  2.  können  gleichzeitig  die  ent- 
spreclienden  Bezirke  des  angedeuteten  Haftorgans  darstellen.  Die 
Verbindung  zur  Kette  geschieht,  wie  aus  dem  oben  Gesagten  hervor- 
geht, im  Prinzip  genau  in  der  Weise  wie  bei  den  andern  Salpen.  Die 
Kette  besteht  aus  alternierenden  Individuen,  von  denen  jedes  einzelne 
mit  2  Nachbarn  derselben  Kettenseite  und  mit  2  Individuen  der 
andern  Kettenseite  verbunden  ist.  Wir  können  füglich  von  4  Haft- 
organen sprechen,  anstatt  von  einem,  denn  jede  Endfläche  des 
Zj'linders  und  die  beiden  biskuitförmigen  Bezirke  stellen  je  1  Haft- 
organ dar.  die  aber  im  gegebenen  Falle  zu  1  Organ  zentralisiert 
sind.  Stellen  wir  uns  nun  vor,  daß  die  4  Haftorgane  in  je  2  zer- 
fallen und  distalwärts  auseinander  rücken,  so  kommen  wir  zu  der 
typischen  Zahl  der  Haftorgane  bei  den  Salpen,  nämlich  zu  je  2 
lateralen  und  je  2  ventralen  auf  der  rechten  und  linken  Körper- 
hälfte. Die  Biskuitform  der  ventralen  Haftorgane  ist  bereits  eine 
Andeutung  von  einer  Teilung,  und  da  wir  älmliche  Formen  und 
eine  Einheitlichkeit  der  lateralen  Haftorgane  auch  bei  einigen  Poly- 
myariern  finden  werden,  so  ist  darin,  wie  icli  glaube,  in  dieser 
Frage  zweifellos  ein  Übergang  zwischen  den  Cyclosalpen  und  Poly- 
mj^ariern  gegeben. 

Wenn  sich  nun  Cijclomlpa  virgula,  wie  wir  sehen  werden,  den 
Polymyariern  anschließt,  so  scheint  ihr  Haftorgan  andrerseits  mit 
dem  von  Cydosalpa  immata,  welches  in  seiner  charakteristischen 
Form  als  flossenförmiger  Fortsatz  mit  ßecht  für  ein  wichtiges  Merk- 
mal dieser  Salpe  gilt,  nur  die  zentrale  Lage,  nicht  aber  die  be- 
schriebenen Anheftungsflächen  gemein  zu  haben.  Denn  die  langen 
Fortsätze  treffen  sich  in  einem  Punkt  und  kleben  hier  regellos  zu- 
sammen. Betrachtet  man  aber  nicht  ausgewachsene  Ketten,  sondern 
ganz  junge,  noch  am  Stolo  befindliche  Individuen,  so  findet  man  in 
überraschender  Weise  den  Grundtyp  der  Verbindung  zur  Kette  für 
Cijclosalpa  virgula  und  demnach  für  alle  andern  Salpen  gewissermaßen 
vorgebildet.  Man  sieht,  daß  der  fiossenförmige  Anhang  in  einem 
kleinen  würfelförmigen  Gebilde  endet.     Die  beiden  Seitenflächen  des 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  59 

Würfels  verbinden  sicli  mit  den  Seitenflächen  der  "Würfel  des  fol- 
genden nnd  vorliergehenden  Tieres  derselben  Kettenseite,  wie  das 
aus  der  scliematischen  Abbildung-  zu  ersehen  ist  (Textfig.  ('),  seine 
ventrale  Fläche  dagegen  verbindet  sich  mit  den  ventralen  Flächen 
von  2  Individuen  der  andern  Kettenseite.  Wir  können  uns  die 
Hildung  des  Haftorgans  von  Cyclosalpa  virgula  aus  dem  von  Cydo- 
salpa  pinnata  so  vorstellen,  daß  der  Würfel  enorm  vergrößert,  der 
Flossenfortsatz  dagegen  völlig  reduziert  wurde. 


Fio-.  c. 


's 


Schema  der  Haftorgaiie  von  Salpa  p'mnata  beim   juugeu 
Stoloimlividuum. 


Als  nächste  Form  bespreche  ich  Salpa  ]nmctafa,  da  sie  sich  enger 
an  Cifclosalpa  virgula  anschließt  als  die  andern  Polj'myarier.  Wie 
aus  der  Abbildung  der  ventralen  Seite  dieser  Form  (Fig.  21)  zu 
ersehen  ist.  besitzt  sie  lateral  zur  Verbindung  mit  den  Nachbarn 
derselben  Kettenseite  rechts  und  links  eine  ungeteilte  Haftfläche, 
welche  sich  beim  Tier  der  linken  Kettenseite  links  vorn,  rechts 
hinten  am  Körper  befindet.  Zur  Verbindung  mit  den  Individuen 
der  andern  Kettenseite  sind  ventral  2  biskuitförmige  Bezirke  durch 
einen  schwach  erhobenen  Rand  abgegrenzt^  welche  bedeutend  größer 
sind  als  bei  Cyclosalpa  virgula,  jedoch  in  der  Form  völlig  überein- 
stimmen. Genau  also  wie  bei  C.  virgula  haben  wir  hier  4  Haft- 
organe, und  ebenso  wie  dort  zeigen  die  ventralen  bereits  die  An- 
deutung zur  Teilung  in  je  2.  Die  Ähnlichkeit  zwischen  beiden 
Formen  wird  noch  größer,  wenn  man  die  Enden  der  beiden  lateralen 
Haftorgane  miteinander  verbindet,  wie  ich  das  auf  der  um- 
stehenden Textabbildung  getan  habe  (Textfig.  D).  Wir  erhalten  dann 
einen  Körper,  welcher  in  der  Grundform  mit  dem  Haftorgan  von 
Cyclosalpa  virgula  übereinstimmt,  nur  in  die  Ijänge  gezogen  und 
noch  mehr  gegen  die  Körperlängsachse  verschoben  ist.  Es  ist 
von  großem  Interesse,  daß  diese  beiden  Formen  in  der  Bildung 
der  Haftorgane  einander  reclit  nahe  stehen,  zumal  sie  auch 
in  dem  Punkt  übereinstimmen,  daß  bei  beiden  die  Muskulatur  stark 
asj'mmetrisch  ist,  ein  Charakter,  welcher  entschieden  zu  den  primi- 
tiven zu  stellen  ist  und  jedenfalls  mit  dem  Übergang  von  der 
rosettenförmigen  Kette   in   die   zweizeilige   in  Zusammenhang   steht. 


60 


R.  Stkeiff, 


rJ  *r Z 


-  //  ^l2 


Fig.    D. 

Haftorgane  vou  i>alim  punctata. 

Die  Enden   der   beiden   lateralen  Haft- 
org-ane   sind    durch   Linien    verbunden. 


Fig.  E. 

Haftorgane  von  8.  inaxima. 
Tier   der  rechten   Kettenseite. 

i)0  das  kleine  isolierte  Muskelstück 
des  (>.  Kürpermuskels. 


über  die  Mnskulatnr  der  Salpen.  61 

Ich  möchte  an  dieser  Stelle  noch  einmal  darauf  hinweisen,  daß  beide 
Formen,  was  das  zuletzt  erwähnte  ]\[erkmal  I)etrifft,  S.  rostmta 
g-leichen.  daß  die  Übereinstimmung;-  dieser  mit  Cydosnlpa  virgula 
darin  noch  größer  ist  als  mit  Salpa  punctata.  Ebenso  interessant  ist 
es  aber  auch,  daß  S.  punctaia  neben  diesen  primitiven  Charakteren 
auch  unverkennbare  progressive  trägt,  z.  B.  die  weitgehende  Kück- 
bildung  des  1.  Cloakenmuskels. 

A\'eitei'  schließt  sich  Salpa  maximu  an,  welche  in  der  Regel 
8  getrennte  langgezogene  Haftorgane  besitzt,  die  nicht  immer 
deutlich  zu  erkennen  sind,  da  die  sie  umgrenzenden  Ränder  sich 
gelegentlich  nur  wenig  über  die  übi'ige  Mantelmasse  erheben.  Oft 
kommt  es  auch  vor,  daß  je  2  Haftorgane  zu  einem  biskuittVirmigen 
Bezirk  zusammentreten,  wie  ich  das  auf  der  Zeichnung  wieder- 
g-egeben  habe  (Textfig.  E).  Es  können  sowohl  die  lateralen  als 
die  ventralen  Haftorgane  sein.  Das  Entstehen  der  Haftorgane 
dieser  Form  aus  der  der  vorhergehenden  bedarf  wohl  weiter  keiner 
Erörterung'.  Sie  besitzt  bei  gleichzeitigem  unverkennbaren  Anschluß 
an  die  vorig-e  zum  erstenmal  die  Haftorgane  in  der  für  die  andern 
Salpen  charakteristischen  Achtzahl.  Die  Form  der  Kette  ist  bei 
dieser  Salpe  ebenso  wie  bei  S.  imudaia  eine  mit  diagonal  stehenden 
Individuen  (Textfig.  F).  Ich  möchte  diese  alte  von  Leuckart  \) 
gebrauchte  Bezeichnung  für  einen  besondern  IVpus  den  beiden  von 
Apstein  '-)  aufgestellten  Kettentypen  gegenüber  beibehalten.  Apstein 
unterscheidet  Ketten  mit  stehenden  und  mit  liegenden  Individuen. 
Bei  S.  maxima  sind  die  Individuen  weder  senkrecht  zur  Kettenachse 
gestellt,  noch  liegen  sie  in  ihrer  Längsachse.  Allerdings  gibt  Apstein 
für  die  Definition  der  Kette  mit  liegenden  Individuen  entweder  das 
Liegen  in  der  Längsachse  oder  eine  Stellung  in  einem  spitzen 
Winkel  zu  ihr  an.  Ich  halte  es  jedoch  für  berechtigt,  diese  beiden 
Arten  der  Orientierung  der  Kettenindividuen,  welche  Apstein  unter 
einem  Typus  vereinigt,  zu  trennen,  da  die  Unterschiede  solcher 
Ketten  in  der  'J'at  sehr  bestimmte  sind,  wie  ein  Vergleich  der 
schematischen  Abbildungen  der  Ketten  von  S.  maxima  und  Salpa 
fusifonnis  (Textfig.  H),  welche  eine  typische  Kette  mit  liegenden 
Individuen  besitzt,  zeigt.  Auch  die  Disposition  der  Haftorgane  ist 
für  diesen  Typus,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  eine  andere. 

Bei   Salpa  fmiformis  sind   die   Haftorgane   immer   in   der  Zahl 


1)  1.  c. 

2)  1.  c.  (p.  3). 


()2 


K.  Streiff, 


--  rj 

-^2 


Fig.  F. 

Kettenfonn  von  ü.  maxhna. 

Tiere  der  rechten  Ketteuseite  vom  Rücken. 


Fig.  H. 

Kettenform  von  Salpa  fusiformis. 

Tiere  der  rechten  Kettenseite. 


von  8,  im  Vergleich  mit  denen  von  S.  maxima  außerordentlicli 
kleinen,  ellipsoiden  Flächen  ausgebildet.  Sie  haben  immer  einen 
deutlich  gehobenen  Rand,  leiten  dadurch  wie  auch  durch  die  kleinen 
Haftflächen  zu  den  Oligomyariern  über.  Ihre  Disposition  ist  cha- 
rakteristisch für  eine  Kette  mit  liegenden  Individuen.  Bei  einem 
Tier  der  linken  Kettenseite,  wie  es  die  Abbildung  zeigt  (Textfig.  G), 


über  die  Mn^ikulatnr  der  Salpen. 


63 


jr-—f^ 


rj-\ 


Fig-.  J. 
Salpa  hiucronata.    Kettenforiii. 
2  Tiere  der  linken  Kettenseite. 


Von  der  Ventralseite. 


Fig.  G.     Salpa  fnsiformis  Gkey. 
Tier  der  linken  Kettenseite.     Haftorgane. 


rücken  die  linken  lateralen  Haftorgane  [11  n.  J  2)  bis  fast  an  die 
Spitze  des  lang  ausg'ezog'enen  vordem  Körperfortsatzes,  ihnen  schließt 
sich  unmittelbar  das  vordere  ventrale  Haftorgan  {IS]  der  linken 
Seite  an.  während  das  hintere  (7  4)  ein  kurzes  Stück  von  der  Körper- 
mitte zur  Seite  des  Endostyls  gelegen  ist.  Auf  der  rechten  Körper- 
seite vollzieht  sich  die  Anordnung  in  derselben  Weise,  jedoch  in 
entgegengesetzter  Eichtung.  zum  Körperende  hin  bzw.  auf  den 
hintern  Körperfortsatz.  ^^'ährend  die  Polymyarier  eine  mehr  flächen- 
liafte  Ausbildunff    ilii'er  Haftora-ane   aufweisen,  tritt    uns    bei    allen 


64  R-  Streiff, 


Olig-omvariern  ein  anderer  nur  bei  ilmen  zur  Ausbilduno-  kommender 
Typus  entg-egen.  Die  auch  hier  immer  in  dei-  Achtzalil  vurhandenen 
Haftoro-ane  stellen  mehr  oder  weniger  weit  vorragende  Zapfen  oder 
röhrchenförmige  Bildungen  dar,  in  welche  eine  Aussackung  der 
innern  Tunica  hineinragt.  Leuckart  \i  liat  die  8  langen,  dünnen 
Röhrclien  gdeichenden.  Haftorgane  von  Salpa  mucronata  sehr  gut  be- 
sclirieben.  Er  unterscheidet  je  2  laterale  und  2  ventrale  Reihen 
und  gibt  völlig  den  Tatsachen  entsprechend  an.  wie  sie  zur  Ver- 
bindung mit  den  seitlichen  oder  gegenüberliegenden  Individuen 
dienen.  Auch  ist  ihm  der  Unterschied  gegenüber  S.  maxima  und 
fusiformis  aufgefallen.  Er  nennt  die  Haftorgane  bei  diesen  Formen 
..im  höchsten  Grade  ru'dimentäi".  Die  Anordnung  der  Haftorgane 
ist  bei  S.  nmcromda  asymmetrisch  (Textfig.  J).  Bei  Linkstieren,  auf 
diese  bezieht  sich  die  Abbildung,  ist  namentlich  das  vordere  ventrale 
Haftorgan  der  linken  Körperseite  weit  nach  vorn  gerückt,  außerdem 
zeichnet  sich  das  hintere  laterale  (r  2)  der  rechten  Ivörperseite  durch 
seine  bedeutendere  Größe  den  andern  gegenüber  aus;  bei  manchen 
Individuen  ragt  es  weit  hervor,  so  daß  man  es  fast  für  einen  Körper- 
fortsatz halten  kann.  Bei  Individuen  der  rechten  Körperseite  liegen 
diese  Verhältnisse  umgekehrt,  man  kann  daher  bei  isolierten  Indi- 
viduen leicht  entscheiden,  zu  welcher  Kettenseite  das  Tier  gehört 
hat.  Die  Form  der  Kette  ist  bei  S.  mucronata  eine  mit  diagonal 
stehenden  Individuen  (vgl.  Leuckaet,  1.  c.  p.  lOj. 

Bei  S.  confoederafa  haben  die  Haftorgane  die  Form  von  kurzen 
Zapfen  (vgl.  Fig.  25).  Die  4  vordem  und  die  4  hintern  liegen 
nahezu  im  gleichen  Körperquerschnitt.  ein  Umstand,  welcher  mit 
der  Form  der  Kette  als  einer  typischen  mit  stehenden  Individuen 
übereinstimmt.  Doch  lassen  sich  bei  näherer  Untersuchung  auch 
hier  geringe  asymmetrische  Verschiebungen  bei  Tieren  der  rechten 
bzw.  der  linken  Kettenseite  konstatieren.  Bei  einem  Tier  der 
rechten  Kettenseite  sind  die  Haftorgane  der  rechten  Körperseite 
denen  der  linken  gegenüber  ein  wenig  nach  vorn  verschoben.  Salpa 
2onaria  zeigt  den  vollendeten  Typus  einer  Kette  mit  liegenden  Indi- 
viduen. Dementsprechend  ist  die  Disposition  der  Haftorgane  im 
Prinzip  dieselbe  wie  bei  Salpa  fusiformis.  nur  rücken  die  3  vorn, 
bzw.  hinten  gelegenen  Haftorgane  nocli  Aveiter  nach  vorn  bzw. 
hinten   und   nehmen   beim   erwachsenen   Tier   eine   genau  terminale 


fS'' 


1)    1.    C. 


über  die  Muskulatur  der  Salpen. 


65 


Stellung-  ein  (Textfig.  K).  Die  Abbildung  bezieht  sich  auf  ein  Tier 
der  rechten  Kettenseite.  Es  sind  in  diesem  Falle  die  beiden 
lateralen  und  das  vordere  ventrale  Haftorgan  der  rechten  Körper- 
seite, welche  an  das  vordere  Körperende  rücken,  während  die  beiden 
lateralen  und  das  hintere  ventrale  der  linken  Körperseite  an  das 
hintere  Körperende  gehen.  Die  beiden  andern  ventralen  Haftorgane 
sind  in  der  Mitte  des  Körpers  gelegen,  dicht  nebeneinander  bzw. 
hintereinander,  das  rechte  mit  seiner  Spitze  nach  vorn,  das  linke 
nach  hinten  gekehrt.  Geht  man  von  einer  Disposition  der  Haft- 
organe wie   bei  Salpa  confoedarita   aus,  so   muß  man  auch  für  diese 


Fig.  K. 

Salpa  zonaria  greg.    Tier  der  rechten  Kettenseite. 

Von  der  ventralen  Kürperseite.    Haftorgane. 


Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst. 


6(3  R.  Streiff, 

beiden  letztgenannten  ventralen  Haftorgane  bei  S.  zonaria  eine 
Wanderung  annehmen,  und  zwar  für  das  rechte  von  hinten  nach 
vorn  bis  zur  Körpermitte,  für  das  linke  von  vorn  nach  hinten  eben- 
falls bis  zur  Körpermitte.  Die  weiteste  "Wanderung  füliren  die 
lateralen  Haftorgane  aus,  insbesondere  das  rechte  hintere  bzw.  das 
linke  vordere,  während  die  ventralen  Haftorgane  der  beiden  Körper- 
seiten jedes  um  ein  gleiches  Stück  weit  nach  vorn  bzw.  nach  hinten 
wandern.  Sehr  interessant  sind  die  darauf  bezüglichen  entwicklungs- 
geschichtlichen Ergebnisse,  zu  welchen  Eschricht  i)  seinerzeit  ge- 
langt ist.  Doch  kann  ich  darauf  nicht  eingehen,  einerseits  weil  es 
zu  weit  führen  würde,  andrerseits  weil  die  Resultate  entschieden 
auch  einer  Nachprüfung  bedürfen. 

Soviel  möchte  ich  nur  bemerken,  daß  die  Tatsachen  des  AVanderns 
der  Haftorgane  nicht  so  einfach  sind,  wie  man  es  sich  vergleichend- 
anatomisch denken  könnte,  sondern  daß  es  hierbei  während  der 
Entwicklung  zu  komplizierten  Gebilden  kommt,  welche  später  wieder 
verschwinden.  Je  jünger  die  Ketten  sind,  desto  mehr  liegt  der 
vordere  bzw.  hintere  Komplex  der  Haftorgane  relativ  seitlich,  wo- 
durch die  Zugehörigkeit  eines  Individuums  zu  einer  bestimmten 
Kettenseite  konstatiert  werden  kann.  Bei  erwachsenem  Individuum 
liegt  er,  wie  gesagt,  genau  terminal;  manchmal  verschmelzen  die 
beiden  lateralen  Haftorgane,  sie  können  auch  völlig  degenerieren; 
in  einem  solchen  Falle  kleben  die  beiden  Kettentiere  mit  ihrem 
Mantel  zusammen.  Die  ventralen  Haftorgane  bleiben  immer  er- 
halten. Die  Haftorgane  selbst  sind  kurze  konische  Zapfen,  in  Avelche 
deutlich  die  innere  Tunica  hineinragt;  die  eigentlichen  Haftflächen 
sind  äußerst  klein.  Die  Kette  ist  bereits  von  Chamisso  ^)  abgebildet, 
neuerdings  hat  sie  auch  Brooks  =^)  wiedergegeben. 

Diese  Salpe  ist,  wie  gesagt,  auch  ein  Beispiel  dafür,  daß  die 
Disposition  der  Haftorgane  bei  allen  Salpen  immer  in  einem  be- 
stimmten Verhältnis  zur  Kettenform  steht.  Es  ist  daher  möglich, 
bei  isolierten  gregaten  Individuen  die  Kettenform  anzugeben. 
Ich  bemerke  dies,  da  man  in  der  Literatur  gelegentlich  bei  weniger 
bekannten  Salpen  die  Notiz  findet,  daß  die  Form  der  Kette  un- 
bekannt sei. 


1)  1.  c. 

2)  Chamisso,  De  animalibus  quibusdam  e  classe  vermium  Linnaeana, 
Fase.  I  de  Salpa,   Berolini   1819. 

3)  Brooks,  1.  c  (p.  2). 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  67 

Aus  dieser  kurzen  t^bersicht  gebt  hervor,  daß  im  Bau  der  Haft- 
organe keine  prinzipiellen  Unterschiede  zwischen  den  Cyclosalpen 
und  Polymyariern  vorhanden  sind,  daß  sich  überleitende  Formen 
linden,  welche  die  extreme  Beschaffenheit  des  flossenförmigen  Haft- 
organs bei  C.  pinnata  und  die  in  der  Achtzahl  vorhandenen  Haft- 
organe bei  den  meisten  andern  Salpen  verbinden.  Andrerseits  kann 
man  den  Bau  der  Haftorgane  bei  den  Oligomyariern  wohl  als  einen 
Typus  für  sich  betrachten.  Avelcher  unter  den  Polymyariern  zuerst 
bei  S.  fusifonnis  angedeutet  ist.  Merkwürdig  ist  es,  daß  die  innere 
Tunica  in  die  geschilderten  zapfenförmigen  Haftorgane  bei  den 
Oligomyariern  hineinragt;  dasselbe  ist  nur  noch  bei  C.  pinnaia  der 
Fall.  Streng  genommen  könnte  man  nur  bei  diesen  Formen  von 
einem  Haftorgan  sprechen,  da  sich  nur  hier  die  Körperschichten  an 
seiner  Bildung  beteiligen.  Bei  den  andern  Salpen  sind  es  eigentlich 
nur  Haftflächen,  denn  sowohl  bei  Cijdosalpa  virgula  als  auch  bei  den 
Polymyariern  sind  es  abgegrenzte,  unter  Umständen  angeschwollene 
Partien  des  Cellulosemantels,  welche  für  die  Verbindung  zur  Kette 
in  Betracht  kommen. 

Durch  den  Umstand,  daß  die  Kettenform  bei  C.  vinjula  keine 
rosettenförmige,  sondern  eine  zweizeilige  ist,  fällt  die  wichtige 
Schranke,  welche  die  Cyclosalpen  von  den  andern  Salpen  trennte. 
Die  verwandtschaftlichen  Beziehungen  zwischen  den  Cyclosalpen  und 
den  Polymyariern,  welche  sich  in  mehrfacher  Hinsicht  ergeben  haben, 
gewinnen  dadurch  an  Wert. 

In  diesem  Zusammenhang  möchte  ich  noch  kurz  auf  eine  Tat- 
sache aus  der  Embrj'ologie  der  Salpen  hinweisen.  Salenskt  ^)  hat 
bekanntlich  seinerzeit  vom  embryologischen  Standpunkt  aus  eine 
Teilung  der  Salpen  in  thecogone  und  gymnogone  vorgenommen  (vgl. 
auch  KoEscHELT  u.  Heidek,  1.  c).  KoEOTNEFF ")  beaustaudet  aller- 
dings die  Teilung  in  dieser  scharfen  Form,  doch  scheint  sie  mir 
auch  nach  seinen  Untersuchungen  nicht  ganz  dem  Tatsächlichen  zu 
widersprechen.  Für  meine  Resultate  ist  jedenfalls  von  Interesse, 
daß  die  Cyclosalpen  und  die  Polymyarier  zu  den  Thecogonen  ge- 
hören, während  unter  den  Gymnogonen  die  3  Formen  •')  vereinigt 

1)  Salensky,  Neue  Untersuchungen  über  die  embryonale  Entwicklung 
der  Salpen,   Theil  2,  in:  Mitth.   Zool.   Station  Neapel,   Vol.   4,    1883. 

2)  KoEOTNEFF,  Embryologie  der  Salpa  democratica  (mucronata),  in  : 
Z.  wiss.  Zool.,  Vol.  59,   1895. 

3)  Von  Salensky  wurden  ursprünglich  nur  Salpa  vmcronata  und 
confoederata  untersucht  und  zu  dieser  Grruppe  vereinigt.  Nach  andern 
Untersuchungen  stimmt  jedoch   .S.   xoitaria  mit  ihnen  überein. 


(58  li-  Streiff, 

werden,  welche  ich  als  Oligomyarier  zusammenfasse.  Diese  Tatsache 
erschien  mir  erwähnenswert,  obgleich  völlige  Klarheit  in  dieser  Be- 
ziehung noch  nicht  herrscht.  Es  sind  außerdem  relativ  wenige 
Salpen  embryologisch  untersucht  worden.  Apstein  ^)  gibt  z.  B.  für 
S.  rostrata.  welche  ich  eventuell  als  Cyclosalpe  in  Anspruch  nehmen 
möchte,  einen  unbedeckten  Embryo  an,  doch  vermute  ich,  daß  diese 
Angabe  nur  auf  einer  gelegentlichen  Beobachtung,  nicht  auf  einer 
Verfolgung  der  ganzen  Entwicklung  beruht,  es  ist  daher  leicht 
möglich,  daß  sich  der  beobachtete  Embryo  bereits  auf  einem  Stadium 
befand,  wo  er  sich  seiner  Faltenliülle  entledigt  hatte. 

Wenn  alle  genannten  Gründe  für  eine  recht  nahe  Verwandt- 
schaft der  Cyclosalpen  und  der  Polymyarier  sprechen,  so  sind  andrer- 
seits die  trennenden  Merkmale  auch  auf  den  Gebieten  dieser  Unter- 
suchungen in  genügender  Deutlichkeit  ausgeprägt,  um  die  von 
alters  her  bestehende  Isolierung  der  Cyclosalpen  zu  rechtfertigen. 
Ich  habe  auf  die  gemeinsamen  Eigenschaften  beider  Gi'uppen  mit 
besonderm  Nachdruck  hingewiesen,  um  dadurch  die  Eigentümlich- 
keiten, welche  die  Gruppe  der  Oligomyarier  charakterisieren,  mit 
mehr  Deutlichkeit  hervorzuheben.  Ich  hoffe,  daß  das  im  Laufe  der 
Darstellung  gebrachte  Material  genügende  Belege  für  die  Selb- 
ständigkeit dieser  Gruppe  bietet. 

Ich  komme  nun  auf  die  in  der  Einleitung  gestellte  Frage  zurück, 
ob  nämlich  den  beiden  von  mir  als  Gruppen  der  Untergattung  Salpa 
aufgestellten  Polymyariern  und  Oligomyariern  nicht  etwa  der  Wert 
von  Untergattungen  gleich  dem  der  Untergattung  Cijdosalpa  zukäme. 
Auch  aus  diesem  Grunde  habe  ich  die  gemeinsamen  Eigenschaften 
der  Cyclosalpen  und  Polymyarier  besonders  betont.  Auf  Grund  der 
niedergelegten  Eesultate,  insbesondere  in  Erwägung  des  Umstandes, 
daß  die  Merkmale,  in  denen  sich  die  Cyclosalpen  und  die  Polymyarier 
gleichen,  systematisch  ebenso  bewertet  werden  müssen  wie  die  Merk- 
male, welche  die  Oligomyarier  von  diesen  beiden  Gruppen,  im  be- 
sondern von  den  Polymj-ariern,  trennen,  daß  aber  diese  Unter- 
suchungen auf  der  einen  Seite  zwischen  den  Cyclosalpen  und  Poly- 
myariern mehr  ausgeglichen,  auf  der  andern  Seite  zwischen  den 
Polymyariern  und  Oligomyariern  eine  recht  scharfe  Scheidung  herbei- 
geführt haben,  muß  ich  die  Frage  im  bejahenden  Sinne  beantworten, 
d.  h.  ich  betrachte  die  3  Salpen-Gruppen  als  systematisch  gleichwertig. 
Wie  ich  jedoch  in  der  Einleitung  mitteilte,  habe  ich  von  der  Auf- 

1)  1.  c.  (p.  3). 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  69 

Stellung  von  2  neuen  Untergattungen  abgesehen.  Um  aus  dem  Ge- 
sagten die  Konsequenz  zu  ziehen,  möchte  ich  vorschlagen,  für  die 
zukünftige  Salpen-Sj^stematik  die  Cyclosalpen  nicht  als  eine  Unter- 
gattung aufzufassen,  sondern  sie  ebenso  als  eine  Gruppe  des  Genus 
Salpa  anzusehen  wie  die  Polymyarier  und  die  Oligomyarier.  Für 
die  Gruppe  würde  dann  der  Name  Cyclosalpae  bestehen  bleiben,  die 
einzelnen  Vertreter  aber  würden  Salpa  pinnata,  virgula  etc.  genannt 
werden,  wie  das  sowohl  in  der  altern  als  auch  in  der  neuern  Literatur 
geschehen  ist.  Im  Folgenden  gebe  ich  noch  einmal  eine  tabellarische 
Übersicht  über  alle  bekannten  Salpen  nach  meiner  systematischen 
Einteilung  unter  Berücksichtigung  des  eben  Gesagten.  Vor  die 
zweifelhaften  Formen  setze  ich  ein  Fragezeichen.  Es  handelt  sich 
dabei  eigentlich  nur  um  S.  rostrata  und  S.  magalhanica,  über  deren 
Stellung  ich  nur  so  weit  sicher  bin.  als  sie  beide  Übergangsformen 
zwischen  den  Cj'closalpen  und  Polymyariern  sind,  wohin  sie  aber 
de  facto  gehören,  möchte  ich  ohne  Untersuchung  nicht  entscheiden. 
Mit  der  Zuzählung  von  S.  henseni  zu  den  Oligomyariern  glaube  ich 
jedoch  nicht  fehlzugehen. 

Genus  Salpa 
I.   Gruppe :   Cyclosalpae 

S.  pinnata 
S.  virgula 
S.  afßnis 
S.  floridana 
?  S.  rostrata 

II.   Gruppe:  Poly  my  aria '; 

?  S.   magalhanica 

S.  punctata 

S.  maxima 

S.  fnsiforniifi 

S.  fusiformis  var.  echinata 

S.  cylindrica 

S.  hexagona 

S.  amboinensis 

S.  picteii 

S.  asgmmetrica 

S.  tilesii 

III.  Gruppe:  Oligomyariae 

S.  confoederata 
S.  henseni 


70  B,-  Streiff, 

S.  mucronata 

S.  flageUifera 

S.  zonaria 

S.  nitida. 

Im  Laufe  der  Darstellung^  habe  ich  gelegentlich  darauf  hin- 
gewiesen bzw.  stillschweigend  angenommen,  daß  ich  die  Oligomyarier 
als  die  höchststehenden,  die  CVclosalpen  dagegen  als  die  primitivsten 
Formen  auffasse.  Was  das  letztere  betriftt,  so  finde  ich  mich  darin 
im  Einklang  mit  Beooks  ^),  welcher,  da  das  Hauptgewicht  unserer 
Untersuchungen  auf  verschiedenen  Gebieten  lag,  von  andern  Ge- 
sichtspunkten aus  als  ich  zu  dieser  Auffassung  gelangte.  Beooks 
diskutiert  sehr  eingehend  die  nahe  Verwandtschaft  von  Salpa  pinnaia 
mit  den  Pj'rosomen  und  stützt  sich  in  erster  Linie  auf  die  weit- 
gehende Übereinstimmung  in  den  Tatsachen  der  Embrj'ologie  und 
der  ungeschlechtlichen  Fortpflanzung  (vgl.  6.  Kapitel  seiner  Mono- 
graphie, Sektion  4),  Als  weiteres  sehr  interessantes  Zeugnis  für 
die  nahe  Verwandtschaft  dieser  Tunicaten  betrachtet  er  die  sog. 
Lateralorgane  von  S.  pinncäa,  welche  er  auf  Grund  seiner  Beob- 
achtungen für  Leuchtorgane  erklärt.  Er  homologisiert  sie  mit  den 
Leuchtorganen  von  Pijrosoma,  da  sie,  abgesehen  von  der  Funktion, 
nach  seiner  Aussage  auch  anatomisch  völlig  übereinstimmen.  Wie 
bekannt,  kommen  die  Lateralorgane  nur  den  Cjxlosalpen  zu,  doch 
auch  nicht  allen  Formen,  so  fehlen  sie  z.  ß.  bei  der  gregaten  Form 
von  Cyclosalpa  virgula. 

Die  Gründe  für  meine  Stellungnahme  zu  dieser  Frage  waren 
vorzugsweise  physiologischer  Natur.  Bedenkt  man,  daß  die  Salpe 
mit  der  Ein-  und  Ausleitung  des  Wasserstroms  die  wichtigsten 
Lebensfunktionen  verbindet,  nämlich  Bewegung.  Atmung  und  Er- 
nährung, so  ist  es  wohl  berechtigt,  wenn  man  die  mehr  oder  minder 
vollkommene  Ausbildung  des  dazu  dienenden  Apparats  als  Richt- 
schnur für  die  Beurteilung  einer  höliern  oder  niedern  Organisation 
heranzieht,  ohne  dabei  zu  sehr  der  Einseitigkeit  zu  verfallen.  Ich 
habe  schon  darauf  hingewiesen,  daß  die  Oligomyarier  (abgesehen  von 
Salpa  confocderata  sol.j  in  dieser  Beziehung  auf  der  höchsten  Stufe  stehen, 
insbesondere  ist  der  Apparat  bei  S.  sonaria  vorzüglich  entwickelt, 
während  die  Cyclosalpen  und  Polymyarier  durch  das  Fehlen  eines 
klappenartigen  Verschlusses  der  Cloakentiffnung  zurückstehen,  nament- 
lich zeigt  Cyclosalpa  pinnata  auch  in  der  Beschatfenheit  des  3.  Cloaken- 

1)  1.  c.  (p.  2). 


über  die  Muskulatur  der  Salpeii. 


71 


muskels  das  primitivste  Verhalten.  Interessant  ist  es,  daß  sich  im 
selben  Sinne  von  den  Cj'closalpen  durch  die  Polj'myarier  zu  den 
Oligomj^ariern  eine  g-ewisse  Tendenz  erkennen  läßt,  die  allmälilich 
zu  der  Ausbildung-  führt,  wie  wir  sie  bei  den  Oligomyariern  kennen 
gelernt  haben.  Auch  darauf  habe  ich  während  der  Darstellung 
schon  hingewiesen,  möchte  aber  noch  an  die  allmähliche  Reduktion 
des  1.  Cloakenmuskels  und  an  die  Anklänge  an  den  Klappentypus 
der  Cloakenöffnung  bei  den  Polymyariern  (S.  fusiformis  sol.)  erinnern. 
Ebenso  läßt  sich  in  der  Ausbildung  der  Haftorgane  derselbe  Weg 
der  stetigen  Dilferenzierung  durch  die  einzelnen  Salpen-Gruppen  ver- 
folgen. Die  Polymyarier  nehmen  auch  hier  eine  Mittelstellung  ein, 
indem  sie  sich  einerseits  dem  i)rimitiven  Verhalten  bei  den  Cyclo- 
salpen  nähern  {S.  imnckda),  andrerseits  Vorläufer  der  spezialisierten 
Ausbildung  bei  den  Oligomyariern  aufweisen  {S.  fusiformis). 

Salpa  und  Boliolnm. 

Die  genaue  Feststellung  der  Zahl  der  Muskeln  der  beiden 
Körperöifnungen  bei  den  Salpen  hat  eine  auffallende  Übereinstimmung 
dieser  Verhältnisse  mit  denen  bei  dem  Genus  Boliolnm  ergeben.  Wie 
bekannt  ist  die  Zahl  der  vor  dem  Ganglion  gelegenen  Muskeln  bei 
dem  Geschlechtstier  von  Boliohmi  o,  womit  es  völlig  mit  den  Salpen 
übereinstimmt.  Bei  der  ungeschlechtlichen  Generation  (vgl.  Textfig.  L) 


Fig.  L. 

Larve  tou  Doliolum.    Vereinfachte  Kopie  nach  Neumann. 
n  Ganglion.    X  1.  Cloakenmuskel. 


N  Magen. 


sind  allerdings  4  Muskeln  vorhanden,  doch  liegt  hier  jedenfalls  eine 
Verdoppelung  eines  Muskels  vor.  vielleicht  des  3.,  wie  wir  das  bei 
den  Oligomyariern  kennen  gelernt  haben.    Ebenso  stimmt  die  Zahl 


72  ^-  Streiff, 

der  Cloakenmiiskeln  überein,  wenn  man  hier  dieselben  Kriterien 
verwendet,  wie  ich  es  bei  den  Salpen  getan  habe.  Besonders  deut- 
lich zeigt  die  ungeschlechtliche  Form,  das  neunmuskelige  Boliolnm, 
diese  Verhältnisse.  Ich  gebe  eine  (vereinfachte)  Kopie  einer  Ab- 
bildung von  Neumakn  ^ ),  welche  eine  ältere  Larve  darstellt.  Die 
Muskulatur  und  die  Organe  sind  alle  bereits  völlig  entwickelt,  doch 
ist  der  Larvenschwanz  noch  nicht  geschwunden.  Sein  Vorhanden- 
sein halte  ich  aber  für  besonders  instruktiv,  da  er  die  3  hintern 
Muskeln,  welche  ich  als  Cloakenmuskeln  betrachte,  sehr  distinkt  von 
der  eigentlichen  Körpermuskulatur  trennt.  Der  letzte  Körpermuskel 
liegt  wie  bei  den  Salpen  zu  beiden  Seiten  des  Magens.  Von  großem 
Interesse  ist  auch  die  Entwicklung  dieser  3  Muskeln.  Sie  werden,  wie 
Neümann  angibt,  ursprünglich  jederseits  als  eine  einheitliche  Mesoderm- 
platte  angelegt.  Bei  der  weitern  Entwicklung  trennt  sich  zuerst  der 
1.  Cloakenmuskel  ab;  auf  einem  spätem  Stadium  folgt  dann  die 
Teilung  der  übriggebliebenen  Mesodermmasse  in  2  Muskeln,  den  2. 
und  3.  Cloakenmuskel  (bzw.  den  8.  und  9.  Muskel).  Beim  Geschlechts- 
tier liegen  diese  Dinge  nicht  so  klar.  Bei  dem  sogenannten  Er- 
nährungstier z.  ß.  wird  der  1.  Cloakenmuskel  von  den  beiden 
andern  ventral  durch  die  große  Sohle,  auf  welcher  die  Entwicklung 
der  eigentlichen  Geschlechtstiere  erfolgt,  getrennt.  Doch  behält 
er  auch  hier  unverkennbar  seine  Lage  hinter  dem  Magen,  der 
letzte  Körpermuskel  zu  seinen  Seiten  bei.  Die  Entwicklung  zeigt 
nach  Neümann  nicht  die  Zusammengehörigkeit  der  3  Cloaken- 
muskeln in  so  schöner  Weise  wie  bei  der  ungeschlechtlichen  Form; 
der  1.  Cloakenmuskel  wird  frühzeitig  selbständig,  die  beiden  andern 
gemeinsam  angelegt.  Dieses  Verhalten  entspricht  der  embrj'onalen 
Anlage  der  Mundmuskeln,  wo  auch  nur  die  beiden  distalen  Mund- 
muskeln einheitlich  angelegt,  der  3.,  proximale,  für  sich  selbständig 
gebildet  wird. 

Schaltet  man  nun  diese  als  Mund-  und  Cloakenmuskeln  ge- 
deuteten Muskeln  aus,  so  bleiben  für  die  eigentliche  Körpermusku- 
latur nur  2  Muskeln  übrig.  Der  1.  liegt  gleich  hinter  dem  Ganglion, 
der  2.,  wie  gesagt,  in  der  Körperebene,  in  der  sich  der  Magen  be- 
findet. In  der  Entwicklung  werden  sie  getrennt  angelegt  (cf.  Neu- 
mann), unterscheiden  sich  außerdem  zeitlebens  dadurch,  daß  der  1. 
unter  dem  Nervensystem,   der  2.  dagegen   über  ihm  bzw.  über  den 


1)  Neumann,  Doliolum,  in:  Wiss.  Ergebn.  deutsch.  Tiefsee-Expedition 
1898—99,  Vol.    12,  Lief.  2,   1906. 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  73 

Nerven  verläuft.  Es  scheint  mir  nun  von  großem  Interesse  zu  sein, 
daß  bei  fast  allen  g-regaten  Salpen  (ausgenommen  nur  S.  sonaria) 
und  bei  einigen  solitären  {S.  confocderafa,  S.  mucronata)  die  Körper- 
muskulatur in  2  Gruppen  angeordnet  ist.  Es  ist  möglich,  daß  die 
beiden  Gruppen  mit  den  entsprechenden  Muskeln  von  Boliolum 
homolog  sind,  zumal  bei  manchen  Salpen  die  Muskeln  der  einzelnen 
Gruppen  nicht  völlig  getrennt  sind,  sondern,  wenn  auch  für  kurze 
Strecken,  zusammenhängen,  so  daß  man  geneigt  ist,  sie  als  Teil- 
muskeln eines  Muskels  aufzufassen.  Vielleicht  bekommen  wir  in 
diesen  Fragen  Aufklärung  durch  die  genaue  Entwicklungsgeschichte 
der  Salpenmuskulatur. 

Es  ist  hinreichend  bekannt,  daß  über  die  Verwandtschaft  von 
Salpa  und  Doliolimi  sehr  verschieden  geurteilt  wird.  Brooks  ^)  hat 
den  Widerstreit  der  Meinungen  sehr  ausführlich  und  kritisch  be- 
handelt, ich  kann  mich  daher  lediglich  auf  eine  allgemeine  Stellung- 
nahme beschränken.  Ich  schließe  mich  auf  Grund  der  oben  an- 
geführten Tatsachen  unbedingt  dem  Standpunkt  von  Brooks  an, 
welcher  in  Übereinstimmung  mit  Herdman  eine  nahe  Verwandtschaft 
von  Salpa  und  BoUolnm  und  eine  gemeinsame  Abstammung  an- 
nimmt. Als  hauptsächlichster  Vertreter  der  entgegengesetzten  Mei- 
nung verficht  Uljanin  ^j  einen  diphyletischen  Ursprung  beider  Genera. 
Er  stützt  sich  dabei  auf  seine  entwicklungsgeschichtlichen  Befunde, 
besonders  auf  das  Vorhandensein  bzw.  Fehlen  einer  geschwänzten 
Larve.  Ich  glaube,  daß  die  weitgehenden  Übereinstimmungen  zwischen 
Salpa  und  Doliohtm,  wie  ich  sie  dargelegt  habe,  sich  kaum  als  Kon- 
vergenzerscheinungen deuten  lassen  werden,  sondern  auf  eine  gemein- 
same Urform  hinweisen.  Andrerseits  kann  man  sich  vorstellen,  daß 
diese  Urform  eine  geschwänzte  Larve  besessen  hat,  welche  sich  im 
Laufe  der  weitern  Entwicklung  nur  bei  Boliolum  erhalten  hat.  Das 
ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  wir,  wie  auch  Brooks  schon  betont, 
im  Elaeoblast  bei  den  Salpen  ein  fragloses  Rudiment  des  Larven- 
schwanzes haben. 

Die  Frage  nach  einer  Homologie  der  Muskeln  von  Salpa  und 
Boliolum  mit  denen  der  Ascidien  ist  von  Brooks  und  Lahille  be- 
rührt worden.  Sonderbarerweise  stimmen  sie  beide  darin  überein, 
daß   sie   sich   die  Muskeln   von  Salpa  und  Boliolum   aus   den   oralen 


1)  1.  c.  (p.  2). 

2)  TJljaxin,  Die  Arten  der  Gattung  Doliolum  im  Golfe  von  Neapel, 
in:   Fauna  Flora  Golf  Neapel,  Monographie   10. 


74  R-  Streiff, 

und  atrialen  Sphincteren  der  Ascidien  entstanden  denken.  Die 
Körpermuskulatur  der  Ascidien  wird  völlig  ignoriert.  Ich  kann 
mich  dieser  Meinung  nicht  anschließen,  nehme  vielmehr  an,  daß  die 
3  Muskelsysteme  bei  den  3  Tunicaten-Gruppen  homolog  sind,  daß  im 
besondern  die  Körpermuskulatur  von  Salpa  und  Doliolum  ihr  Homo- 
logon  in  der  Körpermuskulatur  der  Ascidien  hat.  Ein  gültiger 
Nachweis  ist  weder  von  den  beiden  genannten  Autoren  erbracht 
worden,  noch  kann  ich  selbst  einen  solchen  bringen,  doch  scheint 
es  mir  vom  theoretischen  Standpunkte  aus  wenig  plausibel,  daß 
man  die  gutentwickelte  Körpermuskulatur  der  Ascidien  bei  einer 
solchen  Homologisierung  völlig  übergehen  kann. 


über  die  Muskulatur  der  Salpeu.  75 


Nachtrag. 


Während  sich  meine  Arbeit  bereits  im  Druck  befand,  erhielt  ich 
durch  die  Liebenswürdigkeit  der  Herren  Prof.  Beauer  und  Dr.  Haet- 
MEYEE  aus  dem  Material  des  Berliner  Museums  je  1  Exemplar  der 
solitären  und  gregaten  Form  von  SaJpa  magalhanica  zur  Untersuchung. 
Beiden  Herren  sage  ich  auch  an  dieser  Stelle  meinen  verbindlichsten 
Dank. 

Leider  war  die  Muskulatur  der  Tiere,  die  augenscheinlich  in 
FLEMMiNG'scher  Lösung  konserviert  worden  waren,  recht  bröcklig 
geworden,  so  daß  die  feinere  Präparation  der  Mund-  und  Cloaken- 
muskeln  nicht  in  jeder  Beziehung  gelang.  Immerhin  konnte  ich  mit 
Sicherheit  feststellen,  daß  meine  Vermutung  in  betreff  der  syste- 
matischen Stellung  dieser  Salpe  richtig  gewesen  ist.  Wenn  sich 
auch  in  manchen  Dingen  Abweichungen  von  den  für  die  Polymyarier 
angegebenen  Merkmalen  finden,  so  weisen  andrerseits  einige  be- 
sonders charakteristische  Merkmale  auf  eine  Zugehörigkeit  zu  dieser 
Gruppe  hin. 

Die  Mundmuskulatur  zeigt  bei  beiden  Formen  den  unver- 
kennbaren Polymyarier-Tj'pus.  Der  Segelmuskel  besteht  dorsal 
aus  1,  ventral  aus  2  —  1  distalen  schmälern  und  1  proximalen 
breitern  —  Teilmuskeln,  welche  im  Mundwinkel  zu  einem  Zügelstück 
zusammentreten.  Bei  der  gregaten  Form  i  eicht  der  Muskel  nicht 
bis  zur  Mediane,  sondern  läuft  früher  in  eine  Spitze  aus.  Der 
Lippenmuskel  ist  bei  beiden  Formen  dorsal  und  ventral  einteilig. 
Die  dorsale  Einteiligkeit,  die  bei  den  Polymyariern  nicht  Regel  ist, 
läßt  sich  in   zweifacher  Weise  erklären:   entweder  ist  der  vordere 


76  R-  Streiff. 

Teilmnskel  völlig-  riickgebildet  —  wie  gesagt,  ist  er  bei  den  meisten 
Polj'myariern  schwach  entwickelt  — ,  oder  die  beiden  Teilmiiskeln 
sind  verschmolzen,  da  der  dorsale  Lippenmiiskel  bei  S.  magaJhanica 
bei  beiden  Formen  ungewöhnlich  breit  ist.  Bei  der  solitären  Salpe 
ist  das  für  die  solitären  Polymyarier  charakteristische  durch  Um- 
klai)pung-  entstandene  Zügelstück  vorhanden,  ebenso  der  dem  kleinen 
Muskel  0:2  entsprechende  Teil  des  Lippenmuskels,  welcher  sich  mit 
der  ventralen  Hälfte  des  Bogenmuskels  zu  einem  breiten  Muskel- 
bande verbindet  (wae  bei  S.  imndata). 

Der  Bog'enmuskel  der  solitären  Form  besitzt  eine  besondere 
Bildung",  wae  ich  sie  bei  keiner  andern  Salpe  g^efunden  habe.  Kurz 
vor  seinem  dorsalen  Ende,  welches  in  gewöhnlicher  Weise  nach 
hinten  gerichtet  ist,  geht  medianw^ärts  in  der  Richtung  zur  Hypo- 
physe ein  kleiner  Muskel  ab.  Außer  diesem  Seitenast  des  Bogen- 
muskels  ist  der  kleine  Längsmuskel  wohlausgebildet,  er  ist  ver- 
hältnismäßig lang,  zieht  vorn  ein  kurzes  Stück  weit  über  den  Lippen- 
muskel hinweg,  hinten  über  den  Seitenast  des  Bogenmuskels  und 
erstreckt  sich  ebenso  weit  nach  hinten  wie  dieser.  Geht  man  von 
den  Verhältnissen  aus,  wie  wir  sie  bei  S.  virfjula  greg.  kennen  ge- 
lernt haben,  wo  der  kleine  Längsmuskel  c  vom  Bogenmuskel  zu- 
nächst in  der  Richtung  nach  hinten  abging  und  sich  dann  erst, 
einen  Bogen  beschreibend,  nach  vorn  auf  den  Lippenmuskel  zu- 
wandte, so  können  wir  in  dem  kleinen  Seitenast  des  Bogenmuskels 
bei  S.  magalhanica  einen  Rest  sehen,  der  an  das  Verhalten  des 
Bogenmuskels  bei  den  Cyclosalpen,  an  seine  Verbindung  mit  dem 
kleinen  Längsmuskel,  erinnert.  Denken  war  uns  den  kleinen  Längs- 
muskel bei  S.  virgula  an  der  Umbiegungsstelle  geteilt  und  die 
Teilungsenden  gerade  ausgestreckt,  so  erhalten  wir  das  Bild  bei 
S.  mcKjcdhanica:  der  mit  dem  Stammuskel  verbundene  Teil  geht  ein 
wenig  nach  hinten  gerichtet  zur  ]\Iediane,  der  andere,  in  der  Richtung 
nach  hinten  gerade  ausgestreckt,  kreuzt  diesen  ursprünglich  mit 
ihm  verbundenen  Teil.  Bei  der  gregaten  Form  ist  der  Seitenast 
nicht  vorhanden.  Ihr  Bogenmuskel  hat  die  nur  den  gregaten  Formen 
der  Polymyarier  zukommende  Lage  an  der  Außenseite  der  andern 
beiden  Mundmuskeln  bzw^  ihrer  Zügelstücke. 

Die  Cloakenmuskulatur  ist  bei  beiden  Formen  nach  dem  Typus 
der  rohrförmigen  Cloakenöftnung  gestaltet.  Der  1.  Cloakenmuskel 
ist  bei  der  solitären  Form  mit  dem  letzten  Körpermuskel  dorsal  bis 
zur  halben  Körperhöhe  verschmolzen.  Bei  S.  fusiformis  sol.  und  S. 
punctata  sol.  lehnt   er   sich  dorsal  eng  an  den  letzten  Körpermuskel, 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  77 

doch  eine  völlig-e  Versclimelzuiig  habe  ich  bei  keiner  andern  solitären 
Salpe  beobachtet.  Die  beiden  untern  Enden  des  in  Rede  stehenden 
dorsalen  Muskels  sind  ventral  als  letzter  Körpermuskel  bzw. 
1.  Cloakenrauskel  genau  bestimmt,  indem  sich  der  eine  zur  Seite 
des  Nucleus  wendet,  der  andere  aber  hinter  ihm  verläuft.  Bei  der 
gregaten  Form  ist  die  Verschmelzung-  ebenso  vorhanden,  doch  bildet 
sie  das  gewöhnliche  und  charakteristische  Verhalten  der  gregaten 
Polymyarier.  Dei*  2.  Cloakenmuskel  ist  bei  beiden  Formen  ein  ein- 
facher Ring.  Der  3.  zerfällt  in  eine  größere  Anzahl  von  Teilmuskeln, 
die  sich  dorsal  und  ventral  zu  je  einem  verhältnismäßig  langen  Zügel- 
stück vereinigen.  Besonders  lang  sind  die  Zügelstücke  bei  der  soli- 
tären  Form,  sie  reichen  bis  zum  vorletzten  Körpermuskel.  Die 
Vereinigung  der  ventralen  Teilmuskeln  zu  einem  Zügelstück  habe 
ich  bei  keiner  andern  Salpe  gefunden.  Ein  kleiner  Muskel  «  (vgl. 
S.  mcixima  und  fusifonnis  sol.)  scheint  auch  vorhanden  zu  sein,  doch 
konnte  ich  das  nicht  sicher  feststellen. 

Zur  Körpermuskulatur  gehören  bei  der  solitären  Form  7  ]\Iuskeln, 
die  für  die  Polymyarier  beschriebene  Normalzahl  8  ist  nicht  erreicht. 
Zieht  man  noch  in  Betracht,  daß  der  letzte  Körpermuskel  mit  dem 
1.  Cloakenmuskel  dorsal  verschmolzen  ist,  so  sind  es  nur  6  selbständige 
Muskeln,  eine  Zahl,  die  auch  aus  der  ApsTEiN'schen  Abbildung  her- 
vorgeht und  die  mich  in  erster  Linie  veranlaßte,  im  systematischen 
Verzeichnis  am  Schlüsse  meiner  Arbeit  ein  Fragezeichen  vor  diese 
Salpe  zu  setzen,  denn  6  Muskeln  haben  bekanntlich  die  Cyclosalpen. 
Nach  der  Untersuchung  der  Salpe  und  nach  der  Feststellung  des 
7.  Muskels  kann  ich  diesem  Umstände,  d.  h.  dem  Fehlen  eines 
Körpermuskels,  kein  großes  Gewicht  beilegen,  denn  1.  sprechen 
charakteristische  Merkmale  für  die  Zugehörigkeit  zu  den  Polj'- 
myariern,  2.  haben  wir  das  Fehlen  eines  Körpermuskels  bei 
gregaten  Formen  der  Polymyarier  schon  erwähnt  {S.  cylindrica).  Die 
gregate  Form  von  S.  magalhanica  hat  ebenfalls  einen  Körpermuskel 
zu  wenig,  es  sind  nur  5  vorhanden,  während  die  meisten  Formen 
der  Polymyarier  6  haben.  Auch  sie  ist  trotzdem  nach  der  Dis- 
position ihrer  Körpermuskulatur  wie  nach  den  andern  Merkmalen  ein 
echter  Polymyarier. 

Die  Körpermuskeln  der  solitären  Form  sind  sehr  breit.  Die 
ersten  4  berühren  sich  dorsal,  der  4.  und  5.  lateral,  der  5.  und  6. 
wieder  dorsal. 

Bei  der  gregaten  Form  werden  von  der  Körpermuskulatur  in 
üblicher  Weise   2  Muskelgruppen   gebildet.    Zur   1.  gehören  3,   die 


78  ^-  Streiff, 

sich  dorsal  in  der  Mediane  berühren,  zur  Bildung  der  2.  sind,  wie 
bei  allen  Polj'rayariern ,  die  beiden  letzten  Körperniuskeln  mit  dem 
1.  Cloakenmuskel  vereinigt.  Lateral  stoßen  der  3.  und  4.  Muskel 
zusammen;  auf  der  linken  Seite  ist  der  1.  Muskel  mit  dem  2.  durch 
eine  Anastomose  verbunden.  Ventral  sind  der  2.,  3.  und  4.  der 
linken  Seite  und  der  2.  und  3.  der  rechten  alle  untereinander  durch 
Anastomosen  verbunden.    Die  Muskulatur  ist  schwach  asymmetrisch. 

Das  Tier  besitzt  nur  einen  Körperfortsatz  und  zwar  am  hintern 
Körperende  auf  der  rechten  Seite.  (Bei  einem  Tier  der  andern 
Kettenseite  würde  der  Fortsatz  auf  der  andern  Seite  liegen!)  Ge- 
wöhnlich haben  die  Polymyarier,  wie  die  beschriebenen,  an  jedem 
Körpereude  einen  Fortsatz,  doch  gibt  es  auch  andere  Formen,  die 
wie  S.  viryula  nur  einen  haben,  nie  aber  erstreckt  sich  ein  Teil  der 
Innern  Organe  wie  bei  S.  virgula  in  den  Fortsatz  hinein.  Der  Fort- 
satz ist  bei  S.  magalhanica  bedeutend  kleiner  als  bei  S.  virgula. 

Um  schließlich  noch  einen  typischen  Polymyarier-Charakter  an- 
zuführen, sei  die  Form  der  Haftorgane  erwähnt.  Sie  sind  flächen- 
haft  ausgebildet,  der  Kand  erhebt  sich  nur  äußerst  wenig  über  den 
sie  umgebenden  Mantel.  Die  Disposition  scheint  ähnlich  wie  bei 
S.  punctata  zu  sein,  eine  genaue  Angabe  muß  ich  mir  leider  ver- 
sagen, da  das  mir  zur  Verfügung  stehende  Exemplar  nicht  alle  Haft- 
organe mit  der  nötigen  Deutlichkeit  zeigte. 


über  die  Miisknlatiir  der  Salpen.  79 


Erkläruua;  der  Abbildungen. 


a)  Muskeln 

A   doi'saler  Abschnitt  des  Segelmuskels 

a  ventraler  Abschnitt  des  Segelmuskels 

B  dorsaler  Abschnitt  des  Lippenmuskels 

h  ventraler  Abschnitt  des  Lippenmuskels 

A 1,  A  2,    B 1,    B  2,    al  etc.    für    den    Fall,    daß    die    Abschnitte    dieser 

Muskeln  in  Teilmuskeln  zerfallen 
za  Zügelstück  des  Segelmuskels 
zb  Zügelstück  des  Lippenmuskels 

C  der  Bogenmuskel  (Gl,  C  2  seine  Teilmuskeln  bei  den   Oligomyariern) 
c  die  kleinen  dorsalen  Längsmuskeln 
1,   2,   S  etc.    1..   2.   etc.  Körpermuskel 
X   1.  Cloakenmuskel 

y  2.  Cloakenmuskel  (//  1,   >j  2  seine  ventralen  Teilmuskeln) 
%y  sein  Zügelstück 

z  3.  Cloakenmuskel  {z  1,  z  2,  z  3  seine  Teilmuskeln) 
zz  sein  Zügelstück 

b)  andere  Organe 

An  Anus 

Ax  die  basale  Furche  der  Klappe  (Achse) 

Bl  Blinddarm 

Cr  Herz 

dmL   dorsale  Medianlinie 

E  Endostyl 

El  Elaeoblast 

Fl  Fümmerbogen 

Gl  Ganglion 

H  Flimmerorgan 


80  R-  Streiff, 

lif  Haftorgan 

K  Cloakenöffnung 

Klp  Klappe  der  Oligomyarier 

11,12  die  linken  lateralen  Haftorgane 

l  3,  l  4  die   linken  ventralen  Haftorgane 

La  Lateralorgan  der  Cyclosalpen 

IccF  die  seitlichen  Furchen   der  Klappe 

M  Mundöflfnung 

M(i  Magen 

mf  die  mediane  Furche  der  Klappe 

N  Nucleus 

OL  Oberlippe 

üS  oberes  .Segel 

pa  vorderer  Körperfortsatz  der  Kettensalpen 

pp  hinterer  Körperfortsatz  der  Kettensalpen 

r  1,  r  2  die   rechten  lateralen  Haftorgane 

r  3,  r  4  die  rechten  ventralen  Haftoi'gane 

St  Stolo 

lest  Hoden 

UL  Unterlippe 

uS  unteres  Segel 

vmL  ventrale  Medianlinie. 

Tafel    1. 

Fig.  1.  Cycloscüpa  pimiata  sol.  Cloakenmuskulatur  yon  der  Innen- 
seite. 

Fig.  2.      CijdosaljM  pinnata  sol.,  von  der  rechten  Seite. 

Fig.  3.  Cyciosalpa  pinnata  greg.  Junges,  vom  Stolo  abpräpariertes 
Individuum.  Bei  völliger  Ausbildung  der  Muskulatur  liegt  die  Cloaken- 
öflfnung  noch  relativ  weit  dorsal.  Der  1.  Cloakenmuskel  bildet  eine  natür- 
liche Abgrenzung  des  Cloakenrohres  gegen  den  Körper.  Das  jugendliche 
Stadium  des  Tieres  dokumentiert  sich  auch  durch  die  relative  Größe  des 
Ganglions.  Die  Körperöffnungen  sind  noch  durch  die  den  ganzen  Körper 
umgebenden  Gallertmassen  geschlossen. 

Fig.  4.  Cyciosalpa  pinnata  greg.  Älteres,  etwa  2^/2  cm  langes  Tier 
aus  einer  freischwimmenden  Kette.  Die  Cloakenöffnung  ist  gestreckt  und 
bereits  endständig.  Bei  noch  altern  Individuen  erfolgt  noch  eine  weitere 
Streckung. 

Fig.  5.      Cyciosalpa  virgula  sol.,  von  der  rechten  Seite. 
Fig.  6.      Cyciosalpa  virgula  greg.     Mundmuskulatur  eines  Individuums 
der  rechten  Kettenseite.     Von  der  Außenseite  gezeichnet. 

Fig.  7.  Cyciosalpa  virgula  greg.  Individuum  der  rechten  Ketten- 
seite, von  der  Dorsalseite.  Die  Zeichnung  ist  insofern  konstruiert,  als 
der  linke  Mundwinkel  auch  hineingezeichnet  worden  ist,  um  die  Tojjographie 
der  Mundmuskulatur  hineinzubringen.  Beim  Objekt  ist  der  linke  Mund- 
winkel   bei    dieser  Orientierung    nicht    zu    sehen,    da    er  ganz  ventralwärts 


über  die  Muskulatur  der  Salpen.  81 

verschoben  ist.  Um  das  Bild  der  Muskulatur  nicht  zu  komjilizieren,  sind 
fortgelassen  worden:  ventral  der  Lippcnmuskel,  dorsal  der  Segelmuskel, 
außerdem  ihre  Vereinigungen  und  Bildungen  im  Mundwinkel  (vgl.  hierzu 
Fig.   6). 

Fig.  8.  Dasselbe  Individuum,  von  der  Ventralseite.  Lage  des  linken 
Mundwinkels.     Hm  1  vorderer  Muskel  des  Haftorgans,   If»i  1'  hinterer. 

Fig.  9.  iSr(lj)it  uia.rima  sol.  Mundmuskulatur,  von  der  Außenseite. 
Die  beiden  Segel  sind  ausgebreitet.  -aI)  bezeichnet  hier  das  sekundäre 
Zügelstück  des  Lippenmuskels. 

Fig.   10.      Salpa  maxinia  sol.      Cloakenmuskulatur,  von  der  Außenseite. 


Tafel  2. 

Fig.  n.  SaJpa  maxima  sol.,  von  der  rechten  Seite.  Fs  der  kleine 
baumförmige  Fortsatz  im  Innern  des  Cloakenrohres.  Der  Segelmuskel  ist 
fortgelassen  worden,  der  Lippenmuskel  im  Mundwinkel  nicht  detailliert 
(vgl.  Fig.  9). 

Fig.   12.      Salpa  maxima  greg.      Mundmuskulatur,   von  der  Innenseite. 

Fig.  13.  Salpa  maxima  greg.  Cloakenmuskulatur,  von  der  Innen- 
seite. 

Fig.  14.  Salpa  maxima  greg.  Individuum  der  rechten  Kettenseite. 
Der  Segelmuskel  ist  fortgelassen  worden,  der  Lippenmuskel  nur  teilweise 
gezeichnet.  Die  Insertion  des  1.  Cloakenmuskels  ist  durch  die  punktierten 
Linien   angegeben  worden. 

Fig.  15.  Salpa  fudfonnis  sol.  Cloakenmuskulatur,  von  der  Außen- 
seite,     a  der  kleine  Muskel   (vgl.  Text). 

Fig.  16.  Salpa  ptoidata  sol.,  von  der  Dorsalseite.  Der  Segelmuskel 
und  ein  Teil  des  Lippeumuskels  sind  fortgelassen,  -xbo  obere  Verlängerung 
des  Zügelstücks  des  Lippenmuskels,  die  untere  ist  bei  dieser  Ansicht  nicht 
zu  sehen. 

Fig.  17.  Salpa  piinelata  sol.  Mundrauskulatur  eines  eben  frei- 
gewordenen Embryos,  von  der  Außenseite.  Die  beiden  Segel  sind  aus- 
gebreitet, zho  und  zbu  obere  und  untere  Verlängerung  des  Lippeumuskel- 
zügelstücks.      Von  beiden  ist  nur  ein  kurzes  Aufangsstück  gezeichnet. 

Fig.   18.      Salpa  punctata  sol.     Cloakenmuskulatur,  von  der  Außenseite. 

Fig.    19.      Salpa  jninctata  gveg.   Cloakenmuskulatur,  von  der  Innenseite. 

Fig.  20.  Salpa  pitncfata  greg.  Individuum  der  linken  Kettenseite, 
von  der  Dorsalseite.  Der  Segelmuskel  und  ein  Teil  des  Lipjienmuskels 
sind  fortgelassen. 

Fig.  21.  Salpa  jnmctata  greg.  Dasselbe  Individuum,  von  der  Ventral- 
seite. Die  Punktierung  stellt  die  Disposition  des  braunroten  Pigments  vor, 
nach  welchem  die  Salpe  ihren  Namen  bekommen  hat. 

Zool.  .Tahrb.  XXVII.    .Abt.  f.  Svst.  6 


82  R-  Streiff,  über  die  Muskulatur  der  Salpen. 


Tafel  3. 

Fig.  22.  Sf/lpa  coufopderata  sol.  Cloakenmuskulatur,  von  der  Außen- 
seite. Die  punktierten  Linien  beziehen  sich  auf  das  Verhalten  beim 
Embryo. 

Flg.  23.  Salpa  confoederaia  greg.  Mundmuskulatur,  von  der  Innen- 
seite.     Cl  und   C2    1.  und   2.  Teilrauskel  des  Bogenrauskels. 

Fig.  24.  Salx>a  confoederaia  greg.  Cloakenmuskulatur,  von  der  Außen- 
seite. 

Fig.  25.  Salpa  confoederaia  greg.,  von  der  Dorsalseite.  Individuum 
der  rechten  Kettenseite.  Der  Segelmuskel  ist  fortgelassen  worden.  Die 
Klappe  ist  nach  dem  lebenden  Tier  gezeichnet  worden.  IccF  die  seitlichen 
Furchen  der  Klappen,  Ax  die  basale  Furche  der  Klappe,  durch  die  die 
Bewegungsachse  geht,  mcvF  die  mediane  konvexe  Falte  der  Klappe. 

Fig.  26.  Salpa  mucronata  sol.  AEundmuskulatur,  von  der  Innenseite. 
Der  2.  Teilmuskel  des  Bogenmuskels  sowie  der  kleine  Längsmuskel  c 
sind  weggelassen  worden  (vgl.  Fig.   28). 

Fig.  27.  Salpa  nmcronaia  sol.  Cloakenöffnung  ventralmediau  zer- 
schnitten und  ausgebreitet.  Muskulatur,  von  oben  (Außenseite).  Um  das 
Bild  nicht  zu  komplizieren  ist  das  Segel  der  Klappe  fortgelassen,  die 
Muskel  Z  2  und  Z  o  verlaufen  in  situ  auf  diesem  Segel.  Die  punktierte 
Linie  bezeichnet  den  Ansatz  des  Segels,  dz  die  lateralen  Zapfen  der 
Cloakenöffnung. 

Fig.  28.  Salpa  macronaia  sol.,  von  oben.  Sr  Ansatz  des  Segels 
der  Klappe,  r/i;  die  lateralen  Zapfen   der  Cloakenöffnung. 


Tafel  4. 

Fig.  29.  Salpa  viucronata  greg.  Mundmuskulatur,  von  der  Innen- 
seite.    Der  kleine  Längsmuskel  c  ist  fortgelassen  worden. 

Fig.  30.  Salpa  inucronata  greg.  Cloakenmuskulatur  eines  Tieres  der 
linken  Kettenseite,  von  oben  (Außenseite),  zu  gemeinsames  Zügelstück 
des   2.  und  3.   Cloakenmuskels. 

Fig.   31.      Salpa   xonaria    sol.      Muskulatur    der    Cloakenöffnung,  von 

oben  (Außenseite).  Rechte  Seite  der  Cloakenöffnung.  Kliv  Winkel  der 
Cloakenöffnung,   S  oberes  Segel  der  Cloakenöffnung. 

Fig.   32.      Salpa  xonaria  greg.      Mundmuskulatur,  von   der  Innenseite. 

Der    Bogenmuskel    ist    fortgelassen    worden    (vgl.    Fig.    33    und    Fig.  K). 

Die  unterbrochene  Linie  (lang  punktiert)  bezeichnet  den  Segelrand  und 
den  Mundwinkel. 

Fig.  33.  Salpcc  xonaria  greg.  Tier  der  linken  Kettenseite,  von  oben. 
Die  Öffnung  der  Cloake  ist  durch  die  punktierte  Ellipse  bezeichnet.  Der 
Lippenmuskel  ist  fortgelassen  worden. 


Nachdruclc  verholen. 
Vbersetzimgsrechl  vorbehalten. 


Zur  Kenntnis 
der  Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka. 

N  a  c  li    der    Sammlung    von    Dr.    Bruno    K  l  a  p  t  o  c  z    im 

Jahre  1906. 

Bearbeitet  von 

Dr.  Franz  Werner  in  Wien. 

Mit  Tafel  5-6. 


Wie  in  bezug  auf  viele  andere  TiergTuppen  ist  das  von  Herrn 
Dr.  Klaptocz  bereiste  Gebiet  auch  mit  Hinsicht  auf  die  Orthoptei'en  ^) 
eine  Terra  incognita  gewesen,  und  nur  wenige,  zum  Teil  wahrschein- 
lich von  der  Küste  stammende,  zum  Teil  von  Rohlfs  in  den  Oasen 
Dschofa  (Sokna)  und  Audschila  gesammelte  Arten  sind  aus  Tripoli- 
tanien-),  sowie  eine  kleine  Anzahl  von  Arten,  welche  von  Haimann 
auf  seiner  Reise  in  der  Cyrenaica "'')  zusammengebracht  worden  sind, 
aus  diesem  Gebiete  bekannt.  Von  den  Arten  der  RoHLFs'schen  Aus- 
beute, soweit  ich  sie  untersuchen  konnte  (nur  Mantodeen:  Eremiaphila 
roMfsi,  Elaea  marchali,  Sphodromantis  biocidafa),  ist  keine  in  der  Koll. 
Klaptocz  vertreten;  von  den  HAiMANN'schen  Arten  dagegen  sind 
nur  3  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  nicht  wieder  aufgefunden  wordeu 
(Forficula  aun'cularia,  Eremohia  cisti,  GryUotalpa  vidgaris).  Da  die 
Möglichkeit   des   Vorkommens   dieser   3   Arten,   für   die   icli   Beleg- 


1)  (incl.   Dermapteren). 

2)  Die  von  Dr.  HUGO  GroTHE  auf  seiner  Reise  nach  Tripolis  ge- 
sammelten Heuschrecken  (nur  3  Arten),  die  im  Bericht  der  Senckenberg. 
naturf.  Gesellschaft  zu  Frankfurt  a.  Main  1897,  p.  LXIX,  genannt  sind, 
wurden  mir  auf  meine  Bitte  von  Herrn  Direktor  F.  RÖMER  freundlichst 
zur  Untersuchung  übersandt,   wofür  ihm  hier  bestens  gedankt  sei. 

3)  Haimann,  Cyrenaica  (Roma  1882);  die  Orthopteren  sind  von 
Prof.  Cornalia,  p.   140,  aufgezählt. 

6* 


84  Franz  Werner 


exemplare  aus  dem  behandelten  Gebiete  freilich  nicht  gesehen  habe, 
außer  Zweifel  steht,  da  nur  Forficida  nicht  mit  Bestimmtheit  in 
Ägypten  nachgewiesen  wurde,  dagegen  die  beiden  andern  Arten 
sowohl  in  Nordwest-Afrika  als  auch  in  Ägypten  sicher  vorkommen, 
so  habe  ich  sie  hier  aufgenommen.  —  Durch  eine  überaus 
eifrige  und  erfolgreiche  Sammeltätigkeit,  unterstützt  durch  eine 
gerade  für  diese  Tiergruppe  im  allgemeinen  sehr  günstige  Jahres- 
zeit hat  Herr  Dr.  Klaptocz  ein  so  reichliches  Material  zusammen- 
gebracht, daß  wir  nunmehr  nicht  nur  über  die  zoogeographischen 
Beziehungen  des  Gebietes  zu  den  wohlbekannten  Nachbargebieten 
im  Westen  und  Osten  genügend  orientiert  sind,  sondern  auch,  was 
die  Artenzahl  anbelangt,  sicherlich  die  Hauptmasse  der  in  Tripolis 
und  Barka  voi'komm enden  Orthopteren  kennen,  wenn  auch  im 
einzelnen,  namentlich  was  Gryllen,  Sphingonoti  und  Eremobien  an- 
belangt, manches  noch  zu  entdecken  übrig  bleibt.  Für  die  große 
Freundlichkeit,  mir  die  gesammelten  Orthopteren  zur  Bearbeitung 
anzuvertrauen,  bin  ich  dem  jungen  Forscher,  der  in  so  kurzer  Zeit 
und  unter  durchaus  schwierigen  Verhältnissen  —  die  Unerforschtheit 
des  Landes  hat  ja  weit  weniger  in  den  klimatischen  Verhältnissen 
als  in  der  schwierigen  Zugänglichkeit  ihren  Grund  —  so  gute  Er- 
folge erzielte,  zu  großem  Danke  verpflichtet. 

Ich  gebe  nachstehend  die  Aufzählung  der  einzelnen  Arten, 
welche  3  Dermapteren,  7  Blattiden,  12  Mantideii,  2  Pliasmiden, 
4  Tettigonioiden  (Locustodea),  10  Achetoiden  (Gryllodea)  und 
34  Locustoiden  (Acridiodea)  umfaßt,  zusammen  also  72  Arten,  von 
denen  60  aus  dem  Gebiete  noch  nicht  bekannt  waren  und  10  über- 
haupt neu  sind.  Besonders  bemerkenswert  ist  die  neue  Phasmiden- 
Gattung,  welche  einer  sonst  rein  indischen  Gruppe  angehört,  sowie 
Oxythcspis  (jranulata,  die  bisher  in  einem  einzigen  Exemplar  vom 
Senegal  bekannt  war. 


Dermaptera. 
Lahidura  Leach. 

i.  ripavia  Fall. 

Brunner,  Prodromus,  p.  5,  fig.   1. 

BORMANS,  Forficulidae  und  Hemiraeridae,    in:    Tierreich,  Lief.    11,   13.   33, 

1900. 
Savigny,  tab.   1,  fig.  1—3,  7.  —  Krauss,  p.  234,  235. 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  nnd  Barka,  85 

FiNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.  64.  —  Werne«,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  375. 
Krauss,  p.  233.  —  Krauss  u.  Vosseler,  p.  522.  —  Vosseler,  p.  345. 

Dernah,  18.— 20.7.;  Beiigasi,  27.. 8.  und  Anf.  Sept.  (SS  und  ?? 
sowie  Larven).    Die  Exemplare  gehören  der  typischen  Form  an. 

L.  riparia  ist  über  die  tropischen  und  g-emäßigten  Teile  fast 
der  ganzen  Erde  verbreitet.  Man  kennt  sie  aus  allen  algerischen 
Provinzen,  aus  Tunis  und  Ägypten. 

Foi'flcula  L. 

F.  aurlcularia  L. 

Brunner,  Prodromus,  p.    12.  fig.  4  D,  E. 

BORMANS,   1.   c,  p.    122. 

FiNOT,  Faune  de  l'Algerie,   p.   70. 

Diese  Art  ist  bei  G.  Haimann  (Cyrenaica,  Roma  1882)  für  „Gioh'" 
(Dschoh  ^=  Lethe)  angeführt ;  sie  ist  seither  in  diesem  Gebiete  ebenso- 
wenig wie  nach  Savigny  in  Ägypten  gefunden  worden,  doch  möchte 
ich  die  Determination  (von  Prof.  Cornalia?)  nicht  von  vornherein 
bezweifeln. 

Weiteres  Vorkommen:  Europa,  West-Asien,  Nordamerika. 

Anisolahis  Fieb. 

A,  tripolitana  n.  sp, 

(Taf.  6,  Fig.  10.) 

Pechbraun,  glänzend;  vordere  zwei  Drittel  des  Pronotums  rot- 
braun; Beine,  Brust  und  vordere  Abdominalsternite  gelb.  Antenne 
16 — 17gliedrig,  braun,  die  basalen  Glieder  etwas  heller,  das  12.  und 
13.  oder  13.  und  14.  weißlich.  Zangen  schwarzbraun.  Pronotum  mit 
medianer  Längsfurche.  Keine  Spur  von  Elytren.  2.-4.  Abdominal- 
tergit  mit  deutlicher  Seitenkante,  5.-9.  seitlich  gekielt,  winklig  vor- 
gezogen; letztes  Abdominaltergit  mit  sehr  starkem  Seitenkiel.  Pygidium 
flach,  mit  2  kurzen  abgerundeten  Endlappen.  Zangenarme  dreikantig, 
in  beiden  Geschlechtern  an  der  Innenkante  fein  gezähnelt,  beim  S  an 
der  Basis  deutlich  voneinander  entfernt;  rechter  Zangenarm  kürzer 
und  stärker  gekrümmt  als  der  linke. 

Länge:  S  12  mm,   Zangen  2,2  mm;    $  13  mm,  Zangen  2,8  mm. 

Diese  Art  unterscheidet  sich  leicht  von  den  bekannten  circum- 
mediterranen  Arten  und  zwar  in  folgender  Weise: 


86  Fhanz  Werner, 

von  moesta  (Serv.)  durcli  das  Fehlen  von  Elytren  und  die  zwei- 

farbig'en  Antennen, 
von  maritima  (Gene)  durch  die  nur  16— 17gliedrigen,  zweifarbigen 

Antennen, 
von  mauritanica  (H.  Luc.)   ebenfalls   durch   Zahl   und   Färbung 

der  Antennenglieder, 
von  anmdipcs  (H.  Luc.)  durch  den  starken  Seitenkiel  des  letzten 
Segments,  die  beim  c?  an  der  Basis  deutlich  getrennten  und 
am  Innenrande  deutlich  gezähnelten  Zangen. 
Letzterer  Art   steht   unsere  neue  Art   am   nächsten.     Erwähnt 
möge   noch   werden,   daß   die   Abdominaltergite   fein   punktiert,   die 
letzten  seitlich  sehr  deutlich  gerunzelt  sind;   ebenso  wie  das  letzte 
Abdominalsternit  unterseits. 

Alle  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  mitgebrachten  Exemplare  dieser 
Art  stammen  aus  Tripolis  (Juli  1906),  die  meisten  aus  dem  Garten 
des  österreichischen  Konsuls  Rossi,  wo  sie  unter  Blumentöpfen  sich 
aufhielten. 


Blattaeformia. 

Blattodea. 

Unterfam.  BlaUcllidae. 

Blattella  Caudell. 

Bl.  f/ermaniea  (L.). 

Brunner,  Syst.  Blatt.,  p.  90  (I'hijUodwwia). 

— ,   Prodromus,  p.  49,  fig.   9. 

Savigny,  tab.  2,  fig.  20,  2L  —  Krauss,  p.  243. 

Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.   376. 

FlNOT,  Fauna  de  l'Algerie,  p.   89. 

An  Bord  des  „Seyar"  (zwischen  Tripolis  und  Dernah)  „sehr 
häufig",  13.— 17.  Aug.,  2  SS,  l  ^  mit  Kokon. 

Kosmopolitische  Art;  auf  Schilfen  besonders  häufig,  von  mir 
sowohl  auf  Nil-  als  Mittelmeerdampfern  oft  in  Menge  angetroffen. 


Orthoptereu-Fanua  von  Tripolis  und  Barka.  87 

Unterfam.  Edohiidae. 
Ai)hl€hia  Bk. 

A.  fririttafa  (Serv.). 

Serville,  Orthopt.,   1839,  p.   106. 
Brunner,  Prodiomus,  p.  42. 
Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.  83. 

Mimiina  bei  Gliarian,  20./9.  (2  $?). 

Die  beiden  Exemplare  unterscheiden  sich  in  keiner  Weise  von 
den  vorliegenden  Beschreibnng-en.  Die  Art  ist  von  Sardinien 
(Serville),  BOne  in  Ost-Alg-erien  (Koll.  Brunner),  Saida  in  A\'est- 
Alg-erien  (Fingt  n.  Bgnnet)  bekannt. 


Unterfam.  Pcnplanetidae. 
Periplaneta  Burm. 

P,  americaiia  (L.). 

Brunner,  Syst.  Blatt.,  p.  232. 

— ,  Prodromus,   p.   50,  fig.    11. 

Savigny,  tab.  2,  fig.   16—18.  —  Krauss,  p.  242. 

Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.  79, 

Vgsselee,  p.  346. 

Tripolis,  Juli  1906  {S,  ?);  Dernali,  Aug-,  (66);  Mimuna,  20.9. 
(Larven). 

Kosmopolitische  Art,  in  Afrika  nicht  nur  an  den  Küsten,  sondern 
auch  weit  ins  Innere  vordringend. 

Blatt a  L. 

J5.  Orientalis  L. 

Brünner,  Prodromus,  p.  49  {Periplaneta). 

Savigny,  tab.  2,  fig.  14,   15.  —  Krauss,  p,  242. 

Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.   78  (Periplaneta). 

Krauss,  Orth.  Sahara,  p.  234.  —  Krauss  u.  Vgsseler,  p.  524. 

Tripolis.  Juli  (66,  ??);  Beng-asi,  8.9.  (?). 

Ebenfalls  kosmopolitisch,  aber  viel  weiter  geg'en  Norden  vor- 
dringend als  die  vorige. 


88  Franz  Werner, 

Unterfam.  Corydidae. 
Pohjphaffd  Brülle. 

P.  aegyiJtica  (L.). 

Beuxxer,  Syst.  Blatt.,  p.  353. 

— ,  Prodromus,  p.   52. 

Savigny,  tab.  2,  fig.  9,  12.  —  Krauss,  p.  241,  242. 

FiNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.   75. 

Saussure,  ßevis.  Heterogam.,  p.  303 — 308. 

Tripolis,  12./7.,  2  weibliclie  Larven,  die  eine  mit  dem  gewöhn- 
lichen Fleckenpaar  auf  dem  Meso-  bzw.  Metanotum  sowie  mit  eben- 
falls gelben  Flecken  auf  den  Seitenrändern  der  Abdominaltergite 
sowie  auf  der  Lamina  supraanalis,  während  bei  der  andern  die  erst- 
genannten Flecken  auf  kleine,  kaum  merkbare  gelbe  Punkte  redu- 
ziert sind.  Das  eine  Exemplar  wurde  in  einer  Küche,  das  andere 
in  einem  Abort  gefunden.  Ich  habe  diese  Art  stets  in  oder  in  der 
Nähe  von  menschlichen  Wohnungen  gefunden,  w^ährend  die  folgende 
nur  im  Freien  und  zwar  in  der  Wüste,  meist  im  Sand  vergraben, 
angetroffen  wird. 

P.  aegyptiaca  ist  außerdem  aus  Algerien,  Tunesien,  Ägypten, 
Calabrien,  Sizilien,  Dalmatien,  Kleinasien,  Syrien,  Süd-Rußland,  den 
Kaukasusländern  und  Persien  bekannt. 

P.  ursina  Burm. 

Burmeister,  Handb.,  Vol.  2,  p.  489  (S,  ?)• 
Saussure,  Eev.  Tribu  Heterogam.,  p.   13. 
Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  380. 
y  Krauss,   Orthopt.   Sahara,  p.   234. 

1  S  von  Funduk  Ergeat  (20./9.,  kam  ans  Licht);  3  weibliche 
Larven  von  Tripolis  (Juli). 

c?  gelbbraun;  Pronotum  rötlich-braun,  Vorderrand  breit  gelblich- 
weiß, Hinterrand  schmal  schwarzbraun:  Elytreu  hyalin,  nur  am 
Vorder(Außen)rand  bräunlich-gelb,  undeutlich  dunkel  gefleckt,  die 
Hauptlängsadern  dunkel.     Flügel  hyalin.     Behaarung  dicht. 

Die  weiblichen  Larven  rotbraun,  am  Rande  behaart. 

Bisher  aus  Ägypten  und  Syrien  bekannt. 

Vosseler  stellt  (Orth.  Alg.  Tun.,  p.  346)  richtig,  daß  Finot 
jedenfalls  die  P.  africana  L.,  nicht  livida  Br.  (die  übrigens  Saussuee 


Orthopteren-Fauua  von  Tripolis  und  Barka.  89 

in  seiner  Eevision  der  Heterogamien  mit  keinem  Worte  erwähnt 
liat)  ans  Nordwest-Afrika  vor  sich  hatte.  Ich  fand  africana  L.  in 
einer  weiblichen  Larve  bei  Batna  (Mai  1893).  Kkauss  identifiziert 
die  lirida  Finot  mit  ursina  Bukm.,  was  mir  ebenso  wie  Vosseler 
nach  den  stachellosen  Tibien  der  weiblichen  Uvula  in  der  Abbildung- 
bei  Bkunner  unstatthaft  erscheint.  Ich  bin  daher  keineswegs  sicher, 
ob  die  KEAUss'sche  Art  wirklich  ursina  ist,  und  möchte  diese  Art 
einstweilen  noch  aus  der  Fauna  Nordwest-Afrikas  eliminiert  wissen. 

P.  karny  h.  sp. 

Kurz  elliptisch,  gelbbraun,  rundherum  lang^  behaart,  Pro-.  Meso- 
und  Metanotum  oberseits  unbehaart,  mit  vielen  feinen  Höckerchen. 
Apicaldornen  der  Vordertibien  kürzer  als  die  der  Hintertibien,  des- 
gleichen kürzer  als  der  Metatarsus.  Mittlere  und  hintere  Femora 
ohne  Kniedorn;  alle  Dornen  entweder  ganz  oder  wenigstens  an 
der  Spitze  braun;  alle  Beine  im  übrigen  lang-  gelb  behaart.  Pro- 
notum  hinten  konvex;  Meso-  und  Metanotum  mit  geradem  Hinter- 
rand. Lamina  supraanalis  quer  abgestutzt,  L.  subgenitalis  rhombisch. 
Länge  etwa  10  mm. 

Weibliche  Larve  aus  Tripolis,  37./7. 

Die  ??  der  circummediterranen  Polyphagen  lassen  sich  auf 
folgende  Weise  unterscheiden : 

1.  Hintertibien  gerade,  ohne  Dornen  F.  livida  Br. 
Hintertibien  bedornt  2 

2.  Färbung  schwarzbraun,  Vorderrand  des  Pronotums  gelb,  ebenso 

mit  je  2  Flecken  auf  Meso-  und  Metanotum     P.  aecjyptiaca  L. 
Färbung  rot-  oder  gelbbraun  3 

3.  Hintertibien  gerade,  schlank,  die  Dornen  am  ganzen  Außen- 

rand ziemlich  regelmäßig  angeordnet  P.  algerka  Br. 

Hintertibien  kräftig,  die  Dornen  mehr  oder  weniger  deutlich 
in  Gruppen  angeordnet  4 

4.  Hinterfemora  ohne  Kniedorn  5 
Hinterfemora  mit  Kniedorn                                 P.  ursina  Burm. 

5.  Färbung  rotbraun;   Sporne   der  Vordertibien   so  lang  wie  der 

Metatarsus  P.  africana  L. 

Färbung  gelbbraun,   Sporne   der  Vordertibien   kürzer  als  der 

Metatarsus.  P.  hirny  Wern. 

Die  neue  Art  ist  nach  Herrn  H.  Karny,  dem  Bearbeiter  meiner 
Sudan-Orthopteren,  benannt. 


90  Franz  Werner, 

Mmitodea. 
Unterfara,  Orthoderidae. 
Centromantis  Wfjin. 

C.  denticollis  (Lucas,  1855). 

Lucas,  in:  Bull.   Soc.  zool.  France,  Vol.   3,  p.    11. 
FlNOT,  Faune  de  TAlgerie  et  de  la  Tunisie,   p.   93. 
Saussure,  Mel.  Orthopt.,  Vol.  3,  p.  370. 
VOSSELER,   in:  Zool.  Jahrb.,   Vol.    16,   Syst.,    1902,   p.  524. 
Werner,    in:    SB.    Akad.    Wiss.    Wien,    Vol.    114,    Abth.   1.    Mai   1905, 
p.  400,  tab.,  fig.  6. 

ßeiigasi,  31./8.,  9./9.  1906,  auf  roterdioem  Boden. 

Die  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  mitgebrachten  Exemplare  sind 
durchweg  weiblichen  Geschlechts.  Diejenigen  von  Bengasi  gehören 
der  typischen  Form  an;  sie  sind  dunkel  gelbbraun,  die  Mittel-  und 
Hinterbeine  meist  undeutlich  gebändert;  Pronotum  mit  namentlich 
hinten  deutlichem  Mittelkiel,  der  nach  hinten  in  die  für  unsere  Form 
charakteristische,  kurze  Spitze  ausläuft;  sonst  mit  starken  sj'm- 
metrischen  Höckern  (2  Paar  hintereinander  vor  dem  Hinterrand. 
1  Paar  hinter  dem  Vorderrand,  1  Paar  nicht  immer  deutlicher,  schief 
gestellter,  nach  hinten  konvergierender  Längswülste);  Oberfläche 
rauh  und  grubig;  Seitenrand  stark  gezähnelt.  Das  Abdomen  ist 
oberseits  außerordentlich  stark  runzlig,  so  daß  es  fast  porös  aus- 
sieht; die  Mittellappen  der  Segmente  sehr  deutlicli  dreieckig  vor- 
springend. 

Länge  21  mm. 

Diese  Form  ist  von  Mittel-  und  Ost-Algerien  sowie  aus  Tunesien 
bekannt,  fehlt  aber  in  Ägypten. 

var.  tunetana  Wern. 

Werner,    1.   c,   p.  401,    tab.,    fig.   14    und  in:  Jahresb.  Württemb.  Ver. 
Naturk.,    1906,  p.   362. 

1  %  südlicli  von  Assisia,  15./9.  1906,  auf  der  Dschefara-Ebene 
nördlich  vom  Ghariangebirge. 

Pronotum  mit  kaum  merkbarem  Mittelkiel,  hinten  ohne  Spitze.  Ab- 
domen nur  im  Mittelfelde  und  auch  da  nur  grob  gerunzelt.  Färbung 
gelbgrau,  Mittel-  und  Hinterbeine  deutlich  dunkel  gebändert. 

Länge  wie  vorige. 

Erst  aus  Tunis  bekannt  (Type  im  j^Eus.  St.  Petersburg). 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  91 

Ereiniaphila  Lef. 

M.  rohlf'si  Werk. 
Werner,  Orthopt.  Aegypteus,  p.  390  (1905). 

Im  Museum  zu  Berlin  durch  Exemplare  vom  Wadi  M'Bellem, 
Sokna,  Kufra  vertreten  (leg.  Rohlfs). 

Es  ist  mög-licli,  daß  diese  Art  mit  E.  harhara  Bris,  identisch 
ist;  doch  stützt  sich  diese  Mutmaßung-  nur  auf  die  Angabe  von 
Krauss  (Ortli.  Sahara,  p.  234,  fig.  1),  der  zufolge  die  Elytren  am 
Außenrande  ,. eingekerbt"'  seien.  Da  dieser  Außenrand  auf  der  Ab- 
bildung nicht  sichtbar  ist.  der  Kopf  auf  derselben  auch  nicht  breiter 
erscheint  als  das  Pronotum,  ebenso  auch  dieses  nach  hinten  nicht 
verschmälert  ist,  so  glaube  ich  meine  Art  aufrecht  erhalten  zu 
dürfen. 

[JE.  typhon  Lef. 

Diese  Art,  welche  von  Rohlfs  in  der  Oase  Kufra  gefangen 
wurde  und  wegen  der  ich  auf  die  1.  c.  p.  383  angegebene  Literatur 
verweise,  könnte  auch  in  Barka  vorkommen,  weshalb  ich  sie 
wenigstens  in  Klammern  hier  nenne.] 

Elnea  St.\l. 

E,  niarchall  (Reiche  et  Fairmaire). 

In:  Ferket    et  (tALINIER,  Voyage  en  Abessynie,  Vol.  3,    1847,    p.  421, 

tab.  27,  p.  5  ($,  Eirmiaphila). 
Saussure,    Mel.  Orth.,  Vol.  3,    1870,    p.   169  (^,  Humlieyticlla  perloides). 
Schulthess,    in:    Ann.  Mus.  Genova  (2),    Vol.   19,   1898,    p.   170  {S,  ?, 

E.  somalira). 
Werner,    in:    SB.  Akad.  Wiss.  Wien,  Vol.   116,   Abt.   1,   1907,  p.  230. 

tab.   2,   fig.  4  (hier  auch  die  vollständige  Literatur). 

Diese  Art  wurde  von  Rohlfs  bei  Audschila  gefunden  (Mus. 
Berlin), 

Ich  kann  meinen  oben  zitierten  Ausführungen  noch  hinzufügen, 
daß  sich  im  Berliner  Museum  auch  1  Exemplar  aus  Ägypten  (ohne 
weitern  Fundort,  leg.  Ehrenberg)  befindet.  Ob  es  sich  nicht  auch 
in  diesem  Falle  um  den  Nord-Sudan  (z.  B.  Dongola)  handelt,  wage 
ich  allerdings  nicht  zu  entscheiden.    Sonst  ist  E.  marchali  noch  über 


92  Franz  Werner, 

den  größten  Teil  des  tropischen  Ost-Afrika  (Sudan,  Uganda, 
Abessynien,  Somaliland,  Deutsch  Ost-Afiikai  und  Seneg-ambien  ver- 
breitet. 


Unterfam.  Mantidae. 
SpIiOflromantis  Stäl. 

S.  biocuhita  (Bukm.), 

BIiUN^'EK  V.  Watten WYL,  Prodromus,  p.  58,  fig.   13. 
SaviCtNY,  tab.   1,  fig.   10  —  13.   —   Krauss,  p.  236. 
SaussüRE,  Mel.  Orthopt.,  Vol.  3,  p.  219,  fig.   20,   21. 
Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.   99. 

Werner,    in:   SB.  Akad.  Wiss.   Wien,  Vol.    114.  Abt.   1,   1905,  p.  408; 
Vol.   116,  Abt.   1,   1907,  p.  235. 

Diese  3Iantide  liegt  aus  der  Koll.  Klaptocz  nicht  vor.  wnrde 
aber  von  Rohlfs  in  Sokna  (Oase  Dschofa)  gesammelt,  wie  ein  Exem- 
plar des  Berliner  Museums,  welches  als  S2)h.  l-ersfeni  bestimmt  war, 
aber  zweifellos  zu  obiger  Art  gehört,  erweist. 

Sie  ist  über  ganz  Nord- Afrika  verbreitet,  findet  sich  auch  in 
Syrien,  angeblich  auch  in  Kleinasien,  sicher  dagegen  in  Süd- Spanien 
nnd  Senegambien;  geht  auch  noch  über  den  Äquator  hinaus  (Congo 
nach  GiGLio-Tos). 

Mantis  Stal. 

31,  reJiglosn  (L.). 

Brunner,  Prodromus,  p.  59,  fig.   14. 
Saussure,  Mel.  Orthopt.,  Vol.  3,  p.  239. 
Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.    100. 
Werner,  11.  cc.  p.  409,  236. 
Vosselee,  Orth.  Alg.  Tun.,  p.   350. 

Tripolis:   Endschila,  23.7.  1906  (+);   Ain  Sarah,  20,7.  1906  (?). 

Barka:  Bengasi,  7./9.  1906  {S). 

Diese  Art  ist  in  Afrika  weit  verbreitet  und  fehlt  anscheinend 
nur  im  Süden,  während  sie  in  Ost-Afrika  neben  einigen  nahe  ver- 
wandten Arten  vorkommt.  Die  beiden  ??,  welche  an  reich  mit 
Schilf  nnd  schilfartigen  Pflanzen  bewachsenen  Orten  gefunden 
wurden,  sind  von  ansehnlicher  Größe  (71 — 74  mm),  das  S  klein. 

Alle   3   gehören   der   grünen  Form    an;  bei  dem  größern  $  er- 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  93 

reichen  die  Hinterflügel  eben  die  Hinterleibsspitze,  bei  dem  andern 
reichen  sie  etwa  1  cm  darüber  hinaus. 


Iris  Sauss. 

J.  oratoria  (L.). 

Bkunner,  Prodromus,  p.  60,  fig.   15. 
Saussure,  Mel.  Ürthopt.,  Vol.  3,  p.  254. 
FiNOT,   Faune   de  l'Algerie,   p.    106. 
Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  410. 

Dschebel  Tegrinna,  19., 9.  1906  {S,  ?);  Dscliebel  T'kut,  18.9. 
1906  ($);  Dernah  (21./8.  1906),   ?;   dieses  braun,   die   übrigen   g-rün. 

Eine  in  den  Mittelmeerländern  weit  verbreitete,  auch  an  der 
Wolga  vorkommende  Art, 


Fischeria  Sauss. 

F.  haetica  (Ramb.). 

Beunker,  Prodromus,  p.   63,  fig.   17, 

FiNOT,   Faune  de  TAlgerie,  p.    lOS. 

Savigny,  tab.   1,  fig.   14.   —  Krauss,  p.  237. 

Saussure,  Mel.  Orthopt.,  Vol.  3,  p.  256. 

Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  410. 

Krauss,  p.  235.  —  Krauss  u.  Vosseler,  p.  527.  —  Vosseler,  p.  350. 

Tripolis,  West,  16./7.  1906  (?);  Umgebung  von  Tripolis.  Anfang 
Aug.  (?);  Endschila,  23./7.  {S);  Dernah,  20.8.  (>,  ?). 

Auch  diese  Art  findet  sich  in  den  Mittelmeerländern  weit  ver- 
breitet, fehlt  aber  in  Italien  gänzlich,  ist  auch  in  den  nördlichen 
Mittelmeerländern  nur  in  Süd-Spanien.  Griechenland,  in  der  Türkei 
und  auf  Kreta  gefunden  worden,  außerdem  in  Ägypten,  Algerien, 
Kleinasien,  Syrien,  Turkestan,  Samarkand;  auch  in  Abessynien  (leg. 
Rüppell,  Mus.  Senckenberg). 

Die  Exemplare  aus  Tripolis  wurden  auf  Haifagras  gefunden. 

Aiiieles  BuRM. 

A.  derolor  (('harp.). 

Brunxer,  Prodromus,  p.   65. 

FixOT,   Faune  de  l'Algerie,  p.    103. 

Krauss  u.  Vosseler,  Beitr,  Orth.  üraus,  p.  526. 


94  Franz  Werner, 

Dschebel  Teglirinna,  19./9.,  eine  männliche  Nymphe. 

Diese  Art  ist  in  Afrika  bisher  nur  in  West-Alg'erien  gefunden 
worden;  in  Süd-Europa  ist  sie  dagegen  weit  verbreitet.  Brunxer 
nennt  sie  von  Barcelona,  Malaga  und  Valencia,  Süd-Frankreich, 
Pegli  in  Ligurien,  Tolentino  in  den  Marken,  Istrien,  Dalmatien, 
Corfu,  Athen,  Parnaß,  Tuldscha  in  der  Dobrudscha  und  Odessa. 

OocythesxHs  Sauss. 

O.  f/ranulata  Saüss.  (Taf.  6,  Fig.  IIb). 
Saussuee,  Mel.  Orthopt.,  Vol.   3,  p.   276,  fig.  40. 

1  c?  von  Funduk  Ergeat.  20,9.  1906  (kam  ans  Licht). 

0.  gramdata  Sauss.  ist  bisher  nur  vom  Senegal  (Dagana)  be- 
kannt gewesen  und  zwar  in  einem  einzigen  S  des  Wiener  k.  k. 
naturhistorischen  Hofmuseums,  welches  von  Steindachner  auf  seiner 
Reise  nach  Senegambien  gesammelt  worden  war.  Da  mir  nunmehr 
Exemplare  aller  3  bekannten  Arten  in  guten  Exemplaren  vorliegen, 
so  will  ich  einige  vergleichende  Bemerkungen  hier  anfügen  und  zwar 
in  Tabellenform  (s.  folg.  Seite). 

Von  den  3  Arten  möchte  ich  im  allgemeinen  (nach  der  Ausbildung 
der  Augendornen)  0.  turcomaniae  (Fig.  IIa)  für  die  primitivste  halten, 
und  wir  sehen  auch  hier  wieder,  daß  dies  die  nördlichste  ist,  während 
die  beiden  andern,  mit  deutlichen  Augendornen  tropisch  bzw.  süd- 
paläarktisch  sind  und  hier  dasselbe  Verhältnis  obwaltet  wie  zwischen 
Stcnovates  und  Heterochaeta.  die  ja  nunmehr  von  Griffini  mit  Recht 
einer  und  derselben  Art  zugeAviesen  worden  sind.  Wie  aus  der  Ab- 
bildung ersichtlich,  hat  turcomaniae  niclit  nur  den  bei  weitem 
kürzesten  Dorn  auf  dem  Auge,  sondern  es  sind  auch  die  Augen 
selbst  am  kürzesten,  wahrhaft  „mammillati"',  bei  senegaJensis  aber  am 
längsten  (Fig.  11c).  0.  gramdata  nimmt  auch  hier  eine  Mittelstellung 
ein.  Dagegen  ist  diese  Art  am  extremsten  in  der  Ausbildung  der 
Behaarung  der  männlichen  Antennen.  In  der  Färbung  und  in  der 
Beschaffenheit  der  Femora  stimmen  gramdata  und  turcomaniae 
überein;  in  der  Beschaffenheit  des  Pronotums  ist  von  turcomaniae 
ausgehend  von  den  beiden  übrigen  Arten  eine  ganz  verschiedene 
Entwicklungsrichtung  eingeschlagen  worden. 

Es  würde  also  nicht  durchweg  angehen,  die  Entwicklung  der 
3  Arten  einfach  voneinander  abzuleiten,  und  eine  lineare  Anordnung 
in  bezug  auf  ihre  Verwandtschaft,   wie  sie  z.  B.  bei  den  Viperiden 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka. 


95 


OxytJiespis 

Oxythespis 

Oxytlicspis 

sc)U'(jalensis 

granuluta 

turcomaniae 

^ 

^ 

d" 

Körperlänge 

_ 

36,3 

34,2 

Pronotuni 

9,2 

9.f) 

8,6 

Elytren 

19.8 

20:6 

21 

Kopflänge 

2,2 

2.5 

2,1 

Kopfbreite 

4,9 

4,() 

4 

Länge  der  Augen- 

dornen 

0,5 

0,2 

0,06 

Länge  der  Cerci 

— 

3 

2,4 

Färbung 

hell      gelbbraun 

graubraun ,      Flug- 

graubraun,       Fing- 

(Farbe des  dürren 

organe        dunkel 

organe     mit     ab- 

Steppengrases) 

])unktiert  und  ge- 

wechselnd   dunk- 

fleckt 

len  und    wie   die 
quer  verlaufenden 
weiOea       Längs- 
adern 

Antennen 

rundherum    behaart 

länger   behaart    als 
vorige 

kurz  behaart 

Stirnschild    (Breite 

2:0,3 

1,5:0,3 

1,5:0,4 

zu  Höhe) 

Pronotuni 

Seitenrand   fein  ge- 

Seitenrand mit  nicht 

Seitenrand       glatt. 

sägt,  Kiel  glatt 

aneinanderstoßen- 
den    dreieckigen 
schwarzen    Zähn- 
chen ;  Kiel  mit  ver- 
einzelten schwar- 
zen Körnern 

ebenso  der  Kiel 

Mittel-  und  Hinter- 

längsgerieft 

dreikantig 

dreikantig 

femora 

vollkommen  gelingt,  ist  hier  ansgeschlossen.  Daß  turcomaniae  die 
primitivste  Form  ist.  scheint  mir  anßer  Zweifel;  von  ihr  aus  haben 
sich  die  beiden  andern  vielleicht  selbständig  entwickelt  und  zwar 
senegalemis  in  den  meisten  Punkten  (bis  auf  die  Antennenbehaarung 
des  S)  weiter  als  granulafa;  vielleicht  ergibt  es  sich  aus  weitern 
Funden,  daß  sie  die  weiter  im  Süden  heimatende  ist. 


Unterfam.  Empusidae. 
JEinpusa  Illig. 

E.  egena  CiiAiir. 

BßüNNEE,  Prodromus,  p.   70. 

Savigxy,  tab.   1,  fig.  8.  —  Krauss,  p.  235. 

FlNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.   111. 


96  Fkanz  Werner, 

Wernee.   Orthopt.   Aegypt.,   p.   411. 

Krauss  u.  VoSSELER,  Beitr.   Orthopt.   Orans,  p.   527. 

Jiino-e  Larven  dieser  Art  von  Tripolis,  29.7.  1906;  an  der  Küste 
unmittelbar  im  Nordosten  der  Karamanligräber. 

Diese  Art  findet  sich  in  ganz  Nord-Afrika  von  Algerien  bis 
Ägypten,  ferner  in  SjTien,  Kleinasien  und  im  südwestlichen  Europa. 

IdoJornor^phd  Blrm. 

I.  foiif/lfro)is  Sauss. 

SausstJRE,   Melanges   Orthopterologiques,  Vol.  3,   1870,  p.  341  ($),  tab,  5, 

fig.   35. 
— ,  in:  Bull,   entomol.   Suisse,   Vol.   3,    1870,   p.  224  ($). 
FiNOT,   Faune   de  TAlgerie   et  de  la  Tuuisie,  p.  113. 
VüSSELER,  Orth.  Alg.  Tun.,   1902,  p.  351. 

3  junge  Larven  dieser  spezifisch  nord-afrikanischen  Art.  alle 
von  Bengasi  (28./8.,  6.  und  9./9.),  wahrscheinlich  von  steinigem  Terrain 
im  Südosten  der  Stadt.  Dieses  ist  auch  der  östlichste  Fundort  für 
die  Art,  welche  bisher  nur  aus  Ost- Algerien  und  Tunesien  bekannt 
war  (Laghouat  [Vosselee],  Biskra  [FinotJ,  in  Algerien;  Umgebung 
von  Sfax,  Teboulba  zwischen  Feriana  und  Haidra  [Bonnet  u.  Finot] 
in  Tunesien).    Giglio-Tos  nennt  sie  freilich  auch  vom  Congo. 

Blephuris  Serv. 

B*  ^nendica  Fabr. 

Saussure,  Mel.  Orth.,  Vol.  3,  p.  329. 
Savigny,  tab.   1,  fig.  9.  —  Krauss,  p.  23(3. 
FiNüT,  Faune  de  l'Algerie,  p.    109. 
Werner,  11.  cc,  p.  412  u.  247. 
Krauss,  Beitr.  Orthopt.  Sahara,  p.  235. 

Junge  Larven  verschiedenen  Alters  von  Tripolis  (27. 7.),  Ta- 
dschura  (17./7.),  Ain  Sarah  (1./8.).  beides  in  der  Nähe  von  Tripolis; 
Dernah  (23./8.)  und  Bengasi  (29./8.).  —  Von  Haimanx  bereits  bei 
Tocra  (Barka)  gefunden. 

Diese  Art  ist  die  einzige,  welche  aus  ganz  Nord-Afrika  bekannt 
ist:  Tenerift'a  (c.  m.),  Marokko  (Mus.  Senckenbg.),  Algerien.  Tunis 
(Finot),  Trii)olis  und  Barka  (Klaptocz),  Ägypten  (seit  Fabricius 
Von  dort  bekannt);  außerdem  im  Nord-Sudan,  Schoa  sowie  in  Syrien 
und  auf  den  Canaren. 


Orthopteieu-Faiuia  von  Tripolis  und  Barka.  97 

Gressoria. 

Phasniodea. 
JBacillns  Lath. 

B.  fi'ipoJiUitms  de  Haax. 

DE  Haan,  Bijdragen  etc.,  p.   101,  tal).   15,  fig.  3  (Phasma). 
Westm'OOD,  Cat.  Phasm.,  p.  4. 

Brunxer  u.  Redtexbache k.  Die  Insektenfamilie  der  Phasmiden,  Leipzig 
1906,  p.  32. 

Diese  Art  Avurde  von  Dr.  Klaptocz  nicht  gefunden,  sie  wird  von 
DE  Haan  für  Tripolis  erwähnt,  kommt  aber  auch  in  Algerien  vor. 
In  meiner  „Orthopterenfauna  Ägyptens"  habe  ich  keine  Phasraide 
aus  Ägypten  angeführt,  es  lebt  aber  hier  B.  aegijptiacus  Gbay.  der 
auch  in  Syrien  vorkommt. 

GJiarkfUKs  n.  f/. 

Nächstverwandt  der  indischen  Gattung  ClUumnus  Stal,  von  der 
sie  sich  aber  durch  die  Form  der  Hinterleibsanhänge  des  (J.  welches 
allein  bekannt  ist,  sofort  unterscheiden  läßt.  Die  Cerci  sind  nämlich 
lang  und  gekrümmt,  greifen  mit  den  Enden  übereinander,  und  die 
beiden  geraden,  stumpfen  zylindrischen,  nach  hinten  divergierenden 
Fortsätze  des  Analsegments,  welche  bei  Cl.  die  Afteröftnung  um- 
greifen, ragen  hier  weit  darüber  hinaus.  Der  Kopf  ist  hinter  den 
Augen  verschmälert,  die  Antennen  sind  kürzer  als  die  halben  Vorder- 
schenkel, das  Segmentum  medianum  wenig  länger  als  ^e  des  Meta- 
notums.  Die  vordem  Femora  sind  unbewehrt,  ebenso  die  mittlem 
und  hintern.  Das  2,  Abdominalsegment  ist  doppelt  so  lang  wie  breit, 
das  letzte  oberseits  mit  medianem  Längskiel,  hinten  stumpfwinklig 
zugespitzt,  Subgenitalplatte  hinten  abgerundet. 

Gh,  IzJaptoczi  n.  sj).  (Taf.  6.  Fig.  7.) 

Färbung  bräunlich-gelb  mit  dunklen  rötlich-braunen  Längs- 
streifen, von  denen  je  einer  vom  hintern  Augenrand  horizontal  nach 
hinten  bis  zum  Vorderrand  des  Pronotums  zieht,  ein  medianer,  etwa 
zwischen  den  Augen  beginnender  über  die  ganze  Körpermitte  nach 
hinten  sich  erstreckt  und  auf  dem  Abdomen  am  breitesten  ist.  und 
einer  dunklen  Seitenlinie  jederseits  am  Abdomen.  Unterseite  ein- 
förmig hellgelb. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  ~t 


9» 

Franz 

Werner, 

Dimensionen: 

Totalläng-e 

54    mm 

8.  Abdominalsegment 

1,7  mm 

Kopf 

3,5 

Analsegment 

2.2 

Proiiotum 

2 

Cerci 

2,5 

Mesonotum 

11.5 

Vorderfemora 

23 

Metanotum 

8,5 

Vordertibien 

25 

Segment  med. 

1,5 

Mittelfemora 

19 

2.  Abdominalseo 

;-ment 

3 

Mitteltibien 

20 

3.  Abdomiualseg 

•ment 

3.5 

Hinterfemora 

21 

4. — 6.  Abdominalsegm. 

je    4 

Hintertibien 

23 

7.  Abdominalseo 

rment 

8.5 

1  S  wurde  am  Dschebel  Gosseba  am  16. 9.  1906  gefangen. 


Saltatoria. 

Tettigonioidea  (Locustodea). 

Unterfam.  Dedicidae. 

Decticus  Seev, 

_D.  albifrons  Fabk. 

Bkunner,  Prodiomus,  p.  365. 

SaviCtNY,  tab.  3,  fig.  8. 

FiNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.  522. 

1  ?  aus  Endschila.  23./7.  —  Von  Haiman  bei  ßengasi  gefunden. 

Über  die  Mittelmeerländer  weit  verbreitet  (Spanien  bis  Klein- 
asien, Süd-Rußland  bis  zum  Ural);  aus  Nord-Afrika  nur  von  Algerien 
und  Tunesien  bekannt  g-ewesen. 

Platffcleis  Fieber. 

P.  intet'niedla  Seev. 

BiiUNNER,  Prodromus,  p.   349. 

Savigny,  tab.  3,  fig.   10. 

FiNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.   532. 

1  S  von  Tripolis,  27./7.,  in  einem  Haifabusch  im  Südwesten  der 
Meshla. 

Nach  der  Tabelle  bei  Finot  (p.  528—529)  lassen  sich  auch  die 
SS  der  f/me«-Gruppe  bestimmen,  und  nach  ihr  gehört  obiges  S  un- 
zweifelhaft hierher. 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  iTnd  Barka.  99 

Die  Art  ist  fast  über  ganz  Süd-Europa  (Spanien,  Süd-Frankreicli, 
Istrien,  Dalmatien,  Grieclienland,  Sicilien),  Kleinasien,  Algerien  und 
Tunesien  verbreitet  und  findet  sich  auch  vielleicht  in  Ägypten.  Ich 
besitze  ein  mir  von  Dr.  \Valter  Innes  Bey  übersandtes  Platycleis-^ 
aus  Äg3'pten,  welches  sich  nur  durch  die  längern  P'lugorgane  von 
P.  grisea  unterscheidet,  welche  in  Nord- Afrika  bisher  in  Tunis  ge- 
funden wurde.  Ist  meine  Bestinnnung  als  grisca  richtig,  so  wäre 
auch  diese  Art  im  Gebiet  von  Tripolis  und  Barka  zu  erwarten. 

Unterfam.  ConoccphaUdae. 

Conoeeph alus  Thunbg. 

C.  nitidulus  Scop. 

Brunxee,  Prodronius,  p.   304,  fig.   71    (v/aiidibularis). 
Redtexbachee,  ]\[ouogr.  Conocephal.,  p.  427  {via)i(l/lmlaris). 
Savigny.  tab.  4,  fig.  4.  —  Keauss,  p.  248  (iinmdibn/an'n). 
FiNOT,  Faune  de  FAlgerie,  p.   669   {mcuKlibulnris). 

1  ?  von  Endschila,  23,/7. 

Diese  Art  gehört  zu  denjenigen,  welche  zwar  aus  Nordwest- 
Afrika  und  dem  Sudan,  nicht  aber  aus  Ägypten  bekannt  sind;  ich 
habe  auch  nach  Erscheinen  meiner  Arbeit  über  die  Orthopteren-Fauna 
Ägyptens  unter  dem  mir  von  Herrn  Dr.  Walter  Innes  Bey  über- 
sandten Material  diese  Art  nicht  gefunden.  Dasselbe  gilt  auch  von 
Oxythespis  senegalensis,  Trigonidium  cicindeloides  u.  a. 

Beunner  erwähnt  diese  Art  aus  Süd-Ungarn,  Serbien.  Sieben- 
bürgen. Süd-Rußland,  überhaupt  aus  dem  südlichen  Europa.  Ich 
fand  sie  bei  Budua  in  Dalmatien,  an  der  Arsa  und  am  Cepic-See 
in  Istrien.  Aus  Algerien  nennt  sie  Fingt  aus  der  Umgebung  von 
La  Calle.  In  Ägypten  ist  sie  mir  nicht  untergekommen,  dagegen  findet 
sie  sich  im  Sudan  und  überhaupt  im  tropischen  Afrika  sowie  weit 
verbreitet  auch  in  Asien.  In  Mitteleuropa  nur  selten :  Paris,  Bregenz, 
Neusiedlersee  etc. 

XiphUJlon  Seev, 

X.  aethlopicuni  Thunbg. 

Beunner,  Prodromus,  p.  303. 

Savigny,  tab.  4,  fig.  3—4.  —  Krauss,  p.  248. 

RedtenbacHEE,   j\Ionogr.   Conocephal.,  p.   510. 


100  Franz  Werner, 

Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  72. 

ScHULTHESS,  in:  Ann.  Mus.  Genova,   1898,  p.  208. 

1  S  von  Ain  Sarali,  20./7. 

Diese  ist  eine  der  wenigen  Formen,  welclie  der  ägyptischen 
Fanna  ziig-eliüren  und  aus  Nordwest-Afrika  bisher  noch  niemals 
nachgewiesen  worden  sind.  Im  tropischen  und  südlichen  Afrika  weit 
verbreitet. 

Ein  gleichfalls  männliches,  leider  nur  im  Larvenzustand  befind- 
liches Xiphklimn  unterscheidet  sich  von  X  aethiopicmn  durch  die 
andere  Form  des  Börnes  der  Cerci,  welcher  von  der  Mitte  aus  fast 
senkrecht  nach  einwärts  steht,  durch  den  schief  nach  hinten  ge- 
richteten Hinterrand  der  Pronotum-Seitenlappen  (Verlauf  des  Randes 
gerade,  nur  mit  einer  schwachen  Einkerbung  in  der  Mitte,  der 
großen  bei  Aethiopiimi  entsprechend)  und  durch  das  schmälere  dunkle 
Band  des  Pronotums.  Da  ich  aber  nicht  weiß,  ob  nicht  wenigstens 
die  beiden  letzterwähnten  Merkmale  larvaler  Natur  sind,  so  will  ich, 
um  so  mehr  als  auch  dieses  Exemplar  von  Ain  Sarah  (20.  7.)  stammt, 
das  Exemplar  nicht  von  obiger  Art  trennen.  Auch  eine  weibliche 
Larve  ebendaher  stimmt  in  der  Form  des  Pronotums  und  der  Breite 
des  dunklen  Streifens  mit  der  männlichen  Larve. 


Achetoidea  (Gh'yllodca). 

Unterf am .  Trigoniäiidae. 

Ti '  igo  1 1  kl  ii  im  See v. 

T.  cicindeloides  Serv. 

BrUjSTNER,  Prodroraus,  p.  423,  fig.  97. 
FlNOT,   Faune  de  l'Algerie,   p.   569. 

Von  dieser  im  südlichsten  Europa  weit  verbreiteten,  aber 
eigentlich  nirgends  häufigen  kleinen  (irjUe  sammelte  Herr  Dr. 
Klaptocz  1  $  bei  Ain  Sara,  20./ 7. 

Aus  Nord- Afrika  kennt  man  sie  bisher  aus  Algerien  und  Tunesien, 
nicht  aber  aus  Ägypten  (vgl.  Conocephalus),  wohl  aber  aus  dem  südlichsten 
Teil  des  ägyptischen  Sudan  (leg.  Werner).  Die  übrige  zusammen- 
hängende Verbreitung  erstreckt  sich  nicht  über  das  südlichste 
Europa  hinaus,  doch  kommt  die  Art  auch  auf  den  Canaren  und  auf 
Ceylon  vor. 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  101 

Unterfam.  GryJlotalpidae. 
Gi'ijllotalpa  Latr. 

6r.  a/'Hcana  Pal.  Beauv. 

Saussure,  Mel.  Orth.,  5,  p.   199. 
Krauss,  Orth.  Sahara,  p.  253. 
Werner,  Orth.  Aegypt.,  p.  430. 

Tripolis,  22./7..  Ain  Sarah,  1./8.  (jüngere  Larven). 

Von  Krauss  für  die  algerische  Sahara  (Tug-gnrth),  von  mir  für 
Ägypten  nachgewiesen.  Sonst  über  das  ganze  tropische  Afrika  und 
Asien  verbreitet,  auch  in  Australien;  in  der  Mittelmeerregion  nur 
noch  in  Syrien. 

G.  vtilf/aris  Latr. 

Saussure,  Mel.  Orth.,  5,  p.  195. 
Brunner,  Prodromus,  p.  451,  fig.   107. 
Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  430. 
FiNOT,   Faune  de  l'Algerie,  p.   609. 
Savigny,  tab.  3,  fig.  4. 

Bisher  nur  in  dem  HAiMANN'schen  Buche  über  die  Cyrenaica 
(p.  140)  und  zwar  aus  Berenice  erwähnt  gefunden,  doch  ist  die 
Wahrscheinlichkeit  des  Vorkommens  dieser  Art,  welche  sowohl  in 
Nordwest-Afrika  als  in  Ägypten  vorkommt,  eine  sehr  große.  Außer- 
dem ist  die  Maulwurfsgrille  in  Europa  und  West-Asien  weit  ver- 
breitet. 

Unterfam.  Achetidae. 
Brachytt'upes  Serv. 

B,  fnegacephalus  Lee, 

Brunner,  Prodromus,  p.  438,  fig.   101. 
FiNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.   581. 
Krauss,  Orth.  Sahara,  p.   249. 

1  S  aus  Bengasi,  2./9.  1906. 

Diese  Art  hat  eine  sehr  merkwürdige  Verbreitung.  Sie  ist  aus 
Sicilien,  dem  südlichen  Tunesien,  vom  Senegal  und  von  Erythraea,  durch 
Krauss  auch  aus  den  Oasen  der  ost-algerischen  Sahara  bekannt  geworden 


102  Franz  Werner, 

und  kommt  auch  auf  der  Insel  Linosa  vor  (Escheeich),  was  Keauss 
mit  Recht  als  Beweis  für  eine  ehemalig-e  Landverbindiing  zwischen 
den  oben  genannten  beiden  Inseln  und  Nord-Afrika  ansieht.  Über 
die  Lebensweise  der  Riesengrille  verdanken  wir  Foeel  und  Keauss 
sehr  interessante  .Vritteilungen. 

In  Ägypten  fehlt  diese  Art  völlig  und  wird  im  Ost-Sudan  durch 
den  weit  größern  B.  memhranaceus  Dru.  ersetzt. 

Herr  Dr.  Klaptocz  notierte  zum  obigen  Exemplar  Folgendes: 
Auf  der  Punta.  einer  ganz  aus  Sand  bestehenden,  niedrigen,  un- 
mittelbar im  Süden  der  eigentlichen  Stadt  gelegenen  Landzunge 
ausgegraben.  Loch  ziemlich  tief,  steil  und  ca.  2  cm  im  Durch- 
messer. 


LiogryUns  Saüss. 
L.  eanipesti'is  (L.). 

Brunnee,  Prodromus,  p.   428. 

Saussuee,  Mel.  Orth.,  5,  p.  305,  fig.  IX  1—3,  5—8. 

FiNOT,   Fauce  de  TAlgerie,   p.   584. 

Keauss  u.  Vosselee,  Orth.  Orans,  p.  554. 

1  weibliche  Larve  von  Dernah,  21. '8. 

Die  Feldgrylle  ist  in  Nord-Afrika  weit  verbreitet,  aber  im  all- 
gemeinen nirgends  häufig.  Nur  Vosselee  fand  sie  in  der  algerischen 
Provinz  Oran  häufig  am  Chott  el  Chergui.  Finot  lag  zu  seiner 
Beschreibung  kein  algerisches  oder  tunesisches  Stück  vor.  Ich 
sammelte  ein  Pärchen  auf  einem  Brachacker  bei  Lambesa  (Prov. 
Constantine),  Jan.  1893.  Lucas  fand  sie  in  der  Umgebung  von  Algier 
und  Constantine,  Beunnee  bei  Böne  und  Batna.  Saussuee  erwähnt 
sie  von  Ägypten,  wo  ich  aber  kein  Exemplar  sah.  Sonst  im  größten 
Teil  Europas  und  in  Kleinasien. 

L.  bimacufatHs  de  Geer. 

Brunner,  Prodromus,  p.  429. 

Saussure,  Mel.  Orth.,  Vol.  5,  p.  307, 

Savigny,  tab.  3,  fig.  4.  —  Krauss,  p.  245. 

Finot,  Faune  de  l'Algerie,  p.  585. 

Krauss,  p.  250.   —  Krauss  u.  Vosseler,  p.  554. 

Werner,  Orth.  Aegypt.,  p.  432. 

Dernah,  zweite  Hälfte  August,  1  S  (typische  Form),  1  männliche 
Nymphe.  —  Von  Hai  mann  auch  bei  Berenice  gefunden. 


Orthoptereu-Faiuia  von  Tripolis  und  Barka.  103 

Die  Art  ist  in  Süd-Europa  sowie  im  g-emäßigten  und  südlichen 
Asien  und  in  Afrika  zu  Hause. 

Acheta  L. 

A.  fJo niest Ica  L. 

Brunner,  Prodromus,  p.  432,  fig.  99. 
Saüssuee,  Mel.  Orth.,  Vol.  5,  p.  341. 
FiNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.   588. 
AVeknEE,   Oith.  Aegypt.,   p.   432. 

1  $  aus  Dernali,  20./8.  —  In  Haimann's  „Cyrenaica"  auch  von 
Berenice  genannt. 

Sonst  noch  in  ganz  Europa  mit  Ausnahme  von  Skandinavien, 
jedoch  oft  in  größern  Distrikten  gänzlich  fehlend  (nur  in  Wohnungen); 
ferner  in  Algerien  und  Tunesien  im  Freien  als  auch  in  Häusern; 
schließlich  auch  in  Ägypten  und  im  ägj-ptischen  Sudan,  bei  Massaua 
und  Mogadischu,  sowie  auf  Madeira  (im  Freien). 

A,  cyrenaica  tu  sp.  (Taf.  6,  Fig.  9). 

1  ?  aus  Bengasi.  31./8.  1906  (aus  einem  Garten). 

Aus  der  Gruppe  der  A.  hurdigaJcnsis  und  consohrina  und  aucli 
den  beiden  Arten  von  Gryllodcs,  die  zwischen  dieser  Gattung  und 
Acheta  stehen  {G.  mareoticus  ^^'EEN.  und  hygrophüus  Krauss),  sehi' 
ähnlich.  Doch  ist  ein  inneres  Tympanum  an  den  Vordertibien  vor- 
handen, wenn  auch  viel  kleiner  als  das  äußere. 

Kopf  von  der  Oberlippe  bis  zwischen  die  Antennen,  ebenso  die 
\Vangen  hellgelb.  Zwischen  den  Antennen  ein  schwach  gebogenes, 
schwarzes  breites  Querband;  ein  ebensolches  zwischen  den  Augen, 
von  erstem!  durch  ein  hellgelbes  Querband  getrennt.  Occiput  mit 
4  dunkelbraunen  Längsbinden,  die  durch  3  feine  helle  Linien  ge- 
trennt sind.  Antennen  mit  großem,  kreisrundem,  gelblichem  Basal- 
glied, sonst  rotbraun. 

Pronotum  mit  vertiefter  Mittellinie,  die  vom  Vorder-  bis  zum 
Hinterrande  verläuft.  Sowohl  Vorder-  als  Hinterrand  sowie  der 
Seitenrand  des  Discus  sind  mit  langen,  groben  schwarzen  Haaren 
(am  Seitenrande  sehr  dicht)  besetzt,  während  die  Haare  auf  dem 
Discus  selbst  und  auf  dem  Seitenlappen  kürzer,  teils  blaßgelb,  teils 
schwarzbraun  sind,  und  zwar  so,  daß  auf  den  dunklen,  unregelmäßigen 
Flecken  des  Discus  dunkle,  sonst  aber  helle  Haare  entspringen.  Das 
Pronotum  ist  rundherum  schmal  schwarz  gesäumt,  was  bei  den  sonst 


104  Franz  Werner, 

einfarbig  hellen,  gelblicli-weißen  Seitenlappen  (die  mehr  als  doppelt 
so  lang  als  hoch  sind  und  deren  Unterrand  gerade  nach  hinten 
oben  verläuft)  besonders  auffällt.  Discus  und  Seitenlappen  sind 
durch  eine  dunkle,  wie  oben  bereits  erwähnt,  dicht  und  lang  schwarz 
behaarte  Längsbinde  getrennt.  Gliedmaßen  gelbbraun,  dicht  ebenso, 
zum  Teil  aber  auch  dunkler  behaart.  Hinterschenkel  bis  zum  Apex 
breit.     Hintertibien  innenseits  mit  7,  außen  mit  6  Dornen. 

Elytren  dunkel  gelbbraun,  hinten  abgerundet,  die  Hinterleibs- 
spitze eben  erreichend;  der  nach  abwärts  gebogene  Teil  vollständig 
hyalin,  mit  schwach  gebogenen,  breite  Felder  zwischen  sich  lassenden 
Längsadern,  nach  oben  hell  gelbbraun  begrenzt.  Hinterflügel  nahezu 
doppelt  so  lang  wie  die  Elytren. 

Dimensionen: 

Totallänge  10  mm 
Pronotum  2,2 

Elytren  7 

Hiuterflügel  14,2 

Hinterschenkel  i 

A.  tripunctata  n.  sp.  (Taf.  6,  Fig.  8). 

1  $  von  Ain  Sarah,  20./7.  1906. 

Aus  der  Gruppe  der  A.  frontalis,  algiria,  pcämetorum,  aber  von 
allen  3  Arten  durch  die  abweichende  Kopfzeichnung  (3  weiße  Punkte 
und  zwar  je  1  hinter  jeder  Fühlergrube  und  1  in  der  Mitte  des 
Vertex)  sofort  unterscheidbar.  Von  den  beiden  ersten  Arten  ist  die 
neue  Art  auch  noch  durch  die  längern  Flügeldecken,  w^elche  bis  zur 
Basis  der  Cerci  reichen,  von  der  letztern  durch  die  etwas  längern 
den  Hinterrand  des  4.  Abdominaltergits  erreichenden  Hinterflügel 
verschieden.  Kopf  schwarz,  glänzend,  mit  Ausnahme  der  3  Punkte 
ganz  ohne  Zeichnung.  Pronotum  schwarzbraun,  rechteckig,  stark 
behaart,  Seitenlappen  mit  horizontaler  Unter-  und  breit  abgerundeter 
Hinterecke  derselben.  Antennen  und  Cerci  rotbraun,  letztere  lang 
weiß  behaart.  Taster  heller  rotbraun;  Abdomen  und  Gliedmaßen 
schwarzbraun,  fein  behaart.    Hintertibien  jederseits  mit  7  Dornen. 

Dimensionen: 

Totallänge  11,5  mm 

Pronotum  1.9 

Elytren  7,3 

Hinterschenkel  7 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  105 

Unter f am .  Mogisoplistidae. 
Moff IsopliHtiis  See V. 

M.  hrumieus  Serv. 

Brunner,  Prodronnis,  p.  448. 

FiNOT,   Faune  de   l'Algerie,   p.   563. 

Saussure,  Mel.  Orth.,  Vol.  5,  tab.  16,  fig.  17,  2. 

Dernah,  25,8.,  1  jung-e  männliche  Larve. 

Ich  bin  wegen  der  geringen  Größe  dieser  vorliegenden  Larve 
nicht  imstande,  mit  Sicherheit  zn  sagen,  ob  nicht  etwa  die  andere 
nord- afrikanische  Art  [M.  argcntahis  Bol.)  vorliegt.  Da  aber  M. 
brmmeus  sowohl  in  Algerien  als  anch  in  Tunesien  vorkommt,  da- 
gegen argenfatus  nur  aus  Blidah,  also  Mittel- Algerien,  bekannt  ist 
und  nach  Finot  überdies  von  hrumieus  kaum  verschieden  ist,  so 
glaube  ich  keinen  Irrtum  zu  begehen,  wenn  ich  die  Anwesenheit  des 
M.  hrumieus  in,  Barka  signalisiere.  Daß  er  auch  in  Tripolis  vor- 
kommt, scheint  mir  außer  Frage  zu  sein.  Im  allgemeinen  sind  jedoch 
die  Arten  dieser  Gattung  schwer  zu  finden. 


Locusioidea  ( J  cridiodea) . 

Unterfam.  Acridiidae  (Teftigidae). 

Favatettix  Bol. 

P,  nieridionalis  Ramb, 

Beunner,  Prodromus,  p.   239  {Tcitix). 
BOLIVAR,  Tettigidae,  p.    275,  fig.   23— 23a. 
Savignt,  tab.  5,  fig.  1 — 2.  —  Keauss,  p.  251. 
Finot,  Faune  de  l'Algerie,  p.   408. 
Weener,  Orth.  Aegypt.,  p.  412. 
VOSSELER,   p.    353. 

Tripolis,  22./8.;  Ain  Sarah.  1.8.;  Dernah,  18.8.;  alle  von  relativ 
feuchten  Orten. 

Das  Exemplar  von  Tripolis  ist  hell  sandgelb,  Gliedmaßen 
(namentlich  Tibia  und  Tarsus)  dunkel  gebändert;  bei  1  Exemplar 
aus  Ain  Sarah  sind  2  deutliche  dunkle  Schulterflecke  des  Pronotums 
zu  bemerken,  und  der  Pronotumkiel  ist  hinten  abwechselnd  hell  und 
dunkel  gefleckt;  bei  1  Exemplar  aus  Dernah  ist  der  Fortsatz  des 


106  Fbanz  Werner, 

Proiiotums  hellgelb.  Die  übrigen  sind  ziemlich  gleichförmig  dunkel 
graubraun,  nur  die  Hinterschenkel  meist  dunkel  gelbbraun. 

Die  Flügel  überragen  ausnahmslos  den  Pronotumfortsatz. 

Weitere  Verbreitung:  Mittelmeerländer  (in  Xord- Afrika  Algerien, 
Tunesien,  Agj'pten);  Sudan,  Kaukasus,  Transkaspien,  Madagaskar. 


Unterfam.  Acrididae  (Tryxalidae). 

Acrida  L. 

A,  turrlta  L. 

Beunner,  Prodromus,  p.  88  {Tnjxalis  nasiifa). 

Savigny,  tab.   5,  fig.  3,  4,  5,  7.  —  Keauss,  p.  251,   252. 

Klug,  p.  4,  tab.    18,  fig.  5 — 9. 

BuRR,   Monogr.  Acrida,  p.    164. 

FlNOT,   Faune  de  TAlgerie,   p.   411   {Trn.ralis  nasiifa). 

Werner,  Ortb.  Aegypt.,  p.  413. 

Tripolis,  8.,  9.,  17..  25.,  29./7. 

Ain  Sarah,  20./7.,  1./8,;  Endschila,  23./7.  Nur  Larven  verschiedenen 
Alters.  1  einziges  S  von  Tripolis,  8. 8.,  ist  erwachsen.  —  Je  4  SS  wiid 
$?  sammelte  auch  Grothe  in  Tripolis  (Mus.  Senckenberg). 

Verbreitung:  Südeuropa,  ganz  Afrika.  Asien  und  Australien. 

Acridella  Bol. 

A.  variahiJis  Klug. 

Brunner,  Prodromus,  p.  90,  fig.   21    {Trf/xalls  nnyiiiculata). 

Klug,    p.   1 — 3,    tab.    14,    15,    17,   18    (pharaonis,    tinguicnlata,    grandis, 

variabüis,  scalaris,   miniata). 
Savigny,    tab.  5,   fig.  6,   8 — 14.   —   Keauss,    p.  252—253    {pharaonis, 

7//i(fuiculafa). 
Bure,  Monogr.  Acrida,  p.   172  (Acrida). 

Fingt,  Faune  de  l'Algerie,    p.  412  —  413  {Tnixalis  unguicidata,  miniata). 
Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  413  (D-iprdis  lo/guin/Ia/a). 
Krauss  u.  Vosselee,  p.  528,  —  Vosselee,  p.  353  (7".   vngiiimlaia). 

Tripolis,  1  S,  Anfang  August  sowie  Larven  verschiedenen  Alters, 
27./7.,  8./8.,  Gherran,  13./8.,  junge  Larve;  Bengasi,  9./9.,  1  S  und 
jüngere  Larven;  Dernah,  18. — 21./9.,  SS  ii»d  $$  ad.  —  Außerdem 
Tocra,  Barka  (Haimann  ^.Acrida  imguicnJafa^^). 

Herr  Dr.  Klaptocz  berichtet  darüber  wie  folgt:  Sitzen  meist 
am  Boden  und  fliegen,   aufgescheucht,   ein  Stück  (15—20  m,  selten 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  107 

mehr)  und  setzen  sich  dann  so,  daß  sie  ihr  Gesieht  dem  Verfolger 
zukehren  oder  aber  so,  daß  ihr  Schatten  durch  den  Leib  verdeckt 
wird.  Bei  Dernah  besonders  häufig-  in  der  Umgebung  der  Station 
für  drahtlose  Telegraphie. 

Diese  Art  findet  sich  im  südlichsten  Europa  (Süd-Spanien, 
Sicilien.  Kreta,  Morea),  Kleinasien,  Syrien.  Transkaspien ;  Algerien 
und  Tunesien,  Ägyi)ten,  im  Sudan  vom  Senegal  bis  zum  obern  Nil. 
sowie  in  Uganda  und  im  Somaliland. 

Die  vorliegenden  Imagines  sind  meist  lebhaft  gezeichnet  (rar. 
Scolaris  Klug).  Die  var.  miniata  Klug  befindet  sich  nicht  unter 
ihnen,  dagegen  einige,  die  zu  pharaonis  Klug  zu  rechnen  wären. 

Ochrilidia  Stal. 

O.  tib Ullis  FiEB. 

Brunxer,   Prodromus,  p.   91,   fig.   23. 

Savigny,  tab.   6,  fig.   7.  —  Kkauss,  p.  258, 

Fingt,   Faune  de  l'Algerie,   p.   415. 

AVerner,   Orthopt.   x\egypt.,  p.   414. 

Krauss  u.  Vosseler,  p.  529.  —  Vosseler,  p.  353. 

Krauss,   Orth.   Sahara,  p.   236. 

Tripolis,  19.  und  28,/7.,  Auf.  Aug.  [SS,  ??);  Endschila,  23,7. 
{?);  Ain  Sarah,  20./7.  {SS,  ?$);  ßengasi,  30./8.  {S). 

Färbung  ziemlich  verschieden;  meist  «elbbraun;  rötlich-graubraun 
(Tripolis),  hellgrau  (Bengasi),  mit  mehr  oder  weniger  deutlichem 
dunklen  Seitenband  des  Pronotums. 

Die  Exemplare  wurden  an  schilfigen  Stellen  gefunden. 

Weiteres  Vorkommen:  Griechenland,  Candia,  Spanien,  Syrien, 
Ägypten,  Algerien  und  Tunesien;  auch  im  ägyptischen  Sudan. 

Calephorus  Fieb. 

C,  compressicornis  Lath. 

Brunner,  Prodromus,  p.  93,  fig.  23  (Oxijror/jpl/ns). 
Savigny,  tab.  6,  fig,  10.  —  Krauss,  p.  260  (Oxijcorijplius). 
Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.  419  {Oxi/corj/pJm.s). 
Werner,  Orthopt,  Aegypt.,  p.  414  {Oxycoryphus). 

Ain  Sarah,  20.7,  und  1.8.  {^.S,  $?);  Endschila,  23.7.  (?). 
Sonst   noch   in    Süd-Frankreich,   Spanien;    Algerien,    Ägypten 
Senegal,  Sudan. 


108  Franz  Werner, 

CJwrthippiis, 
Ch.  2^ulvuiatiis  Fischee  de  W. 

BrunxEK,   Prodroraus,   p.    123. 

FixüT,  Faune  de  l'Algerie,  p.  433. 

Kkauss  u.  Vosselee,  p.  529.  —  Vosselee,  p.  354. 

Aiii  Sarah,  20./8.;  Endschila,  23./7.  (unter  diesen  1  S). 

Die  Flng-organe  erreichen  ausnahmslos  die  Spitze  des  Abdomens, 
die  Exemplare  gehören  daher  zur  typischen  Form  und  nicht  zu  der 
im  Süden  Europas  häufigem  var.  dcdivus  Bris.  Als  nördlichste 
Grenzpunkte  des  Vorkommens  g-ibt  Brünner  an :  Paris,  Genf.  Buda- 
pest. Sarepta.  In  Afrika  ist  er  von  Algerien  und  Tunesien  be- 
kannt, dagegen  nicht  mit  Sicherheit  aus  Ägypten. 

JPhlaeoba  Stal. 

Ph.  fracta  (Fieb.)  Krauss. 

Krauss,  Erkl.  Orth.  Taf.  Savigny's,  p.  260. 

AVerner,   Orth.  Kleinasiens,  p.   272;   Orth.   Aegypt.,  p.   414  (Duronia). 

Tadschura.  17.7.  (S<^,  1  ?,  1  weibliche  Larve). 

Ich  möchte  die  Untergattung  Duronia  Stal  nicht  weiter  aufrecht 
erhalten,  da  die  Charaktere  derselben  nicht  einmal  für  die  typische 
Art  -D.  lucasi  Bol.  konstant  sind;  so  finde  ich  bei  diesem  mir  vor- 
liegenden $  meiner  Sammlung  aus  Temacin  (ost-algerische  Sahara, 
leg.  AVeener,  Mai  1893)  den  Kiel  des  Vertex  bis  nach  vorn  deutlich, 
die  Seitenkiele  wenigstens  vom  „sillon  typique"  durchschnitten. 

Die  3  paläarktischen  Phlaeoben  (P.  pliaraonis  Karny  reicht  noch 
in  den  paläarktischen  Teil  des  Sudan  hinein)  lassen  sich  recht  gut 
unterscheiden.  Bei  Ph.  lucasi  sind  die  Flugorgane  am  kürzesten, 
sie  reichen  nur  Avenig  über  die  Spitze  des  Abdomens  hinaus;  der 
Area  scapularis  des  Deckflügels  fehlt  der  weiße  Längsstreifen  beim  ?; 
der  Körperbau  ist  bei  dieser  Art  am  meisten  gedrungen,  die  Augen 
relativ  lang  und  schmal. 

Bei  Ph.  fracta  überragen  die  Flugorgane  immer  sehr  deutlich 
die  Hinterleibsspitze;  die  weiße  Scapularbinde  der  Elytra  felilt 
niemals;  die  Augen  sind  breiter,  das  Pronotum  etwas  schmäler  als 
bei  voriger  Art. 

Bei  Ph.  pharaonis  sind  die  Flugorgane  am  längsten  und  reichen 
weit   über  die  Hinterleibsspitze  hinaus;   die  weiße,  wie  bei  voriger 


Orthopteren-Fauua  von  Tripolis  und  Barka. 


109 


Art  nach  innen  (d.  li.  bei  Ruhestellnno-  nach  oben  oder  medianwärts) 
dunkel  o-esäumte  Scapularbinde  fehlt  wenigstens  den  hellen  Individuen 
nicht:  zwischen  den  beiden  Stirnleisten  ist  oberhalb  des  Ocellus  die 
Stirn  flach,  bei  den  2  vorigen  aber  vertieft,  so  daß  die  Leisten  bis 
g-egen  den  Vertex  deutlich  sind.  Ph.  pharaonis  ist  die  schlankste  der 
3  Arten. 

Die  Exemplare  aus  Tadschura  sind  weit  kleiner  als  die  mir 
von  Kleinasien  und  Ägypten  vorliegenden;  wie  bei  pharaonis  begrenzt 
bei  dem  ?  eine  dunkle  Binde  die  Seitenkiele  von  unten  und  geht 
nach  vorn  bis  zum  Auge.  Wcälirend  sie  nach  hinten  in  die  dunkle 
Flügeldeckenbinde  übergeht.  Die  Färbung  der  Elytren  des  $  ist 
fahlgelb;  Pi'onotum  und  Kopfseiten  mit  einem  Stich  ins  Rötliche; 
Oberseite  des  Kopfes  grau,  seitlich  in  gelblich-weiß  übergehend ;  die 
weibliche  Larve  und  die  SS  graubraun. 

Dimensionen: 


9  von 
P.  Jucasi 


9  von  P. 
■pharaonis 


9  von  P.  fracta 


Klein- 
asien 


Ägypten     Tripolis 


0^  von  P. 
fr  acta 


a)  Totallcänge 

b)  Pronotum 

c)  Elytren 

d)  Hiuterschenkel 

Verhältnis  von 

a  :  b 
a  :  c 
a  :  d 


23,5 

17 

25.2 

24,8 

21 

4.8 

H,5 

5.2 

4,6 

4 

16,5 

17 

27 

24.2 

16,8 

12,8 

11 

15 

14,5 

12,3 

4.9 

4,9 

4.9 

5.4 

5.25 

1.4 

1 

0.9 

1,02 

1.25 

1,9 

1.6 

1.7 

1.7 

1.7 

14 

•> 
O 

11 
8.4 


4,7 

i;3 

1.7 


AioJopus  Fjeb. 

A,  streiiens  Latii. 

Brunner,  Prodromus,  p.   145  (Epacroniia). 
Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.  422  {Epacroinia). 
Werner,  Orthopt.  Aegj-pt.,  p.  416   {Epacromia). 
Krauss  u.  Vosseler,  p.  530.  —  Vosseler,  p.  354. 

Ain  Sarah,  20.7.  und  LS.;  .^[ell'aha.  11.7.;  Endschila,  23./7.; 
Bengasi,  28.  8.  und  6,9. 

Färbung  im  allgemeinen  gelb-  (Ain  Sara,  1  $j  bis  sclnvarz- 
(Endschila,  1  x)  braun. 


110  Fkanz  Werner 


Weitere  Verbreitung:  Süd-Frankreich,  Spanien.  Italien.  Istrien, 
Dalmatien,  Herzegowina.  Griechenland,  Kleinasien,  Alg-erien,  Tunesien, 
Ägypten. 

A.  thahfs.s Ullis  Fabe. 

Brunner,  Prodromus,  p.   146  (Epacromia). 
Savigny,  tab.  6,  fig.   15.  —  Krauss,  p.  261  (Epacromia). 
FiNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.  423  (EjHicroiina). 
Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  415  {Kjßucroinla). 
Krauss  u.  Vosseler,  p.  530. 

Ausschließlich  von  Dernah  (zweite  Hälfte  August)  und  Tripolis 
(29./7.  und  8./8.)  —  Außerdem  Bengasi  (Haimann). 

Pronotum  und  Basis  der  Elytren  grün  oder  Pronotum  braun  mit 
hellgelbem,  nach  vorn  bis  auf  den  Scheitel  ziehendem  Mittelband; 
oder  mit  purpurroter  oberer  Begrenzung  der  Seitenkiele;  oder  mit 
liellen  Seitenkielen,  die  hinter  der  Querfurche  nach  innen  von  je 
1  dunklen  spitzdreieckigen  Flecken  begrenzt  sind;  oder  braun, 
Seitenkiele  wie  bei  der  grünen  Form  außen  vor  der  Querfurche 
dunkel  begrenzt;  oder  ganz  purpurrot. 

Verbreitung  wie  vorige,  aber  weiter  nach  Norden  und  an- 
scheinend auch  nach  Süden  vorkommend  (See  Moeru,  Congo). 

Dociostauvus  Fieb. 

D.  tnaroccduus  Thunbg. 

Brunner,  Prodromus,  p.   136  (Slanroiiotus). 

FiNOT,  Fauue  de  l'Algerie,  p.  435  {Slauroiiotus). 

SAViCiNY,  tab.   6,  fig.   19.  —  Krauss,  p.   262  {Stauronotiis). 

Krauss  u.  Vosseler,  p.  530.  —  Vosseler,  p.  354  {Stauwnotus). 

1  S  von  Tripolis,  Anfang  August. 

Sonst  in  Portugal,  Spanien,  Sicilien,  Griechenland,  Ungarn,  Süd- 
Rußland,  Kleinasien,  Cypern;  ferner  in  Algerien  und  Tunesien,  viel- 
leicht auch  in  Ägypten  (Savigny),  sicher  in  Syrien.  Jedenfalls  ist 
diese  im  nordwestlichen  Afrika  sowie  auf  Cyi^ern  und  anscheinend 
auch  in  Ungarn  verheerende  Art  in  Nordost-Afrika  zum  mindesten 
selten.  Ich  beobachtete  sie  in  großen  Schwärmen  im  Mai  1898  in 
der  ost-algerischen  Sahara,  bei  El  Outaia,  nördlich  von  Biskra,  und 
zwar  in  Gesellschaft  der  großen  ScMstocerca  peregrina  Oliv,  (s.  auch 
Krauss  u.  Vosseler,  wo  aus  West-Algerien  ein  ähnliches  Zusammen- 
vorkommen berichtet  wird). 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  1X1 

D,  f/enei  Osk, 

Brunnee,  Prodromus,  p.   137  {iStai(ro)iofn.s). 

FiNOT,  Faune  de  TAlgerie,  p.   436  (Stanronolus). 

Savigny,  tab.  6,  fig.   17 — 18.  —  Krauss,  p.  262  {Slauronotiis). 

Krauss  u.   Vosseler,  p.  530.  —  Vosseler,  p,  354  {Staiironolus). 

Ain  Sarah,  1./8.;  Tadschura,  17,7.:  Gherran,  13.  7.;  Beiigasi,  An- 
fang September  (das  einzige  S). 

Kniegelenk  schwarz,  glänzend,  Basalbinde  der  im  übrigen  blanen 
Hintertibien  weiß,  wie  es  Brunner  auch  von  den  ägj'ptischen 
Exemplaren  angibt. 

Vorkommen :  Spanien.  Süd-Frankreich,  Venetien,  Herzegowina, 
Kleinasien,  Syrien,  Ägypten  (ich  erhielt  die  Art  durch  Dr.  Walter 
Innes  Bey),  Algerien  und  Tunesien. 

Unterfam.  Oedipodidae. 

Oedijfoda  Latr. 

O.  (fvatiosa  Sery. 

BruxneR,   Prodromus,   p.   264. 

Savigny,  tab.  7,  fig.  7. 

Saussure,  Prodr.  Oedip.,  p.  152. 

PiNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.  444. 

Vosseler,  Ortbopt.  Alg.  u.  Tun.,  p.  357.  —  Krauss  u.  Vosseler,  Orth. 
Orans,   p.   531. 

In  Tripolis  und  Barka  anscheinend  überall :  Tripolis  (Juli,  Aug.), 
Ain  Sarah  (1./8.),  Gherran  (13.,  14.  7).,  Bengasi  (29.,  31./8.,  6./9.),  Dernah, 
20.,  22./8.;  südlich  von  Assisia  (15./9.);  Dschebel  T'kut,  18.9. 

Außerordentlich  variabel  in  der  Färbung,  der  des  Bodens  ent- 
sprechend; die  von  Tripolis  vorliegenden  Stücke  sind  im  allgemeinen 
meist  gelb-  oder  rotbraun,  die  aus  Barka  meist  grau  oder  graubraun. 
Mit  wenigen  Ausnahmen  sind  sie  durch  das  stark  leistenartige  Her- 
vortreten der  Längsadern  der  Flügeldecken  auffallend,  so  daß  man 
sie  schon  dadurch  von  coerukscens  unterscheiden  kann. 

Die  Varietäten  sind  dieselben,  wie  sie  auch  bei  coeridcscens  vor- 
kommen : 

1.  Pronotum  hinter  der  Hauptquerfurche  weiß  (entsprechend  der 
var.  collaris  Kakny),  1  $  von  Gherran. 


112  Franz  Werner, 

2.  Pronotiim  hinten  sclimal  hell  gerändert  (entsprechend  der 
var.  marginata  Karny),  2  SS  von  Ben.o-asi. 

Abdomen  wie  bei  folgender  Art  häufig  citronengelb;  die  helle 
Querbinde  an  der  Innenseite  der  Hinterschenkel  gelb  oder  weiß. 

Die  Rauhigkeit  des  Pronotums  ist  sehr  verschieden  groß,  am 
geringsten  bei  Exemplaren  aus  Gherran,  namentlich  bei  den  oben 
erwähnten  +$. 

Verbreitung:  Südlichstes  Europa,  Kleinasien,  Sj-rien,  Turkestan, 
Amur  sowie  die  Küstenländer  von  ganz  Nord-Afrika. 

O.  coeruleseens  L. 

Beunner,  Prodromus,  p.   164. 
Saussure,  Prodr.  Oedip.,  p.   151. 
FiNOT,   Faune  de  TAlgerie,   p.   443. 

Gherran  (13.— 14./7.) ;  Mimuna  (20.9.);  Dschebel  Gosseba  (16,9.); 
Dschebel  Gharian  (17.9.);  Dschebel  T'kut  (18.9.);  Dernah,  20.8. 

Sehr  variabel  in  der  Färbung,  wenn  auch  etwas  weniger  als 
vorige;  die  Exemplare  aus  dem  Gharian-Gebirge  mehr  graubraun, 
die  übrigen  meist  rotbraun.  Hintertibien  intensiv  blau.  Abdomen 
meist  citronengelb.  Die  meisten  Exemplare  (mit  Ausnahme  derer 
von  Dernah)  haben  eine  deutliche  dunkle  Querbinde  an  der  Außen- 
seite der  Hinterschenkel  (am  Ende  des  zweiten  Drittels,  von  der 
Basis  gerechnet).  —  Die  von  gratiosa  angeführten  Varietäten,  die 
sonst  (sogar  in  Mittel-Europa)  bei  coeruleseens  vorkommen,  fehlen  im 
vorliegenden  Material.  Vielleicht  findet  hier  ein  ähnliches  Vikariieren 
statt,  wie  ich  dies  aus  dem  südöstlichen  Winkel  Nieder-Österreichs 
von  der  gestreiften  Form  von  Stcnohothrus  higuüulus  und  Gomphocents 
rufus  nachweisen  konnte. 

Diese  Art  ist  im  mittlem  und  südlichen  Europa  weit  verbreitet, 
wo  sie  sich  in  warmen,  sonnigen  Tälern  namentlich  der  Kalkgebirge 
fiindet;  außerdem  ist  sie  aus  Kleinasien,  Syrien,  Tunesien  und  Zanzibar 
bekannt,  fehlt  aber  anscheinend  in  Ägypten  ebenso  wie  in  Algerien. 

Ein  sehr  großes  Exemplar  von  Dernah  von  sehr  heller  gelb- 
brauner Grundfarbe  und  undeutlicher  Zeichnung  ist  durch  die  intensiv 
hellblauen  Hinterflügel,  deren  schwarze  Binde  einen  deutlichen  Fort- 
satz gegen  die  Basis  hin  entsendet  (wenn  auch  bei  weitem  nicht  so 
wie  bei  gratiosa),  ausgezeichnet. 


Orthoptereu-Fiuuia  vou  Tripolis  und  Barka.  113 

Sphiiu/onofus  Fabe, 
S.  coerulaiis  L. 

Bruxxer,  Prodromus,  p.    150. 

SaussüEE,  Prodr.   Oedipod.,  p.   200,  Additamenta,  p.   79. 

Savignt,  tab.  7,  fig.   11.  —  Kkauss,  p.  265, 

FiKOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.   469. 

VOSSELEK,   Orthopt.   Alg.  Tun.,  p.   372,  tah.   17,  fig.   10a— b. 

Krauss  u.  Vosseler,   Orthopt.   Orans,  p.   533. 

Krauss,   Orthopt.  Sahara,  p.   242. 

Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  416. 

Dschebel  Gharian,   16.— 18./9.;   Dschebel  Teglirinna.   19./9.   (??). 

Die  Exemplare  aus  dem  Gliarian-Gebirg-e  sind  auffällig  klein 
(18  mm),  stimmen  aber  in  allen  wesentlichen  Punkten  mit  den 
normalen  Formen  überein.  Färbung  hell  gelbbraun,  sehr  undeutlich 
dunkler  gezeichnet  (Querbinden  der  Elj^tren  kaum  unterscheidbar); 
Wangen  mehr  oder  weniger  deutlich  bläulich,  Abdomen  hellgelb. 
Ich  möchte  diese  Form,  die  im  Habitus  etwas  an  ThaJpomeua  ulgeriana 
erinnert,  als  var.  (jlmrianensis  abtrennen. 

Ein  Exemplar  von  Tripolis,  6.  8.,  ist  durch  vollkommen  hyaline 
Flügel  auffallend.  Zeichnung  des  Pronotums  und  der  Elytren  deutlich. 
Es  ist  ein  S  von  20  mm  Körperlänge. 

Mit  der  vm-.  aegijptiaca  Sauss.  hat  diese  Form  nichts  zu  tun; 
sie  ist  kleiner,  das  in  Betracht  kommende  Geäder  der  Elytren  ist 
zwar  vom  normalen  verschieden,  aber  auch  nicht  so  wie  bei  aegijptiaca, 
die  Felderchen  zwischen  den  Queradern  größer  und  zum  Teil  länglicher 
als  beim  Typus,  aber  (Area  intercalata  postica)  undeutlich  oder  (Area 
ulnaris)  deutlich  zweireihig  angeordnet. 

Die  relative  Seltenheit  dieser  in  Ägypten  so  ungemein  häufigen 
Art  ist  sehr  auffallend. 

Verbreitung:  Mittel-  und  Süd-Europa,  Syrien,  Kleinasien.  Nord- 
Afrika,  Turkestan,  Persien,  Madeira,  Himalaya,  Sibirien,  Cuba. 

S,  aftiuresceus  (Ramb.). 

Brunner,  Prodromus,  p.   152,  fig.  33. 

SaussüRE,  Prodr.   Oedipod.,  p.  203,  Additamenta,  p.  82. 

Savigny,  tab.  7,  fig.   12.  —  Krauss,  p.  265. 

FiNOT,   Faune  de  l'Algerie,  p.   472. 

Krauss  u.  Vosseler,  Orthopt.  Orans,  p.  534. 

Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  417. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  8 


114  Franz  Werner, 

Bengasi  (leg.  Haimaxn  „SphynctonoUis^').  —  Auch  von  Herrn  Dr. 
Klaptocz  bei  Bengasi.  aber  auch  bei  Dernah  gefunden   (s.  unten). 

Entgegen  der  Angabe  Vosseler's,  daß  er  S.  halteatus  stets  mit 
Sicherheit  von  den  näher  verwandten  Arten  unterscheiden  konnte, 
möchte  ich  nach  dem  mir  vorliegenden  Material  behaupten,  daß 
diese  Art  mit  Sph.  azurescens  durch  Übergangsformen  sowohl  in  der 
Größe  als  in  der  Färbung  vollständig  verbunden  ist;  bei  typischen 
asurescens  von  geringer  Größe  ist  die  dunkle  Flügelbinde  gegen  den 
Vorderrand  nicht  oder  kaum  verschmälert,  vom  Hinterrande  durch 
einen  deutlichen  hyalinen  Zwischenraum  (2—3  mm)  getrennt  und 
die  Fliigelbasis  deutlich  blau.  Die  extremen  halteatus  sind  erheblich 
größer,  die  dunkle  Flügelbinde  ist  sehr  breit,  nach  vorn  stark  ver- 
schmälert, vom  Hinterrande  nur  durch  einen  schmalen,  oft  direkt 
weißen  oder  bläulichen  Zwischenraum  getrennt,  die  Flügelbasis  oft 
deutlich  beraucht,  selten  hyalin  oder  bläulich. 

Vorkommen :  Süd-Europa  (Süd-Spanien),  Nord-Afrika  von  Algerien 
bis  Ägypten,  Abessynien.  Kleinasien;  auch  in  Brasilien. 

[S.  balteatus  (Seev.). 

Saussure,  Proclr.  Oedipod.,  p.  203,  Additamenta,  p.  86. 
Savigny,  tab.   7,  fig.  9.  —  Krauss,  p.  265. 
VOSSELER,   Orth.  AJg.  u.  Tun.,  p.   377. 
Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.  475. 

Verbreitung:  Algerien  bis  Ägypten;  Syrien,  Armenien,  Kleiu- 
asien,  Indien,  Aden,  Hereroland.] 

Ich  finde  unter  allen  vorliegenden  Exemplaren  keines,  welches 
alle  Eigenschaften  des  typischen  azurescens  in  extremem  Maße  be- 
sitzen würde,  doch  kommen  ihm  mehrere  sehr  nahe.  Wenn  wir  die 
Exemplare  beider  „Arten"  aneinanderreihen,  so  bekommen  wir 
folgende  Reihe: 

I.  a^urescens-Gr u p p e. 

1.  Bengasi,   2.9.     Dunkle   Hinterflügelbinde: 

nach  vorn  nicht  verschmälert  1  mra 

2.  Bengasi,  2.  9.  Nach  vorn  wenig  verschmälert  fast  2  mm         vom 

3.  Bengasi,  2. 9.     „       „    deutlich         „  2  mm  ,    Hinter- 

4.  Dernah,  19./8.    ,,       „    deutlich         „  2  mm       rande 

5.  Bengasi,  2./9.     „       „    stark  „  2  mm     entfernt. 

6.  Bengasi,  27./8.  „       ,,    sehr  stark     „  2  mm 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  115 

II.  b alt eaf US -GruiM^e. 

7.  Deinali,   24./8.   (schließt   in    der   Breite    der 

Flügelbinde  etwa  an  No.  4  an), 

Flüg-elbasis  bläulich  1  mm  )  freier  heller 

8.  Beng-asi,  29,'8.  3  mm  [   Rand  des 

9.  Bengasi,  7./9,  „  „  1  mm  JHinterflüg'els 

Die  übrigen  Exemplare  (Tripolis,  Bengasi,  Dernah)  schließen 
sich  an  No.  9  an.  Der  freie  helle  Rand  des  Hinterflügels  ist  bei 
ihnen  höchstens  noch  1  mm  breit,  bei  manchen  Exemplaren  aber 
(z.  B.  je  1  S  von  Bengasi  nnd  Dernah)  kaum  mehr  unterscheidbar. 
Ein  Stich  ins  Bläuliche  ist  bei  vielen  Exemplaren  an  der  Flügel- 
basis deutlich  bemerkbar;  manche  Exemplare,  wie  z.  B.  1  von  Dernah, 
stimmen  mit  dem  fast  typischen  S  No.  1  aus  Bengasi  mit  Ausnahme 
der  Hinterflügelbinde  vollkommen  überein. 

S,  acrottjloides  n,  sj). 

(Taf.  6.  Fig.  12.) 

Diese  Art  ist  durch  die  ungebänderten  Elytren  und  die  Form 
der  dunklen  Hinterflügelbinde,  welche  ganz  an  die  eines  Acrotykis 
erinnert,  sehr  auffällig. 

Färbung-  liell  gelbbraun;  Antennenglieder  abwechselnd  hell  und 
dunkel,  Elytren  mit  dunklen  Punkten;  die  distalen  zwei  Drittel  des 
Costalrandes  und  die  Spitze  hyalin.  Hinterflügel  hyalin,  an  der 
Spitze  schwarz  geädert;  die  Binde  schwarzbraun,  nach  vorn  und 
hinten  verschmälert,  ihr  Hinterende  weit  vom  Hinterrand  des  Flügels 
entfernt.  Die  Elytren  überragen  nicht  nur  die  Spitze  des  Abdomens, 
sondern  auch  noch  die  Knie.  Die  Gliedmaßen  lassen  Spuren  einer 
Querbänderung'  erkennen;  der  Unterrand  der  Hinterschenkel  ist 
milchweiß. 

Stiruleisten  von  oben  nach  unten  nur  wenig  divergierend,  nur 
um  den  Ocellus  ein  wenig,  am  untern  Ende  stark  auseinander- 
weichend. Vertex  und  Occiput  mit  niedrigem,  aber  deutlichem 
medianen  Längskiel,  ebenso  die  Metazone  des  Pronotums.  Hinter- 
rand des  Pronotums  etwas  mehr  als  rechtwinklig. 

Dimensionen: 

Totallänge  20     mm 

Pronotum  Länge  3,5 

,,  Breite  6 

8* 


116  Feanz  Werner, 

Elytren  Länge  19,5  mm 

„        Breite  3 

Hinterscheiikel  Länge  13 

1  S  von  Tripolis  (IJl.). 

S,  (lernensis  n,  sp. 

(Taf.  5,  Fig.  3.) 

Kleine,  stark  behaarte  Art  mit  hyalinen,  an  der  Basis  rosen- 
roten, in  der  Mitte  des  Hinterrandes  mit  einem  großen  braunen, 
violettschillernden  Fleck  gezierten  und  an  der  Spitze  ebenfalls  braun 
berauchten  Hinterflügeln. 

Costa  frontalis  mit  geraden,  parallelen  Seitenrändern,  die  erst 
unten  auseinanderweichen,  über  der  Autennenbasis  sich  nähern  und 
dann  in  die  Seitenränder  des  Vertex  übergehen,  welche  nach  hinten 
wenig  divergieren.  Vertex  ohne  Mittelkiel.  Pronotum  mit  deutlichem, 
durch  2  Querfurchen  unterbrochenem  Mittelkiel  und  rechtwinkligem 
Hinterrand.  Elytren  relativ  kurz  und  breit,  glänzend,  mit  deutlich 
geschweiftem  Vorderrand  und  undeutlichen  dunklen  Querbinden; 
Hinterflügel  kürzer  als  die  Elytren,  mit  (mit  ilusnahme  des  rosen- 
roten Teils)   schwarzen  Adern   und   wenig   ausgezogenem  Apicalteil. 

Färbung  im  allgemeinen  rötlich-braun;  Hinterschenkel  undHinter- 
tibien  innen  schwarz,  mit  einer  gelblichen  Querbinde  vor  dem  Knie, 
die  über  Femur  und  Tibia  sich  erstreckt.  Dieselbe  Zeichnung  ist 
auch  auf  der  Außenseite  zu  sehen,  aber  am  Femur  sehr  undeutlich. 
Hintertarsen  gelblich-weiß. 

Totallänge  15,5  mm;  Pronotum  3  mm.  Elytren  16  mm,  Hinter- 
femora  8  mm. 

3  SS  von  Dernah,  20.  und  23./7.;  felsiges  Plateau  im  Süden  der 
Stadt. 

Diese  Art  ist  außer  octofusciatus  Serv.  die  einzige  nord- 
afrikanische Sphingo7iof US- Art  mit  roten  Hinterflügeln,  unterscheidet 
sich  aber  außer  durch  die  geringe  Größe  durch  die  ganz  verschiedene 
Zeichnung  der  Hinterflügel;  ob  sie  nicht  eine  besondere  Gattung 
repräsentiert,  wage  ich  vorderhand  nicht  zu  entscheiden. 

S,  {/robben i  ^VEßN. 

(Taf.  5,  Fig.  5.) 

"Werker,   Orthopt.   Aegypt.   (in:   SB.  Akad.  Wiss.  Wien,  Vol.  114.   Abt.  1, 
1905,  p.   62). 


Orthoptereu-Fauua  von  Tripolis  imd  Barka.  117 

Tripolis,  16.  u.  27.  7.  (1  c^,  3  $J). 

Die  Exemplare  sind  dunkler  und  deutlicher  gezeichnet  als  die 
von  mir  aus  der  libj^schen  Wüste  mitgebrachten. 

Länge  des  S  15  mm  (Elyti-en  18  mm);  des  $  22  mm  (Elj'tren 
25  mm).  Ich  kann  mich  des  Gedankens  nicht  entschlagen,  daß  die 
Gattung  Lcpfoscirfus,  welche  auf  der  SAviGXY'schen  Abbildung  von 
L.  linmris  Sauss.  gegründet  und  seit  ihrer  Entdeckung  von  keinem 
Sammler  in  Äg3'pten  wieder  aufgefunden  wurde,  einfach  nicht 
existiert  und  mit  S.  grobheni  Werk.,  bei  welcher  Art  die  distalen 
Antennenglieder  mitunter  allerdings  schwer  zu  unterscheiden  sind, 
identisch  ist.  Ich  habe,  als  ich  meine  Art  aufstellte,  zwar  die  große 
Ähnlichkeit  mit  der  SAUssuEE'schen  Art  bzw.  mit  der  SAViGNY'schen 
Abbildung  bemerkt,  bin  aber  auf  einen  Vergleich  nicht  eingegangen, 
weil  ich  die  Verschmelzung  der  distalen  Antennenglieder  für  eine 
unumstößliche  Tatsache  und  —  was  ich  auch  jetzt,  falls  sie  sich 
bewahrheiten  würde,  annehmen  möchte  —  als  generisch  wertvolles 
Merkmal  hielt.  Es  erscheint  mir  fast  unglaublich,  daß  von  2  so 
ähnlichen  Arten,  wie  meine  Spliingonotus  und  die  SAviGxr'sche  Art 
sind,  nur  die  eine,  niemals  aber  die  andere  gefunden  werden  sollte. 

Die  Sphingonotus-AYten  des  Gebietes  lassen  sich  auf  folgende 
Weise  leicht  unterscheiden: 

1.  Hinterflügel  ohne  dunkle  Binde  oder  Flecken  2 
Hinterflügel  mit  dunkler  Binde  oder  Flecken  3 

2.  Elytren  mit  Längsstricheln  im  Discoidalfeld ;  distale  Antennen- 

glieder   schwierig    unterscheidbar;    Habitus    sehr    schlank; 
Hinterflügel  stets  hyalin  S.  grobheni 

Elytren  mehr  oder  weniger  deutlich  quergebändert;  distale 
Antennenglieder  deutlich  unterscheidbar;  Habitus  mehr  ge- 
drungen; Hinterflügel  meist  bläulich  S.  coerulans 

3.  Hinterflügel    an     der    Basis    rosenrot,     mit    dunkelbraunem, 

violettschillerndem  Flecken  am  Außenrand  S.  dernensis 

Hinterflügel  niemals  rosenrot,  mit  einer  vom  Außenrand  ent- 
fernten dunklen  Binde  4 

4.  Elytren  nicht  gebändert;   Hinterflügel  mit  kurzer,  den  Innen- 

rand nicht  erreichender  und  vom  Hinterrand  weit  entfernter 
Binde  S.  acrotyloides 

Elytren  mehr  oder  weniger  deutlich  gebändert;  Hinterflügel 
mit  vollständiger,  vom  Vorderrand  zum  Innenrand  reichender, 


118  Fraxz  Wernek. 

vom    Hinterrand   nur   höchstens   3  mm    entfernter   dunkler 
Binde  S.  aztirescens  (5) 

5.  Dunkle  Binde  des  Hinterflüg-els  relativ  schmal,  gegen  den 
Vorderrand  nicht  verschmälert,  vom  Hinterrand  gegen  3  mm 
entfernt;  Basalteil  der  Hinterfliigel  bläulich  S.  a.  azurescens 
Dunkle  Binde  der  Hinterflügel  breit,  gegen  den  Vorderrand 
verschmälert,  vom  Hinterrand  etwa  1  mm  entfernt.  Basal- 
teil der  Hinterflügel  beraucht.  Dimensionen  bedeutender 
als  bei  voriger  Form  S.  a.  hcdteatus 


Acrotyliis  Fieb. 

A.  versi<:olor  Bure. 

Kaeny,  Orthopt,   Sudan,   p.   357 — 358  und  Orthopt.  Küstengeb.   Oesterr.- 
Ung.,  p.   37. 

Weener,   Orthopt.   Aegypt.,  p.  420   {jiatniciis). 

PFiNOT,  Faune  de  TAlgerie,  p.   455  (patr/fel/s). 

Tripolis,  29./7.;  Ain  Sarah,  1./8.;  Tadschura,  17./7.;  Bengasi,  1.9.: 
Dernah,  13.,  18.,  19.,  25./8. 

Ich  möchte  alle  aus  Tripolis  und  Barka  mir  vorliegenden 
Acroiylus  dieser  kxt  zurechnen,  welche  in  Ägypten  ausschließlich 
vorkommt;  ob  die  aus  Tunesien  und  Algerien  angeführten  patrueUs 
nicht  auch  hierher  gehören,  kann  ich  wegen  Mangel  an  Material 
nicht  entscheiden,  möchte  es  aber  auch  annehmen.  Kaeny  erwähnt 
sie  von  Biskra. 

Die  Exemplare  variieren  sehr  in  der  Färbung;  die  Exemplare 
aus  Dernah  sind  mehr  gelbgrau,  die  aus  Ain  Sara  meist  hell  rot- 
braun, das  aus  Tripolis  dunkel  rotbraun. 

Auffallendere  Varietät  nur: 

?  aus  Bengasi:  Pronotum  hinter  der  Hauptquerfurche  weiß; 
ulnare  Hälfte  der  Flügeldecken  fahlgelb;  letzteres  auch  bei  1  $  aus 
Dernali. 

Vorkommen  nach  Kaeny:  Messina.  südliche  Balkanhalbinsel  und 
Inseln  des  Agäischen  und  Ionischen  Meeres,  Kleinasien,  Kaukasus, 
Transkaspien,  Amur,  Süd-Rußland,  Armenien,  Syrien,  Ägypten,  Sudan, 
Deutsch  Südwest-Afrika  und  Biskra. 


Oithoiiteren-Fauua  von  Tripolis  und  Baika.  119 

^f/natioides  Voss. 

U.  striattis  Voss. 

VOSSELEE,    Orth.    Alg.    Tuu.,    in:    Zool.    Jahrb.,    Vol.    16.    Syst.,     1902, 
p.   361,  tab.   17,  fig.  5 — 7. 

Tadschura,  17./7.  (1  $). 

Diese  kleine  Oedipodide  wurde  von  Vosselee  in  verschiedenen 
Teilen  von  Algerien  und  Tunesien  (Djelfa,  Bou  Saada,  Lagliouat, 
Bir  bou  Rekbali.  Sousse,  Graiba,  Gafsa,  Gabes)  aufgefunden. 

Das  Exemplar  von  Tadschura  stimmt  mit  der  Beschreibung  und 
Abbildung  Yosselee's  in  allen  wesentlichen  Punkten  sehr  gut  überein. 
Als  geringfügige  Abweichungen  möchte  ich  höchstens  die  durchweg 
schwarz   geäderten,   vollkommen  hyalinen  Hinterflügel  hervorheben. 

Färbung  dunkel  graubraun.  Stirn,  Wangen  und  Seitenrand  des 
Pronotums  gelbbraun.  Hintertibien  blaßblau  mit  schwarzspitzigen 
Dornen;  der  proximale  Enddorn  der  Innenseite  nahezu  ebenso  lang 
als  das  1,  Tarsenglied;  Tarsenkrallen  schwarzspitzig. 

Totallänge  16  mm,  Elytren  nur  unbedeutend  kürzer  (15  mm); 
Pronot  um  3  mm. 

Durch  das  lange  Pronotum  und  die  schief  nach  hinten  abfallende 
Stirn  unterscheidet  sich  unsere  Art  von  allen  nord-afrikanischen 
Formen  der  Gruppe,  auch  von  der  relativ  noch  am  ähnlichsten 
Gattung  Leptoscirtus. 

Le2)topt€rnis  Sauss. 

L.  rJianises  Sauss.  (Taf.  5.  Fig.  2). 

SaüSSURE,  Mitth.  Schweiz.  Entomol.  Ges.,  Vol.  8,  p.  94. 
Savigny,  tab.  7.  fig.   15,  —  Krauss,  p.  266. 
"Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  419. 

Tripolis,  26./7.,  1./8.;  Ain  Sarah,  20,8.;  Tadschura,  17.7. 

Diese  bisher  nur  aus  Ägypten  bekannte  Art  erreicht  demnach 
erst  in  Tripolis  ihre  Westgrenze.  Die  vorliegenden  Exemplare  unter- 
scheiden sich  weder  in  Färbung  noch  Größe  von   den  ägyptischen. 


120  Franz  Werner 


Paehytylus  Fieb. 
P.  daniciis  L. 

Beunner,  Prodromus,   p.    172   {cuierascens). 
Saussuke,   Prodr.   Oedip.,  p.   119. 
Savigny,  tab.  6,  fig.   11 — 12.  —  Keauss,  p.  260. 
Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  421. 
FiNOT,  Faune  de  TAlgerie,  p.  481  (einerascens). 

VossELER,  Orth.  Alg.  Tun.,  p.  359  {einer asceMs).  —  Keauss  u.  Vosseler, 
Orth.   Orans,  p.   531. 

Ain  Sara,  1./8.;  Dernali.  20./8.  ($?). 

Von  den  beiden  Exemplaren  von  Ain  Sarah  ist  das  eine  hellgrün; 
diese  Färbung-  geht  auf  dem  Abdomen  in  gelbbraun  über;  ulnarer 
Teil  der  Flügeldecken  fahlbräunlich.  Das  andere  ist  auf  Kopf  und 
Pronotum  dunkelgrün,  das  von  Dernah  olivenbraun,  bei  beiden  die 
Flügeldecken  entsprechend  dunkler. 

Diese  Heuschrecke  ist  weit  verbreitet  und  findet  sich  sowohl 
in  Süd-Europa  als  auf  den  Canaren,  in  ganz  Nord- Afrika,  im  Somali- 
land, auf  Mauritius,  in  Kleinasien,  SjTien,  Java,  Manila,  Japan  und 
Neuseeland. 

JEvemohla  Seev. 

E.  cisti  Fabe. 

Brünnee,  Prodi-.,  p.   182. 

Saussure,  Prodr.  Oedipod.,  p.   228  {pulchripennis). 
Savigny,  tab.  7,  fig.   16.  • —  Keauss,  p.  267  (puleJiripennis). 
VOSSELEE,  in:  Zool.  Jahrb.,   Vol.   17,   Syst.,    1902,  p.   384. 
Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.  484,  485  {eidi  et  chivelii). 
Wernee,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  421. 

Bengasi  (leg.  Haimann). 

Diese  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  nicht  gefundene  Art  ist  über 
fast  ganz  Nord- Afrika  und  Syrien  verbreitet. 


Unterf am .  Pyrgomorph idae. 

JPyrgoniorpha  Serv. 

P,  conica  Oliv. 

Brunner,  Prodromus,  p.   185  {(jrylloides). 
BOLIVAR,  Pirgomorfinos,  p.  82  (gryUoides). 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  121 

FlNOT,  Faune  de  TAlgerie,  p.   490  (fpijlloidrs). 

Wekneii,   Orthopt.  Aegypt.,  p.   422  ((/ri/lloidcs). 

Kkauss  u.  Vos^elek,  p.  536.  —  Vosselek,  p.  387,  fig.  {gnjlloides). 

Tripolis  (Juli.  Aug.);  Dscliebel  Tegrinna  (19./9);  Dernali  (19., 
25./8).  —  Außerdem:  Tocra  {.^Pygomorpha  grcmosa^^  in:  Haimann, 
Cyrenaica,  p.  140). 

Keins  der  Exemplare  ist  grün  oder  scheint  auch  nur  grün  ge- 
wesen zu  sein;  eins  aus  Tripolis  ist  gelbbraun  (c5),  die  übrigen  grau- 
braun bis  grau.  Die  seitlichen  Ijängskiele  des  Pronotums  sind,  wie 
von  Vosseler  für  diese  Art  angegeben,  aucli  hinter  der  Haupt- 
querfurche vollkommen  deutlich;  dagegen  erinnert  der  Umriß  der 
Seitenlappen  teilweise  sehr  an  F.  cognain.  Ich  kann  aber  mit  dem 
besten  Willen  keinen  specifischen  Unterschied  darin  finden,  da  schon 
die  wenigen  mir  vorliegenden  +?  alle  Übergänge  von  einer  zur 
andern  Art  erkennen  lassen  und  das  Pronotum  der  SS  auch  von 
denselben  Fundorten,  woher  5$  niit  co(/M«i'rt-Seitenlappen  stammen, 
stets  typisch  wie  bei  coaka  aussieht.  Es  ist  ja  möglich,  daß  beide 
Formen  in  gewissen  Gegenden  des  tropischen  Afrikas  schärfer  ge- 
schieden sind,  in  Nord- Afrika  scheint  mir  dies  aber  nicht  der  Fall 
zu  sein,  wie  ich  dies  auch  für  Ägypten  behaupten  kann. 

Verbreitung:  Spanien,  Portugal,  Süd-Frankreich,  Mittel-Italien, 
Griechenland,  Kleinasien,  Syrien,  ganz  Nord-Afrika,  Sudan,  Erythraea. 

P.  alhotaeniata  n,  sp, 

(Taf.  5,  Fig.  6.) 

Tripolis,  Anfang  August  (+);  Tadschura,  17./7.  ($);  Gherran, 
13./7.  is). 

Graubraun,  gelbbraun  oder  olivengrün,  mit  einer  weißen  Längs- 


'»D*""?       '^'^^       v^i.iv^i        ,,^,.^K^X,.      J^IVWJ,. 


binde  vom  hintern  Augenrand  über  die  Wange,  den  untern  Rand 
des  Pronotums,  bis  zur  Insertion  des  Hinterschenkels  und  auf  dessen 
untern  Rand  fast  bis  zum  Knie  verlaufend;  diese  Binde  ist  nur  bei 
dem  Exemplar  von  Tripolis  undeutlich;  sie  ist  nach  oben  von  einer 
ebenso  breiten  schwarzbraunen  Binde  begrenzt,  welche  über  den 
Außenrand  der  Elytren  hinzieht.  Kopf  mit  einem  über  Vertex  und 
Occiput  verlaufenden  Mittelkiel.  Antennen  zwischen  den  Vorder- 
rändern der  Augen  eingelenkt.  Pronotum  mit  Mittelkiel,  nahezu 
parallelen  Seitenrändern  des  Discus  und  ohne  Erhöhung  hinter  der 
Hauptquerfurclie.  Unterrand  der  Seitenlappen  horizontal,  wenig  ge- 
schweift, Hinterwinkel  ein  rechter  bis  zum  obei-n  Rande  des  weißen 


122  Franz  Werner 


Bandes,  von  hier  zieht  der  Rand  scliief  nach  hinten.  Elytren  bis 
zum  Hinterrand  des  1.  Abdominalseg-ments  reichend;  in  der  Mittel- 
linie ein  wenig-  übereinanderg-reifend.  Hinterflüg-el  rudimentär,  -wenig 
die  Mitte  des  Metanotums  überrag-end.    Gliedmaßen  schlank. 


Länge 

15  mm 

(?>. 

12  mm  (S) 

Pronotum 

4 

m 

3          (6) 

Elytren 

4 

in 

2,3        (6) 

Hinterschenkel 

8.5 

(?). 

~(        (s). 

Die   4   nord-afrikanischen    Pyrgomorpha- Arten    lassen    sich    auf 
folgende  Weise  leicht  unterscheiden : 

1.  Flugorgane  vollständig  ent-v\'ickelt  2 
Flugorgan  verkürzt  3 

2.  Unterrand  der  Pronotumseitenlappen  konkav;    Kiele   des  Pro- 

notums  hinter  der  Hauptquerfurche  undeutlich       P.  cognata 
Unterrand  gerade.  Seitenkiele  deutlich  P.  conica 

3.  Elytren  in  der  Mittellinie  mindestens  aneinanderstoßend 

P.  alhotaeniata 
Elytren  sehr  klein,  vollkommen  lateral  P.  dehilis. 


Unterfam.  Pamphagidae. 
Faniphcifftis  Thunbg. 

P,  orientaJis  n.  sp. 

(Taf  5.  Fig.  4.) 

1  ?  von  Dernah,  20./8. ;  -wahrscheinlich  auf  dem  felsigen  Plateau 
im  Südosten  der  Stadt. 

Diese  Art  steht  dem  P.  algericus  Br.  am  nächsten,  unterscheidet 
sich  aber  durch  die  kürzern  Arolii  zwischen  den  Krallen  der  Tarsen 
(kürzer  als  diese),  durch  die  unregelmäßig  gefelderte  Innenfläche  der 
hintern  Femora  und  die  schwarzspitzigen,  aber  nicht  an  der  Basis 
schwarz  umrandeten  Dornen  der  Hintertibien. 

Kopf,  Pronotum  und  Abdomen  grubig  punktiert;  Färbung  hell 
graugelb,  ganz  ohne  Zeichnung.  Antennen  hellgrau,  schwarz  punktiert, 
16g-liedrig;  Seitenlappen  des  Pronotums  vorn  rechtwinklig,  hinten 
stumpfwinklig,  dei'  Vorderrand  schwach  konkav,  mit  dem  der  andern 
Seite   einen  stumpfen,  aber  deutlichen  Winkel  bildend,  der  Hinter- 


Oithoptereu-Fauna  von  Tripolis  imd  Barka.  123 

raiid  konvex  (stumpfwinklig;,  mit  abo-erundeter  Ecke)  mit  dem  der 
andern  Seite  eine  ganz  seichte  hintere  Ausrandung  des  Pronotums 
bildend;  Unterrand  gerade.  Meso-,  Metanotnm  und  Abdomen  in  der 
Mitte  gekielt.  Supraanalplatte  dreieckig  zugespitzt,  mit  konkaven 
Seitenrändern;  Cerci  kegelförmig,  klein;  Subgenitalplatte  quer  ab- 
gestutzt. Außer  den  Tibialdornen  sind  auch  noch  die  Krallen  (auch 
an  den  Vorder-  und  Mittelbeinen)  schwarzspitzig;  die  Außenkiele 
der  Hinterfemora  in  größern  Abständen  schwarz  punktiert.  Die  Form 
des  Kopfes,  Lage  der  Querfurche  des  Pronotums  und  was  sonst  hier 
nicht  erwähnt  wurde,  ist  wie  bei  P.  algermts.  Der  Yorderrand  des 
Prosternums  ist  nicht  dreieckig,  sondern  schwach  bogenförmig  aus- 
gerandet. 


Totallänge 

59  mm 

Pronotum 

11 

Elj^tren 

10 

Hinterschenkel 

22 

Das  Vorkommen  eines  Pamphaijm  im  Gebiete  von  Barka,  welche 
Gattung  in  Ägypten  vollkommen  fehlt,  ist  von  zoogeographischer 
Bedeutung.  Wenn  wir  die  Verbreitung  dieser  im  westlichen  Teile 
des  Mittelmeerbeckens  so  artenreichen  Gattung  nach  Osten  betrachten, 
so  finden  wir  —  ganz  wie  bei  der  ebenfalls  flugunfähigen  Laub- 
heuschrecken-Gattung EpMpimjer  —  eine  starke  Abnahme  nach  Osten. 
Doch  geht  Pamphagns  noch  weiter  und  zwar  über  Candia.  wo  der 
östlichste  Epliippiger  {idomenaei  Luc.)  vorkommt,  nach  Cypern,  Syrien 
und  dem  südlichen  Kleinasien.  Alle  östlichen  Formen  haben  den 
Habitus  der  oben  beschriebenen  Art,  doch  gehören  die  syrisch- 
kretensischen  Arten  einer  andern  Gruppe  (mit  deutlich  dreikantigen 
Fühlern)  an.  —  Schon  in  Haimann's  „Cyrenaica*',  p.  140,  ist  ein 
Pamphagus  aus  dem  Gebiete  (Bengasi)  angeführt,  der  vermutlich  der- 
selben Art  ano-ehört. 


Unterfam.  Locustidac. 
Lociista  L. 

i.  aeyijptia  L. 

Brükxer,  Prodromus,  p.   213,   fig.   49  {Airidivm). 
FiNOT,  Faune  de  l'Algerie,  p.  532  {Acridium). 


124  Franz  Werner, 

Savigny,  tab.  7,  fig.  3.  —  Krauss,  p.  263  (Äcridium). 
VossELEK,  p.  394.  —  Keauss  u.  Vosseler,  p.  541  (Aa-idium). 

Tripolis,  Anfang  Aug-nst;  Meschia,  7.,  7.;  Mimima,  20.;9.  (??); 
Dernali.  August  (weibliche  Nymphe). 

Diese  Art  kommt  überall  um  das  Mittelmeer  herum  vor.  geht 
aber  nicht  in  die  Wüsten  Xord-Afrikas  hinein  wie  Sckistocerca,  sondern 
bevorzugt  die  immergrüne,  mediterrane  Buschvegetation;  auch  an 
grasigen  oder  sumpfigen  Stellen  fehlt  sie. 


Devicor(js  Serv. 

D.  miUiet'ei  Finot. 

Fingt,  Ann.  Soc.  Entomol.  France,    1884. 

BoNNET   et  Fingt,   Orthopt.  Tunisie,  tab.   6,   fig.   7 — 14. 

Fingt,  Faune  de  TAlgerie,  p.  529. 

Krauss,  p.  245.  —  Vosseler,  p.  394. 

1  ?  (Dernah.  zweite  Hälfte  August). 

Diese  Art  gehört  der  algerisch-tunesischen  Fauna  an,  und  obiger 
Fundort  ist  der  östlichste  bisher  bekannte.  In  Ägypten  wird  sie 
durch  die  weit  größere  I).  cnrnipes  Redt,  ersetzt.  Ich  fand  sie  An- 
fang Mai  1893  zahlreich  im  Nymphenstadium  bei  El  Outaia,  nördlich 
von  Biskra,  diese  Nymphen  sind  aber  viel  bunter,  grün,  mit  grell- 
weißen Plecken  auf  Pronotum,  Flügelscheiden  und  Hinterschenkeln, 
während  obiges  ?  oliveubraun  ist.  mit  einem  dunklen  Seitenband 
des  Pronotums  vom  Vorderi-and  bis  zur  Hauptquerfurche.  Morpho- 
logisch ist  aber  kein  Unterschied  zu  bemerken. 


Mttpvexiocneniis  Fieber. 

E.  2?lorans  Charp. 

Brunner,  Prodromus,  p.  220. 
Savigny,  tab.  7,  fig.  3.  —  Krauss,  p.  263. 
Fingt,  Faune  de  l'Algerie,  p.  541. 
Werner,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  427. 
Krauss,  p.  248. 

Mell'aha,  11./?.;  Ain  Sarah,  20./7. ;  Endschila,  23./7.  {SS,  ??,  Larven 
und  Nymphen  verschiedener  Stadien,  von  Mellaha  keine  Imagines). 
—  Von  Grgthe  in  Tripolis  gefunden  (Mus.  Senckenberg). 


Orthopteren-Fauna  von  J'ripolis  und  Barka.  125 

Nach  der  Zalil  der  gesammelten  Exem])lare  zu  schließen,  muß 
diese  Heuschrecke  in  Tripolitanien  ebenso  häufig-  sein  wie  an  den 
entspreclienden  Lokalitäten  (Schilf  und  ähnliche  kieselsäurereiche 
(iTäser,  die  auch  Paclujtijlus  liebt)  in  Ägypten.  Grundfärbung  meist 
ockergelb,  seltner  graubraun;  der  dunkle  PronotumÜeck  bei  einigen 
liellen  Exemplaren  aus  Ain  Sarah  stark  verblaßt.  Hinterschienen 
bei  den  Larven  und  Nj'mphen  rotgelb,  bei  den  Imagines  blauviolett, 
stets  mit  weißen,  schwarzspitzigen  Dornen. 

Weiteres  Vorkommen:  Süd-Spanien,  Sicilien,  Syrien,  Algerien 
und  Tunesien,  Ägypten,  ägyptischer  Sudan,  Gabun. 


T/iisoicetnis  Br. 

Th.  littoral is  Ramb. 

Bruxner,  Prodroraus,  p.   221,  fig.  52  {Euprepoenewis). 

Savigny,  tab.   7,  fig.  5.  —  Krauss,  p.  264. 

Fingt,  Faune  de  TAlgerie,  p.  543. 

Werner,  Ortbopt.  Aegypt.,  p.  427. 

Krauss,  p.  247.  —  Vosseler,  p.  395.  —  Krauss  u.  Vosseler,  p.  542. 

Ain  Sarah,  1./8.;  Tripolis,  Umgebung,  Anfang  August;  Dschebel 
T'kut.  18./9.  ((?,  %  letzteres  auffallend  groß). 

Von  der  nachfolgenden,  im  Gebiete  anscheinend  entschieden 
häufigem  Art  nicht  immer  leicht  zu  unterscheiden.  Als  Färbungs- 
unterschiede fallen  auf:  1.  Die  hellen  Seitenstreifen  des  Hinterkopfes 
und  Pronotums  setzen  sich  auf  die  Eh'tren  fort.  2.  Dunkle  Flecken 
der  Elytren  viel  größer.  3.  Die  hellere  Färbung  des  ganzen  Körpers 
—  bei  adspersus  rotbraun.  4.  Die  dunklen  Binden  der  Hinterschenkel 
sind  zwischen  den  3  obern  Kielen  blasser  oder  fehlen  daselbst  ganz 
(nicht  immer  charakteristisch). 

Das  S  von  Dschebel  T'kut  mißt  19,  das  ?  46  mm. 

Das  Exemplar  von  Ain  Sarah  ist  intermediär  zwischen  dieser 
und  der  folgenden  Art. 

Weiteres  Vorkommen :  Spanien.  Rhodus,  Samos,  Syrien.  Kordofan. 
Somaliland,  Algerien,  Tunesien. 


126  Franz  Werner, 

T/<.  adspersus  Redt, 

RedtenbacHEE,  in:  "Wien,  entomol.  Zeit.,  Vol.  8,  p.  30. 
Savigny,  tab.   7,  fig.  6.  —  Kkauss,  p.  264. 
Weener,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  426. 

Beng-asi,  Anfang  September;  Sejanah,  4.9. 

Vertritt  anscheinend  im  Gebiete  von  Barka  die  vorige  Art, 
wälirend  sie  bei  Alexandrien  mit  ihr  und  Euprcpocnemis  gemeinsam 
vorkommt. 

Durch  die  fein  dunkel  getüpfelten,  niemals  ein  weißes  Ulnar- 
band  tragenden  Flügeldecken,  die  deutlich  gebänderten  Hinter- 
schenkel und  die  Färbung  meist  leicht  von  littorcdis  zu  unterscheiden. 

Bisher  nur  aus  Ägypten  und  Turkestan  nachgewiesen. 

Call i'2)tainns  Seev. 

C.  itallcus  L. 

Beunnee,   Prodroraus,   p.   217. 

Savigny,  tab.  7,  fig.  4.  —  Keauss,  p.  264. 

Fingt,  Faune  de  TAlgerie,  p.   545. 

Weener,  Orthopt.  Aegypt.,  p.  426. 

Vosselee,  Orthopt.  Alg.  Tun.,  p.  395.  —  Keauss  u.  Vosselee,  Orthopt. 
Orans,  p.  542. 

Von  den  meisten  besuchten  Lokalitäten  vorliegend:  Tripolis,  9., 
27./7.;  Ain  Sarah,  20./7.,  1./8.;  Gherran,  13.,  14./7.;  Mimuna,  20./9.; 
Gharian-Gebirge.  16. — 18./9.;  Dschebel  Gosseba,  16./9.;  Dschebel  T'kut, 
18./9.;  Bengasi,  6.,  7./9.;  Dernah,  20./8.  —  1  ?  von  Grothe  in 
Tripolis  gefunden  (Mus.  Senckenbergj. 

Ziemlich  variabel  in  der  Färbung,  aber  meist  graubraun,  selten 
rotbraun  (Ain  Sarah);  je  1  Exemplar  der  var.  margindla  Seev.  aus 
Gherran  und  Ain  Sarah.  Die  längsten  Flugorgane  besitzt  1  ?  aus 
Tripolis,  die  kürzesten  ein  fast  einfarbig  gelbbraunes  $  aus  Dernah 
(kürzer  als  das  Abdomen).  Die  lebhafte  Färbung  der  Innenseite  der 
Hinterschenkel  bei  den  meisten  Exemplaren  entspricht  der  var. 
desertkola  Voss.;  bei  dem  kurzüügligen  $  aus  Dernah  sind  sie  ein- 
farbig. 

Mittel-  und  Süd-Europa,  Syrien,  Ägypten,  Nord-Sudan  (Nubien), 
Algerien,  Tunesien. 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka. 


127 


Sjyhoilronierus  Stäl. 


Sph.  coernJans  n.  sjy. 

(Taf.  5,  Fi^.  1.) 

Im  wesentlichen  zwischen  *S^)//.  crnentatns  Krauss  und  decolorains 
FixoT,  mit  dem  erstem  in  der  Färbung-  der  liintern  Femora,  mit 
dem  letztern  in  den  meisten  morphologischen  Merkmalen  überein- 
stimmend, von  beiden  durch  die  hellblauen  Hinterflügel  leicht  unter- 
scheidbar. 

$:  Färbung-  hell  g-elbbraun,  Pronotum  und  Kopf  oberseits  etwas 
mehr  rötlich,  die  Elytren  bräunlich-weiß.  Abdominaltergite  dunkel 
gesäumt.  Hinterbeine  genau  wie  bei  cruentatns  gefärbt,  nur  Tibia 
und  Tarsus  orangerot  anstatt  blutrot.  Antennen  hellbräunlich  oder 
gelblich-weiß.  Elytren  an  der  Basis  gefleckt,  g-egen  die  Spitze  mit 
dunklen,  der  Spitze  parallelen,  gebogenen  Querbändern,  die  aber 
entweder  unterbrochen  oder  zum  Teil  gegabelt  sind.  —  Augen  hinten 
von  radiären  schwarzen  Linien  umgeben.  Hinterflügel  blau  wie  bei 
Sphingonotus  coernlans,  aber  mit  schwarzen  Adern. 

Das  Pronotum  besitzt  einen  deutlichen  Mittelkiel ,  der  durch 
3  Querfurchen  unterbrochen  ist,  deren  hinterste  ziemlich  genau  in 
der  Mitte  gelegen  ist.  Vorderrand  g-erade,  in  der  Mitte  etwas  ein- 
gekerbt, Hinterrand  stumpfwinklig,  der  Winkel  abgerundet.  Seiten- 
lappen mit  geradem  oder  gebogenem  Unter-,  vertikalem  Vorder-  und 


Sfürmig  geschwungenem,  schiefem  Hinterrand. 


Hinterflügel  das  Ab- 


5—6   außen.     Obere   Kante 


dornen  wenig  überragend. 

Dornen   der   Hintertibien   7   innen, 
der  Hinterschenkel  deutlich  gesägt. 

Über  die  Proportionen  geben  folgende  Vergleichszahlen  Aufschluß: 


9 

decoloratus 

cruentatns 

coernlans 

Totallänge 
Pronotum,  Länge 
Elytren 
Hinterschenkel 

39 

9 

27 

0 

39 

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23 

18 

40 
9 

27.5 
22 

Dschebel  Gosseba,  16./9.  (2  ?+). 
1    drittes,    kleineres    $.    gleichfalls 


aus    dem    Gharian-Gebirge 


möclite  ich   als  var.  intermedia  n.   bezeichnen.     Kopf  und  Pronotum 
sind  hier  ungefleckt,  ebenso  die  Flügel  hyalin,  stark  glänzend,  schwarz 


128  Franz  Werner, 

geädert.     Diese  Form  wäre  eigentlich  als  Stammform  des  typischen 
coerulans  und  des  cruentatus  zu  betrachten. 

Aus  Nord- Afrika  kannte  man  bisher  keinen  Sphodromerus  östlich 
von  Algerien ;  in  Ägypten  wurde  weder  der  algerische  Spli.  decoloraius 
noch  der  west-asiatische  >Sph.  serapis  gefunden. 


Opshomula  Sekv. 

O.  cyJindrica  Maesch. 

Beunner,  Prodromus,  p.   232,  fig.  55. 
Savigny,  tab.  6,  fig.  6.  —  Krauss,  p.  258. 
FiNOT,  Faune   de  l'Algerie,  p.   550. 
Werkek,  Orthopt.  Aegypt.,  p.   424. 
Krauss  u.  Vosseler,  Orthopt.  Orans,  p.  543. 
Krauss,  Orthopt.  Sahara,  p.  248. 

Endschila,  23./7.  (?$).  —  Diese  goldschimmernde  Heuschrecke 
lebt  überall,  wo  sie  vorkommt,  auf  hohen,  stachligen  Gräsern. 

Sonst  noch  auf  Menorca,  Sicilien.  Kephalonia,  Griechenland. 
Kleinasien,  Syrien.  Ägypten,  Algerien  und  Tunesien.  Eine  der 
wenigen  aus  Tripolitanien  bereits  bekannten  Arten. 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka. 


129 


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Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst. 


130 


Feanz  Werner, 


Sonstige 
Verbreitung 

-7. 

Senegal  bis 

zum  Roten 

Meer 

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Arabien 

Senegal 

Congo 

Tropisches 

Afrika  und 

Asien 

5 

Samarkand 
Abessynien 

13 
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Teneriffa 

Marokko 

Nord-Sudan 

Schoa 

Süd-Mittel- 
Europa 

Syrien 
Kleinasien 

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Ortliopteren-Fauua  von  Tripolis  und  Barka. 


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132 


Fbanz  Werner, 


Sonstige 
Verbreitung 

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Asien 
Australien 

Transkaspien 

Senegal 

Sudan 

Uganda 

Somaliland 

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Senegal 
Sudan 

Sudan 
Congo 

Süd-Mittel- 
Europa 

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Syrien 
Kleinasien 

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Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  ßarka. 


133 


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Sibirien 

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Indien 

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Hereroland 

Kaukasus 
Transkaspien 
Amur 
Sudan 
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Afrika 

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134 


Franz  Werker, 


Sonstige 
Verbreitung 

Mauritius 

Java 

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Japan 

Neuseeland 

Sudan 
Erytliraea 

Sudan 
Gabun 

Süd-Mittel- 
Eui'opa 

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Syrien 
Kleinasien 

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Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka. 


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136 


Franz  Werner, 


Arten,    welche  in  Nordwest-Afrika  und  Ägypten  vor- 
kommen,   in  Tripolis  und  Barka    aber  noch  nicht  gefunden 

wurden: 


1.  Forftcula  hiecifti 

2.  riaU)cleis  grisea 

3.  Spkingonotus  mecheriae 

4.  „  odofasciatus 

5.  „  sarignyi 

6.  Eremocharis  insignis  ') 

7.  Acridium  ruficorne 


8.  Schistocerca  pcregrina 

9.  Tridadyhis  variegatus 

10.  Grylhis  hurdigahnsis 

11.  „        consohrinus 

12.  „        algirius 

13.  „        deserfus 

14.  Oecanthus  pellucens 


Mantodea; 


Tettigonioidea; 


Familien,    von  welchen    in  Tripolis  und  Barka  bisher  kein 

Vertreter    geifunden    wurde,    die    aber    in   Nordwest-Afrika 

oder  Ägypten  vertreten  sind: 

Blattodea:  Panchloridae  {Nauphoeta  in  Ägypten) 

Perisphaeriidae  {Perisphacria   in  Ägypten) 
Amorphoscelidae  (Discothcra  in  Tunesien) 
Vaiidae  {Secerinia  in  Algerien  und  Tunesien) 
PJianeropteridar     (in     Ägypten     und     Algerien     durch 

mehrere  Arten  vertreten) 
Meconemidae  (in  Algerien) 
Tcttigoniidae  (in  Algerien) 
Ephippigeridae  (in  Algerien  und  Tunesien) 
Hetrodidac  (in  Algerien  und  Ägypten) 
Oecanthidae  (Algerien  und  Ägypten) 
Mgrmecophilidae  (Algerien) 
Trigonidiidae  (Algerien) 
Trklactylidac  (Algerien  und  Ägypten) 
Eremohiidae  (in  Algerien  und  Ägypten  durch  Eremohia 

und  Eremocliaris  vertreten) 


Achetoidea; 


Locustoidea: 


Mit  Algerien  und  Tunesien,   nicht  aber  mit  Ägypten 


gemeinsam; 


1.  Aphlebia  trivitfata 

2.  Ceuiromantis  denticolHs 

3.  Ameles  decolor 

4.  Jdolomorpha  longifrons 

5.  Bacillus  IripolUanus 

6.  ?  Decticus  albifrons 

7.  '?  Plaiydeis  interviedia 

8.  Conocephcdus  nüidulus 


9.  Trigonidium  cicmdeloides 

10.  Mogisoplistus  hrunneus 

11.  Bmdiytrupes  megaccplialus 

12.  ?  Cliorth'ippus  pidvinatus 

13.  ?  Dociostauras  maroccanus 

14.  Oedipoda  coendescens 

15.  Egnatioides  str latus 

16.  Dericorys  millierei 


1)  Von  Dr.  Walther  Innes  Bey  für  Ägypten  nachgewiesen. 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka. 


137 


Mit  Ägypten,    aber   nicht   mit  Nordwest-Afrika 

gemeinsam: 


1.  Pohjphaga  ursina 

2.  ?  Elaea  marchali 

3.  Xiphidion  aethiopitmi 

4.  Phlaeoba  fracta 


5.  Leptopternls  i-Jiantses 

6.  Sphingonoins  grobbeni 

7.  Thisoicetrus  adsperstis 


Mit  dem  "West-Sudan  (Senegal)  gemeinsam: 


Lahidura  riparia 
PhgllodroDiia  germanica 
Periplanda  ainericayia 
Stylopyga  orierdalis 
Sphodroniantis  biocidata 
Mantis  reUgiosa 
O.ujthespis  gramdata 
Brach gtrupes  megacepJiahis 
Acridella  rariabüis 
Calephorus  compressicornis 


Kosmopoliten,    hier    und    in    der    nachstehenden 
Tabelle  nicht  in  Betracht  gezogen 


Mit  dem  Ost-Sudan  (und  Äthiopien)  gemeinsam: 


Elaca  viarchali 
Sphodromantis  biocidata 
Mantis  religiosa 
Empusa  egena 
Blepharis  mendica 
Conoccphalus  nitididus 
Xiphidion  aethiopicum 
Trigonidiuni  cicindeloides 
Gnjilolcdpa  africana 
Liognjllns  himaculatus 
Acheta  domestica 
Paratettix  mei-idionalis 


Äcrida  turrita 
Acridella  variabilis 
Ochrilidia  tibialis 
Calephorus  compressicornis 
Aiolopiis  thcdassinus 
SpJängonotns  coeruJans 

„  azurescens 

Acrotylus  versicolor 
Pijrgomorpha  conica 
Eiiprepocnemis  plorans 
Th isoicetrus  littoralis 


Bisher   nur  aus  Tripolis  oder  Barka  bekannt: 

1.  Ariisolahis  iripoliiana,  Küste  bei  Tripolis 

2.  Pohjphaga  harny,  Wüste  bei  Tripolis 

3.  Gharianiis  klajdoczi,  Dschebel   Gharian 

4.  Acheta  cyrenaica,  Umgebung  von  Bengasi 

5.  „        tripunctata,  Ain  Sarah  bei  Tripolis 

6.  Sphingonotiis  dernensis,  Dernah 

7.  „  acrotyloides,  Tripolis 

8.  Pyrgomorpha  albotaoiiata,  Tripolis  und  Umgebung 

9.  Pamphagus  orientalis,  Dernah 


10. 


Sphodromerus  coerulans. 


Dschebel  Gharian. 


138  Franz  Werner, 

Aus  den  vorhergehenden  Tabellen  und  Übersichten  ergibt  sich, 
daß  das  Gebiet  von  Tripolis  und  Barka  entschieden  eine  größere 
Übereinstimmung  mit  den  Nachbarländern  im  Westen  als  mit  Ägypten 
aufweist,  auch  dann  noch,  wenn  die  bisher  zweifelhaften  Arten 
Plafycleis  intermedia,  Dedicus  albifrons,  Chorthippus  pulvinatus  und 
Dociostaurus  maroccanus  in  Ägypten  gefunden  würden,  was  ich  aber 
nur  für  die  erst-  und  letztgenannte  Art  annehmen  möchte.  Die  in 
Ägypten  so  deutliche  Verarmung  der  Orthopteren-Fauna  im  Ver- 
gleich zu  Nordw^est-Afrika  ist  in  unserm  Gebiet  schon  vorbereitet: 
die  in  Algerien  und  auch  in  Tunesien  so  überaus  artenreiche  llug- 
unfähige  Laubheuschreckenfamilie  der  EpMppigeridae  fehlt  an- 
scheinend schon  in  Tripolis  vollständig  und  bleibt  auch  von  hier 
ab  bis  Ägypten  und  West- Asien  unvertreten,  während  sie  auf  den 
Mittelmeerinseln,  obwohl  von  der  Pyrenäenhalbinsel,  die  ähnlich 
artenreich  ist  wie  Algerien,  nach  Osten  stark  abnehmend,  doch  noch 
bis  Kreta  {E.  idomenaei  Luc.)  vordringen.  Nahezu  ähnlich  verhält 
sich  die  ein  Seitenstück  zu  den  Ephippigeriden  bildende  Feld- 
heuschreckengruppe  der  Famphagidae ,  die  ihr  Hauptverbreitungs- 
gebiet in  Spanien  und  Algerien  hat  und  in  Nord-Afrika  nach  Osten 
rasch  abnimmt.  Der  östlichste  nord-afrikanische  Pamphagus  ist  von 
Herrn  Dr.  Klaptocz  bei  Dernah,  also  im  Gebiet  von  Bai-ka,  ge- 
funden worden;  in  Ägypten  wurde  niemals  eine  Pamphagus- kvi  be- 
obachtet, dagegen  geht  die  Gattung  auf  den  Mittelmeerinseln  über 
Sardinien,  Sicilien  und  Kreta  bis  Kleinasien  und  Syrien.  Andrerseits 
ist  von  der  in  Ägypten  und  dem  ägyptischen  Sudan  vertretenen, 
sehr  auffälligen  und  daher  kaum  zu  übersehenden  Gattung  Poe- 
cihcerns  niemals  eine  Art  westlich  von  Ägypten  gefunden  worden, 
obwohl  die  Poecihcerus- Arten,  wie  ich  mich  in  Kordofan  überzeugen 
konnte,  tüchtige  Flieger  sind. 

Wenn  wir  die  vorläufig  für  unser  Gebiet  charakteristischen, 
sowie  die  mit  Nordwest-Afrika  einer-,  mit  Ägjiiten  andrerseits  ge- 
meinsamen Arten  auf  ihre  Flugfähigkeit  untersuchen,  so  erhalten 
wir  folgendes  Ergebnis: 

Eigentümliche  Arten  von  Tripolis  oder  Barka: 

Flugunfähig  in  beiden  Geschlechtern: 
Anisolahis  tripolitana 
Gharianus  Idaptocsi 
Pyrgomorpha  albofaeniafa 
Pampliagus  orientaUs. 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  139 

Flug-unfähig-  im  weiblichen  Geschlecht  allein: 
Folyphaga  Jcarny;  Achcta  tripuncfata?  ^) 

In  beiden  Geschlechtern  fliegend: 
Aclieta  cyrenaica 

Sphingonotus  dernensis  und  acrotyJoides 
Sphodromeriis  coerulans. 

Gemeinsam    mit   Nord  w est- A  frika: 

Flug-unfähig-  in  beiden  Geschlechtern: 

Aplilehia,  Centromantis,  Bacillus,  MogisopUstus. 

Flugunfähig  im  weiblichen  Geschlecht: 
Ameles  decolor. 

G  e  m  e  i  n  s  a  m   m  i  t  Ä  g  y  p  t  e  n : 

Flugunfähig-  in  beiden  Geschlechtern: 
Keine  Art. 

Flugunfähig  im  weiblichen  Geschlecht: 
Polypliaga  ursina,  EJaea  marcholi. 

Betrachten  wir  die  Arten  des  Gebietes  im  ganzen  auf  ihre 
Flugfälligkeit  hin,  so  sehen  wir  Folgendes: 

In  beiden  Geschlechtern  flugunfähig :  Anisolahis,  Aphlchia,  Cenfro- 
nianfis.  Eremiaphila,  Bacillus,  Gharianus,  Pyrgomorpha  alhotaeniata. 
Pamphagus,  3Iogisoplistus,  also  zusammen  9  Arten,  davon  5  für  das 
Gebiet  eigentümlich  (auch  die  Ereniiaphila  ist  noch  hierher  zu 
rechnen)  und  4  mit  Nord-Afrika  gemeinsam. 

Im  weiblichen  Geschlecht  flugunfähig:  Blaifa  orientalis,  Poly- 
pliaga, Elaea,  Ameles,  Oxythespis  (sehr  schwerfällig  und  ungern  fliegen 
auch  die  ??  von  Blantis,  SpJiodromanfis.  Iris  und  Fischeria),  Acheta 
tripunctata.  Von  ihnen  können  wir  die  über  g-anz  Nord-Afrika  ver- 
breiteten Mantiden  außer  Betracht  lassen.  Von  den  übrig-en  sind 
Blatta  und  Polyphaga  aegyptiaca  in  ganz  Nord- Afrika  zu  Hause,  eine 
Polyphaga  und  Elaea  mit  Ägypten.  Ameles  mit  Nordwest-Afrika  ge- 
meinsam und  Oxythespis  granulcda  überhaupt  noch  nicht  aus  Nord- 
Afrika  bekannt,  während  0.  sencgcdensis  sicher  außer  im  Sudan 
(W.  und  0.)  in  Nordwest- Afrika,   nicht  aber  in  Ägypten  vorkommt; 


1)  Ich  vermute  dies,  weil  die  Art  in  eine  Gruppe  gehört,  in  der  die 
$5  nicht  zu  fliegen  pflegen.  Dagegen  fliegen  die  Arten  der  burdigalcnsis- 
Gruppe  normalerweise  in  beiden  Geschlechtern. 


140  Franz  Werner, 

2  Arten   sind   nur   aus   dem   Gebiet  bekannt   {Polyphaga  Jcarnij  und 
Acheta  tripunctata). 

Wenn  wir  die  Zahlen  vergleichen,  so  haben  wir: 

Von  68  tripolitanisch-cyrenaischen  Arten  sind  nur  8  Arten  in 
beiden  Geschlechtern  flugunfähig,  also  nicht  ganz  12%;  weitere 
8  Arten,  also  abermals  12^,0«  ^^^^  flugunfähig  im  weiblichen  Ge- 
schleclit;  der  Rest,  also  über  76%,  sind  mehr  oder  weniger  gute 
Flieger. 

Von  den  für  das  Gebiet  charakteristischen  Arten  sind  44,4-'/„  in 
beiden  Geschlechtern^  22.2%,  im  weiblichen  Geschlecht  flugunfähig, 
daher  nur  33ß'%  gute  Flieger. 

Wenn  wir  nun  diese  Zahlenwerte  auf  ihre  Bedeutung  unter- 
suchen, so  können  wir  aus  ihnen  Folgendes  erkennen.  Alle  Arten 
des  Gebietes,  welche  in  beiden  Geschlechtern  der  Flugfähigkeit  ent- 
behren, sind  entweder  endemisch  oder  nur  wenig  in  Nord-Afrika 
und  zwar  in  Nord  w  e  s  t  -  Afrika  verbreitet.  Unter  denjenigen,  welche 
im  weiblichen  Geschlecht  schlecht  oder  gar  nicht  fliegen,  muß  man 
die  Mantiden.  welche  durch  ihre  Kokons  leicht  verschleppt  werden 
können,  nicht  ganz  so  werten  wie  die  übrigen  Formen,  und  auch 
von  den  Blattiden  sind  Blatta  und  Polyphaga  aegyptiaca,  die  in  Nord- 
Afrika  Hausbewohner  sind,  außer  Betracht  zu  lassen,  da  sie  ihre 
Verbreitung  sehr  der  unfreiwilligen  Mitwirkung  des  Menschen  ver- 
danken. Von  den  beiden  andern  Polyphagen  ist  eine  mit  Ägypten 
und  Syrien  gemeinsam,  die  andere  endemisch,  ebenso  wie  die 
Acheta-kvi. 

Wir  können  nun  gewiß  nicht  sagen,  daß  die  Anzahl  der 
endemischen  Arten  des  Gebietes  eine  große  sei,  sie  ist  es  nicht 
absolut  und  auch  nicht  relativ,  und  das  kommt  daher,  daß  diejenigen 
Formengruppen,  welche  zu  den  Endemismen  das  weitaus  größte 
Kontingent  stellen,  nicht  oder  schlecht  vertreten  sind,  indem  wir, 
wie  schon  eingangs  erwähnt,  die  Ephippigeriden  und  Pamphagiden, 
welche  die  Hauptmasse  der  nordwest-afrikanischen  endemischen 
Arten  ausmachen,  gar  nicht  bzw.  sehr  schwach,  die  Eremiaphilen, 
die  in  Ägypten  einen  hohen  Prozentsatz  nicht  nur  der  endemischen, 
sondern  der  ganzen  Orthopterenfauna  bilden,  ebenfalls  nur  duich 
wenige  Arten  vertreten  sind.  Was  sonst  zu  dem  endemischen  Art- 
bestand nord-afrikanischer  Orthopterenfaunen  beiträgt,  ist  ebenfalls 
entweder  schwach  oder  —  wie  kurzflüglige  Decticiden  und  Phane- 
ropteriden,  die  in  Algerien  immerhin  einige  Vertreter  haben  —  gar 
nicht   vorhanden.     Die   kurzflügligen   Phaneropteriden   haben   schon 


Orthoptereu-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  141 

vor  Tripolis  Halt  gemaclit  und  gehen  nicht  weiter  nach  Osten, 
ebensowenig  wie  die  langtiügligen  —  denn  die  ägyptischen  sind 
völlig  verschieden;  die  kurzflügligen  üecticiden  tun  dasselbe  wie  die 
entsprechenden  Phaneropteriden;  die  einzige  aus  Ägypten  bekannte 
Art  gehört  der  zwar  in  Syrien  und  Klein asien  gut  repräsentierten, 
in  Nordwest-Afrika  aber  fehlenden  Gattung  Pholidoptera  {Thanino- 
trizon)  an.  Bleiben  noch  Sagiden  und  Hetrodiden.  Auch  hier 
dasselbe.  Denn  die  ägyptische  Saga  ornata,  die  von  Kirby  ganz 
unberechtigterweise  von  der  syrischen  artlich  getrennt  wurde  (un- 
berechtigterweise 1.  deswegen,  weil  zwischen  der  SAviGNY'schen  Ab- 
bildung und  den  syrischen  Exemplaren  kein  Unterschied  besteht 
und  2.,  weil  in  Ägypten  wahrscheinlich  überhaupt  keine  Saga  vor- 
kommt und  die  Abbildung  bei  Savigny  wohl  auch  nur  auf  ein 
syrisches  Exemplar  gegründet  ist),  kann  aus  den  vorstehend  an- 
gegebenen Gründen  außer  Betracht  gelassen  werden,  und  die 
ägyptischen  und  nordwest-afrikanischen  Hetrodiden  sind  sogar  der 
Gattung  nach  verschieden.  Es  bleibt  also  in  Tripolis  und  Barka 
fast  nichts  von  denjenigen  Orthopteren  übrig,  die  eine  reiche 
Endemismenfauna  bilden  können,  die  einzelnen  eigentümlichen  Arten 
gehören  ebensovielen  verschiedenen  Gattungen  und  Familien  an. 
die  zum  Teil  auch  nicht  einmal  alle  Hugunfähige  Arten  enthalten 
(wie  z.  B.  Pijrgomorpha)  oder  sogar  gute  Flieger  sind  iSphodromeriis, 
SpJiingonotus). 

Es  ist  zweifellos,  daß  das  Hinterland  unseres  Gebietes  noch 
eine  reiche  Orthopterenausbeute  liefern  kann  und  daß,  wie  das  Vor- 
kommen der  Oxijthespis  und  der  neuen,  echt  troi)ischen  Phasmide  be- 
weist, auch  geographische  Überraschungen  für  die  Zukunft  nicht 
ausgeschlossen  sind.  Für  die  Vereinigung  der  nordwest-afrikanischen 
und  ägyptischen  Orthopterenfauna  scheint  aber  das  Gebiet  von 
Tripolis  und  Barka  nicht  förderlich  gewesen  zu  sein,  und  wenn  auch 
noch  alle  Arten  gefunden  werden,  die  sowohl  aus  den  Grenzländern 
im  Osten  und  Westen  bereits  bekannt  sind,  so  würde  die  Anzahl 
der  Arten  auf  nicht  mehr  als  86  steigen.  Der  Grund,  weshalb  eine 
so  beträchtliche  Zahl  von  Arten  weder  von  Ägypten  noch  von 
Algerien  und  Tunesien  aus  das  Gebiet,  welches  von  Herrn 
Dr.  Klaptocz  erforscht  wurde,  erreichen  konnte,  entzieht  sich  meiner 
Beurteilung,  da  mir  die  Boden-  und  Vegetationsverhältnisse  im  all- 
gemeinen für  Orthopteren  durchaus  nicht  ungünstig  erscheinen. 
Sollte  vielleicht  das  miocäne  Saharameer,  welches  in  den  niedrig 
gelegenen  Gebieten  zwischen  dem  Südrand  des  Atlas  in  Ost-Algerien 


142  Franz  Werner, 

und  Tunesien  einer-,  den  nord-arabisclien  Wüstengebirgeu  östlich 
vom  Nil  andrerseits  sich  natürlich  am  längsten  erhalten  hat.  eine 
Vereinigung?  beider  Faunen  bisher  verhindert  haben  und  diese  nun- 
mehr von  beiden  Seiten  her  allmählich  eintreten?  Die  2  oder 
3  Arten,  welche  bisher  aus  dem  Ost-Sudan,  nicht  aber  aus  Ägypten 
bekannt  sind  (?  Elaea  marclmli,  Conocephalus  nüidulus,  Trigonidium 
cicindeloidcs)  zusammen  mit  denjenigen,  welche  Algerien  und  Tunesien 
mit  dem  Sudan  gemeinsam  haben,  ohne  daß  sie  in  Ägypten  vor- 
kommen [Oxijthcspis  seneyalensis,  ?  Le2)tocola  giraffa),  zeigen  zusammen 
mit  denjenigen  Arten,  welche  das  tripolitanisch-cyrenaische  Gebiet 
mit  Ägj^jten  gemeinsam  hat  (1  tropische,  sudanesische  Art:  (Xiphi- 
dion  aethioincum  \  3  vvest-asiatische :  Fohjplmga  ursina,  Phlaeoha 
fracta,  TItisoicctrus  adspersus;  2  gut  fliegende  ägyptische  Wüsten- 
bewohner: Sphingonotus  grohbeni,  Lcptopternis  rhamses),  daß  die  öst- 
lichen Einwanderer  der  tripolitanischen  Fauna  entweder  aus  dem 
Sudan  stammen,  mit  welchem  der  Zusammenhang  wohl  kaum  je 
unterbrochen  w^ar,  teils  spätem  Einwanderungsdaturas  sind,  und  zwar 
entweder  aus  Syrien  längs  der  Küste  fortwandernd  (ähnlich  wie  gewisse 
Reptilien  —  Agcmia  stellio,  Zamenis  dahin,  Tarhophis  savignyi,  Tropido- 
notiis  tessellatus,  ?  Testudo  leithi  —  in  Ägypten)  oder  aber  erst  später 
entstandene,  aber  leicht  sich  verbreitende  Formen  sind  wie  die 
beiden  Sphingonotiden.  Wir  sehen  daher,  daß  die  Besiedelung  des 
Syrtengebietes  von  W^esten  aus  eine  ungleich  stärkere  und  vielleicht 
auch  schon  länger  andauernde  war  als  die  von  Osten  her,  und  ich 
möchte  annehmen,  daß  alle  Ägypten  und  Nordwest-Afrika  gemein- 
samen Arten  aus  letzterm  Gebiet  stammen,  soweit  sie  nicht  eben 
circummediterran  sind  oder,  besser  gesagt,  aus  der  Zeit  herstammen, 
da  das  Mittelmeer  noch  die  geringste  Ausdehnung  hatte.  Die 
äg3^ptische  Orthopterenfauna  ist  eine  Mischfauna  aus  circum- 
mediterranen,  echt  nordwest-afrikanischen  und  sudanesischen  Ele- 
menten; dasselbe  gilt  auch  für  die  tripolitanisch-cyrenaische,  bei 
der  aber  der  nordwest-afrikanische  Einschlag  entsprechend  stärker  ist. 


Orthopteren-Fauna  von  Tripolis  und  Barka.  143 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Fig. 

1. 

Fig. 

la, 

iig. 

2. 

Fig. 

3. 

Fig. 

4. 

Fig. 

4  a 

Fig. 

5. 

Fig. 

6. 

(Alle  Figuren  in  nat.  Gr.  bis  auf  4a  und  6a.) 

Tafel  5. 

Sphodrümeriis  cocrulans  n.  sp.     $• 
Hinterschenkel,   von  der  Außenseite. 
Lcptopternis  rhamscs  Sauss.     $. 
Sphingonotus  derncnsis  n.  sp.     (J. 
Pampliagus  orientaUs  n.  sp.     $. 
4a.    Hinterleibsspitze,   von  hinten.      Vergr. 
Sphingonotus  grobbeni  Ween.     $. 
PgrgonwrpJia  alboiaeniata.     $. 
Fig.   6a.   Hinterleibsspitze,   von  der  Seite.     Vergr. 

Tafel  6. 

Fig.   7.      Gharianus  Uaptocxi  n.  g.  n.  sp.     (J.     Nat.  Gr- 

Fig.   7a.   Hinterleibsspitze,  von  der  Seite.      Vergr. 

Fig.   7b.   Hinterleibsspitze,   von  oben.     A^ergr. 

Fig.   7c.    Hinterleibsspitze,   von  unten.     Vergr. 

Fig.  8.     Ächeta  tripimdata  n.  sp.     S-     2:1. 

Fig.  9.     Acheta  cyrenaica  n.  sp.     5-     2:1. 

Fig.   10.     Anisolahis    tripoUtana   n.    sp.     a   ;5~,    b  $.     Zangen.     2:1, 

Fig.   IIa.   Kopf  von   Oxythospis  turcomaniae.     6:1. 

Fig.   IIb.   Kopf  von    Oxgthespis  granidata.      6:1. 

Fig.   11c.   Kopf  von    Oxgthespis  senegalensis.     6:1. 

Fig.   12.     Sphingonotus  acrotgloides  n.  sp.     Nat.  Gr. 


144 


Bericlitiguug  zu 
TsüzuKi,  Über  die  Aiioplieles-Arteu  in  Japau. 

(In:  Zool.  Jahrb.,  Vol.  25,  Syst.,   1907.) 

S.  535  u.  536:  In  den  drei  Tabellen  muß  es  in  Betreff  der  Seitenborsten 
in  den  4  Rubriken  heißen:  auf  dem  dritten  Hinterleibssegmente, 
anstatt  auf  drei  Hinterleibssegmenten. 

Taf.  23 :  In  Fig.  6  u.  7  trägt  das  3.  Hinterleibsegment  jederseits  nur 
eine  Borste.  Es  sind  aber  zwei  Borsten  vorhanden,  wie  auf  dem 
1.  und  2.   Segment. 


Lippert  &  Co.  (G.  Pätz'sclie  Buchdr.),  Naumburg  a.  S. 


Nachdruck  verboten. 
Übersetzungsrecht  vorbehalten . 


Oniscomyia  dorni, 

eine   neue   deutsclie   als   Am  eisen  gast   lebende   flügel- 
lose   Fliegengatt  11  ng-,    sowie    über   die    systematische 
Stellung  der  Thaumatoxena. 

Von 

Dr.  Günther  Eiiderleiu, 

Kustos  des  Stettiiier  Zoologischen  Museums. 
Mit  Tafel  7  und  1  Abbildung  im  Text. 


Durch  Herrn  Cand.  phil.  Kakl  Doex  in  Leipzig  erhielt  ich  eine 
flügellose  myrmecophile  Fliege,  die  den  Typus  einer  noch  unbe- 
schriebenen Phoriden-Gattung  repräsentiert. 

Systematisch  ist  dieselbe  um  so  interessanter,  als  sie  mir  die 
nahen  Beziehungen  vor  Augen  führte,  die  sie  und  die  verwandte 
Gattung  Aenigmatias  Meinert,  sowie  auch  die  afrikanische  Aenig- 
matistes  Shelf.,  zu  der  bei  Termiten  lebenden  Thaumatoxena  Beedd.  et 
Born,  zeigen  die  von  Börner  als  besondere  Subordnung  derRhynchoten 
(Conorhyncha)  aufgefaßt  wurde,  die  Silvestei  aber  zu  den  Dipteren 
als  eigne  Familie  in  der  Nähe  der  Phoriden  stellte  und  die  dann 
BÖENER  später  (1908)  mit  den  Brauliden  in  nähere  Verbindung  zu 
bringen  suchte,  neben  die  er  sie  aber  auch  als  besondere  Familie 
stellte. 

Die  erwähnten  Gattungen  sowie  die  neue,  die  ich  ihrer  Assel- 
ähnlichkeit halbei"  Oniscomyia  n.  g.  nenne,  zeigen  aber  mit  Evidenz, 
daß  die  nächsten  Beziehungen  zwisclien  allen  diesen  vorhanden  sind, 
und  eine  von  Veeeall  1878  aufgestellte  geflügelte  Gattung  Platy- 
phora  bildet  wiederum  die  Verbindung  mit  den  Phoriden.  Alle  diese 
Gattungen  sind  echte  Phoriden,  die  man  allenfalls  auf  Grund  der 
allen  eigentümlichen  asselfürmigen  oder  einer  Schaben-Larve  ähn- 
lichen,   abgeflachten   und   verbreiterten   Gestalt   als  Subfamilie   ab- 

Zool.  Jaiirb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  10 


146  Günther  Enderlein, 

scheiden  kann,  so  daß  die  Phoriden  in  2  Subfamilien  zerfallen,  nnd 
zwar  in  Fhorinae  (incl.  SfetJiojKithus  Wand.,  Fidiäphora  Dahl,  Tcrmito- 
xenia  Wasm.)  und  PlatypJiorinae.  Letztere,  von  denen  größtenteils 
eine  myrniecopliile  oder  termitophile  Lebensweise  sichergestellt  ist 
(man  kann  sie  wohl  auch  von  Aenigmafistes  annehmen),  kann  man 
wieder  in  2  Tribus  zerlegen,  die  Flatyphorini  und  Tliaumatoxenini, 
von  denen  die  letztere  eine  weitere  Anpassung  an  die  symbiotische 
Lebensweise  darstellt.  Die  Platyphorini  besitzen  noch  6  unver- 
schmolzene  Abduminalsegmente;  Thanmatoxena  ivasmanni  Bredd.  et 
BÖRN.  hat  dagegen  nur  noch  2  Abdominalsegmente,  das  eine  wohl 
einfach,  die  übrigen  alle  verschmolzen,  bei  T.  andreinn  Silv.  sind 
alle  Abdominalsegmente  verschmolzen,  so  daß  diese  die  extremste 
Form  der  Anpassung  darstellt  und  daher  sicher  den  Typus  einer 
besondern  Gattung  darstellt,  die  ich  Termüodeipnns  nenne. 

Die  Verschiedenheiten  der  Braula  coeca  N.  von  den  Phoriden, 
die  BÖRNER  (1908)  übersichtlich  zusammenstellt,  sind  aber  größere, 
so  daß  die  Brauliden  als  besondere  Familie  aufzufassen  sind,  deren 
Stellung  aber  wohl  in  der  Nähe  der  Phoriden  anzunehmen  ist. 

Subfam.  Flatyphorinae  m. 

Körper  schabenartig  oder  asselartig  abgeplattet.  Kopf  hinten 
dem  Körper  angeschmiegt  und  entsprechend  ausgehöhlt  (mond- 
sichelförmig). Meist  ungeflügelt,  wenn  geflügelt  mit  3  Ocellen, 
sonst  ohne. 

Der  Thorax  ist  breit  mondsichelföi^mig,  ungegliedert.  Das 
Scutellum  ist  unter  den  Hinterrand  heruntergedrückt,  so  daß  es  nicht 
sichtbar  ist. 

Meinert  und  Coquillet  fassen  ihn  als  den  verwachsenen  Pro- 
und  Mesothorax  auf  und  interpretieren  das  1.  Abdominalsegment  als 
Metathorax.  Sh^lford  (1908)  deutet  den  Thorax  als  Prothorax, 
das  1.  Abdominalsegment  als  Mesothorax,  das  2.  Abdominalsegment 
als  Metathorax.  Die  von  Börner  (1908)  bei  Thaumatoxena  als  Flügel- 
rudimente aufgefaßte  Bildung  ist  wohl  zweifellos  eigenartigen 
sternalen  Fortsätzen  des  Thorax  homolog,  die  ich  bei  Oniscomyia  in 
schwächerer  Ausbildung  angetroifen  habe,  während  hier  die  Flügel- 
rudimente dicht  unter  den  hintersten  Seitenecken  verborgen  waren 
und  sehr  schwach  entwickelt  sind;  hier  finden  sie  sich  ver- 
mutlich auch  bei  Thaumatoxena^  falls  sie  nicht  gänzlich  ver- 
schwunden sind. 


Oiiiscoiiiyia  doriii.  147 

Die  phylogenetischen  Beziehungen  aller  dieser  Gattungen  sind 
in  Textfig.  A  angedeutet;  Platyphom  ist  der  Ausgangspunkt  und 
TermitodeipuMs  die  am  meisten  abgeleitete  Form. 

Termitodeipnus 
Thaumatoxena 

Aeniymatistefi 

Fig.  A.  Oniscomyia. 

Phylog-eiietische  Bezielmug-en  der  Gattungen  Aenigmaüas 

der  Subfam.  Plaiyphorinae.  ^  > 

Platyphom'' 


Bestimmungstabelle    der    Tribus    und   Gattungen    der 

P 1  a  t  y  p  h  0  r  i  n  e  n. 

1.  6  Abdominalsegmente  vorhanden,  dieselben  nicht  verschmolzen; 

Augen  hinter  den  Fühlern  Tribus :  Platyphorini  m.^)     2 

Abdominalsegmente  völlig  verschmolzen  oder  nur  2  Segmente 
noch  erkennbar.     Augen  unter  den  Fühlern 

Tribus:  Thaumatoxenini  (Bredd.  et  Böen.)-)     ö 

2.  Flügel  und  Ocellen  vorhanden  Platijphova  Verr.  1878 
Flügel  und  Ocellen  fehlen  3 

3.  Augen  groß,  von  oben  sichtbar.   Zwischenraum  zwischen  Basis 

des  Maxillarpalpus  und  Augen  groß  und  mit  1  Reihe 
kräftiger  Borsten  4 

Augen  sehr  klein,  von  oben  nicht  sichtbar.  Zwischenraum 
zwischen  Basis  des  Maxillarpalpus  und  Augen  sehr  klein 
und  nur  mit  1  kräftigen  Borste.  1.  Abdominalsegment  in 
der  Mitte  lang,  an  den  Seiten  kurz  (also  quer  spindelförmig) 

Aenufiuatistes  Shelf.  1908 

4.  Maxillarpalpus   2gliedrig,   normal    tasterförmig,    langgestreckt, 

gekrümmt  und  beborstet.  Proboscis  vorhanden,  sehr  klein. 
Behaarung  des  Hinterrandes  der  Körpersegmente  länger  als 
die  übrige  Behaarung  der  Körperoberfläche.  Fühlerborste 
nackt  (?).    Beine  schlank  Aenigniatias  Mein.  1890 


1)  myrmecophil.  2)  termitophil. 

10* 


148  Günther  Enderlein, 

Maxillarpalpus  reduziert,  knopfförmig- ;  iinbeborstet.  nur  mit 
einzelnen  winzigen  Härchen.  Proboscis  fehlt,  Behaarung  des 
Hinterrandes  der  Körpersegmente  von  gleicher  Länge  der 
übrigen  Körperbehaarung;  nur  an  den  hintern  Seitenecken 
1 — 2  längere  Haare.  Fühlerborste  piibesziert.  Beine  ge- 
drungen Onisconiyid  n.  g, 
5.  Abdomen  mit  2  Segmenten,  das  1.  kurz,  das  2.  lang 

Thaumatoxena  Beedd.  et  Böen.  1904 
Abdomen  völlig  ungegliedert  ler'mitodeipnus  n.  g. 


Tribus:  Flahjphorini  m. 
TlatypUora  Veerall  1878. 

Vebrall,   in:  Journ.  Linn.   Soc.  London,   Vol.    13,    1878,  p.   259. 

Flatyiyhora  luhbocUi  Veee. 

Platyphora  lubbocki  Verrall,  in:  Journ.  Linn.  Soc.  London,  Vol.  13,  1877, 

p.   259. 
Platyphora    lubbocki   Veee.,    Lubbock,   Ameisen,   Bienen,   Wespen,    1883. 

p.  371. 
Platyphora  lubbocki  Veer.,  Becker,  in:  Abb.  zool.-bot.  Ges.  Wien,  Vol.  1, 

■  1901,  p.  88,  78. 
Platyphora  lubbocki  Verr.,  BrüES,  in :  Trans.  Araer.  entomol.  Soc,  Vol.  29, 

1903,  p.  316. 
Platyphora  lubbocki  Vere.,    Bezzi,    in:    Rendic.  Ist.   Lomb.    Sc.  Lett.  (2), 

"Vol.   33,   1900,  p.   11   (sep.). 
Platyphora    lubbocki    Verr..    Sheleord,    in:    Journ.    Linn.    Soc.  London, 
'Vol.  30,   1908,  p.    152. 

England.    In  Ameisennest. 

Aeniffmatias  Meinert  1890. 
Meinert,  in:  Entomol.  Meddelelser,  Vol.  2,  1890,  p.  213,  tab.  4,  fig.  1—6. 

Körper  breit  und  flach.  Kopf  groß  und  frei.  Antennen  und 
Mundteile  vom  gewöhnlichen  Typus.  Thorax  nicht  geteilt;  1.  Ab- 
domiualsegment  mit  dem  2.  zusammengewachsen,  die  folgenden  frei, 
ziegelartig  übereinander  gelagert.  Flügel  und  Halteren  fehlen  völlig. 
Beine  schlank,  Klauen  zart.  Antennen  kurz,  kuglig,  mit  sehr  langer, 
unpubescierter  Borste.  Palpen  schwach  gekrümmt,  beborstet.  Pro- 
boscis sehr  klein,  Labellen  undeutlich.  Vorderschenkel  sehr  groß, 
die  hintern  konisch.  Abdomen  dorsoventral  zusammengedrückt,  aus 
6  Segmenten  zusammengesetzt. 


Oniscomyia  dorni.  149 

Aenlf/iHatlas  bfdttoldes  Mein.  1890. 

AenvpjKilias   hUittoides    Meinert.    in:    Entoraol.    Meddel.,    Vol.    2,     1890, 
"p.  212—226,  tab.  4,  fig.   1—6. 

Aenigmatias    hlattoides    Mein.,     Wasmann,    Krit.    Verz.    Myrmecoph.    u. 
Termitoph.,    1894,  p.  32  u.   175. 

Aenigmatias  hlattoides  Mein.,  Bezzi,  in :   Rendic.  Ist.  Lomb.  Sc.  Lett.  (3), 
"Vol.   33,   1900,  p.   11   (sep.). 

Aenigniatias   hlattoides   Mein.,    Becker,    in :    Abb.    zool.-bot.    (tgs.   Wien, 
1901,  Vol.  1,  p.  89,  79. 

Aenigniatias    hlattoides    Mein.,    Brues,    in:    Trans.  Amer.    eutomol.    Soc, 
"Vol.  29,   1903,  p.  387. 

Aenigmatias  hlattoides  Mein..    Shelford,    in :    Journ.  Linn.  Soc.  London, 
"Vol.  30,   1908,  p.   150—153. 

Dänemark. 

Aus  1.  c,  p.  213  etc.: 

„Caput  7nagnum,  liherum,  antennis  ad  similitiidineni  riioridariim  factis. 

Thorax  nulhis  discretus,  annulo  primo  corporis  cum  secimdo  concreto, 
annulo  secimdo  maximo  atque  annidis  sequentibus  ceteris  liheris,  imhricatis ; 
tum  alae  tum  kälteres  dcswit. 

Ahdomen  annidis  qnvique,  liheris  compositum. 

Pedes  gracilis,  miguibiis  tenuihus,  ad  similitudineni  Phoridarum  factis. 

Oculi  sat  niagni,  laterales;  ocelli  niilli. 

Antennae  hreves,  disciformes,  seta  dorsali,  perlonga,  nuda,  articido  hasali 
setae  ohsciire  hipartito. 

Palpi  maxillares  hiarticidati,  leviter  clarali,  setosi. 

Prohoscis  minima,  labellis   evanidis. 

Feniora  antica  permagna,  disciformica ;  femora  posteriora  conica. 

Ahdomen  compressum. 

Brunneus  vel  fusco-piceus ,  obscure  argenteus  ^  p/7/s  jjarvis  iti  series 
transversas,   in  margine  anmdornm  majorihns  vestitns. 

Long.  1,5  nim.^^ 

Der  Fundort  des  einzigen  bekannten  Stückes  ist  Dänemark. 
15.  August  1890.     1  $.    Myrmecophil  bei  Fonnica  fusca. 

Aenif/matias  scJuiart^t  Coquillet  1903.^) 

Aenigmatias  schicartzii  COQUiLLET,    in:    Canad.  Entomol.,  Vol.  25,   1903, 
p.  21. 


1)  Coquillet  gibt  nur  4  Abdominalsegraente  an;   er  zählt  aber  das 
1.  Abdominalsegment  als  Metathorax,  und  so  wären  wenigstens  5  Abdominal- 


150  Günther  Enderlein, 

Aenigmatias    s-rhurirhii    Coquillet  ,    Shelford,    in:    Journ.    Linn.    Soc. 
London,  Vol.  30,   1908,  p.    152—153. 

Nordamerika  (Arizona). 

Oniseonif/la  n.  <j. 

Kopf  selir  kurz  und  vertikal  abgeflacht,  seitlich  stark  verbreitert 
und  die  Seiten  in  schräo-  nach  hinten  gerichtete  Spitzen  ausgezogen, 
vorn  gerundet;  hinten  konkav  und  stülpt  sich  etwas  kappenartig 
über  den  Thorax;  Oberseite  behaart,  vorn  sehr  fein,  hinten  etwas 
stärker.  Augen  schräg,  von  vorn  unten  nach  hinten  oben  lang- 
gestreckt eiförmig,  oben  dem  Hinterrand  sich  nähernd,  unpubesciert. 
Ocellen  fehlen.  Fühler  ögliedrig;  1.  Glied  an  der  Basis  umgeknickt, 
am  Ende  abgeschrägt;  2.  Glied  fast  kreisrund;  die  übrigen  3  Glieder 
(3. — 5.  Glied)  bilden  die  sog.  Fühlerborste;  letztere  ziemlich  dünn: 
1.  Vj^m2i\  so  breit  wie  lang;  2.  etwas  dünner,  wenig  länger  als  breit ; 
3,  Glied  lang  borstenförmig,  an  der  Basis  in  der  Länge  von  etwa 
3  Basalstärken  etw^a  so  dick  wie  das  4.  Glied,  dann  allmählich  ver- 
dünnt; Fühler  dicht  und  sehr  fein  und  kurz  pubesciert,  mit  Aus- 
nahme der  Basis  des  1.  Gliedes.  Rüssel  (Proboscis,  Fig.  7  rpr)  fehlt 
völlig  und  ist  nur  noch  durch  ein  höckerartiges  Rudiment  angedeutet. 
Zwischen  diesem  und  der  untern  Augenecke  eine  Querreihe  von 
kräftigen  Borsten.  Maxillarpalpus  (Fig.  7  mxp)  sehr  stark  reduziert, 
nur  noch  durch  ein  knopfartiges  Rudiment  dargestellt,  das  keine  Be- 
borstung  aufweist,   sondern   nur   einzelne   sehr  feine  Härchen  trägt. 

Thorax  und  Abdomen  zusammen  eiförmig  (die  stumpfe  Seite 
nach  vorn),  stark  und  asseiförmig  abgeplattet.  Thorax  in  Gestalt 
eines  ungegliederten  Segments,  Scutellum  fehlt;  breit  halbkreisförmig, 
die  hintern  Seitenecken  etwas  spitz  ausgezogen.  Flügel  und  Halteren 
fehlen.  Hinter  der  Seitenecke  findet  sich  eine  winzige  zapfenartige 
Ausbuchtung  (Fig.  4  //r?),  die  an  der  Spitze  eine  sonst  am  Körper 
nicht  vorkommende  mikroskopisch  feine  Pubescenz  trägt,  vielleicht 
handelt  es  sich  dabei  um  Flügelrudimente. 

Abdomen  6gliedrig,  das  1.  am  längsten.  Sternite  nicht  aus- 
gebildet, die  Unterseite  des  Abdomens  besteht  aus  einer  dünnen 
Membran;    die    äußerste    ist   fein    und    dicht   gekörnt    (Fig.  8);    im 


Segmente  vorhanden.  Da  das  ihm  vorliegende  Stück  aber  augenscheinlich 
trocken  konserviert  ist,  so  ist  eine  Täuschung  anzunehmen,  da  selbst  an 
Alkoliolraaterial  die  Segmente  sehr  schwer  voneinander  zu  trennen  sind. 
Sollten  sich  aber  doch  nur  5  Abdoraiualsegmente  vorfinden,  so  wäre  diese 
Species  der  Typus  einer  besondern  Gattung. 


Oniscoinyia  dünii.  151 

vordem  Drittel  ist  diese  Körnelung-  sehr  schwach  gefärbt.  Aus- 
stiilpbares  Legerohr  weit  (etwa  halb  so  breit  wie  das  letzte  Tergit) 
und  kurz  (etwa  halb  so  lang  wie  das  letzte  Tergit),  dünnhäutig, 
ungegliedert,  mit  dunkelbraun  pigmentierten  chitinösen  Längsleisten 
(etwa  80  auf  1  mm)  und  einer  kurz  dreieckigen,  hinten  abgerundeten 
Subgenitalplatte  (Fig.  5). 


r|> 


Thorax  und  Abdomen  oben  gleichmäßig  mäßig  dicht  und  kurz 
pubesciert,  am  Hinterrand  jedes  Segments  sind  die  Haare  nicht 
länger,  nur  an  den  hintern  Seitenecken  1  oder  2  kräftigere  Haare. 
5.  Tergit  mit  Ausnahme  der  Seiten  völlig  ohne  Pubescenz, 
sehr  dünnhäutig  (Fig.  6).  ^j 

Beine  relativ  kurz  und  gedrungen.  Vordercoxen  groß  und  lang 
(Fig.  3  cOi\  Hintercoxen  (cuj  etwas  kürzer,  Mittelcoxen  (cOo)  halb 
so  lang.  Schienen  und  Tarsen  verbreitert  und  dorsoventral  ab- 
geflacht. Schienen  am  Innern  Ende  mit  2  Spornen.  Schienen  und 
1.— 4.  Tarsenglied  außer  der  Pubescenz  mit  8 — 4  Längsreihen  sehr 
dicht  gestellter  kurzer,  kräftiger  Dörnchen.  Klauen  sehr  klein, 
schwach  gekrümmt,  ungezähnt. 

AenigmaUas  Meinert  1890  (in:  Entomol.  Meddelelser,  Vol.  2, 
1890.  p.  212—226,  tab.  4,  flg.  1—6)  steht  dieser  Gattung  sehr  nahe 
und  unterscheidet  sich  von  ihr  durch  Folgendes:  Maxillarpalpus  lang- 
gestreckt, beborstet,  2gliedrig  und  etwas  gekrümmt;  Proboscis  vor- 
handen (sehr  klein);  Beine  schlank. 

Onisconifjki  dovni  n,  sp. 

Kopf,  Thorax  und  1.  Abdominalsegment  schwach  gelblich-rost- 
braun, 2..  3.  und  4.  Abdominalsegment  braun,  letztes  Segment  schwarz- 
braun, 5.  Tergit  mit  Ausnahme  der  Seitensäume  grauweißlich 
Unterseite :  Kopf  uud  vordere  Hälfte  des  Körpers  ziemlich  hell  gelb- 
braun, hintere  Hälfte  braun.  Beine  sehr  blaß  bräunlich-gelb,  Spitze 
der  Schenkel  und  die  Schienen  etwas  dunkler.  Mittel-  und  Hinter- 
schienen und  Tarsen  erscheinen  durch  die  dichten  tiefschwarzen 
Pubescenzreihen  braun.  Alle  Borsten  tiefschwarz.  1.  Fühlerglied 
braun,  2.  blaßgelblich,  Fühlerborste  farblos;  Fühlerpubescenz  sehr 
fein  und  farblos.     Augen  bräunlich-schwarz. 

Kopf  vorn  gleichmäßig  abgerundet;  Behaarung  der  Oberseite 
mäßig   dicht   und   kurz,   nach  vorn   zu  kürzer  und  feiner  werdend. 


1)   AenigmaUas  schicartxl  CoQ.    weist  hier  einen  weißlichen  Reif  auf, 
so  daß  vermutlich  das   5.  Tergit  dieses  Secret  abscheidet. 


152  Günther  Enderlein, 

Borstenreihe  unter  den  Augen  mit  je  7  kräftigen  Borsten.  Jede 
der  knopfförmigen  Rudimente  der  Maxillarpalpen  mit  3  winzigen 
Härchen.  Augen  oben  abgerundet,  unten  zugespitzt  eiförmig.  Kopf- 
oberseite mit  mikroskopiscli  feinen  chitinösen  Querleistchen  (Fig.  2), 
von  denen  ca.  700  auf  einen  Millimeter  gehen. 

Thorax  und  Abdomen  oben  gleichmäßig  kurz,  fein  und  mäßig  dicht 
behaart,  nur  an  den  hintern  Seitenecken  jedes  Segments  1 — 2  kräftigere 
Haare.  5.  Tergit  mit  Ausnahme  der  Seiten  sehr  dünnhäutig,  völlig  un- 
pubesciert  und  ohne  Chitinstrukturen.  Unterseite  ohne  Sternit,  sehr 
dünnhäutig  und  ohne  Segmentgrenzen,  sehr  spärlich  fein  behaart,  an 
den  Seiten  des  6.  Segments  etwas  dichter  und  kräftiger  behaart; 
die  Färbung  der  Unterseite  durch  die  chitinöse  Körnelung  vermittelt. 
Die  einzelnen  Körner  der  Körnelung  sind  dunkelbraun  gefärbt  im 
vordem  Drittel  des  Abdomens  mit  blaß  bräunlich-gelber  Chitin- 
färbung; die  Körner  ordnen  sich  zum  großen  Teil  zu  je  5 — 7  zu 
einem  Oval  (Fig.  8).  Chitinöse  Längsleisten  des  Legerohres  und  die 
Subgenitalplatte  dunkelbraun.  Verhältnis  der  Längen  des  Thorax 
und  der  6  Abdominalsegmente  in  der  Mittellinie  ist  ungefähr: 
2:  IV.^:!  :1:1:1:1V,. 

Vordercoxen  unten  behaart,  am  Ende  mit  einigen  kurzen  Borsten, 
Mittel-  und  Hintercoxen  (Fig.  3)  nur  am  Ende  mit  einigen  Haaren 
und  kurzen  Borsten.  Schenkel  oben  mäßig  dicht  und  spärlich  fein 
behaart.  Vorderschiene  und  Vordertarsus  gleichmäßig  pubesciert, 
ohne  Längsreihen  kurzer,  dicker  Borsten:  am  Innern  Ende  der 
Schiene  und  des  1. — 4.  Tarsengliedes  je  1  kurze  dicke  Borste,  ebenso 
in  der  Mitte  des  Hinterrandes  der  Oberseite.  Beim  Mittel-  und 
Hinterbein  hat  die  Scliiene  außer  der  gleichmäßigen,  mäßig 
dichten,  kurzen  Behaarung  innen  2  schwarze  Sporne,  deren  innerer 
doppelt  so  lang  wie  der  äußere  und  beim  Mittelbeine  etwa  ^/o  so 
lang,  beim  Hinterbeine  etwa  Vs  so  lang  wie  das  1.  folgende  Tarsen- 
glied  ist;  oben  trägt  die  Schiene  3  Längsreihen  sehr  dicht  gestellter, 
kurzer,  dicker,  schwarzer  Borsten,  die  eine  längs  des  ganzen  Außen- 
randes die  übrigen  auf  der  Oberseite  und  zwar  die  äußere  davon 
über  die  ganze  Länge  der  Schiene,  die  innere  nur  in  der  hintern 
Hälfte;  die  Tarsen  gleichmäßig  kurz  und  mäßig  dicht  behaart, 
1. — 3.  Glied  mit  4  ähnlichen  Längsreihen  kurzer,  dichter,  schwarzer 
Borsten  über  die  ganze  Länge  jedes  Gliedes,  und  zwar  je  1  am 
Außen-  und  Innenrande  und  2  auf  der  Oberseite,  4.  Glied  nur  mit 
3  solchen  Reihen,  je  1  am  Außen-  und  Innenrande  und  auf  der 
Oberseite  (beim  Hinterbein  ist  das  2. — 5.  Tarsenglied  abgebrochen). 


Onisconyia  donii.  153 

Vorderschiene  sehr  kurz.  1.  Tarseiiglied  beim  Vorderbeine  etwa 
P  ginal  so  lan;^  wie  breit,  beim  Mittelbeine  etwa  doppelt  so  lang  wie 
breit,  beim  Hinterbeine  etwa  3\omal  so  lang  wie  breit. 

Körperlänge  ca.  1,7  mm. 

Die  Längen  der  einzelnen  Glieder  beim  Vorder-,  Mittel-  und 
Hinterbeine  sind  ungefähr: 


Coxa 

0,4    mm 

0.22  mm 

0,35  mm 

Femur 

0,4 

0,45 

0,5 

Tibia 

0,27 

0,32 

0,48 

1.  Tarsen 

glied 

0,0t) 

0,14 

0,27 

2. 

0.05 

0,07 

3. 

0.05 

0,06 

4. 

0,04 

0,05 

5. 

0.04 

0,06 

Bayern.  Oberfranken.  Hohe  Wart  bei  Zeyern  (bei  Kronach), 
18.  August  1907.  1  $  in  einer  Kolonie  von  Fohjergus  rufescens  (Latr.); 
das  Exemplar  befand  sich  auf  dem  Grunde  des  Nestes  etwa  30  bis 
40  cm  unter  der  Oberliäche. 

Gesammelt  von  Herrn  l'and.  phil.  Kakl  Doen  in  Leipzig- 
Schleußig,  dem  diese  Species  gewidmet  wurde. 

Aenif/matistes  Shelf.  1908. 

Shelfoed,   in:  Joiirn.  Linn.   Soc.  London,  Vol.  30,    1908,  p.  150,  pl.  22, 
fig.  1 — 5. 

AenifßniiUistes  africanus  Shelf,  1908. 

Aenigmatistes  african^fs  Sn^^LYonD,  in:  Journ.  Linn.  Soc.  London,  Vol.  30, 
1908,  p.   151,  pl.  22,  fig.   1—5. 

Britisch  Ost- Afrika  (Kisuma,  Victoria  Nyanza). 

Tribus  Thcmniatoxenini  Beedd.  et  Böen. 

Subordo   Coiwrhf/ncha 'BÖR'R'EB.,  in:   SB.  Ges.  naturf.  Freunde  Berlin,    1904, 

p.   84,  fig.  'l  —4   (Rhynchote  !). 
Fam.    Thaumatoxenidae  Beeddin  et  Büener,  in:   SB.  Ges.  naturf.  Freunde 

Berlin,    1904,  p.   84,  fig.    1  —  4   (Rhynchote!). 
Fam.  Thaionntoxeriidae.  Silvestui,  in:  Redia,  Vol.  3,  1905  (1906),  p,  350, 

fig.    10—22  (Diptere!). 

Thaiumitoxena  Bredd.  et  Börn.  1904. 

Beeddin  et  Böenee,  in:  SB.  Ges.  naturf.  Freunde  Berlin,   1904,  p.  84, 

fig.   1—4. 
SiLVESTEi,  in:  Redia,  Vol.  3,   1905  (1906),  p.  350,  fig.   10—22. 


154  Günther  Enderlein, 

Thuumatojcenu  wasmannl  Beedd,  et  Böen.  1904. 

TJiauniatoxcna  tvasvianin'  Beeddin  etBÖENEE,  in:  SB.  Ges.  naturf.  Freunde 
Berlin,    1904,  p.   87,  fig.   1—4. 

Tliaumatoxena  ivasmanni  Bredd.  et  Böen.,  Silvestei,  in :  Redia,  Vol.  3, 
1905  (1906),  p.   359. 

Thaumatoxeiia    n-asmamii   Beedd.    et   Böen.,    Böenee,    in :    Zool.  Anz., 
Vol.  32,   1908,  p.  537,  fig.   1,  3,  4. 

Afrika  (Natal). 

Bei  Tcrmes  natalcnsis. 

Tevmitodeixjnus  Endeel. 

Tliaiivtatoxena,  Silvestei,  in:  Redia,  Vol.  3,   1905(1906),  p.  350 — 359, 
fig.   10—22. 

lermüodeipruis,  s.   S.    146  und   148. 

Diese  Gattung-   unterscheidet   sich  von  Thaumatoxena  durch  die 
völlige  Verschmelzung-  aller  Abdominalsegmente. 

Terniitodeljmus  andreinii  (Silv.  1906). 

Thaumatoxena    andreinü    Silvestei,    in:    Redia,    A^ol.    3,    1905    (1906), 
p.   356—359,  fig.   10—22. 

Thawitatoxcna  andreinii  Silv.,    Böener,    in:   Zool.  Anz.,  Vol.  32,   1908, 
p.  537. 

Afrika  (Erythraea). 

Bei  Termes  bellicosus  Smeath. 


Bei  der  Korrektur  erhalte  ich  die  eben  erschienene  Arbeit 
Teägäedh's;  er  hält  die  SiLVESTRi'sche  Species  für  das  S  von 
Thaumatoxena  ivasmanni  Beed.  et  Born.;  Börnee  beschreibt  aber 
auch  vom  S  ausdrücklich  ein  2gliedriges  Abdomen,  und  ich  habe 
mich  an  den  Originalstücken  in  der  WASMANN'schen  Sammlung-  in 
Luxemburg-  persönlich  davon  überzeugt.  Die  TEÄGAEDirsche  Art 
gehört  somit  zur  Gattung  Termitodciimus  und  ist  vermutlich  der  T. 
andreinii  Silv.,  der  demnach  auch  bei  Termes  natalensis  in  Natal 
vorkommt. 


Ouisconiyia  dorni.  155 


Literaturverzeichnis  über  die  riatyphoriiieii. 


1878.  Vekkall  ,  G.  H.,  Description  of  a  new  genus  and  species  of 
Phoridae  parasitic  on  Ants,  in:  Journ.  Linn.  Soc.  London,  Vol.  13, 
1878,  p.   258—260. 

1890.  Meinert,  f.,  Aenigmatias  blattoides.  Dipterun  novum  apterum, 
in:   Entomol.  Meddelelser,  Vol.   2,    1890,  p.   213— S26,  tab.   4. 

1900.  Bezzi,  M.,  Sulla  presenza  del  genere  Chionea  Dalman  in  Italia, 
e  la  riduzione  delle  ali  nei  Ditteri,  in  :  Rend.  Ist.  Lomb.  Sc.  Lett. 
(2),  Vol.  33,    1900,  Sep.,  p.   1  —  16. 

1901.  Becker,  Die  Phoriden,  in:  Abb.  zool.-bot.  (les.  Wien,  Vol.  1, 
1901,  p.   1—100,  tab.   1—5. 

1903.  CoQUiLLET,  D.  "W.,  The  occurcnce  of  the  Phorid  genus  Aenigmatias 
in  America,  in:   Canad.   Entomol.,   Vol.  35,  p.   20 — 22. 

1903.  Brues,  Monograph  of  the  North  American  Phoridae,  in:  Trans, 
Americ.  entomol.  Soc,  Vol.  29,  1903,  p.  331—404,  tab.  5—9  fp.  387). 

1904.  Bkeddix  und  BöRNER,  C,  Über  Thaumatoxena  wasmanni,  der 
Vertreter  einer  neuen  Unterordnung  der  B,hynchoten,  in :  SB.  Ges. 
naturf.  Freunde  Berlin,    1904,  p.   84—93,  fig.    1—4. 

1904.  BciENER,  C,  Zur  Systematik  der  Hexapoden,  in:  Zool.  Anz,, 
Vol.  27,   1904,  p.  511  —  533. 

1905.  SiLVESTRT.  F.,  Contribuzione  alla  conoscenza  dei  Termitidi  e  Ter- 
mitofili  deir  Eritrea,    in:    Ptedia,    Vol.   3,    p.   341—359,    fig.   10—22. 

1906.  Brües,   C.   T.,   Phoridae,  in:   Genera  Insect.,   fasc.   44,    1906. 
1908.      BÖRNER,   C,   Braula  und  Thaumatoxena,   in:  Zool.  Anz.,   Vol.  32, 

p.  537  —  549,  9  fig. 
1908,      Shelford,   R.,  Aenigmatistes  africanus,    a  new  genus  and  species 

of  Diptera,    in:    Journ.  Linn.   Soc.  London,    Vol.   30,    1908,    p.    150 

bis   155,  tab.  22. 
1908.     TeäGARDH,  Ivar,   Conti-ibutions  to  the  knowledge  of  Thaumatoxena 

Bredd.    et    ßÖRN..    in:    Ark.  Zoologi,  Vol.  4,  No.   10,   1908,    12  p. 

(with   7   Textfigures). 


156  Günther  Enderlein,  Oniscomyia  dorni. 


Erkläruiiii?  der  Abbildungen. 


Tafel  7. 

Fig.   1.      Onisconn/ia  dorni  n.  g.  n.  sjj.     5-    Linkes  Mittelbein.     100  tl. 

Fig.  2,  Dsgl.,  mikroskopisch  feine  Querriefung  der  Oberseite  des 
Kopfes  (ca.  700  Querriefen  auf  1  mm) ;  dieselbe  findet  sich  auch  auf  der 
Oberseite  des  Thorax  und  des  1.  Abdominalsegments  sowie  auf  dem  2.  an- 
gedeutet.     700  :  1. 

Fig.  3.  Dsgl.,  Coxen  und  Trochanter  der  linken  Körperhälfte,  ro^ 
Coxa  des  Prothorax,  eOg  Coxa  des  Mesothorax,  co..  Coxa  des  lletathorax. 
50:1. 

Fig.  4.  Dsgl.,  linke  Seite  des  Thorax  und  1.  Abdominalsegments 
mit  mutmaßlichem  Flügelrudiment,  fh  Thorax,  ahd  Abdomen,  flr?  Flügel- 
rudiment?    370  :  1. 

Fig.  5.  Dsgl.,  Subgenitalplatte  von  der  Unterseite  der  Spitze  des 
ausstülpbaren  Legerohres.      370  :  1. 

Fig.  6.  Dsgl.,  5-  Habitusbild,  von  oben.  Der  Kopf  ist  etwas  ab- 
gestreckt gezeichnet;  er  liegt  dem  Thorax  an,  dessen  vordem  Teil  dach- 
ziegelartig überdeckend.  25  :  1.  (Die  Behaarung  ist  in  der  Figur  fälsch- 
lich in  Querreihen  angeordnet.) 

Fig.  7.  Dsgl.,  Kopf,  von  der  Seite.  7 — 5  1. — 5.  Fühlerglied,  o  Auge, 
Imxp  und  i'mxp  knopfartiges  Rudiment  des  linken  und  rechten  Maxillar- 
palpus,  rj)!-  letzte  Spur  eines  Rudiments  des  völlig  verschwundenen  Rüssels 
(Proboscis).      160:1. 

Fig.  8.  Dsgl.,  mikroskopisch  feine  Körnelung  der  hintern  Hälfte  der 
häutigen  Ventralseite  des  Abdomens  (etwa  aus  der  Mitte  derselben).    700:  1. 

Fig.  9.  Aenigmatias  hlattoides  Meinert  1890.  $.  Etwas  schräg 
von  der  Seite.  (Nach  Meineet,  in:  Entoraol.  Meddel.,  Vol.  2,  1890, 
tab.  4,  fig.  2.) 

Fig.  10.  Dsgl.,  Vorderbein,  von  vorn.    (Nach  Meinert,  1.  c,  fig.  4.) 

Fig.  11.  Dsgl.,  $,  von  oben.     (Nach  Meinert,  1.  c,  fig.  1.)     27:1. 

Fig,  12.  Dsgl.,  Hinterbein,   von  vorn.     (Nach  MeineRT,  1.  c,  fig.  5.) 

Fig.  13.  Dsgl.,  Hinterbein,  von  hinten.     (Nach  Meinert,  1.  c,  fig.  6.) 

Fig.  14.  Dsgl.,  Vorderrand  des  Kopfes  mit  den  Mundteilen  und  den 
Antennen,   von  oben.      (Nach   Meinert,  1.   c,  fig.   3.) 


Nachdruck  verholen. 
Ubersetzungsrechi  vorbehalte'» . 


Die  Gattung  Myrmecophana  Brunnee. 

Ihre  hj'pertelische  und  Ameisen -Nachahmung-. 

Von 
Prof.  Dr.  J.  Vosseier  in  Amani  (Deutsch  Ost-Afrika). 

Hit  Tafel  8  nnd  13  Abbildnngen  im  Text. 


Geschichtliches. 

Im  Jahre  1883  besclirieb  Brunner  v.  Wattenwyl  ^)  eines  der 
großartigsten  Beispiele  der  von  ihm  so  benannten  hypertelischen 
Nachalimung:  die  vollendete  Imitation  einer  Ameise  durch  eine 
Heuschrecke^),  die  ihm  im  männlichen  und  weiblichen  Geschlecht 
vorlag.  Die  Tierchen  stammten  von  Ambucarra  im  Sudan,  glichen 
in  Form,  Größe  und  Farbe,  unterstützt  dui'cli  die  Zeichnung,  einer 
Ameise,  mußten  aber  nach  den  systematischen  Merkmalen  in  die 
Familie  der  Phaneropteriden ,  wegen  der  Sattelform  des  Pronotums 
in  die  Gruppe  der  Leptoderae  eingereiht  werden.  Obwohl  an 
den  wenigen  von  der  ANTiNORi-Expeditiou  eingebrachten  Stücken 
nicht  zu  entscheiden  war,  ob  es  sich  um  Larven  oder  Imagines 
handle,  glaubte  Brunner  doch  in  Anbetracht  des  ganz  außergewöhn- 
lichen Habitus  eine  neue  Gattung  und  Art  für  sie  aufstellen  zu 
sollen  und  nannte  sie  Myrmecophana  fallax. 


1)  Über  hypertelische  NachahmuDgeii  bei  den  Orthopteren,  in:  Vex-h. 
zool.-botan.   Ges.  Wien,    1883,  p.   248. 

Gleichzeitig  mit  dieser  Veröffentlichung  bringt  A.  DE  BoRMANS  den 
von  Brunner  gewählten  Namen  in  seiner  Aufzählung  der  Orthopteren, 
Spedizione  italiana  nell'  Africa  equatoriale.  Risult.  zoolog.,  IlL,  in: 
Ann.  Mus.  civ.  Stör.  nat.  Genova,  Vol.  18,  1882 — 83,  p.  19,  und  erwähnt, 
daß  der  Marchese  Antinori  nur  ein  Exemplar  gefunden  habe,  während 
Brunner  beide  Geschlechter  abbildet. 


158  J-    VOSSELEE, 

Genauer  präzisiert  wurde  ilire  systematische  Stellung'  erst 
8  Jahre  später.')  Unter  den  Leptoderae  kommt  sie  als  Ver- 
treterin der  Arten  mit  zylindrischem,  eingeschnürtem  Pronotum  direkt 
neben  Trochalodera  (=  Condijlodcra  Westw.)  zu  stehen,  von  der  sie 
sich  durch  eine  einfache  Einschnürung  und  den  Mangel  der  Elytren 
unterscheidet.  Trochalodera  ist  auf  Asien,  Myr7necopha'na  auf  Ost- 
Afrika  beschränkt.    Die  Diagnose  lautet: 

Gen.  31yrmecopJi<nia  Brunner. 
(Fig.  8,  Taf.  1.)  •') 

Occiput  latum.  Vertex  vaJde  decUvis  cum  fronte  confluens.  Oculi 
clonyati.  Antennae  hreves,  basi  siihincrassafae.  Pronotum  caput  liherans, 
totum  rotundatiim,  medio  constrictum,  postice  rotundatum.  Elytra  et 
alae  nullae.  Femora  omnia  gracülima,  inermia.  Femora  postica  basi 
incrassata.  Tibiae  anficae  inermes,  foraminibus  nullis  (?).  Abdomen 
pone  medium  tumescens.     Organa  sexualia  rudimentaria.     An  larva  ? 

Myrmecophana  m.,   1883,   in:   Verh.  zool.-bot.  Ges.  Wien,  p.  248. 

Species  unica. 

Myrmecophana  faUax  m. 

(Fig.  8.) 

Nigra.  Abdomen  utrinque  fascia  alba  signatum,  quomodo  forma 
abdominis  Formicae  delineatur.     Sexus? 

Long,  corporis  9  mm 

Long,  pronoti  3,5  mm 

Long,  femorum  posticorum  5  mm 

Auch  in  dieser  Beschreibung  bleibt  der  Zweifel  über  das  Ent- 
wicklungsstadium bestehen,  und  das  früher  unterschiedene  und  ab- 
gebildete Geschlecht  wird  mit  Fragezeichen  versehen. 

Vor  dem  Erscheinen  der  Diagnose  hat  die  Art  nur  noch  einem 
Forscher  vorgelegen,  der  damit  einen  zweiten  Fundort,  Mombasa, 
bekanntgab.    Nach   der  Mitteilung  von  Kaesch  ■^)  hat  J.  M.  Hilde- 


1)  Brunner  von  Watten wyl,  Additamenta  ad  Monographie  der 
Phaneropteriden,  in:  Verh.  zool.-bot.  Ges.  Wien,  Vol.  41,  1891,  p.  1  — 196, 
tab.    1—2. 

2)  Die  hier  zitierte  Figur  ist  eine  Kopie  der  fig.  16,  tab.  15  der 
ersten  Abhandlung,    1883. 

3)  Karsch,  f.,  Orthopterologische  Beiträge,  III.,  in :  Berlin,  entomol. 
Ztschr.,  Vol.   32,   1888,  p.  440. 


Die  Gattung  Mynnecophana  Brünnkr.  159 

BRANDT  (las  Tierchen  schon  im  Dezember  1876  dort  gefunden. 
Weitere  Bemerkungen  iiber  die  Art  entliält  diese  Anführung  niclit. 
In  der  Folge  wurden  die  BKUNNEiVsclien  Angaben  und  Ab- 
bildungen in  andern  entomologischen  Werken  als  Beispiele  täuschen- 
der Mimikry  wiederholt  benutzt,  so  von  Bkunner  selbst^),  sodann 
von  Sharp-)  und  Folsom. ^)  Die  Art  selbst  aber  scheint  nicht 
wieder  gefunden  worden  zu  sein,  noch  weniger  gelangte  sie  lebend 
zur  Beobachtung.  Ihre  ganze  Geschichte  ist  in  vorstehenden  wenigen 
Zitaten  enthalten,  ebenso  aber  auch  eine  ganze  Anzahl  von  Zweifeln 
und  Unsicherheiten  über  die  s^'stematische  Zugehörigkeit  der  ver- 
mutlichen Endform,  der  Lebensweise  und  der  Bedeutung  des  mime- 
tischen Schutzes  dieses  seltsamen  Wesens. 

Wiederaufflndung  der  Art. 

Die  Beurteilung  eines  nachahmenden  Tieres  ist  nur  in  Beziehung 
auf  seine  Umgebung  möglich.  Der  Kalimen,  in  dessen  Grenzen  sich 
sein  Leben  abspielt,  umschließt  auch  die  Erklärung  für  die  äußern 
Ursachen  und  für  die  Abstufungen  der  Anpassungs-  und  Nach- 
ahmungserscheinungen. Aus  diesem  Grund  und  weil  sich  das  selt- 
same Tier  möglicherweise  abermals  für  lange  Jahre  der  Beobachtung 
entzieht,  halte  ich  eine  Darstellung  der  Umstände  für  angebracht, 
unter  denen  es  in  Amani  wieder  entdeckt  wurde. 

Während  der  Beobachtung  von  Ameisen  und  Schildläusen  auf 
einem  Busch  von  Doryalis  hebecarpa  Warb.  (=  Oberia  Gardneri 
Glos.),  einer  Flacourtiacee  mit  schlehenähnliclien  Früchten,  fiel  mir 
ein  ameisenähnliches  Tierchen  durch  smaragdgrüne  Flecken  an  den 
Seiten  des  Abdomenanfangs  auf.  Es  bewegte  sich  auf  den  Zweigen 
und  Blättern  genau  wie  die  beiden  Formicideu,  die  den  süßen  Saft- 
absonderungen der  Schildläuse  nachgingen.  Da  mir  eine  solcherart 
geschmückte  Ameise  neu  war,  fing  ich  die  beiden  einzigen  sicht- 
baren Exemplare,  die  ein  kurzer  Regen  und  der  bewölkte  Himmel 
am  15.  August  1907  abends  zwischen  5  und  6  Uhr  hervorgelockt 
haben  mochte.  Erst  im  Spiritusglas  enthüllten  sie  mir  ihre  wahre 
Natur. 


1)  Brunner  von  Watten wyl,  Betrachtungen  über  die  Farben- 
pracht der  Insekten,  Leipzig   1897   (9  kol.  Tafeln). 

2)  Sharp,  D.,  Insecta,   in:   Cambridge  nat.  Hist.,  p.   323. 

3)  FOLSOM,  J.  W.,  Eutomology  with  special  reference  to  its  biological 
and  economic  aspects,  Philadelphia  1906,  5  Taf.  (1  kol.)  und  300  Textfig., 
p.   229. 


160  J-   VOSSELER, 

Nach  mehreren  vergeblichen  Versuchen,  sie  im  Freileben  zu 
beobachten,  sammelte  ich  durch  Abklopfen  4  weitere  3Iyrmecophana, 
unter  denen  sich  eine  hell-  und  eine  dunkelbraune  befand.  Ihre 
Größe  schwankte  zwischen  6  und  8  mm,  und  es  war  leicht  zu  er- 
kennen, daß  drei  Entwicklungsstadien  vorlagen,  daß  es  sich  also 
nur  um  Larven,  nicht  um  Imagines  handeln  konnte.  Dadurch  steigerte 
sich  natürlich  das  Interesse  sehr.  Nach  fortgesetztem  Suchen  gelang 
es  nicht  nur,  weitere  Exemplare  auf  Rosen,  Sonnenblumen  und  wilden 
spanischen  Pfeffer,  sondern  auch  die  grüne  Nymphe  und  die  Imago 
einer  ebenfalls  zu  den  Phaneroptei"iden  gehörigen  Eurycorypha  an 
den  von  den  Larven  besetzten  Pflanzen  zu  finden.  So  groß  der 
Abstand  zwischen  den  3  Mtjrmecophana-^i2i&\QXi  und  den  2  grünen 
Enrycorypha-StVifen  war,  so  wiesen  doch  die  Reste  einer  Rücken- 
und  Beinzeichnung  auf  einen  Zusammenhang  unter  ihnen  hin.  Wohl 
war  schon  jetzt  festgelegt,  daß  Myrmecophana  in  3  Stadien  erscheint, 
und  wahrscheinlich  gemacht,  daß  sie  nur  Larvenformen  einer  typi- 
schen Phaneropteride  mit  kantigem  Pronotum,  also  die  Vorstufen 
der  mitgefangenen  Nymphen  und  Imagines,  seien;  es  fehlte  aber  noch 
ein  einwandfreier  Nachweis  des  Zusammenhangs  dieser  5  Glieder, 
vor  allem  die  Stufe,  die  zur  Erklärung  der  Umwandlung  des  runden 
Pronotums  der  Myrmecophana  in  das  kantige  der  Eurycorypha  und 
des  Farbenwechsels  nötig  war.  Da  alle  Versuche  zur  Erlangung 
des  nötigen  Materials  aus  dem  Freileben  fehlschlugen,  wurde  ein 
Teil  der  Larven  zur  Aufzucht  in  kleinen  Behältern  benutzt.  Da- 
durch gelang  es,  das  vorgesteckte  Ziel  zu  erreichen,  einen  der 
wunderbarsten  Fälle  von  Nachahmung  nicht  allein  unter  den 
Locustodeen,  sondern  unter  den  Orthopteren,  vielleicht  sogar  Insecten 
überhaupt,  klarzulegen,  die  Lebensweise  und  die  systematische 
Stellung  der  Species  zu  erkennen  sowie  die  ganze  postembryonale 
Entwicklung  zu  verfolgen. 

MfjrniecojyJiana  synouyni  mit  JEunjcoi'ijpha  Stal.  i) 

Durch  die  Aufzucht  wurde  in  erster  Linie  einwandfrei  fest- 
gestellt, daß  die  BRUNNER'sche  Gattung  auf  eine  Larvenform  ge- 
gründet ist,   aus  der  die  längst  bekannte  Eurycorypha  Stal  hervor- 


1)  StäL,  C,  Orthoptera  nova,  in:  Öfvers.  Vet.-Akad.  Pörhandl., 
1873,  No.  4,  p.  43. 

— ,  Recensio  Orthopterorum,  Stockholm  1874  (zitiert  nach  Brunner, 
Monogr.   der  Phaneropteriden). 


Die  Gattung-  Myrmecophana  Brünner.  l(jl 

gellt.  Die  jüngere  Genusbezeiclinung-  hat  somit  zu  verschwinden. 
Damit  fallen  die  frühern  Zweifel  über  die  Zug-eliörig-keit.  erklären 
sich  die  von  Brünner  angegebenen  Merkmale  (Fehlen  des  Dorns 
der  Vorderhüfteu  [Coxae],  der  Flugorgane,  die  mangelhafte  ?]nt Wick- 
lung der  äußern  Genitalien  usw.)  als  Zeichen  der  Jugendform.  Aus 
den  Größenangaben  ist  zu  schließen,  daß  dem  Autor  von  Myrmeco- 
phana das  3.  Entwicklungsstadiuni  mit  unvollständigen  Fühlern  und 
etwas  ausgebleichten  Farben  vorgelegen  hat.  Die  Antennen  meiner 
Tiere  sind  nämlich  stets  normal  entwickelt  und  messen  in  diesem 
Stadium  etwa  19  mm,  etwas  mehr  als  doppelte  Körpeilänge.  Mag 
auch  Brunner  eine  andere  Art  vor  sich  gehabt  haben,  was  in  einem 
spätem  Abschnitt  erörtert  wird,  so  ist  doch  kaum  anzunehmen,  daß 
die  Ähnlichkeit  der  Arten  bezüglich  der  Antennen  nennenswerte 
Ausnahmen  zulasse.  Wahrscheinlicher  erscheint  jedenfalls,  daß  die 
ohnedies  sehr  dünnen  Organe  bei  den  T3'penexemplaren  aus  dem 
Sudan  abgebrochen  waren. 

Eurijcorypha  ist  auf  Afrika  einschließlich  Madagaskars  be- 
schränkt. Von  8  bei  Brunner  M  '-)  und  Karsch  '^)  aufgezählten  Arten 
sind  nur  2  als  Mitglieder  der  Deutsch  ost-afrikanischen  Fauna  an- 
geführt: E.  prasinata  (Stal)  und  E.  varia  Br..  Für  diese  ist  als 
einziger  bekannter  Fundort  der  Kilimandscharo  genannt,  für  jene 
Madagaskar,  Port  Natal  (Brunner),  Kap,  Delagoabay,  Mombasa, 
Bondei  und  Usambara,  ferner  Anjoani  auf  den  Comoren  (Karsch). 

Nach  dieser  Verbreitung  ist  also  letztere  schon  aus  dem  Gebiet 
bekannt.  1  Exemplar  von  Amani  glaube  ich  dazu  rechnen  zu  dürfen, 
obgleich  die  größte  Breite  seiner  Elytren  12  statt  10  mm  beträgt. 
Weitaus  häutiger  ist  hier  jedoch  eine  kleinere,  zierliche  Art,  die  am 
ehesten  mit  E.  varia  Br.  übereinstimmt,  in  den  Körpermassen  aber 
von  den  BRUNNEß'schen  Angaben  abweicht,  indem  beide  Geschlechter 
fast  gleichgroß  (ca.  18  mm)  sind.  Diese  schlankere,  sonst  sehr  der 
E.  prasinata  gleichende  Species  glaube  ich  trotz  kleinen  Unstimmig- 
keiten der  Originalbeschreibung  gegenüber  in  der  von  mir  unter- 
suchten und  beobachteten  erkennen  zu  müssen.  Bezüglich  ihrer 
Merkmale  sei  auf  die  Arbeit  Brunnee's  ^)  und  auf  die  Fig.  De  ver- 
wiesen. 


1)  8.  Anm.    1,   Seite   158. 

2)  Brunner  von  Wattenwyl,  K.,  Monographie  der  Phaneropteriden. 
Herausgeg.  v.   d.  zool.-bot.   Ges.   Wien,    1878,  p.   273. 

3)  s.  Anm.  3,  Seite   158. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  H 


162  J-    VOSSELER, 

Eiablage  und  Ei. 

Etwa  2  Wochen,  naclidem  das  ?  mit  der  letzten  Häutung  zum 
fertigen  Lisect  geworden,  findet  die  Begattung  statt  und  zwar  bei 
Nacht,  weshalb  ich  die  dabei  sich  abspielenden  Vorgänge  noch  nicht 
verfolgen  konnte.  Die  angeheftete  Spermatophore  bleibt  noch  bis 
zum  nächsten  Morgen  als  Beweis  der  Befruchtung  an  den  äußern 
Genitalien  kleben,  wird  später  vom  Weibchen  verzehrt  oder  wenigstens 
mit  den  Mundteilen  entfernt.  Bis  zur  -Ausstoßung  des  ersten  Eies 
verstreichen  2—8  Tage,  vorausgesetzt,  daß  das  Tier  einen  geeigneten 
Platz  vorfindet.  Ausnahmslos  wird  nämlich  die  Nachkommenschaft 
den  Laubblättern  der  Futterpflanzen  anvertraut  und  zwar  in  ganz 
eigentümlicher  kunstvoller  Weise.  Mit  Einbruch  der  Dämmerung 
tasten  die  tagsüber  trägen  legei-eifen  Weibchen  die  Bänder  der 
Blätter  ab,  ergreifen  mit  den  Mandibeln  eine  Stelle  derselben,  von 
der  sie  zuvor  vielleicht  ein  Stückchen  abgebissen  hatten,  und  biegen 
nun  das  Abdomen  so  vollständig  nach  vorn,  daß  der  Unterrand  de> 


•» 


s 


kurzen,  scharf  gekrümmten  Legestachels  am  Kinn  vorbeigleitet. 
Von  den  lebhaft  arbeitenden  Labial-  und  Maxillartastern  offenbar 
geführt  und  orientiert  wird  nun  unter  seitlichen  Schiebungen  der 
obern  und  untern  Klappen  die  Legescheide  in  etwa  1  Minute  in  die 
Blattfläche  zwischen  Ober-  und  Unterseite  —  näher  dieser  —  ver- 
senkt, so  daß  eine  Tasche  entsteht,  deren  Breite  größer  als  die  des 
Legestachels  ist.  Gleich  darauf  wird  ein  Ei  in  den  fertigen  Hohl- 
raum geschoben.  In  etwa  2^/.^  Minuten  ist  alles  geschehen,  der 
Stachel  wird  herausgezogen  und  mit  dem  Mund  1  — 2mal  gereinigt. 
Mit  dem  Ei  wird  offenbar  ein  klebriger  Saft  abgegeben,  der  es  mit 
seiner  grünen  Umhüllung  fest  verkittet.  Dadurch  wird  verhindert, 
daß  es  beim  Vertrocknen  des  Blattes  herausfällt;  vielleicht  spielt 
dieser  Kitt  auch  eine  Rolle  bei  der  nachher  zu  erwähnenden  Dicken - 
zunähme  des  Eies  während  der  Embryonalentwicklung.  Nach  kurzer 
Pause  wiederholt  sich  der  Vorgang  noch  1— 2mal.  Mehr  als  2 — 3 
Eier  scheinen  innerhalb  24  Stunden  nicht  abgelegt  zu  werden,  wohl 
aber  fahren  die  Weibchen  sehr  lange  damit  fort.  2  der  in  Ge- 
fangenschaft gehaltenen  Tiere  haben  sich  in  7  Monaten  (Mitte  Mai 
1908)  noch  nicht  erschöpft,  setzen  nur  selten  1 — 2  Tage  mit  dem 
Vermehrungsgeschäft  aus.  Eine  P^rneuerung  der  Befruchtung  wurde 
bei  einem  Pärchen  einmal,  bei  einem  andern  zweimal  beobachtet, 
findet  aber  vielleicht  noch  öfter  statt. 

Während    des  Legeakts   lassen    sich    die    Weibchen   von   über- 


Die  Gattung  Myrmecophana  Brunner. 


168 


kletternden  Genossinnen  nicht  stören,  wohl  aber  stechen  sie  bis- 
weilen das  untere  Blattepithel  durch,  so  daß  ein  Teil  des  Eies  dar- 
über hervorrag-t.  Wegen  seiner  starken  Abflachung  tritt  es  auf  der 
Ober-  und  Unterseite  des  Blattes  so  wenig  plastisch  hervor,  daß 
es,  besonders  auf  jener,  kaum  zu  bemerken  ist  (Fig.  C  b).  Erst 
später  hebt  sich  die  besetzte  Stelle  durch  rötliche  bis  braune  Ver- 
färbungen der  ßlattgewebe  und  durch  die  schon  erwähnte  Volum- 
zunahme des  Eies  deutlich  ab  (vgl.  Fig.  Ca). 

Frisch  gelegt  besitzt  das  Ei  etwas  unregelmäßig  elliptische  Um- 
risse, 3,7 — 4,8  mm  Länge,  1,4—1,9  mm  Breite  und  nur  etwa  0,5  mm 
Dicke,  ist  also  seitlich  außerordentlich  zusammengedrückt  (Fig.  Aaa') 


R 


Fig.  A. 

a  große,   b  kleine  Eiform   von  der  Fläche  a'b'  von  der  Kante  gesehen,   aa'  frisch 

gelegt,  bb'  bebrütet. 

K  Kopf.    H  Hiuterende.    R  Rücken.    B  Bauchseite.     8  : 1. 


von  mattglänzend  schwarzer  Färbung.  Trotz  der  geringen  Unter- 
schiede läßt  sich  an  ihm  ein  schmäleres  dünneres  Kopfende  (K),  ein 
dickeres,  breiteres  Hinterende  (H),  eine  weniger  konvexe,  oft  fast 
gerade  Bauch-  und  eine  stärker  gewölbte  ßückenseite  {B  u.  R)  er- 
kennen.    Die  Unterschiede   in   der  Wölbung  der 

11* 


Längskanten   ver- 


164  J-    VOSSELER, 

stärken  sicli  mit  der  fortschreitenden  Embryonalentwicklung-.  Die 
Kanten  traoen  dieselbe  feinkörnige  Schalenstiuktur  wie  die  Flächen, 
die  von  einem  engen  Netzwerk  polygonei".  doppelt  kontiirierter 
Maschen  mit  i)unktierten  Zwischenräumen  überzogen  sind,  ähnlich 
wie  bei  der  Wanderheuschrecke  (Schistocerca  pcregrina  Ol.).  ^)  In 
der  grünen  Einbettung  erhält  sich  diese  Form  6 — 8  Wochen,  d.  h. 
bis  zum  Beginn  der  Embr^^onalentwicklung,  die  oifenbar  nicht  sofort 
nach  dem  Ablegen  einsetzt.  Alsdann  beginnt  das  Ei  in  der  Eichtung 
des  kleinsten  Durchmessers  dicker  zu  werden,  was  nur  unter  der 
Voraussetzung  möglich  ist,  daß  die  Schale  dehnbar  und  porös,  das 
sich  umwandelnde  Dotter  zur  Wasseiaufnahme  fähig  ist  oder,  wie 
an  einem  aufgeblasenen  Luftkissen,  die  andern  Ausmaße  sich  ver- 
ringern. Aus  einigen  stets  an  der  Rücken-  und  Bauchkante  weit 
entwickelter  Eier  zu  beobachtenden  Fältchen  könnte  darauf  ge- 
schlossen werden,  daß  die  Formung  des  Embryos  die  seitliche  Aus- 
dehnung bewirke.  Die  Erscheinung  besteht  aber  schon,  wenn 
die  Gestaltung  des  Embryos  kaum  begonnen  hat.  dieser  also 
keine  mechanische  Kraft  zur  Veränderung  der  Umrisse  des  Eies 
anwenden  kann.  Zudem  setzt  die  feste  zähe  Schale  einer  so 
schwachen  Kraft  viel  zu  großen  ^\'iderstand  entgegen,  auch  später 
noch.  Durch  das  Experiment  läßt  sich  nun  nachweisen,  daß  in 
dürren  Blättern  trocken  aufbewahrte  Eier  3,  selbst  4  Monate  und 
darüber  unverändert  bleiben  und  sich  erst  entwickeln,  wenn  sie  be- 
feuchtet werden,  in  einer  feuchten  Kammer  auch  erst  das  beschriebene 
Dickenwachstum  zeigen.  Da  dieses  nun  zweifellos  von  einer  prallern 
Füllung  der  anfangs  weniger  straff  gesi)annteu  Eischale  begleitet 
ist,  muß  wohl  eine  osmotische  Wasseraufnahme  von  außen,  sei  es 
aus  den  lebenden  Geweben  der  Pflanzenblätter,  sei  es  aus  Nieder- 
schlägen, stattfinden.  Ehe  dadurch  eine  Verdünnung  des  Dotters, 
d.  li.  eine  Vermehrung  des  Eiinhalts.  herbeigeführt  ist,  würde  die 
beinahe  lamellöse  Form  des  Eies  die  zu  beobachtende  runde  Körper- 
gestalt des  Embryos  nicht  zulassen. 

Die  Seitenausdehnung  der  embryonierten  Eier  ist  eine  sehr  be- 
trächtliche, übertrifft  bald  das  Doppelte  der  anfänglichen  Dicke,  d.  h. 
sie  steigt  von  0,4—0,5  auf  1.10 — 1,25  mm,  je  nach  der  Größe  der 
übrigen   Durchmesser.      Das    in   Fig.  kh.  Ah'  abgebildete   Ei   hatte 


1)  Vgl.  VosSELER,  J.,  Die  Wanderheuschrecken  in  ITsami)ara  im 
Jahre  1 9U3/04,  zugleich  ein  Beitrag  zu  ihrer  Biologie,  in :  Ber.  Laud- 
Forstwirtsch.  Deutsch- Ostafrika,   Vol.   2,    1905,  tab.    12,   fig.  4a. 


Die  Gattung  Myrmecopliaua  Brunner.  165 

sich  um  0,7  mm  verdickt  und  zeigt  nahe  der  Baucli-  und  Rücken- 
naht kleine  Fältelung-en  der  Schale.  Es  ist  zugleich  ein  Beispiel 
eines  kleinen,  besonders  schlanken  Typs,  der  stets  von  ein  und  dem- 
selben Weibchen  produziert  wurde.  Vorherrschend  aber  war  die 
größere,  relativ  weniger  schlanke  Form  (Fig.  Aa.  Aa'),  die  mit  der 
Entwicklung  ebenfalls  eine  mehr  gerade  Bauchlinie  (Fig.  Aa  B),  wie 
das  beinahe  schlupfreife  Ei  (Fig.  Ah),  erliält. 

Hat  ein  Weibchen  die  Auswahl,  so  sucht  es  zur  Unterbiingung 
der  Nachkommenschaft  stets  viUlig  entwickelte,  also  ältere  Laub- 
blätter ^)  der  Futterpflanzen  auf.  Oft  halten  diese  so  lange  vor, 
bis  die  Jungen  ausgekrochen  sind,  oft  aber  welken  sie  zuvor  und 
fallen  ab  oder  werden  wie  bei  Doryalis  und  vielen  andern  tropischen 
Gewächsen  grün  abgeworfen  und  vertrocknen.  Auf  solche  Fälle 
scheinen  die  Eurijcorypha-Eiev  eingerichtet  zu  sein,  indem  sie  be- 
fähigt sind,  eine  über  4  Monate  anhaltende  Trocknis  zu  überstehen 
und  sich  doch  noch  hernach  zu  entwickeln ,  sobald  sie  genügend 
Feuchtigkeit  erhalten.  Möglicherweise  findet  durch  Trockenheit 
nicht  nur  eine  Verzögerung  des  Anfangs,  sondern  auch  eine  Unter- 
brechung des  Gangs  der  Embryonalentwicklung  statt. 

Unter  normalen  Verhältnissen,  wenn  das  Ei  im  Freien  (z.  B. 
an  Rosen)  deponiert  ist,  schlüpft  das  Junge  erst  nach  etwa  3  Mo- 
naten aus,  von  denen  etwa  Vj.^  auf  die  Entwicklung  des  Embryos 
zu  rechnen  sein  dürften.  Das  früheste  Auskriechen  fand  32  Tage 
nach  dem  Verbringen  der  Eier  in  die  feuchte  Kammer  statt. 

Ohne  auf  die  Embryologie  näher  einzugehen,  sei  nur  bemerkt, 
daß  der  anfangs  weiße,  später  gelbe  Embryo  noch  im  Ei  dunkle 
Färbung  erhält,  die  zuerst  in  Form  eines  diffusen,  rötlich-braunen 
Pigments  an  den  Mundwerkzeugen,  Beinen  und  zwischen  den  Rücken- 
segmenten des  Abdomens  auftritt. 

Schon  vor  diesem  Stadium  macht  sich  am  Kopf  ein  eigenartiges 
Embryonalorgan  bemerklich.  Vom  Ansatz  der  Oberlippe  bis  zum 
Scheitel  verläuft  eine  helle  sagittale  Lamelle  über  die  Stirnmitte, 
deren  Außenrand  unregelmäßig  gezackt,  deren  Seiten  leicht  ge- 
streift sind  (Fig.  B  -S^),  so  daß  das  Gebilde  einer  Säge  gleicht,  die 
mit  der  Ausbildung  des  Embryos  deutlicher  wird,   dem  Jungen  des 


1)  In  Blütenblätter,  welkes  oder  vergilbendes  Laub  wurden  niemals 
Eier  abgelegt.  Wurden  den  Weibchen  keine  lebenden  Grünblätter  gereicht, 
so  sistierten  sie  das  Legegeschäft ;  einigemal  ließen  sie  die  Eier  einfach 
fallen. 


166  J-    VOSSELER, 

1.  freien  Stadiums  aber  fehlt.  Seine  Bedeutung  als  Hilfswerkzeug 
beim  Öffnen  der  Eischale  ist  somit  sehr  naheliegend.  Ähnliche 
Organe  kommen  bei  Wanzen,  Phryganeen,  Neuropteren,  Puliciden 
vor'),  dürften  aber  in  dieser  Form  noch  nicht  bekannt  geworden 
sein,  wenigstens  nicht  bei  Phaneropteriden.  Sie  erinnern  an  den 
Eizahn  auf  dem  Oberschnabel  der  Vögel.  In  unserm  Falle  wird  der 
vordere  Teil  der  Bauchnaht  damit  geütfnet.  Das  Auskriechen  selbst 
erfolgt  mit  Hilfe  der  Nackenblase  (Fig.  B  N). 


Fio-.  B. 

Kopf  und  Proiiotiim  eines  fast  reifen  Embryos. 
St  kjtirnsäae.     JS!  Nackenblase.     Fr  Pronotnm.     16:1. 


Die  postembryoiiale  Entwicklung. 

Aus  dem  eben  Mitgeteilten  geht  hervor,  daß  das  ausgekrochene 
Tier  Bestandteile  des  Exoskelets  mit  zur  Welt  bringt,  deren  es  nur 
als  Werkzeug  beim  Sprengen  der  Eischale,  hernach  nicht  mehr  be- 
darf Sie  werden  demgemäß  mit  der  ersten  Häutung,  die  sich  Avie 
hei  Schisfoce)ra-)  und  vielleicht  den  meisten  Acridiern,  ebenso  bei 
Mantis  und  Cicaden  direkt  an  das  Verlassen  des  Eies  anschließt, 
abgestreift.  Diese  erste  Exuvie  wird  häufig  als  „Amnion"  bezeichnet  ^), 
und  ich  selbst  nahm  in  der  angeführten  Arbeit  diesen  Ausdruck  an, 
wies  aber  (p.  310)  darauf  hin.  daß  sie  nichts  mit  dem  echten,  an 
den  Keimstreifen  sich  anschließenden  und  die  Amnionhölile  be- 
grenzenden Amnion  zu  tun  hat,  sondern  ,. einer  echten  vom  Integu- 


1)  Henneguy,  L.  F.,  Les  Insectes.  Morphologie  —  Reproduction  — 
Erabryogenie,  Paris    1904  (622  Fig.,   4  Farbtaf.),   p.   495. 

2)  VosSELER,  J.,  I.  c,  p.  305 — 306. 

3)  Vgl.  Sander,  L.,  Die  Wanderheuschrecken  und  ihre  Bekämpfung 
in  unseren  afrikanischen  Kolonien,  Berlin  1902,  p.  165.  —  Henneguy, 
L.  F.,   1.  c,  p.  492.  —  Shaep,  D.,  1.  c,  p.  291. 


Die  Gattung-  Myrmecophana  Brunner.  167 

nieiit  abg^esonderten  und  nicht  als  EiliüUe  entstandenen  Cuticula" 
gieit'lizusetzen  ist,  ihre  Abstreifung-  somit  „eine  vollkommen  mit  der 
der  folgenden  Larvenstadien  übereinstimmende  Häutung  darstellt". 
Die  Bezeichnung'  „Amnius"  muß  wohl  Kükkel  d'Hercülais  ^)  zum 
erstenmal  gebraucht  haben.  Riley  -)  beobachtete  bei  CaJoptenus 
spretus  eine  Häutung-  während  des  Ausschlüpfens  und  hält  die 
i\Iembran  fälschlich  für  einen  Teil  der  Embrj'onalhäute.  Hier,  wie 
nach  einer  brieflichen  Mitteilung-  von  Herrn  Dr.  Voss  auch  bei 
Gnjllns,  scheint  die  erste  Häutung-  noch  innerhalb  des  Eies  statt- 
zutinden.  aber  erst  im  Aug-enblick  des  Auskriechens,  also  mit  einer 
ganz  gering-en  zeitlichen  und  (irtlichen  Verschiebung-  geg-enüber 
Schistocerca  und  Eurijcorijpha.  Ist  au('h  dieser  Unterschied  im  l'i'inzip 
sehr  gering,  so  kommt  ihm  doch  eine  Entscheidung  in  der  Frage 
zu.  ob  der  erste  Hautwechsel  als  ein  embrj^onaler  oder  postembryo- 
naler anzusehen  sei  und  ob  man  das  ihm  unterworfene  Stadium  als 
Embryo  oder  als  Larve  zu  bezeichnen  habe.  In  meiner  mehrfach 
genannten  Abhandlung  wurde  dieses  Dilemma  berührt,  obwohl  die 
Bezeichnung  jenes  und  des  vorliegenden  Falles  keine  weitern 
Schwierigkeiten  bietet,  sobald  man  das  Embrjonalstadium  mit  dem 
Verlassen  des  Eies  beendigt  sein  läßt.  Wohl  aber  wäre  für  die 
weitere  Beurteilung  der  Häutung  im  Ei  die  Kenntnis  der  Entwick- 
lung m()glichst  vieler  anderer  Arten  wichtig.  Durch  ausgedehntere 
Beobachtungen  wird  sich  erst  aufklären,  welcher  Modus  der  all- 
gemeinere, welcher  als  Verschiebung  gegen  die  Norm  anzusehen  ist. 

Aus  dem  Vorstehenden  ergeben  sich  2  Folgerungen:  1.  daß  es 
sicli  empfiehlt,  den  Begriff  „Amnion"  oder  „Amnios"  für  die  beim 
odei'  vor  dem  Verlassen  des  Eies  der  Mantiden  und  Orthoptera 
saltatoria  abgelegte  Cuticula  nicht  mehr  zu  verwenden;  2.  daß  das 
eben  aus  dem  Ei  gekrochene  Junge  (voi'erst  wenigstens  von  Schisto- 
cerca und  Euryconjpha)  als  1.  postembryonales  oder  larvales  Stadium 
zu  bezeichnen  ist,  trotz  seines  embryonalen  Charakters.  Von 
KüxcKEL  b'Herculais  wurde  es  ganz  zutreffend  als  kriechende  Larve 
der    springenden    gegenübergestellt  •')    und    damit    die    Möglichkeit 


1)  KÜNCKEL  d'Hekculais,  J.,  Les  Acridieus  vulgo  Sauterelles  et 
leur.s  invasions  en  Algerie  1888 — 94,  Alger  et  Paris  1894,  Eapp.  8, 
24  mars    1890,   p.   (2).^ 

2)  KiLEY,    in:    Pvep.  Ins.   Missouri.  Vol.   9,  p.  86   (zit.   nach  Sharp). 

3)  Mecanisme  physiologique  de  l'eelosion,  des  mues  et  de  la  meta- 
morphose    cliez    les  Insectes  orthopteres    de    la    famille   des  Acridides,    in : 


168  J-    VOSSELER. 

und  die  Verschiedenheit  der  Aktionsfähigkeit  zum  erstenmal  be- 
rühi-t.  1) 

Genau  Avie  bei  der  Wanderheusclirecke  begleitet  auch  bei 
Eurycorypha  eine  g-anz  sinnfällige  Veränderung  der  Form  und  Pro- 
portionen den  Prozeß  des  ersten  Hautwechsels  besonders  deutlich 
am  Kopf  und  Abdomen.  Schon  die  Gestaltung  des  Eies  läßt  die 
Unmöglichkeit  der  Präformierung  des  breiten,  ameisenähnlichen 
Kopfes  erkennen.  Trotz  der  spätem  Ausdehnung  bleibt  das  Be- 
hältnis viel  zu  schmal  dazu.  In  der  Tat  ist  nun  auch  in  diesem 
Fall  der  Kopf  des  reifen  Embryos  gewissermaßen  noch  knospenhaft; 
alle  Teile  und  Organe  sind  wohl  angelegt,  werden  aber  erst  nach 
der  Befreiung  von  der  zarten  blassen  Hülle  in  eine  funktionsfähige 
Form  gebracht,  vor  allem  erweitert.  Vor  der  Abstreifung  der  aus 
dem  Ei  mitgebrachten  Haut  zeigt  der  Kopf  neben  geringern  Aus- 
maßen im  allgemeinen  solche  des  transversalen  Durchmessers  im 
besondern,  das  Abdomen  aber  ist  prall  gerundet,  größer  als  der  Kopf, 
der  sofort  nach  dem  Hautwechsel  durch  Aufpumpen  mit  Blut  — 
vielleicht  auch  Luft  —  vom  Hinterleib  ausgedehnt  und  in  seine 
definitive  Gestalt  gebracht  wird.  Wie  früher  (1.  c,  p.  308)  be- 
schrieben, nimmt  das  Volumen  des  Abdomens  in  proportionaler  Weise 
während  dieser  Ausdehnung  ab.  Die  dabei  zu  beobachtenden  Vor- 
gänge sind  den  die  Flügelentfaltung  der  Insecten  begleitenden 
homolog.  Die  neugeborne  Eurycorypha  erinnert  an  eine  Käferpuppe; 
sie  besitzt  alle  Gliedmaßen  und  Einrichtungen  des  nachfolgenden 
Zustands,  jene  aber  liegen  noch  in  einer  Art  Futteral,  sind  also  noch 
nicht  frei  beweglich  oder  wenigstens  nicht  vollkommen  brauchbar. 
Das  dauert  aber  nur  wenige  Minuten,  die  zur  Vollendung  der  so 
häufig  übersehenen  tatsächlich  1.,  mit  Hilfe  der  Nackenblase  (Fig.  B  N) 
vollzogenen  Häutung  nach  dem  Verlassen  des  Flies  nötig  sind.  Die 
weiße  Cuticula  bleibt  oft  noch  an  dem  eben  verlassenen  Ei  haften, 
manchmal  etwas  festgeklemmt  in  dem  Spalt,  den  das  Junge  mit 
seiner  Stirnsäge  im  vordem  Drittel  der  Bauchnaht  zum  Auskriechen 
geschaffen  hatte. 

Die  leere  Schale  ist  innen  glatt  glänzend,  ihre  oben  erwähnte 
P>weiterung  bleibt  nach  dem  Trocknen  bestehen,  sie  muß  sich  also 
ausgedehnt    haben.     Daß    sie  verlassen   ist,    erkennt   man  außer  an 


CR.   Acad.   Sc.  Paris,   Vol.    110;   Ann.   Soc.   entomol.  France  (6),   Vol.    10, 
1890  (zit.  nach  Henneguy). 

1)  Dasselbe  ist  von  mir  (p.  310)  unabhängig  von  KÜNCKEL  angegeben. 


Die  Gattung  Myrmecophaua  Bkunner. 


169 


der  gelegentliclien  Anwesenheit  der 
1.  Exuvie  auch  an  einer  kleinen 
Auskerbung-  des  Blattrands  mit  ver- 
bräunten Umgrenzungen,  die  von 
der  jungen  Heuschrecke  um  die 
Austrittsstelle  herum  genagt  zu 
werden  pflegt  (Fig.  Ca). 


Fig. 


C. 


Eier  von  Enrycorypha  in  Eosenblättern. 

ii  ausgeschlüpft,     b  fiiscli  gelegt. 

Bei  X  frei  präpariert. 

a  2:1,  b  1,5:1. 


/ 


a 


Das  1.  springende  Stadium')  (Fig.  Da)  der  freien  Eiiry- 
corypha-hRrye  alias  3Iyrmecophana  mißt  anfangs  8,6,  zuletzt  5,0  mm, 
seine  Fühler  12  mm.  Die  nach  dem  Auskriechen  noch  hell  rötlich- 
braune  Farbe  geht  innerhalb  der  nächsten  2  Stunden  in  reines 
Schwarz  über.  Die  Grundglieder  der  Fühler  sind  lichtgrau,  die 
5  ersten  Greißelglieder  schwarz,  das  6.  aber  wieder  hell  gelblich,  ein 
Ton,  der  auch  den  folgenden  Ringen  noch  zukommt  neben  einer 
distal  zunehmenden  Verdunkelung,  die  von  der  Mitte  an  zu  ein- 
farbigem Schwarz  wird.  Über  das  Enddrittel  der  Oberseite  aller 
Tibien  ziehen  sich  auf  hellem  Grunde  2  schwarze  Längslinien  hin, 
die  das  Glied  schlanker  erscheinen  lassen,  als  es  ist.  Das  Femur 
des  3.  Beins  trägt  hinter  der  Mitte  einen  hellen  Fleck,  der,  sich 
verdunkelnd,  mit  verschwommenen  Umrissen  auf  der  Oberhälfte  bis 
zum  Knie  reicht.  An  der  Einschnürung  des  Pronotums  verläuft  ein 
kommaförmiges  weißes  Fleckchen  vom  untern  Seitenrand  schräg 
nach  oben.  Die  Farbe  des  schmutzig  grünlichen  Bauches  greift  auf 
die  Seiten  des  S.  und  4.  Abdominaltergits  über  und  erzeugt  die  von 
Brunner  erwähnte  Täuschung,   als  ob  der  Hinterleib,  von  oben  ge- 


1)  Der  Kürze  wegen  bezeichne  ich   im  Folgenden  diese  Entwicklungs- 


stände in  der  hergebrachten  Weise. 


170 


J.   VOSSELER, 


seilen,  eing-eschiiürt  sei  wie  der  einer  Ameise.  Der  Brust-  und  Ab- 
domenrücken ist  mit  feinen,  starr  abstehenden  Härclien  von  g'rauem 
Glanz  besetzt. 

Das  2.  und  3.  Stadium  (Textfig-.  Db,  De.  Ell.  E III  und 
Taf.  8,  Fig-.  1 — 3)  g-leiehen  dem  1.  noch  so  sehr,  daß  nur  auf  wenig-e 
Veränderungen  hinzuweisen  ist,  die  hauptsächlich  die  Größenzunahme 
betreffen.  Das  2.  Stadium  wächst  um  2 — 2,5  mm.  mißt  also  5,5 — 8  mm. 
Obwohl  im  großen  ganzen  ebenfalls  tiefschwarz,  findet  man  schon 
jefzt  einzelne  Individuen  von  schön  saftbrauner  Grundfarbe,  gegen 
die  das  reine  Spangrün  der  abdominalen  Seitenflecken  sich  vor- 
trefflich abhebt.  Wie  diese  Flecken,  so  erscheint  auch  der  Bauch 
klarer  und  transparenter  grün  gefärbt.  Auch  an  schwarzen  Tierchen 
schiebt  sich  oft  eine  rötlich-braune  Übergangszone  zwischen  Rücken- 
Fühler  beträgt  14 — 15  mm. 


und  Bauchfärbung  ein 


Die  Länge  der 


Fig.  D. 

a — g  die  4  ersten  Larvenstadien  von  Earycoryplia.     2  :  1. 
e  weibliche  Iniago.     1,45  :  1- 


Die  Ausmaße  des  3.  Stadiums  bewegen  sich  zwischen  8  und  11  mm 
Körperlänge.  Die  Fühler  haben  sich  auf  19  mm  verlängert.  Saft- 
braune Exemplare  erscheinen  häufiger,  oft  sogar  eine  Zwischenform 
von  ihnen  und  ganz  schwarzen,  bei  der  der  Kopf  und  der  Seitenrand 
der  Abdominaltergite  5—8  sowie  die  Mitte  des  4.  schwarz  sind,  so 
daß  die  Rückenseite  des  dicken  Teils  von  einem  dunklen  Ring  um- 
geben  ist,   über   dem   sich  Mitte  des  Abdomens  wie  eine  saftbraune 


Die  Gattung-  Myrmecophana  Brünnkr.  171 

Kuppe  wölbt.  Ebenfalls  braun  ist  die  Brust  nebst  den  Beinen  mit 
geringen  dunklern  Abtönungen  in  der  Glitte  und  an  den  Seiten  der 
Tlioraxtergite  und  an  den  Tibien.  In  beiden  Stadien  ist  Coxa  und 
'J'rochanter  der  Spring-beine  wassergrün,  nehmen  auch  die  anfangs 
dunkeln  Bruststernite  stufenweise  diese  Farbe  an.  Alle  diese  Unter- 
schiede fallen  nur  wenig  in  die  Aug-en,  zumal  sie  teilweise  der  Unter- 
seite angehören.  Die  abdominalen  Seitenflecken,  urspriing-licli  haui)t- 
sächlich  auf  dem  3.  Tergit  bis  nahe  der  Rückenmitte  ausgedehnt, 
am  4.  klein,  schräg  nach  hinten  und  unten  abgegrenzt,  greifen  im 
3.  Stadium  auch  auf  das  2.  Tergit  über.  Ihre  obern  Umrisse  am 
2.  und  3.  Segment  bilden  ein  nach  unten  offenes  Dreieck;  von  dem 
ursprünglichen  Schmutziggrün  ist  die  Farbe  in  ein  leuchtendes  Span- 
grün übergegangen.  Durch  die  weitere  Ausdehnung  erscheint  der 
Hinterleib  auch  in  dem  vergrößerten  Stadium  noch  entsprechend 
schlank  gestielt,  die  obere  Begrenzung  des  Fleckens  erweckt  die 
Täuschung,  als  sei  der  imitierte  Abdomenstiel  gezackt. 

Die  Flugorgane  beginnen  im  3.  Stadium  in  der  gewöhnlichen 
Form  kleiner  Erweiterungen  des  2.  und  3.  Brusttergits  hervorzu- 
treten. Je  nach  der  Grundfarbe  des  Tieres  sind  sie  schwarz  oder 
braun.  Die  anfangs  sehr  deutliche  Behaarung  tritt  allmählich 
zurück.  Rotbraun  gefärbte  Individuen  des  2.  Stadiums  können  beim 
nächsten  Hautwechsel  wieder  schwarz  erscheinen. 

Mit  dem  Fortschritt  der  Entwicklung  zeigt  also  der  Myrmeco- 
phmia-Ty^w^  der  Eurycorypha-hRYYe  eine  zunehmende  Veränderlich- 
keit der  Grundfarbe,  selbst  Andeutungen  von  Zeichnungen  inner- 
halb derselben.  Trotz  alledem  verliert  sie  nichts  von  ihrer  täuschen- 
den Ähnlichkeit  mit  einer  Ameise,  scheint  aber  doch  schon  den 
nächsten  Stand  vorzubereiten. 

Das  4.  Stadium  (Textfig.  Dg  u.  EIV  und  Taf.  8,  Fig.  4)  mit 
10-13  mm  Körper-  und  25  mm  Fühlerlänge  eignet  sich  schon  seiner 
(rröße  wegen  nicht  mehr  gut  zur  Imitation  einer  Ameise,  andrerseits 
ist  es  zu  klein  zur  wirksamen  mimetischen  Wiedergabe  von  Blatt- 
flächen. Es  nimmt  also  eine  Zwischenstellung  ein  zwischen  den 
Anfangs-  und  Endgliedern  der  Entwicklungsreihe. 

Die  Unterseite  und  Seitenteile  des  Körpers  sind  nun  grün, 
ebenso  der  Anfang  der  Femora,  die  nur  an  den  Enden  und  unter- 
seits  bräunlich  anlaufen.  Die  grünen  Flecke  am  Anfang  des  Ab- 
domens sind  noch  durch  klarere  Faibe  und  scharfe  Grenzen  erkennbar. 
Über  den  ganzen  Rücken  verläuft  eine  saftbraune  Binde,  die  nach 
den  Seiten   zu   durch   eine   gelbbraune  Zone   in. Grün   übergeht,   da 


172  J.    VOSSELER, 

und  dort  liellere  Streifen  einschließt,  voi'  allem  auch  Andeutung-en 
einer  dunkeln,  auf  dem  Pronotum  heilern  Mittellinie,  und  die  sieh 
kurz  hinter  dem  Kopfe  gabelt  und  in  2  kurzen  Ästen  bis  zu  den 
Augen  fortsetzt.  Am  Ende  des  Pronotums  und  auf  dem  5. — 7.  Ab- 
dominalsegment verbreitert  sich  diese  Binde  ein  wenig.  Der 
schmutzig  grüne  Kopf  ist  an  den  Seiten  und  an  den  Mundteilen 
noch  lichtbraun  abgetönt,  ebenso  alle  Tibien,  die  nur  am  Anfang, 
die  des  3.  Beinpaares  aber  im  ganzen  ersten  Drittel  dunkelbraun 
gefärbt  sind. 

Auch  in  diesem  Stadium  sind  die  Farben  veränderlich,  besonders 
die  Töne  der  braunen  Teile.  Beständiger  dagegen  erweisen  sich 
die  Zeichnungen  in  ihren  Umrissen  und  Ausdehnungen.  Nicht  selten 
erscheint  neben  dem  Grün  eine  gelbbraune,  rötlich-gelbe,  selbst  fast 
violette  Tönung  der  Zeichnung,  die  lichten  Stellen  des  Rückens 
variieren  von  lichtbraun,  graubraun  bis  fast  grau.  Die  einfarbigen, 
höchstens  am  Anfang  lichtem  Fühler  stimmen  gewöhnlich  mit  der 
Rückenfarbe  überein. 

Schon  allein  diese  Veränderungen  verminderten  die  Ameisen- 
ähnlichkeit so  sehr,  daß  sie  nur  noch  vermöge  der  Anordnung  der 
Zeichnung  bei  ganz  oberflächlicher  Betrachtung  vorgetäuscht  wird. 
Das  gleiche  gilt  bezüglich  der  Körperform,  die  hauptsächlich  im 
vordem  Leibesabschnitt  mehrere  bemerkenswerte  Wandlungen  gegen 
früher  aufweist.  Vor  allem  wurde  der  Kopf  ausgeprägt  dreieckig 
mit  scheitelwärts  schnell  sich  verbreiternder  Stirn.  Die  bisherige 
durch  eine  starke  Einschnürung  erzeugte  Sattelform  des  Pronotums 
ist  verschwunden,  sein  Mittelstück  sogar  etwas  erhaben,  aber  flach 
geworden,  die  vordem  %  durch  schwach  angedeutete  Kanten  mit 
den  Seitenloben  verbunden,  deren  Ränder  einen  fast  vollkommenen 
Halbkreis  bilden.  Als  letzte  Andeutung  der  frühern  Sattelform 
läßt  sich  noch  eine  Verschmälerung  in  der  Mitte  und  die  runde 
Wölbung  des  hintern  Abschnitts  erkennen.  Die  bisher  unbewehrten 
Femora  haben  unterseits  braune  Dornen  erhalten,  je  2  nahe  dem 
Ende  der  beiden  ersten,  3—4  am  letzten  Schenkel.  Die  Tibien  sind 
glatt  mit  Ausnahme  der  letzten,  die  nunmehr  auch  auf  den  Unter- 
kanten kleine  Dörnchen  tragen.  Alle  Beine  sind  außerdem  zart 
behaart.  Zum  ersten  Male  tritt  nun  auch  ein  Dorn  an  den  Vorder- 
liüften,  ein  deutliches  Foramen  am  Anfang  der  Vordertibien  auf. 
Die  Flügelläppchen  liegen  nach  abwärts  den  Brustseiten  an.  sind 
grün  mit  bräunlichen  Enden. 

Alle    diese  Veränderungen    bedeuten    einen    fast   sprungweisen 


Die  Gattuiii^  M3'nnecophaiia  Bkunnek.  17r> 

Foi'tscliritt  in  der  Ausgestaltung-  zur  Eunjcori/pha.  "Wie  später  ge- 
zeigt wird,  gehen  sie  Hand  in  Jland  mit  solchen  des  ganzen  Ge- 
bahrens  und  werden  teilweise  vom  Aufenthaltsort  beeinflußt  (Färbung). 
Das  Tier  kontrastiert  also  nicht  mehr  völlig  mit  seiner  Umgebung, 
sondern  beginnt  sich  anzupassen.  Es  zeigt  so  viele  Beziehungen 
zu  den  nächstfolgenden  Ständen,  daß  sie  als  erste  Larve  des  ,,Knry- 
coriipha-Typs''  bezeichnet  werden  kann,  wenn  wir  zur  Zu- 
sammenfassung die  3  vorhergehenden  Stände  mit  ihrer  Eigenart 
als  ,.Mij r mecophana-  T y  p "  gelten  lassen. 

Das  5.  Stadium  (Fig.  E  V  und  1'af.  8,  Fig.  5)  von  12—15  mm 
Körper-  und  2.5  mm  Flügellänge  zeigt  eine  weitere  Zunahme  der 
Grünfärbung,  ebenso  auch  einen  Eückgang  der  Zeichnung.  Der 
Kopf  ist  nicht  mehr  frei.  Die  Seitenkanten  des  Pronotums  reichen 
bis  an  den  Hinterrand,  der  sich  über  dem  Ansatz  der  nunmehr 
aufrecht  gestellten  Flügelläppchon  wie  ein  steiles  Dach  erhebt,  dessen 
Seiten  leicht  eingedrückt  sind.  Die  Rückenlinie  verläuft  gebrochen, 
steigt  bis  zum  4.  Abdominaltergit  langsam  an  und  knickt  dann  bis 
zum  Ende  stumpfwinklig  aber  scharf  ab.  2  Linien  ziehen,  mehr 
oder  weniger  dunkelbraun,  von  den  Seiten  der  Stirn  über  Augen, 
Scheitel  und  Seitenkanten  des  Pronotums,  vor  dessen  Hinterrand 
sie  sich  in  einem  medianen  länglichen  Doppelfleck  vereinigen. 
Dunkel  eingesäumt  sind  ferner  die  Oberkauten  der  Elytren  und  das 
Ende  der  Flügelläppchen.  L;ber  die  Abdominalringe  erstreckt  sich 
wiederum  die  dunkle  Binde,  aber  mehrfach  gegliedert  und  verändert 
und  auf  den  von  den  Flügelstummeln  unbedeckten  Abschnitt  be- 
schränkt. Auf  dem  2.  und  3.  Tergit  bildet  sie  nach  hinten  diver- 
gieiende  Yförmige  Figuren  mit  dunklerer  linearer  Begrenzung  und 
einem  heller  braunen  Zwischenraum.  Vom  4.  Tergit  an  aber  zieht 
sich  eine  ebenso  beschaffene  sehr  schlank  rautenf(3rmige  Figur  übei- 
den  abfallenden  Teil  des  Hinterleibes  bis  zum  Ende.  Der  Hinter- 
rand der  betreffenden  Segmente  kann  noch  besonders  getönt  sein. 
Die  Beine,  besonders  die  Tibien  sind  oft  rötlich  überhaucht,  die 
Femora  dunkler  gegen  das  Ende  zu;  der  Anfang  der  Hintertibien 
ist  tiefbraun.  Die  Tarsen  sind  lichtgrün.  Der  Kopf  ist  nur  mehr 
wenig  breiter  als  das  Pronotum,  wird  von  dessen  Vorderrand  über- 
deckt, der  Hals  verschwindet. 

Das  6.  Stadium  (Taf.  8,  Fig.  6)  gleicht  dem  5.  noch  sehr, 
unterscheidet  sich  hauptsächlich  durch  die  Größe  und  die  weitere 
Ausbildung  der  Flügelläppchen  davon  sowie  durch  das  stärkere 
Hervortreten  der  äußern  Genitalorgrane  der  weiblichen  Larven.    Die 


174 


J.    VOSSELER, 


Zeichnung  hat  sicli  wenig-  verändert.  Die  Seitenlinien  an  Kopf  und 
Pronotum  sind  etwas  verblaßt,  mit  Ausnahme  einiger  Stellen.  Hinter 
den  .A.ugen,  am  Anfang  der  Seitenkiele  des  Pronotums  und  in  dessen 
letztem  Drittel,  wo  beide  Linien  unter  rechtem  Winkel  umbiegen 
und  sich  nähern,  enthalten  sie  dunkelbraune  Pleckchen.  die  schon 
im  vorhergehenden  Stand  etwas  markiert  waren.  Bisweilen  sind 
ähnliehe  dunkle  Stellen  am  Anfang  und  Ende  der  Tibien  vorhanden. 
Das  erste  Drittel  der  Hintertibien  ist  gleichmäßig  braun.  Kürper- 
länge 15 — 20  mm,  Fühlerlänge  32  mm. 

Die  Imago  (Fig.  De)  zu  beschreiben  erübrigt  sich  unter  dem 
Hinweise  auf  die  Diagnose  Stal's  und  Beunkee's.  .\1s  Ergänzung 
seien  aber  einige  Bemerkungen  über  die  Anfangsfarbe  beigefügt. 
Wie  nach  den  3  letzten  Häutungen  erscheint  das  Tier  erst  blaß- 
grün, häufig  mit  rosaroten  Tibien.  Nach  mehreren  Tagen  stellt 
sich  dann  der  glänzend  saftgrüne  definitive  Farbton  ein,  2  Linien 
über  die  Kanten  der  Kopf-,  Pronotumseiten  und  Elytren  sowie  die 
Unterseite  sind  weißgrün,  das  Geäder  der  Elytren  und  die  Hinter- 
tibien gelbgrün.  Die  Taster  der  Mund  Werkzeuge  sind  braunrötlich 
angelaufen.  Der  vorhin  erwähnte,  weiße  Seitenstrich  des  Kopfes 
durchschneidet  auch  das  Auge. 

Weitere  Einzelheiten  über  die  Entwicklung  und  das 
Wachstum  schließe  ich  an  die  vorstehende  allgemeine  Schilderung 
der  Größenzunahme   und  Umformung  hier  an,   beginnend  mit  einer 


Übersichtstabelle   über 
Ausmaße. 


die  Dauer   der   einzelnen  Stände,   sowie   die 


S 

t  a  d  i 

XI  m 

Imago 

I 

II 

III 

IV 

V 

VI 

Dauer  (Tage) 

7-18 

7—14 

7— n 

8-10 

7-11 

11—16 

90—210 

Longit.  corp.    (mm) 

3,6    5.0 

5,0-7,5 

8    11 

10—13 

13     16 

15—20 

— 

„  pronoti            „ 

1,4 

1.7 

2,0 

2,7 

3,3 

4,0 

— 

„  femor.  postic.  „ 

3,0 

3,5 

4,5 

6,0 

6.5 

9,5 

— 

„  elytrorum       „ 

— 

Spur 

0,3 

,2.6 

7,0 

— 

„  alaruiii            ,, 

— 

— 

Spur 

0,8 

3.0 

7.2 

■ — - 

Altit.  capitis         „ 

1,45 

1,82 

2,5 

3,0 

3,5 

4,0 

— 

Die  Dauer  der  einzelnen  Stadien  variiert  individuell  ganz 
außerordentlich  ebensowohl  bei  im  Freien  eingekäfigten  als  auch  im 
Zimmer  gehaltenen  Tieren,  jeweils  unter  gleichen  Lebensbedingungen. 
Eine  Verlangsamung  der  Entwicklung  durch  die  Aufzucht  in  kleinen 
Käfigen  war  nicht  zu  bemerken.  Das  Kürperwachstum  vollzieht 
sich  wie  bei  Schistocerca  kontinuierlich,   manchmal  so,   daß  nach  der 


Die  Gattung  Myrniecophana  Bkunnek.  175 

Häutung-  sogar  eine  unbedeutende  Ven-ingerung  der  ivörperläng-e 
stattfindet.  Alle  während  der  Häutungsintervalle  nicht  dehnbaren 
Teile  (Kopf.  Pronotum  und  Gliedmaßen)  dehnen  sich  nach  dem  Ab- 
werfen der  Haut  sprungweise  aus,  so  daß  der  Umfang-  des  p]xo- 
skelets  dem  nachfolgenden  Wachstum  der  umschlossenen  Organe 
vorauseilt  (vgi.  Schistocerca),  am  deutlichsten  am  Kopf  und  an  den 
Beinen. 

Unter  den  Larven  lassen  sich  schnell-  und  langsamwüchsig:e 
unterscheiden.  Ein  Individuum,  das  zur  Vollendung  des  1.  Stadiums 
den  kürzesten  Zeitraum  biauchte,  durchläuft  auch  die  folgenden 
ebenso  rasch.  So  kann  es  kommen,  daß  von  zwei  zu  gleicher  Zeit 
ausgekrochenen  Tieren  das  eine  in  etwa  47,  das  andere  erst  in 
75  Tagen  fertig  ist.  So  viel  ich  überblicken  kann,  liefern  die 
kleinen  schmalen ,  früher  beschriebenen  Eier  die  langsamwüchsigen 
Larven. 

Von  einzelnen  Organen  und  Körperteilen  ist  die  Stufenfolge  der 
das  \\'achstum  begleitenden  Veränderungen  besonders  bemerkens- 
wert, z.  B.  die  des  Pronotums  und  der  äußern  weiblichen  Genitalien. 
Jenes  behält  während  der  3  ersten  springenden  Stände  gleiche 
Sattelform  und  Zeichnung  bei  (Fig.  E  II — III),  verliert  im  4.  seine 
Einschnürung  gänzlich  (Fig.  E  IV)  und  zeigt  am  Vorderrand  schon  An- 
deutungen der  später  sich  immer  weiter  nach  hinten  erstreckenden 
Seitenkanten,  die  sich  über  dem  Ansatz  der  Flugorgane  in  einem 
kurzen    Mediankiel    vereinigen    und    erst    bei    der   Imago    parallel 


Fig-.  E. 

Uiiiformmig-  des  Pronotums  von  Stadium  II— V. 

e  Elytren.     a  Flügel.     ll.H:  1. 


werden.  Die  fast  halbzylindrische  Form  des  4.  Stadiums  wird 
vom  5.  an  wenigstens  im  hintern  Abschnitt  von  der  Größe  und 
Stellung  der  Flugorgane  beeinflußt,  der  Discus  ist  zunächst  nur  im 
vordem  Teil  eben  und  kantig  begrenzt,  spitzt  sich  nach  hinten  zu 
und  fällt   dachförmig  über  die  fast  senkrecht  stehenden  Elytren  ab 


176 


J.   VOSSELER. 


(Fig.  E  V).  Die  definitive  Form  des  Anfangsteils  der  Elytren  bedingt 
eine  entsprechende  Gestaltung  der  hintern  Pronotumhälfte.  die  nun 
denselben  Querschnitt  eines  nach  unten  offenen  Rechtecks  erhält, 
wie  die  Vorderhälfte.  Die  kleine  Kerbe  an  der  Verbindung  des 
Hinter-  und  Unterrandes  ist  schon  im  4.  Stadium  angedeutet 
(Fig.  E  IV- V). 

Das  Wachstum  der  äußern  weiblichen  Genitalien  macht  während 
der  4  ersten  Larvenstände  geringe  Fortschritte,  führt  aber  doch  zur 
Ausbildung  einer  deutlichen  Legescheide,  deren  Bestandteile  schon 
im  2.  Stadium  unterschieden  werden  können.  Die  6  Valven  (Klappen) 
liegen  in  2  Gruppen  als  unscheinbare  am  Ende  abgerundete  Zäpfchen 
des  8.  und  9.  Bauchsegments  hintereinander.  Das  untere  (vordere) 
Paar  (Fig.  F  vi)  ist  etwas  kürzer  als  das  obere  (hintere)  (Fig.  F  vs), 
an  dessen  Medianseite  die  innern  (Hilfs-)  Klappen  sitzen  (Fig.  F  va). 


Fig.  F— H. 

Entwicklung  der  weiblichen  Legescheide  in  den  Stadien  2 — 4.     16 :  l. 
vi  vordere  (untere)  Klappen,    vs  hintere  (obere)  Klappen,    va  Hilfsklappen,    c  Cerci. 

la  Analloben. 


Im  folgenden  Stadium  (Fig.  G)  werden  die  Organe  sehr  viel  länger 
und  schlanker,  die  untern  Klappen  bedecken  teilweise  die  obern, 
deren  Länge  von  den  Hilfsklappen  erreicht  wird.  Die  4.  Entwick- 
lungsphase (Fig.  H)  besitzt  schon  einen  prominenten,  aber  das  Hinter- 
leibsende noch  nicht  überragenden  Legestachel  mit  nahezu  gleich 
langen,  die  Hilfsklappen  umschließenden  Valven.  Mit  dem  bisherigen 
Wachstum  ist  ein  Rückgang  der  anfänglich  dunkeln  Pigmentierung 
verbunden,  deren  Reste  sich  wie  auch  auf  den  Cerci  und  Analloben 
an  den  Spitzen  der  Organe  noch  erhalten.  Die  nächstfolgende  Ver- 
änderung bringt  eine  Verlängerung  des  Stachels  über  das  Körper- 
ende hinaus,  den  Beginn  der  seitlichen  Abplattung  und  festen  Zu- 
sammenschluß der  Valven  mit  sich.  Die  Scheidenlänge  beträgt 
1,75  mm.  Im  6.  Stadium  endlich  hat  sich  das  Glied  auf  5  mm  ver- 
längert, stark  gekrümmt,  außerdem  sehr  verbreitert.    Die  Ober-  und 


Die  Gattung-  Myrmecophana  Brunnek.  177 

Uiiterräiider  sind  noch  vollkomnieii  glatt,  erhalten  die  der  Imago 
eigentiiniliche,  oben  fast  die  ganze  Länge,  nnten  nur  das  Ende  ein- 
nehmende «ägnng-  erst  mit  der  letzten  Häntung.  Der  feitige  Stachel 
mißt  ebenfalls  5  mm  in  der  Länge. 

Die  Häutung  vollzieht  sich  in  der  bekannten  Weise.  Dennoch 
verdienen  einige  der  damit  verbundenen  Vorgänge  kurze  Erwähnung, 
da  sie  meines  Wissens  von  Phanei'opteriden  nicht  bekannt  oder 
wenigstens  nicht  sicher  festgestellt  wurden.  Kurz  vor  dem  Haut- 
wechsel sucht  die  Larve  einen  geeigneten,  möglichst  senkrechten 
Ort  auf,  in  Gefangenschaft  stets  eine  der  Glasscheiben  des  Käfigs. 
Mit  genäherten  Hintertarsen  und  fast  gestreckten  Hinterbeinen  setzt 
sie  sich  fest,  den  Kopf  nach  unten  gerichtet.  Inzwischen  bläht  sich 
der  Köi'per  deutlich  etwas  auf,  auch  Meso-  und  Metanotum,  und  die 
Vorderbeine  wenden  sich  ein  wenig  nach  rückwärts.  Sind  schon 
Flügellappen  vorhanden,  so  rücken  ihre  Wurzeln  auseinander,  und 
die  Flächen  richten  sich  auf,  die  Fühler  werden  parallel  dem  Leib 
über  die  Femora  gelegt,  der  Kopf  möglichst  scliarf  nach  der  Brust 
geneigt.  Unter  seitlichen  langsamen  Bewegungen  platzt  nun  die 
Cuticula  über  der  Mittellinie  des  Scheitels  und  der  Brusttergite, 
nachdem  noch  durch  einen  Pumpstoß  des  Abdomens  der  Hals  ver- 
längert worden  war  (bei  Stadium  5  und  0  bis  auf  2  mm).  Kopf, 
Mundteile  und  Vorderbeine  treten  sehr  rasch  aus  der  Hülle  hervor, 
dann  folgt  das  2.  Bein  paar  und  die  Flügel.  Sobald  sie  befreit  sind, 
treten  die  ersten  beiden  Beinpaare  in  Aktion  und  halten  sich  auf 
der  Unterlage  fest.  Unter  starker  Anstrengung  und  seitlich  be- 
wegten Knieen  lösen  sich  die  Springbeine  allmählich  heraus,  ver- 
biegen sich  dabei  oft  ganz  unheimlich.  Zuletzt  kommen  die  Fühler 
daran.  Sie  werden  schließlich  mit  Hilfe  der  Vorderbeine  in  ihrer 
ganzen  Länge  und  Zartheit  befreit  und  unter  dem  Kopf  hervor  auf- 
gerichtet und  seitlich  gestellt.  Nach  7 — 8  Minuten  ist  die  Prozedur 
beendigt,  das  Tier  ruht  aus.  Das  Pronotum  ist  rundlich  aufgetrieben, 
Hals  und  Abdomeusegmente  sind  prall  gedehnt,  die  Plügellappen 
stehen  auseinander.  Farbe  und  Zeichnung  gleichen  schon  ganz  den 
definitiven  Tönen,  sind  nur  anfangs  etwas  blasser  und  dunkeln  schon 
in  wenigen  Minuten  nach.  Die  sonst  immer  bewegten  Fühler  werden 
noch  lange  ruhig  gehalten.  Beim  Übergang  in  die  Imago  beansprucht 
die  Entfaltung  der  Flugorgane  eine  Veränderung  der  Stellung,  das 
Tier  heftet  sich  an  der  Exuvie  so  an.  daß  diese  frei  nach  abwärts 
hängen.  Unter  zeitweiligen  Bewegungen  werden  sie  vom  Abdomen 
aus  in  verhältnismäßig  kurzer  Zeit  ausgedehnt.     Die  Flügel  breiten 

Zool.  Jahib.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  12 


178  J-    VOSSELEH, 

sich  schneller  aus  als  die  Elytren.  Lang-sam  erhärtet  nach  dem 
Hautwechsel  das  Chitin  und  verschwinden  die  Auftreibungen  des 
Körpers.  Die  einzelnen  Teile  rücken  zusammen,  die  Flügel  oder 
Flügellappen  nehmen  die  richtige  Lage  ein,  und  nach  20—35  Minuten 
wendet  sich  das  Tier  wieder  seiner  gewohnten  Tätigkeit,  vor  allem 
dem  Futter  zu,  indem  es  gewöhnlich  zuerst  die  abgestreifte  Haut 
verzehrt. 

Die  Häutung  findet  nie  unter  Tags  statt,  vielmehr  stets  von 
abends  5 — V26  Uhr  bis  morgens  6^3  Uhr,  wahrscheinlich  ausschließ- 
lich kurz  nach  oder  vor  diesen  Stunden.  Die  Exuvien  sind  mit  den 
dunklen  Zeichnungen  des  betreifenden  Stadiums  versehen,  sehen  aber 
blasser  als  am  Tiere  aus.  Die  grünen  Teile  erscheinen  duftig  gelb- 
weiß. 

Regenerati onsersch einungen  kamen  gelegentlich  zur 
Beobachtung,  konnten  aber  nicht  weiter  verfolgt  werden.  Fehlende 
Hinterbeine  werden  nicht  ersetzt,  wohl  aber  Fühler  und  kleinere 
Verstümmelungen  der  Beine.  Ein  2  mm  langer  Fühlerstummel  ver- 
längerte sich  nach  der  nächsten  Häutung  um  6  mm  und  erreichte 
im  folgenden  Stadium  seine  volle  Länge.  Die  Ergänzung  von  ver- 
loren gegangenen  Tarsen  oder  Stücken  der  Tibia  zog  sich  durch 
3  Häutungen  hin,  endigte  aber  mit  vollständiger  Wiederherstellung 
der  Teile. 

In  2  Fällen  verübten  Larven  des  2.  und  4.  Standes  Selbst- 
amputation. Einmal  wurde  das  Ende  einer  Vorder-,  das  andere  Mal 
das  einer  Hintertibie  abgebissen  und  zwar  je  kurz  nach  der  Häutung. 

Gebaren  und  Gewohnheiten  der  Ennjcot'ypha-L^v^^, 

Es  bedarf  keiner  besondern  Versicherung,  daß  die  Beurteilung 
einer  mimetischen  Form  in  letzter  Linie  von  ihrem  Wesen  und 
Treiben  abhängt.  Das  äußere  Kleid  allein  gibt  kein  Recht,  eine  Art 
als  Nachäfferin  einer  andern  zu  bezeichnen,  auch  nicht,  wenn  die 
Kopie  noch  so  treff'lich  und  täuschend  ist.  Eine  ständig  und  lebhaft 
sich  bewegende  Phasmide  oder  Mantide  würde  keinen  toten  Zweig, 
kein  grünes  oder  dürres  Blatt  vortäuschen  können,  noch  die  Imitation 
eines  Nachttiers  für  ein  Tagtier  großen  Zweck  haben.  Je  voll- 
ständiger andrerseits  das  angenommene  Maskenkleid  sich  mit  den 
Manieren  des  Vorbildes  deckt  und  ei'gänzt,  desto  sicherer  werden 
wir  von  einer  echten  Mimikry  sprechen  können,  auch  dann,  wenn 
wir  ihr  keine  oder  wenigstens  keine  einschneidende  Funktion  unter 
den  Vorkehrungen  zur  Erhaltung  der  Art  oder  zum  Schutz  des  In- 


Die  Gattung  Myrmecophana  Brunner.  179 

dividuunis  zuerkennen  wollen.  Aufscliluß  über  den  wahren  Wert 
und  den  C-irad  der  Vollkommenlieit  der  Erscheinung  läßt  sich  also 
nur  durch  sorgfältigste  vielseitige  Beobachtungen  am  Wohnplatz 
einer  nachahmenden  Form  erlangen. 

Aus  dem  Körperbau  glaubt  Beunn er  i)  schließen  zu  dürfen,  daß 
der  3Iijr))iccophan(i-Typ  am  Boden,  vielleicht  unter  Blättern  lebe  und 
wohl  in  der  Lage  sein  könne,  von  dem  durch  seine  Form  gewährten 
Schutz  Gebrauch  zu  machen.  Nach  meinen  Beobachtungen  ist  dies 
nicht  der  Fall.  Er  lebt  vielmehr  vom  ersten  Tage  an  auf  den 
Blättern  und  Blüten  buschförmiger  Pflanzen  zumeist  nur  1—2  m 
über  der  Erde.  Fallen  die  mit  Eiern  besetzten  Blätter  zu  Boden, 
so  kriecht  das  Junge  baldmöglichst  am  Stamme  ihrer  zukünftigen 
Nährpflanze  in  die  Höhe,  wie  an  der  laubabwerfenden  Doryalis  leicht 
nachzuweisen  war.  Bei  Erschütterungen  entsprungene  Tiere  sind 
am  nächsten  Tag  spätestens  auf  dem  einmal  gewöhnten  Busch  wieder 
anzutreffen  und  bleiben  ihm  ihre  ganze  Entwicklung  hindurch  treu. 

Als  Myrmecophana  klettert  unser  Tier  mit  der  gemächlichen 
Ruhe  einer  honigsuchenden  Ameise  ebenso  offen  wie  die  beiden 
häufigsten  Pflanzenläuse  aufsuchenden  Arten  Myrmicana  cumenoides 
Gerst.  und  Camponotus  rufoglaucus  Jord.  (Rothsch.)  den  Zweigen 
entlang,  von  Blatt  zu  Blatt  oder  sucht  wie  die  Ameisen  Blüten 
auf.  Von  den  Springbeinen  macht  sie  nur  im  Notfall  Gebrauch. 
Sobald  sie  im  geringsten  gestört  wird,  läßt  sie  die  langen  Fühler 
so  schnell  vibrierend  spielen,  daß  nur  der  Anfang  sichtbar  bleibt. 
Durch  diese  Bewegung  erscheint  das  Glied  also  verkürzt  wie 
ein  Ameisenfühler.  Die  Täuschung  vervollständigt  die  früher  be- 
schriebene helle  Färbung  nach  dem  5.  Geißelglied,  die  mitten 
zwischen  schwarzen  Ringen  den  Fühler  unterbrochen  erscheinen 
läßt.  Die  Knickung  der  Ameisenantenne  wird  jedoch  nicht  imitiert. 
Die  vibrierende  Bewegung  ist  allen  Stadien  eigen,  obgleich  ihr  Wert 
für  die  altern  und  die  Imago  nicht  zu  erkennen  ist. 

Die  Nahrung  besteht  anfangs  in  Staubgefäßen,  Knospen,  Blüten- 
und  zarten  Laubblättern,  von  denen  gewöhnlich  die  grüne  Schicht 
der  Oberseite  abgenagt  wird;  später  und  bei  Mangel  zarter  Kost 
werden  auch  derbere  Pflanzenorgane  verzehrt,  wie  alte  Blütenböden, 
Kelche  der  Rosen.  An  Früchte  gehen  die  Tiere  wahrscheinlich 
ebenfalls,  sie  nahmen  im  Käfig  Bananen,  leckten  auch  gern  Bienen- 
honig.    Die  süßen  Excrete  der  Schildläuse  verschmähten  sie,  Rinde 


1)  Betrachtungen  über  die  Farbenpracht  der  Insekten,  p.    12. 

12* 


180  J-    VOSSELEE, 

oder  Blattstiele  und  -Nerven  ebenfalls.  Sie  sind  also  i'eine  Pflanzen- 
fresser. Beim  Abbeißen  saftiger  Teile  zeigt  sich  gewöhnlich  ein 
Flüssigkeitstropfen  zwischen  den  Kiefern,  der  sich  während  des 
Fressens  vergrößert,  schließlich  aber  zurückbleibt  und  braun  wird. 
Blätter  werden  meistens  vom  Rande,  seltner  von  der  Fläche  aus 
angeknabbert.  Der  Appetit  ist  gering,  entsprechend  dem  langsamen 
Wachstum  und  dem  mäßigen  Bewegungstrieb.  Die  feuchten  Excre- 
mente  werden  mit  den  Hintertibien  zierlich  Aveggeschnellt,  da  sie 
nicht  von   selbst   abfallen.     Dieses  gilt  auch  noch  für  die  Imagines. 

Die  Jüngern  Stadien  suchen  genau  wie  die  Ameisen  unter 
Blättern  Schutz  gegen  den  brennendsten  Sonnenschein,  krabbeln 
morgens  und  abends  oder  bei  bedecktem  Himmel  auch  tagsüber  am 
liebsten  offen  umher.  Irgend  welche  Beziehungen  zu  den  die  be- 
wohnten Büsche  besuchenden  Ameisen  ließen  sich  nicht  nachweisen, 
sind  außerdem  sehr  unwahrscheinlich,  weil  Myrmecophana  auch  auf 
Büschen  ohne  Ameisenbesuch  lebt.  Die  Heuschrecke  weicht  ihnen 
bei  Begegnungen  aus,  wird  aber  offenbar  nicht  angegriffen,  obwohl 
die  Mja^micide  sehr  viele  Insecten  frißt,  allerdings  meistens  kranke, 
sterbende  oder  tote.  Am  vollkommensten  gleicht  Myrmecophana  den 
Ameisen,  wenn  sie  genau  wie  diese  sich  mitten  in  eine  Blüte  setzt, 
um,  den  Kopf  zwischen  Staubfäden.  Nahrung  zu  erlangen. 

Mit  dem  4.  Stadium  ändert  sich,  wie  schon  gesagt,  das  Gebaren. 
Das  Tier  wird  ruhiger,  sitzt  unter  Tags  gewöhnlich  auf  dem  Blatt- 
stiel oder  auf  der  Mittelrippe,  oft  auch  auf  der  Unterseite.  Obwohl 
es  keine  dieser  Stellen  auch  nur  einigermaßen  genau  nachahmt,  wird 
es  doch  erstaunlich  leicht  übersehen.  Seine  grüngefärbten  Teile 
fallen  auf  Grün  nicht  auf,  die  braunroten,  rötlich-violetten,  teilweise 
grauen  Zeichnungen  aber  wirken  entweder  immer  noch  ameisen- 
ähnlich oder  stimmen  so  völlig  mit  Färbungen  der  von  ihm  besetzten 
jungen,  noch  nicht  grünen  Pflanzentriebe  oder  Blüten  überein.  daß 
es  nur  mit  großer  Mühe  zu  entdecken  ist.  In  diesem  Stadium  haben 
wir  also  eine  Kombination  von  Tier-  und  Pflanzennachahmung  vor 
uns.  Die  Wirkung  der  letztern  wird  durch  eine  neu  angenommene 
Gewohnheit  erh()ht.  Sobald  die  Larve  mit  ihren  feinen  Sinnen  die 
Annäherung  eines  Wesens  bemerkt,  streckt  sie  die  Hinterbeine  lang 
nach  hinten,  nähert  deren  Tibien,  setzt  die  Femora  der  beiden 
vordem  Bein  paare;  so,  daß  sie  mit  den  Hinterschenkeln  eine  Linie 
bilden,  und  bringt  durch  seitliche  Neigung  den  nun  seitlich  kom- 
primierten Leib  in  eine  solche  schiefe  Stellung,  daß  dem  Betrachter 
eine  möglichst  große  Fläche   mit  blattähnlicher  Struktur  entgegen- 


Die  Gattung  Myrmeoophaiia  Brunner.  181 

schaut,  wobei  die  Beine  Blattrippen  vortäuschen.  In  den  beiden 
letzten  Stadien  des  Eurijcoi-ypha-Tyiis  vervollkonininet  sich  dieses  Spiel 
in  ganz  hervorragender  Weise,  ebenso  die  Blattähnlichkeit  durch 
die  weitere  Ausdehnung-  der  Griinfärbung-  und  der  mit  dem  Höhen- 
wachstum  des  Körpers  verbundenen  Flächenvergr(3ßerung  der  Seiten 
(Taf.  8,  Fig.  5—6). 

Die  Iniago  ist  die  vollendete  Blattnachahnierin,  setzt  sich  gern 
auf  der  Blattfläche  fest  mit  den  Hintertibien  und  Flügelenden  dem 
Zweig  zugekehrt,  die  Springbeine  eng  an  die  blattähnlich  gezeich- 
neten Flügeldecken  angelegt.  Wie  die  beiden  letzten  Larvenstände 
verhält  sie  sich  tagsüber  sehr  ruhig  und  Avird  erst  mit  dem  Ein- 
bruch der  Dämmerung  lebhaft.  Ihre  Aufenthaltsorte  sind  während 
des  Sonnenscheins  die  Ihiterseiten  der  Blätter. 

Trotz  einer  genügenden  Gewandtheit  im  Springen  und  Fliegen 
sind  Larven  jeden  Alters  und  Imagines  sehr  wenig  flüchtig,  diese 
lassen  sich  sogar  vom  Busch  klopfen ,  ohne  leichten  Flugs  abzu- 
schwirren, wie  sie  es  unschwer  vermöchten.  Es  ist  dies  eine  mit 
andern  mimetischen  Formen  gemeinsame  Eigentümlichkeit,  die  mir 
auch  an  nord-afrikanischen  Acridiern  ( Oedipodiden)  ^)  mehrfach  auf- 
fiel und  die  den  Eindruck  erweckt,  als  vertraue  das  Tier  dem  durch 
das  Maskenkleid  gewährten  Schutz  bedeutend  mehr  als  seinem 
Fluchtvermögen. 

Die  erste  Hälfte  der  postembr3^onalen  Entwicklung  mit  der 
charakteristischen  Ameisenähnlichkeit  veranlaßt  also  unsere  Art, 
vorwiegend  als  Tagtier  zu  leben,  in  der  zweiten  findet  ein  all- 
mählicher Übergang  zu  nächtlicher  Lebensweise  statt,  das  aus- 
gebildete Insect  ist  im  wesentlichen  Nachttier,  wird  ei'St  gegen  Abend 
munter,  pflanzt  sich  fort  und  ernährt  sich,  wandert  auch  in  der 
Dunkelheit,  um  die  Art  auszubreiten.  -) 

Nachdem  das  Verhalten  der  Weibchen  während  der  Unter- 
bringung der  Eier  schon  oben  geschildert  ist,  bleibt  noch  das  der 
Männchen  bei  der  Paarung  zu  beschreiben,  so  weit  es  beobachtet 
werden  konnte.  Gegen  ^^G  Uhr  abends  wird  von  ihm  um  das 
Weibchen  geworben   mit   einem  sanften  Liedchen,   das  aus  2  Tönen 


1)  VossELER.  J.,   Beiträge  etc.,  p.   46. 

2)  Nächtliche  Massenwanderuugen  dei*  Locustodee  Conoccj)Ji(dus  vtandi- 
bidaris  Chakp.  mit  devastierendeii  Einfiillea  in  die  halbreifen  Reisfelder 
der  Eingeborenen  beobachtete  ich  1904  bei  Mohorro  (D.  0.- Afrika).  Vgl. 
3.  Jahresbericht  biol.  landw.  Instituts  Amaui  1904 — 05,  in:  Ber.  Laud- 
Forstwirtsch.  in  D.   0.- Afrika,   Vol.   2,    1906,  p.   404. 


182  J-   VOSSELER, 

besteht.  Mit  wenig  entfernten,  rasch  vibrierenden  Elytren  erzeugt 
das  Männchen  einen  hohen  Schrillton,  etwa  =  Tschitsch.  Nach 
kurzer  Pause  folgt  unter  größerm  seitlichem  Ausschlag  der  Elytren 
ein  tieferes  zwei-  bis  dreimaliges  Tschräh,  in  kurzem  Abstand  davon 
abermals  derselbe  Laut,  oder  die  Melodie  beginnt  von  vorn.  Tschitsch- 
Tschrä,  Tschrä,  Tschrä-Tschrä  umfaßt  also  die  ganze  Modulation 
des  Gefühlsausdrucks,  fordert  andere  Bewerber  zum  Wettstreit  heraus 
und  dient  gleichzeitig  als  Waife  gegen  den  weniger  leistungsfähigen 
Konkurrenten.  Die  Laute  selbst  aber  sind  entsprechend  dem  gering 
entwickelten  Tonapparat  zart  und  sehr  weich,  selbst  für  ein  geübtes 
Ohi-  kaum  weiter  als  auf  2  Meter  P^ntfernung  zu  vernehmen.  In 
rhythmischen  Abständen  werden  sie  von  benachbarten  Männchen 
beantwortet.  Das  Weibchen  sitzt  unterdessen  ruhig  mit  vibrierenden 
Fühlern  auf  einem  Blatt,  nähert  sich  wohl  ab  und  zu  dem  eindrucks- 
vollsten Sänger  ein  wenig,  was  er  mit  Recht  als  Entgegenkommen 
auffaßt.  Er  stellt  den  Singsang  ein.  sucht  die  Erkorene  auf  und 
bearbeitet  sie  mit  Fühlern  und  Vorderbeinen.  Sie  entweicht  und 
erregt  dadurch  aufs  neue  die  Flügelstimme.  Allmählich  wird  die 
Werbung  dringlicher,  der  Widerstand  des  Weibchens  schwächer. 
Sobald  das  Männchen  der  Willfährigkeit  sicher  ist,  dreht  es  sich 
um,  hebt  die  Flügel  hoch,  krümmt  den  Leib  stark  nach  unten  und 
bietet  dem  Weibchen  den  Rücken  entgegen.  Sie  betastet  ihn  der 
Mittellinie  entlang  mit  den  Fühlern,  Palpen  und  Kiefern,  wie  wenn 
auf  den  Abdominalsegmenten  ein  Riech-  oder  Schmeckstoff  abgesondert 
würde.  Dieses  Spiel  wird  öfter  unterbrochen  und  von  neuem  begonnen, 
währt  über  eine  Stunde  lang.  Die  Begattung  findet  in  der  Nacht 
statt.  Einzelne  Männchen  zirpen  auch  tagsüber  besonders  von  9 — 11 
und  4 — 5  Uhr. 

Das  wesentlichste  Ergebnis  dieses  Abschnitts  ist  der  Nachweis, 
daß  unsere  Art  fortschreitend  mit  der  Entwicklung  ihre  Gewohn- 
heiten und  ihr  Gebaren  ändert  und  daß  ihr  Benehmen  in  jedem 
Stadium  der  angenommenen  Maske  entspricht,  daß  aus  einem  Tag- 
ein Nachttier,  aus  einem  Tiernachahmer  ein  Pflanzennachahmer  wird, 
und  daß  der  Übergang  von  den  8  ameisenähnlichen  zu  den  (ein- 
schließlich der  Imago)  3  blattähnlichen  Stadien  von  einer  regel- 
rechten Zwisclienfoi'm  gebildet  wird. 


ö' 


Yergleich  zwischen  Yorbild  und  Nachahmer. 

Der  MyrmecoiiJuwa-Tyi)  ist  eine  der  vollkommensten  Nachbildungen 
einer  Ameise  in  Form,  Farbe  und  Wesen,  soviel  steht  fest.    Suchen 


Die  Gattung  Mynuecophana  Brunner.  183 

wir  aber  zu  ergründen,  ob  damit  eine  bestimmte  Art,  Gattung  oder 
auch  nur  Familie  imitiert  werden  soll,  so  wird  die  Antwort  schwierig. 
Schon  nach  den  ersten  Vergleichen  erkennt  man  den  Mangel  spezi- 
fischer, darauf  hinweisender  Merkmale. 

Die  Mittel,  die  zur  Erlangung  der  Ähnlichkeit  beitragen,  sind 
vom  menschliclien  Standpunkte  aus  mit  dem  größten  Geschick  gewählt 
und  angewandt.  Zur  Vortäuschung  kurzer  Fühler  dienen  2  Ein- 
lichtungen:  starke  und  ungemein  rasche  Vibrationsbewegungen  der 
Geißel  und  die  Unterbrechung  der  schwarzen  Farbe  durch  eine  weiße 
Zone  hinter  dem  5.  Eing.  Die  Schlankheit  der  Tibien  der  Ameisen- 
beine wird  durch  helle,  dem  dunklen  Grundton  aufgesetzte  Längs- 
streifchen  nachgemacht.  Der  weiße  Kontrast  in  solch  diskreter 
Applikation  wirkt  als  Manko  an  Körperlichkeit  dermaßen,  daß  die 
Fühler  an  der  bezeichneten  Stelle  beendigt,  die  Tibien  aber  nur 
von  der  Breite  der  schwarzen  Längslinien  zu  sein  scheinen.  Dasselbe 
Prinzip  wird  am  Anfang  des  Abdomens  zur  Imitation  der  Stielung 
des  Ameisenabdomens  wiederholt.  Die  Farbe  ist  nun  nicht  mehr 
weiß,  sondern  grün,  vielleicht  aus  guten  Gründen.  Weiß  von  dem 
Umfang  der  Flecken  müßte  unbedingt  einen  schroffen  Gegensatz  zur 
Farbe  des  Tieres  und  der  Blätter  bilden,  also  auffallen,  grün  aber 
deckt  sich  mit  der  vorherrschenden  Farbe  des  Aufenthaltsortes,  ver- 
schwindet auf  dem  Untergrund,  erzielt  infolgedessen  die  angestrebte 
Hervorhebung  der  entsprechend  geformten,  dunkel  pigmentierten 
Rückenzeichnung.  Auch  der  kleine  weiße  Kommaflecken  an  der 
Pronotumseite  ist  wohl  nicht  ganz  belanglos  und  vermag  die  Form 
zu  ergänzen. 

Allein  schon  die  Plastik  des  Myrmecophana-KövyyQvs,  verleiht  den 
Larven  eine  große  Ameisenähnlichkeit.  Die  Form  des  Kopfes,  dessen 
Breite  im  Verhältnis  zum  schmälern  Brustabschnitt,  der  schlanke 
Hals,  das  schlanke,  eingezogene  Pronotum,  der  kuglige,  anfangs  etwas 
eingeschnürte  Hinterleib  und  nicht  zuletzt  die  auffallend  geringe 
Ausbildung  der  Springbeine  und  ihrer  Schenkel  bilden  für  sich  einen 
wesentlichen  Teil  der  mimetischen  Einrichtungen. 

Das  4.  Stadium,  das  als  ein  Übergang,  ein  Mittelding  zwischen 
Ameisen-  und  Blattimitation  bezeichnet  wurde,  besitzt  von  beiden 
Mimikr}'- Typen  ein  wenig,  aber  nicht  genug,  um  den  einen  oder 
andern  durch  mehr  als  einen  allgemeinen  Eindruck  vorzutäuschen. 
Und  dennoch  ist  es  nicht  weniger  geschützt  als  seine  Vorläufer  und 
Nachfolger.  Ihm  kommt  die  Farbenähnlichkeit  mit  den  noch  bräunlich- 
roten,   oft  fast   violetten    Jungtrieben   der   Nährpflanzen    sowie   die 


184  -T     VOSSELER, 

Gewohnheit  zugute,  riiliio-  zu  sitzen,  statt  wie  früher  umher- 
zukrabbeln.  Durch  die  Körperzeichnung-  und  die  Stellung  der  schon 
jetzt  verläng-erten  Hinterbeine  gleicht  es  Stücken  der  nnruhig  ge- 
färbten und  geformten  Anfangsteile  der  Blätter  oder  Sprossengipfel, 
sticht  jedenfalls  nicht  auffallend  davon  ab. 

Über  die  Art  der  Entwicklung  der  Blattimitation  und  das  dazu 
gehörige  Gebaren  sind  früher  schon  einige  Bemerkungen  gemacht 
worden.  Die  zur  Sicherung  angenommene  Körperstellung  und  Ver- 
änderung der  Beinlage,  wodurch  die  Hintertibien  als  Fortsetzung 
des  spitzen  Körperendes  erscheinen  und  so  den  außerdem  noch 
bi-äunlich  gefärbten  Stiel  zu  der  vom  Körper  vorgetäuschten  Blatt- 
fläche markieren,  hat  mit  der  Ruhestellung  nichts  zu  tun.  Sie  ward 
gewöhnlich  erst  nach  einem  kleinen  Ortswechsel  eingenommen,  duich 
den  das  Tier  sich  in  eine  für  die  Mimikry-Darstellung  möglichst 
günstige  Lage  bringt.  Dann  erst  werden  die  Beine  unter  tastenden 
Versuchen  geordnet  und  stillgestellt,  bis  die  Gefahr  vorüber.  Die 
Fühler  allein  vibrieren  wie  gewöhnlich  in  seitlicher  Haltung.  Der 
sonst  zum  Körper  senkrecht  geneigte  Kopf  wird  nach  vorn  erhoben, 
so  daß  Stirn  und  Pronotumfläche  einen  sehr  stumpfen  Winkel  bilden. 
In  dieser  Mimikrystellung  (Taf  8.  Fig.  6)  gleichen  die  ümrißlinien 
des  Tieres  denen  eines  spitz  elliptischen  Blattes  mit  einer  durch  die 
Stirn-Pronotumfläche  vorgetäuschten  Umbiegung.  Dieses  Anschmiegen 
an  Stoff  und  Form  des  Aufenthaltsortes  erfolgt  also  mit  unverkenn- 
barer Absicht  und  Berechnung. 

Mit  Hilfe  kleiner  zw^eckmäßiger  Kniffe,  wie  sie  zum  Teil  auch 
vom  Menschen  zur  Hervorhebung  wesentlicher  oder  Unterdrückung 
störender  Stellen,  Flächen  und  Linien  an  Kunstwerken  angewandt 
werden,  wird  die  Heuschrecke  bald  als  Ameise  ausgestaltet,  bald 
mit  täuschender  Blattähnlichkeit  überkleidet.  Verfolgt  man  die 
Ähnlichkeiten  jedoch  weiter,  so  stößt  man  auf  verschiedene  UnvoU- 
kommenheiten.  Dem  Myrmecophana-Fühler  z.  B.  fehlt  die  bei  Ameisen 
so  charakteristische  Knickung,  die  Einschnürung  des  Pronotums 
stimmt  nicht  mit  dem  Vorbild,  das  zur  Abdeckung  der  Breite  des 
Abdomenanfangs  dienende  Grün  leuchtet  im  2.  und  3.  Stadium  so 
hell,  daß  es  auf  jeder  i)flanzengrünen  Unterlage  absticht  und,  wie 
bei  der  Wiederaufflndung,  den  Blick  auf  sich  zieht.  Auch  die  Blatt- 
ähnlichkeit ist  keineswegs  in  allen  Zügen  ausgearbeitet  und  durch- 
geführt. Das  ist  auch  gar  nicht  nötig,  denn  die  nuu  vorhei-rschende, 
mit  dem  Blattgrün  harmonierende  Farbe  wirkt,  wie  bei  so  vielen 
andern    Locustodeen,    allein    schon    als    Tarnkappe.     Die    Ameisen- 


Die  Gattung  Myimecophana  Brunner.  185 

imitation  aber  ist  jedenfalls  die  originellere,  vollkommenere  und  darum 
überraschendere.  In  beiden  Fällen  ist  immerhin  alles  geschehen, 
um  mit  dem  gegebenen  Material  den  Eindruck  von  der  wahren 
Natur  einer  Heuschrecke  zu  verwischen. 

Ich  komme  nun  noch  auf  eine  weitere  Eigentümlichkeit  dieser 
und  anderer  mimetischer  Beispiele  zurück.  Innerhalb  des  Mijrmeco- 
phana-Tyi[)S  heri'scht  mit  Ausnahme  der  jüngsten  stets  schwarzen 
Larvenform  eine  nicht  unbeträchtliche  Variabilität  der  Farbe  von 
ebenfalls  rein  schwarz  durch  schwarzbraun  bis  ganz  licht-,  beinahe 
gelbbraun.  Das  Pronotum  kann  heller  als  das  Abdomen,  von  diesem 
der  Rückenteil  braun ,  die  Seiten  schwarz  sein.  Außerdem  vermag 
das  Individuum  die  Farbe  zu  Avechseln.  mit  der  nächstfolgenden 
Häutung  gelbbraun  und  darauf  vielleicht  wieder  schwarz  oder  in 
irgendeinem  der  andern  möglichen  Töne  oder  auch  3mal  hinter- 
einander schwarz  zu  erscheinen.  Diese  Veränderungen  sind  von 
äußern  Einflüssen  vollkommen  unabhängig,  vollziehen  sich  selbst 
bei  Geschwistern  gleichen  Alters,  gefangen  oder  frei,  in  beliebigem 
Wechsel,  so  daß  oft  kaum  2  sich  gleichsehen.  Merkwürdig  aber 
ist  dabei,  daß  diese  Freiheit  der  Farbentonung  nie  über  die  Grenzen 
der  allgemeinen  Ähnlichkeit  mit  dem  Vorbild  hinausführt,  daß  viel- 
mehr stets  nur  solche  Tinten  auftreten,  die  bei  Ameisen  vorkommen, 
wenn  auch  nicht  gerade  bei  den  beiden  Arten,  zwischen  denen  die 
Heuschrecke  in  Amani  gefunden  wurde.  Auch  die  dunkeln  Pigmente 
der  nächstfolgenden  Stände,  vor  allem  die  des  4.  vermögen  noch 
sehr  zu  variieren .  selbst  das  Grün.  Durch  Versuche  ließ  sich  er- 
mitteln, daß  diese  Veränderlichkeit  von  außen  beeinflußbar  ist. 
4  nur  mit  roten  Rosen  gefütterte  Larven  nahmen  im  4.  und 
6.  Stadium  eine  WTinderbar  damit  übereinstimmende  karminrote 
Generalfärbung  an  (Taf.  8,  Fig.  4,  6).  Nur  die  weibliche  Legescheide 
und  die  Flügelläppchen  der  letzten  2  Stadien  blieben  grün  und  die 
Bauchseite  rötlich-weiß.  4  andere  unter  denselben  Bedingungen  ge- 
haltene, aber  mit  weißen  Rosen  und  Laubblättern  gefütterte  nahmen 
grüne  Färbung  teilweise  mit  weißlicher  Überduftung  an,  ebenso  ver- 
änderten die  roten,  nachdem  sie  nachträglich  solche  Nahrung  er- 
halten hatten,  ihre  Farbe  an  Brust  und  Bauch  nach  Grün. 

Analoge  Veränderlichkeit  wie  bei  Mijrmecophana  tretten  wir  bei 
sogenannten  Blattschmetterlingen  mit  Schutzfärbung  auf  der  Unter- 
seite der  Flügel  an  (KaUima,  Mclanitis  u.  a.),  deren  Arten  wohl  immer 
dürre  Blätter  imitieren,  aber  in  so  reicher  Abwechslung,  daß  kaum 
2  Exemplare  einer  Species  dasselbe  Modell  aufweisen.    Diese  Ver- 


186  J.    VOSSKLER, 

änderliclikeit  stellt  eine  ganz  wesentliche  Vervollkommnung'  des 
Prinzips  der  schützenden  Färbung,  Zeichnung  und  Gestaltung  dar, 
denn  sie  wird  die  mit  dem  Auge  suchenden  Feinde  immer  wieder 
irre  führen,  wenn  sie  sich  je  einmal  an  eine  bestimmte  Vorlage 
eines  nachahmenden  Musters  gewöhnt  haben  sollten. 

Genau  verglichen  aber  erweist  sich  kein  Glied  der  ganzen 
Kette  der  geschilderten  mimetischen  Erscheinungen  als  ein  einiger- 
maßen genauer  Abklatsch  eines  bestimmten  Vorbilds.  In  jeder  Ent- 
wicklungsphase ist  vielmehr  nur  der  allgemeine  Habitus  wieder- 
gegeben, Form  und  Farbe  des  Maskenkleids  nur  zur  Täuschung  des 
ersten  Eindrucks  ausgearbeitet,  allerdings  unter  wesentlicher  Unter- 
stützung durch  entsprechende  Veränderungen  des  Gebarens  der 
nachahmenden  Form. 

Hypertelische  Nacliahmung. 

Brunner  hat  diese  von  ihm  für  Myrmccophana  und  ähnliche 
Fälle  eingeführte  Bezeichnung  in  seinen  „Betrachtungen  über  die 
Farbenpracht  der  Insekten",  p.  16  selbst  wieder  eingeschränkt  und 
als  nur  teilweise  richtig  bezeichnet,  als  er  erkannt  hatte,  daß 
viele  Erscheinungen  der  Zeichnung  und  Färbung  mit  dem  Träger 
in  keiner  Beziehung  stehen,  ihm  sogar  schädlich  sind.  Als  Über- 
schwenglichkeit  der  Mimikry  bleiben  für  ihn  aber  Erscheinungen 
bestehen  wie  die  Nachahmung  von  Insectenfraß  am  dürren  Blatt 
oder  die  Bildung  eines  nur  an  der  Spitze  verdorrten  Blattes,  ebenso 
wahrscheinlich  die  Vollendung  der  Ameisen-Ähnlichkeit  seiner  Mijr- 
mecojjhana,  obwohl  er  dies  nicht  ausdrücklich  betont. 

Nun  kann  aber  ein  so  kompliziertes  Problem,  wie  es  die  mime- 
tischen Einiichtungen  im  allgemeinen  und  die  angeführten  im 
speziellen  darbieten,  niemals  auf  Grund  dei'  Betrachtung  der  be- 
treifenden Formen  im  Studierzimmer  beurteilt,  noch  viel  weniger 
irgend  eine  Erscheinung  oder  ein  Teil  einer  solchen  als  über- 
schwenglich bezeichnet  werden  ohne  Bezüglichkeit  auf  das  Be- 
dürfnis. Die  Vor-  und  Nachteile  aller  Erscheinungen  auf  dem  Ge- 
biete der  Mimikry  und  das  Verhältnis  ihrer  Entwicklung  zum  Vor- 
bild lassen  sich  unbedingt  nur  durch  peinlichste  Beobachtung  in 
freier  Natur  und  Vergleichung  aller  äußern  Begleitumstände  fest- 
stellen. Eine  Kombination  der  gefundenen  Tatsachen  ohne  Aus- 
schaltung subjektiv  menschliche]-  Auffassungen  und  Erklärungs- 
versuche ist  wissenschaftlich  wertlos. 

Keine  Form  der  Mimikry   gewährleistet  dem  Träger  absoluten 


Die  Gattung  Myrmecophana  Brunner.  187 

Schutz  vor  allen  Feinden,  wohl  aber  vor  einem  Teil  derselben.  Das 
bedeutet  für  Arten  mit  langsamer  Fortpflanzung  und  geringem 
Vermehrungsvermögen  einen  Vorteil,  der  weniger  der  Erhaltung  des 
Individuums  als  dem  Fortbestand  der  Art  zugute  kommt.  Der  Grad 
der  Vollkommenheit  der  Nachahmung  ist  nicht  immer  adäquat  dem 
dadurch  gewährten  Schutze.  Tiere  mit  vorwiegend  seßhaften  Ge- 
wohnheiten scheinen  im  allgemeinen  ihre  Vorbilder  genauer  zu 
kopieren  als  flatternde,  fliegende  oder  sonstwie  leicht  und  rasch 
bewegliche,  sofern  diese  Fähigkeiten  nicht  schon  an  und  für  sich 
zur  Erhaltung  der  Art  genügen.  Diese  Wahrnehmung  ist  durch 
zahlreiche  Beispiele  zu  belegen  und  aus  der  Schwierigkeit  zu  er- 
klären, mit  der  ein  Auge  Formen  und  Farben  bewegter  Gegen- 
stände unterscheidet.  Andrerseits  muß  die  Imitation  desto  voll- 
kommener sein,  je  langsamer  und  öffentlicher  das  Modell  sich  bewegt. 

Bei  Myrmecophana  ist  die  Übereinstimmung  mit  einer  Ameise 
größer  als  in  irgend  einem  bekannten  Fall,  viel  größer  noch,  als 
Brunner  ahnen  konnte.  Soll  sie  aber  dem  Tiere  Vorteil  bringen  — 
und  nach  allen  Beobachtungen  geschieht  dies  — ,  so  kann  keines  der 
dazu  angenommenen  Merkmale  entbehrt  werden,  viel  eher  noch 
müßten  die  vorhin  als  mangelhaft  nachgemacht  bezeichneten  und 
darum  verräterischen  feiner  ausgearbeitet  sein.  Da  die  Larve  aber 
in  Gemeinschaft  mit  verschiedenen  Ameisen,  ebensoAvohl  jedoch  auch 
für  sich  allein  auf  der  Nähq)flanze  lebt,  würde  eine  weitere  Speziali- 
sierung überflüssig  sein.  Der  erzielte  Eindruck  genügt  für  alle  Fälle 
zu  einer  völligen  Täuschung  verfolgender  Augen.  Im  Freien  und 
in  bezug  auf  die  Verschiedenheit  der  Umgebung  betrachtet,  erweist 
sich  also  dieser  Fall  von  Nachahmung  wohl  als  sehr  vollkommen, 
keineswegs  aber  als  „hypertelisch".  als  zweckmäßig  ohne  Über- 
schwenglichkeit. Dasselbe  gilt  von  den  nachfolgenden,  so  ganz 
anders  gearteten  Imitationen  und  vom  ganzen  Umfang  der  Ver- 
änderung überhaupt. 

Geht  mau  aber  in  der  kritischen  Beleuchtung  aller  etwa  als 
hj'pertelisch  anzusprechenden  Beispiele  aus  dem  Insectenleben  auf 
der  Grundlage  der  Vergleichung  im  Freileben  weiter,  so  stößt  man 
bald  auf  die  Schwierigkeit,  die  BRUNNER'sche  Bezeichnung  auch  nur 
ein  einziges  Mal  völlig  sinngemäß  anwenden  zu  können,  so  einwand- 
frei das  aus  seinem  natürlichen  Verband  losgelöste  tote  Objekt  ihre 
Berechtigung  zu  beweisen  scheinen  mag.  Die  sog.  Hypertelie  ist 
deshalb  meines  Erachtens  nicht  als  besondere  Erscheinung  auf  dem 
Gebiet   der  Mimikry  zu  buchen,   sie  stellt  nur  einen  besonders  voll- 


188  J-    VOSSELEK. 

endeten  Grad  der  Nachahmung-  eines  andern  Wesens  oder  Organ- 
teils dar,  allenfalls  sogar  mitsamt  den  gewöhnlichen,  daran  zu  be- 
obachtenden pathologischen  Veränderungen  und  Verletzungen  (ver- 
gilbte, pilziieckige.  angefressene  Blätter).  Der  verfeinerte  Effekt 
aber  entsteht  unter  denselben  Bedingungen,  mit  den  gleichen  Mitteln, 
Avie  bei  den  übrigen  bekannten  Formen  der  Mimikr}-. 

Die  Übereinstimmung  mit  diesen  sei  au  der  Hand  der  Wallace- 
schen  Regeln  kurz  dargelegt. 

Die  nachahmende  Form  lebt  in  derselben  Jahreszeit  im  selben 
Gebiet  wie  das  Modell,  in  der  Mehrzahl  der  beobachteten  Fälle 
sogar  mit  ihm  auf  derselben  Pflanze.  Sie  ist  w^eniger  bewehrt  als 
dieses,  vielmehr  ganz  w^ehrlos,  außerdem  weniger  häufig.  Im  Durch- 
schnitt fanden  sich  etwa  3  Myrmecophana  auf  einem  Busch,  höchstens  6; 
von  ab-  und  zugehenden  Ameisen  aber  50 — 100  Stück.  Die  4.  Be- 
dingung, daß  das  imitierende  Glied  sich  von  der  Masse  seiner  Ver- 
wandten unterscheide,  ti'ifft  ebenfalls  zu,  wie  später  gezeigt  wird. 
Endlich  ist  die  Nachahmung  eine  nur  äußerliche,  sichtbare,  erstreckt 
sich  nicht  auf  innere  Eigenschaften  oder  auf  solche,  welche  die 
äußern  nicht  berühren. 

Die  Bedeutung  uud  Häufigkeit  der  Ameisenuachahmuug. 

Eine  häufige,  leicht  verständliche  P^lge  der  Entdeckung  eines 
Beispiels  von  Nachahmung  besteht  in  dem  Fehler  der  Verall- 
gemeinerung des  Einzelfalles,  der  Einzelbeobachtung,  die  größte 
Schwierigkeit  der  Erklärung  aber  in  dem  Mangel  der  Erkennungs- 
mögiichkeit  der  primären  Ursache  und  der  phylogenetischen  Ent- 
wicklung. Es  darf  nicht  außer  acht  gelassen  werden,  daß  vom 
anthropomorphisierenden  Standpunkt  aus  mancher  Fall  eine  viel 
größere  Vollständigkeit  und  Bedeutung  vortäuscht,  als  ihm  in  der 
Natur  zukonmit.  daß  manche  Nachahmung  dem  Träger  in  weit  zurück- 
liegenden Perioden  oder  in  anderer  Umgebung  von  Vorteil  sein 
konnte,  später  aber  durch  Veränderungen  im  Bestand  der  Feinde, 
Verschwinden  des  nachgeahmten  Gegenstands  oder  durch  aktive  und 
passive  Versetzung  des  Nachahmers  in  eine  andere  geographische 
bzw.  klimatische  Zone  überflüssig  und  indifl:erent,  selbst  sogar 
schädlich  werden  mußte.  Die  Mimikry  kann  also  ein  direktes 
Hindernis  für  die  Ausbreitung  einer  Art  werden.  Je  spezialisierter 
die  Nachahmung  einer  Species  an  eine  andere  mit  beschränktem 
Wohnbezirk  ist,  desto  kleiner  ist  auch  das  vom  Nachahmer  ein- 
genommene Gebiet,  je   allgemeiner   dagegen   die  Form  der  Mimikrj' 


Die  Gattung-  Mynnecophaiia  Ekl'nnek.  189 

gewählt  wurde,  desto  leichter  wird  dieser  sich  auszubreiten  ver- 
niög-eu.  Als  Beispiel  dafür  sei  auf  verbreitete  Vorkommen  von  blatt- 
imitierenden Orthopteren  und  auf  die  BegTer.zung-  der  andere 
Sclinietterlinge  nachahmenden  Lepidoptei-en  hingewiesen. 

Die  generelle  Nachahmung  einer  Ameise  sichert  jeder  so  ver- 
kleideten Art  ein  ansehnliches  geographisches  Verbreitungsvermögen. 
Unser  3Iyrmccopkana-Ty\)  würde  in  allen  Krdteilen,  selbst  in  den  ge- 
mäßigten Zonen  Europas,  eben  für  eine  Ameise  gehalten  werden 
und  jeweils  zunächst  nur  den  diesen  bestimmten  Verfolgungen  aus- 
gesetzt sein.  Im  Heimatland  Afrika  sehen  wdr  dementspi-echend  die 
Eunjcorypha  sich  vom  Kap  bis  zum  Sudan  von  der  Ost-  bis  zur 
^^'estküste  erstrecken,  also  den  größern  südlichen  Teil  des  Kontinents 
einnehmen. 

Über  ihr  Verhältnis  zu  Feinden  an  den  verschiedenen  Plätzen 
ist  nichts  bekannt.  Meine  Untersuchungen  in  Amani  lassen  nur 
sehr  bedingte  Schlüsse  zu,  da  die  Art  nur  auf  kultiviertem  Land 
und  auf  Kulturpflanzen,  also  sicher  nicht  in  ihrer  gewöhnlichen  Um- 
gebung beobachtet  werden  konnte.  Als  Ergebnis  registriere  ich 
folgende  Tatsachen : 

Die  beiden  hier  hauptsächlich  als  Vorbilder  in  Betracht  kommen- 
den Formiciden  werden  außerordentlich  wenig  von  Feinden  heim- 
gesucht, solange  sie  sich  auf  Büschen  bewegen,  mehr  dagegen  auf 
der  Erde  und  in  ihrem  Erdnest  von  den  Reptilien  TypJdops,  Maluia, 
von  Hymenopteren  etc.  Auf  Zweigen.  Blättern  und  Blüten  fiel  die 
häufigere  bewehrte  Myrmicide  ab  und  zu  Krabbenspinnen  und  Spring- 
spinnen zum  Opfer,  in  trockner,  insectenärraster  Zeit  vielleicht 
2—3  vom  Hundert,  sonst  noch  bedeutend  weniger.  In  größerer 
Menge  auf  einmal  wurde  sie  beim  Aufsuchen  von  Pflanzenläusen-  und 
Xektarienhonig  nie  vertilgt,  da  sie  sich  in  einem  solchen  Falle  ge- 
wohnheitsgemäß vom  Ort  des  Unheils  vorübergehend  zurückgezogen 
hätte. 

Reptilien,  wie  Geckonen,  Agamen,  Zonuriden,  Mabuien  und 
Uhamäleonten.  oder  die  im  Unterholz  des  nahen  Urwalds  so  häufigen 
laubfroschähnlichen  Batrachier  wurden  nie  auf  den  \ on  Mynnecophana 
besetzten  Büschen  angetroffen.  Dagegen  sah  ich  öfters  nicht  näher 
bestimmte  Muscicapiden  und  andere  Insectivoren  unter  den  Vögeln 
Zweige  mit  Schildläusen  und  Ameisen  absuchen.  Da  sie  diese  aber 
sicher  verschmähten,  konnten  sie  nur  Spinnen,  Raupen,  Käfer  etc. 
eijagt  haben,  die  bisweilen  in  größerer  Menge  dort  lebten  und  deren 
Anzahl    sich    dann    auch    nachweislich    verringert    hatte.      In    der 


190  J-    VOSSELER, 

Trockenzeit,  z.  B.  vom  Dezember  1907  bis  Ende  Januar  1908,  blieben 
die  Vögel  den  Büschen  fern,  obwohl  weder  die  Ameisen  noch  die 
Heuschrecken  fehlten,  wohl  aber  andere  Insecten.  Auf  einer  Ver- 
suchspflanze machte  eine  Mantide  {Polyspilota  striata  Stoll)  ihre 
ganze  Entwicklung  durch,  ohne  daß  ihre  Gefräßigkeit  und  Raublust 
sie  zu  einem  Angriff  auf  die  Ameisen  und  ihre  Nachahmer  verleitet 
hätte. 

Die  Anzahl  der  Heuschrecken  blieb  auf  4  fortgesetzt  beobachteten 
Büschen  unvermindert,  obwohl  einige  Ameisen  von  Spinnen  gefressen 
worden  waren.  In  kleinen  Zuchtkäfigen  überwältigte  eine  kleine 
Krabbenspinne  an  einem  Tage  2  Larven  des  1.  Stadiums,  die  kaum 
erst  ausgeschlüpft  waren. 

Unter  den  angegebenen  Bedingungen  war  also  die  Anzahl  der 
Feinde  gering.  Die  Vögel  müssen  wohl  aus  Mangel  an  Geschmack 
für  Ameisen  auch  die  Heuschrecke  vermieden  haben.  In  diesem 
Falle  kann  also  eine  Täuschung  durch  die  Ähnlichkeit,  ein  Vorteil 
für  die  Myrmecophana  angenommen  werden.  Sicherer  noch  gilt  dies 
für  Polyspilota,  die  bei  diesbezüglichen  mit  andern  Phaneropteriden- 
und  Acridier-Larven  angestellten  Fütterungsversuchen  stets  gierig 
Zugriff.  Den  Spinnen  gegenüber  aber  versagte  die  Verkleidung,  da 
sie  im  Notfall  Ameisen,  eingekerkert  auch  die  noch  unerfahrene 
Heuschrecke  vernichtete.  Genau  genommen  stellt  dieser  Fall  das 
einzige  bis  jetzt  verbürgte  Beispiel  dar  für  eine  Verfolgung  der 
Myrmecophana.  An  ihrem  Aufenthaltsorte  aber  wird  sich  die  Sache 
anders  abspielen.  Einmal  tastet  die  Heuschrecke  mit  ihren  langen 
Fühlern  beim  Krabbeln  vor  sich  her  und  wird  durch  ihre  Sinnes- 
organe stets  so  zeitig  von  drohender  Gefahr  unterrichtet,  daß  sie 
sich  durch  einen  Sprung  retten  kann.  Sodann  ist  das  numerische 
Übergewicht  der  Formiciden  bei  dem  gewöhnlichen  gemeinsamen 
Vorkommen  stets  so  groß,  daß  die  Spinne  eher  25 — 50  davon  täg- 
lich fangen  würde,  bevor  sie  eine  Heuschrecke  erwischte.  Ihr 
Appetit  braucht  sich  aber  nicht  auf  diese  einseitige  Kost  zu  be- 
schränken. Für  gewöhnlich  steht  ihr  ja  noch  andere  Nahrung  zur 
Verfügung,  su  daß  sich  die  Gefahr  für  die  vorsichtige  Heuschrecke 
noch  wesentlich  vermindert.  Volle  Beweiskraft  kommt  also  diesem 
Beispiel  nicht  zu. 

Gegen  Schmarotzer,  d.  h.  zumeist  Hexapoden,  die  ihre  Opfer 
weniger  mit  dem  Gesicht  als  mit  der  Nase  ausfindig  machen,  bildet 
der  Mimetismus  naturgemäß  ein  weniger  vollkommenes  Schutzmittel 
als  gegen  insectivore  Räuber.     Dennoch  fand  ich  nur  einmal  Ento- 


Die  Gattung  Myrmecophana  Brunnkk. 


191 


parasiteil  unter  Umständen,  die  noch  nicht  ^anz  aufgeklärt  sind. 
4  Larven  aus  dem  2.  Stadium,  im  Freien  gefangen,  entwickelten 
sich  anfangs  normal,  hernach  langsam  weiter  und  blieben  auffallend 
lange  im  4.  oder  5.  Stadium  stehen ,  sahen  aber  wohlgenährt  aus. 
Der  Reihe  nach  lieferten  sie  kurz  vor  der  nächsten  Häutung  je  eine 
fette  Dipteren-Larve  (Fig.  J)  die  nach  längerm  Herumkriechen  sich 
verpuppte  (Fig.  K).  In  den  wohlverschlossenen  Behältern  konnte 
die  Infektion  fast  unmöglich  erfolgt  sein.  Die  Fliege  (Tachine  aus 
der  Familie  der  Pseudodexiinae,  Fig.  L)  muß  also  wohl  die  Larven  schon 


Fig.  K. 

Puppe  einer  Tachiuide  ans 
Eurycorypha.     2.7  :  1. 


Fig.  L. 
Fliege  zu  Fig.  J  und  K. 


4:1. 


vorher  mit  einem  Ei  besetzt  haben.  Auffallend  ist  dann  aber  die  lange 
fast  6wöchentliche  Entwicklungsdauer  des  Parasiten  und  die  scheinbar 
geringe  Belästigung  des  Wirts  durch  die  sehr  große,  schließlich  fast 
das  ganze  Abdomen  ausfüllende  Made,  die  sich  nur  in  den  letzten 
Tagen  vor  deren  Verpuppung  durch  geringem  Appetit  äußerte.  Erst 
4 — 6  Tage  nach  dem  Abgang  der  ]\[ade  starben  die  sehr  zusammen- 
gesunkenen Heuschrecken,  ohne  noch  einmal  gefressen  zu  haben. 

l^s  hätte  nun  keinen  Sinn,  aus  diesen  wenigen  Beobachtungen 
den  Nutzen  der  Ameisennachahmung  mathematisch  herausrechnen 
zu  wollen.  Noch  weniger  aber  darf  sie  als  wertlos  bezeichnet 
werden.  Die  erwähnten  Beispiele  erweisen  eine  vorwiegende  durch 
die  übrigen  Eigenschaften  des  Orthopterons  ergänzte  Nützlichkeit 
des  Maskenkleids  für  den  Träger  zum  wenigsten  gegen  direkte 
Angriife  auf  sein  Leben.  Mehr  braucht  vorerst  nicht  festgestellt 
zu  werden. 


192  J-    VOSSELER, 

Bedeutet  nun  die  Verkleidini'];-  einen  Vorteil  für  die  Erhaltung- 
der  Art  oder  Gattung,  so  muß  sie  auch  dazu  führen,  daß  die  am 
besten  geschützten  Formen  eines  faunistischen  Bezii-ks  am  meisten 
von  den  schutzbedürftigen  Arten  desselben  Gebietes  nachgeahmt 
werden,  sofern  ihre  Köri)eistruktur,  ihre  Anpassungsfähigkeit  und 
ihi-  Gebaren  die  Vorbedingungen  dazu  darbietet.  Die  ^^'irkung  der 
i\Iimikry  als  eines  formativen  P'aktors  in  der  Ausgestaltung  von 
Entwicklungsständen  und  Arten  wird  also  durch  den  Nachweis  der 
Wiederholung  überzeug-ender  werden.  In  einem  biologisch  noch  so 
wenig-  durchforschten  Lande  wie  in  unserm  tropischen  Ost- Afrika 
hat  dies  natürlich  seine  Schwierig-keiten.  Dennoch  vermag  ich 
Avenigstens  noch  4  weitere  Beispiele  von  Ameisennachahmung  aus 
Amani  anzuführen. 

Das  erste  weniger  frappante  liefern  die  Larven  einer  in  der 
Arbeit  M.  v.  Bkunn's  ^)  noch  nicht  aus  Deutsch  Ost- Afrika  auf- 
geführten, um  Amani  ziemlich  seltenen  M  a  n  t  i  d  e  ,  die  wahrschein- 
lich mit  Pkijllocrania  insignis  Westw.  identisch  ist.  Während  die 
Eltern  durch  die  Farbe  und  Form,  vor  allem  durch  blattförmige 
Verbreiterungen  des  Prouotums,  Abdomens  und  der  Beine  dürres 
Laub  täuschend  imitieren,  gleicht  das  Junge  im  L  Stadium  einer 
Ameise  so,  daß  es  auf  den  ersten  Blick  damit  leicht  verwechselt 
Averden  kann.  Das  Gebahren  abei'  ist  das  einer  Mautide.  Die  Ent- 
wicklung konnte  leider  nicht  verfolgt  werden,  da  die  Tiere  sich  in 
Gefangenschaft  nicht  hielten,  im  Freien  ausgesetzt  abei-  bald  ver- 
schwanden. Wegen  der  raschen  Größenzunahme  kann  die  Ähnlich- 
keit nur  im  ersten  Stadium,  also  im  zartesten,  schutzbedürftigen 
Alter,  täuschend  genannt  werden. 

Eine  wieder  in  jeder  Hinsicht  vollkommene  Mimikry  fand  ich 
dagegen  bei  eiuer  Spinne,  die  zusammen  mit  M iirmecophana  und  den 
Ameisen  auf  Doryalis  und  andern  Büschen  vorkommt  und  nach  einer 
Bestimmung  Herrn  Prof.  Dr.  Dahl's  zur  Gattung  SaÜicus  unter  den 
Saltigraden  gehört,  vielleicht  mit  Sali,  ichneumon  Sijm.  identisch  ist. 
Sehr  interessant  ist  die  Art  und  Weise,  wie  die  Achtbeinigkeit  ver- 
tuscht wird.  Das  Tier  hebt  die  Vorderbeine  am  Cephalothorax  ein- 
fach so  in  die  Höhe,  daß  sie  wie  Fühler  am  Vorderraud  zu  ent- 
springen scheinen,  bewegt  sie  ganz  nach  Ameisenart  tastend,  wobei 


1)  Ostafrikanische  Orthopteren,  gesammelt  von  Herrn  Dr.  Stuhlmann 
1888  und  1889,  in:  Mitt.  naturh.  Mus.  Hamburg,  Vol.  13  (2.  Beiheft  zum 
Jalub.   d.   Hamb.   Wissensch.   Anst;ilten,   Vol.    18,    1901). 


Die  Gattimg  Myriiiecophana  Brünnek.  193 

natürlich  auch  eine  Knickung  erscheint.  Die  Schlankheit  der  Glied- 
maßen der  Ameise  wird  genau  in  derselben  Weise  durch  helle 
Läng-slinien  wie  bei  Mijrmecophana  vorg-etäuscht,  die  nur  am  letzten 
Paar  fehlen,  an  beiden  ersten  aber  sich  über  das  ganze  Bein  hin- 
ziehen. Die  keulige  Verdickung  am  P'iihlerende  täuscht  eine  ent- 
sprechende Schwarzfärbung  am  Vorderende  des  1.  PJeines  der  Spinne 
vor.  Der  Cephalothorax  ist  dem  einer  Ameise  ebenso  gut  nach- 
gebildet wie  die  Stielung  des  Abdomens,  die  durch  die  helle  Farbe 
der  vierten  Troclianteren  besonders  hervorgehoben  wird.  Eine  starke 
Einschnürung  des  Cephalothorax  bewirkt  den  Eindruck  einer  Trennung 
in  Kopf  und  Pronotum,  eine  zweite  im  ersten  Drittel  des  Abdomens 
erhöht  dessen  Schlankheit. 

Diese  Nachahmung  ist  so  wundervoll  durchgeführt,  daß  ihre 
Unterscheidung  von  dem  Vorbild  im  Leben  unmöglich  ist,  zumal 
auch  noch  die  Bewegung  damit  übereinstimmt.  Selbst  die  in  Alkohol 
konservierten  Tiere  bewahren  den  angenommenen  Habitus  noch  so 
gut,  daß  die  Erkennung  nur  nach  wiedei'holtem  Zusehen  gelingt. 
Auch  die  Augenstellung  will  mir  zugunsten  des  Ameisentyps  un- 
gewöhnlich augeordnet  erscheinen;  doch  darüber  mag  der  Spezialist 
urteilen. 

Wiederholt  begegnete  ich  hier  noch  Spinnen  aus  andern  Familien 
mit  großer  Ameisenähnlichkeit.  Eine  erinnerte  an  einen  Ahjpus 
unter  den  Territelarien,  einige  andere  an  Lycosiden  (Citigradae). 
Keine  trug  aber  das  Gepräge  wirklicher  Mimikry,  und  so  sei  auf 
ihre  Beschreibung  verzichtet.  Im  Wesen  und  iu  ihren  Bewegungen 
verrieten  sie  ihre  wahre  Natur  sehr  schnell. 

Welchen  Zweck  die  ausgesprochene  Mimikry  des  vorhin  er- 
wähnten Salticus  und  ob  sie  für  die  Art  überhaupt  eine  Bedeutung 
hat,  ließ  sich  noch  nicht  ermitteln.  Ähnlich  ihren  Verwandten  lebt 
die  Art  gern  auf  niedern  Büschen  und  Gräsern  und  püegt  ihr  Nest 
auf  der  Mittelrippe  eines  etwas  geknickten  Blattes  zur  Aufnahme 
der  wenigen  (etwa  10 — 20)  Eier  zu  spinnen.  Möglicherweise  steht 
das  Schutzkleid  mit  dieser  geringen  Vermehrung  und  der  Seltenheit 
der  Species  im  Zusammenhang. 

Von  Hemipteren  war  im  Januar  1908  eine  kleine  Wanze  in 
(Tesellschaft  von  Ameisen  auf  einem  Fenstergesims  zu  beobachteu. 
die  mit  allem  Vorbehalt  in  die  Nähe  der  Gattung  Fachymerus  gestellt, 
trotz  des  etwas  gedrungenen  Habitus  einer  Ameise  sehr  ähnelt,  auch 
durch  ihre  raschen  Bewegungen.  Der  Kopf  ist  breit,  das  Pronotum 
stark   eingezogen,    sein    1.    Abschnitt    kugelig   gewölbt.     Die    Ein- 

Zool.  .laiub.  XXVII.     Abt.  f.  Syst.  13 


194 


J.    VOSSELER, 


scliniirung  des  Abdomens  helfen  helle,  nach  hinten  sich  erweiternde 
und  abgestutzte  Flecken,  weiße  Abzeichen  auf  dem  Anfang  der 
Mittel-  und  Hinterschenkel  sowie  über  der  Wurzel  der  letzteren  am 
Metanotumhinterrand  vortäuschen. 

Bezüglich  der  Bestimmung  einer  zweiten  ameisenimitierenden 
Wanze  bin  ich  ebenfalls  nur  auf  Vermutungen  angewiesen.  Ende  Mai 
1908  wurde  auf  niederem  Grünzeug  an  sonnigem  Hang  eine  kleine,  fast 
schwarze  Wanze  entdeckt,  die  suchend  über  eine  das  Gras  durch- 
rankende Winde  hinweg  auf  eine  Sonchus-Art  kletterte.  Wäre  auf 
diesem  Kraut  nicht  eine  Myrmecophana  zu  beobachten  gewesen,  so 
würde  ich  das  Hemipteron  wahrscheinlich  übersehen  haben,  denn  es 
stellte  das  vollendete  Ebenbild  einer  Ameise  dar.    Anfänglich  glaubte 


Fig.  M. 


ich  ein  Exemplar  der  nachher  zu  erwähnenden  Gattung  Mijnnoplasta 
vor  mir  zu  haben.  Während  der  Untersuchung  aber  stellte  es  sich 
heraus,  daß  es  die  Larve  einer  vielleicht  dem  Genus  Mirperus  nahe 
stehenden  Art  ist.  Bevor  es  gezeichnet  und  beschrieben  war,  häutete 
sich  das  Tierchen  und  veränderte  sich  dabei  in  manchen  Punkten, 
wurde  braun  mit  schwach  gelblicher  Marmorierung,  der  Kopf  erschien 
spitzer,  das  Abdomen  weniger  völlig  gerundet.  Trotzdem  ist  die 
Ameisenähnlichkeit  immer  noch  auffällig  genug.  Nach  der  Häutung 
maß  die  Larve  6,5  mm,  ihre  hintern  Pronotumwinkel  sind  in  scharfe 
Spitzen  ausgezogen  (Fig.  Ma),  das  Metanotum  trägt  einen  medianen, 
nach  vorn  gekrümmten  Dorn  (Fig.  Mb).    Das  Abdomen  ist  anfangs 


Die  Gattung  Mjrmecophana  Brunner.  195 

leicht  eiiif^eschiiürt,  wölbt  sich  sehr  stark  nach  oben  und  unten. 
Beides  kommt  im  Leben  mehr  zum  Ausdruck  als  in  der  nach  dem 
etwas  ausgehun<?erten  Exemplar  ang-efertigten  Abbildung.  Die 
Flügelläp])chen  fehlten  dem  vorangehenden  Stadium.  Am  gleichen 
Fundort  wurde  einige  Tage  später  allem  Anschein  nach  die  Imago 
dazu  gefunden,  die  im  wesentlichen  die  Merkmale  der  Larve  trägt, 
in  der  Form  des  Kopfes,  Hinterleibes  und  Thorax  aber  davon  ab- 
weicht (Fig.  Mc).  Die  Unterschiede  lassen  sich  wahrscheinlich  dui-ch 
den  Entwicklungsgang  erklären.  Die  Lnago  erinnert  außerordentlich 
an  die  von  Herrich-Schäffer  in  „Die  wanzenartigen  Insekten*', 
Vol.  9.  p.  274—275  beschriebene  und  auf  tab.  320,  fig.  989-990 
abgebildete  Gattung  Trachclium  aus  Brasilien. 

Auch  für  diese  4  Nachahmungen  gelten  die  WALLACE'schen  Regeln. 
In  Amani  leben  somit  auf  engstem  Raum  5  Nachahmer  von  Ameisen 
aus  3  verschiedenen  Arthropodenklassen,  2  Orthopteren,  2  Hemipteren 
und  1  Spinne,  beisammen.  Dazu  darf  vielleicht  noch  ein  kleines 
zur  Gattung  Formiconms  unter  den  Anthribiden  gehöriges  Käferchen 
von  3,5  mm  gerechnet  werden,  das  nicht  nur  den  Wohnort  mit 
einer  kleinen  Formicide  unter  morschem  Holz  u.  dgl.  teilt,  sondern 
sich  auch  unter  dieser  bewegt  und  ameisenähnlich  aussieht.  Vor- 
derhand wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  ob  auch  in  diesem  Falle 
Nachäffung  vorliegt,  und  werde  keinen  Bezug  darauf  nehmen.  Immer- 
hin ist  es  in  Fig.  Ng  abgebildet. 

Von  den  übrigen  Mimetikern  tragen  eine  Wanze  und  die  Spinne 
das  Maskenkleid  auch  im  erwachsenen  Zustand,  die  andern  Arten 
aber  nur  während  des  Larvenlebens  ein  bis  mehrere  Stadien  hin- 
durch. Allen  gemeinsam  ist  ihre  Seltenheit,  die  auch  eine  sorgfältige 
Prüfung  des  Verhältnisses  der  mimetischen  Formen  zu  ihrer  Um- 
gebung und  zu  den  nachgeahmten  Arten  verhinderte.  Hier  ist  also 
noch  eine  merkliche  Lücke  auszufüllen. 

In  der  beistehenden  Abbildung  versuche  ich  einen  allgemeinen 
Begriff  von  der  Art  und  dem  Umfang  einiger  der  festgestellten 
Nachahmungen  zu  geben.  Der  bedauerliche  Mangel  bei  der  Über- 
mittlung mimetischer  Beispiele  an  die  Öffentlichkeit,  die  Unmöglich- 
keit wissenschaftlich  einwandfreier  Darstellung  ließ  sich  dabei  nicht 
bezwingen.  Vorbild  und  Nachahmer  sind  w^ohl  unter  gleichen,  die 
Objektivität  des  zu  zeigenden  möglichst  wahrenden,  Bedingungen 
nach  Präparaten  wiedergegeben,  an  denen  absolut  nichts  zur  Er- 
höhung der  Täuschung  gekünstelt  wurde.  Es  sind  aber  eben  tote 
Körper,   ein   lebloser  Ausschnitt   aus  dem  Zusammenhang  einer  bio- 

IB* 


196 


J.    VOSSELER. 


logischen  p]inlieit,  ohne  Bewegung,  ohne  die  natürlichen  Farben-. 
Licht-  und  Schattenwirkungen,  ohne  jede  Beziehung  zur  Umgebung 
und  den  Lebensäußerungen  der  Tiere  oder  zur  Außenwelt  überhaupt. 
Dureli  die  Totenstarre  geht  wie  durch  Schrumpfungen  ein  Teil  vom 
Habitus  verloren,  die  Vergrößerung  verändert  den  natürlichen  Seh- 
abstand, und  schließlich  wird  häufig  durch  die  Reproduktion  noch 
ein  Teil  charakteristischer  Eigenschaften  und  Feinheiten  des  Original- 
bildes verflacht.     Diese  Übelstände  sind  bekannt.     Sie  seien  jedoch 


Fig.  N. 
Ameisen  und  ihre  Nachahmer  aus  Amani. 


Vorbilder 


a  Camponotus  7-ufoglaucus  Jord.   \ 

b  Myrmica  cumenoidefi  Gehst.       ( 
c'  Salticus  icJaieunton?     Araneide 
Mh-perm-L&rve  (vgl.  Fig.  12a).     Hemiptere 
Larven  von  Eurycorypha-Mjjrinecophana  (Locustide) 
Phijllocrania,  Mantide 
Formiconiiis.    Coleoptere 


Nachahmer 


1.6:1;  c'  =  2,25:1. 


im  Hinblick  auf  die  Fig.  N  besonders  deshalb  an  dieser  Stelle 
hervorgehoben,  damit  der  Abstand  der  lebendigen  \A'irklichkeit  von 
der  Darstellung  leichter  erklärt  und  gewürdigt  werde.    Trotz  aller 


Die  Gattung-  Myrmecophana  Brunner.  197 

Mängfel  dürfte  es  dem  Fachmann  schwer  fallen,  die  verscliiedenen 
Arten  in  dem  zwanglosen  Durcheinander  auf  den  ersten  Blick  zu 
erkennen. 

Eine  andere  zu  den  Pyrrhocoriden  gehörige  und  von  Gerstäcker  ^) 
als  Myrmoplasta  mira  n.  y.  n.  sp.  beschriebene  Wanze  aus  Rosasako 
Usaramo  in  Deutsch  Ost-Afrika  sieht  ebenfalls  einer  Ameise  ähnlich, 
aber  so  täuschend,  speziell  der  Folyrhacliis  gayates  Smitu,  daß  sie 
mit  dieser  und  Ponera  tarsata  Fab.  als  Ameise  eingesandt  wurde. 
Nach  Gerstäcker  ist:  „der  Ameisenhabitus  an  dieser  Art  durch  den 
kurzen,  kugligen,  gegen  den  Thorax  tief  abgeschnürten  Hinterleib 
in  gleich  prägnanter  Weise  wie  bei  der  Capsinen-Gattung  Myrme- 
coris  gorski  und  noch  ungleich  schärfer  als  an  der  gleichfalls  aus 
dem  tropischen  Afrika  stammenden  kleinen  Locustine  Myrmecopliana 
fallax  Brunner  ausgeprägt." 

Eine  zweite  Art  derselben  Gattung,  M.  vittiventris,  entdeckte 
Angelo  de  Carlini  -)  an  dem  von  Casati  aus  Nkole  (Somaliland) 
mitgebrachten  zentral-afrikanischen  Material. 

Diese  beiden  Hemipteren  interessieren  uns  besonders  als  Be- 
wohner desselben  Verbreitungsgebiets  wie  Myrmecophana,  die  ich 
aber  trotz  Gerstäcker's  Urteil  für  ameisenähnlicher  halte.  Mehr 
als  wahrscheinlich  wird  eine  größere  Beachtung  der  kleinen  Arthro- 
poden noch  weitere  hierher  gehörige  Beispiele  von  Mimikry  zutage 
fördern.  Ich  muß  mich  aus  Mangel  an  literarischen  Hilfsmitteln 
auf  die  angeführten  Fälle  beschränken,  möchte  jedoch  nicht  unter- 
lassen, zum  Vergleiche  einige  weitere  aus  andern  Gebieten  anzu- 
führen. 

Aus  der  mit  der  afrikanischen  in  manchen  Punkten  verwandten 
Fauna  Ceylons  beschreibt  Kirby^)  eine  ebenfalls  äußerst  ameisen- 
ähnliche AVanze,  Formicoris  in  flatus,  von  der  er  sagt:  „I  cannot  fix 
the  exact  affinities  of  this  remarkable  insect;  but  I  place  it  pro- 
visionally  near  Myocoris,  which  it  resembles  in  the  form  of  the  head. 


1)  BestimmuDg  der  von  Herrn  Dr.  Stuhlmann  in  Ost-Afrika  ge- 
sammelten Hemiptera,  in:  Jahrb.  Hamburg.  Wissensch.  Anstalten,  Vol.  9. 
1892,  p.  9  mit  Abb. 

2)  Rincoti  di  Nkole  (Africa  Centrale),  in:  Bull.  Soc.  Italiana,  Anno 
26,  Trim.   3—4,    1894. 

3)  KiRBY,  W.  F.,  Catalogue  of  the  described  Hemiptera  Heteroptera 
and  Homoptera  of  Ceylon ,  based  on  the  Collection  formed  (chiefly  at 
Pundaloya)  by  Mr.  E.  Ernest  Green,  in:  Journ.  Linn.  Soc.  London, 
Zool.,  Vol.  24,   1891,  p.   122,  tab.  4,  fig.   17. 


198  J-    VOSSELER, 

It  is  uiidoubtedly  one  of  tlie  Reduviidae  and  is  of  extreme  interest 
on  account  of  its  extraordinaiy  resemblance  to  tlie  black  spiny 
arboreal  aiits  of  tlie  genus  Hoplomyrmus  Gerst.  (Folyrliadm  Smith), 
so  common  in  tlie  East  Indies.  F.  inflatus,  or  a  closely-allied  species, 
seems  to  be  common  in  all  part.s  of  India,  as  well  as  in  Ceylon  (cfr. 
Proc.  entomol.  Soc.  London,  July  1891)." 

Auf  einer  meiner  ersten  Reisen  in  Oran  käscherte  ich  von  einem 
Grasbusch  neben  mehreren  Ameisen  eine  kleine  Wanze  (vermutlich 
eine  uno:eflüg'elte  Capsidei,  die  deren  vollendetes  Ebenbild  war  und 
selbst  an  der  Nadel  den  Habitus  des  Modells  so  vollkommen  be- 
wahrte, daß  ein  Spezialist  das  ihm  zur  Bestimmung-  übersandte  Tiere 
samt  den  Vorbildern  als  Ameise  wieder  zurückgab.  Die  Einschnürung 
des  Hinterleibs  war  auch  bei  dieser  Form  durch  weiße  Seitenflecken 
dargestellt.  Leider  vermag  ich  über  die  Lebensweise,  Art  und 
Gattung  dieses  bei  spätem  Nachforschungen  nicht  wieder  gefundenen 
Tieres  gar  keine  nähern  Angaben  zu  machen. 

Schon  aus  dieser  kleinen,  wahrscheinlich  sehr  unvollständigen^) 
Aufzählung  ist  ein  gewisses  Bestreben  der  Hemipteren  ersichtlich, 
sich  unter  den  Schutz  der  Ameisenmaske  zu  stellen,  selbst  ganz 
bestimmte  Vorlagen  zu  imitieren.  Finden  wir  doch  unter  den 
Ameisenmimikern  (unter  Weglassung  der  undeterminierten  Arten) 
Vertreter  von  3  verschiedenen  Familien:  Pyrrhocoriden,  Capsiden 
und  Reduviiden. 

Vielleicht  noch  häufiger  werden  Ameisen  von  Spinnen  nachgeahmt, 
vor  allem  in  Südamerika.  Aus  den  o  Unterordnungen  der  Tubitelae, 
Saltigradae  und  Laterigradae  zählt  Dahl  -)  in  einer  Zusammenstellung 
nicht  weniger  als  13  Arten  von  dort  auf,  10  allein  aus  der  Gattung 
Myrmeciiim. 

Unter  andern  Insectengruppen  scheint  diese  Mimikry  dünner 
gesät  zu  sein.  2  mir  unzugängliche  Arbeiten  aus  neuerer  Zeit  er- 
wähnen wenigstens  Ähnlichkeiten  zwischen  Ameisen  und  Coleopteren.^) 


1)  KiRKALDY,  in:  Trans,  entomol.  Soc.  London,  1902,  p.  249,  tab.  6,' 
erwähnt  z.  B.  eine  flügellose  ameisenähnliche  Wanze.  Die  Abhandlung 
stand  mir  nicht  zur   Verfügung. 

2)  Li:  Naturw.  AVochenschr.  (N.  F.),  Vol.  6,  No.  48,  1.  Dez.  1907, 
p.   767. 

3)  Beuttenmüller,  W.,  Notes  on  some  beetles  from  the  Black 
mountains  etc.,  in:  Bull.  Amer.  Mus.,  Vol.  19,  p.  511,  sowie:  DONIST- 
HORPE,  H.,  Some  speculations  on  ant's  nest  Beetles,  in :  Trans.  Leicester 
Soc,   Vol.   6,   p.   224. 


Die  Gattung  Myrmecophana  Brunner  199 

Eine  weitere  Nachahmung-  einer  Ameise  durch  ein  Orthopterou 
teilt  uns  K.  Fiebrig^)  aus  Paraguay  mit.  Eine  kleine  zuerst  als 
}i.  (j.  et  sp.  bezeichnete,  im  Nachtrag-  ohne  weitere  Erklärung  als 
PhjUoscirtus  macilentus  eingeführte  Gryllide  verhält  sich  in  allen 
Ständen  ameisenähnlich,  soll  aber  vielleicht  von  der  Ameise,  mit 
der  sie  dieselben  Pflanzen  bewohnt,  gefüttert  werden.  Wahrschein- 
lich pflegt  auch  sie  die  Fühler  vibrierend  zu  bewegen  (p.  351  Anm.). 
Es  ist  ein  kleines  7 — 8  mm  langes,  von  Fiebhki  mit  der  Brünner- 
sclien  3Iyrmecopliana  verglichenes  Tierchen,  das  zugunsten  der 
Mimikry  eine  ganze  Reihe  von  charakteristischen  Grjilenmerkmalen 
abgestreift  hat  und  von  der  ebenfalls  die  „petiolale  Einschnürung 
durch  die  helle  ockergelbe  Färbung  der  Tegmenbasis  nachgeahmt 
(auch  von  der  Seite  gesehen),  auch  die  Basis  des  Hinterfemurs  ist 
seiner  Lage  entsprechend  hell".  Fiebrig  betont  diese  Einrichtung 
als  das  Tj'pische  einer  großen  Zahl  von  Ameisen-Mimikern. 

Etwas  weniger  sorgfältig  ahmt  die  Gattung  Scaphura  Ameisen 
nach.  DoHRN -)  sagt  darüber:  „Beiläufig  mache  ich  noch  auf  einen 
ähnlichen  Fall  aufmerksam,  bei  dem  die  Mimetik  innerhalb  des 
Hymenopteren-Typus  sich  vollzieht.  Bei  Scaphura,  der  bekannten 
wespenartigen  Phaneropteride,  ist  die  auffallend  ameisenartig  ge- 
staltete Larvenform  in  ihren  frühern  Stadien  mit  dünnen,  an  der 
Basis  kaum  verdickten  Vorderschienen  ohne  Gehörgriibe  ausgestattet. 
Die  Stelle,  an  welcher  sie  später  erscheint,  ist  nur  durch  einen 
seichten  Eindruck  angedeutet." 

Da  nun  die  tibialen  Hörgruben  wohl  bei  keiner  erwachsenen 
Phaneropteride  fehlen,  spricht  Dohrx  die  Vermutung  aus,  daß  Myr- 
mecophana nur  eine  Larvenform  sei. 

Es  ist  nun  sehr  bezeichnend  und  für  das  „pro  et  contra"  der 
Mimikry theorie  viel  zu  wenig  beachtet,  daß  nicht  nur  die  mime- 
tischen (rattungen  und  Arten  im  ganzen  von  den  Verwandten  ab- 
weichen, sondern  auch  in  den  Einzelheiten  der  Herstellung  der 
Nachäffung  eigne  ungewöhnliche  A\'ege  gehen.  Dazu  kommt  aber 
noch   die   weitere  bemerkenswerte  Tatsache,   daß  die  den  Mimikern 


1)  Eine  ameisenähnliche  Gryllide  aus  Paraguay:  Myrmegryllus  dipterus 
n.  g.  n.  sp.,  mit  10  Abb.,  in:  Ztsclir.  wiss.  Insektenbiologie,  Vol.  3, 
Heffc  4,  April  1907,  p.  101 — 106  und:  Nachtrag  zu  Phylloscirtus  ma- 
cilentus Sauss.,  mit  2  Abb.,  ibid.,  Heft  10—11,  Jan.  1908,  p.  350—352. 

2)  DoHRN,  H.,  Neue  und  ungenügend  bekannte  Phaneropteriden  aus 
dem  malayischen  Faunengebiete,  in:  Stettin,  entomol.  Ztg.,  Jg.  53,  1892, 
p.   ö5 — 66. 


200  J-    VOSSELER, 

nächststehenden  Formen  häufig  ebenfalls  Verwandlungskünstler  sind, 
aber  ihrer  Lebensweise  entsprechend  wieder  ein  ganz  anderes  Vor- 
bild benützen.  Die  Phaneropteride  Condylodera  tricondyloides  Westw.') 
(=  Trochalodera  violascens  Be.  ^)  ahmt  die  Cicindelen-Gattung  Tri- 
condißa  so  überzeugend  nach,  daß  Westwood  sie  anfangs  dort  ein- 
reihte und  GeestÄckee^)  zu  dem  Urteil  veranlaßte:  „was  an  dieser 
merkwürdigen  C.  tricondyloides  nur  irgendwie  zu  modiflciren  war, 
ohne  die  Heuschreckennatur  zu  suspendiren,  das  ist  (nach  der  von 
Westwood  gegebenen  Abbildung  zu  urteilen)  .  .  .  vollständig  nach 
dem  Vorbild  von  Tricondijla  gebaut."  Die  vorhin  erwähnte  ScapJmra 
imitiert  im  erwachsenen  Zustand  Arten  der  Wespen  Pepsis  und 
Ponipihis,  nachgewiesene  Heuschreckenfeinde.  Zwei  südamerikanische 
Gryllodeen,  Scepasfus  und  Phylloscirtus  sind  wiederum  cicindelenähnlich 
und  gleichen  Angehörigen  der  Gattung  Odontocheila.  Unter  den 
Spinnen  sind  ebenfalls  Nachahmungen  von  Käfern  nachgewiesen,  von 
denen  die  von  Dahl^)  im  Riesengebirge  entdeckte  zwischen  einer 
Springspinne  und  einem  Rüsselkäfer  so  vollkommen  war,  daß  der 
Beobachter  die  Stücke  nur  dann  sicher  unterschied,  wenn  er  iliueu 
sein  Auge  auf  normale  Sehweite  nähern  und  allenfalls  noch  das 
Tastgefühl  zu  Hilfe  nehmen  konnte. 


'ö' 


Zur  Entstehung  der  Ameisenähulichkeit. 

Auf  die  große  Schwierigkeit,  zu  diesem  heiklen  Gegenstand 
positive  Daten  beizusteuern,  wurde  früher  schon  hingewiesen.  In 
der  Literatur  finden  sich  nur  allgemeine  Vermutungen  über  die  Ent- 
wicklung angepaßter  Formen.  Über  die  äußern  Umstände,  die  beim 
Beginn  der  eigenartigen  Umformung  der  Myrmecophmm  zusammen- 
wirkten, ist  auch  mit  Hilfe  des  biogenetischen  Gesetzes  niclits  zu 
ermitteln.    Ob  und  welche  biologische  bzw.  ethologische  Beziehungen 


1)  Westwood,  J.  0.,  Illustrations  of  the  relationships  existing  araongst 
natural  objects,  usually  termed  affiDity  and  analogy ,  selected  from  the 
class  of  Insects ,  in:  Trans.  Linn.  Soc.  London,  1840,  Vol.  18,  p.  409 
bis  421,  tab.  28. 

2)  Beunnee,  C,  Monographie  der  Phaneropteriden,  Wien  1878  (8  Taf.). 

3)  GeestÄCKEE,  A.,  Scepastus  und  Phylloscirtus,  2  käferähnliche 
Gryllodeen- Gattungen,  in:  Stettin,  entomol.  Ztschr.,  Jg.  24,  1863,  p.  408 
bis  436,  tab.   1. 

4)  Dahl,  f.,  Täuschende  Ähnlichkeit  zwischen  einer  deutschen  Spring- 
spinne (Ballus  depressus)  und  einem  am  gleichen  Ort  vorkommenden  Rüssel- 
käfer (Strophosomus  capitatus),  in :  SB.  Ges.  naturf.  Freunde  Berlin, 
Jg.   1903,  p.  273—278. 


Die  G.ittung-  M3'riiiecophana  Brunner.  201 

einst  in  (nitlegener  Zeit  den  Anstoß  zur  Abweichung  vom  Heu- 
sclireckentypus  gegeben  haben,  wird  eine  ungelöste  Frage  bleiben. 
Dagegen  bietet  die  nunmehr  bekannte  Entwicklung  unserer  Art  — 
einschließlich  des  reifen  Embryos  —  und  die  systematische  Yer- 
gleichung  verwandter  Species  und  Genera  eine  Handhabe  zur  Be- 
urteilung einiger  somatischer  Anpassungserscheinungen. 

Der  Habitus  der  Ameise  wird  in  erster  Linie  durch  den  freien 
Kopf  und  das  verschmälerte  Pronotum.  außerdem  durch  entsprechende 
Färbung  bedingt.  Beim  reifen  Embryo  und  sog.  kriechenden  Stadium 
suchen  wir  diese  ]\[erkmale  vergeblich;  sie  sind  aus  Zweckmäßigkeits- 
gründen (Raumausnützung)  im  Ei  noch  nicht  entwickelt.  Das  Pro- 
notum ist  noch  sehr  verkürzt,  ebenso  dick  wie  der  Kopf  und  noch 
nicht  eingeschnürt  (Fig.  B  Pr).  Die  typische  Gestaltung  des  Körpers 
und  die  Fäi'bung  erfolgt  erst  beim  Auskriechen.  Die  Größe,  Form 
und  Art  der  Unterbringung  der  Eier  sowie  die  Nahrung  der  Jungen 
sind  darauf  ohne  Einfluß,  zudem  nicht  spezifisch. 

Die  Ontogenie  gibt  uns  ebenfalls  keine  genügende  Erklärung 
für  das  Zustandekommen  der  Ameisenähnlichkeit,  wenigstens  vorerst 
nicht,  ehe  weitere  Arten  daraufhin  geprüft  sind. 

Beim  Versuch,  aus  der  Stammesgeschichte  Näheres  darüber  zu 
erfahren,  leitet  uns  Beunner's  „Monographie  der  Phaneropterideu'' 
auf  die  kleine  Gruppe  der  Leptoderac  hin,  zu  der  er  ja  auch  Mijrme- 
cophana  stellte,  die  jedoch  nach  vorstehenden  Ermittlungen  sehr 
entfernt  davon  in  einem  System  unter  der  Gruppe  der  Amblycorijphae 
unterzubringen  ist.  Von  den  Leptoderae  verbleiben  also  nur  die 
2  Gattungen  Leptodera  und  Trochalodera  (=  Condijlodera)  mit  je 
1  Art.  Beide  sind  durch  ein  langes  schmales  Pronotum  und  einen 
freien  Kopf  ausgezeichnet.  Condijlodera  zeigt  trotz  der  doppelten 
Einschnürung  des  Pronotums  große  Ähnlichkeit  mit  Mijrmecophana. 
DoHEx  weist  darauf  hin,  daß  die  in  der  Entwicklung  der  Flügel 
stehen  gebliebene  Form  im  Larvenstadium  anfangs  ein  fast  glattes, 
später  aber  ein  leicht  gewelltes,  nach  hinten  sich  erweiterndes  Pro- 
notum besitze  (1.  c,  p.  65  mit  Abb.).  Im  Gegensatz  zur  Myrrncco- 
phana  erhält  also  erst  das  fertige  Tier  die  unter  den  Phaneropteriden 
so  seltne  Plastik.     Die  Farbe  ist  braunschwarz. 

Unter  den  nähern  Verwandten  der  Amblycoryphen  ahmen  nach 
Dohen's  Mitteilungen  die  Larven  von  Scaphura  Ameisen  auffallend 
nach  (Sc.  nitida  Peety,  1,  c,  p.  (36  mit  Abb.),  ihr  Pronotum  ist  aber 
noch  nicht  eingeschnürt,  wie  das  der  Imago,  ihr  Kopf  frei,  die  Farbe 
ebenfalls    dunkel.     Es   stehen    also   Vertreter   von   3   Gruppen    der 


202  J-    VOSSELER, 

Plianeropteriden  sich  in  Bezielmng  auf  Mimikry  nahe,  noch  näher 
in  der  Art  der  Abweichung  vom  Typus  ihres  Stammes.  Geographisch 
aber  sind  sie  weit  getrennt:  die  beiden  Leptoderen  leben  in  Java, 
die  Gattung  Scaplmra  ist  auf  Südamerika  und  Eurycorypha  auf  das 
tropische  und  südliche  Afrika  einschließlich  Madagaskar  beschränkt. 

Unter  den  161  BRUNNEii'schen  Gattungen  der  Phaneropteriden 
treten  nur  3  durch  die  Fähigkeit  liervor,  etwas  anderes  nachzuahmen 
als  die  gewöhnliche  ßlattähnlichkeit.  Vor  der  P^ntdeckung  weiterer 
Beispiele  für  die  hier  behandelte  Art  der  Mimikry  wird  man  also 
nicht  behaupten  können,  daß  sie  eine  dem  ganzen  Tribus  inhärente, 
phylogenetisch  gesteigerte  und  verfolgbare  Eigenschaft  sei.  Das 
zugängliche  Tatsachenmaterial  weist  vielmehr  nur  darauf  hin,  daß 
sie  in  den  verschiedenen  Erdteilen  spontan  entstanden  zu  denken 
ist,  vielleicht  im  Zusammenhang  mit  nicht  näher  ermittelbaren  Kon- 
vergenzerscheinungen. Die  einzigen  etwa  annehmbaren  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  von  Myrmecophana  könnten  bei  Condylodera 
gefunden  werden,  die  dann  als  eine  in  der  angenommenen  Richtung 
der  Nachahmung  vorgeschrittenere  Form  anzusehen  wäre,  weil  sie 
sie  während  der  ganzen  ontogenetischen  Entwicklung  beibehält. 
Andeutungen  oder  Übergänge  von  der  normalen  Gestalt  des  Kopfes 
und  Vorderkörpers  der  Phaneropteriden  zu  der  extrem  aberranten 
vermag  ich  unter  den  vielen  von  Brunner  abgebildeten  Arten  nicht 
zu  erkennen.  Die  Larven  aber,  auf  die  es  in  erster  Linie  ankommt, 
sind  leider  fast  durchweg  so  gut  wie  unbekannt,  d.  h.  sehr  wahr- 
scheinlich wohl  gesammelt,  aber  wegen  der  Schwierigkeit  der  Identi- 
fizierung nicht  beschrieben.  Ich  glaube  aber  nicht,  daß  eine  ver- 
wandte, etwa  darunter  befindliche  Art  mit  einigermaßen  auffallendem 
Habitus  der  Beachtung  und  Veröffentlichung  entgangen  wäre.  Im 
Verhältnis  zur  Artenzahl  der  Phaneropteriden  —  nach  Brunner 
etwa  585  —  ist  die  Zahl  der  in  dem  behandelten  Sinne  mimetischen 
Formen  —  3  —  geradezu  verschwindend.  Auch  wenn  sie  sich  nach 
weitern  Entdeckungen  verdoppelt  und  verdreifacht,  wird  sich  das 
prozentuale  Verhältnis  nur  unwesentlich  verschieben.  Nach  wie  vor 
wird  die  Ameisenähnlichkeit  den  Charakter  einer  unvermittelten, 
sprungweise  entstandenen  Erscheinung  unter  einer  großen  Menge 
normal  gestalteter  Verwandter  bewahren. 

Sollte  aber  auch  die  Zukunft  diese  vorerst  bestehende  Kluft 
durch  den  Nachweis  von  Verbindungsgliedern  zu  überbrücken  vei- 
mögen,  so  bleibt  noch  die  weit  schwierigere  Aufgabe  der  Erklärung 
bestehen,  wie  die  Übereinstimmung  zwischen  dem  Maskenkleid  und 


Die  Gattung  Mj'nnecopliana  Brunner.  203 

dem  Betragen  der  Myrmecophmia  zustande  gekoninien  sein  mag-. 
Diese  Harmonie  ist  um  so  rätselhafter,  als  sie  mit  dem  Fortschritt 
der  Entwicklung  innerhalb  weniger  Tage  in  eine  völlig  anders 
geartete  übergeht. 

Am  ehesten  wird  vielleicht  aus  dem  biologischen  Verhalten  der 
Art  eine  Erklärung  für  die  Vielseitigkeit  und  Vollkommenheit  ihrer 
Nachahmung  abgeleitet  werden  kcinnen.  Die  Ernährungsweise,  direkte 
oder  indirekte  Beziehungen  zu  Ameisen,  kommen  nach  meiner  Er- 
fahrung nicht  in  Betracht,  sehr  wahrscheinlich  aber  der  Modus  der 
Fortpflanzung.  Die  Eiablage  zieht  sich  über  6  Monate  hin;  während 
dieser  Zeit  werden  täglich  nur  2—3  Eier  von  einem  Weibchen 
l)roduziert.  Durch  den  periodischen  Laubabwurf  der  Nähr-  und 
Brutpflanze  gelangen  sie  häufig  auf  oder  durch  Regenschlag  in  den 
Boden,  werden  auch  vom  Winde  fortgetragen.  Ihre  Entwicklung 
ist  von  den  Niederschlägen  bzw.  von  wochenlang  andauernder 
Feuchtigkeit  abhängig.  Diese  Konjunkturen  lassen  den  Verlust  eines 
großen  Teiles  dei'  Nachkommenschaft  sehr  naheliegend  ersclieinen, 
vor  allem  in  Jahren  mit  abnormem  Witterungsgang,  mit  langen  nur 
durch  wenige  Regentage  unterbrochenen  Trockenperioden  oder  zu 
starken  Regengüssen.  Vermögen  alle  diese  Umstände  zur  Verminde- 
rung der  Brut  beizutragen,  so  muß  andrerseits  auch  die  langsame 
Entwicklung  der  Eier  im  Mutterleibe  als  nachteilig  für  die  Fort- 
pflanzung und  Vermehrung  angesehen  werden.  Wenn  die  weiblichen 
Tiere  auch  in  der  Gefangenschaft  lange  leben  und  eine  ansehnliche 
Zahl  von  Eiern  absetzen,  so  ist  dies  in  der  Natur  so  gut  wie  aus- 
geschlossen. Die  Gefahren  des  Freilebens  werden  dem  Legegeschäft 
in  der  Regel  ein  vorzeitiges  Ende  bereiten.  Demnach  ist  es  wohl 
denkbar,  daß  durch  die  Mimikry  diesen  die  Vermehrung  beschränken- 
den Faktoren  entgegengewirkt  wird.  Man  wird  dann  annehmen 
müssen,  daß  für  die  Larven  die  Erwerbung  des  Maskenkleides 
weniger  schwierig  war  als  für  die  A^'eibchen  eine  Änderung  in  der 
Art  und  Weise  der  Eiproduktion  und  -abläge. 

A'ergleichiiug  der  bekannten  MtjrmerojtJiana-Jjuryeu. 

Wie  eingangs  angedeutet  weicht  die  BEuxNER'sche  Larvenform 
von  der  meinigen  in  einigen  Punkten  der  Beschreibung  ab,  wenig 
nur,  aber  doch  genügend,  um  den  Verdacht  zu  erwecken,  es  könnte 
sich  um  eine  zweite  Art  handeln.  Eine  genaueste  Prüfung  des  bis 
jetzt  bekannten,  allerdings  sehr  geringfügigen  Materials  erschien 
um  so  mehr  angezeigt,  als  Brunnek  als  anerkannt  genauer  Beobachter 


204  J-   VOSSELER. 

sich  wohl  kaum  geirrt  haben  wiid,  zudem  die  Wahrscheinlichkeit 
ähnlicher  Mimikry  auch  für  die  übrigen  7  Arten  der  Gattung  Euryco- 
rypha  nahe  liegt. 

Die  Typenexemplare  von  Myrmecophana  fallax  besitzen  nur  kurze 
Fühler,  die  kaum  über  das  Pronotum  wegreichen  und  am  Anfang 
wenig  verdickt  sind;  die  ost-usambarische  Art  aber  trägt  in  allen 
Larvenstadien  über  körperlange  Antennen.  Obwohl  sie  leicht  ab- 
brechen und  sich  wieder  regenerieren,  muß  doch  daran  gezweifelt 
werden,  daß  dieselbe  Art  der  Verletzung  und  Ausheilung  zufällig  an 
mehreren  oder  auch  nur  2  Exemplaren  in  gleichem  Sinne  vorkomme. 
Nach  meinen  Beobachtungen  verlängert  sich  ein  nahe  der  Basis 
gebrochener  Fühler  schon  mit  der  nächsten  Häutung  um  8  mm. 
Wäre  Brünner  durch  die  Heilung  auch  die  Intaktheit  des  Gliedes 
vorgetäuscht  worden,  so  hätte  die  Länge  doch  bedeutend  mehr  be- 
tragen müssen. 

Von  den  Abzeichen  erwähnt  Brunner  nur  die  weißen  Flecken 
am  Anfang  der  Abdomenseiten,  nicht  aber  die  stets  (selbst  im 
4.  Stadium)  vorhandenen  weißen  Ivommazeichen  auf  den  Seiten  der 
Pronotummitte  und  den  hellen  Querring  auf  dem  distalen  Drittel 
der  Hinterschenkel,  Merkmale  also,  die  nicht  leicht  übersehen  werden 
können. 

Für  das  3.  Stadium,  dem  das  sudanesische  Weibchen  angehört, 
sind  die  äußern  Gesclilechtsorgane,  im  Verhältnis  zu  den  von  mir 
untersuchten  Exemplaren  auffallend  schlank,  die  Valven  schon  so 
eng  zusammengerückt,  daß  sie  die  Hillsklappen  verdecken.  Es  ist 
kaum  anzunehmen,  daß  diese  Eigenschaften  nur  durch  zufällige 
Lagerung  entstanden.  Zeichen  eines  andern  Entwicklungsstandes 
sind  sie  sicher  nicht. 

Durch  sorgfältige  Vergleich ung  gewännen  die  angeführten  Ab- 
weichungen zwischen  den  gegenübergestellten  2  Formen  den  Wert 
specifischer  Unterschiede.  Unter  der  Voraussetzung  der  Richtigkeit 
der  BRUNNER'schen  Angaben  gehört  Myrmecophana  fallax  zu  einer 
andern  als  der  usambarischen  Eurycorypha.  Hir  früh  verlängei'ter 
Legestachel  weist  auf  eine  Art  hin,  die  auch  als  Imago  sich  durch 
längere  äußere  Genitalapparate  auszeichnet  als  unsere  Form.  An- 
gesichts der  mangelhaft  bekannten  geographischen  Verbi-eitung  und 
unvollständigen  Kenntnis  der  Weibchen  halte  ich  jeden  Hinweis  auf 
eine  bestimmte  Art  für  verfrüht. 

Die  von  Karsch  erwähnte  M.  fallax  aus  Mombassa  gehört  wohl 
sicher  zu  Eur.  prasinata,  da  diese  von  demselben  Fundort  erwähnt 


Die  Gattung  Myrmecophaiia  Brunner.  205 

ist.  andere  Arten  dort  nocli  nicht  g-efunden  wurden.  ]\rit  einiger 
Sicherheit  ist  demnach  für  2— H  Arten  der  Gattung-  Eurycoriji^ha 
die  Übereinstinnnung-  der  nachenibryonalen  Entwicklung-,  die  Gleich- 
lieit  der  schützenden  Älinliclikcit  mit  Formiciden  wälirend  der 
3  ersten  freien  Larvenstände  nachgewiesen.  Dadurch  wächst  die 
Aussicht  auf  ein  ähnliches  Verhalten  der  übrigen  Mitgliedei-  der 
Gattung  sowie  auf  die  Mögfjichkeit  der  Entdeckung  weiterer  Modu- 
lationen in  der  Herstellung  der  betretfenden  Mimikry  und  greifbarere 
Anhaltspunkte  für  ihr  Zustandekommen. 

Ziisainnienfassuiig  der  Ergel)nisse. 

Ein  abschließender  Überblick  über  die  Gesamtheit  der  ge- 
machten Wahrnehmungen  und  der  aus  den  Untersuchungen  abge- 
leiteten Resultate  mag  zur  Hervorhebung  der  mir  am  wichtigsten 
scheinenden  Punkte  dienen.  Als  besonderer  Beachtung  wert  er- 
achte ich  folgendes: 

1.  Mijrmecopliana  fallax  Bk.  ist  ein  Jugendstadium  der  Phanero- 
pteriden-Gattung  Eurycorypha  aus  der  Gruppe  der  Amblycoryphen. 
Die  Gattungsnamen  sind  synonjm,  an  Stelle  des  Jüngern  hat  Eury- 
corypha zu  treten.  Die  Identität  der  Art  M.  fallax  muß  noch  fest- 
gestellt werden. 

2.  Die  Larven  zweier  (vielleicht  aller?)  Eurycorypha  machen 
ein  kriechendes  und  6  springende  Stadien  durch,  verändern  dabei 
4mal  ihr  Äußeres  und  Gebaren,  z.  T.  auch  die  Lebensweise. 

3.  Sie  ahmen  während  der  3  ersten  si)]ingenden  Entwicklungs- 
stände Ameisen ,  während  die  2  letzten  Stadien  und  als  Liiago 
Pflanzenblätter  durch  Form,  Farbe  und  Benehmen  täuschend  nach, 
bilden  im  4.  einen  Übergang  zwischen  beiden  Extremen. 

4.  Die  mit  dem  Wechsel  der  Nachahmungen  verbundenen  Ver- 
änderungen übertretfen  alle  bisher  von  Orthopteren  bekannt  ge- 
wordenen und  stimmen  jeweils  derart  mit  den  biologischen  Ver- 
hältnissen der  Umgebung  überein,  daß  sie  der  Art  nachweisbar  zum 
Vorteil  gereichen. 

5.  Die  Färbung  der  Ameisen  imitierenden  Larven  entsteht  ohne 
ersichtliche  Einwirkung  äußerer  Ursachen,  die  der  Blätter  imitieren- 
den aber  ist  bis  zu  einem  gewissen  Grade  dem  Einflüsse  der  Um- 
gebung bzw.  Nahrung  unterworfen. 

6.  Die  Entstehung  der  Ameisen-Mimikry  ist  vielleicht  aus  bio- 
logischen Beziehungen,  nicht  aber  embryologisch,  onto-  oder  phylo- 
genetisch völlig  zu  erklären. 


206  J-    VOSSELER, 

7.  Der  von  Brunner  eingefülirte  Begriff  „h3q)ertelisclie  Nach- 
ahmung-" kann  nicht  aufrecht  erhalten  werden,  trifft  insbesondere 
auf  Myrmecophana  nicht  zu. 

8.  Vergleicht  man  endlicli  den  vorliegenden  Fall  von  Mimikry 
mit  andern  zuverlässig  beobachteten  und  beschriebenen  Beispielen, 
so  findet  sich  neben  einer  vollkommenen  Übereinstimmung  bezüglich 
der  allgemeinen  für  die  Theorie  gestellten  Regeln  eine  bemerkens- 
werte Besonderheit.  Während  die  meisten  nachahmenden  Formen 
nur  ein  Vorbild  und  dieses  stets  in  derselben  Weise  kopieren, 
andere,  wie  die  Blattschmetterlinge,  manche  Acridier  usw.  durch 
individuelle  Variation  die  ganze  Skala  der  Verschiedenheit  und  Ver- 
änderlichkeit eines  Geg-enstandes  (z.  B.  toten  Laubes)  wiedergeben, 
geht  die  Eurijcorypha-ljSir\e  durch  die  Nachbildung  zweier  total  ver- 
schiedener Objekte  unter  gleiciizeitiger  Darstellung  der  Abstufungen 
der  Vorlage  einen  wesentlichen  Schritt  weiter.  Es  findet  also  unter 
Einschaltung  eines  Zwischenstadiums  eine  regelrechte  Umformung 
statt,  die  somatischen  Veränderungen  aber  werden  von  gleichsinnigen 
psychischen  begleitet  und  unterstützt.  Zum  Unterschied  von  den 
einfachen  Beispielen  alternierender  oder  progressiver  Anpassung,  in 
denen  eine  Art  die  Verschiedenheiten  der  Umgebung  individuell 
wiedergibt  oder  deren  Veränderungen  im  Laufe  der  Entwicklung 
folgt,  könnte  man  das  hier  behandelte  als  „tr  ans  form  ative 
Mimikry"  bezeichnen,  wenn,  wie  zu  erwarten,  die  Erscheinung- 
unter  den  Arthropoden  und  andern  Tierklassen  noch  häufiger  nach- 
gewiesen wird.  Einen  schwächern  Grad  dieser  Art  von  Mimikrj' 
erkenne  ich  in  der  Umwandlung  der  Eaupe  von  Papilio  demoleus  L. 
wähi-end  der  5  Larvenstadien.')  Das  1. — 3.  ahmt  durch  Plastik  und 
Farbe  geformten  festen,  das  4.  seiner  heilern  Färbung,  verminderten 
Höckerzahl  der  Haut  und  weniger  plastischen  Zeichnung  wegen, 
dünnen  vertrockneten  Vogelkot  täuschend  nach  und  benimmt  sich 
entsprechend  der  Unbeweglichkeit  des  Vorbildes,  d.  h.  sitzt  tags- 
über nahezu  vollkommen  still  auf  der  Oberseite  der  Blätter  der 
Nährpflanze,  auch  dann,  wenn  sie  im  5.  und  letzten  Stadium  mit 
einem  Male  sympathische  Färbung  angenommen  hat. 

In  erfreulicher  Weise  wird  neuerdings  gegen  laienhafte  Häufung 
von    Beiträgen    zur    Mimikrytheorie    Front    gemacht,    werden    die 


1)  VosSELER,  J.,  Abnorme  Eiablage  und  Entwicklung  von  Papilio 
demoleus  L.,  in :  Ztschr.  wiss.  Insektenbiolo^ie,  Vol.  3,  Heft  7,  9.  Dez. 
1907,   p.   208. 


Die  Gattung  Myrmecophana  Brunnkr.  207 

Forderungen  nach  kritiscli  und  logisch  Avissenschaftlichen  Grund- 
lagen immer  schärfer  präzisiert,  namentlich  auch  von  selten  der 
Entomologen  der  Wert  weniger  aber  gut  verbürgter  Fälle  hervor- 
gehoben im  Gegensatz  zu  den  vielen  die  Klarheit  des  Überblickes 
beeinträchtigenden  Scheinfällen .  die  vor  der  einfachsten  Prüfung 
nicht  standhalten .  oft  nicht  einmal  im  Leben  beobachtet  sind, 
trotzdem  aber  fortgesetzt  als  Belege  für  die  Theorie  aufgetischt 
werden. 

Auch  der  vorstehend  behandelte  Fall  ist  noch  nicht  nach  allen 
Richtungen  durchleuchtet  und  wird  wohl  auch  stets  den  letzten  Er- 
klärungsversuchen widerstehen.  Dennoch  bietet  das  bis  jetzt  zu- 
sammengetragene Tatsachenmaterial  nach  meinem  Dafürhalten  so  viel 
Beachtenswertes,  daß  es  bei  künftigen  Erörterungen  über  das  bio- 
logische Kapitel  „JMimikry'  nicht  unberücksichtigt  bleiben  kann, 
einerlei,  in  welchem  Sinn  es  Verwendung  finden  wird.  Angesichts 
dieser  Bedeutung  halte  ich  es  für  wünschenswert,  daß  meine  unter 
erschwerenden  Verhältnissen  durchgeführten  Beobachtungen  von 
Fachgenossen  wiederholt  werden.  Voraussichtlich  bietet  dies  keine 
Schwierigkeiten,  denn  Eurycorijpha  ist  leichter  zu  züchten  als  irgend 
eine  mir  bekannte  Heuschrecke  und  hält  sehr  wahrscheinlich  den 
europäischen  Sommer  im  Freien,  kalte  Zeiten  im  temperierten 
Zimmer  oder  in  Gewächshäusern  aus,  die  lange  Ruhe  der  Eier  in 
trockenen  Blättern  aber  ermöglicht  die  Versendung. 


Aufzucht  uud  Pflege  der  EKrijcovypIia, 

Um  nicht  später  noch  einmal  darauf  zurückkommen  zu  müssen, 
gebe  ich  anhangsweise  einige  von  mir  bewährt  gefundenen  Winke 
über  die  Haltung  der  Tiere  für  Kollegen,  die  sich  damit  befassen 
wollen. 

Die  Eier  werden  mit  den  sie  einschließenden  Blättern  am  besten 
in  einer  verschließbaren  Glasschale  auf  feuchten  Sand  oder  Erde 
gelegt  und  bei  einer  Temperatur  zwischen  16  und  26*^  C,  vor  Sonnen- 
bestrahlung beschützt,  ausgebrütet.  Nach  1 — l'/o  Monaten  erfolgt 
das  Auskriechen  der  Jungen.  Verschimmeln  und  Verfaulen  der 
Blätter  stört  die  Entwicklung  nicht,  wohl  aber  ein  Übermaß  von 
Feuchtigkeit,  das  die  Eier  in  Tropfen  einhüllt.  Die  Jungen  pflegen 
in  den  Morgen-  und  Vormittagsstunden  zu  erscheinen  und  bald  in 
dem  Behälter  hoch  zu  kriechen.  Diese  Gewohnheit  benutze  man, 
um   sie   zur  Überführung   in  Zuchtkäfige   mit  Glastuben   zu  fangen, 


208  J-    VOSSBLER, 

beachte  aber  dabei,  daß  sie  bei  Berührung'  leicht  weg-springen.  aller- 
dings auf  hellem  Grund  unschwer  wieder  zu  finden  sind. 

Als  erstes  Futter  reicht  man  ihnen  am  besten  Blütenblätter. 
Rosen  nehmen  sie  sehr  g-erne  an,  sehr  wahrscheinlich  auch  viele 
europäische  Feld-  und  Gartenblumen  und  zarte  Grünblätter.  Un- 
schwer auch  gehen  sie  auf  Nahrungswechsel  ein;  demgemäß  wird 
es  kaum  mißlingen,  ein  passendes,  immer  zur  Verfügung-  stehendes 
Futter  zu  finden,  besonders  wo  Gewächshäuser  benützt  weiden 
können. 

Zur  Einzelbeobachtung  genügen  kleine,  etwa  250—300  ccm 
fassende  Einmachegläser  mit  Gazeverschluß  oder  mit  Drahtgaze 
überspannten  Schraubdeckeln,  oder  abei-  kleine  Holzzuchtschachteln 
mit  Glasschiebedeckel.  Bei  dem  täglich  oder  je  nach  dem  Erhaltungs- 
zustand der  Kräuter  nur  alle  2  Tage  vorzunehmenden  Futterwechsel 
halte  man  die  Behälter  so,  daß  die  Tiere  nach  dem  geschlossen 
bleibenden  Teil  kriechen  können,  also  z.  ß.  die  Gläser  mit  der 
Olfnung-  etwas  nach  unten  geneig-t.  In  zweiseitig  verglasten  Kästchen 
von  9  X  11  X  18  cm  wurden  oft  bis  5  Heuschrecken  großgezogen, 
als  Imago  gehalten  und  zur  Fortpflanzung  gebracht. 

Ebenso  erfolgreich  und  weniger  mühevoll  ist  die  auch  für  Raupen 
übliche  Zuchtmethode  in  oben  und  unten  mit  Tuch  verschließbaren 
Drahtgazezylinderu,  die  über  Zweige  oder  ganze  Pflanzen  hergebunden 
werden.  Namentlich  für  Topfpflanzen  erscheint  mir  diese  Methode 
geeignet. 

Übersprühen  mit  Wasser  ist  nicht  schädlich,  abei-  auch  nicht 
absolut  nötig,  da  die  Tiere  mit  den  in  der  Nahrung  enthaltenen 
Säften  auskommen,  wenigstens  in  ihrem  Heimatland  mit  etwa  85  7o 
Luftfeuchtigkeit.  Wie  ihr  Wasserbedürfnis  in  trocknern  Klimaten 
sich  gestaltet,  wird  erst  zu  ermitteln  sein.  Die  Behältnisse  sind  nur 
etwa  alle  3 — 4  Tage  zu  reinigen,  die  Gazezylinder  nie,  es  sei  denn, 
daß  mit  Eiern  beschickte  Blätter  der  Nährpflanze  abgefallen  sind 
und  zur  Ausbrütung  abgesondert  werden  müssen. 

Bisweilen  werden  von  erwachsenen  Tieren  mit  dem  Blattgrün 
auch  die  etwa  darin  eingebetteten  Eier  angebissen  und  vernichtet. 
Will  man  solche  Verluste  vermeiden,  so  entferne  man  täglich  die 
frischen  Gelege  und  bewahre  sie,  mit  Datum  bezeichnet,  trocken 
auf,  bis  sie  in  die  feuchte  Kammer  kommen,  am  besten  nicht  in 
dicht  verschlossenen  Gefäßen,  sondern  in  Pappschachteln  und  in 
einem  Raum,   der   nicht  unter  15"  C  hat.    Besetzte  Blätter  erkennt 


Die  Gattnug-  Myrniecophana  Brunne«.  209 

man  in  durchfallendem  Licht,  wobei  die  Eier  —  oft  2 — 3  ^)  neben- 
einander —  dunkel  hervortreten. 

Als  Demonstrationsobjekt  l'ür  Vorträg-e  über  ]\limikry,  zu  ex- 
perimentellen Versuchen  über  den  Einfluß  der  Nahrung-  auf  bestimmte 
Körperfarben  -)  und  zu  Untersuchungen  über  die  Embryonalentwick- 
lung- eignen  sich  die  Eurycoryphen  vortrefflich,  da  die  langsame, 
aber  mehrere  Monate  hindurch  fortgesetzte  Eiablage  täglich  frisches 
Material,  damit  auch  die  Mögliclikeit  der  Beschaffung  lebender  ganzer 
postembrj^onaler  Entwicklungsreihen  darbietet.  Der  Züchter  hat  es 
in  der  Hand,  größere  Mengen  von  Eiern  anzusammeln  und  zusammen 
oder  in  beliebigen  Stufen  zu  erbrüten. 

Vermöge  ihrer  Anspruchslosigkeit  und  langen  Ausdauer  eignet 
sich  Euryconjpha  zum  entomologischen  Haus-  und  Versuchstier,  wie 
kaum  eine  zweite  tropische  Locustode.  Unter  sich  sind  sie  voll- 
kommen verträglich,  können  also  zu  mehreren  in  einem  Behälter 
untergebracht  werden,  wobei  sie  allerdings  ab  und  zu  sich  gegen- 
seitig die  Flügel  etwas  anknabbern.  Auf  ihr  Befinden  bleibt  dies 
ohne  Einfluß. 

Im  Hinblick  auf  die  vielseitigen  Vorteile  für  wissenschaftliche 
Beobachtungen  werde  ich  etwa  vom  Mai  oder  Juni  an  den  Versuch 
machen,  Eier  zur  Verteilung  an  Interessenten  nach  Deutschland  zu 
senden  und  damit  das  merkwürdige  Tierchen  einzuführen. 


Zum  Schluß  erfülle  ich  die  angenehme  Pflicht,  Herrn  Di-,  med. 
H.  Krauss  in  Tübingen  für  die  freundliche  Beihilfe  zu  danken,  die 
er  mir  durch  Auszüge  aus  unzugänglichen  Abhandlungen  leistete. 


1)  Ein  einziges  ganz  in  Gefangenschaft  erzogenes  Weibchen  machte 
einigemal  Ausnahmen,  legte  bis   12  und   14  Eier  auf  einmal  ab. 

2)  Die  Veränderlichkeit  der  grünen  Locustidenfarbe  zum  Zwecke  der 
Anpassung  ist  noch  kaum  erforscht.  R.  H.  Thomas,  Protective  Mimicry, 
in:  Nature.  Vol.  46,  p.  612,  erwähnt  eine  sonst  grüne,  auf  verbrannter 
Heide  aber  mit  deren  Farbe  übereinstimmende  Locustine,  Häufiger  er- 
scheinen grüne  Arten  ohne  erkennbare  äußere  Einwirkung  in  braunem  oder 
bräunlichgrauem  Gewände,  z.  B.  Conocephalus  mand'dndaris,  ebenso  auch 
die  Mantide  Polyspüota  striata. 


Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst. 


14 


210  J-  VossELER,  Die  Gattung  Myrmecophana  Brxtnner. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel  8. 

Larven  von  Eurycorypha. 

Fig.  1.  Stadium  2,  normal  gefärbt. 

Fig.  2.  Stadium  3,  braun  und  schwarz. 

Fig.  3.  Stadium  3,  normal. 

Fig.  4.  Stadium  4,  karminrot  nach  Fütterung  mit  roten  Rosen, 

Fig.  5.  Stadium  5,  normale  Grünfärbung. 

Fig.  6.  Stadium  6,  karminrot  (mit  roten  Rosen  gefüttert). 

Fig.  7.  Stadium  3,  lichtbraun. 

Fig.  1   u.  3    2,5  :  1,  die  übrigen  Figuren  2:1. 


yachdruck  verboten. 
Vbersetzungsrecht  vorbehalten. 


Über  eine  Besonderheit  der  Pferdezeiclinung. 

Von 
Dr.  F.  G.  Kohii  in  Wien. 

Mit  17  Abbildungen  im  Text. 


Da  die  Färbung-  des  Pferdes  bei  der  praktischen  Kennzeiclmung- 
des  Individuums  seit  alters  eine  ^roße  Rolle  spielt,  ist  ein  ausge- 
bildetes künstliches  System  der  Pferdefarben  und  Abzeichen,  der 
weißen  Stellen  an  Kopf  und  Gliedmaßen,  in  jedem  Lehrbuch  der 
praktischen  Pferdekunde  zu  finden.  Über  die  feinere  Zeichnung  des 
Pferdes  aber  und  ihre  Bedeutung  haben  wir  seit  dem  Erscheinen  von 
Daewin's  Variieren  der  Tiere  und  Pflanzen  im  Zustande  der 
Domestikation  wenig  Neues  erfahren.  So  ist  auch  dem  Gegenstande 
dieses  .Aufsatzes,  wenn  ei"  auch  vielleicht  in  der  umfangreichen 
Spezialliteratur  beiläufig  erwähnt  sein  mag,  von  keiner  Seite  größere 
Aufmerksamkeit  geschenkt  worden,  so  daß  ich  auf  keine  Literatur 
hinweisen  kann. 

Bei  ScHWAKZNECKER ^)  liest  man  als  Definition  für  Stichelhaar: 
„Dem  dunkeln  Haar  sind  nur  vereinzelt  und  versprengt 
weiße  Haare  beigemischt,  so  daß  erstere  weitaus  das  Übergewicht 
behaupten.  Die  weißen  Haare  findet  man  gewöhnlich  am  dichtesten 
in  den  Flanken  und  an  der  Seh  weif  würz  el."  Bei  der  Beobach- 
tung des  Auftretens  von  weißem  Haar  an  der  letztgenannten  Stelle, 
d.  i.  dem  Hautbezirk  über  den  letzten  Sacralwirbeln ,  den  ersten, 
noch  in  den  Rumpf  einbezogenen  Caudalwirbeln  und  am  Basalteil 
des  freien  Schwanzes  kam  ich  bald  zu  der  Überzeugung,  daß  diese 
scheinbar  vereinzelten  und  versprengten  Haare  eine  ziemlich  regel- 


1)  G.  ScHWAEZNECKEE,   Racen,   Züchtung  und  Haltung  des  Pferdes, 
2.  Aufl.,  Berlin   1884. 

14* 


212  F.  G.  KoHN, 

inäßio-e  Gruppierung-  zeig-en  und  sich  oft  geradezuzu  Binden  zusammen- 
schließen. Ich  sehe  mich  genötigt,  in  den  Kreis  der  Betrachtung 
nicht  nur  Stichelhaarige  im  engern  Sinne  aufzunehmen,  sondern  auch 
eineiseits  Tiere,  die  nirgends  außer  an  der  genannten  Stelle  Ein- 
mischung von  weißem  Haar  ins  dunkle  Haarkleid  aufweisen,  andrer- 
seits solche,  bei  denen  die  Beimengung  pigmentlosen  Haares  so 
reichlich  ist,  daß  sie  das  Herkommen  als  Schimmel  bezeichnet. 

Es  folgt  die  Schilderung  des  Tatbestandes  an  der  Hand  typi- 
scher Fälle. 

I.  (Fig.  A.)\)  Ein  mittelgroßes  Equipagen pferd  -),  Rotfuchs  mit 
Blässe  und  liöhei'  reichenden  Abzeichen  an  3  Extremitäten,  ist  am 
ganzen  Körper  stäi'ker  stichelhaaiig.  Über  den  Rücken  zieht  sich 
der  als  Aalstrich  bekannte,  dunkle  longitudinale  Streifen.  Hart  an 
der  Schwanzwurzel  findet  sich  ein,  über  die  ganze  Breite  des 
Schwanzes  verlaufender,  weißer  Querstreifen.  Die  Schwanzbasis  ist 
von  der  Farbe  des  Körperhaares.  Dann  folgt  in  schwach  gewölbtem, 
nach  hinten  offenem  Bogen  ein  noch  etwas  breiterer  Streif  rein 
weißgefärbten  Langhaares.     Nach  einem  mit  Fuchshaar  besetzten 


Fig-.  A.  Fig".  B. 


1)  Die  beifolgenden  Schemata  mögen,  da  von  den  das  Pferd  be- 
treffenden Figuren  nur  6  nach  der  Photographie,  die  übrigen,  wie  die 
Tigerpferd  und  Tapir  darstellenden ,  nur  nach  an  Ort  und  Stelle  ent- 
worfenen flüchtigen  Zeichnungen  ausgeführt  sind,  bloß  als  ein  Mittel  be- 
trachtet werden,  das  eine  leichtere  Übersicht  des  Textes  ermöglicht.  Auf 
eine  naturgetreuere  Abbildung,  die  auf  größere  technische  Schwierigkeiten 
stößt,  glaube  ich  bei  der  leichten  Erreichbarkeit  des  Materials  verzichten 
za   dürfen. 

2)  Ich  ziehe  hier  die  Anführung  der  Verwendung  einer  Rasse- 
bestimmung deshalb  vor,  weil  bei  der  herrschenden  Konvergenzzüchtung, 
dem  Streben  nach  einem  mechanisch  möglichst  vollkommenen  Reit-  und 
Wagenpferd  einerseits  und  Lastpferd  andrerseits .  eine  sichere  morpho- 
logisch-systematische Erkennung  der  Pferderassen  fast  unmöglich  geworden 
ist  und  so  die  Rasse  eines  Tieres  nur  durch  den  oft  kaum  zu  ermittelnden 
Stammbaum  sichergestellt  werden  kann. 


über  eine  Besonderheit  der  l'ferdezeichniuis?.  ^i^ 

Intervall,  dessen  Breite  dem  an  der  ScUwanzwarzel  g-elegenen  ziem- 
lich gleicht,  schließt  sich  ein  dritter  Streifen  weißer  Haare  an.  der 
jedoch  nnr  die  Schwanzmitte  einnimmt  und  in  der  Medianlinie  durch 
vom  Aalstrich  ableitbares,  dunkleres  Haar  derart  vei'schmälert  wird, 
daß  er  einen  noch  deutlichem  Bösen  bildet  als  der  zweite.  Das 
Schwanzende  zeigt  keine  weilkn  Haai-e  mehr. 

II.  (Fig.  B.)  Ein  Sjähriges  Fiakerpferd,  Rai)i)e  mit  l^lässe  und 
Abzeichen,  nach  der  Angabe  des  Kutschers  russischer  Herkunft, 
läßt  an  Brust  und  Bauch  vereinzelte  Stichelhaare  erkennen.  Finige 
Centimeter  vor  der  Schwanzwurzel  bildet  das  Stichelhaar  eine 
schüttere  Querlinie,  deren  einzelne  Haare  länger  sind  als  die  am 
Körper  verstreuten.  Am  Grunde  des  Schwanzes  zeigt  sich  beiderseits 
ein  dichtes  Büschel  kürzerer  milchweißer  Langhaare,  geschieden  durch 
ein  rein  schwarzes  Mittelfeld.  Die  beiden  Haargruppen,  welche  die 
dritte  und  letzte  weiße  Abteilung  zusammensetzen,  sitzen  nnr  wenig 
tiefer  als  die  vorigen  und  nähern  si(;h  der  Medianlinie,  ohne  sich 
zu  vereinigen.  Sie  erreichen  den  Rand  des  Schwanzes  nicht  mehr 
und  bestehen  aus  wenigen,  aber  längern  Haaren. 

III.  (Fig.  C.)  Ein  Fiakerpferd,  ßappe  mit  kleinern  Kopfab- 
zeichen,  an  einem  Hinterfuß  ziemlich  hoch  weiß,  am  übrigen  Körper 
mit  reichlichem  Stichelhaar,  ähnelt  Fall  II.  Die  erste  Querbinde 
zeigt  keine  Besonderheit.  Das  Fleckenpaar  an  der  Schwanzbasis 
ist  so  reich  ausgebildet,  daß  es  nur  durch  eine  schmale,  aalstrich- 
artige schwarze  Trennungslinie  vor  der  Verschmelzung  bewahrt 
wird.  Die  3.  Haargruppe  bildet  beiderseits  ein  Bündel,  das  seiner 
Lockerheit  wegen  in  mehrere  nebeneinandergestellte  Unterabteilungen 
zu  zerfallen  scheint. 


Fig.  C.  Fig.  D. 

IV.  (Fig.  D.)  Ein  Sjähriges  Artilleriepferd,  Rotfuchs  mit  Aal- 
strich, zeigt  etwas  Stichelhaar.  Die  Streifung  entspricht  demselben 
Typus  in  schwächerer  Ausbildung.  Eine  Querreihe  schütterer 
Stichelhaare  ist  vor  der  Schwanzwurzel  gelegen.  Der  erste  Schwanz- 
streif ist  noch  am  stärksten  entwickelt.    Man  findet  in  der  Median- 


214  F.  G.  KoHN, 

linie  nur  die  Andeutung  einer  Unterbrecliung'.  Die  letzte  Gruppe 
wird  durcli  ein  etwas  asymmetrisches  Haarbüscliel  vertreten.  Der 
Grund  des  Schweifes,  auf  dem  die  wieder  kreideweißen  Haare  stehen, 
ist  noch  von  dem  lichten  Rotgelb,  das  die  Schweifwurzel  von  dem 
dunklern  Endteil  scheidet. 

V.  (Fig.  E.)  Eine  5jährige,  kastanienbraune  Stute,  für  leichten 
Frachtendienst  bestimmt,  weist  sonst  keine  Spur  von  Stichelhaar 
auf.  An  der  Schwanzwurzel  finden  sich  2  korrespondierende  Gruppen 
weißer  Haare.  In  der  rotbraunen,  basalen  Region  des  Schwanzes 
sehen  wir  noch  nahe  der  Schwanzwurzel  ein  größeres  Büschel  weißer 
Haare,  die  rechts  dichter  und  länger  sind  als  links.  Von  der 
2.  Schwanzgruppe  sind  nur  3-4,  auf  der  rechten  Seite  befindliche 
und  gleichfalls  vom  rotbraunen  Langhaar  umgebene,  weiße  Haare 
zu  erkennen.     Unterhalb  derselben  beginnt  das  schwarze  Lan"-haar. 


■'&•' 


Fig.  E. 

VI.  (Fig.  F.)  An  einem  sehr  dunkeln  Schimmel  edlern  Schlages, 
dessen  glänzend  schwarzes  Haarkleid  allenthalben  stark  mit  weißem 
Haar  durchsetzt  ist,  fällt  schon  von  weitem  die  weißliche  Färbung 
der  Schwanzwurzel  auf.  Genauere  Untersuchung  ergibt  keine  deut- 
liche Abgrenzung  des  lichten  Haares  gegen  die  Umgebung,  sondern 
allmähliches  Überwiegen  dunklern  Grundhaares  und  teilweise  un- 
scharfe Abgrenzung  der  hintereinander  gelegenen  weißen  Querbinden 
untereinander.  Es  läßt  sich  indes  eine  Häufung  lichten  Haares  in 
einer  zur  Längsachse  des  Körpers  senkrechten  Binde  schon  ziemlich 
hoch  auf  der  Kruppe  und  eine  zweite  bedeutendere  direkt  an  der 
Schwanzwurzel  erkennen.  Erst  letztere  entspricht  der  ersten  Binde 
von  Fall  I — V.  Die  Mitte  der  Schwanzwurzel  wird  von  einem 
schwärzlichen,  angenähert  rhombischen  Flecken  eingenommen,  dessen 
längere  Diagonale  in  der  Medianebene  des  Körpers  eingestellt  ist. 
Der  Anfang  des  freien  Schwanzes  wird  seitlich  von  weißen  Haaren 
gebildet.  In  der  Mitte  fiindet  sich  ein  noch  kurzhaariger,  rhombischer, 
schwarzer  Fleck,  der   wie  der  vorige   als  Rest  des  Aalstriches  an- 


tJber  eine  Besouderheit  der  Pferdezeichnuug-.  215 

gesehen  werden  muß.  Von  den  Seitenecken  desselben  schiebt  sich 
ein  Keil  dunklen  Lang-haares  beiderseits  schräg  nach  abwärts,  der 
4en  letzten  lichten  Abschnitt  vom  vorletzten  trennt.  Das  Ende  des 
Schweifes  ist  dunkel.  Wir  unterscheiden  also  4,  hintereinander  ge- 
legene, lichte  Binden,  deren  Scheidung  durch  die  2  medianen  dunkeln 
Flecke  wesentlich  erleichtert  wird. 

VII.  (Fig.  G.)  Ein  schweres  Lastpferd  vor  einem  Kehricht- 
wagen,  Braunschimmel,  ein  an  den  vorigen  anschließender  Fall,  be- 
sitzt, wie  viele  ähnlich  gefärbte  Tiere,  vorwiegend  lichtes  Haar  im 
Gebiet  der  ganzen  Rumpfwirbelsäule.  An  2  hintereinander  ge- 
legenen Stellen  der  Kruppe  zeigt  sich  symmetrisches,  beiderseitiges 
Ansteigen  dunkel  gefärbter  Haarpartien  gegen  die  Mitte  zu.  Direkt 
vor  der  Schwanzwurzel  liegt  ein  halbmondförmiger  dunkler  Fleck 
mit  der  Konkavität  nach  hinten.  Durch  diese  dreifache  Zeichnung 
wird  natürlich  auch  der  Untergrund  in  8,  hintereinander  gelegene, 
bandartige  lichte  Partien  eingeteilt,  von  denen  die  beiden  hintern 
in  Form  und  Lage  den  Kruppenfeldern  des  vorigen  Falles  ent- 
sprechen, während  der  erste  als  eine  dem  zweiten  analoge  Bildung 
zu  bezeichnen  ist.  Das  Langhaar  des  Schweifes  läßt  wieder  2. 
durch  S3mimetrische  Büschel  schwarzer  Haare  getrennte  Abteilungen 
erkennen.  Etwa  10  cm  vom  Schweifanfang  beginnt  anfangs  in  der 
Mitte,  dann  auf  der  ganzen  Breite  des  Schweifes  dunkles  Haar. 


Fig-.  G.  Fig.  H. 

VIII.  (Fig.  H.)  Ein  Lastpferd,  Braunschimmel,  ohne  Aalstrich, 
mit  2  wenig  deutlichen  Querbinden  an  der  Schwanzwurzel  und  reich- 
lich eingestreuten .  weißen  Haaren  am  Grunde  des  Schwanzes,  die 
als  3.  Binde  zählen  könnten,  führt  uns  einen  noch  undeutlichem 
Grad  der  Erscheinung  vor. 

IX.  (Fig.  J.)  Eine  11jährige  Ponystute,  Rotscheck,  durch  etwas 
Schwarz  im  Mähnenhaar  und  an  der  Schwanzspitze  sich  schon  dem 
Braunscheck  nähernd,  ist  auf  den  Flecken  an  Hals  und  Rumpf  von 
Stichelhaar  frei,  wohl  aber  findet  sich  dieses  im  obern  Teil  des  den 


216  F.  G.  KoiiN, 

Schwanz  umgebenden  Fleckens  reichlich.  Es  ordnet  sich  hoch  an 
der  Kruppe  beginnend  und  hart  an  der  Schwan zwurzel  aufhörend» 
in  4,  in  kurzen  Abständen  hintereinander  gelegene,  nur  in  der 
Reichlichkeit  ditferente  Querstreifen,  von  denen  z.  B.  der  3.  weit 
seitlich  reicht  und  so  mächtig  ist,  daß  mehr  Weiß  als  Braun  sicht- 
bar ist,  während  der  2.,  nur  rechts  ausgebildete,  kaum  den  die 
.Medianebene  kennzeichnenden  Aalstrich  erreicht. 

Eine  leichtere  Vergleichung  der  Befunde  vermittelt  die  Figuren- 
bezeichnung. Fall  I — III  gaben  mir  durch  ihre  weithin  auffallende, 
mit  der  allgemeinen  Haarfärbung  grell  kontrastierende  Zeichnung 
Veranlassung  zur  Aufstellung  der  Binden  A.  B  und  C.  die  sich, 
wenn  auch  nicht  so  leicht  sichtbar,  doch  in  klarer  Weise  bei  IV 
und  V  wiederfanden.  Gerade  das  Überwuchern  des  Untergrundes- 
durch  die  Zeichnung,  die  ihre  eignen  Grenzen  verwischt,  erschwert 
die  Deutung  bei  VI  und  VII.  Trotzdem  sind  --1,  B  und  C  an  ihrer 
Lage  zu  erkennen.  Neu  gegen  die  vorigen  Fälle  sind  Kruppen- 
streifen untergeordneter  Natur,  bei  VI  /,  bei  VII  nebstdem  noch  ß. 
Für   diese   neue    Streifung    musterhaft   —    wir    sehen    noch    einen 

3.  Streifen  «  — ,  aber  durch  den  Mangel  von 
B  und  C  hinter  den  vorigen  zurückstehend, 
erscheint  IX  ebenso  als  Übergang  zu  un- 
schärferer Zeichnung  wie  VIII,  wo  wir  neben 
7  und  A  auf  der  Kruppe,  am  Schw'anze  nur 
'/"/;   '  eine  Binde  vorfinden,  von  der  es  unentschieden 

-r..     T  bleibt,  ob  sie  das  verschmolzene  B  und  C.  oder 

Flg.  J. 

nur  eine  dieser  Binden  darstellt. 

Als  schwächere  und  schwächste  Grade  der  Erscheinung, 
für  die  einzelne  Beispiele  aufzuführen  ich  unterlasse,  sind  zu  be- 
trachten: 1.  Undeutliche  lichte  Streifung  der  Kruppe,  2.  einfarbige 
lichte  Kruppen  bei  dunklerer  Grundfarbe,  wie  sie  viele  unserer 
Lastpferde  besitzen,  3.  einfarbig  weißliche  Schwanz wurzel,  4.  mehr 
vereinzelte,  an  tj^pischer  Stelle  im  Schwanz  stehende  Langhaare,, 
die  nicht  selten  B  und  C  zugleich  andeuten. 

Es  muß  besonders  betont  werden,  daß  auch  nicht  hierher  zu 
rechnende  Zeichnungen  in  der  besprochenen  Region  vorkommen. 
Als  ausgezeichnetes,  hierher  gehöriges  Beispiel  findet  der  folgende,, 
auch  aus  andern  Gründen  interessante  Fall  hier  Aufnahme.  Ein 
für  das  Schwerfuhrwerk  bestimmter  8jähriger  Hengst  (Fig.  K),  so- 
genannter Schabrakentiger,  also  ein  dunkles  Pferd  mit  weißen  Stellen 
an  Rücken  und  Kruppe,   auf  denen  sich  rundliche,  dunkle  Flecken 


l^Hfh 


über  eine  Besonderheit  der  Pferdezeiciinnng-.  217 

scharf  abgrenzen,  hat  sonst  olivenbrannes  Grundhaar  mit  eing-e- 
streutem  Schimmelhaar  und  reichliclien  Spuren  dunkler  Streifen^ 
der  Zebrastrei  fung  Dakwix's.  Solche  linden  sich  am  Hals 
unter  der  ]\Iäline,  am  untersten  Teile  des  Seitenhalses,  an  der 
Rückseite  des  Unterarmes  und  der  Volarseite  des  Carpus,  an  der 
Dorsalseite  des  Metacari)us  bis  zur  Phalanx  prima.  Weiter  er- 
kennt man  4—5  bogenförmig-e  Streifen  derselben  Art.  die  an  der 
vordem  Fläche  des  Unterschenkels  beginnen,  über  und  hinter 
dem  Kniegelenk  in  dem  l>ecken  paralleler 
Richtung  streichen .  um  dann ,  nach  lück- 
wärts  umbiegend .  auf  dem  Muse,  biceps 
femoris  zu  enden.  Endlich  liegen  8  dunkle 
Streifen  quer  über  der  Kruppe,  von  denen 
der  oberste  am  breitesten  ist  und  noch 
einen  parallelen  Zweig-  abgibt,  welcher, 
von  i'echts  aufsteigend,  bis  über  die  ]\[itte 
reicht.  Selbstverständlich  kommen  dadurch 
auf  der  Kruppe  auch  4  lichte,  quergelegene  Fig-  K- 

Zwischenräume    zustande.      Die    Seite   der 

Seh  weif  Wurzel  ist  weiß.  In  der  Mitte  zeigt  sich  ein  dunkles  Quer- 
band, eine  Strecke  darunter  ein  zweites,  das  sich,  in  der  Mitte  bald 
von  heller  Farbe  unterbrochen,  seitlich  weit  nach  abwärts  verfolgen 
läßt.  In  einigem  Abstand  beginnt  in  der  JMitte  wieder  ein  dunkler 
Abschnitt.  Über  dem  Ende  des  Schwanzes  zählt  man  noch  3—4  Bänder. 
Als  Ursache  dieser  Schwanzfarbe  ergibt  sich  kein  eingestreutes, 
rein  weißes  Haar,  sondern  Ringelhaar,  d.  i.  ein  Haar,  das  ab- 
wechselnd pigmentierte  und  pigmentfreie  Zonen  aufweist.  —  Eben- 
falls in  diese  Kategorie  gehört  die  Zeiclmung  der  stark  geapfelten 
Schimmel,  die  auf  der  Kruppe  von  der  am  ganzen  Körper  sicht- 
baren so  wenig  absticht,  daß  es  gewagt  ei'scheint.  sie  in  den  Kreis 
der  Betrachtungen  zu  ziehen,  ehe  eine  Erklärung  der  Apfelung.  die 
uns  noch  abgeht,  versucht  ist. 

Das  Vorkommen  typischer,  Fall  I — IX  entsprechender  Zeich- 
nungen ist  beim  Pferde  keine  Seltenheit.  Nicht  einmal  die  auf- 
fälligen Grade  I — III  sind  Raritäten.  Icli  konnte  innerhalb  dreier. 
Wochen  9  Exemplare  zählen.  Die  Gesamtzahl  in  dieser  Zeit  genauer 
notierter  Fälle  beträgt  29.  Unter  273  Pferden  konnte  man  an  12 
deutliche  Spuren  dieser  Querbinden  sehen,  das  sind  ca.  4V.2**/o-  I^och 
kann  dieser  Zahl  bei  der  Unmöglichkeit,  namentlich  bei  Schimmeln, 
eine   Grenze   zwischen   positiven   und  negativen    Befund   scharf   zu 


218  F.  G.  KoHN, 

ziehen,  selbst  wenn  sie  auf  ein  viel  größeres  Beobachtuno-smaterial 
gestützt  wäre,  nur  ein  relativer  Wert  beig-emessen  werden.  Immer- 
hin folg-t  aus  ihr.  daß  wir  einer  regelmäßigen  Komponente  der 
Pferdefärbung  gegenüberstehen. 

Die  Verteilung  meiner  Fälle  auf  die  verschiedenen  Farben 
ist  die  folgende:  Rappen  5,  Schwarzbraune  3,  Kastanienbraune  5, 
Füchse  5,  Falbe  1,  Schimmel  (Rot-  und  Braunschimmel  1,  Grau- 
schimmel) 6,  Tiger  1,  Schecken  (Rotschimmelscheck,  Rotscheck)  2. 
Es  ist  hervorzuheben,  daß  die  Falben  und  dunklern  Schimmel,  die 
zu  den  zebrastreifigen  Pferden  das  größte  Kontingent  stellen,  nicht 
in  den  Vordergrund,  sondern,  namentlich  wenn  man  die  scharfe  Aus- 
bildung der  Zeichnung  mit  in  Betracht  zieht,  in  den  Hintergrund 
zu  stehen  kommen. 

Ein  Einfluß  des  Alters  wurde  nicht  gefunden.  Jüngere  Fohlen 
zu  untersuchen,  hatte  ich  fast  keine  Gelegenheit.  Das  jüngste  der 
wenigen  mir  im  Alter  bekannten  Pferde  war  3j ährig.  Vier  weitere 
zeigten  ein  Alter  unter  ö^o  Jahren,  drei  8  Jahre,  eins  11.  eins  13 
und  ein  letztes  16  Jahre.  Hieraus  ergibt  sich,  daß  für  die  weißen 
Streifen  eine  Deutung  als  direkte  Altersei'scheinung,  da  5  von  den 
Pferden  ihr  Milchgebiß  noch  nicht  verloren  haben,  unzulässig  ist, 
wenn  auch  zugestanden  werden  muß,  daß  hier  wie  in  andern  Stellen 
eine  Zunahme  weißen  Haares  mit  den  Jahren  möglich  ist. 

Eine  Beziehung  zum  Geschlecht  ist  bei  der  geringen  sexuellen 
Differenzierung  der  Pferde  unwahrscheinlich. 

Woran  die  Zuteilung  zu  einzelnen  Rassen  krankt,  habe  ich 
schon  eingangs  in  einer  Anmerkung  erwähnt.  Trotzdem  wird  es, 
um  die  Verteilung  in  unserm  Pferdebestand  anzudeuten,  nötig,  die 
ungefähre  Einreihung  markanterer  Pferde  zu  einzelnen  Formen  zu 
versuchen,  nicht  ohne  den  Vorbehalt,  da  oder  dort  danebengeraten 
zu  haben.  Unter  den  beobachteten  Pferden  befindet  sich  ein  edleres 
Pony,  mehrere  Rappen,  die  dem  russischen  Traber  nahestehen, 
Fiakerpferde,  wohl  ungarisches  Halbblut  vom  Typus  des  Juckers, 
mindeie,  den  Wiener  Oninibus[)ferden,  die  sich  aus  dem  Marchfelder 
Schlag  rekrutieren  sollen,  ähnliche  Tiere,  endlich  ein  großes, 
schwereres,  sehr  edles  Pferd  aus  dem  Stalle  eines  Aristokraten, 
dessen  Formen  an  das  schwere  englische  Halbblut  des  hiesigen 
Hofes  erinnern.  Die  Tiere  schweren  Schlages  waren  wohl  alle 
norischer  Abkunft.  Wir  sehen  also  so  ziemlich  die  gegensätzlichsten 
Formen  unserer  Pferde  von  dieser  Eigentümlichkeit  betroffen,  woraus 
schon  folgt,   daß  die  Ursache  derselben,   mag  sie   eine   äußere  oder 


über  eine  Besonderheit  der  Fferdezeichuung-.  219 

innere   sein,   —   alle  Pferde   g-leichmäßiji-  beeinflußt.     Zu  erwälinen 

wäre  noch,   daß   ich  Fälle   wie  I— V   mehr  bei  leichten,  Fälle  wie 
VI — IX  mehr  bei  schweren  Pferden  gesehen  habe. 


Au  die  einfache  Beschreibung  der  Tatsachen  schließt  sich 
naturgemäß  der  Versuch ,  sie  mit  andern  in  Beziehung  zu  bringen, 
d.  i.  zu  deuten.  Den  alleinigen  Zusammenhang  meiner  Befunde  mit 
dem  Ergrauen  des  Alters  habe  ich  bereits  zurückgewiesen.  Da- 
mit ist  aber  die  Fi'age  nach  der  ontogenetischen  Entstellung  weiß- 
behaarter Stellen  noch  nicht  erledigt.  Wir  sehen  einerseits  auf 
Narben,  andrerseits  auf  Stellen,  die  Diuck  und  Reibung  z.  B.  durch 
Gescliirrstücke  oder  selbst  einfache  Bandagen  ausgesetzt  sind .  eine 
Ersetzung  dunklen  Haares  durch  weißes,  sogenannte  Vitiligo. 
Als  Geschirr  käme  für  unsern  Fall  nur  der  Schweifriemen  in  Be- 
tracht, der,  von  der  Mittellinie  kommend,  sich  teilt  und  in  Form 
einer  Schlinge  den  Schwanz  umgibt.  Dieser  kann  aber  infolge 
seiner  Lage  nur  2  spitzwinklig  divergierende  Streifen  erzeugen,  die 
ich  tatsächlich  gelegentlich  sehr  schön  ausgebildet  sah,  die  aber 
mit  unserer  Zeichnung  keine  entfernte  Ähnlichkeit  zeigen.  Eine 
durch  unpassende  Bandagen  am  Schweif  erzeugte  Zeichnung  würde 
spiralig  verlaufen,  könnte  sich  auch  nicht  auf  die  Kruppe  ausdehnen. 
Ebenso  wird  Druck  auf  die  Schweifgegend  bei  Transporten  zu 
Wasser  und  zu  Lande  wohl  diffuse  Weißfärbung,  aber  keine  ge- 
ordnete Zeichnung  erzeugen.  Eine  im  Körperbau  des  Pferdes  selbst 
gelegene  Eigentümlichkeit  könnte  mittelbar  mechanisch  im  Sinne 
Rydek's  ^)  derartige  Streifen  hervorrufen.  Gerade  in  der  Partie 
hinter  dem  Kreuzbein  liegen  bei  vielen  Pferden  die  Wirbel  in  so 
unmittelbarer  Nachbarschaft  der  Haut,  daß  ihre  Umrisse  deutlich 
sichtbar  werden.  Nun  wäre  es  denkbar,  daß  diese  Skeletteile,  be- 
sonders bei  lebhafter  Muskelaktion ,  eine  lokale  Ernährungsstörung 
bedingten  oder  selbst  einen  direkten  Druck  ausübten,  durch  den 
dann  eine  Vitiligo  aus  Innern  Ursachen  entstünde.  Doch  läßt  sich 
gegen  diesen  Versuch  ein  wichtigerer  Einwand  geltend  machen. 
Eine  solche  Vitiligo  hätte  keine  Veranlassung,  vor  einer  Zeichnungs- 
eigentümlichkeit  Halt   zu   machen,   während    unsere    lichten   Haare 


1)  Ich  entnehme  dessen  sicher  vielfach  zutreffende  Ansicht  den 
instruktiven  Arbeiten  Geosser's  ,  Metamers  Bildungen  der  Haut  der 
Wirbeltiere,  in:  Z.  wiss.  Zool.,  Vol.  80  und  Die  Metamerie  der  Haut, 
Sammelreferat,  in :   Ctrbl.   Grenzgeb.   iled.   Chir.,  Vol.   7. 


220  F.  G.  KoHx, 

sehr  liäufig  den  Aalstrich  verschonen,  der  noch  dazu  durch  die 
mächtig-sten  Knochenvorsprün»-e  der  Schwanzwirbel,  die  Processus 
spinosi,  nach  dieser  Annahme  am  ehesten  für  Vitiligo  disponiert 
sein  müßte. 

Findet  man  für  eine  verbreitete  Eigentümlichkeit  einer  Species 
keine  Erklärung'  in  den  gegenwärtigen  Existenzbedingungen,  so  ist 
die  Möglichkeit  eines  historischen  Wertes  derselben  ins  Auge  zu 
fassen.  Bevor  ich  diese  Seite  des  Gegenstandes,  also  die  phj'lo- 
genetische,  berühre,  muß  die  züchterische  Bewertung  der  Farbe 
kurz  charakterisiert  werden.  Der  vielzitierte  Satz:  „Jedes  gute 
Pferd  hat  eine  gute  Farbe*',  ist  nur  beschränkt  richtig.  Die  primi- 
tiven Farben.  Falben  und  gewisse  Schimmel,  sind  weniger  beliebt, 
und  man  kann  von  Modevorurteilen  für  gewisse  Farben  sprechen. 
Immerhin  geht  hier  die  Spielerei  mit  Farben  nicht  entfernt  so  weit 
wie  z.  B.  in  der  Geflügelzucht,  wo  schon  eine  falsch  gefärbte  Feder 
beachtet  wird;  daher  braucht  man  beim  Auftreten  einzelner  weißer 
Haare,  selbst  größerer  weißer  Stellen  nicht  an  Beeinflussung  durch 
künstliche  Zuchtwahl  zu  denken.  Die  Regelung  dei"  Farbe  durch 
natürliche  Zuchtwahl  fällt  beim  Haustier  weg.  Dadurch  ist  dem 
Haarkleid  eine  große  Möglichkeit  der  Variation  nach  verschiedenen 
Eichtungen  gegeben,  ein  Zustand,  den  Haacke  wenig  glücklich  als 
Gefügelockerung  bezeichnet  und  der  eher  der  Panmixie  Weismann's- 
anzugliedern  ist.  Jetzt  neu  auftretende  Zeichnungen  werden  sich 
oft  durch  scheinbare  Unregelmäßigkeit  auszeichnen,  wie  es  z.  B.  die 
Scheckfarbe  zeigt.  Wo  wir  aber  Gesetzmäßigkeit  finden,  kann  es" 
sich  um  eine  Rückkehr  in  schon  vorgezeichnete  Bahnen,  die  aus 
andern  Gründen,  z.  B.  zur  Erreichung  einer  Schutzfärbung,  verlassen 
worden  waren ,  d.  i.  um  einen  Atavismus  handeln ,  der  sich  durch 
sein  Neuauftreten  von  einer  erhaltenen  Ahneneigenschaft,  die  sich 
an  eine  primitive  Form  und  jugendliche  Altersstufen  zu  knüpfen 
pflegt,  unterscheidet.  Nur  einen  solchen,  nicht  einen  persistenten 
Rest  alter  Färbung  können  wir  in  den  beschriebenen  weißen  Binden 
vermuten,  wenn  es  uns  gelänge,  dieselben  durch  Vergleichung  mit 
verwandten  Formen  als  phylogenetisch  alt  zu  erkennen,  da  sie,  wie 
wir  oben  sahen,  bei  den  meisten  Rassen,  auch  bei  abgeleiteten 
Farben,  auftreten  und  den  größten  Teil  des  Lebens  bestehen  bleiben. 

Der  so  nahe  liegenden  Vergleichung  mit  der  Färbung  der 
Tiger pf erde,  deren  lichte  Zeichnungsintervalle  sich  beim  Pferde 
geradeso  als  Zeichnung  vorfinden  könnten  wie  die  dunkeln  Quer- 
streifen ,   stellt  sich  in  dieser  Region  noch  mehr  als  anderwärts  die 


über  eine  Besonderheit  der  Pt'erdezeichuuiig. 


221 


große  Variabilität  der  Streifung  dieser  Tiere  entgegen,  die  durcli 
die  beigegebenen  Skizzen  (Fig.  L  u.  M  Equus  cJiapmani,  Fig.  N  i'. 
sebra,  Fig.  0  K  selousi,  Fig.  P  E.  (jreviji)  erläutert  wird  und,  wie 
die  Abbildungen  von  E.  cJiapmani  zeigen,  auch  innei-halb  der  Art 
beträchtlich  bleibt.   Leider  besaßen  die  8  Tigerpferde,  die  ich  darauf 


Fig.  L. 


Fig-.  0. 


Fig.  P. 


anzusehen  Gelegenheit  hatte,  alle  einen  Aalstrich,  der  teilweise  die 
Farbenverteilung  am  Schwänze  geradezu  dominierte  und  bei  E. 
burcheUi  und  E.  guagga  sogar  die  einzige  dunkle  Zeichnung  daselbst 
darstellte,   während  Werner^)   diese  Bildung   bei   einzelnen  Exem- 


1)  s.  AVerner,    Untersuchungen    über    die  Zeichnungen  der  Wirbel- 
tiere, in:   Zool.  Jahrl).,  Vol.   7,   Syst. 


222  F.  G.  KoHN. 

plaren  vermißt.  Die  den  Aalstrich  begleitenden  (^uerstreifchen,  die 
nach  W'erner  als  einfache  Flecken,  nach  Eimer's^)  Anschauungen 
über  ältere  Säugerfärbung,  für  die  das  abgebildete  E.  grevyi  An- 
haltspunkte gewähren  könnte,  als  zerfallende  Längsstreifen  zu  be- 
trachten wären,  lassen  eine  zweifache  Einteilung-  des  weißen  Unter- 
grundes möglich  erscheinen.  Erstens  kann  eine  8onderung  in  hinter- 
einander liegende,  mit  der  Zahl  der  Streifchen  variierende  (^luerbänder 
vorgenommen  werden.  Zweitens  könnte  man  in  Anlehnung  an 
EiMER'sche  Betrachtung  2  obere,  longitudinale,  zwischen  Aalstrich 
und  Streifenband  gelegene,  und  2  dazu  parallele  untere,  vom  Streifen- 
band und  der  schwarzen  Schwanzunterseite  eingeschlossene  Längs- 
streifen unterscheiden.  Alle  4  Streifen  verschmelzen  auf  der  Ober- 
seite der  Schwanzquaste.  Bei  dem  abgebildeten  Zebra,  bei  dem 
Aalstrich  und  Streifenreihen  konfluieren,  ist  natürlich  das  erste 
dieser  Streifenpaare  weggefallen.  Die  letztere  Auffassung  scheint 
mir  für  einen  Vergleich  mit  dem  Pferdebefunde  nicht  ganz  unge- 
eignet, wenn  man  eine  neuerworbene,  schon  beim  Quagga  auf- 
tretende Eigenschaft  des  Pferdeschweifes  genügend  in  Rechnung 
zieht.  Es  handelt  sich  um  das  Vorrücken  der  Schwanzquaste  auf 
Kosten  des  kurzbehaarten  Schwanzanteils,  der  endlich  fast  ganz 
unterdrückt  wird.  -)  Daß  bei  diesem  Vorgang  vorhandene  Längs- 
streifen    auch     zusammengeschoben     und     aus     der    Längsrichtung 


1)  s.  Eimer,  Über  die  Zeichnung  der  Tiere,  in:  Humboldt,  1885 
bis   1887   (zitiert  nach  Referaten). 

2)  Dieser  Vorgang,  der,  wie  aus  dem  Vergleich  einer  geschorenen, 
unvei-stümmelten  Schweifrübe  des  Pferdes  mit  dem  kurzen  Zebraschweif 
hervorgeht,  von  keinen  größern  Veränderungen  im  iunern  Bau  des 
Schwanzes  begleitet  sein  kann,  ist  auch  darum  interessant,  weil  er  beweist, 
wie  schnell  Verschiebungen  der  Hautgebilde  in  der  Längsachse  des 
Körpers  vor  sich  gehen  können,  was  für  die  Frage  der  Hautmetamerie 
insofern  von  Bedeutung  ist,  als  z.  B.  Grosser  in  oben  zitierter  Arbeit 
die  metamere  Anordnung  von  Haaren,  die  Trichomerie  Haacke's  ,  auf 
Grund  des  Maugels  völliger  Übereinstimmung  mit  der  Wirbelanordnung 
zurückweist.  Vollständig  kann  sich  eine  solche  in  dem  schon  mechanisch 
verschiebbaren ,  äußern  Einflüssen  so  sehr  ausgesetzten  Hautorgan  kaum 
irgendwo  erhalten  haben.  Solange  eine  Beziehung  zwischen  Hautmetamerie 
und  Neuromerie,  wie  sie  die  Dermatomtheorie,  über  die  man  Näheres  bei 
Grosser  findet,  ausgehend  von  physiologischen  und  pathologischen  Tat- 
sachen annimmt,  nicht  durch  hinreichende  morphologisch-embrj'ologische 
Aufschlüsse  über  die  Entstehung  peripherer  Nerven  von  der  Haut  aus 
gestützt  ist ,  wird  man  über  metamere  Bildungen  in  der  Haut  sich  nur 
am  Hautorgan  selbst  orientieren  müssen. 


über  eine  Besonderheit  der  Pferdezeichnung. 


223 


in  die  Querrichtung  gedrängt  werden  konnten,  ist  ganz  gut  vor- 
stellbar. 

An  eine  solche  Zusammenscliiebung  der  Streifung  zu  denken, 
berechtigt  uns  das  Verhalten  der  Zeichnung  bei  den  nächsten, 
lebenden  Verwandten  des  Genus  Equus,  den  Tapiren,  bei  denen 
die  Rückbildung  des  Schwanzes  ähnliche  Vorbedingungen  geschaffen 
hat  wie  das  Wachstum  der  Sciiwanzciuaste  am  Pferde.  Beim  jugend- 
lichen Tapirus  amcrkanus  (Fig.  Q)  beobachtet  man,  daß  die  schmalen, 
weißen  Streifen   und  Fleckenbinden   auf  dunklem  Grunde,   die  den 


Fig.  Q. 

ganzen  Rumpf  entlang  entschiedene  Längsrichtung  zeigten,  über 
der  Kruppe  in  die  Querrichtung  um])iegen,  wobei  sich  die  einander 
beiderseits  entsprechenden  Streifen  so  weit  nähern,  daß  sie  in  der 
Mittellinie  nur  ein  schmaler,  dunkler  Zwischenraum  trennt,  wodurch 
sie  dem  Beobachter  von  rückwärts  direkt  als  Querbänder  erscheinen. 
Ein  Vergleich  mit  dem  Pferde,  besonders  mit  den  Fällen  I— V,  der 
freilich  kaum  auf  Homologisierung  einzelner  Streifen  ausgehen  darf, 
ergibt  Gleichheit  in  Farbe  und  Richtung  der  Streifen,  in  ihrer  Ab- 
grenzung gegen  die  Umgebung,  ihrem  Verhalten  zur  Mittellinie  und 
Ähnlichkeit  in  der  Ausdehnung  der  Streifenintervalle,  Ungleichheit 
hauptsächlich   in   der  seitlichen  Ausdehnung,   die  beim  Pferd  stets 


i>'-    / 


Fig.  B, 


■224  F.  G.  KoHN,  t'ber  eine  Besoiulerlieit  der  Pferdezeichmiiio-. 

gering  bleibt.  Interessant  ist,  daß  bei  einer  zweiten  Tapirform. 
Tapirus  indicus  (Fig.  R).  in  deren  Färbung  schon  im  Jugendkleid 
das  lichte  Haar  das  dunkle  überwiegt,  scheinbar  lichtes  und  dunkles 
Haar  seine  Rollen  getauscht  hat.  Faktiscli  handelt  es  sich  um  ein 
Breiterwerden  und  in  der  Körpermitte  um  Konfluieren  der  weißen 
Binden,  die  nun  ein  ähnliches  Bild  geben,  wie  es  beim  Pferde  die 
verschiedenen  Schimmel  gewähren,  so  z.  B.  die  obere  Region  der 
Fig.  G.  Es  genügt  mir.  diese  Ähnlichkeiten  nebeneinander  gestellt 
zu  haben.  In  wie  Aveit  sie  uns  berechtigen,  eine  Übereinstimmung 
in  der  Färbung  der  Stammeltern  von  Equus  und  Tapirus  anzunehmen, 
bleibt  dem  Urteil  des  Lesers  überlassen,  der  den  Wahrscheinlich- 
keitsgrad  unserer  phylogenetischen  Spekulationen  abzuschätzen  weiß. 


yarhdruck  vcrliotcn. 
['hprsctzungsrecht  vorbchullrn . 


Manatus  latirostris  Harl. 

Biologische  und  m  o  r  p  li  o  1  o  g-  i  s  c  h  e  Beiträge. 

Von 
J.  F.  (Tjudernatscli, 

Cornell  üniversitj-,  New  York  City,  U.  S.  A. 
Mit  Tafel  9  und  3  Abbildungen  im  Text. 


Als  einziges  aller  bestehenden  Aquarien  oder  zoologischen  Gärten 
darf  sicli  das  New  Yorker  rühmen,  einen  lebenden  Vertretei'  einer 
der  interessantesten  Gruppen  der  ^^'assersäuger,  der  Sirenia.  zu  be- 
sitzen. Es  ist  das  ein  Manatus  latirostris  Hael.  Bisher  ist  es  nur 
wenigen  Verwaltungen  anderer  Aquarien  gelunoen,  Manati  nur  für 
kürzere  Zeit,  die  andere  gegenwärtig  noch  existierende  Gattung. 
Halicore  dugong,  überhaupt  nicht  in  der  Gefangenschaft  lebend  zu 
erhalten.  Im  New  Yorker  Aquarium  ist  der  große  Erfolg  auf  diesem 
Gebiete  wohl  nui-  der  ganz  besondern  Ptlege  und  Aufmerksamkeit 
zu  danken,  die  dem  Tiere  unter  der  umsichtigen  Leitung  Towinsend's 
gewidmet  wird.  Während  die  früher  daselbst  gehaltenen  Exemplare 
in  einem  Zeitraum  von  9  Tagen  bis  10  Monaten  nach  dem  Ein- 
bringen eingingen,  lebt  derzeit  der  Manatus  seit  fast  2  Jahren  in 
seinem  Bassin. 

Durch  die  außerordentliche  Liebenswürdigkeit  des  Direktois  des 
New  Yorker  Aquariums,  Herrn  Dr.  Ciiaeles  H,  Townsend,  war  es 
mir  gestattet,  einerseits  das  lebende  Tier  selbst  zu  messen  und  genau 
zu  studieren,  andrerseits  in  die  Sektionspi'otokolle  und  Aufzeichnungen 
des  Instituts  umfassenden  Einblick  zu  nehmen. 

Zool.  .Jahrb.  XXVII.     Abt.  f.  Sv.st.  15 


226 


J.    F.    GüDERNATSCH, 


Scliließlicli  hat  mir  der  genannte  Herr  noch  so  manches  Inter- 
essante über  die  Pflege  und  Ernährung-  seiner  Tiere  mitgeteilt  und 
mir  auch  eine  ganze  Reihe  photographischer  Aufnahmen  zur  Ver- 
fügung gestellt,  daß  ich  nicht  umhin  kann,  ihm  an  dieser  Stelle 
meinen  allerherzlichsten  Dank  für  sein  Kntgegenkommen  auszu- 
sprechen. 

Die  nachstehenden  Ausführungen  schließen  sich  an  die  Zu- 
sammenstellung Freuxd's  ^)  bezüglich  der  in  Gefangenschaft  ge- 
brachten Sirenia  an  und  ergänzen  in  willkommener  Weise  die  Angaben 
Dexler  u.  Freund's  betreifend  die  Biologie  und  Morphologie  von  Hali- 
core  du<jon(f. 

Über  die  Größenverhältnisse  des  Manatus  Avird  die  folgende 
Tabelle  Aufschluß  geben.  Bemerkt  sei,  daß  Manati  von  einer  Länge 
bis  zu  4  m  gefangen  worden  sind. 


I. 

IL 

III. 

IV. 

Manatus 

&" 

9 

? 

o^ 

Gewicht 

196  kg 

226,8  kg 

412,7  kg 

Ijäiige,  oTößte 

225   cm 

2,50   cm 

310    cm 

180    cm 

Sclinanze— Augen 

17.5 

18,5 

17,5 

14 

Schnauze— Flossenwurzel 

41 

40 

50 

30 

Auge  — Nase 

— 

— 

— 

11 

fler  Flosse,  innen 

25 

35 

32 

25 

Flossenwurzel— Schwanzgrenze 

170 

160 

240 

1.50 

Flossenwurzel  -After 

— 

— 

120 

90 

Unterkieferrand  -  After 

— 

— 

217 

120 

llnterkieferrand — Genital 

97,5 

150 

160 

75 

Genital— After 

— 

— 

— 

45 

Genital — Nabel 

— 

— 

— 

8 

Mundwinkel — Mundwinkel 

— 

— 

— 

15 

Flossenwurzel— Genitale 

52,5 

75 

— 

Umfang:  Kopf  über  die  Augen 

57,5 

60 

70 

57 

Hals 

71 

70 

90 

85 

Schultern  hinter  den  Flossen 

134 

130 

1,55 

110 

Basis  des  Schwanzes 

87 

85 

113 

75 

Basis  der  Flosse 

— 

20 

42 

23 

Handgelenk 

30 

25 

40 

23 

der  Unterlippe,  äulierer 

— 

— 

— 

18 

Breite:  über  die  Oberlippe 

16 

17,5 

20 

13 

unterer  Teil  der  Oberlippe 

— 

— 

14 

11 

der  Flosse,  weiteste 

15 

11 

20 

13 

des  Schwanzes,  weiteste 

58 

60 

75 

47 

I^ie  Maße  I — III  sind  den  Aquariumprotokollen  entnommen,  das 
Tier  IV  wurde  von  mir  selbst  gemessen.    Das  Gewicht  wurde  immer 

1)  Freund,   L.,   Sirenen  in  Gefangenschaft,   in:   Zool.   Beob.,  Jg.   48, 
1907. 


Mauatus  latirostris  Hart,.  227 

immittelbar  nacli  dem  Verenden  der  Tiere  bestimmt.  Die  Totallänge 
wurde  vom  äußersten  Rande  der  Sclmauze  über  den  leicht  ge- 
krümmten Eücken  bis  zum  Schwänzende  geraessen,  weshalb  sie  ein 
wenig  zu  groß  erscheint. 

Die  Protokolle  geben  noch  folgende  Notizen: 

Ad  I.  Das  Tier  kam  im  September  1903  an  und  starb  nach 
5  Monaten.  Die  Sektion  ergab  als  Todesursache  Bronchialpneumonie. 
Das  Tier  w^ar  wohlgenährt  und  in  guter  Verfassung. 

Ad  IL  Im  Juni  1904  langten  zwei  weitere  Manati,  Männchen 
und  Weibchen  (II)  ein,  die  in  Lake  Worth  (Florida)  gefangen 
worden  waren.  Das  junge  Männchen  starb  am  Ende  von  8  Monaten. 
Ariele  von  den  Innern  Organen  waren  von  parasitischen  Plattwürmern 
befallen,  von  denen  einige  die  Hirnhäute  durchbohrt  und  den  Tod 
herbeigeführt  hatten.  Das  größere  Weibchen  maß  bei  seiner  An- 
kunft 8^/2  Fuß  Länge  und  starb  nach  11  Monaten. 

Ad  III.  Dieses  Tier  wurde  bereits  in  sehr  schlechtem  Zustande 
eingebracht.  Es  hatte  nicht  weniger  als  20  sehr  starke  Ab- 
schürfungen an  der  Körperoberfläche.  Eine  derselben  sah  einer 
Verwundung  durch  einen  Haken  oder  eine  Speerspitze  sehr  ähnlich. 
Der  gesamte  äußere  Rand  der  Schwanzflosse  war  sehr  zerrissen. 
Das  Tier  nahm  von  seiner  Ankunft.  lU.  Juli  1906.  bis  zum  Tode 
durch  9  Tage  keine  Nahrung  zu  sich. 

Ad  IV.  Den  Angaben  über  die  Größe  des  lebenden,  jungen 
männlichen  Tieres,  das  ich  betrachten  konnte  und  welches  seit  dem 
5.  November  1906  hier  lebt,  habe  ich  noch  folgende  Wahrnehmungen 
hinzuzufügen. 

Die  anatomischen  und  physiologischen  Verhältnisse  des  Manatus 
sind  sehr  ähnlich  denen,  wie  sie  Dexler  u.  Feeund  ^)  für  Halicore 
dugorig  angegeben  haben.  Der  ganze  Rücken  des  Tieres  ist  mit 
einzeln  stehenden,  bis  3  cm  langen  Haaren  besetzt,  an  den  Schnauzen- 
teilen stehen  starke,  kurze  Borsten  besonders  dicht.  Der  Körper 
ist  dunkel  blaugrau  gefärbt,  der  Bauch  etwas  lichter  bleigrau  als 
der  Rücken  mit  einzelnen  gelblich-weißen  Flecken.  Solche  finden 
sich  auch  am  Gesichtsteile,  einer  umzieht  als  hufeisenförmiger  Flecken 
die  Nüstern. 

Die  Lidspalte  ist  rund  und  von  einem  starken  Ringmuskel  um- 
zogen, die  Cornea  bedeckt  von  einer  Gallertschicht,  dem  modifizierten 


1)  Dexler,   H.   und  L.  Freund,   Zur  Biologie  und  Morphologie  von 
Halicore  dugong.    in:    Arch.   Naturg.,    Jg.   72,    Bd.    1,    19ÜH,   p.   77 — 106. 

15* 


228  J-   F.    GüDERNATSCH, 

Au^eudrüsensecret  (Dexler  u.  Feeund).  Selbst  bei  starker  Berührung- 
des  Aug-es  erfolgt  kein  Corneali-eÜex,  ein  Beweis  für  den  wirksamen 
Schutzcharakter  der  Gallertschicht.  Sonst  wird  eine  Berührung  der 
Schnauzenteile,  namentlich  dort,  wo  die  starken  Borsten  stehen, 
sofort  (reflektorisch)  und  jedenfalls  schmerzhaft  empfunden,  da  sie 
sehr  starken  Unwillen  erregt.  Der  Gaumenfortsatz  ist  nicht  so 
mächtig-  wie  bei  Halicore.  Die  Schnauzenbildung-  ist  aus  den  Ab- 
bild ung-en  zu  ersehen  und  zeigt  eine  auffallende  Ähnlichkeit  mit  den 
Verhältnissen  bei  Halicore,  was  aus  den  bisher  bekannt  gewesenen 
Zeichnungen  (Murie,  Tuener  etc.)  bei  weitem  nicht  so  einleuchtete.- 
Die  Dreiteilung  des  Schnauzenfeldes,  die  Seitenfalten  und  Seiten- 
furchen fehlen.  Dagegen  steht  infolge  des  Mangels  der  Kiefer- 
knickung die  Fläche  selbst  schräg  dorso-oral,  viel  steiler  als  bei 
Halicore.  Lateral  ist  die  Schnauzenfläche  durch  sehr  tiefe  Furchen 
von  der  Seiten  wand  des  Kopfes  abgetrennt. 

Am  Halse  finden  sich  wie  beim  Dugong  2  starke  Kehlfurchen. 
Jede  Flosse  trägt  3  stumpfe,  kurze  Nägel.  Von  einem  Stützen  auf 
die  Flossen  oder  gar  Gehen  mit  demselben  kann  meiner  Meinung 
nach  bei  dem  unproportionierten  Verhältnis  zwischen  dem  schwachen 
Gelenk  und  dem  enormen  Körpergewicht  gar  keine  Rede  sein,  und 
ich  muß  mich  den  betreffenden  Ausführungen  bei  Dexler  u.  Freund 
anschließen.  Von  der  Genitalöffnung,  die  nicht  weit  hinter  dem 
Nabel  liegt,  zieht  zum  After  ein  dunkler  Streifen.  Ein  Eingehen 
in  dieselbe  löst  ein  wütendes  Schlagen  mit  den  Schwanzflossen  aus. 
Die  Bestimmung  des  Geschlechts  ist  nicht  schwierig.  Beim  Männchen 
(im  vorliegenden  Falle)  liegt  der  Penis  zurückgezogen  in  einem 
unter  der  Haut  befindlichen  Schlauche,  der  sich  caudalwärts  von  der 
äußerlich  sichtbaren  Einziehung  erstreckt.  Das  Weibchen  kenn- 
zeichnet der  Längsschlitz  der  Vulva  mit  den  beiden  seitlichen 
Labialwülsten  (Murie  ^),  tab.  7,  fig.  4).  Beim  vorliegenden  männ- 
lichen Tier  fand  ich  jederseits  eine  achselständige  Brustwarze.  Vom 
Weibchen  ist  dei-en  Existenz  bekannt,  vom  Männchen  hingegen 
leugnet  Murie  ti'otz  soi-gfältigen  Nachsuchens  deren  Vorhandensein. 
In  der  Aftei-gegend  zeigen  sich  einige  parallele  Querfurchen,  die 
vom  Einziehen  des  Schwanzes  herrühren.  Die  Faeces  sind  wurst- 
förmig,  daumendick,  schwaiz,  2—3  cm  lang,  abgerissen. 

Das  Tier  schwebt  fast  bewegungslos   im  Wassei",   die  Schwanz- 


1)  MuElE,  James,    Further  observations  on  the  lÖanatee,   in:    Trans, 
zool.   Soc.  Londoü,  Vol.    11,  pt.   2,    1880  (1879),  p.   19—48. 


Manatus  latirostris  Hakl.  229 

flösse  immer  tiefer  gestellt  als  den  Kopf,  oder  schwimmt  träge  umher. 
Es  ist  erstaunlich,  wie  rationell  der  Körper  gebaut  ist,  um  sich  trotz 
seines  großen  Gewichts  auch  bei  ganz  niedrigem  \^'asserstande  — 
das  \\'asser  ist  kaum  3mal  so  hoch  wie  das  Tier  selbst  —  ohne 
große  Anstrengung  schwimmend  erhalten  zu  können.  In  langen 
Intervallen,  5  Minuten  und  mehr,  erhebt  das  Tier  die  Nüstern  über 
die  Wasseroberfläche,  um  zu  atmen.  Chapman^)  und  Murie  geben 
wesentlich  kürzere  Zeitintervalle  an  und  zwar  nicht  nur  für  das 
ruhende  Tier,  mehr  noch  für  das  in  Bewegung  beflndliche.  Kin- 
und  Ausatmung  verursacht  ein  schnaufendes  Geräusch.  Beim  Fressen 
werden  die  Seitenpartien  des  Schnauzenfeldes  weit  auseinander  ge- 
breitet und  dann  wie  Schaufeln  eingezogen;  so  wird  das  Gras,  das 
im  Aquarium  auf  dem  Wasser  schwimmt,  in  die  Nähe  der  Mund- 
spalte gebracht.  Kommen  dabei  die  Nüstern  zufällig  über  Wasser, 
so  werden  sie,  wenn  das  bestimmte  Atemintervall  nicht  abgelaufen 
ist,  nicht  geötfnet.  Daran  ist  das  Tier  eben  nicht  gewöhnt,  daß  es 
in  der  Freiheit  die  unter  Wasser  stehenden  Pflanzen  abgrast  und 
sich  zeitlich  davon  getrennt  zum  Atemschöpfen  erhebt.  A\'ährend 
des  Fressens  schwebt  das  Tier  ganz  luhig,  nur  eine  sehr  langsame 
Flossenbewegung  rückwärts-auswärts.  dann  nach  vorn  einwärts 
mit  endlichem  Anlegen  der  Flossen  an  die  Brust  ist  bemerkbar, 
manchmal  erfolgt  ein  ganz  leises  Anziehen  des  Schwanzes  gegen  die 
Brust. 

Es  ist  ungemein  schwier,  Sirenen  längere  Zeit  in  der  Gefangen- 
schaft zu  halten.  Es  mag  dies  einerseits  damit  zusammenhängen, 
daß  die  Tiere,  obwohl  Seewassersäuger,  sich  doch  meistens  in  den 
seichten  Gewässern  der  sandigen  Küsten,  haui)tsächlich  sogar  in 
ziemlich  abgeschlossenen  Buchten  aufhalten,  daher  eigentlich  brackiges 
Wasser  ihr  Element  darstellen,  eine  Bedingung,  die  sich  künstlich 
nicht  so  leicht  herstellen  läßt.  Andrerseits  spielt  wohl  die  in  der 
Gefangenschaft  unumgänglich  geänderte  Zusammensetzung  der 
Nahrung  eine  große  Rolle.  Ferner  üben  sicher  auch  die  neuen 
klimatischen  Verhältnisse  und  die  von  diesen  abhängige  Temperatur 
des  Wassers  eine  große  Wirkung  aus,  und  endlich  mögen  die  un- 
natürlich sexual-biologischen  Bedingungen  nicht  ohne  Einfluß  bleiben. 
Namentlich  dem  letztgenannten  Umstand  schreibe  ich  es  zu,  daß 
der  jetzt  im   Aquarium   beflndliche   Manatus  seit   2  Jahren   lebend 


1)  Chapman,  Henry  C,  Observations  on  the  structure  of  the  Manatee, 
in:   Proc.  Acad.   nat.   Sc.   Philadelphia,    1875,  p.   452 — 462. 


230 


J.    F.    GüDEKNATSCH, 


gehalten  werden  konnte.  Er  ist  nach  seinen  Körpermaßen  noch  ein 
sehr  junges  'J'ier.  wodurch  übrigens  das  Anpassen  an  das  Aquarium- 
leben ungemein  erleichtert  worden  sein  mag,  und  hat  wahrscheinlich 
noch  gar  nicht  die  Geschlechtsreife  erreicht. 

Aus  den  oben  angeführten  Gründen  liegen  nur  wenige  Beob- 
achtungen über  die  Lebensweise  der  Sirenen  in  der  Gefangenschaft 
vor  (s.   die   Zusammenstellung  Fbeunu's).     Aus    der   neuesten   Zeit 


c 


Fig.  A. 

2  Manatm  laiiroHtrlfi  auf  dem  Bodeu  des  eutleerten  Bassins 
(New  Yorker  Aquarium). 


Fig.  B. 

Manatm  laürostrls.  den  Kopf  über  Wasser,  nach  Futter  schuai)peiul 

(New  Yorker  Aquarium). 


Manatus  latirostris  Harl. 


281 


\ 


*'JS^^ 


Fii--.  ('. 
Manatus  latirostris,  vuu  der  Bauchseite. 

U  Nabel,  o^  männliche  Geschlechtsöffnung,  A  Afteröffnang. 


existieren  nur  noch  die  Aufzeichnungen  Direktor  Townsend's  ^)  über 
die  unter  seiner  Leitung  gelialtenen  Tiere,  woraus  einiges  wieder- 
gegeben sei. 

Das  Wasser,  in  dem  die  Tiere  gehalten  werden,  hat  eine  Tiefe 
von  nur  90  cm,  woi'auf  schon  oben  bei  Besprechung  des  Körper- 
gewichts hingewiesen  wurde.  Es  wird  künstlich  auf  einer  Tem- 
peratur von  21,1"  C  gehalten  und  täglich  erneuert.  Aus  einem 
Grunde,  der  unten  erwähnt  wird,  pumpt  man  den  einen  Tag  süßes, 
den  nächsten  Salzwasser  in  das  Bassin.  Die  Tiere  werden  bald  sehr 
zahm  und  nehmen  dann  das  Futter  aus  der  Hand,  wozu  sie  den 
Kopf  über  die  ^^'asseroberfläclle  erheben.  Das  Weibchen  soll  darin 
geschickter  sein  als  das  Männchen.  Der  Manatus  wird  hauptsächlich 
mit  „eel-grass"  (Zostera  marina)  gefüttert,  nimmt  aber  auch  Seesalat 
(Ulva  lactuca).  Hochinteressant  ist  es.  daß  nach  Dexler  u.  Freund 
Halicore  dugong   im   fernen  Australien  sich  größtenteils  von  Zostera 


1)  z.   T.   in:   9.  Annual  Eeport  of  the  New  York  zool.  Society,    1905, 


P- 


13. 


232  J-    F.    GUDERNATSCH, 

capricorni  und  Halopliila  ovalis  ernährt!  Als  einmal  der  Vorrat  an 
den  erwähnten  Pflanzen  ausging-,  wurden  einem  Weibchen  Kohl  und 
junge  Sprosse  von  Sellerie  gegeben  und  gern  genommen,  Avährend 
ein  anderer  männlicher  Manatus  (l)  nicht  A'eranlaßt  werden  konnte, 
irgendwelches  Gemüse  zu  nehmen.  Aus  der  Literatur  sind  aber 
auch  verschiedene  andere  Gemüsearten  bekannt,  die  vielfach  gern 
genommen  wurden  und  die  die  Fütterung  in  der  Gefangenschaft  er- 
mijglichten.  Die  Tiere  sind  etwas  lebhafter  des  Morgens  bis  zur 
Fütterungszeit,  nach  dem  Fressen  liegen  sie  faul  auf  dem  Boden 
und  kommen  nur  in  Intervallen  A^on  5—8  Minuten,  an  die  Oberfläche, 
um  zu  atmen.  Wenn  sie  aus  dem  Wasser  gebracht  werden,  werden 
diese  Intervalle  nicht  verkürzt.  An  einer  Seite  besitzt  der  Behälter 
einen  leicht  ansteigenden  Boden,  die  Tiere  kriechen  aber  nie  aus 
dem  Wasser  heraus,  wie  sie  dies  ja  auch  in  der  Freiheit  nicht  tun. 
Dementsprechend  ist  auch  die  Abbildung  eines  halb  aus  dem  Wasser 
ragenden  Manatus  in  Beehm's  Tierleben  zu  beurteilen.  Das  Weibchen 
(II)  pflegte  sich  in  den  ersten  3  Monaten  der  Gefangenschaft  beim 
Ablassen  des  Aquariumwassers  jedesmal  auf  den  Rücken  zu  legen 
iCopulation  während  der  Ebbe'?).  Später  wui'de  diese  Gewohnheit 
aufgegeben,  und  es  ruhte  dann  in  dem  leeren  Bassin  auf  dem  Bauche, 
die  breite  Nase  dicht  dem  Boden  angedrückt.  Solange  das  junge 
Männchen  lebte,  hielten  sich  beide  in  der  Euhe  und  Bewegung  dicht 
aneinander.  Dieses  Männchen  ging  nach  8  Monaten  ein.  In  seinen 
Innern  Organen  sollen  Trematoden  gefunden  worden  sein,  von  denen 
einige  sogar  die  Hirnhäute  durchbohrt  hätten  (?).  A\'ahrscheinlich 
handelte  es  sich  um  den  von  Manatus  bekannten  Trematoden 
Amphistomum  fabaceum  Dies.  (Linstow,  1878/79).  Auch  Chapman 
(p.  456)  erwähnt  ihn.  den  Dickdarm  seines  Manatus  americanus 
füllend.  Ein  anderes  Männchen  starb  an  Pneumonie,  als  im  Februar 
einige  Fenster  des  Aquariums  repariert  wurden,  ein  Zeichen,  wie 
empfindlich  die  Tiere  unserm  Klima  gegenüber  sind. 

Die  Manati  des  New  Yorker  Aquariums  sind  alle  von  Florida 
gebracht  worden  und  zwar  von  Sebastian  River,  PalmBeach 
(Worth  Lake)  und  Miami  an  der  Ostküste  sowie  Marco  an 
der  Westküste.  Die  Tiere  waren  daselbst  dem  Aussterben  nahe,  da 
in  einer  ganz  unqualifizierbaren  ^^'eise  Jagd  auf  dieselben  gemacht 
wurde,  so  daß  es  ihnen  fast  ebenso  gegangen  wäre  wie  ihrer  aus- 
gerotteten Schwester,  der  lihytina  stellen  (sive  Hydrodamalis).  Nun 
ist  es  aber  der  Regierung  gelungen,  diesem  Treiben  Einhalt  zu  tun. 
und  so  wird  berichtet,   daß   die  Art  jetzt  wieder  im  Aufblühen  be- 


Maiiatus  latirostris  IIaul.  283 

glitten  sei.  An  der  AVestküste  Floridas,  wo  das  Tier  einstmals  so 
häufig-  war.  daß  man  einen  ganzen  Bezirk  nach  ihm  „Manatee"  be- 
nannte (auch  ein  ]\ranatee-Eiver  und  ein  Ort  Manatee  existiert  da- 
selbst), wird  jetzt  für  jedes  erlegte  Stück  eine  Steuer  von  100  Dollar 
(=  420  Mark)  erhoben.  Sein  \'erbreitungsgebiet  reicht  —  aus- 
schließlich an  der  Ostküste  Amerikas  —  bis  etwa  zum  29."  n.  Br. ; 
ein  Manains  ist  noch  in  0  r  m  o  n  d  am  Halifax  River  (Ostküste 
von  Florida)  gefunden  worden.  Seine  sonstige  Verbreitung  ist  be- 
kannt. 

Interessant  sind  die  Angaben,  die  A.  W.  Doiock  \)  über  die 
Jagd  auf  diese  Tiere  berichtet.  Die  Indianei'  Zentral- Amerikas  er- 
jagen den  Manatus  mit  Harpunen  oder  Speeren,  an  denen  starke 
Stricke  befestigt  sind.  Gewöhnlich  wird  er  aber  mit  Netzen  ge- 
fangen, die  in  den  Flußmündungen  oder  den  Eingängen  in  die 
Lagunen  senkrecht  zum  AVasserstrome  gestellt  werden.  Die  Tiere 
sind  infolge  der  Verfolgungen  äußerst  scheu  und  vorsichtig  geworden: 
sie  weichen  den  Netzen  aus.  kehren  um  oder  suchen  so  lange,  bis 
sie  eine  Stelle  zum  Durchschlüpfen  gefunden  haben.  Erst  nachdem 
DiMOCK  tagelang  mit  seinem  Boote  in  den  Buchten  herumgefahren, 
verloren  die  Tiere  ihre  allzu  große  Scheu.  Freilich  muß  bemerkt 
w^erden,  daß  Dimock  keine  eigentliche  Jagd  auf  sie  machte,  sondern 
daß  es  sich  um  die  Erlangung  lebender,  unbeschädigter  Tiere  für  das 
New  Vorker  Aquarium  handelte.  Einigemal  gelang  es  ihm,  einem 
Exemplar  ein  Netz  über  den  Kopf  zu  werfen,  doch  begann  dasselbe 
so  wütend  um  sich  zu  schlagen,  daß  beinahe  das  Boot  zum  Kentern 
kam.  Schließlich  gelang  es  in  ein  paar  Fällen,  um  das  Tier  noch 
Seile  zu  legen.  Flossen  oder  Schwanz  zu  sichern  und  den  Gefangenen 


'Ö 


zum  Ufer  zu  bugsieren.  Hier  wurde  dann  ein  großer  Kasten  unter 
das  Tier  geschoben  und  dieser  samt  dem  darin  befindlichen  Mauatus 
auf  ein  größeres  Boot  gehißt  und  mittels  Dampfer  zur  nächsten 
Eisenbahnstation  gebracht.  Als  ein  Tier  auf  trocknes  Land  ge- 
zogen wurde,  begannen  wieder  stürmische  Bewegungen,  bald  jedoch 
schien  es  zu  ermüden  und  sich  zu  beruhigen,  um  nach  einiger  Zeit 
abermals  anzufangen.  Ein  Tier,  das  zu  lange  auf  dem  Boden  liegen 
gelassen  worden  war,  verendete  nach  26  Stunden.  Ks  dürfte  dies 
damit  zusammenhängen,  daß  infolge  des  großen  Körpergewichtes  das 
Brustbein    gegen   Herz    und   Lungen   gedrückt    wird,    Atmung   und 


1)  DiMOCK,    A.   W.,    The    art    of   catching    the    Manatee,    in:     Cent. 
Mag.,  Vol.  73,  p.  848. 


234  J-    F.    GCDERNATSCH, 

Blutcirkulation  sehr  behindert  werden  und  der  Körper  bald  erkaltet. 
Ähnliches  wird  ja  auch  von  einem  Duj^ong-  berichtet  (Dexler  u.  Fkeund), 
der  24  Stunden  auf  dem  Lande  lag-.  Und  Towksend  bemerkt,  daß 
die  ]\[Hnati  auf  dem  Trocknen  verhältnismäßig  hilflos  sind,  nur  seit- 
liche Bewet>:ungen  machen  und  diese  mit  auffallender  Anstrengung. 
Daran  schließen  sich  die  bei-eits  früher  gemachten  Bemerkungen 
über  das  ans  Land  Gehen  der  Sirenen. 


Manatus  latirostris  Hahl.  230 


N  a  c  h  t  r  a  g. 


Während  der  Druckleguiio-  staib  leider  der  Manatus  IV  (am 
22.  April  1908).  Es  hat  somit  von  allen  Manati  am  längsten  in 
der  Gefangenschaft  ansgehalten.  Von  i)atliolooisclien  Veränderungen, 
für  deren  histologische  Feststellung  ich  meinem  Chef.  Herrn  l*rof. 
Dr.  James  Ewing,  zu  besonderm  Danke  verpflichtet  bin,  wären  zu 
erwähnen :  eine  akute  Verfettung  und  granulierte  Degeneration  der 
Leber;  in  der  Niere  Degeneration,  Erosion  und  Abstoßung  der 
Epithelzellen,  multiple  Hämorrhagien.  Blut-  und  Eiweißexudation  in 
die  Glomeruli,  Erweiterung  der  Glomeruli,  kurz  eine  akute  ex- 
sudative Nephritis. 

Weiter  wäre  zu  bemerken,  daß  über  die  Manatus-^-A^^  von 
J.  A.  DiMOCK  eine  Reihe  schöner  Aufnahmen  in  „The  Illustrated 
London  News"  No.  333.  5.  September  1U08.  ei'schienen  sind. 


236  -T-  F.  GuDERNATSCH.  Mauatus  latiiostris  Harl. 


Erliläruiig-  der  Abbildungen. 


Tafel  9. 

Fig.    1.      Ansicht  des   Kopfes  von  halbrechts. 

cHf,    ollf     caudale    und    orale    Halsfarche,     Gi    Gingiva,      (iF 
Gaumenfortsatz,   II  Hals,    AT  Kinn,    Or  Auge,    Seh  Schnauze. 

Fig.   2.     Linke  Seitenansicht  des   Kopfes. 

B  Behaarung,   (JF  Gaumenfortsatz,  7/ Hals,  A' Kinn,    CM  Auge. 
Seh   Schnauze,    FL  Unterlippe. 

Fig.   3.      Ansicht  des  Kopfes  und   der  Brust  von  der  Unterseite. 

Die  Flossen  VF   sind    an    die  Brust  angezogen ;    li  Behaarung, 
//  Hals,   K  Kinn,    Seh  Schnauze. 


Nachdruck  verboten. 
VbersctziDKjsrecht   vorbrlialten. 


Beitrag 
zur  Kenntnis  der  Säuger  von  Tripolis  und  Barka. 

Von 
Dr.  Bruno  Klaptocz. 

Mit  2  Abbildungen  im  Text. 


Unsere  Kenntnisse  betreffend  die  Säug-etiere  von  Tripolis  und 
Barka  sind  zwar  recht  mangelhaft,  gleichwohl  aber  besser  als  die 
Kenntnis  der  meisten  andern  Tiergrnppen  aus  diesen  Gebieten.  Am 
meisten  hat  hierzu  wohl  die  von  Whitaker  ausgerüstete  und  von 
DoDSON  1901  durchgeführte  PJxpedition  beigetragen,  deren  Mammalier- 
Eesultate  von  Oldfield  Thomas  (17)  publiziert  wurden.  Thomas 
verzeichnet  21  Arten,  wobei  allerdings  auch  eine  „Canis  sp.  probabl}^ 
a  domestic  dog"  sowie  eine  „Vtilpes  sp.'\  von  denen  nur  Schädel 
vorlagen,  inbegriffen  sind. 

Jene  Expedition,  die  in  die  Zeit  vom  Beginn  des  April  bis 
Anfang  August  fiel,  wandte  sich  von  der  Stadt  Tripolis  über 
Bondschem  in  die  Gegend  von  Sokna,  von  hier  nach  Mursuk  und 
wieder  über  Sokna  zurück  nach  Bengasi.  So  wurde  ein  großer  Teil 
Tripolitauiens  durchquert,  allein,  den  Verhältnissen  des  Landes  ent- 
sprechend, mit  einer,  wie  schon  Thomas  bemerkt,  dem  Sammeln 
wenig  zuträglichen  Schnelligkeit;  andrerseits  dürften  diese  ein- 
förmigen, vegetationsarmen  Inlandsdistrikte  an  Formenreichtum  auch 
zurückstehen  gegen  die  zwar  räumlich  viel  beschränktem,  abei-, 
weil  im  Bereiche  der  regelmäßigen  Mittelmeerniederschläge  gelegen, 
günstigere  Vegetationsverliältnisse  aufweisenden  Küstengebiete,  vor 
allem  deren  gebii'gige  Teile. 

Was  die  cyrenäische  Halbinsel  anlangt,  so  findet  man  einige, 
aber  recht  spärliche  Angaben  über  Säuger  in  Haimann's  „Cyrenaika" 


238  Bruno  Klaptocz, 

(6)  und  zwar  sowohl  im  Text  wie  auch  in  einer  daran  geschlossenen 
Liste  der  mitgebrachten  und  von  Cornalia.  oft  nur  dem  Genus  nacli, 
bestimmten  Tiere ;  immerhin  aber  ist  diese  Ausbeute  sehr  interessant 
wegen  der  Klärung  der  Maulwurfsangaben  für  dieses  Gebiet. 

Alle  übrigen  Angaben  über  das  Vorkommen  von  Säugern  in  den 
in  Eede  stehenden  Gebieten  tlnden  sicli  teils  in  zoologischen,  teils 
in  Reisewerken,  aber  so  zerstreut,  vereinzelt  und  oft  unklar,  daß, 
wenn  im  Folgenden  der  Versuch  einer  Zusammenstellung  gemacht 
wurde,  dieselbe  keineswegs  den  Anspruch  auf  Vollständigkeit  machen 
kann  und  dies  um  so  weniger,  als  ja  nur  ein  geringer  Teil  der 
Reisewerke  durchgesehen  werden  konnte. 

Es  sei  hier  noch  darauf  verwiesen,  daß  sicherlich  in  vielen 
Sammlungen  kleine  Säugetiere  aus  Tripolis  im  engsten  Sinne  sich 
finden,  über  die  noch  nichts  veröffentlicht  wurde.  In  der  zu  diesem 
Zwecke  vortrefflich  gelegenen  Stadt  Tripolis  befaßten  sich  nämlich 
schon  seit  längerer  Zeit  Leute  mit  dem  Export  von  meist  lebenden 
Reptilien  und  kleinen  Säugern.  Zur  Zeit  meiner  Anwesenheit  oblag 
diesem  Geschäft  seit  7  Jahren  Herr  Richard  Storch,  dem  ich  auch 
manche  beachtenswerte  Mitteilungen  verdanke.  Leider  war  gerade 
damals  sein  Geschäft  (infolge  eines  im  Frühjahr  1906  erschienenen 
Irade,  welches  verbot  ..chameleons,  lezards  et  les  autres  animaux 
insectivores  de  ce  genre,  qui  sont  tres  utiles  pour  l'agriculture," 
lebend  aus  dem  Vilajet  Tripolis  auszuführen)  überhaupt  und  somit 
auch  in  bezug  auf  Säuger  im  Niedergang  begriffen. 

Da  andrerseits  von  Arabern,  die  zum  ersten  Male  mit  derartigen 
Aufträgen  betraut  werden,  fast  nichts  zu  erhalten  ist  und  ich  selbst 
während  eines  "I^l^mowdügen  Aufenthaltes  in  den  Küstengebieten 
(Sommer  1906)  mit  dem  Sammeln  der  verschiedensten  Tiere  zu  sehr 
beschäftigt  war,  als  daß  ich  den  ohnehin  so  schwer  zu  erlangenden 
Säugern  besondere  Aufmerksamkeit  hätte  schenken  können,  hielt 
sich  die  Zalil  der  von  mir  erlangten  Säugetiere  innerhalb  bescheidener 
Grenzen. 

Cliiroptera. 

VespertiUonidae. 

Vesjyertllio  {EjJtesicus)  serotuius  Isahellinus  Temminck. 

Temminck  (15,  p.  206)  schreibt  von  seinem  ,,  Vespertilio  isabeJlinus"  : 
„Habite  l'Afrique  septentrionale,  vit  en  grand  nombre  dans  les  environs 
de  Tripoli". 


Säuger  von  Triixilis  und  15arka.  239 

Diese  Form  des  über  den  größten  Teil  der  alten  Welt  und 
vielleicht  auch  Mittelamerika  verbreiteten  Vespertilio  serotimis  Sciikebkr 
wurde  außer  in  Tripolis  noch  in  Tunesien  und  Algerien  gefunden 
und  wird  auch  für  Kleinasien.  Persien  und  Turkestan  ang'eR'eben. 


'to'-ö^ 


Vespertilio  {Pipistrelhis)  kühlt  Natteree, 

?.    8tadt  Tripolis.  29,7. 

Maße  (Alkoholexeniplar)  in  mm:  Schnauzenspitze  bis  Schwanz- 
ursprung 41,3,  Schwanz  35,1,  Unterarm  3-4,1,  3.  Finger,  Metacarpale 
33,4,  1.  Phalange  U,  3,  2.  Phalange  9,6. 

Schädel :  größte  Länge  12,8,  Interorbitalbreite  4,5,  Intertemporal- 
breite  3.6,  Breite  der  Hirnkapsel  6,3,  von  der  Vorderseite  des  Canins 
bis  zur  Rückseite  des  letzten  Molaren  4,8. 

Die  Körperhaare  sind  im  basalen  größten  Teile,  der  aber 
normalerweise  nicht  sichtbar  ist,  bräunlich-schwarz,  im  Endteil  an 
der  Unterseite  weißlich,  an  der  Oberseite  von  einer  lichten  Farbe, 
die  zwischen  Ridgway's  (9)  „Buif"'  und  „Isabella  color",  aber  dem 
erstem  merklich  näher  steht.  Außer  in  der  Färbung  weicht  dieses 
Tier  von  einer  l-uJdi  aus  Marseille  nicht  ab;  höchstens  der  Canin 
ist  bei  dem  Tier  aus  Tripolis  etwas  gediungener.  Es  sei  hier  darauf 
verwiesen,  daß  laut  Anders(3n  und  Winton  (1.  p.  126)  hiJili- 
Exemplare  vom  Rande  der  Wüste  in  der  Regel  viel  fahler  gefärbt 
sind  als  solche  von  andern  Orten  Ägyptens. 

Diese  Art,  die  bereits  von  Blasius  (4.  p.  65)  aus  Tripolis  er- 
wähnt wird,  ist  über  die  Mittelmeerländer  und  das  südliche  Asien 
bis  Indien  verbreitet. 

Das  vorliegende  Exemplar  wurde  im  Suk  turk  gefangen,  der 
Hauptbazargasse  in  der  Altstadt  von  Tripolis,  wo  es  gleich  vielen 
andern  meist  in  der  Höhe  der  diese  Gasse  stellenweise  an  Gerüsten 
laubengangartig  überspannenden  ^^>inreben  flog.  Wohl  die  meisten 
Fledermäuse,  die  man  in  den  Städten  (Tripolis,  Bengasi,  Dernahj 
sieht,  gehören  dieser  Art  an.  namentlich  aber  jene,  welche  die 
fliegenreichen  Kaffee-  und  Gasthauslokale,  erleuchtete  wie  dunkle, 
besuchen.  In  Bengasi  beobachtete  ich  über  V2  Stunde  2  kleine 
Fledermäuse,  die  in  regelmäßigen  Intervallen  von  20  Sekunden  bis 
2  Minuten  einen  hellerleuchteten  belebten  Katfeehausraum  aufsuchten, 
immei'  durch  die  von  Menschen  vielbenutzte  Türötfnung.  Allerdings 
werden  die  Fledermäuse  in  diesen  Gegenden  von  Menschen  nicht 
so  sinnlos  verfolgt  wie  anderwärts. 


240  Bruno  Kt-aptocz. 

VespertUU)  tleserti  Thomas, 

Diese  nach  Thomas  (17)  von  der  kiüdi  durch  besonders  lielle 
Färbung-  und,  auch  relativ,  sehr  geringe  Schädelmasse  unter- 
schiedene Art  wurde  nach  einem  Exemplar  aus  Mursuk  beschrieben. 

In  der  Meschia,  d.  i.  die  Oase,  welche  die  Stadt  Tripolis  um- 
gibt, jagen  die  Fledermäuse,  nach  der  verschiedenen  Größe  zu  urteilen, 
mehreren  Arten  angehijrig,  meist  über  den  Wegen.  In  den  Höhlen  der 
Steinbrüche  von  Gherran  und  des  Ghariangebirges,  in  den  Höhlen  bei 
Dernah  und  in  der  des  Dschok  (Lethe)  bei  Bengasi  konnte  ich  trotz 
angestrengten  Suchens  ebensowenig  Fledermäuse  finden  wie  in  ver- 
fallenen Gebäuden  der  Meschia  und  in  einer  Euine  belGharian;  sie 
müssen,  da  sie  zweifellos  mindestens  an  einigen  der  genannten  Orte 
vorhanden  sind,  hier  viel  besser  versteckt  sein  als  in  Mittel-Europa. 

Die  Araber  des  tripolitanisch-cjn-enaischen  Küstengebietes  be- 
dienen sich  folgender  Bezeichnungen  für  Fledermaus:  pfärr  filell 
(Abendmaus)  und  tur  (auch  tir)  ilell. 


Iiisectivora. 

Macroscelididae. 

3Iaci*osceli(les  {UfrphantHliis)  rozetl  deserti  Thomas. 

S  (jung).     Dschebel  Tegrinna,  19./9. 

Macroscclidcs  roscü  Duvernoy  ist  aus  Algerien  und  Tunesien 
bekannt;  der  von  der  typischen  Form  (Oran)  in  der  Färbung  stark 
abweichende  Macroscelides  rozeti  deserti  wurde  von  Thomas  (16)  nach 
Exemplaren  „near  Djebel  Bourzel,  Biskra"  beschrieben.  Nach 
Trouessart  (23,  p.  373)  „gehören  wahrscheinlich  auch  die  Exemplare 
der  Region  der  tunesischen  Schotts  (expedition  Roudaire)  zu  dieser 
östlichen  und  südlichen  Unterart". 

Von  Tripolis  scheint  bisher  in  der  Literatur  ein  Macroscelides 
überhaupt  nicht  erwähnt  zu  sein,  obwohl  sich  z.  B.  in  der  Sammlung 
der  zoologischen  Institute  dei-  Universität  Wien  ein  erwachsenes, 
ausgestopftes  Männchen  mit  der  Angabe  „Tripolis"  befindet. 

Dieses  Tier  steht  ebenso  wie  das  vom  Dschebel  Tegrinna  in 
der  Färbung  dem  rozeti  deserti  nahe,  während  sie  mit  Ridgway's 
„ecru  drab",   nach  Thomas  ziemlich  genau  die  Farbe  des  typischen 


Säuger  von  Tripolis  und  Barka.  241 

rozeti.  iiiclit  einmal  eine  entfernte  Ähnlichkeit  aufweisen;  doch 
scheinen  sie  etwas  dunkler  und  lebhafter  gefärbt  zu  sein,  als  es 
rozeti  deserti  nach  den  betreffenden  Angaben  ist. 

Das  junge,  lebhafter  gefärbte  Tier,  das  seiner  sichern  Provenienz 
halber  vorwiegend  Beachtung  verdient  (das  alte,  ausgestopfte  Exem- 
plar ist  vielleicht  auch  etwas  gebleicht),  weist  an  der  Oberseite  eine 
ziemlich  dunkle  Färbung  auf,  entsprechend  dem  Umstand,  daß  die 
Enden  der  Haare  —  deren  größerer  basaler  Teil  allenthalben,  auch 
auf  der  weißen  Unterseite,  bald  lichter,  bald  dunkler  grau  ist  — 
schwarz  gefärbt  sind,  während  der  basalwärts  daranschließende  Teil 
licht  bi'äunlich-gelb  mit  einem  Stich  ins  Rötliche  ist.  An  den  Über- 
gangsstellen zwischen  Ober-  und  Unterseite,  namentlich  aber  hinter 
den  Ohren  wird  der  schwarze  Endteil  der  Haare  kürzer  oder  fehlt 
ganz,  und  die  Färbung  dieser  Stellen  wird  lichter  und  reiner.  Am 
Schwanz  sind  die  Haare  der  Oberseite  hell  bräunlich,  die  der  Seiten 
und  der  Unterseite  weißlich. 

Die  Maße  des  in  Alkohol  konservieiten  Tieres,  die,  da  es  sich 
um  ein  junges  Exemplar  handelt,  allerdings  von  geringem  Wert 
sind,  betragen  in  mm :  Rüsselspitze  bis  After  70,  After  bis  Schwanz- 
spitze 90  (das  letzte  häutige  Stück  des  Schwanze.s  im  Ausmaß  von 
etwa  20  mm  riß  beim  Fang  ab;  doch  fehlt  kein  Schwanzwirbel); 
Kopf  mit  Rüssel  39,4,  Rüsselspitze  bis  Vorderwinkel  des  Auges  22,7. 
Länge  des  Ohres  (in  der  Mitte  des  Ohrrückens  gemessen)  19,  längste 
Schnurrbarthaare  gegen  60,  Fuß  bis  zum  Ende  der  Mittelzehe  (ohne 
Kralle)  80. 

Das  einzige  mitgebrachte  und.  wie  erwähnt,  junge  Exemplar 
dieser  in  der  Gegend  von  Gharian  „Ossmegera"  und  auch '„Mussgimm" 
genannten  Tieres  wurde  am  Dschebel  Tegrinna,  einer  felsig-steinigen 
Kuppe  im  Süden  von  Gharian,  beim  Wälzen  von  Felsblöcken  auf- 
gescheucht; im  grellen  Sonnenlicht  bewegte  es  sich,  anscheinend 
stark  geblendet,  schwerfällig  springend,  weit  gewandter  dagegen, 
sobald  es  wieder  in  den  Schatten  größerer  Blöcke  kam.  In  der  Ge- 
fangenschaft hielt  es  sich  bloß  etwas  über  4  Tage,  verhielt  sich 
untertags  ganz  ruhig,  ließ  dagegen  durch  den  größten  Teil  der  Xacht 
sein  feines,  schrilles,  bis  40  Schritt  weit  hörbares  Stimmchen  ver- 
nehmen. Es  fraß  scheinbar  Fliegen,  ließ  aber  größere  Heuschrecken 
und  Käfer  sowie  einen  Gecko  unbeiührt.  Erwachsene  Tiere  sollen 
dagegen  auch  gleichgroße  Nager  überfallen;  die  im  Ghariangebirge 
heimischen  Fänger  des  Herrn  Storch  gaben  die  aus  jenem  räube- 
rischen  Verhalten    entspringende   Notwendigkeit    eines   Einzeltrans- 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  1<^^> 


242  Bruno  Klaptocz, 

ports  als  Grund  an,  weshalb  sie  Macroscelides  nie  nach  Tripolis  ge- 
bracht hätten,  obwohl  er  nicht  selten  sei. 


Erinaceidae. 

Erinffceus  algirns  Duvekxoy. 

$.    Meschia,  Tripolis,  26,/7. 

Erwachsen;  Länge  des  Hinterfußes  bis  zum  Ende  des  Nagels 
der  2.  Zehe  40  mm. 

Die  dunklen  Ringe  der  Stacheln  liegen  etwa  in  dem  von  der 
Basis  an  gezählt  3.  Viertel  [nicht  im  2.,  wie  bei  den  Exemplaren 
Lataste's  (7,  p,  200j  aus  Tunesien  und  Algerien]  und  stimmen  somit 
mit  den  von  Dobson  (5)  als  Erinaceus  fallax  aus  Tunesien  und 
Tripolis  beschriebenen  Exemplaren  überein. 

Die  eigentlichen  Schnurrbarthaare  sind  durchwegs  dunkel:  gegen 
das  Ende  Averden  sie  lichter. 

Mehr  oder  minder  dunkel  gefärbt,  bzw.  behaart,  sind:  der  vordere 
Teil  des  Kopfes,  der  Vorderfuß  einschließlich  des  distalen  Drittels 
des  Unterarms  (an  seiner  Vorderseite  etwas  mehr  als  an  seiner 
Hinterseite),  nahezu  die  ganzen  Hinterextremitäten  sowie,  allerdings 
beträchtlich  lichter  und  besonders  an  den  Seiten  mit  einzelnen  weißen 
Haaren  durchsetzt,  der  ganze  zwischen,  hinter  und  außerhalb  von 
ihnen  gelegene,  unbestachelte  Teil  des  Körpers,  den  Schwanz  ein- 
geschlossen. Am  Kopf  reicht  die  dunkle  Färbung  etwas  hinter  die 
Mundwinkel,  schließt  auch  die  Augen  ein  und  sendet  dann,  oberhalb 
der  Augen,  2  symmetrische  dunkle  Streifen  nach  hinten,  derart  einen 
weißen  Fleck  einschließend,  der  gerade  vor  der  mächtig  entwickelten» 
spaltenartigen,  nackten  Stelle  liegt,  welche  den  vordersten,  zwischen 
den  Ohren  gelegenen  Teil  des  Stachelkleides  in  2  symmetrische 
Hälften  teilt.  Mehi'  oder  minder  dunkel  sind  ferner  sämtliche,  un- 
mittelbar an  das  Stachelkleid  grenzenden  Haare. 

Die  Ohren  sind  auf  der  ganzen  Rückseite  dunkel,  auf  der  Vorder- 
seite bloß  am  Rande. 

Die  nicht  erwähnten  Teile  der  Körperoberfläche,  mit  Ausnahme 
der  von  den  Stacheln  bedeckten,  sind  weißlich. 

An  den  Vorderfüßen  sind  die  3  metacarpalen  Ballen  fast  gar 
nicht  entwickelt,  sehr  stark  dagegen  die  beiden  carpalen.  Auch  an 
den  Hinterfüßen  sind  die  3  metatarsalen  Ballen  kaum  kenntlich; 
die    beiden    stark    hervortretenden   tarsalen   sind   miteinander   ver- 


«> 


Säuger  von  Tripolis  und  Barka.  24.' 

schmolzen,  und  am  vecliten  Fuß  <:^elit  die  Verschmelzun<i;-  so  weit,  daß' 
eine  Grenze  gav  nicht   melir   erkennbar  und  nur   ein  entsprechend 
großer  Ballen  vorhanden  ist. 

Diese  Art  ist  nach  Westen  durch  'l'iinesien,  Alg-erien  und 
Marokko  bis  an  den  atlantischen  Ozean  verbreitet,  während  der 
östlichste  bisher  bekannte  Fundort  durch  die  Gegend  von  Ti-ipolis 
dargestellt  wird. 

Von  hier  wurde  sie  zuerst  wohl  von  Dobson  (5)  als  Erinaceus 
f'allax  beschrieben  und  später  auch  von  Gkothe  (3,  p.  LXVIII)  mit- 
gebracht. 

Das  vorliegende  Exemplar  stammt  aus  einem  Garten  der  Meschia. 
wo  dieser  Igel  sehr  häufig  sein  soll.  Am  vorhergehenden  Tag  hatte 
ich  schon  aus  demselben  Garten  einen  etwas  kleinern  Igel  gleicher 
Art  erhalten,  den  ich  längere  Zeit  lebend  hielt.  Er  wich  in  seinem 
Benehmen  von  dem  eines  gefangenen  Erinaceus  europaeus  nicht  ab, 
erwies  sich  als  gefräßig  (er  wurde  meist  mit  toten,  verdorbenen 
Eeptilien   gefüttert)   und  wurde   nützlich  als  eifriger  Blattidenjäger. 

Erinaceus  desertl  Loche. 

$,  jung.     Umgebung  von  Bengasi,  81.8. 

Dieses  junge  Tier  —  Schnauze  bis  After  115,  Hinterfuß  bis  zum 
Ende  der  4.  Zehe  (ohne  Kralle)  27  mm  —  gehört  wohl  zu  Erinaceus 
desertl  Loche,  mit  dessen  Beschreibung  von  Lataste  (7,  p.  202)  es 
übereinstimmt,  abgesehen  davon,  daß  eine  den  vordersten  Teil  des 
Stachelkleids  symmetrisch  halbierende,  nackte  Stelle  lange  nicht  so 
deutlich  ausgeprägt  ist  wie  etwa  bei  dem  eben  erwähnten  er- 
wachsenen Erinaceus  algirus;  sie  ist  vielmehr  bloß  angedeutet. 
Vielleicht  ist  dies  ebenso  wie  die  jugendliche  Färbung  der  Stacheln 
auf  das  geringe  Alter  des  Tieres  zurückzuführen. 

Andeeson  und  Winton,  welche  Erinaceus  deserti  Loche  mit 
aethiopicns  Ehrexbeeg  für  identisch  halten,  glauben  (1,  p.  163),  daß 
die  als  ..Erinaceus  deserti  Loche  bekannte  Form  der  tunesischen  und 
algerischen  Sahara  bloß  eine  Lokalrasse  der  östlichen  Sudanform" 
sei,  welch  letztere  ,.vom  tunesischen  Igel  bloß  in  gewissen  Einzel- 
heiten abweiche  wie  in  den  größeren  Ohren  und  der  geringeren 
Zahl  von  Wülsten  an  den  Stacheln;  doch  gibt  es  auch  in  letzterer 
Hinsicht  keine  scharfe  Grenze  zwischen  beiden,  da  die  Zahl  der 
Wülste  bei  den  Sudanexemplaren  18 — 22,  bei  jenen  von  Tunesien 
22—24  beträgt". 

Auch  in  dieser  Hinsicht  würde  das  vorliegende  Bengasiner  Tier 

16* 


244  Bruno  Klaptooz, 

der  tunesisch- algerisclien  Form  zuziirecliiien  sein,  da  die  Zahl  der 
Wülste  an  seinen  Stacheln  19—24  beträgt,  wobei  noch  zu  bemerken 
ist,  daß,  wie  Querschnitte  lehren,  diese  Wülste  vielfach  in  Teilung 
begriffen  sind,  so  daß  ihre  Minimalzahl  bei  vollkommen  erwachsenen 
Stacheln  jedenfalls  höher  ist  als  19.  Die  Stacheln,  welche  auf  den 
Wülsten  mit  kleinen  Wärzchen  besetzt  sind,  erreichen  am  Rücken 
des  vorliegenden  Exemplars  erst  eine  Maximallänge  von  12.5  mm 
und  weisen  größtenteils  bloß  das  dunkle  Subterminalband  auf. 
Manche  von  ihnen,  die  ungefähr  die  angegebene  Größe  erreicht 
haben,  sind  noch  ganz  farblos  (weißlich),  während  wieder  andere, 
dicht  neben  ihnen  stehende  kaum  halb  so  groß,  aber  in  der  basalen 
Hälfte  bereits  dunkel  gefärbt  sind. 

Am  weitesten  in  der  Färbung  vorgeschritten  sind  die  zwischen 
den  Ohren  stehenden  Stacheln,  die,  obwohl  auch  nicht  länger  als 
12  mm,  bereits  ein  2.  dunkles  Band  an  der  Basis  aufweisen.  Die 
Spitzen  der  Stacheln  sind  durchwegs  sehr  hell,  weiß,  und  der  kleine 
zwischen  ihnen  und  dem  Subterminalband  gelegene  Teil  hat  meist 
einen  rötlich-braunen  Ton.  der  auf  den  Gesamteindruck  der  Färbung 
des  Stachelkleides  bestimmend  wirkt. 

Vorder-  und  Hinterfüße,  Schwanz  und  Schnauze  sind  dunkel 
gefärbt.  Die  dunkle  Färbung  der  letztern  setzt  sich,  nach  hinten 
lichter  werdend,  bis  über  das  Auge  fort.  Die  Stirn,  der  vor  den 
Ohren  gelegene  Teil  des  Kopfes  sowie  das  Kinn  zeigen  einen  rötlich- 
braunen Anflug.  Die  Kehle  sowie  alle  übrigen  Teile  der  Unterseite 
sind  weiß.  Die  großen  Ohren,  die  angedrückt  bis  über  die  Augen 
reichen,  sind  auf  der  ganzen  Rückseite  dunkel  und  besitzen  an  der 
Vorderseite  einen  dunkeln  Rand,  der  an  der  Innenseite  und  an  der 
Spitze  viel  breiter  ist  als  an  der  Außenseite. 

Die  3  metacarpalen  Ballen,  von  denen  der  weitaus  größte 
mittlere  an  der  Basis  der  3,  und  4.  Phalanx  die  Gestalt  eines  gleich- 
schenkligen Dreiecks  aufweist,  sind  deutlich  ausgeprägt  und  ebenso 
auch  die  beiden  Carpalen,  von  denen  der  äußere  über  doppelt  so 
groß  ist  als  der  innere.  Die  3  metatarsalen  Ballen  sind  ähnlich, 
aber  wesentlich  schwächer  als  die  metacarpalen  ausgebildet;  die 
tarsalen  sind  klein,  wenig  erhaben  und  auf  einem  Fuß  verschmolzen. 

Auch  der  Bau  des  Schädels  (größte  Länge  37.3,  größte  Breite 
22,5,  Interoi'bitalbi-eite  11,5  mm),  namentlich  die  mächtig  entwickelten 
Gehöi'kapseln  stimmen  überein  mit  den  Verhältnissen  von  Erinaceus 
deserti,  der  aus  Algerien  und  Tunesien  bekannt  ist,  während  der 
von   ihm   als    Art    vielleicht  nicht  getrennt   zu   haltende   Erinaceus 


S.äuger  von  Tripolis  uud  Barka.  245 

aethiopictis  in  Ober-Ägypten  ^),  Nubien  und  Dongola  sowie  am  Senegal  ^) 
gefunden  wurde. 

Das  mitgebrachte  Exemplar  lag  am  Morgen  bei  einem  Stein- 
haufen im  Südosten  von  Bengasi,  zwischen  dieser  Stadt  und  der 
Lethe,  und  wäre,  da  seine  Farbe  mit  der  des  hier  meist  mit  roter 
Erde  bedeckten  Bodens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  übereinstimmte, 
beinahe  übersehen  worden.  In  der  Gefangenschaft  hielt  es  sich, 
trotz  relativ  sorgfältiger  Pflege,  vielleicht  seiner  Jugend  wegen,  nur 
kurze  Zeit, 

Nach  den  Angaben  Einheimischer  sollen  Igel  in  der  Umgebung 
von  Bengasi  liäufig  sein;  Haimann  (6,  p.  116)  erwähnt  sie  für 
Cyrenaika  überliaupt. 

Sie  werden  hier  ebenso  wie  in  der  Gegend  von  Tripolis  und 
im  Gharian-Gebirge   ohne  Rücksicht  auf  die  Art  „ganfud"  genannt. 

Spitzmäuse  linden  sich  sowohl  in  Barka  wie  in  Tripolitanien 
im  engern  Sinne.  Von  Barka  und  zwar  von  Merdsch  („Merg"')  er- 
wähnt CoRNALiA  bei  Haimann  (6,  p.  138)  eine  „-Somr-Species",  und 
andrerseits  teilte  mir  Herr  Storch  in  Tripolis  mit,  daß  er  einmal 
eine  „sehr  kleine  Spitzmaus"  aus  dem  Gharian-Gebirge  erhalten  habe. 

Die  Angaben  über  das  Vorkommen  von  Maulwürfen  auf  der 
cyrenaischen  Halbinsel  sind  zweifellos  irrtümlich  (s.  Spalax). 

Carnivora. 

Mustelidae. 

ZoriUa  hßhiea  Hempeich  et  Ehrenberg. 

Der  Zorilla  findet  sich  bei  Tripolis  und  ist  hier  das  größte 
unter  den  freilebenden  Säugetieren  der  Meschia,  wo  er  dem  Geflügel 
ebenso  verderblich  wird  wie  bei  uns  Marder  und  Iltis.  Herr  Storch 
erhielt  die  Art  —  um  eine  andere  kann  es  sich  in  Anbetracht  der 
geographischen  Verhältnisse  wohl  nicht  handeln  —  einige  Male.  Auch 
mir  versprachen  Araber,  nachdem  sie  sich  wegen  des  „Gestankes" 
einen  relativ  hohen  Preis  ausbedungen,  Tiere  dieser  Art  zu  bringen : 
allerdings  erhielt  ich  keine. 

Der  Zorilla  ist  von  Algerien  bis  Abessinien  verbreitet  und  auch 
aus  Kleinasien  bekannt. 


1)  This  species  does  not  occur  in  Egypt  properly  so-called  (1,  p.  163). 

2)  Zit.  nach  Trouessart  (22,  No.    1292). 


246  Bkl'no  Kläi'tocz, 

Sonst  erhielt  ich  weder  Nachrichten  über  Musteliden.  noch 
sind  mir  Angaben  aus  der  Literatur  bekannt, 

Canidae. 
VuJpes  zerdd  Zim^iermann. 

Der  Fennek,  aus  der  alg'erischen  und  tunesischen  Saliara  wie 
auch  aus  Ober-Agj'pten.  Senaar  und  Kordofan  bekannt,  dürfte  im 
tripolitanisch-cyrenaischen  Wüstengebiet  eine  allgemein  verbreitete 
p]rscheinung  sein. 

Teoüessart  (23,  p.  381)  zitiert  ihn  von  Ghadames,  und  Eohlfs 
nennt  ihn  aus  der  Gegend  von  Sokna  (13,  p.  164)  sowie  aus  dem, 
allerdings  nicht  mehr  zu  den  genannten  Gebieten  gehörigen,  Oasen- 
ai'chipel  von  Kufra  (1.  c,  p.  273). 

Hyaenidae. 

Huaena  hyaena  (Linne). 

Die  gestreifte  Hyäne  kommt  in  ganz  Nord-Afrika,  vom  Senegal 
und  von  Marokko  bis  Ägypten  vor  und  ist  außerdem  durch  das  süd-- 
liehe  Asien  bis  Indien  verbreitet. 

Thomas  (17)  erwähnt  sie  von  „Getefa,  near  Sokna";  Haimann 
(6.  p.  138)  erhielt  1  junges,  lebendes  Tier  in  Bengasi. 

Hyänen  werden  von  den  Reisenden  oft  genannt. 

9 

Die  Angaben  über  Caniden  sind  sehr  zahlreich,  aber  zoologisch 
von  geringem  Wert.  Namentlich  Schakale  werden  in  den  Reise- 
berichten allenthalben  erwähnt,  von  der  Küste  wie  von  den  Ge- 
birgen, in  den  Oasen  wie  in  der  Steppe,  ja  selbst  in  der  Wüste. 

Ein  von  Haimann  aus  Bengasi  mitgebrachtes  Fell  wurde  von 
OoRNALiA  (6,  p.  138)  als  von  ,^Cimis  aureus"-  herstammend  bezeichnet; 
Canis  aureus  Linne  wird  indes  nach  der  heutigen  Auffassung  bloß 
durch  den  europäischen  Schakal,  der  auch  einen  Teil  Asiens  be- 
wohnt, repräsentiert,  während  die  kleinen,  nord-afrikanischen  Schakale, 
soviel  bis  jetzt  bekannt,  in  2  Arten  zerfallen,  von  denen  Canis 
anfhus  F.  (^üvier,  die  westliche  Form,  außer  vom  Senegal  aus 
Algerien  und  Tunesien  bekannt  ist  und  Canis  variefjaius  Cretzschmar 
in  Ägypten  auftritt. 

Der  größere  Canis  lupastei-  Hemprich  et  Ehrenberg,  aus  Ägypten 
Viiid  Abessinien  bekannt,  ist  auch  in  Tunesien  gefunden  worden. 

Auch  „Füchse"  findet  man  in  den  Angaben  der  Reisenden  öfters. 


Säuger  von  Tripolis  und  Barka.  247 

Thomas  (17)  erwähnt,  daß  ein  „in  einem  alten  Reservoir  bei  Sidi 
Faradje"  (etwa  südlich  von  Bengasi,  am  81.^  n.  Br.,  unweit  der 
Küste)  „oefundener  Schädel  von  dem  eines  weiblichen  Vulpes  aeyypüaca 
vom  untern  Nil  nicht  zu  unterscheiden  sei." 

Über  Viverriden  finde  icli  in  der  Literatur  keine  Angabeu, 
Weder  in  der  Umgebung-  von  Trijjolis,  noch  im  Gharian-Gebirg'e 
konnte  ich  Nachrichten  über  Ginsterkatzen  erlangen,  was  um  so  be- 
merkenswerter ist,  als  eine  Form  dieser  auffallenden  Tiere,  Genetta 
(lfm  harhara  Wagner  (23,  p.  383).  aus  der  relativ  nahen  Gegend  von 
(4abes  (an  der  südtunesischen  Küste)  bekannt  ist. 

Was  die  Fei i den  anlangt,  so  sagt  Rohlfs  (11,  p.  66),  der 
„wilde  Katzen  und  Lynxe"'  erwähnt:  „Löwen  und  Panther  kommen 
nirgends  in  Tripolitanien  vor."  Das  Vorkommen  des  letztgenannten 
Tieres,  d.  h.  des  Felis  pardus  antiquorum  Gkiffith,  scheint  indes 
nicht  ausgeschlossen  zu  sein,  da  Barth  (2,  p.  46)  von  einer  Gegend 
südlich  von  Gharian  und  eine  Tagereise  nördlich  von  Misela  sagt: 
..Panther  sollen  in  dieser  Gegend  in  großer  Menge  hausen."  Einige 
Jahre  vor  1906  wurde  übrigens  in  einer  Oase  nahe  der  Küste  und 
einige  Stunden  westlich  von  Sansur  (einem  Ort  im  Südwesten  der 
Stadt  Tripolis)  ein  „Leopard"  erlegt,  ein  Fall,  der  wegen  seiner 
außerordentlichen  Seltenheit  in  Tripolis  vielen  bekannt  war.  Es  ist 
indes  auch  möglich,  daß  es  sich  in  allen  diesen  Fällen  um  den 
Gepard,  Cynailiirus  jubahis  guttatiis  Hermann,  handelt,  ein  Tier,  das 
in  Tripolitanien  sicherlich  weit  verbreitet  ist.  Felle  beider  Arten 
sind  in  der  Stadt  Tripolis  erhältlich,  ohne  daß  sich  aber  die  Provenienz 
,—  die  Leopardenfelle   stammen  wahrscheinlich   alle  aus  dem  Sudan 

—  feststellen  ließe. 

Die  übrigen  Felidenangaben  in  den  durchgesehenen  Reisewerken 

-  wie  z.  B.  die  von  Haimann  (6,  p.  116),  daß  nach  den  Angaben 
der  Araber  ein  „grosso  gatto  selvatico  coUa  coda  lunga  nelle  regioni 
deir  interno"  von  Cyrenaika  vorkomme  —  sind  viel  zu  unbestimmter 
Natur,  um  zoologisch  verwertbar  zu  sein,  und  übrigens  ungleich 
seltner  als  Caniden angaben. 

Kodentia. 

Myoxidae. 

Elloini/s  niunhianiis  tutietae  Thomas. 

1  ?,  1  (J  (jung).    Gherran,  13.— 14./7. 

Eliomys  munhianus  tunetae  Thoinias  [=  Eliomys  lerotinus  tunetac 


248  Bruno  Klaptocz, 

Thomas  (19,  p.  495  und  20.  p.  172)]  war  aus  Tunesien  und  dem  an- 
grenzenden Gebiet  von  Algerien  (Bone)  bekannt. 

Meine  Exemplare  aus  Tripolis  scheinen  mir  von  den  Typen 
etwas  abzuwei(*lien.  Aveslialb  ich  eine  genaue  Beschreibung  gebe. 

Maße  der  Alkoholexemplare  in  mm : 


Konflänoe  Schnauze      i      Hinterfuß  Hübe  des  Längste 

'        "  bis  After      i  (ohne  Kralle)  Obres  M  Schnurren 


9 


35  I  108 

31.2  :  88 


25  20  j  52 

25  21  1  50 


Beim  ?  ist  der  Schwanz  verstümmelt;  das  S  niißt  vom  After 
bis  zur  Schwanzspitze  (ohne  Haare)  106,  von  der  Basis  des  Schwanzes 
bis  zur  Spitze  (ohne  Haare)  103  mm. 

Die  Maße  des  Schädels  des  $  betragen: 

Länge  33,3.  Länge  der  Nasalia  in  der  Medianebene  12,5,  Länge 
der  Frontalia  in  der  Medianebene  11,  Länge  der  Parietalia  in  der 
Medianebene  7,5;  größte  Breite  bei  den  Jochbogen  19.5,  größte  Breite 
hinter  dem  Gehörgang  16,4.  größte  Dimension  der  Gehörkapseln 
10,3,  Länge  der  obern  wie  der  untern  ßackenzahnreihe  5.55,  Ab- 
stand der  obern  Prämolaren  4,7,  der  letzten  obern  Molaren  4,35  mm. 

Die  Schnauze  und  ihre  Umgebung  ist  mit  cremefarbigen  kurzen 
Haaren  bedeckt;  gegen  die  Oberlippen  und  besonders  an  denselben 
finden  sich  längere,  weißliche  Haare.  Die  Schnurren,  von  denen  die 
dem  Munde  am  nächsten  einfarbig  weiß,  die  obersten  einfarbig 
schwarz,  die  bei  weitem  meisten  aber  bloß  an  der  Basis  schwarz 
und  an  der  Spitze  weiß  sind  (der  schwarze  Teil  eines  Haares  ist  um 
so  größei",  je  mehr  dasselbe  den  ganz  schw^arzen  Haaren  der  Oberseite 
genähert  ist),  stehen  noch  im  cremefarbigen  Teil.  Über  der  vordem 
Hälfte  des  Auges  sowie  vor  der  Ohrötfnung  stehen  je  1,  meist 
2  größere,  mit  den  Schnurrbarthaaren  übereinstimmende  Haare, 
über  den  Haaren  des  Schnurrbarts  und  dem  vordem  Augenwinkel 
näher  als  der  Schnauzenspitze  beginnt  ein  schmaler,  schwarzer  Streif, 
der  sich  hinter  dem  Auge  gabelt;  der  breitere,  untere  Ast  zieht  an 
der  Ohrbasis  entlang  und  endet  ein  Stück  hinter  ihr;  der  kleinere 
zieht  knapp  am  Ohr  hinauf  und  endet,  hinter  dem  Ohrrücken  wieder 
herablaufend,  etwa  in  der  halben  Höhe  desselben.  Beim  Jüngern 
Tier  ist  der  obere  Ast  etwas  weniger  prägnant  als  beim  alten  und 
ebenso  auch  der  vor  dem  Auge  gelegene  Teil  des  Streifens. 


])  In  der  Mitte  des   Ohrrückens  gemessen. 


Säuger  von  Tripolis  nuil  Barka.  249 

Im  Wiiikt4  zwisclien  den  beiden  Ästen  des  Streifens,  also  in 
der  Gegend  der  Vorderecke  der  Oliröffnnng.  stellen  einfarbig-  weiße 
Haare. 

Die  cremefarbigen  kurzen  Haare  der  Schnauzengegend  gehen 
nach  hinten,  von  einzelnen  schwarzen  Haaren  durchsetzt,  in  längere 
gelbbraune  über;  am  lebhaftesten  wird  die  Färbung  zwischen  den 
Ohren,  wo  sie  nanunitlich  beim  altern  Tier,  rostbi'aun  ist.  Die 
kurzen  Haare  des  Kinnes  und  die  längern  der  Mundwinkel  sind  ein- 
farbig, die  der  Kehle  sowie  der  ganzen  Unterseite  des  Körpers  bloß 
an  der  Spitze  weiß;  im  basalen  Teil  sind  sie  dagegen  ebenso  wie 
die  Haare  der  Oberseite  von  mausegi-auer  Farbe.  Die  Wangen  sind 
bis  zum  schwarzen  Streifen  weiß,  hie  und  da  mit  einem  creme- 
farbigen Einschlag,  der  sich  auch  an  den  Haaren  findet,  welche  an 
der  Grenze  zwischen  der  Ober-  und  Unterseite  des  Körpers  stehen. 
Die  längern  Haare  der  Oberseite  weisen  in  ihrem  äußern  Teil  eine 
bräunliche  Farbe  auf,  die  beim  Jüngern  Tier  mehr  fahl,  beim  altern 
mehr  rötlich  ist. 

Der  an  der  Oberseite  am  dichtesten  behaarte  Schwanz  läßt 
keine  Zweizeiligkeit  erkennen;  an  seiner  Wurzel  mit  Haaren  be- 
deckt, die  gänzlich  mit  denen  der  Körperoberseite  übereinstimmen, 
weist  er  in  dem  darauffolgenden  basalen  Teil  kurze  und  steife  Haare 
auf,  die  gegen  das  Ende  des  Schwanzes  an  Länge  zu-  und  an  Steife 
abnehmen.  Die  Haare  der  Schwanzoberseite  stimmen  zunächst  mit 
denen  der  Körperoberseite  in  der  Farbe  überein  und  gehen  dann, 
mit  immer  mehr  schwarzen  Haaren  untermischt,  etwa  am  Ende  des 
ersten  Viertels  in  die  tiefschwarze  Farbe  des  Hauptteils  des 
Schwanzes  über,  die  an  der  Unterseite,  welche  an  der  Basis  des 
Schwanzes  etwa  die  lichte  Farbe  der  Schnauzengegend  hat,  erst 
etwas  später  einsetzt.  Am  Ende  des  Schwanzes  sitzen  rein  weiße 
Haare,  die  etwa  17  mm  über  das  Schwanzende  ragen.  An  der  Ober- 
seite auf  die  Schwanzspitze  beschränkt,  reichen  sie  an  der  Unter- 
seite etwas  weiter  nach  vorn.  (Diese  Beschreibung  bezieht  sich  auf 
den  etwa  4  mm  im  Durchmesser  messenden  Schwanz  des  kleinern 
Tieres;  beim  altern  Tier  mißt  der  34  mm  lange  Schwanzstummel, 
der  infolge  einer  zwar  ausgeheilten  Verletzung  wohl  abnorm  dick 
ist,  an  der  Wurzel  6,  gegen  das  Ende  über  7  mm  im  Durchmesser.) 

Die  Ohren,  die  angedrückt  etwas  über  den  Vorderwinkel  des 
Auges  hinausreichen,  besitzen  am  Innenrand  der  Eückseite  einige 
längere  schwärzliche  und  am  Grunde  des  Ohrrückens  weißliche  Haare. 


250  Bruno  Klaptocz, 

Die  übrig-en  Haare  der  durchscheinenden  Ohren  sind  bräunlich  bis 
weißlich  gefärbt. 

Vorder-  und  Hinterfüße  sind  mit  Ausnahme  der  bis  zu  den 
proximalen  Ballen  nackten  Sohlen  mit  weichlichen  Härchen  bekleidet. 
An  der  Sohle  eines  Vorderfußes  beiinden  sich  5  Wülste  oder  Ballen, 
die  3  kleinsten  von  ihnen  an  der  Basis  der  Zehen;  von  den  beiden 
übrig-en  ist  der  hinter  der  Daumenwarze  gelegene  wenig  größer  als 
der  an  der  Außenseite,  welcher  zugleich  der  proximalste  ist, 

4  von  den  ü  Wülsten  der  Hintei'füße  stehen  an  der  Basis  der 
Zehen;  von  ihnen  ist  der  dem  Daumen  zunächst  gelegene  Wulst  der 
gi'ößte  und  zugleich  der.  welcher  der  Ferse  am  nächsten  liegt.  Der 
5.  Wulst,  der  kleinste  von  allen,  beginnt  etwa  in  gleicher  Höhe  mit 
dem  proximalen  Ende  des  Daumenwulstes  oder  proximalwärts  davon 
und  liegt  hinter  dem  äußersten  der  Zehenwülste.  Der  6.,  in  gleicher 
Höhe  mit  dem  proximalen  Ende  des  5.  oder  etwas  proximalwärts 
davon  beginnend,  liegt  an  der  Innenseite,  hinter  dem  Daumen wulst. 
Er  ist  der  längste  von  allen  (4,3  mm)  und  schmal,  am  schmälsten 
und  niedrigsten  am  proximalen  Ende,  und  leicht  bogenförmig  ge- 
krümmt (gegen  die  Medianebene  des  Körpers  konkav). 

Die  nackten  Teile  der  Fußsohlen  sind,  soweit  sie  von  den  glatten 
Wülsten  freigelassen  werden,  gekörnelt. 

8  Zitzen ;  die  Gaumenfalten  nach  hinten  konkav  und  von  der 
3.  — 5.  nach  hinten  geteilt. 

Der  Schädel  wurde  bloß  vom  größern  Tier  untersucht.  Die 
Nasalia  enden  hier  in  gleicher  Höhe  mit  den  Oberkieferfortsätzen, 
hinter  den  Ansätzen  der  obern  Aeste  der  Processus  zygomatici.  Die 
Vordergrenze  der  Parietalia  ist  konkav,  die  Grenze  eines  Parietale 
gegen  das  Interparietale  zunächst  der  Mitte  sowie  im  äußersten  Teil 
konvex  und  dazwischen  konkav.  Das  breite  Interparietale  endet 
rechts  und  links  in  einen  deutlichen,  etwa  1,5  mm  langen  Zipfel. 
Die  großen  Gehörkapseln  nähern  sich  in  ihrem  vordem  Teil  bis  auf 
2,3  mm. 

Das  Foramen  des  Unterkiefers  ist  groß  und  nahezu  kreisrund, 
wenn  auch  etwas  länger  (2,3)  als  hoch  (2,1). 

Der  Prämolar  des  Oberkiefers  ist  nahezu  abgerundet  dreieckig 
und  an  der  Außenseite  viel  breiter  als  an  der  Innenseite,  ferner 
von  vorn  und  außen  nach  hinten  und  innen  gerichtet,  aber  merklich 
schwächer,  als  dies  bei  Keuvens  (8,  tab.  3,  fig.  la)  von  Eliomys 
quercinus  (L.)  dargestellt  ist.  Etwas  schwächer  als  beim  aus- 
gesprochen   dreieckigen   Prämolaren   des   Unterkiefers   ist    hier    die 


Säuger  von  Tripolis  und  Barka.  251 

vorderste  Ecke  in  einen  starken  Zacken  ausgezooen,  der  in  beiden 
Kiefern  die  höcliste  Erhebung-  der  ganzen  Backenzalnireihe  darstellt. 
Unter  den  i\Iolaren  des  Unterkiefers  ist  der  dritte  weitaus  der 
kleinste;  seine  Fläche  ist.  wie  dies  Lataste  von  seiner  ,.Bifa  lerotina- 
angibt,  wesentlich  stärker  von  oben  und  außen  nach  unten  und 
innen  geneigt  als  die  der  vorhergehenden  Molaren;  dieser  l^nter- 
schied  ist  merklich  stärker  als  der  entspreche^ide  zwischen  dem 
1.  und  2.  Molaren. 

Die  beiden  Tiere  stammen  aus  den  Steinbrüchen  von  Gherran 
im  Westen  der  Stadt  Tripolis.  Nach  dem  Umstand  zu  schließen 
daß  das  einzige  Mal,  da  ich  hier  Fallen  stellte,  2  von  3  mit  diesen 
Tieren  besetzt,  die  o.  aber  des  Köders  beraubt  war,  dürften  sie 
hier  nicht  selten  sein.  Herr  Stokch  in  Tripolis  teilte  mir  mit. 
daß  er  einmal  2  lebende  Tiere  dieser  Art  aus  dem  Gharian-Gebirge 
erhalten  habe. 

Nionujs  munhiunus  Pomei^  ist  mit  seinen  Unterarten  über  alle 
Atlasländer  verbreitet.  Die  oben  genannten  Orte  stellen  die  öst- 
lichsten bisher  bekannten  Fundorte  für  Eliomys  überhaupt  in  Nord- 
Afrika  dar;  erst  auf  der  Sinai-Halbinsel  tritt  dann  wieder  der  in 
mancher  Hinsicht  ähnliche  Eliomys  melanurus  Wagner  auf. 

Muridae. 

Gerhifffis  pijraniidtirii  tarfibtiH  Thomas.^) 
Wie  aus  den  Angaben  von  Thomas  (17)  hervorgeht,  ist  diese 
tiipolitanische  Unterart  des  vom  westlichen  Ägypten  über  Nubien 
und  Dar  Für  bis  in  den  Sudan  verbreiteten  Gcrbillus  pyramiduni 
Js.  Geoefkoy  im  ganzen  Gebiet  der  WniTAKEs'schen  Expedition 
(Tripolis — Sokna — Mursuk — Sokna — Bengasi)  eines  der  häufigsten  und 
verbreitetsten  Säugetiere. 

GerhUlus  f/erbiUns  Oiavier. 

Thomas  (17)  erwähnt  diese  Art  von  verschiedenen  Orten  aus 
dem  tripolitanischen  Innern,  sowohl  nördlich  von  Sokna  wie  auch 
südlich  davon  gegen  Mursuk. 

Diese  weitverbreitete  Art  findet  sich  außerdem  in  Ägypten, 
Nubien,  Abessinien,  Somaliland  und  Arabien. 

1)  Die  Angabe  „Tripoli,  Nubia"  für  ('.  andersoni  "Winton  bei 
Teouessart  (22)  beruht  wohl  auf  einem  Druckfehler;  in  den  dort  zitierten 
Werken  ist  bloß   „Maudara  east  of  Alexandria"   als  Fundort  angegeben. 


252  Bruno  Klaptocz, 

Gerbilffts  eatojii  Thomas. 

8  Exemplare  von  der  Umgebung  der  Stadt  Tripolis  (von  Storch 
erhalten,  22./9.),  von  der  Dschefaraebene,  nördlich  vom  Gharian- 
Gebirge  (im  ßuschland,  15./9.}  sowie  von  der  Punta,  einer  sandigen 
Landzunge  unmittelbar  südlich  der  Stadt  Bengasi.  wo  diese  Tiere 
in  kniehohen  Grasbeständen  lebten  (2.,  9.),  gehören  nach  Thomas  ^) 
hierher. 

Die  Maße  des  Körpers  wie  des  Schädels  der  8  vorliegenden 
Exemplare  schwanken  um  die  Maße  der  Type. 

Das  Tier  von  Bengasi  ist  etwas  weniger  rötlich  und  überhaupt 
etwas  lichter  gefärbt  als  die  beiden  andern;  bei  ihm  ist  auch  der 
unter  dem  Auge  verlaufende  Streif  viel  schwächer. 

Nach  den  Resultaten  der  Fänger  des  Herrn  Storch  ist  diese 
Art  die  häufigste  Gerhillus- kxi  und  überhaupt  das  häufigste  Säuge- 
tier in  der  Umgebung  der  Stadt  Tripolis. 

Thomas  (17)  beschrieb  sie  nach  Exemplaren  von  „Wadi  Agarib, 
Elcusher  und  Wadi  Aggar",  alles  nördlich  von  Sokna. 

Gerhillus  [Dipodillus)  dodsoui  Thomas. 

Beschrieben  (17)  nach  zahlreichen  Exemplaren,  welche  aus  dem 
Gebiet  von  der  großen  Syrte  bis  in  die  Gegend  von  Mursuk  stammen. 
Dieselbe  Art  lebt  aber  auch  in  Tunesien  sowie  in  Algerien  (hier 
südlich  vom  Atlas,  20). 

Gerbillus  {Dipodillus)  vivax  Thomas. 

Beschrieben  nach  Exemplaren  von  „Ain  Hammenn*'  (unmittel- 
bar nördlich  von  Sokna)  sowie  von  „Sebha",  nordnordöstlich  von 
Mursuk  (17). 

Gerbillus  {Dipodillus)  grobbeni  n.  sj). 

S-  Dernah,  an  der  Nordküste  von  Barka,  auf  einem  Maisfelde 
in  der  Nähe  der  Station  für  drahtlose  Telegraphie  in  einer  Schlag- 
falle gefangen;  zweite  Hälfte  August. 

Maße  nach  dem  in  Alkohol  konservierten  Exemplar  in  mm : 
Kopf  29,  Schnauze  bis  After  83,5,  Schwanz  (ohne  Haare)  120,  Hinter- 


1)  Herr  Oldfield  Thomas  hatte  die  Güte,  die  drei  genannten  Tiere 
zu  bestimmen,  die  ich  ihm,  genügenden  Vergleichsmaterials  in  dieser 
Gruppe  entbehrend,   einsandte.     Ich  danke  ihm  hier  nochmals  bestens. 


Säuger  von  Tripolis  und  ?.arka.  253 

fuß  iFerse  bis  Mittelzelie  ohne  Kralle)   24,6,  Ohr   (in   der  Mitte  des 
Ohrrückens  gemessen)  11. 

Länge  des  Schädels  26,6,  der  Nasalia  in  der  Medianlinie  10, 
Interorbitalbreite  4,8,  größter  Durchmesser  der  Gehörkapsel  9, 
Länge  der  obern  Molarenreihe  4,  Breite  des  1.  Molaren  1,5,  Dia- 
stema 6,4. 

Von  den  Schnurren  sind  jene,  welche  dem  Maule  zunächst 
stehen,  rein  weiß;  einzelne  von  ihnen  sind  bis  28  mm  lang.  Die 
Mehrzahl  der  Schnurren,  namentlich  die  der  Oberseite  des  Kopfes 
genäherten,  sind  an  der  Basis  schwarz  und  in  der  äußern  Hälfte 
oder  bloß  am  Ende  weiß.  Die  längsten  messen  bis  42  mm.  Einige 
kürzere  starke  Haare  von  schwarzer  Farbe  und  mit  lichterem  Ende 
stehen  unmittelbar  über  der  vordem  Hälfte  des  Auges  oder  dem 
vordem    Augenwinkel    sowie    unterhalb   des   hintern   Augenwinkels. 

Die  Haare  der  Unterseite,  von  der  Umgebung  des  Mundes  bis 
zur  Schwanzwurzel,  und  ebenso  auch  die  der  Innenseiten  der  Ex- 
tremitäten sind  einfarbig  weiß.  Auch  die  Ober-  und  Unterseiten 
der  Extremitäten  sind,  soweit  sie  überhaupt  behaart  sind,  mit  w^eißen, 
aber  kürzern  Haaren  besetzt. 

Die  Haare  der  Körperoberseite  zeigen  in  der  basalen,  größern, 
in  der  natürlichen  Lage  nicht  sichtbaren  Hälfte  eine  ziemlich 
dunkle  Graufärbung,  an  die  sich  ein  rötlich-brauner  Außenteil  an- 
schließt. Die  Haarspitzen  sind  schwarz.  Es  resultiert  daraus  eine 
ziemlich  dunkle  Rückenfärbung. 

An  den  Übergangsstellen  gegen  die  weiße  Unterseite,  an  den 
Körperseiten  also  wie  auch  an  der  Außenseite  der  Extremitäten, 
wird  die  Färbung  reiner  und  heller.  Nicht  nur  der  basale  Teil  der 
Haare  wird  gegen  die  Unterseite  immer  heller  grau  bis  weißlich  — 
oft  findet  sich  auch  zwischen  dem  grauen  Basal-  und  dem  braunen 
Außenteil  des  Haares  ein  weißer  Zwischenteil  — ,  sondern  auch  der 
Endteil  ist  hier  lichter  und  entbehrt  meist  der  schwarzen  Spitze. 
Scheitel  und  Stirn  haben  dieselbe  verhältnismäßig  dunkle  Färbung 
wie  der  Rücken,  die  dann  vor  den  Augen  lichter  wird  und  in  die 
cremefarbige  Schnauzengegend  übergeht. 

Von  der  Schnauzengegend  und  unter  dem  Auge  zieht  scharf 
abgesetzt  gegen  die  weiße  Unterseite  ein  brauner,  von  einzelnen 
schwarzen  Haaren  durchsetzter  Streif,  der  aber  trotzdem  lichter  ist 
als  die  Stirn  und  der  Scheitel,  gegen  die  Schulter.  Zwischen  Auge 
und  Ohr  sowie  hinter  dem  Ohr  sind  lichtere  Flecken. 

Die  dünnen  Ohren,  die  an  dem  in  Alkohol  konservierten  Exemplar 


254  Bruno  Klaptocz, 

durchscheinend  sind,  reichen  angedrückt  etwa  bis  zur  Mitte  des 
Auges.  An  der  Basis  der  Rückseite  sind  sie  kahl,  im  obersten  Teile 
derselben  Seite  tragen  sie  schwärzliche  und  im  vordersten  Teile 
lichtere  Haare,  aber  nicht  sehr  dicht. 

Die  Innenseite  des  Ohres  ist  mit  so  feinen,  weißlichen  Haaren 
besetzt,  daß  sie  bei  nicht  genauer  Betrachtung  nackt  erscheint. 

Am  Vorderfuß  ist  die  4.  Zehe  eben  mei'klich  kürzer  als  die  8. 
und  die  2.  um  ungefähr  das  doppelte  Maß  kürzer  als  die  4.;  die  5. 
reicht  ungefähr  bis  zum  letzten  Gelenk  der  4.  Zehe.  Die  1.  Zehe 
ist  1,7  mm  lang  und  mit  einem  kleinen,  ziemlich  flachen  Nagel  ver- 
sehen, der  früher  endet  als  die  Zehe  selbst.  Ein  kleiner  Ballen 
oder  besser  Tuberkel  steht  an  der  Grenze  der  5.  und  4.  Zehe  und 
2  weitere  an  der  Grenze  der  4.  und  3.,  bzw.  dei*  3,  und  2.  Zehe  und 
endlich  ein  kleiner,  der  aber  auf  einem  Fuß  fast  überhaupt  nicht 
sichtbar  ist,  etwas  einwärts  von  der  1.  Zehe. 

2  ungefähr  gleichgroße  Ballen,  von  denen  jeder  größer  ist  als 
der  Daumen,  liegen  proximal  und  nahe  aneinander.  Sie  setzen  der 
Behaarung  der  Unterseite  der  Extremität  gegen  die  nackte,  ge- 
körnelte  Sohle  eine  Grenze;  bloß  in  dem  schmalen  Zwischenraum 
zwischen  ihnen  reicht  die  kurze  Behaarung  etwas  weiter  distal. 


f 


^  Flg.  B. 


Gerbillus  [Dipodillus)  grobbeni  n.  sp. 

Fig.    A.      Linker    Hinterfuß    vou    der 
Sohle. 

Fig.  B.    Interparietale.     P  Parietale. 

Beide  Figuren  2nial  vergr. 


Fig.  A. 


'o 


Am  Hinterfuß  (Fig.  A)  ist  die  4.  Zehe  kaum  merklich,  die  2. 
bereits  merklich  kürzer  als  die  3.;  die  5.  Zehe  erreicht  (ohne  Kralle) 
das  letzte  Gelenk  der  4.  Die  weitaus  kürzeste  1.  Zehe  reicht  mit 
ihrem  Nagel  in  die  Höhe  der  Grenze  zwischen  2.  und  3.  Zehe  oder 
etwas  weiter. 


Säuger  von  Tripolis  iind  Barka.  255 

Von  den  Tuberkeln  des  Hinterfußes  stehen  4  ungefähr  «-leic;!»- 
g-roße  und  ein  5.  kleinerer,  aber  sehr  charakteristischer  am  Ursprünge 
der  Zehen:  einer  steht  an  der  Grenze  der  1.  und  2.  Zehe,  ein 
2.  an  der  der  2.  und  3.,  ein  3.  (der  distalste  von  allen)  an  der 
der  3.  und  4..  und  ein  4.  an  der  Grenze  der  4.  und  5.  Zehe.  Der 
5.  Tuberkel,  der  kleinste  und  äußerste,  liegt  proximal  vom  Ursprünge 
der  5.  Zehe  und  in  einer  Linie  ebensowohl  mit  den  beiden  letzt- 
genannten wie  auch  mit  den  beiden  tarsalen  Tuberkeln.  Von  diesen 
fällt  der  eine  in  die  Vei-längerung  der  (jrenze  zwischen  der  3.  und 
4.,  und  der  andere,  der  proximalste  von  allen,  in  die  Verlängerung 
der  Grenze  zwischen  der  2.  und  3.  Zehe.  Die  Verbindungslinie  der 
Außenseite  der  beiden  tarsalen  mit  dem  früher  erwähnten  kleinsten 
Tuberkel  stellt  die  ungefähre  Grenze  dar  zwischen  dem  vordem, 
kleinern  gekürnelten  Teil  der  Sohle  und  dem  hintern,  welcher  ganz 
glatt  ist. 

Die  Sohle  des  Hinterfußes  ist  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung 
haarlos. 

Der  Schwanz  ist  an  der  Basis  sehr  kurz,  gegen  das  Ende  immer 
länger  und  dichter  behaart;  die  Übergangsstelle  liegt  etwa  in  der 
Mitte  des  Schwanzes  und  ist  besonders  an  der  Unterseite,  wo  die 
Haare  in  der  distalen  Hälfte  kürzer  aber  dichter  sind  als  an  den 
entspi'echenden  Stellen  der  Oberseite,  ziemlich  ausgeprägt.  Die 
Ringelung  des  Schwanzes  ist  daher  in  seiner  proximalen  Hälfte  so 
gut  wie  gar  nicht  verdeckt,  aber  auch  in  der  distalen  zu  erkennen. 
Die  Haare  der  obern  Schwanzhälfte  sind  im  basalen  Teil  teils  sehr 
hellbraun,  teils  schwärzlich;  die  letztern  werden  gegen  das  Ende 
des  Schwanzes  hin  immer  zahlreicher  und  am  Ende  9—11  mm  lang. 
Der  distale  Teil  der  untern  Schwanzhälfte  weist  eine  kräftige,  die 
kurz  behaarte  proximale  Hälfte  eine  schwach  weißliche  Färbung  auf. 

Die  derben  Gaumenfalten  sind,  von  der  3.  an  nach  hinten  ge- 
teilt und  so  stark  ausgepi'ägt,  daß  sie  auch  in  trockenem  Zustand 
selbst  in  den  mittlem  Partien  deutlich  sind. 

Die  Frontalia  tragen  sehr  schmale  Orbitalleisten.  Parietalia 
und  Interparietale  sind  von  vorn  nach  hinten  verhältnismäßig  stark 
gewölbt,  und  das  letztere  schließt  mit  der  Linie,  die  seine  untere 
Grenze  und  die  obere  Grenze  der  Vorderseite  des  sichtbaren  In- 
cisiventeils  verbindet,  einen  \\inkel  von  etwa  45"  ein.  Das  Inter- 
parietale ist  siebeneckig,  3.4  mm  lang  und  7,1  mm  breit;  der 
weitaus  größte  und  zwar  der  mediane  Teil  seiner  Grenze  gegen  das 
Occipitale  ist  annähernd  gerade. 


256  Bruno  Klaptocz. 

Die  Incisiven  sind  an  der  Vorderseite  honig-gelb,  sonst  weiß: 
die  des  Oberkiefers  sind  an  der  Vorderseite  längs  gefurcht  und  viel 
dunkler  gefärbt  als  die  des  L^nterkiefei's.  Die  Lamellen  des  ersten, 
obern  Molaren  sind  durch  relativ  große  Zwischenräume  voneinander 
getrennt  und  durcli  schmale  Brücken  verbunden. 

12  Rippen  vorhanden. 

Ich  benenne  diese  Art  meinem  verehrten  Lehrer  Herrn  Prof. 
Dr.  Karl  Gkobben  zu  Ehren. 

Meriones  shawi  Rozet. 

Thomas  (17)  erwähnt  diese  Art  aus  Tripolitanien  von  5  Punkten, 
die  alle  ziemlich  weit  nördlich  von  Sokna  und  zwar  sowohl  im 
eigentlichen  Tripolitanien  wie  auch  östlich  der  großen  Syrte  liegen ; 
er  bemerkt,  daß  diese  Art  und  der  sehr  ähnliche  Meriones  scJioushoei 
in  bezug  auf  das  Vorkommen  einander  auszuschließen  sclieinen,  da 
sie,  obwohl  beide  an  einer  großen  Zahl  von  Orten  und  in  großer 
Individuenzahl  erbeutet,  doch  nie  zusammen  gefunden  wurden. 

Nach  seinen  Fundortsangaben  zu  schließen,  lebt  Merioms  shawi 
im  nördlichen  Tripolitanien,  während  shoushoei  bis  in  die  Gegend 
von  Mursuk,  dem  südlichsten  Punkt  der  DoDSON'schen  Expedition, 
gefunden  wurde. 

Sonstige  Verbreitung:  Tunesien  und  Algerien,  wo  sie  sich  eben- 
falls mehr  im  nördlichen  Teil  aufzuhalten  scheint. 

Meriones  shoushoei  Loche. 

Nach  den  von  Thomas  (17)  mitgeteilten  Resultaten  der  eben 
erwähnten  P^xpedition  ist  diese  Art  im  Gebiet  derselben  eines  der 
häufigsten  und  verbreitetsten  Säugetiere. 

Sonstige  Verbreitung:  Tunesien  und  Algerien.  Die  stärkere 
Entwicklung  der  Geliörkapseln  gegenüber  der  früher  erwähnten  Art 
steht  augenscheinlich  in  Zusammenhang  mit  ihrer  Verbreitung: 
sie  scheint  nicht  nur  in  Ti'ipolitanien,  sondern  auch  in  den  westlich 
davon  gelegenen  Gebieten  mehr  im  Innern  zu  leben  und  dem- 
entsprechend in  höherm  Maße  der  Wüste  angepaßt  zu  sein  als  die 
vorige  Art. 

Ps(fininoi}if/s  tripol itanus  Thomas. 

Thomas  (17)  beschreibt  diese  Form  von  „Wadi  Aggar.  Wadi 
Cheggar  und  Bou  Cheifa"  —  alle  3  Orte   liegen  östlich  der  großen 


Sänger  von  Tripolis  und  Barka.  257 

Syrte  —  und   glaubt  (18)  nach  einem  Fell  von  Sfax  an  der  tunesi- 
schen Ostkiiste,  daß  sie  auch  liier  vorkommt. 

Psfuinuoniifs  roudairei  Lataste. 

Thomas  (17)  erwähnt  diese  Art  von  „Ronjem  und  Wadi  Wagis", 
beides  nördlich  von  Sokna:  diese  Art  lebt  auch  in  der  algerischen 
Sahara  und  in  der  Region  der  tunesischen  Schotts. 


3Ius  miisctiltts  orfenfalis  Cretzschmar, 

2  .Junge.     Tripolis,  Araberhaus  in  der  Meschia,  Juli. 

2  Junge.     Bengasi,  Wohnliaus  in  der  Stadt,  Anfang  September. 

2  SS,  2  ??.  Dernah,  Wohnhaus  in  der  Stadt  und  Gebäude  der 
Station  für  drahtlose  Telegraphie,  zweite  Hälfte  August. 

1  ?.  Dernah,  Maisfeld  in  der  Nähe  der  eben  genannten  Station, 
zweite  Hälfte  August. 

Die  Mäuse  von  Dernah  stimmen  —  ein  aus  einem  Gebäude 
stammendes  ?  (Schnauze  bis  After  69,  von  hier  bis  zur  Schwanz- 
spitze 77  mm)  unterscheidet  sich  lediglich  dadurch,  daß  der  basale 
Teil  der  Brust-  und  ßauchhaare  lichtgrau  ist  —  in  der  Färbung 
genau  mit  der  Beschreibung  Andeesox's  (1,  p.  277)  überein.  Das 
größte  Exemplar,  1  ?,  mißt  von  der  Schnauze  bis  zum  After  86  mm 
und  von  hier  bis  zur  Schwanzspitze  ebensoviel. 

Die  beiden  jungen  Tiere,  die  aus  einem  Gehöft  der  Oase  bei 
Tripolis  stammen,  weisen  trotz  ihrer  geringen  Größe  (Schnauze  bis 
After  47,6  resp.  47,5,  After  bis  Schwanzspitze  67  resp.  68,  Hinter- 
fuß bei  beiden  17,5  mm)  die  Färbung  der  Alten,  und  sogar  sehr 
lebhaft,  auf. 

Die  beiden  jungen  Mäuse  von  Bengasi  haben  eine  hellgraue 
Unterseite;  ihre  Oberseite  läßt  die  bräunliche  Farbe  bereits  erkennen, 
ist  aber  noch  ziemlich  stark  mit  grau  durchsetzt.  Die  Oberseiten 
der  Extremitäten,  die  bei  den  jungen  Mäusen  von  Tripolis  bereits 
weiß  sind,  sind  bei  denen  von  Bengasi  noch  mit  grauen  Härchen 
besetzt:  letztere  stecken  eben  noch  im  Jugendkleid.  Sie  sind  auch 
merklich  kleiner  als  die  von  Tripolis,  wie  sich  aus  den  von  der 
Konservierung  unbeeinflußten  Maßen  des  Hinterfußes  ergibt  (Schnauze 
bis  After  49  und  48,5,  After  bis  Schwanzspitze  bei  beiden  58,  Hinter- 
fuß bei  beiden  15  mm);  die  damit  in  scheinbarem  Widerspruch 
stehenden  Maße  des  Körpers  sind  auf  eine  starke  Streckung  der 
Exemplare   von   Bengasi   zurückzuführen,    während   andrerseits    die 

Züol.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  H 


258  Bruno  Klaptocz, 

ebenfalls  in  Alkohol  konservierten  Tiere  von  Tripolis  stark  kontra- 
hiert sind. 

Vielleicht  gehören  hierher  auch  2  sehr  junge  und  kleine  (Schnauze 
bis  After  41,  After  bis  Schwanzspitze  4,4,  Hinterfuß  14.5  mm)  Mäuse 
mit  grauer  Ober-  und  scharf  abgesetzter  weißer  Unterseite,  die  ich 
auf  der  Punta,  einer  rein  sandigen,  hie  und  da  mit  Beständen  knie- 
hoher, steifei-  Gräser  besetzten  Landzunge  bei  Bengasi,  ausgrub 
(1./9.)  Am  selben  Ort  und  ebenfalls  in  den  Grasbeständen  lebt 
Gerhülus  eatoni  Thomas,  Die  Gänge  der  Nager  sind  hier  —  wohl 
mit  Rücksicht  auf  die  geringe  Höhe  jener  Landzunge  —  seicht  und 
erstrecken  sich  fast  nirgends  über  die  mit  Gräsern  bewachsenen 
Komplexe  hinaus. 

Mus  musculus  orientalis  ist  von  Ägj^pten  bis  Nubien  verbreitet 
und  wurde  von  Thomas  (17)  auch  bereits  von  Tripolis  („Tarhina") 
erwähnt,  während  die  Zugehörigkeit  einer  tunesischen  Maus  (20, 
p.  174)  nicht  sicher  zu  sein  scheint. 

Acomys  vicitor  Thomas, 

Beschrieben  (17)  nach  einem  ?  aus  dem  „Wadi  Sultan"  in  den 
Ssodabergen,  nahe  und  südlich  vonSokna;  Thomas  hebt  hervor,  daß 
dies  der  westlichste  bisher  bekannte  Fundort  eines  Vertreters  des 
Genus  Acomys  in  Nord- Afrika  sei. 

« 

Spalacidae. 

Spalaoc  aeffißptiacus  Nehrestg. 

Diese  Art  wurde  von  Anderson  (1)  bei  Maryut  in  Unter-Ägypten 
entdeckt  und  ist  bisher  nur  aus  Barka  bekannt  geworden.  Wenigstens 
stellt  SoEDELLi  (14)  einen  im  Museum  von  Mailand  (1,  p,  300)  be- 
ftndlichen  Spalax,  den  Haimann  (6,  p.  52  u.  138)  bei  ,.Ras  el  Ferg'", 
etwa  30  km  ostsüdöstlich  von  Bengasi  sammelte,  hierher.  Haimann 
(6,  p.  116j  hielt  das  Tier  für  einen  Maulwurf.  Ähnlich  ist  es  auch 
RoHLFs  ergangen :  Auf  seiner  Übersichtskarte  (13)  findet  man 
zwischen  dem  20.  und  21."  ö.  L.  (Greenwich)  und  etwa  auf  30°  45' 
n.  ßr.  eine  „Südgrenze  des  Maulwurfes"  angegeben.  Und  schon 
in  einem  frühern  Reise  werke  sagt  Rohlfs  (11.  Vol.  1,  p.  170)  bei 
Besprechung  der  Gegend  nordöstlich  der  Seen  von  Merdsch:  „Daini 
fiel  mir  die  Menge  der  Maulwurfshaufen  auf,  die  sonst  in  Tripoli- 
tanien   nicht  vorkommen.     Die   Araber  nennen   den  Maulwurf  hier 


Säuger  von  Tripolis  mul  Barka.  259 

mit  dem  bezeiclinenden  Namen  Bu-amian.  Vater  der  Blinden." 
[Andekson  (1)  g'ibt  für  Unter-Äoypten  ganz  denselben  Namen  an. 
nämlich  (p.  292)  „Abn  Amma" ;  er  sagt  davon  (p.  297,  Anni.  2): 
„The  name  given  to  the  animal  by  tlie  natives,  ,Abu  Amma-,  is 
litterally  .Fatlier  of  the  blind',  and  may  be  translated  as  ,triiely  or 
essentialy  blind'".]  Und  im  2.  Bande  desselben  Werkes  (p.  13)  er- 
wähnt RoHLFs  bei  einer  übersichtlichen  Besprechung-  von  ..Barka"; 
„Überall  stößt  man  aber  auf  den  Maulwurf,  dessen  Spuren  man 
sogar  weit  nach  Süden  in  der  Ebene  verfolgen  kann." 

Überdies  teilt  mir  Herr  J.  Roisi  mit,  daß  man  bei  den  Erd- 
aushebungen für  den  Bau  der  Station  für  drahtlose  Telegraphie  in 
Dernah  einen  „Maulwurf"  gefunden  habe. 

Bei  dem  Umstand,  daß  aus  ganz  Nord-Afrika  kein  Talpide  be- 
kannt ist,  kann  es  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  alle  jene 
Angaben  auf  Rechnung  des  Spalax  zu  setzen  sind,  der  in  Anbetracht 
des  Charakters  des  Landes  auch  kaum  weiter  nach  Süden  oder 
Westen  gehen  kann,  als  Rohlfs  auf  seiner  Karte  angibt.  Seine 
Grenze  hat  Rohlfs  selbstverständlich  nach  Erdaufwürfen  gezogen. 
Möglicherweise  sind  auch  jene  Haufen,  die  ich  bei  Dernah,  nament- 
lich östlich  der  Stadt,  zwischen  dieser  und  der  „Kirche",  auf  der 
parallel  zur  Küste  sich  erstreckenden  Terrasse,  die  einen  karstartigen 
Charakter  aufweist,  sah,  auf  dieses  Tier  zurückzuführen,  obwohl  sie 
mir  etwas  klein  vorkommen. 

Aus  allen  Angaben  geht  wohl  liervor,  daß  der  Spalax  in 
Cyrenaika  nicht  nur  am  Binnenplateau  vorkommt  und  jedenfalls 
häufig  ist. 

Jaculidae. 

Jaculus  Jaculiis  Linxe. 

1  d,  1  $,  beide  aus  der  Umgebung  der  Stadt  Tripolis;  hier  die 
häufigere  Art, 

Aus  Tripolitanien  zuerst  wohl  von  Duveexoy  ^j  erwähnt. 

Thomas  (17)  nennt  sie  von  „Attieh  Loumonileh"  und  „Oumsi- 
nerma",  beides  zwischen  Tripolis  und  Sokna. 

Von  Algerien  und  Tunesien  über  Tripolitanien  und  Ägypten 
bis  Palästina  und  Arabien  verbreitet. 


1)  In:  Mem.  Soc.  Hist.  nat.  Strassbourg,  Vol.  3,   1842,   j).  31  :    „Dipus 
aer/ijpüus'^,  zitiert  nach  Trouessart  (23). 

17* 


260  Bkcno  KlAI'TOCZ, 

Jitculus  orientaJis  Erxleben, 

1  (?,  2  ??,  alle  aus  der  Umg-ebung'  der  Stadt  Tripolis;  am 
6.  Juli  3  ueugeboreue  Junge. 

Thomas  (11)  erwähnt  diese  Art  von  „Sidi  Faradje"  im  Vilajet 
Rarka,  nahe  der  Küste,  am  31^  n.  Br. 

Von  Algerien  über  Tunesien,  Tripolitanien  und  Ägypten  bis 
Nubien  verbreitet. 

Die  Springmäuse  oder,  wie  sie  Rohlfs  in  seinen  Reisevverken 
nennt,  „Springratten"  werden  auch  in  Tripolitanien  durchwegs 
„Dsciierboa"  genannt.  Fast  alle  Reisenden  erwähnen  sie  und  von 
den  verschiedensten  Punkten.  In  den  hier  in  Betracht  kommenden 
Ländereien  dürften  sie  wohl  nur  in  den  wenigen  sumpfigen  und  den 
ausgesprochenen  Gebirgsgegenden  fehlen.  Ebendeshalb  wird  aber 
die  Angabe  Haimann's  (6),  daß  „molte  gerboe"  in  Cj'renaika  vor- 
kommen, wohl  nur  für  bestimmte  Teile  der  eigentlichen  Halbinsel 
Geltung  haben. 

In  der  Umgebung  der  Stadt  Tripolis  sind  sie  nach  den  Resultaten 
der  Fänger  sehr  häufig,  obwohl  nach  zuverlässigen  Angaben  ihre 
Zahl  in  der  nächsten  Umgebung  der  Stadt  —  w^ohl  eine  Folge  des 
großen  Exports  wie  auch  der  stetigen  Beunruhigung  durch  die 
Fänger  —  in  den  letzten  Jahren  sichtlich  abgenommen  hat. 

Ich  sah  ein  einziges  Mal  eine  Springmaus  im  Freien  und  zwar 
nach  Einbruch  der  Dämmerung  auf  einer  Straße  der  Oase  von 
Tripolis;  dies  zusammengehalten  mit  der  Tatsache,  daß  ich  einen 
J.  Orientalis  aus  einem  Garten  der  Meschia  erhielt,  sowie  mit  über- 
einstimmenden Angaben  des  Herrn  Storch  scheint  darauf  hinzudeuten, 
daß  die  Springmäuse  in  der  trockensten  Jahreszeit  mitunter  wenigstens 
Oasen  oder  vegetationsreichere  Stellen  aufsuchen. 

Im  Sommer  1906  schien  unter  den  Springmäusen  von  Tripolis 
eine  epidemieartige  Krankheit  zu  grassieren,  indem,  nach  den  ver- 
läßlichen Angaben  des  eben  genannten  Gewährsmannes,  bei  sonst 
gleicher  Pflege,  ein  ungleich  höherer  Prozentsatz  der  gefangenen 
Tiere  zugrunde  ging  als  in  frühern  Jahren  und  zwar  durchwegs 
unter  Verstopfungserscheinungen ;  dies  war  auch  das  baldige  Ende 
der  von  mir  lebend  mitgenommenen. 


Sänger  von  Tripolis  und  Barka.  261 

Ctenodadylidae. 

Ctenodactijhfs  rfdi  '1'iiomas. 

Thomas  (17)  beschreibt  dieses  Tier  nach  Exemplaren  vom  „^^'adi 
Bey,  just  northwest  of  Bonjem"  (im  S.O.  von  Tripolis  und  im  N.  von 
Sokna),  sowie  vom  „Wadi  Titti,  east  of  Sokna"'. 

?  Ctetiodacttjlus  (fiuidi  Pallas, 

Aus  Tripolitanien  werden  Gundis  zuerst  wohl  von  Yarrell  (24) 
erwähnt,  der  mitteilt,  daß  die  Zoological  Society  of  London  solche 
Tiere  von  H.vnmek  Waerington,  dem  damaligen  britischen  Konsul 
in  Tripolis,  erhielt. 

Indes  muß  bei  dem  Fehlen  präziser  systematischer  Angaben  die 
Frage  einstweilen  noch  oifen  bleiben,  ob  die  „Gundi*'  des  Gharian- 
Gebirges  —  denn  auch  hier  werden  diese  Tiere  so  genannt  —  mit 
der  in  Tunesien  und  Algerien  lebenden  Art  Ctenodactylus  gundi 
Pallas  identisch  ist  oder  ob  es  sich  um  Ct.  vali  handelt  oder,  was 
recht  gut  denkbar  wäre,  um  eine  Zwischenform  zwischen  den  beiden 
genannten  Arten. ^) 


1)  Herr  Dr.  Paul  Kammekee,  Wien,  der  1902  einen  Aufsatz  über 
„Das  Käfigleben  des  Kammfingers  (Ctfi/odacii/luf!  fjionli  ßOTHM.)"  in: 
Zool.  Garten,  Jg.  43,  ]).  186  erscheinen  ließ  über  Tiere,  die  sicher  aus 
Tripolis  (und  jedenfalls  aus  dem  Gharian-Gebirge  oder  den  n.  ö.  daran 
sich  schließenden  Bergen  von  Tarrhuna,  den  der  Stadt  Tripolis  zunjichst 
gelegenen  Fundorten  für  Gundis)  stammen,  hatte  die  dankenswerte  Freund- 
lichkeit, mir  einen  Gundischädel  zur  Verfügung  zu  stellen,  der  höchst- 
wahrscheinlich von  jenen  Tieren  stammt.  Daß  derselbe  nicht  zu  rali  ge- 
hört, geht  aus  folgenden  Maßen  in  mm  hervor:  Größte  mediane  Länge 
des  Schädels  46,4;  größte  Breite  der  Jochbogen  30,5:  größte  Länge  eines 
Nasale  18,8:  größte  Breite  beider  Nasalia  zusammen  (nahe  ihrem  Vorder- 
ende) 6,2;  Interorbitalbreite  13,6;  Breite  des  Interparietale  12,2,  Länge 
desselben  9,3;  Diastema  (der  Prämolar  ist  nicht  mehr  vorhanden)  11,6; 
obere  i\Iolarenreihe,  an  der  Krone  gemessen  8,1,  an  der  Basis  gemessen 
8,7;  gi-ößter  schiefer  Durchmesser  einer  Gehörkapsel  15,9,  vertikale  Höhe 
derselben  13,9;  Höhe  des  Unterkiefers  10,9.  Diese  Maße  sind  entsprechend 
den  von  Thomas  für  Clcnodnclylits  rali  (s.  diesen)  angegebenen  genommen. 
Kammeeer  (1.  c.)  bemerkt,  daß  im  Gegensatz  zu  den  Angaben  von 
Lataste,  der  Ctenodactylus  yuudi  als  Tagtier  bezeichnet,  seine  Gundisart 
in  der  Dunkelheit  lebendig  wurde.  Dies  stimmt  überein  damit,  daß  die 
Einwohner  von  Gharian  nach  dem  Einbruch  der  Dämmei-ung  sagten : 
„Jetzt  geht  der  Gundi  aus".  Bei  Ct.  rali  wäre  die  nächtliche  Lebens- 
weise vielleicht  mit  eine  Erklärung  des  enorm  vergrößerten  Gehörapparats. 


262  Bruno  Klaptocz 


Obwohl  es  mir  in  der  kurzen  Zeit  meines  Aufenthaltes  im 
Gharian-Gebirge  nicht  gelang-,  Gundis  zu  erhalten,  scheinen  diese 
Tiere  hier  doch  sehr  häufig  zu  sein:  dies  geht  nicht  nur  aus  den 
Angaben  der  Gebirgsbewohner  hervor,  sondern  auch  daraus,  daß  die 
von  ihnen  als  Faeces  des  Gundi  bezeichneten  Excremente,  die  eine 
charakteristische  länglich-cylindrische  Gestalt  aufweisen,  sowohl  in 
einer  Ruine  am  Plateau  von  Gharian  und  in  der  nächsten  Nähe 
dieses  Ortes  wie  auch  in  einer  kleinen  Höhle  am  Dschebel  Tegrinna 
massenhaft  anzutreffen  waren.  Herr  Storch  in  Tripolis,  der  aus 
dieser  Gegend  (öfters  schon  Gundis  erhalten  und  auch  nach  Europa 
versandt  hatte,  machte  ebenfalls  die  —  früher  schon  von  andern 
gemachte  —  Beobachtung,  daß  diese  Tiere  fast  ausnahmslos  un- 
mittelbar nach  dem  Fang  zugrunde  gehen,  während  die  wenigen 
Überlebenden  sich  ziemlich  ausdauernd  erweisen. 

Hystricidae. 

Hystrix  eristata  Linne. 

Nur  um  diese  über  das  ganze  Mittelmeergebiet  verbreitete  Art 
kann  es  sich  handeln,  wenn  Rohlfs  (11.  p.  66)  von  Tripolitanien 
Stachelschweine  erwähnt  und  Haimann  (6,  p.  116)  für  die  cyrenaische 
Halbinsel  „porcospini"  angibt.  In  dem  die  Stadt  Tripolis  im  Süden 
umgebenden  Gebirgszuge  kommen,  wie  man  mir  in  Gharian  sagte, 
Stachelschweine  an  bestimmten  Stellen  häufig  vor. 

Leporidae. 

Lejyu.s  u'hitakevl  Thomas. 

Thomas  (17)  beschreibt  diese  einzige  bisher  aus  Tripolitanien 
sicher  bekannte  Hasenart  vom  „Wadi  Sofedjin"  und  vom  ,.Wadi 
Agarib",  beide  zwischen  Tripolis  und  Sokna,  sowie  vom  „Timinint, 
near  Sebha''  und  hebt  ihre  aus  der  großen  Entfernung  dieser  Orte 
sich  ergebende  weite  Verbreitung  hervor. 

Hasen  werden  in  Tripolitanien  und  Cyrenaika  von  den  Reisenden 
vielfach  erwähnt  und  an  manchen  Orten  als  häufig  heiworgehoben. 
RoHLFs  spricht  mehrmals  —  so  von  Tripolitanien  überhaupt  (11, 
1.  Bd..  p.  66)  wie  von  der  Dschefaraebene  (10,  p.  193),  den  Gebirgs- 
tälern bei  Lebda  (12.  p.  21),   der  Umgebung  von  Sokna  (13,  p.  164) 


Säuger  von  Tripolis  und  Barka.  263 

und  von  den  Küstenstrichen  von  Cyrenaika  (11,  Vol.  2,  p.  13)  —  von 
..Hasen  und  Kaninchen".  Es  scheint  ausg-eschlossen,  daß  es  sicli 
hier  wirklich  um  das  Kaninchen  Oryciolagus  cuniculus  (Linne)  liandelt. 
das  nach  Tkouessakt  (23,  p.  401)  in  Algerien  bereits  gegen  die 
tunesische  Grenze  verschwindet  und  am  tunesischen  Festland  ebenso 
unbekannt  ist  wie  in  Ägj'pten. 

Ich  sah  bloß  einen  Hasen  —  im  tripolitanischen  Arabisch  „arneb" 
—  am  Dschebel  Tegrinna  bei  Gharian,  hörte  sie  aber  oft  erwähnen 
und,  als  besonders  häutig  vom  Beginn  des  Gebirges  im  Osten  von 
Bengfasi. 


'Ö' 


rngiilata. 

Suidae. 

StlS    SCfO/'a    LiNNE. 

Das  Wildschwein  findet  sich,  von  seiner  sonstigen  weiten  Ver- 
breitung in  Europa  und  einem  großen  Teil  Asiens  abgesehen,  in 
Afrika  sowohl  in  Nord-Ägypten,  wo  es  allerdings  schon  recht  selten 
zu  sein  scheint  (1,  p.  354),  wie  auch  in  den  Atlasländern,  von  der 
Küste  bis  zur  Sahara  und  tritt  überall  häufig  auf^  wo  es  Wasser 
und  ausgedehntes  Dickicht  gibt  (Lataste,  7);  ja  es  soll  sich  sogar 
an  geeigneten  Stellen  innerhalb  der  Sahara  aufhalten  (1.  c). 

Was  die  hier  in  Betracht  kommenden  Gebiete  anlangt,  so 
werden  Wildschweine  außer  von  andern  Reisenden  auch  von  Rohlfs  ^) 
angegeben  und  zwar  sowohl  für  Tripolitanien  überhaupt  (11,  1.  Bd.. 
p.  66)  und  speziell  für  die  Gebirgstäler  bei  Lebda  (12,  p.  21),  wie 
auch  für  die  cyrenaische  Halbinsel  ,.in  den  Schluchten  der  Hoch- 
ebene" (11,  Vol.  2,  p.  13).  ■') 

Bovidae. 

Ainnioti'af/((s  lervia  Pallas. 

Das  Mähnenschaf,  dessen  Verbreitung  von  Marokko  bis  Ägypten 
reicht,  erwähnt  Thomas  (17)  vom  ,.Wadi  Agarib,  just  N.W.  of  Sokna". 


1)  Erwähnt,  nebenbei  bemerkt,  die  Wildschweine  als  in  Marokko 
stellenweise  sehr  häufig  (10). 

2)  Lataste  (7,  p.  286)  ei-wähnt,  daß  der  „Crrvus  corsicanus'^  (in 
diesem  Fall  =  Cerrus  rlapliKs  hiir/>anis  Benxet)  nach  den  von  ihm  er- 
haltenen Mitteilungen  außer  in  andern  Teilen  Tunesiens  auch  „au  sud,  vers 
la  frontiere  tripolitaine"   vorkomme. 


264  Bruno  Klaptocz, 

Die  genauere  Provenienz  eines  Gehörnes  in  Tripolis  konnte  ich 
ebensowenig-  in  Erfahrung'  bringen  wie  die  eines  lebenden  Tieres, 
das  nach  Konstantinopel  als  Geschenk  an  den  Sultan  ging;  doch 
scheint  es  mir  nicht  unwahrscheinlich,  daß  das  ]\Iähnenschaf  im 
Ghariangebirge  und  den  damit  in  Verbindung  stehenden  Gebirgs- 
zügen zu  treifen  sei. 

Mit  Rücksicht  auf  den  von  Thomas  genannten  Fundort  sowie 
die  weiter  unten  folgenden  Angaben  Barth's  ist  es  wahrscheinlich, 
daß  die  „Uadanantilope"  von  Rohlfs,  die  nach  ihm  (14,  p.  164) 
„vom  Gebirge  Uadan  den  Namen  erhielt,  aber  heute  viel  zahlreicher 
in  der  Djebel  Ssoda  und  im  Harudj  vorkommt  als  in  den  Uadan- 
Bergen"  —  alle  diese  mehr  oder  minder  zusammenhängenden  Boden- 
erhebungen liegen  in  der  Umgebung  von  Sc^kna  —  hierher  zu 
stellen  sei. 

Diese  Ansicht  erhält  wohl  eine  Bestätigung  durch  die  Bemerkung 
Barth's  (2,  p.  114)  von  der  „Wadan  oder  Audad  {Oryx  gasella)  einer 
großen,  stämmigen  Antilope,  die  in  den  Bergdistrikten  der  Wüste 
sehr  zahlreich  ist".  Und  im  selben  Werk  sagt  Barth  (p.  115) 
„.  .  .,  während  der  bockartige  Wadan  [Oryx  gazella)  nicht  so  weit 
südlich  herabzugehen  scheint,  um  die  Nordgrenze  des  Landes  [geraeint 
ist  das  Land  Asben]  zu  überschreiten". 

Der  von  Barth,  der  ja  durchaus  kein  Zoologe  war,  verwendete 
Name  ,^Oryx  gazella'-'-  ist  kein  Argument  gegen  diese  Deutung  und 
das  um  so  weniger,  als  er  ja  auf  derselben  Seite  (p.  151)  von  Anti- 
lope leucoryx  und  A.  oryx  als  von  ganz  andern  Tieren  spricht. 

Ga^ella  dar  ras  Linke. 

Von  Marokko  bis  Syrien  verbreitet,  tritt  dieses  Tier  innerhalb 
der  hier  in  Betracht  kommenden  Gebiete  w^ohl  an  allen  geeigneten 
Orten  auf  und  ist  sicher  die  häutigste,  vielleicht  die  einzige  Gazelle, 
die  regelmäßig  in  der  Küstenebene  von  Tripolis  bis  an  die  Berge 
von  Tarrhuna  und  Gharian  vorkommt;  in  der  nächsten  Umgebung 
der  Stadt  Tripolis  trifft  man  sie  allerdings  auch  nicht  mehr.  In 
Tripolis  sind  Geweihe  stets  in  großer  Zahl  erhältlich,  in  gei'ingerer 
lebende  Tiere,  die  hier  und  da,  noch  mehr  in  Bengasi,  gezähmt  ge- 
halten werden  und  in  der  letztgenannten  Stadt  auch  frei  auf  der 
Straße  zu  treffen  sind. 

Thomas  (17)  erwähnt  diese  Art  von  mehreren  Orten  zwischen 
Tripolis  und  Sokna  sowie  zwischen  Sokna  und  Mursuk.  Schon  daraus, 
daß  die  WniTAKER'sche  Expedition   aus   ihrem   weiten   Forschungs- 


Säuger  von  Tripolis  und  Barka  265 

gebiet  nur  diese  Art,  diese  dafür  aber  in  9  Exemplaren  von 
5  üiten  mitbrachte,  geht  hervor,  daß  sich  die  zalilreiclien  Angaben 
der  Reisenden  über  Gazellen,  auch  was  das  innere  Tripolitanien  an- 
belangt, sich  in  erster  Linie  auf  sie  beziehen.  Hier  sei  nur  eine 
Angabe  von  Rohlfs  (10.  p.  193)  erwähnt,  der  von  der  Dschefara- 
Ebene  sagt:  „Gazellen  gibt  es  hier  auch,  jedoch  lange  nicht  so 
häufig  als  südlich  vom  Gebirge." 

Gai^ellii  leptoceros  F.  Cuviek. 

Aus  Tripolitanien  in  den  Zusammenstellungen  von  Trouessart 
erwähnt.  Gehörne  wurden  auch  von  Grothe  {Gazella  loderi  3, 
p.  LXVIII)  aus  Tripolis  mitgebracht. 

Gehört  ebenfalls  zu  den  weitest  verbreiteten  nord-afrikanischen 
Gazellen.  Ihr  Gebiet  erstreckt  sich  von  der  algerischen  Sahara  bis 
mindestens  an  den  weißen  Nil. 

Addax  nasomaculata  Blainville. 

Exemplare  dieser  von  Marokko  über  Nubien  bis  Nord-Arabien 
verbreiteten  Art  wurden  von  Herrn  K.  u.  K.  Konsul  E.  Rossi  in 
Tripolis  aus  dem  südlichen  Tripolitanien  (Fessan)  an  die  Schön- 
brunner  Menagerie  in  Wien  gesandt. 

Wie  sich  aus  den  vorstehenden  Angaben  ergibt,  sind  zurzeit 
bloß  33  Säuger- Arten  mit  Sicherheit  aus  dem  tripolitanisch-cyrenai- 
schen  Gebiete  bekannt,  zweifellos  nicht  einmal  die  Hälfte  der  tat- 
sächlich hier  auftretenden  Formen.  Sicherlich  werden  alle  jene 
Mammalier,  die  sowohl  in  Ägypten  wie  im  tunesisch-algerischen  Ge- 
biete zu  Hause  sind,  auch  in  Tripolitanien  und  Cyrenaika,  wenn  auch 
manche  örtlich  beschränkt,  sich  finden  (abgesehen  vielleicht  von 
Herpestes). 

Daß  weit  über  die  Hälfte  der  bis  jetzt  bekannten  Arten  Nager 
sind,  ist  außer  dem  Artenreichtum  und  der  Individuenzahl  dieser 
Tiere  wohl  auch  dem  rein  technischen  Umstand,  daß  sie  weitaus  am 
leichtesten  zu  erlangen  sind,  zuzuschreiben. 

Für  die  Beurteilung  der  verwandtschaftlichen  Beziehungen  der 
tripolitanisch-cyrenaischen  Säugerfauna  sind  die  einzelnen  Formen 
von  sehr  verschiedenem  Inteiesse:  von  untergeordneter  Bedeutung 
sind  alle  jene,  welche  circummediterran  sind  oder  eine  noch  weitere 
Verbreitung  haben  oder  außer  aus  einem  größern  Teile  Nord-Afrikas 
auch  aus  Kleinasien  bekannt  sind  {VcspertiUo  serotinus  isabellinuSj  V. 


266  Bruno  Klaptocz, 

hihli.  Zorilla  lijbica,  Hystrix  crisiata,  Sus  scrofa).  oder  solche,  die 
Nord-Afrika  in  seiner  ganzen  west- östlichen  Ausdehnung  eigentüm- 
lich sind  und  zum  Teil  auch  Palästina  und  Arabien  bewohnen,  ja 
bis  Indien  gehen  'können  {Vulpes  ser da.  Hyuena  hyaena,  Jaculus  jaculus, 
J.  Orientalis,  Ammotraf/tts  lervia,  Gazella  dorcas,  G.  leptoceros,  Addax 
nasomacidata  und,  falls  man  Emiaceus  deserti  mit  E.  aethiopicus 
identifiziert,  auch  dieser). 

Ungleich  wichtiger  sind  jene  Formen,  die  im  tripolitanisch- 
cyrenaischen  Gebiete  ihre  Grenze  nach  einer  Richtung  finden  oder 
endemisch  sind.  Allerdings  ist  dabei  zu  bedenken,  daß  die  dies- 
bezüglichen Verhältnisse  noch  recht  unsicher  sind,  ja  daß  es  recht 
wohl  möglich,  z.  T.  sogar  wahrscheinlich  ist,  daß  selbst  in  den  ver- 
hältnismäßig gut  explorierten  algerisch-tunesischen  oder  ägyptischen 
Gebieten  ')  die  eine  oder  andere  der  nach  unsern  jetzigen  Kennt- 
nissen in  Tripolitanien  endemischen  Formen  lebt.  Außerdem  sind 
die  beiden  hier  in  Frage  stehenden  Gebiete  sehr  ungleichmäßig 
untersucht.  Während  nämlich  Tripolitanien  in  bezug  auf  seine 
Säuger  einigermaßen  erforscht  ist,  ist  aus  Cyrenaika  oder  vielmehr 
dem  charakteristisclieu  und  weitaus  interessantesten  Teil  davon,  der 
größtenteils  hochgelegenen  und  für  ein  nord-afrikanisches  Gebiet 
ganz  eigentümliche  Verhältnisse  aufweisenden  Halbinsel  von  Barka, 
fast  gar  nichts  bekannt.  Diese  beiden  Gebiete  stehen  aber  ihrer 
ganzen  Natur  und  Vergangenheit  nach  in  einem  gewissen  Gegensatze. 
Ferner  besteht  ein  großer,  durch  Niederschlags-,  klimatische.  Boden- 
und  Vegetationsverhältnisse  bedingter  Unterschied  in  beiden  Ge- 
bieten —  Tripolitanien  und  Cyrenaika  —  zwischen  den  Inlands- 
regionen und  dem  Küstenland,  wobei  man  die  Grenze  zwischen  beiden 
am  besten  der  der  regelmäßigen  Mittelmeerniederschläge  gleich- 
setzen wird. 

Diese  fällt  im  südwestlichen  Cyrenaika  nach  Rohli-s  zusammen 
mit  der  Südgrenze  des  Flohes  und  der  „Helix  desertorum'-'-  sowie  im 
ganzen  Gebiet  mit  der  vieler  Pflanzen.  Überhaupt  mögen  die  hier 
entwickelten  Ansichten  für  andere  Tiergruppen,  welche  teilweise  in 
ungleich  höherm  Maße  als  die  Säuger  von  den  Boden-,  klimatischen 
und  Vegetationsverhältnissen  abhängig  sind,  auch  in  erhöhtem  Maße 
Geltung  haben. 

Was  nun  die  weiten  Inlandregionen  anlangt,  so  stellen  sie  sehr 
gleichtörmige   und   weder  nach  Westen  noch  nach  Osten  irgendwie 

1)  Der  riesige  westlich  vom  Nil  gelegene  Wüstenkomplex  Ägyptens 
ist  zoologisch  sehr  mangelhaft  bekannt. 


Säuger  von  Tripolis  und  Baika.  267 

absegTenzte  Gebiete  dar.  Ihre  Grenzen  nach  beiden  Jiiclitnnoen 
sind  rein  politische,  d.  h.  sie  entbehren  jeder  realen  Grnndlage. 
Diese  Ländereien  bestehen  ebenso  wie  das  Land  südlich  der  algerisch- 
tunesischen Atlas-  und  Steppen(Schotts-)reg-ion  und  wie  das  weite 
Territorium  westlicli  des  Nils,  das  politisch  zu  Ägypten  zählt,  aber 
ebenso  wie  das  Hinterland  von  Cyrenaika  nur  einen  Teil  der  so- 
genannten lib3'schen  AViiste  ausmacht,  aus  Sand-  (Areg),  Geröll- 
(Sserrir)  oder  Felswüste  (Haniniada),  bald  dichter,  bald  spärlicher 
durchsetzt  von  Oasen  oder  Oasengruppen  von  stellenweise  bedeuten- 
dem Umfang  (im  Fesan)  mit  meist  stark  salz-  mitunter  auch  schwefel- 
haltigem Wasser,  das,  oft  nicht  einmal  zutage  tretend,  außer  den 
Oasen  auch  steppenartige  Formationen  hervorbringt.  Die  Gebirge 
sind  niedrig  und  den  klimatischen  Verhältnissen  entsprechend  äußerst 
arm  an  Vegetation,  dürften  aber  gleichwohl  für  die  Fauna  von  Be- 
deutung sein,  ebenso  wie  die  ihnen  ähnlichen,  weil  meist  felsigen 
und  oft  tief  eingeschnittenen  Wasserläufe,  die  zwar  selten  und  nur 
ganz  kurze  Zeit  oberirdisch  Wasser  führen,  sich  aber  trotzdem  oft 
einer  wenn  auch  spärlichen  Baumvegetation  erfreuen. 

Daß  in  diesen  Teilen  des  tripolitanisch-cyrenaischen  Gebietes, 
dessen  Natur  und  Geschichte  dieselbe  ist  wie  die  der  östlichen  und 
westlichen  Grenzländer,  gegen  welche  sie  offen  sind,  daß  hier  auch 
die  Fauna  eine  weitgehende  Übereinstimmung  mit  der  der  Nachbar- 
gebiete aufweist,  steht  zu  erwarten.  Tatsächlich  ist  dies  auch  der 
Fall:  alle  jene  Tiere,  die  oben  als  für  ganz  Nord-Afrika  eigentümlich 
und  teilweise  noch  weiter  verbreitet  angeführt  wurden  [Vulpcs  serda 
etc.).  sind  mehr  oder  minder  Sahara-Tiere,  Wüsten-  und  Steppen- 
formen, die  aber  deshalb  die  ihnen  zusagenden  Teile  der  Küsten- 
gebiete nicht  meiden,  zumal  ja  viele  dieser  Landesteile  trotz  ihrer 
günstigem  Lage  mit  den  Binnendistrikten  noch  hinlänglich  gemein- 
same Züge  aufweisen  und  vielfach,  wie  z.  B.  die  Dünengebiete  bei 
der  Stadt  Tripolis  oder  in  der  Gegend  von  Glioms  und  Lebda,  weite 
Strecken  an  der  großen  Syrte  kaum  von  ihnen  verschieden  sind. 

Von  den  Säugern,  die  nicht  über  die  ganze  west-östliche  Aus- 
dehnung des  nord-afrikanischen  Kontinents  verbreitet  sind,  treten 
Erinaceus  deserti,  Gerbillus  dodsotii,  Psammomijs  roudairci  und  wohl 
auch  Fs.  tripoliianus,  ferner  beide  Mcriones- Arien  —  M.  shaai  wird 
in  Ägypten,  Palästina  und  Ai-abien  durch  die  Unterart  meJanurus 
RÜPPELL,  M.  shoushoei,  aus  Ägypten  nicht  bekannt,  in  Persien  durch 
M.  erythrurus  Gray  vertreten,  eine  Form,  die  ihm  so  nahe  steht, 
daß  Lataste  sie  für  identisch  erachtet  —  unverändert  in  den  west- 


268  Bruno  Klaptocz, 

liehen  Nachbarj^ebieten  auf,  während  Gcrhillus  (jerhillus  eine  östliche 
Art  und  G.  pijramidum  farabuU  die  bisher  bloß  in  Tripolitanien  »-e- 
fundene  Unterart  einer  solchen  ist.  Was  aber  die  nach  unsern 
jetzif>en  Kenntnissen  für  jene  Regionen  eig-entümlichen  Formen  an- 
laufet, so  steht  Gerhülus  eatoni  sowohl  einer  westlichen  wie  einer 
östlichen  Form  {latastei  Thomas  et  Teoüessart  —  andcrsoni  de  Winton) 
nahe  und  ebenso  auch  Lepus  whitalxri  (17,  p.  12),  während  Gerhülus 
vivax  entschieden  östliche  Verwandtschaft  zu  haben  scheint.  Ähnlich 
verhält  es  sich  mit  Acomijs  viator,  die  ein  östliches,  und  mit  Cfeno- 
dadylus  vcdi,  der  ein  westliches  Genus  vertritt.  Vesperfilio  deserti.  der 
ja  nur  eine  hoch  spezialisierte  Wüstenform  der  AwA/i-Gruppe  dar- 
zustellen scheint,  ist  hier  ohne  Interesse. 

Aus  diesen  Verwandtschaftsbeziehung-en  geht  trotz  des  spär- 
lichen Tatsachenmaterials,  über  das  wir  jetzt  noch  verfüg^en,  zur 
Genüge  hervor,  daß  die  Säug'erfauna  der  Inlandregionen  eine  Misch- 
fauna zwischen  der  algerisch-tunesischen  und  der  ägj'ptischen  dar- 
stellt und  daß  ihre  endemischen  Formen  durchwegs  in  nahen  Be- 
ziehungen zu  den  Formen  eines  dieser  Gebiete  stehen;  daß  sonach 
die  ägyptische  und  die  nordwest-afrikanische  Wüstenfauna  einander 
durchdringen  und  eine  Scheidelinie  zwischen  ihnen  nicht 
existiert. 

Anders  scheint  es  mit  der  Fauna  der  Küstengebiete  zu  stehen 
oder  vielmehr  mit  der  Fauna  der  typischen  Teile  jener  Gebiete. 
Als  solche  sind  entschieden  die  höher  gelegenen  Partien,  Gebirge 
und  Plateaus,  sowie  die  unter  ihrem  Einfluß  stehenden  Landstrecken 
aufzufassen;  denn  diese  stellen  nicht  nur  die  ältesten  bewohnbaren 
Teile  jener  Gebiete  dar,  sondern  bieten  auch  jetzt  weit  mannig- 
faltigere und  für  die  Entwicklung  einer  einigermaßen  artenreichen 
Fauna  günstigere  Bedingungen  dar  als  die  einförmigen  Steppen- 
und  Wüstenbezirke. 

Hier  werden  die  Wasserdämpfe  des  Mittelmeeres,  welche  die 
Berge  des  Inlandes  nicht  mehr  erreichen,  kondensiert  und  so  die 
Bedingungen  für  das  Gedeihen  vieler  Pflanzen,  die  dem  Binnenland 
fehlen,  geschaifen;  die  Gliederung  durch  Täler  und  Schluchten,  das 
Vorhandensein  von  Höhlen  und  Spalten,  der  Reichtum  an  Blöcken 
und  lose  den  Boden  bedeckenden  Steinen  schafft  eine  Unzahl  — 
namentlich  gegen  die  Einwirkung  des  Südwindes  —  geschützter 
Stellen  und  natürlicher  Verstecke,  die  man  in  den  weiten  Ebenen 
meist  vermißt. 

Hier   sind   zwei  Systeme   zu   unterscheiden:   das   tripolitanische 


Säuger  von  Tripolis  und  Barka.  269 

Küstengebirg'e  und  das  Hochland  von  Cyrenaika,  das  sogenannte 
Plateau  von  ßaika. 

Das  tripolitanische  Küstengebirge,  dessen  höchste  Erhebung  im 
Dschebel  Ghaiian  liegt,  streicht  bei  Choms  (Lebda,  dem  alten  Leptis) 
ans  Meer  aus;  es  kann  als  der  letzte  Ausläufer  des  Atlassvstems 
aufgefaßt  werden,  mit  dem  es  ja  auch  in  Verbindung  steht. 

Ganz  anderer  Herkunft  ist  dagegen  das  Plateau  von  Barka.  der 
nordwestliche  und  weitaus  höchste  Teil  des  libyschen  Küstenplateaus, 
das  lange  Zeit  und  möglicherweise  öfter  als  einmal  vom  afrikanischen 
Kontinent  getreunt,  vielleicht  erst  sehr  spät  mit  diesem  wieder  ver- 
bunden wurde.  Zum  tripolitanischen  Gebirge  steht  es  jedenfalls  in 
keiner  Beziehung ;  es  ist  von  ihm  vielmehr  durch  das  weite  Tiefland 
der  großen  Syrte  geschieden. 

Mit  diesen  Tatsachen  scheint  auch  die  Verbreitung  der  Säuger 
im  Einklang  zu  stehen;  daß  Tiere  von  mittelländischer  Verbreitung, 
wie  z.  B.  Sus  scrofa  oder  Hysfrix  cristata,  in  beiden  Gebieten  auf- 
treten, ist  selbstverständlich  ohne  Bedeutung.  Dagegen  sind  Macro- 
scelides,  Eliomys  und  Cfenodadylus  Gattungen  der  Atlasländer,  die 
auch  im  tripolitanischen  Küstengebiete  ^)  auftreten ;  kein  Vertreter 
von  ihnen  wurde  aber  in  dem  gut  bekannten  Ägypten  gefunden,  das 
zum  cyrenaischen  Gebiet  —  selbst  viel  zu  wenig  bekannt,  um  daraus 
Schlüsse,  noch  dazu  negative  Schlüsse,  zieheu  zu  können  —  noch 
am  ehesten  in  Beziehung  steht.-) 

Andrerseits  hat  Barka  mit  Ägypten  den  SpaJax  gemeinsam. 
Daß  er  von  Osten  kam,  ist  sicher,  daß  er  ein  verhältnismäßig  junger 
Einwanderer  ist  (der  sich  allerdings  den  außerordentlich  günstigen 
Bodenverhältnissen  entsprechend  am  Plateau  von  Barka  jetzt  weiter 
verbreitet  und  viel  zahlreichei*  findet  als  in  Ägypten  selbst),  ist 
höchstwahrscheinlich.  Übrigens  scheint  vom  Golf  von  Bomba.  an 
der  Ostküste  der  cyrenaischen  Halbinsel,  bis  zum  Nildelta,  ein  Gebiet, 
das  zoologisch  gänzlich  unbekannt  ist,  der  Küste  entlang  ein  Land- 


1)  Macroscelidcs  und  EUovnjs  dürften  übrigens  auch  etwas  tiefer  ins 
Land  gehen,  wie  dies  hinsichtlich  der  (^attung  Ctenodactyliis  feststeht  — 
allerdings  ist  die  j\Iöglichkeit  vorhanden,  daß  die  Gundis  der  Küstengebirge 
von  denen  der  Innenregion  (rali)  verschieden  sind  — ,  da  ja  Mntrosielides 
roxeti  deserii  südlich  des  Atiaszuges  (Gegend  von  Biskra)  bekannt  ist 
und  Eliomys  iinniihianus  lerotintis  LatasTE  in  der  algerischen  und  ma- 
rokkanischen Sahara  auftritt. 

2)  Am  ehesten  wäre  in  Cyrenaika  noch  ein  Vertreter  der  Gattung 
Eliomys  zu  erwarten,   die  ja  von  der  Sinai- Halbinsel  bekannt  ist. 


270  Bruno  Klaptocz, 

Streifen  zu  ziehen,  der  heutzutage  die  Wanderung  und  Verbreitung 
vieler  Formen  ermöglichen  wird.  Daß  der  Spalax  in  Tripolitanien 
fehlt,  ist  ebenfalls  sicher;  seine  auffallenden  Bauten  hätten  unmöglich 
der  Aufmerksamkeit  der  Reisenden  entgehen  können  (s.  o.  die  An- 
gabe von  RoHLFs,  der  das  Fehlen  des  „Maulwurfes"  in  Tripolitanien 
hervorhebt). 

\\'as  die  noch  übrigen  Formen  anlangt,  so  ist  Erinaccns  alc/irus 
eine  Form  der  Atlasländer,  die  östlich  bis  in  die  Umgebung  der 
Stadt  Tripolis  nachgewiesen  ist  —  die  hier  lebenden,  von  Dobsox 
als  E.  fallax  beschriebenen  Tiere  weichen  allerdings  in  der  Zeich- 
nung der  Stacheln  von  den  algerischen  etwas  ab  — ,  während  Ger- 
hilhts  (jrohheni  ägyptische  Beziehungen  aufweist. 

Die  Verbreitung  von  Mus  musculus  oricnfalis  ist  ziemlich  be- 
langlos, da  Tiere  von  der  Lebensweise  der  Hausmaus  leicht  ver- 
schleppt werden. 

Fassen  wir  die  Resultate  dieser  Betrachtungen  zusammen,  so 
scheint  es,  daß  der  Einschnitt  der  großen  Syrte  mit  den 
daran  sich  anschließenden  flachen  und  tiefgelegenen  und.  von  einzelnen 
Strecken  Weidelandes  abgesehen,  vegetationsarmen  Ebenen  die 
Grenze  bildet  zwischen  der  Fauna  der  Atlasländer,  die 
zwar  sehr  verarmt,  aber  mit  charakteristischen  Formen  bis  ins 
eigentliche  Tripolitanien  reicht  und  der  leider  noch  so  wenig  be- 
kannten Fauna  von  Barka. 

Daß  die  letztere  in  sehr  nahen  Beziehungen  zur  Fauna  vun 
Ägypten  steht,  ist  nicht  wahrscheinlich. 

Erwähnt  sei  hier  noch  die  angebliche  Armut  des  Plateaus  vou 
Barka  an  Tieren  —  Rohlfs  wundert  sich,  daß  ein  Gebiet  mit  so 
günstigen  Bedingungen  an  Tieren  so  arm  sei  im  Vergleich  z.  B.  mit 
dem  „wildreichen  Marokko"  —  womit  allerdings  hauptsächlich  jagd- 
bare Tiere  gemeint  zu  sein  scheinen. 

Man  darf  sich  nicht  verhehlen,  daß  die  obigen  Schlußfolgerungen 
an  einem  Mangel  kranken,  an  der  Spärlichkeit  des  Tatsachenmaterials; 
in  dieser  Beziehung  werden  die  aus  der  Verbreitung  anderer,  zum  Teil  für 
die  zoogeogra})hische  Forschung  wertvollerer  Gruppen  sich  ergebenden 
Schlüsse  heranzuziehen  sein.  Andrerseits  wird  jener  Mangel  teil- 
weise wenigstens  wieder  dadurch  wett  gemacht,  daß  die  die  Ver- 
breitung der  Säuger  betrettenden  Daten  im  Einklang  stehen  mit 
dem,  was  wir  vom  heutigen  Zustand  jener  Gebiete  und  dem  ver- 
gangener Zeiten  wissen. 


Säuger  von  Tripolis  und  Barka.  271 


Literaturverzeichnis. 


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272  Bhuno  Kläptocz,  Säuger  von  Tripolis  und  Barka. 

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20.  Thomas,   0.  M.  et  E.  TrouesSART,  Note  sur  les  rongeurs  de  Tunisie 

recueillis    par    M.   Marius  Blanc,    in :    Bull,    Soc.    zool.    France, 
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21.  Trouessart,  E.  L.,   Catalogus  mammalium  tarn  viventium  quam  fos- 

silium,   ßerolini   1898—1899. 

22.  — ,   Quinquennale  supplementum,    1904. 

23.  — ,  La  faune  de  maramiferes  de  l'Algerie,   du  Maroc  et  de  la  Tunisie, 

in:   Caus.   sc.   Soc.   zool.  France,  Vol.   1,    1905. 

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Gray  (Mus  Guudi,  Rothm.),  in:  Proc.  zool.  Soc.  London,  Part  1, 
1830—1831  (p.  48). 


Nachdruck  verboten. 
Uhersetzungsrecht    vorbehalten . 


Lepidopteren  aus  Tripolis  und  Barka. 

Gesammelt   von    Dr.    B  k  u  n  o    K  i-  a  p  t  o  c  z. 

Bearbeitet  von 
Prof.  H.  Rebel 

(k.  k.  naturh.  Hofmuseum  in  Wien). 
Mit  1  Äbbildang  im  Text. 


Für  Tripolis  nnd  Beng-asi  (Barka)  lagen  bisher  keine  zusammen- 
bängenden  faunistiscben  Nachricbten  über  Lepidopteren  vor. 

Um  so  wünschenswerter  erschien  es  mir  daher,  über  die  vor- 
liegende Ausbeute  berichten  zu  können,  welche  66  Arten  enthält, 
die  nachstehenden  Familien  angehören: 


Papilionidae 

1 

Pieridae 

4 

Nymphalidae 

Lycaenidae 

Hesperiidae 

Splünyidae 

A'ociuldae 

3 
4 
2 
4 

18 

Geovietridae 

4 

Ärctiidae 

1 

Psycliidae 
Pyralidae 

2 
16 

Pterophoridae 

1 

lortricidae 

1 

Gelechiidae 

2 

Tinacgeriidae 
Tiueidae 

1 
2 

Jalirb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst. 

Zool.  Jalirb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  18 


274  H.  Rebel, 

1  Pyralide  (Crambine)  und  2  Tineiden  waren  als  neu  zu  be- 
schreiben; von  letztern  gehört  1  auch  einer  neuen,  sehr  ursprüngliche 
Charaktere  aufweisenden  Gattung-  [CatapsUothrix)  an.  Außer  den 
3  unbeschriebenen  Arten  (No.  45.  65  u.  66)  waren  noch  3  P3'raliden 
(No.  44,  47  u.  58j,  1  Tortricide  (Xo.  61)  und  1  (fraglicher)  Gelechiide 
(No.  62)  neu  für  die  nord- afrikanische  Fauna. 

Von  den  restlichen  58  Arten  waren  57  bereits  aus  dem  west- 
lichen Nord-Afrika  (Marokko  bis  Tunis)  nachgewiesen  und  hiervon 
aucli  39  aus  Agj'pten.  1  einzige,  ungenügend  gekannte  Pyralide 
(No.  46)  ist  bisher  erst  aus  Ägypten,  nicht  aber  aus  den  westlichen 
Teilen  Nord-Afrikas  (die  der  Kürze  halber  als  Mauretanien  bezeichnet 
sein  mögen)  nachgewiesen. 

Die  Anteilnahme  Ägyptens  und  Mauretaniens  an  dem  Faunen- 
bestande  von  Tripolis  und  Barka  würde  sich  nach  obigem  annähernd 
wie  5 :  7  verhalten.  Wenn  auch  dieses  Zahlenverhältnis  aus  mannig- 
fachen Gründen,  die  hier  nicht  näher  angeführt  zu  werden  brauchen, 
gewiß  den  tatsächlichen  Verhältnissen  nicht  entspricht,  so  erhellt 
doch  ein  Überwiegen  des  mauretanischen  Einflusses  daraus,  der  in 
schwerwiegender  Weise  namentlich  durch  das  Vorkommen  von 
Teracolus  nonna  (No.  4)  unterstützt  wird,  da  die  Verbreitung  dieser 
in  Ägypten  fehlenden  Pieride  mit  größerer  Vollständigkeit  bekannt 
ist  und  die  Art  in  Tripolis  die  Ostgrenze  ihrer  Verbreitung  finden 
dürfte. 

Das  in  der  Ausbeute  vorhandene  Heteroceren-Material  Avurde 
teilweise  durch  Lichtfang  erbeutet,  welcher  sich  auch  in  den  meisten 
Wüstengebieten  als  vorzügliche  Sammelmethode  bewährt. 

Die  fauuistisch  wichtigsten  Belegstücke  der  Ausbeute  wurden 
von  Herrn  Dr.  Klaptocz  in  freundlichster  Weise  dem  k.  k.  Natur- 
historischen Hofmuseum  überwiesen. 

Wien,  am  23.  Juni  1908. 


PapiUonidae. 

1.  Papilio  ftiachaon  L.  vcir,  sphyrus  Hb. 

(Kat.  Stgr.-Ebl.  No.  4b.j 

In  Bengasi  am  31.  August  ein  sehr  kleines  S  (30  mm  Vorder- 
flügel), an  den  Lehnen  und  am  Gipfel  des  Dschebel  Gosseba  (Gharian- 
Gebirge)  am  16.  September  ein  größeres  Pärchen  erbeutet. 


Lepidopteren  aus  Tripolis  und  Eaika.  275 

Bei  sämtlichen  3  Stücken  ist  die  lebhaft  blau  bestäubte  Saum- 
binde der  Hinterflü^el  sehr  breit  und  verbindet  sich  bei  dem  erst- 
o^enannten  S  durch  einen  vorsprino-enden  Zacken  längs  der  Ader  M^ 
mit  dem  breit  schwarz  beschujjpten  Querast.  Dieser  Zacken  findet 
sich  auch  beim  $  vom  Dschebel  Gosseba.  Die  spitzen  Hinterflüoel- 
schwänze  sind  von  normaler  Länge. 

Die  gleiche  Lokalform  findet  sich  auch  in  Algerien,  scheint  aber 
in  Äg^^pten  zu  fehlen. 


Pieridae. 

2.  JPierfs  rapae  L.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  48). 

Aus  der  Meschia  bei  Tripolis  vom  6.  ,)uli  und  von  den  Gärten 
im  kesselartigen  Beginn  des  Wadi  Rumana.  in  unmittelbarer  Nähe 
des  Kastells  von  Gharian  vom  17.  September  liegt  eine  Anzahl  Stücke 
beiderlei  Geschlechts  vor.  Die  Art  war  an  den  genannten  Lokali- 
täten häufig. 

Die  (männlichen)  Stücke  von  letzterm  Fangdatum  sind  rein 
weiß  mit  ziemlich  breitem  schwarzen  Apicalteil,  kleiner  schwarzer 
Makel  in  Saumzelle  3  der  Vorderflügel  und  oft  verschwindender 
Vorderrandsmakel  der  Hinterflügel.  Der  Hinterleibsrücken  ist 
schwärzlich-grau. 

Überall  in  Nord- Afrika  verbreitet. 

3.  Pieris  dapUdice  L.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  57). 

In  der  Meschia  bei  Tripolis,  8.  August  und  in  Dernah,  18. — 22. 
August,  auf  Kleefeldern  häufig. 

Die  Stücke  sind  klein,  mit  lebhaft  schwarzer  Fleckung.  Zeichnung 
der  Hinterflügel  unterseits  graugrün. 

Überall  in  Nord- Afrika  verbreitet. 

4.  Tevacolus  evaffore  Klug  vaf.  noiina  Luc. 

(Kat.  Stge.-Rbl.  No.  80a.) 

Nur  2  SS,  welche  (in  Tripolis,  Gharian-Gebirge)  auf  dem  Wege 
von  Sauja  nach  Gharian.  am  16.  September,  an  einer  sehr  sonnigen 
Berglehne  erbeutet  wurden.  Daselbst  war  der  Falter  nicht  selten. 
Er  wurde  auch   am  Dschebel  Gosseba  und  bei  Gharian  beobachtet. 

18* 


276  H.    ßEBEL. 

Nur  eines  der  beiden  S^  ist  ^ut  erhalten  und  stimmt  oberseits 
vollständig?  mit  einem  bei  Biskra  im  März  von  Mrs.  NiCHOLii  (MO.) 
erbeuteten  S  überein.  Die  Unterseite  der  Hinterflüg-el  ist  jedoch 
hier  weiß,  gegen  die  Ränder  citronengelb  angeflogen ,  entbelirt  also 
der  ockerrötlichen  und  grauen  Bestäubung  der  Frühjahrsgeneration 
von  Biskra. 

Die  nord-afrikanische  notma  steht  jedenfalls  arabischen  Stücken 
von  evagore  Klug  ungleich  näher  als  nubischen  Stücken  von  daira 
Klug  und  unterscheidet  sich  im  männlichen  Geschlecht  von  erstem 
nur  durch  den  weniger  feurigen,  mehr  orangegelben  als  orangeroten 
Apicalfleck  der  Vorderflügel.  Das  $  ist  auf  der  Hinterflügeloberseite 
bei  nonna  deutlicher  gezeichnet,  als  es  arabische  evagore-^  sind.  Die 
Vorderflügellänge  beträgt  bei  den  vorliegenden  noiina-Stücken  von 
Tripolis  und  Biskra  nur  15  mm.  ist  also  beträchtlich  geringer  als 
in  den  Originalabbildungen  von  Lucas  ')  und  den  neuerlich  publi- 
zierten Abbildungen  von  Meade-Walüo  -),  wo  sie  zwischen  16  und 
18  mm  liegt.  Dagegen  zeigen  die  von  Andeeas^)  gebrachten  6 
photographischen  Bilder  die  Spannweite  der  vorliegenden  Stücke. 
Die  Hinterflügel  sind  oberseits  bei  den  vorliegenden  '^S  von  Tripolis 
bis  auf  3 — 4  kleine  schwarzgraue  Saumpunkte  gegen  die  Spitze 
rein  weiß. 

Teracolns  nouna  ist  bisher  nur  in  den  Gebirgen  Nordwest-Afrikas 
gefunden  worden,  erreicht  demnach  in  den  eingangs  genannten  Fund- 
orten die  Ostgrenze  der  bisher  bekannt  gewordenen  Verbreitung. 

Auch  die  ersten  Stände  wurden  von  Akdreas  (1.  c.)  beschrieben. 
Die  Raupe  lebt  nach  Lord  Walsingham  ■*)  auf  Capparis  spinosa  L. 
Die  Art  dürfte  mehr  als  2  Generationen  im  Jahre  bilden,  da  Meade- 
Waldo  (1.  c,  p.  872)  sie  von  Ende  Juni  erwähnt  (März,  Juni, 
September). 

5.  Collas  ediisa  F.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  113). 

Eine  Anzahl  Stücke  beiderlei  Geschlechts  von  Tripolis,  25.  Juli 
und  8.  August,  von  Dernah,   24.  August  und  Bengasi,  4.  September. 
Die  Stücke  stimmen  mit  solchen  aus  Süd-Europa  überein. 
Die  Art  ist  überall  im  Mediterrangebiete  häufig. 


1)  Explor.  scieiit.   d' Alger.,  tab.    1,   fig.   2   $,   2a  S- 

2)  In:    Trans,    entoraol.   Soc.  London,    11)05,    tab.    19,   fig.   8   S-   9   $. 

3)  In:   Entomol.   Ztschr..   Guben,    Vol.    19,   p.    141. 

4)  In:  Monthl.   Mag.   (2),   Vol.    15,    1904,   p.  99. 


Lepidopteren  aus  Tripolis  uud  Barka.  277 

Nymphalidac. 

6.  Ptjr<nneis  cardni  L.  ^)  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  154), 

Eine  Anzahl  Stücke  von  Tripolis  und  Deinali,  aber  auch  sonst 
an  allen  Orten  (gesehen ,  in  der  Steppe  und  im  Gebirge,  besonders 
gern  auf  Kleefeldern.  Der  scheue  Falter  fliegt  noch  in  der  Dämme- 
rung und  ist  in  ganz  Afrika,  seiner  wahrscheinlichen  Urheimat, 
überaus  häufio' 


r^' 


7.  Arf/f/inii's  pandora  Shifp.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No,  240). 

Nur  1  S  im  Bette  des  Dern ah- Baches   am  24.  August  erbeutet. 
Ebenfalls  aus  Algerien,  nicht  aber  aus  Ägypten  bekannt. 


8.  Fai'ariße  iner/aera  L.  (Kat.  Stgh.-Rbl.  No.  390). 

Nur  ein  Pärchen  von  Dernah.  19.,  21.  August.  Die  Stücke 
stimmen  bis  auf  die  geringe  Größe  —  das  S  zeigt  nur  18  mm  Vorder- 
tlügellänge  —  mit  solchen  aus  Mittel-Europa  überein. 

Die  Art  ist  in  Algerien  weit  verbreitet. 


Lycaenidae. 

9.  Chvifsophanus  lyJilaeas  L.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  512), 

Mehrere  Stücke  von  Tripolis,  25.  Juli,  und  Dernah,  18. — 21.  August 
gehören  der  länger  geschwänzten  Sommergeneration  an.  Die  Vorder- 
flügel zeigen  die  rotgoldene  Grundfarbe  unverdunkelt. 

Überall  in  Nord- Afrika  verbreitet. 

10,  Polyonimatus  boetlcus  L.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  529) 

Nur  1  d  in  der  Meschia  bei  Tripolis  auf  einem  Kleefeld  am 
8.  August  erbeutet. 

Die  Art  ist  überall  in  Afrika  verbreitet. 


5)  P>/mmpis    atahinia  L.    wurde    von    Dr.  Klaptocz    am    7.  .Tuli    in 
der  Meschia  bei  Tripolis  sieber  beobachtet,  aber  nicht  erbeutet. 


278  H.  Hkbkl, 

11.  Tarueiis  theophrastus  F.  (Kat.  Stor.-Ebl.  No.  532). 

Eine  größere  Anzahl  Stücke  beiderlei  Geschlechts  von  Tripolis, 
Ghezzam,  Dernah-Tal,  Dschebel  Gosseba,  der  Strecke  Gharian^-Tripolis 
in  der  Zeit  vom  12.  Juli  bis  21.  September  erbeutet.  Der  Falter 
flüchtet  sich  zumeist  in  stachelige  Büsche. 

Die  Art  ist  überall  in  Nord-Afrika  verbreitet. 

12.  Lycaena  If/simon  Hb.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  569). 

Eine  große  Anzahl  Stücke  beiderlei  Geschlechts  von  Tripolis, 
Ain  Zara,  Bengasi,  Dernah,  zwischen  dem  6.  Juli  und  28.  August 
erbeutet,  gehören  der  Form  Jcnysna  Tkim.  ^j  an.  Einige  ?$  sind 
oberseits  einfarbig  schwarzbraun. 

Überall  in  Afrika  sehr  häufig. 

Hesperiidae. 

13.  Cavchnrodus  aleeae  Esp.  imr\  australis  Z. 

(Kat.  Stge.-Rbl.  No.  686a). 

1  einzelnes  ?  bei  Dernah  am  18.  August  erbeutet. 
Auch  aus  Algier  bekannt. 

14.  Parnara  nostrodanius  F.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No,  680). 

Nur  1  $  von  Tripolis,  vom  25.  Juli. 

Überall  in  Nord-Afrika  verbreitet,  nicht  häufig. 

Sphingidae. 

15.  Aeherontia  atropos  L.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  717). 

Tripolis  und  Bengasi  anfangs  September  je  1  Stück  (S ,  ?)• 
Das  letztere  auf  der  Punta,  einer  südlich  von  Bengasi  ganz  aus 
Sand  bestehenden  Landzunge,  die  mit  höhereu  Grasbüschen  besetzt 
ist,  erbeutet.  Der  Falter  war  in  einem  solchen  Busch  verborgen. 
Die  Stücke  zeigen  ein  normales  Aussehen.  Die  Art  ist  in  ganz 
Afrika  häufig. 


1)  Vgl.   Rebel,    in:    Denkschr.   Akad.   Wiss.   AVien,   Vol.    71,    p.   44. 


Lepidopteren  aus  Tripolis  und  Barka.  279 


16.  Protoparce  conrolvuU  L.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  735). 

Auf  der  Punta  bei  Beiigasi  am  27.  August  und  2.  September 
je  1  Stück  (c^,  $),  ebenfalls  in  Grasbüschen  verborgen,  erbeutet. 

Die  Stücke  .sind  sehr  groß.  Die  Art  ist  wie  die  vorige  überall 
in  Afrika  verbreitet. 


17.  Daphnis  nerli  L.  (Kat.  Stgr.-Rel.  No.  738). 

Die  Raupen  waren  im  Dernah-Tal  von  Mitte  August  ab  an 
Oleandei'büschen  sehr  zahlreich.  Aus  einer  mitgenommenen  Raupe 
entwickelte  sich  am  11.  September  der  Falter. 

Die  Art  ist  überall  in  Nord-Afrika  verbreitet. 

18.  Ilacrof/Jossa  stellatarum  L.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  768). 

Dernah,  22. — 25.  August  mehrfach,  auch  anderwärts  beobachtet. 
Überall  in  Nord-Afrika  häufig. 


Nocfitidae. 

19.  Agrotis  yiisiloti  Rott.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  1399). 

Bengasi,  4.  September,  1  c^:. 

Die  Art  ist  in  Nord-Afrika  überall  verbreitet. 

20.  Glottula  imncratii  Cyr.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  1435). 

Die  Raupen  bei  Bengasi  anfangs  September  gefunden. 
Die  Art  ist  an  der  ganzen  Küste  Nord- Afrikas  verbreitet. 

21.  Mamestra  sodae  Rbr,  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  1478). 

1  geflogenes  $  von  Bengasi  vom  8,  September. 
Die  Art  ist  auch  aus  Algerien  nachgewiesen. 

22.  Bvfjoi^hiUi  raviila  Hb.  rar,  vandalusiae  Dup. 

(Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  1588b.) 

1  einzelnes  S  von  Gharian. 

Nur  die  Stammform  war  bisher  aus  Algerien  bekannt. 


280  H.  Rebel, 


23.  Carndrina  exiffua  Hb.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  1990). 

Von  Tripolis  17.  Juli  und  Dernali  24.  August. 
Die  Art  ist  in  ganz  Afrika  verbreitet. 


24.  Heliothls  iiiihiger  Hb.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  2326). 

3  Stücke  von  Ghezzan  und  Tripolis.  13. — 30.  Juli. 

Die  Art  Avar  bereits  aus  Algerien  und  Ägypten  bekannt. 


25.  OCJialpochares  velox  Hb.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  2394). 

Nur  1  S  in  Tripolis  am  9.  Juli  erbeutet. 

Die  Art  ist  bisher  aus  Algerien  bekannt  gewesen. 


26.  Thalxjoehares  parva  Hb.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  2429). 

Mehrfach  in  Tripolis  und  Bengasi  in  der  Zeit  vom  19.  Juli  bis 
7.  September  erbeutet. 

Bereits  aus  Algerien  und  Ägypten  nachgewiesen. 


27.  Emmelia  trahealis  Sc.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  2490). 

Dernah,  20.  und  27.  August,  mehrfach  in  der  Stammform  er- 
beutet. 

Bisher  nur  in  mehr  gelb  gefärbten  Lokalformen  aus  Algerien 
bekannt  gewesen. 

28.  JPlusia  yauiina  L.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  2562). 

Überall  als  häufigste  Eule  beobachtet.    Die  vorliegenden  Beleg- 
stücke stammen  aus  dem  August  von  Tripolis,  Dernah  und  Bengasi. 
In  ganz  Nord-Afrika  sehr  häufig. 

29.  Plasia  ni  Hb.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  2571). 

Nur  1  Stück  von  Tripolis  vom  8.  xlugust. 
Die  Art  ist  auch  aus  Algerien  und  Ägypten  (Rothschild)  nach- 
gewiesen. 


Lepidopteren  aus  Tripolis  und  Barka.  281 

30.  Cerocala  scapiiJosa  Hh.  var.  (ffgirlae  Outhr. 
(Kat  Stgk.-Rt5l.  No.  2594b). 

Mehi'ere  Stücke  liegen  vuii  Fuiiduk  Ergeat,  20.— 21.  September, 
Erdschila  und  "Weg  von  Asisia  ins  Gebirge,  14.  September,  vor.  Die 
Art  fliegt  sowolil  zur  Mittagszeit,  als  aucli  ans  Lampenlicht  zur 
Nachtzeit, 

Die  Art  ist  in  der  Form  cdgiriae  aus  Algerien,  in  der  Form 
Sana  Stgk.  auch  aus  Ägypten  (Wakren)  bekannt. 

31.  Leueanitis  hoisdeffrei  Obtiii;.  (Kat.  Stgk.-Rbl.  No.  2641). 

Nur  1  ?  von  Dernah.  18.  August. 
Aus  Algerien  und  Ägypten  bekannt. 

32.  Zieneanitis  stolUla  F.  (Kat.  Stgk.-Eel.  No.  2642). 

Mehrfach  in  Tripolis,  25. — 27.  .Juli,  und  Dernah,  23.  August,  er- 
beutet. 

Auch  in  Algerien  und  Ägj^pten  häufig. 

33.  Gvammodes  algira  L.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  2644). 

1  Stück  von  Dernah  vom  20.  August. 
Überall  in  Afrika  verbreitet. 

34.  Catocala  nymphaea  Esp.  (Kat.  Stgr.-Ebl.  No.  2697). 

1  großes  S  wurde  in  der  größten  Mittagsglut  in  der  bloß  von 
Schilf  und  Gräsern  bewachsenen  Endschila  am  23.  Juli  erbeutet. 

Es  setzte  sich  öfter  auf  Schilf.  Von  Bäumen  w^aren  nur  Dattel- 
palmen in  der  Nähe. 

Aus  Algerien  bereits  bekannt. 


^G^ 


35.  Apoiyestes  siJectvum  Esr.  (Kat.  Stgk.-Rbl.  No.  2721). 

In  den  Steinbrüchen  bei  Ghezzan  am  18.  Juli  ziemlich  häufig 
in  der  Stammform  in  Löchern  der  Höhlen  sitzend. 

1  kleineres  S  aus  der  „Kirche"  von  Dernah  vom  22.  August 
gehört  nach  den  ganz  verloschen  gezeichneten  Vorderflügeln  der 
var.  (ab.)  phantasma  Ev.  an.  Die  Hinterflügel  entbehren  auf  der 
Unterseite  des  Mittelpunktes,  den  diese  Form  zeigen  soll. 


282  H.  Rebel, 

Die    Stammform    war    bereits    aus   Algerien    bekannt,    die    mr. 
Phantasma  ist   bislier   nur   für  West-  und  Zentral- Asien   angegeben. 

36.  Apoiyestes  cMtaplianes  Hb.  var,  maura  Stgk. 
(Kat.  Stgk.-Rbl.  No.  2721  e). 

2  Stücke  in  Gliezzan  bei  Tripolis,  am  13.  Juli  erbeutet,  gehören 
dieser  stark  rötlich  gefärbten  algerischen  Lokalform  an. 


Geomctridae. 

37.  Aeklalia  ochroleiicata  Hs.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  3008). 

Nur  2  weibliche  Stücke  von  Dernah,  20.  August. 

Die  Art  ist  auch  aus  Ägypten  und  Algier  (Korb  1902)  bekannt. 

38.  RJiodouietra  sacraria  L.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  3143). 

Während  der  ganzen  Reise  an  allen  Lokalitäten,  vom  13.  Juli 
bis  1 7.  September  beobachtet  und  in  zahlreichen  Exemplaren  beiderlei 
Geschlechts  gesammelt. 

Es  befinden  sich  auch  die  ab.  excaecaria  Fuchs  ^)  mit  fast 
zeichnungslos  gelben  Vorderflügeln  und  ab.  ochraccaria  Fuchs  (1.  c.) 
mit  mehr  ockergelben  Vorderflügeln  und  bräunlichen  Querstreifen 
einzeln  darunter. 

Die  Art  ist  überall  in  Nord-Afrika  verbreitet. 

39.  Selidosenia  anibustaria  Hg.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  4007). 

Nur  1  S  von  Mimuna.  östlich  nahe  Gharian  am  20.  September 
ei'beutet. 

Die  Art  ist  auch  aus  Algier,   nicht  aber  aus  Ägj^pten  bekannt. 

40.  Thamnoiionia  seinicanaria  Fee.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  4009) 

Nui'  1  frisches  ?  vom  Dschebel  T'kut  vom  18.  September. 
Die   Art  ist  wie   die   vorige   auch   aus  Algier,   nicht   aber  aus 
Ägypten  bekannt. 


1)  Fuchs,  in:   Soc.   EntomoL,  Vol.   18,  p.  3. 


Lepidopteren  aus  Tripolis  und  Barka.  283 

Arctiidae. 

41.  Dempeia  pidchella  L.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  4257). 

Nur  in  Dernali  am  Abend  des  24.  August  in  3  frischen  weib- 
lichen Stücken  erbeutet. 

Die  Art  ist  in  ganz  Afrika  sehr  liäufig-. 

Fsychidae. 

42.  Ainicta  (/uffdranf/iilarls  Chr.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  4452). 

Mehrere  zu  %  Teilen  erwachsene,  so  charakteristisch  gebaute 
Säcke  dieser  Art  wurden  am  18.  Juli  bei  Tadschura  und  2  voll- 
gewachsene Säcke  in  Ain  Zarah  am  20.  Juli  gefunden.  Die  Haupen 
vertrockneten  und  ergaben  keine  Falter.  Die  Art  ist  auch  aus 
Algier  und  Ägypten  bekannt. 

43.  Amicta  lutea  Stgk.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  4456). 

1  sehr  großes,  leider  abgeflogenes  S  von  fast  14  mm  Vorder- 
flügellänge kam  in  Gharian  am  19.  September  ans  Licht  geflogen. 
2  große  weibliche  Säcke  am  Dschebel  Teghrinna  am  gleichen  Tage 
gefunden,  gehören  zweifellos  derselben  Art  an. 

Die  Art  ist  auch  aus  Algerien  bekannt. 


■ö' 


Pyralidac. 

44.  PJatytes  jyaUideUus  Drp.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  143). 

1  frisches  S  dieser  seltnen  Art  wurde  bei  Tripolis  am  25.  Juli 
erbeutet. 

Die  Art  war  bisher  nur  aus  Süd-Frankreich,  Katalonien  und 
Sicilien  bekannt  und  bildet  eine  sehr  interessante  Bereicherung  der 
nord-afrikanischen  Fauna. 

45.  Ancyloloniia  tripolitella  fi.  si^.  (S). 

2  S6  auf  dem  Djebel  Gosseba  (westlich  vom  Dorfe  Sauja  im 
Gharian-Gebirge)  am  16.  September  1906  erbeutet,  stehen  der  von 
Algier   (Bone)   bekannt   gemachten   Aue.   hipponella  Rag.  ')   so   nahe, 


1)  lu:  Ann.  Soc.  entomol.  France,  1888,  p.  279,  tab.  6,  fig.  11  ^,  12  ?. 


284  H.  Rebel 


daß  ich  anfangs  dachte,  diese  Art  vor  mir  zu  haben.  Die  Beschaffen- 
heit der  männlichen  Fühler,  welclie  bei  hipponella  wie  bei  contritella  Z. 
nur  stark  kompreß  und  schwach  g-ekerbt  sind,  ist  jedoch  eine  ganz 
verschiedene,  da  dieselben  lange,  einreihige  Kammzähne  zeigen, 
welclie  bis  zur  Geißelspitze  reichen. 

Die  im  Vergleich  zu  contritella  etwas  schmälere  Flügelform  und 
dunklere  Grundfarbe  der  mit  breiterer,  rein  weißer  Längsstreifen- 
zeichnung versehenen  Vorderflügel  hat  tripoUteUa  mit  hipponella  ge- 
meinsam. Die  Hinterflügel  führen  knapp  vor  dem  Saum  (wie  con- 
tritella und  hipponella)  einen  dunklen  Bogenstreifen ,  worauf  der 
Flügelgrund  heller  weißlich  wird. 

Die  Palpen  sind  bei  contritella  stärker  gekrümmt  als  bei  tripoli- 
tella,  bei  beiden  Arten  aber  gleich  lang. 

In  der  Gruppe  mit  kammzähnigen  männlichen  Fühlern  bleiben 
Änc.  pectinatella  Z.  und  anonjyrella  Chret.  viel  kleiner.  Letztere 
Art,  ebenfalls  aus  Nord-Afrika  (Algier)  beschrieben,  zeigt  überdies 
einen  viel  heilem  Grund  der  Vorderflügel,  mit  dunklem  Längsstrahl 
aus  der  Wurzel  durch  die  Mittelzelle  und  rein  weiße  ungezeichnete 
Hinterflügel. 

Die  neue  Art  gehört  trotz  ihrer  verschiedenen  Fühlerbildung 
unbedingt  in  die  cow/nY^Z/a-Gruppe.  Exp.  26  mm  (bei  anargijrella  nur 
21  mm). 

46.  SchoenoMus  niloticns  Z.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  189). 

1  d  von  Tripolis  am  27.  Juli  und  1  $  in  Bengasi  am  28.  August 
erbeutet,  dürften  dieser  aus  Ägypten  beschriebenen,  wenig  gekannten 
Art  angehören. 

Die  Stücke  sind  geflogen. 

47.  Schoenohius  aJpheralzii  Stge.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  190). 

1  ausnehmend  dunkles  ?  von  Bengasi  am  8.  September  stimmt 
annähernd  mit  süd-russischen  Arten. 

Auch  diese  Art  ist  ungenügend  bekannt  und  bisher  nur  aus  Süd- 
Rußland  bis  Turkestan  angegeben. 

48.  Eniatheudes  tunesiella  Rag.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  221). 

1  stark  geflogenes  S  von  Dernah,  20.  August,  gehört  fast 
zweifellos  dieser  aus  Tunis  beschriebenen  Art  an. 


Lepidoptereu  aus  Tripolis  und  Barka.  285 

49.  Ephestia  calideUa  Gx.  (Kat.  Stge.-Rbl.  No.  257). 

1  gut  erhaltenes  ?  von  Tripolis,  am  2.  August  erbeutet. 
Überall    im   Mediterrangebiet   mit   dem   menschlichen   Haushalt 
verschleppt. 

50.  JEphestia  figulUelht  Gregs.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  258). 

Eine  Anzahl  Stücke  von  Tripolis  und  Dernah  in  der  Zeit  vom 
17.  Juli  bis  20.  August  erbeutet. 
^^'ie  die  vorige  verbreitet. 

51.  Satebrkf  brephieUa  Stük.  (Kat.  Stgk.-Rbl.  No.  61H). 

Von   Funduk  Ergeat  am  21.  September  1   geflogenes   ?   dieser 
aus  Algier  bekannten  Art. 

52,  Nephropteryx  dh'iseUa  Dup.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  667). 

1  frisches  $  in  Tiipolis  am  27.  Juli  erbeutet. 
Die  Art  ist  iu  ganz  Afrika  verbreitet. 

53.  Aglossa  pinguinnlis  L.  var.  asiatica  Ersch. 

(Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  825b). 

8  Stücke   iu  Tripolis  zwischen   dem  31.  Juli  und  5.  August  er- 
beutet, gehören  dieser  aus  Nord- Afrika  bereits  bekannten  Form  an. 

54.  Pgralfs  farinaJis  L.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  836). 

In  Tripolis  zwischen  9.  Juli  und  12.  August  eine  Anzahl  unter- 
einander aberrierender  Stücke  erbeutet. 
Überall  in  Nord- Afrika  verbreitet. 

55.  Glijx)hodes  unionalis  Hb.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  998). 

1  frisches  'l  in  Bengasi  am  2.  September. 
Die  Art  ist  überall  in  Afrika  verbreitet. 

56.  NoniophiUi  noctiiella  Shiff.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  1839). 

In   Dernah,    20.  August    und    Funduk    Ergeat,    21.  September 
(Dschefaraebene  nördlich  vom  Gharinan-Gebirge). 
Die  Art  ist  kosmopolitisch  in  ihrer  Verbreitung. 


286  H.  Rebel, 

57.  Mecyna  polf/f/onalis  Hb.  var,  gilvata  F. 

(Kat.  Stge.-Rbl.  No.  1073a). 

3  Stücke  von  Tadschura  am  17.  Juli  erbeutet.  Auch  die  Raupe 
wurde  ebenda  an  einem  hohen,  besenginsterartigen  Strauch  zu 
Mittags  an  den  blattlosen  Zweig-en  sitzend  gefunden. 

Überall  in  Nord- Afrika  verbreitet, 

58.  Pj/raustn  nubilalls  Hb.  (Kat.  Stgr.-Rbl,  No.  1218). 

1  geflogenes  v'  dieses  Kulturschädlings  wurde  in  Dernah  am 
18.  August  erbeutet. 

Trotz  ihrer  bis  Japan  reichenden  Verbreitung  wurde  die  Art 
bisher  aus  Nord- Afrika  noch  nicht  angeführt. 


*o' 


59.  NoctueUa  floralis  Hb.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  1291). 

Eine  Anzahl  Stücke  von  Dernah  (auf  F'eldern  häufig)  und 
Bengasi,  19.  August  bis  7.  September  erbeutet,  gehören  dieser  in 
Nord-Afrika  verbreiteten  Art  an. 


Pterophoridae. 

60.  Affdistis  ?  spJiinx  Wlsghm.  ^) 

1  stark  geflogenes  S  von  Sejanah  ca.  12  km  nördlich  von 
Bengasi  am  4.  September  erbeutet,  geholt  wahrscheinlicli  dieser 
kürzlich  aus  Algier  (Constantine-Biskra)  beschriebenen  Art  an. 

Tortricidae. 

61.  Crocidosenia  plehejana  Z.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  1968). 

1  geflogenes  $  in  Bengasi  am  6.  September  erbeutet. 
Die  Art  ist  auffallenderweise  noch  nicht  aus  Nord- Afrika  an- 
geführt. 


1)  In:  Entomol.   Rec,   Vol.    19,  p.   54  (1907). 


Lepidopteren  aus  Tripolis  und  Barka.  287 

Gelecliiidae. 

62.  Bnjotropha  ?  hnj^erltella  8tge.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  2516). 

1  ölig  gewordenes  Stück  aus  Ghariaii,  16.  September,  dürfte 
dieser  aus  Andalusien  und  Süd- Frankreich  bekannt  gewordenen  Art 
angehören. 

63.  LiUr  (leserteUa  Rbl.  (Kat.  Stgr.-Rbl.  No.  2656). 

Einige  Stücke  von  Tripolis,  17.  Juli,  dürfte  hierher  gehören. 
Aus  Algier  beschrieben. 

Tinaegeriidae. 

64.  ErettHocera  inicroharh(tr<i  Wlsghm.  ^) 

1  einzelnes  S  von  Dernah  vom  25.  August  stimmt  vollständig 
mit  den  Angaben  Lord  Walsingham's  für  diese  jüngst  aus  Algerien 
beschriebene  Art.  Das  Stück  zeigt  bloß  4.5  mm  Vorderflügellänge, 
ist  also  beträchtlich  kleiner  als  die  zunächst  stehende  mcdineUa  Stgr. 

Tineidae 

65.  CatapsHothrioc  Ulaptoc^l  n.  g,  n.  sp. 

2  weibliche  Stücke  von  Gharian,  am  17.  September  erbeutet, 
erinnern  habituell  an  die  nordmediterrane  Pemstoglossa  (Psilothrix) 
dardoinella  Mill.,  entfernen  sich  aber  in  den  oi'ganischen  Merkmalen 
weit  davon  und  nötigen  zur  Aufstellung  einer  neuen  Gattung,  die 
nachstehende  Merkmale  zeigt : 

Die  weiblichen  Fühler  sind  ziemlich  lang  doppelkammzähnig 
bis  zur  Spitze,  die  Kammzähne  sind  jedoch  w^eich  und  legen  sich  an 
den  ziemlich  dicken  Geißelschaft  an.  Die  stark  hervortretenden 
Augen  sind  nackt.  Die  Labialpalpen  zeigen  mehr  als  den  doppelten 
Augendurchmesser  an  Länge;  ihr  rauh  beschui)ptes  Mittelglied  ist 
schwach  aufwärts  gekrümmt  und  vor  der  Insertion  des  kurzen 
pfriemenförmigen,  ebenfalls  beschui)pteii  Endglieds,  etwas  nach  ab- 
wärts gerichtet.  Rüssel  und  Nebenpalpen  fehlen.  Der  Körper  ist 
sehr  robust,  der  Hinterleib  überragt  mit  mehr  als  der  Hälfte  seiner 


1)  lu:  Monthl.   Mag.  (2),   Vol.    18,    1907,  p.    149. 


288 


H.  Rküki, 


Länge  den  Aftei-winkel  der  Hinterfliigel  und  endet  in  eine  scharfe, 
längere  beschuppte  Spitze,  die  jedoch  keine  Spur  von  Afterwolle  (^f) 
zeigt.  Die  Beine  sind  schwächlich,  anliegend  beschuppt,  die  Hinter- 
schienen mit  einem  langen  Dorn  an  ihrer  Außenseite  und  einem 
Spornpaar  von  normaler  Länge  an  ihrem  Ende.  Die  langen  Tarsen 
aller  Beine  sind  bedornt  und  enden  in  2  Krallen. 


'^.     JE 


Fig.  A. 

Catapsilothrix  klapioczi  n.  [/.  n.  sp. 

a,  b  Geäder.      c  Profilansicht  des  Kopfes. 


Die  Flügel  sind  ziemlich  breit  und  gestreckt,  mit  stumpfer  Spitze 
und  gerundetem  Innenwinkel.  Die  Vorderflügel  zeigen  eine  lange 
(durch  den  erhalten  gebliebenen  Längsstamm  der  Media)  geteilte 
Mittelzelle,  mit  2  Anhangszellen.  Ader  It^  und  B-^  sind  kurz  gestielt, 
Ader  C^  stark  gebogen.  Auch  auf  dem  Hinterflügel  ist  der  Längs- 
stamm von  M  erhalten  und  eine  Anhangszelle  vorhanden. 

Das  Geäder  hat  große  Ähnlichkeit  mit  jenem  der  west-afrika- 
nischen  Tineiden-Gattung  MesopoUa  Wlsghm.  '),  entfernt  sich  aber 
andrerseits  durch  robustem  Bau  und  viel  längere  Labialpalpen  weit 
davon.  Auch  bleiben  bei  Catapsilothrix  Ader  R  und  31^  auf  dem 
Hinterflügel  an  ihrem  Ursprung  viel  weiter  voneinander  getrennt. 

Von  Penestofjlossa  trennt  sich  Catapsilothrix  sofoit  durch  die  stark 
entwickelten,   dort   ganz   fehlenden  Labialpalpen,   gekämmte   Fühler 


1)  In:  Trans,  entomol.  Soc.  London,  1897,  p.  62,  tab.  2,  fig.  12 
{S,  Congo),  wo  auf  den  Vorderflügeln  ofFenlmr  ein  Radialast  zu  viel  ge- 
zeichnet wurde. 


Lepidopteren  ans  Tripolis  und  Barka.  289 

des  $.  Mang-el  der  Afterwolle  beim  $  und  volle  Aderzahl  der 
Flügel. 

Diese  neue  Tineiden-Gattun^  bildet  jedenfalls  das  interessanteste 
Ergebnis  des  lepidopterologischen  Teils  der  Aufsamnilungen  und 
dürfte  ein  äthiopisches  Faunenelement  darstellen. 

Was  die  Art  anbelangt,  die  ich  nach  ihrem  Entdecker  Herrn 
B.  Klaptocz  benenne,  so  ist  der  Flihlerschaft  bräunlich,  die  Kamm- 
zähne schwärzlich  gefärbt,  Kopf,  Brust.  Schenkel  und  Schienen  sind 
weißlich  beschuppt,  der  übrige  Körper  und  die  Tarsen  bräunlich 
sandfarben,  nur  der  spitze  Afterbusch  ist  mehr  weißlich. 

Die  Grundfarbe  der  grob  und  glanzlos  beschuppten  Vorderflügel 
ist  weißlich,  das  breite  Basalfeld.  eine  fast  gerade  Mittelbinde 
und  das  Saumfeld  sind  heller  und  dunkler  braun  beschuppt,  ohne 
daß  dadurch  eine  scharf  begrenzte  Zeichnung  gebildet  würde.  Von 
der  Mittelbinde  zieht  sich  ein  biauner  Schrägstreifen  gegen  den 
Innenwinkel.  Die  auffallend  langen  Fransen  w^erden  aus  groben, 
hellbraunen  Haarschuppen  gebildet,  die  2  weißliche  Teilungslinien 
erkennen  lassen. 

Die  Hinterflügel  sind  mit  gi'oßen  blaugrauen  Schuppen  bedeckt, 
ihre  langen  F>ansen  sind  am  Ende  weißlich.  Die  Unterseite  sämt- 
licher Flügel  ist  Aveißlich,  die  Vorderflügel  mit  stärkerer  bräunlicher 
Bestäubung.     Vorderflügel  11.  Exp.  21  mm. 

Die  Tj^pen  befinden  sich  im  k.  k.  Naturhistorischen  Hofmuseum 
in  Wien. 

66.  ThieoJit  tripolttella  n.  sp.  (^). 

1  einzelnes  S  einer  Tineola-Art  von  Tripolis,  am  21.  Juli  er- 
beutet, gehört  einer  neuen  Art  an,  die  der  Tinea  liguriella  Mill.^) 
ziemlich  ähnlich  erscheint. 

Die  rauhen  Kopfhaare  sind  weißlich ,  gleiche  Färbung  zeigen 
die  Labialpalpen,  die  an  ihrer  Außenseite  einige  gröbere  schwarze 
Borsten  führen.  Die  (gebrochenen)  Fühler  sind  hell  bräunlich. 
Ebenso  gefärbt  sind  Brust  und  Beine.  Der  Thorax  ist  wie  die 
Grundfarbe  der  Vorderflügel  gelblich  sandfarben,  der  schlanke  Hinter- 
leib oberseits  grau,  unterseits  hellbräunlich. 

Die   sehr  gestreckten  schmalen  Vorderflügel  sind  gelblich  sand- 


1)  Vielleicht  ist  diese  mir  in  natura  unbekannte  Art  auch  in  die 
durch  den  Mangel  der  Alaxillarpalpen  ausgezeichnete  Gattung  Tiueola  zu 
stellen. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  19 


290  H.  Rebel,  Lepidoptereu  aus  Tripolis  und  ßarka. 

färben  mit  einzelnen  grobem,  braunen  Schuppen  bestreut,  die  sich 
an  nachstehenden  Flügelstellen  punktartig  verdichten:  am  Yorder- 
rand  nahe  der  Basis,  ferner  am  Vorderrand  bei  ^3  und  %  seiner 
Länge  und  am  Innenrand  schräg  außerhalb  des  mittlem  Vorderrand- 
punktes. Auch  in  der  äußersten  Flügelspitze  liegen  einige  dunkler 
bräunliche  Schuppen.     Die  Fransen  sind  hell  gelblich. 

Die  schmalen  lanzettlichen  Hinterflügel  sind  tiefschwarzgrau 
mit  heller  grauen  Fransen.  Die  Unterseite  aller  Flügel  glänzend 
violett  schwärzlich.     Vorderflügellänge  4  mm. 

Von  Tinea  liguridla  —  abgesehen  von  dem  vielleicht  generischen 
Unterschied  —  sogleich  durch  geringere  Größe,  schwärzliche  Hinter- 
flügel und  anders  gestellte  Punkte  der  Vorderflügel  zu  unterscheiden. 


Nachdnick  verboten. 
Ubersetzungsrecht  vorbehalten. 


Mollusken  aus  Tripolis  und  Barka. 

Gesammelt  von  Dr.  Bkuno  Klaptocz. 
Bearbeitet  von 

Dr.  R.  Sturauy 

(k.  k.  naturhist.  Hofnmseuiii  in  Wien). 

Mit  Tafel  10    11. 


Bei  der  Aufzählung  der  von  Dr.  Bruno  Klaptocz  in  Tripolis 
und  der  Cyrenaika  gesammelten  Land-  und  Süßwassermollusken 
habe  ich  mich  im  großen  und  ganzen  an  das  System  gehalten,  das 
Dr.  W.  KoBELT  im  11.  (Eegister-)Band  der  Iconographie  Rossmässler's 
(Wiesbaden  1904)  aufgestellt  hat;  nur  bei  der  Sippschaft  der  Xero- 
philinen  {Helicella  Pilsbey)  bin  ich  davon  abgewichen  und  habe  ich 
Pilsbry's  Einteilung  im  Manual  of  Conchology  (Vol.  9,  1894)  an- 
genommen. 

Die  Abkürzungen  der  Zitate  sind  hoffentlich  jedem  Fachmanne 
verständlich;  ich  habe  davon  abgesehen,  jedesmal  die  Original- 
beschreibung zu  zitieren,  und  liabe  es  vorgezogen,  auf  bewährte 
und  allgemein  benutzte  Bücher  hinzuweisen,  in  denen  die  Literatur 
erschöpfend  angegeben  ist. 

Eine  Übersicht  über  das,  was  nun  über  Tripolis  einerseits  und 
Barka  andrerseits  bekannt  ist  und  was  sicli  dank  der  Bemühungen 
von  Dr.  Klaptocz  über  einzelne  Faunenelemente  hinsichtlich  ihrer 
geographischen  Verbreitung  sagen  läßt,  folgt  auf  die  systematische 
Aufzählung. 

Es  erübrigt  mir  an  dieser  Stelle  nur  noch  die  angenehme  Pflicht, 
Herrn  Hans  Fleischmann  (Wien)  für  die  Liebenswürdigkeit  und 
Bereitwilligkeit  zu  danken,  mit  der  er  die  zeitraubende  Ausführung 
der  Photographien  übernommen  hat. 

19* 


292  R  Stürany. 

Systematische  Aiifzäliluiig. 

Fam.  Vitrinidae. 

1.  Vitrhiu  tr ipoUtana  n.  sp. 

(Taf.  11,  Fig.  5a-d.) 

Fundort:  Dschebel  T'kut  im  Gharian-Gebirge. 

Das  ziemlich  gedrückte  Gehäuse  ist  stichfürmig  genabelt  (der 
Nabelritz  wird  von  der  Spindel  nicht  völlig  verdeckt),  glänzend, 
glasartig,  durchscheinend,  hellgrün  (im  Jugendzustande)  bis  gelb- 
grün (im  erwachsenen  Zustande)  und  besteht  aus  3^,  rasch  an- 
wachsenden Umgängen.  Der  Apex  sitzt  zitzenförmig  auf  dem 
übrigen  Gewinde;  die  letzte  Windung  ist  gewölbt  und  nur  ganz 
schwach  an  der  Peripherie  zusammengedrückt  und  weist  gröbere 
Faltenstreifen  nächst  der  Naht  auf,  während  im  übrigen  nur  ganz 
zarte  Anwachsstreifen  zu  bemerken  sind.  Bei  Jüngern  Exemplaren 
ist  eine  hellere  Nahtzone  ausgebildet.  Die  scliiefstehende  Mündung 
ist  mondförmig  gerundet;  ihre  Ränder  sind  einander  wenig  genähert. 
an  der  Basis  ist  ein  schwacher  Hautsaum  gewöhnlich  nur  bei  jungen 
Schalen  wahrnehmbar,  der  Spindelrand  ist  kurz,  gerundet  und  über 
den  Nabel  etwas  zurückgebogen. 


Höhe  der  Schale 
größerer  Durchmesser  derselben 
kleinerer  Durchmesser  derselben 
absolute  Höhe  der  Mündung 
Breite  der  Mündunsf 


'O 


Junge  Schale 

(3  Umg.) 
(Fig.  5a— b) 

Erwachsene 

Schale(3'/.,Umg.) 

(Fig.  5c— d) 

3  mm 
5.4 

3 
3,1 

4,7  mm 

8 

6,7 

4 

4,6 

Verfolgt  man  die  Beschreibung  von  Yitrma  Mourncuxi  Bgt. 
(Malac.  de  l'Alg.,  Vol.  2.  p.  303)  im  Detail,  so  kann  man  sich  des 
Eindruckes  nicht  erwehren,  daß  zwischen  jener  Art  und  V.  tripoli- 
tana  n.  sp.  eine  nähere  Verwandtschaft  bestehe,  ^^^ährend  aber  jene 
Form  aus  Algerien  nur  5  mm  breit  wird,  erreicht  die  hier  be- 
schriebene Vitrina  bei  derselben  Zahl  der  Umgänge  (3^2)  einen 
Durchmessei'  von  8  mm;  solche  Schalen  scheinen  sich  jedoch  selten 
im  unverletzten ,  fiischen  Zustande  zu  finden,  während  die  lebhaft 
grün  gefärbten  jungen  Schalen  häufiger  vorkommen. 


Mollusken  aus  Tripolis  und  Barka.  293 

2.  HyaUna  aequaUi  Mss. 

Kübelt,  Iconogr.,  Vol.  6,  fig.    1581  —  1583. 
Westerlund,   Binnenconch.,   Vol.    1,  p.   65. 

Fundort:  Dernah. 

Icli  darf  wohl  annehmen,  daß  die  vorliegenden  2  jungen  Ge- 
häuse, welche  4  Umgänge  besitzen,  flach,  gekielt,  ca.  6  mm  breit 
und  2^  o  mm  hoch  sind,  zu  dieser  über  Griechenland,  Konstantinopel, 
SjTien  und  die  Inseln  des  Archipels  verbreiteten  Art  gehöien. 

Fam.  Hclicidae. 
3.  HeUcoiJonta  {CaracoUina)  lentlciila  Feb. 

ROSSMÄSSLER,   Iconogr.,   fig.   452   (Hrlix). 

"Westerlund,  Binnenconch.,    Vol.   2,  p.   22   {Gonostunia). 

V.   Martens,  in:   SB.   Ges.   naturf.   Fr.   Berlin,    1890,  p.    132. 

Fundorte:  Gharian  und  ]\Iimuna  im  Gharian-Gebirge  (je  1 
Exemplar). 

Diese  Schnecke  hat  eine  weite  Verbreitung,  sie  kommt  in 
Spanien.  Süd-Frankreich,  Sicilien,  Griechenland,  SjTien,  Palästina, 
Äg3'pten,  Algier  und  Marokko  vor.  Zuletzt  führte  sie  v.  Martens 
(1.  c.)  auch  von  der  Küste  zwischen  Missrata  und  der  Stadt  Tripolis  an. 

4.  Fruticicola  lanuf/inosa  Boissy. 

KOSSMÄSSLER,  Iconogr.,  fig.   574  {Hdij). 

BouRGülGNAT,   Malac.   de  l'Alg.,   Vol.  1,    1864,  p.  152,   tab.  17,   fig.  1—7. 

Westerlund,  Binnenconch.,  Vol.  2,  p.  65. 

Fundorte:  Dschebel  Gosseba,  Dschebel  T'kut  und  Dschebel 
Tegrinna  im  Gharian -Gebiige. 

Auch  von  dieser  Art  liegen  (wie  von  No.  2)  nur  junge  Schalen 
vor  und  bleibt  die  Bestimmung  immerhin  noch  etwas  zweifelhaft. 
Im  übrigen  ist  Fr.  lanuginosa  in  Algerien,  Tunesien,  Spanien  und 
auf  den  Balearen  zu  Hause. 

5.  Helix  {Cryptomphalus)  aspersa  Müll. 

ROSSMÄSSLER-KOBELT,  Iconogr.,  fig.  3,   294  und  N.  F.,   Vol.  3,  fig.  348 

bis  365. 
V.  Martens,  Conch.  Mitt.,  Vol.  2,  p.  188. 
Westerlund,  Binnenconch.,  Vol.  2,  p.  450. 
KoBELT,  in:   Conch.  Gab.,  Vol.   1,   12 f.,  p.  96  und  Abb. 


294  R-  Stukany, 


Fundorte:  Ghariaii  und  Dernah. 

In  der  Cyrenaika  ist  diese  weitverbreitete,  auch  über  die  ]\rittel- 
meerländer  hinausreichende  Schnecke  schon  vom  Botaniker  Ruhmer 
g:efunden  worden  (v.  Martens,  1.  c). 


6.  Helix  {Poinatici)  niiciifa  Pake, 

RossMÄSSLER,  Iconogr.,  fig.  577 — 578. 

Westerlund,   Binnenconch..    Vol.  2,   p.  459. 

KOBELT,  in:  Conch.  Gab.,  Vol.    1,    12  f.,  p.   118,  tab.   325,  fig.   9—12. 

Fundorte:  ßengasi  und  Dernah. 

V.  Marxens  hat  die  vom  Botaniker  Ruhmer  in  der  Cj'renaika 
bei  Beng-asi  gesammelten  Exemplare  als  Fomatia  melanostoma  Drap. 
bestimmt  und  publiziert  (Conchol.  Mitt.,  Vol.  2.  p.  188).  Waren  jene 
Schalen  so  gebändert  wie  die  vorliegenden,  von  Dr.  Klaptocz  ge- 
sammelten, so  ist  jetzt  allerdings  die  Bestimmung  zu  rektifizieren, 
dennKoBELT  unterscheidet  in  derPowzafm-Monographie(in:  Conch.  Gab.) 
ausdrücklich  zwischen  der  gebänderten  P.  nucula  (Verbreitung: 
Agj^pten  und  P'ruclitebenen  am  hintern  Mittelmeer)  und  der  un- 
gebänderten  P.  melanostoma  Drap,  der  westlichen  Hälfte  Nord- Afrikas. 

Ein  gebleichtes  und  schadhaftes  subfossiles  Exemplar,  welches 
Herr  Dr.  Klaptocz  bei  Tripolis  gefunden  hat,  ist  vielleicht  mit 
Helix  {Helicofjena)  grothei  Kobelt  zu  identifizieren,  welche  vor  kurzem 
(in:  Conch.  Gab.,  Vol.  1,  12 f.,  p.  201,  tab.  349,  fig.  7,  8)  aus  dem  ,,Innern 
der  Regentschaft  Tripolis"  bekannt  geworden  ist. 


7.  Levantina  ^)  gyrostotna  Fer, 
(Taf,  10,  Fig.  la— h.) 

v.  Martens,  Gonch.  Mitt.,  Vol.    1,  p,   22,  tab.  5,  fig.  8—10  {Helix). 
Kobelt,  Iconogz-.,  N.  F.,  Vol.   1,  fig.  61. 

Fundorte:  Am  Hauptweg  Tripolis-Gharian,  wo  er  über  den 
Nordabfall  des  Gebirges  führt,  ferner  Gharian,  Mimuna,  Dschebel 
Gosseba  und  Dschebel  Tegrinna  im  Gharian-Gebirge. 

Es  liegen  mir  eine  Reihe  von  Exemplaren  vor,  die,  in  der  Form, 
Bänderung   und  Kielanlage  wechselnd,   doch   zusammengehören   und 


1)  Herr  P.  Hesse    hat    die  Zugehörigkeit    dieser   und  der  folgenden 
Art  zu  den  Levantinen  anatomisch  nachgewiesen. 


Mollusken  aus  Tripolis  und  Barka.  295 

/u  H.  (Ibcrus?)  qiiedenfeldti  v.  Marts.  (in:  SB.  Ges.  naturf.  Fr.  Berlin. 
1890,  p.  79—80;  Kobelt,  Iconogr.,  N.  F.,  Vol.  5,  %  881— 882)  hin- 
iiberleiten.  Die  meisten  nämlich  lassen  die  5  Bänder  erkennen, 
welche  V.  Marxens  und  Kobei/p  (1.  c.)  für  die  letztere  besonders 
liervorheben,  die  wenigsten  aber  zeigen  auf  der  Schlußwindung  eine 
stärkere  Kielanlage;  gewöhnlich  finden  sich  an  den  von  Dr.  Klaptocz 
besuchten  Lokalitäten  nur  kugelige  Schalen,  und  die  Exemplare  mit 
gekielter  Schlußwindung  sind  offenbar  nur  Ausnahmen  (Abweichungen) 
innerhalb  der  Art.  Es  dürfte  für  eine  spätere  Lösung  der  Frage, 
ob  (jiirostoma  und  quedenfeldii  zusammengehören  oder  nicht,  von 
Wichtigkeit  sein,  Messungen  von  einzelnen  Exemplaren  nebst  An- 
gaben über  ihre  P^orm  einzufügen. 

Expl.  von  üharian        Expl.  von  Expl.  von 


mm 


und 

Miinuna 

DschebelGosseba  Dschebel  Teg-ri 

a 

b          c 

d 

e             f           g 

Höhe  der  Schale 

11 

12,1  13 

14,5 

12,4       12,2     11 

größerer  Durchmesser 

17 

16,6  17,8 

20 

18          17.2     15,3 

kleinerer  Durchmesser 

14 

14.3  15.4 

17,5 

15          14,5     13,6 

abs.  Mündungshöhe 

8.3 

8.3     9 

10,5 

9,2        8,4       7.3 

Mündungsbreite 

(inkl.  Spindel  ran  d) 

10.5 

11      11 

13 

11,2       10         9 

Fig. 

le— h     Fig.  la— d 

Die  Exemplare  a  und  g  lassen  auf  dem  letzten  Umgange  einen 
Kiel  erkennen,  und  zwar  ist  er  links  über  der  Mündung,  aus  der 
Naht  hervortretend,  deutlich  ausgebildet,  um  alsbald  wieder  zu  ver- 
schwinden. Die  5  Bänder  sind  besonders  schön  an  den  Exemplaren 
c  d  und  f  zu  sehen,  die  Schalen  b  und  e  sind  ungebändert  und  ent- 
sprechen vielleicht  am  ehesten  dem  Tj'pus  von  gyrostoma. 


8.  Levantina  leachii  Fer. 
(Taf.  10,  Fig.  2a— b.) 

V.  Maetens,  Conch.  Mitt.,  Vol.    1,  p.  23,  tab.   5,  fig.   11  — 13. 

KoBELT,    Iconogr.,   Vol.   7,    fig.    1977  {Helix)    und    N.  F.,   Vol.    11   (ßeg.- 
Bd.),  p.   196  (Iberus). 

Fundorte:   Zwischen   Tripolis   und   Gharian   (am  Nordabhang 
des  Gebirgsabfalles),  ferner  Dschebel  T'kut  im  Gharian- Gebirge. 


296  R-  Stubany, 

Expl.  von  DschebelT'kut 
Höhe  der  Schale  10,"2  mm       11    mm       11,4  mm 

größerer  Durchmesser  derselben       19.4  18,5  19,3 

kleinerer  Durclimesser  derselben       16,4  16,1  16,6 

abs.  Mündnngshöhe  9,1  8,2  9 

Mündungsbreite  12  10,2  11,7 

(Fig.  2a— b) 

Wie  diese  Messungsproben  zeigen,  hat  Herr  Dr.  Klaptocz  von 
dieser  prächtigen  Schnecke,  welche  bisher  nur  im  Gebirge  Tarhuna 
in  Tripolis  gefunden  worden  war,  typische  Stücke  aus  dem  (rharian- 
Gebirge  gebracht.  Es  sei  nur  in  Ergänzung  der  Originalbeschreibung 
darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  an  der  Naht  der  ersten  Schalen- 
windung regelmäßig  eine  leichte  rotbraune  Schattierung  wahrzu- 
nehmen ist. 

9.  Mti'parupha  insatiu  Müll. 

ROSSMÄ SSLER,  Iconogr.,  fig.   539,   614. 
Westerlund,  Binnenconch.,   Vol.   2,  p.   156. 
V.  Martens,  Conch.  Mitt.,  Vol.   2,  p.   188. 

Fundorte:  Umgebung  von  Tripolis  (Ain  Sarah  und  Tajura), 
Bengasi,  Dernah. 

Verbreitung:  Mittelmeerküsten. 


10.  Uelicella  {Hellonianes)  lineata  Oliv. 
[Syn.:  maritima  Drap.]. 

BouRGUiGNAT,  Make.  d'Alg,  Vol.  1,  p.  218,  tab.  24,  fig.  22—31  {Hrlir). 
Westerlund,  Binnenconch.,   Vol.  2,  p.   170  {Xorophila). 
PiLSBRY,  Man.  of  Conch.   (2),  Vol.   9,  p.  249. 

Von  dieser  über  „Algerien.  Spanien,  Frankreich  und  Sizilien" 
verbreiteten,  variablen  Art  liegen  aus  der  Ausbeute  von  Herrn 
Dr.  Klaptocz  2  Lokalformen  vor.  denen  ich  besondere  Namen  zu 
geben  genötigt  bin. 

a)  /.  Uaptocsi  n. 
(Taf.  11,  Fig.  4a— c.) 
Fundort:  Ain  Sarah  bei  Tripolis. 


Mollusken  aus  Tripolis  und  Barka.  297 


Fig. 

4a 

Fig. 

4b 

Fig.  4c 

Höhe  der  Scliale 

9,3 

mm 

9   mm 

7.3  mm 

Breite  der  Scliale 

11,5 

10.8 

9,6 

abs.  Höhe  der  Mündung- 

5,Ü 

5,2 

4,6 

Breite  der  Mündung- 

6.0 

6 

5,2 

Anzahl  der  Umgänge 

«'. 

6 

5'/., 

Das  Gehäuse  ist  mäßig  festschalig,  kegelförmig,  durchgehend 
genabelt,  der  Nabel  kaum  überdacht  von  der  Spindel.  Der  Apex 
besteht  aus  1^2  Umgängen  und  ist  viulettschwarz.  glatt  und  glänzend. 
Die  übrigen  Umgänge  sind  kaum  gewidbt,  langsam  und  regelmäßig 
anwachsend,  etwas  glänzend,  faltenstreifig,  von  weißer  Grundfarbe 
und  reicher  Bänderung.  Oben  sind  gewöhnlich  4  braune  Bänder 
vorherrschend,  von  denen  unregelmäßig  bald  das  eine,  bald  das 
andere  besser  ausgebildet  ist  und  durch  alle  Umgänge  hindurchläutt; 
seltner  sind  sie  alle  in  Flecken  aufgelöst  und  durch  Querstriemen 
miteinander  verbunden.  Auf  der  letzten  Windung  kommen  hierzu 
noch  die  Bänder  der  Gehäusebasis,  welche  zahlreich  vertreten  sind 
und  von  denen  mitunter  mehrere  zu  breitern,  dunklen  Zonen  sich 
vereinigen. 

Verwandte  Formen  sind  in  größerer  Anzahl  in  Tunesien  ge- 
funden und  von  Letourneux  u.  Bourguignat  als  Arten  beschrieben 
worden.     Leider  existieren  von  denselben  keine  Abbildungen. 

b)  f.  gharianensis  n. 
Fundort:  Gharian  und  Mimuna  im  Gharian-Gebirge. 


Höhe  der  Schale 

9     mm 

9,5  mm 

8,7 

Breite  der  Schale 

11,3 

12 

11,3 

Höhe  der  Mündung- 

5,2 

5,5 

5,3 

Breite  der  Mündung 

6 

6,2 

6 

Das  aus  ca.  6  Umgängen  bestehende  Gehäuse  ist  keglig  kuglig, 
durchgehend  genabelt  (der  Nabel  ist  etwas  weiter  als  bei  f.  JcIaptocM), 
mäßig  festschalig.  schwach  glänzend ;  der  Apex  ist  dunkel  rotbraun, 
glatt  und  glänzend,  die  übrigen  ziemlich  langsam  und  regelmäßig 
anwachsenden  Windungen  sind  schwach  gewölbt  und  von  schmutzig- 
weißer Grundfarbe.  Diese  Grundfarbe  ist  in  der  obern  Hälfte  jeder 
Windung  erhalten,  in  der  untern  aber  von  einer  graubraun  getonten 
Zone  verdrängt,  die  mehreren  verschmolzenen  Bändern  entsprechen 
mag.     Unter  der  Peripherie  des   letzten  Umganges  verlaufen  eine 


298  R  Sturany. 

Anzahl     schmale    Bänder,     die     nicht    immer     g-leichmäßig-    ausge- 
bildet sind. 


11.  Helicella  { Hello nunies)  huslhniana  Poll. 

KOBELT,  Iconogr.,  N.  F.,  Vol.  8,  fig.    1429   \JIrIir  {Xerophila)]. 

Fundorte:  Umgebung  von  Tripolis  (Endschilaj,  Gharian. 
Dschebel  Gosseba,  Dschebel  T'kut  und  Dschebel  Tegrinna  im 
Gharian-Gebii'ge. 

Die  Exemplare,  auf  welche  H.  ImsUmiana  g-egründet  wurde, 
stammten  von  P3uslim,  25  km  südwestlich  der  Stadt  Tripolis;  doch 
kommt  die  Art  nach  Kobelt  (1.  c.)  auch  im  Tarhuna-Gebirge  vor. 
Einzelne  der  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  gefundenen  Stücke  übertreifen 
das  von  Kobelt  abgebildete  noch  an  Größe  (Breite  der  Schale  22,6 
und  24,6,  Höhe  derselben  17  und  16,5,  Bi-eite  der  Mündung  12,4  und 
12,5,  Höhe  derselben  12  und  12,4  mm  bei  einer  Windungszahl  von 
6V.>  Vij  und  erinnern  ebenfalls  lebhaft  an  H.  cespifum  Dkap..  sie 
stellen  gewissermaßen  eine  relativ  enggenabelte,  abgerundet  (kuglig) 
gewölbte  Form  dieser  weitverbreiteten  (insbesondere  in  ,.Süd-Frank- 
reich.  Spanien,  Algerien  und  Tunis"  heimischen)  Species  vor. 

12.  Helicella  {Helionianes)  cretica  Fer.  /.  barkaensis  n. 

(Taf.  11,  Fig.  8a— c.) 

Fundorte:  Bengasi  und  Dernah. 


(Fig.  8a) 

(Fig.  8bj 

(Fig.  8c) 

Höhe  der  Schale 

14,6  mm 

12,5  mm 

15  mm 

Breite  der  Schale 

16,4 

16,f 

17,4 

Höhe  der  Mündung 

9 

9 

9 

Breite  der  Mündung       8,7  8  9 

Von  der  typischen  H.  cretica  (Boueguignat,  Malac.  de  l'Alg.. 
Vol.  1,  p.  232,  tab.  25,  flg.  16—20;  Kobelt.  Iconogr.,  N.  F.,  Vol.  1, 
flg.  144 — 146),  welche  über  Tunesien.  Algerien  und  den  Griechischen 
Archipel  verbreitet  ist,  unterscheidet  sich  diese  besonders  in  Dernah 
häuflg  gefundene  Lokalform   durch   das   hochgetürmte  Gehäuse  und 


1)  Das    erste  Exemplar    stammt    von  Dsch.    Gosseba,    das  zweite  von 
Dsch.   T'kut. 


Mollusken  aus  Tripolis  und  Barka.  299 

dessen   relativ   eng-en   Nabel.     Die   Schale   besteht   aus  6'/o — 7  Um- 
gäng-en. 

13.  HelireUa  {Hefiomanes)  ci/reitaicff  Marts. 

V.  Maktens,   Conch.   Mitt..   Vol.   2,   p.   187.   tab.   31,   fig.  4  —  7. 
WesTERLUND,   Binnencoiich.,  Vol.   2,    p.    190. 
V.   Martens,  in:   SB.   Ges.   naturf.   Fr.   Berlin,    1890,   j).    132. 
PiLSBEY,  Man.   of  Conch.  (2),   Vol.   9,   p.   250. 

Fundorte:  Tripolis  und  Umgebung-  (Gherran),  Bengasi  und 
Der  nah. 

Von  dieser  interessanten  Schnecke,  welche  v.  Martens  sehr  treffend 
mit  H.  candiota  Mss.  von  der  Insel  Syra  verglichen  und  nicht  bloß 
für  den  Landstrich  Barka,  sondern  au(di  für  das  Kü.stengebiet  „der 
großen  Syrte  zwischen  Missrata  und  der  Stadt  'J'ripolis  selbst"  als 
charakteristisch  angegeben  hat.  liegt  mir  eine  Anzahl  vor,  so  daß 
ich  in  der  Lage  bin,  ihr  Schwanken  im  Ausmaße  der  Schale  zu 
verzeichnen : 


Höhe  der  Schale 
größerer  Durchmesser  derselben 
kleinerer  Durchmesser  derselben 
Mündungshöhe 

Mündungsbreite  (ohne  Spindel 
ausschlag) 


14.  Helieelfa  [Helionianes]  davidkina  Bgt. 

BouRGUiGNAT,   MoU.  nouv.   litig.,   Vol.    1,  p.  72,  tab.   10,   fig.   8—10. 
Westerlund,   Binnenconch.,   Vol.    2,    p.    203. 
v.  Marxens,  Conch.  Mittt..  Vol.  2,  p.   188. 
PiLSBEY,   Man.   of  Conch.   (2),    Vol.   9,  p.   250. 

Fundort:  Bengasi  (1  nicht  ganz  erwachsenes  Exemplar). 

Das  Vorkommen  in  der  Cyrenaika  ist  bereits  von  Prof.  v.  Martens 
konstatiert  worden;  im  übrigen  ist  die  Art  auch  in  Jerusalem 
zu  Hause. 

15.  HeJicella  [lacosUt]  harneijana  Anc. 

Westerlund,   Binnenconch.,   Vol.   2,  p.   313. 
PiLSURY,  Man.  of  Conch.  (2),  Vol.  9,  p.  259. 


Exemplare 

von 

Tripolis 

Beng 

asi 

Dernah 

9 

11 

9'/, 

71/0  mm 

9Vo 

llVo 

10 

8^; 

i  8^/, 

IOV2 

9 

7^/2 

6 

7 

6 

5V2 

4'A, 

6V.. 

0 

4 

300  ß-  Stdbany, 

Fundort:  Dernah. 

Die  einzij2:e  Schale,  welche  gefunden  wurde,  hat  5  durch  Rippen - 
streifung-  ausgezeichnete  Umg-änge  und  einen  Kiel  an  der  Peripherie 
der  Schlußwindung.  Ihre  Breite  beträgt  7,8,  ihre  Höhe  5,1  mm, 
während  die  Mündung  einen  Durchmesser  von  4  mm  besitzt.  Leider 
ist  das  Gehäuse  gebleicht,  so  daß  die  Zugehörigkeit  zu  H.  harueijana 
Ancey  (=  H.  tlieodori  Anc.  olini,  nee  Phil.),  welche  in  Berrouaghia 
in  Algerien  vorkommt  und  mir  auch  in  einer  Co-Type  von  dort  vor- 
liegt, immerhin  noch  angezweifelt  werden  kann.  Eine  der  nächst- 
verwandten Arten  dürfte  H.  morini  Bgt.  aus  Tunesien  sein. 

16.  Helicella  iOhelus)  tnherciilosa  Conk. 

BOURGUIGNAT,  Moll.   nouv.   lit.,   Vol.    1,   p.   60,  tab.   9,  fig.   5  —  7. 
V.  Martens,  Conch.  Mitt.,  Vol.  2,  p.   188. 
Westerlund,  Binnenconch.,   Vol.   2,  p.   352   {Xrrophila). 
KOBELT,  Iconogr.,   Vol.   5,   fig.    1465. 
PiLSBRY,   Man.   of  Conch.   (2),   Vol.   9,   p.   261. 

Fundort:  ßengasi. 

Höhe  der  Schale 
größerer  Durchmesser  derselben 
kleinerer  Durchmesser  derselben 
absol.  Höhe  der  Mündung- 
Breite  der  Mündung 

JiCKELi  plädierte  seinerzeit  (Moll.  Nordafr..  p.  93)  für  eine  Ver- 
einigung dieser  Art  mit  der  ägyptischen  H.  phüamnia  Bgt.,  Kobelt 
(1.  c.)  war  dagegen.  Hat  Jickeli  das  richtige  Gefühl  gehabt,  so 
haben  wir  es  mit  einer  Form  zu  tun,  die  von  Syrien  über  Ägypten 
bis  in  die  Cyrenaika  verbreitet  ist;  hat  aber  Kobelt  recht,  so  fehlen 
uns  noch  sichere  Beweise  für  das  Vorkommen  von  H.  tuberciilosa  in 
Ägypten,  die  dann  sicher  nur  für  Syrien  und  Barka  nachgewiesen 
ist  und  dieselbe  merkwürdige,  „unterbrochene-"  Verbreitung  hat  wie 
Buliminus  attenuatiis  (No.  20),  Leucochroa  Jiierochuntina  (No.  19)  und 
HeliccUa  davidiana  (No.  14). 

17.  Helicella  {Tfochula)  pyrainidata  Drap. 

Rossmässler,  Iconogr.,  fig.   349. 

BouRGUiGNAT,  Malac.  d.  Alg.,  Vol.   1,  p.   260,  tab.   30,  fig.   26 — 33. 

"Westerhjnd,  Binnenconch.,   Vol.  2,  p.   358. 

Pilsbry,   Man.   of  Conch.   (2),  Vol.   9,   p.   263. 


9.1 

10 

10.1 

10.2 

12,3  mm 

12,7 

11,3 

12,6 

12,5 

13/3 

11,5 

10,7 

12 

12 

13 

5 

5,3 

5,5 

5,6 

6,1 

6.4 

6.1 

6.4 

6.6 

7 

Mollusken  aus  Tripolis  und  Barka.  301 

Fundort:  Dschebel  Tegrinna  im  Gharian-Gebirge. 

Von  dieser  in  den  Mittelmeerländern  weitverbreiteten  Art  liegen 
nur  2  nicht  ganz  erwachsene  Schalen  vor  (die  größere  mißt  7  mm 
in  der  Breite  und  4\/o  mm  in  der  Höhe),  welche  so  schön  und  bunt 
gezeichnet  sind  wie  beispielsweise  die  var.  plafiensis.  welche  ich  von 
der  Prinzen-Insel  Platia  beschrieben  habe  (in:  SB.  Akad.  Wiss. 
Wien,  A'ol.  111,  1902,  j).  130,  m.  Abb.),  oder  die  var.  flammulata  von 
BouKGuiGNAT  (Malac.  d'Alg.,  Vol.  1,  p.  262,  tab.  30,  fig.  32—34). 

18.  Helicella  {Coehi Iceila)  acuta  Müll. 

Westerluxd,   BinnencoDch.,   Vol.   2,  p.   1-^66   {Xernphila). 
PlLSBRY,  Man.  of  Conch.   (2),   Vol.   9,  p.   2H4. 

Fundort:  Ain  Sarah,  Umgebung  von  Tripolis  (1  Expl.). 

Verbreitung:  Nach  v.  ^Iartens  (in:  SB.  Ges.  naturf.  Fr. 
Berlin.  1890.  p.  131)  „an  der  Küste  der  großen  Sj'rte  zwischen 
Missrata  und  der  Stadt  Tripoli  selbst",  im  übrigen  „an  allen  Mittel- 
meerküsten". 

19.  Leacochroa  hierochuntbia  Boiss.  /'.  cyrenaiea  n. 

(Taf.  11.  Fig.  7a— b.) 

Fundort:  Dernah. 

Das  kuglige.  festschalige,  fast  glanzlose  Gehäuse  ist  von  rein 
weißer  Farbe  und  hat  einen  völlig  geschlossenen  Nabel.  Es  besteht 
aus  ö'/a  Umgängen;  die  Anfangs  Windungen  sind  glatt,  die  übrigen 
Umgänge  durch  dicht  stehende  Grübchen  und  eine  von  Höckern 
gekerbte  Naht  ausgezeichnet.  Der  letzte  Umgang  ist  gerundet,  an 
der  Mündungswand  ist  nächst  der  Einlenkuiig  des  äußern  Mündungs- 
randes eine  Schwiele  ausgebildet.  Der  Mündungsrand,  oben  etwas 
vorgezogen,  zieht  in  schönem  Halbkreis  zur  Basis, 

Von  den  2  vorliegenden  Exemplaren  mißt  das  besser  erhaltene 
(abgebildete)  IS'/,  mm  in  der  Höhe  und  17%  i'esp.  14^/4  mm  im 
Durchmesser;  die  absolute  Höhe  der  Mündung  beträgt  7-74,  die 
Mündungsbreite  9  mm. 

Wenn  ich  diese  Form  zu  der  früher  in  den  Kreis  der  L.  candi- 
dissima  Drap,  gezogenen  L.  hierodmntina  Boiss.  (Westerlund,  Binnen- 
conch..  Vol,  1,  p,  84;  Kobelt,  Iconogr.,  Suppl.,  Vol,  1,  p,  29  und 
N,  F.,  Vol.  3,  p,  29)  stelle,  so  akzeptiere  ich  gleichzeitig  den  Vor- 
schlag Kobelt's,  „die  candidissima  aus  Palästina  als  eigene  Art  oder 
Unterart  abzutrennen." 


302  R-  Stürany, 


Farn.  Buliminidae. 

20.  Buliminiis  (Mastus)  attenuatiis  Mss. 
(Taf.  10,  Fig.  3a- c.) 

KoBELT,  Iconogr.,  Vol.  5,   fig,    1331—1334. 

KoBELT,  in:  Conch.   Gab.,  Vol.    1,   13,  2,  p.  435,  tab.  75,  fig.    1-3. 

[Syn. :  B.  ekrcnbergi  var.  Pfeiffer,  Monogr.   Helle,  Vol.  4,  p.  426. 

„        Bnlimns  ohesaius  Boueguignat  (nee  Fer.),  Cat.  Saülct,    p.  39. 

„        B.  episonivs  Bgt.,  Amen.,   Vol.   2,   p.  26,   tab.   3,  fig.   5 — 7.] 

Fundorte:  Dernah  und  Bengasi. 

Verbreitung:  Syrien.  Palästina  sowie  auf  Cypern. 

Dr.  Klaptocz  hat  in  Bengasi  eine  verhältnismäßig-  kleine  Schale 
gefunden,  die  aus  7'/.2  Umgäng-en  besteht;  sie  ist  14  mm  hoch  und 
6,2  mm  breit  und  ihre  Mündung  mißt  5,7  : 4,5  mm.  Sie  hat  einen 
dünnen  Callus  und  keine  Zahnbildung  an  der  Mündungswand,  wes- 
halb sie  f.  edentata  n.  (Taf  10,  Fig.  3cj  benannt  sei. 

Von  Dernah  liegen  7  typische,  d.  h.  insbesondere  an  die 
BouRGuiGNAT'sche  Abbildung  von  B.  episonms  (1.  c.)  erinnernde 
Exemplare  vor,  von  denen  einige  gemessen  und  photograpliiert  wurden. 


(Fig.  3a) 

(Fig.  3b) 

Höhe  der  Schale 

17,7  mm 

17,3  mm 

17   mm 

Breite  der  Scliale 

8,4 

7,6 

7,6 

Höhe  der  Mündung 

7,5 

7,1 

6,4 

Breite  der  Mündung 

5,8 

5,2 

0 

Am  zitzenförmigen  Apex  fällt  eine  braune  Färbung  nächst  der 
Naht  auf;  es  ist  dies  der  Beginn  eines  braunen  Bandes,  das  von  der 
beinweißen  Farbe  der  Embryonalwindung  absticht  und  bis  In  die 
4.  Windung  verfolgt  werden  kann,  wo  dann  ein  allgemeiner  brauner 
Farbenton  einsetzt. 

Fam.  CocMicopidae. 
21.  Ferussacia  carnea  Risso. 

Westerlund,   Binnenconch.,   Vol.   3,  p.    161. 
KoBELT,  Iconogr.,  N.  F.,   Vol.   7,  fig.   1193—1197. 

Fundorte:  Gharian  und  Mimuna,  Dschebel  T'kut  und  Dschebel 
Gosseba  im  Gharian-Gebirge  (eine  Anzahl). 


Müllusken  aus  Tripolis  und  Barka.  303 

Verbreitung:  „In  der  Provinz  Constantine  und  im  nördlichen 
Tunis,  überall  in  Menge,  verschleppt  auf  der  Insel  Pianosa  und  in 
der  Ihngebung  von  Nizza"  (Kobelt). 

Nach  V.  Härtens  (in:  SB.  Ges.  naturf.  Fr.  Berlin,  1890,  p.  IHl 
bis  132)  kommt  „an  der  Küste  der  großen  Syrte  zwischen  Missrata 
und  der  Stadt  Tripoli  selbst"'  neben  H.  cyrenaica,  lentiaiJa,  acuta, 
quedcnfeldti  und  leadii  auch  Cionella  fraseri  Bens,  vor,  die  aber 
identisch  mit  F.  carnea  Kisso  ist,  ebenso  wie  eine  Reihe  von 
BouRGuiGNAT'schen  Arten  aus  Tunesien  einzuziehen  sind  (Kübelt,  1.  c). 

Farn.  Stenogijridae. 

22.  Hunilna  decollata  L. 

V.  Martens,  Conch.  Mitt.,   Vol.   2,  p.   188. 
Westeelünd,  Binnenconch.,   Vol.   3,  p.   144. 
PiLSBRY,  Man.   of  Conch.   (2.  ser.),  Vol.    17,  p.   212  ff. 

Fundorte:  Tripolis  und  Umgebung,  Bengasi,  Dernah. 

Es  sei  mir,  um  die  gefundenen  Exemplare  bezüglich  ihrer  Zu- 
gehörigkeit zu  eiuer  der  3  von  Pilsbry  (1.  c.)  angenommenen  Sub- 
species  zu  beleuchten,  gestattet,  die  Maße  der  am  besten  erhaltenen 
Schalen  mitzuteilen : 

Exemplar  von  Dernah    Exemplare  von  Tripolis 

Totalhöhe  27,2  27,5  26,5  23     mm 

Totalbreite  9  8,3          8,5          8,5 

Mündungshöhe  8,7  7,5          8  7 

Mündungsbreite  5,5  5,3          5,3  5,3 
Anzahl  der  erhalten  ge- 


G^ 


bliebenen  Umgänge  5  7  57-2        57^ 

Danach  müßten  wir  die  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  gesammelten 
Stücke  zur  Subspecies  gracilis  Per.  stellen,  welche  in  „Griechenland, 
auf  Kreta,  Naxos,  Rhodos,  Cypern,  in  Smyrna  und  an  der  syrischen 
Küste''  vorkommt  und  von  der  Pilsbry  unter  anderm  auch  schreibt : 
„This  small,  cylindric,  Eastern  race  is  apparently  separated  from 
the  typical  decollata  by  an  area  without  Rmnina  along  the  western 
coast  of  the  Adriatic.  It  is  reported  from  several  Algerian  localities 
by  Bourguignat  '),  but  whether  these  Shells  are  another  and  parallel 
small  race  remains  to  be  ascertained.'' 


1)  cf.  Bourguignat,  Malac.  de  TAlg.,  Vol.  2,  tab.   1,  fig.  16. 


304  K.  Stürany, 

Farn.  Piipidae. 

23.  Granoi^^ipa  granimi  Drap. 

ROSSMÄSSLER,  Iconogr.,  fig.   H22  u.   730. 
Westerlund,  Binnenconch.,   Vol.  3,  p.    119. 

Fundort:  Dschebel  Te^rinna  im  Gharian-Gebirge. 

Von  dieser  in  „Frankreich,  Spanien.  Portugal.  Italien.  Sicilien, 
der  Schweiz,  Dalmatien,  Griechenland.  Kaukasien,  Sj'rien,  Palästina 
und  Algerien"  verbreiteten  Schnecke  liegen  einige  wenige  unverkenn- 
bare Exemplare  vor. 

Fam.  Clansilüdae. 

24.  CUmsilia  kUiploci^i  n.  .sj). 

(Taf.  11.  Fig.  6a— b.) 

Fundort:  Dernah  (1  sehr  gut  erhaltenes  Exemplar). 

Das  spindelförmige,  in  der  Mitte  etwas  ausgebauchte  Gehäuse 
hat  einen  geschlossenen  Nabel,  ist  isabellfarbig  und  besteht  aus 
9^2  Umgängen.  Die  Anfangswindungen  sind  glatt  und  großblasig, 
die  übrigen  Umgänge  wenig  gewölbt  und  durch  eine  feine,  elegante, 
ein  seidenglänzendes  Aussehen  bewirkende  Streifung  ausgezeichnet. 
Die  letzte  Windung  trägt  links  vom  äußern  Mundrande,  der  über- 
dies merkwürdig  geschwungen  ist,  einen  abgerundeten  Kiel;  da- 
zwischen liegt  vertieft  die  gut  7-2  Dim  breite  Nabelpartie.  Der  Mund- 
saum hängt  zwar  schon  zusammen,  ist  aber  mit  der  vorletzten 
Windung  noch  verschmolzen  (also  nicht  losgelöst!).  Das  Clausilium 
ist  ganzrandig,  abgerundet;  die  Spirallamelle  ist  von  der  Ober- 
lamelle getrennt  und  endigt  vorn  weit  entfernt  davon;  einer  vorn 
ziemlich  kräftigen,  säbelförmig  geschwungenen  Oberlamelle  steht 
eine  sozusagen  normale,  fast  horizontal  gestellte  Unterlamelle  gegen- 
über, am  Interlamellare  sind  2  Knötchen  angedeutet.  Von  Sutural- 
falten  ist  die  Prinzipalfalte  zu  erwähnen,  nur  ganz  vorn  sichtbar, 
von  den  Gaumenfalten  ist  eine  lange,  hinter  der  Mondfalte  be- 
ginnende und  vorn  in  eine  ausgedehnte  Schwiele  verlaufende  stark 
ausgebildet  und  eine  zweite,  tief  innen  schief  gegen  die  erste  ge- 
stellte nur  angedeutet,  die  Mondfalte  präsentiert  sich  als  schwächerer 
Bogen.     Die   Spindel   ist   hoch,    fast  senkrecht    gestellt,   unten    ab- 


Mollusken  aus  Tripolis  und  Barka.  305 

gestutzt  und  wird  vom  Nackenkiel  umwölbt ;  eine  eigentliche  Spindel- 
falte kann  ich  nicht  entdecken. 

Höhe  der  Schale  15,8  mm.  Breite  derselben  4  mm;  Mündung 
4,1  mm  hoch  und  3,1  mm  breit. 

Im  System  ist  die  neue  Clausilie  schwer  richtig  unterzubringen. 
Sie  hat  die  Mündungsform  und  Kielbildung  von  gewissen  Agathyllen 
(sulcosal);  unter  den  Cristatarien  ist  noch  am  ehesten  bei  laodicensis 
Bttg.  eine  Analogie  der  Nacken bildung  zu  finden;  bei  gewissen 
Albinarieu  findet  sich  eine  älmliche  Skulptur  und  Färbung.  Viel- 
leicht aber  schließt  sie  sich  noch  am  ehesten  an  die  nord-afrikanischen 
,.Delimen"  an,  von  denen  dann  Gl.  polygyra  =  perinnei  die  nächst- 
stehende wäre. 

Fam.  Succineidae. 
25.  Suceinea  pfelfferi  Rossm. 

ROSSMÄSSLEE-KOBELT,  Iconogr.,  %.    46,   2060 — 2063. 
Westerlünd,  Binnenconch.,  Vol.   5,   p.   II. 

Fundort:  Ain  Sarah,  Umgebung  von  Tripolis. 

Das  vorliegende,  etwas  ausgebleichte  Exemplar  weist  3^2  Um- 
gänge auf;  die  ganze  Schale  ist  10,8  mm  hoch  und  5,3  mm  breit, 
die  Mündung  mißt  7,2  : 4  mm.  Die  Art  ist  nach  Westerlund  (1.  c.) 
über  „Europa,  Kaukasien,  Sibirien.  Armenien  und  Algerien"  ver- 
breitet und  überdies  auch  für  Ägypten  bekannt;  ihr  Vorkommen  in 
Tripolis  kann  also  nicht  befremden. 

Fam.  AuricuUdae. 

26.  Alexia  niijosotis  Drap. 

KoBELT,  Iconogr.,  N.  F.,  Vol.  8,  fig.    1405. 

Fundort:  Beugasi  (2  Expl.). 

Verbreitung:  „Am  atlantischen  Ocean  an  beiden  Ufern,  im 
vordem  Mittelmeer  und  an  Dalmatien"  (Kobelt,  1.  c). 

Fam.  Limnaeidae. 

27.  Linnmed  {TAmnophijsa)  industris  Ml'll. 
Westerlund,  Binnenconch.,  Vol.  5,  p.   45. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  20 


306  R-  Stürany, 

Fundorte;  Ain  Sarah  imd  Endschila,  Umgebung*  von  Tripolis. 
Verbreitung:     „Europa ,     Kaukasien ,    Armenien ,    Persien, 
Sibirien"  CWstlü.). 


Farn.  Phijsidae. 

:28.  Phi/sa  (Isidora)  contorta  ^hcii. 

JiCKELi,  Moll.  Nordafrika,  p.  203. 
KoBELT,  Iconogr.,  Vol.   7,  fig.   1917—1920. 
Westerlunu,  Binnenconcli.,  Vol.   5,  p.  58. 

Fundort:  Ain  Sarali,  Umgebung-  von  Tripolis  (1  Expl.). 

Über  die  Verbreitung-  dieser  Art  sagt  Kobelt,  1.  c. :  „.  , .  be- 
sonders JiCKELi  hat  eine  Menge  sogenannter  guter  Arten  unter  Physa 
contorta  vereinigt,  wie  es  mir  scheint,  mit  Recht.  Dann  würde  diese 
Art  durch  das  gesammte  Afrika  bis  fast  zum  Capland  verbreitet 
sein  und  sich  ausserdem  auch  in  sämmtlichen  Küstenländern  des 
Mittelmeeres  finden;  nur  aus  Griechenland  fehlt  sie  noch." 

Fam.  PJanorbidae. 
29,  JPlatioi'bis?  ntticus  Bgt. 

Westerlund,   Binnenconch.,   Vol.   5,   p.    fi9. 

Fundort:  Dernah. 

Es  sind  2  anscheinend  noch  nicht  völlig  erwachsene  Schalen, 
die  ich  mit  dieser  fraglichen  Bestimmung  hier  zu  erwähnen  habe. 
Sie  sind  hellgelb,  oben  stark  eingesenkt,  unten  wenig  konkav;  ihr 
letzter  Umgang  ist  gegen  die  Unterseite  leicht  gewinkelt.  Aus 
4  Windungen  bestehend,  messen  sie  5,2  resp.  4,6  mm  in  der  Breite 
und  1.7  resp.  1,6  mm  in  der  Höhe,  während  der  Durchmesser  der 
Mündung  sich  mit  2,4  mm  beziftert. 

Außer  dem  PI  atticus,  dessen  Verbreitung  über  Griechenland 
geht,  wären  bei  der  endgültigen  Bestimmung  der  vorliegenden  Stücke 
noch  PL  numidicus  Bgt.  (Verbreitung:  Algier,  Sicilien,  Sardinien, 
Elba)  und  die  syrisch-kleinasiatischen  Formen  (beispielsweise  iiisci- 
narmn,  hebraicus,  antiochianus)  in  Betracht  zu  ziehen.  Ich  hatte  aber 
davon  leider  kein  typisch  bestimmtes  Vergleichsmaterial  zur  Hand 
und  war  auch  nicht  imstande,  nach  den  Literaturangaben  eine  klare 
Vorstellung   über   sie  zu  gewinnen.     Wenn  ich   übrigens   auf  dem 


Mollusken  aus  Tripulis  und  Barka.  307 

recliten  Wege   bin,   gehören   auch    Exemphire,   die   ich   aus  Smyrna 
besitze,  zum  PL  attkus  Bgt. 


Farn.  Faluclimdae. 

30.  PseudiunHlcoJd  pijcHOcheilia  Bgt. 

BOURGUIGNAT,  Malacol.   Alg.,  Vol.  2,    1864,  p.  241,  tab.  14,  flg.  46—48. 
WesterlunI),  Binnenconch.,   Vol.  (i,   p.   80. 

Fundort:  Gharian  und  ^limuua  im  Gharian-Gebirge. 

Sonstige  Verbreitung":  Algerien,  Tunesien. 

Es  sind  nur  einige  wenige  junge  Schälchen  gefunden  worden; 
das  größte  derselben  ist  etwas  verwittert  und  mißt  3  mm  in  der 
Höhe,  2,3  mm  in  der  Breite;  die  .Mündung  ist  1.5  mm  hoch  und 
1.2  mm  breit. 


Der  Genauigkeit  halber  erwälnie  ich  noch  —  bevor  ich  das 
systematische  Verzeichnis  schließe  — ,  daß  Herr  Dr.  Klaptocz  auch 
2  IIijdrohia-Fovmen  aus  Bengasi  mitgebracht  hat;  dieselben  sind 
jedoch  nicht  gut  genug  erhalten,  um  eine  Bestimmung  oder  Be- 
schi-eibung-  zuzulassen,  können  also  bei  den  folgenden  Betrach- 
tungen der  Fauna  nicht  berücksichtigt  werden. 

Ebenso  sind  die  paar  Xerophilinen,  welche  auf  Malta  gefunden 
wurden  [Euparypha  pisana  Müll,  und  Cochlicella  acuta  Müll.),  und 
die  Proben  mariner  Arten  ')  ohne  Belang. 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Betrachtung  der  beiden  Faunendistrikte 
Tripolis  und  Barka  und  wollen  jeden  für  sich  besprechen. 

a)  Fauna  von  Tripolis. 

Bis  jetzt  sind  nur  wenige  Arten  (11)  aus  Tripolis  bekannt  ge- 
worden:   V.    Martens    hat    seinerzeit    die    Funde    von    Barry    und 


1)  Das  Verzeichnis  dieser  marinen  Schnecken  und  Muscheln  lautet: 
Pollia  (Porhignyi  Payr,  Tripolis ;  Mitra  bdcscens  Lk.  [=  Cornea],  Bengasi ; 
Colnrnbella  rnstica  h.,  Bengasi;  Xeverita  jo.'icphima  Rmso,  Bengasi;  Conus 
mediterrannts  Brug.,  Bengasi  und  Dernah ;  Cj/praea  lurida  L.,  Tripolis; 
Cerlthitmi  intermexlinm  Phil.,  Bengasi;  Cerdliium.  renomlurn  Monter. 
[=  jjidcJieUum  Ph.],  Bengasi;  PircneUa  conica  Bl.,  Bengasi;  Cardium 
edide  L.,  Tajura  bei  Tripolis;  Cardiitm  Imnarcki  RvE.,  Bengasi;  Loripes 
ladeiis  L.,  Bengasi;  die  beiden  letztgenannten  Arten  bewohnen  auch  die 
salzigen  Binnenwasser  in  der  Umgebung  von  Bengasi. 

20* 


308 


R.  Sturany. 


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Mollusken  aus  Tripolis  und  Barka.  809 

QuEDENFELDT  publiziert  (in:  SB.  Ges.  naturf.  Fr.  Berlin,  1890), 
KoBELT  kürzlich  im  Conch.  Gab.  (Monographie  d.  Po)Ha^?a-Gruppe) 
einige  ihm  von  Herrn  Di-.  Grütiie  mitgeteilte  Formen  beschrieben. 
Herr  Dr.  Klaptocz  hat  nun,  wie  sich  aus  der  nebenstehenden  Tabelle 
(S.  308)  ergibt,  12  Species  gefunden,  die  für  die  Tripolis-Landschaft 
neu  sind,  und  überdies  auch  die  meisten  der  andern  11  mitgebracht. 

Die  Arten  2,  3,  4,  11,  12,  15,  16,  18,  19,  20,  21,  22  sind  so  weit 
verbreitet  in  den  Mittelmeerländern,  daß  ihre  Anwesenheit  in  Tripolis 
ohne  Bedeutung  ist;  aus  dem  Osten  eingeschleppt  dürften  die  Species  5 
und  7  sein  {Helico<jena  cavata  tripoliiana  ist  nach  Kobelt  von  der 
wahrscheinlich  in  alter  Zeit  aus  Palästina  eingeschleppten  H.  cavata 
Mss.  herzuleiten,  und  Helicogena  nucula  Park,  kann  leicht  aus  Ägypten 
herübergebracht  worden  sein);  nur  mit  Algerien  und  Tunesien  ge- 
meinsam hat  Tripolis  die  Ai-ten  17  und  23  [Ferussacia  carnea  Risso 
und  Pseudamnicola  pycnoclieüia  Bgt.).  Als  endemisch  sind  vorläufig 
anzusehen  die  Arten  1,  6,  8,  9,  10,  13,  das  sind:  die  neue  Vitrina 
(sie  ist  allerdings  nahe  verwandt  mit  einer  algerischen  Art !),  Helico- 
gena grothei  Ko^.  (verwandt  mit  der  west-afrikanischen  wic/awos/oma !), 
die  3  Levantina— krltn  gyrostoma,  quedenfeldti  und  leachii  (deren 
endgültige  Placierung  im  Sj'stem  P.  Hesse  auf  Grund  der  Anatomie 
vorgenommen  hat)  und  die  Helicella  huslimiana  Poll.  (vielleicht  nur 
eine  Lokalform  der  weiter  verbreiteten  cespitum  !). 

Gemeinsam  mit  dem  Landstrich  Barka  hat  Tripolis  bloß  die 
kuglig  geformte  Helicella  cyrenaica  Marts.,  welche  auf  der  Insel  Syra 
ihren  nächsten  Verwandten  zu  besitzen  scheint. 

b)  Fauna  der  Cyrenaica. 

In  der  Literatur  finden  wir  eine  Liste  von  12  Species,  welche 
der  Botaniker  Ruhiher  in  der  Umgebung  von  Bengasi  („Benghazi") 
gesammelt  hat,  von  v.  Marxens  publiziert  (Conch.  Mitt.,  Vol.  2, 
p.  188)  und  darunter  die  eben  genannte  Helicella  cyrenaica  als  neu 
beschrieben.  Herr  Dr.  Klaptocz  hat  nun  die  Hälfte  wiedergefunden 
und  überdies  9  für  die  Fauna  dieses  Gebietes  neue  Mollusken  zu- 
stande  gebracht,   sodaß   sich   nachfolgende   Liste   ergibt  (s.  S.  310). 

Über  die  unbestimmte  Farmacella  haben  wir  kein  Urteil;  die 
Arten  3,  6,  7,  8,  9,  16,  17,  19,  21  gehören  sozusagen  zu  den  Ubi- 
({uisten  der  Mittelmeerküsten;  die  Species  2,  5  und  20  sind  in  öst- 
lichen Ländern  des  Mittelmeeres  (Griechenland,  Ägypten,  Kleinasien), 
die  Arten  4  und  12  im  Westen  (Algerien)  weiter  verbreitet;  als 
endemisch  ist  gegenwärtig  nur  die  neue  Clausilia  Idaptocd  n.  sp.  an- 


310  R.  Stürany, 


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Mollusken  ans  Tripolis  und  Barka.  311 

zuseheu.  nachdem  wir  gesehen  haben,  daß  No.  10  (Hdieclki  ajrenaica) 
doch  auch  im  angTenzenden  Trii)()lis  vorkommt.  Es  erübrigt  noch 
eine  kleine  Grnppe  von  Schnecken  (11,  13,  14.  15),  die  eine  so  eigen- 
tümliciie  Verbreitung  haben,  daß  es  sich  wohl  lohnt,  dies  besonders 
zu  betonen.  Diese  4  Schnecken  —  Helkella  davidiana  Bgt.,  Helkella 
tuhcrculosa  Cone.,  Leucochroa  hieroclmniina  Boiss.,  Bidimimis  attenuatus 
Mss.  —  sind  einerseits  in  der  Cj'renaica,  andrerseits  in  Palästina 
und  Syrien  zu  finden,  während  sie  in  Ägyi)ten  fehlen  oder  höchstens 
durch  vikariierende  Arten  vertreten  werden.  (Dies  ist  vielleicht 
bei  HcliceUa  tuherculosa  Coxn.  der  Fall,  deren  Pendant  in  Ägyi)ten 
H.  phüamnia  Bgt.  vorstellt.) 


312  R-  Sturanj,  Mollusken  aus  Tripolis  und  Barka. 


Erklärung  der  Abbild uugeu. 


Tafel   10. 

Fig.  la — h.  Leianiina  gyrostoma  Fee.  (3  :  2).  S.  294.  Die  beiden 
in  la — d  wiedergegebenen  Schalen  stammen  von  Dschebel  Tegi'inna,  die 
Figuren  le — h  beziehen  sich  auf  2  Stücke  von  Dschebel  Gosseba.  (Jede 
Schale  ist  von  vorn  und  oben  aufgenommen.) 

Fig.  2a— b.    Lerantina  leachü  Fee.  (3  :  2)  von  Dschebel  T'kut.    S.  295. 

Fig.  3a — c.  Buliminus  {Mastus)  attenuatus  Mss.  (3  :  2).  S.  302. 
Die  Exemplare  3a  und  3b  stammen  von  Dernah,  das  kleine  Stück  3c 
(/".  edeniata  Stue.)  von  Beugasi. 

Tafel   11. 

Fig.  4a — c.  Helicella  (Heliomanes)  lineata  Oliv.  f.  kiaptoczi  Stür. 
von  Ain  Sarah  bei  Tripolis  (3  :  2).     S.  296. 

Fig.  5a — d.  Vitrina  tripolitana  Stue.  von  Dschebel  T'kut  im  Gharian- 
Gebirge  (2  :  1).     S.  292. 

Fig.  6a — b.     Clausilia  klapioczi  Stue.    von  Dernah   (2  :  1).     S.  304. 

Fig.  7a — b.  Leucochroa  hierochnntina  Boiss.  /'.  cyrenaica  Stue.  von 
Dernah  (3  :  2).     S.  301. 

Fig.  8a — c.  Helicella  (Heliomanes)  cretica  Fee.  /'.  harkaensis  Stue. 
von  Dernah  (3  :  2).     S.  298. 


Xaclidruck  verboten. 
XJberselzungsrechl   vorbehallcv . 


Die  systematische  Stellung  von 
Helix  leachii  Fee.  und  gyrostoma  Fer. 


Von 


P.  Hesse  in  Venedig. 


Unter  den  von  Herrn  Dr.  Bruno  Klaptocz  im  September  190G 
in  Tripolitanien  gesammelten  Schnecken  fand  Herr  Dr.  Stürany 
einige  Exemplare  von  Hd.  leachii  Fer.  und  gijrostoma  Fer.,  die  noch 
das  eingetrocknete  Tier  enthielten.  Es  gelang  ihm,  die  Tiere  auf- 
zuweichen, und  er  sandte  sie  mir,  in  Alkohol  konserviert,  vor  einigen 
Wochen  zur  anatomischen  Untersuchung,  über  deren  Ergebnis  ich 
in  den  folgenden  Blättern  berichten  will. 

Der  Erhaltungszustand  des  mir  voi'liegenden  Materials  war  be- 
greiflicherweise kein  idealer,  gestattete  aber  bei  Hei.  leachii  die 
Präparation  dei-  Mundteile  und  des  für  die  Sj^stematik  besonders 
wichtigen  Geschlechtsapparats.  Die  beiden  zur  Verfügung  stehenden 
Hei.  gyrostoma  waren  durchaus  jugendlich,  die  Genitalien  daher  nur 
in  der  ersten  Anlage  vorhanden. 


Helix  leachii  Fer. 

Es  lagen  mir  3  Exemplare  vor,  am  Dschebel  T"kut  im  Gharian- 
Gebirge  gesammelt,  2  erwachsene  von  reichlich  4  und  1  junges  von 


314  I'-  Hesse, 

kaum  8  Umgängen.  Von  den  beiden  erwachsenen  mißt  das  größere 
Gehäuse:  großer  Durchmesser  19,5.  kleiner  Durchmesser  16.  Höhe 
10  mm.  das  kleinere  bzw.  17,5,  14.5  und  9.5  mm. 

Das  kleineie  der  beiden  Geschlechtsreifen  Tiere  ist  am  besten 
erhalten,  und  auf  dieses  beziehen  sich  meine  ^Maßangaben:  die  dem 
großem  Exemplar  entnommenen  JMaße  sind  in  Klamme]-n  beigefügt. 
Wenn  ich  die  Dimensionen  der  einzelnen  Organe  genau  verzeichne, 
so  bin  ich  mir  i'echt  wohl  bewußt,  daß  diese  Zahlen  nur  einen  rela- 
tiven Wert  haben,  denn  abgesehen  von  der  individuellen  Variation 
haben  wir  im  vorliegenden  Falle  auch  mit  starken  Schrumpfungen 
der  Weichteile  zu  rechnen.  Immerhin  geben  bestimmte  Maße  jeden- 
falls ein  klareres  Bild  als  die  sehr  dehnbaren  Bezeichnungen:  groß, 
klein,  lang,  kurz  etc. 

Das  Tier  ist  bräunlich-weiß,  auf  dem  Rücken  nur  wenig 
dunkler  als  an  den  Seiten,  der  Mantel  hell  bräunlich-grau.  Die 
schmutzigweiße,  an  den  Rändern  dunkler  gefärbte  Fußsohle  ist  in 
stark  kontrahiertem  Zustande  10  mm  lang  und  2,5  mm  breit.  Von 
den  Nacken  läppen  hat  der  rechte,  wie  bei  den  meisten  Heliceen, 
die  Form  eines  nacli  unten  spitz  zulaufenden  Dreiecks  von  3  mm 
Länge,  bei  1  mm  Breite  am  obern  Ende.  Der  linke  ist  in  2  Stücke 
geteilt,  die  durch  einen  Zwischenraum  von  1,2  mm  voneinander  ge- 
trennt sind.  Das  flach  halbmondförmige  obere  Teilstück  ist  kaum 
1  mm  lang,  das  untere  hat  die  Form  eines  schmalen  Saumes  von 
2,5  mm  Länge  bei  kaum  0,5  mm  Breite.  Die  einander  gegenüber- 
liegenden Enden  der  beiden  Teilstücke  haben  keine  gelösten 
Zipfel. 

Die  kalkweiße  Niere,  deren  vordere  Spitze  8 — 10  mm  vom 
Mantelrande  entfernt  ist,  hat  die  bekannte  keilförmige  Gestalt;  die 
beiden  längern  Schenkel  messen  6,5  und  5  mm,  die  schräg  ab- 
gestutzte Basis  3  mm.  Der  Ureter  hat  die  Form  einer  olfeneu 
Rinne. 

Der  odontognathe  Kiefer  ist  halbmondförmig,  mit  abgerundeten 
Enden,  dunkel  hornbraun,  mit  parallelen  Leisten  besetzt,  die  beide 
Rändei'  überragen.  Das  eine  der  beiden  erwachsenen  Tiere  hat  auf 
dem  2,16  mm  breiten  und  in  der  Mitte  0,80  mm  hohen  Kiefer 
5  Leisten,  von  denen  die  mittlere  die  kürzeste,  die  äußerste  linke 
recht  flach,  die  übrigen  aber  normal  ausgebildet  sind.  Der  andere 
Kiefer  hat  6  ziemlich  bi-eite,  erhabene  Leisten  und  ist  etwas  größer, 
nämlich  2,32  mm  breit  und  0,85  mm  hoch.  Das  junge  Tier  liat 
einen  viel  heilem,  durchscheinend  bräunlich-gelben  Kiefer,  halbmond- 


Helix  leachii  Fkk.  uikI  oyrostoiua  Ftit.  315 

förmio-  oebog'eii.  mit  ab.o-eschiägteii  Kiideii ;  er  ist  nur  mit  2  ziemlich 
breiten  Leisten  besetzt,  die  beide  Ränder  ilberrag-en,  und  mißt  in 
der  Höhe  0.54  mm.  Breite  1.20  mm. 

Die  Rad  nla  variiert  in  dei-  Länge  von  4.85  bis  5,95  in  der  Breite 
von  2.1(3—3.50  mm;  eines  dei-  untei'snchten  Exemplare  hat  187.  das 
andere  202  Querreihen  mit  44—1-44  bzw.  46  —  1-44  Zähnen.  Die 
Zahnplatten  sind  in  den  Querreihen  in  einer  nach  vorn  offenen,  g-e- 
schwungenen  Bog'enlinie  angeordnet.  Der  ^iittelzahn  ist  gedrung-en, 
symmetrisch,  mit  einer  Spitze,  die  den  Rand  dei'  Basalplatte  nicht 
oder  nur  eben  erreicht.  Die  Seitenzähne  sind  von  ähnlicher  Form, 
aber  etwas  unsymmetrisch.  Der  Übergang-  zu  den  Randzähnen  be- 
ginnt beim  14.  Zahn,  bei  dem  zuei'st  eine  äußere  Nebenspitze  auf- 
tritt: am  15.  beginnt  die  Ausrandung  der  Hauptspitze,  und  beim 
16.  ist  diese  gespalten.  Weitere  Spaltung-en  finden  nur  ausnahms- 
weise statt;  an  den  äußersten  Randzähnen  ist  zuweilen,  doch  relativ 
selten,  auch  die  Nebenspitze  g^eteilt,  so  daß  4zackige  Zähne  ent- 
stehen, aber  die  meisten  Randzähne  haben  nur  3  Zacken. 

Die  Radula  des  jungen  Tieres  ist  3,25  mm  lang,  1.35  mm  breit 
und  trägt  144  Querreihen  mit  33 — 1 — 34  Zähnen.  Der  Übergang 
zu  den  Randzähnen  findet  beim  10. — 12.  Zahne  statt. 

Der  Genitalapparat  war  bei  dem  giößern  Tier  so  spröde 
und  bröcklig,  daß  er  nur  in  Stücken  herauspräpariert  werden  konnte; 
beim  kleinern  Exemplar  zeigte  er  sich  dagegen  befriedigend  gut  er- 
halten, doch  fehlt  der  hintere  Teil,  der  beim  Herausziehen  des  Tieres 
aus  dem  Gehäuse  abgerissen  ist.  Dieser  Mangel  fällt  indes  wenig 
ins  Gewicht,  da  erfahrungsgemäß  die  charakteristischen  Eigentüm- 
lichkeiten in  der  Regel  nur  im  vordem  Abschnitt  des  Genitaltractus 
in  die  Erscheinung  treten,  während  Eiweiß-  und  Zwitterdrüse  nur 
selten  erwähnenswerte  Besonderheiten  aufweisen. 

Der  weißliche  Uterus  ist  stark  gefältelt,  halb  durchscheinend, 
von  gelatinöser  Konsistenz;  die  Prostata  zieht  sich  als  schmales 
gelbliches  Band  an  ihm  entlang.  Der  Uterushals  ist  sehr  kurz,  nur 
1  mm  lang,  von  mäßiger  Dicke,  die  5  (4)  mm  lange  Vagina  nament- 
lich in  ihrem  vordem  Teile  erheblich  stärker  als  jener.  Am  hintern 
Ende  der  Vagina  zweigt  sich  der  Blasenstiel  ab,  mit  relativ  dickem, 
nur  4  (3)  mm  langem  Schaft,  der  sich  in  2  dünnere  Zweige  spaltet, 
den  8  (9,5)  mm  langen  Blasenkanal  und  das  10  (12)  mm  lange 
Divertikel.  Der  Blasenkanal  führt  zu  der  kugelrunden  oder  ovalen 
Samenblase   von   2.5  (2  X  3)  mm  Durchmesser.     Das   Divertikel   ist 


316  P.  Hesse, 

von  gleicher  Stärke  wie  der  Kanal  und  nur  weni«:  länger  als 
dieser. 

Ungefähr  in  der  Mitte  der  Vagina  ist  der  länglich  ovale, 
4,5  (4)  mm  lange  Pfeilsack  angeheftet,  der  an  seiner  Basis  in  auf- 
fallender ^\'eise  knieförmig  gebogen  ist.  Ob  wir  diese  Biegung  als 
eine  Folge  der  starken  Schrumpfung  anzusehen  haben,  vermag  ich 
nicht  zu  beurteilen,  halte  das  aber  für  nicht  unwahrscheinlich.  Der 
Pfeilsack  umschließt  einen  ungefähr  H  mm  langen,  anscheinend  ganz 
geraden  Liebespfeil,  den  ich  nur  von  einem  meiner  beiden  Exemplare 
in  etwas  defektem  Zustande  erhalten  konnte;  beim  andern  war  er 
in  eine  Unzahl  winziger  Splitter  zerfallen,  vermutlich  durch  den 
von  dem  muskulösen  Pfeilsack  bei  der  Schrumpfung  ausgeübten 
Druck  zerquetscht.  Er  zeigt  die  Form,  die  man  seit  Ad.  Schmidt 
als  den  new oraUs-Ty ims  zu  bezeichnen  pflegt:  kannelierte  Krone, 
ziemlich  schlanken  Hals,  4  sj^mmetrisch  angeordnete  Längsleisten  mit 
scharfen  Schneiden.  Die  Leisten  sind  in  der  Mitte  am  breitesten, 
nach  dem  Halse  und  der  Spitze  zu  verjüngen  sie  sich  allmählich. 
Der  Querschnitt  hat  die  Form  eines  4strahligen  Sterns.  Die  an  der 
Basis  des  Pfeilsackes  sitzenden  beiden  Glandulae  mucosae  sind 
schAvach  entwickelt;  ein  kurzer,  1—2  mm  langer  Stamm  trägt 
2 — 3  fadendünne  Äste,  deren  Länge  gleichfalls  2  mm  nicht  über- 
steigt. Der  vordere  Abschnitt  der  Vagina,  zwischen  dem  Penis  und 
der  kurzen  Genitalcloake.  ist  beträchtlich  weiter  als  die  hintere 
Hälfte. 

Am  Penis  ist  der  kurze,  kräftige  Retractor  in  der  Mitte  au- 
geheftet; der  vordere  und  hintere  Abschnitt  sind  genau  gleichlang, 
je  4  mm.  Das  vordere  Stück,  der  eigentliche  Penis,  ist  ziemlich 
stark  erweitert,  spindelförmig;  der  hintere  Teil,  den  Pilsbry  als 
Epiphallus  bezeichnet,  ist  viel  dünner  und  rein  zylindrisch.  An 
seinem  hintern  Ende  sendet  er  das  dünne,  9  mm  lange  Vas  deferens 
zur  Prostata  ab  und  trägt  ein  sehr  eng  korkzieherartig  aufgewundenes 
Flagellum,  dessen  Länge  8  (6)  mm,  im  ausgestreckten  Zustande  aber 
mehr  als  das  Doppelte  beträgt. 


Helix  f/i/rostoiiia  P'er. 

Es  lagen  mir  2  noch  durchaus  jugendliche  Tiere  vor,  mit  Gehäuse- 
fragmenten, die  keine  sichere  Messung  gestatten,  aber  in  Farbe, 
Bänderu]ig  und  Form  der  obern  Windungen  eine  auffallende  Ähnlich- 


Helix  leachii  Fkk.  und  gyrostoraa  Ficr.  317 

keit  mit  Levantina  hia-osolyma  erkennen  lassen.  Sie  sind  im  Gharian- 
Gebirge  g-esammelt,  das  eine  am  Dschebel  Teglirinna,  das  andere 
am  Weo-e  von  Gliarian  nach  Tripoli.  Das  kleinere  der  beiden  Tiere 
war  sehr  mangelhaft  erhalten;  die  folg-ende  Beschreibnn»-  bezieht 
sich  auf  das  g-rößere. 

Rücken  graubraun,  mit  Andeutung-  einei-  Nackenleiste,  die  am 
vordem  Ende  durch  hellere  Färbung  ausgezeichnet  und  dadurch 
leicht  zu  erkennen  ist.  Seiten  und  Schwanzende  bräunlich- 
weiß;  am  Fußrande  entlang  zieht  sich  lingsuni  eine  schmale 
bräunliche  Zone.  Die  weißliche  Fußsohle  mißt  an  dem  stark  kon- 
trahierten Tiere  8  mm  in  der  Länge  und  8  mm  in  der  grüßten 
Breite. 

Von  den  Nackenlappen  ist  der  rechte  dreieckig.  2,2  mm  lang. 
Vom  linken  ist  das  obere  Teilstück  klein,  halbmondförmig.  1  mm 
lang;  nach  einem  Zwischenraum  von  2  mm  folgt  das  untere  Stück 
in  Form  eines  schmalen,  2,7  mm  langen  Saumes.  Die  gegenüber- 
liegenden Enden  der  beiden  Teilstücke  sind  nicht  oder  kaum 
gelöst. 

Am  ^fantel  zeigt  sich  vorn  ein  sehr  schmaler  gelbbrauner 
Saum:  das  Lungendach  ist  einfarbig  bräunlich,  die  Mitteldarmdrüse 
(Leber)  sehr  dunkel  braun  und  an  den  obern  Windungen  stai'k  zu- 
sammengedrückt. Das  läßt  darauf  schließen,  daß  das  Gehäuse  in 
der  Jugend  scharf  gekielt  sein  muß. 

Der  Kiefer  des  größern  Tieres  ist  halbmondförmig,  mit  ab- 
gerundeten Enden,  0,75  mm  hoch,  2  mm  breit,  ziemlich  hell  gelb- 
braun, mit  2  Leisten  besetzt,  die  eine  nur  schwach  angedeutete 
mittlere  einschließen  und  den  konkaven  Rand  gar  nicht,  den  kon- 
vexen nur  wenig  überragen.  Bei  dem  kleinern  Exemplar  ist  er  bei 
gleicher  Höhe  nur  1,85  mm  breit,  hat  nicht  gerundete,  sondern  schräg 
abgestutzte  Enden  und  ist  mit  8  regelmäßig  ausgebildeten,  nicht 
ganz  parallelen,  sondern  etwas  konvergierenden  Leisten  besetzt, 
die  den  konvexen  Rand  kaum,  den  konkaven  aber  deutlich  über- 
ragen. 

Die  Radula  des  kleinern  Exemplars  ist  5  mm  lang.  1,9  mm 
breit,  mit  154  Querreihen  von  42  — 1—42  Zähnen;  beim  größern  Stück 
sind  die  Maße  5,4  bzw.  2.1()  mm.  Die  Zahl  der  Querreihen  konnte 
ich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen,  da  ein  Stück  der  Zunge  ab- 
gerissen und  in  Verlust  geraten  war;  die  einzelnen  Querreihen  sind 
mit  39 — 1—40  Zähnen  besetzt.  Die  Form  der  Zahnplatten  entspricht 
der  schon   von   Hei.  leachii  beschriebenen,   doch   erreicht   die  Spitze 


318  P-  Hesse, 

g-ewühiilicli  den  Kand  der  Basalplatte;  der  Übergang  in  die  Rand- 
zäline  findet  beim  14. — 16.  Zahne  statt.  In  der  Nähe  des  Randes 
sind  -Izackige  Zähne  nicht  selten,  da  auch  die  Nebenspitze  sich  zu- 
weilen spaltet. 

Die  Genitalien  sind  noch  durcliaus  jugendlich  und  unent- 
wickelt. Der  Uterus  erscheint  als  ein  fadendünner  Strang,  der  Pfeil- 
sack ist  sehr  winzig,  die  Glandulae  mucosae  felilen  ganz.  Die  Art 
wurde  aber  vor  Jahren  an  frischem  Material  von  dem  verstorbenen 
Apotheker  Fritz  Wiegmann  in  Jena  untersucht,  und  dessen  hand- 
schriftlicher Nachlaß,  der  mir  vom  Königl.  Zool.  Museum  in  Berlin 
anvertraut  wurde,  enthält  eine  eingehende  Beschreibung  des  anato- 
mischen Befundes.  Das  WiEGMANx'sclie  Manuskript  nebst  den  dazu 
gehörigen  Zeichnungen  werde  ich  an  anderer  Stelle  veröffentlichen; 
hier  sei  nur  kurz  erwähnt,  daß  sich  aus  dem  Bau  der  Genitalien  die 
nahe  Verwandtschaft  unserer  Art  mit  IM.  Jeachii  zweifellos  ergibt. 
Die  anatomischen  Unterschiede  zwischen  den  beiden  Arten  sind 
sogar  ziemlich  unerheblich  und  verwischen  sich  vielleicht  ganz,  wenn 
reichlicheres  und  gut  konserviertes  Material  untersucht  werden 
kann.  Nach  den  bis  jetzt  vorliegenden  Befunden  hat  Hei.  gijrostoma 
ein  längeres  Blasenstieldivertikel  als  Hei.  Jeaclni  und  einen  leicht 
gebogenen  Pfeil  während  der  von  Hei.  leaclm,  den  ich  nicht  ganz 
intakt  erhalten  konnte,  gerade  zu  sein  scheint.  Ferner  fehlt  der 
Hei.  (jjjrostoma  die  knieförmige  Biegung  an  der  Basis  des  Pfeilsackes, 
die  ich  bei  Hei.  leacMi  beobachtete;  es  ist  aber  ziemlich  wahrschein- 
lich, daß  diese  nur  als  eine  Folge  starker  Schrumpfung  anzusehen 
ist.  Endlich  macht  der  hintere  Abschnitt  des  Penis  bei  Hei.  gyro- 
stoiiia  etwa  ein  Drittel,  bei  Hei.  leachii  die  Hälfte  der  ganzen  Länge 
aus.  Die  besonders  ins  Auge  springenden  charakteristischen  Merk- 
male: das  spiralig  aufgewundene  Flagellum,  die  kümmerlich  ent- 
wickelten Glandulae  mucosae,  das  dünne  Blasenstieldivertikel.  finden 
sich  bei  beiden  Arten  in  gleicher  Weise. 


Aus  der  Beschaffenheit  des  Geschlechtsapparats  ergibt  sich  un- 
zweifelhaft die  nalie  Verwandtschaft  der  beiden  tripolitanischen 
Arten  mit  den  syrischen  Levantinen,  deren  Anatomie  ich  in  Ross- 
MÄssLEß-KüBELT's   Icouographie    der    europäischen   Land-   und    Süß- 


Helix  leacliii  Fkr.  nud  gyrostoma  FiiR.  319 

wasser-Mollnsken  (Neue  Folge),  Vol.  14.  p.  189  eingeliend  besprochen 
habe. 

Die  vorhin  erwähnten,  unsern  beiden  Arten  gemeinsamen  Merk- 
male sind  gerade  für  die  eigentlichen  Levantinen  charakteristisch; 
dazu  kommt  noch  die  große  Ähnlichkeit  in  der  Form  des  Pfeils  und 
im  Bau  des  Gehäuses.  Die  scharf  gekielte,  rippenstreitige  Lev. 
leachii  zeigt  zwar  einen  etwas  abweichenden  Typus,  aber  Lev.  gyro- 
stoma erinnert  durch  das  eigentümlich  dachförmige  Gewinde  mit 
dem  an  der  Naht  etwas  vorstehenden  Kiel  und  den  bräunlich-gelben, 
teilweise  in  Flecken  aufgelösten  Bändern  so  auffallend  an  Lev.  Iiiero- 
soljjma  und  caesareaua.  daß  ich  mich  verwundert  frage,  wie  es  m(iglicli 
ist,  daß  nicht  schon  von  anderer  Seite  diese  Verwandtschaft  erkannt 
wurde.  Nur  in  dem  Umstände,  daß  die  beiden  afrikanischen  Species 
in  den  Sammlungen  noch  immer  zu  den  größten  Seltenheiten  ge- 
hören, kann  ich  eine  Erklärung  dafür  finden. 

Das  Auftreten  dieser  bisher  nui-  aus  Vorderasien  bekannten 
Gattung  in  Tripolitanien  ist  überraschend,  da  sie  in  dem  relativ 
gut  durchforschten  Ägypten  bisher  noch  nicht  gefunden  wurde.  In 
bezug  auf  die  Beschaftenheit  des  Genitalapparats  und  der  Mundteile 
zeigen  die  wenigen  bis  jetzt  anatomisch  untersuchten  Arten  eine 
große  Einförmigkeit,  aber  nach  dem  Bau  des  Gehäuses  lassen  sich 
ohne  Zwang  3  auch  geographisch  scharf  abgegrenzte  Gruppen 
unterscheiden. 

a)   Asiatische  Arten.     Großer  Durchmesser  gewöhnlich   über 
30,  fast  nie  unter  25  mm. 

I.  Die   Gruppe   der  Leo.  (jnttata   Ol.  [Assyriella  m.).     Gehäuse 
immer  ungekielt,  obere  Umgänge  gewölbt. 

Verbreitung:  Cypern,  östliches  Kleinasien,  Mesopotamien. 
Persien,  nördlich  bis  über  den  Araxes  und  zum  Südende 
des  Kaspischen  Meeres. 

IL  Die  Gruppe  der  Lev.  hierosolyma  Boiss.  (T^evantina  s.  str.). 
Gehäuse  in  -der  Jugend  gekielt,  obere  Umgänge  flach,  dach- 
förmig, der  Kiel  oft  ein  wenig  über  die  Naht  vorstehend, 
aber  am  letzten  Umgange  verschwindend  oder  nur  noch  als 
stumpfe  Kante  angedeutet. 

Verbreitung:  Rhodos,  Kalymnos,  Insel  Standia  bei  Kreta(?). 
Syrien  von  Aleppo  und  Beirut  bis  zum  Südende  des  Toten 
Meeres. 


320  P-  Hesse.  Helix  leachii  Fek.  und  gj'rostoma  Fts. 

b)   Afrikanische    Arten.     Großer    Durchmesser    nicht    über 
20  mm. 

TU.  Die   Gruppe   der   Lev.  gyrostoma  Fer.   {Gyrostoma   m.).     Ge- 
häuse  in   der   Jugend   gekielt,    der   Kiel    gewöhnlich   auch 
auf  dem  letzten  Umgänge  noch   mehr  oder  weniger  scharf 
vorhanden,  oft  bis  zur  Mündung. 
Verbreitung:  Tripolitanien. 

Venedig,  15.  September  1908. 


Lippeit  A  Co.  (G   Pätz'scbe  Bia-bdr.),  Naumburg  a.  S 


Nachdruck  verboten, 
IJbersetztmgsrechl  vorhehaltev . 


Die  Tmtzstellimg  des  Abendpfauenauges 
(Smerinthus  ooellata  L.). 

Von 
Dr.  med.  et  phil.  Arnold  Japha, 

1.  Assistent  am  Zoologischen  Institut  der  Universität  Tübingen. 

Mit  Tafel  12. 


Eins  der  vortrefflichsten  Beispiele  von  Trutz-  oder  Schreck- 
stellung"  ist  unter  den  einlieimisclien  Insecten  das  Abendpfauenauge, 
Smainthus  ocellata  L.  Trotzdem  sicli  dieses  Tier  nicht  nur  durch 
Größe  und  schöne  Färbung  und  Zeichnung  hervortut,  sondern  auch 
relativ  häufig-  ist,  gibt  es  bisher  doch  noch  nicht  eine  einzig-e  richtige 
Darstellung  des  Verhaltens  dieses  Schmetterlings,  wenigstens  habe 
ich  in  der  mir  zugänglichen  Literatur  eine  solche  nicht  finden  können. 
Diese  Lücke  will  ich  mit  den  folgenden  Zeilen  ausfüllen. 

Eine  Diskussion  mit  mehreren  Schmetterlingssammlern,  die 
jedes  zweckmäßige  Verhalten  von  Schmetterlingen  mit  Trutzfärbungen 
insbesondere  auch  von  Smerinthus  occlJata  leugneten,  veranlaßte  mich 
bereits  im  Jahre  1905  zur  Zucht  einer  großem  Anzahl  von  Abend- 
pfauenaugen-Eaupen.  Im  folgenden  Jahre  konnte  ich  dann  mit  den 
geschlüpften  Schmetterlingen  meine  Versuche  ausführen  und  die 
Zeichnungen  herstellen  lassen;  in  diesem  Jahre  wiederholte  ich 
meine  Versuche  wieder  mit  einer  Anzahl  von  Abendpfauenaugen. 
Bevor  ich  jetzt  das  Verhalten  der  Schmetterlinge  beschreibe,  will 
ich  noch  kurz  auf  die  mir  zugängliche  Literatur  eingehen  ^),  die  sich 
hierauf  bezieht. 


1)  Die  entomologische  Literatur  ist  ja  leider  sehr  zerstreut  und  teil- 
weise recht  schwer  zugänglich,  dabei  außerordentlich  reichhaltig,  so  daß 
ich  wahrscheinlich  noch   manches  übersehen  habe. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  21 


322  Arnold  Japhä, 

RösEL  ist  wohl  der  erste,  der  in  seinen  bekannten  Insecten- 
belustigungen  eine  Beschreibnng-  und  Abbildung  des  Abendpfauen- 
auges gibt.  Seine  Tafel  enthält  außer  Raupe,  Puppe  und  Schmetter- 
ling mit  ausgespannten  Flügeln  noch  eine  Abbildung  eines  Schmetter- 
lings in  sitzender  oder  vielmehr  kriechender  Stellung.  Letztere  ist 
total  falsch,  denn  niemals  kann  man  ein  Abendpfauenauge,  wie  hier 
dargestellt,  mit  dachförmig  zusammengelegten  Flügeln  sehen.  Bei 
der  außerordentlichen  Naturtreue  der  meisten  RösEL'schen  Ab- 
bildungen ist  dieser  Fehler  um  so  sonderbarer  und  wohl  nui-  dadurch 
zu  erklären,  daß  dem  Autor  eine  lebende  Vorlage  gefehlt  hat.  In 
einer  umfangreichen  russischen  Arbeit  aus  den  Jahren  1891—1893 
macht  J.  PoETscHiKSKY  unter  dem  Titel  „Lepidopterorum  Rossiae 
Biologia"  ausführliche  Angaben  über  Schreck-  und  Schutzfarben  bei 
verschiedenen  Schmetterlingen  und  ihren  Raupen,  insbesondere  auch 
über  die  Bedeutung  der  Augenflecke,  und  kommt  dabei  auch  auf 
das  Abendpfauenauge  zu  sprechen.  ^)  Hierbei  läßt  Verfasser  dem 
Fluge  seiner  regen  Phantasie  aber  einen  dei'artig  freien  Spielraum, 
daß  ihm  zu  folgen  mir  nicht  möglich  ist  und  ein  Eingehen  auf  seine 
Ausführungen  viel  zu  weit  führen  würde.  Die  4  zugehörigen  Ab- 
bildungen zeigen  auf  tab.  4,  fig.  16  ein  Abendpfauenauge  mit  weit 
ausgebreiteten  Flügeln,  was  eine  unrichtige  Darstellung  der  Schreck- 
stellung ist,  aber  auch  die  Ruhestellung  ist  auf  den  Textfigg.  16, 
21  und  22  nicht  ganz  richtig  wiedergegeben. 

Nur  noch  3  Abbildungen  des  ^Abendpfauenauges  sind  mir  be- 
kannt geworden,  die  von  den  üblichen  Zeichnungen  der  Schmetter- 
linge mit  ausgespannten  Flügeln  abweichen  und  die  sich  in  ..Beehm's 
Tierleben",  in  einer  Arbeit  von  Che.  Scueödee  und  in  ^^'EISMANN's 
„Vorträgen  über  Descendenztheorie"  befinden.  Die  erste  dieser  Ab- 
bildungen zeigt  einen  an  einem  Baume  sitzenden  Schmetterling  mit 
ausgebreiteten  Flügeln,  weder  Schreck-  noch  Ruhestellung,  wie  wir 
ihn  im  Leben  niemals  finden  können.  Die  zweite,  ScHEÖDEE'sche, 
Abbildung  in  Ruhestellung  zeigt  die  Flügel  viel  zu  weit  vom  Körper 
abgespreizt,  und  endlich  die  dritte  Abbildung  bei  Weismann  „Falter 
des  Abendpfauenauges  in  Trutzstellung"  —  eines  auf  dem  Boden 
sitzenden  Schmetterlings,  der  alle  4  Flügel  auseinander  gespreizt 
hat  —  ist  leider  falsch  und  gibt  eine  unrichtige  Vorstellung  des 
Vorganges. 


1)  Die    Übersetzung    verdanke    ich    Herrn    A.  Dampe,    Assistent    am 
Zoologischen  Museum  in  Königsberg  in  Preußen. 


Die  Trutzstellnng-  des  Abendpfauenauges.  323 

Das  Verhalten  des  Abeiid])faueiiaug-es  ist  folgendes:  Am  Tage 
verharren  die  Tiere  unbeweglich  in  ihrer  Ruliestellnng,  sie  sitzen 
dabei  entweder  am  Stamm  eines  Baumes  (meist  Weiden,  der  Nähr- 
pÜanze  der  Eanpen)  oder  dgl.  oder  hängen  noch  häufiger  an  Zweigen. 
Die  vorgestreckten  beiden  vordersten  Beine  tragen  dabei  fast  immer 
allein  die  Last  des  Körpers  von  den  beiden  andern  Beinpaaren 
kaum  unterstützt.  Körper  und  Flügel  hängen  mehr  oder  wenig-er 
senkrecht  nach  unten,  die  Fühler  sind  dem  Thorax  zu  beiden  Seiten 
fest  angelegt,  unter  den  Vorderiiügeln  verborgen,  der  Leib  ist  säbel- 
förmig —  mit  der  Konkavität  nach  der  Dorsalfläche  —  gekrümmt 
und  gleichzeitig  ventralwärts  abgebogen.  Die  Flügel  sind  etwas 
vom  Körper  abgespreizt,  so  daL)  das  Abdomen  freibleibt,  und  alle 
4  liegen  in  einer  Ebene,  die  senkrecht  zur  Sagittal-  und  Transversal- 
ebene des  Körpers  gerichtet  ist.  Die  Hinterflügel  sind  unter  den 
Vorderflügeln  soweit  hervorgeschoben,  daß  von  ihnen  von  der  Dorsal- 
seite die  Spitze,  ein  kleiner  Teil  des  Außenrandes  und  fast  der 
ganze  Vorderrand  zu  sehen  ist,  also  der  Teil  des  Hinterflügels,  der 
in  der  Färbung  mit  dem  Vorderflügel  fast  völlig  übereinstimmt, 
außerdem  überragt  meist  (bei  Fig.  1  nicht  zu  sehen)  noch  der  nicht 
glatte,  sondern  etwas  eingefaltete  Afterwinkel  des  Hinterflügels  den 
Innenrand  des  Vorderflügels.  Der  Augenfleck  und  der  rosenrote 
Teil  des  Hinterflügels  ist  hierdurch  völlig  verdeckt,  während  um- 
gekehrt von  der  Unterseite  der  Flügel  der  Hinterflügel  in  seiner 
ganzen  Ausdehnung  zu  sehen  ist  und  vom  Vorderflügel  nur  die  Spitze 
und  ein  breiter  Streifen  des  Vorderrandes,  die  in  der  bräunlich 
schattierten  Färbung  ganz  mit  der  Oberseite  übereinstimmen,  während 
der  größere  lebhaft  rosenrot  gefärbte  1'eil  der  Unterseite  des  Vorder- 
flügels völlig  verdeckt  ist.  Das  Tier  gleicht  hierdurch  ganz  außer- 
ordentlich einer  Gruppe  vertrockneter  Weidenblätter  auch  von  der 
Unterseite,  was  wichtig  ist,  da  die  Tiere  meist  frei  an  Zweigen 
hängen.  Wie  groß  der  hierdurch  erzielte  Schutz  ist,  weiß  jeder 
Schmetterlingssammler  aus  eigner  Krfahrung,  und  schon  Rösel  sagt : 
„Durch  diese  Stellung  betrügen  sie  unsere  Augen  dergestalt,  dass 
man  sie  be}'  ohngefährer  Erblickung,  öfter  vor  ein  verwelcketes  Blat, 
als  vor  einen  Papilion,  ansiehet,  und  daher  am  Tage,  da  sie  sonst 
am  leichtesten  zu  erhaschen  wäi-en,  ilirer  hundert  ühersiehet,  ehe 
man  einen  davon  erkennet.*' 

Zur  Aufgabe  dieser  Kuhestellung  ist  das  Abendpfauenauge 
durch  schwache  Reize,  geringe  Erschütterung  oder  dergleichen  nicht 
so   leicht   zu  bewegen    wie  etwa   der  Pappelschwärmer,  Smerinthus 

21* 


324  Arnold  Japha, 

populi  L..  sein  nächster  Verwandter.  —  Freiwillig  fliegen  die  Zacken- 
schwärmer am  Tage  überhaupt  nicht,  sondern  erst  nach  Eintritt 
völliger  Dunkelheit  im  Gegensatz  zu  den  echten  Schwärmern,  wie 
sie  ja  auch  wegen  ihrer  verkümmerten  Rollzunge  nicht  Blumen  be- 
suchen, weshalb  die  Männchen  genötigt  sind  die  Weibchen  mit  Hilfe 
des  Geruches  aufzusuchen.  —  Erst  bei  Anwendung  stärkerer,  mecha- 
nischer Keize,  etwa  eines  leichten  Stoßes  gegen  Kopf  oder  Thorax,  tritt  die 
außerordentlich  charakteristische  Reaktion  ein  und  zwar  in  folgender 
Weise:  Blitzschnell  werden  die  Vorderflügel  in  dachförmige  Lage 
gebracht  und  gleichzeitig  die  Hinterflügel  zwischen  den  Vorder- 
flügeln vorgeschoben,  so  daß  ihr  leuchtendes  Rot  und  die  Augen- 
zeichnung zum  Vorschein  kommt;  außerdem  krallt  sich  das  Tier  fest 
an  der  TTnterlage  an,  die  Fühler  werden  nach  vorwärts  gerichtet, 
der  Kopf  eingezogen,  der  Thorax  kuppenförmig  vorgewölbt  und  das 
Abdomen  noch  stärker  säbelförmig  gekrümmt.  Hand  in  Hand  hier- 
mit geht  eine  ganz  eigentümliche,  sehr  energisch,  rhythmisch  nicht 
sonderlich  schnell  ausgeführte  wippende  Bewegung,  die  durch  Ab- 
stoßen und  Anziehen  des  Vorderkörpers  mittels  der  Beine  zustande 
kommt.  Fortfliegen  tun  die  Tiere  niemals;  war  der  Stoß  so  stark, 
daß  sie  von  der  Gewalt  desselben  herunterfallen,  so  „wippen"  sie 
auf  dem  Boden  weiter.  Die  Dauer  dieser  Bewegung  hält  je  nach 
der  Intensität  des  Reizes  ein  paar  Sekunden  bis  etwa  eine  halbe 
Minute  an.  Dann  verharrt  das  Tier  bewegungslos  noch  einige  Zeit 
in  der  gleichen  Stellung,  um  dann  ganz  allmählich,  so  langsam,  daß 
dem  beobachtenden  Auge  die  Zusammenfaltung  kaum  bemerkbar 
wird,  wieder  in  die  Ruhelage  überzugehen.  Zuerst  werden  die 
Flügel  wieder  in  eine  Ebene  gebracht,  das  Rot  verschwindet,  all- 
mählich werden  die  Fühler  wieder  zurückgelegt,  und  ganz  zuletzt 
wird  der  Vorderrand  der  Hinterflügel  wieder  vor  den  Vorderrand 
der  Vorderflügel  geschoben.  Bei  erneuter  Reizung  genügt  schon  ein 
geringerer  Stoß,  um  die  gleiche  oder  noch  länger  dauernde  Wirkung 
hervorzurufen ;  außerdem  reagieren  einige  Individuen  lebhafter  als 
andere,  frische  heftiger  als  alte,  abgeflogene  Tiere.  Schon  bei  frisch 
geschlüpften  Tieren  tritt,  noch  bevor  die  Flügel  ausgewachsen  sind, 
das  Wippen  bei  Reizung  auf  und  ebenso  bei  verkrüppelten  Exem- 
plaren, deren  Flügel  nicht  zur  Entfaltung  gelangten.  Zu  beachten 
ist  noch,  daß  bei  dieser  Schreckstellung  auf  der  Unterseite  das  Rot 
der  Vorderflügel  deutlich  zur  Wirkung  kommen  kann,  daß  einzelne 
Individuen  aber  auch  die  Vorderflügel  etwas  derart  abwinkein,  daß 


Die  Trutzstelluiii»-  des  Abendpfaueuanges.  325 

bei  der  Eetraclitung-  von  unten  her  die  rote  Unterseite  der  Vorder- 
fliigel  aucli  von  der  Dorsalseite  teilweise  zur  Geltung  kommt. 

Was  nun  die  Wirksamkeit  dieser  Trutzstellung  anbetrifft,  so 
möchte  ich  hierfür  die  Versuche  mitteilen,  die  Standfuss  angeführt 
hat.^)  Als  Objekte  dienten  eine  Reihe  zahmer  Vögel,  die,  in  er- 
wachsenem Zustand  eingefangen,  schon  zwei  und  mehr  Jahre  im 
Käfig  gehalten  waren,  eine  Nachtigall,  ein  Sprosser,  ein  Schwarzkopf 
und  zwei  Rotkehlchen.  Die  Pfauenaugen  wurden  so  in  die  fünf 
Käfige  eingesetzt,  daß  sie  einem  Springstäbchen  entlang  liefen,  wo- 
bei zunächst  von  der  x\ugenzeiclinung  nichts  sichtbar  war.  Der 
Schw'arzkopf  ging  tapfer  auf  den  Schmetterling  los  und  hieb  mit 
dem  Schnabel  nach  ihm:  drohend  wurde  das  Auge  vorgeschoben, 
der  Vogel  flog  erschrocken  auf,  flatterte  noch  längere  Zeit  ängstlich 
im  Käfig  hin  und  her  und  suchte  mit  sichtlichen  Zeichen  der  Furcht 
zu  entkommen;  er  berührte  das  Ungetüm  nicht  wieder.  Auch  die 
beiden  Rotkehlchen  und  die  Nachtigall  hackten  ein  einziges  Mal 
nach  ihrem  Pfauenauge  und  ergriffen  augenblicklich  die  Flucht,  als 
dieses  seine  Trutzstellung  annahm.  Der  Sprosser  allein,  welcher 
sehr  zahm  war  und  seit  Jahren  mit  allerlei  Insecten,  auch  großen 
Schmetterlingen  und  Spinnen  gefüttert  wurde,  ließ  sich  nicht  be- 
irren, packte  das  Pfauenauge,  zerhackte  und  verzehrte  es.  Ganz 
der  gleiche  Versuch  wurde  mit  Lindenschwärmern  (Smerinthus  tüiae  L.) 
angestellt,  mit  dem  Erfolg,  daß  diese  von  allen  Vögeln  ohne  weiteres 
ergriften,  zerhackt  und  verzehrt  wurden.  Nur  bei  der  Nachtigall 
geriet  der  schon  ziemlich  zerzauste  Lindenschwärmer  bei  einem 
Fluchtversuch  zufällig  in  die  Nähe  des  noch  am  Boden  des  Käfigs 
sitzenden  Pfauenauges;  dieses  fing  wieder  an  zu  wippen  und  sein 
Auge  zu  zeigen,  worauf  der  Vogel  augenblicklich  die  Flucht  ergriff". 
Die  bloße  Nähe  des  Pfauenauges  schützte  noch  während  voller  zwei 
Stunden  den  unbewehrten  Lindenschwärmer  gegen  jeden  neuen  An- 
griff des  Vogels.  Auch  die  Rotkehlchen  und  der  Schwarzkopf  rührten 
während  dieser  zwei  Stunden  die  Pfauenaugen  nicht  wieder  an,  so- 
daß  diese  fast  unversehrt  und  lebend  den  Käfigen  wieder  entnommen 
wurden. 


1)  Herr  Prof.  Standfuss  war  so  liebenswürdig,  mir  auf  meine  Bitte 
ein  Separatum  seiner  mir  sonst  kaum  zugänglichen  Mitteilung  zu  senden 
und  auch  noch  einige  weitere  Angaben  zu  machen,  wofür  ich  ihm  auch 
an  dieser  Stelle  meinen  Dank  aussprechen  möchte.  Ich  zitiere,  was  er 
über  seinen  Versuch  mitteilt,   fast  wörtlich. 


326  Arnold  JAriiA. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  anfüliren.  daß  ähnliche,  wenn 
auch  nicht  so  ansgesprocliene  Trutzstellung-en  bei  einer  ganzen 
Eeihe  anderer  Schmetterlinge  vorkommen,  z.  B.  dem  braunen  Bären, 
Arcfia  caja  L.  Wie  weit  übrig-ens  das  ..Auge"  an  der  Wirkung-  der 
Schreckstellung  des  Abendpfauenauges  auf  verfolgende  Feinde  be- 
teiligt ist,  möchte  ich  dahingestellt  sein  lassen. 

Tübingen,  9.  Juli  1908. 


Die  Trutzstellung-  des  Abeudpfaueuaug-es.  "       327 


Tsaclitra:^  bei  der  Korrektur. 


"\'üii  Herrn  Prof.  Spengel  wurde  ich  nocli  nachträglich  auf  eine 
Arbeit  von  Adalbeet  Seitz  aufmerksam  gemacht,  in  der  die  Trutz- 
stellung des  Abendpfauenauges  kurz  beschrieben  und  die  An- 
sicht ausgesprochen  wird,  daß  hierdurch  der  Kopf  eines  kleinen 
Eaubtieres,  etwa  eines  Marders  oder  einer  Katze,  vorgetäuscht 
würde.  Die  Augen  ahmten  genau  das  Säugetierauge  nach,  das 
Abdomen  gliche  einem  Naseni-ücken  und  die  Yorderflügel  2  ge- 
spitzten Ohren. 


328  Arnold  Japha,  Die  Trutzstellung  des  Abendpfaueuauges. 


Literaturverzeichnis. 


Bkehm's  Tierleben,  3.  Aufl.,  Vol.  9,  Insekten,  bearbeitet  von  Taschen- 
BEKG,  Leipzig  u.  Wien  1892,  p.   398. 

PORTSCHINSKY,  J.,  Lepidopterorum  ßossiae  Biologia,  in :  Horae  Soc. 
entomol.  Eoss.,  Vol.  25,  p.  1  —  120  (28  Fig.,  1  Taf.),  1891:  Vol.  26, 
p.  258—411  (39  Fig.,  2  Taf.),  1892;  Vol.  27,  p.  139—224  (36  Fig., 
2  Taf.),  1893. 

RÖSEL,  Johann  August,  Lisektenbelustigungen,  1.  Teil,  Nürnberg  1746, 
3.  Sammlung,  p.    1,   No.    1   und  dazu  gehörige  tab.    1. 

Schröder,  Chr.,  Was  schützt  den  Falter?,  in:  lUustr.  Wochenschr. 
Entomol.,  Vol.   1   (1896),  p.   7—12  und  21—26. 

Seitz,  AdaLBERT,  Betrachtungen  über  die  Schutzvorrichtungen  der  Tiere, 
in:  Zool.  Jahrb.,  Vol.  3,   Syst.,   1888,  p.   95,   96. 

Standfuss,    Beispiele  von  Schutz-    und   Trutzfärbung,    in :    Mitt.  Schweiz. 

entomol.  Ges.,  Vol.   11.  p.   155  (1906). 
Weismann,    August,    Vorträge    über    Descendenztheorie,    2.  Aufl.,    Jena 

1904,  p.  58,  flg.  5. 


Erkläruug  der  Ablbilduugeu. 


Tafel   12. 

Fig.   1.     Abendi^fauenauge,  $  in  Euhelage. 

Fig.   2.     Dasselbe  Tier  in  Trutzstellung,  von  hinten  gesehen. 

Fig.  3.     Dasselbe  Tier  in  Trutzstellung,  von  der  Seite  gesehen. 


I\"achdntck  verboten. 
Ubcrselzun<jxreclil  vorhchullen . 


Beitrag  zur  Ornithologie  des  Campo  Itatiaya. 

Von 
H.  Lud  erwählt,  Miiseu  Pjiulista.  Süo  Paulo. 


Der  Canipo  Itatiaya,  welcher  einen  Teil  der  Serra  Mantiqueira 
bildet,  ist  bereits  öfter  von  Naturforschern  besucht  und  beschrieben 
worden  und  zwar  ganz  speziell  jener  Teil  dieser  ausgedehnten  Hoch- 
ebene, welcher  sich  in  den  Staat  Rio  de  Janeiro  erstreckt,  in 
welchem  Gebiet  sich  die  berülimten  Agulhas  Negras  befinden.  Diese 
letztern,  ein  kolossaler,  massiver,  langviereckiger  Fels,  der,  wenn 
ich  mich  recht  entsinne,  eine  Längenausdehnung  von  1  km  haben 
soll,  der  Gipfel  der  erwähnten  Serra,  ragt  schätzungsweise  bis  2887  m 
über  den  Meeresspiegel  empor  und  bildet  somit  die  höchste  Er- 
hebung Brasiliens. 

Von  Campo  Bello,  einem  kleinen  Städtchen  an  der  Säo  Paulo-Rio- 
Eisenbahnlinie  gelegen,  hat  man  einen  prachtvollen  Blick  auf  die 
sich  im  Norden  emportürmende  gewaltige  Serra  da  Mantiqueira, 
deren  Gipfel  häufig  dichtes  Gewölk  verhüllt,  so  daß  man  nur  an 
klaren  Tagen  die  Zinnen  und  Zacken  der  Negernadeln  deutlich  zu 
erkennen  vermag,  welche  sich  indessen  nur  Avenig  über  die  benach- 
barten Berggipfel  erheben. 

Während  das  Tal  des  Parahyba  bei  dem  eben  genannten  Städt- 
chen, von  welchem  man  die  in  Rede  stehende  Serra  mittels  Mulen 
oder  Pferden  am  schnellsten  und  leichtesten  erreichen  kann,  nur 
etwa  800  m  über  dem  Meeresspiegel  liegt,  erhebt  sich  der  Campo 
Itatiaya.  d.  h.  jener  Teil  desselben,  welchen  ich  während  eines  etwa 
IVainonatlichen  Aufenthalts,  vom  11.  April  bis  gegen  Ende  Mai  1906, 
kennen  zu  lernen  Gelegenheit  hatte,  bereits  zu  2200  m  Höhe.    Jene 


330  "■    IjL'DERWAr.DT, 

Gegend  des  Canipo  Itatiaya  heißt  ,.Campo  do  Ramos"  oder  „Retiro 
do  Ramos",  g-renzt  einerseits  an  die  nach  dem  Parahj'ba-Tal  zu  ab- 
fallende Serraabdachung-  und  andi-erseits  kampeinwärts  an  den 
„Campo  da  sro"  mit  den  Agulhas  Xegras. 

Eine  einsam  liegende  Fazenda  auf  dem  Campo  do  Ramos.  die 
einzige  menschliche  Ansiedlung  weit  und  l^reit,  diente  mir  als 
A\'ohnung.  Von  Landwirtschaft  und  Gartenbau  ist  wegen  des  un- 
fruchtbaren l^odens  in  der  ganzen  Umgegend  keine  Rede;  nur  einige 
kleine  Obstanpflanzungen  sind  hier  und  da  an  geeigneten  Stellen 
angelegt  und  vor  den  Angriffen  des  Viehes  durch  Umzäunen  mit 
Stacheldraht  geschützt  worden.  Aber  auch  die  Viehzucht  gab 
damals  so  wenig  Ertrag,  daß  es  sich  nicht  lohnte,  nur  deswegen 
Leute  auf  der  Fazenda  zu  halten,  und  so  war  ich  zu  jener  Zeit  in 
meilenweitem  Umkreise  das  einzige  lebende,  menschliche  Wesen  und 
bekam  während  meines  dortigen  Aufenthalts  nur  selten  andere  Leute 
zu  sehen. 

Wegen  der  hohen  Lage  des  Campo  Itatiaya  treten  Nachtfröste, 
welche  sich  in  jener  Zone  fast  Jahr  für  Jahr  in  den  kalten  Monaten 
auf  den  Hochebenen  mehr  oder  minder  bemerklich  machen,  dort 
naturgemäß  in  verstärktem  j\Iaße  auf^  Bäume  und  Sträucher 
haben  weniger  unter  der  Kälte  zu  leiden,  während  die  saftigem 
Krautgewächse  ihr  größtenteils  zum  Opfer  fallen.  Nach  einem 
starken  Frost  bieten  die  Kamptlächen  mit  ihrer  abgestorbenen, 
welken,  braunen  Vegetation  einen  trostlosen  Anblick.  Die  winter- 
liche Stimmung  der  Landschaft  wird  besonders  des  Morgens  früh 
sehr  auffällig,  wenn  die  weißbereiften  Abhänge  in  der  aufgehenden 
Sonne  leuchten  und  in  den  Wegen  die  übereisten  Pfützen  glitzern. 
Aber  schon  nach  wenigen  Stunden  sieht  man.  infolge  der  starken 
Sonnenbestrahlung,  nichts  mehr  von  alledem.  In  der  Regel  dauert 
die  Kälte  nur  3  Tage  an,  und  es  vergehen  \^'ochen.  ja  Monate,  ehe 
sie  sich  wiederholt.  Die  Vegetation  erholt  sich  allmählich  wieder 
etwas,  bis  sie  einem  neuen  Frost  zum  Opfer  fällt. 

Das  "NMnterhalbjahr  ist  im  allgemeinen  trocken,  während  des 
Sommerhalbjahrs  dagegen  fallen  viele  und  heftige,  oft  mit  starken 
Gewitterstürmen  verbundene  Regen. 

Als  ich  zum  ersten  Male  den  Cami)0  Itatiaj'a  betrat,  wunderte 
ich  mich  im  stillen  über  die  Vogelarmut  rings  umher,  obwohl  die 
einsame,  menschenleere  Gegend  wie  geschaffen  schien,  einem  reichen 
und  mannigfaltigen  Tierleben  Herberge  zu  gewähren:  Berg  und  Tal 
wechselt  ab  mit  größern  Kampflächen,   während  serraeinwärts  eine 


Ornithologie  des  Canipo  Itatiayu.  331 

regelreclite .  ■wildromantisclie  Hocligebirg-swelt  zur  Herrschaft  ge- 
l;ing-t.  Zum  Teil  ist  das  überall  steinige  Gelände  in  der  Außenzone 
noch  mit  unberührten,  ausgedehnten  Urwaldungen  bedeckt,  welche 
sich  mit  denen  der  8erraabdachung  vereinig-en,  zum  Teil  besteht  es 
in  offenen  Campos,  in  denen  größere  und  kleinere,  hochstämmige 
Gehölze  oder  niedrige  Buschwaldungen  tür  Abwechslung  sorgen. 
Diese  kleinen  Wälder  machen  sich  ganz  besonders  in  den  feuchtern 
und  etwas  fruchtbarem  Tiefen  breit,  in  welchen  sich  auch  häufig 
ein  Bach  vorfindet.  Ebenso  sind  in  den  Tälern  ..Varzeas",  d.  h.  wiesen- 
artige, hauptsächlich  durch  Gräser  und  Eriocauliaceen  charakteri- 
sierte, nasse  Ländereien  nicht  selten.  Größere  Gewässer  da- 
gegen fehlen  gänzlich,  und  nur  im  Tal  der  Agulhas  Negras  habe 
ich  einige  kleine,  torfstichartige  Tümi)el  vorgefunden.  Außerdem 
befand  sich  ganz  in  der  Nähe  der  Fazenda  ein  flacher,  etwa  Vi  ha 
großer  Teich,  der  indessen  zui-  Trockenzeit  regelmäßig  sein  A\'asser 
verlor. 

Aber  wie  gesagt,  es  war  nichts  zu  sehen  noch  zu  hören,  und 
der  Campo  und  die  kleinen  Gehölze,  welche  unsere  kleine  Gesell- 
schaft passierte,  lag  wie  ausgestorben.  Nur  einige  Schwalben 
strichen  hier  und  da  niedrig  übci'  dem  Erdboden  dahin.  Diese  Ode 
wirkte  um  so  auffallender,  als  ich  noch  an  der  Serraabdachung  im 
Walde  eine  Menge  Vögel  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte.  Es  be- 
fanden sich  darunter  mehrere  durch  Farbenpracht  oder  sonstwie 
auffallende  Arten,  wie  die  großen,  lebhaften  und  schön  gefärbten 
Bassiken,  Odinops  decumanus  Fall.,  eine  Schar  laut  schreiender 
Papageien,  Trogon,  Spechte  und  viele  kleinere  A'ögel. 

Aber  die  Vogelarmut  war  nur  eine  scheinbare,  wie  ich  bald  zu 
meiner  Freude  konstatieren  konnte.  Erst  als  ich  die  Aufenthalts- 
orte der  verschiedenen  Arten  und  ihre  Gewohnheiten  genauer  kennen 
gelernt  hatte,  stellte  es  sich  heraus,  daß  der  Campo  Itatiaya  doch 
nicht  so  arm  an  Vögeln  war.  wie  es  zuerst  den  Anschein  hatte. 

Schon  bei  der  Fazenda.  in  welcher  ich  mich  einquartierte,  be- 
grüßte mich  ein  alter  Bekannter,  ein  Pitangus  sulplmratus  maximüiam 
Cae.  et  Heine,  mit  seinem  weithin  hörbaren  „bentevi-bentevi",  beim 
Abendessen  hörten  wir  die  groben,  häßlichen  Stimmen  mehrerer 
Jacü-Guassüs,  der  Penelope  ohscura  111.,  aus  einem  Gehölze,  und 
während  der  Nacht  machte  sich  eine  jener  großen  Eulen  draußen 
im  Obstgarten  bemerkbar,  wohl  eine  PnJsatnx,  die  sich  gewöhnlich 
fern  ab  von  dem  geräuschvollen  Treiben  der  Menschen  in  großen 
zusammenhängenden  A\'aldungen  aufzuhalten  pflegen  und  durch  ihre 


332  H.   LÜDEKWALDT, 

wahrhaft    diabolische    Stimme    sciion    manchen    Uneingeweihten    in 
Angst  und  Schrecken  versetzt  haben  mögen. 

Obwohl  die  Gegend,  wenigstens  soweit  ich  sie  besucht  habe, 
wie  erwähnt,  kampeinwärts  durchaus  gebirgiger  Natur  ist,  so  war 
es  mir  doch  auffallend,  daß  die  Felsen  keinen  einzigen  charakteri- 
stischen Vertreter  aus  der  Vogel-,  ja  vielleicht  aus  der  gesamten 
Tierwelt  aufzuweisen  hatten.  Abgesehen  von  gewissen  Vogelarten, 
wie  den  Mauerläufern,  Alpendohlen  und  Alpenkrähen  etc.,  also  echten 
Hochgebirgsformen,  deren  Vorkommen  an  gewisse  Höhen-  oder  Kälte- 
grade gebunden  ist,  haben  wir  doch  beispielsweise  in  Deutschland 
noch  eine  ganze  Reihe  von  Vögeln,  welche  Orte,  wie  sie  der  (.'ampo 
Itatiaya  aufweist,  entschieden  zu  ihren  bevorzugten  Wohnstätten 
auserwähleu  würden.  Dahin  gehören  Steinschmätzer,  Dohlen,  Raben, 
Wander-  und  Turmfalken,  Segler,  die  Wasserdrossel  etc.  Aber  von 
alledem  findet  sich  nichts  hier  oben,  und  die  Einsamkeit  inmitten 
dieser  wilden,  starren  Gebirgsnatur ,  zumal  in  der  Umgegend  der 
Agulhas  Negras,  in  welcher  das  nackte  Gestein  zur  vollen  Geltung 
kommt,  der  Baum-  und  Sti-auchwuchs  fast  ganz  verschwindet,  wäre 
eine  vollständige,  wenn  nicht  der  allgegenwärtige  brasilianische 
Spatz,  der  Ticu-Ticu,  gelegentlich  seine  Streifzüge  bis  dort  hinauf 
ausdehnen  würde. 

Übeihaupt  besitzt  der  Campo  Itatiaya,  soweit  ich  in  Erfahrung 
bringen  konnte,  nur  eine  einzige,  ihm  sicher  charakteristische  Wirbel- 
tierform, ein  unscheinbares  Vögelchen,  die  Sijnallaxis  moreirae  Rib., 
eine  Dendrocolaptide ,  welche  von  Sr.  A.  de  Mm.  Ribeiro  erst  im 
Jahre  1906  entdeckt  und  im  Archiv  des  Museu  Nacional  zu  Rio  de 
Janeiro  beschrieben  worden  ist. 

Im  übrigen  unterscheidet  sich  wenigstens  die  Ornis  Avohl  kaum 
von  der  der  angrenzenden  Hochebenen,  und  wenn  auch  manche 
Formen,  welche  in  den  benachbarten  Gebieten  vorkommen,  auf  dem 
Campo  Itatiaya  noch  nicht  beobachtet  worden  sind,  so  hat  dies 
seinen  Grund  lediglich  darin,  daß  der  letztere  bis  dahin  noch  zu 
wenig  erforscht  worden  ist. 

Wie  sich  die  Flora  leicht  in  3  Vegetationsgebiete  scheiden  läßt, 
in  die  Wald-,  Kamp-  und  die  Varzea- Vegetation  nämlich,  so  kann 
man  auch  die  Vogelwelt  des  Itatiaj^a  in  3,  jenen  parallel  laufende 
Faunengebiete  trennen. 

Die  Varzeas,  welcher  ich  bereits  durch  Gräser  und  Eriocauliaceen 
als  genügend  charakterisiert  Erwähnung  getan  habe,  sind  nur  die 
Aufenthaltsorte   einer  Ammer.   Emberizoidcs  macrourus  Gm.,   welche 


Ornitliolog-ie  des  Canipo  Itatiaya.  333 

dort  nicht  allein  brütet,  sondern  zu  jeder  Jahreszeit  angetroffen 
wird,  also  als  echter  Varzeabewohner  zu  betrachten  ist. 

Dagegen  habe  ich  die  Saracnra,  Aramides  saracnra  Srix.,  welche 
in  andern  Gegenden  derartige  Örtlichkeiten  stets  häufig  bewohnt 
und  die  sich  immer  sehr  bald  selbst  durch  ihr  lautes  und  auf- 
fallendes Geschrei  verrät,  niemals  beobachtet. 

Der  eigentliche  Campo.  worunter  man  sich  indessen  keine 
weiten,  ebenen  Grasfiächen  zu  denken  hat,  sondern  welcher  hügliger 
Natur  ist,  ist  mit  allerhand  niedrigen  Pflanzen  bedeckt,  aber  an 
vielen  Stellen  so  dürftig,  daß  der  magere,  gelbe  Boden  zutage  tritt. 
Gräser  und  Compositen  treten  am  häufigsten  auf;  verschiedene 
Bromeliaceen  schmücken  hier  und  da  mit  ihren  auffallenden  Blatt- 
rosetten die  überall  umherliegenden  Gesteinstrümmer,  und  an  ge- 
eigneten Stellen  machen  sich  gesellschafts weise  die  grünen,  stachligen 
Rosetten  eines  Eryngium  breit,  dessen  steife,  mit  rundlichen,  Aveißeu 
Blütenköpfen  geschmückte  Stengel  bis  1.50  m  Höhe  erreichen. 

Nur  4  Vogelarten  sind  es,  welchen  ausschließlich  der  Cami)0 
Herberge  gewährt.  Es  sind  dies  die  Seriema,  Microdadylus  crisfatusL., 
die  Kamplerche  oder  „Caminheiro",  Äntlms  cliii  Vieill.,  das  Perdiz- 
huhn,  Bliinchotus  rufescens  Temji.,  und  der  Codorno,  Nothura  macidosa 
Temm. 

Ein  anderer,  aber  eben  nicht  ausschließlicher  Kam pbe wohner, 
der  zu  seinem  Wohlbefinden  wenigstens  etwas  Baumwuchs  verlangt, 
ist  Colaptes  campestris  Vieill.,  der  Kampspecht  oder,  wie  die  Bra- 
silianer den  jedermann  auffallendeu  Vogel  nennen,  „Pica-pän  do 
Campo"  oder  „Chän-Chän''.  „Caracaräs"',  Müvago  cliimachima  Vieill. 
ist  gleichfalls  hierher  zu  rechnen,  welcher  mit  den  Viehherden 
wandert,  und  ebenso  verbringen  2  T^yranniden,  die  „Maria  Preta" 
Cnipolc(jus  comafns  Licht,  und  die  „Maria  Branca"  oder  „Pombinha 
das  Almas",  Tacniopfcra  vdafa  Licht.,  einen  großen  Teil  ihres  Lebens 
auf  dem  Kamp.  Aber  wie  der  genannte  Specht,  so  erscheinen  auch 
diese  beiden  Vögel  hier  hauptsächlich,  um  zu  jagen,  während  sie 
sich  sonst  an  den  Waldrändern  aufhalten,  wohin  sie  bei  Gefahr  auch 
mit  Vorliebe  flüchten. 

Alle  andern  Vögel  sind  Waldbewohner,  oder  sie  sind  doch 
wenigstens  an  die  Gebüsche  gebunden :  aber  die  verschiedenen  Arten 
bewohnen  aucli  hier  wieder  verschiedene  Örtlichkeiten.  Ehe  ich  in- 
dessen näher  hierauf  eingehe,  sei  es  mir  gestattet,  auch  auf  die 
Waldungen  selbst  einen  kurzen  Blick  zu  werfen. 

Sie   bestehen   der   Haui)tsache  nach   aus  immergrünen,   wetter- 


334  ^'-    LiJDERWALDT, 

harten  Gehölzen,  zwischen  denen,  im  Schutze  ihrer  dichten  Kronen 
vor  den  mörderischen  Angritten  des  Frostes  g-eschützt,  hohe  Taquar- 
rohre  üppig"  wucliern,  wälirend  eine  andere,  niedrige,  -i — 5  m  hohe 
und  im  Stengel  sehr  harte,  buschige  Rohiart,  das  wetterharte,  sog. 
Bengalrohr,  an  freiem  Stellen  an  den  Bergabhängen  oder  in  den 
Tiefen  gedeiht  und  für  sich  reine  und  sehr  dichte  Bestände  bildet. 
Die  Taquarrohre  bilden,  je  nach  ihrer  Art,  an  manchen  Stellen  im 
Walde  so  undurchdringliche  ..Dschungeln",  daß  man  sich  nur  mit 
Hilfe  des  Waldmessers  einen  Weg  zu  bahnen  imstande  ist.  Es 
kommen  noch  allerhand  Epiphj'ten  auf  den  Bäumen  vor.  besonders 
Bromeliaceen,  aber  sowohl  ihre  Arten-  als  auch  Individuenzahl  ist 
bereits  beschränkt.  Hier  und  da  bemerkt  man  auch  niedrige  Baum- 
farne, während  dagegen  Palmen  gänzlich  fehlen,  wie  auch  Lianen, 
deren  dicke,  in  die  Baumkronen  emporsteigende  und  von  dort  herab- 
fallende Stränge  nicht  wenig  dazu  beitragen,  einem  Crwalde  sein 
tropisches  Gepräge  zu  verleihen.  Dicht  belaubte  Schlingsträucher 
dagegen,  welche  sich  an  den  Baumstämmen  emporwinden  und  die 
Kronen  ihrer  Träger  oft  fast  völlig  überwuchern,  sieht  man  auch 
hier  an  den  lichtem  Orten,  an  den  Picaden  oder  in  Windbrüchen. 
Auch  Fuchsia  integrifolia  Game,  ist  ein  solcher  Kletterstrauch,  dessen 
überhängende,  vollbelaubte  Zweige  wälirend  eines  großen  Teiles  des 
Jahres  mit  einer  Fülle  schöner  Blüten  übersät  sind,  welche  große 
Anziehungskraft  auf  die  Kolibris  ausüben.  Der  charakteristischste 
Baum  der  Campos,  der  „Pinheiro"  (Araucaria  Gras.),  ist  knapp  ver- 
treten und  bildet  nirgends  geschlossene  Waldungen  wie  in  andern 
Gegenden,  sondern  kleinere,  lichte,  liainartige  Bestände. 

Diese  Pinheirenhaine  nun  sind  die  bevorzugten  Örtlichkeiten 
eines  wegen  seiner  Schönheit  und  volltönenden  Stimme  von  den 
Brasilianern  häufig  gefangen  gehaltenen  Icteriden,  des  „Melro" 
Casskus  chrysopferus  Vig.;  die  Loclunia  nematura  Licht,  liebt  die 
dicht  bebuschten  Ufer  der  Ribeiräos.  im  Walde  sowohl  als  auch 
auf  freiem  Camp,  und  die  niedrigen,  zusammenhängenden  Busch- 
waldungen bilden  die  Lieblingsaufenthalte  der  Sijnalhixis  moreirae 
M.  KiB.  Li  den  Hochwaldungen  finden  sich  2  oder  3  Papageien- 
Arten,  Tukane  und  „  Jacü-Guassus"  {Penelope),  welche  hier  den  Beeren 
und  andern  Früchten  nachgehen;  ferner  Tauben  und  verschiedene 
Spechte  etc.  und  auf  dem  Boden  2  Hühner,  die  „Capoeira"  {Odonto- 
pliorus)  und  „Lihambus"  (Crypturus).  Ameisenvögel,  Scytahpus.  und 
die  Conophcuja  Imcaia  Vieill.  finden  sich  besonders  in  den  mit  Rohr 
durchsetzten  Feldgehölzen.    Die  Hauptmasse  des  kleinem  Geflügels 


Oniitholo<>ie  des  Caiupu  Itatiaj'a.  335 

aber  hält  sich  am  liebsten  an  den  ^^'ald^ändern  oder  in  den  Feld- 
o-eh()lzen  auf.  Raubvögel,  mit  Ausnahme  der  „Caracaras"',  sind  auf- 
fallend selten,  Kolibris  i-eg-elmäßig-e  Erscheinungen. 

Jagdbare  Vögel,  wie  überhaupt  jagdbare  l'iere.  sind  selten  auf 
dem  Campo  Itatiaj^a.  wie  überall  in  den  bevölkerten  Teilen  Brasiliens. 
Die  Jag'd  ist  für  jedermann  und  zu  jeder  Jahreszeit  frei,  und  wenn 
auch  hier  und  da  im  Lande  bereits  Gesetze  bestehen,  welche  das 
Verkaufen  von  Vogelwild  zu  bestimmten  Zeiten  verbieten,  so  werden 
solche  doch  nicht  mit  der  nötigen  Strenge  gehandhabt. 

Es  kommen  für  das  in  Rede  stehende  Gebiet  nur  wenig  Arten 
in  Betracht,  und  zwar  Crijpturns'  ohsoletus  Tkjm.ai.,  lihjnchotus  rufesccns 
Temm.  ,  Fenelope  ohscura  III.  ,  Odonfophorus  capueira  Spix,,  Tauben, 
Papageien,  der  Tlhamphashis  discoloms  Tj.  und  etwa  noch  Drosseln. 
Auch  die  „Seriema"  wird  gern  von  den  Brasilianern  gejagt,  aber 
nur  zum  Vergnügen,  da  man  ihr  Fleis(di  nicht  zu  essen  pflegt.  Ks 
ist  aber  nicht  leicht,  den  äußerst  aufmerksamen  und  flüchtigen 
Vogel  zu  erlegen.  Am  leichtesten  soll  er  noch  von  schnellen  Hunden 
gefangen  werden,  nachdem  man  ihn  zu  Pferde  durch  mehrmaliges 
Aufjagen  flugmüde  gemacht  hat. 

Da  ich  gerade  bei  dem  Kapitel  „Jagd"  angelangt  bin,  so  will 
ich  nicht  unerwähnt  lassen,  daß  ich  mir  bei  meinen  Sammelausflügen 
oft  die  Neugier  gewisser  Vögel  zunutze  gemacht  habe.  Wenn  man 
sich  still  im  Walde  niederhockt,  das  Miauen  einer  Katze  nachahmt 
oder  zwitschert  wie  eine  Maus  oder  ein  gefangener  Vogel,  so  hat 
man  häufig  bald  eine  ganze  Schar  kleinei-,  verschiedenartiger  Vögel 
um  sich.  Zunächst  kommt  nur  einer  herbei,  um  zu  sehen,  was  es 
da  gäbe,  und  sein  Ruf  lockt  dann  in  kurzer  Zeit  die  andern  herbei : 
besonders  die  hier  in  Betracht  kommenden  Arten  von  Scytcdopus, 
Conopliaga,  Formidvora,  die  Sijnallaxis  moreirae  Rib.  und  andere  Dendro- 
colaptiden,  die  beiden  PoospLm- Arten  und  der  prächtige  blaue  Stephano- 
pliorus  leucocephalus  Vieii-l.  etc.  stellen  sich  sicher  ein,  w^enn  sie  sich 
gerade  in  der  Nähe  aufhalten.  Pflanzt  man  dann  noch  das  Schmetter- 
lingsnetz, für  alle  diese  kleineu  unerfahrenen  Waldbewohner  natürlich 
eine  höchst  fremdartige  Erscheinung,  neben  sich  auf,  so  kann  man 
sich  um  so  großem  Erfolg  versprechen.  Ich  bin  bei  solchen  Ge- 
legenheiten oft  überrascht  gewesen  über  die  Menge  Vögel,  welche 
sich  einfanden,  um  das  merkwürdige,  leicht  im  Luftzuge  wehende, 
schneeweiße  Ding  genauer  zu  betrachten,  obwohl  ich  vorher  kaum 
einen   bemerkt  hatte   und   der  ^^'ald  wie  ausgestorben  vor  mir  lag. 

Im  Vorstehenden   habe   ich   versucht,   das  Vogelleben   auf  dem 


336  H.    LÜDERWALDT, 

Campo  Itatiaya,  welcher,  wie  ich  bisher  versäumt  habe  zu  erwähnen, 
dem  littoralen  Faunengebiete  angehört,  in  großen  Umrissen  zu 
schildern.  Daß  icli  über  Flora.  Klima  und  sonstige  nicht  ornitho- 
logische  Verhältnisse  etwas  ausführlicher  gesprochen  habe,  wird  mir, 
so  hofle  ich.  von  selten  des  Lesers  keinen  Vorwurf  eintragen.  Ich 
bin  der  Ansicht,  daß  man  sich  über  das  Tierleben  einer  Gegend 
nur  dann  eine  richtige  Vorstellung  zu  machen  imstande  ist,  wenn 
man  auch  über  die  erwähnten  Verhältnisse  wenigstens  einigermaßen 
orientiert  ist.  Es  gibt  nun  zwar  verschiedene  Schriften,  die  jene 
Stoffe  ausführlich  behandeln,  aber  nicht  jeder  Ornithologe  ist  in  der 
angenehmen  Lage,  ohne  weiteres  über  dieselben  verfügen  zu  können. 
Im  Nachstehenden  folgt  ein  Verzeichnis  nicht  nur  der  von  mir 
auf  dem  Campo  Itatiaya,  also  meinem  ausschließlichen  Jagdgebiete, 
gesammelten  und  beobachteten  Vogelarten,  sondern  der  Vollständig- 
keit halber  aller,  auch  aus  andern  Teilen  der  Serra  Itatiaya  im 
Staate  Rio  de  Janeiro  bisher  bekannt  gewordenen  Species.  Meine 
Sammlungen  befinden  sich  im  Besitz  des  Museu  Paulista,  in  dessen 
Auftrage  ich  meine  ßeise  nach  der  in  Rede  stehenden  Hochebene 
unternommen  hatte.  Die  Liste  ist  zusammengestellt  nach  den 
„Catalogos  da  Fauna  Brasileira'',  herausgegeben  von  Prof.  Dr. 
H.  V.  Ihering,  Direktor,  und  Herrn  Rud.  v.  Ihering,  Custos  des  er- 
wähnten Museums  in  Säo  Paulo.  Die  eingeklammerten,  hinter  den 
wissenschaftlichen  Namen  stehenden  Bezeichnungen  bedeuten  die 
Vulgärnamen.  Über  die  von  Sr.  A.  de  Mir.  Ribeiro  aufgeführten 
Arten  vgl.  dessen  Arbeit  „Vertebrados  do  Itatiaya"  in  den  Archivos 
do  Museu  Nacional  do  Rio  de  Janeiro,  Vol.  13,  und  es  sei  hier  liervor- 
gehoben,  daß  der  Autor  bisher  der  einzige  war.  welcher  über  die 
Vögel  des  Itatiaya  geschrieben  hat. 

Farn.  Tinamidae.  ^) 
*  Ci'uxjturus  obsoletus  Temm.  (Inhambü-Guassü). 

E,IBEIR0,   Campo   011  Mono  Hedoiide,  p,    18. 

Von  mir  in  einem  größern,  hochstämmigen  Walde  mehrfach  be- 
obachtet. An  seinem  schmetternden,  bekannten  Ruf,  welchen  man 
zu  jeder  Jahreszeit  vernimmt,  schon   nicht  zu  verkennen.    Obwohl 


1)  Nur  die  mit  einem  Stern  versehenen  Arten  sind  Bewohner  des 
Campo  Itatiaya.  Bei  den  aus  der  Schrift  von  ElBEIRO  angeführten 
Arten  habe  ich  mich  begnügt,  einfach  den  Fundort  anzugeben. 


Ornithologie  des  Campe  Itatiaya.  337 

ich  das  eine  oder  andere  Exemplar  dicht  vor  mir  liatte,  so  glückte 
es  mir  doch  nicht,  eines  zu  erlegen.  Entweder  flogen  die  Vögel  im 
^Y'dlde  unvermutet  vor  mir  auf.  wo  an  ein  Schießen  wegen  des 
dichten  Unterholzes  nicht  zu  denken  war,  oder  sie  suchten  ihre 
Rettung  im  eiligen  Davonlaufen  und  Verstecken.  Ihr  ganzes  Ge- 
baren verriet  deutlich,  daß  sie  bereits  öfter  gejagt  worden  waren. 
In  unbewohnten  Gegenden,  wo  die  Enhambus  unbehelligt  bleiben, 
sind  sie  so  wenig  furchtsam,  daß  man  sie  bequem  beobachten  kann. 

*  RhfjncJiotiis  rufescens  Temm.  (Perdiz). 

Von  RiBEiRo  in  seiner  Arbeit  p.  10  als  auf  dem  Campo  Itatiaya 
vorkommend  erwähnt.  Ich  habe  den  Vogel  nur  ein  einziges  Mal 
gesehen,  obwohl  mir  in  Campo  Bello  versichert  wurde,  daß  es  dort 
viele  Perdizhühner  geben  solle.  Aber  freilich,  ohne  gute  Hunde  hält 
es  schwer,  sie  zum  Aufstehen  zu  bewegen,  und  es  ist  daher  immer 
nur  Sache  des  Zufalls,  wenn  man  ihnen  begegnet.  So  auch  diesmal. 
Als  ich  eines  Vormittags  Wasser  aus  einem  unweit  der  Fazenda  in 
einer  Varzea  vorüberfließenden  Bache  schöpfte,  erhob  sich  noch  weit 
außer  Schußweite  einer  dieser  schwerfälligen  Vögel  und  suchte 
fliegend  das  Weite.  Auch  von  den  kleinern  Feldhühnern,  den 
NotJmra- ArteB,  ist  mir  nie  eins  zu  Gesicht  gekommen. 

^  Nothiira  maculosa  Temm.  (Codorno,  Codorniz). 
Von  RiBEiEO  p.  10  erwähnt. 

Farn.  Cracidac. 

^  Penelope  obscura  III.  (Jacü-Guassii). 

Mehrfach  gesellschaftlich  in  3-5  Exemplaren  in  den  Feld- 
gehölzen sowohl  als  auch  inmitten  größerer  Waldungen.  Nicht  ein 
einziges  Mal  ist  es  mir  geglückt,  bis  auf  Schußweite  heranzu- 
kommen. Die  Vögel  waren  zu  scheu.  In  der  Regel  bemerkten  sie 
mich  zuerst,  auch  dann,  wenn  ich  mich  vorsichtig  an  einen  ihrer 
gewöhnlichen,  mir  bekannten  Aufenthaltsorte,  einen  Fruchtbaum  oder 
-Strauch,  heranzuschleichen  suchte.  Durch  ihre  häßlichen,  polternden 
Stimmen  verrieten  sie  mir,  daß  sie  mich  bereits  entdeckt  hatten  und 
auf  ihrer  Hut  waren.  Ich  sah  dann  wohl  noch  den  einen  oder 
andern  der  großen,  schwarzen  Vögel  auf  einen  andern  Ast  springen, 
aber  damit  war  auch  das  Signal  zu  schleuniger  Flucht  gegeben. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  22 


338  H.    LÜDERWALDT, 

*  JPenelope  Jacquassii  Spix. 

RiBEiRO,  ßetiro  do  Ramos,  p.    17. 

Cuniana  {Fipile)  jacutinf/a  Spix  (Jacutinga). 
Von  RiBEiKo  erwälmt  p.  17. 

Farn.  Odontophoridae. 

*  Odo^itophoi'us  cajyueii'a  Spix  (Urü,  Capoeira). 

Im  Walde  an  der  Seiraabdacliung  mehrfach  lockend.  Die  Bra- 
silianer behaupten,  daß,  wenn  die  Urus  des  Abends  schreien,  so  be- 
deute das  für  den  folgenden  Tag  klares  Wetter,  rufen  sie  dagegen 
am  Morgen,  so  gäbe  es  noch  an  demselben  Tage  Regen.  Aber  es 
verhält  sich  hiermit  ebenso  wie  mit  dem  ..Frühstücksspecht"  der 
deutschen  Kolonisten  in  St.  Catharina,  dem  prächtigen,  gelbgehäubten 
Celeus  flavescens  Gm.  Dieser  Vogel  soll,  so  behaupten  die  Leute,  nur 
zur  Frühstückszeit  rufen,  also  etwa  um  10  Uhr.  Wer  sich  indessen 
darauf  verlassen  wollte,  dürfte  den  Frühstückstisch  während  des 
ganzen  Tages  nicht  verlassen.    Auch  von  Ribeiro  erwähnt  p.  17, 

Farn.  Columbidae. 

*CoJuniha  liluitihea  Vieill.  (Pomba  Amargosa,  Ca^uirova). 
Ribeiro,  Retiro  do  Ramos,  p.   18. 

Auch  von  mir  gesammelt.  In  den  Wäldern  nicht  selten  und 
dort  im  allgemeinen  wenig  scheu.  Die  Taube  besucht  zuweilen  ein- 
sam liegende  Gehöfte,  um  nach  Futter  zu  suchen,  ist  liier  aber  auf- 
merksam und  bleibt  weg,  sobald  sie  glaubt  beobachtet  zu  werden. 
Vom  20. — 22.  April  besuchte  mich  regelmäßig  in  den  Vormittags- 
stunden eine  dieser  blauen  Waldtauben  auf  der  Fazenda  und  betrat 
sogar  das  Innere  eines  Viehstalles,  ließ  sich  aber,  nachdem  ich  ihr 
eine  Falle  gestellt  hatte,  nicht  wieder  blicken.  Mit  den  gleichen 
Fallen  habe  ich  öfter  dieselbe  Taubenart  in  St.  Catharina  in  den 
Urwaldpicaden,  in  welchen  diese  Vögel  mit  Vorliebe  nahruugsuchend 
dahinlaufen,  gefangen.  Es  war  hier  also  einzig  die  plötzlich  ein- 
getretene, ungewohnte  Veränderung  in  der  Umgegend  des  von  ihr 
besuchten  Gebäudes,  welcher  der  vorsichtige  Vogel  mißtraute.   Offen- 


Ornithologie  des  Campo  Itatiaya.  339 

bar  ist  die  Art  weder  dumm  noch  menschenscheu,  und  ich  glaube, 
daß  man  sie  zälimen  und  an  Aus-  und  Einfliegen  gewölinen  könnte. 
Auch  auf  dem  Campo  do  Jardao  kamen  einmal  Wildtauben  ganz  in 
die  Nähe  meines  Ranchos,  zuerst  nur  1,  dann  2  und  schließlich 
4  Stück  mit  einem  Male.  Sie  ließen  sich  einige  Tage  den  aus- 
gestreuten Reis  gut  schmecken,  blieben  aber,  als  ich  eine  Falle  für 
sie  einrichtete,  plötzlich  aus.  Schießen  konnte  ich  sie  nicht,  sie 
waren  so  aufmerksam,  daß  sie  sofort  davon  flogen,  sobald  sie  etwas 
Verdächtiges  wahrnahmen. 


Farn.  Peristeridae. 

Leptottla  rnfaxiUa  Rich.  et  Bern.  (Juruyt-do-Matto-Virgem, 

Juruty). 

RlBElEO,   CamiDho  do   Conto,   p.    18. 

Farn,  Cariamidae. 

*  3Iicro(la€tylus  (Cariama)  crlstatus  L.  (Seriema). 

Einmal  am  frühen  Morgen  in  2  Exemplaren  ganz  in  der  Nähe 
der  Fazenda,  wo  sie  sich  durch  ihr  lautes,  eigentümliches  Geschrei 
verrieten.  Die  Vögel  standen  etwa  100  m  vom  Hause  entfernt  im 
niedrigen  Gebüsch  an  einer  Mangeira.  verstummten  aber  im  Moment, 
als  ich  aus  dem  Fenster  schaute.  Mich  wundert,  daß  diese  sonst 
so  scheuen  Tiere  es  überhaupt  gewagt  hatten,  so  nahe  an  das  Ge- 
höft heranzukommen. 

Fam.  Cathartidac. 

*  Catharista   atratus  brdsiJiensis  =    C.  atrafa  Wils.   (Urubü, 

Corvo). 

Nach  RiBEiEO,  p.  ]  1,  sind  2  dieser  Vögel  auf  dem  Itatiaj'a  längere 
Zeit  hindurch  in  den  Felsen  gesehen  worden.  Vielleicht  ein  Brut- 
paar. 

Daß  mir  nie  ein  Urubü  dort  zu  Gesicht  gekommen  ist.  nimmt 
mich  nicht  weiter  wunder.  Diese  Vögel  finden  sich  ständig  nur  in 
der  Nähe  von  Schlächtereien  oder  doch  an  ürtlichkeiten,  wo  sie 
regelmäßig  auf  Nahrung  rechnen  können.  Abseits  der  menschlichen 
Wohnungen,  in  entlegenen  Gegenden  auf  dem  Campo  etc.  erscheinen 

22* 


340  H.    LÜDEKWAI.DT. 

sie  nur  bei  einem  Aase,  dann  aber  selbst  an  Orten,  wo  sie  sich  sonst 
niemals  blicken  lassen. 

Cathartes  aura  L.  (Urubü-Peba,  Corvo  de  Cabega,  Vermelha, 

Urubü  Cagador). 

RiBEiRO,  p.   11,  unterhalb  Monte-Serrat. 

Fam.  Falconidae. 

'^  Mlh'cif/o  (Ibycter)  chiniachbna  Vieill.  (Caräcarä). 

In  Gesellschaft  der  Rinderherden,  wie  überall  in  Brasilien,  so 
auch  hier  oben  reg^elmäßig"  vorkommend.  Dieser  häufigste  aller  ein- 
heimischen Raubvögel  trägt  viel  zur  Belebung  der  einsamen  Campos 
bei,  und  oft  habe  ich  seinen  heisern,  etwas  lang  gezogenen  Schrei 
„ihää"  in  der  sonst  von  Tierstimmen  so  selten  unterbrochenen  Stille 
des  Campo  do  Ramos  vernommen.  In  der  Regel  meldete  der  Vogel 
dann  einen  Trupp  Rinder  an,  denn  mit  dem  Vieh  ist  sein  Leben 
auf  das  Innigste  verknüpft.  Mit  den  plumpen  Zweihufern  geht  und 
kommt  der  Caräcarä;  ihnen  verdankt  er  einen  Teil  seiner  Nahrung, 
und  es  gewährt  einen  eigentümlichen  Anblick,  einen  oder  den  andern 
dieser  verhältnismäßig  großen  Vögel  gemütlich  auf  einer  weidenden 
Kuh  sitzen  zu  sehen.  In  Deutschland  ist  es  lediglich  der  Star  und 
die  Bachstelze,  welche  sich  gern  in  der  Nähe  des  Viehes  aufhalten 
und  ihm  die  Bremsen  wegfangen  oder  das  Ungeziefer  absuchen.  In 
Brasilien  verrichten  4  Vogelarten  diesen  Liebesdienst  und  zwar  der 
Anum  Branco,  Guira  guim  Gm.,  der  Anum  Preto,  Crofopkaga  ani  L., 
die  Vira-Bosta,  Molothrus  honanensis  Gm.,  und  der  Caräcarä.  Aber 
eben  nur  der  letztere  und  vielleicht  noch  die  Vira-Bosta  findet  sich 
auch  auf  dem  Campo  Itatiaya,  während  es  mir  sofort  in  den  ersten 
Tagen  auffiel,  daß  die  beiden  erstgenannten  Vögel,  welche  man  sonst 
überall  antrifft,  wo  Vieh  gehalten  wird,  fehlten. 

*Micrastur  fußcoUis  Vieill.  (Gaviäo  Matteiro,  Gaviäo  Cabure). 
ßlBElKO,  p.    25,  Retiro  do  Eamos,   ]\[orro  dos  Carneiros. 

*  JElanoicles  forficatiis  L.  (Gaviäo  Thesoura,  Tapema,  Tapenna). 

Einmal  in  einer  vorüberziehenden  Schar  beobachtet.  Das  waren 
aber  offenbar  Fremdlinge  in  der  wilden,  steinigen  Einöde  des  Campo 
Itatiaya,  wenigstens  zu  der  damals  bereits  stark  vorgeschrittenen 


Ornithologie  des  Campo  Itatiaya.  341 

Jahreszeit,  am  8.  Mai.  in  der  tagtäglich  Nachtfröste  und  kalte  Tage 
zu  erwarten  standen.  Die  Aufenthaltsorte  der  Schwalbenweihen 
sind  vorzüglich  die  Flußtäler  in  den  tiefer  liegenden  Gegenden  Bra- 
siliens, wo  sie  besonders  gern,  über  dem  Wasser  dahinfliegend, 
ihrer  Kerbtierjagd  obliegen.  Die  Vögel  haben  in  ihrer  Gestalt,  der 
Farbe  und  dem  Benehmen  mehr  Ähnlichkeit  mit  Seeschwalben  als 
mit  Raubvögeln,  und  bei  den  deutschen  Kolonisten  in  St.  Catharina 
heißen  sie  deswegen  auch  Möwen  oder  ,.Seevögel".  Die  in  Rede 
stehende  Schar,  etwa  aus  30  Individuen  bestehend,  befand  sich  offen- 
bar auf  der  Wanderung.  Aber  die  Vögel  schienen  es  nicht  eilig  zu 
haben,  und  ich  habe  sie  wohl  eine  halbe  Stunde  lang  beobachtet,  wie 
sie,  ziemlich  hoch  in  der  Luft,  schreiend  auf-  und  niedersteigend, 
in  einem  Schwärm  in  nördlicher  Richtung  dahinzogen. 

* Tinniincnliis  sparverius  ciunamomimus  Sw.  (Quiri-Quiri). 

In  2  Exemplaren,  einem  jungen  und  einem  alten,  wiederholt  in 
einem  kleinen  Gehölze  beobachtet. 

*Sr.  RiBEiRO  erwähnt  außerdem  p.  11  einen  großen  Raubvogel, 
und  ich  selbst  sah  außer  den  erwähnten  Arten  während  meines 
Aufenthalts  auf  dem  Itatiaya  nur  noch  2  kleinere  Falken  auf  dem 
Campo  vorüberfliegen.  Es  waren  2  verschiedene  Arten,  die  eine 
vielleicht  der  von  Ribeiro  beobachtete  Micrastur  ruficoUis  Vie. 

Fam.  Bubonidae. 

*  Piilsatr'lx  ?  sp. 

Während  des  Nachts  mehifach  im  Obstgarten  am  Hause.  Un- 
zweifelhaft dieselbe  Art,  deren  unheimliche  Laute  ich  vielfach  in 
den  Urwaldungen  St.  Catharinas,  in  der  Blumenauer  Hansa  und  auf 
dem  Campo  da  Jordfio  im  Staate  Säo  Paulo  vernommen  habe.  Durch 
Worte  wiedergeben  lassen  sich  diese  Laute  kaum.  Bald  hört  es  sich 
beinahe  an,  als  wenn  ein  Mensch  klagt,  dann  folgt  ein  geisterhaftes, 
nicht  zu  beschreibendes  Fauchen,  oder  vielmehr  ein  Fauchen,  welches 
am  besten  dadurch  wiedergegeben  wird,  indem  man  die  Luft  mit  einem 
Rucke  gewaltsam  aus  dem  Munde  stößt.  Dann  wieder  scheint  es,  als  ob 
man  das  dumpfe  Gebell  eines  großen  Hundes  in  der  Ferne  vernehme. 
Diese  Vögel  wissen  aber  noch  verschiedene  andere  höchst  unheim- 
liche Laute  hervorzubringen,   welche  wohl  geeignet  sind,  auch  ein 


342  H.    LÜDERWALDT, 

weniger  ängstliches  Gemüt  heftig  zu  erschrecken,  besonders  zur 
Paarungszeit.  Dann  ertönt  der  stille  ^^'al(l  bald  nach  hereingebrochener 
Dunkelheit  von  dem  weithin  schallenden  ,,huu"  der  beiden  Gatten, 
und  der  frisch  zugewanderte  Ansiedlei'.  mit  den  Lauten  des  Urwaldes 
nicht  vertraut,  fragt  sich  erschreckt  nach  der  Ursache  des  wirklich 
schauerlich  klingenden  Lärmes.  Unerfahrene  junge  Hunde  suchen 
ängstlich  Schutz  zwischen  den  Knien  ihres  Herrn,  und  eine  Mule, 
welche  ich  beobachtete  und  die  offenbar  zum  ersten  Male  das 
Liebesgeschrei  dei'  großen  ..coruja"  vernahm,  hielt  augenblicklich 
mit  Fressen  inne,  warf  erschreckt  den  Kopf  in  die  Höhe  und  starrte 
mit  gespitzten  Ohren,  regungslos  dastehend,  wohl  minutenlang  nach 
der  entsprechenden  Richtung.  Dann  warf  sie  sich  herum,  um  hinter 
dem  Hause  Zuflucht  zu  suchen.  Schade,  daß  es  mir  nie  gelungen 
ist,  den  Namen  der  Art  festzustellen.  Nur  einmal  hatte  ich  Ge- 
legenheit, einen  dieser  Geistervögel  am  Tage  zu  beobachten,  wenn 
auch  nur  auf  Augenblicke,  eben  auf  dem  Campo  Itatiaya.  Ich  war 
auf  Jagd  gegangen  und  lauerte  auf  das  Erscheinen  eines  Scytalopus, 
welcher  in  einem  Gehölze  vor  mir  im  dichtesten  Rohrgestrüpp  um- 
herkroch.  Eine  Schar  verschiedenartiger  Vögel  zog  gerade,  lebhaft 
einander  lockend,  in  den  Gebüschen  vorüber,  als  das  warnende,  lang- 
gezogene Zischen  eines  Vogels,  ich  glaube,  es  war  ein  Steig idostomus 
maxülosus  C'ab.,  welcher  irgend  etwas  Verdächtiges  bemerkt  haben 
mußte,  die  fröhliche  Gesellschaft  plötzlich  zum  Schweigen  brachte. 
Für  Augenblicke  herrschte  Totenstille  umher,  welche  nur  durch  die 
leisen,  warnenden  Töne  jenes  Vogels,  dem  der  eine  oder  andere 
der  Gesellschaft  in  ähnlicher  Weise  sekundierte,  unterbrochen 
wurde.  Dann  machte  sich  die  erregte  Stimme  einer  Sebiädrossel 
bemerkbar,  und  jetzt  wurde  es  lebendig.  Ich  beobachtete  bald,  daß 
sich  die  Vögel  schnell  an  einer  Stelle  im  Walde  konzentrierten,  und 
schlich  daher,  sofort  ein  Raubtier  oder  eine  Schlange  vermutend, 
vorsichtig  näher,  mehrere  Sebiädrosseln  lärmten  hier  jetzt  um  die 
Wette  mit  einem  halben  Dutzend  PkdycicMa  flavipes  Vieill.  und 
2  andern  Drosseln,  vielleicht  Merula  leucomelas,  welche  sich,  wenig- 
stens die  beiden  erstgenannten  Arten,  in  ihrem  Eifer  nicht  viel  um 
meine  Anwesenheit  kümmerten.  Außer  den  genannten  Vögeln  waren 
besonders  häufig  Poospim  lateralis  Nordm.  und  Stephanophorus  leuco- 
cephalus  Vieill.  vertreten ;  ferner  beobachtete  ich  2  Baumläuferarten 
(kleine  Dendrocolaptiden)  und  Ticu-Ticus  sowie  einige  andere  Vögel. 
Sogar  einen  Kolibri  hatte  seine  Neugierde  herbeigelockt.  Ich  hörte 
ilin   lebhaft   über  mir   surren,   ohne  ihn   wegen  des  dichten,  über- 


Ornithologie  des  Campo  Itatiaya.  343 

hängenden  Rohres  7A\  Gesicht  zu  bekommen.  Zunächst  konnte  ich 
indes  nichts  entdecken,  und  erst  nach  längerm  Suchen  scheuchte  ich 
eine  große  Eule  auf.  Aber  nur  einen  Augenblick  sah  ich  den 
großen  Nachtvog-el  zwischen  dem  Blätterwerk  der  Bäume  daliin 
g-leiten,  verfolgt  von  seinen  kleinen  Störenfrieden,  dann  war  er 
meinen  Blicken  entschwunden,  und  alle  ]\lühe.  ihn  wieder  aufzufinden, 
blieb  vergeblich. 


Fam.  Psiüacidae. 

'^  Coniirus  aiiricapillus  Licht. 

Von  RiBEiEO  (p.  19)  erwälnit. 

*  I*i/rrJiura  vittata  Shaw  (Tiriba,  Perequito). 
RlBElEO,  p.    19,   Caminho  do  Conto,   Retiro  do    Ramos. 

^ Plonopsitta  {PionopsUtacns)  i^üeata  Soor.  (Cuiu-Cuiu). 

Für  diese,  im  männlichen  Geschlecht  rotkijpfige  Art.  welche  ich 
auch  auf  dem  Campo  do  Jordäo  gesammelt  und  sehr  häufig  beobachtet 
hatte,  hielt  ich  wenigstens  einen  Flug  Periquiten,  den  ich  zu  wieder- 
holten Malen  hoch  oben  im  \Mpfel  eines  samentragenden  Baumes 
antraf.  Leider  konnte  ich  mir  keine  Gewißheit  darüber  verschaffen, 
ob  die  Vögel  mit  jener  Art  identisch  waren,  da  ich  immer  vergebens 
auf  sie  gefahndet  habe.  Sie  saßen  zu  hoch  für  meine  Vogelflinte. 
Dabei  wußten  sie  sich  so  vorzüglich  in  dem  dichten  Blätterwerke, 
mit  welchem  ihr  grünes  Gefieder  genau  übereinstimmte,  zu  ver- 
stecken, daß  es  mir  trotz  allen  Spähens  nicht  gelingen  wollte,  auch 
nur  einen  einzigen  der  Gesellschaft  mit  Sicherheit  von  seiner  Um- 
gebung zu  unterscheiden.  An  den  herabfallenden,  enthülsten  Säme- 
reien aber  konnte  ich  bemerken,  daß  sie  nicht  etwa  still  saßen, 
sondern  in  voller  Tätigkeit  waren.  Höchstens  der  Futterneid  kann 
diese  intelligenten  Vögel  beim  Fressen  zum  Schreien  veranlassen, 
sonst  verhalten  sie  sich  mäuschenstill  bei  ihrer  Arbeit,  um  sich  nicht 
zu  verraten.  Anders,  wenn  sie  sich  erheben,  etwa  um  einen  andern 
Baum  aufzusuchen.  Dann  erst  gibt  sich  ihr  wahres  Wesen  zu  er- 
kennen, und  ilir  lebhaftes  Gekreisch  erfüllt  den  Wald,  alle  andern 
Vogelstimmen  übertönend.  Dieselbe  Art  beobachtete  ich  auch  bei 
einem    Aufstieg    der    Agulhas    Negras    in    3    Exemplaren,    welche 


344  H.    LÜDERWALDT 


schreiend  hoch  oben  in  der  Luft  in  westlicher  Richtung  dahinzogen, 
also  in  einer  Höhe,  welche  über  3000  m  über  dem  Meeresspiegel  lag. 

*  Außer  den  erwähnten  Arten  sah  ich  einmal  im  Walde  einen 
größern  Papagei,  einen  Kurzschwanz,  in  4  Exemplaren  davonfliegen, 
wohl  ein  Pionus  oder  eine  kleine  Aniazona. 

Farn,  CypseUdac. 

*Chaetura  hiscutata  Sgl.  (Andorinthao). 
RiBEiRO,  p.  20,  Eetiro  do  Ramos. 

Farn.  TrochiUdac. 


* 


Fhaetomis  eiiyynonie  Less.  (Beija-FlOr). 

Der  Blumenküsser.  Ich  habe  den  Vogel  einmal  auf  dem  Campo 
Itatiaya  am  Rande  der  Serraabdachung  beobachtet  und  mehrere 
Male  bei  Mont-Serrat  und  glaube  mit  Bestimmtheit  behaupten  zu 
können,  daß  es  sich  tatsächlich  um  diese  und  keine  andere  Art 
handelt,  um  so  mehr,  als  ich  sie  auch  auf  dem  Campo  do  Jordäo,  Staat 
Säo  Paulo,  in  :^00  m  Höhe  gesammelt  habe. 

Liepidopyffa  (Cyanophaia)  f/oudoti  Bourc. 
RiBEiRO,  p.   19,  Mont-Serrat. 

^  Petasoi^hova  {Colibri)  servirostrls  Vieill. 

Gesammelt  und  öfter  beobachtet.  Eine  der  scheuern  Arten,  die, 
wie  mir  schien,  besonders  gern  in  kleinen,  abgesonderten  Buschkagen 
auf  dem  Campo  wohnte. 

* Leucochlorls  alhlcoUis  Vieill. 

RiBEiRO,  p.   19,  Carainho  do  Conto,  Retiro  do  Ramos. 

Mit  der  folgenden  die  häufigste  Art  auf  dem  Itatiaya.  Mehr- 
fach auch  von  mir  gesammelt  und  fast  täglich  auf  meinen  Sammel- 
ausflügen beobachtet. 

*  Clytolaernci  riibinea  Gm. 

RiBEiEO,  p.  19,  Retiro  do  Ramos. 

Mehrfach  auch  von  mir  gesammelt. 


Ornithologie  des  Canipo  Itatiaya.  345 

"^  Stexjhanoxys  {Ceplmlcpis,  Cephalolcpis)  lalandel  Vieill. 
RlBElRO,  p.   19,  Retiro  do  Ramos. 

Die  kleinste  der  auf  dem  C.  Itatiaya  vorkommenden  Kolibri- 
Arten,  ein  reizender  Vogelzwerg  mit  spitzer  Federhaube,  der  nicht 
viel  größer  ist  als  eine  der  großen  X;?//ocojj«- Arten. 

Trotz  der  hohen  Lage  des  Itatia3'a  und  des  damit  verbundenen 
raulien  Klimas  während  der  Wintermonate  sind  doch  Kolibris,  diese 
scheinbar   zartesten   aller  Vögel,   regelmäßige   Bewohner  dort   oben. 
Es   sind  Standvögel   in   des  \\'ortes   vollster  Bedeutung,   wenigstens 
die  3  letzten.    Während  gewisse  Vogelarten   es  vorziehen,  bei  ein- 
tretendem Froste  sich  in  das  geschützte  Tal  des  Parahyba  zurück- 
zuziehen,   denken    doch    diese   schillernden  Vogelzwerge,    denen   die 
Reise   in   die  Tiefe   bei  ihrem  pfeilschnellen  Fluge  höchstens  einige 
Minuten  kosten  könnte,  nicht  daran,  ihre  Heimat  auch  nur  auf  Tage 
zu  verlassen.    Ich   Avar   überrascht,   als  ich  nach  der  ersten  kalten 
Nacht,  am  29.  April,  in  welcher  die  Eisnadeln  wie  Pilze  bis  zu  5  cm 
Höhe  auf  den  nassen  Campwegen  emporgeschossen  waren,   selbst  iu 
den   Waldpicaden    die    kleinen   ^\^asserpfützen,    welche   sich  in   den 
Fußtritten  des  Viehes  gebildet  hatten,  mit  einer  2  mm  starken  Eis- 
kruste überzogen  und  die  meisten  Campkräuter  erfroren  waren,  am 
Morgen  eine  LeucocUoris  alhicolUs  Vieill.  im  Walde  antraf,  die  kalt- 
blütig   vor    einer   Fuchsienblüte    schwirrte.     Bei   einer   Kälte,    bei 
welcher  mir  Hände  und  Füße  froren,  wie  in  Deutschland  im  AVinter! 
Daß  das  Vögelchen  sich  dabei  durchaus  wohl  befand,  bewies  es  mir 
am  besten  dadurch,  daß  es  sich  im  nächsten  Augenblicke  pfeilschnell 
empor  schwang,  um,  gewandt  zwischen  den  Zweigen  dahinsurrend, 
andere  Blüten  zu  besuchen.     Auch  Chjtolacma  rubinea  G:^i.  und  Steplia- 
noxijs  lalandei  Vieill.   zeigte  sicli  so  munter  wie  sonst,   und  es  war 
beiden   durchaus   nicht  anzusehen,   daß   sie  durch   die   Kälte  litten. 
Die  Arten  müßten  sich  vorzüglich  eignen,  nach  Europa  gebracht  zu 
werden. 

Farn.  Trogonidae. 

Trofjon  sp.  (Surucu). 
Ein  Pärchen  unterhalb  Mont-Serrat  im  A\'alde  gesehen. 


346  H.   LÜDERWALDT 


Farn.  CucuUdae. 

*Piaya  cayaua  L.  (Alma  de  Gato,  Rabo  de  Palha,  Alma  de 

Caboelo). 

Nur  einmal  flüchtig  in  den  Baumkronen  bemerkt. 

Fam.  Bhamphastidac. 
* M/uiinjjJKtstos  cliscolorus  L.  (Tucano). 

RlBElRO,  p.   18,  MoiTO   Caroeiros,  Retiro   do  Ramos. 

Mehrfach  im  Walde,  sich  durch  ihren  blökenden  Lock-  oder 
Warnruf  verratend.  Die  g-ewöhnliche  Küstenform,  welche  sich  hier 
oben  so  scheu  zeigte,  daß  an  eine  Jagd  gar  nicht  gedacht  werden 
konnte. 

Fam.  Bucconidae. 

*  Malacoptila  torquata?  Hahn  &  Küst.  (Joäo  Barbudo). 

In  einem  scheinbar  versprengten  Stück  auf  dem  Campo  an  der 
Serraabdachung  angeti'offen,  wo  er  von  andern  kleinen  Vögeln  ver- 
folgt wurde  wie  eine  Eule. 

Fam.  Picidae. 
'Colaptes  canix>estris  Vieill.  (Chäu-Chän-Pica-Päu  do   Campo). 

RiBEiRO,  p.    18,  Retiro  do  Ramos. 

Auch  diese  Vögel  sind  Bewohner  des  Campo  Itatiaya.  obwohl 
die  echten,  hügelbauenden  Camp-Termiten,  Avelche  ihnen  in  andern 
Gegenden  des  Landes  ausschließlich  zur  Nahrung  dienen,  gänzlich 
fehlen.  Es  kommt  zwar  noch  eine  Termiten-Art  vor.  aber  sie  ist 
so  selten,  daß  ich  nur  einmal  eine  Gesellschaft  von  ihr  unter  einem 
Stein  entdeckte.  Statt  der  Termiten  müssen  die  Ameisen  herhalten, 
und  zwar  kommt  hauptsächlich  der  Camponotus  rußpes  F.  in  Be- 
tracht, die  einzige  Ameise,  welche  dort  in  größern  Kolonien  lebt 
und  aus  allerhand  zusammengetragenen  Pflanzenteilen  überirdische 
Nester  errichtet.  Diese  Bauten  werden  vom  Campspecht  genau 
ebenso  geplündert,   wie   die  Nester  der  Roßameise  vom  Grünspecht. 


Oniitliologie  des  Canipo  Itatia3a.  347 

Melirmals  habe  ich  die  rastlosen  Vögel  beim  Pliiiideni  derselben  an- 
getroifen,  und  zwar  meist  morgens  in  aller  Frühe,  wo  diese  sonst  so 
beißwütigen  Kerfe  halb  verklamt  in  ihren  Nestern  sitzen.  Die 
Spechte  hacken  mit  ihrem  kräftigen  Schnabel  tiefe  Löcher  in  die 
nur  schwach  zusammengelilzten  Ameisennester,  um  zu  der  Brut  zu 
gelang'en,  und  es  wollte  mir  scheinen,  als  ob  stets  nur  einer  der 
vorsichtigen  Vögel  arbeite,  während  der  andere  ^^'ache  hielt.  In 
der  Tat  hält  es  schwer,  Campspechte  bei  ihrer  Arbeit  zu  überraschen, 
und  solche,  welche  Nachstellungen  erlitten  haben,  sind  so  vorsichtig, 
daß  es  unmöglich  ist,  sie  in  größerer  Nähe  zu  beobachten.  Auf 
dem  Campo  Itatiaya  hielten  sich  Campspechte,  wie  gewöhnlich  ein 
Pärchen,  denen  sich  nur  selten  ein  drittes  Exemplar  anschloß,  in 
der  nächsten  Nähe  der  Fazenda  auf  und  oft  habe  ich  ihr  helles 
Gelächter  vernommen,  welches  dem  des  Grünspechts  ähnelt  und  zu- 
weilen so  ausgelassen  fröhlich  klang,  daß  man  unwillkürlich  selbst 
heiter  gestimmt  wurde.  Wahrscheinlich  hatten  sie  dann  irgend  ein 
Ameisennest  gefunden.  Einer  der  Vögel  schlief  in  der  dichten  Krone 
eines  hohen  Pinheiro,  kaum  100  Schritte  vom  Hause  entfernt,  und 
seinen  Schlafplatz  pflegte  er  immer  schon  lange  vor  Sonnenuntergang 
aufzusuchen.  Zuweilen  saßen  die  beiden  Vögel  auf  dem  Dache  eines 
alten,  an  den  Seiten  offenen  Viehstalles  oder  besuchten,  nahrung- 
suchend, selbst  das  Innere  desselben. 

Chrysoptilus  chloroxostus  Wagl.  =  mekmocliloms  Gm. 
RlBElEO,  p    18,  Mont  Serrat. 

*  Melanerpes  {Tripsurus)  fiavlfvons  Vieili..  (Benedicto). 
ElBElKO,  p.    19,   Caminho   do  Conto,  Ketu-o  do  Eamos. 

*  Cliloi'oiierpes  aiirulentus  Temm. 

Gesammelt.  Am  18,4.  beobachtete  ich  einen  dieser  Spechte, 
welcher  im  Walde  hoch  oben  auf  einem  trockenen,  abgesplitterten 
Pinheiro  saß  und  sich  mit  Trommeln  vergnügte.  Geschah  dies 
wirklich  nur  zum  Zeitvertreib,  oder  dachte  der  Vogel  bereits  an 
die  Gründung  eines  neuen  Heimes? 

*  VenlUoDils  {Bendrohates)  ruficeps  Spix. 
ElBElKO,  p.    19,   Camiuho  do  Conto   e  Morro  Redondo,   Retiro  do  Ramos. 


348  H.    LÜDERWALDT, 

*Cai}tpophllus  sp. 

Ich  hatte  nur  einnial  Gelegenlieit,  einen  dieser  prächtigen  Vögel 
auf  dem  Campo  Itatiaya  zu  beobacliten,  und  zwar  in  einem  hoch- 
stämmigen Walde,  welchen  er  auf  seinen  Streifereien  besucht  haben 
mochte.  Kr  war  indessen  so  weit  von  mir  entfernt,  daß  ich  nicht 
erkennen  konnte,  um  welche  Art  es  sich  liandelte. 

Fam.  Pteropiochidae. 

*  Scytalopus  speluncae  Menete.  =  sylvestris  A.  Mie.  Ribeieo. 
RlBElEO,  p.   23,   Retiro  do  Ramos,  Bengalal  do   Conto. 

Ich  habe  den  Vogel  öfter  gesammelt.  Er  ist  nicht  selten  und 
hält  sich  am  liebsten  im  Unterholz  dichter  AVälder,  besonders  gern 
in  den  Rohrdickichten  auf,  in  welchen  man  mehr  kriechen  als  gehen 
muß,  wenn  man  vorwärts  kommen  will.  Diesen  Vogelzwerg  in  seinen 
heimlichen  Verstecken  direkt  aufsuchen  zu  wollen  wäre  ein  ver- 
geblicher Versuch.  Man  würde  ihn  sicher  nicht  finden.  Nur  durch 
Zufall  wird  man  seiner  ansichtig  und  meist  dann,  wenn  man  am 
wenigsten  an  ihn  denkt.  Ich  habe  den  Vogel  öfter  angetroifen; 
zweimal,  als  ich  bereits  auf  dem  Heimwege  war  und  an  keine  Jagd 
mehr  dachte,  und  dabei  an  Orten,  an  welchen  ich  ihn  am  wenigsten 
vermutet  hätte.  Er  ist  neugierig  und  kommt  sicher  herbei,  wenn 
er  etwas  Auffallendes  wahrnimmt,  aber  nicht  immer  bemerkt  man 
ihn.  Manchmal  verrät  er  sich  schon  von  fern  durch  seine  Stimme, 
meist  aber  naht  er  so  heimlich,  mehr  hüpfend  als  fliegend  dicht 
über  dem  Erdboden  dahinschlüpfend,  daß  man  meint,  eine  Maus 
husche  dahin.  Sobald  sich  günstige  Gelegenheit  bietet,  muß  man 
auch  schießen,  denn  sobald  er  das  Interesse  an  einem  verloren  hat, 
ist  er  auch  bald  wieder  im  dichtesten  Gestrüpp  verschwunden.  Die 
Vertrauensseligkeit  dieses  kleinen  Bürschchens  ist  ebenso  groß  wie 
seine  Neugierde,  und  darin  gleicht  er  dem  Kolibri.  Aber  welch  ein 
Unterschied  zwischen  diesen  zierlichen,  elfenhaften,  schillernden, 
blitzschnellen  Kindern  der  Sonne  und  jenem  unscheinbaren,  grauen 
Waldbewolmer  mit  dem  kurzen  Stutzschwänzchen.  Dort  der  lichte 
Tagesschein  und  hier  der  graue  Schatten.  Das  einfach  gefärbte, 
düstere  Kleid  des  Scijtalopns  paßt  so  recht  zu  den  düstern  Rolir- 
waldungen,  auf  deren  Boden  sich  nur  selten  ein  Sonnenstrahl  ver- 
irrt.   Verhält  man  sich  ruhig  und  hockt  womöglich  nieder,  so  hüpft 


Oniitlu)iog-ie  des  (,'ainpo  Itatiaya.  349 

er  Avolil  gai-  bis  auf  einen  ]\[eter  Entfeniung-  heran,  sich  dabei  g-anz 
ungeniert  den  Blicken  aussetzend.  Ja,  er  wagt  es  sogar,  sich  auf 
demselben  Baumstamme,  auf  welchem  man  sich  niedergelassen  hat, 
ebenfalls  Platz  zu  nehmen  und  einem  furchtlos,  auf  Armeslänge,  in 
das  Gesicht  zu  schauen.  Ihn  jetzt  erschießen  zu  wollen,  wäre  Tor- 
heit, denn  selbst  die  Kolibripatronen  würden  in  dieser  Entfernung- 
eine zu  starke  Wirkung  ausüben.  Aber  jetzt  heißt  es  gut  aufpassen 
und  den  zwerghaften  Waldbewohner  scharf  im  Auge  behalten,  daß 
man  den  richtigen  Zeitpunkt  nicht  verpaßt.  Ebenso  heimlich  und 
schweigsam,  Avie  er  gekommen  war,  entfernt  er  sich  auch  wieder. 
Durchaus  nicht  eilig-,  sondern  so  von  ohngefähr,  bald  hier,  bald 
dorthin  hüpfend;  jetzt  schwirrt  er  eine  kurze  Strecke  ganz  dicht 
über  dem  Erdboden  dahin,  und  im  nächsten  Augenblicke  ist  er 
zwischen  den  Wurzeln  eines  Baumes  verschwunden.  Da  erscheint 
er  Avieder  auf  einen  Moment  —  oder  war  es  sein  Schatten?  Mir 
ist  es  wenigstens  einmal  passiert,  daß  ich  auf  diesen  statt  auf  den 
Vogel  selbst  schoß,  in  dem  Halbdunkel  der  A\'aldungen  ein  wohl  zu 
verzeihender  Irrtum. 

Farn.  Conophcujidac. 

^Conophaga  lineata  Wieb.  (Cuspidor.  Chupa-Dente). 

RlBElRO,    p.   22,    Morro  Redondo,    Camiuho  do   Conto,    Retiro  do  Kanios. 

Mit  dem  vorigen  zusammen  häufig  dieselben  Örtlichkeiten  be- 
wohnend. Sie  ist  leicht  zu  schießen,  weil  sie  sich  nicht  so  versteckt 
hält  wie  der  Scijtaloims.  sondern  sich  nach  Art  des  Eotkehlchens, 
mit  welchem  sie  in  ihrem  Gebaren,  in  der  Größe  und  Farbe  ent- 
fernte Ähnlichkeit  hat,  frei  vor  den  Jäger,  diesen  neugierig  be- 
trachtend, in  geringer  Entfernung  auf  einem  Zweige  niedersetzt. 
Oft,  aber  nicht  immer,  verrät  sich  der  Vogel  durch  seine  Stimme, 
so  daß  man  nicht  lange  zu  suchen  braucht,  um  ihn  aufzufinden.  Im 
Aifekt  treten  die  weißen  Streifen  am  Kopfe  durch  Sträuben  der  be- 
treifenden Federpartien  so  auffallend  hervor,  daß  der  Vogel  in 
einiger  Entfernung  wie  gehäubt  erscheint.  Die  oben  angeführte 
körperliche  Ähnlichkeit  der  Conoplmga  mit  einem  Rotkehlchen  läßt 
sich  übrigens  nur  in  dem  ungewissen  Licht  der  düstern  Waldungen 
aufrecht  erhalten;  in  einer  Sammlung  darf  man  die  beiden  Vögel 
nicht  miteinander  vergleichen. 


350  H.   LÜDERWALDT, 

Fam.  Formicariidae. 

'^  Thamnophilus  leachl  Such.  (Borralhara). 

Nur  ein  einziges  Mal  beobachtet.  Icli  traf  den  schwärzlichen, 
weiß  geperlten  Vogel  in  Gesellschaft  einer  Schar  durchstreifender 
kleiner  Vögel  am  Waldesrande,  wo  er  sich  im  dichten  Gebüsch  in 
der  Nähe  des  Erdbodens  oder  auf  diesem  selbst  umhertrieb  und 
sich  so  wenig  menschenscheu  erwies,  daß  ich  ihn  in  einer  Entfernung 
von  nur  etwa  8 — 10  Schritten  erlegte. 

*  ThamnopJiilus  coertilescens  albonotatns  Spix. 
Von  mir  gesammelt. 

* Herpsilochinus pileatus  Sws.  (?)  (Choca,  Creando  em  novembro). 
RiBEiRO,  p.  22,  Retu-0  do  Ramos. 

*  Forniicivora  evythrocerca  Sgl, 

Mehrfach  erbeutet.  Ebenfalls  in  den  mit  Rohr  durchsetzten 
Gehölzen  und  durchaus  nicht  selten.  Der  Vogel  ist  außerordentlich 
neugierig,  dabei  aber,  sobald  er  glaubt  beobachtet  zu  werden,  so 
vorsichtig,  daß  es  schwer  hält,  ihn  in  diesem  Falle  zu  erlegen.  Auch 
er  meldet  sich  meistens  schon  von  fern  an;  seine  Stimme  ist  aber 
so  eigentümlich,  daß  sie  oft  mehr  dem  leisen  Kreischen  und  Ächzen 
eines  vom  Winde  hin  und  her  bewegten  Baumes  älmelt  als  der 
eines  Vogels.  Denn  plötzlich  verstummen  die  Laute,  so  daß  man 
glauben  könnte,  der  Vogel  habe  sich  wieder  entfernt.  Das  ist  aber 
durchaus  nicht  der  Fall;  im  Gegenteil,  jetzt  kriecht  er  sicher  ganz 
in  der  Nähe  im  dichtesten  Gestrüpp  umher,  um  den  Gegenstand  seiner 
Neugierde  genau  betrachten  zu  können.  Ich  beobachtete  einst  einen. 
Avelcher  kaum  2  m  von  mir  entfernt  in  einem  zusammengefallenen 
Rohrbruch  umherschlüpfte,  wie  eine  Maus,  und  zwar  so  heimlich, 
daß  ich  seine  Anwesenheit  nur  an  den  leise  herabfallenden,  zer- 
bröckelten Blätterteilchen  bemerken  konnte.  Schließlich  begann  er 
sich  wieder  etwas  zu  entfernen,  und  jetzt  bot  sich  Gelegenheit,  einen 
Schuß  anzubringen.  Aber  die  Ladung  ging  in  dem  dichten  LTnter- 
liolz  verloren.  Der  Vogel  flog  erschreckt  auf,  ohne  die  Flucht  zu 
ergreifen;  ja,  bei  dem  zweiten  ebenfalls  Avirkungslosen  Schusse  mit 
dem  kleinen  FLAUBERT-Teschin  kam  er,  jetzt  freilich  höchst  erregt, 
aber  sich  immer  noch  in   guter  Deckung  haltend  und  ohne  einen 


Oiuithologie  des  Campo  Itatiaya.  351 

Laut  von  sich  zu  geben,  wieder  näher,  bis  ihn  eine  dritte  Ladung- 
zu  Boden  warf.  In  andern  Fällen  wieder  zeigte  sich  diese  Art  von 
einer  Vertrauensseligkeit  oder  Unvorsichtigkeit,  welche  in  direktem 
Widersi)ruch  zu  seinem  sonstigen  vorsichtigen  Benehmen  stand. 

*  Chcunaeza  brevicauda  Vieill.  (Tobäca,  Tovaca). 

RlBEIEO,  p.   22,  Retiro  do  Ramos. 

Farn .  Dendrocolaptidae. 

^Lochmkis  neniatura  Licht.  (Trid}',  ]\Iacuquinho). 

Einer  der  wenigen  Vögel,  welchen  ich  noch  oben  in  dem  breiten 
Tal,  das  den  Agulhas  Negras  vorgelagert  ist,  angetroffen  habe.  Die 
Tierchen  lieben  die  Nähe  des  Wassers  in  dem  Maße,  daß  sie  sich 
stets  zu  ihrem  engern  Aufenthaltsorte  einen  der  kleinen  Ribeiräos 
aussuchen,  welche  so  häutig  ihre  Wohngebiete  durchschneiden.  Ich 
habe  diese  Vögel  auf  dem  Campo  di  Jordäo,  wo  ich  längere  Zeit 
auf  einer  einsam  liegenden  Schneidemühle  wohnte,  sehr  oft  beobachet. 
Bei  Regenwetter  hielten  sie  sich  immer  sehr  versteckt  im  W^alde. 
so  daß  ich  sie  oft  tagelang  weder  zu  sehen  noch  zu  hören  bekam. 
Sobald  die  Sonne  aber  wieder  zum  Vorschein  kam,  erschienen  auch 
sie  wieder  im  Freien,  um  an  den  Felswänden  auf  Insecten  Jagd  zu 
machen,  und  dann  hörte  ich  auch  oft  wieder  ihr  Zetergeschrei  er- 
tönen. 

*  SytiaUaxis  ntoveirae  Rib. 

RiBEiRO,  p.  20,  Retiro  do  Ramos,  Morro  Redondo. 

Wie  bereits  erwähnt,  von  Sr.  A.  de  Mir.  Ribeiro  erst  vor 
2  Jahren  beschrieben  und  zu  Ehren  des  Herrn  Carlos  Moreiea, 
Assistent  der  zoologischen  Sektion  am  Nacional-iVIuseum  zu  Rio  de 
Janeiro,  welcher  den  Vogel  zuerst  auf  dem  Campo  Itatiaya  ge- 
sammelt hatte,  benannt.  Diese  Syncdlaxis- Art  ist  eine  der  häufigern 
Vögel  dort  oben.  Sie  durchstreift  mit  ihresgleichen  oder  in  Gesell- 
schaft anderer  kleiner  Vögel  nach  Meisenart  die  Gehölze,  besonders 
gern  aber  die  Buschwaldungen.  Allein  trifft  man  sie  nur  selten  an. 
Beim  Klettern  ist  sie  nicht  sonderlich  geschickt;  es  hat  den  An- 
schein, als  ob  ihr  der  lange,  etwas  gegabelte  Schwanz  in  ihren  Be- 
wegungen hinderlich  sei.  Auch  im  Fluge  macht  sie  keinen  eleganten 
Eindruck,  und  besonders  bei  windigem  Wetter  sieht  sie  recht  un- 


352  H.    LÜDERWALDT, 

geschickt  aus.  Sie  ist  ein  harmloser  Vog-el.  der  es  gestattet,  ihn 
ganz  in  der  Nälie  zu  beobachten.  Ebenfalls  noch  in  einem  Exemplar 
in  der  Umgegend  der  Agulhas  Negras  beobachtet.  Mehrfach  ge- 
sammelt. 

Cranioleuca  (Siptornis)  palliäa  Wied. 

E/IBEIRO,   p.   20,   Caminho  do  Conto. 

*  Xetiicopsis  {Anabazenops,  Anabatoides,  Anabasitta) 

t 'ufosuperciliatits  L afr. 

RiBEIRO,  p.   20,   Retiro  do  Ramos,   Pico  dos   Carneiros. 

*  Xeti,  rufosiiperciliatus  oleaginus  Sgl. 
2  Exemplare  gesammelt. 

*  Sittasoimis  sf/lvleUus  Temm.  =  erithacus  Licht. 

RlBElRO,    p.   20,    Reth-o    do   Ramos,    Entre  Morro  Redondo    e   Morro  dos 
Carneiros. 

*  Xiphocolaptes  alhicoUis  Vieill.  (Arapagü). 

RiBEiRO,  p.   20,   Caminho  do   Conto,  Retiro  do  Ramos. 

Von  mir  nur  einmal  beobachtet  und  erlegt. 

Picolaptes  fiiscus  Vieill.  =  tenuirostris  Licht. 
RiBEiRO,  p.  20,  Caminho  do  Conto. 

Xiphorhj/ncJius  fulcular'ius  Vieill.  =  procurvus  Temm. 

(Arapa^u  de  Bico  Curvo). 

RiBEiRO,  p.   20,  Morro   dos  Carneiros. 

Fam.  Tyranmdac. 

^  Taenioptera  nengatd  L.  (Pombinha  das  Almas,  Maria  Branca). 
RiBEiRO,  p.   22,  Retiro  do  Ramos. 

*Ich  selbst  habe  eine  andere  Art  mit  schneeweißer  Unterseite, 
wahrscheinlich  T.  velata  Licht.,  in  einem  Pärchen  beobachtet.  Die 
beiden  auffallenden,  etwa  drosselgroßen  Vögel  saßen  am  Waldesrande 
auf  einem  hohen,  trockenen  Baum  und  flogen  sofort  davon,  serra- 
abwärts,  als  ich  mich  ihnen  näherte. 


Ornithologie  des  Canipo  Itatiaya.  353 

*Cnipolegus  eoniatus  Licht.  (Maria  Preta). 

Ein  Paar  auf  dem  Oampo  Itatiaya  beobachtet,  von  welchem  ich 
1  Exemplar  für  die  .Sammlung'  erlegte.  Taeniopiera  vekda  Lk^iit. 
und  Cnipolcyus  comatus  Licht,  treiben  sich,  oft  miteinander  ver- 
gesellschaftet, zu  jeder  Jahreszeit  auf  dem  (Jampo  umher,  wo  sie 
mit  Vorliebe  auf  hohen,  trockenen  Grasstengeln  fußen  oder  dort,  wo 
es  Termitenhügel  gibt,  diese  als  \\'arte  benutzen,  um  bei  ihrem 
Insectenfange  eine  bessere  Übersicht  über  ihr  Jagdgebiet  zu  haben. 
Ich  habe  beide  Arten  als  ziemlich  scheue  Vögel  kennen  gelernt. 

*  Ciifpolef/tis  iiif/errhuKS  Vikill.  (Maria  Preta  [Ribeiro]). 

EiBEiRO,  p.  22,  Retiro  do  ßainos. 

Auch  von  mir  in  2  p]xemi)laren  gesammelt  und  öfter  beobachtet. 
Es  sind  ^^'aldbewohner  und  sehr  wenig  scheue  Vögel. 

*  Cnipolegiis  ef/aulrostHs  Vieill. 
RlBElRO,  p.   22,  Retiro  do  Ramos,   Caminho  do   Conto. 

"'"  Muscipipra  vetula  Licht. 
RiBEiKO,  Morro  Redondo,  Retiro  do  Ramos, 

•Heniitrlciis  {Musciphaga)  (Jiops  Temm. 
RiBEiRO,  p.  21,  Caminho  do  Conto. 

Seniitricus  {Musciphaga)  obsoleta  Kib.  sp.  n.?  (Ribeieo). 
RlBEiRO^  p,  21,  Caminho  do  Conto, 

*  Guracava  difflcilis  v.  Ih. 

In  einem  Exemplar  am  13./5.  1906  erlegt;  ein  anderes  befand 
sich  im  Museu  Paulista  von  Estacäo  Alto  da  Serra  (Estado  Säo 
Paulo).  Die  Species  wurde  auf  diese  beiden  Stücke  begründet 
(s.  Cat.  da  Fauna  Brasileira,  p.  271). 

*  FJtt/JIoscartes  ventral Is  Natt. 
Ribeiro,  p.  21,  Retiro  do  Ramos. 
Auch  von  mir  gesammelt. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  '^3 


354  H.    LüDERWALDT, 

'''  Serpophctifa  subcristata  Vieill.  (Alegrinho). 
Von  mir  gesammelt. 

'^  Phyllomyias  brevirostris  Spix.  (Cagasebinho). 
Von  mir  gesammelt. 

'^ EJaenea  obscura  Lafr.  et  d'Orb,  (Giiracava,  Guaracava). 
RlBElRO,  p.   22,  Retiro  do  Eamos,  Morro  Redondo. 

* I*itanf/Hs  suJpJiuratus  tnaxhiiiliani  Gab.  et  Heine 

(Bentevi). 

Wie  fast  überall  in  Brasilien,  so  auch  auf  dem  Campo  Itatiaj-a 
vorkommend.  Oft  habe  ich  seine  helle  Stimme  „bentevi-bentevi" 
von  den  Kronen  der  in  der  Nähe  der  Fazenda  stehenden  Pinheiros 
vernommen.  Wie  erwähnt,  ist  der  Vogel  empfindlich  gegen  Kälte 
und  fliegt  serraabwärts  bei  eintretendem  Frost,  kehrt  jedoch  zurück, 
sobald  wieder  warmes  Wetter  eingetreten  ist.  Eibeiro  erwähnt 
seiner  nicht. 

*  Ti/ranmis  rneJancliolicus  Vieill.  (Siriri,  Sibiriri). 
ßiBEiRO,  Retiro  do  Ramos,  p.  21. 

Fam.  Coiinrjidae. 

Phibalura  flavirostris  Vieill.  (Thesonvinha). 
RiBEiRO,   p.   21,   Monte   Serrat,   Creando  em  Novembro. 

Fam.  Turdidac. 
*  Turdus  (Merida  auct.)  rußventriis  Vieill.  (Sabiä  Larangeira). 

RiBEiRO,  p.    23,   Retiro   do  Ramos. 

Auch  von  mir  gesammelt  und  fast  täglich  beobachtet.  Die 
brasilianische  Nachtigall,  von  deren  Gesang  so  viel  Aufhebens  ge- 
macht wird.  Allerdings  ist  die  Sabia  ein  guter  Sänger,  besonders 
für  Brasilien,  wo  wirkliche  Singvögel  so  seltne  Erscheinungen  sind. 
Mit  dem  Schlag  einer  Nachtigall  kann  man  ihren  Gesang  aber 
nimmermehr  vergleichen.    Die  Sabia  ist  eben  eine  Drossel.    Übrigens 


Ornithologie  des  Campo  Itatiaya.  355 

sehr  aufmerksame  Tiere,  welche  abends  noch  lange  rege  sind,  nach- 
dem die  andern  Vögel  sich  bereits  längst  zur  Ruhe  begeben  haben, 
Selbst  nach  hereingebrochener  Dunkelheit  hört  man  in  den  Gebüschen 
noch  oft  ihren  miauenden  Warnruf  wenn  sie  irgend  etwas  Ver- 
dächtiges bemerkt  haben,  etwa  eine  Eule  oder  vorbei  streifende 
Wildkatze.  Im  allgemeinen  ist  der  Vogel  wenig  scheu,  wird  durch 
Nachstellungen  aber  sehr  bald  gewitzigt  und  versteht  es  dann  aus- 
gezeichnet, sich  durch  Verstecken  in  dem  Gebüsch  den  Blicken  zu 
entziehen. 

*  Außer  der  Sabiä  sah  ich  einmal  eine  andere  Drosselart  im 
Walde,  durch  eine  Eule  angelockt.  Die  beiden  Vögel,  ein  Pärchen, 
waren  auffallend  scheu,  hielten  sich  hoch  oben  in  den  Baumkronen 
auf  und  zogen  sofort  ab,  als  sie  meine  Anwesenheit  bemerkten.  Ich 
hielt  die  Species  für  Ttirdus  leucomelas  Vieill. 

Flati/cichJa  {Merida)  flavipes  Vieill,  (Sabiä-Una). 

RiBEiKO,  p.  23,  Caminho  do  Conto. 

Ich  habe  die  Art  mehrfach  erlegt  und  sehr  häufig  beobachtet. 
Die  Vögel  hielten  sich  meist  in  kleinen  Gesellschaften  in  den  Camp- 
gehölzen auf.  wo  sie  die  Fruchtbäume  plünderten. 

Fam.  Mimidae. 

Mitmis  Saturn  huis  Licht.  (Sabiä  Pocca,  Sabiä  do  Campo, 
Calhandra,  Arrebita-Rabo,  Arrebita). 

RiBEiKO,  p.   23,  Mont  Serrat. 

Schon  die  verschiedenen  Xamen  deuten  darauf  hin,  daß  der 
Vogel  allbekannt  ist.  Auf  dem  Itatiaya  scheint  er  nicht  vor- 
zukommen. Dagegen  habe  ich  ihn  sehr  häufig  im  Parahyba-Tal  bei 
Campo  Bello  gesehen.  Die  Vögel  sitzen  gern  nach  Art  der  Grau- 
ammern auf  den  Telegraphendrähten. 

Fam.  Motacülidae 

^ Anthus  cJiii  Vieill.  (Caminheiro). 
RiBElKO,  p.   22,  Morro  dos  Carneiros,  Retiro  do  ßamos. 

Von  mir  ebenfalls  gesammelt.  In  kleinen  Flügen  von  8 — 7  Exem- 
plaren auf  dem  Campo,  wo  sie  sich  nach  Art  der  Lerchen  umher- 
treiben. 

23* 


356  H.   LÜDERWALDT, 

Farn.  Mniotiliidae. 

"^BasU entern s  leucohJeplKirns  Vieill. 
Von  mir  gesammelt. 

*Eine  andere  Art.  walirsclieinlicli  B.  auricapillus  Sws..  in  3  Exem- 
plaren gesammelt,  doch  wurden  die  Bälge  später  von  Mäusen  zer- 
fi-essen. 

Farn.   Vireonidac. 

^  Pachysylvia  (Hylophilus)  poecUotis  Temm. 

RiBEiRO,  p.   21,  Retiro  do  Eamos. 

Auch  von  mir  gesammelt. 

Cyclorliis  ochrocephala  Tschudi. 
RiBEiRO,  p.   21,  Morro  dos  Carneiros. 

Von  mir  in  einem  Exemplar  gesammelt,  aber  öfter  beobachtet. 

Fam.  Hirundinidae. 

*  Mindestens  eine  Art  beobachtet,  doch  habe  ich  es  versäumt, 
Jagd  auf  sie  zu  machen,  um  wenigstens  die  Species  feststellen  zu 
können.  Die  Schwalben  ziehen,  wenigstens  zum  größten  Teil,  bei 
eintretender  Kälte  davon,  denn  obwohl  ich  die  Vögel  in  der  ersten 
Zeit  meines  Aufenthaltes  auf  dem  Itatiaya  sehr  häufig  beobachtet 
habe,  waren  doch  fast  alle  nach  den  ersten  kalten  Nächten  ver- 
schwunden, so  daß  ich  später  oft  tagelang  kein  einziges  oder  doch 
nur  das  eine  oder  andere  Exemplar  zu  sehen  bekam.  Möglich  aber, 
daß  die  Tiere  bei  eintretendem,  anhaltend  gelindem  Wetter  ebenfalls 
zurückkehren  wie  der  Piiangus. 

Fam.  Tanayridae. 
*I*ipraeidea  melanonofa  Vieill.  (Viuva). 

E.IBEIRO,  p.   24,   Morro  dos  Carneh-os,  Retiro  do  Ramos. 

*C((lospwa  {Calliste)  thoraeiea  Temm.  (Sahy  Verde). 

Eeizende,  buntgefärbte  Vögelchen,  von  etwa  Stieglitzgröße, 
welche  gesellig   die   Waldränder   und  Gebüsche  durchstreifen   und 


Oruitbologie  des  Campo  Itatiaya.  357 

sich  oft  mit  andern  kleinen,  unilierstreifenden  Vögeln  vereinigen. 
Ich  habe  nur  einmal  eine  Gesellschaft  von  ihnen  auf  dem  Campo 
Itatiaya  bemerkt,  von  welcher  ich  2  Stück  für  meine  Sammlung 
erlegte. 

*  Stephanox)hovus  lexicoeephalus  Vieill. 
(SanhaQÜ  Frade,  Azuhio  do  Campo,  Sahyru^ii,  Azuläo). 

RiBElKO,  p.   24,  Morro    Redondo,  Retiro  do  Eamos. 

Auch  von  mir  gesammelt.  Eine  der  gewöhnlichsten  Erschei- 
nungen in  den  Gebüschen  und  an  den  Waldrändern. 

Taiiaf/fd  ornata  Spaem, 
(SauhaQÜ  de  Encontros,  Sanhacü  da  Serra). 

RiBEiKO,  p.  24,  Mont  Serrat. 

JPiranf/a  saira  Spix.  (Canario  do  Matto,  Sanhac^o  de  Fogo). 

ßlBEiRO,  p.   24,   Caminho   do   Conto. 

Farn.  Fringillidae. 
SaJtator  a^arae  d'Oeb.  (Pichorroren). 

RlBElEO,  p.   24,  ßetiro  do  Raraos. 

*  Stelf/idostomus  niaxillosus  Cab. 

Ein  stiller  und  bewegungsunlustiger  Vogel,  der  den  Menschen 
wenig  beachtet  und  ungestört  durch  dessen  Nähe,  seinem  Xahrungs- 
erwerb.  dem  Blätterfressen,  nachgeht.  Bei  Nachstellungen  sucht  er 
sich  zunächst  durch  Verstecken  den  Blicken  zu  entziehen  und  ent- 
schließt sich  erst  dann,  wenn  die  Gefahr  ihm  nachdrücklich  auf  den 
Balg  rückt,  davonzufliegen.  Ich  habe  3  oder  4  Bälge  von  Itatiaya 
mit  heimgebracht,  ein  Zeichen,  daß  der  Vogel  dort  nicht  selten  ist. 

Pityliis  /'ulglnosus  Daud.  (Bico  de  Pimenta,  Bicudo). 

Ribeieo,  p.  24,  Mont  Serrat. 

'^Spinus  (Chrysomitris)  ictericiis  Licht.  (Pintasilva). 

Ribeieo,  p.  24,  Retiro  do  Raraos. 

Von  mir  ebenfalls  gesammelt.  In  kleinen  Flügen  oder  Familien 
in  den  Feldgehölzen,  von  wo  die  Vögel  auf  den  Campo  nach  Nahrung 


358  H.    LÜDERWALDT 


ausfliegen.  Wie  der  Stieglitz,  mit  welchem  die  Pintasilva  viel 
Ähnlichkeit  hat,  so  legt  auch  dieser  Vogel  eine  besondere  Vorliebe 
für  Obstbäume  an  den  Tag,  und  eine  Gesellschaft  dieser  muntern 
Tiere  hielt  sich  während  der  ganzen  Zeit  meines  Aufenthaltes  auf 
dem  Itatiaya  in  den  Obstpflanzungen  auf,  welche  sich  neben  der 
Fazenda  befanden.  Oft  konnte  ich,  wenn  ich  von  meiner  Arbeit 
aufblickte,  vom  Fenster  aus  das  eine  oder  andere  Exemplar  oben 
in  der  äußersten  Spitze  eines  Apfelbaumes  bemerken,  wo  es  sich 
einige  Zeit  lustig  zwitschernd  vergnügte,  um  dann  zu  seinen  An- 
gehörigen, welche  sich  irgendwo  auf  dem  Campo  umhertrieben, 
zurückzukehren.  Die  Vögel  schliefen  in  der  Nähe  des  Hauses  in 
der  Krone  eines  Pinheiro.  Aber  auch  am  Tage  wurden  diese 
Nadelhölzer  oft  von  ihnen  besucht,  entweder  um  dort  oben  zu  singen 
oder  Umschau  nach  den  Kameraden  zu  halten. 

*  Sicalis  flaveola  L.  (Canario  da  Terra). 
Nur  einmal  in  einem  kleinen  Fluge  bei  der  Fazenda  gesehen. 

'''  ürachij-spir^a  (Zonotrichia)  capensis  Müll.  (Tico-Tico). 

E,IBEIE0,  p.  23,  Retiro  do  Eamos. 

Der  brasilianische  Spatz,  der  sich  indessen  mit  unserm  Passer 
domesticKs,  was  Klugheit  anbetrifft,  nicht  im  entferntesten  messen 
kann. 

* Poosjn^a  thoracica  Noedm. 
KiBEiRO,    p.   24,    Eetiro  do  Raraos,    Caminho  do  Conto,    Mono  Redondo, 
Auch  von  mir  gesammelt.    Häurig  in  den  Gehölzen. 

*Poospi^a  lateralis  Nordm. 

Weit  seltner  als  vorige  Art.  mit  ihr  oder  verschiedenen  andern 
kleinen  Vögeln  gesellig  umherstreichend.    Ebenfalls  erbeutet. 

*  Einher nar/ra  lilatensis  Gm.  (Perdisiuha  do  Campo). 
RiBEiRO,  p.   23,  Retiro  do  Ramos. 


*  Emberii^oides  macrouriis  Gm 

ien  Vogel   einige 
befindlichen  Varzea  beobachtet. 


Ich  habe  den  Vogel  einige  Male  in  einer  unweit  der  Fazenda 


Ornithologie  des  C'anipo  Itatiaya.  359 

Farn.  Ideridac. 

Ostliiops  (Jecumanus  Pall.  (Japü,  Japü-Guassü). 

Von  mii  an  der  Serraabdachuiig-  unterhalb  Mont  Serrat  in  einer 
kleinen  Gesellschaft  im  Walde  beobachtet. 

■''Ca.ssicus  [Cacicus)  cJiri/sopterus  Vig.  (Soldado,  Melro). 
Charakter  Vögel  der  Pinienwaldungen.    Mehrfach  beobachtet. 

*3Io7othrifs  honarleiisis  Gm.  (Coricho,  Chopim,  Vira-Bosta). 

Nnr  2  oder  3  IMale  und  immer  nur  in  einem  einzelnen  Exemplar 
pfeifend  in  den  Obstbäumen  am  Hause  beobachtet.  Sie  mochten 
sich  von  dort  aus  nach  dem  Vieh  umgesehen  haben  und  zogen  immer 
sehr  bald  wieder  ab. 

Im  ganzen  enthält  diese  Liste  99  Arten,  von  welchen  79  auf 
dem  l'ampo  Itatiaya  beobachtet  worden  sind;  wer  sich  indessen  die 
Mühe  geben  wollte,  alle  dort  oben  vorkommenden  Si)ecies  zu  sammeln, 
könnte  diese  Zahl  wohl  leicht  vei'doppeln.  denn  gelegentlich  werden 
wohl  alle  in  den  Nachbargebieten  vorkommenden  Vogelarten  einmal 
der  Gegend  einen  Besuch  abstatten.  Viel  interessanter  wäre  es, 
festzustellen,  welche  Arten  dort  oben  brüten,  welche  Standvögel  sind 
oder  welche  während  der  kalten  Zeit  davon  ziehen  etc. 

Das  rauhe  Klima  des  Itatiaya  liefert  einen  hübschen  Beweis  für 
die  Anpassungsfähigkeit  der  Vögel  an  veränderte  Verhältnisse,  denn 
viele  der  aufgeführten  Arten,  darunter  Kolibris,  finden  sich  auch  in 
den  heißern  Küstenstrichen  Brasiliens.  Wie  bereits  bemerkt,  müßte 
es  gerade  für  diese  flugbegabten  Vögel  das  Werk  weniger  Augen- 
blicke sein,  sich  bei  eintretender  Kälte  in  Sicherheit  zu  bringen; 
aber  wie  ich  beobachtet  habe,  geschieht  dies  keineswegs.  Die  Kälte 
ficht  die  Vögel  eben  wenig  an,  sie  haben  sich  akklimatisiert,  und 
da  aucli  für  die  Insectenfresser  der  Tisch  während  der  Wintermonate 
stets  reichlich  gedeckt  ist,  so  ist  kein  Grund  vorhanden,  das  Gebiet 
zn  verlassen.  Das  Kerfleben  ruht  zwar  auch  in  Brasilien  während 
der  kühlern  Jahreszeit  mehr  oder  minder,  weil  in  dieser  Periode  die 
meisten  Insectenarten  ihre  Verwandlung  durchmachen,  indessen  finden 
sich  selbst  noch  in  der  unwirtlichen  Zone  des  Itatiaj^a  wenigstens 
an  geschützten  Stellen,  in  den  Gebüschen  etc.  noch  viele  fliegende 
Jmagines,    welche   jenen    zur  Nahrung    dienen,    neben    andern    ent- 


360  H.    LÜDERWALDT, 

wickelten  Formen  und  ihren  Larven,  Puppen  und  Eiern,  welche  sich 
an  versteckten  Orten,  in  den  Ritzen  und  Spalten  der  Baumrinde, 
in  zusammengerollten  Blättern  usw.,  andere  am  Erdboden  vorfinden. 
Kolibris  untersuchen  die  wenigen,  von  der  Kälte  verschont  ge- 
bliebenen Blüten  auf  Kerbtiere  und  Honig,  schnappen  Fliegen  aus 
der  Luft  oder  nehmen,  im  Fluge  danach  suchend,  kleine  Spinnen 
aus  ihren  Geweben  von  den  Gebüschen  und  Bäumen.  Wozu  also 
sollten  sie  ihre  Heimat  verlassen  ?  Nur  der  Fitangus  und  Schwalben 
machen,  wie  gesagt,  eine  Ausnahme.  Bei  den  erstem  sind  mir  die 
Beweggründe  nicht  klar;  die  Schwalben  dagegen,  welche  sich  aus- 
schließlicli  von  fliegender  Beute  ernähren,  treibt  offenbar  der  Mangel 
an  Nahrung  davon. 

Zum  Kapitel  „Wanderung"  verhalten  sich  die  Vögel  des  Campo 
Itatiaya  folgendermaßen: 

1.  Vögel,  welche  während  der  eintretenden  kalten  Tage  davon 
ziehen. 

Püangns  siilph.  max.  und  Schwalben. 

2.  Standvögel,  die  zu  jeder  Jalires-  und  Tageszeit  in  einem  be- 
stimmten Gebiete  angetroffen  werden. 

Odontoplioriis  cap,,  Fulsatrix,  Kolibris,  Campspecht,  Scytalopits 
spei.,  ConopJiaga  lin.,  Formicivora  crythroc,  Lochnia  ncniat..  Cassicus 
chrysopterus. 

'S.  Mit  dem  Vieh  wandernde  Vögel. 

Caräcarä  und  Moloihrus  honar. 

4.  In  den  Wäldern  nach  Art  der  Meisen,  Goldhähnchen  etc. 
umherstreichende  Vögel. 

Spechte,  Synallaxis  mor..  Xipliocolaptes  alh.  und  andere  Dendro- 
colaptiden,  Fachysüvia  poecü.,  Calospisa  thoracica,  Foospisa  ihorac.  und 
F.  lateralis. 

Die  letztgenannten  Vögel  durchstreifen  vielfach  gemeinschaftlich 
das  Gebiet,  oft  auf  kurze  Strecken  von  Stephanophorus  leuc.  und 
andern  begleitet;  manche  Arten  reisen  aber  auch  oft  getrennt  von 
jenen  und  dann  häufig  familienweise,  oder  nur  die  eine  oder  andere 
Art  schlägt  sich  zusammen.  So  besonders  die  beiden  Foospisa  mit 
Fachysilvia  pocc.  etc. 

5.  Strichvögel,  d.  h.  solche,  deren  Vorkommen  an  das  Gedeihen 
gewisser  Sämereien  oder  Früchte  gebunden  ist. 

Penelopc  ohsc,  Papageien,  Tukane,  Drosseln,  Stephampliorus  leuc. 


Nachdruck  verholen. 
Ubcrsctzungsrecht  vorbehalten. 


Einwirkung  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge. 

Veränderung-   der  Cliitinteile,   der  Färbung  und  Zeichnung 
unter  dem  Einfluß  von  Kälte  und  Feuchtigkeit.^) 

Von 
Peter  Kosmiiisky. 

(Aus  dem  Laboratorium  des  Zoologischen  Museums  der  Universität 

Moskau.) 

Mit  Tafel  13    17. 


Die  Frage  nach  der  Veränderlichkeit  der  Sclimetterlinge  unter 
der  Einwirkung  veränderter  äußerer  Umstände  ist  in  der  Experi- 
mentalzoologie  mit  besonderm  Glück  behandelt  worden.  Dies  ist 
durch  den  Umstand  zu  erklären,  daß  die  Untersuchungen  über  die 
auf  solchem  Wege  erhaltenen  Veränderungen  den  Schlüssel  zum  Ver- 
ständnis so  interessanter  Erscheinungen  geben  wie  Lokalvariationen, 
Saison-  und  zum  Teil  auch  Geschlechtsdimorphismus.  Außerdem 
werden  hierbei  so  fundamentale  Fragen  aus  der  Biologie  berührt  wie 
die  Variabilität  der  Arten,  das  Auftreten  neuer  Formen,  Vererbung. 
Es  ist  begreiflich,  daß  infolge  des  biologischen  Literesses  der  Frage 
und  der  relativen  Leichtigkeit  der  dazu  erforderlichen  Versuche 
dieselbe  die  Aufmerksamkeit  zahlreicher  Forscher  auf  sich  gelenkt 
hat.  Wie  reich  die  diese  Frage  behandelnde  Literatur  ist,  kann 
man  aus  dem  neuerdings  erschienenen  2.  Bande  der  „Experimen- 

1)  Verkürzt  wurde  diese  Arbeit  in  der  Sitzung  der  zoologischen 
Sektion  der  Kaiserl.  Gesellschaft  der  Freunde  der  Naturwissenschaften, 
der  Anthropologie  und  Ethnographie  zu  Moskau  am  7./20,  Dezember  1907 
verlesen. 


362  Peter  Kosminsky, 

teilen  entomologischen  Studien-'  von  Bachmetjew  (1)  ersehen,  in 
dem  eine  Zusammenstellung  aller  das  betreftende  Gebiet  berührenden 
Versuche  gegeben  ist.  ^) 

Aber  ungeachtet  der  großen  Anzahl  von  Untersuchungen  über 
die  einschlägige  Frage,  ist  sie  doch  sehr  einseitig  erfoi'scht  worden: 
es  wurden  hauptsächlich  die  Veränderungen  der  Zeichnung  und 
Färbung  studiert,  auf  alles  übrige  wurde  zu  wenig  geachtet.  Wenn 
auch  der  andern  Veränderungen  Erwähnung  geschehen  ist,  so  doch 
nur  im  Vorübergehen. 

Erst  vor  kurzem  erschienen  2  Arbeiten  M.  v.  Linden's  (3,  4) 
und  in  der  Zwischenzeit  zwischen  den  beiden  die  Abhandlung  von 
Federley  (5),  welche  von  den  Veränderungen  der  Schuppen  handeln. 

Federley's  Arbeit  liefert  eine  eingehende  Untersuchung  über 
die  Veränderungen  der  Schuppen  unter  dem  Einfluß  der  Temperatur.-) 
In  Linben's  Arbeiten  werden  die  Einwirkungen  anderer  Faktoren 
(Trockenheit,  verschiedener  Gase,  verminderten  Druckes)  untersucht. 
Es  ist  jedoch  zu  bemerken,  daß  in  diesen  Abhandlungen  die  Frage 
nach  den  Veränderungen  der  Schuppen  bei  weitem  nicht  erschöpfend 
behandelt  ist:  es  ist  die  Einwirkung  vieler  Faktoren  unberück- 
sichtigt geblieben,  und  einige  Schlußfolgerungen  sind  als  nicht  ge- 
nügend begründet  anzusehen. 

Alle  diese  Erwägungen  veranlaßten  mich  im  Sommer  1907  eine 
Eeihe  von  Versuchen  anzustellen,  um  einige  Schlußfolgerungen 
Federley's  zu  kontrollieren  und  ebenso,  um  die  Einwirkung  einiger 
Faktoren  festzustellen,  w^elche  wieder  von  Linden  noch  von  Federley 
berührt  worden  sind. 

Bevor  ich  aber  von  meinen  Versuchen  rede,  halte  ich  es  für 
nötig,  einige  Worte  über  Federley's  Untersuchungen  und  die  Schlüsse, 
die  er  daraus  gezogen  hat.  zu  sagen. 

Federley  hat  Versuche  über  die  Einwirkung  erhöhter  und  er- 
niedrigter Temperaturen  angestellt.  Ich  werde  nur  über  diejenigen 
mit  erniedrigter  Temperatur  sprechen,  da  ich  aus  von  mir  unab- 
hängigen Gründen  nicht  die  Möglichkeit  hatte,  Versuche  mit  erhöhter 
Temperatur  zu  machen  und  somit  eine  Kontrolle  der  Schlußfolge- 
rungen Federley's,  die  auf  Grund  solcher  Experimente  aufgebaut 


1)  Siehe  auch  Linden  (2). 

2)  Bei  den  Versuchen  Federley's  und  Linden's  wie  auch  in  der 
erdrückenden  Mebrzald  von  A'ersucben  dieser  Art  wurden  Puppen  der 
Einwirkung  äußerer  Einflüsse  unterworfen. 


Einwirkung-  äuCerer  Eintiüsse  auf  Schmetterling-e.  363 

sind,  nicht  möglich  ist.  Seine  Versuche  mit  erniedrigter  Temperatur 
teilt  Federley  in  2  Gruppen :  1.  Gruppe:  „Kälteexposition",  längere 
Einwirkung  mäßiger  Kälte  (nicht  unter  0"C);  Kesultat:  verbreiterte 
Schuppen;  2.  Gruppe:  ..Frostexposition",  Einwirkung  einer  Tempe- 
ratur unter  0"  C;  Resultat:  verkleinerte  und  verschmälerte  Schuppen. 
Übrigens  werden  einige  Ausnahmen  zugelassen:  unter  der  Einwirkung 
mäßiger  Kälte  wurden  zuweilen  verkleinerte  und  verschmälerte 
Schuppen  erzielt,  und  umgekehrt,  unter  der  Einwirkuug  einer  Tem- 
peratur unter  0^*,  verbreiterte  Schuppen.  Mir  scheinen  etwas  un- 
begründet und  einer  Kontrolle  bedürftig  die  Erklärungen  des  Auf- 
tretens von  Schuppen  vom  Typus  der  „Kälteexposition",  wie  sie 
Fedeeley  gibt.  Er  charakterisiert  die  Schuppen  dieser  Reihe 
folgendermaßen:  „Die  Schuppen  sind  von  normaler  oder  sogar  über- 
normaler Größe  und  gut  entwickelt,  haben  einen  sehr  großen  Korpus, 
der  entweder  nur  einzelne  kurze  Processus  trägt  oder  ganz  processus- 
los  ist."  Diese  Erscheinung  sucht  er  folgendermaßen  zu  erklären: 
„Die  Vorstufen  der  Pigmente  kommen  in  der  Hämolymphe  vor  und 
werden  mit  derselben  in  die  hohlen  Schuppen  eingeführt."  Der 
Druck  der  Hämolymphe  hat  einen  Einfluß  auf  die  Gestalt  der 
Schuppen.  „Bei  den  Kälteversuchen  ist  es  schwer,  eine  grosse 
Feuchtigkeit  zu  vermeiden,  und  hierdurch  wird  die  Verdunstung  der 
Puppe  eine  ganz  minimale,  was  wieder  zur  Folge  hat,  dass  einerseits 
die  Entwickelung  sich  verzögert  und  andererseits  der  Druck  in  der 
Puppe  gesteigert  wird.  Zur  Verzögerung  trägt  noch  die  niedrige 
Temperatur  bei,  da  aber  die  Entwickelung  nicht  vollständig  aufhört, 
so  stehen  die  neugebildeten  Schuppen  während  einer  verhältnismässig 
sehr  langen  Zeit  unter  einem  höheren  Druck  als  unter  noi-malen 
Verhältnissen,  und  das  Resultat  gibt  sich  in  der  erweiterten  Schuppen- 
form kund.  Bei  den  Versuchen  mit  sehr  niedrigen  intermittierenden 
Frostgraden,  welche  eigentlich  zu  der  Reihe  der  Frostexpositionen 
gerechnet  werden  müssten.  in  denen  aber  auch  Falter  vorkommen, 
die,  nach  der  Form  der  Schuppen  zu  urteilen,  dieser  Reihe  näher 
stehen,  kommt  noch  ein  Moment  hinzu,  nämlich  das  Erstarren  der 
Körpersäfte,  bei  welchem  auch  eine  Vergrösserung  des  Volumens 
stattfindet.  Das  Gefrieren  von  Flüssigkeiten  wird  nämlich  stets  von 
einer  Voluui vergrösserung  begleitet,  und  ausserdem  erleiden  die 
chemischen  Verbindungen,  welche  in  denselben  gelöst  vorkommen, 
Veränderungen,  wobei  oft  gasförmige  Zersetzungsprodukte  gebildet 
werden,  was  alles  zur  Erhöhung  des  Druckes  beiträgt.  Da  nun  die 
Schuppen  direkt  unter  der  Puppenschale  liegen,  so  ist  es  anzunehmen, 


364  Peter  Kosminsky, 

dass  der  Frost  sie  zuerst  trifft,  und  wenn  sie  zur  Zeit  der  Exposition 
mit  Hämolymphe  gefüllt  sind,  so  erstarrt  letztere,  und  die  Schuppen 
werden  hierdurch  ausgedehnt.  .  .  ." 

Diese  Erklärungen  sind  meiner  Ansicht  nach  nicht  genügend 
begründet^):  im  ersten  Falle  wird  die  Hauptrolle  der  Feuchtigkeit 
zugeschrieben,  und  doch  ist  die  selbständige  Einwirkung  der 
Feuchtigkeit  mit  Ausschluß  der  Temperaturerniedrigung  nicht  unter- 
sucht worden;  in  dem  einen  wie  dem  andern  Falle  wird  voraus- 
gesetzt, daß  während  des  Versuches  die  Schuppen  sich  in  dem  Ent- 
wicklungsstadium befinden,  wo  sie  sich  mit  Hämolymphe  füllen. 
Aber  es  ist  nicht  nur  nicht  untersucht  worden,  in  welchem  Ent- 
wicklungsstadium sich  die  Schuppen  während  des  Versuches  befinden, 
sondern  wir  wissen  auch  nicht  einmal,  ob  sie  zu  diesem  Zeitpunkte 
sich  überhaupt  schon  gebildet  haben. 

Um  Fedeeley's  Schlußfolgerungen  zu  kontrollieren,  unternahm 
ich  vor  allen  Dingen  Versuche  über  den  Einfluß  der  Feuchtigkeit 
bei  normaler  Temperatur.  Diese  Versuche  haben  auch  eine  selb- 
ständige Bedeutung,  da  die  Einwirkung  der  Feuchtigkeit  allein  an 
und  für  sich  weder  von  Linden  noch  von  Fedeeley  in  Betracht  ge- 
zogen wird.  Ferner  unternahm  ich  zur  Kontrolle  von  Fedeeley's 
Versuchen  eine  Reihe  von  Experimenten  über  die  Einwirkung  einer, 
mäßigen  Kälte  in  Verbindung  mit  Feuchtigkeit.  Außerdem  nahm 
ich  starke,  aber  nicht  lange  andauernde  Abkühlungen  der  Puppen 
im  Beginne  des  Stadiums  vor,  um  die  Einwirkung  der  Kälte  für  die 
Zeit  festzustellen,  wo  die  Schupi)en  noch  nicht  Zeit  hatten,  sich  zu 
entwickeln.  In  Ermangelung  eines  Eiskellers  konnte  ich  leider 
nicht  alle  Versuche  persönlich  durchführen. 

Persönlich  führte  ich  die  Versuche  über  die  Einwirkung  der 
Feuchtigkeit  durch  {Vanessa  io  L. ,  antiopa  L.)  und  über  die  kurz 
anhaltende  Kälte  (F,  antiopa).  Ein  Teil  der  Versuche  {Lymantria 
dispar  L,  —  Einfluß  von  Feuchtigkeit  und  Kälte,  Malacosoma  neustria 
L,  —  Einfluß  der  Kälte)  wurde  unter  meiner  Leitug  ausgeführt. 

Endlich  erhielt  ich  einige  Abweichungen  {Vanessa  urticae  L,, 
io  L,,  Arctia  villira  L.,  Kälteeinflüsse)  von  Personen,  die  sich  früher 
mit  Versuchen  über  Variationen  von  Faltern  unter  der  Einwirkung- 
herabgesetzter  Temperaturen  beschäftigt  hatten.  Der  Umstand,  daß 
die  Versuche  von  verschiedenen  Personen  ausgeführt  wurden,  hatte 


1)  Übrigens    gibt  FEDEJiLEY    selbst  zu,    daß  seine  Schlußfolgerungen 
zur  Hälfte  spekulative  sind. 


Einwirkung  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  3ö5 

eine  gewisse  Ungieiclimäßig'keit  in  der  Verteilung  des  Materials 
zur  Folge. 

Die  Untersuchung  des  erhaltenen  Materials  wurde  im  Labora- 
torium des  Zoologischen  IMuseums  der  Moskauer  Universität  unter 
der  Leitung  Prof.  Koshewxikov's  ausgeführt. 

Meine  Versuche  ergaben  eine  Keihe  von  Veränderungen  hin- 
sichtlich der  Zeichnung  und  Färbung  der  Flügel  und  der  Form  der 
Fülller,  abgesehen  vom  Material  zur  Veränderung  der  Schuppen. 

Obwohl  diese  Daten  keine  direkte  Beziehung  zu  den  Fragen 
haben,  die  ich  zu  lösen  mich  bemüht  habe,  so  haben  sie  doch  ein 
selbständiges  Interesse,  und  daher  erlaube  ich  mir  ein  wenig  bei 
ihnen  zu  verweilen.^) 

Versuche. 

I.  Einfluß  der  Feuchtigkeit. 

Zum  ZwTcke  der  Versuche  wurden  die  Puppen  in  ein  geschlossenes 
Gefäß  gelegt,  auf  dessen  Boden  nasser  Sand  sich  befand,  der  mit 
nasser  Watte  bedeckt  war.  Die  Puppen  lagen  auf  dieser  Watte; 
einige  von  ihnen  lagen  halb  im  Wasser.  Hin  und  wieder  wurde 
auf  den  Sand  Wasser  gegossen,  als  Ersatz  für  das  verdunstete  und 
an  den  Wänden  und  dem  Deckel  sich  niederschlagende.  So  wHirden 
der  Sand  und  die  Watte  während  der  Dauer  des  Versuches  gleich- 
mäßig feucht  erhalten.  Der  Niederschlag  von  Feuchtigkeit  am 
Deckel  und  den  Wänden  des  Gefäßes  weist  auf  eine  vollständige 
Sättigung  mit  Wasserdampf  hin.  Zum  Vergleiche  ließ  ich  einige 
Schmetterlinge  bei  normalen  Bedingungen  im  selben  Zimmer,  wo 
sich  dieses  Gefäß  befand,  auskommen.  Ich  glaube,  daß  die 
Temperatur  im  Gefäß  sich  wenig  von  der  unterschied,  bei  der  die 
Puppen,  die  als  Vergleichsmaterial   dienen  sollten,   erzogen  wurden. 


1)  Für  besonders  wichtig  halte  ich  es,  die  Veränderung  der  Fühler 
zu  beschreiben ;  meiner  Ansicht  nach  ist  es  nötig,  das  Gebiet  der  Versuche 
zu  erweitern  und  nicht  in  den  bisherigen  Grenzen  stehen  zu  bleiben.  Der 
erste  Schritt  ist  schon  getan :  es  erscheinen  Untersuchungen  über  die  Ver- 
änderungen der  Schuppen ;  aber  es  muß  fortgefahren  und  es  müssen 
die  Veränderungen  am  ganzen  Organismus  studiert  werden.  Ich  möchte 
nicht  Fischee's  (6)  Fehler  wiederholen  und  den  Federley's,  welche  bei 
ihren  Experimenten  Falter  mit  veränderten  Fühlern  (FEUEßLEY)  und  Beinen 
(Fischer)  erzielten  und  diesen  Veränderungen  nicht  die  erforderliche  Be- 
achtung zuwandten. 


366  Peter  Kosminsky, 

Anfäng-licli  sank  natürlicli  die  Tem])eratur  infolg-e  der  Verdunstung-, 
aber  danach  wurde  letztere  minimal,  dank  der  Sättigung  des 
Raumes  mit  Dämpfen,  und  das  Gefäß  stand  im  Zimmer  genügend 
lange,  um  die  Temperatur  der  umgebenden  Luft  anzunehmen.  So  muß 
man  denn  annehmen,  daß  bei  diesem  Versuche  nur  Feuchtigkeit 
im  Überfluß  vorhanden  war. 

Vanessa  io  L.  ^) 

Der  Versuch  zerfiel  in  3  Teile. 

1.  Er  begann  bald  nach  der  Verpuppung  und  dauerte  4—6  Tage. 

2.  Der  Versuch  begann,  sobald  die  Puppen  ein  Alter  von 
0 — 6  Tagen  erreicht  hatten,  und  wurde  nicht  früher  beendet  als 
1  Tag  vor  dem  Auskriechen  (was  durch  deutliches  Durchschimmern 
der  Zeichnung  durch  die  Puppenhülle  bestimmt  wurde). 

3.  Der  Versuch  begann  bald  nach  der  Verpuppung  und  dauerte 
bis  zum  deutlichen  Durchschimmern  der  Zeichnung  durch  die 
Puppenhülle. 

Die  ersten  2  Versuche  unternahm  ich  zu  dem  Zwecke,  um  zu 
bestimmen,  in  welchem  Alter  der  Puppen  die  Feuchtigkeit  am 
meisten  einwirkt.  Der  3.  Versuch  hatte  den  Zweck,  die  Einwirkung 
der  Feuchtigkeit  für  den  Fall  klarzustellen,  daß  die  Dauer  des 
1.  und  2.  Versuchs  ungenügend  erscheinen  sollte.  Es  wurden 
folgende  Resultate  erzielt:  in  Zeichnung  und  Färbung  gingen  die 
Veränderungen  nicht  über  die  Grenzen  gewöhnlicher  individueller 
Abänderungen  hinaus,  die  bei  dieser  Art  sehr  gering  sind;  die 
Schuppen  waren  ebenfalls  bei  allen,  ausgenommen  ein  Individuum, 
normal.  Bei  diesem  einzigen  veränderten  Exemplar  war  (es  be- 
zieht sich  auf  den  1,  Versuch)  der  linke  Vorderflügel  ganz  ver- 
fault; der  linke  Hinterflügel  war  ein  wenig  zusammengedrückt,  die 
Schuppen  an  ihm  waren  ziemlich  stark  verändert:  auf  der  Oberseite 
waren  die  Schuppen  stark  verkleinert,  und  die  Fortsätze  an  ihnen 
hatten  sich  vergrößert  (Taf.  15,  Fig.  4).-)  An  den  rechten  Flügeln 
waren  die  Schuppen  schmäler  als  die  normalen  und  ihre  Fortsätze 
weniger  zahlreich:  auf  der  Oberseite  des  Vorderflügels  trugen  sie 
statt  4—6  nur  3—5  Fortsätze  (Taf.  15,  Fig.  2). «) 


1)  Aus  dem  Riesengebirge  (Agnetendorf). 

2)  Auf   der  Tafel  ist  ein  Teil  des  schwarzen  Feldes  vom  Augenfleck 
auf  der  Oberseite  des  Hinterflügels  abgebildet. 

3)  Auf    den    Tafeln    sind    gewöhnlich    die    Stellen    in    der    Mitte    der 


Einwirkung  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  367 

Wie  zu  erwarten  gewesen,  waren  einige  Puppen  verfault. 

Bei  allen  Puppen,  die  dem  Versuche  unterworfen  worden  waren, 
ließ  sich  folgende  Veränderung  wahrnehmen,  die  sie  von  den  nor- 
malen unterschied :  vor  dem  Auskriechen  wurden  die  letzten  freien 
Segmente  des  Abdomens  stark  ausgedehnt.  Diese  Erscheinung  be- 
merkte Fedekley  bei  den  Puppen,  die  der  Einwirkung  einer  mäßigen 
Kälte  in  Verbindung  mit  Feuchtigkeit  unterworfen  wurden;  er  hält 
dieselbe  für  ein  Anzeiclien  hohen  innern  Druckes,  der  nach  seiner 
Ansicht  die  Ursache  einer  Verbreiterung  der  Schuppen  ist.  Aber 
ungeachtet  dessen,  daß  einige  Exemplare  der  Einwirkung  der 
Feuchtigkeit  wälirend  der  ganzen  Entwicklungsdauer  ausgesetzt 
waren,  fand  keinerlei  Verbreiterung  der  Schuppen  statt. 

Die  Feuchtigkeit  wirkt,  wenn  auch  unbedeutend,  auf  die  Dauer 
des  Puppenstadiums  ein:  soweit  ich  nach  der  unbedeutenden  Zahl 
von  Puppen,  die  dem  Versuche  dienten,  urteilen  kann  (50  Stück), 
hält  die  Feuchtigkeit  die  Entwicklung  ein  wenig  auf.  Bei  so 
geringfügigen  Resultaten  kann  man  natürlich  nicht  darüber  urteilen, 
wie  Puppen  von  verschiedenem  Alter  auf  die  Feuchtigkeit  reagieren. 

Vanessa  antiopa  L.  ^) 

Die  Puppen  wurden  einem  Versuche  unterworfen,  wie  er  für 
F.  io  unter  No.  3  angegeben  ist. 

Die  Veränderungen  waren  ebenso  wie  bei  den  Versuchen  mit 
V.io  unbedeutende;  bei  der  Mehrzahl  waren  Schuppen  und  Färbung 
normal,  nur  bei  1  Exemplar  (Taf.  13,  Fig.  2)  hatte  der  gelbe  Rand 
einen  orangefarbenen  Ton  angenommen;  auf  der  Oberseite  des 
rechten  Hinterflügels  hatten  sich  im  Vorderwinkel  bei  diesem 
Exemplar  die  Schuppen  stark  verkleinert  und  waren  eingeschrumpft 
(Taf.  15,  Fig.  11).  Wie  bei  den  Versuchen  mit  V.  io  waren  die 
letzten  Abdominalsegmente  der  Puppen  vor  dem  Ausschlüpfen  stark 
ausgedehnt. 

Lyniantria  dispar  L.  ^) 

Aus  denselben  Gründen  wie  bei  den  Versuchen  mit  Vanessa  io 
teilte  ich  das  Experiment  in  3  Teile;  jedoch   führte   ich   in   diesem 


Oberseite  des  Vorderflügels  zwischen  Medianader  2  und  Medianader  3 
[nach  Eimer  (10)]  dargestellt.  Falls  eine  andere  Stelle  abgebildet  wird, 
so  wird  darauf  besonders  hingewiesen. 

1)  Aus  Agnetendorf  im  Riesengebirge. 

2)  Aus  Ljublin,   Rußland,  Polen. 


368  Peter  Kosminsky, 

Falle   einige   Abänderungen  in   der  Dauer   des   Versuches   in   Ab- 
hängigkeit von  längerm  Puppenstadium  bei  dieser  Art  ein.  ^) 

1.  Die  Raupen  wurden  kui'z  vor  der  Verpuppung  in  eine  feuchte 
Atmospliäre  gebracht;  sie  verpuppten  sich  am  selben  Tage  oder  nach 
2 — 4  Tagen.  7 — ^8  Tage  nach  Beginn  des  Versuches  wurden  die 
Puppen  in  normale  Verhältnisse  gebracht. 

2.  Der  Versuch  begann,  als  die  Puppen  7—8  Tage  alt  waren, 
und  dauerte  bis  zum  Auskriechen. 

3.  Die  Puppen  wurden  während  der  ganzen  Dauer  des  Puppen- 
stadiums feucht  gehalten. 

Die  Veränderungen  waren  nicht  groß :  nur  bei  einigen  Weibchen 
verschwanden  die  Deckschuppen  (Taf.  16.  Fig.  17);  infolgedessen 
wurde  der  ganze  Flügel  blasser,  die  Adern  waren  deutlicher  sicht- 
bar, die  Zeichnung  aber  schwand  fast  ganz;  nur  am  Costalrande 
der  Vorderflügel  waren  die  Schuppen  und  daher  auch  die  Zeichnung 
normal  (Taf.  13,  Fig.  12).  Außerdem  waren  einige  Schuppen  stark 
gesträubt,  d.  h.  sie  bilden  mit  der  Membran  des  Flügels  einen 
größern  Winkel,  als  normal  erscheint.  Bei  andern  Weibchen  ist  ein 
unbedeutendes  Grauerwerden  der  Hinterflügel  bemerkbar  [dieses 
Merkmal  nähert  sie  den  Faltern,  die  Pictet  (11)  unter  der  Ein- 
wirkung von  Feuchtigkeit  auf  Raupen  erhielt]. 

Bei  einem  Männchen  sind  die  Schuppen  meistenteils  der  Fort- 
sätze verlustig  gegangen  (Taf.  16,  Fig.  13).  In  bezug  auf  diesen 
Fall  kann  ich  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen,  ob  das  eine  Folge  der 
Feuchtigkeit  oder  eine  Individualaberration  ist,  die  von  keinen 
äußern  Umständen  abhängt,  da  bei  dieser  Art  die  Größe  der  Fort- 
sätze stark  variiert. 

Einige  Puppen  waren  verfault. 

Die  unbedeutende  Anzahl  veränderter  Exemplare  gestattet  mir 
nicht,  irgendwelche  Schlüsse  in  bezug  auf  den  Einfluß  der  Feuchtig- 
keit auf  die  verschiedenen  Altersstufen  der  Puppen  zu  machen. 


Somit  wärkt  die  Feuchtigkeit  wenig  ein,  sowohl  auf  Färbung 
und  Zeichnung  wie  auch  auf  die  Schuppen.  Eine  schwache  Veränderung 
der  Falter  unter  dem  Einfluß  der  Feuchtigkeit  auf  die  Puppen  stellte 
auch  Pictet  fest  (11),   der  unter   andern  Versuchen  auch  solche  an 


1)  Bei    den  Versuchen    mit  der  Einwirkung  der  Feuclitigkeit  dauerte 
das  Puppenstadium  bei  V.  io  12 — -15,  bei  Lyii/aidria  dispar  aber  15 — 20  Tage. 


Ehnvirkuug  äuL'erer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  369 

Vanessa  io  und  Lymaniria  (?%)«/•  anstellte.  Wenn  auch  starke  Ver- 
änderungen der  Schuppen  vorkommen,  so  sind  es  doch  nur  lokale, 
dort,  wo  die  Puppe  unmittelbar  mit  ^\'asser  in  l^erühi-ung-  kam. 
Keinerlei  Verbreiterung-  der  Schup])en  fand  statt,  wie  man  das  auf 
Grund  der  Schlüsse  Fedeiilky's  hätte  annehmen  können:  alle  ver- 
änderten Schuppen  sind  kleiner  und  schmäler  als  die  normalen. 


IL   Einfluß  der  Kälte. 

1.  Mäßige  Kälte. 

Versuchen  dieser  Art  w'urden  unterworfen  Vanessa  io  L.,  urticae 
L.,  Lymanfria  dispar  L.,  Malacosoma  ncustria  L.  und  Arctia  vülica  L. 
Obwohl  nur  mit  2  Arten  der  Versuch  nach  meinem  Plane  gemacht 
wurde  (L.  dispar  und  M.  nenstria)  und  die  übrigen  nur  ein  zufälliges 
Material  darstellen,  das  von  verschiedenen  Personen  erhalten  wurde, 
so  war  doch  die  Technik  der  Versuche  annähernd  dieselbe:  Schachteln 
mit  Puppen  wurden  auf  längere  Zeit  auf  Eis  gestellt  (Temperatur 
+  8  bis  -f  9  '^  C,  Feuchtigkeit  sehr  hochgradig) ;  nur  die  Puppen  von 
Ardia  villica  w^irden  im  Keller  ohne  Eis  aufgezogen.  Die  Versuche 
wurden  an  verschiedenen  Orten  vorgenommen;  um  irgendwelche  Ver- 
sehen zu  vermeiden,  verglich  ich  die  erhaltenen  Abweichungen  mit 
normalen  Exemplaren,  die  denselben  ()rtlichkeiten  entnommen  waren. 

Vanessa  io  L.') 

Die  Puppen  wurden  einer  Versuchsdauer  von  40  Tagen  unter- 
worfen; erzielt  wurde  die  Varietät  fisclieri  Stdfs.;  die  Schuppen 
w^aren  sehr  schmal,  und  vielen  fehlten  die  Fortsätze  (Taf.  15.  Fig.  5). 

Vanessa  urticae  L.-) 

Der  Versuch  dauerte  30  Tage.  Es  wairden  P'alter  erzielt,  die 
einen  Übergang  zu  ah.  ichnusoides  de  Selys  bildeten.  Die  Verände- 
rung der  Schuppen  war  dieselbe  wie  bei  V.  io.  ■') 


1)  Aus  dem   Gouvernement  ^Warschau. 

2)  Aus  dem  Gouvernement  Nowgorod. 

3)  Zu  den  Abänderungen  dieser  (iruppe  muß  man  ein  Exemplar 
von  Vanessa  antiopa  aus  dem  Riesengebirge  rechnen,  obwohl  es  in  Freiheit 
gefangen  wurde,  aber  doch  bei  anormalen  Umständen  auskroch :  ich  traf 
es  eben  erst  ausgeschlüpft;  die  Puppe  hing  an  einem  Stein,  indem  sie 
diesen  mit  einer  Seite  berührte ;  alle  Tage  vordem  hatte  es  geregnet  und 
herrschte  eine  ziemliche  Kälte ;    der  Stein  war  sehr  naß.     Bei  der  Unter- 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  24 


370  Peter  Kosminsky, 

JLfßnuiutria'  dt'spar  L.  ^) 

Der  Versucli  zerfiel  in  4  Teile. 

1.  Puijpen  im  Alter  von  1 — 2  Tagen  wurden  auf  Eis  gelegt 
und  so  40  Tage  lang  gehalten. 

2.  Der  Versuch  dauerte  35  Tage. 

3.  Der  Versuch  dauerte  30  Tage. 

4.  Zum  Versuche  dienten  1 — 8  Tage  alte  Puppen;  er  dauerte 
20  Tage. 

Wie  zu  erwarten  war,  verfaulte  ein  Teil  der  Puppen  oder  ergab 
Krüppel.  Wie  es  in  solchen  Fällen  immer  geht,  trat  eine  starke 
Hemmung  in  der  Entwicklung  ein;  aber  die  Zeit  von  der  Ver- 
puppung bis  zum  Beginn  des  Versuches  und  die  Zeit  vom  Ende  des 
Versuches  bis  zur  Ausschlüpfiing  war  kürzer  als  die  normale  Dauer 
des  Puppenstadiums;  dies  Aveist  darauf  hin,  daß  die  Entwicklung 
der  Puppen  während  des  Versuches  nicht  unterbrochen,  sondern  bloß 
verlangsamt  wurde. 

Einige  Exemplare  von  denen,  deren  Puppen  einige  Zeit  nach 
der  Verpuppung  auf  Eis  gelegt  wurden  (4.  Versuch),  krochen  sehr 
bald  nach  Beendigung  des  Versuches  aus;  oifenbar  entwickelten 
sich  bei  ihnen  die  Schuppen  während  des  Versuches;  somit  waren 
alle  Bedingungen  eingehalten,  die  nach  Federley  erforderlich  sind, 
um  verbreiterte  Schuppen  zu  erzielen.-) 

Es  wurden  folgende  Veränderungen  der  Schuppen  beobachtet: 
wie  bei  den  Männchen  so  auch  bei  den  Weibchen  zeigen  die  Schuppen 
eine  Neigung  zum  Kleinerwerden  (Taf.  16,  Fig.  15,  18,  20);  dabei 
schwinden   die  Fortsätze   [übrigens  finden  sich  bei  einem  Weibchen 


suchung  erwies  es  sich,  daß  die  Schuppen  bei  diesem  Schmetterlinge  sich 
verschmälert  hatten,  und  die  Zahl  der  Fortsätze  war  im  Vergleich  zu 
normalen  Fällen  vermindert  (auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel  statt  3 — 5 
nur  2—3,  s.  Taf.   15,  Fig.  6). 

1)  Aus  Ljublin. 

2)  Federley 's  Versuche  fanden  bei  einer  niedrigem  Temperatur  statt. 
Daher  verging  viel  Zeit  vom  Ende  des  Versuches  bis  zum  Ausschlüpfen, 
so  daß  es  unbestimmt  bleibt,  ob  die  Schuppen  überhaupt  während  des 
Versuches  genügend  entwickelt  waren.  Indem  ich  die  Versuche  bei  einer 
höhern  Temperatur  ausfülirte  und  ihnen  Puppen  in  einem  Alter  bis  zu 
8  Tagen  aussetzte ,  erreichte  ich ,  daß  die  größere  Zeitdauer  der  Ent- 
wicklung in  die  Zeit  des  Versuches  fiel ;  daher  entsprechen  meine  Versuche 
mehr  den  Bedingungen,  die  Federley  zur  Erzielung  der  Verbreiterung 
der  Schuppen  verlangte,   als  seine  Versuche. 


Einwirkung-  äuGerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  371 

Schuppen,  die,  obwohl  stark  verkleinert,  doch  gut  ausgeprägte  Fort- 
sätze tragen  (Taf.  16,  Fig.  20)].  Zuweilen  bilden  die  Schuppen  mit 
der  Fliigelmerabran  einen  übernormal  großen  Winkel.  Überhaupt 
ist  die  Zahl  der  Schuppen  vermindert. 

Bei  den  ]\lännchen  verschwinden  die  schmalen  weißen  Scliuppen 
am  Außenrande  der  Vorderflügel. 

Die  Weibchen  verlieren  oft  die  Deckschuppen  (Taf.  18,  Fig.  18), 
so  daß  die  Flügelmembran  durchscheint;  diese  Veränderung  erinnert 
an  die  bei  Feuerley  auf  tab.  3,  lig.  8  abgebildete  (ebenfalls  Kälte- 
einwirkung). Die  äußersten  Formen  unterscheiden  sich  noch  mehr 
von  den  normalen,  als  sie  Federley  auf  tab.  3,  fig.  7  gibt  (Formen 
der  Eeihe  „Frostexposition"). 

Die  Schuppen  verlieren  am  ganzen  Körper  den  größten  Teil 
der  Fortsätze,  und  die  Härchen  werden  kleiner  (Taf.  17,  Fig.  9—11). 

Die  Veränderung  der  Schuppen  ist  weniger  bemerkbar  am 
Costalrande  der  Vorderflügel  \) :  nur  bei  den  stärker  veränderten 
Exemplaren  ist  der  Unterschied  zwischen  dem  Grade  der  Abweichung 
der  Schuppen  am  Costalrande  und  des  übrigen  Teiles  der  Flügel 
wenig  auffallend. 

Die  am  meisten  verschmälerten  Schuppen  findet  man  bei  Exem- 
plaren, die  beim  4.  Versuche  erzielt  wurden,  d.  h.  bei  denen,  welche 
nach  Federley  am  ehesten  eine  Verbreiterung  der  Schuppen  auf- 
weisen müßten. 

Interessante  Veränderungen  gingen  in  Zeichnung  und  Färbung 
vor  sich.  Alle  Männchen  haben  sich  mehr  oder  weniger  verändert. 
Die  Zeichnung  auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel  ist  mehr  oder 
weniger  verschwunden  (Taf.  13,  Fig.  7,  8,  9  u.  10).  Die  Färbung 
ist  entweder  weißlich  (Fig.  10)  oder  einfarbig  grau  (Fig.  8)  oder 
aber  schwärzlich  (Fig.  9).  Die  Oberseite  der  Hinterflügel  und  die 
Unterseite  sind  wenig  verändert.  Die  weißliche  und  einige  graue 
Formen  gleichen  den  Aberrationen,  die  Federley  unter  der  Ein- 
wirkung erhöhter  Temperatur  erhielt. 

Die  Veränderung  der  Zeichnung  bei  den  Weibchen  geht 
in  3  Richtungen:  1.  die  ganze  Zeichnung  wird  heller  und  ver- 
schwindet bei  den   äußersten  Formen  fast  ganz  (Taf.  14,  Fig.  1); 


1)  Die  schwache  Veränderung  der  Schuppen  und  der  Zeichnung  am 
Costalrande  bemerkte  auch  Federley  ;  er  erklärt  diese  Erscheinung  so : 
an  der  Puppe  ist  dieser  Flügelteil  von  den  Füßen  bedeckt,  daher  wirken 
äußere  Einflüsse  auf  ihn  schwächer  als  auf  die  übrigen  Partien,  die  von 
dem  äußern  Medium  nur  durch  die  Puppenhülle  geschieden  sind. 

24* 


372  Peter  Kosminsky, 

2.  die  Zeichnung  zeigt  eine  Neigung-  zum  Verschwinden,  außer  den 
Fransenflecken  und  Mittelflecken,  die  bei  einigen  Exemplaren  stärker 
ausgeprägt  sind  als  bei  den  normalen  iTaf.  14,  Fig.  2,  3  u.  4). 
Einige  Formen  dieser  Aberrationen  gleichen  der  bei  Fedeeley  auf 
tab.  1.  flg.  9  dargestellten  (Einwii-kunp-  mäßiger  Kälte).  Endlich 
ist  3.  eine  Verbreiterung  der  Mittelschatten  in  Verbindung  mit  dem 
Verschwinden  der  übrigen  Zeichnung  zu  bemerken.  Das  Exemplar 
mit  dem  verbreiterten  Mittelschatten  ist  auch  bei  Fedeeley  abge- 
bildet (tab.  1,  flg.  12),  aber  bei  meinen  Stücken  ist  die  Abweichung 
bedeutend  stärker  ausgeprägt  (Taf.  14.  Fig.  5,  6,  7  u.  8). 

Die  Zeichnung  hat  sich  bei  vielen  Stücken  nicht  verändert,  aber 
die  Färbung  ist  entschieden  bei  allen  eine  andere  geworden.  In 
der  Mehrzahl  der  Fälle  ist  die  Färbung  eine  schmutzig  weiße,  bei 
andern  eine  gelbliche  oder  graue  von  verschiedener  Abtönung. 

Bei  den  einen  der  grauen  Formen  findet  sich  ein  breiter  Mittel- 
schatten (Taf.  14.  Fig.  8),  bei  andern  ist  die  Zeichnung,  mit  Aus- 
nahme der  Mittel-  und  Fransenflecken,  blasser  geworden  (Taf.  14, 
Fig.  3),  bei  noch  andern  endlich  ist  die  Zeichnung  normal. 

Bei  einigen  gelben  Formen  verschwindet  mehr  oder  weniger  die 
ganze  Zeichnung  mit  Ausnahme  der  Mittel-  und  Fransenflecken 
(Taf.  14,  Fig.  4),  bei  andern  entwickelt  sich  ein  breiter  Mittel- 
schatten. 

Bei  den  schmutzig  weißen  Stücken  finden  sich  alle  oben  er- 
wähnten Abänderungen  der  Zeichnung  (Taf.  14,  Fig.  1.  2,  7),  und 
bei  vielen  ist  letztere  nicht  verändert. 

Die  Formen  mit  nicht  veränderter  Zeichnung  gehören  alle  in 
den  4.  Versuch  hinein;  zu  gleicher  Zeit  finden  sich  die  stärksten 
Veränderungen  der  Schuppen  gerade  bei  den  Formen  dieser  Versuchs- 
reihe. Höchst  wahrscheinlich  hängt  das  davon  ab,  daß  die  Puppen 
dem  Versuche  in  einem  Alter  unter  8  Tagen  unterworfen  worden 
sind.  Wie  Standeüss'  (17)  Untersuchungen,  Arbeiten  Fischee's  (8,  9) 
und  anderer  Autoren  zeigten,  wurden  Färbung  und  Zeichnung  nur 
dann  stark  verändert,  wenn  der  Versuch  mit  einer  Puppe  von 
höchstens  1 — 2tägigem  Alter  vorgenommen  wird.  Die  Schuppen 
aber  verändern  sich,  wie  Fedeeley's  Untersuchungen  ergeben  haben, 
auch  dann,  wenn  dem  Versuche  Puppen  unterworfen  werden,  die 
längere  Zeit  unter  normalen  Bedingungen  gelegnen  hatten. 

Von  sonstigen  Veränderungen  müssen  hervorgehoben  werden : 
die  allgemeine  Abschwächung  der  Flügelmembran  und  die  Ver- 
änderung der  Flügelform.     Die  Vorderflügel  sind  bei  vielen  Stücken 


Einwirkung  äußerer  p]infliisse  auf  Schmetterlinge.  373 

versclimäleit,  und  der  Yorderwinkel  tritt  mehr  hervor,  während  die 
Hinterfiügel  verkleinert  sind.  Besonders  interessant  sind  die  Yer- 
änderung-eu  der  Fühler  bei  den  Weibchen.  Die  Fiedern  sind  viel 
länger  als  unter  normalen  Umständen,  dabei  befinden  sich  die  aller- 
längsten  nicht  am  Ende  des  Fühlers,  wie  bei  den  normalen  Stücken, 
sondern  in  der  Mitte  (Taf.  17.  Fig.  1);  die  Sensillae  trichoideae  ^) 
sind  verkleinert;  die  Sensillae  coeloconicae  au  den  Fiedern  sind  nicht 
nach  der  Seite,  sondern  nach  der  Spitze  der  Fiedern  (Taf.  17, 
Fig.  4)  gewandt.-) 

Bemerkenswert  ist  die  Fühlerform.  die  auf  Taf.  17,  Fig.  6  dar- 
gestellt ist.  Die  Fiedern  an  den  Gliedern  des  Fühlers,  die  sich 
näher  der  Basis  befinden,  und  die  Glieder  selbst  sind  stark  ver- 
breitert. Zum  Vei-gleiche  habe  ich  auf  Taf.  17  einige  Glieder  eines 
normalen  Weibchens  abgebildet  mit  den  breitesten  Fiedern.  '■') 

Die  Schüppchen  an  den  veränderten  Fühlern  sind  breiter  und 
kürzer  geworden  (Taf.  17,  Fig.  8).  Die  Fühler  sind  bei  allen  Weib- 
chen verändert,  die  dem  1.,  2.  und  3.  Versuche  angehören. 

3IaI(t('osonia  neustria  L.  ^) 

Der  Versuch  dauerte  30—35  Tage.  Ich  erhielt  Schmetterlinge 
mit  stark  verschmälerten,  zugespitzten  und  der  Fortsätze  verlustig 
gegangenen  Grund- (Basal-)  Schüppchen.  Die  haarfürmigen  Deck- 
schuppen haben  sich  nur  schwach  verändert.  Im  allgemeinen  sitzen 
die  Schuppen  weniger  dicht  (Taf.  IG,  Fig.  22).  Die  Zeichnung  ver- 
rät eine  Neigung  zum  Verschwinden:  bei  einigen  sind  die  Quer- 
streifen unklar,  bei  andern  verschwinden  sie  ganz  (Taf.  14,  Fig.  11 
bis  15). 


1)  Nach   SCHEKK  (18). 

2)  Die  geringe  Länge  der  auf  Taf.  17,  Fig.  4  dargestellten  Sens. 
chaeticae  ist  kein  spezielles  Merkmal  der  Kälteform.  Die  S.  chaeticae  von 
dieser  Länge  werden  auch  bei  normalen  Stücken  gefunden.  Überhaupt 
variieren  die  Fühler  der  Weibchen  von  L.  d/sjMir  recht  stark.  Es  w^echselt 
die  Länge  der  S.  chaeticae  und  Fiedern.  Auf  Taf.  17,  Fig.  2  ist  ein 
Fühler  mit  relativ  langen  Fiedern  und  8.  chaeticae  dargestellt  (oft  kommen 
auch  kürzere  vor). 

3)  Der  normale  Fülder  ist  länger  als  der  nebenan  abgebildete  Fühler 
der  Kälteform. 

4)  Aus  Ljubliu. 


374  Peter  Kosminsky. 

Arctia  villica  L.  ^) 

Die  Puppen  wurden  40  Tage  in  einem  Keller  gehalten.  Zeichnung, 
Färbung  und  Schuppen  der  ausgeschlüpften  Schmetterlinge  zeigen 
keine  Veränderung,  nur  bei  einem  Männchen  ist  die  Färbung  der 
vordem  Flügel  düsterer,  und  die  Schuppen  auf  demselben  sind 
schmäler,  die  Zahl  der  Fortsätze  geringer  (statt  3 — 4  nur  2—3. 
siehe  Taf.  16,  Plg.  24). 


Alle  erhaltenen  Eesultate  zusammenfassend,  sehen  wir.  daß 
unter  der  Einwirkung  einer  mäßigen  Kälte  in  Verbindung  mit 
Feuchtigkeit  die  Schuppen  sich  verschmälern  und  kleiner  werden; 
diese  Regel  ist  bindend  für  Falter  aus  Familien,  die  weit  vonein- 
ander abstehen  (Lytnatitriidae,  Arctiidae,  NymphaMm') ;  dabei  ist  die 
Verkleinerung  der  Schuppen  mit  dem  Zurückgehen  der  Zahl  und 
Größe  der  Fortsätze  verbunden ;  doch  kann  letzteres  auch  nicht  statt- 
haben, wie  die  Schuppen  eines  Weibchens  von  L.  dispar  beweisen. 
Bei  sehr  vielen  Exemplaren  besitzen  die  Schuppen  alle  Merkmale 
der  Schuppen  der  Reihe  „Frostexposition"  (Temperatur  unter  O^C) 
Federley's.  Eine  Verbreiterung  der  Schuppen  wurde  nur  in  den 
Fühlern  der  Weibchen  von  L.  dispar  bemerkt;  übrigens  ist  dies  eine 
Veränderung  besonderer  Art,  und  wir  werden  weiter  unten  darauf 
zurückkommen. 

Von  andern  Veränderungen  verdienen  beachtet  zu  werden  die, 
soviel  ich  weiß,  noch  nicht  beschriebenen  Formen  von  L.  dispar  (die 
grauen  Weibchen  und  die  Weibchen  mit  breiten  Mittelschatten)  und 
die  Veränderungen  der  Fühler. 

2.   Einfluß  der  Temperatur  unter  0". 

Vanessa  atitiopa  L.  -) 

Zum  Versuche  wurden  Puppen  genommen,  die  aus  Raupen  er- 
zogen waren,  die  von  einem  frühen  Jugendstadium  an  im  Zimmer 
gehalten  wui-den.  Ein  Teil  der  Puppen  wurde  im  Zimmer  aufge- 
zogen, ohne  dem  Versuche  unterworfen  zu  werden.  Der  Versuch 
wurde  von  mir  in  folgender  Weise  durchgeführt:  Die  Puppen  wurden 

1)  Aus  Radom  (Rußland,  Polen). 

2)  Aus  dem  Riesengebirge. 


Eiinvirkung  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  375 

SO  in  einer  Blechscliaclitel  untergebracht,  daß  sie  mit  einer  Seite 
eine  sehr  dünne  Watteschicht  berührten,  mit  welcher  der  Deckel 
belegt  war.  Mit  der  andern  Seite  lagen  die  Puppen  auf  Watte, 
mit  der  die  Schachtel  ausgelegt  war.  Auf  den  Deckel  der  Schachtel 
legte  ich  ein  Stück  Watte,  das  mit  Äther  begossen  wurde:  so  mußten 
die  Puppen  bald  abkühlen,  da  von  der  Watte,  die  mit  Äther  be- 
gossen wurde,  sie  nur  eine  dünne  Watteschicht  trennte  und  ein 
dünner  Blechdeckel.  ^)  Zur  Messung  der  Temperatur  veii'uhr  ich 
folgendermaßen:  Auf  die  ßlechplatte,  welche  am  Thermometer  das 
Quecksilberreservoir  umschließt,  legte  ich  ein  Stück  Watte  und  be- 
goß gleichzeitig  die  Watte  am  Thermometer  wie  auf  der  Schachtel. 
Natürlich  ist  eine  solche  Messung  sehr  ungenau,  aber  eine  genauere 
Vorrichtung,  wie  etwa  ein  in  die  Schachtel  eingebautes  Thermo- 
meter, hatte  ich  nicht  zur  Hand.  Die  Temperatur  fiel  im  Laufe 
von  5  Minuten  auf  0"  C;  während  der  ganzen  Versuchsdauer  hielt 
sie  sich  auf  — 3''  C,  erhob  sich  selten  bis  nicht  über  0"  und  fiel 
bis  zu  — 5"  C.  Der  Versuch  dauerte  eine  Stunde.  50  Minuten 
nach  Beendigung  des  Versuches  erreichte  die  Temperatur  die  nor- 
male Höhe. 

Ehe  ich  von  den  erhaltenen  Abweichungen  spreche,  will  ich 
einige  Worte  über  die  Exemplare  sagen,  die  bei  normaler  Zimmer- 
temperatur erzogen  wurden.  Es  ist  augenscheinlich,  daß  die  Er- 
ziehung von  einem  frühen  elugendstadium  an  im  Zimmer  einigen 
Einfluß  ausübt:  die  Falter  unterscheiden  sich  einigermaßen  von  den 
normalen,  waren  kleiner,  die  Schattierung  des  schwärzlich-himbeer- 
farbenen Basalfeldes  w^ar  heller  geworden,  die  blauen  Flecken  hatten 
an  Größe  zugenommen.  Die  Schuppen  waren  etwas  breiter  geworden 
als  die  normalen  (Taf.  15,  Fig.  8). 

Die  Mehrzahl  der  dem  Versuche  unterworfenen  Stücke  unter- 
schied sich  wenig  von  der  oben  beschriebenen  Form.  Ein  Exemplar 
bildete  einen  Übergang  zur  aberr.  hygiaea.  Interessante  Abweichungen 
ergaben  uns  die  2  Exemplare,  deren  Puppen  in  einem  Jüngern  als 
eintägigen  Stadium  dem  Versuche  unterworfen  wurden.  Bei  dem 
einen  (Taf.  18,  Fig.  5)  war  auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel  die 
Grundfärbung  schwarz  geworden  mit  einem  Stich  ins  Graue,  da  die 
Schuppen  nicht  dicht  saßen  und  die  Flügelmembran  durchschimmerte. 
Der  gelbe  Costalfleck,   der  gewöhnlich   näher   dem  Wurzelende  des 


1)    Die    Technik    des    Versuches    wurde    mit    einigen    Veränderungen 
Fischer  (7)  entnommen. 


376  Peter  Kosminsky, 

Flügels  steht,  war  verscliwunden.  Der  gelbe  Rand  ist  überall  mit 
schwarzen  Schuppen  bedeckt,  besonders  am  Vorderrande  und  an  den 
Adern,  wo  die  gelben  Scliuppen  fast  verschwinden ;  ihrerseits  dringen 
sie  in  geringer  Zahl  näher  zur  Mitte  des  Flügels  vor  und  sind  neben 
den  kaum  sichtbaren  blauen  Flecken  bemerkbar,  die  sich  weiter 
entfernt  vom  Flügelrande  befinden  als  bei  normalen  Stücken.  Der 
gelbe  Costalfleck  vereinigt  sich  mit  dem  gelben  Rande,  den  3.  blauen 
Fleck  (von  vorn  ans  gerechnet)  umgebend.  Auf  den  Hinterflügeln 
sind  die  blauen  Flecken  kleiner  und  liegen  näher  der  Flügelwurzel, 
oder  richtiger,  von  jedem  P'leck  bleibt  nur  ein  Teil  übrig,  der  näher 
der  Flügelbasis  liegt.  Auf  der  Unterseite  finden  sich  keine  Ver- 
änderungen. 

Die  Schuppen  auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel  sind  stark 
vergrößert,  die  Fortsätze  sind  abgerundet;  die  Schuppen  selbst  sind 
ohne  jegliche  Ordnung  verteilt  (Taf.  15,  Fig.  9).  An  andern  Stellen 
sind  die  Schuppen  normal.  Die  Adern  der  Vorderflügel,  besonders 
die  Medianader  1  und  Medianader  2.  sind  wellenförmig  gebogen; 
der  Flügel  selbst  ist  schmäler. 

Beim  andern  Exemplar  werden  dieselben  Veränderungen  be- 
obachtet, aber  auf  dem  Vorderflügel  finden  sich  rote  Schüppchen, 
auf  dem  gelben  Rande  sind  der  schwarzen  Schüppchen  mehr  (Taf.  13, 
Fig.  4). 

Eine  der  oben  beschriebenen  ähnliche  Abw^eichung  erhielt 
Fischer  (7)  durch  Wärmeeinwirkung,  aber  sein  Exemplar  nähert  sich 
der  var.  arteniis  Fisch.  ,  da  die  3  vordem  blauen  Flecken  auf  den 
vordem  und  alle  auf  den  hintern  Flügeln  vergrößert  sind.  Bei 
meinen  Exemplaren  verschwindet  die  blaue  Färbung,  was  sie  der 
aberr.  hijgiaea  nähert. 

Eine  starke  Veränderung  allein  der  Oberseite  der  Vorderflügel 
läßt  sicli  durch  die  kurze  Dauer  des  Versuches  erklären.  Es  hatte 
nur  die  Oberfläche  der  Puppe  Zeit  zum  Abkühlen  gehabt.  Das  Auf- 
treten stark  vergrößerter  und  verbreiterter  Schuppen  kann  durchaus 
nicht  nach  Fedekley's  Sinn  erkläit  werden.  Denn  seiner  Meinung 
nach  muß  der  Frost  auf  die  Schuppen  selbst  wirken,  indem  er  ein 
Einfrieren  der  Flüssigkeiten  hervorruft,  und  andere  ph^ysikalische 
und  auch  chemische  Veränderungen,  die  die  Verbreiterung  der 
Schuppen  bedingen.  Die  Puppen  wurden  aber  in  einem  Alters- 
stadium dem  Versuche  unterzogen,  wo  von  Schuppen  noch  gar  nicht 
die  Rede  sein  konnte. 


Einwirkung  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  377 

Wie  aus  dem  oben  Gesagten  zu  ersehen  ist,  weichen  die  Ergeb- 
nisse meiner  Versuche  stark  mit  den  von  Fedeeley  bescliriebenen 
Resultaten  ab  und  kann  Zweifel  aufkommen  in  bezug-  auf  die 
Richtigkeit  seiner  Erklärungen  der  Gründe  der  Erweiterung  der 
Scliüppchen.  Besonders  müssen  wir  liervorheben,  daß  ich  unter  der 
Einwirkung  mäßiger  Kälte  nicht  ein  einziges  Exemplar  mit  ver- 
breiterten Schuppen  erzielte,  während  nach  FKUKrxLEY  das  Auftreten 
solcher  Scliuppen  unter  der  Einwirkung  mäßiger  Kälte  als  Regel 
gelten  muß;  in  seiner  Arbeit  beschreibt  er  einige  solcher  Formen 
und  bildet  sie  aucli  ab. 

Diese  Diskordanz  in  den  Resultaten  veranlaßte  mich,  besonders 
sorgfältig  die  der  Arbeit  Fedi:i{ley's  beigegebene  Tafel  mit  Ab- 
bildungen der  Schuppen  durchzuselien.  Und  was  ergab  sich?  Auf 
dieser  Tafel  sind  in  der  Reihe  ..ivälteexposition",  mit  Ausnahme 
eines  Falles  [L.  dispar  S),  Schui)pen  abgebildet,  die  schmäler  und 
kleiner  sind  als  die  normalen.  Bei  Arctia  caja  L.  und  Sahirma 
pawnia  L.  sieht  man  sie  bei  sorgfältiger  Messung  ^) ;  bei  dem  L. 
di spar -Weihchen  erscheinen  in  der  Tat  die  Schuppen  auf  den  ersten 
Blick  bedeutend  breiter  als  die  normalen,  aber  dies  läßt  sich  da- 
durch erklären,  daß  bei  der  Form  der  ..Kälteexposition"  die  schmalen 
Deckschuppen  fehlen,  und  die  Grundschuppen  sind,  wie  man  an  der 
Zeichnung  sieht,  kleiner  als  die  normalen. 

Ich  erhielt  viele  L.  rfi.9j>«r- "Weibchen  mit  Schuppen,  die  den  bei 
Federley  abgebildeten  Schuppen  der  Reihe  „Kälteexposition"  ähnlich 
sind;  die  Untersuchung  zeigte  deutlich,  daß  die  Deckschuppen  ver- 
schwanden und  nicht  breiter  geworden  sind;  von  ihnen  bleiben  nur 
die  Einlenkungsgrübchen.  Es  ist  schwer  anzunehmen,  daß  die 
Schuppen  infolgedessen  ausgefallen  seien,  daß  der  Schmetterling 
flatterte:  die  Falter  wurden  einige  Stunden  nach  dem  Ausschlüpfen 
getötet.     Den  Weg  zur  Klarstellung   dieser  Erscheinung   weist   ein 


1)  Die  relative  Größe  der  Schuppen  bestimmte  ich  folgendermaßen: 
Ich  zeichnete  nach  der  Tafel  von  Federley  bei  ein  und  derselben  Ver- 
größerung mit  Hilfe  der  AEBE'schen  Kammer  einige  Schuppen  der  Reihe 
„Kälteexpos^ition"  und  ebensoviele  normale  Schuppen;  danach  schnitt  ich 
sie  aus  und  wog  sie.  Das  Gewicht  der  ausgeschnittenen  Abbildungen  der 
gemessenen  Schuppen  verhält  sich  zu  dem  Gewichte  der  Abbildungen  der 
normalen  Schuppen  wie  ihre  Oberflächen.  Aus  diesem  Abwägen  stellte 
sich  heraus,  daß  die  Oberfläche  der  Kälteformen  bedeutend  kleiner  ist  als 
die  Oberfläche  der  normalen  Schuppen.  So  war  z.  B.  bei  einem  Saturnia 
paxonia-^,  wo  auf  der  Zeichnung  der  Unterschied  gar  nicht  in  die  Augen 
springt,   das  Verhältnis  :=  9:13. 


378  Peter  Kosjiinsky, 

Exemplar,  bei  dem  auf  der  Oberseite  der  Vorderflügel  sich  Häufclien 
(Büsclielchen)  von  Schuppen  finden  (Taf.  16,  Fi«-.  19).  Offenbar  ver- 
hielt sich  die  Sache  folgendermaßen:  die  Puppen  befanden  sich  in 
einer  feuchten  Atmosphäre,  die  Feuchtig-keit  drang  bis  an  die  Ober- 
fläche des  Flügels  und  verklebte  die  Schuppen  miteinander.  Beim 
Ausspreizen  der  Flügel  nach  dem  Ausschlüpfen  konnten  die  Schuppen 
nicht  voneinander  gleiten  und  wurden  in  kleinen  Häufchen  aus- 
gerissen; bei  diesem  Exemplar  blieben  diese  Häufchen  zufällig  er- 
halten, bei  andern  stäubten  sie  ab.  Es  kommen  Exemplare  vor.  die 
fast  ganz  der  Schuppen  beraubt  sind.  Auf  den  Umstand,  daß  die 
Schüppchen  beim  Ausspreizen  der  Flügel  abfalle«,  weist  Folgendes 
hin:  bei  einigen  Krüppeln  mit  schlecht  entwickelten  Flügeln  bleiben 
die  Schüppchen  vollkommen  erhalten  an  den  nicht  ausgespreizten 
Stellen,  fehlen  aber  an  den  ausgespreizten.  In  dem  Falle,  wo  die 
Feuchtigkeit  die  Oberfläche  des  Flügels  weniger  besetzt,  kleben  nur 
die  Deckschüppchen  aneinander,  die  an  dem  nicht  ausgespreizten 
Flügel  üist  ganz  die  Grundschuppen  bedecken  und  einander  dicht 
anliegen.  Beim  Ausspreizen  des  Flügels  können  die  zusammen- 
geklebten Deckschuppen  nicht  voneinander  gleiten  und  reißen  ab, 
und  auf  dem  Flügel  bleiben  bloß  die  Grundschuppen  übrig.  Natür- 
lich kann  auch  eine  gewisse  Anzahl  Grundschuppen  abreißen.  ^) 
Darauf,  daß  die  Feuchtigkeit  die  Schüppchen  verklebt,  weist  auch 
folgender  Umstand  hin :  bei  den  Versuchen  mit  Feuchtigkeit  wurden 
Schmetterlinge  erzielt,  die  fast  ganz  ohne  Schuppen  waren.  ^) 

Federley,  der  diese  Erscheinung  nicht  voraussetzte,  sah  die 
nach  dem  Ausfall  der  Deckschuppen  noch  gebliebenen  Grundschuppen 
für  veränderte  Deckschuppen  an. 

Ich  habe  schon  oben  gesagt,  daß  nur  auf  einer  Zeichnung  {L.  dispar  S) 
die  Schuppen  wirklich  breiter  und  größer  als  die  normalen  dar- 
gestellt sind,  aber  auch  in  diesem  Falle  steigen  Zweifel  auf. 
Federley  wählte  mit  sehr  wenig  Glück  die  Stelle,  von  der  er  die 
Schuppen  abbildete  und  beschrieb  „gleich  ausserhalb  der  äusseren 
Querlinie" ;  diese  Stelle  liegt  genau  in  der  Nähe  des  Überganges  von 


1)  Eine  ähnliche  Erscheinung   bemerkt  man  auch  bei  den  Männchen. 

2)  Diese  Erscheinung  kann  nur  dann  statthaben,  wenn  die  Schuppen 
sich  während  des  Versuches  entwickeln ;  und  in  der  Tat  gehören  die 
Mehrzahl  der  Falter  dieses  Typus  in  den  4.  Versuch  hinein  (sie  krochen 
bald  nach  Beendigung  des  Versuches  aus),  und  bei  Federley's  Versuch 
wurden  derartige  Veränderungen  erbalten,  als  die  Feuchtigkeit  im  Laufe 
der  letzten   15 — 16  Tage  des  Puppenstadiums  wirkte. 


Einwirkung-  äußerer  Einflüsse  auf  Sciiruetterlinge.  379 

den  typischen,  schmalen  und  langen  Schuppen  des  Seitenrandes  zu 
den  breiten  Schuppen  des  Grundfeldes.  Die  Stelle  des  Überganges 
zwischen  diesen  zwei  Tj^pen  von  Schuppen  ist  sehr  unbeständig;  daher 
findet  man  bei  dem  einen  normalen  Männchen  von  L.  dispar  gleich 
außerlialb  der  äußern  Querlinie  schmale,  bei  den  andern  breite 
Schuppen  (Taf.  16,  Fig.  14),  die  den  von  Fedekley  abgebildeten 
der  Kälteexpositionsreihe  sehr  ähnlich  sind.  Wir  wissen  nicht,  wie 
sich  die  Schuppen  an  den  übrigen  Flügelpartien  veränderten,  und 
Fedeeley's  Zeichnung  gibt  nicht  die  Möglichkeit,  irgendwelche 
Schlüsse  zu  zielien. 

Und  so  werden  denn,  mit  einer  einzigen  Ausnahme  (und  auch 
die  ist  zweifelhaft),  unter  der  Einwirkung  mäßiger  Kälte  die 
Scliüppchen  schmäler  und  kleiner. 

Erscheint  nun  aber  einmal  die  Verbreiterung  der  Schuppen 
unter  der  Einwirkung  mäßiger  Kälte  nicht  als  Regel,  sondern  eher 
als  Ausnahme,  so  erweist  sich  die  von  Federley  auf  der  Kälte- 
und  Frostexpositionsreihe  aufgebaute  Einteilung  der  Veränderungen 
der  Schüppchen  als  auf  einem  reinen  Mißverständnis  begründet.  Wir 
finden  keine  Vergrfjßerung  der  Schüppchen  in  dem  einen  Falle  und 
eine  Verkleinerung  in  dem  andern  —  in  beiden  Fällen  werden  die 
Schüppchen  im  Vergleich  zu  den  normalen  kleiner,  wie  das  auch 
Fedeeley's  Tafel  bestätigt. ')  Wir  wollen  hervorheben,  daß  zur 
Aufrechterhaltung  seiner  Klassifikation  Federley  an  seinem  Material 
gewaltsame  Operationen  vornehmen  mußte.  So  sind  z.  B.  auf  seiner 
Tafel  vollkommen  willkürlich  in  die  Reihe  der  Kälteexpositionen  die 
ein  wenig  verkleinerten  (mit  Ausnahme  des  L.  dispar  S)  Schuppen 
mit  schwach  ausgeprägten  Fortsätzen  ausgeschieden  worden  und  in 
die  Reihe  der  Frostexpositionen  sowohl  stark  veränderte,  der  Fort- 
sätze entbehrende  Schuppen  von  L.  dispar  $,  wie  auch  die  wenig 
verschmälerten,  mit  unveränderten  Fortsätzen  versehene  Scliuppen 
vom    S.  pavonia-%   (wie   ich    sie    auch    bei    in   Freiheit    gefangenen 


1)  Ich  lasse  die  Veränderungen  der  Schuppen  von  Vanessa  aniiojjci 
beiseite,  die  ich  bei  der  Einwirkung  einer  kurze  Zeit  anhaltenden  starken 
Kälte  erhielt.  Diese  Erscheinung  beweist,  daß  auch  bei  Einwirkung  von 
Kälte  unter  gewissen  Bedingungen  sich  vergrößerte  und  verbreiterte 
Schuppen  entwickeln  können.  Aber  auf  Grund  dieses  einen  Falles  haben 
wir,  wie  mir  scheint,  kein  Recht,  irgendwelche  Einteilungen  der  Ver- 
änderungen vorzunehmen,  und  um  so  mehr,  als  —  wie  aus  Fedeeley's 
Tafel  zu  ersehen  ist  —  unter  der  Einwirkung  starker  Kälte  auch  ver- 
schmälerte Schuppen  auftreten. 


380  Peter  Kosjiinsky, 

Weibchen  beobachtet  habe),  sowie  Schuppen  von  Ardia  caja.  die 
nach  Form  und  Größe  sich  nicht  von  denen  der  Reihe  „Kälte- 
exposition" unterscheiden,  aber  ziemlich  undicht  sitzen,  hinein- 
g-estellt  worden.  P'erner  sind  in  die  Kälteexpositionsreihe  Formen 
mit  eingeschlossen,  die  unter  der  Einwirkung  einer  Temperatur 
von  weniger  als  0"  erzielt  worden  sind,  und  in  der  Frost- 
expositionsreihe kommen  Formen  vor,  die  unter  der  Einwirkung 
mäßigei-  Kälte  entstanden  sind.  Schon  die  übergroße  Künstelei  der 
Klassifikation  läßt  annehmen,  daß  dem  Ganzen  ein  falsches  Prinzip 
zugrunde  liegt.  Diese  Annahme  wird,  wie  wir  gesehen  haben,  voll- 
kommen bestätigt  durch  meine  Versuche. 

So  sehen  wir  denn,  daß  nicht  nur  die  Theorie  der  Verbreiterung 
der  Schuppen,  wie  Feuerley  sie  vorschlägt,  eine  irrtümliche  ist, 
sondern  daß,  genau  genommen,  gar  keine  Notwendigkeit  vorlag, 
diese  Theorie  aufzustellen. 

Wie  ich  schon  gehöi-igen  Ortes  erwähnte,  paßt  E'edeeley's 
Theorie  zur  Erklärung  der  Erweiterung  der  Schuppen  in  meinem 
A^ersuche  mit  F.  antiopa  nicht.  Aber  vielleicht  kann  diese  Erklärung 
auf  das  L.  dispar-S  angewandt  werden,  welches  Federley  erzielte, 
wenn  man  voraussetzt,  daß  die  Verbreiterung  der  Schuppen  wirklich 
stattgefunden  hat?  Aber  auch  in  diesem  Falle  konnten  sich  die 
Schuppen  weder  zu  Beginn  des  Versuches  noch  während  des  Ver- 
suches entwickelt  haben.  In  diesem  Falle  wurden  dem  Versuche 
Puppen  in  einem  Alter  von  3  —24  Stunden  unterworfen.  Die  Puppen 
wurden  bei  einer  Temperatur  von  0^  gehalten  und  entwickelten 
sich  nur  nicht  im  Verlaufe  des  Versuches,  sondern  die  herab- 
gesetzte Temperatur  hemmte  die  weitere  Entwicklung  der  Puppe: 
die  Falter  krochen  erst  23—29  Tage  nacii  Beendigung  des  Ver- 
suches aus  (die  gewöhnliche  Dauer  des  Stadiums  der  Puppe  ist  bei 
dieser  Art  von  15 — 20  Tage).  Es  ist  klar,  daß  die  Schuppen  sich 
nach  dem  Versuche  entwickelt  haben.  ^) 

Mir  scheint  die  von  Federley  gegebene  Erklärung  des  Auf- 
tretens von  verschmälerten  und  haarförmigen  Schuppen  schon  eher 
gelungen.  Er  erklärt  diese  Formen  durch  den  schädigenden  Ein- 
fluß der  Kälte  und  Feuchtigkeit,  die  die  Entwicklung  von  Schuppen 
stören.  Ich  glaube,  die  Ergänzung  von  Linden  (4)  ist  nicht  über- 
flüssig. Sie  meint  nämlich,  daß  diese  Veränderungen  einen  regres- 
siven Charakter  tragen,  d.  Ii.  unter  dem  Einflüsse  äußerer  Umstände 


1)  Über  die  Zeit  der  Entwicklung  der  Schuppen  siehe  bei  A.  May'ER  (19). 


Einwirkung-  äutierer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  381 

haben    sich    die  Schuppen    nicht    voll    entAvickelt    und    bleiben    auf 
Jüngern  Entwicklungsstufen  stehen. 

Ich  will  ein  wenig  bei  den  Schlußfolo-erungen  Ltnden's  ver- 
weilen, da  sie  dazu  beitrag-en  können ,  die  Bedeutung  anderer  Ver- 
änderungen klarzustellen,  die  ich  an  Schuppen  bei  meinen  Versuchen 
erzielte,  und  auch  deshalb,  weil  die  Ergebnisse  meiner  Beobach- 
tungen mich  an  der  Richtigkeit  der  von  Linden  gegebenen  Er- 
klärungen der  Bedeutung  einiger  Abweichungen  zweifeln  lassen. 

Linden  gründet  ihre  Schlußfolgerungen  hauptsächlich  auf  die 
Untersuchung  der  Entwicklung  der  Schuppen  bei  Fapüio  poda- 
lirius  L.  Die  Entwicklung  der  Schuppen  dieser  Art  geht  in  folgender 
Weise  vor  sich:  Anfangs  sind  die  Schuppen  schmal,  lanzettförmig, 
dann  werden  sie  breiter,  größer  und  erhalten  relativ  große,  zu- 
gespitzte Fortsätze.  Bei  der  weitern  Entwicklung  verkürzen  sich 
die  Fortsätze  und  runden  sich  ab.  Mit  der  Verkleinerung  der 
Fortsätze  geht  auch  die  Vergrößerung  des  Sinus  einher;  die  Schuppe 
selbst  vergrößert  sich  die  ganze  Zeit  über. 

Auf  Grund  hiervon  hält  Linden  die  bei  demselben  unter  Ein- 
wirkung trockner  Luft  auf  die  Puppe  erzielten  Schuppen  von 
Vanessa  urticae  L.  mit  stark  entwickelten  Fortsätzen  und  ver- 
kleinertem Sinus  für  eine  regressive  Form,  die  Schuppen  derselben 
Art  aber  mit  verkleinerten  Fortsätzen  und  stark  ausgeprägtem 
Sinns  für  hochentwickelt  (sie  wurden  unter  der  Einwirkung  von 
CO.,  oder  N  auf  die  Puppe  und  bei  vermindertem  Druck  erzielt).  Nach- 
dem sie  hierauf  die  von  Fedehley  erhaltenen  Formen  bespricht, 
stellt  sie  die  Formen  der  Reihen  Frost-  und  Hitzeexposition  zu  den 
regressiven,  die  Formen  der  Reihen  der  Kälte-  und  Wärmeexposition 
I  und  II  aber  zu  den  hochentwickelten.^) 

Bei  vielen  Abweichungen  von  L.  dispar,  die  ich  unter  der  Ein- 
wirkung von  Kälte  erhielt,  sind  die  Schuppen  mit  den  auf  Fedeeley's 
Tafel  in  der  Reihe  Wärmeexposition  II  abgebildeten  (verkleinerte, 


1)  Die  Schuppen  der  Frost-  und  Hitzeexpositionsreiheu  sind  schmal 
und  entbehren  der  Fortstätze,  oder  sie  sind  schmal  mit  sehr  stark  aus- 
geprägten Fortsätzen.  In  der  Reihe  Wärmeexposition  I  sind  die  Schuppen 
von  normaler  oder  übernormaler  Größe  mit  reduzierten  Fortsätzen.  In  der 
Reihe  Wärmeexposition  II  sind  sie  klein  mit  verkleinerten  Fortsätzen.  Die 
letztern  Formen  sind  ebenso  wie  die  der  Reihe  Kälteexposition  zu  den 
hochentwickelten  gerechnet  bloß  auf  ein  einziges  Merkmal  hin,  die  Ver- 
kleinerung der  Fortsätze  (Sinus  fehlen  bei  den  Schuppen  der  Arten,  die 
auf  Federley's  Tafel  abgebildet  sind). 


382  Peter  Kosminsky, 

abgerundete,  fast  ganz  oder  ganz  der  Fortsätze  entbehrende  Schuppen) 
genau  übereinstimmend.  Das  heißt,  nach  Linden  muß  man  sie  für 
hochentwickelt  lialten.  Aber  einige  Daten  spreclien  dagegen.  Für 
hochentwickelt  muß  eine  Form  gelten,  die  bei  ihrer  Entwicklung 
das  Stadium  der  entsprechenden  normalen  durchgemacht  hat  so 
z.  B.  bei  Vanessa  urticae  die  Schuppenformen  mit  verkleinerten 
Fortsätzen  und  stark  ausgeprägtem  Sinus.  Wenn  man  annimmt, 
daß  die  Schuppen  in  ihrer  Entwicklung  anfangs  große  Fortsätze 
besitzen  und  ihnen  der  Sinus  fehlt,  so  mußten  offenbar  in  einem 
gewissen  Entwicklungsstadium  Schuppen  mit  Fortsätzen  von  mittlerer 
Größe  und  einem  Sinus  gefunden  werden,  d.  h.  normale.  Wollen 
wir  nun  sehen,  ob  etwas  ähnliclies  bei  L.  dispar  stattfinden  konnte. 
Die  Entwicklung  der  Schuppen  unter  der  Einwirkung  anormaler 
Bedingungen  ist  nicht  verfolgt  worden ,  aber  man  kann  sich  eine 
gewisse  Vorstellung  davon  machen  darauf  hin,  daß  nicht  alle 
Exemplare  sich  gleichmäßig  veränderten.  Bei  den  einen  bleiben  die 
Schuppen  auf  Jüngern  Stadien  stehen,  bei  andern  auf  spätem  Ent- 
wicklungsstadien. Stellen  wir  eine  Reihe  allmählicher  Übergänge 
von  der  schmalen  (ursprünglichen)  Schuppe  bis  zur  Schuppe  vom 
Typus  der  AVärmeexposition  11  her.  Wir  erhalten  eine  Reihe  von 
Schuppen,  denen  die  Fortsätze  fehlen  oder  die  nur  unbedeutende 
Fortsätze  aufzuweisen  haben,  die  sich  allmählich  vergrößern  bis  zu 
dem  Umfange  des  Wärmeexpositionstypus:  von  den  Schuppen  des 
letztern  Typus  geht  eine  Reihe  bis  zum  Kälteexpositionstypus.  Es 
ist  klar,  daß  unter  diesen  Übergangsformen  eine  der  normalen  ent- 
sprechende Form  fehlt.  Das  heißt,  die  Schuppen  vom  Typus  der 
Wärmeexposition  II  und  der  Kälteexposition  haben  wir  keinen  Grund 
für  hochentwickelte  anzusehen.  Man  kann  voraussetzen,  daß  in  der 
Entwicklung  der  Schuppen  eine  gewisse  Veränderung  vor  sich  ging, 
nämlich  die  Fortsätze  traten  gar  nicht  auf  oder  waren  von  unbe- 
deutender Größe.  Alles  dieses  zwingt  uns  zu  kritischem  Verhalten 
gegenüber  der  Zuzählung  der  Formen  der  Wärmeexpositionsreihe  II 
und  der  Kälteexpositionsreihe  bei  andern  Arten  zu  den  hoch- 
entwickelten Formen. 

Unter  meinen  Faltern  kann  man  au  einem  Exemplar  eines 
L.  dispar-^  Schuppen  sehen,  die  auf  verschiedenen  Stadien  normaler 
Entwicklung  stehen  geblieben  sind.  Man  kann  aus  Schuppen,  die 
von  einer  Stelle  entnommen  wairden,  eine  Reihe  von  Übergängen 
zusammenstellen  von  schmalen,  fortsatzlosen  Schuppen  durch  Schuppen 
mit  starkentwickelten  Fortsätzen  zu  normalen  Schuppen. 


Einwirkung  äiiiJerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  383 

Auf  Grund  der  Theorie  von  Linden  und  der  oben  angeführten 
Erwägungen  kann  man  die  Formen  der  Schuppen,  die  ich  bei  meinen 
Versuchen  erhielt,  folgendermaßen  einteilen:  alle  unter  Einwiikung 
mäßiger  Kälte  erzielten  Schupi)en  (mit  Ausnahme  der  eben  bei  dem 
L.  dispar-^  angeführten)  sind  Schuppen,  die  auf  verschiedenen  Stufen 
einer  abweichenden  Entwicklung  stehen  geblieben  sind;  die  ver- 
kleinerten Schuppen  mit  stark  ausgeprägten  Fortsätzen  beim  L. 
dispar-'l,  die  Schuppen,  die  unter  der  Einwirkung  von  Feuchtigkeit 
bei  Vanessa  io'^)  erhalten  wurden  (mit  vergrößerten  Fortsätzen), 
bleiben  auf  verschiedenen  Stadien  normaler  Entwicklung  stehen, 
und  endlich  die  Schuppen  von  V.  antiopa,  die  unter  Einwirkung 
einer  Temperatur  unter  0"  erhalten  wurden,  sind  hochentwickelte 
Formen. 

Natürlich  sind  das  alles  nur  Voraussetzungen,  die  einer  genauen 
Kontrolle  bedürfen. 

Aus  all  dem  Gesagten  geht  hervor,  wie  wenig  noch  die  Schuppen 
erforscht  sind.  Sogar  so  wenig  zahlreiche  Versuche  wie  die  meinigen 
ergeben  neues  Material,  und  wieviel  ungeklärte  Fragen  bleiben  noch 
übrig!  Vollkommen  unbekannt  sind  die  Ursachen,  welche  die  Ver- 
breiterung der  Schuppen  hervorrufen,  nicht  erklärt  sind  die  Ursachen 
der  Entstehung  der  Schuppen,  denen  die  Fortsätze  mangeln,  und 
die  Ursachen,  welche  die  Veränderungen  der  Schuppen  unter  der 
Einwirkung  anderer  Faktoren-)  außer  der  Temperatur  hervorrufen.") 

Es  bleibt  mir  nur  übrig  einige  Worte  über  die  interessanten 
Veränderungen  der  Färbung  und  der  Fühler  bei  dem  Lijnianfria 
dispar-'^  zu  sagen.  Die  graue  Färbung  und  reicher  entfalteten 
Fühler  nähern  es  den  S-  Es  entsteht  die  Frage,  ob  diese  Verände- 
rungen nicht  mit  den  Geschlechtsteilen  in  Verbindung  stehen.  Leider 
besaß  ich  kein  einziges  Spiritusexemplar,  und  so  mußte  ich  mich 
auf  eine  Untersuchung  der  Chitinteile  beschränken,  nämlich  des 
Ostium  bursae  copulatricis.  Aber  diese  Untersuchung  war  mit  großen 
Schwierigkeiten  verbunden,  da  das  Chitin  weicher  als  unter  normalen 
Umständen  war   und   sich   leicht  runzelte,   weshalb   man  nicht   er- 


1)  Die  Schuppen  von  V.  antiopd  —  Einfluß  der  Feuchtigkeit  — 
stellen  die  ursprüngliche  Form  dar,  die  bei  normaler  Entwicklung  wie  bei 
abweichender  dieselbe  ist. 

2)  Linden   gibt   die  Erklärung  nur  der  Einwirkung  von  0. 

3)  Ich  spreche  schon  gar  nicht  davon,  daß  der  Einfluß  der  Temperatur 
selbst  bei  weitem  nicht  vollständig  erforscht  ist. 


384  Peter  Kosiiinsky 

kennen  konnte,   ob   eine  Veränderung'   vor  sich  g"egano-en  war  oder 
ob  alle  Abnormitäten  von  Runzelnng-en  des  Chitins  abhing-en. 

Übrigens  zeigten  die  Untersuchungen  von  Oudemans  (20)  und 
Meisenueimer  (21),  daß  bei  Lymantria  dispar  Veränderungen  der 
Geschlechtsteile  auf  die  sekundären  Geschlechtsmerkmale  nicht 
einwirken. 

Etwas  ti-ägt  zur  Erklärung  dieser  A'eränderung  der  Fühler  die 
Puppenhülle  bei.  welche  bei  dem  Weibchen  bedeutend  breiter  ist 
als  die  Fühler.  Man  kann  diese  Erscheinung  vielleicht  folgender- 
maßen erklären :  bei  den  Vorfahren  von  Lymantria  disimr  besaßen 
die  Weibchen  Fühler  mit  großen  Fiedern .  und  das  .Meikmal  hier- 
von erhielt  sich  an  der  Puppenhülle  bis  zum  heutigen  Tage.  Viel- 
leicht ist  auch  die  Hülle  kleiner  (enger)  geworden,  aber  nicht  in 
so  starkem  Maße  wie  die  Fiedern  selbst.  Der  scharf  ausgeprägte 
Geschlechtsdimorphismus  stellt  eine  spätere  Erscheinung  dar,  und 
es  ist  möglich,  daß  ehemals  die  Männchen  keine  so  prächtig  ent- 
wickelten Fühler  besessen  haben  wie  heutzutage.^) 

Es  ist  bemerkenswert,  daß  bei  der  Gattung  Safurnia,  wo  der 
Geschlechtsdimorphismus  au  den  Fühlern  stark  ausgeprägt  ist,  bei 
der  ältesten  Form  [nach  Standfuss  (17)],  bei  Saturnia  spmi.  die 
Fühler  des  Weibchens  sich  am  meisten  dem  Typus  des  Männchens 
nähern. 

Dem  Auftreten  der  grauen  Färbung  kann  man  wohl  kaum  eine 
phylogenetische  Bedeutung  beimessen.  Höchst  wahrscheinlich  fand 
hier  eine  chemische  Veränderung  im  Pigment  statt,  ähnlich  denen, 
die  bei  den  zahlreichen  Versuchen  Pictet's  (11 — 16)  erzielt  wurden. 
Jedoch  halte  ich  es  nicht  für  möglich,  wie  Pictet  es  tut  (15),  die 
Erscheinung  der  dunklen  Färbung  durch  die  längere  Dauer  des 
Puppenstadiums  zu  erklären.  Bei  vielen  meiner  Versuche  krochen 
viele  fast  ganz  des  Pigments  beraubte  Falter  sehr  lange  nicht  aus, 


1)  Die  etwas  merkwürdige  Form  der  Fühler,  die  auf  Taf.  17,  Fig.  6 
dargestellt  ist,  wird  leicht  durch  das  Fehlen  an  Eaum  zur  Entwicklung 
erklärt.  Die  Hülle  erwies  sich  als  zu  klein,  und  so  erfolgte  eine  Auf- 
treibung der  Fiedern,  welche  nicht  in  die  Länge  wachsen  konnten,  und 
die  Verbreiterung  der  Glieder.  Das  Auftreten  kurzer,  breiter  Schuppen 
an  den  Fühlern  kann  man  sich  so  erklären :  beim  Wachstum  fanden  die 
Schuppen  Schwierigkeiten  infolge  des  starken  Druckes  der  Fühler  auf  die 
Puppenhülle  und  konnten  nicht  die  gehörige  Länge  erreichen.  Die  Ver- 
änderung an  den  Sensillae  coeloconicae  hängt  wahrscheinlich  ebenso  vom 
ungleichmäßigen  Wachstum  ab,  das  durch  Raummangel  hervorgerufen 
wurde. 


Einwirkung  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  385 

und  umgekehrt,  bei  vielen  der  grauen  L.  dispar-^%  währte  das  Puppen- 
stadium relativ  nicht  lange. 

Die  interessanten  Veränderungen  an  den  Fühlern  zeigen,  daß 
man  sich  bei  der  Untersuchung  nicht  bloß  auf  die  Flügel  beschränken 
darf.  Es  ist  möglich,  daß  nicht  bloß  an  den  Chitinteilen,  sondern 
auch  an  den  Innern  Organen  Veränderungen  vor  sich  gehen.  Wenn 
dem  so  ist,  so  werden  die  Forschungen  am  ganzen  Organismus  dazu 
beitragen,  besser  und  vollständiger  die  Fragen  zu  klären,  welche 
an  die  experimentelle  Zoologie  gestellt  werden. 


Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  25 


386  Pbter  Kosminsky, 


Literaturverzeichnis. 


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mentellen Ergebnisse  über  den  Einfluß  der  Temperatur  während 
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Einwirkung-  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  387 

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14.  — ,   Variations    chez    les    papillons    proveant    de   Fhnraidite,    in:   CR. 

Soc.   Phys.   Hist.   nat.  Genrve,    1903. 

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Internat.   Zool.   (Berne),    1904. 

17.  STA^'DFUSS,  M.,  Handbuch  der  paläarktischen  Grossschmetterlinge  für 

Forscher  und  Sammler,   2.  Aufl.,  Jena   1896. 

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Hymenopteren,     mit     besonderer    Berücksichtigung    der    sexuellen 
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19.  Mayee,   A.,    The   development  of  the  wing  scales  and  their  pigment 

in    butterflies    and    moths,    in:    Bull.    Mus.    comp.    Zool.    Harvard 
Coli.,  Vol.  29,   1896. 

20.  OüDEMANS,  J.,    Palter    aus    kastrierten    Raupen,    in:    Zool.  Jahrb., 

Vol.   12,  Syst.,   1898. 

21.  Meisenheimee,  J.,    Ergebnisse    einiger  Versuchsreihen    über  Exstir- 

pation   und  Transplantation  der  Geschlechtsdrüsen  bei  Schmetter- 
lingen, in:   Zool.  Anz.,  Vol.   32,   1907. 


25* 


388  Peter  Kosminsky, 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel   13. 

Vanessa  antiopa  L. 

Fig.  1.  Normales  Exemplar. 

Fig.  2.  Feuchtigkeitseinwirkung. 

Fig.  3.  Kälteeinwirkung,   1   Stunde  bis  —  3"  C. 

Fig.  4.  „                  1        „          „     -30  c. 

Fig.  5.  „                 1       „         „    -3«C. 

Lymantria  dispar  L. 

Fig.  6.  Normales   $. 

Fig.  7.  Kälteeinfluß,  40  Tage  bei  +  S^  C.     S- 

Fig.  8.               „             20      „        „     +80C.     S. 

Fig.  9.               „             40      „        „     +8OC.     c?. 

Fig.  10.               „             40      „        „     +  80  C.     S. 

Fig.  11.  Normales  5- 

Fig.  12.  Bei  Feuchtigkeitswirkung.      $• 


Tafel  14. 

Lymantria  dispar  L. 

5,  Kälteeinwirkuug,  TemiDeratur  -|-  8*^  C,  20  Tage. 

?,                «                          "  -f  8*'  C,  30  „ 

?,                ,,                          «  +  8'  C,  30  „ 

%               „                          «  -f  80C,  35  „ 

?,                „                          «  +  8*^  C,  35  „ 

?,                »                          «  +  8«  C,  20  , 


Fig. 

1. 

Fig. 

2. 

Fig. 

3. 

Fig. 

4. 

Fig. 

5. 

Fig. 

6. 

Fig. 

1 

Fig. 

2, 

Fig. 

3 

Fig. 

4 

Einwirkung  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge.  389 

Fig.     7.     5,  Kälteeinwirkung,  Temperatur  -j-  8^  C,  30  Tage. 
Fig.     8.     ?,  „  „  +  80  C,  30       „ 

Fig.     9.     ?,  „  „  +  80  C,  20       „ 

Malacosoma  ubiistria  L. 

Fig.  10.  5j  normal. 

Fig.  11.  ?,  Kälteeinfluß,  30  Tage. 

Fig.  12.  $,  „  35       „ 

Fig.  13.  ?,  „  30       „ 

Fig.  14.  ?,  „  35       „ 

Fig.  15.  c?,  ,,  35       „ 


Tafel   15  und  16.     Schuppen. 

Vanessa  io  L, 
Normal. 

Feuchtigkeitseiu Wirkung  (Versuch   1). 
Oberseite  des  Hinterflügels,  normale  Form. 
Oberseite  des  Hinterflügels,  Form  bei  Feuchtigkeitseinwirkung 
(Versuch   1). 

Fig.      5.     Kälteeinwirkung. 

Vanessa  antiopa  L. 

Fig.  6.  Einwirkung  mäßiger  Kälte. 

Fig.  7.  Normal. 

Fig.  8.  Im   Zimmer  erzogen. 

Fig.  9.  Einwirkung  starker  Kälte  (Taf.   13,  Fig.  5). 

Fig.  10.  Oberseite  des  Hinterflügels,  normal. 

Fig.  1 1 .  Oberseite  des  Hinterflügels,  Form  bei  Feuchtigkeitseinwirkung 
(Taf.    13,  Fig.  2). 

Lymantria  dispar  L. 

Fig.  12.  (J,  normal. 

Fig.  13.  (J,   Feuchtigkeitseinwirkung  (Versuch  2). 

Fig.  14.  (J,  normale  Schuppen,  gleich  außerhalb  der  äußern  Querlinie. 

Fig.  15.  S,  40  Tage  bei  +  8"  0. 

Fig.  16.  5>  normal. 

Fig.  17.  %  Feuchtigkeitseinwirkung  (2.  Versuch)  (Taf.  13,  Fig.  12). 

Fig.  18.  ?,   20  Tage  bei  -j-  8«  C. 

Fig.  19.  $,   Schuppenhäufchen    auf   der  Oberseite    des  Vorderflügels 
(20  Tage  bei  -j-  8»  C). 


390      Peter  Kosmtnsky,  Einwirkung  äußerer  Einflüsse  auf  Schmetterlinge. 

Fig.  20.  $,  20  Tage  bei  -f  8»  C  (Taf.   14,  Fig.  1). 

Fig.  21.  Malacosoma  neuslria  L.     $,  normal. 

Fig.  22.  Malacosoma  neuslria  L.     %  35  Tage  bei  -)-  8**  C. 

Fig.  23.  Ardia  rillica  L.     $,  normal. 

Fig.  24.  Ardia  rillica  L.     ^,  40  Tage  im  Keller. 

Alle  Abbildungen,  ausgenommen  Fig.  19,  sind  bei  ein  und  derselben 
Vergrößerung  gezeichnet  (Micr.  Reichert,  Obj.  3,  Oc.  4)  mit  Hilfe  der 
ABBE'schen  Kammer;  Fig.  19  ist  bei  geringerer  Vergrößerung  gezeichnet 
(Obj.  3,  Oc.   2). 

Tafel   17. 

Fühler  der  Kälteform  eines  dispar-% 

Fühler  eines  normalen  5. 

Ende  einer  normalen  Fieder.     Obj.   5,  Oc.  2. 

Ende  einer  Kälteformfieder.      Obj.   5,   Oc.   2. 

10. — ^12.  Glied  des  Fühlers  eines  normalen  5-    Obj.  3,  Oc.  2. 

10.— 12.  Glied  des  Fühlers  der  Kälteform.     Obj.  3,  Oc.  2. 

Schuppen    vom    Fühler    (Fig.   1),    normal.     Obj.  3,   Oc.  4. 

Schuppen  vom  Fühler  (Fig.  2)  der  Kälteform.    Obj.  3,  Oc.  4. 

Härchen    vom  Bauch,    a)  der  normalen,    b)  der  Kälteform. 
Obj.  3,  Oc.  4. 

Schuppen  vom  Abdomen  der  normalen  Form.    Obj.  3,  Oc.  4. 

Schuppen    vom   Abdomen    der    Kälteform.     Obj.   3,  Oc.  4. 


Fig. 

1 

Fig. 

2 

Fig. 

3 

Fig. 

4 

Fig. 

5, 

Fig. 

6 

Fig. 

7, 

Fig. 

8. 

Fig. 

9 

Fig. 

10 

Fig. 

11 

Nachdruck  verboten. 
Übersetzungsrecht   vorbehalten. 


Äthiopische  Myriopoden. 

Gesammelt   von   Prof.   0.  Neumann   und  K.  v.  Erlanger. 

Bearbeitet  von 
Dr.  Carl   Crr.af  Atteins  in   Wien. 

Mit  Tafel  18  und  3  Abbildungen  im  Text. 


Herr  Prof.  Oscar  Neumann  hat  mir  die  auf  seiner  gemeinschaft- 
licli  mit  Herrn  K.  v.  Erlanger  in  den  Jahren  1900  und  1901 
durchgeführten  Forschung'sreise  von  der  Somaliküste  durch  Süd- 
Äthiopien  zum  Sudan  g-esammelten  Myriopoden  zur  Bearbeitung-  über- 
geben,, deren  Resultat  ich  hier  vorlege.  Die  durchreisten  Gegenden 
zählen  trotz  mehrerer  in  den  letzten  Jahren  dahin  unternommener 
Reisen  noch  zu  den  zoologisch  sehr  wenig  bekannten,  besonders  was 
die  Myriopoden  betrifft,  und  wenn  die  mitgebrachten  Myriopoden 
auch  nicht  gar  zu  zahlreich  sind  und  gewiß  nur  einen  Bruchteil 
der  Fauna  dieser  Länder  darstellen,  so  ist  doch  jede  Vermehrung 
unserer  Kenntnisse  über  diese  Gegenden  sehr  erwünscht. 

Die  Reise  begann  am  12.  Januar  1900  im  Hafenorte  Zeyla  im 
Golfe  von  Aden  und  ging  zunächst  durch  das  nördliche  Somaliland, 
einer  Buschwüste  mit  viel  Steinen,  an  Bellana  und  Abunassi  vorbei 
nach  Harai".  Von  hier  aus  wurde  auf  einem  Stägigen  Ausflug  der 
Gebirgsstock  des  Gara  Mulata  besucht,  über  den  Neumann  in  seinem 
Reisebericht  Folgendes  schreibt:  „Der  untere  Theil  dieses  Berges  ist 
stark  zerklüftet,  den  oberen  bilden  Felspartien  und  schräg  abfallende 
Grashalden.  Der  untere  Theil  der  Hänge  seiner  Südwestseite  ist  mit 
herrlichen  Urwäldern  bedeckt.  Die  Fauna  und  Flora  des  Berges 
ist    daher    eine    sehr    reichhaltige    und   kontrastirt  stark  mit   der, 


392  Carl  Graf  Attems, 

welche  wir  in  der  durchsclirittenen  Somalisteppe  gefunden  hatten." 
Von  M3Tiopoden  wurden  allerdings  nur  4  weitverbreitete  Chilopoden 
und  eine  einzige  Diplopoden-Art  mitgebracht.  Dann  ging  es  in  süd- 
westlicher Richtung  an  den  Fluß  Wabbi  und  im  scharfen  Winkel 
nach  Westen  und  Nordwesten  abbiegend  durch  das  Land  der  Dalota 
und  Adda-Galla  nach  Adis  Abeba,  wo  die  Karawane  am  14.  August 
1900  ankam. 

Von  hier  aus  wurde  ein  Imonatlicher  Abstecher  nach  Nord- 
westen an  den  Blauen  Nil  unternommen,  von  welcher  Tour  jedoch 
keine  Myriopoden  vorliegen,  und  nach  längerm  Aufenthalt  in  der 
Hauptstadt  Meneliks  die  Reise  am  14.  November  1900  nach  Süden 
zu  fortgesetzt. 

An  den  Seen  Zuai-See,  Hora  Schale,  Hora  Köre,  Abassi-See 
und  am  Orte  Abera  vorbei  ging  es  zum  Abaja-See.  Hier  trennte 
sich  Prof.  0.  Neumann  definitiv  von  Herrn  v.  Erlangee,  der  nach 
Abera  zurückkehrte,  und  zog  allein  durch  die  Landschaft  Gardulla 
am  Südende  des  Abaja-Sees  und  durch  das  Land  der  Kalfa,  wo 
feuchter  Urwald  vorherrschte,  an  den  Gelo-Fluß,  an  dessen  Ufer  bei 
Gurafarda  der  letzte  Myriopode  erbeutet  wurde,  den  Gelo-Fluß 
hinunter  in  den  Sudan  und  dann  nach  Hause. 

Daß  unsere  Kenntnisse  von  der  Myriopoden-Fauna  dieser  Länder 
noch  sehr  dürftige  sind,  geht  schon  aus  dem  großen  Prozentsatz  der 
neuen  Arten  hervor.  Unter  20  von  Neumann  mitgebrachten  Formen 
sind  fast  die  Hälfte,  nämlich  9,  neu,  und  zwar  7  Arten  und  2  Sub- 
species.  3  der  neuen  Arten  wurden  zugleich  Typen  neuer  Gattungen, 
nämlich:  Amurus  (Polydesmide),  Ohelostrcptus  und  Lissopyge  (Spiro- 
streptiden),  während  die  bereits  bekannte  Art  Spirostreptus  luguhris 
Brölem.  Typus  einer  4.  neuen  Gattung  GrapJiidostrephts  ist.  Für 
eine  Art  {Oxydesmus  anacanthus  n.  sp.)  mußte  innerhalb  der  Gattung 
eine  neue  Untergattung  (Anardis)  abgegi'enzt  werden.  Neu  sind  also 
4  Gattungen,  1  Untergattung,  7  Arten,  2  Unterarten.  Nachfolgend 
die  Namen  in  systematischer  Reihenfolge: 

Verzeichnis  der  Arten. 

1.  Trigoiiocrijptops  hottegii  SiLV. 

2.  Olüstignms  gymnopiis  SiLV. 

3.  Jihgsidn  longipes  (Newp.) 

4.  liligshln  ]>avci(kns  Poe. 

5.  Eihmostigmus  irigonopodus  (Leach) 

6.  Trachycormocephalus  mirabilis  Poe. 

7.  Scülopendra  morsitans  L. 


Äthiopische  Myriopodeu. 


393 


8.  Scolopcndra  valida  Luc. 

9,  Scolopcndra  gardnlbnia  n.  sp. 

10.  Orphnaeus  brevilabiatus  (Nkwp.) 

11.  Lamnonyx  pundifrous  (Newp.) 

12.  Ge.o])hüiis  (Plenrogco/jltihrs)  cijrlareatus  n.  sp. 

13.  Stwngi/losouia  andreini  BiiÖL.  daloianum  n.  sidisp. 

14.  Oxiidcstmifs  (Anardis)  auarantlius  n.  sp. 

15.  A)nurus  drepcniopns  >/.  sp. 

16.  Amtirus  drrjxmopus  obsf-aralus  ti.  snbsj). 

17.  GoiitpJiodesnms  teskwrus  >>.  sp. 

18.  Obrlo.s(repius  aeifer  n.  sj). 

19.  (irapliidostrcptus  higidrris  (Bi{(')l.) 

20.  Lissopygc  neuvianni  ii.  sj). 

Dazu  kommen  noch  einig'e  nur  im  weiblichen  Geschleclit  ver- 
tretene Diplopoden,  Spirostreptiden,  von  deren  Beschreibung  ich  ab- 
sehe, da  sie  doch  wertlos  wäre. 

Die  Namen  der  Fundorte  sind  in  den  Atlanten  zwar  meist  nicht 
verzeichnet,  wenn  man  aber  eine  Karte  mit  der  oben  gegebenen 
kurzen  Schilderung  der  Eoute  vergleicht,  wird  man  ihre  Lage  an- 
nähernd bestimmen  k(3nnen. 


V  e !■  z  e  i  c h  n i  s  der  Fundorte  und  der  an  jedem  erbeuteten 
Arten  in  chronologischer  Reihenfolge. 

Dadab  bei  Zeyla. 


18./1 

26./2 

4./3 


1900. 
1900. 
1900. 


S"W.   von  Bellana. 


10./3.   1900.     Abunassi. 
2I._27./3.    1900.      Gara  Mulata. 


11. /5.  1900.  Harar. 

28./7.  1900.  Daloto-Amsei. 

30./7.  1900.  Georgis. 

8./8.  1900.  Hügel  bei  Bali  Shoa. 

10./8.  1900.  Dalota  und  Adda  Galla. 


17./9.   1900.     Ejere.     Motscha. 
20.12.    1900.     Abera  (Djamdjam). 


Scolopetidra  valida  Luc. 
Trachjjcormoccphalns  niirabiUs  Poß. 
Rlnisida  pancidens  Poe.    ■ 
FJhviosiigmus  trigonopodas  (Leach). 
Lainno)iijx  puiidifrons  Newp. 
Rhysida  paucidens  Poe. 
Etlniiostignms  trigonopodus  Leach. 
TrarJiyrormocephalus  mirabilis  Poe,. 
LaiiuiOiiyx  pundifwns  (Newp.) 
(ivaphidostreptus  luguhris  Bköl. 
Etlimosiignius  trigonopodus  LeacH 
Tiligsida  pancidens  Poe. 
Lissopgge  neunianni  n.  sp. 
Lamnonyx  jmndifrons  (Newp.) 
Rhysida  paucidens  Poe. 
Trigonocryptops  boücgii  SiLV. 
Orphnaeus  brevilabiatus  Newp. 
Strongylosoma  andreini  dalotanum 

Att. 
LanDionyx  puuHifrons  (Newp.) 
Lamnonyx  panctifrons  (Newp.) 
Obelostreptus  aeifer  n.  sp. 


394  Carl  Grai'  Attems, 

26./12.   1900.     Ufer  des  Abaja-Sees,   Rkijsida  paucidens  Poc. 

beirn(Talana-Fluß    Orjjhnaeus  hrevilabiatus  Newp. 
u.  Insel  Giditscho. 
5./1.    1901.      Gundjule-See.  Orplinaeus  hrevUahiatus  (Newp.) 

ll./l.   1901.     Gardiilla.  Scolupendra  gardullana  n.  sp. 

Lamnonyx  punctifrons  (Newp.) 
12./1.   1901.     Gandilla.  Lnmnoiiiix  pnndifrons  (Newp.) 

10. — 25. /l.    1901.      Gidole  bis  TJba.     Trifjonocr/jptops  bolleffü  SiLV. 
17. — 20. /l.   1901.    Mole,  Schumbala-   Seolopeiidra  niorsitans  L. 

Tal. 
1. — 5./2.   1901.     Gadat-Gofa.  Lamnonyx  pmicüfrons  Newp. 

Amurns  drepunopus  obscuratus  n.  sjt. 
3./3.   1901.     Süd-Kaffa.  Ooniphode.snius  testaceus  n.  sp. 

14./3.   1901.     Dereta-Berge.     Buka     Trigonoeryptops  bofter/ü  Silv. 

Wari,  Kaffa.  Geophibis  rydareal/is  n.  sp. 

Oxydcsniufi  anacanüius  n.  sp. 
Goiiiphüdesmus  testaceus  ii.  sp. 
12./4.   1901.     Schubba  Sclienna.  Oxydesmus  anacantlms  n.  sp. 

Amur  US  drepanopus  n.  sp. 
4. /5.  1901.   Oberer  Gelo  bei  Gurafarda.    OlostiyDivs  rjymnopns  SiLV. 

Wenn  wir  obige  Liste  vom  zoogeographisclien  Standpunkte  be- 
trachten, müssen  wir  znnächst  konstatieren,  daß  die  für  die  Tier- 
geographie weniger  branchbaren  Chilopoden  in  der  Überzahl  sind 
und  daß  sich  nnter  ihnen  noch  dazu  meist  weit  bis  sehr  weit  ver- 
breitete Arten,  ja  Ubiqnisten  der  Tropen,  wie  Scolopendm  tnorsitans, 
likysida  longipes,  OrpJmaeus  hrevUahiatus.  Lamnonyx  punctifrons  etc., 
befinden,  allerdings  auch  2  neue  Arten  (1  Scolopendra  und  1  Geo- 
pliilus).  Über  diese  Chilopoden  ist  dalier  nichts  weiter  zu  sagen. 
Die  Diplopoden  sind  zumeist  neu,  nur  Grapliidostreptus  luguhris 
(Beölem.)  war  schon  beschrieben  und  zwar  aus  andern,  nördlicher 
gelegenen  Teilen  Abessj'niens.  Das  Strongylosoma  ist  eine  neue  Sub- 
species  einer  Art,  die  ebenfalls  BRciLEMANN  aus  denselben  Gebieten 
wie  Grapliidostreptus  luguhris  beschrieben  hatte.  Das  tropische  Afrika 
ist  die  Heimat  der  noch  wenig  gekannten  Oxydesmiden,  und  es  kann 
daher  das  Auftreten  dreier  neuer  Formen,  Oxydesmus  anacantlms, 
Amurus  drepanopus  und  Amurus  drepanopus  ohscuratus,  in  der  Neu- 
MANN'schen  Sammlung  nicht  wundernehmen. 

Die  Spirostreptiden  sind  jeder  Vertreter  einer  neuen  Gattung, 
und  diese  ganze  Ordnung  ist  noch  so  mangelhaft  bekannt,  sowohl 
was  die  Gattungen  als  auch  die  Arten  betrifft,  daß  sich  über  ihre 
Verbreitung  noch  so  gut  wie  nichts  sagen  läßt. 

Es  erübrigt  noch   die   Frage   zu  beantworten,   w^as  wir  bisher 


Äthiopisclie  Myiiopoden.  395 

Über  die  Myriopoden-Fauna   der  von  Neumann  durchreisten  Länder 
wissen. 

Beülemann  ^)  hat  in  einer  Publikation  über  die  jMyriopoden  der 
Erythrea  alle  bisher  aus  Abessyuien  bekannten  Arten  aufg-ezählt. 
p]r  unterscheidet  in  Abessyuien  H  Faunen-Gebiete,  ein  nördliches 
(Satarg-uma,  Mte.  Dong-ollo),  ein  mittleres  (Adi  Ugri,  Saganeiti,  Adi 
Caie)  und  ein  südliches  (Somali,  Galla,  Schoa).  Zu  letzterm  gehciren 
die  von  Neümann  durchforschten  Teile  bis  zum  Momente  der  Trennung- 

von    H.    V.    EELANaEE. 

In  letzter  Zeit  hat  Ribaut  -)  nach  den  Aufsammlungen  M. 
V.  Rothschild's  einige  Arten  aus  Abessynien  beschrieben :  Otostigmus 
füUehorni  aciliiopicus  Rib.  aus  Burka  und  Odontopi/ge  terehrum  Rib. 
von  Adis  Abeba. 

Wo  Loroghi  liegt,  kouute  ich  nicht  herausbekommen;  von  da 
stammt  Oxodesmxs  rothschildi.  Es  ist  überhaupt  bei  der  Verwertung 
der  faunistischen  Angaben  vieler  Schriften  sehr  hinderlich,  daß  als 
Fundorte  die  Namen  kleiner,  unbekannter  Orte,  die  keine  Karte  und 
kein  Nachschlagebuch  angeben,  ohne  nähere  Bezeichnung-  ihrer  Lage 
genannt  werden,  und  wenn  dann  die  Reise  über  ein  großes,  in  seinen 
einzelnen  Teilen  sehr  verschiedenartiges  Gebiet  führte,  hat  man  von 
diesen  P\uidortsangaben  sehr  wenig-. 

Brölemann  hat  in  seiner  oben  zitierten  Schrift  auch  die  dies- 
bezügliche Literatui'  angegeben,  worauf  ich  also  nur  zu  verweisen 
brauche.  Seine  Liste  der  Arten  gebe  ich  unten  vervollständigt 
wieder. 

0.  Neumann  unterscheidet  in  dem  von  ihm  durchforschten  Lande 
5  hauptsächliche  Gebiete:  „Zunächst  das  nördliche  Somaliland, 
welches  besonders  in  seiner  Küstenzone  einen  stark  paläarktischen 
Einfluss  im  Formencharakter  zeigt.  Dann  das  südliche  Somaliland 
im  Süden  von  Harar  mit  einer  der  des  nördlichen  verwandteu, 
doch  jeden  paläarktischen  Einflusses  entbehrenden  Fauna.  Es 
kommen  dann  die  beiden  abessynischen  Berggebiete  und  zwar 
zwischen  Hauasch  und  dem  Blauen  Nil  mit  ganz  typisch  schoanischen 
Formen,  mit  denen  wir  zuerst  durch  die  Forschungen  Rüppell's  be- 
kannt geworden  sind,  südlich  des  Hauasch  und  insbesondere  im 
Westen  des  Grabens,  speziell  in  Kaffa  und  den  andern  Ländern  am 
Omo   auch  noch   diese   schoanischen  Formen,   aber  stark   vermischt 


1)  Beülemann,  in:  Bull.  Soc.  entomol.  ital.,  Vol.  35,   1903. 

2)  Ribaut,   in:  Annal.   Soc.  entomol.  France,   Vol.  76,    1907,   p.  499. 


396  Carl  Graf  Attems, 

mit  solclien,  wie  sie  bislier  nur  von  den  Hochgebirgen  Ost-Afrikas, 
so  von  Kikuju,  von  Mau  und  vom  Kuwenzori  bekannt  waren.  Am 
mittleren  Gelo  treten  dann  die  ersten  Sudanformen  auf  und  nach 
Verlassen  der  Gurafarda-Berge  haben  wir  die  reine  Tieflandsfauna 
des  Sudan." 

Vom  Standpunkte  des  Myriopodologen  können  wir  zur  Teilung 
des  ganzen  Gebietes  Abessynien  und  Somaliländer  in  faunistische 
Provinzen  Folgendes  sagen.  Das  abessynische  Berggebiet  liegt  so 
ziemlich  an  der  Grenze  des  tropischen  Afrikas,  und  wir  können  be- 
obachten, daß  einige  Diplopoden-Gruppen,  die  ihre  Hauptverbreituug 
im  tropischen  Afrika  haben,  gegen  den  Nordostrand  des  Gebietes  zu, 
also  gegen  Erythrea,  immer  spärlicher  vertreten  sind.  Es  sind  dies 
hauptsächlich  die  Oxydesmiden,  Gomphodesmiden  und  Spirostreptiden. 
In  dieser  Beziehung  ist  schon  ein  merklicher  Unterschied  zwischen 
Katfa  und  Erythrea  zu  konstatieren.  Doch  sind  unsere  Kenntnisse 
über  alle  diese  Gegenden  noch  so  überaus  spärlich,  daß  es  verfrüht 
wäre,  auf  Grund  der  bisher  vorliegenden  Daten  Provinzen  etc.  zu 
unterscheiden.  Von  Diplopoden  ist  erst  ein  kleiner  Teil  der  ganzen 
Fauna  bekannt,  was  man  daraus  schließen  kann,  daß  jeder  Sammler 
fast  nur  neue  Arten  mitbringt,  und  von  den  bisher  in  der  Literatur 
erwähnten  Arten  ist  ein  großer  Teil  so  schlecht  beschrieben,  daß 
man  mit  diesen  Beschreibungen  nichts  anfangen  kann.  Z.  B,  die 
zahlreichen  Odontopyge-  und  Sinrostreptus-Arten  Silvestei's  dürfte 
zum  größten  Teil  niemand  wiedererkennen.  Zumeist  sind  die  Diplo- 
poden bisher  nur  von  einem  einzigen  Fundort  bekannt,  so  daß  wir 
über  ihre  Verbreitung  eigentlich  nichts  Genaues  wissen.  Vorläufig 
können  wir  3  Hauptgebiete  unterscheiden:  das  südliche,  ebene 
Somaliland,  das  abessynische  Bergland  inklusive  den  nördlichen 
bergigen  Teilen  des  Somalilandes  und  drittens  die  nördlichen  Ausläufer 
des  abessynischen  Berglandes  Erythrea  etc. 

In  dem  zweitgenannten  Gebiete,  das  weitaus  das  größte  und 
mj'riopodenreichste  der  drei  ist  (vom  ersten,  dem  flachen  Somalilande, 
ist  bisher  sehr  wenig  bekannt,  und  es  dürfte  sich  überhaupt  nicht 
viel  dort  finden),  werden  wir  später  noch  Unterteilungen  vornehmen 
müssen.  Solange  aber  von  einem  ganzen  Gebirgsstock,  wie  Gara 
Mulata,  der  zum  Teil  mit  üppigen  Urwäldern  bedeckt  ist,  eine 
einzige  Diplopoden- Art  bekannt  ist,  genügen  die  vorliegenden  Daten 
zur  Abgrenzung  von  Provinzen  nicht.  Im  Folgenden  gebe  ich  die 
Liste  der  bisher  aus  den  Galla-,  Schoa-,  Kaffa-  und  nördlichen  Somali- 
ländern bekannten  Arten. 


Äthiopische  Myriopoden.  397 

Scuiigera  adliiopica  SiLV. 

„         rugosa  NEwr. 
Trachycormocephalus  niirahilis  PoR. 
Efhvwstirpnus  tn'gonojwdus  (Leach) 
Olosligmus  gijmnopKs  SiLV. 

„  füllehond  arthiopicus  ßlB. 

Scolopendra  morsitans  L. 
„  validn  Luc. 

„  gardnUnna  Att. 

h'hysida  longipcs  (NEwr.) 

„        pancidens  Poe. 
P.seudocrgjifops  walkeri  Poc. 
Trigonocryptops  holtegii  SiLV. 
Orphnaeus  hrerüab latus  Newp. 
Lamnonyx  pundifrons  Newp. 
Gcophihis  {Plnirogeoj)h.)  cjidarcatus  Att. 
Slrongylosoma  andrcuii  BiK'iL.  dalotaman  Att. 

„  ncgleduvi  SiLV. 

Oxydesmus  anacanthus  Att. 

„  flavocarinatus  SiLV. 

Amiinis  drepanopus  Att. 

„  „  obscuratus  Att. 

Aldodesmus  ruspolii  Silv. 

y,  iunotatus  SiLV. 

Astrodesimis  concolor  Poe. 
Gomphodesmus  testaceus  Att. 
Ohelostreptns  acifer  Att. 
Graphidostreptus  lugiihris  Bröl. 
„  holtegii  Silv. 

„  plilUipsi  Poe. 

„  dodsoni  Poc. 

Spirostreptus  nigricolor  Poe. 
?  Spirostreptus  smithi  Poc. 


? 

sacditi  Silv. 

? 

discrcpans  Silv. 

9 

ruspolii  Silv. 

? 

sumptuosns  Silv. 

9 

ragazzii  Silv. 

Lopliostreptus  armatus  Poc. 

Odontopyge 

longispina  Silv. 

n 

„           nebirola  SiLV 

» 

vannnteUii  SiLV. 

» 

attenuata  Silv. 

M 

diffwüis  Silv. 

w 

citernü  SiLV. 

» 

terehrum  E.IB. 

» 

rubripes  Silv.? 

5) 

diversicolor  Silv.  ? 

398  Carl  Graf  Attems, 

Odontopijgc  dorkic  SiLV.  ? 

.,  geslri  SiLV.  ? 

„  anomala  Silv.  ? 

„  rnspoHi  SiLV.  ? 

„  IjIcoIoj-  Silv.  ? 

„  litoranea  Silv.  ? 

„  snbelegaiis  SiLV.  ? 

„  diverslfaries  SiLV.  ? 

Tn'goninhis  rnspolii  Silv. 

„  bravensis  Silv. 

Trigonocvifptops  bottef/H  (Silv.). 

1897.  Cr//j)lo}js  boUegii  Silvestri,  iu :  Ann.  Mus.  civ.  Genova  (2),  Vol.  17, 
p.  30'2. 

1903.     Crgpfops  bottegii  Kra-EPELin,  Revis.  Scolop.,  p.  41. 

Die  Besclireibimg',  die  Kraepelin  gegeben  liat  und  die  icli  nur 
vollkommen  bestätigen  kann,  war  auf  Silvestri's  Originalexemplar, 
dem  die  Endbeine  fehlen,  basiert.  Ich  trage  über  letztere  Folgendes 
nach:  Femur  der  Endbeine  unterseits  mit  vielen  schwarzbraunen 
Dürnchen,  am  Ende  innen  mit  kräftigen,  geraden  Dornen.  Patella 
unten  mit  weniger  zahlreichen  Dürnchen,  am  Ende  außen  mit 
abwärts  gekrümmtem  Dorn.  Tibia  am  Ende  oben  mit  2  Dornen,  der 
innere  gerade,  der  äußere  abwärts  gekrümmt;  Unterseite  mit  ca. 
15  kleinen  Sägezähnen,  die  proximalen  ganz  stumpf.  Erster  Tarsus 
mit  5  kräftigen,  spitzen  Sägezähnchen.  Außer  der  erwähnten  Be- 
dornung  haben  die  Endbeine  nur  wenige  feine  und  kurze  Haare. 

Fundorte:  Dalota  und  Adda  Galla  (Schoa);  zwischen  Gidole  und 
Uba;  Buka  Wari,  Kaffa  [Somaliland,  zwischen  Matagoi  und  Lugh; 
Deutsch  Ost- Afrika  (Lindi)J. 

Otostlgniiis  gi/ninojnis  Silv. 

1898.  Otostigmn  g//mnopns   Silvestri,    in:    Ann.  Mus.  civ.  Genova  (2), 
Vol.   19,  p.  135. 

1903.      Otos-tignuis  gi/nmopus  Kraepelin,  Revis.  Scolop.,  p.   127. 

Fundort:  Oberer  Gelo  bei  Gurafarda,  4./5.  1901  (nordöstliches 
Afrika,  Dimi). 

Hhyslda  longipes  (Newp.). 

1903.     Kraepelin,  Revis.  Scolop.,  p.   148. 

Die  Antennen  sind  20gliedrig  (Kraepelin  gibt  „stets  nur 
ISgliedrig"    an),    sonst    stimmt  jedoch  alles   mit   Kraepeltn's   Be- 


Äthiopische  Myiiopoden.  399 

sclireibuiio-.  Die  Endbeine  des  einzigen  Exemplars  felilen,  so  daß 
die  Bestimmuno-  keine  absolut  sichere  ist. 

Ein  näherer  Fundort  war  nicht  angegeben. 

[In  der  ganzen  Tropenzone  von  Australien  durch  Ostindien  bis 
Ost-  und  West-Afrika  (auch  Madagaskar)  verbreitet.  Ebenso  in 
Mexiko.  Zentral-  und  Südamerika  (Kkpln.).] 

JRJil/sida  pauehJens  Pocock. 

1897.  Pocock,  in:  Don.  Smith,  Through  unknown  afric.  countries,  p.  403. 
1903.     Kraepelin,  Revis.  Scolop.,  p.    150. 

Fundorte:  Südwest-Bellana,  4.  3.  1900.  Gara  Mulata,  21.— 27./3. 
1900.  Harar,  11./4.  1900.  Hügel  bei  Bali.  Schoa,  8./8.  1900.  Abaja- 
See,  26.12.  1900.  Zeyla  —  Adis  Abeba  —  [Somaliland,  Vorderindien 
(Pondicher}").     Keaepelin.] 

Ethniostiffniris  tr iffoiiopodus  (Leach). 

1903.     Kkaepelint,  Revis.  Scolop.,  p.    157. 

Fundorte:  Südwest-Bellana.  4.3.1901.  Gara  Mulata  bei  Harar, 
März  1900.  Harar,  11.4.  1900.  [Durch  ganz  Afrika,  von  Algier 
und  Abyssinien  bis  zum  Kaplande,  am  häufigsten  aber  im  tropischen 
Afrika,  sowohl  an  der  West-  wie  an  der  Ostküste.    Kraepelin.] 

TracJifjcorniocepJKflfis  mirabilis  Poe. 
1903.     Keaepelin,  Revis.  Scolop.,  p.  219. 

Fundorte:  Gara  Mulata  bei  Harar  (März  1900)  und  26./2.  1900. 
(Von  Deutsch  Ost- Afrika,  Zanzibar  durch  das  Somaliland  bis  Ägypten, 
Syrien,  Mesopotamien,  Insel  Perim.) 

Scolopendi'u  ^norsltans  L. 

Fundorte:  Mole  und  Schumbala-Tal,  17.— 20./1.  1901. 

Seolopendra  valida  Luc. 

1903.     Kraepelin,  Revis.  Scolop.,  p.  234. 

Fundort:  Dadab,  8./1. 1900.  In  der  Nähe  von  Zeyla.  (Kanarische 
Inseln,  .Syrien,  Arabien,  Djibuti,  Socotra,  Ostküste  des  persischen 
Golfes.    Kriegsschiffhafen  Victoria  in  Kamerun.) 


400  Carl  Graf  Attems, 

Seolopendr'd  f/ardiillana  n.  sj). 

Färbung  olivenbraun. 

Länge  50  mm,  Breite  3  mm,  sclilank. 

Kopfschild  nur  äußerst  seicht  und  undeutlich  punktiert,  ohne 
Furchen.  17  Antennenglieder,  von  denen  die  6  ersten  nackt  sind, 
die  übrigen  mit  dichtem,  kurzem  Haarfilz.  Sternocoxalplatte  mit 
kurzer,  feiner  Längsfurche  im  vordersten  Viertel.  Die  Begrenzungs- 
linie der  Zahnplatte  bildet  einen  sehr  flachen  Bogen  oder  Winkel. 
Die  4  +  4  Zähne  der  Kieferfußhüften  sind  ungefähr  gleichgroß,  nur 
die  2  Innern  jeder  Seite  sind  etwas  weniger  voneinander  getrennt 
als  die  übrigen.  Basalzahn  des  Kieferfußfemurs  ohne  Innern  Zahn- 
höcker. Der  1.  Rückenschild  ohne  Ringfurche  und  ohne  Median- 
furchen, nicht  merklich  punktiert.  2, — 20.  Rückenschild  mit  2  Medial- 
furchen, deren  vorderes  Ende  auf  den  ersten  der  genannten  Segmente 
stark  nach  außen  biegt.  Auf  dem  2.  Segment  ist  das  am  aus- 
geprägtesten und  verliert  sich  allmählich  auf  dem  ca.  5.  Segment. 
Nur  der  2L  Rückenschild  ist  seitlich  gerandet;  er  ist  in  der  Mitte 
winklig  nach  hinten  ausgezogen  und  trägt  keine  Spur  einer  Median- 
furche. Ventralplatten  von  der  2.— 20.  mit  2  durchlaufenden  Längs- 
furchen; letzte  Ventralplatte  rhombisch,  nicht  sehr  schmal. 

Stigmen  längsschlitzförmig. 

1.  Beinpaar  mit  nur  einem  (ventralen)  Tarsalsporn. 

Porenfeld  der  Pseudopleuren  vom  Vorderrand  der  Pseudopleuren 
bis  zur  Basis  des  Fortsatzes  reichend,  oben  geradlinig  begrenzt, 
der  glatte  dorsale  Teil  der  Pseudopleuren  ist  ebenso  breit  wie  das 
Porenfeld.  Fortsatz  relativ  lang,  zäpfchenförmig ,  etwa  wie  bei 
Scolopendra  dalmafica,  mit  3  Spitzen  am  Ende  und  2  am  obern  Rande, 
Femur,  Patella  und  Tibia  rundlich,  etwas  verdickt,  erstere  beiden 
ohne  dorsale  Längsgrube.  Femur  mit  10 — 11  Dornen,  nämlich  3 
innen  oben,  3 — 4  innen  unten  und  4  in  2  Längsreihen  unten  und 
außen.  Endfortsatz  2spitzig.  Tarsen  unbehaart.  Klaue  mit  2  Sporen. 
19.  und  20.  Beinpaar  ohne  Tarsalsporn. 
Fundort:  Gardulla  (ll./l.  1901). 

Diese  Art  gehört  in  die  Gruppe  der  Scolopendra  dalmatica  und 
unterscheidet  sich  von  den  andern  hierher  gehörigen  Arten  zunächst 
schon  dadurch,  daß  hier  nur  der  letzte  Rückenschild  seitlich  gerandet 
ist,  während  die  anderen  Arten  wenigstens  3,  meist  aber  mehr  der 
letzten  Segmente  gerandet  haben.  Außerdem  hat  das  1.  Beinpaar 
der  Gardullana  nur  1  Tarsalsporn,  das  der  übrigen  Ai-ten  2,  nämlich 


Äthiopische  Myriopoden.  401 

auch   einen   dorsalen.    Die   übrio-en   SA'stematisch   wiclitig-ern   Merk- 
male finden  sich  in  dieser  Verbindung-  auch  bei  keiner  andern  Art. 

Orplniaetis  brer  Hab  latus  (Newp.) 
Attems,   Synopsis  Geophii.,   in:  Zool.  Jahrb.,  Vol.  18,  Syst.,  p.  201,  1903. 

Fundorte:  Galana-Fluß,  Abaja-See;  Insel  Giditscho,  Abaja-See; 
Dalota  und  x4da  Galla,  Süd-8choa,  10./8.  1900.  Gundjule-See, 
(Kamerun.  Erj^tlirea.  Zanzibar,  ^'order-  und  Hinterindien,  Ceylon, 
Sunda-lnseln,   Neuguinea,   Japan,   Sandwich-Inseln,  Zentralamerika, 

Venezuela.) 

Lamnont/x  jninctffrons  (Newp.). 
1903.     Attems,   Synopsis  Geophii.,  p.   211. 

Fundorte:  Gardulla,  11.1.  1901.  Gandilla.  2500—2800  mm, 
13.-16. 1.  1901.  Gadat,  2900—3000  m.  1.— 5./2.  1901.  Gara  Da^^h 
oder  Abunassi,  10.  3.  1900.  Gara  Mulata,  21.— 27.  3.  1900.  Bash  bei 
Georg-is,  2400  m,  30./7.  1900.  Dalota,  Ada  Galla,  südl.  Schoa,  10./8. 
1900.  Ejere.  Motscha,  2700—3000  m,  17.  9.  1900.  Abera,  Djamdjam, 
20. 12.  1900.    Am  Buchoftu-See.    (Gemein  in  den  Tropen.) 

Geophilus  {Pleuroiyhihis)  cf/clareatiis  n,  sj), 

(Textfig.  A  u.  Taf.  18,  Fig-.  8.) 

Farbe  gelb,  Kopf  nur  sehr  wenig  dunkler. 

Länge  16  mm,  größte  Breite  0,9  mm,  in  der  Mitte  des  Körpers, 
vorn  und  hinten  gleichmäßig  verschmälert.  Gestalt  recht  kräftig. 
47  Beinpaare. 


Fis:.  A. 


'ö 


Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  26 


402  Carl  Graf  Attems, 

Kopfscliild  länger  als  breit,  fast  pai-allehandio-.  mit  abgerundeten 
Ecken  und  geradem  Hinterrand.  Antennen  fadenförmig,  von  mittlerer 
Länge. 

Kieferfußkrallen  über  die  Stirne  hinaus,  bis  an  das  Ende  des 
1.  Antennengliedes  reichend,  der  Innenrand  in  seinen  basalen 
2  Dritteln  stumpf  kerbzähnig;  ein  kleines  stumpfes  Basalzähnchen 
vorhanden;  alle  andern  Glieder  sind  ungezähnt.  Vorderrand  der 
Hüfte  nur  seicht  eingebuchtet.  Die  Chitinlinien  sind  etwas  ab- 
gekürzt, d.  h.  sie  erreichen  nicht  ganz  die  dunklen  Geleukzäpfchen. 

2.  Maxille  mit  langer,   schlanker,  nur  wenig  gebogener  Kralle. 

Rücken  inkl.  Kopf  in  der  vordem  Körperhälfte  mit  langen,  in 
der  hintern  Hälfte  mit  kürzern  zerstreuten  Borsten  besetzt. 

Basalschild  breit,  Präbasalschild  gar  nicht  sichtbar. 

Die  Yentralplatten  sind  rhombisch,  ebenso  lang  oder  länger  als 
breit;  von  der  ca.  6.  von  hinten  gerechnet,  runden  sich  die  Hinter- 
ecken immer  mehr  ab,  so  daß  die  letzten  porentragenden  Ventral- 
platten hinten  ganz  bogig  abgerundet  sind,  die  vorletzte,  porenlose 
Ventralplatte  hat  wieder  scharfe  Ecken.  1.  Ventralplatte  porenlos. 
Auf  der  2.  Ventralplatte  ist  das  Porenfeld  eben  so  groß  wie  auf 
den  folgenden  Segmenten  bis  zum  11.  Vom  11.  an  nimmt  es  an 
Größe  rasch  ab  und  wird  auf  den  mittlem  Körpersegmenten  20 -30 
so  klein,  daß  es  nur  aus  wenigen  Poren  besteht.  Dann  nimmt  es 
wieder  an  Größe  zu  und  wird  auf  den  Segmenten  40—45  sogar 
größer  als  vorn.  Überall  ist  es  ein  kreisrundes  Feld,  das  aber  nicht 
scharf  umgrenzt  ist;  auf  den  Segmenten,  auf  denen  es  kleiner  ist, 
liegt  es  hinter  der  Mitte. 

Endbeinsegment:  Die  Ventralplatte  ist  klein,  rechteckig,  etwas 
länger  als  breit,  mit  schwach  gewölbten  Seitenrändern  und  geradem 
Hinterrand.  Sie  bedeckt  die  2  medialen  Hüftporen  jeder  Seite.  Die 
Endbeine  sind  Tgliedrig,  lang  und  schlank,  Hüfte  mit  vielen  Poren 
unten,  seitlich  und  oben.  Endglied  ohne  Kralle.  Die  Glieder  mit 
Quirlen  längerer  Borsten  und  spärlichen  Härchen.  Analporen  vor- 
handen (Fig.  8). 

Fundort:  Buka  Wari,  Kaffa  (März  1901). 

Diese  Art  gehört  in  der  Tabelle  zu  procerus,  von  dem  sie  sich 
aber  leicht  unterscheidet: 

cyclareatus  iirocenis 

47  Beinpaare  85  Beinpaare 

Endbeine  ohne  Kralle  Endbeine  mit  Kralle 


Äthiopische  Myriopoden.  403 

Vordere  Ventralplatten  g-auz  ohne  Vordere  Ventralplatten  mit  Zäpf- 
Vorsprung  am  Hinterrande  chen  am  Hinterrand 

Porenfeld  rund  Porenfeld  querbandfürmio-,  liinten 

in  2  Haufen  zerteilt 

Ventralplatte  desEndbeinseg-ments  Ventralplatte  des  Endbeinsegments 
rechteckig-  abgerundet  dreieckig. 

Von  der  Untergattung-  Pleurogeophilus  waren  bisher  3  palä- 
arktische  Arten  und  je  1  Art  aus  Japan.  Neuseeland,  Südamerika 
und  Nordamerika  bekannt. 

StroHf/j/Iosoina  andreini  Biiöleji.  daJotamini  n.  subsp, 

(Taf.  18,  Fig-.  6,  7.) 

Die  von  Brölemann^)  gegebene  Beschreibung  paßt  sonst  voll- 
kommen auf  die  mir  vorliegenden  Tiere,  nur  erwähnt  Brolemann 
nicht  2  nach  hinten  gerichtete  Kegel  am  Hinterrande  der  Ventral- 
platten hinter  dem  Copulationsring.  Die  Copulationsfüße  ähneln 
zwar  sehr  denen  der  beiden  BRÖLEMANN'schen  Subspecies,  insbesondere 
sind  Schenkel  und  Tibia  ganz  so  wie  dort  beschrieben,  aber  der 
Tarsalteil  ist  doch  etwas  anders.  Der  Hauptast  liegt  in  einer  von 
den  2  Blättern  des  Nebenastes  gebildeten  Scheide;  diese  2  Blätter 
sind  lang  und  schlank.  Hire  Umrisse  stimmen  mit  keiner  der  von 
Brolemann  gegebenen  Zeichnungen  völlig  überein ;  die  Unterschiede 
sind  am  besten  aus  einem  Vergleich  der  Figuren  ersichtlich 
(Fig.  6,  7). 

Fundort:  Dalota  und  Adda  Galla  (10,/8.  1900). 

Strongißosoma  andreini  Bröl.  und  die  subsp.  dongollianum  Bröl. 
wurden  auch  in  Abessinien  gefunden. 

Fam.  Oxydesmidae. 

Die  Entdeckung  neuer  Arten  und  eine  wiederholte  Prüfung  der 
bereits  bekannten  Arten  veranlassen  mich,  eine  bessere  Gruppierung 
vorzunehmen.    Ich  teile  die  Familie  in  2  Subfamilien. 

1.  Subfam.     Oxydesminae  mihi. 

Tibialfortsatz  der  Gonopoden  eine  einfache,  zumeist  schlanke 
Sichel,  die  nur  selten  (bei  Metapliorilms  n.  g.)  kürzer,  gedrungener 
und  mit  lappigen  Verbreiterungen  versehen  ist. 

1)  Brolemann,  Myriapodes  de  l'Erythiee,  in :  Bull.  Soc,  entomol. 
Italiana,  Vol.  35,  p.    123,   1903. 

26* 


404  Carl  Graf  Attems, 

Auf  keinem  der  vordem  Segmente  sind  die  mittlem  Tuberkel 
auffällig  vergrößert. 

Seitenrand  der  Kiele  zumeist  glatt. 

2.  Subfam.     Orodesminae  mihi. 

Tibialfortsatz  der  Gonopoden  kuiz  und  breit.  Sspitzig;  die 
mittlere  Spitze  führt  die  Samenrinne. 

Auf  einem  oder  mehreren  der  vordem  Segmente  sind  die 
mittlem  2 — 4  Tuberkel  der  letzten  oder  der  letzten  und  mittlem 
Querreihe  von  Tuberkeln  stark  vergrößert. 

Seitenrand  der  Kiele  meist  gezähnt. 

Ad  1.     Subfam.  Oxydcsminae. 
Hierher  gehören  folgende  Gattungen: 

1.  Oxydesmus  Humb.  et  Sauss. 

Länge  der  Gonopoden-Tibia  bis  zum  Ansatz  des  Tarsus  relativ 
gering.  Tibialfortsatz  lang  und  schlank,  ganz  ohne  Seitenlappen 
oder  Verbreiterung.  Tarsus  der  Gonopoden  groß,  am  Grunde  mit 
1^ — 2  meist  basalwärts  gerichteten  Lappen  oder  Zacken. 

2.  Beinglied  meist  mit  einem  Dorn  am  Ende  (der  nur  bei  Subgen. 
Anardis  fehlt). 

Seitenrand  der  Kiele  glatt  oder  höchstens  leicht  gewellt,  nur 
bei  0.  levipes  gezähnt. 

Metazoniten  meist  mit  3  Querreihen  kleiner  Tuberkel,  die 
manchmal  allerdings  sehr  klein  sind  oder  ganz  verschwinden  (z.  B. 
0.  levigatus  Att.). 

Schwänzchen  breit,  schaufeiförmig. 

L  Subgen.     Euoxydcsmus  mihi. 

2.  Beinglied  mit  1  Dorn. 

Seitenrandwulst  auf  allen  Kielen  gut  entwickelt  und  parallel 
mit  dem  Seitenrande. 

Hierher  gehören  die  meisten  dei-  im  System  der  Polj'desmiden 
genannten  Arten. 

2.  Subgen.     Anardis  n.  suhg. 

2.  Beinglied  ohne  Dorn. 
Seitenrandwulst  wie  bei  Euoxydcsmus. 
Arten:  0.  Uvipcs  Att.,  0.  anacanthus  n.  sp. 


Äthiopische  ^lyriopoden.  405 

3.  Subgen.     Fla<jiodcsmus  Ck. 

2.  Beiiigiiecl  mit  Dorn. 

Seitenraiidwulst  nur   auf  den  ersten  4  Segmenten  deutlich  und 
schräg-  von  hinten  außen  nach  vorn  innen  gerichtet. 
Art:  0.  occidcntalis  Kaesch, 

2.  Ämurus  n.  g. 

Gonopoden  ohne  Tarsus,  der  Telopodit  eine  einfache  Sichel 
bildend. 

2.  Beinglied  mit  1  Dorn. 

Seitenrand  der  Kiele  glatt;  parallel  mit  dem  Seitenrande  der 
bekannte  Wulst  auf  allen  Segmenten. 

Metazoniten  ohne  Querreihen  von  Tuberkeln. 

Schwänzchen  breit  schaufeiförmig. 

Art:  Amur  US  drepanopus  n.  sp. 

3.  Metaphorkus  n.  g. 

Tibia  der  Gonopoden  bis  zum  Ansatz  des  Tarsus  relativ  lang; 
der  Tibialfortsatz  kurz  und  breit  mit  einer  lappigen  Verbreiterung 
oder  einem  Seitenzacken  vor  dem  sichelförmigen  Ende. 

Tarsus  der  Gonopoden  aus  einem  einzigen,  endwärts  gerichteten, 
manchmal  schwach  entwickelten  Blatte  bestehend,  ohne  Lappen  oder 
Zacken  am  Grunde. 

2.  Beinglied  mit  1  Dorn. 

Seitenrand  der  Kiele  glatt  oder  gezähnt ,  parallel  mit  ihm  auf 
allen  Segmenten  der  bekaiinte  Wulst. 

Metazoniten  mit  3  Querreihen  von  Tuberkeln. 

SchW'änzchen  breit,  schaufeiförmig. 

Hierher  gehören  folgende  Arten: 

1.  a)  Seitenrand  der  Kiele  gezähnt  episemus  x4.tt, 
b)  Seitenrand  dei-  Kiele  glatt  2 

2.  a)  Die  Kiele  ziemlich  eckig,   indem   die  Seitenränder  gerade  und 

einander  parallel  sind,  Tarsus  der  Gonopoden  sehr  schlank 

eff'uhjtns  Karsch 
b)  Die    Kiele    sind    abgerundetei".    ihr   Seitenrand   etwas   konvex. 
Tarsus  der  Gonopoden  eine  viel  breitere  Platte 

Iraepelini  Att, 


406 


Carl  Graf  Attems, 


Die  Gattung  Metaphorkns  bildet  einen   Übergang  zu   den  Oro- 
desminae,  indem  der  Tibialtbrtsatz  der  (lonopoden  (Fig.  B)  ungefähr  die 

Mitte  hält  zwischen  der  langen,  schlanken 
Sichel  von  Oxydesmus  und  dem  breiten 
^spitzigen  Fortsatz  von  Orodesmus.  Der 
relativ  lange  Tibialteil  und  der  Gonopoden- 
-Tf  Tarsus  sind  ähnlicher  dem  von  Orodesmus, 
wo  der  Tarsus  immer  nur  eine  einfache 
Platte  ohne  Grundlappen  ist.  In  dieser 
Gattung  findet  sich  auch  die  außer  Oxydesmus 
levipes  Att.  einzige  Art  mit  gezähnelten 
Seitenrändern  der  Kiele  {M.  episemus  Att.), 
was  bei  Orodesmus  die  Regel  ist. 

Wie  es  mit  mehreren  von  Cook  als  zu 

den  Oxydesmidae  gehörig  namhaft  gemachten 

Gattungen  steht,  weiß  ich  niclit,  da  CooK'sAn- 

gaben  ganz  ungenügend  sind  und  ich  keine  Gelegenheit  hatte,  seine 

Typen  nachzuuntersuchen. 


ad  2.  Subfam.     Orodesminae. 

Von  dieser  findet  sich  in  der  NEUMANN'schen  Sammlung  kein 
Repräsentant,  und  es  ergibt  sich  somit  keine  Veranlassung,  näher 
auf  sie  einzugehen. 

Ich  möchte  nur  bemerken,  daß  ich  nächstens  eine  neue  Gattung 
Nodorodesmus  beschreiben  werde,  die  sich  folgendermaßen  von  der 
einzigen  bisherigen  besser  bekannten  Gattung  Orodesmus  unter- 
scheidet: 

Seitenrand  der  Kiele  gezähnt.  Der  Seitenrandwulst  auf  allen  Seg- 
menten deutlich  und  in  einiger  Entfernung  vom  Rande  gelegen. 
2,  Beinglied  mit  großem  spitzem  Dorn  Orodesmus  Ck. 


Seitenrand  der  Kiele  glatt;   der 


Seitenrandwulst  liegt  nni 


vordersten   Segmenten   in 


einiger 


Entfernung 


auf 
2 


den    übrigen 


Segmenten 


verschmilzt 


Beinglied  mit  winzigem  Kegel  am  Ende 


auf  den 
vom   Seitenrande, 
er    mit    dem    Rande. 
Nodorodesmus  n.  g. 


Oxydesnius  (Anardis)  anacanthus  n.  sj}, 

(Taf.  18,  Fig.  4,  ö.) 
Farbe:  Kopt;  Rücken  und  Seiten   unterhalb  der  Kiele  dunkel 
kastanienbraun.     Auf  dem  Halsschilde   beginnt   ein   breiter  gelber 


Äthiopische  Mj^rioiiodeu.  407 

Streif,  der  bis  an  das  Ende  des  Scliwänzcliens  reicht,  auf  den  Pro- 
zoniten  viel  schmäler  als  auf  den  Metazoniten  ist  und  unregelmäßige 
Ränder  hat.  Seiten  der  Kiele,  so  weit  die  Wülste  reichen,  gelb. 
Die  Ventralplatten  und  die  2  ersten  Beinglieder  licht  braungelb; 
die  übrigen  Beinglieder,  Antennen  und  Ventralseite  der  Prozoniten 
hell  rotbraun. 

Länge  58  mm.  Breite  der  Kiele  8  mm  bei  S  und  ?,  der  Pro- 
zoniten beim  S  4,5  mm.  beim  ?  5  mm.  Das  S  hat  somit  relativ 
breitere  Kiele. 

Kopf  mit  scharfer,  bis  zwischen  die  Antennen  reichender  Scheitel- 
furclie,  glatt,  unbehaart. 

Halsschild :  Vorder-  und  Seitenränder  im  Bogen  ineinander  über- 
gehend. Hinterrand  in  der  Mitte  ziemlich  tief  eingebuchtet,  seitlich 
gerade,  die  Hinterecken  ziemlich  spitzzackig. 

Glänzend,  Prozoniten  fast  glatt,  Metazoniten  sehr  fein  gerunzelt, 
ganz  ohne  Tuberkel.  Vordereck  aller  Kiele  abgerundet.  Hintereck 
auf  den  vordem  Segmenten  ebenfalls,  von  den  mittlem  Segmenten 
an  mit  immer  größern  Zacken,  die  aber  alle  stumpf  bleiben.  Seiten- 
rand schwach  konvex,  ungezähnt;  parallel  mit  ihm  der  gewöhnliche 
Wulst,  auf  dessen  Lateralseite,  schräg  nach  oben  und  außen  ge- 
richtet, das  Saftloch  liegt.     Hinterrand  der  Kiele  glatt. 

Schwänzchen  von  gewöhnlicher  Form,  endwärts  etwas  verjüngt 
und  abgestuft;  Analklappeu  mit  hohen  wulstigen  Rändern,  die  Fläche 
seitlich  längsgerunzelt ;  Schuppe  bogig  dreieckig,  die  2  Borstenwarzen 
nicht  groß,  viel  kürzer  als  die  Mittelspitze. 

In  den  Seiten  oberhalb  der  vordem  Beine  jedes  Ringes  ein 
großer,  über  den  hintern  Beinen  jedes  Ringes  ein  viel  kleinerer  Kegel. 

Von  den  Ventralplatten  sind  beim  S  die  vordem  8,  beim  $  die 
4  ersten  recht  reichlich  mit  langen,  dünnen,  gelben  Haaren  besetzt, 
die  übrigen  sind  nackt.  Unterseite  der  ersten  2  Beinglieder  ebenso 
behaart.  Der  Dorn  des  2.  Beingliedes  ist  beim  S  nur  auf  einigen 
der  vordem  Beini)aare  kaum  angedeutet,  fehlt  im  übrigen;  beim  $ 
ist  er  dagegen  deutlich  entwickelt. 

Gonopoden:  Ein  großer  Teil  der  Hüfte  und  das  Femur  sind 
dicht,  lang  und  fein  behaart.  Femur  und  Tibia  scharf  geschieden. 
Femur  kurz  und  rundlich.  Tibia  im  Stammteil  kurz,  zieht  sich  aber 
in  einen  langen,  schlanken,  am  Ende  sichelförmig  eingekrümmten 
Fortsatz  (Tf),  der  die  Samenrinne  führt,  aus.  Sehr  groß  ist  der 
Tarsus  (T),  dessen  Grenze  gegen  die  Tibia  deutlich  markiert  ist.  Er 
ist  relativ  auch  sehr  kompliziert,  indem  er  nicht  nnr  aus  einem  einzigen 


408  Carl  Graf  Attems 


Blatte  bestellt,  sondern  er  teilt  sich  am  Ende  in  2  Lamellen  (31.  X) 
und  außerdem  ragen  auf  der  dem  Tibialfortsatze  entgegengesetzten 
Seite  ein  kurzer,  stumpfer  Zacken  (s)  und  durch  eine  runde  Bucht 
von  ihm  getrennt  ein  langer,  spitzer  Dorn  (/)  vor. 

Fundorte:  Dereta-Berge  und  Buka  Wari,  Schubba  Schenna, 
West-Kaifa. 

Von  Oxydesmus  levipes  Att.,  der  zweiten  zur  neuen  Untergattung 
Anardis  zu  zählenden  Art,  unterscheidet  sich  anacanihus  leicht  durch 
seine  bedeutendere  Größe  und  dadurch,  daß  der  Seitenrand  der  Kiele 
glatt  ist,  während  er  bei  levipes  4 — (i  Zähne  hat. 

Auch  die  Gonopoden  sind,  besonders  im  Tarsalteil  leicht  zu 
unterscheiden,  was  am  besten  durch  Vergleich  der  betreffenden  Ab- 
bildungen erfolgt. 

Aniuf'us  ?i.  f/. 

20  Rumpfsegmente, 

Habitus  der  eines  Oxydesmus. 

Antennen  schlank,  endwärts  nicht  merklich  verdickt,  4  Sinnes- 
kegel.    Scheitelfurche  tief. 

Halsschild  breit.  Kiele  breit,  mit  glattem,  höchstens  leicht  ge- 
welltem Seitenrand;  parallel  mit  dem  Seitenrande  und  in  einiger 
Entfernung  von  ihm  der  bekannte  Wulst.  Saftlöcher  lateral  von 
diesem  Wulst  auf  den  Segmenten  5,  7.  9.  10,  12,  13,  15 — 19. 

Metazoniten  ganz  ohne  Querreihen  von  Tuberkeln,  somit  auch 
die  vordem  Segmente  ohne  vergrößerte  Mediantuberkel. 

2.  Beiglied  mit  1  Dorn. 

Schwänzchen  breit,  seh  auf  eiförmig, 

Gonopoden :  Hüften  ziemlich  kurz  und  breit,  reichlich  beborstet. 
Femur  kurz,  rundlich,  sehr  deutlich  von  der  Tibia  geschieden. 
Letztere  lang,  ihre  Seiten  lamellös;  der  Tibialfortsatz  einfach,  stark 
eingekrümmt.    Ein  Tarsus  fehlt  ganz. 

Aifiuriis  drepanopus  n,  s/?. 

(Taf.  18,  Fig.  1,  2.) 

Dunkelkastanienbraun  mit  einem  gelben  Rückenstreif,  der  am 
Hinterrande  des  Halsschildes  beginnt  und  bis  zum  Hinterende  reicht; 
auf  den  letzten  Segmenten  wird  er  recht  undeutlich,  erst  das 
Schwänzchen  ist  wieder  lebhaft  gelb.  Kiele  bis  über  die  Wülste 
herein  gelb,  Antennen  und  Beine  licht  rotbraun. 


Äthiopische  Myriopodeii.  409 

Länge  38 — 40  mm.  Breite  der  Prozoniteu  4,5  mm.  Metazoniteu 
samt  den  Kielen  6,5  mm. 

Sclieitelfurclie  tief  und  scharf,  bis  zwischen  die  Antennen 
reichend,  Kopf  im  übrigen  glatt,  vorn  nur  spärlich  behaart. 

Halsschild:  Vorderecken  breit  abgerundet.  Hinterecken  fast 
rechtwinklig,  Hinterrand  in  der  Mitte  seicht  eingebuchtet. 

Die  vordem  Kiele  sind  ziemlich  genau  rechteckig;  analwärts 
rundet  sich  das  Vordereck  allmählich  ab,  und  das  Hintereck  wird 
zackiger;  17. — 19.  Segment  mit  relativ  großen  Hintereckzähnen. 
Der  Seitenrand  dei-  Kiele  ist  nur  unregelmäßig  gewellt,  gezähnt 
kann  er  nicht  genannt  werden;  parallel  mit  dem  Seitenrande  der 
gewöhnliche  Wulst.     Hinterrand  der  Kiele  glatt. 

Der  ganze  Rücken  mäßig  glänzend;  Prozoniteu  glatt,  Meta- 
zoniteu sehr  fein  lederartig'  gerunzelt,  auf  den  Kielen  etwas  stärker, 
ohne  jede  Spur  von  Tuberkeln. 

Schwänzchen  schaufeiförmig",  endwärts  etwas  verjüngt,  die  Seiten 
treppenartig  abgesetzt  und  mit  Borsten.  Schuppe  breit  dreieckig, 
mit  nur  wenig  gewölbten  Seitenrändern:  die  Warzen  sehr  klein, 
viel  kürzer  als  die  Mittelspitze;  Analklappen  seitlich  fein  längs- 
gerunzelt. 

Die  Ventralplatten  sind  beim  v  bis  zur  5.  schwach  behaart, 
die  übrigen  nackt,  beim  J  bis  zur  10.  schwach  behaart,  die  übrigen 
nur  längs  des  Hinterraudes  mit  einigen  Haaren. 

Oberhalb  jedes  Beines  ein  mit  mehreren  Warzen  besetzter 
Tuberkel,  der  vordere  jedes  Doppelringes  der  größere. 

2.  Beinglied  mit  1  kurzen  Dorn. 

Gonopoden :  Hüften  kurz  und  breit,  mit  den  gewöhnlichen  Borsten 
und  ebenfalls  normalem  Hüfthörnchen.  Schenkel  kurz,  rundlich, 
reichlich  beborstet,  vom  folgenden  Abschnitt  scharf  geschieden. 
Dieser  entspricht  nur  dem  Tibialteil  und  von  einem  Tarsus  ist  hier 
nichts  zu  sehen.  Mähe  dem  Grunde  der  Tibia  steht  ein  kräftiger 
spitzer  Zacken  {^).  Weiterhin  setzen  sich  an  den  mittlem  Stamm 
der  Tibia  jederseits  abgerundete  dünne  Lamellen  (/  und  l')  an, 
die  laterale  (l')  bildet  am  Ende  einen  stumpfen  Zacken  (d) ;  das  Ende 
ist  zu  einem  vollständigen  Kreis  eingedreht  und  auch  dieses  Ende 
ist  auf  der  Medialseite  lamellös  verbreitert  (l").  Ganz  am  Ende  ist 
durch  eine  Bucht  ein  kleines  fingerförmiges  Läppchen  abgetrennt, 
auf  dem  die  Samenrinne  endet  (Fig.  1,  2). 

Fundort:  Schubba  Schenna,  West-Kafia,  12.4.  1901 


410  Carl  Graf  Attems, 


AniitruH  drepanopKs  obsciiratus  n.  siihsp. 

Färbung:  dunkel  kastanienbraun;  auf  jedem  Metazonit  ein  mehr 
oder  weniger  deutlicher  heller  Fleck,  der  entweder  nur  in  der 
hintern  Hälfte  des  Metazoniten  sichtbar  ist.  oder  er  ist  dreieckig 
und  reicht  mit  der  Spitze  bis  an  den  Vorderrand  des  Metazoniten; 
immer  aber  ist  er  nur  schwach  ausgeprägt.  Kiele,  soweit  die 
AVülste  reichen,  lebhaft  gelb;   Antennen   und  Beine  hell  rotbraun. 

S.  Breite  der  Prozoniten  3,5  mm,  dei'  Metazoniten  5,3  mm. 

Die  Gonopoden  älmeln  außerordentlich  denen  der  Stammform, 
nur  sind  sie  im  ganzen  etwas  schlanker,  insbesondere  sind  die 
Lamellen  l  und  V  etwas  schmäler  als  dort.  Die  Lamelle  /"  wächst 
von  ihrem  Beginne  erst  allmählich  zur  vollen  Breite  an,  während 
sie   bei   der  Stammform   am  Grunde   ])lötzlich  abgesetzt  ist  (Fig.  3). 

Alles  übrige  wie  bei  der  Stammform. 

Fundort:  Gadat,  Gofa. 


Goiirphodesnius  testaceus  n.  sp, 

(Taf.  18,  Fig.  12.  13.) 

Scherbengelb. 

Länge  ca.  30  mm.  Breite  der  Prozoniten  4  mm,  der  Metazoniten 
5,5  mm. 

Antennen  mit  4  Sinneskegeln. 

Scheitelfurche  kräftig;  sie  endet  vorn  gerade  zwischen  den 
Antennen,  jederseits  neben  ihrem  Vorderende  ein  rundes  Grübchen. 

Halsschild  so  breit  wie  das  2.  Segment,  mit  spitzen  Seitenlappen, 
die  längs  des  Vorderrandes  schmal  wulstig  gesäumt  sind. 

Eücken  glatt  und  glänzend,  stark  gewölbt,  die  Kiele  folgen 
dieser  Wölbung,  besonders  die  vordem,  die  Kiele  stellenweise  kaum 
merklich  gerunzelt. 

Hintereck  der  vordem  Kiele  abgestumpft  rechtwinklig,  nicht 
stärker  verdickt  als  die  andern,  der  mittlem  und  hintern  zackig. 
Kielwulst  glatt,  die  Poren  schräg  nach  oben  gerichtet.  Seiten  unter- 
halb der  Kiele  fein  gekörnt.  Quernaht  sehr  seicht,  kaum  merklich 
längsgestrichelt. 

4.  und  5.  Ventralplatte  beborstet,  die  6.  mit  einer  beborsteten, 
niedrigen,  in  der  Mitte  zipfelig  ausgezogenen  Querlamelle.  Keine 
der  Ventralplatten  hinter  dem  Copulationsring   hat  Fortsätze;   die 


Äthiopische  Myriopodeu.  411 

Querleisten  der  hintern  A'entralplatten  sind  undeutlich;  Hinterrand 
der  Ventralplatten  lang-  beiiaart. 

Schwänzchen  ein  kurzer,  von  oben  nach  unten  plattgedrückter, 
abgestutzter  Keg-el.  Analschui)pe  dreieckig-,  mit  konvexen  Seiten; 
die  Warzen  relativ  sehr  klein,  so  daß  sie  von  der  iMittelspitze  weit 
überragt  werden. 

2.  Beinglied  beulig  aufgetrieben,  auf  der  Unterseite  dicht  und 
lang  beborstet;  die  Beborstung  der  Beine  im  übrigen  recht  spärlich. 

Die  ersten  6  Beinpaare  des  S  niit  fleischigen  Tarsalpolstern. 

Copulationsfüße:  Die  Hüften  bieten  nichts  Besonderes;  der 
Femur  bildet  eine  knollige  Verdickung  der  Basis  des  Telepodits, 
so  daß  das  Ganze  dem  distalen  Ende  eines  menschlichen  Femurs 
ähnelt;  Behaarung  reichlich  und  ziemlich  dünn.  Der  Tibial-Tarsal- 
teil  ist  flach,  bandförmig  und  in  eine  Spirale  von  fast  2  Windungen 
zusammengedreht;  in  der  Mitte  der  Sjjirale  geht  nach  außen  ein 
starker  Dorn  (d)  ab,  dessen  Spitze  sich  in  eine  von  lamellösen  Falten 
des  Endes  gebildete  Grube  hineinlegt;  zwischen  dieser  Grube  und 
der  Endspitze  stehen  ein  basalgerichteter  spitzer  Dorn  (^)  und  ein 
runder  Lappen  {D,  auf  dem  die  Samenrinne  (Sr)  ausmündet  (Fig.  12 
u.  13). 

Fundort:  Süd-Kaffa  (3./3.  1901).  Dereta-Berge  und  Buka  Wari 
(Kafta). 

Von  der  Gattung  Gomphodesmus  ist  bisher  nur  eine  Art,  G. 
castaneus  Cook,  aus  Deutsch  Ost-Afrika  bekannt  gewesen.  Unsere 
Art  unterscheidet  sich  von  ihr  leicht  durch  die  viel  geringere  Größe 
der  Tuberkel  auf  der  Analschuppe.  Bei  castaneus  sind  sie  riesig 
groß,  und  Cook  stellt  diese  Eigenschaft  in  seiner  Tabelle  der  Gompho- 
desmiden-Gattungen  ^ )  an  erste  Stelle,  Avie  mir  scheint  mit  Unrecht, 
denn  die  Größe  dieser  Tuberkel  ist  bei  nahe  verwandten  Arten 
anderer  Gattungen  doch  recht  variabel  und  scheint  mir  kein  sehr 
geeignetes  Gattungsmerkmal  zu  sein.  Deswegen  stelle  ich  vor- 
liegende Art,  trotzdem  sie  nur  kleine  Tuberkel  auf  der  Analschuppe 
hat,  doch  zu  Gomphodesmus,  da  alles  Andere  stimmt. 

Weitere  Unterschiede  zwischen  castaneus  und  tcstaceus  sind  die 
Farbe,  die  bei  castaneus  wesentlich  dunkler  braun  ist.  und  die  Gestalt 
der  Copulationsfüße.  Im  wesentlichen  sind  letztere  in  beiden  Arten 
gleich,  doch  ist  die  Gestalt  der  einzelnen  Teile  verschieden,  worüber 
man  sich  am  besten  durch  einen  Vergleich  der  Abbildungen  orientiert. 

1)  Cook,  The  famil}'  Gomphodesmidae,  in:  Proc.  U.  S.  nation.  Mus., 
Vol.  21,  p.  706,   1899. 


412  Cabi.  Graf  Attems, 

SpirostrejJtidae. 

Obelostreptus  n,  g, 

Körpergröße  für  einen  Spirostreptiden  sehr  gering. 

Halsscliild  des  c^  im  Vordereck  nicht  lappig  vorgezogen. 

Pro-  und  Metazoniten  ohne  besondere  Skulptur. 

Analsegment  ohne  Schwänzchen.  Analklappen  ohne  deutlichen 
Randwulst,  neben  dem  Medialrand  keine  Eille. 

Die  2  vorletzten  (-rlieder  aller  Beine  des  S  mit  großen  Tarsal- 
polstern. 

Copulationsfüße:  Der  vordere  hat.  wie  gewöhnlich,  die  Gestalt 
einer  medial  oöenen  Halbröhre,  die  die  Scheide  für  den  basalen  Teil 
des  hintern  Copulationsfußes  bildet.  Endwärts  ist  er  im  ganzen 
etwas  verschmälert  ohne  seitliche  Lappen. 

Der  hintere  Copulationsfuß  hat  vor  der  ersten  starken  Biegung 
auf  dem  Coxalabschnitt  einen  langen  distal  gerichteten  Dorn,  nach 
der  Krümmung  eine  breite  Platte  (=  ?  Tarsus)  und  einem  gekrümmten 
Dorn.  Distal  vom  Ansatz  dieser  Platte  ist  der  Copulationsfuß 
lamellös  verbreitert,  sein  Ende  wieder  zugespitzt  (Tibialfortsatz). 

Der  soeben  erwähnte  Fortsatz  des  hintern  Copulationsfußes  vor 
der  Krümmung,  beim  Austritt  aus  der  Scheide  des  vordem  Copulations- 
fußes, unterscheidet  diese  Art  so  von  den  übrigen,  daß  sie  zum 
Repräsentanten  einer  neuen  Gattung  gemacht  werden  mußte. 

Obelostreptus  acifev  n.  sp. 

(Taf.  18,  Fig.  14,  15.  16.) 

Farbe  sehr  dunkelbraun  bis  schwarzbraun,  stellenweise  un- 
deutlich rotbraun  aufgehellt;  Beine  und  Analklappen  heller  braungelb. 

Größte  Breite  des  S  2,6  mm,  des  $  3,2  mm.  $  mit  41  Rumpf- 
segmenten. 

Kopfschild  glatt  und  sehr  glänzend.  Scheitelfurche  kurz,  fein 
und  scharf.     Ocellen  einzeln  deutlich  konvex. 

Seitenlappen  des  Halsschildes  gerade  abgeschnitten;  Vordereck 
abgerundet,  Hintereck  abgestumpft  rechtwinklig;  2  kräftige  Bogen- 
furchen. 

Vorderer  Teil  der  Prozoniten  seicht  (luergestreift ;  hintere  Hälfte 
der  Prozoniten  und  vordere  Hälfte  der  Metazoniten  sehr  fein  längs- 
gestrichelt oder  gerunzelt;  hintere  Hälfte   der  Metazoniten  in   der 


Äthiopische  Myriopodeu.  413 

vordem  Körperliälfte  glatt,  in  der  hintern  Korperliälfte  ist  auch  sie 
fein  läug-sgerunzelt.  Die  Saftlöcher  sind  sehr  klein  und  liegen  bei- 
läufig in  der  Mitte  zwischen  Qnernaht  und  Hinterrand.  Quernaht 
auf  dem  Rücken  recht  seicht.  Die  feine  Längsstreifung  der  Meta- 
zoniten  reicht  hier  relativ  hoch  hinauf;  auf  den  vordem  Segmenten 
reicht  sie  bis  zu  den  Saftlöchern,  auf  den  mittlem  Segmenten  finden 
sich  sogar  dorsal  von  den  Saftlöchern  noch  1—2  Furchen. 

Venti'alplatten  glatt. 

Analsegment  ohne  Spur  eines  Schwänzchens;  der  Dorsalteil  ist 
in  der  Mitte  nur  sehr  wenig  und  ganz  stumpf  bis  an  den  Beginn 
der  Analklappen  vorgezogen;  die  Klappen  sind  gut  gewölbt,  der 
feinwulstige  Rand  ist  nicht  scharf,  besonders  nicht  durch  eine  Furche 
gegen  die  übrige  Fläche  abgesetzt;  innen  ohne  Rille. 

Die  Analschuppe  ist  breit  abgerundet.  Das  ganze  Analsegment 
fein  gerunzelt  resp.  ziemlich  derb  eingestochen  punktiert. 

Die  2  vorletzten  Glieder  aller  Beine  tragen  große,  spitze  Polster. 

Copulationsfüße  (Fig.  14 — 10):  Das  vordere  Paar  ist  recht  ein- 
fach gestaltet,  indem  das  Ende  keinerlei  seitliche  Fortsätze  oder 
dgl.  hat,  sondern  fast  spitzig  ist.  Nahe  der  Basis  ist  eine  starke 
Einschnürung,  die  Basis  selbst  bildet  seitlich  eine  starke  knollige 
Auftreibung.  Der  vordere  Fuß  bildet  natürlich  auch  hier  die  Scheide 
für  den  basalen  Teil  des  hintern.  Gleich  nach  dem  Austritt  aus 
dieser  Scheide  und  noch  vor  der  ersten  starken  Krümmung  entsendet 
der  Hauptstamm  des  hintern  Copulationsfiißes  einen  langen,  schwach 
gebogenen,  endwärts  gerichteten  Spieß  (p)  und  bald  darauf,  nach 
der  Biegungsstelle,  eine  größere,  abgerundete  Platte  (7)  und  daneben 
einen  schlanken,  gebogenen  Dorn  (d).  Dann  setzen  sich  breite,  ab- 
gerundete Platten  an  den  Hauptstamm  an,  zwischen  denen  die 
Samenrinne  verläuft  (die  bis  zur  äußersten  Spitze  zieht).  Das  immer 
dünner  werdende  Ende  biegt  wieder  distalwärts  um  und  schließt 
mit  einem  kleinen  Häkchen;  vorher  trägt  es  einen  kleinen  Seiten- 
dorn  (s)  (Fig.  14).  Die  Deutung  der  einzelnen  Teile  ist  nicht  leicht. 
Vermutlich  stellt  die  Platte  l  den  Tarsus  vor.  Der  ganze  folgende 
Teil,  von  der  Ansatzstelle  von  l  an,  ist  dann  der  Tibialfortsatz. 
Ein  ähnlicher  Dorn  wie  d  auf  dem  Tibialteil  findet  sich  auch  bei 
Odoutopyge.  Sehr  bemerkenswert  bleibt  jedenfalls  der  Dorn  p  auf 
dem  Coxalabschnitt. 


414  Carl  Graf  Attems, 

GrapTiidofitreptus  n.  g. 

Unter  den  Spirostreptiden  zeichnen  sich  einige  bisher  im  Genus 
Sinrostreptus  untergebrachte  Arten  dadurch  aus,  daß  der  Coxalfort- 
satz  der  hintern  Gonopoden,  der  bald  nach  dem  Austritt  der  hintern 
Gonopoden  aus  der  von  den  vordem  Gonopoden  gebildeten 
Scheide  entspringt,  am  Ende  ringsum  büschelig  mit  Dörn- 
chen  oder  Fransen  besetzt  ist.  Ich  fasse  diese  Arten  unter  oben 
genannten  Namen  in  ein  neues  Genus  zusammen,  mir  vorbehaltend, 
in  einer  demnächst  erscheinenden  Arbeit  die  Stellung  dieses  Genus 
zu  den  andern  Gattungen  der  Spirostrcptidae  näher  auseinander  zu 
setzen. 

Graph  klostreptiis  luf/iibris  (Beölemaxn). 

Gara  Mulata  (März  1900).  [Sabarguma,  Chenafena,  Adi  Ugri. 
Gherghera,  Conca  di  Behat,  Maio  (Erythräa).] 

Lissopyr/e  n.  g, 

Antennen  ziemlich  lang,  endwärts  wenig  verdickt.  Scheitel- 
furche sehr  fein.  Oberlippe  seicht  eingebuchtet,  mit  3  stumpfen 
Zähnen,  oberhalb  derselben  3  Borstengrübchen.  Augen  weit  von- 
einander entfernt. 

Halsschild  seitlich  breit,  ziemlich  eckig,  mit  mehreren  kräftigen 
Furchen. 

Vordere  Hälfte  der  Prozoniten  seicht  quergefurcht.  Metazoniten 
nur  ventral  fein  längsgefui'cht;  sonst  keine  ausgeprägte  Skulptur. 

Saftlöcher  klein,  etwas  hinter  der  Quernaht  auf  dem  6.  Seg- 
ment beginnend. 

Analsegment  ohne  Schwänzchen,  die  Klappen  fein  gezähnt  mit 
einem  niedrigen  Knöpfchen  am  obern  Ende. 

Ventralplatten  glatt. 

Vorletztes  und  drittletztes  Beingiied  mit  Tarsalpolster. 

Vordere  Gonopoden  wie  bei  Odontopyge  etc.  eine  medial  offene 
Scheide  für  die  hintern  Gonopoden  bildend;  die  Ränder  am  Ende 
mehrfach  gezackt.     Basal  außen  ein  Coxalfortsatz  zum  Muskelansatz. 

Hintere  Gonopoden:  Coxa  mit  starkem  in  das  Körperinnere 
ragenden  Coxalfortsatz  zum  Muskelansatz.  Coxa,  Femur  und  Tibia 
ohne  deutliche  Grenzen  gegeneinander.  Tibia  mit  kräftigem  Dorn 
und  langem  Tibialfortsatz,  der  am  Ende  plattig  verbreitert  ist  und 
mehrere  Lappen  und  Zacken  hat. 


Äthiopische  Myriopoden. 


415 


Tarsus  nur  etwa  halb  so  lang-  wie  der  Tibialfortsatz;  mit  einigen 
Zähnen  und  Zacken,  sonst  einl'ach. 

Von  Odontoinjge  unterscheidet  sich  diese  Gattung  außer  durch 
das  Fehlen  eigentlicher  Dornen  am  obern  Ende  der  Analklappen 
(worauf  ich  aber  kein  allzu  großes  GeAvicht  legen  möchte ,  da  diese 
Dornen  schon  bei  Odoniopijf/e  manchmal  recht  stumpf  sind),  durch 
die  Gestalt  des  Tibialfortsatzes  der  hintern  Gonopoden,  der  bei 
Odontopyge  stets  eine  einfache,  hik^listens  mit  1—2  winzigen  Neben- 
dornen versehene,  ganz  spitz  auslaufende  Geißel  ist. 


ungemein 


lang. 


Lissopijdie  neumanni  n.  sp, 

(Textfig.  C  u.  Taf.  18,  Fig.  9,  10,  11.) 

Schieferschwarz,  der  Hinterrand  der  Metazoniten  goldgelb 
durchscheinend;  Beine  hell  bräunlich-gelb;  Antennen,  Kopf  und  Anal- 
segment dunkelbraun. 

56  Eumpfsegmente,  schlank,  2  mm  breit  (die  Länge  des  einzigen 
S  nicht  mehr  genau  meßbar,  etwa  von  der  Größe  eines  Iidus  ale- 
mannicus-^). 

Kopfschild  glatt,  Oberlippenrand  seicht  eingebuchtet  mit  3  etwas 
stumpfen  Zähnen  im  Ausschnitt;  oberhalb  der  Zähne  3  gleichgroße, 
nahe  nebeneinanderstehende  ßorsten- 
grübchen.     Scheitelfurche 
seicht.      Antennen     ziemlich 
endwärts  nur  wenig  verdickt.    End- 
glied mit  den  gewöhnlichen  4  Sinnes- 
kegeln.   Augen  dreieckig,  innen  spitz, 
weit    voneinander    entfernt,    nur   so 
weit  herein  reichend  als  die  Antennen- 
wurzel;  die    einzelnen   Ocellen   sehr 
flach. 

Seitenlappen  des 
ungefähr  rechteckig 
rundeten  Ecken.  Von  der  Höhe 
der  Augen  ziehen  2  kräftige  Furchen 
im  Bogen  zum  Hinterrande;  außer- 
dem die  feine  Randsaumfurche  und 
1 — 2  kurze  Furchen. 

Vordere    Hälfte   der  Prozoniten 


Halsscliildes 
mit      abge- 


mit 


ungemein 


seichten 


Ringfurchen 


Fig-. 


416  Carl  Graf  Attems, 

Hintere  Hälfte  der  Prozoniten  und  die  ganzen  Metazoniten 
matt,  bei  schwacher  Verg'rößerung-  glatt,  bei  stärkerer  sehr  fein 
längsrissig  erscheinend;  Ventralseite  der  Metazoniten  mit  regel- 
mäßigen, ziemlich  engen,  mäßig  derben  Längsfurchen.  Quernaht 
fein,  ganz  gerade;  die  Saftlücher  sind  sehr  klein  und  liegen  etwas 
hinter  der  Quernaht;  die  Entfernung  ist  ungefähr  gleich  dem 
eignen  Durchmesser.  Sie  beginnen  auf  dem  6.  Segment.  Die  Seg- 
mente sind  in  der  Quernaht  gar  nicht  eingeschnürt. 

Dorsalteil  des  Analsegnients  breit  abgerundet,  in  der  Mitte  nur 
ganz  wenig  und  bogig  vorgezogen.  Analklappen  glatt,  gut  gewölbt, 
mit  feinem  Randwulst  und  kleinem  niedrigen  Knöpfchen  am  obern 
Ende,  an  Stelle  des  Dornes  von  Odoniopygc.   Analschuppe  flachbogig. 

Ventralplatten  glatt,  Stigmen  kurz,  dreieckig. 

Vorletztes  und  drittletztes  Beinglied  des  S  mit  zahnartig  vor- 
ragendem Tarsalpolster.  kwi  den  hintern  Segmenten  verschwinden 
diese  Polster  allmählich,  das  des  drittletzten  Gliedes  früher  als  das 
des  vorletzten. 

Gonopoden:  Die  vordem  bilden  auch  hier  auf  der  Medialseite 
oifene  Scheiden,  in  denen  der  Basalteil  der  hintern  Gonopoden  darin- 
steckt;  die  Ränder  springen  am  Ende  in  Lappen  und  Zacken  vor, 
unter  denen  besonders  lateral  ein  starker,  spitzer,  basal  gerichteter 
Zahn  {o)  auffällt  (Fig.  9j. 

An  den  hintern  Gonopoden  können  wir  wieder  einige  der  schon 
bekannten  Abschnitte  unterscheiden,  doch  sind  mir  bei  der  Prä- 
paration des  einzigen  S  leider  die  Ventralplatte  des  hintern  Paares 
und  die  Tj-acheentaschen  verloren  gegangen.  Eine  gute  Präparation 
derselben  ist  eben  nur  durch  Macerieren  in  Kalilauge  möglich,  und 
diese  zerstört  wieder  die  Form  der  zartem  Endteile  der  Gonopoden, 
so  daß  an  einem  Exemplar  kaum  alle  Details  mit  genügender 
Gründlichkeit  zu  studieren  sind. 

Die  Gestalt  eines  aus  der  Scheide  des  vordem  herauspräparierten 
hintern  Gonopoden  zeigt  Textfig.  C. 

Bkülemann  1)  hat  schon  darauf  hingewiesen,  daß  der  mit  CfH 
(Fig.  10)  bezeichnete  Teil  bei  Odontopijge  nicht  einer  Tracheentasche 
entspricht,  da  eine  solche  in  typischer  Form  außerdem  vorhanden 
ist.  Er  hält  diesen  Teil  für  das  Coxoid  und  den  folgenden  Ab- 
schnitt  von   der  Knickung   bei  *  an   für   das  Femur.     Verhoeff^) 


1)  Beölemann,   in:  Bull.  Soc.   entomol.  Ital.,  Vol.  35,  p.   128,    1903. 

2)  Verhoefe,  in:  Zool.  Anz.,  Vol.  24,   1901. 


Äthiopische  Myiiopoden.  417 

hingeg-en  hielt  den  Teil  Cf  für  die  Traclieentasche,  indem  er  die 
wahre  Tracheentasche  übersah,  und  den  folgenden  Abschnitt  für  die 
Coxa.  Ich  glaube,  daß  jeder  Autor  zum  Teil  recht  hat,  indem  der 
Teil  Cf  wohl  zur  Coxa  gehört,  aber  nicht  die  ganze  Coxa  darstellt, 
sondern  nur  einen  in  das  Körperinnere  vorragenden  Fortsatz  der- 
selben zum  Muskelansatz,  homolog  einem  gleichen  Stück  am  vordem 
Gonopoden.  Ich  bezeichne  ihn  als  Coxalfortsatz  und  lialte  den 
folgenden  Teil  für  die  eigentliche  Coxa  (C).  Jetzt  beginnt  aber  die 
Schwierigkeit,  denn  eine  deutliche  Grenze  zwischen  dieser  Coxa  und 
den  folgenden  Teilen  ist  bei  Lissopyge  nicht  kenntlich.  Wir  müssen 
annehmen,  daß  Coxa,  Femur  und  Tibia  zu  einem  Stück  verschmolzen 
sind,  deren  ungefähre  Grenzen  durch  C.  F  und  Ti  bezeichnet  sind. 
Der  große  endwärts  gerichtete  spitze  Dorn  U)  gehört  per  analogiam 
mit  Odonfopijgc.  wo  die  Verhältnisse  viel  klarer  sind,  zur  Tibia.  An 
dieser  Stelle  gabelt  sich  der  Stamm  in  2  Aste:  der  eine,  der  den 
bekannten  Kanal  führt,  ist  als  Tibialfortsatz  (Tf)  aufzufassen,  der 
andere  als  Tarsus   (Ta). 

Der  Tibialfortsatz  beschreibt  fast  einen  Ki-eis.  trägt  in  der 
zweiten  Hälfte  desselben  außen  einen  langen,  schlanken,  spitzen 
Dorn  (p),  weiterhin  mehr  nach  dem  Innern  des  Kreises  je  einen 
zweiten  Dorn  (s)  und  ist  am  Ende  etwas  plattig  verbreitert,  mit 
4  Lappen  und  Zacken,  einem  breiten,  auf  dem  der  Kanal  endet  (a), 
einem  rundlichen  Lappen  ih)  und  2  schiankern,  spitzen  Zacken  (c 
und  d). 

Der  Tarsus  ist  nur  etwa  halb  so  lang  wie  der  Tibialfortsatz. 
Sein  Rand  ist  an  2  Stellen  eingebogen,  nahe  dem  Grunde  zu  einem 
rundlichen  Lappen  (g) ;  die  zweite  Stelle  endet  mit  2  spitzen  Haken 
(h).    Das  Ende  ist  beilförmig. 

Fundort :  Dalota.  Amoei-Hochebene,  ca.  3000  m  unter  Steinen  (6). 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel   18. 
Fig.   1,   2.     A77iunis  drepanopus  n.  sp. 
Fig.    L      Gonopode.     Medialseite. 
Fig.   2.     Tibialteil  des  Gonopoden,  von  außen. 


418  Oakl  Graf  Attems,  Äthiopische  Myriopodeu. 

Fig.   3.     Amurus  drepanopus  ohscuratus  n.  suhsp. 
Fig.   3.     Gonopode.      Lateralansicbt. 

Fig.  4,   5.      Oxydesmiis  anacanthus  n.  sp, 

Fig.   4.      Gonopode.      Medialseite. 

Fig.   5.      EndhäJfte   des   Goiiopoden.      Lateralseite. 

C  Hüfte,   F  Femnr.    77  Tibia,    '//■Tihialfortsatz,   J/,  X,  s,  t  Teile 
des  Tarsus. 

Fig.  6,  7.     Strongylosoma  rmdreini  dalotanum  n.  siihsp. 

Fig.   •).      Gonopode.      Lateralseite. 

Buchstaben  wie  in   Fig.   4  und   5. 
Fig.   7.     Ende   des  Gonopoden.      Medialseite. 

Fig.  8.      Geophilus  {Pleiirogcopldlus)  cydareaius  n.  sp. 
Fig.   8.      Hinterende.      Ventralseite. 

Fig.  9,   10,   IL     Lissopyge  neumanni  n.  sp. 

Fig.    9.      Ende   eines   vordem   Gonopoden. 

Fig.    10.     Linke  Gonopoden,   von   der   Aboralseite. 

('/'/  u.  Cfll  Coxalfortsätze   des  vordem  und  hintern  Gonopoden, 
Tf  Tibialfortsatz,    a,  b,  c,  d,  p,  q   Teile  desselben,    Ta  Tarsus,    y,  h 
Teile   des  Tarsus. 
Fig.    11.     Rechte   Gonopoden.     Oralseite. 
VI  Ventralplatte. 

Fig.   12,   13.      Gomphodesynus  iestaceus  n.  sp. 

Fig.    12.     Gonopode,   von   vorn. 

Fig.    13.      Endliälfte,   stärker  vergrößert,   von  der  Seite. 

Fig.    14.    15.   16.      Ohelostreptus  acifer  n.  sp. 
Fig.    14.      Hinterer   Gonopode,   von  der  ersten  Biegung  an. 

d  Dorn   am  Tibialabschnitt,   /  Tarsus,  b  Tibialfortsatz. 
Fig.    15.      Linke  Gonopoden.     Oralseite. 
Fig.    16.      Hechte  Gonopoden.      Aboralseite. 


Lippeit  .<;  Co.  (G.  Pätz'sche  Buchdv.),  Naumburg  a.  S. 


Nachdruck  verboten, 
Ühersetzungsrecht  vorbehalten. 


Les  Poissons  Voiliers. 


Par 

Louis  Dollo, 

Professenr  ä  i'Uuiversite, 
Conservateur  au  Musee  royal  trHistoire  naturelle,  ä  Bruxelles  (Musee). 

Avec  2  fignres  dans  le  texte. 


I.   lutrodiictioii. 

1.  Depuis  la  memorable  Expedition  du  „Clialleiiger"  (187;-3 — 1876), 
les  Biologistes  se  sont  particulieremeut  occupes  de  la  Zone 
Abyssale  de  l'Ocean  et  des  Adaptations  aux  Grandes  Pro- 
fondeurs. 

Cependant,  les  Adaptations  ä  la  Vie  au  voisinage  immediat  de 
la  Surface,  dans  la  Zone  Pelag-ique,  ne  sont  pas  moins  importantes 
et  meritent  aussi  tonte  l'attention  des  Etliologistes. 

2.  Sans  parier,  ici.  des  Invertebres.  admirablement  etudies  par 
le  regrette  H.  X.  Moseley  ^).  —  ni  meine  des  Amniotes,  —  nous 
avons,  notamment,  dans  la  seconde  categorie,  les  Poissons 
Volants,  si  connus  de  tous,  et  les  Poissons  Voiliers. 

3.  C'est  de  ces  derniers  seiilement  qu'il  sera  ([uestion  dans  cette 
notice,  car  je  vais  essayer  de  deniontrer  que,  contrairement  ä 
Topinion  courante : 

1)  H.  N.  Moseley,  Pelaglc  life,  in:  Nature,  Londres,  1882,  Vol.  26, 
p.  560. 

Voir  aussi : 

R.  Woltereck,  Tierische  Wanderungen  im  Meere ,  in :  Meeres- 
kunde, Berlin   1908,  p.   35. 

Zool.  .Jahrb.  XXVIL    Abt.  f.  Syst.  27 


420  Loüis  DoLLO, 

,,Pla(/ijodus  Steller  1831,  n'est.  cei'tainenieiit.  pas  autre  chose 
qu'un  Paralepide,  de  grandes  dimeiisions,  adai)te  ä  la  Yie  Xectique 
Pelagique  superficielle,  avec  Dorsale  veliforme  emerg-ee:  Conver- 
gence  avec  Ilistioplwrus,  parmi  les  Acantliopteiygiens  Scombri- 
formes."  ^) 

IL   Histiophoriis. 

1.  C'est  Broussonet  ^),  qui,  le  premier.  des  1786,  introduisit, 
en  France,  le  terme  de  Voilier.  pour  les  Poissons  du  genre 
Histiophoriis,  d'apres  le  iiom  malais  ..Ikaii  layer",  qui  a  le  meme 
sens  et  qui  tut  rapporte  des  Moluques  par  les  anciens  voyageurs 
hüllandais. 

2.  Quant  au  genre  Histiophoriis  (porte-voile,  d^iarlov,  volle  de 
navire)  lui-meme,  on  sait  qu'il  ne  fut  londe,  par  Lacepede  %  qu'en 
1802. 

3.  Ainsi  qu'il  est  bien  connu,  ce  nom  de  Voilier  provient  de 
ce  que  les  Acanthopterygiens  Scombriformes  dont  il  s'agit  ont,  — 
une  Dorsale  enorme  (pouvant  atteindre  1,50  m  de  haut,  dans  un 
specimen  de  6  metres,  selon  Sir  Emerson  Tennent),  —  qui  se  releve 
et  s'abaisse  comme  un  eventail,  —  faisaut  saillie  liors  de  l'eau 
lorsqu'ils  se  tiennent  pres  de  la  surface,  —  et  leur  servant  ä  prendre 
le  vent  comme  une  volle. 

4.  Les  Observateurs  les  plus  competents  et  les  plus  dignes 
de  confiance  sont  un  an  im  es  ä  cet  egard. 

J'en  citerai  trois  ici:  Sir  Stamford  Rafeles.  Gouverneur  de 
rinsulinde  pendant  l'interregne  anglais,  —  H.  N.  Moselet,  l'eminent 
Biologiste  du  „Challenger",  —  et  M.  Max  Webee,  Professeur  ä 
rUniversite  d' Amsterdam  et  Chef  de  l'Expedition  du  „Siboga". 

„The  only  amusing  discovery  we  have  recently  made  is  that  of 
a  sailiug  fish,   called  by  the  natives   Ikan   layer,   of  about  10  or 


1)  L.  Dollo,  Pi'ymnothonus  Hookeri,  Poisson  pelagique  de  l'„Erebus" 
et  de  la  „Terror"  retrouve  par  l'Exj)edition  Antarctique  Nationale  Ecossaise, 
in:   Proc.    Roy.   Soc.   Edinburgh,    1907,   Vol.   27,   p.   4L 

2)  1*.  M.  A.  BrüUSSONET,  Memoire  sur  le  Voilier,  espece  de  Poisson 
peu  connue,  qui  se  trouve  dans  les  Mers  des  Indes,  in:  Mem.  Acad.  Paris 
(1786),   1788,  p.  450. 

3)  B.  G.  E.  DE  Lacepede,  Histoire  naturelle  des  Poissons,  Vol.  3, 
Paris   1802,  p.  374. 


Les  Poissoiis  Voiliers.  421 

12  feet  long-,  whicli  lioists  a  mansail,  and  often  sails  in  tlie  manner 
of  a  native  boat,  and.  with  considerable  swiftness.  I  liave  sent  a 
set  of  tlie  sails  liome,  as  they  are  beautifully  cut  and  form  a  model 
for  a  fast-sailing  boat.  Wlien  a  school  of  tliese  are  under  sail 
too;ether  they  are  frequently  mistaken  for  a  fleet  of  native  boats."^) 

„The  Admiralty  Islands  were  sig-hted  on  the  afternoon  of 
March  3rd.  As  we  sailed  along  the  north  coast  of  the  main  island, 
a  Swordfish  was  seen  showing-  its  fins  above  water.  It  moved 
rapidly  with  a  darting-  niotion  bnt  sinuons  course.  It  was  apparently 
about  five  feet  long.  The  fins  sliowed  above  water,  very  differently 
from  those  of  any  otlier  fish.  The  broad  dorsal  fin  projected  from 
the  water  in  fiont.  and  the  npper  sickle-shaped  half  of  the  tail  fin 
projected  at  an  interval  behind,  and  seemed  as  the  fish  moved  to 
be  chasing  the  fin  in  front.  The  fish  was  seen  to  leap  out  the 
water  several   times.     It  was  probably  a  species  of  Ilistiopliorns.'-''  -) 

„Nous  avons  recueilli  ici  nn  antre  poisson  interessant,  un 
exemplaire  de  HisHophorus  Orientalis,  long  de  2,68  m.  Son  nom 
malais.  Ikan  layer.  a  la  meme  signification  qne  son  nom  hollandais 
,.Zeil-visch"  et  que  son  nom  franeais  ..voilier".  II  le  doit  k  sa  haute 
nageoire  dorsale.  A  Taide  de  cette  nageoire,  le  poisson  est  en  etat 
de  serrer  le  vent.  C'est  ce  que  faisait  certainement  l'exemplaire  que 
nous  avons  capture.  On  le  vit,  ä  diverses  reprises,  dans  le  courant 
de  la  journee.  au  voisinage  du  ..Siboga",  faisant  saillir  sa  haute 
nageoire  dorsale  au  dessus  de  l'eau."  ■^) 

5.  Cette  disposition  est,  evidemment.  une  Adaptation  ä  la 
Vie  Nectique  Pelagique  superficielle. 

Repos  et  deplacement  avec  economie  de  force,  au  moyen  de  la 
Dorsale  veliforme  emergee.  —  alternant  avec  la  natation  active  et 
rapide,  ä  Taide  de  la  puissante  Caudale  rhipidicerque  echancree. 


1)  G.  B.  C-iOODE,  Materials  for  a  history  of  the  Sword-Fish,  in: 
United  States  Commission  of  Fish  and  Fisheries :  Report  of  the  Com- 
miseioner  for    1880,   Washington    1883,  p.   324. 

2)  H.  N.  MOSELEY,  Notes  by  a  naturalist  on  H.  M.  S.  „Challenger", 
Londres   1892,   p.   387. 

3)  M.  "Weber.  Introductiou  et  description  de  I'Expedition,  in:  Siboga- 
Expeditie,  Leyde   1902,  p.    110. 


27* 


422  Louis  Dollo, 


III.  La  Forme  des  Poissons. 

1.  La  forme  des  Poissons  est  extremement  variee. 

Comme  il  n'y  a  pas  de  liasard,  ni  d'arbitraire,  dans  la  Nature^ 
toutes  ces  formes  ont  donc  une  signification. 

2.  Cette  signification  sera.  parfois.  fort  difficile  ä  de- 
couvrir. 

Vu  l'etat  present,  tres  iniparfait.  de  nos  connaissances 
ethologiques.  ^) 

3.  Mais  011  peilt  commencer  par  les  cas  typiqiies. 
C'est-ä-dire  par  des  formes  ([iii  sont  telles  qiie  la  relation  entre 

la  forme  et  le  mode  de  vie  ne  piiisse  faire  de  doiite. 

Ces  formes  se  repartiront,  d'ailleurs.  dans  les  familles  les  plus 
diverses,  montrant  bien,  par  lä,  leiir  caractere  adaptatif. 

4.  Ainsi,  il  n'est  plus  discutable,  pour  personne,  aujoiird'liui, 
que  les  Poissons  anguilliformes  ne  representent  pas  un  groupe 
homogene  de  Poissons  unis  par  d'etroits  liens  de  parente,  mais 
simplement  une  maniere  de  vivre  de  Poissons  tres  eloignes  les  uns 
des  autres :  Adaptation  ä  la  Vie  Benthique. 

Cela  resulte: 

1.  De  r Observation  etliologique  directe; 

2.  De  la  structure:  atrophie  de  la  nageoire  caudale,  indiquant 
une  regression  de  la  natation.  par  consequent.  ici,  une  vie  de 
fond-); 


1)  Qui  aurait  pu  deviner  qu'  Amphisile  nageait  verticalement 
comme  Uip})()rainpii>^  (A.  WiLLEY,  Zoological  results  based  on  material 
from  New  Britain,  New  Guinea,  Loyalty  Islands  and  elsewhere,  Cambridge 
1902,  p.   718  et  719)? 

L' Ethologie  doit  etre  consideree  comme  une  branche  speciale  de 
la  Biologie,   et  des  plus  importantes. 

La  Solution  de  probleraes  essentiels  depend  de  ses  progres.  Elle 
reclame  des  aptitudes  particulieres.  Un  enseignement  propre.  Quand 
aurons-nous  un  Lehrbuch  der  Ethologie? 

Bionomie  =  Ethologie  -|-  Chorologie ;  Chorologie  =  Biostratigraphie 
-|-  Biogeographie. 

Ethologie  =  etude  des  Ürganismes  dans  leur  milieu  natural  et  dans 
leurs  relations  avec  ce  milieu. 


Les  Poissous  Voiliers.  423 

3.  De  la  dissemination  des  Poissons  ang-uilliformes,  iiuu- 
seulement  dans  de  multiples  familles.  mais  daus  toutes  les  grandes 
■categ'oi-ies  de  la  classe  des  Poissons  (Cyclostomes,  Selacieiis,  Ganoides, 
Dipneustes,  Pliysostomes.  Phj'soclistes). 

5.  Plus  generalement.  il  est  dejä  possible  de  reconnaitre  le 
rapport  entre  la  Forme  et  T Adaptation  pour  tout  une  serie 
de  Poissons  \) : 

Exemples: 

1.  Ang-uilliformes  Anguilla 

2.  Macruriformes  Macrurus 

3.  Depressifoimes  Eaja 

4.  Compressiformes  asA^metriques    Solea 


I. 

V  i  e  ß  e  n  t  li  i  q  u  e 


IL                  (1.  Aiguilliformes  Stjngnathus 

Vie  Plane tique    l2.  Compi-essiformes  symetriques  Zeus 

,, .     .,     '   .             1 1.  Fusiformes  Tlminus 

V  1  e  N  e  c  1 1  q  u  e      l  ^ 

().  A  quoi  bon  ces  consideiations? 

1.  A  separer  les  c  a  r  a  c  t  e  r  e  s  li  e  r  e  d  i  t  a  i  r  e  s  des  c  a  r  a  c  t  e  r  e  s 
adaptatifs. 


2)  L.  DoLLO,  Sur  la  pliylogeiiie  des  Dipneustes,  in :  Bull.  Soc.  bälg. 
Oeol.,  Bruxelles   1895,   Vol.   9,  p.   90. 

Sur  rAdajitation  des  Siitiridar  ä  la  Nie  anguillifcrme,  con- 
sulter  le  recent  et  tres  interessant  travail : 

G.  A.  BOULENGEE ,  A  revision  of  the  African  Silurid  Fishes  of 
the  subfainily  Clariinae ,  in:  Proc.  /ool.  Soc.  London,  1907,  p.  1064 
et   1065. 

Outre  —  l'Allongement  du  corps,  —  la  Transformation  de  la  caudale 
rhipidicerque  en  caudale  gephyrocerque,  —  la  Fusion  des  nageoires  impaires, 
—  et  l'Atrophie  des  nageoires  paires,  —  on  y  voit  la  Regression  du 
bouclicr  cephalique,  —  exactement  corame  je  Tai  signale  cbez  les  Dipneustes 
<tab.   5   et  6). 

Bei  exemple   de  Convergence. 

1)  L.  DOLLO,  Poissons  de  l'Expedition  Antarctique  Beige,  in:  Res. 
Belgica  en   1897,   1898,    1899,  Anvers   l'.i04,  p.   106   et    182. 

Voir  aussi : 

0.  Abel,  Die  Lebensweise  der  altpalaeozoischen  Fiscbe,  in :  Verh. 
20ol.-bot.   Ges.  Wien.    1907,  p.    158. 


424 


LOüIS   DOLLO, 


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Les  Poissüiis  Voiliers. 


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426  Louis  Dot-lo. 

En  d'autres  termes.  ä  distinguer  la  Pareiite  de  la  Convergeuce. 
Point  capital  eu  Phj'logenie. 

2.  Quand  Tobservation  ethologique  manqiie.  ou  est  impossible, 
ä  determiner  T Adaptation  d'apres  la  Forme  du  corps. 

C'est  ce  que  nous  allons  essayer  de  faire  pour  PJagyodns.  par 
comparaison  avec  Histiophorus. 


IV.  PJiUfifodus  est  im  Poissoii  Toilier. 

1.  „C'est  au  large  de  la  Guinee  sui)erieure  que  fut  recueilli.  eu 
1708,  le  Premier  specinieu  de  Flagyodns.  lors  de  l'Expedition  de 
William  Dampier  daus  les  Mers  du  Sud.  eu  1703—1704,  avec 
le  „St.  George"  (ayant  ä  bord.  outie  le  Capitaine  Dampier, 
William  Fünnell,  qui  donua  la  premiere  description  et  la 
premiere  figure  de  notre  Poisson.  en  1707)  et  le  „Cinque  Ports 
Galley"  (ayaut  ä  bord  Alexander  Selkikk,  le  prototype  de  „Robinson 
Crusoe")'-.^) 

2.  Mais  le  geure  Flagyodus  lui-nieme  ne  fut  foude  que  par 
linfortune  G.  W.  Steller,  qui  accompagnait  la  deuxieme  Expedition 
de  ViTus  Bering  (1733—1749),  composee  du  „St.  Peter"  et  du 
„St.  Paul",  pour  un  Poisson  decouvert,  en  1742—1743,  dans  le 
voisinage  des  Kouriles. 

Encore  le  nom  ne  fut-il  publie,  par  Pallas,  qu'en  1831.-) 

3.  Enfin,  pour  se  limiter  au  seul  point  de  vue  qui  nous  Interesse 
ici,  en  1864,  M.  A.  Günther,  Conservateur  honoraire  au  Britisli 
Museum,  propose  une  Interpretation  ethologique  de  Flagyodus. 
qu'il  considere  comme  un  Poisson  abyssal,  et  cette  Interpretation 
a  ete  generalement  adoptee."') 


1)  L.  DOLLO,  Notolepis  Coatsi,  Poisson  pelagique  nouveau  recueilli 
par  l'Expedition  Antarctique  Nationale  Ecossaise,  in :  Proc.  Roy.  Soc. 
Edinburgh,    1908,   Vol.  28,   p.   64. 

A.  Günther,  A  contribution  to  the  liistory  of  Plagyodus  (Steller), 
in:  Ann.  Mag.  nat.   Hist.,    1901   (7),  Vol.   7,  p.  35. 

2)  P.  Pallas,  Zoographia  Rosso-Asiatica,  St.  Petersbourg  1831, 
Vol.  3,  p.  383. 

3)  A.  Günther,  Catalogue  of  the  Fishes  in  the  British  Museum, 
Londres  1864,   Vol.   5,   p.  420  et  421. 


Les  Poissons  Voiliers.  427 

Ses  aro-uments  sont  les  suivants: 

1.  ..Like  most  other  deep-sea  fishes,  Älepidosauriis  ^)  has  been 
fouiid  at  widely  distant  localities." 

2.  „Every  pait  of  the  Alcpidomiiri  is  so  fragile,  tliat  it  is 
€xtremely  difficiilt  to  obtain  perfect  si)ecimens." 

..The  loose  connexion  of  the  sino^le  parts  of  the  body  is  found 
in  luimei'ous  deep-sea  fishes." 

Donc:  Cosmopolitisme  et  Decalcification  du  Sciiie- 
1  e  1 1  e. 

X.  Cependant.  en  1887,  par  consequent  pres  de  deux  sie  des 
apres  la  decouverte  de  Plugyodus,  M.  Güxthee  est  force  de  recon- 
iiaitre  que: 

..No  specimen  of  this  characteristic  deep-sea  type  was  obtained 
during-  the  Challeng-er  Expedition:  indeed.  no  example  is  known  to 
have  been  captured  by  means  of  tlie  dredge  or  trawl."  -) 

5.  II  est  vrai  que.  depuis  lors  (1895).  Plagyodus  a  ete  sig-nale 
conime  captuie  au  delä  de  350  metres,  —  liniite  superieure  de 
la  Zone  Abyssale^).  —  au  large  de  la  Xouvelle-Angleterre: 

„The  .Albatross"  obtained  one  at  the  surface.  and  another  at  a 
depth  of  195  fathoms." 

„The  Gloucester  fisliermen  obtained  two.  one  at  275  fathoms. 
another  at  120  fathoms;  also,  two  others  in  200  fathoms,  and  another 
in  200  fathoms."  ^) 

Laissons  de  cote  les  chiifres  des  pecheurs  de  Gloucester,  qui 
ne  presentent  pas  de  garanties  scientifiques  süffisantes. 

Eestent  les  195  fathoms  de  r„Albatross" :  c"est  un  cas  bien  isole 
€t  une  profondeur  bien  juste  (356.46  m)  pour  etablir  le  caractere 
abyssal  d'un  Poisson  dont  on  connait  tant  de  specimens  et  dont  la 
structure  est  regardee  comme  si  typique. 

Et  puis,  ce  Pkitjyodus  ne  pouvait-il  etre  descendu  de  la  surface. 


1 )  A.  Günther,   0)i  the  ideutity  of  Alepisaurus  Lowe  with  Plagyodus 
Steller,  in:  Ann.  Mag.  nat.  Hist.,   1867  (3),  Vol.    19,  p.   185. 

2)  A.   Günther  ,    Report  on  the  deep-sea  Fishes ,    in :   Rep.   sc.   Res. 
Challenger,  Zool  ,  Londres    1H87,   Vol.   22.  p.   2U3. 

3)  A.    F.    W.    SCHIMPEK,     l'flanzen-Geographie     auf     physiologischer 
Grundlage,  .Jena   1898,   p.   818. 

4)  G.  B.  GooDK   and  T.  H.  Bean.   Oceanic  ichthyology,   in:    Smithson. 
Contrib.  Knowledge,   Washington   1895,   Vol.   30,   p.    117. 


428  Louis  Dollo, 

normalement  ou  accidentellement?  Les  Cetaces  s'enfoncent  bien 
jusqu'ä  1000  metres.^) 

Enflii,  est-il  sür  fiivil  n'a  pas  ete  pris,  en  remontant.  plus  oii 
moins  haut,  entre  195  fathoms  et  l'atmosphere? 

Somme  toute,  le  Plagtjodus  des  campagnes  de  r„Albatross"  dans 
TAtlantique  me  parait  insuffisant  ä  demontrer.  d"une  nianiere 
concluante.  le  caractere  abyssal  de  ce  Poisson, 

0.  D"autre  part,  les  campagnes  de  1",,  Albatross"  dans  le  P  a  c  i  f  i  ([  u  e 
ne  lui  ont  pas  fouini  de  Flagyoduü,  et  le  seul  specimen  ä  profondeur 
vraiment  connue,  ou  supposee  teile,  en  Decembre  1899.  reste  toujours 
celui  de  195  fathoms  dont  nous  venons  de  parier.  ^) 

7.  Enfin,  en  1906,  le  caractere  abyssal  de  Plogijodus.  —  le 
„Valdivia"  n'en  ayant  pas  pris,  et  toutes  les  Expeditions  en  mer  pro- 
funde reexaminees,  —  parait  tellement  incertain  ä  M.  A.  Beauer, 
Directeur  du  Musee  royal  d'Histoire  naturelle  de  Berlin,  qu'il  le 
raie  de  sa  liste  coniplete  des  Poissons  abyssaux. ") 

8.  II  resulte  de  ce  qui  precede  qu'ethologiquement  (i.  e. 
d' apres  la  profondeur  de  capturej,  il  n'est  pas  prouve  du  tout  que 
Flagijodus  soit  un  Poisson  abyssal. 

9.  Maintenaut,  la  Decalcif ication  du  Squelette  n'est  pas 
uniquement  propre  ä  la  Zone  Abyssale;  eile  se  rencontre  aussi  dans 
la  Zone  Pelagique: 

„It  is  found  that  these  hard  structures  tend  to  degenerate  and 
disappear  both  in  the  pelagic  and  deep-sea  regions.*'  *) 

10.  Et  Orthagoriscus ,  que  M.  Günther  lui-meme  place  dans 
la    Faune    P  e  1  a  g  i  q  u  e  ^) ,    a    un    squelette    dont   la    s  t  r  u  c  t  u  r  e 


1)  G.  BoENNiNGHAUS,  Das  Ohr  des  Zahnwales,  in :  Zool.  Jahrb., 
Yol.    IM,  Anat.,   1904,   p.   3l3. 

2)  S.  Gaeman,  The  Fishes  (Reports  on  an  exploration  ofF  the  West 
Coasts  of  Mexico,  Central  and  South  America,  and  off  the  Galapagos 
Islands,  in  charge  of  Alexander  AGASt^i/,  by  the  U.  S.  Fish  Commission 
Stearaer  „Albatross"),  in:  Mem.  Mus.  comp.  Zool.  Harvard  College,  1899, 
Vol.   24,  p.  402. 

3)  A.  Brauer,  Die  Tiefsee-Fische,  in :  Wiss.  Ergebn.  deutsch.  Tiefsee- 
Exped.,   1906,  Vol.   15,  p.  380  et  381. 

4)  H.  N.  MoSELEY,  The  fauna  of  the  sea-shore,  in:  Nature,  Londres 
1885,  Vol.  32,  p.  418. 


Les  Pois8oiis  Voiliers.  429 

est  Uli  achemiiiement  vers  celle  du  squelette  des  Poissous 
aby ssaux: 

„Sh^gten  Ceratias.  af  hvis  Skelet  den  ene  af  os  ved  eii  anden 
Lejlighed  liar  givet  en  detailleret  Fremstilling.  konimer  i  disse 
Henseender  i)/o?a'ens  meget  iiier."  ^) 

Des  lors,  pouiquoi  uii  autre  Poisson  pelag-ique,  Pla(jyodus,  ivaurait-il 
pas  pu  aller  plus  loiii  dans  la  voie  de  la  regression  squelettique  et 
egaler,  ä  cet  egard,  les  Poissons  abj'ssaux? 

11.  A  propos  de  la  structure  du  squelette  6.'OrfJiagoriscus, 
notons.  en  passant,  un  nouveau  cas  d"Irre versibilite  de 
r  Evolution'-): 


5)  A.  Günther,  An  introduction  to  the  study  of  Fishes,  Edirabourg 
1880,  p.  292. 

1)  J.  Steensteup  og  C.  LÜTKEX,  Bidrag  til  Kundskab  om  Klump- 
eller  Maanefiskene  (Molidae),  in:  Dansk.  Videnskab.  Selsk.  Skr.,  1898, 
Vo\.  9,  p.   88. 

2)  L.  DoLLO,  Les  lois  de  l>volution,  in:  Bull.  Soc.  belg.  GeoL, 
Bruxelles   1893,   Vol.   7,  p.    165. 

La  notion  del'Irreversibilite  de  l'Evolution,  qui  a  rencontre, 
jadis,  une  certaine  Opposition,  jjar  suite  de  cas  insuffisainment  etudies, 
gagne,  chaque  jour,  du  terrain,  comme  on  peut.  le  voir  par  les  ligues 
ci-apres  : 

„In  enger  Beziehung  zu  der  Vererbimg  erworbener  Eigenschaften 
scheint  mir  auch  DoLLO's  Gesetz  der  Nichtumkehr barkeit  der 
Evolution  zu  stehen.  Der  erblich  gewordene  schrittweise  erworbene 
Entwickelungsgang  zwingt  dem  Organismus  eine  gewisse  Form  und  be- 
stimmte Eigenschaften  auf;  neue  Einflüsse  können  neue  Eigenschaften  und 
eine  Veränderung  der  Form  bewirken,  die,  namentlich  wenn  sie  sich  in 
der  Minusrichtung  bewegen,  zu  einem  Resultate  führen  können,  welches 
scheinbar  einem  tieferen  phylogenetischen  von  dem  Organismus  durch- 
laufenen Stadium  gleicht,  mit  ihm  aber  niemals  identisch  ist  (Atavismus). 
Es  wäre  nun  theoretisch  ganz  gut  denkbar,  dass  infolge  neuerdings  ge- 
änderter Einflüsse  aus  diesem  atavistischen  Stadium  wieder  das  ihm  vor- 
hergegangene höher  entwickelte  entstehen  kann,  und  zwar  in  ganz  gleicher 
Form.  Praktisch  wird  dieser  Fall  aber  nur  dann  eintreten,  wenn  das 
atavistische  Stadium  nicht  hingereicht  hat,  um  auch  die  im  Keimplasma 
gelegene  , Disposition'  zu  unterdrücken.  So  kann  z.  B.  bei  einem  Hemi- 
pteron,  bei  welchem  durch  Nichtgebrauch  eine  Reduktion  der  Flugorgane 
eingetreten  ist,  auf  eine  lange  Reihe  ungeflügelter  oder  kurzflügeliger 
Generationen  plötzlich  wieder  eine  normal  geflügelte  folgen.  Ist  aber  ein- 
mal die  Disposition  auch  verschwunden,  mit  anderen  Worten,  hat  sich 
bereits  die  Gesamtorganisation  genügend  geändert,  dann  wird  die  verlorene 
Eigenschaft    nicht    mehr    in    genau    derselben  Weise  zurückkehren    und    es 


430  Louis  Doi.lo, 

,.Le  squelette  de  YOrihayoriscus  presente  quelques  parties  veri- 
tablement  cartilagineuses." 

„Du  cartilage  ossifie  ne  se  rencontre  que  dans  les  lames  bran- 
cliiales." 

,,Tout  le  reste  du  squelette  est  fait  dim  tissu  qui.  bien  que 
ressemblaiit  au  cartilag-e,  n'en  a  pourtaut  iii  la  compositiou  chimique, 
ni  la  structure  histiolog-ique."  ^) 

On  n'a  doiic  pas,  pour  1' E  v  o  1  u  t  i  o  n  li  i  s  t  o  1  o  g-  i  q  u  e  du  sque- 
lette d' Orthagoy  iscus : 

Cartilage  Os  deealcifie 

I  I 

Os  mais :  Os 

A  A 

I  I 

Cartilage  Cartilage 

c'est-ä-diie  que,  une  fois  de  plus,  il  n"}'  a  pas  de  retour  au  point  de 
depart. 

12.  Quant  au  Cosmopoliti  sme.  il  n'appartient  pas  exclusive- 
ment,  noii  plus,  ä  la  Zone  Abyssale:  il  se  manifeste  egalement  dans 
la  Zone  Pelagique: 


wird  z.  B.  eine  Mallophage  oder  Pediculide  nie  mehr  die  Flügel  ihrer 
Vorfahren,  der  Psociden,  bekommen,  denn  sie  raüsste  dann  wohl  voii  neuem 
den  Entwickelungsgang  durchmachen,  der  die  Psocidenflügel  hervor- 
gebracht hat;  sie  müsste  ein  Trilobiten-,  Palaeodictyopteren-,  Blattoiden- 
stadiuni  durchmachen.  Das  müsste  sie  aber  nicht  in  bezug  auf  die  Flug- 
Organe  allein  tun,  sondern  in  bezug  auf  ihre  gesamte  Organisation.  Sie 
wäre  daher  gezwungen,  vorher  in  bezug  auf  ihre  gesamte  Organisation  auf 
die  Stufe  der  Anneliden  hinabzusteigen  und  sich  dann  von  neuem  in  auf- 
steigender Richtung  zu  bewegen,  wobei  alle  Einflüsse,  welche  seinerzeit 
zur  Entstel)ung  der  Psociden  geführt  haben,  wieder  der  Reihe  nach  in 
ganz  gleicher  Weise  auftreten  müssten.  Derartiges  ist  aber  wohl  praktisch 
unmöglich,  und  wir  finden  daher  immer,  dass  ein  definitiv  verloren  ge- 
gangener Charakter,  wohl  infolge  neuer  Einflüsse  durch  einen  analogen 
ersetzt  werden  kann,  aber  nie  mehr  in  der  ursprünglichen  Form  wieder- 
kehrt." 

A.  Handlirsch,  Die  fossilen  Insekten  und  die  Phylogenie  der  rezenten 
Formen,  Leipzig   1906  —  1908,  p.    1328. 

1)  P.  Harting,  Notices  zoologiques,  anntomiques  et  histiologiques 
sur  rOrthagoriscus  ozodura,  in:  Verb.  Akatl.  Wetensch.  Amsterdam, 
1868,  Vol.    11,  No.  2,  p.  28. 


Les  Poissons  Voiliers.  431 

„In  tlieir  alniost  universal  geographical  distribution  except  as 
regards  tlie  colder  seas.  Pelagic  aninials  resemble  tlie  deep-sea 
fall  na."  \) 

En  ce  qui  concerne  la  restriction  poiir  les  mers  froides,  eile  est, 
d'ailleurs.  variable  avec  les  Organismes:  question  d'Eliirythermie  et 
de  Stenothermie  -): 

„Ein  Theil  der  pelagischeii  Thierwelt  ...  in  iK.liem  Maasse 
gegen  Schwankungen  der  Temperatur  .  .  .  unempfindlich  er- 
scheint."^) 

13.  Kestent  deux  points  ethologiques  ä  examiner  ici. 
D'abord,  la  Nourriture  de  Plagijodus. 

Dans  Tetat  present  de  nos  connaissances.  voici  ce  que  j'ai 
ti-ouve.  comme  Organismes  determines: 

1.  Bmma  raü^) 

2.  Capros  aper  •*) 

3.  Engraul is  japoniea  ^) 

4.  Euniicrotrejiias  spinosus'^) 

5.  Plarpiodus  fcrox'^) 

6.  Trarhurus  trachuruff^) 

C'est-ä-dire  tous  Poissons  pelagiques  ou  littoraux; 
aucun  abyssal. 

l-t.  Puis,  inversement.  de  quels  Poissons  Plagijodus  est  la 
P  r  0  i  e. 

Je  n'en  ai  rencontre  qu'un  cite  jusqu'ä  ce  jour:  Thynnus  ala- 
longa. ') 


1)  H.  N.   MoSELET,  Pelagic  life  etc.,   p.   563. 

2)  C.  MÖBIUS,  Die  äusseren  Lehensverhältnisse  der  Seethiere,  in : 
Tagebl.  49.  Vers,  deutsch.  Naturforscher  Aerzte  (Hamburg),  1876,  Beilage, 
p.   20. 

3)  C.  ChüN,  Die  pelagische  Thierwelt  in  grösseren  Meerestiefen  und 
ihre  Beziehungen  zu  der  Oberflächenfauna,  in:  Hibl.  zooL,  1888,  Vol.  1, 
p.   62. 

4)  A.   GÜNTHER,  Catalogue  etc..  Vol.  5,  p.  421    et  422. 

5)  F.  SteindacHNER  und  L.  DÜDEKLEIN,  Beiträge  zur  Kenntniss 
der  Fische  Japans,  in:  Denkschr.  Akad.  "Wiss.  Wien,  1887,  Vol.  53, 
p.   291. 

6)  T.  H.  Beax  ,  Description  of  a  new  species  of  Alepidosaurus  (A. 
aesculapius)  froni  Alaska,  in:  Proc.  uation.  Mus.  Washington,  1883, 
Vol.   5.  p.   661. 

7)  ß.  CoLLETT,   Poissons  provenant  des  campagnes  du  yacht  l'Hiron- 


432  Louis  Dollo, 

C'est-k-diie  un  Poisson  pelag-ique. 

II  est  interessant  de  noter,  plus  completement.  la  nourriture  de 
ce  Predateur\): 

1.  Capros  aper 

2.  Ciihlceps  grac'dis 

3.  Mavrolicns  sj). 

4.  Paralcpis  pseudocoregonoides 

5.  Plagyodiis  sp. 

6.  Scombresox  sa  ums 

7.  Slernojilijx  diaphanns 

8.  SgugiKttlnts  (ie(pioreus 

9.  Trachurus  traehm-us 

C'est-k-dire,  essentiellement,  des  Poissons  pelagiques:  il 
est  donc  bieu  peu  probable  que  notre  Germon  ait  ete  cherclier 
Plagyodus  dans  les  Abysses. 

15.  Ainsi,  rien,  —  ni  la  profondeur  de  capture,  ni  la  nourri- 
ture. ni  les  ennemis,  ni  le  cosmopolitisme.  ni  la  structure  du  squelette, 
—  ne  demontre.  d'une  nianiere  decisive,  que  Plagyodus  est  un 
Poisson  abj'Ssal. 

Toutes  ces  donnees  pourraient  s'accorder  aussi  bieu  avec  Tidee 
d'un  Poisson  pelagique. 

16.  Cela  etant,  abordons  un  autre  ordre  de  considerations. 

II  s'a^it  de  la  Forme  du  Corps  et  des  appareils  exterieurs 
les  plus  niarquants:  nous  avons  vu.  plus  haut,  qu'ils  sont  caracte- 
ristiques  de  1' Adaptation. 

Or: 

Plaggodus  a  —  le  corps  fusifornie  allonge,  —  avec  caudale 
rliipidicerque  echancree,  —  et  premiere  dorsale  veli forme, 
noire  ä  reflets  bleu  d'acier  et  mouchetures  plus  foncees.-) 

Et   aucuu   autre  Paralepidae  ne  possede  la  Dorsale  veliforme.^) 

Mais : 

Histiophorus  a   —  le   cor])s   fusifoi'me   allonge,   —  avec   caudale 


delle    (1885  —  1888),    in:    Res.    Campagnes    sc.    Prince    de  Monaco,    1896, 
p.   119. 

1)  R.   COLLETT,   Poissons   de  rHiiondelle   etc.,   p.   36. 

2)  T.   H.   Beais;,   Description  of  a  new  species  etc.,  p.   662. 

D.  S.  Jordan    and    B.  W.    Eveemann,    The    Fishes    of  Noi-th    and 
Middle  America,   in:   Bull,  nation.  Mus.  Wasliington,   No.  47,    1896,  p.  595. 

3)  L.   DoLliO,   Notolepis   Coatsi  etc.,   p.   59. 


Les  Poissons  Voiliers.  433 

rliipidicerque  ecliancree.  —  et  premiere  dorsale  veliforme. 
bleu  de  Prasse  vif  avec  taclies  sombres.') 

Et  les  autres  Xiphiidac  ue  i)Ossedent  pas  de  Dorsale  veliforme.-) 

Qu'est-ce  ä  dire? 

Kvidemment,  (lue  noiis  iious  trouvons.  encore  une  fois,  en  presence 
d'un  plieiiomene  de  Converg-ence. 

Et  comme  Ilistiophorns  est  uii  Poisson  Voi  Her,  —  ou  adapte 
ä  la  Vie  Pelag-iciue  superficielle,  —  ([ue  Plagyodus  doit  aiissi  etre  uu 
Poisson  Voilier. 

17.  Coiitrölons  par  1' Ethologie,  en  d'antres  termes  par  des 
observations  faites  directement  dans  le  milieu  naturel. 

Pour  commencer.  —  non  seulement  Fkujyodus  pouriait,  et  devrait. 
etre  nn  Poisson  pelagique,  d'apres  les  raisoiis  developpees  ci-dessus, 
—  mais  il  a  ete  frequemment  ])ris  ä  la  surface  de  TOcean,  —  non 
pas  mort.  comrae  les  Poissons  abyssaux  qui  y  flottent  accidentellement. 
mais  bieii  v  i  v  a  n  t. 

C'est  ce  qui  ressort  de  la  lettre  suivaute  de  M.  A.  S.  Jensex 
Conservateur  au  Musee  de  Copenhague: 

..Daus  notre  i\Iusee  se  trouve  un  exeniplaire  groenlandais  du 
Plagyodiis  {Alepisannis)  ferox  Loave,  long  de  1,515  m.  Ce  Poisson 
a  ete  pris  le  1er  Avril  1884.  ü  la  surface  de  la  mer,  avec 
1  a  f  1  e  c  li  e ,  par  1'  E  s  q  u  i  ni  a  u  Ben  j  a  m  i  n.  Localite :  Kagsimiut 
(Lat.  N.  60"  48'\  dans  le  district  de  la  colonie  Julianeliaab,  Groen- 
land  raeridional." 

18.  Bien  niieux.  ou  a  vu  Plagyadus  nager  avec  sa  Dorsale 
veliforme  e  m  e  r  g  e  e : 

,.Tbe  t3'pe  of  tlie  species  was  obtained  at  Iliuliuk,  Unalaslika, 
October  7,  1880.  b}'  'Slv.  Rohert  King,  at  bis  wharf.  Mr.  King  first 
saw  tlie  dorsal  flu  of  tlie  lisli  emerging  from  tlie  water,  and  tbis 
attracted  bis  attention.  Tbe  animal  came  up  into  sboal  water,  and 
acted  as  if  it  meant  to  go  ou  tbe  beacb.  Mr.  King  tbrust  a  spear 
into  it  and  tbus  secured  it."  •') 

19.  Une  derniere  objection,  concernant  la  capture  de  Fk((ßyodus: 


1)  F.   Dat,  Tbe   Fishos   of  India,  Londres   1878—1888,   p.   199. 

2)  A.  Günther,  Catalogue  etc.,  Vol.  2,  p.  511. 

3)  T.   H.   Beax,   Description   of  a  new  species   etc.,  p.   661. 


434  Louis  Dollo, 

„The  Madeiran  species  is  rarely  caught  on  the  deep-sea  liues 
of  the  fishermen."  ^) 

Mais  cela  iie  prouve  rien,  car.  —  tout  comme  Flagijodiis  se 
preiid  avec  le  harpon  (I,  Aleoutieniies)  et  avec  la  ligne  de  foiid 
(Madere),  —  il  eii  est  de  meme  Oi llisHophorus.  et  cela  ne  l'empeclie 
pas  d'etre  iin  Poisson  Voilier: 

„He  States  that  they  have  the  habit  of  resting  quietly  on  the 
surface  in  calm  weather,  with  their  dorsals  expanded  and  acting  as 
sails.  They  are  taken  in  deep  water  with  hook  and  line  or  speared 
when  near  the  surface."  -) 

Cela  montre  tout  simi)]ement  que  ces  Poissons  de  Surface  peuvent 
plonger,  ou  qu'ils  executent  des  Migrations  en  profondeur. 

20.  Tout  en  reconnaissant  que  de  nouvelles  observations 
seraient  hautement  desirables,  —  et  esperant  que  ce  petit  travail 
les  provoquera.  —  nous  pouvons,  je  crois,  conclure,  pour  le 
moment: 

1.  Plagyodus  n'est  pas  un  Poisson  abyssal.  contrairement  ä 
l'opinion  couiante. 

Mais  c'est  un  Poisson  adapte  ä  la  Vie  Pelagique  super- 
ficielle. 

2.  Plagyodus  est  le  Voilier  des  Paralepidae.  comme  Histio- 
phorus  est  le  Voilier  des  XipMidae. 

II  n'y  a  donc  pas  lieu  de  le  placer  dans  une  Familie  speciale, 
comme  on  le  fait  habituellement. 

3.  La  Forme  des  Poissons  s'est.  une  fois  de  plus,  montree 
significative  dans  la  determination  de  l'Adaptation. 

Et  l'Ethologie  s'est  trouvee  d'accord  avec  eile. 

V.  Cetorhuitis  et  Orthaf/oriscus. 

1.  II  y  a  encore  d'auties  Poissons  qui  se  tiennent  ä  la  surface 
avec  Ja  Dorsale  emergee,  mais  cette  nageoire  est,  ici,  tri- 
angulaire,  de  facon  qu'il  n'est  plus  permis  de  la  comparer  ä  celle 
des  Voiliers  typiques. 

2.  C'est,  d'abord,  le  Squale  Pelerin  {Cetorhinus) : 

„The   name   ,Basking  Shark'   has   been  suggested  by   its   habit 


1)  A.   GÜNTHEE,   Report  on  the   deep-sea  Fishes  etc.,   p.   203. 

2)  G.   B.   GoODE,   Materials  for  a  history  etc.,   p.   324. 


Les  Poissons  Voiliers.  435 

of  \yu\g  luotionless  on  the  surface  in  warm  or  calni  weather, 
as  if  baskiiig-  in  the  sun,  witli  its  dorsal  fin  protriiding-  from  the 
water.-'  ^) 

Quel  est  le  but  de  ces  m(purs? 

Comme  un  animal  de  12  metres  a  nne  Dorsale  de  1,70  m  de 
haut  avec  une  base  de  1  metre,  il  y  a,  lä.  nne  snrface,  qui  n'est 
pas  neg'lig'eable. 

D'autant  plus  que  ces  Kequins  voyag-ent  en  tronpe  et 
qu'une  disposition  en  quiuconce  doit  encore  accroitre  la  resistance 
au  vent. 

Seraient-ce  aussi  des  Voiliers? 

N'oublions  pas  qu'il  s'agit.  en  l'occurrence.  d'une  propriete 
extremement  precieuse  pour  un  Organisme  pelagique:  Repos  et 
Economie  de  Force. 

II  ne  serait  donc  pas  etonnant  ([u'elle  soit  plus  re])andue  qu'on 
l'a  crii  Jusqu'a  present,  et  meme  realisee  de  plusieurs  manieres 
dififerentes. 

3.  C'est,  ensuite,  le  Poisson  Lune  [Orthafjorisciis): 

„It  has  been  observed  to  swim  slowly  about,  near  the  surface, 
the  high  dorsal  above  the  Avater."  ^) 

Et,  dans  un  specimen  de  2,50  m,  la  Dorsale  raesure  plus  de 
1  metre  de  haut  avec  une  base  de  0.50  m. 

Le  Poisson  Lune  serait-il,  lui  aussi,  un  Voilier? 

VL  Orca  et  Gloh iocephalns. 

1.  Mais  voici.  maintenant,  que,  par  un  nouveau  phenomene  de 
Convergence,  les  Cetaces  nous  amenent  ä  nous  poser  la  meme 
question  ä  l'egard  de  certains  d'entre  eux. 

On  connait  leur  Dorsale,  qui  n'a  rien  de  commun,  morpho- 
logiquement,.  avec  la  Dorsale  des  Poissons,  et  qui  a  ete  acquise  dans 
l'adaptation  ä  la  Vie  Aquatique  Secondaire  de  ces  ]\lammiferes. 

2.  Elle  manque,  ou  est  faiblement  developpee,  chez  les 
Cetaces  littoraux  {Neomeris,  Ikhuja,  Monodon)  et  chez  les 
Cetaces  fluviatiles  {Inia,  Platanista). 


1)  G.  A,   BouLENGER    and    T.  W.   Bridge,    Fishes,    in:    Cambridge 
nat.  Hist.,  Vol.   7,  Londres    1904,  p.  454. 

2)  G.  A.  BoüLENGER  and  T.  W.  Bridge,  Fishes  etc.,  p.  727. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  "-^S 


436  Louis  DoLLO. 

Elle  atteint  son  maximum  chez  les  Cetaces  pelagiques, 
notamment  chez  Orca. 

Elle  s ' a t r 0 p h i e  chez  les  Cetaces  gigantesques  (Physeter, 
BaIaenopte)'a,  Balaend). 

3.  Quelle  est  sa  fonction? 

On  dit  que  c'est  un  organe  d'equilibre: 

„Die  Function  der  Rückenflosse  ist  eine  sehr  einfache,  sie  ist 
nur  eine  Art  doi'saler  Kiel  zur  Erhaltung  des  Gleichgewichts,  d.  h. 
der  Vermeidung  der  Drehung  um  die  Längsaxe."  ^) 

Soit.  Mais,  alors,  pourquoi  les  Dauphins  littoraux  et  fluviatiles 
en  sont-ils  prives?  Et  pourquoi  l'emersion  de  la  Dorsale  chez  les 
Dauphins  pelagiques  ? 

Ne  serait-ce  pas  plutöt  une  Voile? 

4.  Examinons  ce  qui  se  passe  chez  Orca: 

„L'Orque   a   une   vingtaine  de  pieds,   un  peu  plus  de  5  raetres, 

de  longueur." 

„La  nageoii'e  dorsale  du  male  est  droite  et  tres  elevee;  eile  est 
estimee  ä  1,26  m  en  hauteur,  et  ä  la  base  d'avant  en  arriere,  eile 
mesure  0,316  m,  d'apres  un  animal  echoue  sur  les  cotes  de  Danemark. 
Bessels  a  vu  ces  Cetaces  de  pres,  dans  la  mer  de  Baffin,  et  il  accorde 
k  la  nageoire  dorsale  du  male  meme  le  tiers  de  la  longueur  du 
Corps." 

„II  compare  la  nageoire  dorsale  ä  une  voile  de  canot  (Boot- 
segel)." ^j 

Quant  ä  la  femelle,  sa  Dorsale  a  encore  plus  de  0,60  m  de 
hauteur,  avec  une  base  egale,  dans  un  specimen  de  5  metres.'^) 

Que  fait  l'Orque  de  sa  Dorsale? 


1)  W.  KtJKENTHAL,  Vergleichend-anatomische  und  eutwickelungs- 
geschichtliche  Uutersucliungen  an  Walthieren,  in :  Denkschr.  med.-naturw. 
Ges.  Jena,   Vol.   3,    1893,  p.   265. 

2)  P.  J.  Van  Beneden,  Histoire  naturelle  des  Delphinides  des  Mers 
d'Europe,  in:  Mem.  couronnes  Acad.  Belgique,  8^',  Vol.  43,  1889,  p.  43 
et  47. 

3)  C.  F.  LÜTKEX,  Kritiske  Studier  over  nogle  Tandhvaler  af  Slftgterne 
Tursiops,  Orca  og  Lagenorhynchus,  in :  Dansk.  Videnskab.  Selsk.  Skr., 
1887,  Vol.  4,  p.  358. 


Les  Poisson.«  Voiliers.  437 

„Ce  Cetace  nageait  en  ligne  droite  ayant  seulement  sa  nageoire 
hors  de  l'eau."  ^) 

De  plus,  il  SB  deplace  en  trou})es: 

„TiLESius  a  vu,  assez  commiinement,  dans  la  partie  septentrionale 
du  Pacifiqiie,  des  Orques  nageant  par  groupes  de  plnsieurs  individus, 
les  uns  ä  cöte  des  autres,  comme  un  escadron  de  Iiussards."  -) 

N'est-ce  pas,  lä.  un  cas  analogue  ä  celui  de  Cetorhinns':^ 

5.  De  meme,  Glohiocephalus  voj^age  en  groupes  et  la  Dorsale 
emergee/^) 

0.  Tont  ce  qui  precede  conduit  ä  se  deuiander  si,  parnii  les 
Cetaces  pelagiques,  il  ny  aurait  pas  de  Voiliers. 

Dans  raffirmative,  on  s'expliquerait.  aisement  pourquoi  les  Cetaces 
littoraux  et  les  Cetaces  fluviatiles  n'ont  pas  de  Dorsale,  et  pourquoi 
eile  s'est  atropliiee  cliez  les  Cetaces  gigantesques. 

Quoiqu'il  en  soit.  ä  l'observation  directe  de  decider. 


VII.  Coiicliisioiis. 

1.  Outre  Histiophonts,  on  peut  considerer  comme  presque  certain 
que  PJagijoclus  est  un  P  0  i  s  s  0  n  V  0  i  1  i  e  r. 

2.  II  est  probable  que  Cctorliinus  et  Orthagoriscus  sont  dans 
le  meme  cas,  mais  ä  Taide  d'iine  nageoire  dorsale  de  forme 
differente. 

8.  II  est  possible  qu'Orca  et  Glohiocephalus  representent  les 
Cetaces  Voiliers. 

4.  Comme  Velella  et  Phi/salia.  les  8  i  p  h  0  n  0  p  li  0  r  e  s  V  0  i  1  i  e  r  s.  *) 


1)  E.  G.  Eacovitza,  Cetaces  de  TExpedition  Antarctique  Beige,  in: 
Ees.  Belgica  en   1897,    1898,    1899,  Anvers    1903,  p.  44. 

2)  P.  J.   Van  Bekeden,   Histoire  naturelle  etc..  p.   47. 

3)  H.  BurmeistI':r,  Descripcion  de  cuatro  especies  de  Delfinides  de 
la  Costa  Argeiitina  en  el  Oceano  Atläntico,  in:  An.  Mus.  Buenos  Aires, 
Vol.   1,   1864  —  1869,  tab.  21.  fig.    1. 

4)  K.  Brandt,  Ueber  Anpassungserscheinuugen  und  Art  der  Ver- 
breitung von  Hochseethieren,  in:  Reisebeschreibung  der  Plankton-Expedition, 
Kiel   1892,  p.   345. 

28* 


438  Louis  Dollo,  Les  Poissons  Voiliers. 

5.  Les  Voiliers  s'etendront,  sans  doute,  encore. 

Au  surplus,  l'etude  de  la  Surface  de  la  Zone  Pelagique 
est  pleine  de  promesses, 

6.  La  Forme  des  Poissons,  (|iii  ne  peut  servir  ä  determiner 
la  Parente,  est  caracteristique  de  1' Adaptation. 


Nachdmck  verboten. 
Ubersetzungsreckt  vorbehalten. 


Hymenopteren  aus  Tripolis  und  Barka 
(exkl.  Formicidae). 

Nach    der    Sammlung    von    Dr.    Bkuxo    K  l  a  i»  t  o  c  z    im 

Jahre  1906. 

Von 

Dr.  A.  y.  Schulthess  Kechberg  in  Zürich. 


I.  Bethijlidae.'') 
Sclevoderma  Late. 

1.  S.  sp, 

Tadschura,  18./7. 

II.  Chalcididae. 
Siuicra  Spin. 

2.  S.  iHelanaris  Dalm. 
Bengasi,  28./8. 

Chalets  Fab. 

3.  C.  (lalincuini  Thoms. 
Dernah,  20./8. 

J*teroiiialiis  Sved. 

4.  P.  sp. 
Tripolis,  Juli. 


1)  Die  Familieu  I — IV  bestimnat  durch  Herrn  Prof.  Dr.  0.  SCHMIEDE- 
KKECHT  in  Blankenburg. 


440  A-  ^-  ScHüLTHESs  Rechberg, 

TU.  Braconidae. 
Vlpio  Latk. 

5.  F.  deset'tor  F. 

Aus  den  Steinbrüchen  von  (Tlierran.  westlich  von  Tripolis,  14./7. 

Ht'acon  Fab. 

6.  H,  setniffavHS  Thoms. 
Gharian,  17,9. 

IV.  Ichneumonidae  (Ophiomnae). 

Haru^Upa  P'örst. 

7.  B.  Jiunieralis  Brauns. 

Dernah,  2ö,'8. 

Evania. 

7a.  E.  appendigcister  L. 

Als  Schmarotzer  an  der  KüclieD schabe  {Blattei  orientalis  L.)  über 
die  ganze  Welt  verbreitet. 

Tripolis,  12./9.  „In  der  Stadt  Tripolis,  namentlich  an  Mauerö 
sitzend,  oft  zu  sehen." 

V.  Sphegidae}) 
Scelixyhron  Klug. 

8.  S.  spirifex  L. 

Verbreitet  durch  ganz  Afrika,  Süd-Europa  und  Ost-Asien. 

Tripolis,  Dernah,  Aug.  Nur  in  den  Städten  beobachtet,  aber 
hier  häufig.  Kommt  oft  in  die  Häuser  und  baut  das  kompakte^ 
lehmige  Nest  gern  an  der  Decke  leicht  zugänglicher  Gemächer. 

Am^nopJiila  Kirby. 

9.  A,  heydeni  Dhlb. 
Süd-Europa. 

Gherran,  14./ 7.;  Dernah,  23./8. 

10.  A.  qiiadraticoUls  A.  Costa. 
Bekannt  aus  Syrien,  Ägypten  und  Tunesien. 
Tripolis,  Dernah. 


1)  Meist  durch  Herrn  Kustos  F.  F.  Kohl  in  Wien  bestimmt. 


Hymenopteren  aus  Tripolis  und  Barka.  441 

11.  A.  tf/del  GuiiiLou. 

Mediterraiig-ebiet.  —  Die  australische  A.  suspiciosa  Smith  und 
die  süd-atVikanisclie  .1.  capemis  Dahlb.  sind  eventuell  nur  Varietäten 
von  Ä.  tydei. 

SpJieoc  L. 

12.  S.  xanthocet'us  III.  vav,  apicalis  Guek. 
Afrikanische  Region. 

Tripolis,  27.  7. 

13.  S.  vidiiatus  Christ. 

Ganz  Afrika  und  Süd-Asien  bis  Hongkong-. 
Dernah.  23./8. 

14.  S.  nioesariji  Kohl. 
Süd-Europa,  Kaukasus.  Sarepta. 
Gherran,  14., 7.;  Dernah,  18./8. 

JPhilanthiis  Fab. 

15.  F,  trianffulum  F.  i'ar.  ahdelkader  Lep. 
Paläarktische,  äthiopische  Region. 

Dernah,  20.  8. 

Notofjonia  A.  Costa. 

16.  N.  fiujHta  Lep. 

Auf  den  kanarischen  Inseln,  in  Spanien,  Algerien  und  auf  C3'pern, 
(Ungarn  ?). 

Tripolis,  14./7.;  Bengasi,  29./8. 

Larva  Fab. 

17.  L.  anathema  Rossi. 
Süd-Europa,  Nord- Afrika. 
Bengasi,  28./8. 

TacJit/sjyhex  Kohl. 

18.  T.  2^(ftizeri  v.  d.  L.  vav,  oranlensls  Lep. 
Mittelmeergebiet. 

Tripolis,  19./7.;  Gherran,  13.7.;  Ain  Sarah,  1./8.;  Bengasi,  30./8.; 
Dernah,  25./8. 

19.  T,  n.  sp,  vic.  paiiit;erL 

Mit   dunklen  Flügeln  und  schwarzen  Mittel-  und  Hinterbeinen. 
Plastische  Unterschiede  konnten  nicht  wahrgenommen  werden. 
Dschebel  Gosseba,  16.9. 


442  A.    V.    SCHÜLTHESS   ßECHBERG, 

20.  T,  ßuctnatus  Geest,  et  vaf\ 
Süd-Europa;  tropisches  und  subtropisches  Afrika. 
Tripolis,  1.— 3./8. 

Stiziis  Latk. 

21.  S.  j'ußcornis  Fab. 
Mittelmeerg'ebiet. 
Dernah,  23./8. 

JBenibex  Fab. 

22.  JB.  turca  Dhlb.  var,  thorace  et  abdomine  totis  nigris. 
Mittelnieerg-ebiet. 

Gherran,  14./7.;  Tripolis,  7.7.,  B./S. 
Miscophus  JuK. 

23.  iüf.  ctenopiis  Kohl. 
Arabia,  Tor. 

Tripolis,  8./8. 

24.  jyi.  f/aUicus  Kohl   var:  pedibiis  ex  magna  parte  rufis. 

Tadschura,  18./7. 

Oxyhelus  Late. 

25.  O.  (Notoglossa  Dhlb.)  laineUatus  Oliv. 
Spanien,  Sicilien,  ganze  Nordküste  von  Afrika. 
Dernah,  25./8. 

VI.  PompiUdae.  ^) 
Salius  Fab. 

26.  S.  (Cyphononyx  Dhlb.)  castaneus  Klug. 
Bekannt  aus  Arabien,  Ägj^pten  und  dem  Sudan. 
Tadschura  und  Tripolis,  18.  u.  26./7. 

Pompilus  Fab. 

27.  P.  plumbeus  Schjödte. 

Verbreitet  über  ganz  Europa  bis  zum  Polarkreis  und  die  außer- 
europäischen Mittelmeerländer. 
Tripolis  8./8.;  Dernah  24./8. 

28.  P.  vufteexys  Ev. 

Bekannt   aus  Süd-Rußland,   Transkaukasien,   von  Beyrut.   Syra, 
Korfu  und  aus  Tunis. 
Dernah,  19.— 24.8. 


1)  Bestimmt  durch  Herrn  Kustos  F.  F.  KoHL  in  "Wien. 


Hymenopteren  aus  Tripolis  und  Barka.  44H 

29.  P.  iimhrosffs  Kohl. 

Bekannt  aus  Syrien,  Ägj^pten,  Tunis,  Spanien  und  von  den 
Kanaren. 

Beng-asi  29.  8. 
P.  {Evagethes)  h'Japtocrdl  "n.  sp.  (besclirieben  von  Feanz  Fr.  Kohl). 

Schwarz,  die  3  basalen  Hing-e  des  Abdominalsegmente-Komplexes 
dunkelrot. 

Hüften.  Thorax  oberhalb  der  Hüften  und  Mittelsegment  hinten 
weiß  seidig-  tomentiert. 

Netzaugen  die  Oberkiefer  erreichend.  Kopfform  ähnlich  wie  bei 
trivialis.  Augenabstand  auf  dem  Scheitel  gleich  dem  1.+2.  Geißel - 
gliede,  kleiner  als  in  der  Kopfschildgegend.  P'ühler  ziemlich  ge- 
streckt. 3.  Geißelgiied  fast  um  die  Länge  des  1.  kürzer  als  das  2. 
Schläfen  nur  mäßig  entwickelt;  Mittelsegment  nicht  verkürzt,  ge- 
wölbt, in  der  Mitte  der  ganzen  Länge  nach  seichtrinnig  vertieft. 
Beine  schlank.  Schienen  und  Tarsen  bedornt.  ]\[etatarsus  dei- 
Vorderbeine  an  der  Außenkante  mit  3  Kammdornen,  die  jedoch  nui- 
von  sehr  mäßiger  Länge  sind,  nämlich  nicht  einmal  halb  so  lang  als 
der  Metatarsus.  dem  sie  anhaften.    Klauen  bezahnt. 

Spitzenhälfte  des  VorderÜügels  von  der  Radial-,  2.  Cubital-  und 
2.  Discoidalzelle  an  schwarzbraun,  Basalhälfte  hell  bei  gewisser 
Drehung  milchweiß  reflektierend,  knapp  an  den  dunkelbraunen  Adern 
angebräunt.  Radialzelle  kleiner  als  die  2.  Cubitalzelle;  diese  der 
Dreieckform  genähert.  Eine  3.  Cubitalzelle  fehlt,  daher  diese  Art 
bei  den  sonstigen  bestehenden  Merkmalen  zur  künstlichen  Abteilung 
von  Pompi! MS- Arten  zu  zählen  ist,  die  man  mit  der  Genusbezeichnung 
Evagethes  zu  belegen  pflegt.  Cubitalader  der  Hinterflügel  entschieden 
hinter  dem  Abschlüsse  der  mittlem  Schulterzelle  entspringend. 
Basalader  der  Vorderflügel  interstitial. 

Pompilus  Idaptoczn  gehört  zur  ersten  der  von  mir  in  „Neue 
Pompiliden"  (in:  Verh.  zool.-bot.  Ges.  Wien,  1888,  p.  309)  auf- 
gestellten Artengruppen  und  zwar  zu  den  Formen  mit  nur  2  Cubital- 
zellen. 

Tripolis  (2.8.  190(3.  ?l 

Ob  P.  Idaptocmi  in  einem  engern  verwandtschaftlichen  Vei-hält- 
nisse  zu  P.  sericans  Klug  (Symb.  phys.  Dec.  4.  1834,  Insect.;  tab.  39. 
fig.  11  [?])  steht  oder  vielleicht  gar  mit  ihm  identisch  ist,  läßt  sich 
bei  der  Kürze  der  Beschreibung,  dem  ]\Iangel  an  Angaben  über  die 
Klauenbeschaffenheit  u.  dgl.  nicht  entscheiden. 


444  A.  V.  SCHULTHESS  ReCHBERG, 

VII.  Scolidae. 
Scolia  Fab. 

30.  S.  interstincta  Klug. 
Mittelmeergebiet. 

Dernah  1 8.-24/8. 

31.  S,  mtuD'ii  L. 
Mittelmeergebiet;  Senegal. 
Tripolis.  6.— 8.  8. 

32.  S.  uuit'asciatu  Cyeil. 
Mittelmeergebiet. 

Bengasi,  Ende  August. 

Elis  Fab. 

33.  ^.  thoracica  F. 
33a.  var.  collaris  F. 

Mittelmeergebiet. 

Tripolis,  Juli,  Aug.;  Bengasi,  2.9. 

33b.  vat:  erlophoya  Klug  und  Übergänge  zwischen  Stamm- 
form und  Varietät. 
Tripolis,  Bengasi,   30.  7. — 2./8.     In  Tripolis   und  Bengasi   ebenso 
wie  die  var.  collaris  an  der  Küste  häufig. 

Meria  III. 

34.  31,  tripunctata  Latr. 

Süd-Europa  bis  Mittel-Deutschland  und  Nord- Afrika. 
Dernah,  23./8.;  Bengasi.  30./8. 

VIII.  Mntillidae. 

AptefOffijiui  Late. 

35.  A,  niJokosewltisi  Rad.  (?) 
Kaukasus,  Turkmenien. 
Dschebel  Tegrinna,  19./9. 

Dasijlabris  Rad. 

36.  D.  maura  L. 

Südliches  Mittel-Europa  und  Mittelmeergebiet. 

Funduk  Ergeat,  „Kam  an's  Licht",  20./9. ;  Dschebel  Gosseba,  16./9. 

36a.  var.  arenaria  F. 

Dieselbe  Verbreitung. 

Gherran,  14.7.;  Dernah,  18./8.;  Funduk  Ergeat,  „Kam  aus  Licht", 
20./9. 


Hymenopteren  aus  Tripolis  ximl  Barka.  445 

8üb.  rar.  man<1erstiernii  Rad. 
Kaukasus,  Turkestan. 
Dernali,  23./8.;  Dschebel  Tegriniia,  19./9. 

IX.   Vespidae. 

Etimenes  Fab. 

37.  U.  ^iiaxillosus  D.  Geer  {=  tinctor  Christ). 
Ganz  Afrika. 

Tripolis,  Bengasi,  Dernali,  Juli— Sept. 

38.  E,  coaretatus  L.  var»  mit  roten  Zeichnungen. 
Mittelmeergebiet  bis  Mittel-Deutschland. 

Dernah,  20./8. 

Odynerus  Latr, 

39.  O.  [Lionotus)  chloroticus  Spinola. 
Ägypten. 

Bengasi  7./9. 

40.  O.  {Lionotus)  dmitici  Rossi. 
Südliches  Paläarktien  bis  Mittel-Asien. 
Bengasi,  7./9. 

X.  Äpidae.^) 

Apis  L. 

41.  A.  mellifica  L.  var,  ligustica  Spin. 
Europa  und  Afrika. 

Dernah,  18.— 21./8. 

Podcdirius  Latr. 

42.  P.  quadrifasciatiis  Vill. 
Süd-Paläarktien. 

Dernah,  18.— 20./8. 

42a.  var,  alternatis  Klug. 
Sahara. 
Tripolis,  8./8.;  Bengasi,  29.8. 

Halictus  Latr. 

43.  H.  sp,    Gruppe  leucozonins  Schrank. 
Tripolis,  8,8.;  Dernah,  20./8. 


1)  Bestimmt  von  Dr.  H.  Friese  in  Schwerin, 


446      -A..  V.  ScHULTHEss  Rechberg,  Hymcnopteren  aus  Tripolis  und  Barka. 

Ceratina  Latk. 

44.  C.  callosa  F. 
Verbreitet  durch  ganz  Süd-Europa. 

Auf  blühendem  Rosmarin  an  den  Hängen  des  Dschebel  T'kut,  18. 9. 
Noiiiia  La  TR. 

45.  N.  rußcovnis  Spin. 
Süd-Europa. 

Rengasi,  81./8. 
31e(ßachile  Late. 

46.  M,  avf/entata  F.(?) 
Tripolis,  8./8. 

Anthidiittn  Fab. 

47.  A.  fevrugineiini  F. 
Mittelmeergebiet. 

Aus  den  Steinbrüchen  von  Gherran,  14.,  7. 


Nachdruck  verboten. 
Ubersetzungsrecht  vorbehalten. 


Über  einige 
von  Ch.  Gravier  in  Djibuti  gesammelte  Medusen. 


Von 

Cl.  Hartlaub, 

Königl.  Biülog-.  Anstalt,  Helgoland. 

Hit  Tafel  19    23. 


Vor  einer  Reihe  von  Jahren  übernalim  ich  die  Bearbeitung- 
einer  kleinen  von  Herrn  Ch.  Gravier  zusaminengebrachten  Sammlung 
von  Djibuti-Medusen.  Ich  bedauere,  daß  sich  die  Fertig^stellung 
dieser  Aufgabe  so  sehr  in  die  Läng-e  zog,  und  muß  dafür  insbesondere 
Herrn  Ch.  Geavier  um  Nachsicht  bitten.  Wenn  auch  die  ein- 
gehendere Untersuchung  des  anscheinend  nur  geringfügigen  Materials 
bedeutend  mehr  Mühe  machte,  als  ich  anfänglich  erwartete,  so  lag 
doch  der  Hauptgrund  der  Verzögerung  darin,  daß  ich  durch  andere 
Arbeiten  zu  sehr  in  Anspruch  genommen  war. 

Die  Sammlung  hat  besonderes  Interesse  durch  ihren  Fundort. 
Von  der  ost-afrikanischen  Küste  waren  bisher  nur  einige  Zanzibar- 
Medusen  beschrieben  worden  (Goette,  1886;  Chun,  1896).  Über- 
haupt waren  unsere  Kenntnisse  der  Medusen  des  Indischen  Ozeans, 
als  ich  die  Arbeit  übernahm,  noch  geringe;  inzwischen  aber  sind 
sie  durch  die  Arbeiten  von  Bigelow  (1904),  Browne  (1904.  1905), 
Maas  (1905)  w'esentlich  bereichert  worden. 

Die  von  Herrn  Gravier  gesammelten  Arten  sind  folgende: 

1.   Craspedotae. 

Bougainvülia  fulra  Ag.  et  Mayer 
Zaiiclea  sp. 
Irene  pellucida  Will 
Eutimalphes  modesta  n.  sp. 


448  Cl.  Hartlaub, 

Phialidium  sp. 

Odorchandra  orientalis  n.  sp. 
Amphogona  pusilla  n.  sp. 
Aequorea  parva  Browne 
Liriope  rosacea  Eschh. 

2.   Acraspeda. 
Cassiopeia  andromeda  EsCHH. 

Da  die  Verzeichnisse  der  Zanzibar-Medusen  in  den  erwälinten 
Publikationen  von  Goette  und  von  Chun  von  einigen  Arten  nur 
selir  kurze  und  kaum  noch  genügende  Beschreibungen  enthalten, 
war  ich  bemüht,  das  noch  vorhandene  Material  dieser  Autoren  nach- 
zuuntersuchen  und  ausführlicher  zu  schildei-n.  Ich  wurde  dabei  von 
Heri-n  Prof.  C.  Chun  und  der  Direktion  des  Museums  für  Natur- 
kunde in  Berlin  in  entgegenkommendster  Weise  unterstützt  und 
habe  auch  Herrn  Prof.  Vanhöffen  zu  danken,  daß  er  so  liebens- 
würdig war,  eine  von  Herrn  Gravier  gesammelte  Liriope  zu  begut- 
achten. 

Nach  der  kleinen  vorliegenden  Sammlung  zu  urteilen,  hat  die 
Medusen-Fauna  der  ost-afrikanischen  Küste  sowohl  Beziehungen  zur 
Mittelmeer-Fauna  {Irene  pellucida  Will)  als  zu  den  indischen 
{Aequorea  parva)  und  pazifischen  {BougainviUia  fulva)  Medusen.  Die 
mediterranen  Beziehungen  haben  sicli  auch  —  wie  z.  B.  die  Unter- 
suchung ost-afrikanischer  Anneliden  durch  E.  Ehlers  gezeigt  hat  — 
bezüglich  der  Bodenfauna  erwiesen  und  lassen  auf  eine  weit  zurück- 
liegende Verbindung  zwischen  Mittelmeer  und  Indischem  Ozean 
schließen. 

BougainviUia  fulva  Agass.  et  Mayer  1899, 

(Taf.  19,  Fig.  1—4.) 

1899.  In:  Bull.  Mus.  comp.  ZooL,  Vol.  32,  p.  162,  tab.  2,  fig.  6. 
1902.  In:  Mem.  Mus.  comp.  Zool.,  Vol.  26,  p.  145,  tab.  2,  fig.  8. 
0.  Maas,   1905,  Crasp.  Med.  Siboga-Exp.,    p.   10,    tab.   1,  fig.  8;   tab.   2, 

fig.  9,   10. 
— ,    1906,    Meduses    d'Araboine,    in:    Rev.    Suisse    Zool.,    A^ol.   14,    p.    87, 

tab.   2,  fig.  4,   5. 
?C.   Chun,    1896,  in:   Beiheft   13  Jahrb.   wiss.  Anst.  Hamburg. 
?BlGELOW,    1904,   in:   Bull.  Mus.   comp.  Zool.,   Vol.   39,  p.   252. 

Die  2  Exemplare  haben  eine  Glockenhöhe  bis  zu  8  mm  und 
eine   sehr   dicke    Gallerte.     Die   Glockenhöhle    ist    vierseitig;    das 


Von  Ch.  Gravier  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  449 

Maiuibrium  ist  kurz,  quadratisch,  oline  Mag-enstiel  und  hat  4  radiale 
4mal  dicliotom  verästelte  Muudg-ritfel.  Die  Gonaden  bilden  dicke, 
interradial  getrennte  Polster.  Die  Kadiärkanäle  sind  von  mäßig'er 
Breite.  Die  epaulettförmis'en  Randbulben  sind  weit  voneinander 
getrennt  und  tragen  18 — 20  Tentakel.  An  der  Basis  jedes  Tentakels 
ein  kleiner  axial  gelegener  Ocellus.  Das  Material  wurde  am  13.  Mai 
1904  in  Djibuti  gesammelt. 

Agassiz  u.  Maykr  beschrieben  diese  Art  nach  einem  ganz 
jungen  (1899)  und  einem  reifern  (1902)  Exemplar  von  den  Fidji- 
resp.  Ellice -Inseln.  Das  letztere  hatte  7  Tentakel  an  jedem 
Bulbus.  Es  wird  hervorgehoben,  daß  der  Ocellus  auf  der  axialen 
Seite  des  Tentakels  gelegen  sei  —  was  aber  eine  bei  Bougainvillien 
ganz  allgemeine  Eligenscliaft  ist  — .  und  von  der  genauein  Lage 
der  Gonade  wird  nichts  bemerkt.  Jedenfalls  enthält  die  Beschreibung 
dieser  Autoren  nichts,  was  die  Möglichkeit  ihrer  Identität  mit 
iinsern  Djibuti-Exemplaren  ausschlösse. 

Maas,  der  eine  Anzahl  von  der  Siboga-Expedition  in  der  Nähe 
der  Philippinen  gesammelte  Exemplare  für  B.  fulva  hält,  beschreibt 
bedeutend  ältere  Stücke  und  gibt  von  diesen  verschiedene,  auch 
Einzelheiten  berücksichtigende,  Abbildungen.  Ich  zweifle  nicht,  daß 
Maas  völlig  ausgewachsene  Exemplare  derselben  Art  wie  Agassiz 
u.  Mayer  vor  sich  gehabt  hat,  und  mischte  daher  mein  Djibuti- 
Material  insbesondere  mit  seinen  Angaben  vergleichen.  Es  ergibt 
sich  dabei  namentlich  eine  sehr  auffallende  Übereinstimmung 
in  der  Lage  und  Ausbildungsart  der  Gonaden ,  was  ein  Ver- 
gleich der  MAAs'schen  fig.  10c  auf  tab.  2  mit  unserer  Abbildung 
(Taf.  19,  Fig.  1)  bestätigen  wird.  ]\Iaas  sagt  allerdings,  daß  die 
Gonaden  perradial  durch  eine  in  die  Verlängerung  der  Kadiärkanäle 
fallende  Linie  scharf  getrennt  seien,  wovon  icli  mich  an  den  Djibuti- 
Exemplaren  nicht  überzeugen  konnte,  und  er  gibt  ferner  an,  daß 
die  Radiärkanäle  sich  über  der  Magenbasis  bis  zu  ihrer  Kreuzung 
im  Zentrum  verfolgen  ließen,  allein  ich  lege  diesen  geringen  Ab- 
weichungen von  meinen  Beobachtungen  keinen  Wert  bei.  Es  handelt 
sich  bei  der  vermeintlichen  Verlängerung  der  Radiärkanäle  wohl 
nur  um  die  Kreuzschenkel  des  Magenlumens,  die  bei  Bougainvillien 
mit  scharf  kreuzförmig  eingefallenen  Magenwänden  ganz  allgemein 
in  die  zentripetale  Verlängerung  der  Radiärkanäle  fallen,  und  wie 
sehr  die  radiale  Trennung  der  Gonaden  auf  der  Höhe  von  deren 
Entwicklung  individuell  verwischt  sein  kann,  geht  aus  meinen  früher 
von  andern  Bougainvillien-Arten  gegebenen  Abbildungen  zur  Genüge 


450  Cl.  Hartlaub, 

hervor  (1897,  tab.  15  —  vgl.  auch  Margeiis  maniculafa  Haeckel, 
1879,  tab.  5,  fio-.  4  u.  5).  Benieikenswerter  ist,  daß  die  Endi- 
gungen  der  Mundgiiffel  bedeutend  kugliger  abgebildet  werden,  als 
ich  sie  vorfand,  und  daß  Maas  Exemplare  von  14  mm  Glockenhöhe 
mit  einer  Smaligen  dichotomen  Verzweigung  der  Mundgriifel  und 
20  Tentakeln  in  einem  Bündel  be.schreibt.  —  Die  Tentakel  sollen 
nach  Maas  besonders  kurz  sein.  —  Verglichen  mit  der  außerordent- 
lichen Ausdehnungsfähigkeit  der  Tentakel  mancher  Codoniden  und 
Tiariden,  sind  die  ]\Iargeliden-Tentakel  überhaupt  kurz  zu  nennen. 
Dies  aber  festgehalten,  scheint  mir,  auch  nach  der  Abbildung  nach 
dem  Leben,  die  Maas  1906  nach  einer  Skizze  eines  von  Pictet  u. 
Bedot  gesammelten  Ambüina-Exemplars  gibt,  besondere  Kürze  der 
Tentakel  nicht  vorzuliegen.  —  Die  von  der  Siboga-Expedition  ge- 
sammelten Stücke  wurden  teilweise  in  Vertikalnetzfängen  bis  zu 
1536  m  Tiefe  erbeutet. 

Wahrscheinlich  gehört  zu  B.  fnlva  auch  die  Zanzibar-Art.  welche 
Chun,  erwähnt,  und  vielleicht  auch  Bigelow's  B.  sp.  von  den 
Maldiven.  —  Die  Art  hat  viel  Ähnlichkeit  mit  Botig.  hrütanica 
FoEBES,  vor  allem  in  der  Lage  der  Gonaden.  Sie  unterscheidet  sich 
aber  von  ihr  durch  schmälere  Radiärkanäle,  durch  die  Mundgriftel, 
die  bei  ihr  einen  viel  kürzern  Stamm  haben,  und  auch  durch  die 
Form  der  Ocellen.  Die  Ocellen  sind  bei  B.  hrütanica  (=  B.  hella 
Hartl.)  querstrichförmig  und  oberflächlicher  gelegen  (s.  Taf.  19, 
Plg.  2a),  während  sie  bei  unserer  B.  fulva  von  Djibuti  einen  in  die 
Tiefe  sich  erstreckenden  Zylinder  mit  einem  ziemlich  terminal  ge- 
legenen,  durchscheinenden   Fleck  (Linse?;   bilden  (Taf.  19,  Fig.  2b). 

Von  meinen  2  Exemplaren  ist  das  eine  männlich,  das  andere 
weiblich.  Das  erstere  ist  bedeutend  kleiner,  und  die  Gonaden  sind, 
wenigstens  äußerlich  (in  Übereinstimmung  mit  der  fig.  5,  tab.  2  bei 
Maas,  1906),  interradial  weit  getrennt  (s.  Taf.  19.  Fig.  3).  Bei 
dem  Weibchen  (s.  Taf.  19,  Fig.  1)  stoßen  sie  interradial  fast  zu- 
sammen. Die  Eier  sind  ziemlich  groß  und  nicht  von  einer  follikel- 
artigen,  nesselzelienhaltigen  Membran  umgeben  wie  bei  B.  autmnnalis 
Hartl.  und  flavida  Hartl.,  auch  war  keine  Planulabildung  am 
Manubrium  zu  bemerken  wie  bei  B.  super ciliaris. 

Ich  werde  in  meinen  „Craspedoten-Medusen  des  Nordischen 
Planktons"  bald  Gelegenheit  haben,  mich  nochmals  über  die  ver- 
schiedenen BüugainviUia- Arten  auszusprechen.  Nur  so  viel  möchte 
ich  schon  hier  bemerken,  daß  meine  Boug.  hella  identisch  mit  B. 
hrütanica  Forbes  ist  und  daß  Boug.  principis,  auf  die  hin  Steenstrup 


Von  Ch.  Gravier  in  Djibuti  ofesammelte  Medusen.  451 

1849  das  Genus  Margeiis  o-iündete  und  die  bei  Hakckel  auch  als 
Mcmjelis  aufg-efülirt  wird,  eine  breite  Mag-enbasis  besitzt  und  sich 
somit  von  andern  BougainviUia-Artau.  d.  h.  auch  den  von  Haeckel 
als  Hippocrene  aufg-efiiliiten  Species,  nicht  unterscheidet.  Wenn 
Haeckel  als  Kennzeichen  der  Gattung  Margclis  eine  schmale  Magen- 
basis  im  Vereinigung-spunkte  der  4  Radiärkanäle  annimmt,  so  trifft 
dieser  Charakter  nur  noch  auf  M.  mankiilata  von  Mllafranca  zu, 
die  hoffentlich  bald  einmal  auf  diese  von  allen  Boug'ainvilliden  ab- 
weichende Eigenschaft  nachuntersucht  wird  und  solange  als  einziger 
Vertreter  der  Gattung  Margclis  im  HAF.cKEi/schen  Sinne  weiter  ge- 
führt werden  kann.  Die  übrigen  HAECicEL'schen  JMargelis-Xvi^Xi 
,j-aniosa''  (=  hriUanica  Fokbes)  und  carolinensis  (letztei'e  hatte  ich 
Gelegenheit  darauf  zu  untersuchen)  haben  eine  breite  Magenbasis 
und  würden  somit  zu  Haeckel's  Gattung  Hippocrene  Mertens  ge- 
hören, diese  ist  aber  aus  Prioritätsgriinden  mit  dem  Namen  Bougain- 
villia  zu  benennen. 

ZancTea  sp, 

2  am  24.  Februar  1904  bei  Djibuti  gesammelte  Exemplare,  an 
denen  sich  ihrer  Jugend  und  mäßigen  Konservierung  wegen  kein  be- 
stimmtes Urteil  über  die  Species  gewinnen  läßt.  Die  Cnidophoren 
der  Tentakel  sind  rund.  1  Paar  Tentakel  sind  vollkommen  ver- 
kümmert; das  Manubrium  hat  keinen  .Magenstiel  und  reicht  bei  dem 
größern  der  2  Exemplai'e  bis  fast  zum  Glockenrand.  Die  perradialen 
Nesselstreifen  der  Exumbrella  sind  kurz  und  bilden  kein  Nessel- 
polster. 

Irene  j^eUuelda  Will  1844, 
(Taf.  19,  Fig.  5  und  8—10.) 
Will,  Horae  tergestinae,  p.   70,  tab.   2,   fig.   8 — 11. 

Diese  zuerst  von  der  Adria  (Triest)  beschriebene  und  später 
von  Claus  (1882)  eingehend  behandelte  Qualle  ist  durch  ein  etwa 
10  mm  im  Durchmesser  großes  Exemplar  vertreten.  Die  Tentakel- 
zalil  beträgt  17.  —  Girren  sind  nicht  vorhanden  (cf.  Claus,  1882, 
p.  102);  einer  der  4  Radiärkanäle  teilt  sich  an  seinem  Ende  in 
mehrere  den  Ringkanal  erreichende  Äste.  —  Die  Gonaden  sind  ent- 
wickelt. —  Gallerte  sehr  dick.  —  Mund  tief  4zipflig. 

Ich  zweifle  nicht,  daß  die  von  Stuhlmann  bei  Zanzibar  ge- 
sammelte und   von  Chun  (1896)   erwähnte  Meduse,   die   er   als  der 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  29 


452  Cr.  Hartläüb, 

/.  pellucida  nahestehend  bezeichnet,  mit  dem  Djibuti-Elxemplar 
specifisch  identiscli  ist.  Durcli  die  Freundlichkeit  des  Herrn  Prof. 
Chun,  der  mir  das  ]\raterial  schickte,  konnte  ich  das  Zanzibar- 
Exemplar  nachuntersuchen.  Es  hat  einen  wohlentwickelten  ^lagen- 
stiel.  keine  Girren,  reichlich  28  Tentakel  und  dazwischen  noch  An- 
lag'en  neuer  Tentakel.  Die  Gonaden  sind  g-anz  schmal  linear  und 
gleichen  völlig-  der  CLAUs'schen  Abbildung-  (tab.  43,  fig-.  28).  Sie  er- 
reichen nicht  ganz  den  Schirmrand;  vom  Manubrium  ist  leider  nur 
ein  winziges  Bruchstück  erhalten,  das  keine  Schlüsse  auf  die  normale 
Form  zuläßt. 

Die  ebenfalls  von  Zanzibar  stammende  Meduse,  welche  Goette 
(1886)  als  I.  pellucida  Will  erwähnt,  gehört  wohl  nicht  zu  unserer 
Art.  Ich  habe  auch  dieses  Exemplar  nachuntersucht  und  mich 
überzeugt,  daß  es  keinen  Magenstiel  besitzt.  Der  Magengrund 
(cf.  Taf.  19,  Fig.  8)  zieht  sich  bei  ihm  in  4  ansehnliche  Zipfel 
aus,  an  welche  sich  die  Gonaden  sogleich  anschließen.  Die  Gonaden 
sind  nicht  so  glattwandig  wie  bei  I.  pellucida,  sondern  schwach  ge- 
lappt. Die  tiache  Glocke  hat  einen  Durchmesser  von  ca.  8  mm  und 
16  Tentakel  am  Rande.  Girren  fehlen.  Auch  die  Anordnung  der 
Tentakel  (s.  Taf.  19,  Fig.  9)  ist  bei  dem  GoETTE'schen  Exemplar 
anders  als  bei  unserm  doch  ziemlich  gleichaltiügen  von  Djibuti. 
Während  nämlich  bei  letzterm  in  3  Quadranten  ein  genau  inter- 
radialer und  mitten  zwischen  diesem  und  dem  radialen  Tentakel  je 
ein  weiterer  Tentakel  entwickelt  ist,  fehlt  bei  dem  GoEXTE'schen 
Exemplar  der  interradiale  Tentakel  und  sind  ausschließlich  2  ad- 
interradiale  Tentakel  vorhanden  (cf.  Taf  19,  Fig.  9a).  Der  Besitz 
eines  interi-adialen  Tentakels  bei  dem  Djibuti-Exemplar  stimmt 
aber  wieder  sehr  gut  zu  der  GLAUs'schen  Abbildung  (tab.  3,  fig.  27), 
welche  ein  Triester  Exemplar  mit  8  entwickelten  Tentakeln  dar- 
stellt. 

p]in  Punkt,  der  einen  gewissen  Zweifel  an  der  Identität  des 
vorliegenden  Stückes  mit  1.  pellucida  frei  lassen  könnte,  ist  der, 
daß  bei  dem  von  Claus  (tab.  3,  fig.  27)  abgebildeten  die  Gonaden- 
anlage  sich  im  proximalen  Teil  des  Radiärkanals  befindet,  während 
bei  unserm  diese  Anlage  ganz  distal,  fast  den  Ringkanal  berührend, 
liegt.  Auch  ist  die  Gonade  (s.  Taf.  19,  Fig.  10),  die  etwas  dicklich 
ist  und  an  Dicke  distalwärts  zunimmt,  weniger  einfach  strichförmig 
wie  bei  der  Triester  Form  (nach  Claus)  und  dem  von  Stuhlmann 
bei  Zanzibar  gesammelten  Exemplar.  Ich  überzeugte  mich  aber 
an  Exemplaren,  die  ich  von  Herrn  Prof.  Goei  in  Triest  erhielt,  daß 


Tüll  Ch.  Gkavieu  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  453 

die  Lag-e  der  Gonadenanlage  und  auch  die  Form  der  letztern  durch- 
aus mit  den  Verhcältnissen  unseres  Djibuti-Eyemplars  übereinstimmt. 

Über  die  Lage  und  die  Zahl  dei-  Hürbläschen  vermochte  ich  am 
vorliegenden  Exemplar  leider  nichts  Sicheres  festzustellen.  Claus 
gibt  an.  daß  die  jungen  I.  pellucida  von  Triest  auf  einem  Stadium 
von  5 — 6  mm  im  Durchmesser  und  8  Tentakeln  schon  '24  Geliör- 
bläschen  besitzen. 

Bei  Helgoland  kommt  diese  Art.  trotz  früherer  Angaben  darüber 
(cf.  BÖHiM.  \).  181  etc.)  nicht  vor,  wohl  aber  eine  naheverwandte 
Art;  sie  wurde  zum  erstenmal  im  August  dieses  Jahres  in  ziem- 
licher Menge  beobachtet  und  findet  sich  in  meinen  frühern  Berichten 
über  die.  Medusen  Helgolands  noch  nicht  erwähnt.  Sie  unterscheidet 
«ich  von  der  Triester  Irene  besonders  durch  eine  geringere  Otolithen- 
zahl  in  den  Randbläschen,  die  als  Regel  2  beträgt;  offenbar  ist 
diese  Irene  identisch  mit  Geryonopsis  delicatula  Korbes,  und  es  liegt 
kein  Grund  dafür  vor,  nicht  auch  7.  viridnla  (Pkr.  et  Les.)  auf  sie 
zu  beziehen.  Mehrfach  wurde  aber  bislier  unter  dem  Namen  J. 
viridnla  noch  eine  andere  Meduse  verstanden,  nämlich  eine  ähnliche, 
bei  Helgoland  sehr  gemeine,  zuerst  (1874)  von  F.  E.  Schulze  ab- 
gebildete Eucopide.  Sie  unterscheidet  sich  durch  den  Besitz  von 
Girren  und  durch  Mangel  der  für  die  Gattungen  Irene  und  Tima 
charakteristischen  Mundarme  von  diesen  beiden  Gattungen  generisch, 
und  ich  habe  daher  in  meiner  Bearbeitung  der  „craspedoten  Medusen 
des  Nordischen  Planklon"  einen  neuen  Gattungs-  und  Artnamen 
(Helgicirra  sclmlm  n.  y.  n.  S2J.)  für  sie  geschaffen.^) 

Was  die  von  Claus  (1882.  p.  9,  19,  20)  geäußerte  Ansicht 
betrifft,  daß  als  vornehmlicher  Unterschied  zwischen  den  Gattungen 
Irene  und  Tima  der  Mangel  resp.  Besitz  von  Cirren  in  Betracht 
käme,  so  sei  Folgendes  festgestellt.  Die  Gattung  Tima  im  Haeckel- 
schen  Sinne  umfaßt  2  generisch  zu  trennende  Artengruppen,  nämlich 
Tima  flavilahris  Eschscholz  und  andrerseits  T.  hairdii,  formosa  und 
teusclieri.  Diese  3  letztern  Arten,  die  als  bestbekannte  Vertreter 
Claus  im  Sinne  gehabt  haben  dürfte,  trenne  ich  als  Gattung 
Timona  n.  g.  ab.  Für  sie  gelten  als  Gattungscharaktere  der  Besitz 
von  Mundarmen,  eine  meist  sehr  beschränkte  l'entakelzahl.  mächtig 
€ntwickelte.  seitlich  komprimierte  Tentakelbulben.  i\Iangel  von  Ex- 
cretionspapillen  auf  der  Innenseite  des  Ringkanals,  Besitz  von 
konischen  Warzen  (hairdii.  formosa)   oder  Nebententakeln   (teuschei'i) 

1)  Vgl.  C.  Hartlaub,  Uebei-  Thaumaatias  pilosella  und  das  neue 
Lafoeiden-Genus  Cosmetira,  in:  Zool.   Anz.,   1909. 

29* 


454  ^'i'-  Hartlaub, 

auf  der  Außenseite  des  Glockeurandes  und  walirsclieinlich  (nur  für 
T.  hairdü  und  formosa  naclig-ewiesen )  eine  späteintretende  mit  Meta- 
morphose verbundene  Geschleclitsreife.  Keine  dieser  Eigenschaften 
ist  von  der  noch  wenig  bekannten  Tima  flamlahris  nachgewiesen, 
die  eine  Qualle  mit  einfachen  Mundlippen  und  zahlreichen  Tentakeln 
zu  sein  scheint.  Die  Gattung  Timona  aber  zeigt  bezüglich  des 
Cirrenbesitzes  bei  ihren  Arten  ein  verschiedenes  Verhalten.  T. 
hairdii.  die  ich  genau  untersuchte,  und  T.  formosa  Ag.  entbehren 
der  Girren,  während  solche  bei  T.  tcuscheri  vorhanden  sind.  Mithin 
kann  also  gerade  das  Vorhandensein  oder  Fehlen  von  Girren  zur 
Unterscheidung  von  Irene  und  Timona  nicht  herangezogen  werden,, 
was  bei  den  zahlreichen  andern  Unterscheidungsmerkmalen  auch 
kein  Unglück  ist  (vgl.  Hartlaub,  1909,  a.  a.  0.). 

Den  Mangel  von  Randeirren  finden  wir  auch  bei  der  von  Goette 
und  später  von  Chun  (1896),  von  Maas  (1905)  ^)  und  von  Browke 
(1905)  beschriebenen  Gattung  Irenopsis  Goette.  einer  im  Indischen 
Ozean,  wie  es  scheint,  weit  verbreiteten  ßstrahligen  Eucopide.  — 
Daß  die  Vierstrahligkeit  als  Familiencharakter  der  Eucopiden  nicht 
länger  allgemeine  Gültigkeit  hat.  beweisen  auch  die  östrahligen 
Pseudoclytia  pentata  Mater  von  den  Tortugas  und  Ps.  gardinieri 
Browne  von  den  Maldive  Islands.  Auch  die  8s tr ahlige,  von 
Haeckel  zu  den  Aequoriden  gezählte  Gattung  „Oc/oca«wa"  wird  von 
Maas  —  und  Browne  (1905)  schließt  sich  ihm  darin  an  —  zu  den. 
Eucopiden  gerechnet. 

Eutinialphes  ntodesta  n.  «/>. 

(Taf  19,  Fig.  6,  7.) 

Die  vorliegende  kleine  Eucopide  fällt  streng  genommen  nicht 
unter  die  HAECKEL'sche  Diagnose  des  Genus  EuHmalphes ,  weil  ihre 
Girren  nicht  zerstreut  zwischen  den  Tentakeln  stehen,  sondern  an 
der  Basis  derselben.  Auf  diese  eine  Abweichung  hin  ein  neues 
Genus  zu  gründen ,  scheint  mir  indessen  vorläufig  nicht  notwendig 
zu  sein,  und  ebenso  hat  Mayer  (1900)  offenbar  geurteilt,  indem  er 
Irene  coendea  L.  Ag.,  bei  der  ebenfalls  die  Girren  auf  die  Seite 
der  Bulben  beschränkt  sind,  zu  dem  Genus  Eutimalplies  stellte. 

Das  vorliegende  Exemplar  hat  einen  Durchmesser  von  etwa  8  mm. 
Die  Glocke  ist  flach  und  die  Gallerte  weich.  Das  Manubrium  hat 
einen  langen  Magenstiel  und  hat  mit  diesem  etwa  die  Länge  eines 
Radius  der  Glocke.     Der  Magen  selbst  ist  von  mittlerer  Länge  (vgL 

1)  Bei  M.\AS   zum   erstenmal   abgebildet. 


Von  Cir.  Gkavikr  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  455 

Fig-.  7)  und  endigt  4zipflig-.  Die  4  Eadialkaiiäle  sind  eng-.  Die 
Gonadenanlage  ist  linear  und  ein  wenig-  nielir  dem  ]\rag-enstiele  als 
dem  Glockenrande  genähert.  Die  Kadiärkanäle  am  Magenstiele 
zeigen  keine  Spur  von  Gonadenanlage,  und  es  ist  auch  niciit  an- 
zunehmen, daß  das  junge  Exemplar  zu  der  Artengruppe  mit  Gonaden 
am  ]\Iag-enstiel  gehört .  da  die  zu  diesen  gehörigen  Eucopiden  wie 
z.  B.  Odorchis  und  Odorchandra  Randtentakel  besitzen,  die  ohne 
bulböse  Anschwellung-  vom  Glockenrand  entspringen,  während  bei 
unserer  Art  ein  sehi'  prononcierter.  vom  Tentakel  stark  abgesetzter 
Marginalbulbus  entwickelt  ist.  —  Unser  Exemplar  hat  14  ausge- 
bildete Tentakel  res]),  zwischen  je  2  radialen  Tentakeln  3  stärkere 
Marginalbulben  mit  Tentakel  und  dazwischen  noch  eine  oder  mehrere 
Anlagen  von  Tentakeln.  Die  4  perradialen  Tentakelbulben  sind  nicht 
durch  besondere  Dicke  ausgezeichnet.  Auf  jeder  Seite  eines  Marginal- 
bulbus, und  an  diesen  dicht  angeschlossen  entspringen  ein  oder 
seltner  2  Girren.  An  der  Basis  der  subumbrelhii'en  Seite  der 
Marginalbulben  erhebt  sich  eine  mit  Xesselzellen  besetzte  Excretions- 
papille.  —  Die  8  Otolithenbläschen  sind  gi'oß  und  ([uer  oval.  Die 
Zahl  derselben  war  leider  nicht  mit  aller  wünschenswerten  Sicher- 
heit festzustellen  und  die  Zahl  der  Otolithen  gar  nicht. 
Djibuti.  14.  Mai  1904. 

?  JPhialidhini  sp. 

(Taf.  20,  Fig.  8-10.) 

Die  Sammlung  enthält  eine  schlecht  erhaltene,  wahrscheinlich 
der  Gattung  Phialidium  zugehörige  Eucopide.  —  Das  subumbrellare 
Ectoderm  und  die  Radiärkanäle  sind  nicht  erhalten. 

Das  Exemplar  hatte  wohl  keinen  normalen  Bau;  wie  aus  Taf.  20, 
Fig.  8  ersichtlich  ist,  ist  einer  der  Quadranten  der  Scheibe  bedeutend 
schmäler  als  die  3  andern;  auch  das  kleine  41appige  Manubrium 
(Taf.  20,  Fig.  9j  macht  einen  anormalen  Eindruck:  deutlich  er- 
kennt man,  daß  es  wie  bei  Beowxk's  Fli.  tenue  (cf.  Browne,  1904. 
tab.  54,  fig.  4)  von  einer  zentralen  Verdickung  der  dorsalen  Gallerte 
entspringt.  Die  Eandbulben  sind  sehr  klein.  Von  den  Tentakeln 
(Taf.  20.  Fig.  10),  deren  Zahl  auf  etwa  25  zu  schätzen  ist.  sind  nur 
die  basalen  Stummel  stellenweise  erhalten.  Zwischen  den  Tentakel- 
bulben sind  keine  andern  .,rudimentären  Tentakel  erkennbar,  womit 
das  Exemplar  also  nicht  unter  das  MAAs'sche  (cf.  Maas,  1905.  p.  32) 
Subgenus  ,.Phkducn(m-'  fällt.  Otolithenbläschen  waren  auch  nicht 
nachzuweisen,  ebensowenig  Girren.    Stellenweise  hatte  der  Glocken- 


456  Ci>.  Haktlaub, 

rand  schwache  Anschwelluiif^en  zwischen  den  Bulben.  Das  Velum 
dürfte  eine  sehr  zarte  Struktur  besessen  haben,  da  es  nirgends  er- 
halten ist.  —  Von  den  Radiäi'kanälen  war  deutlich  nur  das  distale 
Ende  erkennbar  mit  einem  Stück  der  Gonade,  das  ziemlich  dicht  an 
den  Schirmrand  herantritt,  ohne  ihn  zu  berühren.  —  Die  schlechte 
Erhaltung  läßt  eine  bestimmte  Genusdiagnose  nicht  zu.  —  Manches 
spricht  dafür,  daß  es  sich  um  ein  abweichendes  Exemplar  von 
Irenopsis  Iwxanemalis  Goette  handeln  könnte.  Wie  ich  sehe,  hat 
Browne  (1900)  die  von  ihm  beschriebene  Art  Phialidiiim  temte  von 
den  Maladiven  wieder  eingezog-en  und  das  betreffende  Exemplar 
nach  Vergleich  mit  zahlreichen  Irenopsis  hexanemalis  als  abweichendes 
Exemplar  dieser  letztern  Meduse  aufgefaßt  (1.  c,  p.  143,  144).  In 
demselben  Jahre  hat  andrerseits  Maas  die  BROwxE'sche  PJi.  temie- 
als  Phialidium  bestehen  lassen  und  sie  nicht  mit  Irenopsis  hexanemalis- 
Goette,  die  er  gleichzeitig  untersuchte  und  abbildete,  vereinigt. 
Beide  Autoren  standen  zahlreiclie  Exemplare  von  Irenopsis  zur  Ver- 
fügung. Mir  scheint,  daß  von  diesen  zwei  ganz  unabhängig  von- 
einander und  fast  gleichzeitig  publizierten  Anschauungen  die 
BROWNE'sche  den  Vorzug  verdient.  Aber  Maas  ^)  dürfte  wohl  in 
anderer  Hinsicht  recht  haben,  wenn  er  nämlich  Ph.  tenue  Browne. 
für  identisch  mit  der  früher  schon  von  Bigelow  beschriebenen  PIk 
virens  und  vielleicht  auch  Miirocoma  mhemjha  Ag.  et  Mayer  (1899) 
erklärt,  und  es  w^ürden  danach  auch  diese  beiden  letztern  Arten  als- 
Synonyme  von  Irenopsis  hexanemalis  zu  gelten  haben.  —  Unser 
Phialidium  (?)  von  Djibuti  wage  ich  keiner  dieser  Arten  als  identisch 
anzureihen,  weil  es  durch  einen  besonders  zarten  Glockenrand  und 
auffallende  Kleinheit  der  Marginalbulben  von  ihnen  abweicht  (vgL 
unter  Beachtung  der  Vergrößerungen  meine  Taf.  20,  Fig.  10  mit 
den  von  Maas  (1905,  tab.  6,  fig.  38,  39,  40)  und  von  Browne  (1905, 
tab.  3,  fig.  5 — 8)  gegebenen  Abbildungen  der  Irenopsis  hexanemalis 
Goette. 

Aus   dem  westlichen  Teile  des  Indischen  Ozeans  wurde  bisher 
kein  Phialidium  bekannt. 

OctorcJiandra  orfenfalis  n.  sp, 

(Taf.  20,  Fig.  1—5.) 

Glocke    flachgewölbt     und     breit.      Durchmesser    des     großem 
Exemplars  ca.  15  mm.    Gallerte  fest.    Magenstiel  vierkantig,  relativ 


1)  cf.  Maas,   1905,   li<06. 


Von  Ch.  Gravier  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  457 

kurz,  etwa  gleicli  dem  Halbmesser  der  Glocke.  Manubrium  an- 
scheinend ziemlich  kurz,  Mundlappen  nicht  eingeschnitten  und  ziem- 
lich o^rob  gekraust.  Die  Radiärkanäle  unterhalb  der  Oonaden  des 
Magenstiels  beträchtlich  verdickt  und  oralwärts  sich  erweiternd. 
Der  übrige  Teil  der  Radiärkanäle  sehr  schmal.  Die  Gonaden  der 
Glocke  sind  schmal  und  erstrecken  sich  fast  vom  Ringkanal  bis 
zum  Ansatz  des  Magenstiels.  Die  Eiei-  sind  rundlich.  Es  sind  13 
entwickelte  Tentakel  vorhanden,  außerdem  in  2  (Quadranten  noch 
ein  deutlich  in  P^ntstehung  begrilfener  Tentakel.  Die  Basis  der 
Tentakel  (s.  Tat.  20,  Fig.  4)  genau  wie  bei  dei-  Helgoland  er  Odor- 
clauidra  ohne  bulbüse  Erweiterung.  Die  zwischen  je  2  perradial 
gelegenen  Tentakeln  liegenden  Tentakel  haben  adinterradiale 
Stellung.  Rand  Warzen  (Taf.  20,  Fig.  4)  schwach  entwickelt  und 
nur  auf  der  exum  bre Ilaren  Seite  des  Radiärkanals.  8  quer- 
ovale große  Randbläschen.  Ciri-en  an  dem  großen  Exemplar  nicht 
vorhanden  (wie  bei  0.  variabilis.  cf.  Brooks),  an  dem  kleinern,  auf 
dem  Ociorchis-StRdmm  befindlichen,  aber  an  den  Seiten  einiger 
weniger  Tentakelknospen  erkennbar. 

2  Exemplare,  Djibuti,  24.  Febr.  1904. 

Diese  Art.  die  ich  mit  keiner  der  wenigen  bisher  beschriebenen 
Species  identifizieren  konnte,  zeichnet  sich  im  Vergleich  mit 
0.  germanica  dui'cli  einen  sehr  schmalen  nur  eiiiseitig  und  unauf- 
fällig mit  Rand  Warzen  besetzten  Riiigkanal  aus.  Aus  dem  kleinern 
6  mm  im  Durchmesser  messenden  Stücke  wai-en  die  Randwarzen 
deutlicher  entwickelt,  aber  auch  hier  nur  auf  der  äußern  Seite  des 
Ringkanals.  Die  Art  nähert  sich  in  dieser  Hinsicht  der  Gattung 
OctorcMdimn.  der  tetranemal  bleibenden,  im  .Alittelmeer  lebenden 
Vertreterin  der  Odorchandra  nahestehenden  Eutimiden.  —  0.  orientalis 
dürfte  sich  außerdem  durch  ansehnliche  Größe,  festere  Gallerte  und 
einen  verhältnismäßig  kurzen  Magenstiel  vor  andern  auszeichnen. 

Odordiandra  ist  eine  Gattung,'  von  der,  soviel  ich  weiß,  seit 
Haeckel's  Monographie  keine  neue  Arten  beschrieben  worden  sind; 
wohl  aber  ist  die  Zahl  (3)  der  bei  ihm  beschriebenen  Arten  durch 
Bkooks  um  eine,  nämlich  Eidima  mira  McCrady,  vermehrt  worden. 
Die  Gattung  umfaßt  jetzt  die  2  amerikanischen  Species  mira  und 
variabilis,  die  deutsche  0.  (jermanica  Haeckel,  die  canarische  0. 
canariensis  Haeckel  und  unsere  neue  Art.  —  Brooks  (1885),  der 
die  2  amerikanischen  Species  ausführlich  beschreibt  und  abbildet, 
stellte  fest  (p.  394),  daß  ..Eutima-'-  mira  McCkadt  als  Regel 
8  getrennte  Gonaden   habe,   und   somit  gehört  sie  zu  den  als  Odor- 


458  Cl.  Hartlaüb. 

Chandra  zusammeng'efaßten  Formenkreis.  Brooks  möchte  die  sämt- 
Jiclien  von  Haeckel  als  Euiünidae  zusammeng'efaßten  Genera  als 
Eutima  im  McCKAüY'schen  Sinne  noch  vereinig-t  wissen,  weil  die 
von  Haeckel  als  Trenniing'smerkmale  benutzten  Genus-Eig-enschaften 
nicht  konstant  seien.  Ich  kann  ihm  darin  aber  nicht  beistimmen, 
sondei'u  glaube,  daß  das  normale  Verhalten  den  Ausschlag  zu  geben 
hat  und  eine  Zerlegung  des  Genus  Eiiiima  McCradt  in  verschiedene 
Gattungen  wohl  zuläßt. 

Die  Inkonstanz  gewisser  Eigenschaften  ist  bei  dieser  ganzen 
Artengruppe  allerdings  sehr  bemerkenswert.  Von  den  gewöhnlich 
getrennten  Gonaden  der  Octor Chandra- Arten  kann  (bei  mira,  variahilis 
und  germanica)  individuell  eine  oder  die  andere  ausschließlich  ent- 
wickelt sein,  ferner  fand  Brooks  Exemplare  von  0.  mira  McCrady, 
bei  denen  die  Gonade  der  Subumbrella  kontinuierlich  in  die  des 
Magenstiels  überging,  insofern  auch  die  zwischenliegende  Strecke 
des  Radiärkanals  Eizellen  enthielt.  —  Ebenso  ist  die  Inkonstanz  des 
Cirrenbesitzes.  der  sich  ja  auch  an  den  2  von  Djibuti  vorliegenden 
Exemplaren  kundgibt,  für  unsere  Artengriippe  sehr  bezeichnend. 
Der  0.  variahilis.  welcher  Haeckel's  Diagnose  72  Girren  zuschreibt, 
fehlen  nach  Brooks  als  Regel  Girren  vollständig,  und  doch  fand 
Brooks  ein  jüngeres  Exemplar  (..probabl}^  a  4  tentacled  stage  of 
this  species).  welches  an  einigen  „marginal  enlargments"  Girren  be- 
saß. Da  ein  ähnliches  Verhalten  die  2  Djibuti-Exemplare  zeigen, 
liegt  möglicherweise  ein  mit  dem  Alter  eintretender  Cirrenschwund  vor. 

Die  Inkonstanz  der  Girren  mag  auch  Haeckel  veranlaßt  haben, 
der  Gattung  Eutimimn  Girren  abzusprechen;  wie  ich  schon  1894 
bemerkte,  ist  der  Glockenrand  von  EuHmium  eleplias  Haeckel  mit 
zahlreichen  Girren  und  Eandwarzen  besetzt.  Damit  fällt  auch  jeder 
Grund  weg,  diese  Art  als  Genus  und  Species  von  Sijphonorhynchns 
insignis  Keeerstein  {Eutima  bei  Haeckel)  zu  trennen.  Wohl  aber 
ist  zu  erwägen,  ob  sie  bei  Eutima  zu  belassen  oder  besser  mit  den 
andern  verwandten  Arten,  welche  die  Gonade  auf  den  Magenstiel 
beschränkt  haben,  zu  vereinigen  ist;  sie  würde  dann  zum  Genus 
Saphenia  zu  stellen  sein,  ebenso  wie  die  Gattung  Eutimeta  Haeckel 
(EtUimeta  gentiana,  ('anar.  L). 

Leider  spi-icht  sich  Brooks  nicht  über  den  Charakter  der  Kand- 
warzen  bei  0.  mim  und  variahilis  aus.  ob  sie  auch  auf  der  sub- 
umbrellaren  Kanalseite  entwickelt  sind  oder  dort  fehlen.  Wäre 
letzteres  der  Fall,  so  würde  ich  trotz  der  Aveiten  Trennung  der  Fund- 


Von  Ch.  Gravier  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  459 

orte  sehr  in  Versuchung-  sein,   die  Djibuti-Exemplare  der  McCbauy- 
schen  0.  variahüis  zuzurechnen. 

Abg'esehen  nämlich  von  der  Glockenforni.  der  relativen  Kürze 
des  Pedunkels  und  dem  Fehlen  der  ('irren  ist  bei  den  Arten  noch  eine 
Eig'enschaft  der  peripheren  Gallerte  übereinstimmend  vorhanden,  welche 
Brooks,  allerding-s  nur  von  einem  tetranemalen  Exemplar  dei"  0.  varia- 
hüis und  von  0.  nimt  als  ,.hood  like  outgrowths  from  the  umbrella" 
schildert,  die  sich  über  die  Basis  der  Tentakel  ei'strecken.  Von  0.  mira 
sagt  Brooks:  ,Jn  an  oral  oi'  an  aboral  view.  the  outline  of  the  umbrella 
is  not  circular  but  produced  to  form  four  rounded  radial  projections 
or  hoods  over  the  basis  of  the  tentacles.''  Ähnliche  Verdickungen 
der  Glockeng-allerte  über  der  Tentakelbasis  besitzt  unsere  Odor- 
cliandra  von  Djibuti,  und  zwar  sind  sie  nicht  auf  die  Perradien  be- 
schi'tinkt  (einem  allei"ding-s.  wo  der  Eadiärkanal  auf  einen  Tentakel- 
stunimel  zuläuft,  während  der  ])lanmäß:g  zugehörige  Haupttentakel 
etwas  zur  Seite  liegt,  fehlt  die  Kappe),  sondern  auch  an  eini.gen 
andern  Tentakeln  deutlich  vorhanden,  ja  es  zeigt  sogar  stellenweise 
die  periphere  Kontur  dei' Glockengallerte  breite  Radiäranschwellungen 
resp.  Einfurchung-en.  unabhängig  von  der  Tentakellage. 

Aequorea  jxirva  Browne  1905. 
(Tafel  21.  Fig.  1—6.) 

Browne,    1905,    lleJusae,    in:    Herdmax,    Rep.    Peax-]    Oyster  Fisherios 
Suppl.   ßep.   27,  p.    146,   tab.   2,   fig.   5,   G,   7. 

Von  dieser  Aequoride  liegen  2  Exemplare  vor.  eins  von  7  und 
eins  von  10  mm  Scheii)endur(;hniessei'.  Glockenhöhle  flach,  Gallerte 
dick.  Magen  flach,  etwa  ^3  des  Scheibendurchmessers  einnehmend: 
Mundötfnung  wahrscheinlich  von  sehr  veränderlicher  Weite,  bei  dem 
größern  mit  28  perradialen,  ziemlich  langen,  schmalen  Mundlippen. 
Letztere  nicht  gelappt,  sondern  glattrandig,  ihre  Verstärkungsleiste 
(„external  rib"  Browne)  setzt  sich  spornartig  ziemlich  lang  in  die 
Magenwand  fort,  spitz  auslaufend  und  in  einen  kurzen  Radiärmuskel 
übergehend.  —  Bei  dem  giüßejn  28  unverzweigte  Radiärkanäle  mit 
entwickelter  Gonade;  dazwischen  noch  einige  wenige  ohne  Gonade, 
die  den  Schirmrand  nicht  erreichen;  Kanäle  schmal,  von  rundem 
Querschnitt,  in  der  Gonadengegend  aber  lamellenartig  in  die  Glocken- 
höhle vorspringend.  Gonaden  etwa  halb  so  lang  wie  dei-  Kanal,  die 
beiden  Enden  desselben  freilassend;  4  perradiale  Randtentakel  von 
kräftigem  Bulbus   entspringend,  außerdem  in  jedem  Quadranten  ca. 


460  Cl.  Hartlaub, 

18 — 22  kleine  tentakellose,  mit  Nesselzellen  gespickte  Marginalbulben^ 
von  denen  der  genau  interradial  gelegene  etwas  giößer  als  die 
andern  ist  und  die  keine  regelmäßige  Lagebeziehung  zu  den  Radiär- 
kanälen  erkennen  lassen.  Die  kleinen  Bulben  tragen  einen  einfachen 
Ocellus;  außerdem  sind  am  Rande  zahlreiche  Gehörbläschen  mit  je 
2  Otolithen  vorhanden,  meist  2  zwischen  je  2  der  kleinen  Marginal- 
bulben. —  Velum  schmal.  —  Die  Gonaden  sind  hell  rötlich-gelb  ge- 
färbt, die  sonstige  Meduse  ist  farblos.  —  Auch  das  kleinere  Exemplar 
hat  4  Tentakel  und  bereits  entwickelte  Gonadenanlagen  in  ca.  16 
bis  18  Radiärkanälen.     Es  ist  weniger  gut  erhalten. 

Djibuti,  13.  Mai  1904,  2  Exemplare. 

Die  Art  ist  durch  sehr  geringe  Größe  und  die  geringe  Tentakel- 
zahl ausgezeichnet.  Bei  der  guten  Entwicklung  der  Gonaden  und 
dem  gänzlichen  Fehlen  Jüngern  Tentakelnachwuchses  ist  kaum  an- 
zunehmen, daß  es  sich  um  eine  Jugendform  handelt,  wenn  auch  eine 
mäßige  Größenzunahme  über  das  vorliegende  Maß  hinaus  für  die 
Species  nicht  ausgeschlossen  ist.  Sehr  eigentümlich  ist  der  Besitz 
von  Ocellen.  Ich  finde  Ocellen  von  der  ,,Mesonema  macrodacfißum^' 
erwähnt,  die  Chun  von  Zanzibar  beschreibt;  es  heißt  da  ..nach 
Stuhlmann's  Angaben"  sollen  8  hellblaue  Flecke  vorhanden 
sein.  Ferner  schreibt  A.  G.  Mayek  (1900,  p.  60j  von  Zyt/odadyla 
cubana:  „The  tentacle  bulbs  possessed  excretion  papillae  and  were 
further  distinguished  by  the  fact  that  there  were  two  entodermal 
green  pigment  spots  one  on  either  side  of  the  bulb.  These  spots 
had  the  appearance  of  ocelli,  but  we  do  not  venture  to  State  that 
they  are  such."  ^)  Bei  unsern  Djibuti-Exemplaren  habe  ich  die 
Ocellen  (Taf.  21,  Fig.  2),  als  ich  das  Material  erhielt,  mit  aller 
Deutlichkeit  gesehen  und  auch  sofort  auf  meiner  Totalabbildung 
eingezeichnet;  ich  fand  bei  dieser  ersten  Untersuchung  die  Hör- 
bläschen nicht  und  glaubte  daher  eine  aequoridenartige  Thaumantide 
vor  mir  zu  haben.  Bei  der  einige  Jahre  später  gemachten  Nach- 
untersuchung, bei  welcher  ich  ein  kleines  Stück  des  Glockenrandes 
freipräj)arierte,  fand  ich  aber  die  Hörbläschen  (Taf.  21.  Fig.  6),  da- 
gegen von  den  Ocellen  kaum  noch  Spuren.  Das  Pigment  derselben 
dürfte  daher  von  den  Konservierungsflüssigkeiten,  insbesondere 
Formalin,  bald  gelöst  werden.  —  Deutlich  fand  ich  auch  bei  dieser 


1)  Natürlich  meine  auch  icli,  wenn  ich  kurzweg  von  Ocellen  bei 
unserer  Art  spreche,  nur  den  äußern  Eindruck  der  vorhandenen  Pigment- 
anhäufungen. 


Von  Cir.  Ghavieh  in  Djihuti  ijesaminelte  Medusen.  4(il 

g'eiiauern  Unteisuclmng  die  kleinen  ..Kxcretionspapillen"  (Taf.  21, 
Fig.  5)  auf  der  Subiimbiellarwand  des  Ringkanals.  Sie  sitzen,  je 
eine  der  Mündung-  eines  jeden  Kadiärkanals  g:egenüber,  am  untern 
Rande  des  Ring-kanals.  dicht  an  der  Insertion  des  Velunis.  —  Be- 
züglich der  Verschlußfähig-keit  des  ]\[undes  möchte  ich  glauben,  daß 
dieselbe  unvollkommen  ist,  denn  die  Radiärmuskeln '),  welche  sich 
in  der  Magengegend  von  Aequorea  (z.  B.  der  bei  Helgoland  vor- 
kommenden Art)  in  der  Verlängerung  einer  jeden  Mundlippenwurzel 
(des  Sporns)  sehr  kräftig  entwickelt  zeigen,  ließen  sich  bei  unserer 
Art  weniger  gut  nachweisen,  ich  erkannte  aber  ihre  Fasern  an  dem 
kleinen  mikroskopischen  Präparat  bei  starker  Veigrößerung  zweifel- 
los (Taf.  21,  Fig.  3).  Die  j\[undlii)pen  sind  gebaut,  wie  Beowne  sie 
schildert,  sie  bilden  auf  der  axialen  Seite  eine  tiefe  Längsrinne,  der 
auf  der  abaxialen  oder  Rückenseite  eine  Konvexität  entspricht.  Sie 
Averden  auf  ihrer  ganzen  Länge  durchzogen  von  einer  Säule  von 
wasserhellen  großen  kernlosen  Stützzellen  (Taf.  21,  Fig.  4),  die  nach 
Claus  (p.  62)  entodermalen  Ursprungs  sind.  Diese  Chorda  setzt 
sich  mit  einer  Art  Wurzel  oder  Si)orn  bei  unserer  Art  lang  (bei 
der  Helgoländer  Aequorea  kurz)  in  die  Magenwand  fort;  an  diese 
Wurzel  setzen  sich  die  Fasern  besonderer  Radialmuskeln.  Bei  den 
meisten  Arten  sind  die  Lippen  keilförmig  und  seitlich  gelappt  oder 
gekraust,  bei  der  unserii  aber,  wie  auch  bei  31.  pcnsile  (Müdeer) 
von  den  Maladiven  nach  Browne  schmal  und  ganzrandig;  —  der 
Saum  der  Mundlippen  ist  dicht  mit  Nesselzellen  besetzt.  —  Die 
äußerst  reduzierte  Tentakelzahl  teilt  unsere  Art  mit  Bhacostoma 
dispar  Mayer  von  den  Tortugas  („8  very  small  rudimentary  tentacles"), 
einer  übrigens  in  vielen  Punkten  abweichenden  Form. 

Erst  nachträglich,  nachdem  die  obige  Beschreibung  längst  zu 
Papier  gebracht  und  meine  Zeichnungen  ausgeführt  waren,  finde  ich, 
daß  die  Art  bereits  von  Browne  (1905)  in  seiner  Bearbeitung  von 
Ceylon-Medusen  beschrieben  steht  und  zwar  unter  demselben  Species- 
namen,  welchen  ich  dieser  kleinen  Aequoride  zugedacht  hatte. 
Browxe's  Exemplare  waren  jünger  als  das  größte  der  meinigen  und 
hatten  eine  Glockenbreite  von  6  mm  und  16  Radiärkanäle.  Die  von 
mir  gefundenen  Ocellen  werden  von  ihm  nicht  erwähnt,  waren  also 
wahrscheinlich  an  seinem  Material  bereits  aufgelöst.  Browne's 
Exemplare  stammen  von  Galle  Bay,  5.  und  12.  Juni. 


1)  Claus  (1883,  p.   63)   beschreibt  diese  Muekelu  ebenfalle. 


462  Cl.  Hartlaüb, 

Ainphofiona  7??/.s»7?f(  n.  sp. 

(Taf.  21,  Fig-.  7.) 

Glocke  l\o  mm  im  Durchmesser,  fast  lialbkuo-lijr  mit  dünner 
Gallerte.  Ein  kurzer  Mag-enstiel  vorhanden ;  Manubrium  klein.  Mund- 
ötl'nuno-  41ippio-.  8  schmale  Radiärkanäle.  in  deren  distaler  Hälfte 
die  kugligen  Gonaden  sitzen.  Glockenrand  verdickt  mit  16  Tentakeln. 
Tentakel  stai'k  mit  Nesselzellen  besetzt,  kontraktil  und  einrollbar. 
Velum  mäßig'  breit  mit  zerstreuten  Gruppen  sehr  kleiner  Nessel- 
zellen. 

Djibuti.  14.  Mai  1904;  2  Ex(;mplare. 

Die  Gattung-  Amphogona  wurde  1904  von  Büownk  für  die 
YA^'uöFFEN'sclle  (1902.  1.  c.  beschiiebene)  8pecies  Pcmiaclioijon  apsteini 
begründet,  eine  (Qualle  von  der  Westküste  Sumatras  und  den  ]\rala- 
diven.  Bkowne's  Gattungsdiagnose  lautet:  „Aglauridae  with  gonads 
situated  upon  the  umbrella.  Gonads  bisexual,  Umbrella  much  broader 
than  high.''  —  Die  Auffindung  unserer  neuen,  ebenfalls  dem  Indischen 
Ozean  angehörigen  Art  spricht  für  die  Berechtigung  des  von  Beowke 
aufgestellten  neuen  Genus,  und  wir  stimmen  dem  Autor  darin  bei, 
daß  vs  trotz  der  trachynemidenartigen  Schirmform  besser  zu  den 
Aglauriden  als  zu  den  Trachynemiden  paßt.  —  Da  die  Gonaden 
eines  unserer  Exemplare  abwechselnd  männlich  und  weiblich,  bei 
dem  andern  aber  alle  weiblich  waren,  so  dürfte  die 
BKowxE'sche  Genusdiagnose  in  dieser  Hinsicht  noch  etwas  zu 
ändern  sein. 

Von  A.  apsieim  unterscheidet  sich  unsere  neue  Art  durch  ge- 
ringere Größe  und  eine  beschränktere  Tentakelzahl  (bei  A.  apsieini 
70  oder  mehr).  —  Leider  konnte  ich  über  die  Zahl  der  Gehör- 
bläschen  nichts  feststellen,  da  der  Glockenrand  sehr  mit  Schmutz 
bedeckt  war. 

Ein  nachträglich  gefundenes  Exemplar  auf  dem  Larvenstadium 
hat  einen  Durchmessei-  von  Vj^  mm.  Es  hat  8  perradiale  Tentakel 
und  dazwischen,  eben  erkennbar,  die  Anlagen  der  8  interradialen 
Tentakel.  Von  Gonaden  noch  keine  Spur:  auch  der  Magenstiel  noch 
unentwickelt. 

Lirlope  Lesson  1843. 

Nachdem  Maas  1893  in  seiner  Bearbeitung  der  Ci-aspedoten  der 
Plankton-Expedition  dargetan  hat,  daß  alle  Geryoniden  zentripetale 
Kanäle   besitzen   und   daß  die  Verhältnisse  der  Tentakel,   besonders 


Von  Cii.  Gravikr  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  468 

das  Abfallen  der  iiiterradialen  primären  Tentakel,  Variationen  nnter- 
lieg-t,  so  fallen  nunmehr  die  in  Haeckel's  System  daraufhin  unter- 
schiedenen 3  Genera  der  Subfamilie  Liriopidae,  nämlich  Lirianiha 
Haeckel,  Liriope  Lesson  und  (Uossocodon  Haeckel.  zu  einem  ge- 
meinsamen Genus  Liriope  zusammen.  Zu  diesem  gehören  auch  die 
von  Herrn  Gkavieu  gesammelten  Geiyoniden.  —  Vanhöefen,  dem 
1902  bei  der  Bearbeitung-  der  Ih-aspedoten  der  Deutschen  Tiefsee- 
p]xpedition  ein  sehr  großes  Material  sowohl  atlantischer  wie  indischer 
Exemplare  von  Liriope  zur  Verfügung-  stand,  vertritt  die  Ansicht, 
daß  nur  3  Arten  zu  unterscheiden  seien,  nämlich  solche  mit  läng- 
lichen Gonaden  (/>.  tetrapJujUa  Chamissü  et  Eysenhardt),  solche  mit 
eckig-en  Gonaden  (L.  lilflcem  Hakckel)  und  solche  mit  breiten 
Gonaden  (L.  caiharinensü  V.  Müller).  Unter  L.  tetraphylla,  deren 
zuerst  beschriebene  Exemplare  aus  der  Sunda-Straße  stammten, 
werden  nicht  weniger  als  12  Arten  zusammengefaßt,  darunter  die 
indische  L.  crucifera  Haeckel  (süd-afrikanische  Küste),  2  pacifische 
Arten  [L.  agaricus  Haeckel,  Neuseeland  und  rosacea  Eichscholz)  und 
im  übrigen  atlantische  Formen,  zu  denen  auch  L.  distanogona  Maas 
(Guinea-Strom  und  südlicher  Aquatoi'ial-Stroni)  gehört.  Unter  L. 
Ifdl-eni  werden  3  atlantische  und  unter  L.  (■atharinensis  6  atlantische 
Arten  vereinigt,  mithin  21  ältere  Arten  auf  3  reduziert.  Eine  An- 
zahl von  ihnen  war  auch  bereits  durch  Metschnikoff  (188ö)  und 
Maas  (1893)  als  unbegründet  aufgehoben  worden.  —  Nach  Maas 
1904  (Hirondelle)  und  1905  (Siboga)  ist  Vaxhüffen  entschieden  zu 
weit  gegangen;  insbesondere  weist  er  auf  Gi'und  eines  großen 
^faterials  von  L.  tetraphylla  aus  dem  Pacific,  dem  Indischen  Ozean 
und  dem  Koten  Meer  die  Annahme  zurück,  daß  die  atlantischen 
Arten  L.  euryhia,  cerasiformis  Lessok  und  distanogona  Maas  identisch 
mit  dieser  Art  seien.  Ich  enthalte  mich  eines  Urteils  darüber  und 
beschränke  mich  darauf,  die  uns  hier  besonders  interessierenden 
indischen  Arten  zu  revidieren. 

Die  VANHÖFFKx'sche  Liste  (1902,  p.  79)  enthält  an  solchen 
nur  tetraphylla  und  crucifera  Haeckel,  letztere  von  der  Algoa-Bay. 
Die  GoETTE'sche  (1886)  L.  haccMi  (Zanzibar)  wurde  nicht  be- 
rücksichtigt. —  Ferner  wurden  in  den  letzten  Jahren  beschrieben : 
L.  indica  Bigelow  1904.  L.  hemispherica  Bigelow  1904  und  L. 
tetraphylla  bei  Browne,  3  Arten  von  den  Maladiven  und  L.  sp. 
Maas  von  Amboina.  letztere  nach  jugendlichen  Exemplaren,  deren 
Species  nicht  zu  bestimmen  war.  —  Die  BiGELOw'schen  Arten,  denen 
nach  Maas  (1905)  (Siboga)  durchgreifende  Unterschiede  fehlen,  sind 


464  Cl.  Hartlaub, 

sehr  ausfiilirlich  gekennzeichnet  und  abgebildet,  ebenso  genüg-en  die 
BiiowNE'sche  Abbildung  und  die  Beschreibungen  von  1904  und  1905 
durchaus;  sehr  spärlich  dagegen  ist.  was  Goette  von  seiner  „Glosso- 
codon  Jiaeckelii''  angibt  und  was  hier  Avörtlich  wiedergegeben  sein 
möge. 

„Glossocodon  haeckelii  Goette  nova  spec.  4  Stück  von  5 — 15  mm 
Schirmbreite,  eins  von  den  kleineren  Individuen  mit  Cunina-Knospen. 
Zanzibar,    15.   und   20.   Sept.    1885. 

Beschreibung:  Unsere  Art  unterscheidet  sich  von  (/lossocodon  lülkcni 
und  agaricns^  durch  folgende  Merkmale :  Die  Gonaden  sind  schildförmig 
oder  breit  bandförmig  ohne  terminale  Ausschnitte ;  ihre  Abstände  sind  breiter 
als  sie  selbst.  Von  den  drei  Centripetalkanälen  ist  der  mittlere  merklich 
breiter  und   länger  als   die  beiden   seitlichen." 

Da  diese  Beschreibung  ohne  Abbildung  zur  systematischen  Be- 
urteilung der  Art  kaum  genügt,  so  möchte  ich  an  der  Hand  von 
2  Exemplaren  des  Berliner  Museums  versuchen,  sie  zu  vervollkommnen 
und  durch  einige  Figuren  zu  ergänzen.  Dies  halte  ich  für  um  so 
ratsamer,  als  möglicherweise  2  Exemplare  unserer  Sammlung  von 
Djibuti  als  Jugendstadien  von  L.  haecMi  aufzufassen  sind. 


Lifiope  haeckeli  Goette  1886. 
(Taf.  22,  Fig.  2,  3,  6.) 

Beschreibung  nach  2  Exemplaren  des  Berliner  Museums.  Zanzibar, 
20,/9.  1885,  Sander  leg. 

Großes  Exemplar: 

Durchmesser  dei-  Scheibe  12  mm.  Glockenhöhle  flach,  Gallerte 
mäßig  entwickelt,  Höhe  der  Glocke  auf  etwa  5  mm  zu  schätzen. 
Länge  des  Manubiiums  (Magenstiel-)- Magen)  18  mm.  Magenstiel 
4kantig  pyramidal  mit  eingesenkten  Seiten  8  mm  lang,  ohne  scharfe 
Grenze  in  den  ebenso  langen  Magen  übergehend;  dieser  lang- 
gestreckt, dünn,  am  proximalen  Ende  ein  kurzes  Stück  zylindrisch, 
dann  oralwärts  sich  allmählich  erweiternd  und  4kantig.  i\Iund 
4kantig,  sein  Rand  mit  kugligen  Nesselzellen  besetzt.  Radiärkanäle 
reichlich  1  mm  breit  und  7  mm  lang,  die  distalen  3  mm  von  der 
Gonade  eingenommen,  die  zeutralwäits  kaum  über  den  innern  Velar- 
rand hinausreicht,  wenn  man  die  Qualle  von  oben  betrachtet.  Die 
Gonade  (?)  dreieckig  mit  stark  abgestumpfter  unterer  Spitze,  mit 
geraden  Seiten,  meistens  die  obere  Seite  am  Einti-itt  des  Radiär- 
kanals   keilförmig   eingeschnitten   und   die   obern  Ecken  abgestutzt; 


Von  Ch.  Graviek  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  465 


untere  Seite  (abo-estumpfte  Spitze)  kiiajjp  lialb  so  lang  wie  die  obere, 
in  den  Ringkanal  mündend;  keine  mediane  Trennung-;  Zwischen- 
räume zwischen  der  Basis  der  Gonaden  so  breit  wie  die  Basis  selbst. 
—  Vom  breiten  Ring-kanal  entspringen  in  jedem  Quadranten  8  breite, 
stumpf  endigende  Zentri{)etalkanäle  von  geringer  Länge,  der  mittlere 
noch  einmal  so  breit  und  etwas  länger  als  die  seitlichen.  —  4  jeden- 
falls lang  ausdehnbare  perradiale  Tentakel;  interradiale  Sekundär- 
tentakel fehlen. 

Das  jüngere  Exemplar: 

Durchmesser  der  Scheibe  ca.  5  mm.  Die  Form  ist  weniger  gut 
erhalten,  die  Glocke  scheint  aber  relativ  tiefer  gewesen  zu  sein  als 
bei  dem  größern  Exemplar.  Länge  des  Magenstiels  3  mm,  also 
relativ  etwas  kürzer  als  bei  dem  andei-n.  Form  konisch,  im  Quer- 
schnitt abgerundet.  Magen  fast  2  mm  lang,  etwas  schärfer  abgesetzt 
vom  Magenstiel,  offenbar  nur  stärker  kontrahiert  als  der  viel  längere 
Magen  des  größern  Stückes,  oralwärts  4kantig.  Gonaden  (?)  eben- 
falls dreieckig,  mit  stark  abgestumpfter  unterer  Ecke  und  mit  herz- 
artig geschwungenen  Seiten  und  abgerundeten  obern  Ecken  (Taf  22, 
Fig.  6);  untere,  an  den  Ringkanal  stoßende  Seite  (abgestumpfte 
Spitze)  halb  so  breit  wie  die  obere,  letztere  knapp  2  mm.  — 
Zwischenräume  zwischen  der  Basis  der  Gonaden  doppelt  so  breit  wie 
diese.     Ln  übrigen  wie  das  große  Exemplar. 

Liriope  haecJceli  Goette  scheint  mir  durch  ihren  lang  ausgedehnten 
Magen,  durch  die  breiten  an  den  Ringkanal  stoßenden  Gonaden  und 
dadurch,  daß  sie  ihre  interradialen  Sekundärtentakel  offenbar  bereits 
auf  einem  frühen  p]ntwicklungsstadium  verliert,  eine  gut  charakteri- 
sierte Art  zu  sein.  —  Arten  mit  an  den  Ringkanal  stoßenden  Go- 
naden sind  unter  den  beschriebenen  selten;  in  der  VANHOFFEx'schen 
Liste  (1902,  p.  79)  findet  sich  dies  Merkmal  nur  für  L.  euryhia  an- 
gegeben. Der  Abbildung  bei  Kefeksteix  u.  Eiilkks  nach  findet  es 
sich  aber  auch  bei  L.  mucronafa  Go.  (s.  l'af.  22,  Fig.  7)  und  nach 
Maas  (1893)  auch  bei  der  jugendlichen  distanogona  Maas.  Wenn 
Maas  (1897)  meint,  die  GoETTE'sche  Art  schlösse  sich  durchaus  an 
bekannte  Formen  an,  so  dürfte  dabei  aber  w^ohl  in  erster  Linie  L. 
rosacea  Eschsch.  (nach  Maas  =  crucifera  Haeckel)  in  Betracht 
kommen,  die  indo-pacifische  Art  von  weiter  Ausbieitung  mit  drei- 
eckigen Gonaden  und  3  Zentripetalkanälen  im  Quadranten.  Von 
L.  crucifera  sagt  Haeckel  auch,  daß  die  abgerundete  distale  Spitze 
der  Gonaden  den  Schirmrand  berühre. 

Auch   die   von    Herrn   Gravier   bei  Djibuti    gesammelte  Liriope 


466  Gl.  Hartlaub, 

leiht,  sich  an  Tj.  rosacea  an.  Vanhöffex.  der  L.  rosacea  unter  den 
zu  L.  tefraphyUa  vereinigten  Arten  führt,  hatte  die  Liebenswürdig- 
keit, eine  der  GnAviER'schen  Liriope  zu  begutachten,  und  bestimmte 
sie  als  L.  tetraphyUa.  Ich  neige  mich  nielir  der  ^[AAs'scheu  Ansicht 
zu.  daß  die  dreieckige  Form  der  Gonade  zu  einei-  Abtrennung  der 
Art  von  L.  tetraphyUa  mit  längsovalen  Gonaden  berechtigt,  und  ziehe 
es  daher  vor.  für  die  Djibuti-Exemidai-e  den  \amen  rosacea  beizu- 
behalten. 

Liriope  rosfrcea  Eschsch.  1829. 
(Taf.  22.  Fig.  1.  4.  5.) 

Es  liegen  uns  3  Exemplare  vor: 

Das  größte  (Taf.  22,  Fig.  1)  hat  einen  Durchmesser  von  7  mm. 
Die  Glocke  ist  flach  gewölbt,  die  Gallerte  schwach  entwickelt. 
Der  Magen  stiel  ist  etwas  länger  als  der  Schirmdurchmesser,  sein 
l)roximaler  Teil  verdünnt  sich  rasch,  am  distalen  sieht  man  das  freie 
Ende  des  Zungenkegels  aus  dem  sehr  kurzen  Magen  herausragen. 
Der  Querschnitt  des  Magenstiels  ist  4seiti2'.  die  Ecken  abgerundet. 
Der  Magen  ist  sehr  kurz  und  der  vermutlich  nur  durch  ümkrem- 
pelung  des  Mundsaumes  scheinbar  verdickte  Mundrand  nahezu  un- 
gelappt. Zentripetalkanäle  breit,  3  zwischen  je  2  Radiär- 
kanälen.  der  mittlere  bedeutend  länger  als  die  seitlichen,  alle  3  ab- 
gerundet endigend.  Gonaden  gleichseitig  dreieckig,  in  der  proxi- 
malen Hälfte  der  Radiärkanäle  gelegen;  von  den  3  Seiten  die 
proximale  im  ganzen  schwach  eingesenkt;  die  beiden  andern  etwas 
konvex.  Velum  von  ansehnlicher  Breite.  8  Tentakel;  4  etwas 
verschoben  stehende  Tertiärtentakel  mit  zahlreichen  Nesselringen 
und  4  kürzere  interradiale  Sekundärtentakel  mit  schwachen  Xessel- 
batterien  auf  der  axialen  Seite.  8  Gehörbläschen.  —  Dieses  Exem- 
plar bestimmte  Vanhöffen  als  L.  tetraphyUa.  Ich  halte  es  für  eine 
jüngere  L.  rosacea,  deren  ausgewachsene  Exemplare  15 — 20  mm 
Durchmesser  erreichen;  die  Gonaden  solcher  größerer  Individuen 
erstrecken  sich  fast  über  die  ganze  Länge  der  Radiärkanäle. 

Ein  2.  Exemplar  (Taf.  22,  Fig.  5)  von  5  mm  Durchmesser  weicht 
von  dem  eben  beschriebenen  in  mehrfacher  Beziehung  ab  und  ähnelt 
mehr  dem  3.,  noch  Jüngern  Exemplare;  beide  gehören  vielleicht  zu 
einer  andern  Art.  —  Die  Glocke  ist  bedeutend  tiefer;  die  dorsale 
Gallerte  dick;  der  Magenstiel  kürzer,  die  Radiärkanäle  breit  band- 
förmig, die  Gonaden  nicht  der  proximalen,  sondern  mehr  der  distalen 
Kanalhälfte   angehörend.     Der  zwischen  den  proximalen  Enden  der 


Von  Ch.  Gravier  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  467 

Gonaden  g-elegene  Raum  ist  dopi)elt  so  breit  wie  die  Gonaden  an 
dieser  Stelle.  Die  Form  der  Gonaden  erinnert  an  Herzform  durch 
die  gescliwung-enen  Seiten;  an  ihrem  proximalen  Ende  bilden  sie 
eine  beiderseitige  mäßig-e  Ausbuchtung  des  Radiärkanals,  die  sich 
nach  dem  distalen  Ende  zu  wieder  einzieht,  jedoch  so,  daß  die  Breite 
hier  immer  noch  doppelt  so  stark  ist  wie  die  des  Radiärkanals  in 
seinem  proximalen  Verlauf  (s.  Taf  22,  Fig-.  5).  Vom  Ringkanal  ent- 
springen 3  kurze  Zentripetalkanäle:  die  seitlichen  sind  kaum  mehr 
als  schwache  Ausbuchtungen  des  Ringgefäßes.  —  4  perradiale  Ten- 
takel und  2  kurze,  sich  einander  g-egenüberstehende  Sekundärtentakel. 

Ein  3.,  noch  jüng-eres  Exemplar,  mißt  3  mm  im  Durchmesser. 
Glocke.  Gallerte  und  der  relativ  kurze  Mag-enstiel  sind  wie  beim 
vorigen  Exemplare  beschaffen.  Die  Spui-en  der  ersten  Gonadenanlage 
sind  erkennbar  dadurch,  daß  sich  die  Radiärkanäle  vom  Anfang-  ihres 
mittlem  Drittels  an  bis  zur  Berührung-  mit  dem  Ringkanal  all- 
mählich verbreitern  (s.  Taf.  22,  Fig.  4).  In  jedem  Quadranten  ein 
interradialer  kurzer  Zentripetalkanal.  —  4  perradiale  tertiäre  und 
4  interradial  gelegene  Sekundärtentakel  sind  vorhanden.  Letztere 
haben  die  Länge  eines  Radius  der  Glocke  und  tragen  9 — 11  Xessel- 
batterieen.  Das  Exemplar  erinnert  an  ein  larvales  Exemplar  von 
L.  cerasiformis  [Maas,  1893,  tab.  2,  fig.  6]. 

Außer  diesen  jugendlichen  Exemplaren  fand  ich  bei  der  Durch- 
suchung des  Planktons  vom  24.  Februar  1904  noch  7  Larvenstadien 
in  der  Grüße  von  1  —  2  mm  Durchmesser.  Bei  den  2  größern  der- 
selben waren  2  gegenüberliegende  tertiäre  Tentakel  angelegt,  bei 
allen  die  primären  Tentakeln  noch  sichtbar;  bei  den  größern  war 
auch  die  erste  Anlage  des  Magenstiels  schon  zu  erkennen  und  eine 
distale  Verbreiterung  der  Radiärkanäle  zu  bemerken. 


^m 


Cassiopeia  androtneda  Escusch.  (1829). 

Es  wurden  4  Exemplare  gesammelt,  von  denen  2  erwachsen  und 
2  noch  sehr  klein  sind.  Keins  dieser  Stücke  läßt  irgendwelche  Fär- 
bung noch  auch  Spuren  einer  Zeichnung  auf  dem  Rücken  erkennen. 

Die  2  Erwachsenen  haben  einen  Durchmesser  von  9—10  cm. 
Die  ganz  flache  Umbrella  hat  dorsal  eine  schwache  ringförmige  Ein- 
senkung  von  etwa  15  mm  Breite  um  den  Magengrund  herum.  Es 
sind  bei  dem  einen  15,  bei  dem  andern  18  Rhopalien  zu  zählen,  bei 
letztem!  schwankt  die  Zahl  der  Randlappen  in  den  einzelnen  Anti- 
meren  zwischen  1  und  6.  Die  Zahlen  4  und  5  sind  die  häufigsten, 
1  und  2  selten.    Die  sehr  schwach  ausgeprägten  Lappen  des  äußersten 

Züol.  Jabrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  30 


468  Gl.  Habtlaub, 

Randsaumes  entsprechen  diesen  Zahlen  nicht  immer.  Dasselbe  gilt 
für  das  andere  Exemplar,  bei  dem  die  Randlappenzahl  zwischen  2 
und  5  schwankt  und  3  und  4  am  häufig-sten  sind.  Das  Zählen  dieser 
Lappen  ist  ziemlich  schwierig  und  dabei  willkürlich,  weil  sich  manche 
Trappen  an  ihrer  Spitze  teilen  und  je  nach  dem  Grade  der  Teilung 
bald  als  einer,  bald  als  zwei  gezählt  werden  können. 

Das  subumbrelläre  Muskelsystem  entspricht  der  Abbildung  von 
C.  midromeda  var.  cydobalia  bei  L.  S.  Schultze  (1898),  1.  c,  tab.  33, 
fig.  4. 

Die  Zahl  der  Radialkanäle  beträgt  das  Doppelte  der  Zahl  der 
Rhopalien,  indem  zwischen  je  2  perradialen  ein  interradialer  ein- 
geschaltet ist.  Die  auf  die  Sinnesorgane  zuführenden  Kanäle  bleiben 
bis  an  den  Sinneskolben  heran  breit,  während  die  interradialen 
Kanäle  sich  distal  verjüngen  und  in  ein  Netzwerk  von  Verästelungen 
auflösen.  Die  von  den  Hauptkanälen  abgehenden  Aste  verlaufen 
schräg  nach  außen  und  anastomosieren  in  ihren  zahlreichen  Ver- 
zweigungen mit  den  Ästen  der  benachbarten  Kanäle.  Ringkanäle 
sind  nicht  vorhanden. 

Die  Mundarme  sind  dorsoventral  abgeplattet  und  reichen  bis 
an  den  Glockenrand  oder  etwas  über  diesen  hinaus.  Sie  haben 
3  Seitenäste,  von  denen  der  mittlere  am  entwickeltsten  ist.  Bei  dem 
einen  Exemplare  ($)  (Exemplar  I)  tritt  die  paarweise  Anordnung 
der  8  Arme  stark  hervor,  bei  dem  andern  (Exemplar  II)  nicht. 
Erst  er  es  Exemplar  unterscheidet  sich  auch  hinsichtlich  der 
Kolben  blasen  auf  den  Armen.  Sie  sind  in  großer  Menge  vor- 
handen, aber  nur  sehr  vereinzelte  erreichen  7  mm  Länge.  Außer 
diesen  zahlreichen  brachialen  Kolbenblasen  besitzt  das  Exemplar  eine 
zentrale  Kolbenrosette,  wie  sie  Maas  von  C.  andromeda  var.  malayensis 
1903  (tab.  4.  fig.  29)  abbildete  und  5  große  Kolbenblasen,  von 
denen  4  ca.  17  mm  lang  sind  und  je  1  von  ihnen  in  der  Gabelung 
eines  jeden  Armpaares  liegt,  und  eine  jedenfalls  noch  größere  das 
Zentrum  der  Scheibe  einnimmt.  Von  letzterer  ist  nur  die.  einem 
starken  Saugnapfe  ähnelnde  Basis  erhalten.  Das  andere  Exem- 
plar, bei  dem  die  Verzweigung  der  Arme  und  die  Entwicklung  der 
Mundkrausen  eine  vollere  ist  und  die  Gastralscheibe  völlig  zudeckt, 
besitzt  ebenfalls  eine  große  Menge  von  brachialen  Kolbenblasen, 
unter  diesen  aber  eine  viel  größere  Zahl  von  solchen,  die  bis  15 
oder  17  mm  lang  sind  und  aus  dem  Bereich  der  Mundkrausen  weit 
hervorragen.  4  in  der  Gabelung  der  Aimpaare  stehende  durch 
Länge  ausgezeichnete  Kolbenblasen   sind  nicht  vorhanden,   dagegen 


Von  Ch.  Gravier  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  469 

«ine  fast  zentral  liegende  von  3  cm  Länge  und  6  mm  Breite. 
Dies  Exemplar  unterscheidet  sich  auch  in  der  Gestalt  der 
Kolbenblasen  dadurch,  daß  die  zahlreichen  großem  von  ihnen 
mit  einem  tlaschenhalsartigen  am  Ende  ottenen  Fortsatze  endigen. 
Auch  Bkowne  hat  an  seiner  var.  maldivcnsis  1905  (1.  c,  p.  964)  viel 
solche  raundähnlichen  Öffnungen  beobachtet,  hielt  dieselben  aber  in 
manchen  Fällen  für  „the  results  of  an  injuiy"  und  im  allgemeinen 
für  künstlich. 

Hinsichtlich  der  Gestalt  der  Kolbenblasen  ist  Folgendes  zu 
sagen:  Die  ganz  langen  (3  cm)  (Taf.  23,  Fig.  2)  und  die  mittel- 
langen (17  mm)  (Taf.  23,  Fig.  1)  sind  bandförmige  Schläuche  mit 
kurzem  zylindrischen,  sehr  dickwandigen  knorpelharten  Stiel.  Inner- 
halb des  Stiels  ist  der  Kanal  eng.  er  erweitert  sich  plötzlich  beim 
Übergang  in  den  ganz  dünnwandigen  band-  oder  strumpfförmigen 
Abschnitt.  —  Die  kleineu  etwa  4  mm  langen  Kolbenblasen  der 
zentralen  Rosette  (Taf.  23,  Fig.  4)  haben  keinen  zylindrischen 
Stiel;  sie  sind  von  ihrer  Basis  an  dünnwandig,  und  verbreitern  sich 
allmählich  zu  einem  blattförmigen  Ende;  zwischen  ihnen  stehen 
ganz  kleine  faltige  Mundtricliter .  denen  der  marginale  Besatz  mit 
Tentakeln  fehlt.  —  Auch  bei  den  kleinen  brachialen  Kolben- 
blasen des  weiblichen  Exemplars  ist  der  Stiel  nicht  Z3'lindrisch 
dickwandig,  er  ist  aber  hier  doch  schärfer  gegen  das  bikonvexe 
mandelförmige  Ende  der  Blase  abgesetzt,  das  mit  einer  Spitze  oder 
einem  ganz  kurzen  Fortsatz  abschließt  (Taf.  23.  Fig.  öj.  Bei  dem 
andern  Exemplare  ist  dieser  Fortsatz  noch  halsartiger  in  die  Länge 
gezogen  und  ein  wohlabgesetzter  zylindrischer  dickwandiger  Stiel 
verbanden.  —  Die  Oberfläche  der  Kolbenblasen  zeigt  überall  den- 
selben Besatz,  nämlich  zahlreiche  Gruppen  von  Nesselzellen,  und  in 
dem  kolbenartig  angeschwollenen  Teile  Papillen.  Diese  stehen  in 
einer  mehr  oder  minder  fest  zusammengeschlossenen  Gruppe,  in  der 
Regel  nur  auf  der  einen  Seite  des  verbreiterten  Endes  der  Blase 
und  bedecken  hier  bei  den  kleinern  Kolben  fast  die  ganze  Ober- 
fläche, bei  den  großen  Blasen  ein  relativ  nur  kleines  Feld  derselben. 
Bei  manchen  größern  Kolbenblasen  stehen  sie  weniger  dicht  zu- 
sammengeschlossen, sondern  in  mehreren  kleinern  Gruppen  zerstreut. 
Diese  Papillen  sind  in  ihrer  vollen  Ausbildungsform  blasige,  sich 
distal  stark  erweiternde  Erhebungen  mit  ganz  unregelmäßig  stark 
eingefaltenen  Seitenwänden  und  einer  von  einem  Xesselwulst  um- 
säumten Endfläche.  Außer  diesen  Papillen  besitzen  einige  Kolben- 
blasen  noch  warzenförmige,   mit  Nesselzellen   bedeckte  Erhebungen. 


470  ^^^-  Hartlaub, 

Von  den  2  jug-endliclien  Exemplaren  hat  das  kleinere  einen 
Durchmesser  von  22  mm.  Die  Scheibe  trägt  keinerlei  Färbung  oder 
Zeiclinung.  Die  Zahl  seiner  Ehopalien  beträgt  18,  die  seiner  Radiär- 
kanäle  36.  Letztere  sind  noch  unverzweigt  und  nur  in  ihren  proxi- 
malen 2  Dritteln  deutlich  zu  erkennen.  Von  den  zwischen  2  Eho- 
palien gelegenen  3  Marginalloben  ist  meist  nur  der  mittlere  gut 
entwickelt;  der  äußerste  Marginalsaum  ist  zwischen  den  Rhopalien 
kaum  wahrnehmbar  gebuchtet.  Die  Mundarme  sind  prononciert 
paarweise  angeordnet  und  erreichen  den  Glockenrand.  —  Fast  im 
Zentrum  der  Gastralscheibe  steht  eine  sich  gabelnde  Kolbenblase 
von  fast  -4  mm  Länge;  jeder  Arm  trägt  ungefähr  6  Kolbenblasen, 
die  deutlich  aus  den  Mundkrausen  hervorragen  und  von  denen  eine, 
zwischen  der  äußersten  dichotomen  Verzweigung  liegende,  durch  be- 
sondere Größe  auffällt.  Die  Form  der  brachialen  Blasen  ist  die 
einer  abgerundeten  Platte  mit  ziemlich  scharf  abgesetztem  StieL 
Die  eine  Seite  der  Platte  trägt  Papillen,  die  andere  und  der  Scheiben- 
rand zahlreiche  Nesselwarzen,  außerdem  zahlreiche  kleine  Gruppen 
von  Nesselzellen. 

Das  andere  jugendliche  Exemplar  hat  einen  Durchmesser  von 
31  mm ;  auch  dieses  ist  vollkommen  farblos.  Die  Zahl  der  Rhopalien 
beträgt  16,  die  der  Margin alloben  in  jedem  Antimer  3.  Die  Radiär- 
gefäße  sind  bereits  deutlich  verzweigt  und  zwar  die  interradialen 
etwas  stärker  als  die  perradialen.  Beide  reichen  peripherwärts  bis 
zum  Beginn  des  äußern  Scheibendrittels.  Die  deutlich  paarweise 
angeordneten  Mundarme  überragen  etwas  den  Glockenrand.  Ihr  Quer- 
schnitt ist  mehr  oder  minder  abgeplattet.  Die  Zahl  der  brachialen 
Kolbenblasen  hat  bedeutend  zugenommen  gegenüber  dem  kleinern 
Exemplare.  Die  Form  dieser  Blasen  ist  durchaus  übereinstimmend 
mit  jenem,  auch  stehen  hier  die  größern  Kolbenblasen  am  Ende  der 
Arme  und  ragt  hier  eine  axial  stehende  durch  besondere  Größe 
hervor.  Ungefähr  im  Zentrum  der  Gastralscheibe  steht  eine  ein- 
fache größere,  ungeteilte  bandförmige  Kolbenblase  von  4  mm  Länge. 

Betrachtet  man  die  Rückenansicht  beider  Exemplare,  so  erkennt 
man  ungefähr  auf  der  Grenze  zwischen  dem  dritten  und  äußersten 
Viertel  des  Scheibenradius  eine  schmale,  niedrige,  sich  hauptsächlich 
durch  histologische  Differenzierung  abhebende  ringförmige  Erhebung 
der  Exumbrella.  Auf  diesem  Ringwulst  zeigen  sich  viele  kurze, 
unregelmäßige  Radialfalten  der  dorsalen  Gallerte.  Seiner  Lage 
nach  entspricht  er  dem  milchweißen  Ring,  der  von  C.  poliipoides 
Keller    und  C.   xamachana  Bigelow    beschrieben    wurde,    und    der 


Von  Cii.  Gravier  in  Djibnti  oesanimelte  Medusen.  471 

äußern  Umrandung-  der  großen  saugnapfälmliclien  zentralen  Ver- 
tiefung- auf  dem  Scheibenrücken  erwachsener  Exemplare.  —  Ferner 
erkennt  man  bei  beiden  Exemplaren  einen  kräftigen,  die  Magenhöhle 
umgebenden  Ringwulst  des  Magenbodens,  der  durch  die  dorsale 
Gallerte  dui-clischimmert.  'Eine  Gonadenanlage  ist  noch  nicht  vor- 
handen. Aber  die  4  Bündel  der  dicht  und  in  mehreren  Reihen 
stehenden  beim  größein  etwa  2  mm  langen  Gastralfilamente  sind 
durch  die  Gallerte  des  Rückens  hindurch  wohl  zu  erkennen.  Sie 
stehen  am  Rande  der  perradialen  Kreuzfurche  resp.  der  von  dieser 
begrenzten  4  Genitalpolster.  Nach  Eröffnung  der  Gastralhöhle  von 
oben  her  sah  ich  deutlich  auch  die  von  Keller,  tab.  36,  fig.  11 
und  13  abgebildeten  4  tiefen  perradialen  Gruben,  die  aber  weniger 
spaltförmig  erscheinen,  als  Keller  es  abbildet.  In  jede  dieser  Gruber 
münden  2  Armkanäle  (Taf.  23,  Fig.  8). 

Die  4  Subgenitalporen  liegen  vei  steckt  in  einer  den  Zentral- 
magen umgebenden  Ringfalte  der  Subumbrella.  Wenn  die  Qualle 
auf  dem  Rücken  liegt,  so  legt  sich  der  äußere  Rand  des  M'agen- 
bodens  über  sie  weg  und  verbirgt  sie  vollständig;  man  hat  die 
Mundarme  mitsamt  der  überragenden  Peripherie  des  Magenbodens 
vollständig  zurückzuschlagen,  um  sie  zu  sehen. 


472  Cl.  Hartlaüb, 


Literaturverzeichnis. 


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Erkläruiic^  der  Abl)il(liiii;^eii. 


Tafel   19. 

Fig.  1.  Bougamvillia  fulva  Agass.  et  Mayer.  Dorsalansicht  des 
Manubriums  und  der  Gonaden  eines  weild.  Exemplars  von  Djibuti.  Stark 
vergr. 

Fig.  2.  a)  Ocellen  von  Bovg.  brUfnnica  Forces,  Exemplar  von 
Arran;  b)  solche  von  Bong,  fulva  (Djibuti),  die  2  obern  von  der  Seite, 
die  untern  von   oben  gesehen.      130:  1. 

Fig.  3.  Bougainvillia  fulva  Agass.  et  Mayer.  Die  Gonadenpartie 
des  Manubriums  eines  männl.  Exemplars.  Es  ist  die  Hälfte  eines  der 
4   Mundgriffel  mit  eingezeichnet.      Stark  vergr. 

Fig.  4.  Bougainvillia  fulva  Agass.  et  Mayer.  Tentakel  und  Marginal- 
bulben. 

Irene  pcllucida  Will,  Exemplar  von  Djibuti.      2 ' '.,  :  1 . 
Eutimalj>hrs    modesta    n.  sj).      Ein    adradialer    Eandtentakel. 

Eulinialphes  modesta  n.  sj>.     Totalansicht  von   der  ventralen 

Fig.  8.  Irene  ■jjellucida  Will,  Exemplar  Goette's  von  Zanzibar. 
Das  Manubrium   mit  dem  Beginn  der  Radiärkauäle.      Stark  vergr. 


Fig. 

5. 

Fig.  6. 
Stark  vergr. 

Fig. 
Seite.     8 

7. 
:  1 

Vou  Ch.  Gravier  in  Djibuti  gesammelte  Medusen.  475 

Fig.  9.  Iroie  pellucida  Will.  Schema  der  Tentakelstellung  a)  bei 
dem  GoETTE'schen  Exemplar  von  Zanzibar,  b)  bei  dem  Exemplar  von 
Djibuti. 

Fig.  10.  Irene  pellucida  Will,  Exemplar  von  Djibuti.  Stück  des 
Glockenrandes  mit  der  Gonade. 


Tafel   20. 

Fig.    1.      Octorchandra  orientalis  n.  sj).  Das  Manubrium.      17:1. 

Fig.   2.      Odorrhnndra  orieiifalif;  v.  sp.  Stück  des  (xlockenratides,  um 

die  radialen  Verdickungen  der  Gallerte  zu  zeigen,  welche  den  Ursprung 
der  Tentakel   überlagern.      Stark   vergr. 

Fig.  3.  Octorchandra  orientalis  n.  sp.  Totalansicht  von  der  ventralen 
Seite.      3:1. 

Fig.  4.  Orlorclinndra  orirnfalis  n.  sj).  Stück  des  Glockenrandes.  — 
Die  Tentakel  entspringen  ohne  bulböse  Anschwellung,  und  der  Glocken- 
rand zeigt  nur  sehr  schwach  entwickelte  Marginaltuberkel.  Vgl.  Fig.  6. 
V  Velum.      19  :  1. 

Fig.  5.  Octorchandrn  orientalis  n.  s]).  Distales  Ende  der  Gonade 
auf  dem  optischen  Querschnitt.      130  :  1. 

Fig.  6.  Orforchandra  germanim  Haeckel.  Exemplar  von  Helgoland. 
Stück  des  Glockenrandes.  (Der  Tentakel  ist  kurz  abgeschnitten.)  Der 
Rand  zeigt  kr<äftig  entwickelte   Marginaltuberkel.      ?•  Velum.      130  :  1. 

Fig.   7.      Octorchandra  germanica  Haeckel.    Das  Manubrium.      17:1. 

Fig.   8.      Phialidimn   sp.      Ein    Teil    der    Glocke.      ]0:1.     g  Gonade. 

Fig.  9.  Phiali(Ii/r))i  s/i.  Das  sclilccht  erhaltene  Manubrium.  ga  ko- 
nische, ventral  vorspringende  Verdickung  der  Gallerte,  rr  Radiärkanal.    19:  1. 

Fig.   10.      PItialidium  sp.     Drei  Tentakel    mit  ihrem  Bulbus.      80:1. 


Tafel   21. 

Fig.  1.  Aeqnorea  parva  Browne.  Das  größere  der  zwei  von  Herrn 
Gravier  gesammelten  Exemplare.     Ventralansicht.      10:1. 

Fig.  2.  Aeqnorea  parca  Browne.  Randbulbus  mit  Ocellus.  Stark 
vergr. 

Fig.  3.  Aeqnorea  parva  BrÖwnp:.  Stück  der  Magenwand  mit  den 
Mundlippen  und  deren  sich  in  die  Magenwand  spoi'nartig  fortsetzenden 
Verstärkungsleiste.      Stark  vergr. 

Fig.  4.  Arqnorea  jxirva  Brownk.  Stück  der  Verstärkungsleiste,  mit 
den  großen   wasserlielleu  kernlosen   Stützzellen.      200:1. 

Fig.  5.  Aeqnorea  parva  Browne.  Stück  des  Glockenrandes;  sub- 
umbrellare  Ansicht,  mit  den  Excretionspapillen.  (Winkel  zwischen  Sub- 
umbrella  und  Velum.)  Stark  vergr.  ra.  c  Radiärkanal,  excr.  p  Excretions- 
papille,   ri.  c  Ringkanal,  v  Velum. 


476         ^'l.  Hartlaub,  Von  Ch.  Gravier  in  Djibuti  gesammelte  Medusen. 

Fig.  6.     AP(jUorea  parva    Browne.      Stück    des    Glockenrandes,    von 
außen  gesehen,  mit  den  Gehörbläschen,     v   Velum.      Stark  vergr. 
Fig.    7.      Amphofjona  pusü/a  n.  sp.     Ventralausicht.      40:1. 

Tafel  22. 

Fig.    1.  IArio})e  rosacea    EsCHSCll.      Exemplar    von    Djibuti.      14  :  I. 

Fig.  2.  Liriope  haeckeli  Goettb.  Ventralansicbt  (dasselbe  Exem- 
plar).     2:1. 

Fig.  3.  Liriope  liaeckeli  Goette.  Dorsalansicht  (großes  Exemplar, 
aus  dem  Berliner  Museum).      8:1. 

Fig.  4.  Liriope  rosarea  Eschsch.  Jüngstes  Exemplar  von  Djibuti. 
12:  1. 

Fig.  5.  Liriope  rosacea  Eschsch.     Junges  Exemplar  von  Djibuti,  in 

Seitenansicht.  12  :  1. 

Fig.  6.  Liriojte  haerkrli  GoETTE.  Kleineres  Exemplar.  Die  Gonade. 
22:  1. 

Fig.  7.  Liriope  imieronaia  Ggb.,  nach  Kefeestein  u.  Ehlers.   2: 1. 

Fig.  8.  Liriope  tetraphylla  Cham,  et  Eysexh.,  nach  Ch.  u.  E. 

Tafel  23. 

Fig.    1.      Cassiopeia  andromedaYi^C'S.^C'ä.  Brachiale  Kolbenblase.    10:1. 

Fig.  2.  Cassiopeia  cmdromeda  Eschsch.  Fast  zentral  stehende  große 
bandförmige  Kolbenblase.      3:1. 

Fig.  3.  Cassiopeia  cmdromeda  Eschsch.  Sockel  einer  großen  band- 
förmigen Kolbenblase.    (Die  Blase  selbst  ist  abgerissen.)    rr  Eißrand.    10:1. 

Fig.  4.  Cassiojjeia  andromeda  Eschsch.  2  Kolbenblasen  der  centralen 
Rosette.      10:1. 

Fig.  5.  Cassiopeia  andromeda  Eschsch.  3  kleine  brachiale  Kolben- 
blasen, a)  von  der  Fläche  gesehen,  b)  von  der  Kante  gesehen.      Stark  vergr. 

Fig.  6.  Cassiopeia  andromeda  Eschsch.  3  verschiedene  brachiale 
Kolbenblasen,   a)   dieselbe  von  2   Seiten  gesehen.      10:1. 

Fig.  7.  Cassiopeia  andromeda  Eschsch.  Stück  des  Glockenrandes 
von  dem  jüngsten  Exemplar.      Stark  vergr. 

Fig.  8.  Cissiopeia,  andromeda  Eschsch.  Boden  der  Magenhöhle- 
eines jungen  Exemplars.  rc  B-adiärkanäle,  rw  Kingwulst,  gf  Gastral- 
filamente. 


Nachdruck  verboten. 
Übersetzungsrecht  vorbehalten. 


Ost-afrikanische  Orthopteren. 

Sammelausbeute    von    A.    Boegert,    1904 — 1905. 


9.  Mitteilung-. 


Von 
H.  Karny  in  Wien. 


a)  Übersicht. 
I.  Orthoptera. 

1,   Saltatoria. 

Farn.  Acliefidae. 

1.  Paragryllodes  borf/erti  n»  f/.  n.  sp,  —  Amani. 

Farn.    GryUotalpklar. 

2.  Grijllotalpa  a/rlcana,  —   Entebbe  am  Victoria  Nyanza. 
Farn.    Tettigoniidae. 

3.  Arantia  atrolineata.  —  Koralleninsel  Ulenge  bei  Tanga. 

4.  Conocephalits    {Homorocot'tfphus)    nitidulus.    — 

Amani. 

5.  Enyuliopsis  petevslL  —  West-Ueambara. 
Fam.  Äcrididae. 

6.  C/irotof/oniis  Itemipterns.  —  Amani. 

7.  AtractomorpJia  aurivlfilf.  —  Amani. 

8.  Peius  kl  obert/mri.  —  Amani. 

9.  Setpusia  pygmaea  n.  sp.  —  Amani. 

10.  Locusta  aeriif/hiosa.  —  Amani. 

11.  Locusta   sp.      1    Larve.   —  Amani. 

12.  Gasfrtniarf/its  marnioratus.  —  Mombo. 

13.  Chortoicetes  röineri  n.  sp,  —  Amani. 

14.  Acridu  sulphuripeniiis.  —  Amani. 

II.  Blattaeformia. 

1.   Mantoidea. 

15.  Calidoniantis  fenestrata.  —  West-Ueambara. 


478  H.  Karny, 

16.  Calhloninntis  .sp.      1  Larve,   die  sich  durch  ein  kräftigeres, 

etwas  breiteres  Pronotum  unterscheidet.  —  AVest-Usarabara. 

2.  ßlattoidea. 

17.  Gijnci  vetlllu,  —  Koralleninsel  Ulenge  bei  Tanga. 

3.  Isoptera. 

18.  Termitidae  sj).      1  Arbeiter.  —   Koralleninsel  Ulenge  bei  Tanga. 


bj  Beschreibung  der  neuen  Arten. 

Genus  Pariif/rf/Ilodes  n.  ff.  Oecanthidariim. 

Caput  verticaJe,  rertice  hrcv'i,  ora  iiifiro.  Frons  inter  antennas  earum 
artioulo  primo  plus  triplo  angustior.  Pronotum  suhquadratum,  trausversum; 
lohi  laterales  retrorsum  angusti,  margine  infero  retrorsum  ascendente.  Elytra 
ahhreviata  ($).  Feinora  postica  valida,  opice  crassinscula,  non  filiformia. 
Tibiae  antieae  foramine  extus  nullo,  intus  distindo,  ovaJi.  Tibiae  4  anteriores 
calcaribus  apiralibus  instruetne,  practerea  inermes.  Tibiae  posticae  pier  toiam 
longitudinem  spinulis  parvis  serratae,  ])rae(erea  dimidio  apicali  lärinque 
spinis  majoribiis  4  insirudae ;  calcaribus  apicalibus  utrinque  3;  extus 
hrevibus,  quorum  ir/cdio  longiorc ;  intus  longis,  quorwn  tertio  brevissimo, 
tarnen  medio  externo  aequilongo ;  primo  et  secundo  interno  tertio  duplo 
longiore.  Tarsi  compressi,  articulo  secundo  niinuto,  compresso.  Ovipositor 
tenuis,  paruvi  curvatus,  corpore  longior. 

Das  neue  Genus  dürfte  neben  die  amerikanischen  Paragryllus 
und  Edecous  zu  stellen  sein,  von  welchen  es  sich  wesentlich  durch 
Besitz  eines  Tympanums  auf  der  Innenseite  der  Vordertibien  unter- 
scheidet, während  die  Außenseite  keines  trägt.  Doch  weist  es  auch 
Beziehung-en  zu  dem  neuweltliehen  Endacustes  auf,  von  dem  es  vor 
allem  durch  die  kräftigen  Hinterbeine,  die  gleiche  Länge  der  beiden 
ersten  Sporen  an  der  Innenseite  der  Hintertibien  und  das  Vorhanden- 
sein von  Elyti-en  im  weiblichen  Geschlecht  abweicht.  Das  $  von 
Endacustes  ist  ganz  ungeflügelt. 

In  diese  Gattung  dürften  auch  einige  noch  unbeschriebene  Arten 
der  Koll.  Be.  v.  W.  aus  Madagaskar  gehören,  welche  dort  bei  Enda- 
custes eingereiht  sind. 


Ost- afrikanische  Orthopteren.  479 

Par<ff/ri/JIo(Jes  horf/erti  n.  sp. 

Fusco-nigra,  venire  elijirisque  pnllidioribiis,  PVons-  ciuii  ore  fascia 
longitudmali  mediana  flara  ornata.  Elylra  diniidio  ahdominis  long  Hudine 
parum  longiora.     5, 


Long,   corporis 

14     17 

„      pronoti 

3.5     4 

Lata.        „ 

4y)      :),:) 

Long,  ehjlroruni 

6,5 

„      fem.  post. 

14     16 

„       oripos'iforis 

16     20 

Dedicata  haec  species  nora  Dom.  A.  Borgeht,  'jni  cam  1-904  in  Amani 
invenit. 

Ser'puma  pifgniaea  n.  sp. 

Parva,  sordidc  griseo-ieslacea.  Pronotxni  medio  ad  sidcuni  postieuni 
itertium)  macida  minore,  lobo  laterali  macula  vittaeformi  majore  nigris 
ornatum,  margi)ie  postico  truncalo.  Elytra  margine  aniico  fortiier  emarginaio, 
nigro,  deinde  (pone  apicem)  rotnndato,  margine  postico  toto  rotundato :  apice 
macula  nigra  unica  instrucia.  Abdomen  unicolor.  Tibiae  posticae  aiiranUacae, 
imicolores.     $  ignotum. 

Long. 


$ 

corporis 

17 

pronoti 

4,5 

elylrorum 

3 

fem.  post. 

12 

Die  neue  Art  unterscheidet  sich  von  allen  bisher  beschriebenen 
Serpnsien  durch  ihre  auffallend  g-ering-e  Größe,  weist  aber  auch 
sonst  charakteristische  Unterschiede  auf,  wie  aus  der  obigen  Be- 
schreibung leicht  zu  ersehen  ist. 

Chortoicete.s  rönieri  n.  sp, 

Testacens.  Foveolae  verticis  reetaiigtdae,  indistinctae,  punctis  impressis 
repracscntatae .  Pronotum  vitta  mediana  flava,  utrinque  late  atromarginala 
ornatum;  carinae  laterales  valde  flexuosae,  antice  rix,  ptostice  fortiier  diver- 
gentes. Elytra  infuscata,  parte  basali  antice  vittd  albidd  longitudinali  ornata, 
parte   anali   late  flava.     Feniora  postica  testacea,   genubus  nigris,  praeterea. 


480  H.  Karny,  Ost-afrikanische  Orthopteren. 

excepta   carina   externo-infera    tiigrovariegata,    suhunicolora.     libiae  postieae 
genuhus  nifjris,  deinde  annulo  flavo,  praeterea  sordide  fjriscae. 


$ 

Long. 

corporis 

22 

n 

pronoti 

~) 

1"! 

ehjtroriim 

22 

« 

fem.  post. 

14 

Dedicata   hncc  species  Dom.  Prof.  Dr.  F.  Bömer,   qui  mihi  specimina 
viusei  Societatis  senckenbergensis  excellenti  liberal itate  delerniinanda  iradidit. 


Nachdruck  verboten. 
Vbersetzungsrecht  vorbehalten. 


Beiträge  zur  Herpetologie  von  Zentral-Asien. 

Von 
Dr.  Ericli  Zusmayer  in  München. 


Die  in  der  vorliegenden  Arbeit  beschriebenen  Formen  wurden 
während  einer  Reise  durch  Zentral-Asien  im  Jahre  1906  in  Ost- 
Turkestan,  West-Tibet.  Ladak  und  Kaschmir  gesammelt.  Unter 
ihnen  befinden  sich  2,  beides  Eidechsen,  die  meiner  Ansicht  nach 
als  bisher  unbekannte  Formen  bezeichnet  und  mit  neuen  Species- 
namen  versehen  werden  müssen.  Es  sind  dies  Phrijnoccphahis 
erytlirurus  n.  sp.  und  Ägnma  tarimensis  n.  sp.,  ersterer  aus  Tibet? 
letztere  aus  Ost-Turkestan. 

In  den  hochgeleg-enen  nordwestlichen  Teilen  von  Tibet,  die  ich 
bereiste  und  deren  geringste  Seehöhe  5000  m  übei'steigt,  scheint 
PhrynoccphaJus  die  einzige  vorkommende  Eidechsen-Gattung  zu  sein. 
"Während  Phrynocephulus  im  genannten  Gebiet  bis  zu  5400  m  See- 
höhe nicht  selten,  unter  5300  sehr  häufig  ist.  konnte  keine  andere 
Eidechse  angetroffen  werden ;  erst  unter  4000  traten  wieder  Agama. 
Gymnodactiilus  und  Lygosoma  auf.  gemeinsam  mit  Phrynocephalus,  der 
die  größte  vertikale  Verbreitung  unter  allen  Reptilien  besitzen 
dürfte;  da  er  sich  sowohl  in  der  kaspischen  und  Tnrfan- De- 
pression als  auch  derjenigen  des  Toten  Meeres  vorfindet,  die 
nahezu  400  m  beträgt,  kommt  ihm  eine  Vertikalverbreitung  von  rund 
6000  m  zu. 

Der  einzige  Batrachier,  der  in  Ost-Turkestan  angetroffen  werden 


4S2  Erich  Zugmaykr, 

konnte,  ist  Bufo  viridis,  insbesondere  konnte  Ranci  esculenta  nicht 
festgestellt  werden .  trotzdem  sie  im  i-ussischen  Turkestan ,  in 
Afgiianistan  und  im  ganzen  südlichen  Sibirien  vorkommt. 

Batrachier  fehlen  auch  in  den  lioch gelegenen  Teilen  von  Tibet; 
Urodelen,  von  denen  höchstens  llanidens  in  Betracht  käme,  konnte 
ich  nicht  finden;  diese  sind  auch  aus  Kaschmir  nicht  bekannt. 

Von  Schlangen  sammelte  icli  nur  Tropidonotus  tesselafus,  von 
Schildki'öten  fand  ich  nur  einmal  1  kleines  Exemplar  von  Testudo 
horsßekU  im  Kropf  eines  Milans  in  der  Nähe  von  Osch  im  russischen 
Turkestan. 

Das  Material  befindet  sich  in  der  Zoologischen  Staatssammlung 
in  München. 


Beptilia. 

0  p  h  i  d  i  e  r. 
Coliibridae. 

TroiHdonotits  tesselatus  Laue. 

22  Expl.  aus  der  Umgebung  von  Khotan,  Ost-Turkestau. 

Bereits  einmal,  bei  der  Besprechung  der  von  mir  1904  in  Vorder- 
Asien  gesammelten  Exemplare  von  T.  t.,  hatte  ich  Gelegenheit, 
meinen  Zweifeln  über  die  Berechtigung  der  var.  hydriis  Ausdruck  zu 
geben,  und  finde  die  damals  geäußerte  Ansicht  durch  die  vorliegende 
Serie  aus  Zentral-Asien  völlig  bestätigt.  Die  Abtrennung  der  Varietät 
A  on  der  typischen  Form  geschah  erstens  auf  Grund  der  Färbung, 
insofern,  als  die  var.  Injdrus  auf  der  Oberseite  stets  einfarbig  sein 
sollte,  im  Gegensatz  zur  typischen  Form,  die  längsgestreift  oder 
längsgefleckt  sei;  zweitens  auf  Grund  eines  Unterschiedes  in  der 
Zahl  und  Anordnung  der  Prä-  und  Postocularien  sowie  der  Ober- 
lippenschilder; die  typische  Form  sollte  2  Prä-  und  3  Postocularia 
haben,  der  Besitz  von  mehr  als  2  bzw.  3  Schildern  sollte  für  die 
Varietät  charakteristisch  sein.  Die  Unterscheidung  in  2  Typen,  die 
BouLENGER  machte,  gründete  sich  dai'auf,  ob  das  4.  Supralabiale 
allein  den  Augenrand  mitbildete  oder  das  4.  und  5.  gemeinsam. 

Keine  dieser  Unterscheidungen  läßt  sich  jedoch  konsequent 
durchführen  und  aufrecht  erhalten.  Unter  meinen  22  Stücken  finden 
sich  die  verschiedenartigsten  Zusammenstellungen  und  zwar 


Herpetologie  von  Zentral-Asien.  483 

Präocularia        Postocularia 


3  +  3 

4  +  4 

bei 

8  Expl 

3  +  3 

4  +  5 

2 

3  +  3 

5  +  5 

3 

2  +  2 

3  +  3 

2 

2  +  2 

4  +  4 

2 

2  +  2 

4  +  5 

1 

3  +  3 

3  +  3 

4 

22 

woraus  wohl  hervorgeht,  daß  hier  kein  artunterscheidendes  Merkmal 
gesuclit  werden  darf. 

Die  Supralabialia,  die  in  den  Augenrand  einti-eten,  zeigen  etwas 
mehr  Konstanz,  aber  in  einer  Richtung-,  die  für  meine  hier  vor- 
getragene Ansicht  günstig  ist.  Bei  16  Exemplaren  bildet  jederseits 
das  4.  Supralabiale  den  Augenrand;  dieser  Typus  aber  sollte  nach 
BoüLENGER  in  Süd-Europa,  östlich  bis  Mesopotamien,  heimisch  sein; 
ein  anderes  Stück  hat  das  Auge  jederseits  vom  4.  und  5.  Supralabiale 
eingefaßt;  dieses  würde  der  Heimat  nach  dem  2.  Typus  Boulenger's 
entsprechen.  Die  übrigen  5  Exemplare  zeigen  die  Bildung,  daß  auf 
einer  Seite  das  4.  und  5.,  auf  der  andern  nur  das  5.  Supralabiale 
in  den  Augenrand  eintritt.  Wie  man  sieht,  bildet  dieses  Merkmal 
keinerlei  Handhabe  zu  einer  Trennung  nach  Typen,  geschweige 
denn  nach  Varietät  oder  Art. 

Auch  in  bezug  auf  die  Färbung  zeigt  meine  Serie,  daß  eine 
Trennung  undurchführbar  ist.  Ohne  daß  ein  Zusammenhang  der 
Färbung  mit  der  Augen-  oder  Lippenschilderzahl  zu  finden  wäre, 
habe  ich  in  meiner  Serie  ganz  einfarbige  Stücke,  leicht  gefleckte 
und  nahezu  ununterbrochen  längsgesti-eifte.  bei  allen  Abstufungen 
in  der  Rötung  und  Würfelung  der  Unterseite,  sowohl  bei  jungen, 
als  auch  bei  erwachsenen  Tieren. 

Ich  halte  es  daher  für  richtig,  die  var.  hydrus  ganz  aufzugeben 
und  mit  dei-  typischen  Form  zu  vereinigen,  die  eben  hinsichtlich 
der  Färbung  und  der  Beschilderung  des  Kopfes  wenig  konstant  ist. 

Die  gleiche  Ansicht  vertritt,  wie  ich  finde,  auch  Leche  (a.  a.  0.) 
auf  Grund  der  Exemplare,  die  v.  Hedix  in  Ost-Turkestan  ge- 
sammelt hat. 

In  der  Umgebung  von  Khotan  war  T.  t.  sehr  häufig  an  Be- 
wässerungskanälen und  sumpfigen  Wiesen.  Die  Eingeborenen  halten 
die    Schlange    für   giftig.     Sie    ist,    wie    man    mir   sagte,    in    allen 

Züul.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  ^t 


484  Erich  Zügmayer, 

Oasen  des  Landes  häufig.  Im  Magen  zweier  Exemplare  fand 
ich  Nemachüus  und  Reste  einer  nicht  näher  bestimmbaren  Heu- 
vSchrecken-Art. 

Zamenis  UuJacensis  Günth. 

In  der  Nähe  von  Baital  in  Kaschmir  fand  ich  ein  totes,  schon 
stark  zerfressenes  und  verfaultes  Stück ,  das  der  Färbung  und  dem 
Habitus  nach  jedenfalls  zur  obengenannten  Art  gehörte. 


Sauria. 

Lacertilier. 
Lacertidae. 

JiJrewias  iiitefmedia  Strauch. 

29  Expl.  aus  verschiedenen  Orten  Ost-Turkestans. 

Ich  stelle  die  Exemplare  meiner  turkestanischen  Serie  zur  ob- 
genannten  Art,  um  nicht  durch  Aufstellung  einer  neuen  Art  mit 
einigen  Varietäten  noch  mehr  Unklarheit  in  die  ohnedies  recht  wenig 
sichere  Systematik  der  Gattung  Eremias  zu  bringen,  ferner  Aveil  die 
schwankenden  Merkmale  meiner  Stücke  am  ehesten  noch  hier  unter- 
gebracht werden  können.  Der  var.  yarliandensis.  die  Blanford  von 
E.  muUiocellata  abgetrennt  hat,  kommen  meine  Exemplai'e  einiger- 
maßen nahe;  doch  kann  ich  sie  ihr  nicht  angliedern,  da  ich  die 
var.  yarJcandensis  selbst  nicht  anerkennen  kann. 

Unter  meiner  Serie  finden  sich  in  regelloser  Weise  Merkmale 
von  E.  infcruicdia,  mnUioceUata  und  yarl;andensis  und  zwar  derart, 
daß  eine  Teilung  in  diese  3  Gruppen  nicht  durchführbar  ist.  Meiner 
Ansicht  nach  sind  diese  3  Formen  —  und  dazu  wohl  auch  noch 
E.  hrencldeyi  —  zu  einer  einzigen  zu  vereinigen,  und  zwar  am  besten 
unter  dem  Namen  E.  intennedia. 

Als  wichtigste  Merkmale  zur  Unterscheidung  gelten  das  Ver- 
hältnis der  Schwanzlänge  zur  Gesamtlänge,  die  Zahl  der  Femoral- 
poren,  der  Eintritt  der  Subocularia  in  die  Lippenlinie,  die  Zahl  der 
Kehllängsschuppen,  die  der  Bauchquerreihen.  die  Schwellung  der 
Nasalia  und  der  Abstand  zwischen  Frenale  und  Supraoculare,  neben 
andern  Merkmalen  von  mehr  untergeordneter  Bedeutung.  Beträcht- 
liche und  vei'läßliche  Farbenunterschiede  bestehen  nicht;  dazu 
kommt,  daß  die  Beschreibungen  vielfach  nach  konserviertem  Material 


Herpetologie  von  Zeiitral-Asien.  485 

gemacht  sind,  so  daß  sie  niclit  mit  Sicherheit  in  Betracht  gezogen 
werden  können. 

Im  Folgenden  bespreche  icli  der  Reihe  nach  die  obgenaunten 
Merkmale. 

Von  meinen  29  Stücken  haben  22  den  Schwanz  unverletzt.  Die 
Schwanzlängen  betragen 

mehr  als  2      Körperlängen  bei  1  Expl.  (jung) 

1  3/    9  Li 

-^    /4         '-'  H  ?•       "  » 

1  1/    1  3/  ,  Q 

IV.3-IV2  .  ,.    6       „ 

Körperlänge  ist  die  Distanz  von  der  Schnauze  bis  zum  After.  — 
Ich  versuchte  zunächst,  eine  Trennung  auf  Grund  dieser  Proportionen 
clurchzutühren.  Doch  fehlten  dann  die  übrigen  Merkmale,  und  eben- 
sowenig konnte  ich,  wenn  ich  einen  der  andern  Punkte  zum  Aus- 
gang nahm,  eine  Übereinstimmung  hinsichtlich  der  restlichen 
Oharakteristica  finden. 

Bezüglich  der  Femoralporen  weisen  von  29  Exemplaren 

2  die  Zahlen  1010  (beide  Seiten)  auf. 

5    „        „  11/11 

1  „         „  1212 
13    ,.         ,.  13/13 

2  ,.         „  14/14 

1  ,.  „  8/10 

2  „  ,.  12'13 
2  ,.  „  13/14 
1  ..  ,.  1415 


29 

Auf  Grund  dieser  Ziifern  mit  den  Extremen  8  und  15,  abgesehen 
von  der  Asymmetrie  bei  einer  Anzahl  von  Exemplaren,  müßten  diese 
entweder  der  Art  nnäiwcelkda-yarl^aridensis  oder  intermedia  zugeteilt 
werden,  und  die  engere  Unterscheidung  wäre  in  der  Schwellung 
der  Nasenkuppe  zu  suchen.  Meine  Stücke  weisen  aber  alle  Grade 
der  Xasenschwellung  auf,  so  daß  ich  auf  dieses  Mei'kmal  zur  Be- 
stimmung verzichten  mußte. 

Die  Trennung  der  Gruppe  intermedia.  multioceUata-yarhandensis 
einerseits  und  przeivalsMj,  vermiciilata  und  quadrifrons  andrerseits 
liegt,  abgesehen  von  letztgenannter  Art,  in  der  Zahl  der  Kehl- 
längsschuppen, und  zwar  wird  die  Zahl  30  als  Grenze  genommen.  . 

31* 


486                                                    Erich 

ZüGMAYER, 

Die   Zahlen    der   Schuppen 

von 

der 

Kinnschildnaht 

Kragenrand  betragen  in  meiner 

Sei'ie 

bei  2 

Expl. 

25 

5 

» 

26 

6 

» 

27 

7 

» 

28 

4 

» 

29 

1 

» 

30 

1 

j; 

31 

2 

» 

32 

1 

11 

33 

bis    zunt 


ohne  daß  jedoch  die  Stücke  mit  mehr  als  30  Schuppen  sich  bezüg- 
lich anderer  Merkmale  der  andern  Gruppe  näherten. 
Die  Subocularia  nehmen  am  Lippenrand  teil 

bei  16  Expl.  beiderseits, 

4       „  auf  einer  Seite, 

2       „  beiderseits  mit  der  Spitze, 

7       „  gfar  nicht. 


fe' 


Die  Färbung  der  frisch  gefangenen  Tiere  war  olivengrau  mit 
dunklern  Flecken,  die  in  Längsreihen  mehr  oder  weniger  deutlich 
angeordnet  sind  und  bei  jungen  Exemplaren  stärker  hervortreten; 
die  Extremitäten  tragen  helle,  dunkel  umrandete  Ocelli.  Unterseite 
gelblich-weiß,  bei  Männchen  (zur  Paarungszeit)  bläulich  überflogen, 
am  Schwanz  bei  Jungen  rötlich  oder  schmutzig  orange. 

Maße   des   größten   Exemplars  (S)- 


Total 

172  mm 

Schwanz 

110 

Schnauze — After 

62 

Kopflänge 

19 

Kopfbreite 

10 

Vordere  Extr. 

21 

Hintere  Extr. 

29 

Auf  Grund  der  obigen  Feststellungen  halte  ich  folgenden  Schluß 
für  richtig.  Die  in  Ost-Turkestan  lieimis(dien  Formen  von  Eremias, 
die  zur  Art  muUioceUata  mit  den  Varietäten  Tjarl-andensis  und  saiurata 
gestellt  wurden,  gehören  mit  der  in  West-Turkestan  vorkommenden 
Art  intermedia  zusammen  und  sind  dieser  völlig  anzugliedern.    Dem- 


Herpetologie  von  Zentral-Asieu.  487 

■nach  träte  E.  iniermedia  typiscli  in  West-Turkestan  auf  und  be- 
Avalirt  sich  dort  seine  Artcharaktere;  im  östlichen  Turkestan 
schwindet  jedoch  deren  Konstanz,  und  es  finden  sich  zalüreiche  Ab- 
weichungen, die  aber  vorwiegend  individuell  sind  und  denen  vorerst 
keine  art-  oder  varietätbestimmende  Bedeutung-  zukommt. 

Ercmias  kommt  vorzüglich  außerlialb  der  Oasen  und  des  Kultur- 
landes auf  spärlich  bewachsenem  Sandboden  vor  und  wohnt  in 
Löchern,  meist  zwischen  den  Wurzeln  von  Sträuchern.  Der  Magen- 
inhalt der  von  mir  daraufhin  unteisuchten  Stücke  war  rein  tierischer 
Natur  und  bestand  aus  Kesten  von  Käfern  und  Orthopteren. 

Mitte  Mai  konnte  ich  E.  i.  in  Begattung  beobachten;  die  bläu- 
liclie  Kehlfärbung  bei  r?^:  gehört  vermutlich  nur  der  Paarungszeit 
an.  Gleichzeitig  jedoch  fand  ich  \\'eibclien  mit  bereits  sehr  großen 
Eiern  (keine  erkennbaren  Embryonen,  ovipar).  Die  Paarungszeit 
scheint  sich  demnach  auf  die  Monate  April  bis  gegen  Ende  Mai  zu 
erstrecken.  Während  der  Begattung,  die  etwa  20  Sekunden  dauert 
—  die  Tiere  hatten  mich  nicht  bemerkt  und  liefen  dann  gemeinsam 
weiter  —  sind  die  Vorderteile  der  beiden  Individuen  in  normaler 
Lage,  auf  die  Vorderbeine  gestützt,  auf  dem  Boden;  die  Ventral- 
seiten sind  einander  zugekehrt,  eng  aneinander  gedrückt  und  also 
um  90"  in  der  Längsachse  gedreht;  mit  den  Hinterbeinen  umfassen 
die  Tiere  einander,  die  Schwänze  sind  weit  zurückgebogen  und 
stehen  bei  der  Torsion  der  Körper  horizontal  über  dem  Boden,  ohne 
ihn  zu  berühren;  die  Tiere  drehten  sich  während  der  Begattung 
rasch  im  Kreis,  mit  den  Köpfen  an  der  Peripherie. 

Eretnhts  vermieulata  Blanf. 

1  (5  von  Sang-Uja,  Ost-Turkestan. 

Mein  einziges  Exemplar  nähert  sich  am  meisten  der  genannten 
Art.  der  es  jedenfalls  zuzuzählen  ist.  Es  weicht  jedoch  in  folgenden 
Merkmalen  von  der  Beschreibung  im  Cat.  Liz.  Biit.  Mus.  ab. 

L  Der  Abstand  zwischen  Frenale  und  Supraoculare  ist  um  ein 
Geringes  größer  als  die  Länge  des  letztern  Scliildes. 

2.  Das  Frontale  ist  vorn  stai'k  vertieft. 

3.  Das  Suboculare  bildet  zwar  auf  einer  Seite  den  Lippenrand 
zwischen  dem  6.  und  7.  Labiale,  auf  der  andern  aber  zwischen  dem 
5.  und  6. 

4.  Die  Zahl  der  Kopflängsschuppen  beträgt  nur  36. 

5.  Nur  die  mittelste  Schuppe  des  Kragenrandes  ist  vergrößert, 
die  übrigen  sind  klein  und  unregelmäßig. 


488  Ekich  Zogmayer, 

6.  Die  Präanalschuppen  sind  zienilicli  gToß,  regelmäßig;  an- 
geordnet, die  mittel-liinterste  trapezförmig  und  sehr  groß. 

7.  Querreihen  des  Bauches  36  (statt  38). 

8.  Nur  16  Schuppen  in  einer  Querreihe. 

Die  Zahl  der  Femoralporen  beträgt  jederseits  21;  sie  stoßen  in 
der  Mitte  fast  zusammen  wie  bei  E.  velox. 

Trotz  der  bedeutenden  Abweicliung  von  der  Beschreibung  im 
britischen  Katalog  stelle  ich  mein  Exemi)lar  unbedenklich  zur 
typischen  Form  E.  v.,  da  bei  den  meisten  Lacertiden  derartige  Ab- 
weichungen sehr  häufig  sind,  ohne  daß  deshalb  die  willkürliche  Auf- 
stellung von  neuen  Varietäten  oder  Arten  gerechtfertigt  erscheint; 
es  genügt,  den  Umkreis  der  Art  um  einige  Merkmale  zu  erweitern. 

Färbung  oberseits  graubraun  mit  zahlreichen  dunklen  Tupfen^ 
die  sehr  dicht  stehen  und  in  Längsreihen  angeordnet  sind;  von 
diesen  sind  die  mittlem  3  deutlich  und  setzen  sich  auf  den  Schwanz 
fort;  die  äußern  reichen  nur  bis  zur  Schwanzwurzel.  Auf  den 
Beinen  lichte  Ocelli  auf  braunem  Grund.     Unterseite  gelblich-weiß. 

Sandiger  Steppenboden. 


Scincidae. 

Zii/f/osoma  hmialaijaniuti  Blngk. 

39  Expl.  aus  Ladak. 

Diese  Serie  besteht  zum  größten  Teil  aus  erwachsenen  Indi- 
viduen, und  diese  zeigen  keine  nennenswerten  Abweichungen  vom 
beschriebenen  Typus. 

Die  Oberseite  zeigt  im  Leben  prächtigen  grünlichen  Metallglanz, 
die  Kehle  schimmert  perlmutterartig,  die  übrige  Unterseite  ist  gelb 
opalisierend.  Junge  Exemplare  haben  die  Unterseite  mehr  rötlich 
gefärbt,  Männchen  zeigen  im  allgemeinen  lebhaftere  Farbentöne  als 
Weibchen.  In  Alkohol  erhöht  sich  der  Glanz  zunächst  bedeutend, 
um  aber  nach  einigen  Stunden  fast  ganz  zu  verschwinden. 

Der  Schwanz  ist  in  hohem  Grade  zerbrechlich,  und  Exemplare 
mit  stummeiförmigen,  mattblau  gefärbten  und  unregelmäßig  be- 
schuppten Regeneraten  sind  sehr  häufig. 

Gefunden  wurde  L.  h.  in  Seehöhen  zwischen  2600  und  3500  m; 
sie  kommt  jedoch  auch  in  tiefer  gelegenen  Gegenden  vor,  kaum  aber 
in  hohem.  Vorzugsweise  hält  sich  L.  h.  in  bröckeligen  oder  lose 
schieferigen  Wänden  auf  oder  in  losem  Geröll;   an  manchen  Orten 


Herpetologie  von  Zeiitral-Asien.  489 

konnte  ich  mehrere  Dutzende  von  ihnen  auf  einer  Fläche  von 
wenigen  Quadratmetern  beobachten.  Die  Jungen  waren  (im  Oktober) 
bereits  so  groß,  daß  man  ilinen  ein  Alter  von  ca.  2  Monaten  zu- 
sprechen konnte,  doch  fanden  sich  auch  kleinere  in  mehreren  Ab- 
stufungen, so  daß,  wie  bei  Eremias  iniermedia  (s.  d.),  die  Paarungszeit 
sich  auf  längere  Zeiträume,  etwa  2—2^.2  Monate,  erstrecken  muß. 
Der  Mageninhalt  dei-  darauf  untersuchten  10  Exemplare  bestand 
aus  Resten  von  Käfern  und  Orthopteren. 


Maße   des   g-  r  ö  ß  t  e  n  E  x  e  m  p  1  a  r  s   (?) 

Totallänge 

134  mm 

Schnauze — Anus 

56 

Schwanz 

78 

Schnauze — v.  Ohrraiid 

11 

Vordere  Extrem. 

15 

Hintere  Extrem. 

18 

Geckonidae. 

Gij}nno(1avtff1  US  stofle^^kfte  Steind. 

18  Expl.  von  Lamajuru,  Ladak. 

Die  Rückentuberkel  sind  schwarz  und  in  gut  erkennbaren 
Längsreihen  angeordnet,  von  denen  wenigstens  2  stets  deutlich  sind. 
Die  Schwanztuberkel  stehen  in  der  Regel  zu  dreien  jederseits  auf 
jedem  Schwanzring  mit  Ausnahme  der  Spitze,  doch  finden  sie 
sich  auch  in  Gruppen  von  mehr  als  3,  und  diese  sind  dann  von  ge- 
ringerer Größe;  auch  2  Tuberkel  jederseits  auf  1  Ring  kommen 
vor;  in  diesem  Falle  sind  die  2  von  einigen  bedeutend  kleinern 
Tuberkeln  umgeben.  Der  Schwanz  ist  ungemein  zerbrechlich,  und 
die  ^Mehrzahl  meiner  Exemplare  hat  mehr  oder  weniger  vollständig 
regenerierte  Schwänze.  Bei  2  P^xemplaren  bemerkte  ich,  daß  der 
Schwanz  brach,  ohne  daß  er  berührt  worden  wäre  oder  sonst  eine 
bedeutende  Erschütterung  erhalten  hätte,  bei  andern  brach  er  bei 
einer  Berührung,  die  so  leicht  war,  daß  durch  sie  allein  der  Schwanz 
kaum  hätte  gebrochen  werden  können;  es  scheint  hier  fast  ein  Fall 
von  .,präventiver  Autotomie*'  vorzuliegen. 

Regenerierte  Schwänze  weisen  stets  Unregelmäßigkeiten  in  der 
Tuberkelbildung  auf,  und  der  Unterschied  zwischen  den  Tuberkeln 
des  Regenerates  und  jenen  des  intakten  Rumpfes  ist  sehr  auffallend ; 
auf  dem  regenerierten  Teil   können   die  Tuberkel  auch  ganz  felilen. 


490  Erich  Zugmäyer, 

Insbesondere  ist  bei  $?  —  soweit  meine  Serie  diese  Generalisierung- 
zuläßt  —  ein  re.^enerierter  Schwanz  fast  g-anz  glatt,  während  bei 
SS  die  Ringelung-  und  Tuberkelbildung-  immer  noch  mehr  oder  minder 
zustande  kommt.  In  der  stärkern  Rino-elung  des  Schwanzes  und 
der  im  allgemeinen  mehr  ausgeprägten  Tuberkelbildung  liegt,  neben 
der  lel)haftern  P^ärbung  und  Zeichnung  beim  S,  der,  soweit  ich  fest- 
stellen konnte,  einzige  äußere  Geschlechtsunterschied. 

Die  Rübenform  des  Schwanzes  ist  bei  jungen  Individuen  be- 
deutend weniger  ausgeprägt  als  bei  erwachsenen;  dem  kleinsten 
meiner  Exemplare  fehlt  sie  vollständig.  Dagegen  zeigen  regenerierte 
Schwänze  oft  viel  stärkere  Rübenfoi-m  als  unversehrte:  auch  kommt 
es  vor.  (laß  das  regenerierte  Stück  mit  einem  neuen,  rübenfürmigen 
Wulst  beginnt,  trotzdem  ein  solcher  bereits  an  der  Basis  des  intakt 
gebliebenen  Stummels  vorhanden  ist. 

Die  Zahl  der  Tjabialia  —  oben  10.  unten  9  —  ist  die  Regel, 
doch  können  sich  an  beiden  Kiefern  die  hintersten  Schildchen  in 
kleine  Schuppen  auflösen  oder  selbst  so  klein  werden,  daß  eine 
Trennung  von  den  anliegenden  Schuppen  nicht  mehr  durchzu- 
führen ist. 

Die  Kompression  der  distalen  Phalangen  sowie  die  seitliche 
Krümmung  ist  bei  manchen  meiner  Exemplare  nahezu  ganz  verwischt. 

G.  st.  lebt  in  losem  Schutt  oder  in  lockern  Löß-  und  Lehm- 
wänden, ohne  eigentliche  Löcher  zu  besitzen;  die  Nahrung  ist  ge- 
mischt tierisch  und  pflanzlich.  Mehrmals  fand  ich  Lyosoma  Mm. 
mit  der  hier  besprochenen  Form  gemeinsam  und  in  großen  Mengen 
in  denselben  Schlui)f\vinkeln. 

Die  Seehöhe  des  Fundortes  liegt  bei  3500  m.  doch  sah  ich  die 
Form  auch  bei  3900  m  und  hinab  zu  bei  2800  m.  Erstere  Zahl 
dürfte  der  obern  vertikalen  Grenze  entsprechen.  G.  st.  ist  bisher 
nur  aus  Ladak  bekannt;  die  beste  mir  bekannte  Abbildung  ist  die 
eines  Originalexemplars  im  Werk  über  die  Novara-Expedition. 

Maße  des  größten 


S 

? 

Totallänge 

104 

mm 

95  mm 

Schnauze — Anus 

49 

50 

Schwanz 

55 

45 

Kopflänge 

17 

16 

Vordere  Extremität 

19 

18 

Hintere  Extremität 

26 

23 

Herpetologie  von  Zeiitral-Asieii.  491 

TerafosclHCUs  j>rr:eir<(fskii  Steauch. 

1  S  von  Kliotan,  Ost-Turkestaii. 

Mein  einziges  Exemplar  weiclit  zwar  von  den  beschriebenen 
Stücken  dieser  Species  in  einigen  Punkten  ab  und  könnte  fast  ebenso 
leicht  zu  7'.  scincus  g-estellt  werden ;  da  es  aber  hinsichtlich  dei- 
Herkunft  mit  den  von  Strauch  (a.  a.  0.)  beschriebenen  Stücken 
übereinstimmt,  stelle  ich  es  zu  der  oben  genannten  Art,  obzwar  ich 
einige  Zweifel  dai-über  hege,  ob  man  die  verschiedenen  Arten  dieses 
Genus  nicht  nur  als  Lokalvarietäten  auffassen  soll,  die  alle  zu  T. 
scincus  {T.  licyserUngi)  gehören. 

Aus  Ost-Turkestan  wurde  T.  scincus,  soweit  mir  bekannt  ist. 
erst  zweimal  gemeldet.  Das  erste  Exemplar  ist  von  Boulengeh  im 
Cat.  Liz.  Brit.  Mus.  beschrieben,  das  zweite  von  Leche  (a.  a.  0.). 
Die  erstere  Beschreibung  geschah  jedoch,  bevor  andere  Species  be- 
kannt wurden  (Boulenger  änderte  Stkauch's  Nomenklatur  zugunsten 
der  von  Schlegel  ab);  die  Bemerkung  Leche's  bezieht  sich  nur  auf 
die  Verbreitung.  T.  przeimlsldi  wurde  von  Strauch  auf  Grund  der 
von  Przewalsklj  in  Ost-Turkestan  gesammelten  Exemplare  auf- 
gestellt, und  die  Beschreibung  im  Cat.  Liz.  enthält  fast  nichts,  was 
sich  nicht  mit  der  von  Strauch  in  Einklang  bringen  ließe.  Das 
seinerzeit  von  Boulengee  beschriebene,  von  Scully  in  Jarkent  er- 
beutete Stück  wird  auch  von  Blanford  (Yarkand  Mission)  be- 
sprochen. 

Im  ganzen  wurden  bis  1905  folgende,  mehr  oder  weniger  wohl- 
begründete Arten  dieser  Gattung  aufgestellt:  T.  keyscrlimji  von 
Strauch  aus  Khorassan,  T.  scincus  von  Boülenger,  T.  microlepis. 
T.  heclriagae  und  T.  mrudnii  durch  Strauch  u.  Zaeudxlj  aus  Ost- 
Persien.  Man  macht  sich  keines  großen  Fehlers  sclnüdig.  wenn 
man  alle  diese  Arten  zu  einer  einzigen  vereint;  da  mir  jedoch  kein 
Tergleichsmaterial  vorliegt,  außer  einem  von  mir  1904  in  Buchara 
gesammelten  Stück,  das  zweifellos  zu  T.  scincus  geliört,  und  da  mein 
hier  besprochenes  Exemplar  mit  der  Beschreibung  von  Strauch  ziem- 
lich übereinstimmt,  stelle  ich  es  zu  dieser  Art. 

Da  die  verschiedenen  Arten  zum  großen  Teil  auf  Unterschiede 
in  der  Färbung  begründet  sind,  gebe  ich  weiter  unten  eine  genaue 
Beschreibung  meines  Exemplars. 

Leche  bezeichnet  —  nach  Angaben  v.  Hedix's  —  die  dort  be- 
sprochene Form  als  „häufig  zwischen  den  Gebirgstälern  Nord-Tibets". 
Er  stellt  das  von  seinem  Gewährsmann  gefundene  Stück  zu  T.  scincus; 


492  Erich  Zcgmayer, 

da  er  aber  keine  Beschreibung-  gibt,  ist  aus  seinen  Angaben  weiter 
nichts  zu  ersehen.  Als  Fundort  wird  das  nördliche  Tibet  angegeben. 
Es  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  daß  hier  ein  Irrtum  v.  Hedin's  vor- 
liegt, wenn  er  diesen  Gecko  als  in  Noi-d-Tibet  häufig-  angibt.  Mög- 
licherweise ist  auch  der  Fundort  selbst  irrig-  angegeben,  oder  aber 
es  handelt  sich  um  ein  Stück,  das  ausnahmsweise  weit  ins  Gebirge 
verlaufen  war.  Vielleicht  lieg-t  eine  Verwechslung-  mit  einer  Agame 
vor,  denn  diese  mögen  wohl  höher  in  die  Berge  gehen  als  ein 
typischer  Sandgecko.  Ich  konnte  im  eigentlichen  Tibet  von  Eidechsen 
nur  Fhrynocephahis  feststellen,  während  A(/ama,  die  im  Süden  bis 
nahe  an  4000  m  Seehöhe  häufig  ist,  vielleicht  auch  in  einer  turkesta- 
nischen  Form  weiter  in  die  Berg-e  eindringt.  Das  Vorkommen  — 
und  vollends  das  häufige  Vorkommen  —  von  Temtoscincus  in  sehr 
hochgelegenen  Berggegenden,  in  denen  auch  im  Sommer  fast  regel- 
mäßig Nachtfröste  herrschen,  ist  höchst  unwahrscheinlich,  zumal  die 
Form  auch  in  den  ihr  mehr  zusagenden  Sandebenen  stets  selten  ist; 
der  beste  Beweis  dafür  ist  die  geringe  Zahl  der  in  die  Wissenschaft 
eingeführten  Exemplare;  auch  konnte  ich  Terafoscincus  im  nördlichen 
Tibet  ebensowenig  antreffen  wie  in  den  nach  dem  Tarim-Becken 
führenden  Tälern  des  Kuen-Lün.  Przewalskij,  der  nicht  nur  die 
Tarim wüste,  sondern  auch  das  nördliche  Tibet  bereist  hat.  gibt  die 
Form  nur  von  Fundorten  an ,  die  in  sandig-en,  verhältnismäßig;  tief 
gelegenen  Gegenden  liegen,  wie  Chanii,  Nija  und  Tscharkalik,  wo 
ihr  Vorkommen  keineswegs  befremdet. 

Trotzdem  das  mir  vorliegende  Stück  ein  S  ist,  fehlen  ihm  die 
Inguinaltuberkel,  die  bei  meinem  S  von  1904  vorhanden  waren;  da- 
gegen hat  es  zwei  Postanalporen,  die  jenem  fehlten;  hier  liegt  viel- 
leicht ein  weiteres  Merkmal  der  Unterscheidung  zwischen  T.  p.  und 
seinen  nächsten  Verwandten;  doch  ist,  wenn  nicht  das  Vorhandensein 
der  Poren,  so  doch  das  Fehlen  der  Tuberkel  oder  deren  geringere 
Zahl  eine  Erscheinung,  die  sich  auch  bei  andern  Geckoniden,  wie 
z.  B.  Crossohamon,  finden  kann,  ohne  die  Artdiagnose  zu  beeinflussen. 
Die  Zahl  der  Schwanznägel  ist  bei  meinen  beiden  Stücken  15. 

Färbung:  Grundfarbe  der  Oberseite  graurosa,  auf  dem  Kopfe 
gelbgrau;  Schnauze  und  Kieferränder  dunkelrosa,  Schwanz  und 
Extremitäten  lachsfarbig.  Auf  dem  Hinterkopfe  3  rostbraune  Flecken. 
9  Querbinden,  rost-  bis  dunkelbraun,  vom  Genick  bis  auf  die 
Schwanzwurzel.  Flanken,  Schwanz  und  Beine  rostfarbig  getupft. 
Unterseite  Aveißrosa,  Bauchmitte  bläulich.  Iris  silbergelblich,  schwarz 
geädert. 


Herpetologie  von  Zentral-Asien.  493 

Der  Mageninlialt  bestand  aus  Insectenresten ;  gefangen  wurde 
das  Tier  am  Fuß  einer  Lehmnianer,  auf  tief  sandigem  Boden.  Den 
Ton,  den  T.  mit  den  großen  Schildern  des  Schwanzes  hervorbringt, 
konnte  ich  nicht  beobachten. 

Die  Art  ist  bisher  nur  aus  Ost-Tnrkestan  gemeldet.  Die 
(-rattung  bewohnt  fast  ganz  Iran  und  Turan,  Tran.skaspien  und 
beide  Turkestan,  nach  v.  Hedin  auch  Tibet. 

M  a  ß  e  : 

Totallänge  137  mm 
Schnauze — Anus  85 

Schwanz  52 

Vordere  Extremität  31 

Hintere  Extremität  41 

Alsophyladc  p7'T:eivalskii  Str. 

1  c?,  1  $  von  Khotan. 

Die  Tuberkelreihen  des  Rückens  sind  nicht  besonders  deutlich 
und  regelmäßig,  aber  doch  wohl  erkennbar.  Das  S  hat  6  Präanal- 
poren (nach  Strauch  meist  nur  5).  Die  Zahl  der  Supralabialien  ist 
typisch  8,  die  der  lufralabialien  6  statt  7. 

Die  Längsbinden  sind  sehr  deutlich  au  den  Kopfseiten,  die  übrige 
Zeichnung  jedoch  so  verschwommen,  daß  der  Rücken  fast  einfarbig 
sandgrau  erscheint.  Die  Unterseite  ist  gelbweiß.  Das  $  ist  das 
größere  Exemplar  und  mißt  total  72  mm,  wovon  40  auf  den  Schwanz 
kommen. 

Sandiger  Steppenboden. 

Agamidae. 

Afßania  tariniensis  n.  sp. 

8  S6,  5  ??  von  Khotan. 

Diagnose:  Agamae  stoliczkanae  Br,.\(iR.  similis  sed  disthicla  laiiori 
proportionaliter  eapite,  äevi  cauda  longiori.  Squaniis  dorsalibus  eadem  area 
lateralium,  inter  eas  vitta  longitiidinalis  sqiiamarum  minorum.  Squamis 
maxhnls  e  caudcdihiis  duplici  area  maximaruni  dorsalhim.  Quarto  digito 
posteriori  distincte  longiori  tertii,  ungue  teriü  basin  unguis  quarti  non 
attinente.  Seriebns  usque  ad  quattuor  squamarum  praeanalimn  tumidaruni 
in   mascidis.      Colore    supra    aureo,    maculis    reticidatis   alerriniis,    eapite  ae 


494  ElUCH    ZUGMÄYER, 

cauda    rp-iseofuscis,    siihtua   admodnm  alhesr-ente,   giäture  retmilato.     Ilahitat 
in  regionibus  sabulosis  Titrkestanis  orienialis. 

Am  älinliclisten  sind  die  von  mir  <>esammelten  Exemplare 
A.  siolicslana  Blngk.,  doch  untersclieiden  sie  sich  von  dieser  Art 
durch  eine  Reihe  wichtiger  und  unter  den  Stücken  meiner  Serie 
konstanter  Merkmale,  so  daß  mir  eine  artliche  Trennung-  unerläßlich 
ersclieint,  zumal  (3S  sich  nicht  nur  um  Verschiedenheit  in  Färbung 
und  Pholidose.  sondern  auch  um  mehrere  im  Skelet  begründete  Ab- 
weichungen  liandelt.     Die  Färbung   wird   weiter  unten  beschrieben. 

1.  Der  Kopf  ist  bedeutend  breiter  im  Verhältnis  zur  Länge  als 
bei  A.  st. :  die  Kopflänge  verhält  sich  zui-  Kopf  breite  wie  7  :  6  oder 
14:  11. 

2.  Die  Schuppen  der  Seiten  sind  ebensogroß  und  größer  als 
die  der  Vertebralzone;  zwischen  letzterer  und  den  Seitenscliuppen 
liegt  eine  Längszone  kleiner  und  kürnigei-  Schuppen. 

3.  Die  größten  Scliw^anzschupi)en  sind  reichlich  doppelt  so  lang 
und  breit  wie  die  größten  des  Eückens. 

4.  Die  S6  haben  bis  zu  4  Reihen  verdickter  Präanal- 
schuppen. 

5.  Die  4.  Zehe  ist  bedeutend  länger  als  die  3.;  die  gestreckte 
Kralle  der  3.  erreicht  nicht  die  Krallenbasis  der  4. 

6.  Die  Schwanzlänge  verhält  sich  zur  Distanz  Kehlfalte — Anus 
wie  2' '2 : 1. 

7.  Die  Zeichnung  und  Färbung  ist  von  A.  sf.  sehr  verschieden, 
letztere  in  beiden  Geschlechtern  außerdem  bedeutend  bunter. 

Äußere  unterschiede  zwischen  S  und  $: 

Der  Hauptunterschied  sind  die  beim  c5  vorkommenden  verdickten 
Präanalscliuppen,  die  3—4  Reihen  stark  sind  und  dem  $  stets  fehlen. 
Im  übrigen  haben  S6  im  allgemeinen  stärkere  Bedornung  und  leb- 
haftere Farben,  besonders  ist  die  Netzung  und  Färbung  der  Kehle 
stets  w^eit  dunkler. 

Beschreibung  der  Pholidose:  Kopfschuppen  glatt,  auf  der  Sciinauze 
am  größten;  um  die  Ohren  und  an  den  Halsseiten  sowie  im  Genick 
Gruppen  von  dornigen  Schuppen.  Nackenschuppen  körnig,  die  der 
Vertebralgegend  sechseckig,  imbricat,  stumpf  gekielt.  Schw^anz- 
oberseite  mit  stark  gekielten  Schuppen,  die  dornige  Fortsätze  tragen. 
Extremitäten  oberseits  mit  gekielten  Schuppen,  die  der  Kehle  körnig, 
die  des  Bauches  rhombisch,  imbrikat,  glatt,  Präanalschuppen  bei  ^$ 
mäßig,  bei  SS  stark  vergrößert.    Unterseite  des  Schwanzes,  ebenso 


Herpetologie  von  Zentral-Asien.  495 

wie  die  Basis  der  Oberseite,  glatt.  Mediane  Rückeuschuppen  groß, 
die  der  Seitenzone  kleiner  nnd  körnig,  die  der  Flanken  ebensogroß 
oder  größer  als  die  vertebralen. 

Färbung  des  Männchens:  Grundfarbe  goldgelb,  auf  dem  Kopf 
gelbgrau,  auf  dem  Hinterrücken  rotgelb.  Kopf  mit  einzelnen 
schwarzen  Schuppen,  Genick  und  Eücken  mit  samtschwarzen 
Flecken,  die  ein  unregelmäßiges  Netzwei'k  um  goldgelbe  Ocelli 
bilden.  Kehle  schokoladebraun  mit  weißen  Ocellis;  Oberseite  der 
Extremitäten  gelb  mit  schwarzen  Binden,  die  undeutlich  sein  können, 
besonders  gegen  das  distale  Ende  zu.  Kieferränder  rosa,  Flanken 
gelbgrün,  in  das  Gelbweiß  der  Unterseite  übergehend.  Brust  mit 
bräunlichem  Netzwerk;  Präanalschuppen  maisgelb;  letztes  Schwanz- 
drittel  beiderseits  braun,  Schwanz  im  übrigen  oben  gelbgrau,  unten 
weißlich. 

Färbung  des  ?:  Im  allgemeinen  der  des  S  ähnlich,  nur  etwas 
matter;  es  fehlt  ferner  das  Gelb  der  Präanalgegend,  die  Kehle  ist 
nur  matt  genetzt  oder  einfarbig  grauweiß. 

Maße  des  größten 


S 

? 

Totallänge 

835 

mm 

322  mm 

Schnauze — Anus 

125 

110 

Schwanz 

210 

212 

Kopflänge 

36 

33 

Kopfbreite 

29 

27 

Größter  Körperumfang 

88 

110 

(ti 

'agend 

,  mit  8  Eiern) 

Vordere  Extremität 

65 

64 

Hintere  Extremität 

90 

87 

Diese  Agama  hält  sich  in  Kiesgruben,  Steinbrüchen,  verfallenem 
Mauerwerk  oder  an  Geröllhängen  auf;  im  offenen  Sand  traf  ich  sie 
nie  an,  wohl  aber  auf  Grasflächen  in  der  Nähe  der  oben  genannten 
Lokalitäten.  Sie  ist  sehr  wehrhaft  und  beißt,  wenn  sie  ergriffen 
wird,  heftig  um  sich;  die  längsten  Zähne,  an  den  Seiten  des  Ober- 
kiefers, sind  ca.  3  mm  lang.  Verfolgt  flieht  sie  mit  großer  Ge- 
schwindigkeit, kleine  GräTDen  von  ca.  20—30  cm  Breite  überspringend, 
sucht  Schutz  in  Löchern,  zwischen  Steinen  oder  Mauerspalten.  Ich 
traf  sie  meist  auf  erhöhten  Punkten  an,  wie  isolierten  Felsblöcken 
auf  Wiesengrund,  wo  sie  sich  vermutlich  sonnte.  Bereits  auf  große 
Entfernungen  ergriffen  die  Tiere  regelmäßig  die  Flucht  und  wurden 


496  Erich  Zügmaykr, 

am  besten  im  Lauf  mit  einer  Riemenpeitsche  gelähmt  oder  aus 
Schlupfwinkeln  hervorgezogen. 

Der  Mageninhalt  bestand  vorwiegend  aus  kleinen  Blüten  und. 
Orassamen.  nur  zum  geringen  Teil  fanden  sich  Reste  von  Insecten, 
bei  beiden  Geschlechtern. 

Die  $?  waren  zur  Fangzeit  (Ende  Mai  und  Anfang  Juni)  voll 
von  z.  T.  sehr  weit  vorgeschrittenen  Eiern,  in  denen  aber  keine 
Embryonen  zu  finden  waren  (ovipar);  in  einem  $  fand  ich  10  nahezu 
gleich  große  Eier  von  ungefähr  15  mm  Durchmesser. 

Bei  mehreren  Exemplaren  fand  ich  in  der  Leibeshöhle  Nema- 
toden von  25—30  mm  Länge,  im  Magen  große  Mengen  von  solchen, 
die  4 — (S  mm  lang  waren ;  die  letztern  fand  ich  auch  im  Darm,  aber 
nicht  in  der  Kloake. 

Agania  tuherculata  Gray. 

1  junges  ?  (Mulbek,  Ladak). 

In  der  Beschuppung  typisch;  in  der  Färbung  weicht  das  vor- 
liegende Exemplar  —  vielleicht  als  Jugendform  —  etwas  ab,  insofern 
als  es  ziemlich  matt  gefärbt  ist  und  auf  olivegrünem  Gi'und  schwache 
hellere  Tupfen  und  einen  auf  der  Rückenmitte  verlaufenden  hellem 
Längsstreifen  zeigt.    Der  Fundort  liegt  3100  m  ü.  M. 

Totallänge  122  mm. 

Affama  1ihtiaJ((iß(ina  Blngk, 

34  Expl.  beider  Geschlechter  und  verschiedener  Altersstufen 
aus  Ladak  und  Kaschmir. 

Bei  dieser  Art  ist  in  beiden  Geschlechtern  ein  Jugendkleid  vor- 
handen, das  bedeutend  bunter  ist  als  selbst  das  Hochzeitskleid  er- 
wachsener SS'-,  ähnliches  ist  von  manchen  Eremias-  und  Phryno- 
<:e]j]ialus- Arten  bekannt,  wo  jugendliche  Individuen  an  der  Unterseite 
des  Schwanzes  und  der  Extremitäten  rötlich  oder  gelb  gefärbt  sind, 
was  sich  im  Alter  verliert.  Bei  Ä.  li.  ist  jedoch,  worüber  ich  in 
der  Literatur  keine  Angaben  finde,  das  Jugendkleid  sehr  prächtig 
im  Vergleich  zur  Färbung  der  erwachsenen  Tiere.  Seine  Grund- 
farbe ist  heilocker  oder  goldgelb,  die  Zeichnung  und  Bänderung  der 
Oberseite  ist  samtartig  schwarzbraun,  die  Unterseite  zeigt  lebhaften 
Perlmutterglanz;  das  Auffallendste  sind  die  Flecken  der  Ohrgegend: 
sie  sind  im  Leben  leuchtend  mennigrot  und  reichen  hinter  dem  Ohr 
vom  Nacken   bis   an   die  Falten   der  Kehle  herab;   nach   dem  Tode 


Herpetologie  von  Zentral-Asien.  497 

oder  in  Alkohol  nehmen  sie  rasch  eine  mehr  ziej^elrote  Fai-be  an, 
in  Formol  werden  sie  bald  matt  rotbraun  und  verschwinden  all- 
mählich ganz. 

Stoliczka  (a.  a.  0.)  sagt,  daß  bei  Ä.  h.  das  S  bedeutend  kleiner 
sei  als  das  '?.  auf  dem  Kopf,  Hals  und  Rücken  gelb  gefleckt,  an 
den  Seiten  des  Halses  „umber  red",  also  etwa  rostbraun.  Blanford 
hält  diese  Färbung  für  einen  Teil  des  Hochzeitskleides.  Aus  meiner 
Serie  geht  jedoch  hervor,  daß  die  roten  Halsflecken,  da  sie  sich  bei 
beiden  Geschlechtern  und  nur  bei  kleinen  Exemplaren  finden,  zum 
Jugendkleid  gehören. 

Voll  erwachsenen  Exemplaren,  SS  wie  $?,  fehlen  die  Ohrflecken 
entweder  ganz,  oder  es  bleibt  ein  mattbrauner  Ton  auf  der  Haut 
zurück,  der  in  Konservierflüssigkeiten  alsbald  verschwindet.  Bei 
der  großen  Zahl  der  mir  vorliegenden  Tiere  konnte  ich  alle  Über- 
gänge genau  verfolgen.  Bei  jungen  Stücken  ist  die  Kehle  entweder 
weiß  oder  nur  ganz  leicht  grau  genetzt,  bei  SS  etwas  mehr  als 
bei  $  +  .  Im  fortschreitenden  Alter  nimmt  die  Netzung  der  Kehle 
beim  S  stetig  zu,  bis  sie  bei  erwachsenen  Tieren  schokoladebraun 
wird;  erwachsene  ??  haben  die  Kehle  gelblich- weiß  und  nur  selten 
mattgrau  genetzt  oder  marmoriert.  Die  verdickten  Präanalschuppen 
fehlen  den  $?  und  jungen  SS- 

In  der  Jugend  ist  das  Occipitalschild  verhältnismäßig  sehr 
groß,  doch  bleibt  es  im  Wachstum  gegenüber  der  sonstigen  Kopf- 
beschuppung  zurück,  so  daß  es  bei  erwachsenen  Individuen  wieder 
normal  erscheint.  Der  Jugendform  fehlen  ferner  die  dornigen 
Schuppen  um  die  Ohren;  2  oder  3  meiner  kleinen  Exemplare,  bei 
denen  leichte  Dornschuppen  um  die  Ohren  vorhanden  sind,  hatten 
deutlich  matter  und  dunkler  gefärbte  Ohrflecken;  da  sowohl  das 
Erscheinen  der  erstem  wie  das  Schwinden  der  letztern  Alters- 
charaktere sind,  scheint  es  sich  hier  um  Exemplare  zu  handeln,  die 
bei  fortschreitendem  Alter  im  Wachstum  zurückgeblieben  waren. 
Mit  zunehmender  Größe  treten  die  dornigen  Ohrschupi)en  ebenso 
wie  die  Kielung  der  Schwanzschuppen  immer  deutlicher  hervor, 
beim  S  stärker  als  beim  ?. 

Es  ist  auffallend,  daß  bisher  keinem  der  Sammler  und  Autoren 
die  lebhaft  gefärbte  Jugendform  voi'gekommen  ist  (Stoliczka"s  Be- 
schreibung bezieht  sich  jedenfalls  auf  bereits  nahezu  erwachsene 
Stücke),  um  so  mehr,  als  die  Eingebornen  die  jungen  und  alten  Tiere 
für  2  verschiedene  Arten  halten  und  mit  verschiedenen  Namen  be- 
zeichnen: während  die  erwachsenen  Tiere  entsprechend  ihrem  Lieb- 


498  Erich  Zügmayeh, 

lingsaufentlialt  als  ..dag-  galtschik",  d.  i.  Felsen-Eidechse,  bekannt 
sind,  heißen  die  jungen  „lama  galtschik"'.  was  Priester-Eidechse  be- 
deutet. Anlaß  zu  diesem  Namen  sind  die  Ohrflecken,  die  dieselbe 
Farbe  haben  wie  die  Mützen  der  Lamas  der  reformierten  Sekte. 

Die  Nahrung  von  A.  h.  ist  vorwiegend  pflanzlich,  nur  vereinzelt 
fanden  sich  im  Mageninhalt  Insectenreste;  in  einem  Falle  entdeckte 
ich  im  Magen  eines  großen  ?  das  Schwanzende  eines  Phrijnocephalns. 
Bei  allen  Exemplaren,  die  ich  öffnete,  war  nicht  nur  die  Cloake, 
sondern  auch  der  Darm  und  besonders  die  LeibeshiJhle  in  der  Lungen- 
gegend —  nicht  aber  die  Lunge  selbst  —  mit  zahlreichen  kleinen 
Nematoden  erfüllt.  Es  ist  wohl  kein  Zufall,  daß  die  beiden  vorhin 
als  „zurückgeblieben"  bezeichneten  Stücke  besonders  viele  dieser 
Parasiten  enthielten. 

Mit  Vorliebe  hält  sich  A.  h.  an  Stellen  auf.  die  mit  Felstrümmern 
bedeckt  sind,  doch  bewohnen  sie  auch  Lehmmauern  und  besonders 
die  „mani"  genannten  Steinwälle  mit  Inschriften  versehener  Platten, 
die  ihnen  vorzügliche  Schlupfwinkel  bieten.  Die  Tiere  sind  sehr 
wehrhaft  und  beißen  heftig.     Der  Schwanz  ist  sehr  haltbar. 


Maße 

des 

größten 

c? 

? 

Totallänge 

243  mm 

194  mm 

Schnauze— Anus 

89 

73 

Schwanz 

154 

121 

Kopflänge 

27 

21 

Vordere  Elxtremität 

42 

35 

Hintere  Extremität 

69 

51 

Phrynocephiilus  axillaris  Blanford, 

60  Expl.  aus  verschiedenen  Teilen  Ost-Turkestans. 

Das  Hauptcharakteristikum  dieser  Art,  dem  sie  den  Namen 
verdankt,  ist  der  blaurote  Fleck  hinter  der  Achselhöhle.  Günther 
(Cat.  Liz.)  spricht  nur  von  einem  roten  Fleck,  und  bei  länger  kon- 
servierten Exemplaren  ist  auch  nur  ein  solcher  zu  sehen.  Frische 
Stücke  jedoch  zeigen,  halb  in  der  Achselhöhle,  halb  dahinter,  jederseits 
einen  meist  länglich  ovalen  Fleck,  etwa  von  der  Farbe  dunklen 
Kirschsaftes,  mit  einem  breiten,  lebhaft  hellblauen  Saum  an  der 
obern  Seite;  dieser  verflüchtigt  sich  jedoch  in  Alkohol  sehr  rasch, 
in  Formol  erst  nach  Monaten. 


Herpetologie  von  Zeiitral-Asieii.  499 

Der  Schwanz  weist  in  seiner  distalen  Hälfte  oberseits  eine 
Reihe  dunkler  Flecken  auf",  von  denen  2 — 4  (letzteres  sehr  selten) 
ihn  in  Gestalt  von  Ringen  ganz  umziehen  können ;  meistens  g-reifen 
jedoch  nur  2  ganz  herum,  während  die  übrigen  an  der  Unterseite 
verschwimmen  oder  ganz  fehlen.  Die  Schwanzspitze  ist  niemals 
schwarz. 

Bei  jugendlichen  Individuen  ist  dies(i  Ringelung  weit  lebhafter 
ausgeprägt  als  bei  erwachsenen,  und  eines  meiner  Stücke,  von  ca. 
9  cm  Gesamtlänge,  zeigt  4  vollständig  herumgreifende  Schwanz- 
ringe und  einen  5.,  der  beinahe  geschlossen  ist.  Im  übrigen 
haben  junge  Individuen  die  Unterseite  des  Schwanzes,  oft  auch  die 
Partie  um  den  After  und  die  Innenseite  der  Schenkel  gelb  gefärbt, 
und  zwar  in  allen  Abstufungen  von  Zitronengelb  bis  zu  dunklem 
Orange,  von  dem  sich  dann  die  schwai'zen  Schwanzringe  prächtig 
abheben.  Im  Alter  verliert  sich  diese  Färbung,  und  der  Schwanz 
nimmt  den  Ton  der  Gesamtunterseite  an,  ein  unreines  Weiß,  das  bei 
SS  oft  rosig  oder  bläulich-grün  überflogen  ist. 

In  der  Färbung  der  Oberseite  variiert  Ph.  a.  sehr  stark.  ]\ranche 
meiner  Stücke  sind  nahezu  einfarbig  sand-  oder  lehmgelb,  andere 
weisen  mehr  oder  minder  regelmäßige  Ijängsreihen  von  braunen  und 
weißen  Tupfen  auf.  wieder  andere  eine  Medianreihe  großer  ähnlicher 
Flecken,  bei  denen  Weiß.  Grau.  Braun  und  selbst  Blau  abwechseln 
können;  dazwischen  gibt  es  alle  möglichen  Übergänge  und  Ab- 
stufungen. Stets  aber  ist  die  Färbung  so.  daß  sie  eine  meisterhafte 
Anpassung  an  die  Umgebung  darstellt,  gleichviel  ob  diese  einfarbiger 
Wüstensaud  oder  vielfach  gesprenkelter  Gesteinsdetritus  ist. 

Über  diese  hochausgebildete  Schutzfärbung,  bei  der  jedoch  der 
Achselfleck  konstant  vorhanden  bleibt,  habe  ich  bereits  in  einer 
kleinen  Arbeit  „Über  Mimikry  etc."  ')  berichtet,  ebendort  auch  über 
eine  Gewohnheit  von  Ph.  a..  die  als  ]\[imikry  nach  einem  Scorpion 
gedeutet  werden  kann.  Wenn  Ph.  u.  sich  bedroht  sieht  und  die 
Schutzfarbe  ihre  Funktion  nicht  erfüllt  hat,  krümmt  er  den  Sclnvanz 
nach  rückwärts  in  die  Höhe  und  bewegt  ihn  gewissermaßen  drohend 
hin  und  her,  ganz  wie  ein  aufgestörter  Scorpion;  die  Schwanzringel, 
die  an  Segmentation  erinnern,  machen  das  Bild  noch  vollständiger, 
und  nach  dem  Glauben  der  Eingebornen  vermag  auch  die  kleine 
Eidechse  mit  der  Schwanzspitze  tödliche  Stiche  zu  versetzen. 


1)  In:   Z.  wiss.  Zool..  Vol.   90,    1908. 
Zool.  JabiU.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  32 


500  Erich  Zlgmaykr, 

Diese  eigenartige  Gewohnheit  felilt  den  vorder-asiatischen  Arten 
helioscopus  und  olivieri  sowie  den  zentral-asiatischen  Hochlandsformen. 
Der  von  Pallas  herrührende  Name  Lacerta  caudivolvula.  der  darauf 
hinweist,  veranlaßte  bereits  Blanfokd  (Yarkand  Mission),  die  Identität 
der  von  Pallas  beschriebenen  Eidechse  mit  den  tibetanischen  Ver- 
tretern der  Gattung  zu  bestreiten,  von  denen  sie  auch  tatsächlich 
stark  und  spezifisch  verschieden  ist.  Die  —  immerhin  sehr  zweifel- 
hafte —  mimetische  Eigenheit  scheint  somit  auf  Ph.  caudivolvulus, 
maculatus  und  axillaris  beschränkt  zu  sein. 

Ph.  a.  lebt  in  offenem  Gelände,  meist  auf  Sandboden,  der  mit 
dünnem  Buschwerk  bestanden  ist.  Die  Nahrung  ist  ausschließlich 
tieriscli.  Die  Art  ist  ovipar,  und  zwar  scheinen  die  Jungen  im  Mai 
auszuschlüpfen;  in  diesem  Monat  fand  ich  zahlreiche  Stücke  von  nur 
4 — 5  mm  Länge,  andrerseits  in  keinem  der  untersuchten  $? 
Embryonen  oder  größere  Eier.  In  größern  Seehöhen  als  2000  m 
fand  ich  die  Form  nicht  mehr;  dort  wird  sie  von  Ph.  theohaldi  ab- 
gelöst, der  aber  auch  gemeinsam  mit  Ph.  a.  in  tiefern  Regionen 
vorkommt,  ebenso  wie  die  var.  forsjjihi. 

Maße  des  größten  Exemplars,  $. 


Totallänge 

155  mm 

Schnauze — Anus 

63 

Schwanz 

92 

Kopflänge 

18 

Kopfbreite 

15 

Vordere  Extremität 

34 

Hintere  Extremität 

53 

JPhrjfuoceplioltis  stoUc^Uai  Steind. 

25  Expl.  aus  West-Tibet. 

Im  Cat.  Liz.  Brit.  Mus.  vereinigt  Günther  diese  Art,  die  nach 
den  Ergebnissen  der  Novara-Expedition  von  Steindachner  auf- 
gestellt worden  war,  mit  Ph.  tickelii  zu  der  von  Blyth  aufgestellten 
Art  Ph.  theohaldi.  Auf  Grund  der  mii-  vorliegenden  Serie  muß  ich 
jedoch  zur  Ansicht  kommen,  daß  eine  artliche  Abtrennung  von  Ph. 
st.  neuerdings  nötig  ist,  da  diese  Form  in  verschiedenen  Merkmalen 
so  stark  von  der  Diagnose  für  Ph.  ih.  abweicht,  daß  sie  nicht  mit 
ihr  vereinigt  werden  kann. 


Herpetologie  von  Zentral-Asieii.  501 

Die  Haiiptabweicliuiig-en  sind  folgende: 

1.  Das  Schwanzende  ist  in  beiden  Geschlechtern  beiderseits 
schwarz,  oft  in  der  ganzen  distalen  Hälfte,  manchmal  fast  bis  an 
den  Anus,  stets  aber  im  distalen  Drittel,  unten  etwas  mehr  als 
oberseits,  während  bei  Ph  ih.  nur  das  äußerste  E]nde,  nur  beim  Sj 
und  nui"  unterseits  schwarz  ist. 

2.  Die  Länge  des  Schwanzes  beträgt  stets  wenigstens  V^'ji  der 
Distanz  Kehlfalte — Anus,  auch  mehr,  bei  einem  meiner  Stücke  sogar 
genau  2;  bei  Ph.  ih.  ist  sie  nur  Vj. — l'/g. 

3.  Die  schwarzen  Flecken,  die  sich  auch  beim  ?  auf  Kehle, 
Brust  und  Bauch  voriinden,  können  so  ausgebreitet  sein,  daü  sie 
vom  Kinn  bis  an  den  Anus  reichen,  derart  fast  die  ganze  Unter- 
seite ausfüllend.  [Daß  diese  in  der  Größe  bei  Ph.  th.  variabel  sind  und 
keinen  Geschlechtsunterschied  darstellen,  bemerkt  Boulengkr  a.  a.  0. 
(1905)J. 

4.  Die  Rückenschuppeu  sind  nicht  Hach.  sondern  körnig 
gerundet,  nur  in  Ausnahmefällen  imbrikat,  sonst  nebeneinander  an- 
geordnet. 

Von  der  var.  forsijfhi  der  Art  Ph.  th.  weichen  meine  Exemplare 
dadurch  ab.  daß 

1.  die  Schuppen  der  Extremitäten  nicht  gekielt  sind, 

2.  das  Schwanzende  stumi)f  ist.  nicht  „tapering  to  a  fine 
point", 

3.  das  Schwanzende  auch  oberseits  schwarz  ist,  und  daß 

4.  die  „Plastrons"  stets  groß  und  dunkel  sind,  während  sie  bei 
var.  forsijthi  ,.a  faint  blackish  line  along  the  middle  of  the  belly" 
bilden. 

Die  Stücke  dieser  Serie  können  demnach  weder  zur  Art  theohaldi 
noch  zu  deren  Varietät  gestellt  werden;  dagegen  stimmen  sie  in 
allen  wichtigern  Merkmalen  und  besonders  in  der  Färbung  so  gut 
mit  den  von  Steindachner  beschriebenen  Exemplaren  überein,  daß 
zweifellos  den  seinerzeit  von  diesem  Autor  nach  Stüliczka  be- 
nannten Formen  wieder  der  Rang  einer  guten  Art  eingeräumt 
w^erden  muß. 

Ph.  st.  ist  vivipar;  ich  habe  in  mehreren  ??  im  Juli  nahezu  voll- 
ständig ausgebildete  Embryonen  gefunden,  die  zweifellos  in  wenigen 
Tagen  zur  AVeit  gekommen  wären,  gleichzeitig  neugeborene  Junge  ge- 
sammelt, die  in  der  Größe  genau  mit  den  Embryonen  übereinstimmten. 

32* 


502 


Erich  Zugmayer 

! 

Maße. 

Totallänge 

136  mm 

Schnauze — Anus 

57 

Kopflänge 

17 

Kehlfalte — Anus 

40 

Schwan  zl  an  ge 

79 

Vordere  Extremität 

27 

Hintere  Extremität 

42 

I*Jtrtjiioce2}halHs  tJieohahli  Blyth, 

42  Expl.  aus  West-Tibet  und  Ladak. 

In  Lebensweise,  horizontaler  und  vertikaler  Verbreitung  stimmt 
diese  Form  mit  der  vorgenannten  iiberein.  Meine  Serie  entspricht 
in  allen  Punkten  der  Beschreibung  von  Günthek.  Die  „Plastrons" 
sind  ziemlich  variabel  und  finden  sich  in  beiden  Geschlechtern.  Wie 
bei  Fh.  stolicshie  fand  ich  auch  hier  fast  ausgetragene  Embryonen 
zugleich  mit  frisch  geborenen  Jangen.  auch  noch  im  August. 


Maße. 

Totallänge 

112  mm 

Schnauze — Anus 

54 

Kopflänge 

15 

Kehlfalte — Anus 

39 

Schwanzlänge 

58 

Vordere  Extremität 

23 

Hintere  Extremität 

37 

Da  sich  unter  meiner  Serie  zahlreiche  vollerwachsene  Stücke 
finden,  ist  der  Schluß  zulässig,  daß  Fh.  theobaldi  im  allgemeinen 
kleiner  ist  als  Ph.  stolicd-ae,  dabei  aber  verhältnismäßig  längere 
Extremitäten  besitzt  als  diese  von  mir  wieder  neu  aufgestellte  Art. 


■^o' 


Phi'ifuocephalus  theohaldi  Bl.  var,  fovstjthi  Blanf. 

19  Expl.  aus  Ost-Turkestan. 

Die  mir  vorliegenden  Stücke  lassen  sich  sowohl  von  Ph.  tli.  typ. 
als  auch  von  der  Form  wohl  unterscheiden,  die  ich  oben  als  Ph.  stolicslme 
beschrieben  habe,  in  Übereinstimmung  mit  der  Beschreibung  im 
britischen  Katalog   finde   ich   als  Merkmale   eine  —  manchmal  sehr 


Herpetologie  von  Zentral-Asien.  503 

scliwache  —  Kielimg'  der  Scliiii)i)en  auf  den  Beinen,  ein  spitzes  Zu- 
laufen des  relativ  lang-en  Schwanzes  und  gering-e  Größe  der  Schuppen 
im  allg-emeinen.  besonders  auf  dem  Hinterkoi)f. 

Die  Bauchseite  ist  bei  den  grüßten  Exemplaren  in  einigen  Fällen 
einfai'big-  g-elbweiß.  Blanfokd's  „faint  blackish  line"  scheint  mehr 
den  jugendlichen  Individuen  zuzukommen,  wo  sie  sich  bisweilen  zu 
deutlichen  Plasti'ons  verbreitet,  doch  kann  sie  auch  bei  erwachsenen 
Tieren  verhältnismäßig  deutlich  sein.  Die  Schwanzspitze  ist  in 
beiden  Geschlechtern  unteiseits  braun  oder  schwarz.  Bei  allen 
Exemplaren  ist  die  Doppelreihe  von  Flecken  entlang  dem  Rücken 
und  zum  Teil  auch  auf  dem  Schwanz  sehr  deutlich;  2 — 3  der  letztem 
können  zu  fast  umgreifenden  Ringeln  werden.  Im  Leben  ist  die 
ganze  Unterseite  beim  S  schön  i'osig  überflogen,  doch  verliert  sich 
diese  Färbung  in  Alkohol  schon  nach  wenigen  Minuten,  vermutlich 
auch  sonst  nach  dem  Tod  sehr  bald. 

Blaxford  hat  die  Ansicht  geäußert,  ein  Unterschied  zwischen 
seiner  Varietät  und  der  typischen  Art  könne  darin  liegen,  daß 
erstei-e  ovipar  sei.  letztere  vivipar.  Meine  Untersuchungen  be- 
stätigen diese  Vermutung  vollauf.  Ich  fand  in  ??  der  var.  fors)jtlii 
im  Mai  und  Juni  wiederholt  bis  zu  6  sehr  große  Eier,  aber  ohne 
erkennbaren  Embrj'o;  als  ich  Mitte  Juni  das  betreffende  Sammel- 
gebiet verließ,  waren  noch  keine  Jungen  des  laufenden  Jahres  zu 
finden  gewesen.  Die  Eiablage  dürfte  demnach  etwa  Mitte  Juni 
stattfinden. 

Maße. 

mm 


Totallänge 

113 

Schnauze  — Anus 

50 

Kehlfalte— Anus 

36 

Kopflänge 

14 

Schwanzlänge 

63 

Vordere  Extremität 

23 

Hintere  Extremität 

36 

Daß  die  var.  forsijthi,  die  in  warmen  und  relativ  nicht  hoch- 
gelegenen Gegenden  vorkommt,  ebenso  wie  Ph.  axillaris  eierlegend 
ist,  im  Gegensatz  zu  den  im  Hochland  lebenden  Arten  theobaldi. 
stolicshn  und  der  nächst  besprochenen,  die  vivipar  sind,  erklärt  sich, 
wie  das  gleiche  Verhalten  unseres  Alpensalamanders  gegenüber  den 
andei'n  Tritonen,  durch  klimatische  Verhältnisse.  Die  Formen,  die 
in  warmen  Gebieten   leben,   können  der  Sonne   das  Ausbrüten  ihrer 


504  Erich  Zügmayer, 

Eier  überlassen.  Im  tibetanischen  Hochland,  "vvo  ich  im  Hochsommer 
Nachtfröste  bis  zu  — 15  °  C  maß,  wäre  eine  Entwicklung:  der  Eier 
unmöglich,  sobald  diese  frei  abgelegt  würden;  dementsprechend 
werden  sie  bis  zur  Lebensfähigkeit  von  der  Mutter  getragen.  Leider 
ist  mir  nicht  bekannt,  wie  sich  die  in  den  Vorbergen  gegen 
Turkestan  lebenden  Ph.  theohaldi  verhalten ;  vermutlich  sind  sie 
ebenfalls  vivipar.  Sie  sind  jedoch  dort  selten,  und  ihr  Vertreter  ist 
die  vcir.  forsyfhi,  die  eierlegend  ist.  Da  die  „Plastrons"  junger 
Tiere  von  var.  forsijthi  sich  im  Alter  wieder  verringern  oder 
ganz  schwinden,  ist  zu  schließen,  daß  die  Varietät,  wie  zu  er- 
warten, genetisch  von  der  Art  abzuleiten  ist.  Da  aber  die 
Varietät  eierlegend  ist,  entsteht  ein  Widerspruch,  denn  die  Vivi- 
parität  sollte  ein  sekundäres  Merkmal  sein,  und  dementsprechend 
müßte  man  die  Varietät  als  primär  auffassen.  Die  Einwanderung 
der  Art  hat  sich  jedoch  gewiß  von  Süden,  Kaschmir,  Ladak 
und  Süd-Tibet,  über  das  Plateau  nach  dem  Kuenlün  und  dem 
Tarim-Becken  vollzogen,  und  so  ist  anzunehmen,  daß  die  Formen, 
die  sich  im  Tarim-Becken  ansiedelten,  die  Oviparität  wieder  an- 
nahmen, als  sie  aus  dem  das  Lebendgebären  bedingenden  kalten 
Hochland  wieder  in  wärmere  Gebiete  kamen.  Es  wäre  interessant, 
festzustellen,  wie  sich  die  im  wärmern  Kaschmir  lebenden  Ph.  theo- 
haldi verhalten;  während  meiner  Reisezeit  dort,  im  Oktober,  war 
leider  keine  Gelegenheit  zu  derartigen  Beobachtungen. 


Flivynocephalus  erythrurtis  n.  sj), 

7  Expl.  vom  Sagüs  Kul,  Nordwest-Tibet. 

Diagnose:  Colorc  rubro-aurantiaco  per  totum  corpus  praevalente,  cauda 
'proporlloncdüer  hreri,  acute  terndnata,  distcditer  infra  et  supra  colore  miniiy 
eodem  colore  crnra  et  digiti ;  squanns  occipitcdihiis  admodum  ptarvis.  Hab. 
in  montibus  tihetanis  septevitrionalibus. 

Am  nächsten  steht  die  Form,  die  ich  als  neue  Art  vorschlage, 
Ph.  theohaldi,  von  dem  sie  sich  jedoch  durch  die  Färbung  nnter- 
scheiden  läßt,  ferner  durch  zwei  Merkmale,  die  beide  den  Schwanz 
betreffen  und  die  mir  bei  der  großen  Konstanz  der  Schwanzbildung 
und  -färbung  bei  Ph.  besonders  wichtig  erscheinen. 

Erstens  ist  der  Schwanz  im  Verhältnis  zum  Abstand  Kehl- 
falte— Anus  sehr  kurz.  Meine  5  erwachsenen  Exemplare  zeigen 
folgende  Proportionen : 


rierpetoloiiie  vou  Zentral-Asien.  505 

Kelilfalte — Anus         Schwanz  Prop. 


1. 

? 

34 

mm 

46 

mm 

1  : 1,36 

-) 

S 

36 

50 

1  :  1.39 

3. 

S 

38 

51 

1  :  1.35 

4. 

j- 

o 

41 

56 

1  :  1,36 

5. 

$ 

44 

59 

1  :  1,34 

In  keinem  Fall  also  erreicht  die  Läng-e  des  Schwanzes  auch 
nur  1.4  der  Distanz  Kehlfalte— Anus,  während  sie  bei  Fh.  theobakli 
1,5 — 1,66,  bei  verwandten  Formen  sogar  P/^ — 2  betragen  kann. 

Zweitens  ist  der  Schwanz  spitz  zulaufend  im  Gegensatz  zu  Ph. 
tlieobaJdi. 

Als  Anlaß  zu  meinem  vorgeschlagenen  Namen  „erythrurns''' 
diente  mir  die  sehr  auffallende  und  lebhafte  Rötung  der  Schwanz- 
spitze, und  zwar  sowohl  ober-  wie  unterseits.  Im  gleichen  Maß 
sind  die  Kieferränder,  die  Nasenkuppe,  die  Augenlider  sowie  die 
Beine  und  Finger  zinnoberrot  gefärbt.  In  der  Gesamtfärbung  herrscht 
ein  orangeroter  Ton  vor;  die  proximale  Schwanzpartie  ist  ebenfalls 
rötlich  gefärbt,  besonders  auf  der  Unterseite.  Vom  Genick  bis  auf 
die  Schwanzmitte  zieht  sich  eine  undeutliche  Doppelreihe  von  im 
Leben  blauschwarzen  Flecken,  die  Schenkel  sind  grau  marmoriert; 
die  Kehle  ist  rötlich-grau,  die  Plastrons  auf  Brust  und  Bauch 
schwarz,  die  übrige  Unterseite  hell  lachsfarbig.  Das  größte  S  zeigte 
eine  besonders  prächtige  Ausfärbuug,  doch  sind  die  Charaktere  sonst 
bei  beiden  Geschlechtern  gleich. 

Alle  Schuppen  sind  glatt,  die  Vergrößerung  derselben  auf  dem 
Hinterkopfe  ist  fast  unmerklich. 

Ich  traf  diese  Art  nur  in  der  Ebene  des  Sagils  Kul,  am  Südfuß 
des  Passes  Kisil  Dawan  oder  Subaschi,  in  4600—4700  m  Seehöhe. 
Der  Boden  war  kiesig  saudig,  der  Mageninlialt  bestand  meist  aus 
Grassamen  mit  nur  wenig  Insectenresten.  Die  Fundzeit  war  Ende 
Juni;  in  beiden  $?  fand  ich  vorgeschrittene  Embryonen;  auch  diese 
Form  ist  also  lebendgebärend  oder  ovovivipar. 

Leche  berichtet  a.  a.  0.  über  Phrjaiocephali  der  Ausbeute 
V.  Hedin's,  die  aus  dem  mehr  nordöstlichen  Tibet  stammen;  er  stellt 
sie  zu  Fh.  tlieohaldi,  bemerkt  aber,  daß  2  der  Exemplare  durch  die 
oben  rote  Farbe  abweichen.  Leider  gibt  er  über  die  wichtige 
Schvvanzfärbung  nichts  an;  es  ist  wohl  möglich,  daß  die  beiden 
Stücke  auch  darin  mit  meinen  Exemplaren  übereinstimmen. 


506  Eiiicii  Zügmayer, 


Leche  gibt  als  Fundorte  Nord-  und  Zentral-Tibet  an,  sagt 
jedoch  nicht,  aus  welcher  Gegend  die  beiden  rötlichen  Stücke 
stammen;  da  ich  die  Form  nur  im  nördlichsten  Tibet  antraf  und 
trotz  beständigen  Ausblickens  nach  ihr  weder  im  südlichen  West- 
Tibet  noch  in  Ladak,  ist  anzunehmen,  daß  sie  auf  den  tibetanischen 
Abhängen  des  Kuen  Lün  ihre  Heimat  hat. 


Maße 

des 

größten 

s 

? 

Totallänge 

115  mm 

119  mm 

Kopflänge 

15 

16 

Kehlfalte — Anus 

44 

44 

Schwanz 

56 

59 

Vordere  Extremität 

25 

24 

Hintere  Extremität 

37 

36 

Ampliibia. 

Bnfonidae. 

ßiffo  viridis  Laue. 

35  Expl.  aus  Ost-Turkestan  und  Kaschmir. 

8  Exemplare  aus  Kaschgar  sind  in  der  Grundfarbe  hell  grau- 
braun und  matt  olivengrün  gefleckt:  3  aus  der  Oase  Jak^'u-Längär 
sind  olivenbraun  und  fast  einfarbig,  nur  am  Hinterende  mit  wenigen 
sehr  matten  Flecken;  16  Stücke  aus  Khotan  sind  lebhaft  gefärbt 
und  gezeiclmet,  hellolive  oder  taubengrau  mit  zahlreichen  braun- 
grünen Flecken. 

Die  großen  Entfernungen  zwischen  den  einzelnen  Oasen  in  Ost- 
Turkestan  dürften  die  aus  Vorstehendem  ersichtliche  Bildung  von 
Lokalrassen  sehr  begünstigen. 

Anfangs  Juni  fand  ich  in  Khotan  halbentwickelte  Larven. 

Bei  Jugendformen  sind  die  Augenwülste  sehr  klein  im  Verhält- 
nis zu  ihrem  Abstand;  auch  die  Ohrwülste  nehmen  erst  im  Alter 
ihre  normale  verhältnismäßige  Größe  an. 

Die  8  in  Kaschgar  im  Oktober  gesammelten  Tiere  sind  alle 
jung;  das  größte  untei'  ihnen  hat  die  dunkelgrünen  Flecken  nahezu 
zu  Längsreihen  vereinigt. 


Herpetologie  von  Zeutral-Asien.  507 

Ranidae. 

Mana  cijanophlyctis  Schneid. 
8  ??  von  Kaschmir. 

Mit  geringfüg-igen   Abweichungen  von    der   typischen  Färbung 
und  Zeichnung. 


508  Erich  Zugmaykr.  Herpetologie  von  Zeutral-Asien. 


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1906.     NiKOLSKY,   Herpetologia  Rossica,   in:   Mem.   Acad.   Sc.   St.  Peters- 
bourg, Vol.    17   (russisch). 


Lippeit  Ä  Co.  (G.  Pätz'sche  Buchdr.),  Naumburg  a.  S. 


Nachdruck  verboten. 
Ubersetsungsrecht  vorbehallen. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus. 

Von 
Audreas  3Iartyiiow. 

(Aus  dem  Laboratorium  des  Prof.  Zograff  an  der  Kais.  Universität 

Moskau.) 

Mit  Tafel  24-27  und  1  Abbildung  im  Text. 


Da  mir  bekannt  ist.  ein  wie  gToßes  Interesse  das  Studium  der 
Fauna  des  Kaukasus  darbietet  und  wie  wenig  noch  in  dieser  Hin- 
sicht geschehen  ist,  scliloß  ich  mich  gern  der  zoologisclien  Expedition 
an,  welche  vom  „Studentenkreise  zur  Erforschung  der  Fauna  Euß- 
lands"  im  Sommer  1907  auf  den  Kaukasus  entsandt  wurde.  Die 
gegenwärtige  Arbeit  erscheint  als  Resultat  der  Bearbeitung  der 
Sammlungen  dieser  Expedition  aus  der  Gruppe  der  Trichopteren, 
denen  ich  während  der  Exkursion  meine  besondere  Aufmerksamkeit 
zuwandte.  Ich  entschloß  mich,  hier  bei  den  von  mir  aufgezählten 
Arten  die  S^'uonyme  nicht  aufzuführen,  da  man  diese  in  der  Mono- 
graphie McLachlan's  (am  vollständigsten),  bei  Wallengeex  (Skand. 
Neuropteren  1891)  und  endlich  bei  S.  ülmer  (1907,  in:  „Genera 
Insectorum")  finden  kann. 

Ich  halte  es  für  eine  angenehme  Pflicht,  dem  „Studentenkreise 
zur  Erforschung  der  Fauna  Rußlands'',  der  mir  die  mich  inter- 
essierende Sammlung  überließ,  dem  Herrn  Prof.  N.  J.  Zograff,  in 
dessen  Laboratorium  ich  arbeitete  und  der  meinen  Untersuchungen 
viel  Teilnahme  entgegenbrachte,  dem  Herrn  Prof  G.  A.  Koshewnikow, 
der  mir  liebenswürdig  das  ganze  Museumsmaterial  aus  der  Gruppe 
der  Trichopteren  zur  Verfügung  stellte,  sowie  Herrn  Georg  Ulmer, 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  33 


510  Andreas  Martynow, 

der   mir  freundlichst   einig-e   micli   interessierende  Formen  zusandte, 
meine   Dankbarkeit  auszusprechen. 

Die  frühesten  Nachrichten  über  Tricliopteren  des  Kaukasus  gibt 
KoLENATi,  der  in  den  Jahren  1843  und  1844  eine  Reise  im  Kaukasus 
ausführte.^)  In  seinen  ,.]\Ieletemata  Entomologica"  ^j  erzählt  er 
übrigens  nur  von  der  Art  des  Sammeins  der  Trichopteren,  liefert 
aber  keine  Übersicht  seiner  Daten  über  die  Trichopteren  des 
Kaukasus.  Alle  seine,  übrigens  nicht  zahlreichen  Angaben  über  die 
Auffindung  von  Phi-yganiden  im  Kaukasus  finden  wir  in  einer  großen 
Arbeit  „Genera  et  species  Trichopterorum".-')  Kolenati*)  erwähnt 
in  ihr  folgende  ihm  bekannte  Arten  vom  Kaukasus: 

1.  Auaholia  })hahtrnoi(]cs  {Holosfomis  phnlarnoides  Linne)  —  in  Caucaso 
(potius  Armenia),  ad  pagum  Tscbaikent  et  lacum  Sulli-ghöll  mense 
Junio  (l,   p.   82). 

2.  Trichostegia  grandis  {Phr.  grandis  Linne)  —  babitat  Caucaso  et  Ar- 
menia (1,  p.  84). 

3.  Trirliostegia  varia  (Phr.  varia  F.)  —  Caucaso. 

4.  Chaetotaiilius  rJiombicus  (LimnopJiilKs  rhonibicus  Linne)  ■ — •  Caucaso 
(1,  p.  45). 

5.  Chaet.  flavicornis    {Liiirii.  flavlcornis  Fabr.)    —    Caucaso    (1,    p.  44). 

6.  Slathmophonis  fiiscus  KOL.  (=  Anaholia  nervosa  CuRT.  -j-  Anah. 
soror  McLach.  -\-  Anah.  furcata  Brauer)  —  Caucaso  apud  Stauro- 
polin   et  iu  Armenia  (1,  p.   61). 

7.  Uoniotanlhis  griseiis  (Lvun.  grisen.s  L.)  —  Caucaso,  Circassia,  Junio 
(1,  p.  53). 

8.  Slniophglax  pantherinus  PiCT.  (=  St.  slrllaius  CuRT.  -|-  *S'^.  Inctuosus 
Piller  et  Mitterpacher)  —   Caucaso  (1,  p.  67). 

9.  Hallesus  digitatus  [=  H.  digüatus  Schrank  {H.  digitatus  Kol.  var.  a) 
-\-  IL  radiattis  Curt.  =  //.  dig/tatii.'^  Steph.  (//.  digitatus  Kol. 
rar.  ß  et  fj]   ■ —  Caucaso  (Octobr.),   ad  fluvium  Tanain  (1,  p.   69). 

10.  Notidohia  ciliaris  Linne  —  Caucaso,  ad  fluvium  Cubanium,  in  Circassia 
ad  fluvium  Urup,  Junio  (1,  p.  91). 

11.  Hijdronaiäia  maculata  Oliv.  [^  Brachycentrus  suhnubilus  CuRT.  {H. 
7naculata  Kol.,  excl.  vars.  a  et  ß)  -\-  Brach,  sp.?  (H.  mactdata  Koh. 
var.  C(  et  ß)]  ■ — ■  Caucaso,  in  lacu  alpino  Ballochghöll,  prope  Elisabeth- 
polin,   Majo,  Junio. 


1)  Meletemata  Entomologica,    auctore    Dr.   FrideriCO  A.  Kolenati, 
Fase.   1—5,  Petropoli    1845—1846. 

2)  Ibid.,  Fase.   5,  p.   15  L 

3)  Genera    et    Species  Trichopterorum,    auct.   F.   A.   Kolenati,    pars 
prior,   Pragae    1848,  pars  altera,   Moskau   1859. 

4)  Ibid.,  pars  prior,   p.   25  u.  fi". 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  511 

12.  SpatJi idopferyx  copillata  PiCT.  [Gori-a  pilosaF.]   —  Caucaso  occidentali 
et  orientali,   Juuio,  Julio   (1,   p.   95). 

13.  Sclodes  axiirea  Linne  [Mt/stacides  azurca  L.]  —    Caucaso,    Junio  (2, 
p.  2G3). 

14.  jSHo  mijiii/iis  \Beraeodes  ni'muia  L.]  —   Caucaso,  Armenia,  Kai-abagh 
(1,  p.   101). 

Wir  fiiuleii  also  bei  Kolenati  den  Hinweis  auf  die  Beobachtung 
Ton  mindestens  14  Arten;  bei  einigen  derselben  sind  freilich  die 
Angaben  des  Fundortes  (Kaukasus)  allzu  unbestimmt.  Einige  Formen 
muß  man  anzweifeln  und  von  Anfang  an  StaihnopJiorns  fuscw^  Kol, 
ausschließen  (eine  ..Art",  die  von  den  spätem  Autoren  schon  nicht 
mehr  erwähnt  wird),  da  man  darunter,  nach  McLachlan  ^),  3  Arten 
zu  verstehen  hat  (Anab.  nervosa,  soror  und  furcata),  und  welche  von 
diesen  auf  dem  Kaukasus  gefunden  wurde,  bleibt  ungewiß.  Die 
«rste  kleine  Übei'sicht  über  die  Trichopteren-Fauna  des  Kaukasus 
lieferte  W.  Uljanin.-)  In  seinem  Verzeichnis  der  „Phrj'ganina",  die  auf 
<lem  Kaukasus  gefunden  wurden,  zählt  er  21  Formen  auf.  Es  ge- 
hören hierzu  die  Arten,  die  schon  Kolenati  erwähnte,  sowie  einige 
für  den  Kaukasus  neue,  die  meist  unbestimmt  waren. 

1.  LinniopMlus  sitbcentralis  Hag.  —  Kaukasus. 

2.  Strjiophijlax  hieroglypldcvs  Steph.  [=  -SV.  cuncentricus  Zett.]  —  Tiflis. 

3.  Halesus  sjj.  ?  —  Kaukasus. 

4.  Brachijcentrus  .sp.  ?  —   Kaukasus. 

5.  Aspatheriuin  sj>,?  —  Kaukasus,  Armenien  [=  Silo  sp.]. 

•6.  Glossosoma  sp.?  (fimbriata?)  —  Armenien  (MoTSCHULSKY,   $). 

7.  Rhyacophila  sp.  ?  {torrcntiwn  ?)  —  Armenien  (Armenia,  MotschüLSKY). 

8.  Hydropsyche  sp.  ?  —  Armenien. 

9.  (irammokmlius  nilldus  Müll.  —  Elisabethpol. 

10.    Mysiacides  nigra  —  Kaukasus  [?  ohne  Bezeichnung  des  Autors!]. 

In  diesem  Verzeichnis  sind  die  schon  früher  bekannten  Holo- 
stomis  phalenoides  L.  und  Limnophüus  flavicornis  Fabr.  ausgelassen, 
und  statt  M.  asureu  L.,  die  Kolenati  erwähnt,  steht,  ungewiß  warum 
M.  nigra,  -^j     In  McLachlan's  Monographie  „Revision  and  Synopsis 


1)  McLachlan,  Rev.  and  Syn.  Europ.  Fauna,  p.   103  — 105. 

2)  W.  Ul.tanin,  Verzeichnis  der  Netz-  und  Greradflügler  der  Gouverne- 
ments des  Moskauer  Lehrbezirks.  Heraustfe"'.  v.  d.  Gresell.  der  Freunde 
•der  Naturwissenschaften,  Moskau   1869,  p.   219  (russisch). 

3)  M.  nigra  PiCT.  =  axiirca  L.,  oder  M.  nigra  L.   =  nigra  L.  ? 

38* 


512  Andreas  Martynow 


of  the  Trichoptera  of  Europ.  Fauna",  1874-1880,  1884,  finden  wir 
nun  Ergänzungen  zur  Fauna  des  Kaukasus,  obwohl  auch  Lücken 
vorhanden  sind.  So  finden  wir  nicht  den  Fundort  „Kaukasus"  bei 
der  Beschreibung  der  Arten:  Phrijganea  [/randis  L.,  P.  varia  F., 
Grammotaidms  nitidus  Müll..  Limn.  rhomhicus  L.,  L.  suhcentrcdis  Hag. 
Es  fehlt  die  Bezeiclinung  ,.Kaukasus"  auch  bei  der  Beschreibung 
von  Halesus  di(/itatus,  da  aber  nach  McLachlan  ^)  die  Art  digitaius- 
KoLENATi  2  Arten  umfaßt  {H.  radiaius  Cuirr.  und  H.  digitatus  Schrk.), 
so  ist  es  in  der  Tat  nicht  gewiß,  welche  von  beiden  Arten  auf  dem 
Kaukasus  gefunden  wurde.-)  Dasselbe  gilt  auch  für  St.  panthcrinus 
PicT.  •')  Ferner  werden  aus  unbekannten  Gründen  die  Angaben 
„Kaukasus"  fortgelassen  für  die  Arten :  *SY.  hieroglyphicus  Steph., 
Bracinjcenirus  submihilus  Curt.,  Bcracodes  miniiia  L.  und  Mystacides 
azurea  L.  Als  neu  für  die  Kaukasus-Fauna  erweisen  sich  folgende 
Formen :  Gluphotaelius  selysii  McLachlan  —  Miugrelien  (Th.  Deyroth), 
Limn.  lunatus  Curt.  [$  in  de  Selts'  CollectionJ,  Limn.  auricula  Cüet. 
—  Miugrelien,  Limn.  pecuUaris  McLachlan  —  Gouriel  iS  in  de  Selts^ 
Collection),  Cerasma  cornuta  McLachlan  —  Gouriel  (^  in  de  Selys' 
Collection),  Lifhax  inccmus  H.  —  Armenien  (2  SS  in  Hagen's  Samm- 
lung); Brachycenirus  adoxus  McLachlan  —  Kaukasus  (Hagen),. 
Leptocerus  hilineatus  L.  —  Gouriel  \2  iS  —  McLachlan  hält  sie 
für  zweifelhaft].  Für  Glossosoma  vernale  Pict.  (=  G.  fimhiata  Steph.) 
und  lihyacophila  torrentium  Pict.  (==  lih.  armeniaca  Guerin)  wird  bei 
McLachlan  als  Fundort  „Armenien"  (Motschulskt)  angeführt  und 
zwar  ohne  Fragezeichen  (vgl.  bei  Uljanin!). 

Eine  neue  Übei'sicht  über  die  Trichopteren  Rußlands  und  des 
Kaukasus  insbesondere  gibt  uns  Bianchi.  *)  Dieser  Autor  führt  für 
den  Kaukasus  22  Arten  auf,  von  denen  4  neu  sind.  ^) 

Limnophilus  horealis  Zett. 
L.  elegans  Curt, 
L.  politus  McLachlan 
L.  nigriceps  Zett. 


1)  McLachlan,  Rev.  aud  Syn.,  p.   149,   150. 

2)  Nach  Brauer  (Neurop.  Europas  .  .  .  üsterr.,  AYien  1876)  Halesus 
radiaius  Curt. 

3)  McLachlan,  Rev.  and  Syn.,  p.  3. 

4)  Lampert,    Das    Leben    im    Süßwasser,    Ruß.  Ausgabe  Devriens^ 
1900,  p.   209—224  (russisch). 

5)  Der  genaue  Fundort  dieser  Arten  ist  unbekannt. 


Die  Tricbopteien  des  Kaukasus.  513 

Da  früher  bis  27  Arten  bekannt  waren  oder,  nacli  Ausscliluß 
dreier  zweifelliafter  Formen  (Sfaih)itophon(s  fitscus,  Sioi.  panfhorinus, 
HaJcsus  düjitafus)  24  Arten,  so  ist  es  klar,  daß  Bianchi's  Liste  nicht 
ganz  vollständig-  ist.  Er  hat  für  den  Kaukasns  nicht  anfgefülirt 
Pliri)(jauca  (jrandis  L. ,  GrammotanUus  nitidus  ]\Iüll.  ,  Linin.  sub- 
centraUs  Hag.,  Mystacides  azurea  L..  Brachyceniriis  siibnuhihts 
CuRT..  Stenophylax  hieroglyphicns  SrEini.^)  Bei  Glossosoma  steht  in 
Klammern:  Gl.  virnale  Pict.  [=  „G.  holioni  Cui{T."(!j].  wähi'end  Gl. 
boltoni  CuRT.  gar  nicht  dasselbe  ist  wie  Gl.  vcrnale  Pict.  ;=  G. 
fimbnati  Steph.,  für  welche  allein  ]\rcLACHLAN  den  Fundort  „Armenia" 
anführt.  Außer  der  Übersicht  von  Bianchi  ist  mir  keine  neue  Er- 
gänzung für  die  Kaukasus-Fauna  bekannt,  mit  Ausnahme  einer 
neuen  Art  aus  der  Gattung  Drusus  —  Drusus  caucasicus  Ui.mek  — . 
welche  Ulmer  nach  2  Si  aus  dem  Berliner  Museum  beschrieben 
hat  (Kaukasus.  Passanaur  bis  Lars.  8. — 11.  7.  1900.  J.  Karsch).-) 

Somit  wurden  von  den  vorhin  genannten  Autoren  vom  Kaukasus 
etwa  34  Arten  aufgeführt,  von  denen  als  unbeschriebene  Formen 
nachbleiben  : 

Stathm.  fuscus  Kol..  G.  et  sp.,  Vol.  1.  61. 
Stafhni.  paniherinus  Kol..  G.  et  sp.,  Vol.  1,  (57. 
Halesus  difjifatus  Kol..  G.  et  S])..  Vol.  1,  69. 

Dann  bedürfen  der  Revision  die  Angaben  über  das  Vorkommen  von 
Lept.  bilineatus  L.  ^),  Myst.  azurea  L..  Brachycenirus  subniibilus  Gurt. 
nnd  Bmcliycentrus  adoxus  McLachlan  auf  dem  Kaukasus. 

Eine  allgemeine  Liste  der  Trichopteren,  die  vom  Kaukasus  be- 
kannt sind,  folgt  weiter  unten. 

Bevor  ich  an  die  Beschreibung  der  von  mir  erwähnten  Samm- 
lung gehe,  die   27  Arten   aufzuweisen   hat  (ungerechnet  die  Unter- 


1)  Unter  den  Arten  der  Gattung  LiuinophUits  steht  bei  BiANCill 
.auch  „L.  gri.seus  L.  (=  L.  stiyu/a  CuRT.)^.  Bei  McLaCHLAN  stimmt 
die  Synonymik  der  Arten  L.  griseus  L.  und  L.  sfiyu/n  CuRT.  (p.  85  bzw. 
p.  57)  in  nichts  überein,  bei  AVallengren  (Skand.  Neurop.,  Vol.  2,  p.  44) 
ist  bei  der  Benennung  ..L.  yri^eusJj.^'  ein  Teil  der  Synonymik  McLaCHLAn's 
von  L.  sfif/»/a  CuRT.  gegeben.  Infolge  dieser  Verwirrung  ist  es  unklar, 
■welche  Art  man  eigentlich  bei  Bianchi  zu  verstehen  hat,  ob  den  wahren 
L.  yriseus  L.  oder  L.  .stiyina  Gurt.  Da  bisher  vom  Kaukasus  nur 
L.  gri.seus  L.  bekannt  war,  so  werden  wir  eben  auch  diese  Art  im  Auge 
behalten. 

2)  In:   Notes  Leyden  Mus.,  Vol.   29,   p.   51. 

3)  Siehe  S.  510. 


514  Andreas  Martynow, 

arten),  halte  ich  es  nicht  für  überflüssig?,  eine  wenn  anch  nur  kurze 
Beschreibung-  des  Weges  zu  geben,  auf  dem  gesammelt  wurde.  Die 
Exkursion  nahm  am  12./25.  Juni  1907  ihren  Anfang,  wo  wir  aus 
Borshom  nach  Süden  aufbrachen,  und  dauerte  wenig  länger  als 
2  A\'ochen,  vom  12. — 30.  Juni  (25.  Juni  bis  12.  Juli). 

Aus  der  Stadt  Borshom  bis  zur  Stadt  Achalkalaki  im  Gouverne- 
ment Tiflis  fuhren  wir  zuerst  auf  dem  Flusse  Kur,  dann  auf  seinem 
Nebenflüsse  Taparawantschai.  Auf  dem  Kur  fing  ich  ausschließlich 
Arten  der  Gattung  Hydropsijchc.  auf  dem  Taparowantschai  gesellten 
sich  zu  ihnen  noch  eine  Art,  Psijchomyia  pusüla,  die  in  zahlreichen 
Exemplaren  vorkam.  Danach  wurde  von  uns  eine  ganze  Reihe  Seen 
besucht,  der  kleine  Bergsee  „Zunda".  am  Ufer  des  Kur,  in  der  Nähe 
der  Stadt  Achalkalaki,  und  eine  Reihe  kleiner  und  großer  Seen, 
die  südlicher  liegen,  auf  dem  Plateau  von  Achalkalaki,  Es  sind 
dieses  alles  eher  große  Sümpfe  als  Seen,  die  von  den  Ufern  aus  stark 
verwaclisen  und  flach  sind.  Zu  ihnen  gehören  der  kleine  See 
Tschandura-gliöll,  der  See  Chantschanly-ghöll  (gegen  7  km  lang),  der 
in  einer  Höhe  von  6328  Fuß  über  dem  Meere  liegt,  der  See  Aclimaz,. 
der  See  Madatapin-ghöll,  in  einer  Höhe  von  6944  Fuß,  der  See 
Arpaghöll,  in  einer  Höhe  von  ()706  Fuß.  Die  Fauna  der  auf- 
gezählten Seen  erwies  sich  zu  dieser  Zeit  als  ziemlich  arm  und 
einförmig.  Hier  traf  ich  besonders  oft  Ph.  obsoleia  McLach.  (in 
Massen  an  den  größern  Seen),  Äg.  pagetana  Curt.  (in  großer  Menge 
zusammen  mit  P.  obsoleta).  Limn.  vittatus  F.  allenthalben;  andere 
Limnophiliden  [L.  subcentralis,  L.  sfirjma,  L.  franscausicns  n.  sp.,  Colpo- 
iaulius  major  n.  sp.)  traf  ich  in  einzelnen  Exemplaren.  Der  nächste 
von  uns  besuchte  See  —  Tschaldyr-ghöll  (im  Gebiete  von  Kars)  — 
liegt  in  einem  Bergkessel,  ist  von  Bergen  umschlossen  und  recht 
groß  (bis  18  km  lang).  Die  Trichopteren-Fauna  der  Ufer  des  Sees 
wird  durch  die  oben  angeführten  3  Arten  charakterisiert,  aber  dafür 
ist  die  Zusammensetzung  der  Fauna  an  den  umliegenden  Gebirgs- 
bächen  eine  ganz  andere.  Hier  wurden  gefunden:  Äpotania  suhtüis 
n.  sp.  (zahlreich),  Agapetus  incertnlus  McLachl.  (?)  (auch  zahlreich),. 
Acnmoeciella  chaldyrensis  n.  g.  n.  sp.  Am  Flusse  Tschaldyrka,  ganz 
an  der  Ausflußstelle  desselben  aus  dem  See,  ebenso  wie  am  Aus- 
flusse des  Flusses  Bogdanowka,  der  aus  dem  See  Chantschanly  kommt, 
stets  in  großer  Individuenzahl,  wurde  die  Art  Triaenodcs  reuten 
McLachl.  gefanden,  die,  nachdem  der  Lauf  des  Flusses  schneller 
wurde,  allmählich  verschwand,  und  statt  ihrer  traten  dann  Ps. 
pusüla  F.,  Arten  der  Gattung  Ilydropsyche,  Jlhyacophüa  nubüa  Zett. 


Die  Trichopteien  des  Kaukasus.  515 

und  andere  auf.  Formen,  die  für  schnell  strömende  Flüsse  cliarakte- 
ristiscli  sind.  Die  Abliängig:keit  des  Vorkommens  einiger  Arten  von 
den  Lebensbedingungen  (der  Larven)  und  die  Abgrenzung  der 
Stationen  tritt  liier  sehr  scharf  zutage.  ^)  Wir  können  hiernach, 
wenn  auch  nur  annähernd,  in  dem  von  uns  besuchten  Gebiete 
4  Stationen  unterscheiden: 

1.  Die  verwachsenen  Ufergebiete  der  sumpfigen  Seen  (("harakter- 
fui'men :  Limn.  rifUifus,  F.  obsoleta,  A.  payetuna). 

2.  Schnellströmende  Flüsse  {Psychomyia  pusilla,  Genus  llydro- 
psyche,  Silo  inherculatum  n.  sp.). 

3.  Gebirgsbäche  (Äßapeius  incertuhis  (?),  Apatania  suhiilis  n.  sp., 
AcrunoecieUa  chaldyrenis  n.  (/.  n.  sp.). 

4.  Ausflußstellen  der  Flüsse  aus  Seen  (Triaenodes  reuteri). 

In  der  Sammlung,  welche  der  „Studentenkreis"  mitbrachte, 
fanden  sich,  wie  gesagt,  etwa  21  Arten.  In  der  kleinen  Sammlung 
(3  Arten)  von  Kawkaiski.t  '-).  der  fast  dieselben  Örtlichkeiten  im 
Jahre  1901  besuchte,  fand  ich  außerdem  1  Exemplar,  das  zu  einer 
neuen,  von  mir  nicht  gefundenen  Art  gehört.  Im  ganzen  also 
führe  ich  hier  die  Beschreibung  einer  Sammlung  von  28  Arten 
auf,  von  denen  24  Arten  für  die  Kaukasus-Fauna  als  Neuigkeiten 
erscheinen.  ^) 


Farn .  Fhryganeidae. 
Genus  Phr!/f/((nea  Lixxe. 

Sp.  1.   P/wf/f/Hiiea  f/randis  L. 

1  S,    See    Madatapin-ghöll,    Kreis    Achalkalaki,    Gouvernement 
Tiflis,  21./6.  1907  (Mautynow). 


1)  Für    die  Vollständigkeit    der  Sammlung    sehr    wichtig,    daher    darf 
man  keine  einzige  Station  auslassen. 

2)  Material  des  Zool.   Museums  der  Universität  Moskau. 

3)  Die    für    den    Kaukasus    neuen    Formen    sind    mit    einem    *    be- 
zeichnet. 


516  Andreas  Martynow 


Sp.  2*.i)     Bh,  ohsoleta  McLach. 

Viele  SS  und  $$.  An  den  Seen  Chantschanly-gliöll,  Madatapin- 
gliüll,  Kreis  Achalkalaki.  Gouvern.  Tifiis.  19.— 21./6.  1907  (Maetyxow, 
Baktenew,  Teoizkij  ),  Chosapin-gliöll.  2H.  6. 1907  (Baktenew,  Morosow). 
und  Tsclialdyr-ghüll,  24.— 2(3./6.  1907  (Martynow),  Gebiet  von  Kars. 
Bei  einigen  Exemplaren  sind  an  den  Seiten  des  Abdomens  vom  2.  bis 
7.  Seo-ment  kleine  an  Kiemen  erinnernde  Büschel  von  Auswüchsen 
zu  bemerken.  Ähnliche  Bildungen  sah  ich  schon  früher  bei  Ph. 
(jranäis!,  Ph.  striata  und  Limn.  flavicornis  aus  dem  Gouvernement 
Moskau. 

Genus  Af/rijj)nia  Cürt. 

Sp.  3*.     A,  jf>«f/ef<^i<«  CüRT. 

Viele  Je?  und  ??.  Von  den  Seen  Chantschanl}^  Madatapin,  Achmas, 
Chosapin,  Tschaldyr,  19. — 26./6.  1907  (Martynow,  Bartenew). 


Fam.  Limnoplnlidae. 
Genus  CoJxwtauUus  Kol. 

Sp.  4*.     Colpotaulius  major  n,  sjJ. 

(Fig.  1,  2,  3,  4.) 

Fuscus.  Die  Härchen  der  Brust  und  des  Kopfes  sind  g-rau- 
gelblich,  zwischen  ihnen  stehen  auf  der  Eückenseite  des  Kopfes,  des 
Pro-  und  Mesonotums  läng-ere  schwarze  Haare.  Antennae  brunneo- 
testaceae,  hell  geringelt ;  das  Basalglied  bräunlich  (fuscus).  Abdomen 
fuscus,  von  unten  kaum  heller,  mit  hellerm  Seitenstreifen,  Die 
Abdomenglieder  mit  blassen  Hinterrändern.  Pedes  testacei  oder 
gelblich;  Coxae  braun.  Die  Ränder  des  Femurs  und  der  Tibia  der 
Vorderfüße  der  SS,  die  einander  zugekehrt  sind,  sind  schwarz  (wie 
bei  C.  incisus),  da  sie  eine  große  Menge  kleiner  schwarzer  Stacheln 
bedeckt.  Die  Coxae  der  Vorderfüße  sind  heller  als  die  der  hintern. 
Die  Vorderflügel  sind  hinten  nicht  zugespitzt,  sondern  abgerundet, 
gelblich-braun  (testaceae).     Die   Plügelfransen   (fringe)   sind  goldig. 

1)   Die  für  den  Kaukasus  neuen  Formen  sind  mit  *  bezeichnet. 


Die  Trichoi)teren  des  Kaukasus.  517 

Die  Härchen  oben  sind  goldig,  unten,  besonders  am  Apex,  schwarz. 
Die  Adern  sind  brnnneo-testacei.  Die  Län.o-e  der  Discoidalzelle 
koninit  deren  8tiel  gleich  oder  ist  etwas  größer  (Fig.  4).  Der  Post- 
costalraum ist  dunkelbräunlich,  der  Costalraum  durclisichtig.  Der 
Kadius  ist  leicht  gebogen,  jedoch  mehr  als  bei  C.  incisiis;  die  Hub- 
costa ist  scharf  zur  Costalader  hin  gebogen.  An  den  Adern  kommen 
dunklere  Punkte  vor,  über  denen  sich  schwarze  Härchen  erheben. 

Die  Hinterliügel  sind  fast  durchsichtig.  Der  Raum  zwischen 
den  Enden  der  Subcostalader  und  denen  des  Kadius  ist  bräunlicli. 
Der  Cubitus  teilt  sich  etwas  weiter  hinter  dem  Beginne  der  Dis- 
coidalzelle. 

Beim  S  bildet  das  9.  Segment  an  den  Seiten  breite  Lamellen, 
die  von  oben  schräg  abgeschnitten  sind  (Fig.  3),  Hire  Hinterränder 
sind,  von  hinten  betrachtet,  gleichmäßig  und  mit  einzeln  stehenden 
dunklen  Härchen  besetzt  (Fig.  1  u.  2).  Weitei-  von  der  Basis,  näher 
der  Glitte,  gehen  die  beschriebenen  Teile  des  9.  Segments  mehr  oder 
weniger  vollständig  in  die  untern  Anhänge  über,  welche  aber  dennoch 
mit  ihren  Enden  frei  hervorragen.  Der  gerade  Hinterrand  des 
9.  Segments  bildet  (von  hinten)  keine  so  deutlichen  Einschnitte  nach 
innen  wie  bei  C.  incisus.  Die  Pedes  genitales  sind  von  den  Seiten 
wenig  zu  sehen  und  sind  dicht  mit  Haaren  besetzt.  Von  hinten  sind 
sie  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  zu  sehen,  nähern  sich  einander  an 
der  Basis  und  treten  dann  auseinander,  indem  sie  einen  breiten 
ovalen  Zwischenraum  bilden,  in  welchem  der  Penis  zu  sehen  ist.^) 
Die  hintern  Innern  Bänder  und  das  freie  abgerundete  Ende  sind 
dicht  mit  dunklen  Haaren  bedeckt.  Die  Appendices  praeanales 
(superioi'es  bei  McLachlani  sind  breit,  lappenartig,  testacei,  mit 
dichten,  langen,  gelblichen  Haaren  besetzt.  Der  Hinterrand  ist  (von 
der  Seite  gesehen)  scharf  ausgeschnitten,  mehr  als  bei  C.  incisus.  so 
daß  der  Ausschnitt  einen  geraden,  kaum  gerundeten  Winkel  bildet. 
Der  Oberrand  ist  von  oben  leicht  gewölbt.  Die  Appendices  inter- 
medii  (McLachla.n's)  schauen  mit  ihren  zugespitzten  Enden  nacli 
außen  und  verbreitern  sich  dann  plötzlich  zur  l>asis  und  berühren 
sich  in  ihrem  mittlem  Teil  fast,  vermittelst  zweier  fast  quadrat- 
förmiger  Auswüchse  (Fig.  2).  Diese  Auswüchse  sind  durch  einen 
kleinen  Ausschnitt  von  einem  zweiten  ovalen  Auswuchs  im  proxi- 
malen  Teil  der  Appendices  intermedii   getrennt.     Der  Penis   bildet 


1)  Bei  Cul.  i)icis)ff;  i^t  der  mittlere  Teil  der  Pedes  genitales  von  den 
früher  erwähnten  Anhängen  (Ausbuchtungen)   des  9.  Segments  bedeckt. 


518  Andreas  Martynow, 

einen  breiten  (testaceum)  Lappen,  der  im  Zwischenraum  zwisclien 
den  App.  inferiores  liegt  und  sicli  nach  hinten  verbreitert.  Der 
Hinterrand  besitzt  in  der  Mitte  einen  leichten  Ausschnitt.  An  den 
Seiten  des  Penis  gehen  2  dünne  Spinae,  welche  von  der  Basis  des- 
selben entspringen.  Die  Außeniänder  der  Basalteile  der  App.  prae- 
anales  sind  nach  innen  gebogen,  und  das  hintere  Ende  der  Biegung 
bildet  einen  sclnvarzen  Zahn,  der  nach  dem  Ende  der  dunkelbraunen 
Intermedialanhänge  hin  gewandt  ist  (Fig.  1). 

Länge  des  Körpers  10  mm.^; 

$  unbekannt. 

3  S6  vom  See  Arpa-ghüll,  Ausfluß  des  Arpatschai-Flusses,  Gebiet 
von  Kars,  22./6.  1907  (Martynow). 


Genus  GrainDiotiniJius  Kol. 

Sp.  5.     Gr,  nitidus  (Müll.). 

1  S  vom  See  Madatapin-ghöU.  21./6.  1907  (Martyxow). 

Länge  14  mm.  Blaßgelb.  Die  Vorderflügel  gelblich,  mit  zahl- 
reichen schwärzlichen  Spritzpunkten  überall,  außer  dem  Costalfeld; 
im  dorsalen  Teil  etwas  größere  Flecken. 


Gen.  TAninophilus  Leach, 

Sp.  6*.    L.  vittatiis  F. 

Viele  SS  und.  ??.  Von  den  Seen  Tschandura-,  Chantschanly-, 
Arpa-,  Tschaldyr-,  Chosapin-ghöll ,  IG.— 26./7.  1907  (Maetynow, 
Baetenew). 

Sp.    7*.       Li.    Stif/liKf    CüRT. 

1  S  vom  See  Tschandura-ghöll.  3  SS,  3  ??  vom  See  Arpa-ghöll, 
22./6.  1907  (Martynow).  Unterscheiden  sich  etwas  durch  die  f^äi"bung. 
Der  mittlere  Teil  des  Mesonotums  und  das  ganze  Abdomen,  mit 
Ausnahme  der  bräunlichen  Seitenstreifen,  ochracea.  Die  Enden  und 
Känder  der   Genitalanhänge   der   SS   sind  schwarz;   die  Flügel  be- 


1)  Nach  der  Form  der  Genitalanliiinge  nimmt  C.  major  eine  Mittel- 
stellung zwischen  C.  incisus  und  einer  neuen  Art  des  Genus  CoIpotauUus 
ans   Sibirien  ein,   die  von  mir  noch  nicht  beschrieben  ist. 


Die  Tricliopteren  ilcs  Kaukasus.  519 

sitzen   ein  schwarz   ausg-ebildetes   Netz,    ohne   braunes  Pterostigma 
(das  Pterostigma  ist  bei  1  c^  und  2  ??  ausgedrückt). 

Sp.  8.  X.  stihrentrafis  Bhauhr,  N.  A. 
(^r=  suhcentrcdis  Hag.,  in:  Stettin,  entomol.  Zeitg.  1858). 
1  S,  Madatapin-ghöll,  21,6.  1907  (^Fartynow).  i) 

Sp.  9*.     L.  trffiiscfmcasicus  n.  sp. 

■    (Fig.  5,  6,  7,  8,  9.) 

Steht  dem  L.  bipunctatus  Cuet.  nahe.  Der  Kopf  ist  oben  braun 
(fuscus);  die  Warzen  und  das  Pronotum  gelb,  das  Mesonotum  bi-aun, 
mit  gelblichen  eingedrückten  Streifchen.  Metanotum  und  Abdomen 
von  oben  braun.  Die  Härchen  des  Kopfes  und  der  Brust  schwarz 
und  gelb.  Die  Antennen  gelblich  oder  ..fuscentes"  mit  gelben 
Ringen.  Die  Palpen  sind  gelblich.  Die  Seitenstreifen  und  das  Ende 
des  Abdomens  sind  blaß-.,ochracei"'.  Die  Vorderflügel  sind  schmaler 
als  bei  L.  Mpundatus,  hinten  scharf  abgeschnitten  und  kurz  (etwas 
länger  als  der  Körper);  sie  sind  gleichförmig  graulicli,  mit  schwarzen 
Härchen,  wie  bei  L.  hipundaius  und  L.  scaJenus.  aber  ohne  Abzeichen, 
nur  in  der  untern  Hälfte  kann  eine  bräunliche  Trübung  mit  hj'alinen 
Einschlüssen  vorkommen.  Anostomosal-  wie  Fensterfleck  fehlen. 
Ein  wirkliches  Pterostigma  fehlt,  und  nur  ein  trüber  Flecken  ist 
vorhanden.  Die  Adern  sind  „testaceae",  die  Aderung  wie  bei  L. 
bipunctatus  Cürt.  Die  Hinterflügel  sind  hellgraulich,  nach  den  Enden 
hin  etwas  dunkler.  Der  Cubitus  teilt  sich  in  der  Höhe  des  ersten 
Drittels  vom  Beginne  der  Discoidalzelle. 

S.  App.  praeanales  sind  von  der  Seite  in  Gestalt  kleiner  ovaler 
Anhänge  zu  sehen  (Fig.  6);  von  oben  treten  sie  nur  wenig  über  die 
Ränder  des  9.  Segments  hervor;  im  Unterschiede  von  L.  bipunctatus 
ist  die  Biegung  des  untern  Teiles  derselben  nach  innen  fast  nicht 
zu  bemerken.  Die  App.  intermedii  McLachlan's  sind  wie  bei  L. 
bipunctatus,  aber  kürzer,  schmaler,  und  die  Unebenheiten  ihrer  Ober- 
fläche sind  sehr  schwach  ausgeprägt.  Von  oben  sind  sie  regelmäßig, 
nähern  sich  einander  zur  Basis  hin,  und  treten  dann  auseinander; 
ihre  Enden  sind  etwas  seitwärts  ausgezogen  und  nach  oben  gebogen 
(Fig.  5  u.  6).  Die  Farbe  ist  schwarz.  Die  Pedes  genitales  erscheinen 
von  den  Seiten  in  Form  von  ovalen,  mit  schwarzen  Haaren  besetzten 


1)  In  der  Sammlung  von  W.  Ul.TANIX,   die  im  lluseum  der  Universitcät 
Moskau  aufbewahrt  wird,  befmdet  sich  1  5  mit  der  Siguierung  „Kaukasus". 


520  Andreas  ]\Iaktyno\v, 

Auswüchsen,  mit  einem  kleinen  Höckerchen  im  hintern,  obern  "Winkel 
(Fig.  6).  Der  Penis  und  die  Titillatores  sind  an  unsern  Exemplaren 
fast  nicht  zu  seh(»n;  die  Titillatores  sind  dünner  ahhei  L.  scalenus.'^) 
$  (Fig-.  7,  8.  9).  Das  9.  Segment  bildet  oben  ein  breites,  kurzes 
Dreieck,  das  am  Ende  so  abgeschnitten  ist,  daß  ein  kleiner  Aus- 
schnitt entsteht.  Aus  der  Basis  des  9.  Segments  treten  Anhänge 
hervor,  die  vollkommen  ihrer  T^age  nach  an  die  App.  praeanales  des 
Männchens  erinnern ;  sie  sind  kurz,  etwas  verbreitert  und  ein  wenig 
seitwärts  gebogen  (Fig.  7).  Von  der  Seite  sind  sie  ziemlich  breit 
an  der  Basis  und  verschmälern  sich  rasch  nach  hinten  (Fig.  9).  Die 
Seitenteile  des  9.  Segments  bilden  Lappen  von  dreieckiger  Form 
mit  fast  gei-adem  hintern  obern  Winkel.  Das  „tubulär  piece" 
McL.\chlan's  (Teile  des  10.  Segments)  ist  sehr  kurz;  von  oben  ist 
nur  das  Ende  seines  obern  Teils  zu  sehen;  sein  Hinterrand  hat 
in  der  Mitte  einen  Ausschnitt  (Fig.  7  u.  8);  unten  ist  der  obere 
Teil  der  „tube"  (Fig.  8  sup.  t)  dreieckig  und  wiederholt  die  Form 
des  9.  Dorsalsegments.  Der  untere  Teil  der  „tube"  (Fig.  8,  inf.  t) 
erscheint  in  Gestalt  einer  querausgedehnten  Platte  mit  abgerundetem, 
gewölbtem  Hinterrand.  Von  der  Seite  ist  der  obere  Teil  des 
..tubulär  piece"  viel  weniger  nach  hinten  gezogen  (auf  der  Abbildung 
nicht  sichtbar)  als  bei  L.  hipunctatus.  Die  Subgenitalplatte  ist  hinten 
abgeschnitten;  die  Seitenlappen  besitzen  einen  hintern  Innern  Winkel, 
der  in  Form  eines  kleinen  Zahnes  ausgezogen  ist. 

Länge  des  Körpers  12 — 13  mm. 

4  c-^cT.  1  V-  See  Madatapin-ghöll,  Kreis  Achalkalaki,  Gouverne- 
ment Tiflis,  21./6.  1907  (Martynow). 

Wenden  wir  uns  einem  Vergleich  der  eben  beschriebenen  Art 
mit  L.  hipunctatus  Gurt,  und  L.  scaJenns  Wall,  zu,  so  finden  wir, 
daß  beim  Männchen  die  Pedes  genitales,  besonders  aber  das  9.  Seg- 
ment sehr  ähnlich  gebildet  sind  wie  bei  L.  bipundatus  (und  L.  scaJenus). 
Unterschiede  sind  in  den  obern  Anhängseln  zu  bemei'ken,  die  bei 
unsei'er  Art  stets  viel  kleiner  und  einfacher  gebaut  sind,  und  be- 
sonders an  den  mittlem  Anhängen ,  denn  jene  eigentümlichen  Bil- 
dungen fehlen,  die  die  Arten  hipunctatus  und  scalenus  so  sehr  von 
den  übrigen  Limnophilus- Alien  unterscheiden:  die  bedeutende  Größe 


1)  Ich  hatte  noch  nicht  die  ]\[öglichkeit,  einen  genauen  Vergleich 
mit  L.  hipunctatus  vorzunehmen,  da  es  mir  au  ilaterial  für  diese  Art 
fehlte. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus. 


521 


und   die  Unebenheit   der  Oberfläche.     In   dieser  Bezielmng-  stellt  L. 
transcaucasicus  näher  L.  bipimctatus  als  L.  scnlemis.  ^) 

Das  Weibchen  weist  vielleicht  größere  Unterschiede  auf.  Das 
9.  Seg-ment  ist  bei  unserer  Art  kürzer  und  am  Ende  ausg-eschnitten; 
die  Anhäng-e  des  10.  Segments  sind  bedeutend  kürzer  und  dicker 
als  bei  den  eben  genannten  Arten.  -')  Die  ,.tube"  unterscheidet  sich 
besonders  auffallend:  der  obere  Teil  ist  kurz  und  tritt  fast  gar 
nicht  über  den  Rand  des  9.  Segments  hinaus,  ist  breit,  während 
dieses  bei  scakrms  eine  lange  und  dünne  Bildung-  vorstellt;  der 
untere  Teilist  breit  und  nicht  di-eieckig,  wie  bei  L.  Upnndatm  und 
L.  scalenus.  Wir  können  die  Beziehungen  unserer  Art  zu  L.  hi- 
imnctatus  und  L.  scalenus  (hinsichtlich  des  Baues  der  Genital  anhänge 
des  Männchens)  wie  in  Textflg-.  A  darstellen: 


App.  prae- 
aiiales : 


App.iuter- 

medii  von 

der  Seite 

und  von 

oben  : 


App.prae- 
anales  und 
das  9. Seg- 
ment von 
oben : 


L.  transcaucasicus 


^ 


L.  bipuncfatus 


L.  scalenus 


Fig.  A. 


Hier  erkennen  wir  eine  fortlaufende  Reihe  von  Veränderungen 
in  der  Form  und  Größe  der  obern  und  mittlem  Anhänge,  wobei 
L.  hipundatus  in  der  Mitte  steht.  Leider  kann  ich  keine  ähnliche 
Abbildung  für  die  Weibchen  geben,  da  ich  kein  Weibchen  von  L. 
hipundatus  zur  Verfügung  hatte. 

Da  die  obern  und  mittlem  Anhänge  bei  L.  transcaucasicus  nach 
Form   und  Größe   dem  Typus  angehören,   der  im  Genus  LininopMlus 


1)  Bei  dem  von  mir  untersuchten  S  von  S.  scalenus  haben  die  Inter- 
medialanhänge  eine  höckerige  Oberfläche !  (was  noch  nicht  veröffentlicht  ist). 

2)  Ich  hatte  ein  $  von  L.  scalenus  vor  mir  von  der  Halbinsel  Kanin 
(Resultate  noch  nicht  veröffentlicht). 


522  Andreas  Martynow, 

und  so^ar  in  der  Subfamilie  Limnopliilini  vorherrscht  und  da  diese 
Anhänge  bei  L.  hipundatus  und  noch  mehr  bei  seinem  nördlichen 
Vertreter,  />.  scalenus,  eher  eine  Abweichung  vom  Typus  darstellen, 
so  kann  man  wohl  unsere  Art  als  primitivere  ansehen,  die  als  Aus- 
gangspunkt für  die  Art  L.  hipundatus  und  durch  diese,  durch  w^eitere 
Entwicklung  der  Abweichungen,  auch  für  die  Art  L.  scalenus  diente. 


Genus  ApaUinUi  Kol. 

Sp.  10*.     A.  Huhtilis  n.  sp. 

Braun.  Coxae  und  Femora  dunkelbraun,  Tibiae  und  Tarsi  testacei. 
Antennae  fuscentes,  mit  undeutlichen  hellen  Eingen.  Das  1.  Glied 
vorn  ochraceum.  Abdomen  braun,  der  üorsalteil  dunkler  als  die 
Bauchseite.     Die  Seitenstreifen  blaß. 

Die  Vorderflügel:  das  Gebiet  des  Pterostigmas  ist  groß,  dunkel 
und  köi'uig.  Die  Seite  des  Kadius.  die  dem  Pterostigma  zugewandt 
ist,  und  auch  weiter,  hinter  der  Querader  zum  Subcostalfeld  hin,  ist 
mit  kleinen,  schwarzen  Härchen  besetzt.  Die  1.  Apicalzelle  variiert; 
bald  ist  sie  gestielt,  bald  ohne  Stiel ;  die  3.  Gabelung  ist  immer  ge- 
stielt; die  Discoidalzelle  ist  %mal  so  lang  wae  ihr  Stiel.  Die  übrige 
Aderung  ist  wie  bei  A.  ivallengreni  McLachl.  Beim  ?  ist  das  Ge- 
biet des  Pterostigmas  kleiner,  und  die  schwarzen  Härchen  fehlen. 
An  den  Hinterflügeln,  die  im  allgemeinen  mit  dem  übereinstimmen, 
was  wir  bei  A.  ivallengreni  finden  ^),  muß  bemerkt  werden,  daß  beim 
$  die  1.  Apicalzelle  fehlt  (Fig.  16j. 

S.  Das  9.  Segment  ist  von  ol)en  regelmäßig.  Die  Appendices 
praeanales  fehlen.  Die  App.  intermedii  McLachlan's  (Teile  des 
10.  Segments,  Fig.  1^ —11  app.  int)  erinnern  sehr  an  dieselben  An- 
hänge bei  A.  wallengreni  McLachlan  und  A.  crymophila  McLachlan, 
indem  sie  eine  Mittelstellung  zwischen  diesen  beiden  Arten  ein- 
nehmen; oben  sind  sie  dünn,  mit  unebenem  innerem  Rande,  der  mit 
Haaren  besetzt  ist,  von  der  Seite  relativ  breit,  und  sie  erweitern 
sich  vor  dem  Ende  noch  mehr,  jedoch  ist  diese  Erweiterung  be- 
deutend schwächer  als  bei  A.  crymophila.  Der  mittlere  Teil  des 
10.  Segments  (median  process  McLachlan's,  m.  pr  Fig.  10,  11)  ist 
w'ie  bei  A.  ivallengreni,  offensichtlich  doppelt  und  besteht  aus  2  an 
der  Basis  zusammengeflossenen  Plättchen,  die  mit  ihren  Basalpartien 


1)  Fig.    15    ist    nach    einem    J    augefertigt,    das    eine    Anomalie    der 
Hinterflügel  besitzt,  indem  es  eine  lange  geschlossene  Discoidalzelle  besitzt. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  523 

in  die  äußern  Auswüchse  des  10.  Segments  übergelien  {a2)p.  interm). 
An  der  Seite  sind  sie  etwas  nach  unten  gebogen  und  das  Ende 
nacli  oben  gewandt,  wie  bei  A.  tcalJenr/reni  und  A.  crymopMla,  aber 
in  der  proximalen  Hälfte  sind  sie  bedeutend  verbreitert.  Die  Farbe 
des  10.  Segments  ist  braun.  Die  Pedes  genitales  sind  ebenfalls  so 
gebaut  wie  bei  den  genannten  Arten,  aber  das  1.  Glied  ist  nicht 
an  der  Basis  verschmälert,  und  das  2.  ist  relativ  dünn,  oben  an  der 
Basis  verbreitert  und  am  Ende  zugespitzt.  Das  1.  Glied  ist  testaceum, 
mit  brauner  ffuseus)  oberer  äußerer  Seite  und  braunem  Saume  am 
Ende;  das  2.  Glied  ist  dunkelgelblich  mit  zarten  hellen  Härchen. 
Die  Härchen,  die  auf  der  untern  äußern  Seite  und  am  Ende  des 
1.  Gliedes  (in  der  nicht  pigmentierten  Partie)  sitzen,  sind  lang,  dick, 
testacei.  Die  Anhänge  der  Penistasche  (..penis  sheatlis"  McLachlan's) 
bilden  2  lange,  dunkle,  nach  innen  gebogene  Spinae. 

?  (Fig.  12,  13,  14).  Die  (4enitalanhänge  des  $  sind  fuscentes 
oder  dunkel-ochracei  mit  braunen  Flecken.  Das  9.  Segment  ist  von 
oben  schmal  und  mit  dem  10.  Segment  verwachsen,  von  den  Seiten 
aber  läßt  er  in  der  obern  Hälfte  einen  unregelmäßig-ovalen  Aus- 
wuchs nach  hiuten  vortreten.  Die  bräunliche  Färbung  des  dorsalen 
Teiles  geht  teils  auch  auf  die  obern  ovalen  Seitenauswüchse  über. 
Niedriger  als  die  erwähnten  Auswüchse  des  9.  Segments  sieht  man 
von  der  Seite  die  obern  Hälften  besonderer,  zarter,  mit  Härchen 
bedeckter  Plättchen,  in  Form  dreieckiger,  nach  hinten  gerichteter 
Auswüchse,  die  sich  nach  unten  fortsetzen  und  mit  den  proximalen 
Teilen  des  9.  Segments  sich  vereinigen,  von  welchen  sie  nur  durch 
eingedrückte  Rinnen  getrennt  sind  il.  inf  der  Abb.).  Von  oben  er- 
schienen diese  Plättchen  in  Form  kleiner,  rundlicher  Läppchen 
(Fig.  12).  Die  Seitenteile  des  9.  Segments  verschmälern  sich  auf 
der  Bauchseite  und  werden  farblos.  Der  Oberteil  des  10.  Segments 
(„tubulär  piece"  McLachlan's)  bildet  eine  der  Länge  nach  in  der 
Mitte  gebogene  Platte  mit  dachartig  an  den  Seiten  herabsteigenden 
Rändern.  Bei  Betraclitung  von  oben  (und  unten)  hat  es  das  Aus- 
sehen, als  ob  es  verlängert  wäre,  mit  fast  parallelen  Seitenrändern, 
wie  ein  am  Ende  leicht  ausgeschnittenes  Plättchen  (F'ig.  12,  14). 
An  der  Seite  erweitert  sich  die  „tube"'  nach  hinten  und  ist  am  Ende 
durch  einen  rundlich-di-eieckigen  Ausschnitt  in  einen  großen  obern 
Lappen  von  unregelmäßig-ovaler  Form  und  einen  kleinern  untern 
geteilt.  Der  letztere  sieht  wie  ein  abgerundet-dreieckiger  Auswuchs 
aus.  Die  Farbe  der  ..tube"  ist  bräunlich  mit  gelblichen  Härchen. 
Die  untere  Partie  des  10.  Segments,  welche  unter  das  „tubulär  piece" 


524  Andreas  Martynow, 

i'eicht,  bildet  eine  breite  Platte  mit  gewölbtem  ovalem  Hinterrande 
{Fig.  14  mf.  10).  Die  Subsenitalplatte  erweitert  sich  etwas  nach 
hinten;  an  der  Seite  ist  ihr  Ende  ebenfalls  erweitert. 

Körperläntje  4 — 5  mm, 

SS  uttd  ??.  Gebirgsbäche  am  Ostnfer  des  Sees  Tschaldyr-g-höll, 
24.— 25./6.  1907  (Martynow). 

2  SS  vom  See  Tabiszchuri,  Kreis  Achalkalaki.  Gouvernement 
Tiflis,  1901  (Kawraiski). 

Nach  den  Geschlechtsmerkmalen  unterscheidet  sich  das  Weibchen 
unserer  Art  mehr  von  Ajh  nallengreni  und  A^.  crymophüa  ')  als  das 
Männchen,  was  überhaupt  für  die  Apaianiidae  charakteristisch  ist. 
Von  Ap.  icallemjreni  unterscheidet  es  sich  am  meisten  durch  die 
Form  des  10.  Segments.  Im  allgemeinen  nimmt  Ap.  suhtiUs  n.  sp. 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  eine  Mittelstellung  zwischen  Ap.  ivallen- 
greni  und  Ap.  crymophüa  ein. 


Fam.  Sericostomcäidae. 

Subfam.  Goerinae  Ulmer. 

Genus  Silo  Gurt. 

Sp.  11*.     S,  tubercrdatuin  n,  sp. 

(Fig.  17-20.) 

Fuscum.  Antennae  fuscae.  Die  Basis  der  Glieder  sind  von 
einem  schmalen  schwarzen  Ringe  umsäumt  und  die  Enden  der 
Glieder  sind  hell,  wodurch  eine  geringelte  Zeichnung  der  Antennen 
zustande  kommt.  Der  Kopf  ist  mit  undicht  stehenden  schwärzlichen 
Haaren  bedeckt.  Die  Palpi  maxillares  tragen  verdickte  Haar- 
schüppchen.  Das  Abdomen  ist  dunkelbi-aun  oder  dunkel-testaceum 
mit  blassen  Seitenstreifen.  Die  Füße  sind  dunkel-testacei;  die 
Femora  der  Vorderfüße  sind  von  außen  fuscentes;  die  Coxae  dunkel- 
braun. 

Die  Flügel  sind  braun  mit  schwärzlichen  Härchen  (Fig.  20). 

Die  Vorder flügel.  Der  1.  Apicalsector  zweigt  sich  in  der 
Entfernung  eines  Dritteiles  von  der  Basis  der  Discoidalzelle  (wie 
bei  S.  nüjrkornis)  ab.  Die  3.  Gabelung  besitzt  einen  kurzen  Fuß; 
alles  Übrige  siehe  auf  der  Abbildung. 


1)  Nach  noch  nicht  veröfFentlichtem  Material. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  525 

Die  Hinterflügel.  Die  Faltentasclie  nimmt  keinen  großen 
Raum  ein ;  indem  sie  bei  der  Discoidalzelle  beginnt,  geht  sie  in  das 
Gebiet  der  2.  Apicalzelle  und  endet,  ohne  das  Ende  derselben  zu 
erreichen.  An  den  Seiten  finden  sich  gebogene  schwarze  Härchen, 
besonders  in  der  ersten  Hälfte  der  Faltentasche.  Genau  genommen 
gibt  es  keine  eigentliche  Falte.  Die  dunklere  Färbung  der  von  ihr 
eingenommenen  Partie  ist  durch  die  Erweiterung  der  beiden  Adern 
der  2.  Apicalzelle  bedingt,  die  in  der  Mitte  fast  zusammenfließen; 
in  der  mittlem  Partie  sitzen  zahlreiche,  kleine,  schwarze  DiJrnchen. 
Auf  den  Adern  befinden  sich  zerstreut  schwarze  Härchen,  die  bald 
verlängert  und  gebogen,  bald  als  keine  Dürnchen  erscheinen.  Im 
Gebiete  der  Discoidalzelle  laufen  die  Adern  etwas  unregelmäßig, 
einander  genähert,  aber  eine  Obliteration  der  Adern  fehlt.  Zwischen 
der  2.  und  3.  Analzelle  befindet  sich  eine  Falte,  die  aber  keine  ge- 
bogenen, krummen  Härchen  aufweist  und  nicht  mit  schwarzen 
Haaren  ausgefüllt  ist. 

S  (Fig.  17,  18,  19).  Der  mittlere  Dorsallappen  („penis  cover-' 
McLachlan's)  ist  kurz  und  oben  breit,  von  brauner  oder  sogar 
schwarzer  Farbe,  mit  wenigen  Haaren.  Die  stabförmigen  Appendices 
praeanales  sind  ebenfalls  kurz,  hinten  abgerundet,  mit  dünnstehender 
Behaarung,  von  schwarzer  Farbe.  Die  Partien  des  10.  Segments 
(„interm.  appendages"'  McLachlan's)  sind  dunkelbraun;  diese  Anhänge 
sind  an  der  Basis  breit  und  dann  in  lange,  etwas  nach  unten  ge- 
bogene Auswüchse  ausgezogen,  deren  Enden,  von  oben  betrachtet, 
verdickt  erscheinen,  in  Form  von  Köpfchen,  und  nach  innen  gewandt 
sind,  einander  entgegen.  Nur  der  mittlere,  vortretende  Teil  der  er- 
weiterten Hälfte  der  Anhänge  ist  schwarz,  die  innere  Erweiterung 
aber  und  die  Außenseite  des  proximalen  Teiles  der  Anhänge  sind 
bedeutend  heller,  testacea.     Die  Pedes  genitales  sind  2gliedrig.     Die 

1.  Glieder  sind  sehr  kurz,  breit  und  an  der  Basis  einander  genähert;  die 

2.  Glieder,  wie  gewöhnlich,  aus  2  Lappen  bestehend.  Der  untere 
(innere)  Lappen  ist  gerade  und  am  Ende  in  einen  kleinen  Fortsatz 
ausgezogen,  der  leicht  nach  oben  und  außen  gebogen  ist.  Der  äußere 
und  obere  Zweig  ist  kürzer  als  der  erste  und  trägt  am  untern  und 
äußern  Rande  einige  vortretende  Zähnchen.  Der  Penis  ist  am  Ende 
gerundet  (an  unsern  Exemplaren  schwach  zu  sehen). 

Das  6.  Yentralsegment  besitzt  einen  großen  Zahn. 
Körperlänge  5 — 6,2  mm. 
Weibchen  unbekannt. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  34 


526  Andreas  Martynow, 

3  6S,  Tal  des  Flusses  Tschaldyrka,  beim  Dorf  Greiiaderskoje, 
Gebiet  von  Kars,  28./6.  1907  (Mahtyxow). 

In  der  Sammlung  des  Zoologischen  Museums  der  Universität 
Moskau  befindet  sich  noch  1  S  dieser  Art,  von  ungewisser  Provenienz. 
Nach  den  Genitalanhängen  der  SS  nähert  sich  diese  Art  am  meisten 
Silo  meditcrraneum  McLachlan. 

Genus  LitJtacodes  n.  g. 

Ahnlicli  dem  Liihax  McLachlan,  doch  ist  beim  c^  die  Basal- 
hälfte  der  3.  Analader  des  Hinterflügels  eingedrückt  und  bildet  den 
Boden  einer  Falte  ^)  (Fig.  24).  Von  beiden  Seiten  derselben  und 
ebenso  im  Felde  zwischen  der  3.  und  4,  Analader  sitzen  dichte, 
kurze,  verdickte,  schwarze  Härchen,  in  Form  von  Schüppchen,  aber 
es  fehlen  hier  gänzlich  jene  langen,  gebogenen  Haare,  die  für  das 
Genus  Silo-)  charakteristisch  sind;  ferner  fehlen  die  Erweiterung 
der  Adern,  die  Veränderung  und  noch  mehr  die  Obliteration  der 
Aderung.  Auf  dem  Hinterflügel  des  S  finden  sich  noch  zahlreiche 
Schüppchen.  Beim  $  fehlen  an  den  Hinterflügeln  sowohl  die  Falten- 
tasche an  der  3.  Analader  wie  auch  die  Schüppchen. 

Dieser  Genus  umfaßt  nur  eine  kvi: 

Sp.  12.    Zi.  ineanus  Hag. 

Lithax  incanw.s- Hagen,  in:  Stettin,  entomol.  Ztg.,.  Vol.  20,  p.  148  (1859), 
(Armenien). 

L.  ineanus  McLachlan,    Eev.    and    Syn.  Trieb.,    Suppl.,    Part  2,    p.  51, 
tab.  56  (1880),  (2  SS)- 

Die  Eigentümlichkeiten  der  Hinterflügel  des  Männchens,  die 
McLachlan  entgangen  w^aren,  wurden  schon  bei  der  Aufzählung  der 
Genusmerkmale  hervorgehoben.  Zu  McLachlan's  Beschreibung  der 
Genitalanhänge  der  Männchen  wollen  war  Folgendes  hinzufügen 
(Fig.  21):  der  untere  Lappen  der  in  der  Basalpartie  sehr  breiten 
Pedes  genitales  ist  dünn  und  am  Ende  leicht  in  die  Höhe  gebogen; 
der  obere  Lappen  ist  von  der  Seite  breit  und  am  Ende  noch  nach 
unten  erweitert.  Die  obere  Hälfte  des  Seitenteils  des  9.  Segments 
bildet  einen  sehr  bemerkbaren  Zahn  nach  hinten. 


1)  Diese  Falte  ist  offenbar  nicht  der  für  Silo  gewöhnlichen  Falten- 
tascbe  homolog,  sondern  einer  andern  Falte,  die  weder  gebogene  noch 
gewöhnliche  schwarze  Haare  besitzt  und  ungefähr  an  derselben  Stelle 
(zwischen  der  2.  und  3.  Analader)  bei  Silo  tiibercidatiim  n.  sp.  sich  findet. 

2)  "Wie  z.  B.  bei  »S.   tuberculatuni  n.  sjk 


Die  Triclioptereii  des  Kaukasus.  527 

?  (Fig-.  22,  23,  24).  An  den  Hinterflügeln  des  ?  felilen,  wie 
gesagt,  sowolil  die  Scliiippclien  als  anch  die  Falten  im  Analfelde  (an 
der  3.  Ader,  Fig.  24a,  ?  r.  p). 

Am  6.  Ventralsegment  ist  nicht  ein  großer,  sondern  2  kurze, 
dicke  Zähne,  die  s^-mmetrisch  angeordnet  sind.  Das  9.  Segment  ver- 
schmälert sich  oben  nach  hinten  und  geht  dann  ein  dreieckiger  Teil 
(die  intersegmentale  Membran),  der  die  Basen  der  Seitenteile  des 
10.  Segments  (McLachlan's  „lobes")  verbindet,  die  in  Form  von 
2  parallelrandigen  Platten  nach  hinten  gerichtet  sind  und  ein  wenig 
auseiuandertreten.  An  den  Enden  sind  sie  fast  gerade  abgeschnitten. 
An  den  Seiten  sind  diese  Teile  breit  und  am  Ende  abgerundet.  Die 
untere  Hälfte  des  9.  Segments  tritt  seitwärts  nach  hinten  vor  in 
Form  eines  abgerundeten  Lappens. 

4  c^d^,  1  $.  Schlucht  des  Flusses  Kur,  beim  Dorf  Tumurdo  in 
der   Nähe  von   Achalkalaki.   Gouvernement  Tiflis,   15./6.  1907  (Mak- 

TYNOW). 

5  Exemplare  der  eben  beschriebenen  Art  rechne  icli  ohne  Be- 
denken zur  Art  incanus,  die  von  Hagen  aufgestellt  wurde  und  von 
McLachlan  beschrieben  ist,  aber  das  Vorhandensein  einer  besondern 
Faltentasche,  welche  ich  an  der  3.  Analader  fand  (auf  den  Hinter- 
flügeln), zwingt  mich,  diese  Form  aus  der  Gattung  Lithax  McLachlan's 
auszuscheiden.  McLachlan  hatte  diese  Tasche  nicht  bemerkt,  wohl 
infolge  schlechter  Konservierung  der  2  ihm  zu  Gebote  stehenden 
trocknen  Exemplare.^) 

Das  Vorhandensein  einer  Faltentasche  an  den  Hinterflügeln 
spricht  scheinbar  für  die  Zugehörigkeit  unserer  Art  zur  Gattung 
Süo^  aber  die  Lage  der  Tasche  bei  L.  incanus  ist  eine  andere  als 
bei  der  Gattung  Silo,  und  wie  schon  früher  gesagt,  ist  die  Tasche 
bei  der  beschriebenen  Art  eher  der  2.  Falte  ohne  besondere 
Haare  bei  Silo  tuherculatum  n.  sp.  homolog,  welche  sich  im  3. 
Analfelde  befindet.  Ferner  spricht  sowohl  das  Fehlen  gekrümmter 
Härchen  an  der  Falte  als  auch  das  Vorhandensein  von  Schuppen 
an  den  Hinterflügeln  der  SS  für  die  Notwendigkeit,  diese  Form  in 
ein  besonderes  Genus  auszuscheiden. 

Das  Weibchen  war  früher  nicht  bekannt  und  ist  von  mir  zuerst 
beschrieben  worden. 


1)  Das  gibt  selbst  McLachlan  zu:   „The  typus  are  not  in  a  condition 
to  enable  me  to  give  figures   of  the  nervation." 


34* 


528  Andreas  Martynow, 

Subfani.  Lepidostomatinae  Ulmee. 

Genus  AcrunoecieUa  n.  (/. 

Sehr  ähnlich  dem  Genus  Acrimoecia  Ulmek.  Zalil  der  Sporen 
2,  4,  4.  Das  Basalglied  der  Antennen  so  lang  wie  das  Abdomen, 
mit  langen,  zahlreichen,  abstehenden  Härchen  bedeckt.  Die  Palpi 
maxillares  2gliedrig;  das  1.  Glied  ist  lang,  das  2.  kurz;  sie  sind 
mit  verdickten  Haaren  bedeckt.  Flügel  wie  bei  Acrimoecia.  mit  der 
Ausnahme,  daß  im  hintern  Teil  der  Vorderflügel  des  S  die  Aderung 
eine  regelmäßigere  ist  (Fig.  28  u.  29):  der  Cubitus  bildet  eine 
5.  Gabelung  (Apicalgabel),  die  bei  Acrimoecia  fehlt,  und  hier  fehlt 
deshalb  jene  rundliche  Zelle,  die  bei  Acrimoecia  vorhanden  ist.  Die 
Genitalanhänge  sind  ähnlich  gebaut  wie  bei  Acrimoecia  Ulmfr  und 
Dinarthrum  McLachlan. 

Sp.  13''.     A.  cliaJiJfjrensis  h.  sjj. 

(Fig.  25—29.) 

Braun.  Die  Antennen  sind  ebenfalls  braun  mit  gelber  Ring- 
zeichnung,  heller  zu  dem  Ende  hin.  Palpi  maxillares  testacei;  die 
Härchen  sind  von  oben  bräunlich,  lang,  von  unten  und  von  den 
Seiten  blaß.  Palpi  labiales  testacei;  die  Härchen  blaß.  Die  Füße 
sind  dunkel-testacei.  Das  Abdomen  fuscum ;  die  Seitenstreifen  blaß. 
Die  Vorderflügel  sind  graubräunlich  mit  gelblichen  Härchen.  Die 
Hinterflügel  sind  blaß.  Die  Aderung  und  die  Faltentasche  der 
Vorderflügel  wie  bei  Acrimoecia  parvula  McLachlan,  mit  Ausnahme 
der  Eigentümlichkeit  an  den  Vorderflügeln ,  die  schon  bei  der 
der  Charakteristik  des  Genus  hervorgehoben  wurde. 

S  (Fig.  25 — 27).  Das  9.  Segment  ist  oben  dreieckig  nach  hinten 
ausgezogen,  und  unter  ihm  treten  Teile  des  10.  Segments  hervor. 
Das  letztere  ist  oben  in  der  Mitte  in  2  Hälften  geteilt  (wie  bei 
Dinarthrum  pur/nax  McLachlan).  Jede  derselben  besteht  aus  einer 
Innern  und  einer  äußern  Ausbuchtung.  Die  innere  Ausbuchtung  ist 
oben  mit  langen  Haaren  bedeckt  und  scharf  nach  unten  gebogen. 
Die  äußere  Ausbuchtung  ist  oben  breit,  hinten  abgerundet  und 
lang,  von  der  Seite  aber  erscheint  sie  in  Form  eines  schmalen  Drei- 
ecks, das  mit  der  Spitze  nach  rückwärts  gewandt  ist.  Die  Pedes 
genitales  sind  undeutlich  2gliedrig:  das  1.  Glied  ist  lang  und  dick, 
ähnlich  wie  bei  Acrunoccia,  und  hat  im  distalen,  glatten,  auswuchs- 
losen Teil  einige   lange   und   dicke   Borsten;  das   2.  Glied  hat  die 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  529 

Form  einer  Platte,  die  verbreiteit  ist  und  am  Ende  leicht  aus- 
g-eschnitten,  wobei  ihre  obere  dreieckige  Ausbuchtung  nach  innen  ge- 
bogen erscheint.  Der  Penis  ist  nicht  groß,  verbreitert  sich  am  Ende 
und  erscheint  von  unten  wie  2  nebeneinander  stehende  Scheiben. 
Neben  ihm  befinden  sich  2  schmale  zugespitzte  Plättchen  (penis 
sheaths),  die  beide  nach  rechts  gebogen  sind;  von  ihnen  ist  die 
äußere  größer  als  die  innere. 

?  unbekannt. 

Länge  5  mm. 

4  SS,  Gebirgsbach  am  Ostufer  des  Sees  Tschaldyr-ghöll,  27./6. 
1907  (Martynow).  1  (J,  Sclilucht  des  Flusses  Kur,  beim  Dorfe 
Tumurdo.  in  der  Nähe  von  Achalkalaki,  17.6.  1907  (Martynow). 

In  bezug  auf  die  Kopfanhänge  steht  das  c^  von  jlcrimoeciella 
chcdchjrensis  n.  sp.  eher  näher  der  Gattung  Dinarthriim  als  Acrunoecia 
parvula  McLchlan.  Als  gemeinsame  Merkmale  für  Diuarthrum  (D. 
pugnax  McLachlan  und  besonders  D.  inerme  McLachlak)  und  unsere 
Form  erscheinen  folgende:  der  Bau  des  10.  Segments  (seine  Zwei- 
teilung, Avobei  die  Innern  Ausbuchtungen  nach  unten  gebogen  sind, 
die  äußern  aber  dreieckig  nach  hinten  ausgezogen  erscheinen); 
die  Zweigliedrigkeit  des  Pedes  genitales  (scharf  ausgeprägt  bei 
Dinarthrum):  die  ähnliche  Asj'mmetrie  in  den  Anhängen  der  Penis- 
basis  („penis  sheaths"  McLachlan's).  Mit  Dinarthrum  inerme 
McLachlan  stimmt  unsere  Form  noch  überein:  a)  in  dem  Fehlen 
des  äußern  Auswuchses  des  1.  Gliedes  der  Pedes  genitales  (bei  D. 
pugnax  existiert  ein  ziemlich  langer  Auswuchs)  und  b)  im  Bau  des 
1.  Gliedes  der  Antennen  (ohne  Auswüchse). 

Wie  schon  früher  gesagt,  gleicht  A.  chalclyrensis  n.  sp.  in  der 
Aderung  der  Flügel  sehr  der  Acrunoecia  parvula  McLachlan  und 
unterscheidet  sich  von  letzterer  Art  nur  (beim  S)  durch  das  Vor- 
handensein einer  5.  Gabelung  an  den  vordem  Flügeln,  was  als 
Merkmal  relativer  Primitivität  der  beschriebenen  Art  erscheint,  da 
wir  das  Fehlen  einer  5.  Gabelung  (beim  S)  bei  Acrunoecia^  Dinarthrum 
und  bei  den  ihnen  nahestehenden  Dinarthrella  Ulmer  und  Dinarthrocles 
Ulmer  (außer  D.  armata  Ulmer)  als  spätem  Verlust  derselben  an- 
sehen müssen,  infolge  der  Spezialisierung  der  Aderung.  Andrerseits 
verbinden  die  Eigentümlichkeiten  im  Bau  der  Genitalanhänge  beim 
S  von  A.  chaUlyrensis  n.  sp.  durch  D.  inerme  Mc;Lachlan,  bei  dem 
wie  bei  Acrunoeciella  (und  Acrunoecia)  das  Basalglied  der  Antennen 
der  Auswüchse  ermangelt,  dasselbe  mit  dem  Genus  Dinarthrum 
McLachlan   und   den   ihm   nahestehenden  {Dirmrthrella  und  Dinar- 


530  Andreas  Martynow, 

throdes).  Somit  sprechen  die  oben  ang-eführten  Merkmale  dafür,  daß 
wir  in  unserer  Art  eine  Form  besitzen,  die  Äcrmioecia  sehr  nahe 
steht  und  o-leichzeitig  relativ  primitiv  ist,  eine  altertümliche  Form, 
die  sich  nicht  weit  von  der  Urform  sich  entfernt  hat.  welche  für  die 
Gattung  Acrunoecia  einerseits  und  alle  Arten  der  Gattung  Binarthrum, 
andrerseits  den  Ursprung-  abgab. 


Fam.  Lepfoceridae. 

Subfam.  Leptocerinae  Ulmer. 

Genus  Triaenodes  McLachlan. 

Sp.  14'\     T.  reuteri  McLachlan. 

Zu  der  Beschreibung  der  Genitalanhänge  des  S  bei  McLachlax 
(Rev.  and  Syn.,  Suppl.,  Part  2,  p.  XV,  tab.  57)  kinmen  wir  einige 
Ergänzungen  geben  (Fig.  30).  Das  10.  Segment  („upper  penis  cover" 
bei  McLachlan)  ist  lang,  mit  geradem  obern  Rande  (von  der  Seite), 
erweitert  sich  allmählich  zur  Basis,  wo  von  unten  ein  kleiner  ovaler 
Ausschnitt  sich  befindet  (ex  Fig.  30).  Der  Penis  ist  von  oben  zwei- 
buchtig.  Über  ihm  befindet  sich  eine  unpaare  Spina  —  der  Titillator, 
welche  von  der  Penistasche  entspringt.  Der  Endteil  der  Spina  ist 
verdickt,  am  Ende  selbst  leicht  nach  oben  gebogen,  und  vor  diesem 
Endteil  befindet  sich  noch  von  oben  eine  kleine  Vertiefung.  Die 
Basalpartie  der  Pedes  genitales  trägt  von  innen  einen  nach  hinten 
gerichteten,  sichelförmig  nach  unten  gebogenen  breiten  Auswuchs, 
dessen  Ende  von  unten  gezahnt  ist  und  dicke  Haare  trägt. 

Nicht  weit  hinter  diesem  Auswüchse  erhebt  sich  ein  anderer, 
sehr  kleiner  Auswuchs  mit  borstigen  Härchen.  Beide  Auswüchse 
sind  an  ihrer  Basis  verbunden. 

Viele  r^.S  und  $?.^)  Ausfluß  des  P^lusses  Bogdanowka  (aus  dem 
See  Chantschanly-ghöll),  19./6.  1907  (Martynow);  Ausfluß  des  Flusses 
Tschaldyrka  (aus  dem  See  Tschaldyr),  27./6.  1907  (Martynow), 


1)  Die  Beschreibung  des  "Weibchens  muß  ich  bis  auf  günstigere  Um- 
stände zurückstellen. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  531 

Sp.  15"^.     T.  Ji'aim'afskii  n.  sp. 

(Fig.  31—32.) 

Kopf?  ^),  Brust  und  Coxae  braun,  mit  blaß  gelblich- grauen 
Haaren.  Die  vordem  Füße  testacei;  Tarsen  mit  bräunlichen  Binden. 
Abdomen  testaceum;  oben  dunkler,  unten  blasser.  Die  Vordertlügel 
sind  von  angedrückten,  ziemlich  langen,  gräulichen  Haaren  bedeckt, 
unter  denen,  auf  den  dunkeln  Flecken,  auch  schwärzliche  Haare  vor- 
kommen. Die  Adern  sind  testacei;  im  Apicalteil  werden  sie  fast 
schwarz.  Die  kleinen  dunkeln  Flecke,  die  sich  durch  Anhäufung 
von  Haaren  an  einigen  Stellen  bilden,  unter  denen  sich  auch  schwarze 
befinden,  sind  an  der  Medialader  und  am  Cubitus  auffallender.  Die 
Hinterflügel  sind  fast  durchsichtig  mit  ebensolchen  Härchen. 

Die  Aderung  der  Flügel  ist  ähnlich  wie  bei  T.  interna 
McLachlan. 

S.  Das  G.Segment  ist  testaceum,  oben  mit  ovalem  Hinterrande ; 
von  der  Seite  wie  gewöhnlich  (bei  T.  reuteri,  interna,  conspersa). 
Unter  dem  9.  Segment  tritt  das  10.  hervor,  dessen  Basis  von  oben 
in  einen  dünnen  gelblichen  und  sehr  langen  Auswuchs  ausgezogen 
ist,  der  sich  am  Ende  etwas  nach  unten  umbiegt.  Von  seinen  Seiten 
gehen  kürzere  testacei  Appendices  praeanales  aus.  die  an  der  Basis 
dünner  sind,  dann  aber  sich  erweitern  und  leicht  nach  oben  gehoben 
erscheinen.  Wie  die  Appendices  praeanales,  so  besitzt,  nur  in  ge- 
ringem! Maße,  auch  der  unpaare.  dorsale  Auswuchs  am  Ende  kurze 
Härchen  (Borsten).  Unterhalb  der  beschriebenen  Anhänge  geht  der 
„penis  Cover"  McLachlan's  ab,  der  von  der  Seite  am  Ende  dünn  und 
fast  zugespitzt  erscheint,  dann  aber  sich  schnell  zur  Basis  hin  er- 
weitert, eine  breite,  am  untern  Rande  abgerundete  Scheibe  bildend, 
an  deren  Basis  ein  kleiner  Ausschnitt  von  unten  sich  vorfindet.  Die 
Pedes  genitales  bestehen,  wie  bei  Tr.  reuteri-),  aus  einer  breiten. 
21appigen  Scheibe  und  Innern  Auswüchsen. 

Die  obere  Ausbuchtung  der  Scheibe  hat  das  gewöhnliche  Aus- 
sehen, aber  ihr  oberer  Rand  ist  nicht  oval  ausgebuchtet,  sondern 
mehr  oder  weniger  gerade  abgeschnitten.  Die  untere  Ausbuchtung 
ist  am  Ende  gerade  abgeschnitten,  mit  einem  obern  Winkel,  der  in 
einen  kleinen  dünnen  Auswuchs  ausgezogen  ist  und  sich  ein  wenig 
nach  innen  richtet. 


1)  Es  ist  nur  ein  (J  vorhanden,   defekt,   ohne  Kopf. 

2)  Dasselbe  hat  wohl,   aller  Wahrscheinlichkeit  nach,   auch  bei  andern 
Arten  von   Triacnodes  statt. 


532  Andreas  Maktynow, 

Die  Farbe  ist  blaß-testaceus,  die  Härchen  blaßgraulicli. 

An  der  Innenseite  des  Basalteils  der  Pedes  genitales  geht  ein 
ziemlich  langer,  dunkel-testaceus  gefärbter  nach  hinten  gerichteter 
Auswuchs  ab,  der  am  Ende  nach  unten  gebogen  ist.  Unterhalb 
dieser  Anhänge  geht  jederseits  noch  ein  kleiner  Auswuchs  aus  (wie 
bei  T.  rcuteri),  der  am  Ende  verbreitert  ist,  und  borstige  Härchen 
trägt  {pr.  min  Fig.  31).  Der  untere  Teil  des  Penis  besteht  aus 
festem,  hellbraunem  Chitin;  der  obere  Teil  ist  erweitert,  am  Ende 
21appig ,  von  zartem ,  membranüsem  Charakter.  Die  Penistasche 
bildet  unter  dem  Penis  einen  gewöhnlich  gestalteten,  langen,  dünnen, 
braunen  Anhang,  den  Titillator.  dessen  Endteil  verdickt  und  leicht 
nach  unten  gebogen  ist,  während  das  Ende  selbst  etwas  nach  oben 
gerichtet  erscheint. 

?  unbekannt. 

1  S,  defekt,  ohne  Kopf  und  ohne  2.  und  3.  Beinpaar. 

Tiflis,  15./8.  1901  (Kaweaisky). 

Diese  Art  steht  näher  als  die  andern  T.  reuieri  McLachlan, 
T.  conspcrsa  Ramb.  und  T.  interna  McLachlan.  Von  den  2  ersten 
unterscheidet  sie  sich  hauptsächlich  durch  den  Bau  des  Pedes  genitales 
und  die  Form  des  „penis  cover",  von  T.  conspersa  auch  noch  durch 
das  Fehlen  des  Anhängepaares  an  der  Basis  des  10.  Segments.  Von 
T.  interna  unterscheidet  sie  sich  am  meisten  durch  die  Form  des 
unpaaren  Anhanges  der  Basis  des  10.  Segments  und  des  „penis 
cover",  in  der  Form  der  Platte  (ihrer  untern  Ausbuchtung)  des  Pedes 
genitales  aber  ist  eine  bedeutende  Ähnlichkeit  mit  T.  interna  be- 
merkbar, da  hier  die  untere  Ausbuchtung  der  Platte,  wie  bei  T. 
TiaivraisUi  n.  sp.,  eine  zugespitzte  Hervorragung  bildet,  nui'  von  noch 
bedeutenderer  Größe. 

Alle  4  genannten  Arten  bilden  eine  Gruppe  von  nahe  verwandten 
Arten,  aber  T.  l-muraiskii  n.  sp.  und  T.  interna  bilden  eine  besondere 
Untergruppe,  die  durch  eine  gewisse  Spezialisierung  der  Form  der 
Pedes  genitales  charakterisiert  wird.^) 


1)   Dieser    nähert    sich    vielleicht    noch    die    algerische     T.    alhicornis 
TJlmee,  in:  Ann.  Soc.  entomol.  Belg.,  Vol.  49,  p.  23,  fig.  8,  9,  10  (1905). 


Die  Trichoptereii  des  Kaukasus.  533 


Genus  JloniUia  McLachlan. 

Sp.  16*.     IL  7o}tf/isputosa  n.  sp, 

(Fig.  33—35.) 

Steht  H.  Jeucopliaca  Ramb.^)  nahe.  Die  Farbe  des  Körpers,  die 
Antennen,  Palpen  wie  bei  H.  hucoplmea.  Die  vordem  Flüg-el  bräun- 
lich-gran.  im  Apicalteil  etwas  heller.  Das  Costalfeld  in  der  distalen 
Hälfte  graulich-weiß  werdend,  außer  einer  graulich-braunen  Region 
des  Pterostigmas.  Weißliche  Fascien,  die  bei  IL  leucophaea  vor- 
handen, sind  hier  zerrissen.  Statt  der  mittlem  Fascie  findet  sich 
ein  weißlicher  Flecken  beim  Arculus,  ein  kleiner  Flecken  an  der 
Querader  zwischen  Media  und  Cubitus  und  ein  breiter  Flecken,  der 
in  querer  Richtung  vom  Costalrande  des  Flügels  unterhalb  des 
Pterostigmas  ausgezogen  ist.  bis  zur  Discoidalzelle  hin.  Dann  ist 
noch  ein  Fleck  an  der  Querader  vorhanden,  die  von  oben  die  Discoidal- 
zelle begrenzt,  und  an  der  Querader  zwischen  dieser  und  der  Median- 
ader. Diesem  gegenüber  findet  sich  ein  kleines  Fleckchen  am  Radius, 
mitten  im  Pterostigma.  Ein  breiter  Flecken  ist  noch  am  Ende  des 
Radius  und  ein  kleiner  am  Ende  des  1.  Apicalsectors.  Der  helle 
Streifen  der  Flügelbasis  von  H.  leucophaea  ist  hier  fast  gar  nicht 
ausgeprägt.  Die  Adern  sind  fuscentes;  besonders  scharf  sind  die 
Subcosta  und  der  Cubitus. 

Die  Hinterflügel  sind  dunkelgräulich. 

Die  Aderung  der  Flügel  wie  bei  H.  leucoplmea. 

(J.  In  Anbetracht  der  großen  Übereinstimmung  im  Bau  der 
Genitalanhänge  mit  H.  leucophaea  verweile  ich  hauptsächlich  bei  den 
Unterschieden  gegen  diese  Art.-) 

Das  dunkelbraune  9.  Segment,  Avie  bei  H.  leucophaea,  läßt  oben 
2  gerundete  Auswüchse  vortreten,  dann  wird  es  von  den  Seiten 
schmäler  (es  ist  wegen  des  sich  darüber  schiebenden  Randes  des 
8.  Segments  unsichtbar),  und  wird  nach  unten  wieder  breiter.  Von 
der  Bauchseite  ist  es  regelmäßig.  Direkt  unter  den  Dorsalauswüchsen 
des  9.  Segments  treten  2  lange,   braune,  stäbchenförmige  Anhänge 


1)  McLachlan-,  Rev.  and  Syn.  Trich.  Europ.  Fauna,  p.  318,  tab.  34. 

2)  Leider  bekam  ich  selbst  keine  Vertreter  der  Art  //.  leucophaea 
zu  sehen  und  beschränke  mich  hier  nur  auf  einen  Vergleich  mit  den  Be- 
schreibungen und  Abbildungen  McLacHLAX's  (1.  c.)  und  in  Klapalek's, 
Die  ilorphologie  der  Genitalsegmente,  in  :   Acad.   Sc.   Emp.  Fran^ois  I. 


534  Andreas  Martynow, 

vor,    mit    kurzen    Haaren    bewachsen   (Fig.    ap.  spl)})     Unter    dem 

9.  Segment  und   diesen  Anhängen  hervor  tritt  nach  rückwärts  das 

10.  Segment,  das  sich  oben  nach  hinten  verschmälert,  aber  nicht 
allmählich  zuspitzt  wie  bei  H.  leucophaea,  sondern  hinten  gerade 
abgeschnitten  ist;  nur  ein  zentraler  Teil,  der  wie  ein  schmaler, 
leicht  dunkler  Streifen  erscheint,  tiitt  hinter  dem  abgeschnittenen 
Ende  in  Form  eines  Spießes  (Fig.  85)  vor.  Von  der  Seite  ist  das 
10.  Segment  breit,  hinten  abgerundet,  von  blasser  Färbung  (Fig.  33). 
Von  den  Seiten  des  10.  Segments  gehen  2  lange,  dünne,  gelbliche 
Anhängsel  aus,  die  nach  unten  gebogen  und  am  Ende  verdickt  sind 
wie  bei  H.  leucophaea  („ap.  interm."  McLachlan's).  Näher  der  Mitte 
treten  vom  10.  Segment  (Fig.  35}  noch  2  ähnliche  dünne,  helle  An- 
hängsel hervor,  sie  sind  aber  kürzer  und  am  Ende  nicht  verdickt. 
Diese  Anhängsel  (an  unserm  Exemplar  ist  nur  das  eine  rechte  er- 
halten) bilden  eine  Eigentümlichkeit  der  beschriebenen  Art,  da 
weder  McLachlan  noch  Klapalek  sie  bei  H.  leucophaea  zeichnen 
oder  erwähnen.  Unterhalb  des  10.  Segments  gehen  2  Anhänge  aus, 
die  nach  unten  gebogen  und  nach  außen  gewandt  sind  {ap.  prn). 
Diese  Anhänge  sind  braun,  verdicken  sich  zum  Ende  hin  und  be- 
sitzen keine  Härchen.  Die  Pedes  genitales  sind  wie  bei  H.  leucophaea, 
aber  mit  folgenden  Unterschieden:  das  äußere  hintere  Ende  ist  in 
einen  sehr  langen  (länger  als  die  Anhänge  des  10.  Segments),  dünnen, 
stäbchenförmigen  Anhang  ausgezogen,  der  am  Ende  leicht  erweitert 
und  nach  hinten  gerichtet  ist,  und  dann  ein  wenig  nach  innen ;  von 
unten  ist  der  Ausschnitt  zwischen  der  basalen  Erweiterung  und  dem 
Endauswuchs  (c)  nicht  so  breit  wie  bei  H.  leucophaea.  Von  der  Innen- 
seite gehen,  wie  bei  H.  leucophaea,  2  Anhänge  aus,  aber  sie  sind 
hiei  dick,  dazu  noch  an  den  Enden  verdickt  und  einander  zugewandt. 
Der  Penis  ist  am  Ende  sehr  verbreitert.  In  seinem  untersten  Teil 
trägt  er  2  kleine  dreieckige  Anhänge  von  brauner  Farbe  mit  zu- 
gespitzten, nach  außen  gewandten  Enden. 

Länge  7^2  nim. 

1  S-  Südostufer  des  Sees  Tschaldyr,  Gebiet  von  Kars,  27.  6.  1907 
(Martynow). 

Die  eben  beschriebene  Art  steht  der  einzigen  Art  der  Gattung 
Honiüia,  H.  leucophaea,  nahe,  unterscheidet  sich  aber  durch  einige 
bestimmte  Eigentümlichkeiten  im  Bau  der  Genitalorgane  des  S- 


1)  McLachlan  nennt  diese  Anhänge  bei  H.  Jnicophaea  ,.ap.  superiores", 
Klapalek  sieht  sie  einfach  als  Auswüchse  des  9.   Ses^raeuts  an. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  535 

Es  bestellt  ein  großer  ]\reiiiung-sunterschied  unter  den  Autoren 
über  die  Deutung  der  verscliiedenen  Anliänge  bei  Ilomüia.  Wie  schon 
gesagt,  sieht  Klapalek  die  obern  Anliänge  McLachlan's  (opi).  spl 
der  Abbildungen)  einfach  als  Auswüchse  des  9.  Dorsalsegments  an. 
Die  gebogenen  Anhänge,  die  oben  an  den  Seiten  des  Penis  (ai^p. 
prn  der  Abbildungen)  ausgehen  und  dem  ..penis  sheaths"  McLachlan's 
ents])rechen  (bei  H.  leticophaea),  hält  Klapalek  für  Appendices  prae- 
anales.  ^)  Der  Penis  hat  von  unten  einen  eigentümlichen  Bau  und 
läßt  an  den  Seiten  je  einen  kleinen,  am  Ende  zugespitzten  Auswuchs 
vortreten.  Nach  ihrer  Lage  erinnern  diese  Auswüchse  sehr  an  die 
von  McLachlan  abgebildeten  (auf  fig.  6,  tab.  35)  Anliänge,  die  unter 
rechtem  Winkel  zu  den  Pedes  genitales  gerichtet  sind.  Klapalek 
meint,  McLachlan  habe  den  proximalen  Teil  der  obern  Anhänge 
(App.  praeanales)  als  „penis  sheaths"  beschrieben,  den  distalen  Teil 
aber  als  die  eben  erwähnten  Anhänge,  die  unter  rechtem  \\'inkel 
zu  den  untern  Anhängen  abgehen. 

Die  innern  Auswüchse  des  10.  Segments  (x  Fig.  35)  bilden  eine 
Eigentümlichkeit  unserer  Art:  sie  stehen  zum  10.  Segment  im  selben 
Verhältnis  wie  die  äußern,  wirklichen  App.  intermedii. 

Genus  Setodes  Ramb. 

Sp.  IT.     Setodes  sj^--  ("•  •*»'i>'?)- 

1  ?.     Dorf  Grenaderskoje.  Gebiet  von  Kars  (Martynow). 

Einerseits  S.  interrupta  F.  nahestehend,  andrerseits  S.  similis 
McLachlan. 2j  Unterscheidet  sich  von  S.  interrupta  folgendermaßen: 
Die  Antennen  sind  blaß,  im  Basalteil  heller,  im  distalen  Teil  testacei. 
An  der  Basis  der  Vordertlügel  ist  kein  großer,  weißer  Flecken  zu 
sehen,  sondern  2  kleine;  1  kleiner,  unregelmäßiger  Flecken  beim 
Arculus.  1  kleiner  Flecken  am  Pterostigma,  1  Flecken  am  Thyridium. 
Am  Apicalrande  keine  weißen  Flecken.  Die  Seitenausbuchtungen 
(Anhänge)  des  9.  Segments  sind  lang;  der  dreieckige  Auswuchs  der 
zentralen  Partie  des  9.  Segments  ist  oben  nicht  sichtbar.  Die 
Unterschiede  an  den  Genitalanhängen  des  Weibchens  von  denen 
von  S.  similis  sind  noch  bedeutender.  Somit  kann  das  beschriebene 
Exemplar   entweder  zu  S.  intetTupta  oder  zu   einer  neuen  Art   ge- 

1)  Da  ich  nur   1  Exemplar  aus  der  Gattung  Homilia   besitze,  konnte 
ich  diese  Versicherung  Klapalek's  nicht  kontrollieren. 

2)  McLachlan,  Rev.   and  Syn.  Eur.  Fauna,    p.  340—343,    tab.  37. 


536  Andreas  Martynow, 

rechnet  werden,  und  die  letztere  Annahme  halte  ich,  in  Anbetracht 
der  aufgezählten  Unterschiede,  für  die  wahrscheinlichere.  ^) 


Farn.  Molannidae. 
Subfain.  Beraeinae  Ulmer. 
Genus  Beraea  Stephens. 

Sp.  18*.    B.  pulpata  n,  sj). 

(Fig.  36 — 39.)     B.  articularis  Pict.  nahestehend. 

1  S-  Kopf  bräunlich;  vorn,  zwischen  den  Antennen  be- 
findet sich  eine  Erhöhung  mit  schwarzen  Härchen;  hinten  an  den 
Seiten  2  ovale  testacei  Warzen,  die  breiter  sind  als  McLachlan 
sie  bei  B.  articularis  zeichnet.  Das  Basalglied  der  Antennen  ist 
etwas  länger  als  der  Kopf,  bräunlich-testaceus,  verschmälert  in 
der  proximalen  und  verbreitert  in  der  distalen  Hälfte;  es  ist  mit 
dichten  gelblichen  Härchen  bedeckt.'-)  Die  Maxillarpalpen  wie  folgt: 
das  3.  Glied  ist  das  längste^),  das  2.  länger  als  das  1.;  das  1.  und 
3.  Glied  sind  bräunlich,  das  2.  blasser.  Das  2.  Glied  (Fig.  39)  hat 
an  der  äußern  Seite  einen  gleichmäßig  dicken  Auswuchs,  der  aber 
nicht  bis  an  das  Ende  des  Gliedes  reicht.  Das  1.  und  3.  Glied,  auf 
dem  2.  aber  besonders  der  Auswuchs,  tragen  zahlreiche  Härchen.  ^) 
An  den  Palpi  labiales  ist  das  1.  Glied  sehr  kurz,  das  2.  Glied  ist 
lang  mit  abstellenden,  graugelblichen  Haaren.^) 

Längs  des  umfangreichen  Mesonotums  ziehen  in  der  Mitte  die 
gewöhnlichen  2  schmalen,  langen,  geraden  Streifen,  die  etwas  ein- 
gedrückt sind,  von  gelber  Farbe,  nur  durch  ein  schmales  braunes 
Streifchen  getrennt.  Die  Beine  sind  gelblich.  Das  Abdomen  ist 
bräunlich-testaceum.  Die  Flügel  gelblich,  mit  dichtem,  dunklem 
Haar.    Von  der  Basis  an,  längs  dem  ganzen  Unterrande  des  Flügels 


1)  Leider    konnte    ich    dieses  Exemplar    nicht    mit   »S'.   interrivpta   ver- 
gleichen,  da  ich  keine  Repräsentanten  dieser  Art  besaß. 

2)  Die  übrige  Antennenpartie  ist  abgerissen. 

3)  Das    4.  und    5.   Glied    sind    abgerissen ;    auf    der    andern   Seite    ist 
der  ganze  Taster  abgerissen. 

4)  Genau    genommen  Spuren    derselben,    denn    die  Haare    selbst   sind 
an  unserm  Exemplar  abgerieben. 

5)  Das   3.   Glied  ist  abgerissen. 


Die  Trichoptereu  des  Kaukasus.  537 

gellt  eine  tiefe  Faltentasclie  mit  Härchen.  Oben,  auf  dem  Insect, 
erscheint  sie  als  gelber  undurchsichtiger  Streifen.  Die  Vorder-  wie 
die  Hinterflügel  sind  etwas  zugespitzt,  etwas  mehr  als  bei  B.  arti- 
cularis.  Die  Aderung  der  Flügel  erinnert  sehr  an  die  bei  B.  articuJaris. 

Das  9.  Segment  bildet  oben  einen  nach  hinten  gerichteten 
dreieckigen  Auswuchs  mit  ausgezogenem  Winkel  (Fig.  88).  Seit- 
wäits  gehen  von  ihm  2  kleine,  hinten  abgerundete  Anhängsel  aus 
{ap.  IX).  Unter  dem  9.  Segment  hervor  treten  Teile  des  10.  Segments 
(,,penis-cover"  McLachlan's);  oben  verschmälert  es  sich  nach  hinten 
und  ist  am  Ende  tief  in  zwei  Hälften  geteilt.  Hinter  dem  „penis- 
cover"  ist  ein  breiter  distaler  Teil  des  Penis  zu  sehen,  der  hinten 
ebenso  tief  gespalten  ist.  Von  den  Seiten  des  10.  Segments  sind  von 
oben  2  dünne,  lange,  dunkelbraune  Anhängsel  zu  sehen,  die  am 
Ende  nach  außen  gebogen  sind  („penis  sheaths"  McLachlan's).  Die 
Pedes  genitales  sind  ziemlich  breit  von  den  Seiten  (Fig.  86),  unten 
und  von  den  Seiten  bräunlich,  am  Ende  verbreitert,  aber  nicht  an 
der  Basis  und  fließen  zum  Teil  mit  dem  9.  Segment  zusammen,  von 
dem  sie  kaum  merklich  getrennt  sind.  Oben  und  unten  (Fig.  37,  88) 
sieht  man.  daß  diese  Anhängsel  sich  nach  dem  Ende  hin  schnell 
verdicken  und  nach  innen  biegen,  gegeneinander  hin.  An  der  Innen- 
seite, im  proximalen  Teil  jedes  derselben,  gehen  2  kleine  dünne 
Auswüchse  hervor,  mit  2—3  Börstchen;  einer  von  diesen  Auswüchsen 
ist  an  der  Basis  verbreitert,  der  andere  geht  von  der  verbreiterten 
Basis  des  ersten  aus.  Weiter,  näher  zum  Ende  hin,  an  der  Innen- 
seite geht  noch  je  ein  plattenförmiger  Auswuchs  aus,  von  fast 
quadratischer  Gestalt  mit  2  Borstengruppen.  Ziemlich  dichte,  dunkle 
Haare  bedecken  die  untere,  äußere  und  zum  Teil  auch  obere  Ober- 
fläche der  Pedes  genitales. 

Das  7.  Segment  trägt  unten  einen  großen,  abgeflachten,  an  der 
Basis  verbreiterten  Dorn. 

1  $.  Schlucht  des  Flusses  Kur  beim  Dorfe  Tumurdo,  in  der 
Nähe  von  Achalkalaki,  Gouvernement  Tiflis,  15./6.  1907  (Maktynow). 

Diese  neue  i^^ram-Art  schließt  sich  sowohl  in  der  Aderung  wie 
im  Bau  der  Genitalanhänge  des  Männchens  der  Gruppe  B.  arficularis 
[B.  nrikularis  Pict.  und  B.  vicina  McLachlan)  an,  nach  den  andern 
Merkmalen  aber,  besonders  der  langen  Faltentasche  des  Vorder- 
flügels und  dem  Auswuchs  des  2.  Gliedes  der  Kiefertaster,  erscheint 
sie  ganz  selbständig  und  abgesondert.  Die  Flügel  sind  etwas  zu- 
gespitzt, wodurch  sie  sich  dem  Genus  Beraeodes  Eaton  nähert. 

In  bezug  auf  die  Deutung  der  Anhänge  will  ich  hier  Folgendes 


538  Andreas  Martynow, 

bemerken:  die  kleinen  abgerundeten  Anhänge  bei  B.  palpata  n.  sp. 
(ap.  IX  der  Figg.),  die  den  App.  superiores  McLachlan's  entsprechen 
sowie  den  App.  praeanales  Klapalek's  ^),  erscheinen  (bei  B.  iKilpata) 
zweifellos  nur  als  Auswüchse  des  9.  Segments,  weshalb  man  sie 
nicht  als  App.  praeanales  ansehen  kann.  Eher  entsprechen  sie  den 
stäbchenförmigen  Auswüchsen  des  9.  Segments  bei  Homilia.  Die 
dünnen  braunen  Anhänge,  die  an  den  Seiten  des  10.  Segments  sich 
befinden  —  „penis  sheaths"  McLachlan's  —  entsprechen  ihrer  Lage 
nach  ähnlichen  Anhängen  bei  Homilia,  woher  man  sie  —  nach 
Klapalek  —  als  App.  praeanales  ansehen  muß. 


Farn.  Hydropsychidae. 

Subfam.  Hydropsychinae  Ulmee. 

Gen.  Hijäropsijclie  Pictet. 

Sp.  19*.     H.  peUncidula  Cürt. 

3  SS,  1  ? ,  Tal  des  Kara-su,  beim  Dorfe  Sursune,  Gebiet  von 
Kars  (Bartenew,  Maetynow). 

Die  Flügel  unserer  Exemplare  sind  gleichförmig  blaßgrau,  ohne 
Flecken.  Am  Pterostigma  befindet  sich  (als  Fortsetzung  desselben) 
ein  großer  undurchsichtiger,  trüber  Flecken,  der  vom  Beginn  der 
Discoidalzelle  bis  fast  an  das  Ende  des  1.  Apicalsectors  reicht  und 
und  die  Breite  des  Raumes  vom  Costalrande  bis  zur  Discoidalzelle 
einnimmt.  Der  Form  nach  sind  die  Flügel  (die  vordem)  etwas  schmal, 
an  dem  Ende  spitzer  als  gewöhnlich,  der  Apicalrand  ist  scharf  ab- 
geschnitten. Die  Genitalanhänge  lassen  keine  Eigentümlichkeiten 
erkennen. 

Sp.  20*.     H.  consangninea  McLachlan. 

1  S-  Fluß  Kur,  Kreis  Achalkalaki,  Gouvernement  Tiflis  (Mar- 
tynow). 

Diese  Art  war  bisher  nur  aus  Nord-Persien  bekannt  (McLachlan, 
Rev.  and  Syn.  Eur.  Fauna,  First  Addit.,  SuppL,  p.  43,  tab.  5). 


1)  Fr.  Klapalek,  Die  Morphologie  etc.,  p.   180 — 181. 


Die  Trichoptereii  des  Kaukasus.  539 

Sp.  21*.     H,  lepUla  Pict. 

S6  und  $?.  An  den  Flüssen  Kur  und  Taparawantscliai,  Kreis 
Achalkalaki,  Gouvernement  l^iflis,  14.— lö.  G.  1907  (Maktyxow). 

Teil  bemerke,  daß  bei  der  Mehrzahl  der  von  mir  untersuchten 
Exemplare  dieser  Art  an  den  Hinterflügeln  die  1.  Gabelung-  fehlt. 
Das  europäische  Exemplar  (aus  Deutschland),  welches  mir  in  liebens- 
würdig'er  Weise  von  Herrn  Ulmer  zugesandt  war,  hatte  dieselbe 
Eigentümlichkeit.  Ich  glaube,  daß  das  Fehlen  der  1.  Gabelung 
an  den  Hinterflügeln  als  ein  Merkmal  dieser  Art  angesehen  werden 
kann.  Ferner  ist  beim  Männchen  an  den  Vorderfüßen  der  eine 
Sporn  so  klein,  daB  man  gewöhnlich  nicht  2,  sondern  nur  einen  be- 
merkt. 

Sp.  22^-.     H.  cortmtii  n,  sp, 

(Fig.  43—45.)  Kopf  und  Brust  fusci;  die  Häi'chen  gräulich; 
die  hintern  Warzen  des  Kopfes,  die  Warzen  des  Pronotums  testacei; 
die  Antennen  testaceae;  der  Anfangsteil  ist  heller,  mit  einer  deut- 
lichen, schwarzen  Spirale;  die  2  ersten  Glieder  sind  braun.  Das 
Abdomen  oben  bräunlich,  unten  heller.  Die  Füße  sind  gelb;  die 
Coxae  des  1.  Paares  gelb  wie  gewöhnlich,  des  2.  und  3.  Paares 
bräunlich-testaceae;  die  vordem  Flügel:  die  1.  Apicalzelle  ist  klein, 
die  4.  beginnt  vor  der  5. 

S.  Der  Dorsalteil  des  10.  Segments  ist  im  Anfang  stark  nach 
unten  gebogen,  und  am  Ende  dieser  Biegung  erheben  sich  2  dorn- 
förmige  Auswüchse,  die  einander  genähert  sind,  was  man  bei  einer 
Betrachtung  von  hinten  sehen  kann  (Fig.  45).  Der  hintere  Eand 
des  10.  Segments  bildet  von  der  Seite  hinten  eine  dreieckige  Vor- 
ragung und  geht  dann  schräg  nach  unten.  Die  Seitenwände  des 
hintern  Teiles  des  10.  Segments  sind  schwach  chitinisiert,  blaß  und 
tragen  viele  kurze  Härchen.  Der  Hinterrand  ist  mit  noch  kleinern 
Dörncheu  besetzt.  Der  dorsale  Auswuchs  des  9.  Segments  („dorsal 
plate"  McLachlan's)  ist  lang,  nach  hinten  verdickt  (Fig.  43).  Die 
hintere  Grenze  des  9.  Segments  ist  von  oben  und  den  Seiten  durch 
eine  Reihe  dicker  und  langer  Härchen  bezeichnet.  Die  Pedes 
genitales  bestehen  aus  einem  langen,  fast  gleichmäßig  dicken 
1.  Gliede  und  einem  kurzen,  dicker  werdenden  und  am  Ende  ab- 
gerundeten 2.  Gliede,  mit  zahlreichen  kurzen  Härchen.  Der  Penis 
ist  am  Ende  verdickt,  besonders  von  der  untern  Seite;  vor  dem 
Endköpfchen  ist  eine  weitere  Verdickung  nicht  bemerkbar. 

Länge  5 — 6  mm. 


540  Andreas  Martynow, 

SS  und  ??.  Am  Flusse  Kur.  Kreis  Achalkalaki,  Gouvernement 
Tiflis,  13.-16,6.  1907  fMARTYxow). 

2  SS  niit  der  Etikette  „Tiflis"  in  der  Sammlung  des  Zoologischen 
Museums  der  Universität  Moskau. 

Nach  der  Konfiguration  des  10.  Segments  und  des  Penis  ist  diese 
Art  sehr  eigentümlich  und  wolil  selbständig. 

Sp.  23.     H,  ornatula  MgLachlak. 

Außer  einem  typischen  Repräsentanten  dieser  Art  brachte  ich 
vom  Kaukasus  noch  2  (oder  sogar  3j  Formen  mit,  die,  wenn  sie  auch 
einige  bestimmte  Eigentümlichkeiten  vor  den  typischen  Vertretern 
von  H.  ornatula  voraus  haben,  doch  nicht  so  sehr  sich  unterscheiden, 
um  nacli  den  wenigen  Exemplaren  für  sie  neue  Arten  aufstellen  zu 
können.  In  Eücksicht  darauf  aber,  daß  die  Färbungsunterschiede 
bei  ihnen  schon  mit  gewissen  Strukturunterschieden  verbunden  sind, 
scheint  es  am  richtigsten,  dieselben  als  lokale  Subspecies  der  Art 
H.  ornatula  zu  unterscheiden,  einer  Art,  die  eine  äußerst  weite  geo- 
graphische Verbreitung  besitzt. 

a*)  H.  ornatula  McLachlan,  suhsp.  typica. 

1  S-  Fluß  Kur,  Kreis  Achalkalaki,  Gouvernement  Tiflis,  13.6. 
1907  (Marttnow). 

b*)  H.  ornatula  suhsp.  gracilis,  n.  suhsp. 

Unterscheidet  sich  von  den  typischen  Vertretern  von  H.  ornatula 
in  folgenden  Merkmalen^):  der  Kopf  ist  relativ  klein;  die  Augen 
bedeutend  kleiner  als  bei  H.  ornatula  suhsp.  typica;  sie  treten  nicht 
so  hervor;  der  obere  Teil  des  Kopfes  im  Verhältnis  zu  den  Augen 
größer;  die  Farbe  des  Kopfes,  der  Brust  fuchsrötlich-bräunlich;  die 
hintern  Warzen  des  Kopfes  etwas  größer;  die  vordem  Innern  Ränder 
derselben  gewölbt,  während  bei  suhsj).  typica  dieselben  gerade  sind. 
Die  Coxae  der  Beine  bedeutend  heller.  Das  ganze  Abdomen  hell- 
testaceum. 

S  (Fig.  45—48).  Die  Genitalanhänge  sind  blaß,  gelblich  und 
nur  der  Penis  am  Ende  fuscens.  Die  Dorsalplatte  („dorsal  plate" 
McLaculan's)  ist  am  Ende  ausgeschnitten  (Fig.  46),  was  bei  H. 
ornatula  McLachlan   nicht   der  Fall   ist.     Die  Entfernung   der  aus- 


1)  In  diesem,    wie    den  andern  Fällen,    wurde   die  Beschreibung  nach 
S   gemacht. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  541 

gezogenen  Enden  des  10.  Segments  ist  etwas  größer.  Der  Penis 
bildet  am  Ende  nicht  nur  oben  eine  Verbreiterung,  sondern  —  und 
noch  mehr  —  auch  unten;  diese  Verbreiterung  ist  durch  eine  Ein- 
schnürung vom  zweiten,  vorapicalen,  kleinen,  verbreiterten  Stück 
nach  unten  getrennt  (Fig.  47,  48). 

Länge  des  Körpers  6  mm. 

2  SS,  Stadt  Alexandropol.  Gouvernement  Eriwan.  29./6.  1907 
(Martyxow). 

Hierher  kann  auch  1  s  aus  Achalzych,  Gouvernement  Tiflis, 
13.6.  1907  (Bartenew)  gestellt  worden,  das  sich  durch  braune 
Färbung  des  Kopfes  (das  ganze  Tier  ist  dunkler)  unterscheidet, 
ebenso  durch  größere  Breite  des  Kopfes,  aber  der  Penis  ist  wie  bei 
den  2  beschriebenen  Exemplaren  gebaut,  nur  ist  die  Verbreitei'ung 
oben  am  Ende  mehr  bemerkbar. 

e)  *H.  ornatula  siibsp.  nigrescens  n.  snhsp. 

Die  Männchen  ^)  dieser  Subspecies  stimmen  im  allgemeinen  mit 
den  gewöhnlichen  H.  ornatula  überein,  unterscheiden  sich  aber  durch 
die  schwarze  Färbung  der  untern  Anhängsel  (der  Pedes  genitales) 
und  die  Form  des  Penis,  der  ebenfalls  dunkelbraun  ist  und  bei  dem 
vor  der  apicalen  noch  eine  zweite  Erweiterung  nach  unten  vor- 
handen ist,  die  übrigens  nicht  durch  eine  Einschnürung  von  der 
ersten  getrennt  wird;  dank  dieser  Erweiterung  ist  der  ganze  distale 
Teil  des  Penis  (von  der  Seite)  viel  breiter  als  der  proximale. 

SS  (???).  Am  Flusse  Kur,  Kreis  Achalkalaki,  Gouvernement 
Tiflis,  13.— 15.6.  1907  (Maetynow). 

Hierher  stelle  ich  auch  1  $  vom  Flusse  Taparawantschai 
beim  Dorfe  Chospia,  Kreis  Achalkalaki,  15. 6.  1907  (Maktynow),  das 
mit  den  vorhergehenden  in  den  Eigentümlichkeiten  der  Genital- 
anhänge übereinstimmt,  sich  aber  dadurch  unterscheidet,  daß  das 
Scutellum  auf  dem  Mesonotum  nicht  von  brauner,  sondern  ganz 
weißer  Farbe  ist,  und  der  Kopf  erscheint  etwas  kleiner.  Es  ist 
möglich,  daß  wir  es  hier  mit  einem  besondern  Merkmale  der  Sub- 
species zu  tun  haben,  doch  sind  weitere  Beobachtungen  an  größerm 
Material  erforderlich. 


1)  Infolgedessen,    daß    die    Weibchen    der    verschiedenen    Arten    der 
Gattung  Hijdrop.si/cJic    überhaupt    sich    nach    den    Genitalanhängen    weniger 
unterscheiden    als    die    Männchen,    kann    ich    die    Eigentümlichkeiten    der 
Weibchen  für  die  aufgestellten   Subspecies  einstweilen  nicht  angeben. 
Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  35 


542  Andkeas  Martynow, 

Sp.  24.     H,  instabflls  Cuetis. 

Die  typische  Form  von  II.  instahilis  fehlt,  dafür  sind  aber  einige 
Formen  vorhanden,  die  sich  ihr  anschließen.  Jede  von  ihnen  unter- 
scheidet sich  durch  einige  Eigentümlichkeiten  in  der  Sti-uktiir  der 
Genitalanhänge  der  SS  —  und  nach  dem  Vorausgehenden  halte  ich 
es  für  das  Angebrachteste,  sie  als  lokale  Unterarten  zu  //.  instahilis 
CüETis  zu  beschreiben. 

a)  *//.  instahilis  suhsp.  acuta  n.  siihsp. 

Hierher  gehören  eigentlich  2  Formen,  die  sich  durch  den  Bau 
des  2.  Gliedes  der  Pedes  genitales  des  S  unterscheiden. 

Form  a.  Färbung  blaß,  gelblich-rot;  Kopf  testaceus,  mit  ebenso 
gefärbten  Warzen;  die  Antennen  sind  gelblich  mit  einer  undeut- 
lichen dunklen  Spirale;  Füße  blaß-testacei;  die  Seiten  des  Meso- 
notums  testaceae,  die  Mitte  gelblich ;  Scutellum  dunkelbraun. 

Die  Vorderflügel  ziemlich  breit. 

S  (Fig.  49  u.  50j.  Die  hintern  Auswüchse  des  10.  Segments 
(die  für  instahilis  charakteristisch  sind)  sind  relativ  klein;  das 
2.  Glied  der  Pedes  genitales  ist  am  Ende  abgeschnitten  gerade,  mit 
Ausnahme  des  Innern  Endes,  das  in  einen  kleinen  dünnen,  finger- 
förmigen Fortsatz  ausgezogen  ist;  der  Penis  hat  vor  dem  Ende  sehr 
bedeutende  seitliche  Erweiterungen,  die  nicht  weit  vom  Ende  sich 
befinden. 

$  unbekannt. 

4  S6-  Tal  des  Flusses  Tschaldyrka,  Gebiet  von  Kars,  28./6. 
1907  (Martynow). 

Form  ß.  Ähnlich  der  Form  a.  aber  das  2.  Glied  der  Pedes 
genitales  ist  hinten  nicht  abgeschnitten,  sondern  verdickt  sich  all- 
mählich, und  das  verdickte  Ende  trägt,  ebenso  wie  bei  der  Form  «, 
kurze  Börstchen  (Fig.  51). 

$  unbekannt. 

2  iS-  Tal  des  Flusses  Tschaldj^rka,  Gebiet  von  Kars,  28.; 6. 
1907  (Martynow). 

Der  Bau  des  Penis  usw.  wie  bei  der  Form  a.  Aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  ist  der  Bau  des  2.  Gliedes  individuellen  Ver- 
änderungen unterworfen,  aber  einstweilen  fehlen  Zwischen  formen, 
die  die  Formen  a  und  ß  verbinden. 


Die  Trichoptereu  des  Kaukasus.  543 

b)  //.  instahüls  suhsp.  nigra  n.  snhsp.?  [=  Ä  fulvipes  Curt. ?]. 

Ähnelt  sehr  der  Beschreibung-  McLachlan's  für  die  Art  IL  ful- 
vipes CuRTis  (McLachlan,  Rev.  and  Syn.  Europ.  Fauna,  p.  oüO,  First 
add.  suppl,  p.  44). 

Schwärzlicli-braun ;  die  hintern  Warzen  des  Kopfes,  des  Pro- 
notunis  und  das  Scntellum  des  ]\Iesonotums  heller,  zuweilen  dunkel- 
gelb;  die  Flügel,  wie  bei  fulvipes.  braun.  Die  Genitalanhänge  des 
S  schwarz;  das  2.  Glied  der  Pedes  genitales  leicht  erweitert  und 
am  Ende  abgerundet;  der  Penis  bildet  vor  dem  Ende  sehr  bemerk- 
bare Seitenerweiterungen  (in  größerer  Entfernung  vom  Ende  als  bei 
//.  acuta  n.  suhsp.)  (Fig.  55). 

5  SS,  Fluß  Kur  beim  Dorfe  Tumurdo,  Kreis  Achalkalaki,  Gou- 
vernement Tiflis,  17.6.  1907  (^[ahtyxow). 

Diese  „Subspecies"  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  mit  //. 
fulvipes  CuET.  identisch,  da  icli  aber  keine  P^xemplare  der  letztern 
Art  zur  Verfügung  hatte,  so  kann  ich  einstweilen  auf  Grund  der 
kurzen  Beschreibung  McLachlan's  allein  diese  Identität  nicht  be- 
haui)ten.  Für  die  Zugehörigkeit  dieser  Unterart  zur  Species  H. 
fulvipes  spricht  auch  der  Umstand,  daß  die  Exemplare  von  H.  insiahilis 
aus  Süd-Eui'opa  nach  McLachlan  ^)  eben  auch  zu  der  Ai't  H.  fulvipes 
gehören  und  nicht  zu  instabilis,  folglich  ist  H.  fulvipes  eher  eine 
Süd-europäische  Art  (Griechenland,  Dalmatien,  Corsika,  Sicilien, 
Italien  u.  a.). 


Fam.  Polyceniropidae  Ulmer. 

Subfam.  Polijceniropinae  Ulmee. 

Genus  Holocentropus  McLachlan. 

Sp.  25".     H.  S2).?  (IT.  It.  sj}.?). 

Fuscus;  Kopf,  Brust  mit  graugoldigen  Härchen;  Antenuae 
testaceae,  mit  gelber  Streifung;  Palpi  fuscentes.  Pliße  gelblich;  Coxae 
und  Femora  mit  Ausnahme  der  Enden  bräunlich;  Tarsi  an  den  Enden 
bräunlich.  Die  vordem  Flügel  mit  gräulichen  Härchen;  sie  sind 
von  zusammenfließenden,  undeutlichen,  bräunlichen  Flecken  bedeckt; 
3   blaue  Flecke:   1   an   der  Querader   unter   der  Discoidalzelle,   ein 


1)  1.   c,  First  add.   Suppl,  p.   44. 

.35* 


544  Andreas  Martynow, 

2.   beim    Thyridium,   der   3.   am   Arculus.      Die   Hinterflügel   blaß- 
gräulich. 

Aderung  wie  bei  H.  stagnalis  Albarda,  aber  die  1.  Gabelung 
der  Vorderfliigel  ist  nicht  besonders  klein;  die  2.  Gabelung  der 
Hinterflügel  der  von  mir  untersuchten  Exemplare  besaß  nicht  jene 
Verdickung  des  Stieles,  welche  McLachlan  ^)  beschreibt. 

<S  (Flg.  52).  „Dorsal  plate"  McLaculan's  ist  nicht  bemerkbar 
wie  bei  H.  stagnalis.  Die  „App.  intermedii"  (des  10.  Segments) 
sind  dünn,  am  Ende  schwarz  und  an  den  Enden  leicht  nach  innen 
gebogen.  Die  App.  praeanales  sind  sehr  groß  und  bilden  einen 
kleinen  obern  Lappen  und  einen  von  ihm  durcli  einen  nicht  tiefen, 
aber  breiten  Ausschnitt  getrennten  untern  großen  Lappen.-) 

Die  Pedes  genitales  sind  ofl:enbar  denen  von  H.  stagnalis  sehr 
ähnlich  gebaut, 

$  (Fig.  53,  54).  Die  abgerundeten  Seitenlappen  des  in  der  Mitte 
ausgeschnittenen  10.  Segments  ^)  tragen  je  3  vortretende  Zähne,  von 
denen  der  mittlere  der  größte  ist. 

Die  Ventralteile  des  8.  Segments  sind  breit  und  bilden  nicht 
bei  Ansicht  von  der  Seite  einen  so  dünnen  Endteil  wie  bei  //.  stagnalis. 

Länge  des  Körpers  5.5  mm. 

SS  und  ??,     See  Madatapin-ghöll,  19./6.  1907  (Maetynow). 

Diese  Art  ist,  falls  nicht  identisch,  der  H.  stagnalis  Albarda 
sehr  nahe.  Wenigstens  paßt  die  Beschreibung  der  Art  H.  stagnalis 
bei  McLachlan  sehr  gut  zu  unserer  Art,  übrigens  mit  einigen  Aus- 
nahmen. Eine  Haupteigentümlichkeit  unserer  Art  bildet  im  Vergleich 
zu  H.  stagnalis,  meiner  Ansicht  nach,  der  Bau  der  obern  Anhänge 
beim  S  und  der  Bau  des  10.  Segments  beim  ?.  Nach  der  Be- 
schreibung McLachlan's  (leider  gelang  es  mir  nicht  auch  nur  ein 
einziges  Exemplar  von  H.  stagnalis  zu  erlangen)  sind  die  obern  An- 
hänge bei  H.  stagnalis  „small,  sub-quadrate,  the  apical  margin 
excised",  während  bei  der  beschriebenen  i7.  s;;.  ?  dieselben  sehr  groß 
sind;  ferner  werden  bei  der  Beschreibung  des  Weibchens  nicht  er- 
wähnt die  Zähne  am  10.  Segment,  die  für  unsere  Art  charakteristisch 
sind.  Diese  zwei  Merkmale,  besonders  das  erstere,  würden  voll- 
kommen genügen,  um  diese  Art  als  neu  und  von  H.  stagnalis  unter- 


1)  Rev.  and  Syn.  Eur.  Fauna,  p.  404,  tab.  43. 

2)  Der  untere  Lappen  ist  auf  der  Zeichnung  nur  in  seinem  Anfange 
zu  sehen. 

3)  „Tubulär  piece"   McLaCHLAn's. 


Die  Trichoptereu  des  Kaukasus.  545 

schiedene  anzuerkennen;  da  aber  McLachlan's  Beschreibung  un- 
genügend und  nacli  trocknen  Exemplaren  gemacht  ist,  so  kann  man 
sich  auf  ihre  Genauigkeit  nicht  verlassen  (einstweilen)  und  ich  kann 
mich  nicht  entschließen  diese  Art  für  neu  anzusehen,  da  ich  keine 
Exemplare  von  IL  stagncdis  zum  Vergleiche  besaß. 


Fam.  Psyclwmijidae. 
Genus  fsf/choanjia  Latreille. 
Sp.  26*.     P.  xnisUla  Fabricius. 

SS  und  ??,  zahlreich.  Tal  des  Flusses  Tschaldyrka,  Gebiet  von 
Kars.  27.— 28./6.  1907  (Maetynow). 

Fam.  lUiyacopJülidae. 

Subfam.  Glossosomatinae  Ulmee. 

Genus  Af/apetus  Cüetis. 

Sp.  27*.     A,  iHcerttdus  McLachlan?. 

Ich  kann  nicht  entschieden  sagen,  daß  die  zu  beschreibende 
Form  zur  Art  A.  incertulus  gehört,  weshalb  ich  sie  hier  genauer 
beschreibe. 

Schwarzbraun ;  die  Warzen  des  Kopfes  gelb ;  Pronotum  testaceum ; 
Meso-  und  Metanotum  schwarzbraun;  2  Längsstreifeu  im  vordem 
Teil  des  Mesonotums  gelb;  Härchen  gelblich.  Die  Antennen  und 
Palpen  testacei.  Füße  testacei,  Coxae  schwarzbraun;  die  letzten 
Glieder  des  Tarsus  fuscentes;  die  Sporen  bräunlich;  Abdomen  fuscens. 
Die  Flügel  gräulich-gelb.  An  den  Vorderflügeln  ist  die  4.  Gabelung 
in  gleicher  Höhe  oder  sogar  früher  beginnend  als  die  3.  (wie  bei 
incertulus). 

S  (Fig.  40,  41).  Das  10.  Segment  („upper  penis  cover")  ist  oben 
nicht  weniger  zerschnitten  als  bis  zur  Hälfte,  von  unten  fast  bis 
zur  Basis,  und  bildet  2  breite  Seitenlappen,  die  gelblich  sind  und 
fast  durchsichtig.  An  der  Seite  gehen  sie  nach  rückwärts  und 
unten  (Fig.  41),  fast  ebenso  lang  wie  die  untern  Anhänge,  und  haben 
einen   wellenförmigen  obern  und  abgerundeten  hintern  Eand.    Ihre 


546  Andreas  Martynow, 

Anhänge  —  die  Anhänge  der  Lappenbasis  nach  Klapalek  i)  („penis 
sheaths"  McLachlak's)  —  erweitern  sich  plattenförmig  nnd  können 
sogar  über  die  Ränder  der  Lappen  des  10.  Segments  vortreten.  Die 
Pedes  genitales  tragen  unten  (Fig.  40)  in  ^.j  von  der  Basis  2  kleine 
Zähnchen,  und  dann  treten  unter  dem  Eande  2  genäherte  schwarze 
Zähnchen  hervor.  Am  Ende  sind  ebenfalls  2 — 3  Zähnchen  vor- 
handen. Der  Auswuchs  des  6.  Bauchsegments  ist  der  gewöhnliche 
fiii'  die  (iruppe  fuscipcs-nimhulus-incertidus,  nicht  sehr  lang. 

$  (Fig.  42).  Am  6.  Segment  befindet  sich  unten  ein  kleinei" 
zentraler  Zahn;  die  Segmente  werden,  wie  gewöhnlich,  nach  hinten 
kleiner:  das  10.  Segment  besitzt  ein  l^aar  2gliedrige  Cerci. 

Länge  des  S  etwa  8  mm,  des  $  etwa  4  mm. 

SS  und  ??.  Bäche  am  Ostufer  des  Sees  Tschald}^,  Gebiet  von 
Kars,  26.  G.  1907  (Maktynow). 

Diese  Form  ist  vielleicht  identisch  mit  der  Art  A.  mccrtulus. 
nach  der  kurzen  Beschreibung  McLachlan's -)  zu  urteilen  (nach 
einem  Exemplar  eines  Männchens). 

Die  Beschreibung  der  Aderung,  der  Form  der  ,.sheaths",  der 
Form  der  untern  Anhänge  von  A.  incertulus  paßt  ganz  auf  unsere 
Form.  Was  die  Bemerkung  anbetrifft,  daß  die  „sheaths"  bei  A. 
incertulus  länger  sind  als  der  „penis  cover",  so  dürfte  das  kaum  sich 
so  verhalten,  da  das  10.  Segment  sehr  zart  ist  und  im  konservierten 
oder  trocknen  Zustande  eine  veränderliche  Länge  haben  kann.  Im 
allgemeinen  aber,  da  die  Beschreibung  kurz  ist  und  bei  McLachlan 
die  erforderliche  Zeichnung  der  Genitalanhänge  des  Männchens  von 
unten  fehlt,  will  ich  mich  niclit  entschieden  aussprechen  dafür,  daß 
diese  Art  zur  Species  A.  incertulus  gehört.  Dagegen  spricht  vielleicht 
auch  der  Umstand,  daß  der  einzige  Vertreter  der  Art  A.  incertulus 
in  einem  vom  Kaukasus  so  weit  entfernten  Gebiet  gefunden  wurde 
wie  Portugal. 


1)  Die  Morph,   der  Genitalsegmente  etc.,   in:   Acad.  Sc.  Emp.  Frangois, 
Vol.    1  ;   Bull,  inter.  Prague,    1904,   p.    172. 

2)  E,ev.   and  Syu.   etc.,  First  addit.   Suppl.,  p.   66. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  547 

Subfam.  lihyacopliüina  ülmer. 
Genus  JihtjitcopJiild  Pkt. 

Sp.  28*.     B.  imhffa  Zett. 

SS  und  ??,  Tal  der  Tsclialdyrka,  Gebiet  von  Kars,  27.6.  1907 
(Martynow). 

Wie  schon  frülier  g'esagt,  wurden  bisher  vom  Kaukasus  34  Formen 
erwähnt,  wenn  man  die  rechnet,  deren  Art  gar  nicht  bestimmt  war 
[Aspathermm  sp.,  Hydropsijche  sp.).  wie  auch  die,  deren  Bestimmung 
gegen  irt'ärtig-  unrichtig  ersclieint  [Stathmophoms  fusciis  Kol.  (=  Ana- 
holia  sp.?).  Sicnophjlax  paniherinus  Kol.  {^=  Sten.  sp.?,  St.  stellatus 
CuET.  ?),  Ferner  muß  die  Auffindung  von  Braclujcentrus  suhnuhüus 
Gurt,  auf  dem  Kaukasus  revidiert  werden,  wie  auch  von  Br. 
adoxns  ]\IcLachlan,  Lcptocerus  hümeatus  L.  In  der  unten  ge- 
gebenen Liste  der  Arten,  die  auf  dem  Kaukasus  vorkommen,  sind 
56  Arten  aufgezählt,  von  denen  32  früher  bekannt  waren  ^),  während 
24  Arten  für  den  Kaukasus  neu  erscheinen ,  wobei  Hydropsyclie 
gracüis,  H.  nigrescens,  H.  acuta,  IL  n/r/ra  nur  als  Subspecies  an- 
gesehen werden.  Parallel  den  Fundorten  auf  dem  Kaukasus  werden 
auch  andere  Gebiete  aufgeführt,  aus  denen  die  aufgezählten  Arten 
bekannt  sind. 

Wie  aus  der  Liste  zu  ersehen  ist,  wird  für  die  Mehrzahl  (21) 
der  früher  bekannten  Arten  als  Fundort  entweder  Transkaukasien 
(„Armenia")  oder  das  Gebiet  des  Hauptkammes  angeführt,  und  nur 
für  11  Arten  wird  unbestimmt  der  „Kaukasus"  genannt.  Übrigens, 
da  dieses  gerade  alles  Arten  sind,  die  sich  einer  weiten  Verbreitung 
erfreuen,  kann  man  annehmen,  daß  sie  auch  in  Transkaukasien  ge- 
funden werden.  Wenn  wir  vom  ..Kaukasus"  reden,  werden  wir  daher 
besonders  das  Gebiet  im  Auge  haben,  das  vom  Hauptkamm  und 
Transkaukasien  eingenommen  wird.  Die  aufgeführte  Liste  muß 
natürlich  als  noch  sehr  mangelhaft  angesehen  werden,  und  von 
einer  Trichopteren-Fauna  des  Kaukasus  kann  nur  in  allgemeinen  Um- 
rissen gesprochen  werden,  ohne  auf  ihre  möglichen  Unterabteilungen 
einzugehen. 


1)  Ich  habe  Aspatlierium  sp.?  gar  nicht  in  die  Liste  eingetragen, 
ebenso  auch  niclit  Hijäropst/cJic  sj).  ?,  um  so  weniger,  da  ich  einige  Hydro- 
psyrjir- Arten  aufführe,  zu  einer  von  denen  vielleicht  aucli  die  Art  IL  ■•<}).  ? 
gestellt  werden  könnte. 


548 


Andreas  Maktynow, 


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Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  549 


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550  Andreas  Martynow, 

Zur  Charakteristik  der  Fauna  der  kaukasischen  Trichopteren 
überg-eliend,  wollen  wir  dieselbe  in  2  Partien  einteilen:  a)  Arten, 
die  ebenfalls  in  Europa  und  teilweise  in  Sibirien^  Turkestan  ge- 
funden werden,  und  b)  Arten,  die  für  den  Kaukasus  endemisch  sind, 
oder  auch  in  den  benachbarten  Ländern  o-e trotten  werden  (Xord- 
Persien,  Teil  Kleinasiens).  Nur  eine  Art.  Br.  adoxus,  ist  außer  auf 
dem  Kaukasus  nur  noch  in  Sibirien  gefunden  wurden,  aber  wie 
schon  gesagt,  bedarf  ihre  Auffindung  im  Kaukasus  der  Nachprüfung. 
Die  Zahl  der  Arten,  die  nur  auf  dem  Kaukasus  \)  getrofi'en  wurden, 
ist  15,  mit  den  Subspecies  19,  was  hinsichtlich  der  ganzen  Zahl  der 
Arten  (56)  27%  bildet  und,  wenn  man  die  Subspecies  dazu  rechnet, 
etwa  30"/o-  Wenn  man  zu  den  kaukasischen  Arten  noch  Lhnn. 
peculiaris  McLachl.  hinzufügt,  der  ebenfalls  in  Kleinasien  gefunden 
wurde  (Ti'apezunt),  und  Hydr.  consanfjuinea  McLachl.,  die  außerdem 
in  Nord-Persien  getroifen  wurde,  so  wächst  die  Zahl  der  endemischen 
Arten  fast  auf  40%  an  von  der  Gesamtzahl. 

Die  Klarstellung  des  Verhältnisses  der  Kaukasus-Fauna  zur 
europäischen  und  der  anderer  Gebiete  stößt  auf  bedeutende  Hinder- 
nisse, da  zoogeographische  Arbeiten  über  die  Trichopteren-Fauna 
Europas  fehlen.  Die  Charakteristik  der  europäischen  Fauna,  ihrer 
Unterabteilungen,  fällt  natürlich  weit  außerhalb  des  Kahmens  dieser 
Arbeit,  und  doch  scheint  es  unvermeidlich,  diese  Frage,  wenn  auch 
nur  in  ganz  allgemeinen  Zügen,  zu  streifen.  Es  ist  begreiflich,  daß 
hier  nur  ganz  allgemeine  Ansichten  ausgesprochen  werden  können, 
die  mir  am  wenigsten  strittig  erscheinen.  Die  Fauna  Zentral- 
Europas  (Schweiz,  Frankreich,  Teile  Österreichs)  kann  eine  reiche 
genannt  werden.  Von  hier  geht  sie.  vorherrschend  die  Formen  ein- 
büßend, welche  gebirgigen  Gegenden  eigentümlich  sind  (Gattung 
DrusKS,  Arten  der  Gattung  Sfcnophijlax  u.  a.),  nicht  wenig  in  den 
Eigenschaften  sich  ändernd,  auf  die  nahe  anliegenden  Länder  über 
(Britische  Liseln,  Belgien,  Holland.  Deutschland)  und  geht  weiter, 
immer  allmählich  ärmer  und  ärmer  werdend,  nach  dem  Europäischen 
Rußland  und  West-Sibirien.  Im  Norden  erstreckt  sich  diese  P'auna 
auf  Skandinavien  und  Nord-Rußland,  aber  hier  erscheinen  schon  an 
Stelle  der  verschwindenden  europäischen  Arten  nord-sibirische  oder 
sibirische  Formen  (Arten  der  Gattung  Asynarchus,  Dicosmoecus  palatus 
McLachl  AN  -),   Grmnmotaulkis  Sibiriens  MgLachlan,  Gr.  signatipennis 


1)  "Wenn  man  Jlolocentropns  sp.  und  Setodc'^  s-p.  als  neue  Arten  ansieht. 

2)  Die  Daten  über  Bic.  palatus  sind  von  mir  noch  nicht  veröffentlicht. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  551 

McLachl.  u.  a.).  Im  Süden  verbreitet  sich  die  Fauna  von  Zentral- 
Europa  zum  Teil  aucli  auf  die  Halbinseln  nnd  Inseln,  aber  sehr 
viele  Arten  kommen,  j^enau  genommen,  nicht  bis  hierher,  sondern 
haben  hier  ihre  Vertreter,  die  oft  für  jede  Insel  endemisch  sind,  wie 
auch  für  jede  Halbinsel,  was  die  Möglichkeit  gibt,  sie  in  besondere 
zoogeographische  Kegionen  zu  teilen.  Diesem  Gebiete  gehören  außer- 
dem noch  einige  besondere  Genera  an,  deren  Arten  fast  gar  nicht 
nach  Mittel-Europa  hineingehen,  wie  z.  B.  die  Gattung  Sericosfoma. 
von  deren  20  Arten  nicht  wenigei-  als  15  für  dieses  Gebiet  charak- 
teristisch sind,  die  Gattung  Schkopclex  mit  2  Arten,  Thrcmma  mit 
3,  ebenso  Ifclicopsijche^)  mit  3,  Tinodes,  von  dessen  22  Arten  -/.j  in 
ihrer  Verbreitung  ausschließlich  auf  Halbinseln  und  Inseln  be- 
schränkt sind.  u.  a.  Dieser  Umstand  gestattet  es,  alle  diese  zer- 
strenten  Halbinseln  und  Inseln  zu  einem  Ganzen  zusammenzufassen, 
das  ungefähr  einer  ..Mittelmeerprovinz"  der  Autoren  entsi)richt. -) 

Betrachten  wir  jetzt  die  Kaukasus-Fanna.  In  der  Gruppe  der 
nicht  endemischen  Arten  linden  wir:  1.  Arten,  die  dem  Kaukasns 
nnd  Europa  gemeinsam  angehören,  und  2.  Arten,  die  außerdem  in 
Sibirien  und  Turkestan  getroffen  Averden.  d.  h.  Arten,  die  überhaupt 
eine  sehr  weite  Verbreitung  besitzen.  Die  Zahl  der  Arten,  die  dem 
Kaukasns  und  Europa  gemeinsam  sind,  beträgt  nicht  weniger  als  16, 
was  etwa  die  Hälfte  aller  nicht  endemischen  Arten  (36)^)  bildet. 
Hierher  kann  man  stellen  die  Arten'): 

1.  Phr.  vciria  —  fast  ganz  Euro[)a,   mit  Ausnahme  Italiens  und  Spaniens. 

2.  Grai)i.   nitidus  —  fast  ganz   Europa,  Xord-Persien. 

3.  Liinno])}t.  subce}itralis  —  Mittel-,   Ost-  und  Nord-Europa. 

4.  Limnoph.  liniaiiis  —  ganz  Europa,   Kleinasien,  Nord-Persien. 

5.  Linntopli.  auricida  —  Mittel-  und  Ost-Europa. 

6.  Limnoph.  nigricej>s<  —  Mittel-  und  Nord-Europa. 


1)  Die  Arten  dos  Genus  llflicoji.sijclie  sind  nicht  aus  ii-gendwelchen 
andern  Gegenden  bekannt  (der  paläarktischen  Region),  wurden  aber  in 
Amerika,   Australien,   auf  Ceylon  und  Neuseeland  gefunden. 

2)  Wir  bemerken,  daß  die  Trichopteren-Fauna  Nord-Al'rikas  ganz 
unbekannt  ist. 

3)  Ich   lasse  hier  beiseite  AnalxAia  sp.,   StenopJfi/lax  sj).  und  Ilcdesus  sp. 

4)  In  dieses  Verzeichnis  wurden  nicht  hineingestellt  L.  flavicornis 
und  llijdropsiicJie  oniafida,  die  bisher  nur  aus  Europa  bekannt  waren, 
während  ich  ihre  Vertreter  aus  Zentral-Sibirien  sah ;  diese  Daten  sind  von 
mir  noch  nicht  publiziert. 


552  Andreas  Mabtynow, 

'?7.   Limnoph.  vittaUis  —  Europa,  Kleinasien,    aber    bei  BlAKCHl  ebenso 
auch  das  Amurgebiet  ('?). 

8.  Notid.  ciliaris  —  Nord-  und  ]\Iittel-Europa,  Kuban. 

9.  Goera  pilosa  —  Nord-  und  Mittel-Europa. 

?10.  Leptoc.  bilineatus  —  Nord-  und  Mittel-Europa,  Turkestan. 

11.  Mystacldcs  azurca  —  ganz  Europa. 

12.  Triaeuodcs  reuieri  —  Schweden,  Finlaiid,  "Westpreußen. 

13.  Beraeodes  rninuta  —  Mittel-Europa. 

14.  Fsychomyia  ]/usilla    —    ganz    Europa    mit    Ausnahme    des    äußersten 
Nordens,  Kleinasien. 

15.  HydrojjsijcJie  lepida  —  fast  ganz  Europa. 

16.  Rlii/acoj>hila  torrentiurn  —  Zentral-Europa. 

17.  Rh.  nubila  —  Mittel-  und  Nord-Europa. 

18.  Glossosoma  vemale  —  Mittel-Europa. 

?19.  Agapehis  incertulus  —  Portugal  (vielleicht  Agapetus  n.  sp.). 
20.   Phrygunea  yrandis  —  kann  auch  hierher  gestellt  werden. 

Wie  wir  sehen,  sind  das  alles  mehr  Arten,  die  in  ]\Jittel-(Ost-) 
und  Nord-Europa  verbreitet  sind.  Die  übrigen  (nicht  endemischen) 
Arten  der  ersten  Gruppe  haben  eine  sehr  weite  Verbreitung-;  sie 
werden  in  Zentral-,  Ost-Sibirien  gefunden,  und  einige  erreichen  den 
Großen  Ozean. 

Wenden  wir  uns  der  zweiten  Gruppe  zu  (den  endemischen 
Arten). ^)  Der  größere  Teil  derselben  gehört  entweder  zu  den  mittel- 
und  Süd-europäischen  Gattungen  {Brusus,  Silo,  Homilia,  Beraea,  Holo- 
centropus;  die  kaukasische  Gattung  Cerasma  steht  der  süd-europäischen 
Sericosfoma,  die  Gattung  Lithacodes  der  Gattung  Silo  und  Lithax,  die 
auch  zentral-europäisch  ist,  sehr  nahe),  oder,  wenn  sie  auch  zu 
Gattungen  gehören,  die  eine  weitere  Verbreitung  besitzen,  sind  sie 
mehr  den  südlichen  Arten  verwandt.  Triaenodes  Jcauraishi  steht 
am  nächsten  der  turkestanischen  Art  Tr.  interna-),  Setodes  sp.? 
{n.  sp.?)  —  der  zentral-europäischen  S.  inicrrupta  und  der  turkestaner 
S.  similis  (Turkestan,  Kokan)  —  [die  Gattung  Setodes  geht  in  Europa 
überhaupt  nicht  nördlicher  als  England],  Glypliotaelius  selysii  der 
europäischen  Gl.  pellucidus  und  der  persischen  Gl.  persicus.  Von  den 
übrigen  Arten  dieser  Gruppe  ist  L.  transcaucasims  nahe  verwandt 
mit  dem  mittel-  und  nord-europäischen  L.  bipunctatus  und  L.  scaleniis, 


1)  Einige    von    ihnen    natürlich    sich    späterhin    als    nicht  endemische 
erweisen. 

2)  Ebenso   auch  den  europäischen    Tr.  conipcrsa  und   Tr.  reuten. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  553 

ist  aber  primitiver  als  sie,  und  der  eig-entümliche  L.  peciiUaris  und 
Hydropsyche  cornuta  nehmen  eine  isolierte  Stelluno'  ein.  Acrunoeciella 
chaldyrcnstis  steht  den  tnrkestaner  Gattungen  Acrunoecia  und  Di- 
nartltnmi  nahe  und  erscheint  als  westlichster  Vertreter  dieser 
zentral-asiatischen  Gruppe.  Apatania  suhtilis,  die  nach  den  Genital- 
anhängen eine  Mittelstellung  zwischen  der  europäischen  A.' tvallen- 
grcni  und  der  sibirischen  A.  crymophüa  einnimmt,  und  Cotpoiaulms 
major,  der  eine  ähnliche  Stellung  zwischen  C.  incisus  und  einer 
sibirischen  Art  der  Gattung  Colpotaidius ')  inne  hat,  erscheinen  als 
Vertreter  von  Gruppen,  die  wir  ebenso  als  mittel-asiatische  an- 
sehen können,  da  sie  dort  viel  zahlreicher  und  verschiedenartiger 
repräsentiert  sind.  So  finden  wir  aus  der  Subfamilie  Apataniidae 
außer  der  weitverbreiteten  Gattung  Apatania  daselbst  noch  die 
Gattungen  Apatidea  und  Badema  und  von  den  Formen,  die  sich  der 
Gattung  Colpotaidius  anschließen,  außer  C.  incisus  noch  eine  sibii'ische 
Art  aus  dieser  Gattung  und  die  Gattungen  Astratus  und  Phylarctus. 
Somit  gehört  der  Kaukasus  nach  seiner  ..endemischen"  Fauna  ganz 
ausgesprochen  zur  ..Mittelmeerprovinz"  und  bildet  deren  Ostregion, 
aber  eine  vollkommen  selbständige  Region,  wie  in  der  Beziehung, 
daß  hier  sehr  scharf  ditferenzierte  Formen^)  (Limn.  peculiaris,  Cerasma 
cormäa,  Lithacodcs  incanus,  Acrunoeciella  cluddyrensis,  Bcraea  palpata, 
Hydropsyclie  cornuta)  vorkommen,  so  auch  darin,  daß  hier  mittel- 
asiatische Elemente  vorhanden  sind  aus  Gruppen,  die  der  Mittelmeer- 
provinz fehlen.^) 

Was  die  Europa  und  dem  Kaukasus  gemeinsame  Fauna  an- 
belangt, so  sind  das,  wie  wir  schon  sahen,  alles  Arten,  die  haupt- 
sächlich in  Mittel-,  teils  auch  in  Nord-  und  Ost-Europa  verbreitet 
sind,  nicht  aber  im  südlichen,  was  der  Fauna  des  Kaukasus 
in  ihrer  Gesamtheit  einen  mehr  nördlichen  Charakter 
verleiht. 

Wollen  wir  nunmehr  einige  Worte  hinsichtlich  des  Herkommens 
der  Elemente  der  Fauna  des  Kaukasus  sagen,  so  müssen  die  Europa 
und  dem  Kaukasus  gemeinsamen  Arten  für  den  Kaukasus  als  neues, 
eingewandertes  Element  erscheinen.  Sie  siedelten  hierher  aus  Europa 
über,  wahrscheinlich  zu  der  Zeit,  als  Europa  und  Kleinasieu  in  Zu- 


1)  Diese  neue  Art  ist  von  mir  noch  nicht  beschrieben. 

2)  Cerasma^  Liiliacod.es  und  Acrunoeciella  sind  für  den  Kaukasus  ende- 
mische Gattungen. 

3)  Nur    in    den  Pyrenäen  gibt  es  eine  Art  der  Gattung  Apatania  — 
Ap.  meridiana. 


554  Andreas  Martynow, 

sammenliaiig'  traten.  Hinsichtlich  der  Arten,  die  eine  selir  weite 
Verbreitung-  im  paläarktisclien  Gebiet  besitzen .  ist  es  schwer,  eine 
bestimmte  Ansicht  auszusprechen.  Peinige  Arten  konnten  vielleicht 
über  Turkestan,  andere  gerade  vom  Norden  aus  hierher  übergesiedelt 
sein,  aus  dem  Europäischen  Rußland,  was  z,  B.  für  Phnjfjanea 
ohsokta,  eine  vorheirschend  nördliche  Foi-m,  sehr  wahrscheinlich  ist. 

Die  endemischen  Arten  repräsentieren  die  eigentliche,  alte 
Kaukasus-Fauna.  Hinsichtlich  der  Formen,  die  zur  zentral-  und  süd- 
europäischen Fauna  Beziehungen  haben,  kann  man  natürlich  sagen, 
daß  deren  Vorfahren  hierher  vom  Südwesten  aus  übergesiedelt 
sind,  aber  die  Frage  nach  ihrer  Herkunft  kann  nur  im  Zusammen- 
hange mit  der  mehr  allgemeinen  Frage  erörtert  werden,  welche  die 
zentral-  und  süd-europäische  Fauna  betrifft.  Die  Herkunft  des  L. 
ranscaucasicus  bleibt  unklar.  AcrunoecieUa  chaldijrensis  steht  Acru- 
noecia  und  Dinarihrum  nahe,  aber  nach  der  Aderung  der  Flügel  ist 
sie  primitiver  als  beide,  was  darauf  hinweist,  daß  ihre  Vorfahren 
hierher  aus  Zentral-Asien  früher  eingewandert  sind,  als  diese 
beiden  Gattungen  Zeit  hatten,  sich  zu  differenzieren.  Die  Vorfahren 
von  Apatama  suhiilis  und  Colpotaulius  major  wanderten  ebenfalls  hier 
ein,  unserer  Ansicht  nach  von  Südosten,  aus  Mittel- Asien.  Die 
europäische  Apatcmia  tmllengreni  steht  möglicherweise  in  Verbindung 
mit  A.  suhiilis. 

Die  Besiedelung  des  Kaukasus  fand  vor  langer  Zeit  statt, 
worauf  außer  den  Arten  auch  die  Existenz  dreier  besonderer  ende- 
mischer Gattungen  (Cerasma.  Lithacodes,  AcrunoecieUa)  hinweist.  Die 
Besiedlung  erfolgte  von  beiden  Seiten,  wie  von  Südwesten  (Arten 
der  zentral-  und  süd-europäischen  Gattungen)  so  auch  von  Südosten 
{Acr.  chaldijrensis,  Colp.  major,  Ap.  suhiilis).  Daß  die  Zahl  (etwa  10) 
der  Arten  von  westlicher  Herkunft  bedeutend  die  Zahl  (3)  von  öst- 
licher Provenienz  übersteigt,  weist  vielleicht  darauf  hin,  daß  ein 
Kampf  stattfand  zwischen  beiden  Faunen,  indem  die  wirklichen, 
europäischen  Formen  die  Oberhand  behielten,  aber  wahrscheinlich  ist 
der  Umstand  so  zu  erklären,  daß  seit  uralter  Zeit  mehr  Hindernisse 
der  Übersiedlung  dei*  Arten  vom  Osten  entgegengestanden  haben 
als  von  Westen.  Erst  bedeutend  später  erfolgte  die  Vereinigung 
Eluropas  und  Kleinasiens,  und  hierdurch  überfluteten  die  europäischen 
Arten  ^)  den  Kaukasus  in  größerer  Menge.    Die  Species  Hyclropsyche 


1)  Nicht  bloß  die  eigentlichen  europäischen  Arten,  sondern  auch  die 
weit  verbreiteten  Arten  (auch  über  Sibirien). 


Die  Ti'ichoptereu  des  Kaukasus.  555 

ornatula  und  11.  insfahilifi  hatten  seit  der  Zeit  4  lokale  Varietäten 
auszusclieiden.  Einige  Arten  konnten  (si)äter)  g-erade  von  Norden, 
während  der  Glazialpeiiode  (7^  ohsoleta),  und  ans  Turkestan  hiei'her 
gelangt  sein.  So  bildete  sich  viellei(;lit  der  augenblickliche  Bestand 
dei-  kaukasischen  Ti'ichoptei'en-Fauna. 


Literaturverzeicliius. 


1.  KoLENATi,   Fk.  A.,  Meletemata  Entoiiiologica,   Pasc.    1 — 5,   Petropoli 

1845—1846. 

2.  — ,  Geuera  et  Species  Tricliopterorum,  Pars  1,  Pragae  1848,  Pars  2, 

Moskau   1859. 

3.  Ul.TANIN,  W.,     Verzeichniss    der    Netzflügler    und    Geradflügler    der 

Gouvernements  des  Moskauer  Lehrbezirks.  Herausgeg.  von  der 
Gesellscli.  von  Freunden  der  Naturwissenschaften,  Moskau  1869 
(russisch). 

4.  McLachlan,   Robert,    A   monographic  revision  and  Synopsis  of  the 

Trichoptera  of  the  European  fauna,    1874 — 1880. 

4a.   — ,  First  additional  Supplement,    1884. 

5.  Dzirdzip:le\vicz,   Przeglad  Fauny  kraj.   ow.  siatkokz.   26  T.  Rozpr.; 

Spraw.   Komisyi  fizyjogr.   Akad.  Umiejeta.     Krakow.    1890. 

6.  BlANCHl,   Trichoptera,    in :    Lampert,    Das    Lehen    des    Süsswassers. 

Russische  Ausgabe  von   Devrien,    1900   (russisch). 

7.  Wallengren,  Skandiu.  Neuropt.,   Vol.  2  (1891). 

8.  Ulmer,  G.,    Neue  und  wenig  bekannte  Trichopteren  der  Museen  zu 

Brüssel  und  Paris,   in:  Ann.   Soc.   eutomol.  Belg.,  Vol.  49,   1905. 

9.  — ,  Neue  Trichopteren,  in:   Notes   Leyden  Mus.,  Vol.   29,   1907. 

10.  — ,    Trichoptera,    in:     „Genera  Insectorum"    (P.   Wytsmann),    1907. 

1 1 .  Zander,  Beiträge  zur  Morphologie  der  männlichen  Geschlechtsanhänge 

der  Trichopteren,  in:  Z.   wiss.   Zoob,  Vol.   70,    1901. 

12.  KlapäLEK,    Die  Morphologie   der  Genitalsegmente  und  Anhänge  bei 

Trichopteren,   in:    Bull.   int.   Acad.  Sc.  Boheme,    1903. 


556  Andreas  Martynow, 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel   24. 

Fig.    1,   2,  o,   4.      ('olj)of(ndiiis  major  n.  sp, 

Fig.  1.  Genitalauhänge  des  (t,,  hinten. 

Fig.  2.  „  „     ^. 

Fig.  3.  „  „     (^,  lateral. 

Fig.  4.  Vorderflügel  des  (^. 

Fig.  5 — 9.     Limnophilus  trcuiscaucasicus  n.  sp. 

Fig.  5.  Genitalanhänge  des  S,  dorsal. 

Fig.  6.                  „  „     ^,  lateral. 

Fig.  7.                  „  „     5,  dorsal. 

Fig.  8,                 „  „     5>  ventral. 

Fig.  9.                 „  „     %  lateral. 

Fig.   10  — 16.     Apatania  suhtilis  n.  sp. 

Fig.  10.  Genitalauhänge  des  (J,   dorsal. 

Fig.  11.                  „  «     c?>   lateral. 

Fig.  12.                 „  „     5,  dorsal. 

Fig.  13.                  „  „     5,   lateral. 

Tafel  25. 

Fig.    14.      Genitalanhäuge  des  5,    ventral. 
Fig.    15.     Die  Flügel  des  $' 
Fig.   16.     Hinterflügel  des  $. 


Die  Trichopteren  des  Kaukasus.  557 


Fig.   17 — 20.     Silo  tubcrculatum  n.  sp. 

Fig. 

17. 

Genitalanhänge  des  c?>  dorsal. 

Fig. 

18. 

u                           )?       O  ?    IcltGVcll« 

Fig. 

19. 

,.                   „     (?,  ventral. 

Fig.  20.     Die  Flügel  des  $. 

Fig.  21 — 24.     Liihacodes  incamis  Hag. 

Fig.   21.      Genitalanhänge  des  (J,   lateral. 
Fig.  22.  „  „     ?,  dorsal. 

Fig.   23.  „  „     ?,  lateral. 

Fig.   24.     a)  der  rechte  Vorderflügel  des  $ ; 
b)  der  linke  Hinterflügel  des  $. 

Fig.  25 — 29.     Acrunoeciella  clinldijrensis  n.  f^p. 

Fig.   25.      Genitalanhänge  des  ,^1  dorsal. 
Fig.  26.  „  „     (J,  lateral. 


Tafel  26. 

Fig.   27.     Genitalanhänge  des  $,  ventral. 
Fig.   28.     Vorderflügel  des  S- 
Fig.   29.     a)  des  Vorderflügels  des  $. 
b)   des  Hinterflügels  des  $• 

Fig.  30.     Triacnodes  reuteri  McLachl. 
Fig.   30,     Genitalanhänge  des  cJ,  lateral. 

Fig.  31,  32.     Triaenodes  kawraiskn  n.  sp. 

Fig.   31.      Genitalanhänge  des  J,  lateral. 
Fig.   32.  „  «     (?>   dorsal. 

Fig.  33 — 35.     Homilia  longispinosa  n.  sp. 

Fig.   33.      Genitalanhänge  des  ^,  lateral. 

Fig.   34.                  „  „  (J,  ventral. 

Fig.  35.                 „  „  (J,  dorsal. 
Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.                                                                         36 


558  Andreas  Martynow,  Die  Tricliopteren  des  Kaukasus. 

Fig.  36 — 39.     Beraea  palpata  n.  sp. 

Fig.  36.  Genitalanhänge  des  ^,  lateral. 

Fig.  37,  „  „     J-,  ventral. 

Fig.  38.  „  n     S)  dorsal. 

Fig.  39.  Palpus  maxillaris  des  ^  (1.,  2.  und  3.  Glieder). 

Fig.  40 — 42.     Agapetns  sp.? 

Fig.  40.     Genitalanhänge  des  ^,  ventral. 
Fig.  41.  „  VI     S)  lateral. 

Fig.  42.  „  „     $,  lateral. 

Tafel  27. 

Fig.  43 — 45.     Hijdropsyche  cormita  n.  sp. 
Fig.  43.     Genitalanhänge  des  c?,  dorsal. 


Fig.  44. 

» 

„     (J,  lateral 

Fig.  45. 

j> 

„     $,  hinten 

Fig.  46 — 48.     Hjjdropsyclie  ornatula  McLach.,  siihsp.  gracilis  n.  suhsp. 

Fig.  46.     a)  X.  Segment,  dorsal,  des  $• 

b)  Penis,  ventral. 
Fig.  47.     Genitalanhänge  des  (J,  hinten. 
Fig.  48.  „  „     c?,  lateral. 

Fig.  49 — 51.     Hydr.  instdbilis  CußT.,  subsp.  acuta  w.  suhsp. 

Fig.  49.     Form  a.     Genitalanhänge  des  (J,  hinten  (ohne  Penis). 
Genitalanhänge  des  cj,  ventral. 
Form  ß.     Genitalanhänge  des  (J,  ventral. 


Fig. 

50 

Fig. 

51 

Fig. 

52 

Fig.  52 — 54.     Holocentropus  sp. 

Genitalanhänge  des  S,  lateral. 
Fig.  53.  „  „     5,  lateral. 

Fig.  54.  „  „     $,  ventral. 

Fig.  55.     Hydropsyche  instahüis  subsp.  nigra  {n.  subsp.?). 
Penis,  ventral. 


Nachdruck  verboten, 
übersetzungsrecht  vorbehalten. 


Beiträge  zur  Kenntnis  der  Fauna  von  Süd -Afrika. 

Ergebnisse    einer    Reise    von    Prof.    Max    Weber 

im  Jalire  1894. 

IX.  Freshwater  Sponges. 

By 
N.  Annandale, 

D.  Sc,  Snperiutendeut,  Indian  Museum,  Calcutta. 
With  3  flgs.  in  text. 


The  Sponges  wlnch  Prof.  Weber  has  been  kind  enough  to  send 
me  for  examination  belong  to  three  well-defined  species,  two  re- 
presenting  tlie  geniis  Spongüla  (sensu  lato),  the  tliird  Ephydaiia. 
Owing  to  tlie  kindness  of  Mr.  R.  Kikkpatrick  of  tlie  British  Museum, 
and  Dr.  W.  Michaelsen  of  the  Hamburg  Natural  History  Museum, 
I  have  been  able  to  conipare  them  with  pieces  of  the  types  of  most 
of  the  species  as  yet  recorded  from  the  continent  of  Africa,  while 
the  large  collection  of  Asiatic  and  European  Spongillinae  in  the 
Indian  Museum  has  much  facilitated  my  task. 


Genus  Spongülaf  auctorum. 
Subgenus  Spongilla  Wierzejski. 

Spongüla  anibif/ua  n.  fip. 

Sponge  consisting  of  a  delicate  film  occurring  in  small  patches 
on  solid   objects;    the   surface   apparently   irregulär   and    miuutely 

36* 


560 


N.  Annandale, 


hispid,  the  osciila  and  pores  minute;  subdermal  space  (?)  small 
(membraue  mostly  destroyed  in  the  type);  colour  (in  alcohol)  dirty 
white.  Skeleton  feebly  coherent,  with  small  irregulär,  triangulär 
meshes  outlined  for  the  most  part  bj'  single  spicules,  with  mere 
traces  of  fasciculation,  Skeletons  spicules  (megascleres)  numerous 
but  not  sufficiently  so  to  make  the  sponge  hard,  smooth  or  slightly 
rough,  sharply  pointed,  nearly  straight,  short,  slender,  about  24  times 


Fig.  A. 

Spicules  of  S.  amhigua. 
a  Skeletou  spicules.    b  Gemmule  spicules.    c  Free  microscleres. 


as  long  as  their  greatest  diameter  (in  the  type  specimens).  Free 
microscleres  sparsely  scattered  in  the  parenchyma,  fairly  numerous 
in  the  membrane,  resembling  gemmule  spicules  but  smaller  and 
rather  finer.  Gemmules  small,  subspherical,  flattened  at  the  base, 
by  which  they  are  firmly  adherent  to  the  support  of  the  sponge, 
grouped  together  so  as  to  form  a  pavement  layer,  each  provided, 
immediately  outside  the  chitinous  coat,  with  a  sparse  layer  of 
microscleres  lying  nearly  parallel  to  it.  outside  this  layer  with  a 
thick  coat  of  relatively  large,  polygonal  air-chambers  arranged  in 
several  tiers,  and  outside  this  coat  with  a  second  layer  of  micro- 
scleres resembling  the  inner  one;  the  single  aperture  terminal,  pro- 
vided with  a  broad,  straight,  vertical,  cylindrical  chitinous  tube, 
which  is  patent  above,  does  not  project  or  projects  very  little 
beyond  the  air-chambers  and  is  contracted  at  its  base,  its  distal 
extremity  being  devoid  of  a  thickened  rini;  the  diameter  of  the 
gemmule  very  variable.     Gemmule  spicules  straight  or  nearly  so. 


Fauna  von  Süd-Afrika.  561- 

sharply   pointed,    irreg-ularly   spined   in   the  middle   but  smooth   at 
the  ends. 

Transverse  diameter  of  gemmule  0.36  mm  (averag-e). 

Skeleton  spicules  (megascleres)  0.2(364  ><  0,012  mm  (averag-e). 

Gemmule  spicules  ( microscleres)  0,12  ><  0,008  mm  (average). 

Free  spicules  (microscleres)  0,08  X  0,006-0,06  ><  0.008  mm. 

Habit  at.  Eiver  Umhloti.  near  Yerulam,  Natal,  S.  Africa;  on 
stones.     M.  Webee,  leg.,  Nov.,  1904. 

This  sponge  exhibits  close  affinities,  especiall}^  in  the  structure 
of  its  gemmules,  to  the  group  represented  by  S.  carteri  Bowerbank, 
and  S.  nitens  Carter,  and  by  several  otlier  African  species.  Apart 
from  ditterences  in  the  spicules  and  skeleton,  however,  it  ditters  from 
all  the  species  of  this  group  in  that  its  gemmules  are  adherent  and 
grouped.  in  this  character  agreeing  with  the  species  of  the  subgenus 
Spongilla,  of  wliich  »S.  fragüis  Leidy,  is  the  type.  I  am  therefore 
inclined  to  think  that  this  subgenus  should  be  regarded  as  including 
all  the  species  of  Spongilla  (sensu  lato)  the  gemmules  of  which  bear 
a  coat  of  relatively  large,  polygonal  air-chambers,  and  should  not 
be  confined  to  those  in  which  the  gemmules  are  grouped.  In  S. 
fragüis,  S.  crassissima  mihi,  and  other  allied  species  the  gemmules 
exist  both.  as  free  groups  and  as  a  pavement  layer;  but  in  S.  amUgua 
the  sponge  forms  too  thin  a  film  to  contain  free  groups  of  gemmules, 
and  the  gemmules  are  therefore  adherent,  being  formed  at  the  base 
of  the  sponge  in  contact  with  its  support. 


Subgenus  Str(itospon<jiUa  n,  subg. 

Gemmules  covered  with  one  layer  or  two  or  more  layers  of 
microscleres  lying  parallel  or  nearly  parallel  to  the  chitinous  coat 
and  embedded  in  a  dense  chitinoid  substance.  No  air-chambers; 
granulär  layer  absent  or  imperfectly  developed.  Free  spicules,  when 
present,  amphioxous  or  amphistrongylous. 

Type  Spongilla  bomhaycnsis  Carter. 


Spoiigilla  homhayensis  Carter. 

Carter   in  describing  this  species  had  in  his  possession  only  a 
few    gemmules    witli    the    spicules    that    adhered    to    them.      His 


562 


N.  Annandale. 


description  is  not  oiily  incomplete  biit  actually  raisleading,  owing  to 
this  paucity  of  material,  and  I  therefure  take  tlie  opportunity  to 
publish  a  more  detailed  account  of  a  form  which  runs  a  considerable 
risk  of  being-  described  as  a  new  species,  seeing  that  it  occurs  both 
in  Asia  and  Africa.  I  have  had  before  me  in  drawing-  up  this  new 
description  several  of  tlie  original  gemmules,  a  number  of  specimens 
obtained  by  myself  in  a  lake  in  the  Bombay  Presidency,  and  also 
a  considerable  amount  of  material  collected  by  Prof.  Webee  in 
Natal. 

SpongiUa  homhayensis  may  be  described  as  follows: 

Sponge  formiiig  a  ratlier  thin  layer  on  solid  objects;  its  surface 

irregulär;   the  oscula  and  pores  inconspicuous;   the  subdermal  space 

small.    The  skeleton,  owing  to  the  large  number  of  spicules.  compact, 

but  incohereut  and  almost  amorphous;  vertical  spicule-fibres  present 


Fig.  B. 

Gemmiile  spicules  of  S.  bomhayensis. 

a  From  type  specimens  (Bombay). 
b  From  specimeu  from  Natal. 


Fig.  C. 

Spicules   of  S.  bombayensis  from  Natal. 

a  Skeleton  spicules. 
b  Free  microscleres. 


in  places  but  practically  devoid  of  spongin;  a  more  or  less  definite 
reticulation  of  horizontal  spicules  lying  immediately  under  the 
membrane,  which  they  rarely  penetrate.  Skeleton  spicules  (megascleres) 
slender,  short,  amphioxous,  smooth,  slightly  roughened,  or  irregularly 
and  very  minutely  spined,  straight  or  feebly  curved.  Free  spicules 
(microscleres)  slender,  short,  sharply  amphioxous,  straight  or  nearly  so, 
irregularly  roughened  or  minutely  spined  all  over  the  surface,  scanty 
in  the  parenchyma,  abundant  in  the  membrane.  Gemmule  spicules 
Short  and  rather  stout,  very  variable  in  proportions,  abruptly  pointed 
or  amphistrongylous,  sometimes  inflated  in  the  middle,  irregularly 
roughened  or  minutely  spined  all  over.  Gemmules  very  variable  in 
size,  round  or  oval,  generally  flattened  at  the  base,  firmly  adherent 


Fauna  von  Süd-Afrika.  563 

to  the  Support  of  tlie  sponge  by  meaiis  of  the  outer  chitiiious  layer, 
distinct  from  one  another,  witli  one  aperture  or  with  several;  the 
aperture  or  apertures  at  the  side  of  the  g-erainule  in  its  natural 
Position;  foraminal  tubule  or  tubules  short  and  straight  or  long- and 
curved.  sometimes  bending  down  in  such  a  way  that  tlieir  distal 
aperture  is  in  contact  witJi  the  supi)ort  of  the  sponge ;  the  gemmule 
spicules  separated  into  two  layers  by  an  empty  space;  the  inner 
layer  one  spicule  thick,  Ij'ing  in  close  contact  with  the  inner 
<;hitinous  coat  of  the  gemmule,  to  which  it  is  parallel;  the  outer 
layer  sometimes  several  spicules  thick,  parallel  to  the  inner  one,  its 
spicules  fastened  together  in  an  outer  chitinous  coat  in  wiiich  dark 
granules  are  sometimes  present. 

Localities.  India:  Bombay  town  (Carter);  Igatpuri  Lake, 
Western  Ghats,  Bombay  Presidency  (Annandale).  Africa:  E. 
Umhloti,  near  Verulam,  Natal  (Weber). 

The  differences  between  the  Indian  and  the  African  examples 
of  the  species  are  of  no  great  importance,  being  slighter  than  those 
frequently  found,  in  some  species,  in  sponges  from  ditferent  ponds 
in  the  same  locality.  The  most  definite  of  them  is  that  the  gemmule 
spicules  are  as  a  rule  biunter  and  larger  in  the  Natal  specimens; 
but  even  this  is  not  a  constant  cliaracter,  The  following  measure- 
ments  are  derived  from  an  examination  of  the  spicules  of  several 
sponges  from  India  as  well  as  the  type  specimen  and  of  several  of 
Prof.  Weber's  specimens  from  S.  Africa: 

S.  Africa  Bombay  Presidency 

Free  spicules  0,068  X  0,0035  mm  0,06  X  0,0025  mm 

Ol     1    .  -1  /0.228X0,012  \       Aooix/nnn-- 

Skeleton  spicules      J     0'>v'Onnfi  0,334  X  0,00  <o 

i   0,08X0,006  0,0346X0,008 


Oemmule  spicules     ^o,028XO;004  0,044 


0.0046 


Spomjilla  homhayensis  is  closely  allied  to  tliree  other  species  found 
in  Africa  and  Asia,  namely  S.  rousseletii  Kirkpatrick  ^),  S.  suniatrana 
Weber  ^),  and  S.  indica  Annandale.  ^)  In  S.  rousseletii,  however,  the 
gemmules    do    not    appear   to    be    adherent   and  tliere   are  no  free 


1)  In:  Proc.  zool.  Soc.  London,    1906,   Vol.    1,  p.   223. 

2)  In:   Zool.   Ergebn.   Nieder!.   Ost-Indien,  Vol.    1,  p.   38. 

3)  In:  Eec.  Ind.  Mus.,  Vol.  2,  p.  25. 


564  N.  Annandale, 

spicules  —  the  latter  perbaps  not  a  very  importance  difterence  ^ 
while  in  S.  sumatrana  and  S.  indica  there  is  only  one  layer  of  spicules 
on  tlie  gemmule.  S.  navicella  Carter,  from  the  Amazons,  seems  also 
to  be  an  allied  form,  but  is  distingnished  by  the  shape  of  its  gemmule 
spicules,  especially  those  nearest  the  gemmule;  for  the  gemmule 
spicules  are  stated  to  differ  in  accordance  with  their  position  as 
regards  the  gemmule.  A  similar  difference  in  the  gemmule  spicules 
of  different  layers  was  noticed  by  Carter  in  S.  homhaijensis  and  is 
easily  detected  in  some  gemmules.  In  others,  however,  it  is  not 
perceptible,  and  I  believe  that  it  is  due  to  the  fact  that  the  outer 
spicules  do  not  alvvays  reach  the  same  perfection  of  development 
as  those  which  are  formed  first  and  are  therefore  nearer  the 
gemmule. 

The  specimens  collected  by  Prof.  Weber  in  Natal  and  those 
collected  by  myself  in  the  Bombay  Presidency  were  both  obtained 
in  the  month  of  November.  It  is  therefore  very  interesting  to 
compare  them  from  a  biological  point  of  view.  In  so  doing  it  must 
be  remembered  that  while  in  S.  Africa  November  is  near  the 
beginning  of  summer,  in  India  it  is  at  the  beginning  of  the  "cold 
weather",  that  is  to  say  both  the  coolest  and  the  driest  season  of 
the  year.  The  lake  in  which  my  specimens  were  obtained  had.  at 
the  time  when  they  were  collected,  already  sunk  some  inches  below 
its  highest  level,  leaving  bare  a  gently  sloping  bank  of  small  stones. 
Adhering  to  the  lower  surface  of  these  stones  I  found  many  small 
patches  of  Spongüla  bomhayensis,  quite  dry  but  complete  so  far  as 
their  harder  parts  were  concerned  and  with  the  gemmules  fully 
formed  at  their  base.  From  the  shallow  water  at  the  edge  of  the 
lake  I  took  many  similar  stones  which  still  remained  submerged. 
It  was  evident  that  the  sponge  had  been  just  as  abundant  on  their 
lower  surface  as  on  that  of  the  stones  which  were  now  dry;  but 
only  the  gemmules  remained,  sometimes  with  a  few  skeleton  spicules 
adhering  to  them.  The  bulk  of  the  skeleton  had  fallen  away  and 
the  parenchyma  had  wholly  perished.  In  a  few  instances  a  small 
sponge,  one  or  two  millimetres  in  diameter,  had  already  been  formed 
among  the  gemmules;  but  these  young  sponges  appeared  to  belong 
to  some  other  species,  possibly  SpongiUa  indica,  which  was  also 
common  in  the  lake. 

Carter's^)   specimen   of  S.  hombaijensis,   which  was  evidently  in 


1)  In:  Ann.   Mag.  nat.  Hist.   (5),  Vol.   10,  p.  369  (1882). 


Fauna  von  Süd-Afrika.  565 

mucli  tlie  sanie  conditioii  as  tliose  I  fouud  still  submerged  a  month 
later,  was  takeii  in  October  in  a  disnsed  quarry.  It  was  surrounded 
by  a  mass  of  S.  carteri  three  inches  in  diameter,  and  was  attaclied 
to  a  lierbaceous  annual.  The  point  on  tlie  edg'e  of  tlie  quarry  at 
whicli  tliis  plant  grew  was  not  reaclied  by  the  water  until  July. 
It  is  tlierefore  necessary  to  assunie  tliat  the  genimules  of  S.  hom- 
hayensis  had  been  formed  between  July  and  October.  Probably  the 
larva  of  the  spong-e  had  settled  down  on  the  i)lant  during  the 
"rains"  —  which  commence  in  Bomba}-  about  tlie  beginning  of 
June  —  and  had  grown  rapidly.  The  production  of  gemmules 
may  have  been  bi'ought  about  owing  to  the  sponge  being  choked 
by  the  more  vigorous  growth  of  S.  carteri  ^),  a  species  which  grows 
to  a  considerable  size  in  a  comparatively  short  time,  while  S.  honi- 
haijcnsis  apparently  never  reaches  a  thickness  of  niore  tlian  a  few 
millimetres. 

In  India  the  season  of  greatest  vegetative  activity  in  most 
freshwater  sponges  is  the  cold  weather.  S.  carteri,  the  conimonest 
species,  as  a  rule  dies  down  in  spring,  after  producing  both  gonads 
and  gemmules.  The  larvae  settle  and  in  some  cases  grow  to  a 
considerable  size  during  the  hot  weather  and  the  succeeding  "rains". 
A  very  large  proportion.  however,  appear  to  perish.  The  gemmules 
remain  quiescent  until  the  temperature  sinks  in  October  or  November, 
and  then  sprout.  It  is  rare  to  find  gemmules  in  growing  sponges 
of  this  species  during  the  period  between  March  and  October.  In 
September  and  October  eggs  are  often  produced.  Gemmules  are 
produced  at  all  seasons  by  sponges  actually  undergoing  desiccation, 
which  occurs  most  commonly  in  December,  January  and  February; 
in  those  sponges  which  remained  submerged,  gemmules  as  a  rule 
commence  to  develop  in  February  or  ]\rarch.  Many  otlier  freshwater 
sponges  (e.  g.,  S.  alba,  S.  crassissima  and  Ephydatia  ■meyeni]  have  a 
similar  annual  history  in  the  Calcutta  "'tanks"  or  pouds,  but  some 
small  species  (e.  g.,  S.  proliferens),  the  life  of  the  individual  sponge 
of  whicli  is  very  short,  continue  to  produce  gemmules  throughout 
the  year  and  apparently  do  not  develop  gonads,  while  others  (e.  g., 
TrocliospowjiUa  latouchiana)  as  a  rule  are  found  only  during  the 
"rains",  apparently  because  they  frequent  positions  near  the  surface 


1)  The  largest  speciraen  I  have  seen  forms  an  irregulär  mass  30  cm 
long,  26  cm  broad  and  about  28  cm  deep ;  but  this  is  perhaps  the  com- 
bined  growth  of  several  years. 


566  ^-  Annandale, 

of  the  water  or  tlie  edge  of  tlie  pond  wliich  are  left  diy  early  in 
the  cold  weatlier.  It  is  probable  that  S.  homhaijensis  resembles  these 
last  species  in  its  habits.  The  manner  in  which  its  gemmules  are 
fastened  to  the  solid  support  of  the  spong-e  must  be  particularly 
usefiil  in  enabling^  them  to  sprout  in  a  convenient  environment  as 
soon  as  the  water  reaches  them,  This  is  probabl}'  the  case  also  as 
regards  S.  sumafrana  and  S.  indica,  althoiij^h  there  is  some  evidence 
that  the  latter  species  flourishes  in  the  cold  weather  rather  than 
the  "rains",  and  it  is  noteworthy  that  in  all  these  three  species  the 
skeleton.  althougii  somewhat  compact  owing  to  the  large  number  of 
spicnles  of  which  it  is  composed,  is  incoherent.  The  fact  that  the 
gemnmles  remain  fixed  withont  its  support,  renders  it  unnecessary 
for  the  Kskeleton  to  persist  as  a  cage  containing  them  (or  at  any 
rate  a  proportion  of  them)  duriiig  the  period  of  hibernation  or  aesti- 
vation  as  the  case  may  be. 

Prof.  Weber's  specimens  of  S.  homhayensis  were  collected  in  a 
river.  apparently  on  stones  or  rocks,  towards  the  beg-inning-  of  the 
S.  African  summer.  They  contain  comparatively  few  g-emmules  and 
were  evidently  in  a  vigorous  condition  as  regards  vegetative  growth. 
Unfortunately  we  know  nothing  of  the  seasonal  changes  which  take 
place  in  fresh water  sponges  in  S.  Africa.  bat  the  general  difference 
between  these  changes  in  Europe  and  in  India  shows  that  they  are 
dependent  on  the  environment  as  well  as  the  idiosyncrasy  of  the 
species.  It  is  very  interesting,  therefore,  to  see  that  the  condition 
of  sponges  taken  in  S.  Africa  differs  so  widel}^  from  that  of  other 
individuals   of  the  same  species  taken  in  India  at  the  same  season. 

In  Prof.  AVebee's  specimens  I  liave  foimd  numerous  small  tnbules 
€f  inorganic  debris.  These  appear  to  be  the  work  of  Chironomid 
larvae,  of  which  there  are  several  specimens  loose  in  the  bottle 
containing  the  sponges.  Other  tubiiles  of  a  very  similar  appearance 
but  with  a  delicate  chitinoid  foundation  appear  to  be  the  remains 
of  a  species  of  Plmnatclla  of  which  they  occasionally  contain  a  stato- 
blast.  The  statoblasts  are  large,  elongated  and  broadly  rounded  at 
the  ends,  the  sides  being  parallel  or  nearly  so.  The  swim-riug  is 
very  narrow,  especially  at  the  sides;  the  following  are  the  measure- 
ments  of  one  of  the  statoblasts:  Length  0,4128  mm,  breadth  0,2064  mm; 
length  of  central  capsule  0,3268  mm,  breadth  of  central  capsuie 
0,1892  mm.  I  do  not  think  it  possible  to  identify  the  species  of 
this  genus  by  means  of  the  statoblast  alone,  and  all  that  can  be 
Said  of  the  other  characters   of  the  form  to  which  this  particular 


Fauna  von  Süd-Afrika.  567 

statobhist  belongs  is  that  tlie  zooecia  are  narrow,  delicate,  encrusted 
with  iiiorgaiiic  particles.  not  agglutinated  togetlier  or  rising-  from 
the  Support  in  a  vertical  position  and  parallel  to  one  anotlier,  but 
apparently  recumbent  in  the  substance  of  the  sponge.  The  species  of 
PlumateJla  most  commonly  associated  with  sponges,  both  in  Europe  and 
India,  is  P.  fruticosa,  the  ^^coralloides''  phase  of  which  appears  to  be 
specially  adapted  for  this  mode  of  life,  its  tubules  growing  outwards 
throiigh  the  substance  of  the  sponge  in  such  a  way  that  their  distal 
extremities  project  from  its  surface,  I  do  not  think,  however,  that 
the  Plumatdla  in  Prof.  Webee's  specimens  from  the  Cape  belonged 
to  this  species,  which  is  more  often  found  associated  with  sponges 
of  more  vigorous  growth  such  as  S.  carteri  and  S.  Jacustris.  In 
specimens  of  an  Ephydatia  from  Java,  sent  me  by  Prof.  Weber,  I 
found  flourishing  colonies  of  P.  javanica  Keaepelin  —  a  species 
which  also  occurs  in  Calcutta  —  growing  much  in  the  same  way 
as  the  one  in  the  S.  African  sponge  of  the  same  genus  must  have 
done. 

Genus  Ephydatia  Gray. 

Ephydatia  fluiriatilis  auctorum. 

E.  fluriatüis    rar.    capensis  Kirkpateick,    in:    Ann.  Mag.  nat.  Hist.  (7), 
Vol.  20,  p.  523,  fig.   1—8  (1907). 

Specimens  obtained  by  Prof.  Weber  in  the  ßiver  Komenassie 
near  Oudtshoorn,  Cape  Colony,  should  probably  be  assigned  to 
Kiekpatrick's  recently  described  variety.  Variation,  however,  is  so 
inconstant  in  this  species  that  it  is  difficult  to  recognize  "varieties". 
The  majority  of  the  birotulates  in  Prof.  Webee's  specimens  have 
smooth  shafts,  but  occasionally  it  is  possible  to  find  one  in  which 
the  shaft  bears  one  or  two  long,  stout  spines  standing  out  at  right 
angles  to  it.  I  have  not  seen  a  spicule,  however,  in  which  these 
spines  are  so  numerous  or  so  regularly  arranged  as  in  one  of  those 
figured  by  Kiekpateick  (op.  cit,  fig.  7).  In  Prof.  Webee's  specimens 
the  skeleton  spicules  are  smooth  and  the  vesicular  cells  which  form 
so  conspicuous  a  feature  of  Ephydatia  mälleri  and  its  Indian  repre- 
sentative  E.  meyeni  Caetee,  are  absent.  The  following  are  the 
measurements  of  the  spicules  in  Prof.  Webee's  specimens: 

Skeleton  spicule  0,340  mm  X  0,013  mm 

Gemmule  spicule  (length)      0,024  mm 
Diameter  of  rotule  0,018  mm 


568  N.  Annandale,   Fauna  von  Süd-Afrika. 

This  appears  to  be  the  only  freshwater  sponge  hitherto  recorded 
from  Africa  south  of  the  Zambesi.  In  Eiirope  and  X.  America  the 
species  is  one  of  the  commonest,  and  it  has  also  been  recorded  from 
Australia  and  the  Malay  Archipelago.  Its  nearest  ally  as  yet  known 
from  India  is  L\  meyeni  (Caktek),  whicli  is,  however,  more  closely 
allied  to  E.  mülleri  Leberkühn.  Weltner  ^),  indeed,  regards  it  as 
a  variety  of  that  species  and  is  probably  correct  in  so  doing. 

1)  In:  Arch.  Naturg.,   1895,  Bd.   1,  p.   123. 


Bruno  Klaptocz. 
Nachruf. 


Bruno  Heemann  Franz  Klaptocz  wurde  am  30.  August  1882 
in  AVien  als  zweiter  8ohii  des  Dr.  Jakob  Klaptocz,  Advokat,  und 
dessen  Ehefrau  Marie  g-eb.  Wiesner  geboren.  Er  absolvierte  die 
Volksscliule  in  St.  Peter  in  der  Au  bei  Seitenstetten  in  Nieder- 
österreich, das  Untergjmnasium  auf  der  Landstraße  in  Wien  und 
das  Obergymnasium  in  Krumau  in  Böhmen,  das  er  nach  sehr  gut 
bestandener  Maturitätsprüfung  1901  verließ,  um  in  Wien  die  Uni- 
versität zu  beziehen,  wo  er  Naturwissenschaften,  in  erster  Linie 
Zoologie  studierte.  Am  19.  Juli  1905  wurde  er  mit  der  Dissertation 
„Neue  Phyllobothriden  ans  Notidanus  (Hexanchus)  griseus"  zum 
Doktor  der  Philosophie  promoviert. 

Auch  nach  der  Promotion  arbeitete  er  bei  Herrn  Prof.  Grobben 
im  I.  zoologischen  Institut,  wo  seine  Dissertation  entstanden  war 
und  wo  er,  namentlich  nach  dem  Hinscheiden  seines  Vaters,  den 
größten  Teil  des  Tages,  von  gelegentlichen  Ausflügen  abgesehen, 
unermüdlich  seinen  Untersuchungen  sich  widmete,  und  zwar  be- 
schäftigte er  sich  als  spezieller  Schüler  von  Herrn  Prof  Pintner 
vorwiegend  mit  Cestoden  ^) ;  er  bearbeitete  auch  den  größten  Teil 
des  Cestoden-Materials,  welches  von  Dr.  F.  Werner  aus  dem  Sudan 
mitgebracht  wurde.  Nebenbei  befaßte  er  sich  auch  eifrig  mit  der 
Systematik  der  Säugetiere,  speziell  der  paläarktischen  und  mit  der 
Geographie  und  Faunistik  Nord-Afrikas.     Im  Sommer  1906   trat   er 


1)  Ein  vollständiges  Verzeichnis  seiner  zoologischen  Arbeiten  ist  dem 
in  den  „Mitteilungen  des  Naturwissenschaftlichen  Vereines  an  der  Universität 
Wien-,  Jg.  6,  1908,  No.  9/10,  p.  130—132  erschienenen  Nachrufe  an- 
geschlossen. 


570  Nachruf. 

die  wohlvorbereitete  zoologische  Forschung-sreise  nach  Tripolis  und 
Barka  au,  deren  Ergebnisse  in  dieser  Zeitschrift  zur  Publikation 
gelangen.  Den  Abschluß  dieser  Reihe  von  Arbeiten,  ja  auch  das 
Erscheinen  seines  eignen  Anteiles  daran,  nämlich  der  Abhandlung 
„Physiographische  und  faunistische  Züge  einzelner  Teile  von  Tripolis 
und  Barka",  sowie  der  Bearbeitung  der  Säugetiere  (beide  im  Manu- 
skript fertig  vorliegend)  sollte  er  nicht  erleben.  Auf  einer  Ex- 
kursion in  das  Dachsteingebiet  in  Ober-Österreich  fand  er  durch 
Absturz  vom  Torstein,  wahrscheinlich  am  23.  Juli  1908,  einen  jähen 
Tod.  Seine  Leiche  wurde  erst  am  6.  August  mit  gebrochenem 
Genick  und  Schädelbruch  unter  der  „Eisrinne"  am  Torstein  auf- 
gefunden und  in  Gosau  am  8.  August  zur  ewigen  Ruhe  gebettet. 

Klaptocz  berechtigte  nicht  nur  als  eifriger,  gewissenhafter  und 
kenntnisreicher  Zoologe,  sondern  auch  als  ausdauernder  und  un- 
erschrockener Forschungsreisender  zu  den  besten  Hoffnungen  für 
die  Zukunft.  Die  unter  großen  Schwierigkeiten  im  Hochsommer  aus- 
geführte Erforschung  des  Gharian-Gebirges  in  Tripolis  legt  für  seine, 
außerordentliche  Energie  genügend  Zeugnis  ab.  Durch  seinen  recht- 
schaffenen Charakter,  seine  gründlichen  Kenntnisse  und  sein  ein- 
faches, schlichtes,  jeder  Pose  abholdes  Wesen  erwarb  er  sich  die 
aufrichtige  und  dauernde  Freundschaft  der  wenigen  Personen,  die 
den  etwas  verschlossenen  jungen  Mann  näher  kennen  lernten.  Nun 
ruht  er  inmitten  der  von  ihm  so  sehr  geliebten  Berge,  in  denen  er 
seinen  Tod  fand. 

F.  Weenee. 


Nachdruck  verboten. 
Übertetzungsrecht  vorbehalten. 


Physiographische  und  faimistische  Züge  einzelner 
Teile  von  Tripolis  und  Barka. 

Von 
Dr.  Bruno  Klaptocz  f. 

Mit  Tafel  28    29. 


Während  in  der  zweiten  Hälfte  des  vergangenen  Jahrhunderts, 
besonders  in  den  letzten  Dezennien  desselben,  Algerien,  Tunesien 
und  Ägypten  mit  dem  Vordringen  der  Kultur  auch  der  Wissenschaft 
erschlossen  wurden,  so  daß  wir  sie  heutzutage  besser  kennen  als 
gewisse  Teile  Europas,  sind  die  übrigen  nord-afrikanischen  Küsten- 
länder, nämlich  Marokko  und  das  Gebiet  von  der  kleinen  Syrte  bis 
Ägypten,  fast  gänzlich  von  der  Forschung  vernachlässigt  worden. 
Tatsächlich  ist  zurzeit  die  Mehrheit  der  überseeischen  Küsten- 
länder weit  genauer  bekannt  als  die  zwei  eben  genannten,  verhältnis- 
mäßig so  nahe  gelegenen  Territorien. 

Insbesondere  in  zoologischer  Hinsicht  sind  die  Kenntnisse  dieser 
Länder  sehr  beschränkte  und  unzusammenhängende,  und  die  zoo- 
logische Literatur  verzeichnet  fast  nur  die  Ergebnisse  des  sehr 
nebensächlich  betriebenen  Sammeins  älterer  geographischer  For- 
schungsreisender sowie  die  meist  recht  kärglichen  Resultate  ge- 
legentlicher Besucher  oder  zeitweiliger  Bewohner  der  großem 
Küstenorte. 

So  schien  eine,  wenn  auch  zeitlich  beschränkte,  zoologische 
Untersuchung  der  am  leichtesten  zugänglichen  Teile  von  Tripolis 
und  Barka  recht  aussichtsreich  zu  sein  und  namentlich  auch  in 
zoogeographischer  Hinsicht  auf  interessante  Ergebnisse  rechnen  zu 


572  Bruno  Klaptocz, 

können  und  dies  um  so  mehr,  da  ja  die  g'enüg-end  genau  bekannten 
Faunen  der  westlichen  und  östlichen  Grenzländer  mannigfach  diife- 
rieren.  Die  Ermöglichung  dieses  Planes  verdanke  ich  der  Ver- 
leihung des  Freiherr  von  ToDESCo'schen  Stipendiums,  wofür  ich 
dem  damaligen  Rektor,  Sr.  Magnificenz  Herrn  Hofrat  Prof.  Dr. 
E.  V.  Phillipovich,  dem  hohen  Professorenkollegium  der  i)]iilo- 
sophischen  Fakultät  der  Universität  in  Wien  und  insbesondere 
meinem  verehrten  Lehrer  Herrn  Prof.  Dr.  Kael  Grobben  den 
aufrichtigsten  Dank  schulde.  Hier  sei  es  mir  auch  gestattet, 
allen  denen,  die  mich  an  Ort  und  Stelle  unterstützten,  den  wärmsten 
Dank  zu  sagen:  so  in  Tripolis  dem  k.  k.  Konsul  Herrn  Emilio  Rossi 
sowie  auch  insbesondere  Herrn  Richard  Storch,  der  mich  stets  aus 
dem  reichen  Schatz  seiner  während  eines  7jährigen  Aufenthaltes  als 
Exporteur  von  kleinen  Säugern  und  Reptilien  erworbenen  Er- 
fahrungen auf  das  uneigennützigste  unterstützte;  in  Bengasi  Herrn 
N.  Veenazza,  dem  Konsul  der  französischen  Republik,  der  auch  das 
Amt  eines  k.  k.  Gereuten  verwaltet,  und  in  Dernah  den  Herren 
Ragnar  Rehndal,  Nikolaj  Tauber  und  Johann  Rom,  die  damals 
gerade  die  Errichtung  einer  Station  für  drahtlose  Telegraphie  am 
genannten  Orte  beendeten  und  mir  in  jeder  Weise  auf  das  entgegen- 
kommendste behilflich  waren. 

Mein  Aufenthalt  in  den  besuchten  Gebieten  fiel  aus  besondern 
Gründen  in  den  Hochsommer  und  den  Anfang  des  Herbstes,  eine 
Jahreszeit,  die  wegen  der  großen  Hitze  und  der  durch  sie  ver- 
ursachten großen  Trockenheit  und  Dürre  der  ohnehin  meist  vege- 
tations-  und  wasserarmen  Länder  wolil  nur  für  Orthopteren  und 
Reptilien  die  günstigste  genannt  werden  kann,  für  das  Sammeln 
mancher  anderer  Gruppen  dagegen  ebenso  ungünstig,  wenn  nicht 
noch  ungünstiger  sein  dürfte  als  selbst  der  Winter.  Vom  5.  Juli 
bis  Mitte  August  1906  arbeitete  ich  in  Tripolis  und  in  der  Um- 
gebung dieses  Ortes  in  einem  Umkreis  von  20—25  km,  etwa  eine 
Woche  in  der  zweiten  Hälfte  des  August  in  Dernah  an  der  Nord- 
küste der  Ostseite  der  Halbinsel  Barka  (Cyrenaika),  von  den  letzten 
Tagen  dieses  Monats  bis  10.  September  in  Bengasi,  der  Hauptstadt 
von  Barka;  an  die  Rückkehr  nach  Tripolis  schloß  sich  dann  vom 
14. — 21.  September  eine  Tour  ins  Gharian-Gebirge. 

Gesammelt  wurden  möglichst  alle  Land-  und  Binnenwassertiere 
mit  Ausschluß  der  Vögel. 

Die  folgenden  pli3\siographischen  Bemerkungen  dürften  um  so 
willkommener  sein,  als  es  sich  hier  um  teilweise  überhaupt  mangel- 


Physiologische  und  faunistische  Züge  von  Tripolis  nncl  Barka.  573 

haft  bekannte  Gebiete  handelt.^)  Sie  sollen  nicht  nur  einen  geo- 
graphischen Schlüssel  über  die  in  den  einzelnen  Bearbeitungen  an- 
geführten Fundorte  bilden,  sondern  auch  über  deren  landschaftliche 
(Boden-,  Wasser-,  Vegetations-)  Verhältnisse  orientieren.  Daß  manche 
dieser  Angaben  nur  für  die  Jahreszeit  meines  Aufent- 
haltes Geltung  liaben,  braucht  wohl  nicht  besonders  hervor- 
gehoben zu  werden. 

Physiographischer  Teil. 
Tripolis. 

Die  Umgebung  der  Stadt  Tripolis. 

Die  Küste,  von  der  ich  nur  die  der  Stadt  zunächst  gelegenen 
Teile  kennen  lernte,  ändert  innerhalb  dieser  Grenzen  ihren  Charakter 
mehrmals.  Während  der  Teil,  auf  dem  die  alte,  ummauerte  Stadt 
steht,  felsig  und  einige  Meter  hoch  ist,  schließt  sich  unmittelbar  im 
Osten  eine  sehr  flache  und  niedrige  Strecke  daran,  der  riesige  Markt- 
platz der  Stadt,  dessen  Boden  aus  tiefem  Sande  besteht.  Bald 
darauf  erhebt  sich  das  Ufer  wieder  und  erreicht  bei  dem  großen 
Friedhof  mit  den  K  ar  am  an  li- Gräbern  eine  Höhe  von  10 — 15  m; 
hier  ist  es  steil,  stellenweise  fast  senkrecht.  Auch  auf  der  andern 
Seite  der  Stadt  wechselt  die  Gestalt  des  Ufers.  Unmittelbar  neben 
den  hohen  Stadtmauern  erreicht  es  unter  Bildung  eines  schmalen 
Ufersaumes  plötzlich  aufsteigend  auf  eine  kurze  Strecke  eine  Höhe 
von  6 — 8  m,  fällt  aber  dann  nach  "NA'esten  rasch  ab.  Schon  bei  dem 
200 — 300  Schritt  westlich  der  Stadt  gelegenen  Judenfriedhof  ist  es 
ganz  niedrig.  Erst  an  der  Westgrenze  der  Oase  von  Tripolis,  wo 
Sandsteinbildungen    an   der  Küste  auftreten,   wird  es  wieder  höher. 

Nach  einem  altern  Plane  der  Stadt  Tripolis  zu  urteilen,  auf 
dem  die  lange  Nordmauer  des  Judenfriedhofes  viel  weiter  vom  Meere 
ab  liegt  als  heute,  muß  sich  hier  das  Ufer  in  kurzer  Zeit  merklich 


1)  Die  beste  Übersichtskarte  (aber  immerhin  und  besonders  in  bezug 
auf  das  Gharian-Gebirge  noch  recht  fehlerhaft)  ist  wohl  die  neue  englische 
Karte:  Africa  1:1000  000.  Topographical  section,  General 
Staff,  Southampton  1905,  sheet  7  (Tripoli)  und  sheet  8  (Ben-Ghazi). 
Einzelne  Angaben  beziehen  sich  auf  diese  Karte.  Verschieden  von  ihr 
sind  die  Ortsnamen  im  Folgenden  so  geschrieben,  daß  ihre  deutsche  Les- 
art mit  der  Aussprache  möglichst  zusammenfällt. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  37 


574  Bruno  Klaptocz, 

gesenkt  haben,  etwas,  was  für  die  früher  erwälinte  flache  Uferstrecke 
im  Bereiche  des  Marktes  im  Osten  der  Altstadt  vollkommen  er- 
Aviesen  ist. 

Jetzt  liegt  die  Basis  der  nördlichen  Friedhofsmauer  etwa 
30—40  cm  über  dem  Niveau  der  Flut  und,  in  Anbetracht  des  all- 
mählich ansteigenden  Ufei-s,  durchschnittlich  25 — 40  Schritt  vom 
Rande  des  Meeres. 

Aber  auch  in  anderer  Hinsicht  ist  diese  Stelle  interessant.  Hier 
quellen  nämlich,  fast  unter  der  Mauer,  einige  starke  Süßwasseradern 
auf.  Die  stärkste,  nahe  dem  Westende  der  Mauer,  liegt  wie  diese 
im  Sand  und  eilt  in  geradem,  kurzen  Laufe  dem  Meere  zu.  Die  größere 
östliche  Hälfte  der  Friedhofsmauer  steht  dagegen  auf  felsigem  Unter- 
grunde, in  dessen  Spalten  und  pfannenartigen  Bildungen  das  Wasser 
der  hier  gelegenen  Quellen  sich  verteilt  und  allmählich  mit  dem 
Seewasser  sich  mischt. 

Aber  auch  östlich  der  Nordostecke  des  Friedhofes,  aber  stadt- 
wärts,  liegen  einige  kleine  Tümpel,  deren  Wasser,  nach  dem  massen- 
haften Auftreten  von  Wechselkröten  und  deren  Kaulquappen  zu 
schließen,  auf  keinen  Fall  stark  salzhaltig  sein  kann. 

Nach  der  Bodenbeschaftenheit  und  der  Vegetation  läßt  sich  die 
Umgebung  der  Stadt  Tripolis  ohne  Zwang  in  folgende  Kategorien 
einteilen:  Oase,  Wüsten-Steppengebiet,  sumpfige  Gegenden  und  das 
Gebiet  der  Steinbrüche  von  G  her  ran.  Daß  zwischen  ihnen,  nament- 
lich zwischen  der  Steppe  und  den  sumpfigen  Gegenden  Ain  Sarah 
und  Endschila,  Übergänge  bestehen,  ist  selbstverständlich. 

Oase. 

Die  wichtigste  Oase  ist  die  sogenannte  Meschia,  die  mit  ihrem 
Westende  die  Stadt  Tripolis  selbst  umschließt  und  sich  von  hier 
entlang  der  Küste  etwa  22—23  km  nach  Osten  erstreckt,  bei  einer 
wechselnden  nord-südlichen  Breite,  die  zwischen  2  und  5  km 
schwanken  dürfte.  Außer  ihr  finden  sich  in  der  Nähe  der  Haupt- 
stadt noch  folgende  Oasen:  eine  kleine  Parzelle  westlich  des  West- 
endes der  Meschia  und  unweit  derselben;  eine  etwas  größere  an 
der  Nordseite  der  an  die  tunesische  Grenze  führenden  Straße  mit 
dem  etwa  9  km  von  Tripolis  entfernten  Ort  Ghirg  arisch;  und 
endlich  die  große  Oase  von  Sansur,  ein  Ort,  der  auch  an  der 
eben  genannten  Karawanenstraße,  aber  bereits  19  km  im  West- 
südwesten der  Stadt  Tripolis  liegt. 

Der  Charakter  aller  dieser  Oasen  ist  derselbe,  nur  bieten  die 


Physiog-raphische  iind  faunistische  Züge  von  Tripolis  und  Barka.  575 

großem  selbstverständlicJi  mehr  Abwechslung-.  Die  Mescliia  z.  ß., 
für  die  das  Folgende  vorziigiich  Geltung  hat,  enthält  außer  der 
Stadt  Tripolis  noch  einige  kleinere,  meist  im  Osten  an  den 
Jüngern  Teil  der  Hauptstadt  sich  schließende  Dörfer  —  darunter 
Schar esschatt  mit  einzelnen  gepflegten  Gärten,  der  Landsitz 
der  in  Tripolis  ansässigen  Europäer  (hier  auch  „Rossi's  Garten")  — 
sowie  in  ihrem  östlichsten  Teile  den  großen,  langgestreckten  Ort 
Tadschura,  der  etwa  20  km  von  Tripolis  liegt.  Außerdem  ist 
sie  mit  einzelstehenden  Gehöften,  bewohnten  wie  leerstehenden  und 
zerfallenen,  reich  durchsetzt  und  enthält  auch  kleinere  oder  größere 
freie  Plätze,  entweder  kahler  Lehmboden  oder  ein  Stück  gras- 
bewachsener Steppe,  und  darunter  auch  die  weite,  von  einer  Zone 
steifer  Gräser  umschlossene  und  am  halben  Weg  zwischen  Tripolis 
und  Tadschura  gelegene  Sandfläche  von  Meli  aha,  wo  im  Sommer 
das  beim  Verdunsten  des  Wassers  auf  dem  reinen  Sand  zurück- 
bleibende Salz  gewonnen  wird.  Die  Meschia,  die  von  weitem  als 
dichter  Palmenwald  erscheint,  zerfällt  gleich  den  übrigen  Oasen  in 
eine  Unzahl  von  Gärten,  die  gegeneinander  wie  gegen  die  die  Oasen 
kreuz  und  quer  durchziehenden  Kommunikationen  —  bald  breite 
Straßen,  bald  enge  Wege,  immer  mit  mehr  oder  minder  sandreichem 
Lehmboden  —  durch  sandig-lehmige  Mauern  von  einer  Höhe  bis 
2  m  abgegrenzt  werden.  Die  Kronen  dieser  hellfarbigen  Garten- 
mauern, die  an  ihren  steilen  Böschungen  nur  geringen,  oft  gar  keinen 
Pflanzenwuchs  aufweisen,  sind  in  der  Regel  mit  Opuntien  bewachsen. 
Diese  Pflanzen  erreichen  zum  Teil  ganz  bedeutende  Dimensionen. 
z.  B.  einen  Stammdurchmesser  von  25,  ja  30  cm,  streben  dabei  aber 
fast  gar  nicht  in  die  Höhe. 

Außer  der  überall  dominierenden  Dattelpalme  finden  sich  von 
Bäumen  und  baumartigen  Gewächsen  vornehmlich  noch  Feigen, 
Citronen-,  Orangen-,  Granatapfel-  und  Ölbäume.  Die  Rebe  ist  eben- 
falls allgemein  verbreitet. 

Von  den  übrigen  Kulturpflanzen  herrschen  Mais  und  Luzernklee 
vor.  Namentlich  letzterer,  der,  als  Viehfutter  gebaut,  weite  Strecken 
bedeckt,  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  weil  es  die  einzige,, 
allenthalben  in  den  Oasen  kultivierte  Pflanze  ist,  die  im  Sommer 
blüht  und  Insecten  anlockt.  Blumen  finden  sich  um  diese  Jahreszeit 
nur  in  den  wenigen  Gärten  der  Landhäuser  sowie  in  den  kleinen, 
parkartigen  Anlagen  der  Stadt,  wo  sie  sorgfältig  gepflegt  werden 
müssen,  abgesehen  von  einer  wilden,  großblütigen,  gelben  Papaveracee, 
die  sehr  lokal,  namentlich  in  der  Nähe  des  Judenfriedhofes,  auftritt 

37* 


576  Bruno  Klaptocz, 

und  hauptsächlich  von  Hymenupteren  besucht  wird.  Außer  Klee 
und  Mais  werden  hauptsächlich  noch  Zwiebelgewächse.  Tomaten, 
Wassermelonen  und  spanischer  Pfeffer  bezogen,  seltner  andere  Pflanzen, 
darunter  die  Kartoffel 

Vielen  Kulturgewächsen  mag  der  lehmige  Boden  nicht  genügen, 
den  meisten  aber  wird  die  trockene  Hitze  des  Sommers  nachteilig 
sein;  gegen  diese,  welche  die  lehmigen  Umfassungsmauern  der 
Gärten  oft  so  zerklüftet,  daß  man  unschwer  mächtige  Schollen  ab- 
lösen kann,  anzukämpfen,  ist  die  Hauptarbeit  des  Oasenbewohners, 
der  man  ihn  auch  den  größten  Teil  des  Tages  nachgehen  sieht. 
Das  Mittel  dazu  sind  Cisternenbrunnen  A'on  derselben  Beschaffenheit 
wie  in  den  Oasen  von  Algerien  und  Tunesien,  die  aber  deshalb  eine 
genauere  Erörterung  verdienen,  weil  sie  als  die  einzigen  Orte,  an 
denen  sich  in  den  Oasen  bei  Tripolis  offenes  Süßwasser  findet,  für 
das  Vorkommen  vieler  aus  Wasser  gebundener  Tierformen  von  aus- 
schlaggebender Bedeutung  sind.  Zu  beiden  Seiten  einer  offenen, 
tiefen,  kreisrunden,  seltner  quadratischen  Cisterne  erheben  sich  zwei 
aus  Stein  erbaute,  ziemlich  hohe  Pfeiler  (seltner  zwei  Palmstamm- 
gerüste), an  denen  die  einfache,  aber  sinnreiche,  meist  von  Kindern 
betriebene  Schöpfvorrichtung  angebracht  ist.  Mittels  derselben  wird 
das  Wasser  in  ein  unmittelbar  vor  der  Cisterne  gelegenes,  aus- 
gemauertes Bassin  von  rechteckiger  oder  quadratischer  Gestalt  mit 
einer  Seitenlänge  von  4 — 5  m  und  einer  durchschnittlichen  Tiefe 
von  einem  halben  Meter  gegossen.  An  den  Seiten  dieses  Beckens 
und  nahe  dem  Grunde  desselben,  der  etwas  höher  liegt  als  das 
Niveau  der  Umgebung,  die  bewässert  werden  soll,  befinden  sich 
Abzugslöcher,  welche  das  Wasser,  das  dann  weiterhin  mittels  eines 
reich  verzweigten  Systems  fußtiefer  Furchen  auf  den  Feldern  ver- 
teilt wird,  nach  einer  beliebigen  Richtung  abzuleiten  gestatten. 

Diese  Becken  bieten  z.  T.  günstigere  Bedingungen  für  wasser- 
bewohnende Organismen  als  die  schwerer  zugänglichen,  tiefen 
Cisternen,  deren  Wasserspiegel  mehrere  Meter  unter  dem  Niveau 
der  Umgebung  liegt;  denn  viele  von  ihnen  bleiben  längere  Zeit  bis 
zum  Rande  gefüllt,  und  bei  den  meisten  sind  die  Abzugslöcher  etwas 
über  dem  Boden  angebracht,  so  daß,  da  außerdem  ihr  Boden  kaum 
jemals  völlig  eben  ist,  eine  3—8  cm  hohe  Wasserschicht  überhaupt 
nicht  abfließen  kann.  Diese  ist  nun  der  vollen  Einwirkung  der 
Sonne  ausgesetzt  und  bietet,  zusammen  mit  dem  ebenfalls  einige 
Zentimeter  hohen  Bodenschlamme,  der  sich  aus  den  verschiedensten 


Physiographische  und  faunistisclie  Züge  von  Tripolis  und  Barka.        577 

organischen  wie  anorg-anisclien  Abfällen  gebildet  hat,  vielen  wasser- 
bewohnenden Organismen  die  besten  Daseinsbedingungen. 

Die  Oasen  der  Umgebung  von  Tripolis  tragen  durchwegs  die 
Zeichen  jahrtausendlanger  menschlicher  Einwirkung.  Wasser  findet 
sich  nur  in  den  Brunnen.  Steine  fast  ausschließlich  in  Gebäuden, 
und  die  Vegetation  ist,  abgesehen  von  den  Kulturpflanzen  und  die 
Grenzen  der  Oasen  sowie  die  von  ihnen  umschlossenen  brachliegenden 
oder  wenigstens  nicht  bebauten  Plätze  ausgenommen,  einförmig  und 
ärmlich. 

In  der  Mescliia  sind  es  namentlich  die  ungepflegten  Friedhöfe, 
die  teilweise  einer  ziemlich  reichen  Vegetation  nicht  nutzbarer 
Pflanzen,  namentlich  Gräser,  Raum  geben.  An  der  Küste  sind  es 
vornehmlich  niedere  Pflanzen,  welche  die  freie  Flora  repräsentieren ; 
an  der  Grenze  der  Meschia  gegen  die  Steppe  hin  treten  höhere 
dornige  Sträucher  und  unbewehrte  Büsche  mit  rutenförmigen  Zweigen 
dazu,  die  von  gewissen  Tieren  besonders  bevorzugt  zu  werden 
scheinen. 

Manche  dieser  Pflanzen  scheinen  an  die  Grenze  der  Oase  förmlicli 
gebunden  zu  sein  und  in  dieser  selbst  ebenso  selten  aufzutreten  wie 
auf  Steppenboden. 

W  ü  s  t  e  n  -  S  t  e  p  p  e  n  g  e  b  i  e  t. 

In  diese  Kategorie  fällt  der  weitaus  größte  Teil  der  Umgebung 
von  Tripolis.  Natürlich  ist  sie  nicht  einheitlich :  denn  hierher  gehören 
ebensogut  die  vollkommen  vegetationslosen,  formveränderlichen  Sand- 
dünen wie  größere  Strecken  recht  gut  bewachsenen  Lehmbodens. 
Eine  Grenze  zwischen  beiden  läßt  sich  aber  füglich  nicht  ziehen,  da 
nicht  nur  alle  Übergänge  vorhanden  sind,  sondern  sogar  der  größte 
Teil  des  ganzen  Gebietes  sich  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden 
Extremen  hält. 

Was  zunächst  die  aus  reinem  Sande  bestehenden  Teile  betrifft, 
so  treten  sie  meist  in  Form  ausgedehnter  und  z.  T.  10 — 15  m  hoher, 
gänzlich  vegetationsloser  Dünen  auf,  die  zugleich  die  einzigen 
namhaften  Bodenerhebungen  in  der  Umgebung  von  Tripolis  dar- 
stellen.  Diese  Dünen  reichen  im  Süden  und  Südwesten  am  nächsten 
an  die  Meschia  heran  und  erstrecken  sich  im  Westen  von  Tripolis 
bis  über  die  Strecke  Ghirgarisch-Sansur.  Sie  hängen  nicht  etwa 
alle  zusammen,  sondern  zerfallen  vielmehr  in  einzelne  durch  oft 
weite  Strecken  von  Steppenboden  geschiedene  Gruppen. 

Ebene  Strecken    reinen   Sandes   sind   ziemlich   beschränkt   und 


578  Bruno  Klaptocz, 

finden  sicli  hau])tsärlilich  an  die  Dünen  anschließend,  meist  zwischen 
oder  ilmen.  Sie  gehen  immer  bald  in  festen  Boden  über,  in  den  mehr 
minder  sandreichen  Lehmboden,  dessen  Farbe  gelblich  bis  gelblich- 
gran,  seltner  und  mehr  lokal,  auch  rötlich  ist. 

Der  bei  weitem  größte  Teil  des  Gebiets  um  Tripolis  ist  offener 
Lehmboden  und  auch  der  Autbau  der  Dünen  auf  lehmigem  Grunde, 
oft  sogar  auf  einem  niedrigen  lehmigen  Sockel  ist  fast  immer  klar 
ersichtlich.  Gegen  die  Küste  im  Westen  der  Oase  von  Tripolis 
geht  er  in  den  stellenweise  stark  übersandeten  Sandstein  über. 
Außer  an  der  Küste  tritt  meines  Wissens  Gestein  nur  bei  Ghir- 
garisch  zutage,  wo  es  offenkundig  gebrochen  wurde,  sowie  nörd- 
licli  der  Strecke  Ghirgarisch-Sansur,  wo  der  überhaupt  sehr  feste 
Boden  hier  und  da  kaum  über  seine  Fläche  tretende  und  scheinbar 
feste  Gesteinselemente  geringen  Umfanges  erkennen  läßt.  Von  den 
ebenfalls  hier  gelegenen  Steinbrüchen  von  Gherran  sehe  ich  einst- 
weilen ab. 

Größerer  Niveauunterschiede  gänzlich  entbehrend  ist  der  Lehm- 
boden an  kleinen  Unebenheiten  und  Vertiefungen  desto  reicher. 
Außer  grubenartigen  Vertiefungen  verschiedener  Größe  sowie  zahl- 
reichen Rissen,  Rinnen  und  Furchen  von  wechselnder  Ausdehnung 
treten,  namentlich  in  der  südlichen  und  südwestlichen  Nachbarschaft 
des  Westendes  der  Meschia,  kleine  Erhabenheiten  von  zweierlei 
Art  auf:  niedrige,  der  Hauptsache  nach  aus  Lehm  bestehende  von 
unregelmäßiger  Gestalt,  scheinbar  die  letzten  Reste  ausgedehnterer 
vom  Winde  zerstörter  Bodenerhebungen,  die  aber  kein  weiteres 
Interesse  beanspruchen,  und  andrerseits  hauptsächlich  sandige, 
0,5 — 2  m  hohe  Hügelchen,  meist  von  der  regelmäßigen  Gestalt  eines 
Kegels,  welche  durch  die  auf  ihnen  wachsenden  Pflanzen,  vornehmlich 
Gräser,  gefestigt  werden.  Diese  Hügelchen  sind  als  der  Wohnort 
und  Lieblingsaufen tlialt  mancher  Tiere  bemerkenswert.  Daß  die 
sommerliche  Vegetation  auf  einem  so  armen,  sonnenverbrannten 
Boden,  der  durch  Monate  keinen  Tropfen  Wasser  empfängt,  wohl 
aber  außer  unter  der  stetigen  Glut  der  Sonne  oft  tagelang  unter 
dem  verderblichen  Einfluß  des  alles  verdorrenden  Giblili.  wie  hier 
der  südliche  Wüstenwind  heißt,  leidet,  daß  die  Vegetation  auf  einem 
solchen  Boden  nicht  reichhaltig  ist,  kann  nicht  verwundern.  Größten- 
teils besteht  sie  aus  steifen,  stachligen,  bis  halbmannshohen  Gräsern, 
die  scheinbar  sämtlich  olnie  Rücksicht  auf  die  zum  Teil  auffälligen 
Unterschiede  als  Haifa  bezeichnet  werden. 

Hier  und  da  ist  die  Vegetation  etw^as  reichhaltiger  und  mannig- 


Physiographische  uud  faunistische  Züge  von  Tripolis  und  Barka.  579 

faltig-er,  so  an  der  Strecke  Gliirgarisch-Sansur  und  iiamentlicli 
an  der  Nordseite  derselben,  also  in  der  Nähe  der  Küste.  Hier  ge- 
deihen unter  anderni  auch  viele  über  kniehohe  Dornsträucher,  die  in 
der  heißen  Zeit  zwar  blattlos  sind,  aber  immerhin  Abwechslung'  in 
das  Landschaftsbild  bringen. 

Blühende  Pflanzen  sind  im  Sommer  in  der  Steppe  nnd  Wüste 
sehr  selten:  außer  vereinzelten,  niedern  und  unscheinbaren,  gelben 
Kompositen  scheint  um  diese  Zeit  nur  eine  großblumige  weiße  Lilie 
zu  blühen,  die  auch  an  den  trockensten,  heißesten  Stellen,  an  den 
Südseiten  der  Dünen  in  reinem  Sand,  wo  ihre  riesigen  Zwiebeln  oft 
zu  4 — 6  und  mehr  eng  aneinanderliegen,  gedeiht;  Taginsecten 
scheint  sie  nicht  anzuziehen. 

Im  Frühjahr  allerdings  soll  der  Vegetationscharakter  der  Steppe 
ein  ganz  anderer  sein  und  sich  namentlich  durch  eine  große  Zahl 
blühender  Pflanzen  auszeichnen. 

Sumpfige  Gegenden. 

"Wendet  man  sich  von  Tripolis  nach  Südosten,  so  gelangt 
man,  nachdem  man  die  Meschia  durchquert  hat,  auf  einem  viel- 
begangenen, zunächst  ein  ganz  kurzes  Stück  durch  Sand  führenden 
Weg  in  ausgesprochenen  Lehmboden  mit  leidlicher  Steppenvegetation. 
Nach  Überschreitung  einiger  Bodenwellen  sieht  man  plötzlicli  eine 
durch  ihre  dichte,  frisch  grüne  Vegetation  auffallende  Senke  vor 
sich:  die  Gegend  von  Ain  Sarah. 

Westlich  des  Weges  dehnt  sich  ein  hoher  Schilfwald,  aus  dem 
vereinzelte  Palmen  und  Palmgruppen  aufragen,  während  sich  eine 
größere  Zahl  dieser  Bäume  an  seiner  Südgrenze  hinzieht.  Das 
Röhricht  verdeckt  hier  eine  weite,  teichartige  Wasseransammlung 
so  dicht,  daß  man  kaum  eine  offene  Stelle  finden  kann;  dabei  ist  der 
Grund,  auch  am  Rande  des  Wassers,  sehr  schlammig.  Die  Palmen, 
die  im  Schilfe  zu  wachsen  scheinen,  stehen  auf  erhöhten,  trocknen 
lind  deshalb  meist  schilffreien  Teilen  des  Bodens, 

Unmittelbar  östlicli  vom  Wege  liegt  ein  etwa  12  m  hoher,  durch 
Palmen  und  einige  andere  Pflanzen  gefestigter  Sandhügel;  an  seiner 
Nord-  und  Ostseite  stehen  auf  trocknem  Lehmboden  außer  Palmen 
einige  Öl-  und  Feigenbäume,  während  von  seiner  Südseite  an  der 
Boden  mit  einem  dichten  Wüchse  schilt-  und  binsenartiger  Gewächse 
bedeckt  ist,  die  indes,  wohl  wegen  der  geringern  Bodenfeuchtigkeit, 
lange  nicht  jene  Höhe  erreichen  wie  die  Rohrgewächse  am  eben  ge- 
nannten Teiche  oder  in  dem  aus  Südosten  kommenden  Sj'stem  von 


580  Bhuno  Klaptocz 


Gräben,  die  hier  und  da  eine  kleine  Wasserlache  aufweisen.  Da- 
zwischen liegen  vereinzelte,  kleine,  im  Hommer  nur  wenig  feuchte 
und  von  hoher  Vegetation  freie  Plätze  mit  einigen  Steinen  sowie 
Teppichen  dürrer  Sphagnaceen  oder  ähnlicher  Pflanzen. 

Entlang  des  Weges  zieht  sich  eine  Reihe  noch  nicht  sehr  alter 
künstlicher  Gruben  und  kleiner  Mauerwerke,  die  Anfänge  einer  nicht 
vollendeten  Wasserleitung. 

Eine  mit  dem  Gebiet  von  Ain  Sarah  in  bezug  auf  Boden-  und 
Vegetationsverhältnisse  und  daher  auch  in  der  Fauna  übereinstim- 
mender Gegend,  Endschila  genannt,  liegt  südwestlich  bis  südöst- 
lich der  Oase  von  Sansur,  die  ihrerseits  wiederum  etwa  19  km 
westsüdwestlich  der  Stadt  Tripolis  liegt. 

Auch  hier  steht  noch  im  Sommer  stellenweise  Wasser,  wenn 
auch  weniger  als  in  Ain  Sarah;  es  findet  sich  am  schlammigen,  mit 
Schilf  und  ähnlichen  Gewächsen  dicht  bestandenen  Grunde  eines  oft 
grabenartigen  Flußlaufes,  der  allerdings  seinen  Charakter  öfters 
ändert,  da  seine  lehmigen,  mit  Gräsern  gut  bewachsenen  Ufer  — 
an  deren  westlichem  auch  eine  kleine  Quelle  liegt  —  bald  2—3  m 
hoch  und  etwa  25  Schritt  voneinander  entfernt  sind,  bald  wieder 
sich  verflachen  und  dann  50  Schritt,  ja  noch  viel  weiter  auseinander- 
treten; ihre  Böschung  ist  dann  kaum  mehr  wahrnehmbar. 

Diese  Lachen  sind  im  Sommer  die  einzigen  Rückstände  einer  in 
der  regnerischen  Jahreszeit  jedenfalls  weit  größern  Wassermenge.  ^) 

Natürlich  ist  hier  wie  in  Ain  Sarah  auch  die  Vegetation  in 
der  Umgebung  der  versumpften  Teile  bedeutend  reicher  und  reich- 
haltiger als  an  andern  Stellen  der  Steppe;  den  Hauptbestandteil 
derselben  bilden  im  Gebiet  von  Endschila  sowie  wahrscheinlich 
auch  auf  der  ganzen^)  Verbindungsstrecke  zwischen  diesem  und 
Ain  Sarah  bis  mannshohe  Gräser. 

Die  Steinbrüche  von  Gherran.^) 

Paralell  zur  Straße  Ghirgarisch-Sansur  und  nördlich  von  ihr^ 
also   der  Küste  nahe,   liegt  eine  Reihe  von  großen,   unregelmäßig 


1)  Auf  der  oben  erwähnten  Karte  ist  in  dieser  Gegend  sogar  ein 
4  km  langer  und  2  km  breiter  See  oder  Sumpf  gezeichnet. 

2)  RoHLFS,  Geehaed,  Kufra,  Leipzig  1881,  p.  96. 

3)  Auf  der  o.  z.  wie  auch  auf  andern  Karten  ist  Gherran  als  Ort- 
schaft gezeichnet.  Der  Grund  dafür  liegt  —  da  hier  keine  menschliche 
Siedlung    existiert  —  vielleicht    darin,    daß,    wie  ja  dies  im  tripolitanisch- 


Physiographiscbe  und  faunistische  Züge  von  Tripolis  und  Barka.         581 

gestalteten,  aber  meist  in  westüstliclier  Richtung-  gestreckten  Boden- 
vertiefungen, die  Steinbrüche  von  G  her  ran.  Heute  kaum  mehr 
als  solche  verwendet,  verdanken  sie  ihre  jetzige  Gestalt  sicherlich 
nicht  ausschließlich  menschlicher  Tätigkeit.  Die  Sohle,  sofern  man 
in  Anbetracht  des  recht  unebenen  Bodens  jener  Bildungen  von  einer 
solchen  überhaupt  sprechen  kann,  mag  8—15  und  mehr  Meter  unter 
der  Fläche  der  umgebenden  Steppe  liegen,  die  hier  einen  festern 
Boden  aufweist  als  anderwärts  und  in  ihm  auch  platten  Fels,  der 
ganz  in  ihrem  Niveau  liegt.  Die  Wände  der  einzelnen  Steinbrüche, 
die  sich  am  besten  mit  riesigen  Gruben  vergleichen  lassen,  sind  ent- 
weder steil  und  dann  klüftereiche  Felsen  oder  aber  weniger  stark 
geneigt  und  dann  erdig.  Der  Boden  wird,  soweit  er  nicht  mit 
Vegetation  besetzt  ist,  von  Steinen  und  Felsblöcken  verschiedener 
Größe  bedeckt.  Mitten  in  den  einzelnen  Steinbrüchen  stehen  oft 
massive,  aber  an  Spalten  und  Löchern  reiche  Felsgebilde,  die  mit- 
unter nahezu  bis  zum  Rande  der  Steppe  aufragen  und  ebenso  wie 
die  felsigen  ^^'ände  an  ihrer  Basis  die  Neigung  zur  Höhlenbildung 
zeigen ;  bei  den  isolierten  Felsen  entstehen  dadurch  bis  über  manns- 
hohe Tunnels  und  überhängende  Stellen,  in  den  Wänden  gallerieartige 
Gänge  sowie  oft  ziemlich  geräumige  Grotten  und  Kammern. 

Die  größte  Höhle,  im  westlichsten  Steinbruch  gelegen,  stellt 
einen  geräumigen,  rechteckigen  Saal  mit  ebenem  Felsboden  und 
glatten  Wänden  dar,  dessen  Decke  von  5—8  m  hohen  quadratischen 
Pfeilern  getragen  wird.  Die  Gestalt  mancher  anderer  H()hlungen 
scheint  wiederum  von  menschlicher  Tätigkeit  ganz  unbeeintlußt  zu 
sein:  niedrig  und  oft  mit  einer  tiefen  Schicht  lockern  Sandes  am 
Boden,  steigt  ihre  Decke  oft  etwas  an,  bald  senkt  sie  sich  wieder 
und  ist  dabei  nicht  nur  an  kleinen  Unebenheiten  —  wie  solche  an 
Sandsteinfels  oft  vorkommen  —  reich,  sondern  auch  an  röhren- 
förmigen Gängen,  die  in  der  Regel  nur  einen  Durchmesser  von 
wenigen  Zentimetern  besitzen,  aber  lang  und  oft  verzweigt  meist 
senkrecht  oder  doch  stark  geneigt  in  dem  die  Decke  bildenden  Ge- 
stein aufsteigen. 

Den  günstigen  Verhältnissen,  einerseits  der  geschützten  Lage, 
andrerseits  der  größern  Nähe  der  wasserführenden  Schichten  ^)  ent- 


cyrenaischen  Gebiet    vielfach    der  Fall    ist,    die   dortigen  Höhlen  zeitweise 
bewohnt  wurden   und  wohl  noch  werden. 

1)  An    der    nahen  Küste    tritt  Süßwasser   zutage.     Die  tiefsten  Teile 
der  Steinbrüche  können  nur  wenig  über  der  Seehöhe  liegen. 


582  Bruno  Klaptocz, 

spricht  auch  eine  gegenüber  der  umgebenden  Steppe  reicliere  und  im 
Sommer  wenigstens  viel  frischere  Vegetation. 

Bäume  Avachsen  zwar  nicht,  dafür  aber  viele  Sträucher,  die 
großenteils  dornige  kleine  Gestrüppe  zusammensetzen  und  ungleich  den 
niedrigen  Dornbüschen  der  liölier  gelegenen  Umgebung  auch  im 
Sommer  ilire  Blätter  behalten.  Einen  großen  Teil  der  scheinbar 
ziemlich  artenreichen  Vegetation  machen  auch  Gräser  aus,  die  aber 
nicht  so  steif  sind  wie  die  der  Steppe. 

Mit  dem  Cliarakter  dieser  eigentümlichen  Formation,  der  einzigen 
in  der  nähern  Umgebung  von  Tripolis,  die  an  Steinen.  Felsen,  Höhlen 
und  Klüften  reich  ist  und  sonach  eine  Aveitgehende  Übereinstimmung 
mit  dem  südlichen  Gebirge  aufweist,  steht  natürlich  auch  die  Zu- 
sammensetzung  ihrer   tierischen  Bewohnerschaft  in  Zusammenhang. 

Die  Gegend  südlich  von  Tripolis  bis  zum 
G  h  a  r  i  a  n  -  G  e  b  i  r  g  e.  ^) 

Die  Gegend  zwischen  Endschila  und  dem  45 — 55  km  südlich 
der  Küste  und  an  einem  der  meistbegangenen  Wege  Tripolis- 
Gharian  gelegenen  Fort  Assisia  zeigt  eine  weitgehende  Über- 
einstimmung mit  der  nähern  Umgebung  von  Tripolis.  Auch 
liier  wechseln  sandige  Partien  mit  weit  ausgedehntem  lehmigen 
Strecken  ab. 

Die  Vegetation  der  Steppe  nimmt,  sowohl  was  Zahl  wie  Mannig- 
faltigkeit der  Formen  anlangt,  nach  Süden  zu ;  das  Land,  ist  hier 
stellenweise  mit  niedrigen  Sträuchern  bewachsen,  weist  aber  hier  und 
da  auch  größere  Büsche,  selbst  verwilderte  Opuntien,  auf.  Das  Nutz- 
land beschränkt  sich  auf  zerstreute  Dattelhaine  und  „Gärten". 

Bei  Assisia  ändert  sich  der  Charakter  des  Landes,  der  soge- 
nannten Dschefara- Ebene.  Von  hier  bis  zum  Fuß  des  Gebirges 
gibt  es  fast  keine  lockern  Sandmassen  mehr;  der  harte  Lehmboden 
weist  vereinzelte  Steine  auf,  die  um  so  zahlreicher  und  größer  werden 
je  mehr  man  sich  dem  Gebirge  nähert. 

Für  ein  großes  Gebiet  typisch  ist  folgende  Formation,  die  von 
ihrer  nördlichen  beim  Kastell  Assisia  gelegenen  Grenze  sich  nahezu 
ununterbrochen    bis  zum  Fuß    der   Felsen   hinzieht    und    vom  Weg 


1)  Diese  Angaben  gelten  direkt  zwar  nur  für  die  Umgebung  der 
Wege  Tripolis-Assisia,  Assisia-Dschebel  Montrus  sowie  von  Assisia  bis  zu 
dem  [Punkte,  wo  der  direkte  Weg  nach  Gharian  das  Gebirge  betritt, 
dürften  aber  bei  der  Gleichförmigkeit  dieses  Gebietes  von  allgemeiner 
Gültigkeit  sein. 


Physiologische  und  faunistische  Züge  von  Tripolis  und  Barka.  583 

Assisia-Gliariaii  durcliquert  wird:  Sträucher  oder  öfter  Strauch- 
inseln von  meist  kreisrunder  Gestalt,  4—8  Schritt  Durchmesser  und 
2—3  m  Höhe  stehen  oft  in  so  geringen  Abständen,  daß  sie  den  Aus- 
blick schon  auf  kleine  Entfernungen  hemmen.  Sie  werden  aus- 
schließlich von  einer  mit  kräftigen  Dornen  bewehrten  Pflanzenart  ^) 
zusammengesetzt,  die  infolge  des  dichten  AVuchses  und  der  ziemlich 
dunklen,  ledrigen  Blätter  mit  dem  hellen  Boden  lebhaft  kontrastieren. 
Auch  der  von  diesen  Buschinseln  —  von  denen  viele  auf  einem  oft 
einige  ])ezimeter  hohen  Lehmsockel  stehen  —  freigelassene  Boden 
ist  verhältnismäßig  gut  bewachsen  mit  z.  T.  über  1  m  hohen  Stauden. 
In  dieser  Gegend  liegt  außer  verstreuten  Siedlungen  das  Funduk 
Ergeat,  ein  von  Mauern  umschlossener  Platz,  der  den  Reisenden 
zum  Übernachten  dient. 

Verfolgt  man  die  Richtung  Assisia-Dschebel  Montrus -), 
so  erreicht  man  in  ungefähr  3  Stunden  das  Ende  dieser  Buschland- 
schaft und  betritt  eine  weite  freie  Ebene,  die  später  vom  Wadi 
Rum  an  a,  einem  scharf  ausgeprägten,  im  Sommer  trocknen  Fluß- 
laufe mit  Schotterboden,  durchschnitten  wird.  Die  Vegetation  dieser 
Ebene  besteht  der  Hauptsache  nach  aus  knie-  bis  hüfthohen  Kräutern 
und  Stauden,  die  bald  dichter,  bald  spärlicher  auftreten.  Hier  und 
da  steht  ein  vereinzelter,  wenige  Meter  hoher  Baum ;  mit  Ausnahme 
einer  Akazie  schienen  alle  diese  Bäume  dei'selben  oder  einer  sehr 
ähnlichen  Art  anzugehören  wie  die  Dornsträucher  der  eben  er- 
wähnten Buschlandschaft. 


Dschebel  Gharian. 

Das  Gharian -Gebirge  besteht  in  seiner  Hauptmasse  aus  Sedi- 
mentärgestein und  Kalk;  doch  tritt  dazwischen  auch  vielfach  das 
schon  von  weitem  an  seiner  dunklen  Farbe  kenntliche  vulkanische 
Gestein  auf,  ja  dieses  bildet  sogar  die  höchste  Erhebung  des  ganzen 
Stockes,  den   Dschebel  T'kut   (auf  über  900  m  geschätzt),  der 


1)  Findet  sich  auch  bei  Tripolis  selbst,  größere  Büsche  am  "Westrande 
der  Meschia  und  in  den  Steinbrüchen  von  Gherran,  und  ist  Zizyphus  lotus. 
Auf  das  in  Beschreibung  stehende  Gebiet  bezieht  sich  die  Angabe  von 
G.  RoHLFS  (Quer  durch  Afrika,  Vol.  1,  p.  31):  „Bei  den  Eingeborenen 
heißt  die  Staude  Ssodr  und  nach  ihr  wird  dieser  ganze  Distrikt  von 
Tripolitanien  Ssodria  genannt." 

2)  Auch  Dschebel  Montross,  bei  H.  Bakth  Manteruss  wie 
auf  der  o.  z.  Karte  Manteris. 


584  Bruno  Klaptocz, 

äliiilicli  dem  ebenfalls  vulkanischen  I) sehe  bei  Montrus  an  der 
Nordseite  des  Gebirges  nnd  ziemlich  isoliert  liegt;  mit  dieser  Iso- 
lierung hängt  auch  eine  individualisierte  Gestalt  dieser  Gipfel  zu- 
sammen. 

Das  Hauptmassiv  des  Gebirges  bietet  hier  und  da  wohl  auch 
steilere,  sogar  jähe  Abfälle,  namentlich  an  den  Talseiten  und  gegen 
Norden;  allein  eine  zu  wirklicher  Gipfelbildung  vorgeschrittene 
Gliederung  ihrer  Teile  vermissen  wir.  Die  einzelnen  Erhebungen 
veilaufen  meist  kammförmig,  oft  von  größern  Plateaus  ausgehend, 
und  hängen,  nur  durch  die  Täler  gegliedert,  untereinander  zusammen. 
Wo  sich  aber  doch  selbständige  Erhebungen  sedimentärer  Natur 
finden,  wie  z.  B.  südwestlich  von  Gharian.  handelt  es  sich  um 
Kuppen  von  geringer  Höhe  und  mit  breitem  Eücken. 

Eine  Eigentümlichkeit  des  Gharian- Gebirges  besteht  in  seinem 
Eeichtum  an  Höhlen.  Allerdings  sind  diese  Höhlen  meist  klein  und 
von  so  geringer  Tiefe,  daß  auch  die  hintersten  Teile  dem  Tageslichte 
nicht  völlig  verschlossen  bleiben;  dafür  sind  sie  aber  zahlreich.  Bei 
der  bekanntlich  seit  alten  Zeiten  troglodytenhaften  Lebensweise  der 
Gebirgsbewohner  ist  sicherlich  auch  eine  künstliche  Ausgestaltung 
mancher  Höhlen  vorgenommen  worden. 

Im  westlichen  Teile  des  Dschebel  Gharian  ^)  und  an  seiner 
Nordgrenze,  am  Nordausgang  des  Wadi  el  Ugla,  steht  der 
Dschebel  Montrus,  eine  gänzlich  isolierte  mit  vulkanischen 
Trümmern  bedeckte  Doppelpyramide.  In  seiner  Umgebung  ist  der 
Boden  dicht  mit  Steinen  und  Blöcken  bedeckt,  und  die  höhere  Vege- 
tation beschränkt  sich  fast  auf  dieselben  Sträucher  und  Bäumchen 
wie  in  der  Ebene  nördlich  vom  Gebirge;  nur  zeichnen  sich  diese 
Bäumchen  hier  wie  auch  weiter  aufwärts  im  Wadi  el  Ugla  durch 
mehr  oder  minder  knorrigen  Wuchs  des  Stammes  wie  der  Äste  aus. 
Sonst  besteht  die  Baumvegetation  dieses  Tales  fast  nur  aus  Palmen, 
die  sowohl  etwas  oberhalb  des  Dschebel  Montrus  wie  auch  beim 
Orte  Sau  ja,  aber  bloß  an  der  Sohle  gedeihen;  dafür  ist  es  aber 
an  Büschen,  namentlich  kleinern,  ziemlich  reich. 

Das  Wadi  el  Ugla  zieht,  bald  sich  verschmälernd,  zwischen 
ziemlich    hohen    felsigen  Seiten    mit    einer    wechselnden    östlichen 


l)  Ich  beschränke  mich  auf  die  genauere  Beschreibung  jener  Teile, 
an  denen  gesammelt  wurde.  —  Dschebel  hat  bekanntlich  die  doppelte 
Bedeutung  von  Gebirge  (D.  Gharian ,  einen  Berg  dieses  Namens  gibt 
es  nicht)  und  Berg  (D.  Montrus), 


Physiograpbische  und  fannistisclie  Züge  von  Tripolis  und  Barka.         585 

Tendenz  nach  Süden  und  biegt  dann,  gleich  oberhalb  des  Ortes 
Sauja,  fast  rechtwinklig  nach  Westen  um,  so  den  unmittelbar  im 
Westen  von  Sauja  gelegenen  Dschebel  Gosseba  von  zwei  Seiten 
begrenzend.  Das  Tal  ist  im  Sommer  vollkommen  trocken,  abgesehen 
von  einer  an  der  Ostseite  und  etwas  oberhalb  vom  Montrus  ge- 
legenen Quelle,  die  zwar  ziemlich  reichhaltig  ist,  aber  nach  kurzem 
Laufe  versiegt. 

Der  Dschebel  Gosseba,  dessen  beide  dem  Wadi  el  Ugla 
zugekehrten  Flanken  von  mittlerer  Steile  und  nicht  einmal  bis  zur 
halben  Höhe  mit  Nutzpflanzen,  hauptsächlich  Oliven  und  Reben, 
spärlich  besetzt  sind,  trägt  gleich  dem  ganzen  Gharian-Gebirge 
einen  ausgesprochen  felsig-steinigen  Charakter.  Im  Gegensatz  zu 
vielen  andern  Teilen  des  Gebirges  ist  aber  seine  Vegetation,  nament- 
lich in  den  obern  Partien,  ziemlich  reichhaltig;  Bäume  und  zwar 
Johannisbrotbäume  finden  sich  hier  allerdings  nur  am  Gipfel,  avo 
auch  einzelne  schroffe  Felsgebilde  auftreten. 

Etwa  in  der  Mitte  zwischen  der  vorhin  erwähnten  Quelle  und 
dem  südlich  von  ihr  gelegenen  Orte  Sauja  geht  vom  A\'adi  el 
Ugla  nach  Osten  ein  Seitental  ab,  das  nahe  seiner  Mündung  einige 
trübe  Lachen  von  geringer  Größe  und  etwas  weiter  einige  kleine 
Höhlen  aufweist.  Die  Vegetation  dieses  in  seinem  obern  Teile 
sich  verbreiternden  Tales  besteht  größtenteils  aus  niedern  Pflanzen 
und  im  Sommer  blattlosen  Dornsträuchern ,  die  aber  nur  einen 
geringen  Teil  des  steinübersäten  Felsbodens  einnehmen.  Hier  und  da 
steht  ein  beblätterter  Strauch  oder  Baum,  und  an  Stellen,  wo  der 
Boden  es  erlaubt,  ist  auch  wohl  ein  primitiver,  wie  im  Karst  mit 
einer  Steinmauer  umgebener  Garten  angelegt.  Durch  dieses  Tal 
führt  der  Weg  aus  dem  Wadi  el  Ugla  nach  Gharian. 

Hat  man  die  Höhe  des  Talschlusses  erreicht,  so  ändert  sich  das 
Gelände  mit  einem  Schlag :  man  befindet  sich  am  Plateau  von  Gharian. 
Dieses  Plateau,  dessen  Höhe  gegen  600  m  betragen  soll,  fällt  nach 
Norden  steil,  nach  Süden  allmählich  und  nach  Osten  unter  einem 
Winkel  von  etwa  30**  gegen  eine  tiefere,  weit  größere  Terrasse,  die 
sich  bis  zum  Nordrande  des  Gebirges  erstreckt.  Abgesehen  von  einem 
kleinen,  kahlen,  felsigen  Teile,  der  sich  zwischen  dem  Orte  Gharian 
und  dem  am  Nordabfall  gelegenen  Kastell  erstreckt  und  den  Luft- 
strömungen besonders  ausgesetzt  ist,  stellt  das  ganze  Plateau  von 
Gharian  Kulturland  dar.  Der  Boden,  durch  den  die  Wege  meist 
zwischen  den  hohen,  erdigen  Gartenmauern,  oft  sogar  hohlwegartig 
eingeschnitten,    führen,   ist  zwar  an  Steinen   nicht   arm,   aber  der 


586  Bruno  Klaptocz, 

Hauptsache  nach  doch  lehmig.    Die  verbreitetsten  Kiilturge wachse 
sind  hier  Oliven-  und  Feigenbäume  und  vor  allem  die  Rebe. 

Palmen  findet  man  am  Plateau  nirgends;  dagegen  gedeihen  sie 
ausgezeichnet  am  Grunde  des  engen  schluchtartigen  Talanfanges  un- 
mittelbar neben  dem  Kastell,  dem  obersten  Teile  des  Wadi  Ru- 
mana, der  aus  einer  jedenfalls  ziemlich  dicken  Hurausschicht  be- 
steht und  von  einer  ergiebigen  Quelle  gespeist  wird.  Hier  stehen 
auch  einige  Walnuß-  und  Birnbäume  (vor  längerer  Zeit  von  einem 
Pascha  gepflanzt)  neben  Johannisbrotbäumen,  Reben  und  andern 
Nutzgewächsen.  Bei  der  geschützten  Lage  und  den  sonstigen 
außerordentlich  günstigen  Bedingungen  gedeiht  alles  in  tropischer 
Üppigkeit,  und  die  Bäume  bilden  ein  dichtes,  stellenweise  selbst  für 
diese  Sonne  undurchdringliches  Laubdach. 

Ahnlich  günstige  Verhältnisse  bietet  noch  eine  zweite,  Mimuna 
genannte  Stelle,  die  von  noch  geringerer  Ausdehnung  als  die  eben 
erwähnte  gleich  ihr  in  der  nächsten  Nähe  vom  Ort  Gharian  und  am 
Nordabfall  des  Plateaus  liegt.  Hier  treten  in  der  Verschneidung 
zweier  Flächen  des  ziemlich  steilen  Abfalles  einige  nahe  aneinander 
gelegene  Quellen  hervor,  die,  im  Sommer  nur  wenig  ergiebig,  kleine 
Tümpel  bilden  und  nach  kurzem  Laufe  in  rechteckigen  gegrabenen 
oder  gemauerten  Bassins  aufgefangen  werden.  Auch  hier  deckt  den 
felsigen  Untergrund  eine  dunkle  Humusschicht,  die  mit  Obstbäumen 
und  andern  Kulturgewächsen  so  dicht  bepflanzt  ist,  daß  auch  dieser 
kleine  Fleck  völligen  Schatten  genießt  im  Gegensatz  zu  den  sonnen- 
verbrannten Felslehnen  der  Umgebung.  Hier  sowie  an  den  übrigen 
Abfällen  des  Plateaus  sind  die  felsigen  Lehnen  bald  dichter,  bald 
spärlicher  mit  Staudenwerk  und  Gräsern  bewachsen,  Pflanzen,  die 
am  Plateau  selbst,  das  fast  ausschließlich  Nutzgewächse  trägt,  nur 
in  geringer  Menge  auftreten. 

Ln  Südwesten  von  Gharian  und  nicht  sehr  weit  von  diesem 
Orte  liegen  einige  sanft  gerundete  Kuppen  von  mäßiger  Höhe,  deren 
eine  als  D  s  c  h  e  b  e  1  T  e  g  r  i  n  n  a  bezeichnet  wird ;  sie  unterscheidet  sich 
von  den  andern  durch  nichts,  wenn  man  davon  absieht,  daß  auf  ihrem 
Scheitel  ein  Haufen  großer  Steine  —  von  einem  Bau  stammend  — 
und  unmittelbar  unter  demselben  auf  der  Südseite  die  Öfthung  einer 
kleinen  Höhle  liegt,  deren  Boden  aus  tiefem  Sand  besteht.  Alle 
diese  Kuppen  sind  kahl,  d.  h.  jedes  Baum-  und  Buschwuchses  bar 
und  nur  in  geringem  Maße  mit  sonnenverbrannten  Gräsern  und 
andern  niedrigen  Pflanzen  bewachsen;  gleichwohl  bergen  sie  unter 


Physiog-raphische  und  faunistisclie  Züge  von  Tripolis  \;n(l  ßarka.         587 

der  Unzahl  der  sie  bedeckenden  Steine  und  Blöcke  ein  reiches  Tier- 
leben. 

Die  bereits  erwähnte  1.  Terrasse  stellt  eine  weite,  auch  nicht 
völlig  ebene  Hochfläche  dar,  die  hauptsächlich  im  Nordosten  des 
Plateaus  von  Gharian  und  merklich  tiefer  liegt  als  dieses;  sie  er- 
streckt sich  bis  zu  dem  hier  stellenweise  sehr  steilen,  sogar  wand- 
artigen Nordabfall  des  Gebirges,  der  gleich  ihr  selbst  vom  Haupt- 
weg Gharian — Tripolis  durchquert  wird  und  an  weniger  ge- 
neigten Stellen  eine  ziemlich  reiche  Vegetation  mannshoher  Büsche 
aufweist.  Der  Boden  jener  Terrasse  ist  hart,  lehmig,  an  Wasser- 
rissen und  Steinen  reich,  dagegen  au  Pflanzen  —  von  den  Kultur- 
gewächsen in  der  Umgebung  der  zerstreuten  Siedlungen  abgesehen 
—  arm.  Bloß  Ölbäume  treten  sehr  zahlreich  auf  und  verleihen  be- 
sonders im  Süden  und  Osten  des  Dschebel  T'kut  der  Landschaft 
ein  charakteristisches  Gepräge:  meist  in  größern  Abständen  von- 
einander stehend,  entwickeln  sie  breite,  rundliche  Kronen. 

Von  dieser  Terrasse  und  etwa  im  Norden  von  Gharian  ragt 
der  Dschebel  T'kut  auf,  der  Kulminationspunkt  der  ganzen 
Gruppe  (900 — 1000  m).  Seine  Gestalt  ist  die  eines  gestreckten,  mit 
der  Öttnung  ungefähr  nach  Osten  gerichteten  Hufeisens.  Dort,  wo 
der  nördliche  Ast,  der  bei  weitem  höhere,  nach  Süden  umbiegt,  liegt 
der  höchste,  von  einem  Marabut  gekrönte  Punkt.  Die  Farbe  des 
Gesteins  ist,  seiner  vulkanischen  Herkunft  entsprechend,  auffallend 
dunkel. 

Die  Vegetation  ist  nicht  gerade  ärmlich:  von  baumartigen  Ge- 
wächsen gedeihen  allerdings  nur  einige  Ölbäume  an  den  Lehnen; 
dagegen  sind  diese  sowie  auch  der  Kamm  des  Berges,  von  Gräsern 
und  niedrigen  Pflanzen  abgesehen,  mit  Dornsträuchern,  die  teils 
keine  Blätter,  teils  weißdornähnliche  aufwiesen,  ziemlich  dicht  be- 
standen. Und  am  Südhange  des  nördlichen  Astes  blühten  Rosmarin- 
sträucher,  außer  einer  ebenfalls  am  Dschebel  T'kut  auftretenden 
kleinen  Zwiebelpflanze  und  Gräsern,  die  einzige  nicht  kultivierte 
Pflanze,  die  im  September  im  Gebirge  blühend  anzutretfen  war. 


Barka. 

B  e  n  g  a  s  i. 

In  der  Umgebung  von  B  e  n  g  a  s  i  ist  der  Boden  größtenteils  steinig ; 
der  Küstensaum  jedoch  ist  mit  Ausnahme  kurzer  Strecken  —  vor 


588  Bruno  Klaptocz, 

allem  des  Teiles,  auf  dem  die  Stadt  steht.  —  mit  Sand  bedeckt,  der 
stellenweise,  z.  B.  einige  Kilometer  im  Norden  der  Stadt,  in  Form 
verhältnismäßig-  hoher  und  parallel  zum  Meeresufer  streichender 
Dünen  auftritt. 

Ebenso  wie  bei  Tripolis  und  Dernali  finden  sich  auch  hier 
Klippen  in  geringer  Entfernung  vom  Strande. 

Die  einzige  namhafte  Gliederung,  welche  das  Gestade  in  der 
Umgebung  von  Bengasi  erfährt,  besteht  darin,  daß  im  Süden  des 
Ortes  ein  großes,  aber  sehr  seichtes  lagunenartiges  Becken  liegt, 
dessen  ^\'asserstand  von  der  Windrichtung  abhängig  sein  soll;  immer 
jedoch  steht  es  durch  einen  kleinen  Kanal  mit  der  offenen  See  in 
Verbindung,  Seine  Begrenzung  gegen  das  Meer  erfolgt  durch  die 
sogenannte  P  u  n  t  a ,  eine  niedrige,  sandige  Landzunge,  die  unmittelbar 
im  Süden  der  Stadt  entspringt.  Die  Vegetation  der  Punta  be- 
schränkt sich,  von  einigen  andern  niedrigen  Pflanzen  abgesehen, 
auf  Gräser,  die  sowohl  in  einigen  kleinen  Beständen  wie  auch  in 
Form  einzelner  Büsche  auftreten.  Am  übrigen  sandigen  Gestade 
wachsen  fast  durchgehends  Palmen,  die  allerdings  im  Norden  der 
Stadt  in  der  Entfernung  von  einigen  Kilometern  aussetzen,  in  der 
Höhe  des  Sees  von  Sejanah  aber  wieder  erscheinen;  von  den 
übrigen  hier  auftretenden  Pflanzen  verdient  besonders  eine  häufige, 
auch  bei  Tripolis  auf  Sandboden  an  der  Küste  vorkommende 
Euphorbia  Erwähnung. 

An  einigen  Stellen  reicht  der  Sandboden  auch  etwas  weiter 
landein;  so  liegt  der  große  Salzlachenkomplex  unmittelbar  im  Osten 
und  Südosten  der  Stadt  in  Sandboden  und  ebenso  auch  eine  andere 
•ebenfalls  ziemlich  große  Lache  im  Norden  der  Stadt. 

Einige  Schritte  südöstlich  der  Stadt  liegt  zwischen  der  Salz- 
lache im  Osten  von  Bengasi  und  der  eingangs  erwähnten  Lagune 
die  Gebäudeansammlung  Sihdi  Hossein  und  südlich  von  dieser 
der  neu  aufstrebende  Ort  Berka.  Die  im  Westen  dieses  Ortes  be- 
findliche Wasserfläche  hängt  bei  höherem  Wasserstande  wohl  mit 
der  nordöstlich  von  ihr  liegenden  Lagune  zusammen. 

Binnenwärts  schließt  sich  an  die  sandbedeckten  Teile  harter, 
größtenteils  felsiger  Boden  an,  der  gegen  das  Innere  des  Landes 
kaum  merklich  ansteigt.  Die  einzige  erwähnenswerte  Bodenerhebung 
in  der  nähern  Umgebung  ist  ein  sanfter  großenteils  mit  steifen 
Gräsern  bedeckter  Rücken,  der  im  Südosten  knapp  an  der  un- 
mittelbar östlich  der  Stadt  gelegenen  Salzwasserlache  hinzieht. 
Diese   letztere   zerfällt   im  Sommer   in   zwei,   durch  einen  niedern 


Physiograpbische  und  fatinistische  Züge  von  Tripolis  und  Barka.         589 

Damm  g-eschiedene  Teile:  einen  südwestlichen,  der  eine  weite 
glit/^ernde  Salzlläclie  darstellt  und  sich  bis  Silidi  Hossein  er- 
streckt, lind  einen  nordöstlichen,  ein  System  von  durchwegs  sehr 
seichten,  mehr  oder  minder  salzhaltigen  Lachen  mit  sandigen,  stellen- 
weise auch  schlammigen  Boden,  zwischen  denen  etwas  höhere  und  dann 
trockne  lehmige  Partien  eingestreut  sind.  Dieser  Teil  ist  reich 
an  steifen  Gräsern  und  an  den  feuchten  Stellen  auch  an  Schilf- 
wuchs. Im  sandigen  Boden  treten  hier  auch  einige  Quellen  empor, 
die  wohl  eigentlich  süß  sind,  aber  beim  Durchdringen  des  salz- 
getränkten Bodens  einen  Salzgehalt  aufnehmen,  der  immer  stärker 
wird,  je  weiter  sie  im  Sande  laufen. 

Da  an  diesen  Quellen  Vieh  getränkt  wird,  so  sind  sie  z.  T.  zu 
kleinen  Becken  erweitert,  von  denen  aus  ein  kleiner  Graben  weiter- 
führt ;  doch  verläuft  sich  das  Wasser  schon  nach  einer  kurzen  Strecke 
im  Sand.  Diese  kleinen  und  verhältnismäßig  —  2  bis  4  dem  —  tiefen 
Quellenbecken  und  -graben  sind  an  submersen  Wasserpflanzen  und 
an  Tieren  sehr  reich,  relativ  viel  reicher  als  die  großen  benachbarten 
Lachen;  dies  mag  sowohl  auf  den  geringern  Salzgehalt  wie  auch 
darauf  zurückzufahren  sein,  daß  sie  die  nie  versiegenden,  durch 
Zufluß  immer  erneuerten  Reste  des  hohen  Wasserstandes  im  Winter 
und  Frühjahr  darstellen;  es  konzentriert  sich  sonach  hier  das  Tier- 
leben in  weit  höherm  Maße  als  in  den  benachbarten,  ungleich  aus- 
.gedehntern,   aber    weniger   günstige  Verhältnisse  bietenden  Lachen. 

Südlich  und  östlich  von  dieser  Gegend  ist  das  Terrain  durchwegs 
mehr  oder  minder  felsig  und  an  kleinern  Unebenheiten,  großenteils 
künstlichen  Vertiefungen,  reich.  Es  wurde  hier  viel  Stein  gebrochen. 
Dies  ist  namentlich  der  Fall  zu  beiden  Seiten  einer  engspurigen 
Materialbahn,  die  vom  Hafen  von  Bengasi  ausgeht,  an  Sihdi 
Hossein  vorüberläuft  und  südöstlich  von  Berka  endet.  Östlich  von 
dieser  kurzen  Bahnlinie  ist  die  Natur  des  Bodens  Aveniger  verändert 
worden.  Plattiger  Kalkfels  liegt  hier  im  Niveau  des  Bodens  unter- 
mischt mit  Steinen  verschiedener  Größe,  die  auch  auf  ihm,  stellen- 
weise sogar  in  großen  Haufen  —  Überreste  alter  Bauten  —  liegen. 
Die  Zwischenräume  und  Spalten  zwischen  ihnen  sind  mit  roter 
lehmiger  Erde  erfüllt,  der  ..terra  rossa",  die  hier  und  da  auch  nahezu 
steinlose,  schon  von  weitem  an  der  Farbe  auffallende,  kleinere 
Komplexe  bildet.  Aber  auch  hier  ist  die  Vegetation  in  Anbetracht 
der  Trockenheit  sehr  dürftig  und  beschränkt  sich  auf  niedere  Pflanzen. 

Bekannt  ist  das  Auftreten  von  Dolinenbildungen  in  der  Um- 
gebung von  Bengasi.    An  der  Westseite  einer  derselben  liegt   die 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  3B 


590  Bruno  Klaptocz, 

Öffnung  des  Dscliok.  der  berühmten  Lethe,  einer  gestreckten 
Höhle,  deren  Grund  bis  zu  den  beiderseits  steilen  Felswänden  von 
Wasser  eingenommen  ^Yird.  Alle  diese  kesselartigen  Vertiefungen 
bieten  der  Vegetation  einen  doppelten  Vorteil:  geschützte  Lage  und 
größere  Bodenfeuchtigkeit,  da  ja  ihr  Grund  dem  unterirdisch  laufenden 
AVasser  nahe  liegt.  So  befindet  sich  gleich  neben  der  fast  nur  mit 
Dornbüschen  bewachsenen  Doline  des  Dschok  eine  andere  größere^ 
deren  Sohle  üppigen,  gepflegten  Kulturboden  darstellt. 

Im  allgfemeinen  ist  der  Kulturboden  in  der  Gegend  von  Bengasi 
sehr  beschränkt.  Außer  am  Grunde  natürlicher  Terrainvertiefiingen 
findet  er  sich  hauptsächlich  noch  in  Form  von  Gärten,  die  meist 
von  sehr  (bis  8  m)  hohen  Steinmauern  umgeben  sind.  Solche  Gärten, 
deren  Produkte  und  Bewässerungsart  durch  Ziehbrunnen  den  Ver- 
hältnissen in  den  Oasen  bei  Tripolis  sehr  nahekommen,  finden 
sich  südöstlich  vom  Ende  der  vorhin  erwähnten  Bahn  („Cameno's 
Garten").  Auch  unmittelbar  im  Norden  schließen  sich  einige  Palm- 
gärten an  die  Stadt,  und  einige  Kilometer  weiter  liegen  etliche 
Siedlungen  in  'den  Vertiefungen  zwischen  den  Dünen.  Der  innere 
Teil  des  Landes  hat  auch  nördlich  von  Bengasi  meist  steinig- 
felsigen Charakter  mit  vereinzelten  steinernen,  von  Palmen  um- 
gebenen Gehöften.  Aber  zwischen  diesem  Gelände  und  den  Dünen 
der  Küste  breitet  sich,  einige  Kilometer  nördlich  von  der  Stadt  be- 
ginnend, eine  besondere  Formation  aus.  Der  relativ  weiche  Boden 
ist  zunächst  mit  Päckchen  verschiedener  niedriger  Pflanzen  bedeckt, 
unter  denen  namentlich  eine  von  Haloph3'tent3ii  auffällt;  weiterhin 
tritt  auf  etwas  feuchtem  Boden  ein  Bestand  breitblättriger  schilf- 
artiger Gewächse  auf,  untermischt  mit  einzelnen  kleinen  C3'pressen- 
gebüschen. 

Hier  liegt  eine  große,  aber  wie  gewöhnlich  seichte  und  salz- 
haltige Lache  auf  sandigem  Boden.  Weiter  gegen  Norden  nehmen 
die  Gräser  immer  mehr  ab  und  es  entsteht  so  ein  reiner,  dichter 
Cj'pressenbestand  von  durchschnittlich  1,5  m  Höhe,  der  sich  bis  ans 
Südufer  des  Sees  von  Sejanah  (auch  Siinah)  erstreckt. 

Diese  tiefblaue  Wasserfläche  mit  ihren  flachen  Felsufern  ist  die 
einzige  in  der  nähern  Umgebung  von  Bengasi,  die  mit  Rücksicht 
auf  ihre  Tiefe  die  Bezeichnung  See  verdient,  obwohl  sie  eigentlich 
nur  eine  Meeresbucht  darstellt  ^),  die  von  ihrem  Südosteck  aus  gesehen 
allerdings   gegen    das  Meer  durch  Dünen   abgeschlossen   erscheint. 


1)  Nach  Haimann,  G,,  Cyreuaica,  Roma   1882,  p.   100. 


Phj'siograpliische  und  fannistische  Züge  von  Tripolis  und  Barka.        591 

Dieses  Eck  wird  von  einem  gegen  den  Hauptteil  des  Sees  durch 
eine  felsige  Barriere  abgegliedertes  Becken  gebildet,  das  einen 
starken,  direkt  aus  den  Felsen  kommenden  Zufluß  besitzt  und  seinen 
Wasserüberschuß  in  ziemlich  kräftiger  Strömung  durch  die  Spalten 
und  über  die  niedern  Stellen  der  Barriere  an  das  Hauptbecken 
abgibt,  dessen  Oberfläche  30—40  cm  tiefer  liegt.  Merkwürdigerweise 
ist  auch  der  Zufluß  des  obern  Beckens  schon  stark  salzhaltig. 

Dernah. 

Bei  Dernah,  dem  zweitgrößten  Ort  der  cyrenäischen  Halbinsel, 
tritt  das  Gebirge  ans  Meer.  Die  Küste  ist,  mit  Ausnahme  kurzer 
sandiger  und  schottriger  Strecken,  felsig  und  im  Osten  der  Stadt 
hoch  und  oft  senkrecht  oder  von  der  Brandung  unterhöhlt ;  hier  fällt 
nämlich  die  einem  gleichbreiten  Bande  ähnliche  Vorterrasse,  die  sich 
nach  Süden  zum  Bande  des  eigentlichen  Plateaus  erhebt,  unmittelbar 
ins  Meer  ab,  während  sie  sich  in  dem  sonst  gleich  gebauten,  westlich 
daran  scliließenden  Teile  gegen  eine  allerdings  ziemlich  schmale  Küsten- 
ebene absetzt.  Unmittelbar  östlich  von  der  Stadt  und  im  östlichsten 
Teile  dieser  Ebene  liegt  das  Bett  des  untersten  Teiles  des  Dernah - 
Baches,  dessen  südliche  Fortsetzung,  der  Wadi  Dernah,  das 
Plateau  in  einer  so  markanten  Weise  durchschneidet,  daß  dieser 
Einschnitt  im  Gebirge  das  Wahrzeichen  Deruahs  von  hoher  See 
bildet.  Die  eigentliche  Stadt  liegt  am  Südrande  dei-  Ebene  und  höher 
als  diese,  der  Vorort  Bu  Mansur  östlich  vom  Bachbett  und  an  der 
Ostgrenze  der  Ebene;  und  etwa  nordwestlich  von  der  Stadt  steht  der 
Leuchtturm  auf  einem  isolierten,  felsigen  und  pflanzenarraen  Hügel 
an  der  Küste.  Die  Verbindungen  dieser  drei  Punkte  bezeichnen 
etwa  die  Grenzen  des  Hauptkomplexes  des  Gartenlandes  in  der 
Umgebung  der  Stadt,  an  das  sich  nach  Westen  hauptsächlich  Felder 
anschließen,  soweit  der  trockne,  großenteils  felsige  Boden  dies  er- 
laubt. Innerhalb  der  bezeichneten  Grenzen  finden  sich  Felder  nur 
im  nordwestlichen  Teile,  in  der  Umgebung  der  Station  für  drahtlose 
Telegraphie;  sie  sind  hauptsächlich  mit  Mais,  Durrha,  Tomaten, 
Paprika  und  Klee  bepflanzt. 

Der  ganze  übrige  Teil  besteht  aus  Gärten,  die,  oft  von  hohen 
Steinmauern  umgeben,  infolge  der  günstigen  Feuchtigkeitsverhältnisse 
eine  üppige,  dichten  Schatten  gebende  Vegetation  hervorbringen 
(Bananen,  an  den  Gartenmauern,  an  feuchten  schattigen  Stellen 
Farne).  Die  Bewässerung  dieser  Gärten  und  der  ihnen  zunächst 
gelegenen  Felder  erfolgt  nämlich  durch  fliei3endes  Wasser,  das  dem 

38* 


592  Bruno  Klaptocz, 

Dernah-Bach,  dem  größten  ständig-  fließenden  Wasser  der  ganzen 
Halbinsel,  oberhalb  der  Stadt  entnommen,  rechts  und  links  von  seinem 
Bett  in  je  einem  Kanal  gefülirt  und  später  in  kleinere  Gräben  ver- 
teilt wird.  Zisternen,  die  zur  Bewässerung  der  Felder  dienen,  finden 
sich  deslialb  erst  westlich  von  diesem  Bewässerungssystem, 

Infolge  dieser  reichlichen  Wasserentnahme  liegt  der  ganze  untere 
Teil  des  breiten,  schottrigen  Bachbettes  trocken.  Bloß  im  nörd- 
lichsten Teil,  der  gegen  das  Meer  durch  einen  Wall  von  Schwemm- 
material abgegrenzt  ist,  findet  sich  im  Sommer  eine  größere  Wasser- 
ansammlung. Im  Winter  und  Frühjahr  allerdings,  zur  Zeit  großer 
Regen,  soll  das  ganze  Bett  zeitweilig  so  erfüllt  sein  von  reißenden 
Fluten,  daß  der  Verkehr  zwischen  der  Stadt  und  dem  östlich  der 
Mündung  gelegenen  „Hafen"  nur  zur  See  möglich  ist. 

Der  weitaus  größte  Teil  des  Bachbettes  ist  schottrig;  seltner 
ist  der  Boden  felsig,  hier  und  da  auch  erdig  oder  sandig.  Bald 
oberhalb  der  Stadt  werden  die  Ufer  felsig  und  erheben  sich  rasch 
zu  den  hohen  und  steilen,  stellenweise  senkrechten  Wänden  des 
Wadi  Dernah.  Etwas  weiter  talauf  trifft  man  die  ersten  ver- 
sprengten Lachen,  die  später  immer  zahlreicher  werden  und  sich 
zusammenschließen,  und  noch  weiter  aufwärts  einen  ansehnlichen 
Bach  mit  i'ascher  Strömung  und  sehr  klarem,  aber  sehr  warmem 
Wasser. 

Ein  beträchtliches  Stück  weiter  talauf  empfängt  dieser  Bach 
einen  kräftigen  Zufluß  in  Gestalt  eines  Bächleins  von  sehr  kurzem 
Laufe,  das  etwas  höher  an  der  Westseite  unter  großen,  von  hohem 
Rubus-Gestrüpp  überwachsenen  Blöcken  hervortritt.  Bald  darauf 
treten  die  felsigen  Talseiten  zu  einer  engen  Schlucht  zusammen, 
über  deren  Westwand  der  Dernah-Bach  als  etwa  15—18  m  hoher 
Wasserfall  herabstürzt.  Dieses  schluchtartige  Stück  ist  kurz;  bald 
weichen  die  Talseiten  wieder  etwas  auseinander.  Der  Grund  des 
Wadi  wird  auch  hier  von  einem  schottrig-felsigen  Bachbett  ein- 
genommen, ist  jedoch  im  Sommer  wasserlos. 

Der  Nutzboden  des  Dernah-Tales  beschränkt  sich  auf  kleine, 
hauptsächlich  mit  Durrha  und  Mais  bestandene  Strecken;  Palmen 
finden  sich  nur  in  dem  der  Stadt  zunächst  gelegenen  Teile.  Da- 
gegen ist  die  natürliche  Vegetation  reich.  Soweit  Wasser  vorhanden 
ist,  herrschen  allenthalben  üppige  Oleanderbüsche  vor;  an  trocknen 
Stellen  finden  sich  höchstens  kümmerliche  Exemplare.  Die  Ränder 
des  Baches  und  seiner  Lachen  sind,  wo  der  Boden  es  ermöglicht, 
mit  dichten  Beständen  hohen  Schilfes  bewachsen,  und  die  stehenden 


Phjsiographische  und  faunistische  Züge  von  Tripolis  ixnd  Barka.  593 

oder  langsam  fließenden  Stellen  sind  ziemlich  reich  an  Wasserpflanzen 
(Wasserlinsen.  Potamogeton-Gewächse,  Algen).  Cypressenbüsche  treten 
erst  oberhalb  des  Wasserfalles  auf. 

Der  ans  Meer  stoßende  Teil  der  Küstenebene  im  Westen  des 
Fruchtlandes,  also  mit  dem  Hügel,  auf  dem  der  Leuchtturm  steht, 
beginnend,  ist  felsig  und  fast  kahl. 

Felsiger  und  zwar  karstartiger  Natur  ist  auch  die  übrige  Um- 
gebung von  Dernah,  sowohl  die  Yorterrasse,  die  sich  in  westöstlicher 
Richtung  zu  beiden  Seiten  des  vom  Wadi  Dernah  gebildeten  Ein- 
schnittes erstreckt,  wie  auch  ihr  nördlicher  Abfall  und  der  von  ihr 
nach  Süden  zur  Höhe  des  Binnenplateaus  sich  erhebende  Hang. 

Bald  mehr,  bald  weniger  mit  Steinen  und  Blöcken  bedeckt,  weist 
das  meist  im  Niveau  des  Bodens  gelegene  Gefels  an  den  tiefer 
liegenden  Stellen  und  in  Spalten  seine  roterdigen  Verwitterungs- 
produkte auf.  Die  Vegetation  dieses  Geländes  ist  stellenweise 
ziemlich  reich  und  wird  gegen  den  Wadi  Dernah  hin  höher  (bis 
mannshoch)  und  macchienartig.  Charakteristisch  sind  namentlich  die 
bis  kniehohen,  dichten,  dornigen  Päckchen  einer  Pflanze  (nach  der 
fremdlichen  Bestimmung  Herrn  Dr.  August  Ginzbergee's  :  Poterium 
spinosum),  die  sich  auf  der  Vorterrasse  allenthalben  findet,  aber  auch 
in  den  Wadi  Dernah  hinabsteigt. 

Höhlen  sind  namentlich  in  der  Umgebung  des  Ausganges  des 
Dernah-Tales  häufig,  aber  von  geringer  Größe. 

Höhlenartig,  nämlich  aus  einer  Anzahl  künstlich  erweiterter, 
von  einer  horizontalen  Wandnische  ausgehenden  Kammern  bestehend, 
ist  auch  die  in  der  Literatur  mehrfach  erwähnte  „Kirche"  (Kenissieh). 
Sie  liegt  einige  Kilometer  östlich  der  Stadt  an  der  Westseite  des 
Innenteiles  einer  der  hier  zahlreichen  Schluchten  und  Couloirs,  die 
von  der  Vorterrasse  zum  Meer  hinabführen  und  dank  ihrer  be- 
günstigten Lage  meist  eine  ziemlich  reichhaltige  Vegetation  auf- 
w^eisen. 


594     Bruno  Klaptocz,  Physiograpli.  u.  faunist.  Züge  von  Tripolis  u.  Barka. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Tafel  28. 

Fig.    1.     Meshia,  gleich  südlich  der  Stadt  Tripolis. 

Fig.   2.      Saudzone,    1^/,   Stunden  südlich  von  Tripolis. 

Fig.  3.  Haifa  und  eine  andere  Grasart,  zwischen  Ain  Sarah  und 
Endschila  nach  Osten. 

Fig.   4.     Dschebel  Montrus  von  Süden. 

Fig.  5.  Weg  Sauja-Gharian ;  zeigt  eine  hier  häufige  Formation.  Im 
Vordergrunde  ein  Garten. 

Fig.   6.     Hauptgipfel  des  Dschebel  T'kut  vom  Ostgipfel. 

Tafel  29. 

Fig.  7.  Route  Gharian-Tripolis  nahe  Gharian,  noch  vor  dem  Dschebel 
T'kut. 

Fig.  8.  ßoute  Gharian-Tripolis.  Dschebel  T'kut  von  Osten.  Eechts 
von  der  Mitte  der  kleine,  weit  vorgeschobene,  den  eigentlichen  Kamm  ab- 
schließende Gipfel.     Im  Vordergrund  Ölbäume. 

Fig.   9.     Eingang  in  den  Dschok  (Lethe). 

Fig.  10.  Cypressen Vegetation,  10 — 12  km  nördlich  von  Benghazi. 
Ganz  hinten  die  Küstendüuen.  Vorn  zutage  tretender  Fels,  dabei  auch 
eine  Lache. 

Fig.   11.      See  von  Seianah. 

Fig.  12.  Vorplateau  des  eigentlichen  Randgebirges  vor  Dernah,  nach 
Osten. 

Fig.  13.  Vegetationsbild  aus  dem  Dernah-Tal.  Oleander,  Calla, 
Schilf. 

Fig.  14.  Dernah-Bach.  Der  große  Wasserfall  von  Nordosten,  von 
den  Felsen  aus. 


Nachdruck  verboten. 
Ubersetzuvgsrec/d  vorbehalten. 


Eeptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis 

und  Barka. 


Bearbeitet  von 
Dr.  Franz  Werner, 

Mit  Tafel  30. 


Das  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  im  Sommer  1906  g-esammelte 
Material  aus  diesen  3  Wirbeltierklassen  füllt  eine  empfindliche 
Lücke  in  unserer  Kenntnis  der  Fauna  Nord-Afrikas  aus,  was  die 
Eeptilien  anbelangt,  und  auch  das,  was  er  an  Batrachiern  und 
Fischen  heimbrachte,  dürfte,  so  gering  die  Artenzahl  auch  ist,  doch 
«inen  wesentlichen  Teil  der  in  diesen  Ländern  vorkommenden  Arten, 
wenn  nicht  gar  alle,  umfassen. 

L  Reptilia. 

Es  ist  außerordentlich  wenig  von  Reptilien  aus  dem  trii)olitanisch- 
cvrenäischen  Gebiete  bekannt,  und  von  diesen  Angaben  sind  manche 
nichts  weniger  als  verläßlich,  ja  zum  Teil  derart,  daß  eine  Bestäti- 
gung ohne  Nachuntersuchung  direkt  unmöglich  ist.  Die  einzigen 
mir  bekannten  Publikationen,  welche  Angaben  über  Reptilien  dieses 
Gebietes  enthalten,  sind  die  folgenden: 

1881.  G.    RoHLFS,    Kufra.     Reise    von    Tripolis    nach    der    Oase   Kufra 
(Reptilien,   bearbeitet  von  Peteks). 

1882.  G.  Haimann,  Cyrenaica,  Roma  1882,  p.  139  (Reptilien,  bearbeitet 
von  Cornalia). 


596  Franz  Werner, 

1883.      G.  Rhumek,   in:   SB.   Ges.  naturf.   Freunde  Berlin,  p.    141». 
1896.     M.   C.  FrancAVIGLIA,    Sovra    diverse    specie    di    rettili    (saurii  eä 

ofidii)  raccolti  presso  Tripoli,    in :    Boll.   Soc.   Romana  Zool.,  Yol.   5^ 

1896,  p.  30—48. 
1896.      U.   RIZZARDI,    in:   Bull.   Soc.   entomol.   Stat.,   Vol.   28,  p.    13—22. 
1885  — 1896.     BouLENGEK,    Catalogue    of   Lizards,    Catalogue   of  Snakes, 

Außerdem  wurden  von  wichtigern  Arbeiten  über  die  Reptilien 
Nord- Afrikas  in  erster  Linie  die  folgenden  benützt: 

BouLENfiER,  G.  A.,  Catalogue  of  the  Reptiles  and  Batrachians  of  Barbary 
(Morocco,  Algeria,  Tunisia),  based  chiefly  upon  the  Notes  and  Collections 
made  in  1880 — ^1884  by  M.  Fernand  Lataste,  in:  Trans,  zool.  Soc. 
London,  VoL   13,   1891,  p.  93—164,  tab.    13-18. 

DOUMERGUE,  F.,   Essai  sur  la  Faune  Erpetologique  de  l'Oranie,  Oran  1901. 

Anderson,  J.,  Fauna  of  Egypt.    I.  Reptilia  and  Batrachia,  London  1898. 

Vgl.  auch:  Oliyier  ,  in:  ilem.  Soc.  zool.  France,  1894;  Eev.  Sc, 
Bourbonnais ,  Vol.  9,  1896;  Werner,  in:  Verh.  zool. -bot.  Ges.  Wien^ 
Vob  44,  1894;  VoL  47,  1897  und  Vob  48,  1898;  Escherich,  in:  Verh. 
zool.-bot.  Ges.  Wien,  Vol.  46,  1896;  ThileniüS  ,  in:  Zool.  Jahrb.,. 
Vol.  10,  Syst.,  1897;  Anderson,  in:  Proc.  zool.  Soc.  London,  1892; 
GÜNTHER,    in:  Nov.  Zool,  Vol.   10,   1903. 

Auf  weitere  Literaturangaben  glaubte  ich  mich  nicht  einlassen 
zu  müssen,  da  die  Literatur  über  die  nachstehend  verzeichneten 
Arten  namentlicli  in  den  Werken  von  Boulenger  und  Anderson 
in  extenso  angeführt  ist. 


^fT>^ 


Chelonia. 

Testudo  leithi  Gthr.  ^ 

Anderson,  p.  28,  tab.  2. 

Anderson  ist  der  Meinung,  daß  die  von  Peters  genannte  junge 
Testudo  graeca  L.  von  Uadi  Tessina  (Eohles,  Kufra)  die  T.  leithi 
vorstelle.  Von  den  4  mediterranen  Testudo- kri^w  kämen  nicht  in 
Betracht:  T.  graeca  L.,  die  in  Nord- Afrika  niemals  gefunden  wurde; 
T.  ibera  Fall.,  da  Peters  doch  der  charakteristische  Femoralhöcker 
nicht  entgangen  wäre;  T.  marginata  Schpff.,  die  außerhalb  der 
Balkanhalbinsel  überhaupt  nicht  vorkommt  —  bleibt  allerdings  nur 
T.  leithi  übrig,  die  aber  ein  unpaares  Supracaudalschild  besitzt,  wie 
freilich  manchmal  auch  T.  graeca.  —  T.  leithi  ist  von  Unter-Ägypten 
und  Arabien  bekannt;  ursprünglich  wurde  sie  aus  Sind  beschrieben^ 
seither  aber  nie  mehr  dort  gefunden,  so  daß  die  Fundortsangabe 
wohl  irrig  ist.  —  Li  Unter-Ägypten  ist  die  Art  recht  häufig. 


■Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  597 

Testitdo  ibera  Pall. 
BOULENGEE,  Cat.  Chelon.,  p.   176. 

Diese  Art  könnte  es  vielleiclit  sein,  welche  Peters  (Roiilfs» 
Kufra)  als  T.  campanulata  \\a\a\.  {marginata  Schpee.)  von  Bir  ]\liliiia 
anführt.  Daß  er  sie  von  der  vorigen  unterscheidet,  scheint  mir  doch 
dafür  zu  sprechen,  daß  ihm  2  Arten  vorlagen.  Von  campanulata 
kann  natürlich  keine  Rede  sein.  Da  ihm  nur  eine  ,.junge  Schale" 
vorlag,  konnte  er  auch  den  Femoraltuberkel  der  ibera  nicht  fest- 
stellen. Herr  Dr.  Klaptocz  schreibt  über  das  Vorkommen  von 
Schildkröten  Folgendes:  ,.Schildkröten  bekam  Storch  während  seiner 
nun  7jährigen  Tätigkeit  in  Tripolis  blos  ein  einzigesmal  und  da 
zwei  Stück."  —  „Schildkröten  (Testudo)  sollen  (bei  Bengasi)  um  diese 
Jahreszeit  (Ende  August  bis  Anfang  September)  nach  den  Aussagen 
eines  gewissen  Vittorio  Maefei,  Sohnes  des  Hoteliers,  der  schon  oft 
welche  gefangen,  z.  B.  auch  diejenige,  welche  im  Hotel  schon  seit 
7  Jahren  herumläuft,  schon  vorüber,  etwas  früher  aber  an  ent- 
sprechenden Plätzen  häufig  sein.  Die  eine  im  Hotel,  die  ich  sah^ 
aber  nicht  bekommen  konnte,  stammt  von  Bengasi." 

Auch  das  Vorkommen  dieser  Art  wäre  noch  sicher  zu  stellen, 
da  aus  den  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  hinterlassenen  Aufzeichnungen 
leider  nicht  hervorgeht,  welcher  Art  die  in  Bengasi  gesehene  Schild- 
kröte angehörte.  Jedenfalls  kommt  wenigstens  eine  Tcstudo-Art 
und  zwar  eine  der  beiden  hier  genannten  in  der  Cyrenaika  vor. 

Anderson  gibt  (1.  c,  p.  30)  mit  einigem  Zweifel  diese  Art  von 
Ost-Sudan  an.  Das  Vorkommen  sudanesischer  Arten,  die  in  Ägypten 
fehlen,  in  Mauretanien,  ist  für  Orthopteren  keine  seltne  Erscheinung 
(s.  Werner,  in:  Zool.  Jahrb.,  Vol.  27,  Syst.,  1908,  p.  99),  aber  für 
Reptilien  noch  nicht  unzweifelhaft  nachgewiesen. 

Lacertilia. 

GecJiOnidae. 

Stenodactylus  elegans  Fitz. 

Boulenger,  p.  107  (gultatus). 

Doumergue,  p.  92,  tab.  5,  flg.   7,   7a  {gnUatus). 

Anderson,  p.  42,  tab.  4,  fig.   1 — 6,  Textfig.  1  —  3. 

Diese  Art  ist  bereits  von  Tripolitanien  bekannt  gewesen  (Rohlfs: 
Bondjein ;  Francaviglia  :  Tripolis) ;  Herr  Dr.  Klaptocz  fand  sie  auch 


598  Franz  Werner, 

bei  Beng-asi  und  zwar  3  lialb wüchsige  Exemplare,  das  größte  von 
48  mm  Total-  und  28  mm  Jvopfrurapf länge.  Zeichnung  der  Ober- 
seite wie  bei  der  tunesischen  Form,  mit  dunklen  Querbändern,  bei 
einem  Exemplar  aber  sind  die  ein  wenig  vergrößerten  Körper- 
schuppen, die  zwischen  die  übrigen  eingestreut  sind,  weiß,  die  übrige 
Oberseite  dunkel  (braun).  Gefangen  wurden  alle  3  Exemplare  unter 
Steinen,  30.,  31.  August  und  Anfang  September  1906. 

Die  Verbreitung  ist  eine  sehr  ausgedehnte  und  umfaßt  an- 
scheinend die  Wüsten  von  ganz  Nord-Afrika  vom  Eio  de  Oro  bis 
Ägypten  sowie  von  Syrien,  Arabien,  Nubien;  ferner  ist  die  Art 
von  Kamerun  und  dem  Rudolf-See  bekannt. 


Stenodactijlus  petrii  Anders. 

Anderson,  J,,  p.  45,  tab.  4,  fig.  7. 

Werner,    F.,    in:    Verh.    zool.-bot.    Ges.    Wien,    Vol.    44,    1895,    p.  76 
(guttatus)  und  in:  Zool.  Garten,  Vol.  40,  p,  16,  fig.  (sfenurus). 

TOEOHR,  0.,  in:  Bl.  Aquar.-Terr.-Kunde,  Vol.   14,   1903,  p.  226,  fig. 

In  der  Koll.  Klaptocz  nicht  vertreten,  obwohl  um  Tripolis  an- 
scheinend sehr  häufig,  da  von  dorther  seit  einem  Dezennium  fast 
alljährlich  in  Menge  lebend  nach  Europa  gelangend.  Diese  Art 
wird  giößer  als  die  vorige  und  ist  ausschließlich  in  den  Sand  wüsten 
Nord- Afrikas  (Ost-Algerien,  wo  ich  sie  selbst  bei  El  Merayer  und  Tuggurt 
antraf;  Tripolis;  Ägypten,  woher  die  Originalexemplare  Anderson's 
stammen  und  w^o  auch  ich  sie  in  der  Libyschen  Wüste  südlich  von 
den  Pyramiden  von  Gizeh  fand)  zu  Hause.  Die  eigentümliche,  unter 
den  Geckonen  sonst  wohl  einzig  dastehende  Art  der  Bewegung,  in- 
dem die  Tiere  hochbeinig,  wie  ein  Hund,  über  den  Sand  laufen,  die 
Gewohnheit,  stundenlang  ebenso  hochbeinig  stehen  zu  bleiben,  bei 
völliger  Ruhe  aber  ebenfalls  wie  etwa  ein  Hund  sich  zu  lagern,  in- 
dem beide  Hinterbeine  an  derselben  Seite  des  Schwanzes  lang  aus- 
gestreckt sind,  die  lebhafte  Ein-  und  Ausrollung  des  meist  schief 
nach  aufwärts  aufgestreckten  Schwanzes  in  der  Erregung,  nament- 
lich bei  Anblick  der  Beute,  die  außerordentlich  große  Sehweite,  auch 
bei  künstlicher  Beleuchtung  (weniger  bei  Tageslicht)  sind  so  auf- 
fallende Eigentümlichkeiten  dieser  (weniger  der  vorigen  Art),  daß 
sie  das  Interesse  des  Beobachters   dauernd  zu  fesseln  imstande  ist. 


Keptilieii,  Batrachier  uud  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  599 

Troplocolotes  tvlpolitanus  Peters. 

Peters,   in:    Mon.  Ber.  Akjj.d.  Wiss.  Berlin,    1880,    p.  306,    tab.,  fig.  1. 
Ajn'derson,  p.  47,  tab.  4,  fig,  8, 
BouLENGER,  Rept,  Barb.,  p.   108. 
DouMEEGüE,  p.   92,  tab.  5,  fig.  6. 

Dieser  zierliche  kleine  Gecko  ist  seit  seiner  Entdeckung  durch 
RoHLFS  im  Wadi  M'Belleni  anscheinend  in  Tripolis  nicht  mehr  ge- 
funden worden,  dagegen  am  Rio  de  Oro  durch  Riggenbach,  in  West- 
Algerien  durch  J.  Scherer  (Oase  Figig),  in  Ost-Algerien  durch  König 
(Ferme  Dufour  bei  Biskra),  in  Tunis  (bei  Taferma  durch  Letourneux, 
zwischen  Gabes  und  Gafsa  durch  Sedillot,  bei  Ocun-ali  bei  Gafsa 
und  Bou-Hedma  durch  Valery-Majet  und  bei  Foum  Tatahouine 
durch  Blanc)  und  in  Ägj'pten  durch  Anderson  und  später  auch 
durch  mich.  In  der  Lib3'schen  Wüste  kommen  beide  Tropiocolofes- 
Arten  vor,  und  zwar  fand  ich  sie  stets  unter  Steinen;  T.  stendneri 
lebt  auch  in  der  Mokattam-Wüste,  in  absolut  steinigem  Terrain. 

ffeniidactyliis  tuvciciis  L. 

Boulenger,  Cat.,  Vol.   1,  p.   126  und  Rept.  Barb.,  p.   115. 
Anderson,  p.  80,  tab.  5,  fig.  3. 
Doumergue,  p.  83,  tab.  4,  fig.  6 — 6a. 

Durch  Rhumee  und  Reichenow  aus  der  Cyrenaika  und  durch 
Fkancaviglia  von  Tripolis  nachgewiesen,  fehlt  in  der  Koll.  Klaptocz. 
Sonst  noch  im  ganzen  Mittelmeergebiete,  von  den  Küsten  des  Roten 
Meeres,  in  Persien  und  Sind. 

Taventola  niauritanica  L. 

Boulenger,  Cat.  Liz.,  Vol.   1,  p.   196  u.  Rept.  Barb.,  p.  115. 
Anderson,  p.  86,  tab.  8,  fig.  1 — -2. 
Doumergue,  p.  72. 

Arabisch:  „bupres  mdahet"  (Tripolis);  ,,abu  bors"  (Ägj'pten). 

Von  Francaviglia  für  Tripolis,  von  Peters  für  den  Djebel 
Tarshona  (Bir  Milrha)  genannt ;  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  von  Tripolis, 
Ain  Sarah,  vom  Gharian-Gebirge,  von  ßengasi  und  Dernah  mit- 
gebracht. Das  gnißte  Exemplar  ist  das  von  Ain  Sarah  mit  146  mm 
Total-  und  80  mm  Kopfrumpflänge.  Nach  der  Anzahl  der  gesammelten 
Exemplare  zu  urteilen  (25,  davon  11  von  Tripolis,  10  von  Bengasi), 
muß  die  Art  weder  in  Tripolis  noch  in  Barka  selten  sein;  sie  fehlt 


600  Franz  Werner, 

demnach  in  Nord-Afrika  nirgends  (wenngleich  sie  in  Ägypten  auf 
die  Küstengebiete  beschränkt  ist),  findet  sicli  auch  in  den  westlichen 
Mediterranländern  sowie  in  Dalmatien  (Zara,  Sebenico,  Lesina)  und 
auf  den  jonischen  Inseln  (Cephallonia,  Ithaka,  Zante). 

Die  erwachsenen  Exemplare  aus  Tripolis  sind  oberseits  ganz 
einfarbig. 

Nach  Herrn  Dr.  Klaptocz  bei  Tripolis  allenthalben  gemein;  in 
Gärten  und  namentlich  in  Gartenmauern,  in  Häusern,  namentlich  den 
alten,  halb  verfallenen  der  Meshia,  in  den  Mauerfugen  der  Brunnen^ 
unter  Steinen,  unter  größern  Erdbrocken  etc.,  in  den  Höhlen  von  Gherran 
(12 — 15  km  westlich  von  Tripolis;  antike  Steinbrüche). 

Bei  den  beiden  Exemplaren  aus  Dernah  bemerkt  Herr  Dr.  Klaptocz 
Folgendes:  „Die  einzigen,  die  ich  in  Dernah  sah;  somit  hier  kaum 
häufig;  der  eine  in  einer  Höhle  östlich  vom  Dernah-Tal,  der  kleinere 
unter  einem  Stein  westlich  davon.  Beide  auf  der  Höhe  des  (von 
der  Küste  an  gerechnet)  ersten  Plateaus." 

Exemplar  aus  Bengasi:  Unter  Steinen  gefangen. 

Exemplare  aus  dem  Gharian-Gebiige:  eins  aus  einer  kleinen 
Höhle  am  Weg  Sauja-Gharian,  am  16./9.  gefangen,  das  andere  aus 
einer  kleinen  Höhle  an  der  Südseite  des  Dschebel  Teghrinna,  5 — 7  km 
südlich  von  Gharian,  19. 9.  Solche  kleine  Höhlen  sind  in  der  Um- 
gebung von  Gharian  zahlreich,  und  in  allen  sind  Geckonen  häufig^ 
während  man  von  andern  Vertebraten  (Schlangen,  Igel,  Gundi)  bloß 
Spuren  findet. 

Agamidae. 

Af/ania  inermis  Rss.  =  niutahilis  Meer. 

BoULENGEE,  Cat.  Liz.,  Vol.  1,  p.  344  und  Rept.  Barb.,  p.  117  {inennis). 

Anderson,  p.  94,  tab.  9. 

DOUMEEGUE,  p.   104,  tab.   6,  fig.  2,   3. 

Thileniüs,    in:  Zool.  Jahrb.,  Vol.  10,  Syst.,  p.   233,  tab.   16,  fig.   5 — 7. 

Arabisch  in  Tripolis  „bupres  dabbar",  in  Tunis  „bukaschesch"^ 
in  Ägypten  „kadi  el  gibal". 

Von  Tripolis  (Feancaviglia)  und  Bengasi  (Rhümee  —  als 
A.  savigmji  aufgeführt)  bereits  bekannt.  Herr  Dr.  Klaptocz  fand 
sie  bei  Tripolis,  Bengasi  und  Dernah. 

S  von  Bengasi,  193  mm  Totallänge  (77  mm  Kopfrumpflänge). 
11  Präanalporen,    außerdem   6  in  einer  zweiten  Reihe,  aber 
nur  links. 


Reptilien,  Batrachier  uud  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  601 

S  von  Bengasi,  183  mm  (75  mm  Kopfrumpfläng-e). 

9  Präanalporen .   bei   beiden   Exemplaren   Kehle   schön   blau; 
eine  g-rane  Längsmittellinie. 
$  von  Tripolis,  182  mm  (72  mm  Kopfrumpflänge);  Kehlzeichnung 

sehr  undeutlich. 
$  von  Dernah,  137  mm  (65  mm  Kopfrumpflänge);   Zeichnung   mit 
Ausnahme   des   Schwanzes    sehr   undeutlich;   Kehlzeichnung 
deutlicher   als   bei   vorigem   p]xemplar.   auch   auf  der  Brust 
dunkle  Längslinien ;  vergrößerte  Rückenschuppen  ohne  Spitze 
(diese  dagegen  sehr  deutlich  bei  vorigem  Exemplar). 
Junges  von  Bengasi,  94  (40)  mm;  Schwanz  oben  mit  etwa  18  oder 
20  dunklen  Querbändern ;  ein  tintenschwarzer  Fleck  vor  der 
Schulter;  Occipitale  und  Parietalauge  deutlich. 
Weitverbreitete    und    in    der  Beschuppung    der   Oberseite   sehr 
variable  Art;  von  nahezu  homogener  Rückenbeschuppung  {A.aspera 
Wern.)  bis  zu  einer  solchen  mit  sehr  deutlich  differenzierten,  stark 
vergrößerten  Schuppen  zwischen  den  kleinern,  ebenso  von  rhombischen 
nahezu    cj'cloiden    Schuppen    bis    zu   solchen    mit   scharfen   Spitzen 
(„mucronate")  gibt  es  alle  Übergänge. 

A.  ineiinis    ist  von   der   west-algerischen   Sahara   bis  Ägypten 
verbreitet. 

Herr  Dr.  Klaptocz  macht  bei  dieser  Art  folgende  Bemerkungen. 
,.(?  von  Tripolis.)  Die  einzige,  die  ich  sah.  In  einem  etwa 
2 — 3  m  tiefen,  ganz  kreisrunden  Loch  mit  überhängenden  Wänden 
von  etwa  1,5  m  (unten  etwas  mehr)  Durchmesser,  das  von  Menschen- 
hand zu  einem  mir  unbekannten  Zwecke  ausgehoben  war.  am  Süd- 
rande der  Meshia  (von  der  Stadt  Tripolis  etwa  3—4  km  Luftlinie). 
In  dieses  Loch  sprang  ich,  um  eine  ziemliche  Anzahl  größerer  Käfer 
{Ateuclms,  große  Scarites).  die  ich  darin  liegen  sah,  aufzusammeln. 
Die  Käfer  waren  hineingefallen  und  konnten  nicht  mehr  heraus. 
Viele  waren  schon  tot  und  trocken,  die  andern  meist  sehr  schwach, 
Dasselbe  muß  der  Agmna  passiert  sein,  die  ebenfalls  sehr  matt  w^ar. 
—  Bemerkenswert  ist  Folgendes.  Ich  hatte  den  Boden  des  Loches, 
auf  dem  ich  kniete,  schon  gut  abgesucht,  schon  alle  Käfer  aufge- 
sammelt und  entdeckte  die  Agama  zuletzt,  obwohl  sie  ganz  frei  lag 
und  an  einer  Stelle,  über  die  mein  Blick  schon  öfter  gestreift  war. 
So  gut  schützt  ihr  ziemlich  buntes  Kleid  auf  dem  sandfarbenen 
Boden.  Nach  Storch  ist  Agama  inermis  in  der  Umgebung  von 
Tripolis  häufig;  er  hatte  auch  eine  größere  Anzahl  davon. 

($  von  Dernah.)    Geschenk  des  Herrn  Ragnae  Rehndal,  Ober- 


602  Fbanz  Werner, 

Ingenieur  der  Berliner  Gesellschaft  für  drahtlose  Telegraphie,  was 
ich  bei  der  Publikation  zu  erwälmen  bitte,  da  er  mir  nur  schweren 
Herzens  sein  „Krokodil",  das  er  gern  als  Andenken  mit  heimgenommen 
hätte,  abtrat.  Gefangen  von  Rehndal  im  Frühjahr  oder  Frühsommer 
beim  Leuchtturm,  wo  die  Tiere  nach  ihm  sehr  häufig  waren.  Ob- 
wohl ich  diese  ganze  Gegend  speziell  nach  Agamen  mehrfach  und 
zu  jeder  Tageszeit  aufs  sorgfältigste  absuchte,  sah  ich  keine;  also 
jedenfalls  um  diese  Jahreszeit  (18.— 27./8.)  gut  verborgen. 

(2  SS,  1  j.  von  Bengasi.)  Unter  Steinen;  die  beiden  großen 
im  Süden  der  großen  unmittelbar  nordöstlich  der  eigentlichen  Stadt 
gelegenen  ßitterwasserlagune.  Die  im  Leben  in  bezug  auf  Farbe 
der  übrigen  Unterseite  vollkommen  übereinstimmenden  Kehlen  wurden 
erst  im  Alkohol  so  blau." 


Ob  die  A.  ritdemta  bei  Petees  (Rohlfs,  Kufra)  von:  üadi  Bu 
Naadscha;  Uadi  el  Talha;  zwischen  Audschila  und  Bengasi;  Kufra; 
dieser  Art  angehört  oder  vielleicht  doch  eher  der  spezifisch  ägypti- 
schen A.  pallida  Rss,  (die  wirkliche  A.  rudercda  Ol.  kommt  ja  als 
echt  west-asiatische  Art  nicht  in  Betracht)  muß  ich  leider  dahin- 
gestellt sein  lassen,  du  ich  die  Belegexemplare  dieser  und  anderer 
zweifelhaften  Arten  nicht  sehen  konnte,  Anderson  identifiziert  sie 
mit  inermis  Rss.,  und  in  diesem  Falle  wäre  auch  A.  pallida  Rss.  aus 
der  Fauna  des  ägyptischen  Sudan  zu  streichen  und  durch  obige  Art 
zu  ersetzen. 

Vromastidc  acanthiniiims  Bell. 

BouLENGER,  Cat.  Liz.,  Vol.   1,  p.  406  u.  Rept.  Barb.,  p.   119. 

Anderson,  p,  131,  tab.  15, 

DouMERGUE,  p.   109,  tab.   12,  fig.   la — c. 

ThileniuS,   in:   Zool.  Jahrb.,   Vol.    10,   Syst.,  p.   230,  tab.   16,  fig.    1 — 4. 

Arabisch  ,,dobb"  in  Tripolis,  „dabb"  in  Tunis.  Ebenso  wird 
auch  Uromastix  aegyptius  in  Ägypten  bezeichnet. 

Diese  Art  ist  meines  Wissens  weder  aus  Tripolis  noch  aus 
Barka  bisher  bekannt  geworden.  Herr  Dr.  Klaptocz  brachte  sie 
aus  Tripolis  (Gharian-Gebirge)  mit ;  die  Exemplare  gleichen  den  von 
mir  aus  Biskra  heimgebrachten  in  der  Färbung.  Er  sagt  darüber 
Folgendes:  „Uromastix  sah  ich  zwar  nicht  im  Gebirge,  allein  es  muß 
in  der  Umgebung  von  Gharian  gewesen  sein,  was  nicht  nur  die 
dortigen  Leute  sagten,  sondern  auch  daraus  hervorgeht,  daß  ich  in 
2  Tagen  3  Stück  bekommen,  andere  Tiere  aber  gar  nicht." 


Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  603 

IL  acantliinurus  ist  in  der  alg'erischen  und  tunesischen  Sahara 
anscheinend  nirg-ends  sehr  selten,  dao^egen  in  Ägypten  nur  in  ver- 
einzelten Exemplaren  bekannt  geworden;  er  ist  auch  in  Nubien 
(Wadi  Haifa,  ferner  Wüste  zwischen  Ambukol  und  Dongola)  ge- 
funden worden  sowie  auf  der  Sinai-Halbinsel  (Steixdachnee). 

Im  Gebirge,  das  die  Stadt  Dernah  im  Süden  begrenzt,  dürfte 
nach  Herrn  Dr.  Klaptocz  ebenfalls  Uromastix  vorkommen.  Er  er- 
fuhr darüber  Folgendes:  „Mir  erzählten  die  Herren  Ingenieur 
Nikolaus  Tauber  und  Johannes  Rom,  Angestellte  der  Berliner  Ge- 
sellschaft für  drahtlose  Telegraphie,  die  zu  jener  Zeit  schon  beinahe 
2  Jahre  in  Dernah  weilten,  daß  sie  bei  einem  Spaziergange  süd- 
westlich von  der  Stadt  im  Gebirge  eine  große  Eidechse  sahen,  welche  in 
eine  scheinbar  blinde  Felsspalte  floh;  obwohl  sie  sie  beim  Schwanz, 
der  ihnen  durch  seine  Stärke  sowie  durch  die  Stärke  seiner 
Schuppenpanzerung  auffiel,  erwischten  und  daran  zogen,  stemmte 
sich  das  Tier  so  fest  ein,  daß  sie  es  nicht  herausbrachten.  Dies 
läßt  doch  nur  auf  Uromastix  schließen." 

Das  mir  vorliegende  Exemplar  aus  dem  Gharian-Gebirge  ist 
280  mm  lang  (170+110)  und  besitzt  13—13  (8+5— 5+8)  Femoralporen. 

Peters  nennt  (in  Rohlfs,  Kufra)  auch  U.  spinipes  für  Tripoli- 
tanien  (Sokna);  dieselbe  Art  wird  von  Olivier  für  die  ost-algerische 
Sahara  (Biskra)  angegeben.  Ich  bin  außerstande,  die  Richtigkeit 
dieser  Angaben  zu  bestätigen  oder  zu  widerlegen.  Anderson  führt 
den  ägyptischen  Dornschwanz  außerdem  auch  noch  für  Judäa  und 
Arabien  sowie  für  Kreta  an,  zum  mindesten  letztem  Fundort  möchte 
ich  aber  ganz  entschieden  bezweifeln.  Jedenfalls  aber  ist  das  Vor- 
kommen von  U.  aegyptius  Hasselq,  (=  spinipes  Daud.)  westlich  von 
Ägypten  nachzuprüfen;  daß  der  in  Tripolitanien  anscheinend  gar 
nicht  seltne  ü.  acantliinurus  in  der  RoiiLFs'schen  Ausbeute  nicht 
vorkommt,  läßt  mich  vermuten,  daß  er  unter  dem  Namen  spinipes 
verborgen  ist!  (Ist  auch  der  Fall,  Exemplar  nach  untersucht.  —  Anm, 
bei  der  Korr.) 

Varanidae. 

Varanus  f/riseus  Daud, 

Boulenger,  Cat.,  Vol.  2,  p.   306  und  Rept.  Barb.,  p.    121, 

Anderson,  p.  134,  tab,  16. 

Doümergüe,  p.  97. 

Thilenius,  in:  Zool.  Jahrb.,  Vol.   10,  Syst.,  p.  227. 


604 


Franz  Werner. 


Aus  Tripolis  durch  Francaviglia  bekannt  geworden  und  auch 
in  einem  Exemplare  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  mitgebracht.  Er  be- 
merkt hierzu  Folgendes:  „Stammt  aus  der  nähern  Umgebung  von 
Tripolis,  wo  er  sehr  häufig  sein  soll,  doch  habe  ich  selbst  ihn  ebensowenig 
wie  ]s[aja  im  Freien  gesehen.  Nach  Storch  kommen  sehr  große 
Exemplare  in  der  Umgebung  von  Tripolis  vor.  —  Heißt  arabisch  in 
Tripolis  wie  in  Barka  „orel"  (Ton  auf  der  letzten  Silbe)."  ^)  In  der 
westlichen  (Rio  de  Oro),  algerischen  und  tunesischen  Sahara,  in 
Ägypten  und  Nubien,  S3'rien  bis  Afghanistan,  Nordwest-Indien,  Trans- 
kaspien  und  Turkestan,  in  dem  ganzen  weiten  Gebiete  kaum  nennens- 
werte, wenn  überhaupt  merkbare  Unterschiede  aufweisend.  Das  von 
Herrn  Dr.  Klaptocz  heimgebrachte  Exemplar  mißt  76,5  mm  (340-1-425) 
und  läßt  keinerlei  Präaualporen   erkennen.    Kehle   dunkel  gefleckt. 

LacerUdae. 


Acanthoilactylas  hoskianus  Daud, 

BoüLEXGER,   Cat.  Liz.,  Vol.   3,  p.  59  und  Rept.  Barb.,  p.   129. 
Anderson,  p.  148,  tab.  20. 
DouMERGUE,  p.   148,  tab.   10,  fig.   1 — 3. 

Von    Ehumer   für    Bengasi    augegeben,    ebenda    auch    von   Dr 
Klaptocz  gefunden,  ebenso  bei  Tripolis. 


Kopf- 

Schuppen  um 

Reihen  von 

1     o 

Fundort 

Total- 

rumpf- 

die Runipf- 

Femoral- 

Halsband- 

Kielschuppen 

ü 

CO 

läuge 

länge 

mitte 

poren 

schildcheu 

zwischen  den 
Hinterbeinen 

1. 

d" 

Tripolis 

244 

79 

38  H 

h8   =46 

'   18    21 

11       1 

10 

2. 

9 

199 

77 

34- 

- 12  =  46 

21-22 

8 

10 

3. 

O^ 

Bengasi 

2122) 

76 

42  H 

h  12  =  54 

21—22 

9 

12 

4. 

cf 

195^) 

70 

42- 

- 10  =  52 

21-22 

9 

12 

5. 

^ 

9 

72 

40^ 

1-  10  =  50 

,   22—23 

9 

12 

6. 

9 

J5 

1,53 

58 

— 

I   22—22 

!       10 

12 

1.  Hinterbein  reicht  zwischen  Halsband  und  Ohröfifnung;  Grund- 
farbe gelblich-weiß  mit  6  braunen,  sehr  deutlichen  Längsstreifen. 

2.  Hinterbein  erreicht  Achsel;   Färbung  wie  voriges  Exemplar. 

3.  Hinterbein    erreicht    Ohröffnung;    Färbung    hellrötlich-braun 
mit  grauen  Fleckenbinden;  Schwanz  und  Hinterbeine  grau. 


1)  In  Tunis  (nach  Thilenius)   „urel",  in  Ägypten   „waral  (el  ardh)' 
Igerien   „Ouaran". 

2)  Schwanz  regeneriert. 


Eeptilien,  Batrachier  luid  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  605 

4.  Hinterbein  erreicht  Oliröffnung-.  Hellbraun,  an  den  Seiten 
mehr  rötlich,  ohne  merkbare  Zeichnung-.  Links  3  Supralabialia 
vor  dem  Suboculare;  Scliwanz  3]nal  regeneriert. 

5.  Hinterbein  reicht  etwas  über  die  Ohröftnung  hinaus.  Hell- 
braun mit  dunkelbraunen  Fleckenbinden. 

6.  Hinterbein  reicht  zwischen  Ohrötfnung-  und  Halsband.  Ober- 
seite g-rau  mit  olivent^riinen  Längsstreifen;  Schwanz  und  Hinter- 
beine grau. 

Ferner  4  Junge  aus  Bengasi  mit  der  charakteristischen,  tief- 
schwarzen Zeichnung  auf  weißem  Grunde,  87  mm  lang  (davon 
29  mm  auf  die  Kopfrumpflänge  entfallend). 

A.  hosJdanus  ist  von  Süd-Algerien  bis  Ägypten  und  Nubien, 
ferner  über  Abessjmien,  Arabien  und  Syrien  verbreitet  und  überall, 
wo  er  vorkommt,  eine  der  häutigsten  Arten  überhaupt.  Durch  die 
rote  Färbung  der  Schwanzunterseite,  die  sich  auch  bei  den  Er- 
wachsenen zuweilen  erhält,  sowie  die  scharfe  schwarzweiße  Längs- 
streifung  sind  die  Jungen  sehr  auffällig. 

„Größer  als  A.  scutellatus,  nach  Stokch  das  seltenste  Reptil  der 
Tripolitaner  Gegend.  Dies  stimmt  wohl  nicht.  In  der  unmittelbaren 
Umgebung  von  Tripolis  scheint  die  Art  nicht  vorzukommen.  Storch, 
der  übrigens  nicht  selbst  sammelt,  sondern  vielmehr  alles  von  Ein- 
geborenen kauft,  bekam  diese  Art  aus  der  Gegend  von  Suara,  nicht 
weit  von  der  tunesischen  Grenze,  22  Reitstunden  von  Tripolis.  — 
Ich  fing  die  beiden  Exemplare  am  23.  Juli  1906  in  dem  Teil  der 
ausgedehnten,  von  den  Eingeborenen  Endschila  genannten  Gegend, 
der  etliche  Kilometer  (5  oder  mehr)  südlich  von  Sansur  (Zensur)  — 
dieser  Ort  20  km  genau  westlich  von  Tripolis  —  liegt.  Diese 
•Gegend,  die  im  Winter  großenteils  einen  See  bilden  soll,  ist  an 
Haifa  und  schilfartigen  Gräsern  sehr  reich.  Hier  fing  ich  1  Exemplar 
um  die  Mittagsstunde,  das  andere  um  3  Uhr  an  einem  sehr  heißen 
Tage,  außerdem  sah  ich  noch  einige  (1 — 3)." 

Acantlioddctyhis  jHii'dalis  Licht. 

BoULENGER,  Cat.  Liz.,  Vol.  3,  p.  65  und  Rept.  Barb.,  p.   13L 
Anderson,  p.  151,  tab.  21. 

DOUMERGUE,   p.    160,    tab.    11. 

Dieses  ist  jedenfalls  die  von  Rizzardi  aus  Tripolis,  von  Rhumer 
aus  Bengasi  als  A.  Uneomacidatus  angeführte  Art.  Herr  Dr.  Klaptocz 
brachte  sie  ebenfalls  von  dort  mit,  wie  auch  1  junges  Exemplar 
von  Gherran. 

Zool.  Jahrb.  XXVH.    Abt.  f.  Syst.  39 


606  Franz  Werner, 

1.  S]  Totallänge  122  mm,  Kopfrumpflänge  51  mm;  Femoralporea 
21 — 23;  Halsbaiidscliildclien  14. 

2.  ? ;  Kopfrumpflänge  60  mm ;  Femoralporen  20 — 20 ;  Halsband- 
schildchen  10. 

3.  ?;  Totallänge  141  mm;  Kopfrumpflänge  61  mm;  Femoral- 
poren 19 — 19;  Halsbandschildchen  9. 

Bei  dem  c?  erreicht  das  Hinterbein  zwischen  Achsel  und  Ohr- 
öffnung, bei  dem  1.  ?  bis  zum  Halsband,  beim  2,  bis  zur  Achsel- 
höhle. Die  beiden  jungen  SS  aus  Bengasi  bzw.  Gherran  besitzen 
23 — 22,  bzw.  19 — 18  Femoralporen.  Ventralen-Längsreihen  durchweg 
12.     Bei  dem  S  reicht  das  Suboculare  bis  zum  Oberlippenrand. 

Färbung:  J  oberseits  hellgraugelb,  mit  gelblich-weißen,  schwarz 
gesäumten  Flecken  in  4  Längsreilien,  die  durch  schwarze  Quer- 
liecken  mehr  oder  weniger  vollständig  verbunden  sind;  1  ?  hellrot- 
braun, mit  hellgelbbraunen  Flecken  und  in  Längsreihen,  dazwischen 
schwarze  Flecken ;  1^  $  hellgraubraun ;  am  Nacken  Spuren  weißlicher 
Längsstreifen;  sonst  nur  mit  schwarzen  Querflecken  oder  weit- 
maschiger Reticulation.  Die  Jungen  mit  hellbräunlich-grauer  Längs- 
streifung  noch  deutlich,  dazwischen  leiterartig  schwarze  Querflecken. 

Verbreitung:  Algerien  bis  Ägj^pten,  Syrien,  Somaliland. 

Acantliodactylus  scutellatus  And. 

BouLENGEE,  Cat.,  Vol.  3,  p.  64  und  Rept.  Barb.,  p.   130. 
Anderson,  p.  161,  tab.  22. 
DoumeeCtUE,  p.   152,  tab.   10,  fig.  4 — 7. 

Von  RoHLFs  in  Sokna  und  Kufra  gefunden;  von  Tripolis  führt 
ihn  Feancaviglia  an;  Herr  Dr.  Klaptocz  brachte  von  Tripolis 
17  Exemplare  (10  Erwachsene  und  7  Junge)  mit.  Von  den  erstem 
sind  4  einfarbig  oder  mit  weißen  Flecken  in  Längsreihen  an  den 
Seiten  oder  mit  undeutlichen  Längsstreifen  (nur  $?),  6  mehr  oder 
weniger  dicht  dunkel  punktiert  {b  SS,  1  ?)•  Nachstehend  eine 
Übersicht  über  die  wichtigsten  morphologischen  Charaktere. 

Bei  No.  5,  7  und  10  ist  zwischen  dem  2.  und  3.  Supraoculaie 
und  dem  Frontale  jederseits  ein  kleines  dreieckiges  Schildchen  ein- 
gekeilt. Bei  No.  1  ist  das  5.  Supralabiale  rechts  vertikal  halbiert, 
daher  berühren  4  Supralabialia  (4.-7.)  das  Suboculare. 

Die  Jungen  sind  bis  98  mm  lang  (Kopfrumpf länge  34  mm); 
Oberseite  mit  Längsfleckenbinden,  Gliedmaßen  mit  großen  runden 
weißen  Tropfenflecken. 

A.  scutellatus  hat  eine  sehr  weite  Verbreitung,  von  Senegambieu 


Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka. 


607 


4J 

1     o 

Femoral- 

Hals- 
bau d- 

Ven- 

1.     1      4.  ' 
Sn])raocnlare 

Hinterbein  reicht 

Total- 

Kopf- 

runipf- 

OS 

poreu 

schild- 

tralia 

auf<>'elüst 

bis 

länge 

o 

OQ 

chen 

in  Stücke 

länge 

1. 

c/' 

23—24 

15 

12 

2-1 

■  >     •} 

zwischen    Halsband 
und  Ohröffnnug- 

181 

67 

2. 

cT 

21—22 

U) 

14 

1-1 

2—2 

zur  Ohröffiiuiii;- 

174 

65 

3. 

cT 

21—22 

11 

14 

2—3 

2-3 

168 

60 

4. 

o^ 

22—22 

9 

12 

2—2 

2—2 

zwischen    Halsband 
und  Ohroifnung 

162 

62 

0. 

o^ 

19-20 

10 

1 

12 

4—5 

2-5 

über   das   Halsband 
hinaus 

149 

65 

6. 

9 

21—20 

8 

12 

1-1 

2    2 

über   das   Halsband 
hinaus 

155 

57 

7. 

9 

21—21 

11 

12 

2—2 

4-4 

zum  Halsband 

147 

55 

8. 

9 

22—23 

12 

12 

2—2 

2-4 

über   das   Halsband 
hinaus 

143 

55 

9. 

9 

22—23 

11 

12 

1—2 

3—1 

zur  Achsel 

— 

56 

10. 

9 

21—24 

10 

12     ' 

3—3 

2—3 

zum  Halsband 

— 

56 

clurcli  die  Sahara  bis  Ägypten  und  Niibien  und  Somaliland,  sowie 
die  Sinai-Halbinsel  und  Syrien ;  er  ist  ein  echtes  Wüstentier,  während 
die  beiden  andern  Arten  mehr  oder  weniger  auch  in  Kulturland 
vorkommen. 

Den  Notizen  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  entnehme  ich  folgende 
Bemerkungen :  „Diese  Eidechse  ist  das  gemeinste  Reptil  in  der  Um- 
gebung- von  Tripolis,  aber  nur  in  sehr  trockener  Gegend  auf  Sand 
oder  etwas  lehmigem  Boden,  wie  eben  die  ganze  Umgebung  von 
Tripolis  ist,  in  der  Oase  nicht;  das  auffallendste  Tier  überall,  wo 
es  vorkommt,  da  es  an  solchen  Plätzen  immer  in  großer  Zahl  (aber 
nicht  beisammen)  zu  treffen  und  am  Morgen  wie  auch  in  der  heißesten 
Julimittagsonne  zu  sehen  ist.  Bei  seiner  unscheinbaren  Färbung 
hauptsächlich  dadurch  auffallend,  daß  es  immer  beizeiten  ausreißt 
und  in  rasendem  Lauf  (man  muß  sich  anstrengen,  wenn  man  größere 
Exemplare  im  Lauf  einholen  will)  davonschießt.  Aber  auch  im 
eiligsten  Lauf  vermag  es  noch  rechts  oder  links  auszubiegen  oder 
in  ein  Loch  (oft  wohl  ein  fremdes,  in  der  Regel  aber  sein  eignes) 
zu  verschwinden,  dem  es  schon  von  weitem  zusteuert. 

Ausgraben  kann  man  es  in  der  Regel  ohne  besondere  Werk- 
zeuge nicht,  aber  nicht  etwa,  weil  die  Löcher  zu  tief  sind,  sondern 
deshalb,  weil  das  Bodenmaterial  nachrutscht  und  es  dann  meist  sehr 
schwer  wird,  die  Löcher  weiter  zu  verfolgen. 

Mit  Vorliebe  bewohnen  die  Tiere  kleine,  etwa  1  m  hohe 
Hügelchen,  die  durch  Gräser  und  andere,  aber  durchwegs  niedrige 
unscheinbare  Pflanzen  etwas  gefestigt  sind  und  in  sandiger  Um- 
gebung liegen." 

39* 


608 


Franz  Werner, 


Ereniias  f/uttulatci  Licht. 

BOULENGER,  Cat.  Liz.,  Vol.  3,  p.  87  und  Rept.  Barb.,  p.    132. 
Anderson,  p.  174,  tab.  23,  fig.  3 — 4. 
DOUMERGUE,  p.   198,  tab.   15,  fig.   la,  b. 

Bisher  erst  durch  Rohlfs  aus  Tripolitanien  nachgewiesen  (Sokna). 
Herr  Dr.  Klaptocz  fand  sie  bei  Bengasi  (8  Elxpl.)  und  Dernah 
(2  Expl.);  die  letztern  sind  juuj^.  —  Weit  verbreitete  Art:  Marokko 
bis  Ägypten,  Syrien  und  Arabien  bis  Sind. 

Übersicht   der  Exemplare. 


Fundort  u.  Größe 

(Total-  u.  Kopf- 

rumpf  länge) 


Femoral-  Halsband-     Supra- 
poren     hschildchen,    labialia 


Färbung 


1. 


2. 
3. 


5. 
6. 

7. 

8. 


10. 


B  e  n  g  a  s  i 
155  mm  (51) 


110  mm  (47) 
108  mm  (46) 

99  mm  (46) 

96  mm  (33) 
?        (34) 

?        (33) 

52  mm  (26) 

Dernah 


11—11 

12 

10—10 
12—11 

'1 

6 
6 

'  10-11 

6 

11—11 

j  11—10 

8 
10 

1  11—10 

10 

11—10 

? 

13-12 

12 

13-13 

14   1 

5-5 


4—4 
4—5 

5-4 

4—4 
5-4 

4—4 

4-4 


4—4 


ziemlich  dunkelbraun,  mit 
blaßgekernten  Augenflecken 
in  zahlreichen  Läugsreiheu 
auf  den  gewöhnlichen  dunklen 
Längsstreifen,  die  nicht  scharf 
begrenzt  sind 

ähnlich  vorigem  Exemplar 

Lichter  als  vorige;  Streifung 
etwas  deutlicher 

sehr  hell,  Streifen  und  Flecken 
sehr  undeutlich 

licht,  mit  undeutlichen  Streifen 
und  deutlichen  Flecken 

licht,  nur  mit  4  Längsstreifen, 
heller  und  dunkler  braun 

deutlich  und  scharf  gestreift, 
ohne  Flecken 


hellgrau  mit  deutlicher  Strei- 
fung und  vuideutlichen 
Flecken 

ebenso,  aber  Flecken  deutlich 


Erefnias  riihropnnctata  Licht. 

BouLENGER,  Cat.  Liz.,  Vol.  3,  p.  89. 
Anderson,  p.  183,  tab.  23,  fig.  5  —  6. 

Von  Rohlfs  aus  Sokna  mitgebracht,  sonst  bisher  aus  dem  Ge- 
biete nicht  bekannt  geworden.  So  häufig  wie  die  vorige  Art  ist 
diese  nirgends;  von  Ost-Algerien  bis  Ägypten  und  zur  Sinai-Halb- 


Reptilieu,  Batracliier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  609 

insel  tritt  sie  ziemlich  sporadiscli  auf;  in  der  ost-alg'erisclien  Saliara 
wies  sie  A.  König  nach,  aus  dem  ganzen  Gebiete  bis  zum  Nil  ist 
Sokna  der  einzige  in  der  Literatur  mir  untergekommene  P'undort. 
Ich  selbst  habe  die  Art  trotz  dreimaligen  Aufenthaltes  in  Ägypten, 
obwohl  sie  hier  bei  weitem  am  häufigsten  sein  muß,  niemals  gefunden, 
jedoch  einmal  am  Wege  nach  Ain  Musa  (gegenüber  Suez),  also  schon 
auf  der  Sinai-Halbinsel. 


OpJiiops  eleffans  Menetr. 

BOÜLENGER,   Cat.   Liz.,  Vol.  o,  p.   75. 

Obwohl  bereits  Peteks  den  Ophiops  vom  Djebel  Tarrhona  (Bir 
Milrha)  aus  der  Koll.  Rühlfs  als  elegans  bestimmt  hat,  möchte  ich 
doch  diese  Exemplare,  auch  ohne  sie  gesehen  zu  haben,  der  nächst- 
folgenden Art  zuweisen.  Dagegen  gehören  7  Exemplare  aus  Dernah, 
die  Herr  Dr.  Klaptocz  mitbrachte,  zu  der  west-asiatischen  Art,  die 
hiermit  zum  ersten  Male  für  Afrika  nachgewiesen  ist  —  die  größte 
Überraschung,  die  uns  diese  herpetologische  Ausbeute  gebracht  hat, 
umsomehr,  als  kein  Ophiops  aus  Ägypten  bekannt  ist.  Das  größte 
Exemplar  ist  von  der  Schnauzenspitze  zum  After  30  mm  lang; 
Femoralporen  8—10;  36 — 38  Schuppen  um  die  Rumpfmitte,  davon 
8  Ventralenlängsreihen ;  6  (8)  Längsreihen  gekielter  Schuppen  zwischen 
den  Hinterbeinen,  bei  einem  Exemplare  7  (9),  der  Kiel  der  Mittel- 
reihe niedriger  als  bei  den  übrigen  Schuppen.  Die  Jungen  mit 
scharfer  Streifenzeichuung. 

Diese  Art  ist  gemein  in  Klein asien,  Syrien,  im  Kaukasus,  in 
Transkaspien  und  Persien  bis  zum  Indus-Tal ;  sie  lebt  in  buschigen, 
steinigen  Gegenden  ausschließlich  auf  dem  Boden  und  ist  nicht  sehr 
flink. 

Ophiops  Occidental is  Blxgk. 

Boulenger,  Cat.  Liz.,  Vol.  3,  p,  75,  tab.  3,  fig.  2  und  Rept.  Barb.,  p.  134. 
DoUMEEGUE,  p.   204,  tab.   15,  fig.  3a. 

Wie  bereits  bei  der  vorigen  Art  erwähnt,  rechne  ich  Peters' 
0.  elegans  vom  Djebel  Tarrhona  (Bir  Milrha)  zu  dieser  Art.  Herr 
Dr.  Klaptocz  brachte  sie  vom  Djebel  Teghrinna  (Gharian-Gebirge) 
mit;  24—28  Schuppen  um  die  Rumpfmitte;  7  Femoralporen  jederseits. 

Verbreitung:  Algerien  bis  Tripolis.  Auf  steinigem,  schwach  mit 
Gebüsch  bewachsenem  Boden. 


ßlO  Fbanz  Werner, 

Scinciclae. 

Mabuia  vittata  Oliv. 

BouLENGEK,  Cat.  Liz.,  Vol.   3,  p.   176  und  Rept.  Barb.,  p.   135. 
Anderson,  p.  193,  tab.  27,  fig.  4. 
DouMERGUE,  p.  211,  tab.  15,  fig.  4 — 5. 

Diese  Art,  welche  von  Herrn  Di*.  Klaptocz  von  Tripolis,  Bengasi 
lind  Dernah  mitgebracht  wurde,  ist  merkwürdig-erweise  in  keinem 
der  3  für  das  Gebiet  vorliegenden  Artenverzeichnisse  genannt.  Das 
Exemplar  von  Tripolis  ist  jung;  es  hat  34  Schuppen  um  die  Rumpf- 
mitte und  Frontonasale  und  Frontale  in  Kontakt;  nur  der  weiße 
Streifen  zwischen  Vorder-  und  Hinterbein  jederseits  vorhanden.  Das 
Exemplar  von  Bengasi  hat  32  Schuppenreihen,  Präfrontalia,  Fronto- 
nasale und  Frontale  in  einem  Punkt  in  Kontakt,  und  deutlich  Streifen- 
zeichnung.   Parietalauge  sehr  deutlich. 

Von  Dernah  liegen  5  Exemplare  vor. 

Totallänge    Kopfrumpf  länge 

1.  Sq.  34     182  mm  69  mm        ßsti'eifige  Form. 

2.  „     34     178  71  nur  Seitenstreifen  vorhanden. 


4.  „     33 

5.  ,.     32 


»  >? 


Bei  allen  ist  das  Frontonasale  und  Frontale  in  Kontakt,  und 
die  4.  Zehe  erreicht  die  Handwurzel.  —  Bei  diesen  Exemplaren  be- 
merkt Herr  Dr.  Klaptocz:  „In  der  Nähe  der  Station  für  drahtlose 
Telegraphie,  aber  auch  sonst,  unter  Steinen ;  auch  das  Exemplar  von 
Bengasi  fand  sich,  4 — 5  km  östlich  von  der  Stadt,  unter  einem 
größern  Stein." 

M.  vittata  ist  von  Ost-Algerien  bis  Ägypten  und  über  Syrien 
und  Kleinasien  verbreitet;  in  Ägypten  ist  sie  weit  weniger  häutig 
als  M.  quinqiietaeniata,  und  ich  habe  sie  nur  bei  Alexandrien  und 
zwar  sowohl  bei  Meks  wie  bei  San  Stefano  sowie  nächst  der 
„falschen  Pyramide"  von  Medun  im  Fayum,  hier  zwischen  niedrigen 
Pflanzen,  sehr  häufig  angetroifen. 


Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka. 


611 


Mahuia  quinquetaeniata  Licht. 

BOULENGER,  Cat.  Liz.,  Vol.   3,  p.  198. 
Andekson,  p.   1H7,  tab.  24,  fig.   1  —  3. 

Diese  aus  Nord-Afrika  sonst  nur  aus  Äg'ypten  bekannte  Art 
nenne  ich  auf  das  Zeugnis  Fkancaviglia's  hin,  der  sie  p.  35  unter 
den  von  Paxceri  in  der  Cyrenaika  gesammelten  Reptilien  anführt. 
AVenn  die  Unterscheidung-  dieser  Art  von  der  vorigen  nicht  so  leicht 
wäre,  würde  ich  trotzdem  Bedenken  tragen,  ihr  Vorkommen  westlich 
Ton  Ägypten  für  möglich  zu  halten.  Warum  übrigens  Francaviglia 
im  Jahre  1896,  also  11  Jahre  nach  dem  Erscheinen  des  Boulenger- 
sclien  Katalogs,  noch  immer  ^^Euprepes  savigmß'''  schreibt,  ist  mir 
ziemlich  rätselhaft.  Jedenfalls  bedarf  die  Frage  des  Vorkommens 
von  M.  quinciuetaemata,  die  ich  selbst  nirgends  westlich  vom  Nil 
gefunden  habe,  in  der  Cyrenaika  noch  einer  Nachuntersuchung. 


Scincus  ofßcinalis  Laue. 

Boulenger,  Cat.  Liz.,  Vol.  3,  p.  391  und  Eept.  Barb.,  p.   137. 
Anderson,  p.  205,  tab.  27. 
Doumergue,  p.  219,  tab.   17,  fig.  2. 

Djalo  (leg.  RoHLEs,  det.  Peters);  Tripolis  (leg.  Balboni,  det. 
Francaviglia).  Auch  Herr  Dr.  Klaptocz  brachte  9  Exemplare  von 
Tripolis  mit. 

Das  größte  Exemplar  ist  198  mm  lang,  also  noch  größer  als 
das  größte,  von  Francaviglia  angeführte.  Die  von  diesem  Autor 
bereits  hervorgehobene  Variabilität  in  der  Färbung  findet  sich  auch 
bei  dem  vorliegenden  Material  wieder. 


Q 

uerbinden 

Färbung 

Nackenfleck  • 

bis  zur 

Schwanzwurzel 

1. 

hellgelb 

schwarz 

8(7) 

2. 

weißlich-gelb 

» 

7 

3. 

hellgelb 

n 

7 

4. 

weißlich-gelb 

r 

7 

■5. 

hellgelb 

braun 

10  (9) 

6. 

n 

11 

6 

7. 

)5 

braun,  undeutlich 

7  (8) 

8. 

J? 

fehlt 

7  oder 

8  (undeutlich) 

9. 

11 

M 

nicht 

uuterscheidbar 

612  Franz  Werner, 

Bei  mehreren  Exemplaren  ist  die  letzte  Eückenqnerbinde  Tförmigv 
mit  dem  Läng-sbalken  des  T  nacli  liinten.  Dunkle  Querbinden  bei 
Expl.  4 — 8  mit  weißem,  die  gelben  Zwischenräume  mit  braunem 
Fleck  auf  jeder  Schuppe. 

Verbreitung:  Algerische,  tunesische  und  tripolitanische  Sahara,- 
Ägypten,  Nubien. 

Herr  Dr.  Klaptocz  berichtet  über  diese  Art  wie  folgt:  „Soll 
sehr  häufig  sein,  weniger  in  der  unmittelbaren  Umgebung  von  Tripolis 
als  vielmehr  etliche  Stunden  südlich.  Ich  sah  im  Freien  ein  einziges 
Mal  einen  (am  23./7,,  9  Uhr  Vormittag  am  Weg  Tripolis-Sansur).  der 
aber,  als  ich  noch  15  Schritte  entfernt  war,  schon  in  den  Sand 
tauchte.     Als  ich  nachgrub,  fand  ich  natürlich  nichts  mehr. 

Nach  Storch  wird  Scincus  von  seinen  „Cacciatori"  folgender- 
maßen gefangen:  Scincus  taucht  das  erstemal  nie  sehr  tief;  bloß 
wenn  er  merkt,  daß  man  ihm  nachstellt,  geht  er  tiefer  und  weiter; 
wenn  man  ruhig  bleibt,  bleibt  auch  er,  nachdem  er  einmal  ein- 
taucht, etwa  30—40  cm  tief  im  Sand  ruhig  liegen.  Die  Araber 
tauchen  nun,  wenn  sie  sich  vorsichtig  an  die  Stelle  herangeschlichen 
haben,  den  Arm  und  zwar  derart,  daß  die  Hand  die  direkte  Ver- 
längerung des  Armes  bildet,  etwas  seitlich  von  der  Stelle,  wo  das 
Tier  verschwunden,  bis  an  die  Achsel  ein,  spreizen  die  Finger  und 
wenden  überhaupt  die  Hand  so,  daß  sie  mit  dem  Unterarm  einen 
rechten  Winkel  bildet  und  ziehen  nun  den  Arm  zurück.  Dies  muß 
natürlich  alles  blitzschnell  geschehen.  Stoech's  Fänger  sollen  auf 
diese  Weise  in  kurzer  Zeit  oft  20  Stücke  fangen;  sie  sagen  auch, 
daß  sich  in  der  Regel  12 — 20  dieser  Tiere  nahe  beisammen  auf- 
halten. 


tt 


Chalcides  ocellatus  Foesk, 

BouLENGEE,  Cat.  Liz.,  Vol.  3,  p.  400  und  Rept.  Barb.,  p.    138. 

Andeeson,  p.  210,  tab.  28,  fig.   1. 

DoUMEEGüE,  p.  223,  tab.    18,  fig.   1 — 2  {Gongylus). 

Bengasi  (Rhumee,  Haimann);  Tripolis  (Feancaviglia),  Djebel 
Tarrhona  (Bir  Milrha);  Audjila  (Kohles)  —  mithin  von  allen  Autoren 
erwähnt,  welche  über  die  Herpetologie  von  Tripolis  und  Barka  etwas 
publizierten.  Herr  Dr.  Klaptocz  sammelte  die  Art  bei  Tripolis,  im 
Gharian-Gebirge,  bei  Dernah  und  Bengasi;  die  Exemplare  von 
Tripolis  gehören  der  typischen  Form  an,  die  übrigen  der  var.  tili- 
gugu  Blngk. 


ßeptilien,  Batracliier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka. 


6ia 


1 

Länge  des 

Fundort 

Dimensionen  in  mm 
Total-        Kopf- 

Schuppen- 
reihen 

Hinterbeines 
enthalten  in   der 
Entfernung    vom 

Vorder-  zum 

länge 

rumpflänge 

Hinterbeinalisatz 

Tripolis 

195 

100 

30 

2  mal 

_ 

jj 

(ji^ng) 

30 

2-/2 

schwach  gezeichnet 

» 

n 

30 

2V5 

— 

n 

)i 

30 

2 

fast  nur  Längsstreifung 

Gharian-Ge- 

202 

117 

— 

5 

Kopfschilder  dunkel  ge- 

birge 

rändert 

Bengasi 

256 

145 

32 

3 

— 

)) 

243 

125 

30 

2% 

Internasalia  verschmol- 
zen 

j^ 

174 

94 

30 

2\ 

— 

)? 

(2 

Junge) 

1 

2V«-3 

— 

Dernah 

246 

In 

32 

2'/2 

— 

n 

175 

80 

30 

2 

dunkles  Seitenband  un- 
deutlich, ohne  Augen- 
fiecken 

I) 

151 

85 

30 

2-/3 

Augenliecken  auch  auf 
dem  hellen  Seitenstrei- 
feu;  auf  der  ganzen 
Oberseite  sehr  stark 
entwickelt 

j5 

133 

75 

32 

2V, 

— 

j5 

120 

63 

32 

2Vo 

— 

5i 

107 

48 

30 

2 

Augenfleckeu  auf  den 
dunklen  Streifen  un- 
deutlich ;  Färbung  der 
hellen  Streifen  gelb- 
braun 

J5 

103 

47 

30 

2V3 

— 

J5 

92 

60 

30 

2'/.. 

— 

;? 

67 

44 

30 

^'U 

— 

Abg-esehen  von  dem  besonders  langgestreckten,  bezw.  kurz- 
beinigen Gliarian- Exemplar  sehen  wir  also,  daß  das  Verhältnis  von 
Hinterbeinlänge  zur  Entfernung  vom  Vorder-  zum  Hinterbeinansatz 
wie  1 :  1^4—3  beträgt,  und  zwar  sind  die  Gliedmaßen  bei  den  tiligugu- 
Exemplaren  im  allgemeinen  bei  den  Jungen  wenigstens  etwas  länger 
als  bei  Erwachseneu. 

Die  Walzenechse  hat  eine  enorme  Verbreitung,  indem  sie  niebt 
nur  ganz  Nord-Afrika  bis  weit  in  die  Sahara  hinein  und  bis  in  die 
Nubische  Wüste,  Abessvnien  und  das  Somaliland,  sondern  auch  einen 
großen  Teil  West- Asiens  (Süd- Kleinasien,  Syrien,  Cypern,  Arabien, 
durch  Persien  und  Mesopotamien  bis  Sind),  sondern  auch  von  Süd- 
Europa  Sardinien.  Sizilien,  Süd-Italien,  Kreta  und  Attica  bewohnt, 
von  kleinern  Eilanden  des  tyrrhenischen  Meeres  ganz  abgesehen. 


614  Franz  Werner, 

Zu  den  von  ilim  gesammelten  Exemplaren  dieser  Art  bemerkt 
Herr  Dr.  Klaptocz  wie  folgt: 

„(Exemplare  von  Tripolis.)  In  der  Mesliia  häufig;  meidet  AVüste 
und  Steppe  und  findet  sich  an  etwas  weniger  trocknen  Orten:  so 
bei  alten  Brunnen  in  den  Gräben,  wo  früher  die  Zugtiere,  welche 
den  Schöpfeimer  heraufzogen,  hinabstiegen,  auch  in  und  an  alten 
Brunnenbassins,  unter  den  großen  Schollen  der  erdigen  Garten- 
mauern und  in  diesen  selbst.  So  große  Stücke,  wie  ich  in  Bengasi 
und  Dernah  fand,  scheinen  hier  nicht  oder  selten  vorzukommen. 

(Exemplar  aus  Gharian.)  In  dem  unmittelbar  südlich  und  unter 
den  Kasr  (Kastell)  von  Gharian  gelegenen  Talkessel,  der,  von  einer 
kleinen  Quelle  bewässert,  sehr  fruchtbar  ist  und  daher  viele  Gärten 
enthält.     19./9.  1906. 

(Exemplare  aus  Bengasi.)  Auch  hier  an  halbwegs  geeigneten 
Orten  häufig  und  in  großen  Exemplaren.  Beobachtete  eines,  das  mit 
großem  Appetit  an  menschlichen  Exkrementen  herumknusperte.^) 

(Ekemplare  aus  Dernah.)  Sah  hier  auch  2  sehr  große  Stücke, 
von  denen  eines  sicher  40  cm  Länge  hatte.-)  Gemein,  namentlich  in 
der  Nähe  des  Kulturlandes  und  an  schwach  feuchten  Orten." 

Chdlcides  hoiileyigeri  Anders. 

Anderson,  in:  Proc  zool.  Soc.  London,   1892,  p.   17,  tab.   1,  fig.  1. 
Werner,  in :  Verb,  zool.-bot.  Ges.Wien,  1894,  p.84  {sepoides)midi  1897,  p.405. 
DOUMERGUE,   p.   222. 

Diese  Art  ist  bei  Tripolis,  nach  der  Zahl  der  lebend  exportierten 
Exemplare  zu  schließen,  sehr  häufig,  wurde  aber  von  Herrn  Dr. 
Klaptocz,  wohl  weil  die  geeignete  Jahreszeit  schon  verstrichen  war, 
nicht  mitgebracht.  Der  Sphenops  sepsoidcs  Reuss,  den  Rohlfs  bei 
ßir  Milrha  und  Sokna  fand  (Peters),  ist  sicherlich  unsere  Art,  die 
von  Ost-Algerien  bis  Tripolis  verbreitet  ist.  Alle  von  Boulenger 
(Rept.  Barb.,  p.  141)  angegebenen  Fundorte  von  Ch.  sepoides  And. 
beziehen  sich  zweifellos  auf  diese  Art,  die  mir  von  Tuggurth  (Ost- 
algerische Sahara),  von  Tunis  und  Tripolis  vorliegt.  Die  Original- 
exemplare Anderson's  stammen  aus  Duirat  (Tunesien).  Ob  Ch.  sepoides 
in  Algerien  überhaupt  vorkommt,  möchte  ich  bezweifeln  und  auch 
den  Fundort  „Senegambien"  auf  Cli.  splienopsiformis  beziehen. 


1)  Ich  selbst  fand  diese  Art  sowohl  bei  Athen  (Lycabettos)  als  auch 
bei  Alexandrien  (Gabari)  an  einem  Orte,  wo  menschliche  Excremente  in 
großer  Menge  abgelagert  waren. 

2)  Ob  nicht  etwa  Euincces  scJineideri  Daud.? 


Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  ßarka.  615 

Das  Exemplar  meiner  Sammlung  aus  Tripolis  ist  161  mm  lang 
(Kopfrumpflänge  100  mm,  Schwanz  regeneriert,  wie  bei  allen  meinen 
Exemplaren);  Sq.  26;  Nacken  mit  4  schwarzen  Längslinien,  von 
denen  das  innere  Paar  vom  Hinterrande  des  Frontale  über  den 
Außenrand  der  mittlem  Nackenschuppenreihe  hinzieht;  die  äußere 
Linie  vom  Nasenloch  zum  Auge  und  von  da  allmählich  sich  ver- 
lierend zum  Hinterbeinansatz;  die  10  dorsalen  Schuppenreihen 
bräunlich,  die  ventralen  weiß,  beide  Farben  durch  die  schwarze 
Seitenlinie  geschieden.  Schwanz  wie  bei  Ch.  ocellatus  gezeichnet. 
Auch  die  beiden  tunesischen  Exemplare  meiner  Sammlung  haben 
26  Schuppenreihen;  das  eine  ist  ebenso  deutlich  gezeichnet  wie  das 
tripolitanische,  mit  2  parallelen  schwarzen  Längsstrichen  auf  dem 
Frontale,  das  andere  aber  nur  schwach,  etwa  so  wie  Ch.  sepoides. 
Die  beiden  Exemplare  aus  Tuggurth  haben  26  bzw.  24  Schuppen- 
reihen. Schuppenränder  bei  beiden  etwas  dunkler,  so  daß  die  ganze 
Ober-  und  auch  Unterseite  dunkler  gestreift  erscheint;  das  eine 
Exemplar  hat  nur  diese  Zeichnung,  bei  dem  andern  aber  treten 
kleine  dunkle  Punkte  auf  den  bräunlichen  Längslinien  auf,  am 
Eücken  sehr  spärlich,  auf  der  Schwanzoberseite  aber  regelmäßig  auf 
den  Seitenrändern  zweier  anstoßender  Schuppenreihen,  so  daß  immer 
2  Punkte  nebeneinander  stehen;  die  Grundfarbe  zwischen  den  dunklen 
Längslinien  ist  deutlich  zu  weiß  aufgehellt.  Bei  dem  ungefleckten 
Exemplar  ist  das  3.  Supralabiale  jederseits  klein,  dreieckig,  zwischen 
das  1.  und  3.  eingekeilt,  den  Oberlippenrand  mit  der  Basis  berührend. 


Khiptoglossa. 

Chamaeleontidae. 

Chaniaeleon  vulgaris  Daud. 

BOULENGEE,  Cat.  Liz.,  Vol.  3,  p.  443,  tab.  39,  fig.   1   und  ßept.  Barb., 

p.   142. 
Andekson,  p.  225,  tab.  29. 
DOÜMERGUE,   p.   65. 

Werner,  in:  Zool.  Jahrb.,  Vol.   15,  Syst.,  1902,  p.  328. 
Thilexius,  ibid.,  Vol.  10,  Syst.,  p.  225. 

Arabisch  ..bokschäsch"  in  Tripolis,  ,.buje"  in  Tripolis,  „liirbaa, 
hirbaya,  gemel  el  jehud"  in  Ägypten. 

Bengasi  (Rhümer),  Uadi  Hassan  und  Uadi  Geraib,  Cyrenaika 
(Haimann),    Sokna    und    Djebel    Tarrhona    (Bir   Milrha)    (Kohles), 


6 Iß  Franz  Werner, 

Tripolis  (Francaviglia)  —  also  von  allen  Autoren  verzeichnet,  die 
sich  mit  der  Herpetologie  unseres  Gebietes  näher  befaßten.  Herr 
Dr.  Klaptocz  brachte  mehrere  Exemplare  von  Tripolis  mit  (S  175 
bis  190,  ?  180—190  mm  lang). 

Dieses  Chamäleon  ist  von  ganz  Nord-Afrika,  von  den  Canaren, 
Süd-Spanien,  Kleinasien  (mit  Chios  und  Samos),  Cypern,  Syrien,  der 
Sinai-Halbinsel  und  Arabien  bekannt. 

Während  es  aber  in  Algerien  und  weit  in  die  Wüste  vordringt, 
ist  es  in  Ägypten  nur  auf  das  Küstengebiet  des  Mittelmeeres  be- 
schränkt und  auch  hier  gar  nicht  häufig. 

Zu  den  von  ihm  gesammelten  Exemplaren  gibt  Herr  Dr.  Klaptocz 
folgende  Notizen :  „Alle  selbst  gefangen;  ein  häufiges  und  scheinbar 
überall  vorkommendes  Tier,  allen  Eingeborenen  bekannt.  Zu  einer 
andern  Jahreszeit  als  im  Sommer  und  Anfang  Herbst  soll  es  selten 
oder  gar  nicht  zu  finden  sein.  Die  vorliegenden  Exemplare  stammen 
aus  der  nächsten  Umgebung  von  Tripolis,  2  aus  Tadschura  (20  km 
östlich  von  Tripolis,  am  Ostrande  der  i\Ieshia,  d.  i.  der  Oase,  die 
auch  Tripolis  östlich,  südlich  und  westlich  umschließt,  aber  wenig 
westlich  von  der  Stadt  ihr  Ende  erreicht).  Außerdem  konnte  ich 
das  Chamäleon  nachweisen  in  Dernah  nach  einem  auf  der  Straße 
liegenden  zertretenen  Exemplar,  in  Bengasi  ebenfalls  nach  einem 
toten  Exemplar,  das  ich  aber  des  unverschämten  Preises  wegen  nicht 
nahm.  Wird  in  Tripolis  hier  und  da  zum  Fliegenfangen  gehalten. 
Von  den  von  mir  gefangenen  Exemplaren  war  gut  die  Hälfte  oder 
mehr  am  Boden,  die  andern  an  Büschen  von  weniger  als  Manns- 
höhe; 1  Exemplar  traf  ich  6  km  oder  mehr  vom  Rande  der  Oase 
südlich  von  Tripolis,  also  in  einer  Gegend,  die  zum  mindesten  im 
Sommer,  vom  Haifa  abgesehen,  sehr  wenig  Vegetation  aufweist,  am 
Boden  herum  stolzierend. 

Nach  Storch  sind  (und  damit  würden  meine  Beobachtungen 
gut  stimmen)  die  Chamäleone  weit  weniger  Klettertiere,  als  allgemein 
angenommen  wird;  soviel  ist  sicher,  daß  sie  sich  am  Boden  nicht 
langsamer  fortbewegen  als  im  Geäst.  —  Storch  sah  einmal  ein 
Chamäleon  am  Eingange  eines  Loches  im  Boden  sitzend  (aber  noch 
im  Loch  steckend),  das  nur  dann  etwas  hervorrückte,  wenn  eine 
Fliege  in  Schußnähe  kam".  ^) 


1)  Vgl.  mit  dieser  Angabe  den  Fund  eines  Chamäleons  durch  Herrn 
Prof.  A.  KÖNIG  bei  Nza-ben-Rzik  in  der  est- algerischen  Sahara,  in  einer 
(wie  ich  mich  im  Jahre  1893  überzeugte)  nahezu  vegetationslosen  Gegend. 


Eeptilien,  Batrachier  iind  Fische  vou  Tripolis  und  Baika.  617 

Ophidi.a.  ^) 

Coluhridae. 

Lytorhynchus  dkidenia  Dum.  et  Bibr. 

BOULENGER,   Cat.  Snakes,   Vol.    1,  p.  415  und  Rept.  Barb.,  p.    145. 
Anderson,  p.  271,  tab.  27,  fig.  3. 
DOUMERGUE,   p.    268. 

Tripolis  (Francaviglia).  Ich  erhielt  die  Art  ebenfalls  von  dort- 
her. Außerdem  in  ganz  Nord- Afrika  von  Algerien  bis  Ägypten,  in 
Syrien,  Arabien  und  Persien.  Die  beiden  tripolitanischen  Exemplare 
meiner  Sammlung  sind  oberseits  von  ausgesprochen  hellgelber 
Färbung  mit  40—45  dunklen  Querflecken  auf  dem  Rücken, 
während  das  Exemplar  aus  Kairo  und  das  aus  Safje  (Palästina) 
mehr  gelbgrau  sind  und  38  bzw.  36  rhombische  Eückenflecken  tragen. 

Schuppenformel. 

Präocularia 
iale  am  Auge  3 


V. 

Sc. 

Palästina 

160 

37/37+1 

5.  Supral 

Kairo 

168 

37/37+1 

5. 

Tripolis 

165 

37/37+1 

4.  u.  5. 

Tripolis 

166 

39/39+1 

1. 4.  u.  r.  5. 

Das  größte  der  beiden  Exemplare  aus  Tripolis  ist  455  mm  lang 
(Schwanz  67). 

Zanienis  alf/iriis  Jan. 

BoüLENGER,  Cat.  Snakes,   Vol.   1,  p.  408  und  Rept.  Barb.,  p.   147. 

DOUMERGUE,  p.  272,  tab.   20,  fig.  6a. 

Werner,  in:  Verh.  zool.-bot.  Ges.   Wien,   1894,  p.  85,   1897,  p.  406. 

1  Exemplar  von  Bengasi,  neu  für  das  Gebiet  (Klaptocz).  Sq.  23, 
V.  210,  Sc?  (Schwanz  fehlt  vollständig,  aber  glatt  vernarbt),  Supra- 
labialia  9  (das  5.  am  Auge);  2  Prä-,  3  Postocularia ;  Temporalia 
2  +  3;  ein  Schildchen  unter  dem  Frenale.  Von  der  Schnauzenspitze 
zum  After  46  mm  lang.  —  Die  Art  war  nur  aus  Algerien  und 
Tunesien   bekannt.     Herr  Dr.  Klaptocz  bemerkt  hierzu  Folgendes: 


1)  Eryx  jaculns,  sowohl  in  Algerien  und  Tunis  als  in  Ägypten  nach- 
gewiesen, ist  aus  Tripolis  und  Barka  bisher  nicht  bekannt,  ebensowenig 
wie  aus  Marokko.  Sie  scheint  hier  jedenfalls  nicht  häufig  zu  sein,  wie 
dies  für  ganz  Nordwest-Afrika  gelten  dürfte.  In  Ost-Algerien  sah  ich  nie 
ein  Exemplar,  während  man  in  Ägypten  ihrer  genug  haben  kann. 


618  Fkanz  Werner, 

„Aus  einem  Garten,  5  km  östlich  von  Bengasi,  von  einem  Malteser, 
Cameno,  Besitzer  jenes  Gartens,  bekommen.  Ich  selbst  sah  nur  ein- 
mal, am  4./9.  bei  Bengasi  und  zwar  etwa  6  km  nördlich  der  Stadt,  eine 
Schlange,  die  etwas  größer  als  die  vorliegende,  höchst  wahrscheinlich 
derselben  Art,  verschwunden  war.  bevor  ich  vom  Pferde  gestiegen." 

Ich  konnte  2  Exemplare  meiner  Sammlung  vergleichen.  Das 
eine,  ein  ?  von  920  mm  Totallänge  (Schwanz  225  mm)  stammt  aus 
der  west-algerischen  Sahara  (Doumergue  leg.);  Schuppenformel r 
Sq.  25,  V.  222,  Sc.  100/100+1;  Supralabialia  10,  das  6.  am  Auge; 
1  Prä-,  1  Suboculare,  3  Postocularia,  Temporalia  2-]-3.  —  Das  andere, 
aus  Tunis  stammende  (leg.  P.  Spatz)  habe  ich  schon  op.  c,  1897, 
p.  406  erwähnt;  Sq.  25,  V.  224,  Sc.  100/100-fl;  Supralabialia  9;  das  5. 
am  Auge;  sonst  wie  voriges.  Schließlich  möchte  ich  noch  auf  das 
kleine  von  mir  1893  bei  Biskra  (Fort  Türe)  gefangene  Exemplar  auf- 
merksam machen,  welches  ich  op.  c.  1894,  p.  85  beschrieben  habe  und 
welches  mit  der  Pholidose  von  Z.  algirm  die  Zeichnung  von  Z.  Mppo- 
crepis  verbindet;  diese  Form  verhält  sich  zu  der  typischen  qu er- 
gebänderten ganz  so  wie  Z.  ravergieri  Men.  zu  Z.  fedtschen'koi  Str. 
oder  wie  die  östliche  Form  von  LytorhyncJms  diadema  zur  westlichen. 

Die  Färbung  des  typischen  Z.  algirus  ist  überaus  charakteristisch; 
der  bläulich-graue  Ton  der  Oberseite,  das  breite  Nackenband,  die 
am  Rande  etwas  verschwommenen  dunklen  Zeichnungen  lassen  diese 
Art  leicht  erkennen  und  von  allen  ähnlichen  Zayncnis-kvi&n  Nord- 
Afrikas  {Z.  florulentus,  rogersi,  rhodorhacMs)  sofort  unterscheiden. 

Zamenis  florulentus  Geoffr. 

BouLENGER,  Cat.  Snakes,  Vol.   1,  p.  402. 
Anderson,  p.  256,  tab.  37,  fig.  1. 

Wird  als  Z.  ventrimaculatus  Gay  var.  florulentus  Schleg.  von 
Peters  für  Sokna  ^)  sowie  3mal  (Haimann:  Gioh';  Ehumer:  Bengasi^) ; 
Francaviglia:  Cyrenaika)  für  das  Gebiet  von  Barka  erwähnt. 

Ich  habe  aber  zu  allen  3  Angaben  kein  rechtes  Vertrauen  und 
halte  es  für  möglich,   daß   sie   sich  allesamt  auf  Z.  algirus  Jan  be- 


1)  Ich  konnte  infolge  der  Freundlichkeit  von  Herrn  Direktor  A.  Brauek 
und  Herrn  Kustos  G.  ToRNlER  (kgl.  Zool.  ]\Iuseum  Berlin)  diese  beiden  An- 
gaben nachprüfen.  Den  beiden  Herren  sei  hierfür  bestens  gedankt.  Das 
Exemplar  aus  Bengasi  ist  nichts  anderes  als  Zamenis  gcmoncnsis  Laur. 
(jung)  und  zweifellos  eingeschleppt  oder  gar  nicht  in  Bengasi,  sondern 
auf  der  Hin-  und  Rückreise  in  Italien  gefangen.  Die  Sokua-Exemplare 
sind  alginis  Jan. 


Keptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  619 

ziehen,  von  dem  wir  wissen,  daß  er  in  der  Cyrenaika  vorkommt. 
Da  Fkaxcaviglia  sclion  den  1.  Band  der  BouLENGER'sclien  Sclilang-en- 
kataloge  kennt,  so  könnte  man  zwar  annehmen,  daß  ihm  die  Unter- 
scheidnng'  beider  Arten  gelnngen  ist;  doch  möclite  ich  aucli  diese 
Art  bis  auf  weiteres  als  fraglich  für  unser  Gebiet  bezeichnen. 

Zanienis  dkulenia  Schleg. 

BouLENGEK,  Cat.  Snakes,  Vol.   1,  p.  411   und  Eept.  Barb.,  p.   148. 
Anderson,  p.  267,  tab.  38. 
DoüMEEGUE,  p.  277,  tab.  20,  fig.  8a. 

Von  ßoHLFS  vom  Uadi  ]\Iilrlia  mitgebracht  (Pcriops  parallelus 
Wagl,  bei  Peters).  Mir  lag-  kein  Exemplar  dieser  Art  aus  Tripolis 
und  Barka  vor,  doch  findet  sich  unter  den  Notizen  von  Herrn  Dr. 
Klaptocz  die  kurze  Beschreibung*  einer  Schlang-e,  die  er  bei  dem 
Händler  Storch  in  Tripolis  sah  und  die  wohl  nichts  anderes  sein 
kann  als  die  Diademschlange.  Diese  Art  ist  sehr  weit  verbreitet, 
nämlich  von  der  ost-algerischen  Sahara  über  Ägypten  und  Palästina 
bis  Nord-Indien. 

Ijex>todira  tripolitana  n,  S2>» 

Verwandt  L.  poheguini  Mocq.  von  Französisch  Guinea  und  L. 
tornieri  Ween.  von  Deutsch  Ost- Afrika,  von  beiden  Arten  durch  die 
größere  Anzahl  von  Schuppenreihen  (21)  von  ersterer  auch  durch 
den  Besitz  von  2  Präocularen,  von  denen  das  obere  das  Frontale 
berührt,  von  letzterer  durch  die  größere  Anzahl  von  Ventralen 
sowie  der  Temporalia  und  der  an  die  vordem  Kinnschilder  an- 
stoßenden Sublabialia  unterschieden. 

Rostrale  doppelt  so  breit  wie  hoch,  von  oben  deutlich  sichtbar; 
Interuasalia  kürzer  als  Präfrontalia;  Frontale  länger  als  breit,  so 
lang  wie  sein  Abstand  vom  Kostrale,  kürzer  als  die  Parietalia; 
Nasale  geteilt;  Frontale  fast  doppelt  so  lang  wie  breit;  2  Präocularia, 
das  obere  in  Kontakt  mit  dem  Frontale ;  3  Postocularia ;  Temporalia 
2-[-3,  3-|-3;  9  Supralabialia,  das  4.  und  5.  am  Auge;  3  Sublabialia 
in  Kontakt  mit  den  vordem  Kinnschildern;  hintere  sehr  klein,  in 
Kontakt.  Sq.  21,  V.  217,  Sc.  60;60-f  1.  Oberseite  mit  Einschluß  der 
Supralabialia  graubraun.  Unterseite  weiß  mit  verstreuten  grauen 
Punkten.  Sublabialia  grau;  die  3  äußern  Schuppenreihen  jederseits 
weiß,  dunkel  bespritzt;  Schwanzunterseite  mit  grauem  Längsband, 
in  der  Mitte. 

Länge  740  mm;  Schwanz  110  mm. 


(320  Franz  Werner, 

Ich  erwarb  ein  einziges  S  dieser  Art  von  Herrn  AV.  Schlüter 
m  Halle  a.  S.,  der  es  mit  andern  Schlangen  direkt  von  Herrn 
R.  Storch  in  Tripolis  erhalten  hatte.  Da  eine  Verwechslnng  oder 
ein  Irrtum  ausgeschlossen  ist,  auch  die  übrigen  mir  seinerzeit  zur 
Bestimmung  eingesandten  Schlangen  solche  sind,  welche  in  Tripolis 
sicher  vorkommen,  außerdem  diese  Art  bisher  aus  keiner  andern  Gegend 
Afrikas  bekannt  ist,  so  wage  ich  an  der  Richtigkeit  der  Fundorts- 
angabe nicht  zu  zweifeln.  Bisher  wurde  keine  Leptodira  nördlicher 
als  Sennaar  gefunden.  Die  vorliegende  Art  besitzt  auch  nur  6 
ziemlich  gleichgroße  Zähne  vor  den  beiden  Furchenzähnen,  welche 
nur  wenig  vergrößert  sind. 

Die  von  mir  in:  SB.  Akad.  Wiss.  Wien,  Yol.  116,  Abt.  1,  1907, 
p.  1876  gegebene  Bestimmungstabelle  der  afrikanischen  Leptodira- 
Arten  wäre  demnach  folgeuderweise  zu  erweitern: 

1.  Schuppen  in  21  Reihen  (Ventralia  217;  2  Präocularia,  das 
obere  in  Kontakt  mit  dem  Frontale;  Temporalia  2+3  oder  3+3; 
3  Sublabialia  in  Berührung  mit  den  vordem  Kinnschildern ;  nur 
1  Paar  von  hintern  Kinnschildern,  diese  klein) 

Leptodira  tripolitana  Wern. 
Schuppen  in  17 — 19  Reihen  2 

2.  Frenale  berührt  das  Auge  (Sq.  17,  V.  201—208,  Sc.  94—97, 
T.  1  -f- 1  +  2)  L.  duchesnei  Blngr, 
Frenale  durch  das  Präoculare  am  Auge  getrennt  3 

•3.  Mehr  als  200  Ventralia  (Präoculare  erreicht  nicht  das  Fron- 
tale) L.  icerneri  Blngr.,  L.  pobeguini  Mocq. 
Weniger  als  200  Ventralia  4 

4,  2  Präocularia,  das  obere  das  Frontale  berührend  (Sq.  17, 
V.  159,  Sc.  48;  6  Sublabialia  in  Kontakt  mit  den  vordem 
Kinnschildern;  3. — 5.  der  8  Supralabialia  am  Auge.  Rücken- 
schuppen gekielt)  L.  tornieri  AVern. 
1  Präoculare,  nicht  das  Frontale  erreichend 

L.  liotamboeia  Laur.,  L.  degeni  Blngr.  (attarensis  Wern.) 

Macroprotodon  cnciillatus  Geoffr. 

BOULENGER,  Cat.  Snakes,  Vol.  3,  p.   175  und  Rept.  Barb.,  p.   149. 
Anderson,  p.  308,  tab.  34,  fig.  5. 
DOUMERGUE,  p.   283,  tab.  21,  fig.   12a. 

In  der  Literatur  zweimal  erwähnt:  von  Rhumer  für  Bengasi 
{Coronella  [Macroprotodon]  hrevis)  und  von  Haimann  für  Bu  Mariara 
{Cyrenaika)  als  „Coronella  Joevis'-\    Ich  erhielt  die  Art  aus  Tripolis.  — 


Eeptilier,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka. 


621 


Aus  ganz  Nord-Afrika  vom  Rio  de  Oro  (West-Saliara)  über  Marokko  bis 
Ägypten,  vom  Süden  der  Pyrenäen-Halbinsel,  den  Balearen  und  Lampe- 
dusa  bekannt.  Mein  ]\Iaterial  von  dieser  Art  besteht  aus  folgenden 
Exemplaren,  von  denen  das  größte  (aus  Tunis  stammend,  leg.  Hauptmann 
G.  Veitii)  567  mm  lang  ist  (Schwanz  106  mm),  während  das  Exemi)lar 
aus  Tripolis  545  mm  (Schwanz  95  mm)  mißt.  Nachstehend  ist  auf  die 
Schu])penformel  und  Berührung  des  6.  Supralabiale  mit  dem  Parietale 
Rücksicht  genommen.  Die  Exemplare  aus  Oran,  Tunis  und  Tripolis 
sind  unterseits  einfarbig  hellgelblich,  die  übrigen  in  verschiedenem 
Ausmaße  dunkel  gefleckt,  am  wenigsten  das  aus  Constantine. 

Sc. 
49/49  +  1     6.  Supralabiale  mit  dem  Parietale 

in  einem  Punkt  in  Kontakt 
41/41  -\-l     6.  Supralabiale  vom  Parietale  ge- 
trennt 
43  43  4-1     6.  Supralabiale  mit  dem  Parietale 

in  Kontakt 
45  45  -\-l     6.  Supralabiale  vom  Parietale  in 

Kontakt 
48  48  -j-  1     6.  Supralabiale  mit  dem  Parietale 

in  einem  Punkt  in  Kontakt 
50/50  -|-  1     6-  Supralabiale  mit  dem  Parietale 

in  Kontakt 
57,57  -|-  1     6.  Supralabiale  mit  dem  Parietale 

in  Kontakt 
55/55  -f- 1     6.  Supralabiale  mit  dem  Parietale 

in  Kontakt 


Sq. 

V. 

Malaga 

21 

172 

Tanger 

21 

177 

Casablanca 

23 

160 

Oran 


Setif 


19     181 


19     180 


Constantine     19     180 


Tunis 


Tripolis 


19     174 


19     170 


CoelopeJtls  ntonspessuUuia  Heem. 

BOTJLENGER,  Cat.  Snakes,  Vol.  3,  p.  141  und  Rept.  Barbary,  p.  151  (lacertina). 
Anderson,  p.  288,  tab.  37,  fig.  4. 
DoüMERGUE,  p.   295,  tab.  22,  fig.    la. 

Uadi  Ahmar,  Negal  und  Zejana  (Cyrenaika) :  Haimann  {insignitus)  ^) ; 
P>ir  Milrha,  Sella,  Weg  zwischen  Audjila  und  Bengasi  (Rohlfs) 
{lacertina) ;  Tripolis  (Francaviglia,  Boulenger).  —  Ich  besitze  ein  ? 
aus  Tripolis  (Sq.  19,  V.  178,  Sc.  93  93  + 1).  welches  der  var.  imignita 
zugehört. 

1)  Von  Feancaviglia  aber  zu  var.  neinnayeri  gerechnet;  der  Name 
insignitus  bei  Haimann  ist  Art-,  nicht  Varietätsname.  Alle  Exemplare 
aus  Tripolis  sind  echte   insignitus. 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  40 


G22  Franz  Werner, 

Ein  ?  derselben  Varietät  (Sq.  19,  V.  174,  A.  11,  Sc.  99  99  +  1) 
braclite  auch  Herr  Dr.  Klaptocz  von  Tripolis  mit;  es  ist  480  + 
168  mm  lang-. 

Verbreitung:  Nord-Afrika  (Rio  de  Oro  bis  Ägypten).  West- Asien,. 
Süd-Europa  (mit  Ausnahme  fast  des  ganzen  italienischen  Festlandes). 

Er  bemerkt  hierzu  Folgendes:  „Südwestlich  von  Tripolis,  1  bis 
1^/,  km  vom  Rande  der  Mesliia  (16./7.  1906,  10  Uhr  Vormittags), 
scheuchte  sie  auf,  als  ich  sammelnd  einen  Haifabestand  abtrat.  Sehr 
schnell,  lebhaft  und  gewandt.  Scheint  die  häufigste  Schlange  bei 
Tripolis  zu  sein;  nicht  nur  die  einzige  lebende  Schlange,  die  ich 
hier  sah,  sondern  auch  die  einzige  tote,  die  ich  fand,  und  zwar  in 
der  Meshia  an  einer  Gartenmauer,  wo  sie  jedenfalls  Araber  hin- 
geworfen; da  sie  bereits  stank,  verwertete  ich  sie  als  Igelfutter. 
Stoech  hatte  viele." 

Coelopeltis  nioüensis  Rss. 

BouLENGEK,  Cat.  Snakes,  Vol.   3,  p.   143  und  Rept.  Barb.,  p.   151  (pro- 
ducta). 
Anderson,  p.  292,  tab.  40. 
DouMEEGUE,  p.   300,  tab.  22,  fig.  2a  {producta). 

Nur  von  Kufra  (Rohles)  und  Tripolis  (Anderson)  bekannt,  je- 
doch, weil  in  der  algerischen  und  tunesischen  Sahara  ebenso 
zu  Hause  wie  in  Ägypten,  wohl  auch  in  Barka  noch  zu  finden.  Im 
allgemeinen  seltne  Art;  außer  in  Nord- Afrika  noch  in  Nubien  und 
Arabien.  Durch  die  Fähigkeit,  ihren  Vorderkörper  hoch  aufzurichten 
und  den  Hals  auszubreiten,  eine  sehr  auffallende  Schlange  (vgL 
Scherer,  in:  Bl.  Aquar.-Terr.-Kunde,  Jg.  19,  1908,  p.  19,  29,  fig. 
(gute  Abbildung). 

JPscunmophis  schokari  Rss. 

Boulenger,  Cat.  Snakes,  Vol.   3,  p.   157. 
Anderson,  p.  295,  tab.  41—42. 
Doumergue,  p.  289,  tab.  21,  fig.   13a. 

Ich  besitze  ein  Exemplar  dieser  rein  paläarktischen  x4rt  aus 
Tripolis.  Ob  die  von  Panceri  in  der  Cyrenaika  (Francaviglia,, 
p.  35)  und  von  Rohlfs  bei  Bir  Milrha  und  Kufra  gefangene  Psam- 
moiMs  sihilans^)  wirklich  zu  dieser  Art  oder  aber  zu  schoJcari  gehört,. 


1)  Die  von  RoHLES  gesammelten  Exemplare  sind  durchwegs  P.  schokari 
(vgl.   Änm.   S.   618).  —  (Anm.  bei  der  Korr.) 


Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  623 

kann  ich,  so  wesentlich  die  Beantwortung  dieser  Frage  in  zoo- 
g-eographischer  Beziehung  auch  wäre,  leider  nicht  sagen.  Psammophis 
schoJiWi  ist  vom  Rio  de  Oro  und  West-Algerien  durch  die  ganze 
Sahara  bis  Ägypten.  Xubien,  Syrien.  Arabien,  Persien  und  Sind 
verbreitet.  Wie  wohl  alle  Arten  der  Gattung,  bewegt  sie  sich 
mit  außerordentlicher  Schnelligkeit. 

]\Iein  Exemplar  hat  183  Ventralen.  Von  den  9  Supralabialen 
ist  das  5.  und  6.  am  Auge.  Das  braune  Rückenband  ist  ^L^  +  7  -|-  V^ 
Schuppenreihen  breit;  die  hellgelbe  ^Mittellinie  ist  nicht  dunkel  ein- 
gefaßt, überhaupt  seitlich  undeutlich  begrenzt,  jedoch  das  ganze 
Rückenband  mit  dunkler  seitlicher  Kinfassung.  Ein  braunes  Seiten- 
band auf  der  1. — 3.  Schuppenreihe  (\.,  +  1  +  ^  .3  Schuppenreihen  breit), 
auf  keiner  Seite  dunkel  gerändert;  eine  dunkle  Längslinie  auf  jeder 
Seite  des  Bauches  über  die  Ventralen  hinziehend;  Bauchmitte  dunkel 
punktiert.  —  Ein  ähnlich  gezeichnetes  Exemplar  erhielt  ich  von 
Herrn  Prof.  Doumergue  aus  der  west-algerischen  Sahara,  doch  ist 
die  hellgelbe  Rückenmittelzone  breiter,  die  dunkle  Einfassung  der 
Längsbänder   schärfer,   und   die  Punktierung   der  Bauchmitte  fehlt. 

jVaJa  haje  L. 

BouLENGER,  Cat.  Snakes,  Vol.  3,  p.  o74  und  Eept.  Barb.,  p.   152. 
AxDERSOX,  p.  312.  tab.  44. 
Doumergue,  p.  303,  tab.  22,  fig.  3a,  b. 
Thilenius,  in:   Zool.   Jahrb.,   Vol.   10,  Syst.,  p.   221, 

Arabisch  „buftira"  (in  Tunis);  „nahir"'  (in  Ägypten). 

Aus  der  Cyrenaika  durch  Riiumer  (Bengasi)  und  Panceei  (s. 
FßAxcAviGLiA,  p.  35)  nachgewiesen;  mitgebracht  von  Herrn  Dr, 
Klaptocz  aus  Tripolis  (Tarhuna). 

Das  Exemplar  ist  137  cm  lang,  der  Schwanz  14,5  cm  (unvoll- 
ständig), 

Schuppenformel:  Sq.  21,  19,  V.  204,  Sc.  35,35+  . .  . 

Supralabialia  7;  1  Prä-,  3  Sub-,  2  Postocularia  (links  das  3.  Sub- 
oculare  mit  dem  untern  Postoculare  verwachsen,  Temporalia  2  -(-  2 ; 
links  das  vordere  untere  mit  dem  6.  Supralabiale  verwachsen). 
Färbung  hell  grünlich-grau,  nach  hinten  die  Schuppen  an  der  Basis 
heller,  gegen  den  Schwanz  zu  direkt  hell  gelbbraun.  Unterseite  des 
Kopfes  mit  Einschluß  des  1.  Ventrale  gelblich,  dann  grünlich-grau, 
dann  nach  hinten  wieder  gelblich.  Schwanzschilder  vorn  mit  dunklem 
Rande. 

40* 


624  Fhanz  Werner, 

Ein  Exemplar  meiner  Sammlung,  von  ähnlicher  Größe,  aus  Kairo, 
zeigt  folgende  Schuppentbrmel: 

Kairo        Sq.  21,  V.  202,  Sc.  60/60  +  1. 

Vorkommen:  Nord-  und  Ost-Afrika  bis  Zululand;  Palästina,  Süd- 
Arabien. 

Herr  Dr.  Klaptocz  bemerkt  zu  dieser  Art  Folgendes :  „Die  vor- 
liegende Schlange  (von  den  17  Stück,  die  Storch  damals  hatte,  eine 
der  größern,  doch  hatte  er  nach  seinen  Aussagen  schon  viel  größere) 
so  wie  die  Mehrzahl  der  Exemplare,  die  Storch  erhält,  stammt  aus 
der  Gegend  von  Tarhuna  (südsüdöstlich  von  Tripolis,  Gebirge,  wo 
'Naja  in  der  ganzen  weitern  Umgebung  von  Tripolis  bei  weitem  am 
häuligsten  sein  soll  und  namentlich  nach  der  Ernte  sehr  oft  gesehen 
wird).  Nicht  so  häufig  ist  (nach  Storch)  Naja  in  der  Gegend  von 
Gharian.  Sie  scheint  sich  überhaupt  nur  im  Gebirge  regelmäßig 
und  in  der  nächsten  Umgebung  von  Tripolis  nicht  oder  nur  selten 
zu  finden." 

Ein  ganz  schwarzes  Exemplar  dieser  Art  aus  Tripolis  war  im 
Sommer  1908  bei  dem  Wiener  Tierhändler  Findeis  lebend  aus- 
gestellt. Da  es  außerordentlich  lebhaft  war,  so  konnte  ich  nicht 
untersuchen,   ob   es  sich  hier  nicht  etwa  um   Walterinnesia  handelte. 


Viperidae. 

Vipera  lebetina  L. 

BouLENGER,  Cat.   Snakes,  Vol.   3,  p.  487  und  Rept.  Barb.,  p.   154. 

Thilenius,  in:   Zool.   Jahrb.,   Vol.    10,   Syst.,  p.   223. 

DoUMEEGUE,  p.   310,  tab.  22,  fig.  5a,  b. 

Werner,  in:  Zool.  Anz.,  Vol.  21,  1898,  p.  218;  in:  Jahresb.  Ver. 
Magdeburg  1896  —  1898,  p.  6  (S.-A.) ;  in:  Wiss.  Mitt.  Bosn.  Herz., 
Vol.  6,  1899,  p.  19;  in:  Zool.  Jahrb.,  Syst.,  Vol.  19,  1903,  p.  344 
und  in:    SB.   Akad.   Wiss.  Wien,  Vol.    111,  Abt.    1,    1902,  p.    1102. 

SteindaCHNER,  in:  Denkschr.  Akad.  Wiss.  Wien,  Vol.  44,  p.  697,  tab.  1 
(s,  auch  Cecconi,  in:  Boll.  Soc.  Romana  Zool.,  Vol.  8,  1899, 
NiKOLSKi,  Herp.  Turanica,  und  in :  Annuaire  Mus.  St.  Petersburg, 
1899). 

SCHEEER,  in:  Bl.  Aquar.-Terr.-Kunde,  Jg.   19,   1908,  p.   109,  fig. 

Arabisch  „tagirja"  (Tunis). 

Ich  besitze  ein   erwachsenes  Exemplar  von  Tripolis;  aus  der 
Literatur  ist  mir   die  Levante-Otter  aus  Tripolis  oder  ßarka  nicht 


Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  625 

bekannt  geworden.  Ob  sie  in  Ägypten  vorkommt,  ist  nocli  immer 
zweifelhaft,  aber  Avohl  schon  mit  Sicherheit  zu  verneinen  —  in  dieser 
Beziehung  bietet  die  Verbreitung  dieser  mäclitigen  Giftschlange  ein 
Seitenstück  zu  der  von  Testudo  ihera  und  Ophiops,  welche  beide  zwar 
in  Nordwest- Afrika  und  ^^'est-Asien.  nicht  al)er  in  Ägypten  gefunden 
wurden. 

V.  lehetiua  ist  außer  in  Nordwest-Afrika  (Marokko  bis  Tripolis) 
auch  in  West-Asien  weit  verbreitet,  da  sie  in  Kleinasien.  Syrien,  auf 
Cypern  und  auf  der  griechischen  Insel  Milos,  in  Transkaspien, 
Persien,  Mesopotamien,  Afghanistan,  Beludschistan  und  Kaschmir 
gefunden  wurde. 

Das  mir  vorliegende  ?  aus  Tripolis  gehört  der  var.  descrti  Anders. 
an,  die  ich  von  var.  mimritanica  Guicu.  allerdings  kaum  unterscheiden 
kann.  Mir  liegen  zum  Vergleich  noch  mehrere  Exemplare  vor, 
nämlich  1  großes  $  der  var.  manritanica  Guich.  aus  Ain  Sefra  (West- 
Algerien).  1  ebenfalls  erwachsenes  $  der  var:  xanthina  Gray  aus 
Haifa  (Syrien),  1  Exemplar  aus  Milos,  2  {var.  hornmüllcri  W^ehn.) 
aus  dem  cilicischen  Taurus  und  1  derselben  Varietät  aus  dem  Libanon; 
außerdem  2  Köpfe  {xanthina  aus  Haifa  und  mauritanica  aus  Adana). 


Sq. 

y. 

Sc. 

Sl. 

lo. 

Ak. 

So. 

$  Ain  Sefra 

27 

171 

48/48  + 1 

11-11 

13 

17     18 

3^) 

?  Tripolis 

27 

170 

44/44  +  1 

11     11 

13 

18—17 

3 

$  Milos 

23 

154 

40/40  +  1 

10     10 

10 

15-13 

2(3) 

2  Haifa 

25 

168 

36  36  +  1 

10-11 

1  +  7  +  1 

12-13 

2 

c?  Libanon 

23 

145 

29  29  +  1 

10-9 

1  +  9  +  1 

13-13 

2(3) 

?)    Cilic.     i 

23 

156 

29  29  -1-  1 

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Das  $   aus  Tripol 

is   besitzt 

auf   hellbräunlichem 

Grunde 

sehr 

große  olivenbraune  Rücken-  und  Seitenflecken,  so  daß  von  der  hellen 
Grundfarbe  eine  Art  Kettenzeichnung  übrig  bleibt.  Dagegen  ist  das  $ 
aus  Ain  Sefra  graubraun,  mit  großen,  aber  sehr  undeutlichen  dunklem 
Rückenflecken. 


1)  Sl.  =  Supralabialia ;  lo.  ^=  Interocularia  (Zahl  der  Schuppen  von 
einem  Auge  über  die  Stirn  zum  andern) :  Ak.  =  Augenkrauz  (Schuppen 
um  das  Auge  herum) ;  So.  =  Subocularreihen  (Zahl  der  Schuppenreihen 
zwischen  Auge  und  Supralabialen). 


626  Franz  Werner, 

Cerastes  vipera  L. 

BOULEXGER,  Cat.  Snakes,  Vol.  3,  p,  503  und  Rept.  Barb.,  p.  155,  tab.  18. 
fig.  2. 

Anderson,  p.  327,  tab.  47. 

DoUMERGUE,  p.  317,  tab.   23,  flg.   2a,   b. 

Alis  Tripolis  von  Francaviglia  und  Gray  (C  rikliiei)  erwähnt; 
Herr  Dr.  Klaptocz  brachte  3  Exemplare  von  demselben  Fund- 
orte mit. 

<?  Sq.  25,  V.  110,  Sc.  22/22  +  1,  Supralabialia    10—10,    Interocular- 

reihen  11,  Augenkranzschildchen 
11—10,  Subocularreihen  3,  Schwanz- 
unterseite nicht  schwarz.  Total- 
länge 250  mm  (Schwanz  27). 

§  Sq.  27,  Y.  109,  Sc.  16/16  +  1,  Sl.  11—12,  Int.  13.  Ak.  13—11,  Siib- 

oc.  3—4.     Tot.  265  (Schw.  18). 

$  Sq.  25,  V.  106,  Sc.  18/18  +  1,  Sl.  11—11,  Int.  12,  Ak.  9-11,  Sub- 

oc.  3  —  4.  Ein  Augenbrauenschüpp- 
chen   steht  etwas  hornartig  empor. 

In  der  Sahara  von  Algerien  bis  Tripolis;  in  Algerien  gar  nicht 
Läufig,  dagegen  ziemlich  gemein  in  Ägypten. 

Nach  Storch,  wie  Herr  Dr.  Klaptocz  berichtet,  in  der  Um- 
gebung von  Tripolis,  zwar  außerhalb  der  Meshia,  aber  gleich  an 
ihrem  Eande  beginnend,  im  Sande  häufig.  Herr  Dr.  Klaptocz  sah 
im  Freien  keine,  obwohl  er  zu  den  verschiedensten  Tageszeiten  sehr 
viel  in  jenen  Gegenden  sammelte. 

Cerastes  comutus  Forsk. 

BOüLENGER,  Cat.  Snakes,  Vol.  3,  p.  502  und  Eept.  Barb.,  p.    155. 
Anderson,  p.  330,  tab.  48. 
DouMERGUE,  p.  319,  tab.  23,  fig.  3a — c. 
ThileniüS,  in:  Zool.  Jahrb.,  Vol.   10,  Syst.,  p.  223. 

Cyrenaika  (Bruce,  hier  äußerst  zahlreich). 

Djebel  Tarrhona  (ßir  Milrha),  großes  $  ohne  und  junges  S  mit 
hornartig  verlängerter  Siipraorbitalschuppe  (Kufra);  leg.  Rohlfs. 
Herr  Dr.  Klaptocz  fing  ein  hornloses  Exemplar  {var.  mutila  Doum.  $) 
am  15.  September  unmittelbar  östlich  vom  Djebel  Montrus  (etwa 
20  km  nordwestlich  von  Gharian). 


Eeptilieu,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  627 

Schuppenformel :  Sq.  33,  V.  139,  Sc.  28;28  + 1,  Suprcalabialia 
13—12,  Interocularia  18,  Augenkranzschildchen  16—16,  Subocular- 
reilien  5.  Eine  Schuppe  in  der  2.  Längsreihe  der  Interorbitalschuppen 
jederseits  kegelförmig,  etwas  vergrößert;  auf  der  Schnauze,  vor  den 
Augen,  ein  Paar  ähnlicher  kleiner  Hörnchen. 

Oberseite  deutlich  dunkel  gefleckt;  Schwanzspitze  schwarz. 

Totallänge  405  mm,  Schwanz  40  mm. 

Von  West-Algerien  durch  die  ganze  algerische  und  tunesische 
Sahara  bis  Tripolis,  wahrscheinlich  weiter  durch  Barka  und  die  ganze 
Libysche  Wüste  verbreitet,  in  Ägypten  entschieden  seltner  als  die 
vorige  Art,  dagegen  in  Ost-Algerien  nach  meinen  Erfahrungen  das 
Umgekehrte  der  Fall.     Außerdem  in  Palästina,  Nubien  und  Arabien. 

Über  den  Fang  des  vorliegenden  Exemplars  berichtet  Heri-  Dr. 
Klaptocz  wie  folgt.  „Unter  einem  mittelgroßen  Stein.  Blieb,  als 
dieser  umgewälzt,  obwohl  jetzt  ganz  unbedeckt,  etliche  Minuten 
ruhig  liegen,  bis  ich  die  Zange  und  ein  großes  Spiritusglas  bei  der 
Hand  hatte,  und  dies,  obwohl  mehrere  Personen  herumstanden.  Mit 
der  Zange  hinter  dem  Kopf  gepackt,  erwies  sie  sich  trotz  ihrer 
gelungen  Größe  sowie  in  Anbetracht  der  sonstigen  Unbehilflichkeit 
der  Vipern  als  sehr  gewandt  und  sehr  kräftig.  —  Nach  der  Aussage 
der  Eingeborenen  im  Gebirge  nicht  selten  (dies  sagen  sie  übrigens 
bei  allen  Tieren,  auch  bei  solchen,  die  sie  das  erstemal  zu  sehen 
scheinen).  Arabischer  Name:  „lefa  bin  kurün"  (Schlange  mit 
Hörnern)."  —  In  der  algerischen  und  tunesischen  Sahara  wohl  all- 
gemein als  „lefa"  kurzweg  bekannt. 

Echis  ccuHnatus  Schn, 

BouLENGER,  Cat.  Snakes,  Vol.  3,  p.  505  und  Rept.  Barb.,  p.   155. 
Andeeson,    p.   336,   tab.   49    und    in :    Ann.  Mag.  nat.  Hist.  (7),   Vol.   6, 

p.  419. 
DoüMEEGUE,  p.   322,  tab.   22,  fig.   7a. 

Cyrenaika  (leg.  Panceri,  teste  Francaviglia,  p.  35).  Da  diese 
Art  sowohl  in  der  ost-algerischen  und  tunesischen  Sahara  wie  in 
Ägj'pten  vorkommt,  so  zweifle  ich  nicht  daran,  daß  sie  auch  in 
Tripolis  zu  Hause  ist.  Sie  ist  im  allgemeinen  in  Nordwest-Afrika 
nicht  häufig,  etwas  mehr  in  Ägypten,  findet  sich  ferner  in  Nubien 
und  Kordofan,  in  Arabien.  Trauskaspien,  Persien,  Afghanistan, 
Beludschistan,  Vorderindien  sowie  in  Togo,  Abessynien  und  Soniali- 
land.  In  Indien  ist  sie  unter  dem  Namen  „Phoorsa"  eine  der  ge- 
fürchtetsten  Giftschlangen. 


628 


Franz  Werner, 


Sonstige 
Verbreitung 

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Rio   de  Oro,  West- 
Asien,  Türkei,  Ru- 
münieu 

Palästina,  Arabien, 
Sudan,  Somaliland, 
Kamerun 

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West- Asien  bis  Sind, 
Süd-Europa 

Süd-Europa      (fehlt 
auf    der    Balkan- 
Halbinsel) 

Rio  de  Oro,  Nubien, 
Sinai-Hulbinsel 

Palästina    bis   Sind 
und  Transkaspien 

Palästina,  Arabien, 
Nubien,  Abessynieu 

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Reptilien,  Batracbier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka. 


629 


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630 


Franz  Werner. 


Sonstige 
Verbreitung- 

Süd-Spanien,  Klein- 
asien, Syrien,  Ara- 
bien, Teneriffa 

West-Asien,     Grie- 
chenland,   Türkei, 
Dobrudscha 

Syrien,    Arabien, 
Persieu 

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Syrien     bis    Nord- 
Indien 

Rio  deOro,  Balearen, 
Lanipedusa,  Pyre- 
näen-Halbinsel 

Rio    de   Oro,    Süd- 
Europa  (auLler  Ita- 
lien), West-Asien 

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Ägypten 

Barka 

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Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka. 


631 


Rio   de  Oro,    Palä- 
stina und  Arabien 
bis  Sind,  Nubien 

Ost-Afrika          von 
Nubien   bis    Zulu- 
land, Syrien,  Ara- 
bien 

West-Asien    bis 
Kaschmir,  Milos 

Syrien,    Nubien. 
Arabien 

Nubien,     Kordofan, 
Abessynien,       So- 
nialiland,       Togo, 
West- Asien       von 
Arabien  bis  Vorder- 
indien 

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632  Franz  Werner, 

Einige  allgemeine  Benierkiuigen  über  die  Reptilien-Fauna 

von  Tripolis  und  IJarka. 

Aus  der  Ziisammensetziiiig  der  Reptilien-Fauna  der  beiden  oben- 
o-enannten  Länder  g-eht  deutlich  hervor,  daß  sie  eine  entsclüeden 
größere  Verwandtschaft  mit  der  Mauretaniens  als  mit  der  Ägyptens 
besitzt.  Wenn  wir  von  denjenigen  Arten  absehen,  die  quer  durch 
ganz  Nord- Afrika,  von  Marokko  oder  wenigstens  Algerien  bis 
Ägypten  verbreitet  sind  (und  es  gehören  die  meisten  bisher  aus  dem 
Gebiete  bekannt  gewordenen  Arten  hierher),  so  finden  wir  in  dem 
Rest  der  sicher  nachgewiesenen  Arten  vorwiegend  echte  Nordwest- 
Afrikaner:  Ophiops  occidentalis,  Chalcidcs  honlengeri,  Zamenis  ahjirus; 
ferner  2  Arten,  die  zwar  außer  in  Nordwest-Afrika  noch  in  West- 
Asien  zu  Hause  m^d  (Viperalebetina,  Testudo  ibera),  aber  in  Ägypten 
bisher  nicht  gefunden  wurden;  schließlich  2  Arten,  die  bisher  aus 
Nord-Afrika  überhaupt  nicht  bekannt  waren,  nämlich  Ophiops  elegans, 
eine  west-asiatische,  und  Lepiodka  fripolitana,  eine  einer  äthiopischen 
Gattung  angehörige  Art.  Was  auf  Übereinstimmung  mit  Ägypten 
hinzuweisen  scheint  (Mahuia  quinqiietaeniata ,  Uromastix  spinipes, 
Zamenis  florulentus,  Fsammophis  sibilans),  ist  zu  unsicher,  um  ernst- 
lich in  Betracht  gezogen  werden  zu  dürfen. 

Eher  dürfte  das,  was  in  Tripolis  und  Barka  fehlt,  als  ägyptischer 
Charakterzug  des  tripolitanisch-cyrenaischen  Gebietes  angesehen 
werden  können,  so  das  Fehlen  von  Lacerta,  Psatnmodromus ,  Ernys, 
Clemmys,  der  Amphisbaenen  und  Coronellen.  Eine  wirkliche  Kluft 
ist  zwischen  Mauretanien  und  Ägypten  aber  immerhin  in  einigen 
wenigen  Fällen  zu  bemerken,  indem  Arten,  die  in  beiden  Ge- 
bieten in  verschiedenen  Formen  auftreten,  in  Tripolis  und  Barka 
ganz  fehlen.  Dies  gilt  z.  B.  für  Flyodadylns  hasselquisti  Donnd., 
dessen  algerische  Form  oudrii  Lat.  von  den  ägj^ptischen  durch  das 
ganze  gewaltige  Gebiet  vom  Auresgebirge  bis  zum  Nil  getrennt  ist; 
ebenso  ist  zwischen  dem  Gebiete  des  mauretanischen  Tropidonoius 
viperinus  und  dem  des  west-asiatischen,  bis  Unterägypten  verbreiteten 
T.  tessellatus  in  der  ganzen  Breite  der  beiden  Länder  bisher  kein 
Tropidonotus  gefunden  worden.  Wenn  man  bedenkt,  daß  beide  Arten 
einem  Typus  der  Gattung  angehören,  der  in  Afrika  sonst  gänzlich 
fehlt,  so  scheint  mir  dies  dafür  zu  sprechen,  daß  dieser  Typus  ein 
wesentlich  und  ursprünglich  holarktischer  ist,  wie  Colnher,  Coronella, 
Zamenis  und  Vipern,  von  denen  Coluher  Afrika  gar  nicht, 
Coronella   nur   im  Nordwesten.   Zamenis  im   Norden   und   Nordosten 


Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  633 

besiedelt  hat,  während  die  Viperiden  freilich  von  dem  ganzen  Erd- 
teil Besitz  ergriffen,  aber  hier  mehrfache  Umbildungen  erfahren 
haben.  Wenn  wir  Steomee  darin  zustimmen,  daß  wir  die  Urheimat 
einer  Formengruppe  dort  zu  suchen  haben,  wo  zusammenhängende 
Reihen  gefunden  w^urden,  so  dürfen  wir  die  Paläarktis,  wo  für  die 
Viperinen  eine  rezente  Stammesreihe  von  seltner  Vollständigkeit 
vorliegt,  als  ihre  Ih'heimat  annehmen. 

Es  erscheint  mir  nicht  unwahrscheinlich,  daß  eine  kleine  An- 
zalil  jetzt  ägyptischer  Reptilien  im  alten  Ägypten  noch  gar  nicht 
existierte,  sondern  erst  später  aus  Syrien  bzw.  Arabien  einwanderten. 
Ich  meine  hier  Ayama  stcUio,  Chamaeleon  vulgaris  und  Testudo  leithi. 
Keines  dieser  Tiere  erscheint  auf  den  zahlreichen  Abbildungen  in 
den  Tempeln  und  Höhlengräbern  des  alten  Ägyptens  dargestellt, 
obwohl  sie  auffallend  und  niclit  leicht  zu  übersehen  sind.  Ägama 
stellio  gehört  einer  Gruppe  der  Gattung  Ägama  an,  die  sonst  aus- 
schließlich auf  West-  und  Mittel- Asien  beschränkt  ist;  der  Hardun 
ist  ausschließlich  auf  die  Mittelmeerküste  beschränkt  und  ist  nie- 
mals auch  nur  ins  Delta  vorgedrungen,  obwohl  er  sicherlich  bereits 
jahrhundertelang  in  Ägypten  einheimisch  ist;  ebenso  hat  er  an- 
scheinend niemals  sein  Verbreitungsgebiet  über  Ägj^pten  nach  Westen 
ausgedehnt.  —  Was  Chamaeleon  vulgaris  anbelangt,  so  könnte  es 
freilich  aussehen,  als  ob  das  Verbreitungsgebiet  dieser  Art  in  Nord- 
Afrika  ein  geschlossenes  sei.  Doch  ist  dies  nur  scheinbar.  Andeesox 
fand  sie  in  Unter-Ägypten  nur  bei  Marsa  Matru,  150  Meilen  west- 
lich von  Alexandrien,  und  es  ist  leicht  möglich,  daß  sie  hier  aus 
der  Cyrenaika  eingeführt  wurde.  Der  nächste  Fundort  im  Osten 
ist  die  Oase  Ain  Musa  in  der  Sinai- Wüste,  gegenüber  von  Suez, 
also  innerhalb  des  west-asiatischen  Verbi-eitungsgebietes  der  Art. 
Wenn  etwas  gegen  meine  Annahme  spricht,  daß  das  Cliamäleon  erst 
später  in  Ägypten  eingewandert  ist,  so  wäre  es  der  Umstand,  daß 
wir  dann  in  Ägypten  eine  Unterbrechung  des  zusammenhängenden 
Verbreitungsgebietes  annehmen  müßten;  dies  gilt  aber  sicher  ebenso 
für  Vipera  Ichetina  und  Testudo  ibera,  die  in  West- Asien  und  Maure- 
tanien, nicht  aber  in  Ägypten  leben,  ebenso  wie  für  manche  lusecten, 
wie   die   Orthopteren-Gattungen  Famphagus   und  Sphodromerus  u.  a. 

Was  schließlich  Testudo  leithi  anbelangt,  so  ist  auch  sie  eine 
Küstenbewohnerin  in  Ägypten  und  dabei  die  einzige  Schildkröte  des 
Landes  neben  Triomjx  triunguis.  Während  wir  aus  dem  Miocän  und 
Eocän  von  Ägypten  cryptodire.  noch  mehr  aber  pleurodire  Schild- 
kröten  in  ziemlicher  Anzahl  kennen,   sind,   beide   heute   im  größten 


634  Franz  Werner, 

Teil  des  Landes,  von  der  MittelmeevkUste  bis  Dongola,  wo  T.  cakarata 
lebt,  ausg-estorben,  wohl  im  Zusanimeiihange  mit  der  zunehmenden 
Entwässeruno^ ,  die  die  völlige  Vernichtung  der  pleurodiren  Schild- 
kröten zur  Folge  hatte.  Immerhin  scheint  es  aber  möglich,  daß  gerade 
T.  leithi  einen  letzten  Kest  der  alten  Landschildkröten-Fauna  Ägyptens 
darstellt  und  dem  Wassermangel  verhältnismäßig  gut  Widerstand 
leisten  kann,  da  sie  ja  nicht  nur  von  der  arabischen  Westküste 
bekannt  ist,  sondern  auch  in  der  Sahara  vorkommt,  im  Falle 
Anderson  im  Recht  ist,  wenn  er  auch  die  ,,Tcstudo  graeccr^  von  Peters 
(welche  Rohlfs  im  Uadi  Tessina  sammelte)  auf  diese  Art  zurückführt; 
denn  diese  Wüstenbäche  führen  ja  meist  nur  ganz  kurze  Zeit  im  Jahre 
Wasser,  und  es  sind  die  Schildkröten  auch  hier  auf  die  nach  der 
Regenperiode  sprossenden,  z.  T.  succulenten  Pflanzen  angewiesen. 

Wenn  wir  nun  die  Anteile  der  verschiedenen  Faunengebiete  an 
der  Fauna  unserer  Gebiete  weiter  betrachten,  so  dürfen  wir  folgende 
Gruppen  unterscheiden: 

Eigentliche  Mediterranformen,  ohne  besondere  Anpassung  an 
das  Leben  in  der  Wüste:  Testudo,  Hemidadylus^  larentola,  Ophiops, 
Mabuia,  Chaicides  ocellatus,  Chamaeleon,  3Iacroprotodon,  Coelopeltis 
monspessulana,  Viper a  lehetina. 

Arten  äthiopischer  Abstammung :  Lepiodira  tripoUtana,  Naja  haje. 

Wüstenbewohner:  Die  übrigen  Arten. 

Gemeinsame  Formen  (entweder  derselben  Art  oder  wenigstens 
demselben  Formenkreis  angehörig)  Mauretaniens  (mit  Einschluß  von 
Tripolitanien)  mit  dem  Sudan,  aber  in  Ägypten  nicht  vorkommend: 
?  Testudo  ibera,  Glauconia  macrorhyncha,  Leptodira  (tripolitana,  im  Sudan 
L.  attarensis  Wern.),  Ägama  {hihroni  in  Marokko  und  ^Vest- Algerien ; 
spinosa  am  Roten  Meer;  colonorum  am  obern  Nil). 

Diese  Daten  zusammen  mit  dem  überraschenden  Vorkommen 
mediterraner  Lacertiden-Formen  {Lacerta  jacJisonii,  L.  vanercseUae, 
Algiroidcs  africanus)  und  einer  echten  Vipera  (F.  snpercüiaris)  in 
Ost-Afrika  sowie  der  sudanesischen  Gattung  Latastia  in  Kleinasien 
(L.  cappadocica)  berechtigen  zu  dem  Schlüsse,  daß  das  mediterrane 
Gebiet  Nord-Afrikas,  Süd-Europas  und  West-x\siens  durch  eine 
wenigstens  einen  Teil  des  Jahres  bewässerte,  im  Norden  mehr 
mediterranen,  im  Süden  mehr  Savannencharakter  tragenden  Land- 
strich mit  dem  Sudan  (im  weitesten  Sinne  des  Wortes)  im  Zusammen- 
hange gestanden  haben  muß  oder  vielleicht  (durch  das  Hinterland 
von  Barka)  noch  jetzt  in  Verbindung  steht.  Erst  durch  das  Vor- 
dringen der  Wüste  sowohl  gegen  die  Mittelmeerküste  als  gegen  den 


Heptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  635" 

Sudan  dürfte  die  weite  Verbreitung  so  echter  Wüsteiitiere  wie  Ertjx,. 
Echis,  Stenodactylus  und  Ptyodadtßus  ermöglicht  worden  sein.  Das- 
west-  und  zentral-asiatische  Steppengebiet  muß  aber  von  der  süd- 
afrikanischen Subregion  wenigstens  kurze  Zeit  getrennt  gewesen 
sein,  da  die  im  gemäßigten  Asien  vorkommenden  Arten  der  Gattungen 
Eremias  und  Scapteira  in  einigen  konstanten  Merkmalen  sich  von  den 
Süd-afrikanischen  unterscheiden.  Jetzt  ist  die  Verbreitung  von 
Eremias  von  Nord-China  über  West-Asien  bis  Süd-Afrika  fast  kon- 
tinuierlich, die  von  Scapteira  freilich  stark  unterbrochen.  Trotzdem 
müssen  wir  und  können  wir  auch  annehmen,  daß  auf  dem  ganzen 
Gebiete,  das  sich  von  den  Steppen  Zentral-Asiens  bis  über  Ost- 
Afrika  zum  Kap  erstreckt,  die  Existenzbedingungen  für  diese  Gat- 
tungen sich  gefunden  haben  und  im  Sudan  und  Ost- Afrika  für  Eremias 
noch  finden,  wenn  wir  uns  nicht  Scapteira  dipliyletisch  entstanden 
denken  wollen,  wozu  aber,  wenn  wir  die  Verbreitung  von  Eremias 
in  Betracht  ziehen,  die  in  Asien  wie  in  Süd- Afrika  in  ihrer  Gesell- 
schaft vorkommt,  aber  ein  ununterbrochenes  Gebiet  vom  gemäßigten 
Asien  (Kleinasien  bis  Nord-China)  bis  Süd-  und  West-Afrika  bewohnt^ 
kein  Anlaß  vorliegt;  wäre  diese  Kontinuität  bei  Eremias  nicht  mehr 
nachweisbar,  so  könnte  man  aucli  hier  an  diphj^letische  Entstehung 
denken,  und  wahrscheinlich  .ist  auch  Scapteira  einst  ähnlich  ver- 
breitet gewesen  wie  Eremias  —  wir  brauchen  hier  vielleicht  gar 
nicht  auf  weit  entlegene  Erdperioden  zurückzugreifen.  Ahnliche  Er- 
wägungen werden  auch  nahegelegt,  wenn  wir  die  Verbreitung  der 
nahe  verwandten  Saudgeckos  Crossobamon  (Zentral-Asien),  Steno- 
dactylus (Nord- Afrika,  West-Asien)  und  Ptenopus  (Südwest- Afrika)  oder 
die  der  Schlangen-Gattungen  Eryx  und  Psammophis  betrachten.  Es 
ist  nicht  denkbar,  daß  alle  diese  Formen,  die  in  ihren  Lebens- 
bedingungen {Psammophis  sihilans  L.  vielleicht  ausgenommen,  die 
eine  große  Anpassungsfähigkeit  an  verschiedenartige  Lebensver- 
hältnisse bekundet)  heute  überall  echte  Xerophilen  sind,  früher 
eine  andere  Lebensweise  geführt  haben  sollen,  oder  daß  aber  die 
heute  z.  T.  weit  getrennten,  sehr  ähnlichen  Formen  in  ihren  jetzigen 
Wohngebieten  selbständig  entstanden  sind  und  nur  auffallende 
Konvergenzfälle  vorstellen.  Wäre  dies  der  Fall,  dann  müßten  wir 
mit  unserer  Systematik  überhaupt  einpacken,  denn  wir  hätten  bei 
derartig  weitgehender  Übereinstimmung  nahestehender  Formen  über- 
haupt kein  Mittel,  um  zu  entscheiden,  wo  die  Ähnlichkeit  infolge 
Verwandtschaft  aufhört  und  die  infolge  Konvergenz  beginnt.  Man 
stellt  sich  diese  Unterscheidung  gemeiniglich  recht  leicht  vor,  weil 


636  Franz  Werner, 

die  meisten  Zoologen,  die  sich  mit  solchen  Fragen  befassen,  nur 
mit  großen  Gruppen  operieren,  bei  denen  durch  eine  reiche 
Literatur,  namentlich  entwicklungsgeschichtliche  und  anatomische 
Vorarbeiten,  schon  eine  ausreichende  Grundlage  besteht;  je  tiefer 
man  aber  in  der  Rangordnung  des  Tierreiches  herabsteigt,  desto 
schwieriger  gestaltet  sich  die  Lösung  der  Frage,  welche  Merkmale 
die  phyletisch  wichtigen  und  welclie  die  durch  konvergente  An- 
passung entstandenen  sind.  Hier  müssen  oft  Charaktere  zur  Ent- 
scheidung aushelfen,  die  nur  das  lebende  Tier  uns  erkennen  läßt, 
und  viele  Merkmale,  die  physiologisch  bedeutungslos  erscheinen, 
sind  dafür,  weil  sie  von  dem  EinÜusse  der  Umgebung  und  der 
Lebensweise  unberührt  geblieben  sind,  in  phylogenetischer  Be- 
zieliung  sehr  wichtig.  Wenn  man  auch  zugeben  muß,  daß  es  keine 
diphyletische  Entstehung  einer  Tiergruppe  geben  kann,  sondern 
•daß  eine  solche  immer  nur  eine  scheinbare  und  durch  die  Unzu- 
länglichkeit unserer  Kenntnisse  zu  erklären  ist,  so  ist  es  doch 
sicher,   daß   in   der  Praxis   die  Frage   manchmal  schwierig  zu  lösen 


sein  mag. 


II.  Batrachia. 
Rana  ridibnnda  Pall. 

BoULENGER,  Tailless  Batracbians  of  Eiirope,  London  1898,  Part  2, 
p.   270  ff. ,  tab.   16  und  Eept.   Batr.   Barbary,    p.    157   {esculenta  rar.). 

Bedriaga,  in:  Bull.   Soc.   Natural.  JMoscou,    1889,  p.   256. 

DOUMERGUE,  Essai  Faune  Erpet.  Oranie,  Oran  1901,  p.  332.  tab.  24,  fig.  la, 

BOLKAY,  Über  die  Artberechtigung  des  Flußfrosches  (Bana  ridibunda 
Pall.),  in:  Wochenschr.  Aquar.-Terr.-Kunde,  Jg.  5,  1908,  No.  26,  28, 
fig.    1  —  10. 

Ich  folge  dem  Vorgange  von  Bolkay,  indem  ich  den  Flußfrosch 
hier  als  besondere  Art  betrachte.  Es  folgt  daraus  aber  auch  un- 
mittelbar die  völlige  Aufspaltung  der  Rana  escidenta  im  Sinne 
Boulengee's,  da  unter  diesen  Umständen,  wie  dies  bereits  Stejnegee 
(Herpetol.  Japan,  Washington  1907,  p.  94)  befürw^ortet,  auch  die  ost- 
asiatische B.  chinensis  Ose.  {marmorata  Hall,,  nigromaculata  Hall.) 
abgetrennt  werden  muß  und  in  der  Art  B.  esculenta  L.  nur  mehr  die 
forma  typica  (incl.  var.  kssonae  Cam.)  verbleibt.  Dagegen  glaube  ich 
nicht,  daß  eine  Aufspaltung  der  ridibunda  Pall.  in  mehrere  Arten  oder 
Unterarten  ^)  nötig  oder  wünschenswert  ist.    Daß  die  südlichen  ridi- 

1)  s.  Wolterstoefe,  in:  Wochenschr.  Aquar.-Terr.-Kunde,  Jg.  5, 
1908,  No.  28. 


Eeptiiieii,  ßatraclüer  uuil  Fische  von  Tripolis  und  Baika 


637 


hnndae  kleiner  sein  sollen  als  die  des  ost-europäisclien  Tieflandes,  ist 
■wohl  nur  für  die  Exemplare  der  PjTenäen-Halbinsel  und  Nord-Afrikas 
richtig.  Die  der  Balkan-Halbinsel,  zum  mindesten  in  Dalmatien, 
Monteneg-i'o.  Bosnien  und  der  Herzegowina  g-eben  den  ost-europäischen 
Tieflandsformen  an  Größe  kaum  etwas  nach  und  dasselbe  gilt  wohl 
auch  für  die  Kleinasiaten. 

In  Nord-Afrika  ist  B.  riclihunda  weit  verbreitet.  Sie  findet  sich 
von  Marokko  bis  Barka.  ist  aber  in  Ägypten  wenigstens  außer- 
ordentlich selten,  da  erst  2  Exemplare  bekannt  geAvorden  sind,  von 
denen  nur  für  eins  eine  genauere  Fundortsangabe  vorliegt  (Alexan- 
drien,  leg.  Letoueneux);  sie  werden  in  Anderson,  P'auna  of  Egypt. 
Reptiles  and  Batrachians,  p.  346,  erwähnt.  Außerdem  ist  die  Art 
von  der  P3'renäen-  und  Balkan-Halbinsel,  von  Kleinasien,  Syrien, 
den  Kaukasusländern,  Transkaspien  und  Persieu  sowie  von  einzelnen 
Gebieten  Mittel-Europas  und  zwar  aus  der  Ebene  (Ungarn,  Nieder- 
österreich, Nord-Deutschland)  bekannt.  Das  längste  von  mir  ge- 
messene Exemplar,  aus  einem  Tümpel  bei  Brunn  am  Gebirge  (Nieder- 
österreich) stammend,  maß  15  cm  von  der  Schnauzenspitze  zum  Ende 
■des  Steißbeines. 

Herr  Dr.  Klaptocz  brachte  5  Exemplare  von  Barka  (Dernah) 
rind  6  von  Tripolitanien  (Ain  Sarah)  mit.    Die  Maße  sind  folgende: 


D 

e  r  n  a 

h 

Ain   Sarah 

&^  a 

c^b 

o^c 

9a 

9  b 

9c 

Totallänge 

66 

63 

59 

67 

51,5 

54 

lunerer  Fersenhöcker 

4.2 

4.2 

4,2 

4.8 

3.3 

3,2 

Iinienzehe 

9,8 

8.6 

8.7 

10,5 

7,6 

8.5 

Tibia 

34 

34 

31,5 

35 

33 

33 

Tvmpaiuim 

5,7 

6,6 

5.4 

7 

4,5 

6 

luterorbitalraum 

3 

4' 

3.5 

4,8 

2,3 

3 

Schnauzenläiig-e 

12.6 

12,3 

11,4 

12,5 

9,5 

10 

Aug-endurcbmessser 

9 

10 

8.5 

9,8 

8,2 

;t 

Kopfläug-e 

31.5 

26.5 

25,1 

31,5 

24 

22 

Kopfbreite 

26 

24 

21 

28 

20 

23,5 

Längste  Zehe 

38,5 

33 

22 

37 

27 

29 

Längster  Finger 

16.2 

15 

14.4 

15,5 

12.5 

13,5 

lunenfinger 

12 

13,5 

12,6 

14,5 

9,5 

10 

Sehr  großfleckig  ist  S  b  und  J  1). 

Von  den  Exemplaren  aus  Ain  Sarah  ist  nur  eins  als  erwachsen 
zu  bezeichnen  ($  c).  —  H.vi.^iann  erwähnt  eine  Bmui  siJ.  (jedenfalls 
ridihundaF Ahi..)\onDeYimh  und  beiRoHLFS  (Kufra)  ^xird licma  esculenia 
(selbstverständlich    auch   ridibunda)    von   Ain 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  41 


Scherschara  genannt. 


638  Franz  Werner 


Daß  die  Art  in  Süd-Europa  2  völlig  g-etrennte  Verbreitungs- 
gebiete (Pyrenäen-  und  Balkan-Halbinsel)  bewohnt,  scheint  nur  auf 
den  ersten  Blick  überraschend,  doch  wäre  diese  Erscheinung  weder 
ohne  Beispiel,  wenn  die  Trennung  wirklich  bestünde  (vergleiche  die 
völlige  Ti'ennung  der  Verbreitungsgebiete  von  Vipera  lehetina.  Testudo 
ibera,  vielleicht  auch  Eumcces  schneklcri),  noch  auch  ist  sie  wirklich 
so  aufzufassen.  Denn  die  Kontinuität  des  Verbreitungsgebietes  wird 
eben  durch  Nord-Afrika  hergestellt,  dessen  Seefrösche  durch  die  ehe- 
maligen Landverbindungen  sowohl  in  die  Pyrenäen-  wie  Balkan- 
Halbinsel,  einwandern  konnten,  bzw.  überhaupt  das  ganze  Mediterran- 
gebiet bewohnten,  ohne  aber  Italien  zu  besiedeln.  Auch  die  Aus- 
nahmsstellung  Italiens  in  dieser  Beziehung  ist  nicht  ohne  Seitenstück, 
So  ist  Chakides  ocellatus  zwar  nach  Sizilien,  Sardinien  und  einigen  andern 
Inseln  der  Tyrrhenis  eingewandert  (und  zwar  in  derjenigen  Form,, 
var.  tiUgugu  Latr.,  die  an  den  Küsten  von  Algerien  und  Tunesien 
lebt),  ebenso  auch  nach  Kreta  und  Attica  (und  zwar  in  der  tj^pischen 
Form,  die  in  Ägypten  ausschließlich  sich  findet);  dagegen  fehlt  die 
Art  auf  dem  Festlande  von  Italien.  Fast  dasselbe  gilt  auch  für 
Coelopeltis. 

JSufo  im'idis  Laue. 
(Taf.  30.) 

BoULENGER,  Cat.  Batr.  Sal.    1882,  p.   297;  Rept.  Batr.  Barbary,  p.   158- 

und  Tailless  Batr.   Europe,   p.   227,  tab.    11,    12. 
Anderson,  Fauna  of  Egypt.,  Vol.   1,  p.  350,  tab.  50,  fig.  2. 
DoüMERGUE,  Essai  Faune  Erpet.  Oranie,  p.   839,  tab.   24,  fig.   2a,   b. 
Bedeiaga,  in:  Bull.  Soc.  Natural.  Moscou,   1889,  p.   378. 

Von  Herrn  Dr.  Klaptocz  von  Tripolis  und  Umgebung  (Ain 
Sarah),  Bengasi  und  Dernah  mitgebracht;  von  Haimann  auch  von 
letztem!  Orte  genannt.  In  Algerien  und  Tunesien  bis  in  die  Oasen 
der  Sahara  verbreitet  (ich  sammelte  sie  in  der  Oase  El  Meraier  in 
der  ost-algerischen  Sahara),  ist  sie  in  Ägypten  nur  an  der  Küste 
etwas  häufiger  (von  mir  in  der  Umgebung  von  Alexandrien  sowohl 
in  erwachsenem  Zustande,  bei  Ramleh,  als  auch  als  eben  verwandelte 
Junge,  bei  Meks,  gefunden),  sonst  aber  spärlich  (Oase  Dachel  in 
der  Libyschen  Wüste;  im  Nil-Tal  bis  Luxor);  außerdem  weit  ver- 
breitet in  Süd-Europa  (mit  Ausnahme  der  PjTenäen-Halbinsel)  sowie 
in  Mittel-  und  Ost-Europa  und  in  West-Asien  bis  zum  Himalaya,  wo 
sie  noch  in  5000  m  Höhe  vorkommt.  Genauere  Fundortsangaben  und 
ausführlichere  Literaturzitate  findet  man  in  den  obengenannten  Werken. 


?, 

68 

% 

63 

% 

61 

?, 

49 

s, 

52 

s, 

46 

3. 

43 

Eeptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  639 

Die  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  g:esammelten  Exemplare  sind  in 
ihrer  Zeichnung  äußerst  mannif^faltig-,  und  alle  in  den  „Tailless 
Batrachians".  tab.  12  abgebildeten  Zeichnungstypen  finden  sich  in 
seinem  Material  vor. 

I.  Tripolis  und  Umgebung. 
„Sehr   gemein    in   Gärten   und   Feldern   und   deren  Umgebung. 
Am  Abend  wimmelt  es  gei-adezu  von  diesen  Tieren.     Variieren  stark 
in  der  Zeichnung." 
?,  70  mm.  kleinfleckig,  mit  heller  Eückenlinie. 

,     kleinfleckig,  helle  Rückenlinie  kaum  unterscheidbar. 

,     Flecken  mäßig  groß  (Ain  Sarah). 

,     sehr  kleinfleckig  (Fig.  1). 

,     ziemlich  kleinfleckig;  helle  Rückenlinie  angedeutet  (Fig.  2). 

,     Flecken  undeutlich;  Rückenwarzen  mit  deutlich  verhornten 

Spitzen;  Daumenschwielen  sehr  deutlich. 
,     wie  das  vorige  3 ;  Flecken  klein,  deutlicher. 
,     ebenso;  Flecken  grüßer. 
Junges,  sehr  kleinfleckig. 

II.  Gharian;  Weg  Gharian-Sauja,  16.9.  1906,  in  einem  Tümpel. 

%  73  mm,  hell  bräunlich-grau,  mit  größern  Flecken  (Fig.  3). 
%  67     „     hellgrau;   Flecken  etwas  kleiner,  dunkel  punktiert;   helle 
Mittellinie  angedeutet. 

III.  Bengasi. 

$,  75  „  luselflecken  sehr  groß,  eine  helle  (weißliche)  Mittellinie 
und  schmale  weißliche  Schnörkel  von  der  Grundfarbe 
übrig  lassend  (Fig.  6). 

2,  69  „  Flecken  groß,  aber  spärlich,  so  daß  die  hell  bräunliche 
Grundfarbe  deutlich  hervortritt  (Fig.  5). 

S,  68    „     hellgrau  mit  großen  und  kleinen  Flecken. 

S,  63  „  hell  bräunlich-grau,  ebenso;  beide  mit  undeutlicher  heller 
Mittellinie  (nicht  mit  der  des  erstgenannten  $  identisch, 
vgl.  BouLKXGER,  Taill.  Batr.,  p.  23,  24,  flg.  9). 

S,  60  „  hellgrau,  Flecken  ziemlich  klein;  deutliche  helle  Mittel- 
linie (der  des  vorigen  3  entsprechend)  (Fig.  4). 

S,  71     „     dunkelgrau  (AVassertracht) ;  Flecken  klein. 

„Junge,  aus   einem  der  kleinen  Rinnsale,  die  schwach  salziges 

41* 


540  Franz  Werner, 

Wasser  entlialten  und  in  dem  sich  auch  viele  Fische  {Cijprinodon) 
finden.  In  diesen  Einnsalen  steigt  auch  süßes  Wasser  auf,  weshalb 
hier  Vieh  getränkt  wird."  Das  Vorkommen  dieser  Art  in  wenn 
auch  schwach  salzigem  Wasser  ist  sehr  bemerkenswert.  Die  Ba- 
trachier  meiden  sonst  ängstlich  sogar  schwach  brackisches  Wasser. 
Gerade  Bufo  viridis  und  Fiana  ridihunda  sind  aber  relativ  un- 
empfindlich gegen  einen  mäßigen  Salzgehalt  des  Wassers  (Beispiele 
für  beide  Arten:  Vorkommen  im  See  von  Porto  Sovra  auf  Meleda, 
in  den  Oasentümpeln  der  ost- algerischen  Sahara;  für  E.  ridihunda: 
Vorkommen  im  Brackwasser  auf  der  jonischen  Insel  Santa  Maura, 
sowie  bei  Budua  in  Süd-Dalmatien;  für  B.  viridis:  Vorkommen  in 
den  Brackwassertümpeln  zwischen  dem  Mittelmeer  und  dem  Maryut- 
See,  Unter-Äg3'pten.  Diese  Eigentümlichkeit  ist  es,  welche  beiden 
Arten  die  Existenz  in  den  oft  salzigen  Oasengewässern  der  nord- 
afrikanischen Wüsten  möglich  macht. 

IV.  Dernah. 

S,  69  mm,  schmutzig  graugrün,  Flecken  undeutlich  (Fig.  8). 
S,  60     „     ähnlich;  Warzenspitzen  stark  verhornt. 
2  halbwüchsige  Exemplare;   graugrün,  Flecken   mäßig   groß;   weiß- 
grau;   Flecken  klein,  getrennt;  Junges:  Flecken  klein,  wenig  zahl- 
reich (Fig.  7). 

Die  nord-afrikanischen  Exemplare  von  B.  viridis  sind  kleiner  als 
solche  aus  Dalmatien ;  ich  besitze  1  ?  aus  der  Umgebung  von  Risano 
(Bocche  di  Cattaro,  Süd-Dalmatien)  von  105  mm  Länge. 

Aus  dem  Gebiete  werden  2  weitere  Batrachier  genannt,  nämlich: 

Bufo  pantherinus  („Scebua  presso  il  Lete";  Haimann). 

Discoglossus  pktus  (JVlisrata;  Rizzaedi). 

Was  Bufo  iianfherimis  in  diesem  Falle  sein  soll  ist  gerade  für 
die  Cyrenaika  höchst  zweifelhaft.  Es  kann  gei'ade  so  gut  B.  niauri- 
tanicus  ScHLEG.  als  der  in  Ägypten  häufige  B.  reguJaris  Ess.  sein, 
ich  bin  aber  der  Meinung,  daß  es  sich  überhaupt  nur  um  B.  viridis 
handelt.  Daß  Herr  Dr.  Klaptocz  von  diesem  B.  paniherinus,  der 
doch,  ob  es  nun  mauritanicus  oder  regidaris  sein  mag,  in  seiner 
Heimat  durchaus  keine  Seltenheit  ist,  kein  Exemplar  erbeutete,  läßt 
mir  nur  den  einen  Schluß  zu,  daß  eben  keine  von  beiden  Arten  in 
Betracht  kommt,  sondern  nur  B.  viridis. 

Ahnliches  gilt  für  Discoglossus;  mir  scheint  es  außer  Zweifel, 
daß   es   sich   bei   dieser  Angabe   gerade   so  wie   bei  dem   für  die 


Reptilien,  Batrachicr  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  641 

Jonischen  Inseln  ang-efülirten  Discoglossus  um  nichts  anderes  als  um 
Rana  ridihimda  handelt. 

Solang-e  keine  weitere,  durch  Exemplare  belegte  Angabe  für 
das  Vorkommen  dieses  in  Nordwest-Afiika  an  geeigneten  Stellen 
überall  gemeinen  E'rosches,  den  Herr  Di-.  Klaptocz  sicherlich  von 
Tripolitanien  mitgebracht  hätte,  wenn  er  hier  überhaupt  vorkäme, 
so  lange  möchte  ich  Discoglossus  nicht  in  die  tripolitanisch-cj-re- 
naische  Fauna  aufnehmen. 

Schwanzlurche  sind  östlich  von  'I'unis  aus  Nord-Afrika  überhaupt 
nicht  bekannt  und  das  Vorkommen  eines  Molches  in  Unter-Ägypten 
bisher  unbestätigt  geblieben.  Von  den  10  Batrachiern  Nordwest- 
Afrikas  sind  also  in  unserm  Gebiete  nur  2  übrig  geblieben,  die 
durch  Ägypten  bis  Syrien  und  weiterhin  in  West-Asien  verbreitet 
sind;  von  den  ägyptisch-äthiopischen  Batrachiern  {Itana  mascareniensis 
und  Bufo  regnlaris)  ist  keiner  westlich  von  Ägypten  aufgefunden 
worden.  Die  Batrachier-Fauna  von  Tripolis  und  Barka  verhält  sich 
also  völlig  indifferent  und  kann  faunistisch  in  keiner  Weise  ver- 
wertet werden,  es  sei  denn,  daß  man  die  starke  Verarmung  in  bezug 
auf  die  Artenzahl  als  Beweis  für  die  Übereinstimmung  mit  der 
ägyptischen  Fauna,  das  Fehlen  von  Bufo  regularis  und  Rana  7nasca- 
reniensis  als  solchen  für  den  mauretanischen  Charakter  dieser  Fauna 
heranzieht,  was  wohl  sehr  bedenklich  wäre. 

III.  Fische.  1) 

„In  der  Umgebung  der  Stadt  Tripolis  sind  die  Verhältnisse  für 
Binnenfische  höchst  ungünstig:  bloß  hier  und  da  finden  sich  am  Ge- 
stade kleine  Quellen,  die  aber  fast  unmittelbar  nach  ihrem  Ursprung 
mit  dem  Seewasser  sich  vermengen.  Einige  von  ihnen  treten  fast 
unter  der  Nordmauer  des  im  Westen  der  Stadt  gelegenen  Juden- 
friedhofes hervor  und  verteilen  sich  in  den  Spalten  und  pfannen- 
förmigen  Vertiefungen  des  wenig  geneigten  Felsbodens  mit  dem 
Salzwasser  allmählich  sich  mischend  (3Iugil). 

Sumpfartige  Bildungen  finden  sich  selbst  in  der  trockensten 
Jahreszeit  in  den  Gegenden  Ain  Sarah  und  Endschila,  südöstlich 
bis  südwestlich  der  Stadt  Tripolis.  Für  Fische  käme  vielleicht  eine 
größere  Wasseransammlung  in  der  erstgenannten  Gegend  in  Be- 
tracht,  deren  genauere  Verhältnisse  allerdings  wegen  des  schon  am 


1)  Die  Einleitung  ist  von  Herrn  Dr.  Klaptocz  verfaßt. 


642  Franz  Werner, 

Ufer  morastigen  Bodens  und  des  alles  bedeckenden  Schilfvvuclises 
ohne  besondere  Hilfsmittel  sich  nicht  erkennen  lassen.  Indes  ist 
hier  der  Wasserfrosch  ziemlich  häufig-,  ein  Tier,  das  in  diesen 
Gegenden  scheinbar  nur  größere  natürliche  Ansammlungen  salz- 
gehaltlosen Wassers  bewohnt. 

Im  Gharian-Gebirge  kommen,  schon  nach  den  Angaben  der  Be- 
wohner, keine  Fische  vor;  die  Quellen  versiegen  hier  im  Sommer 
meist  nach  sehr  kurzem  Lauf. 

Weit  günstiger  für  Fische  gestaltet  sich  die  Umgebung  von 
Bengasi  mit  ihren  großen  Lachen  ähnlichen  Wasseransammlungen, 
die  durchwegs  salzhaltig,  ziemlich  seicht  und  sandig  oder  stellen- 
weise schlammig  sind.  Eine  Ausnahme  davon  bildet  nur  der  tiefe, 
felsige,  an  Fischen  (bis  0,5  m  langen)  verschiedener  Arten  außer- 
ordentlich reiche  See  von  Sejanah.  Seine  Fauna  stimmt  überein  mit 
der  Angabe,  daß  er  nur  eine  tief  ins  Land  dringende  Meeresbucht 
darstelle  (hier  gefangen:  Angiiüla  vulgaris  und  Blennius  hasilisats). 
Auch  alle  übrigen  Gewässer  in  der  Umgebung  von  Bengasi  sind 
sehr  reich  an  Fischen,  die  aber  alle  nur  einer  einzigen,  kleinen  Art 
angehören  (Cyprinodon  fasciaüis  Val.). 

Die  Lethe  soll  keine  Fische  beherbergen. 

Bei  Dernah  würde  der  den  Wadi  Dernah  durchströmende  Bach 
für  Süßwasserfische  sehr  günstige  Verhältnisse  bieten.  Trotz  eifrigen 
Suchens  sah  ich  hier  aber  keine  Fische,  abgesehen  von  einem  mittel- 
großen Aal,  den  Araber  gefangen  hatten.  Dieser  Fisch  scheint,  da 
er  von  Mamoli  ^)  unter  den  auf  der  Reede  von  Dernah  (speziell  der 
Aal  aber  als  im  Wadi  Dernah  vorkommend)  gefangenen  Fischen 
erwähnt  wird,  vor  Jahren  hier  häufiger  gewesen  zu  sein.  Vielleicht 
waren  damals  die  Verhältnisse  für  die  Einwanderung  der  jungen 
Tiere  vom  Meere  her  günstiger." 

Die  Anzahl  der  von  Dr.  Klaptocz  gesammelten  Fischarten  ist 
gering;  sie  beträgt  nur  4;  obwohl  sie  nicht  aus  dem  Meere,  sondern 
aus  Süß-  oder  Salzwassersümpfen  stammen,  so  sind  sie  doch  aus- 
nahmslos mariner  Abkunft;  allerdings  wissen  wir  von  dreien  der 
4  Arten,  daß  sie  Süßwasser  regelmäßig  oder  gelegentlich  aufsuchen, 
während  Blennius  hasiliscus  zum  mindesten  einer  Gattung  angehört, 
von  der  einzelne  Arten  von  den  Küsten  aus  nicht  allzu  selten  in 
Brack-  oder  sogar  Süßwasser  vordringen  (vgl.  Bl.  vulgaris). 


1)  Mamoli,  L'Esploratore  1882,  p.  202  zitiert  nach  G.  Hildebrand, 
Cyrenaika,  Bonn   1904,  p.  264,  Anm.  7. 


Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka. 


643 


Die  in  den  nordwest-afrikanischen  unterirdischen  Flußläufen 
(z.  B.  Oued-Eirli)  lebenden,  oft  aus  artesischen  Brunnen  zutage 
kommenden,  aber  auch  in  den  Wassergräben  der  Oasen  oft  scharen- 
weise lebenden  C'ichliden- Arten:  Ilcmichromis  himacuJatus  Gill.. 
Ilaphchronm  desfontaincsi  Lacep.  und  Tilapia  zillii  Gerv.,  welche 
sich  sämtlich  auch  im  ganzen  Nil  und  in  den  Seen  Unter-Ägyptens 
finden,  scheinen  in  Tripolis  und  Ikirka  vollkommen  zu  fehlen.  Der 
Zusammenhang  der  beiden  Verbreitungsgebiete  dürfte  durch  den 
Sudan  (Senegal — Niger — Tsadsee— oberer  Nil)  gegeben  sein,  das  von 
Herrn  Dr.  Klaptocz  bereiste  Gebiet  entbehrt  also  einer  eigentlichen 
Süßwasser-Fauna. 

Atif/uiUa  ruif/aris  Turton, 

LiN^'E,  Syst.   Nat.,  Vol.   1,  p.  426  (1766)  {]\[riraenn  anguiUa). 

Eisso,  Hist.  nat.  Eur.  mer.,  Vol.  3,  p.  198  (1826)  (aciäirostris)  und  199 
(latirosiris). 

GÜNTHER,  Cat.  Fish.,  Vol.  8,  p.  32  (1870)  (latirostris). 

■CaruS,  Prodr.  Faunae  Mediterr.,  p.   540. 

BOULENGER,  Fishes  of  tbe  Nile,    1907,  p.  402, 

3  junge  Exemplare  aus  dem  See  von  Sejanah,  südlich  von 
Beno-asi,  4./9.  1906. 


Dimensionen  in  mm 


in 


Totalläuge 

Kopflänge 

Körperhöhe 

Schnauzenlänge 

Interorbitalbreite 

Kopfrumpflänge 

Schnauzenspitze  bis  Dorsale 

Augendurchmesser 


78 

105 

10 

15 

4 

7 

2,5 

3        1 

2 

2     ! 

33 

45 

25 

31 

1 

1,5 

139 

19 
8 
4 
3 
58 
40 
2 


Der  Aal  ist  im  Mittelmeer,  an  den  atlantischen  Küsten  und  in 
den  Flüssen  Europas,  welche  in  diese  Meere  münden,  überall  ge- 
funden worden.  Aus  Nord-Afrika  ist  er  von  Tunis  (Vinciguerra) 
vom  Oued  Dernah  in  Barka  (Mamoli)  und  von  Ägypten,  und  zwar 
vom  Nil  bis  Assuan  sowie  vom  Menzaleh-See,  bekannt.  Er  findet 
sich   hier   auch  in  den  Kanälen  des  Zoologischen  Gartens  zu  Gizeh. 


644 


Franz  Werxek. 


Cf/2>rinodon  fasciatus  Yal, 

CüViEE  et  Valenciennes,    Hist.  Poiss.,  Vol.   18,   p.   151   (1846)  (calari- 
la)U(s)  u.  p.   156  (fasciah(s). 

GÜNTHER,  Cat.  Fish.,  Vol.  6,  p.  302  (1866). 

BoULENGER,  Fishes  of  the  Nile,  p.  407  (1907),  tab.   79,  fig.   1 — 2. 

Zalilreiclie  Exemplare  beiderlei  Geschleclits  und  verschiedenen 
Alters  von  Bengasi  (See  im  Osten,  28.  8.). 


D  i  m  e  u  s  i  0  n  e  u 


9     I     &' 
Bengasi 


9     I     cf 
Alexandrieu 


9     I     c/' 

Biskra  (ost- 
alo-er.  Sahara 


9     1     o^ 
Adria,  Triest 


Totallänge 

Kopflänge     (bis 
deckelrand) 
Schwanzflosse 
luterorbitalraum 
Schnanze 


Kiemen- 


54,5 

43 

35,5 

32 

21(?)     23,3 
1  nicht  er- 
wachsen) 

41 

1 
1 

14 

11,6 

10 

9 

6           5,6 

10 

9.6 

8,7 

11,4 

10 

2(def.)S      4,0 

^,'^ 

6,S 

5.5 

4,5 

4 

2.8        3 

4.8 

4,5 

4,7 

3 

3.3 

1,6        2 

2,7  1 

35,7 

9 

10,7 
4.2 

2,8 


Sq.  25—27;  A.  10,  D.  10  (Bengasi). 

?.  Rückensclnippen  braun,  dunkel  g-esäumt;  ein  graues  Längs- 
band vom  Oberrande  des  Kiemendeckels  bis  zur  Basis  der  Schwanz- 
flosse (kann  auch  fehlen);  Seiten  darunter  silberglänzend,  Bauch 
gelblich;  Vertikalbänder  9 — 11. 

(J.  Vertikalbänder  dunkel  rotbraun,  sehr  breite  und  einige 
schmale  unregelmäßig  abwechselnd. 

Dieser  kleine  Fisch,  welcher  an  den  Küsten  des  Mittelmeeres 
und  in  Salzsümpfen  in  der  Nähe  des  Meeres  vorkommt,  wurde  an 
den  Küsten  von  Istrien  und  Dalmatien,  in  Italien,  in  Algerien  südlich 
und  nördlich  vom  Atlas,  in  Tunesien,  Ägypten,  Cji^ern,  Kleinasien 
und  Somaliland  gefunden.  Meine  Vergleichsexemplare  wurden  von 
mir  selbst  in  einem  Bache,  dem  Abfluß  der  warmen  Schwefelquelle 
Hammam  Salahine  bei  Biskra  (ost-algerische  Sahara)  im  Mai  1893, 
sowie  von  Kapt.  S.  S.  Flower  bei  Alexandrieu  (1906)  gefangen. 


Bleunius  baslliscus  Cuv.  et  Val. 

CuviER  et  Valenciennes,  Vol.  11,  p.  245. 

GÜNTHER,  Cat.  Acanthopt.  Fishes,  Vol.  3,    1861,  p.   220. 

Carus,  Prodi-.  Faun.  Mediterr.,  p.  697. 


Reptilien,  Batrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka.  645 

1  halbwüchsiges  Exemplar  aus  dem  See  von  Sejanah.  nördlich 
von  Bengasi,  4./9.  1906. 

D.  1223,  A.  27. 

Färbung-  in  Alkohol  liellbräunlich  mit  7  Paaren  von  dunkel- 
grauen Querbinden,  von  denen  aber  nur  die  3  ersten  Paare  voll- 
ständig sind,  während  die  übrigen  in  Flecken  aufgelöst  erscheinen 
und  zwar  die  des  4.  und  5.  Paares  in  einen  obern  kleinen  Flecken 
und  in  einen  untern  Vertikalstrich,  von  den  Pändern  des  6.  und 
7.  Paares  ist  nur  je  1  (unterer)  Flecken  erhalten.  Über  jedem  Band 
befindet  sich  an  der  Basis  der  wie  alle  übrigen  Flossen  sonst  ein- 
farbigen Dorsale  ein  schwarzer  Fleck.  Die  Querbinden  desselben 
Paares  weichen  ventralwärts  etwas  auseinander. 

Kopf  mit  dunkler  Querbinde  zwischen  den  Augen  und  vom  Auge 
nach  abwärts,  parallel  zur  Stirn;  2  Querbinden  dicht  hintereinander 
auf  dem  Kinn  und  ein  mit  der  Spitze  gegen  die  Brustllossenbasis 
gerichteter  Winkelflecken  an  der  Kehle;  ein  dunkler  Vertikaliieck 
am  Hinterkopfe,  einer  (parallel  zum  Winkelflecken  der  Kehle)  am 
Kiemendeckel  und  einer  an  der  Basis  der  Pectoralen.  Flossen  und 
Tentakel  weißlich. 

Totallänge  47  mm;  Kopf  höhe  =  Kopflänge  ^  8  mm. 

Bisher  von  Xord-Afrika  nicht  bekannt  gewesen.  Carüs  ver- 
zeichnet diesen  Blcmiius  von  Toulon,  dem  ligurischen  und  tyrrhenischen 
Meere  von  Genua,  Elba,  Cagliari.  Livorno,  Neapel,  Sicilien  und  Tarent. 

3Iu(jil  capito  Cuv. 

CüVlER,  Regne  Animal,  \).   165. 

CüViER  et  Valenciennes,  Vol.   11,  p.  36,  tab.   308. 
Carus,  Prodi-.  Faun.   Mediterr.,  p.   706. 

BOULENGER,   Poiss.  Bass.   Congo,  p.   355   (1901)    und   Fishes  of  the  Nile, 
p.  432,  tab.  80,  fig.   2,   tab.   81,  fig.    1. 

Mehrere  junge  Exemplare  (35  mm  Totallänge)  aus  Tripolis, 
16./7.  1906  (Süßwasser  zwischen  Judenfriedhof  und  dem  Meere). 

Körperhöhe  5mal.  Kopflänge  4mal  in  der  Totallänge,  Inter- 
orbitalbreite  2^omal  in  der  Kopflänge  enthalten. 

Diese  Art  findet  sich  im  ganzen  Mittelmeere  und  ist  auch  mehr- 
fach, namentlich  im  Jugendstadium,  im  Süßwasser  beobachtet  worden. 
Aus  Süßwasserseen  von  Tunis  ist  sie  bereits  bekannt  (Cuvier  u. 
Valenciennes),  auch  Vinciguerra  kennt  sie  von  dort.  Im  Nil  geht 
sie  bis   zum   ersten   Katarakt    und    findet   sich   auch   im   Maryut-, 


646       Franz  Werner,  Reptilien,  ßatrachier  und  Fische  von  Tripolis  und  Barka. 

Borollos-,  Menzaleh-  und  'J'imsach-See  in  Ägypten.  3Iugil  petJierki 
Gtiir.  von  Cairo  ist  nach  Boulenger  mit  dieser  Art  identisch;  die 
Zahl  10  bei  den  weichen  Strahlen  der  Afterflosse,  auf  der  sie  ge- 
gründet ist,  findet  sich  auch  bei  einem  der  jungen  Exemplare  aus 
Tripolis. 


Erklärung  der  AI)l)ildungen. 


Alle  Figuren  beziehen  sich  auf  Bufo  viridis  Laur. 

Tafel  30. 


Fig. 

1. 

5  aus  Tripolis. 

Fig. 

2. 

5   aus  Tripolis. 

Fig. 

3. 

$  aus  dem   Gharian-Gebirge 

Fig. 

4. 

cJ  aus  Bengasi. 

Fig. 

5. 

5  aus  Bengasi. 

Fig. 

6. 

5  aus  Bengasi. 

Fig. 

7. 

Jung,   aus  Dernah. 

Fig. 

8. 

^   aus  Dernah. 

Fig.   1 — 5,  7  von  Herrn  Dr.  Karl  Miestinger,  Fig.  6  und  8  von 
Herrn  Hanks  Plenk,  stud.  phil.,  gezeichnet.     2:1. 


Nachdruck  verboten. 
Ubersetzuvgsrecht  vorbehalten. 


Coluber  longissimus  im  Böhmerwald, 
Zamenis    gemonensis    im   Böhmerwald,    Wienerwald, 
den  kleinen  Karpathen,  Süd-Steiermark  und  Kärnten. 


Von 
Dr.  Paul  Kammerer, 

Biologische  Versuchsaustalt  iu  Wien. 


Die  Ä  s  k  u  1  a  p  s  c li  1  a  n  g'  e .  Cohiher  Jomjissimus  Laue.  =  aesculapü 
Host.,  erfreut  sich  innerhalb  der  österreichisch-ungarischen  Monarcliie 
einer  weiten,  wenn  auch  keineswegs  lückenlosen  Verbreitung-.  Nach 
Weenee,  1897,  soll  sie  in  allen  Kronländern  vorkommen,  nur  in 
Vorarlberg  und  Böhmen  fehlen.  Bei  Düeigen,  dessen  Buch  „Deutsch- 
lands Amphibien  und  Reptilien"  im  selben  Jahr  erschien  wie  Weener's 
„Reptilien  nnd  Amphibien  Österreich-Ungarns",  nämlich  1897,  wird 
jedoch  bereits  einer  brieflichen  Mitteilung  von  A^ton  Feic  Er- 
wähnung getan,  wonach  3  oder  4  Äskulapnattern  im  Jahre  1880 
bei  Karlsbad  erlegt  worden  sein  sollen.  „Wenn  es  sich",  schreibt 
Düeigen,  p.  314,  „.  .  .  um  wirkliche,  nicht  der  Gefangenschaft  ent- 
ronnene Äskulapnattern  gehandelt  hat,  so  würde  damit  ihr  Auf- 
treten auch  in  Böhmen  festgestellt  sein."  In  dem  Werk  von  Feic 
„Die  Wirbeltiere  Böhmens",  1872,  wird  die  Äskulapschlange  noch 
nicht  erwähnt.  Auf  dieses  Verschweigen  kann  sich  die  unter  Zitierung 
von  Feic  gemachte  Bemerkung  von  Mojsisovics,  1888,  p.  246,  be- 
ziehen: „In  Böhmen  fehlt  die  Art." 

Ich  bin  jedoch  in  der  Lage,  das  Vorkommen  von  Coluber 
longissimus  in  Böhmen  zu  bestätigen,  und  zwar  für  ein  ganz  neues 
Fundgebiet. 


648  Paul  Kammerer, 

Südlich  des  Libin.  Bülimerwald,  von  ihm  nur  durch  ein  einzig-es 
Tal,  in  welchem  der  ßohnbach  Hießt  und  das  iStädtchen  Pi-achatitz 
liegt,  getrennt,  zieht  eine  Anhöhe  dahin,  an  deren  Südabhang  der 
„Kroupahof'S  ein  beliebtes  Ziel  der  Prachatitzer  Sommergäste,  schon 
von  weitem  sichtbar  ist.  Etwas  östlich  nun  vom  Kroupahof  er- 
strecken sich  weite  Geröllhalden,  von  niedrigem  Föhren-  und  Lärchen- 
wald umgeben.  Hier  fand  ich  im  Laufe  des  ]\Ionats  Juli  1906  nicht 
weniger  als  5  Askulapschlangen,  alle  von  nur  geringer  Größe 
(das  längste  Exemplar  87  cm  lang)  und  sehr  dunkler  Färbung: 
oben  braunschwarz  und  trotz  der  offenbaren  Jugendlichkeit  arm  an 
Zeichnung;  die  sonst  so  zahlreichen  weißen  Längsstrichel  an  den 
Schuppenrändern  stark  zurücktretend.  Die  Unterseite  ist  zwar  ein- 
farbig strohgelb,  aber  mit  einem  bleigrauen  Anflug.  Das  ganze  Tier 
repräsentiert  einen  deutlichen  Übergang  zur  var.  suhgrisca  "Weex. 

Eine  zweite  Fundstelle,  die  2  Exemplare  ergab,  ein  junges, 
nur  36  cm  langes  mit  der  charakteristischen,  teils  derjenigen  von 
CoroneUa,  teils  von  Tropidonotus  natrix  ähnlichen  Färbung,  und  ein 
älteres,  74  cm  langes,  dunkelfarbiges,  liegt  auf  einem  Hügelchen  am 
Rohnbach  und  der  Straße  von  Prachatitz  nach  Krumau,  bei  der 
Bernkopfmühle,  einem  kleinen  Vorposten  des  zuvor  erwähnten 
Höhenzuges.  Es  gibt  in  der  ganzen  Umgegend  wenige  Plätze,  die 
so  sehr  dem  Brennen  der  Sonnenstrahlen  ausgesetzt  sind,  wie  jener 
kleine  Hügel.  Steingerölle  bedeckt  ihn,  zwischen  Avelchem  ver- 
krüppelte Föhren,  Schlehengesträuch,  Scabiosen,  Weidenröschen, 
Salvia  glutinosa  und  Sedum  anacampseros  hervorwachsen. 

Würde  man  einem  Naturkundigen  ein  feuchtes  Waldgebirge,  wie 
der  Böhmerwald  es  ist,  schildern:  sonnenarm,  regenreich,  mit  rauhem 
Klima,  langen  Wintern,  kalten  Nächten,  wenig  warmen  Tagen,  so 
könnte  jener  Naturkundige  hinsichtlich  der  Fauna  einer  solchen 
Gegend  alles  andere  eher  vermuten,  als  daß  Schlangen  darin  eine 
große  Rolle  spielen.  Er  würde  vielleicht  Reichtum  an  geschwänzten 
und  ungeschwänzten  Ampliibien  vermuten;  aber  das  gerade  Gegen- 
teil ist  der  Fall:  Bufo  vulgaris  und  Piana  temporaria,  letztere  nicht 
häufig,  wenn  auch  in  den  Varietäten  nigromacuküa  Wern.  und 
marmorata  Wern.  und  derjenigen  mit  heller  Medianbinde  (ähnlich 
Uana  arvalis,  aber  doch  eine  echte  temporaria)  vertreten,  scheinen 
die  einzigen  Froschlurche,  Triton  alpcstris  wenigstens  um  Prachatitz 
der  einzige  Schwanzlurch  zu  sein.  Dafür  gibt  es  in  der  Tat  auf- 
fallend viele  und  in  ihren  Formen  und  Farben  abwechselnde  Sclilangen. 
Am  reichsten  ist  Vipera  herus  vertreten:  ich  erbeutete  am  Südwest- 


Coluber  lougissimus  und  Zanienis  gemonensis  im  Böhmerwald  etc.        649 

abhang  des  Libiii.  auf  einem  Platze  von  kaum  1  qm  Bodenfläche,  am 
11.  Juli  4  Stück,  am  19.  Juli  auf  demselben  Fleck  nochmals  2  Stück; 
aber  auch  Tropidonotus  natrix  ist  sehr  häufig-  und  reich  an  meist 
dunkelfarbig'en  Variationen  (1  Exemplar  am  19./7.  auf  demselben 
Flecke  erbeutet  wie  jene  6  Kreuzottern) ;  Conmella  austriaca  (1  Exemplar 
am  r2./7.  auf  dem  nämlichen  Flecke  erbeutet  wie  jene  Kreuzottern 
und  die  Ringelnatter)  ist  zum  mindesten  nicht  selten  und  ebenfalls 
vielfach  in  beinahe  melanischen,  zum  Teil  sehr  g-roßen  Exemplaren 
vorhanden.  Endlich  kam  es,  wie  beschrieben,  zur  Auflindung  der 
7  Äskulapnattern,  wodurch  die  von  mir  eigenhändig"  gefangene 
Beute  gekrönt  erschien.  Ich  hatte  nun  schon  darauf  achten  gelernt, 
daß  all  diese  Funde  auf  insel artig  vorspringenden,  der  Sonne  in  jeder 
AVeise  zugänglichen  Flecken  zu  maclien  waren,  wo  die  Schlangen- 
bestände sich  förmlich  zusammendrängten  und  eben  deshalb  dem 
Fänger  leicht  in  die  Hände  fielen.  Nur  durch  das  Vorhandensein 
zerstreuter,  die  spärlichen  Sonuenstralilen  ökonomisch  ausnützender 
Terrain  stellen  ist  die  Möglichkeit  eines  solchen,  für  die  Gegend 
andernfalls  unverständlichen  Schlangenreichtums  zu  erklären. 

Das  zoogeographisch  interessanteste  Mitglied  der  Böhmerwälder 
Schlangenfauna  war  mir  aber  zunächst  noch  unbekannt  geblieben. 
Auch  war  es  mir  nicht  vergönnt,  die  betreffende,  gleich  zu  nennende 
Art  selbst  aufzufinden.  Trotzdem  ist  der  Fund  in  all  seinen  Einzel- 
heiten vollkommen  verbürgt. 

In  der  Lehrmittelsammlung  des  Obergymnasiums  in  Prachatitz 
sah  ich  nämlich  ein  junges  Exemplar  der  Pfeil-  oder  echten 
Zornnatter.  Zanienis  gemonensis  Laue.,  forma  typica.  Ich  dachte 
zunächst  gar  nicht  daran,  daß  dieses  Exemplar  im  Böhmerwald  ge- 
fangen worden  sein  könne,  sondern  glaubte  es  zufällig  aus  einer 
Lehrmittelhandlung  erstanden  und  weit  aus  dem  Süden  importiert. 
Herr  Prof.  Lischka  jedoch,  der  als  Geolog  die  kleine  Sclilange  nicht 
weiter  beachtet  und  nicht  als  Zamenis  erkannt  hatte,  beschrieb  mir 
zu  meinem  nicht  geringen  Erstaunen  genau  die  unmittelbar  an 
Prachatitz  (569  m  Seehöhe)  gelegene  Fundstelle.  Im  ]\[ai  1906  war 
daselbst,  zwischen  dem  Studentenheim  und  der  nach  St.  Margareten- 
bad hinaufführenden  Straße,  ein  Stück  "Wiese  in  einen  Geraüseacker 
umgewandelt  worden.  Die  zu  diesem  Zwecke  abgehobenen  Rasen- 
ziegel lagen  dort  eine  Zeitlang  lose  herum,  und  unter  einem  davon 
fand  Franz  Pawlitschko,  damals  Schüler  der  3.  Gj'mnasialklasse. 
die  kleine  Natter  und  lieferte  sie  seinem  Lehrer  ein. 

Sie  ist  29  cm  lang,   oberseits   hellgrau  mit  bräunlichem  Anfing 


650 


Paul  Kammerer, 


und  von  dunkelbraunen  Fleckchen  übersät,  die  immer  an  den  Scliuppen- 
rändern.  aber  bald  am  vordem,  bald  am  seitlichen  oder  hintern 
Eande  stehen.  Auf  dem  letzten  Eumpfdrittel  und  dem  Schwänze 
gewinnt  die  braune  Tönung-  der  (Grundfarbe  an  Intensität,  während 
die  dunkelbraunen  Fleckchen  kleiner  werden  und  bald  verschwinden 
(Textfig.  A).    Die  Kopfoberseite  ist  kastanienbraun,  welche  Farbe  von 


Fig.  A. 

Zamenis  gemoncnsis  forma  typica. 

a  juv.  aus  dem  ßübmerwald.    Nat.  Größe,    b  Kopf  desselben  Exemplars,  vou  oben. 

ca.  3 : 1. 

einigen  gelben,  in  regelmäßiger  und  ansprechender  "Weise  verteilten 
Ocellen  unterbrochen  ward.  Je  ein  verwaschener  Querocellus  kommt 
auf  die  beiden  Präfrontalia,  einer  an  das  Frontale,  wo  die  Zwisclien- 
naht  der  Präfrontalia  mit  der  Quernaht  des  Frontale  zusammen- 
stößt, zu  liegen;  je  zwei  verwaschene  Fleckchen  befinden  sich  auf 
den  Supraocularen  längs  der  das  Auge  begrenzenden  Naht.  Je  ein 
schärfer  ausgeprägte!'  Ocellus  ist  dem  hintern  Teile  der  Supraocularia 
einerseits  und  dem  Frontale  andrerseits  gemein,  so  daß  die  Nähte 
links  und  rechts  die  Fleckchen  halbieren ;  ein  ebensolcher,  nur  schon 
wieder    etwas    schwächerer    Fleck    liegt    vor    der    Mitte    auf   der 


Colwber  longissimus  i;ncl  Zamenis  genioneusis  im  Bühmerwald  etc.        651 

Medianiialit  der  Parietalia,  je  einer  endlicli  auf  den  Parietalschildern 
selbst,  nalie  dem  vordem  Lateralwinkel  derselben.  Das  Dunkel- 
braun und  Hellgelb  der  Kopfreg-ion  dehnt  sich  in  Form  einer  unregel- 
mäßig-en,  weit  ausladenden  Zeichnung-,  wo  aber  das  Gelb  zur  Grund- 
farbe, das  Braun  zur  Zeichnung-  wird,  noch  auf  die  Nackenregion 
aus  und  ruft  liier  eine  Pig-mentverteilung  hervor,  welche,  wenn  auch 
bei  Tropidonotus  natrix  unvergleichlich  stärker  ausgesprochen,  doch 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch  bei  Coluba-  Ungissimus  und  eben 
bei  Zamenis  gemonensis,  namentlich  Jüngern  Tieren  beider  zuletzt 
genannter  Arten,  auftritt  und  schon  zu  mancher  Verwechslung  An- 
laß gegeben  hat:  die  beiden  gelben  Nackenflecke  mit  der  dunklen 
Umsäumung  (Textfig.  Aa).  Die  ganze  Unterseite  ist  einfarbig  gelb- 
lich-weiß mit  Elfenbeinglanz. 

Schuppenformel:  Sq.  17,  V.  179,  A.  1/1,  Sc.  98  98  +  1. 

Das  Exemplar,  welches  Herr  Prof.  Adolf  Lischka,  der  Kustos 
des  Naturalienkabinets  im  Prachatitzer  k.  k.  Obergymnasiuni,  mir 
freundlichst  leihweise  überlassen  hatte,  w'urde  Herrn  Dr.  Franz 
Weener- Wien  zur  K  o  n  t  r  o  1 1  b  e  s  t  i  m  m  u  n  g  übergeben ;  er  bestätigte 
es  als  Zamenis  gemonensis  forma  t5q)ica. 

Bemerken  möchte  ich  noch,  daß  es  in  Prachatitz  keinen  Terrarien- 
besitzer gibt  und  gegeben  hat  sowie  daß  auch  Sammler  und  Händler 
die  Gegend  wenig  betreten.  Der  Böhmerwald  ist,  wie  Herr  Prof. 
iSIoEiTZ  Steach,  Direktor  des  Obergymnasiums  in  Prachatitz,  mir 
am  Beginne  meiner  dortigen  Sammeltätigkeit  anregend  zurief,  beinahe 
noch  jungfräuliches  Gebiet.  Es  erscheint  somit  ausgeschlossen,  daß 
Avir  es  mit  einem  der  Gefangenschaft  entronnenen  oder  sonstwie 
eingeschleppten  Exemplare  zu  tun  haben.  Dagegen  spricht  auch 
seine  Jugend:  so  kleine  Exemplare  kommen  gar  nicht  in  den  Tier- 
handel, das  vorliegende  ist  also  ein  Beweis,  daß  Zamenis  sich  im 
Böhmerwalde  fortpflanzt,  w^as  von  Menschenhand  eingebürgerte 
Exemplare  dort  vielleicht  nicht  getan  haben  würden. 

Durch  die  unerwartete  Konstatierung  von  Zamenis  gemonensis 
im  Böhmerwalde  gewinnen  einige  ältere  Angaben,  wonach  diese 
Art  in  den  nördlichen  Provinzen  der  j\[onarchie  gefunden  wurde^ 
neuerdings  wiederum  etwas  an  AVahrscheinlichkeit,  so  die  An- 
gabe von  Heineich,  1856,  p.  41 — 42,  bezüglich  seiner  „Gelb-  oder 
Grünnatter,  Coluber  flavescens  Scop. ,  viridiflavus  Daud, ,  otrovirens 
ScHiNz.  Kommt  in  den  Wäldern  der  mährisch-schlesischen  Sudeten 
äußerst  selten  vor.  In  früheren  Zeiten  sollen  dergleichen 
Nattern  ...  in  den  weitläufigen  Wäldern  von  UUersdorf  und  Wiesen- 


652  Paul  Kammer kk, 

berg,  in  Mähren,  nnd  am  .Aroosbrncli.  im  Troppauer  Kreise,  gerade 
iiiclit  zu  den  Seltenlieiten  gehört  haben.-'  Vielleicht  durch  Heln'- 
eich's  Bezeichnung  ,.Cohiher  flavescens^^  wurde  Mojsisovics  verleitet, 
diese  Stelle  auf  die  Äskulapsehlange  zu  beziehen.  Auch  Werxee. 
1897,  p.  56,  schreibt:  „Die  Angabe  Heinrich's  über  das  Vorkommen 
von  Zamenis  gemonensis  in  den  mährisch  schlesischen  Sudeten  bezieht 
sich  zweifellos  auf  die  Äskulapsehlange."  Da  aber  Heixkich  die 
Äskulapschlange  p.  42  ebenfalls  anführt,  von  der  „Gelb-  oder  Grün- 
natter" ausdiücklich  die  Glattheit  der  Schuppen  betont,  während 
diejenigen  der  Äskulapsehlange  in  der  Hinterhälfte  des  Rückens 
meist  deutlich  gekielt  sind,  ist  doch  daran  zu  denken,  daß  er  richtig 
determiniert  hat.  Die  von  ihm  angegebenen  Ziffern  der  Ventralia 
wären,  vorausgesetzt,  daß  es  sich  nicht  um  einen  Druckfehler  handelt, 
mit  277  sowohl  für  Zamenis  als  auch  für  Coluher  zu  hoch  gezählt; 
die  Ziffer  der  Subcaudalia  wiederum  können  sowohl  für  die  eine  wie 
für  die  andere  Art  passen.  Die  Beschreibung  der  Färbung  läßt 
ebenfalls  kein  rechtes  Urteil  zu;  jedenfalls  aber  kann  man  weder 
aus  der  Erwähnung  der  einfarbig  gelblich-weißen  Unterseite  noch 
aus  derjenigen  gelber  Flecken  im  Nacken  mit  Sicherheit  auf  die 
Äskulap-  oder  gar  auf  die  Ringelnatter,  dies  natürlich  nur  mit 
Bezug  auf  die  Nackenflecken,  schließen,  da  jene  Farbmerkmale  auch 
bei  Zamenis  bisweilen  zutreffen. 

Za WADSKI,  1840,  p.  150,  gibt  ..die  grün-  und  gelbe  Natter, 
Cohihor  atrovirens  Schinz"  für  die  Bukowina  an.  Nach  der  bloßen 
Farbbeschreibung  —  Zawadski  liefert  uns  keine  Kennzeichnung  des 
Schuppenkleides  und  auch  diejenige  des  Farbenkleides  ist  nicht  sehr 
charakteristisch  —  ist  es  wohl  möglich,  zu  entscheiden,  daß  wirk- 
lich Zamenis  und  keine  andere  Art.  nicht  aber,  welche  Form  von 
Zamenis  gemoriensis  gemeint  sei.  Wekner,  1897,  p.  57,  bezieht  die 
Beschreibung  auf  die  rar.  atrovire)is  Shaw  =  niridiflavus :  Mojsisovics 
auf  die  typische  Form.    Auch  Bielz  gibt  Zamenis  für  die  Bukowina  an. 

Zamenis  gemonensis  forma  typica  kommt  aber  auch  in  Nieder- 
österreich s  ü  d  1  i  c  h  V  0  n  d  e  r  D  o n  a  u ,  im  Wienerwaldgebirge  und 
in  West- Ungarn  nördlich  von  der  Donau,  in  den  kleinen 
Karpathen  vor.  Dort  fand  sie  schon  Werner,  1892,  1893,  bei  Vös- 
lau,  Baden  und  Mödling,  hier  habe  ich  sie  auf  dem  Thebener  Kogel 
(521  m)  bei  Preßburg,  einem  Ausläufer  der  kleinen  Karpathen  an- 
-getroffen. 

Werner  vermutete  (1892),  daß  es  sich  bei  den  niederöster- 
reichischen Exemplaren  um  freigekommene,  dann  akklimati- 


Cohiber  lougissimns  und  Zaiuenis  g'emouensis  im  Bübmerwald  etc.        653 

sierte  Exemplare  handelte:  „Statt  der  bei  Baden  vorkommenden, 
bei  Vöslan  aber  fehlenden  Äskulapschlang-e  besitzt  letzteres  eine 
kleine  Kolonie  einer  südenropäischen  Schlang-e  {Zamcnis.gemoncnsis)^ 
welche  sich  auf  dem  Kaiserstein  (und  auf  den  Felsen  bei  Mödling) 
herumtreibt  und  deren  Fang-  eine  geradezu  halsbrecherische  Arbeit 
ist"  (p.  120).  „Das  sporadische  Vorkommen  von  Zamenis  gemonensis 
ist  aber  ebenso  unerklärlich  als  das  von  Feudopus  (Ophisaunis)  apus 
bei  Gablitz,  wenn  man  nicht  annehmen  will,  daß  diese  Kolonien 
von  freigelassenen  Exemplaren  abstammen"  (S.  121).  „Wohl  durch 
freigekommene  Exemplare  entstandene  Kolonie,  wie  Fseudopus  apus 
bei  Gablitz"  (p.  123,  Anm.).  „Was  die  beiden  Kolonisten  der  nieder- 
österreichischen Reptilienfaima  anbelangt,  so  wurde  mir  berichtet, 
daß  .  .  .  Ophisaunis  apus  wahrsclieinlich  von  dem  bekannten,  in 
Brehm's  Tierleben  oft  zitierten  Wiener  Xaturalienhänder  Erber  auf 
dem  Troppberg  bei  Gablitz  ausgesetzt  wurde. . .  Zamenis  (jemoncusis 
habe  ich  auch  bei  Baden  an  verschiedenen  Stellen  beobachtet,  doch 
gelang  es  mir  nicht,  auch  nur  eines  einzigen  Exemplare«  habhaft 
zu  werden.  Die  Vöslauer  und  Mödlinger  Kolonien  konnte  ich  in 
diesem  Jahre  nicht  besuchen"  (1893.  p.  246). 

Schon  damals  mußte  in  Anbetracht  der  Ausbreitung  über  ein 
Gebiet  von  mindestens  60  qkm,  über  eine  Strecke  von  12  km  in 
der  Richtung  Nord-Süd.  von  etwa  5  km  in  der  Richtung  Ost- West, 
die  Annahme,  es  handle  sich  um  eine  künstlich  eingebürgerte  Ko- 
lonie, eine  sehr  umfassende  Freilassung  oder  sehr  erfolgreiche  Ver- 
mehrung der  Tiere  zur  Voraussetzung  haben.  Freilich  würde  man 
auch  schwerlich  ein  für  solche  Einbürgerung  ähnlich  geeignetes 
Gebiet  gefunden  haben,  als  gerade  die  Umgebung  von  Vöslan, 
Baden  und  Mödling  an  der  Südbahnstrecke  bei  Wien,  eine  Gegend, 
die  bekanntlich  mit  ihrem  reichen  Weinbau,  dem  Vorkommen  von 
Quercus  lanuginosa,  Prunus  pumila,  Colutea  arborescens,  Evonymus 
verrucosus  usw.  usw.,  ihren  erst  viel  weiter  im  Süden  wieder  auf- 
tretenden Insectenformen  {Mantis,  TnjxaUs,  Saga,  Ascalaphus),  der 
Häufigkeit  von  Tropidonotus  tesselatus,  Lacerta  muralis  und  viridis 
auch  sonst  viele  floristische  und  faunistische  Elemente  in  sich  ver- 
einigt, die  ihr  ein  stark  mediterranes  und  pontisches  Gepräge 
verleihen. 

Die  neu  hinzukommenden  Fundorte  aber  machen  es  wahrschein- 
lich, daß  Zamenis  gemonensis  nicht  einen  Fremdling  jener  Land- 
schaft, sondern  als  endemisches  Mitglied  einen  integrierenden  Be- 
standteil  ihres  südlichen    Charakters   darstellt.     Der   Fundort  bei 

Zool.  Jahrb.  XXVII.    Abt.  f.  Syst.  ^2 


654  Paul  Kammerkr, 

Theben  am  nöi-dlichen  Ufer  der  Donau  le^te  es  mir  zuerst  nahe, 
das  Vorkommen  von  Zamenis  auch  südlic]i  von  der  Donau  durch 
eine  Einwanderung-  längs  des  Donaustromes  aus  Ung-arn  her  zu  er- 
klären. Zwar  ist  in  Ungarn  eine  von  unserer  forma  typica  {==  rar. 
Itturentii  de  Bedr.)  grundverschiedene  Form  der  Zamenis  gemonensis, 
die  suhsp.  caspius  Iwan  =  trabalis  Pall.  herrschend,  aber  es  ließe 
sich  aus  den  Literaturangaben  doch  auch  auf  weite  Verbreitung 
der  erstem  schließen.  Im  kroatischen  Ungarn,  avo  sie  bestimmt  und 
häufig  vorkommt,  reiht  sie  sich  lückenlos  an  das  istrisch-dalmati- 
nische  Verbreitungszentrum  an,  außerdem  wurden  von  Bielz  und 
Käroly  Siebenbürgen,  und  zwar  das  Zaizoner  Vorgebirge,  von  Fei- 
VALDSKY  das  Tokajgebirge  weit  nördlich  von  der  Donau  angegeben. 
Schreiber,  p.  274,  konstatiert  das  Zusammentreifen  beider  Formen 
(typica  und  caspius)  bei  Budapest,  in  den  Ofener  Bergen.  Da  mir 
indessen  der  beste  Kenner  der  ungarischen  Kriechtiere,  Herr  Prof. 
L.  V.  Mehely,  in  einem  Briefe  vom  22./9.  1907  schreibt,  daß  die  er- 
wähnten Fundorte  von  Zamenis  gemoncnsis  f.  typ.  —  natürlich  mit 
Ausnahme  von  Kroatien  —  schwerlich  richtig  sind,  so  kann  auch 
die  sonst  naheliegende  Annahme  der  Einwanderung  aus  Ungarn  auf 
Wahrscheinlichkeit  keinen  Anspruch  machen.  Mehely  schreibt  mir 
nämlich :  „In  Budapest  (Ofner  Gebirge)  kommt  ausschließlich  caspius 
vor;  von  hier  habe  ich  Prachtstücke.  In  Zaizon  habe  ich  selbst 
oft  gesammelt  (es  ist  ein  kleiner  Badeort  etwa  Vj.^  Stunden  von 
Brassü,  wo  ich  11  Jahre  lang  Professor  war),  aber  weder  gemonensis 
noch  caspius  ist  mir  jemals  vorgekommen.  Kein  Museum  der  Mittel- 
schulen in  Brassö  (es  gibt  dort  vier)  besitzt  ein  Stück.  Die  Gegend 
von  Tokaj  habe  ich  persönlich  nicht  besucht,  kann  aber  nicht 
glauben,  daß  das  Tier  dort  vorkommen  könnte." 

Von  allen  angeblichen  ungarischen  Fundorten  wäre  Tokaj  — 
bekanntlich  ebenfalls  eine  Weingegend !  —  der  bemerkenswerteste, 
weil  er  ungefähr  in  gleicher  geographischer  Breite  liegt  wie  die 
Fundorte  der  Bukowina.  Niederösterreichs  und  der  kleinen  Karpathen 
(Thebener  Kogel).  Bezüglich  des  letztgenannten  Ortes  stimmt  die 
geographische  Breite  sogar  ganz  genau. 

Ich  habe  endlich  noch  ein  Fundgebiet  von  Zamenis  gemonensis 
f.  typ.  zu  nennen,  welches  zwar  weit  südlicher  liegt  als  alle  bisher 
hier  besprochenen,  dennoch  ausdrücklicher  Bestätigung  bedarf.  Es 
liandelt  sich  um  die  schon  bei  Brehm,  2.  Aufl.,  Vol.  7,  p.  361,  vor- 
handene, jedoch  hinsichtlich  ihrer  Quellen  nicht  ersichtliche  Angabe 
des  Vorkommens  unserer  Schlange  im  südlichen  Kärnthen.   Bei  meinem 


Coluber  longissima  und  Zamenis  geraonensis  im  Böhmerwald  etc.         655 

Aufenthalte  am  Ossiacher  See  im  Jahre  1895  hatte  icli  Geleg'eiilieit, 
3  Exemplare,  woi-unter  ein  schwarzes,  auf  der  Euine  Landskron 
(670  m)  oberhalb  des  Dorfes  St.  Andrä  bei  Annenheim  zu  erbeuten, 
wo  sie  sich  in  Gesellschaft  von  Lacerta  mural is  (sonst  in  der  ganzen 
Gegend  nicht  vorg-efunden)  und  von  lebhaft  braunrot  g-efärbten 
Coronella  ausiriaca  sonnten,  welch  letztere  von  der  dortigen  Be- 
völkerung allg-emein  unter  dem  Namen  „Kupfernatter"'  mit  der 
Kreuzotter  verwechselt  wurden.  Ein  weiteres  Exemplar  erbeutete 
ich  am  Südrande  des  Faaker  Sees,  in  den  Verbergen  der  Kara- 
wanken. Ich  vermute,  daß  Zamenis  in  diesem  sonndurchglühten 
Kalkgebirge,  welches  in  vieler  Beziehung  an  die  Verhältnisse  des 
Südtiroler  Verbreitungszentrums  gemahnt,  noch  weiter  verbreitet 
und  an  die  Krainer  Fundorte  angeschlossen  sein  wird. 

Auch  in  Südsteiermark  ist  Zameuis  anzutreffen,  und  zwar  bis- 
her an  drei  Orten:  bei  Cilli  um  die  Ruine  Ober-Cilli  auf  dem  Scliloß- 
berg  (411  m),  ferner  auf  Felsen  obei-halb  des  durch  das  Auftreten 
der  Äskulapsclilauge  bekannten  Kurparkes  von  Römerbad  (beide 
Fundorte  konstatierte  ich  im  Sommer  1901)  und  endlich  am  Fuß 
des  Douatiberges  bei  Markt  Rohitsch  (Sommer  1902).  Damit  ist 
abermals  die  Angliederung  an  Kroatien  und  somit  an  das  ge- 
schlossene Verbreitungsgebiet  der  Zamenis  gemoneusis  gegeben. 

Meine  zoogeographischen  Notizen  sind  hierdurch  abgeschlossen. 
Doch  kann  ich  nicht  umhin,  auf  eine  merkwürdige  ^^'ahrnehmung 
einzugehen,  die  sicli  auf  transformistische  Tendenzen  der  nördliclien 
Pfeilnattern  bezieht. 

Die  von  Weenee  in  Niederösterreich  gefangenen  und  gesehenen 
Zam€)tis  hatten  seiner  mündlichen  Aussage  nach  alle  die  normale 
Färbung  der  forma  typica,  d.  h.  waren  graubraun  mit  dunkel  ge- 
ränderten und  weiß  gestrichelten  Schuppen.  In  Weenee's  Sammlung 
bekam  ich  ein  Exemplar  niederösterreichischer  Herkunft  zu  sehen, 
welches  dieser  Beschreibung  vollkommen  entsprach.  Die  von  mir 
in  Niederösterreich  gefangenen  Exemplare  waren  aber  durchwegs 
tiefschwarz,  mit  Ausnahme  der  teilweise  hellgelben  Supralabialia, 
der  ganz   gelben  Prä-  und  Postocularia  {var.  carbonarius  Bonap.).  ^) 


1)  Var.  rarbonarius  BOXAP.,  die  ,.Karb  on  ar  s  ch  1  ange"  oder 
„Kohle  nnatt  er",  ist,  wie  auch  AVeexee,  1899,  hervorhebt,  keine 
eigentliche  Varietät  in  dem  Sinne,  daß  sie  eine  Abweichung  einer  be- 
stimmten Form  von  Zamenis  gemoyiensis  darstellt.  Ursprünglich  war 
sie  zwar  wohl  als  Abart  der  var.  atrovircns  Shaw  aufgestellt,  aber  auch 
alle  übrigen  Formen,   die  var.  caspiiis  Iwan,  die  var.  laurcntn  de  Bede. 

42* 


656  Paul  Kammerek, 

Ein  139  cm  lanj>-es,  lebhaft  irisierendes  Exemplar,  welches  mir  als 
„Askulapschlange"  zug-eoangen  und  von  einem  Bauern  in  einem 
Steinbruch  der  Hinterbrühl  bei  JNFödlins"  gefangen  worden  war.  ent- 
behrte sog:ar  jener  wenigen  hellen  Abzeichen.  Ich  selbst  fing 
schwarze  Pfeilnattern  auf  den  Kalkfelsen  der  Vorderbriihl  bei  Möd- 
ling  (namentlich  Husarentempel.  494  m,  Ruine  Mödling),  dem  Berge 
Anninger  (675  m)  und  im  Helenental  bei  Baden  auf  den  felsig- 
buschigen Abhängen  der  Kuinen  Rauhenstein  und  Rauheneck,  im 
ganzen  im  Laufe  der  Jahre  1899—1907  16  durchweg  größere 
Exemplare. 

Nicht  anders  steht  es  um  den  Fundort  am  Thebener  Kegel. 
Auf  diesen  war  ich  durch  Herrn  Dr.  Egon  GALVAGNi-Wien  aufmerk- 
sam geworden,  der  bei  einem  Ausfluge  eine  graue  Natter  hatte 
ins  Gebüsch  kriechen  sehen,  die  er  für  Zamenis  angesprochen.  Ich 
ging  hin  und  fand  in  wiederholten  Exkursionen  allmählich  5  Za- 
menis, lauter  Nigrinos  der  forma  typica. 

Auch  unter  den  4  Kärnthner  Exemplaren  hatte  sich,  wie  schon 
erwähnt,  ein  schwarzes  befunden.  Es  ist  nicht  auszuschließen,  daß 
das  ganz  kleine  Exemplar  aus  dem  Böhmerwalde  später  ebenfalls 
schwarz  geworden  wäre,  denn  die  Jungen  von  var.  carbonarms  sind 
zunächst  stets  normalfarbig.  Es  ist  schließlich  daran  zu  erinnern, 
daß  die  Äskulapnattern  des  Böhmerwaldes  sich  der  dunklen  rar. 
suhgrisea  nähern. 

Auf  Grund  meiner  Arbeiten  über  experimentell  erzeugten  Mela- 
nismus der  Tiere  drängt  sich  mir  die  Vermutung  auf,  daß  Zamenis 
auf  ihren  Wanderungen  zu  den  nördlichsten  Vorposten- 
stat i  0  n  e  n  i  h  r  e  r  j  e  t  z  i  g  e  n  geographischen  Verbreitung 
aus  der  1 3^ p i  s c h e  n  Form  sich  in  die  var.  carbonari u s 
umbilde.     Und  zwar  aus  folgenden  Gründen: 

Ich  habe  experimentell  die  drei  Faktoren :  hohe  T  e  m  p  erat  u  r , 
Trockenheit  und  s  t  a  r  k  e  L  i  c  h  t  b  e  s  t  r  a  h  1  u  u  g  als  melanismus- 
erzeugend  festgestellt.  Da  Zamenis  an  den  nördlichen  Fundorten  stets 
nur  solche  Örtlichkeiten  bewohnt  und  aufsucht,  die  weit  mehr  als 
die  übrige  Umgegend  von  direkten  Sonnenstrahlen  getroffen  werden 
und  diese  womöglich  noch  mit  großer  Energie  reflektieren  (Kalk- 
felsen), so  kann  die  Aktion  des  letztgenannten  Faktors  ohne  weiteres 
eingesehen  werden. 


(forma  typica)  und  die  var.  asiana  Bttgr.  kommen  gelegentlich  als  Nigrinos 
vor,    ja    treten    an    hiei'zu    geeigneten  Orten  als  schwarze  Lokalrassen  auf. 


Coluber  longissimus  und  Zainenis  geomeusis  im  Böhraerwald  etc.         657 

Bezüglich  des  Faktors  „Trockenheit"  befinde  ich  micli  in 
Widersprucli  mit  den  bisherigen  Annahmen,  die  umjf^ekehrt  starke 
Feuchtig'keit  als  Ursache  des  Melanismus  hinstellen,  weil  tat- 
sächlich Xigrinos  vielfach  in  feuchten  Geg-enden  g-efunden  werden. 
Wenn  trotzdem  das  Experiment  Feuchtigkeit  im  allgemeinen  als 
aufhellenden,  Trockenheit  als  verdüsternden  Faktor  zeigt,  so  läßt 
sich  dieser  scheinbare  Widerspruch  durch  genane  ökologische  Beob- 
achtungen dahin  auflösen,  daß  es  innerhalb  feuchter  Gebiete  insel- 
artig eingestreute  trockne  Stellen  sind,  welche  melanische  Tiere 
hervorbringen  und  —  von  immer  vorhandenen  und  das  Beobachtungs- 
bild mitunter  verzerrenden  Auswanderern  abgesehen  —  auch  be- 
herbergen. Ihre  Vorfahren  waren  an  starke  Feuchtigkeit  gewöhnt 
und  daher  für  die  schwärzende  Eigenschaft  der  Trockenheit  (hier 
schon  geringerer  Feuchtigkeit!)  besonders  empfänglich. 

Durch  ebendieselbe  Kontrastwirkung  ist  dann  auch  der  W  ä  r  m  e  - 
faktor  aktionsfähig.  Eine  trocken-heiße  Waldblöße  am  Südwest- 
abhang des  Libin  (an  der  Straße  von  Prachatitz  nach  Pfefterschlag). 
von  der  ich  oben  berichtete,  daß  mir  innerhalb  ihres  Bereiches  auf 
einem  Flecke  von  kaum  1  qra  Bodenfläche  der  Fang  von  4  Vipern 
berus,  1  Tropidonotus  natrix,  1  CoroneUa  austriaca  gelungen  war, 
zeichnet  sich  durch  das  Vorkommen  von  Vipera  herus  var.  prester  L. 
und  melanis  Fall.,  Tropidonotus  natrix  var.  minax  Bp.,  Lacerta  vivipara 
V.  nigra  Sturm,  Raita  temporaria  v.  nigromaciüata  Ween.  aus;  auch 
Anguis  fragilis  {var.  fusca  de  Betta)  und  CoroneUa  sind  in  düstern, 
wie  angeraucht  erscheinenden  Exemplaren  vertreten.  Es  gibt  also 
dort  fast  lauter  melanische  Varietäten,  während  diese  in  der  ganzen 
Umgebung  des  bezeichneten,  etwa  200  qm  großen  Ortes,  soweit  ich 
habe  sehen  können,  trotz  häufigen  Auftretens  der  Stammformen  voll- 
ständig fehlen,  also  jedenfalls  —  selbst  Auswanderer  und  zufälliges 
Übersehen  beim  Suchen  in  Eechuung  gezogen  —  in  unvergleichlich 
geringerer  Regelmäßigkeit  auftreten.  Ja  die  Stammformen  erscheinen 
dort,  im  wirklich  feuchten  Revier,  sogar  auffallend  licht.  Derartige 
Beispiele  aus  den  verschiedensten  Gegenden  könnte  ich  noch  viele 
aufzählen. 

Einige  CoroneUa  mit  hell  gelbbrauner  Grundfarbe,  von  relativ 
feuchten  Stellen  des  Böhraerwaldes  her  geholt,  wurden  mir,  konstant 
bei  25*'C  gehalten,  binnen  '\'^  Jahr  rauchgrau,  so  daß  die  vorher 
scharf  abstechende  Zeichnung  jetzt  kaum  mehr  auffiel.  Bei  Wien 
gefangene  CoroneUa  hingegen,  welche  die  gleichhelle  Farbe  wie  ur- 


658  Paul  Kämmerer, 

sprünglicli  die  Böhmer wälder  aufwiesen,   blieben  unter  gleichen  Be- 
dingungen in  der  gleiclien  Zeit  noch  unverändert. 

Xiclit  anders  dürfte  es  sicli  mit  Zamcnis  verhalten,  nur  mit  dem 
Unterschied,  daß  sie  als  Gäste  aus  dem  Süden  auf  die  Kontrast- 
wirkung der  Temperatur  und  Feuchtigkeit  noch  ungleich  empfind- 
licher reagieren  als  eigentliche,  ältere  Mitglieder  der  nördlich  zentral- 
europäischen Fauna.  Für  letztere  Behauptung  liegt  mir  experimen- 
telles Material  zwar  noch  nicht  für  Zamensis  gemonensis  selbst,  aber 
für  mehrere  Lacertiden  vor.  Diejenigen  Exemplare  also,  welche  auf 
ihrer  Wanderung  aus  dem  Süden  bereits  eine  weitgehende  Anpas- 
sung an  das  kühlere  Klima  hatten  durchmachen  müssen,  werden 
verhältnismäßig  sehr  rasch  melanotisch,  wenn  sie  sich  am  Ziele  ihrer 
Wanderung  denkbar  wärraste  Aufenthaltsorte  zur  Daueransiedlung 
gewählt  haben.  Dann  gewinnt  auch  ihr  schwarzes  Kleid  vermöge 
seiner  hohem  Absorptionsfähigkeit  für  thermische  Strahlen  eine 
zweckmäßige  Bedeutung,  indem  es  seinem  Träger  bei  zeitweiser 
starker  Abkühlung  durch  bestmögliche  Ausnützung  der  Strahlen 
immer  noch  ein  gewisses  Maß  von  Wärme  zukommen  läßt. 

So  erkläre  ich  mir,  daß  in  Niederösterreich  und  auf  dem  The- 
bener Kogel  früher  noch  norm  alf  arbige,  später  nur 
schwarze  Exemplare  von  Zamenis  gemonensis  typica  gesehen  wurden. 
Die  Einwanderer  wurden  unter  dem  Einflüsse  starker  Sonnenbe- 
strahlung und  einer  im  Gegensatze  zum  relativ  feuchten  und  kühlen 
Klima  der  Umgebung  höhern  Temperatur  und  größern  Trockenheit 
ihrer  Wohnstellen  zu  Nigrinos  und  haben  dadurch  gleichzeitig  einen 
wirksamen  Kälteschutz  erworben. 

An  dieser  Stelle  war  es  mir  natürlich  nicht  möglich,  das  Problem 
der  Entstehung  melanischer  Formen  genau  zu  erörtern,  namentlich 
nicht,  die  darauf  bezüglichen  Experimente  unter  Hervorhebung  der 
Kautelen  zur  Vermeidung  der  Fehlerquellen  mit  der  notwendigen 
Ausführlichkeit  zu  schildern,  auch  nicht  alle  für  meine  Anschauung 
sprechenden  Beobachtungen  des  Freilebens  aufzuzählen.  So  läßt  die 
vorstehende  Darstellung,  welche,  wie  betont,  herrschenden  Ansichten 
teilweise  widerspricht,  Angriffspunkte  für  Einwände  offen,  die  ich 
hier  nicht  ausschließen  kann,  ohne  mich  allzuweit  von  meiner  dies- 
mal gestellten  Aufgabe:  Nachweis  des  Vorkommens  von  Coluher 
Jongissimus  und  Zamenis  gemonensis  typica  in  neuen  oder  bisher  nicht 
sichergestellten  Fundgebieten,  zu  entfernen. 

Eine  eingehende  Beschreibung  meiner  Versuche  über  Melanismus 
und  ihre  theoretische  Auslegung  sowie  eine  Diskussion  der  den  bis- 


Coluber  louo-issiraus  uud  Zamenis  gemonensis  im  Böhmerwald  etc.        659 

her  geltend  oemacliten  Ansichten  über  das  bezeichnete  Problem  zu- 
grunde liegenden  Tatsachen  soll  im  Laufe  des  Jahres  1910  im 
Archiv  für  Entwicklungsmechanik  der  Organismen  ersclieinen. 


Literaturverzeiclmis. 


a)  Zur  geographischen  Verbreitung  von   Coluher  lon- 
g i s s i m u s  und  Zame n  i s  genione n s i s. 

BlELZ,  E.   A.,  Fauna  der  Wirbeltiere  Siebenbürgens,    Hermannstadt   1856. 

Brehm,  A.  E.,  Tierleben,   2.  Aufl.,  Vol.   7,  Leipzig   1878,  p.   361. 

DtJElGEN,  BeunO,  Deutschlands  Amphibien  und  Reptüien,  Magdeburg  1897, 
p.   313,  314. 

Ekic,  Antoist,  Die  Wirbeltiere  Böhmens,  in:  Arch.  naturw.  Landesdurch- 
forsch.  Böhmen,  Arb.  zool.  Sekt.,  Vol.  2,  Abt.  4,  p.  101  —  110, 
Prag  1872. 

Fkivaldszky,  Em.,  Monographia  serpentum  Hungariae,  Pestini   1825. 

Heineich,  Albin,  Mährens  und  k.  k,  Schlesiens  Fische,  Reptilien  und 
Vögel,  Brunn  1856,  p.  41,   42. 

KaeOLY,  Amphibien  von  Ungarn,  in:  Naturw.  Hefte  ung,  Xational-Mus.. 
Vol.  2,   1878,  p.  96. 

V.  MOJSISOYICS,  August,  Über  die  geographische  Verbreitung  einiger 
westpaläarktischer  Schlangen,  in :  Mitt.  naturw.  Ver.  Steiermark,  Graz 
1888,  p.  233—236. 

Scheeibee,  Egid,  Herpetologia  Europaea,  Braunschweig  1875,  p.  272,  274. 

Weenee,  Feanz,  Herpetologische  Lokalfaunen  der  österreichischen  Erz- 
herzogtümer, in:  Abb.  naturw.  Ver.  Magdeburg  1891,  1892,  p.  117 
bis    121. 

— ,  Nachtrag  zu  den  herpetologischen  Lokalfaunen  der  österreichischen 
Erzherzogtümer,  ibid.,    1892,    1893. 

— ,  Die  Reptilien  und  Amphibien  Österreich-Ungarns  und  der  Okkupations- 
länder, Wien   1897,   jd.   56,   57,   60. 

— ,  Etwas  von  der  Pfeilnatter  (Zamenis  gemonensis),  in :  Blatt.  Aquar.- 
Terr.-Kunde,  Vol.    10,    1899,  p.    129—131,    142—144. 

Zawadski,  Alexander,  Fauna  der  galizisch-bukowinischen  Wirbeltiere, 
Stuttgart  1840,  p.   150. 


660  Paul  Kammerer,  Coluber  longissimus  im  Böhmerwald  etc. 

1))  Zur  Untersuchung  der  Entstehungsursachen   dos 

Melanismus. 

Leydig,  Franz,  Die  Hautdecke  und  Schale  der  Gastropoden,  in:  Arch. 
Naturg,,   1876,  p.   238  und  266  flf. 

Klunzinger,  C.  B.,  Über  Melanismus  bei  Tieren  im  allgemeinen  und  bei 
unseren  einheimischen  insbesondere ,  in :  Jahresh.  Ver.  vaterländ. 
Naturkunde  Württemberg,   1903,   p.   267 — 297,  besonders  p.   290, 

Beide  Aufsätze  als  Beispiele  für  die  Ansicht,  daß  u.  a.  Feuchtig- 
keit  den  Melanismus  verursache. 

Kammeree,  Paul,  Künstlicher  Melanismus  bei  Eidechsen,  in:  Ztrbl. 
Physiol.,  Vol.  20,  No.  8,  p.  261  —  263,   1906. 

— ,  Über  künstliche  Tiernigrinos.  Vortrag,  in :  Verh.  zool.-bot.  Ges. 
Wien,   1907,  p.   134—136. 

Zwei     vorläufige     Mitteilungen     über     Befunde,     wonach    u.  a. 
Trockenheit   den  Melanismus  verursache. 


Lippert  &  Co.  (G.  Pätz'sche  Buchdr.),  Naumburg  a/S. 


Zuolvtf.Jahfbüvln'r  BiLZ7.Abt.f'.  Syst 


Taf  i. 


Sirviff  ge«. 


s  V  Gustav  FiscKer.Jena 


Lith  An  st  vKWes  £  ei .  Je  na 


Zoolog. t/eüwbüch er  BtL.^J.Abt.f.  Syst. 


Taf.    Z. 


StreiiT  g«i, 


VerU^  V  Gustav  Racher,  Jena.. 


Llth  Anat  vK-Wesaer.  Jena 


Zoolatj.  Jahj-büchar  Bd^ZT.Abt.f.  SifsV. 


Taf  3. 


Sireifr  {«X. 


Verlag  vCust»  Fischer.  Jena 


Lith  An«tvKW«a  sttT.  J«nr 


ZooLjij.JuJij'hüciuii-  BiL^Zy.Aht.f.  Sysi. 


Tat:  ^. 


S.r,..rt  6.-, 


Veriaf  v  O"»"'  flscker,  J,na. 


LithAnslvKWeseerJenft 


Zoobg.JaJu-badierßd.L^l  Aht  l\  Syst. 


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Zooteg  Jahrbücha-  Bd  21.  Abt  f.  Syst 


Taf  6 


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Werner  g« 


ViTligvun  Gustav  Plsehcrm  Jana. 


I.llli  Aitsl  V  Johannes  Arndt,  Jena . 


Zoolog.  Jakrbüdiei^ Bd.^7.Aht-,f,  Sifst. 


Taf.    7. 


Verlag  vG^slayRsthei-,  Jena, 


LitK  An  s  i  V  K  Wes  8  f  r,  j  en  a 


Zoolo/i.  ■  f(tlirl>ii>  Iiri  ■  IUI  VZ  .  [hl.  I'.S^  sl . 


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Zoohq.  Jahrhürl/n-.   W.  l^ .  Abt.  f.   Syst. 


Tafel  9. 


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Guderuatscli. 


Verlatr  von  Gustav  Fischer  in  Jena. 


Zonhxj.  .hilirhücher  B(f.  'dl.  AM    f.  S/isf. 


Taf.   10. 


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Verlag  roii   Gustav   Fischer  in  ,fen<i. 

Crayondnick  von   I.  H.  übenietter,  Müucheu 


Zoolog.  Jnhrbüclier  Bd.  27.  Aht    f.  S/fst. 


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Verlan  von   Giisluv   Fischer  in  Jena. 

Crayondruck  von  J.  H.  überuetter,  München. 


Zoolog.  Jahrbiic/icr.  IUI  L'7.  Ahlh  I'.  Svsl . 


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Zuolocj.  Jahrbücher  Bd.  27  Abt.  f.  Sii^t. 


Tat-    13. 


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Verlag  von   Gustav   Fischer  in  Jena. 

Crayoiiiiruck  von  .1.  B.  <  )berneller,  Miinoheii. 


Zoolog.  Jahrbücher  Bd.  27  Abf.  f.  Sijst. 


Taf.   14. 


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Verlag  von   (iustar   Fischer  in  Jena. 

Crayondruck    von  J.  B.  Oberuetter,    München. 


Zouliy.  Mirimclm:  Bil.  IT.  Atd.  /'.  Si/st 


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voll  «11«'"'  Ksdier  in  Jena. 


Zoolog.  Jahrbiklicr,  Bd.  27,   Abt.  f.  Syst. 


Tafel  16. 


Kosmiuüky. 


Verlag  von  Gustin  KiM^luT  iji  Jena 


Zoolog.  Jalirbikher,  Bd.  37,  Abt.  f.  Syst. 


Tafel  17 


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Kotfminaky. 


Verlag  von  (""8**7  •'isoher  in  Jena. 


Zonl.y.  Jahrhiiclier  BrI.  ryAhl.p Syst. 


T„r   18. 


Aui'mj,  gex. 


Verla«  vo^  Gu«!»" Fischer  m  Jena. 


L 1 1  h.  Ans!  vÜ.WeAserJena. 


Zoolog.  Jahrbjicher  Bd.  27.  Abt.  f.  Syst. 


Taf.   19. 


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Verlas«  O"^"''''''*«''.  Jena 


Zoolog.  Jahr.b.u.cfier  Bd.  ZI.  Abt.  f.  Syst. 


Ta.f.20. 


Verlag  V,  Gustav  r.scher,  Je„, 


KUHiTflHsr  cscHfrcD» 


Zoolog.  Jatu-hMher  Bd.  ZT  Abt.  f.  Syst. 


Taf.2l. 


Verlag"  G''*""'''"'''^"''  J="i 


Zoolog.  JatuibAi^her  Bd.  Z7.  Abt.  f.  Syst. 


TafZg. 


VerUe  "■  O"'™"  Fischer,  Jena. 


Zoolog.  Jahrbücher  Bd.  ZI.  Abt.  f.  Syst. 


Taf  23. 


Fig.  36. 


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Fig.39 


Fig.  38. 


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Verlagv.  Gustav  Fischer,  Jena 


Zoohii.  .Inhrb..   Ilil.   27.   AU.  f.   Sijsl. 


Tafd  24. 


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Fig.  20.  Fig.  23. 

Verlag  >'■"  <■"*'"  flKrfin-  in  Jena. 


Tafel  2ö. 


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Fig.  24. 


Fig.  25. 


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Tafel  26. 


Fig.  27. 


Fig.  28.     I 


Fig.  32. 


Fig.  33. 


Fig.  36. 


Fig.  42. 


Verlag  von  CusW  PIschei-  in  Jena. 


Zw//w/.  Jahrb..  Ul.  27.  Abi.  /.  Syst. 


Tafel  2', 


Fig.  i.i. 


Fig.  46. 


Fig.  44. 


Fig.  47. 


Fig.  48. 


Fig.  50. 


Fig.  53. 


Fig.  51. 


Fig.  54. 


Fig.  45. 


Fig.  49. 


Fig.  52. 


Fig.  55. 


Verlag  von  Gw^t  Fbeher 


in  Jena. 


Zoolog.  Jahrbücher  Bd.  27.    Aht.  f.  Stj^t, 


Taf.  2S. 


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Zoolog.  Jahrbücher  Bd.  27.     Abt.  f.  Syst. 


Taf.  29, 


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Fig.  8 


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Fig.  12 


Fig.  11 


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Fig.  10 


Fig.  4 


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Fig.  9 


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Zoolog.  JaJirbiklier,  Bd.  27,  Abi.  /.  iSi/st. 


Tafd  30. 


Werner. 


Verlag  von  Gnstav  Fischer  in  Jena. 


MBL    WHOI    Library       Senals 


5  WHSE  01868 


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