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Full text of "Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfes des Menschen und die höheren Wirbelthiere"

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Zur  Entwicklungsgeschichte  des  Kopfes  des  Menschen 
und  der  höheren  Wirbelthiere. 


Zur 


Entwicklungsgeschichte  des  Kopfes 


des 


Menschen  und  der  höheren  Wirbelthiere. 


Von 


Dr.  Emil  Dursy, 

Professor  und  Trosector   an  der  anatomischen  Anstalt   zu  Tübingen. 


Mit  Holzschnitten  und  einem  Atlas  von  neun  Kupfertafeln  mit  erklärendem 

Texte. 


Tübingen,  1869. 


Verlag  der  H.  L  au pp 'sehen  Buchhandlung. 

-  H.  Siebeck.  - 


Die  Entwicklungsgeschichte  ist  der  wahre  Lichtträger  für  Untersuchungen  über  organische 
Körper. 

C.  E.  v.  Baer,  über  Entwicklungsgeschichte  der  Thiere.  I,  S.  23. 


Druck  von  H.  Laupp  in  Tübingen. 


Seinem  hochverehrten  Lehrer, 


dem  Herrn 


H  o  f  r  a  t  h  Dr.  J.   H  e  n  I  e, 


Professor  der  Anatomie  in  Göttingen 


aus  tiefster  Dankbarkeit  und  Hochachtung 


Der  Verfasser. 


Vorbemerkung. 


Was  man  mit  einem  Vorwort  zu  sagen  pflegt,  findet  sich  in 
der  Einleitung  der  vorliegenden  Abhandlung;  schicke  ich  nun  den- 
noch eine  besondere  Vorbemerkung  voraus,  so  stellte  sich  deren 
Notwendigkeit  erst  während  der  Ausarbeitung  des  Manuscriptes 
ein ,  nachdem  bereits  ein  Theil  davon  nebst  der  das  Vorwort  ent- 
haltenden Einleitung  dem  Drucke  übergeben  worden  war.  In  der 
Einleitung  nämlich  deutete  ich  bereits  meine  Beobachtungen  an ,  die 
mich  zur  Veröffentlichung  vorliegender  Abhandlung  veranlassten, 
erkläre  aber  jetzt  diese  meine  vorläufige  Darlegung  des  Inhaltes  für 
eine  sehr  unvollständige,  nachdem  ich  nachträglich  die  Erfahrung 
machte,  dass  die  in  meinen  Tagbüchern,  Handzeichnungen  und  Prä- 
paraten enthaltenen  Beobachtungen  viel  zahlreicher  waren,  als  ich 
während  der  Abfassung  der  Einleitung,  die  ich  nicht  mehr  ändern 
konnte ,  vermuthete. 

Ein  zweiter  Grund,  der  mich  zu  einer  besonderen  Vorbemer- 
kung nöthigte,  liegt  in  der  Anknüpfung  dieser  Abhandlung  an  eine 
frühere  von  mir  über  den  Primitivstreif  des  Hühnchens  (Lahr,  1867) 
veröffentlichte  Schrift.  Dieselbe  wird  nämlich  in  den  kürzlich  er- 
schienenen Untersuchungen  über  die  erste  Anlage  des  Wirbelthier- 
leibes  von  Wilhelm  His  in  der  Einleitung  einer  Besprechung 
unterworfen,  jedoch  in  einer  Weise,  die  mich  sofort  davon  über- 
zeugte, dass  meine  gegen  H  i  s  gerichteten  übrigens  rein  sachlichen 
und  wohl  begründeten  Angriffe  eine  nicht  geringe  Verstimmung  her- 
vorgerufen haben  müssen.  Wer  aber  meine  Schrift  über  den  Primitiv- 
streif kennt  und  den  von  His  (S.  51)  darüber  erstatteten  Bericht 


VIII 

liest,  dem  wird  wohl  die  irrige  Auffassung  und  zum  Theil  vollständige 
Umkehrung  meiner  Angaben  nicht  entgehen.  Es  ist  dies  um  so  auf- 
fallender, als  doch  in  dem  folgenden  Inhalt  der His'schen  Abhandlung, 
wenn  man  die  vielen  neuen,  die  Vergleichung  erschwerenden  Be- 
zeichnungen in  die  bisher  gebräuchliche  Sprache  der  Embryologen 
übersetzt,  vielmehr  eine  Bestätigung  als  eine  Widerlegung  meiner 
Angaben  gefunden  werden  kann. 

Man  vergleiche  z.  B.  nur  die  auf  der  letzten  Tafel  des  His'- 
schen Werkes  nach  freilich  nicht  sehr  gelungenen  Präparaten  an- 
gefertigten Abbildungen  (H  i  s  sah  ja  nicht  einmal  den  von  mir 
entdeckten  und  mit  zwei  Endknöpfchen  versehenen  Achsenfaden  des 
Primitivstreifs!)  mit  meinen  früheren  der  Abhandlung  über  den 
Primitivstreif  beigegebenen  Tafeln,  oder  man  vergleiche  die  von  His 
gegebene  Beschreibung  der  von  den  bisherigen  Angaben  wesentlich 
abweichenden  Gliederung  des  Embryonalschildes,  oder  der  Chorda 
dorsalis,  des  Endknopfes  der  Wirbelsaite,  der  Entstehung  der  Hy- 
pophyse *) ,  der  sogenannten  Urwirbelhöhlen ,  des  Verhaltens  des 
Medullarrohres  zur  Schwanzanschwellung  der  Chorda,  des  nach 
hinten  zurückweichenden  Primitivstreifs  u.  s.  w.  mit  meiner  Dar- 
stellung ,  so  wird  man  meine  Verwunderung  über  diese  Art  der 
Benutzung  meiner  vorausgegangenen  Schriften  begreiflich  finden. 

Da  nun  vorliegende  Abhandlung  sich  an  meine  früheren  Ver- 
öffentlichungen anlehnt,  so  sehe  ich  mich  einstweilen  zu  einer  vor- 
läufigen Erwiederung  an  Herrn  Prof.  His  genöthigt,  die  ich  als 
Nachtrag  auf  S.  222  angeschlossen  habe. 


1)   Vergl.  auch  meine    »Beiträge   zur  Entwicklungsgeschichte   des  Hirn- 
anhanges« im  Centralblatt  für  die  medicinischen  Wissenschaften.   1868.   Nr.  8. 


'o1- 


Tübingen,  1.  October  1868. 

Emil  Dursy. 


Inhalt) 


Seite 

Einleitung 1 

Uranlage  des  Schädels 7 

Gemeinschaftliche  Uranlage  des  Schädels  und  der  Wirbelsäule  7 

Schädelanlage 8 

Chordaknopf. 

Primitivstreif 10 

Achsenfaden  des  Primitivstreifs. 
Kopfende  des  Primitivstreifs. 

Urwirbelplatten  des  Kopfes 12 

Bedeutung  der  vordersten  Urwirbel. 

Ort  der  vordem  Eadigung  der  Chorda  dorsalis. 

Kopftheil  der  Chorda  dorsalis  des  Menschen  und  der  Säugethiere  nebst 

Bemerkungen  über  die  Wirbelsaite  überhaupt 15 

Beziehungen  der  Chorda  zum  Hirnanhang. 

Verhalten  der  Chorda  in  der  Schädelbasis  und  der  Wirbelsäule 

jüngerer  und  älterer  Embryonen 16 

Chordakanal     . 19 

Chordagewebe 23 

Anschwellungen  des  Chordastranges 26 

Beziehungen  der  Chorda  zu  den  Wirbelsynchondrosen    ...  30 

Chorda  in  der  Schädelbasis  verschiedener  menschlicher  Fötus  .       .  33 

Krümmungen  der  Chorda 34 

Verhalten  der  Chorda  im  Keilbein 35 

Rathke'sche  Tasche 35 

Bursa  pharyngea 40 

Knopfförmiges  Kopfende  der  Chorda 82 

Primitives  häutiges  Schädelrohr                    * 45 

Rückenrinne  und  Rückenfurche. 

Schliessung  der  Rückenfurche 47 


X 

Seite 

Primitives  Schädelrohr 48 

Dessen  Bedeutung  und  Beziehung  zum  Hirnrohr  (vergl.  aueh  S.  52). 

Erklärung  der  Bezeichnung  „Rückenplatten" 49 

Bemerken  über  den  Ort  der  beginnenden  Schliessung  des  Rücken- 
rohres      «0 

Membrana  reuniens  superior. 

Vorderes  Hirnende  und  Trichterregion 53 

Wachsthum  und  Krümmung  des  embryonalen  Schädels     ....  53 

Spheno-Occipitaltheil  und  Spheno-Ethmoidaltheil  des  Schädels  55 

Kopfbeuge  und  Nackenbeuge. 
Hirnhautfortsätze   des  Schädels 60 

a)  Hirnhautfortsätze  des  Schädeldaches     ...  .  60 

Entstehung  dieser  Fortsätze. 

Schädelzellen,    Schädelkammern 61 

Tentorium  cerebelli 67 

Hirnsichel «~ 69 

b)  Hirnhautfortsätze  der  Schädelbasis 72  . 

Mittlerer  Schädelbalken. 

Arteria  basilaris 73 

Rathke'sche  Tasche. 
Chordaknopf,  Trichter,  Hypophyse. 
Operculum  der  Satetlgrube,  Bursa  pharyngea. 

Hinterer  Schädelbalken 79 

Bursa  pharyngea. 

Veränderungen  der  Krümmungen  der  embryonalen  Schädelbasis  bei  dem 

Menschen    und   den  Säugethieren 82 

Verhalten  des  mittleren  Schädelbalkens  und  des  Gehirns  zu  den  Abände- 
rungen der  Krümmungen   der  Schädelbasis 88 

Uranlage  des  Gesichtes 90 

Primitiver  Kopf. 

Mundbucht 91 

Primitive  Mundhöhle 93 

Rathke'sche  Tasche. 
Rachenhöhle. 

Nasenrachengang 95 

Keilbeinhöhlen  und  Keilbeinmuscheln. 

Primitive  Mundspalte 98 

Erste  Anlage  des  Gesichtes  und  dessen  weitere  Ausbildung    .  99 

Schlund-  und  Brusthöhle 100 

Kopfdarmhöhle. 

Schlund-   oder  Rachenhöhle 101 

Primitive  Brusthöhle 102 

Membrana  reuniens  inferior 103 

Hals 105 

Primitive  Schlundhöhle. 

Schlundspalten  und  Schlundbogen. 

Bauchplatten 106 

Kopfbauchplatte. 
Rumpf  bauchplatte. 


XI 

Seite 

Schlundbogen 109 

Schlundspalten  und  Ohröffnung j]2 

Kiemendeckelartiger  Fortsatz,  Hals    ........  112 

Seitliches  Halsdreieck  des  Embryo. 
Kiemendeckel. 

Unterkieferfortsatz,   Zunge 116 

Erster  Schlundbogen. 
Unterkieferfortsatz. 

Meckel'scher  Knorpel 120 

Knochenkerne  des  Kinns. 

Zunge 121 

Oberkieferfortsatz 122 

Stirnfortsatz 126 

Uranlage  des  Stirnfortsatzes 127 

Spheno-Ethmoidaltheil  des  Schädels. 

Vordere   Hirnblase 128 

Seitlicher  Schädelbalken 129 

Riechgrube 129 

Jakobsou'sches  Organ. 

Nasendrüse. 

Seitlicher  Stirnfortsatz 131 

Augen-Nasenfurche. 
Primitive  Nasenhöhlen. 

Entstehung  der  Riechgruben,  Jakobson'sches  Organ,  Nasendrüse  132 

Jakobson'sches  Organ  des  Menschen 135 

Mittlerer  Stirnfortsatz 139 

Verhalten  des  mittleren  Stirnfortsatzes  bei  jüngeren  Embryonen  140 

Stirnfortsätze    und  Nasenhöhlen  eines    1,15  Ctm.   langen  Rinds- 
embryo          141 

Stirnfortsätze    und    Nasenhöhlen    eines    1,8  Ctm.  langen  Rinds- 
embryo         144 

Entstehung  der  Nasenscheidewaad 145 

Primitiver  Gaumen 146 

Primitive  Gaumenspalten 147 

Primitive  Gaumenleisten 148 

Primitiver  Gaumen  älterer  Säugethierembryonen     .         .         .  148 

Primitive  Gaumenleisten 152 

Primitive  Gaumenspalten 154 

Nasenrachengang 156 

Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Nase  des  Menschen     ....  157 

Ueber  das  spätere  Verhalten  der  Oberkieferfortsätze      ....  162 

Ueber  Cyklopie 165 

Zur  Bildungsgeschichte  des  bleibenden  Gaumens 169 

Bemerkungen    über   Wolfsrachenbildung ,    das   Pflugscharbein    und    den 

knöchernen  Gaumen 177 


XII 

Seite 

Zur  Bildungsgeschichte  des  Gesichtsskeletes 181 

Knorpelgerüste  der  vorderen  Abtheilung  der  Nasenhöhlen         .  184 

Nasenknorpelgerüste  des  mittleren  Abschnittes  der  Nasenhöhlen  187 

Nasenknorpelgerüste  des  hinteren  Abschnittes  der  Nasenhöhlen  190 

Grundform  und  späteres  Verhalten  des  Knorpelgerüstes  der  Nase  196 

Gesichtsknochen              .      ' 198 

Keilbein 205 

Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Zähne   .......  211 

Nachtrag 222 


Eine  die  Bildung  des  menschlichen  und  Wirbelthierkopfes 
allseitig  umfassende  Geschichte  lag  schon  von  Anfang  an  gar 
nicht  in  meinem  Plane,  weil  ich  in  den  vorliegenden  Blättern 
nur  eigene  Beobachtungen  zu  geben  beabsichtige.  Unter  dieser 
Voraussetzung  wird  der  Kenner,  der  die  grossen  Schwierigkeiten 
dieser  Seite  der  anatomischen  Thätigkeit  bereits  erfahren  hat,  auch 
nur  Beiträge  zu  einer  Entwicklungsgeschichte  des  Kopfes  erwarten. 
Ich  verzichte  daher  auf  den  in  Lehrbüchern  und  monographischen 
Abhandlungen  gebräuchlichen  Gang  der  Erzählung  sowie  auf  breit 
angelegte  historische  Erörterungen  und  andere  die  Magerkeit  so 
mancher  Monographien  maskirende  Zuthaten.  Auch  beabsichtigte 
ich  ursprünglich  nur  die  Bearbeitung  eines  ganz  bestimmten  und 
beschränkten  Theiles,  der  aber  zwischen  die  übrigen  so  eingriff, 
dass  dadurch  das  ganze  Gebäude  in  Mitleidenschaft  gerieth 
und  theils  mit  neuen  Stützen  versehen  theils  an  vielen  Stel- 
len ausgebessert  werden  musste.  Ich  gab  daher  vorliegender 
Abhandlung  einen  allgemeineren  Titel  und  ihre  die  Anordnung  und 
Zusammengehörigkeit  der  folgenden  Beobachtungen  erklärende 
Geschichte  soll  die  Einleitung  bilden. 

Veranlasst  wurde  die  Zusammenstellung  einiger  meiner  theils 
schon  älteren  theils  neueren  Erfahrungen  über  die  Entwicklung 
des  Kopfes  durch  eine  die  Gaumenbildung  betreffende  Beobachtung, 
nach  welcher  die  Gaumenfortsätze  ursprünglich  nicht  horizontale, 
sondern  vertikal  gestellte  Platten  darstellen.  Die  dazwischen  wie 
eingeklemmte  Zunge  berührt  die  ebenso  breite  Nasenscheidewand 
und  kann,  wie  ein  von  mir  untersuchter  Fall  beweist,  durch  ver- 
späteten oder  unregelmässigen  Rückzug  die  mediane  Vereinigung 
der  Gaumenplatten  hindern.  Zahlreiche  die  Gaumenbildung  be- 
treffende Untersuchungen  zeigten  mir  noch  andere  den  Gaumen- 
schluss  betreffende  Hindernisse  und  belehrten  mich,  dass  die  bis- 
herige   Auffassung    der    Gaumenplatten    als  Bildungsfortsätze  nur 

D  u  r  s  y  ,  Eutwicklgsgesch.  1 


der  Oberkieferwülste  nicht  die  richtige  ist.  Als  gemeinschaftliche 
Anlagen  des  harten  und  weichen  Gaumens  sind  sie  schon  von  An- 
fang an  auch  entlang  der  Seitenwand  des  späteren  Schlundkopfes 
bis  zum  Kehlkopf  herab  zu  finden,  so  dass  man  in  den  späteren 
Arcus  palato-pharyngei  die  zu  keiner  bleibenden  medianen  Ver- 
bindung gelangten  Seitenhälften  der  ursprünglichen  Gaumenanlage 
vor  Augen  hat ,  welche  den  Isthmus  pharyngo-nasalis  als  Rest 
der  embryonalen  Gaumenspalte  begrenzen. 

Diese  schon  vor  mehreren  Jahren  gemachten  Erfahrungen, 
worüber  ich  im  Jahre  1866  in  einer  Sitzung  der  Senkenberg'- 
schen  naturforschenden  Gesellschaft  einige  Präparate  vorlegte  und 
einen  Auszug  meines  darüber  sowie  über  den  Primitivstreif  des 
Hühnchens  gehaltenen  Vortrages  zu  Protokoll  gab,  nöthigten  mich 
zu  einer  immer  weiter  zurückgreifenden  Revision  der  das  Gesicht 
betreffenden  Bildungsvorgänge.  Da  ich  dabei  hauptsächlich  die 
Beziehungen  zum  Gaumen  im  Auge  hatte,  so  waren  es  vor  Allem 
die  Nasenhöhle  und  Mundhöhle,  die  ich  bei  dem  Menschen  und 
einigen  Säugethieren  (Rind ,  Schaf,  Schwein)  einer  Untersuchung 
unterwarf. 

Schon  vor  der  Bildung  des  eigentlichen  Gaumens  sind  es  be- 
sondere oberhalb  der  späteren  Gaumenplatten  hervortretende  leisten- 
förmige  Vorsprünge  der  Oberkiefer wülste ,  welche  in  Verbindung 
mit  lateralen  Ausladungen  des  untern  Randes  der  Nasenscheide- 
wand eine  provisorische  Abschliessung  der  Nasenhöhle  von  der 
Mundhöhle  zu  Stande  bringen ,  gleichsam  einen  vorläufigen  primi- 
tiven Gaumen  darstellen.  Bei  Säugern  fand  ich,  zum  Unterschied 
von  dem  Menschen ,  noch  einen  besondern  die  Regio  olfactoria 
von  der  hintern  Partie  der  Regio  respiratoria  abschliessenden 
Boden ,  in  welchem  ein  der  Keilbeinmuschel  des  Menschen  ana- 
loger Knochen  sich  entwickelt.  Ferner  lernte  ich  bei  Säugethieren 
eine  später  nicht  mehr  vorhandene  Uvula  des  Gaumensegels ,  so- 
wie bei  dem  Menschen  ein  später  nicht  mehr  vorhandenes  Jacob- 
son'sches  Organ  sowie  eine  mit  zwei  divergirenden  gebogenen 
Schenkeln  versehene  untere  Muschel  (wie  bei  manchen  Säugern 
bleibend)  kennen.  Auch  Knorpelplatten  finden  sieh,  wie  bei  den 
Säugern,  so  auch  bei  menschlichen  Embryonen  im  Nasenhöhlen- 
boden.    Ueberhaupt  fasse  ich  jetzt  die  Entwicklung  der  Nasenhöhle 


und  besonders  der  in  sie  einmündenden  Nebenhöhlen  in  einer  von 
der  bisherigen  Lehre  verschiedenen  Weise  auf.  Bei  dem  Menschen 
und  den  Säugern  finde  ich  schon  in  früher  Zeit  des  embryonalen 
Lebens  diese  Höhlen  (Keilbeinhöhlen,  Oberkieferhöhlen,  Stirnhöhlen, 
Siebbeinhöhlen)  knorplich  vorgebildet  und  erst  nachträglich  von 
Knochenmasse  umfasst.  Auch  lernte  ich  bei  dieser  Gelegenheit 
horizontale  knorpliche  Seitenplatten  des  Siebbeins  kennen,  welche 
die  Augenhöhlendächer  bilden  und  einen  weiteren  Anhaltspunkt 
zur  Vergleichung  des  Siebbeins  mit  einem  Wirbel  bieten. 

Meine  im  Hinblick  auf  den  Gaumen  auch  auf  die  Bildungs- 
vorgänge der  Mundhöhle  ausgedehnten  Untersuchungen  leiteten 
meine  Aufmerksamkeit  auf  die  Entwicklung  der  für  die  Gaumen- 
bildung wichtigen  Zunge  und  ich  erkannte  deren  Bildung  aus 
drei  besonderen  Uranlagen,  welche  Scheidung  auch  später  noch 
durch  das  mediane  Septum  des  Zungenkörpers  sowie  durch  das 
nur  einen  Rest  fötaler  Bildung  darstellende  Foramen  coecum  an- 
gedeutet wird.  Auch  überzeugte  ich  mich  von  der  im  Wesent- 
lichen gleichen  Bildungsweise  der  Zähne  des  Menschen  und  der 
Säuger,  wobei  ich  jedoch  auf  einige  Verschiedenheiten  aufmerksam 
machen  werde. 

Die  zur  Begründung  meiner  Lehre  der  Gaumenbildung  her- 
beigezogene Entwicklungsgeschichte  der  Nasen-  und  Mundhöhle 
verlangte  auch  ein  Eingehen  auf  die  das  Gesicht  zusammensetzen- 
den Bildungsfortsätze  und  ich  gewann  dadurch  die  Ueberzeugung, 
dass  die  Oberkieferwülste  weder  als  Fortsätze  des  ersten  Schlund- 
bogens  noch  als  dessen  seitliche  Bogenstücke  betrachtet  werden 
können.  Sie  und  selbst  die  Stirnfortsätze  sind  den  Schlundbogen 
ursprünglich  analoge  Bildungen,  nämlich"  Bogenhälften ,  deren 
mediane  Vereinigung  durch  die  Kopfbeuge  gehindert  wird,  aus- 
nahmsweise aber  zu  Stande  kommen  kann. 

Zur  näheren  Begründung  der  die  Gesichtsbildung  betreffenden 
Vorgänge  unterzog  ich  auch  die  embryonale  Schädelbasis  einer 
Prüfung  und  namentlich  war  es  deren  vorderer  dem  Gesichte  zur 
Anlagerung  dienende  Abschnitt  oder  der  Spheno-Ethmoidaltheil 
der  Schädelbasis  ,  welcher  zunächst  meine  Aufmerksamkeit  in  An- 
spruch nahm.  Ihre  anfangs  so  geringe  Dicke  sowie  der  Mangel 
einer  sie    stützenden   Chorda   macht  sie  gleichsam  wehrlos  gegen- 

1* 


über  dem  um  die  Oberherrschaft  geführten  Kampfe  zwischen  Hirn 
und  Gesicht.  Wir  sehen  daher  ursprünglich  diesen  Schädelabschnitt 
vor  dem  Erscheinen  des  erst  nachträglich  sich  geltend  machenden 
Gesichts  völlig  in  die  Hand  des  Gehirns  gegeben  und  zwar  zu- 
nächst der  vordem  primitiven  Hirnblase,  deren  durch  den  Chorda- 
knopf von  der  ursprünglichen  Richtung  abgelenktes  Längenwachs- 
thum  die  zuerst  spitzwinklige  Kopfbeuge  (die  sogenannte  Gesichts- 
kopfbeuge) hervorruft.  Diese  finde  ich  daher  auch  bei  allen 
Wirbelthieren,  möge  die  spätere  Gesichtslagerung  sein,  welche  sie 
wolle.  Mit  dem  Erscheinen  des  Gesichtes  wird  die  der  Wirbel- 
körpersäule entgegen  gekrümmte  Schädelbasis  wieder  gehoben, 
um  Raum  zu  schaffen;  sie  weicht  dorsalwärts  aus  und  zwar  um 
so  mehr ,  je  bedeutender  dem  Gehirn  gegenüber  das  Gesicht  sich 
Geltung  verschafft.  Die  unterdessen  hervorsprossenden  Grosshirn- 
bläschen  mit  den  Geruchskolben  suchen  bei  den  höheren  Thieren 
diesen  Rückzug  zu  hemmen,  können  selbst  eine  neue,  vor  der  ur- 
sprünglichen Kopfbeuge  liegende,  dem  Gesichte  entgegen  strebende 
Beugung  der  Schädelbasis  veranlassen.  Schliesslich  gewinnt  bei 
dem  Menschen  das  Gehirn  wieder  die  Oberhand  und  stellt  den 
fast  zum  Ausgleich  gekommenen  Kopfbeugewinkel,  wenn  auch  nicht 
in  der  früheren  Kleinheit,  wieder  her. 

Dem  Gehirn  weniger  fügsam  zeigt  sich  der  hintere  oder  Spheno- 
Occipitaltheil  der  Schädelbasis,  welcher  schon  von  Anfang  durch 
grössere  Dicke ,  durch  den  Besitz  einer  stützenden  Chorda  sowie 
durch  seine  frühe  Betheiligung  an  der  Bildung  der  Kopfdarmhöhle 
sich  unterscheidet.  Da  zur  Begründung  meiner  Lehre  der  Kopf- 
beuge auch  dieser  Schädelabschnitt  einer  näheren  Untersuchung 
nicht  entzogen  werden  durfte ,  so  kam  ich  schliesslich  auf  die  Ur- 
anlage  des  Schädels  überhaupt  zurück,  wobei  ich  auch  meine 
früheren  über  den  Primitivstreif  veröffentlichten  Beobachtungen 
zu  bestätigen  und    zu  erweitern   Gelegenheit    hatte  1).     Eine  wich- 


1)  Andere  mir  bis  jetzt  bekannt  gewordene  Bestätigungen  einiger  meiner 
früheren  in  der  Abhandlung  über  den  Primitivstreif  niedergelegten  Angaben 
finde  ich  in  der  Abhandlung  über  Entwicklung  der  Gewebe  von  C.  Bruch, 
worin  ebenfalls  die  ßemak 'sehe  Urwirbelhöhle  zurückgewiesen  wird ;  ferner 
bei  A.  Rosenberg  (Untersuchungen  über  die  Entwicklung  der  Teleostier- 
Niere),  welcher  auch  beim  Hühnchen  die  Entwicklung  des  Urnierenganges 
aus  dem  mittleren  Keimblatt  bestätigte. 


tige  Rolle  bei  der  Entstehung  der  Kopfbeuge  und  der  damit  zu- 
sammenhängenden Bildung  der  Hypophyse ,  die  ich  ebenfalls  zur 
Sprache  bringen  werde,  spielt  der  Chordaknopf.  Eine  aus  diesem 
Grunde  wiederholte  Prüfung  des  Kopftheiles  der  Chorda,  die  ich 
zugleich  auf  den  Bau  und  das  spätere  Verhalten  der  ganzen  Wir- 
belsaite ausdehnen  musste,  gab  mir  ein  Resultat,  welches  von  den 
bisherigen  Angaben  in  vielen  und  wesentlichen  Dingen  abweicht. 

Da  ferner  die  Kopfbeuge  sowie  auch  die  Nackenbeuge  in 
ihrem  ersten  Auftreten  sowie  in  ihren  späteren  Veränderungen  in 
Beziehung  stehen  zur  Entstehung  und  zum  späteren  Verhalten  ge- 
wisser von  der  Schädelbasis  ausgehender  Fortsätze  (hinterer  und 
mittlerer  Schädelbalken),  so  habe  ich  diese  und  zur  Vergleichung 
auch  die  Hirnhautfortsätze  des  Schädeldaches  in  den  Bereich 
meiner  Untersuchungen  gezogen.  Namentlich  ist  es  die  Bildung 
des  Tentorium ,  dessen  Entstehung  aus  ursprünglich  ganz  ent- 
fernten voreinander  liegenden  Hirnhautfortsätzen  ich  nachweisen 
und  dabei  auf  eine,  auch  genetisch  begründete  doppelte  Bedeutung 
des  späteren  Hirnzeltes  aufmerksam  machen  werde.  Gänzlich 
unbegründet  ist  die  Lehre ,  dass  der  mittlere  Schädelbalken ,  den 
ich  im  Wesentlichen  als  einen  für  die  anfangs  überwiegende  Ar- 
teria basilaris  bestimmten  Hirnhautfortsatz  erkannte,  sich  an  der 
Bildung  des  Tentorium  betheilige  oder  gar  das  primitive  Hirnzelt 
darstelle.  Eine  Rolle  aber  spielt  er  bei  der  die  Sattelgrube  über- 
brückenden Decke  der  harten  Hirnhaut  und  in  seiner  Wurzel 
bildet  sich  die  Sattelleime. 

So  führte  mich  eine  ursprünglich  nur  den  Gaumen  betreffende 
Beobachtung  schliesslich  in  das  Gebiet  der  Entwicklungsgeschichte 
des  Kopfes  überhaupt  und  die  oben  erzählte  Geschichte  vorlie- 
gender Untersuchungen  zeigt  das  Band,  welches  die  nun  folgenden 
Beiträge  zusammenhält. 

Der  dieser  Abhandlung  beigegebene  Atlas  enthält  Abbildungen 
zerlegter  und  unzerlegter  Embryonen,  deren  Erwerbung  bekanntlich 
mit  vielen  Schwierigkeiten  verknüpft  ist.  Ich  hielt  es  daher  für 
angezeigt ,  der  üblichen  kurzen  Figurenerklärung  jedesmal  eine 
einleitende  übersichtliche  Betrachtung  der  einzelnen  Abbildungen 
vorauszuschicken,  um  zugleich  eine  allgemeinere  Verwerthung  der- 
selben   zu  ermöglichen.     Auch  brachte  mir   diese  Behandlung  den 


G 

Vortheil ,  dass  ich  den  Text  der  Abhandlung  erleichtern  durfte, 
indem  ich  ermüdende  Erörterungen  dorthin  verlegte.  Mit  grosser 
Bereitwilligkeit  ging  Herr  S  i  e  b  e  c  k  ,  der  Verleger  dieses  Werkes, 
auf  diese  sowie  auf  alle  eine  schöne  Ausstattung  bezweckenden 
Vorschläge  ein  und  stellte  mir  für  den  Stich  der  Tafeln  die  Mei- 
sterhand des  Herrn  Wagenschieber  zur  Verfügung;  auch  ge- 
stattete Herr  Siebeck,  dem  bereits  abgegebenen  Manuscripte 
nachträglich  noch  einige  dem  Texte  eingedruckte  Holzstiche  bei- 
zufügen. Ich  fühle  mich  daher  verpflichtet ,  dem  Herrn  Verleger 
hiermit  für  dieses  so  freundliche  und  uneigennützige  Entgegen- 
kommen meinen  Dank  auszusprechen. 

Schliesslich  ergreife  ich  mit  Freude  diese  Gelegenheit,  den 
Herrn  Aerzten ,  welche  mich  durch  Uebersendung  menschlicher 
Embryonen  unterstützten,  für  diese  Bereitwilligkeit  meinen  Dank 
auszusprechen.  Ganz  besonders  verpflichtet  fühle  ich  mich  dem 
Herrn  Dr.  Eugen  Koller  in  Hechingen,  dem  Herrn  Oberamts- 
arzt Dr.  Ott  in  Horb,  dem  Herrn  Sanitätsrath  Dr.  Reh  mann 
in  Haigerloch  sowie  dem  Herrn  Oberamtsarzt  Dr.  Stockmayer 
in  Heidenheim,  welche  schon  seit  Jahren  mir  zahlreiche  Embryonen 
zuschicken  und  in  ihrem  mündlichen  und  schriftlichen  Verkehr 
mit  mir  ein  sehr  erfreuliches  Interesse  für  diesen  in  neuerer  Zeit 
wieder  allgemein  in  Aufnahme  kommenden  Theil  der  Anatomie, 
die  Entwicklungsgeschichte,  an  den  Tag  legen. 


Uranlage  des  Schädels. 

Schädel  und  Wirbelsäule  finden  ihre  gemeinschaftliche  An- 
lage in  den  Urwirbelplatten ,  welche  anfangs  mit  den  darüber  lie- 
genden Medullarplatten  eine  ungetheilte  scheibenförmige  Verdickung 
des  Embryonalschildes  darstellen.  Es  besteht  somit  diese  zuerst 
kreisrunde  dickere  Schildmitte  oder  die  gemeinsame  Uranlage  der 
Iiückenplatten  aus  einem  oberen  Blatt  (oberes  Keimblatt)  für  das 
Centralnervensystem  und  einem  unteren  Blatt  (mittleres  Keimblatt), 
aus  welchem  das  Knuchensystem  hervorgeht  und  zwar  zunächst 
der  Schädel  und  die  Wirbelsäule.  Mit  dem  Erscheinen  des  Primi- 
tivstreifs und  der  davor  liegenden  Wirbelsaite  sondert  sich  die 
Schildmitte  in  zwei  symmetrische  Seitenhälften  (Rückenplatten)  und 
nimmt  zugleich  die  Gestalt  einer  ovalen  Platte  an  mit  einem  brei- 
teren abgerundeten  Kopfende  und  einem  sich  zuspitzenden  Schwanz- 
ende. In  jenem  fliessen  die  Seitenhälften  der  ovalen  Schildmitte 
oder  die  Rückenplatten  in  einem  Bogen  zusammen,  den  ich  den 
Schlussbogen  der  Rückenplatten  nennen  will.  In  dem  hinteren 
Ende  der  Schildmitte  erfahren  die  Rückenplatten  keine  solche 
Verbindung,  sondern  erzeugen  eine  durch  den  Primitivstreif  hal- 
birte  Spitze  (Taf.  II,  Fig.  10).  Hierauf  verschmälert  sich  die 
Schildmitte  in  der  Gegend  vor  dem  Kopfende  des  Primitivstreifs 
zu  beiden  Seiten  der  hier  beginnenden  Chorda  und  gewinnt  da- 
durch eine  Biscuit-Form ,  woran  man  einen  mittleren  sowie  einen 
längeren  und  breiteren  vorderen  und  hinteren  Abschnitt  unter- 
scheidet. Der  vordere  Abschnitt  enthält  die  Anlage  des  Schädels 
und  Gehirnes,  der  folgende  oder  mittlere  die  Anlage  der  Urwirbel 
und  des  Rückenmarkes,  der  hintere  den  Primitivstreif  enthaltende 
Abschnitt  dagegen  betheiligt  sich,  wie  ich  für  das  Hühnchen  nach- 
gewiesen habe ,  nicht  direct  an  dem  Aufbau  des  embryonalen 
Leibes. 


8 

Die  biscuit-  oder  leierförmig  gewordene  Schildmitte  besteht, 
wie  oben  bemerkt  wurde,  aus  einem  oberen  und  einem  unteren 
Blatt.  Das  letztere  (mittlere  Keimblatt) ,  welches  die  Anlage  des 
Knochensjstem.es  enthält,  wird  an  seiner  Bauchfläche  von  dem 
Darmdrüsenblatt(dem  sogenannten  unteren  Keimblatt)  überzogen  und 
lässt  entsprechend  dem  oben  angegebenen  Verhalten  der  gesammten 
Schildmitte,  zwei  symmetrische  dickere  Seitenhälften  (Urwirbel- 
platten)  unterscheiden,  welche  vorn  sich  bogenförmig  vereinigen 
(Schlussbogen  der  Urwirbelplatten) ,  hinten  dagegen  zu  beiden 
Seiten  des  Primitivstreifs  sich  zugespitzt  verlieren.  Jede  Urwirbel- 
platte  wird  von  einer  ebenso  gestalteten  durchsichtigen  Medullar- 
platte  gedeckt  und  bildet  mit  derselben  eine  Eückenplatte.  Ge- 
schieden sind  beide  Urwirbelplatten  durch  einen  mit  wasserheller 
Flüssigkeit  erfüllten  Zwischenraum ,  welcher  durch  das  darüber 
liegende  obere  Keimblatt  sowie  durch  das  darunter  ausgespannte 
Darmdrüsenblatt  zu  einem  die  Wirbelsaite  aufnehmenden  Kanal 
ergänzt  wird  und  den  Boden  einer  bisher  mit  der  Rinne  des 
Primitivstreifs  verwechselten  Rinne  darstellt,  die  ich  Rücken- 
rinne (nicht  zu  verwechseln  mit  Rückenfurche)  genannt  habe 
(Taf.  II,  Fig.  10).  Das  knopfförmig  verdickte  Kopfende  der 
Chorda  erreicht  den  Schlussbogen  der  Urwirbelplatten  und  steht 
mit  ihm  in  ununterbrochenem  Zusammenhang. 

Nach  dem  Uebergang  der  Schildmitte  aus  der  ovalen  in  die 
Biscuit-Form  Avird  damit  auch  an  den  Urwirbelplatten  eine  Ab- 
scheidung in  Schädel  und  Wirbelsäule  angedeutet,  jedoch  erst  mit 
dem  Erscheinen  der  ersten  Urwirbel  eine  schärfere  Grenze  erzielt. 
Es  bedeutet  nämlich  der  vorderste  der  zuerst  entstehenden  Ur- 
wirbel die  Gegend  des  ersten  Halswirbels,  wodurch  ein  auffallen- 
des Missverhältniss  in  der  ursprünglichen  Länge  des  zukünftigen 
Schädels  und  der  Wirbelsäule  herbeigeführt  wird  (Taf.  II,  Fig.  10). 
Es  beschränkt  sich  daher  die  Anlage  der  Wirbelsäule  auf  die 
mittlere  schmalere  Abtheilung  der  biscuitförmigen  Schildmitte,  so- 
mit auf  die  anfangs  sehr  kurze  Gegend  zwischen  dem  Kopfende 
des  Primitivstreifs  und  dem  vordersten  Urwirbel;  die  Schädel- 
anlage dagegen  beansprucht  die  vordere  Hälfte  der  ganzen  Länge 
der  Schildmitte.  Alsbald  aber  überflügelt  die  mittlere  Abtheilung 
die  übrigen  in   ihrem   Längenwachsthum  und  schiebt  die  Schädel- 


9 

anläge  mit  den  zuerst  entstandenen  Urwirbeln  nach  vorn,  während 
die  hintere  Partie  der  Urwirbelplatten  mit  dem  Primitivstreif  zu- 
rückbleibt und ,  wie  schon  früher  von  mir  nachgewiesen  wurde, 
niemals  in  Urwirbel  sich  abgliedert. 

Kehren  wir  nun  zur  Schädelanlage  zurück  ,  so  zeichnet  sich 
dieselbe  durch  ihre  auffallende  Länge  aus  und  übertrifft  die  Anlage 
der  Wirbelsäule  nur  wenig  an  Breite,  unterscheidet  sich  aber  von 
ihr  darin,  dass  sie  niemals  in  Urwirbel  sich  abgliedert.  Sie  be- 
steht zwar  ebenfalls  aus  zwei  symmetrischen  Seitenhälften,  besitzt 
jedoch  noch  ein  drittes  unpaariges  Verbindungsstück  (Schlussbogen 
der  Urwirbelplatten) ,  in  welchem  die  Chorda  mit  einem  Knopfe 
endigt.  Wie  den  Rumpf-  und  Schwanztheil  der  Urwirbelplatten, 
so  finde  ich  auch  deren  Kopftheil  durch  einen  hellen  Saum  von 
den  Seitenplatten  des  mittleren  Keimblattes  geschieden  und  nur 
dem  Schlussbogen  fehlt  diese  Abgrenzung. 

Fragt  man  nach  den  Beziehungen  dieser  Schädelanlage  zu 
dem  fertigen  Schädel,  so  ist  es  zunächst  die  Schädelbasis,  welche 
den  Urwirbelplatten  ihre  Entstehung  verdankt  und  daher  mit  der 
ebenfalls  paarigen  Uranlage  der  Wirbelkörper  übereinstimmt;  auch 
bildet  für  beide  die  Chorda  die  gemeinschaftliche  Achse.  Es  lehrt 
aber  der  weitere  Verlauf  der  Entwicklung ,  dass  diese  Uranlage 
der  Schädelbasis  trotz  ihrer  auffallenden  Länge  einstweilen  nur 
den  medianen  Theil  der  spätem  hinteren  und  mittleren  Schädel- 
grube ,  also  die  Basis  des  Spheno-Occipitaltheiles  des  späteren 
Schädels  formirt.  Im  Einklänge  damit  schliesst  auch  das  Medul- 
larrohr  an  seinem  vorderen  Ende  nicht  mit  den  Grosshirnhemi- 
Sphären  ab ,  sondern  mit  einer  Blase ,  deren  Höhle  vorerst  der 
Gegend  des  spätem  dritten  Ventrikels  entspricht.  Zur  Beurtheilung 
dieser  Verhältnisse  dient  besonders  auch  noch  die  von  mir  her- 
vorgehobene Beziehung  des  Chordaknopfes  zur  Hypophysenbildung 
und  wir  erfahren  dadurch,  dass  dieser  Knopf  vorläufig  die  Ge- 
gend der  spätem  Sattelgrube  markirt.  Der  den  Chordaknopf  auf- 
nehmende Schlussbogen  der  Urwirbelplatten  enthält  die  Anlage  des 
erst  nachträglich  hervorwachsenden  Spheno -Ethmoidaltheils  des 
Schädels,  welcher  somit  durch  eine  unpaarige  Uranlage  sowie  da- 
durch sich  auszeichnet,  dass  er  vor  dem  Kopfende  der  Chorda 
dorsalis    sich  ausbildet,   die  niemals    die  Hypophysengegend  über- 


10 

schreitet.  Diese  Deutung  der  Uranlage  des  Schädels  erklärt  auch 
das  von  den  übrigen  Wirbelthieren  scheinbar  abweichende  Ver- 
halten der  Chorda  bei  Amphioxus  lanceolatus  ,  bei  welchem  sie 
auch  später  und  das  ganze  Leben  hindurch  die  Stirnwand  erreicht. 
Bei  diesem  Geschöpfe  bleibt  nämlich  der  Kopf  auf  einer  so  nied- 
rigen Bildungsstufe  zurück ,  dass  er  zunächst  nur  dem  Spheno- 
Occipitaltheil  des  Schädels  der  höheren  Wirbelthiere  entspricht 
und  ein  das  Gesicht  tragender  Spheno-Ethmoidaltheil  gar  nicht  sich 
entwickelt.  Hiermit  hoffe  ich  auch  den  noch  immer  bestehenden 
Streit  über  die  Lage  des  vordersten  Chordaendes  zu  beseitigen,  da 
obige  Darlegung  einen  Anhaltspunkt  zur  Beurtheilung  der  je  nach 
der  Entwicklungsperiode  des  Schädels  verschiedenen  Lagerungs- 
verhältnisse bietet. 

Diese  Angaben  über  die  erste  Entwicklung  des  Schädels  stützen  sich 
auf  meine  Beobachtungen  über  die  Entwicklung  de:  Hühnchens,  die  ich 
zum  Theil  schon  bei  einer  andern  Gelegenheit  veröffentlichte  1). 

Bekanntlich  suchte  v.  Baer  die  Schädelanlage  in  dem  von  ihm  ent- 
deckten Prhnitivstreif  und  zwar  in  schon  sehr  früher  Zeit,  wie  aus  einer 
in  seiner  Entwicklungsgeschichte  der  Thiere  gemachten  Aeusserung  2)  her- 
vorgeht: „Der  Kopf  des  zukünftigen  Embryo  ist  schon  in  dem  Primitiv- 
streif durch  ein  etwas  dickeres  Ende  angedeutet."  Auch  Remak  gründet 
auf  diese  Lehre  den  Entwicklungsplan.  Richtiger  leitet  Reichert  die 
auch  der  ersten  Schädelanlage  zu  Grunde  liegenden  Urwirbelplatten  nicht 
aus  dem  Primitivstreif ,  den  er  bekanntlich  überhaupt  läugnet.  Weitere 
unterdessen  angestellte  Kachforschungen  über  diese  Streitfrage  ergaben 
mir  das  Resultat ,  dass  es  hier  zum  Theil  um  ganz  verschiedene  Dinge 
sich  handelt ,  worüber  man  streitet.  Die  Beschreibung  nämlich ,  die 
Reichert  von  der  Primitivrinne  des  Hühnchens  giebt,  passt  zwar  nicht 
auf  den  Raer-Remak'schen  Primitivstreif  und  dessen  Rinne,  stimmt  da- 
gegen ganz  zu  der  von  mir  als  Rückenrinne  bezeichneten  Rinne,  welche 
die  Chorda  enthält  und  von  den  Rückenplatten  (Medullär-  und  Urwirbel- 
platten) begrenzt  wird.  Auch  die  von  Bisch  off  gegebene  Darstellung 
passt  nur  auf  meine  Rückenrinne.  Ich  wundere  mich  daher  nicht  mehr 
so  sehr  darüber,  dass  Reichert  und  Bise  hoff  auch  einen  ein- 
fachen, ohne  Rinne  existirenden  Primitivstreif  in  Abrede  stellen,  da  diese 


1)  Der  Primitivstreif  des  Hühnchens,  Lahr  1866.  —  Messungen  an  Hühner- 
embryonen  etc.  in  Henle's  u.  Pfeufer's  Zeitschr.  3.  R.  Bd.  XXIX.  1867.  — 
Beiträge  z.  Entwickig.  d.  Hirnanhanges  im  Centralbiatt  f.  d.  med.  Wissen- 
schaft.    1868.     Nr.  8. 

2)  Entwicklungsgeschichte  der  Thiere.   1828.    1.    S.  12. 


11 

Forscher,  indem  sie  den  Primitivstreif  zu  bekämpfen  glaubten,  die  bereits 
v  o  r  dem  Primitivstreif  erschienene  Uranlage  des  embryonalen  Leibes  vor 
Augen  hatten,  welche  in  Gestalt  zweier  durch  die  Rückenrinne  und  durch 
die  Chorda  geschiedener  Platten  aus  dem  Embryonalschild  hervorgeht. 

Was  den  von  mir  in  der  Rinne  des  Primitivstreifs  entdeckten  räth- 
selhaften  Achsenfaden  betrifft,  so  belehrten  mich  neuere  Untersuchungen, 
dass  derselbe  niemals  über  das  Kopfende  des  Primitivstreifs  hinaus  sich 
verlängert ,  was  ich  in  meiner  Abhandlung  über  den  Primitivstreif  gesehen 
zu  haben  glaubte;  er  hat  daher  überhaupt  mit  der  Wirbelsaite  gar  nichts 
zu  schaffen.  Ganz  regelmässig  besitzt  er  zwei  knopfförmige  Endanschwel- 
lungen, welche  in  den  beiden  Enden  der  Rinne  des  Primitivstreifs  liegen 
(Taf.  II,  Fig.  10  u.  12).  Er  ist  seiner  ganzen  Länge  nach  so  lose  auf 
den  Boden  der  Rinne  gleichsam  nur  aufgelegt ,  dass  er  unter  Wasser 
häufig  unter  den  Augen  des  Beobachters  ganz  oder  theilweise  sich  erhebt 
und  über  die  Seitenränder  der  Rinne  hinweg  gleitet.  Dabei  ist  er  so 
ungemein  zart,  dass  er  leicht  an  einer  oder  mehrern  Stellen  entzwei 
bricht.  Mit  Anwendung  ganz  besonderer  Vorsicht  gelingt  es  mir  jetzt, 
den  vollständigen  Achsenfaden  an  in  Farrant's  Flüssigkeit  aufbewahrten 
Präparaten  zu  erhalten.  An  Querschnitten  ist  er  nicht  darstellbar.  Da 
man  bisher  den  Primitivstreif  mit  der  davor  liegenden  Anlage  des  Embryo 
.verwechselte  und  letztere  theilweise  daraus  hervorgehen  liess,  so  passen 
auch  die  Beschreibungen  der  Chorda  nur  auf  den  die  embryonale  Ur- 
anlage stützenden  Zellenstrang,  nicht  aber  auf  den  Achsenfaden,  den  man 
bisher  übersah.  Nur  Baer  scheint  ihn  vielleicht  gesehen  zu  haben,  weil 
er  die  erste  Anlage  dieses  von  ihm  für  die  Chorda  gehaltenen  Gebildes 
abweichend  von  allen  übrigen  Schriftstellern  als  eine  einfache  Reihe 
dunkler  Kügelchen  (nicht  Zellen,  wie  Bischoff1)  diese  Ba  er 'sehe 
Angabe  zu  verbessern  glaubt)  beschreibt. 

Man  trifft  den  Achsenfaden  bereits  ehe  jioch  eine  Spur  der  vor  dem 
Primitivstreif  sich  ausbildenden  Uranlage  des  Embryo  und  der  Chorda 
wahrgenommen  wird.  Das  Schwanzende  und  das  Kopfende  der  Rinne  des 
Primitivstreifs  werden  durch  die  entsprechenden  Endanschwellungen  des 
Achsenfadens  ,  die  als  dunkle  Punkte  sich  scharf  von  der  durchsichtigen 
Unterlage  abheben ,  noch  besonders  markirt.  Erscheint  dann  vor  dem 
Primitivstreif  die  Chorda  dorsalis  nebst  der  umgebenden  Anlage  des 
Embryo,  so  bleibt  das  angegebene  Verhalten  des  Primitivstreifs  längere 
Zeit  immer  dasselbe,  und  auch  das  noch  vorhandene  vordere  Endknöpfchen 
des  Achsenfadens  giebt  ein  weiteres  charakteristisches  Merkmal  zur  Be- 
stimmung des  Kopfendes  des  Primitivstreifs  (Fig.  10  u.  12)  ab. 

Ursprünglich ,  vor  dem  Erscheinen  der  wahren  Chorda  und  der  Ur- 
anlage des  Embryo ,  zeigt  der  mit  Rinne  und  Achsenfaden  versehene 
Primitivstreif  ein  deutlich   abgerundetes    durch  die   bogenförmige  Vereini- 


1)  Entwicklgsgesch.  d.  Säugethiere  u.  d.  Menschen.    1842.    S.  381. 


12 

gung  seiner  Seitenhälften  entstandenes  Ende,  welches  ich  den  vordem 
Schlussbogen  des  Primitivstreifs  nennen  will.  Ausnahmsweise  erleidet 
derselbe  an  Einer  Seite,  niemals  in  der  Medianlinie,  eine  Unterbrechung 
in  Folge  einer  ungleichen  Dickenzunahme.  Viel  häufiger  trifft  man  dieses 
Verhalten  in  späterer  Zeit ,  wenn  bereits  die  Chorda  und  die  Uranlage 
des  Embryo  deutlich  vorliegen  (Fig.  10).  Merkwürdiger  Weise  finde  ich 
diese  Unterbrechung  des  im  Uebrigen  durch  seine  Dicke  und  durch  das 
Endknöpfeken  des  Achsenfadens  auffallend  markirten  Kopfendes  des  Primi- 
tivstreifs in  der  Regel  nur  auf  der  linken  Seite  des  Embryo.  Da  nun 
der  mediane  Theil  des  Schlussbogens  mit  der  davor  liegenden  Chorda- 
wurzel in  Verbindung  steht  und  zugleich  auch  mit  dem  rechten  Seitentheil 
des  Primitivstreifs  in  continuirlichem  Zusammenhang  bleibt,  so  macht  dann 
ein  solches  Verhalten  den  Eindruck,  als  ob  nur  der  rechte  Seitentheil  des 
Primitivstreifs  unter  Bildung  einer  S  förmigen  Krümmung  sich  in  die 
Chordawurzel  fortsetze.  Niemals  jedoch  bemerkte  ich  diese  Unterbrechung 
des  vordem  Schlussbogens  auf  beiden  Seiten  zugleich,  und  es  wäre  da- 
durch auch  der  Zusammenhang  der  Chorda  mit  dem  Primitivstreif  gestört. 

Von  den  Urwirbelplatten  des  Kopfs  behauptet  Remak  1), 
dass  dieselben  zum  Unterschied  von  den  Urwirbelplatten  des 
Rumpfes  und  des  Schwanztheiles  nicht  durch  einen  hellen  Saum 
von  den  Seitenplatten  geschieden  seien  und  bezeichnet  diese  ver- 
schmolzenen Seiten-  und  Urwirbelplatten  als  Kopfplatten.  Eine 
derartige  Verschmelzung  findet  sich  höchstens  nur  entlang  des  vor- 
dem Randes  des  Schlussbogens,  also  nur  am  vordersten  Ende  der 
Urwirbelplatten  des  Kopfes,  nicht  aber  an  den  Seitenrändern ,  die 
durch  einen  hellen  Grenzsaum  ebenso  deutlich  abgeschieden  wer- 
den, wie  am  Rumpf-  und.Schwanztheil  des  Embryo.  Die  Figur  10 
der  zweiten  Tafel  zeigt  diesen  Grenzsaum  bei  durchfallendem 
Licht  (daher  hell),  die  Figuren  11  und  12  stellen  ihn  bei  auffal- 
lendem Lichte  (dunkel)    dar. 

Auch  die  von  Remak  selbst  in  seinem  Werke  über  die  Entwicklung 
der  Wirbelthiere  gegebenen  Figuren  (Taf.  I,  Fig.  9  A,  10  A,  IIA,  sowie 
Taf.  II,  Fig.  17  A)  sprechen  gegen  eine  Verschmelzung  der  Urwirbelplatten 
mit  den  Seitenplatten,  während  das  in  seiner  Fig.  18  oder  20 A  u.  s.  w. 
gegebene  Verhalten  des  Grenzsaumes  der  Wirklichkeit  durchaus  nicht 
entspricht.  Ich  kann  daher  die  Aufstellung  besonderer  Kopfplatten  im 
Sinne  Remak 's  nicht  gelten  lassen;  auch  stösst  dieselbe  in  ihrer  spä- 
teren Durchführung  auf  allerlei  Schwierigkeiten,   die  ich  nicht  zu  beseiti- 


1)  Untersuchungen   über  d.  Entwklg.  d.  Wirbelthiere,    1855.   S.  11  u.  a, 
anderen  Stellen. 


13 

gen  weiss.  Mit  dem  Erscheinen  der  ersten  Urwirbel  ist  zwar  eine  Ab- 
grenzung zwischen  Schädel  mit  Hirn  und  Wirbelsäule  mit  Rückenmark 
gegeben  ,  nicht  aber  zwischen  Kopf  und  Rumpf.  In  so  früher  Zeit  der 
Entwicklung  zeigen  nämlich  die  verschiedenen  Anlagen  des  embryonalen 
Leibes  ganz  andere  Lagebeziehungen  als  später.  Da  nun  die  Urwirbel- 
platten  des  Kopfes  niemals  in  Urwirbel  zerfallen  und  dieses  Verhalten 
auch  Remak  (S.  23)  noch  besonders  für  seine  Kopfplatten  hervorhebt,  so 
ist  mir  nicht  verständlich,  wie  aus  der  hinteren  Hälfte  dieser  Platten  nach 
Remak  später  der  Vorderdarm,  die  Halsplatten,  der  obere  Abschnitt  der 
Pleuroperitonealhöhle  und  der  (doch  in  Urwirbel  zerfallende!)  Ha  Is- 
theil der  Wirbelsäule  entstehen  kann.  Es  stimmt  damit  die  von  Remak 
gegebene  Definition  der  Kopfplatten  nicht  überein.  Auch  scheint  dies 
Remak  selbst  gefühlt  zu  haben,  da  er  (S.  12)  die  Vermuthung  aufstellt, 
dass  vielleicht  die  vordersten  Urwirbel,  deren  Deutung  als  oberste  Hals- 
wirbel von  ihm  als  höchst  wahrscheinlich  zugegeben  wird,  vielleicht  später 
nach  vorn  (in  die  Halsgegend)  rückten.  Verschiebungen  kommen  aller- 
dings vor,  daher  auch  aus  diesem  Grunde  Bezeichnungen  wie  „Kopfplatten, 
Halsplatten"  u.  s.  w.  am  besten  ganz  aufgegeben  werden. 

Für  die  Ansicht ,  dass  der  vorderste  der  drei  zuerst  erscheinenden 
Urwirbel  die  Gegend  des  späteren  obersten  Halswirbels  bedeutet,  war  ich 
schon  früher  eingetreten  und  bin  jetzt  im  Stande ,  noch  einen  weitern 
Beweis  beizufügen.  Es  bilden  sich  nämlich  die  hellen  Streifen,  welche 
die  Urwirbelplatten  in  Urwirbel  abgliedern,  nicht  in  ihrer  ganzen  Länge 
auf  Einmal,  sondern  beginnen  am  lateralen  Rand  der  Urwirbelplatten  und 
dringen  allmählig  medianwärts  vor.  Häufig  läuft  dieser  Abgliederungs- 
process  auf  der  einen  Seite  des  Embryo  rascher  ab  als  auf  der  andern. 
So  kann  eine  Urwirbelplatte  z.  B.  sechs  Urwirbel  zeigen ,  die  gegenüber 
liegende  sieben,  wobei  dann  der  überzählige  ohne  Ausnahme  dem  Schwanz- 
ende seiner  Urwirbelplatte  angehört.  Ebenso  werden  auch  die  erwähnten 
noch  unvollständigen  hellen  Abgliederungsstreifen  ausnahmslos  nur  an  dem 
Schwanzende  der  Urwirbelplatten  gefunden. 

Was  das  Kopfende  der  Chorda  betrifft ,  so  geht  dasselbe  nach 
Rathke  x)  bei  keinem  Wirbelthier  zu  irgend  einer  Zeit  des  Lebens  weiter 
nach  vorn  als  bis  in  die  Gegend  zwischen  den  beiden  Ohrkapseln.  Später 
jedoch  fand  dieser  Beobachter,  dass  bei  Amphioxus  die  Chorda  das  vor- 
derste Schädelende  erreicht  und  er  erklärte  dieses  Verhalten  als  eine 
Ausnahme.  Aber  auch  bei  der  Schildkröte  2)  musste  er  bald  darauf  die 
Erfahrung  machen,  dass  die  Wirbelsaite  eine  von  der  Glandula  pituitaria 
erfüllte  Lücke  erreichte,  „was  mich  nicht  wenig  befremdete,  sagt  Rathke, 
weil  ich  diesen  Körpertheil  ausser  bei  Amphioxus  bisher  bei  keinem  Wir- 
belthier so  weit  nach  vorn  reichend  gesehen  hatte." 


1)  Entwklg.  der  Natter,  Königsberg  1839.    S.  122. 

2)  Entwklg.  der  Schildkröte.    1848.   S.  231. 


14 

Beim  Hühnchen  fand  Baer1)  das  vorderste  Ende  der  Wirbelsaite 
weiter  vorn  und  zwar  in  dem  mittleren  Schädelbalken,  „in  der  Lücke 
zwischen  Trichter ,  Kleinhirn  und  den  Vierhügeln  liegt  die  Bückensaite 
und  zugleich  umgebendes  dem  Stamm  der  Wirbelsäule  gehöriges  Bildungs- 
gewebe, mit  immer  schärfer  werdender  Umbeugung".  Wenn  Baer  mit 
dieser  Umbeugung  die  Chorda  meint,  so  Ist  dies  richtig,  da  sie  damit  zu 
ihrem  Endknopf  (der  Gegend  der  spätem  Hypophyse)  sich  wendet. 

Nach  Remak2)  reicht  das  Kopfende  der  Chorda  bis  zur  Basis  des 
Vorderhirns  (worunter  er  zunächst  die  Anlage  der  spätem  Zwisehenhirn- 
blase  versteht).  Daraus,  sowie  aus  den  beigefügten  Abbildungen  und  aus 
seiner  Bemerkung,  dass  die  Chordaspitze  einen  von  den  Drüsenblattzellen 
gebildeten  Knopf  berühre,  ersehe  ich,  dass  Remak  die  ursprüngliche 
Ausdehnung  der  Chorda  bis  zum  vordersten  Ende  des  primitiven  Schä- 
dels kannte  und  nur  in  der  Deutung  des  genannten  Knopfes  fehlte.  Der 
von  ihm  (S.  44)  beschriebene  spätere  Rückzug  des  vordersten  Chorda- 
endes ist  nur  scheinbar,  wie  ich  sogleich  aus  einander  setzen  werde. 

Nach  Reichert3)  geht  bei  dem  Frosch,  dem  Hühnchen  und  auch 
bei  Säugern  die  Chorda  anfangs  bis  zur  Stirnwand  und  soll  ihre  spätere 
weiter  hinten  befindliche  Lage  durch  Verkümmerung  des  vordersten  Endes 
erhalten.  Reichert  (S.  29  u.  f.)  behauptet  geradezu,  dass  das  vorderste 
Chordaende  zuerst  in  der  Gegend  des  ersten  Kopfwirbels  liege,  später 
aber  durch  Verkümmerung  der  Spitze  nur  noch  den  Anfang  des  zweiten 
Schädelwirbels  mit  dem  Boden  des  dritten  Ventrikels  erreiche.  In  dieser 
Beziehung  stand  Remak  (a.  a.  0.  S.  36)  der  Wahrheit  näher,  indem 
nach  ihm  die  ursprüngliche  Schädelanlage  über  das  vorderste  Chordaende 
sich  dergestalt  hinaus  verlängert,  dass  dasselbe  von  der  Grundfläche 
des  Zwischenhirns  weit  zurückgedrängt  wird. 

Auch  Kölliker4)  erkannte,  dass  das  vordere  Chordaende  erst  in 
Folge  der  mächtigen  Entwicklung  des  vorderen  Schädeltheiles  immer 
weiter  rückwärts  zu  liegen  kam ,  weniger  richtig  aber  ist  die  Bemerkung 
„Nach  meinen  Untersuchungen  an  Hühnerembryonen  geht  die  Chorda 
nicht  bis  zu  dem  vordem  Ende  der  Urwirbelplatten ,  wie  Reichert 
meint,  jedoch  anfangs  weiter  nach  vorn  als  Rathke  und  Remak  (?) 
annehmen. 

Nach  Stricker6)  soll  bei  Kröten  die  Chorda  nicht  über  das  Ohr- 
labyrinth hinausgehen;  an  einer  anderen  Stelle  erklärt  dieser  Beobachter, 
dass  bei  Batrachiern  mit  noch  weit  offener  Rückenfurche  das  vordere 
Chordaende  wegen  seiner  Unbestimmtheit  sich   nicht  genau  angeben  lasse, 


1)  Entwklg.  d.  Thiere.   I.    1828.    S.  78. 

2)  Unters,  über  d.  Entwklg.  d.  Wirbelthierc.    1855. 

3)  Müll.  Archiv  1849,  sowie  Entwicklungsleben  im  Wirbelthierreich   1840. 

4)  Entwiklgsgesch.  d.  Menscheu  u.  d.  höhern  Thiere  1861. 

5)  Müll.  Archiv.    1864. 


15 

jedoch  sei  es  kaum  gestattet,  dasselbe  noch  am  vordersten  Hirnende  zu 
suchen.  Dabei  wird  (S.  63)  bemerkt:  „Hie  und  da  erhielt  ich  jedoch  an 
Durchschnitten  v  o  r  diesem  unbestimmten  Chordaende  ein  kleines  der 
Schädelbasis  anhaftendes  Zellcnklümpchen,  was  an  eine  rudimen- 
täre Chorda  erinnert."  Diese  von  Stricker  gemachte  Beobachtung  passt 
offenbar  auf  meinen  Chordaknopf. 

Nach  meinen  Erfahrungen  erreicht  das  vorderste  Chordaende  ur- 
sprünglich das  vordere  Ende  der  Urwirbelplatten ,  was  Reichert  zuerst 
gesehen  hat.  Alle  anderen  Angaben  der  genannten  Schriftsteller  betreffen 
eben  das  vorderste  Chordaende  von  in  der  Entwicklung  weiter  fortge- 
schrittenen Schädeln,  deren  vorderstes  Ende  bereits  als  Spheno-Ethmoidal- 
theil  über  das  Chordaende  hinausgewachsen  war.  Die  Wirbelsaite 
endigt  im  spätem  Türkensattel,  indem  ihr  Knopf  sich  an  der  Bildung  der 
Hypophyse  betheiligt  (Taf.  II,  Fig.  9);  sie  schnürt  sich  hierauf  von  diesem 
Gebilde  ab  und  endigt  zugespitzt  unterhalb  der  Wurzel  der  Sattellehne 
in  der  hintern  Wand  des  Türkensattels.  Niemals  befand  sich  die  Chorda 
in  der  vordem  Keilbeingegend,  was  auch  Kölliker  a.  a.  0.  S.  205  her- 
vorhebt; ja  selbst  der  vor  der  Sattellehne  liegende  und  den  Boden  der 
Sattelgrube  darstellende  Abschnitt  des  hintern  Keilbeins  ist  zu  jeder  Zeit 
frei  davon.    Weitere  Angaben  über  den  Kopftheil  der  Chorda  siehe  unten. 


Kopftheil  der  Chorda  dorsalis  des  Menschen  und  der  Säuge- 
thiere  nebst  Bemerkungen  über  die  Wirbelsaite  überhaupt. 

Die  nächste  Veränderung'  der  Urwirbelplatten  des  Schädels  be- 
steht darin,  dass  sie  die  Chorda  umwachsen  und  zwar  eher,  als 
dies  am  Rumpf  geschieht.  Unmittelbar  hinter  dem  Chordaknopf 
treffen  sie  am  frühesten  medianwärts  zusammen,  so  dass  von  hier 
aus  die  Urwirbelplatten  in  der  Richtung  gegen  das  Schwänzende 
divergiren.  Ihre  Vereinigung  geschieht  zuerst  an  der  Bauchseite 
der  Chorda,  dann  über  ihr,  wodurch  die  Chorda  ihren  früheren 
Zusammenhang  mit  dem  Medullarrohr  und  dem  Darmdrüsenblatt 
einbüsst.  Nur  das  knopfförmig  verdickte  vorderste  Chordaende  be- 
hauptet den  ursprünglichen  innigen  Zusammenhang  mit  dem  Me- 
dullarrohr (Boden  der  vorderen  primitiven  Hirnblase)  sowie  mit 
dem  die  Schlundhöhle  auskleidenden  Darmdrüsenblatt.  Die  Ver- 
einigung der  Urwirbelplatten  wird  hierdurch  verzögert  und  das 
längere  Bestehen  einer  die  eigentliche  Schädelbasis  betreffenden 
Lücke  veranlasst,    in    die   jedoch    der  Chordaknopf  sich  einbettet 


16 

und  durch  seine  fortbestehende  Verbindung  mit  dem  Medullarrohr 
und  dem  Darmdrüsenblatt  die  Bildung  der  Hypophyse  vorbereitet. 

Bei  den  Menschen  und  den  Säugern  nimmt  die  Wirbelsaite 
bei  ihrem  Uebertritt  aus  der  Halswirbelsäule  in  die  Schädelbasis 
kaum  merklich  an  Umfang  ab  und  erst  gegen  ihr  vorderstes  in 
den  Knopf  übergehendes  Ende  verjüngt  sie  sich  etwas.  Im 
weichen  und  im  rein  knorplichen  Zustande  der  Schädelbasis  wird 
die  Chorda  niemals  vermisst  und  erst  einige  Zeit  nach  dem  Eintritt 
der  Verknöcherung  wird  sie  innerhalb  des  Knochenkernes  der 
Pars  basilaris  des  Hinterhauptbeins  allmählig  unkenntlich,  in  den 
knorplich  bleibenden  Partien  dagegen  erhält  sie  sich  noch  längere 
Zeit  hindurch  mehr  oder  weniger  vollständig. 

Die  ältesten  menschlichen  Embryonen,  die  ich  auf  die  Chorda 
der  Schädelbasis  untersuchte ,  hatte  eine  Länge  von  1,8  Dem. 
und  besassen  in  dem  Knorpel  zwischen  dem  vordem  Rand  des 
verknöcherten  Hinterhauptskörpers  und  dem  hintern  Umfang  der 
Sattelgrube  eine  so  auffallend  stark  entwickelte  Chorda,  dass  ich 
auch  an  einem  noch  späteren  Vorkommen  derselben  nicht  zweifle  1). 
Beim  Rind  fand  ich  an  7,2  Ctm.  langen  und  beim  Schwein  an 
7,5  Ctm.  langen  Embryonen  die  Chorda  noch  in  ihrer  ganzen 
Länge  vom  Hinterhauptsloch  bis  zum  hintern  Umfang  der  Sattel- 
grube und  auch  durch  den  Knochenkern  des  Hinterhauptskörpers 
nicht  unterbrochen. 

Bekanntlich  hat  zuerst  H.  Müller2)  auf  das  längere  Ver- 
bleiben von  Chordaresten  in  dem  vorderen  und  hinteren  Abschnitte 
der  Wirbelsäule,  Steissbein  einerseits,  Epistropheus-Zahn  und  Schä- 
delbasis andererseits,  aufmerksam  gemacht  und  bezeichnete  diesen 
Fund  als  einen  auffallenden ,  weil  nach  seinen  Beobachtungen 
(a.  a.  O.    S.  219)    die    Chorda    bei    dem    Menschen    frühzeitig 


1)  Ueber  den  Schädeltheil  der  Chorda  des  Menschen  enthält  meine 
Sammlung  zehn  Präparate  von  medianen  Längsschnitten  und  zwar  von 
71/*  Ctm.  langen  Embryonen  zwei  (Nr.  1076  u.  1081),  von  8  Ctm.  langen 
Embryonen  zwei  (Nr.  1084  u.  1121),  von  einem  8,3  Ctm.  langen  Embryo 
Eines  (Nr.  1017),  von  1  Dem.  langen  Embryonen  zwei  (Nr.  1077  u.  1078), 
von  1,8  Dem.  langen  Embryonen  drei  (Nr.  1080,  1082,  1085). 

2)  Ueber  das  Vorkommen  von  Resten  der  Chorda  dorsalis  beim  Menschen 
nach  der  Geburt  und  über  ihr  Verhältniss  zu  den  Gallertgeschwülsten  am 
Clivus,  iu  d.  Zeitschr.  f.  rat.  Med.  v.  Henle  u.  Pfeufer.   R.  3,  Bd.  II,    1858. 


17 

verschwinde,  sowohl  in  den  Wirbelkörpern  als  auch 
in  denWirbelsynchondrosen.  Da  meine  Erfahrungen  gegen 
die  beiden  letzten  Angaben  sprechen ,  so  kann  ich  das  spätere 
Vorkommen  von  Chordaresten  an  den  genannten  Stellen  nicht  als 
eine  besondere  Eigenthümlichkeit  der  Wirbelsaite  aufnehmen.  Es 
lässt  sich  nämlich  nicht  blos  bei  dem  Menschen,  sondern  auch  bei 
den  von  mir  untersuchten  Säugethieren  (Rind,  Schwein)  das  ganze 
fötale  Leben  hindurch  die  Chorda  innerhalb  der  Wirbelkörper- 
säule in  allen  nicht  verknöcherten  Abschnitten  nachweisen ,  also 
nicht  nur  in  den  Wirbelsynchondrosen,  sondern  auch  in  den  Wir- 
belkörpern bis  dicht  an  die  Grenze  der  Knochenkerne.  Nur  die 
Knochenkerne  sind  es,  welche  durch  Umlagerung  die  Chorda  nach 
und  nach  unkenntlich  machen,  und  an  hinlänglich  feinen  Längs- 
schnitten überzeugt  man  sich ,  dass  auch  hier  die  Chorda  noch 
einige  Zeit  hindurch  den  Knochenkern  als  ein  nachweisbarer  zel- 
liger Strang  durchzieht ;  sie  verschwindet  daher  nicht  schon  vor 
der  Verknöcherung,  wie  Gegenbauer  für  die  Säugethiere  be- 
hauptet x). 

An  Median-  wie  an  Frontalschnitten  der  Brust-  und  Hals- 
wirbelsäule menschlicher  Embryonen  von  8  Ctm.  Länge  fand  ich 
die  Chorda  noch  völlig  ununterbrochen,  daher  auch  noch  innerhalb 
der  Knochenkerne  deutlich  nachweisbar ;  ebenso  an  Rindsembryonen 
mit  bereits  grösseren  Knochenkernen.  Es  sind  übrigens  solche 
Schnitte ,  wenn  sie  längere  Strecken  der  Chorda  treffen  sollen, 
wegen  der  Feinheit  des  Chordastranges  zwischen  den  in  den  Wir- 
belsynchondrosen liegenden  Anschwellungen  sehr  schwer  anzu- 
fertigen. Weicht  das  Messer  nur  wenig  von  der  Medianebene  ab, 
so  trifft  man  stellenweise  nur  die  zwischen  den  Wirbelkörpern 
liegenden  Anschwellungen  und  so  erklärt  sich  z.  B.  die  unrichtige 
Angabe ,  dass  schon  in  der  Mitte  des  dritten  Monates  bei  dem 
Menschen  die  Chorda  an  gewissen  Stellen  auf  die  Synchondrose 
sich  beschränke.  Man  lege  nur  von  Einem  Präparate  immer 
mehrere  Sagittalschnitte  an,  so  ergänzen  sich  dieselben  und  die 
scheinbar  unterbrochene  Chorda  wird  an  so  jungen  Embryonen 
wieder  zu  einem  continuirlichen,  auch  in  den  Knochenkernen  noch 
sichtbaren  Strang. 

1)  Unters,  z.  vergl.  Anat.  der  Wirbelsäule.     Leipz.  1862.    S.  67. 
Dursy ,  Entwklgsgesch.  2 


18 

Macht  man  verschiedene  Durchschnitte  mit  einiger  Vorsicht 
und  in  grosser  Menge,  so  überzeugt  man  sich,  dass  innerhalb  der 
Knochenkerne  nicht  blos,  wie  es  an  vielen  Schnitten  den  Anschein 
hat,  ein  leerer  Chordakanal  sich  befindet,  sondern  ein  wirklicher 
Zellenstrang,  der  nur  sehr  brüchig  geworden  ist  und  daher  leicht 
herausfällt.  Brachte  ich  den  Schnitt  in  Wasser,  so  konnte  ich 
mitunter  schon  mit  blossem  Auge  die  Ablösung  des  weissen  Chorda- 
stranges wahrnehmen ,  wie  er  seinen  Kanal  verliess.  Ich  besitze 
Präparate  von  medianen  Längsschnitten  eines  7  Ctm.  langen  Rinds- 
embryo, bei  welchen  der  innerhalb  des  Knochenkernes  liegende 
Zellenstrang  sogar  bedeutend  dicker  ist  als  selbst  die  in  der 
Wirbelsynchondrose  liegende  Partie  der  Chorda.  Wird  nun  der 
Knochenkern  grösser,  so  macht  er  allmählig  den  Zellenstrang  und 
den  ihn  aufnehmenden  Kanal  völlig  unkenntlich,  zeigt  aber  noch 
einige  Zeit  hindurch  einen  dem  Verlaufe  der  Chorda  entsprechen- 
den dichteren  Streif.  Was  schliesslich  aus  dem  Chordastrang  in 
dem  Knochenkern  wird,  ob  er  wirklich  gänzlich  verschwindet  oder 
ob  seine  Zellen  den  Elementen  der  Markräume  sich  beigesellen  und 
deren  Schicksal  theilen ,  konnte  ich  nicht  herausbringen.  Da  nun 
auch  Querschnitte  darüber  keinen  Aufschluss  geben,  so  kann  ich 
nur  sagen,  der  Chordastrang  gibt  im  Knochenkern  allmählig  seine 
Selbständigkeit  und  seine  ursprüngliche  Bedeutung  auf  und  ent- 
zieht sich  schliesslich  jeder  weiteren  Verfolgung. 

In  den  knorplich  gebliebenen  Theilen  der  Wirbelkörpersäule 
sowie  in  den  Synchondrosen  habe  ich  immer  bei  allen  Embryonen 
des  Menschen ,  des  Rindes  und  des  Schweines  die  Chorda  ge- 
funden, und  ich  sehe  mich  daher  zu  dem  Ausspruch  berechtigt, 
dass  dieser  Strang  überhaupt  nur  innerhalb  der  verknöcherten 
Theile  dem  Auge  sich  spurlos  entzieht,  sonst  aber  wohl  das  ganze 
fötale  Leben  hindurch  mehr  oder  weniger  vollständig  sich  erhält. 
Da  nun  am  Ende  des  fötalen  Lebens  und  nach  der  Geburt  die 
Schädelbasis  zum  grossen  Theil,  und  das  Steissbein  durchaus  oder 
fast  ganz  knorplich  gefunden  werden,  so  erklärt  sich  daraus  das 
spätere  Vorkommen  von  Chordaresten  auch  in  diesen  Theilen  und 
es  ist  diese  Thatsache  daher  nicht  auffallender,  als  eben  die  ver- 
spätete Verknöcherung  der  genannten  Skelettheile  überhaupt. 

In    der    Schädelbasis   sowie   in  ihrem   ganzen  Verlaufe  durch 


19 

die  Wirbelkörpersäule    liegt    der    aus   Zellen    bestehende    Chorda- 
strang  innerhalb    eines    wasserhellen   kanalförmigen  Eaumes ,   der 
ihn    von    der  Umgebung    völlig    isolirt    und    den  ich  den  Chorda- 
kanal   (die    bisher    sogenannte    Chordascheide)    nennen   will.      Er 
lässt    sich    sowohl    an    Längsschnitten    als    auch  an  Querschnitten 
darstellen  und  erscheint  an  letzteren  bei  jüngeren  Embryonen  als 
eine  wasserhelle  kleine  Scheibe,  in  deren  Centrum  scheinbar  ganz 
frei  der  dunkle    körnige  Durchschnitt    der  Chorda  getroffen  wird. 
An   feineren  Durchschnitten    geschieht   es    sehr    häufig,    dass    die 
Chorda    aus    ihrem  Kanäle    von  selbst  herausfällt    oder  man  kann 
sie  leicht  herausnehmen  und  es  erscheint  dann  der  ganze  zurück- 
bleibende Chordakanal  z.  B.  an  dem  Querschnitt  der  knorplichen 
Schädelbasis    oder    eines    knorplichen  Wirbelkörpers    lediglich  nur 
als    eine   unmittelbar    von    Knorpelgewebe    begrenzte    wasserhelle 
Lücke  ohne  alle  Structur.     Namentlich    ist   auch  kein  innerer  die 
herausgefallene  Chorda  begrenzender  Contur  aufzufinden,  so  dass 
ich  diesen  Kanal   nicht   als    eine    besondere   glashelle   Scheide  des 
Chordastranges    auffassen    kann.     R  o  b  i  n ,    der   noch    in    neuerer 
Zeit x)  die  Existenz    einer    Scheide   festzuhalten    sucht,    giebt    zu, 
dass  im  frischen  Zustande  ein  innerer  Contur  nicht  bemerkt  werde ; 
aber ,    wie  ich  hinzufüge ,    auch  an  erhärteten  und  selbst  an  noch 
so  intensiv  gefärbten  Durchschnitten    lässt   sich  weder  ein  innerer 
noch  ein  äusserer  Contur  nachweisen.     Einige  wenn  auch  noch  so 
geringe  Consistenz  oder  etwas  klebrige  Beschaffenheit  muss  jedoch 
die  Flüssigkeit    des    Chordakanales  enthalten ,    da  sonst    an   allen 
feinen  Durchschnitten   der  Chordaschnitt    herausfallen    oder    seine 
centrale    scheinbar    völlig   freie  Lage  aufgeben  müsste.     Letzteres 
geschieht  auch  hie  und  da    und  man  kann  selbst  durch  Verschie- 
bung des  Schnittes  mitunter  eine    derartige  Lageveränderung  ver- 
anlassen zum  Beweise,  dass  der  die  Chorda  umgebende  Inhalt  des 
Kanales    keine    derbere     die    Chordaelemente     zusammenhaltende 
Scheide    sein    kann.     Es    existirt  daher  nach  meinen  Erfahrungen 
weder   bei    dem    Menschen    noch   bei   den   von    mir    untersuchten 
Säugethieren  zu  irgend    einer  Zeit   des  fötalen  Lebens  weder  eine 
eigentliche  glashelle,  noch  eine,  körnige,  noch  eine  faserige  Scheide. 


1)  Memoire  sur  Tevolution  de  la  notocarde  etc.     1868. 

2* 


20 

Auch  beim  Hühnchen  giebt  es  keine  Chordascheitle  und  der  da- 
für gehaltene  Kanal  lässt  sich  hier  leicht  vom  ersten  Anfang  seiner 
Bildung  verfolgen. 

In  früher  Zeit  der  Entwicklung  nämlich,  wenn  die  Urwirbel- 
platten  noch  flächenhaft  ausgebreitet  zu  beiden  Seiten  der  Wirbel- 
saite liegen ,  werden  sie  von  letztern  jederseits  durch  einen  mit 
wässeriger  Flüssigkeit  erfüllten  Raum  geschieden.  Dorsalwärts 
durch  die  dünne  mediane  Verbindungsmembran  beider  Medullar- 
platten  und  bauchwärts  durch  das  Darmdrüsenblatt  zu  einem 
Kanäle  geschlossen,  bildet  er  mit  seinem  Inhalte,  der  Chorda,  den 
Boden  meiner  Rückenrinne  (der  Reichert 'sehen  Primitivrinne). 
Vor  der  medianen  Verschrnelzung  der  beiden  Urwirbelplatten  liegt 
jedoch  die  Chorda  nicht  frei  in  diesem  Kanal,  sondern  hängt 
dorsalwärts  sehr  innig  dem  unterdessen  sich  schliessenden  Medullar- 
rohr  an,  wesshalb  sie  von  Remak  die  embryonale  Stütze  des 
Medullarrohres  genannt  wurde.  Aber  auch  ihre  Bauchseite  ist 
nicht  frei,  sondern  hängt  dem  Darmdrüsenblatt  an.  Später  werden 
diese  Zusammenhänge  durch  die  hereinwachsenden  Urwirbel- 
platten gelöst  und  nun  der .  Chordakanal  durch  die  letztern  allein 
gebildet. 

In  der  knorplichen  Schädelbasis  und  in  den  knorplichen  Wir- 
belkörpern ist  es  deren  hyaline  Grundsubstanz ,  welche  anfangs 
scharf  und  glatt  den  Kanal  unmittelbar  begrenzt.  An  Sagittal- 
sclmitten  der  Wirbelsäule  eines  erst  1,2  Ctm.  langen  Rindsembryo, 
von  welchem  ich  noch  mehrere  Präparate  aufbewahre  (Nr.  1159, 
1160,  11G1  u.  1162),  konnte  ich  nach  Anwendung  einer  Färbung 
durch  Anilinroth  sehr  deutlich  das  Verhalten  der  Wandung  des 
völlig  klaren  und  wasserhellen  Chordakanales  erkennen.  An  diesem 
Embryo  waren  die  Wirbelkörper  und  die  Anlage  der  Synchondrosen 
aus  ganz  gleichen  Elementen  (den  ursprünglichen  noch  nicht  deut- 
lich conturirten  völlig  runden  und  körnigen  Bildungszellen)  con- 
tinuirlich  angelegt.  Die  Wirbelkörper  standen  im  Beginn  des 
Verknorplungsprocesses ,  ihre  Formelemente  waren  daher  in  einer 
jedoch  noch  nicht  ganz  klaren  und  noch  spärlichen  Grundsubstanz 
etwas  weiter  auseinander  gerückt.  Die  Anlage  der  Synchondrosen 
bestand  aus  Elementen ,  die  sich  von  denen  der  etwas  helleren 
(durchsichtigeren)    Wirbelkörper   weder    durch  Grösse  noch  durch 


21 

Gestalt  unterschieden,  waren  daher  ebenfalls  kreisrund,  jedoch  so 
dicht  gedrängt,  dass  sie  den  Synchondrosen  das  Ansehen  dunkler 
breiter  Querbänder  verliehen.  An  der  Peripherie  waren  die 
Synchondrosen  zwar  höher ,  sonst  aber  ebenso  beschaffen  wie  im 
Centrum ,  zeigten  daher  noch  keine  Schichtung  und  Streifung. 
In  einiger  Entfernung  von  dem  Lumen  des  Chordakanales  fehlten 
die  Zellen  und  zwar  sowohl  im  Gebiete  der  Wirbelkörper  wie  in 
dem  der  Synchondrosen.  An  ihrer  Stelle  fand  sich  ein  völlig 
homogener  roth  gefärbter  schmaler  Streif,  welcher  gegen  das 
Lumen  bei  Anwendung  einer  400maligen  Vergrösserung  nicht 
ganz  geradlinig,  sondern  mit  niedrigen  Ein-  und  Ausbiegungen 
endigt.  Gegen  die  Peripherie  ging  er  continuirlich  in  die  Grund- 
substanz der  Wirbelkörpersäule  über ,  deren  directe  Fortsetzung 
er  darstellte,  jedoch  durch  seine  intensivere  Färbung  mit  Anilinroth 
scheinbar  sich  wie  eine  den  Chordakanal  umfassende  Scheide 
markirte. 

An  älteren  Embryonen  des  Menschen  und  der  Säuger  nehmen 
die  dem  Chordakanal  zunächst  stehenden  Zellen  eine  etwas  läng- 
liche Gestalt  an,  und  an  Querschnitten  sprang  der  erwähnte  Streif 
der  zellenlosen  Grundsubstanz  mit  Zacken,  an  Längsschnitten  mit 
scheinbaren  Falten  gegen  das  Lumen  vor.  Der  Querschnitt  des 
Kanales  gewann  dadurch  ein  sternförmiges  Lumen ,  welches  an 
älteren  Embryonen  in  der  Richtung  von  einer  Synchondrose  bis 
zum  nächsten  Knochenkern  allmählig  an  Umfang  abnimmt.  Sehr 
häufig  fällt  alsdann  die  brüchig  gewordene  Chorda  heraus,  so  dass 
man  nur  den  leeren  Kanal  bemerkt,  den  man  bisher  für  die  leere 
und  gefaltete  Scheide  gehalten  hat.  Auch  kann  es  geschehen, 
dass  eine  den  Chordastrang  betreffende  Einschmelzung ,  die  ich 
unten  näher  beschreiben  werde,  stellenweise  nicht  sofort  die  ganze 
Breite  des  Stranges,  sondern  zuerst  nur  dessen  Achse  betrifft  mit 
Zurücklassung  einer  dünnen  feinkörnigen  peripherischen  Schichte 
des  Chordagewebes,  die  ebenfalls  schon  zur  Aufstellung  einer  be- 
sondern Scheide  Veranlassung  gab. 

Niemals  füllt  bei  dem  Menschen  und  den  genannten  Säugern 
der  Chordastrang  seinen  Kanal  vollständig  aus ,  bleibt  also  immer 
von  der  umgebenden  Masse  der  Schädelbasis  und  der  Wirbelkörper 
durch    einen   hellen   Zwischenraum   geschieden    und    unterscheidet 


22 

sich  dadurch  von  dem  Chordastrang  des  Hühnchens,  bei  welchem 

der    anfangs    ebenso    gelagerte    Chordastrang    alsbald    einen    viel 

grössern  Umfang  gewinnt  und  den  Kanal  völlig  ausfüllt. 

Verfolgt  man  bei  dem  Menschen  und  den  Säugern  den  Chordakanal 
von  den  Wirbelkörpern  aus  gegen  die  Synchondrosen ,  so  geht  er  mit 
trichterförmiger  Erweiterung  aus  dem  knorplichen  Wirbelende  in  seinen 
umfänglicheren  die  Synchondrose  einnehmenden  Abschnitt  über.  Seine 
Wand  wird  auch  hier  von  dem  umgebenden  Gewebe,  also  von  der  durch 
dicht  gedrängte  Zellen  ausgezeichneten  hyalinen  Grundsubstanz  der 
Synchondrose  gebildet  und  ist  zuerst  völlig  glatt.  Eigentlich  ist  diese 
Erweiterung  schon  nicht  mehr  der  reine  ursprüngliche  Chordakanal,  der 
zuerst  gleichweit  die  ganze  Länge  der  Wirbelsäule  durchsetzte,  sondern 
verdankt  ihre  Entstehung  einer  Einschmelzung  des  umgebenden  Synchon- 
drosengewebes.  Ich  finde  diese  Erweiterung  schon  an  4  Ctm.  langen 
menschlichen  Embryonen  sehr  merklich  und  die  sie  erfüllende  helle  Flüs- 
sigkeit trennte  den  entsprechend  aufgetriebenen  Chordastrang  scharf  und 
in  ziemlichem  Abstände  von  der  noch  immer  glatten  Wand.  Beim  Rind 
tritt  nach  meinen  Beobachtungen  diese  Erweiterung  erst  an  6 — 7  Ctm. 
langen  Embryonen  auf,  während  diese  Stelle  vorher  sehr  abweichend  von 
dem  Menschen,  sich  gerade  als  die  engste  zeigte.  Beim  Schwein  dagegen 
beginnt  die  Erweiterung  schon  bei  2*/2  Ctm.  langen  Embryonen. 

An  einem  7  Ctm.  langen  menschlichen  Embryo  hatte  der  die  Synchondrosen 
einnehmende  Abschnitt  des  Chordakanales  im  Brusttheil  der  Wirbelsäule 
bereits  eine  in  horizontaler  Richtung  ausgedehnte  niedrige  scheibenförmige 
Gestalt ,  und  nur  an  ihrem  excentrischen  Uebergang  in  den  Chordakanal 
der  anstossenden  Wirbelkörper  war  sie  höher  und  trichterförmig  aus- 
gezogen. Alsbald  aber  verschwindet  die  schärfere  Begrenzung  des  Kanales, 
indem  das  erweichende  und  stellenweise  einschmelzende  Synchondrosen- 
gewebe  ein  von  hyalinen  oder  feinkörnigen  sehr  blassen  Balken  begrenztes 
unregelmässiges  Maschenwerk  zurücklässt,  in  welches  die  Chorda  hinein- 
wuchert. Von  einem  Chordakanal  kann  jetzt  nicht  mehr  die  Rede  sein. 
Die  Lehre  einer  Chordascheide  wurde  durch  Baer1)  eingeführt  und 
aus  dessen  das  Hühnchen  betreffenden  Beschreibung  geht  hervor,  dass  er 
darunter  den  durchsichtigen  die  Chorda  enthaltenden  Boden  der  Rücken- 
rinne (der  sogenannten  Primitivrinne)  verstand.  Er  hält  den  breiten 
glashellen  die  Chorda  umgebenden  Saum  für  eine  auffallend  feste 
und  aus  einer  glashellen  Masse  bestehende  Scheide,  welche  ursprünglich 
auch  mit  den  feinsten  Nadeln  nicht  von  der  Chorda  abgelöst  werden 
könne,  daher  mit  ihr  ein  Ganzes  bilde.  Erst  später  soll  sich  die  Chorda 
leicht  aus  der  Scheide  herausziehen  lassen. 

Rathke2)  lehrt,    dass   bei   allen  Wirbelthieren   die  Chorda  einen 

1)  Entwickig.  d.  Thiere.   I.    1828.    S.  16. 

2)  Entwickig.  d.  Natter. 


23 

Kern  und  eine  Scheide  besitze.  Bei  der  Natter  beschreibt  er  die  Scheide 
als  gallertig-sulzig  und  sehr  durchsichtig;  beim  Zerquetschen  zwischen 
zwei  Glastafeln  blieb  nur  der  dünne  Kern  zurück,  nicht  aber  die 
Scheide.  Bei  einer  andern  Gelegenheit1)  erklärt  dieser  Forscher  um- 
gekehrt die  Scheide  für  häutig  und  den  Kern  für  gallertig. 

Reichert2)  erkannte  ganz  richtig,  dass  beim  Hühnchen  eine  Hülle 
und  eine  Kernmasse  sich  nicht  unterscheiden  lasse;  Remak3)  dagegen 
giebt  an,  dass  gegen  den  Schluss  des  fünften  Brüttages  eine  Sonderung 
in  eine  durchsichtige  feste  Scheide  und  einen  undurchsichtigen  weichen  (!) 
Achsentheil  eintrete.  Auch  Kolli k er4)  nimmt  eine  Scheide  für  das 
Hühnchen,  die  Säuger  und  den  Menschen  an  und  hält  sie  für  eine  einer 
secundären  Zellenmembran  vergleichbare  Ausscheidung ;  sie  soll  jedoch  5) 
erst  nachträglich  und  zwar  als  eine  structurlose  Hülle  entstehen,  welche 
nach  und  nach  etwas  fester  werde  und  an  einer  ausgebildeten  Chorda 
als  ein  glashelles ,  massig  dickes  Umhüllungsgebilde  erscheine ;  an  den 
Chordaresten  des  Neugeborenen  dagegen  (S.  189)  soll  die  Scheide  nicht 
mehr  nachweisbar  sein. 

Was  die  histologischen  Verhältnisse  der  Chorda  betrifft ,  so 
ist  dieselbe  zuerst  nur  ein  aus  dicht  gedrängten  Zellen  bestehender 
Strang;  im  weiteren  Verlauf  der  Entwicklung  tritt  nach  meinen 
von  der  gewöhnlichen  Angabe  abweichenden  Erfahrungen  eine 
helle  wässrige  Grundsubstanz  auf,  welche  die  Zellen  zwar  aus- 
einander drängt ;  jedoch  nicht  wie  beim  Knorpel  völlig  isolirt. 
Sie  bleiben  mit  einander  verbunden  und  stellen  ein  durch  rund- 
liche und  ovale  helle  Lücken  durchsetztes  Zellengewebe  dar.  Die 
an  die  Lücken  anstossenden  Zellenflächen  werden  durch  den  Druck 
der  darin  enthaltenen  wässrigen  Flüssigkeit  entsprechend  gebogen 
und  so  erhalten  die  rundlichen  Maschen  scharfe  dunkle  Conturen 
und  nehmen  sich  an  Flächenansichten  der  isolirten  Chorda  oder 
an  nicht  ganz  feinen  Durchschnitten  wie  helle  Blasen  aus.  An 
feinen  Durchschnitten  dagegen  habe  ich  mich  davon  überzeugt, 
dass  dieselben  keine  umgewandelten  Chordazellen  sind,  sondern 
Flüssigkeitsräume,  die  von  den  das  ganze  fötale  Leben  hindurch 
sich  gleich  bleibenden  zarten  Chordazellen  eine  scharfe  Begren- 
zung  erhalten.     Untersucht   man    nur  Flächenansichten    einer  iso- 


1)  Vierter  Bericht  d.  nat.  Seminars  in  Königsberg. 

2)  Entwicklungsleben  im  Wirbelthierreich.    1840.    S.  176. 

3)  a.  a.  0.  S.  44. 

4)  Lehrbuch  d.  Gewebelehre. 

5)  Entwicklgsgesch.  d.  Menschen. 


24 

lirten  Chorda  oder  nur  gröbere  Durchschnitte,  so  erscheinen  die 
diese  Räume  trennenden  den  Charakter  junger  Zellen  bewahrenden 
Chordaelemente  als  feinkörnige,  Blasen  enthaltende  Grundsubstanz 
oder  sie  wurden  wohl  auch  zur  Wand  der  scheinbaren  Blasen 
geschlagen  und  so  kam  man  zur  Aufstellung  von  dickwandigen 
knorpelzellenähnlichen,  mit  heller  Flüssigkeit  ganz  oder  theilweise 
sich  füllenden  Chordazellen. 

Die  Balken,  welche  die  Hohlräume  umfassen,  bestehen  bald 
nur  aus  Einer  Reihe  von  Zellen,  bald  kommen  zwei  oder  mehrere 
derselben  auf  den  Querdurchmesser;  mit  der  Zeit  werden  diese 
Elemente  polygonal  abgeplattet ,  erhalten  schärfere  aber  immer 
nur  einfache  Conturen  und  besitzen  zu  jeder  Zeit  einen  deutlichen 
Kern.  Niemals  bemerkte  ich,  wie  von  Manchen  gelehrt  wird,  eine 
Grössenzunahme  der  Chordazellen,  oder  eine  Aufhellung  ihres  In- 
haltes, oder  den  Verlust  ihres  Kernes  oder  eine  endogene  Zellen- 
vermehrung oder  eine  Umwandlung  in  grössere  mit  vielen  Tochter- 
zellen gefüllte  Mutterzelle.  Solche  Veränderungen  kommen  zwar 
allerdings  im  Laufe  des  fötalen  Lebens  in  den  Synchondrosen 
vor ,  beziehen  sich  aber  nicht  auf  die  Chordazellen ,  sondern  auf 
die  Elemente  des  erweichenden  und  einschmelzenden  Knorpels  der 
Umgebung. 

Mit  der  fortschreitenden  Zunahme  der  in  den  Lücken  ent- 
haltenen Flüssigkeit  vergrössern  sich  dieselben ,  so  dass  stellen- 
weise die  Balken  gedehnt  und  annähernd  zu  Fasern  comprimirt 
werden  können ,  die  an  den  dicker  bleibenden  Stellen  noch  den 
früheren  körnigen  Zelleninhalt  nebst  deutlichem  Kern  zeigen. 
Sehr  auffallend  zeigt  diese  Umwandlung  in  ein  weitmaschiges 
Fasernetz  das  Chordagewebe  der  Vögel  und  der  darunter  stehen- 
den Thiere;  darin  liegt  der  Grund  der  bei  diesen  Thieren  so  be- 
deutenden Dicke,  der  Durchsichtigkeit  und  der  mehr  gallertigen 
Beschaffenheit  der  Chorda,  so  dass  dieselbe  alsbald  ihren  Kanal 
völlig  erfüllt  und  an  der  Peripherie  gegen  die  umgebende  Wirbel- 
körpermasse wie  zu  einer  faserigen  Scheide  angedrückt  wird. 

Bei  dem  Menschen  und  den  Säugern  verbindet  sich  mit  dieser 
Ausdehnung  des  Chordagewebes  zugleich  eine  Einschmelzung,  die 
Lücken  fliessen  stellenweise  zusammen ,  theils  durchbrechen  sie 
das    Chordagewebe    peripherisch    gegen    den    Chordakanal.      Die 


25  . 

Chorda  verliert  ihre  gleichrnässige  Begrenzung,  wird  zerfetzt  und 
zerbröckelt,  macht  jetzt  den  Eindruck  eines  in  Rückbildung  und 
Zertrümmerung  befindlichen  Gebildes.  Es  schwinden  dabei  die 
Chordazellen  ohne  irgend  eine  vorausgehende  Veränderung  ihrer 
Gestalt  und  ihres  granulirten  Inhaltes.  Niemals  geht  dabei  die 
Chorda  mit  der  Wandung  ihres  Kanales  irgend  eine  continuirliche 
Verbindung  ein,  lässt  sich  daher  zu  jeder  Zeit  daraus  entfernen 
oder,  wie  z.  B.  in  den  Wirbelsynchondrosen,  herauspinseln. 

Von  Säugethierembryonen  war  der  jüngste,  den  ich  auf  die  histolo- 
gischen Verbältnisse  der  Chorda  untersuchte,  ein  Rindsembryo  von  1,2  Ctra. 
Länge.  An  einem  durch  den  Rumpf  geführten  Sagittalscbnitt  konnte  ich 
den  Längsschnitt  der  Chorda  eine  Strecke  weit  gänzlich  isoliren.  Sie 
bestand  aus  dicht  gedrängten  granulirten  kernartigen  Elementen  von  kug- 
liger  Gestalt  und  war  noch  nicht  von  helleren  Flüssigkeitsräumen  durch- 
setzt. Auch  an  den  Rändern  des  Chordastranges  bemerkte  man  keine 
Spur  eines  continuirlicben  einfachen  oder  doppelten  Conturs  als  Ausdruck 
einer  wenn  auch  noch  so  zarten  Hülle.  Die  Begrenzungslinie  ergab  sich 
bei  400maliger  Vergrösserung  als  ein  von  den  Conturen  der  peripheri- 
schen Chordaelemente  zusammengesetzter  und  daher  feiner  aus-  und 
eingebogener  dunkler  Saum.  Auch  nach  Anwendung  von  Druck  liess 
sich  weder  im  Verlaufe  der  Chorda  noch  an  ihrem  quer  durchschnittenen 
Ende  irgend  eine  Andeutung  einer  Hülle  unterscheiden ,  welche  den  so 
auffallend  innigen  Zusammenhang  der  Elemente  des  Chordastranges  hätte 
erklären  können. 

Bei  einem  andern  1,5  Ctm.  langen  Rindsembryo  hatte  der  Chorda- 
strang an  Dicke  etwas  zugenommen  und  seine  Elemente  waren  nun  deut- 
lich als  fein  granulirte,  einfach  und  zart  conturirte,  kernhaltige  und  runde 
Zellen  zu  unterscheiden.  Die  Bildung  von  zwischen  die  Zellen  sich  ein- 
schaltenden hellen  Räumen  hatte  noch  nicht  begonnen. 

Ebenso  beschaffen  war  die  Wirbelsaite  eines  2,6  Ctm.  langen  Rinds- 
embryo,  dessen  "Wirbelsäule  und  Schädelbasis  ebenfalls  noch  den  rein 
knorplichen  Zustand  zeigten. 

An  einem  6,5  Ctm.  langen  Rindsembryo,  dessen  Wirbelkörper  bereits 
Knochenkerne  besassen,  war  die  Chorda  von  hellen  Lücken  durchsetzt 
und  dadurch  in  ihrem  Verlaufe  durch  die  Wirbelkörper  stellenweise  gänz- 
lich unterbrochen.  Dass  diese  Lücken  nicht  etwa  in  den  Chordazellen 
selbst  sich  bildende  hellere  Inhaltstropfen  sind,  sondern  zwischen  den 
Elementen  als  anfangs  nur  ganz  kleine  Räume  in  Gestalt  niedriger  un- 
regelmässig eckiger  Spalten  erscheinen,  die  erst  allmählig  eine  rundliche 
und  schärfer  begrenzte  Form  annehmen,  davon  habe  ich  mich  vielfach 
überzeugt. 

Aehnlich  verhielt   sich  ein  7  Ctm.  langer  Rindsembryo,  nur  war  der 


26 

durch  die  Wirbelkörper  und  deren  Knochenkerne  ziehende  Chordastrang 
noch  ganz  continuirlich  und  von  kleinen  Lücken  durchsetzt;  in  den  Syn- 
chondrosen  dagegen  hatten  sich  die  letztern  bereits  vielmehr  ausgedehnt. 
Ebenso  verhielt  sich  auch  ein  8,3  Ctm.  langer  Rindsembryo. 

Was  die  menschlichen  Embryonen  betrifft ,  so  finde  ich  an  einem 
solchen  von  4  Ctm.  Länge  den  Chordastrang  innerhalb  der  noch  völlig 
knorplichen  Wirbelkörper  solid  und  ununterbrochen,  in  den  Synchondrosen 
dagegen  waren  die  Zellen  stellenweise  schon  durch  helle  Lücken  ausein- 
ander gedrängt. 

Ebenso  beschaffen  war  die  Chorda  eines  41/«  Ctm.  langen  mensch- 
lichen Embryo,  dessen  Wirbelsäule  immer  noch  völlig  knorplich  war. 

An  einem  6  Ctm.  langen  menschlichen  Embryo  zeigten  sich  endlich 
Knochenkerne  in  den  Wirbelkörpern.  Die  in  den  Synchondrosen  liegenden 
Anschwellungen  der  Chorda  waren  vielfach  durch  kleinere  und  grössere 
helle  Lücken  durchbrochen,  und  aus  demselben  Grunde  zeigte  auch  der  die 
Anschwellungen  verbindende  Zellenstrang  bereits  Unterbrechungen  seiner 
Continuität. 

An  älteren  Embryonen  wird  der  die  Wirbelkörper  durchziehende 
Strang  in  Folge  der  Zunahme  der  ihn  durchbrechenden  Lücken  und  einer 
damit  verbundenen  Einschmelzung  immer  unvollständiger,  so  dass  stellen- 
weise nur  der  leere  Kanal  übrig  bleibt. 

Was  die  Gestalt  der  in  der  Schädelbasis  befindlichen  Chorda 
betrifft,  so  kennt  man  in  dieser  Beziehung  durch  H.  Müller 
nur  die  Chorda  des  Rindes  und  des  Menschen.  Da  aber  nach 
meinen  Beobachtungen  das  Rind  anders  sich  verhält ,  als  der 
Mensch  und  das  Schwein,  was  H.  Müller  entgangen  ist,  so 
schicke  ich  meine  an  Rindsembryonen  gewonnenen  Resultate  zur 
Vergleichung  voraus. 

Dass  sich  der  anfangs  überall  ziemlich  gleich  dicke  Chorda- 
strang in  seinem  Verlaufe  durch  die  Wirbelkörpersäule  an  den  Inter- 
vertebralstellen  rosenkranzartig  erweitert,  ist  bekannt.  H.  Müller 
hat  nun  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  bei  dem  Menschen  und 
dem  Rind  solche  Anschwellungen  auch  zwischen  Körper  und 
Zahn  des  zweiten  Halswirbels  sowie  zwischen  Hinterhauptsbein 
und  Keilbein  vorkommen  und  diese  Gegenden  somit  auch  darin 
den  Intervertebralstellen  der  übrigen  Wirbelsäule  entsprechen. 
Ganz  eigenthümlich  gehen  aber  nach  meinen  Beobachtungen  diese 
Veränderungen  der  Chorda  beim  Rinde  vor  sich.  Dort  bilden, 
sich  nämlich  zweierlei  Anschwellungen,  an  den  Intervertebralstelleq 
der  Wirbelkörpersäule  und  zweitens  in  den  Wirbelkörperabschnitten 


27 


selbst ,  ja  die  letzteren  sind  sogar  viel  früher  vorhanden ,  so  dass 
dann  abweichend  von  dem  Schwein  und  dem  Menschen  die  dünn- 
sten Stellen  der  Chorda  den  Synchondrosen  entsprechen.  Unter- 
sucht man  den  Medianschnitt  der  Wirbelsäule  eines  1,2  Ctm.  langen 
Rindsembryo  (Holzschnitt  XII,  a),    so  zeigen  sich  lang  gezogene 


m 


a- 


f 


spindelförmige  Anschwel- 
lungen nur  in  den  An- 
lagen der  Wirbelkörper 
und  es  liegen  deren  dünne 
kurze  Verbindungsstücke 
in  den  Intervertebralstel- 
len.  Ebenso  finde  ich  die 
Anordnung  der  Wirbel- 
saite an  Medianschnitten 
von  1,5  Ctm.  langen  Rindsembryonen  und  es  waren  hier  die  spindel- 
förmigen Anschwellungen  noch  viel  dicker  geworden. 

An  Medianschnitten  eines  2,4  Ctm.  langen  Rindsfötus  (Holz- 
schnitt XII,  b)  zeigten  diese  Anschwellungen  sehr  merkwürdige 
Veränderungen.  Die  dickste  Stelle  lag  nämlich  nicht  mehr  in 
der  Mitte  der  Höhe  eines  Wirbelkörpers ,  sondern  an  den  beiden 
Endflächen  desselben.  Anstatt  einer  mittleren  Anschwellung  hatte 
man  jetzt  in  jedem  Wirbelkörper  zwei,  eine  obere  und  eine  untere. 
Da  sie  die  Endflächen  der  knorplichen  Wirbelkörper  erreichten 
und  selbst  ein  wenig  in  die  Synchondrosen  hineinragten ,  so  war 
das  dazwischen  liegende  im  Centrum  der  Synchondrose  eingeschlos- 
sene Mittelstück  nur  sehr  niedrig,  aber  durch  seine  Dünnheit  deutlich 
von  den  angrenzenden  Anschwellungen  zu  unterscheiden. 

Ganz  verändert  fand  ich  die  Gestalt  der  Chorda  an  dem  Median- 
schnitt eines  6,5  Ctm.  und  eines  7  Ctm.  langen  Rindsfötus  (Holzschn. 
XII,  c).  Es  fand  sich  nämlich  in  jedem  Wirbelkörper  wiederum  nur  eine 
einzige  spindelförmige  Verdickung,  welche  den  Knochenkern  durch- 
zog und  dessen  Gebiet  nicht  überschritt.  Von  hier  aus  bis  zu 
den  beiden  Endflächen  der  Wirbelkörper  war  der  Strang  sehr 
schlank  geworden  und  was  die  Intervertebralstellen  betraf,  so  fan- 
den sich  jetzt  endlich  auch  hier,  jedoch  nur  niedrige  kleine  An- 
schwellungen, die  aber  keine  spindelförmige,  sondern  mehr  eine 
knopfförmige  oder  im  Durchschnitt  rautenförmige  Gestalt  zeigten. 


28 

An  Rindsembryonen  von  8,3  Ctm.  Länge  und  darüber  (Holz- 
schnitt XII,  d)  waren  die  spindelförmigen  Anschwellungen  der 
Wirbelkörper  nur  noch  ganz  schwach  angedeutet  oder  auch  gänz- 
lich geschwunden ,  die  knopfförmigen  Verdickungen  der  Inter- 
vertebralstellen  dagegen  hatten  in  horizontaler  Richtung  an  Umfang 
zugenommen,  zeigten  somit  die  Gestalt  einer  biconvexen  Scheibe. 

Im  Epistropheus  und  in  der  Schädelbasis  verhielt  sich  die 
Chorda  in  Beziehung  auf  die  Anschwellungen  an  jüngeren  Rinds- 
embryonen von  2,4  und  4,4  Ctm.  Länge  ähnlich,  wie  ich  es  oben 
von  der-  Wirbelsäule  der  jüngsten  Embryonen  angegeben  habe. 
Eine  Anschwellung  lag  in  der  Mitte  der  Höhe  des  Körpers  vom 
zweiten  Halswirbel,  nahm  also  die  Stelle  des  spätem  Knochenkernes 
ein.  In  der  deutlich  markirten  Synchondrose  zwischen  dem  Körper 
dieses  Wirbels  und  dem  Zahn  fehlte  sie  j  dagegen  lag  eine  Anschwel- 
lung in  der  Mitte  des  Zahnes.  Alsbald  nach  dem  Eintritt  in  die  eben- 
falls noch  rein  knorplige  Schädelbasis  bildete  die  Chorda  eine  lang- 
gezogene schlanke  spindelförmige  Anschwellung,  entsprechend  der 
Gegend  des  spätem  Knochenkernes  des  Hinterhauptsbeins.  In 
der  Gegend  der  spätem  Synchondrosis  spheno-occipitalis  war  sie 
ganz  dünn  und  erst  in  der  Gegend  der  Wurzel  der  spätem  Sattel- 
lehne,  am  hinteren  Umfang  der  Sattelgrube,  schwoll  sie  wieder 
etwas  an.  Es  verhält  sich  somit  auch  hier  die  Wirbelsaite  gerade 
umgekehrt,  als  man  es  nach  der  bisherigen  Lehre  hätte  er- 
warten sollen.  Was  nun  die  älteren  Rindsembryonen  betrifft,  so 
stellt  sich  zwar  in  dem  Intervertebraltheil  zwischen  Epistropheus 
und  Zahn  noch  eine  Anschwellung  ein,  in  der  Schädelbasis  da- 
gegen konnte  ich  keine  neuen  Verdickungen  mehr  auffinden  und 
auch  die  zuerst  vorhandenen  waren  im  Abnehmen  begriffen.  Ich 
sehe  daher  beim  Rinde  keine  der  späteren  Synchondrosis  spheno- 
occipitalis  entsprechende  Verdickung  der  Chorda. 

Beim  Schwein  verhält  sich  die  Chorda  innerhalb  der  Wirbel- 
körpersäule in  der  Art,  wie  es  bisher  gelehrt  wurde.  Ich  finde 
nämlich  bei  einem  2,6  Ctm.  langen  Embryo  (Holzschn.  XII,  e) 
spindelförmige  Anschwellungen  nur  in  den  Intervertebralstellen 
und  von  solcher  Höhe,  dass  sie  noch  in  die  angrenzenden  knorp- 
lichen  Wirbelkörper  hineinragten.  An  einem  7,6  Ctm.  langen 
Schweinsembryo    war    die  Spindelform    verschwunden    und    dafür 


29 

eine  niedrige  biconvexe  Scheibe  vorhanden ,  welche  das  Gebiet 
der  Synchondrose  nicht  überschritt. 

In  der  Schädelbasis  fand  ich  bei  zwei  7*/s  und  einem  8  Ctm. 
langen  Schweinsembryo  folgendes  Verhalten.  Die  aus  dem  vor- 
dem Umfang  des  bereits  vorhandenen  Knochenkernes  des  Hinter- 
hauptbeins hervorkommende  Chorda  erzeugte  in  der  Gegend  der 
spätem  Synchondrosis  spheno-occipitalis  eine  mächtige  Anschwel- 
lung in  Gestalt  einer  frontalen  biconvexen  Scheibe ,  nahm  dann 
wieder  ab  und  bildete  nahe  hinter  der  Sattelgrube  noch  eine 
zweite  aber  viel  kleinere  Anschwellung ,  bevor  sie  in  die  Sattel- 
grube selbst  eindrang.  Der  unter  der  Sattelgrube  liegende  Kno- 
chenkern des  hintern  Keilbeins  kam  mit  der  Chorda  noch  lange 
nicht  in  Berührung. 

Aehnlich  wie  beim  Schwein  so  verhält  sich  auch  bei  dem 
Menschen  der  Chordastrang  in  seinem  Verlaufe  durch  die  Wirbel- 
säule. Sehr  schön  entwickelt  fand  ich  die  spindelförmigen  An- 
schwellungen der  Intervertebralstellen  bei  einem  4  Ctm.  langen 
Embryo  (Holzschn.  XII,  f)  und  von  solcher  Höhe,  dass  sie  noch 
die  angrenzenden  Viertheile  der  noch  rein  knorplichen  Wirbel- 
körper erfüllten.  An  ihrem  vordem  Umfang  waren  sie  einfach 
convex ,  hinten  dagegen  in  der  Mitte  ihrer  Höhe  in  einen  kurzen 
horizontalen  rückwärts  in  die  Synchondrose  hineinwachsenden 
scheibenförmigen  Anhang  ausgeladen.  Aehnlich  verhielt  sich  auch 
die  Wirbelsaite  bei  einem  4,5  Ctm.  langen  menschlichen  Embryo 
und    waren    auch   hier    die  Knochenkerne    noch  nicht  vorhanden. 

Bei  einem  6  Ctm.  langen  menschlichen  Embryo  fand  ich  die 
Wirbelkörper  mit  Knochenkernen  versehen.  Die  spindelförmigen 
Anschwellungen  hatten  in  der  Mitte  ihrer  Höhe  an  Umfang  zu- 
genommen und  sich  daselbst  in  eine  biconvexe  auf  das  Gebiet 
der  Synchondrosen  beschränkte  horizontale  Scheibe  erweitert,  aus 
deren  oberer  und  unterer  Fläche  noch  deutliche  kegelförmige  Fort- 
setzungen in  die  angrenzenden  knorplichen  Enden  der  Wirbel- 
körper eindrangen. 

Sehr  viel  grösser  fand  ich  die  erwähnten  von  vorn  nach 
hinten  horizontal  in  die  Synchondrosen  eindringenden  Scheiben 
an  einem  7,5  Ctm.  langen  (Holzschn.  XII,  g)  sowie  an  einem 
8  Ctm.  und  8,5  Ctm.    langen    menschlichen  Fötus.     Der    vordere 


30 

dickere  Theil  einer  solchen  Scheibe  entspricht  der  ursprünglichen 
spindelförmigen  Anschwellung  jüngerer  Embryonen  und  dringt 
auch  noch  mit  einem  oberen  und  einem  unteren  kegelförmigen 
Fortsatz  in  die  angrenzenden  Wirbelkörper  ein.  Frontalschnitte, 
welche  diese  dicker  gebliebenen  Partien  der  Scheibe  durchschneiden, 
zeigen  daher  die  Gestalt  eines  Kreuzes  mit  längeren  horizontalen 
Schenkeln.  Querschnitte  der  in  den  Synchondrosen  liegenden 
Chordascheiben  haben  das  Ansehen  einer  vielfach  durchbrochenen 
kreisrunden  Lamelle  mit  zerfetztem  oder  ausgezacktem  Rande  und 
erinnern  an  das  Bild  der  flächenhaften  Knochenkerne  des  häutigen 
Schädeldaches.  Ich  finde  übrigens  die  Ränder  dieser  Chorda- 
scheiben zu  jeder  Zeit  völlig  und  scharf  geschieden  von  dem  um- 
gebenden in  Erweichung  und  Einschmelzung  begriffenen  Synchon- 
drosengewebe ,  so  dass  sie  leicht  herausfallen  oder  über  den 
angrenzenden  Rand  der  durchschnittenen  Synchondrose  sich  hin- 
wegschieben. Beim  Auflegen  eines  Deckgläschens  werden  die 
strahlig  eingerissenen  Ränder  der  Chordascheiben  in  der  Art  dem 
in  der  Bildung  begriffenen  Gallertkern  der  Synchondrose  an-  und 
eingedrückt,  dass  mitunter  der  Anschein  eines  continuirlichen  Zu- 
sammenhangs entsteht. 

Bei  dieser  Gelegenheit  erlaube  ich  mir  einige  Bemerkungen  über  das 
Verliältniss  des  Gallertkernes  zur  Chorda  bei  menschlichen  und  Säugethier- 
embryonen  einzuflechten.  Die  Synchondrosen  erscheinen  zuerst  nur  als 
dunklere  Querstreifen  zwischen  den  helleren  Wirbelkörperanlagen ,  be- 
stehend aus  dichter  gedrängten  runden  Zellen  von  ganz  derselben  Be- 
schaffenheit und  Grösse  wie  die  der  Wirbelkörper.  Entfernt  man  die 
darin  liegende  Anschwellung  der  Chorda,  so  bleibt  eine  einfache  Lücke 
zurück ,  welche  von  dem  umgebenden  dichten  Gewebe  der  Synchondrose 
scharf  sich  absetzt.  Es  existirt  also  um  diese  Zeit  in  den  Synchondrosen 
eine  wirkliche  die  Chordaanschwellung  völlig  frei  enthaltende  und  dieser 
entsprechend  geformte  Höhle.  Alsbald  bemerkt  man  in  der  anfangs  völlig 
gleichförmig  dunklen  Synchondrosenanlage  eine  mittlere  zunächst  die  Chorda 
umgebende  Aufhellung,  während  die  an  die  Wirbelkörper  anstossenden 
Partien  dunkel  bleiben  und  jetzt  aus  länglichen  quergestellten  Elementen 
bestehen ,  welche  auch  in  die  gleichbeschaffenen  vertikalen  Zellen  des 
ebenfalls  dunklen  Annulus  fibrosus  in  ununterbrochener  Reihenfolge  über- 
gehen. Die  mittlere  aufgehellte  Partie  ist  die  Anlage  des  Gallertkernes 
und  verdankt  ihre  Entstehung  der  Zunahme  einer  homogenen  Grundsub- 
stanz; die  Zellen  stehen  jetzt  weiter  von  einander  ab  und  bleiben  theils 
rundlich,  theils  werden  sie  spindelförmig  oder   erhalten  einfache  und  vor- 


31 

zweigte  Ausläufer ,  mit  welchen  sie  netzförmig  untereinander  sich  ver- 
binden. Im  weiteren  Laufe  der  Entwicklung  beginnt  eine  stellenweise 
Einschmelzung  dieser  die  Chordahöhle  enthaltenden  Anlage  des  Gallert- 
kernes ,  sie  wird  von  mit  wasserheller  Flüssigkeit  erfüllten  runden  und 
ovalen  Lücken  durchbrochen ,  die  schliesslich  untereinander  und  mit  der 
Chordahöhle  communiciren,  so  dass  letztere  ihre  Selbstständigkeit  aufgiebt. 
So  entsteht  ein  aus  blassen  zarten  homogenen  oder  matt  granulirten 
Balken  und  durchbrochenen  Lamellen  bestehendes  Gerüste,  dessen  Maschen 
an  verschiedenen  Stellen  theils  mit  Ausläufern  versehene  und  dadurch  ver- 
bundene Zellen  enthalten ,  theils  kuglige  Elemente  ,  welche  auch  in  den 
Balken  selbst  vorkommen.  Die  letzteren  haben  ganz  das  Aussehen  ge- 
wöhnlicher Knorpelzellen  und  zeigen  verschiedene  Stufen  der  Vermehrung ; 
manche  derselben  dehnen  sich  zu  grossen  mit  vielen  Tochterzellen  ge- 
füllten Mutterzellen  aus ,  welche  auch  frei  in  den  Maschen  liegen  oder 
stielförmig  mit  der  Grundsubstanz  der  Balken  zusammenhängen.  Unter- 
dessen aber  bleibt  die  Chorda  in  den  Synchondrosen  nicht  unthätig,  son- 
dern erweitert  sich  in  der  oben  angegebenen  Weise , "  indem  bei  dem 
Menschen  aus  dem  hintern  und  seitlichen  Umfang  der  spindelförmigen 
Anschwellung  eine  vielfach  durchlöcherte  horizontale  biconvexe  Scheibe 
hervorwuchert,  bestehend  aus  einem  Balkenwerk  polygonal  abgeplatteter 
granulirter  kernhaltiger  Zellen,  an  welchen  ich  niemals  irgend  eine  Ver- 
änderung wahrgenommen  habe.  Mit  dieser  Erweiterung  ist  zugleich  eine 
Einschmelzung  des  Chordagewebes  verbunden,  so  dass  dasselbe  mehr  und 
mehr  zerklüftet  und  schliesslich  in  Fetzen,  Klumpen  und  unregelmässig 
verbundene  Zellenbalkenreste  zerfällt,  welche  völlig  frei  die  Räume  des 
oben  beschriebenen  Gerüstes  des  Gallertkernes  erfüllen.  Sehr  schön  aus- 
gebildet finde  ich  dieses  Verhalten  bei  einem  1,872  Dem.  langen  mensch- 
lichen Embryo  und  es  liegt  jetzt  die  Chorda  nicht  mehr  in  einer  scharf 
abgegrenzten  Höhle  der  Synchondrose,  sondern  in  den  Lücken  eines  weit- 
maschigen gallertigen  Gewebes,  welches  continuirlich  mit  dem  peripheri- 
schen Theil  der  Synchondrose  sowie  auch  mit  den  austossenden  Endflächen 
der  Wirbelkörper  in  Verbindung  steht.  In  der  Halswirbelsäule  zeigt  die 
beschriebene  Erweiterung  der  Chorda  nur  eine  ganz  geringe  Ausdehnung, 
so  dass  der  grösste  Theil  des  Gallertkernes  zu  keiner  Zeit  von  Chorda- 
elementen durchsetzt  war. 

Eine  Chordahöhle  existirt  jetzt  nicht  mehr  und  die  erst  nach  der 
Geburt  entstehende  Höhle  der  Zwischenwirbelscheibe  ist  eine  seeundäre 
Bildung,  welche  auch  dem  hintern  Umfang  der  Synchondrose  viel  näher 
liegt,  während  die  ursprüngliche  Chordahöhle  bei  dem  Menschen  ganz 
excentrisch  die  Grenze  des  mittlem  und  vordem  Drittels  einnahm  (s.  unten). 

Der  Gallertkern  ist  daher  entstanden  durch  Erweichung  und  stellen- 
weise Einschmelzung  der  Grundsubstanz  einer  Intervertebralscheibe ;  nie- 
mals bemerkte  ich  eine  auf  die  Bildung  der  Flüssigkeit  des  Gallertkernes 
sich  beziehende  Veränderung  der  Chordazellen,    sie  bleiben  immer  klein, 


32 

granulirt  und  machen  ganz  den  Eindruck  von  Gebilden ,  die  zu  keiner 
weiteren  Entwicklung   sondern  zur  Einschmelzung  bestimmt  sind. 

Man  kannte  bisher  nur  die  ursprünglichen  spindelförmigen  Anschwel- 
lungen der  Chorda  jüngerer  menschlicher  Embryonen  und  Säugethiere, 
hatte  aber  aus  dem  noch  nach  der  Geburt  in  dem  Gallertkern  gefundenen 
durchbrochenen  Zellenhaufen  den  Schluss  gezogen  ,  dass  die  Wirbelsaite 
während  des  fötalen  Lebens  nicht  vollständig  verschwinde.  Ich  habe  nun 
durch  obige  Angaben  den  wirklichen  Nachweis  von  der  Persistenz  der 
Chorda  bei  dem  Menschen  und  den  Säugern  geliefert,  indem  ich  die  Ver- 
änderungen der  ursprünglichen  spindelförmigen  Anschwellungen  verfolgte. 
Ferner  habe  *ich  mich  davon  überzeugt ,  dass  an  dem  Chordagewebe  zu 
keiner  Zeit  irgend  welche  histologischen  Veränderungen  auftreten,  und  dass 
die  Chordaanschwellung  im  Laufe  der  Entwicklung  zwar  im  Ganzen  an 
Ausdehnung  gewinnt,  jedoch  zugleich  in  der  Art  zerklüftet  und  einschmilzt, 
dass  nach  der  Geburt  nur  noch  Reste  getroffen  werden.  Ich  halte  da- 
her die  Annahme  einer  wesentlichen  und  bleibenden  Be- 
theiligung der  Chorda  an  der  Bildung  des  Gallertkernes 
für  unbegründet  und  kann  ihr  nur  eine  embryonale  Bedeu- 
tung zugestehen;  auch  das  oben  erwähnte  Verhalten  der  Chorda  in 
der  Halswirbelsäule  spricht  für  diese  meine  Auffassung. 

Bei  den  Vögeln  schwindet  nach  den  Untersuchungen  von  G.  Jäger1) 
die  Wirbelsaite  schon  während  des  embryonalen  Lebens ,  was  ich  nicht 
vermuthet  hätte,  da  gerade  bei  diesen  Thieren  die  Chorda  lange  Zeit 
hindurch  einen  so  auffallend  mächtigen  Umfang  zeigt,  dass  schon  dadurch 
sich  dieselbe  sofort  von  der  Chorda  des  Menschen  und  der  Säuger  sehr 
merklich  unterscheidet. 

Interessant  ist  die  von  Jäger  versuchte  Vergleichung  der  Wirbel- 
körperverbindungen  der  Vögel  und  der  Säugethiere  und  ich  kann  nicht 
umhin,  einer  von  mir  an  Frontalschnitten  der  Halswirbelsäule  eines  8  Ctm. 
langen  menschlichen  Fötus  gemachten  Beobachtung  zu  erwähnen,  welche 
vielleicht  im  Sinne  dieses  Forschers  gedeutet  werden  könnte.  An  diesen 
Schnitten,  von  denen  ich  mehrere  in  meiner  Sammlung  aufbewahre,  war 
die  in  der  Synchondrose  liegende  Anschwellung  der  Chorda  nicht  scheiben- 
förmig ausgebreitet ,  wie  es  an  demselben  Embryo  in  den  weiter  unten 
folgenden  Partien  der  Wirbelsäule  der  Fall  war ,  sondern  stellte  eine 
niedrige  kleine  rundlich-eckige  Verdickung  dar,  umgeben  von  einem  nur 
ganz  beschränkten  hellen  Hofe  des  gallertig  erweichten  Centrums  der 
Synchondrose.  Zu  beiden  Seiten  dagegen  lag  in  der  Synchondrose  ein 
dunkler  niedriger  aus  dicht  gedrängten  Zellen  bestehender  Streif,  welcher 
oben  und  unten  durch  eine  hellere  Partie  von  den  angrenzenden  Wirbel- 
körpern geschieden  war.  Kurz,  man  gewann  den  Eindruck,  als  ob  sich 
hier  ein  Meniscus  bilden   wollte ,   dessen  Centrum   durch   eine   gallertige 


1)  Dr.  Gustav  Jäger,  das  Wirbelkörpergelenk  der  Vögel.     Wien  1859. 


33 

und  von  der  Chorda  durchsetzte  Masse  durchbrochen  war.  Auch  lag  die 
Chorda  nicht  im  Centrum,  sondern  in  der  vordem  Hälfte  der  Synchondrose. 
An  einem  hinter  der  Chordaanschwellung  gemachten  Frontalschnitt  des- 
selben Embryo  durchsetzt  der  Meniscus ,  wenn  ich  diesen  Querstreif  so 
nennen  darf,  ununterbrochen  fast  die  ganze  Breite  der  Synchondrose,  so 
dass  der  an  seiner  Streifung  erkennbare  Annulus  fibrosus  eine  nur  sehr 
geringe  Mächtigkeit  besass  und  kaum  zwischen  die  Wirbelkörper  eindrang. 

Bezüglich  der  Gestalt  der  Chorda  in  der  Schädelbasis,  so 
war  der  jüngste  der  menschlichen  Embryonen ,  den  ich  darauf 
untersuchte,  71/*  Ctm.  lang;  die  hintere  Hälfte  des  Hinterhaupts- 
körpers war  verknöchert  und  die  Chorda  darin  nicht  mehr  zu 
bemerken.  Der  davor  liegende  Knorpel  dagegen  enthielt  in  der 
Gegend  der  spätem  Synchondrosis  spheno-occipitalis  zwei  grössere 
durch  ein  knorpliches  Septum  geschiedene  Höhlen,  worin  ein 
Haufen  Chordazellen  von  dem  oben  beschriebenen  Verhalten  lag 
und  offenbar  eine  Anschwellung  des  übrigen  an  diesem  Schnitte 
nicht  bemerkbaren  Chordastranges  darstellte. 

Glücklicher  war  ich  mit  Sagittalschnitten  mehrerer  8  Ctm.  bis 
1,8  Dem.  langer  menschlicher  Embryonen  und  ich  überzeugte 
mich  daran  ,  dass  der  Chordastrang ,  ähnlich  wie  beim  Schwein, 
an  zwei  Stellen  des  Clivus  eine  Anschwellung  zu  bilden  pflegt, 
von  welchen  die  hintere  der  Gegend  der  späteren  Synchondrosis 
spheno-occipitalis  entsprach ,  die  vordere  dagegen  in  einiger  Ent- 
fernung hinter  dem  hintern  Umfang  der  Sattelgrube  unterhalb 
der  Wurzel  der  Sattellehne  ihre  Lage  hatte.  Auch  hier  über- 
zeugte ich  mich,  dass  die  Chordazellen  selbst  niemals  zu  grösseren 
hellen  Blasen  sich  erweitern,  oder  sich  mit  hellen  Inhaltstropfen 
füllen,  sondern  die  anfängliche  Beschaffenheit  bewahren ;  die  Zellen- 
haufen waren  durch  stellenweise  Einschmelzung  vielfach  zerklüftet 
und  bestanden  aus  polygonalen  zu  netzförmig  verbundenen  Balken 
vereinigten,  granulirten  kernhaltigen  kleinen  Zellen.  Die  Knorpel- 
wand der  die  Chorda  aufnehmenden  Höhle  war  vielfach  ausge- 
buchtet und  stellenweise  durch  Erweichung  und  Verflüssigung 
ebenfalls  zerklüftet  und  durchbrochen  und  drang  mit  Fortsätzen, 
welche  zum  Theil  die  gegenüberliegende  Höhlenwand  erreichten, 
in  entsprechende  Lücken  der  Chorda  ein. 

Ich  kann  daher,  gestützt  auf  das  histologische  Verhalten  des 
Chordagewebes  beim  Embryo  ,    eine    von  H.  Müller    behauptete 

Dursy,  Entwicklgsgesch.  3 


34 


directe  Beziehung  zu  den  von  Virchow  beschriebenen  Ge- 
schwülsten am  Clivus  nicht  bestätigen,  sondern  mache  in  dieser 
Beziehung  auf  die  genannte  Höhle  des  Knorpels  aufmerksam, 
welche  sich  durch  Erweichung  und  Verflüssigung  der  hyalinen 
Grundsubstanz  vergrössert. 

Merkwürdig  ist  der  gebogene  Verlauf  der  Wirbelsaite  in  der 
Schädelbasis,  worauf  bei  dem  Menschen  und  dem  Rinde  ebenfalls 
zuerst  H.  Müller  aufmerksam  gemacht  hat.  Ich  habe  jedoch 
in  dieser  Beziehung  beizufügen,  dass  auch  darin  der  Kopftheil  der 
Chorda  von  dem  Rumpftheil  sich  nicht  unterscheidet. 

Nach  meinen  Beobachtungen  liegt  bei  dem  Menschen,  dem 
Rind  und  dem  Schwein  zwar  die  Chorda  in  ihrem  Verlaufe  durch 
die  Wirbelsäule  immer  genau  in  der  Medianebene,  hält  aber  darin 
nicht  streng  die  centrale  Achse  ein,  sondern  beschreibt  eine  Wel- 
lenlinie ,  wie  aus  dem  nebenstehenden  Holzschnitt  (XII)  zu  er- 
sehen  ist.     Bei    dem    Rind   und    dem  Schwein  (XII,  a.  b.  c.  d.  e.) 


zu 


macht  die  Chorda  an  Me- 
dianschnitten in  jedem 
Wirbelkörper  einen  mit 
der  Convexität  nach  vorn, 
und  in  jeder  Synchon- 
drose  mit  der  Convexität 
nach  hinten  gerichteten 
Bogen.  Da  nun  dabei 
der  Strang  beim  Durch- 
tritt durch  die  Synchondrosen  nicht  das  Centrum  einhält, 
sondern  etwas  davor  liegt,  so  liegt  somit  überhaupt  die  ganze 
Chorda  in  der  vordem  Hälfte  der  Wirbelkörpersäule.  Bei  dem 
Menschen  rückt  die  Chorda  beim  Durchtritt  durch  die  Syn- 
chondrosen so  weit  nach  vorn,  dass  sie  die  Grenze  zwischen 
mittlerem  und  vorderem  Drittel  des  horizontalen  Durchmessers 
einhält  und  die  Knochenkerne  bauchwärts  durchbohrt.  Besonders 
aber  unterscheidet  sich  die  Chorda  des  Menschen  von  der  der 
genannten  Thiere  durch  ein  umgekehrtes  Verhalten  der  Biegungen ; 
in  den  Wirbelkörpern  schaut  deren  Convexität  vorwärts  ,  in  den 
Synchondrosen  rückwärts  (Holzschn.  XII,  f.  g.). 

An   jüngeren  Embryonen   sind   diese  Krümmungen   sehr  auf- 


35 

fallend  und  deren  Grund  lässt  sich  nicht  recht  einsehen.  Ur- 
sprünglich war  doch  die  Chorda  gerade  und  wenn  sie  eine  Stütze 
für  die  sich  darum  bildenden  Wirbelkörper  abgeben  soll,  so  dürfte 
sie  sich  doch  nicht  in  so  auffallender  Weise  krümmen.  Sie  scheint 
rascher  in  die  Länge  zu  wachsen  als  die  Wirbelkörpermasse  ;  bei 
Vögeln ,  Reptilien  und  Amphibien  habe  ich  solche  Biegungen 
wenigstens  in  der  Wirbelkörpersäule  nie  gesehen. 

Eine  Fortsetzung  dieser  wellenförmigen  Krümmung  findet  sich 
nun  in  der  Schädelbasis  und  es  tritt  die  Chorda  am  vordem  Rand 
des  Hinterhauptsloches  ganz  oberflächlich,  also  der  Schädelbasis  näher 
und  mitunter  hier  nur  von  der  Hirnhaut  gedeckt,  in  das  hintere  Ende 
des  Hinterhauptskörpers  ein.  Hierauf  beschreibt  sie  einen  langen 
bauchwärts  convexen  Bogen  (Holzschn.  XI),  dessen  Gipfel  fast  die 
Bauchfläche  der  knorplichen  Schädelbasis  erreicht ,  steigt  dann 
wieder  durch  die  Gegend  der  spätem  Synchondrosis  spheno- 
occipitalis  auf  bis  hinter  die  Wurzel  der  Sattellehne,  und  krümmt 
sich  dann  von  Neuem  abwärts  zur  hintern  Wand  der  Sattel- 
grube, die  sie  durchbohrt.  Der  Gipfel  dieser  zweiten  dicht  hinter 
der  Wurzel  der  Sattellehne  liegenden  Krümmung  ist  desshalb 
noch  sehr  merkwürdig ,  weil  er  die  Grenze  des  Knorpels 
nahezu  oder  auch  wirklich  erreicht  oder  selbst  noch  in  das  Peri- 
chondrium  dringt,  wie  es  H.  Müller  schon  beim  Rindsfötus  ge- 
sehen hat,  aber  nach  meinen  Erfahrungen  auch  bei  dem  Schwein 
und  dem  Menschen  vorkommt  (s.  unten). 

An  dem  Medianschnitt  der  Schädelbasis  eines  2,2  Ctm.  langen 
Rindsembryo  fand  ich  dieselbe  zwar  verknorpelt,  jedoch  befand 
sich  in  der  Sattelgrubengegend  ein  breiter  die  knorpliche  Anlage 
des  hintern  Keilbeinkörpers  vollständig  in  eine  hintere  und  eine 
vordere  Abtheilung  trennender  bindegewebiger  Streif,  welcher 
continuirlich  in  das  Gewebe  der  Bauchseite  der  knorplichen  Schädel- 
basis überging  und  ein  von  hier  aus  in  die  Sattelgrube  aufsteigendes 
grösseres  Blutgefäss  trug.  Der  Knorpel  der  Schädelbasis  besass 
somit  eine  ihn  völlig  unterbrechende  durch  ein  anderes  Gewebe 
ausgefüllte  Lücke,  durch  die  in  früher  Zeit  die  Rathke'sche 
Schlundkopftasche  ihren  Weg  mitten  durch  den  hintern  Keilbein- 
körper genommen  hatte.  In  diese  Lücke  drang  auch  an  dem 
mir  vorliegenden  Präparate  (Nr.  1016  meiner  Sammlung)  von  hinten 


36 

her  der  Chordastrang  ein,  beschrieb  darin  zwei  kurze  korkzieher- 
förmige  Krümmungen  und  endigte  zugespitzt  unter  dem  vordem 
noch  sackförmigen  hohlen  Lappen  des  Hirnanhangs.  Er  hatte 
sich  also  bereits  von  seinem  Endknopf  abgeschnürt,  von  welchem 
um  diese  Zeit  nichts  mehr  zu  sehen  war. 

An  derselben  Stelle  sah  ich  beim  Hühnchen  sehr  häufig  ein 
ganz  ähnliches  Verhalten  und  ich  konnte  auch  hier  die  Rathke'sche 
Schlundausstülpung  bald  in  ihrem  ursprünglichen  Verhalten  und 
in  Begleitung  von  Blutgefässen  beobachten ,  bald  auf  den  ver- 
schiedenen Stufen  ihrer  Abschnürung  und  der  Umbildung  ihres 
Grundes  in  den  vordem  Lappen  der  Hypophyse.  Die  Mitte  des 
hintern  Keilbeinkörpers  ist  es  somit ,  in  welcher  die  Spitze  des 
früheren  Kopfbeugewinkels  der  Schädelbasis  lag.  Wenn  manche 
Schriftsteller  an  älteren  Köpfen  auch  des  Menschen  von  fötalen 
Resten  der  früheren  Rathke'schen  Tasche  oder  selbst  von  einem 
durch  diese  Tasche  bedingten  Loch  der  Schädelbasis  sprechen,  so 
kann  ich  eine  solche  Deutung  nur  dann  zulassen,  wenn  davon  die 
Gegend  des  mittleren  Abschnittes  des  hinteren  Keilbeinkörpers, 
nicht  aber  das  Hinterhauptsbein ,  betroffen  wird.  An  jüngeren 
und  auch  an  älteren  Keilbeinen  des  Menschen  findet  man  zuweilen 
im  Grunde  der  Sattelgrube  verschieden  grosse  von  Blutgefässen 
durchzogene  Löcher  ,  von  welchen  das  vordere  nahe  hinter  dem 
Sattelknopf  zwischen  den  Processus  clinoidei  medii  gelegene  der 
Grenze  zwischen  hinterem  und  vorderem  Keilbein  entspricht,  das 
hintere  Loch  dagegen  gegen  das  Centrum  des  hinteren  Keilbein- 
körpers dringt.  Das  letztere  entspricht  somit  genau  der  Stelle, 
welche  an  Rindsembryonen  den  Knorpel  des  hinteren  Keilbein- 
körpers in  seiner  ganzen  Höhe  vollständig  unterbricht  und  das 
Ende  der  Chorda  nebst  einem  vertikal  aufsteigenden  Blutgefäss 
enthält.  An  Schädeln  erwachsener  Haasen  ist  dieses  den  hin- 
teren Keilbeinkörper  durchbohrende  Loch  sehr  weit  und  ganz 
beständig. 

Auch  an  Medianschnitten  eines  2,3  Ctm.  und  eines  2,4  Ctm. 
langen  Rindsembryo  fand  ich  ein  ganz  ähnliches  Verhalten  der 
knorplichen  Schädelbasis ,  indem  dieselbe  innerhalb  des  hintern 
Keilbeinkörpers  durch  einen  breiten  Bindegewebsstreif  völlig  un- 
terbrochen   war    und   hier    die  Chorda   unter  Bildung   einer  spitz- 


37 

winkligen  mit  der  Convexität  dorsalwärts  gerichteten  Krümmung 
in  die  Sattelgrube  eindrang. 

An  Medianschnitten  etwas  älterer  Rindsembryonen  von  4  Ctm. 
bis  6  Ctm.  Länge  war  die  Schädelbasis  ebenfalls  noch  völlig  knorp- 
lich ,  die  den  hintern  Keilbeinkörper  durchsetzende  Lücke  jedoch 
war  geschwunden  und  durch  einen  wenn  auch  sehr  niedrigen 
Knorpel  geschlossen.  Die  Chorda  beschrieb  noch  immer  einen 
völlig  ununterbrochenen  langgezogenen  bauchwärts  convexen  Bogen 
in  ihrem  Verlaufe  durch  den  Clivus  und  endigte  bald  kolbig  ver- 
dickt nahe  hinter  dem  hintern  Umfang  der  Sattelgrube,  bald  er- 
reichte sie  dieselbe  wirklich,  ohne  jedoch  weiter  in  derselben  vor- 
zudringen ,  sondern  hörte  plötzlich  wie  abgeschnitten  auf.  Bevor 
sie  sich  zur  hintern  Wand  der  Sattelgrube  wendet,  macht  sie  an 
einigen  meiner  Präparate  eine  auffallende  spitzwinklige  Krümmung 
dicht  hinter  der  Wurzel  der  Sattellehne  und  in  der  Art,  dass 
deren  Scheitel  nicht  blos  die  dorsale  Oberfläche  des  Knorpels 
erreicht,  sondern  auch  darüber  hinaus  ragt.  Auch  bildete  deshalb 
hier  das  Perichondrium  einen  gegen  die  Schädelhöhle  sich  er- 
hebenden abgerundeten  Hügel  und  war  sehr  verdünnt.  Bei  zwei 
Embryonen  fand  ich  die  Knorpelhaut  sogar  wirklich  durchbrochen 
und  die  dadurch  blosgelegte  Windung  der  Chorda  war  nur  von 
der  Hirnhaut  gedeckt. 

Bei  einem  7,2  Ctm.  langen  Rindsembryo  traf  ich  in  der  sonst 
noch  völlig  knorplichen  Schädelbasis  einen  noch  kleinen  im  Median- 
schnitt längsovalen  Knochenkern  in  der  Mitte  der  Länge  des 
spätem  Hinterhauptskörpers.  Derselbe  erreichte  bereits  die  dor- 
sale Oberfläche  des  Knorpels,  nicht  aber  die  ventrale  und  wurde 
hier,  also  ganz  excentrisch,  von  der  noch  in  ihrer  ganzen  Länge 
erhaltenen  Chorda  durchsetzt. 

Vom  Schwein  besitze  ich  nur  Medianschnitte  bereits  älterer 
Embryonen,  die  eine  Länge  von  7 — 8  Ctm.  hatten.  Der  Knochen- 
kern des  Hinterhauptskörpers  war  grösser  geworden  und  die 
Wirbelsaite  darin  nicht  mehr  zu  erkennen.  Unter  der  Sattelgrube 
lag  auch  bereits  der  Knochenkern  des  hintern  Keilbeinkörpers, 
welcher  von  einem  dicken  vertikal  aufsteigenden  Blutgefäss  durch- 
zogen wurde.  Dieses  Verhalten  erinnert  an  das  oben  bei  dem 
RinHe  angegebene  und  zeigt,    dass  auch  beim  Schwein  eine  den 


38 

hinteren  Keilbeinkörper  central  durchsetzende  Lücke  der  knorp- 
Jichen  Schädelbasis  bestand,  durch  welche  die  Rathk  e 'sehe  Tasche 
ihren  Weg  nahm.  Die  Chorda  beschrieb  genau  in  derselben  Art 
wie  bei  dem  Rinde  einen  den  Clivus  durchsetzenden  langen  flachen 
Bogen,  dessen  vorderes  Ende  dicht  hinter  der  Wurzel  der  Sattel- 
lehne fast  die  freie  Oberfläche  des  Knorpels  erreichte ;  hierauf 
stieg  sie  unter  Bildung  eines  kürzeren  und  steileren  Bogens  zur 
hinteren  Wand  der  Sattelgrube  hinab,  die  sie  auch  durchbohrte, 
dann  jedoch  plötzlich  wie  abgeschnitten  und  sehr  verdünnt  endigte. 
Wie  bei  dem  Rind  und  dem  Menschen,  so  kommt  auch  bei  dem 
Schwein  die  Chorda  mit  dem  Knochenkern  des  hinteren  Keilbein- 
körpers gar  nicht  in  Berührung. 

Von  menschlichen  Embryonen  besitze  ich ,  wie  oben  bereits 
erwähnt  wurde,  eine  grössere  Anzahl  von  medianen  Längsdurch- 
schnitten der  Schädelbasis,  welche  noch  längere  oder  kürzere 
Stücke  des  Chordastranges  enthalten  und  die  sich  in  der  Art  ein- 
ander ergänzen,  dass  daraus  auch  für  die  Wirbelsaite  des  Menschen 
ganz  derselbe  Verlauf  "sich  ergiebt ,  wie  für  die  der  genannten 
Säugethiere.  Es  beschreibt  somit  die  Chorda  zuerst  einen  lang- 
gezogenen flachen  Bogen,  welcher  den  Knochenkern  des  Hinter- 
hauptskörpers ventralwärts ,  also  excentrisch,  durchzieht  und  sich 
dann  bis  zur  Gegend  unterhalb  der  Wurzel  der  Sattellehne  erhebt. 
Dort  angekommen  bildet  sie  an  einem  meiner  Präparate  (Nr.  1084, 
von  einem  8  Ctm.  langen  Embryo)  eine  Anschwellung ,  welche 
einen  strangförmigen  Ausläufer  abgiebt.  Der  letztere  durchsetzt 
den  Knorpel  dorsalwärts ,  also  in  der  Richtung  gegen  die  der 
Schädelhöhle  zugekehrte  Oberfläche ,  und  dringt  selbst  noch  dicht 
hinter  der  Sattellehnenwurzel  in  das  Perichondrium  ein. 

Ganz  dasselbe  Verhalten  zeigt  der  Medianschnitt  der  Schädel- 
basis eines  1,8  Dem.  langen   Fötus.  , 

An  einem  anderen  von  einem  1  Dem.  langen  Fötus  her- 
rührenden Medianschnitt  wendet  sich  das  vordere  Ende  des  Chorda- 
stranges ohne  vorausgegangene  Anschwellung  direct  und  unter 
einem  rechten  Winkel  dorsalwärts  sich  krümmend  durch  den 
Knorpel  hindurch  in  das  Perichondrium   derselben  Gegend. 

Nach  diesen  meinen  Beobachtungen  ist  daher  die  Angabe 
von  H.  Müller  (a.  a.  O.  S.   120)   zu  berichtigen,    nach    welcher 


39 

nur  bei  dem  Rinde ,  nicht  aber  bei  dem  Menschen  die  Chorda 
hinter  der  Sattellehne  die  Oberfläche  des  Clivusknorpels  erreiche. 
Auch  ist  es  durchaus  nicht,  wie  dieser  Beobachter  meint,  als  eine 
Abnormität  zu  betrachten ,  wenn  an  älteren  menschlichen  Fötus 
sowie  bei  Kindern  Chordareste  in  dem  Knorpel  des  Clivus 
gefunden  werden.  Denn  Einmal  hat  dort  hinter  der  Sattel- 
lehne die  Chorda  ganz  normal  ihre  Lage ,  und  zweitens  habe  ich 
schon  oben  hervorgehoben,  dass  die  Chorda  nur  durch  Berührung 
mit  Knochensubstanz  allmählig  unkenntlich  wird ,  nicht  aber  in 
den  knorplich  und  häutig  gebliebenen  Partien  der  Wirbelsäule  und 
der  Schädelbasis  des  Fötus  und  des  Neugeborenen. 

Alle  von  mir  untersuchten  Medianschnitte  der  Schädelbasis 
menschlicher  Embryonen  zeigten  zwar  bereits  einen  in  der  Ver- 
knöcherung begriffenen  Hinterhauptskörper,  sonst  aber  war  die 
ganze  Basis  noch  rein  knorplich  und  selbst  an  einem  1  Dem. 
langen  Fötus  traf  ich  noch  keine  Spur  eines  Knochenkernes  in 
dem  hinteren  Keilbeinkörper.  Erst  an  dem  Medianschnitt  eines 
1,8  Dem.  langen  Fötus  wurde  endlich  auch  dieser  sichtbar.  Vor 
dem  Erscheinen  dieses  Keilbeinknochenkernes  ist  die  knorpliche 
Schädelbasis  in  dieser  die  Sattelgrube  tragenden  Gegend  nament- 
lich an  jüngeren  Embryonen  auffallend  niedrig  und  nicht  blos 
von  oben  her  zur  Bildung  der  Sattelgrube  ausgehöhlt,  sondern 
auch  von  der  Bauchseite  her  bald  trichterförmig  vertieft,  bald 
mehr  oder  weniger  auffallend  ausgeschweift.  Diese  äussere  der 
Sattelgrube  senkrecht  entgegen  strebende  Vertiefung  des  Knorpels 
betrifft  die  Mitte  der  Länge  des  spätem  hintern  Keilbeinkörpers, 
welche  ich  bei  ganz  jungen  Rinds-  und  Schweinsembryonen  völlig 
unterbrochen  fand,  und  bezieht  sich  somit  auf  die  frühere  zum 
Durchtritt  der  R  a  t  h  k  e  'sehen  Tasche  dienende  Lücke.  Es  be- 
trifft übrigens  diese  noch  übrig  gebliebene  Einsenkung  nur  den 
Knorpel  der  Schädelbasis ,  nicht  aber  das  darunter  liegende  Ge- 
webe, welches  sogar  zur  Ausgleichung  an  dieser  Stelle  an  Höhe 
zunimmt.  Niemals  habe  ich  daher  später  weder  bei  dem  Menschen 
noch  bei  den  genannten  Säugethieren  irgend  eine  von  der  Schlund- 
höhle aus  sichtbare  taschenförmige  Aussackung  bemerken  können, 
welche  auf  die  früher  hier  vorhandene  Lücke  der  Schädelbasis 
hätte  bezogen  werden   können.     Auch   wäre  für  den  erwachsenen 


40 

Menschen  ein  solcher  fötaler  Rest  gerade  an  dieser  der  Mitte  der 
Länge  des  hintern  Keilbeinkörpers  entsprechenden  Stelle  schon 
deshalb  unmöglich,  weil  der  nach  hinten  sich  ausdehnende  Vomer 
mit  seinen  Alae  die  untere  Keilbeinfläche  bekanntlich  deckt.  Wie 
wir  später  sehen  werden,  so  liegt  die  für  einen  solchen  Rest  ge- 
haltene Bursa  pharyngea  (Meyer)  weiter  hinten  unter  dem  Hinter- 
hauptskörper und  richtet  ihren  Grund  nicht  nach  vorn  gegen  die 
Sattelgrube,  sondern  umgekehrt  nach  hinten,  so  dass  ihre  Ver- 
längerung den  Hinterhauptskörper  durchbrechen  würde. 

Was  das  Verhältniss  des  hintern  Keilbeinkörpers  zur  Chorda 
betrifft,  so  hatte  man  bisher  davon  keine  richtige  auf  directe  Be- 
obachtung sich  gründende  Vorstellung.  Auch  H.  Müller  lässt 
uns  darüber  im  Unklaren  und  er  erklärt  geradezu ,  dass  er  aus 
Mangel  an  Material,  welches  er  zu  medianen  Längsschnitten  ver- 
wenden wollte ,  die  Chorda  nicht  mit  Bestimmtheit  bis  zu  ihrem 
vordem  Ende  hätte  verfolgen  können.  Seine  Angaben  über  ein 
Vordringen  des  Chordastranges  in  den  Knochenkern  des  hintern 
Keilbeinkörpers  kann  ich  nicht  bestätigen  und  sind  dieselben  auch 
so  unbestimmt  und  von  Müller  selbst  als  zweifelhaft  hingestellt, 
dass  sie  eine  weitere  Berücksichtigung   nicht  mehr  verdienen. 

Aus  den  von  mir  beschriebenen  Medianschnitten  der  Schädel- 
basis des  Menschen  und  einiger  Säuger  geht  hervor,  dass  in  dem 
hintern  knorplichen  Keilbein  die  von  hinten  in  die  Sattelgrube 
eindringende  Wirbelsaite  zwar  enthalten  ist,  aber  ganz  excentrisch 
und  zweitens  nur  in  der  hinteren  Partie  des  hintern  Keilbein- 
körpers ,  in  der  Gegend  zwischen  der  Synchondrosis  spheno-occi- 
pitalis  und  dem  hinteren  Umfang  der  Sattelgrube,  nahe  unter  der 
Wurzel  der  Sattellehne.  Es  bildet  sich  daher  der  Knochenkern 
des  hintern  Keilbeinkörpers,  der  unter  der  Sattelgrube  entsteht, 
nicht  wie  der  Kern  des  Hinterhauptskörpers  um  oder  an  der 
Wirbelsaite ,  sondern  davon  völlig  unabhängig  und  weit  entfernt. 
Wenn  nun  allmählig  dieser  Knochenkern  sich  nach  hinten  gegen 
das  Hinterhaupt  ausdehnt ,  so  rückt  er  zwar  der  Chorda  näher, 
bleibt  aber  tiefer  liegen,  so  dass  die  Chorda  an  seiner  dorsalen 
Seite  im  Clivusknorpel  hinter  der  Sattellehne,  sowie  weiter  hinten 
in  dem  Knorpel  der  Synchondrosis  spheno-occipitalis  noch  sicht- 
bar bleibt.    Auch  werden  hier  noch  bei  Neugeborenen  Reste  wahr- 


41 

genommen ,  die  erst  durch  die  allmählig  fortschreitende  Ver- 
knöcherung verdrängt  werden. 

Auch  bei  dem  Hühnchen  beschreibt  die  in  der  Wirbelkörper- 
säule völlig  gestreckt  verlaufende  Chorda  in  der  Schädelbasis  einige 
in  der  Medianebene  liegende  wellenförmige  Krümmungen  (Taf.  II, 
Fig.  9). 

Nach  Rathke1)  tritt  bei  der  Natter  die  Wirbelsaite  in  der 
Schädelbasis  so  weit  an  die  der  Schädelhöhle  zugekehrte  Ober- 
fläche heran ,  dass  sie  sogar  einige  Zeit  hindurch  einen  vor- 
springenden Längswulst  erzeugt.  Ja  einmal  fand  Rathke  hier 
einen  dem  Kopftheil  der  Wirbelsaite  ähnlich  geformten  Knochen- 
kegel ,  der  dem  Körper  des  Hinterhauptsbeins  der  Länge  nach 
auflag  und  nur  allein  an  seiner  untern  Seite  mit  ihm  verschmol- 
zen war. 


Knopfformiges  Kopfende  der  Chorda  dorsalis. 

Der  zuerst  von  Baer  erwähnte  aber  erst  durch  mich  her- 
vorgehobene und  nach  seiner  Bedeutung  erforschte  Chordaknopf 
wurde  bisher  allgemein  in  Abrede  gestellt ,  indem  die  meisten 
Anatomen  das  Kopfende  der  Chorda  in  eine  abgerundete  Spitze 
auslaufen  lassen. 

Reichert  kannte  den  continuirlichen  Zusammenhang  der 
Chorda  mit  dem  Schlussbogen  der  Rückenplatten  (s.  dessen  Werk 
über  das  Entwicklungsleben  der  Thiere),  beschränkt  jedoch,  wo- 
mit ich  nicht  übereinstimme,  diese  Verbindung  nur  auf  den  Schluss- 
bogen der  Medullarplatten ,  weil  die  Urwirbelplatten  nach  diesem 
Beobachter  erst  später ,  nach  dem  Erscheinen  der  Chorda ,  sich 
bilden  sollen.  Die  Chordaspitze  soll  dann  verkümmern  und  da- 
mit ihre  frühere  Verbindung  mit  dem  vordem  Hirnende  aufgeben ; 
man  finde  sie  jetzt  nicht  mehr  in  der  Gegend  des  ersten,  sondern 
in  der  Gegend  des  zweiten  Kopfwirbels ,  wo  sie  nun  mit  dem 
Boden  des  dritten  Ventrikels  eine  ziemlich  feste  Verbindung  ein- 
gehe.   Schliesslich  werde  diese  verkümmerte  Spitze  von  der  übrigen 


1)  Entwickig.  d.  Natter.    S.  125. 


42 

Chorda  durch  die  Urwirbelplatten  völlig  abgeschnürt  und  bleibe 
in  einer  Grube  (Sella  turcica)  liegen  als  die  bekannte  Glandula 
pituitaria.  Wie  hier  vom  Frosch,  so  berichtet  Aehnliches  Reichert 
auch  von  dem  Hühnchen  (a.  a.  O.  S.  108  und  an  andern  Stellen). 
Eine  knopfiormige  Anschwellung  stellt  er  zwar  auch  hier  in  Ab- 
rede ,  verwirft  aber  mit  Recht  die  Annahme  einer  feinen  Spitze, 
sondern  lässt  das  Kopfende  ohne  sichtbare  Scheidungsgrenze  all- 
mählig  in  den  Schlussbogen  „der  sich  vereinigenden  Urhälften  der 
Anlage  des  Embryo"  übergehen.  Ganz  entschieden  aber  muss 
ich  in  Abrede  stellen,  dass  von  diesem  Schlussbugen  die  Chorda 
durch  Verkümmerung  sich  zurückziehe  und  mit  Unrecht  verwirft 
hier  Reichert  (S.  122)  die  von  Baer  gemachte  Angabe,  dass 
das  Wirbelsystem  über  die  Chorda  hinauswachse.  Es  geschieht 
dies  allerdings ,  wie  wir  später  sehen  werden.  Im  Uebrigen  soll 
sich  auch  hier  in  Bezug  auf  die  Glandula  pituitaria  die  Chorda 
ebenso  erhalten,  wie  beim  Frosch.  Aus  diesen  Angaben  geht  her- 
vor, dass  Reichert  zwei  wesentliche  Dinge  zuerst  und  bisher 
allein  gesehen  hat,  nämlich  1)  den  continuirlichen  Zusammen- 
hang der  Chorda  mit  dem  Schlussbogen  der  Rückenplatten  ,  also 
mit  dem  ursprünglich  vordersten  Schädelende ,  und  2)  den  Zu- 
sammenhang der  Chorda  mit  dem  Boden  des  dritten  Hirnventrikels 
und  mit  der  späteren  Hypophyse.  Letztere  Angabe  nimmt  jedoch 
Reichert1)  in  neuerer  Zeit  wieder  zurück ;  die  Glandula  pitui- 
taria sei  wahrscheinlich  eine  Wucherung  der  Pia  mater  und  dabei 
wird  bemerkt : 

„Die  Entstehungsweise  der  Hypophyse  ist  nicht  genügend 
„aufgeklärt ;  das  Infundibulum ,  mit  welchem  sie  in  Verbindung 
„steht,  legt  sich  mit  seiner  Spitze  fest  an  die  Schädelbasis  an. 
„Bei  Froschembryonen  liegt  diese  Berührungsstelle  gerade  da,  wo 
„die  vordere  Spitze  der  Chorda  dorsalis  in  der  Schädelbasis  endigt 
„und  hier  befindet  sich  die  Anlage  der  Hypophyse.  Der  Um- 
„stand,  dass  in  jener  Gegend  ein  Theil  der  Chorda  dorsalis,  näm- 
„lich  derjenige  Abschnitt,  welcher  ursprünglich  nach  vorn  bis  zur 
„Stirnwand,  und  zwar  frei  liegend,  unter  dem  ersten  Hirnbläschen 
„hinzieht ,    um  diese  Zeit  verkümmert  war ,    veranlasste  mich  ,    in 


1)  Bau  d.  menschl.  Gehirns.    1861.    S.  18  u.  19. 


43 

„der  Hypophyse  das  verkümmerte  Rudiment  der  Chorda  dorsalis 
„zu  sehen.  So  genau,  wie  ich  es  jetzt  wohl  wünsche,  habe  ich 
„diesen  Bildungsvorgang  damals  nicht  verfolgen  können  und  ich 
„muss  daher  die  Sache  unentschieden  lassen." 

Wie  wir  später  sehen  werden ,  muss  ich  die  frühere  Angabe 
von  Reichert,  wenn  auch  in  manchen  Dingen  wesentlich  um- 
gestaltet, festhalten  und  zwar  nicht  blos  für  den  Frosch,  auf  den 
überhaupt  Reichert  seine  ganze  Lehre  stützte  und  sie  für  das 
Hühnchen  nur  als  wahrscheinlich  annahm  ,  sondern  auch  gestützt 
auf  zahlreiche  eigene  Untersuchungen  für  das  Hühnchen ,  die 
Säugethiere  und  den  Menschen. 

Auch  was  den  ersten  Punkt  betrifft,  nämlich  den  continuirlichen 
Zusammenhang  der  Chorda  mit  dem  Schlussbogen  der  Rücken- 
platten, so  spricht  darüber  Reichert  in  einer  spätem  Abhand- 
lung über  den  Primordialschädel  eine  seine  frühere  richtige  Angabe 
wiederum  aufhebende  Bemerkung  aus,  nach  welcher  das  ursprüng- 
liche Kopfende  der  Chorda  einfach  abgerundet  an  der  späteren 
Stirnwand  ohne  knopfförmige  Verdickung  endigen  soll  und  zwar 
nicht  blos  bei  dem  Frosch,  sondern  auch  bei  dem  Hühnchen  und 
den  Säugern  *).  Gleich  darauf  heisst  es  :  „Beim  Huhn  markirt 
sich  das  vordere  Ende  der  Chorda,  bei  Betrachtung  der  untern 
Fläche  der  künftigen  Basis  cranii ,  durch  einen  weisslichen 
Fleck  dicht  hinter  der  Stirnwand."  Man  wird  zugeben,  dass  es 
auch  hier  wieder  sehr  schwer  ist,  Reichert  zu  folgen,  da  er 
mit  dieser  letzten  Bemerkung  offenbar  den  von  mir  hervorgehobenen 
Knopf  der  Chorda  gesehen  hat,  den  er  aber  in  dem  vorgehenden 
Satze  gerade  ausdrücklich  verwarf.  Hinzufügen  will  ich  noch, 
dass  man  diesen  weissen  Fleck  bei  Betrachtung  der  Rückseite 
ganz  ebenso  gut  sieht  und  dass  ihn  R  e  m  a  k  und  E  r  d  1 ,  wie  ich 
sogleich  angeben  werde ,  ebenfalls  gesehen  aber  unrichtig  ge- 
deutet haben. 

Was  Remak  betrifft,  so  war  diesem  Forscher  der  zur  Er- 
klärung gewisser  späterer  Erscheinungen  so  wesentliche  continuir- 
liche  Zusammenhang  der  Chorda  mit  dem  Schlussbogen  der 
Rückenplatten  völlig  entgangen.    Nach  seiner  Beschreibung  (a.  a.  O. 


1)  Zur  Kontroverse  über  den  Primordialschädel  in  Müll.  Archiv.    1849. 


44 

S.  10)  sowie  nach  den  beigegebenen  Abbildungen  (Remak,  Taf.  I, 
Fig.  9A,  10A,  IIA,  sowie  die  Figuren  der  zweiten  Tafel)  besitzt 
die  Chorda  ein  etwas  zugespitztes  Kopfende ,  welches  den 
Schlussbogen  der  Rückenplatten  gar  nicht  erreicht,  sondern  durch 
einen  hellen  Zwischenraum  von  demselben  geschieden  bleibt.  Glück- 
licher war  E  r  d  1  *)  ,  der  schon  von  Anfang  an  den  Chordaknopf 
sah  und  ihn  ganz  naturgetreu  sowohl  bezüglich  seiner  Gestalt  als 
auch  seines  Zusammenhangs  mit  dem  Schlussbogen  der  Rücken- 
platten abbildet  (vgl.  dessen  Taf.  IV,  Fig.  3,  4  u.  5).  Freilich  wusste 
er  nicht ,  was  er  zeichnete ,  und  hielt  den  Knopf  für  die  Anlage 
des  Gehirns ,  die  übrige  Chorda  für  die  Anlage  der  Medulla 
oblongata.  Erst  im  Laufe  des  zweiten  Brüttages  ,  wenn  sich  die 
Kopfdarmhöhle  bereits  ansehnlich  verlängert  hat,  bemerkte  endlich 
auch  Remak  den  Knopf  und  sagt  darüber  (a.  a.  O.  S.  19):  „An 
dem  blinden  obern  Ende  der  Kopfdarmhöhle  zeigt  sich  in  der 
Regel  eine  dunkle  knopfähnliche  Stelle."  „Da  bis  zu  demselben 
Punkt  auch  die  Chorda  reicht  und  die  Chordaspitze  dicht  hinter 
der  Spitze  der  Kopfdarmhöhle  liegt,  so  entsteht  zuweilen  (!)  der 
Anschein,  als  wenn  die  Chordaspitze  eine  knopfförmige  Anschwel- 
lung hätte."  „Es  ist  aber  in  der  That  eine  stärkere  Ansammlung 
von  grösseren  Fetttröpfchen  in  den  Zellen  desDrüsenblattes 
an  jener  Stelle,  welche  den  beschriebenen  Anschein  bedingt." 
Aus  dieser  Beschreibung  geht  hervor,  dass  Remak  diese  Stelle 
offenbar  nicht  näher  untersucht  hat  und  sie  unrichtig  deutete, 
weil  er  ihre  erste  Anlage  nicht  kannte.  Wer  diese  Stelle  schon 
von  Anfang  an  in's  Auge  fasst,  wenn  die  Uranlage  des  Embryo 
und  die  Chorda  gerade  in  der  Entstehung  begriffen  sind ,  dem 
kann  der  so  deutliche  Zusammenhang  des  Knopfes  mit  dem  Schluss- 
bogen der  Rückenplatten  nicht  entgehen  und  wird  um  diese  Zeit 
vergebens  nach  einem  Darmdrüsenblatt  suchen,  dessen  mit  Fett- 
tröpfchen erfüllte  Zellen  nur  eine  Verdunklung  (also  nach  Remak 
überhaupt  gar  keine  Anschwellung)  erzeugen  sollen.  Von  solchen 
Zellen  ist  um  diese  Zeit  überhaupt  noch  gar  nicht  die  Rede, 
ferner  lässt  sich  diese  wirkliche  Anschwellung  in  continuirlichem 
Zusammenhang  mit  der  Anlage  der  Chorda  darstellen,  wobei  auch 


1)  Entwickig.  d.  Menschen  u.  d.  Hühnchens.    Bd.  I.    1845. 


45 

in  histologischer  Beziehung  keine  Verschiedenheit  wahrgenommen 
wird.  Richtig  ist  nur,  dass  später,  wenn  die  Kopfdarmhöhle  vor- 
handen ist ,  ein  inniger  Zusammenhang  des  Chordaknopfes  mit 
dem  Darmdrüsenblatt ,  aber  ganz  ebenso  auch  mit  dem  Medullar- 
rohr  existirt.  Dieser  ohne  Gewalt  gar  nicht  lösbare  Zusammen- 
hang erhält  sich  für  immer  ,  indem  aus  diesen  drei  Anlagen  die 
Hypophyse  hervorgeht.  Remak  (a.  a.  O.  S.  44)  bestreitet  die 
Beziehung  des  Chordaendes  zur  Hypophyse,  weil  später,  wenn  die 
Chorda  bereits  von  der  Hirnbasis  sich  wieder  entfernt  habe,  noch 
keine  Spur  einer  Glandula  pituitaria  nachzuweisen  sei.  Dies  ist 
aber  nicht  richtig,  weil  eben  der  Chordaknopf  zur  Hypophyse  ge- 
hört und  schon  von  Anfang  an  vorhanden  ist.  Remak  selbst 
scheint  von  der  Unmöglichkeit  einer  solchen  Beziehung  doch  nicht 
ganz  überzeugt  zu  sein  ,  indem  er  bemerkt :  „es  ist  indessen  in 
dieser  Hinsicht  beachtenswerth ,  dass  nach  meinen  Beobachtungen 
über  die  Glandula  pituitaria  bei  dem  Menschen  und  den  Säugern 
in  derselben  knorpelharte  unregelmässige  aus  kleinen  polyedrischen 
kernlosen  Zellen  bestehende  Stückchen  gefunden  werden."  Auch 
giebt  Remak  nirgends  an,  für  was  er  diese  seine  durch  Fett- 
tröpfchen erzeugte  knopfförmige  Verdunklung  halte,  was  sie 
bedeute  ,  was  daraus  werde ;  er  hat  das  weitere  Schicksal  nicht 
verfolgt  und  spricht  einfach  nicht  mehr  davon. 


Primitives  häutiges  Schädelrohr. 

Schädelrohr  und  Hirnrohr    entstehen  mit  einander  gleichzeitig 
durch  Erhebung  und  Umrollung  der  lateralen  Ränder  der  anfangs 

planen  Rückenplatten.  Es  beginnt  je- 
doch dieser  Process  nicht  sofort,  wie  ge- 
wöhnlich angegeben  wird,  mit  der  Er- 
hebung dieser  Ränder ,  sondern  zuvor 
wölben  sich  die  Rückenplatten  in  ihrem 
transversalen  Durchmesser  dorsalwärts 
(Holzschn.  II,  b),  so  dass  die  dazwischen 
liegende  Rückenrinne  (I,  a)  den  durchsichtigen  und  die  Chorda 
enthaltenden  Boden    einer   longitudinalen  Furche  (II,  c)    darstellt, 


46 

welche  die  Bildung  der  späteren  Rückenfurche  (III ,  dd)  ein- 
leitet. Diese  Wölbung,  welche  den  Vorgang  der  Röhrenbildung 
verständlicher  macht ,  wird  hervorgerufen  theils  durch  ungleiches 
Wachsthum  im  transversalen  Durchmesser ,  theils  durch  Dicken- 
zunahme der  Rückenplatten.  Die  Dickenzunahme  bezieht  sich 
namentlich  auf  die  in  den  Rückenplatten  enthaltenen  Urwirbel- 
platten  (also  auf  die  Schädelanlage) ,  welche  dadurch  die  darüber 
liegenden  und  mehr  passiv  sich  verhaltenden  Medullarplatten  heben. 
Hierauf  erheben  sich  auch  die  äusseren  Rückenplattenränder  und 
begrenzen  die  jetzt  erweiterte  Rückenfurche,  an  der  man  nun  einen 
oberen  breitern  Abschnitt  (III,  dd)  und  eine  mediane  durch  den 
durchsichtigen  Boden  der  Rückenrinne  bauchwärts  abgeschlossene 
Einsenkung  (c)  unterscheidet.  Mitunter  findet  man  den  Zugang 
zu  der  letzteren  durch  mediane  Berührung  der  gewölbten  Rücken- 
platten von  oben  her  verlegt,  scheinbar  durch  eine  Naht  geschlossen, 
und  man  glaubt  ein  bereits  geschlossenes  Hirnrohr  vor  sich  zu 
haben. 

Die  transversale  die  Bildung  des  Schädel-  und  Hirnrohres 
einleitende  Wölbung  der  Rückenplatten  beginnt  zuerst  am  medianen 
die  Rückenrinne  begrenzenden  Rand,  der  zuerst  dadurch  an  Höhe 
gewinnt.  Es  erscheinen  deshalb  bei  durchfallendem  Lichte  die 
medianen  Ränder  dunkler  als  die  laterale  Partie  der  Rückenplatten. 
Es  beginnt  diese  Wölbung  nicht  sogleich  in  der  ganzen  Länge 
der  Rückenplatten ,  sondern  zuerst  hinter  dem  Knopf  der  Wirbel- 
saite,  wie  Figur  10  der  zweiten  Tafel  lehrt;  man  bemerkt  hier 
hinter  dem  Chordaknopf  (a)  zwei  rückwärts  divergirende  dunkle 
kurze  Streifen,  wie  Flügel ,  die  spitz  auslaufen  und  das  vorderste 
gegen  den  Chordaknopf  sich  zuspitzende  Ende  der  durchsichtigen 
Rückenrinne  begrenzen.  Aelmliches  zeigt  Figur  1 1  derselben  Tafel, 
jedoch  bei  auffallendem  Licht ,  daher  die  in  der  vorigen  Figur 
dunkel  gehaltenen  Partien  hier  weiss  erscheinen.  Zugleich  heben 
sich  hier  auch  die  lateralen  Ränder  der  Rückenplatten  (Fig.  II,  b  d) 
des  Kopftheiles  und  begrenzen  die  breite  Rückenfurche.  In  der 
Tiefe  erblickt  man  innerhalb  der  schmalen  dunklen  Rückenrinne 
den  weissen  Strang  der  Chorda  (e)  und  hinter  deren  Knopf  (a) 
die  stärker  hervortretenden  medianen  Ränder  der  Urwirbclplatten 
in  Gestalt  zweier    nach  hinten   sich    zuspitzender  weisser  Streifen. 


47 

Somit  endigt  der  schon  von  Anfang  an  vertiefte  und  durch  die 
ursprüngliche  Rückenrinne  geschlossene  Boden  des  primitiven  Hirn- 
rohrs genau  am  Chordaknopf  (Hypophyse),  hängt  untrennbar 
mit  demselben  zusammen  und  zieht  sich  daselbst  später  zum 
Trichter  aus. 

In  Beziehung  auf  die  Erhebung  und  schliessliche  Vereinigung 
der  äusseren  Ränder  der  Rückenplatten  finde  ich  ebenfalls,  wenig- 
stens in  Betreff  des  Schlussbogens,  in  der  mir  darüber  bekannten 
Literatur  keine  genügende  Aufklärung.  Es  entsteht  nämlich  die 
Frage ,  erhebt  sich  der  gesammte  Aussenrand  der  Rückenplatten, 
also  auch  der  vordere  Rand  des  Schlussbogens  und,  wenn  dies 
der  Fall,  wie  steht  es  dann  mit  dem  vordersten  Ende  der  medianen 
Schliessungsnaht ?  Nach  Remak  sind  es  nur  die  lateralen  Ränder, 
nicht  aber  der  vordere  Rand  des  Schlussbogens,  die  sich  erheben, 
und  so  würde  sich  ein  vorn  offenes  und  hier  erst  später  sich 
schliessendes  Rohr  bilden,  wie  auch  aus  Remak 's  Abbildungen 
(a.  a.  O.  Taf.  II)  hervorgeht.  Wie  jedoch  schon  Reichert  her- 
vorhebt ,  so  ist  diese  vorderste  Hirngegend  gerade  diejenige  des 
gesammten  Medullarrohrs,  welche  auch  nach  meinen  Erfahrungen 
sich  zu  allererst  schliesst.  Wie  diese  Schliessung  jedoch  geschieht, 
finde  ich  auch  bei  Reichert  nicht  angegeben,  ersehe  jedoch 
deutlich  aus  Fig.  III  auf  Seite  6  seines  Hirnwerkes  ,  sowie  aus 
Fig.  3 ,  Taf.  III  seines  Buches  über  das  Entwicklungsleben  im 
Wirbelthierreich,  dass  er  auch  den  vordem  Rand  des  Schlussbogens 
(und  zwar  zuerst)  sich  erheben  lässt,  was  an  die  halbmondförmige 
Grube  der  beginnenden  Kopfdarmhöhle  erinnert.  Nach  Reichert 
würde  die  Rückenfurche  an  ihrem  vorderen  Ende  einen  ähnlichen 
Abschluss  erfahren,  wie  etwa  das  Fersenende  eines  Schuhes.  Wenn 
alsdann  die  Seitenränder  der  Rückenfurche  medianwärts  einander 
bis  zur  Berührung  entgegenwachsen ,  so  könnte  somit  die  Schlies- 
sungsnaht nicht  das  vorderste  Hirnende  treffen.  Nun  reicht  aber 
nach  meinen  Erfahrungen  die  Schliessungsnaht  des  Medullarrohrs 
bis  dicht  an  den  Chordaknopf  (Taf.  II,  Fig.  12  u.  13).  Betrachtet 
man  Fig.  13,  so  erblickt  man  bei  auffallendem  Licht  die  Rückseite 
eines  Hühnerembryo ,  dessen  bereits  geschlossene  vorderste  Hirn- 
blase nachträglich  sich  wieder  geöffnet  hatte.  Mit  a  ist  der  Chorda- 
knopf bezeichnet,  an  welchem  der  mediane  Abschnitt  des  Ursprung- 


fto 


liehen  vordem  Randes  des  Schlussbogens  innig  anhaftet  und  dadurch 
in  seiner  Erhebung  gehindert  wurde.  Oder  man  betrachte  den 
Embryo  in  Fig.  II  dieser  Tafel,  dessen  Rückenplattenränder  noch 
gar  nicht  vereinigt  waren,  sondern  erst  in  der  Erhebung  begriffen 
sind,  und  man  wird  sich  davon  überzeugen,  dass  der  Chordaknopf 
(a)  die  Erhebung  des  Schlussbogenrandes  gerade  in  der  Median- 
linie hindert.  Zu  beiden  Seiten  aber  erhebt  sich  dieser  Rand, 
wobei  er  sich  zugleich  etwas  über  den  medianen  Abschnitt  hinaus 
verlängert.  Nun  erst  ist  eine  mediane  Vereinigung  der  Seiten- 
hälften des  Schlussbogenrandes  und  zugleich  eine  bis  zum  Chorda- 
knopf oder  der  spätem  Hypophyse  reichende  Schliessungsnaht 
möglich. 

An  diesem  aus  den  Rückenplatten  hervorgegangenen  Rohr 
unterscheidet  man  ein  inneres  die  drei  primitiven  Hirnblasen  dar- 
stellendes Hirnrohr  und  ein  dasselbe  genau  umgebendes  äusseres 
oder  Schädelrohr.  Letzteres  oder  die  weiche  oder  häutige  primi- 
tive Schädelkapsel  besteht  in  der  ganzen  Länge  seiner  Basis  aus 
den  Urwirbelplatten  und  der  Chorda  dorsalis ,  das  Schädeldach 
jedoch  ist  nicht  blos  eine  sich  dorsalwärts  verdünnende  Fortsetzung 
der  Urwirbelplatten ,  sondern  besitzt  auch  noch  eine  die  Anlage 
der  Cutis  und  der  Epidermis  darstellende  Fortsetzung  des  Horn- 
blattes und  der  Seitenplatten.  Wie  an  der  ursprünglichen  zunächst 
nur  die  Schädelbasis  darstellenden  Uranlage,  so  ist  auch  an  dieser 
häutigen  Schädelkapsel  der  Spheno-Ethmoidaltheil  noch  nicht  her- 
vorgetreten; Schädel  und  Hirn  schliessen  beide  vorläufig  mit  der 
spätem  Hypophysengegend  ab  und  dort  schon  erhebt  sich  um 
diese  Zeit  die  primitive  Stirnwand.  Es  fehlt  somit  noch  die  Grund- 
lage zur  Bildung  des  Gesichts  und  wenn  unterdessen  die  Anlagen 
der  Sinnesorgane  hervorgetreten  sind,  so  finden  diese  für  jetzt  ihre 
Lage  an  der  vordem  und  an  der  Seitenwand  des  Hirnschädels. 

Wäre  die  Schädelkapsel,  wie  man  angiebt,  in  diesem  primi- 
tiven Zustande  nichts  weiter  als  eine  nur  zur  Umschliessung  des 
Gehirns  bestimmte  Kapsel ,  so  müsste  sie  innerlich  und  äusserlich 
genau  die  Form  des  Hirnrohres  wiedergeben  und  auch  eine  überall 
sich  gleich  bleibende  Dicke  zeigen.  Wie  übrigens  schon  die  Ent- 
wicklung der  Urwirbelplatten  und  des  daraus  entstehenden  Schädel- 
daches vermuthen  liess ,    so  zeigt  ein  Frontalschnitt  des  Schädels, 


49 

ähnlich  wie  bei  der  Wirbelsäule ,  eine  durch  die  ursprünglichen 
Urwirbelplatten  dargestellte  dickere  Basis  und  nur  ein  äusserst 
dünnes  Dach,  welches  noch  viel  dünner  wird,  wenn  man  das  zur 
Vervollständigung  herbeigezogene  Hornblatt  und  die  wahrscheinlich 
von  den  Seitenplatten  abstammenden  Hautplatten  in  Abrechnung 
bringt.  Schon  diese  durch  die  ursprüngliche  Anlage  gegebenen 
ungleichen  Dickenverhältnisse  machen  es  unmöglich ,  den  Hirn- 
schädel auch  äusserlich  für  eine  der  Hirnform  ganz  getreue  Kapsel 
zu  halten.  Schon  von  Anfang  an  ist  es  der  jetzt  noch  allein  vor- 
handene Spheno-Occipitaltheil  der  Schädelbasis ,  welcher  an  Selb- 
ständigkeit das  Schädeldach  übertrifft  und  von  letzterem  auch  in 
seiner  Bedeutung  sich  ebenso  unterscheidet,  wie  die  Wirbelkörper- 
säule von  der  dorsalen  Wand  der  Wirbelsäule.  Er  ist  eben  schon 
von  Anfang  an  zugleich  die  Stütze  und  die  dorsale  Wand  der  um 
diese  Zeit  bereits  vorhandenen  Kopfdarmhöhle. 

Die  zur  Bildung  der  Rückenfurche  sich  erhebenden  lateralen  Ränder 
werden  auch  z.  B.  von  Reichert  ausschliesslich  als  „Rückenplatten" 
bezeichnet ,  während  ich  nicht  blos  diese ,  sondern  überhaupt  die  ganze 
zu  beiden  Seiten  der  Rückenrinne  (der  sogenannten  Primitivrinne)  liegende 
und  zur  Herstellung  des  Rückens  dienende  verdickte  Partie  des  Em- 
bryonalschildes, also  die  frühere  verdickte  Schildmitte,  darunter  verstehe. 
Bekanntlich  wurde  diese  Bezeichnung  durch  Baer  eingeführt1),  welcher 
darunter  die  verdickten  Seitentheile  des  durch  eine  helle  Rinne  halbirten 
Primitivstreifs  verstand ;  daraus  leitete  er  den  Rücken  ab  und  in  ihnen 
suchte  er  die  Rudimente  der  Wirbelbogen.  Auf  S.  17  und  18  liest  man, 
dass  nicht  blos  die  Wirbelbogen ,  sondern  überhaupt  die  Wirbel  in  ihnen 
entstehen.  Ferner  beschreibt  Baer  (S.  20)  die  Rückenplatten  als  Ver- 
dickungen des  serösen  Blattes ,  worunter  er ,  wie  aus  einer  Anmerkung 
hervorgeht,  überhaupt  den  animalischen  Theil  des  Embryo  versteht  und 
daran  wieder  zwei  Schichten  unterscheidet.  Auch  erklärtBaer  (S.  22), 
dass  der  nach  der  Schliessung  der  Rückenplatten  entstandene  Kanal  zu- 
gleich der  Kanal  im  Inneren  des  künftigen  Rückenmarkes ,  also  zugleich 
der  Kanal  des  Medullarrohrs  sei.  Einen  wesentlichen  Fortschritt  macht 
Baer  bereits  noch  in  demselben  Bande  seines  Werkes  (S.  154);  dort  er- 
klärt er  geradezu ,  dass  das  Medullarrohr  nicht  erst  nachträglich  aus  der 
in  dem  Rückenplattenkanal  enthaltenen  Flüssigkeit  sich  niederschlage, 
sondern  nur  eine  allmählig  sich  ablösende  Schichte  der  Rückenplatten 
sei,  bedingt  durch  eine  Spaltung  des  animalischen  Theiles  der  Keimhaut 
überhaupt.    Er  unterscheidet  an  den  Rückenplatten  eine  besondere  durch 


1)  Entwklg3gesch.  d.  Thiere.   I.    1828.    S.  14  u.  15. 
D  u  r  s  y  ,  Entwicklgsgesch. 


50 

Differenzirung  des  Keimes  in  Schichten  bedingte  Nervenschichte  ,  die  er 
die  Medullarplatten  nennt,  und  erkannte  auch  bereits,  dass  diese  Medullär  - 
platten  continuirlich  an  ihren  Rändern  in  den  peripherischen  Theil  der 
obersten  Schichte  des  Keimes  übergehen.  Endlich  spricht  Baer  im  zweiten 
Theil  seiner  Entwicklungsgeschichte  (S.  102)  von  Rückenplatten  im 
weiteren  Sinn,  nachdem  er  erkannt  hatte,  dass  sie  schon  von  vorn, 
herein  auch  die  Anlage  des  Medullarrohrs  enthalten. 

Ueberträgt  man  nun  diese  Baer'sche  Auffassung  der  Rückenplatten 
aus  dem  von  mir  in  meiner  Abhandlung  über  den  Primitivstreif  (S.  46) 
angegebenen  Grunde  von  dem  Primitivstreif  auf  die  eigentliche  vor  ihm 
liegende  Uranlage  des  Embryo,  die  Baer  mit  einander  verwechselte,  so 
hatte  ich  gewiss  keinen  triftigen  Grund ,  diese  einmal  gebräuchliche  Be- 
zeichnung zu  verlassen  und  ich  verstehe  also  unter  Rückenplatten  schlecht- 
weg die  Baer'schen  Rückenplatten  im  weitern  Sinn  (also  die  Urwirbel- 
platten  und  die  Medullarplatten  zusammen).  Unter  Rückenplatten  im 
engern  Sinn  meint  Baer  die  Urwirbelplatten,  welche  letztere  vonRemak 
eingeführte  Bezeichnung  aus  nahe  liegenden  Gründen  den  Vorzug  verdient. 
Freilich  lassen  sich  viele  Bezeichnungen  in  der  Entwicklungsgeschichte 
nicht  streng  in  ihrer  ursprünglichen  Bedeutung  festhalten  und  es  wäre  ein 
Fehler,  wollte  man  den  dorsalen  Abschnitt  des  geschlossenen  oder  in  der 
Schliessung  begriffenen  Rückenplattenrohres  lediglich  aus  den  Rücken- 
platten ableiten ;  es  kommen  ja  das  Hornblatt  und  die  Hautplatten  hinzu. 
Darin  sehe  ich  aber  noch  keinen  Grund,  die  sich  erhebenden  Ränder  der 
Rückenplatten  mit  einem  besondern  Namen  zu  belegen.  Ich  kann  daher 
Reichert  nicht  Recht  geben,  wenn  er  (Bau  d.  Gehirns  S.  6)  noch  weiter 
geht  und  „Rückenplatten"  nur  die  sich  erhebenden  Leisten  des  Embryonal- 
schildes nennt. 

Ueber  den  Ort ,  an  welchem  die  Rückenplatten  zuerst  zur  Bildung 
eines  Rohres  zusammenstossen ,  werden  bekanntlich  mehrere  Meinungen 
vorgetragen,  welche  Verschiedenheit,  wie  schon  Reichert  u.  A.  hervor- 
hoben, dadurch  sich  erklärt,  dass  bei  der  Herausnahme  des  Hühnerembryo 
aus  dem  Ei  die  Schliessungsnaht  stellenweise  sich  leicht  wieder  löst.  An 
der  vordersten  Hirnblase,  welche  die  weiteste  ist,  wird  dies  leichter  ge- 
schehen, als  an  engeren  Stellen.  Zu  diesem  Zwecke  muss  man  die  Em- 
bryonen auch  in  Situ  studiren,  was  mit  Hülfe  einer  guten  Lupe  und  unter 
Anwendung  eines  Tropfens  einer  l%gen  Essigsäure  leicht  ausführbar  ist. 
Bei  dieser  Gelegenheit  mache  ich  noch  auf  eine  andere  Fehlerquelle  auf- 
merksam, dass  nämlich  umgekehrt  ein  Abschnitt  des  in  der  Lage  im  Ei 
noch  offenen  Medullarrohres  nach  der  Herausnahme  oder  selbst  erst  wäh- 
rend der  Untersuchung  sich  schliessen  kann;  dabei  legen  sich  die  er- 
hobenen Rückenplattenränder  anstatt  lateralwärts ,  zur  Abwechslung  auch 
einmal  medianwärts  um.  Es  geschieht  dies  namentlich  in  der  Gegend 
zwischen  der  ersten  und  zweiten  oder  zwischen  der  zweiten  und  dritten 
Hirnblase,  an  welchen  Stellen  das  Hirnrohr  enger  ist.     Ich  muss  übrigens 


51 

eingestehen,  dass  ausnahmsweise  auch  an  dem  in  Situ  mit  aller  Sorgfalt 
untersuchten  Emhryo  bei  noch  völlig  unverletzter  Dotterhaut  ganz  ent- 
schieden die  vorderste  Hirnblase  in  ihrer  ganzen  Länge  noch  offen  stand, 
während  die  zweite  bereits  geschlossen  war,  die  dritte  aber  wieder  klaffte. 
Den  gewöhnlichen  Schliessungsprocess  zeigt  die  Fig.  12  meiner  zweiten 
Tafel ;  Fig.  13  dagegen  stellt  ein  Hirn  dar,  welches  nach  der  Herausnahme 
des  Embryo  aus  dem  Ei  und  während  der  Untersuchung  an  seinem  vor- 
deren Ende  wieder  auseinander  gefallen  war.  Interessant  ist  die  Angabe 
von  Reichert1),  dass,  abweichend  von  höheren  Thieren,  beim  Frosch  die 
Rückenplatten  zuerst  am  Rumpf  sich  schliessen. 

Haben  sich  die  Rückenplatten  endlich  zu  einem  Rohr  geschlossen,  so 
stossen  zuerst  nur  die  Medullarplatten  in  der  dorsalen  Schlusslinie  zu- 
sammen, darüber  liegt  das  Hornblatt,  hierauf  erst  rücken  noch  die  Haut- 
platten zur  Umhüllung  des  Medullarrohrs  nach  und  schliesslich  erst  folgt 
eine  Fortsetzung  der  Urwirbelplatten.  Allmählig  verdicken  sich  diese  das 
häutige  Schädeldach  zusammensetzenden  Bestandteile  und  zwar  in  der 
Richtung  von  der  Schädelbasis  dorsalwärts  gegen  die  hintere  Schlusslinie. 
In  dem  ursprünglich  sehr  dünnen  Zustand  nennt  R  a  t  h  k  e  2)  diese  vor- 
läufige Schädeldecke  Membrana  reuniens  superior,  betrachtet  sie  als  eine 
mit  der  Zeit  gefässreiche  Yerbindungsmembran  der  dickeren  Seitentheile, 
und  lässt  sie  schliesslich  in  die  Cutis  sich  umwandeln.  Da  jedoch  aus  der 
ganzen  Schilderung  nicht  klar  hervorgeht,  ob  Rathke  damit  das  ganze 
aus  genetisch  verschiedenen  Theilen  hervorgehende  häutige  Schädeldach, 
oder  wirklich  nur  die  Hautplatte  meint ,  so  habe  ich  von  dieser  Bezeich- 
nung keinen  Gebrauch  machen  wollen  und  um  so  weniger,  weil  Remak8) 
darunter  nicht  blos  die  membranöse  Fortsetzung  der  Hautplatten,  sondern 
auch  die  der  Urwirbelplatten,  Kolli k er4)  nur  die  letztere,  Reichert6) 
nur  die  erstere  darunter  versteht. 

Die  Grundlage  des  eigentlichen  späteren  knöchernen  Hirnschädels 
kommt  für  die  Basis  aus  den  Urwirbelplatten  und  für  das  Schädeldach 
aus  einer  anfangs  dünnen  inembranösen  Fortsetzung  derselben.  Ob  diese 
Fortsetzungen,  welche  erst  nachträglich  das  längst  geschlossene  Hirn  all- 
seitig umwachsen,  sich  ebenfalls  in  einer  Längsnaht  vereinigen  und  ob 
dieselbe  zuerst  am  vorderen  Schädelende  sich  zu  bilden  beginnt,  sind  bis 
jetzt  noch  unerledigte  Fragen  ,  weshalb  ich  eine  darauf  sich  beziehende 
Beobachtung  hier  anführen  will.  Wie  die  Membrana  reuniens  inferior,  so 
ist  auch  das  primitive  häutige  Schädeldach  nur  eine  vorläufige  Hülle 
und   man  bemerkt   die   Heranbildung  der  späteren  bleibenden  Decke  zu- 


1)  Entwicklungsleben.    S.  17. 

2)  Zur  Entwcklgsgesch.  d.  Thiere,  in  Müll.  Archiv.    1838.   S.  369  u.  ff. 

3)  A.  a.  0.  S.  9. 

4)  Entwicklungsgeschichte.    S.  70. 

5)  Entwicklungsleben.    S.  17  u.  a.  anderen  Stellen. 

4* 


52 

nächst  an  einer  von  der  Basis  allmählig  dorsalwärts  aufsteigenden  Ver- 
dickung des  ursprünglichen  dünnen  Schädeldaches.  Es  geht  übrigens  dieser 
Process  sehr  langsam  vor  sich  und  schliesslich  ist  es  die  Vierhügelblase, 
wie  ich  sehr  deutlich  an  Köpfen  von  Säugethierenibryonen  sehe,  welche 
am  längsten  dieser  Umschliessung  widerstrebt.  Mit  kreisrundem  Rand, 
wie  mit  einem  Nabel ,  schliesst  die  Verdickung  rings  um  die  Basis  der 
genannten  Blase  ab,  wie  man  schon  an  frischen  Embryonen  bemerkt,  noch 
deutlicher  aber  während  der  anfänglichen  Einwirkung  von  Weingeist,  indem 
sich  zuerst  nur  die  dickeren  Partien  des  Schädeldaches  durch  Verlust 
ihrer  Durchsichtigkeit  weiss  färben.  Auch  ist  ja  diese  Gegend  eine  der 
Stellen ,  an  welchen  Hydrencephalocele  häufiger  aufzutreten  pflegt.  In 
der  That  fand  ich  bisweilen  bei  Embryonen  (Huhn  und  Rind)  die  Hirn- 
blase an  dieser  Stelle  geborsten  oder  hydropisch  ausgedehnt,  oder  ich  be- 
merkte eine  prolabirte  Hirnmasse  in  Gestalt  eines  hypertrophischen  Hirn- 
auswuchses. Auch  bei  dem  Frosch  bemerkte  schon  Remak,  wenn  auch 
nicht  an  derselben  Stelle,  ein  ähnliches  Verhalten  der  Schädeldachbildung 
und  wir  erfahren  aus  der  beigegebenen  Fig.  18,  b  seiner  10.  Tafel,  dass 
es  die  Gegend  des  Hinterhirns  ist ,  welche  später  als  alle  übrigen 
Abtheilungen  des  Hirnrohres  von  der  eigentlichen  Schädeldecke  um- 
wachsen wird. 

Virchow1)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  unter  allen  Theilen  des 
Schädelgerüstes  die  Schädelbasis ,  und  zwar  besonders  die  Wirbelkörper 
des  Grundbeins ,  die  grösste  Selbständigkeit  der  Entwicklung  und  des 
Wachsthums  zeigen.  Zu  dieser  Ansicht  gelangte  auch  ich  durch  directe 
Untersuchung  der  jüngsten  Schädel  der  Vögel  und  Säuger,  wie  ich  oben 
angegeben  habe.  Reichert2)  tritt  ganz  entschieden  gegen  diese  Ansicht 
auf  und  macht  Virchow  den  Vorwurf,  dass  er  eben  nur  spätere  Stadien 
der  Entwicklung  berücksichtigt  habe  ,  in  welcher  an  der  Basis  des  Ge- 
hirns verhältnissmässig  nur  geringe  Veränderungen  der  äussern  Form,  sehr 
erhebliche  dagegen  im  übrigen  Umfang  des  Gehirns  hervortreten;  anfangs 
stelle  die  Schädelkapsel  in  toto  auch  äusserlich  einen  getreuen  Abdruck 
des  Gehirns  dar.  Wie  ich  schon  oben  angegeben  habe ,  spricht  gegen 
diese  Auffassung  schon  von  vorn  herein  die  ursprünglich  ungleiche  Dicke 
der  primitiven  Schädelkapsel,  sowie  der  Umstand,  dass  gleichzeitig  mit  der- 
selben (oder  selbst  noch  früher)  die  Kopfdarmhöhle  sich  bildet,  für  welche 
die  Schädelbasis  zur  Stütze  und  Begrenzung  dient.  Wenn  aber  Reichert 
(S.  30)  noch  über  dieses  frühe  Entwicklungsstadium  hinweggeht  und  sich 
auf  Embryonen  beruft,  welche  bereits  die  Kopf  beuge  (Gesichtskopf  beuge) 
und  die  Grosshirnbläschen  zeigen,  so  kann,  wie  wir  später  sehen  werden, 
noch  viel  weniger  davon  die  Rede  sein,  dass  die  Schädelkapsel  auch  äusser- 
lich einen  getreuen  Abdruck  des  Gehirnes  darstelle.     Man  vergleiche  nur 


1)  Entwickig.  d.  Schädelgrandes.    S.  115  u.  ff. 

2)  Bau  des  Gehirns.    II,  S.  30  u.  32. 


53 

den  medianen  Durchschnitt  eines  67*  Mm.  langen  Rindsembryo  aufTaf.  III, 
Fig.  15,  oder  die  medianen  und  transversalen  Durchschnitte  verschiedener 
Köpfe  menschlicher,  Säugethier-  und  Vogelembryonen  der  1.,  2.  u.  6.  Tafel. 
Reichert  (a.  a.  0.  S.  12)  bestreitet  auch,  dass  die  Trichterregion 
das  ursprüngliche  vordere  Hirnende  bedeute,  weil  die  tiefste  der  spätem 
Trichtergegend  entsprechende  Stelle  des  vordem  Hirnbläschens  hinter 
der  Insertion  der  Nn.  optici  (Chiasma)  liege.  Es  sei  aber  der  vordere 
Abschluss  des  Gehirns  genetisch  vor  dem  Chiasma  in  der  spätem  Lamina 
terminalis  der  dritten  Hirnkammer  zu  suchen.  Hiergegen  erlaube  ich 
mir  die  Einwendung ,  dass  diese  Angabe  an  einem  vordem  Hirnbläschen 
demonstrirt  wird,  welches  bereits,  wie  Reichert  bemerkt,  an  Grösse  zu- 
genommen und  sich  auch  nach  vorn,  in  der  Gegend  des  vordem  Schluss- 
stückes der  Röhre,  gegen  die  Basis  des  Schädels  hin  erweitert  hatte. 
Betrachtet  man  aber,  wie  ich  oben  hervorgehoben  habe,  den  Schlussbogen 
der  Rückenplatten  vor  der  Schliessung  des  Medullarrohres  oder  sogleich 
nach  dem  Schluss ,  wenn  sich  das  vordere  Hirnbläschen  nach  vorn  noch 
nicht  erweitert  hat,  so  fällt  derselbe  mit  dem  Chordaknopf  (spätere  Hypo- 
physengegend) zusammen  und  eben  dort  endigt  auch  zugespitzt  der  mediane 
vertiefte  Theil  der  Rüchenfurche  (s.  oben).  Auch  liegen  die  aus  der  vor- 
deren Hirnblase  in  die  Augenblasen  führenden  Eingänge  anfangs  nicht 
vor,  sondern  zu  beiden  Seiten  dieser  Hypophysengegend.  Erst  später, 
wie  wir  sehen  werden,  ändert  sich  diese  Lage. 


Wachsthum  und  Krümmung  des  embryonalen  Schädels. 

Der  primitive  Hirnschädel  ist  ein  langer  gegen  sein  vorderes 
Ende  allmählig  sich  erweiternder,  also  ungefähr  birnförmiger 
Schlauch  ,  welcher  durch  zwei  jedoch  nur  das  Schädeldach  be- 
treffende flache  Einschnürungen  in  drei  Abtheilungen  zerfällt.  Sie 
schliessen  die  entsprechenden  Hirnblasen  ein,  wurden  von  Baer  *) 
„Hirnzellen"  genannt  und  als  vorderste  oder  erste,  mittlere  oder 
zweite ,  hintere  oder  dritte  bezeichnet.  Zur  Unterscheidung  von 
den  Hirnblasen,  die  ebenfalls  Hirnzellen  genannt  werden,  will  ich 
sie  Schädel  zellen  nennen.  Sie  liegen  anfangs  hinter  einander 
und  in  derselben  Richtung,  wie  das  Wirbelrohr,  beschreiben  daher 
mit  demselben  nur  eine  geringe  durch  die  Wölbung  der  Keim- 
scheibe und  bei  den  Säugern  durch  die  Wölbung  der  Keimblase 
bedingte    Krümmung.     Zur    Erleichterung    des  Verständnisses  der 


1)  a.  a.  0.  I.   S.  23. 


54 

späteren  Krümmungen  betrachte   ich  in    der  jetzt  folgenden  Erör- 
terung   den    Hirnschädel    bei    vertikaler    Stellung    der    primitiven 
Schädelbasis  (Spheno-Occipitaltheil),  wie  an  den  hier  eingeschalteten 
schematischen  Holzschnittfiguren    zu    ersehen    ist.     Die   das  obere 
freie  Ende  (IV,  a)  der  ersten  Schädelzelle  bildende  Wand  hat  sich 
aus  dem  Schlussbogen  der  Urwirbelplatten  hervorgebildet  und  geht 
daher    von    dem    oberen  Umfang    des  Chordaknopfes  (IV,  b)  ab. 
Da    nun    dieser  Knopf   die  Gegend    der   späteren  Hypophyse  be- 
zeichnet, so  wissen  wir  damit,  dass  der  primitive  Schädel  vorläufig 
mit  der  Gegend  der  späteren  Sattelgrube  abschliesst ;  es  ist  daher 
der  für  die  Vorderlappen  des  Grosshirns  bestimmte  Schädelabschnitt 
(Spheno-Ethmoidaltheil) ,  welcher  die  vordere  Keilbeingegend  und 
das  Siebbein    enthält ,    noch   nicht  hervorgetreten.     Dies  geschieht 
erst  mit  dem  fortschreitenden  und  anfangs  über  alle  übrige  Wachs- 
thumsrichtungen    vorherrschenden  Längenwachsthum   des  Schädel- 
rohres.    Dabei   verlängert    sich   jedoch    der  Schädel    nicht  in  der 
ursprünglichen  Richtung,  sondern  in  einem  Bogen,  dessen  Mittel- 
punkt in  dem  Knopf  der  Wirbelsaite    liegt.     Das  Schädeldach  ist 

es  daher ,  welches  schneller  sich  ver- 
6L  längert  als  die  ursprüngliche  mit  der 

j        /O*  «z/^TX,  C~i     \    Chorda    abschliessende    Schädelbasis. 

w  Das  Schädeldach  verlängert  sich  über 
den  Chordaknopf  hinaus  und  wird 
dadurch  zu  einer  Ablenkung  von  der 
ursprünglichen  Richtung  veranlasst.  Ich  kann  daher  diese  Rich- 
tungsveränderung des  vordem  Schädelendes  nicht  als  eine  Beugung 
der  ganzen  ersten  Schädelzelle  betrachten,  sondern  nur  als  eine 
Verschiebung  ihrer  Decke  über  die  ursprüngliche  Schädelbasis 
hinaus  und  zwar  in  einem  Bogen,  dessen  Mittelpunkt  im  obersten 
Ende  der  primitiven  im  Längenwachsthum  zurückbleibenden  Schädel- 
basis, also  im  Chordaknopf  liegt  (vgl.  IV— VII).  Die  ursprüngliche 
obere  Wand  (IV,  a)  der  ersten  Schädelzelle  ,  oder  die  primitive 
Stirnwand,  wird  dadurch  zuerst  nach  vorn  (V,  a),  dann  nach  unten 
VI,  a)  und  schliesslich  sogar  nach  hinten  (VII,  a)  gleichsam  um- 
gelegt, sie  wird  zum  Boden  der  ersten  Schädelzelle,  erscheint  von 
nun  an  wie  eine  Fortsetzung  der  ursprünglichen  Schädelbasis  (die 
in  den  Holzschnitten  überall  mit  c  bezeichnet  ist),  und  bildet  mit 


55 

derselben  einen  spitzen  Winkel  (VII,  ab  c).  Was  die  beiden  übrigen 
Schädelzellen  betrifft,  so  ist  es  auch  hier  hauptsächlich  die  Decke, 
welche  sich  von  der  Wirbelsäule  aus  nach  oben  verlängert  und 
daher  ihre  früheren  Lagebeziehungen  zur  ursprünglichen  Schädel- 
basis ändert.  So  rückt  die  Decke  der  zweiten  Zelle  (d)  hinauf 
und  bildet  schliesslich,  indem  sie  dem  Bogen  der  ersten  Zelle  folgt, 
den  höchsten  Theil  oder  den  Scheitel  des  Kopfes. 

Vergleichen  wir  nun  diesen  Schädel  mit  dem  frühereu,  so  hat 
er  an  Länge  zugenommen  und  zwar  vorzüglich  in  seinem  Dach, 
welches  sich  somit  um  das  Ende  der  zurückbleibenden  Schädel- 
basis herumkrümmen  muss  und  folglich  in  seiner  Gestaltung  von 
der  Basis  abhängt.  Man  vergleiche  auch  den  Kopf  eines  Binds- 
embryo  auf  Taf.  III,  Fig.  14  u.  15,  sowie  den  Kopf  eines  Hühn- 
chens auf  Taf.  II,  Fig.  9. 

Man  unterscheidet  jetzt  an  dem  so  gekrümmten  Kopf  eine 
hintere  längere  Abtheilung  oder  den  Spheno-Occipitaltheil,  sowie 
einen  vordem  oder  kürzeren  oder  den  Spheno-Ethmoidaltheil.  Der 
letztere  ist  nicht  ein  erst  nachträglich  umgebogener  Theil  des  frü- 
heren Schädels,  sondern  eine  durch  ungleiches  Längenwachsthum 
entstandene  und  dadurch  umgebeugte  spätere  Fortsetzung.  Er 
bildet  sich  bei  dem  niedrigsten  der  Wirbelthiere  (Amphioxus)  über- 
haupt gar  nicht ,  beginnt  dagegen  schon  bei  den  übrigen  Fisch- 
embryonen und  es  zeigen  daher  alle  Wirbelthiere  (mit  Ausnahme 
von  Amphioxus)  in  diesem  Stadium  der  Entwicklung  einen  ge- 
krümmten Schädel  oder  die  von  Reichert  sogenannte  Gesichts- 
kopfbeuge, die  sich  an  der  Schädelbasis  als  ein  zwischen  Spheno- 
Occipitaltheil  und  Spheno-Ethmoidaltheil  entstandener  spitzer  Winkel 
(Sattelwinkel)   markirt. 

Dazu  gesellt  sich  alsbald  noch  eine  zweite  die  Grenze  zwischen 
Schädel  und  Wirbelsäule  betreffende  Krümmung  oder  die  sogenannte 
Nackenbeuge,  die  ihre  Entstehung  ebenfalls  einem  rascheren  Längen- 
Avachsthum  der  dorsalen  Seite  der  Wirbelsäule  und  des  Schädels 
verdankt.  Von  der  eigentlichen  Kopfbeuge  unterscheidet  sie  sich 
dadurch,  dass  hier  ein  ursprünglich  gerad  verlaufender 
Körpertheil  nachträglich  durch  ungleiches  Längenwachsthum 
umgebeugt   wird.     Der    dabei  zwischen   Schädelbasis  und  Wirbel- 


56 

körpersäule  entstehende  Winkel  ist  anfangs  ein  rechter  (vergl. 
Taf.  III,  Fig.  14  u.  15). 

Diese  anfangs  sehr  auffallenden  Krümmungen  gehen  allmählig 
mit  der  Zunahme  des  Längenwachsthums  der  Bauchseite  der  Em- 
bryonen und  mit  dem  Erscheinen  des  Gesichtes  wieder  zurück 
und  es  werden  die  Winkel  um  so  grösser  oder  selbst  ganz  aus- 
geglichen, je  mehr  die  Bauchseite  und  das  Gesicht  sich  dem  Central- 
nervensystem  und  seiner  knöchernen  Hülle  gegenüber  Geltung  ver- 
schaffen. Sie  bleiben  daher  bei  dem  Menschen ,  wenn  auch  nicht 
in  ihrer  ursprünglichen  Grösse ,  so  doch  immer  noch  am  meisten 
bemerkbar  zurück ,  während  sie  bei  den  übrigen  Wirbelthieren 
mehr  oder  weniger  vollständig  verschwinden,  worauf  ich  später 
noch  einmal  zurückkomme. 

Das  Schädeldach  ,  wie  wir  gesehen  haben ,  ist  zuerst  durch 
ein  rasches  Längenwachsthum  ausgezeichnet,  so  dass  es  in  dieser 
Richtung  über  die  Basis  hinauswächst.  Was  den  transversalen 
Durchmesser  des  Schädels  betrifft,  so  ist  derselbe  anfangs  an  der 
Basis  grösser  als  am  Dach,  allmählig  aber  wächst  das  Schädeldach, 
der  Hirnausdehnung  entsprechend,  auch  in  dieser  Richtung  über 
die  Basis  hinaus.  Am  auffallendsten  geschieht  dies  bei  dem 
Menschen ,  bei  welchem  das  Schädeldach  überhaupt  nach  allen 
Richtungen  so  über  die  Schädelbasis  hinauswächst,  dass  die  an- 
fangs vertikal  gestellten  Partien  desselben  sich  zur  Erweiterung 
der  Schädelbasis  horizontal  umlegen.  Daraus  erklärt  sich ,  wie 
die  ursprünglich  an  den  Seiten  und  an  der  vorderen  Wand  des 
Schädels  liegenden  Augen  und  Riechgruben  allmählig  zum  Antlitz 
hinab  rücken.  Die  anfangs  vertikalen  Riechgruben  nehmen  dann 
eine  horizontale  Lage  an,  ebenso  werden  die  anfangs  senkrechten 
und  dem  Schädeldach  angehörigen  Augenhöhlendächer  horizontal 
umgelegt  und,  gleich  der  Siebplatte,  der  Schädelbasis  einverleibt. 

B  a  e  r  benutzte  schon  in  seiner  Entwicklungsgeschichte  des  Hühnchens 
(S.  16)  den  Chordaknopf  zur  Bestimmung  der  Kopf  beuge  ,  indem  er  er- 
kannte, dass  das  Schädeldach  in  Folge  seines  Längenwachsthums  sich  um 
den  Knopf  der  Wirbelsaite  nach  unten  krümmt ,  so  dass  schliesslich  der- 
selbe nicht  mehr  das  vordere  Ende ,  sondern  die  Mitte  der  Schädelbasis 
einnimmt.  Ebenso  erfahren  wir  auf  Seite  30 ,  dass  die  ursprünglich 
das  vorderste  Schädelende  darstellende  Zelle  später  vor  dem  Chordaknopf 


57 

ihre   Lage   einnimmt.     Auch    wusste    B  a  e  r  (S.  102) ,    dass   später   die 
Kopfkrümmung  wieder  rückgängig  wird. 

Auch  Ratlike  hespricht  vielfach  in  seinen  verschiedenen  Schriften 
die  Kopfbeuge  und  betrachtet  sie  ebenfalls  als  einen  Theil  der  den  Wirbel- 
thieren  in  frühester  Zeit  überhaupt  zukommenden  allgemeinen  Krümmung 
nach  der  Bauchseite,  bedingt  durch  rascheres  Längenwachsthum  der  Rück- 
seite des  Embryo.  Warum  sich  diese  allgemeine  Körperkrümmung  an  zwei 
Stellen  (Nackenbeuge  und  Kopfbeuge)  stärker  und  unter  Winkelbildung 
ausprägt,  sucht  Rathke  durch  ein  eigenthümliches  Verhalten  der  Chorda 
dorsalis  zu  erklären.  Was  zunächst  die  Nackenbeuge  betrifft,  so  soll  diese 
durch  den  Nachlass  der  Widerstandskraft  der  von  dieser  Stelle  an  sich 
verjüngenden  Chorda  bedingt  sein,  womit  sich  auch  Kölliker  einver- 
standen erklärt.  Es  geschieht  jedoch  die  Dickenabnahme  ganz  allmählig 
und  erst  nach  dem  Eintritt  in  die  Schädelbasis,  so  dass  darin  die  plötz- 
liche und  anfangs  einen  rechten  Winkel  betragende  Knickung  am  Ueber- 
gang  der  Wirbelkörpersäule  in  die  Schädelbasis  ihre  Erklärung  nicht 
finden  kann.  Man  betrachte  nur  einen  Medianschnitt  der  Chorda  an 
dieser  Stelle  und  man  wird  so  gut  wie  gar  keinen  Unterschied  der  Dicke 
wahrnehmen;  besonders  deutlich  ist  dies  an  schon  etwas  älteren  Hühner- 
embryonen zu  demonstriren,  bei  welchen  die  überhaupt  sehr  dicke  Chorda 
noch  in  ihrer  vollen  Stärke  in  die  Schädelbasis  eindringt.  Zur  Erklärung 
einer  so  starken  winkligen  Umbeugung  müsste  doch  gerade  an  dieser 
Stelle  die  Chorda  ganz  plötzlich  sich  verdünnen,  da  dies  jedoch  nicht  ge- 
schieht ,  so  kann  die  Nackenbeuge  nur  durch  einen  verschiedenen  Grad 
des  Längenwachsthums  erklärt  werden.  Es  besitzt  eben  das  Schädel- 
dach anfangs  ein  rascheres  Längenwachsthum  als  die  dorsale  Wand  der 
Wirbelsäule. 

In  Betreff  der  Kopfbeuge  (Gesichtskopfbeuge)  stellte  Rathke  x)  den 
nach  meinen  Erfahrungen  unrichtigen  Satz  auf,  dass  bei  Fischen  und 
Batrachiern  dieselbe  niemals  vorkomme.  Später  jedoch2)  änderte  er  diesen 
Ausspruch  dahin  ab,  dass  die  Kopfbeuge  ursprünglich  wohl  bei  allen  Wirbel- 
thieren  vorhanden ,  am  geringsten  jedoch  bei  Fischen  ,  am  grössten  bei 
Säugern  sei;  bei  der  Natter  soll  der  Kopfbeugewinkel  der  Schädelbasis 
ungefähr  einen  rechten  Winkel  betragen  (a.  a.  0.  S.  11,  190  u.  130). 
Ausser  dem  in  verschiedenem  Längenwachsthum  liegenden  Grunde  findet 
Rathke  noch  eine  zweite  Ursache  der  Kopf  beuge  in  der  ursprünglichen 
Dünnheit  der  Basis  des  Spheno-Ethmoidaltheils  des  Schädels,  so  dass  sie 
dem  Druck  des  Gehirns  in  dieser  Richtung  nachgeben  müsse  3).  Auch 
dieser  Lehre  kann  ich  mich  nicht  anschliessen ,  da,  wie  ich  oben  ausein- 
andersetzte ,    die    Kopfbeuge    nicht    eine    nachträgliche   Krümmung    eines 


1)  Entwickig.  d.  Natter.     S.  34. 

2)  Entwicklgsgesch.  d.  Wirbelthiere.    Leipzig  1861. 

3)  A.  a.  0.  S.  3. 


58 

schon  vorher  vorhandenen  Theiles  ist,  sondern  gleichzeitig  mit  dem  Her- 
vorwachsen des  vorderen  Schädelahschnitts  sich  macht  und  auch  einen 
ganz  anderen  Grund  hat. 

Am  meisten  beschäftigte  sich  mit  der  Kopfbeuge  bekanntlich  Reichert 
und  gründet *)  darauf  einen  verschiedenen  Entwicklungsplan  des  Kopfes 
der  Wirbelthiere,  indem  er  folgende  zwei  Sätze  aufstellt:  „1)  Niedere 
Wirbelthiere,  keine  Kopfbeuge,  das  Gesicht  dem  ersten  Schädelwirbel  vor- 
gelagert;  2)  Höhere  Thiere  ,  Kopfbeuge,  der  erste  Kopfwirbel  wird  in 
den  Bereich  des  Antlitzes  hineingezogen."  Es  soll  diese  Beuge  in  innigster 
Beziehung  zur  Gesichtsbildung  der  höheren  Wirbelthiere  stehen,  weshalb 
Reichert  sie  „Gesichtskopfbeuge"  genannt  hat  und  den  dadurch  an  der 
Basis  entstehenden  Winkel  „Gesichtskopfwinkel."  Den  Grund  der  Kopf- 
beuge sucht  er  in  den  Grosshirnhemisphären,  welche  das  Zwischenhirn 
hinabdrücken  2).  Je  höher  nun  ein  Individuum  in  der  höheren  Wirbel- 
thierreihe  stehe  ,  um  so  stärker  sei  die  Kopfbeuge  ,  um  so  kleiner  ihr 
Winkel ;  bei  Schlangen  sei  er  daher  sehr  stumpf ,  bei  dem  menschlichen 
Embryo  dagegen  spitz.  Auch  in  seiner  neueren  Schrift  über  den  Bau  des 
Gehirns  hält  Reichert  diese  Lehre  noch  aufrecht  und  wiederholt  (S.  14), 
dass  er  bei  nackten  Amphibien  und  Fischen  die  Kopfbeuge  nicht  gesehen, 
fügt  jedoch  in  einer  Anmerkung  hinzu,  dass  ihm  neuerdings  einige  Aus- 
nahmen von  dieser  Regel  bekannt  geworden  seien. 

Dass  ich  mich  an  der  Hand  zahlreicher  eigener  Erfahrungen  dieser 
Lehre  nicht  anschliessen  kann,  ergiebt  sich  schon  aus  der  Reichert'- 
schen  Darstellung  der  Entstehung  der  Kopf  beuge.  Reichert  bestreitet 
nämlich  mit  Unrecht  (s.  oben)  die  Verlängerung  des  Schädels  über  die 
Chorda  hinaus3),  diese  verkümmere  vielmehr  rückwärts;  es  soll  die  Chorda 
zuerst  im  Gebiete  des  ersten  Schädelwirbels  ihre  Lage  haben  und  durch 
Verkümmerung  mit  ihrem  Ende  auf  das  Gebiet  des  zweiten  Kopfwirbels 
sich  zurückziehen.  Wie  schon  Remak  nachgewiesen  hat,  kann  jedoch 
um  diese  Zeit  von  einer  Unterscheidung  im  Schädelwirbel  durchaus  nicht 
die  Rede  sein ,  niemals  zeigen  die  Urwirbelplatten  des  Kopfs  eine  Spur 
irgend  einer  Abgliederung.  Der  erste  Kopfwirbel  soll  es  sein  ,  der  sich 
nachträglich  dem  Gesichte  entgegen  beuge.  Wollte  man  auch  eine  Unter- 
scheidung im  Wirbel  zugeben,  so  könnte  doch,  wie  ich  oben  zeigte,  von 
einem  ersten  oder  vordersten  Schädelwirbel,  also  von  einem  Spheno-Eth- 
moidaltheil  des  Schädels ,  um  diese  Zeit  noch  nicht  die  Rede  sein ,  da 
diese  Gegend  erst  nachträglich  mit  der  Verlängerung  der  ersten  Schädel- 
zclle  und  mit  dem  Erscheinen  der  Grosshirnhemisphären  hervorwächst. 
Die  Reichert'sche  Lehre,  dass  ein  bereits  vorhandener  und  von  der 
Chorda  durchzogener  Schädeltheil    nachträglich    die  Chorda   verliere   und 


1)  Entwicklgsgesch.  d.  Kopfes  etc.  1838.    S.  156. 

2)  Bau  d.  Gehirns.    S.  13. 

3)  Entwicklgsleben.  S.  122  u.  an  anderen  Stellen  seiner  verschied.  Werke. 


59 

dann  sich  umbeuge ,  ist  entschieden  unrichtig.  Bei  allen  Wirbelthierefl, 
auch  den  niedersten,  ist  das  primitive  Schädelrohr  ursprünglich  gleich  be- 
schaffen und  von  einer  und  derselben  Bedeutung.  Es  ist  der  Spheno- 
Occipitaltheil  des  Schädels ,  dessen  Chorda  bis  zu  seinem  vordem  Ende 
reicht  und  auch  dort  bleibt,  und  dessen  Basis  niemals  sich  winklig  krümmt. 
Auf  dieser  Stufe  bleibt  der  Schädel  von  Amphioxus  stehen.  Erst  in 
zweiter  Linie,  und  zwar  bei  allen  übrigen  Wirbelthieren  bildet  sich  der 
Spheno-Ethmoidaltheil  des  Schädels  und  damit  erst  die  Gegend  des  spätem 
sogenannten  ersten  Schädelwirbels  hervor,  die  niemals  eine  Chorda  besass 
und  schon  von  Anfang  an  ein  Wachsthum  einschlägt,  dessen  Richtung  mit 
der  des  ursprünglichen  Schädels  einen  Winkel  erzeugt.  An  der  Schädel- 
basis liegt  dieser  Winkel  genau  an  der  Grenze  der  Basis  des  primitiven 
Schädels  (Spheno-Oceipitaltheil)  und  des  neu  hinzugekommenen  Schädel- 
abschnittes (Spheno-Ethmoidaltheil)  und  ist  nicht  blos  bei  allen  höheren, 
sondern  auch  bei  allen  mir  bekannten  Embryonen  der  niederen  Wirbel- 
thiere  ein  spitzer.  Wie  ich  oben  S.  36  zeigte,  entspricht  diese  Gegend 
der  Mitte  der  Länge  des  spätem  hinteren  Keilbeinkörpers.  Ich  kann 
somit  eine  von  Reichert  hervorgehobene  Verschiedenheit  des  Entwick- 
lungsplanes des  Wirbeltkierkopfes  nicht  bestätigen  und  ebensowenig  der 
Ansicht  mich  anschliessen  ,  dass  schon  in  früher  Zeit  der  Entwicklung 
der  Kopfbeugewinkel  des  Menschen  kleiner  als  bei  anderen  Thieren  sei. 
Endlich  vermeide  ich  die  Bezeichnung  „Gesichtskopfbeuge",  weil  ich  die 
Entstehung  der  Kopfbeuge  nicht  durch  die  Gesichtsbildung  veranlasst 
finde.  Ich  halte  sie  vielmehr  für  die  Gesichtsbildung  hinderlich ,  so  dass 
sie  sich,  um  Platz  für  das  Gesicht  zu  schaffen,  wieder  zurück  bilden  muss 
und  dies  um  so  mehr,  je  grösser  das  Gesicht  im  Verhältniss  zum  Kopfe 
wird.  Beim  Menschen  wird  sie  daher  am  wenigsten  zurückgehen,  bei  niederen 
Thieren  am  meisten,  so  dass  schliesslich  eine  gerade  oder  selbst  abwärts 
convexe  Gesammtbasis  des  Schädels  resultirt.  Näheres  über  diesen  Punkt 
später.  Zur  Vermeidung  von  Missverständnissen  wiederhole  ich  hier  noch 
einmal,  dass  ich,  wenn  ich  auch  bei  niederen  Thieren  von  einer  Kopfbeuge 
spreche,  nicht  die  auch  von  Reichert  (Bau  d.  Gehirns  S.  14)  erwähnte 
Krümmung  verstehe ,  welche  in  Folge  einer  halbkreisförmigen  den  Dotter 
umfassenden  Krümmung  des  ganzen  Embryo  entsteht ,  sondern  nur  die- 
jenige ,  welche  entsteht ,  wenn  das  vorderste  Ende  der  ursprünglichen 
Schädelbasis  an  Längenwachsthum  hinter  dem  vorderen  Ende  des  Schädel- 
daches zurückbleibt,  so  dass  letzteres  einen  Bogen  beschreibt,  dessen 
Centrum  im  vorderen  Ende  (Chordaknopf)  der  ursprünglichen 
Schädelbasis  liegt. 


60 


Hirnhautfortsätze  des  Schädels. 

Vor  dem  Eintritt  der  Kopfbeuge,  wenn  das  Schädelrohr  noch 
mit  dem  Chordaknopf  endigt ,  wird  seine  Höhle  völlig  von  dem 
Hirnrohr  ausgefüllt ,  welches  überall  der  Schädelwand  genau  an- 
liegt. Bald  aber  ändert  sich  dieses  Verhalten  ,  indem  das  rasch 
heranwachsende  Hirnrohr  bedeutend  an  Oberfläche  zunimmt  und 
eine  vermehrte  Blutzufuhr  verlangt ,  wozu  besondere  von  der 
Schädelwand  abgehende  blutreiche  Fortsätze  nötlüg  werden ,  die 
ich  Hirnhautfortsätze  nennen  will.  Es  sind  solide  Fortsetzungen 
und  keine  Faltungen  der  inneren  Lage  der  Schädelwand  und  be- 
stehen aus  gallertiger  Bindesubstanz  (embryonales  Bindegewebe) 
sowie  aus  zahlreichen  grösseren  und  kleineren  Blutgefässen.  Sie 
verwandeln  sich  später  in  die  mit  den  Adergeflechten  zusammen- 
hängenden Fortsetzungen  der  Pia  mater  ,  theils  in  die  bekannten 
den  Schädelraum  abscheidenden  Fortsätze  der  harten  Hirnhaut  1). 
Sie  sind  ,  ähnlich  wie  der  embryonale  Glaskörper ,  sehr  geeignet 
zum  Studium  der  Entwicklung  der  Blutgefässe  und  ich  gewann 
durch  sie  die  Ueberzeugung,  dass  auch  Zellen  mit  hohlen  Ausläufern 
unter  sich  und  mit  grösseren  Blutgefässstämmchen  in  offener  Ver- 
bindung stehen  und  sich  in  ein  Blut  führendes  Gefässnetz  um- 
wandeln können.  Sie  gehen  theils  vom  Schädeldach  ab  und  dienen 
vorzugsweise  zur  Aufnahme  venöser  Blutbahnen,  theils  sind  es  Fort- 
setzungen der  Schädelbasis ,  von  welchen  Einer  zur  Leitung  von 
Arterien  bestimmt  ist. 

a)  Hirnhautfortsätze  des  Schädeldaches. 

Was  zunächst  die  Schädeldachfortsätze  betrifft,  so  entwickeln  sich 
diese  an  den  flachen  Einsenkungen  des  Schädeldaches,  welche  die 
drei  primitiven  Schädelzellen  von  einander  abgrenzen.  Sie  dürfen 
ihrer  Entwicklung  nach  nicht  als  in  den  Schädelraum  wirklich 
hineinwachsende  Fortsätze  betrachtet  werden  ,  sondern  verdanken 
ihre  Entstehung  einem  nicht  mehr  genau  übereinstimmenden  Wachs- 
thum  des  Hirnrohres  und  des  Schädeldaches.  Es  nimmt  nämlich 
das  Hirnrohr    an    den    die    drei    Hirnblasen    scheidenden    anfangs 


1)  Die  Angabe,    dass  die  Pia  mater   überhaupt  genetisch  dem  Medullar- 
rohr  angehöre,  kann  ich  nicht  bestätigen,  aber  das  Gegentheil. 


61 

flachen  Einschnürungen  weniger  an  Umfang  zu ,  so  dass  die  letz- 
teren sich  allmählig  in  tiefere  Thäler  verwandeln,  wölbt  sich  da- 
gegen zwischen  diesen  stärker  hervor  und  gewinnt  dadurch  bedeutend 
an  Oberfläche  (Taf.  II ,  Fig.  9).  Ein  anderes  Wachsthum  zeigt 
das  Schädeldach ,  indem  die  den  Hirnzellengrenzen  anfangs  auch 
an  Tiefe  genau  entsprechenden  Einsenkungen  zwischen  den  Schädel- 
zellen an  Höhe  nicht  zunehmen,  sondern  sogar  mit  der  Zeit  sich 
mehr  und  mehr  abflachen ,  daher  das  Wachsthum  der  äussern 
Schädeldachfläche  viel  gleichmässiger  erscheint.  Es  vergrössert 
sich  daher  an  diesen  Stellen  der  Abstand  zwischen  der  äusseren 
Schädeloberfläche  und  dem  Grunde  der  an  Tiefe  zunehmenden 
Hirnzellengrenzen ,  wobei  das  sich  entfernende  Schädeldach  die 
blutreichen  Hirnhautfortsätze  zurücklässt,  welche  die  entstehenden 
Lücken  zu  jeder  Zeit  ausfüllen.  Niedrig  aber  breit  erscheinen 
zuerst  diese  Fortsätze,  wie  man  an  dem  Medianschnitt  des  Kopfes 
eines  6x/2  Mm.  langen  Rindsembryo  (Taf.  III,  Fig.  15,  b  e)  er- 
kennt ;  ausgebildeter  erblickt  man  sie  auf  Taf.  II,  Fig.  9  an  dem 
Medianschnitt  des  Kopfes  eines  76  Stunden  bebrüteten  Hühnchens 
sowie  auf  Taf.  VI,  Fig.  4  an  dem  Medianschnitt  des  Kopfes  eines 
1,9  Dem.  langen  menschlichen  Fötus. 

Entsprechend  den  Einschnürungen  zwischen  den  drei  primi- 
tiven Hirnblasen  unterscheidet  man  zuerst  nur  zwei  transversale 
Schädeldachfortsätze,  deren  an  der  seitlichen  Schädelwand  herab- 
laufende Enden  gegen  den  mittleren  Theil  der  Schädelbasis,  also 
gegen  den  mittleren  Schädelbalken  convergiren.  Sie  theilen  den 
Schädelraum  in  drei  hintereinander  liegende  Schädelzellen  oder 
Schädelkammern  zur  Aufnahme  der  drei  primitiven  Hirnblasen. 
Später,  mit  dem  Erscheinen  der  bekannten  Unterabtheilungen  des 
Hirnrohres,  vermehrt  sich  ihre  Zahl  auf  fünf ,  von  welchen  der 
vorderste  unpaarig  und  in  der  Medianlinie  des  Schädeldaches 
(Holzschnitt  VIII  und  IX,  a)  beginnt  (Anlage  der  grossen  Hirn- 
sichel) ,  alsbald  aber  in  zwei  lateralwärts  divergirende  Seitentheile 
(VIII  und  IX,  m)  zerfällt.  Auch  diese  neuen  Fortsätze  sind  keine 
von  der  Schädelwand  in  die  Schädelhöhle  wirklich  hineinwachsende 
Fortsätze,  sondern  entstehen  wie  die  früheren.  Hiermit  steigt  die 
Zahl  der  Schädelkammern  auf  sechs ,  die  wir  zum  bessern  Ver- 
ständniss  der  bisher  nicht  näher  bekannten  Entwicklung  des  Ten- 


62 


1& 


toriura  cerebelli    etwas   genauer  ansehen  wollen,   wobei  ich  neben- 
stehende etwas  schematisirte  Figuren  VIII  und  IX  zu  Hülfe  nehme, 

die  sich  auf  einen  medianen  und  einen 
horizontalen  Durchschnitt  des  Kopfes 
eines  menschlichen  Embryo  beziehen. 
Von  den  drei  primitiven  Schädelkam- 
mern liegt  die  vorderste  oder  erste  vor 
dem  mittleren  Schädelbalken  ,  welcher 
in  beiden  Hülfsfiguren  mit  g  bezeichnet 
ist.  Mit  dem  Erscheinen  der  Gross- 
hirnbläschen bildet  sich  in  der  oben  für 
alle  diese  Fortsätze  angegebenen  Weise 
ein  neuer  medianer  Schädeldachfortsatz 
(Anlage  der  grossen  Hirnsichel),  dessen 
vorderer  unpaariger  Abschnitt  (a)  von 
der  Medianlinie  des  Schädeldaches  und 
der  angrenzenden  Schädelbasis  abgeht. 
Nach  hinten  aber  zerfällt  derselbe  in 
zwei  lateralwärts  divergirende  und  zu- 
gleich schräg  sich  stellende  Seiten- 
hälften f  VIII  und  IX,  m) ,    die    sich  an 

Fig.  VIII  Medianschnitt  und  Fig.  IX  v  '       J  ' 

Horizontalschnitt  des  Kopfes  eines  die     seitliche     Schädelwand     anheften, 

menschlichen  Embryo.    Das    Gehirn  ' 

dt^d^HiÄuSsSt^ScMe-  schliesslich    medianwärts    zur    Schädel- 

denen  Schädelkammern.  h^     ^     umkrümmen    und    mit     dem 

vorderen  unpaarigen  Abschnitt  jederseits  eine  weite  kreisrunde 
Oeffnung  (h)  umfassen.  Die  beste  Vorstellung  von  der  Gestalt 
dieser  primitiven  Hirnsichel  gewinnt  man,  wenn  man  sich  dieselbe 
aus  zwei  halbmondförmigen  Seitenhälften  zusammengesetzt  denkt. 
Vorn ,  also  in  a ,  verschmelzen  beide  Halbmonde  mit  ihren  vor- 
dem Hörnern  zu  einem  unpaarigen  median  gestellten  Stück ,  ihre 
hintern  Hörner  dagegen  (m)  weichen  auseinander,  indem  sie  das 
um  diese  Zeit  verhältnissmässig  sehr  umfängliche  und  noch  an  das 
•Schädeldach  reichende  Zwischenhirn  zwischen  sich  fassen.  Diese 
hintern  Hörner ,  die  mit  ihren  Enden  an  die  Schädelbasis  sich 
heften  und  in  der  Gegend  der  späteren  Processus  clinoidei  anteriores 
des  vorderen  Keilbeins  endigen ,  tragen  jetzt  die  hintere  Partie 
der  Grosshirnblasen    und    betheiligen  sich  daher ,    wie    wir    sehen 


63 

werden,  an  der  Bildung  des  späteren  Kleinhirnzeltes.  Die  primitive 
erste  Schädelkammer  ist  nun  in  drei  neben  einander  liegende  Kam- 
mern zerfallen,  eine  mediane  (IX,  k)  zur  Aufnahme  der  Zwischen- 
hirnblase  und  in  zwei  Seitenkammern  (1)  zur  Aufnahme  der  Gross- 
hirnbläschen. Die  Communication  geschieht  jederseits  durch  eine 
grosse  annähernd  vertikal  gestellte  Oeffnung  (VIII  und  IX,  h),  welche 
das  um  diese  Zeit  verhältnissmässig  noch  sehr  weite  primitive  Foramen 
Monroi  umfasst. 

Betrachten  wir  nun  die  mittlere,  die  Vierhügelblase  enthaltende 
Schädelkammer,  so  nimmt  diese  für  jetzt  die  spätere  Scheitelgegend 
des  Kopfes  ein,  liegt  über  dem  mittleren  Schädelbalken  (g),  dessen 
oberer  verdickter  freier  Rand  den  Boden  darstellt  und  sich  jeder- 
seits mit  den  unteren  Enden  der  diese  Kammer  begrenzenden 
Schädeldachfortsätze  verbindet  (VIII,  b  u.  c).  In  der  Hülfsfigur 
IX  ist  diese  Kammer  nicht  sichtbar,  da  der  Horizontalschnitt  den 
mittleren  Schädelbalken  trifft ,  und  hinter  demselben  bereits  die 
dritte  primitive  Schädelkammer  (i)  erscheint.  Die  letztere  wird 
jetzt  durch  einen  Schädeldachfortsatz  (VIII ,  d),  welcher  die  Bil- 
dung der  Adergeflechte  und  des  hinteren  Gefässhautvorhanges  ein- 
leitet ,  in  zwei  Abtheilungen  geschieden ,  eine  obere  (c  d)  für  das 
Hinterhirn  (Kleinhirngegend)  und  eine  untere  (d  f)  für  das  Nach- 
hirn (verl.  Mark).  Aus  dem  die  Vierhügelblase  von  dem  Klein- 
hirn trennenden  Schädeldachfortsatz  (c)  entwickelt  sich  in  Ver- 
bindung mit  den  nach  hinten  sich  ausdehnenden  hinteren  Hörnern 
der  grossen  Hirnsichel  das   spätere  Tentorium  cerebelli. 

Bevor  ich  zu  den  späteren  Veränderungen  der  Schädeldach- 
fortsätze übergehe  ,  muss  ich  zur  Vermeidung  von  Missverständ- 
nissen noch  einmal  hervorheben,  dass  diese  Fortsätze  die  Uranlage 
nicht  blos  der  Fortsätze  der  harten  ,  sondern  auch  der  weichen 
Hirnhaut  darstellen.  Wenn  ich  daher  oben  bemerkte ,  dass  der 
vordere  halbmondförmige  und  hinten  in  zwei  Schenkel  auseinander 
weichende  Fortsatz  die  Anlage  der  grossen  Hirnsichel  bilde,  so 
will  ich  damit  nicht  gesagt  haben,  dass  diese  Anlage  in  ihrer  jetzigen 
gesammten  Ausdehnung  bis  zum  Foram.  Monroi  herab  sich  in  die 
Hirnsichel  verwandele.  Ich  meine  damit  nur,  dass  in  ihr  die  Hirn- 
sichel entstehe,  zugleich  aber  auch  die  zwischen  die  Abtheilungen  des 
Grosshirns  eindringenden  Fortsätze  der  Gefässhaut.    Ich  beschreibe 


64 

nun  die  späteren  Veränderungen  der  Schädeldachfortsätze  und  das 
spätere  Verhalten  der  primitiven  drei  Schädelkamrnern  und  ihrer 
Unterabtheilungen  und  beziehe  mich  dabei  wieder  hauptsächlich 
auf  meine  am  Menschen  und  an  Säugethieren  gemachten  Er- 
fahrungen. 

Von  den  drei  primitiven  Schädelkammern  ist  es  nur  die  dritte 
oder  hintere ,  welche  sich  vollständig  erhält ;  ihr  Boden  ist  die 
spätere  hintere  Schädelgrube. 

Die  zweite  primitive  Schädelkammer,  welche  über  dem  freien 
Rand  des  mittleren  Schädelbalkens  einige  Zeit  hindurch  den 
höchsten  Theil  der  primitiven  Schädelhöhle  darstellt,  giebt  in  Folge 
der  Vergrösserung  der  Grosshirnblasen  und  der  Verkümmerung 
des  mittleren  Schädelbalkens  ihre  Selbständigkeit  auf,  so  dass 
später  nicht  mehr  die  Rede  von  ihr  ist  und  ihre  frühere  Existenz 
nur  durch  die  Vierhügelgegend  des  fertigen  Gehirns  oberhalb  des 
freien  Randes  der  Sattellehne  angedeutet  wird. 

Die  vordere    primitive  Schädelkammer    erhält  sich  zwar  nicht 
vollständig,  geht  aber  auch  nicht  ganz  auf,   ihr  Boden  wenigstens 
verbleibt  als  Sattelgrube ,    welche    nachträglich    durch  das  Herein- 
wachsen der  Urwirbelplatten  und  durch  die  Entstehung  des  Oper- 
culum  von    der    übrigen  Schädelhöhle    abgeschieden  und  genetisch 
nicht  mit  den  erst  später  entstehenden  Seitenhälften  der    mittleren 
Schädelgrube  zusammengefasst    werden  darf.     Ursprünglich  bildet 
diese  spätere  Sattelgrubengegend    das   vorderste    und    auch  in  der 
Breitedimension  einzige  Ende  des  primitiven  Schädels;  das  Gebiet 
der    spätem    vorderen    Schädelgrube    sowie    der    beiden    mittleren 
Schädelgruben    ist   noch    nicht  hervorgetreten.     Die  weiteren  Ver- 
änderungen der  vorderen  primitiven  Schädelkammer  werden  sofort 
verständlich ,    wenn    man  die  ähnlichen  Veränderungen  der  primi- 
tiven   vordem     Hirnzelle    im    Auge    behält,    wobei    ich    das     be- 
kannte   Werk    über    den    Bau    und    die  Entwicklung  des  Gehirns 
von  Reichert  als    dasjenige  hervorhebe,   welches  mir  zuerst  ein 
wahres  Verständniss  der  so  schwierigen  Hirnentwicklung  beibrachte. 
Die  Grosshirnbläschen  sind  Hohlknospen  des  vordem  und  lateralen 
Abschnittes  der  ersten  Hirnzelle.    Die  zur  gemeinschaftlichen  Auf- 
nahme dieser  drei  Hirnabtheilungen  sich  gleichmässig  ausdehnende 
Wand  der  ersten  Schädelkammer  hinterlässt,  indem  sie  sich  durch 


65 

Wachsthum  erhebt ,  den  oben  beschriebenen  halbmondförmigen 
und  nach  hinten  in  zwei  Seitenhälften  auseinander  weichenden 
Fortsatz,  der  sich  an  der  Bildung  der  grossen  Hirnsichel  und  mit 
seinen  lateralwärts  divergirenden  hintern  Hörnern  später  an  der 
Bildung  des  Tentorium  cerebelli  betheiligt.  Entfernt  man  die  vor- 
dere Hirnzelle  (jetzt  Zwischenhirn)  mit  den  beiden  daran  hängenden 
Hemisphärenbläschen ,  so  bleiben  im  vordem  Schädelende  drei 
Fächer  zurück ,  deren  mittleres  der  primitiven  ersten  Schädel- 
kammer entspricht,  die  aber  jetzt  namentlich  auch  in  der  Richtung 
nach  vorn  zur  Aufnahme  der  grösser  gewordenen  Zwischenhirn- 
blase  sich  erweitert  hat.  Ihr  ursprüngliches  Gebiet  wird  durch 
die  Gegend  der  Sattelgrabe  markirt.  Was  die  beiden  die  Gross- 
hirnbläschen enthaltenden  Seitenfächer  betrifft,  so  überragen  diese 
den  vorderen  Abschnitt  des  medianen  Faches  einmal  nach  vorn 
und  nach  oben  (Holzschnitt  IX,  a),  wobei  sich  zwischen  ihnen  der 
vordere  unpaarige  mediane  Abschnitt  der  Hirnsichelanlage  bildet 
(VIII  und  IX,  a).  Sie  überragen  aber  auch  den  lateralen  Um- 
fang der  hintern  Hälfte  der  primitiven  Schädelkammer  (IX,  k)  in 
der  Richtung  nach  hinten  (1)  und  bilden  damit  die  Anlage  der 
beiden  Seitenhälften  der  spätem  mittleren  Schädelgrube,  welche 
daher  erst  nachträglich  zu  beiden  Seiten  der  spätem  Sattelgrube 
in  Folge  der  Entwicklung  der  Grosshirnhemisphären  entstehen. 
Betrachten  wir  z.  B.  die  fertige  Schädelhöhle  mit  Belassung  der 
harten  Hirnhaut  oder  die  auf  Taf.  VI,  Fig.  1  dargestellte  Schädel- 
basis eines  6,2  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus,  so  zeigt  die  Sattel- 
grubengegend auf  jeder  Seite  eine  durch  die  harte  Hirnhaut  ge- 
bildete Seitenwand,  welche  sich  zur  Bildung  des  Sinus  cavernosus 
sowie  zur  Umhüllung  der  Carotis  interna,  einer  Anzahl  von  Nerven 
und  des  Ganglion  Gasseri  entfaltet ,  vorn  sich  an  die  Procc.  clin. 
anteriores  und  den  Limbus  sphenoidalis  anheftet ,  rückwärts  da- 
gegen in  das  Tentorium  sich  fortsetzt,  dessen  Incisura  begrenzend. 
Diese  Seitenwand  ist  so  wenig  als  die  übrigen  Hirnhautfortsätze 
eine  nachträgliche  in  die  Schädelhöhle  wachsende  Erhebung,  son- 
dern ein  Rest  der  ursprünglichen  Seitenwand  des  primitiven  häuti- 
gen Schädelrohres  selbst,  ein  Rest,  den  sie  in  Gestalt  eines  Fort- 
satzes zurückliess ,  als  sie  durch  die  heranwachsenden  Gehirn- 
bläschen  aus  dieser  Gegend   verdrängt  und  lateralwärts  umgelegt 

Dursy ,  Entwicklgsgesch.  5 


66 

oder  hinausgebeugt  wurde.  Daraus  erklärt  sich  auch  die  ursprüng- 
liche oberflächliche  Lage  mancher  Gebilde  an  der  Seitenwand  des 
Schädels  jüngerer  Embryonen,  die  später  der  Schädelbasis  ange- 
hörend, sich  scheinbar  dorthin  zurückgezogen  haben.  Nehmen  wir 
z.  B.  das  Ganglion  Gasseri  mit  seinem  in  der  äussern  Wand  des 
Sinus  cavernosus  verlaufenden  Ramus  ophthalmicus  ,  so  liegt  das 
Ganglion  bei  jungen  Embryonen  des  Menschen  und  der  höheren 
Wirbelthiere  (Taf.  I,  Fig.  19,  g)  so  oberflächlich  an  der  Seiten- 
wand des  Schädels  ,  dass  dadurch  ein  die  freie  Körperoberfläche 
überragender  Hügel  erzeugt  wird,  der  seine  Stelle  dicht  hinter  der 
Wurzel  des  ersten  Schlundbogens  und  dicht  vor  der  Wurzel  des 
an  frischen  Embryonen  deutlich  hindurchschimmernden  mittleren 
Schädelbalkens  (f),  also  lateralwärts  von  der  Gegend  der  spätem 
Sattelgrube  einnimmt.  Von  diesem  Hügel  geht,  wie  an  dieser 
Figur  der  ersten  Tafel  zu  ersehen  ist,  ein  weisser  Streif  oder  viel- 
mehr eine  erhabene  Leiste  ab  (gemeinschaftliche  Anlage  der  spä- 
tem drei  Aeste  des  Trigeminus),  welche  entlang  dem  obern  Rand 
des  Oberkieferwulstes  schräg  auf-  und  vorwärts  zum  hintern  Um- 
fang des  ebenfalls  noch  frei  hervorstehenden  Augapfels  gelangt 
(Anlage  des  Ramus  ophthalmicus  des  Trigeminus).  Ferner  lehrt 
unsere  Figur ,  dass  dieser  Strang  lateralwärts  vom  Grunde  der 
Zwischenhirnblase  (b) ,  also  des  früheren  vorderen  Schädelendes, 
verläuft.  Da  nun  diese  vor  dem  mittleren  Schädelbalken  liegende 
Gegend  die  spätere  Sattelgrube  bedeutet,  so  weiss  ich  damit,  dass 
der  genannte  Nerv  in  deren  Seitenwand  verläuft,  welche  somit  für 
jetzt  noch  der  freien  Oberfläche  der  seitlichen  Schädelwand  an- 
gehört. Vor  dieser  Gegend  zeigt  unsere  Figur  das  rechte  Gross- 
hirnbläschen (a).  Wächst  nun  dieses  Bläschen  nach  oben  und- 
hinten  über  den  Augapfel  hinweg  in  der  Richtung  gegen  den  mitt- 
leren Schädelbalken,  so  muss  sich  der  Schädel  durch  Wachsthum 
ausdehnen.  Würde  er  sich  gleichmässig  ausdehnen ,  d.  h.  die 
Schädelbasis  und  die  gegenüber  liegende  Scheitelgegend  gleich- 
mässig an  Breite ,  die  Seitenwände  an  Höhe  gewinnen ,  so  wäre 
damit  allerdings  auf  die  einfachste  Weise  ein  vergrösserter  Schädel- 
raum geschaffen.  Alsdann  müssten  aber  auch  die  an  der  ursprüng- 
lichen Schädelseitenwand  sichtbaren  Bildungen,  wie  z.  B.  das  Laby- 
rinthbläschen, das  Ganglion  Gasseri,  der  Ramus  ophthalmicus  des 


67 

Trigeminus,  die  übrigen  Kopfnervenganglien,  das  Ganglion  ciliare, 
der  Augapfel    in    seinem    ganzen    Umfang  u.  s.  w.   noch    sichtbar 
bleiben.    Aber  das  Wachsthum  des  Schädeldaches  und  der  Schädel- 
basis,   wie    ich    schon  hervorgehoben  habe,  ist  ein  verschiedenes. 
Die    ursprüngliche    nur    aus   der   Anlage    der  Schädelwirbelkörper 
bestehende    Schädelbasis    bleibt   nicht   blos    im    Längenwachsthum, 
sondern  auch  im  Breitenwach sthum  gegen  das  Schädeldach  weiter 
zurück  ,    so  dass  letzteres ,    welches    dem  Grosshirn  viel  fügsamer 
sich  zeigt,  alsbald  die  Peripherie  der  Basis  ringsum  überragt,  sich 
darüber  hinausbeugt.     So  geschieht  es  denn,  dass  der  an  die  Basis 
anstossende    anfangs    vertikal  gestellte  Umfang  des  Schädeldaches 
allmählig  eine  horizontale  Lage  annimmt  und  zur  Erweiterung  der 
Basis  beiträgt.     So  gehörte,    wie  ich  Aehnliches    von    der  Lamina 
perpendicularis    des  Siebbeins  und  den  Partes  orbitales  des  Stirn- 
beins   schon    oben    mittheilte ,     der    Boden    der    beiden    mittleren 
Schädelgruben  ursprünglich    der  Seitenwand    des  Schädels  an  und 
änderte  allmählig  zur  Erweiterung  der  Schädelbasis   seine  Wachs- 
thumsrichtung  ab.     E^s    erhält    sich    aber    hier  noch  ein  Theil  der 
ursprünglichen    vertikalen    Seitenwand ,    welche    an   jüngeren  Em- 
bryonen das  Ganglion  Gasseri  und  den  Nervus  ophthalmicus  zeigte, 
als  Seitenwand  der  späteren  Sattelgrubengegend  und  erscheint  dann 
als  eine  Erhebung  der  harten  Hirnhaut  der  Schädelbasis.     So  er- 
klärt  sich    der   scheinbare  Rückzug    vieler  Bildungen  von  der  ur- 
sprünglichen Seitenwand    des  Schädels    zur  späteren  Basis,    oder, 
wie  beim  Auge    und    dem  Geruchsorgan ,    unter  die  Schädelbasis. 
Man  wird  dann ,  wie  wir  später  sehen  werden ,    nicht  mehr  sagen 
können  ,    die  anfangs  flachen  Riechgruben  vertiefen    sich  von  der 
Stirnwand  aus  rückwärts    gegen    das  Keilbein,    da  sich  die  Sache 
gerade  umgekehrt  verhält. 

Nachdem  ich  die  Veränderungen  der  ursprünglichen  drei 
Schädelkammern  aus  einander  gesetzt  und  ihre  Beziehungen  zu  dem 
fertigen  Schädel  beleuchtet  habe,  bespreche  ich  jetzt  die  Verände- 
rungen der  Schädeldachfortsätze ,  soweit  sie  sich  auf  die  Bildung 
des  späteren  Tentoriums  und  der  grossen  Hirnsichel  beziehen.  Das 
Tentorium  des  fertigen  Schädels  ist  nicht  blos  ein  das  Kleinhirn 
überragendes  Zelt,  sondern  auch  eine  stützende  Unterlage  der 
Grosshirnhemisphären,  hat  daher  eine  doppelte  Bedeutung.     Diese 


68 


\m 


Unterscheidung  kann  ich  aber,  wie  schon  oben  angedeutet  wurde, 
auch  durch  die  Entwicklungsgeschichte  begründen ,  da  sich  das 
Tentorium  an  zwei  ganz  verschiedenen  Stellen  des  Schädels  ent- 
wickelt und  zwar  vorn  als  Sustentaculum  cerebri,  hinten  als  Ten- 
torium cerebelli;  dazwischen  liegt  die  mittlere  primitive  Schädel- 
kammer mit  der  Vierhügelblase.  Erst  allmählig  nähert  sich  die 
vordere  Anlage  der  hinteren ;  beide  entstehen  unabhängig  von 
einander  und  zwar  die  hintere  früher  als  die  vordere.  Die  hintere 
oder  das  primitive  Kleinhirnzelt,  wie  ich  sie  nennen  will,  ist  der 
schon  oben  beschriebene  Schädeldachfortsatz  an  der  Grenze  der 
mittleren  und  hinteren  Hirnblase  und  läuft  mit  seinen  beiden  Enden 
gegen  den  lateralen  Umfang  des   mittleren  Schädelbalkens  aus. 

Die  vordere  Anlage  des  späteren  Tentorium,  die  ich  Sustenta- 
culum cerebri  nenne,  entwickelt  sich  aus  dem  Schädeldach  mit 
dem  Erscheinen  der  Grosshirnbläschen  und  besteht  aus  zwei  sichel- 
förmigen Seitenhälften  (Holzschn.  VIII  und  IX,  m),  die  ich  oben 

als  die  hintern  lateralwärts  divergiren- 
den  Hörner  der  Hirnsichelanlage  be- 
schrieben habe.  Denkt  man  sich  die 
Grosshirnbläschen  als  seitliche  Hohl- 
knospen der  vordem  Hirnblase,  welche 
vorn  über  die  Zwischenhirnblase  hinaus- 
wachsen und  daselbst  einander  nahe 
liegen,  hinten  aber  divergiren ,  so  dass 
die  Zwischenhirnblase  wieder  auftaucht, 
so  muss  der  sie  trennende  Schädel- 
dachfortsatz vorn  einfach  und  median 
gestellt  (VIII  und  IX,  a),  hinten  dagegen 
doppelt  sein  (m).  Diese  getrennten 
Abschnitte  will  ich  die  hinteren  Hörner 
der  Hirnsichelanlage  nennen,  sie  tragen 
den  hintern  und  untern  Umfang  der 
Grosshirnbläschen ,  bilden  also  deren 
sichelförmige  Sustentacula.  Mit  dem 
convexen  Rande  ist  ein  Sustentaculum 
an  die  Seitenwand  des  Schädels  geheftet 
und  mit  sich  zuspitzendem  Ende    befestigt  es  sich  in  der  Gegend 


I& 


69 

der  spätem  Processus  clinoidei  anteriores  des  Keilbeins ,  daher 
auch  am  späteren  Tentoriura  die  Schenkel  seiner  Incisura  mit  ihrer 
Hauptmasse  nicht  von  den  hintern,  sondern  von  den  vordem  der 
genannten  Keilbeinfortsätze  abgehen.  Mit  der  Verlängerung  der 
Grosshirnbläschen  nach  hinten  wandert  und  vergrössert  sich  auch 
deren  Sustentaculum ,  indem  der  an  die  Seitenwand  des  Schädels 
befestigte  Rand  mehr  und  mehr  nach  hinten  rückt.  Die  Grenze 
zwischen  Vierhügelblase  und  Zwischenhirn  hat  derselbe  bald 
erreicht  (VIII,  b)  und  es  verschmilzt  dann  das  Sustentaculum  mit 
dem  hier  befindlichen  transversalen  Schädeldachfortsatz  zu  Einer 
Platte.  Die  nach  oben  und  hinten  wachsenden  Grosshirnhemi- 
sphären schieben  sich  nun  über  und  neben  den  Vierhügeln  hinweg, 
heben  dabei  das  Schädeldach  auf  und  drängen  die  Anheftungsstelle 
des  Sustentaculum  nach  hinten,  bis  schliesslich  die  Grenze  zwischen 
der  hinteren  und  der  frühern  mittleren  Schädelkammer  erreicht 
ist  (c).  Sofort  verschmilzt  nun  auch  hier  das  Sustentaculum  mit 
dem  hier  befindlichen  transversalen  Schädeldachfortsatz  oder  dem 
primitiven  Tentorium  zu  Einer  Platte,  dem  spätem  Tentorium.  Die 
zwischen  den  Grosshirnblasen  liegende  anfangs  niedrige  und  kurze 
Hirnsichel  nimmt  mit  dem  Wachsthum  derselben  an  Höhe  und 
Länge  zu  und  ihre  hinteren  divcrgirenden  Hörner  (Sustentacula 
cerebri)  finden  sich  jetzt  in  den  Seitenhälften  des  secundären  Ten- 
torium. Durch  diese  Darlegung  der  Entwicklung  wird  es  be- 
greiflich ,  warum  die  Schenkel  der  spätem  Incisura  tentorii  mit 
ihrer  Hauptmasse  von  den  Processus  clinoidei  anteriores  des  Keil- 
beins abgehen  (Taf.  VI,  Fig.  I)  und  nur  zum  geringem  Theil  von 
den  Procc.  clin.  posteriores  der  Sattellehne  (h).  Es  bedeutet  über- 
haupt diese  von  den  Schenkeln  der  Incisura  tent.  begrenzte  und 
vorn  durch  den  Limbus  sphenoidalis  des  Keilbeins  abgeschlossene 
Gegend  das  Gebiet  des  primitiven  häutigen  Schädels,  also  der  drei 
primitiven  Schädelkammern.  Ferner  zeigt  auch  diese  einen  6,2  Ctm. 
langen  menschlichen  Fötus  betreffende  Figur  die  Schnittränder  (k) 
der  hintern  Hörner  der  Hirnsichel  an  ihrem  Uebergang  auf  das 
Tentorium.  Der  dazwischen  liegende  dreieckige  Raum,  dessen 
Boden  durch  das  ursprüngliche  Tentorium  dargestellt  wird,  ist  ver- 
hältnissmässig  noch  sehr  gross  und  zieht  sich  später  zur  Bildung 
des  Sinus  tentorii  zusammen ;  auch  ist  um  diese  Zeit  diese  hintere 


70 

Partie  des  Tentorium  im  sagittalen  Durchmesser  noch  sehr  schmal 
und  am  freien  Rande  auffallend  herzförmig  ausgebuchtet.  Sehr 
hoch,  wenn  auch  sehr  verdünnt ,  ist  noch  um  diese  Zeit  der  mitt- 
lere die  Arteria  basilaris  tragende  Schädelbalken  (b),  welcher  die 
vor  ihm  liegende  Türkensattelgegend  (primitive  vordere  Schädel- 
kammer) von  der  hinteren  Schädelkammer  trennt  und  zur  Com- 
munication  eine  verhältnissmässig  niedrige  herzförmige,  in  der  Ab- 
bildung schwarz  gehaltene  Oeffnung  (i)  zurücklässt.  Ich  kann 
daher  der  Ansicht  von  Tie  de  man  n  undKölliker,  welche  den 
mittleren  Schädelbalken  für  die  Anlage  des  Tentorium  cerebelli 
halten,  nicht  beitreten. 

Rathke1)  beschreibt  bei  Eidechsen,  Vögeln  und  Säugethieren  die 
vom  Schädeldach  abgehenden  und  die  Hirnzellen  trennenden  Fortsätze 
als  ein  Netzwerk  von  Venen ,  von  welchen  einer  zwischen  der  vordem 
und  mittlem  Hirnblase,  ein  zweiter  zwischen  der  mittleren  und  hintern 
und  ein  dritter  zwischen  der  hintern  Hirnblase  und  dem  Rückenmark 
liege.  Was  den  letzten  Fortsatz  betrifft,  der  von  hinten  her  zwischen 
das  Gehirn  und  Rückenmark  eindringen  soll ,  so  kann  ich  davon  weder 
bei  dem  Menschen,  noch  den  Säugern,  noch  bei  dem  Hühnchen  zu  irgend 
einer  Zeit  der  Entwicklung  eine  Spur  finden  und  Rathke  hat  damit 
wohl  nur  den  spätem  zwischen  Hinter-  und  Nachhirn  sich  bildenden 
Fortsatz  gemeint,  der  sich  auf  die  Bildung  der  Tela  chorioidea  inferior 
bezieht  (vergl.  meine  Tat'.  VI,   Fig.  4  f.). 

Reichert2)  machte  zwar  darauf  aufmerksam ,  dass  die  Hirnhaut- 
fortsätze des  Schädeldaches  ihre  Form  entsprechend  der  Veränderung 
der  äussern  Form  des  Gehirns  wechseln,  die  Bildungsweise  des  Tentorium 
jedoch  entging  ihm.  Es  beschreibt  nämlich  dieser  Forscher  die  Anlage 
der  grossen  Hirnsichel  einfach  als  einen  sagittalen  senkrecht  von  der 
Schädeldecke  zwischen  die  Grosshirnbläschen  hinab  wuchernden  Fortsatz, 
sagt  aber  nichts  über  das  ursprüngliche  Verhalten  des  zum  Verständniss 
der  Kleinhirnzeltbildung  wichtigen  hintern  Abschnittes,  der  nach  meinen 
Erfahrungen  niemals  frei  endigt ,  sondern  sich  spaltend  an  die  Schädel- 
seitenwand sich  heftet  und  schliesslich  in  die  Schädelbasis  ausläuft.  Nach 
Reichert  soll  nun  die  Hirnsichel  mit  den  Grosshirnblasen  nach  hinten 
wachsen ,  daselbst  mit  der  Anlage  des  Tentorium  verwachsen  und  hierauf 
noch  weiter  rück-  und  abwärts  zum  Processus  falciformis  minor  sich  ver- 
längern. Diese  Angabe  stützt  sich  offenbar  nicht  auf  directe  Beobachtung, 
sondern  ist  wohl  nur  dem  spätem  Verhalten  entsprechend  ausgedacht,  da 
eine  Verlängerung   der   Grosshirnsichel  abwärts    zur  Bildung  der  kleinen 


1)  Entwicklung  d.  Natter.    S.  176. 

2)  Bau  d.  Gehirns.    1861.    S.  30  u.  31. 


71 

doch  nur  geschehen  könnte,  wenn  jene  das  transversale  Tentorium  durch- 
bohren oder  durchschneiden  würde.  Ferner  geht  aus  dieser  gauzen  Dar- 
stellung hervor,  dass  Reichert  sich  das  hintere  Ende  der  grossen  Hirn- 
sichel ursprünglich  als  einen  freien  einfachen  Rand  einer  sichelförmigen 
medianen  Platte  vorstellt,  der  allmählig  nach  hinten  rücke  und  schliesslich 
mit  der  Mitte  des  Tentorium  sich  verbinde.  Auch  spricht  Reichert 
nur  von  zwei  Schädeldachfortsätzen,  nämlich  von  der  medianen  Anlage 
der  Grosshirnsichel  zwischen  den  Grosshirnbläschen ,  sowie  von  einem 
zwischen  Vierhügel  und  Kleinhirn  sich  einschiebenden  frontalen  Fortsatz, 
aus  welchem  er  das  spätere  Tentorium  ableitet. 

Auch  mit  der  von  Kölliker  gegebenen  Darstellung  bin  ich  nicht 
einverstanden.  Vor  Allem  ist  es  die  schon  von  Tiedemann  in  seiner 
Bildungsgeschichte  des  Gehirns  geäusserte  Meinung,  dass  der  mittlere 
Schädelbalken  die  Anlage  des  Tentorium  darstelle,  welche  Kölliker1) 
durchführen  will  und  die  ich  (s.  oben)  für  entschieden  unrichtig  halte, 
wie  später  bei  der  Besprechung  des  mittleren  Schadelbalkens  noch  weiter 
gezeigt  werden  soll.  Sehr  lehrreich  jedoch  ist  der  von  Kölliker  (S.  195) 
gegebene  Medianschnitt  eines  acht  Wochen  alten  menschlichen  Fötus  und 
da  ich  ganz  ähnliche  Durchschnitte  sowohl  an  menschlichen  als  auch  ver- 
schiedenen Säugethierembryonen  in  grosser  Anzahl  untersucht  habe ,  so 
will  ich  die  Kölliker 'sehe  Abbildung  etwas  näher  besprechen.  Sie  ent- 
spricht zwar  völlig  der  Natur,  jedoch  weicht  der  Schnitt  am  vordem  Ende 
von  der  Medianebene  ab,  verletzte  die  Anlage  der  grossen  Hirnsichel, 
deren  vorderes  Stück  somit  hier  ganz  fehlt,  und  trifft  bei  der  Zahl  1  be- 
reits das  für  ein  Grosshirnbläschen  bestimmte  Seitenfach  der  vorderen 
Schädelkammer.  Zur  Orientirung  vergleiche  man  meinen  Holzschnitt  VIII 
und  man  wird  bemerken,  dass  der  mit  a  bezeichnete  Abschnitt  der  Hirn- 
sichel in  der  Kölliker 'sehen  Figur  ganz  fehlt,  folglich  auch  die  kreis- 
runde Communicationsöffnung  zwischen  der  vordem  Schädelgrube  und 
ihrem  Seitenfach  (die  ich  mit  h  bezeichnete)  unvollständig  ist  und  des- 
halb bei  der  Zahl  1  eine  unrichtige  Ausbuchtung  zeigt.  Richtig  ist  das 
sichelförmige  zur  Schädelbasis  sich  hinabkrümmende  hintere  Seitenhorn 
der  Hirnsichel  abgebildet  (vergl.  auch  meinen  Holzschnitt  VIII,  m),  jedoch 
spricht  Kölliker  nicht  davon  und  erkannte  nicht  seine  Beziehung  zu 
dem  spätem  Tentorium.  Mit  2  bezeichnet  Kölliker  den  zwischen  Vier- 
hügel und  Kleinhirn  sich  einsenkenden  Schädeldachfortsatz ,  welcher  sich 
mit  dem  mittleren  Schädelbalken  verbinde  und  mit  letzterem  das  Ten- 
torium cerebelli  herstelle.  Nun  liegt  aber  weiter  vorn  zwischen  Vierhügel 
und  Zwischenhirn  noch  ein  Fortsatz ,  der  ebenso  wie  der  vorige  mit  dem 
mittleren  Schädelbalken  sich  verbindet,  der  aber  von  Kölliker  nicht 
weiter  beachtet  und  überhaupt  nicht  mit  den  übrigen  Hirnhautfortsätzen 
aufgeführt  wird.    Derselbe  ist  aber,  wie  ich  oben  gezeigt  habe,  ebenso  an 


1)  Entwicklgsgesch.  d.  Menschen  etc.    S.  195  u.  230. 


72 

der  Bildung   des  Tentorium     etheiligt   wie  der  Fortsatz  2 ,    während    der 
mittlere  Schädelbalken  damit  nichts  zu  thun  hat. 

Kollmann1)  beschreibt  die  mediane  Scheidewand  der  beiden  Gross- 
hirnbläschen von  einem  menschlichen  Fötus  um  das  Ende  des  zweiten 
Monates  und  bemerkte  auch  deren  hinteres  in  zwei  Seitenhälften  aus- 
einanderweichende Ende  sowie  deren  Anheftung  an  die  Schädelbasis; 
auch  war  ihm  bekannt,  dass  es  die  Sehhügelblase  ist,  welche  diese  Thei- 
lung  veranlasst.  Mit  Unrecht  dagegen  verwirft  K  oll  mann  die  von 
Tiedemann  gemachte  Angabe,  dass  diese  Scheidewand  der  Hirnsichel 
entspreche ,  und  hält  dieselbe  für  die  noch  zusammenhängenden  Gefäss- 
häute  der  einander  zugekehrten  Hemisphärenflächen,  die  Hirnsichel  aber 
für  eine  nachträglich  von  der  Gegend  der  Crista  galli  aus  zwischen  die 
Gefässblätter  eindringende  Bildung.  Kollmann  beruft  sich  dabei  auf 
die  mikroskopische  Untersuchung ,  welche  gegen  das  Ende  des  zweiten 
Monates  in  der  Scheidewand  nur  die  durch  eine  feine  dazwischen  ge- 
lagerte Masse  verbundenen  Gefässblätter  erkennen  lasse.  Diese  Behaup- 
tung wird  eigentlich  durch  Kollmann  selbst  wieder  zurückgenommen, 
indem  er  nur  wenige  Seiten  darauf  (S.  29)  erklärt,  dass  zuerst  die  Scheide- 
wand einfach  sei  und  keine  besonderen  Lamellen  unterscheiden  lasse. 
Erst  vom  vierten  bis  siebenten  Monat  an  erkenne  man  zwei  Gefässhaut- 
lamellen  und  eine  dazwischen  gelagerte  Zellensubstanz,  welche  sich  in  die 
Sichel  umbilde.  Ich  habe  daher  nur  noch  hinzuzufügen,  dass  in  frühester 
Zeit  die  unverhältnissmässig  breite  Scheidewand  aus  dein  gewöhnlichen 
embryonalen  Zellengewebe  besteht  und  sich  dann  keine  besonderen  Lagen 
unterscheiden  lassen.  Daraus  entwickelt  sich  alsbald  ein  reiches  Blut- 
gefässnetz,  wobei  sich  zugleich  an  Querschnitten  zwei  blutreichere  laterale 
Lagen  und  eine  dazwischen  liegende  hellere,  weniger  gefässreiche  Schichte 
bemerklich  machen.  Die  letztere  verwandelt  sich  hierauf,  und  zwar  von 
dem  angehefteten  Rande  aus,  in  ein  dichtes  fibrilläres  Bindegewebe;  die 
Sinus  werden  einstweilen  durch  reiche  Venengeflechte  ersetzt. 


b)  Hirnhautfortsätze  der  Schädelbasis. 

Ich  wende  mich  nun  zu  den  Hirnhautfortsätzen  der  em- 
bryonalen Schädelbasis  und  unterscheide  einen  vordem  und  hinteren. 
Der  letztere  liegt  an  der  Grenze  zwischen  Schädelbasis  und  Wirbel- 
körpcrsäule  und  schwindet  im  Laufe  der  Entwicklung  mit  Zurück- 
lassung des  den  vordem  Umfang  des  Hinterhauptsloches  umfas- 
senden Venengeflechtes.  Viel  wichtiger  ist  der  mächtige  vordere 
Hirnhautfortsatz  der  Schädelbasis  oder  der  sogenannte  mittlere 


1)  Entwickig.  d.  Adergeflechte.    S.  25  u.  29. 


73 

Schädelbalken,  welchen  Namen  ich,  obgleich  er  sehr  unpassend 
ist,  beibehalten  will. 

Der  mittlere  Schädelbalken  ist  eine  die  Arteria  basilaris  dem 
Hirnrohr  zuführende  Verlängerung  der  Basis  des  Spheno-Occipital- 
theils  des  Schädels  j  er  hat  die  Gestalt  einer  dicken ,  hohen ,  un- 
gefähr halbmondförmigen  Platte,  welche  in  der  Gegend  der  spätem 
Sattellehne  und  der  Sattelgrube  sich  in  der  ganzen  Breite  des 
Schädels  erhebt ,  lateralwärts  sich  an  dessen  Seitenwand  befestigt 
und  daselbst  mit  den  beiden  mittleren  die  Vierhügelgegend  begren- 
zenden Schädeldachfortsätzen  zusammenhängt  (Holzschn.  VIII,  g). 
Er  bildet  eine  transversale  hohe  Scheidewand  (Holzschnitt  IX,  g) 
mit  einem  freien  obern  abgerundeten  und  dicken  Rand,  welcher 
die  Schädelhöhle  in  eine  vordere  und  hintere  Abtheilung  trennt, 
und  zwar  liegt  hinter  ihm  die  hintere  Schädelkammer,  vor  ihm 
die  vordere  primitive  Schädelkammer;  über  seinem  obern  Rand 
communiciren  beide  Kammern  durch  Vermittlung  der  hier  befind- 
lichen Schädelkammer  (Taf.  II,  Fig.  9  f.,  Taf.  III,  Fig.  15  f.,  Taf.  VI, 
Fig.  4,  i).  Er  besteht  wie  alle  übrigen  Hirnhautfortsätze  aus  em- 
bryonalem Bindegewebe  ,  unterscheidet  sich  aber  durch  seine,  auf- 
fallende Dicke  sowie  dadurch ,  dass  er  einen  starken  Arterien- 
stamm, die  A.  basilaris  nebst  deren  rechtwinklig  nach  beiden  Seiten 
abgehenden  Aesten  trägt  (Taf.  VI,  Fig.  1 ,  b) ;  ferner  ist  er  nicht 
blos  Hirnhautfortsatz,  sondern  zugleich  bildet  sich  in  seiner  Wurzel 
die  spätere  knöcherne  Sattellehne ,  die  nebst  der  die  Sattelgrube 
überziehenden  Decke  der  harten  Hirnhaut  als  Rest  dieses  merk- 
würdigen embryonalen  Gebildes  übrig  bleibt.  Warum  gerade  die 
Arteria  basilaris  einen  so  langen  fast  die  ganze  Höhe  der  Schädel- 
höhle durchsetzenden  Fortsatz  verlangt ,  erklärt  sich  wohl  daraus, 
dass  in  früher  Zeit,  so  lange  die  Grosshirnhemisphären  noch  fehlen 
oder  nur  erst  eine  geringe  Grösse  besitzen,  auch  die  entsprechenden 
Arterien  (die  inneren  Carotiden)  eine  untergeordnete  Rolle  spielen. 
Einstweilen  sind  es  daher  die  Vertebralarterien ,  welche  fast  aus- 
schliesslich das  Gehirn  mit  Blut  versorgen ;  sie  vereinigen  sich 
zu  einem  mächtigen  Stamm ,  der  Arteria  basilaris ,  welche  mit 
Hülfe  des  mittleren  Schädelbalkens  gegen  das  Hirnrohr  vordringt 
und  dadurch  eine  Lage  gewinnt ,  die  ihm  die  gleichzeitige  Ver- 
sorgung  aller  drei  Hirnblasen    in    der  vortheilhaftesten  Weise  ge- 


74 

stattet.  Man  trifft  nach  meinen  Erfahrungen  den  mittleren  Schädel- 
balken bei  allen  Wirbelthieren,  nur  bei  Amphioxus  kann  er  nicht 
vorkommen ,  da  hier  eine  die  Balkenbildung  bedingende  Ver- 
längerung des  ursprünglichen  Schädels  fehlt.  Er  wird  niemals 
knorplich  mit  Ausnahme  der  Achse  seiner  Wurzel,  wenn  sich  eine 
Sattellehne  bildet.  Ferner  nimmt  der  mittlere  Schädelbalken  nicht 
wie  die  Schädeldachfortsätze,  die  Grenzfurche  zweier  Hirnblasen 
ein,  da  solche  an  der  Hirnbasis  überhaupt  gar  nicht  vorkommen, 
sondern  bettet  sich  in  ein  tiefes  von  dem  gesammten  primitiven 
Hirnrohr   gebildetes  Thal. 

Der  mittlere  Schädelbalken  entsteht  mit  der  Verlängerung  und 
Krümmung  des  vordem  Schädelendes  über  den  Chordaknopf  hin- 
aus. Schon  oben  habe  ich  hervorgehoben,  dass  die  Schädelkrüm- 
mung ein  ungleiches  Längenwachsthum  des  Schädelrohres  bedeutet, 
hervorgerufen  einmal  durch  ein  ähnliches  Wachsthum  des  primi- 
tiven Hirnrohres ,  zweitens  durch  die  Entwicklung  der  Grosshirn- 
bläschen. In  Folge  dieser  Krümmung  schliesst  sich  ein  Theil  der 
primitiven  Stirnwand  durch  Umbeugung  der  primitiven  Schädel- 
basis an,  wodurch  die  letztere  eine  Verlängerung  (Spheno-Ethmoi-' 
daltheil)  gewinnt,  gleichsam  einen  Ansatz  ,  der  mit  der  primitiven 
die  Chorda  enthaltenden  Basis  einen  Winkel  erzeugt.  Aber  auch 
die  primitive  Schädelbasis  (Spheno-Occipitaltheil)  verlängert  sich 
an  ihrem  vordem  Ende  über  den  durch  den  Chordaknopf  mar- 
kirten  Winkel  hinaus  in  ihrer  ursprünglichen  Richtung  fort 
und  erzeugt  so  einen  dicken  und  hohen  Fortsatz  oder  einen  in 
eine  hohe  dicke  Platte  auswachsenden  Querwulst ,  welcher  die 
Schädelhöhle  in  einen  hinteren  oder  Spheno-Occipitaltheil  und  einen 
vorderen  oder  Spheno-Ethmoidaltheil  abscheidet.  Dieses  Gebilde 
ist  der  von  Rathke  sogenannte  mittlere  Schädelbalken  (Taf.  II, 
Fig.  9  f) ,  welcher  dicht  an  seiner  hinteren  Oberfläche  die  bis  zu 
seinem  freien  vorwärts  umgebogenen  Rande  verlaufende  Arteria  ba- 
silaris  einschliesst.  Wenn  aber ,  wie  ich  oben  gezeigt  habe ,  der 
Chordaknopf  das  ursprüngliche  Ende  der  primitiven  Schädelbasis 
markirt,  und  wenn  dieser  Knopf  seine  ursprüngliche  Lage  im 
Scheitel  des  Kopfbeugewinkels  nicht  verlässt,  so  wird  er  von  der 
über  ihn  hinauswachsenden  primitiven  Schädelbasis,  also  von  den 
Urwirbelplatten  umschlossen    und    liegt   jetzt    in    der  Wurzel    des 


75 

durch  diese  Verlängerung  entstandenen  mittleren  Schädelbalkens 
(Taf.  II ,  Fig.  9).  Verwickelt  aber  wird  dieser  Vorgang  wegen 
des  dabei  sich  erhaltenden  ursprünglichen  Zusammenhangs  des 
Chordaknopfes  mit  dem  vorderen  primitiven  Hirnende  und  dem 
die  Schlundhöhle  auskleidenden  Darmdrüsenblatt ,  wodurch  die 
Bildung  der  Hypophyse  eingeleitet  wird.  Die  den  Chordaknopf 
umwachsenden  und  sich  verdickenden  Urwirbelplatten  umfassen 
zugleich  den  von  dem  Darmdrüsenblatt  der  Schlundhöhle  aus- 
gekleideten Grund  des  mit  der  Kopfbeuge  entstehenden  spitzen 
Flächenwinkels  der  Schädelbasis  und  verwandeln  denselben  in  eine 
sagittal  comprimirte  Tasche,  welche  Rathke  als  eine  taschen- 
förmige  Ausstülpung  der  Schlundhöhle  beschrieb.  Der  Grund 
dieser  Tasche  ist  an  den  Chordaknopf  geheftet  und  wird  jetzt  mit 
demselben  von  der  Wurzel  des  mittleren  Schädelbalkens  aufge- 
nommen ,  wie  man  an  dem  auf  Taf.  II,  Fig.  9  abgebildeten  Me- 
dianschnitt des  Kopfes  eines  Hühnchens  bemerkt.  Eine  ähnliche 
Tasche  zeigt  auch  der  auf  Taf.  III,  Fig.  15  dargestellte  Kopf  eines 
61/»  Mm.  langen  Rindsembryo.  Von  der  Schädelbasis  aus  betrachtet 
erkennt  man  an  jüngeren  Embryonen  den  Eingang  in  diese  Tasche 
als  eine  Querspalte  genau  an  der  Stelle,  an  welcher  der  Spheno- 
Occipitaltheil  der  Schädelbasis  (Taf.  I,  Fig.  23,  b)  in  den  Spheno- 
Ethmoidaltheil  (a)  übergeht,  also  im  Grunde  des  Kopf beugewinkels; 
vergl.  auch  Fig.  22  derselben  Tafel  *).  Allmählig  schliesst  sich  der 
Eingang  in  diese  Tasche  (Taf.  II ,  Fig.  9)  und  es  schnürt  sich 
dieselbe  als  ein  selbständiges  Säckchen  (Holzschnitt  XI,  i)  von 
der  Schlundkopfhöhle  völlig  ab ,  wie  ich  schon  bei  einer  anderen 
Gelegenheit  angegeben   habe  2). 

Aber  auch  mit  dem  vordersten  Ende  der  Basis  der  ersten 
primitiven  Hirnblase  hängt  der  Chordaknopf  untrennbar  zusammen. 
Wenn  daher  die  Urwirbelplatten  zur  Bildung  des  mittleren  Schädel- 
balkens den  Chordaknopf  umwachsen,  so  schliessen  sie  ein  schlauch- 
förmig sich  ausziehendes  Stück  des  Hirnrohres  mit  ein ,  welches 
in  Folge    der  Kopfkrümmung   rückwärts    in  die  Wurzel  des  mitt- 


1)  Es    entspricht    diese  Stelle    der  Mitte   der  Länge  des  spätem  hintern 
Keilbeinkörpers  (vergl.  S.  35.) 

2)  Centralblatt  f.  d.  med.  Wissenschaften.  1868,  Nr.  8  (Beiträge  zur  Ent- 
wicklgsgesch.  d.  Hirnanhanges). 


76 


leren  Schädelbalkens  eindringt  und  noch  längere  Zeit  mit  der  Hirn- 
höhle communicirt  (Holzschnitt  XI,  e  h).     Es  liegt  dieses  Säckchen 

hinter  dem  Schlund- 
kopfsäckchen  und  wird 
allmählig  an  der  Ein- 
trittsstelle in  den  Schä- 
delbalken bis  zum  völ- 
ligen Schwund  der  Lich- 
tung eingeschnürt.  Die 
oberhalb  der  P^inschnü- 
rung  liegende  Wurzel 
des  Säckchens  verwan- 
delt sich  in  das  Infun- 
dibulum  ,  während  das 
Säckchen  selbst  die  An- 
lage des  hinteren  Lap- 
pens der  Hypophyse 
darstellt.  Das  Schlund- 
kopfsäckchen  ist  die 
Anlage  des  vorderen 
Lappens  der  Hypophyse. 
Beide  liegen  nun  mit 
dem  Chordaknopf,  der 
bald    seine  Selbständig- 

Fig.  X.    Medianschnitt   der  Schädelbasis  eines  7  Ctm.  lan-lrpif     jiiifo-ipVir    unrl      elnh 
gen  menschlichen  Fötus,   vergrössert.    a  Stirne  ,     b  Crista  ailtgieDt    UlKl     SICH 

galli,    c  Jugum  sphenoidale,    d  Sattelknopf ,    f  mittlerer  nn  A^i.  ti;iJ  J        n 

Schädelbalken  ,    g  Sattellehne,    e  Zahn  des  Epistropheus  an  der  Bildung   des  blut- 
m  Gegend  des  früheren  hinteren   Schädelbalkens,    n  vor-       •    1  n.  , 

derer  Bogen  des  Atlas ,   o  Gaumensegel,    p  Nasenscheide- reiclien         ötroma  der 

wand,    r   Aussackung    der  Schleimhaut   beim  Uebergang  t-.  ,       ,      .,.  .        -, 

vom  Schlundgewölbe  zur   hintern  Schlundwand,    s  Sattel-  Lmise    betheillgt,    in    der 
grübe   von   der  Wurzel    des    mittleren  Schädclbalkens  ge-  -„r 

deckt.  Wurzel      des     mittleren 


Medianschnitt    der   Schädelbasis   eines   1,3  Dem.  Schädelbalkens  und  wpr- 
indsfötus,   vergrössert.    Die  Buchstaben  ä,  c,  d,  0,-u«*utJlu«ilK.ens  Una  WC1- 


Fig.  XI 
langen    Hin 

f,   g,  1,  m,  n,  0,  p,  r,  s  wie  in  Fig.  X.    e  Ein  Stück  des  Aon      rlirlurpli      rlmvi      R» 
Bodens    der   dritten  Hirnkammer  mit   Trichter,    h  Anlage  Qen     aaüuicn     neui      -t>e- 
des  hinteren  Lappens  der  Hypophyse  ,    i   Anlage  des  vor-       •    1  j  •  .  1-    • 

deren  Lappens  derselben,  k  Chorda  dorsalis  in  ihrem  ganzen  reiche     der     eigentlichen 
Verlaufe  durch  eine  Punktreihe  bezeichnet.  0    ,  ..  ■,    ,,..., 

ochadelhohle  entzogen. 
Mit  dem  Eintritt  der  Verknorplung  der  Schädelbasis  nimmt  die 
Wurzel  des  Schädelbalkens  mit  ihrem  Inhalt  die  ganze  Länge  und 
Breite  der  Sattelgrube   ein  (Holzschnitt  X,  g  s  d  und  XI,  e  d  s  g) 


77 

und  enthält  in  ihrem  hintern  Unifang   die  anfangs  niedrige  knorp- 
liche  Anlage  der  Sattellehne  (X  und  XI,  g). 

Der  zuerst  eine  Verlängerung  der  primitiven  Schädelbasis 
(also  der  Gegend  des  spätem  Clivus)  darstellende  Schädel balken 
ändert  mit  der  Zeit  diese  Richtung,  indem  er  sich  aufrichtet  und 
schliesslich  mit  dem  spätem  Clivus  einen  rechten  Winkel  bildet. 
Fig.  9  auf  Taf.  II  zeigt  den  Schädelbalken  noch  in  gleicher  Rich- 
tung mit  dem  Spheno-Occipitaltheil  der  Schädelbasis;  in  Fig.  15 
auf  Taf.  III  beginnt  er  sich  aufzurichten  (f)  und  bildet  mit  dem 
Clivus  einen  stumpfen  Winkel.  In  Fig.  4,  Taf.  IV  bildet  er  be- 
reits mit  dem  Clivus  einen  rechten  Winkel  und  ist  überhaupt  jetzt 
nicht  mehr  nach  vorn  oder  nach  oben,  sondern  in  Folge  der  ver- 
änderten Kopfkrümmung  zugleich  nach  hinten  gerichtet.  Dabei 
nimmt  er  allmählig  im  sagittalen  Durchmesser  an  Dicke  ab,  so  dass 
der  frühere  vordere  Umfang  seiner  Wurzel  nun  horizontal  nach 
hinten  über  den  obern  Rand  der  knorplichen  Sattellehne  hinweg 
verläuft  (Holzschnitt  X  ,  d  f ,  und  XI,  d  e  f).  Auf  diese  Weise 
bildet  sich  aus  der  Wurzel  der  Schädelbasis,  indem  sie  sich  rück- 
wärts umlegt ,  das  Operculum  der  Sattelgrube.  Schliesslich  ver- 
dünnt sich  der  ganze  Balken  zu  einer  zarten  durchsichtigen  die 
Arteria  basilaris  tragenden  Membran  (Taf.  VI,  Fig.  1,  b),  welche 
mit  ihrer  Wurzel  der  hinteren  Fläche  der  knorplichen  Sattellehne 
aufliegt,  aber  immer  noch  einige  Zeit  hindurch  in  ihrer  früheren 
Höhe  frei  in  die  Schädelhöhle  einspringt.  An  ihrem  obern  freien 
halbmondförmig  ausgeschweiftem  Rand  besitzt  sie  ein  medianes 
Knötchen  ,  welches  gerade  dem  hier  sich  in  seine  Endäste  thei- 
lenden  Ende  der  Arteria  basilaris  aufsitzt.  Unterdessen  hat  sich 
auch  schon  das  spätere  Tentorium  gebildet  und  nun  erst  beginnt 
die  Rückbildung  des  mittleren  Schädelbalkens  auch  in  der  Höhen- 
dimension. 

Die  nächsten  Veränderungen  des  zur  Hypophysenbildung  ab- 
geschnürten Schlundsäckchens  habe  ich  bereits  in  der  oben  citirten 
Nummer  des  medicinischen  Centralblattes  angedeutet;  da  jedoch 
meine  zum  Verständniss  der  weiteren  Entwicklung  der  Hypophyse 
nöthigen  Abbildungen  in  den  dieser  Abhandlung  beigegebenen 
Tafeln  nicht  mehr  angebracht  werden  konnten  ,  so  kann  ich  für 
jetzt  noch  nicht  weiter  darauf  eingehen.     Bei  dem  Menschen  habe 


78 

ich  nach  vollzogener  Abschnürung  des  Schlundsäckchens  niemals 
eine  Spur  eines  Restes  desselben  in  Gestalt  einer  in  die  Schlund- 
höhle sich  öffnenden  Grube  oder  Tasche  wahrnehmen  können. 
Sie  müsste  mitten  unter  der  Sattelgrube  an  der  ventralen  Seite 
des  hinteren  Keilbeinkörpers  ihre  Lage  haben ,  welche  Gegend 
jedoch  später  von  dem  Pflugscharbein  bedeckt  und  überhaupt  dann 
nicht  mehr  dem  Schlundgewölbe ,  sondern  dem  Nasenrachengang 
angehört.  Die  sogenannte  Bursa  pharyngea  (Mayer)  hat,  wie  wir 
später  sehen  werden,  mit  dieser  Rathke 'sehen  Ausstülpung  gar 
nichts  zu  schaffen  (vergl.  auch  S.  40). 

Auch  von  dem  Hühnchen  besitze  ich  eine  grössere  Anzahl 
von  Präparaten  zur  Demonstration  der  verschiedenen  Umbildungs- 
stufen  der  Rathke  'scheu  Tasche.  Wie  bei  dem  Menschen  und 
den  Säugern  ,  so  durchbohrte  auch  hier  die  Tasche  in  vertikaler 
oder  etwas  schief  nach  vorn  ansteigender  Richtung  den  Boden  der 
Sattelgrube  und  man  unterscheidet  an  ihr  einen  weiteren  in  der 
Sattelgrube  liegenden  Grund  sowie  einen  das  Keilbein  durch- 
setzenden Hals,  welcher  trichterförmig  sich  erweiternd  in  die  primi- 
tive Schlundhöhle  mündet.  Mit  dem  Beginn  der  Abschnürung 
verengert  und  verlängert  sich  der  Hals,  verliert  sein  Lumen  und 
nur  seine  frühere  trichterförmige  Ausmündung  ist  noch  längere 
Zeit  hindurch  in  der  Schlundhöhle  als  eine  grubenförmige  Ein- 
senkung  der  Schleimhaut  wahrzunehmen.  Aber  auch  der  nun 
solide  Hals  der  Tasche  schwindet  nicht  sofort,  sondern  verbindet 
in  Begleitung  eines  mächtigen  Blutgefässes  die  trichterförmige  Aus- 
mündung mit  dem  nun  zu  einem  Säckchen  abgeschnürten  Grunde 
der  Tasche  in  Gestalt  eines  das  knorpliche  Keilbein  durch- 
setzenden Streifes ,  der  stellenweise  noch  Spuren  der  früheren 
Lichtung  wahrnehmen  lässt. 

Hinter  dem  genannten  trichterförmigen  Grübchen  bemerkt 
man  dahinter  an  der  Schlunddecke,  wo  sie  in  die  hintere  Schlund- 
wand umbiegt,  an  Sagittalschnitten  noch  eine  zweite  grubenförmige 
Einsenkung  der  Schleimhaut,  welche  an  ein  von  mir  bei  mensch- 
lichen Embryonen  bemerktes  Grübchen  erinnert  (s.  unten).  Das- 
selbe ist  gegen  den  Körper  des  Hinterhauptsbeins  gerichtet,  ähnlich 
der  bei  dem  erwachsenen  Menschen  hie  und  da  vorkommenden 
isogenannten  Bursa  pharyngea. 


79 

Was  den  hinteren  Hirnhautfortsatz  der  Schädelbasis  betrifft, 
so  bildet  sich  derselbe  erst  später  nach  dem  Eintritt  der  Nacken- 
beuge, die,  wie  ich  oben  angegeben  habe,  bei  den  Embryonen  der 
höheren  Wirbelthiere  und  des  Menschen  zwischen  Schädelbasis  und 
Wirbelkörpersäule  anfangs  einen  rechten  Winkel  bildet.  Von  der 
Schädelhöhle  aus  gesehen  markirt  sich  dieser  Winkel  als  eine 
scharfe  den  vordem  Umfang  des  Hinterhauptsloches  begrenzende 
Kante,  gebildet  von  der  die  gemeinschaftliche  Uranlage  der  Hirn- 
häute darstellenden  Lage  des  Wirbelsytems  und  sehr  blutreich 
(Taf.  III,  Fig.  15,  h).  Hebt  sich  dann  wieder  die  Schädelbasis 
unter  Zunahme  des  Nackenwinkels,  so  erhebt  sich  diese  Kante  als 
ein  breiter  dicker  Wall  (Taf.  VI ,  Fig.  4 ,  1) ,  welcher  die  ent- 
sprechende Krümmung  des  Medullarrohres  nicht  blos  erhält,  son- 
dern noch  vermehrt,  bildet  sich  dann  aber  wieder  völlig  zurück. 
Bei  dem  Menschen  erhält  sich  in  dieser  Gegend  eine  von  der 
Schlundhöhle  schief  rückwärts  gegen  den  Hinterhauptskörper 
gerichtete  Ausbuchtung,  welche  ich  bei  allen  etwas  älteren  Em- 
bryonen regelmässig  finde  und  die  ihre  Lage  in  der  Gegend  des 
Uebergangs  des  Schlundgewölbes  in  die  hintere  Schlundwand  ein- 
nimmt. An  dieser  Stelle  ist  die  anfangs  völlig  glatte  Schleimhaut 
dem  Hinterhauptskörper  inniger  angeheftet  und  sie  macht  sich  bei 
Embryonen  meist  nur  als  ein  kleines  trichterförmiges  Grübchen 
bemerklich ,  welches  um  so  leichter  der  Beobachtung  entgehen 
kann ,  weil  es  von  hinten  her  durch  eine  halbmondförmige  Falte 
klappenartig  überragt  wird  (Holzschnitt  X,  r).  Ihre  Lage  hat  sie 
hinter  den  Mündungen  der  Eustach'schen  Trompete,  während 
die  jetzt  schon  längst  nicht  mehr  sichtbare  Rathke'sche  Ausstül- 
pung vor  denselben  in  der  Gegend  der  sogenannten  Gesichts- 
kopfbeuge ihre  Stelle  fand.  Wenn  nun  später  die  Schleimhaut 
ringsum  wuchert  und  sich  wulstet,  so  wird  dadurch  die  Bildung 
der  spätem  sogenannten  Bursa  pharyngea  hervorgerufen.  Die 
zahlreichen  nadelstichförmigen  feinen  Grübchen  in  dieser  Gegend 
sowie  am  ganzen  Schlundgewölbe  bis  dicht  an  den  hintern  Rand 
der  Nasenscheidewand  sind  die  Mündungen  acinöser  Drüsen  und 
fand  ich  dieselben  an  Sagittalschnitten  eines  2,3  Dem.  langen  mensch- 
lichen Fötus  bereits  sehr  entwickelt  und  mit  langen  Ausführungs- 
gängen versehen. 


80 

B  a  e  r  (a.  a.  0.  S.  75)  beschreibt    den    mittleren    Scluidelbalken    als 
ein  dem  Stamm  der  Wirbelsäule  angehöriges  Bildungsgewebe,  welches  zu- 
gleich   die   Chorda  enthalte   und  die  Lücke  zwischen  dem  Trichter ,    dem 
Kleinhirn    und    den   Vierhügeln    erfülle.     Bei    dieser  Gelegenheit   will  ich 
bemerken,    dass  der  Streit,    ob    der  Trichter  das  ursprüngliche  vorderste 
Hirnende  sei  oder  nicht,  zum  Theil  wohl  auch  darin  seinen  Grund  finden 
möchte  ,    dass   man   dabei  an  den  spätem  Trichter  dachte.     Jedoch  schon 
Baer,    der   ja    zuerst   den  Trichter   als  das  ursprünglich  vorderste  Hirn- 
ende bezeichnete ,    verstand   darunter   nicht   den  spätem  trichterförmigen 
Anhang  des  Bodens  der  dritten  Hirnkammer,   sondern  das  vordere  gegen 
die  Schädelbasis    umgebogene  Ende    der    vordersten    primitiven  Hirnzelle. 
"Wie  ich  nun  aber  oben  auseinander  setzte,  bildet  sich  der  spätere  Trichter 
erst  nachträglich,  immerhin  aber  an    dem  wenigstens  ursprünglich  vorder- 
sten Hirnende.     Ferner  habe  ich  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  dieser 
aus  dem  vorderen  jetzt  aber  ab-  und  rückwärts  umgebogenen  Hirnende  hervor- 
gewachsene Trichter   anfangs    die  gemeinschaftliche  Uranlage   des  spätem 
Trichters  und  des  Vorderlappens  der  Hypophyse  darstellt.     Nach  den  Be- 
obachtungen   von  F.  Schmidt1)    schliesst    sich    bei    dem    Menschen    die 
hohle  Hypophyse  erst  am  Schlüsse  des  vierten  Monates  von  der  Trichter- 
höhle ab.     Was  die  Angabe  von  Baer  betrifft,  dass  der  mittlere  Schädel- 
balken die  Chorda  enthalte ,    so   ist  dieselbe   nach  meinen  Beobachtungen 
darauf  zu  beschränken,  dass  die  Chorda  mit  ihrem  Knopfe  bereits  in  der 
Wurzel  des  Balkens  endigt.    Dabei  mache  ich  auf  eine  an  Medianschnitten 
mögliche  Verwechslung  der  Chorda   mit  dem  Stamm  der  Arteria  basilaris 
aufmerksam,   welche   den   Balken   bis   zu  seinem   freien  Rande  durchläuft 
und  dort  ebenfalls  mit  einer  Anschwellung  endigt  (vergl.  Taf.  II,  Fig.  9). 
Tiedemann2)  beschreibt  den  mittleren  Schädelbalken  eines  1'"  lan- 
gen, etwa  der  7.  Woche  angehörigen  menschlichen  Embryo  als  eine  Fort- 
setzung der  harten  Hirnhaut,  welcher  als  Hirn  zeit  in  das  Innere  der 
Schädelhöhle  vorsprang   und  dieselbe  in   fast  zwei  gleiche  Hälften  theilte. 
Seine  Lage    hatte    er   in    der    tiefen  Lücke   der  Hirnbasis   unterhalb  der 
Vierhügelblase,    und    da   auch    die    beigegebene  Abbildung   seiner  ersten 
Tafel  (Fig.  2,  g)  ganz  naturgetreu  ist,  so  verstehe  ich  nicht,  wie  Tiede- 
mann diesen  Fortsatz  für  die  Anlage  des  Tentorium  halten  konnte.    Auch 
Kölliker  in  seiner  Entwicklungsgeschichte  des  Menschen  und  der  höheren 
Thiere  schliesst  sich  Tiedemann  an,   ich   halte  jedoch  die  dafür  beige- 
brachten Gründe  durch  meine  obige  Darlegung  für  widerlegt.    Ausdrücklich 
bemerkt,  Kölliker  (a.  a.  0.  S.  195):     «Der   mittlere    Schädelbalken    ist 
meinen  Untersuchungen  an  jungen  menschlichen  Embryonen  zufolge  Nichts 
als  das  sehr  frühe  auftretende  Tentorium  cerebelli,  und  nicht  Sattel-. 


1)  Beiträge  z.  Entwickig.  d.  Gehirns.    Zeitschrift  f.  wissenschaftl.  Zoologie. 
Bd.  XI.    1862.    S.  51. 

2)  Bildungageschichte  d.  Gehirns.    S.  11  u.  13. 


81 

lehne,  die  erst  später  hervorwächst.»  Dazu  stimmt  aber  gar  nicht  die 
auf  derselben  Seite  stehende  Figurenerklärung  eines  acht  Wochen  alten 
menschlichen  Embryo,  welche  lautet :  «Die  Schädelbasis  erhebt  sich  in  der 
Gegend  der  spätem  Sattellehne  in  einen  grossen  mittleren,  am  Ursprung 
im  Inneren  knorp liehen,  sonst  häutigen  Fortsatz,  welcher  der  mittlere 
Schädelbalken  Rathke's  ist.»  Aber  eben  dieser  mit  der  knorplichen 
Schädelbasis  zusammenhängende  Knorpel  ist  ja  die  Sattellehne ,  welche 
nach  meinen  Erfahrungen  mit  dem  Operculum  sellae  turcicae  als  einziger 
Rest  des  einst  so  mächtigen  Schädelbalkens  zurückbleibt. 

Die  von  Rathke  vorgetragene  Lehre  von  drei  Schädelbalken  halte 
ich  mit  Reichert,  Kölliker  und  Stricker  für  unbegründet  und  werde 
die  sogenannten  seitlichen  Schädelbalken  später  bei  dem  Gesichte  be- 
sprechen. Was  den  mittleren  Schädelbalken  betrifft,  so  hat  Rathke 
ganz  richtig  denselben  als  eine  Fortsetzung  der  die  Chorda  einschliessen- 
den  Urwirbelplatten  erkannt,  minder  gut  aber  ist  die  Angabe,  dass  der- 
selbe im  Schädelgrund  eine  transversale  Falte  der  harten  Hirnhaut  er- 
zeuge. Unrichtig  ist  auch  die  Bemerkung ,  dass  er  niemals  bei  Fischen 
und  Batrachiern  sich  finde  ');  er  ist  hier  nur  niedriger  und  dünner,  was 
mit  der  geringeren  Entwicklung  des  Gehirns  übereinstimmt,  dem  er  die 
Arterien  zuführt.  Unter  den  niedern  Thieren  finde  ich  ihn  am  stärksten 
entwickelt  und  von  nicht  unbedeutender  Länge  bei  dem  Landsalamander. 
Auch  die  Bedeutung  dieses  Schädelbalkens  hat  Rathke  nicht  erkannt 
und  er  betrachtet  ihn  (a.  a.  0.  S.  34),  ähnlich  wie  Baer,  als  hervorge- 
rufen durch  eine  Erhebung  des  Gehirns  von  der  Schädelbasis,  wobei  er 
nur  eine  Lücke  ausfüllen  soll.  Auch  lässt  er  ihn ,  was  wieder  nicht 
richtig  ist ,  mit  der  Zeit  spurlos  verschwinden.  In  seiner  Entwicklungs- 
-geschichte  der  Schildkröte  (S.  231)  sagt  Rathke:  «die  drei  Schädelbalken 
verknorpeln  durchweg».  Wenn  dies  richtig  ist,  so  wäre  nach  meinen  Er- 
fahrungen die  Schildkröte  das  einzige  Thier,  bei  welchem  der  mittlere 
Schädelbalken  vollständig  verknorpelt.  Offenbar  aber  hatte  Rathke,  wie 
aus  der  weiteren  Beschreibung  hervorgeht,  ein  bereits  späteres  Entwick- 
lungsstadium, also  überhaupt  nicht  mehr  den  ursprünglichen  Schädelbalken, 
sondern  die  bereits  fertige  Sattellehne  vor  Augen.  Auch  ändert  er  bei 
dieser  Gelegenheit  seine  frühere  Ansicht  hinsichtlich  der  Bedeutung  des 
Balkens,  da  «der  nach  oben  gerichtete  mittlere  Schädelbalken  die  Lehne 
des  Türkensattels  darstellt».  Ebenso  der  Wahrheit  näher  steht  die  von 
Rathke  in  einer  andern  Abhandlung2)  gemachte  Angabe,  dass  bei  Säu- 
gern der  mittlere  Schädelbalken  zur  hintern  Parthie  des  Türkensattels 
und  insbesondere  zur  Lehne  werde. 

Reichert3)  fand    den   mittleren   Schädelbalken   auch  bei  Fröschen 


1)  Entwickig.  d.  Natter.  S.  34  u.  75,  und  Lehrb.  d.  Entwicklgsgesch.  S.  125. 

2)  üeber  d.  Entstehung  d.  Glandula  pituitaria,  Müll.  Archiv.  1838.   S.  483. 

3)  Entwicklungsleben.    S.  33. 

Dursy,  Entwicklgsgesch.  6 


82 

und  in  seinem  Werke  über  den  Bau  des  Gehirns  (S.  19)  erklärt  er  ihn 
für  die  künftige  Sattellehne.  An  einer  andern  Stelle  (S.  30)  betrachtet 
Reichert  den  mittleren  Schädelbalken  als  eine  Fortsetzung  der  Innen- 
fläche des  Schädels  zur  grösseren  Befestigung  des  Gehirns.  Wenn  über- 
haupt dieser  und  die  anderen  Hirnhautfortsätze  ursprünglich  auch 
diese  Bedeutung  haben  sollten,  so  ist  diese  jedenfalls  weitaus  die  unter- 
geordnetere. 

Was  den  von  mir  als  hinteren  Schädelbalken  bezeichneten  Fortsatz 
betrifft,  so  finde  ich  denselben  nur  bei  Kölliker  (a.  a.  0.  S.  195)  als 
eine  hinter  dem  Pons  liegende  Kante  der  Schädelbasis  erwähnt  und  auch 
richtig  abgebildet  von  einem  acht  Wochen  alten  menschlichen  Embryo. 
Sehr  entwickelt  finde  ich  ihn  auch  in  der  von  Bischoff  *)  gegebenen 
Abbildung  des  Schädels  eines  Hundsembryo  (Taf.  XIII,  Fig.  45,  F,  unter 
dem  Buchstaben  k);  ein  diesem  Präparate  entnommener  mikroskopischer 
Schnitt  würde  zeigen ,  dass  dieser  mächtige  Vorsprung  eine  Wucherung 
der  gemeinschaftlichen  Uranlage  der  Hirnhäute  darstellt, 


Veränderungen  der  Krümmungen  der  embryonalen  Schädel- 
basis bei  dem  Menschen  und  den  Säugethieren. 

Im  Laufe  der  Entwicklung  nehmen  die  Krümmungen  der 
Schädelbasis  wieder  ab  und  zwar  in  Folge  des  unterdessen  ent- 
stehenden Gesichtes ,  welches ,  um  Platz  zu  gewinnen,  die  gegen 
die  Wirbelsäule  winklig  gebeugte  Schädelbasis  wieder  in  die  Höhe 
hebt.  Je  mehr  daher  das  Gesicht  dem  Hirnschädel  gegenüber 
sich  geltend  macht,  um  so  bedeutender  ist  die  Rückbildung  des 
Nacken-  und  Kopfbeugewinkels,  so  dass  die  Schädelbasis  wiederum 
der  Richtung  der  Wirbelkörpersäule  sich  nähert.  Bei  dem  Menschen 
nehmen  daher  wegen  der  verhältnissmässig  geringen  Gesichtsbil- 
dung die  genannten  beiden  Krümmungen  am  wenigsten  ab  und 
es  gesellt  sich  sogar  in  Folge  der  stärkern  Entwicklung  der  Vorder- 
lappen des  Grosshirns  noch  eine  dritte  Krümmung  hinzu,  welche 
die  Gegend  der  späteren  vorderen  Schädelgrube  betrifft.  Es  sind 
alle  diese  Krümmungen ,  besonders  auffallend  bei  dem  Menschen, 
im  Laufe  der  Entwicklung  fortwährenden  Schwankungen  unter- 
worfen, indem  sie  abwechselnd  zu-  und  abnehmen. 

Was  zunächst  den  Nackenwinkel  der  Schädelbasis  betrifft,  so 
bildet  sich  derselbe  beim  Uebergang  der  Wirbelkörpersäule  in  den 

1)  Entwickig.  d.  Hunde-Eies.    1845. 


83 

Spheno-Occipitaltkeil  der  Schädelbasis,  welche  Theile  zuerst  in 
Einer  geraden  Linie  lagen.  Der  anfangs  stumpfe  Winkel  ver- 
kleinert sich  allmählig  sowohl  bei  dem  Menschen  als  auch  bei  den 
von  mir  untersuchten  Säugethieren  bis  zu  einem  rechten ,  hierauf 
aber  nimmt  er  wieder  an  Grösse  zu.  Es  wird  die  gegen  die 
Wirbelsäule  gebeugte  Schädelbasis  in  Folge  der  Verlängerung 
des  Bauchrohres  während  der  Bildung  des  Halses  und  Gesichtes 
gehoben ,  dorsalwärts  gedrängt ,  wobei  der  Drehpunkt  in  der 
Grenze  zwischen  Wirbelkörpersäule  und  Schädelbasis  liegt.  Die 
der  Schädelhöhle  zugekehrte  Oberfläche  des  Spheno-Occipitaltheils 
der  Schädelbasis,  also  der  spätere  Clivus  ,  höhlt  sich  dabei  aus, 
beschreibt  nämlich  an  Medianschnitten  einen  dorsalwärts  concaven 
Bogen  (Taf.  VI,  Fig.  18,  a  f  und  Fig.  7,  a  b),  welcher  an  jüngeren 
Embryonen  in  Folge  der  Erhebung  des  hinteren  und  mittleren 
Schädelfortsatzes  noch  viel  tiefer  erscheint  (Fig.  4,  zwischen  1  und  i). 
Mitunter  finde  ich  sowohl  an  menschlichen  wie  an  Säugethier- 
embryonen  auch  die  Aussenfläche  dieses  bereits  knorplichen  Ab- 
schnittes der  Schädelbasis,  jedoch  in  viel  geringerem  Grade  an 
dieser  Ausbiegung  betheiligt,  so  dass  sie  in  sagittaler  Richtung 
flach  convex  erscheint  (Fig.  7,  8,  18  und  Taf.  III,  Fig.  15).  Viel- 
leicht kommt  schnell  vorübergehend  in  früher  Zeit ,  wenn  die 
Schädelbasis  noch  weicher  ist,  eine  solche  Aufbiegung  regelmässig 
und  in  noch  stärkerem  Grade  vor,  für  welche  Vermuthung  mir 
der  bogenförmige  bauchwärts  convexe  Verlauf  der  Chorda  dor- 
salis  innerhalb  der  knorplichen  Schädelbasis  Veranlassung  giebt. 
Regelmässig  beschreibt  die  Chorda  des  Menschen  und  der  Säuge- 
thiere  diese  in  dem  nebenstehenden  Holzschnitt  durch  eine  punk- 
tirte  Linie  dargestellte  Biegung.  Es  scheint  also ,  dass  nur  die 
Chorda  diese  Krümmung  beibehält ,  indessen  an  den  Urwirbel- 
platten  während  derVerknorplung  durch  besonderes  Dicken wachs- 
thum  diese  Ausbiegung  sich  wieder  ausgleicht. 

Was  den  Spheno-Ethmoidaltheil  des  Schädels  betrifft,  so  ver- 
dankt derselbe,  wie  wir  oben  sahen,  seine  Entstehung  zunächst 
einer  Verlängerung  der  ersten  primitiven  Hirnblase  oder  Schädel- 
zelle über  den  Chordaknopf  hinaus  mit  gleichzeitiger  Umbeugung. 
Dabei  bleibt  das  ursprünglich  vorderste  Ende  des  Bodens  dieser 
Schädelzelle  und  der  darin  liegenden  Hirnblase,  durch  den  Chorda- 

6* 


84 


knöpf  festgehalten,  an  seiner  ursprünglichen  Stelle  zurück  und  es 
bildet  sich  hier  der  primitive  Trichter  *).     Dagegen    ist  es  die  ur- 
sprüngliche vordere  oder 
die  primitive  Stirnwand 
der  ersten  Schädelzelle, 
welche  sich  in  Folge  der 
Ausdehnung  des  Schädel- 
daches  bauchwärts  um- 
legt  oder  umbeugt  und 
so  zur  Basis  des  Spheno- 
Ethmoidaltheiles         des 
Schädels  wird,    die  mit 
der  ursprünglichen  Schä- 
delbasis   einen     spitzen 
Winkel  erzeugt.    Die  in 
die     Augenblasen     sich 
ausstülpenden       Seiten- 
wände der  ersten  Hirn- 
blase    werden    dadurch 
nach  vorn  und  zugleich 
bauchwärts      geschoben 
und  so  geschieht  es,  dass 
der  in  das  Chiasma  nerv, 
optic.  sich  umwandelnde 
Abschnitt     der      ersten 
Hirnblase    seine  ,  Lage    vor    dem    späteren  Infundibulum   an    der 
Schädelbasis  erhält,    während  er  früher   der   primitiven  Stirnwand 
angehörte. 

Der  so  entstandene  Spheno-Ethmoidaltheil  des  Schädels,  welcher 
mit  den  unterdessen  hervorwachsenden  Grosshirnbläschen  und  Riech- 
kolben rasch  sich  verlängert,  ist  an  seiner  Basis  nicht  plan,  son- 
dern stellt  anfangs  eine  abwärts  gebogene  Platte  dar,  wie  man  an 
den    Querschnitten    der    ersten    Tafel    sowie    an    Medianschnitten 


1)  So  nenne  ich  den  schlauchförmigen,  die  gemeinschaftliche  Anlage  des 
spätem  Trichters  und  des  Hinterlappens  der  Hypophyse  darstellenden  An- 
hang, in  den  sich  der  durch  den  Chordaknopf  fixirte  Boden  der  ersten  Hirn- 
zelle auszieht  (Holzschnitt  X,  e  h). 


85 

(Taf.  III ,  Fig.  1 5)  erkennt.  Auch  ist  die  Basis  von  ungleicher 
Dicke  und  zwar  mächtiger  zu  beiden  Seiten  (woraus  Rathke 
seine  seitlichen  Schädelbalken  construirte) ,  auffallend  dünner 
in  der  Mitte  und  sie  verdünnt  sich  hier  rückwärts  gegen  die 
Hypophyse  in  der  Art,  dass  schliesslich  eine  schon  oben  er- 
wähnte Lücke  übrig  bleibt ,  in  welcher  der  Boden  der  dritten 
Hirnkammer,  der  Chordaknopf  sowie  das  Darmdrüsenblatt  der 
Schlundhöhle  in  unmittelbarer  Berührung  sich  erhalten  (Taf.  III, 
Fig.  15  und  Taf.  II,  Fig.  9). 

Mit  der  Entstehung  des  Gesichtes  wachsen  aus  dem  Spheno- 
Ethmoidaltheil  der  Schädelbasis  gewisse  Bildungsfortsätze  hervor 
(vordere  Partie  der  Oberkieferwülste ,  Stirnfortsätze) ,  welche  in 
Verbindung  mit  dem  ebenfalls  hier  entstehenden  vorderen  Keilbein 
die  Grundlage  des  Gesichtes  darstellen.  Dadurch  sowie  durch  die 
vom  ersten  Schlundbogen  aus  geschehende  Entwicklung  der  Unter- 
kieferpartie des  Gesichtes  wird  der  Spheno-Ethmoidaltheil  des 
Schädels  gehoben,  dorsalwärts  gedrängt ,  wobei  der  Drehpunkt  in 
der  Sattelgrubengegend  liegt.  Der  Kopfbeugewinkel  (der  soge- 
nannte Gesichtskopfwinkel)  nimmt  dann  zu ,  die  Kopfbeuge  geht 
ihrer  Ausgleichung  entgegen  und  nur  der  Giebel  des  früheren 
spitzen  Kopf beugewinkels  erhält  sich,  wird  als  Rathk  e'sche  Tasche 
abgeschnürt  und  zur  Bildung  des  vordem  Hypophysenlappens  ver- 
werthet  (Taf.  III,  Fig.  15,  Taf.  II,  Fig.  9).  An  älteren  bereits 
etwas  über  Ein  Decimeter  langen  Rindsembryonen  sehe  ich  an 
der  knorplichen  bereits  mit  Knochenkernen  versehenen  Schädel- 
basis die  Kopfbeuge  durch  Erhebung  des  Spheno-Ethmoidaltheils 
völlig  ausgeglichen  (Holzschnitt  Fig.  XI) ;  von  der  Schädelhöhle 
aus  gesehen  bildet  dann  die  Basis  eine  schräg  bis  zum  vordem 
Schädelende  aufsteigende  Fläche  (m  t),  welche  drei  hintereinander 
liegende  flache  Gruben  zeigt.  Die  hintere  Grube  (s)  trägt  die 
Hypophyse  und  die  im  Holzschnitt  punktirte  Wurzel  des  mitt- 
leren Schädelbalkens  nebst  den  darin  enthaltenen  sackförmigen 
Anlagen  der  Lappen  der  Hypophyse  (h  und  i).  Die  folgende 
Grube  (d  c)  begreift  das  Gebiet  des  Sattelknopfes  und  ist  auch 
an  menschlichen  Embryonen  (vergl.  Holzschnitt  X)  durch  auffal- 
lende Länge  ausgezeichnet.  Die  dritte  vordere  und  höchste  Grube 
entspricht   dem   Gebiete   der   spätem  vorderen  Schädelgrube   und 


86 

trägt  die  Grosshirnhemisphären  nebst  den  noch  kurzen  hohlen 
Riechkolben.  Aehnlich  verhalten  sich  auch  die  Medianschnitte 
von  Embryonen  des  Schweines  und  Schafes. 

Diese  Hebung  des  vordem  Schädelabschnittes  bewirkt  auch 
eine  Verschiebung  des  ursprünglich  unter  dem  Schädel  gelagerten 
Gesichtes  nach  vorn.  Daraus  folgt,  dass  die  von  Reichert  so- 
genannte Gesichtskopf  beuge  durchaus  nicht  dem  Gesichte  zu  lieb 
sich  einstellt,  sondern  gerade  umgekehrt  der  Gesichtsbildung  hin- 
derlich ist;  sie  ist  nur  ein  ursprünglich  stärker  gekrümmter  Ab- 
schnitt der  allgemeinen  Krümmung  des  ganzen  Leibes,  welcher 
dann  dem  verspäteten  Längenwachsthum  der  Bauchseite  mehr 
oder  weniger  vollständig  weichen  muss. 

Sehr  bald  macht  sich  an  jüngeren  Säugethierembryonen  mit 
der  zunehmenden  Ausdehnung  der  Grosshirnhemisphären  und  der 
Riechkolben  noch  eine  neue  Krümmung  der  Schädelbasis  bemerklich, 
welche  den  Ethmoidal-  und  Orbitaltheil  des  Schädels ,  also  das 
Gebiet  der  späteren  vordem  Schädelgrube  betrifft,  daher  in  einiger 
Entfernung  vor  der  ursprünglichen  Kopfbeuge  liegt  und  ihren 
Drehpunkt  in  dem  Jugum  sphenoidale  findet.  Auch  diese  vordere 
Kopfbeuge  wird  bald  durch  das  ihr  entgegen  strebende  Gesicht 
wieder  ausgeglichen.  Man  sieht,  es  kämpfen  das  Gehirn  und  das 
Gesicht  um  die  Oberherrschaft,  so  dass  der  Spheno-Ethmoidaltheil 
der  Schädelbasis  abwechselnd  gehoben  und  gesenkt  wird ,  und  es 
erklären  sich  dadurch  die  wechselnden  Krümmungen  in  verschie- 
denen Entwicklungsperioden. 

Aehnliche  Veränderungen  der  Schädelbasis  zeigt  auch  der 
menschliche  Embryo.  Mit  der  Zunahme  des  ursprünglichen  Kopf- 
beugewinkels bildet  sich  die  dem  Gesichte  Platz  machende  Kopf- 
beuge zurück  (Taf.  VI,  Fig.  4,  7  und  8),  so  dass  sie  vorüber- 
gehend fast  zur  völligen  Ausgleichung  gelangt.  Da  jedoch  bei 
dem  Menschen  das  Gehirn  durch  seine  Ausdehnung  sich  ein  Ueber- 
gewicht  verschafft,  so  weicht  mit  dem  rascheren  Wachsthum  der 
Vorderlappen  des  Grosshirns  und  mit  dem  Hervortreten  der  eben- 
falls hohlen  Geruchskolben  der  Spheno-Ethmoidaltheil  der  Schädel- 
basis wieder  nach  der  Bauchseite  aus,  die  Kopfbeuge  nimmt  wieder 
zu,  erreicht  aber  nicht  mehr  die  frühere  Ausbildung,  sondern  bringt 
es  höchstens    wieder   zur  Bildung  eines  rechten  Winkels.     Es  ge- 


87 


schieht  aber-  dieser  Kückzug  nicht  gleichniässig,  sondern,  im  Sagit- 
talschnitt  betrachtet,  in  einer  gebrochenen  Linie,  indem  der  vor- 
derste Abschnitt  der  in  Rede  stehenden  Partie  der  Schädelbasis 
(Holzschnitt  Fig.  X,  c  t)  sich  schneller  senkt  und  es  findet  diese 
neue  oder  vordere  Kopfbeuge,  wie  wir  schon  oben  bei  den  Säuge- 
thierembiyonen  gesehen  haben ,  ihren  Drehpunkt  in  der  Gegend 
des  Jugum  sphenoidale  (c).  Abnormer  Weise  kann  eine  oder  die 
andere  Stellung  zwischen  den  verschiedenen  Partien  der  Schädel- 
basis auf  einer  gewissen  Stufe  der  Entwicklung  stehen  bleiben, 
wie  der  Medianschnitt  des  Kopfes  eines  menschlichen  Fötus  auf 
Taf.  VI,  Fig.  18  zeigt,  an  welchem  der  ursprüngliche  Kopfbeuge- 
winkel ,  nachdem  er  fast  gänzlich  geschwunden  war,  sich  nach- 
träglich nicht  mehr  eingestellt  hat. 

Die  hier  eingeschal- 
teten Holzschnitte  X  und  XI 
dienen  zur  Erläuterung  der 
besprochenen  Abänderun- 
gen der  Kopfkrümmungen 
und  zur  Vergleichung  der- 
selben bei  menschlichen 
und  Säugetbierembryonen. 
Was  zunächst  den  Median- 
schnitt der  Schädelbasis 
eines  7  Ctin.  langen  mensch- 
lichen Fötus  (X)  betrifft, 
so  ist  die  ursprüngliche 
oder  hintere  Kopfbeuge, 
welche  ihren  Drehpunkt  in 
der  Gegend  des  Türken- 
sattels (s)  hat,  nachdem  sie 
in  einem  vorhergehenden 
Entwicklungsstadium  fast 
zum  Ausgleich  gelangt  war, 
für  jetzt  so  weit  wieder 
hergestellt,  dassderSpheno- 
Occipitaltheil  der  Schädel- 
basis (m  s)  mit  dem  Spheno- 
Ethmoidaltheil  (s  t)  einst- 
weilen einen  stumpfen 
Winkel  bildet.  Der  jetzt 
rückwärts  gebeugte  mittlere  Schädelbalken  (f)  bildet  mit  seiner  Wurzel  (g  d) 


88 

das  die  Sattelgrube  (s)  überbrückende  Operculum.  Betrachtet  man  den 
Spheno-Ethmoidaltheil  der  Schädelbasis  (s  t),  so  zeigt  derselbe  wiederum 
eine  Krümmung,  deren  Drehpunkt  in  der  Gegend  des  Jugum  sphenoidale  (c) 
liegt.  Diese  erst  später  entstandene  vordere  Kopfbenge  wird  durch  die 
starke  Entwicklung  der  darüber  liegenden  Vorderlappen  des  Grosshirns 
bedingt.  Da  sich  somit  in  Folge  der  stärkern  Hirnentwicklung  die  fast 
verschwundene  Sattelkopfbeuge  wieder  einstellt  und  noch  eine  neue  vor- 
dere Kopfbeuge  sich  dazu  gesellt,  so  ersieht  man  daraus,  dass  die  beiden 
Hauptabschnitte  der  Schädelbasis ,  nämlich  der  Spheno-Occipitaltheil  und 
der  Spheno-Ethmoidaltheil ,  in  Bezug  auf  ihre  Abhängigkeit  vom  Gehirn 
ßich  verschieden  verhalten  und  zwar  der  primitiven  Schädelbasis  eine 
grössere  Selbständigkeit  zukommt ,  wie  bereits  oben  auseinander  gesetzt 
wurde.  Vergleichen  wir  damit  den  Medianschnitt  der  Schädelbasis  eines 
auf  ungefähr  gleicher  Entwicklungsstufe  stehenden  Rindsfötus  (XI),  so  hat 
sich  die  zum  völligen  Ausgleich  gekommene  ursprüngliche  oder  Sattelbeuge 
der  Schädelbasis  (s)  nicht  wieder  eingestellt,  daher  die  beiden  Haupt- 
abschnitte der  Schädelbasis  (m  s  und  s  t)  in  gerader  Linie  auf  einander 
folgen.  Was  die  später  entstandene  vordere  Kopfbeuge  betrifft,  deren 
Drehpunkt  in  c  lag,  so  war  diese  auch  hier  in  früheren  Zeiten  vorhanden, 
ist  aber  nun  ebenfalls  verschwunden  und  nur  die  flache  Grube  c  t,  welche 
die  Riechkolben  und  die  Vorderlappen  des  Grosshirns  trägt ,  erinnert 
noch  daran. 


Verhalten  des  mittleren  Schädelbalkens  und  des  Gehirns  zu 
den  Abänderungen  der  Krümmungen  der  Schädelbasis. 

Wenn  die  gebeugte  Schädelbasis  sich  wiederum  streckt,  indem 
ihr  Spheno-Ethmoidaltheil  sich  hebt,  so  beschreibt  dessen  vor- 
derstes Ende  einen  Bogen ,  dessen  Mittelpunkt  im  Türkensattel 
liegt.  Es  werden  daher  die  von  ihm  getragenen  Theile  nicht  blos 
gehoben,  sondern  zugleich  rückwärts  gedrängt  und  über  einander 
geschoben.  Sehr  auffallend  zeigt  dies  der  mittlere  Schädelbalken, 
welcher  ursprünglich  genau  die  Richtung  des  Spheno-Occipitaltheils 
der  Schädelbasis ,  also  des  spätem  Clivus  oder  der  spätem 
knöchernen  Sattellehne  einschlägt  (Taf.  II,  Fig.  9),  und  mit  der 
davor  liegenden  Schädelbasis  (Spheno-Ethmoidaltheil)  einen  rechten 
Winkel  bildet.  Dreht  sich  nun  die  letztere  aufwärts  ,  so  bewegt 
sich  auch  der  im  Drehpunkt  wurzelnde  mittlere  Schädelbalken, 
richtet  sich  zuerst  auf  (Taf.  III,  Fig.  15),  und  mit  seinem  freien 
Ende  ebenfalls  einen  Bogen  beschreibend,  wendet  er  sich  schliess- 


89 

lieh  nach  hinten  (Taf.  VI ,  Fig.  4) ,  so  dass  er  fortwährend  die 
ursprüngliche  Winkelstellung  zu  dem  vor  ihm  liegenden  Theil  der 
Schädelbasis  ähnlich  dem  Schenkel  eines  Winkelhebels  behauptet. 
Natürlich  bildet  er  dann  auch  mit  der  dahinter  liegenden  Schädel- 
basis einen  Winkel,  welcher  schliesslich  bei  völliger  Ausgleichung 
der  Sattelkopfbeuge  zu  einem  rechten  sich  verkleinert.  Wenn  da- 
her der  vor  dem  Balken  befindliche  Winkel  ein  constanter  ist  und 
zwar  ein  rechter  ,  so  ist  der  dahinter  liegende  wechselnd  und  es 
giebt  somit  die  Balkenstellung  oder  die  Grösse  des  dahinter  lie- 
genden Winkels  gleichsam  einen  Massstab  zur  Beurtheilung  der 
Hebung  der  vordem  Hälfte  der  Schädelbasis. 

Betrachten  wir  zum  Schluss  noch  kurz  das  Verhalten  des 
Gehirns ,  so  ist  zuerst  vor  dem  Erscheinen  des  Gesichtes  der 
Spheno-Ethmoidaltheil  der  Schädelbasis  völlig  dessen  Einfluss  unter- 
worfen und  demnach  so  gegen  die  Bauchseite  umgebeugt,  dass  er 
mit  der  primitiven  Schädelbasis  den  spitzen  Sattelwinkel  begrenzt. 
Hebt  sich  der  vordere  Abschnitt  der  Schädelbasis  ,  so  bleibt  der 
im  Drehpunkt  (Sattelgrube)  liegende  Theil  des  Hirnrohres  (der  in 
das  Infundibulum  sich  ausziehende  Abschnitt  des  Bodens  des  dritten 
Ventrikels)  zurück  ,  während  dessen  jetziges  vorderes  Ende  im 
Bogen  sich  hebt.  Die  Grosshirnblasen  und  der  vordere  die  Augen- 
stiele tragende  Abschnitt  des  Zwischenhirns  Averden  gehoben  und 
zugleich  rückwärts  gedrängt.  Der  diesem  Andrang  gleichsam 
nachgebende  mittlere  Schädelbalken  nimmt  schliesslich  seine  Rich- 
tung anstatt  nach  vorn ,  nun  umgekehrt  nach  hinten  und  schiebt 
den  hinter  ihm  liegenden  Abschnitt  des  Hirnrohres  unter  Bildung 
einer  Knickung  zurück.  Das  Hinterhirn  (Kleinhirn)  liegt  nun  nicht 
mehr  vor,  sondern  über  dem  Nachhirn ;  die  erwähnte  als  Brücken- 
krümmung bekannte  Knickung  findet  sich  hinter  der  Wurzel  des 
mittleren  Schädelbalkens  (vergl.  d.  Figuren  15  auf  Taf.  III  und  4 
auf  Taf.  VI).  Gehirn  und  Gesicht  wirken  daher  wechselseitig 
auf  die  Stellung  und  Krümmung  der  vordem  Hälfte  der  Schädel- 
basis ein ,  sie  bekämpfen  sich  auf  diesem  Felde  mit  wechseln- 
dem Glück. 


90 


Uranlage  des  Gesichtes. 

Wie  der  Leib  des  Embryo  überhaupt,  so  besteht  auch  dessen 
Kopf  in  seiner  einfachsten  ursprünglichen  Gestalt  aus  zwei  häu- 
tigen, parallelen,  in  ihrer  ganzen  Länge  mit  einander  verbundenen 
und  am  freien  Ende  blind  geschlossenen  Röhren,  von  welchen  die 
eine  den  Kopftheil  des  animalischen  oder  Rückenrohres,  die  an- 
dere den  Kopftheil  des  vegetativen  oder  Bauchrohres  darstellt. 
Jene  (Holzschnitt  XIII ,  a  b  c)  ist  der  primitive  häutige  Hirn- 
schädel, diese  (a  d)  ist  die  sogenannte  Kopfdarmhöhle.  Die  Längen- 
achse beider  Röhren  fällt  mit  der  des  übrigen  Leibes  ursprünglich 
zusammen;  bei  vertikaler  Haltung  derselben,  die  ich  der  folgenden 
Betrachtung  zu  Grunde  legen  will,  liegen  beide  Röhren  hinter  ein- 
ander und  erhalten  in  der  Chorda  dorsalis  und  den  Urwirbelplatten 

des  Kopfes  eine  sie  stützende  gemeinschaft- 

ifnÄÄ  d£  Kopfes  liche  Scheidewand.  Bedeutet  nun  der  mit 
der  höheren  wirbeithiere.  den  obern  Enden  beider  Rönren  zusammen- 
fallende Endknopf  der  Chorda  (a),  wie  ich 
nachgewiesen  habe,  die  Gegend  der  Hypo- 
physe, also  der  spätem  Sattelgrube,  so  weiss 
ich  damit,  dass  der  primitive  Kopf  (c  b  a  d) 
vorläufig  hier  abschliesst;  es  fehlt  ihm  der 
die  Grosshirnblasen    aufnehmende    Spheno- 

a  b  c ,  Primitiver häutigerHirn-    „,,  .  ,    ,  ,     .,    ,        0    ,  ..  ,    ,  .         ,  , 

sehädei.  ead,  Kopfdaimhöhie.  Ethmoidaltneil  des  ochadels  nebst  dem  dazu 

ea,  Schädelbasis,  a,  Endknopf  .  _      .    .         _    . 

der  Chorda  dorsalis.  üieSpai-  gehörigen  Gesicht.    Beide  wachsen  erst  nach- 

tung-  der  Kopfdaimhöhlenwand 

zur  Herstellung  ein.r  das  Herz  träglieh    aus     dem      obern    Ende    der    ge- 

aiunehnienden   Lücke    ist   hier  °  ° 

und  in  den  beiden  folgenden  nannten  Röhren  heraus,  iedoch  nicht  in  deren 

Holz*chni!ten     nicht      berück-  '  J 

sichtigt.  ursprünglicher  Richtung ,  sondern  unter  Bil- 

dung eines  Winkels  (Kopfbeuge). 
Zuerst  ist  es  das  rascher  wachsende  Schädelrohr,  welches 
6ich  in  der  früher  beschriebenen  Weise  über  den  Chordaknopf 
hinaus  verlängert  und  alsbald  die  noch  zurückbleibende  Kopfdarm- 
höhle überragt  (Holzschnitt  XIV).  Es  bildet  sich  so  zwischen 
den  obern  Enden  beider  Röhren  eine  quere  Einbuchtung  (b  a  f), 
welche  unterhalb  der  Schädelbasis  (a  b)  bis  zum  blinden  Ende 
der  Kopfdarmhöhle  (a)  eindringt.     Hierauf  verdickt  sich  die  Wand 


.91 


JQY. 


der  Kopfdarmhöhle  mit  Ausnahme  der  vordem  Wand  ihres  obersten 
an  den  Chordaknopf  angehefteten  blinden  Endes  (a  f),  welche  viel- 
mehr an  Dicke  abnimmt,  wodurch  die  oben 

,  n-ii  -i  cii-ji    Medianer  Längsschnitt  des 

erwähnte    Einbuchtung     zwischen    ocnadel  Kopfes  der  höheren  Wirtoel- 

.  thiere  (Schema), 

und    Kopfdarmhöhle    die    Gestalt  einer  wie 

durch  Einstülpung  entstandenen  tiefen  Bucht 
gewinnt ,  die  man  Mundbucht  nennt.  Zu- 
gleich schieben  sich  die  die  Mundbucht 
begrenzenden  Seitenwände  sowie  die  obere 
durch  den  ersten  Schlundbogen  dargestellte 
Partie  der  verdickten  vorderen  Wand  (d  f) 
der  Kopfdarmhöhle   nach  vorn  vor ,   indem 

x  e  c  a  b,  Hirnschädel.    e  a  f  d, 

sie    das  vordere    Schädelende    (b)   zu   errei-  Kopfdarmhöhle,  a  b, .Basis  des 

v    '  Spheno  -  Etbmoidaltheils     des 

chen  suchen  ,  wodurch  die  Mundbucht  an  t££%*\&°S*JS£  SJ'- 
Tiefe    gewinnt.     Die    in    der  Richtung    des  ffÄechthÄenhS)d  tt 

,  -i  o    i  ••  t    l       j  verdickte ,    daher   durch     zwei 

nach     vorn     umgebogenen    Schadelendes    ge-    Conturen    bezeichnete   vordere 
,     .  ,  ,  i  ..l  i  Wand  der  Kopfdarmhöhle. 

schehende  Verlängerung  der  Koptdarmhohle 

führt  daher  zur  Bildung  einer  unter  der  Schädelbasis  liegenden 
Grube,  weil  das  von  dem  Chordaknopf  abgehende  Stück  der  vor- 
deren Wand  der  Kopfdarmhöhle  an  seiner  ursprünglichen  Stelle  zu- 
rückbleibt und  zugleich  sich  verdünnt. 

An  der  Mundbucht  lassen  sich  eine 
Decke  und  ein  Boden,  zwei  kürzere  Seiten- 
wände und  eine  hintere  Wand  unterschei- 
den. Vorn  und  seitwärts  öffnet  sich  die 
Mundbucht  zwischen  Schädelbasis  und  er- 
stem Schlundbogen  durch  eine  quere  Spalte, 
die  primitive  Mundspalte,  durch  welche  von 
aussen  her  das  Hornblatt  eintritt,  um  sämmt- 
liche  Wandungen  zu  überziehen.  Die  Decke 
wird    von    der    an    dem    Chordaknopf    be- 


Seitenansicht eines  Säuge- 
thierkopfes  (Schema). 


c  g  b  a  e  ,  Hirnschadel. 
Kopfdarmhöhle.      e  a, 

ginnenden     Basis    des    fepneno  -  Etmnoidal-  zwischen     Hirnschädel 


e  a  f  d, 
Grenze 

l        und 
Kopfdarmhöhle.     g,    Ohrlaby- 

theiles    des    Schädes  (Holzschnitt  XIV  und  "Mh.     i,  Noch  kurze  seiten- 

wand     der    primitiven    Mnnd- 

XV,  a  b)  gebildet.     Den   Boden  bildet   die  ]Jöhle  (Oberkieferfortsatz)     h, 

1  '    °  Auge.      b ,  Riedisrrube.    1  l  b, 

unterhalb  der  Mundbucht  befindliche  vor-  K^ÄffiffibSÄ 
dere  an  Dicke  fortwährend  zunehmende  a  ^^a3*m^*' 
Wand  der  Kopfdarmhöhle  (XIV  und  XV,  f)  also  der  erste  Schlund- 


92 

bogen,  welcher  die  Anlage  des  Unterkiefers ,  des  Mundhöhlenbodens 
und  des  Zungenkörpers  enthält.  Die  Seitenwände  der  Mundbucht 
(XV,  i)  sind  Verlängerungen  der  Seitenwände  der  Kopfdarmhöhle, 
welche  die  Gegend  der  Kopfbeuge  (a)  überschreiten  und  sich  lateral- 
wärts  an  die  Basis  des  Spheno-Ethmoidaltheils  des  Schädels  nahe  hinter 
dem  Auge  (h)  anheften ,  sind  jetzt  noch  niedrig  und  schmal  und 
dienen  daher  vorläufig  nur  zur  lateralen  Begrenzung  des  blinden 
Grundes  der  Mundbucht.  Da  aus  ihnen ,  indem  sie  entlang  dem 
Seitenrande  der  Schädelbasis  unter  dem  Auge  vorbei  nach  vorn 
wachsen,  auch  die  Oberkieferknochen  sich  entwickeln ,  so  werden 
sie  jetzt  schon  „Oberkieferfortsätze"  genannt  nach  dem  Satze 
„a  potiori  fit  denominatio".  Der  Hintergrund  oder  die  hintere 
Wand  der  Mundbucht  wird  durch  die  vordere  Wand  des  ursprüng- 
lichen blinden  Kopfendes  der  Kopfdarmhöhle  dargestellt.  Wie 
man  an  dem  durch  den  Holzschnitt  XIV  dargestellten  Median- 
schnitt wahrnimmt,  so  beginnt  diese  dünne  Wand  am  Chorda- 
knopf (a),  somit  am  Kopf  beugewink  el  der  Schädelbasis  und  er- 
streckt sich  abwärts  bis  zu  der  Stelle ,  an  welcher  die  vordere 
Kopfdarmhöhlenwand  zur  Herstellung  des  Bodens  der  Mundbucht 
sich  verdickt  (f,  erster  Schlundbogen). 

Wie  die  übrige  Wand  der  Kopfdarmhöhle,  so  besteht  auch 
diese  die  Mundbucht  von  der  Kopfdarmhöhle  trennende  Scheide 
wand,  welche  von  Remak  Rachenhaut  genannt  wurde ,  aus  drei 
Blättern,  nämlich  aus  dem  die  Mundbucht  auskleidenden  Horn- 
blatt, zweitens  aus  dem  mittleren  Keimblatt  und  drittens  aus  dem 
die  Kopfdarmhöhle  auskleidenden  Darmdrüsenblatt  (Remak).  In 
Folge  der  fortschreitenden  Verdünnung  der  Rachenhaut  bildet  sich 
eine  aus  der  Mundbucht  oder  der  primitiven  Mundhöhle  in  die 
Kopfdarmhöhle  führende  Längsspalte  oder  die  Rachenspalte  (Rem  ak), 
schliesslich  aber  schwinden  auch  die  diese  Spalte  begrenzenden 
Seitenhälften  der  Rachenhaut  und  zwar  so  vollständig,  dass  von 
nun  an  die  aus  der  Mundbucht  hervorgegangene  primitive  Mund- 
höhle ohne  alle  Abgrenzung  in  den  anstossenden  Theil  der  nun 
geöffneten  Kopfdarmhöhle ,  nämlich  in  die  Rachen-  oder  Schlund- 
kopfhöhle, einmündet. 

Auf  dieser  Stufe  der  Entwicklung  finden  wir  den  auf  Taf.  II, 
Fig.  9    dargestellten   Medianschnitt   des  Kopfes   eines   Hühnchens. 


93 

Die  von  der  Basis  des  Spheno-Ethmoidaltheils  des  Schädels  weit 
überragte  primitive  Mundhöhle  (die  frühere  Mundbuqht)  hat  zu 
ihrem  um  diese  Zeit  noch  kurzen  Boden  den  ersten  Schlundbogen 
oder  den  oberen  dicken  abgerundeten  Rand  der  vordem  Wand 
der  in  die  Mundhöhle  einmündenden  Kopfdarmhöhle  (g).  Die 
hintere  Grenze  der  Decke  der  Mundhöhle  wird  durch  den  Chorda- 
knopf markirt,  welcher  die  hier  im  Abschnürungsprocess  befind- 
liche Rathke'sche  Tasche  von  oben  her  umfasst.  Letztere  ist 
das  durch  die  Kopfbeuge  eingeklemmte  und  durch  seine  Anheftung 
an  den  Chordaknopf  in  eine  trichterförmige  Spitze  ausgezogene 
ursprüngliche  blinde  Ende  der  Kopfdarrahöhle  (vergl.  auch  Holz- 
schnitt XIV,  e  ad;  in  a,  dem  Chordaknopf,  liegt  die  Spitze  der 
Kopfdarmhöhle ,  welche  sich  somit  in  Folge  der  zunehmenden  Kopf- 
beuge als  Rathke'sche  Tasche  erhält).  Daraus  erklärt  sich  auch, 
dass  diese  Tasche  ihre  zellige  Auskleidung  nicht  von  der  Mund- 
höhle (also  dem  Hornblatt),  sondern  von  der  Kopfdarmhöhle,  so- 
mit von  dem  Darmdrüsenblatt  erhält.  Zur  Orientirung  in  Bezug 
auf  diese  Abgrenzung  der  primitiven  Mundhöhle  von  der  Rachen- 
höhle erinnere  ich  daran ,  dass  später  an  dieser  Stelle  die  Mitte 
des  hintern  Keilbeinkörpers,  also  der  Boden  der  Sattelgrube,  sich 
ausbildet.  Der  in  Figur  9  der  zweiten  Tafel  zwischen  h  g  be- 
ginnende und  aufwärts  bis  zur  Rathke'schen  Tasche  sich  er- 
streckende Abschnitt  der  Kopfdarmhöhle  ist  die  Rachenhöhle  und 
deren  hintere  Wand  wird  von  der  dicken  die  Chorda  enthaltenden 
Basis  des  Spheno-Occipitaltheils  des  Schädels  gebildet.  Die  Längs- 
achse dieser  Höhle  schneidet  entsprechend  der  Kopfbeuge  unter 
einem  rechten  Winkel  die  Längsachse  der  davor  liegenden  noch 
sehr  kurzen  primitiven  Mundhöhle. 

Aehnlich  verhält  sich  in  dieser  Beziehung  der  auf  Taf.  III, 
Fig.  15  dargestellte  Medianschnitt  des  Kopfes  eines  6l/u  Millim. 
langen  Rindsembryo  ,  sowie  der  Medianschnitt  des  Kopfes  eines 
ähnlichen  Rindsembryo,  welchen  ich  in  dem  nebenstehenden  Holz- 
schnitt XVI  genau  nach  der  Natur  abgebildet  habe.  Die  Längen- 
achse der  Mundhöhle  (Holzschn.  XVI,  m  v)  schneidet  die  Längen- 
achse der  Rachen-  oder  Schlundkopfhöhle  (m  o  x  h  1)  rechtwinklig. 
An  diesem  Embryo  ist  die  Grenze  zwischen  Kopf  und  Rumpf 
durch    die    Nackenbeuge  (f)  markirt   und    es  bildet   die  Basis  des 


94 


Spheno-Occipitaltheils  des  Schädels  oder    der   spätere  CHvus  (i  h) 
mit  der  Halswirbelsäule  (i  k)    einen    rechten  Winkel ,    der  an  der 

Rückseite  scharfkantig   Fig  XVI    Medianer  &enau  naoh  der  Natur  ent. 

vnrcnrino-f    (\      riintprpr    worfener  Längenschnitt  des  Kopfes  eines  6 »feMillim. 
VOlspnngt    (1,    nmterei  langen  Rindsfötus. 

Schädelbalken),  ander 
Bauchseite  dagegen 
sich  ausrundet.  Bringt 
man  den  Kopf  durch 
Drehung  nach  vorn  in 
eine  solche  Lage,  dass 
die  genannte  Partie  der 
Schädelbasis  (i  h)  eine 
horizontale ,  die  Hals- 
wirbelsäule (i  k)  dage- 
gen eine  senkrechte 
Richtung  erhält ,  so 
wird     die     durch     die 

Nackenbeuge   horizon- 
tal nmo-plpo-tp  Bfl«i«  rlpq  ab,   Vordere  Hirnblase,  die  sich  in  zwei  hinter  einander 
tai  umgeiegießdsis  ues  üeg'mAe  Abteilungen    geschieden  hat,    von    welchen    die 
^nJiPvin     fWinir«ilrhpil<5  vordere   in   ihren   Seitenhälften   die  Anlage   der  jetzt   noch 
öpneno  -  WCOipn.an.ueUB  nich(.  unterscheidbaren  Grosshirnbläschen   enthält,   c,  Mittel- 
er, ^r,U-AA„\c  „„».  nnnlr0  Mrn.    d,  Hinterhirn,    e,  Nachhirii.    f,  Nackenbeuge,    g,  Mitt- 
eles OCnaUelS  ZU1  JJeCKe  lerer   Schädelbalken,    h,  i,  Basis  des  Spheno-Occipitaltheils 
,           o    i  l        n        r  des  Schädels,   k  i  ,  Halswirbelsäule.    1,  Kathke'sche  Tasche. 
des      OCnlunCÜCOpieS,  m)  Erster  Schlundbogen.  n,  Zweiter  Schlundbogen,  o,  Dritter 
..               .  .  Schlundbogen,   p,  o,  n,  in,  Vordere  Schlundwand ;    dahinter 
Während  dessen  hintere  liegt   die   geöffnete   Schlundhöhle   mit    den    Schlundspalten. 

q,    Vorhof tli eil   des   Heizens,      r,    Kammertheil    desselben. 

Wand    der    Halswirbel-  s,  Aortenstamm    des   Herzens,      t  u,   Membrana    reuniens 

inferior,      v ,    Mediane     Fläche    des     Oberkiefertortsatzes. 

Säule   anlieft       Mit    der  w>   Erste    Schlundspalte.      x,    Zweite    Schlundspalte;    die 

6  '  darunter  liegende  dritte  ist  nicht  bezeichnet,    y,  Eingang  in 

weitern  Ausbildung  der  den  bohlen  Au&enstiei. 

zwischen  der  Halswirbelsäule  und  dem  Schlundkopf  liegenden 
Muskulatur  und  der  Zunahme  des  lockeren  diesen  Zwischen- 
raum erfüllenden  Bindegewebes  schiebt  sich  die  hintere  Schlund- 
wand weiter  vor ,  so  dass  ihre  Anheftungsstelle  an  die 
Schädelbasis  in  der  Richtung  gegen  den  Keilbeinkörper  vorrückt. 
Dabei  bildet  sich  an  dieser  Stelle  bei  menschlichen  Embryonen 
eine  kleine  schon  früher  von  mir  erwähnte  Tasche  aus ,  welche 
später  wieder  verschwindet  oder  hie  und  da  auch  nach  der  Geburt 
zurückbleibt  und  zur  sogenannten  Bursa  pharyngea  sich  ausbildet. 
Es  gewährt  ferner  dieser  Durchschnitt  einen  deutlichen  Ein- 
blick   in    die    primitive    Mundhöhle ,    welche     rückwärts    bis    zur 


95 

Rathke 'sehen  Tasche  (1)  reicht  und  hier  in  die  Schlundkopf  höhle 
übergeht.  In  der  Tiefe  bemerkt  man  die  innere  Oberfläche  ihrer 
noch  kurzen  von  dem  Oberkieferfortsatz  gebildeten  Seitenwand  (v), 
welche  eine  Fortsetzung  der  seitlichen  Schlundwand  darstellt  und 
einstweilen  hinter  und  unter  dem  Eingang  in  den  hohlen  Augen 
stiel  (y)  endigt.  Hierauf  folgt  der  laterale  Theil  der  primitiven 
Mundspalte  und  darunter  der  den  Boden  der  Mundhöhle  darstel- 
lende obere  Umfang  des  ersten  Schlundbogens  (m). 

Der  auf  Taf.  I,  Fig.  23  abgebildete  Kopf  eines  V/s  Millim. 
langen  Rindsembryo  giebt  eine  Ansicht  der  Decke  der  primitiven 
Mundhöhle  a,  welche  nach  hinten  durch  den  eine  Querspalte  dar- 
stellenden Eingang  der  Rathke'schen  Tasche  von  der  dahinter 
liegenden  Schädelwand  der  Rachenhöhle  scharf  geschieden  wird. 
Letztere  erscheint  als  eine  breite  flache  Mulde,  welche  zu  beiden 
Seiten  von  den  Oberkieferfortsätzen  b  begrenzt  wird.  Diese  als 
seitliche  Ausladungen  der  Schädelbasis  sich  darstellenden  Fortsätze 
schreiten  bereits  auf  die  davor  liegende  Basis  der  vorderen  Schädel- 
partie a  vor  und  bilden  dadurch  die  noch  kurze  seitliche  Begren- 
zung des  hintern  Abschnittes  der  primitiven  Mundhöhle. 

Die  primitive  Mundhöhle  des  Menschen  und  der  Säugethiere 
ist  die  gemeinschaftliche  Anlage  des  hintern  Abschnittes  der  später 
erst  sich  scheidenden  Vorhallen  des  Luft-  und  Speiseweges,  nämlich 
der  Mundhöhle  und  der  Regio  respiratoria  der  Nasenhöhle.  Ge- 
nauer bezeichnet  enthält  sie  die  gemeinschaftliche  Anlage  des  Nasen- 
rachenganges  und  des  hinteren  Abschnittes  der  Mundhöhle  nebst 
der  Gegend  der  Rachenenge. 

Am  ausgebildeten  Kopf  des  Menschen  und  der  Säuger  ver- 
stehe ich  unter  „N  a  s  e  n  r  a  c  h  e  n  g  a  n  g"  die  hintere  Partie  der 
Regio  respiratoria  der  Nasenhöhle,  welche  dieselbe  mit  der  Rachen- 
höhle verbindet.  Seine  Decke  wird  von  den  beiden  Keilbein- 
körpern ,  die  laterale  Wand  von  den  absteigenden  Keilbeinflügeln 
(und  Flügelbeinen)  und  den  senkrechten  Gaumenbeintheilen ,  der 
Boden  von  dem  Gaumensegel  und  der  hintern  Partie  des  harten 
Gaumens  gebildet.  Bei  den  höheren  Säugethieren  (und  nur  von 
diesen  ist  hier  die  Rede)  ist  wie  die  ganze  Nasenhöhle ,  so  auch 
dieser  die  eigentliche  Nasenhöhle  mit  der  Rachenhöhle  verbindende 
Gang   oder    der  Nasenrachengang    viel    länger    als    wie    bei    dem 


96 

Menschen.  Aus  diesem  Grunde  sind  die  Flügelbeine  und  die 
senkrechten  Platten  der  Gaumenbeine  verhältnissmässig  viel  breiter ; 
die  Verlängerung  des  Bodens  des  Nasenrachenganges  wird  durch 
eine  grössere  sagittale  Ausdehnung  des  weichen  Gaumens  erzielt, 
sowie  dadurch ,  dass  die  horizontalen  Gaumenbeinplatten  ebenfalls 
in  sagittaler  Richtung  zunehmen  und  lediglich  nur  dem  Boden  des 
Nasenrachenganges  angehören.  Die  Decke  dieses  Ganges  *)  wird 
nicht  wie  bei  dem  Menschen  nur  durch  das  Keilbein  dargestellt, 
sondern  erhält  eine  beträchtliche  Verlängerung  durch  eine  beson- 
dere dünne  Knochenplatte ,  welche  die  Siebbeingegend  (Regio 
olfactoria)  von  dem  Nasenrachengang  abscheidet.  Es  hat  somit 
die  Nasenhöhle  der  höheren  Säugethiere,  was  ich  als  auffallenden 
Unterschied  von  der  menschlichen  Nasenhöhle  hervorhebe,  in  ihrer 
hintern  Hälfte  in  der  That  einen  doppelten  Boden,  von  welchen 
der  obere  die  Riechgegend  trägt,  der  untere  die  Regio  respiratoria 
der  Nasenhöhle  fortsetzt.  Diese  dünne  nach  vorn  in  transversaler 
Richtung  sich  verbreiternde  und  daher  ungefähr  dreieckige  Knochen- 
platte ist  an  ihrem  vordem  Rande  halbmondförmig  ausgeschweift, 
heftet  sich  mit  ihrem  medianen  Rande  an  den  obern  Rand  des 
Vomer ,  so  dass  sie  wie  eine  flügeiförmige  Ausladung  desselben 
erscheint,  und  verbindet  sich  lateralwärts  mit  den  Gaumenbeinen 
sowie,  was  ich  an  einem  gerade  vor  mir  liegenden  Hundsschädel 
bemerke,  selbst  noch  mit  den  Oberkieferknochen ,  wobei  sie  sich 
an  der  Begrenzung  des  Sinus  maxillaris  und  der  Siebbeinzellen 
betheiligt.  Untersucht  man  das  Verhältniss  dieser  aus  je  einem 
besondern  Knochenkern  sich  entwickelnden  und  erst  später  mehr 
oder  weniger  vollständig  mit  dem  Vomer  verschmelzenden  Knochen- 
platten zu  dem  dahinter  liegenden  vordem  Keilbeinkörper ,  so 
stellen  sie  eine  Verlängerung  der  ventralen  Fläche  derselben  vor. 
Es  erscheint  daher  die  darüber  liegende  Partie  der  Nasenhöhle  als 
die  erweiterte  Keilbeinhöhle.  Eine  besondere  von  der  Nasenhöhle 
einigermassen  abgeschiedene  Keilbeinhöhle  habe  ich  nicht  gefunden. 
An  dem  Schädel  des  Menschen  käme  es  zu  demselben  Re- 
sultat,  wenn  man    die  von    der  untern  zur  vordem  Keilbeinwand 


1)  Ich  beziehe  mich  auch    in  diesen   die  fertige  Nasenhöhle  der  höheren 
Säugethiere  betreffenden  Angaben  wiederum  nur   auf  eigene  Beobachtungen. 


97 

sich  aufliegenden  Keilbeinmuscheln  (Cornua  sphenoidalia)  in  Ge- 
danken herabschlagen  und  zur  Verlängerung  des  Bodens  der  Sinus 
sphenoidales  benutzen  würde.  Die  Keilbeinhöhlen  wären  dann 
von  der  Regio  olfactoria  der  Nasenhöhle  nicht  mehr  als  beson- 
dere Nebenhöhlen  abgeschieden.  Aus  diesem  Vergleiche  ergiebt  sich 
sofort,  dass  die  oben  beschriebene  dreieckige  den  Boden  der  Regio 
olfactoria  der  Säugethiere  darstellende  Knochenplatte  in  der  That 
die  Keilbeinmuschel  des  Menschen  ist.  Sie  bilden  mit  einander 
gleichsam  eine  Zugbrücke ,  die  bei  dem  Menschen  aufgezogen  ist 
zur  Abschliessung  der  Keilbeinhöhlen ,  bei  den  Säugern  dagegen 
herabgelassen  und  den  ununterbrochenen  Uebergang  der  Regio 
olfactoria  der  Nasenhöhlen  in  die  Keilbeinhöhlen  vermittelt.  Wie 
wir  später  sehen ,  so  ist  die  Uranlage  dieser  hintern  Partie  der 
Riechgegend  schon  in  den  Riechgrübchen  des  Embryo  gegeben, 
welche  somit  zugleich  die  Uranlage  der  Keilbeinhöhlen  darstellen. 

Zur  Begründung  des  durch  das  Verhalten  der  Keilbeinmuscheln 
bedingten  auffallenden  Unterschiedes  menschlicher  und  Säugethier- 
köpfe  berufe  ich  mich  auch  auf  die  in  den  beigegebenen  Tafeln 
niedergelegten  zahlreichen  Abbildungen  von  Querschnitten.  So 
stellt  z.  B.  Taf.  V,  Fig.  12  den  Frontalschnitt  des  Gesichtes  eines 
Rindsembryo  dar ,  dessen  Nasenhöhlen  von  der  Mundhöhle  durch 
den  bereits  verknöcherten  Gaumen  geschieden  sind.  Vergleicht 
man  damit  einen  die  Nasenhöhle  in  ihrer  hinteren  Hälfte  treffenden 
Frontalschnitt  (Fig.  14),  so  bemerkt  man  über  dem  harten  Gaumen 
noch  einen  zweiten  dicken  transversalen  einstweilen  durch  Knorpel  ge- 
stützten Boden  ,  welcher  die  obere  Partie  der  Nasenhöhle  (Regio 
olfactoria)  von  der  untern  (Regio  respiratoria)  abscheidet.  Letztere 
ist  der  Nasenrachengang,  welcher  hier  durch  den  bereits  ver- 
knöcherten niedrigen  Vomer  unvollständig  halbirt  wird.  Die  in 
der  Decke  des  Nasenrachenganges  enthaltenen  Knorpelplatten  (d) 
sind  die  Vorläufer  der  Cornua  sphenoidalia  und  schliessen  sich 
dem  obern  Rand  des  Vomer  an.  Legt  man  den  Schnitt  noch 
tiefer  durch  die  hintere  Keilbeingegend  an  (Fig.  15),  so  trifft  man 
nur  den  Nasenrachengang  b,  an  dessen  von  dem  Keilbein  gebil- 
deter Decke  das  hintere  Ende  des  Vomer  sich  entwickelt. 

Aehnliches  zeigen  auch  die  Frontalschnitte  des  Kopfes  eines 
Schweinsfötus  (Taf.  IV) ,   jedoch  mit  dem  Unterschied ,    dass  hier 

Dursy  ,  Entwicklgsgesch.  7 


98 

der  Nasenrachenkanal    durch   ein    breites    den  Vomer  enthaltendes 
Septum  halbirt  wird  (Fig.   11,    12  und   13,  w). 

Vergleicht  man  damit  die  Frontalschnitte  menschlicher  Em- 
bryonen (Taf.  VIII,  Fig.  8  und  Taf.  VII,  Fig.  13  und  14),  so  lässt 
sich  ein  ähnlicher  Plan  der  Nasenbildung  nicht  verkennen.  Be- 
sonders schön  zeigt  dies  der  in  Fig.  13,  Taf.  VII  dargestellte 
Schnitt ,  an  welchem  auf  der  einen  Seite  die  obere  Partie  der 
Nasenhöhle  (n)  von  der  untern  oder  der  Regio  respiratoria  (g)  sich 
abzuscheiden  im  Begriffe  steht.  In  Fig.  14  ist  dieser  Process 
fertig  und  der  Nasenrachengang  c  von  dem  hintersten  Ende  der 
Regio  olfactoria  b  geschieden.  Der  Unterschied  von  den  Säuge- 
thieren  besteht  aber  darin  ,  dass  die  als  Nasenrachengang  abge- 
schiedene Nasenhöhlengegend  weitaus  die  grössere  ist,  während 
die  Regio  olfactoria  nur  als  ein  unansehnlicher  Rest  übrig  bleibt, 
welcher  die  Uranlage  der  Sinus  sphenoidales  darstellt.  Aus  den 
Figuren  14  und  15  der  VII.  Tafel  ergiebt  sich  ferner,  dass  der 
unter  beiden  Keilbeinkörpern  verlaufende  und  von  den  Partes 
horizontales  der  Gaumenbeine  sowie  von  dem  Gaumensegel  ge- 
tragene eigentliche  Nasenrachenkanal  ursprünglich  wie  bei  dem 
Rindsfötus  unpaarig  ist  und  eine  nur  unvollständige  Theilung  in 
zwei  symmetrische  Seitenhälften  durch  einen  von  der  Decke  herab- 
ragenden, das  hintere  Ende  des  Vomer  enthaltenden  Längswulst 
erzeugt  wird.  Erst  später  rückt  der  hintere  Rand  des  Vomer 
nach  hinten  vor,  um  sich  mit  den  Partes  horizontales  der  Gaumen- 
beine zu  verbinden. 

Nachdem  ich  hiermit  die  Bedeutung  der  primitiven  Mundhöhle 
angedeutet  habe ,  deren  Richtigkeit  durch  den  späteren  Verlauf 
der  Entwicklung  sich  herausstellen  wird ,  habe  ich  noch  den  Ein- 
gang in  dieselbe  oder  die  primitive  Mundspalte  zu  besprechen. 
Am  besten  geschieht  dies  mit  Hülfe  des  auf  Seite  104  stehenden 
Holzschnittes  XVII,  welcher  den  Kopf  eines  6  Millim.  langen  Rinds- 
embryo darstellt.  Man  unterscheidet  an  der  sehr  breiten  Mund- 
spalte einen  medianen  geräumigeren  und  zwei  laterale  niedrigere 
Abtheilungen.  Der  mediane  Theil  bildet  ein  mit  der  Spitze  ab- 
wärts gekehrtes  Dreieck;  seine  von  dem  vordem  Ende  der  Schädel- 
basis dargestellte  Basis  ist  in  der  Mitte  etwas  flach  ausgeschweift, 
da  an  dieser  Stelle,  wie  der  Querschnitt  des  vorderen  Schädelendes 


99 

(XVIII)  zeigt,  die  Schädelbasis  dünner  ist  als  an  beiden  Seiten. 
Die  untere,  einen  tiefen  winkligen  Ausschnitt  darstellende  Begren- 
zung wird  von  den  beiden  Seitenhälften  des  ersten  Schlundbogens 
gebildet.  Die  beiden  lateralen  Abtheilungen  der  primitiven  Mund- 
öffnung sind  niedrige,  schief  ab-  und  rückwärts  zwischen  die  Ober- 
kieferfortsätze (g)  und  die  Seitentheile  des  ersten  Schlundbogens 
(h)  eindringende  Spalten. 

Fragt  man  nach  der  Bedeutung  der  primitiven  Mundspalte, 
so  ist  zwar  ihr  mittlerer  höherer  Theil  der  Vorläufer  der  spätem 
Mundöffnung,  zugleich  aber  auch  der  Eingang  in  den  von  der 
Mundhöhle  noch  nicht  abgeschiedenen  Nasenrachengang.  Ferner 
steigt  in  diesen  Theil  der  Mundöffnung  der  Stirnfortsatz,  also  die 
Nase,  herab  und  von  hier  aus  beginnt  somit  in  der  Richtung  nach 
vorn  die  Bildung  der  vor  der  primitiven  Mundhöhle  liegenden  Ge- 
sichtsgegend. 

Die  lateralen  Theile  der  primitiven  Mundspalte  trennen  den 
Oberkiefer  von  dem  Unterkiefer  und  werden  später  durch  die 
Weichtheile  der  Backen  gedeckt. 

Die  erste  Anlage  des  Gesichtes  besteht,  wie  wir  gesehen  haben, 
aus  der  noch  kurzen  und  niedrigen  primitiven  Mundhöhle,  deren 
Decke  von  der  Schädelbasis,  deren  Seitenwände  von  den  Ober- 
kieferfortsätzen, deren  Boden  von  dem  ersten  Schlundbogen  ge- 
bildet wird.  Die  weitere  Ausbildung  zeigt  sich  hauptsächlich  darin, 
dass  die  bisher  an  der  seitlichen  und  vordem  Schädelwand  lie- 
genden Anlagen  der  Seh-  und  Geruchsorgane  gegen  das  Gesicht 
herabrücken  und  ferner  von  dem  Mundhöhlenboden  das  Ge- 
schmacksorgan sich  erhebt.  Namentlich  sind  es  die  Geruchsorgane 
(Riechgruben) ,  welche  ihren  Einfluss  auf  die  Gesichtsbildung  gel- 
tend machen;  zu  ihrer  Aufnahme  entwickelt  das  vor  den  Augen 
liegende  vordere  Schädelende  einen  mächtigen  zum  Gesicht  herab- 
steigenden Fortsatz  (Stirnfortsatz).  Derselbe  zerfällt  in  einen 
mittleren  und  in  zwei  laterale  die  Riechgruben  zwischen  sich  fas- 
sende Abtheilungen  (mittlerer  und  seitliche  Stirnfortsätze)  ,  welche 
somit  die  erste  Anlage  der  Nase  formiren.  Ihr  entgegen  wächst 
von  dem  nach  vorn  verlängerten  Mundhöhlenboden  die  Zunge, 
während  die  Oberkieferfortsätze  zur  Aufnahme  der  herabrückenden 
Augen  nach  vorn  sich  verlängern  und  sich  zugleich  an  der  Bildung 

7* 


100 

der  Nase  betheiligen ,  indem  sie  sich  mit  den  Stirnfortsätzen  ver- 
binden. Es  verlängert  sich  das  anfangs  sehr  kurze  Gesicht  in 
der  Richtung  von  hinten  nach  vorn  und  gewinnt  dabei  zur  Auf- 
nahme der  Zunge  und  der  von  oben  heranwachsenden  Nase  an 
Höhe.  Die  Verlängerung  geschieht  erstens  durch  die  vor  der 
primitiven  Mundhöhle  entstehenden ,  also  die  Gegend  der  primi- 
tiven Mundspalte  einnehmenden  Nase,  wobei  zugleich  die  Ober- 
kieferfortsätze nachrücken  ,  zweitens  durch  Ausdehnung  des  von 
dem  ersten  Schlundbogen  abgehenden  Mundhöhlenbodens.  An 
Höhe  gewinnt  das  Gesicht  durch  die  von  der  Schädelbasis  herab- 
steigende Nase  und  die  ihr  entgegenkommende  Zunge,  sowie  durch 
die  an  Umfang  bedeutend  zunehmenden  Oberkieferfortsätze.  Diese 
zwischen  dem  Schädel  und  den  ersten  Schlundbogen  sich  ein- 
schiebenden Bildungen  drängen  den  vor  der  Kopfbeuge  liegenden 
Abschnitt  der  Schädelbasis  mehr  und  mehr  nach  oben,  womit  die 
früher  geschilderten  Abänderungen  des  Kopfbeugewinkels  zu- 
sammenhängen. 

Nun  erst  kann  man  eigentlich  von  einem  Gesichte  sprechen, 
welches  eine  zur  Aufnahme  der  genannten  Sinnesorgane  be- 
stimmte und  die  primitive  Mundhöhle  enthaltende  Körpergegend 
darstellt.  Die  das  Gesicht  zusammensetzenden  Bildungstheile 
sind  theils  Fortsetzungen  der  vordem  und  seitlichen  Wand 
der  Kopfdarmhöhle  (erster  Schlundbogen  mit  Unterkieferfortsätzen, 
Oberkieferfortsätze),  theils  des  Schädels  (Stirnfortsatz),  die  ich 
in  dieser  Reihenfolge  einer  Besprechung  unterziehen  will.  Ich 
beginne  mit  dem  ersten  Schlundbogen  und  schicke  eine  Betrachtung 
der  Schlundhöhle  und  der  Schlundbügen  überhaupt  voraus. 


Schlund-  und  Brusthöhle. 

Wie  ich  schon  bei  einer  andern  Gelegenheit  gezeigt  habe,  so 
wird  die  Bildung  des  Bauchrohres  in  Gestalt  der  sogenannten 
Kopfdarmhöhle  früher  eingeleitet  als  die  des  Rückenrohres.  Unter- 
sucht man  einen  Hühnerembryo  kurz  vor  dem  Erscheinen  der  ersten 
Urwirbel ,  so  bemerkt  man  nach  aussen  von  den  Rückenplatten 
und  von  diesen  durch  eine  dünnere  und  daher  durchsichtige  Grenz- 


101 

zone  geschieden  ,  die  Bauchplatten.  Dieselben  haben  die  Gestalt 
schmaler  durch  Verdickung  des  Embryonalschildes  entstandener 
Streifen,  welche  nach  aussen  ganz  allmählig  und  continuirlich  in 
den  durchsichtigen  Fruchthof  sich  fortsetzen.  Am  Kopfende  fliessen 
sie  vor  dem  Schlussbogen  der  Rückenplatten  ebenfalls  bogenförmig 
zusammen  und  schlagen  sich  hier  alsbald  zur  Bildung  der  Kopf- 
darmhöhle bauchwärts  um.  Entstehen  unterdessen  die  ersten  Ur- 
wirbel  (Taf.  II,  Fig.  10),  so  überzeugt  man  sich,  was  ich  schon 
früher  gegen  Remak  geltend  machte,  dass  die  oben  erwähnte 
helle  Abgrenzungszone  oder  Grenzrinne  zwischen  Rücken-  und 
Bauchplatten  durchaus  nicht  auf  den  Rumpf  sich  beschränkt,  son- 
dern den  ganzen  Kopf  betrifft  (vergl.  auch  die  Figuren  11,  12 
und  1 3  derselben  Tafel).  Auch  in  spätem  Zeiten ,  wenn  bereits 
das  Bauchrchr  bis  zum  Nabel  sich  geschlossen  hat ,  erhält  sich 
die  Grenzfurche  und  kann,  wie  man  an  den  auf  Taf.  I,  Fig.  19 
und  20  abgebildeten  Säugethierembryonen  bemerkt,  entlang  dem 
obern  Rand  der  Oberkieferfortsätze  unter  dem  Auge  vorbei  bis 
gegen  vorderes  Schädelende   verfolgt  werden. 

Nachdem  der  Kopftheil  des  Bauchrohres  oder  die  Kopfdarm- 
höhle eine  gewisse  Länge  erreicht  hat ,  so  zerfällt  dieselbe  nach 
Remak  beim  Hühnchen  in  eine  obere  (den  Embryo  in  vertikaler 
Haltung  gedacht)  in  ihrer  Wandung  ungespaltene  Hälfte  ,  die  er 
Schlundhöhle  nennt,  und  in  eine  untere  Hälfte,  in  welcher  durch 
Spaltung  die  Bauchwand  von  der  Darmwand  sich  trennt.  Es 
zerfällt  daher  nach  Remak  die  untere  Hälfte  der  Kopfdarmhöhle 
in  den  Vorderdarm  und  in  die  obere  unpaarige  Partie  derPleuro- 
peritonealhöhle  oder  die  primitive  Brusthöhle,  die  man  auch  Herz- 
höhle, Herzlücke,  Halshöhle  nennt.  Eine  genauere  Untersuchung 
jedoch  lehrt,  wie  Götte1)  mit  Recht  geltend  macht,  dass  auch 
die  obere  Hälfte  der  Kopfdarmhöhle  oder  die  Schlundhöhle  an  der 
Bauchseite  eine  zur  Aufnahme  des  Aortenendes  des  Herzens  be- 
stimmte und  aufwärts  sich  verschmälernde  Fortsetzung  der  ge- 
nannten Spaltungslücke  besitzt.  Auch  für  den  Menschen  und  die 
Säuger  kann  ich  dieses  Verhalten  bestätigen ,  indem  hier  an  der 
vordem  Seite    der  Schlundhöhle    die    zur    Aufnahme    des  Herzens 


1)  Beiträge  z.  Entwklg.  d.  Darmkanales.    1867.    S.  9  u.  26. 


102 


bestimmte  Spaltung  der  Bauchwand  aufwärts  bis  zum  untern  Rand 
der  primitiven  Mundspalte,    also  bis  zum  oberen  Rand  des  ersten 
Schlundbogens  reicht.     Allmählig  zieht  sich  dann  das  obere  Ende 
dieser  Spaltungslücke  aus  dieser  Gegend  zurück ,  indem  der  erste 
Schlundbogen  an  Höhe  zunimmt    und  über  den  Anfang  der  Spal- 
tung hinauswächst  (vergl.    den    durch    den  Holzschn.  XVI   darge- 
stellten Medianschnitt  des  Kopfes  eines  Rindsembryo).     An  diesem 
Embryo  sind  in  der  Seitenwand  der  Schlundhöhle  bereits  die  durch 
die    Schlundspalten    geschiedenen    Schlundbogen    entstanden    und 
haben  sich  auch  in  der    vordem  Schlundwand  (p  o  n  m)  mit  ein- 
ander   zu    einem  unpaarigen    der   ganzen  Länge  nach  zusammen- 
hängenden   Mittelstück    verbunden.      An    der    innern    Oberfläche 
dieses  Mittelstückes    erkennt    man    das    Gebiet    der    hier  sich  ver- 
bindenden    Schlundbogenhälften    an    in    die  Schlundhöhle  einsprin- 
genden flachen  Wülsten,    von  welchen  der  obere  (m)  dem  ersten, 
der  mittlere  (n)  dem  zweiten,  der  untere  (o)  dem  dritten  Schlund- 
bogen angehört.  Ferner 
enthält      die      vordere 
Schlundwand  eine  Fort- 
setzung    des     Aorten- 
stammes   des    Herzens 
(s),  welcher  sich,  schief 
von      oben     herabstei- 
gend, in  die  Mitte   der 
vorderen  Schlundwand 
einsenkt  (vergl.  Taf.  I, 
Fig.  20,  i  und  Fig.  21). 
Vor    der  Schlundhöhle 
liegt  das  Herz  (s  q  r), 
sowie  die  obere  Partie 
der        dasselbe       auf- 
nehmenden   primitiven 
Brusthöhle.     Es  entsteht  diese  Höhle   durch  Spaltung  der  vordem 
Wand    der    ursprünglichen    Kopfdarmhöhle  in    zwei  Blätter,    von 
welchen  das  tiefere  die  vordere  Schlundwand  bildet  und  auch  die 
Schlundbogenhälften    verbindet.     Es    ist  daher  falsch,    wenn    man 
diese  mediane  Verbindungshaut ,    die  anfangs  dünn  ist ,    in  neben- 


Erklärung  s.  Seite  94. 


103 

stehendem  Holzschnitt  aber  bereits  eine  beträchtliche  Dicke  erreicht 
hat,  als  einen  Theil  der  Membrana  reuniens  inferior  auffasst;  sie 
ist  vielmehr  die  durch  Spaltung  der  Bauchwand  frei  gewordene 
Darmfaserwand  des  Schlundes,  während  die  Membrana  renn.  inf. 
bekanntlich  die  primitive  Bauchwand  ergänzt. 

Das  oberflächliche  Spaltungsblatt  der  primitiven  Brusthöhle 
(t  u)  beginnt  an  diesem  Embryo  mit  einem  dickern  Wurzelstück 
am  unteren  Umfang  des  ersten  Schlundbogens  (m).  An  jüngeren 
Embryonen  lag  die  Abgangsstelle  hoher  oben  und  unmittelbar  an 
die  Mundspalte  angrenzend.  Das  Herabrücken  erkläre  ich  mir 
dadurch,  dass  der  an  Höhe  zunehmende  erste  Schlundbogen  über 
die  Abgangsstelle  der  primitiven  Brustwand  hinauswächst.  Die 
vorläufige  Brustdecke  (t  u)  ist  an  ihrem  Wurzelstück  (von  der 
vordem  Schlundwand  bis  zu  dem  Buchstaben  t)  etwas  dicker,  be- 
steht aus  dem  Hornblatt  und  der  Remak'schen  Hautplatte,  geht 
schliesslich  in  das  Amnion  über  und  ist  daher  die  obere  Partie 
oder  der  Brusttheil  der  Membrana  reuniens  inferior.  Daraus  geht 
hervor  ,  dass  diese  Haut  nicht  als  mediane  Verbindungsmembran 
der  Schlundbogen  aufgefasst  werden  kann.  Die  Abgangsstelle  der 
primitiven  Brustdecke  liegt,  wie  wir  gesehen  haben,  in  der  Me- 
dianebene des  Embryo  am  höchsten,  indem  sie  hier  von  dem  ersten 
Schlundbogen  abgeht.  Lateralwärts  dagegen  rückt  der  Ursprung 
tiefer  herab  und  nähert  sich  zugleich  dem  Schädel-  und  Wirbel- 
rohr und  zwar  um  so  mehr,  je  weiter  man  ihn  abwärts  verfolgt 
(Taf.  I,  Fig.  20).  Zur  Erläuterung  wähle  ich  die  durch  den  Holzschnitt 
XVII  (s.  S.  104)  gegebene  Halbprofilansicht  des  Kopfes  eines  6  Millim. 
langen  Rindsembryo.  Zwischen  den  beiderseitigen  Schlundbogen- 
hälften  bemerkt  man  eine  dreieckige  den  Querschnitt  des  Arterien- 
stammes des  Herzens  (a)  enthaltende  Fläche ,  deren  Spitze  fast 
die  Mundspalte  erreicht.  Die  beiden  abwärts  divergirenden  Be- 
grenzungslinien dieser  Fläche  bedeuten  den  Abgang  der  hier  mit 
dem  Herzen  abgetragenen  oberen  Partie  der  Membrana  reun.  inf. 
oder  der  primitiven  Brustdecke  von  der  Schlundwand.  Die  da- 
zwischen liegende  dreieckige  Fläche,  welche  somit  den  Hintergrund 
der  abgetragenen  Brusthöhle 'darstellt,  ist  der  mediane  die  beider- 
seitigen Schlundbogen  verbindende  Abschnitt  der  vordem  Schlund- 
wand, in  welcher  die  Fortsetzung  des  Arterienstammes  des  Herzens 


104 


um 


xvm. 


und  der  Anfänge  der  Aorten- 
bogen verlaufen ,  und  wel- 
chen die  Bedeutung  einer 
durch  Spaltung  frei  gewor- 
denen Darmfaserwand  des 
Schlundes  zukommt  (vergl. 
auch  Taf.  I,  Fig.  20). 

Lehrreich  ist  auch  die 
Profilansicht  des  durch  den 
Holzschnitt  XX,  S.  105  dar- 
gestellten Kopfes  eines  Rinds- 
embryo ,  an  welchem  die 
ror  dem  Schlundtheil  des 
Bauchrohres  liegende  Herz- 
höhle mit  der  umgebenden 
bruchsackartig  vorgetriebe- 
nen primitiven  Brustdecke 
(e  b)  erhalten  ist  (vergl.  auch 
Taf.I,  Fig.  19  und  Taf.  III, 
Fig.  14).  Die  im  Holzschnitt 
XX  links  von  e  bis  zu  d  vor  den  Schlundbogen  herablaufende 
Linie  bedeutet  den  Abgang  der  primitiven  Brustdecke  von  der 
Schlundwand,  also  die  Gegend,  in  welcher  die  Schlundwand  sich 
in  Bauchwand  und  Darmwand  spaltet.  Es  reicht  dieser  Ursprung  der 
Brustdecke  aufwärts  und  der  Medianlinie  sich  nähernd  bis  zur 
vordem  Fläche  des  ersten  Schlundbogens  (oberhalb  e).  Aus  diesen 
Angaben  geht  hervor ,  dass  auch  der  an  seinem  obern  Ende  ur- 
sprünglich blind  endigende  Kopftheil  des  Bauchrohres  in  seiner 
vordem  Wand  in  zwei  Blätter  sich  spaltet,  welche  eine  unpaarige 
bis  zum  untern  Rande  der  Mundspalte  reichende  Fortsetzung  der 
Pleuroperitonealhöhle  begrenzen.  Somit  besteht,  wie  man  an  einem 
Medianschnitte  (Holzsehn.  XVI,  S.  94)  erkennt,  das  Kopfende  des 
Bauchrohres  aus  zwei  hinter  einander  liegenden  Höhlen ,  von  welchen 
die  hintere  die  in  die  nachträglich  entstehende  Mundhöhle  ausmün- 
dende Schlundhöhle  der  Embryologen  (m  o  p  k  h),  die  vordere  (p  t  u)  die 
primitive  Brusthöhle  darstellt.  Hierauf  verlängert  sich  die  Schlund- 
höhle, wobei  sie  sich  über  die  davor  liegende  Brusthöhle  nach  oben  hin- 


XIX. 


Figr.  XVII.  Nach  der  Natur  grez.  Kopf 
eines  6  Mallim.  laueren  Rindsembryo  im 
Halbprofil.  Eiechgruben  sind  keine  vor- 
handen, 
a  Querschnitt  des  Aottenendes  des  Herzens,  g 
Oberkieferfortsatz,    h   Erster  Schlundbogen. 

Fig.   XVIII.      Frontalschnitt   des    vordem 

Schädelendes  dieses  Embryo ;  Gehirn  wurde 

entfernt. 

Fig\  XIX.      Frontalschnitt    dieses    Kopfes 
durch  die  Gegrend  der  Augen  und  der  Ober- 
kieferfortsätze, 
b  c    Lateraler  Theil   des   Oberkieferfortsatzes,     d 
Medianer  Theil  desselben. 


105 


wegschiebt  und  zugleich  rückt  die  Abgangsstelle  der  Brustdecke 
von  der  Schlundwand  tiefer  herab.  Auf  diese  Weise  bildet  sich 
aus  der  über  die  Brusthöhle  hinauswachsenden  Schlundhöhle  der 
Hals,  welcher  anfangs  sehr  kurz  war  und  als  sogenannte  Schlund- 
höhle seine  Lage  hinter  der  Brusthöhle  einnahm  (vergl.  den  Holz- 
schnitt XXI,  S.  113,  XXII,  S.  114,  XXIII,  S.  115,  XXIV,  S.  116. 

Schlundbogen  und  Schlundspalten. 

Die  primitive  Schlundhöhle  ist  die  Anlage  des  vor  der  Wirbel- 
säule liegenden  Abschnittes  des  Halses  (Vorderhalses);  ihr  oberes 
in  die  primitive  Mundhöhle  einmündende  Ende  betheiligt  sich  an 
der  Bildung  des  Gesichtes,  indem  ihre  Seitenwände  zu  den  Ober- 
kieferfortsätzen und  ihre  vordere  Wand  zu  dem  Unterkieferfort- 
satz sich  verlängert. 

Ihre  Seitenwand  wird  durch  vier  von  Rathke  entdeckte 
Schlundspalten  durchbrochen,  die  man  beim  Rinde  in  ihrer  schön- 
sten Ausbildung  an  6  — 12  Millim.  langen  Embryonen  wahrnimmt 
(Taf.  I,  Fig.  19  und  20,  Taf.  III,  Fig.  14).  Wie  man  aus  dem 
nebenstehenden  den  Kopf  eines  6x/ä  Millim.  langen  Rindsembryo 
darstellenden  Holzschnitt  XX  ersieht, 
so  beschränken  sich  die  Schlund- 
spalten auf  die  Seitenwand  des 
Schlundes  und  endigen  bereits  in  eini- 
ger Entfernung  hinter  dem  Abgang 
der  primitiven  Brustdecke  (vergl.  auch 
Holzschn.  XVII,  S.  104).  Die  erste 
oder  oberste  Schlundspalte  ist  die 
längste  (Taf.  I,  Fig.  20) ;  sie  überragt 
die  übrigen  Schlundspalten  sowohl  in 
der  Richtung  nach  vorn  als  nach  hin- 
ten gegen  das  Schädelrohr.  Ihr  hinteres 
Ende  (oberhalb  a)  wird  Ohröö'nung 
u.  s.  w.,  stösst  an  das  Schädelrohr  an 


Fig.  XX.    Kopf  eine«  6'/aMm. 
langen  Rindsembryo. 


und  unterbricht  daher  die  Bauchplatte 
(1  c  a)  in  ihrem  Verlaufe  zu  dem  Ober- 
kieferfortsatz (i).  Die  übrigen  Schlund- 
spalten endigen  in  ihrem  Verlaufe  nach  hinten  gegen  das  Schädelrohr 


a  Wurzel  des  zweiten  Schlundbo- 
gens.  e  b  Primitive  Brustdecke. 
c  Kopfbauchplatte.  1  m  Rumpf- 
bauchplaite.  f  Obere  Extremität, 
d  Gegend  des  Ductus  Cuvieri. 
i  Oberkieferfortsatz,  k  Seitlicher 
Stirnfortsatz.  p  Innerer  Stirnfort- 
satz.  o  Flügel  d.  mittl.  Stirnfort- 
satzes,   r  Gegend  des  Vorderhirns. 


106 

schon  früher ,  wesshalb  die  dazwischen  liegenden  Schlundbogen 
durch  die  ursprüngliche  streifenförmige  Bauchplatte  (d  c  a)  wie 
durch  eine  gemeinschaftliche  Wurzel  in  Verbindung  gesetzt  werden. 
Dabei  schwillt  der  den  zweiten  Schlundbogen  abgebende  Abschnitt 
der  Bauchplatte  zu  einem  rundlichen  von  der  übrigen  Bauchplatte 
durch  eine  Furche  (nicht  durch  eine  Spalte)  abgesetzten  Hügel  (a) 
an,  hinter  welchem  man  die  Anlage  des  Ohrlab yrinthes  (Taf.  I, 
Fig.  20)  bemerkt;  über  dem  Hügel  liegt  das  hintere  Ende  der 
ersten  Schlundspalte  oder  die  Ühröffnung.  Niemals  erreichen  die 
Schlundspalten  die  vordere  durch  den  Abgang  der  Brustdecke 
(Membr.  reun.  inf.)  von  der  Seitenwand  geschiedene  Schlund- 
wand. Höchstens  bemerkt  man  hier ,  wenn  der  Hals  über 
die  zurückweichende  Brustwand  sich  hinaus  verlängert  und  da- 
durch eine  freie  Fläche  gewinnt,  transversale  in  der  Richtung  der 
Schlundspalten  verlaufende  Furchen  (vergl.  Holzschn.  XXI,  S.  113, 
XXIII,  S.   115,  XXIV,  S.   116). 

Was  die  Schlundbogen  betrifft ,  so  erscheinen  dieselben 
(Holzschn.  XX)  als  Fortsätze  der  ursprünglichen  neben  der  Wirbel- 
säule und  dem  Schädel  verlaufenden  streifenförmigen  Bauchplatten 
(l  c  a  i),  welche  auch  die  Extremitäten  (f)  abgeben.  Reichert, 
welcher  bekanntlich  zuerst  auf  dieses  Verhalten  aufmerksam  machte, 
nannte  den  Kopftheil  der  Bauchplatte  „Kopfvisceralstreif"  und  die 
davon  abgehenden  lateralen  Schlundbogen  „Visceralfortsätze".  Ueber 
das  ursprüngliche  Verhalten  der  Bauchplatten  im  Allgemeinen  habe 
ich  oben  (S.  101)  bereits  einige  Mittheilungen  gemacht  und  auch 
schon  W  o  1  ff  und  B  aer  ,  welche  uns  mit  diesen  Streifen  bekannt 
machten  und  sie  Bauchplatten  nannten  ,  verstanden  darunter  die 
streifenförmige  und  ursprünglich  ungespaltene ,  also  die  gemein- 
schaftliche Anlage  der  Bauch-1)  und  Darmwand  enthaltende  Partie 
des  Embryonalschildes.  Nach  dem  Eintritt  der  Spaltung  zerfällt 
jede  Bauchplatte  in  ein  oberes  und  ein  unteres  aber  immer  noch 
streifenförmig  verdicktes  Blatt;  für  das  obere  die  Grundlage  der 
eigentlichen  Bauchwand  darstellende  Spaltungsblatt  behält  Baer 
die  Bezeichnung  „Bauchplatte"  bei.     Er  nennt  sie  auch  zum  Unter- 

1)  Die  Bezeichnung  »Bauch«  gebrauche  ich  in  dem  bekannten  weiteren 
Sinn,  verstehe  also  darunter  den  vor  der  Gegend  der  Wirbelsäule  und  de3 
Schädels  oder  dem  Rücken  im  Allgemeinen  liegenden  Theil  des  Leibes. 


107 

schied  von  der  primitiven  Bauchplatte  „eigentliche  Bauchplatte" 
und  unterscheidet  daran  wieder  zwei  Schichten  ,  von  welchen  er 
die  obere  die  Hautschichte  (Hornblatt,  Remak),  die  untere  die 
Fleischschichte  (Hautplatte,  Remak)  nennt.  Da  ich  keinen  trif- 
tigen Grund  habe,  von  der  durch  Baer  eingeführten  und  gewiss 
allgemein  verständlichen  Bezeichnung  abzugehen ,  so  kann  man 
an  der  primitiven  (ungespaltenen)  Bauchplatte  einen  Rumpftheil 
und  einen  Kopftheil  unterscheiden.  Das  oberste  Ende  des  Kopf- 
theilß,  was  ebenfalls  schon  Baer  erkannte,  ist  der  Oberkieferfort- 
satz. Im  Laufe  der  weitern  Entwicklung  jedoch  unterscheidet  sich 
der  Kopftheil  in  wesentlichen  Dingen  von  dem  Rumpftheil.  Unter- 
sucht man  nämlich  einen  Säugethierembryo,  dessen  Bauchrohr  sich 
bereits  geschlossen  hat,  wie  es  bei  dem  durch  den  Holzschn.  XX 
dargestellten  Rindsembryo  der  Fall  ist ,  so  findet  man  die  Bauch- 
platte des  Rumpfes  zur  Bildung  der  Pleuroperitonealhöhlc  gespalten 
und  die  jetzt  neben  der  Wirbelsäule  liegende  streifenförmige  Ver- 
dickung (m  1)  ist  das  obere  Spaltungsblatt  der  primitiven  Bauch- 
platte oder  die  Baer 'sehe  eigentliche  Bauchplatte.  Sie  trägt  die 
Extremitäten  ,  ist  aber  immer  noch  und  auch  später  längere  Zeit 
hindurch  sehr  schmal  und  geht  an  ihrem  lateralen  Rande  in  eine 
dünne  die  vorläufige  Bauchdecke  (Membrana  reun.  inf.)  bildende 
Haut  über  (Gegend  zwischen  in  b  1).     [Siehe  S.  105.] 

Was  den  neben  dem  Schädelrohr  verlaufenden  Kopftheil  einer 
Bauchplatte  (d  c  a  i  k)  betrifft,  so  nimmt  sich  derselbe  bei  äusserer 
Besichtigung  wie  eine  ununterbrochene  Fortsetzung  der  Rumpf- 
bauchplatte aus  und  beide  zusammen  werden  durch  eine  schon 
früher  (S.  100)  beschriebene  Grenzfurche  von  dem  Wirbel-  und 
Schädelrohr  geschieden.  Der  unterhalb  des  zweiten  Schlundbogens 
liegende  Abschnitt  der  streifenförmigen  Kopfbauchplatte  (c)  ent- 
hält die  Jugularvene ;  ebenso  enthält  das  angrenzende  Stück  der 
Rumpfbauchplatte  (1)  das  obere  Ende  der  Cardinalvene.  Beide 
Venen  fliessen  zur  Bildung  eines  Ductus  Cuvieri  zusammen, 
welcher  in  einer  kurzen  gemeinschaftlichen  Fortsetzung  (d)  der 
hier  zusammenstossenden  Kopf-  und  Rumpfbauchplatten  enthalten 
ist.  Es  verliert  sich  dieser  Fortsatz  in  der  durchsichtigen  das 
Herz  bedeckenden  primitiven  Brustdecke  (e  b)  und  bezeichnet  die 
Grenze    zwischen    dem    von    den    Schlundspalten    durchbrochenen 


108 


Hals  und  dem  übrigen  Rumpf.  Verfolgt  man  die  streifenförmige 
hinter  den  Schlundspalten  liegende  Kopfbauchplatte  aufwärts,  so 
schwillt  sie  bei  a  zu  einem  runden  die  Wurzel  des  zweiten  Schlund- 
bogens  darstellenden  Hügel  an,  welcher  durch  eine  Furche  von 
der  übrigen  Bauchplatte  (c)  sich  absetzt.  Somit  gehen  alle  Schlund- 
bogen, mit  Ausnahme  des  ersten,  von  einem  ihre  ununterbrochene 
gemeinschaftliche  Wurzel  darstellenden  Streif  ab.  Oberhalb  der 
verdickten  Wurzel  des  zweiten  Schlundbogens  liegt  die  einen  An- 
hang der  ersten  Schlundspalte  darstellende  Ohröffnung,  welche  das 
Schädelrohr  berührt  und  somit  die  streifenförmige  Kopf  bauchplatte 
unterbricht.  Weiter  oben  aber  setzt  die  letztere  ihren  Lauf  ent- 
lang dem  Schädelrohr  bis  gegen  das  vordere  Schädelende  als  so- 
genannter Oberkieferfortsatz  fort  (i  k)  und  von  ihm  entspringt  der 
erste  Schlundbogen. 

Die  Kopfbauchplatte  unterscheidet  sich  wesentlich  von  der 
Rumpfbauchplatte  dadurch,  dass  sie  nicht  wie  diese  in  eine  eigent- 
liche Bauchplatte  und  in  eine  Darmplatte  sich  spaltet.  Ferner 
unterscheidet  sie  sich  dadurch,  dass  ihr  vorderer  Rand  schon  sehr 
frühe  in  bogenförmige  durch  transversale  Spalten  geschiedene  dicke 
Fortsätze  (Schlundbogen  Rathke,  Visceralfortsätzc  Reichert) 
auswächst,  welche  sich  rasch  nach  vorn  verlängern  und  die  primi- 
tive dünne  Schlundwand  verdicken.  Verfolgt  man  diese  Fortsätze 
von  den  ursprünglichen  Bauchplatten  aus  in  der  Richtung  nach 
vorn,  so  verlaufen  sie  zuerst  in  der  Seitenwand  des  Schlundes, 
sind  hier  durch  die  Schlundspalten  geschieden  und  zeigen  wie  die 
ihre  Wurzel  darstellende  ursprüngliche  Bauchplatte  ebenfalls  keine 
Ablösung  der  Darmwand  von  der  eigentlichen  Leibeswand.  Wie 
jedoch  Gott e  beim  Hühnchen  ganz  richtig  hervorgehoben  hat,  so 
finde  ich  auch  bei  Säugethieren  eine  solche  die  Pleuroperitoneal- 
höhle  ersetzende  Abscheidung  durch  die  in  den  Schlundbogen  ver- 
laufenden Aortenbogen  gegeben.  Interessant  ist  auch  die  vonGötte 
beschriebene  allmählige  Fortsetzung  der  inneren  die  Darmwand 
darstellenden  Lage  zur  hinteren  der  Schädelbasis  anliegenden  und 
hier  nur  durch  das  Darmdrüsenblatt  dargestellten  Schlundwand ; 
wir  erfahren  dadurch ,  dass  die  bleibende  Darmwand  im  ganzen 
Tractus  intestinalis  aus  entsprechenden  Theilen  der  Embryonal- 
anlagen und  auf  analoge  Weise  entsteht. 


109 

Von  diesen  Fortsetzungen  der  ursprünglichen  Kopfbauchplatte 
oder  den  Schlundbogen  gewinnt,  von  der  Seite  gesehen,  der  erste  oder 
oberste  die  grösstc  Länge ,  die  folgenden  sind  kürzer  und  die  ge- 
ringste Länge  zeigt  der  unterste  Bogen  (Holzschn.  XX).  Es  hängt 
dies  zum  Theil  auch  damit  zusammen,  dass  die  Schlundhöhle  nach 
oben  sich  erweitert,  nach  unten  sich  verengt.  Bei  ihrem  Ueber- 
gang  zur  vorderen  Schlundwand  worden  die  Schlundbogen  nicht 
mehr  durch  Spalten  von  einander  geschieden  ,  sie  fliessen  daher 
zusammen  und  ihre  Trennung  wird  nur  durch  Furchen  angedeutet, 
welche  besonders  bei  Betrachtung  der  inneren  der  Schlundhöhle 
zugekehrten  Oberfläche  auffallen.  Die  so  durch  Furchen  einiger- 
massen  abgeschiedenen  Schlundbogen  jeder  Seite  vereinigen  sich 
nun  in  der  vordem  Schlundwand  zu  einem  unpaarigen  sämmtliche 
Schlundbogen  beider  Seiten  aufnehmenden  Mittelstück  (Holzschnitt 
XVI,  m  nop,  S.  102).  Auch  hier  lassen  sich  noch  an  jüngeren 
Embryonen  die  Schlundbogen  durch  flache  Einsenkungen  (XVI, 
zwischen  m  und  n,  sowie  zwischen  n  o)  von  einander  unterscheiden. 
Die  Bezeichnung  „Schlundbogen"  gewinnt  so  eine  doppelte  Be- 
deutung ;  man  versteht  darunter  die  durch  Schlundspalten  geschie- 
denen bogenförmigen  Fortsätze  der  ursprünglichen  Bauchplatte  in 
der  seitlichen  Schlundwand  ;  man  gebraucht  aber  diese  Bezeichnung 
auch  in  einem  weiteren  Sinn  ,  indem  man  die  gleichen  Schlund- 
bogen der  beiden  Seiten  als  Einen,  daher  unpaarigen  Bogen  auf- 
fasst.  In  diesem  Sinn  besteht  dann  ein  Schlundbogen  aus  zwei 
Seitentheilen  und  einem  medianen  Verbindungsstück;  das  letztere 
gehört  der  vorderen  Schlund  wand,  wird  von  den  übrigen  Schlund- 
bogen nicht  mehr  durch  Spalten  geschieden  und  erscheint  von  vorn 
gesehen  nicht  mehr  convex  ,  sondern  flach  eingesunken  ,  weil  die 
Schlundhöhle  einen  in  sagittaler  Richtung  comprimirten  Raum  dar- 
stellt. Die  dadurch  entstehende  flache  Aushöhlung  der  vordem 
Schlundwand  bildet  den  Hintergrund  der  das  Herz  enthaltenden 
primitiven  Brusthöhle ,  deren  Decke  als  sogenannte  Membrana 
reun.  inf.  zu  beiden  Seiten  der  vordem  Schlundwand  entspringt 
und  an  jungen  Embryonen  bereits  am  untern  Rand  der  primitiven 
Mundspalte  beginnt  (s.  oben  S.  102).  Daraus  ergiebt  sich  aber 
auch  eine  von  der  seitlichen  Schlundwand  verschiedene  Zusammen- 
setzung   der  vordem  Wand ,    indem  sich  diese  in  eine  tiefere  die 


110 


Erklärung  s.  S.   105. 


eigentliche   Schlundwand    darstellende    und    in  eine    dünnere  ober- 
flächlichere in  die  primitive  Brustdecke  übergehende  Lage  spaltet. 
An  dem  in  dem  nebenstehenden  Holzschnitt  XX  dargestellten  Kopf 
eines  Rindsembryo  ist  das  obere  Ende  der  Brustdecke  bereits  bis 
in  die  untere  Hälfte  des  ersten  Schlundbogens  herabgerückt  (ober- 
halb e)  und    von    hier    aus    steigt    ihr 
Ursprung    (hinter  e)     von    der    eigent- 
lichen   Schlundwand    schief    rückwärts 
abwärts    bis    zur    untern    Grenze    der 
Schlundhöhle  (d).     In  dieser    Richtung 
spaltet    sich    die   Schlundwand    in  ähn- 
licher Weise   wie  die  Rumpfwand.     So 
lange  die  primitive  Brusthöhle  mit  dem 
Herzen  in  dieser  Höhle   liegt ,    können 
somit  die  Schlundbogen    auch  nur  von 
der   Seite    gesehen    werden ;    in    dieser 
Ansicht    verlaufen     sie    nicht    parallel, 
sondern  convergiren  mit  ihren  an  die  Brustwand  seitlich  anstossen- 
den  Enden.    Dort  angekommen  gehen  sie  mit  ihrer  oberflächlichen 
Schichte,    welche    dem    Hornblatt   und    der  Hautplatte  Remak's 
entspricht,  in  die  dünne  Brustdecke  über;    mit   ihrer  tieferen  ihre 
eigentliche  Fortsetzung  darstellenden  Schichte  dagegen  wenden  sie 
sich  zur  vorderen  thalförmig  eingesunkenen  vorderen  Schlundwand 
(vergl.  Taf.  I,    Fig.  20  und  21  ,    sowie  Holzschn.  XVII,  S.  104). 
Sie  erfahren  deshalb  beim  Uebergang  von  der  seitlichen  convexen 
zur  vorderen  concaven  Schlundwand  eine  Knickung,  ähnlich  dem 
Ellenbogenvorsprung  der  vor  der  Brust  gekreuzten  Arme,  welche 
bei  reiner  Profilansicht  (Taf.  I,  Fig.   19)    ein  scheinbar  freies  vor- 
deres Ende  eines  Schlundbogens  vortäuscht. 

Der  oberste  oder  erste  Schlundbogen  (Holzschn.  XX)  erscheint 
am  frühesten ,  geht  mit  einem  niedrigeren  Anfangsstück  aus  dem 
seine  Wurzel  darstellenden  oberen  Ende  der  Kopfbauchplatte  (i) 
hervor  und  scheint  dann  im  Profil  gesehen  mit  einer  mächtigen 
runden  Anschwellung  oder  einem  Kolben  frei  zu  endigen  (Taf.  I, 
Fig.  19).  Dieser  scheinbare  Endkolben  ist  jedoch  nur  die  Stelle, 
an  der  sich  der  einen  mehr  in  die  Länge  gezogenen  Wulst  dar- 
stellende Bogen  zur   vordem    eingesunkenen  Schlundwand  wendet 


111 


(Taf.  I,  Fig.  20  und  21,  und  Holzschn.  XVII,  S.  104).  Dort 
angelangt,  nimmt  er  an  Höhe  und  Dicke  rasch  ab  und  verbindet 
sich  mit  dem  der  andern  Seite  zu  einem  ganzen  Bogen  oder  zu 
dem  ersten  Schlundbogen  im  weiteren  Sinn  und  hängt  auch  an 
seiner  vordem  Fläche  mit  der  primitiven  Brustdecke  zusammen. 

Der  zweite  Schlundbogen  zeigt  eine  sichel-  oder  schwertförmige 
Gestalt  mit  einem  obern  schwach  concaven  und  einem  untern  stark 
convexen  Rande  (Taf.  I,  Fig.  20  und  21).     Der  Theil  der  ursprüng- 
lichen   Kopfbauchplatte ,    von    welcher    der    zweite    Schlundbogen 
abgeht,  ist  zu  einem  vorspringenden  Hügel  (XX,  a)  verdickt  (s.  S.  105) 
und  kann    als    rundliches  Wurzelstück    dieses  Bogens  beschrieben 
werden.     Zwischen    ihm   und    dem    sichelförmigen  Stück  zeigt  der 
untere  Rand    einen  wirklichen  Ausschnitt,   welcher  die  hier  begin- 
nende   zweite   Schlundspalte    erweitert.     Das    in    der  Seitenansicht 
vordere  Ende    hängt    mit   der  Brustdecke    zusammen  und  wendet 
sich  dann  zur  vordem  Schlundfläche ,    wobei    es    zugleich    schräg 
aufsteigt.     Eine  weitere  Verfolgung  dieses  Bogens  bis  zur  Median- 
linie   der    vordem  Schlundwand    ist    wegen    der  hier  angehefteten 
obern  Partie  der  primitiven  Brusthöhle  nicht  möglich.     Nach  Ent- 
fernung der  Brustdecke  und 
des  Herzens  wird  zwar,  wie 
der      nebenstehende     Holz- 
schnitt XVII  zeigt ,  der  me- 
diane Abschnitt  der  vordem 
Schlundwand        blossgelegt, 
zeigt   jedoch  keine  Spur  ir- 
gend   einer    durch  Furchen 
angedeuteten       Abgrenzung 
der    hier    zusaminenfliessen- 
den  Schlundbogen.    Von  der 
Schlundhöhle    aus     gesehen 
bemerkt    man    jedoch    hier 
transversale  sämmtliche  Schlundbogen  trennende  Furchen,  so  dass 
man  daher  immerhin  auch  von  einem  zweiten,  dritten  und  vierten 
unpaarigen  Schlundbogen  sprechen  kann. 

Die  folgenden  kürzeren  Schlundbogen,  nämlich  der  dritte  und 
der  vierte,    entspringen    breit  von   der  ursprünglichen  Kopfbauch- 


XVII. 


AVIL 


-3- 

XIX. 


Erklärung  s.  S.  104. 


112 

platte ,  erreichen  bei  äusserer  Betrachtung  schon  bald  den  mehr 
und  mehr  lateralwärts  vorrückenden  Abgang  der  Brustdecke  und 
verhalten  sich  von  da  an  ebenso   wie  der  zweite  Schlundbogen. 

Was  die  Schlundspalten  betrifft,  von  welchen  die  unterste  die 
kürzeste ,  die  oberste  die  längste  ist ,  so  unterscheidet  sich  die 
letztere  von  den  übrigen  noch  dadurch ,  dass  ihr  Anfang  nicht  vor 
der  ursprünglichen  Bauchplatte,  sondern  in  dieser  selbst  liegt.  Es 
wird  dadurch  die  Kopfbauchplatte  in  ihrem  Verlaufe  nach  oben 
völlig  unterbrochen  (Holzschn.  XX  oberhalb  a,  S.  105).  Dieses 
bis  zu  dem  Schädelrohr  gelangende  hintere  Ende  der  ersten  Spalte 
oder  die  Ohröffnung  kann  somit  nicht  unbedingt  als  eine  den 
übrigen  Schlundspalten  völlig  gleichwerthige  Lücke  angesehen 
werden;  auch  scheidet  sie  sich  sehr  bald  von  dem  davor  liegen- 
den Theil  der  ersten  Schlundspalte  durch  eine  Substanzbrücke  ab 
(XXI,  S.   113). 


Kiemendeckelartiger  Fortsatz,  Hals. 

Wie  der  auf  Taf.  I,  Fig.  19  abgebildete  Kopf  eines  Rinds- 
embryo deutlich  zeigt ,  so  ist  der  dritte  Schlundbogen  nicht  blos 
niedriger,  sondern  auch  dünner  als  der  zweite;  der  dünnste  ist 
der  vierte.  Diese  Dickenabnahme  erzeugt  in  der  untern  Partie 
der  seitlichen  Schlundwand  eine  dreiseitige  mit  der  ausgerundeten 
Spitze  abwärts  gekehrte  Vertiefung,  welche  oben  von  dem  untern 
Rand  des  zweiten  Schlundbogens,  hinten  von  dem  vordem  Rand 
der  primitiven  streifenförmigen  Kopfbauchplatte  und  vorn  von  dem 
Ursprung  der  primitiven  Brustdecke  begrenzt  wird.  Die  untere 
Spitze  wird  von  dem  obern  concaven  Rand  des  schon  auf  S.  107 
beschriebenen  Grenzstreifs  zwischen  Hals  und  Rumpf  umfasst 
(XX,  d),  welcher  den  Ductus  Cuvieri  deckt.  Dieses  so  entstan- 
dene untere  seitliche  von  den  drei  unteren  Schlundspalten  durch- 
brochene Halsdreieck ,  welches  eine  flache  Vertiefung  darstellt, 
wird  allmählig  von  dem  untern  Rande  des  zweiten  Schlundbogens 
wie  von  einem  Deckel  überbrückt,  wobei  die  aufliegende  Deckel- 
fläche mit  dem  Grunde  der  genannten  Halsgrube  verschmilzt, 
während    der    hintere  Rand   des  Deckels    mit  der  streifenförmigen 


113 


Fig-.  XXI.  Kopf  eines  1  Ctm.  langen 
Rindsembryo. 


Bauchplatte ,   der  vordere  Rand  dagegen  mit  der  davor  liegenden 
Brustdecke  verwächst. 

Es  entwickelt  sich  dieser  Deckel  aus  dem  untern  convexen 
Rande  des  sichelförmigen  Abschnittes  des  zweiten  Schlundbogens, 
der  dadurch  die  Gestalt  eines  breiten  mit  stark  convexer  Klinge 
versehenen  Schwertes  erhält ,  wie  man  sehr  schön  an  dem  auf 
Taf.  III,  Fig.  16  dargestellten  Hühnerembryo  wahrnimmt.  An 
einem  etwas  älteren  Rindsembryo  (Holzschnitt  XXI)  hat  sich  dieser 
Rand  bereits  in  einen  abgerundeten  dreieckigen  Deckel  (b)  aus- 
gezogen ,  welcher  die  zweite 
Schlundspalte  bereits  überbrückt 
und  eben  im  Begriffe  steht,  auch 
die  dritte  Spalte  zu  überschreiten. 
Hinter  diesem  den  Deckel  tra- 
genden Stück  des  zweiten  Schlund- 
bogens  erkennt  man  noch  dessen 
der  ursprünglichen  Bauchplatte 
angehöriges  rundliches  Wurzel- 
stück (a).  Auch  hat  sich  jetzt 
das  vordere  aber  noch  sehr  nied- 
rige Schlussstück  des  gesammten 
zweiten  und  dritten  Schlundbogens 
frei  gemacht,  indem  der  Ursprung 
der  primitiven  Brustdecke  bis  in 
die  Gegend  des  untersten  Schlund- 
bogens herabgerückt  ist.  Sehr  verändert  hat  sich  auch  der  erste 
Schlundbogen,  denn  er  ist  höher  geworden  und  zerfällt  durch  eine 
transversale  Einsenkung  in  eine  untere  dem  Halse  verbleibende 
Partie  und  in  eine  obere  oder  den  Unterkieferfortsatz ,  welcher 
bereits  in  der  Richtung  nach  vorn  zur  Verlängerung  des  Mund- 
höhlenbodens vorwächst.  Die  über  die  Brusthöhle  hinaus  gewach- 
sene und  dadurch  frei  gewordene  vordere  Fläche  des  Schlundes 
oder  des  Halses  zeigt  unterhalb  der  genannten  Einsenkung  des 
ersten  Schlundbogens  noch  zwei  andere  Furchen,  von  welchen 
die  obere  den  ersten  Schlundbogen  von  dem  zweiten  und  die  un- 
tere den  zweiten  Schlundbogen  von  der  darauf  folgenden  Hals- 
wand abscheidet.     Die    erste  Furche    liegt    in    der    Richtung    der 


;i  Rundliches  Wurzelstück  des  zweiten 
Schlundbogens.  b  Kiemendeckelartiger 
Fortsatz  desselben.  c  Kopfbauchplatte, 
d  Gegend  des  Ductus  Cuvieri.  k  Seit- 
licher Stirnfortsatz.  p  Innerer  Stirnfort- 
satz,   o  Zwischenkiefer. 


Dursy,  Entwicklgsgesch. 


8 


114 


ersten  Schlundspalte,  ohne  jemals  eine  solche  zu  sein.  Die  eigent- 
liche erste  Schlundspalte  liegt  seitlich  und  ist  an  diesem  Embryo 
noch  offen.  Durch  eine  den  ersten  mit  dem  zweiten  Schlundbogen 
verbindende  Substanzbrücke  wird  sie  von  der  dahinter  liegenden 
Ohröffnung  (XXI  oberhalb  a)  geschieden.  Was  die  zweite  dicht 
darunter  liegende  Querfurche  betrifft,  die  ebenfalls  niemals  eine  die 
Schlundwand  durchbrechende  Spalte  war,  so  verläuft  diese  in  der 
Richtung  des  untern  steil  absteigenden  Randes  des  zweiten  Schlund- 
bogens.  Das  zwischen  diesen  Furchen  liegende  noch  sehr  nied- 
rige Bogenstück  scheint  bei  dieser  Ansicht  nur  das  unpaarige 
Verbindungsstück  der  beiden  Seitenhälften  des  genannten  Bogens 
zu  sein.  Eine  genauere  Untersuchung  ergiebt  jedoch ,  dass  hier 
der  zweite  und  der  jetzt  völlig  ,ron  ihm  gedeckte  dritte  Schlund- 
bogen zu  einem  einzigen  unpaarigen  Mittelstück  sich  verbunden 
haben. 

Allmählig  rückt  der  Kiemendeckel  weiter  herab  (vergl.  den  in 
nebenstehendem  Holzschnitt  XXII  dargestellten  Kopf  eines  Rinds- 
embryo), wobei  er  (b)  sämmtliche 
Schlundspalten  verschliesst  und'  mit 
den  dazwischen  liegenden  Schlund- 
bogen verschmilzt.  Noch  immer  hat 
er  eine  dreieckige  mit  der  Spitze 
abwärts  gekehrte  Gestalt,  legt  sich 
aber  bereits  mit  seinem  hintern  Rand 
an  die  Kopfbauchplatte  an.  Der  Hals 
ist  an  seinem  vordem  Umfang  höher 
geworden  und  zeigt  die  schon  oben 
beschriebene  Einsenkung  des  ersten 
Schlundbogens  sowie  die  beiden 
darunter  liegenden  Querfurchen.  Die 
k,  stiinnasenfurche.   p,  Mittlerer  stim-  Einsenkung      des      ersten     Schlund- 

fortsatz.    o,   Zwisehenkiefer..    r,   Unter-  .  /        •      1  i      \      1 

kiefertortsatz.  s,  Erster  Schluudbogen.  DOgenS  (zwischen  S  und  r)  hat  an 
a,  Grenzfurche  zwischen  Hals  und  Schä- 

dei.   b,  Untere  Haisgregend.    d ,  Gegend  Tiefe    bedeutend    zugenommen,    so 

des  Ductus  Cuvieri. 

dass  sie  nun  ebenfalls  eine  Quer- 
furche darstellt,  welche  von  dem  bereits  vorgewachsenen  Unter- 
kieferfortsatz überragt  wird.  Das  ehemalige  rundliche  unter  der 
Ohröffnung  gelegene  Wurzelstück    des    zweiten  Schlundbogens  (a) 


Fig.  XXII.     Kopf  eines   1,6  Ctm. 
langen  Kindsembryo. 


115 

ist  nicht  mehr  als  eine  besondere  Bildung  zu  unterscheiden.  Die 
vor  der  Ohröffnung  beginnende  erste  Schlundspalte  ist  noch  völlig 
offen  und  in  ihrer  Richtung  verläuft  die  den  ersten  Schlundbogen 
abwärts  abgrenzende  Querfurche  des  vordem  Halsumfanges.  Sehr 
deutlich  zeigt  es  sich  hier,  dass  die  untere  Hälfte  des  ersten 
Schlundbogens  dem  Halse  verbleibt  und  dessen  oberste  an  den 
Mundhöhlenboden  anstossende  Partie  (Zungenbeingegend)  darstellt. 
Das  unterhalb  der  Grenzfurche  des  ersten  Schlundbogens  folgende 
Stück  der  vordem  Halsfläche  verhält  sich  so,  wie  oben  angegeben 
wurde,  nur  ist  es  höher  geworden,  indem  auch  das  vordere  Schluss- 
stück des  früheren  vierten  Schlundbogens  mit  ihm  verschmilzt. 
Die  darunter  liegende  und  seitwärts  am  vorderen  Rand  des  Kiemen- 
deckels (b)  absteigende  Furche  trennt  den  letztern  von  der  noch 
übrigen  untersten  Halspartie ,  welche  von  Anfang  an  unterhalb 
der  untersten  Schlundspalte  lag  und  den  Uebergang  des  Halses 
in  den  Rumpf  vermittelte.  Ihre  untere  Grenze  ist  jedoch  auch 
jetzt  noch  durch  die  Gegend  des  Ductus  Cuvieri  (d)  markirt; 
nach  vorn  geht  sie  in  die  Brustdecke  über  und  nach  hinten  und 
oben  berührt  sie  den  mit  der  Unterlage  völlig  verschmolzenen 
Rand  des  Kiemendeckels  (man  erlaube  mir  der  Kürze  halber  diesen 
Ausdruck). 

Im      Laufe     der      Entwicklung  **:  xx^  ^SaSSS^S!"^  1&n" 
verwischt  sich  jedoch  in  Folge  einer  ™™. 

gleichmässigen  Verdickung  auch  in 
dieser  Gegend  jedeAbgrenzung  (vergl. 
den  Kopf  eines  Rindsembryo  Holz- 
schnitt XXIII).  Der  noch  immer 
sehr  kurze  Hals  ist  umfänglicher 
geworden.  Unterhalb  der  geschlos- 
senen und  verkleinerten  Mundspalte 
folgt  der  den  Boden  der  Mundhöhle 
darstellende   Unterkieferfortsatz    und 

,.  n     i         l         •  tp         u/  !■     *>   Wulst  über  und    hinter    dem   Auge. 

hieraut     durch     eine     .furche    (a,     die  0 ,  Zwischenkiefer,    a,  Grenzfurche  zwi- 

.     .        .  i  ••       .    \  sehen  Unterkiefertheil  und  Halstheil  des 

manZungenbemfurche  nennen  konnte)  ersten  schlundbogens,  die  man  zungen- 

beinfurche  nennen  könnte,  h,  Halstheil 
geschieden  die  untere  dem  Halse  des  früheren  ersten  Schlundbogens;  da- 
°  hinter   die   Anlage    des   äussern    Ohres. 

verbleibende     Partie     des     früheren  °>  untere  Haisgegend. 

ersten    Schlundbogens    (h).     Die   zwischen   h    und   b   verlaufende 

8* 


116 


Furche  ist  die  frühere  jetzt  schräg  nach  hinten  absteigende 
Grenzfurche  zwischen  dem  Gebiete  des  ersten  und  zweiten  Schlund- 
bogens.  Die  noch  an  dem  vorhergehenden  Embryo  daran  sich 
anschliessende  erste  Schlundspalte,  die  sich  somit  am  längsten  er- 
hält, ist  jetzt  spurlos  verschwunden.  Hinter  h  liegt  die  Ohröffnung, 
deren    Rand    sich    zur  Bildung    des    äusseren    Ohres    erhebt.     Die 

durch  b  bezeichnete  Gegend  erscheint 

Fig-.  xxiv.   Kopf  eines  2,2  ctm.  jetzt    gleichförmig  verdickt  und  ent- 
lang-en  Rindsembryo.  .     .  .,  .  . 

hält  an  dem  vorhergehenden  Embryo 

J[Xiy  den      kiemendeckelartigen     Fortsatz 

sowie  noch  eine  zweite  Furche  in 
der  vordem  Halsgegend.  Alle  diese 
Abgrenzungen  sind  in  Folge  aus- 
gleichender Verdickungen  verschwun- 
den und  da  diese  Verdickung  auch 
auf  die  angrenzende  Brustdecke  sich 
erstreckt,  so  erscheint  jetzt  der  Hals 
verhältnissmässig  etwas  kürzer  als 
an  dem  vorigen  Rindsembryo. 

Alsbald  aber  streckt  er  sich 
wieder  (Holzschn.  XXIV),  die  Mund- 
spalte wird  kürzer  und  die  Furchen  der  vordem  Halsseite  gehen 
ihrer  Ausgleichung  entgegen.  Auffallend  dünn  erscheint  hier  das 
Grenzgebiet  zwischen  Hals  und  Rumpf. 


8,   Halstheil   des  ersten   Schlundbogens. 
u,  AeusseresOhr.    b,  Untere  Halsgegend. 


Unterkieferfortsatz ,   Zunge. 

Von  den  beiden  Seitenhälften,  welche  den  ersten  Schlundbogen 
zusammensetzen  (vergl.  S.  110),  bildet  jede  an  jüngeren  Säuge- 
thierembryonen  (Holzschn.  XVII,  S.  104,  und  Holzschn.  XX,  S.  105) 
einen  halbovalen  Kolben  mit  zwei  dünneren  Enden  ,  von  welchen 
das  hintere  aus  dem  in  einen  Oberkieferfortsatz  sich  furtsetzenden 
Kopfende  der  Bauchplatte  (XX  ,  i)  abgeht ,  das  vordere  an  der 
vordem  Schlundwand  mit  dem  der  andern  Seite  sich  verbindet 
und  den  mittleren  winklig  ausgeschnittenen  untern  Rand  der  Mund- 
öffnung darstellt  (S.  98).    Der  untere  Rand  eines  Kolbens  ist  mehr 


117 


gerade  oder  nur  schwach  convex,  sehr  gewölbt  und  bei  seitlicher 
Betrachtung  wie  zu  einem  runden  Hügel  sich  erhebend  ist  der 
obere  die  Mundspalte  begrenzende  Rand.  Wie  ich  zum  Theil 
schon  oben  (S.  111)  angegeben  habe,  so  nimmt  der  Kolben  nach 
seinem  Uebergang  zur  vordem  Schlundwand  an  Höhe  und  Dicke 
ab,  so  dass  der  erste  Schlundbogen  von  vorn  gesehen  in  der  me- 
dianen Zone  thalförmig  eingesunken  und  an  seinem  obern  Rand 
winklig    ausgeschnitten    erscheint  (vergl.  Taf.  I,  Fig.  19,  20  und  21). 

Alsbald  aber  nimmt  der  ganze  Schlundbogen  an  Dicke  und 
besonders  an  Höhe  zu  und  es  wachsen  aus  seinem  obern  Rand 
vier  Hügel  hervor,  welche  zusammen  einen  gegen  die  Mundspalte 
convexen  Aufsatz  oder  den  sogenannten  Unterkieferfortsatz  for- 
miren  (Taf.  I,  Fig.  2  und  3).  Die  beiden  seitlichen  und  längeren 
Hügel  haben  sieh  aus  den  früheren  kolbigen  Seitenhälften  des 
Schlundbogens  hervorgebildet.  Die  beiden  mittleren  kleineren 
und  mehr  rundlichen  Hügel  erfüllen  den  früheren  winkligen  Aus- 
schnitt des  obern  Schlundbogenrandes ,  übertreffen  an  Höhe  die 
seitlichen  Hügel  und  werden,  wie  ich  es  bei  dem  Rinde  und  Schafe 
finde,  durch  einen  medianen  keilförmig  sich  einschiebenden  hohen 
Zwickel  geschieden.  Beide  mittlere  Hügel  mit  ihrem  Zwickel 
bilden  den  höchsten  Theil  des  ersten  Schlundbogens,  kommen  an 
Breite  dem  darüber  liegenden  und  ihnen  entgegen  wachsenden  Stirn- 
fortsatz gleich  und  bilden  gleichsam  ein  die  spätere  Kinngegend 
darstellendes  Zwischenkieferstück  des  Unterkieferfortsatzes. 

Es  enthält  der  Unterkieferfort- 
satz die  Anlage  der  Knochen  und 
Weichtheile  des  Bodens  der  Mund- 
höhle und  in  ihm  entwickelt  sich  als 
vorläufige  Stütze  der  MeckePsche 
Knorpel.  Indem  sich  der  Unter- 
kieferfortsatz nach  vorn  in  der  Rich- 
tung gegen  das  vordere  Schädelende 
verlängert  und  dadurch  den  Boden 
der  Mundhöhle  vergrössert,  bildet 
sich  zwischen  ihm  und  der  darunter 

liegenden    ursprünglichen  Partie   des  Erklärung  s.  s.  im. 

ersten  Schlundbogens,    woraus   der    obere  Theil    der  vordem  und 


118 

seitlichen  Halsgegend  hervorgeht,  die  von  dem  Unterkieferfortsatz 
überragte  Grenzfurche.  Dieselbe  scheidet  den  Mundhöhlenboden 
von  dem  Hals  und  liegt  in  der  nebenstehenden  Abbildung  eines 
Rindsembryo  zwischen  r  (Unterkieferfortsatz)  und  s  (erstem  Schlund- 
bogen). Indem  sich  der  Unterkieferfortsatz  entsprechend  der  Ver- 
längerung des  Gesichtes  und  des  Schädels  horizontal  nach  vorn 
schiebt,  wird  der  Mundhöhlenboden  ausgebildet  und  es  entspricht 
die  erwähnte  Grenzfurche  der  spätem  Zungenbeingegend. 

Auch  bei  dem  Menschen  entwickelt  sich  der  Unterkieferfort- 
satz in  Gestalt  von  vier  flachen  Hügeln  auf  dem  oberen  Rand  des 
ersten  Schlundbogens ,  die  man  sehr  schön  in  den  Abbildungen 
verschiedener  menschlicher  Embryonen  bei  C  o  s  t  e  erkennt.  Den 
medianen  Zwickel  vermisse  ich.  Einer  dieser  Embryonen ,  der 
nach  Coste  *)  35  Tage  alt  ist,  zeigt  in  Fig.  3  sehr  deutlich  den 
aus  vier  flachen  Höckern  zusammengesetzten  Unterkieferfortsatz, 
welcher  durch  eine  Furche,  die  ich  oben  bei  den  Rindsembryonen 
Zungenbeinfurchc  genannt  habe ,  von  dem  ursprünglichen  dem 
Halse  verbleibenden  ersten  Schlundbogen  geschieden  ist  und  aus 
welcher  der  Mundhöhlenboden  nebst  dem  Unterkiefer  sich  ent- 
wickelt. Die  beiden  mehr  rundlichen  und  den  höchsten  Theil  des 
Unterkieferfortsatzes  bildenden  Hügel  sind  durch  einen  medianen 
flachen  Ausschnitt  geschieden,  welcher  bei  den  Rinds-  und  Schafs- 
embryonen durch  einen  medianen  Zwickel  ausgefüllt  wird.  Es 
bilden  diese  beiden  der  spätem  Kinngegend  angehörigen  Hügel 
mit  einander  ein  dem  mittleren  Stirnfortsatz  an  Breite  gleichkom- 
mendes Mittelstück  des  Unterkieferfortsatzes ,  welches  man  Kinn- 
stiiek  nennen  könnte.  Zu  beiden  Seiten  folgen  durch  flache  Aus- 
schnitte geschieden  die  längeren  aber  weniger  hohen  lateralen 
Hügel  des  Unterkieferfortsatzes.  In  der  citirten  Figur  von  Coste 
ist  der  erste  Schlundbogen  herabgeschlagen,  daher  die  Seitenhügel 
höher  zu  stehen  scheinen ,  man  vergleiche  daher  Fig.  2  derselben 
Tafel.  Der  unter  dem  Unterkieferfortsatz  liegende  ursprüngliche 
erste  Schlundbogen  erscheint  von  vorn  gesehen  etwas  abgeflacht, 
gehört  der  obersten  Halsgegend  an  und  wird  durch  eine  tiefer 
liegende    Furche    von    dem    folgenden    Schlundbogen    geschieden. 


1)  Developpement  des  Corps  organises,  espece  humaine.    PI.  4a. 


119 

Auch  in  Fig.  1  der  genannten  Tafel  von  Coste  erkennt  man  im 
Profil  den  von  dem  Unterkieferfortsatz  erzeugten  aber  noch  wenig 
vorspringenden  Wulst,  welcher  durch  eine  flache  Furche  von  der 
untern  dem  Halse  verbleibenden  Hälfte  des  ersten  Schlundbogens 
getrennt  wird.  Derselbe  Embryo  findet  sich  auch  inKölliker's 
Entwicklungsgeschichte  S.  134  abgebildet,  jedoch  ist  daran  die 
Zusammensetzung  des  Unterkieferfortsatzes  aus  vier  durch  flache 
Furchen  geschiedenen  Hügeln  nicht  zu  sehen.  Sehr  deutlich  aber 
erkennt  man  die  durch  die  Zungenbeinfurche  markirte  Abschei- 
dung des  ersten  Schlundbogens  in  einen  obern  hufeisenförmigen 
Aufsatz  (Unterkieferfortsatz)  und  in  eine  untere  dem  Halse  ange- 
hörige  Partie. 

An  einem  40  Tage  alten  von  Coste  (PL  Va)  abgebildeten 
menschlichen  Embryo  bemerkt  man  im  Profil  eine  von  der  Ohr- 
öffnung nach  vorn  verlaufende  Furche,  welche  das  Gebiet  des 
ersten  und  zweiten  Schlundbogens  sondert.  Der  erste  Schlund- 
bogen zeigt  an  seinem  vordem  Umfang  die  Zungenbeinfurche  und 
darüber  den  schon  weiter  vorgeschobenen  Unterkieferfortsatz. 

An  einem  von  mir  aufTaf.  VI,  Fig.  13  dargestellten  1,3  Ctm. 
langen  menschlichen  Fötus ,  dessen  erster  Schlundbogen  herabge- 
schlagen ist,  zeigt  derselbe  ebenfalls  einen  jedoch  noch  sehr  nied- 
rigen und  noch  nicht  in  besondere  Hügel  geschiedenen  Unter- 
kieferfortsatz ,  welcher  wie  ein  niedriger  in  der  Zeichnung  hell 
gehaltener  Aufsatz  dem  ersten  Schlundbogen  aufliegt  und  von 
demselben  durch  eine  Furche  sich  absetzt.  Die  Abgrenzung  des 
letztern  von  der  Gegend  des  früheren  zweiten  Schlundbogens  ge- 
schieht durch  eine  rückwärts  in  die  Ohröffnung  einmündende  bo- 
genförmige Furche ,  die  in  dem  Stich  zu  scharf  hervorgehoben 
wurde;  durch  diesen  Fehler  entsteht  hier  das  Bild  eines  breiten 
abgerundeten  mit  der  Convexität  abwärts  gerichteten  Kinns.  Letz- 
teres aber  erhebt  sich  später  aus  dem  darüber  liegenden  Unter- 
kieferfortsatz, hinter  welchem  die  Zunge  hervorsieht. 

An  einem  etwas  älteren  1,8  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus, 
dessen  Gesicht  ich  auf  Taf.  VI,  Fig.  1 1  dargestellt  habe,  bemerkt 
man  die  Anlage  der  spätern  Kinngegend  an  einem  in  die  Mundspalte 
eindringenden  abgerundetenVorsprung,  der  aber  an  diesemKopfe  keine 
Trennung  in  zwei  Hügel  erkennen  liess;  im  Profil  gesehen  (Fig.  10) 


120 

erkennt  man  die  Grenze  zwischen  erstem  Schlundbogen  und 
der  darüber  liegenden  Gegend  an  einem  vordem  Einschnitt,  der 
rückwärts  in  der  Richtung  gegen  die  Ohröffnung  in  eine  kurze 
Furche  ausläuft.  Der  obere  Rand  des  ersten  Schlundbogens  war 
als  Unterkieferfortsatz  schon  nach  vorn  verlängert  und  durch  die 
Mundspalte  von  dem  in  gleicher  Richtung  verlaufenden  Oberkiefer- 
fortsatz geschieden ;  ich  konnte  jedoch  hier  eine  Zungenbeinfurche 
nicht  bemerken. 

Alsbald  wird  der  aus  dem  obern  Umfang  des  ersten  Schlund- 
bogens hervorgewucherte  Unterkieferfortsatz  von  dem  M  eck  er- 
sehen Knorpel  gestützt,  den  ich  bereits  an  einem  1,9  Ctm.  langen 
in  Fig.  2  der  sechsten  Tafel  abgebildeten  menschlichen  Fötus  fand. 
Wie  man  dort  an  den  Durchschnitten  der  Seitenhälften  des  ersten 
Schlundbogens  bemerkt ,  so  liegen  die  Meckel'schen  Knorpel  dem 
obern  Rande  desselben  viel  näher ;  sie  nehmen  nämlich  ihren 
weitern  Verlauf  nicht  in  der  ursprünglichen  dem  Halse  verblei- 
benden Partie  dieses  Schlundbogens,  sondern  in  dessen  Unter- 
kieferfortsatz ,  den  sie  stützen.  Ihre  Lage  zu  dem  später  ent- 
stehenden Unterkieferknochen  ist  bekannt  und  lässt  sich  am  besten 
an  Durchschnitten  erkennen  (vergl.  Taf.  II,  Fig.  5  und  7 ;  Taf.  IV, 
Fig.  9  und  15;  Taf.  VII,  Fig.  8);  in  der  Kinngegend  kommen 
beide  Knorpel  zusammen  (Taf.  II,  Fig.  2  und  3;  Taf.  IV,  Fig.  14; 
Taf.  IX,  Fig.  7). 

Bei  dem  Menschen  fliessen  die  Meckel'schen  Knorpel  nicht, 
wie  z.  B.  bei  dem  Rinde,  zu  einem  unpaaren  Stück  zusammen, 
sondern  verlaufen  parallel  nebeneinander  noch  eine  Strecke  weit 
in  dem  Unterkiefer  zwischen  Protuberantia  mentalis  interna  und 
externa  nach  vorn  ,  sind  jedoch  durch  eine  breite  Faserschichte, 
welche  ähnlich  wie  in  der  Schambeinfuge  die  beiden  Unterkiefer- 
knochen verbindet,  von  einander  geschieden.  Sie  erhalten  sich  in 
dieser  Gegend  das  ganze  fötale  Leben  hindurch  und  auch  bei 
Neugeborenen  fand  ich  noch  Reste.  Diese  Gegend  zwischen  dem 
inneren  und  dem  äusseren  Kinnhöcker  ist  es  auch,  in  welcher  bei 
Neugeborenen  zwischen  die  verknöcherten  Unterkieferhälften  zu 
beiden  Seiten  der  sie  verbindenden  Faserschichte  je  ein  rund- 
licher besonderer  Knochenkern *)  eingeschaltet  ist.  An  dem  vor- 
1)  Auch  Arnold  beschreibt  diesen  Knochenkern  in  seinem  Lehrb.  d.  Anatomie. 


121 

dem  inneren  Umfang  dieser  Zwischenkieferknochen  finde  ich  noch 
nach  der  Geburt  einen  nicht  unbedeutenden  Rest  des  Mcckel'- 
schen  hyalinen  Knorpels ,  auf  dessen  Kosten  der  Knochenkern 
wächst.  An  Querschnitten  dieser  Gegend  erscheint  daher  jeder 
Meckel'sche  Knorpel  als  eine  Scheibe,  deren  mediane  Hälfte  zwar 
noch  deutlich  erhalten  und  scharf  durch  ein  Perichondrium  von 
der  medianen  Faserknorpelschichte  beider  Unterkieferhälften  ge- 
schieden ist ;  die  laterale  Hälfte  dagegen  ist  von  dem  angrenzenden 
Knochenkern  nicht  abgesetzt,  sondern  dessen  Bälkchen  treten  in 
den  Knorpel  unmittelbar  ein  und  verlieren  sich  darin  (Taf.  IX, 
Fig.  7). 

Was  die  oben  beschriebenen  Hügel  betrifft,  aus  denen  sich 
der  Unterkieferfortsatz  zusammensetzt,  so  wurden  dieselben  auch 
von  Reichert1)  an  Schweinsembryonen  gesehen;  jedoch  fand 
Reichert  hier  nur  vier  Hügel. 

Zange. 

Die  Zunge  entsteht  bei  dem  Menschen  und  den  von  mir  un- 
tersuchten Säugethieren  aus  der  inneren  Oberfläche  der  drei  oberen 
Schlundbogen  und  zwar  entwickelt  sich  ihr  ursprünglich  paariger 
Körper  aus  den  kolbig  verdickten  Enden  beider  Seitenhälften  des 
ersten  Schlundbogens,  während  die  unpaarige  Anlage  der  Zungen- 
wurzel eine  Wucherung  des  Schlussstückes  des  zweiten  und  dritten 
Schlundbogens  darstellt.  Auf  Taf.  I,  Fig.  18  habe  ich  die  der 
Innenfläche  der  drei  oberen  Schlundbogen  aufliegende  Zunge  eines 
1,15  Ctm.  langen  Rindsembryo  dargestellt.  Der  dem  ersten  Schlund- 
bogen aufliegende  Zungenkörper  besteht  aus  zwei  nach  hinten 
sich  verschmälernden  Seitenhälften,  die  durch  ein  breites  Thal  von 
einander  geschieden  werden.  Im  Grunde  der  letztern  bemerkt 
man  eine  keilförmig  sich  einschiebende  breite  Leiste,  welche  hinten  in 
die  Zungenwurzel  übergeht.  Die  eine  dreiseitige  Platte  darstellende 
Zungenwurzel  erstreckt  sich  mit  einer  hinteren  abgerundeten  Spitze 
bis  zu  dem  Kehlkopf  herab  und  gewinnt  ihre  grösste  Ausbreitung 
hinter  dem  paarigen  Zungenkörper,  woselbst  sie  auch  noch  von  dem 
Grenzgebiet  des  ersten  und  zweiten  Schlundbogens  ihren  Ursprung 
ableitet.     In    den    Figuren  2,   20  und  21    erblickt    man  durch  die 

1)  Müll.  Archiv.    1837. 


122 

Mundspalte  hindurch  das  Epitheliura ,  welches  sich  von  dem  dar- 
unter liegenden  aus  zwei  Seitenhälften  bestehenden  vordem  Ende 
der  Zunge  blasig  abgehoben  hat. 

Auf  Taf.  VI,  Fig.  12  wurde  die  Zunge  eines  1,8  Ctm.  langen 
menschlichen  Embryo  dargestellt  und  man  erkennt  auch  hier  eine 
durch  eine  mediane  Leiste  (e)  angedeutete  paarige  Anlage  des 
Zungenkörpers  (d).  Von  der  dahinter  liegenden  Zungenwurzel  (c) 
wird  die  Leiste  durch  eine  tiefe  winklig  gebrochene  Spalte  abge- 
grenzt, welche  sich  nach  beiden  Seiten  in  eine  seliief  nach  vorn 
und  lateralwärts  verlaufende  Grenzfurche  zwischen  Zungenwurzel 
und  Zungenkörper  fortsetzt.  In  dieser  Furche  entstehen  die  Pa- 
pulae circumvallatae ;  ein  Rest  der  Spalte,  in  welche  diese  Grenz- 
furche medianwärts  sich  vertieft,  erhält  sich  als  Foramen  coecum. 

Auch  an  einem  älteren  3,8  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus 
zeigt  der  Zungenkörper  noch  deutlich  eine  durch  eine  mediane 
Furche  angedeutete  Theilung  und  auch  von  der  Zungenwurzel 
wird  er  noch  durch  eine  winklig  gebrochene  tiefe  Furche  schart 
abgeschieden.  Die  spaltenförmig  vertiefte  mediane  Partie  dieser 
Grenzfurche  wird  Foramen  coecum. 

Die  in  den  Figuren  13  und  14  dargestellten  Köpfe  mensch- 
licher Embryonen  zeigen  den  in  seiner  Anlage  doppelten  Zungen- 
körper in  seiner  Lage  in   der  Mundhöhle. 

Wenn  sich  die  Zunge  von  ihrer  Unterlage  erhebt  und  in  der 
Richtung  nach  vorn  an  Länge  zunimmt,  erfüllt  sie  alsbald  den 
ganzen  Raum  der  Mundhöhle  und  des  Nasenrachengangs  j  sie  liegt 
daher  der  Schädelbasis  und  der  daselbst  entstehenden  breiten  Nasen- 
scheidewand dicht  an  (vergl.  Taf.  II,  Fig.  1,  2,  3,  5  und  7).  Erst 
mit  dem  Beginn  der  Gaumenschliessung  weicht  sie  und  zwar  zu- 
erst mit  der  Spitze  von  der  Schädelbasis  zurück. 


Oberkieferfortsatz. 

Ein  Oberkieferfortsatz  ist  die  entlang  der  Seitenwand  des 
Spheno-Ethmoidaltheiles  des  Schädels  sich  fortsetzende  Verlänge- 
rung der  ursprünglichen  streifenförmigen  Kopfbauchplatte  (vergl. 
S.  92,  101  und  106).     An  einem  6—10  Millim.  langen  Rindsembryo 


123 


Erklärung  s.  8.  105. 


(Holzschnitt  XX)  hat  er,  von  aussen  gesehen,  die  Gestalt  eines 
dreieckigen  Lappens  (i) ,  woran  man  zwei  Ränder,  zwei  Flächen 
und  eine  vordere  Spitze  unterscheidet. 
Der  obere  convexe  unter  dem  Auge 
vorbei  ziehende  und  seiner  ganzen 
Länge  nach  an  den  Schädel  geheftete 
Rand  Avird  von  diesem  durch  eine  Furche 
geschieden ,  welche  eine  Fortsetzung 
der  den  Rücken  von  dem  Bauch  schei- 
denden Grenzfurche  (S.  101  und  107) 
darstellt  (vergl.  auch  Taf.  I ,  Fig.  20). 
Der  untere  ebenfalls  convexe  gegen 
die  Spitze  jedoch  coneave  Rand  bildet 
die  obere  Begrenzung  des  lateralen 
Theils  der  Mundspalte.  Die  ebenfalls 
mit  dem  Schädel  verwachsene  Spitze  erreicht  nicht  das  vordere 
Schädelende ,  sondern  endigt  in  einiger  Entfernung  vor  dem 
Auge  am  hintern  unteren  Umfang  der  Riechgrube. 

An  einem  Frontalschnitt  des  Oberkieferfortsatzes  überzeugt 
man  sich,  dass  derselbe  vielmehr  eine  dreiseitige  Pyramide  ist, 
deren  nach  hinten  gerichtete  Basis  (XX ,  i)  aus  dem  Theil  der 
Kopfbauchplatte  sich  entwickelt ,  welcher  auch  den  ersten 
Schlundbogen  abgiebt.  Der  nebenstehende  Holzschnitt  (XIX)  stellt 
einen  durch  die  Gegend  der 
Augen  geführten  Frontal- 
schnitt des  Kopfes  eines  6 
Millim.  langen  Rindsembryo 
dar  und  man  unterscheidet 
an  dem  Oberkieferfortsatz 
eine  laterale  (b  c),  eine  me- 
diane (c  d)  und  eine  obere 
Fläche  (b  d)  sowie  einen 
untern  Rand  (c).  Die  obere 
Fläche,  die  an  diesem  Fron- 
talschnitt ungefähr  durch 
eine  Linie  ausgedrückt  wer- 
den kann,  welche  oberhalb  d  dicht  unter  der  Schädelbasis  beginnt 


Ml. 


XVlll. 


Erklärung  s.  S.  104. 


124 

und  unter  dem  Auge  zu  dem  Punkt  b  geführt  wird,  ist  nicht  frei, 
sondern  mit  dem  Schädel  so  verbunden ,  dass  der  ganze  Ober- 
kieferfortsatz nur  als  eine  laterale  das  Auge  tragende  Ausladung 
des  untern  Schädelumfangs  erscheint.  Von  den  beiden  übrigen 
Flächen  ist  die  laterale  gewölbt  und  oben  durch  die  schon  öfters 
erwähnte  Grenzfurche  (b)  von  der  Seitenwand  des  Schädels  ge- 
schieden. Darüber  bemerkt  man  einen  kleinen  dem  Auge  ent- 
sprechenden Hügel ,  welcher  die  in  der  Einstülpung  begriffene 
Augenblase  enthält  (in  Holzschnitt  XVII  bemerkt  man  diesen  Hü- 
gel über  dem  vordem  sich  zuspitzenden  Ende  des  Oberkieferfort- 
satzes). Vergleicht  man  damit  den  dieselbe  Gegend  betreffenden 
Frontalschnitt  eines  in  der  Entwicklung  etwas  weiter  fortgeschrit- 
tenen Kaninchenembryo  (Holzschnitt  XXVII,  S.  133),  so  bemerkt 
man  auch  hier  diesen  über  der  Grenzfurche  c  liegenden  aus  dem 
Hornblatt  und  der  Hautplatte  bestehenden  Augenhügel  (b),  dessen 
Mitte  mit  Hinterlassung  einer  kreisförmigen  Oeffnung  zur  Bildung 
einer  Grube  sich  eingesenkt  hat,  welche  die  entgegen  kommende 
Augenblase  einstülpt. 

Die  mediane  Fläche  des  Oberkieferfortsatzes  (XIX,  c  d)  be- 
ginnt unmittelbar  an  der  Schädelbasis  (oberhalb  d)  und  steigt 
schräg  nach  aussen  zum  untern  Rand  (c)  herab.  In  diesem  Ver- 
laufe zerfällt  sie  durch  eine  zwischen  c  und  d  liegende  flache 
Bucht  in  einen  medianen  (d)  und  in  einen  tiefer  stehenden  late- 
ralen Abschnitt  c  (vergl.  auch  Taf.  I,  Fig.  14).  Mit  Hülfe  dieser 
Abscheidung  der  medianen  Fläche  in  zwei  Abtheilungen  kann  man 
nun  den  gesammten  Oberkieferfortsatz  in  zwei  diesen  entsprechende 
Portionen  trennen,  nämlich  in  einen  lateralen  höheren  (b  d)  und 
in  einen  medianen  niedrigeren  Theil  (d).  Jener  enthält  die  Anlage 
der  Lamina  ext.  des  Proc.  pterygoideus  des  Keilbeins ,  des  Ober- 
kiefers, des  Jochbeins  und  der  dazu  gehörigen  Weichtheile,  dieser 
die  Anlage  der  Lamina  int.  des  Proc.  pterygoideus  der  senk- 
rechten Gaumenplatte  und  der  betreffenden  Weichtheile.  Ferner 
entwickelt  sich  aus  dem  medianen  Theil  und  zwar  durch  Ver- 
längerung der  an  der  medianen  Fläche  sichtbaren  flachen  Er- 
habenheit (d)  eine  Gaumenplatte;  die  lateral wärts  davon  liegende 
flache  Aushöhlung  bedeutet  die  Gegend,  in  welcher  die  Zähne  und 
Zahnfortsätze  sich  entwickeln. 


125 


Deutlich  zeigt  dieses  Verhalten  des  Oberkieferfortsatzes  der 
auf  Taf.  I,  Fig.  14  abgebildete  durch  den  hintern  Umfang  der 
Augen  gelegte  Frontalschnitt  des  Gesichtes  eines  1,9  Ctm.  langen 
Rindsembryo.  Auch  hier  besitzt  der  an  seiner  ganzen  Schnitt- 
fläche punktirte  Oberkieferfortsatz  (d)  einen  lateralen  dickeren  und 
höheren,  sowie  einen  kleineren  medianen  Theil.  Von  der  Mund- 
höhle aus  gesehen  erscheint  der  mediane  Theil  als  ein  mit  der 
Wölbung  abwärts  schauender  und  von  dem  lateralen  Theil  durch 
eine  flache  und  breite  Furche  geschiedener  Wulst,  dessen  aus  der 
Schädelbasis  hervorgehende  Wurzel  von  letzterer  durch  eine 
schmale  Furche  sich  absetzt. 

Der  zwischen  beiden  Oberkieferfortsätzen  liegende  Raum  ist 
die  primitive  Mundhöhle  (S.  95)  ,  wie  der  in  Holzschnitt  XVI  ab- 
gebildete Medianschnitt  des  Kopfes  eines  6*/2  Millim.  langen  Rinds- 
embryo zeigt.  Mit  v  ist 
die  mediane  Fläche  des 
linken  Oberkieferfurt- 
satzes bezeichnet ;  dar- 
über liegt  die  an  der 
Rathke'schen  Tasche  (1) 
beginnende  Basis  des 
Spheno  -  Ethmoidaltheils 
des  Schädels ,  darunter 
aber  folgt  der  laterale 
Theil  der  primitiven 
Mundspalte.  Aus  dieser 
medianen  Fläche  ent- 
wickelt sich  das  Flügel- 
bein und  die  senkrechte  Erklärung  s.  s.  91. 
Gaumenbeinplatte,  also  überhaupt  die  Seitenwand  des  Nasenrachen- 
ganges  sowie  der  betreffende  Abschnitt  des  diesen  Gang  nach- 
träglich von  der  Mundhöhle  abscheidenden  Gaumens.  Nach  hinten 
und  unten  setzt  sich  die  mediane  Fläche  des  Oberkieferfortsatzes 
nebst  der  an  diesem  Embryo  noch  nicht  sichtbaren  Gaumenanlage 
continuirlich  in  die  Seitenwand  der  Schlundhöhle  fort. 

Wenden  wir  diesen  Befund  auf  die  späteren  fertigen  Verhält- 
nisse des  menschlichen  Kopfes  an  ,    so    wird    die   Seitenwand    des 


126 

unter  dem  Keilbein  liegenden  Abschnittes  der  Nasenhöhle  (Laraina 
int.  des  Proc.  pteryg.  des  Keilbeins,  senkrechte  Gaumenbeinplatte 
nebst  der  sie  bedeckenden  Schleimhaut)  durch  den  medianen  Theil 
des  Oberkieferfortsatzes  gegeben ;  da  nun  dieser  Fortsatz  eine  Ver- 
längerung der  Kopfbauchplatte  (also  des  an  die  Schädelbasis  ge- 
hefteten Abschnittes  der  seitlichen  Schlundwand)  ist,  so  schliesst 
sich  auch  später  die  oberste  Partie  der  seitlichen  Schlundwand 
unmittelbar  an  den  hintern  Rand  der  Lamina  int.  des  Proc.  ptery- 
goideus  an.  Es  sind  somit  die  Seitenwände  des  spätem  Nasen- 
rachenganges  durch  Knochen  gestützte  unmittelbare  Fortsetzungen 
der  Seitenwände  des  Schlundes. 

Die  als  flacher  Längswulst  an  der  medianen  Fläche  des  Ober- 
kieferfortsatzes entstehende  Gaumenanlage  setzt  sich  in  ähnlicher 
Gestalt  auch  auf  die  seitliche  Schlundwand  fort  und  daraus  bildet 
sich  die  hintere  Partie  des  harten  Gaumens  sowie  das  Gaumen- 
segel und  dessen  hintere  Bogen. 

In  dem  lateralen  umfänglicheren  Theil  des  Oberkieferfortsatzes 
entstehen  die  Lamina  ext.  des  Proc.  pterygoideus  des  Keilbeins, 
die  laterale  Wand  des  Sinus  maxillaris  nebst  dem  Zahnfortsatz, 
sowie  das  Jochbein  nebst  den  Weichtheilen  der  Unterschläfengrube, 
der  Wangen  und  der  oberen  Partie  der  Backen. 

Verfolgt  man  bei  äusserer  Betrachtung  des  Kopfes  den  oberen 
convexen  Umfang  eines  Oberkieferfortsatzes ,  so  findet  man  hier 
die  Grenzfurche  zwischen  Schädel  und  Bauchplatte ,  welche  unter 
dem  Auge  vorbeizieht  (Holzschnitt  XVII,  S.  123)  und  dann  schräg 
zur  Spitze  des  Oberkieferfortsatzes  gegen  die  Schädelbasis  abfällt, 
ohne  jedoch  diese  Spitze  von  der  Schädelwand  wirklich  zu  trennen. 
Was  man  als  freie  Spitze  des  Oberkieferfortsatzes  beschreibt ,  ist 
erst  eine  spätere  dem  Zwischenkieferstück  des  Stirnfurtsatzes  ent- 
gegenwachsende Fortsetzung.  Bevor  ich  zu  den  spätem  Verän- 
derungen der  Oberkieferfortsätze  übergehe ,  wende  ich  mich  vor- 
her zur  Betrachtung  des  Stirnfortsatzes. 

Stirnfortsatz. 

Stirnfortsatz  im  weiteren  Sinn  nenne  ich  eine  zur  Bildung  der 
Nase  bestimmte  Fortsetzung  der  vordem  und  seitlichen  Stirnwand 
sowie  der  darunter  liegenden  Schädelbasis. 


127 


Uranlage  des  Stirnfortsatzes. 

Vor  dem  Erscheinen  der  Riechgruben  ist  dieser  Schädeltheil 
völlig  glatt  und  es  geht  die  Stirnwand  ohne  Abgrenzung  in  einem 
Bogen  in  die  Schädelbasis  über.  Am  besten  erkennt  man  dieses 
Verhalten  an  einem  Medianschnitt,  wie  ihn  Holzschnitt  XVI  von 
einemüindsembryo  zeigt, 

und    es    lässt    sich    hier  «; ju 

die  Stirnwand  (a)  in 
gleichförmiger  Wölbung 
zur  Schädelbasis  ver- 
folgen. Der  hier  in  Be- 
tracht kommende  Theil 
der  Schädelbasis  gehört 
dem  Spheno-Ethmoidal- 
theil  des  Schädels  an 
und  sein  hinterer  vor 
der  Rathke'schen  Grube 
(1)  liegender  und  seit- 
lich von  den  Oberkiefer- 
fortsätzen (v)  begrenzter  Erklärung:  s.  s.  94. 
Abschnitt  bildet  das  Dach  der  primitiven  Mundhöhle.  Sein  vor- 
derer Abschnitt,  welcher  die  Mundspalte  begrenzt,  überragt  den 
darunter  liegenden  ersten  Schlundbogen  und  hier,  also  vor  der 
primitiven  Mundhöhle,  sowie  aus  der  angrenzenden  vorderen  und 
seitlichen  Stirnwand  entsteht  der  die  Grundlage  der  Nase  dar- 
stellende Stirnfortsatz. 

In  der  Medianzone  ist  diese  Schädelbasis  (Taf.  I,  Fig.  23,  a) 
sehr  dünn  und  zu  einem  flachen  Thale  eingesunken,  welches  die 
Basis  in  zwei  dickere  gewölbte  Seitenhälften  scheidet  und  sich  auch 
noch  auf  die  angrenzende  untere  Partie  der  Stirnwand  fortsetzt, 
wie  der  nebenstehende  im  Halbprofil  gezeichnete  Kopf  eines  Rinds- 
embryo zeigt  (Holzschnitt  XVII,  s.  S.  128).  Lateralwärts  grenzt  die 
untere  Stirngegend  an  das  Auge  an  und  wird  hier  von  der  dar- 
unter liegenden  Spitze  des  Oberkieferfurtsatzes  durch  eine  vom 
Auge  zur  Mundspalte  schief  absteigende  Furche  geschieden,  die 
man  Augen-Nasenfurche  nennen  kann.  In  der  Medianlinie  ist  die 
Stirnwand  in  noch  viel  höherem  Grade  als  die  Schädelbasis  verdünnt 


128 


m\ 


ÄVIll. 


und  durchscheinend,  wie  ein  in  einiger  Entfernung  vor  den  Augen 
durch  die  Gegend  der  späteren  Riechgruben  gelegter  Frontalschnitt 

des  Schädels  zeigt  (XVIII). 
Ueberraschend  klein  er- 
scheint daran  das  eiförmige 
mit  dem  schmaleren  Theil 
aufwärts  gekehrte  Lumen 
des  Schädels  im  Verhältniss 
zur  Dicke  der  Wandung, 
welche  ihre  grösstc  Mächtig- 
keit zu  beiden  Seiten  der 
Basis  gewinnt.  Die  darin 
enthaltene  aber  in  der  Zeich- 
nung nicht  berücksichtigte 
Erklärung  s.  s.  io4.  Hirnblase    war    das   Stamm- 

bläschen der  um  diese  Zeit  noch  nicht  hervorgetretenen  Gross- 
hirnbläschen. Es  zerfällt  nämlich,  wie  Reichert  gezeigt  hat, 
die  vordere  primitive  Hirnblase  vor  dem  Erscheinen  der  Gross- 
hirnbläschen durch  eine  transversale  Einschnürung  in  zwei  hinter- 
einander liegende  Abtheilungen,  von  welchen  Reichert  die  hintere 
als  Trichterregion  (XVI,  b),  die  vordere  als  Sehhügelregion  (XVI,  a) 
bezeichnete.  Auch  erkennt  man  an  dem  Medianschnitt  XVI  bei 
y  den  Eingang  in  den  hohlen  Augenstiel  (vergl.  auch  den  Frontal- 
schnitt XIX),  aber  noch  keine  Spur  eines  Grosshirnbläschens  und 
noch  weniger  irgend  eine  auf  den  Geruchsnerv  sich  beziehende 
Ausstülpung  der  Hirnblase.  Selbst  wenn  bald  darauf  die  Riech- 
gruben  erschienen  sind  (Taf.  III,  Fig.  14),  hat  die  vordere  Hirn- 
blase noch  immer  dieselbe  Beschaffenheit  (Fig.  15),  besteht  daher 
aus  den  genannten  zwei  hintereinander  liegenden  Abtheilungen 
(b  und  a) ,  von  welchen  die  vordere  in  den  hohlen  Augenstiel 
führt,  aber  weder  Grosshirnblasen  noch  den  Riechgruben  entgegen- 
kommende Aussackungen  wahrnehmen  lässt;  auch  kann  ich  nicht, 
wie  Rathke  angiebt,  eine  durch  die  Riechgruben  erzeugte  be- 
sondere Veränderung  der  Schädelwand,  noch  irgend  eine  innigere 
Anheftung  der  Hirnblase  an  den  Riechgrubengrund  wahrnehmen. 
Endlich  habe  ich  noch  zu  bemerken,  dass  entlang  der  Median- 
linie nicht  blos  die  Stirnwand,  sondern  auch  die  darunter  liegende 


129 

Hirnblase  so  dünn  wird,  dass  in  der  That  die  Nervensubstanz  hier 
fehlt  und  der  Verschluss  nur  durch  eine  dünne  durchsichtige  Haut 
bewerkstelligt  wird. 

Kehren  wir  nun  wieder  zu  dem  durch  obenstehenden  Holz- 
schnitt XVIII  dargestellten  Frontalschnitt  des  vor  den  Augen  lie- 
genden Schädelabschnittes  zurück ,  so  zeigt  dessen  Wand  ihre 
grösste  Dicke  im  Grenzgebiet  des  Daches  und  der  Basis,  somit 
in  der  untern  Hälfte  der  Stirnwand  und  der  angrenzenden  Partie 
der  Schädelbasis.  Es  beginnt  diese  Verdickung ,  welche  die  An- 
lage des  Stirnfortsatzes  enthält ,  vor  dem  Auge ,  jedoch  nicht 
plötzlich ,  sondern  ist  eine  unmittelbare  Fortsetzung  derjenigen 
seitlichen  Schädelverdickung,  welche  das  Auge  enthält  und  ab- 
wärts in  die  Oberkieferfortsätze  sich  ausladet  (Holzschnitt  XIX). 
Von  hier  aus  schreitet  diese  Verdickung  oder  die  Uranlage  des 
Stirnfortsatzes  in  der  lateralen  Zone  der  Schädelbasis  und  der  an- 
grenzenden Partie  der  Stirnwand  nach  vorn  gegen  die  Median- 
linie ,  woselbst  sie  durch  die  oben  besprochene  Verdünnung  und 
Einsenkung  der  Schädel  wand  unterbrochen  wird,  daher  ursprünglich 
paarig  ist.  Rathke  nannte  die  beiden  dicken  Seitenhälften  der 
Schädelbasis  „seitliche  Schädelbalken." 

Riechgrabe. 

Hierauf  entstehen  in  einiger  Entfernung  vor  den  Augen  in 
der  verdickten  untern  Partie  der  seitlichen  Stirnwand  die  Riech- 
gruben, die  ich  aber  bei  Säugethieren  und  dem  Menschen  niemals 
als  Grübchen  von  solcher  Kleinheit  und  kreisrunden  Form  ange- 
troffen habe,  wie  sie  Rathke  beschreibt  und  abbildet.  Da  sie 
zuerst  nur  ganz  flach  sind ,  so  werden  sie  nur  bei  richtiger  und 
guter  Beleuchtung  gesehen  und  erscheinen  schon  von  Anfang  an 
als  längliche  etwas  schief  nach  vorn  aufsteigende  Gruben  von  ziem- 
licher Ausdehnung  (vergl.  Taf.  III,  Fig.  14;  Taf.  I,  Fig.  19,  20 
und  21,  sowie  den  nebenstehenden  Holzschn.  XX,  zwischen  k  und  p, 
s.  S.  130).  Oben  und  zu  beiden  Seiten  werden  sie  von  einem  nied- 
rigen Saum  umfasst ,  nicht  aber  unten ,  woselbst  sie  sich  in  der 
Richtung  gegen  die  Mundspalte  und  die  Augen-Nasenfurche  all- 
mählig  verlieren.     In  dieser  Gestalt  erkennt  man  die  Riechgruben , 

am  besten  in  der  Seitenlage  des  Kopfes,  während  die  Betrachtung 
Dursy,  Entwicklgsgesch.  9 


130 


Erklärung  8.  S.  105. 


im  Halbprofil  oder  von  vorn  die  Gruben  kleiner  und  ringsum  ge- 
schlossen erscheinen    lässt.     Unter   den  mir  bekannten  Säugethier- 

embryonen  zeichnen  sich  die  Kanin- 
chen durch  weiten  Umfang  ihrer  Riech- 
gruben  aus ,  so  dass  sie  wegen  ihrer 
ursprünglichen  Flachheit  leicht  über- 
sehen und  mit  einem  viel  kleineren 
kreisförmigen  dickwandigen  Grübchen 
verwechselt  werden  können,  welches 
innerhalb  der  noch  flachen  Riechgrube 
schon  sehr  frühe  auftritt  (Holzschnitt 
XXVI,  S.  133,  c)  und  die  Anlage  des 
Jakobson'schen  Organs,  bei  den  Schlan- 
gen (XXVIII,  S.  134,  g)  die  ganz 
ebenso  beschaffene  und  nur  etwas 
grössere  Anlage  einer  Nasendrüse  darstellt.  Auch  bei  dem  Men- 
schen und  den  übrigen  mir  bekannten  Säugethieren  zeigt  sich, 
wenn  auch  etwas  später  und  weniger  auffallend  ,  ein  solches  die 
Anlage  des  Jakobson'schen  Organes  darstellendes  kreisrundes 
Grübchen  (XXI,  hinter  p). 

Der    Grund    einer   Nasengrube    ist   nicht  ausgehöhlt,   sondern 
wird  von  der  sanft  gewölbten  seitlichen  Stirnwand  gebildet ;  indem 
aber    der    hintere    und    das    angrenzende  Stück  des  obern  Randes 
des  Umfassungssaumes  rascher  an  Höhe  zunehmen  und  ihre  Rich- 
tung gegen  das  vordere  Schädel- 
ende einschlagen  (XXI ,  k)  ,  ver- 
decken    sie     den      oberen      und 
hinteren  Abschnitt  der  Riechgrube, 
und   der   dazwischen    entstehende 
hohe    aber     seitlich     comprimirte 
spaltförmige  Raum  ist  die  Anlage 
der  Nasenhöhle  (Taf.  I,  Fig.  15), 
welche    somit    hinten    und    oben 
geschlossen    ist,    unten   und  vorn 
dagegen    offen    steht.     Betrachtet 
Erklärung  s.  s.  113.  man     den    nebenstehenden    Kopf 

eines  Rindsembryo  (XXI),  so  hat  die  Riechgrube  scheinbar  einen 


131 

geringeren  Umfang,  als  es  bei  jüngeren  Embryonen  (vergl.  XX) 
der  Fall  war.  Diese  scheinbare  Verkleinerung  hat  aber  darin 
ihren  Grund,  dass  der  anfangs  ganz  niedrige  hintere  Begrenzungs- 
saum (XX,  k)  alsbald  über  die  hintere  Partie  der  Riechgrube  hin- 
weg nach  vorn  wächst;  er  verwandelt  sich  in  eine  breite  Platte 
(XXI,  k),  welche  mit  ihrem  hintern  und  obern  Rand  von  der  seit- 
lichen Stirnwand  entspringt  und  durch  eine  bogenförmige  Furche 
von  ihr  sich  absetzt.  Ihr  freier  vorderer  Rand,  der  an  jüngeren 
Embryonen  concav  war,  ist  nun  convex  und  hat  sich  dem  vor- 
dem Begrenzungssaum  der  Riechgrube  bereits  soweit  genähert, 
dass  von  dem  Grunde  der  Riechgrube  nur  noch  die  vordere  Partie 
(XXI,  zwischen  k  und  p)  bemerkt  wird.  Zugleich  enthält  der- 
selbe an  diesem  Embryo  dicht  hinter  dem  vorderen  Grenzsaum 
(p)  ein  kleines  napfförmiges  dickwandiges  Grübchen  oder  die  An- 
lage des  Jakobson'schen  Organs. 

Seitlicher  Stirnfortsatz. 

Die  in  eine  hohe  und  breite  (XXI,  k)  Platte  umgewandelte  hintere 
und  oberePartie  des  Grenzsaums  (seitlicher  Stirnfortsatz  ,  Reichert) 
besitzt  auch  einen  untern  Rand,  welcher  auf  dem  verlängerten 
Oberkieferfortsatz  ruht  und  von  ihm  durch  die  jetzt  ebenfalls  ver- 
längerte und  vertiefte  Augen  -  Nasenfurche  geschieden  wird.  In 
ihrer  vor  dem  Auge  liegenden  hintern  Hälfte  erhält  sich  diese 
Furche  als  solche,  daher  in  ihrem  Grunde  der  seitliche  Stirnfort- 
satz oder  die  Seitenplatte  der  Nasenhöhle  (k)  continuirlich  in  den 
Oberkieferfortsatz  sich  fortsetzt.  In  ihrer  vordem  Hälfte  dagegen 
verwandelt  sie  sich  in  eine  die  genannten  Fortsätze  trennende  und 
daher  mit  dem  unteren  offenen  Ende  der  spaltförmigen  Nasenhöhle 
zusammenfliessende  Spalte  (Taf.  I,  Fig.  15).  Mit  seinem  oberen 
Theil  setzt  sich  der  seitliche  Stirnfortsatz  unter  Bildung  eines  den 
obern  Umfang  der  Riechgrube  überdachenden  Bogens  in  den  vor- 
dem Grenzsaum  der  Riechgrube  fort  (XXI,  p).  Auch  der  letztere 
hat  sich  unterdessen  zu  einem  Wulst  verbreitert  und  bildet  die 
mediane  Begrenzung  des  noch  weiten  vorderen  Einganges  in  die 
Nasenhöhle. 

Allmählig  rückt  der  vordere  Rand  des  seitlichen  an  Länge 
zunehmenden  Stirnfortsatzes  weiter  nach  vorn,  so  dass  er  schliesslich 

9* 


132 


die  Riechgrube    völlig   verdeckt  (Holzschnitt  XXII)  und  den  vor- 
dem Randwulst  (p)  erreicht,    neben  welchem  er,    durch  das  jetzt 

enger  gewordene  äussere  Nasenloch 
geschieden ,  zum  vordem  Ende  des 
verlängerten  Oberkieferfortsatzes 
herabläuft  (vergl.  auch  Taf.  I,  Fig.  1). 
Geht  man  durch  das  äussere  Nasen- 
loch ein  ,  so  gelangt  man  in  die 
eine  einfache  vertikale  Spalte  dar- 
stellende Nasenhöhle,  welche  oben 
und  hinten  durch  den  Abgang  des 
seitlichen  Stirnfortsatzes  von  der 
Stirnwand  geschlossen  ist.  Ihre 
mediane  Wand  wird  von  der  dem 
Boden  der  ursprünglichen  Riechgrube 
darstellenden  lateralen  Schädelwand  gebildet;  die  laterale  Nasen- 
höhlenwand ist  der  in  eine  mächtige  Platte  (seitlicher  Stirnfortsatz) 
ausgewachsene  frühere  hintere  Randsaum  der  Riechgrube  (Taf.  I,  ' 
Fig.  15).  Unten  mündet  jede  Nasenhöhle  durch  eine  Spalte  in 
die  Mundhöhle  (Taf.  I ,  Fig.  2,  3,  4)  und  es  setzt  sich  dieselbe 
ohne  Unterbrechung  in  den  untern  Umfang  des  äussern  Nasen- 
lochs fort.  Alsbald  jedoch  scheidet  sich  das  letztere  von  der 
Spalte  des  Nasenhöhlenbodens  ab  in  Folge  einer  Verwachsung  der 
unteren  Enden  der  das  Nasenloch  umfassenden  Schenkel. 


Erklärung  s.  S.  114. 


Entstehung  der  Riechgruben;  Jakobson'sches  Organ,   Nasendrüse. 

Wie  wir  oben  gesehen  haben,  so  ist  vor  dem  Erscheinen  der 
Riechgruben  der  vor  den  Augen  liegende  Schädelabschnitt  zu 
beiden  Seiten  der  Medianebene  gleichförmig  gewölbt  und  am  la- 
teralen Umfang  am  dicksten.  Es  ist  diese  Verdickung  die  Uran- 
lage  oder  Wurzel  des  späteren  gesammten  Stirnfortsatzes.  Im 
weitern  Verlauf  der  Entwicklung  jedoch  nimmt  sie  nicht  gleich- 
förmig zu,  sondern  in  einiger  Entfernung  vor  dem  Auge  an  der 
seitlichen  untern  Stirnwand  bleibt  eine  länglich  runde  Stelle  im 
Dickenwachsthum  zurück  (Riechgrube)  und  zugleich  erhebt  sich 
aus  der  umgebenden  Stirnwand  ein  diese  Grube  umgebender  bo- 
genförmiger anfangs  niedriger  Saum,  der  jedoch  unten  eine  Unter- 


133 


brechung  zeigt.  Es  bildet  sich  daher  die  Riechgrube  nicht  durch 
Einstülpung  und  Verdünnung  der  Stirnwand,  wie  man  an  Frontal- 
schnitten erkennt,  auch  bemerkt  man  keinerlei  auf  die  Riechgrube 
sich  beziehende  Veränderung  der  vordem  Hirnblase  und  eben  so 
wenig  konnte  ich  hier  irgend  eine  besondere  Verdickung  der  Haut- 
schichte oder  des  Hornblattes  wahrnehmen  Alsbald  verdickt  und 
erhöht  sich  der  bogenförmige  Randsaum  zu  einem  Wulst,  wodurch 
die  Riechgrube  tiefer  wird.  Namentlich  ist  es,  wie  ich  oben  ge- 
zeigt habe ,  die  hintere  Hälfte  des  Randwulstes ,  welche  am 
raschesten  an  Höhe  zunimmt  und  dabei  als  eine  Platte  über  die 
Riechgrube  sich  allmählig  vorschiebt.  Zugleich  aber  entsteht  in 
der  vordem  Partie  der  Riechgrube  dicht  hinter  dem  vordem  Rand- 
wulst ein  kreis-  oder  napfförmiges  Grübchen,  umgeben  von  einem 
breiten  Wall  und  von  einem  mächtigen  Epithel  ausgekleidet  (Ja- 
kobson'sches  Organ  der  Säugethiere  und  des  Menschen,  Nasen- 
drüse der  Schlangen).  Bei  den 
von  mir  untersuchten  Säugethieren 
entsteht  dieses  Grübchen  am  frühesten 
beim  Kaninchen  und  zeichnet  sich 
bei  diesem  auch  durch  seine  Grösse 
sowie  durch  die  Breite  des  umgeben- 
den Walles  aus  (Holzschn.  XXV  und 
XXVI).  Man  bemerkt  es  sowohl  im 
Profil  als  auch  von  vorn.  In  Holz- 
schnitt XXVI  ist  das  Grübchen  mit 
c  bezeichnet  und  wird  v<*n  einem  pi&_  xxv>  giebt  eine  Profllan. 
breiten  Wall  umfasst,  welcher  mit  dem  g^££ÄS5°P?B?xi^ 
vordem    Schenkel    des    Randwulstes   ^^l^^Lj^ieTter 

,  -r,.      ,  t  i  ..  /    \      Riechgrube,      c,  Jakobson'sches    Or- 

der   Kiechgmbe     zusammenhangt    (pj.     gan.      i    Oberkieferfortsatz.      k,  Seit- 
.  ..  ii-  licher    Stirnfortsatz.       p,   Seitenflügel 

Der  vor  dem  Auge    liegende    hintere  des  mittleren  stirnfoitsatzes. 

0    ,        ii      t  r>       j        li.        /      -i.1-    U         Fi&-  XXVII.  Frontalschnitt  die- 

bChenkel  des  Randwulstes  (seitlicher  ses  Kopfes  durch  die  Gegend  der 
„.  .  N    .  ..ii  •    i_  Augen,  stärker  vergrössert. 

ötirniortsatz)    ist    mit    K    bezeichnet.  a,   Vordere   Hirnblase,   welche   durch 

den   hohlen  Augenstiel  in   die   in    der 
Noch     viel  'grösser    Und    auffallen-     Einstülpung      begriffene      Augenblase 

fuhrt.      b,  Linsengrube,      c,  Furche, 

der  erscheint  diese  tellerförmige  Grube    weiche   den   Oberkieferfortsatz    von 

°  dem   Auge    trennt,    l ,  Lateraler  Theu 

an  Natterembryonen  (Colub.  natr.),  des  0h,iMe4^%^lene'  Medianer 
wie  aus  den  auf  Seite  134  stehenden  Figuren  XXVIII  und  XXIX 
hervorgeht.     Die  von  R  a  t  h  k  e  für  die  Natter   und  daselbst  auch 


mii. 


134 

zugleich   für    die   Säugethiere    gegebene  Beschreibung    der    Riech- 
grube passt  genau  auf  diese  das  Jakobson'sche  Organ  der  Säuger 

darstellende     Nasendrüsengrube      der 
2ZW.  /> — — \  a,  Natter,  nicht  aber  auf  die  Riechgrube. 

Man  vergleiche  auch  die  von  R  a  t  h  k  e 
gegebenen  Abbildungen  (Taf.  II,  Fig. 
1  und  3),  die  mich  sehr  überraschten, 
weil  hier  R  a  t  h  k  e  die  tellerförmige 
Anlage  der  Nasendrüse  geradezu  als 
XXK.      &- — x  Riechgrube     bezeichnet    (Fig.  I,    g). 

Jetzt    erst    war    es  mir  klar ,    warum 
R  a  t  h  k  e     sein    Nasendach    (nämlich 
den    von    mir    beschriebenen  hinteren 
Fig.  xxviii,  Kopf  eines  Natter-  und  oberen  Randsaum  der  Riechgrube) 

embryo   von   vorn.     Fig.   XXIX,      .    i  .        t       t»       j      j         t»-i  i  c 

derselbe  Kopf  im  Profil.  nicht    als    Kand    der  Kiechgrube  aut- 

a,  Stirne.   b,  Auge,    c,  Seitlicher  Stirn-  .    . 

fortsatz.    d ,  Seitenflügel  des  mittleren  { asste  ,     SOlldem     erst     in    einiger    Ent- 

Stirnfortsatzes.      e ,  Oberkieferfortsatz.  ° 

g,  Nasendrüsengrube.  f,  Erster  Schlund-  femung    davon    aus    der    Seitenwand 

bogen.  ° 

des  Schädels  hervorwachsen  liess. 

Nachdem  ich  einmal  diese  Erfahrung  gemacht  hatte,  fand  ich 
endlich  auch  bei  Rindsembryonen  in  der  vordem  Hälfte  der  noch 
offenen  Riechgrube  dieses  von  einem  dicken  Wall  umfasste  Grüb- 
chen (Holzschnitt  XXI,  S.  130,  hinter  p)  dicht  hinter  dem  vordem 
Randwulst  der  Riechgrube.  Es  schien  mir  jedoch  etwas  kleiner, 
hatte  eine  verstecktere  Lage  ,  so  dass  ich  es  nur  im  Profil  und 
bei  richtiger  Beleuchtung  wahrnehmen  konnte. 

Nach  diesen  Beobachtungen  muss  auch  das  Riechgrübchen 
des  Hühnchens  wieder  einer  neuen  Untersuchung  unterworfen 
werden ,  da  möglicher  Weise  dasselbe  eine  andere  Bedeu- 
tung hat. 

Hat  sich  allmählig  der  vordere  Rand  des  über  die  Riechgrube 
hinweg  wachsenden  seitlichen  Stirnfortsatzes  dem  vordem  Rand- 
wulst so  weit  genähert,  dass  die  Riechgrube  völlig  gedeckt  und 
von  aussen  nur  noch  durch  das  äussere  Nasenloch  zugänglich 
bleibt,  so  hat  sich  auch  das  Jakobson'sche  Organ  der  äussern  Be- 
sichtigung entzogen  und  findet  sich  dicht  hinter  dem  äussern 
Nasenloch  am  untern  Ende  der  medianen  Nasenhöhlenwand.  An 
Frontalschnitten  des  Gesichtes  eines  1,9  Ctm.  langen  Rindsembryo 


135 

(Taf.  I),  welche  die  Nasenhöhlen  dicht  hinter  den  äusseren  Nasen- 
öffnungen treffen  (Fig.  6  und  7),  bemerkt  man  dieses  napfförmige 
Grübchen  in  dem  Winkel  zwischen  dem  Boden  und  der  medianen 
Wand  einer  Nasenhöhle  (e).  Legt  man  noch  eine  Reihe  von  Frontal- 
schnitten hinter  dieser  Gegend  an,  so  zeigt  es  sich,  dass  dieses 
Grübchen  mit  der  Verlängerung  der  Nasenhöhle  sich  ebenfalls  ver- 
längert und  die  Gestalt  einer  tiefen  ausgerundeten  Rinne  ange- 
nommen hat ,  die  sich  in  ihrer  hintern  Partie  allmählig  von  der 
Nasenhöhle  abzuschliessen  sucht  (Fig.  8  und  9)  und  schliesslich 
ganz  abschnürt  (Fig.  10).  Es  mündet  dann  die  so  entstandene 
noch  kurze  Jakobson'sche  Röhre  direct  in  die  Nasenhöhle  dicht 
hinter  den  primitiven  äusseren  Nasenlöchern.  Da  nun  später  der 
Theil  des  Schädels ,  welcher  die  mediane  Wand  einer  Nasenhöhle 
oder  den  Boden  der  früheren  Riechgrube  darstellt,  in  seiner  un- 
teren Partie  zur  Nasenscheidewand  sich  verlängert,  so  enthält  diese 
in  ihrem  untern  Ende  die  Jakobson'schen  Gänge  (Taf.  II,  Fig.  3). 
Vor  der  Bildung  des  Gaumens,  wenn  die  Nasenhöhlen  durch  ihren 
offenen  Boden  noch-  mit  der  Mundhöhle  communiciren ,  stehen  da- 
durch die  am  Boden  der  Nasenhöhlen  ausmündenden  Jakobson'- 
schen Gänge  zugleich  auch  mit  der  Mundhöhle ,  wenn  auch  nicht 
unmittelbar,  in  Verbindung.  Erst  später,  wenn  der  Gaumen  die 
Nasenhöhlenboden  schliesst ,  verbinden  sich  die  anfangs  freien 
Mündungen  der  Jakobson'schen  Gänge  mit  den  unterdessen  in 
Folge  der  Gaumenbildung  entstandenen  Stenson'schen  Gängen 
und  münden  durch  diese  in  die  Mundhöhle. 

Auch  bei  menschlichen  Embryonen  entdeckte  ich  ein  als  Grüb- 
chen am  untern  Ende  der  Nasenscheidewand  entstehendes  Jakob- 
son'sches  Organ  (Taf.  VII,  Fig.  6,  c  und  Fig.  7 ;  Taf.  VIII,  Fig. 
2,  c ;  Taf.  IX,  Fig.  6 ,  c).  Wie  bei  den  Säugethieren  verlängert 
sich  das  Grübchen  zu  einer  Rinne,  die  hierauf  von  der  Nasenhöhle 
sich  abschnürt,  mit  ihrem  vordem  Ende  dagegen  in  die  Nasen- 
höhle mündet.  Ueber  diese  ersten  Entwicklungsstufen  kommt  je- 
doch dieses  Gebilde  bei  dem  Menschen  nicht  hinaus,  gelangt  daher 
auch  zu  keinem  unmittelbaren  Anschluss  an  die  später  entstehen- 
den Stenson'schen  Gänge. 

Anfangs  besitzen  die  Jakobson'schen  Organe,  wie  die  nach 
ihrer  Entwicklung  die  gleiche  Bedeutung  zeigende  Nasendrüse  der 


136 

Schlangen,  nur  eine  häutige  Wand  mit  einem  mächtigen  Epithel. 
Hierauf  erhalten  beide  eine  knorpliche  Hülle  ,  welche  bei  Rinds- 
und Schafsembryonen  die  Gestalt  eines  lateralwärts  offenen  Halb- 
kanales  besitzt.  Es  bildet  sich  dieser  Knorpel  zuerst  in  seiner 
hinteren  Hälfte  und  zwar  in  der  Nasenscheidewand,  unterhalb  und 
lateralwärts  von  dem  verdickten  untern  Rand  des  Nasenscheide- 
wandknorpels  (Taf.  III,  Fig.  5),  während  die  vordere  Partie  der 
Jakobson'schen  Gänge  noch  rein  häutig  ist  (Fig.  4  und  12).  Von 
einem  älteren  Rindsembryo  giebt  die  fünfte  Tafel  eine  Reihe  von 
Frontalschnitten  des  Gesichtes ,  welche  den  Verlauf  und  das  Ver- 
halten der  Jakobson'schen  Gänge  darlegen.  Fig.  2  trifft  die 
Gaumenmündungen  der  Stenson'schen  Gänge  in  Gestalt  spitzwink- 
licher  Ausschnitte  zu  beiden  Seiten  eines  warzenförmigen  Schleim- 
hautvorsprungs (b).  Fig.  3  zeigt  die  Durchschnitte  der  Stenson'- 
schen in  dieser  Gegend  noch  rein  häutigen  Gänge  nahe  oberhalb 
ihrer  Gaumenmündung.  Fig.  4  trifft  die  Einmündung  der  Jakobson'- 
schen in  die  Stenson'schen  Gänge  (d) ;  man  bemerkt  zugleich  eine 
grössere  Entfernung  der  Stenson'schen  Gänge  von  einander,  in- 
dem sie  auf  ihrem  Wege  in  die  Nasenhöhlen  divergiren.  Die 
hier  getroffenen  Lichtungen  sind  halbmondförmig ,  medianwärts 
concav  und  oben  von  einem  C-förmigen  lateralwärts  convexen 
Knorpel  umfasst.  Die  obere  engere  Abtheilung  eines  jeden  Ganges 
gehört  dem  Jakobson'schen,  die  untere  weitere  dem  Stenson'schen 
Gang  an.  In  Fig.  5  hat  sich  der  höher  liegende  engere  Jakob- 
son'sche  Gang  von  dem  tieferen  und  mehr  lateralwärts  liegenden 
Stenson'schen  Gang  geschieden  und  beide  werden  von  einem  ge- 
meinschaftlichen Knorpel  umfasst.  In  Fig.  6  durchbrechen  beide 
Gänge  den  knöchernen  Gaumen  und  es  trennt  sich  der  Knorpel 
des  Jakobson'schen  Ganges  von  dem  des  Stenson'schen  Ganges 
und  verschmilzt  mit  der  untern  Fläche  des  knorplichen  Nasenhöhlen- 
bodens. Verfolgt  man  durch  die  Figuren  7,  8,  9  und  10  das 
weitere  Verhalten  und  den  Verlauf  der  Jakobson'schen  Gänge  und 
ihrer  Knorpelhüllen ,  so  legen  sich  die  letzteren  allmählig  an  den 
untern  Rand  des  Nasenscheidewandknorpels  seitlich  an,  öffnen  sich 
aber  nicht  mehr,  wie  an  den  vorhergehenden  Durchschnitten,  nach 
unten  und  innen ,  sondern    allmählig  nach    aussen  und  schliesslich 


137 

nach  aussen  und  oben.  Zugleich  schnürt  sich  dabei  ein  Knorpel- 
stückchen ab  und  sucht  die  Oeffnung  zu  schliessen. 

Bei  allen  von  mir  untersuchten  Säugethierembryonen  setzt 
sich  das  hintere  Ende  des  Jakobson'schen  Knorpels  noch  eine 
Strecke  weit  über  das  hintere  blinde  Ende  des  eigentlichen  Ganges 
hinaus  fort  (Taf.  III,  Fig.  8;  Taf.  IV,  Fig.  8;  Taf.  V,  Fig.  11 
und  12).  Schliesslich  finden  sich  noch  kleine  Reste  desselben  an 
den  oberen  Rändern  des  rinnenförmig  gekrümmten  Pflugscharbeins. 

Aehnlich  verhalten  sich  auch  die  Jakobson'schen  Gänge  und 
ihre  Knorpel  an  Schweinsembryonen  (Taf.  IV,  Fig.  6  und  7).  An 
einem  der  Schnitte  (Fig.  7)  wird  der  Gang  ringsum  von  seinem 
Knorpel  völlig  umfasst. 

Was  die  von  mir  entdeckten  Jakobson'schen  Organe  des 
Menschen  betrifft ,  so  fand  ich  dieselben  an  Embryonen ,  von 
welchen  der  jüngste  eine  Länge  von  8  Ctm.,  der  älteste  eine  Länge 
von  2  Decim.  besass.  Die  Gänge  scheinen  zwar  später  spurlos 
zu  verschwinden,  jedoch  erinnern  die  von  Husch  ke  entdeckten 
Knorpelstreifen  in  dem  untern  vordem  Ende  der  knorplichen  Nasen- 
scheidewand an  ihr  früheres  Dasein.  Ausnahmsweise  scheint  sogar 
ein  wirklicher  Gang  sich  erhalten  zu  können.  So  lese  ich  in  dem 
Thesaurus  anatora.  Ruyschii  III,  S.  49  folgende  Bemerkung  über 
die  Nasenscheidewand  eines  Kindes  :  „In  anteriore  et  inferiore  parte 
septi  juxta  palatum  in  utroque  latere  foramen  apparet,  seu  osculum 
cujusdam  ductus,  de  cujus  usu  et  existentia  nil  apud  Autores  legi ; 
inservire  muco  excernendo  existimo."  Die  daselbst  beigefügte  Fi- 
gur (Tab.  III,  Fig.  5)  zeigt  in  der  That  einen  längeren  am  untern 
Ende  der  Nasenscheidewand  verlaufenden  Gang,  welcher  mit  einer 
für  eine  Sonde  durchgängigen  Oeffnung  in  die  Nasenhöhle  mündet. 

Vergleicht  man  die  Jakobson'schen  Organe  menschlicher  Em- 
bryonen mit  denen  der  Säugethiere ,  so  ergeben  sich  folgende 
Unterschiede  :  Der  Jakobson'sche  Gang  des  menschlichen  Embryo 
bleibt  für  immer  nur  ein  häutiges  ,  jedoch  von  einem  mächtigen 
Epithel  ausgekleidetes  Rohr,  welches  in  die  vordere  untere  Partie 
der  Nasenhöhle  ausmündet  (Taf.  VII,  Fig.  6 ;  Taf.  VIII,  Fig.  2). 
Er  bleibt  daher  auf  der  Stufe  der  Entwicklung  stehen,  die  man 
bei  Säugethieren  nur  in  früher  Zeit  findet,  indem  ich  nachgewiesen 
habe,  dass  auch  bei  diesen  ursprünglich  dieser  ebenso  beschaffene 


138 

Gang  in  die  Nasenhöhle  mündet  (Taf.  I,  Fig.  6,  7 ,  8,  9  und  10; 
ferner  Holzschn.  XXI,  S.  113,  hinter  p,  sowie  Holzschn.  XXVI,  c, 
S.  133).  Uebrigens  ist  die  Mündung  des  menschliehen  Jakobson'- 
schen  Ganges  so  gelagert,  dass  sie  dicht  über  einer  am  Nasen- 
höhlenbbden  befindlichen  und  in  den  Stenson'schen  Gang  sich 
furtsetzenden  Furche  liegt.  Bei  den  Säugethieren  dagegen  bildet 
sich  allmählig  eine  unmittelbare  Verbindung  zwischen  diesen  Gängen 
und  sie  erhalten  eine  Knorpelhülle.  Bei  dem  Menschen  bleibt  der 
Jakobson'sche  Gang  sehr  kurz  und  wird  von  keiner  Knorpelplatte 
unmittelbar  umfasst;  er  liegt  überhaupt  höher,  oberhalb  des  ver- 
dickten untern  Randes  des  Nasenscheidewandknorpels.  Bei  Säuge- 
thieren gelangt  er  durch  seine  tiefere  Lage  in  den  knorplichen 
Nasenhöhlenboden.  Es  fehlt  aber  auch  den  menschlichen  Em- 
bryonen dieser  Knorpel  nicht  und  hat  ganz  dieselbe  Lage  und 
eine  ähnliche  Gestalt.  Man  findet  ihn  am  Nasenhöhlenboden  zu 
beiden  Seiten  des  untern  Randes  des  Nasenscheidewandknorpels 
(vergl.  auch  Taf.  VII,  VIII  und  IX).  Vergleicht  man  die  auf 
Taf.  VII  dargestellten  Frontalschnitte  eines  8  Ctm.  langen  mensch- 
lichen Embryo,  so  zeigen  sich  diese  Knorpel,  rundlich  im  Durch- 
schnitt, bereits  nahe  hinter  den  äusseren  Nasenlöchern  (Fig.  1,  d) 
zu  beiden  Seiten  des  kolbig  verdickten  untern  Randes  des  Nasen- 
scheidewandknorpels. Aehnlich  verhalten  sie  sich  auch  in  den 
Figuren  2  und  3.  In  Fig.  4  und  5  kommt  noch  ein  laterales  Knorpel- 
stück hinzu ;  in  Fig.  6  nehmen  die  medianen  Knorpelstücke  eine 
längliche  Gestalt  an.  In  Fig.  7  erstrecken  sich  die  noch  mäch- 
tiger und  rinnenförmig  gewordenen  senkrecht  absteigenden  medianen 
Knorpelplatten  von  dem  Nasenscheidewandknorpel  zur  lateralen 
Fläche  der  Crista  nasalis.  In  Fig.  8  und  9  sind  die  lateralen 
Knorpel  verschwunden  und  zwischen  den  medianen  erscheint  das 
vordere  Ende  des  Pflugscharbeins.  Auch  auf  Taf.  IX  ,  Fig.  6 
und  7  zeigt  das  vordere  Ende  des  Nasenhöhlenbodens  eines  1,08  Ctm. 
langen  menschlichen  Fötus  ähnliche  Knorpelplatten ;  ebenso  der 
auf  Taf.  VIII,  Fig.  2  abgebildete  Frontalschnitt  eines  2  Ctm.  langen 
menschlichen  Fötus. 

Die  von  Huschke  bei  dem  erwachsenen  Menschen  ent- 
deckten und  beschriebenen  sogenannten  Pflugscharknorpel  sowie 
noch  zwei  andere  lateralwärts  davon  liegende  Knorpel  des  Nasen- 


139 

hohlenbodens  stimmen  in  Bezug  auf  Lage  und  Anordnung  ganz 
zu  meinen  an  Embryonen  gefundenen  Knorpeln.  Da  jedoch  diese 
von  Husch ke  gemachte  Wahrnehmung  bisher  weder  bestätigt 
noch  berücksichtigt,  vielmehr  in  Abrede  gestellt  wurde,  so  suchte 
ich  mich  durch  eigene  Anschauung  von  ihrem  Vorkommen  zu 
überzeugen  und  schon  an  dem  ersten  Schädel  eines  erwachsenen 
Mannes,  den  ich  gegen  14  Tage  der  Maceration  unterwarf,  fand  ich 
sofort  nach  Entfernung  des  Perichondriums  und  der  angrenzenden 
Beinhaut  diese  von  Huschke  beschriebenen  Knorpelstreifen, 
welche  dem  untern  Rand  des  Nasenscheidewandknorpels  lose  auf- 
lagen. Nach  den  lateralen  Knorpelstückchen  habe  ich  bis  jetzt 
noch  nicht  gesucht,  bezweifle  aber  deren  Vorkommen  jetzt  nicht 
mehr.  Uebrigens  hat  schon  Jakobson  solche  Knorpel  gesehen, 
wie  aus  einer  Besprechung  einer  von  ihm  eingeschickten  Arbeit 
über  das  von  ihm  entdeckte  Organ  durch  Cuvier  (Ann.  d'hist. 
nat.)  hervorgeht;  dort  heisst  es  nämlich:  „Bei  dem  Menschen 
scheint  es  (das  Jakobson'sche  Organ)  zu  fehlen  und  nur  eine  Spur 
davon  zeigt  sich  in  dem  Vorhandensein  einer  kleinen  Knorpel- 
platte". 

Was  den  Jakobson'schen  Gang  selbst  betrifft ,  so  finde  ich 
noch  darüber  für  den  erwachsenen  Menschen  bei  J.  F.  M  e  c  k  e  1 
(Hdb.  d.  Anat.  IV,  S.  141)  folgende  jedoch  nicht  ganz  verständ- 
liche Bemerkung  :  „An  dem  untern  Rand  der  Nasenscheidewand 
verläuft  nicht  selten  von  hinten  nach  vorn  ein  enger  hinten  blin- 
der Gang,  welcher  sich  in  geringer  Entfernung  hinter  dem  vor- 
deren Rand  öffnet,  offenbar  über  (?)  das  Jakobson'sche  Organ  (?)." 

Mittlerer  Stirnfortsatz. 

Wie  wir  oben  gesehen  haben,  so  wird  die  Bildung  des  Stirn- 
fortsatzes im  weitern  Sinn  durch  eine  Verdickung  des  Schädels 
eingeleitet,  welche  durch  eine  mediane  Verdünnung  der  Stirnwand 
und  der  darunter  liegenden  Schädelbasis  in  zwei  Seitenhälften  zer- 
fällt. Diese  paarige  Wurzel  des  Stirnfortsatzes,  wie  ich  diese  Ver- 
dickung nennen  will,  an  der  sich  auf  jeder  Seite  des  Schädels  die 
untere  Partie  der  Stirnwand  und  die  laterale  Zone  der  Schädel- 
basis betheiligt,  ist  anfangs  von  der  übrigen  Stirnwand  nicht  ge- 
schieden j  es  erscheinen  daher  die  beiden  Stirnhälften  noch  immer 


140 

gleichförmig  gewölbt.  Erst  später  bildet  sich  eine  transversale 
Trennungsfurche  ,  deren  vor  den  Augen  beginnende  Seitenhälften 
aufwärts  gebogen  sind  (XXI,  S.  113,  oberhalb  k;  XXII,  S.  114,  k; 
vergl.  ferner  Taf.  I,  Fig.  1,  zwischen  c  und  d,  sowie  die  Figuren 
2,   3,  4  und  5  ;    in  Fig.  5  ist  diese  Furche  mit  b  bezeichnet). 

Jede  Seitenhälfte  der  Stirnfortsatzwurzel  trägt  in  einiger  Ent- 
fernung vor  dem  Auge  eine  die  untere  Partie  der  seitlichen  Stirn- 
wand einnehmende  Riechgrube.  Die  zwischen  den  Riechgruben 
liegende  Partie  der  Schädelbasis  und  der  Stirnwand  enthält  die 
durch  die  mediane  Verdünnung  des  Schädels  halbirte,  daher  paa- 
rige Anlage  des  mittleren  Stirnfortsatzes,  woraus  die  Nasenscheide- 
wand und  die  Zwischenkiefergegend  des  Gesichtes  hervorgeht. 
Die  über  und  hinter  den  Riechgruben  liegende  Partie  der  Stirn- 
fortsatzwurzel enthält  die  Anlage  der  beiden  seitlichen  Stirnfort- 
sätze ,  welche  die  laterale  Wand  der  primitiven  Nasenhöhlen 
darstellen. 


Verhalten  des  mittleren  Stirnfortsatzes  bei  jüngeren  Embryonen. 

Was  den  mittleren  Stirnfortsatz  betrifft,  so  bestand  derselbe 
an  einem  1,1  Ctm.  langen  Rindsembryo  (Taf.  I,  Fig.  19 — 22)  aus 
zwei  durch  die  mediane  Schädelfurche  geschiedenen  Seitenhälften 
(Fig.  21).  Jede  Seitenhälfte  erstreckte  sich  lateralwärts  bis  zum 
vordem  Umfang  der  Riechgrube  und  war  von  der  Stirnwand,  die 
bereits  die  in  der  Entstehung  begriffenen  Grosshirnblasen  hindurch- 
schimmern   Hess ,    noch    nicht    geschieden.     "Beim  Uebergang    zur 

Schädelbasis  verlängerte  sich  jede  Sei- 
tenhälfte des  Stirnfortsatzes  in  zwei  die 
obere  Begrenzung  der  Mundöffnung 
bildende  Hügel,  einen  inneren  und 
einen  äusseren ,  welche  später  mit  ein- 
ander verschmelzen  und  einen  Seiten- 
flügel des  mittleren  Stirnfortsatzes  dar- 
stellen. In  Fig.  22  erblickt  man  diese 
Hügel  von  unten  und  in  Fig.  20  im 
Halbprofil. 

Erklärung  %.  s.  105.  Bei  reiner  Profi-lansicht  (XX)  sieht 

man  nur  den  äussern  Hügel  der  Anlage  des  Seitenflügels  (o),  gegen 


141 

welchen  der  vordere  Grenzsaum  der  Riechgrube  ausläuft.  Verdickt 
sich  später  dieser  Saum  zu  einem  Wulst  (XXI,  S.  113,  p),  so 
erscheint  dann  der  Hügel  als  dessen  unteres  verdicktes  Ende  (o). 

An  dem  in  nebenstehendem  Holz- 
schnitt (XXVIII)    dargestellten    Kopf  ]0[m- 
eines    Natterembryo    ist    der    mittlere 
Stirnfortsatz  bereits  durch  eine  trans-     . 
versale    Furche     deutlich     von     dem 
darüber    liegenden   Kopf  (a)    geschie- 
den, an  seinem  untern  Rand  dagegen 
zerfällt  er  durch  einen  tiefen  medianen  XXK. 
Ausschnitt    in  zwei   seine  Seitenflügel 
darstellende  und  die  Riechgruben  vorn 
und    unten    umfassende    Hälften  (d), 
woran    die    an    Rindsembryonen    von  Erklärung:  s.  s.  134. 
mir  gesehene  Unterabtheilung  in  je  zwei  Hügel   fehlt. 

Stirnfortsätze  und  Nasenhöhlen  eines  1,15  Ctm.  langen  Rindsembryo. 

(Taf.  I,  Fig.  15,  16,  17). 

Betrachtet  man  vorher  zur  Vergleichung  den  auf  S.  128  durch 
den  Holzschnitt  XVIII  dargestellten  Frontalschnitt  des  Kopfes 
eines  6  Millim.  langen  Rindsembryo,  welcher  in  einiger  Entfernung 
vor  den  Augen  die  seitliche  Stirnwand  trifft,  so  erscheint  derselbe 
im  Ganzen  sehr  einfach.  Da  sich  aus  dem  Vorderhirn  noch  keine 
Grosshirnblasen  gebildet  haben ,  so  erscheint  die  Lichtung  der 
Schädelhöhle  oval  und  mit  ihrem  breitern  Theil  abwärts  gekehrt. 
Beim  Uebergang  zur  Schädelbasis  ist  die  seitliche  Stirnwand  am 
dicksten  und  gleichförmig  nach  aussen  gewölbt. 

Vergleicht  man  damit  den  auf  Taf.  I,  Fig.  15  durch  dieselbe 
Gegend  gelegten  Frontalschnitt  des  Kopfes  eines  1,15  Ctm.  langen 
Rindsembryo,  so  hat  sich  vieles  geändert.  Aus  der  obern  Hälfte 
des  Vorderhirns  sind  die  Grosshirnblasen  hervorgewachsen;  auch 
die  Lichtung  der  Schädelhöhle  hat  an  Höhe  und  Breite  zuge- 
nommen ,  jedoch  in  der  Art ,  dass  jetzt  umgekehrt  der  weitaus 
breiteste  Theil  sich  oben  befindet  und  sich  über  die  verdickten 
untern  Seitentheile  der  Stirnwand  ausbuchtet.  Ist  daher  auch  der 
Hirnschädel    bei    äusserer   Betrachtung    in    der  Höhe    der    Augen 


142 

wegen  der  Dicke  seiner  Wand  noch  immer  am  umfänglichsten,  so 
verhält  sich  doch  das  Lumen  der  Schädelhöhle  gerade  umgekehrt. 
Betrachten  wir  nun  die  vor  den  Augen  liegende  seitliche  Schädel- 
verdickung ,  so  hat  auch  diese  an  Umfang  zugenommen  und  ent- 
hält den  Frontalschnitt  der  nahe  hinter  den  äusseren  Nasenlöchern 
getroffenen  Nasenhöhlen  in  Gestalt  senkrechter  Spalten.  Es  sind 
jedoch  dieselben  nicht  etwa  von  vorn  oder  unten  in  die  seitliche 
Stirnwand  nachträglich  eingedrungen,  sondern  verdanken  ihre  Ent- 
stehung einem  lateralen  Auswuchs  der  Stirnwand  (a),  welcher  in 
Gestalt  einer  an  diesem  Frontalschnitt  absteigenden  Platte  (seit- 
licher Stirnfortsatz)  die  ursprüngliche  freie,  den  Boden  der  Riech- 
gruben darstellende  Schädelwand  verdeckt.  Der  dazwischen  lie- 
gende spaltförmige  Raum  ist  eine  Nasenhöhle,  deren  laterale  Wand 
von  dem  seitlichen  Stirnfortsatz  (a),  deren  mediane  Wand  von  dem 
Boden  der  früheren  Riechgrube  oder  von  der  verdickten  Seiten- 
wand des  ursprünglichen  Schädels  (S.  128,  XVIII)  gebildet  wird. 
Abwärts  münden  beide  Nasenhöhlen  in  die  Mundhöhle ,  jedoch 
nicht  unmittelbar,  sondern  durch  den  medianen  Theil  eines  Ober- 
kieferfortsatzes (b)  verdeckt.  Zugleich  verbindet  sich  mit  dem 
untern  offenen  Ende  einer  Nasenhöhle  die  schief  absteigende  Augen- 
Nasenfurche,  welche  hier  als  förmliche  Spalte  die  seitlichen  Stirn- 
fortsätze von  den  Oberkieferfortsätzen  trennt. 

Die  beiden  Nasenhöhlen  erscheinen  zwar  an  vorliegendem 
Frontalschnitt  verhältnissmässig  schon  recht  hoch ,  ihre  unteren 
Enden  überschreiten  jedoch  kaum  die  untere  Partie  der  Schädel- 
lichtung. Sie  besitzen  daher  auch  noch  keine  eigentliche  Scheide- 
wand ,  sondern  werden  vorläufig  durch  den  Hirnschädel  selbst 
geschieden.  Erst  im  weitern  Verlaufe  der  Entwicklung  verdickt 
sich  die  Basis  des  Hirnschädels,  wächst  in  ihrer  ganzen  ursprüng- 
lichen Breite  in  die  Mundhöhle  hinab  und  stellt  die  an  jungen 
Embryonen  unverhältnissmässig  breite  Anlage  der  Nasenscheide- 
wand dar.  An  dem  vorliegenden  Kopf  dagegen  ist  die  Schädel- 
basis noch  sehr  niedrig  ,  in  ihrer  Mitte  sehr  dünn  und  verdickt 
sich  erst  zu  beiden  Seiten  beim  Uebergang  in  die  frühere  freie 
seitliche  Schädelwand,  die  jetzt  die  mediane  Wand  einer  Nasen- 
höhle darstellt.  Diese  lateralen  Verdickungen,  welche  den  Rathke'- 
echen  seitlichen  Schädelbalken  entsprechen,  verlängern  sich  später 


143 

zu  flugelförmigen  Vorsprüngen  des  unteren  Nasenscheidewandrandes 
(Taf.  I,  Fig.  11).  Da  nun  bekanntlich  die  Anlage  der  Nasenscheide- 
wand „mittlerer  Stirnfortsatz"  genannt  wird  ,  so  ist  somit  an  dem 
vorliegenden  Frontalschnitt  dieser  Fortsatz  in  seinem  medianen 
Abschnitt  noch  gar  nicht  hervorgetreten  und  nur  die  abgerundeten 
lateralen  Verdickungen  der  Schädelbasis  können  als  seine  Vor- 
läufer (Seitenflügel)  betrachtet  werden. 

Die  beiden  Nasenhöhlen  ,  welche  jetzt  noch  der  Seitenwand 
des  Schädels  anliegen ,  rücken  später  mit  den  dahinter  liegenden 
Augen  herab,  so  dass  sie  mehr  unter  den  Schädel  zu  liegen  kom- 
men (vergl.  Fig.  11).  Daran  ist  die  Erweiterung  der  Schädelhöhle 
schuld,  welche  ihre  den  Nasenhöhlen  anliegenden  Seitenwände  nach 
aussen  drängt ,  so  dass  sie  der  horizontalen  Richtung  sich  nähern 
und  zur  Erweiterung  der  Schädelbasis  beitragen.  Es  ändert  sich 
damit  auch  die  Begrenzung  der  abwärts  gedrängten  Nasenhöhlen, 
indem  ihre  frühere  mediane  den  Boden  einer  Riechgrube  darstel- 
lende Wand  allmählig  eine  mehr  horizontale  Richtung  einschlägt, 
und  dadurch  zur  Decke   einer  Nasenhöhle  wird. 

Kehren  wir  nun  zu  dem  in  Rede  stehenden  1,15  Ctm.  langen 
Rindsembryo  zurück,  so  betrifft  der  beschriebene  Frontalschnitt 
(Taf.  I ,  Fig.  15)  die  Gegend  nahe  hinter  den  äusseren  Nasen- 
löchern. Trifft  aber  der  Schnitt  den  Kopf  unmittelbar  vor  den 
Augen  (Fig.  16  und  17),  so  hat  derselbe  das  Gebiet  der  Nasen- 
höhlen nach  hinten  bereits  überschritten.  Die  zu  beiden  Seiten 
der  dünnen  Schädelbasis  liegende  Verdickung  der  Schädelwand  ist 
in  ihrer  obern  Hälfte  Wurzel  des  seitlichen  Stiimfortsatzes,  in  ihrer 
untern  Hälfte  setzt  sie  sich  in  den  Oberkieferfortsatz  fort.  Aeusser- 
lich  werden  diese  beiden  Gebilde  durch  eine  tiefe  vor  dem  Auge 
liegende  Furche  (Augen-Nasenfurche)  geschieden.  Wie  ich  schon 
oben  angab ,  so  ist  ein  Oberkieferfortsatz  eine  Fortsetzung  der 
Bauchplatte;  jedoch  auch  die  seitlichen  Stirnfortsätze  erscheinen 
an  den  vorliegenden  Durchschnitten  als  unmittelbare  Fortsetzungen 
der  Bauchplatten.  Ferner  lehren  diese  Schnitte,  dass  die  Augen 
und  die  Nasenhöhlen  ursprünglich  nicht  neben,  sondern  hinter  ein- 
ander liegen;  allmählig  erst  rücken  die  Augen  lateralwärts  von 
den  Nasenhöhlen  vor. 


144 

Stirnfortsätze  und  Nasenhöhlen  eines  1,8  Ctm.  langen  Rindsembryo. 

(Taf.  I,  Fig.  1—14). 

Im  Profil    gesehen  (Fig.   1)  hat  der  die  Grundlage  der  Nase 
darstellende  gesammte  Stirnfortsatz  an  diesem  Embryo  bereits  sich 
mächtig  entwickelt,  so  dass  er  das  vordere  Schädelende  (d)  nach 
vorn  überragt  (c).     Von    der   Stirne  wird    er  durch  eine  tiefe  vor 
den  Augen  beginnende  Bogenfurche  geschieden  (zwischen  d  und  c). 
Hinter  dieser  Furche  ist  es  die  das  Vorderhirn    tragende  Schädel- 
basis, welche  die  Nasenhöhlen  deckt,  während  der  vor  dem  Auge 
bis    zum    lateralen  Nasenlochrand    reichende    seitliche  Stirnfortsatz 
theils  allein  ,    theils  mit  Hülfe  des  Oberkieferfortsatzes  die  Seiten- 
wand einer  Nasenhöhle  bildet.    Untersucht  man  den  vor  der  Stirn- 
wand   liegenden  Abschnitt    der  Nasenhöhlen  (c),    so  wird  derselbe 
oberhalb    der  Nasenlöcher    durch    die    seitlichen  Stirnfortsätze    ge- 
deckt, indem  dieselben  unter  Bildung  eines  obern  Bogens  mit  dem 
mittleren    Stirnfortsatz    sich    verbinden.     Da  nun  diese  Partie  der 
Nasenhöhlenwand    nicht   mehr    dem  Dache  zugezählt,  sondern  als 
vordere   Nasenhöhlenwand    angesehen    wird ,    so    bildet    somit    ein 
seitlicher  Stirnfortsatz  die  seitliche  und  vordere  Wand  einer  Nasen- 
höhle ,    wesshalb    ich    von    der   von  R  a  t  h  k  e  für  diesen  Fortsatz 
vorgeschlagenen  Bezeichnung  „Nasendach"  keinen  Gebrauch  machte. 
Betrachten  wir  diesen  Kopf  von  vorn  (Fig.  2),  so  überblicken 
wir  den  gesammten    zwischen    den  Augen    liegenden  Stirnfortsatz, 
dessen  Wurzel    von    der    darüber  liegenden  Stirnwand   durch  eine 
transversale  Einsenkung  abgeschieden  wird.    Die  kleinen  äusseren 
Nasenlöcher    werden    von    einem    breiten    Wulst    umfasst ,    dessen 
laterale  und  obere  Partie  dem  seitlichen,  dessen  mediane  und  un- 
tere   Partie   dem    mittleren   Stirnfortsatz    angehört.     An    letzterem 
kann   man    wieder   einen    medianen   am  untern  Rand  flach  ausge- 
schweiften und  zwei  Seitentheile  unterscheiden.     Die  letzteren  bil- 
den den  medianen  Umfang  der  äusseren  Nasenlöcher  und  weichen 
dann  als    „Seitenflügel"    des  mittleren  Stirnfortsatzes    auseinander, 
welche  die  Nasenlöcher  von  unten    umfassen  und  mit  den  Spitzen 
der  Oberkieferfurtsätze  sich  verbinden.     Von  den  seitlichen  Stirn- 
fortsätzen werden  diese  Flügel  noch  durch  eine  in  das  Nasenloch 
eindringende  Spalte  geschieden.     Mit  den  Oberkieferfortsätzen  da- 
gegen haben  sie  sich  so  verbunden,  dass  nur  eine  äussere  Furche 


145 

die  früher  bestandene  Trennung  andeutet.  Auf  diese  Weise  er- 
halten die  anfangs  in  ihrer  ganzen  Länge  unten  offenen  Nasen- 
höhlen wenigstens  in  dieser  über  der  Mundspalte  liegenden  Gegend 
einen  Boden,  während  dahinter  eine  noch  offene  Verbindung  zwi- 
schen ihnen  und  der  Mundhöhle  besteht. 

Vergleichen  wir  damit  den  Kopf  jüngerer  Embryonen  (Fig. 
21  und  22) ,  so  bestand  dort  der  mittlere  Stirnfortsatz  aus  vier 
unmittelbar  aus  der  Stirnwand  und  der  angrenzenden  Schädelbasis 
hervorgehenden  Hügeln,  und  ausserdem  wurde  diese  Anlage  durch 
die  Medianfurche  des  Vorderschädels  halbirt ,  ist  also  paarig. 
Später  verschmelzen  von  diesen  Hügeln  je  zwei  auf  jeder  Seite 
und  formiren  die  Seitenflügel  des  mittleren  Stirnfortsatzes.  All- 
mählig  rückt  nun  dieser  untere  durch  einen  medianen  Ausschnitt 
halbirte  Rand  des  Stirnfortsatzes  tiefer  in  die  Mundspalte  herab, 
indem  sich  der  darüber  liegende  Schädelabschnitt  zu  einem  die 
Seitenflügel  tragenden  Zapfen  verlängert.  Damit  schwindet  auch 
in  dieser  Gegend  die  mediane  Verdünnung  des  Vorderschädels, 
obgleich  noch  lange  Zeit  hindurch  die  ursprünglich  paarige  An- 
lage des  mittleren  Stirnfortsatzes  durch  eine  mediane  Aushöhlung 
angedeutet  bleibt. 

Die  durch  die  Figuren  3  und  4  dargestellten  Ansichten  des- 
selben Kopfes  zeigen  das  Verhältniss  der  beiden  Nasenhöhlen  zur 
Mundhöhle.  Es  communiciren  diese  Höhlen  jederseits  durch  eine 
Längsspalte,  welche  ihre  Richtung  zum  äusseren  Nasenloch  nimmt, 
jedoch  durch  die  schon  oben  erwähnte  Verwachsung  des  mittleren 
Stirnfortsatzes  mit  den  Oberkieferfortsätzen  von  denselben  ge- 
schieden bleibt.  Der  zwischen  diesen  Spalten  oder  den  sogenannten 
inneren  Nasenlöchern  befindliche  Theil  der  Schädelbasis  ist  in  der 
Mitte  ausgehöhlt  und  zerfällt  daher  in  einen  medianen  niedrigeren 
und  in  zwei  laterale  Theile  ,  welche  mit  gewölbter  Oberfläche  in 
die  Mundhöhle  hinabragen.  Die  Bedeutung  dieser  Bildung  erkennt 
man  an  den  durch  diese  Gegend  gelegten  Frontalschnitten  (Fig.  9, 
10  und  11).  Sie  lehren,  dass  die  Basis  des  Vorderschädels  in 
ihrer  ganzen  ursprünglichenBreitean  der  Herstellung  der 
Nasenscheidewand  sich  betheiligt,  welche  somit  in  dieser  frühen  Zeit 
der  Entwicklung  durch  unverhältnissmässige  Breite  auffällt.  Was 
die  Höhe  dieser  primitiven  Nasenscheidewand  betrifft,    so    nimmt 

D  u  r  s  y  ,  Entwicklgsgescli.  1 0 


146 

dieselbe ,  wie  die  Frontalschnitte  zeigen ,  von  vorn  nach  hinten 
allmählig  ab.  Ferner  überzeugt  man  sich  durch  Vergleichung 
aller  diesen  Embryo  betreffenden  Figuren,  dass  die  Nasenscheide- 
wand oder  der  mittlere  Stirnfortsatz  die  Nasenhöhlen  nicht  blos 
trennt,  sondern  auch  dieselben  von  der  Mundhöhle  abzuschliessen 
sucht,  indem  sie  an  ihrem  untern  Rand  in  zwei  bereits  oben  er- 
wähnte, den  Oberkieferfortsätzen  entgegenstrebende  Seitenplatten 
auswächst.  Es  bilden  diese  Platten  (Seitenflügel  des  mittleren 
Stirnfortsatzes)  mit  den  Oberkieferfortsätzen  den  durch  eine  Spalte 
unterbrochenen  primitiven  Boden  der  Nasenhöhlen  oder  einen 
primitiven  Gaumen  (Fig.  4  und  11),  welcher  an  den  Gaumen 
gewisser  Thiere,  z.  B.  der  Eidechsen,  erinnert. 

Eine  vollständige  Flächenansicht  des  von  mir  sogenannten 
primitiven  Gaumens  giebt  Fig.  4.  Seine  Zusammensetzung 
verdankt  er  den  beiden  Oberkieferfortsätzen  und  dem  mittleren 
Stirnfortsatz,  worunter  ich  die  gesammte  zwischen  den  Nasenhöhlen 
und  zwischen  den  äusseren  Nasenlöchern  befindliche  Schädelpartie 
verstehe.  Man  kann  daher  an  dem  mittleren  Stirnfortsatz  eine 
zwischen  den  äusseren  Nasenlöchern  liegende  Gesichtsfläche  unter- 
scheiden, sowie  eine  Gaumenfläche,  welche  den  mittleren  Theil  des 
primitiven  Gaumens  darstellt.  Die  Seitentheile  des  letztern  werden 
von  den  Oberkieferfortsätzen  (Fig.  4,  k)  gebildet,  von  welchen  ein 
jeder  eine  horizontale  Platte  abgiebt,  welche  ebenfalls  an  der  Bil- 
dung des  primitiven  Nasenhöhlenbodens  sich  betheiligt.  Jeder 
Seitentheil  des  primitiven  Gaumens  zeigt  einen  in  die  Mundhöhle 
hinabragenden  Längswulst  (m ,  Anlage  des  späteren  Gaumens), 
welcher  lateralwärts  durch  eine  Furche  von  dem  lateralen  Theil 
des  Oberkieferfortsatzes  (k)  sich  abscheidet.  Somit  erstreckt  sich 
der  primitive  Gaumen  nach  beiden  Seiten  bis  zu  den  lateralen 
Theilen  der  Oberkieferfortsätze.  Unterhalb  der  äusseren  Nasen- 
löcher sind  schon  frühe  die  Seitentheile  des  primitiven  Gaumens 
mit  dem  mittleren  Theil  verwachsen ,  so  dass  nur  noch  oberfläch- 
liche Furchen  die  früher  bestandene  Trennung  durch  eine  Spalte 
anzeigen.  Hier  (Zwischenkiefergegend)  hat  sich  somit  der  Nasen- 
höhlenboden völlig  geschlossen ,  ohne  die  Ausbildung  des  spätem 
Gaumens  abzuwarten.  Im  Uebrigen  dagegen  communicirt  der 
Nasenhöhlenboden   mit    der  Mundhöhle  auf  jeder  Seite  durch  eine 


147 

Längsspalte,  die  ich  primitive  Gaumenspalte  nennen  will. 
Bevor  ich  diese  Figur  verlasse,  will  ich  noch  Einmal  hervorheben, 
dass  der  zwischen  den  genannten  Spalten  liegende  mittlere  Theil 
des  primitiven  Gaumens  oder  die  Gaumenfläche  des  mittleren 
Stirntortsatzes  nicht  blos  den  unteren  Eand  der  späteren  Nasen- 
scheidewand darstellt,  sondern  zugleich  mit  seinen  gewölbten  Seiten- 
hälften in  der  angegebenen  Weise  zu  dem  primitiven  Boden  der 
Nasenhöhlen  sich  verbreitert.  Es  gehören  diese  Seitenplatten  zu 
den  Seitenflügeln  des  mittleren  Stirnfortsatzes ,  an  welchen  man 
daher  einen  das  äussere  Nasenloch  umfassenden  vorderen  oder 
Antlitztheil  und  einen  unteren  oder  Gaumentheil  unterscheiden 
kann.  In  dem  Antlitztheil  entwickeln  sich  die  Zwischenkiefer- 
knochen. 

Ich  wende  mich  nun  zur  Besprechung  der  diesen  Embryo 
betreffenden  Frontalschnitte  der  Nase  (Fig.  5 — 14).  Fig.  5  betrifft 
deren  vorderstes  Ende  mit  der  oberen  Hälfte  der  äusseren  Nasen- 
löcher ;  man  überblickt  die  vordere  oder  Antlitzfläche  des  ge- 
sammten  Stirnfortsatzes  ,  welcher  durch  eine  Furche  (b)  von  der 
darüber  liegenden  Stirne  geschieden  wird.  Nach  unten  zerfällt 
der  Stirnfortsatz  in  die  lateralen  Stirnfortsätze  c  und  in  den  breiten 
mittleren  Stirnfortsatz,  dessen  unterer  ausgeschweifter  Rand  in  zwei 
Seitenflügel  aus  einander  weicht. 

Die  beiden  folgenden  Schnitte  Fig.  6  und  7  treffen  die  Nase 
noch  immer  vor  der  Spitze  der  Oberkieferfortsätze,  daher  die  Be- 
grenzung der  hier  noch  niedrigen  und  mit  den  Jakobson'schen 
Gruben  versehenen  Nasenhöhlen  lediglich  durch  den  mittleren  und 
die  seitlichen  Stirnfortsätze  geschieht.  —  Fig.  8  trifft  endlich  die 
Stelle,  an  welcher  die  Spitze  der  Oberkieferfortsätze  mit  den  Stirn- 
fortsätzen sich  verbindet.  Die  Nasenhöhlen  sind  nun  ringsum  ge- 
schlossen und  ihr  Boden  wird  von  den  Seitenflügeln  des  mittleren 
Stirnfortsatzes  gebildet,  worin  sich  auch  die  Zwischenkieferknochen 
bilden.  —  Fig.  9  trifft  die  Nasenhöhlen  hinter  der  Zwischenkiefer- 
gegend. Die  Schädelbasis  (d  e)  hat  an  Höhe  bedeutend  zuge- 
nommen zur  Herstellung  einer  unverhältnissmässig  breiten  aber 
niedrigen  Nasenscheidewand.  Ihr  unterer  Rand  (d  b)  ist  der  Durch- 
schnitt der  in  Fig.  4  besprochenen  Gaumenfläche  des  mittleren 
Stirnfortsatzes  oder    des  mittleren  Theils  des  primitiven  Gaumens. 

10* 


148 

Mit  einer  flügeiförmigen  Verlängerung  (b)  berührt  er  einen  ihm 
entgegenkommenden  Vorsprung  c  des  Oberkieferfurtsatzes  f,  den 
wir  in  Fig.  4  als  lateralen  Theil  des  primitiven  Gaumens  haben 
kennen  lernen,  und  den  ich  die  primitive  Gaumenleiste  des  Ober- 
kieferfortsatzes nannte.  Er  bildet  mit  den  genannten  Seitenflügeln 
der  Nasenscheidewand  den  primitiven  jedoch  durch  eine  Spalte 
unterbrochenen  Nasenhöhlenboden.  Die  laterale  Wand  der  hier 
getroffenen  Nasenhöhle  wird  von  dem  seitlichen  Stirnfortsatz  a 
und  dem  mit  ihm  verschmolzenen  Oberkieferfortsatz  gebildet.  — 
Aehnlich  verhält  sich  der  in  Fig.  10  abgebildete  Frontalschnitt, 
jedoch  ist  die  Nasenscheidewand  niedriger  geworden.  Noch  nied- 
riger erscheint  dieselbe  in  Fig.  11,  so  dass  man  hier  nur  noch  von 
zwei  Seitenflügeln  sprechen  kann. 

Fig.  12  trifft  die  hinteren  Enden  der  Nasenhöhlen,  deren 
Boden  durch  künstliche  Verschiebung  des  Oberkieferfortsatzes 
stärker  klafft.  Es  trifft  dieser  Schnitt  zugleich  den  vorderen  Theil 
des  Auges  (c)  und  steht  somit  in  Widerspruch  mit  den  schon 
oben  besprochenen  Durchschnitten  eines  jüngeren  Embryo  (Fig. 
16  und  17).  Dort  nämlich  endigen  die  Nasenhöhlen  bereits  in 
einiger  Entfernung  vor  den  Augen.  Folglich  dringen  entweder 
die  Nasenhöhlen  allmählig  nach  hinten  tiefer  ein,  verlängern  sich 
nach  hinten  ,  so  dass  sie  zwischen  die  Augen  zu  liegen  kommen 
oder ,  und  dies  halte  ich  für  das  Richtigere ,  die  Augen  rücken 
vor.  Thatsache  aber  bleibt  es  ,  dass  die  Nasenhöhlen  der  Säuge- 
thiere  ursprünglich  in  ihrer  ganzen  Länge  vor  den  Augen  liegen 
und  erst  allmählig  mehr  oder  weniger  weit  zwischen  die  Augen 
gelangen  ,  wobei  die  seitlichen  Stirnfortsätze  die  Scheidewand 
bilden.  In  den  Figuren  13  und  14,  welche  den  mittleren  und 
hinteren  Abschnitt  der  Augen  treffen ,  werden  die  Nasenhöhlen 
nicht  mehr  berührt. 

Primitiver  Gaumen  älterer  Säugethierembryonen. 

(Rind,  Schaf,  Schwein,    Taf.  II  und  III.) 

Vergleicht  man  das  auf  Taf.  III,  Fig.  13  abgebildete  Mund- 
höhlendach eines  älteren  Rindsembryo,  dessen  seeundärer  Gaumen 
noch  weit  offen  steht,  mit  der  Mundhöhlendecke  des  oben  be- 
schriebenen Embryo  (Taf.  I ,    Fig.  4) ,    so    kann    man    an   beiden 


149 

eine  mittlere  und  zwei  laterale  Zonen  unterscheiden,  welche  durch 
Furchen  und  Spalten  von  einander  geschieden  werden.  Die  mitt- 
lere Zone  wird  von  der  Schädelbasis,  die  lateralen  Zonen  werden 
von  den  Oberkieferfortsätzen    gebildet. 

Aus  dem  vorderen  Ende  der  mittleren  Zone  entwickelt  sich 
die  Zwischenkiefergegend,  welche  zu  beiden  Seiten  mit  den  Ober- 
kieferfortsätzen  verschmilzt  und  dadurch  die  äusseren  Nasenlöcher 
nebst  der  dahinter  liegenden  Partie  der  Nasenhöhlen  von  der  Mund- 
höhle abschliesst.  Die  Figuren  10  und  11  (Taf.  III)  sind  Frontal- 
schnitte dieser  vorderen  Partie  der  Nasenhöhlen,  welche  sich  auf 
den  in  Fig.  13  abgebildeten  Embryo  beziehen.  Der  völlig  ge- 
schlossene Nasenhöhlenboden  wird  von  den  ehemaligen  unteren 
Seitenflügeln  des  mittleren  Stirnfortsatzes  (Nasenscheidewand)  und 
den  angrenzenden  Oberkieferfortsätzen  hergestellt.  Interessant  ist 
der  Frontalschnitt  Fig.  11  durch  zwei  in  die  Mundhöhle  hinab- 
ragende Vorsprünge  a,  welche  den  vordem  Enden  der  seeundären 
Gaumenleisten  angehören  (vergl.  Fig.    12,  a). 

Der  folgende  Abschnitt  der  mittleren  Zone  liegt  zwischen  den 
beiden  primitiven  Gaumenspalten  (Fig.  13,  h)  und  zerfällt  wie- 
derum in  einen  medianen  und  in  zwei  Seitentheile,  deren  Bedeu- 
tung ich  schon  oben  (vergl.  Taf.  I ,  Fig.  4)  auseinander  gesetzt 
habe.  Der  mediane  Abschnitt  nämlich  ist  der  untere  Eand  der 
noch  niedrigen  Nasenscheidewand ,  und  seine  Seitentheile  sind 
deren  Seitenflügel ,  welche  die  Nasenhöhlen  von  der  Mundhöhle 
abzuschliessen  suchen  und  in  ihrem  vorderen  Abschnitt  die  Jakob- 
son'schen  Röhren  enthalten.  Ein  auf  diesen  Embryo  sich  be- 
ziehender Frontalschnitt  (Fig.  12)  giebt  über  diesen  Gaumen theil 
der  Nasenscheidewand  und  die  zu  beiden  Seiten  liegenden  primi- 
tiven Gaumenspalten  Aufschluss. 

Auf  diesen  dem  primitiven  Gaumen  angehörigen  Theil  der 
mittleren  Zone  folgt  ein  dritter  Abschnitt  der  Schädelbasis,  welcher 
von  den  seitlich  angrenzenden  Oberkieferfortsätzen  je  durch  eine 
tiefe  Furche  (Fig.  13,  k)  geschieden  wird.  In  der  genannten  Figur 
ist  diese  die  Keilbeinanlage  enthaltende  Gegend  durch  eine  dunk- 
lere Schattirung  hervorgehoben  und  sie  erstreckt  sich  nach  hinten 
nur  wenig  über  k  hinaus.  Hier  fand  sich  an  jüngeren  Embryonen 
der   durch   die  Kopfbeuge  erzeugte  Winkel   der  Schädelbasis,  der 


150 

hier  bereits  seiner  Ausgleichung  entgegen  geht.  An  jüngeren  Em- 
bryonen (Taf.  I,  Fig.  4)  erscheint  diese  Gegend  als  eine  kleine 
viereckige  im  Hintergrunde  liegende  Fläche,  welche  von  den  la- 
teralwärts  angehefteten  Oberkieferfortsätzen  durch  Furchen  ge- 
schieden wird.  An  ihrem  hinteren  Ende  erkennt  man  noch  die 
in  der  Zeichnung  hell  gehaltene  Stelle  ,  welche  den  Eingang  der 
jetzt  abgeschnürten  Rathke'schen  Tasche  markirt.  Dieser  Ab- 
schnitt der  Schädelbasis  ist  das  Dach  des  von  der  Mundhöhle 
noch  nicht  abgeschiedenen  Nasenrachenganges  und  der  dazu  ge- 
hörigen hinteren  Partie  der  Mundhöhle. 

Die  hinter  dem  Nasenrachengang  liegende  Gegend  der  Schädel- 
basis (Fig.  13)  gehört  in  das  Gebiet  des  Hinterhauptskörpers, 
bildet  somit  die  Decke  des  Schlundkopfes. 

Die  beiden  lateralen  Zonen  der  primitiven  Mundhöhlendecke 
werden ,  wie  oben  bereits  angegeben  wurde,  von  den  Überkiefer- 
fortsätzen gebildet.  In  ihrem  ursprünglichen  Verhalten  habe  ich 
diese  Fortsätze  bereits  beschrieben  und  werde  ihre  weiteren  Ver- 
änderungen später  noch  einmal  im  Zusammenhang  vortragen. 
Einiges  davon  muss  ich  vorgreifend  schon  hier  besprechen,  da  an 
den  beiden  in  Rede  stehenden  Embryonen  diese  Fortsätze  bereits 
über  ihr  ursprüngliches  an  den  Schädel  geheftetes  Vorderende  be- 
trächtlich hinaus  gewachsen  sind.  Ich  unterscheide  daher  an  einem 
Oberkieferfortsatz  eine  vor  den  Augen  liegende  vordere  Partie 
und  eine  unter  und  hinter  den  Augen  liegende  hintere  Partie,  deren 
Mundhöhlenfläche    ich    einer  kurzen  Betrachtung  unterziehen  will. 

Die  vordere  Partie  (Taf.  I,  Fig.  4;  Taf.  III,  Fig.  13)  wird 
durch  die  primitive  Gaumenspalte  von  dem  Seitenflügel  der  Nasen- 
scheidewand geschieden  und  erzeugt  hier  zur  lateralen  Begrenzung 
dieser  Spalte  eine  horizontale  medianwärts  einspringende  Kante, 
die  ich  bereits  oben  „primitive  Gaumenleiste"  genannt  habe.  Die- 
selbe betheiligt  sich  nämlich  an  der  Bildung  des  primitiven  Nasen- 
höhlenbodens und  so  entsteht  mit  Hinzurechnung  der  unteren  Partie 
der  Nasenscheidewand  der  primitive  Gaumen  (S.   146). 

Die  hintere  Partie  der  Oberkieferfortsätze  ist  an  den  Theil 
der  Schädelbasis  angeheftet ,  welcher  die  Decke  des  Nasenrachen- 
ganges bildet,  wird  jedoch  durch  eine  tiefe  Furche  abgegrenzt 
(s.  oben).     In  Fig.  13  der  dz*itten  Tafel  ist  dieser  angeheftete  und 


151 

die  seitliche  Begrenzung  des  Nasenrachenganges  darstellende  Theil 
des  Oberkieferfortsatzes  mit  1  und  die  Abgrenzungsfurche  mit  k 
bezeichnet. 

Bereits    sehr    entwickelt    erscheint    an    dem    älteren    Embryo 
(Fig.   13,    Taf.  III)    auf  jeder  Seite    die  Anlage    der    secundären 
Gaumenplatte.     Dieselbe  beginnt    als    eine    in    der  Zeichnung  hell 
gehaltene  Leiste  bereits  am  Zwischenkiefer  (vor  b)  und  nimmt  in 
ihrem  Verlaufe  nach  hinten  bedeutend  an  Höhe  zu.    Der  zwischen 
diesen  Platten  liegende  Abschnitt    der  primitiven  Mundhöhle  wird 
später  durch  den  bleibenden  Gaumen  von  der  eigentlichen  Mund- 
höhle abgeschieden  und  bildet  dann  in  seiner  hinteren  Hälfte  den 
Nasenrachenkanal,  in  seiner  vorderen  Hälfte  einen  Theil  der  Regio 
respiratoria  der  Nasenhöhlen.     Für  jetzt  gehört  er  noch  der  primi- 
tiven Mundhöhle  an  und  wird  auch  von  der  rasch  heranwachsen- 
den   und    der  Schädelbasis    sich    anlagernden  Zunge  völlig  erfüllt. 
Zur  Erläuterung  dieses  Verhaltens    sind  besonders  Frontalschnitte 
geeignet,    wie  ich  solche  auf   Taf.  II,  Fig.   1,  3  und  5  von  einem 
Rindsembryo    mit    noch    völlig    offenem  Gaumen    abgebildet  habe. 
Es    treffen    diese    Schnitte    die    Nasenhöhlen    und    den    primitiven 
Gaumen,  welcher  von  dem  verbreiterten  unteren  Ende  der  Nasen- 
scheidewand   und    von    den    primitiven    Gaumenleisten    der  Ober- 
kieferfortsätze  (Fig.  1,  i;    Fig.   3,  c;    Fig.  5,  b)    gebildet    wird. 
Darunter    liegt    die    von    der  Zunge  völlig  erfüllte  Abtheilung  der 
primitiven    Mundhöhle,    welche    zu   beiden  Seiten    von    den  Ober- 
kieferfortsätzen un;l    deren  senkrecht  absteigenden  Gaumenplatten 
(Fig.   5 ,  c ;    in  den  anderen  Figuren    sind   sie  nicht  besonders  be- 
zeichnet) begrenzt  wird.     Im  frischen  Zustande  rücken  die  primi- 
tiven Gaumenleisten  (Fig.   1,  i)  den  Seitenecken  der  Nasenscheide- 
wand so  nahe  und  auch  die  Zunge  schmiegt   sich  dem  primitiven 
Gaumen    so    innig    an,    dass    die  Nasenhöhlen  von  der  primitiven 
Mundhöhle  fast  völlig  geschieden  erscheinen  (vergl.  auch  Taf.  III, 

Fig.  12). 

Wenn  nun  mit  der  Zeit  die  Zunge  von  der  Schädelbasis  sich 
zurückzieht,  so  wird  der  zwischen  den  Gaumenplatten  befindliche 
obere  Abschnitt  der  primitiven  Mundhöhle  frei  (Taf.  III,  Fig.  13) 
und  durch  die  mediane  Verbindung  der  Gaumenplatten  von  der 
übrigen  Mundhöhle  abgeschieden  (Taf.  IV,  Fig.  15).     Der  dadurch 


152 

für  die  Nase  gewonnene  Raum  dient  zur  Vervollständigung  der 
Regio  respiratoria  und  zerfällt  in  einen  hinteren  unpaarigen  und  in 
einen  vorderen  paarigen  Abschnitt.  Den  hinteren  berührte  ich 
schon  öfters  und  nannte  ihn  Nasenrachengang.  Bliebe  die  Nasen- 
scheidewand auf  ihrer  früheren  Höhe  zurück,  so  wäre  auch  der 
vordere  Abschnitt  dieses  kanalförmigen  Raumes  einfach ;  seinen 
Boden  würde  der  secundäre,  seine  Decke  der  primitive  Gaumen 
bilden  und  durch  die  daselbst  befindlichen  Spalten  (primitive 
Gaumenspalten)  stünde  er  mit  den  Nasenhöhlen  in  Verbindung. 
Es  giebt  jedoch  der  primitive  Gaumen  seine  Selbständigkeit  auf, 
indem  sein  von  der  Nasenscheidewand  gebildeter  Antheil  herab- 
wächst (Taf.  IV,  Fig.  15;  Taf.  III,  Fig.  8)  und  schliesslich  mit 
dem  eigentlichen  Gaumen  verwächst.  Auf  diese  Weise  wird  dieser 
Raum  paarig  und  jede  Seitenhälfte  bildet  jetzt  den  untersten  Ab- 
schnitt einer  Nasenhöhle,  welcher  vorn  durch  die  äusseren  Nasen- 
löcher ausmündet  und  hinten  in  den  unter  dem  Keilbein  liegenden 
noch  unpaarigen  Nasenrachengang  übergeht.  Die  Nasenscheide- 
wand ist  nämlich  um  diese  Zeit  in  sagittaler  Richtung  sehr  kurz, 
so  dass  ihr  hinterer  Rand  schon  vor  dem  Nasenrachengang  endigt. 
Nachdem  ich  gezeigt  habe  ,  dass  der  primitive  Gaumen 
bei  den  Säugethieren  seine  Selbständigkeit  aufgiebt ,  indem 
sein  von  der  Nasenscheidewand  gebildeter  Antheil  in  den  oberen 
Theil  der  nach  vorn  verlängerten  primitiven  Mundhöhle  hinabsteigt, 
denselben  halbirt  und  mit  dem  bleibenden  Gaumen  verschmilzt, 
so  habe  ich  noch  das  spätere  Verhalten  der  primitiven  Gaumen- 
leisten, der  primitiven  Gaumenspalten  und  des  Nasenrachenganges 
zu  besprechen. 

a.    Primitive  Gaumenleisten. 

Wie  wir  gesehen  haben,  so  liegt  an  jüngeren  Rindsembryonen, 
vor  dem  Erscheinen  der  späteren  Gaumenplatten ,  der  primitive 
Gaumen  mit  seinen  Spalten  von  der  Mundhöhle  aus  gesehen  ganz 
oberflächlich  (Taf.  I ,  Fig.  4  und  1 1) ;  man  vergleiche  auch  den 
Frontalschnitt  Fig.  10,  an  welchem  mit  d  die  Gaumenfläche  der 
Nasenscheidewand  und  mit  c  die  primitive  Gaumenleiste  des  Ober- 
kieferfortsatzes bezeichnet  ist;  zwischen  beiden  liegt  die  den 
Boden    der    Nasenhöhle    durchbohrende    primitive    Gaumenspalte. 


153 

Alsbald  jedoch  nehmen  die  zu  beiden  liegenden  Oberkieterfort- 
sätze  rasch  an  Höhe  zu  (Taf.  II ,  Fig.  3 ,  d) ,  wachsen  zugleich 
nach  unten  in  die  Gaumenplatten  aus  und  begrenzen  einen  von 
der  Zunge  erfüllten  Raum ,  dessen  Decke  der  primitive  Gaumen 
ist  (Fig.  1,  3  und  5).  Die  primitiven  Gaumenleisten  finden  jetzt 
ihre  Lage  hoch  oben  an  der  medianen  Seite  der  Überkieferfort- 
sätze ,  stehen  aber  noch  immer  in  gleicher  Höhe  mit  der  Grund- 
fläche der  Nasenscheidewand  (Fig.  1,  i;  Fig.  3,  c;  Fig.  5,  b). 
Von  der  Mundhöhle  aus  gesehen,  liegen  nun  diese  Leisten  mit  den 
primitiven  Gaumenspalten  ganz  in  der  Tiefe  zAvischen  den  in  die 
senkrechten  Gaumenplatten  auswachsenden  Oberkieferfortsätzen 
(Taf.  III ,  Fig.  13,  h).  Um  nun  für  das  spätere  Verhalten  einen 
Anhaltspunkt  zu  gewinnen,  so  mache  ich  darauf  aufmerksam,  dass 
die  primitive  Gaumenleiste  unterhalb  der  erst  später  entstehen- 
den unteren  Muschel  sich  findet  und  von  derselben  durch  einen 
Zwischenraum  abgeschieden  wird,  welcher  die  Anlage  des  unteren 
Nasenganges  darstellt  (Taf.  II,  Fig.  3  und  5).  In  Fig.  5  bedeutet 
a  den  unteren  Rand  der  unteren  Muschel,  b  die  primitive  Gaumen- 
leiste ,  zwischen  beiden  liegt  der  untere  Nasengang ,  welcher  an 
diesem  Frontalschnitt  die  Gestalt  einer  transversalen  am  lateralen 
Ende  bogenförmig  aufsteigenden  Spalte  zeigt.  Ich  kann  daher 
die  Angaben  von  Kölliker,  welcher  die  primitive  Gaumenspalte 
(das  sogenannte  innere  Nasenloch)  zwischen  die  untere  Muschel 
und  die  Nasenscheidewand  verlegt ,  nicht  bestätigen ;  im  Ganzen 
jedoch  enthält  die  von  diesem  Forscher  in  seinem  Lehrbuch  der 
Entwicklungsgeschichte  gegebene  Darstellung  der  Bildung  der 
Nasenhöhle  und  namentlich  auch  der  primitiven  Gaumenspalten 
einen  nicht  geringen  Fortschritt  gegenüber  der  bisherigen  Lehre. 
Behält  man  diese  Lage  der  primitiven  Gaumenleisteu  im  Auge, 
so  lassen  sich  dieselben  an  älteren  Embryonen  stellenweise  noch 
nachweisen,  während  sie  in  ihrem  übrigen  Verlaufe  sich  ausgleichen. 
Nehmen  wir  z.  B.  den  auf  Taf.  III ,  Fig.  8  dargestellten  Frontal- 
schnitt  eines  Schafsembryo ,  dessen  bleibender  Gaumen  sich  eben 
geschlossen  hat,  so  bemerkt  man  die  frühere  primitive  Gaumen- 
leiste in  Gestalt  einer  Schleimhautfalte  (e) ,  welche  durch  einen 
Ausschnitt  von  der  darüber  liegenden  unteren  Muschel  (d)  ge- 
schieden ist.     Sie  liegt  jetzt  höher  als  das  untere  Ende  der  Nasen- 


154 

Scheidewand,  welche  unterdessen  weiter  hinabwuchs  um  sich  mit 
dem  bleibenden  Gaumen  zu  verbinden.  Von  einer  primitiven 
Gaumenspalte  kann  man  jetzt  wohl  nicht  mehr  sprechen  und  die 
ihr  entsprechende  Gegend  der  Nasenhöhle  liegt  zwischen  der  Nasen- 
scheidewand und  der  genannten  Falte  e. 

An  dem  auf  Taf.  IV,  Fig.  15  abgebildeten  Frontalschnitt  stehen 
die  Gaumenplatten  im  Begriff,  sich  mit  einander  zur  Bildung  des 
bleibenden  Gaumens  zu  verbinden.  Darüber  liegt  das  untere  dicke 
mit  den  Gaumenplatten  noch  nicht  verwachsene  Ende  der  Nasen- 
scheidewand und  zwar  in  einem  lateralwärts  von  den  Oberkiefer- 
fortsätzen begrenzten  Raum,  der  früher  der  primitiven  Mundhöhle 
angehörte  und  von  der  Zunge  erfüllt  war  (vergl.  Taf.  II,  Fig.  5). 
Durch  das  Hinab  wachsen  der  Nasenscheidewand  wird  dieser  Raum 
halbirt  und  jede  Hälfte  stellt  von  nun  an  die  unterhalb  der  unteren 
Muschel  liegende  dem  Gebiete  des  unteren  Nasenganges  angehörige 
Partie  der  Regio  respiratoria  einer  Nasenhöhle  dar.  Der  untere 
Nasengang  erscheint  an  diesem  Frontalschnitt  als  eine  kurze  schief 
nach  aussen  ansteigende  Spalte ,  welche  die  untere  Muschel  von 
einer  darunter  liegenden  Schleimhautfalte  (ehemalige  primitive 
Gaumenleiste)   trennt. 

b.    Primitive  Gaumenspalten. 

In  früher  Zeit  der  Entwicklung  münden  die  beiden  Nasen- 
höhlen ihrer  ganzen  Länge  nach  durch  eine  ihren  Boden  durch- 
brechende Spalte  in  den  unter  ihnen  liegenden  vordem  Abschnitt 
der  verlängerten  primitiven  Mundhöhle.  Alsbald  jedoch  schliesst 
sich  der  vordere  Theil  dieser  Spalte  in  Folge  einer  Verwachsung 
des  mittleren  Stirnfortsatzes  mit  den  vorderen  Enden  der  Ober- 
kieferfortsätze (Taf.  I,  Fig.  4).  Den  dahinter  liegenden  noch  offenen 
Theil  der  Spalten  nannte  ich,  um  einen  kurzen  Ausdruck  zu 
haben,  primitive  Gaumenspalten.  An  jeder  derselben  unterscheide 
ich  wieder  eine  vordere  und  eine  hintere  Hälfte.  Die  vordere 
Hälfte  bleibt  offen  und  erhält  sich  nach  der  Bildung  des  bleiben- 
den Gaumens  in  geringer  Entfernung  über  demselben  als  ein  Theil 
der  untersten  Partie  der  Nasenhöhle  (s.  oben).  Was  dagegen  die 
hintere  Hälfte  betrifft,  so  tritt  im  Grunde  derselben  eine  Verwach- 
sung der  Nasenscheidewand  mit    der  Seitenwand  der  Nasenhöhlen 


155 

ein,  wodurch  dieselben  einen  eigenen  von  dem  spätem  Gaumen 
völlig  unabhängigen  Boden  gewinnen  (Taf.  IT,  Fig.  7).  Untersucht 
man  diesen  durch  die  genannte  Figur  dargestellten  Frontalschnitt 
eines  Kindsembryo  etwas  näher,  so  liegt  die  den  Nasenhöhlen- 
boden darstellende  Verbindungsbrücke  oberhalb  der  primitiven 
Gaumenleiste,  welche  in  Fig.  5  mit  b  bezeichnet  ist.  Legt  man 
den  Frontalschnitt  durch  das  hinterste  zwischen  den  Augen  lie- 
gende Ende  der  Nasenhöhlen  an  (Fig.  2),  so  hat  dieser  Nasen- 
höhlenboden auf  Kosten  der  Nasenhöhle  (b)  bedeutend  an  Höhe 
zugenommen  und  die  hier  getroffene  Partie  der  Nasenscheidewand 
ist  niedriger  geworden  und  entspricht  dem  vorderen  Keilbeinkörper 
des  Menschen.  An  beiden  Durchschnitten  rindet  man  unterhalb 
dieses  Nasenhöhlenbodens  einen  der  primitiven  Mundhöhle  ange- 
hörigen  Raum  von  derselben  Beschaffenheit  und  mit  demselben 
Inhalt  wie  an  den  weiter  vorn  liegenden  Gesichtsdurchschnitten 
(vergl.  Fig.  1,  3  und  5).  Er  wird  nämlich  von  der  Zunge  erfüllt 
und  zu  beiden  Seiten  von  den  Oberkieferfortsätzen  und  den  senk- 
recht absteigenden  Gaumenplatten   begrenzt. 

Dieses  Verhalten  der  hinteren  Hälfte  der  Nasenhöhle  erinnert 
an  ein  ähnliches,  wie  ich  es  für  das  vordere  Ende  der  Nasenhöhlen 
beschrieben  und  auf  Taf.  III,  Fig.  11  abgebildet  habe.  Auch 
dort  bildet  sich  der  Nasenhöhlenboden  ohne  Dazwischenkunft  des 
späteren  Gaumens,  einfach  durch  Verwachsung  der  Nasenscheide- 
wand mit  den  seitlichen  Stirnfortsätzen  und  den  Oberkieferfurt- 
sätzen ,  während  der  schon  in  der  Bildung  begriffene  spätere 
Gaumen  in  Gestalt  zweier  absteigender  Platten  (a)  von  diesem 
Nasenhöhlenboden  abgeht.  Somit  besitzt  jede  Nasenhöhle,  noch 
bevor  der  eigentliche  oder  bleibende  Gaumen  entstanden  ist,  einen 
Boden,  welcher  zugleich  das  Dach  der  primitiven  Mundhöhle  dar- 
stellt und  den  Zungenrücken  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  be- 
rührt. Ich  habe  ihn  daher  primitivenGaumen  genannt.  Ursprünglich 
wird  derselbe ,  wie  wir  gesehen  haben ,  in  seiner  ganzen  Länge 
durch  die  primitiven  Gaumenspalten  durchsetzt,  welche  auch  den 
unteren  Umfang  der  äusseren  Nasenlöcher  durchbrechen  und  eine 
Communication  der  Nasenhöhlen  mit  der  primitiven  Mundhöhle 
gestatten.  Hierauf  schliessen  sich  diese  Spalten  in  der  angegebenen 
Art    in   ihrem    vorderen    und    ihrem   hinteren  Theil   und   nur  ihre 


156 

mittlere  Partie  erhält  sich.  Bildet  sich  dann  der  spätere  Gaumen, 
so  wird  dadurch  der  obere  an  den  primitiven  Nasenhöhlenboden 
anstossende  Theil  der  Mundhöhle  abgeschnürt  und,  wie  ich  oben 
bereits  angegeben  habe,  dem  Gebiete  der  Nasenhöhlen  einverleibt. 
Die  Nasenhöhlen  gewinnen  dadurch  an  Höhe,  indem  sie  durch 
den  offen  bleibenden  Theil  der  primitiven  Gaumenspalten  mit 
diesem  neu  hinzugekommenen  Raum  sich  in  Verbindung  setzen. 
Von  nun  an  ist  es  der  secundäre  Gaumen,  welcher  den  Boden 
der  Nasenhöhlen  darstellt,  wenigstens  für  den  mittleren  Abschnitt, 
nicht  aber  für  deren  vorderes  und  hinteres  Ende,  weil  diese  schon 
einen  eigenen  Boden  besitzen.  Ganz  eigenthümlich  gestaltet  sich 
nun  das  Verhältniss  des  seeundären  Gaumens  zu  diesen  bereits 
geschlossenen  Nasenhöhlenpartien  ,  von  welchen  ich  für  jetzt  nur 
die  hintere  besprechen  will. 

Nachdem  nämlich  die  hinteren  Nasenhöhlenhälften  ihren  eigenen 
Boden  erhalten  haben ,  so  zieht  sich  die  dicht  anliegende  Zunge 
allmählig  von  ihm  zurück  und  der  entstehende  Raum  ist  der  Nasen- 
rachengang,  dessen  Seitenwände  von  den  Oberkieferfortsätzen  und 
den  Gaumenplatten  gebildet  werden  (Taf.  II,  Fig.  2,  c;  vergl. 
auch  Fig.  7).  Von  der  Mundhöhle  ist  er  noch  nicht  geschieden, 
was  aber  sofort  dadurch  geschieht,  dass  die  ursprünglich  neben 
der  Zunge  absteigenden  Gaumenplatten  sich  aufrichten  und  zur 
Herstellung  des  Gaumens  sich  verbinden.  Auf  diese  Weise  erhält 
die  Nasenhöhle  einen  den  Nasenrachengang  zwischen  sich  fassen- 
den doppelten  Boden  (Taf.  V,  Fig.  14).  Den  oberen  Boden,  welcher 
alsbald  durch  eine  Knorpelplatte  d  gestützt  wird,  sowie  die  Be- 
deutung der  darüber  liegenden  Partie  der  Nasenhöhle  habe  ich 
schon  früher  (S.  95  u.  f.)  besprochen  und  dabei  auch  das  Ver- 
halten der  menschlichen  Nasenhöhlen  berührt. 

Nasenrachengang. 
Was  den  Nasenrachengang  betrifft,  den  ich  ebenfalls  (S.  95) 
in  Beziehung  auf  seine  Bedeutung  und  sein  späteres  Verhalten 
schon  erörtert  habe,  so  ist  derselbe  zuerst  ein  unpaariger  Kanal, 
dessen  hinteres  Ende  in  die  Schlundkopfhöhle  mündet ,  dessen 
vorderes  Ende  an  den  noch  ganz  vorn  liegenden  hinteren  Nasen- 
scheidewandrand  anstösst  und    daselbst  zu  beiden  Seiten  des  letz- 


157 

teren  in  die  eigentliche  Nasenhöhle  sich  fortsetzt.  Es  ist  nämlich 
an  der  Bildung  der  Nasenscheidewand  zuerst  nur  die  vorderste  vor 
der  Keilbeingegend  liegende  Partie  der  Schädelbasis  betheiligt. 
Allmählig  aber  nimmt  auch  die  Keilbeingegend  der  Schädelbasis 
daran  Antheil ,  indem  sie  in  den  darunter  liegenden  Nasenrachen- 
gang  sich  verlängert.  Es  bildet  sich  so  zuerst  ein  medianer  Wulst, 
welcher  von  oben  her  den  Nasenrachengang  zu  halbiren  beginnt 
(Taf.  V,  Fig.  14  und  15).  Beim  Schwein  bildet  sich  dieser  Theil 
der  Nasenscheidewand  viel  früher  ,  so  dass  der  bei  diesem  Thier 
viel  längere  Nasenrachengang  an  den  auf  Taf.  IV  abgebildeten 
Frontalschnitten  doppelt  erscheint  (Fig.  11,  12  und  13,  w).  Später 
werde  ich  bei  der  Besprechung  menschlicher  Embryonen  noch 
einmal  auf  den  Nasenrachengang  zurückommen. 


Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Nase  des  Menschen. 

Da  bei  dem  Menschen  die  Nase  im  Wesentlichen  ganz  in  der- 
selben Weise  sich  bildet,  wie  bei  den  von  mir  untersuchten  Säuge- 
thieren  ,  so  will  ich  nur  die  durch  Vergleichung  sich  ergebenden 
Verschiedenheiten  hervorheben,  soweit  sie  mir  aus  eigener  Erfah- 
rung bekannt  sind. 

Betrachtet  man  die  auf  Taf.  VI,  Fig.  1 3  und  1 1  dargestellten  Köpfe, 
von  welchen  jener  einem  1,3  Ctin.  langen,  dieser  einem  1,8  Ctm. 
langen  menschlichen  Embryo  entnommen  ist,  so  fällt  sofort  beim 
Vergleiche  mit  Köpfen  von  Rindsembryonen  (Taf.  I)  einmal  die 
Flachheit  des  gesammten  Stirnfortsatzes  auf.  Eine  einfache  ober- 
halb den  Augen  liegende  Querfurche  markirt  unter  Bildung  eines 
flachen  aufwärts  convexen  Bogens  die  Grenze  zwischen  derStirne 
und  dem  Stirnfortsatz ,  welcher  wie  ein  Mützenschild  von  der 
Stirnwand  abgeht  und  die  Gegend  zwischen  den  Augen  erfüllt. 
Die  unten  noch  weit  offenen  äusseren  Nasenlöcher  stehen  einander 
wegen  der  geringen  Breite  des  mittleren  Stirnfortsatzes  viel  näher 
und  es  zeichnet  sich  der  letztere  noch  überdies  durch  die  mehr 
senkrechte  Stellung  seiner  schmalen  Seitenflügel  aus,  wodurch  der 
untere   Rand    dieses    Fortsatzes    einen   auffallend    tiefen  medianen 


158 

Ausschnitt  erhält.  Erst  im  weiteren  Verlaufe  der  Entwicklung 
verschwindet  diese  mediane  Spalte  (Fig.  2),  kann  sich  aber,  wie 
ein  mir  vorliegender  Fall  (Fig.  14)  beweist,  abnormer  Weise  er- 
halten und  eine  mediane  Trennung  der  Oberlippe  und  der  beiden 
Zwischenkiefer  veranlassen.  Es  war  an  diesem  Kopfe  jeder  Zwi- 
schenkiefer vollständig  entwickelt,  und  zeigte  von  unten  gesehen 
zwei  für  die  beiden  Schneidezähne  der  betreffenden  Seite  be- 
stimmte Hügel. 

Untersucht  man  den  Kopf  eines  etwas  älteren  menschlichen 
Embryo  (Fig.  2—5),  so  hat  der  die  Nase  darstellende  gesammte 
Stirnfortsatz  zwar  an  Dicke  sehr  zugenommen  ,  weniger  aber  an 
Höhe,  wesshalb  er  im  Verhältniss  zu  dem  übrigen  Kopf  sehr  niedrig 
erscheint.  Der  mediane  Ausschnitt  des  mittleren  Stirnfortsatzes  ist 
verschwunden  und  dafür  ein  die  Zwischenkiefergegend  darstellen- 
der breiter  Wulst  entstanden ,  der  sich  zu  beiden  Seiten  mit  den 
Oberkieferfortsätzen  verbindet  und  der  vorderen  Partie  der  Nasen- 
höhlen einen  Boden  abgiebt. 

Vergleicht  man  diesen  Kopf  mit  dem  eines  1,9  Ctm.  langen 
oben  beschriebenen  Rindsembryo,  so  erscheinen  die  Nasenhöhlen 
und  überhaupt  die  ganze  Nase  sehmaler  und  viel  kürzer.  Be- 
trachtet man  beide  Köpfe  nach  Entfernung  des  Unterkiefers  (Taf.  VI, 
Fig.  3  und  Taf.  I,  Fig.  4),  so  erscheint  der  primitive  Gaumen  des 
menschlichen  Embryo  sehr  kurz  und  schmal  und  die  entsprechend 
verkürzten  primitiven  Gaumenspalten  erscheinen  mehr  wie  läng- 
liche am  vordem  Rand  ausgerundete  Löcher  (vergl.  auch  Taf.  VI, 
Fig.  2,  h).  Erst  im  weiteren  Verlaufe  der  Entwicklung,  wenn  sich 
die  Nase  in  der  Richtung  nach  vorn  verlängert,  gewinnen  auch 
bei  dem  Menschen  diese  Löcher  die  Gestalt  von  Längsspalten, 
welche  den  primitiven  Boden  der  Nasenhöhlen  durchbrechen  (Fig.  21). 
Die  in  Fig.  2  und  3  hinter  dem  primitiven  Gaumen  und  seinen 
Spalten  liegende  lateralwärts  von  den  Oberkieferwülsten  begrenzte 
Gegend  ist  die  primitive  Mundhöhle  oder  die  noch  ungeschiedene 
Anlage  des  Nasenrachenganges  und  der  hinteren  Partie  der  spä- 
teren Mundhöhle.  Ihr  von  der  Keilbeinanlage  gebildeter  Hinter- 
grund (Decke)  wird  zu  beiden  Seiten  von  den  hier  an  die  Schädel- 
basis angehefteten  Oberkieferfortsätzen  durch  eine  Furche  geschieden 
(Fig.  2,  f;  Fig.   3,  e),  welche   in  ihrem  Verlaufe  nach  hinten  und 


159 

unten  an  Tiefe  zunimmt  und  schliesslich  zur  Mündung  der  Eu- 
stach'schen  Trompete  führt.  Latcralwärts  von  dieser  Grenz- 
furche entwickelt  sich  aus  dem  Oberkieferfortsatz  eine  hier  noch 
sehr  niedrige  Längskante  oder  Leiste  (Fig.  2,  e  ;  Fig.  3,  e),  wor- 
aus der  weiche  Gaumen  und  die  hintere  Partie  des  harten  Gaumens 
hervorgeht  (Fig.  6,  c).  Nach  vorn  setzt  sich  diese  Gaumenplatten- 
anlage auf  einen  Theil  des  Oberkieferfortsatzes  fort,  welcher  die 
primitive  Gaumenspalte  lateralwärts  begrenzt,  und  daraus  entwickelt 
sich  die  vordere  Partie  des  harten  Gaumens.  Wenn  nun  später 
die  Gaumenplatten  beider  Seiten  medianwärts  zur  Bildung  des 
bleibenden  Gaumens  sich  verbinden ,  so  wird  der  obere  an  die 
Schädelbasis  und  die  Nasenscheidewand  angrenzende  nach  vorn 
bis  zu  dem  Zwischenkiefer  reichende  Abschnitt  der  primitiven  Mund- 
höhle abgeschlossen  und  in  einen  niedrigen  Gang  verwandelt, 
dessen  hintere  unter  dem  Keilbein  liegende  Hälfte  der  Nasen- 
rachengang  ist.  In  seinen  vorderen  unter  der  Nasenscheidewand 
liegenden  Abschnitt  münden  die  Nasenhöhlen  durch  die  primitiven 
Gaumenspalten  und  schon  frühe  wächst  die  Nasenscheidewand 
hinab,  verbindet  sich  mit  dessen  Boden  (Gaumen)  und  theilt  da- 
her diesen  Raum  in  zwei  den  untersten  Abschnitt  der  Nasenhöhlen 
darstellende  Hälften,  welche  am  hinteren  Rande  der  Nasenscheide- 
wand  in  den  noch  langen  Nasenrachen  gang  münden.  Allmählig 
aber  zerfällt  auch  dieser  Gang  in  der  Richtung  von  vorn  nach 
hinten  in  zwei  die  Nasenhöhlen  fortsetzende  Gänge,  indem  sich 
auch  die  untere  Keilbeinfläche  an  der  Verlängerung  der  Nasen- 
scheidowand  betheiligt.  Folglich  ist  die  später  doppelte  Ausmündung 
der  Nase  in  den  Schlundkopf  (Choanae)  ursprünglich  einfach  und 
der  hintere  Nasenscheidewandrand  lag  in  der  Gegend  vor  der 
unteren  Keilbeinfläche.  Die  hinteren  Nasenlöcher  oder  Choanen 
sind  daher  die  beiden  Seitenhälften  der  ursprünglich  einfachen 
Mündung  des  Nasenrachenganges  in  die  Schlundkopfhöhle.  An 
dem  auf  Taf.  VI,  Fig.  2  und  3  abgebildeten  menschlichen  Em- 
bryo fehlt  noch  der  spätere  Gaumen ;  es  wäre  daher  ein  Fehler, 
wollte  man  die  den  Boden  der  Nasenhöhlen  durchbrechenden 
spaltenförmigen  Löcher  (die  ich  primitive  Gaumenspalten  nannte) 
als  Choanen  ansprechen.  Diese  Spalten  bleiben  und  mit  der 
Vex-längerung  der  Mundhöhle  nehmen  sie  an  Länge  zu.    Sie  werden 


160 

später  von  den  Gaumenplatten  verdeckt  und  erhalten  sich  als  ein 
Theil  des  unteren  Nasenganges.  Ein  diesen  Kopf  halbirender 
Medianschnitt  (Fig.  4)  zeigt  die  in  ihrer  Entwicklung  begriffene 
Nasenscheidewand,  zu  deren  Herstellung,  wie  ich  oben  angab,  die 
Basis  des  Vorderschädels  in  ihrer  ganzen  ursprünglichen  Breite 
als  sogenannter  mittlerer  Stirnfortsatz  in  die  Mundhöhle  hinab- 
wächst. Sie  erscheint  zuerst  am  vorderen  Ende  des  Schädels  als 
eine  Wucherung  der  Stirnwand  und  der  zunächst  angrenzenden 
Schädelbasis;  hierauf  wächst  auch  die  weiter  rückwärts  liegende 
Partie  der  Schädelbasis  aus  und  es  bildet  sich  so  eine  senkrechte 
Platte ,  deren  Dicke  der  ganzen  Breite  des  ursprünglichen 
Vorderschädels  gleichkommt  und  welche  zugleich  die  gemeinschaft 
liehe  Anlage  der  Körper  der  beiden  vorderen  Schädelwirbel  (vor- 
derer Keilbeinkörper  und  Lamina  perpendicularis  des  Siebbeins) 
darstellt.  Es  enthält  dieser  Schädeltheil  die  von  Rathke  soge- 
nannten seitlichen  Schädelbalken,  welche,  indem  sich  allmählig  auch 
die  dazwischen  liegende  anfangs  sehr  dünne  Zone  der  Schädel- 
basis verdickt,  scheinbar  mit  einander  medianwärts  verschmelzen 
und  die  Grundlage  der  Nasenscheidewand  und  des  dazu  gehörigen 
vorderen  Keilbeinkörpers  bilden.  In  Fig.  4  ist  die  so  verdickte 
vordere  Schädelbasis  (h  g)  abgebildet  und  ihr  unterer  Rand  bildet 
mit  der  Basis  des  Spheno-Ethmoidaltheils  des  Schädels  (k  h)  einen 
bogenförmig  ausgerundeten  sehr  stumpfen  Winkel. 

Vergleicht  man  hiermit  den  in  Fig.  7  dargestellten  Median- 
schnitt der  Schädelbasis  eines  3,8  Ctm.  langen  menschlichen  Em- 
bryo, so  hat  die  Nasenscheidewand  mit  der  Verlängerung  des 
Schädels  nach  vorn  ebenfalls  an  Länge  zugenommen  und  man 
kann  an  ihr  eine  hintere  und  eine  vordere  Partie  unterscheiden. 
Die  hintere  Partie  ist  noch  sehr  niedrig  und  setzt  sich  rückwärts 
ohne  Grenze  in  den  vorderen  Keilbeinkörper  (d)  fort.  Ihr  unterer 
Rand  ist  noch  völlig  frei  und  erscheint  von  der  Mundhöhle  aus 
gesehen  (Fig.  6,  d)  als  eine  breite  Fläche.  Der  darunter  liegende 
Raum  (Fig.  7)  ist  die  primitive  Mundhöhle,  deren  Seitenwand  von 
dem  Oberkieferfortsatz  gebildet  wird  und  die  mit  ihrem  freien 
Rand  abwärts  gekehrte  Gaumenplatte  (g  i)  abgiebt.  Der  über 
dieser  Platte  liegende  Abschnitt  der  primitiven  Mundhöhle,  welcher 
vorn    und    oben    mit    den  Nasenhöhlen  coinmunicirt,   wird    später 


161 

mit  der  Gaurnenbildung  von  der  Mundhöhle  abgeschnürt  und  bildet 
dann  einen  Theil  der  Regio  respiratoria  der  Nasenhöhlen  sowie 
den  Nasenrachengang ,  welcher  unter  dem  Keilbein  (d  c  b)  liegt 
und  rückwärts  bis  zu  der  hier  sichtbaren  Mündung  der  Eustach'- 
schen  Trompeten  (zwischen  i  und  b)  sich  erstreckt. 

Die  vordere  Partie  der  Nasenscheidewand  unterscheidet  sich 
von  der  vorhergehenden  durch  ihre  viel  bedeutendere  Höhe ,  be- 
sonders aber  noch  dadurch  ,  dass  ihr  unterer  Rand  in  den  den 
Boden  der  Nasenhöhlen  darstellenden  Zwischenkiefer  übergeht. 
Durch  einen  vorderen  Einschnitt  ist  das  Zwischenkieferstück  von 
der  Oberlippe  und  durch  einen  hinteren  Einschnitt  von  der  hin- 
teren Partie  der  Nasenscheidewand  geschieden ;  zugleich  bemerkt 
man  an  seinem  hinteren  Ende  in  der  Tiefe  eine  längliche  schräg 
nach  hinten  ziehende  Oeffnung,  welche  in  die  Nasenhöhle  führt. 
Ein  neben  der  Nasenscheidewand  durch  das  äussere  Nasenloch 
geführter  Sagittalschnitt  desselben  Kopfes  (Fig.  8)  öffnet  die  rechte 
Nasenhöhle,  welche  bereits  drei  Muscheln  enthält.  Die  untere 
längste  Muschel  erreicht  mit  ihrem  vorderen  Ende  den  Rand  des 
äusseren  Nasenlochs  (a).  Die  im  Verhältniss  zu  ihrer  Höhe  kurze 
Nasenhöhle  erstreckt  sich  rückwärts  unter  dem  Keilbein  bis  zur 
Mündung  der  Eustach'schen  Trompete.  In  ihrer  vorderen  Hälfte 
besitzt  sie  bereits  einen  geschlossenen  Boden ,  welcher  von  dem 
an  seinem  vorderen  Umfang  von  der  Oberlippe  (b)  gedeckten 
Zwischenkiefer  gebildet  wird. 

In  Fig.  6  gebe  ich  eine  Flächenansicht  der  primitiven  Mund- 
höhlendecke dieses  Embryo.  Zwischen  den  Gaumenplatten  be- 
merkt man  in  der  Tiefe  die  in  die  breite  Nasenscheidewand  aus- 
wachsende Schädelbasis  und  zu  beiden  Seiten  derselben  die  nach 
hinten  von  den  Gaumenplatten  verdeckten  Spalten  des  Nasen- 
höhlenbodens (primitive  Gaumenspalten).  Im  Vergleiche  zu  den 
oben  beschriebenen  Rindsembryonen  sind  die  Nasenhöhlen  und 
ihre  Scheidewand  bei  menschlichen  Embryonen  auffallend  verkürzt 
und  es  steht  dazu  die  sagittale  Ausdehnung  des  Zwischenkiefers, 
der  mehr  als  die  halbe  Länge  der  eigentlichen  Nasenhöhlen  bean- 
sprucht, in  auffallendem  Missverhältniss. 

Dursy ,  Entwicklgsgesch.  11 


162 


Ueber  das  spätere  Verhalten  der  Oberkieferfortsätze. 

Nachdem  icli  die  erste  Anlage  der  Oberkieferfortsätze  bereits 
besprochen  habe  (S.  122  u.  ff.),  wende  ich  mich  zu  deren  spä- 
teren Veränderungen  lind  lege  dabei  meine  an  Rindsembryonen 
gemachten  Erfahrungen  zu  Grund. 

Wie  die  nebenstehende  Figur  XX  zeigt,  so  besitzt  der  Ober- 
kieferfortsatz   eines    Gx/2  Millim.    langen  Rindsembryo    von  aussen 

gesehen  die  Gestalt  eines  in  eine  vor- 
dere Spitze  auslaufenden  Lappens,  der 
seiner  ganzen  Länge  nach  mit  dem 
convexen  Rand  an  die  Schädelbasis 
angeheftet  ist  (vergl.  auch  Taf.  I,  Fig. 
20  und  Fig.  21  ,  d) ,  und  an  dem  hin- 
teren unteren  Umfang  der  Riechgruben 
endigt.  Von  der  darüber  liegenden  An- 
lage des  seitlichen  Stirnfortsatzes  k 
wird  er  durch  die  Augennasenfurche 
geschieden.  Hierauf  nimmt  er  an  Dicke 
und  an  Länge  zu,  so  dass  er  über  sein 
vorderes  angeheftetes  Ende  hinaus- 
wächst, wobei  er  seine  Anheftung  an  denSchäd  el  aufgiebt  und 
sich  an  der  Bildung  der  unteren  Partie  der  Nase  betheiligt.  Ich 
unterscheide  daher  von  jetzt  an  an  dem  Oberkieferfortsatz  einen 
hinteren  an  den  Schädel  gehefteten  Abschnitt  (Taf.  I,  Fig.  16  und  17) 
sowie  einen  vorderen  Abschnitt ,  welcher  von  dem  Schädel  sich 
ablöst  und  unterhalb  der  Riechgruben  dem  Stirnfortsatz  sich  an- 
schliesst  (Taf.  I,  Fig.   15;  vergl.  auch  S.  150). 

Der  hintere  Abschnitt  ist  eine  Fortsetzung  der  an  den  late- 
ralen Umfang  der  Schädelbasis  gehefteten  Bauchplatte  und  besitzt, 
wie  wir  gesehen  haben,  einen  oberen  convexen  durch  eine  Furche 
(XX,  i)  sich  abgrenzenden  Rand.  Alsbald  aber  nimmt  der  Ober- 
kieferfortsatz an  seiner  Aussenseite  bedeutend  an  Dicke  zu  und 
gewinnt  auch  an  Höhe,  so  dass  er  das  Auge  von  unten  umfasst 
und  dabei  sein  oberer  früher  convexer  Rand  in  einen  concaven 
sich  umändert.  Zugleich  wuchert  er  hinter  dem  Auge  hinauf  und 
erzeugt  in  Verbindung  mit  einer  entgegenkommenden  Wucherung 


Erklärung  s.  S.  105. 


163 


Erklärung  s.  S.  113. 


des  Schädeldaches  einen  das  Auge  umfassenden  Wulst,  welcher 
jedoch  in  der  Gegend  vor  dem  Auge  durch  die  hier  beginnende 
Augen -Nasenfurche  eine  Unter- 
brechung erfährt.  Die  frühere 
Abgrenzungsfurche  (XX ,  i)  er- 
fährt dadurch  eine  Abänderung 
ihres  Verlaufes ,  zieht  nicht  mehr 
unter  dem  Auge  vorbei  zur  Augen- 
Nasenfurche,  sondern  umkreist 
hinter  und  über  dem  Auge  den 
genannten  Wulst.  Allmählig  ver- 
schwindet sie  in  Folge  einer  aus- 
gleichenden Massenzunahme  der 
Aussenseite  des  Kopfes.  Betrachtet 
man  den  auf  Taf.  I ,  Fig.  1  dar- 
gestellten Kopf  eines  Rindsembryo, 
so  bildet  der  nun  stark  ausgehöhlte 
das  Auge  tragende  obere  Umfang 
der  hinteren  Abtheilung  des  ver- 
dickten Oberkieferfortsatzes  die 
untere  Hälfte  eines  die  Augen 
umgebenden  Walles,  der  nur  durch 
die  Augen-Nasenfurche  eine  Unter- 
brechung erfährt.  Die  frühere 
Grenzfurche  zwischen  Bauchplatte 
(also  auch  Oberkieferfortsatz)  und 
Schädelrohr  ist  verschwunden  und 
es  bilden  sieh  in  der  hier  entstandenen  Wucherung,  welche  den 
hinteren  Umfang  des  Auges  umgiebt  und  den  Oberkieferfortsatz 
mit  der  seitlichen  Schädelwand  verbindet,  das  Jochbein  und  die 
Weichtheile  der  Schläfengrube. 

Es  wuchert  aber  die  hintere  Abtheilung  des  Oberkieferfort- 
satzes nicht  blos  hinter  dem  Auge  nach  oben,  sondern  auch  in 
entgegengesetzter  Richtung  abwärts  über  das  hintere  Ende  der 
Mundspalte  hinweg  und  verschmilzt  mit  einer  entgegenkommenden 
Wucherung  des  ersten  Schlundbogens  zur  Bildung  der  Backen; 
es    wird    dadurch    der  laterale  Theil    der  Mundspalte   von  aussen 

11* 


Erklärung  6.  S.  114. 


164 

gedeckt.  In  Fig.  XX  (Holzschn.)  erblickt  man  den  lateralen  Theil 
der  primitiven  Mundspalte  noch  völlig  frei  und  ihr  Winkel  liegt 
hinter  dem  Auge.  In  Fig.  XXI  wird  das  hinterste  Ende  der 
Spalte  überbrückt,  ebenso  in  Fig.  XXII,  und  man  bemerkt  hier 
deutlich  eine  von  dem  unteren  Umfang  des  Oberkieferfortsatzes 
abgehende  Wucherung,  welche  in  Gestalt  einer  nach  vorn  con- 
caven  Falte  auf  den  Unterkieferfortsatz  übergeht. 

Was  den  vorderen  Abschnitt  des  verlängerten  Oberkieferfort- 
satzes betrifft,  so  hat  derselbe  im  Profil  gesehen  an  jüngeren  Em- 
bryonen (Fig.  XXI)  die  Gestalt  eines  dreieckigen  Lappens,  welcher 
den  seitlichen  Stirnfortsatz  k  trägt  und  mit  seiner  abgerundeten 
Spitze  dem  Seitenflügel  des  mittleren  Stirnfortsatzes  o  entgegen- 
strebt. Vergleicht  man  damit  das  in  Fig.  XX  dargestellte  vordere 
zugespitzte  Ende  des  ursprünglichen  Oberkieferfortsatzes,  so  haben 
beide  ein  ähnliches  Ansehen  und  es  hat  daher  den  Anschein ,  als 
ob  mit  der  Verlängerung  des  Oberkieferfortsatzes  dieses  ursprüng- 
liche vordere  Ende  nur  Aveiter  nach  vorn  gerückt  wäre.  Dies  ist 
aber  nicht  der  Fall ,  sondern  es  bildet  sich  eine  neue  dem  ur- 
sprünglichen Ende  sich  gleichsam  aufsetzende  Wucherung,  welche 
von  dem  Schädel  sich  entfernt,  um  der  herabwachsenden  Nase 
(Stirnfortsatz  im  weiteren  Sinn)  Platz  zu  lassen.  Die  ursprüng- 
liche Spitze  ist  daher  als  solche  nicht  mehr  zu  unterscheiden, 
sondern  verdickt  sich  zur  Wurzel  der  die  Nase  tragenden  Ver- 
längerung des  Oberkieferfortsatzes.  Legt  man  daher  um  diese 
Zeit  der  Entwicklung  nahe  vor  dem  Auge  einen  Frontalschnitt  an 
(Taf.  I,  Fig.  16  und  17),  so  trifft  man  damit  die  Gegend  der 
früheren  an  den  Schädel  gehefteten  Spitze  des  Oberkieferfortsatzes, 
die  nun  zur  Wurzel  der  folgenden  Abtheilung  sich  verdickt  hat 
und  das  vordere  Ende  der  in  die  Schädelwand  übergehenden 
Kopfbauchplatte  darstellt.  Durch  eine  vor  den  Augen  liegende 
tiefe  Furche  wird  sie  von  der  darüber  liegenden  seitlichen  Stirn- 
wand äusserlich  abgegrenzt.  Legt  man  jedoch  den  Schnitt  weiter 
vorn  an ,  so  trifft  man  die  später  entstandene  vordere  Abtheilung 
des  Oberkieferfortsatzes  (Fig.  15,  b),  welche  nicht  mehr  mit  dem 
Schädel  zusammenhängt.  Sie  wird  vielmehr  durch  eine  die  Augen- 
Nasenfurche  aufnehmende  Spalte  von  dem  darüber  liegenden  seit- 
lichen Stirnfortsatz  (a)  geschieden  und  verlängert  sich  medianwärts 


165 

in  eine  horizontale  Kante ,  welche  unter  den  Nasenhöhlen  hinweg 
der  Schädelbasis  entgegenstrebt.  Es  trägt  somit  diese  Abtheilung 
des  Oberkieferfortsatzes  die  Nase  und  scheidet  deren  Höhlen  von 
der  primitiven  Mundhöhle  einigermassen  ab.  Ich  habe  diese  me- 
diane Kante  bereits  als  einen  Theil  meines  primitiven  Gaumens 
beschrieben  und  sie  primitive  Gaumenleiste  genannt  (S.  148).  All- 
mählig  verwächst  der  Oberkieferfortsatz  mit  dem  seitlichen  Stirn- 
fortsatz und  betheiligt  sich  auch  an  der  Bildung  der  lateralen 
Nasenhöhlenwand  (Taf.  I,  Fig.  10  und  11).  Ferner  verschmilzt 
sein  vorderstes  Ende  mit  dem  Seitenflügel  des  Stirnfortsatzes  (Fig.  8). 
Zur  Zeit  der  beginnenden  Verwachsung  des  Oberkieferfortsatzes 
mit  den  beiden  Stirnfortsätzen  bemerkt  man  an  der  Aussenfläche 
seines  vorderen  Abschnittes  Auftreibungen  theils  in  Gestalt  flacher 
breiter  Wülste,  theils  in  Gestalt  kleinerer  schärfer  begrenzter  Hü- 
gel (Taf.  1,  Fig.  1,  2  und  3).  So  finde  ich  beständig  an  seinem 
oberen  Rand  einen  kleinen  runden  Höcker,  dem  ein  ähnlicher  von 
dem  anstossenden  Theil  des  seitlichen  Stirnfortsatzes  entgegenkommt 
(Fig.  2) ;  ich  habe  sie  bis  jetzt  noch  nicht  weiter  verfolgt. 

Nachdem  ich  gezeigt  habe,  dass  der  vordere  oder  Nasentheil 
des  Oberkieferfortsatzes  aus  dem  ursprünglichen  dem  Schädel  an- 
gehefteten Theil  frei  hervorwächst,  indem  er  durch  eine  in  die 
Mundhöhle  führende  Spalte  von  den  Stirnfortsätzen  geschieden 
wird  ,  so  erinnert  er  durch  dieses  Verhalten  an  die  aus  der  ur- 
sprünglichen Bauchplatte  hervorwachsenden  und  ebenfalls  durch 
Spalten  geschiedenen  Schlundbogenhälften ,  erscheint  daher  eben- 
falls wie  diese  als  ein  Visceralfortsatz ,  welcher  dem  der  anderen 
Seite  nach  vorn  entgegenwächst.  Auch  haben  sie  in  der  That 
das  Bestreben  in  der  vorderen  Medianlinie  zur  Herstellung  eines 
vollständigen  den  Schlundbogen  analogen  und  von  der  Stirne  durch 
eine  Querspalte  geschiedenen  Bogens  sich  zu  verbinden ,  werden 
aber  daran  durch  den  dazwischen  tretenden  mittleren  Stirnfortsatz 
gehindert.  Ein  solcher  Fall  kann  aber  eintreten,  wenn  aus- 
nahmsweise dieser  Fortsatz  nicht  herabwächst,  sich  überhaupt  gar 
nicht  bildet.  Auf  Taf.  III,  Fig.  16  habe  ich  einen  Hühnerembryo 
abgebildet ,  dessen  mittlerer  Stirnfortsatz  sich  nicht  entwickelte ; 
die  Mitte  der  vorderen  Stirnwand  blieb  auf  einer  frühen  Bildungs- 
stufe zurück  ,    ist    daher    niedrig  und  schmal  und  wird  zu  beiden 


16*6 


Seiten  von  den  seitlichen  Stirnfortsätzen  überragt.  Es  bildet  sich 
so  mitten  auf  der  Stirne  eine  Vertiefung,  welche  zu  beiden  Seiten 
in  die  von  den  seitlichen  Stirnfortsätzen  lateralwärts  gedeckten 
Riechgruben  führt.  Was  nun  die  seitlichen  Stirnfortsätze  betrifft, 
so  sind  dieselben  in  Folge  der  Verkümmerung  der  mittleren  Stirn- 
wand einander  viel  näher  gerückt  und  wenden  sich  mit  ihren 
unteren  Enden  medianwärts ,  um  sich  in  der  bekannten  Weise 
unterhalb  der  Riechgruben  mit  dem  mittleren  Stirnfortsatz  zu  ver- 
binden. Da  nun  ein  solcher  hier  fehlt,  so  stossen  sie  von  beiden 
Seiten  in  der  Medianlinie  aufeinander,  verschmelzen  und  bilden 
einen  die  Nasengegend  abwärts  abschliessenden  bogenförmigen 
Wulst.  Die  darüber  liegende  Grube  der  Stirnwand  ist  gleichsam 
ein  unpaariges  äusseres  Nasenloch ,  welches  zu  beiden  Seiten  in 
die  verkümmerten  Nasenhöhlen  führt.  Eine  Nase  hat  sich  somit 
in  diesem  Falle ,  wenn  auch  unvollkommen ,  gebildet ,  ist  aber  in 
Folge  der  Verkümmerung  des  vorderen  Schädelendes  nicht  zwi- 
schen die  Augen  (c)  in  die  Mundhöhle  hinabgewachsen ;  es  fehlt 
daher  die  Verbindung  mit  den  Oberkieferfortsätzen.  Besonders 
interessant  dabei  ist  der  Umstand ,  dass  auch  die  seitlichen  Stirn- 
fortsätze ähnlich  den  Visceralfortsätzen  (Schlundbogen)  das  Be- 
streben haben,  zur  Herstellung  eines  geschlossenen  Bogens  einander 
medianwärts  entgegen  zu  wachsen,  was  im  vorliegenden  Falle  ge- 
lingt, sonst  aber  durch  die  Dazwischenkunft  des  mittleren  Stirn- 
fortsatzes verhindert  wird.  Betrachten  wir  nun  die  Oberkiefer- 
fortsätze (d) ,  so  steht  auch  hier  ihrer  medianen  Vereinigung  zu 
einem  geschlossenen  Bogen  Nichts  im  Wege.  Man  glaubt  den 
ersten  Schlundbogen  zu  sehen  und  es  fehlen  selbst  die  kolbig  ver- 
dickten Enden  nicht,  mit  welchen  sie  sich  aneinander  legen.  Auf- 
fallend ist  ein  von  oben  zwischen  die  Kolben  sich  einkeilender 
Wulst ,  welcher  an  das  oben  beschriebene  Zwischenkieferstück 
des  Unterkiefers  erinnert.  Es  scheint  dieser  Zwickel  einigen  Er- 
satz bieten  zu  wollen  für  den  sonst  am  unteren  Rand  des  mittleren 
Stirnfortsatzes  sich  bildenden  Zwischenkiefer.  Zwischen  den  End- 
kolben der  vereinigten  Oberkieferfortsätze  und  den  Endkolben 
des  ersten  Schlundbogens  (e)  erblickt  man  die  kleine  rautenförmige 
Mundöffnung. 

Was  den  Raum  betrifft,   der  in  transversaler  Richtung  unter- 


167 

halb  der  Augen  den  Schädel  von  dem  Bogen  der  Oberkieferfort- 
sätze trennt,  so  ist  dies  der  an  die  Schädelbasis  angrenzende  oberste 
Abschnitt  der  primitiven  Mundhöhle ,  deren  Eingang  durch  die 
nachträgliche  Verschmelzung  der  Oberkieferfortsätze  in  eine  obere 
die  Augen  aufnehmende  und  in  eine  untere  die  eigentliche  Mund- 
öffnung darstellende  Abtheilung  geschieden  wurde.  Die  wegen 
Verkümmerung  der  Nase  einander  näher  gerückten  und  nicht 
geschiedenen  Augen  (Cyklopie)  ragen  daher  in  den  obersten  Theil 
der  primitiven  Mundhöhle  hinein,  also  in  einen  Raum,  der  bei  den 
Säugethieren  als  Nasenrachengang  und  untere  Partie  der  Regio 
respiratoria  der  Nasenhöhle  abgeschieden  wird.  Da  ich  diesen 
Hühnerembryo  noch  unverletzt  in  Weingeist  aufbewahre  und  nicht 
zergliedern  will,  so  weiss  ich  nicht,  ob  auch  in  der  Tiefe  die 
Oberkieferfortsätze  nachträglich  sich  in  Verbindung  gesetzt  haben, 
in  welchem  Falle  der  die  Augen  aufnehmende  Raum  einen  Bo- 
den hätte. 

Nachdem  ich  somit  gezeigt  habe  ,  dass  mit  dem  Ausfall  des 
mittleren  Stirnfortsatzes  sowohl  die  seitlichen  Stirnfortsätze  als 
auch  die  Oberkieferfortsätze  ähnlich  den  Schlundbogenhälften  me- 
dianwärts  einander  entgegenstreben  und  sich  zur  Herstellung  eines 
geschlossenen  Bogens  vereinigen  können ,  so  scheint  daraus  her- 
vorzugehen, dass  auch  dem  Gesichte  ursprünglich  ein  ähnlicher 
Entwicklungsplan  zu  Grunde  liegt  wie  dem  Kopftheil  des  Bauch- 
rohres oder  der  Schlundhöhle.  Auch  führen  die  zwischen  den 
Bogenhälften  befindlichen  Spalten  an  ihrem  Ende  zu  Sinnesorganen 
und  zwar  die  erste  Schlundspalte  zum  Ohr,  die  Spalte  zwischen 
erstem  Schlundbogen  und  Oberkieferfortsatz  zur  Geschmackshöhle, 
die  Spalte  zwischen  Oberkieferfortsatz  und  seitlichem  Stirnfortsatz 
zum  Auge,  die  Spalte  zwischen  seitlichem  und  mittlerem  Stirnfort- 
satz  zur  Riechgrube. 

Im  Anschluss  an  das  oben  beschriebene  Verhalten  der  Ober- 
kieferfortsätze  will  ich  hier  noch  einige  die  Oberkieferknochen 
eines  menschlichen  Cyklopen  betreffende  Beobachtungen  mittheilen. 
Die  unter  der  einfachen  medianen  Orbita  liegenden  Oberkiefer- 
knochen bestanden  nur  in  dem  aus  den  Oberkieferfortsätzen  her- 
vorgehenden Abschnitt;  der  Zwischenkiefer  fehlte  völlig,  so  dass 
die    eigentlichen   Oberkieferknochen    vorn    zur   unmittelbaren   Be- 


168 

rührung  und  Verbindung  gelangten.  Es  haben  sich  somit  die 
Oberkieferfortsätze,  wie  bei  dem  oben  beschriebenen  Hühnerembryo, 
zu  einem  geschlossenen  Bogen  verbunden.  Der  knöcherne  Ober- 
kiefertheil  des  Gesichtes  war  daher  an  dem  Cyklopen  von  vorn 
gesehen  wegen  Mangels  der  Zwischenkieferknochen  viel  schmaler 
als  an  dem  normalen  Schädel  eines  Neugeborenen.  Die  Foramina 
infraorbitalia  standen  einander  sehr  nahe  und  von  den  Processus 
nasales  waren  wenigstens  die  Wurzeln ,  wenn  auch  schmal  und 
niedrig,  vorhanden  und  in  unmittelbare  Berührung  gerathen. 

Aber  auch  nach  hinten  waren  die  Oberknochen  einander  sehr 
nahe  gerückt,  so  dass  ihre  Augenhöhlenflächen  medianwärts  sich 
berührten  und  den  Boden  der  einzigen  Orbita  bildeten.  Die  beiden 
Processus  alveolares  standen  einander ,  von  unten  gesehen ,  zwar 
ebenfalls  sehr  nahe,  waren  aber  doch  durch  einen  äusserst  schmalen 
Gaumen  von  einander  geschieden.  Die  Gaumenplatten  waren 
nämlich  vorhanden,  jedoch  in  der  ursprünglichen  bei  den  Em- 
bryonen von  mir  nachgewiesenen  verticalen  Stellung.  In  dieser 
Haltung  kommen  sie  mit  einander  in  der  Medianebene  in  Be- 
rührung und  erzeugen  einen  in  die  Mundhöhle  hinabragenden  hohen 
Kamm.  In  Folge  des  geringen  Zwischenraumes  zwischen  den 
Oberkieferfortsätzen  mussten  die  Gaumenplatten  auf  ihre  spätere 
horizontale  Richtung  verzichten,  jedoch  nicht  ganz  vollständig,  da 
wenigstens  ihre  Wurzeln  ein  wenn  auch  sehr  schmales  Gaumen- 
gewölbe darstellen.  Ueber  diesem  Gaumen  fand  sich  zwischen  den 
beiden  Oberkieferknochen  ein  schmaler  Zwischenraum ,  dessen 
Decke  von  dem  Boden  der  einzigen  Orbita  dargestellt  wurde. 
Vorn  war  dieser  Raum  geschlossen,  hinten  aber  offen  und  mündete 
somit  in  die  Schlundhöhle.  Eine  dünne  einfache  senkrechte  Knochen- 
platte, am  unteren  Rand  mit  dem  Gaumenrudiment  verschmolzen, 
trennte  diesen  Raum  in  zwei  Seitenhälften  und  es  stellt  derselbe 
offenbar  die  untere  Partie  der  Nasenhöhle  vor,  an  deren  Seiten- 
wand man  sogar  ein  muschelförmig  gekrümmtes  Knochenplättchen 
wahrnahm.  Nach  der  bisherigen  die  Cyklopen  betreffenden  Lehre 
soll  die  Nase  an  ihrer  normalen  Stelle  fehlen  und  nur  durch  ein 
über  dem  einfachen  Auge  hervorragendes  Rudiment  angedeutet 
sein.     Von  einer  zweiten  unter  dem  einfachen  Auge  liegenden  An- 


169 

deutung  einer  Nasenhöhle  ist  mir  aus  der  Literatur   bis  jetzt  kein 
Fall  bekannt. 

Es  findet  ein  solches  Vorkommen  in  der  von  mir  gegebenen 
Darstellung  der  Nasenbildung  seine  Erklärung.  Es  entwickelt  sich 
nämlich  die  Regio  olfactoria  der  Nasenhöhlen  nebst  einem  Theil 
der  Regio  respiratoria  aus  den  Riechgruben  und  den  sie  begren- 
zenden Stirnfortsätzen,  also  unabhängig  von  der  Mundhöhle  vor 
den  Augen.  Aus  diesem  Theil  der  Nasenhöhle  besteht  das  bei 
Cyklopen  über  dem  Auge  gefundene  Nasenrudiment.  Was  dagegen 
den  Nasenrachengang  nebst  einem  Theil  der  unteren  Partie  der 
Regio  respiratoria  der  Nasenhöhlen  betrifft,  so  scheiden  sich  diese 
bei  der  Gaumenbildung  von  der  primitiven  Mundhöhle  ab.  Wenn 
aber  wegen  Verkümmerung  des  vorderen  Schädelendes  die  Stirn- 
fortsätze nicht  herabwachsen  und  sich  mit  den  Oberkieferfortsätzen 
verbinden ,  so  bleibt  auch  die  obere  Partie  der  Nasenhöhle  von 
der  unteren  geschieden.  Beide  sind  freilich  nur  sehr  rudimentär 
und  können  auch  ganz  fehlen.  In  dem  mir  vorliegenden  Falle 
jedoch  fand  sich,  wie  ich  oben  angegeben  habe,  ein  Rest  der  un- 
teren zwischen  den  Oberkieferfortsätzen  liegenden  Partie  der  Nasen- 
höhle, welcher  sogar  durch  eine  dünne  senkrechte  Knochenplatte 
in  zwei  Seitenhälften  getheilt  wurde.  Diese  Scheidewand  kann 
aber  nicht  die  eigentliche  Nasenscheidewand  sein ,  da  diese  aus 
dem  mittleren  Stirnfortsatz  entsteht,  der  hier  fehlt.  Ich  deute  da- 
her diese  Knochenplatte  als  Vomer ,  der  in  diesem  Falle  wegen 
Mangels  eines  dazwischen  liegenden  Nasenscheidewandknorpels  nur 
ein  einfaches  Knochenplättchen   darstellt. 


Zur  Bildungsgeschichte  des  bleibenden  Gaumens. 

Die  beiden  Gaumenplatten,  woraus  der  bleibende  Gaumen 
des  Menschen  und  der  Säugethierc  entsteht,  wachsen  aus  der 
Seitenwand  der  primitiven  Mundhöhle  und  der  dahinter  liegenden 
Schlundkopfhöhle  hervor  und  trennen,  indem  sie  medianwärts  sich 
verbinden ,  diese  ursprünglich  einfachen  Höhlen  in  zwei  überein- 
ander liegende  Abtheilungen.     Die  obere  Abtheilung  vervollständigt 


170 

die  Regio  respiratoria  der  Nasenhöhle,  zieht  dann  gleichsam  als 
Ausführungsgang  der  Nasenhöhle  oder  Nasenrachengang  unter  dem 
Keilbein  hinweg  nach  hinten  und  bildet  das  Cavum  pharyngo- 
nasale  des  Schlundkopfs.  Ihr  vorderes  Ende  liegt  hinter  dem 
Zwischenkiefer  und  setzt  sich  in  den  Theil  der  Nasenhöhle  fori» 
Avelcher  bereits  durch  den  Zwischenkiefer  einen  Boden  erhalten 
hat  und  durch  die  äusseren  Nasenlöcher  ausmündet.  Das  hintere 
Ende  oder  das  Cavum  pharyngo-nasale  mündet  durch  eine  den 
weichen  Gaumen  durchbohrende  Oeffnung  (Isthmus  pharyngo- 
nasalis)  in  die  untere  Abtheilung  der  Schlundkopfhöhle. 

Die  erste  Spur  einer  Gaumenplatte  erkennt  man  an  einem 
schon  früher  erwähnten  abgerundeten  Längswulst ,  welcher  aus 
dem  medianen  Theil  eines  Oberkieferfortsatzes  nahe  unter  der 
Schädelbasis  hervorgeht  (Taf.  I,  Fig.  13,  b;  Fig.  4,  m)  und  als- 
bald nach  vorn  in  die  Zwischenkiefergegend  und  nach  hinten 
entlang  der  Seitenwand  des  Schlundkopfes  bis  hinter  die  Kehl- 
kopfgegend sich  verlängert.  Die  daraus  hervorgehende  Platte 
wächst  nicht  sofort,  wie  gelehrt  wird,  in  horizontaler  Richtung  der 
gegenüber  stehenden  Platte  entgegen,  sondei'n  schlägt  zuerst  eine 
vertikale  Richtung  ein  ,  so  dass  beide  die  der  Schädelbasis  und 
dem  primitiven  Gaumen  sich  anschmiegende  Zunge  zwischen  sich 
fassen  (Taf.  II,  Fig.  1,  2,  3,  5,  7).  Ueber  die  Bedeutung  des 
zwischen  den  senkrechten  Gaumenplatten  befindlichen  Raumes 
sowie  über  deren  Vei'hältniss  zu  den  primitiven  horizontalen 
Gaumenleistcn  der  Oberkieferfortsätze  habe  ich  mich  schon  früher 
ausgesprochen. 

An  einem  auf  Taf.  VI,  Fig.  2  dargestellten  1,9  Ctm.  langen 
menschlichen  Embryo  ist  die  senkrechte  Gaumenplatte  (e)  noch 
niedrig,  erscheint  wie  eine  mit  der  Schneide  abwärts  gekehrte  Kante. 
Die  folgende  Figur  3  zeigt  diese  Kanten  von  unten  (e) ;  sie  be- 
ginnen in  der  Zwischenkiefergegend,  nehmen  in  ihrem  Verlaufe 
nach  hinten  an  Höhe  etwas  zu  und  finden  ihre  höchste  Stelle 
am  hinteren  Ende  des  späteren  Nasenrachengangs.  Sie  erzeugen 
dort  eine  klappenartig  vorspringende  Ecke  (Anlage  der  Seiten- 
hälfte  des  Gaumenzäpfchens),  nehmen  von  hier  aus,  indem  sie 
entlang  der  Wurzel  des  ersten  Schlundbogens  an  dem  Seitenrand 
der  Rachenhöhle  hinabsteigen,  rasch   an  Höhe   ab  und    werden  in 


171 

diesem  Verlaufe  in  den  genannten  Abbildungen  durch  die  Schnitt- 
fläche der  Schlundbogen  verdeckt. 

Wie  diese  Anlagen ,  so  beginnen  auch  die  daraus  hervor- 
gehenden Platten  ganz  niedrig  in  der  Zwischenkiefergegend  ,  wie 
Fig.  6  von  einem  3,8  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus  zeigt,  er- 
reichen ihre  grösste  Höhe  in  der  Mitte  ihrer  Länge,  zeigen  daselbst 
die  erwähnte  auffallende  Ecke  (Gaumenzäpfchen)  und  nehmen  in 
ihrem  weiteren  Verlauf  an  der  Seitenwand  der  Schlundhöhle  an 
Höhe  wieder  ab  (Anlage  der  Arcus  palato-pharyngei) ,  um  sich 
allmählig  zu  verlieren.  Eine  ähnliche  Ansicht  der  Gaumenplatten 
von  einem  Rindsfötus  zeigt  Taf.  III,  Fig.  13  und  ich  hebe  hervor, 
dass  auch  hier  die  Anlagen  der  Gaumenzäpfchenhälften  sehr  deut- 
lich sind ,  obgleich  später  beim  Rinde  und  anderen  Säugethieren 
das  Zäpfchen  nicht  als  ein  besonderer  Anhang  des  Gaumensegels 
hervortritt.  Eine  von  der  Mundhöhle  aus  gesehene  Seitenansicht 
der  senkrechten  Gaumenplatte  eines  menschlichen  Fötus  giebt 
Taf.  VI,  Fig.  7  und  8. 

Hierauf  zieht  sich  die  Zunge  von  dem  unteren  Nasenscheide- 
wandrand  und  der  dahinter  liegenden  Schädelbasis  zurück  ,  ver- 
lässt  den  zwischen  den  vertikalen  Gaumenplatten  befindlichen 
Raum  und  gestattet  dadurch  der  letzteren  eine  Abänderung  ihrer 
ursprünglichen  Richtung  in  eine  horizontale.  Wie  der  auf  Taf.  IV, 
Fig.  15  abgebildete  Frontalschnitt  eines  Rindsembryo  zeigt,  so 
wachsen  die  nun  horizontalen  Gaumenplatten  mit  dicken  freien 
abgerundeten  Enden  einander  bis  zur  medianen  Berührung  ent- 
gegen ,  verschmelzen  dann  mit  Zurücklassung  einer  Naht  und 
bilden  den  bleibenden    Gaumen. 

Was  die  darüber  stehende  Nasenscheidewand  betrifft,  so  wächst 
dieselbe  ,  wie  wir  gesehen  haben  ,  zuerst  aus  dem  vordersten  in 
die  Stirnwand  übergehenden  Ende  der  Schädelbasis  hervor  und 
indem  sie  an  Höhe  gewinnt,  nimmt  auch  allmählig  in  der  Richtung 
von  vorn  nach  hinten  die  weiter  zurück  liegende  Partie  der 
Schädelbasis  daran  Antheil.  Die  Nasenscheidewand  erhält  so  eine 
dreiseitige  Gestalt  mit  schief  nach  vorn  abfallendem  unteren  Rand 
und  kommt  daher  mit  dem  Gaumen  zuerst  ganz  vorn  in  Berüh- 
rung und  zur  Verwachsung.  Allmählig  verschmilzt  auch  der 
nächstfolgende    Theil    des     unteren    Nasenscheidewandrandes    von 


172 

vorn  nach  hinten  mit  den  schon  früher  verbundenen  Gaumenplatten 
und  so  erklärt  sich  die  für  eine  gewisse  Entwicklungsstufe  normale 
Communication  beider  Nasenhöhlen  zwischen  dem  Gaumen  und 
der  Nasenscheidewand  (Taf.  III,  Fig.  8;  Taf.  IV,  Fig.  15);  ab- 
normer Weise  kann  sich  auch  bei  dem  Menschen  noch  in  späterer 
Zeit  ein  Rest  dieser  Lücke  als  ein  beide  Nasenhöhlen  ver- 
bindendes Loch  erhalten. 

Wenn  sich  die  zuerst  senkrecht  in  die  Mundhöhle  hinabstei- 
genden Gaumenplatten  aufrichten  und  eine  horizontale  Richtung 
annehmen  ,  so  sind  sie  noch  nicht  breit  genug,  um  sich  sofort  zu 
verbinden  und  den  Gaumen  zu  schliessen,  sie  Averden  vielmehr 
vorerst  durch  eine  an  verschiedenen  Stellen  verschieden  breite 
Spalte  geschieden  (Gaumenspalte  oder ,  wenn  der  Gegensatz  zu 
den  primitiven  Gaumenspalten  hervorgehoben  werden  soll ,  „se- 
eundäre  Gaumenspalte"). 

Nach  meinen  bei  dem  Menschen,  dem  Rinde,  Schafe  und  dem 
Schweine  gemachten  Erfahrungen  schliesst  sich  die  Spalte  in  der 
Richtung  von  vorn  nach  hinten  mit  Ausnahme  ihrer  beiden  En- 
den, von  welchen  das  vordere  in  der  Schliessung  sich  verspätet, 
das  hintere  dagegen  für  immer  offen  bleibt  (Isthmus  pharyngo- 
nasalis).  Betrachtet  man  den  auf  Taf.  VI,  Fig.  15  abgebildeten 
noch  offenen  Gaumen  eines  Avenig  über  Einen  Zoll  langen  mensch- 
lichen Fötus,  so  kann  man  daran  eine  vordere  kürzere  (Spalte  des 
harten  Gaumens)  und  eine  hintere  längere  Hälfte  unterscheiden 
(Spalte  des  weichen  Gaumens). 

Die  Spalte  des  harten  Gaumens  (e) ,  die  an  ihrem  hinteren 
Ende  (oberhalb  f)  am  breitesten  ist,  verschmälert  sich  gegen  ihr 
vorderes  Ende  und  erweitert  sich  ganz  vorn  in  der  Zwischen- 
kiefergegend zu  einer  breiten  mit  der  Spitze  rückwärts  gekehrten 
dreieckigen  Lücke,  die  ich  den  Zwischenkiefertheil  der  Gaumen- 
spalte nennen  will.  In  diese  Lücke  schiebt  sich  eine  die  Mün- 
dungen der  Stenson'schen  Gänge  tragende  Platte  ein  (d),  deren 
vorderer  breitester  Rand  von  dem  Zwischenkiefertheil  entspringt. 
Dieser  Gaumentheil  der  Zwischenkieferpartie,  welcher  auch  an  den 
unteren  Nasonscheidewandrand  befestigt  ist,  scheidet  den  Zwischen- 
kiefertheil der  Gaumenspalte  in  zwei  nach  vorn  divergirende 
schmale  Seitentheile,  Avelche  rückwärts  in  den  einfachen  Theil  der 


173 

Gaumenspalte  einmünden.  In  Fig.  20  und  21  erkennt  man  deut- 
lich an  einem  mit  Wolfsrachen  behafteten  menschlichen  Fötus  den 
dreieckigen  Gaumentheil  des  Zwischenkiefers,  der  von  vorn  her 
zwischen  die  nicht  zur  Vereinigung  gekommenen  Gaumenplatten 
sich  einschiebt. 

Die  Spalte  des  weichen  Gaumens  (Taf.  VI,  Fig.  15,  f  h  g) 
ist  im  Allgemeinen  breiter  als  die  des  harten  Gaumens  und  zer- 
fällt durch  zwei  einspringende  die  Hälften  des  Gaumenzäpfchens 
darstellende  Ecken  (h)  in  eine  kleinere  vordere  und  eine  hintere  längere 
Abtheilung.  Die  genannten  Ecken  vermisse  ich  auch  bei  keinem 
der  von  mir  untersuchten  Säugethiere  (vergl.  auch  Taf.  III,  Fig.  13 
von  einem  Rindsembryo).  Von  diesen  beiden  Abtheilungen  schliesst 
sich  nur  die  vordere  und  bildet  das  Gaumensegel;  es  erfolgt  die 
Schliessung  ebenfalls  von  vorn  nach  hinten ,  so  dass  die  Hälften 
des  Zäpfchens  am  längsten  geschieden  bleiben.  An  Säugethier- 
embryonen  erkennt  man  die  Stelle,  welche  bei  dem  Menschen  in 
das  Zäpfchen  auswächst,  als  einen  die  Mitte  des  Gaumensegelrandes 
einnehmenden  anfangs  paarigen  Höcker. 

Was  die  hintere  längere  Abtheilung  der  Spalte  des  weichen 
Gaumens  betrifft ,  so  bleibt  dieselbe  offen  (Isthmus  pharyngo  -  na- 
salis)  und  die  begrenzenden  Seitenhälften  sind  die  Arcus  palato- 
pharyngei.  An  Schweinsembryonen,  deren  Gaumensegel  sich  durch 
bedeutende  Länge  auszeichnet,  nehmen  die  Arcus  palato-pharyngei 
in  ihrem  Verlaufe  an  der  seitlichen  Schlundwand  nur  wenig  an 
Höhe  ab,  fliessen  schliesslich  von  beiden  Seiten  her  zu  einer  die 
hintere  Schlundwand  einnehmenden  bogenförmigen  Falte  zusammen 
und  begrenzen  mit  dem  hintern  ein  Zäpfchenrudiment  tragenden 
Gaumensegelrand  eine  ovale  und  verhältnissmässig  enge  Oeffhung, 
welche  aufwärts  in  das  Cavum  pharyngo  -  nasale  des  Schlund- 
kopfs führt. 

Wie  ich  oben  angegeben  habe ,  so  beginnt  die  Schliessung 
des  Gaumens  nicht  am  vordersten  Ende  ,  sondern  in  einiger  Ent- 
fernung hinter  dem  Zwischenkiefer  und  ich  nannte  die  hier  zu- 
rückbleibende und  erst  später  sich  schliessende  dreieckige  Lücke 
„Zwischenkiefertheil  der  Gaumenspalte".  In  dieser  Lücke  liegt 
das  vordere  in  den  Zwischenkiefer  übergehende  Ende  des  unteren 
Nasenscheidewandrandes,  aus  welchem  der  oben  erwähnte  Gaumen- 


174 

theil  des  Zwischenkiefers  hervorgeht*  An  Rinds-  und  Schafsembryonen 
fand  ich  den  Zwischenkiefertheil  der  Gaumenspalte  von  bedeu- 
tender Länge  und  noch  offen,  während  der  dahinter  liegende  Theil 
des  harten  Gaumens  nebst  dem  angrenzenden  Stück  des  Gaumen- 
segels bereits  geschlossen  war.  Auf  Taf.  III  habe  ich  eine  Reihe 
von  Frontalschnitten  des  Gesichtes  eines  Schafsembryo  (Fig.  1 — 8) 
abgebildet,  dessen  Gaumen  gerade  auf  dieser  Stufe  der  Entwick- 
lung stand.  Die  beiden  ersten  Schnitte  (Fig.  1  und  2)  treffen 
den  vor  dem  Gaumen  liegenden  Zwischenkiefertheil  des  Nasen- 
höhlenbodens.  Die  Figuren  3 — 6  zeigen  den  Zwischenkiefertheil 
der  Gaumenspalte,  deren  laterale  Begrenzung  von  den  getrennten 
Gaumenplatten  (Fig.  3,  b ;  Fig.  4,  b ;  Fig.  6,  a),  deren  Boden  von 
dem  unteren  Rand  der  Nasenscheidewand  gebildet  wird. 

Die  beiden  folgenden  Schnitte  (Fig.  7  und  8)  treffen  den 
Gaumen  hinter  dem  noch  offenen  Zwischenkiefertheil  der  Gaumen- 
spalte, also  die  Gegend,  in  welcher  die  Gaumenplatten  sich  median- 
wärts  bereits  berühren.  In  Fig.  7 ,  welcher  Schnitt  weiter  vorn 
liegt,  haben  sich  die  Platten  auch  mit  der  Nasenscheidewand  ver- 
bunden ,  eine  wirkliche  Verwachsung  ist  aber  noch  nicht  erfolgt. 
Es  werden  nämlich  die  sich  berührenden  Theile  durch  eine  Fort- 
setzung der  tiefsten  Lage  des  Mund-  und  Nasenhöhlenepitheliums 
geschieden.  Zwischen  den  Gaumenplatten  b  bemerkt  man  zugleich 
auch  eine  zwickeiförmige  Einschiebung  der  oberflächlichen  Lage 
des  Mundhöhlenepitheliums,  welches  früher  die  noch  geschiedenen 
Gaumenplatten  überall  bedeckte.  In  dem  darauf  folgenden  Schnitt 
hat  die  Scheidewand  den  Gaumen  noch  nicht  erreicht.  Endlich 
habe  ich  noch  in  Fig.  9  den  Frontalschnitt  eines  jüngeren  Schaf- 
fötus abgebildet ,  dessen  Gaumen  der  ganzen  Länge  nach  klaffte. 
Der  Schnitt  trifft  die  Spalte  des  spätem  knöchernen  Gaumens. 

Allmählig  schliesst  sich  auch  der  Zwischenkiefertheil  der 
Gaumenspalte  und  zwar  in  der  Art ,  dass  in  ihrer  hintern  Hälfte 
die  beiden  Gaumenplatten  medianwärts  sich  verbinden,  in  ihrer 
vordem  Hälfte  dagegen  erreichen  sie  einander  nicht,  so  dass  hier 
der  die  Mündungen  der  Stenson'schen  Gänge  tragende  Gaumen- 
theil  der  Zwischenkiefergegend  in  seinem  medianen  Abschnitt  für 
immer  frei  bleibt  und  auch  einen  warzenförmigen  Vorsprung  er- 
zeugen kann.     Besonders  lehrreich  in  dieser  Beziehung  sind  Frontal- 


175 

schnitte,  von  welchen  ich  mehrere  ununterbrochene  Reihen  von 
Embryonen  des  Menschen ,  des  Rindes  und  des  Schweines  mit 
völlig  geschlossenem  und  bereits  in  Verknöcherung  begriffenem 
Gaumen  abgebildet  habe.  Die  Schnitte  folgen  sich  von  den  äus- 
seren Nasenlöchern  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten. 

Ich  beginne  mit  den  auf  Taf.  V  abgebildeten  Schnitten  eines 
Rindsfötus.  Fig.  1  trifft  die  Zwischenkiefergegend  und  die  äus- 
seren Nasenlöcher,  deren  Eingang,  wie  gelehrt  wird,  durch  einen 
gallertigen  aus  Schleim  und  abgelösten  Epithelzellen  bestehenden 
Pfropf  ausgefüllt  werden  soll.  Nach  meinen  Erfahrungen  besteht 
diese  an  vorliegenden  Frontalschnitten  von  der  Seite  her  ein- 
dringende Ausfüllung  der  Nasenöffnung  aus  einer  Fortsetzung  der 
Epidermis ,  deren  oberflächliche  aus  schönen  polygonalen  kern- 
haltigen Zellen  bestehende  Lage  an  Dicke  zunimmt  und  das 
Nasenloch  verschliesst.  Bei  stärkerer  Vergrösserung  betrachtet, 
bemerkt  man  an  dem  nach  aussen  convex  vorspringenden  Pfropf 
im  Frontalschnitt  einen  centralen  aus  grösseren  Zellen  bestehenden 
Kern,  umgeben  von  einem  mehrfachen  Kreis  mehr  abgeplatteter 
und  dichter  gedrängter  Zellen  ;  in  Ablösung  und  Zerfall  begriffene 
Elemente  konnte  ich  an  frisch  erhärteten  Embryonen  nicht 
wahrnehmen. 

Die  Figuren  2  und  3  treffen  den  vordersten  Theil  des  früheren 
Zwischenkiefertheiles  der  Gaumenspalte  und  man  bemerkt  hier 
einen  medianen  die  Stenson'schen  Gänge  enthaltenden  Vorsprung 
und  zwei  Seitentheile.  Die  letzteren  sinc^  in  Fig.  3  von  dem 
mittleren  Theil  noch  deutlich  durch  eine  Naht  geschieden,  welche 
schief  zwischen  dem  Querschnitt  eines  Stenson'schen  Ganges  und 
dem  benachbarten  Zwischenkieferknochen  aufsteigt.  Die  Seiten- 
theile bedeuten  die  vorderen  Enden  der  früheren  Gaumenplatten; 
der  mediane  Vorsprung  ist  der  die  Lücke  zwischen  den  Gaumen- 
platten erfüllende  vorderste  Abschnitt  des  Gaumentheiles  des 
Zwischenkiefers. 

Die  Figuren  4 — 9  betreffen  den  folgenden  Abschnitt  des 
Zwischenkiefertheils  der  früheren  Gaumenspalte  bis  zu  dessen 
hinterstem  Ende.  Die  Gaumenplatten  berühren  einander  in  der 
Medianlinie  mit  abgerundeten  Enden  und  werden  daselbst  durch 
eine    senkrechte    Naht    geschieden.     Darüber    liegt   der   jetzt  von 


176 

unten  gedeckte  Gaumentheil  des  Zwischenkiefers,  welcher  bereits 
in  seiner  Mitte  zwei  im  Durchschnitt  rundliche  Knochenstücke 
(Fig.  6,  g)  enthält. 

Die  folgenden  Figuren  zeigen  den  in  der  Medianebene  noch 
durch  eine  Naht  halbirten  harten  Gaumen  hinter  der  Zwischen- 
kiefergegend. 

Was  die  auf  Taf.  IV  abgebildeten  Frontalschnitte  eines 
Schweinsembryo  betrifft ,  so  treffen  die  Figuren  4 ,  5  und  6  das 
vorderste  Ende  des  Zwischenkiefertheils  der  früheren  Gaumenspalte 
und  passen  daher  zu  den  auf  Taf.  V,  Fig.  2  und  3  abgebildeten 
Schnitten  eines  Rindsembryo.  Im  Verhältniss  zu  dem  schmalen 
Gaumen  ist  der  mittlere  die  Mündungen  und  die  vorderen  Enden 
der  Stenson'schen  Gänge  enthaltende  Vorsprung  oder  der  Gaumen- 
theil des  Zwischenkiefers  sehr  breit.  Die  Figuren  7  und  8  treffen 
den  hinteren  Abschnitt  des  Zwischenkiefertheiles  der  früheren 
Gaumenspalte ;  die  mediane  Naht  ist  bereits  verschwunden. 

Von  den  auf  Taf.  VII  dargestellten  Frontalschnitten  eines 
8  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus  treffen  die  Figuren  6  und  7 
die  Gegend  dicht  hinter  den  vordersten  Schneidezähnen,  sowie  die 
Gegend  des  vordersten  Endes  des  Zwischenkiefertheils  der  früheren 
Gaumenspalte.  In  der  Mitte  bemerkt  man  den  als  Vorsprung 
(Gaumenwarze)  hinabragenden  Gaumentheil  des  Zwischenkiefers 
(Fig.  6,  i)  mit  den  Mündungen  der  Stenson'schen  Gänge  (h).  In 
Fig.  7  ist  dieser  Vorsprung  niedriger  aber  breiter  und  enthält  die 
Querschnitte  der  vordem  Enden   der  Stenson'schen  Gänge. 

Die  Fig.  8  bezieht  sich  auf  den  hinteren  Abschnitt  des  bei 
dem  Menschen  viel  kürzeren  Zwischenkiefertheiles  der  früheren 
Gaumenspalte  und  es  vereinigen  sich  hier  die  Gaumenplatten  unter 
Bildung  einer  medianen  Naht.  Darüber  liegen  die  rundlichen 
Durchschnitte  des  knöchernen  Gaumentheils  des  Zwischenkiefers 
und  daneben  eine  den  Stenson'schen  Gang  aufnehmende  Aus- 
sackung des  Nasenhöhlenbodens. 

Frontalschnitte  derselben  Gegend  von  einem  1,08  Dem.  lan- 
gen menschlichen  Fötus  giebt  Taf.  IX ,  Fig.  6  und  7 ,  und  zwar 
betrifft  Fig.  6  die  vordere,  Fig.  7  die  hintere  Abtheilung  des  Zwi- 
schenkiefertheiles der  früheren  Gaumenspalte. 


177 


Bemerkungen  über  Wolfsrachenbildung,  das  Pflugscharbein 
und  den  knöchernen  Gaumen. 

Die  der  Schädelbasis  und  der  Nasenscheidewand  dicht  an- 
liegende Zunge  bedingt  die  ursprünglich  senkrecht  absteigende 
Richtung  der  Gaumenplatten  (Taf.  II)  und  hindert  die  mediane 
Vereinigung  zur  Bildung  des  Gaumens ;  die  Gaumenschliessung  ist 
nur  möglich,  wenn  sich  die  Zunge  zurückzieht  (Taf.  IV,  Fig.  15). 
An  einem  von  mir  untersuchten  3  Ctm.  langen  Schweinsembryo 
(Taf.  IV  ,  Fig.  14)  zeigt  die  Zunge  in  ihrer  ganzen  Länge  eine 
abnorme  schiefe  Stellung,  indem  sie  nur  mit  einer  Seitenhälfte  von 
der  Nasenscheidewand  sich  entfernt  hat.  Die  dadurch  hervorge- 
rufene Störung  der  Gaumenbildung  besteht  darin,  dass  in  diesem 
Fall  nur  Eine  der  Gaumenplatten  eine  horizontale  Richtung  ein- 
schlagen konnte,  während  die  andere  ihre  ursprüngliche  vertikale 
Stellung  beibehält. 

An  einem  auf  Taf.  VI,  Fig.  19  abgebildeten  1  Zoll  8  Linien 
langen  menschlichen  Fötus  fand  ich  als  Grund  einer  abnormen 
Gaumenspalte  eine  von  der  linken  Oberlippe  continuirlich  ab- 
gehende Membran  ,  welche  die  Mundhöhlendecke  überzog  und 
mit  einer  Verdickung  in  die  breite  Gaumenspalte  sich  einsenkte 
und  sie  erfüllte.  Die  Abbildung  zeigt  diese  Membran  völlig  un- 
verletzt und  es  Hess  sich  dieselbe  als  eine  unregelmässig  begrenzte 
Platte  ohne  weitere  Präparation  frei  abheben  und  zurückschlagen, 
war  nirgends  an  ihre  Unterlage  befestigt.  Fig.  20  zeigt  den 
Gaumen  desselben  Fötus  nach  Entfernung  dieser  Membran,  welche 
mit  der  Scheere  von  der  Oberlippe  abgetragen  wurde.  Auf  der 
linken  Seite  bemerkt  man  noch  eine  Lippen-Kieferspalte.  Der 
nun  deutlich  hervortretende  dreieckige  Gaumentheil  des  Zwischen- 
kiefers war  rechts  durch  eine  Furche,  links  durch  eine  Spalte  be- 
grenzt; ich  nannte  diese  Gegend  (s.  oben)  Zwischenkiefertheil  der 
Gaumenspalte  (vergl.  Fig.  15  ders.  Tafel).  Im  Ganzen  blieb  der 
Gaumen  auf  der  in  Fig.  15  abgebildeten  Entwicklungsstufe  zurück. 
In  Fig.  21  wurde  die  vordere  Hälfte  der  linken  Gaumenplatte 
durch  einen  Schnitt  von  dem  Oberkiefer  abgetragen  und.  man  er- 
blickt   nun    den   noch    völlig   freien    primitiven    Gaumen ,    dessen 

Duvsy,  Entwicklgsgesch.  12 


178 

mittlerer  Theil  von  dem  breiten  Nasenscheidewandrand  gebildet 
wird.  Daneben  bemerkt  man  die  rechte  primitive  Gaumenspalte, 
jedoch  besteht  deren  laterale  Begrenzung  hier  nicht  mehr  aus  der 
ursprünglichen  primitiven  Gaumenleiste ,  die  jetzt  durch  Aus- 
gleichung verschwunden  ist;  sondern  aus  der  unteren  Muschel. 

Eine  dritte  die  Gaumenschliessung  störende  Ursache  lernte 
ich  an  einem  2  Dem.  langen  menschlichen  Fötus  kennen  (Taf.  VIII). 
Haben  sich  nämlich  beide  Gaumenplatten  in  der  Medianlinie  er- 
reicht, so  verschmelzen  sie  nicht  sogleich,  sondern  sind  noch  einige 
Zeit  hindurch,  wie  ich  oben  beschrieben  habe,  durch  eine  Zwischen- 
lage eines  ihre  früheren  freien  Enden  überziehenden  Epitheliums 
geschieden  (Taf.  III,  Fig.  7  und  Taf.  IV,  Fig.  15).  Hier  können 
sich  nun  verschieden  grosse  Cysten  ausbilden,  die  ich  auf  Taf.  VIII 
abgebildet  habe.  In  Fig.  6  erblickt  man  in  der  Schliessungsnaht 
des  harten  Gaumens  eine  sehr  grosse  von  einem  Epithel  ausge- 
kleidete Cyste  (f),  die  fast  die  ganze  Dicke  des  Gaumens  einnimmt, 
so  dass  sie  die  mediane  Annäherung  der  knöchernen  Gaumenplatten 
verhindert.  Eine  kleinere  derartige  Cyste  findet  sich  in  Fig.  7,  i, 
die  aber  nicht  zwischen  die  Knochen  selbst  eindringt ,  sondern  in 
der  darunter  liegenden  Schleimhaut  sich  befindet.  In  Fig.  8  er- 
blickt man  bei  f  eine  Gruppe  solcher  jedoch  kleinerer  Cysten. 

Bei  einem  anderen  auf  Taf.  VI,  Fig.  16  und  17  abgebildeten 
vier  Monate  alten  menschlichen  Fötus  scheint  ausser  anderen 
Gründen  auch  eine  ungleiche  Längenausdehnung  beider  Gesichts- 
hälften auf  die  Entstehung  der  hier  vorhandenen  beidseitigen 
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte  nicht  ohne  Einfluss  gewesen  zu  sein. 
Entsprechend  der  grösseren  Länge  der  rechten  Gesichtshälfte  ist 
auch  die  rechte  Gaumenplatte  bedeutend  länger  (Fig.  1 7)  und  man 
unterscheidet  an  ihr  eine  vordere  für  den  harten  Gaumen  und 
eine  hintere  längere  für  das  Gaumensegel  bestimmte  Abtheilung. 
Letztere  ist  glatt,  die  vordere  Abtheilung  dagegen  (e)  zeigt  eine 
Reihe  von  Querwülsten.  Diese  beiden  Abtheilungen  besitzt  auch 
die  linke  Gaumenplatte ,  ist  aber  so  kurz ,  dass  ihre  vordere  Ab- 
theilung, die  man  ebenfalls  an  einer  Reihe  jedoch  nur  sehr  schwach 
entwickelter  Querwülste  erkennt,  viel  weiter  hinten  liegt  als  die- 
selbe Abtheilung  der  rechten  Seite  (e).  Für  diese  Zeit  der  Ent- 
wicklung ganz  ungewöhnlich  hoch  ist  an  diesem  Kopf  die  Nasen- 


179 

Scheidewand,  wie  der  in  Fig.  18  abgebildete  Medianschnitt  zeigt. 
Es  macht  den  Eindruck,  als  sei  der  mittlere  Stirnfortsatz,  in  welchem 
die  Nasenscheidewand  und  der  Zwischenkiefer  sich  entwickelt ,  in 
Folge  der  hier  unterbliebenen  Verbindung  mit  den  seitlichen  Stirn- 
fortsätzen und  Oberkieferfortsätzen  in  seinem  Wachsthum  nicht 
aufgehalten  worden,  weshalb  er  sein  gewöhnliches  Höhenmaass 
überschritt.  Auch  ist  ja  bekannt ,  dass  bei  beidseitiger  Lippen- 
Kiefer-Gaumenspalte  das  aus  dem  Mittelstück  der  Oberlippe  und 
dem  Zwischenkiefer  bestehende  Mittelstück  ,  wie  es  auch  hier  der 
Fall  ist,  meist  auffallend  stark  hervorsteht,  was  ich  mir  durch 
die  erwähnte  ungewöhnliche  Ausdehnung  der  Nasenscheidewand 
erkläre. 

Bei  mangelhafter  Ausbildung  der  Gaumenplatten  sucht  der 
untere  Rand  der  Nasenscheidewand  seine  frühere  Rolle  als  mitt- 
lerer Theil  des  primitiven  Gaumens  wieder  aufzunehmen ,  indem 
er  den  unvollständigen  secundären  Gaumen  zu  ergänzen  sucht 
und  sich  zu  diesem  Zwecke  mehr  oder  weniger  verbreitert.  Am 
leichtesten  lässt  sich  diese  Betheiligung  an  macerirten  Köpfen  er- 
kennen und  da  ist  es  denn  das  Pflugscharbein,  welches  durch  ein- 
seitige oder  beidseitige  Verbreiterung  seines  unteren  Randes  eine 
Platte  bildet ,  welche  die  Lücke  des  knöchernen  Gaumengewölbes 
auszufüllen  sucht.  An  einem  mir  vorliegenden  Kopf  eines  Neu- 
geborenen hatte  sich  der  eine  Seitenrand  dieser  Gaumenplatte  des 
Pflugscharbeins ,  wie  ich  sie  nennen  will ,  mit  Einer  knöchernen 
Gaumenplatte  durch  eine  Naht  in  Verbindung  gesetzt,  während 
der  gegenüber  liegende  Seitenrand  durch  eine  breite  Spalte  von 
der  entsprechenden  verkümmerten  Gaumenplatte  geschieden  war. 
Wir  haben  hier  also  einen  Fall,  in  welchem  die  Gaumenspalte  die 
Mitte  einer  Seitenhälfte  des  Gaumens  betrifft,  worüber  ich  bei 
Förster  (die  Missbildungen  des  Menschen,  1861,  S.  97)  folgende 
Angabe  linde:  „Am  harten  Gaumen  findet  sich  gewöhnlich  der 
innere  an  den  Vomer  stossende  Theil  defect,  doch  kommen  auch 
einzelne  Fälle  vor,  in  welchen  die  Spalte  mitten  durch  die  eine 
Hälfte  des  Gaumengewölbes  hindurch  geht  und  daher  der  innere 
Theil  des  harten  Gaumens  an  dem  Vomer  anliegt,  der  andere 
nicht."  Nach  Förster  hätte  sich  also  in  diesem  Falle  die  für 
den   harten    Gaumen   bestimmte   Gaumenplatte    der  einen  Seite  in 

12* 


180 

zwei  Hälften  gespalten,  eine  Annahme,  welche  durch  die  Entwick- 
lungsgeschichte   nicht    zu    erklären    wäre.     Eine    genauere    Unter- 
suchung  wird    wohl   in  allen  diesen  Fällen  zeigen,  dass  die  soge- 
nannte   innere    dem    Vomer    anliegende    Gaumenhälfte    nicht    der 
Gaumenplatte,  sondern  einer  Verbreiterung  des  Vomer  und  des  un- 
teren Nasenscheidewandrandes  ihre  Entstehung  verdankt.     Ueber- 
haupt   ist  schon    von  Anfang  an  die  Nasenscheidewand  dazu  vor- 
bereitet,   indem    sie    bereits    vor    dem  Erscheinen    des    bleibenden 
Gaumens  an    ihrem  unteren  Ende  sich  durch  Abgabe    von  Seiten- 
flügeln   verbreitert,    wodurch    die  Nasenhöhle   von  der  Mundhöhle 
einigermassen    abgeschieden    wird   (s.  oben   „primitiver  Gaumen"). 
Daraus    erklärt    sich    auch    das    von    dem    Pflugscharbein   des  Er- 
wachsenen   abweichende    eigenthümliche    Verhalten    des     unteren 
Randes  des  Vomer  menschlicher  Embryonen  und  öfters  auch  noch 
des  Neugeborenen.     An  einem  Frontalschnitt  der  Nasenhöhle  eines 
2  Dem.    langen    menschlichen   Fötus   (Taf.  VIII,    Fig.  6)  hat  der 
Vomer  die  Gestalt  einer  Stimmgabel,  deren  Griff  jedoch  an  seinem 
freien  Ende  zu  einer  an  der  Bildung  des  Nasenhöhlenbodens  sich 
betheiligenden    Platte    sich    verbreitert.     Isolirt    man    ein    solches 
Pflugscharbein,  so  fand  ich  mitunter  seinen  aus  einer  horizontalen 
Platte  bestehenden  Fuss  so  breit  und  glatt,   dass  man  den  Vomer 
frei  darauf  stellen  konnte,  was  auch  bisweilen  am  Pflugscharbein 
von    Kindern   noch    gelingt.     Verkümmert   nun    aus    irgend  einem 
Grunde  die  eine  oder  andere  Gaumenplatte,  so  kann  sich  der  Fuss 
oder    die    Gaumenplatte    des  Pflugscharbeins    erhalten    und    in  der 
Richtung   gegen    die    verkümmerte  Gaumenplatte   noch    mehr  ver- 
breitern.    Bei    manchen    Thieren  ist    diese  Betheiligung  des  Pflug- 
scharbeins   zur  bleibenden  Gaumenbildung   Regel ;    aber    auch  bei 
solchen,    deren    knöcherner  Gaumen    ohne    den  Vomer   zu  Stande 
kommt,  kann  ausnahmsweise  an  irgend  einer  Stelle  eine  von  dem 
Vomer    ausgefüllte    Lücke    sich   erhalten.     So    sehe    ich    an    dem 
Schädel  eines  Katers  im  Kreuzungspunkt  der  Sutura  palatina  trans- 
versa   und    sagittalis  eine  rautenförmige   kleine  Knochenplatte  wie 
ein  Zwickelbein  eingeschaltet ;  dieselbe  war,  wie  es  sich  bei  einer 
genaueren  Untersuchung  herausstellte,  ein  Rest  der  früheren  Gaumen- 
platte des  Pflugscharbeins. 

Es  ist  daher  der  Vomer  ein  Knochen,  der  sowohl  an  seinem 


181 

obern  wie  auch  an  seinem  unteren  Rand  das  Bestreben  zeigt,  sich 
flügeiförmig  auszubreiten  ,    um  dadurch  die  Regio  respiratoria  der 
Nasenhöhle    von    der    darüber   liegenden  Regio  olfactoria    und  ab- 
wärts von  der  Mundhöhle    abzugrenzen.     Die   obere  flügeiförmige 
Ausbreitung  wird  bei  den  'Säugethieren  auf  jeder  Seite  durch  eine 
dreiseitige  dünne  Knochenplatte  ergänzt ,    welche ,    wie    ich    beim 
Rind  gefunden  habe,    aus  einem    besondern  Knochenkern  hervor- 
geht, alsbald  aber  untrennbar  mit  dem  Pflugscharbein    verschmilzt 
(vergl.  S.  96).     Am  Schädel  des  Kalbes  konnte  ich  noch  deutlich 
eine    diese    dreieckige    Knochenplatte    von    dem    oberen  Rand  des 
Vomer  trennende  Naht  bemerken.     Diese  Platte  habe  ich  mit  den 
Keilbeinmuscheln    des  Menschen    verglichen    und  die  Aehnlichkeit 
tritt  besonders  hervor,    wenn  man  an  einem  älteren  Kindsschädel 
den  Vomer  in  Verbindung  mit  den  Keilbeinmuscheln  auslöst,  wo- 
bei die  letzteren  auf  den  Rändern  des  Pflugscharbeins  sitzen  bleiben. 
An  der  Herstellung  des  knöchernen  Gaumens  betheiligen  sich 
bei  den  Säugethieren  nicht  blos  die  Gaumenbeine  und  Oberkiefer- 
knochen ,   sondern  auch  die  Zwischenkieferknochen    und  es  bildet 
sich  so  noch  eine  durch  die  vorderen  Gaumenlöcher  unterbrochene 
Sutura  transversa  anterior.     Bei  dem  Menschen  ist  dieser  Gaumen- 
theil  der  Zwischenkieferknochen  sehr  kurz  und  wird  mit  der  Zeit 
von  den  Gaumenplatten    der  Oberkieferknochen  so  überragt,  dass 
man    ihn    dem    Zahnrand    beizählt   und   die  Sut.  palat.  transv.  an- 
terior (Sut.  incisiva)   zur    Abgrenzung    des    Zahnrandes    von    dem 
harten  Gaumen    benutzt.     Es    spricht  jedoch    die    vergl.  Anatomie 
sowie  die  Entwicklungsgeschichte    nur  für  meine  Deutung   und  es 
erscheint   auch    die    Gaumenpartie    der    Zwischenkiefergegend    an 
menschlichen  Embryonen,  wie  ich  oben  gezeigt  habe,  viel  grösser 
(vergl.  Taf.  VI,  Fig.  6,    Fig.  15  und  Fig.  20). 


Zur  Bildungsgeschichte  des  Gesichtsskelettes. 

Wie  der  Hirnschädel,  so  durchläuft  auch  das  Gesichtsskelett 
drei  Zustände,  den  häutigen,  den  knorplichen  und  den  knöchernen. 

In  der  aus  den  beschriebenen  Bildungsfortsätzen  entstandenen 
weichen  Gesichtsanlage  bildet  sich  alsbald  ein  stützendes  Knorpel- 


182 

gerüste ,  an  welches  die  meisten  der  späteren  Gesiehtsknochen 
während  ihrer  ersten  Entwicklung  als  Belegknochen  sich  anlehnen. 
Im  weiteren  Verlaufe  der  Entwicklung  verschwindet  wiederum  ein 
Theil  des  Knorpelgerüstes  ,  ein  zweiter  erhält  sich  knorplich  und 
vervollständigt  das  knöcherne  Gerüste ,  ein  dritter  Theil  endlich 
erhält  sich  ebenfalls,  aber  verknöchert. 

Es  besteht  das  Knorpelgerüste  aus  zwei  ganz  getrennten  Ab- 
schnitten ,  von  welchen  der  obere  die  Grundlage  der  oberen  Ge- 
sichtshälfte formirt  (knorpliche  Nase),  der  untere  den  Unterkiefer- 
theil  des  Gesichtes  stützt  (Meckel'sche  Knorpel).  Die  letzteren 
habe  ich  schon  früher  besprochen. 

Das  Knorpelgerüste  der  oberen  Gesichtshälfte  entsteht  in  der 
weichen  aus  dem  Stirnfortsatz  im  weiteren  Sinn  und  den  Ober- 
kieferfortsätzen gebildeten  Nasenanlage.  In  sämmtlichen  Wandungen 
der  Nasenhöhlen  bilden  sich  als  stützende  Grundlage  hyaline 
Knorpelplatten  aus  und  zwar  durch  histologische  Differenzirung 
des  bereits  vorhandenen  weichen  Gewebes;  sie  gehen  daher  nach 
meinen  Erfahrungen  in  ihrer  Entstehung  nicht  von  einer  bestimmten 
Stelle  aus,  wachsen  daher  auch  nicht  von  der  Schädelbasis  nach- 
träglich in  die  bereits  vorhandenen  Nasenwände   hinein. 

Wie  ich  für  den  Menschen  und  die  schon  öfters  genannten 
Säugethiere  gefunden  habe,  so  erscheint  am  frühesten  der  Knorpel 
der  Nasenscheidewand ,  bestehend  aus  schönen  grossen  runden 
bläschenförmigen  Zellen  ohne  nachweisbare  Zwischensubstanz.  An 
Embryonen  mit  noch  völlig  offenem  Gaumen  ist  derselbe  an  Durch- 
schnitten bereits  deutlich  zu  erkennen  (Taf.  II)  und  bildet  die 
durch  ihre  Helligkeit  auffallende  Achse  der  dicken  Nasenscheide- 
wand. Mit  Ausnahme  seines  oberen  Randes,  Avelcher  ohne  Grenze 
continuirlich  in  die  Schädelbasis  übergeht ,  wird  er  in  seinem 
ganzen  übrigen  Umfang  von  einem  breiten  dunklen  Saum  um- 
fasst,  welcher  zu  beiden  Seiten  seines  oberen  Randes  bogenförmig 
in  die  Seitenwand  der  Nasenhöhlen  übergeht.  Bei  allen  von  mir 
untersuchten  Säugethieren  und  dem  Menschen  zeichnet  sich  der 
embryonale  Scheidewandknorpel  durch  eine  im  Frontalschnitt 
kolbige  Anschwellung  seines  unteren  Randes  aus. 

Was  die  Seitenwände  der  Nasenhöhle  betrifft ,  so  konnte  ich 
an  Embryonen   mit    noch    völlig    offenen    Gaumen  (Taf.  II)    zwar 


183 

die  Anlagen  der  alsbald  hier  auftretenden  Knorpelplatten  wahr- 
nehmen, sie  zeigten  jedoch  in  der  ersten  Zeit  noch  nicht  die  hellen 
bläschenförmigen  Zellen  des  Nasenscheidewandknorpels ,  sondern 
bestanden  vorläufig  aus  dichter  gedrängten  Elementen  von  der 
Beschaffenheit  der  bekannten  embryonalen  Bildungszellen.  An 
Durchschnitten  erschien  daher  diese  Anlage  als  ein  dunkler  breiter 
Streif,  der  noch  nicht  in  Knorpelgewebe  und  Perichondrium  sich 
differenzirt  hatte  und  welcher  an  seinem  oberen  Rand  bogenförmig  in 
den  oben  erwähnten  dunklen  Grenzsaum  oder  das  Perichondrium  des 
Scheidewandknorpels  sich  fortsetzte.  Etwas  später  machen  sich  auch 
die  Anlagen  der  Nasenbodenknorpel  bemerklich  und  zwar  an 
Frontalschnitten  in  Gestalt  rundlicher  oder  streifenförmige  Schatten 
zu  beiden  Seiten  des  unteren  Randes  des  Scheidewandknorpels. 

In  seiner  einfachsten  primitiven  Gestalt  besteht  das  Knorpel- 
gerüste der  Nase  aus  einer  dicken  medianen  Platte  (Scheidewand- 
knorpel) und  aus  zwei  von  dem  oberen  Rand  derselben  abgehenden 
Seitenplatten,  welche  bogenförmig  zuerst  lateralwärts,  dann  abwärts 
sich  wenden  und  somit  ihre  Lage  in  der  obern  und  seitlichen 
Wand  der  Nasenhöhlen  finden.  Ein  auf  Taf.  IV,  Fig.  15  abge- 
bildeter durch  die  Gegend  des  inneren  Augenwinkels  geführter 
Frontalschnitt  des  Gesichtes  eines  Rindsembryo,  dessen  Gaumen 
im  Beginn  der  Schliessung  stand,  zeigt  dieses  primitive  Knorpel- 
gerüste der  Nase  und  es  erscheinen  die  Seitenplatten  als  helle 
schmale  Streifen ,  welche  die  Nasenhöhlen  oben  und  seitlich  um- 
fassen. Die  von  dem  Dach  und  den  Seitenwänden  in  die  Nasen- 
höhlen einspringenden  Wülste  oder  die  Muscheln  bestehen  noch 
aus  einem  mehr  gleichförmigen  Gewebe  und  erst  allmählig  ent- 
halten sie  von  den  Seitenplatten  abgehende  knorpliche  Stützen. 
Auch  der  Nasenhöhlenboden  enthält,  wenn  auch  nicht  in  seiner 
ganzen  Länge,  so  doch  in  seinem  vordem  und  hinteren  Abschnitt 
knorpliche  Platten ,  welche  theils  isolirt  auftreten ,  theils  Fort- 
setzungen des  Scheidewandknorpels  oder  der  knorplichen  Seiten- 
platten darstellen.  Es  werden  daher  an  diesen  Stellen  die  Nasen- 
höhlen mehr  oder  weniger  vollständig  ringsum  von  Knorpel  umfasst. 
Im  weiteren  Laufe  der  Entwicklung  zeigen  die  Seitenplatten  die 
meisten  und  wichtigsten  Veränderungen,  denn  sie  bilden  die  knorp- 
lichen Muscheln,  die  knorplichen  Labyrinthe,  die  knorpliche  Sieb- 


184 

platte  sowie  die  Knorpel  des  Rückens  und  der  Seitenwand  der 
äusseren  Nase  ;  ferner  bilden  sie  die  ersten  Anlagen  der  Oberkiefer- 
höhlen, der  Keilbeinhöhlen  und  der  Stirnhöhlen.  Zur  Darlegung 
dieser  Veränderungen,  wobei  ich  zugleich  die  übrigen  Knorpel  be- 
spreche und  Betrachtungen  über  die  Gesichtsknochen  und  das 
Keilbein  einflechte ,  benutze  ich  die  in  den  beigegebenen  Tafeln 
abgebildeten  Frontalschnitte  älterer  Embryonen  des  Rindes,  Schweines 
und  des  Menschen.  Zur  Erleichterung  der  Vergleichung  theile  ich 
die  Schnitte ,  welche  an  den  äusseren  Nasenlöchern  beginnen ,  in 
solche  der  vorderen  Abtheilung  der  Nase  (Gegend  der  äusseren 
Nasenlöcher ,  der  Zwischenkieferknochen  und  des  vorderen  Ab- 
schnittes des  Gaumens)  ,  zweitens  in  solche  der  mittleren  und 
drittens  in  solche  der  hinteren  Abtheilung  der  Nasenhöhlen. 

Frontalschnitte  der  vorderen  Abtheilung  der  Nasenhöhlen. 

Es  erstreckt  sich  diese  Gegend  von  den  äusseren  Nasenlöchern 
rückwärts  bis  zur  hinteren  Grenze  der  vorderen  Gaumenlöcher. 
Wie  sich  durch  Vergleichung  macerirter  Schädel  ergiebt,  so  hat 
dieser  Theil  der  Nasenhöhlen  bei  verschiedenen  Säugern  eine  sehr 
verschiedene  Länge,  indem  z.  B.  bei  dem  Hasen  diese  vorderen 
Löcher  des  knöchernen  Gaumens  mehr  als  zwei  Drittheile  der 
ganzen  Länge  des  letztern  beanspruchen.  Weniger  lang  erscheinen 
die  durch  den  Gaumentheil  der  Zwischenkieferknochen  geschie- 
denen Gauraenlöcher  beim  Rinde  und  dem  Schafe ,  viel  kürzer 
beim  Hund  und  der  Katze,  am  kürzesten  bei  dem  Menschen.  Bei 
dem  letzteren  nimmt  die  untere  Fläche  des  die  Gaumenlöcher 
trennenden  Gaumentheils  der  Zwischenkieferknochen  eine  sehr  steil 
von  oben  und  hinten  nach  vorn  abfallende  Richtung  an  und  wird 
von  dem  dahinter  liegenden  Abschnitt  des  harten  Gaumens  so 
überragt,  dass  beide  Gaumenlöcher,  die  man  hier  Canales  incisivi 
nennt,  zu  dem  einfachen  Foramen  incisivum  zusammenfliessen. 
Bei  dem  Menschen  ist  daher  der  vordere  von  den  äusseren  Nasen- 
löchern bis  zur  hintern  Grenze  des  Foramen  incisivum  reichende 
Nasenhöhlenabschnitt  verhältnissmässig  sehr  kurz. 

Betrachten  wir  nun  die  Anordnung  des  diesem  Theil  der 
Nasenhöhle  zukommenden  Knorpelgerüstes ,  so  ist  hervorzuheben, 
dass  dasselbe    auch    zum  Nasenboden    sich  erstreckt   und   die   als 


185 

vordere  Gaunienlöcher  bezeichnete  Lücke  des  knöchernen  Gaumens 
schliesst. 

An  dem  auf  Taf.  V  abgebildeten  Frontalschnitt  eines  Rinds- 
fötus beziehen  sich  auf  diesen  Theil  der  Nasenhöhle  die  Fi- 
guren 1 — 9.  Verfolgt  man  diese  Schnitte  von  vorn  nach  hinten, 
so  schwillt  der  Nasenscheidewandknorpel  an  seinem  untern  Rande 
mächtig  an  (Fig.  1 — 4)  und  giebt  auf  jeder  Seite  eine  horizontale 
die  Zwischenkieferknochen  bedeckende  Spalte  ab ,  welche  dem 
Nasenhöhlenboden  angehört.  Was  die  Knorpelplatte  der  seitlichen 
Nasenwand  betrifft ,  so  wird  diese  in  Fig.  1  durch  das  äussere 
Nasenloch  unterbrochen ;  in  Fig.  3  giebt  sie  die  knorpliche  Grund- 
lage der  untern  Muschel  ab  und  sucht  sich  bei  c  durch  eine  an 
diesem  Schnitt  unterbrochene  Fortsetzung  mit  der  Knorpelplatte 
des  Nasenbodens  zu  verbinden.  —  Die  Figuren  5 — 9  treffen  den 
vorderen  Abschnitt  der  Nasenhöhle  in  der  Gegend  der  Gaumen- 
löcher. Ein  jedes  der  letzteren  trennt  den  betreffenden  knöchernen 
Zwischenkiefer  in  einen  lateralen  Theil  (Fig.  6,  h)  und  in  me- 
dianes rundliches  Stück  oder  den  knöchernen  Gaumentheil  eines 
Zwischenkiefers  (g).  Der  dadurch  entstehende  Zwischenraum  wird 
durch  eine  Knorpelplatte  des  Nasenbodens  gedeckt  (Fig.  5,  e). 
Es  dient  diese  Lücke  oder  das  vordere  Gaumenloch  zum  Durch- 
tritt der  von  einer  Knorpelplatte  umfassten  Jakobson'schen  und 
Stenson'schen  Gänge,  welche  in  Fig.  5  noch  unter  ihr  liegen;  in 
Fig.  6  und  7  treten  sie  in  das  Loch  ein  und  ihre  Knorpelhülle 
verschmilzt  mit  dem  Knorpel  des  Nasenbodens ;  in  Fig.  8  und  9 
erhalten  sie  endlich  ihre  Lage  über  dem  Gaumenloch.  Dabei 
ändert  jede  ursprünglich  sehr  einfache  Knorpelplatte  des  Nasen- 
bodens ihre  Gestalt  und  scheidet  sich  auch  von  dem  untern  Rand 
des  Nasenscheidewandknorpels  ab.  Wie  ferner  aus  Fig.  G  und  7 
hervorgeht,  so  sucht  die  Knorpelplatte  der  Nasenseitenwand  dem 
Nasenbodenknorpel  sich  anzuschliessen,  wobei  sie  in  mehrere  Stücke 
zerklüften  kann.  —  Vergleicht  man  damit  die  auf  Taf.  IV  abge- 
bildeten Frontalschnitte  eines  Schweinsfötus  (Fig.  1 — 7),  so  zeigen 
auch  hier  sämmtliche  Nasenhöhlenwandungen  Knorpelplatten ,  die 
in  der  Seitenwand  und  im  Nasenhöhlenboden  in  einzelne  Stücke 
zerklüften  können.  Der  das  äussere  Nasenloch  treffende  Frontal- 
schnitt (Fig.  1)  ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  der  Nasenscheide- 


186 

wandknorpel  in  zwei  symmetrische  Seitenhälften  zerfällt.  Auffallend 
sind  ferner  in  Fig.  2  und  3  zwei  von  dem  knorplichen  Nasenboden 
abgehende  zapfenförmige  Fortsetzungen.  Fig.  7  trifft  das  Gaumen- 
loch (zwischen  o  und  p). 

Was  den  Menschen  betrifft,  so  will  ich  zuerst  die  hierher  ge- 
hörigen Frontalschnitte  eines  8  Ctm.  langen  Embryo  besprechen 
(Taf.  VII,  Fig.  1 — 8).  Bei  dem  Rind  und  dem  Schwein  enthält 
der  Nasenhöhlenboden  eine  von  dem  unteren  Rand  des  Nasen- 
scheidewandknorpels  abgehende  horizontale  Knorpelplatte,  die  in 
ihrem  Verlaufe  nach  hinten,  wie  wir  gesehen  haben,  ihre  Gestalt 
in  verschiedener  Weise  abändert  und  sich  von  dem  Scheidewand- 
knorpel  ablöst.  An  dem  vorliegenden  menschlichen  Fötus  dagegen 
besitzt  zwar  der  Nasenboden  ebenfalls  Knorpel ,  jedoch  nicht  in 
Gestalt  von  breiten  Platten ,  sondern  von  schmalen  Längsbalken. 
Im  Durchschnitt  erscheinen  dieselben  rundlich  (Fig.  1 ,  d)  und 
liegen  dem  Nasenscheidewandknorpel  nur  dicht  an,  ohne  mit  ihm 
zu  verschmelzen.  In  einiger  Entfernung  hinter  den  äusseren  Nasen- 
löchern werden  diese  Balken  auf  jeder  Seite  doppelt  (Fig.  4  und  5) 
und  es  verbreitern  sich  die  medianen  Balken  allmählig  zu  senk- 
recht gestellten  Knorpelplatten  (Fig.  6,  7  und  8).  Was  die  knorp- 
lichen Seitenplatten  betrifft ,  so  erreichen  dieselben  hinter  den 
äusseren  Nasenlöchern  den  Nasenboden  (Fig.  5,  d) ,  um  sich  den 
hier  befindlichen  Knorpelbalken  anzuschliessen.  —  Fig.  8  trifft  die 
vorderen  Gaumenlöcher  (Canales  incisivi),  deren  mediane  Begren- 
zung durch  die  verknöcherten  Gaumentheile  (f)  der  Zwischenkiefer- 
knochen gebildet  wird  (vcrgl.  Taf.  V,  Fig.  6,  g).  Von  den  Knorpeln 
des  Nasenhöhlenbodens  sind  die  lateralen  verschwunden,  die  me- 
dianen sind  mit  d  bezeichnet. 

An  den  entsprechenden  Frontalschnitten  eines  älteren,  1,08  Dem. 
langen  menschlichen  Fötus  (Taf.  IX,  Fig.  5  und  6)  sind  die  Knorpel 
des  Nasenhöhlenbodens  stärker  entwickelt.  Ferner  bemerkt  man 
in  Fig.  ß  eine  auffallende  in  die  Stirnwand  aufsteigende  Wuche- 
rung des  Nasenknorpelgerüstes ,  worin  durch  nachträgliche  Ein- 
schmelzung  die  Stirnhöhlen  entstehen  (a).  Schon  an  dem  vorher- 
gehenden 8  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus  ist  diese  Wucherung 
zu  bemerken  (Taf.  VII,  Fig.  8,  c),  aber  noch  ohne  Aushöhlung; 
ebenso  auf  Taf.  VIII,  Fig.  2,  b  von  einem  2  Dem.  langen  Fötus. 


187 

Frontalschnitte  des  mittleren  Abschnittes  der  Nasenhöhlen. 

Diese  Nasengegend  reicht  von  der  hinteren  Grenze  der  vor- 
deren Gaumenlöcher  rückwärts  bis  zur  vorderen  Grenze  des 
Nasenrachenganges ,  trifft  daher  auch  die  Gegend  der  Oberkiefer- 
höhlen und  die  Processus  palatini  der  Oberkieferknochen.  Der 
Nasenhöhlenboden  ist  hier  im  Ganzen  ohne  Knorpel  mit  Ausnahme 
des  an  die  vorderen  Gaumenlöcher  anstossenden  Abschnittes,  wo- 
selbst noch  eine  kurze  Fortsetzung  des  davor  liegenden  Nasen- 
bodenknorpels  getroffen  wird;  ferner  fehlen  hier  die  Jakobson'schen 
und  Stenson'schen  Gänge,  die  Knorpelplatten  der  Nasenseitewände 
nehmen  an  Dicke  auffallend  zu  und  es  entstehen  in  ihnen  die 
Siebbeinlabyrinthe  sowie  durch  nachträgliche  Einschmelzung  die 
Oberkieferhöhlen. 

Die  hierher  gehörigen  Frontalschnitte  eines  Rindsfötus  finden 
sich  auf  Taf.  V,  Fig.  10—13.  Die  in  Fig.  10  und  11  abgebil- 
deten Schnitte  liegen  nahe  hinter  den  vorderen  Gaumenlöchern, 
zeigen  daher  noch  eine  Fortsetzung  der  Nasenbodenknorpel  und 
es  enthalten  die  letzteren ,  S-förmig  gebogen ,  in  P^ig.  10  die  hin- 
tersten Enden  der  Jakobson'schen  Gänge.  —  Fig.  12  zeigt  noch 
einen  Rest  der  zuletzt  genannten  Knorpel  an  den  oberen  Rändern 
des  rinnenförmig  gebogenen  Vomer.  Die  rechte  Seite  dieser  Figur 
ist  einem  weiter  nach  hinten  liegenden  Schnitte  entnommen  und 
man  bemerkt  die  Dickenzunahme  der  Nasenseitewandplatten  ,  die 
sich  hier  bis  zum  Nasenboden  herab  erstrecken.  —  In  Fig.  13 
macht  sich  die  Dickenzunahme  der  Seitenwandknorpel  sehr  be- 
merklich; beide  erreichen  zugeschärft  den  Nasenboden  und  ent- 
halten in  ihrer  unteren  Partie  eine  durch  Einschmelzung  entstandene 
grosse  Lücke  (w)  oder  die  knorpliche  Anlage  der  Oberkieferhöhlen. 
Es  geschieht  die  Einschmelzung  von  der  Nasenhöhle  aus,  wie  die 
rechte  Seite  dieser  Figur  zeigt,  und  schreitet  dann  in  dem  Knorpel 
theils  nach  vorn,  theils  nach  hinten  weiter;  es  bildet  sich  zugleich 
dabei  eine  mit  der  Nasenschleimhaut  zusammenhängende  Ausklei- 
dung. Aehnliche  aber  kleinere  durch  Einschmelzung  der  anfangs 
soliden  Knorpel  entstandenen  Lücken  zeigt  jede  Seitenplatte  in 
ihrer  oberen  ebenfalls  mächtig  verdickten  Partie  (x)  und  es  stehen 
dieselben  in  Beziehung  zur  Entstehung  der  vordersten  Enden  der 
Siebbeinzellen. 


188 

Bei  dem  Schwein  (Taf.  IV,  Fig.  8,  9  und  10)  zeigt  der  vor- 
derste dicht  hinter  den  vorderen  Gaumenlöchern  liegende  Schnitt 
noch  einen  zwischen  den  Vomer  (q)  und  die  Proc.  palatini  der 
Oberkieferknochen  (p)  sich  einschiebende  Fortsetzung  des  knö- 
chernen Gaumentheils  des  Zwischenkiefers  (o),  sowie  noch  eine 
kurze  Fortsetzung  der  Knorpelplatten  des  Nasenbodens  (e).  — 
In  Fig.  10  bemerkt  man  in  der  unteren  verdickten  Hälfte  der 
Knorpelplatte  der  Nasenseitewand  einen  durch  Einschmelzung  ent- 
standenen von  Schleimhaut  ausgefüllten  Raum,  der  bei  u  eine  das 
vorderste  Ende  der  Kieferhöhle  darstellende  Lücke  zeigt  (vergl. 
Fig.   11,  u). 

Die  hierher  gehörigen  Frontalschnitte  eines  8  Ctm.  langen 
menschlichen  Fötus  finden  sich  auf  Taf.  VII,  Fig.  9,  10,  11  und  12. 
Der  erste  dicht  vor  der  Crista  galli  liegende  Schnitt  zeigt  am 
Boden  der  Nasenhöhle  zu  beiden  Seiten  des  Vomer  noch  einen 
Rest  des  Nasenbodenknorpels.  Die  Seitenplatten  nehmen  aufwärts 
an  Dicke  zu  (knorpliche  Anlage  des  vordersten  Endes  der  Sieb- 
beinlabyrinthe) und  dringen  mit  dem  oberen  dicken  Rand  des 
Nasenscheidewandknorpels  zwischen  den  Partes  orbitales  des  Stirn- 
beins in  die  Schädelhöhle. 

Fig.  10  trifft  die  Nasenhöhlen  in  der  Gegend  der  Crista  galli  (c). 
Die  frühere  bogenförmige  Verbindung  der  knorplichen  Seitenplatten 
mit  dem  obern  Rand  des  Nasenscheidewandknorpels  hat  sich  auf 
jeder  Seite  in  eine  dünne  Knorpelplatte  verwandelt  (d),  welche  die 
Anlage  einer  Seitenhälfte  der  Lainina  cribrosa  des  Siebbeins  dar- 
stellt. Vergleicht  man  alle  die  Siebplatte  treffenden  Frontalschnitte 
menschlicher  Embryonen  (Fig.  1 1  ,  Taf.  VIII ,  Fig.  3 ,  4  und  5 ; 
Taf.  IX,  Fig.  2  und  7),  so  findet  man  an  manchen  Durchschnitten 
diese  Knorpelplatte  nicht  durchbrochen  und  mit  dem  Nasenscheide- 
wandknorpel  sowie  mit  den  knorplichen  Seitenplatten  in  ununter- 
brochenem Zusammenhang  (Taf,  VIII,  Fig.  5;  Taf.  IX,  Fig.  2). 
Die  an  den  übrigen  Schnitten  sichtbaren  einfachen  oder  mehrfachen 
Abgliederungen  beziehen  sich  auf  die  Bildung  der  Foramina  cri- 
brosa. —  Die  an  die  knorpliche  Siebplatte  anstossende  obere  Partie 
der  knorplichen  Seitenplatte  (Taf.  VII,  Fig.  10,  b)  giebt  die  knorp- 
liche Grundlage  der  beiden  Siebbeinmuscheln  ab  und  ist  überhaupt 
sehr   massig    (knorpliche    solide    Anlage    des  Siebbeinlabyrinthes) ; 


189 

noch  auffallender  markirt  sich  diese  Partie  in  der  folgenden  Fi- 
gur 11,  k.  Ferner  giebt  jede  dieser  Seitenplatten  an  ihrem  oberen 
Rand  einen  iateralwärts  in  das  Augenhöhlendach  eingehenden  hori- 
zontalen Flügel  ab ,  welcher  an  manchen  Durchschnitten  stellen- 
weise von  seiner  Wurzel  sich  etwas  absetzt  (Fig.  10,  b  und  Fig. 
11,  b);  vergl.  auch  Taf.  VIII,  Fig.  3,  4  und  5 ,  sowie  Taf.  IX, 
Fig.  2  und  7.  Ich  will  sie  Orbitalflügel  des  knorplichen  Siebbeins 
nennen  und  sie  erinnern,  wenn  man  die  verschiedenen  Abbildungen 
vergleicht,  an  das  Verhältniss  der  knorplichen  kleinen  Keilbein- 
flügel (Orbitalflügel,  H  e  n  1  e)  zu  dem  knorplichen  Keilbeinkörper, 
während  die  soliden  knorplichen  Labyrinthanlagen  in  mancher 
Hinsicht  mit  den  absteigenden  Keilbeinflügeln  übereinstimmen.  Es 
bedecken  diese  Orbitalflügel  des  Siebbeins  die  darunter  entstehen- 
den Orbitaltheile  des  Stirnbeins  (vergl.  die  versch.  Abbildgn.  d.  3 
letzten  Tafeln)  und  gehen  rückwärts  continuirlich  in  die  knorp- 
lichen Orbitalflügel  des  Keilbeins  über.  Sehr  schön  zeigt  diese 
Flügel  der  auf  Taf.  IV,  Fig.  14  abgebildete  Frontalschnitt  eines 
Schweinsfötus. 

Auch  die  untere  Partie  der  knorplichen  Seitenplatten  der 
Nasenhöhlen  nimmt  an  Masse  zu  und  wird  ebenso ,  wie  ich  es 
für  die  Säugethiere  gezeigt  habe ,  von  der  Nasenhöhle  aus  zur 
Bildung  der  Oberkieferhöhlen  ausgehöhlt  (Taf.  VII,  Fig.  10). 
Besonders  schön  sieht  man  von  einem  1,08  Dem.  langen  mensch- 
lichen Fötus  auf  Taf.  IX ,  Fig.  7  das  untere  anschwellende  Ende 
einer  knorplichen  Seitenplatte  (a) ;  auf  der  gegenüberstehenden 
(rechten)  Seite  dieses  Schnittes  erblickt  man  dasselbe  von  dem 
Oberkieferknochen  umfasst,  jedoch  von  der  Nasenhöhle  aus  bereits 
tief  ausgehöhlt  (Sinus  maxillaris).  Lehrreich  für  die  Bildungs- 
geschichte der  Oberkieferhöhlen  sind  auch  die  auf  Taf.  VIII  ab- 
gebildeten Frontalschnitte  eines  2  Dem.  langen  menschlichen  Fötus; 
Fig.  4  trifft  das  vordere  Ende  dieser  von  Knorpel  umfassten 
Höhlen  (f  und  m) ;  Fig.  5  trifft  den  mittleren  Theil  (d  und  s), 
dessen  Knorpelhülle  durch  den  heranwachsenden  Oberkieferknochen 
bereits  grösstentheils  verdrängt  wurde.  Ferner  bemerkt  man  an 
diesem  Schnitt  in  der  Schleimhaut  der  untern  Muschel  sowie  in 
der  Wand  der  Oberkieferhöhle  die  runden  Durchschnitte  von  zahl- 
reichen in  der  Entwicklung  begriffenen  Schleimdrüsen ;  sehr  deutlich 


190 

erkennt  man  diese  Drüsenanlagen  auch  in  der  Wandung  der  Ober- 
kieferhöhlen von  Schweinsembryonen  (Taf.  IV,  Fig.   11,  u). 

Die  in  diesen  Durchschnitten  getroffenen  unteren  Muscheln 
des  Rindes ,  Schweines  und  des  Menschen  stimmen  ihrer  Gestalt 
und  Lage  nach  sehr  mit  einander  überein.  Betrachtet  man  die 
Frontalschnitte  der  unteren  Muscheln  eines  Rindsembryo  (Taf.  V, 
Fig.  13),  so  kann  man  daran  eine  Wurzel  und  zwei  nach  oben 
und  nach  unten  divergirende  gebogene  Schenkel  unterscheiden. 
Ueber  und  lateralwärts  von  dem  oberen  Schenkel  gelangt  man 
zum  Eingang  der  von  Knorpel  ringsum  umgebenen  Oberkieferhöhle, 
deren  mediane  Wand  in  die  Wurzel  der  Muschel  sich  fortsetzt. 
Eine  ganz  ähnliche  Gestalt  und  Lage  zeigen  die  unteren  Muscheln 
eines  1,08  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus  (Taf.  IX,  Fig.  7); 
man  unterscheidet  daran  eine  in  die  mediane  Knorpelwand  der 
Oberkieferhöhle  sich  fortsetzende  Wurzel,  sowie  einen  unteren  und 
einen  kürzeren  oberen  Schenkel.  Die  knorpliche  Achse  des  letz- 
teren hat  sich  von  dem  übrigen  Knorpel  bereits  abgegliedert. 
Eine  ähnliche  Ansicht  giebt  der  in  Fig.  8  abgebildete  Frontal- 
schnitt einer  isolirten  Muschel,  welche  demselben  Fötus  angehört 
und  durch  einen  ihre  Wurzel  treffenden  Schnitt  abgetrennt  wurde. 
Ebenso  verhalten  sich  die  unteren  Muscheln  menschlicher  Fötus 
auf  Taf.  VII,  Fig.  10;  Taf.  VIII,  Fig.  4  und  5.  An  der  aus- 
gebildeten unteren  Muschel  des  Erwachsenen  unterscheidet  man 
bekanntlich  aufsteigende  Fortsätze  (Processus  ethmoidalis  et  lacry- 
malis)  sowie  einen  absteigenden  Fortsatz  (Proc.  maxillaris)  ;  jene 
sind  die  Reste  des  embryonalen  oberen  Schenkels  der  Muschel, 
dieser  ist  die  Wurzel,  während  die  eigentliche  Muschel  den  un- 
teren Schenkel  darstellt. 

Frontalschnitte  des  hinteren  Abschnittes  der  Nasenhöhlen. 

Dieser  Theil  der  Nasenhöhle  ist  bei  den  Säugethieren  durch 
einen  doppelten  den  Nasenrachengang  enthaltenden  Boden  ausge- 
zeichnet. Nur  die  über  dem  Nasenrachengang  liegende  Partie  der 
Nasenhöhle  oder  die  eigentliche  Siebbeingegend  enthält  eine  Fort- 
setzung des  Knorpelgerüstes ,  welches  jede  Nasenhöhle  ringsum 
umfasst  und  woraus  sich  auch  das  Siebbein  bildet.  Der  in  der 
Nasenscheidewand    enthaltene    mächtige  Knorpel,  woraus  hier  die 


191 

Lamina  cribrosa  hervorgeht,  setzt  sieh  nach  hinten  ohne  Unter- 
brechung in  den  Knorpel  des  vordem  Keilbeinkörpers  fort,  so 
dass  derselbe  mit  seinem  vordem  Abschnitt  noch  zwischen  die 
hintersten  Enden  der  Nasenhöhlen  zu  liegen  kommt.  Die  hierher 
gehörigen  Frontalschnitte  eines  Rinds-  und  eines  Schweinsembryo 
finden  sich  auf  Taf.  V,  Fig.  14  und  Taf.  IV,  Fig.  11,  12  und  13. 
Legt  man  den  Frontalschnitt  hinter  der  Siebbeingegend  durch  die 
hintere  Partie  des  vorderen  Keilbeinkörpers  an,  so  trifft  man  noch 
das  hintere  Ende  des  Nasenrachenganges  (Taf.  V,  Fig.   15). 

Bei  menschlichen  Embryonen  weicht  dieser  Theil  der  Nasen- 
höhlen sehr  von  dem  der  Säugethiere  ab.  Es  fehlt  nämlich ,  wie 
icli  schon  früher  auseinander  setzte,  der  die  Riechgegend  von  der 
Regio  respiratoria  abscheidende  Boden ,  weshalb  ich  die  Riech- 
gegend des  Menschen  bereits  bei  dem  mittleren  Abschnitt  der 
Nasenhöhle  besprochen  habe.  Ich  finde  jedoch  auch  bei  mensch- 
lichen Embryonen  noch  eine  kleine  Verlängerung  der  Riechgegend, 
welche  ihre  Lage  zu  beiden  Seiten  des  knorplichen  Keilbein- 
körpers einnimmt,  während  die  Regio  respiratoria  der  Nasenhöhle 
unter  dem  Keilbein  hinweg  als  Nasenrachengang  sich  fortsetzt. 
Somit  besitzt  auch  der  Mensch  im  hintersten  Abschnitt  der  Nasen- 
höhle eine  Abscheidung  in  eine  obere  und  eine  untere  Partie,  je- 
doch mit  dem  Unterschied ,  dass  die  obere  Partie  nur  einen 
äusserst  kleinen  Anhang  der  Regio  olfactoria  oder  die  Anlage  der 
Keilbeinhöhlen  darstellt.  Auch  bei  den  Säugethieren  greift  das 
hintere  Ende  der  Regio  olfactoria  in  die  Keilbeingegend  ein ,  aber 
in  viel  stärkerem  Maasse  ,  so  dass  aus  diesem  Grunde  besondere 
Keilbeinhöhlen  nicht  vorkommen  oder  es  bilden  vielmehr  diese 
Höhlen  bei  den  Säugern  keinen  Anhang  der  Nasenhöhlen,  sondern 
gehen  gänzlich  in  die  Nasenhöhlen  auf  (vergl.  S.  97). 

Was  den  Knorpel  der  Nasenscheidewand  betrifft,  so  geht  auch 
bei  dem  Menschen  derselbe  ohne  Unterbrechung  in  den  knorp- 
lichen Körper  des  vorderen  Keilbeins  über ,  wobei  er  an  Dicke 
allmählig  zunimmt. 

Wenn  ich  mich  nun  zur  Betrachtung  der  beigegebenen  Ab- 
bildungen wende,  mache  ich  noch  einmal  darauf  aufmerksam,  dass 
alle  hierher  gehörigen  den  hintersten  Abschnitt  der  Nase  treffen- 
den   Frontalschnitte    durch    den    vordem    Theil    des    knorplichen 


192 

vordem  Keilbeinkörpers  gehen,  welcher  hier  somit  die  Rolle  der 
Nasenscheidewand  spielt.  Zu  beiden  Seiten  von  ihm  liegen  die 
von  Knorpel  umfassten  hintersten  Enden  der  Regio  olfactoria  der 
Nasenhöhlen  oder  die  Anlagen  der  späteren  Sinus  ethmoidales ; 
unter  dem  Keilbeinkörper  trifft  man  den  Durchschnitt  der  hin- 
teren Partie  der  Regio  respiratoria  oder  den  Nasenrachengang. 

Ich  beginne  mit  den  Frontalschnitten  eines  8  Ctm.  langen 
menschlichen  Fötus,  die  ich  auf  Taf.  VII,  Fig.  13,  14  und  15 
abgebildet  habe,  schicke  aber  zum  besseren  Verständniss  eine  Be- 
merkung über  einige  davor  liegende  Schnitte  voraus ,  welche  die 
Siebbeingegend  treffen.  Bekanntlich  wird  an  dem  macerirten 
Schädel  des  Erwachsenen  das  hintere  Ende  der  Siebplatte  von 
dem  Keilbein  zu  beiden  Seiten  der  Mittellinie  überragt,  so  dass 
zwischen  beiden  eine  im  frischen  Zustande  von  Weichtheilen  aus- 
gefüllte und  von  der  harten  Hirnhaut  überzogene  Lücke  sich 
findet,  welche  am  knorplichen  Primordialschädel  verhältnissmässig 
noch  viel  grösser  erscheint  und  nach  Entfernung  aller  Weichtheile 
als  ein  die  knorpliche  Schädelbasis  durchbohrendes  Loch  erscheint, 
welches  vonSpöndli  „Foramen  spheno-frontale"  genannt  wurde. 
Nach  meinen  an  menschlichen  Embryonen  gemachten  Erfahrungen 
ist  nun  die  erwähnte  Aushöhlung  zwischen  dem  späteren  Keilbein 
und  Siebbein  ein  Rest  dieses  Foram.  spheno-frontale. 

In  der  Medianebene  dagegen  verbindet  sich  das  häufig  zu 
diesem  Zweck  in  eine  Spitze  verlängerte  Jugum  sphenoidale  mit 
einer  medianen  Leiste  der  Lamina  cribrosa,  welche  nach  vorn  zur 
Crista  galli  auswächst  und  mit  derselben  den  in  die  Schädelhöhle 
vorspringenden  oberen  Rand  der  Lamina  perpendicularis  darstellt. 

Betrachtet  man  nun  den  in  Fig.  10,  Taf.  VII  dargestellten 
Frontalschnitt,  so  bedeutet  der  Nasenscheidewandknorpel  die  An- 
lage der  Lamina  perpendicularis  des  Siebbeins  und  setzt  sich  der- 
selbe als  Crista  galli  (c)  in  die  Schädelhöhle  fort.  —  Der  folgende 
Schnitt  (Fig.  1 1)  trifft  das  knorpliche  Siebbein  hinter  der  Crista 
galli  und  es  springt  hier  der  obere  Rand  des  Nasenscheidewand- 
knorpels  (Lamina  perpendicularis)  nur  ganz  wenig  in  die  Schädel- 
höhle vor  (mediane  Leiste  der  spätem  knöchernen  Lamina  cribrosa). 
Der  folgende  Schnitt  (Fig.  12)  trifft  die  hintere  Siebbeingegend 
und    es    geben    die    vorausgeschickten    Bemerkungen    über    den 


193 

knöchernen  Schädel  des  Erwachsenen  den  Schlüssel  zum  Ver- 
ständniss;  in  dieser  Gegend  wird  nämlich  das  knorpliche  Siebbein 
von  dem  knorplichen  vorderen  Keilbein  überlagert.  Es  wächst 
der  obere  Rand  der  knorplichen  Nasenscheidewand  wiederum 
stärker  über  die  knorplichen  Seitenhälften  der  Lamina  cribrosa 
hervor ,  so  dass  er  sie  beträchtlich  überragt,  schwillt  dann  etwas 
an  und  entladet  sich  nach  jeder  Seite  in  eine  horizontale, 
schliesslich  in  das  Augenhöhlendach  sich  fortsetzende  Knorpel- 
platte (b).  In  dem  das  Siebbein  überragenden  Abschnitt  des 
Nasenscheidewandknorpels  entsteht  das  hintere  Ende  der  medianen 
Leiste  der  Siebplatte  sowie  der  mediane  Abschnitt  des  vorderen 
Randes  des  Jugum  (Spina- ethmoidalis).  In  den  beiden  knorp- 
lichen horizontalen  Seitenplatten  entsteht  der  laterale  Abschnitt  des 
Jugum  sphenoidale. 

Die  horizontalen  Seitenplatten  sind  Fortsetzungen  der  schon 
früher  beschriebenen  in  den  Augenhöhlendächern  sich  ausbreiten- 
den horizontalen  Flügeln  des  knorplichen  Siebbeins  (Fig.  11,  b; 
Fig.  10,  b) ,  welche  ich  Orbitalflügel  genannt  habe.  Sie  bilden 
mit  den  knorplichen  Orbitalflügeln  (Alae  parvae)  des  Keilbeins  eine 
zusammenhängende  Knorpelplatte,  unter  welcher  die  Partes  orbi- 
tales des  Stirnbeins  entstehen  und  die  man  bisher  bei  dem  Menschen 
in  dieser  Ausbreitung  nicht  gekannt  hat.  Man  sprach  nur  von 
einer  die  kleinen  Keilbeinflügel  mit  dem  hintern  Siebbeinende  ver- 
bindenden Knorpelbrücke,  dieSpöndli  Frontalplatte  nennt.  Da, 
wie  wir  gesehen  haben  (Fig.  12),  die  Lamina  cribrosa  an  ihrem 
hintern  Ende  tiefer  liegt  als  der  obere  Rand  des  Nasenscheide- 
wandknorpels, so  gehen  von  dort  an  die  Orbitalplatten  nicht  mehr 
von  den  Seitenrändern  der  Siebplatte ,  sondern  höher  oben  von 
dem  Scheidewandknorpel  ab  (b). 

Was  die  in  Fig.  12  getroffene  knorpliche  Seitenwandplatte 
der  Nasenhöhle  betrifft  (e) ,  welche  in  ihrem  obern  Abschnitt  die 
Anlagen  der  hinteren  Enden  der  Labyrinthe  vorstellen,  so  nehmen 
dieselben  hier  bereits  an  Höhe  und  Dicke  ab  und  es  verlieren 
sich  die  davon  abgehenden  Knorpelstützen  der  Muscheln. 

Nachdem  ich  diese  Erörterungen  vorausgeschickt  habe,  wende 
ich  mich  nun  zu  den  Frontalschnitten  der  hintersten  Partie  der 
Nasenhöhlen  (Fig.  13,  14  und  15).     Figur  13  trifft  das  Grenzgebiet 

D  u  r  s  y ,  Ent wicklgsges  eh.  1  3 


194 

des  Keilbeins  und  Siebbeins  ,  es  nimmt  daher  die  Nasenscheide- 
wand mit  ihrem  Knorpel  an  Höhe  ab,  um  so  mehr  aber  an  Dicke 
zu.  Auf  der  linken  Seite  haben  sich  die  Nasenhöhlen  in  eine 
obere  kleinere  (n)  und  eine  untere  grössere  Abtheilung  (g)  ge- 
schieden. Jene  ist  das  hinterste  Ende  der  Regio  olfactoria  oder 
die  Anlage  eines  Sinus  sphenoidalis;  diese  ist  die  in  den  Nasen- 
rachengang  übergehende  Partie  der  Regio  respiratoria.  Was  nun 
das  Knorpelgerüste  der  Nase  betrifft,  so  unterscheidet  man  hier 
immer  noch  eine  mediane  und  zwei  laterale  Knorpelplatten.  Die 
mediane  nach  unten  keulenförmig  anschwellende  Knorpelplatte 
ist  die  unmittelbare  Fortsetzung  des  Nasenscheidewandknorpels, 
aus  welchem  hier  der  hintere  Rand  der  Lamina  perpendicularis 
und  die  anstossende  Partie  des  vordem  Keilbeinkörpers  sich  ent- 
wickelt. Der  die  Seitenplatten  nach  oben  überragende  und  an 
seinem  Ende  in  zwei  horizontale  Platten  (b)  übergehende  Abschnitt 
des  medianen  Knorpels  hat  dieselbe  Bedeutung  wie  in  Fig.  12.  — 
Die  Knorpelplatten  der  Seitenwände  der  Nasenhöhlen  (d)  sind  viel 
kürzer  geworden,  indem  ihre  untere  Partie  durch  die  Gaumen- 
beine (m)  verdrängt  wurde.  Mit  ihrem  oberen  hackenförmig  um- 
gebogenen Ende  (a)  umfassen  sie  den  obern  Umfang  der  Nasen- 
höhlen und  lösen  sich  von  dem  Scheidewandknorpel  ab. 

Der  folgende  Schnitt  (Fig.  14)  trifft  den  vorderen  knorplichen 
Keilbeinkörper,  welcher  somit  eine  unmittelbare  Fortsetzung  des 
Nasenscheidewandknorpels  darstellt.  Die  beiden  horizontalen  Seiten- 
platten, in  welche  das  obere  verdickte  Ende  des  Keilbeinknorpels 
sich  ausladet,  habe  ich  schon  in  den  vorhergehenden  Figuren  be- 
sprochen ;  es  entstehen  in  ihm  die  beiden  Seitenhälften  des  Jugum 
und  der  kleinen  Keilbeinflügel.  —  Jede  Nasenhöhle  hat  sich  jetzt 
vollständig  in  eine  obere  und  in  eine  untere  Abtheilung  geschie- 
den ;  die  obere  Abtheilung  (einwärts  von  b)  erscheint  als  eine  kleine 
rundliche  von  einem  dicken  Knorpel  umfasste  Höhle  (Sinus 
sphenoidalis);  die  untere  grössere  Abtheilung  (c)  ist  das  hintere 
Ende  der  Regio  respiratoria,  welche  mit  dem  der  anderen  Seite 
zum  Nasenrachengang  zusammenfliesst.  Der  die  Sinus  sphenoi- 
dales  umgebende  Knorpelring  ist  eine  directe  Fortsetzung  der 
Knorpelplatten  der  Nasenseitenwände,  wie  sich  durch  Vergleichung 
mit  den  vorhergehenden  Figuren  ergiebt ;  indem  sie  sich  zu  einem 


195 

Rohre  unirollen,  schliessen  sie  den  Rest  der  Regio  olfactoria  (Sinus 
sphenoidales)  von  der  Regio  respiratoria  (Nasenrachengang)  ab. 
Da  nun  die  Anlagen  der  Sinus  sphenoidales  zu  beiden  Seiten  des 
knorplichen  Keilbeinkörpers  liegen,  so  folgt  daraus,  dass  von  dem 
spätem  die  Sinus  umschliessenden  knöchernen  Keilbeinkörper  nur 
dessen  in  der  Medianeb enc  der  Schädelbasis  liegende  Partie  (Ge- 
gend des  späteren  Septum  sinuum  sphenoidalium)  knorplich  prä- 
forinirt  ist ,  während  die  laterale  die  Sinus  enthaltende  Knochen- 
masse eine  in  dem  umgebenden  Gewebe  entstehende  nicht  knorplich 
präformirte  Ablagerung  ist.  Nach  hinten  nimmt  diese  knorpliche 
Keilbeinmitte  an  Höhe  ab,  an  Dicke  dagegen  zu,  um  ohne  Unter- 
brechung in  die  dickere  knorpliche  Anlage  des  hinteren  Keilbein- 
körpers sich  fortzusetzen. 

In  Fig.  15  trifft  man  zu  beiden  Seiten  des  knorplichen  vor- 
dem Keilbeinkörpers  noch  Reste  der  knorplichen  Kapseln  der 
nun  verschwundenen  Keilbeinhöhlen  (d) ;  von  den  Nasenhöhlen  ist 
nur  der  noch  unpaarige  Nasenrachengang  (f)  zu  sehen. 

Trennt  man  das  Gesicht  eines  menschlichen  Fötus  durch 
einen  Frontalschnitt  in  zwei  Hälften ,  so  lässt  sich  an  der  hintern 
Hälfte  das  die  Anlage  der  Keilbeinhöhlen  darstellende  Grübchen 
zu  jeder  Zeit  auffinden ,  sobald  man  die  Nasenseitenwände  von 
der  Scheidewand  etwas  abzieht.  Es  liegt  ganz  hoch  oben  in  dem 
von  dem  Keilbein  gebildeten  Hintergrund  der  Nasenhöhle,  kann 
den  Kopf  einer  gewöhnlichen  Stecknadel  aufnehmen  und  besitzt 
einen  durch  ein  halbmondförmiges  Schleimhautfältchen  von  unten 
her  überragten  engeren  Eingang. 

Ich  gehe  nun  zu  den  diese  Gegend  betreffenden  Frontal- 
schnitten eines  älteren  2  Dem.  langen  menschlichen  Fötus  über 
(Taf.  VIII,  Fig.  7,  8,  9  und  10;  Taf.  IX,  Fig.  1),  unterlasse  aber 
eine  ausführlichere  Beschreibung  der  Nasenhöhlen  und  ihrer  Knorpel, 
da  für  sie  dasselbe  gilt ,  was  ich  bereits  für  die  auf  Taf.  VII, 
Fig.   12 — 15  abgebildeten  Schnitte  angab. 

Fig.  7  trifft  das  Grenzgebiet  der  Siebbein-  und  Keilbeingegend, 
findet  daher  ihre  Erklärung  durch  Taf.  VII,  Fig.  12  und  13.  Die 
knorplichen  Seitenplatten  der  Nasenhöhlen  ä,  welche  früher  bis 
zum  Nasenboden  herabreichten  ,  werden  in  ihrer  unteren  Hälfte 
durch  die  Gaumenbeine  n  verdrängt.     Ihr   oberes  Ende,    welches 

13* 


'196 

früher  als  knorpliche  Lamina  cribrosa  mit  dem  Seheidewand- 
knorpel  sich  in  Verbindung  setzte,  hat  sich  von  diesem  gelöst  und 
umfasst  den  oberen  Umfang  einer  Nasenhöhle.  Man  kann  daher 
von  nun  an  an  jeder  Seitenplatte  einen  lateralen  dickeren  und 
längeren  (r),  sowie  einen  medianen  kürzeren  Schenkel  unterschei- 
den (c).  Indem  sich  beide  Schenkel  mit  ihren  unteren  Enden 
einander  nähern,  schnüren  sie  den  dazwischen  liegenden  Theil  der 
Nasenhöhle  als  Sinus  sphenoidales  (Fig.  8 ,  o)  von  dem  übrigen 
Theil  oder  der  Regio  respiratoria  (Fig.  8,  d)  ab.  —  Fig.  8  findet 
ihre  Erklärung  durch  Taf.  VII,  Fig.  14;  jedoch  ist  hier  noch  her- 
vorzuheben, dass  der  Nasenrachengang  (d)  durch  eine  nachträglich 
entstandene  Fortsetzung  der  Nasenscheidewand  halbirt  wird.  —  Die 
beiden  folgenden  bei  geringerer  Vergrösserung  gezeichneten  Durch- 
schnitte (Fig.  9  und  10)  zeigen  ebenfalls  zu  beiden  Seiten  des 
knorplichen  vorderen  Keilbeinkörpers  die  Anlagen  der  Sinus 
sphenoidales  (Fig.  9,  c)  und  zuletzt  noch  deren  Knorpel  (Fig.  10,  b). 

Grundform  und  späteres  Verhalten  des  Knorpelgerüstes  der  Nase. 

Bei  jüngeren  Embryonen  ist  das  Knorpelgerüste  der  Nase,  wie 
wir    gesehen    haben,    viel  vollständiger    und  findet  sich  in  sämmt- 
lichen  Wandungen  der   primitiven  Nasenhöhlen,    welche   unab- 
hängig   von    der    Mundhöhle    als  Riechgruben  entstehen,  von  den 
Stirnfortsätzen  und  Oberkieferfortsätzen  begrenzt  werden  und  durch 
die    engen    primitiven    Gaumenspalten    mit   der  Mundhöhle  sich  in 
Höhlenverbindung    setzen.     Nur    dieser  Theil  der  Nasenhöhlen  er- 
hält ein  Knorpelgerüste,  nicht  aber  der   später  aus  der  primitiven 
Mundhöhle    sich    abscheidende  Abschnitt,    dessen  Boden  von  dem 
secundären    Gaumen    gebildet   wird    (Nasenrachengang    nebst  dem 
unter  den  primitiven  Gaumenspalten  liegenden  Abschnitt  der  Regio 
respiratoria,  vergl.  Taf.  IV,    V  und  VII).     Auf  seine    Grundform 
zurückgeführt  besteht  dasselbe  aus  zwei  seitlich  comprimirten  und, 
auf  den  Menschen  bezogen,  horizontalen  neben  einander  liegenden 
Röhren,  deren    sich  berührende  mediane  Wände  zu  einer  gemein- 
schaftlichen Scheidewand  verschmelzen.    Ihre  vorderen  Enden  sind 
offen,  die  hinteren  endigen  blind  und  abgerundet  in  der  Keilbein- 
gegend über  dem  Nasenrachengang.     Die  übrigen  Wandungen  sind 
völlig  geschlossen  mit  Ausnahme  der  untern  Wand  oder  des  Bodens, 


197 

der  in  dem  mittleren  Theil  seiner  Länge  eine  Unterbrechung  er- 
fährt. Bei  dem  Menschen  beträgt  diese  Unterbrechung,  wie  wir 
gesehen  haben  ,  noch  viel  mehr ,  indem  sie  bis  an  das  hinterste 
blinde  Ende  der  Knorpelröhren  reicht.  Ein  weiterer  Unterschied 
zwischen  dem  Menschen  und  den  Säugethieren  besteht  darin,  dass 
das  hintere  in  der  Keilbeingegend  gelegene  blinde  Ende  bei  den 
Säugethieren  eine  viel  mächtigere  Ausbildung  zeigt,  vor  Allem 
also  viel  geräumiger  ist.  Bei  dem  Menschen  dagegen  verengert 
sich  dieses  Ende  so  plötzlich ,  dass  es  nur  wie  ein  kleiner  in  der 
Abschnürung  von  dem  übrigen  Rohr  begriffener  Anhang  erscheint, 
welcher  seine  ursprüngliche  Bedeutung  als  hinterstes  Ende  der 
Regio  olfactoria  aufgiebt  und  nur  eine  Nebenhöhle  darstellt  (Sinus 
sphenoidalis).  Bei  den  Säugethieren  kommt  es  daher  gar  nicht 
zur  Entstehung  einer  die  Rolle  einer  Nebenhöhle  spielenden  Keil- 
beinhöhle, es  nimmt  vielmehr  das  vordere  Keilbein  geradezu  den 
hinteren  Theil  der  Regio  olfactoria  in  sich  auf. 

Die  anfangs  ganz  einfachen  Knorpelröhren  geben  alsbald  an 
ihrer  inneren  Oberfläche  Fortsätze  ab ,  welche  die  schon  früher 
entstandenen  aber  noch  weichen  Muscheln  stützen.  Ferner  zeigen 
die  Röhren  an  verschiedenen  Stellen  ihrer  Wandung  eine  auffal- 
lende Dickenzunahme  und  zwar  vorzüglich  in  ihrer  lateralen  Wand, 
wozu  sich  jedoch  alsbald  eine  von  den  Nasenhöhlen  aus  ge- 
schehende Einschmelzung  hinzugesellt.  Die  laterale  Knorpelwand 
erscheint  dann  ausgebuchtet  und  umschliesst  einen  mit  den  Nasen- 
höhlen communicirenden  Hohlraum  oder  Nebenhöhle  (Sinus  maxil- 
laris) ;  in  ähnlicher  Weise  bilden  sich  auch  die  Anfänge  der  Stirn- 
höhlen. Ferner  verdanken  auch  die  Siebbeinzellen  einer  solchen 
Wucherung  der  lateralen  Knorpelröhrenwand  ihre  Entstehung. 
Durch  nachträgliche  auf  verschiedene  Stellen  beschränkte  Ein- 
schmelzungen  bilden  sich  dann  in  einem  ursprünglich  soliden  knorp- 
lichen  Labyrinth  die  späteren  Siebbeinzellen  (Taf.  VIII,  Fig.  5,  v). 
Bei  den  Säugethieren  ist  diese  Gegend  wie  später  so  auch  in 
ihrer  Entwicklung  viel  complicirter ,  da  hier  die  meisten  der  so- 
genannten Siebbeinzellen  den  Muscheln  ähnliche  Vorsprünge  der 
Nasenhöhlenwand  sind.  Wir  finden  daher  auch  später  nicht  wie 
bei  dem  Menschen  nur  eine  einfache  obere  Muschel,  sondern  die- 
selbe  ist   gleichsam   in   eine   grosse  Anzahl    kleinerer  gewundener 


198 

Knochenplättchen  zerfallen.  Da  diese  zugleich  von  der  untern 
Fläche  der  Siebbeinplatte  abgehen ,  so  können  sie  als  die  weiter 
entwickelten  und  selbstsändig  gewordenen  Kanälchen  angesehen 
werden,  die  im  menschlichen  Siebbein  sich  finden  und  die  Foramina 
cribrosa  fortsetzen. 

Die  obere  Wand  der  Nasenknorpclröhren  ist  zugleich,  soweit 
sie  dem  Schädel  anliegt,  knorpliche  Schädelbasis  (Lamina  cribrosa) 
und  steht  hier  mit  einer  lateralwärts  in  das  Augenhöhlendach  sich 
ausbreitenden  Knorpelplatte,  die  ich  Orbitalflügel  des  knorplichen 
Siebbeins  nannte,  in  ununterbrochenem  Zusammenhang.  Der  den 
Hirnschädel  nach  vorn  überragende  Abschnitt  der  Nasenknorpel- 
röhren  ist  die  knorpliche  Grundlage  der  äusseren  Nase. 

Unterdessen  entstehen  die  Gesichtsknochen,  umlagern  das  sie 
stützende  Nasenknorpelgerüste  (Taf.  V,  Fig.  13)  und  bilden  sich 
zum  Theil  auf  Kosten  desselben  weiter  aus.  Abgesehen  von  dem 
Unterkiefer  erscheint  am  frühesten  der  Oberkieferknochen,  welcher 
in  Gestalt  einer  kleinen  dünnen  Scherbe  an  der  Aussenseite  der 
Knorpelplatte  der  Nasenseitenwand  sich  ablagert  und  zwar  an  der 
unteren  Hälfte  derselben  (Taf.  III,  Fig.  3,  e  und  Fig.  4).  Diese 
Scherbe  umwächst  alsbald  mit  einem  lateralen  Schenkel  die  late- 
ralwärts liegende,  die  Zahnanlagen  enthaltende  Gegend  und  bildet 
so  die  Anlage  des  knöchernen  Alveolarfortsatzes.  Es  scheint,  dass 
der  laterale  Schenkel  des  Alveolarfortsatzes,  aus  welchem  auch  der 
Processus  zygomatico  -  orbitalis  (He  nie)  hervorwächst,  gesondert 
und  selbst  früher  sich  bilden  kann ,  als  die  mediane  der  Nasem 
seitenwand  anliegende  Knochenscherbe  (Taf.  IV,  Fig.  14,  d,  Fig. 
15,  d;  Taf.  VII,  Fig.  11,  lateralwärts  von  f).  Von  den  übrigen 
Knochen  erscheinen  alsbald  in  ähnlicher  Weise  als  Deckknochen 
der  unteren  Fläche  des  Nasenknorpelgerüstes  die  Zwischenkiefer- 
knochen, das  Pflugscharbein,  die  Keilbeinmuscheln  (auch  Keilbein- 
tuten genannt),  sowie  als  vordere  und  seitliche  Deckknochen  die 
Nasenbeine  und  Thränenbeine.  Die  Oberkieferknochen  nehmen 
rasch  an  Umfang  und  Höhe  zu  und  verlängern  sich  auch  median- 
wärts  in  die  Gaumenplatten.  So  wird  dann  schliesslich  das 
Knorpelgerüstc  der  Nasenhöhle  von  Knochen  mehr  oder  weniger 
vollständig  umlagert  (Taf.  V,  Fig.  13;   Taf.  VII,  Fig.  5). 

Im   Gebiete    der   äusseren  Nase    ist   mit   Ausnahme    des    vor- 


199 

dersten  auch  später  knorplich  bleibenden  Abschnittes  die  Um- 
lagerung  durch  die  Zwischenkiefer-  und  Oberkieferknochen  sowie 
durch  die  Nasenbeine  ganz  vollständig.  Weiter  hinten  dagegen 
hält  sich  die  obere  die  Riechgegend  enthaltende,  somit  in  das  Sieb- 
bein sich  umwandelnde  Partie  des  Knorpelgerüstes,  abgesehen  von 
der  Thränenbeingegend ,  grösstenteils  frei ,  während  die  untere 
von  den  Oberkieferknochen  gedeckt  werden  (Taf.  VII,  Fig.  9, 
10,  11;  Taf.  IX,  Fig.  7;  Taf.  V,  Fig.  7;  vergl.  auch  Taf.  IV). 
Später  jedoch  wird  die  Siebbeingegend  des  Nasenknorpelgerüstes 
nicht  blos  durch  das  Thränenbein  gedeckt ,  sondern  auch  das 
Stirnbein  und  das  Keilbein  sowie  das  Gaumenbein  und  die  Keil- 
beinmuscheln (Cornua  sphen.)  suchen  allmählig  die  noch  freie 
Knorpelfläche  mehr  und  mehr  zu  uniwachsen,  was  bei  den  Säuge- 
thieren  mit  Ausnahme  der  Siebbeinplatte  vollständig  gelingt;  bei 
dem  Menschen  jedoch  erhält  sich  wenigstens  die  Gegend  der 
späteren  Lamina  papyracea  ungedeckt.  —  Bei  dieser  Gelegenheit 
will  ich  noch  bemerken,  dass  es  viel  richtiger  wäre,  die  Keilbein- 
muscheln den  Gesichtsknochen  beizuzählen;  für  diese  meine 
Ansicht  spricht  entschieden  ihre  Entwicklung ,  ihre  Lage, 
ihre  Beziehung  zur  Nasenhöhle  und  der  Umstand,  dass  bei  den 
Säugethieren  diese  Knochen  mit  dem  Pflugscharbein  zu  Einem 
Stück  verschmelzen.  Wenn  die  Keilbeintuten  bei  dem  Menschen 
später  mit  dem  Keilbein  verschmelzen,  so  hat  dies  seinen  Grund 
in  dem  von  den  Säugethieren  abweichenden  Verhalten  der  hin- 
tersten Partie  der  Nasenhöhle ,  wie  ich  oben  auseinanderge- 
setzt habe. 

Das  von  den  Säugern  abweichende  Verhalten  der  Riech- 
gegend des  Menschen  bedingt  auch  eine  Verschiedenheit  der  Be- 
ziehungen der  Gaumenbeine  zu  dem  Nasenknorpelgerüste.  Es 
entwickelt  sich  nämlich  bei  den  Säugern  das  Gaumenbein  nebst 
dem  Flügelbein  unterhalb  des  die  Riechgegend  allseitig  umschlies- 
senden  Nasenknorpelgerüstes  und  unterhalb  des  Keilbeins  in  der 
Seitenwand  und  dem  Boden  des  Nasenrachenganges  (Taf.  IV, 
Fig.  12  und  13;  Taf.  V,  Fig.  14  und  15) ;  es  entsteht  das  Gaumen- 
bein ohne  knorpliche  Stütze  in  dem  an  die  Schädelbasis  gehefteten 
hinteren  Abschnitt  des  ehemaligen  Oberkieferfortsatzes.  Allmählig 
erreicht  das  obere  Ende  seiner  senkrechten  Platte  den  untern  Um- 


200 

fang  des  in  das  Siebbein  sich  umwandelnden  Nasenknorpelgerüstes 
(Taf.  IV,  Fig.  13)  und  aus  diesem  Grunde  kann  auch  das  Gaumen- 
bein den  Deckknochen  des  Nasenknorpelgerüstes  beigezählt  werden; 
es  deckt,  wie  diese  Figur  zeigt,  einen  Theil  der  Aussenseite  der 
die  Riechgegend  nach  unten  abschliessenden  Knorpelpatten. 

Bei  dem  Menschen  dagegen  fehlt  der  Riechgegend  (abgesehen 
von  den  Sinus  sphenoidales)  ein  solcher  von  der  Regio  respira- 
toria  sie  abschliessender  Knorpelboden ,  indem  die  knorplichen 
Seitenplatten  (Taf.  VII,  Fig.  11,  k  i)  mit  ihrem  untern  Ende  nicht 
wie  bei  den  Säugethieren  medianwärts  sich  umrollen,  sondern  mit 
einer  abgerundeten  Anschwellung  endigen.  Hier  finde  ich  nun 
merkwürdiger  Weise  die  senkrechten  Gaumenbeinplatten  an  der 
inneren  Oberfläche  der  knorplichen  Seitenplatten  (i),  sind  daher 
innere  Deckknochen  der  knorplichen  Nase  und  werden  dadurch 
von  den  aussen  liegenden  Oberkieferknochen  geschieden.  Indem 
sie  an  Höhe  zunehmen,  trennen  sie  den  Knorpel  der  unteren  und 
später  auch  der  mittleren  Muscheln  von  den  knorplichen  Seiten- 
platten  ab  (Fig.  11,  rechte  Seite);  ähnliches  zeigt  auch  Fig.  12. 
Trifft  dagegen  der  Frontalschnitt  die  Gegend  des  Nasenrachen- 
ganges  ,  so  verhält  sich  diese  hintere  Partie  der  Gaumenbeine 
wiederum  ebenso  wie  bei  Säugethieren. 

Während  in  der  angegebenen  Weise  das  Nasenknorpelgerüste 
von  Knochenplatten  umwachsen  wird,  verschwinden  wiederum  ge- 
wisse Abschnitte  desselben  oder  geben  vielmehr  ihre  knorpliche 
Beschaffenheit  auf,  indem  sie  in  Folge  des  Dickenwachsthums  der 
anliegenden  Knochenplatten  in  den  Verknöcherungsprocess  herein- 
gezogen werden.  Diese  Art  der  Verknöcherung  ist  daher  keine 
selbständige ,  dem  Nasenknorpelgerüste  eigenthümliche  und  unter- 
scheidet sich  dadurch  von  der  späteren  von  den  Deckknochen 
unabhängigen  Verknöcherung  des  Siebbeins  und  der  unteren 
Muscheln. 

Wie  man  aus  den  auf  Taf.  VII  abgebildeten  Frontalschnitten 
ersieht,  so  sind  an  einem  8  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus  die 
Oberkieferbeine  mit  den  Zwischenkieferknochen  bereits  verschmol- 
zen. Der  in  Fig.  5  abgebildete  Frontalschnitt  zeigt,  dass  auch 
in  dem  Gebiete  der  äussern  Nase  nicht  blos  die  Nasenbeine,  wie 
bisher  gelehrt  wurde,  sondern  auch  die  Oberkiefer  und  Zwischen- 


201 

kiefer  eine  knorpliche  Unterlage  besitzen.  Ueberhaupt  ist  ur- 
sprünglich die  ganze  innere  Oberfläche  der  Oberkieferknochen  von 
einer  Fortsetzung  der  seitlichen  Nasenknorpelplatten  überzogen, 
welche  zum  Theil  wieder  schwindet,  zum  Theil  aber  sich  erhält 
und  verknöchert  (Proc.  maxillaris,  ethmoidalis  und  lacrymalis  der 
untern  Muschel,  Proc.  uncinatus  des  Siebbeinlabyrinthes). 

An  einem  8  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus  (Taf.  VII)  ist 
der  hinter  dem  Processus  frontalis  folgende  Körper  des  Oberkiefer- 
knochens sehr  niedrig,  so  dass  er  an  dem  in  Fig.  10  abgebildeten 
Frontalschnitt  einstweilen  nur  eine  den  Boden  der  späteren  knö- 
chernen Highmorshöhle  darstellende  fast  horizontale  Knochenplatte 
darstellt,  welche  abwärts  in  den  Zahnfortsatz  und  medianwärts  in 
den  Gaumenfortsatz  übergeht.  Er  trägt  den  untern  Abschnitt 
einer  knorplichen  Nasenseitenplatte,  welche  bereits  die  erste  Anlage 
der  Highrnor'shöhle  enthält  (i ,  h).  Die  nächste  Aufgabe  eines 
Oberkieferknochens  besteht  nur  darin ,  die  über  ihm  liegende 
knorpliche  Highrnor'shöhle  zu  umwachsen.  Es  geschieht  dies,  wie 
man  aus  Taf.  IX,  Fig.  7  ersieht,  mit  Hülfe  zweier  vertikaler  aus 
dem  ursprünglichen  Körper  nach  oben  wachsender  Knochenplatten, 
welche  die  noch  knorpliche  Highrnor'shöhle  zwischen  sich  fassen. 
Die  dickere  laterale  Knochenplatte  (e)  gewinnt  alsbald  eine  be- 
trächtliche Höhe ,  so  dass  sie  die  Augenhöhlenwand  erreicht  und 
die  knorpliche  Highrnor'shöhle  von  aussen  deckt.  Der  Oberkiefer 
besitzt  von  nun  an  eine  noch  dicke  äussere  Wand,  welche  zugleich 
mit  ihrem  oberen  Ende  den  noch  schmalen  knöchernen  Boden  der 
Augenhöhlen  darstellt.  Was  die  mediane  Knochenplatte  betrifft, 
so  bleibt  diese  nur  ganz  niedrig  und  besitzt  einen  obern  zuge- 
schärften Rand,  welcher  mit  dem  Processus  maxillaris  der  unteren 
Muschel  sich  verbindet  und  die  dem  Oberkiefer  eigenthümliche 
mediane  Wand  der  Highrnor'shöhle  darstellt.  Es  zeigt  jetzt  der 
Oberkieferknochen  eine  die  knorpliche  Higmor'shöhle  aufnehmende 
Grube,  welche  somit  nicht,  wie  bisher  gelehrt  wurde,  durch  Schwund 
bereits  vorhandenen  Knochengewebes ,  sondern  in  Folge  einer 
nachträglichen  Umwachsung  der  knorplich  präformirten  Highrnor's- 
höhle von  Seite  des  Oberkieferknochens  entsteht.  Von  dem  knö- 
chernen Sinus  maxillaris  ist  daher  zuerst    nur  der  mit  dem  Zahn- 


202 

fortsatz  verbundene  Boden  vorhanden  und  erst  allmählig  bildet 
sich  seine  mediane  und  laterale  Wand. 

Legt  man  an  einem  8  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus  den 
Frontalschnitt  durch  den  hintern  Theil  der  Oberkieferanlage  an 
(Taf.  VII,  Fig.  11),  so  endigt  jede  knorpliche  Seitenplatte  der 
Nasenhöhle  mit  einem  kolbig  angeschwollenen  Rand  (i),  welcher 
sich  zwischen  zweiK.nochenplatten  einschiebt.  Die  laterale  Knochen- 
platte (e)  ist  eine  Fortsetzung  des  Oberkieferknochens ,  die  wir 
oben  (Taf.  IX,  Fig.  7,  e)  als  laterale  Wand  des  Sinus  maxillaris 
haben  kennen  lernen ;  sie  ist  zugleich  wegen  ihrer  schrägen  Stel- 
lung die  Anlage  der  medianen  Hälfte  des  spätem  knöchernen 
Augenhöhlenbodens.  Lateralwärts  davon  liegt  eine  tiefe  mit  dem 
Grunde  auf  den  Zahnfortsatz  stossende  Aushöhlung  (Canalis  in- 
fraorbitalis) ,  welche  den  N.  infraorbitalis  (f)  enthält  und  nach 
aussen  von  einer  etwas  unterbrochenen  Fortsetzung  des  Ober- 
kieferknochens begrenzt  wird  (Proc.  zygomatico-oi'bitalis,  Hen  le). 
Die  mediane  Knochenplatte  (h)  schliesst  sich  als  mediane  Wand 
des  Sinus  maxillaris  an  die  oben  beschriebene  mediane  Knochen- 
platte des  Oberkiefers  an  (Taf.  IX,  Fig.  7)  und  ist  die  Pars  per- 
pendicularis  des  Gaumenbeins.  Der  zwischen  beiden  Knochen- 
platten liegende  dicke  Knorpel  (i)  ist  die  noch  solide  Anlage  der 
hintern  Partie  der  knorplichen  Highmor'shöhle.  Interessant  ist  an 
diesem  Frontalschnitt  das  von  unten  nach  oben  fortschreitende 
Höhenwachsthum  der  senkrechten  Gaumenbeinplatte  (h) ,  wobei 
sie  allmählig  die  Knorpel  der  unteren  und  mittleren  Muschel  von 
der  knorplichen  Seitenplatte  abtrennt. 

Untersucht  man  die  Oberkiefer-  und  Siebbeingegend  an  Frontal- 
schnitten eines  2  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus  (Taf.  VIII),  so 
wird  der  vordere  Abschnitt  der  Highmor'shöhle  ringsum  noch  von 
Knorpel  umfasst  (Fig.  4)  und  zeigt  in  dieser  der  Crista  galli  ent- 
sprechenden Gegend  erst  wenige  verknöcherte  Stellen.  —  An  einein 
tieferen  hinter  der  Crista  galli  liegenden  Frontalschnitt  dagegen 
hat  sich  vieles  geändert.  (Fig.  5).  Die  knorplichen  Seitenplatten 
der  Nasenhöhlen  sind  nämlich  in  ihrer  unteren  Partie  verschwun- 
den, so  dass  die  lateralen  Knochenplatten  der  Oberkieferbeine  nur 
noch  an  ihrem  oberen  Ende  (t)  eine  knorpliche  Unterlage  besitzen. 
Es    hat    daher    auch    die    Highmor'shöhle  (s  und  d)    ihre  Knorpel- 


203 

hülle  verloren  und  ihre  Schleimhautwand  zeigt  einen  Kranz  rund- 
licher Drüsenanlagen ,  die  sich  auch  auf  beide  Flächen  der 
unteren  Muschel  und  noch  auf  die  untere  Fläche  der  mittleren 
Muschel  fortsetzen.  Vergleicht  man  die  rechte  Seite  dieses  Frontal- 
schnittes (b  c  f  h  e)  mit  derselben  Seite  des  auf  Taf.  IX,  Fig.  7 
dargestellten  Schnittes ,  so  ist  die  die  Highmor'shöhle  (d)  auf- 
nehmende Oberkiefergrube  enger  geworden.  Auch  bemerkt  man, 
dass  die  laterale  knöcherne  Begrenzungsplatte  des  Sinus  maxillaris 
dem  noch  übrig  gebliebenen  dicken  Reste  der  knorplichen  Nasen- 
seitenwandplatte  bis  zur  unmittelbaren  Berührung  sich  genähert 
hat,  während  in  Fig.  7,  Taf.  IX  ein  beträchtlicher  Zwischenraum 
sich  findet.  Es  schreitet  nämlich  die  Verknöcherung  des  Ober- 
kiefers auf  Kosten  des  diesen  Zwischenraum  erfüllenden  Gewebes 
gegen  den  Knorpel  vor ,  so  dass  dieser  seinen  früheren  dunklen 
das  Perichondrium  darstellenden  Grenzsaum  verliert  und  schliesslich 
ebenfalls  dem  von  dem  Oberkieferknochen  eingeleiteten  Verknöche- 
rungsprocess  unterliegt.  Sehr  deutlich  zeigt  dieses  auf  Kosten  des 
Knorpelgewebes  geschehende  Dickenwachsthum  des  Oberkiefers 
der  auf  Taf.  V,  Fig.  12,  h  abgebildete  Frontalschnitt  eines  Rinds- 
embryo. Dasselbe  gilt  nach  meinen  Erfahrungen  für  alle  Deck- 
knochen des  Nasenknorpelgerüstes ,  wie  man  z.  B.  deutlich  an 
dem  auf  Taf.  IX,  Fig.  4  dargestellten  Durchschnitt  der  Nasen- 
scheidewand und  des  Pflugscharbeins  eines  2  Dem.  langen  mensch- 
lichen Fötus  bemerkt.  Der  an  jüngeren  Embryonen  so  mächtige 
untere  Endkolben  des  Nasenscheidewandknorpels,  dessen  früherer 
Contur  durch  eine  punktirte  Linie  angedeutet  ist,  dient  zur  wei- 
teren Ausbildung  der  anliegenden  Seitenplatte  des  Vomer  (c). 
Ebenso  verdicken  sich  auch  die  Partes  orbitales  des  Stirnbeins 
auf  Kosten  der  Orbitalflügel  des  Siebbeins.  Ein  ähnliches  Ver- 
halten fand  ich  auch  zwischen  den  vorderen  Enden  der  Unter- 
kieferhälften  und  den  Meckel'schen  Knorpeln,  wie  ich  schon  früher 
näher  auseinander  gesetzt  habe. 

Kehren  wir  nun  wieder  zu  dem  in  Rede  stehenden  Frontal- 
schnitt (Taf.  VIII ,  Fig.  5)  zurück  ,  so  hat  also  der  Oberkiefer- 
knochen auf  Kosten  des  die  Highmor'shöhle  umfassenden  Knorpels 
an  Masse  gewonnen  und  ist  dadurch  die  Anlage  des  knöchernen 
Sinus  maxillaris  etwas  enger  geworden.    Die  bisherige  Lehre,  dass 


204 

die  Highinor'shöhle  sowie  überhaupt  alle  Nebenhöhlen  der  Nasen- 
höhle durch  Resorption  der  betreffenden  Knochen  nachträo-lich 
entstandene  Lücken  seien,  für  welche  dann  die  Nasenschleimhaut 
Ausstülpungen  bilde  ,  ist  somit  für  die  erste  Anlage  dieser  Höhlen 
nicht  richtig. 

Nachdem  auf  die  angegebene  Weise  der  Knorpel  der  High- 
mor'shöhlen  verschwunden  ist,  so  wird  die  davon  abgehende 
Knorpelwurzel  der  unteren  Muschel  frei  und  setzt  sich,  indem  sie 
verknöchert ,  als  Processus  maxillaris  conchae  inf.  mit  der  me- 
dianen senkrechten  Knochenplatte  des  Oberkiefers  zur  Vervoll- 
ständigung der  medianen  Wand  des  Siuus  maxillaris  in  Verbindung 
(Taf.  VIII,  Fig.  5).  Auf  der  linken  Seite  des  genannten  Schnittes 
ist  die  Verknöcherung  dieser  Muschelwurzel  bereits  eingetreten 
und  ist  dem  Gesagten  zufolge  ein  direct  verknöcherter  Eest  der 
ursprünglichen  Knorpelkapsel  der  Highmor'shöhle.  An  demselben 
Embryo  ist  auch  bereits  in  der  unteren  Partie  der  Seitentheile  des 
knorplichen  Siebbeins  und  in  den  davon  abgehenden  mittleren 
Muscheln  die  Verknöcherung  eingetreten.  Darüber  sowie  über 
die  untern  Muscheln  vergleiche  man  auch  die  folgende  Figur  6. 

Was  das  Gaumenbein  betrifft,  so  habe  ich  bereits  angegeben, 
dass  dessen  vertikaler  Theil  von  dem  Oberkiefer  durch  eine  Fort- 
setzung der  Knorpelplatte  der  Nasenseitenwand  geschieden  wird, 
woraus  das  hintere  Ende  der  Highmor'shöhle  hervorgeht  (Taf.  VII, 
Fig.  11).  Auch  an  dem  folgenden  Schnitt  (Fig.  12),  welcher 
hinter  die  Anlage  der  Highmor'shöhle  fällt,  bemerkt  man  noch 
einen  die  laterale  Seite  der  vertikalen  Gaumenbeinplatte  deckenden 
Fortsatz  der  genannten  Knorpelplatte;  allmählig  jedoch  verdickt 
sich  das  Gaumenbein  auf  Kosten  der  letztern,  die  dann  von  unten 
nach  oben  schwindet  (e).  Vergleicht  man  damit  den  Durchschnitt 
eines  älteren  menschlichen  Fötus  (Taf.  VIII,  Fig.  7),  so  ist  auf 
diese  Weise  der  frühere  zwischen  Gaumenbein  (n)  und  Oberkiefer 
(o)  befindliche  Knorpel  verschwunden;  dass  sich  aber  hier  eine 
Fortsetzung  der  Knorpelplatte  der  Nasenseitenwand  befand,  er- 
giebt  sich  aus  der  Vergleichung  mit  den  Durchschnitten  jüngerer 
Embryonen  sowie  aus  dem  Umstand ,  dass  hier  die  Knorpelachse 
der  untern  Muschel  isolirt  ist ,  während  sie  früher  von  der  ge- 
nannten Knorpelplatte  abging.    Bald  wird  auch  durch  das  Gaumen- 


205 

bein  die  Knorpelwurzel  der  mittleren  Muschel  abgelöst.  —  An 
demselben  Frontalsclinitt  bemerkt  man  auch  am  obern  Rand  der 
Pflugscharbeinflügel  den  Durchschnitt  eines  besonderen  kleinen 
Knochens  (e) ,  welcher  nach  meinen  diese  Gegend  betreffenden 
Erfahrungen  die  Keilbeinmuschel  ist,  die  man  bisher  erst  nach 
der  G-eburt  entstehen  Hess.  Die  folgende  Figur  8  zeigt  ebenfalls 
die  Knochenkerne  dieser  Muscheln  (b),  von  welchen  der  der  linken 
Seite  doppelt  erscheint;  sie  liegen  hier  an  der  unteren  Seite  der 
knorplichen  Anlagen  der  Sinus  sphenoidales  (o).  Ich  finde  übri- 
gens die  knöchernen  Anfänge  der  Keilbeinmuscheln  bereits  an 
einem  8  Ctm.  langen  menschlichen  Fötus  (Taf.  VII ,  Fig.  14). 
Betrachtet  man  die  auf  Taf.  VIII,  Fig.  7  und  8  dargestellte  Lage 
der  Keilbeinmuscheln  am  oberen  Rand  der  Pflugscharbeinflügel,  so 
erinnere  ich  dabei  an  meine  bereits  früher  geinachte  Angabe,  dass 
an  Schädeln  von  Kindern  der  Vomer  ganz  ebenso  in  Verbindung 
mit  den  ihm  aufsitzenden  Keilbeinmuscheln  ausgelöst  werden  kann. 

Was  das  vordere  Keilbein  des  Menschen  betrifft,  so  habe  ich 
darüber  schon  einige  Bemerkungen  vorausgeschickt.  Es  bildet 
das  Nasengerüste  mit  der  knorplichen  Schädelbasis  ein  zusammen- 
hängendes Ganze.  Verfolgt  man  den  medianen  Abschnitt  der 
knorplichen  Schädelbasis  von  dem  Hinterhauptsloch  nach  vorn 
zum  vorderen  Ende  der  knorplichen  Nasenscheidewand,  so  zeigt 
sich  abgesehen  von  der  durch  das  Hypophysenloch  bedingten  je- 
doch alsbald  wieder  verschwindenden  Unterbrechung  nirgends  eine 
Spur  einer  Absetzung  oder  Abgliederung ;  ganz  allmählig  geht  der 
hintere  Theil  der  Schädelbasis  in  den  vordem  und  in  die  Nasen- 
scheidewand über,  wobei  er  an  Breite  ab-,  aber  an  Höhe  zunimmt. 
Es  bildet  daher  der  mediane  Theil  der  knorplichen  Schädelbasis 
vom  Hinterhauptsloch  bis  zum  vordem  Rand  der  knorplichen 
Nasenscheidewand  die  ungegliederte  in  ihrem  vordem  Abschnitt 
seitlich  comprimirte  Fortsetzung   der  knorplichen  Wirbelsäule. 

Es  hängen  aber  auch  bei  dem  Menschen  die  lateralen  Theile 
der  knorplichen  Schädelbasis  continuirlich  mit  den  Seitentheilen 
des  Nasenknorpelgerüstes  zusammen  und  zwar  durch  Vermittlung 
der  Orbitalplatten.  Unter  einer  knorplichen  Orbitalplatte  im  All- 
gemeinen verstehe  ich  das  knorpliche  Augenhöhlendach,  dessen 
hintere   Partie   durch   Vermittlung   der    knorplichen   Seitenhälften 


206 

des  Jugum  sphenoidale    mit    dem  knorplichen  Keilbeinkörper  sich 
verbindet  (Taf.  VII,  Fig.  12,  13,   14  und  15).    Die  vordere  Partie 
der  Orbitalplatten    verbindet    sich    durch  Vermittlung    der   knorp- 
lichen Seitenhälften  der  Siebplatte  mit  dem  betreifenden  Theil  der 
knorplichen    Nasenscheidewand  (Lamina   perpendicularis  des  Sieb- 
beins,   Taf.  VII,    Fig.   10  und  11;    Taf.  VIII,  Fig.  4;    Taf.  IX, 
Fig.  2  und  7).     Eine    Orbitalplatte   bildet    daher    die    gemeinsame 
laterale  flügeiförmige  Ausbreitung  des  Keilbeins  und  Siebbeins  und 
kann  daher  in  seiner  hinteren  Partie  „Orbitalflügel  des  Keilbeins", 
in    seiner    vorderen    Partie    „Orbitalflügel    des  Siebbeins"    genannt 
werden.     Betrachtet   man    nun    den    medianen  Abschnitt    des    vor- 
dem knorplichen  Keilbeins    als    einen  Wirbelkörper,  sowie  dessen 
Orbitalflügel    als    Wirbelbogentheile ,    so    kann    darüber   nach  dem 
bisher  Gesagten  kein  Zweifel  sein,  dass  auch  die  primitive  knorp- 
liche    Nasenscheidewand    einen    Wirbelkörper ,    sowie    deren    das 
Hirn    tragender    Orbitalflügel    einen  Wirbelbogen  darstelle.     Auch 
sieht  man  hieraus,  dass  zur  Entscheidung  solcher  Fragen  nur  die 
Entwicklungsgeschichte    den    Ausschlag  geben  kann ,    da  mit  dem 
Eintritt    der    Verknöcherung    der    ursprüngliche  Typus  mehr  oder 
weniger  verwischt  wird,'    so  schwinden    z.  B.  die  knorplichen  Or- 
bitalflügel   des  Siebbeins,    indem  die  darunter  entstehenden  Deck- 
knochen (Partes  orbitales  des  Stirnbeins)  sich  auf  ihreKosten  verdicken. 
Betrachten    wir    die  Orbitalflügel    des  Keilbeins    etwas  näher, 
so  gehen  sie  zwar  medianwärts  ohne  Unterbrechung  in  den  knorp- 
lichen Keilbeinkörper  über,    verlassen    dabei  aber    das  Gebiet  der 
Augenhöhlendächer    und    liegen    oberhalb  der  hinteren  Enden  der 
knorplichen    Nasenhöhlen     (Sinus    sphenoidales ,    vergl.    Taf.  VII, 
Fig.  12,   13,  14  und  15);    es  ist  daher  dieses  der  hintern  Nasen- 
gegend angehörige  Wurzelstück    der  Orbitalplatten    die  knorpliche 
Anlage    einer    Seitenhälfte    des   Jugum.  —    Auch  die  Orbitalflügel 
des    Siebbeins    besitzen    ein   solches    nicht  mehr  den  Augenhöhlen 
sondern  den  Nasenhöhlen  angehöriges  Wurzelstück  (Lamina  cribrosa). 
Das  Nasenknorpelgerüste  besitzt  auch  noch  absteigende  ursprüng- 
lich   sehr   einfache  Knorpelplatten,    welche    von    dem    Grenzgebiet 
der  Orbitalflügel  und  ihres  Wurzelstücks  abgehen  und  sich  in  der 
ganzen  Länge  der  Seitenwand  der  Nasenhöhlen  ausbreiten.    Nach 
dieser  Auseinandersetzung  können  die  Siebbeinlabyrinthe,  die  sich 


207 

nachträglich  aus  diesen  Platten  entwickeln,  nicht  mehr  mit  hin- 
teren Wirbelbogen  verglichen  werden ,  die  sich  bauchwärts  umge- 
schlagen hätten;  viel  eher  könnte  an  eine  Vergleichung  mit  der 
knorplichen  Lamina  externa  des  ebenfalls  in  der  Nasenseitenwand 
herabsteigenden  Proc.  pterygoideus  des  Keilbeins  gedacht  werden. 

Wie  ich  nun  gezeigt  habe  ,  so  zeigt  bei  dem  Menschen  das 
Nasenknorpelgerüste  die  Eigenthümlichkeit,  dass  beim  Anschluss 
an  das  Keilbein  die  knorpliche  Siebplatte  nicht  continuirlich  in 
das  knorpliche  Jugum  sphenoidale  sich  fortsetzt,  wie  es  bei  den 
Säugethieren  der  Fall  ist,  sondern  sich  tiefer  stellt  und.  sogar 
noch  eine  Strecke  weit  von  den  knorplichen  Seitenhälften  des 
Jugum  überragt  wird  (Taf.  VII,  Fig.  12;  vergl.  auch  S.  193).  Die 
absteigenden  Seitenplatten  (e)  folgen  dieser  Lageänderung,  nicht  aber 
die  Orbitalflügel  (b),  welche  ihren  Zusammenhang  mit  ihrer  früheren 
Wurzel  aufgeben  und  continuirlich  nach  hinten  in  die  knorplichen 
Orbitalflügel  des  Keilbeins  und  in  dessen  Jugum  sich  fortsetzen. 

Eine  weitere  den  Menschen  betreffende  Eigenthümlichkeit  be- 
steht darin ,  dass  die  unter  das  Jugum  sphenoidale  sich  schie- 
benden hinteren  Enden  der  knorplichen  Nasenhöhlenplatten  rasch 
an  Höhe  abnehmen,  in  Verbindung  mit  dem  Reste  der  Siebplatte 
von  dem  medianen  Knorpel  sich  ablösen  (Taf.  VII,  Fig.  13)  und 
schliesslich  zur  völligen  Unischliessung  der  hintersten  Nasenhöhlen- 
enden (Sinus  sphenoidales)  sich  einrollen  (Fig.  14).  Die  Figuren 
14  und  15  treffen  den  zwischen  den  beiden  Augenhöhlen  liegenden 
Abschnitt  des  vorderen  Keilbeins  und  es  zeigt  sich ,  dass  der 
Keilbeinkörper  sich  auf  die  Gegend  des  spätem  knöchernen 
Septum  sin.  sphen.  beschränkt  und  an  seinem  obern  Rand  zwei 
die  Anlage  des  Jugum  darstellende  Platten  abgiebt.  Die  übrige 
den  Raum  zwischen  den  beiden  Nasenhöhlen  einnehmende  und 
die  knorpliche  Anlage  der  Sin.  sphen.  umfassende  Bildungsmasse 
ist  ein  noch  weiches  Gewebe,  welches  niemals  verknorpelt,  son- 
dern eine  mächtige  faserige  Umhüllung  der  gesammten  knorp- 
lichen Keilbeinanlage  und  der  knorplichen  Sinus  abgiebt  (Taf.  VIII, 
Fig.  9,  10  und  11).  Es  hat  diese  Periostschichte  eine  solche  Dicke, 
dass  dadurch  z.  B.  an  dem  Frontalschnitt  Fig.  1 1  der  vierseitige 
Contur  des  späteren  knöchernen  vorderen  Keilbeinkörpers  deutlich 
vorgezeichnet   wird.     Was   nun    die  Verknöcherung  des  vorderen 


208 

Keilbeins  betrifft,  so  besitzt  dessen  knorplich  vorgebildeter  Körper 
weder  bei  Säugethieren  nocji  bei  dem  Menschen  einen  besondern 
ihm  eigenthümlichen  Knochenkern,  sondern  die  Orbitalflügel  sind 
es,  deren  Knochenkerne  von  beiden  Seiten  her  gegen  die  medianen 
Knorpel  vordringen,  um  theils  über  ihm  medianwärts  sich  zu  ver- 
einigen (knöchernes  Jugum),  theils  am  lateralen  Umfang  des  Keil- 
beinknorpels auf  Kosten  der  mächtigen  Periostlage  hinabwuchern 
und  auch  die  knorplichen  Sinus  sphenoidales  oben  und  seitlich 
umfassen.  Alsbald  gesellt  sich  zu  den  Hauptknochenkernen  der 
Orbitalflügel  auf  jeder  Seite  noch  ein  zweiter  in  der  untern  Wurzel 
der  kleinen  Keilbeinflügel  auftretender  Knochenkern,  welche  dann 
mit  einander  verschmelzend  den  Canalis  opticus  umgeben.  Zwi- 
schen dieser  oben  und  seitlich  ihn  umfassenden  Knochenmasse 
erhält  sich  der  ursprüngliche  mediane  Knorpel  noch  lange  Zeit 
und  bleibt  dabei  in  ununterbrochener  Verbindung  mit  der  knorp- 
lichen Nasenscheidewand.  Sein  unterer  Rand  (die  knorpliche  Crista 
sphenoidalis  inferior)  wird  von  dem  Vomer  gedeckt  und  zu  beiden 
Seiten  liegen  die  Keilbeinmuscheln,  welche  den  noch  freien  un- 
teren Umfang  der  knorplichen  Sinus  sphen.  umfassen.  Wenn 
nun  später  in  Folge  der  von  der  Peripherie  nach  dem  Centrum 
fortschreitenden  Verknöcherung  sämmtliche  Knorpel  verschwunden 
sind  ,  so  werden  von  nun  an  die  von  einer  Schleimhaut  ausge- 
kleideten kleinen  Anlagen  der  Sinus  sphenoidales  direct  von 
Knochenmasse  umgeben  und  vergrössern  sich  später  auf  Kosten 
derselben,  während  der  ursprüngliche  knorplich  präformirte  Keil- 
beinkörper der  Lamina  perpendicularis  des  Siebbeins  als  Septum 
sin.  sphen.  sich  anschliesst.  Die  auf  Taf.  VIII  abgebildeten  Frontal- 
schnitte eines  2  Dem.  langen  menschlichen  Fötus  (Fig.  8,  9, 
10  und  11)  zeigen  die  von  den  kleinen  Keilbeinflügeln  median- 
wärts vordringenden  Knochen  kerne  ,  sowie  die  accessorischen 
Knochenkerne  in  der  untern  Wand  des  Canalis  opticus  (Fig. 
9  und  10).  —  Taf.  IX,  Fig.  1  giebt  den  Frontalschnitt  des  hin- 
teren Endes  des  vordem  Keilbeinkörpers  von  demselben  Fötus 
und  zeigt  dessen  dicke  Periosthülle  sowie  die  mit  diesem  zu- 
sammenhängende nicht  knorplich  präformirte  Lamina  interna  (d) 
des  Processus  pterygoideus. 

Nach    diesen    von   mir    über    das  Keilbein    des  menschlichen 


209 

Fötus    mitgetheilten    Beobachtungen    muss  auch  das  vordere  Keil- 
bein des  Erwachsenen  vom  Standpunkte  der  Entwicklungsgeschichte 
aus    in    einer   andern    als    in  der  bisher  üblichen  Weise  aufgefasst 
werden.    Die  mit  geräumigen  Sinus    versehene  vordere  Partie  des 
vordem  Keilbeinkörpers  des  Erwachsenen  darf  nicht  in  ihrer  Ge- 
sammtheit ,    sondern    nur    in    ihrem    medianen  Abschnitt  (Septum, 
Crista    sphenoidalis  ant.  et  inf.)    als    Keilbeinkörper    oder   Wirbel- 
körper angesehen  werden.     Die  zu  beiden  Seiten  liegenden  Höhlen 
dagegen  sind  die   ursprünglichen    hinteren  Enden  der  Regio  olfac- 
toria  der  Nasenhöhlen,  die  somit  nicht   i  n ,    sondern    neben  dem 
Keilbeinkörper  liegen.     Die  einen  Sinus  deckende  Seitenhälfte  des 
Jugum  ist  daher,  wie  ich  auch  durch  die  Entwicklungsgeschichte 
nachgewiesen  habe,    die  Wurzel   des  Orbitalflügels    des  Keilbeins, 
somit  der  Anfang   oder  die  Wurzel   eines  Wirbelbogens.     Die  la- 
terale Wand   eines    Sinus   ist    eine    bauchwärts    absteigende    Fort- 
setzung des  Orbitalflügels  zur  Begrenzung  des  genannten  hinteren 
Nasenhöhlenendes  und  schliesst  sich  deshalb  nach  vorn  genau  der 
Seitenplatte  der  Nasenhöhle  (Lamina  papyracea)  an  ;    sie  erinnert 
an  das  Verhältniss  des  absteigenden  Keilbeinflügels  zum  Temporal- 
flügel, von  welchen  jener  ebenfalls  zurBegrenzung  der  Nasenhöhle 
dient.     Die    untere    und    vordere   Wand    ist    ebenfalls    kein    dem 
Keilbeinkörper  eigenthümlicher  Theil,  sondern  entwickelt  sich  aus 
einem     dem    knorplichen    Labyrinthe    anliegenden   Deckknochen. 
Bedenkt  man  nun  die  Kleinheit  der  ursprünglichen  Sinus  sphenoi- 
dales,  welche  einen  nur  sehr  kleinen  Raum  neben  dem  knorplichen 
Keilbeinkörper  beanspruchen ,  so  wird  es  begreiflich ,    warum  die 
von    den    Orbitalflügeln    absteigenden    Seitentheile    dem  medianen 
Körper  sich  anlegen  und  mit   ihm  verschmelzen,  so  dass  dadurch 
der    ursprüngliche    Bildungsplan    verwischt    und    erst    durch    die 
spätere  Ausdehnung  der  Sinus  einigermaassen  wieder  hergestellt  wird. 
Viel    ausgeprägter    dagegen    und  schon  von  Anfang  an  leicht 
erkennbar    erscheinen    diese  Verhältnisse    bei   Säugethieren.     Hier 
treten,  wie  ich  schon  früher  auseinander  gesetzt  habe,  die  hinteren 
Enden    der    Regio    olfactoria    der   Nasenhöhlen    in    viel    grösserer 
Ausdehnung    in   den   vorderen    Keilbeinkörper  ein.     Entfernt  man 
daher  an  dem  Schädel    eines   erwachsenen  Säugethieres  das  Sieb- 
bein ,    so  enthält    die   vordere  Partie   des  vorderen  Keilbeins  zwei 
Dursy,  Entwicklgsgesch.  14 


210 

geräumige  von  den  Nasenhöhlen  nicht  abgeschiedene  Höhlen, 
deren  ziemlich  dickes  Septum  von  dem  ursprünglichen  Keilbein- 
körper dargestellt  wird.  Auch  die  übrigen  Wandungen  haben 
dieselbe  Bedeutung,  wie  ich  sie  oben  für  den  Menschen  angegeben 
habe,  jedoch  mit  dem  Unterschied,  dass  eine  vordere  Wand  völlig 
mangelt ,  indem  die  mit  dem  Vomer  verschmolzenen  Keilbein- 
muscheln sich  auf  den  Boden  beschränken.  Ferner  ist  hervorzu- 
heben, dass  der  von  den  Keilbeintuten  gebildete  Boden  sowie  die 
Seitenwände  dieser  Höhlen  noch  eine  beträchtliche  Strecke  weit 
entlang  dem  Siebbein  sich  vorschieben.  Ueberhaupt  gewinnt  diese 
ganze  Partie  des  vorderen  Keilbeins  bei  Säugethieren  im  Einklang 
mit  der  stärkeren  Ausbildung  der  Riechgegend  eine  sehr  bedeu- 
tende Längenausdehnung,  und  zwar  ragt  am  weitesten  nach  vorn 
der  Boden ,  dann  folgen  die  Seitenwände  und  am  kürzesten  sind 
die  in  neuerer  Zeit  auch  als  kleinste  Keilbeinflügel  bezeichneten 
am  vorderen  Rande  ausgeschweiften  oberen  Wände. 

Von  den  Keilbeinmuscheln  habe  ich  schliesslich  noch  zu  be- 
merken ,  dass  dieselben  ,  wie  auch  H  e  n  1  e  lehrt,  mit  ihren  vor- 
deren Rändern  zur  Vervollständigung  der  Crista  sphenoid.  ant. 
und  des  Rostrum  dienen,  indem  sie  sich  medianwärts  verbinden 
und  dadurch  die  Lamina  perpendicularis  von  dem  knöchernen 
Keilbeinkörper  völlig  abtrennen.  Eine  derartige  Scheidung  kann 
dem  Gesagten  zufolge  bei  den  Säugethieren  nicht  vorkommen 
und  finde  ich  hier  an  einem  mir  gerade  vorliegenden  macerirten 
Hundsschädel  eine  Lücke. 

Was  den  in  das  Siebbein  und  die  Muscheln  sich  umwandeln- 
den Theil  des  Nasenknorpelgerüstes  betrifft,  so  zeigt  der  auf 
Taf.  VIII,  Fig.  5  abgebildete  Frontalschnitt  eines  2  Dem.  langen 
menschlichen  Fötus ,  dass  die  Verknöcherung  in  der  unteren  und 
mittleren  Muschel ,  sowie  in  der  unteren  Hälfte  der  Labyrinthe 
■  ihren  Anfang  nimmt.  Was  zuerst  die  untere  und  mittlere  Muschel 
betrifft,  so  sind  deren  Knorpel  an  jüngeren  Embryonen  ganz  ein- 
fache, am  Ende  etwas  kolbig  angeschwollene  und  an  ihrer  Ober- 
fläche ebene  Fortsätze  der  knorplichen  Seitenplatten  der  Nasen- 
höhlen (Taf.  VII,  Fig.  10  und  11).  An  älteren  Embryonen  geben 
diese  Knorpel  eine  Anzahl  einfacher  und  getheilter  Fortsätze  oder 
Nebenblätter  ab  (Taf.  IX,  Fig.  8 ;  Taf.  VIII,  Fig.  5  und  6).    Das 


211 

mit  dem  Eintritt  der  Verknöcherung  zuerst  daraus  entstehende 
Balkenwerk  einer  mittleren  Muschel  zeigt  der  auf  Taf.  IX,  Fig.  3 
abgebildete  Durchschnitt. 

Auch  ein  Siebbeinlabyrinth  ist,  wie  die  Abbildungen  jün- 
gerer menschlicher  Embryonen  zeigen ,  zuerst  eine  einfache 
dicke  solide  Knorpelplatte,  worin  später  durch  stellenweise  Ein- 
schmelzung  grössere  Höhlen  oder  die  Anlagen  der  Siebbeinzellen 
entstehen  (Taf.  VIII,  Fig.  5,  v).  Von  demselben  2  Dem.  langen 
menschlichen  Fötus  ist  auf  Taf.  IX,  Fig.  2  ein  stärker  vergrös- 
serter  Frontalschnitt  eines  noch  völlig  knorplichen  Labyrinthes 
abgebildet ,  welches  oben  durch  die  Siebplatte  mit  einem  Stück 
der  Nasenscheidewand  zusammenhängt  und  an  seinem  unteren 
Ende  die  ebenfalls  noch  rein  knorpliche  obere  Muschel  abgiebt. 
Man  bemerkt  in  dem  Labyrinth  eine  Anzahl  weiter  zur  Aufnahme 
von  Riechfäden  bestimmter  Hohlräume,  welche  mit  engerem  Halse 
in  die  dicke  Schleimhaut  der  Nasenhöhlenwand  sich  öffnen.  Daraus 
entstehen  die  späteren  die  Riechfäden  enthaltenden  Knochen- 
kanälchen  und  Rinnen  der  inneren  Labyrinthwand.  Es  erinnern 
an  diesem  Durchschnitt  die  zwischen  den  Gängen  schräg  und 
etwas  gebogen  herabhängenden  Knorpelfortsätze  an  die  knorp- 
lichen Muscheln  und  in  der  That  erscheinen  sie  dem  hier  sicht- 
baren Knorpel  der  oberen  Muschel  (h)  nicht  unähnlich.  Würde 
sich  auch  noch  die  darüber  liegende  Schleimhaut  entsprechend 
aus-  und  einbuchten,  so  hätte  man  den  sogenannten  Siebbeinzellen 
der  Säuger  ganz  ähnliche  Bildungen,  somit  eine  bedeutende  Ver- 
vielfältigung der  Riechmuscheln.  Es  ist  daher  die  früher  von  mir 
geäusserte  Ansicht,  dass  die  Knochenkanälchen  des  menschlichen 
Labyrinthes  bei  Säugethieren  zu  besonderen  muschelartigen  Fort- 
sätzen sich  weiter  bilden,   nicht  unbegründet. 


Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Zähne. 

Zum  Schlüsse  reihe  ich  hier  noch  einige  die  Bildungsge- 
schichte der  Zähne  betreffende  Beobachtungen  an ,  zu  welchen 
mich  meine  Untersuchungen  über  die  Entwicklung  des  Gaumens 
führten  ;    sie   beziehen  sich  auf   die  Zahnanlagen  der  schon  öfters 

14* 


212 

genannten  Säugethiere  und  des  Menschen.  Da  ich  hier  nur  einige 
meiner  eigenen  Beobachtungen  mittheile ,  so  lasse  ich  mich  auf 
eine  Erwähnung  oder  Besprechung  anderer  Angaben  nicht  ein, 
obgleich  ich  in  manchen  Dingen  davon  abweiche.  Nur  die  Be- 
merkung will  ich  vorausschicken ,  dass  die  Zahnbildung  sowohl 
bei  dem  Menschen  als  auch  bei  den  Säugern  mit  dem  Auftreten 
einer  wirklich  offenen  und  in  die  Mundhöhle  mündenden  Furche 
beginnt,  wie  zuerst  von  Fr.  Arnold  und  Goodsir  richtig  an- 
gegeben wurde ;  auch  noch  andere  von  diesen  Forschern  gemachte 
Angaben  sind  im  Wesentlichen  richtig  und  können  daher  nicht 
als  überwunden  und  veraltet  übergangen  werden. 

Untersucht  man  an  Frontalschnitten  jüngerer  Rindsembryonen 
(Taf.  II),  bei  welchen  die  Zunge  noch  in  ihrer  ganzen  Breite  der 
Nasenscheidewand  anliegt  und  zu  beiden  Seiten  von  den  noch 
senkrecht  stehenden  Gaumenplatten  umfasst  wird,  so  bemerkt  man 
bereits  den  Beginn  der  Zahnbildung.  Lateralwärts  von  den  dicken 
Enden  der  neben  der  Zunge  absteigenden  Gaumenplatten  zeigt  die 
Oberkiefergegend  eine  ursprünglich  sehr  flache  Furche  (Zahnfurche). 
Die  davon  betroffene  aus  rundlichen  Elementen  bestehende  Schleim- 
haut bildet  hier  einen  bei  durchfallendem  Licht  dunklen  Hof 
(Fig.  1,  d)  ,  woraus  die  Zahnsäckchen  und  die  Zahnpapillen  ent- 
stehen ,  darüber  macht  sich  ein  viel  grösserer  hellerer  Hof  be- 
merklich (Fig.  1  und  2)  ,  welcher  den  N.  infraorbitalis  enthält 
(Fig.  1,  c).  Das  in  der  Zeichnung  durch  eine  dicke  dunkle  Linie 
dargestellte  Mundhöhlenepithel  ist  noch  dünn  und  kleidet  ganz 
gleichmässig  auch  die  Zahnfurche  aus.  Eine  dieser  Zahnfurche 
entsprechende  flache  Rinne  der  Oberkiefergegend  lässt  sich  übri- 
gens schon  an  viel  jüngeren  Embryonen  bemerken ,  wie  die  auf 
Taf.  I,  Fig.  1 — 14  gegebenen  Abbildungen  eines  1,9  Ctm.  langen 
Rindsembryo  zeigen.  Ich  betrachte  sie  nicht  als  eine  von  der 
Mundhöhle  aus  in  den  Oberkieferfortsatz  eindringende  Bildung, 
sondern  sie  entsteht  vielmehr  dadurch ,  dass  die  anfangs  mehr 
gleichförmige  Mundhöhlenfläche  des  Oberkieferfortsatzes  in  ihrem 
weiteren  Wachsthum  sich  ungleich  verhält  (Taf.  I,  Fig.  4  zwischen 
m  und  k;  Fig.   13,  zwischen  b  und  d). 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dass  die  in  die  Zahnsäckchen 
und    die   Zahnpapillen   sich    umwandelnde  Schleimhautpartie ,    die 


213 

sich  schon  bei  noch  völlig  offener  Zahnrinne  an  Durchschnitten  in 
Gestalt  eines  dunklen  Hofes  markirt,  ein  von  dem  Mundhöhlen- 
epithel überzogener  Theil  der  übrigen  Mundschleimhaut  ist,  welche 
in  Folge  eines  rascheren  Dickenwachsthums  der  Umgebung  all- 
mählig  die  Gestalt  einer  nach  der  Mundhöhle  offenen  Furche  an- 
nimmt. Sie  wird  daher  um  so  tiefer,  je  weiter  die  lateral wärts 
und  medianwärts  anstossenden  Theile  in  die  Mundhöhle  hinab- 
wachsen  (Taf.  II,  Fig.  3  und  7),  und  es  vermehren  sich  zugleich 
die  den  oberflächlichen  Lagen  angehörigen  runden  Zellen  des 
Mundhöhlenepithels  im  Grunde  der  Rinne  (Fig.  3,  f  und  Fig.  7). 
Schliesslich  wird  sie  dadurch  völlig  erfüllt  und  nur  an  ihrem  Ein- 
gang erhält  sich  noch  eine  rinnenförmige  mehr  oder  weniger  tiefe 
Einsenkung  (Fig.  4,5,7  und  8);  vergl.  ferner  für  das  Schwein 
Taf.  IV,  Fig.  1 4  und  für  das  Schaf  Taf.  III.  Von  n\Äi  an  erscheint 
die  Zahnfurche  an  Frontalschnitten  in  Gestalt  einer  tiefen  von 
einem  soliden  Epitheliumszapfen  erfüllten  Schleimhauteinsenkung. 
Es  ist  dieser  Zapfen  oder  der  Schmelzkeim  eine  unmittelbare 
Fortsetzung  des  gesammten  Mundhöhlenepithels  und  besteht 
daher  aus  einer  bei  durchfallendem  Licht  dunkleren  peripherischen 
oder  Rindenschichte  und  aus  einer  helleren  Achse  (Kernmasse). 
Jene  ist  die  der  Schleimhaut  anliegende  Fortsetzung  der  tiefsten 
Epitheliumslagen ,  diese  besteht  aus  den  helleren  und  rundlichen 
Zellen  der  oberflächlichen  Schichten  des  Mundhöhlenepithels. 

In  der  ersten  Zeit  ist  die  von  Epithel  erfüllte  Schleimhaut- 
furche noch  ziemlich  weit;  an  dem  auf  Taf.  II,  Fig.  5  und  6  dar- 
gestellten Fötus  erscheint  sie  von  ungewöhnlicher  Breite  und  zu- 
gleich hat  sich  hier  an  sämmtlichen  Schnitten  der  mächtige  Epithel- 
zapfen oder  der  Schmelzkeim  von  der  Schleimhaut  der  Zahnfurche 
völlig  abgelöst,  so  dass  ein  heller  ungleich  breiter  Zwischenraum 
entstand.  Allmählig  nähern  sich  die  Schleimhautränder  der  tiefer 
geworden  Zahnfurche  einander ,  die  Furche  wird  enger  und  es 
schwinden  dabei  mehr  und  mehr  die  Zellen  der  Kernmasse  des 
Schmelzkeims ,  während  dessen  Rindenschicht  die  ursprüngliche 
Dicke  noch  beibehält  (Taf.  II ,  Fig.  4).  Es  verhält  sich  jedoch 
von  nun  an  in  dieser  Beziehung  die  Zahnfurche  an  verschiedenen 
Stellen  verschieden ,  je  nachdem  man  eine  Stelle  trifft ,  welche 
wirklich  zu  einem  Zahn  wird,  oder  eine  Stelle,  die  zwischen  zwei 


214 

Zähnen  oder,  wie  z.  B.  beim  Rind,  in  der  zahnlosen  Gegend  des 
Kiefers  liegt. 

Trifft  der  Schnitt  die  Zahnrinne  an  einer  Stelle,  die  nicht  zur 
Zahnbildung  bestimmt  ist,  so  können  sich  deren  Schleimhautwände 
einander  so  bedeutend  nähern,  dass  die  Kernmasse  des  Schmelz- 
keims völlig  schwindet  und  derselbe  im  Durchschnitt  als  ein 
schmaler  aus  Zellen  der  tiefsten  Lage  des  Mundhöhlenepithels  be- 
stehender Strang  erscheint  (Taf.  IV,  Fig.  15;  Taf.  V,  Fig.  12 
zwischen  u  und  v;  Fig.  13).  Zugleich  bemerkt  man  an  dieser 
Stelle,  dass  der  oben  erwähnte  dunkle  Schleimhauthof,  welcher 
als  Vorläufer  des  Zahnsäckchens  und  der  Zahnpapille  den  Grund 
der  Zahnfurche  umfasst,  an  jüngeren  Embryonen  auch  hier  nicht 
fehlt  und  eine  halbmondförmige  Gestalt  angenommen  hat  (Taf.  IV, 
Fig.  15).  An  älteren  Embryonen  dagegen  verschwindet  er  wieder 
an  dieser  Stelle.  Daraus  geht  hervor,  dass  ähnlich  wie  die  Zahn- 
furche ,  so  auch  dieser  Vorläufer  oder  die  Uranlage  des  Zahn- 
säckchens und  der  Zahnpapille  ursprünglich  ohne  Unterbrechung 
die  ganze  Länge  der  Kiefergegend  durchzieht.  —  An  einem 
8  Ctm.  langen  menschlichen  Embryo  sieht  man  diesen  strang- 
förmigen  Schmelzkeim  auf  Taf.  VII,  Fig.  13  und  Fig.  8,  und  auch 
hier  ist  der  erwähnte  dunklere  Schleimhauthof  noch  zu  bemerken. 
Sehr  lehrreich  in  dieser  Beziehung  ist  auch  die  Vergleichung  der 
auf  Taf.  IV  nebeneinander  stehenden  bei  gleicher  Vergrösserung 
gezeichneten  Figuren  14  und  15  von  einem  Schweins-  und  einem 
Rindsfötus.  —  Taf.  III,  Fig.  1 — 8  zeigt  die  Zahnfurche  mit  dem 
Schmelzkeim  von  einem  Schafsfötus,  dessen  Gaumen  im  Schlies- 
sungsprocess  begriffen  war;  auffallend  daran  ist  die  Weite  der 
Furche  und  daher  auch  die  Breite  der  hellen  Kernmasse  des 
Schmelzkeims  an  allen  Schnitten,  die  somit  an  den  zahnlosen 
Stellen  beim  Schafe  um  diese  späte  Zeit  noch  vorhanden  ist. 

Trifft  dagegen  der  Schnitt  die  zur  Zahnbildung  bestimmten 
Stellen  der  Zahnfurche ,  so  nähern  sich  die  Schleimhautwände 
nicht  in  der  ganzen  Länge ,  sondern  erst  in  einiger  Entfernung 
von  dem  Grunde  der  Rinne,  der  somit  weit  bleibt  und  seinen  aus 
einer  Fortsetzung  des  gesammten  Mundhöhlenepithels  gebil- 
deten früheren  Inhalt  beibehält.  An  einem  Frontalschnitt  (Taf.  II, 
Fig.  8)  besitzt  daher  der  Schmelzkeim  eine  keulenförmige  Gestalt 


215 

und  man  nennt  sein  dickeres  Ende  „Schmelzorgan".  Dasselbe 
erfüllt  den  weit  bleibenden  und  mit  der  Zeit  sich  noch  mehr  aus- 
dehnenden Grund  der  Zahnfurche ,  welcher  einst  ganz  flach  und 
offen  war  und  einen  Theil  der  Oberfläche  der  Mundhöhle  dar- 
stellte. An  dem  vorliegenden  Durchschnitt  (Fig.  8)  ist  er  aus 
dem  oben  angegebenen  Grunde  in  die  Tiefe  gerückt ,  wird  von 
Epithel  völlig  ausgefüllt  und  sucht  sich  zu  einem  geschlossenen 
Säckchen  abzuschnüren.  Es  geschieht  dies  durch  die  erwähnte 
Annäherung  der  Schleimhautwände ,  deren  völlige  Verwachsung 
jedoch  noch  lange  Zeit  hindurch  durch  den  Schmelzkeim  gehindert 
wird.  Indem  sich  die  Schleimhautwände  einander  zur  Schliessung 
nähern  ,  zeigt  der  dazwischen  eingeklemmte  Schmelzkeim  anfangs 
seine  helle  aus  oberflächlichen  Epithelzellen  bestehende  Kernmasse; 
bald  aber  wird  er  bis  auf  einen  strangförmigen  Rest  der  tiefen 
Epithelzellen  eingepresst ,  welcher  wie  ein  Stiel  das  unterdessen 
grösser  gewordene  Schmelzorgan  mit  der  tiefsten  Schichte  des 
Mundhöhlenepithels  verbindet. 

Was  die  Zahnpapille  betrifft,  so  erhebt  sich  dieselbe  in  der 
bekannten  Weise  am  Grunde  der  noch  offenen  und  von  dem 
Schmelzkeim  und  dem  Schmelzorgan  erfüllten  Zahnrinne ,  wobei 
sie  das  Schmelzorgan  napfförmig  einstülpt.  —  An  einem  auf  Taf.  III, 
Fig.  9  dargestellten  Schafsembryo  fand  ich  diese  Papillen  schon 
sehr  frühe,  bevor  noch  der  Gaumen  sich  geschlossen  hatte.  Die 
Schleimhautränder  der  Zahnfurche  haben  sich  an  dem  offenen 
von  Epithel  ausgefüllten  Ende  der  Zahnrinne  zwar  einander  ge- 
nähert, stehen  aber  noch  beträchtlich  von  einander  ab.  Der  weiter 
gewordene  Zahnfurchengrund  enthält  das  aus  dem  gesammten 
Mundhöhlenepithel  bestehende  durch  die  Zahnpapille  eingestülpte 
Schmelzorgan.  Auch  die  übrigen  auf  derselben  Tafel  abgebildeten 
Frontalschnitte  eines  Schafsembryo  (Fig.  1 — 8)  zeigen  den  Beginn  des 
Abschnürungsprocesses  des  Schmelzkeims  und  Schmelzorganes,  be- 
stehend aus  einer  dunklen  Rindenschichte,  welche  von  der  tiefsten 
Lage  des  Mundhöhlenepitheliums  abstammt ,  und  einer  aus  hellen 
rundlichen  oberflächlichen  Epithelzellen  bestehenden  Ausfüllung  oder 
Kernmasse.  —  Abbildungen  über  das  Schmelzorgan  und  den  Schmelz- 
keim von  Schweins-  und  Rindsembryonen  finden  sich  auf  Taf.  IV 
und  Taf.  V.     Der  in  Fig.  14,    Taf.  V   abgebildete  Frontalschnitt 


216 

eines  Rindsembryo  zeigt  den  von  Kölliker  als  secundären 
Schinelzkeim  bezeichneten  Anhang.  Ferner  giebt  der  auf  Taf.  V, 
Fig.  14  abgebildete  Schmelzkeirn  noch  eine  Anzahl  kleinerer  Fort- 
sätze ab ,  die  ich  besonders  schön  entwickelt  auch  an  mensch- 
lichen Embryonen  finde  (Taf.  IX,  Fig.  7  und  8) ;  sie  erinnern  an 
die  von  Kölliker  entdeckten  Epithelialfortsätze  des  äusseren 
Epithels  des  Schmelzorgans. 

Allmählig  schliesst  sich  das  Zahnsäckchen  vollständig  ab ,  in- 
dem die  den  Zahnfurchengrund  umgebende  Schleimhaut  über 
diesem  Grunde  und  seinem  Inhalte  verwächst  und  dadurch  den 
Schmelzkeim  von  dem  Schmelzorgan  völlig  abtrennt;  auf  dieser 
Bildungsstufe  befinden  sich  die  auf  Taf.  VIII,  Fig.  5,  6,  7  und  8 
abgebildeten  Frontalschnitte  eines  2  Dem.  langen  menschlichen 
Fötus  und  es  endigt  das  abgeschnürte  Ende  des  Schmelzkeims 
mit  einem  Knöpfchen. 

Die  Uranlage  des  Zahnsäckchens  und  der  Papille  erschien, 
wie  wir  gesehen  haben,  als  ein  den  Zahnfurchengrund  umgebender 
bei  durchfallendem  Licht  dunkler  Schleimhauthof  (Taf.  II,  Fig.  1 
und  2).  Alsbald  jedoch  und  mit  Hülfe  stärkerer  Vergrösserung 
unterscheidet  man  daran  eine  dichtere  und  daher  dunklere  äussere 
sowie  eine  hellere  innere  Zone  (Fig.  3 — 8;  vergl.  auch  Kölliker 
„Gewebelehre"  1867,  S.  38).  Nimmt  nun  unterdessen  die  Zahn- 
furche an  Tiefe  zu ,  so  erscheint  an  Durchschnitten  der  dunkle 
Hof  als  ein  auf  den  Zahnfurchengrund  beschränkter  Halbmond, 
dessen  Hörner  später  über  dem  Zahnfurchengrund  zur  Bildung 
eines  nur  durch  den  Schmelzkeim  unterbrochenen  dunklen  Kreises 
sich  einander  nähern,  während  aus  dem  mittleren  dickeren  Theil 
des  Halbmondes  die  Zahnpapille  sich   erhebt  (Taf.  V,  Fig.   14). 

Wie  ich  oben  angegeben  habe,  so  ist  die  Zahnfurche  zuerst 
ganz  flach  und  gewinnt  ihre  spätere  Tiefe  durch  stärkeres  gegen 
die  Mundhöhle  gerichtetes  Wachsthum  der  umgebenden  Oberkiefer- 
gegend. Wenn  sich  nun  die  Schleimhautwände  der  Zahnfurche 
einander  nähern,  um  schliesslich  mit  Ausnahme  der  die  Schmelz- 
keime und  Papillen  enthaltenden  Stellen  zu  verschmelzen,  so  habe 
ich  damit  zugleich  die  Scheidewandbildung  zwischen  den  Zahn- 
säckchen erklärt.  Untersucht  man  nun  die  durch  den  Schmelz- 
keim erfüllte  Einmündung   der  Zahnfurche   in  die  Mundhöhle,   so 


217 

wachsen  allmählig  die  begrenzenden  Schleimhautwände  lippenartig 
über  die  Schleirahautfläche  der  Mundhöhle  hervor,  wofür  ich  die 
Bezeichnung  „Zahnfurchenlippen"  gebrauchen  will  (Taf.  III, 
Fig.  7,  cd;  Taf.  IV,  Fig.  14  und  15).  An  älteren  Fötus  treten 
diese  Lippen  deutlicher  hervor  (Taf.  V,  Fig.  12,  u  v;  Taf.  VIII, 
Fig.  5,  k  i). 

Die  aus  den  oberflächlichen  Schichten  des  Mundhöhlenepithels 
gebildeten  sogenannten  Zahnwälle  sind  an  den  auf  Taf.  II  dar- 
gestellten jüngeren  Rindsenibryonen  noch  nicht  zu  bemerken;  von 
einem  älteren  Fötus  habe  ich  sie  auf  Taf.  V  dargestellt;  sie  be- 
decken die  Gegend  der  lateralen  Zahnfurchenlippe,  so  dass  die 
Zahnfurche  selbst  nebst  ihrer  medianen  Lippe  nur  von  dem  all- 
mählig abfallenden  inneren  Umfang  eines  Zahnwalles  überschritten 
wird.  Aehnlich  verhalten  sich  die  Zahnwälle  auch  bei  dem  Schaf. 
An  älteren  Schweinsembryonen  (Taf.  IV)  sind  zwar  die  ober- 
flächlichen Schichten  des  Mundhöhlenepithels  in  dieser  Gegend 
ebenfalls  verdickt,  aber  nicht  in  dem  Maasse,  bilden  daher  keine 
besonderen  Zahnwälle,  sondern  gehen  an  Dicke  zunehmend  all- 
mählig in   das  mächtige  Epithelium    des  Mundhöhlenvorhofs  über. 

Was  die  Unterkiefergegend  betrifft ,  so  tritt  hier  schon  sehr 
frühe  die  Anlage  des  Processus  alveolaris  als  ein  in  die  Mund- 
höhle vorspringender  Wulst  hervor  (Taf.  II,  Fig.  1,  g).  Aufseiner 
anfangs  platten  Oberfläche  bildet  sich  alsbald  in  Folge  eines  un- 
gleichen Höhenwachsthums  eine  anfangs  sehr  flache  Aushöhlung, 
die  Zahnfurche.  Indem  sich  dieselbe  vertieft,  wird  sie  ganz  ebenso 
wie  die  obere  Zahnfurche  von  dem  oberflächlichen  Mundhöhlen- 
epithel ausgefüllt  und  von  einem  dunklen  Schleimhauthof  oder 
der  Anlage  des  Zahnsäckchens  und  der  Zahnpapille  umfasst 
(Fig.  7  und  Fig.  8).  Die  noch  weit  aus  einander  stehenden  oberen 
Ränder  der  die  Zahnfurche  begrenzenden  Wände  nenne  ich  wie- 
derum Zahnfurchenlippen.  Der  Zahnfortsatz  des  Unterkiefers  mit 
seiner  Zahnfurche  steht  nicht  den  gleichen  Gebilden  des  Ober- 
kiefers gegenüber ,  sondern  liegt  bedeutend  mehr  einwärts.  Da 
nun  der  Zahnfortsatz  lateralwärts  durch  ein  tiefes  Thal  von  dem 
spätem  Vestibulum  oris  sich  abscheidet  (Fig.  2 ,  e ;  Fig.  5,  g ; 
Fig.  7,  d  und  Fig.  8)  und  da  ferner  dieses  Thal  der  obern  Zahn- 
furche   gerade    gegenüber  steht ,    so    bleibt   hier   ein  grösserer  im 


218 

Durchschnitt  ungefähr  rautenförmiger  Raum  zwischen  oberer  und 
unterer  Mundhöhlenwand  zurück.  Es  ist  dieser  Raum  an  den 
genannten  Durchschnitten  jüngerer  Embryonen  um  so  auffallender, 
weil  er  wegen  der  noch  geringen  Mächtigkeit  des  Mundhöhlen- 
epithels völlig  leer  ist,  während  im  Uebrigen  die  Mundhöhlenwände 
bis  zur  Berührung  in  einander  eingreifen.  An  älteren  Embryonen 
wird  dieser  Raum  völlig  von  Epithelium  erfüllt  und  bei  Rinds- 
embryonen bilden  sich  hier  die  Zahnwälle.  Mau  könnte  dieses 
Thal  des  Mundhöhlenbodens  „falsche  Zahnfurche"  nennen,  weil  es 
an  jüngeren  Embryonen  wegen  seiner  Lage  gegenüber  der  obern 
Zahnfurche  leicht  als  untere  Zahnfurche  angesprochen  werden 
kann.  Sie  unterscheidet  sich  aber  von  letzterer  durch  den 
Mangel  einer  ausfüllenden  aus  oberflächlichen  Epithelzellen  be- 
stehenden Kernmasse,  sowie  durch  den  Mangel  des  charak- 
teristischen dunklen  Halbmondes ,  welcher  die  wahre  Zahnfurche 
umfasst. 

Lehrreich  in  Beziehung  auf  das  besprochene  Verhalten  der 
Mundhöhle  und  der  Zahnanlagen  sind  die  auf  Taf.  IV,  Fig.  14 
und  15  abgebildeten  Durchschnitte  eines  Schweins- und  eines  Rinds- 
fötus aus  der  Zeit  der  beginnenden  Gaumenschliessung.  An 
älteren  Rindsembryonen  greifen  die  unterdessen  entstandenen  epi- 
thelialen Zahnwälle  so  in  einander  ein ,  dass  die  unteren  von  den 
oberen  umfasst  werden ,  wie  überhaupt  auch  die  unteren  Zahn- 
anlagen der  Medianebene  näher  stehen  als  die  oberen  (Taf.  V, 
Fig.  13).  —  Bei  Schweinsembryonen  bilden  sich  auch  keine  un- 
teren Zahnwälle  und  es  gilt  über  das  hier  befindliche  mächtige 
Epithelium  dasselbe,  was  ich  bereits  für  die  Oberkiefergegend  an- 
gegeben habe  (Taf.  IV,  Fig.  9). 

Der  Mensch,  dessen  Zahnbildung  im  Wesentlichen  ganz  in 
derselben  Weise  wie  bei  Säugern  erfolgt,  zeigt  doch  einige  wenn 
auch  untergeordnete  Eigentümlichkeiten  der  oberen  Zahngegend. 
Zunächst  macht  sich  hier  ein  bei  den  übrigen  von  mir  unter- 
suchten Säugethieren  nicht  vorkommender  Wulst  bemerklich  (Taf.  VII, 
Fig.  8,  m  und  Fig.  11,  g;  Taf.  VIII,  Fig.  5,  m;  Taf.  IX,  Fig.  6,  h); 
derselbe  entwickelt  sich  aus  dem  lateralen  Theil  der  Gaumen- 
schleimhaut und  grenzt  unmittelbar  an  die  Gegend  der  erst  all- 
mählig    herabwachsenden    Alveolarfortsätze    des    Oberkiefers    an. 


219 

Zwischen  dem  Gaumenwulst  und  der  gegenüber  liegenden  lateralen 
Mundhöhlenwand  findet  sich  ein  geräumiger  hoher  Zwischenraum, 
also  ein  weites  tiefes  Thal  (Taf.  VII ,  Fig.  8  zwischen  m  und  n), 
welches  ich  das  primitive  Vestibulum  oris  nennen  will.  Es 
ist  dieser  Vorhof  verhältnissmässig  viel  geräumiger  als  der 
spätere  Vorhof,  da  an  seiner  oberen  Wand  die  Zahnfurchenlippen 
noch  nicht  herabgewachsen  sind ;  vorläufig  ist  es  daher  der 
Gaumenwulst,  welcher  seine  mediane  Begrenzung  bildet.  Das  in 
der  übrigen  Mundhöhle  nur  dünne  Epithel  setzt  sich  in  den  primi- 
tiven Vorhof  fort ,  nimmt  aber  dabei  in  seinen  oberflächlichen 
Lagen  an  Mächtigkeit  so  bedeutend  zu,  dass  es  den  Vorhof  fast 
oder  an  manchen  Durchschnitten  selbst  völlig  erfüllt  (vergl.  auch 
Taf.  IX ,  Fig.  6  und  7).  An  manchen  Durchschnitten  erzeugt 
dieses  Epithel  einen  von  der  obern  Wand  des  primitiven  Vorhofes 
herabhängenden  mächtigen  Kegel,  dem  Zahnwall  der  Wiederkäuer 
vergleichbar  (Taf.  VII,  Fig.  8  ,  9,  11  und  13).  In  der  hinteren 
Partie  der  Mundhöhle  wird  der  Gaumenwulst  niedriger  (Taf,  VII, 
Fig.  12,  g;  Fig.  13,  h;  Fig.  14  und  15).  Die  dem  primitiven 
Vorhof  zugekehrte  Fläche  des  Gaumenwulstes  ist  durch  sehr  stark 
entwickelte  und  lange  Papillen  ausgezeichnet,  zwischen  welchen 
das  Mundhöhlenepithel  mit  entsprechenden  Fortsätzen  eingreift 
(Taf.  IX,  Fig.  6,  7  und  9). 

An  den  auf  Taf.  IX,  Fig.  6,  7  und  9  abgebildeten  Frontal- 
schnitten eines  1,08  Dem.  langen  menschlichen  Fötus  dringt  das 
Epithelium  des  primitiven  Vorhofes  fast  horizontal  oberhalb  des 
Gaumenwulstes  medianwärts  in  den  Oberkiefer  ein  und  ver- 
schmälert sich  allmählig  zu  einem  mit  zahlreichen  kurzen  Aus- 
wüchsen versehenen  Strang  oder  Schraelzkeim  (Fig.  6,  g),  welcher 
mit  dem  durch  die  Zahnpapille  halbmondförmig  eingestülpten 
Schmelzorgan  noch  ununterbrochen  zusammenhängt.  In  Fig.  6 
sieht  man  dabei  noch  den  Zusammenhang  des  Schmelzkeims  mit 
einem  Stück  Schmelzorgan  des  benachbarten  Zahnes.  —  Fig.  9 
zeigt  ein  Stück  der  Zahnanlage  desselben  Embryo  bei  stärkerer 
Vergrösserung.  Oberhalb  des  Gaumenwulstes  dringt  das  den 
Vorhof  erfüllende  MundhöUenepithel  als  Schmelzkeim  (b)  in  den 
Oberkiefer  ein  und  hängt  noch  mit  dem  Schmelzorgan  zusammen, 
von   welchem    ein  kleines  Stück  (c)    erhalten  ist.     Mit  a  d  ist  die 


220 

über  dem  Gaumenwulst  liegende  Partie  der  Oberkieferschleimhaut 
bezeichnet,  welche  dann  später  zum  weichen  Processus  alveolaris 
auswächst.  Was  den  Schmelzkeim  betrifft ;  so  besteht  derselbe 
noch  in  seiner  ganzen  Länge  aus  einer  bei  durchfallendem  Licht 
dunklen  Rinde  und  einer  helleren  Kernmasse.  Letztere  ist  eine 
Fortsetzung  der  oberflächlichen  Lagen  des  Mundhöhlenepithels  und 
enthält  merkwürdige  Nester  abgeplatteter  kleinerer  fester  ver- 
bundener Zellen,  wie  ich  solche  auch  in  dem  Vorhofsepithel  selbst 
finde  (f).  Aehnliche  Epitheliumsnester  werden  zwar  auch  in  der 
Schleimhaut  selbst  gefunden  und  sind  abgeschnürte  Reste  des 
Schmelzkeimes  (Kölliker),  jedoch  ist  mir  nicht  bekannt,  dass 
solche  auch  an  den  von  mir  bezeichneten  Stellen  bisher  gesehen 
worden  wären.  —  Verfolgt  man  den  Schmelzkeim  (b)  gegen  das 
Schmelzorgan  (c) ,  so  wird  es  dünner,  indem  seine  Kernmassc 
mehr  und  mehr  verschwindet;  in  den  Schmelzorganen  dagegen 
haben  sich  diese  Zellen  nicht  blos  erhalten,  sondern  auch  an  Zahl 
zugenommen  und  aus  ihnen ,  also  aus  den  Zellen  der  oberfläch- 
lichen Schichten  des  Mundhöhlenepithels  bildet  eich  das  hier  ab- 
gebildete Gallertgewebe  des  Schmelzorgans. 

Betrachtet  man  die  auf  Taf.  VIII  abgebildeten  Frontalschnitte 
eines  älteren  2  Dem.  langen  menschlichen  Fötus,  so  wird  in  Fig.  5 
der  frühere  primitive  Vorhof  (der  zwischen  1  h  befindliche  Raum) 
durch  einen  von  oben  herabwachsenden  mächtigen  Wulst  (k  i)  in 
einen  lateralen  Abschnitt  (g,  oberer  Abschnitt  des  eigentlichen 
Vestibulum  oris)  und  in  eine  enge  mediane  Spalte  (zwischen  1  k) 
getheilt.  Der  in  den  Vorhof  hinabtretende  Wulst  enthält  den 
dünnen  strangförmigen  mit  einem  Endknöpfchen  versehenen  Schmelz- 
keim und  es  sind  daher  die  ^dadurch  geschiedenen  ungleichen 
Hälften  des  Schleimhautwulstes  die  nachträglich  hervorgewachsenen 
Ränder  der  Schleimhautwände  der  früheren  Zahnfurche,  die  ich 
oben  bei  den  Säugethieren  Zahnfurchenlippen  nannte.  Der  er- 
wähnte Schmelzkeimrest  hindert  die  wirkliche  Verschmelzung  beider 
Lippen,  so  dass  sie  leicht  von  einander  abgezogen  werden  können. 
Von  den  beiden  Zahnlippen  der  Oberkiefergegend  ist  in  der 
grössern  vordem  Hälfte  der  Mundhöhle-  die  innere  Lippe  so  schmal 
und  niedrig,  dass  sie  an  einer  Flächenansicht  des  Mundhöhlen- 
daches (Taf.  VI,  Fig.  15)  von  dem  dicht  angrenzenden  Gaumen- 


221 

wulst  (c)  völlig  verdeckt  wird  und  nur  die  äussere  Lippe  (nach 
aussen  von  i)  sichtbar  bleibt.  Im  hintern  Theil  der  Mundhöhle 
dagegen  nimmt  auch  die  innere  Lippe  an  Breite  und  Höhe  so 
rasch  zu ,  dass  sie  zwischen  Gaumenwulst  und  äusserer  Lippe 
wie  ein  ganz  neuer  Wulst  an  die  Oberfläche  gelangt  (einwärts 
von  b).  Daraus  ergiebt  sich,  dass  im  vorderen  Abschnitt  der 
Mundhöhle  die  mit  i  bezeichnete  Furche  nicht  die  wirkliche  Zahn- 
furche ist,  sondern  diese  erst  in  der  Tiefe  sich  als  besondere  Furche 
abzweigt.  Bei  den  Säugern  vermisse  ich  einen  besonderen  Gaumen- 
wulst, es  fällt  derselbe  gleichsam  mit  der  inneren  Zahnfurchen- 
lippe zusammen ,  daher  auch  hier  die  Verhältnisse  einfacher  sind, 
wie  man  aus  den  beigegebenen  Abbildungen  von  Frontalschnitten 
ersieht;  auch  zeigt  die  auf  Taf.  III,  Fig.  13  abgebildete  Flächen- 
ansicht der  Mundhöhlendecke  eines  Rindsfötus,  dass  die  den  Zahn- 
wulst halbirende  Furche  (g)  in  ihrer  ganzen  Länge  einfach  bleibt 
und  den  Eingang  in  die  Zahnfurche  bedeutet. 


Nachtrag. 

Ueber  den  Primitivstreif  des  Hühnchens  (s.  Vorbemerkung). 

Vergleicht  man  meine  in  der  Abhandlung  über  den  Primitivstreif 
des  Hühnchens  (Lahr,  1867)  gegebenen  die  Bildung  der  Leibesform 
betreffenden  Flächenbilder  der  Keimscheibe  mit  denen  von  Remak, 
dem  man  bisher  bekanntlich  allgemein  folgte,  so  fällt  der  wesent- 
liche Unterschied  sofort  in  die  Augen.  Nach  Remak  erscheint 
in  der  Mittellinie  des  Embryonalschildes  der  Primitivstreif  (Achsen- 
platte) und  in  diesem  eine  helle  Rinne;  so  weit  stimmen  wir  im 
Wesentlichen  mit  einander  überein.  Vergleicht  man  aber  unsere 
Abbildungen  des  nächstfolgenden  Stadiums,  so  nimmt  der  Remak'- 
sche  Primitivstreif  an  Länge  und  Breite  zu  und  im  Grunde  seiner 
hellen  Rinne  liegt  ein  mächtiger  Strang  mit  spindelförmig  ver- 
dicktem hinteren  Ende,  die  Chorda.  Meine  Abbildungen  dagegen 
zeigen  den  Primitivstreif  noch  immer  in  seiner  früheren  Gestalt, 
höchstens  etwas  länger  geworden,  und  in  der  Mitte  seiner  Rinne 
erscheint  ein  höchst  feiner  nur  aus  einer  einfachen  Reihe  dunkler 
Körnchen  bestehender  Faden  (Achsenfaden,  m),  der  an  beiden 
Enden  in  ein  kleines  rundes  Knöpfchen  ausläuft. 

Was  nun  die  folgenden  Entwicklungsstufen  betrifft ,  so  er- 
scheinen nach  Remak  die  Urwirbel  in  dem  Primitivstreif,  zu 
beiden  Seiten  der  im  Boden  seiner  hellen  Rinne  liegenden  Chorda 
und  zwar  in  der  Mitte  seiner  Länge,  während  die  vordere  Hälfte 
des  Primitivstreifs  ungegliedert  bleibt  und  den  Kopf  bildet.  Meine 
Abbildungen  dagegen,  wie  ich  überdies  an  aufgehobenen  Präpa- 
raten demonstriren  kann,  zeigen  auch  in  den  nächstfolgenden  Sta- 
dien den  Primitivstreif  noch  unverändert  und  der  in  seiner  Rinne 
liegende  ebenfalls  unveränderte  Achsenfaden  markirt  auch  für  spä- 
tere Zeiten  mit  seinen  Endknöpfchen  die  ursprünglichen  Enden 
des  Primitivstreifs.  Ferner  zeigen  meine  Abbildungen  einen  aus 
dem  Kopfende  des  Primitivstreifs  hervorwachsenden  Strang,  den 
Remak  nicht  kannte,  der  die  vor  dem  Primitivstreif  liegende 
Partie  des  Embryonalschildes    halbirt    und    im    Boden    einer    im 


223 

frischen  Zustande  völlig  durchsichtigen  glashellen  Rinne  aufge- 
nommen wird.  Ich  fand  somit,  was  Remak  nicht  wusste,  zwei 
hinter  einander  liegende  durch  das  abgerundete  dicke  Kopfende 
des  Primitivstreifs  geschiedene  und  auch  durch  ihre  Breite  und 
den  Grad  der  Durchsichtigkeit  leicht  zu  unterscheidende  Rinnen, 
von  welchen  ich  die  vordere  „Rückenrinne",  die  hintere  „Rinne 
des  Primitivstreifs"  nannte.  Die  Rückenrinne  enthält  den  er- 
wähnten aus  dem  Kopfende  des  Primitivstreifs  hervorgewachsenen 
Strang,  von  dem  ich  nachwies,  dass  er  die  Chorda  darstellt  und 
an  seinem  Kopfende  eine  mit  der  Bildung  der  Hypophyse  in  Be- 
ziehung stehende  Anschwellung  zeigt  1).  Da  nun  bekanntlich  die 
Urwirbel  zu  beiden  Seiten  der  Chorda  entstehen,  so  liegen  sie  so- 
mit nicht,  wie  man  bisher  mit  v.  B  a  e  r  und  Remak  glaubte,  in 
dem  Primitivstreif  zu  beiden  Seiten  von  dessen  Rinne  ,  sondern, 
wie  meine  Abbildungen  lehren,  vor  dem  Primitivstreif  zu  beiden 
Seiten  der  Rückenrinne.  Was  dagegen  die  Rinne  des  Primitiv- 
streifs betrifft,  so  zeigt  diese ,  wenn  auch  bereits  eine  Anzahl  von 
Urwirbeln  entstanden  ist,  noch  immer  ihr  früheres  Aussehen,  d.  h. 
sie  enthält  nicht  die  von  Remak  hineingezeichnete  mächtige 
Chorda  mit  spindelförmiger  Anschwellung ,  sondern  noch  immer 
meinen  unveränderten  Achsenfaden,  dessen  vorderes  Endknöpfchen 
das  ursprüngliche  vordere  Ende  des  Primitivstreifs  markirt  (vergl. 
auch  die  in  vorliegender  Abhandlung  befindliche  Taf.  II). 

Ferner  lehren  meine  Abbildungen,  dass  mit  der  Zunahme  der 
Urwirbelzahl  auch  die  vordere  Partie  des  Embryonalschildes  rasch 
an  Länge  zunimmt,  wobei  der  Priraitivstreif  allmählig  sich  ver- 
kürzt und  mit  seinem  vorderen  Ende  sich  zurückzieht.  Schliesslich 
verschwindet  er  mit  seinem  räthselhaften  Achsenfaden,  bevor  noch 
die  Urwirbelbildung  im  hinteren  Ende  des  Embryonalschildes  Platz 
gegriffen  hat. 

Nach  dieser  Auseinandersetzung,  welche  zeigt,  dass  die  von 
Baer  und  Remak  aufgestellte  Lehre  der  Gliederung  der  Keim- 
scheibe   durch    mich    eine  wesentliche  Umänderung   erfahren  hat, 


1)  Vergl.  meine  Abhandlung  über  den  Primitivstreif  des  Hühnchens, 
Lahr  1867,  S.  49,  sowie  meine  »Beiträge  zur  Entwicklungsgeschichte  des  Ge- 
hirnanhanges« im  Centralblatt  f.  med.  Wissenschaft.     1868.    Nr.  8. 


224 

wende  ich  mich  zu  einer  Beleuchtung  des  in  dem  neuesten  Werke 
über  den  Entwicklungsplan  der  Wirbelthiere  von  H  i  s  über  meine 
Leistungen  erstatteten  Berichtes.  Da  ich  diese  Abhandlung  erst 
vor  wenigen  Wochen  erhielt  und  ich  gerade  mit  dem  Schluss  der 
vorliegenden  Schrift  über  die  Entwicklung  des  Kopfes  beschäftigt 
war,  so  blieben  mir  nur  wenige  Tage  zur  Durchsicht  übrig,  wes- 
halb ich  auf  die  von  His  vorgenommenen  Umänderungen  des 
Entwicklungsplanes  erst  bei  einer  anderen  Gelegenheit  eingehen 
werde. 

Die  von  His  S.  50  meiner  den  Primitivstreif  des  Hühnchens 
betreffenden  Schrift  zu  Theil  gewordene  Besprechung  beginnt  mit 
dem  Vorwurfe,  dass  ich  R  e  m  a  k  den  Rücken  zukehre.  Nachdem 
ich  aber  nachgewiesen  habe,  dass  R  e  m  a  k  sich  in  Beziehung  auf 
den  Primitivstreif  sowie  auch  noch  in  anderen  Dingen  (z.  B.  Ur- 
wirbelhöhle ,  Kopfplatten ,  Kopfende ,  Chorda)  im  Irrthum  befand 
und  wenn  ich  ferner  in  dem  His 'sehen  Werke  sowie  namentlich 
auf  dessen  12.  Tafel  der  Abbildungen  meine  Verbesserungen,  wenn 
auch  meist  ohne  Erwähnung  meines  Antheils  ,  wieder  finde ,  so 
kann  ich  mir  diesen  Vorwurf  schon  gefallen  lassen. 

Auf  die  Keimblätter,  meint  His,  scheine  ich  wenig  Gewicht 
zu  legen.  Nun  besteht  aber  meine  gegen  die Remak'sche  Keim- 
blättertheorie vorgebrachte  Einwendung  darin ,  dass  ich  zur  Zeit 
vor  dem  Erscheinen  der  Primitivrinne  nur  zwei  Keimblätter  wahr- 
nehmen konnte,  und  auch  darin  giebt  His  (S.  57)  mir  ausdrücklich 
Recht.  Wenn  ich  die  beiden  ursprünglichen  Keimblätter  des  Em- 
bryonalschildes nicht  als  die  gesammte  Uranlage  des  Embryo  an- 
erkannte, da  mir  die  Herkunft  des  Darmdrüsenblattes  zweifelhaft 
erschien ,  wie  kann  dann  H  i  s  daraus  auf  eine  Verachtung  der 
Keimblätter  überhaupt  schliessen,  da  er  ja  selbst  die  beiden  Keim- 
blätter nicht  als  Gesammtanlage  des  Leibes  anerkennt  und  einen 
Theil  desselben  aus  dem  Dotter  nachträglich  einwandern  lässt? 

Die  histologischen  Gesichtspunkte  ,  sagt  der  Bericht ,  wären 
mir  ganz  fern  gelegen.  Zuerst  aber  muss  man  doch  das  Gebäude 
kennen,  dessen  einzelne  Bausteine  man  untersuchen  will  und  da 
meine  Schrift  über  den  Primitivstreif  sich  mit  der  Keimscheibe 
befasst,  so  konnte  es  sich  zunächst  doch  nur  um  morphologische 
Verhältnisse  handeln.     Ueberhaupt  griff  ich  ja  nur  den  morpholo- 


225 

gischen  Theil  der  bisherigen  Lehre  des  Entwicklungsplanes  an 
und  wenn  ich  dabei  zu  neuen  Resultaten  gelangte,  so  war  die  mir 
gestellte  Aufgabe  erfüllt  und  ein  neuer  Boden  auch  für  histologische 
Forschungen  geschaffen. 

Ferner  berichtet  His,  dass  ich  aus  dem  Embryonalschild  die 
Rücken-  und  Baucliplatten ,  sowie  aus  dem  vordem  Ende  des 
Primitivstreifen  die  Achsengebilde  (!)  des  Embryo  hervorgehen 
lasse.  His  nimmt  also  keinen  Anstand,  mich  Dinge  sagen  zu 
lassen,  deren  Gegentheil  ich  gerade  durch  meine  Schrift  über  den 
Primitivstreif  zu  beweisen  suchte.  Die  bisherige  Annahme,  dass 
aus  dem  Primitivstreif  die  Achsengebilde  (Centralnervensystem, 
Schädel ,  Wirbelsäule)  entstehen ,  verwarf  ich  und  verlegte  deren 
Uranlage  in  die  ausserhalb  des  Primitivstreifs  in  dem  Embryonal- 
schilde enthaltenen  Rückenplatten,  während  ich  aus  dem  Primitiv- 
streif selbst  die  embryonale  Achse,  also  die  Chorda  dorsalis,  her- 
vorwachsen lasse  (vergl.  meine  Abh.  über  den  Primitivstreif  S.  4 
und  S.  65).  Dabei  hat  His  noch  das  Unglück,  den  Widerspruch 
zu  übersehen,  wenn  er  mich  sagen  lässt,  dass  in  dem  Embryonal- 
schild die  Rückenplatten  (also  die  Achsengebilde)  entstehen  und  aus 
dem  vordem  Ende  desPrimitivstreif's  die  Achsengebilde  (also  zweimal !). 

Schärfer  als  irgend  einer  seiner  Vorgänger,  lautet  wieder  der 
Bericht,  hebt  Dursy  die  Thatsache  hervor,  dass  die  ganze  vor- 
dere Hälfte  der  embryonalen  Anlage  dem  Kopfe  angehört,  auch 
einige  andere  Einzeln-Beobachtungen  sind  bei  ihm  neu.  Dies 
klingt  wie  Lob,  leider  wird  jedoch  die  Spitze  meiner  Entdeckung, 
dass  der  Kopf  vor  dem  Primitivstreif  sich  bilde ,  verschwiegen, 
während  die  Angabe ,  dass  die  vordere  Hälfte  der  embryonalen 
Anlage  dem  Kopfe  angehöre ,  schon  längst  bekannt  ist  und  auch 
hinlänglich  hervorgehoben  wurde.  Ich  hätte  wenigstens  bei  dieser 
Gelegenheit  von  His  die  Erwähnung  dieses  von  mir  festgestellten 
merkwürdigen  Verhältnisses  des  Kopfes  zum  Primitivstreif  um  so 
mehr  erwartet,  weil  er  doch  selbst  diese  Thatsache  seiner  Lehre 
von  der  Gliederung  der  Keimscheibe  zu  Grunde  legt,  wobei  er 
freilich  meine  vorausgegangene  Schrift  einfach  übergeht.  —  Was 
meine  anderen  Einzeln-Beobachtungen  betrifft,  so  finde  ich  zwar 
dieselben  in  dem  His 'sehen  Werke  ebenfalls  aufgenommen,  muss 
aber   hervorheben,    dass    gerade    bei    den    wichtigeren   derselben 

Dursy,  Entwicklgsgesch.  1 5 


226 

(z.B.  Remak'sche  Urwirbelhöhle,  Kopfanschwellung  der  Chorda, 
Beziehung  dieser  Anschwellung  zur  Bildung  der  Hypophyse,  des 
Trichters  und  der  Rathke'schen  Tasche  l),  Verhalten  der  Medullar- 
platten  zu  den  Urwirbeln  und  zur  Schwanzanschwellung  der  Chorda) 
ineine  zu  demselben  Resultate  gelangten  Leistungen  übergangen 
wurden.  Ich  würde  mich  darüber  nicht  so  auffallend  beschweren, 
wenn  ich  nicht  dazu  durch  die  His'sche  Besprechung  meiner 
Schrift,  durch  die  ich  einfach  bei  Seite  geschoben  werden  soll,  ge- 
nöthigt  worden  wäre. 

In  seinen  Deutungen  dagegen ,    sagt  H  i  s ,    ist  D  u  r  s  y   nicht 
glücklich,  hauptsächlich  deshalb,  weil  er  zu  wenig  Durchschnitts- 
bilder   und  Flächenbilder    mit  einander    cumbinirt    hat.  —  Selbst- 
verständlich   können    Durchschnittsbilder    die    von    mir   gegebenen 
Flächenbilder  der  Keimscheibe    nicht  ändern  und  es    weichen  die- 
selben von  den  bisher  bekannten  Flächenbildern  so  wesentlich  ab, 
dass  diese   meine  Leistung    nicht    mehr  übergangen  werden  kann. 
Ich  suchte  aber  auch ,    wie    schon    aus    meiner  Schrift    über    den 
Primitivstreif  hervorgeht,    an  der  Hand    theils  der  Remak'schen 
theils  eigener  Durchschnitte  meine  Deutungen  zu  unterstützen  und 
gelangte    zu    dem    Resultate ,    dass    der    aus    dem    Kopfende    des 
Primitivstreifs  hervorwachsende  Strang  —  die  Wirbelsaite  ist. 
Diese  Wahrnehmung  gab  mir  den  Schlüssel  zum  Verständniss  des 
von    mir    gefundenen  Flächenbildes    der  Keimscheibe    und    bildet 
den  wesentlichsten  Theil  meiner  Lehre.     Davon    spricht  nun  H  i  s 
in  seinem  Berichte  kein  Wort,  sagt  vielmehr    von    mir,    dass    ich 
aus  dem  Kopfende  des  Primitivstreifs  successive  die  Achs  en- 
ge b  i  1  d  e  (!)  des  Embryo    entstehen   lasse.     Meine  Verwunderung 
darüber    stieg,    als    ich    die  His'sche  Taf.  XII    ansah  und  sofort 
in  allen  betreffenden  Figuren  meine  von  dem  Kopfende  des  Primitiv- 
streifs abgehende  Chorda  und  die  ebenfalls  vor  dem  Primitivstreif 
liegenden  Urwirbel  (vergl.    namentlich    Fig.   16)    erkannte.     Sagte 
ich  daher,  dass  die  Bildung  nicht  blos  des  Kopfes,  sondern  auch 
der  Urwirbel    vor    dem  Primitivstreif  beginne,    so  ist  doch  diese 
meine  Deutung  ganz  richtig.     Wenn  nun  aber  noch  überdies  His 
im  Texte    seines  Werkes    selbst  die  Erklärung   abgiebt ,    dass  ich 

1)  Centralblatt  f.  med.  Wissensch.  1868.  Nr.  8,  sowie  meine  Schrift  über 
den  Primitivstreif,  S.  49. 


227 

die  Bedeutung  des  aus  dem  Kopfende  des  Primitivstreifs  hervor- 
wachsenden Fortsatzes  für  die  Bildung  der  Chorda  richtig  erkannt 
hätte  (S.  G9  in  einer  winzigen  Anmerkung) ,  wie  kann  man  in 
einem  Berichte  über  mich  ohne  alle  Einschränkung  die  Behauptung 
aufstellen,  dass  ich  in  der  Deutung  des  Gesehenen  unglücklich 
gewesen  wäre  ?  Ferner  fasse  ich,  wie  II  i  s  ,  den  Primitivstreif  als 
Wurzel  der  Chorda  auf  (vergl.  m.  Abh.  üb.  d.  Primitivstr.  S.  5) ; 
ist  dies  falsch  gedeutet  ? 

Wenn  ich  an  verschiedenen  Stellen  meiner  Abhandlung  über 
den  Primitivstreif  gesagt  habe,  dass  der  Embryo  vor  dem  Primitiv- 
streif entstehe ,  so  geschah  dies ,  um  einen  kurzen  Ausdruck  zu 
haben,  welcher  sofort  den  Unterschied  zwischen  meiner  und  der 
früheren  Lehre  hervorheben  sollte.  An  anderen  Stellen  dagegen 
drücke  ich  mich  vollständiger  aus  und  auch  aus  der  ganzen  Dar- 
legung sowie  aus  meinen  beigegebenen  Tafeln  geht  klar  hervor, 
dass  die  hintere  den  Primitivstreif  enthaltende  Partie  des  Em- 
bryonalschildes den  hintern  Theil  der  Leibesanlage  enthalte,  welchen 
die  Embryologen  im  Gegensatz  zu  dem  Kopfende  „das  Schwanz- 
ende" der  embryonalen  Anlage  nennen,  wobei  jedoch  nicht  an 
den  wirklichen  Schwanz  gedacht  werden  darf,  der  erst  viel  später 
aus  diesem  hinteren  Leibesende  hervorwächst.  Auch  gab  ich  auf 
Seite  65  meiner  genannten  Schrift  noch  einen  Rückblick,  welcher 
die  wesentlichen  Punkte  meiner  Lehre  zusammenfasst  und  sage 
daselbst  wörtlich  „dass  der  Primitivstreif  mit  den  zu  beiden  Seiten 
liegenden  Theilen  des  Embryonalschildes  das  hintere  Ende 
des  Embryo  darstellt".  Das  Resultat  meiner  Abhandlung  ist, 
dass  der  Primitivstreif  sich  nicht  in  der  bisher  vor- 
getragenen Weise  an  der  Bildung  des  embryonalen 
Leibes  bet heiligt,  und  dafür  finde  ich  in  dem  H i s 'sehen 
Werk  nur  eine  Bestätigung. 

H  i  s  legt  die  von  mir  gefundene  Gliederung  der  Keimscheibe 
seinem  Werke  zu  Grund  ,  wie  z.  B.  der  von  ihm  auf  S.  45  ge- 
gebene Holzschnitt  zeigt  und  es  besteht  der  Unterschied  zwischen 
diesem  Schema  und  dem  meinigen  in  der  Abänderung  der  Be- 
zeichnungen. Wir  erblicken  daran  in  der  Mitte  der  Keimscheibe 
den  abwärts  oval  gewordenen  Embryonalschild  und  in  dessen  hin- 
terer  Hälfte   den   mit    einer  Rinne  versehenen  Primitivstreif.     Ich 


228 

habe  nun  gezeigt,  dass  die  Rückenplatten  nicht,  wie  man  bisher 
mit  v.  Baer  und  Remak  annahm,  in  dem  Primitivstreif  oder  der 
Remak'schen  Achsenplatte  entstehen,  sondern  in  der  den  Primitiv- 
streif umgebenden  dickeren  Schildmitte ,  die  man  bisher  für  die 
Anlage  der  Bauchplatten  hielt ,  und  in  welche  Gegend  Remak 
seine  Seitenplatten  verlegte.  Dieser  Forscher  übersah ,  dass  der 
Embryonalschild  selbst,  abgesehen  von  der  Achsenplatte  oder  dem 
Primitivstreif,  aus  zwei  durch  ihre  Dicke  sich  unterscheidende 
Zonen  besteht ,  von  welchen  ich  die  äussere  „Schildmitte",  die 
innere  „Schildperipherie"  nannte.  In  jene  verlegte  ich  die  Bauch- 
platten, in  diese  die  Rückenplatten,  während  ich  der  Achsenplatte 
die  in  der  bisherigen  Weise  angenommene  Betheiligung  an  der 
Bildung  des  Leibes  absprach. 

Diese  von  mir  durchgeführte  Umänderung  der  Lehre  von  der 
Gliederung  der  Keimscheibe  zeigt  auch  der  Hi  s'sche  Holzschnitt, 
nur  anders  bezeichnet.  Den  um  den  Embryonalschild  liegenden 
Rest  der  Area  pellucida  nennt  His  „Aussenzone",  meine  Schild- 
peripherie  nennt  er  Parietalzone  und  verlegt  ebenfalls  dahin  die 
Bauchplatten.  Meine  Schildmitte  nennt  er  Stammzone  und  erkennt 
sie  ebenfalls  wie  ich  als  die  Anlage  der  Rückenplatten  an.  Den 
in  der  Achse  der  Stammzone  liegenden  Primitivstreif  bezeichnet 
er  zwar  nicht,  bildet  ihn  aber  ab  und  nennt  die  in  ihm  enthaltene 
Rinne  „Primitivrinne".  An  verschiedenen  anderen  Stellen  dagegen 
und  in  seinen  Tafeln  nennt  er  den  Primitivstreif  „Achsenstreif" 
oder  „Achse". 

Durch  eine  punktirte  von  dem  Kopfende  des  Primitivstreifs 
nach  vorn  verlaufende  mediane  Linie  (c.  Cr.)  deutet  His  die  Ge- 
gend an,  in  welcher  eine  zweite  Rinne,  nämlich  meine  Rücken- 
rinne, entsteht,  die  er  centrale  Längsrinne  nennt.  Wir  haben  also 
hier  zwei  hinter  einander  liegende  durch  das  geschlossene  Kopf- 
ende des  Pritnitivstreifs  von  einander  geschiedene  Rinnen,  welches 
Vorkommen  von  mir  nachgewiesen  wurde,  während  man  bisher 
nur  von  Einer  Rinne  sprach.  Gesehen  hat  man  sie  zwar ,  aber 
mit  einander  verwechselt,  indem  man  immer  nur  eine  und  dieselbe 
Rinne,  nämlich  die  Primitivrinne,  vor  sich  zu  haben  glaubte.  Wie 
ich  jedoch  gezeigt  habe ,  so  bildet  sich  vor  dem  Kopfende  des 
Primitivstreifs  eine  zweite  Rinne  (meine  Rückenrinne),  welche  mit 


229 

der  vordem  Hälfte  des  Embryonalschildes  rasch  an  Länge  zu- 
nimmt, während  der  Primitivstreif  mit  seiner  Rinne  zurückbleibt. 

Auch  lässt  H  i  s  ebenso  wie  ich  in  der  vor  dem  Primitivstreif 
liegenden  neuen  Rinne  eine  neue  Achse  entstehen,  welche  aus  der 
ursprünglichen  oder  dem  Primitivstreif  nachträglich  hervorwächst 
und  deutet  ihn  wie  ich  als  Chorda  dorsalis. 

Ferner  erblickt  man  in  dem  Schema  von  His  eine  punktirte 
den  vordem  Rand  des  Primitivstreifs  treffende  Querlinie  (c.  Qr.), 
in  welcher  Gegend  ebenfalls  eine  Rinne  entsteht,  die  er  centrale 
Querrinne  nennt.  Er  betrachtet  sie  als  eine  Wiederholung  der 
Primitivrinne  (!),  welche  somit  ebenso  wie  diese,  bei  durchfallen- 
dem Licht  als  ein  heller  von  zwei  dunklen  Säumen  begrenzter 
Streif  erscheinen.  Auch  ich  habe  diese  Gegend  in  meiner  Schrift 
über  den  Primitivstreif  beschrieben  und  daselbst  auf  Taf.  I,  Fig.  8 
abgebildet.  Nach  meinen  Beobachtungen  entstehen  jedoch  in 
diesem  Grenzgebiet  der  vorderen  und  hinteren  Schildhälfte  zu 
beiden  Seiten  des  Kopfrandes  des  Primitivstreifs  zwei  symmetrische 
helle,  die  Rückenplatten  etwas  schräg  durchsetzende  von  dunklen 
Säumen  umfasste  Streifen ,  welche  die  Bildung  der  Urwirbel  ein- 
leiten. Was  die  dazwischen  liegende  vor  dem  Kopfrande  des 
Primitivstreifs  befindliche  Gegend  betrifft,  woselbst  die  Chorda 
hervorwächst,  so  zeigt  diese  niemals  bei  richtiger  Behandlung  der 
Keimscheibe  oder  an  Durchschnitten  von  in  situ  erhärteten  Em- 
bryonen die  Gestalt  einer  engen  von  zwei  dunklen  Säumen  um- 
fassten  Rinne  ,  sondern  ist  eine  flache  Einsenkimg ,  die  dadurch 
entsteht,  dass  das  verdickte  Kopfende  des  Primitivstreifs  über  die 
Oberfläche  hervorragt.  Nach  vorn  dagegen  geht  diese  EinSenkung 
ganz  allmählig  in  die  dorsalwärts  convexe  Krümmung  des  em- 
bryonalen Leibes  über.  Wie  man  auf  Taf.  II,  Fig.  2  meiner 
Schrift  über  den  Primitivstreif,  sowie  in  der  vorliegenden  Abhand- 
lung über  die  Entwicklung  des  Kopfes  Taf.  II,  Fig.  10  und  11 
sieht,  so  bildet  sich  in  der  Gegend  vor  dem  Primitivstreif  allmählig 
ein  die  ganze  Breite  des  embryonalen  Leibes  einnehmendes  flaches 
Thal,  welches  die  dorsalwärts  gewölbten  hinteren  und  vorderen 
Leibesgegenden  von  einander  scheidet.  Es  erhält  dadurch  der 
Leib  die  bekannte  leierförmige  Gestalt;    er  erscheint  daselbst  ein- 


230 

gezogen  und  hier  liegen  die  Unvirbel  J).  An  den  sagittalen  Durch- 
selinitten  von  II  i  s  ist  eine  schmale  Querrinne  allerdings  zu  sehen, 
es  liegen  jedoch  diese  Schnitte,  wie  aus  der  Erklärung  hervorgeht, 
nicht  median,  sondern  in  einiger  Entfernung  neben  der  Achse,  also 
neben  dem  Primitivstreif,  es  treffen  dann  diese  Schnitte  die  von 
mir  auf  Taf.  I,  Fig.  8  abgebildeten  hellen  Querstreifen,  also  Ein- 
senkungen,  welche  die  in  der  Bildung  begriffenen  ersten  Urwirbel 
von  einander  scheiden. 

Nach  dieser  Auseinandersetzung  kann  ich  keinen  wesentlichen 
Unterschied  zwischen  meiner  und  der  His'schen  Darlegung  der 
Keimscheibengliederung  finden. 

Was  die  späteren  Veränderungen  der  Keimscheibe  betrifft,  so 
weicht  H  i  s  von  meiner  Lehre,  jedoch  nur  scheinbar,  insofern  ab, 
als  er  nur  einen  kleineren  Abschnitt  des  Leibes,  ich  dagegen  einen 
viel  grösseren  vor  dem  Primitivstreif  entstehen  lasse.  H  i  s  ist 
nämlich  der  Meinung,  dass  in  der  Richtung  einer  durch  den  vor- 
deren Rand  des  Primitivstreifs  gezogenen  Querlinie  (S.  45  ,  Holz- 
schnitt c.  Qr)  die  Grenze  zwischen  Kopf  und  Rumpf  gegeben  sei 
(S.  44).  Darnach  würde  nur  der  Kopf  vor  dem  Primitivstreif 
entstehen.  S.  80  dagegen  lässtHisauch  die  ersten  Urwirbel  vor 
dem  Primitivstreif  entstehen,  wie  ich  es  ebenfalls  thue;  besonders 
lehrreich  in  dieser  Beziehung  ist  die  Vergleichung  seiner  Taf.  XII, 
Fig.  16  und  meiner  Taf.  I,  Fig.  9  in  der  Schrift  über  den  Primitiv- 
streif. Fast  alle  Figuren  seiner  Taf.  XII  wurden ,  wie  aus  der 
Figurenerklärung  hervorgeht,  im  Sommer  1867  angefertigt,  wäh- 
rend meine  Schrift  über  den  Primitivstreif  im  Anfang  desselben 
Jahres  ausgegeben  wurde.  Ich  führe  diesen  Umstand  deshalb  an, 
weil  vor  dieser  Zeit  H  i  s  in  Beziehung  auf  den  Ort  der  Entste- 
hung der  ersten  Urwirbel  noch  der  früheren  Lehre  huldigte,  wie 
man  aus  seiner  im  September  1866  gezeichneten  Figur  9  seiner 
Taf.  XII  sowie  auf  S.  71  seines  Textes  erfährt.  Die  in  dieser 
Figur  sichtbaren  Absetzungen  in  den  sonst  continuirlichen  Seiten- 
theilen  des  Primitivstreifs  kommen  nur  ganz  ausnahmsweise  vor 
und  finden  sich  mitunter  auch  an  anderen  Gebilden  des  embryonalen 
Leibes.     So    bemerkt    man  z.  B.  hie  und    da    einen  Zerfall    eines 


1)  Vergl.  auch  meinen  Aufsatz  »über  Messungen  an  Hühnerembryonen  etc. 
in  Heule's  u.  Pfeufer's  Zeitschrift«. 


231 

Urwirbels  in  zwei  getrennte  Seitenhälften  und  eben  dahin  gehört  auch 
die  von  H  i  s  auf  Taf.  XII,  Fig.  8  abgebildete  ungewöhnliche  Ab- 
gliederung  der  Chorda  dorsalis  von  dem  Kopfende  des  Primitivstreifs. 

Nachdem  ich  gezeigt  habe ,  dass  H  i  s  sowohl  im  Texte  wie 
in  Fig.  16,  Taf.  XII  die  drei  ersten  Urwirbel  jederseits  vor  dem 
Primitivstreif  entstehen  lässt ,  so  findet  er  sich  damit  in  Wider- 
spruch mit  seiner  Angabe ,  dass  eine  das  Kopfende  des  Primitiv- 
streifs schneidende  Querrinne  die  Grenze  zwischen  Kopf  und  Rumpf 
markire.  His  muss  daher  zugeben,  dass  auch  die  Bildung  der 
Halswirbel  vor  dem  Primitivstreif  geschieht. 

Betrachtet  man  den  in  meiner  üb.  d.  Pr.  Taf.  I,  Fig.  9  ab- 
gebildeten Embryo ,  so  liegen  die  zuerst  entstandenen  Urwirbel 
zwar  vor  dem  Primitivstreif,  jedoch  noch  in  geringer  Entfernung 
von  demselben.  Das  abgerundete  Kopfende  des  letzteren  bildet 
mit  dem  breiten  Anfang  der  davor  liegenden  Chorda  eine  auf- 
fallende Anschwellung,  welche  ich  Schwanzanschwellung  der  Chorda 
nannte.  Durch  diese  Anschwellung  sowie  durch  das  obere  End-- 
knöpfchen  meines  von  His  gänzlich  übersehenen  Achsenfadens 
ist  das  Kopfende  des  Primitivstreifs  auch  in  späteren  Zeiten  hin- 
länglich markirt.  Ueberblickt  man  nun  die  auf  der  zweiten  Tafel 
meiner  genannten  Schrift  stehenden  Figuren,  so  bemerkt  man,  dass 
die  Entfernung  zwischen  den  hintersten  Urwirbeln  und  dem  Kopf- 
ende des  Primitivstreifs  (Schwanzanschwellung  der  Chorda)  mehr 
und  mehr  zunimmt.  Es  zieht  sich  eben  das  Kopfende  des  Primitiv- 
streifs, indem  letzterer  allmählig  sich  verkürzt,  zurück  und  nähert 
sich  mehr  und  mehr  dem  hintern  Leibesende ,  während  zugleich 
die  hinter  den  Urwirbeln  liegenden  noch  ungegliederten  Urwirbel- 
platten  an  Länge  zunehmen.  Gliedern  sich  dann  die  letzteren 
von  vorn  nach  hinten  in  Urwirbel  ab,  so  liegen  diese  doch  immer 
vor  dem  Primitivstreif  und  dessen  Rinne ,  wie  ich  es  auch  bei 
His  finde.  Da  ich  schliesslich,  bevor  noch  die  Urwirbelbildung 
das  hintere  Ende  des  Leibes  erreicht,  von  einem  Primitivstreif  als 
einer  besonderen  Bildung  nichts  mehr  wahrnehmen  konnte,  so  war 
die  mir  in  meiner  Abhandlung  gestellte  Aufgabe  erfüllt.  Ich  zeigte 
gegen  v.  Baer  und  Reraa  k,  dass  die  Urwirbel  nebst  der  zwischen 
ihnen  befindlichen  Chorda,  so  lange  ein  Primitivstreif  überhaupt  wahr- 
genommen wird,  nicht  in  diesem,  sondern  vor  ihm  entstehen.  Auch 


A 


/~ 


232 

sehe  ich  mich  weder  durch  den  Text  noch  durch  die  Tafeln  von  H  i  s 
genöthigt,  von  diesen  meinen  Angaben  abzustehen,  indem  ich  in 
dessen  Werk  viel  mehr  eine  Bestätigung  als  eine  "Widerlegung  finde. 

Ferner  wundert  sich  His  (S.  51)  über  meine  Vorstellung, 
wonach  Kopf-  und  Schwanzende  des  Embryo  sich  ursprünglich 
berühren  (?)  und  dann  durch  den  dazwischen  auftretenden  (?)  Rumpf 
keilförmig  aus  einander  getrieben  werden  sollen.  Es  bezieht  sich 
dies  auf  den  Schluss  meiner  Schrift  (Rückblick),  worin  ich  jedoch 
sage,  dass  anfangs  der  zwischen  dem  Primitivstreif  und  der  An- 
lage des  Kopfes  liegende  Rumpftheil ,  worin  die  ersten  Urwirbel 
entstehen ,  sehr  kurz  sei ,  alsbald  aber  rasch  an  Länge  zunehme 
und  gleichsam  wie  ein  Keil  das  Kopf-  und  Schwanzende  des  Em- 
bryo von  einander  entferne  (S.  65  u.  66).  Die  Angabe  von  His, 
dass  nach  meiner  Lehre  Kopf-  und  Schwanzende  des  Embryo  ur- 
sprünglich sich  berühren  (!)  und  dann  durch  den  dazwi- 
schen auftretenden  Rumpf  (!)  keilförmig  aus  einander  ge- 
trieben werden  sollen,  hat  somit  wiederum  keinen  Grund. 

In  ähnlicher  Stimmung,  in  welcher  His  seinen  Bericht  über 
meine  Leistungen  schrieb,  bespricht  er  auch  S.  180  u.  f.  meine 
Untersuchungsmethode.  Der  Darlegung  dieser  meiner  Methode 
widmete  ich  in  meiner  Schrift  acht  volle  Seiten.  Zur  Untersuchung 
frischer  Embryonen  empfahl  ich  Salzwasser  mit  einer  Lösung 
von  Gummi  arabicum.  Eine  zweite  von  mir  empfohlene  Me- 
thode bestand  darin,  das  Ei  nicht  unter  Wasser  zu  öffnen, 
sondern  frei  und  machte  dabei  auf  meine  Methode  der  Erhärtung 
des  Embryo  in  Situ  aufmerksam;  ferner  bespreche  ich  ausführlich 
meine  Präparations-  und   Aufbewahrungsmethode. 

Von  H  i  s  erfahren  wir  nun  S.  80,  dass  die  älteren  Beobachter 
die  Eier  stets  unter  Wasser  öffneten,  ein  Verfahren,  welches  in 
neuester  Zeit  auch  von  Moleschott  und  Dursy  angenommen 
worden  sei.  S.  181  sagt  His:  Er  dl  empfiehlt  warmes  Salz- 
wasser, auch  Moleschott  und  Dursy  scheinen  (!)  kein  besseres 
Untersuchungsmedium  als  circa  1  °/o  Salzwasser  zu  kennen  !  Das 
ist  Alles  ,  was  H  i  s  von  meiner  Untersuchungsmethode  zu  sagen 
weiss  und  dieses  Wenige  ist  nicht  ganz  richtig. 

Hiermit  schliesse  ich  meine  durch  das  gerügte  Verfahren  mir 
abgenöthigte  vorläufige  Erwiederung. 


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