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Zur Entwicklungsgeschichte des Kopfes des Menschen
und der höheren Wirbelthiere.
Zur
Entwicklungsgeschichte des Kopfes
des
Menschen und der höheren Wirbelthiere.
Von
Dr. Emil Dursy,
Professor und Trosector an der anatomischen Anstalt zu Tübingen.
Mit Holzschnitten und einem Atlas von neun Kupfertafeln mit erklärendem
Texte.
Tübingen, 1869.
Verlag der H. L au pp 'sehen Buchhandlung.
- H. Siebeck. -
Die Entwicklungsgeschichte ist der wahre Lichtträger für Untersuchungen über organische
Körper.
C. E. v. Baer, über Entwicklungsgeschichte der Thiere. I, S. 23.
Druck von H. Laupp in Tübingen.
Seinem hochverehrten Lehrer,
dem Herrn
H o f r a t h Dr. J. H e n I e,
Professor der Anatomie in Göttingen
aus tiefster Dankbarkeit und Hochachtung
Der Verfasser.
Vorbemerkung.
Was man mit einem Vorwort zu sagen pflegt, findet sich in
der Einleitung der vorliegenden Abhandlung; schicke ich nun den-
noch eine besondere Vorbemerkung voraus, so stellte sich deren
Notwendigkeit erst während der Ausarbeitung des Manuscriptes
ein , nachdem bereits ein Theil davon nebst der das Vorwort ent-
haltenden Einleitung dem Drucke übergeben worden war. In der
Einleitung nämlich deutete ich bereits meine Beobachtungen an , die
mich zur Veröffentlichung vorliegender Abhandlung veranlassten,
erkläre aber jetzt diese meine vorläufige Darlegung des Inhaltes für
eine sehr unvollständige, nachdem ich nachträglich die Erfahrung
machte, dass die in meinen Tagbüchern, Handzeichnungen und Prä-
paraten enthaltenen Beobachtungen viel zahlreicher waren, als ich
während der Abfassung der Einleitung, die ich nicht mehr ändern
konnte , vermuthete.
Ein zweiter Grund, der mich zu einer besonderen Vorbemer-
kung nöthigte, liegt in der Anknüpfung dieser Abhandlung an eine
frühere von mir über den Primitivstreif des Hühnchens (Lahr, 1867)
veröffentlichte Schrift. Dieselbe wird nämlich in den kürzlich er-
schienenen Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthier-
leibes von Wilhelm His in der Einleitung einer Besprechung
unterworfen, jedoch in einer Weise, die mich sofort davon über-
zeugte, dass meine gegen H i s gerichteten übrigens rein sachlichen
und wohl begründeten Angriffe eine nicht geringe Verstimmung her-
vorgerufen haben müssen. Wer aber meine Schrift über den Primitiv-
streif kennt und den von His (S. 51) darüber erstatteten Bericht
VIII
liest, dem wird wohl die irrige Auffassung und zum Theil vollständige
Umkehrung meiner Angaben nicht entgehen. Es ist dies um so auf-
fallender, als doch in dem folgenden Inhalt der His'schen Abhandlung,
wenn man die vielen neuen, die Vergleichung erschwerenden Be-
zeichnungen in die bisher gebräuchliche Sprache der Embryologen
übersetzt, vielmehr eine Bestätigung als eine Widerlegung meiner
Angaben gefunden werden kann.
Man vergleiche z. B. nur die auf der letzten Tafel des His'-
schen Werkes nach freilich nicht sehr gelungenen Präparaten an-
gefertigten Abbildungen (H i s sah ja nicht einmal den von mir
entdeckten und mit zwei Endknöpfchen versehenen Achsenfaden des
Primitivstreifs!) mit meinen früheren der Abhandlung über den
Primitivstreif beigegebenen Tafeln, oder man vergleiche die von His
gegebene Beschreibung der von den bisherigen Angaben wesentlich
abweichenden Gliederung des Embryonalschildes, oder der Chorda
dorsalis, des Endknopfes der Wirbelsaite, der Entstehung der Hy-
pophyse *) , der sogenannten Urwirbelhöhlen , des Verhaltens des
Medullarrohres zur Schwanzanschwellung der Chorda, des nach
hinten zurückweichenden Primitivstreifs u. s. w. mit meiner Dar-
stellung , so wird man meine Verwunderung über diese Art der
Benutzung meiner vorausgegangenen Schriften begreiflich finden.
Da nun vorliegende Abhandlung sich an meine früheren Ver-
öffentlichungen anlehnt, so sehe ich mich einstweilen zu einer vor-
läufigen Erwiederung an Herrn Prof. His genöthigt, die ich als
Nachtrag auf S. 222 angeschlossen habe.
1) Vergl. auch meine »Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Hirn-
anhanges« im Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 1868. Nr. 8.
'o1-
Tübingen, 1. October 1868.
Emil Dursy.
Inhalt)
Seite
Einleitung 1
Uranlage des Schädels 7
Gemeinschaftliche Uranlage des Schädels und der Wirbelsäule 7
Schädelanlage 8
Chordaknopf.
Primitivstreif 10
Achsenfaden des Primitivstreifs.
Kopfende des Primitivstreifs.
Urwirbelplatten des Kopfes 12
Bedeutung der vordersten Urwirbel.
Ort der vordem Eadigung der Chorda dorsalis.
Kopftheil der Chorda dorsalis des Menschen und der Säugethiere nebst
Bemerkungen über die Wirbelsaite überhaupt 15
Beziehungen der Chorda zum Hirnanhang.
Verhalten der Chorda in der Schädelbasis und der Wirbelsäule
jüngerer und älterer Embryonen 16
Chordakanal . 19
Chordagewebe 23
Anschwellungen des Chordastranges 26
Beziehungen der Chorda zu den Wirbelsynchondrosen ... 30
Chorda in der Schädelbasis verschiedener menschlicher Fötus . . 33
Krümmungen der Chorda 34
Verhalten der Chorda im Keilbein 35
Rathke'sche Tasche 35
Bursa pharyngea 40
Knopfförmiges Kopfende der Chorda 82
Primitives häutiges Schädelrohr * 45
Rückenrinne und Rückenfurche.
Schliessung der Rückenfurche 47
X
Seite
Primitives Schädelrohr 48
Dessen Bedeutung und Beziehung zum Hirnrohr (vergl. aueh S. 52).
Erklärung der Bezeichnung „Rückenplatten" 49
Bemerken über den Ort der beginnenden Schliessung des Rücken-
rohres «0
Membrana reuniens superior.
Vorderes Hirnende und Trichterregion 53
Wachsthum und Krümmung des embryonalen Schädels .... 53
Spheno-Occipitaltheil und Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels 55
Kopfbeuge und Nackenbeuge.
Hirnhautfortsätze des Schädels 60
a) Hirnhautfortsätze des Schädeldaches ... . 60
Entstehung dieser Fortsätze.
Schädelzellen, Schädelkammern 61
Tentorium cerebelli 67
Hirnsichel «~ 69
b) Hirnhautfortsätze der Schädelbasis 72 .
Mittlerer Schädelbalken.
Arteria basilaris 73
Rathke'sche Tasche.
Chordaknopf, Trichter, Hypophyse.
Operculum der Satetlgrube, Bursa pharyngea.
Hinterer Schädelbalken 79
Bursa pharyngea.
Veränderungen der Krümmungen der embryonalen Schädelbasis bei dem
Menschen und den Säugethieren 82
Verhalten des mittleren Schädelbalkens und des Gehirns zu den Abände-
rungen der Krümmungen der Schädelbasis 88
Uranlage des Gesichtes 90
Primitiver Kopf.
Mundbucht 91
Primitive Mundhöhle 93
Rathke'sche Tasche.
Rachenhöhle.
Nasenrachengang 95
Keilbeinhöhlen und Keilbeinmuscheln.
Primitive Mundspalte 98
Erste Anlage des Gesichtes und dessen weitere Ausbildung . 99
Schlund- und Brusthöhle 100
Kopfdarmhöhle.
Schlund- oder Rachenhöhle 101
Primitive Brusthöhle 102
Membrana reuniens inferior 103
Hals 105
Primitive Schlundhöhle.
Schlundspalten und Schlundbogen.
Bauchplatten 106
Kopfbauchplatte.
Rumpf bauchplatte.
XI
Seite
Schlundbogen 109
Schlundspalten und Ohröffnung j]2
Kiemendeckelartiger Fortsatz, Hals ........ 112
Seitliches Halsdreieck des Embryo.
Kiemendeckel.
Unterkieferfortsatz, Zunge 116
Erster Schlundbogen.
Unterkieferfortsatz.
Meckel'scher Knorpel 120
Knochenkerne des Kinns.
Zunge 121
Oberkieferfortsatz 122
Stirnfortsatz 126
Uranlage des Stirnfortsatzes 127
Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels.
Vordere Hirnblase 128
Seitlicher Schädelbalken 129
Riechgrube 129
Jakobsou'sches Organ.
Nasendrüse.
Seitlicher Stirnfortsatz 131
Augen-Nasenfurche.
Primitive Nasenhöhlen.
Entstehung der Riechgruben, Jakobson'sches Organ, Nasendrüse 132
Jakobson'sches Organ des Menschen 135
Mittlerer Stirnfortsatz 139
Verhalten des mittleren Stirnfortsatzes bei jüngeren Embryonen 140
Stirnfortsätze und Nasenhöhlen eines 1,15 Ctm. langen Rinds-
embryo 141
Stirnfortsätze und Nasenhöhlen eines 1,8 Ctm. langen Rinds-
embryo 144
Entstehung der Nasenscheidewaad 145
Primitiver Gaumen 146
Primitive Gaumenspalten 147
Primitive Gaumenleisten 148
Primitiver Gaumen älterer Säugethierembryonen . . . 148
Primitive Gaumenleisten 152
Primitive Gaumenspalten 154
Nasenrachengang 156
Zur Entwicklungsgeschichte der Nase des Menschen .... 157
Ueber das spätere Verhalten der Oberkieferfortsätze .... 162
Ueber Cyklopie 165
Zur Bildungsgeschichte des bleibenden Gaumens 169
Bemerkungen über Wolfsrachenbildung , das Pflugscharbein und den
knöchernen Gaumen 177
XII
Seite
Zur Bildungsgeschichte des Gesichtsskeletes 181
Knorpelgerüste der vorderen Abtheilung der Nasenhöhlen . 184
Nasenknorpelgerüste des mittleren Abschnittes der Nasenhöhlen 187
Nasenknorpelgerüste des hinteren Abschnittes der Nasenhöhlen 190
Grundform und späteres Verhalten des Knorpelgerüstes der Nase 196
Gesichtsknochen . ' 198
Keilbein 205
Zur Entwicklungsgeschichte der Zähne ....... 211
Nachtrag 222
Eine die Bildung des menschlichen und Wirbelthierkopfes
allseitig umfassende Geschichte lag schon von Anfang an gar
nicht in meinem Plane, weil ich in den vorliegenden Blättern
nur eigene Beobachtungen zu geben beabsichtige. Unter dieser
Voraussetzung wird der Kenner, der die grossen Schwierigkeiten
dieser Seite der anatomischen Thätigkeit bereits erfahren hat, auch
nur Beiträge zu einer Entwicklungsgeschichte des Kopfes erwarten.
Ich verzichte daher auf den in Lehrbüchern und monographischen
Abhandlungen gebräuchlichen Gang der Erzählung sowie auf breit
angelegte historische Erörterungen und andere die Magerkeit so
mancher Monographien maskirende Zuthaten. Auch beabsichtigte
ich ursprünglich nur die Bearbeitung eines ganz bestimmten und
beschränkten Theiles, der aber zwischen die übrigen so eingriff,
dass dadurch das ganze Gebäude in Mitleidenschaft gerieth
und theils mit neuen Stützen versehen theils an vielen Stel-
len ausgebessert werden musste. Ich gab daher vorliegender
Abhandlung einen allgemeineren Titel und ihre die Anordnung und
Zusammengehörigkeit der folgenden Beobachtungen erklärende
Geschichte soll die Einleitung bilden.
Veranlasst wurde die Zusammenstellung einiger meiner theils
schon älteren theils neueren Erfahrungen über die Entwicklung
des Kopfes durch eine die Gaumenbildung betreffende Beobachtung,
nach welcher die Gaumenfortsätze ursprünglich nicht horizontale,
sondern vertikal gestellte Platten darstellen. Die dazwischen wie
eingeklemmte Zunge berührt die ebenso breite Nasenscheidewand
und kann, wie ein von mir untersuchter Fall beweist, durch ver-
späteten oder unregelmässigen Rückzug die mediane Vereinigung
der Gaumenplatten hindern. Zahlreiche die Gaumenbildung be-
treffende Untersuchungen zeigten mir noch andere den Gaumen-
schluss betreffende Hindernisse und belehrten mich, dass die bis-
herige Auffassung der Gaumenplatten als Bildungsfortsätze nur
D u r s y , Eutwicklgsgesch. 1
der Oberkieferwülste nicht die richtige ist. Als gemeinschaftliche
Anlagen des harten und weichen Gaumens sind sie schon von An-
fang an auch entlang der Seitenwand des späteren Schlundkopfes
bis zum Kehlkopf herab zu finden, so dass man in den späteren
Arcus palato-pharyngei die zu keiner bleibenden medianen Ver-
bindung gelangten Seitenhälften der ursprünglichen Gaumenanlage
vor Augen hat , welche den Isthmus pharyngo-nasalis als Rest
der embryonalen Gaumenspalte begrenzen.
Diese schon vor mehreren Jahren gemachten Erfahrungen,
worüber ich im Jahre 1866 in einer Sitzung der Senkenberg'-
schen naturforschenden Gesellschaft einige Präparate vorlegte und
einen Auszug meines darüber sowie über den Primitivstreif des
Hühnchens gehaltenen Vortrages zu Protokoll gab, nöthigten mich
zu einer immer weiter zurückgreifenden Revision der das Gesicht
betreffenden Bildungsvorgänge. Da ich dabei hauptsächlich die
Beziehungen zum Gaumen im Auge hatte, so waren es vor Allem
die Nasenhöhle und Mundhöhle, die ich bei dem Menschen und
einigen Säugethieren (Rind , Schaf, Schwein) einer Untersuchung
unterwarf.
Schon vor der Bildung des eigentlichen Gaumens sind es be-
sondere oberhalb der späteren Gaumenplatten hervortretende leisten-
förmige Vorsprünge der Oberkiefer wülste , welche in Verbindung
mit lateralen Ausladungen des untern Randes der Nasenscheide-
wand eine provisorische Abschliessung der Nasenhöhle von der
Mundhöhle zu Stande bringen , gleichsam einen vorläufigen primi-
tiven Gaumen darstellen. Bei Säugern fand ich, zum Unterschied
von dem Menschen , noch einen besondern die Regio olfactoria
von der hintern Partie der Regio respiratoria abschliessenden
Boden , in welchem ein der Keilbeinmuschel des Menschen ana-
loger Knochen sich entwickelt. Ferner lernte ich bei Säugethieren
eine später nicht mehr vorhandene Uvula des Gaumensegels , so-
wie bei dem Menschen ein später nicht mehr vorhandenes Jacob-
son'sches Organ sowie eine mit zwei divergirenden gebogenen
Schenkeln versehene untere Muschel (wie bei manchen Säugern
bleibend) kennen. Auch Knorpelplatten finden sieh, wie bei den
Säugern, so auch bei menschlichen Embryonen im Nasenhöhlen-
boden. Ueberhaupt fasse ich jetzt die Entwicklung der Nasenhöhle
und besonders der in sie einmündenden Nebenhöhlen in einer von
der bisherigen Lehre verschiedenen Weise auf. Bei dem Menschen
und den Säugern finde ich schon in früher Zeit des embryonalen
Lebens diese Höhlen (Keilbeinhöhlen, Oberkieferhöhlen, Stirnhöhlen,
Siebbeinhöhlen) knorplich vorgebildet und erst nachträglich von
Knochenmasse umfasst. Auch lernte ich bei dieser Gelegenheit
horizontale knorpliche Seitenplatten des Siebbeins kennen, welche
die Augenhöhlendächer bilden und einen weiteren Anhaltspunkt
zur Vergleichung des Siebbeins mit einem Wirbel bieten.
Meine im Hinblick auf den Gaumen auch auf die Bildungs-
vorgänge der Mundhöhle ausgedehnten Untersuchungen leiteten
meine Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der für die Gaumen-
bildung wichtigen Zunge und ich erkannte deren Bildung aus
drei besonderen Uranlagen, welche Scheidung auch später noch
durch das mediane Septum des Zungenkörpers sowie durch das
nur einen Rest fötaler Bildung darstellende Foramen coecum an-
gedeutet wird. Auch überzeugte ich mich von der im Wesent-
lichen gleichen Bildungsweise der Zähne des Menschen und der
Säuger, wobei ich jedoch auf einige Verschiedenheiten aufmerksam
machen werde.
Die zur Begründung meiner Lehre der Gaumenbildung her-
beigezogene Entwicklungsgeschichte der Nasen- und Mundhöhle
verlangte auch ein Eingehen auf die das Gesicht zusammensetzen-
den Bildungsfortsätze und ich gewann dadurch die Ueberzeugung,
dass die Oberkieferwülste weder als Fortsätze des ersten Schlund-
bogens noch als dessen seitliche Bogenstücke betrachtet werden
können. Sie und selbst die Stirnfortsätze sind den Schlundbogen
ursprünglich analoge Bildungen, nämlich" Bogenhälften , deren
mediane Vereinigung durch die Kopfbeuge gehindert wird, aus-
nahmsweise aber zu Stande kommen kann.
Zur näheren Begründung der die Gesichtsbildung betreffenden
Vorgänge unterzog ich auch die embryonale Schädelbasis einer
Prüfung und namentlich war es deren vorderer dem Gesichte zur
Anlagerung dienende Abschnitt oder der Spheno-Ethmoidaltheil
der Schädelbasis , welcher zunächst meine Aufmerksamkeit in An-
spruch nahm. Ihre anfangs so geringe Dicke sowie der Mangel
einer sie stützenden Chorda macht sie gleichsam wehrlos gegen-
1*
über dem um die Oberherrschaft geführten Kampfe zwischen Hirn
und Gesicht. Wir sehen daher ursprünglich diesen Schädelabschnitt
vor dem Erscheinen des erst nachträglich sich geltend machenden
Gesichts völlig in die Hand des Gehirns gegeben und zwar zu-
nächst der vordem primitiven Hirnblase, deren durch den Chorda-
knopf von der ursprünglichen Richtung abgelenktes Längenwachs-
thum die zuerst spitzwinklige Kopfbeuge (die sogenannte Gesichts-
kopfbeuge) hervorruft. Diese finde ich daher auch bei allen
Wirbelthieren, möge die spätere Gesichtslagerung sein, welche sie
wolle. Mit dem Erscheinen des Gesichtes wird die der Wirbel-
körpersäule entgegen gekrümmte Schädelbasis wieder gehoben,
um Raum zu schaffen; sie weicht dorsalwärts aus und zwar um
so mehr , je bedeutender dem Gehirn gegenüber das Gesicht sich
Geltung verschafft. Die unterdessen hervorsprossenden Grosshirn-
bläschen mit den Geruchskolben suchen bei den höheren Thieren
diesen Rückzug zu hemmen, können selbst eine neue, vor der ur-
sprünglichen Kopfbeuge liegende, dem Gesichte entgegen strebende
Beugung der Schädelbasis veranlassen. Schliesslich gewinnt bei
dem Menschen das Gehirn wieder die Oberhand und stellt den
fast zum Ausgleich gekommenen Kopfbeugewinkel, wenn auch nicht
in der früheren Kleinheit, wieder her.
Dem Gehirn weniger fügsam zeigt sich der hintere oder Spheno-
Occipitaltheil der Schädelbasis, welcher schon von Anfang durch
grössere Dicke , durch den Besitz einer stützenden Chorda sowie
durch seine frühe Betheiligung an der Bildung der Kopfdarmhöhle
sich unterscheidet. Da zur Begründung meiner Lehre der Kopf-
beuge auch dieser Schädelabschnitt einer näheren Untersuchung
nicht entzogen werden durfte , so kam ich schliesslich auf die Ur-
anlage des Schädels überhaupt zurück, wobei ich auch meine
früheren über den Primitivstreif veröffentlichten Beobachtungen
zu bestätigen und zu erweitern Gelegenheit hatte 1). Eine wich-
1) Andere mir bis jetzt bekannt gewordene Bestätigungen einiger meiner
früheren in der Abhandlung über den Primitivstreif niedergelegten Angaben
finde ich in der Abhandlung über Entwicklung der Gewebe von C. Bruch,
worin ebenfalls die ßemak 'sehe Urwirbelhöhle zurückgewiesen wird ; ferner
bei A. Rosenberg (Untersuchungen über die Entwicklung der Teleostier-
Niere), welcher auch beim Hühnchen die Entwicklung des Urnierenganges
aus dem mittleren Keimblatt bestätigte.
tige Rolle bei der Entstehung der Kopfbeuge und der damit zu-
sammenhängenden Bildung der Hypophyse , die ich ebenfalls zur
Sprache bringen werde, spielt der Chordaknopf. Eine aus diesem
Grunde wiederholte Prüfung des Kopftheiles der Chorda, die ich
zugleich auf den Bau und das spätere Verhalten der ganzen Wir-
belsaite ausdehnen musste, gab mir ein Resultat, welches von den
bisherigen Angaben in vielen und wesentlichen Dingen abweicht.
Da ferner die Kopfbeuge sowie auch die Nackenbeuge in
ihrem ersten Auftreten sowie in ihren späteren Veränderungen in
Beziehung stehen zur Entstehung und zum späteren Verhalten ge-
wisser von der Schädelbasis ausgehender Fortsätze (hinterer und
mittlerer Schädelbalken), so habe ich diese und zur Vergleichung
auch die Hirnhautfortsätze des Schädeldaches in den Bereich
meiner Untersuchungen gezogen. Namentlich ist es die Bildung
des Tentorium , dessen Entstehung aus ursprünglich ganz ent-
fernten voreinander liegenden Hirnhautfortsätzen ich nachweisen
und dabei auf eine, auch genetisch begründete doppelte Bedeutung
des späteren Hirnzeltes aufmerksam machen werde. Gänzlich
unbegründet ist die Lehre , dass der mittlere Schädelbalken , den
ich im Wesentlichen als einen für die anfangs überwiegende Ar-
teria basilaris bestimmten Hirnhautfortsatz erkannte, sich an der
Bildung des Tentorium betheilige oder gar das primitive Hirnzelt
darstelle. Eine Rolle aber spielt er bei der die Sattelgrube über-
brückenden Decke der harten Hirnhaut und in seiner Wurzel
bildet sich die Sattelleime.
So führte mich eine ursprünglich nur den Gaumen betreffende
Beobachtung schliesslich in das Gebiet der Entwicklungsgeschichte
des Kopfes überhaupt und die oben erzählte Geschichte vorlie-
gender Untersuchungen zeigt das Band, welches die nun folgenden
Beiträge zusammenhält.
Der dieser Abhandlung beigegebene Atlas enthält Abbildungen
zerlegter und unzerlegter Embryonen, deren Erwerbung bekanntlich
mit vielen Schwierigkeiten verknüpft ist. Ich hielt es daher für
angezeigt , der üblichen kurzen Figurenerklärung jedesmal eine
einleitende übersichtliche Betrachtung der einzelnen Abbildungen
vorauszuschicken, um zugleich eine allgemeinere Verwerthung der-
selben zu ermöglichen. Auch brachte mir diese Behandlung den
G
Vortheil , dass ich den Text der Abhandlung erleichtern durfte,
indem ich ermüdende Erörterungen dorthin verlegte. Mit grosser
Bereitwilligkeit ging Herr S i e b e c k , der Verleger dieses Werkes,
auf diese sowie auf alle eine schöne Ausstattung bezweckenden
Vorschläge ein und stellte mir für den Stich der Tafeln die Mei-
sterhand des Herrn Wagenschieber zur Verfügung; auch ge-
stattete Herr Siebeck, dem bereits abgegebenen Manuscripte
nachträglich noch einige dem Texte eingedruckte Holzstiche bei-
zufügen. Ich fühle mich daher verpflichtet , dem Herrn Verleger
hiermit für dieses so freundliche und uneigennützige Entgegen-
kommen meinen Dank auszusprechen.
Schliesslich ergreife ich mit Freude diese Gelegenheit, den
Herrn Aerzten , welche mich durch Uebersendung menschlicher
Embryonen unterstützten, für diese Bereitwilligkeit meinen Dank
auszusprechen. Ganz besonders verpflichtet fühle ich mich dem
Herrn Dr. Eugen Koller in Hechingen, dem Herrn Oberamts-
arzt Dr. Ott in Horb, dem Herrn Sanitätsrath Dr. Reh mann
in Haigerloch sowie dem Herrn Oberamtsarzt Dr. Stockmayer
in Heidenheim, welche schon seit Jahren mir zahlreiche Embryonen
zuschicken und in ihrem mündlichen und schriftlichen Verkehr
mit mir ein sehr erfreuliches Interesse für diesen in neuerer Zeit
wieder allgemein in Aufnahme kommenden Theil der Anatomie,
die Entwicklungsgeschichte, an den Tag legen.
Uranlage des Schädels.
Schädel und Wirbelsäule finden ihre gemeinschaftliche An-
lage in den Urwirbelplatten , welche anfangs mit den darüber lie-
genden Medullarplatten eine ungetheilte scheibenförmige Verdickung
des Embryonalschildes darstellen. Es besteht somit diese zuerst
kreisrunde dickere Schildmitte oder die gemeinsame Uranlage der
Iiückenplatten aus einem oberen Blatt (oberes Keimblatt) für das
Centralnervensystem und einem unteren Blatt (mittleres Keimblatt),
aus welchem das Knuchensystem hervorgeht und zwar zunächst
der Schädel und die Wirbelsäule. Mit dem Erscheinen des Primi-
tivstreifs und der davor liegenden Wirbelsaite sondert sich die
Schildmitte in zwei symmetrische Seitenhälften (Rückenplatten) und
nimmt zugleich die Gestalt einer ovalen Platte an mit einem brei-
teren abgerundeten Kopfende und einem sich zuspitzenden Schwanz-
ende. In jenem fliessen die Seitenhälften der ovalen Schildmitte
oder die Rückenplatten in einem Bogen zusammen, den ich den
Schlussbogen der Rückenplatten nennen will. In dem hinteren
Ende der Schildmitte erfahren die Rückenplatten keine solche
Verbindung, sondern erzeugen eine durch den Primitivstreif hal-
birte Spitze (Taf. II, Fig. 10). Hierauf verschmälert sich die
Schildmitte in der Gegend vor dem Kopfende des Primitivstreifs
zu beiden Seiten der hier beginnenden Chorda und gewinnt da-
durch eine Biscuit-Form , woran man einen mittleren sowie einen
längeren und breiteren vorderen und hinteren Abschnitt unter-
scheidet. Der vordere Abschnitt enthält die Anlage des Schädels
und Gehirnes, der folgende oder mittlere die Anlage der Urwirbel
und des Rückenmarkes, der hintere den Primitivstreif enthaltende
Abschnitt dagegen betheiligt sich, wie ich für das Hühnchen nach-
gewiesen habe , nicht direct an dem Aufbau des embryonalen
Leibes.
8
Die biscuit- oder leierförmig gewordene Schildmitte besteht,
wie oben bemerkt wurde, aus einem oberen und einem unteren
Blatt. Das letztere (mittlere Keimblatt) , welches die Anlage des
Knochensjstem.es enthält, wird an seiner Bauchfläche von dem
Darmdrüsenblatt(dem sogenannten unteren Keimblatt) überzogen und
lässt entsprechend dem oben angegebenen Verhalten der gesammten
Schildmitte, zwei symmetrische dickere Seitenhälften (Urwirbel-
platten) unterscheiden, welche vorn sich bogenförmig vereinigen
(Schlussbogen der Urwirbelplatten) , hinten dagegen zu beiden
Seiten des Primitivstreifs sich zugespitzt verlieren. Jede Urwirbel-
platte wird von einer ebenso gestalteten durchsichtigen Medullar-
platte gedeckt und bildet mit derselben eine Eückenplatte. Ge-
schieden sind beide Urwirbelplatten durch einen mit wasserheller
Flüssigkeit erfüllten Zwischenraum , welcher durch das darüber
liegende obere Keimblatt sowie durch das darunter ausgespannte
Darmdrüsenblatt zu einem die Wirbelsaite aufnehmenden Kanal
ergänzt wird und den Boden einer bisher mit der Rinne des
Primitivstreifs verwechselten Rinne darstellt, die ich Rücken-
rinne (nicht zu verwechseln mit Rückenfurche) genannt habe
(Taf. II, Fig. 10). Das knopfförmig verdickte Kopfende der
Chorda erreicht den Schlussbogen der Urwirbelplatten und steht
mit ihm in ununterbrochenem Zusammenhang.
Nach dem Uebergang der Schildmitte aus der ovalen in die
Biscuit-Form Avird damit auch an den Urwirbelplatten eine Ab-
scheidung in Schädel und Wirbelsäule angedeutet, jedoch erst mit
dem Erscheinen der ersten Urwirbel eine schärfere Grenze erzielt.
Es bedeutet nämlich der vorderste der zuerst entstehenden Ur-
wirbel die Gegend des ersten Halswirbels, wodurch ein auffallen-
des Missverhältniss in der ursprünglichen Länge des zukünftigen
Schädels und der Wirbelsäule herbeigeführt wird (Taf. II, Fig. 10).
Es beschränkt sich daher die Anlage der Wirbelsäule auf die
mittlere schmalere Abtheilung der biscuitförmigen Schildmitte, so-
mit auf die anfangs sehr kurze Gegend zwischen dem Kopfende
des Primitivstreifs und dem vordersten Urwirbel; die Schädel-
anlage dagegen beansprucht die vordere Hälfte der ganzen Länge
der Schildmitte. Alsbald aber überflügelt die mittlere Abtheilung
die übrigen in ihrem Längenwachsthum und schiebt die Schädel-
9
anläge mit den zuerst entstandenen Urwirbeln nach vorn, während
die hintere Partie der Urwirbelplatten mit dem Primitivstreif zu-
rückbleibt und , wie schon früher von mir nachgewiesen wurde,
niemals in Urwirbel sich abgliedert.
Kehren wir nun zur Schädelanlage zurück , so zeichnet sich
dieselbe durch ihre auffallende Länge aus und übertrifft die Anlage
der Wirbelsäule nur wenig an Breite, unterscheidet sich aber von
ihr darin, dass sie niemals in Urwirbel sich abgliedert. Sie be-
steht zwar ebenfalls aus zwei symmetrischen Seitenhälften, besitzt
jedoch noch ein drittes unpaariges Verbindungsstück (Schlussbogen
der Urwirbelplatten) , in welchem die Chorda mit einem Knopfe
endigt. Wie den Rumpf- und Schwanztheil der Urwirbelplatten,
so finde ich auch deren Kopftheil durch einen hellen Saum von
den Seitenplatten des mittleren Keimblattes geschieden und nur
dem Schlussbogen fehlt diese Abgrenzung.
Fragt man nach den Beziehungen dieser Schädelanlage zu
dem fertigen Schädel, so ist es zunächst die Schädelbasis, welche
den Urwirbelplatten ihre Entstehung verdankt und daher mit der
ebenfalls paarigen Uranlage der Wirbelkörper übereinstimmt; auch
bildet für beide die Chorda die gemeinschaftliche Achse. Es lehrt
aber der weitere Verlauf der Entwicklung , dass diese Uranlage
der Schädelbasis trotz ihrer auffallenden Länge einstweilen nur
den medianen Theil der spätem hinteren und mittleren Schädel-
grube , also die Basis des Spheno-Occipitaltheiles des späteren
Schädels formirt. Im Einklänge damit schliesst auch das Medul-
larrohr an seinem vorderen Ende nicht mit den Grosshirnhemi-
Sphären ab , sondern mit einer Blase , deren Höhle vorerst der
Gegend des spätem dritten Ventrikels entspricht. Zur Beurtheilung
dieser Verhältnisse dient besonders auch noch die von mir her-
vorgehobene Beziehung des Chordaknopfes zur Hypophysenbildung
und wir erfahren dadurch, dass dieser Knopf vorläufig die Ge-
gend der spätem Sattelgrube markirt. Der den Chordaknopf auf-
nehmende Schlussbogen der Urwirbelplatten enthält die Anlage des
erst nachträglich hervorwachsenden Spheno -Ethmoidaltheils des
Schädels, welcher somit durch eine unpaarige Uranlage sowie da-
durch sich auszeichnet, dass er vor dem Kopfende der Chorda
dorsalis sich ausbildet, die niemals die Hypophysengegend über-
10
schreitet. Diese Deutung der Uranlage des Schädels erklärt auch
das von den übrigen Wirbelthieren scheinbar abweichende Ver-
halten der Chorda bei Amphioxus lanceolatus , bei welchem sie
auch später und das ganze Leben hindurch die Stirnwand erreicht.
Bei diesem Geschöpfe bleibt nämlich der Kopf auf einer so nied-
rigen Bildungsstufe zurück , dass er zunächst nur dem Spheno-
Occipitaltheil des Schädels der höheren Wirbelthiere entspricht
und ein das Gesicht tragender Spheno-Ethmoidaltheil gar nicht sich
entwickelt. Hiermit hoffe ich auch den noch immer bestehenden
Streit über die Lage des vordersten Chordaendes zu beseitigen, da
obige Darlegung einen Anhaltspunkt zur Beurtheilung der je nach
der Entwicklungsperiode des Schädels verschiedenen Lagerungs-
verhältnisse bietet.
Diese Angaben über die erste Entwicklung des Schädels stützen sich
auf meine Beobachtungen über die Entwicklung de: Hühnchens, die ich
zum Theil schon bei einer andern Gelegenheit veröffentlichte 1).
Bekanntlich suchte v. Baer die Schädelanlage in dem von ihm ent-
deckten Prhnitivstreif und zwar in schon sehr früher Zeit, wie aus einer
in seiner Entwicklungsgeschichte der Thiere gemachten Aeusserung 2) her-
vorgeht: „Der Kopf des zukünftigen Embryo ist schon in dem Primitiv-
streif durch ein etwas dickeres Ende angedeutet." Auch Remak gründet
auf diese Lehre den Entwicklungsplan. Richtiger leitet Reichert die
auch der ersten Schädelanlage zu Grunde liegenden Urwirbelplatten nicht
aus dem Primitivstreif , den er bekanntlich überhaupt läugnet. Weitere
unterdessen angestellte Kachforschungen über diese Streitfrage ergaben
mir das Resultat , dass es hier zum Theil um ganz verschiedene Dinge
sich handelt , worüber man streitet. Die Beschreibung nämlich , die
Reichert von der Primitivrinne des Hühnchens giebt, passt zwar nicht
auf den Raer-Remak'schen Primitivstreif und dessen Rinne, stimmt da-
gegen ganz zu der von mir als Rückenrinne bezeichneten Rinne, welche
die Chorda enthält und von den Rückenplatten (Medullär- und Urwirbel-
platten) begrenzt wird. Auch die von Bisch off gegebene Darstellung
passt nur auf meine Rückenrinne. Ich wundere mich daher nicht mehr
so sehr darüber, dass Reichert und Bise hoff auch einen ein-
fachen, ohne Rinne existirenden Primitivstreif in Abrede stellen, da diese
1) Der Primitivstreif des Hühnchens, Lahr 1866. — Messungen an Hühner-
embryonen etc. in Henle's u. Pfeufer's Zeitschr. 3. R. Bd. XXIX. 1867. —
Beiträge z. Entwickig. d. Hirnanhanges im Centralbiatt f. d. med. Wissen-
schaft. 1868. Nr. 8.
2) Entwicklungsgeschichte der Thiere. 1828. 1. S. 12.
11
Forscher, indem sie den Primitivstreif zu bekämpfen glaubten, die bereits
v o r dem Primitivstreif erschienene Uranlage des embryonalen Leibes vor
Augen hatten, welche in Gestalt zweier durch die Rückenrinne und durch
die Chorda geschiedener Platten aus dem Embryonalschild hervorgeht.
Was den von mir in der Rinne des Primitivstreifs entdeckten räth-
selhaften Achsenfaden betrifft, so belehrten mich neuere Untersuchungen,
dass derselbe niemals über das Kopfende des Primitivstreifs hinaus sich
verlängert , was ich in meiner Abhandlung über den Primitivstreif gesehen
zu haben glaubte; er hat daher überhaupt mit der Wirbelsaite gar nichts
zu schaffen. Ganz regelmässig besitzt er zwei knopfförmige Endanschwel-
lungen, welche in den beiden Enden der Rinne des Primitivstreifs liegen
(Taf. II, Fig. 10 u. 12). Er ist seiner ganzen Länge nach so lose auf
den Boden der Rinne gleichsam nur aufgelegt , dass er unter Wasser
häufig unter den Augen des Beobachters ganz oder theilweise sich erhebt
und über die Seitenränder der Rinne hinweg gleitet. Dabei ist er so
ungemein zart, dass er leicht an einer oder mehrern Stellen entzwei
bricht. Mit Anwendung ganz besonderer Vorsicht gelingt es mir jetzt,
den vollständigen Achsenfaden an in Farrant's Flüssigkeit aufbewahrten
Präparaten zu erhalten. An Querschnitten ist er nicht darstellbar. Da
man bisher den Primitivstreif mit der davor liegenden Anlage des Embryo
.verwechselte und letztere theilweise daraus hervorgehen liess, so passen
auch die Beschreibungen der Chorda nur auf den die embryonale Ur-
anlage stützenden Zellenstrang, nicht aber auf den Achsenfaden, den man
bisher übersah. Nur Baer scheint ihn vielleicht gesehen zu haben, weil
er die erste Anlage dieses von ihm für die Chorda gehaltenen Gebildes
abweichend von allen übrigen Schriftstellern als eine einfache Reihe
dunkler Kügelchen (nicht Zellen, wie Bischoff1) diese Ba er 'sehe
Angabe zu verbessern glaubt) beschreibt.
Man trifft den Achsenfaden bereits ehe jioch eine Spur der vor dem
Primitivstreif sich ausbildenden Uranlage des Embryo und der Chorda
wahrgenommen wird. Das Schwanzende und das Kopfende der Rinne des
Primitivstreifs werden durch die entsprechenden Endanschwellungen des
Achsenfadens , die als dunkle Punkte sich scharf von der durchsichtigen
Unterlage abheben , noch besonders markirt. Erscheint dann vor dem
Primitivstreif die Chorda dorsalis nebst der umgebenden Anlage des
Embryo, so bleibt das angegebene Verhalten des Primitivstreifs längere
Zeit immer dasselbe, und auch das noch vorhandene vordere Endknöpfchen
des Achsenfadens giebt ein weiteres charakteristisches Merkmal zur Be-
stimmung des Kopfendes des Primitivstreifs (Fig. 10 u. 12) ab.
Ursprünglich , vor dem Erscheinen der wahren Chorda und der Ur-
anlage des Embryo , zeigt der mit Rinne und Achsenfaden versehene
Primitivstreif ein deutlich abgerundetes durch die bogenförmige Vereini-
1) Entwicklgsgesch. d. Säugethiere u. d. Menschen. 1842. S. 381.
12
gung seiner Seitenhälften entstandenes Ende, welches ich den vordem
Schlussbogen des Primitivstreifs nennen will. Ausnahmsweise erleidet
derselbe an Einer Seite, niemals in der Medianlinie, eine Unterbrechung
in Folge einer ungleichen Dickenzunahme. Viel häufiger trifft man dieses
Verhalten in späterer Zeit , wenn bereits die Chorda und die Uranlage
des Embryo deutlich vorliegen (Fig. 10). Merkwürdiger Weise finde ich
diese Unterbrechung des im Uebrigen durch seine Dicke und durch das
Endknöpfeken des Achsenfadens auffallend markirten Kopfendes des Primi-
tivstreifs in der Regel nur auf der linken Seite des Embryo. Da nun
der mediane Theil des Schlussbogens mit der davor liegenden Chorda-
wurzel in Verbindung steht und zugleich auch mit dem rechten Seitentheil
des Primitivstreifs in continuirlichem Zusammenhang bleibt, so macht dann
ein solches Verhalten den Eindruck, als ob nur der rechte Seitentheil des
Primitivstreifs unter Bildung einer S förmigen Krümmung sich in die
Chordawurzel fortsetze. Niemals jedoch bemerkte ich diese Unterbrechung
des vordem Schlussbogens auf beiden Seiten zugleich, und es wäre da-
durch auch der Zusammenhang der Chorda mit dem Primitivstreif gestört.
Von den Urwirbelplatten des Kopfs behauptet Remak 1),
dass dieselben zum Unterschied von den Urwirbelplatten des
Rumpfes und des Schwanztheiles nicht durch einen hellen Saum
von den Seitenplatten geschieden seien und bezeichnet diese ver-
schmolzenen Seiten- und Urwirbelplatten als Kopfplatten. Eine
derartige Verschmelzung findet sich höchstens nur entlang des vor-
dem Randes des Schlussbogens, also nur am vordersten Ende der
Urwirbelplatten des Kopfes, nicht aber an den Seitenrändern , die
durch einen hellen Grenzsaum ebenso deutlich abgeschieden wer-
den, wie am Rumpf- und.Schwanztheil des Embryo. Die Figur 10
der zweiten Tafel zeigt diesen Grenzsaum bei durchfallendem
Licht (daher hell), die Figuren 11 und 12 stellen ihn bei auffal-
lendem Lichte (dunkel) dar.
Auch die von Remak selbst in seinem Werke über die Entwicklung
der Wirbelthiere gegebenen Figuren (Taf. I, Fig. 9 A, 10 A, IIA, sowie
Taf. II, Fig. 17 A) sprechen gegen eine Verschmelzung der Urwirbelplatten
mit den Seitenplatten, während das in seiner Fig. 18 oder 20 A u. s. w.
gegebene Verhalten des Grenzsaumes der Wirklichkeit durchaus nicht
entspricht. Ich kann daher die Aufstellung besonderer Kopfplatten im
Sinne Remak 's nicht gelten lassen; auch stösst dieselbe in ihrer spä-
teren Durchführung auf allerlei Schwierigkeiten, die ich nicht zu beseiti-
1) Untersuchungen über d. Entwklg. d. Wirbelthiere, 1855. S. 11 u. a,
anderen Stellen.
13
gen weiss. Mit dem Erscheinen der ersten Urwirbel ist zwar eine Ab-
grenzung zwischen Schädel mit Hirn und Wirbelsäule mit Rückenmark
gegeben , nicht aber zwischen Kopf und Rumpf. In so früher Zeit der
Entwicklung zeigen nämlich die verschiedenen Anlagen des embryonalen
Leibes ganz andere Lagebeziehungen als später. Da nun die Urwirbel-
platten des Kopfes niemals in Urwirbel zerfallen und dieses Verhalten
auch Remak (S. 23) noch besonders für seine Kopfplatten hervorhebt, so
ist mir nicht verständlich, wie aus der hinteren Hälfte dieser Platten nach
Remak später der Vorderdarm, die Halsplatten, der obere Abschnitt der
Pleuroperitonealhöhle und der (doch in Urwirbel zerfallende!) Ha Is-
theil der Wirbelsäule entstehen kann. Es stimmt damit die von Remak
gegebene Definition der Kopfplatten nicht überein. Auch scheint dies
Remak selbst gefühlt zu haben, da er (S. 12) die Vermuthung aufstellt,
dass vielleicht die vordersten Urwirbel, deren Deutung als oberste Hals-
wirbel von ihm als höchst wahrscheinlich zugegeben wird, vielleicht später
nach vorn (in die Halsgegend) rückten. Verschiebungen kommen aller-
dings vor, daher auch aus diesem Grunde Bezeichnungen wie „Kopfplatten,
Halsplatten" u. s. w. am besten ganz aufgegeben werden.
Für die Ansicht , dass der vorderste der drei zuerst erscheinenden
Urwirbel die Gegend des späteren obersten Halswirbels bedeutet, war ich
schon früher eingetreten und bin jetzt im Stande , noch einen weitern
Beweis beizufügen. Es bilden sich nämlich die hellen Streifen, welche
die Urwirbelplatten in Urwirbel abgliedern, nicht in ihrer ganzen Länge
auf Einmal, sondern beginnen am lateralen Rand der Urwirbelplatten und
dringen allmählig medianwärts vor. Häufig läuft dieser Abgliederungs-
process auf der einen Seite des Embryo rascher ab als auf der andern.
So kann eine Urwirbelplatte z. B. sechs Urwirbel zeigen , die gegenüber
liegende sieben, wobei dann der überzählige ohne Ausnahme dem Schwanz-
ende seiner Urwirbelplatte angehört. Ebenso werden auch die erwähnten
noch unvollständigen hellen Abgliederungsstreifen ausnahmslos nur an dem
Schwanzende der Urwirbelplatten gefunden.
Was das Kopfende der Chorda betrifft , so geht dasselbe nach
Rathke x) bei keinem Wirbelthier zu irgend einer Zeit des Lebens weiter
nach vorn als bis in die Gegend zwischen den beiden Ohrkapseln. Später
jedoch fand dieser Beobachter, dass bei Amphioxus die Chorda das vor-
derste Schädelende erreicht und er erklärte dieses Verhalten als eine
Ausnahme. Aber auch bei der Schildkröte 2) musste er bald darauf die
Erfahrung machen, dass die Wirbelsaite eine von der Glandula pituitaria
erfüllte Lücke erreichte, „was mich nicht wenig befremdete, sagt Rathke,
weil ich diesen Körpertheil ausser bei Amphioxus bisher bei keinem Wir-
belthier so weit nach vorn reichend gesehen hatte."
1) Entwklg. der Natter, Königsberg 1839. S. 122.
2) Entwklg. der Schildkröte. 1848. S. 231.
14
Beim Hühnchen fand Baer1) das vorderste Ende der Wirbelsaite
weiter vorn und zwar in dem mittleren Schädelbalken, „in der Lücke
zwischen Trichter , Kleinhirn und den Vierhügeln liegt die Bückensaite
und zugleich umgebendes dem Stamm der Wirbelsäule gehöriges Bildungs-
gewebe, mit immer schärfer werdender Umbeugung". Wenn Baer mit
dieser Umbeugung die Chorda meint, so Ist dies richtig, da sie damit zu
ihrem Endknopf (der Gegend der spätem Hypophyse) sich wendet.
Nach Remak2) reicht das Kopfende der Chorda bis zur Basis des
Vorderhirns (worunter er zunächst die Anlage der spätem Zwisehenhirn-
blase versteht). Daraus, sowie aus den beigefügten Abbildungen und aus
seiner Bemerkung, dass die Chordaspitze einen von den Drüsenblattzellen
gebildeten Knopf berühre, ersehe ich, dass Remak die ursprüngliche
Ausdehnung der Chorda bis zum vordersten Ende des primitiven Schä-
dels kannte und nur in der Deutung des genannten Knopfes fehlte. Der
von ihm (S. 44) beschriebene spätere Rückzug des vordersten Chorda-
endes ist nur scheinbar, wie ich sogleich aus einander setzen werde.
Nach Reichert3) geht bei dem Frosch, dem Hühnchen und auch
bei Säugern die Chorda anfangs bis zur Stirnwand und soll ihre spätere
weiter hinten befindliche Lage durch Verkümmerung des vordersten Endes
erhalten. Reichert (S. 29 u. f.) behauptet geradezu, dass das vorderste
Chordaende zuerst in der Gegend des ersten Kopfwirbels liege, später
aber durch Verkümmerung der Spitze nur noch den Anfang des zweiten
Schädelwirbels mit dem Boden des dritten Ventrikels erreiche. In dieser
Beziehung stand Remak (a. a. 0. S. 36) der Wahrheit näher, indem
nach ihm die ursprüngliche Schädelanlage über das vorderste Chordaende
sich dergestalt hinaus verlängert, dass dasselbe von der Grundfläche
des Zwischenhirns weit zurückgedrängt wird.
Auch Kölliker4) erkannte, dass das vordere Chordaende erst in
Folge der mächtigen Entwicklung des vorderen Schädeltheiles immer
weiter rückwärts zu liegen kam , weniger richtig aber ist die Bemerkung
„Nach meinen Untersuchungen an Hühnerembryonen geht die Chorda
nicht bis zu dem vordem Ende der Urwirbelplatten , wie Reichert
meint, jedoch anfangs weiter nach vorn als Rathke und Remak (?)
annehmen.
Nach Stricker6) soll bei Kröten die Chorda nicht über das Ohr-
labyrinth hinausgehen; an einer anderen Stelle erklärt dieser Beobachter,
dass bei Batrachiern mit noch weit offener Rückenfurche das vordere
Chordaende wegen seiner Unbestimmtheit sich nicht genau angeben lasse,
1) Entwklg. d. Thiere. I. 1828. S. 78.
2) Unters, über d. Entwklg. d. Wirbelthierc. 1855.
3) Müll. Archiv 1849, sowie Entwicklungsleben im Wirbelthierreich 1840.
4) Entwiklgsgesch. d. Menscheu u. d. höhern Thiere 1861.
5) Müll. Archiv. 1864.
15
jedoch sei es kaum gestattet, dasselbe noch am vordersten Hirnende zu
suchen. Dabei wird (S. 63) bemerkt: „Hie und da erhielt ich jedoch an
Durchschnitten v o r diesem unbestimmten Chordaende ein kleines der
Schädelbasis anhaftendes Zellcnklümpchen, was an eine rudimen-
täre Chorda erinnert." Diese von Stricker gemachte Beobachtung passt
offenbar auf meinen Chordaknopf.
Nach meinen Erfahrungen erreicht das vorderste Chordaende ur-
sprünglich das vordere Ende der Urwirbelplatten , was Reichert zuerst
gesehen hat. Alle anderen Angaben der genannten Schriftsteller betreffen
eben das vorderste Chordaende von in der Entwicklung weiter fortge-
schrittenen Schädeln, deren vorderstes Ende bereits als Spheno-Ethmoidal-
theil über das Chordaende hinausgewachsen war. Die Wirbelsaite
endigt im spätem Türkensattel, indem ihr Knopf sich an der Bildung der
Hypophyse betheiligt (Taf. II, Fig. 9); sie schnürt sich hierauf von diesem
Gebilde ab und endigt zugespitzt unterhalb der Wurzel der Sattellehne
in der hintern Wand des Türkensattels. Niemals befand sich die Chorda
in der vordem Keilbeingegend, was auch Kölliker a. a. 0. S. 205 her-
vorhebt; ja selbst der vor der Sattellehne liegende und den Boden der
Sattelgrube darstellende Abschnitt des hintern Keilbeins ist zu jeder Zeit
frei davon. Weitere Angaben über den Kopftheil der Chorda siehe unten.
Kopftheil der Chorda dorsalis des Menschen und der Säuge-
thiere nebst Bemerkungen über die Wirbelsaite überhaupt.
Die nächste Veränderung' der Urwirbelplatten des Schädels be-
steht darin, dass sie die Chorda umwachsen und zwar eher, als
dies am Rumpf geschieht. Unmittelbar hinter dem Chordaknopf
treffen sie am frühesten medianwärts zusammen, so dass von hier
aus die Urwirbelplatten in der Richtung gegen das Schwänzende
divergiren. Ihre Vereinigung geschieht zuerst an der Bauchseite
der Chorda, dann über ihr, wodurch die Chorda ihren früheren
Zusammenhang mit dem Medullarrohr und dem Darmdrüsenblatt
einbüsst. Nur das knopfförmig verdickte vorderste Chordaende be-
hauptet den ursprünglichen innigen Zusammenhang mit dem Me-
dullarrohr (Boden der vorderen primitiven Hirnblase) sowie mit
dem die Schlundhöhle auskleidenden Darmdrüsenblatt. Die Ver-
einigung der Urwirbelplatten wird hierdurch verzögert und das
längere Bestehen einer die eigentliche Schädelbasis betreffenden
Lücke veranlasst, in die jedoch der Chordaknopf sich einbettet
16
und durch seine fortbestehende Verbindung mit dem Medullarrohr
und dem Darmdrüsenblatt die Bildung der Hypophyse vorbereitet.
Bei den Menschen und den Säugern nimmt die Wirbelsaite
bei ihrem Uebertritt aus der Halswirbelsäule in die Schädelbasis
kaum merklich an Umfang ab und erst gegen ihr vorderstes in
den Knopf übergehendes Ende verjüngt sie sich etwas. Im
weichen und im rein knorplichen Zustande der Schädelbasis wird
die Chorda niemals vermisst und erst einige Zeit nach dem Eintritt
der Verknöcherung wird sie innerhalb des Knochenkernes der
Pars basilaris des Hinterhauptbeins allmählig unkenntlich, in den
knorplich bleibenden Partien dagegen erhält sie sich noch längere
Zeit hindurch mehr oder weniger vollständig.
Die ältesten menschlichen Embryonen, die ich auf die Chorda
der Schädelbasis untersuchte , hatte eine Länge von 1,8 Dem.
und besassen in dem Knorpel zwischen dem vordem Rand des
verknöcherten Hinterhauptskörpers und dem hintern Umfang der
Sattelgrube eine so auffallend stark entwickelte Chorda, dass ich
auch an einem noch späteren Vorkommen derselben nicht zweifle 1).
Beim Rind fand ich an 7,2 Ctm. langen und beim Schwein an
7,5 Ctm. langen Embryonen die Chorda noch in ihrer ganzen
Länge vom Hinterhauptsloch bis zum hintern Umfang der Sattel-
grube und auch durch den Knochenkern des Hinterhauptskörpers
nicht unterbrochen.
Bekanntlich hat zuerst H. Müller2) auf das längere Ver-
bleiben von Chordaresten in dem vorderen und hinteren Abschnitte
der Wirbelsäule, Steissbein einerseits, Epistropheus-Zahn und Schä-
delbasis andererseits, aufmerksam gemacht und bezeichnete diesen
Fund als einen auffallenden , weil nach seinen Beobachtungen
(a. a. O. S. 219) die Chorda bei dem Menschen frühzeitig
1) Ueber den Schädeltheil der Chorda des Menschen enthält meine
Sammlung zehn Präparate von medianen Längsschnitten und zwar von
71/* Ctm. langen Embryonen zwei (Nr. 1076 u. 1081), von 8 Ctm. langen
Embryonen zwei (Nr. 1084 u. 1121), von einem 8,3 Ctm. langen Embryo
Eines (Nr. 1017), von 1 Dem. langen Embryonen zwei (Nr. 1077 u. 1078),
von 1,8 Dem. langen Embryonen drei (Nr. 1080, 1082, 1085).
2) Ueber das Vorkommen von Resten der Chorda dorsalis beim Menschen
nach der Geburt und über ihr Verhältniss zu den Gallertgeschwülsten am
Clivus, iu d. Zeitschr. f. rat. Med. v. Henle u. Pfeufer. R. 3, Bd. II, 1858.
17
verschwinde, sowohl in den Wirbelkörpern als auch
in denWirbelsynchondrosen. Da meine Erfahrungen gegen
die beiden letzten Angaben sprechen , so kann ich das spätere
Vorkommen von Chordaresten an den genannten Stellen nicht als
eine besondere Eigenthümlichkeit der Wirbelsaite aufnehmen. Es
lässt sich nämlich nicht blos bei dem Menschen, sondern auch bei
den von mir untersuchten Säugethieren (Rind, Schwein) das ganze
fötale Leben hindurch die Chorda innerhalb der Wirbelkörper-
säule in allen nicht verknöcherten Abschnitten nachweisen , also
nicht nur in den Wirbelsynchondrosen, sondern auch in den Wir-
belkörpern bis dicht an die Grenze der Knochenkerne. Nur die
Knochenkerne sind es, welche durch Umlagerung die Chorda nach
und nach unkenntlich machen, und an hinlänglich feinen Längs-
schnitten überzeugt man sich , dass auch hier die Chorda noch
einige Zeit hindurch den Knochenkern als ein nachweisbarer zel-
liger Strang durchzieht ; sie verschwindet daher nicht schon vor
der Verknöcherung, wie Gegenbauer für die Säugethiere be-
hauptet x).
An Median- wie an Frontalschnitten der Brust- und Hals-
wirbelsäule menschlicher Embryonen von 8 Ctm. Länge fand ich
die Chorda noch völlig ununterbrochen, daher auch noch innerhalb
der Knochenkerne deutlich nachweisbar ; ebenso an Rindsembryonen
mit bereits grösseren Knochenkernen. Es sind übrigens solche
Schnitte , wenn sie längere Strecken der Chorda treffen sollen,
wegen der Feinheit des Chordastranges zwischen den in den Wir-
belsynchondrosen liegenden Anschwellungen sehr schwer anzu-
fertigen. Weicht das Messer nur wenig von der Medianebene ab,
so trifft man stellenweise nur die zwischen den Wirbelkörpern
liegenden Anschwellungen und so erklärt sich z. B. die unrichtige
Angabe , dass schon in der Mitte des dritten Monates bei dem
Menschen die Chorda an gewissen Stellen auf die Synchondrose
sich beschränke. Man lege nur von Einem Präparate immer
mehrere Sagittalschnitte an, so ergänzen sich dieselben und die
scheinbar unterbrochene Chorda wird an so jungen Embryonen
wieder zu einem continuirlichen, auch in den Knochenkernen noch
sichtbaren Strang.
1) Unters, z. vergl. Anat. der Wirbelsäule. Leipz. 1862. S. 67.
Dursy , Entwklgsgesch. 2
18
Macht man verschiedene Durchschnitte mit einiger Vorsicht
und in grosser Menge, so überzeugt man sich, dass innerhalb der
Knochenkerne nicht blos, wie es an vielen Schnitten den Anschein
hat, ein leerer Chordakanal sich befindet, sondern ein wirklicher
Zellenstrang, der nur sehr brüchig geworden ist und daher leicht
herausfällt. Brachte ich den Schnitt in Wasser, so konnte ich
mitunter schon mit blossem Auge die Ablösung des weissen Chorda-
stranges wahrnehmen , wie er seinen Kanal verliess. Ich besitze
Präparate von medianen Längsschnitten eines 7 Ctm. langen Rinds-
embryo, bei welchen der innerhalb des Knochenkernes liegende
Zellenstrang sogar bedeutend dicker ist als selbst die in der
Wirbelsynchondrose liegende Partie der Chorda. Wird nun der
Knochenkern grösser, so macht er allmählig den Zellenstrang und
den ihn aufnehmenden Kanal völlig unkenntlich, zeigt aber noch
einige Zeit hindurch einen dem Verlaufe der Chorda entsprechen-
den dichteren Streif. Was schliesslich aus dem Chordastrang in
dem Knochenkern wird, ob er wirklich gänzlich verschwindet oder
ob seine Zellen den Elementen der Markräume sich beigesellen und
deren Schicksal theilen , konnte ich nicht herausbringen. Da nun
auch Querschnitte darüber keinen Aufschluss geben, so kann ich
nur sagen, der Chordastrang gibt im Knochenkern allmählig seine
Selbständigkeit und seine ursprüngliche Bedeutung auf und ent-
zieht sich schliesslich jeder weiteren Verfolgung.
In den knorplich gebliebenen Theilen der Wirbelkörpersäule
sowie in den Synchondrosen habe ich immer bei allen Embryonen
des Menschen , des Rindes und des Schweines die Chorda ge-
funden, und ich sehe mich daher zu dem Ausspruch berechtigt,
dass dieser Strang überhaupt nur innerhalb der verknöcherten
Theile dem Auge sich spurlos entzieht, sonst aber wohl das ganze
fötale Leben hindurch mehr oder weniger vollständig sich erhält.
Da nun am Ende des fötalen Lebens und nach der Geburt die
Schädelbasis zum grossen Theil, und das Steissbein durchaus oder
fast ganz knorplich gefunden werden, so erklärt sich daraus das
spätere Vorkommen von Chordaresten auch in diesen Theilen und
es ist diese Thatsache daher nicht auffallender, als eben die ver-
spätete Verknöcherung der genannten Skelettheile überhaupt.
In der Schädelbasis sowie in ihrem ganzen Verlaufe durch
19
die Wirbelkörpersäule liegt der aus Zellen bestehende Chorda-
strang innerhalb eines wasserhellen kanalförmigen Eaumes , der
ihn von der Umgebung völlig isolirt und den ich den Chorda-
kanal (die bisher sogenannte Chordascheide) nennen will. Er
lässt sich sowohl an Längsschnitten als auch an Querschnitten
darstellen und erscheint an letzteren bei jüngeren Embryonen als
eine wasserhelle kleine Scheibe, in deren Centrum scheinbar ganz
frei der dunkle körnige Durchschnitt der Chorda getroffen wird.
An feineren Durchschnitten geschieht es sehr häufig, dass die
Chorda aus ihrem Kanäle von selbst herausfällt oder man kann
sie leicht herausnehmen und es erscheint dann der ganze zurück-
bleibende Chordakanal z. B. an dem Querschnitt der knorplichen
Schädelbasis oder eines knorplichen Wirbelkörpers lediglich nur
als eine unmittelbar von Knorpelgewebe begrenzte wasserhelle
Lücke ohne alle Structur. Namentlich ist auch kein innerer die
herausgefallene Chorda begrenzender Contur aufzufinden, so dass
ich diesen Kanal nicht als eine besondere glashelle Scheide des
Chordastranges auffassen kann. R o b i n , der noch in neuerer
Zeit x) die Existenz einer Scheide festzuhalten sucht, giebt zu,
dass im frischen Zustande ein innerer Contur nicht bemerkt werde ;
aber , wie ich hinzufüge , auch an erhärteten und selbst an noch
so intensiv gefärbten Durchschnitten lässt sich weder ein innerer
noch ein äusserer Contur nachweisen. Einige wenn auch noch so
geringe Consistenz oder etwas klebrige Beschaffenheit muss jedoch
die Flüssigkeit des Chordakanales enthalten , da sonst an allen
feinen Durchschnitten der Chordaschnitt herausfallen oder seine
centrale scheinbar völlig freie Lage aufgeben müsste. Letzteres
geschieht auch hie und da und man kann selbst durch Verschie-
bung des Schnittes mitunter eine derartige Lageveränderung ver-
anlassen zum Beweise, dass der die Chorda umgebende Inhalt des
Kanales keine derbere die Chordaelemente zusammenhaltende
Scheide sein kann. Es existirt daher nach meinen Erfahrungen
weder bei dem Menschen noch bei den von mir untersuchten
Säugethieren zu irgend einer Zeit des fötalen Lebens weder eine
eigentliche glashelle, noch eine, körnige, noch eine faserige Scheide.
1) Memoire sur Tevolution de la notocarde etc. 1868.
2*
20
Auch beim Hühnchen giebt es keine Chordascheitle und der da-
für gehaltene Kanal lässt sich hier leicht vom ersten Anfang seiner
Bildung verfolgen.
In früher Zeit der Entwicklung nämlich, wenn die Urwirbel-
platten noch flächenhaft ausgebreitet zu beiden Seiten der Wirbel-
saite liegen , werden sie von letztern jederseits durch einen mit
wässeriger Flüssigkeit erfüllten Raum geschieden. Dorsalwärts
durch die dünne mediane Verbindungsmembran beider Medullar-
platten und bauchwärts durch das Darmdrüsenblatt zu einem
Kanäle geschlossen, bildet er mit seinem Inhalte, der Chorda, den
Boden meiner Rückenrinne (der Reichert 'sehen Primitivrinne).
Vor der medianen Verschrnelzung der beiden Urwirbelplatten liegt
jedoch die Chorda nicht frei in diesem Kanal, sondern hängt
dorsalwärts sehr innig dem unterdessen sich schliessenden Medullar-
rohr an, wesshalb sie von Remak die embryonale Stütze des
Medullarrohres genannt wurde. Aber auch ihre Bauchseite ist
nicht frei, sondern hängt dem Darmdrüsenblatt an. Später werden
diese Zusammenhänge durch die hereinwachsenden Urwirbel-
platten gelöst und nun der . Chordakanal durch die letztern allein
gebildet.
In der knorplichen Schädelbasis und in den knorplichen Wir-
belkörpern ist es deren hyaline Grundsubstanz , welche anfangs
scharf und glatt den Kanal unmittelbar begrenzt. An Sagittal-
sclmitten der Wirbelsäule eines erst 1,2 Ctm. langen Rindsembryo,
von welchem ich noch mehrere Präparate aufbewahre (Nr. 1159,
1160, 11G1 u. 1162), konnte ich nach Anwendung einer Färbung
durch Anilinroth sehr deutlich das Verhalten der Wandung des
völlig klaren und wasserhellen Chordakanales erkennen. An diesem
Embryo waren die Wirbelkörper und die Anlage der Synchondrosen
aus ganz gleichen Elementen (den ursprünglichen noch nicht deut-
lich conturirten völlig runden und körnigen Bildungszellen) con-
tinuirlich angelegt. Die Wirbelkörper standen im Beginn des
Verknorplungsprocesses , ihre Formelemente waren daher in einer
jedoch noch nicht ganz klaren und noch spärlichen Grundsubstanz
etwas weiter auseinander gerückt. Die Anlage der Synchondrosen
bestand aus Elementen , die sich von denen der etwas helleren
(durchsichtigeren) Wirbelkörper weder durch Grösse noch durch
21
Gestalt unterschieden, waren daher ebenfalls kreisrund, jedoch so
dicht gedrängt, dass sie den Synchondrosen das Ansehen dunkler
breiter Querbänder verliehen. An der Peripherie waren die
Synchondrosen zwar höher , sonst aber ebenso beschaffen wie im
Centrum , zeigten daher noch keine Schichtung und Streifung.
In einiger Entfernung von dem Lumen des Chordakanales fehlten
die Zellen und zwar sowohl im Gebiete der Wirbelkörper wie in
dem der Synchondrosen. An ihrer Stelle fand sich ein völlig
homogener roth gefärbter schmaler Streif, welcher gegen das
Lumen bei Anwendung einer 400maligen Vergrösserung nicht
ganz geradlinig, sondern mit niedrigen Ein- und Ausbiegungen
endigt. Gegen die Peripherie ging er continuirlich in die Grund-
substanz der Wirbelkörpersäule über , deren directe Fortsetzung
er darstellte, jedoch durch seine intensivere Färbung mit Anilinroth
scheinbar sich wie eine den Chordakanal umfassende Scheide
markirte.
An älteren Embryonen des Menschen und der Säuger nehmen
die dem Chordakanal zunächst stehenden Zellen eine etwas läng-
liche Gestalt an, und an Querschnitten sprang der erwähnte Streif
der zellenlosen Grundsubstanz mit Zacken, an Längsschnitten mit
scheinbaren Falten gegen das Lumen vor. Der Querschnitt des
Kanales gewann dadurch ein sternförmiges Lumen , welches an
älteren Embryonen in der Richtung von einer Synchondrose bis
zum nächsten Knochenkern allmählig an Umfang abnimmt. Sehr
häufig fällt alsdann die brüchig gewordene Chorda heraus, so dass
man nur den leeren Kanal bemerkt, den man bisher für die leere
und gefaltete Scheide gehalten hat. Auch kann es geschehen,
dass eine den Chordastrang betreffende Einschmelzung , die ich
unten näher beschreiben werde, stellenweise nicht sofort die ganze
Breite des Stranges, sondern zuerst nur dessen Achse betrifft mit
Zurücklassung einer dünnen feinkörnigen peripherischen Schichte
des Chordagewebes, die ebenfalls schon zur Aufstellung einer be-
sondern Scheide Veranlassung gab.
Niemals füllt bei dem Menschen und den genannten Säugern
der Chordastrang seinen Kanal vollständig aus , bleibt also immer
von der umgebenden Masse der Schädelbasis und der Wirbelkörper
durch einen hellen Zwischenraum geschieden und unterscheidet
22
sich dadurch von dem Chordastrang des Hühnchens, bei welchem
der anfangs ebenso gelagerte Chordastrang alsbald einen viel
grössern Umfang gewinnt und den Kanal völlig ausfüllt.
Verfolgt man bei dem Menschen und den Säugern den Chordakanal
von den Wirbelkörpern aus gegen die Synchondrosen , so geht er mit
trichterförmiger Erweiterung aus dem knorplichen Wirbelende in seinen
umfänglicheren die Synchondrose einnehmenden Abschnitt über. Seine
Wand wird auch hier von dem umgebenden Gewebe, also von der durch
dicht gedrängte Zellen ausgezeichneten hyalinen Grundsubstanz der
Synchondrose gebildet und ist zuerst völlig glatt. Eigentlich ist diese
Erweiterung schon nicht mehr der reine ursprüngliche Chordakanal, der
zuerst gleichweit die ganze Länge der Wirbelsäule durchsetzte, sondern
verdankt ihre Entstehung einer Einschmelzung des umgebenden Synchon-
drosengewebes. Ich finde diese Erweiterung schon an 4 Ctm. langen
menschlichen Embryonen sehr merklich und die sie erfüllende helle Flüs-
sigkeit trennte den entsprechend aufgetriebenen Chordastrang scharf und
in ziemlichem Abstände von der noch immer glatten Wand. Beim Rind
tritt nach meinen Beobachtungen diese Erweiterung erst an 6 — 7 Ctm.
langen Embryonen auf, während diese Stelle vorher sehr abweichend von
dem Menschen, sich gerade als die engste zeigte. Beim Schwein dagegen
beginnt die Erweiterung schon bei 2*/2 Ctm. langen Embryonen.
An einem 7 Ctm. langen menschlichen Embryo hatte der die Synchondrosen
einnehmende Abschnitt des Chordakanales im Brusttheil der Wirbelsäule
bereits eine in horizontaler Richtung ausgedehnte niedrige scheibenförmige
Gestalt , und nur an ihrem excentrischen Uebergang in den Chordakanal
der anstossenden Wirbelkörper war sie höher und trichterförmig aus-
gezogen. Alsbald aber verschwindet die schärfere Begrenzung des Kanales,
indem das erweichende und stellenweise einschmelzende Synchondrosen-
gewebe ein von hyalinen oder feinkörnigen sehr blassen Balken begrenztes
unregelmässiges Maschenwerk zurücklässt, in welches die Chorda hinein-
wuchert. Von einem Chordakanal kann jetzt nicht mehr die Rede sein.
Die Lehre einer Chordascheide wurde durch Baer1) eingeführt und
aus dessen das Hühnchen betreffenden Beschreibung geht hervor, dass er
darunter den durchsichtigen die Chorda enthaltenden Boden der Rücken-
rinne (der sogenannten Primitivrinne) verstand. Er hält den breiten
glashellen die Chorda umgebenden Saum für eine auffallend feste
und aus einer glashellen Masse bestehende Scheide, welche ursprünglich
auch mit den feinsten Nadeln nicht von der Chorda abgelöst werden
könne, daher mit ihr ein Ganzes bilde. Erst später soll sich die Chorda
leicht aus der Scheide herausziehen lassen.
Rathke2) lehrt, dass bei allen Wirbelthieren die Chorda einen
1) Entwickig. d. Thiere. I. 1828. S. 16.
2) Entwickig. d. Natter.
23
Kern und eine Scheide besitze. Bei der Natter beschreibt er die Scheide
als gallertig-sulzig und sehr durchsichtig; beim Zerquetschen zwischen
zwei Glastafeln blieb nur der dünne Kern zurück, nicht aber die
Scheide. Bei einer andern Gelegenheit1) erklärt dieser Forscher um-
gekehrt die Scheide für häutig und den Kern für gallertig.
Reichert2) erkannte ganz richtig, dass beim Hühnchen eine Hülle
und eine Kernmasse sich nicht unterscheiden lasse; Remak3) dagegen
giebt an, dass gegen den Schluss des fünften Brüttages eine Sonderung
in eine durchsichtige feste Scheide und einen undurchsichtigen weichen (!)
Achsentheil eintrete. Auch Kolli k er4) nimmt eine Scheide für das
Hühnchen, die Säuger und den Menschen an und hält sie für eine einer
secundären Zellenmembran vergleichbare Ausscheidung ; sie soll jedoch 5)
erst nachträglich und zwar als eine structurlose Hülle entstehen, welche
nach und nach etwas fester werde und an einer ausgebildeten Chorda
als ein glashelles , massig dickes Umhüllungsgebilde erscheine ; an den
Chordaresten des Neugeborenen dagegen (S. 189) soll die Scheide nicht
mehr nachweisbar sein.
Was die histologischen Verhältnisse der Chorda betrifft , so
ist dieselbe zuerst nur ein aus dicht gedrängten Zellen bestehender
Strang; im weiteren Verlauf der Entwicklung tritt nach meinen
von der gewöhnlichen Angabe abweichenden Erfahrungen eine
helle wässrige Grundsubstanz auf, welche die Zellen zwar aus-
einander drängt ; jedoch nicht wie beim Knorpel völlig isolirt.
Sie bleiben mit einander verbunden und stellen ein durch rund-
liche und ovale helle Lücken durchsetztes Zellengewebe dar. Die
an die Lücken anstossenden Zellenflächen werden durch den Druck
der darin enthaltenen wässrigen Flüssigkeit entsprechend gebogen
und so erhalten die rundlichen Maschen scharfe dunkle Conturen
und nehmen sich an Flächenansichten der isolirten Chorda oder
an nicht ganz feinen Durchschnitten wie helle Blasen aus. An
feinen Durchschnitten dagegen habe ich mich davon überzeugt,
dass dieselben keine umgewandelten Chordazellen sind, sondern
Flüssigkeitsräume, die von den das ganze fötale Leben hindurch
sich gleich bleibenden zarten Chordazellen eine scharfe Begren-
zung erhalten. Untersucht man nur Flächenansichten einer iso-
1) Vierter Bericht d. nat. Seminars in Königsberg.
2) Entwicklungsleben im Wirbelthierreich. 1840. S. 176.
3) a. a. 0. S. 44.
4) Lehrbuch d. Gewebelehre.
5) Entwicklgsgesch. d. Menschen.
24
lirten Chorda oder nur gröbere Durchschnitte, so erscheinen die
diese Räume trennenden den Charakter junger Zellen bewahrenden
Chordaelemente als feinkörnige, Blasen enthaltende Grundsubstanz
oder sie wurden wohl auch zur Wand der scheinbaren Blasen
geschlagen und so kam man zur Aufstellung von dickwandigen
knorpelzellenähnlichen, mit heller Flüssigkeit ganz oder theilweise
sich füllenden Chordazellen.
Die Balken, welche die Hohlräume umfassen, bestehen bald
nur aus Einer Reihe von Zellen, bald kommen zwei oder mehrere
derselben auf den Querdurchmesser; mit der Zeit werden diese
Elemente polygonal abgeplattet , erhalten schärfere aber immer
nur einfache Conturen und besitzen zu jeder Zeit einen deutlichen
Kern. Niemals bemerkte ich, wie von Manchen gelehrt wird, eine
Grössenzunahme der Chordazellen, oder eine Aufhellung ihres In-
haltes, oder den Verlust ihres Kernes oder eine endogene Zellen-
vermehrung oder eine Umwandlung in grössere mit vielen Tochter-
zellen gefüllte Mutterzelle. Solche Veränderungen kommen zwar
allerdings im Laufe des fötalen Lebens in den Synchondrosen
vor , beziehen sich aber nicht auf die Chordazellen , sondern auf
die Elemente des erweichenden und einschmelzenden Knorpels der
Umgebung.
Mit der fortschreitenden Zunahme der in den Lücken ent-
haltenen Flüssigkeit vergrössern sich dieselben , so dass stellen-
weise die Balken gedehnt und annähernd zu Fasern comprimirt
werden können , die an den dicker bleibenden Stellen noch den
früheren körnigen Zelleninhalt nebst deutlichem Kern zeigen.
Sehr auffallend zeigt diese Umwandlung in ein weitmaschiges
Fasernetz das Chordagewebe der Vögel und der darunter stehen-
den Thiere; darin liegt der Grund der bei diesen Thieren so be-
deutenden Dicke, der Durchsichtigkeit und der mehr gallertigen
Beschaffenheit der Chorda, so dass dieselbe alsbald ihren Kanal
völlig erfüllt und an der Peripherie gegen die umgebende Wirbel-
körpermasse wie zu einer faserigen Scheide angedrückt wird.
Bei dem Menschen und den Säugern verbindet sich mit dieser
Ausdehnung des Chordagewebes zugleich eine Einschmelzung, die
Lücken fliessen stellenweise zusammen , theils durchbrechen sie
das Chordagewebe peripherisch gegen den Chordakanal. Die
25 .
Chorda verliert ihre gleichrnässige Begrenzung, wird zerfetzt und
zerbröckelt, macht jetzt den Eindruck eines in Rückbildung und
Zertrümmerung befindlichen Gebildes. Es schwinden dabei die
Chordazellen ohne irgend eine vorausgehende Veränderung ihrer
Gestalt und ihres granulirten Inhaltes. Niemals geht dabei die
Chorda mit der Wandung ihres Kanales irgend eine continuirliche
Verbindung ein, lässt sich daher zu jeder Zeit daraus entfernen
oder, wie z. B. in den Wirbelsynchondrosen, herauspinseln.
Von Säugethierembryonen war der jüngste, den ich auf die histolo-
gischen Verbältnisse der Chorda untersuchte, ein Rindsembryo von 1,2 Ctra.
Länge. An einem durch den Rumpf geführten Sagittalscbnitt konnte ich
den Längsschnitt der Chorda eine Strecke weit gänzlich isoliren. Sie
bestand aus dicht gedrängten granulirten kernartigen Elementen von kug-
liger Gestalt und war noch nicht von helleren Flüssigkeitsräumen durch-
setzt. Auch an den Rändern des Chordastranges bemerkte man keine
Spur eines continuirlicben einfachen oder doppelten Conturs als Ausdruck
einer wenn auch noch so zarten Hülle. Die Begrenzungslinie ergab sich
bei 400maliger Vergrösserung als ein von den Conturen der peripheri-
schen Chordaelemente zusammengesetzter und daher feiner aus- und
eingebogener dunkler Saum. Auch nach Anwendung von Druck liess
sich weder im Verlaufe der Chorda noch an ihrem quer durchschnittenen
Ende irgend eine Andeutung einer Hülle unterscheiden , welche den so
auffallend innigen Zusammenhang der Elemente des Chordastranges hätte
erklären können.
Bei einem andern 1,5 Ctm. langen Rindsembryo hatte der Chorda-
strang an Dicke etwas zugenommen und seine Elemente waren nun deut-
lich als fein granulirte, einfach und zart conturirte, kernhaltige und runde
Zellen zu unterscheiden. Die Bildung von zwischen die Zellen sich ein-
schaltenden hellen Räumen hatte noch nicht begonnen.
Ebenso beschaffen war die Wirbelsaite eines 2,6 Ctm. langen Rinds-
embryo, dessen "Wirbelsäule und Schädelbasis ebenfalls noch den rein
knorplichen Zustand zeigten.
An einem 6,5 Ctm. langen Rindsembryo, dessen Wirbelkörper bereits
Knochenkerne besassen, war die Chorda von hellen Lücken durchsetzt
und dadurch in ihrem Verlaufe durch die Wirbelkörper stellenweise gänz-
lich unterbrochen. Dass diese Lücken nicht etwa in den Chordazellen
selbst sich bildende hellere Inhaltstropfen sind, sondern zwischen den
Elementen als anfangs nur ganz kleine Räume in Gestalt niedriger un-
regelmässig eckiger Spalten erscheinen, die erst allmählig eine rundliche
und schärfer begrenzte Form annehmen, davon habe ich mich vielfach
überzeugt.
Aehnlich verhielt sich ein 7 Ctm. langer Rindsembryo, nur war der
26
durch die Wirbelkörper und deren Knochenkerne ziehende Chordastrang
noch ganz continuirlich und von kleinen Lücken durchsetzt; in den Syn-
chondrosen dagegen hatten sich die letztern bereits vielmehr ausgedehnt.
Ebenso verhielt sich auch ein 8,3 Ctm. langer Rindsembryo.
Was die menschlichen Embryonen betrifft , so finde ich an einem
solchen von 4 Ctm. Länge den Chordastrang innerhalb der noch völlig
knorplichen Wirbelkörper solid und ununterbrochen, in den Synchondrosen
dagegen waren die Zellen stellenweise schon durch helle Lücken ausein-
ander gedrängt.
Ebenso beschaffen war die Chorda eines 41/« Ctm. langen mensch-
lichen Embryo, dessen Wirbelsäule immer noch völlig knorplich war.
An einem 6 Ctm. langen menschlichen Embryo zeigten sich endlich
Knochenkerne in den Wirbelkörpern. Die in den Synchondrosen liegenden
Anschwellungen der Chorda waren vielfach durch kleinere und grössere
helle Lücken durchbrochen, und aus demselben Grunde zeigte auch der die
Anschwellungen verbindende Zellenstrang bereits Unterbrechungen seiner
Continuität.
An älteren Embryonen wird der die Wirbelkörper durchziehende
Strang in Folge der Zunahme der ihn durchbrechenden Lücken und einer
damit verbundenen Einschmelzung immer unvollständiger, so dass stellen-
weise nur der leere Kanal übrig bleibt.
Was die Gestalt der in der Schädelbasis befindlichen Chorda
betrifft, so kennt man in dieser Beziehung durch H. Müller
nur die Chorda des Rindes und des Menschen. Da aber nach
meinen Beobachtungen das Rind anders sich verhält , als der
Mensch und das Schwein, was H. Müller entgangen ist, so
schicke ich meine an Rindsembryonen gewonnenen Resultate zur
Vergleichung voraus.
Dass sich der anfangs überall ziemlich gleich dicke Chorda-
strang in seinem Verlaufe durch die Wirbelkörpersäule an den Inter-
vertebralstellen rosenkranzartig erweitert, ist bekannt. H. Müller
hat nun darauf aufmerksam gemacht, dass bei dem Menschen und
dem Rind solche Anschwellungen auch zwischen Körper und
Zahn des zweiten Halswirbels sowie zwischen Hinterhauptsbein
und Keilbein vorkommen und diese Gegenden somit auch darin
den Intervertebralstellen der übrigen Wirbelsäule entsprechen.
Ganz eigenthümlich gehen aber nach meinen Beobachtungen diese
Veränderungen der Chorda beim Rinde vor sich. Dort bilden,
sich nämlich zweierlei Anschwellungen, an den Intervertebralstelleq
der Wirbelkörpersäule und zweitens in den Wirbelkörperabschnitten
27
selbst , ja die letzteren sind sogar viel früher vorhanden , so dass
dann abweichend von dem Schwein und dem Menschen die dünn-
sten Stellen der Chorda den Synchondrosen entsprechen. Unter-
sucht man den Medianschnitt der Wirbelsäule eines 1,2 Ctm. langen
Rindsembryo (Holzschnitt XII, a), so zeigen sich lang gezogene
m
a-
f
spindelförmige Anschwel-
lungen nur in den An-
lagen der Wirbelkörper
und es liegen deren dünne
kurze Verbindungsstücke
in den Intervertebralstel-
len. Ebenso finde ich die
Anordnung der Wirbel-
saite an Medianschnitten
von 1,5 Ctm. langen Rindsembryonen und es waren hier die spindel-
förmigen Anschwellungen noch viel dicker geworden.
An Medianschnitten eines 2,4 Ctm. langen Rindsfötus (Holz-
schnitt XII, b) zeigten diese Anschwellungen sehr merkwürdige
Veränderungen. Die dickste Stelle lag nämlich nicht mehr in
der Mitte der Höhe eines Wirbelkörpers , sondern an den beiden
Endflächen desselben. Anstatt einer mittleren Anschwellung hatte
man jetzt in jedem Wirbelkörper zwei, eine obere und eine untere.
Da sie die Endflächen der knorplichen Wirbelkörper erreichten
und selbst ein wenig in die Synchondrosen hineinragten , so war
das dazwischen liegende im Centrum der Synchondrose eingeschlos-
sene Mittelstück nur sehr niedrig, aber durch seine Dünnheit deutlich
von den angrenzenden Anschwellungen zu unterscheiden.
Ganz verändert fand ich die Gestalt der Chorda an dem Median-
schnitt eines 6,5 Ctm. und eines 7 Ctm. langen Rindsfötus (Holzschn.
XII, c). Es fand sich nämlich in jedem Wirbelkörper wiederum nur eine
einzige spindelförmige Verdickung, welche den Knochenkern durch-
zog und dessen Gebiet nicht überschritt. Von hier aus bis zu
den beiden Endflächen der Wirbelkörper war der Strang sehr
schlank geworden und was die Intervertebralstellen betraf, so fan-
den sich jetzt endlich auch hier, jedoch nur niedrige kleine An-
schwellungen, die aber keine spindelförmige, sondern mehr eine
knopfförmige oder im Durchschnitt rautenförmige Gestalt zeigten.
28
An Rindsembryonen von 8,3 Ctm. Länge und darüber (Holz-
schnitt XII, d) waren die spindelförmigen Anschwellungen der
Wirbelkörper nur noch ganz schwach angedeutet oder auch gänz-
lich geschwunden , die knopfförmigen Verdickungen der Inter-
vertebralstellen dagegen hatten in horizontaler Richtung an Umfang
zugenommen, zeigten somit die Gestalt einer biconvexen Scheibe.
Im Epistropheus und in der Schädelbasis verhielt sich die
Chorda in Beziehung auf die Anschwellungen an jüngeren Rinds-
embryonen von 2,4 und 4,4 Ctm. Länge ähnlich, wie ich es oben
von der- Wirbelsäule der jüngsten Embryonen angegeben habe.
Eine Anschwellung lag in der Mitte der Höhe des Körpers vom
zweiten Halswirbel, nahm also die Stelle des spätem Knochenkernes
ein. In der deutlich markirten Synchondrose zwischen dem Körper
dieses Wirbels und dem Zahn fehlte sie j dagegen lag eine Anschwel-
lung in der Mitte des Zahnes. Alsbald nach dem Eintritt in die eben-
falls noch rein knorplige Schädelbasis bildete die Chorda eine lang-
gezogene schlanke spindelförmige Anschwellung, entsprechend der
Gegend des spätem Knochenkernes des Hinterhauptsbeins. In
der Gegend der spätem Synchondrosis spheno-occipitalis war sie
ganz dünn und erst in der Gegend der Wurzel der spätem Sattel-
lehne, am hinteren Umfang der Sattelgrube, schwoll sie wieder
etwas an. Es verhält sich somit auch hier die Wirbelsaite gerade
umgekehrt, als man es nach der bisherigen Lehre hätte er-
warten sollen. Was nun die älteren Rindsembryonen betrifft, so
stellt sich zwar in dem Intervertebraltheil zwischen Epistropheus
und Zahn noch eine Anschwellung ein, in der Schädelbasis da-
gegen konnte ich keine neuen Verdickungen mehr auffinden und
auch die zuerst vorhandenen waren im Abnehmen begriffen. Ich
sehe daher beim Rinde keine der späteren Synchondrosis spheno-
occipitalis entsprechende Verdickung der Chorda.
Beim Schwein verhält sich die Chorda innerhalb der Wirbel-
körpersäule in der Art, wie es bisher gelehrt wurde. Ich finde
nämlich bei einem 2,6 Ctm. langen Embryo (Holzschn. XII, e)
spindelförmige Anschwellungen nur in den Intervertebralstellen
und von solcher Höhe, dass sie noch in die angrenzenden knorp-
lichen Wirbelkörper hineinragten. An einem 7,6 Ctm. langen
Schweinsembryo war die Spindelform verschwunden und dafür
29
eine niedrige biconvexe Scheibe vorhanden , welche das Gebiet
der Synchondrose nicht überschritt.
In der Schädelbasis fand ich bei zwei 7*/s und einem 8 Ctm.
langen Schweinsembryo folgendes Verhalten. Die aus dem vor-
dem Umfang des bereits vorhandenen Knochenkernes des Hinter-
hauptbeins hervorkommende Chorda erzeugte in der Gegend der
spätem Synchondrosis spheno-occipitalis eine mächtige Anschwel-
lung in Gestalt einer frontalen biconvexen Scheibe , nahm dann
wieder ab und bildete nahe hinter der Sattelgrube noch eine
zweite aber viel kleinere Anschwellung , bevor sie in die Sattel-
grube selbst eindrang. Der unter der Sattelgrube liegende Kno-
chenkern des hintern Keilbeins kam mit der Chorda noch lange
nicht in Berührung.
Aehnlich wie beim Schwein so verhält sich auch bei dem
Menschen der Chordastrang in seinem Verlaufe durch die Wirbel-
säule. Sehr schön entwickelt fand ich die spindelförmigen An-
schwellungen der Intervertebralstellen bei einem 4 Ctm. langen
Embryo (Holzschn. XII, f) und von solcher Höhe, dass sie noch
die angrenzenden Viertheile der noch rein knorplichen Wirbel-
körper erfüllten. An ihrem vordem Umfang waren sie einfach
convex , hinten dagegen in der Mitte ihrer Höhe in einen kurzen
horizontalen rückwärts in die Synchondrose hineinwachsenden
scheibenförmigen Anhang ausgeladen. Aehnlich verhielt sich auch
die Wirbelsaite bei einem 4,5 Ctm. langen menschlichen Embryo
und waren auch hier die Knochenkerne noch nicht vorhanden.
Bei einem 6 Ctm. langen menschlichen Embryo fand ich die
Wirbelkörper mit Knochenkernen versehen. Die spindelförmigen
Anschwellungen hatten in der Mitte ihrer Höhe an Umfang zu-
genommen und sich daselbst in eine biconvexe auf das Gebiet
der Synchondrosen beschränkte horizontale Scheibe erweitert, aus
deren oberer und unterer Fläche noch deutliche kegelförmige Fort-
setzungen in die angrenzenden knorplichen Enden der Wirbel-
körper eindrangen.
Sehr viel grösser fand ich die erwähnten von vorn nach
hinten horizontal in die Synchondrosen eindringenden Scheiben
an einem 7,5 Ctm. langen (Holzschn. XII, g) sowie an einem
8 Ctm. und 8,5 Ctm. langen menschlichen Fötus. Der vordere
30
dickere Theil einer solchen Scheibe entspricht der ursprünglichen
spindelförmigen Anschwellung jüngerer Embryonen und dringt
auch noch mit einem oberen und einem unteren kegelförmigen
Fortsatz in die angrenzenden Wirbelkörper ein. Frontalschnitte,
welche diese dicker gebliebenen Partien der Scheibe durchschneiden,
zeigen daher die Gestalt eines Kreuzes mit längeren horizontalen
Schenkeln. Querschnitte der in den Synchondrosen liegenden
Chordascheiben haben das Ansehen einer vielfach durchbrochenen
kreisrunden Lamelle mit zerfetztem oder ausgezacktem Rande und
erinnern an das Bild der flächenhaften Knochenkerne des häutigen
Schädeldaches. Ich finde übrigens die Ränder dieser Chorda-
scheiben zu jeder Zeit völlig und scharf geschieden von dem um-
gebenden in Erweichung und Einschmelzung begriffenen Synchon-
drosengewebe , so dass sie leicht herausfallen oder über den
angrenzenden Rand der durchschnittenen Synchondrose sich hin-
wegschieben. Beim Auflegen eines Deckgläschens werden die
strahlig eingerissenen Ränder der Chordascheiben in der Art dem
in der Bildung begriffenen Gallertkern der Synchondrose an- und
eingedrückt, dass mitunter der Anschein eines continuirlichen Zu-
sammenhangs entsteht.
Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir einige Bemerkungen über das
Verliältniss des Gallertkernes zur Chorda bei menschlichen und Säugethier-
embryonen einzuflechten. Die Synchondrosen erscheinen zuerst nur als
dunklere Querstreifen zwischen den helleren Wirbelkörperanlagen , be-
stehend aus dichter gedrängten runden Zellen von ganz derselben Be-
schaffenheit und Grösse wie die der Wirbelkörper. Entfernt man die
darin liegende Anschwellung der Chorda, so bleibt eine einfache Lücke
zurück , welche von dem umgebenden dichten Gewebe der Synchondrose
scharf sich absetzt. Es existirt also um diese Zeit in den Synchondrosen
eine wirkliche die Chordaanschwellung völlig frei enthaltende und dieser
entsprechend geformte Höhle. Alsbald bemerkt man in der anfangs völlig
gleichförmig dunklen Synchondrosenanlage eine mittlere zunächst die Chorda
umgebende Aufhellung, während die an die Wirbelkörper anstossenden
Partien dunkel bleiben und jetzt aus länglichen quergestellten Elementen
bestehen , welche auch in die gleichbeschaffenen vertikalen Zellen des
ebenfalls dunklen Annulus fibrosus in ununterbrochener Reihenfolge über-
gehen. Die mittlere aufgehellte Partie ist die Anlage des Gallertkernes
und verdankt ihre Entstehung der Zunahme einer homogenen Grundsub-
stanz; die Zellen stehen jetzt weiter von einander ab und bleiben theils
rundlich, theils werden sie spindelförmig oder erhalten einfache und vor-
31
zweigte Ausläufer , mit welchen sie netzförmig untereinander sich ver-
binden. Im weiteren Laufe der Entwicklung beginnt eine stellenweise
Einschmelzung dieser die Chordahöhle enthaltenden Anlage des Gallert-
kernes , sie wird von mit wasserheller Flüssigkeit erfüllten runden und
ovalen Lücken durchbrochen , die schliesslich untereinander und mit der
Chordahöhle communiciren, so dass letztere ihre Selbstständigkeit aufgiebt.
So entsteht ein aus blassen zarten homogenen oder matt granulirten
Balken und durchbrochenen Lamellen bestehendes Gerüste, dessen Maschen
an verschiedenen Stellen theils mit Ausläufern versehene und dadurch ver-
bundene Zellen enthalten , theils kuglige Elemente , welche auch in den
Balken selbst vorkommen. Die letzteren haben ganz das Aussehen ge-
wöhnlicher Knorpelzellen und zeigen verschiedene Stufen der Vermehrung ;
manche derselben dehnen sich zu grossen mit vielen Tochterzellen ge-
füllten Mutterzellen aus , welche auch frei in den Maschen liegen oder
stielförmig mit der Grundsubstanz der Balken zusammenhängen. Unter-
dessen aber bleibt die Chorda in den Synchondrosen nicht unthätig, son-
dern erweitert sich in der oben angegebenen Weise , " indem bei dem
Menschen aus dem hintern und seitlichen Umfang der spindelförmigen
Anschwellung eine vielfach durchlöcherte horizontale biconvexe Scheibe
hervorwuchert, bestehend aus einem Balkenwerk polygonal abgeplatteter
granulirter kernhaltiger Zellen, an welchen ich niemals irgend eine Ver-
änderung wahrgenommen habe. Mit dieser Erweiterung ist zugleich eine
Einschmelzung des Chordagewebes verbunden, so dass dasselbe mehr und
mehr zerklüftet und schliesslich in Fetzen, Klumpen und unregelmässig
verbundene Zellenbalkenreste zerfällt, welche völlig frei die Räume des
oben beschriebenen Gerüstes des Gallertkernes erfüllen. Sehr schön aus-
gebildet finde ich dieses Verhalten bei einem 1,872 Dem. langen mensch-
lichen Embryo und es liegt jetzt die Chorda nicht mehr in einer scharf
abgegrenzten Höhle der Synchondrose, sondern in den Lücken eines weit-
maschigen gallertigen Gewebes, welches continuirlich mit dem peripheri-
schen Theil der Synchondrose sowie auch mit den austossenden Endflächen
der Wirbelkörper in Verbindung steht. In der Halswirbelsäule zeigt die
beschriebene Erweiterung der Chorda nur eine ganz geringe Ausdehnung,
so dass der grösste Theil des Gallertkernes zu keiner Zeit von Chorda-
elementen durchsetzt war.
Eine Chordahöhle existirt jetzt nicht mehr und die erst nach der
Geburt entstehende Höhle der Zwischenwirbelscheibe ist eine seeundäre
Bildung, welche auch dem hintern Umfang der Synchondrose viel näher
liegt, während die ursprüngliche Chordahöhle bei dem Menschen ganz
excentrisch die Grenze des mittlem und vordem Drittels einnahm (s. unten).
Der Gallertkern ist daher entstanden durch Erweichung und stellen-
weise Einschmelzung der Grundsubstanz einer Intervertebralscheibe ; nie-
mals bemerkte ich eine auf die Bildung der Flüssigkeit des Gallertkernes
sich beziehende Veränderung der Chordazellen, sie bleiben immer klein,
32
granulirt und machen ganz den Eindruck von Gebilden , die zu keiner
weiteren Entwicklung sondern zur Einschmelzung bestimmt sind.
Man kannte bisher nur die ursprünglichen spindelförmigen Anschwel-
lungen der Chorda jüngerer menschlicher Embryonen und Säugethiere,
hatte aber aus dem noch nach der Geburt in dem Gallertkern gefundenen
durchbrochenen Zellenhaufen den Schluss gezogen , dass die Wirbelsaite
während des fötalen Lebens nicht vollständig verschwinde. Ich habe nun
durch obige Angaben den wirklichen Nachweis von der Persistenz der
Chorda bei dem Menschen und den Säugern geliefert, indem ich die Ver-
änderungen der ursprünglichen spindelförmigen Anschwellungen verfolgte.
Ferner habe *ich mich davon überzeugt , dass an dem Chordagewebe zu
keiner Zeit irgend welche histologischen Veränderungen auftreten, und dass
die Chordaanschwellung im Laufe der Entwicklung zwar im Ganzen an
Ausdehnung gewinnt, jedoch zugleich in der Art zerklüftet und einschmilzt,
dass nach der Geburt nur noch Reste getroffen werden. Ich halte da-
her die Annahme einer wesentlichen und bleibenden Be-
theiligung der Chorda an der Bildung des Gallertkernes
für unbegründet und kann ihr nur eine embryonale Bedeu-
tung zugestehen; auch das oben erwähnte Verhalten der Chorda in
der Halswirbelsäule spricht für diese meine Auffassung.
Bei den Vögeln schwindet nach den Untersuchungen von G. Jäger1)
die Wirbelsaite schon während des embryonalen Lebens , was ich nicht
vermuthet hätte, da gerade bei diesen Thieren die Chorda lange Zeit
hindurch einen so auffallend mächtigen Umfang zeigt, dass schon dadurch
sich dieselbe sofort von der Chorda des Menschen und der Säuger sehr
merklich unterscheidet.
Interessant ist die von Jäger versuchte Vergleichung der Wirbel-
körperverbindungen der Vögel und der Säugethiere und ich kann nicht
umhin, einer von mir an Frontalschnitten der Halswirbelsäule eines 8 Ctm.
langen menschlichen Fötus gemachten Beobachtung zu erwähnen, welche
vielleicht im Sinne dieses Forschers gedeutet werden könnte. An diesen
Schnitten, von denen ich mehrere in meiner Sammlung aufbewahre, war
die in der Synchondrose liegende Anschwellung der Chorda nicht scheiben-
förmig ausgebreitet , wie es an demselben Embryo in den weiter unten
folgenden Partien der Wirbelsäule der Fall war , sondern stellte eine
niedrige kleine rundlich-eckige Verdickung dar, umgeben von einem nur
ganz beschränkten hellen Hofe des gallertig erweichten Centrums der
Synchondrose. Zu beiden Seiten dagegen lag in der Synchondrose ein
dunkler niedriger aus dicht gedrängten Zellen bestehender Streif, welcher
oben und unten durch eine hellere Partie von den angrenzenden Wirbel-
körpern geschieden war. Kurz, man gewann den Eindruck, als ob sich
hier ein Meniscus bilden wollte , dessen Centrum durch eine gallertige
1) Dr. Gustav Jäger, das Wirbelkörpergelenk der Vögel. Wien 1859.
33
und von der Chorda durchsetzte Masse durchbrochen war. Auch lag die
Chorda nicht im Centrum, sondern in der vordem Hälfte der Synchondrose.
An einem hinter der Chordaanschwellung gemachten Frontalschnitt des-
selben Embryo durchsetzt der Meniscus , wenn ich diesen Querstreif so
nennen darf, ununterbrochen fast die ganze Breite der Synchondrose, so
dass der an seiner Streifung erkennbare Annulus fibrosus eine nur sehr
geringe Mächtigkeit besass und kaum zwischen die Wirbelkörper eindrang.
Bezüglich der Gestalt der Chorda in der Schädelbasis, so
war der jüngste der menschlichen Embryonen , den ich darauf
untersuchte, 71/* Ctm. lang; die hintere Hälfte des Hinterhaupts-
körpers war verknöchert und die Chorda darin nicht mehr zu
bemerken. Der davor liegende Knorpel dagegen enthielt in der
Gegend der spätem Synchondrosis spheno-occipitalis zwei grössere
durch ein knorpliches Septum geschiedene Höhlen, worin ein
Haufen Chordazellen von dem oben beschriebenen Verhalten lag
und offenbar eine Anschwellung des übrigen an diesem Schnitte
nicht bemerkbaren Chordastranges darstellte.
Glücklicher war ich mit Sagittalschnitten mehrerer 8 Ctm. bis
1,8 Dem. langer menschlicher Embryonen und ich überzeugte
mich daran , dass der Chordastrang , ähnlich wie beim Schwein,
an zwei Stellen des Clivus eine Anschwellung zu bilden pflegt,
von welchen die hintere der Gegend der späteren Synchondrosis
spheno-occipitalis entsprach , die vordere dagegen in einiger Ent-
fernung hinter dem hintern Umfang der Sattelgrube unterhalb
der Wurzel der Sattellehne ihre Lage hatte. Auch hier über-
zeugte ich mich, dass die Chordazellen selbst niemals zu grösseren
hellen Blasen sich erweitern, oder sich mit hellen Inhaltstropfen
füllen, sondern die anfängliche Beschaffenheit bewahren ; die Zellen-
haufen waren durch stellenweise Einschmelzung vielfach zerklüftet
und bestanden aus polygonalen zu netzförmig verbundenen Balken
vereinigten, granulirten kernhaltigen kleinen Zellen. Die Knorpel-
wand der die Chorda aufnehmenden Höhle war vielfach ausge-
buchtet und stellenweise durch Erweichung und Verflüssigung
ebenfalls zerklüftet und durchbrochen und drang mit Fortsätzen,
welche zum Theil die gegenüberliegende Höhlenwand erreichten,
in entsprechende Lücken der Chorda ein.
Ich kann daher, gestützt auf das histologische Verhalten des
Chordagewebes beim Embryo , eine von H. Müller behauptete
Dursy, Entwicklgsgesch. 3
34
directe Beziehung zu den von Virchow beschriebenen Ge-
schwülsten am Clivus nicht bestätigen, sondern mache in dieser
Beziehung auf die genannte Höhle des Knorpels aufmerksam,
welche sich durch Erweichung und Verflüssigung der hyalinen
Grundsubstanz vergrössert.
Merkwürdig ist der gebogene Verlauf der Wirbelsaite in der
Schädelbasis, worauf bei dem Menschen und dem Rinde ebenfalls
zuerst H. Müller aufmerksam gemacht hat. Ich habe jedoch
in dieser Beziehung beizufügen, dass auch darin der Kopftheil der
Chorda von dem Rumpftheil sich nicht unterscheidet.
Nach meinen Beobachtungen liegt bei dem Menschen, dem
Rind und dem Schwein zwar die Chorda in ihrem Verlaufe durch
die Wirbelsäule immer genau in der Medianebene, hält aber darin
nicht streng die centrale Achse ein, sondern beschreibt eine Wel-
lenlinie , wie aus dem nebenstehenden Holzschnitt (XII) zu er-
sehen ist. Bei dem Rind und dem Schwein (XII, a. b. c. d. e.)
zu
macht die Chorda an Me-
dianschnitten in jedem
Wirbelkörper einen mit
der Convexität nach vorn,
und in jeder Synchon-
drose mit der Convexität
nach hinten gerichteten
Bogen. Da nun dabei
der Strang beim Durch-
tritt durch die Synchondrosen nicht das Centrum einhält,
sondern etwas davor liegt, so liegt somit überhaupt die ganze
Chorda in der vordem Hälfte der Wirbelkörpersäule. Bei dem
Menschen rückt die Chorda beim Durchtritt durch die Syn-
chondrosen so weit nach vorn, dass sie die Grenze zwischen
mittlerem und vorderem Drittel des horizontalen Durchmessers
einhält und die Knochenkerne bauchwärts durchbohrt. Besonders
aber unterscheidet sich die Chorda des Menschen von der der
genannten Thiere durch ein umgekehrtes Verhalten der Biegungen ;
in den Wirbelkörpern schaut deren Convexität vorwärts , in den
Synchondrosen rückwärts (Holzschn. XII, f. g.).
An jüngeren Embryonen sind diese Krümmungen sehr auf-
35
fallend und deren Grund lässt sich nicht recht einsehen. Ur-
sprünglich war doch die Chorda gerade und wenn sie eine Stütze
für die sich darum bildenden Wirbelkörper abgeben soll, so dürfte
sie sich doch nicht in so auffallender Weise krümmen. Sie scheint
rascher in die Länge zu wachsen als die Wirbelkörpermasse ; bei
Vögeln , Reptilien und Amphibien habe ich solche Biegungen
wenigstens in der Wirbelkörpersäule nie gesehen.
Eine Fortsetzung dieser wellenförmigen Krümmung findet sich
nun in der Schädelbasis und es tritt die Chorda am vordem Rand
des Hinterhauptsloches ganz oberflächlich, also der Schädelbasis näher
und mitunter hier nur von der Hirnhaut gedeckt, in das hintere Ende
des Hinterhauptskörpers ein. Hierauf beschreibt sie einen langen
bauchwärts convexen Bogen (Holzschn. XI), dessen Gipfel fast die
Bauchfläche der knorplichen Schädelbasis erreicht , steigt dann
wieder durch die Gegend der spätem Synchondrosis spheno-
occipitalis auf bis hinter die Wurzel der Sattellehne, und krümmt
sich dann von Neuem abwärts zur hintern Wand der Sattel-
grube, die sie durchbohrt. Der Gipfel dieser zweiten dicht hinter
der Wurzel der Sattellehne liegenden Krümmung ist desshalb
noch sehr merkwürdig , weil er die Grenze des Knorpels
nahezu oder auch wirklich erreicht oder selbst noch in das Peri-
chondrium dringt, wie es H. Müller schon beim Rindsfötus ge-
sehen hat, aber nach meinen Erfahrungen auch bei dem Schwein
und dem Menschen vorkommt (s. unten).
An dem Medianschnitt der Schädelbasis eines 2,2 Ctm. langen
Rindsembryo fand ich dieselbe zwar verknorpelt, jedoch befand
sich in der Sattelgrubengegend ein breiter die knorpliche Anlage
des hintern Keilbeinkörpers vollständig in eine hintere und eine
vordere Abtheilung trennender bindegewebiger Streif, welcher
continuirlich in das Gewebe der Bauchseite der knorplichen Schädel-
basis überging und ein von hier aus in die Sattelgrube aufsteigendes
grösseres Blutgefäss trug. Der Knorpel der Schädelbasis besass
somit eine ihn völlig unterbrechende durch ein anderes Gewebe
ausgefüllte Lücke, durch die in früher Zeit die Rathke'sche
Schlundkopftasche ihren Weg mitten durch den hintern Keilbein-
körper genommen hatte. In diese Lücke drang auch an dem
mir vorliegenden Präparate (Nr. 1016 meiner Sammlung) von hinten
36
her der Chordastrang ein, beschrieb darin zwei kurze korkzieher-
förmige Krümmungen und endigte zugespitzt unter dem vordem
noch sackförmigen hohlen Lappen des Hirnanhangs. Er hatte
sich also bereits von seinem Endknopf abgeschnürt, von welchem
um diese Zeit nichts mehr zu sehen war.
An derselben Stelle sah ich beim Hühnchen sehr häufig ein
ganz ähnliches Verhalten und ich konnte auch hier die Rathke'sche
Schlundausstülpung bald in ihrem ursprünglichen Verhalten und
in Begleitung von Blutgefässen beobachten , bald auf den ver-
schiedenen Stufen ihrer Abschnürung und der Umbildung ihres
Grundes in den vordem Lappen der Hypophyse. Die Mitte des
hintern Keilbeinkörpers ist es somit , in welcher die Spitze des
früheren Kopfbeugewinkels der Schädelbasis lag. Wenn manche
Schriftsteller an älteren Köpfen auch des Menschen von fötalen
Resten der früheren Rathke'schen Tasche oder selbst von einem
durch diese Tasche bedingten Loch der Schädelbasis sprechen, so
kann ich eine solche Deutung nur dann zulassen, wenn davon die
Gegend des mittleren Abschnittes des hinteren Keilbeinkörpers,
nicht aber das Hinterhauptsbein , betroffen wird. An jüngeren
und auch an älteren Keilbeinen des Menschen findet man zuweilen
im Grunde der Sattelgrube verschieden grosse von Blutgefässen
durchzogene Löcher , von welchen das vordere nahe hinter dem
Sattelknopf zwischen den Processus clinoidei medii gelegene der
Grenze zwischen hinterem und vorderem Keilbein entspricht, das
hintere Loch dagegen gegen das Centrum des hinteren Keilbein-
körpers dringt. Das letztere entspricht somit genau der Stelle,
welche an Rindsembryonen den Knorpel des hinteren Keilbein-
körpers in seiner ganzen Höhe vollständig unterbricht und das
Ende der Chorda nebst einem vertikal aufsteigenden Blutgefäss
enthält. An Schädeln erwachsener Haasen ist dieses den hin-
teren Keilbeinkörper durchbohrende Loch sehr weit und ganz
beständig.
Auch an Medianschnitten eines 2,3 Ctm. und eines 2,4 Ctm.
langen Rindsembryo fand ich ein ganz ähnliches Verhalten der
knorplichen Schädelbasis , indem dieselbe innerhalb des hintern
Keilbeinkörpers durch einen breiten Bindegewebsstreif völlig un-
terbrochen war und hier die Chorda unter Bildung einer spitz-
37
winkligen mit der Convexität dorsalwärts gerichteten Krümmung
in die Sattelgrube eindrang.
An Medianschnitten etwas älterer Rindsembryonen von 4 Ctm.
bis 6 Ctm. Länge war die Schädelbasis ebenfalls noch völlig knorp-
lich , die den hintern Keilbeinkörper durchsetzende Lücke jedoch
war geschwunden und durch einen wenn auch sehr niedrigen
Knorpel geschlossen. Die Chorda beschrieb noch immer einen
völlig ununterbrochenen langgezogenen bauchwärts convexen Bogen
in ihrem Verlaufe durch den Clivus und endigte bald kolbig ver-
dickt nahe hinter dem hintern Umfang der Sattelgrube, bald er-
reichte sie dieselbe wirklich, ohne jedoch weiter in derselben vor-
zudringen , sondern hörte plötzlich wie abgeschnitten auf. Bevor
sie sich zur hintern Wand der Sattelgrube wendet, macht sie an
einigen meiner Präparate eine auffallende spitzwinklige Krümmung
dicht hinter der Wurzel der Sattellehne und in der Art, dass
deren Scheitel nicht blos die dorsale Oberfläche des Knorpels
erreicht, sondern auch darüber hinaus ragt. Auch bildete deshalb
hier das Perichondrium einen gegen die Schädelhöhle sich er-
hebenden abgerundeten Hügel und war sehr verdünnt. Bei zwei
Embryonen fand ich die Knorpelhaut sogar wirklich durchbrochen
und die dadurch blosgelegte Windung der Chorda war nur von
der Hirnhaut gedeckt.
Bei einem 7,2 Ctm. langen Rindsembryo traf ich in der sonst
noch völlig knorplichen Schädelbasis einen noch kleinen im Median-
schnitt längsovalen Knochenkern in der Mitte der Länge des
spätem Hinterhauptskörpers. Derselbe erreichte bereits die dor-
sale Oberfläche des Knorpels, nicht aber die ventrale und wurde
hier, also ganz excentrisch, von der noch in ihrer ganzen Länge
erhaltenen Chorda durchsetzt.
Vom Schwein besitze ich nur Medianschnitte bereits älterer
Embryonen, die eine Länge von 7 — 8 Ctm. hatten. Der Knochen-
kern des Hinterhauptskörpers war grösser geworden und die
Wirbelsaite darin nicht mehr zu erkennen. Unter der Sattelgrube
lag auch bereits der Knochenkern des hintern Keilbeinkörpers,
welcher von einem dicken vertikal aufsteigenden Blutgefäss durch-
zogen wurde. Dieses Verhalten erinnert an das oben bei dem
RinHe angegebene und zeigt, dass auch beim Schwein eine den
38
hinteren Keilbeinkörper central durchsetzende Lücke der knorp-
Jichen Schädelbasis bestand, durch welche die Rathk e 'sehe Tasche
ihren Weg nahm. Die Chorda beschrieb genau in derselben Art
wie bei dem Rinde einen den Clivus durchsetzenden langen flachen
Bogen, dessen vorderes Ende dicht hinter der Wurzel der Sattel-
lehne fast die freie Oberfläche des Knorpels erreichte ; hierauf
stieg sie unter Bildung eines kürzeren und steileren Bogens zur
hinteren Wand der Sattelgrube hinab, die sie auch durchbohrte,
dann jedoch plötzlich wie abgeschnitten und sehr verdünnt endigte.
Wie bei dem Rind und dem Menschen, so kommt auch bei dem
Schwein die Chorda mit dem Knochenkern des hinteren Keilbein-
körpers gar nicht in Berührung.
Von menschlichen Embryonen besitze ich , wie oben bereits
erwähnt wurde, eine grössere Anzahl von medianen Längsdurch-
schnitten der Schädelbasis, welche noch längere oder kürzere
Stücke des Chordastranges enthalten und die sich in der Art ein-
ander ergänzen, dass daraus auch für die Wirbelsaite des Menschen
ganz derselbe Verlauf "sich ergiebt , wie für die der genannten
Säugethiere. Es beschreibt somit die Chorda zuerst einen lang-
gezogenen flachen Bogen, welcher den Knochenkern des Hinter-
hauptskörpers ventralwärts , also excentrisch, durchzieht und sich
dann bis zur Gegend unterhalb der Wurzel der Sattellehne erhebt.
Dort angekommen bildet sie an einem meiner Präparate (Nr. 1084,
von einem 8 Ctm. langen Embryo) eine Anschwellung , welche
einen strangförmigen Ausläufer abgiebt. Der letztere durchsetzt
den Knorpel dorsalwärts , also in der Richtung gegen die der
Schädelhöhle zugekehrte Oberfläche , und dringt selbst noch dicht
hinter der Sattellehnenwurzel in das Perichondrium ein.
Ganz dasselbe Verhalten zeigt der Medianschnitt der Schädel-
basis eines 1,8 Dem. langen Fötus. ,
An einem anderen von einem 1 Dem. langen Fötus her-
rührenden Medianschnitt wendet sich das vordere Ende des Chorda-
stranges ohne vorausgegangene Anschwellung direct und unter
einem rechten Winkel dorsalwärts sich krümmend durch den
Knorpel hindurch in das Perichondrium derselben Gegend.
Nach diesen meinen Beobachtungen ist daher die Angabe
von H. Müller (a. a. O. S. 120) zu berichtigen, nach welcher
39
nur bei dem Rinde , nicht aber bei dem Menschen die Chorda
hinter der Sattellehne die Oberfläche des Clivusknorpels erreiche.
Auch ist es durchaus nicht, wie dieser Beobachter meint, als eine
Abnormität zu betrachten , wenn an älteren menschlichen Fötus
sowie bei Kindern Chordareste in dem Knorpel des Clivus
gefunden werden. Denn Einmal hat dort hinter der Sattel-
lehne die Chorda ganz normal ihre Lage , und zweitens habe ich
schon oben hervorgehoben, dass die Chorda nur durch Berührung
mit Knochensubstanz allmählig unkenntlich wird , nicht aber in
den knorplich und häutig gebliebenen Partien der Wirbelsäule und
der Schädelbasis des Fötus und des Neugeborenen.
Alle von mir untersuchten Medianschnitte der Schädelbasis
menschlicher Embryonen zeigten zwar bereits einen in der Ver-
knöcherung begriffenen Hinterhauptskörper, sonst aber war die
ganze Basis noch rein knorplich und selbst an einem 1 Dem.
langen Fötus traf ich noch keine Spur eines Knochenkernes in
dem hinteren Keilbeinkörper. Erst an dem Medianschnitt eines
1,8 Dem. langen Fötus wurde endlich auch dieser sichtbar. Vor
dem Erscheinen dieses Keilbeinknochenkernes ist die knorpliche
Schädelbasis in dieser die Sattelgrube tragenden Gegend nament-
lich an jüngeren Embryonen auffallend niedrig und nicht blos
von oben her zur Bildung der Sattelgrube ausgehöhlt, sondern
auch von der Bauchseite her bald trichterförmig vertieft, bald
mehr oder weniger auffallend ausgeschweift. Diese äussere der
Sattelgrube senkrecht entgegen strebende Vertiefung des Knorpels
betrifft die Mitte der Länge des spätem hintern Keilbeinkörpers,
welche ich bei ganz jungen Rinds- und Schweinsembryonen völlig
unterbrochen fand, und bezieht sich somit auf die frühere zum
Durchtritt der R a t h k e 'sehen Tasche dienende Lücke. Es be-
trifft übrigens diese noch übrig gebliebene Einsenkung nur den
Knorpel der Schädelbasis , nicht aber das darunter liegende Ge-
webe, welches sogar zur Ausgleichung an dieser Stelle an Höhe
zunimmt. Niemals habe ich daher später weder bei dem Menschen
noch bei den genannten Säugethieren irgend eine von der Schlund-
höhle aus sichtbare taschenförmige Aussackung bemerken können,
welche auf die früher hier vorhandene Lücke der Schädelbasis
hätte bezogen werden können. Auch wäre für den erwachsenen
40
Menschen ein solcher fötaler Rest gerade an dieser der Mitte der
Länge des hintern Keilbeinkörpers entsprechenden Stelle schon
deshalb unmöglich, weil der nach hinten sich ausdehnende Vomer
mit seinen Alae die untere Keilbeinfläche bekanntlich deckt. Wie
wir später sehen werden, so liegt die für einen solchen Rest ge-
haltene Bursa pharyngea (Meyer) weiter hinten unter dem Hinter-
hauptskörper und richtet ihren Grund nicht nach vorn gegen die
Sattelgrube, sondern umgekehrt nach hinten, so dass ihre Ver-
längerung den Hinterhauptskörper durchbrechen würde.
Was das Verhältniss des hintern Keilbeinkörpers zur Chorda
betrifft, so hatte man bisher davon keine richtige auf directe Be-
obachtung sich gründende Vorstellung. Auch H. Müller lässt
uns darüber im Unklaren und er erklärt geradezu , dass er aus
Mangel an Material, welches er zu medianen Längsschnitten ver-
wenden wollte , die Chorda nicht mit Bestimmtheit bis zu ihrem
vordem Ende hätte verfolgen können. Seine Angaben über ein
Vordringen des Chordastranges in den Knochenkern des hintern
Keilbeinkörpers kann ich nicht bestätigen und sind dieselben auch
so unbestimmt und von Müller selbst als zweifelhaft hingestellt,
dass sie eine weitere Berücksichtigung nicht mehr verdienen.
Aus den von mir beschriebenen Medianschnitten der Schädel-
basis des Menschen und einiger Säuger geht hervor, dass in dem
hintern knorplichen Keilbein die von hinten in die Sattelgrube
eindringende Wirbelsaite zwar enthalten ist, aber ganz excentrisch
und zweitens nur in der hinteren Partie des hintern Keilbein-
körpers , in der Gegend zwischen der Synchondrosis spheno-occi-
pitalis und dem hinteren Umfang der Sattelgrube, nahe unter der
Wurzel der Sattellehne. Es bildet sich daher der Knochenkern
des hintern Keilbeinkörpers, der unter der Sattelgrube entsteht,
nicht wie der Kern des Hinterhauptskörpers um oder an der
Wirbelsaite , sondern davon völlig unabhängig und weit entfernt.
Wenn nun allmählig dieser Knochenkern sich nach hinten gegen
das Hinterhaupt ausdehnt , so rückt er zwar der Chorda näher,
bleibt aber tiefer liegen, so dass die Chorda an seiner dorsalen
Seite im Clivusknorpel hinter der Sattellehne, sowie weiter hinten
in dem Knorpel der Synchondrosis spheno-occipitalis noch sicht-
bar bleibt. Auch werden hier noch bei Neugeborenen Reste wahr-
41
genommen , die erst durch die allmählig fortschreitende Ver-
knöcherung verdrängt werden.
Auch bei dem Hühnchen beschreibt die in der Wirbelkörper-
säule völlig gestreckt verlaufende Chorda in der Schädelbasis einige
in der Medianebene liegende wellenförmige Krümmungen (Taf. II,
Fig. 9).
Nach Rathke1) tritt bei der Natter die Wirbelsaite in der
Schädelbasis so weit an die der Schädelhöhle zugekehrte Ober-
fläche heran , dass sie sogar einige Zeit hindurch einen vor-
springenden Längswulst erzeugt. Ja einmal fand Rathke hier
einen dem Kopftheil der Wirbelsaite ähnlich geformten Knochen-
kegel , der dem Körper des Hinterhauptsbeins der Länge nach
auflag und nur allein an seiner untern Seite mit ihm verschmol-
zen war.
Knopfformiges Kopfende der Chorda dorsalis.
Der zuerst von Baer erwähnte aber erst durch mich her-
vorgehobene und nach seiner Bedeutung erforschte Chordaknopf
wurde bisher allgemein in Abrede gestellt , indem die meisten
Anatomen das Kopfende der Chorda in eine abgerundete Spitze
auslaufen lassen.
Reichert kannte den continuirlichen Zusammenhang der
Chorda mit dem Schlussbogen der Rückenplatten (s. dessen Werk
über das Entwicklungsleben der Thiere), beschränkt jedoch, wo-
mit ich nicht übereinstimme, diese Verbindung nur auf den Schluss-
bogen der Medullarplatten , weil die Urwirbelplatten nach diesem
Beobachter erst später , nach dem Erscheinen der Chorda , sich
bilden sollen. Die Chordaspitze soll dann verkümmern und da-
mit ihre frühere Verbindung mit dem vordem Hirnende aufgeben ;
man finde sie jetzt nicht mehr in der Gegend des ersten, sondern
in der Gegend des zweiten Kopfwirbels , wo sie nun mit dem
Boden des dritten Ventrikels eine ziemlich feste Verbindung ein-
gehe. Schliesslich werde diese verkümmerte Spitze von der übrigen
1) Entwickig. d. Natter. S. 125.
42
Chorda durch die Urwirbelplatten völlig abgeschnürt und bleibe
in einer Grube (Sella turcica) liegen als die bekannte Glandula
pituitaria. Wie hier vom Frosch, so berichtet Aehnliches Reichert
auch von dem Hühnchen (a. a. O. S. 108 und an andern Stellen).
Eine knopfiormige Anschwellung stellt er zwar auch hier in Ab-
rede , verwirft aber mit Recht die Annahme einer feinen Spitze,
sondern lässt das Kopfende ohne sichtbare Scheidungsgrenze all-
mählig in den Schlussbogen „der sich vereinigenden Urhälften der
Anlage des Embryo" übergehen. Ganz entschieden aber muss
ich in Abrede stellen, dass von diesem Schlussbugen die Chorda
durch Verkümmerung sich zurückziehe und mit Unrecht verwirft
hier Reichert (S. 122) die von Baer gemachte Angabe, dass
das Wirbelsystem über die Chorda hinauswachse. Es geschieht
dies allerdings , wie wir später sehen werden. Im Uebrigen soll
sich auch hier in Bezug auf die Glandula pituitaria die Chorda
ebenso erhalten, wie beim Frosch. Aus diesen Angaben geht her-
vor, dass Reichert zwei wesentliche Dinge zuerst und bisher
allein gesehen hat, nämlich 1) den continuirlichen Zusammen-
hang der Chorda mit dem Schlussbogen der Rückenplatten , also
mit dem ursprünglich vordersten Schädelende , und 2) den Zu-
sammenhang der Chorda mit dem Boden des dritten Hirnventrikels
und mit der späteren Hypophyse. Letztere Angabe nimmt jedoch
Reichert1) in neuerer Zeit wieder zurück ; die Glandula pitui-
taria sei wahrscheinlich eine Wucherung der Pia mater und dabei
wird bemerkt :
„Die Entstehungsweise der Hypophyse ist nicht genügend
„aufgeklärt ; das Infundibulum , mit welchem sie in Verbindung
„steht, legt sich mit seiner Spitze fest an die Schädelbasis an.
„Bei Froschembryonen liegt diese Berührungsstelle gerade da, wo
„die vordere Spitze der Chorda dorsalis in der Schädelbasis endigt
„und hier befindet sich die Anlage der Hypophyse. Der Um-
„stand, dass in jener Gegend ein Theil der Chorda dorsalis, näm-
„lich derjenige Abschnitt, welcher ursprünglich nach vorn bis zur
„Stirnwand, und zwar frei liegend, unter dem ersten Hirnbläschen
„hinzieht , um diese Zeit verkümmert war , veranlasste mich , in
1) Bau d. menschl. Gehirns. 1861. S. 18 u. 19.
43
„der Hypophyse das verkümmerte Rudiment der Chorda dorsalis
„zu sehen. So genau, wie ich es jetzt wohl wünsche, habe ich
„diesen Bildungsvorgang damals nicht verfolgen können und ich
„muss daher die Sache unentschieden lassen."
Wie wir später sehen werden , muss ich die frühere Angabe
von Reichert, wenn auch in manchen Dingen wesentlich um-
gestaltet, festhalten und zwar nicht blos für den Frosch, auf den
überhaupt Reichert seine ganze Lehre stützte und sie für das
Hühnchen nur als wahrscheinlich annahm , sondern auch gestützt
auf zahlreiche eigene Untersuchungen für das Hühnchen , die
Säugethiere und den Menschen.
Auch was den ersten Punkt betrifft, nämlich den continuirlichen
Zusammenhang der Chorda mit dem Schlussbogen der Rücken-
platten, so spricht darüber Reichert in einer spätem Abhand-
lung über den Primordialschädel eine seine frühere richtige Angabe
wiederum aufhebende Bemerkung aus, nach welcher das ursprüng-
liche Kopfende der Chorda einfach abgerundet an der späteren
Stirnwand ohne knopfförmige Verdickung endigen soll und zwar
nicht blos bei dem Frosch, sondern auch bei dem Hühnchen und
den Säugern *). Gleich darauf heisst es : „Beim Huhn markirt
sich das vordere Ende der Chorda, bei Betrachtung der untern
Fläche der künftigen Basis cranii , durch einen weisslichen
Fleck dicht hinter der Stirnwand." Man wird zugeben, dass es
auch hier wieder sehr schwer ist, Reichert zu folgen, da er
mit dieser letzten Bemerkung offenbar den von mir hervorgehobenen
Knopf der Chorda gesehen hat, den er aber in dem vorgehenden
Satze gerade ausdrücklich verwarf. Hinzufügen will ich noch,
dass man diesen weissen Fleck bei Betrachtung der Rückseite
ganz ebenso gut sieht und dass ihn R e m a k und E r d 1 , wie ich
sogleich angeben werde , ebenfalls gesehen aber unrichtig ge-
deutet haben.
Was Remak betrifft, so war diesem Forscher der zur Er-
klärung gewisser späterer Erscheinungen so wesentliche continuir-
liche Zusammenhang der Chorda mit dem Schlussbogen der
Rückenplatten völlig entgangen. Nach seiner Beschreibung (a. a. O.
1) Zur Kontroverse über den Primordialschädel in Müll. Archiv. 1849.
44
S. 10) sowie nach den beigegebenen Abbildungen (Remak, Taf. I,
Fig. 9A, 10A, IIA, sowie die Figuren der zweiten Tafel) besitzt
die Chorda ein etwas zugespitztes Kopfende , welches den
Schlussbogen der Rückenplatten gar nicht erreicht, sondern durch
einen hellen Zwischenraum von demselben geschieden bleibt. Glück-
licher war E r d 1 *) , der schon von Anfang an den Chordaknopf
sah und ihn ganz naturgetreu sowohl bezüglich seiner Gestalt als
auch seines Zusammenhangs mit dem Schlussbogen der Rücken-
platten abbildet (vgl. dessen Taf. IV, Fig. 3, 4 u. 5). Freilich wusste
er nicht , was er zeichnete , und hielt den Knopf für die Anlage
des Gehirns , die übrige Chorda für die Anlage der Medulla
oblongata. Erst im Laufe des zweiten Brüttages , wenn sich die
Kopfdarmhöhle bereits ansehnlich verlängert hat, bemerkte endlich
auch Remak den Knopf und sagt darüber (a. a. O. S. 19): „An
dem blinden obern Ende der Kopfdarmhöhle zeigt sich in der
Regel eine dunkle knopfähnliche Stelle." „Da bis zu demselben
Punkt auch die Chorda reicht und die Chordaspitze dicht hinter
der Spitze der Kopfdarmhöhle liegt, so entsteht zuweilen (!) der
Anschein, als wenn die Chordaspitze eine knopfförmige Anschwel-
lung hätte." „Es ist aber in der That eine stärkere Ansammlung
von grösseren Fetttröpfchen in den Zellen desDrüsenblattes
an jener Stelle, welche den beschriebenen Anschein bedingt."
Aus dieser Beschreibung geht hervor, dass Remak diese Stelle
offenbar nicht näher untersucht hat und sie unrichtig deutete,
weil er ihre erste Anlage nicht kannte. Wer diese Stelle schon
von Anfang an in's Auge fasst, wenn die Uranlage des Embryo
und die Chorda gerade in der Entstehung begriffen sind , dem
kann der so deutliche Zusammenhang des Knopfes mit dem Schluss-
bogen der Rückenplatten nicht entgehen und wird um diese Zeit
vergebens nach einem Darmdrüsenblatt suchen, dessen mit Fett-
tröpfchen erfüllte Zellen nur eine Verdunklung (also nach Remak
überhaupt gar keine Anschwellung) erzeugen sollen. Von solchen
Zellen ist um diese Zeit überhaupt noch gar nicht die Rede,
ferner lässt sich diese wirkliche Anschwellung in continuirlichem
Zusammenhang mit der Anlage der Chorda darstellen, wobei auch
1) Entwickig. d. Menschen u. d. Hühnchens. Bd. I. 1845.
45
in histologischer Beziehung keine Verschiedenheit wahrgenommen
wird. Richtig ist nur, dass später, wenn die Kopfdarmhöhle vor-
handen ist , ein inniger Zusammenhang des Chordaknopfes mit
dem Darmdrüsenblatt , aber ganz ebenso auch mit dem Medullar-
rohr existirt. Dieser ohne Gewalt gar nicht lösbare Zusammen-
hang erhält sich für immer , indem aus diesen drei Anlagen die
Hypophyse hervorgeht. Remak (a. a. O. S. 44) bestreitet die
Beziehung des Chordaendes zur Hypophyse, weil später, wenn die
Chorda bereits von der Hirnbasis sich wieder entfernt habe, noch
keine Spur einer Glandula pituitaria nachzuweisen sei. Dies ist
aber nicht richtig, weil eben der Chordaknopf zur Hypophyse ge-
hört und schon von Anfang an vorhanden ist. Remak selbst
scheint von der Unmöglichkeit einer solchen Beziehung doch nicht
ganz überzeugt zu sein , indem er bemerkt : „es ist indessen in
dieser Hinsicht beachtenswerth , dass nach meinen Beobachtungen
über die Glandula pituitaria bei dem Menschen und den Säugern
in derselben knorpelharte unregelmässige aus kleinen polyedrischen
kernlosen Zellen bestehende Stückchen gefunden werden." Auch
giebt Remak nirgends an, für was er diese seine durch Fett-
tröpfchen erzeugte knopfförmige Verdunklung halte, was sie
bedeute , was daraus werde ; er hat das weitere Schicksal nicht
verfolgt und spricht einfach nicht mehr davon.
Primitives häutiges Schädelrohr.
Schädelrohr und Hirnrohr entstehen mit einander gleichzeitig
durch Erhebung und Umrollung der lateralen Ränder der anfangs
planen Rückenplatten. Es beginnt je-
doch dieser Process nicht sofort, wie ge-
wöhnlich angegeben wird, mit der Er-
hebung dieser Ränder , sondern zuvor
wölben sich die Rückenplatten in ihrem
transversalen Durchmesser dorsalwärts
(Holzschn. II, b), so dass die dazwischen
liegende Rückenrinne (I, a) den durchsichtigen und die Chorda
enthaltenden Boden einer longitudinalen Furche (II, c) darstellt,
46
welche die Bildung der späteren Rückenfurche (III , dd) ein-
leitet. Diese Wölbung, welche den Vorgang der Röhrenbildung
verständlicher macht , wird hervorgerufen theils durch ungleiches
Wachsthum im transversalen Durchmesser , theils durch Dicken-
zunahme der Rückenplatten. Die Dickenzunahme bezieht sich
namentlich auf die in den Rückenplatten enthaltenen Urwirbel-
platten (also auf die Schädelanlage) , welche dadurch die darüber
liegenden und mehr passiv sich verhaltenden Medullarplatten heben.
Hierauf erheben sich auch die äusseren Rückenplattenränder und
begrenzen die jetzt erweiterte Rückenfurche, an der man nun einen
oberen breitern Abschnitt (III, dd) und eine mediane durch den
durchsichtigen Boden der Rückenrinne bauchwärts abgeschlossene
Einsenkung (c) unterscheidet. Mitunter findet man den Zugang
zu der letzteren durch mediane Berührung der gewölbten Rücken-
platten von oben her verlegt, scheinbar durch eine Naht geschlossen,
und man glaubt ein bereits geschlossenes Hirnrohr vor sich zu
haben.
Die transversale die Bildung des Schädel- und Hirnrohres
einleitende Wölbung der Rückenplatten beginnt zuerst am medianen
die Rückenrinne begrenzenden Rand, der zuerst dadurch an Höhe
gewinnt. Es erscheinen deshalb bei durchfallendem Lichte die
medianen Ränder dunkler als die laterale Partie der Rückenplatten.
Es beginnt diese Wölbung nicht sogleich in der ganzen Länge
der Rückenplatten , sondern zuerst hinter dem Knopf der Wirbel-
saite, wie Figur 10 der zweiten Tafel lehrt; man bemerkt hier
hinter dem Chordaknopf (a) zwei rückwärts divergirende dunkle
kurze Streifen, wie Flügel , die spitz auslaufen und das vorderste
gegen den Chordaknopf sich zuspitzende Ende der durchsichtigen
Rückenrinne begrenzen. Aelmliches zeigt Figur 1 1 derselben Tafel,
jedoch bei auffallendem Licht , daher die in der vorigen Figur
dunkel gehaltenen Partien hier weiss erscheinen. Zugleich heben
sich hier auch die lateralen Ränder der Rückenplatten (Fig. II, b d)
des Kopftheiles und begrenzen die breite Rückenfurche. In der
Tiefe erblickt man innerhalb der schmalen dunklen Rückenrinne
den weissen Strang der Chorda (e) und hinter deren Knopf (a)
die stärker hervortretenden medianen Ränder der Urwirbclplatten
in Gestalt zweier nach hinten sich zuspitzender weisser Streifen.
47
Somit endigt der schon von Anfang an vertiefte und durch die
ursprüngliche Rückenrinne geschlossene Boden des primitiven Hirn-
rohrs genau am Chordaknopf (Hypophyse), hängt untrennbar
mit demselben zusammen und zieht sich daselbst später zum
Trichter aus.
In Beziehung auf die Erhebung und schliessliche Vereinigung
der äusseren Ränder der Rückenplatten finde ich ebenfalls, wenig-
stens in Betreff des Schlussbogens, in der mir darüber bekannten
Literatur keine genügende Aufklärung. Es entsteht nämlich die
Frage , erhebt sich der gesammte Aussenrand der Rückenplatten,
also auch der vordere Rand des Schlussbogens und, wenn dies
der Fall, wie steht es dann mit dem vordersten Ende der medianen
Schliessungsnaht ? Nach Remak sind es nur die lateralen Ränder,
nicht aber der vordere Rand des Schlussbogens, die sich erheben,
und so würde sich ein vorn offenes und hier erst später sich
schliessendes Rohr bilden, wie auch aus Remak 's Abbildungen
(a. a. O. Taf. II) hervorgeht. Wie jedoch schon Reichert her-
vorhebt , so ist diese vorderste Hirngegend gerade diejenige des
gesammten Medullarrohrs, welche auch nach meinen Erfahrungen
sich zu allererst schliesst. Wie diese Schliessung jedoch geschieht,
finde ich auch bei Reichert nicht angegeben, ersehe jedoch
deutlich aus Fig. III auf Seite 6 seines Hirnwerkes , sowie aus
Fig. 3 , Taf. III seines Buches über das Entwicklungsleben im
Wirbelthierreich, dass er auch den vordem Rand des Schlussbogens
(und zwar zuerst) sich erheben lässt, was an die halbmondförmige
Grube der beginnenden Kopfdarmhöhle erinnert. Nach Reichert
würde die Rückenfurche an ihrem vorderen Ende einen ähnlichen
Abschluss erfahren, wie etwa das Fersenende eines Schuhes. Wenn
alsdann die Seitenränder der Rückenfurche medianwärts einander
bis zur Berührung entgegenwachsen , so könnte somit die Schlies-
sungsnaht nicht das vorderste Hirnende treffen. Nun reicht aber
nach meinen Erfahrungen die Schliessungsnaht des Medullarrohrs
bis dicht an den Chordaknopf (Taf. II, Fig. 12 u. 13). Betrachtet
man Fig. 13, so erblickt man bei auffallendem Licht die Rückseite
eines Hühnerembryo , dessen bereits geschlossene vorderste Hirn-
blase nachträglich sich wieder geöffnet hatte. Mit a ist der Chorda-
knopf bezeichnet, an welchem der mediane Abschnitt des Ursprung-
fto
liehen vordem Randes des Schlussbogens innig anhaftet und dadurch
in seiner Erhebung gehindert wurde. Oder man betrachte den
Embryo in Fig. II dieser Tafel, dessen Rückenplattenränder noch
gar nicht vereinigt waren, sondern erst in der Erhebung begriffen
sind, und man wird sich davon überzeugen, dass der Chordaknopf
(a) die Erhebung des Schlussbogenrandes gerade in der Median-
linie hindert. Zu beiden Seiten aber erhebt sich dieser Rand,
wobei er sich zugleich etwas über den medianen Abschnitt hinaus
verlängert. Nun erst ist eine mediane Vereinigung der Seiten-
hälften des Schlussbogenrandes und zugleich eine bis zum Chorda-
knopf oder der spätem Hypophyse reichende Schliessungsnaht
möglich.
An diesem aus den Rückenplatten hervorgegangenen Rohr
unterscheidet man ein inneres die drei primitiven Hirnblasen dar-
stellendes Hirnrohr und ein dasselbe genau umgebendes äusseres
oder Schädelrohr. Letzteres oder die weiche oder häutige primi-
tive Schädelkapsel besteht in der ganzen Länge seiner Basis aus
den Urwirbelplatten und der Chorda dorsalis , das Schädeldach
jedoch ist nicht blos eine sich dorsalwärts verdünnende Fortsetzung
der Urwirbelplatten , sondern besitzt auch noch eine die Anlage
der Cutis und der Epidermis darstellende Fortsetzung des Horn-
blattes und der Seitenplatten. Wie an der ursprünglichen zunächst
nur die Schädelbasis darstellenden Uranlage, so ist auch an dieser
häutigen Schädelkapsel der Spheno-Ethmoidaltheil noch nicht her-
vorgetreten; Schädel und Hirn schliessen beide vorläufig mit der
spätem Hypophysengegend ab und dort schon erhebt sich um
diese Zeit die primitive Stirnwand. Es fehlt somit noch die Grund-
lage zur Bildung des Gesichts und wenn unterdessen die Anlagen
der Sinnesorgane hervorgetreten sind, so finden diese für jetzt ihre
Lage an der vordem und an der Seitenwand des Hirnschädels.
Wäre die Schädelkapsel, wie man angiebt, in diesem primi-
tiven Zustande nichts weiter als eine nur zur Umschliessung des
Gehirns bestimmte Kapsel , so müsste sie innerlich und äusserlich
genau die Form des Hirnrohres wiedergeben und auch eine überall
sich gleich bleibende Dicke zeigen. Wie übrigens schon die Ent-
wicklung der Urwirbelplatten und des daraus entstehenden Schädel-
daches vermuthen liess , so zeigt ein Frontalschnitt des Schädels,
49
ähnlich wie bei der Wirbelsäule , eine durch die ursprünglichen
Urwirbelplatten dargestellte dickere Basis und nur ein äusserst
dünnes Dach, welches noch viel dünner wird, wenn man das zur
Vervollständigung herbeigezogene Hornblatt und die wahrscheinlich
von den Seitenplatten abstammenden Hautplatten in Abrechnung
bringt. Schon diese durch die ursprüngliche Anlage gegebenen
ungleichen Dickenverhältnisse machen es unmöglich , den Hirn-
schädel auch äusserlich für eine der Hirnform ganz getreue Kapsel
zu halten. Schon von Anfang an ist es der jetzt noch allein vor-
handene Spheno-Occipitaltheil der Schädelbasis , welcher an Selb-
ständigkeit das Schädeldach übertrifft und von letzterem auch in
seiner Bedeutung sich ebenso unterscheidet, wie die Wirbelkörper-
säule von der dorsalen Wand der Wirbelsäule. Er ist eben schon
von Anfang an zugleich die Stütze und die dorsale Wand der um
diese Zeit bereits vorhandenen Kopfdarmhöhle.
Die zur Bildung der Rückenfurche sich erhebenden lateralen Ränder
werden auch z. B. von Reichert ausschliesslich als „Rückenplatten"
bezeichnet , während ich nicht blos diese , sondern überhaupt die ganze
zu beiden Seiten der Rückenrinne (der sogenannten Primitivrinne) liegende
und zur Herstellung des Rückens dienende verdickte Partie des Em-
bryonalschildes, also die frühere verdickte Schildmitte, darunter verstehe.
Bekanntlich wurde diese Bezeichnung durch Baer eingeführt1), welcher
darunter die verdickten Seitentheile des durch eine helle Rinne halbirten
Primitivstreifs verstand ; daraus leitete er den Rücken ab und in ihnen
suchte er die Rudimente der Wirbelbogen. Auf S. 17 und 18 liest man,
dass nicht blos die Wirbelbogen , sondern überhaupt die Wirbel in ihnen
entstehen. Ferner beschreibt Baer (S. 20) die Rückenplatten als Ver-
dickungen des serösen Blattes , worunter er , wie aus einer Anmerkung
hervorgeht, überhaupt den animalischen Theil des Embryo versteht und
daran wieder zwei Schichten unterscheidet. Auch erklärtBaer (S. 22),
dass der nach der Schliessung der Rückenplatten entstandene Kanal zu-
gleich der Kanal im Inneren des künftigen Rückenmarkes , also zugleich
der Kanal des Medullarrohrs sei. Einen wesentlichen Fortschritt macht
Baer bereits noch in demselben Bande seines Werkes (S. 154); dort er-
klärt er geradezu , dass das Medullarrohr nicht erst nachträglich aus der
in dem Rückenplattenkanal enthaltenen Flüssigkeit sich niederschlage,
sondern nur eine allmählig sich ablösende Schichte der Rückenplatten
sei, bedingt durch eine Spaltung des animalischen Theiles der Keimhaut
überhaupt. Er unterscheidet an den Rückenplatten eine besondere durch
1) Entwklg3gesch. d. Thiere. I. 1828. S. 14 u. 15.
D u r s y , Entwicklgsgesch.
50
Differenzirung des Keimes in Schichten bedingte Nervenschichte , die er
die Medullarplatten nennt, und erkannte auch bereits, dass diese Medullär -
platten continuirlich an ihren Rändern in den peripherischen Theil der
obersten Schichte des Keimes übergehen. Endlich spricht Baer im zweiten
Theil seiner Entwicklungsgeschichte (S. 102) von Rückenplatten im
weiteren Sinn, nachdem er erkannt hatte, dass sie schon von vorn,
herein auch die Anlage des Medullarrohrs enthalten.
Ueberträgt man nun diese Baer'sche Auffassung der Rückenplatten
aus dem von mir in meiner Abhandlung über den Primitivstreif (S. 46)
angegebenen Grunde von dem Primitivstreif auf die eigentliche vor ihm
liegende Uranlage des Embryo, die Baer mit einander verwechselte, so
hatte ich gewiss keinen triftigen Grund , diese einmal gebräuchliche Be-
zeichnung zu verlassen und ich verstehe also unter Rückenplatten schlecht-
weg die Baer'schen Rückenplatten im weitern Sinn (also die Urwirbel-
platten und die Medullarplatten zusammen). Unter Rückenplatten im
engern Sinn meint Baer die Urwirbelplatten, welche letztere vonRemak
eingeführte Bezeichnung aus nahe liegenden Gründen den Vorzug verdient.
Freilich lassen sich viele Bezeichnungen in der Entwicklungsgeschichte
nicht streng in ihrer ursprünglichen Bedeutung festhalten und es wäre ein
Fehler, wollte man den dorsalen Abschnitt des geschlossenen oder in der
Schliessung begriffenen Rückenplattenrohres lediglich aus den Rücken-
platten ableiten ; es kommen ja das Hornblatt und die Hautplatten hinzu.
Darin sehe ich aber noch keinen Grund, die sich erhebenden Ränder der
Rückenplatten mit einem besondern Namen zu belegen. Ich kann daher
Reichert nicht Recht geben, wenn er (Bau d. Gehirns S. 6) noch weiter
geht und „Rückenplatten" nur die sich erhebenden Leisten des Embryonal-
schildes nennt.
Ueber den Ort , an welchem die Rückenplatten zuerst zur Bildung
eines Rohres zusammenstossen , werden bekanntlich mehrere Meinungen
vorgetragen, welche Verschiedenheit, wie schon Reichert u. A. hervor-
hoben, dadurch sich erklärt, dass bei der Herausnahme des Hühnerembryo
aus dem Ei die Schliessungsnaht stellenweise sich leicht wieder löst. An
der vordersten Hirnblase, welche die weiteste ist, wird dies leichter ge-
schehen, als an engeren Stellen. Zu diesem Zwecke muss man die Em-
bryonen auch in Situ studiren, was mit Hülfe einer guten Lupe und unter
Anwendung eines Tropfens einer l%gen Essigsäure leicht ausführbar ist.
Bei dieser Gelegenheit mache ich noch auf eine andere Fehlerquelle auf-
merksam, dass nämlich umgekehrt ein Abschnitt des in der Lage im Ei
noch offenen Medullarrohres nach der Herausnahme oder selbst erst wäh-
rend der Untersuchung sich schliessen kann; dabei legen sich die er-
hobenen Rückenplattenränder anstatt lateralwärts , zur Abwechslung auch
einmal medianwärts um. Es geschieht dies namentlich in der Gegend
zwischen der ersten und zweiten oder zwischen der zweiten und dritten
Hirnblase, an welchen Stellen das Hirnrohr enger ist. Ich muss übrigens
51
eingestehen, dass ausnahmsweise auch an dem in Situ mit aller Sorgfalt
untersuchten Emhryo bei noch völlig unverletzter Dotterhaut ganz ent-
schieden die vorderste Hirnblase in ihrer ganzen Länge noch offen stand,
während die zweite bereits geschlossen war, die dritte aber wieder klaffte.
Den gewöhnlichen Schliessungsprocess zeigt die Fig. 12 meiner zweiten
Tafel ; Fig. 13 dagegen stellt ein Hirn dar, welches nach der Herausnahme
des Embryo aus dem Ei und während der Untersuchung an seinem vor-
deren Ende wieder auseinander gefallen war. Interessant ist die Angabe
von Reichert1), dass, abweichend von höheren Thieren, beim Frosch die
Rückenplatten zuerst am Rumpf sich schliessen.
Haben sich die Rückenplatten endlich zu einem Rohr geschlossen, so
stossen zuerst nur die Medullarplatten in der dorsalen Schlusslinie zu-
sammen, darüber liegt das Hornblatt, hierauf erst rücken noch die Haut-
platten zur Umhüllung des Medullarrohrs nach und schliesslich erst folgt
eine Fortsetzung der Urwirbelplatten. Allmählig verdicken sich diese das
häutige Schädeldach zusammensetzenden Bestandteile und zwar in der
Richtung von der Schädelbasis dorsalwärts gegen die hintere Schlusslinie.
In dem ursprünglich sehr dünnen Zustand nennt R a t h k e 2) diese vor-
läufige Schädeldecke Membrana reuniens superior, betrachtet sie als eine
mit der Zeit gefässreiche Yerbindungsmembran der dickeren Seitentheile,
und lässt sie schliesslich in die Cutis sich umwandeln. Da jedoch aus der
ganzen Schilderung nicht klar hervorgeht, ob Rathke damit das ganze
aus genetisch verschiedenen Theilen hervorgehende häutige Schädeldach,
oder wirklich nur die Hautplatte meint , so habe ich von dieser Bezeich-
nung keinen Gebrauch machen wollen und um so weniger, weil Remak8)
darunter nicht blos die membranöse Fortsetzung der Hautplatten, sondern
auch die der Urwirbelplatten, Kolli k er4) nur die letztere, Reichert6)
nur die erstere darunter versteht.
Die Grundlage des eigentlichen späteren knöchernen Hirnschädels
kommt für die Basis aus den Urwirbelplatten und für das Schädeldach
aus einer anfangs dünnen inembranösen Fortsetzung derselben. Ob diese
Fortsetzungen, welche erst nachträglich das längst geschlossene Hirn all-
seitig umwachsen, sich ebenfalls in einer Längsnaht vereinigen und ob
dieselbe zuerst am vorderen Schädelende sich zu bilden beginnt, sind bis
jetzt noch unerledigte Fragen , weshalb ich eine darauf sich beziehende
Beobachtung hier anführen will. Wie die Membrana reuniens inferior, so
ist auch das primitive häutige Schädeldach nur eine vorläufige Hülle
und man bemerkt die Heranbildung der späteren bleibenden Decke zu-
1) Entwicklungsleben. S. 17.
2) Zur Entwcklgsgesch. d. Thiere, in Müll. Archiv. 1838. S. 369 u. ff.
3) A. a. 0. S. 9.
4) Entwicklungsgeschichte. S. 70.
5) Entwicklungsleben. S. 17 u. a. anderen Stellen.
4*
52
nächst an einer von der Basis allmählig dorsalwärts aufsteigenden Ver-
dickung des ursprünglichen dünnen Schädeldaches. Es geht übrigens dieser
Process sehr langsam vor sich und schliesslich ist es die Vierhügelblase,
wie ich sehr deutlich an Köpfen von Säugethierenibryonen sehe, welche
am längsten dieser Umschliessung widerstrebt. Mit kreisrundem Rand,
wie mit einem Nabel , schliesst die Verdickung rings um die Basis der
genannten Blase ab, wie man schon an frischen Embryonen bemerkt, noch
deutlicher aber während der anfänglichen Einwirkung von Weingeist, indem
sich zuerst nur die dickeren Partien des Schädeldaches durch Verlust
ihrer Durchsichtigkeit weiss färben. Auch ist ja diese Gegend eine der
Stellen , an welchen Hydrencephalocele häufiger aufzutreten pflegt. In
der That fand ich bisweilen bei Embryonen (Huhn und Rind) die Hirn-
blase an dieser Stelle geborsten oder hydropisch ausgedehnt, oder ich be-
merkte eine prolabirte Hirnmasse in Gestalt eines hypertrophischen Hirn-
auswuchses. Auch bei dem Frosch bemerkte schon Remak, wenn auch
nicht an derselben Stelle, ein ähnliches Verhalten der Schädeldachbildung
und wir erfahren aus der beigegebenen Fig. 18, b seiner 10. Tafel, dass
es die Gegend des Hinterhirns ist , welche später als alle übrigen
Abtheilungen des Hirnrohres von der eigentlichen Schädeldecke um-
wachsen wird.
Virchow1) macht darauf aufmerksam, dass unter allen Theilen des
Schädelgerüstes die Schädelbasis , und zwar besonders die Wirbelkörper
des Grundbeins , die grösste Selbständigkeit der Entwicklung und des
Wachsthums zeigen. Zu dieser Ansicht gelangte auch ich durch directe
Untersuchung der jüngsten Schädel der Vögel und Säuger, wie ich oben
angegeben habe. Reichert2) tritt ganz entschieden gegen diese Ansicht
auf und macht Virchow den Vorwurf, dass er eben nur spätere Stadien
der Entwicklung berücksichtigt habe , in welcher an der Basis des Ge-
hirns verhältnissmässig nur geringe Veränderungen der äussern Form, sehr
erhebliche dagegen im übrigen Umfang des Gehirns hervortreten; anfangs
stelle die Schädelkapsel in toto auch äusserlich einen getreuen Abdruck
des Gehirns dar. Wie ich schon oben angegeben habe , spricht gegen
diese Auffassung schon von vorn herein die ursprünglich ungleiche Dicke
der primitiven Schädelkapsel, sowie der Umstand, dass gleichzeitig mit der-
selben (oder selbst noch früher) die Kopfdarmhöhle sich bildet, für welche
die Schädelbasis zur Stütze und Begrenzung dient. Wenn aber Reichert
(S. 30) noch über dieses frühe Entwicklungsstadium hinweggeht und sich
auf Embryonen beruft, welche bereits die Kopf beuge (Gesichtskopf beuge)
und die Grosshirnbläschen zeigen, so kann, wie wir später sehen werden,
noch viel weniger davon die Rede sein, dass die Schädelkapsel auch äusser-
lich einen getreuen Abdruck des Gehirnes darstelle. Man vergleiche nur
1) Entwickig. d. Schädelgrandes. S. 115 u. ff.
2) Bau des Gehirns. II, S. 30 u. 32.
53
den medianen Durchschnitt eines 67* Mm. langen Rindsembryo aufTaf. III,
Fig. 15, oder die medianen und transversalen Durchschnitte verschiedener
Köpfe menschlicher, Säugethier- und Vogelembryonen der 1., 2. u. 6. Tafel.
Reichert (a. a. 0. S. 12) bestreitet auch, dass die Trichterregion
das ursprüngliche vordere Hirnende bedeute, weil die tiefste der spätem
Trichtergegend entsprechende Stelle des vordem Hirnbläschens hinter
der Insertion der Nn. optici (Chiasma) liege. Es sei aber der vordere
Abschluss des Gehirns genetisch vor dem Chiasma in der spätem Lamina
terminalis der dritten Hirnkammer zu suchen. Hiergegen erlaube ich
mir die Einwendung , dass diese Angabe an einem vordem Hirnbläschen
demonstrirt wird, welches bereits, wie Reichert bemerkt, an Grösse zu-
genommen und sich auch nach vorn, in der Gegend des vordem Schluss-
stückes der Röhre, gegen die Basis des Schädels hin erweitert hatte.
Betrachtet man aber, wie ich oben hervorgehoben habe, den Schlussbogen
der Rückenplatten vor der Schliessung des Medullarrohres oder sogleich
nach dem Schluss , wenn sich das vordere Hirnbläschen nach vorn noch
nicht erweitert hat, so fällt derselbe mit dem Chordaknopf (spätere Hypo-
physengegend) zusammen und eben dort endigt auch zugespitzt der mediane
vertiefte Theil der Rüchenfurche (s. oben). Auch liegen die aus der vor-
deren Hirnblase in die Augenblasen führenden Eingänge anfangs nicht
vor, sondern zu beiden Seiten dieser Hypophysengegend. Erst später,
wie wir sehen werden, ändert sich diese Lage.
Wachsthum und Krümmung des embryonalen Schädels.
Der primitive Hirnschädel ist ein langer gegen sein vorderes
Ende allmählig sich erweiternder, also ungefähr birnförmiger
Schlauch , welcher durch zwei jedoch nur das Schädeldach be-
treffende flache Einschnürungen in drei Abtheilungen zerfällt. Sie
schliessen die entsprechenden Hirnblasen ein, wurden von Baer *)
„Hirnzellen" genannt und als vorderste oder erste, mittlere oder
zweite , hintere oder dritte bezeichnet. Zur Unterscheidung von
den Hirnblasen, die ebenfalls Hirnzellen genannt werden, will ich
sie Schädel zellen nennen. Sie liegen anfangs hinter einander
und in derselben Richtung, wie das Wirbelrohr, beschreiben daher
mit demselben nur eine geringe durch die Wölbung der Keim-
scheibe und bei den Säugern durch die Wölbung der Keimblase
bedingte Krümmung. Zur Erleichterung des Verständnisses der
1) a. a. 0. I. S. 23.
54
späteren Krümmungen betrachte ich in der jetzt folgenden Erör-
terung den Hirnschädel bei vertikaler Stellung der primitiven
Schädelbasis (Spheno-Occipitaltheil), wie an den hier eingeschalteten
schematischen Holzschnittfiguren zu ersehen ist. Die das obere
freie Ende (IV, a) der ersten Schädelzelle bildende Wand hat sich
aus dem Schlussbogen der Urwirbelplatten hervorgebildet und geht
daher von dem oberen Umfang des Chordaknopfes (IV, b) ab.
Da nun dieser Knopf die Gegend der späteren Hypophyse be-
zeichnet, so wissen wir damit, dass der primitive Schädel vorläufig
mit der Gegend der späteren Sattelgrube abschliesst ; es ist daher
der für die Vorderlappen des Grosshirns bestimmte Schädelabschnitt
(Spheno-Ethmoidaltheil) , welcher die vordere Keilbeingegend und
das Siebbein enthält , noch nicht hervorgetreten. Dies geschieht
erst mit dem fortschreitenden und anfangs über alle übrige Wachs-
thumsrichtungen vorherrschenden Längenwachsthum des Schädel-
rohres. Dabei verlängert sich jedoch der Schädel nicht in der
ursprünglichen Richtung, sondern in einem Bogen, dessen Mittel-
punkt in dem Knopf der Wirbelsaite liegt. Das Schädeldach ist
es daher , welches schneller sich ver-
6L längert als die ursprüngliche mit der
j /O* «z/^TX, C~i \ Chorda abschliessende Schädelbasis.
w Das Schädeldach verlängert sich über
den Chordaknopf hinaus und wird
dadurch zu einer Ablenkung von der
ursprünglichen Richtung veranlasst. Ich kann daher diese Rich-
tungsveränderung des vordem Schädelendes nicht als eine Beugung
der ganzen ersten Schädelzelle betrachten, sondern nur als eine
Verschiebung ihrer Decke über die ursprüngliche Schädelbasis
hinaus und zwar in einem Bogen, dessen Mittelpunkt im obersten
Ende der primitiven im Längenwachsthum zurückbleibenden Schädel-
basis, also im Chordaknopf liegt (vgl. IV— VII). Die ursprüngliche
obere Wand (IV, a) der ersten Schädelzelle , oder die primitive
Stirnwand, wird dadurch zuerst nach vorn (V, a), dann nach unten
VI, a) und schliesslich sogar nach hinten (VII, a) gleichsam um-
gelegt, sie wird zum Boden der ersten Schädelzelle, erscheint von
nun an wie eine Fortsetzung der ursprünglichen Schädelbasis (die
in den Holzschnitten überall mit c bezeichnet ist), und bildet mit
55
derselben einen spitzen Winkel (VII, ab c). Was die beiden übrigen
Schädelzellen betrifft, so ist es auch hier hauptsächlich die Decke,
welche sich von der Wirbelsäule aus nach oben verlängert und
daher ihre früheren Lagebeziehungen zur ursprünglichen Schädel-
basis ändert. So rückt die Decke der zweiten Zelle (d) hinauf
und bildet schliesslich, indem sie dem Bogen der ersten Zelle folgt,
den höchsten Theil oder den Scheitel des Kopfes.
Vergleichen wir nun diesen Schädel mit dem frühereu, so hat
er an Länge zugenommen und zwar vorzüglich in seinem Dach,
welches sich somit um das Ende der zurückbleibenden Schädel-
basis herumkrümmen muss und folglich in seiner Gestaltung von
der Basis abhängt. Man vergleiche auch den Kopf eines Binds-
embryo auf Taf. III, Fig. 14 u. 15, sowie den Kopf eines Hühn-
chens auf Taf. II, Fig. 9.
Man unterscheidet jetzt an dem so gekrümmten Kopf eine
hintere längere Abtheilung oder den Spheno-Occipitaltheil, sowie
einen vordem oder kürzeren oder den Spheno-Ethmoidaltheil. Der
letztere ist nicht ein erst nachträglich umgebogener Theil des frü-
heren Schädels, sondern eine durch ungleiches Längenwachsthum
entstandene und dadurch umgebeugte spätere Fortsetzung. Er
bildet sich bei dem niedrigsten der Wirbelthiere (Amphioxus) über-
haupt gar nicht , beginnt dagegen schon bei den übrigen Fisch-
embryonen und es zeigen daher alle Wirbelthiere (mit Ausnahme
von Amphioxus) in diesem Stadium der Entwicklung einen ge-
krümmten Schädel oder die von Reichert sogenannte Gesichts-
kopfbeuge, die sich an der Schädelbasis als ein zwischen Spheno-
Occipitaltheil und Spheno-Ethmoidaltheil entstandener spitzer Winkel
(Sattelwinkel) markirt.
Dazu gesellt sich alsbald noch eine zweite die Grenze zwischen
Schädel und Wirbelsäule betreffende Krümmung oder die sogenannte
Nackenbeuge, die ihre Entstehung ebenfalls einem rascheren Längen-
Avachsthum der dorsalen Seite der Wirbelsäule und des Schädels
verdankt. Von der eigentlichen Kopfbeuge unterscheidet sie sich
dadurch, dass hier ein ursprünglich gerad verlaufender
Körpertheil nachträglich durch ungleiches Längenwachsthum
umgebeugt wird. Der dabei zwischen Schädelbasis und Wirbel-
56
körpersäule entstehende Winkel ist anfangs ein rechter (vergl.
Taf. III, Fig. 14 u. 15).
Diese anfangs sehr auffallenden Krümmungen gehen allmählig
mit der Zunahme des Längenwachsthums der Bauchseite der Em-
bryonen und mit dem Erscheinen des Gesichtes wieder zurück
und es werden die Winkel um so grösser oder selbst ganz aus-
geglichen, je mehr die Bauchseite und das Gesicht sich dem Central-
nervensystem und seiner knöchernen Hülle gegenüber Geltung ver-
schaffen. Sie bleiben daher bei dem Menschen , wenn auch nicht
in ihrer ursprünglichen Grösse , so doch immer noch am meisten
bemerkbar zurück , während sie bei den übrigen Wirbelthieren
mehr oder weniger vollständig verschwinden, worauf ich später
noch einmal zurückkomme.
Das Schädeldach , wie wir gesehen haben , ist zuerst durch
ein rasches Längenwachsthum ausgezeichnet, so dass es in dieser
Richtung über die Basis hinauswächst. Was den transversalen
Durchmesser des Schädels betrifft, so ist derselbe anfangs an der
Basis grösser als am Dach, allmählig aber wächst das Schädeldach,
der Hirnausdehnung entsprechend, auch in dieser Richtung über
die Basis hinaus. Am auffallendsten geschieht dies bei dem
Menschen , bei welchem das Schädeldach überhaupt nach allen
Richtungen so über die Schädelbasis hinauswächst, dass die an-
fangs vertikal gestellten Partien desselben sich zur Erweiterung
der Schädelbasis horizontal umlegen. Daraus erklärt sich , wie
die ursprünglich an den Seiten und an der vorderen Wand des
Schädels liegenden Augen und Riechgruben allmählig zum Antlitz
hinab rücken. Die anfangs vertikalen Riechgruben nehmen dann
eine horizontale Lage an, ebenso werden die anfangs senkrechten
und dem Schädeldach angehörigen Augenhöhlendächer horizontal
umgelegt und, gleich der Siebplatte, der Schädelbasis einverleibt.
B a e r benutzte schon in seiner Entwicklungsgeschichte des Hühnchens
(S. 16) den Chordaknopf zur Bestimmung der Kopf beuge , indem er er-
kannte, dass das Schädeldach in Folge seines Längenwachsthums sich um
den Knopf der Wirbelsaite nach unten krümmt , so dass schliesslich der-
selbe nicht mehr das vordere Ende , sondern die Mitte der Schädelbasis
einnimmt. Ebenso erfahren wir auf Seite 30 , dass die ursprünglich
das vorderste Schädelende darstellende Zelle später vor dem Chordaknopf
57
ihre Lage einnimmt. Auch wusste B a e r (S. 102) , dass später die
Kopfkrümmung wieder rückgängig wird.
Auch Ratlike hespricht vielfach in seinen verschiedenen Schriften
die Kopfbeuge und betrachtet sie ebenfalls als einen Theil der den Wirbel-
thieren in frühester Zeit überhaupt zukommenden allgemeinen Krümmung
nach der Bauchseite, bedingt durch rascheres Längenwachsthum der Rück-
seite des Embryo. Warum sich diese allgemeine Körperkrümmung an zwei
Stellen (Nackenbeuge und Kopfbeuge) stärker und unter Winkelbildung
ausprägt, sucht Rathke durch ein eigenthümliches Verhalten der Chorda
dorsalis zu erklären. Was zunächst die Nackenbeuge betrifft, so soll diese
durch den Nachlass der Widerstandskraft der von dieser Stelle an sich
verjüngenden Chorda bedingt sein, womit sich auch Kölliker einver-
standen erklärt. Es geschieht jedoch die Dickenabnahme ganz allmählig
und erst nach dem Eintritt in die Schädelbasis, so dass darin die plötz-
liche und anfangs einen rechten Winkel betragende Knickung am Ueber-
gang der Wirbelkörpersäule in die Schädelbasis ihre Erklärung nicht
finden kann. Man betrachte nur einen Medianschnitt der Chorda an
dieser Stelle und man wird so gut wie gar keinen Unterschied der Dicke
wahrnehmen; besonders deutlich ist dies an schon etwas älteren Hühner-
embryonen zu demonstriren, bei welchen die überhaupt sehr dicke Chorda
noch in ihrer vollen Stärke in die Schädelbasis eindringt. Zur Erklärung
einer so starken winkligen Umbeugung müsste doch gerade an dieser
Stelle die Chorda ganz plötzlich sich verdünnen, da dies jedoch nicht ge-
schieht , so kann die Nackenbeuge nur durch einen verschiedenen Grad
des Längenwachsthums erklärt werden. Es besitzt eben das Schädel-
dach anfangs ein rascheres Längenwachsthum als die dorsale Wand der
Wirbelsäule.
In Betreff der Kopfbeuge (Gesichtskopfbeuge) stellte Rathke x) den
nach meinen Erfahrungen unrichtigen Satz auf, dass bei Fischen und
Batrachiern dieselbe niemals vorkomme. Später jedoch2) änderte er diesen
Ausspruch dahin ab, dass die Kopfbeuge ursprünglich wohl bei allen Wirbel-
thieren vorhanden , am geringsten jedoch bei Fischen , am grössten bei
Säugern sei; bei der Natter soll der Kopfbeugewinkel der Schädelbasis
ungefähr einen rechten Winkel betragen (a. a. 0. S. 11, 190 u. 130).
Ausser dem in verschiedenem Längenwachsthum liegenden Grunde findet
Rathke noch eine zweite Ursache der Kopf beuge in der ursprünglichen
Dünnheit der Basis des Spheno-Ethmoidaltheils des Schädels, so dass sie
dem Druck des Gehirns in dieser Richtung nachgeben müsse 3). Auch
dieser Lehre kann ich mich nicht anschliessen , da, wie ich oben ausein-
andersetzte , die Kopfbeuge nicht eine nachträgliche Krümmung eines
1) Entwickig. d. Natter. S. 34.
2) Entwicklgsgesch. d. Wirbelthiere. Leipzig 1861.
3) A. a. 0. S. 3.
58
schon vorher vorhandenen Theiles ist, sondern gleichzeitig mit dem Her-
vorwachsen des vorderen Schädelahschnitts sich macht und auch einen
ganz anderen Grund hat.
Am meisten beschäftigte sich mit der Kopfbeuge bekanntlich Reichert
und gründet *) darauf einen verschiedenen Entwicklungsplan des Kopfes
der Wirbelthiere, indem er folgende zwei Sätze aufstellt: „1) Niedere
Wirbelthiere, keine Kopfbeuge, das Gesicht dem ersten Schädelwirbel vor-
gelagert; 2) Höhere Thiere , Kopfbeuge, der erste Kopfwirbel wird in
den Bereich des Antlitzes hineingezogen." Es soll diese Beuge in innigster
Beziehung zur Gesichtsbildung der höheren Wirbelthiere stehen, weshalb
Reichert sie „Gesichtskopfbeuge" genannt hat und den dadurch an der
Basis entstehenden Winkel „Gesichtskopfwinkel." Den Grund der Kopf-
beuge sucht er in den Grosshirnhemisphären, welche das Zwischenhirn
hinabdrücken 2). Je höher nun ein Individuum in der höheren Wirbel-
thierreihe stehe , um so stärker sei die Kopfbeuge , um so kleiner ihr
Winkel ; bei Schlangen sei er daher sehr stumpf , bei dem menschlichen
Embryo dagegen spitz. Auch in seiner neueren Schrift über den Bau des
Gehirns hält Reichert diese Lehre noch aufrecht und wiederholt (S. 14),
dass er bei nackten Amphibien und Fischen die Kopfbeuge nicht gesehen,
fügt jedoch in einer Anmerkung hinzu, dass ihm neuerdings einige Aus-
nahmen von dieser Regel bekannt geworden seien.
Dass ich mich an der Hand zahlreicher eigener Erfahrungen dieser
Lehre nicht anschliessen kann, ergiebt sich schon aus der Reichert'-
schen Darstellung der Entstehung der Kopf beuge. Reichert bestreitet
nämlich mit Unrecht (s. oben) die Verlängerung des Schädels über die
Chorda hinaus3), diese verkümmere vielmehr rückwärts; es soll die Chorda
zuerst im Gebiete des ersten Schädelwirbels ihre Lage haben und durch
Verkümmerung mit ihrem Ende auf das Gebiet des zweiten Kopfwirbels
sich zurückziehen. Wie schon Remak nachgewiesen hat, kann jedoch
um diese Zeit von einer Unterscheidung im Schädelwirbel durchaus nicht
die Rede sein , niemals zeigen die Urwirbelplatten des Kopfs eine Spur
irgend einer Abgliederung. Der erste Kopfwirbel soll es sein , der sich
nachträglich dem Gesichte entgegen beuge. Wollte man auch eine Unter-
scheidung im Wirbel zugeben, so könnte doch, wie ich oben zeigte, von
einem ersten oder vordersten Schädelwirbel, also von einem Spheno-Eth-
moidaltheil des Schädels , um diese Zeit noch nicht die Rede sein , da
diese Gegend erst nachträglich mit der Verlängerung der ersten Schädel-
zclle und mit dem Erscheinen der Grosshirnhemisphären hervorwächst.
Die Reichert'sche Lehre, dass ein bereits vorhandener und von der
Chorda durchzogener Schädeltheil nachträglich die Chorda verliere und
1) Entwicklgsgesch. d. Kopfes etc. 1838. S. 156.
2) Bau d. Gehirns. S. 13.
3) Entwicklgsleben. S. 122 u. an anderen Stellen seiner verschied. Werke.
59
dann sich umbeuge , ist entschieden unrichtig. Bei allen Wirbelthierefl,
auch den niedersten, ist das primitive Schädelrohr ursprünglich gleich be-
schaffen und von einer und derselben Bedeutung. Es ist der Spheno-
Occipitaltheil des Schädels , dessen Chorda bis zu seinem vordem Ende
reicht und auch dort bleibt, und dessen Basis niemals sich winklig krümmt.
Auf dieser Stufe bleibt der Schädel von Amphioxus stehen. Erst in
zweiter Linie, und zwar bei allen übrigen Wirbelthieren bildet sich der
Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels und damit erst die Gegend des spätem
sogenannten ersten Schädelwirbels hervor, die niemals eine Chorda besass
und schon von Anfang an ein Wachsthum einschlägt, dessen Richtung mit
der des ursprünglichen Schädels einen Winkel erzeugt. An der Schädel-
basis liegt dieser Winkel genau an der Grenze der Basis des primitiven
Schädels (Spheno-Oceipitaltheil) und des neu hinzugekommenen Schädel-
abschnittes (Spheno-Ethmoidaltheil) und ist nicht blos bei allen höheren,
sondern auch bei allen mir bekannten Embryonen der niederen Wirbel-
thiere ein spitzer. Wie ich oben S. 36 zeigte, entspricht diese Gegend
der Mitte der Länge des spätem hinteren Keilbeinkörpers. Ich kann
somit eine von Reichert hervorgehobene Verschiedenheit des Entwick-
lungsplanes des Wirbeltkierkopfes nicht bestätigen und ebensowenig der
Ansicht mich anschliessen , dass schon in früher Zeit der Entwicklung
der Kopfbeugewinkel des Menschen kleiner als bei anderen Thieren sei.
Endlich vermeide ich die Bezeichnung „Gesichtskopfbeuge", weil ich die
Entstehung der Kopfbeuge nicht durch die Gesichtsbildung veranlasst
finde. Ich halte sie vielmehr für die Gesichtsbildung hinderlich , so dass
sie sich, um Platz für das Gesicht zu schaffen, wieder zurück bilden muss
und dies um so mehr, je grösser das Gesicht im Verhältniss zum Kopfe
wird. Beim Menschen wird sie daher am wenigsten zurückgehen, bei niederen
Thieren am meisten, so dass schliesslich eine gerade oder selbst abwärts
convexe Gesammtbasis des Schädels resultirt. Näheres über diesen Punkt
später. Zur Vermeidung von Missverständnissen wiederhole ich hier noch
einmal, dass ich, wenn ich auch bei niederen Thieren von einer Kopfbeuge
spreche, nicht die auch von Reichert (Bau d. Gehirns S. 14) erwähnte
Krümmung verstehe , welche in Folge einer halbkreisförmigen den Dotter
umfassenden Krümmung des ganzen Embryo entsteht , sondern nur die-
jenige , welche entsteht , wenn das vorderste Ende der ursprünglichen
Schädelbasis an Längenwachsthum hinter dem vorderen Ende des Schädel-
daches zurückbleibt, so dass letzteres einen Bogen beschreibt, dessen
Centrum im vorderen Ende (Chordaknopf) der ursprünglichen
Schädelbasis liegt.
60
Hirnhautfortsätze des Schädels.
Vor dem Eintritt der Kopfbeuge, wenn das Schädelrohr noch
mit dem Chordaknopf endigt , wird seine Höhle völlig von dem
Hirnrohr ausgefüllt , welches überall der Schädelwand genau an-
liegt. Bald aber ändert sich dieses Verhalten , indem das rasch
heranwachsende Hirnrohr bedeutend an Oberfläche zunimmt und
eine vermehrte Blutzufuhr verlangt , wozu besondere von der
Schädelwand abgehende blutreiche Fortsätze nötlüg werden , die
ich Hirnhautfortsätze nennen will. Es sind solide Fortsetzungen
und keine Faltungen der inneren Lage der Schädelwand und be-
stehen aus gallertiger Bindesubstanz (embryonales Bindegewebe)
sowie aus zahlreichen grösseren und kleineren Blutgefässen. Sie
verwandeln sich später in die mit den Adergeflechten zusammen-
hängenden Fortsetzungen der Pia mater , theils in die bekannten
den Schädelraum abscheidenden Fortsätze der harten Hirnhaut 1).
Sie sind , ähnlich wie der embryonale Glaskörper , sehr geeignet
zum Studium der Entwicklung der Blutgefässe und ich gewann
durch sie die Ueberzeugung, dass auch Zellen mit hohlen Ausläufern
unter sich und mit grösseren Blutgefässstämmchen in offener Ver-
bindung stehen und sich in ein Blut führendes Gefässnetz um-
wandeln können. Sie gehen theils vom Schädeldach ab und dienen
vorzugsweise zur Aufnahme venöser Blutbahnen, theils sind es Fort-
setzungen der Schädelbasis , von welchen Einer zur Leitung von
Arterien bestimmt ist.
a) Hirnhautfortsätze des Schädeldaches.
Was zunächst die Schädeldachfortsätze betrifft, so entwickeln sich
diese an den flachen Einsenkungen des Schädeldaches, welche die
drei primitiven Schädelzellen von einander abgrenzen. Sie dürfen
ihrer Entwicklung nach nicht als in den Schädelraum wirklich
hineinwachsende Fortsätze betrachtet werden , sondern verdanken
ihre Entstehung einem nicht mehr genau übereinstimmenden Wachs-
thum des Hirnrohres und des Schädeldaches. Es nimmt nämlich
das Hirnrohr an den die drei Hirnblasen scheidenden anfangs
1) Die Angabe, dass die Pia mater überhaupt genetisch dem Medullar-
rohr angehöre, kann ich nicht bestätigen, aber das Gegentheil.
61
flachen Einschnürungen weniger an Umfang zu , so dass die letz-
teren sich allmählig in tiefere Thäler verwandeln, wölbt sich da-
gegen zwischen diesen stärker hervor und gewinnt dadurch bedeutend
an Oberfläche (Taf. II , Fig. 9). Ein anderes Wachsthum zeigt
das Schädeldach , indem die den Hirnzellengrenzen anfangs auch
an Tiefe genau entsprechenden Einsenkungen zwischen den Schädel-
zellen an Höhe nicht zunehmen, sondern sogar mit der Zeit sich
mehr und mehr abflachen , daher das Wachsthum der äussern
Schädeldachfläche viel gleichmässiger erscheint. Es vergrössert
sich daher an diesen Stellen der Abstand zwischen der äusseren
Schädeloberfläche und dem Grunde der an Tiefe zunehmenden
Hirnzellengrenzen , wobei das sich entfernende Schädeldach die
blutreichen Hirnhautfortsätze zurücklässt, welche die entstehenden
Lücken zu jeder Zeit ausfüllen. Niedrig aber breit erscheinen
zuerst diese Fortsätze, wie man an dem Medianschnitt des Kopfes
eines 6x/2 Mm. langen Rindsembryo (Taf. III, Fig. 15, b e) er-
kennt ; ausgebildeter erblickt man sie auf Taf. II, Fig. 9 an dem
Medianschnitt des Kopfes eines 76 Stunden bebrüteten Hühnchens
sowie auf Taf. VI, Fig. 4 an dem Medianschnitt des Kopfes eines
1,9 Dem. langen menschlichen Fötus.
Entsprechend den Einschnürungen zwischen den drei primi-
tiven Hirnblasen unterscheidet man zuerst nur zwei transversale
Schädeldachfortsätze, deren an der seitlichen Schädelwand herab-
laufende Enden gegen den mittleren Theil der Schädelbasis, also
gegen den mittleren Schädelbalken convergiren. Sie theilen den
Schädelraum in drei hintereinander liegende Schädelzellen oder
Schädelkammern zur Aufnahme der drei primitiven Hirnblasen.
Später, mit dem Erscheinen der bekannten Unterabtheilungen des
Hirnrohres, vermehrt sich ihre Zahl auf fünf , von welchen der
vorderste unpaarig und in der Medianlinie des Schädeldaches
(Holzschnitt VIII und IX, a) beginnt (Anlage der grossen Hirn-
sichel) , alsbald aber in zwei lateralwärts divergirende Seitentheile
(VIII und IX, m) zerfällt. Auch diese neuen Fortsätze sind keine
von der Schädelwand in die Schädelhöhle wirklich hineinwachsende
Fortsätze, sondern entstehen wie die früheren. Hiermit steigt die
Zahl der Schädelkammern auf sechs , die wir zum bessern Ver-
ständniss der bisher nicht näher bekannten Entwicklung des Ten-
62
1&
toriura cerebelli etwas genauer ansehen wollen, wobei ich neben-
stehende etwas schematisirte Figuren VIII und IX zu Hülfe nehme,
die sich auf einen medianen und einen
horizontalen Durchschnitt des Kopfes
eines menschlichen Embryo beziehen.
Von den drei primitiven Schädelkam-
mern liegt die vorderste oder erste vor
dem mittleren Schädelbalken , welcher
in beiden Hülfsfiguren mit g bezeichnet
ist. Mit dem Erscheinen der Gross-
hirnbläschen bildet sich in der oben für
alle diese Fortsätze angegebenen Weise
ein neuer medianer Schädeldachfortsatz
(Anlage der grossen Hirnsichel), dessen
vorderer unpaariger Abschnitt (a) von
der Medianlinie des Schädeldaches und
der angrenzenden Schädelbasis abgeht.
Nach hinten aber zerfällt derselbe in
zwei lateralwärts divergirende und zu-
gleich schräg sich stellende Seiten-
hälften f VIII und IX, m) , die sich an
Fig. VIII Medianschnitt und Fig. IX v ' J '
Horizontalschnitt des Kopfes eines die seitliche Schädelwand anheften,
menschlichen Embryo. Das Gehirn '
dt^d^HiÄuSsSt^ScMe- schliesslich medianwärts zur Schädel-
denen Schädelkammern. h^ ^ umkrümmen und mit dem
vorderen unpaarigen Abschnitt jederseits eine weite kreisrunde
Oeffnung (h) umfassen. Die beste Vorstellung von der Gestalt
dieser primitiven Hirnsichel gewinnt man, wenn man sich dieselbe
aus zwei halbmondförmigen Seitenhälften zusammengesetzt denkt.
Vorn , also in a , verschmelzen beide Halbmonde mit ihren vor-
dem Hörnern zu einem unpaarigen median gestellten Stück , ihre
hintern Hörner dagegen (m) weichen auseinander, indem sie das
um diese Zeit verhältnissmässig sehr umfängliche und noch an das
•Schädeldach reichende Zwischenhirn zwischen sich fassen. Diese
hintern Hörner , die mit ihren Enden an die Schädelbasis sich
heften und in der Gegend der späteren Processus clinoidei anteriores
des vorderen Keilbeins endigen , tragen jetzt die hintere Partie
der Grosshirnblasen und betheiligen sich daher , wie wir sehen
63
werden, an der Bildung des späteren Kleinhirnzeltes. Die primitive
erste Schädelkammer ist nun in drei neben einander liegende Kam-
mern zerfallen, eine mediane (IX, k) zur Aufnahme der Zwischen-
hirnblase und in zwei Seitenkammern (1) zur Aufnahme der Gross-
hirnbläschen. Die Communication geschieht jederseits durch eine
grosse annähernd vertikal gestellte Oeffnung (VIII und IX, h), welche
das um diese Zeit verhältnissmässig noch sehr weite primitive Foramen
Monroi umfasst.
Betrachten wir nun die mittlere, die Vierhügelblase enthaltende
Schädelkammer, so nimmt diese für jetzt die spätere Scheitelgegend
des Kopfes ein, liegt über dem mittleren Schädelbalken (g), dessen
oberer verdickter freier Rand den Boden darstellt und sich jeder-
seits mit den unteren Enden der diese Kammer begrenzenden
Schädeldachfortsätze verbindet (VIII, b u. c). In der Hülfsfigur
IX ist diese Kammer nicht sichtbar, da der Horizontalschnitt den
mittleren Schädelbalken trifft , und hinter demselben bereits die
dritte primitive Schädelkammer (i) erscheint. Die letztere wird
jetzt durch einen Schädeldachfortsatz (VIII , d), welcher die Bil-
dung der Adergeflechte und des hinteren Gefässhautvorhanges ein-
leitet , in zwei Abtheilungen geschieden , eine obere (c d) für das
Hinterhirn (Kleinhirngegend) und eine untere (d f) für das Nach-
hirn (verl. Mark). Aus dem die Vierhügelblase von dem Klein-
hirn trennenden Schädeldachfortsatz (c) entwickelt sich in Ver-
bindung mit den nach hinten sich ausdehnenden hinteren Hörnern
der grossen Hirnsichel das spätere Tentorium cerebelli.
Bevor ich zu den späteren Veränderungen der Schädeldach-
fortsätze übergehe , muss ich zur Vermeidung von Missverständ-
nissen noch einmal hervorheben, dass diese Fortsätze die Uranlage
nicht blos der Fortsätze der harten , sondern auch der weichen
Hirnhaut darstellen. Wenn ich daher oben bemerkte , dass der
vordere halbmondförmige und hinten in zwei Schenkel auseinander
weichende Fortsatz die Anlage der grossen Hirnsichel bilde, so
will ich damit nicht gesagt haben, dass diese Anlage in ihrer jetzigen
gesammten Ausdehnung bis zum Foram. Monroi herab sich in die
Hirnsichel verwandele. Ich meine damit nur, dass in ihr die Hirn-
sichel entstehe, zugleich aber auch die zwischen die Abtheilungen des
Grosshirns eindringenden Fortsätze der Gefässhaut. Ich beschreibe
64
nun die späteren Veränderungen der Schädeldachfortsätze und das
spätere Verhalten der primitiven drei Schädelkamrnern und ihrer
Unterabtheilungen und beziehe mich dabei wieder hauptsächlich
auf meine am Menschen und an Säugethieren gemachten Er-
fahrungen.
Von den drei primitiven Schädelkammern ist es nur die dritte
oder hintere , welche sich vollständig erhält ; ihr Boden ist die
spätere hintere Schädelgrube.
Die zweite primitive Schädelkammer, welche über dem freien
Rand des mittleren Schädelbalkens einige Zeit hindurch den
höchsten Theil der primitiven Schädelhöhle darstellt, giebt in Folge
der Vergrösserung der Grosshirnblasen und der Verkümmerung
des mittleren Schädelbalkens ihre Selbständigkeit auf, so dass
später nicht mehr die Rede von ihr ist und ihre frühere Existenz
nur durch die Vierhügelgegend des fertigen Gehirns oberhalb des
freien Randes der Sattellehne angedeutet wird.
Die vordere primitive Schädelkammer erhält sich zwar nicht
vollständig, geht aber auch nicht ganz auf, ihr Boden wenigstens
verbleibt als Sattelgrube , welche nachträglich durch das Herein-
wachsen der Urwirbelplatten und durch die Entstehung des Oper-
culum von der übrigen Schädelhöhle abgeschieden und genetisch
nicht mit den erst später entstehenden Seitenhälften der mittleren
Schädelgrube zusammengefasst werden darf. Ursprünglich bildet
diese spätere Sattelgrubengegend das vorderste und auch in der
Breitedimension einzige Ende des primitiven Schädels; das Gebiet
der spätem vorderen Schädelgrube sowie der beiden mittleren
Schädelgruben ist noch nicht hervorgetreten. Die weiteren Ver-
änderungen der vorderen primitiven Schädelkammer werden sofort
verständlich , wenn man die ähnlichen Veränderungen der primi-
tiven vordem Hirnzelle im Auge behält, wobei ich das be-
kannte Werk über den Bau und die Entwicklung des Gehirns
von Reichert als dasjenige hervorhebe, welches mir zuerst ein
wahres Verständniss der so schwierigen Hirnentwicklung beibrachte.
Die Grosshirnbläschen sind Hohlknospen des vordem und lateralen
Abschnittes der ersten Hirnzelle. Die zur gemeinschaftlichen Auf-
nahme dieser drei Hirnabtheilungen sich gleichmässig ausdehnende
Wand der ersten Schädelkammer hinterlässt, indem sie sich durch
65
Wachsthum erhebt , den oben beschriebenen halbmondförmigen
und nach hinten in zwei Seitenhälften auseinander weichenden
Fortsatz, der sich an der Bildung der grossen Hirnsichel und mit
seinen lateralwärts divergirenden hintern Hörnern später an der
Bildung des Tentorium cerebelli betheiligt. Entfernt man die vor-
dere Hirnzelle (jetzt Zwischenhirn) mit den beiden daran hängenden
Hemisphärenbläschen , so bleiben im vordem Schädelende drei
Fächer zurück , deren mittleres der primitiven ersten Schädel-
kammer entspricht, die aber jetzt namentlich auch in der Richtung
nach vorn zur Aufnahme der grösser gewordenen Zwischenhirn-
blase sich erweitert hat. Ihr ursprüngliches Gebiet wird durch
die Gegend der Sattelgrabe markirt. Was die beiden die Gross-
hirnbläschen enthaltenden Seitenfächer betrifft, so überragen diese
den vorderen Abschnitt des medianen Faches einmal nach vorn
und nach oben (Holzschnitt IX, a), wobei sich zwischen ihnen der
vordere unpaarige mediane Abschnitt der Hirnsichelanlage bildet
(VIII und IX, a). Sie überragen aber auch den lateralen Um-
fang der hintern Hälfte der primitiven Schädelkammer (IX, k) in
der Richtung nach hinten (1) und bilden damit die Anlage der
beiden Seitenhälften der spätem mittleren Schädelgrube, welche
daher erst nachträglich zu beiden Seiten der spätem Sattelgrube
in Folge der Entwicklung der Grosshirnhemisphären entstehen.
Betrachten wir z. B. die fertige Schädelhöhle mit Belassung der
harten Hirnhaut oder die auf Taf. VI, Fig. 1 dargestellte Schädel-
basis eines 6,2 Ctm. langen menschlichen Fötus, so zeigt die Sattel-
grubengegend auf jeder Seite eine durch die harte Hirnhaut ge-
bildete Seitenwand, welche sich zur Bildung des Sinus cavernosus
sowie zur Umhüllung der Carotis interna, einer Anzahl von Nerven
und des Ganglion Gasseri entfaltet , vorn sich an die Procc. clin.
anteriores und den Limbus sphenoidalis anheftet , rückwärts da-
gegen in das Tentorium sich fortsetzt, dessen Incisura begrenzend.
Diese Seitenwand ist so wenig als die übrigen Hirnhautfortsätze
eine nachträgliche in die Schädelhöhle wachsende Erhebung, son-
dern ein Rest der ursprünglichen Seitenwand des primitiven häuti-
gen Schädelrohres selbst, ein Rest, den sie in Gestalt eines Fort-
satzes zurückliess , als sie durch die heranwachsenden Gehirn-
bläschen aus dieser Gegend verdrängt und lateralwärts umgelegt
Dursy , Entwicklgsgesch. 5
66
oder hinausgebeugt wurde. Daraus erklärt sich auch die ursprüng-
liche oberflächliche Lage mancher Gebilde an der Seitenwand des
Schädels jüngerer Embryonen, die später der Schädelbasis ange-
hörend, sich scheinbar dorthin zurückgezogen haben. Nehmen wir
z. B. das Ganglion Gasseri mit seinem in der äussern Wand des
Sinus cavernosus verlaufenden Ramus ophthalmicus , so liegt das
Ganglion bei jungen Embryonen des Menschen und der höheren
Wirbelthiere (Taf. I, Fig. 19, g) so oberflächlich an der Seiten-
wand des Schädels , dass dadurch ein die freie Körperoberfläche
überragender Hügel erzeugt wird, der seine Stelle dicht hinter der
Wurzel des ersten Schlundbogens und dicht vor der Wurzel des
an frischen Embryonen deutlich hindurchschimmernden mittleren
Schädelbalkens (f), also lateralwärts von der Gegend der spätem
Sattelgrube einnimmt. Von diesem Hügel geht, wie an dieser
Figur der ersten Tafel zu ersehen ist, ein weisser Streif oder viel-
mehr eine erhabene Leiste ab (gemeinschaftliche Anlage der spä-
tem drei Aeste des Trigeminus), welche entlang dem obern Rand
des Oberkieferwulstes schräg auf- und vorwärts zum hintern Um-
fang des ebenfalls noch frei hervorstehenden Augapfels gelangt
(Anlage des Ramus ophthalmicus des Trigeminus). Ferner lehrt
unsere Figur , dass dieser Strang lateralwärts vom Grunde der
Zwischenhirnblase (b) , also des früheren vorderen Schädelendes,
verläuft. Da nun diese vor dem mittleren Schädelbalken liegende
Gegend die spätere Sattelgrube bedeutet, so weiss ich damit, dass
der genannte Nerv in deren Seitenwand verläuft, welche somit für
jetzt noch der freien Oberfläche der seitlichen Schädelwand an-
gehört. Vor dieser Gegend zeigt unsere Figur das rechte Gross-
hirnbläschen (a). Wächst nun dieses Bläschen nach oben und-
hinten über den Augapfel hinweg in der Richtung gegen den mitt-
leren Schädelbalken, so muss sich der Schädel durch Wachsthum
ausdehnen. Würde er sich gleichmässig ausdehnen , d. h. die
Schädelbasis und die gegenüber liegende Scheitelgegend gleich-
mässig an Breite , die Seitenwände an Höhe gewinnen , so wäre
damit allerdings auf die einfachste Weise ein vergrösserter Schädel-
raum geschaffen. Alsdann müssten aber auch die an der ursprüng-
lichen Schädelseitenwand sichtbaren Bildungen, wie z. B. das Laby-
rinthbläschen, das Ganglion Gasseri, der Ramus ophthalmicus des
67
Trigeminus, die übrigen Kopfnervenganglien, das Ganglion ciliare,
der Augapfel in seinem ganzen Umfang u. s. w. noch sichtbar
bleiben. Aber das Wachsthum des Schädeldaches und der Schädel-
basis, wie ich schon hervorgehoben habe, ist ein verschiedenes.
Die ursprüngliche nur aus der Anlage der Schädelwirbelkörper
bestehende Schädelbasis bleibt nicht blos im Längenwachsthum,
sondern auch im Breitenwach sthum gegen das Schädeldach weiter
zurück , so dass letzteres , welches dem Grosshirn viel fügsamer
sich zeigt, alsbald die Peripherie der Basis ringsum überragt, sich
darüber hinausbeugt. So geschieht es denn, dass der an die Basis
anstossende anfangs vertikal gestellte Umfang des Schädeldaches
allmählig eine horizontale Lage annimmt und zur Erweiterung der
Basis beiträgt. So gehörte, wie ich Aehnliches von der Lamina
perpendicularis des Siebbeins und den Partes orbitales des Stirn-
beins schon oben mittheilte , der Boden der beiden mittleren
Schädelgruben ursprünglich der Seitenwand des Schädels an und
änderte allmählig zur Erweiterung der Schädelbasis seine Wachs-
thumsrichtung ab. E^s erhält sich aber hier noch ein Theil der
ursprünglichen vertikalen Seitenwand , welche an jüngeren Em-
bryonen das Ganglion Gasseri und den Nervus ophthalmicus zeigte,
als Seitenwand der späteren Sattelgrubengegend und erscheint dann
als eine Erhebung der harten Hirnhaut der Schädelbasis. So er-
klärt sich der scheinbare Rückzug vieler Bildungen von der ur-
sprünglichen Seitenwand des Schädels zur späteren Basis, oder,
wie beim Auge und dem Geruchsorgan , unter die Schädelbasis.
Man wird dann , wie wir später sehen werden , nicht mehr sagen
können , die anfangs flachen Riechgruben vertiefen sich von der
Stirnwand aus rückwärts gegen das Keilbein, da sich die Sache
gerade umgekehrt verhält.
Nachdem ich die Veränderungen der ursprünglichen drei
Schädelkammern aus einander gesetzt und ihre Beziehungen zu dem
fertigen Schädel beleuchtet habe, bespreche ich jetzt die Verände-
rungen der Schädeldachfortsätze , soweit sie sich auf die Bildung
des späteren Tentoriums und der grossen Hirnsichel beziehen. Das
Tentorium des fertigen Schädels ist nicht blos ein das Kleinhirn
überragendes Zelt, sondern auch eine stützende Unterlage der
Grosshirnhemisphären, hat daher eine doppelte Bedeutung. Diese
68
\m
Unterscheidung kann ich aber, wie schon oben angedeutet wurde,
auch durch die Entwicklungsgeschichte begründen , da sich das
Tentorium an zwei ganz verschiedenen Stellen des Schädels ent-
wickelt und zwar vorn als Sustentaculum cerebri, hinten als Ten-
torium cerebelli; dazwischen liegt die mittlere primitive Schädel-
kammer mit der Vierhügelblase. Erst allmählig nähert sich die
vordere Anlage der hinteren ; beide entstehen unabhängig von
einander und zwar die hintere früher als die vordere. Die hintere
oder das primitive Kleinhirnzelt, wie ich sie nennen will, ist der
schon oben beschriebene Schädeldachfortsatz an der Grenze der
mittleren und hinteren Hirnblase und läuft mit seinen beiden Enden
gegen den lateralen Umfang des mittleren Schädelbalkens aus.
Die vordere Anlage des späteren Tentorium, die ich Sustenta-
culum cerebri nenne, entwickelt sich aus dem Schädeldach mit
dem Erscheinen der Grosshirnbläschen und besteht aus zwei sichel-
förmigen Seitenhälften (Holzschn. VIII und IX, m), die ich oben
als die hintern lateralwärts divergiren-
den Hörner der Hirnsichelanlage be-
schrieben habe. Denkt man sich die
Grosshirnbläschen als seitliche Hohl-
knospen der vordem Hirnblase, welche
vorn über die Zwischenhirnblase hinaus-
wachsen und daselbst einander nahe
liegen, hinten aber divergiren , so dass
die Zwischenhirnblase wieder auftaucht,
so muss der sie trennende Schädel-
dachfortsatz vorn einfach und median
gestellt (VIII und IX, a), hinten dagegen
doppelt sein (m). Diese getrennten
Abschnitte will ich die hinteren Hörner
der Hirnsichelanlage nennen, sie tragen
den hintern und untern Umfang der
Grosshirnbläschen , bilden also deren
sichelförmige Sustentacula. Mit dem
convexen Rande ist ein Sustentaculum
an die Seitenwand des Schädels geheftet
und mit sich zuspitzendem Ende befestigt es sich in der Gegend
I&
69
der spätem Processus clinoidei anteriores des Keilbeins , daher
auch am späteren Tentoriura die Schenkel seiner Incisura mit ihrer
Hauptmasse nicht von den hintern, sondern von den vordem der
genannten Keilbeinfortsätze abgehen. Mit der Verlängerung der
Grosshirnbläschen nach hinten wandert und vergrössert sich auch
deren Sustentaculum , indem der an die Seitenwand des Schädels
befestigte Rand mehr und mehr nach hinten rückt. Die Grenze
zwischen Vierhügelblase und Zwischenhirn hat derselbe bald
erreicht (VIII, b) und es verschmilzt dann das Sustentaculum mit
dem hier befindlichen transversalen Schädeldachfortsatz zu Einer
Platte. Die nach oben und hinten wachsenden Grosshirnhemi-
sphären schieben sich nun über und neben den Vierhügeln hinweg,
heben dabei das Schädeldach auf und drängen die Anheftungsstelle
des Sustentaculum nach hinten, bis schliesslich die Grenze zwischen
der hinteren und der frühern mittleren Schädelkammer erreicht
ist (c). Sofort verschmilzt nun auch hier das Sustentaculum mit
dem hier befindlichen transversalen Schädeldachfortsatz oder dem
primitiven Tentorium zu Einer Platte, dem spätem Tentorium. Die
zwischen den Grosshirnblasen liegende anfangs niedrige und kurze
Hirnsichel nimmt mit dem Wachsthum derselben an Höhe und
Länge zu und ihre hinteren divcrgirenden Hörner (Sustentacula
cerebri) finden sich jetzt in den Seitenhälften des secundären Ten-
torium. Durch diese Darlegung der Entwicklung wird es be-
greiflich , warum die Schenkel der spätem Incisura tentorii mit
ihrer Hauptmasse von den Processus clinoidei anteriores des Keil-
beins abgehen (Taf. VI, Fig. I) und nur zum geringem Theil von
den Procc. clin. posteriores der Sattellehne (h). Es bedeutet über-
haupt diese von den Schenkeln der Incisura tent. begrenzte und
vorn durch den Limbus sphenoidalis des Keilbeins abgeschlossene
Gegend das Gebiet des primitiven häutigen Schädels, also der drei
primitiven Schädelkammern. Ferner zeigt auch diese einen 6,2 Ctm.
langen menschlichen Fötus betreffende Figur die Schnittränder (k)
der hintern Hörner der Hirnsichel an ihrem Uebergang auf das
Tentorium. Der dazwischen liegende dreieckige Raum, dessen
Boden durch das ursprüngliche Tentorium dargestellt wird, ist ver-
hältnissmässig noch sehr gross und zieht sich später zur Bildung
des Sinus tentorii zusammen ; auch ist um diese Zeit diese hintere
70
Partie des Tentorium im sagittalen Durchmesser noch sehr schmal
und am freien Rande auffallend herzförmig ausgebuchtet. Sehr
hoch, wenn auch sehr verdünnt , ist noch um diese Zeit der mitt-
lere die Arteria basilaris tragende Schädelbalken (b), welcher die
vor ihm liegende Türkensattelgegend (primitive vordere Schädel-
kammer) von der hinteren Schädelkammer trennt und zur Com-
munication eine verhältnissmässig niedrige herzförmige, in der Ab-
bildung schwarz gehaltene Oeffnung (i) zurücklässt. Ich kann
daher der Ansicht von Tie de man n undKölliker, welche den
mittleren Schädelbalken für die Anlage des Tentorium cerebelli
halten, nicht beitreten.
Rathke1) beschreibt bei Eidechsen, Vögeln und Säugethieren die
vom Schädeldach abgehenden und die Hirnzellen trennenden Fortsätze
als ein Netzwerk von Venen , von welchen einer zwischen der vordem
und mittlem Hirnblase, ein zweiter zwischen der mittleren und hintern
und ein dritter zwischen der hintern Hirnblase und dem Rückenmark
liege. Was den letzten Fortsatz betrifft, der von hinten her zwischen
das Gehirn und Rückenmark eindringen soll , so kann ich davon weder
bei dem Menschen, noch den Säugern, noch bei dem Hühnchen zu irgend
einer Zeit der Entwicklung eine Spur finden und Rathke hat damit
wohl nur den spätem zwischen Hinter- und Nachhirn sich bildenden
Fortsatz gemeint, der sich auf die Bildung der Tela chorioidea inferior
bezieht (vergl. meine Tat'. VI, Fig. 4 f.).
Reichert2) machte zwar darauf aufmerksam , dass die Hirnhaut-
fortsätze des Schädeldaches ihre Form entsprechend der Veränderung
der äussern Form des Gehirns wechseln, die Bildungsweise des Tentorium
jedoch entging ihm. Es beschreibt nämlich dieser Forscher die Anlage
der grossen Hirnsichel einfach als einen sagittalen senkrecht von der
Schädeldecke zwischen die Grosshirnbläschen hinab wuchernden Fortsatz,
sagt aber nichts über das ursprüngliche Verhalten des zum Verständniss
der Kleinhirnzeltbildung wichtigen hintern Abschnittes, der nach meinen
Erfahrungen niemals frei endigt , sondern sich spaltend an die Schädel-
seitenwand sich heftet und schliesslich in die Schädelbasis ausläuft. Nach
Reichert soll nun die Hirnsichel mit den Grosshirnblasen nach hinten
wachsen , daselbst mit der Anlage des Tentorium verwachsen und hierauf
noch weiter rück- und abwärts zum Processus falciformis minor sich ver-
längern. Diese Angabe stützt sich offenbar nicht auf directe Beobachtung,
sondern ist wohl nur dem spätem Verhalten entsprechend ausgedacht, da
eine Verlängerung der Grosshirnsichel abwärts zur Bildung der kleinen
1) Entwicklung d. Natter. S. 176.
2) Bau d. Gehirns. 1861. S. 30 u. 31.
71
doch nur geschehen könnte, wenn jene das transversale Tentorium durch-
bohren oder durchschneiden würde. Ferner geht aus dieser gauzen Dar-
stellung hervor, dass Reichert sich das hintere Ende der grossen Hirn-
sichel ursprünglich als einen freien einfachen Rand einer sichelförmigen
medianen Platte vorstellt, der allmählig nach hinten rücke und schliesslich
mit der Mitte des Tentorium sich verbinde. Auch spricht Reichert
nur von zwei Schädeldachfortsätzen, nämlich von der medianen Anlage
der Grosshirnsichel zwischen den Grosshirnbläschen , sowie von einem
zwischen Vierhügel und Kleinhirn sich einschiebenden frontalen Fortsatz,
aus welchem er das spätere Tentorium ableitet.
Auch mit der von Kölliker gegebenen Darstellung bin ich nicht
einverstanden. Vor Allem ist es die schon von Tiedemann in seiner
Bildungsgeschichte des Gehirns geäusserte Meinung, dass der mittlere
Schädelbalken die Anlage des Tentorium darstelle, welche Kölliker1)
durchführen will und die ich (s. oben) für entschieden unrichtig halte,
wie später bei der Besprechung des mittleren Schadelbalkens noch weiter
gezeigt werden soll. Sehr lehrreich jedoch ist der von Kölliker (S. 195)
gegebene Medianschnitt eines acht Wochen alten menschlichen Fötus und
da ich ganz ähnliche Durchschnitte sowohl an menschlichen als auch ver-
schiedenen Säugethierembryonen in grosser Anzahl untersucht habe , so
will ich die Kölliker 'sehe Abbildung etwas näher besprechen. Sie ent-
spricht zwar völlig der Natur, jedoch weicht der Schnitt am vordem Ende
von der Medianebene ab, verletzte die Anlage der grossen Hirnsichel,
deren vorderes Stück somit hier ganz fehlt, und trifft bei der Zahl 1 be-
reits das für ein Grosshirnbläschen bestimmte Seitenfach der vorderen
Schädelkammer. Zur Orientirung vergleiche man meinen Holzschnitt VIII
und man wird bemerken, dass der mit a bezeichnete Abschnitt der Hirn-
sichel in der Kölliker 'sehen Figur ganz fehlt, folglich auch die kreis-
runde Communicationsöffnung zwischen der vordem Schädelgrube und
ihrem Seitenfach (die ich mit h bezeichnete) unvollständig ist und des-
halb bei der Zahl 1 eine unrichtige Ausbuchtung zeigt. Richtig ist das
sichelförmige zur Schädelbasis sich hinabkrümmende hintere Seitenhorn
der Hirnsichel abgebildet (vergl. auch meinen Holzschnitt VIII, m), jedoch
spricht Kölliker nicht davon und erkannte nicht seine Beziehung zu
dem spätem Tentorium. Mit 2 bezeichnet Kölliker den zwischen Vier-
hügel und Kleinhirn sich einsenkenden Schädeldachfortsatz , welcher sich
mit dem mittleren Schädelbalken verbinde und mit letzterem das Ten-
torium cerebelli herstelle. Nun liegt aber weiter vorn zwischen Vierhügel
und Zwischenhirn noch ein Fortsatz , der ebenso wie der vorige mit dem
mittleren Schädelbalken sich verbindet, der aber von Kölliker nicht
weiter beachtet und überhaupt nicht mit den übrigen Hirnhautfortsätzen
aufgeführt wird. Derselbe ist aber, wie ich oben gezeigt habe, ebenso an
1) Entwicklgsgesch. d. Menschen etc. S. 195 u. 230.
72
der Bildung des Tentorium etheiligt wie der Fortsatz 2 , während der
mittlere Schädelbalken damit nichts zu thun hat.
Kollmann1) beschreibt die mediane Scheidewand der beiden Gross-
hirnbläschen von einem menschlichen Fötus um das Ende des zweiten
Monates und bemerkte auch deren hinteres in zwei Seitenhälften aus-
einanderweichende Ende sowie deren Anheftung an die Schädelbasis;
auch war ihm bekannt, dass es die Sehhügelblase ist, welche diese Thei-
lung veranlasst. Mit Unrecht dagegen verwirft K oll mann die von
Tiedemann gemachte Angabe, dass diese Scheidewand der Hirnsichel
entspreche , und hält dieselbe für die noch zusammenhängenden Gefäss-
häute der einander zugekehrten Hemisphärenflächen, die Hirnsichel aber
für eine nachträglich von der Gegend der Crista galli aus zwischen die
Gefässblätter eindringende Bildung. Kollmann beruft sich dabei auf
die mikroskopische Untersuchung , welche gegen das Ende des zweiten
Monates in der Scheidewand nur die durch eine feine dazwischen ge-
lagerte Masse verbundenen Gefässblätter erkennen lasse. Diese Behaup-
tung wird eigentlich durch Kollmann selbst wieder zurückgenommen,
indem er nur wenige Seiten darauf (S. 29) erklärt, dass zuerst die Scheide-
wand einfach sei und keine besonderen Lamellen unterscheiden lasse.
Erst vom vierten bis siebenten Monat an erkenne man zwei Gefässhaut-
lamellen und eine dazwischen gelagerte Zellensubstanz, welche sich in die
Sichel umbilde. Ich habe daher nur noch hinzuzufügen, dass in frühester
Zeit die unverhältnissmässig breite Scheidewand aus dein gewöhnlichen
embryonalen Zellengewebe besteht und sich dann keine besonderen Lagen
unterscheiden lassen. Daraus entwickelt sich alsbald ein reiches Blut-
gefässnetz, wobei sich zugleich an Querschnitten zwei blutreichere laterale
Lagen und eine dazwischen liegende hellere, weniger gefässreiche Schichte
bemerklich machen. Die letztere verwandelt sich hierauf, und zwar von
dem angehefteten Rande aus, in ein dichtes fibrilläres Bindegewebe; die
Sinus werden einstweilen durch reiche Venengeflechte ersetzt.
b) Hirnhautfortsätze der Schädelbasis.
Ich wende mich nun zu den Hirnhautfortsätzen der em-
bryonalen Schädelbasis und unterscheide einen vordem und hinteren.
Der letztere liegt an der Grenze zwischen Schädelbasis und Wirbel-
körpcrsäule und schwindet im Laufe der Entwicklung mit Zurück-
lassung des den vordem Umfang des Hinterhauptsloches umfas-
senden Venengeflechtes. Viel wichtiger ist der mächtige vordere
Hirnhautfortsatz der Schädelbasis oder der sogenannte mittlere
1) Entwickig. d. Adergeflechte. S. 25 u. 29.
73
Schädelbalken, welchen Namen ich, obgleich er sehr unpassend
ist, beibehalten will.
Der mittlere Schädelbalken ist eine die Arteria basilaris dem
Hirnrohr zuführende Verlängerung der Basis des Spheno-Occipital-
theils des Schädels j er hat die Gestalt einer dicken , hohen , un-
gefähr halbmondförmigen Platte, welche in der Gegend der spätem
Sattellehne und der Sattelgrube sich in der ganzen Breite des
Schädels erhebt , lateralwärts sich an dessen Seitenwand befestigt
und daselbst mit den beiden mittleren die Vierhügelgegend begren-
zenden Schädeldachfortsätzen zusammenhängt (Holzschn. VIII, g).
Er bildet eine transversale hohe Scheidewand (Holzschnitt IX, g)
mit einem freien obern abgerundeten und dicken Rand, welcher
die Schädelhöhle in eine vordere und hintere Abtheilung trennt,
und zwar liegt hinter ihm die hintere Schädelkammer, vor ihm
die vordere primitive Schädelkammer; über seinem obern Rand
communiciren beide Kammern durch Vermittlung der hier befind-
lichen Schädelkammer (Taf. II, Fig. 9 f., Taf. III, Fig. 15 f., Taf. VI,
Fig. 4, i). Er besteht wie alle übrigen Hirnhautfortsätze aus em-
bryonalem Bindegewebe , unterscheidet sich aber durch seine, auf-
fallende Dicke sowie dadurch , dass er einen starken Arterien-
stamm, die A. basilaris nebst deren rechtwinklig nach beiden Seiten
abgehenden Aesten trägt (Taf. VI, Fig. 1 , b) ; ferner ist er nicht
blos Hirnhautfortsatz, sondern zugleich bildet sich in seiner Wurzel
die spätere knöcherne Sattellehne , die nebst der die Sattelgrube
überziehenden Decke der harten Hirnhaut als Rest dieses merk-
würdigen embryonalen Gebildes übrig bleibt. Warum gerade die
Arteria basilaris einen so langen fast die ganze Höhe der Schädel-
höhle durchsetzenden Fortsatz verlangt , erklärt sich wohl daraus,
dass in früher Zeit, so lange die Grosshirnhemisphären noch fehlen
oder nur erst eine geringe Grösse besitzen, auch die entsprechenden
Arterien (die inneren Carotiden) eine untergeordnete Rolle spielen.
Einstweilen sind es daher die Vertebralarterien , welche fast aus-
schliesslich das Gehirn mit Blut versorgen ; sie vereinigen sich
zu einem mächtigen Stamm , der Arteria basilaris , welche mit
Hülfe des mittleren Schädelbalkens gegen das Hirnrohr vordringt
und dadurch eine Lage gewinnt , die ihm die gleichzeitige Ver-
sorgung aller drei Hirnblasen in der vortheilhaftesten Weise ge-
74
stattet. Man trifft nach meinen Erfahrungen den mittleren Schädel-
balken bei allen Wirbelthieren, nur bei Amphioxus kann er nicht
vorkommen , da hier eine die Balkenbildung bedingende Ver-
längerung des ursprünglichen Schädels fehlt. Er wird niemals
knorplich mit Ausnahme der Achse seiner Wurzel, wenn sich eine
Sattellehne bildet. Ferner nimmt der mittlere Schädelbalken nicht
wie die Schädeldachfortsätze, die Grenzfurche zweier Hirnblasen
ein, da solche an der Hirnbasis überhaupt gar nicht vorkommen,
sondern bettet sich in ein tiefes von dem gesammten primitiven
Hirnrohr gebildetes Thal.
Der mittlere Schädelbalken entsteht mit der Verlängerung und
Krümmung des vordem Schädelendes über den Chordaknopf hin-
aus. Schon oben habe ich hervorgehoben, dass die Schädelkrüm-
mung ein ungleiches Längenwachsthum des Schädelrohres bedeutet,
hervorgerufen einmal durch ein ähnliches Wachsthum des primi-
tiven Hirnrohres , zweitens durch die Entwicklung der Grosshirn-
bläschen. In Folge dieser Krümmung schliesst sich ein Theil der
primitiven Stirnwand durch Umbeugung der primitiven Schädel-
basis an, wodurch die letztere eine Verlängerung (Spheno-Ethmoi-'
daltheil) gewinnt, gleichsam einen Ansatz , der mit der primitiven
die Chorda enthaltenden Basis einen Winkel erzeugt. Aber auch
die primitive Schädelbasis (Spheno-Occipitaltheil) verlängert sich
an ihrem vordem Ende über den durch den Chordaknopf mar-
kirten Winkel hinaus in ihrer ursprünglichen Richtung fort
und erzeugt so einen dicken und hohen Fortsatz oder einen in
eine hohe dicke Platte auswachsenden Querwulst , welcher die
Schädelhöhle in einen hinteren oder Spheno-Occipitaltheil und einen
vorderen oder Spheno-Ethmoidaltheil abscheidet. Dieses Gebilde
ist der von Rathke sogenannte mittlere Schädelbalken (Taf. II,
Fig. 9 f) , welcher dicht an seiner hinteren Oberfläche die bis zu
seinem freien vorwärts umgebogenen Rande verlaufende Arteria ba-
silaris einschliesst. Wenn aber , wie ich oben gezeigt habe , der
Chordaknopf das ursprüngliche Ende der primitiven Schädelbasis
markirt, und wenn dieser Knopf seine ursprüngliche Lage im
Scheitel des Kopfbeugewinkels nicht verlässt, so wird er von der
über ihn hinauswachsenden primitiven Schädelbasis, also von den
Urwirbelplatten umschlossen und liegt jetzt in der Wurzel des
75
durch diese Verlängerung entstandenen mittleren Schädelbalkens
(Taf. II , Fig. 9). Verwickelt aber wird dieser Vorgang wegen
des dabei sich erhaltenden ursprünglichen Zusammenhangs des
Chordaknopfes mit dem vorderen primitiven Hirnende und dem
die Schlundhöhle auskleidenden Darmdrüsenblatt , wodurch die
Bildung der Hypophyse eingeleitet wird. Die den Chordaknopf
umwachsenden und sich verdickenden Urwirbelplatten umfassen
zugleich den von dem Darmdrüsenblatt der Schlundhöhle aus-
gekleideten Grund des mit der Kopfbeuge entstehenden spitzen
Flächenwinkels der Schädelbasis und verwandeln denselben in eine
sagittal comprimirte Tasche, welche Rathke als eine taschen-
förmige Ausstülpung der Schlundhöhle beschrieb. Der Grund
dieser Tasche ist an den Chordaknopf geheftet und wird jetzt mit
demselben von der Wurzel des mittleren Schädelbalkens aufge-
nommen , wie man an dem auf Taf. II, Fig. 9 abgebildeten Me-
dianschnitt des Kopfes eines Hühnchens bemerkt. Eine ähnliche
Tasche zeigt auch der auf Taf. III, Fig. 15 dargestellte Kopf eines
61/» Mm. langen Rindsembryo. Von der Schädelbasis aus betrachtet
erkennt man an jüngeren Embryonen den Eingang in diese Tasche
als eine Querspalte genau an der Stelle, an welcher der Spheno-
Occipitaltheil der Schädelbasis (Taf. I, Fig. 23, b) in den Spheno-
Ethmoidaltheil (a) übergeht, also im Grunde des Kopf beugewinkels;
vergl. auch Fig. 22 derselben Tafel *). Allmählig schliesst sich der
Eingang in diese Tasche (Taf. II , Fig. 9) und es schnürt sich
dieselbe als ein selbständiges Säckchen (Holzschnitt XI, i) von
der Schlundkopfhöhle völlig ab , wie ich schon bei einer anderen
Gelegenheit angegeben habe 2).
Aber auch mit dem vordersten Ende der Basis der ersten
primitiven Hirnblase hängt der Chordaknopf untrennbar zusammen.
Wenn daher die Urwirbelplatten zur Bildung des mittleren Schädel-
balkens den Chordaknopf umwachsen, so schliessen sie ein schlauch-
förmig sich ausziehendes Stück des Hirnrohres mit ein , welches
in Folge der Kopfkrümmung rückwärts in die Wurzel des mitt-
1) Es entspricht diese Stelle der Mitte der Länge des spätem hintern
Keilbeinkörpers (vergl. S. 35.)
2) Centralblatt f. d. med. Wissenschaften. 1868, Nr. 8 (Beiträge zur Ent-
wicklgsgesch. d. Hirnanhanges).
76
leren Schädelbalkens eindringt und noch längere Zeit mit der Hirn-
höhle communicirt (Holzschnitt XI, e h). Es liegt dieses Säckchen
hinter dem Schlund-
kopfsäckchen und wird
allmählig an der Ein-
trittsstelle in den Schä-
delbalken bis zum völ-
ligen Schwund der Lich-
tung eingeschnürt. Die
oberhalb der P^inschnü-
rung liegende Wurzel
des Säckchens verwan-
delt sich in das Infun-
dibulum , während das
Säckchen selbst die An-
lage des hinteren Lap-
pens der Hypophyse
darstellt. Das Schlund-
kopfsäckchen ist die
Anlage des vorderen
Lappens der Hypophyse.
Beide liegen nun mit
dem Chordaknopf, der
bald seine Selbständig-
Fig. X. Medianschnitt der Schädelbasis eines 7 Ctm. lan-lrpif jiiifo-ipVir unrl elnh
gen menschlichen Fötus, vergrössert. a Stirne , b Crista ailtgieDt UlKl SICH
galli, c Jugum sphenoidale, d Sattelknopf , f mittlerer nn A^i. ti;iJ J n
Schädelbalken , g Sattellehne, e Zahn des Epistropheus an der Bildung des blut-
m Gegend des früheren hinteren Schädelbalkens, n vor- • 1 n. ,
derer Bogen des Atlas , o Gaumensegel, p Nasenscheide- reiclien ötroma der
wand, r Aussackung der Schleimhaut beim Uebergang t-. , , .,. . -,
vom Schlundgewölbe zur hintern Schlundwand, s Sattel- Lmise betheillgt, in der
grübe von der Wurzel des mittleren Schädclbalkens ge- -„r
deckt. Wurzel des mittleren
Medianschnitt der Schädelbasis eines 1,3 Dem. Schädelbalkens und wpr-
indsfötus, vergrössert. Die Buchstaben ä, c, d, 0,-u«*utJlu«ilK.ens Una WC1-
Fig. XI
langen Hin
f, g, 1, m, n, 0, p, r, s wie in Fig. X. e Ein Stück des Aon rlirlurpli rlmvi R»
Bodens der dritten Hirnkammer mit Trichter, h Anlage Qen aaüuicn neui -t>e-
des hinteren Lappens der Hypophyse , i Anlage des vor- • 1 j • . 1- •
deren Lappens derselben, k Chorda dorsalis in ihrem ganzen reiche der eigentlichen
Verlaufe durch eine Punktreihe bezeichnet. 0 , .. ■, ,,...,
ochadelhohle entzogen.
Mit dem Eintritt der Verknorplung der Schädelbasis nimmt die
Wurzel des Schädelbalkens mit ihrem Inhalt die ganze Länge und
Breite der Sattelgrube ein (Holzschnitt X, g s d und XI, e d s g)
77
und enthält in ihrem hintern Unifang die anfangs niedrige knorp-
liche Anlage der Sattellehne (X und XI, g).
Der zuerst eine Verlängerung der primitiven Schädelbasis
(also der Gegend des spätem Clivus) darstellende Schädel balken
ändert mit der Zeit diese Richtung, indem er sich aufrichtet und
schliesslich mit dem spätem Clivus einen rechten Winkel bildet.
Fig. 9 auf Taf. II zeigt den Schädelbalken noch in gleicher Rich-
tung mit dem Spheno-Occipitaltheil der Schädelbasis; in Fig. 15
auf Taf. III beginnt er sich aufzurichten (f) und bildet mit dem
Clivus einen stumpfen Winkel. In Fig. 4, Taf. IV bildet er be-
reits mit dem Clivus einen rechten Winkel und ist überhaupt jetzt
nicht mehr nach vorn oder nach oben, sondern in Folge der ver-
änderten Kopfkrümmung zugleich nach hinten gerichtet. Dabei
nimmt er allmählig im sagittalen Durchmesser an Dicke ab, so dass
der frühere vordere Umfang seiner Wurzel nun horizontal nach
hinten über den obern Rand der knorplichen Sattellehne hinweg
verläuft (Holzschnitt X , d f , und XI, d e f). Auf diese Weise
bildet sich aus der Wurzel der Schädelbasis, indem sie sich rück-
wärts umlegt , das Operculum der Sattelgrube. Schliesslich ver-
dünnt sich der ganze Balken zu einer zarten durchsichtigen die
Arteria basilaris tragenden Membran (Taf. VI, Fig. 1, b), welche
mit ihrer Wurzel der hinteren Fläche der knorplichen Sattellehne
aufliegt, aber immer noch einige Zeit hindurch in ihrer früheren
Höhe frei in die Schädelhöhle einspringt. An ihrem obern freien
halbmondförmig ausgeschweiftem Rand besitzt sie ein medianes
Knötchen , welches gerade dem hier sich in seine Endäste thei-
lenden Ende der Arteria basilaris aufsitzt. Unterdessen hat sich
auch schon das spätere Tentorium gebildet und nun erst beginnt
die Rückbildung des mittleren Schädelbalkens auch in der Höhen-
dimension.
Die nächsten Veränderungen des zur Hypophysenbildung ab-
geschnürten Schlundsäckchens habe ich bereits in der oben citirten
Nummer des medicinischen Centralblattes angedeutet; da jedoch
meine zum Verständniss der weiteren Entwicklung der Hypophyse
nöthigen Abbildungen in den dieser Abhandlung beigegebenen
Tafeln nicht mehr angebracht werden konnten , so kann ich für
jetzt noch nicht weiter darauf eingehen. Bei dem Menschen habe
78
ich nach vollzogener Abschnürung des Schlundsäckchens niemals
eine Spur eines Restes desselben in Gestalt einer in die Schlund-
höhle sich öffnenden Grube oder Tasche wahrnehmen können.
Sie müsste mitten unter der Sattelgrube an der ventralen Seite
des hinteren Keilbeinkörpers ihre Lage haben , welche Gegend
jedoch später von dem Pflugscharbein bedeckt und überhaupt dann
nicht mehr dem Schlundgewölbe , sondern dem Nasenrachengang
angehört. Die sogenannte Bursa pharyngea (Mayer) hat, wie wir
später sehen werden, mit dieser Rathke 'sehen Ausstülpung gar
nichts zu schaffen (vergl. auch S. 40).
Auch von dem Hühnchen besitze ich eine grössere Anzahl
von Präparaten zur Demonstration der verschiedenen Umbildungs-
stufen der Rathke 'scheu Tasche. Wie bei dem Menschen und
den Säugern , so durchbohrte auch hier die Tasche in vertikaler
oder etwas schief nach vorn ansteigender Richtung den Boden der
Sattelgrube und man unterscheidet an ihr einen weiteren in der
Sattelgrube liegenden Grund sowie einen das Keilbein durch-
setzenden Hals, welcher trichterförmig sich erweiternd in die primi-
tive Schlundhöhle mündet. Mit dem Beginn der Abschnürung
verengert und verlängert sich der Hals, verliert sein Lumen und
nur seine frühere trichterförmige Ausmündung ist noch längere
Zeit hindurch in der Schlundhöhle als eine grubenförmige Ein-
senkung der Schleimhaut wahrzunehmen. Aber auch der nun
solide Hals der Tasche schwindet nicht sofort, sondern verbindet
in Begleitung eines mächtigen Blutgefässes die trichterförmige Aus-
mündung mit dem nun zu einem Säckchen abgeschnürten Grunde
der Tasche in Gestalt eines das knorpliche Keilbein durch-
setzenden Streifes , der stellenweise noch Spuren der früheren
Lichtung wahrnehmen lässt.
Hinter dem genannten trichterförmigen Grübchen bemerkt
man dahinter an der Schlunddecke, wo sie in die hintere Schlund-
wand umbiegt, an Sagittalschnitten noch eine zweite grubenförmige
Einsenkung der Schleimhaut, welche an ein von mir bei mensch-
lichen Embryonen bemerktes Grübchen erinnert (s. unten). Das-
selbe ist gegen den Körper des Hinterhauptsbeins gerichtet, ähnlich
der bei dem erwachsenen Menschen hie und da vorkommenden
isogenannten Bursa pharyngea.
79
Was den hinteren Hirnhautfortsatz der Schädelbasis betrifft,
so bildet sich derselbe erst später nach dem Eintritt der Nacken-
beuge, die, wie ich oben angegeben habe, bei den Embryonen der
höheren Wirbelthiere und des Menschen zwischen Schädelbasis und
Wirbelkörpersäule anfangs einen rechten Winkel bildet. Von der
Schädelhöhle aus gesehen markirt sich dieser Winkel als eine
scharfe den vordem Umfang des Hinterhauptsloches begrenzende
Kante, gebildet von der die gemeinschaftliche Uranlage der Hirn-
häute darstellenden Lage des Wirbelsytems und sehr blutreich
(Taf. III, Fig. 15, h). Hebt sich dann wieder die Schädelbasis
unter Zunahme des Nackenwinkels, so erhebt sich diese Kante als
ein breiter dicker Wall (Taf. VI , Fig. 4 , 1) , welcher die ent-
sprechende Krümmung des Medullarrohres nicht blos erhält, son-
dern noch vermehrt, bildet sich dann aber wieder völlig zurück.
Bei dem Menschen erhält sich in dieser Gegend eine von der
Schlundhöhle schief rückwärts gegen den Hinterhauptskörper
gerichtete Ausbuchtung, welche ich bei allen etwas älteren Em-
bryonen regelmässig finde und die ihre Lage in der Gegend des
Uebergangs des Schlundgewölbes in die hintere Schlundwand ein-
nimmt. An dieser Stelle ist die anfangs völlig glatte Schleimhaut
dem Hinterhauptskörper inniger angeheftet und sie macht sich bei
Embryonen meist nur als ein kleines trichterförmiges Grübchen
bemerklich , welches um so leichter der Beobachtung entgehen
kann , weil es von hinten her durch eine halbmondförmige Falte
klappenartig überragt wird (Holzschnitt X, r). Ihre Lage hat sie
hinter den Mündungen der Eustach'schen Trompete, während
die jetzt schon längst nicht mehr sichtbare Rathke'sche Ausstül-
pung vor denselben in der Gegend der sogenannten Gesichts-
kopfbeuge ihre Stelle fand. Wenn nun später die Schleimhaut
ringsum wuchert und sich wulstet, so wird dadurch die Bildung
der spätem sogenannten Bursa pharyngea hervorgerufen. Die
zahlreichen nadelstichförmigen feinen Grübchen in dieser Gegend
sowie am ganzen Schlundgewölbe bis dicht an den hintern Rand
der Nasenscheidewand sind die Mündungen acinöser Drüsen und
fand ich dieselben an Sagittalschnitten eines 2,3 Dem. langen mensch-
lichen Fötus bereits sehr entwickelt und mit langen Ausführungs-
gängen versehen.
80
B a e r (a. a. 0. S. 75) beschreibt den mittleren Scluidelbalken als
ein dem Stamm der Wirbelsäule angehöriges Bildungsgewebe, welches zu-
gleich die Chorda enthalte und die Lücke zwischen dem Trichter , dem
Kleinhirn und den Vierhügeln erfülle. Bei dieser Gelegenheit will ich
bemerken, dass der Streit, ob der Trichter das ursprüngliche vorderste
Hirnende sei oder nicht, zum Theil wohl auch darin seinen Grund finden
möchte , dass man dabei an den spätem Trichter dachte. Jedoch schon
Baer, der ja zuerst den Trichter als das ursprünglich vorderste Hirn-
ende bezeichnete , verstand darunter nicht den spätem trichterförmigen
Anhang des Bodens der dritten Hirnkammer, sondern das vordere gegen
die Schädelbasis umgebogene Ende der vordersten primitiven Hirnzelle.
"Wie ich nun aber oben auseinander setzte, bildet sich der spätere Trichter
erst nachträglich, immerhin aber an dem wenigstens ursprünglich vorder-
sten Hirnende. Ferner habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass dieser
aus dem vorderen jetzt aber ab- und rückwärts umgebogenen Hirnende hervor-
gewachsene Trichter anfangs die gemeinschaftliche Uranlage des spätem
Trichters und des Vorderlappens der Hypophyse darstellt. Nach den Be-
obachtungen von F. Schmidt1) schliesst sich bei dem Menschen die
hohle Hypophyse erst am Schlüsse des vierten Monates von der Trichter-
höhle ab. Was die Angabe von Baer betrifft, dass der mittlere Schädel-
balken die Chorda enthalte , so ist dieselbe nach meinen Beobachtungen
darauf zu beschränken, dass die Chorda mit ihrem Knopfe bereits in der
Wurzel des Balkens endigt. Dabei mache ich auf eine an Medianschnitten
mögliche Verwechslung der Chorda mit dem Stamm der Arteria basilaris
aufmerksam, welche den Balken bis zu seinem freien Rande durchläuft
und dort ebenfalls mit einer Anschwellung endigt (vergl. Taf. II, Fig. 9).
Tiedemann2) beschreibt den mittleren Schädelbalken eines 1'" lan-
gen, etwa der 7. Woche angehörigen menschlichen Embryo als eine Fort-
setzung der harten Hirnhaut, welcher als Hirn zeit in das Innere der
Schädelhöhle vorsprang und dieselbe in fast zwei gleiche Hälften theilte.
Seine Lage hatte er in der tiefen Lücke der Hirnbasis unterhalb der
Vierhügelblase, und da auch die beigegebene Abbildung seiner ersten
Tafel (Fig. 2, g) ganz naturgetreu ist, so verstehe ich nicht, wie Tiede-
mann diesen Fortsatz für die Anlage des Tentorium halten konnte. Auch
Kölliker in seiner Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren
Thiere schliesst sich Tiedemann an, ich halte jedoch die dafür beige-
brachten Gründe durch meine obige Darlegung für widerlegt. Ausdrücklich
bemerkt, Kölliker (a. a. 0. S. 195): «Der mittlere Schädelbalken ist
meinen Untersuchungen an jungen menschlichen Embryonen zufolge Nichts
als das sehr frühe auftretende Tentorium cerebelli, und nicht Sattel-.
1) Beiträge z. Entwickig. d. Gehirns. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie.
Bd. XI. 1862. S. 51.
2) Bildungageschichte d. Gehirns. S. 11 u. 13.
81
lehne, die erst später hervorwächst.» Dazu stimmt aber gar nicht die
auf derselben Seite stehende Figurenerklärung eines acht Wochen alten
menschlichen Embryo, welche lautet : «Die Schädelbasis erhebt sich in der
Gegend der spätem Sattellehne in einen grossen mittleren, am Ursprung
im Inneren knorp liehen, sonst häutigen Fortsatz, welcher der mittlere
Schädelbalken Rathke's ist.» Aber eben dieser mit der knorplichen
Schädelbasis zusammenhängende Knorpel ist ja die Sattellehne , welche
nach meinen Erfahrungen mit dem Operculum sellae turcicae als einziger
Rest des einst so mächtigen Schädelbalkens zurückbleibt.
Die von Rathke vorgetragene Lehre von drei Schädelbalken halte
ich mit Reichert, Kölliker und Stricker für unbegründet und werde
die sogenannten seitlichen Schädelbalken später bei dem Gesichte be-
sprechen. Was den mittleren Schädelbalken betrifft, so hat Rathke
ganz richtig denselben als eine Fortsetzung der die Chorda einschliessen-
den Urwirbelplatten erkannt, minder gut aber ist die Angabe, dass der-
selbe im Schädelgrund eine transversale Falte der harten Hirnhaut er-
zeuge. Unrichtig ist auch die Bemerkung , dass er niemals bei Fischen
und Batrachiern sich finde '); er ist hier nur niedriger und dünner, was
mit der geringeren Entwicklung des Gehirns übereinstimmt, dem er die
Arterien zuführt. Unter den niedern Thieren finde ich ihn am stärksten
entwickelt und von nicht unbedeutender Länge bei dem Landsalamander.
Auch die Bedeutung dieses Schädelbalkens hat Rathke nicht erkannt
und er betrachtet ihn (a. a. 0. S. 34), ähnlich wie Baer, als hervorge-
rufen durch eine Erhebung des Gehirns von der Schädelbasis, wobei er
nur eine Lücke ausfüllen soll. Auch lässt er ihn , was wieder nicht
richtig ist , mit der Zeit spurlos verschwinden. In seiner Entwicklungs-
-geschichte der Schildkröte (S. 231) sagt Rathke: «die drei Schädelbalken
verknorpeln durchweg». Wenn dies richtig ist, so wäre nach meinen Er-
fahrungen die Schildkröte das einzige Thier, bei welchem der mittlere
Schädelbalken vollständig verknorpelt. Offenbar aber hatte Rathke, wie
aus der weiteren Beschreibung hervorgeht, ein bereits späteres Entwick-
lungsstadium, also überhaupt nicht mehr den ursprünglichen Schädelbalken,
sondern die bereits fertige Sattellehne vor Augen. Auch ändert er bei
dieser Gelegenheit seine frühere Ansicht hinsichtlich der Bedeutung des
Balkens, da «der nach oben gerichtete mittlere Schädelbalken die Lehne
des Türkensattels darstellt». Ebenso der Wahrheit näher steht die von
Rathke in einer andern Abhandlung2) gemachte Angabe, dass bei Säu-
gern der mittlere Schädelbalken zur hintern Parthie des Türkensattels
und insbesondere zur Lehne werde.
Reichert3) fand den mittleren Schädelbalken auch bei Fröschen
1) Entwickig. d. Natter. S. 34 u. 75, und Lehrb. d. Entwicklgsgesch. S. 125.
2) üeber d. Entstehung d. Glandula pituitaria, Müll. Archiv. 1838. S. 483.
3) Entwicklungsleben. S. 33.
Dursy, Entwicklgsgesch. 6
82
und in seinem Werke über den Bau des Gehirns (S. 19) erklärt er ihn
für die künftige Sattellehne. An einer andern Stelle (S. 30) betrachtet
Reichert den mittleren Schädelbalken als eine Fortsetzung der Innen-
fläche des Schädels zur grösseren Befestigung des Gehirns. Wenn über-
haupt dieser und die anderen Hirnhautfortsätze ursprünglich auch
diese Bedeutung haben sollten, so ist diese jedenfalls weitaus die unter-
geordnetere.
Was den von mir als hinteren Schädelbalken bezeichneten Fortsatz
betrifft, so finde ich denselben nur bei Kölliker (a. a. 0. S. 195) als
eine hinter dem Pons liegende Kante der Schädelbasis erwähnt und auch
richtig abgebildet von einem acht Wochen alten menschlichen Embryo.
Sehr entwickelt finde ich ihn auch in der von Bischoff *) gegebenen
Abbildung des Schädels eines Hundsembryo (Taf. XIII, Fig. 45, F, unter
dem Buchstaben k); ein diesem Präparate entnommener mikroskopischer
Schnitt würde zeigen , dass dieser mächtige Vorsprung eine Wucherung
der gemeinschaftlichen Uranlage der Hirnhäute darstellt,
Veränderungen der Krümmungen der embryonalen Schädel-
basis bei dem Menschen und den Säugethieren.
Im Laufe der Entwicklung nehmen die Krümmungen der
Schädelbasis wieder ab und zwar in Folge des unterdessen ent-
stehenden Gesichtes , welches , um Platz zu gewinnen, die gegen
die Wirbelsäule winklig gebeugte Schädelbasis wieder in die Höhe
hebt. Je mehr daher das Gesicht dem Hirnschädel gegenüber
sich geltend macht, um so bedeutender ist die Rückbildung des
Nacken- und Kopfbeugewinkels, so dass die Schädelbasis wiederum
der Richtung der Wirbelkörpersäule sich nähert. Bei dem Menschen
nehmen daher wegen der verhältnissmässig geringen Gesichtsbil-
dung die genannten beiden Krümmungen am wenigsten ab und
es gesellt sich sogar in Folge der stärkern Entwicklung der Vorder-
lappen des Grosshirns noch eine dritte Krümmung hinzu, welche
die Gegend der späteren vorderen Schädelgrube betrifft. Es sind
alle diese Krümmungen , besonders auffallend bei dem Menschen,
im Laufe der Entwicklung fortwährenden Schwankungen unter-
worfen, indem sie abwechselnd zu- und abnehmen.
Was zunächst den Nackenwinkel der Schädelbasis betrifft, so
bildet sich derselbe beim Uebergang der Wirbelkörpersäule in den
1) Entwickig. d. Hunde-Eies. 1845.
83
Spheno-Occipitaltkeil der Schädelbasis, welche Theile zuerst in
Einer geraden Linie lagen. Der anfangs stumpfe Winkel ver-
kleinert sich allmählig sowohl bei dem Menschen als auch bei den
von mir untersuchten Säugethieren bis zu einem rechten , hierauf
aber nimmt er wieder an Grösse zu. Es wird die gegen die
Wirbelsäule gebeugte Schädelbasis in Folge der Verlängerung
des Bauchrohres während der Bildung des Halses und Gesichtes
gehoben , dorsalwärts gedrängt , wobei der Drehpunkt in der
Grenze zwischen Wirbelkörpersäule und Schädelbasis liegt. Die
der Schädelhöhle zugekehrte Oberfläche des Spheno-Occipitaltheils
der Schädelbasis, also der spätere Clivus , höhlt sich dabei aus,
beschreibt nämlich an Medianschnitten einen dorsalwärts concaven
Bogen (Taf. VI, Fig. 18, a f und Fig. 7, a b), welcher an jüngeren
Embryonen in Folge der Erhebung des hinteren und mittleren
Schädelfortsatzes noch viel tiefer erscheint (Fig. 4, zwischen 1 und i).
Mitunter finde ich sowohl an menschlichen wie an Säugethier-
embryonen auch die Aussenfläche dieses bereits knorplichen Ab-
schnittes der Schädelbasis, jedoch in viel geringerem Grade an
dieser Ausbiegung betheiligt, so dass sie in sagittaler Richtung
flach convex erscheint (Fig. 7, 8, 18 und Taf. III, Fig. 15). Viel-
leicht kommt schnell vorübergehend in früher Zeit , wenn die
Schädelbasis noch weicher ist, eine solche Aufbiegung regelmässig
und in noch stärkerem Grade vor, für welche Vermuthung mir
der bogenförmige bauchwärts convexe Verlauf der Chorda dor-
salis innerhalb der knorplichen Schädelbasis Veranlassung giebt.
Regelmässig beschreibt die Chorda des Menschen und der Säuge-
thiere diese in dem nebenstehenden Holzschnitt durch eine punk-
tirte Linie dargestellte Biegung. Es scheint also , dass nur die
Chorda diese Krümmung beibehält , indessen an den Urwirbel-
platten während derVerknorplung durch besonderes Dicken wachs-
thum diese Ausbiegung sich wieder ausgleicht.
Was den Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels betrifft, so ver-
dankt derselbe, wie wir oben sahen, seine Entstehung zunächst
einer Verlängerung der ersten primitiven Hirnblase oder Schädel-
zelle über den Chordaknopf hinaus mit gleichzeitiger Umbeugung.
Dabei bleibt das ursprünglich vorderste Ende des Bodens dieser
Schädelzelle und der darin liegenden Hirnblase, durch den Chorda-
6*
84
knöpf festgehalten, an seiner ursprünglichen Stelle zurück und es
bildet sich hier der primitive Trichter *). Dagegen ist es die ur-
sprüngliche vordere oder
die primitive Stirnwand
der ersten Schädelzelle,
welche sich in Folge der
Ausdehnung des Schädel-
daches bauchwärts um-
legt oder umbeugt und
so zur Basis des Spheno-
Ethmoidaltheiles des
Schädels wird, die mit
der ursprünglichen Schä-
delbasis einen spitzen
Winkel erzeugt. Die in
die Augenblasen sich
ausstülpenden Seiten-
wände der ersten Hirn-
blase werden dadurch
nach vorn und zugleich
bauchwärts geschoben
und so geschieht es, dass
der in das Chiasma nerv,
optic. sich umwandelnde
Abschnitt der ersten
Hirnblase seine , Lage vor dem späteren Infundibulum an der
Schädelbasis erhält, während er früher der primitiven Stirnwand
angehörte.
Der so entstandene Spheno-Ethmoidaltheil des Schädels, welcher
mit den unterdessen hervorwachsenden Grosshirnbläschen und Riech-
kolben rasch sich verlängert, ist an seiner Basis nicht plan, son-
dern stellt anfangs eine abwärts gebogene Platte dar, wie man an
den Querschnitten der ersten Tafel sowie an Medianschnitten
1) So nenne ich den schlauchförmigen, die gemeinschaftliche Anlage des
spätem Trichters und des Hinterlappens der Hypophyse darstellenden An-
hang, in den sich der durch den Chordaknopf fixirte Boden der ersten Hirn-
zelle auszieht (Holzschnitt X, e h).
85
(Taf. III , Fig. 1 5) erkennt. Auch ist die Basis von ungleicher
Dicke und zwar mächtiger zu beiden Seiten (woraus Rathke
seine seitlichen Schädelbalken construirte) , auffallend dünner
in der Mitte und sie verdünnt sich hier rückwärts gegen die
Hypophyse in der Art, dass schliesslich eine schon oben er-
wähnte Lücke übrig bleibt , in welcher der Boden der dritten
Hirnkammer, der Chordaknopf sowie das Darmdrüsenblatt der
Schlundhöhle in unmittelbarer Berührung sich erhalten (Taf. III,
Fig. 15 und Taf. II, Fig. 9).
Mit der Entstehung des Gesichtes wachsen aus dem Spheno-
Ethmoidaltheil der Schädelbasis gewisse Bildungsfortsätze hervor
(vordere Partie der Oberkieferwülste , Stirnfortsätze) , welche in
Verbindung mit dem ebenfalls hier entstehenden vorderen Keilbein
die Grundlage des Gesichtes darstellen. Dadurch sowie durch die
vom ersten Schlundbogen aus geschehende Entwicklung der Unter-
kieferpartie des Gesichtes wird der Spheno-Ethmoidaltheil des
Schädels gehoben, dorsalwärts gedrängt , wobei der Drehpunkt in
der Sattelgrubengegend liegt. Der Kopfbeugewinkel (der soge-
nannte Gesichtskopfwinkel) nimmt dann zu , die Kopfbeuge geht
ihrer Ausgleichung entgegen und nur der Giebel des früheren
spitzen Kopf beugewinkels erhält sich, wird als Rathk e'sche Tasche
abgeschnürt und zur Bildung des vordem Hypophysenlappens ver-
werthet (Taf. III, Fig. 15, Taf. II, Fig. 9). An älteren bereits
etwas über Ein Decimeter langen Rindsembryonen sehe ich an
der knorplichen bereits mit Knochenkernen versehenen Schädel-
basis die Kopfbeuge durch Erhebung des Spheno-Ethmoidaltheils
völlig ausgeglichen (Holzschnitt Fig. XI) ; von der Schädelhöhle
aus gesehen bildet dann die Basis eine schräg bis zum vordem
Schädelende aufsteigende Fläche (m t), welche drei hintereinander
liegende flache Gruben zeigt. Die hintere Grube (s) trägt die
Hypophyse und die im Holzschnitt punktirte Wurzel des mitt-
leren Schädelbalkens nebst den darin enthaltenen sackförmigen
Anlagen der Lappen der Hypophyse (h und i). Die folgende
Grube (d c) begreift das Gebiet des Sattelknopfes und ist auch
an menschlichen Embryonen (vergl. Holzschnitt X) durch auffal-
lende Länge ausgezeichnet. Die dritte vordere und höchste Grube
entspricht dem Gebiete der spätem vorderen Schädelgrube und
86
trägt die Grosshirnhemisphären nebst den noch kurzen hohlen
Riechkolben. Aehnlich verhalten sich auch die Medianschnitte
von Embryonen des Schweines und Schafes.
Diese Hebung des vordem Schädelabschnittes bewirkt auch
eine Verschiebung des ursprünglich unter dem Schädel gelagerten
Gesichtes nach vorn. Daraus folgt, dass die von Reichert so-
genannte Gesichtskopf beuge durchaus nicht dem Gesichte zu lieb
sich einstellt, sondern gerade umgekehrt der Gesichtsbildung hin-
derlich ist; sie ist nur ein ursprünglich stärker gekrümmter Ab-
schnitt der allgemeinen Krümmung des ganzen Leibes, welcher
dann dem verspäteten Längenwachsthum der Bauchseite mehr
oder weniger vollständig weichen muss.
Sehr bald macht sich an jüngeren Säugethierembryonen mit
der zunehmenden Ausdehnung der Grosshirnhemisphären und der
Riechkolben noch eine neue Krümmung der Schädelbasis bemerklich,
welche den Ethmoidal- und Orbitaltheil des Schädels , also das
Gebiet der späteren vordem Schädelgrube betrifft, daher in einiger
Entfernung vor der ursprünglichen Kopfbeuge liegt und ihren
Drehpunkt in dem Jugum sphenoidale findet. Auch diese vordere
Kopfbeuge wird bald durch das ihr entgegen strebende Gesicht
wieder ausgeglichen. Man sieht, es kämpfen das Gehirn und das
Gesicht um die Oberherrschaft, so dass der Spheno-Ethmoidaltheil
der Schädelbasis abwechselnd gehoben und gesenkt wird , und es
erklären sich dadurch die wechselnden Krümmungen in verschie-
denen Entwicklungsperioden.
Aehnliche Veränderungen der Schädelbasis zeigt auch der
menschliche Embryo. Mit der Zunahme des ursprünglichen Kopf-
beugewinkels bildet sich die dem Gesichte Platz machende Kopf-
beuge zurück (Taf. VI, Fig. 4, 7 und 8), so dass sie vorüber-
gehend fast zur völligen Ausgleichung gelangt. Da jedoch bei
dem Menschen das Gehirn durch seine Ausdehnung sich ein Ueber-
gewicht verschafft, so weicht mit dem rascheren Wachsthum der
Vorderlappen des Grosshirns und mit dem Hervortreten der eben-
falls hohlen Geruchskolben der Spheno-Ethmoidaltheil der Schädel-
basis wieder nach der Bauchseite aus, die Kopfbeuge nimmt wieder
zu, erreicht aber nicht mehr die frühere Ausbildung, sondern bringt
es höchstens wieder zur Bildung eines rechten Winkels. Es ge-
87
schieht aber- dieser Kückzug nicht gleichniässig, sondern, im Sagit-
talschnitt betrachtet, in einer gebrochenen Linie, indem der vor-
derste Abschnitt der in Rede stehenden Partie der Schädelbasis
(Holzschnitt Fig. X, c t) sich schneller senkt und es findet diese
neue oder vordere Kopfbeuge, wie wir schon oben bei den Säuge-
thierembiyonen gesehen haben , ihren Drehpunkt in der Gegend
des Jugum sphenoidale (c). Abnormer Weise kann eine oder die
andere Stellung zwischen den verschiedenen Partien der Schädel-
basis auf einer gewissen Stufe der Entwicklung stehen bleiben,
wie der Medianschnitt des Kopfes eines menschlichen Fötus auf
Taf. VI, Fig. 18 zeigt, an welchem der ursprüngliche Kopfbeuge-
winkel , nachdem er fast gänzlich geschwunden war, sich nach-
träglich nicht mehr eingestellt hat.
Die hier eingeschal-
teten Holzschnitte X und XI
dienen zur Erläuterung der
besprochenen Abänderun-
gen der Kopfkrümmungen
und zur Vergleichung der-
selben bei menschlichen
und Säugetbierembryonen.
Was zunächst den Median-
schnitt der Schädelbasis
eines 7 Ctin. langen mensch-
lichen Fötus (X) betrifft,
so ist die ursprüngliche
oder hintere Kopfbeuge,
welche ihren Drehpunkt in
der Gegend des Türken-
sattels (s) hat, nachdem sie
in einem vorhergehenden
Entwicklungsstadium fast
zum Ausgleich gelangt war,
für jetzt so weit wieder
hergestellt, dassderSpheno-
Occipitaltheil der Schädel-
basis (m s) mit dem Spheno-
Ethmoidaltheil (s t) einst-
weilen einen stumpfen
Winkel bildet. Der jetzt
rückwärts gebeugte mittlere Schädelbalken (f) bildet mit seiner Wurzel (g d)
88
das die Sattelgrube (s) überbrückende Operculum. Betrachtet man den
Spheno-Ethmoidaltheil der Schädelbasis (s t), so zeigt derselbe wiederum
eine Krümmung, deren Drehpunkt in der Gegend des Jugum sphenoidale (c)
liegt. Diese erst später entstandene vordere Kopfbenge wird durch die
starke Entwicklung der darüber liegenden Vorderlappen des Grosshirns
bedingt. Da sich somit in Folge der stärkern Hirnentwicklung die fast
verschwundene Sattelkopfbeuge wieder einstellt und noch eine neue vor-
dere Kopfbeuge sich dazu gesellt, so ersieht man daraus, dass die beiden
Hauptabschnitte der Schädelbasis , nämlich der Spheno-Occipitaltheil und
der Spheno-Ethmoidaltheil , in Bezug auf ihre Abhängigkeit vom Gehirn
ßich verschieden verhalten und zwar der primitiven Schädelbasis eine
grössere Selbständigkeit zukommt , wie bereits oben auseinander gesetzt
wurde. Vergleichen wir damit den Medianschnitt der Schädelbasis eines
auf ungefähr gleicher Entwicklungsstufe stehenden Rindsfötus (XI), so hat
sich die zum völligen Ausgleich gekommene ursprüngliche oder Sattelbeuge
der Schädelbasis (s) nicht wieder eingestellt, daher die beiden Haupt-
abschnitte der Schädelbasis (m s und s t) in gerader Linie auf einander
folgen. Was die später entstandene vordere Kopfbeuge betrifft, deren
Drehpunkt in c lag, so war diese auch hier in früheren Zeiten vorhanden,
ist aber nun ebenfalls verschwunden und nur die flache Grube c t, welche
die Riechkolben und die Vorderlappen des Grosshirns trägt , erinnert
noch daran.
Verhalten des mittleren Schädelbalkens und des Gehirns zu
den Abänderungen der Krümmungen der Schädelbasis.
Wenn die gebeugte Schädelbasis sich wiederum streckt, indem
ihr Spheno-Ethmoidaltheil sich hebt, so beschreibt dessen vor-
derstes Ende einen Bogen , dessen Mittelpunkt im Türkensattel
liegt. Es werden daher die von ihm getragenen Theile nicht blos
gehoben, sondern zugleich rückwärts gedrängt und über einander
geschoben. Sehr auffallend zeigt dies der mittlere Schädelbalken,
welcher ursprünglich genau die Richtung des Spheno-Occipitaltheils
der Schädelbasis , also des spätem Clivus oder der spätem
knöchernen Sattellehne einschlägt (Taf. II, Fig. 9), und mit der
davor liegenden Schädelbasis (Spheno-Ethmoidaltheil) einen rechten
Winkel bildet. Dreht sich nun die letztere aufwärts , so bewegt
sich auch der im Drehpunkt wurzelnde mittlere Schädelbalken,
richtet sich zuerst auf (Taf. III, Fig. 15), und mit seinem freien
Ende ebenfalls einen Bogen beschreibend, wendet er sich schliess-
89
lieh nach hinten (Taf. VI , Fig. 4) , so dass er fortwährend die
ursprüngliche Winkelstellung zu dem vor ihm liegenden Theil der
Schädelbasis ähnlich dem Schenkel eines Winkelhebels behauptet.
Natürlich bildet er dann auch mit der dahinter liegenden Schädel-
basis einen Winkel, welcher schliesslich bei völliger Ausgleichung
der Sattelkopfbeuge zu einem rechten sich verkleinert. Wenn da-
her der vor dem Balken befindliche Winkel ein constanter ist und
zwar ein rechter , so ist der dahinter liegende wechselnd und es
giebt somit die Balkenstellung oder die Grösse des dahinter lie-
genden Winkels gleichsam einen Massstab zur Beurtheilung der
Hebung der vordem Hälfte der Schädelbasis.
Betrachten wir zum Schluss noch kurz das Verhalten des
Gehirns , so ist zuerst vor dem Erscheinen des Gesichtes der
Spheno-Ethmoidaltheil der Schädelbasis völlig dessen Einfluss unter-
worfen und demnach so gegen die Bauchseite umgebeugt, dass er
mit der primitiven Schädelbasis den spitzen Sattelwinkel begrenzt.
Hebt sich der vordere Abschnitt der Schädelbasis , so bleibt der
im Drehpunkt (Sattelgrube) liegende Theil des Hirnrohres (der in
das Infundibulum sich ausziehende Abschnitt des Bodens des dritten
Ventrikels) zurück , während dessen jetziges vorderes Ende im
Bogen sich hebt. Die Grosshirnblasen und der vordere die Augen-
stiele tragende Abschnitt des Zwischenhirns Averden gehoben und
zugleich rückwärts gedrängt. Der diesem Andrang gleichsam
nachgebende mittlere Schädelbalken nimmt schliesslich seine Rich-
tung anstatt nach vorn , nun umgekehrt nach hinten und schiebt
den hinter ihm liegenden Abschnitt des Hirnrohres unter Bildung
einer Knickung zurück. Das Hinterhirn (Kleinhirn) liegt nun nicht
mehr vor, sondern über dem Nachhirn ; die erwähnte als Brücken-
krümmung bekannte Knickung findet sich hinter der Wurzel des
mittleren Schädelbalkens (vergl. d. Figuren 15 auf Taf. III und 4
auf Taf. VI). Gehirn und Gesicht wirken daher wechselseitig
auf die Stellung und Krümmung der vordem Hälfte der Schädel-
basis ein , sie bekämpfen sich auf diesem Felde mit wechseln-
dem Glück.
90
Uranlage des Gesichtes.
Wie der Leib des Embryo überhaupt, so besteht auch dessen
Kopf in seiner einfachsten ursprünglichen Gestalt aus zwei häu-
tigen, parallelen, in ihrer ganzen Länge mit einander verbundenen
und am freien Ende blind geschlossenen Röhren, von welchen die
eine den Kopftheil des animalischen oder Rückenrohres, die an-
dere den Kopftheil des vegetativen oder Bauchrohres darstellt.
Jene (Holzschnitt XIII , a b c) ist der primitive häutige Hirn-
schädel, diese (a d) ist die sogenannte Kopfdarmhöhle. Die Längen-
achse beider Röhren fällt mit der des übrigen Leibes ursprünglich
zusammen; bei vertikaler Haltung derselben, die ich der folgenden
Betrachtung zu Grunde legen will, liegen beide Röhren hinter ein-
ander und erhalten in der Chorda dorsalis und den Urwirbelplatten
des Kopfes eine sie stützende gemeinschaft-
ifnÄÄ d£ Kopfes liche Scheidewand. Bedeutet nun der mit
der höheren wirbeithiere. den obern Enden beider Rönren zusammen-
fallende Endknopf der Chorda (a), wie ich
nachgewiesen habe, die Gegend der Hypo-
physe, also der spätem Sattelgrube, so weiss
ich damit, dass der primitive Kopf (c b a d)
vorläufig hier abschliesst; es fehlt ihm der
die Grosshirnblasen aufnehmende Spheno-
a b c , Primitiver häutigerHirn- „,, . , , , ., , 0 , .. , , . , ,
sehädei. ead, Kopfdaimhöhie. Ethmoidaltneil des ochadels nebst dem dazu
ea, Schädelbasis, a, Endknopf . _ . . _ .
der Chorda dorsalis. üieSpai- gehörigen Gesicht. Beide wachsen erst nach-
tung- der Kopfdaimhöhlenwand
zur Herstellung ein.r das Herz träglieh aus dem obern Ende der ge-
aiunehnienden Lücke ist hier ° °
und in den beiden folgenden nannten Röhren heraus, iedoch nicht in deren
Holz*chni!ten nicht berück- ' J
sichtigt. ursprünglicher Richtung , sondern unter Bil-
dung eines Winkels (Kopfbeuge).
Zuerst ist es das rascher wachsende Schädelrohr, welches
6ich in der früher beschriebenen Weise über den Chordaknopf
hinaus verlängert und alsbald die noch zurückbleibende Kopfdarm-
höhle überragt (Holzschnitt XIV). Es bildet sich so zwischen
den obern Enden beider Röhren eine quere Einbuchtung (b a f),
welche unterhalb der Schädelbasis (a b) bis zum blinden Ende
der Kopfdarmhöhle (a) eindringt. Hierauf verdickt sich die Wand
.91
JQY.
der Kopfdarmhöhle mit Ausnahme der vordem Wand ihres obersten
an den Chordaknopf angehefteten blinden Endes (a f), welche viel-
mehr an Dicke abnimmt, wodurch die oben
, n-ii -i cii-ji Medianer Längsschnitt des
erwähnte Einbuchtung zwischen ocnadel Kopfes der höheren Wirtoel-
. thiere (Schema),
und Kopfdarmhöhle die Gestalt einer wie
durch Einstülpung entstandenen tiefen Bucht
gewinnt , die man Mundbucht nennt. Zu-
gleich schieben sich die die Mundbucht
begrenzenden Seitenwände sowie die obere
durch den ersten Schlundbogen dargestellte
Partie der verdickten vorderen Wand (d f)
der Kopfdarmhöhle nach vorn vor , indem
x e c a b, Hirnschädel. e a f d,
sie das vordere Schädelende (b) zu errei- Kopfdarmhöhle, a b, .Basis des
v ' Spheno - Etbmoidaltheils des
chen suchen , wodurch die Mundbucht an t££%*\&°S*JS£ SJ'-
Tiefe gewinnt. Die in der Richtung des ffÄechthÄenhS)d tt
, -i o i •• t l j verdickte , daher durch zwei
nach vorn umgebogenen Schadelendes ge- Conturen bezeichnete vordere
, . , , i ..l i Wand der Kopfdarmhöhle.
schehende Verlängerung der Koptdarmhohle
führt daher zur Bildung einer unter der Schädelbasis liegenden
Grube, weil das von dem Chordaknopf abgehende Stück der vor-
deren Wand der Kopfdarmhöhle an seiner ursprünglichen Stelle zu-
rückbleibt und zugleich sich verdünnt.
An der Mundbucht lassen sich eine
Decke und ein Boden, zwei kürzere Seiten-
wände und eine hintere Wand unterschei-
den. Vorn und seitwärts öffnet sich die
Mundbucht zwischen Schädelbasis und er-
stem Schlundbogen durch eine quere Spalte,
die primitive Mundspalte, durch welche von
aussen her das Hornblatt eintritt, um sämmt-
liche Wandungen zu überziehen. Die Decke
wird von der an dem Chordaknopf be-
Seitenansicht eines Säuge-
thierkopfes (Schema).
c g b a e , Hirnschadel.
Kopfdarmhöhle. e a,
ginnenden Basis des fepneno - Etmnoidal- zwischen Hirnschädel
e a f d,
Grenze
l und
Kopfdarmhöhle. g, Ohrlaby-
theiles des Schädes (Holzschnitt XIV und "Mh. i, Noch kurze seiten-
wand der primitiven Mnnd-
XV, a b) gebildet. Den Boden bildet die ]Jöhle (Oberkieferfortsatz) h,
1 ' ° Auge. b , Riedisrrube. 1 l b,
unterhalb der Mundbucht befindliche vor- K^ÄffiffibSÄ
dere an Dicke fortwährend zunehmende a ^^a3*m^*'
Wand der Kopfdarmhöhle (XIV und XV, f) also der erste Schlund-
92
bogen, welcher die Anlage des Unterkiefers , des Mundhöhlenbodens
und des Zungenkörpers enthält. Die Seitenwände der Mundbucht
(XV, i) sind Verlängerungen der Seitenwände der Kopfdarmhöhle,
welche die Gegend der Kopfbeuge (a) überschreiten und sich lateral-
wärts an die Basis des Spheno-Ethmoidaltheils des Schädels nahe hinter
dem Auge (h) anheften , sind jetzt noch niedrig und schmal und
dienen daher vorläufig nur zur lateralen Begrenzung des blinden
Grundes der Mundbucht. Da aus ihnen , indem sie entlang dem
Seitenrande der Schädelbasis unter dem Auge vorbei nach vorn
wachsen, auch die Oberkieferknochen sich entwickeln , so werden
sie jetzt schon „Oberkieferfortsätze" genannt nach dem Satze
„a potiori fit denominatio". Der Hintergrund oder die hintere
Wand der Mundbucht wird durch die vordere Wand des ursprüng-
lichen blinden Kopfendes der Kopfdarmhöhle dargestellt. Wie
man an dem durch den Holzschnitt XIV dargestellten Median-
schnitt wahrnimmt, so beginnt diese dünne Wand am Chorda-
knopf (a), somit am Kopf beugewink el der Schädelbasis und er-
streckt sich abwärts bis zu der Stelle , an welcher die vordere
Kopfdarmhöhlenwand zur Herstellung des Bodens der Mundbucht
sich verdickt (f, erster Schlundbogen).
Wie die übrige Wand der Kopfdarmhöhle, so besteht auch
diese die Mundbucht von der Kopfdarmhöhle trennende Scheide
wand, welche von Remak Rachenhaut genannt wurde , aus drei
Blättern, nämlich aus dem die Mundbucht auskleidenden Horn-
blatt, zweitens aus dem mittleren Keimblatt und drittens aus dem
die Kopfdarmhöhle auskleidenden Darmdrüsenblatt (Remak). In
Folge der fortschreitenden Verdünnung der Rachenhaut bildet sich
eine aus der Mundbucht oder der primitiven Mundhöhle in die
Kopfdarmhöhle führende Längsspalte oder die Rachenspalte (Rem ak),
schliesslich aber schwinden auch die diese Spalte begrenzenden
Seitenhälften der Rachenhaut und zwar so vollständig, dass von
nun an die aus der Mundbucht hervorgegangene primitive Mund-
höhle ohne alle Abgrenzung in den anstossenden Theil der nun
geöffneten Kopfdarmhöhle , nämlich in die Rachen- oder Schlund-
kopfhöhle, einmündet.
Auf dieser Stufe der Entwicklung finden wir den auf Taf. II,
Fig. 9 dargestellten Medianschnitt des Kopfes eines Hühnchens.
93
Die von der Basis des Spheno-Ethmoidaltheils des Schädels weit
überragte primitive Mundhöhle (die frühere Mundbuqht) hat zu
ihrem um diese Zeit noch kurzen Boden den ersten Schlundbogen
oder den oberen dicken abgerundeten Rand der vordem Wand
der in die Mundhöhle einmündenden Kopfdarmhöhle (g). Die
hintere Grenze der Decke der Mundhöhle wird durch den Chorda-
knopf markirt, welcher die hier im Abschnürungsprocess befind-
liche Rathke'sche Tasche von oben her umfasst. Letztere ist
das durch die Kopfbeuge eingeklemmte und durch seine Anheftung
an den Chordaknopf in eine trichterförmige Spitze ausgezogene
ursprüngliche blinde Ende der Kopfdarrahöhle (vergl. auch Holz-
schnitt XIV, e ad; in a, dem Chordaknopf, liegt die Spitze der
Kopfdarmhöhle , welche sich somit in Folge der zunehmenden Kopf-
beuge als Rathke'sche Tasche erhält). Daraus erklärt sich auch,
dass diese Tasche ihre zellige Auskleidung nicht von der Mund-
höhle (also dem Hornblatt), sondern von der Kopfdarmhöhle, so-
mit von dem Darmdrüsenblatt erhält. Zur Orientirung in Bezug
auf diese Abgrenzung der primitiven Mundhöhle von der Rachen-
höhle erinnere ich daran , dass später an dieser Stelle die Mitte
des hintern Keilbeinkörpers, also der Boden der Sattelgrube, sich
ausbildet. Der in Figur 9 der zweiten Tafel zwischen h g be-
ginnende und aufwärts bis zur Rathke'schen Tasche sich er-
streckende Abschnitt der Kopfdarmhöhle ist die Rachenhöhle und
deren hintere Wand wird von der dicken die Chorda enthaltenden
Basis des Spheno-Occipitaltheils des Schädels gebildet. Die Längs-
achse dieser Höhle schneidet entsprechend der Kopfbeuge unter
einem rechten Winkel die Längsachse der davor liegenden noch
sehr kurzen primitiven Mundhöhle.
Aehnlich verhält sich in dieser Beziehung der auf Taf. III,
Fig. 15 dargestellte Medianschnitt des Kopfes eines 6l/u Millim.
langen Rindsembryo , sowie der Medianschnitt des Kopfes eines
ähnlichen Rindsembryo, welchen ich in dem nebenstehenden Holz-
schnitt XVI genau nach der Natur abgebildet habe. Die Längen-
achse der Mundhöhle (Holzschn. XVI, m v) schneidet die Längen-
achse der Rachen- oder Schlundkopfhöhle (m o x h 1) rechtwinklig.
An diesem Embryo ist die Grenze zwischen Kopf und Rumpf
durch die Nackenbeuge (f) markirt und es bildet die Basis des
94
Spheno-Occipitaltheils des Schädels oder der spätere CHvus (i h)
mit der Halswirbelsäule (i k) einen rechten Winkel , der an der
Rückseite scharfkantig Fig XVI Medianer &enau naoh der Natur ent.
vnrcnrino-f (\ riintprpr worfener Längenschnitt des Kopfes eines 6 »feMillim.
VOlspnngt (1, nmterei langen Rindsfötus.
Schädelbalken), ander
Bauchseite dagegen
sich ausrundet. Bringt
man den Kopf durch
Drehung nach vorn in
eine solche Lage, dass
die genannte Partie der
Schädelbasis (i h) eine
horizontale , die Hals-
wirbelsäule (i k) dage-
gen eine senkrechte
Richtung erhält , so
wird die durch die
Nackenbeuge horizon-
tal nmo-plpo-tp Bfl«i« rlpq ab, Vordere Hirnblase, die sich in zwei hinter einander
tai umgeiegießdsis ues üeg'mAe Abteilungen geschieden hat, von welchen die
^nJiPvin fWinir«ilrhpil<5 vordere in ihren Seitenhälften die Anlage der jetzt noch
öpneno - WCOipn.an.ueUB nich(. unterscheidbaren Grosshirnbläschen enthält, c, Mittel-
er, ^r,U-AA„\c „„». nnnlr0 Mrn. d, Hinterhirn, e, Nachhirii. f, Nackenbeuge, g, Mitt-
eles OCnaUelS ZU1 JJeCKe lerer Schädelbalken, h, i, Basis des Spheno-Occipitaltheils
, o i l n r des Schädels, k i , Halswirbelsäule. 1, Kathke'sche Tasche.
des OCnlunCÜCOpieS, m) Erster Schlundbogen. n, Zweiter Schlundbogen, o, Dritter
.. . . Schlundbogen, p, o, n, in, Vordere Schlundwand ; dahinter
Während dessen hintere liegt die geöffnete Schlundhöhle mit den Schlundspalten.
q, Vorhof tli eil des Heizens, r, Kammertheil desselben.
Wand der Halswirbel- s, Aortenstamm des Herzens, t u, Membrana reuniens
inferior, v , Mediane Fläche des Oberkiefertortsatzes.
Säule anlieft Mit der w> Erste Schlundspalte. x, Zweite Schlundspalte; die
6 ' darunter liegende dritte ist nicht bezeichnet, y, Eingang in
weitern Ausbildung der den bohlen Au&enstiei.
zwischen der Halswirbelsäule und dem Schlundkopf liegenden
Muskulatur und der Zunahme des lockeren diesen Zwischen-
raum erfüllenden Bindegewebes schiebt sich die hintere Schlund-
wand weiter vor , so dass ihre Anheftungsstelle an die
Schädelbasis in der Richtung gegen den Keilbeinkörper vorrückt.
Dabei bildet sich an dieser Stelle bei menschlichen Embryonen
eine kleine schon früher von mir erwähnte Tasche aus , welche
später wieder verschwindet oder hie und da auch nach der Geburt
zurückbleibt und zur sogenannten Bursa pharyngea sich ausbildet.
Es gewährt ferner dieser Durchschnitt einen deutlichen Ein-
blick in die primitive Mundhöhle , welche rückwärts bis zur
95
Rathke 'sehen Tasche (1) reicht und hier in die Schlundkopf höhle
übergeht. In der Tiefe bemerkt man die innere Oberfläche ihrer
noch kurzen von dem Oberkieferfortsatz gebildeten Seitenwand (v),
welche eine Fortsetzung der seitlichen Schlundwand darstellt und
einstweilen hinter und unter dem Eingang in den hohlen Augen
stiel (y) endigt. Hierauf folgt der laterale Theil der primitiven
Mundspalte und darunter der den Boden der Mundhöhle darstel-
lende obere Umfang des ersten Schlundbogens (m).
Der auf Taf. I, Fig. 23 abgebildete Kopf eines V/s Millim.
langen Rindsembryo giebt eine Ansicht der Decke der primitiven
Mundhöhle a, welche nach hinten durch den eine Querspalte dar-
stellenden Eingang der Rathke'schen Tasche von der dahinter
liegenden Schädelwand der Rachenhöhle scharf geschieden wird.
Letztere erscheint als eine breite flache Mulde, welche zu beiden
Seiten von den Oberkieferfortsätzen b begrenzt wird. Diese als
seitliche Ausladungen der Schädelbasis sich darstellenden Fortsätze
schreiten bereits auf die davor liegende Basis der vorderen Schädel-
partie a vor und bilden dadurch die noch kurze seitliche Begren-
zung des hintern Abschnittes der primitiven Mundhöhle.
Die primitive Mundhöhle des Menschen und der Säugethiere
ist die gemeinschaftliche Anlage des hintern Abschnittes der später
erst sich scheidenden Vorhallen des Luft- und Speiseweges, nämlich
der Mundhöhle und der Regio respiratoria der Nasenhöhle. Ge-
nauer bezeichnet enthält sie die gemeinschaftliche Anlage des Nasen-
rachenganges und des hinteren Abschnittes der Mundhöhle nebst
der Gegend der Rachenenge.
Am ausgebildeten Kopf des Menschen und der Säuger ver-
stehe ich unter „N a s e n r a c h e n g a n g" die hintere Partie der
Regio respiratoria der Nasenhöhle, welche dieselbe mit der Rachen-
höhle verbindet. Seine Decke wird von den beiden Keilbein-
körpern , die laterale Wand von den absteigenden Keilbeinflügeln
(und Flügelbeinen) und den senkrechten Gaumenbeintheilen , der
Boden von dem Gaumensegel und der hintern Partie des harten
Gaumens gebildet. Bei den höheren Säugethieren (und nur von
diesen ist hier die Rede) ist wie die ganze Nasenhöhle , so auch
dieser die eigentliche Nasenhöhle mit der Rachenhöhle verbindende
Gang oder der Nasenrachengang viel länger als wie bei dem
96
Menschen. Aus diesem Grunde sind die Flügelbeine und die
senkrechten Platten der Gaumenbeine verhältnissmässig viel breiter ;
die Verlängerung des Bodens des Nasenrachenganges wird durch
eine grössere sagittale Ausdehnung des weichen Gaumens erzielt,
sowie dadurch , dass die horizontalen Gaumenbeinplatten ebenfalls
in sagittaler Richtung zunehmen und lediglich nur dem Boden des
Nasenrachenganges angehören. Die Decke dieses Ganges *) wird
nicht wie bei dem Menschen nur durch das Keilbein dargestellt,
sondern erhält eine beträchtliche Verlängerung durch eine beson-
dere dünne Knochenplatte , welche die Siebbeingegend (Regio
olfactoria) von dem Nasenrachengang abscheidet. Es hat somit
die Nasenhöhle der höheren Säugethiere, was ich als auffallenden
Unterschied von der menschlichen Nasenhöhle hervorhebe, in ihrer
hintern Hälfte in der That einen doppelten Boden, von welchen
der obere die Riechgegend trägt, der untere die Regio respiratoria
der Nasenhöhle fortsetzt. Diese dünne nach vorn in transversaler
Richtung sich verbreiternde und daher ungefähr dreieckige Knochen-
platte ist an ihrem vordem Rande halbmondförmig ausgeschweift,
heftet sich mit ihrem medianen Rande an den obern Rand des
Vomer , so dass sie wie eine flügeiförmige Ausladung desselben
erscheint, und verbindet sich lateralwärts mit den Gaumenbeinen
sowie, was ich an einem gerade vor mir liegenden Hundsschädel
bemerke, selbst noch mit den Oberkieferknochen , wobei sie sich
an der Begrenzung des Sinus maxillaris und der Siebbeinzellen
betheiligt. Untersucht man das Verhältniss dieser aus je einem
besondern Knochenkern sich entwickelnden und erst später mehr
oder weniger vollständig mit dem Vomer verschmelzenden Knochen-
platten zu dem dahinter liegenden vordem Keilbeinkörper , so
stellen sie eine Verlängerung der ventralen Fläche derselben vor.
Es erscheint daher die darüber liegende Partie der Nasenhöhle als
die erweiterte Keilbeinhöhle. Eine besondere von der Nasenhöhle
einigermassen abgeschiedene Keilbeinhöhle habe ich nicht gefunden.
An dem Schädel des Menschen käme es zu demselben Re-
sultat, wenn man die von der untern zur vordem Keilbeinwand
1) Ich beziehe mich auch in diesen die fertige Nasenhöhle der höheren
Säugethiere betreffenden Angaben wiederum nur auf eigene Beobachtungen.
97
sich aufliegenden Keilbeinmuscheln (Cornua sphenoidalia) in Ge-
danken herabschlagen und zur Verlängerung des Bodens der Sinus
sphenoidales benutzen würde. Die Keilbeinhöhlen wären dann
von der Regio olfactoria der Nasenhöhle nicht mehr als beson-
dere Nebenhöhlen abgeschieden. Aus diesem Vergleiche ergiebt sich
sofort, dass die oben beschriebene dreieckige den Boden der Regio
olfactoria der Säugethiere darstellende Knochenplatte in der That
die Keilbeinmuschel des Menschen ist. Sie bilden mit einander
gleichsam eine Zugbrücke , die bei dem Menschen aufgezogen ist
zur Abschliessung der Keilbeinhöhlen , bei den Säugern dagegen
herabgelassen und den ununterbrochenen Uebergang der Regio
olfactoria der Nasenhöhlen in die Keilbeinhöhlen vermittelt. Wie
wir später sehen , so ist die Uranlage dieser hintern Partie der
Riechgegend schon in den Riechgrübchen des Embryo gegeben,
welche somit zugleich die Uranlage der Keilbeinhöhlen darstellen.
Zur Begründung des durch das Verhalten der Keilbeinmuscheln
bedingten auffallenden Unterschiedes menschlicher und Säugethier-
köpfe berufe ich mich auch auf die in den beigegebenen Tafeln
niedergelegten zahlreichen Abbildungen von Querschnitten. So
stellt z. B. Taf. V, Fig. 12 den Frontalschnitt des Gesichtes eines
Rindsembryo dar , dessen Nasenhöhlen von der Mundhöhle durch
den bereits verknöcherten Gaumen geschieden sind. Vergleicht
man damit einen die Nasenhöhle in ihrer hinteren Hälfte treffenden
Frontalschnitt (Fig. 14), so bemerkt man über dem harten Gaumen
noch einen zweiten dicken transversalen einstweilen durch Knorpel ge-
stützten Boden , welcher die obere Partie der Nasenhöhle (Regio
olfactoria) von der untern (Regio respiratoria) abscheidet. Letztere
ist der Nasenrachengang, welcher hier durch den bereits ver-
knöcherten niedrigen Vomer unvollständig halbirt wird. Die in
der Decke des Nasenrachenganges enthaltenen Knorpelplatten (d)
sind die Vorläufer der Cornua sphenoidalia und schliessen sich
dem obern Rand des Vomer an. Legt man den Schnitt noch
tiefer durch die hintere Keilbeingegend an (Fig. 15), so trifft man
nur den Nasenrachengang b, an dessen von dem Keilbein gebil-
deter Decke das hintere Ende des Vomer sich entwickelt.
Aehnliches zeigen auch die Frontalschnitte des Kopfes eines
Schweinsfötus (Taf. IV) , jedoch mit dem Unterschied , dass hier
Dursy , Entwicklgsgesch. 7
98
der Nasenrachenkanal durch ein breites den Vomer enthaltendes
Septum halbirt wird (Fig. 11, 12 und 13, w).
Vergleicht man damit die Frontalschnitte menschlicher Em-
bryonen (Taf. VIII, Fig. 8 und Taf. VII, Fig. 13 und 14), so lässt
sich ein ähnlicher Plan der Nasenbildung nicht verkennen. Be-
sonders schön zeigt dies der in Fig. 13, Taf. VII dargestellte
Schnitt , an welchem auf der einen Seite die obere Partie der
Nasenhöhle (n) von der untern oder der Regio respiratoria (g) sich
abzuscheiden im Begriffe steht. In Fig. 14 ist dieser Process
fertig und der Nasenrachengang c von dem hintersten Ende der
Regio olfactoria b geschieden. Der Unterschied von den Säuge-
thieren besteht aber darin , dass die als Nasenrachengang abge-
schiedene Nasenhöhlengegend weitaus die grössere ist, während
die Regio olfactoria nur als ein unansehnlicher Rest übrig bleibt,
welcher die Uranlage der Sinus sphenoidales darstellt. Aus den
Figuren 14 und 15 der VII. Tafel ergiebt sich ferner, dass der
unter beiden Keilbeinkörpern verlaufende und von den Partes
horizontales der Gaumenbeine sowie von dem Gaumensegel ge-
tragene eigentliche Nasenrachenkanal ursprünglich wie bei dem
Rindsfötus unpaarig ist und eine nur unvollständige Theilung in
zwei symmetrische Seitenhälften durch einen von der Decke herab-
ragenden, das hintere Ende des Vomer enthaltenden Längswulst
erzeugt wird. Erst später rückt der hintere Rand des Vomer
nach hinten vor, um sich mit den Partes horizontales der Gaumen-
beine zu verbinden.
Nachdem ich hiermit die Bedeutung der primitiven Mundhöhle
angedeutet habe , deren Richtigkeit durch den späteren Verlauf
der Entwicklung sich herausstellen wird , habe ich noch den Ein-
gang in dieselbe oder die primitive Mundspalte zu besprechen.
Am besten geschieht dies mit Hülfe des auf Seite 104 stehenden
Holzschnittes XVII, welcher den Kopf eines 6 Millim. langen Rinds-
embryo darstellt. Man unterscheidet an der sehr breiten Mund-
spalte einen medianen geräumigeren und zwei laterale niedrigere
Abtheilungen. Der mediane Theil bildet ein mit der Spitze ab-
wärts gekehrtes Dreieck; seine von dem vordem Ende der Schädel-
basis dargestellte Basis ist in der Mitte etwas flach ausgeschweift,
da an dieser Stelle, wie der Querschnitt des vorderen Schädelendes
99
(XVIII) zeigt, die Schädelbasis dünner ist als an beiden Seiten.
Die untere, einen tiefen winkligen Ausschnitt darstellende Begren-
zung wird von den beiden Seitenhälften des ersten Schlundbogens
gebildet. Die beiden lateralen Abtheilungen der primitiven Mund-
öffnung sind niedrige, schief ab- und rückwärts zwischen die Ober-
kieferfortsätze (g) und die Seitentheile des ersten Schlundbogens
(h) eindringende Spalten.
Fragt man nach der Bedeutung der primitiven Mundspalte,
so ist zwar ihr mittlerer höherer Theil der Vorläufer der spätem
Mundöffnung, zugleich aber auch der Eingang in den von der
Mundhöhle noch nicht abgeschiedenen Nasenrachengang. Ferner
steigt in diesen Theil der Mundöffnung der Stirnfortsatz, also die
Nase, herab und von hier aus beginnt somit in der Richtung nach
vorn die Bildung der vor der primitiven Mundhöhle liegenden Ge-
sichtsgegend.
Die lateralen Theile der primitiven Mundspalte trennen den
Oberkiefer von dem Unterkiefer und werden später durch die
Weichtheile der Backen gedeckt.
Die erste Anlage des Gesichtes besteht, wie wir gesehen haben,
aus der noch kurzen und niedrigen primitiven Mundhöhle, deren
Decke von der Schädelbasis, deren Seitenwände von den Ober-
kieferfortsätzen, deren Boden von dem ersten Schlundbogen ge-
bildet wird. Die weitere Ausbildung zeigt sich hauptsächlich darin,
dass die bisher an der seitlichen und vordem Schädelwand lie-
genden Anlagen der Seh- und Geruchsorgane gegen das Gesicht
herabrücken und ferner von dem Mundhöhlenboden das Ge-
schmacksorgan sich erhebt. Namentlich sind es die Geruchsorgane
(Riechgruben) , welche ihren Einfluss auf die Gesichtsbildung gel-
tend machen; zu ihrer Aufnahme entwickelt das vor den Augen
liegende vordere Schädelende einen mächtigen zum Gesicht herab-
steigenden Fortsatz (Stirnfortsatz). Derselbe zerfällt in einen
mittleren und in zwei laterale die Riechgruben zwischen sich fas-
sende Abtheilungen (mittlerer und seitliche Stirnfortsätze) , welche
somit die erste Anlage der Nase formiren. Ihr entgegen wächst
von dem nach vorn verlängerten Mundhöhlenboden die Zunge,
während die Oberkieferfortsätze zur Aufnahme der herabrückenden
Augen nach vorn sich verlängern und sich zugleich an der Bildung
7*
100
der Nase betheiligen , indem sie sich mit den Stirnfortsätzen ver-
binden. Es verlängert sich das anfangs sehr kurze Gesicht in
der Richtung von hinten nach vorn und gewinnt dabei zur Auf-
nahme der Zunge und der von oben heranwachsenden Nase an
Höhe. Die Verlängerung geschieht erstens durch die vor der
primitiven Mundhöhle entstehenden , also die Gegend der primi-
tiven Mundspalte einnehmenden Nase, wobei zugleich die Ober-
kieferfortsätze nachrücken , zweitens durch Ausdehnung des von
dem ersten Schlundbogen abgehenden Mundhöhlenbodens. An
Höhe gewinnt das Gesicht durch die von der Schädelbasis herab-
steigende Nase und die ihr entgegenkommende Zunge, sowie durch
die an Umfang bedeutend zunehmenden Oberkieferfortsätze. Diese
zwischen dem Schädel und den ersten Schlundbogen sich ein-
schiebenden Bildungen drängen den vor der Kopfbeuge liegenden
Abschnitt der Schädelbasis mehr und mehr nach oben, womit die
früher geschilderten Abänderungen des Kopfbeugewinkels zu-
sammenhängen.
Nun erst kann man eigentlich von einem Gesichte sprechen,
welches eine zur Aufnahme der genannten Sinnesorgane be-
stimmte und die primitive Mundhöhle enthaltende Körpergegend
darstellt. Die das Gesicht zusammensetzenden Bildungstheile
sind theils Fortsetzungen der vordem und seitlichen Wand
der Kopfdarmhöhle (erster Schlundbogen mit Unterkieferfortsätzen,
Oberkieferfortsätze), theils des Schädels (Stirnfortsatz), die ich
in dieser Reihenfolge einer Besprechung unterziehen will. Ich
beginne mit dem ersten Schlundbogen und schicke eine Betrachtung
der Schlundhöhle und der Schlundbügen überhaupt voraus.
Schlund- und Brusthöhle.
Wie ich schon bei einer andern Gelegenheit gezeigt habe, so
wird die Bildung des Bauchrohres in Gestalt der sogenannten
Kopfdarmhöhle früher eingeleitet als die des Rückenrohres. Unter-
sucht man einen Hühnerembryo kurz vor dem Erscheinen der ersten
Urwirbel , so bemerkt man nach aussen von den Rückenplatten
und von diesen durch eine dünnere und daher durchsichtige Grenz-
101
zone geschieden , die Bauchplatten. Dieselben haben die Gestalt
schmaler durch Verdickung des Embryonalschildes entstandener
Streifen, welche nach aussen ganz allmählig und continuirlich in
den durchsichtigen Fruchthof sich fortsetzen. Am Kopfende fliessen
sie vor dem Schlussbogen der Rückenplatten ebenfalls bogenförmig
zusammen und schlagen sich hier alsbald zur Bildung der Kopf-
darmhöhle bauchwärts um. Entstehen unterdessen die ersten Ur-
wirbel (Taf. II, Fig. 10), so überzeugt man sich, was ich schon
früher gegen Remak geltend machte, dass die oben erwähnte
helle Abgrenzungszone oder Grenzrinne zwischen Rücken- und
Bauchplatten durchaus nicht auf den Rumpf sich beschränkt, son-
dern den ganzen Kopf betrifft (vergl. auch die Figuren 11, 12
und 1 3 derselben Tafel). Auch in spätem Zeiten , wenn bereits
das Bauchrchr bis zum Nabel sich geschlossen hat , erhält sich
die Grenzfurche und kann, wie man an den auf Taf. I, Fig. 19
und 20 abgebildeten Säugethierembryonen bemerkt, entlang dem
obern Rand der Oberkieferfortsätze unter dem Auge vorbei bis
gegen vorderes Schädelende verfolgt werden.
Nachdem der Kopftheil des Bauchrohres oder die Kopfdarm-
höhle eine gewisse Länge erreicht hat , so zerfällt dieselbe nach
Remak beim Hühnchen in eine obere (den Embryo in vertikaler
Haltung gedacht) in ihrer Wandung ungespaltene Hälfte , die er
Schlundhöhle nennt, und in eine untere Hälfte, in welcher durch
Spaltung die Bauchwand von der Darmwand sich trennt. Es
zerfällt daher nach Remak die untere Hälfte der Kopfdarmhöhle
in den Vorderdarm und in die obere unpaarige Partie derPleuro-
peritonealhöhle oder die primitive Brusthöhle, die man auch Herz-
höhle, Herzlücke, Halshöhle nennt. Eine genauere Untersuchung
jedoch lehrt, wie Götte1) mit Recht geltend macht, dass auch
die obere Hälfte der Kopfdarmhöhle oder die Schlundhöhle an der
Bauchseite eine zur Aufnahme des Aortenendes des Herzens be-
stimmte und aufwärts sich verschmälernde Fortsetzung der ge-
nannten Spaltungslücke besitzt. Auch für den Menschen und die
Säuger kann ich dieses Verhalten bestätigen , indem hier an der
vordem Seite der Schlundhöhle die zur Aufnahme des Herzens
1) Beiträge z. Entwklg. d. Darmkanales. 1867. S. 9 u. 26.
102
bestimmte Spaltung der Bauchwand aufwärts bis zum untern Rand
der primitiven Mundspalte, also bis zum oberen Rand des ersten
Schlundbogens reicht. Allmählig zieht sich dann das obere Ende
dieser Spaltungslücke aus dieser Gegend zurück , indem der erste
Schlundbogen an Höhe zunimmt und über den Anfang der Spal-
tung hinauswächst (vergl. den durch den Holzschn. XVI darge-
stellten Medianschnitt des Kopfes eines Rindsembryo). An diesem
Embryo sind in der Seitenwand der Schlundhöhle bereits die durch
die Schlundspalten geschiedenen Schlundbogen entstanden und
haben sich auch in der vordem Schlundwand (p o n m) mit ein-
ander zu einem unpaarigen der ganzen Länge nach zusammen-
hängenden Mittelstück verbunden. An der innern Oberfläche
dieses Mittelstückes erkennt man das Gebiet der hier sich ver-
bindenden Schlundbogenhälften an in die Schlundhöhle einsprin-
genden flachen Wülsten, von welchen der obere (m) dem ersten,
der mittlere (n) dem zweiten, der untere (o) dem dritten Schlund-
bogen angehört. Ferner
enthält die vordere
Schlundwand eine Fort-
setzung des Aorten-
stammes des Herzens
(s), welcher sich, schief
von oben herabstei-
gend, in die Mitte der
vorderen Schlundwand
einsenkt (vergl. Taf. I,
Fig. 20, i und Fig. 21).
Vor der Schlundhöhle
liegt das Herz (s q r),
sowie die obere Partie
der dasselbe auf-
nehmenden primitiven
Brusthöhle. Es entsteht diese Höhle durch Spaltung der vordem
Wand der ursprünglichen Kopfdarmhöhle in zwei Blätter, von
welchen das tiefere die vordere Schlundwand bildet und auch die
Schlundbogenhälften verbindet. Es ist daher falsch, wenn man
diese mediane Verbindungshaut , die anfangs dünn ist , in neben-
Erklärung s. Seite 94.
103
stehendem Holzschnitt aber bereits eine beträchtliche Dicke erreicht
hat, als einen Theil der Membrana reuniens inferior auffasst; sie
ist vielmehr die durch Spaltung der Bauchwand frei gewordene
Darmfaserwand des Schlundes, während die Membrana renn. inf.
bekanntlich die primitive Bauchwand ergänzt.
Das oberflächliche Spaltungsblatt der primitiven Brusthöhle
(t u) beginnt an diesem Embryo mit einem dickern Wurzelstück
am unteren Umfang des ersten Schlundbogens (m). An jüngeren
Embryonen lag die Abgangsstelle hoher oben und unmittelbar an
die Mundspalte angrenzend. Das Herabrücken erkläre ich mir
dadurch, dass der an Höhe zunehmende erste Schlundbogen über
die Abgangsstelle der primitiven Brustwand hinauswächst. Die
vorläufige Brustdecke (t u) ist an ihrem Wurzelstück (von der
vordem Schlundwand bis zu dem Buchstaben t) etwas dicker, be-
steht aus dem Hornblatt und der Remak'schen Hautplatte, geht
schliesslich in das Amnion über und ist daher die obere Partie
oder der Brusttheil der Membrana reuniens inferior. Daraus geht
hervor , dass diese Haut nicht als mediane Verbindungsmembran
der Schlundbogen aufgefasst werden kann. Die Abgangsstelle der
primitiven Brustdecke liegt, wie wir gesehen haben, in der Me-
dianebene des Embryo am höchsten, indem sie hier von dem ersten
Schlundbogen abgeht. Lateralwärts dagegen rückt der Ursprung
tiefer herab und nähert sich zugleich dem Schädel- und Wirbel-
rohr und zwar um so mehr, je weiter man ihn abwärts verfolgt
(Taf. I, Fig. 20). Zur Erläuterung wähle ich die durch den Holzschnitt
XVII (s. S. 104) gegebene Halbprofilansicht des Kopfes eines 6 Millim.
langen Rindsembryo. Zwischen den beiderseitigen Schlundbogen-
hälften bemerkt man eine dreieckige den Querschnitt des Arterien-
stammes des Herzens (a) enthaltende Fläche , deren Spitze fast
die Mundspalte erreicht. Die beiden abwärts divergirenden Be-
grenzungslinien dieser Fläche bedeuten den Abgang der hier mit
dem Herzen abgetragenen oberen Partie der Membrana reun. inf.
oder der primitiven Brustdecke von der Schlundwand. Die da-
zwischen liegende dreieckige Fläche, welche somit den Hintergrund
der abgetragenen Brusthöhle 'darstellt, ist der mediane die beider-
seitigen Schlundbogen verbindende Abschnitt der vordem Schlund-
wand, in welcher die Fortsetzung des Arterienstammes des Herzens
104
um
xvm.
und der Anfänge der Aorten-
bogen verlaufen , und wel-
chen die Bedeutung einer
durch Spaltung frei gewor-
denen Darmfaserwand des
Schlundes zukommt (vergl.
auch Taf. I, Fig. 20).
Lehrreich ist auch die
Profilansicht des durch den
Holzschnitt XX, S. 105 dar-
gestellten Kopfes eines Rinds-
embryo , an welchem die
ror dem Schlundtheil des
Bauchrohres liegende Herz-
höhle mit der umgebenden
bruchsackartig vorgetriebe-
nen primitiven Brustdecke
(e b) erhalten ist (vergl. auch
Taf.I, Fig. 19 und Taf. III,
Fig. 14). Die im Holzschnitt
XX links von e bis zu d vor den Schlundbogen herablaufende
Linie bedeutet den Abgang der primitiven Brustdecke von der
Schlundwand, also die Gegend, in welcher die Schlundwand sich
in Bauchwand und Darmwand spaltet. Es reicht dieser Ursprung der
Brustdecke aufwärts und der Medianlinie sich nähernd bis zur
vordem Fläche des ersten Schlundbogens (oberhalb e). Aus diesen
Angaben geht hervor , dass auch der an seinem obern Ende ur-
sprünglich blind endigende Kopftheil des Bauchrohres in seiner
vordem Wand in zwei Blätter sich spaltet, welche eine unpaarige
bis zum untern Rande der Mundspalte reichende Fortsetzung der
Pleuroperitonealhöhle begrenzen. Somit besteht, wie man an einem
Medianschnitte (Holzsehn. XVI, S. 94) erkennt, das Kopfende des
Bauchrohres aus zwei hinter einander liegenden Höhlen , von welchen
die hintere die in die nachträglich entstehende Mundhöhle ausmün-
dende Schlundhöhle der Embryologen (m o p k h), die vordere (p t u) die
primitive Brusthöhle darstellt. Hierauf verlängert sich die Schlund-
höhle, wobei sie sich über die davor liegende Brusthöhle nach oben hin-
XIX.
Figr. XVII. Nach der Natur grez. Kopf
eines 6 Mallim. laueren Rindsembryo im
Halbprofil. Eiechgruben sind keine vor-
handen,
a Querschnitt des Aottenendes des Herzens, g
Oberkieferfortsatz, h Erster Schlundbogen.
Fig. XVIII. Frontalschnitt des vordem
Schädelendes dieses Embryo ; Gehirn wurde
entfernt.
Fig\ XIX. Frontalschnitt dieses Kopfes
durch die Gegrend der Augen und der Ober-
kieferfortsätze,
b c Lateraler Theil des Oberkieferfortsatzes, d
Medianer Theil desselben.
105
wegschiebt und zugleich rückt die Abgangsstelle der Brustdecke
von der Schlundwand tiefer herab. Auf diese Weise bildet sich
aus der über die Brusthöhle hinauswachsenden Schlundhöhle der
Hals, welcher anfangs sehr kurz war und als sogenannte Schlund-
höhle seine Lage hinter der Brusthöhle einnahm (vergl. den Holz-
schnitt XXI, S. 113, XXII, S. 114, XXIII, S. 115, XXIV, S. 116.
Schlundbogen und Schlundspalten.
Die primitive Schlundhöhle ist die Anlage des vor der Wirbel-
säule liegenden Abschnittes des Halses (Vorderhalses); ihr oberes
in die primitive Mundhöhle einmündende Ende betheiligt sich an
der Bildung des Gesichtes, indem ihre Seitenwände zu den Ober-
kieferfortsätzen und ihre vordere Wand zu dem Unterkieferfort-
satz sich verlängert.
Ihre Seitenwand wird durch vier von Rathke entdeckte
Schlundspalten durchbrochen, die man beim Rinde in ihrer schön-
sten Ausbildung an 6 — 12 Millim. langen Embryonen wahrnimmt
(Taf. I, Fig. 19 und 20, Taf. III, Fig. 14). Wie man aus dem
nebenstehenden den Kopf eines 6x/ä Millim. langen Rindsembryo
darstellenden Holzschnitt XX ersieht,
so beschränken sich die Schlund-
spalten auf die Seitenwand des
Schlundes und endigen bereits in eini-
ger Entfernung hinter dem Abgang
der primitiven Brustdecke (vergl. auch
Holzschn. XVII, S. 104). Die erste
oder oberste Schlundspalte ist die
längste (Taf. I, Fig. 20) ; sie überragt
die übrigen Schlundspalten sowohl in
der Richtung nach vorn als nach hin-
ten gegen das Schädelrohr. Ihr hinteres
Ende (oberhalb a) wird Ohröö'nung
u. s. w., stösst an das Schädelrohr an
Fig. XX. Kopf eine« 6'/aMm.
langen Rindsembryo.
und unterbricht daher die Bauchplatte
(1 c a) in ihrem Verlaufe zu dem Ober-
kieferfortsatz (i). Die übrigen Schlund-
spalten endigen in ihrem Verlaufe nach hinten gegen das Schädelrohr
a Wurzel des zweiten Schlundbo-
gens. e b Primitive Brustdecke.
c Kopfbauchplatte. 1 m Rumpf-
bauchplaite. f Obere Extremität,
d Gegend des Ductus Cuvieri.
i Oberkieferfortsatz, k Seitlicher
Stirnfortsatz. p Innerer Stirnfort-
satz. o Flügel d. mittl. Stirnfort-
satzes, r Gegend des Vorderhirns.
106
schon früher , wesshalb die dazwischen liegenden Schlundbogen
durch die ursprüngliche streifenförmige Bauchplatte (d c a) wie
durch eine gemeinschaftliche Wurzel in Verbindung gesetzt werden.
Dabei schwillt der den zweiten Schlundbogen abgebende Abschnitt
der Bauchplatte zu einem rundlichen von der übrigen Bauchplatte
durch eine Furche (nicht durch eine Spalte) abgesetzten Hügel (a)
an, hinter welchem man die Anlage des Ohrlab yrinthes (Taf. I,
Fig. 20) bemerkt; über dem Hügel liegt das hintere Ende der
ersten Schlundspalte oder die Ühröffnung. Niemals erreichen die
Schlundspalten die vordere durch den Abgang der Brustdecke
(Membr. reun. inf.) von der Seitenwand geschiedene Schlund-
wand. Höchstens bemerkt man hier , wenn der Hals über
die zurückweichende Brustwand sich hinaus verlängert und da-
durch eine freie Fläche gewinnt, transversale in der Richtung der
Schlundspalten verlaufende Furchen (vergl. Holzschn. XXI, S. 113,
XXIII, S. 115, XXIV, S. 116).
Was die Schlundbogen betrifft , so erscheinen dieselben
(Holzschn. XX) als Fortsätze der ursprünglichen neben der Wirbel-
säule und dem Schädel verlaufenden streifenförmigen Bauchplatten
(l c a i), welche auch die Extremitäten (f) abgeben. Reichert,
welcher bekanntlich zuerst auf dieses Verhalten aufmerksam machte,
nannte den Kopftheil der Bauchplatte „Kopfvisceralstreif" und die
davon abgehenden lateralen Schlundbogen „Visceralfortsätze". Ueber
das ursprüngliche Verhalten der Bauchplatten im Allgemeinen habe
ich oben (S. 101) bereits einige Mittheilungen gemacht und auch
schon W o 1 ff und B aer , welche uns mit diesen Streifen bekannt
machten und sie Bauchplatten nannten , verstanden darunter die
streifenförmige und ursprünglich ungespaltene , also die gemein-
schaftliche Anlage der Bauch-1) und Darmwand enthaltende Partie
des Embryonalschildes. Nach dem Eintritt der Spaltung zerfällt
jede Bauchplatte in ein oberes und ein unteres aber immer noch
streifenförmig verdicktes Blatt; für das obere die Grundlage der
eigentlichen Bauchwand darstellende Spaltungsblatt behält Baer
die Bezeichnung „Bauchplatte" bei. Er nennt sie auch zum Unter-
1) Die Bezeichnung »Bauch« gebrauche ich in dem bekannten weiteren
Sinn, verstehe also darunter den vor der Gegend der Wirbelsäule und de3
Schädels oder dem Rücken im Allgemeinen liegenden Theil des Leibes.
107
schied von der primitiven Bauchplatte „eigentliche Bauchplatte"
und unterscheidet daran wieder zwei Schichten , von welchen er
die obere die Hautschichte (Hornblatt, Remak), die untere die
Fleischschichte (Hautplatte, Remak) nennt. Da ich keinen trif-
tigen Grund habe, von der durch Baer eingeführten und gewiss
allgemein verständlichen Bezeichnung abzugehen , so kann man
an der primitiven (ungespaltenen) Bauchplatte einen Rumpftheil
und einen Kopftheil unterscheiden. Das oberste Ende des Kopf-
theilß, was ebenfalls schon Baer erkannte, ist der Oberkieferfort-
satz. Im Laufe der weitern Entwicklung jedoch unterscheidet sich
der Kopftheil in wesentlichen Dingen von dem Rumpftheil. Unter-
sucht man nämlich einen Säugethierembryo, dessen Bauchrohr sich
bereits geschlossen hat, wie es bei dem durch den Holzschn. XX
dargestellten Rindsembryo der Fall ist , so findet man die Bauch-
platte des Rumpfes zur Bildung der Pleuroperitonealhöhlc gespalten
und die jetzt neben der Wirbelsäule liegende streifenförmige Ver-
dickung (m 1) ist das obere Spaltungsblatt der primitiven Bauch-
platte oder die Baer 'sehe eigentliche Bauchplatte. Sie trägt die
Extremitäten , ist aber immer noch und auch später längere Zeit
hindurch sehr schmal und geht an ihrem lateralen Rande in eine
dünne die vorläufige Bauchdecke (Membrana reun. inf.) bildende
Haut über (Gegend zwischen in b 1). [Siehe S. 105.]
Was den neben dem Schädelrohr verlaufenden Kopftheil einer
Bauchplatte (d c a i k) betrifft, so nimmt sich derselbe bei äusserer
Besichtigung wie eine ununterbrochene Fortsetzung der Rumpf-
bauchplatte aus und beide zusammen werden durch eine schon
früher (S. 100) beschriebene Grenzfurche von dem Wirbel- und
Schädelrohr geschieden. Der unterhalb des zweiten Schlundbogens
liegende Abschnitt der streifenförmigen Kopfbauchplatte (c) ent-
hält die Jugularvene ; ebenso enthält das angrenzende Stück der
Rumpfbauchplatte (1) das obere Ende der Cardinalvene. Beide
Venen fliessen zur Bildung eines Ductus Cuvieri zusammen,
welcher in einer kurzen gemeinschaftlichen Fortsetzung (d) der
hier zusammenstossenden Kopf- und Rumpfbauchplatten enthalten
ist. Es verliert sich dieser Fortsatz in der durchsichtigen das
Herz bedeckenden primitiven Brustdecke (e b) und bezeichnet die
Grenze zwischen dem von den Schlundspalten durchbrochenen
108
Hals und dem übrigen Rumpf. Verfolgt man die streifenförmige
hinter den Schlundspalten liegende Kopfbauchplatte aufwärts, so
schwillt sie bei a zu einem runden die Wurzel des zweiten Schlund-
bogens darstellenden Hügel an, welcher durch eine Furche von
der übrigen Bauchplatte (c) sich absetzt. Somit gehen alle Schlund-
bogen, mit Ausnahme des ersten, von einem ihre ununterbrochene
gemeinschaftliche Wurzel darstellenden Streif ab. Oberhalb der
verdickten Wurzel des zweiten Schlundbogens liegt die einen An-
hang der ersten Schlundspalte darstellende Ohröffnung, welche das
Schädelrohr berührt und somit die streifenförmige Kopf bauchplatte
unterbricht. Weiter oben aber setzt die letztere ihren Lauf ent-
lang dem Schädelrohr bis gegen das vordere Schädelende als so-
genannter Oberkieferfortsatz fort (i k) und von ihm entspringt der
erste Schlundbogen.
Die Kopfbauchplatte unterscheidet sich wesentlich von der
Rumpfbauchplatte dadurch, dass sie nicht wie diese in eine eigent-
liche Bauchplatte und in eine Darmplatte sich spaltet. Ferner
unterscheidet sie sich dadurch, dass ihr vorderer Rand schon sehr
frühe in bogenförmige durch transversale Spalten geschiedene dicke
Fortsätze (Schlundbogen Rathke, Visceralfortsätzc Reichert)
auswächst, welche sich rasch nach vorn verlängern und die primi-
tive dünne Schlundwand verdicken. Verfolgt man diese Fortsätze
von den ursprünglichen Bauchplatten aus in der Richtung nach
vorn, so verlaufen sie zuerst in der Seitenwand des Schlundes,
sind hier durch die Schlundspalten geschieden und zeigen wie die
ihre Wurzel darstellende ursprüngliche Bauchplatte ebenfalls keine
Ablösung der Darmwand von der eigentlichen Leibeswand. Wie
jedoch Gott e beim Hühnchen ganz richtig hervorgehoben hat, so
finde ich auch bei Säugethieren eine solche die Pleuroperitoneal-
höhle ersetzende Abscheidung durch die in den Schlundbogen ver-
laufenden Aortenbogen gegeben. Interessant ist auch die vonGötte
beschriebene allmählige Fortsetzung der inneren die Darmwand
darstellenden Lage zur hinteren der Schädelbasis anliegenden und
hier nur durch das Darmdrüsenblatt dargestellten Schlundwand ;
wir erfahren dadurch , dass die bleibende Darmwand im ganzen
Tractus intestinalis aus entsprechenden Theilen der Embryonal-
anlagen und auf analoge Weise entsteht.
109
Von diesen Fortsetzungen der ursprünglichen Kopfbauchplatte
oder den Schlundbogen gewinnt, von der Seite gesehen, der erste oder
oberste die grösstc Länge , die folgenden sind kürzer und die ge-
ringste Länge zeigt der unterste Bogen (Holzschn. XX). Es hängt
dies zum Theil auch damit zusammen, dass die Schlundhöhle nach
oben sich erweitert, nach unten sich verengt. Bei ihrem Ueber-
gang zur vorderen Schlundwand worden die Schlundbogen nicht
mehr durch Spalten von einander geschieden , sie fliessen daher
zusammen und ihre Trennung wird nur durch Furchen angedeutet,
welche besonders bei Betrachtung der inneren der Schlundhöhle
zugekehrten Oberfläche auffallen. Die so durch Furchen einiger-
massen abgeschiedenen Schlundbogen jeder Seite vereinigen sich
nun in der vordem Schlundwand zu einem unpaarigen sämmtliche
Schlundbogen beider Seiten aufnehmenden Mittelstück (Holzschnitt
XVI, m nop, S. 102). Auch hier lassen sich noch an jüngeren
Embryonen die Schlundbogen durch flache Einsenkungen (XVI,
zwischen m und n, sowie zwischen n o) von einander unterscheiden.
Die Bezeichnung „Schlundbogen" gewinnt so eine doppelte Be-
deutung ; man versteht darunter die durch Schlundspalten geschie-
denen bogenförmigen Fortsätze der ursprünglichen Bauchplatte in
der seitlichen Schlundwand ; man gebraucht aber diese Bezeichnung
auch in einem weiteren Sinn , indem man die gleichen Schlund-
bogen der beiden Seiten als Einen, daher unpaarigen Bogen auf-
fasst. In diesem Sinn besteht dann ein Schlundbogen aus zwei
Seitentheilen und einem medianen Verbindungsstück; das letztere
gehört der vorderen Schlund wand, wird von den übrigen Schlund-
bogen nicht mehr durch Spalten geschieden und erscheint von vorn
gesehen nicht mehr convex , sondern flach eingesunken , weil die
Schlundhöhle einen in sagittaler Richtung comprimirten Raum dar-
stellt. Die dadurch entstehende flache Aushöhlung der vordem
Schlundwand bildet den Hintergrund der das Herz enthaltenden
primitiven Brusthöhle , deren Decke als sogenannte Membrana
reun. inf. zu beiden Seiten der vordem Schlundwand entspringt
und an jungen Embryonen bereits am untern Rand der primitiven
Mundspalte beginnt (s. oben S. 102). Daraus ergiebt sich aber
auch eine von der seitlichen Schlundwand verschiedene Zusammen-
setzung der vordem Wand , indem sich diese in eine tiefere die
110
Erklärung s. S. 105.
eigentliche Schlundwand darstellende und in eine dünnere ober-
flächlichere in die primitive Brustdecke übergehende Lage spaltet.
An dem in dem nebenstehenden Holzschnitt XX dargestellten Kopf
eines Rindsembryo ist das obere Ende der Brustdecke bereits bis
in die untere Hälfte des ersten Schlundbogens herabgerückt (ober-
halb e) und von hier aus steigt ihr
Ursprung (hinter e) von der eigent-
lichen Schlundwand schief rückwärts
abwärts bis zur untern Grenze der
Schlundhöhle (d). In dieser Richtung
spaltet sich die Schlundwand in ähn-
licher Weise wie die Rumpfwand. So
lange die primitive Brusthöhle mit dem
Herzen in dieser Höhle liegt , können
somit die Schlundbogen auch nur von
der Seite gesehen werden ; in dieser
Ansicht verlaufen sie nicht parallel,
sondern convergiren mit ihren an die Brustwand seitlich anstossen-
den Enden. Dort angekommen gehen sie mit ihrer oberflächlichen
Schichte, welche dem Hornblatt und der Hautplatte Remak's
entspricht, in die dünne Brustdecke über; mit ihrer tieferen ihre
eigentliche Fortsetzung darstellenden Schichte dagegen wenden sie
sich zur vorderen thalförmig eingesunkenen vorderen Schlundwand
(vergl. Taf. I, Fig. 20 und 21 , sowie Holzschn. XVII, S. 104).
Sie erfahren deshalb beim Uebergang von der seitlichen convexen
zur vorderen concaven Schlundwand eine Knickung, ähnlich dem
Ellenbogenvorsprung der vor der Brust gekreuzten Arme, welche
bei reiner Profilansicht (Taf. I, Fig. 19) ein scheinbar freies vor-
deres Ende eines Schlundbogens vortäuscht.
Der oberste oder erste Schlundbogen (Holzschn. XX) erscheint
am frühesten , geht mit einem niedrigeren Anfangsstück aus dem
seine Wurzel darstellenden oberen Ende der Kopfbauchplatte (i)
hervor und scheint dann im Profil gesehen mit einer mächtigen
runden Anschwellung oder einem Kolben frei zu endigen (Taf. I,
Fig. 19). Dieser scheinbare Endkolben ist jedoch nur die Stelle,
an der sich der einen mehr in die Länge gezogenen Wulst dar-
stellende Bogen zur vordem eingesunkenen Schlundwand wendet
111
(Taf. I, Fig. 20 und 21, und Holzschn. XVII, S. 104). Dort
angelangt, nimmt er an Höhe und Dicke rasch ab und verbindet
sich mit dem der andern Seite zu einem ganzen Bogen oder zu
dem ersten Schlundbogen im weiteren Sinn und hängt auch an
seiner vordem Fläche mit der primitiven Brustdecke zusammen.
Der zweite Schlundbogen zeigt eine sichel- oder schwertförmige
Gestalt mit einem obern schwach concaven und einem untern stark
convexen Rande (Taf. I, Fig. 20 und 21). Der Theil der ursprüng-
lichen Kopfbauchplatte , von welcher der zweite Schlundbogen
abgeht, ist zu einem vorspringenden Hügel (XX, a) verdickt (s. S. 105)
und kann als rundliches Wurzelstück dieses Bogens beschrieben
werden. Zwischen ihm und dem sichelförmigen Stück zeigt der
untere Rand einen wirklichen Ausschnitt, welcher die hier begin-
nende zweite Schlundspalte erweitert. Das in der Seitenansicht
vordere Ende hängt mit der Brustdecke zusammen und wendet
sich dann zur vordem Schlundfläche , wobei es zugleich schräg
aufsteigt. Eine weitere Verfolgung dieses Bogens bis zur Median-
linie der vordem Schlundwand ist wegen der hier angehefteten
obern Partie der primitiven Brusthöhle nicht möglich. Nach Ent-
fernung der Brustdecke und
des Herzens wird zwar, wie
der nebenstehende Holz-
schnitt XVII zeigt , der me-
diane Abschnitt der vordem
Schlundwand blossgelegt,
zeigt jedoch keine Spur ir-
gend einer durch Furchen
angedeuteten Abgrenzung
der hier zusaminenfliessen-
den Schlundbogen. Von der
Schlundhöhle aus gesehen
bemerkt man jedoch hier
transversale sämmtliche Schlundbogen trennende Furchen, so dass
man daher immerhin auch von einem zweiten, dritten und vierten
unpaarigen Schlundbogen sprechen kann.
Die folgenden kürzeren Schlundbogen, nämlich der dritte und
der vierte, entspringen breit von der ursprünglichen Kopfbauch-
XVII.
AVIL
-3-
XIX.
Erklärung s. S. 104.
112
platte , erreichen bei äusserer Betrachtung schon bald den mehr
und mehr lateralwärts vorrückenden Abgang der Brustdecke und
verhalten sich von da an ebenso wie der zweite Schlundbogen.
Was die Schlundspalten betrifft, von welchen die unterste die
kürzeste , die oberste die längste ist , so unterscheidet sich die
letztere von den übrigen noch dadurch , dass ihr Anfang nicht vor
der ursprünglichen Bauchplatte, sondern in dieser selbst liegt. Es
wird dadurch die Kopfbauchplatte in ihrem Verlaufe nach oben
völlig unterbrochen (Holzschn. XX oberhalb a, S. 105). Dieses
bis zu dem Schädelrohr gelangende hintere Ende der ersten Spalte
oder die Ohröffnung kann somit nicht unbedingt als eine den
übrigen Schlundspalten völlig gleichwerthige Lücke angesehen
werden; auch scheidet sie sich sehr bald von dem davor liegen-
den Theil der ersten Schlundspalte durch eine Substanzbrücke ab
(XXI, S. 113).
Kiemendeckelartiger Fortsatz, Hals.
Wie der auf Taf. I, Fig. 19 abgebildete Kopf eines Rinds-
embryo deutlich zeigt , so ist der dritte Schlundbogen nicht blos
niedriger, sondern auch dünner als der zweite; der dünnste ist
der vierte. Diese Dickenabnahme erzeugt in der untern Partie
der seitlichen Schlundwand eine dreiseitige mit der ausgerundeten
Spitze abwärts gekehrte Vertiefung, welche oben von dem untern
Rand des zweiten Schlundbogens, hinten von dem vordem Rand
der primitiven streifenförmigen Kopfbauchplatte und vorn von dem
Ursprung der primitiven Brustdecke begrenzt wird. Die untere
Spitze wird von dem obern concaven Rand des schon auf S. 107
beschriebenen Grenzstreifs zwischen Hals und Rumpf umfasst
(XX, d), welcher den Ductus Cuvieri deckt. Dieses so entstan-
dene untere seitliche von den drei unteren Schlundspalten durch-
brochene Halsdreieck , welches eine flache Vertiefung darstellt,
wird allmählig von dem untern Rande des zweiten Schlundbogens
wie von einem Deckel überbrückt, wobei die aufliegende Deckel-
fläche mit dem Grunde der genannten Halsgrube verschmilzt,
während der hintere Rand des Deckels mit der streifenförmigen
113
Fig-. XXI. Kopf eines 1 Ctm. langen
Rindsembryo.
Bauchplatte , der vordere Rand dagegen mit der davor liegenden
Brustdecke verwächst.
Es entwickelt sich dieser Deckel aus dem untern convexen
Rande des sichelförmigen Abschnittes des zweiten Schlundbogens,
der dadurch die Gestalt eines breiten mit stark convexer Klinge
versehenen Schwertes erhält , wie man sehr schön an dem auf
Taf. III, Fig. 16 dargestellten Hühnerembryo wahrnimmt. An
einem etwas älteren Rindsembryo (Holzschnitt XXI) hat sich dieser
Rand bereits in einen abgerundeten dreieckigen Deckel (b) aus-
gezogen , welcher die zweite
Schlundspalte bereits überbrückt
und eben im Begriffe steht, auch
die dritte Spalte zu überschreiten.
Hinter diesem den Deckel tra-
genden Stück des zweiten Schlund-
bogens erkennt man noch dessen
der ursprünglichen Bauchplatte
angehöriges rundliches Wurzel-
stück (a). Auch hat sich jetzt
das vordere aber noch sehr nied-
rige Schlussstück des gesammten
zweiten und dritten Schlundbogens
frei gemacht, indem der Ursprung
der primitiven Brustdecke bis in
die Gegend des untersten Schlund-
bogens herabgerückt ist. Sehr verändert hat sich auch der erste
Schlundbogen, denn er ist höher geworden und zerfällt durch eine
transversale Einsenkung in eine untere dem Halse verbleibende
Partie und in eine obere oder den Unterkieferfortsatz , welcher
bereits in der Richtung nach vorn zur Verlängerung des Mund-
höhlenbodens vorwächst. Die über die Brusthöhle hinaus gewach-
sene und dadurch frei gewordene vordere Fläche des Schlundes
oder des Halses zeigt unterhalb der genannten Einsenkung des
ersten Schlundbogens noch zwei andere Furchen, von welchen
die obere den ersten Schlundbogen von dem zweiten und die un-
tere den zweiten Schlundbogen von der darauf folgenden Hals-
wand abscheidet. Die erste Furche liegt in der Richtung der
;i Rundliches Wurzelstück des zweiten
Schlundbogens. b Kiemendeckelartiger
Fortsatz desselben. c Kopfbauchplatte,
d Gegend des Ductus Cuvieri. k Seit-
licher Stirnfortsatz. p Innerer Stirnfort-
satz, o Zwischenkiefer.
Dursy, Entwicklgsgesch.
8
114
ersten Schlundspalte, ohne jemals eine solche zu sein. Die eigent-
liche erste Schlundspalte liegt seitlich und ist an diesem Embryo
noch offen. Durch eine den ersten mit dem zweiten Schlundbogen
verbindende Substanzbrücke wird sie von der dahinter liegenden
Ohröffnung (XXI oberhalb a) geschieden. Was die zweite dicht
darunter liegende Querfurche betrifft, die ebenfalls niemals eine die
Schlundwand durchbrechende Spalte war, so verläuft diese in der
Richtung des untern steil absteigenden Randes des zweiten Schlund-
bogens. Das zwischen diesen Furchen liegende noch sehr nied-
rige Bogenstück scheint bei dieser Ansicht nur das unpaarige
Verbindungsstück der beiden Seitenhälften des genannten Bogens
zu sein. Eine genauere Untersuchung ergiebt jedoch , dass hier
der zweite und der jetzt völlig ,ron ihm gedeckte dritte Schlund-
bogen zu einem einzigen unpaarigen Mittelstück sich verbunden
haben.
Allmählig rückt der Kiemendeckel weiter herab (vergl. den in
nebenstehendem Holzschnitt XXII dargestellten Kopf eines Rinds-
embryo), wobei er (b) sämmtliche
Schlundspalten verschliesst und' mit
den dazwischen liegenden Schlund-
bogen verschmilzt. Noch immer hat
er eine dreieckige mit der Spitze
abwärts gekehrte Gestalt, legt sich
aber bereits mit seinem hintern Rand
an die Kopfbauchplatte an. Der Hals
ist an seinem vordem Umfang höher
geworden und zeigt die schon oben
beschriebene Einsenkung des ersten
Schlundbogens sowie die beiden
darunter liegenden Querfurchen. Die
k, stiinnasenfurche. p, Mittlerer stim- Einsenkung des ersten Schlund-
fortsatz. o, Zwisehenkiefer.. r, Unter- . / • 1 i \ 1
kiefertortsatz. s, Erster Schluudbogen. DOgenS (zwischen S und r) hat an
a, Grenzfurche zwischen Hals und Schä-
dei. b, Untere Haisgregend. d , Gegend Tiefe bedeutend zugenommen, so
des Ductus Cuvieri.
dass sie nun ebenfalls eine Quer-
furche darstellt, welche von dem bereits vorgewachsenen Unter-
kieferfortsatz überragt wird. Das ehemalige rundliche unter der
Ohröffnung gelegene Wurzelstück des zweiten Schlundbogens (a)
Fig. XXII. Kopf eines 1,6 Ctm.
langen Kindsembryo.
115
ist nicht mehr als eine besondere Bildung zu unterscheiden. Die
vor der Ohröffnung beginnende erste Schlundspalte ist noch völlig
offen und in ihrer Richtung verläuft die den ersten Schlundbogen
abwärts abgrenzende Querfurche des vordem Halsumfanges. Sehr
deutlich zeigt es sich hier, dass die untere Hälfte des ersten
Schlundbogens dem Halse verbleibt und dessen oberste an den
Mundhöhlenboden anstossende Partie (Zungenbeingegend) darstellt.
Das unterhalb der Grenzfurche des ersten Schlundbogens folgende
Stück der vordem Halsfläche verhält sich so, wie oben angegeben
wurde, nur ist es höher geworden, indem auch das vordere Schluss-
stück des früheren vierten Schlundbogens mit ihm verschmilzt.
Die darunter liegende und seitwärts am vorderen Rand des Kiemen-
deckels (b) absteigende Furche trennt den letztern von der noch
übrigen untersten Halspartie , welche von Anfang an unterhalb
der untersten Schlundspalte lag und den Uebergang des Halses
in den Rumpf vermittelte. Ihre untere Grenze ist jedoch auch
jetzt noch durch die Gegend des Ductus Cuvieri (d) markirt;
nach vorn geht sie in die Brustdecke über und nach hinten und
oben berührt sie den mit der Unterlage völlig verschmolzenen
Rand des Kiemendeckels (man erlaube mir der Kürze halber diesen
Ausdruck).
Im Laufe der Entwicklung **: xx^ ^SaSSS^S!"^ 1&n"
verwischt sich jedoch in Folge einer ™™.
gleichmässigen Verdickung auch in
dieser Gegend jedeAbgrenzung (vergl.
den Kopf eines Rindsembryo Holz-
schnitt XXIII). Der noch immer
sehr kurze Hals ist umfänglicher
geworden. Unterhalb der geschlos-
senen und verkleinerten Mundspalte
folgt der den Boden der Mundhöhle
darstellende Unterkieferfortsatz und
,. n i l • tp u/ !■ *> Wulst über und hinter dem Auge.
hieraut durch eine .furche (a, die 0 , Zwischenkiefer, a, Grenzfurche zwi-
. . . i •• . \ sehen Unterkiefertheil und Halstheil des
manZungenbemfurche nennen konnte) ersten schlundbogens, die man zungen-
beinfurche nennen könnte, h, Halstheil
geschieden die untere dem Halse des früheren ersten Schlundbogens; da-
° hinter die Anlage des äussern Ohres.
verbleibende Partie des früheren °> untere Haisgegend.
ersten Schlundbogens (h). Die zwischen h und b verlaufende
8*
116
Furche ist die frühere jetzt schräg nach hinten absteigende
Grenzfurche zwischen dem Gebiete des ersten und zweiten Schlund-
bogens. Die noch an dem vorhergehenden Embryo daran sich
anschliessende erste Schlundspalte, die sich somit am längsten er-
hält, ist jetzt spurlos verschwunden. Hinter h liegt die Ohröffnung,
deren Rand sich zur Bildung des äusseren Ohres erhebt. Die
durch b bezeichnete Gegend erscheint
Fig-. xxiv. Kopf eines 2,2 ctm. jetzt gleichförmig verdickt und ent-
lang-en Rindsembryo. . . ., . .
hält an dem vorhergehenden Embryo
J[Xiy den kiemendeckelartigen Fortsatz
sowie noch eine zweite Furche in
der vordem Halsgegend. Alle diese
Abgrenzungen sind in Folge aus-
gleichender Verdickungen verschwun-
den und da diese Verdickung auch
auf die angrenzende Brustdecke sich
erstreckt, so erscheint jetzt der Hals
verhältnissmässig etwas kürzer als
an dem vorigen Rindsembryo.
Alsbald aber streckt er sich
wieder (Holzschn. XXIV), die Mund-
spalte wird kürzer und die Furchen der vordem Halsseite gehen
ihrer Ausgleichung entgegen. Auffallend dünn erscheint hier das
Grenzgebiet zwischen Hals und Rumpf.
8, Halstheil des ersten Schlundbogens.
u, AeusseresOhr. b, Untere Halsgegend.
Unterkieferfortsatz , Zunge.
Von den beiden Seitenhälften, welche den ersten Schlundbogen
zusammensetzen (vergl. S. 110), bildet jede an jüngeren Säuge-
thierembryonen (Holzschn. XVII, S. 104, und Holzschn. XX, S. 105)
einen halbovalen Kolben mit zwei dünneren Enden , von welchen
das hintere aus dem in einen Oberkieferfortsatz sich furtsetzenden
Kopfende der Bauchplatte (XX , i) abgeht , das vordere an der
vordem Schlundwand mit dem der andern Seite sich verbindet
und den mittleren winklig ausgeschnittenen untern Rand der Mund-
öffnung darstellt (S. 98). Der untere Rand eines Kolbens ist mehr
117
gerade oder nur schwach convex, sehr gewölbt und bei seitlicher
Betrachtung wie zu einem runden Hügel sich erhebend ist der
obere die Mundspalte begrenzende Rand. Wie ich zum Theil
schon oben (S. 111) angegeben habe, so nimmt der Kolben nach
seinem Uebergang zur vordem Schlundwand an Höhe und Dicke
ab, so dass der erste Schlundbogen von vorn gesehen in der me-
dianen Zone thalförmig eingesunken und an seinem obern Rand
winklig ausgeschnitten erscheint (vergl. Taf. I, Fig. 19, 20 und 21).
Alsbald aber nimmt der ganze Schlundbogen an Dicke und
besonders an Höhe zu und es wachsen aus seinem obern Rand
vier Hügel hervor, welche zusammen einen gegen die Mundspalte
convexen Aufsatz oder den sogenannten Unterkieferfortsatz for-
miren (Taf. I, Fig. 2 und 3). Die beiden seitlichen und längeren
Hügel haben sieh aus den früheren kolbigen Seitenhälften des
Schlundbogens hervorgebildet. Die beiden mittleren kleineren
und mehr rundlichen Hügel erfüllen den früheren winkligen Aus-
schnitt des obern Schlundbogenrandes , übertreffen an Höhe die
seitlichen Hügel und werden, wie ich es bei dem Rinde und Schafe
finde, durch einen medianen keilförmig sich einschiebenden hohen
Zwickel geschieden. Beide mittlere Hügel mit ihrem Zwickel
bilden den höchsten Theil des ersten Schlundbogens, kommen an
Breite dem darüber liegenden und ihnen entgegen wachsenden Stirn-
fortsatz gleich und bilden gleichsam ein die spätere Kinngegend
darstellendes Zwischenkieferstück des Unterkieferfortsatzes.
Es enthält der Unterkieferfort-
satz die Anlage der Knochen und
Weichtheile des Bodens der Mund-
höhle und in ihm entwickelt sich als
vorläufige Stütze der MeckePsche
Knorpel. Indem sich der Unter-
kieferfortsatz nach vorn in der Rich-
tung gegen das vordere Schädelende
verlängert und dadurch den Boden
der Mundhöhle vergrössert, bildet
sich zwischen ihm und der darunter
liegenden ursprünglichen Partie des Erklärung s. s. im.
ersten Schlundbogens, woraus der obere Theil der vordem und
118
seitlichen Halsgegend hervorgeht, die von dem Unterkieferfortsatz
überragte Grenzfurche. Dieselbe scheidet den Mundhöhlenboden
von dem Hals und liegt in der nebenstehenden Abbildung eines
Rindsembryo zwischen r (Unterkieferfortsatz) und s (erstem Schlund-
bogen). Indem sich der Unterkieferfortsatz entsprechend der Ver-
längerung des Gesichtes und des Schädels horizontal nach vorn
schiebt, wird der Mundhöhlenboden ausgebildet und es entspricht
die erwähnte Grenzfurche der spätem Zungenbeingegend.
Auch bei dem Menschen entwickelt sich der Unterkieferfort-
satz in Gestalt von vier flachen Hügeln auf dem oberen Rand des
ersten Schlundbogens , die man sehr schön in den Abbildungen
verschiedener menschlicher Embryonen bei C o s t e erkennt. Den
medianen Zwickel vermisse ich. Einer dieser Embryonen , der
nach Coste *) 35 Tage alt ist, zeigt in Fig. 3 sehr deutlich den
aus vier flachen Höckern zusammengesetzten Unterkieferfortsatz,
welcher durch eine Furche, die ich oben bei den Rindsembryonen
Zungenbeinfurchc genannt habe , von dem ursprünglichen dem
Halse verbleibenden ersten Schlundbogen geschieden ist und aus
welcher der Mundhöhlenboden nebst dem Unterkiefer sich ent-
wickelt. Die beiden mehr rundlichen und den höchsten Theil des
Unterkieferfortsatzes bildenden Hügel sind durch einen medianen
flachen Ausschnitt geschieden, welcher bei den Rinds- und Schafs-
embryonen durch einen medianen Zwickel ausgefüllt wird. Es
bilden diese beiden der spätem Kinngegend angehörigen Hügel
mit einander ein dem mittleren Stirnfortsatz an Breite gleichkom-
mendes Mittelstück des Unterkieferfortsatzes , welches man Kinn-
stiiek nennen könnte. Zu beiden Seiten folgen durch flache Aus-
schnitte geschieden die längeren aber weniger hohen lateralen
Hügel des Unterkieferfortsatzes. In der citirten Figur von Coste
ist der erste Schlundbogen herabgeschlagen, daher die Seitenhügel
höher zu stehen scheinen , man vergleiche daher Fig. 2 derselben
Tafel. Der unter dem Unterkieferfortsatz liegende ursprüngliche
erste Schlundbogen erscheint von vorn gesehen etwas abgeflacht,
gehört der obersten Halsgegend an und wird durch eine tiefer
liegende Furche von dem folgenden Schlundbogen geschieden.
1) Developpement des Corps organises, espece humaine. PI. 4a.
119
Auch in Fig. 1 der genannten Tafel von Coste erkennt man im
Profil den von dem Unterkieferfortsatz erzeugten aber noch wenig
vorspringenden Wulst, welcher durch eine flache Furche von der
untern dem Halse verbleibenden Hälfte des ersten Schlundbogens
getrennt wird. Derselbe Embryo findet sich auch inKölliker's
Entwicklungsgeschichte S. 134 abgebildet, jedoch ist daran die
Zusammensetzung des Unterkieferfortsatzes aus vier durch flache
Furchen geschiedenen Hügeln nicht zu sehen. Sehr deutlich aber
erkennt man die durch die Zungenbeinfurche markirte Abschei-
dung des ersten Schlundbogens in einen obern hufeisenförmigen
Aufsatz (Unterkieferfortsatz) und in eine untere dem Halse ange-
hörige Partie.
An einem 40 Tage alten von Coste (PL Va) abgebildeten
menschlichen Embryo bemerkt man im Profil eine von der Ohr-
öffnung nach vorn verlaufende Furche, welche das Gebiet des
ersten und zweiten Schlundbogens sondert. Der erste Schlund-
bogen zeigt an seinem vordem Umfang die Zungenbeinfurche und
darüber den schon weiter vorgeschobenen Unterkieferfortsatz.
An einem von mir aufTaf. VI, Fig. 13 dargestellten 1,3 Ctm.
langen menschlichen Fötus , dessen erster Schlundbogen herabge-
schlagen ist, zeigt derselbe ebenfalls einen jedoch noch sehr nied-
rigen und noch nicht in besondere Hügel geschiedenen Unter-
kieferfortsatz , welcher wie ein niedriger in der Zeichnung hell
gehaltener Aufsatz dem ersten Schlundbogen aufliegt und von
demselben durch eine Furche sich absetzt. Die Abgrenzung des
letztern von der Gegend des früheren zweiten Schlundbogens ge-
schieht durch eine rückwärts in die Ohröffnung einmündende bo-
genförmige Furche , die in dem Stich zu scharf hervorgehoben
wurde; durch diesen Fehler entsteht hier das Bild eines breiten
abgerundeten mit der Convexität abwärts gerichteten Kinns. Letz-
teres aber erhebt sich später aus dem darüber liegenden Unter-
kieferfortsatz, hinter welchem die Zunge hervorsieht.
An einem etwas älteren 1,8 Ctm. langen menschlichen Fötus,
dessen Gesicht ich auf Taf. VI, Fig. 1 1 dargestellt habe, bemerkt
man die Anlage der spätern Kinngegend an einem in die Mundspalte
eindringenden abgerundetenVorsprung, der aber an diesemKopfe keine
Trennung in zwei Hügel erkennen liess; im Profil gesehen (Fig. 10)
120
erkennt man die Grenze zwischen erstem Schlundbogen und
der darüber liegenden Gegend an einem vordem Einschnitt, der
rückwärts in der Richtung gegen die Ohröffnung in eine kurze
Furche ausläuft. Der obere Rand des ersten Schlundbogens war
als Unterkieferfortsatz schon nach vorn verlängert und durch die
Mundspalte von dem in gleicher Richtung verlaufenden Oberkiefer-
fortsatz geschieden ; ich konnte jedoch hier eine Zungenbeinfurche
nicht bemerken.
Alsbald wird der aus dem obern Umfang des ersten Schlund-
bogens hervorgewucherte Unterkieferfortsatz von dem M eck er-
sehen Knorpel gestützt, den ich bereits an einem 1,9 Ctm. langen
in Fig. 2 der sechsten Tafel abgebildeten menschlichen Fötus fand.
Wie man dort an den Durchschnitten der Seitenhälften des ersten
Schlundbogens bemerkt , so liegen die Meckel'schen Knorpel dem
obern Rande desselben viel näher ; sie nehmen nämlich ihren
weitern Verlauf nicht in der ursprünglichen dem Halse verblei-
benden Partie dieses Schlundbogens, sondern in dessen Unter-
kieferfortsatz , den sie stützen. Ihre Lage zu dem später ent-
stehenden Unterkieferknochen ist bekannt und lässt sich am besten
an Durchschnitten erkennen (vergl. Taf. II, Fig. 5 und 7 ; Taf. IV,
Fig. 9 und 15; Taf. VII, Fig. 8); in der Kinngegend kommen
beide Knorpel zusammen (Taf. II, Fig. 2 und 3; Taf. IV, Fig. 14;
Taf. IX, Fig. 7).
Bei dem Menschen fliessen die Meckel'schen Knorpel nicht,
wie z. B. bei dem Rinde, zu einem unpaaren Stück zusammen,
sondern verlaufen parallel nebeneinander noch eine Strecke weit
in dem Unterkiefer zwischen Protuberantia mentalis interna und
externa nach vorn , sind jedoch durch eine breite Faserschichte,
welche ähnlich wie in der Schambeinfuge die beiden Unterkiefer-
knochen verbindet, von einander geschieden. Sie erhalten sich in
dieser Gegend das ganze fötale Leben hindurch und auch bei
Neugeborenen fand ich noch Reste. Diese Gegend zwischen dem
inneren und dem äusseren Kinnhöcker ist es auch, in welcher bei
Neugeborenen zwischen die verknöcherten Unterkieferhälften zu
beiden Seiten der sie verbindenden Faserschichte je ein rund-
licher besonderer Knochenkern *) eingeschaltet ist. An dem vor-
1) Auch Arnold beschreibt diesen Knochenkern in seinem Lehrb. d. Anatomie.
121
dem inneren Umfang dieser Zwischenkieferknochen finde ich noch
nach der Geburt einen nicht unbedeutenden Rest des Mcckel'-
schen hyalinen Knorpels , auf dessen Kosten der Knochenkern
wächst. An Querschnitten dieser Gegend erscheint daher jeder
Meckel'sche Knorpel als eine Scheibe, deren mediane Hälfte zwar
noch deutlich erhalten und scharf durch ein Perichondrium von
der medianen Faserknorpelschichte beider Unterkieferhälften ge-
schieden ist ; die laterale Hälfte dagegen ist von dem angrenzenden
Knochenkern nicht abgesetzt, sondern dessen Bälkchen treten in
den Knorpel unmittelbar ein und verlieren sich darin (Taf. IX,
Fig. 7).
Was die oben beschriebenen Hügel betrifft, aus denen sich
der Unterkieferfortsatz zusammensetzt, so wurden dieselben auch
von Reichert1) an Schweinsembryonen gesehen; jedoch fand
Reichert hier nur vier Hügel.
Zange.
Die Zunge entsteht bei dem Menschen und den von mir un-
tersuchten Säugethieren aus der inneren Oberfläche der drei oberen
Schlundbogen und zwar entwickelt sich ihr ursprünglich paariger
Körper aus den kolbig verdickten Enden beider Seitenhälften des
ersten Schlundbogens, während die unpaarige Anlage der Zungen-
wurzel eine Wucherung des Schlussstückes des zweiten und dritten
Schlundbogens darstellt. Auf Taf. I, Fig. 18 habe ich die der
Innenfläche der drei oberen Schlundbogen aufliegende Zunge eines
1,15 Ctm. langen Rindsembryo dargestellt. Der dem ersten Schlund-
bogen aufliegende Zungenkörper besteht aus zwei nach hinten
sich verschmälernden Seitenhälften, die durch ein breites Thal von
einander geschieden werden. Im Grunde der letztern bemerkt
man eine keilförmig sich einschiebende breite Leiste, welche hinten in
die Zungenwurzel übergeht. Die eine dreiseitige Platte darstellende
Zungenwurzel erstreckt sich mit einer hinteren abgerundeten Spitze
bis zu dem Kehlkopf herab und gewinnt ihre grösste Ausbreitung
hinter dem paarigen Zungenkörper, woselbst sie auch noch von dem
Grenzgebiet des ersten und zweiten Schlundbogens ihren Ursprung
ableitet. In den Figuren 2, 20 und 21 erblickt man durch die
1) Müll. Archiv. 1837.
122
Mundspalte hindurch das Epitheliura , welches sich von dem dar-
unter liegenden aus zwei Seitenhälften bestehenden vordem Ende
der Zunge blasig abgehoben hat.
Auf Taf. VI, Fig. 12 wurde die Zunge eines 1,8 Ctm. langen
menschlichen Embryo dargestellt und man erkennt auch hier eine
durch eine mediane Leiste (e) angedeutete paarige Anlage des
Zungenkörpers (d). Von der dahinter liegenden Zungenwurzel (c)
wird die Leiste durch eine tiefe winklig gebrochene Spalte abge-
grenzt, welche sich nach beiden Seiten in eine seliief nach vorn
und lateralwärts verlaufende Grenzfurche zwischen Zungenwurzel
und Zungenkörper fortsetzt. In dieser Furche entstehen die Pa-
pulae circumvallatae ; ein Rest der Spalte, in welche diese Grenz-
furche medianwärts sich vertieft, erhält sich als Foramen coecum.
Auch an einem älteren 3,8 Ctm. langen menschlichen Fötus
zeigt der Zungenkörper noch deutlich eine durch eine mediane
Furche angedeutete Theilung und auch von der Zungenwurzel
wird er noch durch eine winklig gebrochene tiefe Furche schart
abgeschieden. Die spaltenförmig vertiefte mediane Partie dieser
Grenzfurche wird Foramen coecum.
Die in den Figuren 13 und 14 dargestellten Köpfe mensch-
licher Embryonen zeigen den in seiner Anlage doppelten Zungen-
körper in seiner Lage in der Mundhöhle.
Wenn sich die Zunge von ihrer Unterlage erhebt und in der
Richtung nach vorn an Länge zunimmt, erfüllt sie alsbald den
ganzen Raum der Mundhöhle und des Nasenrachengangs j sie liegt
daher der Schädelbasis und der daselbst entstehenden breiten Nasen-
scheidewand dicht an (vergl. Taf. II, Fig. 1, 2, 3, 5 und 7). Erst
mit dem Beginn der Gaumenschliessung weicht sie und zwar zu-
erst mit der Spitze von der Schädelbasis zurück.
Oberkieferfortsatz.
Ein Oberkieferfortsatz ist die entlang der Seitenwand des
Spheno-Ethmoidaltheiles des Schädels sich fortsetzende Verlänge-
rung der ursprünglichen streifenförmigen Kopfbauchplatte (vergl.
S. 92, 101 und 106). An einem 6—10 Millim. langen Rindsembryo
123
Erklärung s. 8. 105.
(Holzschnitt XX) hat er, von aussen gesehen, die Gestalt eines
dreieckigen Lappens (i) , woran man zwei Ränder, zwei Flächen
und eine vordere Spitze unterscheidet.
Der obere convexe unter dem Auge
vorbei ziehende und seiner ganzen
Länge nach an den Schädel geheftete
Rand Avird von diesem durch eine Furche
geschieden , welche eine Fortsetzung
der den Rücken von dem Bauch schei-
denden Grenzfurche (S. 101 und 107)
darstellt (vergl. auch Taf. I , Fig. 20).
Der untere ebenfalls convexe gegen
die Spitze jedoch coneave Rand bildet
die obere Begrenzung des lateralen
Theils der Mundspalte. Die ebenfalls
mit dem Schädel verwachsene Spitze erreicht nicht das vordere
Schädelende , sondern endigt in einiger Entfernung vor dem
Auge am hintern unteren Umfang der Riechgrube.
An einem Frontalschnitt des Oberkieferfortsatzes überzeugt
man sich, dass derselbe vielmehr eine dreiseitige Pyramide ist,
deren nach hinten gerichtete Basis (XX , i) aus dem Theil der
Kopfbauchplatte sich entwickelt , welcher auch den ersten
Schlundbogen abgiebt. Der nebenstehende Holzschnitt (XIX) stellt
einen durch die Gegend der
Augen geführten Frontal-
schnitt des Kopfes eines 6
Millim. langen Rindsembryo
dar und man unterscheidet
an dem Oberkieferfortsatz
eine laterale (b c), eine me-
diane (c d) und eine obere
Fläche (b d) sowie einen
untern Rand (c). Die obere
Fläche, die an diesem Fron-
talschnitt ungefähr durch
eine Linie ausgedrückt wer-
den kann, welche oberhalb d dicht unter der Schädelbasis beginnt
Ml.
XVlll.
Erklärung s. S. 104.
124
und unter dem Auge zu dem Punkt b geführt wird, ist nicht frei,
sondern mit dem Schädel so verbunden , dass der ganze Ober-
kieferfortsatz nur als eine laterale das Auge tragende Ausladung
des untern Schädelumfangs erscheint. Von den beiden übrigen
Flächen ist die laterale gewölbt und oben durch die schon öfters
erwähnte Grenzfurche (b) von der Seitenwand des Schädels ge-
schieden. Darüber bemerkt man einen kleinen dem Auge ent-
sprechenden Hügel , welcher die in der Einstülpung begriffene
Augenblase enthält (in Holzschnitt XVII bemerkt man diesen Hü-
gel über dem vordem sich zuspitzenden Ende des Oberkieferfort-
satzes). Vergleicht man damit den dieselbe Gegend betreffenden
Frontalschnitt eines in der Entwicklung etwas weiter fortgeschrit-
tenen Kaninchenembryo (Holzschnitt XXVII, S. 133), so bemerkt
man auch hier diesen über der Grenzfurche c liegenden aus dem
Hornblatt und der Hautplatte bestehenden Augenhügel (b), dessen
Mitte mit Hinterlassung einer kreisförmigen Oeffnung zur Bildung
einer Grube sich eingesenkt hat, welche die entgegen kommende
Augenblase einstülpt.
Die mediane Fläche des Oberkieferfortsatzes (XIX, c d) be-
ginnt unmittelbar an der Schädelbasis (oberhalb d) und steigt
schräg nach aussen zum untern Rand (c) herab. In diesem Ver-
laufe zerfällt sie durch eine zwischen c und d liegende flache
Bucht in einen medianen (d) und in einen tiefer stehenden late-
ralen Abschnitt c (vergl. auch Taf. I, Fig. 14). Mit Hülfe dieser
Abscheidung der medianen Fläche in zwei Abtheilungen kann man
nun den gesammten Oberkieferfortsatz in zwei diesen entsprechende
Portionen trennen, nämlich in einen lateralen höheren (b d) und
in einen medianen niedrigeren Theil (d). Jener enthält die Anlage
der Lamina ext. des Proc. pterygoideus des Keilbeins , des Ober-
kiefers, des Jochbeins und der dazu gehörigen Weichtheile, dieser
die Anlage der Lamina int. des Proc. pterygoideus der senk-
rechten Gaumenplatte und der betreffenden Weichtheile. Ferner
entwickelt sich aus dem medianen Theil und zwar durch Ver-
längerung der an der medianen Fläche sichtbaren flachen Er-
habenheit (d) eine Gaumenplatte; die lateral wärts davon liegende
flache Aushöhlung bedeutet die Gegend, in welcher die Zähne und
Zahnfortsätze sich entwickeln.
125
Deutlich zeigt dieses Verhalten des Oberkieferfortsatzes der
auf Taf. I, Fig. 14 abgebildete durch den hintern Umfang der
Augen gelegte Frontalschnitt des Gesichtes eines 1,9 Ctm. langen
Rindsembryo. Auch hier besitzt der an seiner ganzen Schnitt-
fläche punktirte Oberkieferfortsatz (d) einen lateralen dickeren und
höheren, sowie einen kleineren medianen Theil. Von der Mund-
höhle aus gesehen erscheint der mediane Theil als ein mit der
Wölbung abwärts schauender und von dem lateralen Theil durch
eine flache und breite Furche geschiedener Wulst, dessen aus der
Schädelbasis hervorgehende Wurzel von letzterer durch eine
schmale Furche sich absetzt.
Der zwischen beiden Oberkieferfortsätzen liegende Raum ist
die primitive Mundhöhle (S. 95) , wie der in Holzschnitt XVI ab-
gebildete Medianschnitt des Kopfes eines 6*/2 Millim. langen Rinds-
embryo zeigt. Mit v ist
die mediane Fläche des
linken Oberkieferfurt-
satzes bezeichnet ; dar-
über liegt die an der
Rathke'schen Tasche (1)
beginnende Basis des
Spheno - Ethmoidaltheils
des Schädels , darunter
aber folgt der laterale
Theil der primitiven
Mundspalte. Aus dieser
medianen Fläche ent-
wickelt sich das Flügel-
bein und die senkrechte Erklärung s. s. 91.
Gaumenbeinplatte, also überhaupt die Seitenwand des Nasenrachen-
ganges sowie der betreffende Abschnitt des diesen Gang nach-
träglich von der Mundhöhle abscheidenden Gaumens. Nach hinten
und unten setzt sich die mediane Fläche des Oberkieferfortsatzes
nebst der an diesem Embryo noch nicht sichtbaren Gaumenanlage
continuirlich in die Seitenwand der Schlundhöhle fort.
Wenden wir diesen Befund auf die späteren fertigen Verhält-
nisse des menschlichen Kopfes an , so wird die Seitenwand des
126
unter dem Keilbein liegenden Abschnittes der Nasenhöhle (Laraina
int. des Proc. pteryg. des Keilbeins, senkrechte Gaumenbeinplatte
nebst der sie bedeckenden Schleimhaut) durch den medianen Theil
des Oberkieferfortsatzes gegeben ; da nun dieser Fortsatz eine Ver-
längerung der Kopfbauchplatte (also des an die Schädelbasis ge-
hefteten Abschnittes der seitlichen Schlundwand) ist, so schliesst
sich auch später die oberste Partie der seitlichen Schlundwand
unmittelbar an den hintern Rand der Lamina int. des Proc. ptery-
goideus an. Es sind somit die Seitenwände des spätem Nasen-
rachenganges durch Knochen gestützte unmittelbare Fortsetzungen
der Seitenwände des Schlundes.
Die als flacher Längswulst an der medianen Fläche des Ober-
kieferfortsatzes entstehende Gaumenanlage setzt sich in ähnlicher
Gestalt auch auf die seitliche Schlundwand fort und daraus bildet
sich die hintere Partie des harten Gaumens sowie das Gaumen-
segel und dessen hintere Bogen.
In dem lateralen umfänglicheren Theil des Oberkieferfortsatzes
entstehen die Lamina ext. des Proc. pterygoideus des Keilbeins,
die laterale Wand des Sinus maxillaris nebst dem Zahnfortsatz,
sowie das Jochbein nebst den Weichtheilen der Unterschläfengrube,
der Wangen und der oberen Partie der Backen.
Verfolgt man bei äusserer Betrachtung des Kopfes den oberen
convexen Umfang eines Oberkieferfortsatzes , so findet man hier
die Grenzfurche zwischen Schädel und Bauchplatte , welche unter
dem Auge vorbeizieht (Holzschnitt XVII, S. 123) und dann schräg
zur Spitze des Oberkieferfortsatzes gegen die Schädelbasis abfällt,
ohne jedoch diese Spitze von der Schädelwand wirklich zu trennen.
Was man als freie Spitze des Oberkieferfortsatzes beschreibt , ist
erst eine spätere dem Zwischenkieferstück des Stirnfurtsatzes ent-
gegenwachsende Fortsetzung. Bevor ich zu den spätem Verän-
derungen der Oberkieferfortsätze übergehe , wende ich mich vor-
her zur Betrachtung des Stirnfortsatzes.
Stirnfortsatz.
Stirnfortsatz im weiteren Sinn nenne ich eine zur Bildung der
Nase bestimmte Fortsetzung der vordem und seitlichen Stirnwand
sowie der darunter liegenden Schädelbasis.
127
Uranlage des Stirnfortsatzes.
Vor dem Erscheinen der Riechgruben ist dieser Schädeltheil
völlig glatt und es geht die Stirnwand ohne Abgrenzung in einem
Bogen in die Schädelbasis über. Am besten erkennt man dieses
Verhalten an einem Medianschnitt, wie ihn Holzschnitt XVI von
einemüindsembryo zeigt,
und es lässt sich hier «; ju
die Stirnwand (a) in
gleichförmiger Wölbung
zur Schädelbasis ver-
folgen. Der hier in Be-
tracht kommende Theil
der Schädelbasis gehört
dem Spheno-Ethmoidal-
theil des Schädels an
und sein hinterer vor
der Rathke'schen Grube
(1) liegender und seit-
lich von den Oberkiefer-
fortsätzen (v) begrenzter Erklärung: s. s. 94.
Abschnitt bildet das Dach der primitiven Mundhöhle. Sein vor-
derer Abschnitt, welcher die Mundspalte begrenzt, überragt den
darunter liegenden ersten Schlundbogen und hier, also vor der
primitiven Mundhöhle, sowie aus der angrenzenden vorderen und
seitlichen Stirnwand entsteht der die Grundlage der Nase dar-
stellende Stirnfortsatz.
In der Medianzone ist diese Schädelbasis (Taf. I, Fig. 23, a)
sehr dünn und zu einem flachen Thale eingesunken, welches die
Basis in zwei dickere gewölbte Seitenhälften scheidet und sich auch
noch auf die angrenzende untere Partie der Stirnwand fortsetzt,
wie der nebenstehende im Halbprofil gezeichnete Kopf eines Rinds-
embryo zeigt (Holzschnitt XVII, s. S. 128). Lateralwärts grenzt die
untere Stirngegend an das Auge an und wird hier von der dar-
unter liegenden Spitze des Oberkieferfurtsatzes durch eine vom
Auge zur Mundspalte schief absteigende Furche geschieden, die
man Augen-Nasenfurche nennen kann. In der Medianlinie ist die
Stirnwand in noch viel höherem Grade als die Schädelbasis verdünnt
128
m\
ÄVIll.
und durchscheinend, wie ein in einiger Entfernung vor den Augen
durch die Gegend der späteren Riechgruben gelegter Frontalschnitt
des Schädels zeigt (XVIII).
Ueberraschend klein er-
scheint daran das eiförmige
mit dem schmaleren Theil
aufwärts gekehrte Lumen
des Schädels im Verhältniss
zur Dicke der Wandung,
welche ihre grösstc Mächtig-
keit zu beiden Seiten der
Basis gewinnt. Die darin
enthaltene aber in der Zeich-
nung nicht berücksichtigte
Erklärung s. s. io4. Hirnblase war das Stamm-
bläschen der um diese Zeit noch nicht hervorgetretenen Gross-
hirnbläschen. Es zerfällt nämlich, wie Reichert gezeigt hat,
die vordere primitive Hirnblase vor dem Erscheinen der Gross-
hirnbläschen durch eine transversale Einschnürung in zwei hinter-
einander liegende Abtheilungen, von welchen Reichert die hintere
als Trichterregion (XVI, b), die vordere als Sehhügelregion (XVI, a)
bezeichnete. Auch erkennt man an dem Medianschnitt XVI bei
y den Eingang in den hohlen Augenstiel (vergl. auch den Frontal-
schnitt XIX), aber noch keine Spur eines Grosshirnbläschens und
noch weniger irgend eine auf den Geruchsnerv sich beziehende
Ausstülpung der Hirnblase. Selbst wenn bald darauf die Riech-
gruben erschienen sind (Taf. III, Fig. 14), hat die vordere Hirn-
blase noch immer dieselbe Beschaffenheit (Fig. 15), besteht daher
aus den genannten zwei hintereinander liegenden Abtheilungen
(b und a) , von welchen die vordere in den hohlen Augenstiel
führt, aber weder Grosshirnblasen noch den Riechgruben entgegen-
kommende Aussackungen wahrnehmen lässt; auch kann ich nicht,
wie Rathke angiebt, eine durch die Riechgruben erzeugte be-
sondere Veränderung der Schädelwand, noch irgend eine innigere
Anheftung der Hirnblase an den Riechgrubengrund wahrnehmen.
Endlich habe ich noch zu bemerken, dass entlang der Median-
linie nicht blos die Stirnwand, sondern auch die darunter liegende
129
Hirnblase so dünn wird, dass in der That die Nervensubstanz hier
fehlt und der Verschluss nur durch eine dünne durchsichtige Haut
bewerkstelligt wird.
Kehren wir nun wieder zu dem durch obenstehenden Holz-
schnitt XVIII dargestellten Frontalschnitt des vor den Augen lie-
genden Schädelabschnittes zurück , so zeigt dessen Wand ihre
grösste Dicke im Grenzgebiet des Daches und der Basis, somit
in der untern Hälfte der Stirnwand und der angrenzenden Partie
der Schädelbasis. Es beginnt diese Verdickung , welche die An-
lage des Stirnfortsatzes enthält , vor dem Auge , jedoch nicht
plötzlich , sondern ist eine unmittelbare Fortsetzung derjenigen
seitlichen Schädelverdickung, welche das Auge enthält und ab-
wärts in die Oberkieferfortsätze sich ausladet (Holzschnitt XIX).
Von hier aus schreitet diese Verdickung oder die Uranlage des
Stirnfortsatzes in der lateralen Zone der Schädelbasis und der an-
grenzenden Partie der Stirnwand nach vorn gegen die Median-
linie , woselbst sie durch die oben besprochene Verdünnung und
Einsenkung der Schädel wand unterbrochen wird, daher ursprünglich
paarig ist. Rathke nannte die beiden dicken Seitenhälften der
Schädelbasis „seitliche Schädelbalken."
Riechgrabe.
Hierauf entstehen in einiger Entfernung vor den Augen in
der verdickten untern Partie der seitlichen Stirnwand die Riech-
gruben, die ich aber bei Säugethieren und dem Menschen niemals
als Grübchen von solcher Kleinheit und kreisrunden Form ange-
troffen habe, wie sie Rathke beschreibt und abbildet. Da sie
zuerst nur ganz flach sind , so werden sie nur bei richtiger und
guter Beleuchtung gesehen und erscheinen schon von Anfang an
als längliche etwas schief nach vorn aufsteigende Gruben von ziem-
licher Ausdehnung (vergl. Taf. III, Fig. 14; Taf. I, Fig. 19, 20
und 21, sowie den nebenstehenden Holzschn. XX, zwischen k und p,
s. S. 130). Oben und zu beiden Seiten werden sie von einem nied-
rigen Saum umfasst , nicht aber unten , woselbst sie sich in der
Richtung gegen die Mundspalte und die Augen-Nasenfurche all-
mählig verlieren. In dieser Gestalt erkennt man die Riechgruben ,
am besten in der Seitenlage des Kopfes, während die Betrachtung
Dursy, Entwicklgsgesch. 9
130
Erklärung 8. S. 105.
im Halbprofil oder von vorn die Gruben kleiner und ringsum ge-
schlossen erscheinen lässt. Unter den mir bekannten Säugethier-
embryonen zeichnen sich die Kanin-
chen durch weiten Umfang ihrer Riech-
gruben aus , so dass sie wegen ihrer
ursprünglichen Flachheit leicht über-
sehen und mit einem viel kleineren
kreisförmigen dickwandigen Grübchen
verwechselt werden können, welches
innerhalb der noch flachen Riechgrube
schon sehr frühe auftritt (Holzschnitt
XXVI, S. 133, c) und die Anlage des
Jakobson'schen Organs, bei den Schlan-
gen (XXVIII, S. 134, g) die ganz
ebenso beschaffene und nur etwas
grössere Anlage einer Nasendrüse darstellt. Auch bei dem Men-
schen und den übrigen mir bekannten Säugethieren zeigt sich,
wenn auch etwas später und weniger auffallend , ein solches die
Anlage des Jakobson'schen Organes darstellendes kreisrundes
Grübchen (XXI, hinter p).
Der Grund einer Nasengrube ist nicht ausgehöhlt, sondern
wird von der sanft gewölbten seitlichen Stirnwand gebildet ; indem
aber der hintere und das angrenzende Stück des obern Randes
des Umfassungssaumes rascher an Höhe zunehmen und ihre Rich-
tung gegen das vordere Schädel-
ende einschlagen (XXI , k) , ver-
decken sie den oberen und
hinteren Abschnitt der Riechgrube,
und der dazwischen entstehende
hohe aber seitlich comprimirte
spaltförmige Raum ist die Anlage
der Nasenhöhle (Taf. I, Fig. 15),
welche somit hinten und oben
geschlossen ist, unten und vorn
dagegen offen steht. Betrachtet
Erklärung s. s. 113. man den nebenstehenden Kopf
eines Rindsembryo (XXI), so hat die Riechgrube scheinbar einen
131
geringeren Umfang, als es bei jüngeren Embryonen (vergl. XX)
der Fall war. Diese scheinbare Verkleinerung hat aber darin
ihren Grund, dass der anfangs ganz niedrige hintere Begrenzungs-
saum (XX, k) alsbald über die hintere Partie der Riechgrube hin-
weg nach vorn wächst; er verwandelt sich in eine breite Platte
(XXI, k), welche mit ihrem hintern und obern Rand von der seit-
lichen Stirnwand entspringt und durch eine bogenförmige Furche
von ihr sich absetzt. Ihr freier vorderer Rand, der an jüngeren
Embryonen concav war, ist nun convex und hat sich dem vor-
dem Begrenzungssaum der Riechgrube bereits soweit genähert,
dass von dem Grunde der Riechgrube nur noch die vordere Partie
(XXI, zwischen k und p) bemerkt wird. Zugleich enthält der-
selbe an diesem Embryo dicht hinter dem vorderen Grenzsaum
(p) ein kleines napfförmiges dickwandiges Grübchen oder die An-
lage des Jakobson'schen Organs.
Seitlicher Stirnfortsatz.
Die in eine hohe und breite (XXI, k) Platte umgewandelte hintere
und oberePartie des Grenzsaums (seitlicher Stirnfortsatz , Reichert)
besitzt auch einen untern Rand, welcher auf dem verlängerten
Oberkieferfortsatz ruht und von ihm durch die jetzt ebenfalls ver-
längerte und vertiefte Augen - Nasenfurche geschieden wird. In
ihrer vor dem Auge liegenden hintern Hälfte erhält sich diese
Furche als solche, daher in ihrem Grunde der seitliche Stirnfort-
satz oder die Seitenplatte der Nasenhöhle (k) continuirlich in den
Oberkieferfortsatz sich fortsetzt. In ihrer vordem Hälfte dagegen
verwandelt sie sich in eine die genannten Fortsätze trennende und
daher mit dem unteren offenen Ende der spaltförmigen Nasenhöhle
zusammenfliessende Spalte (Taf. I, Fig. 15). Mit seinem oberen
Theil setzt sich der seitliche Stirnfortsatz unter Bildung eines den
obern Umfang der Riechgrube überdachenden Bogens in den vor-
dem Grenzsaum der Riechgrube fort (XXI, p). Auch der letztere
hat sich unterdessen zu einem Wulst verbreitert und bildet die
mediane Begrenzung des noch weiten vorderen Einganges in die
Nasenhöhle.
Allmählig rückt der vordere Rand des seitlichen an Länge
zunehmenden Stirnfortsatzes weiter nach vorn, so dass er schliesslich
9*
132
die Riechgrube völlig verdeckt (Holzschnitt XXII) und den vor-
dem Randwulst (p) erreicht, neben welchem er, durch das jetzt
enger gewordene äussere Nasenloch
geschieden , zum vordem Ende des
verlängerten Oberkieferfortsatzes
herabläuft (vergl. auch Taf. I, Fig. 1).
Geht man durch das äussere Nasen-
loch ein , so gelangt man in die
eine einfache vertikale Spalte dar-
stellende Nasenhöhle, welche oben
und hinten durch den Abgang des
seitlichen Stirnfortsatzes von der
Stirnwand geschlossen ist. Ihre
mediane Wand wird von der dem
Boden der ursprünglichen Riechgrube
darstellenden lateralen Schädelwand gebildet; die laterale Nasen-
höhlenwand ist der in eine mächtige Platte (seitlicher Stirnfortsatz)
ausgewachsene frühere hintere Randsaum der Riechgrube (Taf. I, '
Fig. 15). Unten mündet jede Nasenhöhle durch eine Spalte in
die Mundhöhle (Taf. I , Fig. 2, 3, 4) und es setzt sich dieselbe
ohne Unterbrechung in den untern Umfang des äussern Nasen-
lochs fort. Alsbald jedoch scheidet sich das letztere von der
Spalte des Nasenhöhlenbodens ab in Folge einer Verwachsung der
unteren Enden der das Nasenloch umfassenden Schenkel.
Erklärung s. S. 114.
Entstehung der Riechgruben; Jakobson'sches Organ, Nasendrüse.
Wie wir oben gesehen haben, so ist vor dem Erscheinen der
Riechgruben der vor den Augen liegende Schädelabschnitt zu
beiden Seiten der Medianebene gleichförmig gewölbt und am la-
teralen Umfang am dicksten. Es ist diese Verdickung die Uran-
lage oder Wurzel des späteren gesammten Stirnfortsatzes. Im
weitern Verlauf der Entwicklung jedoch nimmt sie nicht gleich-
förmig zu, sondern in einiger Entfernung vor dem Auge an der
seitlichen untern Stirnwand bleibt eine länglich runde Stelle im
Dickenwachsthum zurück (Riechgrube) und zugleich erhebt sich
aus der umgebenden Stirnwand ein diese Grube umgebender bo-
genförmiger anfangs niedriger Saum, der jedoch unten eine Unter-
133
brechung zeigt. Es bildet sich daher die Riechgrube nicht durch
Einstülpung und Verdünnung der Stirnwand, wie man an Frontal-
schnitten erkennt, auch bemerkt man keinerlei auf die Riechgrube
sich beziehende Veränderung der vordem Hirnblase und eben so
wenig konnte ich hier irgend eine besondere Verdickung der Haut-
schichte oder des Hornblattes wahrnehmen Alsbald verdickt und
erhöht sich der bogenförmige Randsaum zu einem Wulst, wodurch
die Riechgrube tiefer wird. Namentlich ist es, wie ich oben ge-
zeigt habe , die hintere Hälfte des Randwulstes , welche am
raschesten an Höhe zunimmt und dabei als eine Platte über die
Riechgrube sich allmählig vorschiebt. Zugleich aber entsteht in
der vordem Partie der Riechgrube dicht hinter dem vordem Rand-
wulst ein kreis- oder napfförmiges Grübchen, umgeben von einem
breiten Wall und von einem mächtigen Epithel ausgekleidet (Ja-
kobson'sches Organ der Säugethiere und des Menschen, Nasen-
drüse der Schlangen). Bei den
von mir untersuchten Säugethieren
entsteht dieses Grübchen am frühesten
beim Kaninchen und zeichnet sich
bei diesem auch durch seine Grösse
sowie durch die Breite des umgeben-
den Walles aus (Holzschn. XXV und
XXVI). Man bemerkt es sowohl im
Profil als auch von vorn. In Holz-
schnitt XXVI ist das Grübchen mit
c bezeichnet und wird v<*n einem pi&_ xxv> giebt eine Profllan.
breiten Wall umfasst, welcher mit dem g^££ÄS5°P?B?xi^
vordem Schenkel des Randwulstes ^^l^^Lj^ieTter
, -r,. , t i .. / \ Riechgrube, c, Jakobson'sches Or-
der Kiechgmbe zusammenhangt (pj. gan. i Oberkieferfortsatz. k, Seit-
. .. ii- licher Stirnfortsatz. p, Seitenflügel
Der vor dem Auge liegende hintere des mittleren stirnfoitsatzes.
0 , ii t r> j li. / -i.1- U Fi&- XXVII. Frontalschnitt die-
bChenkel des Randwulstes (seitlicher ses Kopfes durch die Gegend der
„. . N . ..ii • i_ Augen, stärker vergrössert.
ötirniortsatz) ist mit K bezeichnet. a, Vordere Hirnblase, welche durch
den hohlen Augenstiel in die in der
Noch viel 'grösser Und auffallen- Einstülpung begriffene Augenblase
fuhrt. b, Linsengrube, c, Furche,
der erscheint diese tellerförmige Grube weiche den Oberkieferfortsatz von
° dem Auge trennt, l , Lateraler Theu
an Natterembryonen (Colub. natr.), des 0h,iMe4^%^lene' Medianer
wie aus den auf Seite 134 stehenden Figuren XXVIII und XXIX
hervorgeht. Die von R a t h k e für die Natter und daselbst auch
mii.
134
zugleich für die Säugethiere gegebene Beschreibung der Riech-
grube passt genau auf diese das Jakobson'sche Organ der Säuger
darstellende Nasendrüsengrube der
2ZW. /> — — \ a, Natter, nicht aber auf die Riechgrube.
Man vergleiche auch die von R a t h k e
gegebenen Abbildungen (Taf. II, Fig.
1 und 3), die mich sehr überraschten,
weil hier R a t h k e die tellerförmige
Anlage der Nasendrüse geradezu als
XXK. &- — x Riechgrube bezeichnet (Fig. I, g).
Jetzt erst war es mir klar , warum
R a t h k e sein Nasendach (nämlich
den von mir beschriebenen hinteren
Fig. xxviii, Kopf eines Natter- und oberen Randsaum der Riechgrube)
embryo von vorn. Fig. XXIX, . i . t t» j j t»-i i c
derselbe Kopf im Profil. nicht als Kand der Kiechgrube aut-
a, Stirne. b, Auge, c, Seitlicher Stirn- . .
fortsatz. d , Seitenflügel des mittleren { asste , SOlldem erst in einiger Ent-
Stirnfortsatzes. e , Oberkieferfortsatz. °
g, Nasendrüsengrube. f, Erster Schlund- femung davon aus der Seitenwand
bogen. °
des Schädels hervorwachsen liess.
Nachdem ich einmal diese Erfahrung gemacht hatte, fand ich
endlich auch bei Rindsembryonen in der vordem Hälfte der noch
offenen Riechgrube dieses von einem dicken Wall umfasste Grüb-
chen (Holzschnitt XXI, S. 130, hinter p) dicht hinter dem vordem
Randwulst der Riechgrube. Es schien mir jedoch etwas kleiner,
hatte eine verstecktere Lage , so dass ich es nur im Profil und
bei richtiger Beleuchtung wahrnehmen konnte.
Nach diesen Beobachtungen muss auch das Riechgrübchen
des Hühnchens wieder einer neuen Untersuchung unterworfen
werden , da möglicher Weise dasselbe eine andere Bedeu-
tung hat.
Hat sich allmählig der vordere Rand des über die Riechgrube
hinweg wachsenden seitlichen Stirnfortsatzes dem vordem Rand-
wulst so weit genähert, dass die Riechgrube völlig gedeckt und
von aussen nur noch durch das äussere Nasenloch zugänglich
bleibt, so hat sich auch das Jakobson'sche Organ der äussern Be-
sichtigung entzogen und findet sich dicht hinter dem äussern
Nasenloch am untern Ende der medianen Nasenhöhlenwand. An
Frontalschnitten des Gesichtes eines 1,9 Ctm. langen Rindsembryo
135
(Taf. I), welche die Nasenhöhlen dicht hinter den äusseren Nasen-
öffnungen treffen (Fig. 6 und 7), bemerkt man dieses napfförmige
Grübchen in dem Winkel zwischen dem Boden und der medianen
Wand einer Nasenhöhle (e). Legt man noch eine Reihe von Frontal-
schnitten hinter dieser Gegend an, so zeigt es sich, dass dieses
Grübchen mit der Verlängerung der Nasenhöhle sich ebenfalls ver-
längert und die Gestalt einer tiefen ausgerundeten Rinne ange-
nommen hat , die sich in ihrer hintern Partie allmählig von der
Nasenhöhle abzuschliessen sucht (Fig. 8 und 9) und schliesslich
ganz abschnürt (Fig. 10). Es mündet dann die so entstandene
noch kurze Jakobson'sche Röhre direct in die Nasenhöhle dicht
hinter den primitiven äusseren Nasenlöchern. Da nun später der
Theil des Schädels , welcher die mediane Wand einer Nasenhöhle
oder den Boden der früheren Riechgrube darstellt, in seiner un-
teren Partie zur Nasenscheidewand sich verlängert, so enthält diese
in ihrem untern Ende die Jakobson'schen Gänge (Taf. II, Fig. 3).
Vor der Bildung des Gaumens, wenn die Nasenhöhlen durch ihren
offenen Boden noch- mit der Mundhöhle communiciren , stehen da-
durch die am Boden der Nasenhöhlen ausmündenden Jakobson'-
schen Gänge zugleich auch mit der Mundhöhle , wenn auch nicht
unmittelbar, in Verbindung. Erst später, wenn der Gaumen die
Nasenhöhlenboden schliesst , verbinden sich die anfangs freien
Mündungen der Jakobson'schen Gänge mit den unterdessen in
Folge der Gaumenbildung entstandenen Stenson'schen Gängen
und münden durch diese in die Mundhöhle.
Auch bei menschlichen Embryonen entdeckte ich ein als Grüb-
chen am untern Ende der Nasenscheidewand entstehendes Jakob-
son'sches Organ (Taf. VII, Fig. 6, c und Fig. 7 ; Taf. VIII, Fig.
2, c ; Taf. IX, Fig. 6 , c). Wie bei den Säugethieren verlängert
sich das Grübchen zu einer Rinne, die hierauf von der Nasenhöhle
sich abschnürt, mit ihrem vordem Ende dagegen in die Nasen-
höhle mündet. Ueber diese ersten Entwicklungsstufen kommt je-
doch dieses Gebilde bei dem Menschen nicht hinaus, gelangt daher
auch zu keinem unmittelbaren Anschluss an die später entstehen-
den Stenson'schen Gänge.
Anfangs besitzen die Jakobson'schen Organe, wie die nach
ihrer Entwicklung die gleiche Bedeutung zeigende Nasendrüse der
136
Schlangen, nur eine häutige Wand mit einem mächtigen Epithel.
Hierauf erhalten beide eine knorpliche Hülle , welche bei Rinds-
und Schafsembryonen die Gestalt eines lateralwärts offenen Halb-
kanales besitzt. Es bildet sich dieser Knorpel zuerst in seiner
hinteren Hälfte und zwar in der Nasenscheidewand, unterhalb und
lateralwärts von dem verdickten untern Rand des Nasenscheide-
wandknorpels (Taf. III, Fig. 5), während die vordere Partie der
Jakobson'schen Gänge noch rein häutig ist (Fig. 4 und 12). Von
einem älteren Rindsembryo giebt die fünfte Tafel eine Reihe von
Frontalschnitten des Gesichtes , welche den Verlauf und das Ver-
halten der Jakobson'schen Gänge darlegen. Fig. 2 trifft die
Gaumenmündungen der Stenson'schen Gänge in Gestalt spitzwink-
licher Ausschnitte zu beiden Seiten eines warzenförmigen Schleim-
hautvorsprungs (b). Fig. 3 zeigt die Durchschnitte der Stenson'-
schen in dieser Gegend noch rein häutigen Gänge nahe oberhalb
ihrer Gaumenmündung. Fig. 4 trifft die Einmündung der Jakobson'-
schen in die Stenson'schen Gänge (d) ; man bemerkt zugleich eine
grössere Entfernung der Stenson'schen Gänge von einander, in-
dem sie auf ihrem Wege in die Nasenhöhlen divergiren. Die
hier getroffenen Lichtungen sind halbmondförmig , medianwärts
concav und oben von einem C-förmigen lateralwärts convexen
Knorpel umfasst. Die obere engere Abtheilung eines jeden Ganges
gehört dem Jakobson'schen, die untere weitere dem Stenson'schen
Gang an. In Fig. 5 hat sich der höher liegende engere Jakob-
son'sche Gang von dem tieferen und mehr lateralwärts liegenden
Stenson'schen Gang geschieden und beide werden von einem ge-
meinschaftlichen Knorpel umfasst. In Fig. 6 durchbrechen beide
Gänge den knöchernen Gaumen und es trennt sich der Knorpel
des Jakobson'schen Ganges von dem des Stenson'schen Ganges
und verschmilzt mit der untern Fläche des knorplichen Nasenhöhlen-
bodens. Verfolgt man durch die Figuren 7, 8, 9 und 10 das
weitere Verhalten und den Verlauf der Jakobson'schen Gänge und
ihrer Knorpelhüllen , so legen sich die letzteren allmählig an den
untern Rand des Nasenscheidewandknorpels seitlich an, öffnen sich
aber nicht mehr, wie an den vorhergehenden Durchschnitten, nach
unten und innen , sondern allmählig nach aussen und schliesslich
137
nach aussen und oben. Zugleich schnürt sich dabei ein Knorpel-
stückchen ab und sucht die Oeffnung zu schliessen.
Bei allen von mir untersuchten Säugethierembryonen setzt
sich das hintere Ende des Jakobson'schen Knorpels noch eine
Strecke weit über das hintere blinde Ende des eigentlichen Ganges
hinaus fort (Taf. III, Fig. 8; Taf. IV, Fig. 8; Taf. V, Fig. 11
und 12). Schliesslich finden sich noch kleine Reste desselben an
den oberen Rändern des rinnenförmig gekrümmten Pflugscharbeins.
Aehnlich verhalten sich auch die Jakobson'schen Gänge und
ihre Knorpel an Schweinsembryonen (Taf. IV, Fig. 6 und 7). An
einem der Schnitte (Fig. 7) wird der Gang ringsum von seinem
Knorpel völlig umfasst.
Was die von mir entdeckten Jakobson'schen Organe des
Menschen betrifft , so fand ich dieselben an Embryonen , von
welchen der jüngste eine Länge von 8 Ctm., der älteste eine Länge
von 2 Decim. besass. Die Gänge scheinen zwar später spurlos
zu verschwinden, jedoch erinnern die von Husch ke entdeckten
Knorpelstreifen in dem untern vordem Ende der knorplichen Nasen-
scheidewand an ihr früheres Dasein. Ausnahmsweise scheint sogar
ein wirklicher Gang sich erhalten zu können. So lese ich in dem
Thesaurus anatora. Ruyschii III, S. 49 folgende Bemerkung über
die Nasenscheidewand eines Kindes : „In anteriore et inferiore parte
septi juxta palatum in utroque latere foramen apparet, seu osculum
cujusdam ductus, de cujus usu et existentia nil apud Autores legi ;
inservire muco excernendo existimo." Die daselbst beigefügte Fi-
gur (Tab. III, Fig. 5) zeigt in der That einen längeren am untern
Ende der Nasenscheidewand verlaufenden Gang, welcher mit einer
für eine Sonde durchgängigen Oeffnung in die Nasenhöhle mündet.
Vergleicht man die Jakobson'schen Organe menschlicher Em-
bryonen mit denen der Säugethiere , so ergeben sich folgende
Unterschiede : Der Jakobson'sche Gang des menschlichen Embryo
bleibt für immer nur ein häutiges , jedoch von einem mächtigen
Epithel ausgekleidetes Rohr, welches in die vordere untere Partie
der Nasenhöhle ausmündet (Taf. VII, Fig. 6 ; Taf. VIII, Fig. 2).
Er bleibt daher auf der Stufe der Entwicklung stehen, die man
bei Säugethieren nur in früher Zeit findet, indem ich nachgewiesen
habe, dass auch bei diesen ursprünglich dieser ebenso beschaffene
138
Gang in die Nasenhöhle mündet (Taf. I, Fig. 6, 7 , 8, 9 und 10;
ferner Holzschn. XXI, S. 113, hinter p, sowie Holzschn. XXVI, c,
S. 133). Uebrigens ist die Mündung des menschliehen Jakobson'-
schen Ganges so gelagert, dass sie dicht über einer am Nasen-
höhlenbbden befindlichen und in den Stenson'schen Gang sich
furtsetzenden Furche liegt. Bei den Säugethieren dagegen bildet
sich allmählig eine unmittelbare Verbindung zwischen diesen Gängen
und sie erhalten eine Knorpelhülle. Bei dem Menschen bleibt der
Jakobson'sche Gang sehr kurz und wird von keiner Knorpelplatte
unmittelbar umfasst; er liegt überhaupt höher, oberhalb des ver-
dickten untern Randes des Nasenscheidewandknorpels. Bei Säuge-
thieren gelangt er durch seine tiefere Lage in den knorplichen
Nasenhöhlenboden. Es fehlt aber auch den menschlichen Em-
bryonen dieser Knorpel nicht und hat ganz dieselbe Lage und
eine ähnliche Gestalt. Man findet ihn am Nasenhöhlenboden zu
beiden Seiten des untern Randes des Nasenscheidewandknorpels
(vergl. auch Taf. VII, VIII und IX). Vergleicht man die auf
Taf. VII dargestellten Frontalschnitte eines 8 Ctm. langen mensch-
lichen Embryo, so zeigen sich diese Knorpel, rundlich im Durch-
schnitt, bereits nahe hinter den äusseren Nasenlöchern (Fig. 1, d)
zu beiden Seiten des kolbig verdickten untern Randes des Nasen-
scheidewandknorpels. Aehnlich verhalten sie sich auch in den
Figuren 2 und 3. In Fig. 4 und 5 kommt noch ein laterales Knorpel-
stück hinzu ; in Fig. 6 nehmen die medianen Knorpelstücke eine
längliche Gestalt an. In Fig. 7 erstrecken sich die noch mäch-
tiger und rinnenförmig gewordenen senkrecht absteigenden medianen
Knorpelplatten von dem Nasenscheidewandknorpel zur lateralen
Fläche der Crista nasalis. In Fig. 8 und 9 sind die lateralen
Knorpel verschwunden und zwischen den medianen erscheint das
vordere Ende des Pflugscharbeins. Auch auf Taf. IX , Fig. 6
und 7 zeigt das vordere Ende des Nasenhöhlenbodens eines 1,08 Ctm.
langen menschlichen Fötus ähnliche Knorpelplatten ; ebenso der
auf Taf. VIII, Fig. 2 abgebildete Frontalschnitt eines 2 Ctm. langen
menschlichen Fötus.
Die von Huschke bei dem erwachsenen Menschen ent-
deckten und beschriebenen sogenannten Pflugscharknorpel sowie
noch zwei andere lateralwärts davon liegende Knorpel des Nasen-
139
hohlenbodens stimmen in Bezug auf Lage und Anordnung ganz
zu meinen an Embryonen gefundenen Knorpeln. Da jedoch diese
von Husch ke gemachte Wahrnehmung bisher weder bestätigt
noch berücksichtigt, vielmehr in Abrede gestellt wurde, so suchte
ich mich durch eigene Anschauung von ihrem Vorkommen zu
überzeugen und schon an dem ersten Schädel eines erwachsenen
Mannes, den ich gegen 14 Tage der Maceration unterwarf, fand ich
sofort nach Entfernung des Perichondriums und der angrenzenden
Beinhaut diese von Huschke beschriebenen Knorpelstreifen,
welche dem untern Rand des Nasenscheidewandknorpels lose auf-
lagen. Nach den lateralen Knorpelstückchen habe ich bis jetzt
noch nicht gesucht, bezweifle aber deren Vorkommen jetzt nicht
mehr. Uebrigens hat schon Jakobson solche Knorpel gesehen,
wie aus einer Besprechung einer von ihm eingeschickten Arbeit
über das von ihm entdeckte Organ durch Cuvier (Ann. d'hist.
nat.) hervorgeht; dort heisst es nämlich: „Bei dem Menschen
scheint es (das Jakobson'sche Organ) zu fehlen und nur eine Spur
davon zeigt sich in dem Vorhandensein einer kleinen Knorpel-
platte".
Was den Jakobson'schen Gang selbst betrifft , so finde ich
noch darüber für den erwachsenen Menschen bei J. F. M e c k e 1
(Hdb. d. Anat. IV, S. 141) folgende jedoch nicht ganz verständ-
liche Bemerkung : „An dem untern Rand der Nasenscheidewand
verläuft nicht selten von hinten nach vorn ein enger hinten blin-
der Gang, welcher sich in geringer Entfernung hinter dem vor-
deren Rand öffnet, offenbar über (?) das Jakobson'sche Organ (?)."
Mittlerer Stirnfortsatz.
Wie wir oben gesehen haben, so wird die Bildung des Stirn-
fortsatzes im weitern Sinn durch eine Verdickung des Schädels
eingeleitet, welche durch eine mediane Verdünnung der Stirnwand
und der darunter liegenden Schädelbasis in zwei Seitenhälften zer-
fällt. Diese paarige Wurzel des Stirnfortsatzes, wie ich diese Ver-
dickung nennen will, an der sich auf jeder Seite des Schädels die
untere Partie der Stirnwand und die laterale Zone der Schädel-
basis betheiligt, ist anfangs von der übrigen Stirnwand nicht ge-
schieden j es erscheinen daher die beiden Stirnhälften noch immer
140
gleichförmig gewölbt. Erst später bildet sich eine transversale
Trennungsfurche , deren vor den Augen beginnende Seitenhälften
aufwärts gebogen sind (XXI, S. 113, oberhalb k; XXII, S. 114, k;
vergl. ferner Taf. I, Fig. 1, zwischen c und d, sowie die Figuren
2, 3, 4 und 5 ; in Fig. 5 ist diese Furche mit b bezeichnet).
Jede Seitenhälfte der Stirnfortsatzwurzel trägt in einiger Ent-
fernung vor dem Auge eine die untere Partie der seitlichen Stirn-
wand einnehmende Riechgrube. Die zwischen den Riechgruben
liegende Partie der Schädelbasis und der Stirnwand enthält die
durch die mediane Verdünnung des Schädels halbirte, daher paa-
rige Anlage des mittleren Stirnfortsatzes, woraus die Nasenscheide-
wand und die Zwischenkiefergegend des Gesichtes hervorgeht.
Die über und hinter den Riechgruben liegende Partie der Stirn-
fortsatzwurzel enthält die Anlage der beiden seitlichen Stirnfort-
sätze , welche die laterale Wand der primitiven Nasenhöhlen
darstellen.
Verhalten des mittleren Stirnfortsatzes bei jüngeren Embryonen.
Was den mittleren Stirnfortsatz betrifft, so bestand derselbe
an einem 1,1 Ctm. langen Rindsembryo (Taf. I, Fig. 19 — 22) aus
zwei durch die mediane Schädelfurche geschiedenen Seitenhälften
(Fig. 21). Jede Seitenhälfte erstreckte sich lateralwärts bis zum
vordem Umfang der Riechgrube und war von der Stirnwand, die
bereits die in der Entstehung begriffenen Grosshirnblasen hindurch-
schimmern Hess , noch nicht geschieden. "Beim Uebergang zur
Schädelbasis verlängerte sich jede Sei-
tenhälfte des Stirnfortsatzes in zwei die
obere Begrenzung der Mundöffnung
bildende Hügel, einen inneren und
einen äusseren , welche später mit ein-
ander verschmelzen und einen Seiten-
flügel des mittleren Stirnfortsatzes dar-
stellen. In Fig. 22 erblickt man diese
Hügel von unten und in Fig. 20 im
Halbprofil.
Erklärung %. s. 105. Bei reiner Profi-lansicht (XX) sieht
man nur den äussern Hügel der Anlage des Seitenflügels (o), gegen
141
welchen der vordere Grenzsaum der Riechgrube ausläuft. Verdickt
sich später dieser Saum zu einem Wulst (XXI, S. 113, p), so
erscheint dann der Hügel als dessen unteres verdicktes Ende (o).
An dem in nebenstehendem Holz-
schnitt (XXVIII) dargestellten Kopf ]0[m-
eines Natterembryo ist der mittlere
Stirnfortsatz bereits durch eine trans- .
versale Furche deutlich von dem
darüber liegenden Kopf (a) geschie-
den, an seinem untern Rand dagegen
zerfällt er durch einen tiefen medianen XXK.
Ausschnitt in zwei seine Seitenflügel
darstellende und die Riechgruben vorn
und unten umfassende Hälften (d),
woran die an Rindsembryonen von Erklärung: s. s. 134.
mir gesehene Unterabtheilung in je zwei Hügel fehlt.
Stirnfortsätze und Nasenhöhlen eines 1,15 Ctm. langen Rindsembryo.
(Taf. I, Fig. 15, 16, 17).
Betrachtet man vorher zur Vergleichung den auf S. 128 durch
den Holzschnitt XVIII dargestellten Frontalschnitt des Kopfes
eines 6 Millim. langen Rindsembryo, welcher in einiger Entfernung
vor den Augen die seitliche Stirnwand trifft, so erscheint derselbe
im Ganzen sehr einfach. Da sich aus dem Vorderhirn noch keine
Grosshirnblasen gebildet haben , so erscheint die Lichtung der
Schädelhöhle oval und mit ihrem breitern Theil abwärts gekehrt.
Beim Uebergang zur Schädelbasis ist die seitliche Stirnwand am
dicksten und gleichförmig nach aussen gewölbt.
Vergleicht man damit den auf Taf. I, Fig. 15 durch dieselbe
Gegend gelegten Frontalschnitt des Kopfes eines 1,15 Ctm. langen
Rindsembryo, so hat sich vieles geändert. Aus der obern Hälfte
des Vorderhirns sind die Grosshirnblasen hervorgewachsen; auch
die Lichtung der Schädelhöhle hat an Höhe und Breite zuge-
nommen , jedoch in der Art , dass jetzt umgekehrt der weitaus
breiteste Theil sich oben befindet und sich über die verdickten
untern Seitentheile der Stirnwand ausbuchtet. Ist daher auch der
Hirnschädel bei äusserer Betrachtung in der Höhe der Augen
142
wegen der Dicke seiner Wand noch immer am umfänglichsten, so
verhält sich doch das Lumen der Schädelhöhle gerade umgekehrt.
Betrachten wir nun die vor den Augen liegende seitliche Schädel-
verdickung , so hat auch diese an Umfang zugenommen und ent-
hält den Frontalschnitt der nahe hinter den äusseren Nasenlöchern
getroffenen Nasenhöhlen in Gestalt senkrechter Spalten. Es sind
jedoch dieselben nicht etwa von vorn oder unten in die seitliche
Stirnwand nachträglich eingedrungen, sondern verdanken ihre Ent-
stehung einem lateralen Auswuchs der Stirnwand (a), welcher in
Gestalt einer an diesem Frontalschnitt absteigenden Platte (seit-
licher Stirnfortsatz) die ursprüngliche freie, den Boden der Riech-
gruben darstellende Schädelwand verdeckt. Der dazwischen lie-
gende spaltförmige Raum ist eine Nasenhöhle, deren laterale Wand
von dem seitlichen Stirnfortsatz (a), deren mediane Wand von dem
Boden der früheren Riechgrube oder von der verdickten Seiten-
wand des ursprünglichen Schädels (S. 128, XVIII) gebildet wird.
Abwärts münden beide Nasenhöhlen in die Mundhöhle , jedoch
nicht unmittelbar, sondern durch den medianen Theil eines Ober-
kieferfortsatzes (b) verdeckt. Zugleich verbindet sich mit dem
untern offenen Ende einer Nasenhöhle die schief absteigende Augen-
Nasenfurche, welche hier als förmliche Spalte die seitlichen Stirn-
fortsätze von den Oberkieferfortsätzen trennt.
Die beiden Nasenhöhlen erscheinen zwar an vorliegendem
Frontalschnitt verhältnissmässig schon recht hoch , ihre unteren
Enden überschreiten jedoch kaum die untere Partie der Schädel-
lichtung. Sie besitzen daher auch noch keine eigentliche Scheide-
wand , sondern werden vorläufig durch den Hirnschädel selbst
geschieden. Erst im weitern Verlaufe der Entwicklung verdickt
sich die Basis des Hirnschädels, wächst in ihrer ganzen ursprüng-
lichen Breite in die Mundhöhle hinab und stellt die an jungen
Embryonen unverhältnissmässig breite Anlage der Nasenscheide-
wand dar. An dem vorliegenden Kopf dagegen ist die Schädel-
basis noch sehr niedrig , in ihrer Mitte sehr dünn und verdickt
sich erst zu beiden Seiten beim Uebergang in die frühere freie
seitliche Schädelwand, die jetzt die mediane Wand einer Nasen-
höhle darstellt. Diese lateralen Verdickungen, welche den Rathke'-
echen seitlichen Schädelbalken entsprechen, verlängern sich später
143
zu flugelförmigen Vorsprüngen des unteren Nasenscheidewandrandes
(Taf. I, Fig. 11). Da nun bekanntlich die Anlage der Nasenscheide-
wand „mittlerer Stirnfortsatz" genannt wird , so ist somit an dem
vorliegenden Frontalschnitt dieser Fortsatz in seinem medianen
Abschnitt noch gar nicht hervorgetreten und nur die abgerundeten
lateralen Verdickungen der Schädelbasis können als seine Vor-
läufer (Seitenflügel) betrachtet werden.
Die beiden Nasenhöhlen , welche jetzt noch der Seitenwand
des Schädels anliegen , rücken später mit den dahinter liegenden
Augen herab, so dass sie mehr unter den Schädel zu liegen kom-
men (vergl. Fig. 11). Daran ist die Erweiterung der Schädelhöhle
schuld, welche ihre den Nasenhöhlen anliegenden Seitenwände nach
aussen drängt , so dass sie der horizontalen Richtung sich nähern
und zur Erweiterung der Schädelbasis beitragen. Es ändert sich
damit auch die Begrenzung der abwärts gedrängten Nasenhöhlen,
indem ihre frühere mediane den Boden einer Riechgrube darstel-
lende Wand allmählig eine mehr horizontale Richtung einschlägt,
und dadurch zur Decke einer Nasenhöhle wird.
Kehren wir nun zu dem in Rede stehenden 1,15 Ctm. langen
Rindsembryo zurück, so betrifft der beschriebene Frontalschnitt
(Taf. I , Fig. 15) die Gegend nahe hinter den äusseren Nasen-
löchern. Trifft aber der Schnitt den Kopf unmittelbar vor den
Augen (Fig. 16 und 17), so hat derselbe das Gebiet der Nasen-
höhlen nach hinten bereits überschritten. Die zu beiden Seiten
der dünnen Schädelbasis liegende Verdickung der Schädelwand ist
in ihrer obern Hälfte Wurzel des seitlichen Stiimfortsatzes, in ihrer
untern Hälfte setzt sie sich in den Oberkieferfortsatz fort. Aeusser-
lich werden diese beiden Gebilde durch eine tiefe vor dem Auge
liegende Furche (Augen-Nasenfurche) geschieden. Wie ich schon
oben angab , so ist ein Oberkieferfortsatz eine Fortsetzung der
Bauchplatte; jedoch auch die seitlichen Stirnfortsätze erscheinen
an den vorliegenden Durchschnitten als unmittelbare Fortsetzungen
der Bauchplatten. Ferner lehren diese Schnitte, dass die Augen
und die Nasenhöhlen ursprünglich nicht neben, sondern hinter ein-
ander liegen; allmählig erst rücken die Augen lateralwärts von
den Nasenhöhlen vor.
144
Stirnfortsätze und Nasenhöhlen eines 1,8 Ctm. langen Rindsembryo.
(Taf. I, Fig. 1—14).
Im Profil gesehen (Fig. 1) hat der die Grundlage der Nase
darstellende gesammte Stirnfortsatz an diesem Embryo bereits sich
mächtig entwickelt, so dass er das vordere Schädelende (d) nach
vorn überragt (c). Von der Stirne wird er durch eine tiefe vor
den Augen beginnende Bogenfurche geschieden (zwischen d und c).
Hinter dieser Furche ist es die das Vorderhirn tragende Schädel-
basis, welche die Nasenhöhlen deckt, während der vor dem Auge
bis zum lateralen Nasenlochrand reichende seitliche Stirnfortsatz
theils allein , theils mit Hülfe des Oberkieferfortsatzes die Seiten-
wand einer Nasenhöhle bildet. Untersucht man den vor der Stirn-
wand liegenden Abschnitt der Nasenhöhlen (c), so wird derselbe
oberhalb der Nasenlöcher durch die seitlichen Stirnfortsätze ge-
deckt, indem dieselben unter Bildung eines obern Bogens mit dem
mittleren Stirnfortsatz sich verbinden. Da nun diese Partie der
Nasenhöhlenwand nicht mehr dem Dache zugezählt, sondern als
vordere Nasenhöhlenwand angesehen wird , so bildet somit ein
seitlicher Stirnfortsatz die seitliche und vordere Wand einer Nasen-
höhle , wesshalb ich von der von R a t h k e für diesen Fortsatz
vorgeschlagenen Bezeichnung „Nasendach" keinen Gebrauch machte.
Betrachten wir diesen Kopf von vorn (Fig. 2), so überblicken
wir den gesammten zwischen den Augen liegenden Stirnfortsatz,
dessen Wurzel von der darüber liegenden Stirnwand durch eine
transversale Einsenkung abgeschieden wird. Die kleinen äusseren
Nasenlöcher werden von einem breiten Wulst umfasst , dessen
laterale und obere Partie dem seitlichen, dessen mediane und un-
tere Partie dem mittleren Stirnfortsatz angehört. An letzterem
kann man wieder einen medianen am untern Rand flach ausge-
schweiften und zwei Seitentheile unterscheiden. Die letzteren bil-
den den medianen Umfang der äusseren Nasenlöcher und weichen
dann als „Seitenflügel" des mittleren Stirnfortsatzes auseinander,
welche die Nasenlöcher von unten umfassen und mit den Spitzen
der Oberkieferfurtsätze sich verbinden. Von den seitlichen Stirn-
fortsätzen werden diese Flügel noch durch eine in das Nasenloch
eindringende Spalte geschieden. Mit den Oberkieferfortsätzen da-
gegen haben sie sich so verbunden, dass nur eine äussere Furche
145
die früher bestandene Trennung andeutet. Auf diese Weise er-
halten die anfangs in ihrer ganzen Länge unten offenen Nasen-
höhlen wenigstens in dieser über der Mundspalte liegenden Gegend
einen Boden, während dahinter eine noch offene Verbindung zwi-
schen ihnen und der Mundhöhle besteht.
Vergleichen wir damit den Kopf jüngerer Embryonen (Fig.
21 und 22) , so bestand dort der mittlere Stirnfortsatz aus vier
unmittelbar aus der Stirnwand und der angrenzenden Schädelbasis
hervorgehenden Hügeln, und ausserdem wurde diese Anlage durch
die Medianfurche des Vorderschädels halbirt , ist also paarig.
Später verschmelzen von diesen Hügeln je zwei auf jeder Seite
und formiren die Seitenflügel des mittleren Stirnfortsatzes. All-
mählig rückt nun dieser untere durch einen medianen Ausschnitt
halbirte Rand des Stirnfortsatzes tiefer in die Mundspalte herab,
indem sich der darüber liegende Schädelabschnitt zu einem die
Seitenflügel tragenden Zapfen verlängert. Damit schwindet auch
in dieser Gegend die mediane Verdünnung des Vorderschädels,
obgleich noch lange Zeit hindurch die ursprünglich paarige An-
lage des mittleren Stirnfortsatzes durch eine mediane Aushöhlung
angedeutet bleibt.
Die durch die Figuren 3 und 4 dargestellten Ansichten des-
selben Kopfes zeigen das Verhältniss der beiden Nasenhöhlen zur
Mundhöhle. Es communiciren diese Höhlen jederseits durch eine
Längsspalte, welche ihre Richtung zum äusseren Nasenloch nimmt,
jedoch durch die schon oben erwähnte Verwachsung des mittleren
Stirnfortsatzes mit den Oberkieferfortsätzen von denselben ge-
schieden bleibt. Der zwischen diesen Spalten oder den sogenannten
inneren Nasenlöchern befindliche Theil der Schädelbasis ist in der
Mitte ausgehöhlt und zerfällt daher in einen medianen niedrigeren
und in zwei laterale Theile , welche mit gewölbter Oberfläche in
die Mundhöhle hinabragen. Die Bedeutung dieser Bildung erkennt
man an den durch diese Gegend gelegten Frontalschnitten (Fig. 9,
10 und 11). Sie lehren, dass die Basis des Vorderschädels in
ihrer ganzen ursprünglichenBreitean der Herstellung der
Nasenscheidewand sich betheiligt, welche somit in dieser frühen Zeit
der Entwicklung durch unverhältnissmässige Breite auffällt. Was
die Höhe dieser primitiven Nasenscheidewand betrifft, so nimmt
D u r s y , Entwicklgsgescli. 1 0
146
dieselbe , wie die Frontalschnitte zeigen , von vorn nach hinten
allmählig ab. Ferner überzeugt man sich durch Vergleichung
aller diesen Embryo betreffenden Figuren, dass die Nasenscheide-
wand oder der mittlere Stirnfortsatz die Nasenhöhlen nicht blos
trennt, sondern auch dieselben von der Mundhöhle abzuschliessen
sucht, indem sie an ihrem untern Rand in zwei bereits oben er-
wähnte, den Oberkieferfortsätzen entgegenstrebende Seitenplatten
auswächst. Es bilden diese Platten (Seitenflügel des mittleren
Stirnfortsatzes) mit den Oberkieferfortsätzen den durch eine Spalte
unterbrochenen primitiven Boden der Nasenhöhlen oder einen
primitiven Gaumen (Fig. 4 und 11), welcher an den Gaumen
gewisser Thiere, z. B. der Eidechsen, erinnert.
Eine vollständige Flächenansicht des von mir sogenannten
primitiven Gaumens giebt Fig. 4. Seine Zusammensetzung
verdankt er den beiden Oberkieferfortsätzen und dem mittleren
Stirnfortsatz, worunter ich die gesammte zwischen den Nasenhöhlen
und zwischen den äusseren Nasenlöchern befindliche Schädelpartie
verstehe. Man kann daher an dem mittleren Stirnfortsatz eine
zwischen den äusseren Nasenlöchern liegende Gesichtsfläche unter-
scheiden, sowie eine Gaumenfläche, welche den mittleren Theil des
primitiven Gaumens darstellt. Die Seitentheile des letztern werden
von den Oberkieferfortsätzen (Fig. 4, k) gebildet, von welchen ein
jeder eine horizontale Platte abgiebt, welche ebenfalls an der Bil-
dung des primitiven Nasenhöhlenbodens sich betheiligt. Jeder
Seitentheil des primitiven Gaumens zeigt einen in die Mundhöhle
hinabragenden Längswulst (m , Anlage des späteren Gaumens),
welcher lateralwärts durch eine Furche von dem lateralen Theil
des Oberkieferfortsatzes (k) sich abscheidet. Somit erstreckt sich
der primitive Gaumen nach beiden Seiten bis zu den lateralen
Theilen der Oberkieferfortsätze. Unterhalb der äusseren Nasen-
löcher sind schon frühe die Seitentheile des primitiven Gaumens
mit dem mittleren Theil verwachsen , so dass nur noch oberfläch-
liche Furchen die früher bestandene Trennung durch eine Spalte
anzeigen. Hier (Zwischenkiefergegend) hat sich somit der Nasen-
höhlenboden völlig geschlossen , ohne die Ausbildung des spätem
Gaumens abzuwarten. Im Uebrigen dagegen communicirt der
Nasenhöhlenboden mit der Mundhöhle auf jeder Seite durch eine
147
Längsspalte, die ich primitive Gaumenspalte nennen will.
Bevor ich diese Figur verlasse, will ich noch Einmal hervorheben,
dass der zwischen den genannten Spalten liegende mittlere Theil
des primitiven Gaumens oder die Gaumenfläche des mittleren
Stirntortsatzes nicht blos den unteren Eand der späteren Nasen-
scheidewand darstellt, sondern zugleich mit seinen gewölbten Seiten-
hälften in der angegebenen Weise zu dem primitiven Boden der
Nasenhöhlen sich verbreitert. Es gehören diese Seitenplatten zu
den Seitenflügeln des mittleren Stirnfortsatzes , an welchen man
daher einen das äussere Nasenloch umfassenden vorderen oder
Antlitztheil und einen unteren oder Gaumentheil unterscheiden
kann. In dem Antlitztheil entwickeln sich die Zwischenkiefer-
knochen.
Ich wende mich nun zur Besprechung der diesen Embryo
betreffenden Frontalschnitte der Nase (Fig. 5 — 14). Fig. 5 betrifft
deren vorderstes Ende mit der oberen Hälfte der äusseren Nasen-
löcher ; man überblickt die vordere oder Antlitzfläche des ge-
sammten Stirnfortsatzes , welcher durch eine Furche (b) von der
darüber liegenden Stirne geschieden wird. Nach unten zerfällt
der Stirnfortsatz in die lateralen Stirnfortsätze c und in den breiten
mittleren Stirnfortsatz, dessen unterer ausgeschweifter Rand in zwei
Seitenflügel aus einander weicht.
Die beiden folgenden Schnitte Fig. 6 und 7 treffen die Nase
noch immer vor der Spitze der Oberkieferfortsätze, daher die Be-
grenzung der hier noch niedrigen und mit den Jakobson'schen
Gruben versehenen Nasenhöhlen lediglich durch den mittleren und
die seitlichen Stirnfortsätze geschieht. — Fig. 8 trifft endlich die
Stelle, an welcher die Spitze der Oberkieferfortsätze mit den Stirn-
fortsätzen sich verbindet. Die Nasenhöhlen sind nun ringsum ge-
schlossen und ihr Boden wird von den Seitenflügeln des mittleren
Stirnfortsatzes gebildet, worin sich auch die Zwischenkieferknochen
bilden. — Fig. 9 trifft die Nasenhöhlen hinter der Zwischenkiefer-
gegend. Die Schädelbasis (d e) hat an Höhe bedeutend zuge-
nommen zur Herstellung einer unverhältnissmässig breiten aber
niedrigen Nasenscheidewand. Ihr unterer Rand (d b) ist der Durch-
schnitt der in Fig. 4 besprochenen Gaumenfläche des mittleren
Stirnfortsatzes oder des mittleren Theils des primitiven Gaumens.
10*
148
Mit einer flügeiförmigen Verlängerung (b) berührt er einen ihm
entgegenkommenden Vorsprung c des Oberkieferfurtsatzes f, den
wir in Fig. 4 als lateralen Theil des primitiven Gaumens haben
kennen lernen, und den ich die primitive Gaumenleiste des Ober-
kieferfortsatzes nannte. Er bildet mit den genannten Seitenflügeln
der Nasenscheidewand den primitiven jedoch durch eine Spalte
unterbrochenen Nasenhöhlenboden. Die laterale Wand der hier
getroffenen Nasenhöhle wird von dem seitlichen Stirnfortsatz a
und dem mit ihm verschmolzenen Oberkieferfortsatz gebildet. —
Aehnlich verhält sich der in Fig. 10 abgebildete Frontalschnitt,
jedoch ist die Nasenscheidewand niedriger geworden. Noch nied-
riger erscheint dieselbe in Fig. 11, so dass man hier nur noch von
zwei Seitenflügeln sprechen kann.
Fig. 12 trifft die hinteren Enden der Nasenhöhlen, deren
Boden durch künstliche Verschiebung des Oberkieferfortsatzes
stärker klafft. Es trifft dieser Schnitt zugleich den vorderen Theil
des Auges (c) und steht somit in Widerspruch mit den schon
oben besprochenen Durchschnitten eines jüngeren Embryo (Fig.
16 und 17). Dort nämlich endigen die Nasenhöhlen bereits in
einiger Entfernung vor den Augen. Folglich dringen entweder
die Nasenhöhlen allmählig nach hinten tiefer ein, verlängern sich
nach hinten , so dass sie zwischen die Augen zu liegen kommen
oder , und dies halte ich für das Richtigere , die Augen rücken
vor. Thatsache aber bleibt es , dass die Nasenhöhlen der Säuge-
thiere ursprünglich in ihrer ganzen Länge vor den Augen liegen
und erst allmählig mehr oder weniger weit zwischen die Augen
gelangen , wobei die seitlichen Stirnfortsätze die Scheidewand
bilden. In den Figuren 13 und 14, welche den mittleren und
hinteren Abschnitt der Augen treffen , werden die Nasenhöhlen
nicht mehr berührt.
Primitiver Gaumen älterer Säugethierembryonen.
(Rind, Schaf, Schwein, Taf. II und III.)
Vergleicht man das auf Taf. III, Fig. 13 abgebildete Mund-
höhlendach eines älteren Rindsembryo, dessen seeundärer Gaumen
noch weit offen steht, mit der Mundhöhlendecke des oben be-
schriebenen Embryo (Taf. I , Fig. 4) , so kann man an beiden
149
eine mittlere und zwei laterale Zonen unterscheiden, welche durch
Furchen und Spalten von einander geschieden werden. Die mitt-
lere Zone wird von der Schädelbasis, die lateralen Zonen werden
von den Oberkieferfortsätzen gebildet.
Aus dem vorderen Ende der mittleren Zone entwickelt sich
die Zwischenkiefergegend, welche zu beiden Seiten mit den Ober-
kieferfortsätzen verschmilzt und dadurch die äusseren Nasenlöcher
nebst der dahinter liegenden Partie der Nasenhöhlen von der Mund-
höhle abschliesst. Die Figuren 10 und 11 (Taf. III) sind Frontal-
schnitte dieser vorderen Partie der Nasenhöhlen, welche sich auf
den in Fig. 13 abgebildeten Embryo beziehen. Der völlig ge-
schlossene Nasenhöhlenboden wird von den ehemaligen unteren
Seitenflügeln des mittleren Stirnfortsatzes (Nasenscheidewand) und
den angrenzenden Oberkieferfortsätzen hergestellt. Interessant ist
der Frontalschnitt Fig. 11 durch zwei in die Mundhöhle hinab-
ragende Vorsprünge a, welche den vordem Enden der seeundären
Gaumenleisten angehören (vergl. Fig. 12, a).
Der folgende Abschnitt der mittleren Zone liegt zwischen den
beiden primitiven Gaumenspalten (Fig. 13, h) und zerfällt wie-
derum in einen medianen und in zwei Seitentheile, deren Bedeu-
tung ich schon oben (vergl. Taf. I , Fig. 4) auseinander gesetzt
habe. Der mediane Abschnitt nämlich ist der untere Eand der
noch niedrigen Nasenscheidewand , und seine Seitentheile sind
deren Seitenflügel , welche die Nasenhöhlen von der Mundhöhle
abzuschliessen suchen und in ihrem vorderen Abschnitt die Jakob-
son'schen Röhren enthalten. Ein auf diesen Embryo sich be-
ziehender Frontalschnitt (Fig. 12) giebt über diesen Gaumen theil
der Nasenscheidewand und die zu beiden Seiten liegenden primi-
tiven Gaumenspalten Aufschluss.
Auf diesen dem primitiven Gaumen angehörigen Theil der
mittleren Zone folgt ein dritter Abschnitt der Schädelbasis, welcher
von den seitlich angrenzenden Oberkieferfortsätzen je durch eine
tiefe Furche (Fig. 13, k) geschieden wird. In der genannten Figur
ist diese die Keilbeinanlage enthaltende Gegend durch eine dunk-
lere Schattirung hervorgehoben und sie erstreckt sich nach hinten
nur wenig über k hinaus. Hier fand sich an jüngeren Embryonen
der durch die Kopfbeuge erzeugte Winkel der Schädelbasis, der
150
hier bereits seiner Ausgleichung entgegen geht. An jüngeren Em-
bryonen (Taf. I, Fig. 4) erscheint diese Gegend als eine kleine
viereckige im Hintergrunde liegende Fläche, welche von den la-
teralwärts angehefteten Oberkieferfortsätzen durch Furchen ge-
schieden wird. An ihrem hinteren Ende erkennt man noch die
in der Zeichnung hell gehaltene Stelle , welche den Eingang der
jetzt abgeschnürten Rathke'schen Tasche markirt. Dieser Ab-
schnitt der Schädelbasis ist das Dach des von der Mundhöhle
noch nicht abgeschiedenen Nasenrachenganges und der dazu ge-
hörigen hinteren Partie der Mundhöhle.
Die hinter dem Nasenrachengang liegende Gegend der Schädel-
basis (Fig. 13) gehört in das Gebiet des Hinterhauptskörpers,
bildet somit die Decke des Schlundkopfes.
Die beiden lateralen Zonen der primitiven Mundhöhlendecke
werden , wie oben bereits angegeben wurde, von den Überkiefer-
fortsätzen gebildet. In ihrem ursprünglichen Verhalten habe ich
diese Fortsätze bereits beschrieben und werde ihre weiteren Ver-
änderungen später noch einmal im Zusammenhang vortragen.
Einiges davon muss ich vorgreifend schon hier besprechen, da an
den beiden in Rede stehenden Embryonen diese Fortsätze bereits
über ihr ursprüngliches an den Schädel geheftetes Vorderende be-
trächtlich hinaus gewachsen sind. Ich unterscheide daher an einem
Oberkieferfortsatz eine vor den Augen liegende vordere Partie
und eine unter und hinter den Augen liegende hintere Partie, deren
Mundhöhlenfläche ich einer kurzen Betrachtung unterziehen will.
Die vordere Partie (Taf. I, Fig. 4; Taf. III, Fig. 13) wird
durch die primitive Gaumenspalte von dem Seitenflügel der Nasen-
scheidewand geschieden und erzeugt hier zur lateralen Begrenzung
dieser Spalte eine horizontale medianwärts einspringende Kante,
die ich bereits oben „primitive Gaumenleiste" genannt habe. Die-
selbe betheiligt sich nämlich an der Bildung des primitiven Nasen-
höhlenbodens und so entsteht mit Hinzurechnung der unteren Partie
der Nasenscheidewand der primitive Gaumen (S. 146).
Die hintere Partie der Oberkieferfortsätze ist an den Theil
der Schädelbasis angeheftet , welcher die Decke des Nasenrachen-
ganges bildet, wird jedoch durch eine tiefe Furche abgegrenzt
(s. oben). In Fig. 13 der dz*itten Tafel ist dieser angeheftete und
151
die seitliche Begrenzung des Nasenrachenganges darstellende Theil
des Oberkieferfortsatzes mit 1 und die Abgrenzungsfurche mit k
bezeichnet.
Bereits sehr entwickelt erscheint an dem älteren Embryo
(Fig. 13, Taf. III) auf jeder Seite die Anlage der secundären
Gaumenplatte. Dieselbe beginnt als eine in der Zeichnung hell
gehaltene Leiste bereits am Zwischenkiefer (vor b) und nimmt in
ihrem Verlaufe nach hinten bedeutend an Höhe zu. Der zwischen
diesen Platten liegende Abschnitt der primitiven Mundhöhle wird
später durch den bleibenden Gaumen von der eigentlichen Mund-
höhle abgeschieden und bildet dann in seiner hinteren Hälfte den
Nasenrachenkanal, in seiner vorderen Hälfte einen Theil der Regio
respiratoria der Nasenhöhlen. Für jetzt gehört er noch der primi-
tiven Mundhöhle an und wird auch von der rasch heranwachsen-
den und der Schädelbasis sich anlagernden Zunge völlig erfüllt.
Zur Erläuterung dieses Verhaltens sind besonders Frontalschnitte
geeignet, wie ich solche auf Taf. II, Fig. 1, 3 und 5 von einem
Rindsembryo mit noch völlig offenem Gaumen abgebildet habe.
Es treffen diese Schnitte die Nasenhöhlen und den primitiven
Gaumen, welcher von dem verbreiterten unteren Ende der Nasen-
scheidewand und von den primitiven Gaumenleisten der Ober-
kieferfortsätze (Fig. 1, i; Fig. 3, c; Fig. 5, b) gebildet wird.
Darunter liegt die von der Zunge völlig erfüllte Abtheilung der
primitiven Mundhöhle, welche zu beiden Seiten von den Ober-
kieferfortsätzen un;l deren senkrecht absteigenden Gaumenplatten
(Fig. 5 , c ; in den anderen Figuren sind sie nicht besonders be-
zeichnet) begrenzt wird. Im frischen Zustande rücken die primi-
tiven Gaumenleisten (Fig. 1, i) den Seitenecken der Nasenscheide-
wand so nahe und auch die Zunge schmiegt sich dem primitiven
Gaumen so innig an, dass die Nasenhöhlen von der primitiven
Mundhöhle fast völlig geschieden erscheinen (vergl. auch Taf. III,
Fig. 12).
Wenn nun mit der Zeit die Zunge von der Schädelbasis sich
zurückzieht, so wird der zwischen den Gaumenplatten befindliche
obere Abschnitt der primitiven Mundhöhle frei (Taf. III, Fig. 13)
und durch die mediane Verbindung der Gaumenplatten von der
übrigen Mundhöhle abgeschieden (Taf. IV, Fig. 15). Der dadurch
152
für die Nase gewonnene Raum dient zur Vervollständigung der
Regio respiratoria und zerfällt in einen hinteren unpaarigen und in
einen vorderen paarigen Abschnitt. Den hinteren berührte ich
schon öfters und nannte ihn Nasenrachengang. Bliebe die Nasen-
scheidewand auf ihrer früheren Höhe zurück, so wäre auch der
vordere Abschnitt dieses kanalförmigen Raumes einfach ; seinen
Boden würde der secundäre, seine Decke der primitive Gaumen
bilden und durch die daselbst befindlichen Spalten (primitive
Gaumenspalten) stünde er mit den Nasenhöhlen in Verbindung.
Es giebt jedoch der primitive Gaumen seine Selbständigkeit auf,
indem sein von der Nasenscheidewand gebildeter Antheil herab-
wächst (Taf. IV, Fig. 15; Taf. III, Fig. 8) und schliesslich mit
dem eigentlichen Gaumen verwächst. Auf diese Weise wird dieser
Raum paarig und jede Seitenhälfte bildet jetzt den untersten Ab-
schnitt einer Nasenhöhle, welcher vorn durch die äusseren Nasen-
löcher ausmündet und hinten in den unter dem Keilbein liegenden
noch unpaarigen Nasenrachengang übergeht. Die Nasenscheide-
wand ist nämlich um diese Zeit in sagittaler Richtung sehr kurz,
so dass ihr hinterer Rand schon vor dem Nasenrachengang endigt.
Nachdem ich gezeigt habe , dass der primitive Gaumen
bei den Säugethieren seine Selbständigkeit aufgiebt , indem
sein von der Nasenscheidewand gebildeter Antheil in den oberen
Theil der nach vorn verlängerten primitiven Mundhöhle hinabsteigt,
denselben halbirt und mit dem bleibenden Gaumen verschmilzt,
so habe ich noch das spätere Verhalten der primitiven Gaumen-
leisten, der primitiven Gaumenspalten und des Nasenrachenganges
zu besprechen.
a. Primitive Gaumenleisten.
Wie wir gesehen haben, so liegt an jüngeren Rindsembryonen,
vor dem Erscheinen der späteren Gaumenplatten , der primitive
Gaumen mit seinen Spalten von der Mundhöhle aus gesehen ganz
oberflächlich (Taf. I , Fig. 4 und 1 1) ; man vergleiche auch den
Frontalschnitt Fig. 10, an welchem mit d die Gaumenfläche der
Nasenscheidewand und mit c die primitive Gaumenleiste des Ober-
kieferfortsatzes bezeichnet ist; zwischen beiden liegt die den
Boden der Nasenhöhle durchbohrende primitive Gaumenspalte.
153
Alsbald jedoch nehmen die zu beiden liegenden Oberkieterfort-
sätze rasch an Höhe zu (Taf. II , Fig. 3 , d) , wachsen zugleich
nach unten in die Gaumenplatten aus und begrenzen einen von
der Zunge erfüllten Raum , dessen Decke der primitive Gaumen
ist (Fig. 1, 3 und 5). Die primitiven Gaumenleisten finden jetzt
ihre Lage hoch oben an der medianen Seite der Überkieferfort-
sätze , stehen aber noch immer in gleicher Höhe mit der Grund-
fläche der Nasenscheidewand (Fig. 1, i; Fig. 3, c; Fig. 5, b).
Von der Mundhöhle aus gesehen, liegen nun diese Leisten mit den
primitiven Gaumenspalten ganz in der Tiefe zAvischen den in die
senkrechten Gaumenplatten auswachsenden Oberkieferfortsätzen
(Taf. III , Fig. 13, h). Um nun für das spätere Verhalten einen
Anhaltspunkt zu gewinnen, so mache ich darauf aufmerksam, dass
die primitive Gaumenleiste unterhalb der erst später entstehen-
den unteren Muschel sich findet und von derselben durch einen
Zwischenraum abgeschieden wird, welcher die Anlage des unteren
Nasenganges darstellt (Taf. II, Fig. 3 und 5). In Fig. 5 bedeutet
a den unteren Rand der unteren Muschel, b die primitive Gaumen-
leiste , zwischen beiden liegt der untere Nasengang , welcher an
diesem Frontalschnitt die Gestalt einer transversalen am lateralen
Ende bogenförmig aufsteigenden Spalte zeigt. Ich kann daher
die Angaben von Kölliker, welcher die primitive Gaumenspalte
(das sogenannte innere Nasenloch) zwischen die untere Muschel
und die Nasenscheidewand verlegt , nicht bestätigen ; im Ganzen
jedoch enthält die von diesem Forscher in seinem Lehrbuch der
Entwicklungsgeschichte gegebene Darstellung der Bildung der
Nasenhöhle und namentlich auch der primitiven Gaumenspalten
einen nicht geringen Fortschritt gegenüber der bisherigen Lehre.
Behält man diese Lage der primitiven Gaumenleisteu im Auge,
so lassen sich dieselben an älteren Embryonen stellenweise noch
nachweisen, während sie in ihrem übrigen Verlaufe sich ausgleichen.
Nehmen wir z. B. den auf Taf. III , Fig. 8 dargestellten Frontal-
schnitt eines Schafsembryo , dessen bleibender Gaumen sich eben
geschlossen hat, so bemerkt man die frühere primitive Gaumen-
leiste in Gestalt einer Schleimhautfalte (e) , welche durch einen
Ausschnitt von der darüber liegenden unteren Muschel (d) ge-
schieden ist. Sie liegt jetzt höher als das untere Ende der Nasen-
154
Scheidewand, welche unterdessen weiter hinabwuchs um sich mit
dem bleibenden Gaumen zu verbinden. Von einer primitiven
Gaumenspalte kann man jetzt wohl nicht mehr sprechen und die
ihr entsprechende Gegend der Nasenhöhle liegt zwischen der Nasen-
scheidewand und der genannten Falte e.
An dem auf Taf. IV, Fig. 15 abgebildeten Frontalschnitt stehen
die Gaumenplatten im Begriff, sich mit einander zur Bildung des
bleibenden Gaumens zu verbinden. Darüber liegt das untere dicke
mit den Gaumenplatten noch nicht verwachsene Ende der Nasen-
scheidewand und zwar in einem lateralwärts von den Oberkiefer-
fortsätzen begrenzten Raum, der früher der primitiven Mundhöhle
angehörte und von der Zunge erfüllt war (vergl. Taf. II, Fig. 5).
Durch das Hinab wachsen der Nasenscheidewand wird dieser Raum
halbirt und jede Hälfte stellt von nun an die unterhalb der unteren
Muschel liegende dem Gebiete des unteren Nasenganges angehörige
Partie der Regio respiratoria einer Nasenhöhle dar. Der untere
Nasengang erscheint an diesem Frontalschnitt als eine kurze schief
nach aussen ansteigende Spalte , welche die untere Muschel von
einer darunter liegenden Schleimhautfalte (ehemalige primitive
Gaumenleiste) trennt.
b. Primitive Gaumenspalten.
In früher Zeit der Entwicklung münden die beiden Nasen-
höhlen ihrer ganzen Länge nach durch eine ihren Boden durch-
brechende Spalte in den unter ihnen liegenden vordem Abschnitt
der verlängerten primitiven Mundhöhle. Alsbald jedoch schliesst
sich der vordere Theil dieser Spalte in Folge einer Verwachsung
des mittleren Stirnfortsatzes mit den vorderen Enden der Ober-
kieferfortsätze (Taf. I, Fig. 4). Den dahinter liegenden noch offenen
Theil der Spalten nannte ich, um einen kurzen Ausdruck zu
haben, primitive Gaumenspalten. An jeder derselben unterscheide
ich wieder eine vordere und eine hintere Hälfte. Die vordere
Hälfte bleibt offen und erhält sich nach der Bildung des bleiben-
den Gaumens in geringer Entfernung über demselben als ein Theil
der untersten Partie der Nasenhöhle (s. oben). Was dagegen die
hintere Hälfte betrifft, so tritt im Grunde derselben eine Verwach-
sung der Nasenscheidewand mit der Seitenwand der Nasenhöhlen
155
ein, wodurch dieselben einen eigenen von dem spätem Gaumen
völlig unabhängigen Boden gewinnen (Taf. IT, Fig. 7). Untersucht
man diesen durch die genannte Figur dargestellten Frontalschnitt
eines Kindsembryo etwas näher, so liegt die den Nasenhöhlen-
boden darstellende Verbindungsbrücke oberhalb der primitiven
Gaumenleiste, welche in Fig. 5 mit b bezeichnet ist. Legt man
den Frontalschnitt durch das hinterste zwischen den Augen lie-
gende Ende der Nasenhöhlen an (Fig. 2), so hat dieser Nasen-
höhlenboden auf Kosten der Nasenhöhle (b) bedeutend an Höhe
zugenommen und die hier getroffene Partie der Nasenscheidewand
ist niedriger geworden und entspricht dem vorderen Keilbeinkörper
des Menschen. An beiden Durchschnitten rindet man unterhalb
dieses Nasenhöhlenbodens einen der primitiven Mundhöhle ange-
hörigen Raum von derselben Beschaffenheit und mit demselben
Inhalt wie an den weiter vorn liegenden Gesichtsdurchschnitten
(vergl. Fig. 1, 3 und 5). Er wird nämlich von der Zunge erfüllt
und zu beiden Seiten von den Oberkieferfortsätzen und den senk-
recht absteigenden Gaumenplatten begrenzt.
Dieses Verhalten der hinteren Hälfte der Nasenhöhle erinnert
an ein ähnliches, wie ich es für das vordere Ende der Nasenhöhlen
beschrieben und auf Taf. III, Fig. 11 abgebildet habe. Auch
dort bildet sich der Nasenhöhlenboden ohne Dazwischenkunft des
späteren Gaumens, einfach durch Verwachsung der Nasenscheide-
wand mit den seitlichen Stirnfortsätzen und den Oberkieferfurt-
sätzen , während der schon in der Bildung begriffene spätere
Gaumen in Gestalt zweier absteigender Platten (a) von diesem
Nasenhöhlenboden abgeht. Somit besitzt jede Nasenhöhle, noch
bevor der eigentliche oder bleibende Gaumen entstanden ist, einen
Boden, welcher zugleich das Dach der primitiven Mundhöhle dar-
stellt und den Zungenrücken in seiner ganzen Ausdehnung be-
rührt. Ich habe ihn daher primitivenGaumen genannt. Ursprünglich
wird derselbe , wie wir gesehen haben , in seiner ganzen Länge
durch die primitiven Gaumenspalten durchsetzt, welche auch den
unteren Umfang der äusseren Nasenlöcher durchbrechen und eine
Communication der Nasenhöhlen mit der primitiven Mundhöhle
gestatten. Hierauf schliessen sich diese Spalten in der angegebenen
Art in ihrem vorderen und ihrem hinteren Theil und nur ihre
156
mittlere Partie erhält sich. Bildet sich dann der spätere Gaumen,
so wird dadurch der obere an den primitiven Nasenhöhlenboden
anstossende Theil der Mundhöhle abgeschnürt und, wie ich oben
bereits angegeben habe, dem Gebiete der Nasenhöhlen einverleibt.
Die Nasenhöhlen gewinnen dadurch an Höhe, indem sie durch
den offen bleibenden Theil der primitiven Gaumenspalten mit
diesem neu hinzugekommenen Raum sich in Verbindung setzen.
Von nun an ist es der secundäre Gaumen, welcher den Boden
der Nasenhöhlen darstellt, wenigstens für den mittleren Abschnitt,
nicht aber für deren vorderes und hinteres Ende, weil diese schon
einen eigenen Boden besitzen. Ganz eigenthümlich gestaltet sich
nun das Verhältniss des seeundären Gaumens zu diesen bereits
geschlossenen Nasenhöhlenpartien , von welchen ich für jetzt nur
die hintere besprechen will.
Nachdem nämlich die hinteren Nasenhöhlenhälften ihren eigenen
Boden erhalten haben , so zieht sich die dicht anliegende Zunge
allmählig von ihm zurück und der entstehende Raum ist der Nasen-
rachengang, dessen Seitenwände von den Oberkieferfortsätzen und
den Gaumenplatten gebildet werden (Taf. II, Fig. 2, c; vergl.
auch Fig. 7). Von der Mundhöhle ist er noch nicht geschieden,
was aber sofort dadurch geschieht, dass die ursprünglich neben
der Zunge absteigenden Gaumenplatten sich aufrichten und zur
Herstellung des Gaumens sich verbinden. Auf diese Weise erhält
die Nasenhöhle einen den Nasenrachengang zwischen sich fassen-
den doppelten Boden (Taf. V, Fig. 14). Den oberen Boden, welcher
alsbald durch eine Knorpelplatte d gestützt wird, sowie die Be-
deutung der darüber liegenden Partie der Nasenhöhle habe ich
schon früher (S. 95 u. f.) besprochen und dabei auch das Ver-
halten der menschlichen Nasenhöhlen berührt.
Nasenrachengang.
Was den Nasenrachengang betrifft, den ich ebenfalls (S. 95)
in Beziehung auf seine Bedeutung und sein späteres Verhalten
schon erörtert habe, so ist derselbe zuerst ein unpaariger Kanal,
dessen hinteres Ende in die Schlundkopfhöhle mündet , dessen
vorderes Ende an den noch ganz vorn liegenden hinteren Nasen-
scheidewandrand anstösst und daselbst zu beiden Seiten des letz-
157
teren in die eigentliche Nasenhöhle sich fortsetzt. Es ist nämlich
an der Bildung der Nasenscheidewand zuerst nur die vorderste vor
der Keilbeingegend liegende Partie der Schädelbasis betheiligt.
Allmählig aber nimmt auch die Keilbeingegend der Schädelbasis
daran Antheil , indem sie in den darunter liegenden Nasenrachen-
gang sich verlängert. Es bildet sich so zuerst ein medianer Wulst,
welcher von oben her den Nasenrachengang zu halbiren beginnt
(Taf. V, Fig. 14 und 15). Beim Schwein bildet sich dieser Theil
der Nasenscheidewand viel früher , so dass der bei diesem Thier
viel längere Nasenrachengang an den auf Taf. IV abgebildeten
Frontalschnitten doppelt erscheint (Fig. 11, 12 und 13, w). Später
werde ich bei der Besprechung menschlicher Embryonen noch
einmal auf den Nasenrachengang zurückommen.
Zur Entwicklungsgeschichte der Nase des Menschen.
Da bei dem Menschen die Nase im Wesentlichen ganz in der-
selben Weise sich bildet, wie bei den von mir untersuchten Säuge-
thieren , so will ich nur die durch Vergleichung sich ergebenden
Verschiedenheiten hervorheben, soweit sie mir aus eigener Erfah-
rung bekannt sind.
Betrachtet man die auf Taf. VI, Fig. 1 3 und 1 1 dargestellten Köpfe,
von welchen jener einem 1,3 Ctin. langen, dieser einem 1,8 Ctm.
langen menschlichen Embryo entnommen ist, so fällt sofort beim
Vergleiche mit Köpfen von Rindsembryonen (Taf. I) einmal die
Flachheit des gesammten Stirnfortsatzes auf. Eine einfache ober-
halb den Augen liegende Querfurche markirt unter Bildung eines
flachen aufwärts convexen Bogens die Grenze zwischen derStirne
und dem Stirnfortsatz , welcher wie ein Mützenschild von der
Stirnwand abgeht und die Gegend zwischen den Augen erfüllt.
Die unten noch weit offenen äusseren Nasenlöcher stehen einander
wegen der geringen Breite des mittleren Stirnfortsatzes viel näher
und es zeichnet sich der letztere noch überdies durch die mehr
senkrechte Stellung seiner schmalen Seitenflügel aus, wodurch der
untere Rand dieses Fortsatzes einen auffallend tiefen medianen
158
Ausschnitt erhält. Erst im weiteren Verlaufe der Entwicklung
verschwindet diese mediane Spalte (Fig. 2), kann sich aber, wie
ein mir vorliegender Fall (Fig. 14) beweist, abnormer Weise er-
halten und eine mediane Trennung der Oberlippe und der beiden
Zwischenkiefer veranlassen. Es war an diesem Kopfe jeder Zwi-
schenkiefer vollständig entwickelt, und zeigte von unten gesehen
zwei für die beiden Schneidezähne der betreffenden Seite be-
stimmte Hügel.
Untersucht man den Kopf eines etwas älteren menschlichen
Embryo (Fig. 2—5), so hat der die Nase darstellende gesammte
Stirnfortsatz zwar an Dicke sehr zugenommen , weniger aber an
Höhe, wesshalb er im Verhältniss zu dem übrigen Kopf sehr niedrig
erscheint. Der mediane Ausschnitt des mittleren Stirnfortsatzes ist
verschwunden und dafür ein die Zwischenkiefergegend darstellen-
der breiter Wulst entstanden , der sich zu beiden Seiten mit den
Oberkieferfortsätzen verbindet und der vorderen Partie der Nasen-
höhlen einen Boden abgiebt.
Vergleicht man diesen Kopf mit dem eines 1,9 Ctm. langen
oben beschriebenen Rindsembryo, so erscheinen die Nasenhöhlen
und überhaupt die ganze Nase sehmaler und viel kürzer. Be-
trachtet man beide Köpfe nach Entfernung des Unterkiefers (Taf. VI,
Fig. 3 und Taf. I, Fig. 4), so erscheint der primitive Gaumen des
menschlichen Embryo sehr kurz und schmal und die entsprechend
verkürzten primitiven Gaumenspalten erscheinen mehr wie läng-
liche am vordem Rand ausgerundete Löcher (vergl. auch Taf. VI,
Fig. 2, h). Erst im weiteren Verlaufe der Entwicklung, wenn sich
die Nase in der Richtung nach vorn verlängert, gewinnen auch
bei dem Menschen diese Löcher die Gestalt von Längsspalten,
welche den primitiven Boden der Nasenhöhlen durchbrechen (Fig. 21).
Die in Fig. 2 und 3 hinter dem primitiven Gaumen und seinen
Spalten liegende lateralwärts von den Oberkieferwülsten begrenzte
Gegend ist die primitive Mundhöhle oder die noch ungeschiedene
Anlage des Nasenrachenganges und der hinteren Partie der spä-
teren Mundhöhle. Ihr von der Keilbeinanlage gebildeter Hinter-
grund (Decke) wird zu beiden Seiten von den hier an die Schädel-
basis angehefteten Oberkieferfortsätzen durch eine Furche geschieden
(Fig. 2, f; Fig. 3, e), welche in ihrem Verlaufe nach hinten und
159
unten an Tiefe zunimmt und schliesslich zur Mündung der Eu-
stach'schen Trompete führt. Latcralwärts von dieser Grenz-
furche entwickelt sich aus dem Oberkieferfortsatz eine hier noch
sehr niedrige Längskante oder Leiste (Fig. 2, e ; Fig. 3, e), wor-
aus der weiche Gaumen und die hintere Partie des harten Gaumens
hervorgeht (Fig. 6, c). Nach vorn setzt sich diese Gaumenplatten-
anlage auf einen Theil des Oberkieferfortsatzes fort, welcher die
primitive Gaumenspalte lateralwärts begrenzt, und daraus entwickelt
sich die vordere Partie des harten Gaumens. Wenn nun später
die Gaumenplatten beider Seiten medianwärts zur Bildung des
bleibenden Gaumens sich verbinden , so wird der obere an die
Schädelbasis und die Nasenscheidewand angrenzende nach vorn
bis zu dem Zwischenkiefer reichende Abschnitt der primitiven Mund-
höhle abgeschlossen und in einen niedrigen Gang verwandelt,
dessen hintere unter dem Keilbein liegende Hälfte der Nasen-
rachengang ist. In seinen vorderen unter der Nasenscheidewand
liegenden Abschnitt münden die Nasenhöhlen durch die primitiven
Gaumenspalten und schon frühe wächst die Nasenscheidewand
hinab, verbindet sich mit dessen Boden (Gaumen) und theilt da-
her diesen Raum in zwei den untersten Abschnitt der Nasenhöhlen
darstellende Hälften, welche am hinteren Rande der Nasenscheide-
wand in den noch langen Nasenrachen gang münden. Allmählig
aber zerfällt auch dieser Gang in der Richtung von vorn nach
hinten in zwei die Nasenhöhlen fortsetzende Gänge, indem sich
auch die untere Keilbeinfläche an der Verlängerung der Nasen-
scheidowand betheiligt. Folglich ist die später doppelte Ausmündung
der Nase in den Schlundkopf (Choanae) ursprünglich einfach und
der hintere Nasenscheidewandrand lag in der Gegend vor der
unteren Keilbeinfläche. Die hinteren Nasenlöcher oder Choanen
sind daher die beiden Seitenhälften der ursprünglich einfachen
Mündung des Nasenrachenganges in die Schlundkopfhöhle. An
dem auf Taf. VI, Fig. 2 und 3 abgebildeten menschlichen Em-
bryo fehlt noch der spätere Gaumen ; es wäre daher ein Fehler,
wollte man die den Boden der Nasenhöhlen durchbrechenden
spaltenförmigen Löcher (die ich primitive Gaumenspalten nannte)
als Choanen ansprechen. Diese Spalten bleiben und mit der
Vex-längerung der Mundhöhle nehmen sie an Länge zu. Sie werden
160
später von den Gaumenplatten verdeckt und erhalten sich als ein
Theil des unteren Nasenganges. Ein diesen Kopf halbirender
Medianschnitt (Fig. 4) zeigt die in ihrer Entwicklung begriffene
Nasenscheidewand, zu deren Herstellung, wie ich oben angab, die
Basis des Vorderschädels in ihrer ganzen ursprünglichen Breite
als sogenannter mittlerer Stirnfortsatz in die Mundhöhle hinab-
wächst. Sie erscheint zuerst am vorderen Ende des Schädels als
eine Wucherung der Stirnwand und der zunächst angrenzenden
Schädelbasis; hierauf wächst auch die weiter rückwärts liegende
Partie der Schädelbasis aus und es bildet sich so eine senkrechte
Platte , deren Dicke der ganzen Breite des ursprünglichen
Vorderschädels gleichkommt und welche zugleich die gemeinschaft
liehe Anlage der Körper der beiden vorderen Schädelwirbel (vor-
derer Keilbeinkörper und Lamina perpendicularis des Siebbeins)
darstellt. Es enthält dieser Schädeltheil die von Rathke soge-
nannten seitlichen Schädelbalken, welche, indem sich allmählig auch
die dazwischen liegende anfangs sehr dünne Zone der Schädel-
basis verdickt, scheinbar mit einander medianwärts verschmelzen
und die Grundlage der Nasenscheidewand und des dazu gehörigen
vorderen Keilbeinkörpers bilden. In Fig. 4 ist die so verdickte
vordere Schädelbasis (h g) abgebildet und ihr unterer Rand bildet
mit der Basis des Spheno-Ethmoidaltheils des Schädels (k h) einen
bogenförmig ausgerundeten sehr stumpfen Winkel.
Vergleicht man hiermit den in Fig. 7 dargestellten Median-
schnitt der Schädelbasis eines 3,8 Ctm. langen menschlichen Em-
bryo, so hat die Nasenscheidewand mit der Verlängerung des
Schädels nach vorn ebenfalls an Länge zugenommen und man
kann an ihr eine hintere und eine vordere Partie unterscheiden.
Die hintere Partie ist noch sehr niedrig und setzt sich rückwärts
ohne Grenze in den vorderen Keilbeinkörper (d) fort. Ihr unterer
Rand ist noch völlig frei und erscheint von der Mundhöhle aus
gesehen (Fig. 6, d) als eine breite Fläche. Der darunter liegende
Raum (Fig. 7) ist die primitive Mundhöhle, deren Seitenwand von
dem Oberkieferfortsatz gebildet wird und die mit ihrem freien
Rand abwärts gekehrte Gaumenplatte (g i) abgiebt. Der über
dieser Platte liegende Abschnitt der primitiven Mundhöhle, welcher
vorn und oben mit den Nasenhöhlen coinmunicirt, wird später
161
mit der Gaurnenbildung von der Mundhöhle abgeschnürt und bildet
dann einen Theil der Regio respiratoria der Nasenhöhlen sowie
den Nasenrachengang , welcher unter dem Keilbein (d c b) liegt
und rückwärts bis zu der hier sichtbaren Mündung der Eustach'-
schen Trompeten (zwischen i und b) sich erstreckt.
Die vordere Partie der Nasenscheidewand unterscheidet sich
von der vorhergehenden durch ihre viel bedeutendere Höhe , be-
sonders aber noch dadurch , dass ihr unterer Rand in den den
Boden der Nasenhöhlen darstellenden Zwischenkiefer übergeht.
Durch einen vorderen Einschnitt ist das Zwischenkieferstück von
der Oberlippe und durch einen hinteren Einschnitt von der hin-
teren Partie der Nasenscheidewand geschieden ; zugleich bemerkt
man an seinem hinteren Ende in der Tiefe eine längliche schräg
nach hinten ziehende Oeffnung, welche in die Nasenhöhle führt.
Ein neben der Nasenscheidewand durch das äussere Nasenloch
geführter Sagittalschnitt desselben Kopfes (Fig. 8) öffnet die rechte
Nasenhöhle, welche bereits drei Muscheln enthält. Die untere
längste Muschel erreicht mit ihrem vorderen Ende den Rand des
äusseren Nasenlochs (a). Die im Verhältniss zu ihrer Höhe kurze
Nasenhöhle erstreckt sich rückwärts unter dem Keilbein bis zur
Mündung der Eustach'schen Trompete. In ihrer vorderen Hälfte
besitzt sie bereits einen geschlossenen Boden , welcher von dem
an seinem vorderen Umfang von der Oberlippe (b) gedeckten
Zwischenkiefer gebildet wird.
In Fig. 6 gebe ich eine Flächenansicht der primitiven Mund-
höhlendecke dieses Embryo. Zwischen den Gaumenplatten be-
merkt man in der Tiefe die in die breite Nasenscheidewand aus-
wachsende Schädelbasis und zu beiden Seiten derselben die nach
hinten von den Gaumenplatten verdeckten Spalten des Nasen-
höhlenbodens (primitive Gaumenspalten). Im Vergleiche zu den
oben beschriebenen Rindsembryonen sind die Nasenhöhlen und
ihre Scheidewand bei menschlichen Embryonen auffallend verkürzt
und es steht dazu die sagittale Ausdehnung des Zwischenkiefers,
der mehr als die halbe Länge der eigentlichen Nasenhöhlen bean-
sprucht, in auffallendem Missverhältniss.
Dursy , Entwicklgsgesch. 11
162
Ueber das spätere Verhalten der Oberkieferfortsätze.
Nachdem icli die erste Anlage der Oberkieferfortsätze bereits
besprochen habe (S. 122 u. ff.), wende ich mich zu deren spä-
teren Veränderungen lind lege dabei meine an Rindsembryonen
gemachten Erfahrungen zu Grund.
Wie die nebenstehende Figur XX zeigt, so besitzt der Ober-
kieferfortsatz eines Gx/2 Millim. langen Rindsembryo von aussen
gesehen die Gestalt eines in eine vor-
dere Spitze auslaufenden Lappens, der
seiner ganzen Länge nach mit dem
convexen Rand an die Schädelbasis
angeheftet ist (vergl. auch Taf. I, Fig.
20 und Fig. 21 , d) , und an dem hin-
teren unteren Umfang der Riechgruben
endigt. Von der darüber liegenden An-
lage des seitlichen Stirnfortsatzes k
wird er durch die Augennasenfurche
geschieden. Hierauf nimmt er an Dicke
und an Länge zu, so dass er über sein
vorderes angeheftetes Ende hinaus-
wächst, wobei er seine Anheftung an denSchäd el aufgiebt und
sich an der Bildung der unteren Partie der Nase betheiligt. Ich
unterscheide daher von jetzt an an dem Oberkieferfortsatz einen
hinteren an den Schädel gehefteten Abschnitt (Taf. I, Fig. 16 und 17)
sowie einen vorderen Abschnitt , welcher von dem Schädel sich
ablöst und unterhalb der Riechgruben dem Stirnfortsatz sich an-
schliesst (Taf. I, Fig. 15; vergl. auch S. 150).
Der hintere Abschnitt ist eine Fortsetzung der an den late-
ralen Umfang der Schädelbasis gehefteten Bauchplatte und besitzt,
wie wir gesehen haben, einen oberen convexen durch eine Furche
(XX, i) sich abgrenzenden Rand. Alsbald aber nimmt der Ober-
kieferfortsatz an seiner Aussenseite bedeutend an Dicke zu und
gewinnt auch an Höhe, so dass er das Auge von unten umfasst
und dabei sein oberer früher convexer Rand in einen concaven
sich umändert. Zugleich wuchert er hinter dem Auge hinauf und
erzeugt in Verbindung mit einer entgegenkommenden Wucherung
Erklärung s. S. 105.
163
Erklärung s. S. 113.
des Schädeldaches einen das Auge umfassenden Wulst, welcher
jedoch in der Gegend vor dem Auge durch die hier beginnende
Augen -Nasenfurche eine Unter-
brechung erfährt. Die frühere
Abgrenzungsfurche (XX , i) er-
fährt dadurch eine Abänderung
ihres Verlaufes , zieht nicht mehr
unter dem Auge vorbei zur Augen-
Nasenfurche, sondern umkreist
hinter und über dem Auge den
genannten Wulst. Allmählig ver-
schwindet sie in Folge einer aus-
gleichenden Massenzunahme der
Aussenseite des Kopfes. Betrachtet
man den auf Taf. I , Fig. 1 dar-
gestellten Kopf eines Rindsembryo,
so bildet der nun stark ausgehöhlte
das Auge tragende obere Umfang
der hinteren Abtheilung des ver-
dickten Oberkieferfortsatzes die
untere Hälfte eines die Augen
umgebenden Walles, der nur durch
die Augen-Nasenfurche eine Unter-
brechung erfährt. Die frühere
Grenzfurche zwischen Bauchplatte
(also auch Oberkieferfortsatz) und
Schädelrohr ist verschwunden und
es bilden sieh in der hier entstandenen Wucherung, welche den
hinteren Umfang des Auges umgiebt und den Oberkieferfortsatz
mit der seitlichen Schädelwand verbindet, das Jochbein und die
Weichtheile der Schläfengrube.
Es wuchert aber die hintere Abtheilung des Oberkieferfort-
satzes nicht blos hinter dem Auge nach oben, sondern auch in
entgegengesetzter Richtung abwärts über das hintere Ende der
Mundspalte hinweg und verschmilzt mit einer entgegenkommenden
Wucherung des ersten Schlundbogens zur Bildung der Backen;
es wird dadurch der laterale Theil der Mundspalte von aussen
11*
Erklärung 6. S. 114.
164
gedeckt. In Fig. XX (Holzschn.) erblickt man den lateralen Theil
der primitiven Mundspalte noch völlig frei und ihr Winkel liegt
hinter dem Auge. In Fig. XXI wird das hinterste Ende der
Spalte überbrückt, ebenso in Fig. XXII, und man bemerkt hier
deutlich eine von dem unteren Umfang des Oberkieferfortsatzes
abgehende Wucherung, welche in Gestalt einer nach vorn con-
caven Falte auf den Unterkieferfortsatz übergeht.
Was den vorderen Abschnitt des verlängerten Oberkieferfort-
satzes betrifft, so hat derselbe im Profil gesehen an jüngeren Em-
bryonen (Fig. XXI) die Gestalt eines dreieckigen Lappens, welcher
den seitlichen Stirnfortsatz k trägt und mit seiner abgerundeten
Spitze dem Seitenflügel des mittleren Stirnfortsatzes o entgegen-
strebt. Vergleicht man damit das in Fig. XX dargestellte vordere
zugespitzte Ende des ursprünglichen Oberkieferfortsatzes, so haben
beide ein ähnliches Ansehen und es hat daher den Anschein , als
ob mit der Verlängerung des Oberkieferfortsatzes dieses ursprüng-
liche vordere Ende nur Aveiter nach vorn gerückt wäre. Dies ist
aber nicht der Fall , sondern es bildet sich eine neue dem ur-
sprünglichen Ende sich gleichsam aufsetzende Wucherung, welche
von dem Schädel sich entfernt, um der herabwachsenden Nase
(Stirnfortsatz im weiteren Sinn) Platz zu lassen. Die ursprüng-
liche Spitze ist daher als solche nicht mehr zu unterscheiden,
sondern verdickt sich zur Wurzel der die Nase tragenden Ver-
längerung des Oberkieferfortsatzes. Legt man daher um diese
Zeit der Entwicklung nahe vor dem Auge einen Frontalschnitt an
(Taf. I, Fig. 16 und 17), so trifft man damit die Gegend der
früheren an den Schädel gehefteten Spitze des Oberkieferfortsatzes,
die nun zur Wurzel der folgenden Abtheilung sich verdickt hat
und das vordere Ende der in die Schädelwand übergehenden
Kopfbauchplatte darstellt. Durch eine vor den Augen liegende
tiefe Furche wird sie von der darüber liegenden seitlichen Stirn-
wand äusserlich abgegrenzt. Legt man jedoch den Schnitt weiter
vorn an , so trifft man die später entstandene vordere Abtheilung
des Oberkieferfortsatzes (Fig. 15, b), welche nicht mehr mit dem
Schädel zusammenhängt. Sie wird vielmehr durch eine die Augen-
Nasenfurche aufnehmende Spalte von dem darüber liegenden seit-
lichen Stirnfortsatz (a) geschieden und verlängert sich medianwärts
165
in eine horizontale Kante , welche unter den Nasenhöhlen hinweg
der Schädelbasis entgegenstrebt. Es trägt somit diese Abtheilung
des Oberkieferfortsatzes die Nase und scheidet deren Höhlen von
der primitiven Mundhöhle einigermassen ab. Ich habe diese me-
diane Kante bereits als einen Theil meines primitiven Gaumens
beschrieben und sie primitive Gaumenleiste genannt (S. 148). All-
mählig verwächst der Oberkieferfortsatz mit dem seitlichen Stirn-
fortsatz und betheiligt sich auch an der Bildung der lateralen
Nasenhöhlenwand (Taf. I, Fig. 10 und 11). Ferner verschmilzt
sein vorderstes Ende mit dem Seitenflügel des Stirnfortsatzes (Fig. 8).
Zur Zeit der beginnenden Verwachsung des Oberkieferfortsatzes
mit den beiden Stirnfortsätzen bemerkt man an der Aussenfläche
seines vorderen Abschnittes Auftreibungen theils in Gestalt flacher
breiter Wülste, theils in Gestalt kleinerer schärfer begrenzter Hü-
gel (Taf. 1, Fig. 1, 2 und 3). So finde ich beständig an seinem
oberen Rand einen kleinen runden Höcker, dem ein ähnlicher von
dem anstossenden Theil des seitlichen Stirnfortsatzes entgegenkommt
(Fig. 2) ; ich habe sie bis jetzt noch nicht weiter verfolgt.
Nachdem ich gezeigt habe, dass der vordere oder Nasentheil
des Oberkieferfortsatzes aus dem ursprünglichen dem Schädel an-
gehefteten Theil frei hervorwächst, indem er durch eine in die
Mundhöhle führende Spalte von den Stirnfortsätzen geschieden
wird , so erinnert er durch dieses Verhalten an die aus der ur-
sprünglichen Bauchplatte hervorwachsenden und ebenfalls durch
Spalten geschiedenen Schlundbogenhälften , erscheint daher eben-
falls wie diese als ein Visceralfortsatz , welcher dem der anderen
Seite nach vorn entgegenwächst. Auch haben sie in der That
das Bestreben in der vorderen Medianlinie zur Herstellung eines
vollständigen den Schlundbogen analogen und von der Stirne durch
eine Querspalte geschiedenen Bogens sich zu verbinden , werden
aber daran durch den dazwischen tretenden mittleren Stirnfortsatz
gehindert. Ein solcher Fall kann aber eintreten, wenn aus-
nahmsweise dieser Fortsatz nicht herabwächst, sich überhaupt gar
nicht bildet. Auf Taf. III, Fig. 16 habe ich einen Hühnerembryo
abgebildet , dessen mittlerer Stirnfortsatz sich nicht entwickelte ;
die Mitte der vorderen Stirnwand blieb auf einer frühen Bildungs-
stufe zurück , ist daher niedrig und schmal und wird zu beiden
16*6
Seiten von den seitlichen Stirnfortsätzen überragt. Es bildet sich
so mitten auf der Stirne eine Vertiefung, welche zu beiden Seiten
in die von den seitlichen Stirnfortsätzen lateralwärts gedeckten
Riechgruben führt. Was nun die seitlichen Stirnfortsätze betrifft,
so sind dieselben in Folge der Verkümmerung der mittleren Stirn-
wand einander viel näher gerückt und wenden sich mit ihren
unteren Enden medianwärts , um sich in der bekannten Weise
unterhalb der Riechgruben mit dem mittleren Stirnfortsatz zu ver-
binden. Da nun ein solcher hier fehlt, so stossen sie von beiden
Seiten in der Medianlinie aufeinander, verschmelzen und bilden
einen die Nasengegend abwärts abschliessenden bogenförmigen
Wulst. Die darüber liegende Grube der Stirnwand ist gleichsam
ein unpaariges äusseres Nasenloch , welches zu beiden Seiten in
die verkümmerten Nasenhöhlen führt. Eine Nase hat sich somit
in diesem Falle , wenn auch unvollkommen , gebildet , ist aber in
Folge der Verkümmerung des vorderen Schädelendes nicht zwi-
schen die Augen (c) in die Mundhöhle hinabgewachsen ; es fehlt
daher die Verbindung mit den Oberkieferfortsätzen. Besonders
interessant dabei ist der Umstand , dass auch die seitlichen Stirn-
fortsätze ähnlich den Visceralfortsätzen (Schlundbogen) das Be-
streben haben, zur Herstellung eines geschlossenen Bogens einander
medianwärts entgegen zu wachsen, was im vorliegenden Falle ge-
lingt, sonst aber durch die Dazwischenkunft des mittleren Stirn-
fortsatzes verhindert wird. Betrachten wir nun die Oberkiefer-
fortsätze (d) , so steht auch hier ihrer medianen Vereinigung zu
einem geschlossenen Bogen Nichts im Wege. Man glaubt den
ersten Schlundbogen zu sehen und es fehlen selbst die kolbig ver-
dickten Enden nicht, mit welchen sie sich aneinander legen. Auf-
fallend ist ein von oben zwischen die Kolben sich einkeilender
Wulst , welcher an das oben beschriebene Zwischenkieferstück
des Unterkiefers erinnert. Es scheint dieser Zwickel einigen Er-
satz bieten zu wollen für den sonst am unteren Rand des mittleren
Stirnfortsatzes sich bildenden Zwischenkiefer. Zwischen den End-
kolben der vereinigten Oberkieferfortsätze und den Endkolben
des ersten Schlundbogens (e) erblickt man die kleine rautenförmige
Mundöffnung.
Was den Raum betrifft, der in transversaler Richtung unter-
167
halb der Augen den Schädel von dem Bogen der Oberkieferfort-
sätze trennt, so ist dies der an die Schädelbasis angrenzende oberste
Abschnitt der primitiven Mundhöhle , deren Eingang durch die
nachträgliche Verschmelzung der Oberkieferfortsätze in eine obere
die Augen aufnehmende und in eine untere die eigentliche Mund-
öffnung darstellende Abtheilung geschieden wurde. Die wegen
Verkümmerung der Nase einander näher gerückten und nicht
geschiedenen Augen (Cyklopie) ragen daher in den obersten Theil
der primitiven Mundhöhle hinein, also in einen Raum, der bei den
Säugethieren als Nasenrachengang und untere Partie der Regio
respiratoria der Nasenhöhle abgeschieden wird. Da ich diesen
Hühnerembryo noch unverletzt in Weingeist aufbewahre und nicht
zergliedern will, so weiss ich nicht, ob auch in der Tiefe die
Oberkieferfortsätze nachträglich sich in Verbindung gesetzt haben,
in welchem Falle der die Augen aufnehmende Raum einen Bo-
den hätte.
Nachdem ich somit gezeigt habe , dass mit dem Ausfall des
mittleren Stirnfortsatzes sowohl die seitlichen Stirnfortsätze als
auch die Oberkieferfortsätze ähnlich den Schlundbogenhälften me-
dianwärts einander entgegenstreben und sich zur Herstellung eines
geschlossenen Bogens vereinigen können , so scheint daraus her-
vorzugehen, dass auch dem Gesichte ursprünglich ein ähnlicher
Entwicklungsplan zu Grunde liegt wie dem Kopftheil des Bauch-
rohres oder der Schlundhöhle. Auch führen die zwischen den
Bogenhälften befindlichen Spalten an ihrem Ende zu Sinnesorganen
und zwar die erste Schlundspalte zum Ohr, die Spalte zwischen
erstem Schlundbogen und Oberkieferfortsatz zur Geschmackshöhle,
die Spalte zwischen Oberkieferfortsatz und seitlichem Stirnfortsatz
zum Auge, die Spalte zwischen seitlichem und mittlerem Stirnfort-
satz zur Riechgrube.
Im Anschluss an das oben beschriebene Verhalten der Ober-
kieferfortsätze will ich hier noch einige die Oberkieferknochen
eines menschlichen Cyklopen betreffende Beobachtungen mittheilen.
Die unter der einfachen medianen Orbita liegenden Oberkiefer-
knochen bestanden nur in dem aus den Oberkieferfortsätzen her-
vorgehenden Abschnitt; der Zwischenkiefer fehlte völlig, so dass
die eigentlichen Oberkieferknochen vorn zur unmittelbaren Be-
168
rührung und Verbindung gelangten. Es haben sich somit die
Oberkieferfortsätze, wie bei dem oben beschriebenen Hühnerembryo,
zu einem geschlossenen Bogen verbunden. Der knöcherne Ober-
kiefertheil des Gesichtes war daher an dem Cyklopen von vorn
gesehen wegen Mangels der Zwischenkieferknochen viel schmaler
als an dem normalen Schädel eines Neugeborenen. Die Foramina
infraorbitalia standen einander sehr nahe und von den Processus
nasales waren wenigstens die Wurzeln , wenn auch schmal und
niedrig, vorhanden und in unmittelbare Berührung gerathen.
Aber auch nach hinten waren die Oberknochen einander sehr
nahe gerückt, so dass ihre Augenhöhlenflächen medianwärts sich
berührten und den Boden der einzigen Orbita bildeten. Die beiden
Processus alveolares standen einander , von unten gesehen , zwar
ebenfalls sehr nahe, waren aber doch durch einen äusserst schmalen
Gaumen von einander geschieden. Die Gaumenplatten waren
nämlich vorhanden, jedoch in der ursprünglichen bei den Em-
bryonen von mir nachgewiesenen verticalen Stellung. In dieser
Haltung kommen sie mit einander in der Medianebene in Be-
rührung und erzeugen einen in die Mundhöhle hinabragenden hohen
Kamm. In Folge des geringen Zwischenraumes zwischen den
Oberkieferfortsätzen mussten die Gaumenplatten auf ihre spätere
horizontale Richtung verzichten, jedoch nicht ganz vollständig, da
wenigstens ihre Wurzeln ein wenn auch sehr schmales Gaumen-
gewölbe darstellen. Ueber diesem Gaumen fand sich zwischen den
beiden Oberkieferknochen ein schmaler Zwischenraum , dessen
Decke von dem Boden der einzigen Orbita dargestellt wurde.
Vorn war dieser Raum geschlossen, hinten aber offen und mündete
somit in die Schlundhöhle. Eine dünne einfache senkrechte Knochen-
platte, am unteren Rand mit dem Gaumenrudiment verschmolzen,
trennte diesen Raum in zwei Seitenhälften und es stellt derselbe
offenbar die untere Partie der Nasenhöhle vor, an deren Seiten-
wand man sogar ein muschelförmig gekrümmtes Knochenplättchen
wahrnahm. Nach der bisherigen die Cyklopen betreffenden Lehre
soll die Nase an ihrer normalen Stelle fehlen und nur durch ein
über dem einfachen Auge hervorragendes Rudiment angedeutet
sein. Von einer zweiten unter dem einfachen Auge liegenden An-
169
deutung einer Nasenhöhle ist mir aus der Literatur bis jetzt kein
Fall bekannt.
Es findet ein solches Vorkommen in der von mir gegebenen
Darstellung der Nasenbildung seine Erklärung. Es entwickelt sich
nämlich die Regio olfactoria der Nasenhöhlen nebst einem Theil
der Regio respiratoria aus den Riechgruben und den sie begren-
zenden Stirnfortsätzen, also unabhängig von der Mundhöhle vor
den Augen. Aus diesem Theil der Nasenhöhle besteht das bei
Cyklopen über dem Auge gefundene Nasenrudiment. Was dagegen
den Nasenrachengang nebst einem Theil der unteren Partie der
Regio respiratoria der Nasenhöhlen betrifft, so scheiden sich diese
bei der Gaumenbildung von der primitiven Mundhöhle ab. Wenn
aber wegen Verkümmerung des vorderen Schädelendes die Stirn-
fortsätze nicht herabwachsen und sich mit den Oberkieferfortsätzen
verbinden , so bleibt auch die obere Partie der Nasenhöhle von
der unteren geschieden. Beide sind freilich nur sehr rudimentär
und können auch ganz fehlen. In dem mir vorliegenden Falle
jedoch fand sich, wie ich oben angegeben habe, ein Rest der un-
teren zwischen den Oberkieferfortsätzen liegenden Partie der Nasen-
höhle, welcher sogar durch eine dünne senkrechte Knochenplatte
in zwei Seitenhälften getheilt wurde. Diese Scheidewand kann
aber nicht die eigentliche Nasenscheidewand sein , da diese aus
dem mittleren Stirnfortsatz entsteht, der hier fehlt. Ich deute da-
her diese Knochenplatte als Vomer , der in diesem Falle wegen
Mangels eines dazwischen liegenden Nasenscheidewandknorpels nur
ein einfaches Knochenplättchen darstellt.
Zur Bildungsgeschichte des bleibenden Gaumens.
Die beiden Gaumenplatten, woraus der bleibende Gaumen
des Menschen und der Säugethierc entsteht, wachsen aus der
Seitenwand der primitiven Mundhöhle und der dahinter liegenden
Schlundkopfhöhle hervor und trennen, indem sie medianwärts sich
verbinden , diese ursprünglich einfachen Höhlen in zwei überein-
ander liegende Abtheilungen. Die obere Abtheilung vervollständigt
170
die Regio respiratoria der Nasenhöhle, zieht dann gleichsam als
Ausführungsgang der Nasenhöhle oder Nasenrachengang unter dem
Keilbein hinweg nach hinten und bildet das Cavum pharyngo-
nasale des Schlundkopfs. Ihr vorderes Ende liegt hinter dem
Zwischenkiefer und setzt sich in den Theil der Nasenhöhle fori»
Avelcher bereits durch den Zwischenkiefer einen Boden erhalten
hat und durch die äusseren Nasenlöcher ausmündet. Das hintere
Ende oder das Cavum pharyngo-nasale mündet durch eine den
weichen Gaumen durchbohrende Oeffnung (Isthmus pharyngo-
nasalis) in die untere Abtheilung der Schlundkopfhöhle.
Die erste Spur einer Gaumenplatte erkennt man an einem
schon früher erwähnten abgerundeten Längswulst , welcher aus
dem medianen Theil eines Oberkieferfortsatzes nahe unter der
Schädelbasis hervorgeht (Taf. I, Fig. 13, b; Fig. 4, m) und als-
bald nach vorn in die Zwischenkiefergegend und nach hinten
entlang der Seitenwand des Schlundkopfes bis hinter die Kehl-
kopfgegend sich verlängert. Die daraus hervorgehende Platte
wächst nicht sofort, wie gelehrt wird, in horizontaler Richtung der
gegenüber stehenden Platte entgegen, sondei'n schlägt zuerst eine
vertikale Richtung ein , so dass beide die der Schädelbasis und
dem primitiven Gaumen sich anschmiegende Zunge zwischen sich
fassen (Taf. II, Fig. 1, 2, 3, 5, 7). Ueber die Bedeutung des
zwischen den senkrechten Gaumenplatten befindlichen Raumes
sowie über deren Vei'hältniss zu den primitiven horizontalen
Gaumenleistcn der Oberkieferfortsätze habe ich mich schon früher
ausgesprochen.
An einem auf Taf. VI, Fig. 2 dargestellten 1,9 Ctm. langen
menschlichen Embryo ist die senkrechte Gaumenplatte (e) noch
niedrig, erscheint wie eine mit der Schneide abwärts gekehrte Kante.
Die folgende Figur 3 zeigt diese Kanten von unten (e) ; sie be-
ginnen in der Zwischenkiefergegend, nehmen in ihrem Verlaufe
nach hinten an Höhe etwas zu und finden ihre höchste Stelle
am hinteren Ende des späteren Nasenrachengangs. Sie erzeugen
dort eine klappenartig vorspringende Ecke (Anlage der Seiten-
hälfte des Gaumenzäpfchens), nehmen von hier aus, indem sie
entlang der Wurzel des ersten Schlundbogens an dem Seitenrand
der Rachenhöhle hinabsteigen, rasch an Höhe ab und werden in
171
diesem Verlaufe in den genannten Abbildungen durch die Schnitt-
fläche der Schlundbogen verdeckt.
Wie diese Anlagen , so beginnen auch die daraus hervor-
gehenden Platten ganz niedrig in der Zwischenkiefergegend , wie
Fig. 6 von einem 3,8 Ctm. langen menschlichen Fötus zeigt, er-
reichen ihre grösste Höhe in der Mitte ihrer Länge, zeigen daselbst
die erwähnte auffallende Ecke (Gaumenzäpfchen) und nehmen in
ihrem weiteren Verlauf an der Seitenwand der Schlundhöhle an
Höhe wieder ab (Anlage der Arcus palato-pharyngei) , um sich
allmählig zu verlieren. Eine ähnliche Ansicht der Gaumenplatten
von einem Rindsfötus zeigt Taf. III, Fig. 13 und ich hebe hervor,
dass auch hier die Anlagen der Gaumenzäpfchenhälften sehr deut-
lich sind , obgleich später beim Rinde und anderen Säugethieren
das Zäpfchen nicht als ein besonderer Anhang des Gaumensegels
hervortritt. Eine von der Mundhöhle aus gesehene Seitenansicht
der senkrechten Gaumenplatte eines menschlichen Fötus giebt
Taf. VI, Fig. 7 und 8.
Hierauf zieht sich die Zunge von dem unteren Nasenscheide-
wandrand und der dahinter liegenden Schädelbasis zurück , ver-
lässt den zwischen den vertikalen Gaumenplatten befindlichen
Raum und gestattet dadurch der letzteren eine Abänderung ihrer
ursprünglichen Richtung in eine horizontale. Wie der auf Taf. IV,
Fig. 15 abgebildete Frontalschnitt eines Rindsembryo zeigt, so
wachsen die nun horizontalen Gaumenplatten mit dicken freien
abgerundeten Enden einander bis zur medianen Berührung ent-
gegen , verschmelzen dann mit Zurücklassung einer Naht und
bilden den bleibenden Gaumen.
Was die darüber stehende Nasenscheidewand betrifft, so wächst
dieselbe , wie wir gesehen haben , zuerst aus dem vordersten in
die Stirnwand übergehenden Ende der Schädelbasis hervor und
indem sie an Höhe gewinnt, nimmt auch allmählig in der Richtung
von vorn nach hinten die weiter zurück liegende Partie der
Schädelbasis daran Antheil. Die Nasenscheidewand erhält so eine
dreiseitige Gestalt mit schief nach vorn abfallendem unteren Rand
und kommt daher mit dem Gaumen zuerst ganz vorn in Berüh-
rung und zur Verwachsung. Allmählig verschmilzt auch der
nächstfolgende Theil des unteren Nasenscheidewandrandes von
172
vorn nach hinten mit den schon früher verbundenen Gaumenplatten
und so erklärt sich die für eine gewisse Entwicklungsstufe normale
Communication beider Nasenhöhlen zwischen dem Gaumen und
der Nasenscheidewand (Taf. III, Fig. 8; Taf. IV, Fig. 15); ab-
normer Weise kann sich auch bei dem Menschen noch in späterer
Zeit ein Rest dieser Lücke als ein beide Nasenhöhlen ver-
bindendes Loch erhalten.
Wenn sich die zuerst senkrecht in die Mundhöhle hinabstei-
genden Gaumenplatten aufrichten und eine horizontale Richtung
annehmen , so sind sie noch nicht breit genug, um sich sofort zu
verbinden und den Gaumen zu schliessen, sie Averden vielmehr
vorerst durch eine an verschiedenen Stellen verschieden breite
Spalte geschieden (Gaumenspalte oder , wenn der Gegensatz zu
den primitiven Gaumenspalten hervorgehoben werden soll , „se-
eundäre Gaumenspalte").
Nach meinen bei dem Menschen, dem Rinde, Schafe und dem
Schweine gemachten Erfahrungen schliesst sich die Spalte in der
Richtung von vorn nach hinten mit Ausnahme ihrer beiden En-
den, von welchen das vordere in der Schliessung sich verspätet,
das hintere dagegen für immer offen bleibt (Isthmus pharyngo-
nasalis). Betrachtet man den auf Taf. VI, Fig. 15 abgebildeten
noch offenen Gaumen eines Avenig über Einen Zoll langen mensch-
lichen Fötus, so kann man daran eine vordere kürzere (Spalte des
harten Gaumens) und eine hintere längere Hälfte unterscheiden
(Spalte des weichen Gaumens).
Die Spalte des harten Gaumens (e) , die an ihrem hinteren
Ende (oberhalb f) am breitesten ist, verschmälert sich gegen ihr
vorderes Ende und erweitert sich ganz vorn in der Zwischen-
kiefergegend zu einer breiten mit der Spitze rückwärts gekehrten
dreieckigen Lücke, die ich den Zwischenkiefertheil der Gaumen-
spalte nennen will. In diese Lücke schiebt sich eine die Mün-
dungen der Stenson'schen Gänge tragende Platte ein (d), deren
vorderer breitester Rand von dem Zwischenkiefertheil entspringt.
Dieser Gaumentheil der Zwischenkieferpartie, welcher auch an den
unteren Nasonscheidewandrand befestigt ist, scheidet den Zwischen-
kiefertheil der Gaumenspalte in zwei nach vorn divergirende
schmale Seitentheile, Avelche rückwärts in den einfachen Theil der
173
Gaumenspalte einmünden. In Fig. 20 und 21 erkennt man deut-
lich an einem mit Wolfsrachen behafteten menschlichen Fötus den
dreieckigen Gaumentheil des Zwischenkiefers, der von vorn her
zwischen die nicht zur Vereinigung gekommenen Gaumenplatten
sich einschiebt.
Die Spalte des weichen Gaumens (Taf. VI, Fig. 15, f h g)
ist im Allgemeinen breiter als die des harten Gaumens und zer-
fällt durch zwei einspringende die Hälften des Gaumenzäpfchens
darstellende Ecken (h) in eine kleinere vordere und eine hintere längere
Abtheilung. Die genannten Ecken vermisse ich auch bei keinem
der von mir untersuchten Säugethiere (vergl. auch Taf. III, Fig. 13
von einem Rindsembryo). Von diesen beiden Abtheilungen schliesst
sich nur die vordere und bildet das Gaumensegel; es erfolgt die
Schliessung ebenfalls von vorn nach hinten , so dass die Hälften
des Zäpfchens am längsten geschieden bleiben. An Säugethier-
embryonen erkennt man die Stelle, welche bei dem Menschen in
das Zäpfchen auswächst, als einen die Mitte des Gaumensegelrandes
einnehmenden anfangs paarigen Höcker.
Was die hintere längere Abtheilung der Spalte des weichen
Gaumens betrifft , so bleibt dieselbe offen (Isthmus pharyngo - na-
salis) und die begrenzenden Seitenhälften sind die Arcus palato-
pharyngei. An Schweinsembryonen, deren Gaumensegel sich durch
bedeutende Länge auszeichnet, nehmen die Arcus palato-pharyngei
in ihrem Verlaufe an der seitlichen Schlundwand nur wenig an
Höhe ab, fliessen schliesslich von beiden Seiten her zu einer die
hintere Schlundwand einnehmenden bogenförmigen Falte zusammen
und begrenzen mit dem hintern ein Zäpfchenrudiment tragenden
Gaumensegelrand eine ovale und verhältnissmässig enge Oeffhung,
welche aufwärts in das Cavum pharyngo - nasale des Schlund-
kopfs führt.
Wie ich oben angegeben habe , so beginnt die Schliessung
des Gaumens nicht am vordersten Ende , sondern in einiger Ent-
fernung hinter dem Zwischenkiefer und ich nannte die hier zu-
rückbleibende und erst später sich schliessende dreieckige Lücke
„Zwischenkiefertheil der Gaumenspalte". In dieser Lücke liegt
das vordere in den Zwischenkiefer übergehende Ende des unteren
Nasenscheidewandrandes, aus welchem der oben erwähnte Gaumen-
174
theil des Zwischenkiefers hervorgeht* An Rinds- und Schafsembryonen
fand ich den Zwischenkiefertheil der Gaumenspalte von bedeu-
tender Länge und noch offen, während der dahinter liegende Theil
des harten Gaumens nebst dem angrenzenden Stück des Gaumen-
segels bereits geschlossen war. Auf Taf. III habe ich eine Reihe
von Frontalschnitten des Gesichtes eines Schafsembryo (Fig. 1 — 8)
abgebildet, dessen Gaumen gerade auf dieser Stufe der Entwick-
lung stand. Die beiden ersten Schnitte (Fig. 1 und 2) treffen
den vor dem Gaumen liegenden Zwischenkiefertheil des Nasen-
höhlenbodens. Die Figuren 3 — 6 zeigen den Zwischenkiefertheil
der Gaumenspalte, deren laterale Begrenzung von den getrennten
Gaumenplatten (Fig. 3, b ; Fig. 4, b ; Fig. 6, a), deren Boden von
dem unteren Rand der Nasenscheidewand gebildet wird.
Die beiden folgenden Schnitte (Fig. 7 und 8) treffen den
Gaumen hinter dem noch offenen Zwischenkiefertheil der Gaumen-
spalte, also die Gegend, in welcher die Gaumenplatten sich median-
wärts bereits berühren. In Fig. 7 , welcher Schnitt weiter vorn
liegt, haben sich die Platten auch mit der Nasenscheidewand ver-
bunden , eine wirkliche Verwachsung ist aber noch nicht erfolgt.
Es werden nämlich die sich berührenden Theile durch eine Fort-
setzung der tiefsten Lage des Mund- und Nasenhöhlenepitheliums
geschieden. Zwischen den Gaumenplatten b bemerkt man zugleich
auch eine zwickeiförmige Einschiebung der oberflächlichen Lage
des Mundhöhlenepitheliums, welches früher die noch geschiedenen
Gaumenplatten überall bedeckte. In dem darauf folgenden Schnitt
hat die Scheidewand den Gaumen noch nicht erreicht. Endlich
habe ich noch in Fig. 9 den Frontalschnitt eines jüngeren Schaf-
fötus abgebildet , dessen Gaumen der ganzen Länge nach klaffte.
Der Schnitt trifft die Spalte des spätem knöchernen Gaumens.
Allmählig schliesst sich auch der Zwischenkiefertheil der
Gaumenspalte und zwar in der Art , dass in ihrer hintern Hälfte
die beiden Gaumenplatten medianwärts sich verbinden, in ihrer
vordem Hälfte dagegen erreichen sie einander nicht, so dass hier
der die Mündungen der Stenson'schen Gänge tragende Gaumen-
theil der Zwischenkiefergegend in seinem medianen Abschnitt für
immer frei bleibt und auch einen warzenförmigen Vorsprung er-
zeugen kann. Besonders lehrreich in dieser Beziehung sind Frontal-
175
schnitte, von welchen ich mehrere ununterbrochene Reihen von
Embryonen des Menschen , des Rindes und des Schweines mit
völlig geschlossenem und bereits in Verknöcherung begriffenem
Gaumen abgebildet habe. Die Schnitte folgen sich von den äus-
seren Nasenlöchern in der Richtung von vorn nach hinten.
Ich beginne mit den auf Taf. V abgebildeten Schnitten eines
Rindsfötus. Fig. 1 trifft die Zwischenkiefergegend und die äus-
seren Nasenlöcher, deren Eingang, wie gelehrt wird, durch einen
gallertigen aus Schleim und abgelösten Epithelzellen bestehenden
Pfropf ausgefüllt werden soll. Nach meinen Erfahrungen besteht
diese an vorliegenden Frontalschnitten von der Seite her ein-
dringende Ausfüllung der Nasenöffnung aus einer Fortsetzung der
Epidermis , deren oberflächliche aus schönen polygonalen kern-
haltigen Zellen bestehende Lage an Dicke zunimmt und das
Nasenloch verschliesst. Bei stärkerer Vergrösserung betrachtet,
bemerkt man an dem nach aussen convex vorspringenden Pfropf
im Frontalschnitt einen centralen aus grösseren Zellen bestehenden
Kern, umgeben von einem mehrfachen Kreis mehr abgeplatteter
und dichter gedrängter Zellen ; in Ablösung und Zerfall begriffene
Elemente konnte ich an frisch erhärteten Embryonen nicht
wahrnehmen.
Die Figuren 2 und 3 treffen den vordersten Theil des früheren
Zwischenkiefertheiles der Gaumenspalte und man bemerkt hier
einen medianen die Stenson'schen Gänge enthaltenden Vorsprung
und zwei Seitentheile. Die letzteren sinc^ in Fig. 3 von dem
mittleren Theil noch deutlich durch eine Naht geschieden, welche
schief zwischen dem Querschnitt eines Stenson'schen Ganges und
dem benachbarten Zwischenkieferknochen aufsteigt. Die Seiten-
theile bedeuten die vorderen Enden der früheren Gaumenplatten;
der mediane Vorsprung ist der die Lücke zwischen den Gaumen-
platten erfüllende vorderste Abschnitt des Gaumentheiles des
Zwischenkiefers.
Die Figuren 4 — 9 betreffen den folgenden Abschnitt des
Zwischenkiefertheils der früheren Gaumenspalte bis zu dessen
hinterstem Ende. Die Gaumenplatten berühren einander in der
Medianlinie mit abgerundeten Enden und werden daselbst durch
eine senkrechte Naht geschieden. Darüber liegt der jetzt von
176
unten gedeckte Gaumentheil des Zwischenkiefers, welcher bereits
in seiner Mitte zwei im Durchschnitt rundliche Knochenstücke
(Fig. 6, g) enthält.
Die folgenden Figuren zeigen den in der Medianebene noch
durch eine Naht halbirten harten Gaumen hinter der Zwischen-
kiefergegend.
Was die auf Taf. IV abgebildeten Frontalschnitte eines
Schweinsembryo betrifft , so treffen die Figuren 4 , 5 und 6 das
vorderste Ende des Zwischenkiefertheils der früheren Gaumenspalte
und passen daher zu den auf Taf. V, Fig. 2 und 3 abgebildeten
Schnitten eines Rindsembryo. Im Verhältniss zu dem schmalen
Gaumen ist der mittlere die Mündungen und die vorderen Enden
der Stenson'schen Gänge enthaltende Vorsprung oder der Gaumen-
theil des Zwischenkiefers sehr breit. Die Figuren 7 und 8 treffen
den hinteren Abschnitt des Zwischenkiefertheiles der früheren
Gaumenspalte ; die mediane Naht ist bereits verschwunden.
Von den auf Taf. VII dargestellten Frontalschnitten eines
8 Ctm. langen menschlichen Fötus treffen die Figuren 6 und 7
die Gegend dicht hinter den vordersten Schneidezähnen, sowie die
Gegend des vordersten Endes des Zwischenkiefertheils der früheren
Gaumenspalte. In der Mitte bemerkt man den als Vorsprung
(Gaumenwarze) hinabragenden Gaumentheil des Zwischenkiefers
(Fig. 6, i) mit den Mündungen der Stenson'schen Gänge (h). In
Fig. 7 ist dieser Vorsprung niedriger aber breiter und enthält die
Querschnitte der vordem Enden der Stenson'schen Gänge.
Die Fig. 8 bezieht sich auf den hinteren Abschnitt des bei
dem Menschen viel kürzeren Zwischenkiefertheiles der früheren
Gaumenspalte und es vereinigen sich hier die Gaumenplatten unter
Bildung einer medianen Naht. Darüber liegen die rundlichen
Durchschnitte des knöchernen Gaumentheils des Zwischenkiefers
und daneben eine den Stenson'schen Gang aufnehmende Aus-
sackung des Nasenhöhlenbodens.
Frontalschnitte derselben Gegend von einem 1,08 Dem. lan-
gen menschlichen Fötus giebt Taf. IX , Fig. 6 und 7 , und zwar
betrifft Fig. 6 die vordere, Fig. 7 die hintere Abtheilung des Zwi-
schenkiefertheiles der früheren Gaumenspalte.
177
Bemerkungen über Wolfsrachenbildung, das Pflugscharbein
und den knöchernen Gaumen.
Die der Schädelbasis und der Nasenscheidewand dicht an-
liegende Zunge bedingt die ursprünglich senkrecht absteigende
Richtung der Gaumenplatten (Taf. II) und hindert die mediane
Vereinigung zur Bildung des Gaumens ; die Gaumenschliessung ist
nur möglich, wenn sich die Zunge zurückzieht (Taf. IV, Fig. 15).
An einem von mir untersuchten 3 Ctm. langen Schweinsembryo
(Taf. IV , Fig. 14) zeigt die Zunge in ihrer ganzen Länge eine
abnorme schiefe Stellung, indem sie nur mit einer Seitenhälfte von
der Nasenscheidewand sich entfernt hat. Die dadurch hervorge-
rufene Störung der Gaumenbildung besteht darin, dass in diesem
Fall nur Eine der Gaumenplatten eine horizontale Richtung ein-
schlagen konnte, während die andere ihre ursprüngliche vertikale
Stellung beibehält.
An einem auf Taf. VI, Fig. 19 abgebildeten 1 Zoll 8 Linien
langen menschlichen Fötus fand ich als Grund einer abnormen
Gaumenspalte eine von der linken Oberlippe continuirlich ab-
gehende Membran , welche die Mundhöhlendecke überzog und
mit einer Verdickung in die breite Gaumenspalte sich einsenkte
und sie erfüllte. Die Abbildung zeigt diese Membran völlig un-
verletzt und es Hess sich dieselbe als eine unregelmässig begrenzte
Platte ohne weitere Präparation frei abheben und zurückschlagen,
war nirgends an ihre Unterlage befestigt. Fig. 20 zeigt den
Gaumen desselben Fötus nach Entfernung dieser Membran, welche
mit der Scheere von der Oberlippe abgetragen wurde. Auf der
linken Seite bemerkt man noch eine Lippen-Kieferspalte. Der
nun deutlich hervortretende dreieckige Gaumentheil des Zwischen-
kiefers war rechts durch eine Furche, links durch eine Spalte be-
grenzt; ich nannte diese Gegend (s. oben) Zwischenkiefertheil der
Gaumenspalte (vergl. Fig. 15 ders. Tafel). Im Ganzen blieb der
Gaumen auf der in Fig. 15 abgebildeten Entwicklungsstufe zurück.
In Fig. 21 wurde die vordere Hälfte der linken Gaumenplatte
durch einen Schnitt von dem Oberkiefer abgetragen und. man er-
blickt nun den noch völlig freien primitiven Gaumen , dessen
Duvsy, Entwicklgsgesch. 12
178
mittlerer Theil von dem breiten Nasenscheidewandrand gebildet
wird. Daneben bemerkt man die rechte primitive Gaumenspalte,
jedoch besteht deren laterale Begrenzung hier nicht mehr aus der
ursprünglichen primitiven Gaumenleiste , die jetzt durch Aus-
gleichung verschwunden ist; sondern aus der unteren Muschel.
Eine dritte die Gaumenschliessung störende Ursache lernte
ich an einem 2 Dem. langen menschlichen Fötus kennen (Taf. VIII).
Haben sich nämlich beide Gaumenplatten in der Medianlinie er-
reicht, so verschmelzen sie nicht sogleich, sondern sind noch einige
Zeit hindurch, wie ich oben beschrieben habe, durch eine Zwischen-
lage eines ihre früheren freien Enden überziehenden Epitheliums
geschieden (Taf. III, Fig. 7 und Taf. IV, Fig. 15). Hier können
sich nun verschieden grosse Cysten ausbilden, die ich auf Taf. VIII
abgebildet habe. In Fig. 6 erblickt man in der Schliessungsnaht
des harten Gaumens eine sehr grosse von einem Epithel ausge-
kleidete Cyste (f), die fast die ganze Dicke des Gaumens einnimmt,
so dass sie die mediane Annäherung der knöchernen Gaumenplatten
verhindert. Eine kleinere derartige Cyste findet sich in Fig. 7, i,
die aber nicht zwischen die Knochen selbst eindringt , sondern in
der darunter liegenden Schleimhaut sich befindet. In Fig. 8 er-
blickt man bei f eine Gruppe solcher jedoch kleinerer Cysten.
Bei einem anderen auf Taf. VI, Fig. 16 und 17 abgebildeten
vier Monate alten menschlichen Fötus scheint ausser anderen
Gründen auch eine ungleiche Längenausdehnung beider Gesichts-
hälften auf die Entstehung der hier vorhandenen beidseitigen
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte nicht ohne Einfluss gewesen zu sein.
Entsprechend der grösseren Länge der rechten Gesichtshälfte ist
auch die rechte Gaumenplatte bedeutend länger (Fig. 1 7) und man
unterscheidet an ihr eine vordere für den harten Gaumen und
eine hintere längere für das Gaumensegel bestimmte Abtheilung.
Letztere ist glatt, die vordere Abtheilung dagegen (e) zeigt eine
Reihe von Querwülsten. Diese beiden Abtheilungen besitzt auch
die linke Gaumenplatte , ist aber so kurz , dass ihre vordere Ab-
theilung, die man ebenfalls an einer Reihe jedoch nur sehr schwach
entwickelter Querwülste erkennt, viel weiter hinten liegt als die-
selbe Abtheilung der rechten Seite (e). Für diese Zeit der Ent-
wicklung ganz ungewöhnlich hoch ist an diesem Kopf die Nasen-
179
Scheidewand, wie der in Fig. 18 abgebildete Medianschnitt zeigt.
Es macht den Eindruck, als sei der mittlere Stirnfortsatz, in welchem
die Nasenscheidewand und der Zwischenkiefer sich entwickelt , in
Folge der hier unterbliebenen Verbindung mit den seitlichen Stirn-
fortsätzen und Oberkieferfortsätzen in seinem Wachsthum nicht
aufgehalten worden, weshalb er sein gewöhnliches Höhenmaass
überschritt. Auch ist ja bekannt , dass bei beidseitiger Lippen-
Kiefer-Gaumenspalte das aus dem Mittelstück der Oberlippe und
dem Zwischenkiefer bestehende Mittelstück , wie es auch hier der
Fall ist, meist auffallend stark hervorsteht, was ich mir durch
die erwähnte ungewöhnliche Ausdehnung der Nasenscheidewand
erkläre.
Bei mangelhafter Ausbildung der Gaumenplatten sucht der
untere Rand der Nasenscheidewand seine frühere Rolle als mitt-
lerer Theil des primitiven Gaumens wieder aufzunehmen , indem
er den unvollständigen secundären Gaumen zu ergänzen sucht
und sich zu diesem Zwecke mehr oder weniger verbreitert. Am
leichtesten lässt sich diese Betheiligung an macerirten Köpfen er-
kennen und da ist es denn das Pflugscharbein, welches durch ein-
seitige oder beidseitige Verbreiterung seines unteren Randes eine
Platte bildet , welche die Lücke des knöchernen Gaumengewölbes
auszufüllen sucht. An einem mir vorliegenden Kopf eines Neu-
geborenen hatte sich der eine Seitenrand dieser Gaumenplatte des
Pflugscharbeins , wie ich sie nennen will , mit Einer knöchernen
Gaumenplatte durch eine Naht in Verbindung gesetzt, während
der gegenüber liegende Seitenrand durch eine breite Spalte von
der entsprechenden verkümmerten Gaumenplatte geschieden war.
Wir haben hier also einen Fall, in welchem die Gaumenspalte die
Mitte einer Seitenhälfte des Gaumens betrifft, worüber ich bei
Förster (die Missbildungen des Menschen, 1861, S. 97) folgende
Angabe linde: „Am harten Gaumen findet sich gewöhnlich der
innere an den Vomer stossende Theil defect, doch kommen auch
einzelne Fälle vor, in welchen die Spalte mitten durch die eine
Hälfte des Gaumengewölbes hindurch geht und daher der innere
Theil des harten Gaumens an dem Vomer anliegt, der andere
nicht." Nach Förster hätte sich also in diesem Falle die für
den harten Gaumen bestimmte Gaumenplatte der einen Seite in
12*
180
zwei Hälften gespalten, eine Annahme, welche durch die Entwick-
lungsgeschichte nicht zu erklären wäre. Eine genauere Unter-
suchung wird wohl in allen diesen Fällen zeigen, dass die soge-
nannte innere dem Vomer anliegende Gaumenhälfte nicht der
Gaumenplatte, sondern einer Verbreiterung des Vomer und des un-
teren Nasenscheidewandrandes ihre Entstehung verdankt. Ueber-
haupt ist schon von Anfang an die Nasenscheidewand dazu vor-
bereitet, indem sie bereits vor dem Erscheinen des bleibenden
Gaumens an ihrem unteren Ende sich durch Abgabe von Seiten-
flügeln verbreitert, wodurch die Nasenhöhle von der Mundhöhle
einigermassen abgeschieden wird (s. oben „primitiver Gaumen").
Daraus erklärt sich auch das von dem Pflugscharbein des Er-
wachsenen abweichende eigenthümliche Verhalten des unteren
Randes des Vomer menschlicher Embryonen und öfters auch noch
des Neugeborenen. An einem Frontalschnitt der Nasenhöhle eines
2 Dem. langen menschlichen Fötus (Taf. VIII, Fig. 6) hat der
Vomer die Gestalt einer Stimmgabel, deren Griff jedoch an seinem
freien Ende zu einer an der Bildung des Nasenhöhlenbodens sich
betheiligenden Platte sich verbreitert. Isolirt man ein solches
Pflugscharbein, so fand ich mitunter seinen aus einer horizontalen
Platte bestehenden Fuss so breit und glatt, dass man den Vomer
frei darauf stellen konnte, was auch bisweilen am Pflugscharbein
von Kindern noch gelingt. Verkümmert nun aus irgend einem
Grunde die eine oder andere Gaumenplatte, so kann sich der Fuss
oder die Gaumenplatte des Pflugscharbeins erhalten und in der
Richtung gegen die verkümmerte Gaumenplatte noch mehr ver-
breitern. Bei manchen Thieren ist diese Betheiligung des Pflug-
scharbeins zur bleibenden Gaumenbildung Regel ; aber auch bei
solchen, deren knöcherner Gaumen ohne den Vomer zu Stande
kommt, kann ausnahmsweise an irgend einer Stelle eine von dem
Vomer ausgefüllte Lücke sich erhalten. So sehe ich an dem
Schädel eines Katers im Kreuzungspunkt der Sutura palatina trans-
versa und sagittalis eine rautenförmige kleine Knochenplatte wie
ein Zwickelbein eingeschaltet ; dieselbe war, wie es sich bei einer
genaueren Untersuchung herausstellte, ein Rest der früheren Gaumen-
platte des Pflugscharbeins.
Es ist daher der Vomer ein Knochen, der sowohl an seinem
181
obern wie auch an seinem unteren Rand das Bestreben zeigt, sich
flügeiförmig auszubreiten , um dadurch die Regio respiratoria der
Nasenhöhle von der darüber liegenden Regio olfactoria und ab-
wärts von der Mundhöhle abzugrenzen. Die obere flügeiförmige
Ausbreitung wird bei den 'Säugethieren auf jeder Seite durch eine
dreiseitige dünne Knochenplatte ergänzt , welche , wie ich beim
Rind gefunden habe, aus einem besondern Knochenkern hervor-
geht, alsbald aber untrennbar mit dem Pflugscharbein verschmilzt
(vergl. S. 96). Am Schädel des Kalbes konnte ich noch deutlich
eine diese dreieckige Knochenplatte von dem oberen Rand des
Vomer trennende Naht bemerken. Diese Platte habe ich mit den
Keilbeinmuscheln des Menschen verglichen und die Aehnlichkeit
tritt besonders hervor, wenn man an einem älteren Kindsschädel
den Vomer in Verbindung mit den Keilbeinmuscheln auslöst, wo-
bei die letzteren auf den Rändern des Pflugscharbeins sitzen bleiben.
An der Herstellung des knöchernen Gaumens betheiligen sich
bei den Säugethieren nicht blos die Gaumenbeine und Oberkiefer-
knochen , sondern auch die Zwischenkieferknochen und es bildet
sich so noch eine durch die vorderen Gaumenlöcher unterbrochene
Sutura transversa anterior. Bei dem Menschen ist dieser Gaumen-
theil der Zwischenkieferknochen sehr kurz und wird mit der Zeit
von den Gaumenplatten der Oberkieferknochen so überragt, dass
man ihn dem Zahnrand beizählt und die Sut. palat. transv. an-
terior (Sut. incisiva) zur Abgrenzung des Zahnrandes von dem
harten Gaumen benutzt. Es spricht jedoch die vergl. Anatomie
sowie die Entwicklungsgeschichte nur für meine Deutung und es
erscheint auch die Gaumenpartie der Zwischenkiefergegend an
menschlichen Embryonen, wie ich oben gezeigt habe, viel grösser
(vergl. Taf. VI, Fig. 6, Fig. 15 und Fig. 20).
Zur Bildungsgeschichte des Gesichtsskelettes.
Wie der Hirnschädel, so durchläuft auch das Gesichtsskelett
drei Zustände, den häutigen, den knorplichen und den knöchernen.
In der aus den beschriebenen Bildungsfortsätzen entstandenen
weichen Gesichtsanlage bildet sich alsbald ein stützendes Knorpel-
182
gerüste , an welches die meisten der späteren Gesiehtsknochen
während ihrer ersten Entwicklung als Belegknochen sich anlehnen.
Im weiteren Verlaufe der Entwicklung verschwindet wiederum ein
Theil des Knorpelgerüstes , ein zweiter erhält sich knorplich und
vervollständigt das knöcherne Gerüste , ein dritter Theil endlich
erhält sich ebenfalls, aber verknöchert.
Es besteht das Knorpelgerüste aus zwei ganz getrennten Ab-
schnitten , von welchen der obere die Grundlage der oberen Ge-
sichtshälfte formirt (knorpliche Nase), der untere den Unterkiefer-
theil des Gesichtes stützt (Meckel'sche Knorpel). Die letzteren
habe ich schon früher besprochen.
Das Knorpelgerüste der oberen Gesichtshälfte entsteht in der
weichen aus dem Stirnfortsatz im weiteren Sinn und den Ober-
kieferfortsätzen gebildeten Nasenanlage. In sämmtlichen Wandungen
der Nasenhöhlen bilden sich als stützende Grundlage hyaline
Knorpelplatten aus und zwar durch histologische Differenzirung
des bereits vorhandenen weichen Gewebes; sie gehen daher nach
meinen Erfahrungen in ihrer Entstehung nicht von einer bestimmten
Stelle aus, wachsen daher auch nicht von der Schädelbasis nach-
träglich in die bereits vorhandenen Nasenwände hinein.
Wie ich für den Menschen und die schon öfters genannten
Säugethiere gefunden habe, so erscheint am frühesten der Knorpel
der Nasenscheidewand , bestehend aus schönen grossen runden
bläschenförmigen Zellen ohne nachweisbare Zwischensubstanz. An
Embryonen mit noch völlig offenem Gaumen ist derselbe an Durch-
schnitten bereits deutlich zu erkennen (Taf. II) und bildet die
durch ihre Helligkeit auffallende Achse der dicken Nasenscheide-
wand. Mit Ausnahme seines oberen Randes, Avelcher ohne Grenze
continuirlich in die Schädelbasis übergeht , wird er in seinem
ganzen übrigen Umfang von einem breiten dunklen Saum um-
fasst, welcher zu beiden Seiten seines oberen Randes bogenförmig
in die Seitenwand der Nasenhöhlen übergeht. Bei allen von mir
untersuchten Säugethieren und dem Menschen zeichnet sich der
embryonale Scheidewandknorpel durch eine im Frontalschnitt
kolbige Anschwellung seines unteren Randes aus.
Was die Seitenwände der Nasenhöhle betrifft , so konnte ich
an Embryonen mit noch völlig offenen Gaumen (Taf. II) zwar
183
die Anlagen der alsbald hier auftretenden Knorpelplatten wahr-
nehmen, sie zeigten jedoch in der ersten Zeit noch nicht die hellen
bläschenförmigen Zellen des Nasenscheidewandknorpels , sondern
bestanden vorläufig aus dichter gedrängten Elementen von der
Beschaffenheit der bekannten embryonalen Bildungszellen. An
Durchschnitten erschien daher diese Anlage als ein dunkler breiter
Streif, der noch nicht in Knorpelgewebe und Perichondrium sich
differenzirt hatte und welcher an seinem oberen Rand bogenförmig in
den oben erwähnten dunklen Grenzsaum oder das Perichondrium des
Scheidewandknorpels sich fortsetzte. Etwas später machen sich auch
die Anlagen der Nasenbodenknorpel bemerklich und zwar an
Frontalschnitten in Gestalt rundlicher oder streifenförmige Schatten
zu beiden Seiten des unteren Randes des Scheidewandknorpels.
In seiner einfachsten primitiven Gestalt besteht das Knorpel-
gerüste der Nase aus einer dicken medianen Platte (Scheidewand-
knorpel) und aus zwei von dem oberen Rand derselben abgehenden
Seitenplatten, welche bogenförmig zuerst lateralwärts, dann abwärts
sich wenden und somit ihre Lage in der obern und seitlichen
Wand der Nasenhöhlen finden. Ein auf Taf. IV, Fig. 15 abge-
bildeter durch die Gegend des inneren Augenwinkels geführter
Frontalschnitt des Gesichtes eines Rindsembryo, dessen Gaumen
im Beginn der Schliessung stand, zeigt dieses primitive Knorpel-
gerüste der Nase und es erscheinen die Seitenplatten als helle
schmale Streifen , welche die Nasenhöhlen oben und seitlich um-
fassen. Die von dem Dach und den Seitenwänden in die Nasen-
höhlen einspringenden Wülste oder die Muscheln bestehen noch
aus einem mehr gleichförmigen Gewebe und erst allmählig ent-
halten sie von den Seitenplatten abgehende knorpliche Stützen.
Auch der Nasenhöhlenboden enthält, wenn auch nicht in seiner
ganzen Länge, so doch in seinem vordem und hinteren Abschnitt
knorpliche Platten , welche theils isolirt auftreten , theils Fort-
setzungen des Scheidewandknorpels oder der knorplichen Seiten-
platten darstellen. Es werden daher an diesen Stellen die Nasen-
höhlen mehr oder weniger vollständig ringsum von Knorpel umfasst.
Im weiteren Laufe der Entwicklung zeigen die Seitenplatten die
meisten und wichtigsten Veränderungen, denn sie bilden die knorp-
lichen Muscheln, die knorplichen Labyrinthe, die knorpliche Sieb-
184
platte sowie die Knorpel des Rückens und der Seitenwand der
äusseren Nase ; ferner bilden sie die ersten Anlagen der Oberkiefer-
höhlen, der Keilbeinhöhlen und der Stirnhöhlen. Zur Darlegung
dieser Veränderungen, wobei ich zugleich die übrigen Knorpel be-
spreche und Betrachtungen über die Gesichtsknochen und das
Keilbein einflechte , benutze ich die in den beigegebenen Tafeln
abgebildeten Frontalschnitte älterer Embryonen des Rindes, Schweines
und des Menschen. Zur Erleichterung der Vergleichung theile ich
die Schnitte , welche an den äusseren Nasenlöchern beginnen , in
solche der vorderen Abtheilung der Nase (Gegend der äusseren
Nasenlöcher , der Zwischenkieferknochen und des vorderen Ab-
schnittes des Gaumens) , zweitens in solche der mittleren und
drittens in solche der hinteren Abtheilung der Nasenhöhlen.
Frontalschnitte der vorderen Abtheilung der Nasenhöhlen.
Es erstreckt sich diese Gegend von den äusseren Nasenlöchern
rückwärts bis zur hinteren Grenze der vorderen Gaumenlöcher.
Wie sich durch Vergleichung macerirter Schädel ergiebt, so hat
dieser Theil der Nasenhöhlen bei verschiedenen Säugern eine sehr
verschiedene Länge, indem z. B. bei dem Hasen diese vorderen
Löcher des knöchernen Gaumens mehr als zwei Drittheile der
ganzen Länge des letztern beanspruchen. Weniger lang erscheinen
die durch den Gaumentheil der Zwischenkieferknochen geschie-
denen Gauraenlöcher beim Rinde und dem Schafe , viel kürzer
beim Hund und der Katze, am kürzesten bei dem Menschen. Bei
dem letzteren nimmt die untere Fläche des die Gaumenlöcher
trennenden Gaumentheils der Zwischenkieferknochen eine sehr steil
von oben und hinten nach vorn abfallende Richtung an und wird
von dem dahinter liegenden Abschnitt des harten Gaumens so
überragt, dass beide Gaumenlöcher, die man hier Canales incisivi
nennt, zu dem einfachen Foramen incisivum zusammenfliessen.
Bei dem Menschen ist daher der vordere von den äusseren Nasen-
löchern bis zur hintern Grenze des Foramen incisivum reichende
Nasenhöhlenabschnitt verhältnissmässig sehr kurz.
Betrachten wir nun die Anordnung des diesem Theil der
Nasenhöhle zukommenden Knorpelgerüstes , so ist hervorzuheben,
dass dasselbe auch zum Nasenboden sich erstreckt und die als
185
vordere Gaunienlöcher bezeichnete Lücke des knöchernen Gaumens
schliesst.
An dem auf Taf. V abgebildeten Frontalschnitt eines Rinds-
fötus beziehen sich auf diesen Theil der Nasenhöhle die Fi-
guren 1 — 9. Verfolgt man diese Schnitte von vorn nach hinten,
so schwillt der Nasenscheidewandknorpel an seinem untern Rande
mächtig an (Fig. 1 — 4) und giebt auf jeder Seite eine horizontale
die Zwischenkieferknochen bedeckende Spalte ab , welche dem
Nasenhöhlenboden angehört. Was die Knorpelplatte der seitlichen
Nasenwand betrifft , so wird diese in Fig. 1 durch das äussere
Nasenloch unterbrochen ; in Fig. 3 giebt sie die knorpliche Grund-
lage der untern Muschel ab und sucht sich bei c durch eine an
diesem Schnitt unterbrochene Fortsetzung mit der Knorpelplatte
des Nasenbodens zu verbinden. — Die Figuren 5 — 9 treffen den
vorderen Abschnitt der Nasenhöhle in der Gegend der Gaumen-
löcher. Ein jedes der letzteren trennt den betreffenden knöchernen
Zwischenkiefer in einen lateralen Theil (Fig. 6, h) und in me-
dianes rundliches Stück oder den knöchernen Gaumentheil eines
Zwischenkiefers (g). Der dadurch entstehende Zwischenraum wird
durch eine Knorpelplatte des Nasenbodens gedeckt (Fig. 5, e).
Es dient diese Lücke oder das vordere Gaumenloch zum Durch-
tritt der von einer Knorpelplatte umfassten Jakobson'schen und
Stenson'schen Gänge, welche in Fig. 5 noch unter ihr liegen; in
Fig. 6 und 7 treten sie in das Loch ein und ihre Knorpelhülle
verschmilzt mit dem Knorpel des Nasenbodens ; in Fig. 8 und 9
erhalten sie endlich ihre Lage über dem Gaumenloch. Dabei
ändert jede ursprünglich sehr einfache Knorpelplatte des Nasen-
bodens ihre Gestalt und scheidet sich auch von dem untern Rand
des Nasenscheidewandknorpels ab. Wie ferner aus Fig. G und 7
hervorgeht, so sucht die Knorpelplatte der Nasenseitenwand dem
Nasenbodenknorpel sich anzuschliessen, wobei sie in mehrere Stücke
zerklüften kann. — Vergleicht man damit die auf Taf. IV abge-
bildeten Frontalschnitte eines Schweinsfötus (Fig. 1 — 7), so zeigen
auch hier sämmtliche Nasenhöhlenwandungen Knorpelplatten , die
in der Seitenwand und im Nasenhöhlenboden in einzelne Stücke
zerklüften können. Der das äussere Nasenloch treffende Frontal-
schnitt (Fig. 1) ist dadurch ausgezeichnet, dass der Nasenscheide-
186
wandknorpel in zwei symmetrische Seitenhälften zerfällt. Auffallend
sind ferner in Fig. 2 und 3 zwei von dem knorplichen Nasenboden
abgehende zapfenförmige Fortsetzungen. Fig. 7 trifft das Gaumen-
loch (zwischen o und p).
Was den Menschen betrifft, so will ich zuerst die hierher ge-
hörigen Frontalschnitte eines 8 Ctm. langen Embryo besprechen
(Taf. VII, Fig. 1 — 8). Bei dem Rind und dem Schwein enthält
der Nasenhöhlenboden eine von dem unteren Rand des Nasen-
scheidewandknorpels abgehende horizontale Knorpelplatte, die in
ihrem Verlaufe nach hinten, wie wir gesehen haben, ihre Gestalt
in verschiedener Weise abändert und sich von dem Scheidewand-
knorpel ablöst. An dem vorliegenden menschlichen Fötus dagegen
besitzt zwar der Nasenboden ebenfalls Knorpel , jedoch nicht in
Gestalt von breiten Platten , sondern von schmalen Längsbalken.
Im Durchschnitt erscheinen dieselben rundlich (Fig. 1 , d) und
liegen dem Nasenscheidewandknorpel nur dicht an, ohne mit ihm
zu verschmelzen. In einiger Entfernung hinter den äusseren Nasen-
löchern werden diese Balken auf jeder Seite doppelt (Fig. 4 und 5)
und es verbreitern sich die medianen Balken allmählig zu senk-
recht gestellten Knorpelplatten (Fig. 6, 7 und 8). Was die knorp-
lichen Seitenplatten betrifft , so erreichen dieselben hinter den
äusseren Nasenlöchern den Nasenboden (Fig. 5, d) , um sich den
hier befindlichen Knorpelbalken anzuschliessen. — Fig. 8 trifft die
vorderen Gaumenlöcher (Canales incisivi), deren mediane Begren-
zung durch die verknöcherten Gaumentheile (f) der Zwischenkiefer-
knochen gebildet wird (vcrgl. Taf. V, Fig. 6, g). Von den Knorpeln
des Nasenhöhlenbodens sind die lateralen verschwunden, die me-
dianen sind mit d bezeichnet.
An den entsprechenden Frontalschnitten eines älteren, 1,08 Dem.
langen menschlichen Fötus (Taf. IX, Fig. 5 und 6) sind die Knorpel
des Nasenhöhlenbodens stärker entwickelt. Ferner bemerkt man
in Fig. ß eine auffallende in die Stirnwand aufsteigende Wuche-
rung des Nasenknorpelgerüstes , worin durch nachträgliche Ein-
schmelzung die Stirnhöhlen entstehen (a). Schon an dem vorher-
gehenden 8 Ctm. langen menschlichen Fötus ist diese Wucherung
zu bemerken (Taf. VII, Fig. 8, c), aber noch ohne Aushöhlung;
ebenso auf Taf. VIII, Fig. 2, b von einem 2 Dem. langen Fötus.
187
Frontalschnitte des mittleren Abschnittes der Nasenhöhlen.
Diese Nasengegend reicht von der hinteren Grenze der vor-
deren Gaumenlöcher rückwärts bis zur vorderen Grenze des
Nasenrachenganges , trifft daher auch die Gegend der Oberkiefer-
höhlen und die Processus palatini der Oberkieferknochen. Der
Nasenhöhlenboden ist hier im Ganzen ohne Knorpel mit Ausnahme
des an die vorderen Gaumenlöcher anstossenden Abschnittes, wo-
selbst noch eine kurze Fortsetzung des davor liegenden Nasen-
bodenknorpels getroffen wird; ferner fehlen hier die Jakobson'schen
und Stenson'schen Gänge, die Knorpelplatten der Nasenseitewände
nehmen an Dicke auffallend zu und es entstehen in ihnen die
Siebbeinlabyrinthe sowie durch nachträgliche Einschmelzung die
Oberkieferhöhlen.
Die hierher gehörigen Frontalschnitte eines Rindsfötus finden
sich auf Taf. V, Fig. 10—13. Die in Fig. 10 und 11 abgebil-
deten Schnitte liegen nahe hinter den vorderen Gaumenlöchern,
zeigen daher noch eine Fortsetzung der Nasenbodenknorpel und
es enthalten die letzteren , S-förmig gebogen , in P^ig. 10 die hin-
tersten Enden der Jakobson'schen Gänge. — Fig. 12 zeigt noch
einen Rest der zuletzt genannten Knorpel an den oberen Rändern
des rinnenförmig gebogenen Vomer. Die rechte Seite dieser Figur
ist einem weiter nach hinten liegenden Schnitte entnommen und
man bemerkt die Dickenzunahme der Nasenseitewandplatten , die
sich hier bis zum Nasenboden herab erstrecken. — In Fig. 13
macht sich die Dickenzunahme der Seitenwandknorpel sehr be-
merklich; beide erreichen zugeschärft den Nasenboden und ent-
halten in ihrer unteren Partie eine durch Einschmelzung entstandene
grosse Lücke (w) oder die knorpliche Anlage der Oberkieferhöhlen.
Es geschieht die Einschmelzung von der Nasenhöhle aus, wie die
rechte Seite dieser Figur zeigt, und schreitet dann in dem Knorpel
theils nach vorn, theils nach hinten weiter; es bildet sich zugleich
dabei eine mit der Nasenschleimhaut zusammenhängende Ausklei-
dung. Aehnliche aber kleinere durch Einschmelzung der anfangs
soliden Knorpel entstandenen Lücken zeigt jede Seitenplatte in
ihrer oberen ebenfalls mächtig verdickten Partie (x) und es stehen
dieselben in Beziehung zur Entstehung der vordersten Enden der
Siebbeinzellen.
188
Bei dem Schwein (Taf. IV, Fig. 8, 9 und 10) zeigt der vor-
derste dicht hinter den vorderen Gaumenlöchern liegende Schnitt
noch einen zwischen den Vomer (q) und die Proc. palatini der
Oberkieferknochen (p) sich einschiebende Fortsetzung des knö-
chernen Gaumentheils des Zwischenkiefers (o), sowie noch eine
kurze Fortsetzung der Knorpelplatten des Nasenbodens (e). —
In Fig. 10 bemerkt man in der unteren verdickten Hälfte der
Knorpelplatte der Nasenseitewand einen durch Einschmelzung ent-
standenen von Schleimhaut ausgefüllten Raum, der bei u eine das
vorderste Ende der Kieferhöhle darstellende Lücke zeigt (vergl.
Fig. 11, u).
Die hierher gehörigen Frontalschnitte eines 8 Ctm. langen
menschlichen Fötus finden sich auf Taf. VII, Fig. 9, 10, 11 und 12.
Der erste dicht vor der Crista galli liegende Schnitt zeigt am
Boden der Nasenhöhle zu beiden Seiten des Vomer noch einen
Rest des Nasenbodenknorpels. Die Seitenplatten nehmen aufwärts
an Dicke zu (knorpliche Anlage des vordersten Endes der Sieb-
beinlabyrinthe) und dringen mit dem oberen dicken Rand des
Nasenscheidewandknorpels zwischen den Partes orbitales des Stirn-
beins in die Schädelhöhle.
Fig. 10 trifft die Nasenhöhlen in der Gegend der Crista galli (c).
Die frühere bogenförmige Verbindung der knorplichen Seitenplatten
mit dem obern Rand des Nasenscheidewandknorpels hat sich auf
jeder Seite in eine dünne Knorpelplatte verwandelt (d), welche die
Anlage einer Seitenhälfte der Lainina cribrosa des Siebbeins dar-
stellt. Vergleicht man alle die Siebplatte treffenden Frontalschnitte
menschlicher Embryonen (Fig. 1 1 , Taf. VIII , Fig. 3 , 4 und 5 ;
Taf. IX, Fig. 2 und 7), so findet man an manchen Durchschnitten
diese Knorpelplatte nicht durchbrochen und mit dem Nasenscheide-
wandknorpel sowie mit den knorplichen Seitenplatten in ununter-
brochenem Zusammenhang (Taf, VIII, Fig. 5; Taf. IX, Fig. 2).
Die an den übrigen Schnitten sichtbaren einfachen oder mehrfachen
Abgliederungen beziehen sich auf die Bildung der Foramina cri-
brosa. — Die an die knorpliche Siebplatte anstossende obere Partie
der knorplichen Seitenplatte (Taf. VII, Fig. 10, b) giebt die knorp-
liche Grundlage der beiden Siebbeinmuscheln ab und ist überhaupt
sehr massig (knorpliche solide Anlage des Siebbeinlabyrinthes) ;
189
noch auffallender markirt sich diese Partie in der folgenden Fi-
gur 11, k. Ferner giebt jede dieser Seitenplatten an ihrem oberen
Rand einen iateralwärts in das Augenhöhlendach eingehenden hori-
zontalen Flügel ab , welcher an manchen Durchschnitten stellen-
weise von seiner Wurzel sich etwas absetzt (Fig. 10, b und Fig.
11, b); vergl. auch Taf. VIII, Fig. 3, 4 und 5 , sowie Taf. IX,
Fig. 2 und 7. Ich will sie Orbitalflügel des knorplichen Siebbeins
nennen und sie erinnern, wenn man die verschiedenen Abbildungen
vergleicht, an das Verhältniss der knorplichen kleinen Keilbein-
flügel (Orbitalflügel, H e n 1 e) zu dem knorplichen Keilbeinkörper,
während die soliden knorplichen Labyrinthanlagen in mancher
Hinsicht mit den absteigenden Keilbeinflügeln übereinstimmen. Es
bedecken diese Orbitalflügel des Siebbeins die darunter entstehen-
den Orbitaltheile des Stirnbeins (vergl. die versch. Abbildgn. d. 3
letzten Tafeln) und gehen rückwärts continuirlich in die knorp-
lichen Orbitalflügel des Keilbeins über. Sehr schön zeigt diese
Flügel der auf Taf. IV, Fig. 14 abgebildete Frontalschnitt eines
Schweinsfötus.
Auch die untere Partie der knorplichen Seitenplatten der
Nasenhöhlen nimmt an Masse zu und wird ebenso , wie ich es
für die Säugethiere gezeigt habe , von der Nasenhöhle aus zur
Bildung der Oberkieferhöhlen ausgehöhlt (Taf. VII, Fig. 10).
Besonders schön sieht man von einem 1,08 Dem. langen mensch-
lichen Fötus auf Taf. IX , Fig. 7 das untere anschwellende Ende
einer knorplichen Seitenplatte (a) ; auf der gegenüberstehenden
(rechten) Seite dieses Schnittes erblickt man dasselbe von dem
Oberkieferknochen umfasst, jedoch von der Nasenhöhle aus bereits
tief ausgehöhlt (Sinus maxillaris). Lehrreich für die Bildungs-
geschichte der Oberkieferhöhlen sind auch die auf Taf. VIII ab-
gebildeten Frontalschnitte eines 2 Dem. langen menschlichen Fötus;
Fig. 4 trifft das vordere Ende dieser von Knorpel umfassten
Höhlen (f und m) ; Fig. 5 trifft den mittleren Theil (d und s),
dessen Knorpelhülle durch den heranwachsenden Oberkieferknochen
bereits grösstentheils verdrängt wurde. Ferner bemerkt man an
diesem Schnitt in der Schleimhaut der untern Muschel sowie in
der Wand der Oberkieferhöhle die runden Durchschnitte von zahl-
reichen in der Entwicklung begriffenen Schleimdrüsen ; sehr deutlich
190
erkennt man diese Drüsenanlagen auch in der Wandung der Ober-
kieferhöhlen von Schweinsembryonen (Taf. IV, Fig. 11, u).
Die in diesen Durchschnitten getroffenen unteren Muscheln
des Rindes , Schweines und des Menschen stimmen ihrer Gestalt
und Lage nach sehr mit einander überein. Betrachtet man die
Frontalschnitte der unteren Muscheln eines Rindsembryo (Taf. V,
Fig. 13), so kann man daran eine Wurzel und zwei nach oben
und nach unten divergirende gebogene Schenkel unterscheiden.
Ueber und lateralwärts von dem oberen Schenkel gelangt man
zum Eingang der von Knorpel ringsum umgebenen Oberkieferhöhle,
deren mediane Wand in die Wurzel der Muschel sich fortsetzt.
Eine ganz ähnliche Gestalt und Lage zeigen die unteren Muscheln
eines 1,08 Ctm. langen menschlichen Fötus (Taf. IX, Fig. 7);
man unterscheidet daran eine in die mediane Knorpelwand der
Oberkieferhöhle sich fortsetzende Wurzel, sowie einen unteren und
einen kürzeren oberen Schenkel. Die knorpliche Achse des letz-
teren hat sich von dem übrigen Knorpel bereits abgegliedert.
Eine ähnliche Ansicht giebt der in Fig. 8 abgebildete Frontal-
schnitt einer isolirten Muschel, welche demselben Fötus angehört
und durch einen ihre Wurzel treffenden Schnitt abgetrennt wurde.
Ebenso verhalten sich die unteren Muscheln menschlicher Fötus
auf Taf. VII, Fig. 10; Taf. VIII, Fig. 4 und 5. An der aus-
gebildeten unteren Muschel des Erwachsenen unterscheidet man
bekanntlich aufsteigende Fortsätze (Processus ethmoidalis et lacry-
malis) sowie einen absteigenden Fortsatz (Proc. maxillaris) ; jene
sind die Reste des embryonalen oberen Schenkels der Muschel,
dieser ist die Wurzel, während die eigentliche Muschel den un-
teren Schenkel darstellt.
Frontalschnitte des hinteren Abschnittes der Nasenhöhlen.
Dieser Theil der Nasenhöhle ist bei den Säugethieren durch
einen doppelten den Nasenrachengang enthaltenden Boden ausge-
zeichnet. Nur die über dem Nasenrachengang liegende Partie der
Nasenhöhle oder die eigentliche Siebbeingegend enthält eine Fort-
setzung des Knorpelgerüstes , welches jede Nasenhöhle ringsum
umfasst und woraus sich auch das Siebbein bildet. Der in der
Nasenscheidewand enthaltene mächtige Knorpel, woraus hier die
191
Lamina cribrosa hervorgeht, setzt sieh nach hinten ohne Unter-
brechung in den Knorpel des vordem Keilbeinkörpers fort, so
dass derselbe mit seinem vordem Abschnitt noch zwischen die
hintersten Enden der Nasenhöhlen zu liegen kommt. Die hierher
gehörigen Frontalschnitte eines Rinds- und eines Schweinsembryo
finden sich auf Taf. V, Fig. 14 und Taf. IV, Fig. 11, 12 und 13.
Legt man den Frontalschnitt hinter der Siebbeingegend durch die
hintere Partie des vorderen Keilbeinkörpers an, so trifft man noch
das hintere Ende des Nasenrachenganges (Taf. V, Fig. 15).
Bei menschlichen Embryonen weicht dieser Theil der Nasen-
höhlen sehr von dem der Säugethiere ab. Es fehlt nämlich , wie
icli schon früher auseinander setzte, der die Riechgegend von der
Regio respiratoria abscheidende Boden , weshalb ich die Riech-
gegend des Menschen bereits bei dem mittleren Abschnitt der
Nasenhöhle besprochen habe. Ich finde jedoch auch bei mensch-
lichen Embryonen noch eine kleine Verlängerung der Riechgegend,
welche ihre Lage zu beiden Seiten des knorplichen Keilbein-
körpers einnimmt, während die Regio respiratoria der Nasenhöhle
unter dem Keilbein hinweg als Nasenrachengang sich fortsetzt.
Somit besitzt auch der Mensch im hintersten Abschnitt der Nasen-
höhle eine Abscheidung in eine obere und eine untere Partie, je-
doch mit dem Unterschied , dass die obere Partie nur einen
äusserst kleinen Anhang der Regio olfactoria oder die Anlage der
Keilbeinhöhlen darstellt. Auch bei den Säugethieren greift das
hintere Ende der Regio olfactoria in die Keilbeingegend ein , aber
in viel stärkerem Maasse , so dass aus diesem Grunde besondere
Keilbeinhöhlen nicht vorkommen oder es bilden vielmehr diese
Höhlen bei den Säugern keinen Anhang der Nasenhöhlen, sondern
gehen gänzlich in die Nasenhöhlen auf (vergl. S. 97).
Was den Knorpel der Nasenscheidewand betrifft, so geht auch
bei dem Menschen derselbe ohne Unterbrechung in den knorp-
lichen Körper des vorderen Keilbeins über , wobei er an Dicke
allmählig zunimmt.
Wenn ich mich nun zur Betrachtung der beigegebenen Ab-
bildungen wende, mache ich noch einmal darauf aufmerksam, dass
alle hierher gehörigen den hintersten Abschnitt der Nase treffen-
den Frontalschnitte durch den vordem Theil des knorplichen
192
vordem Keilbeinkörpers gehen, welcher hier somit die Rolle der
Nasenscheidewand spielt. Zu beiden Seiten von ihm liegen die
von Knorpel umfassten hintersten Enden der Regio olfactoria der
Nasenhöhlen oder die Anlagen der späteren Sinus ethmoidales ;
unter dem Keilbeinkörper trifft man den Durchschnitt der hin-
teren Partie der Regio respiratoria oder den Nasenrachengang.
Ich beginne mit den Frontalschnitten eines 8 Ctm. langen
menschlichen Fötus, die ich auf Taf. VII, Fig. 13, 14 und 15
abgebildet habe, schicke aber zum besseren Verständniss eine Be-
merkung über einige davor liegende Schnitte voraus , welche die
Siebbeingegend treffen. Bekanntlich wird an dem macerirten
Schädel des Erwachsenen das hintere Ende der Siebplatte von
dem Keilbein zu beiden Seiten der Mittellinie überragt, so dass
zwischen beiden eine im frischen Zustande von Weichtheilen aus-
gefüllte und von der harten Hirnhaut überzogene Lücke sich
findet, welche am knorplichen Primordialschädel verhältnissmässig
noch viel grösser erscheint und nach Entfernung aller Weichtheile
als ein die knorpliche Schädelbasis durchbohrendes Loch erscheint,
welches vonSpöndli „Foramen spheno-frontale" genannt wurde.
Nach meinen an menschlichen Embryonen gemachten Erfahrungen
ist nun die erwähnte Aushöhlung zwischen dem späteren Keilbein
und Siebbein ein Rest dieses Foram. spheno-frontale.
In der Medianebene dagegen verbindet sich das häufig zu
diesem Zweck in eine Spitze verlängerte Jugum sphenoidale mit
einer medianen Leiste der Lamina cribrosa, welche nach vorn zur
Crista galli auswächst und mit derselben den in die Schädelhöhle
vorspringenden oberen Rand der Lamina perpendicularis darstellt.
Betrachtet man nun den in Fig. 10, Taf. VII dargestellten
Frontalschnitt, so bedeutet der Nasenscheidewandknorpel die An-
lage der Lamina perpendicularis des Siebbeins und setzt sich der-
selbe als Crista galli (c) in die Schädelhöhle fort. — Der folgende
Schnitt (Fig. 1 1) trifft das knorpliche Siebbein hinter der Crista
galli und es springt hier der obere Rand des Nasenscheidewand-
knorpels (Lamina perpendicularis) nur ganz wenig in die Schädel-
höhle vor (mediane Leiste der spätem knöchernen Lamina cribrosa).
Der folgende Schnitt (Fig. 12) trifft die hintere Siebbeingegend
und es geben die vorausgeschickten Bemerkungen über den
193
knöchernen Schädel des Erwachsenen den Schlüssel zum Ver-
ständniss; in dieser Gegend wird nämlich das knorpliche Siebbein
von dem knorplichen vorderen Keilbein überlagert. Es wächst
der obere Rand der knorplichen Nasenscheidewand wiederum
stärker über die knorplichen Seitenhälften der Lamina cribrosa
hervor , so dass er sie beträchtlich überragt, schwillt dann etwas
an und entladet sich nach jeder Seite in eine horizontale,
schliesslich in das Augenhöhlendach sich fortsetzende Knorpel-
platte (b). In dem das Siebbein überragenden Abschnitt des
Nasenscheidewandknorpels entsteht das hintere Ende der medianen
Leiste der Siebplatte sowie der mediane Abschnitt des vorderen
Randes des Jugum (Spina- ethmoidalis). In den beiden knorp-
lichen horizontalen Seitenplatten entsteht der laterale Abschnitt des
Jugum sphenoidale.
Die horizontalen Seitenplatten sind Fortsetzungen der schon
früher beschriebenen in den Augenhöhlendächern sich ausbreiten-
den horizontalen Flügeln des knorplichen Siebbeins (Fig. 11, b;
Fig. 10, b) , welche ich Orbitalflügel genannt habe. Sie bilden
mit den knorplichen Orbitalflügeln (Alae parvae) des Keilbeins eine
zusammenhängende Knorpelplatte, unter welcher die Partes orbi-
tales des Stirnbeins entstehen und die man bisher bei dem Menschen
in dieser Ausbreitung nicht gekannt hat. Man sprach nur von
einer die kleinen Keilbeinflügel mit dem hintern Siebbeinende ver-
bindenden Knorpelbrücke, dieSpöndli Frontalplatte nennt. Da,
wie wir gesehen haben (Fig. 12), die Lamina cribrosa an ihrem
hintern Ende tiefer liegt als der obere Rand des Nasenscheide-
wandknorpels, so gehen von dort an die Orbitalplatten nicht mehr
von den Seitenrändern der Siebplatte , sondern höher oben von
dem Scheidewandknorpel ab (b).
Was die in Fig. 12 getroffene knorpliche Seitenwandplatte
der Nasenhöhle betrifft (e) , welche in ihrem obern Abschnitt die
Anlagen der hinteren Enden der Labyrinthe vorstellen, so nehmen
dieselben hier bereits an Höhe und Dicke ab und es verlieren
sich die davon abgehenden Knorpelstützen der Muscheln.
Nachdem ich diese Erörterungen vorausgeschickt habe, wende
ich mich nun zu den Frontalschnitten der hintersten Partie der
Nasenhöhlen (Fig. 13, 14 und 15). Figur 13 trifft das Grenzgebiet
D u r s y , Ent wicklgsges eh. 1 3
194
des Keilbeins und Siebbeins , es nimmt daher die Nasenscheide-
wand mit ihrem Knorpel an Höhe ab, um so mehr aber an Dicke
zu. Auf der linken Seite haben sich die Nasenhöhlen in eine
obere kleinere (n) und eine untere grössere Abtheilung (g) ge-
schieden. Jene ist das hinterste Ende der Regio olfactoria oder
die Anlage eines Sinus sphenoidalis; diese ist die in den Nasen-
rachengang übergehende Partie der Regio respiratoria. Was nun
das Knorpelgerüste der Nase betrifft, so unterscheidet man hier
immer noch eine mediane und zwei laterale Knorpelplatten. Die
mediane nach unten keulenförmig anschwellende Knorpelplatte
ist die unmittelbare Fortsetzung des Nasenscheidewandknorpels,
aus welchem hier der hintere Rand der Lamina perpendicularis
und die anstossende Partie des vordem Keilbeinkörpers sich ent-
wickelt. Der die Seitenplatten nach oben überragende und an
seinem Ende in zwei horizontale Platten (b) übergehende Abschnitt
des medianen Knorpels hat dieselbe Bedeutung wie in Fig. 12. —
Die Knorpelplatten der Seitenwände der Nasenhöhlen (d) sind viel
kürzer geworden, indem ihre untere Partie durch die Gaumen-
beine (m) verdrängt wurde. Mit ihrem oberen hackenförmig um-
gebogenen Ende (a) umfassen sie den obern Umfang der Nasen-
höhlen und lösen sich von dem Scheidewandknorpel ab.
Der folgende Schnitt (Fig. 14) trifft den vorderen knorplichen
Keilbeinkörper, welcher somit eine unmittelbare Fortsetzung des
Nasenscheidewandknorpels darstellt. Die beiden horizontalen Seiten-
platten, in welche das obere verdickte Ende des Keilbeinknorpels
sich ausladet, habe ich schon in den vorhergehenden Figuren be-
sprochen ; es entstehen in ihm die beiden Seitenhälften des Jugum
und der kleinen Keilbeinflügel. — Jede Nasenhöhle hat sich jetzt
vollständig in eine obere und in eine untere Abtheilung geschie-
den ; die obere Abtheilung (einwärts von b) erscheint als eine kleine
rundliche von einem dicken Knorpel umfasste Höhle (Sinus
sphenoidalis); die untere grössere Abtheilung (c) ist das hintere
Ende der Regio respiratoria, welche mit dem der anderen Seite
zum Nasenrachengang zusammenfliesst. Der die Sinus sphenoi-
dales umgebende Knorpelring ist eine directe Fortsetzung der
Knorpelplatten der Nasenseitenwände, wie sich durch Vergleichung
mit den vorhergehenden Figuren ergiebt ; indem sie sich zu einem
195
Rohre unirollen, schliessen sie den Rest der Regio olfactoria (Sinus
sphenoidales) von der Regio respiratoria (Nasenrachengang) ab.
Da nun die Anlagen der Sinus sphenoidales zu beiden Seiten des
knorplichen Keilbeinkörpers liegen, so folgt daraus, dass von dem
spätem die Sinus umschliessenden knöchernen Keilbeinkörper nur
dessen in der Medianeb enc der Schädelbasis liegende Partie (Ge-
gend des späteren Septum sinuum sphenoidalium) knorplich prä-
forinirt ist , während die laterale die Sinus enthaltende Knochen-
masse eine in dem umgebenden Gewebe entstehende nicht knorplich
präformirte Ablagerung ist. Nach hinten nimmt diese knorpliche
Keilbeinmitte an Höhe ab, an Dicke dagegen zu, um ohne Unter-
brechung in die dickere knorpliche Anlage des hinteren Keilbein-
körpers sich fortzusetzen.
In Fig. 15 trifft man zu beiden Seiten des knorplichen vor-
dem Keilbeinkörpers noch Reste der knorplichen Kapseln der
nun verschwundenen Keilbeinhöhlen (d) ; von den Nasenhöhlen ist
nur der noch unpaarige Nasenrachengang (f) zu sehen.
Trennt man das Gesicht eines menschlichen Fötus durch
einen Frontalschnitt in zwei Hälften , so lässt sich an der hintern
Hälfte das die Anlage der Keilbeinhöhlen darstellende Grübchen
zu jeder Zeit auffinden , sobald man die Nasenseitenwände von
der Scheidewand etwas abzieht. Es liegt ganz hoch oben in dem
von dem Keilbein gebildeten Hintergrund der Nasenhöhle, kann
den Kopf einer gewöhnlichen Stecknadel aufnehmen und besitzt
einen durch ein halbmondförmiges Schleimhautfältchen von unten
her überragten engeren Eingang.
Ich gehe nun zu den diese Gegend betreffenden Frontal-
schnitten eines älteren 2 Dem. langen menschlichen Fötus über
(Taf. VIII, Fig. 7, 8, 9 und 10; Taf. IX, Fig. 1), unterlasse aber
eine ausführlichere Beschreibung der Nasenhöhlen und ihrer Knorpel,
da für sie dasselbe gilt , was ich bereits für die auf Taf. VII,
Fig. 12 — 15 abgebildeten Schnitte angab.
Fig. 7 trifft das Grenzgebiet der Siebbein- und Keilbeingegend,
findet daher ihre Erklärung durch Taf. VII, Fig. 12 und 13. Die
knorplichen Seitenplatten der Nasenhöhlen ä, welche früher bis
zum Nasenboden herabreichten , werden in ihrer unteren Hälfte
durch die Gaumenbeine n verdrängt. Ihr oberes Ende, welches
13*
'196
früher als knorpliche Lamina cribrosa mit dem Seheidewand-
knorpel sich in Verbindung setzte, hat sich von diesem gelöst und
umfasst den oberen Umfang einer Nasenhöhle. Man kann daher
von nun an an jeder Seitenplatte einen lateralen dickeren und
längeren (r), sowie einen medianen kürzeren Schenkel unterschei-
den (c). Indem sich beide Schenkel mit ihren unteren Enden
einander nähern, schnüren sie den dazwischen liegenden Theil der
Nasenhöhle als Sinus sphenoidales (Fig. 8 , o) von dem übrigen
Theil oder der Regio respiratoria (Fig. 8, d) ab. — Fig. 8 findet
ihre Erklärung durch Taf. VII, Fig. 14; jedoch ist hier noch her-
vorzuheben, dass der Nasenrachengang (d) durch eine nachträglich
entstandene Fortsetzung der Nasenscheidewand halbirt wird. — Die
beiden folgenden bei geringerer Vergrösserung gezeichneten Durch-
schnitte (Fig. 9 und 10) zeigen ebenfalls zu beiden Seiten des
knorplichen vorderen Keilbeinkörpers die Anlagen der Sinus
sphenoidales (Fig. 9, c) und zuletzt noch deren Knorpel (Fig. 10, b).
Grundform und späteres Verhalten des Knorpelgerüstes der Nase.
Bei jüngeren Embryonen ist das Knorpelgerüste der Nase, wie
wir gesehen haben, viel vollständiger und findet sich in sämmt-
lichen Wandungen der primitiven Nasenhöhlen, welche unab-
hängig von der Mundhöhle als Riechgruben entstehen, von den
Stirnfortsätzen und Oberkieferfortsätzen begrenzt werden und durch
die engen primitiven Gaumenspalten mit der Mundhöhle sich in
Höhlenverbindung setzen. Nur dieser Theil der Nasenhöhlen er-
hält ein Knorpelgerüste, nicht aber der später aus der primitiven
Mundhöhle sich abscheidende Abschnitt, dessen Boden von dem
secundären Gaumen gebildet wird (Nasenrachengang nebst dem
unter den primitiven Gaumenspalten liegenden Abschnitt der Regio
respiratoria, vergl. Taf. IV, V und VII). Auf seine Grundform
zurückgeführt besteht dasselbe aus zwei seitlich comprimirten und,
auf den Menschen bezogen, horizontalen neben einander liegenden
Röhren, deren sich berührende mediane Wände zu einer gemein-
schaftlichen Scheidewand verschmelzen. Ihre vorderen Enden sind
offen, die hinteren endigen blind und abgerundet in der Keilbein-
gegend über dem Nasenrachengang. Die übrigen Wandungen sind
völlig geschlossen mit Ausnahme der untern Wand oder des Bodens,
197
der in dem mittleren Theil seiner Länge eine Unterbrechung er-
fährt. Bei dem Menschen beträgt diese Unterbrechung, wie wir
gesehen haben , noch viel mehr , indem sie bis an das hinterste
blinde Ende der Knorpelröhren reicht. Ein weiterer Unterschied
zwischen dem Menschen und den Säugethieren besteht darin, dass
das hintere in der Keilbeingegend gelegene blinde Ende bei den
Säugethieren eine viel mächtigere Ausbildung zeigt, vor Allem
also viel geräumiger ist. Bei dem Menschen dagegen verengert
sich dieses Ende so plötzlich , dass es nur wie ein kleiner in der
Abschnürung von dem übrigen Rohr begriffener Anhang erscheint,
welcher seine ursprüngliche Bedeutung als hinterstes Ende der
Regio olfactoria aufgiebt und nur eine Nebenhöhle darstellt (Sinus
sphenoidalis). Bei den Säugethieren kommt es daher gar nicht
zur Entstehung einer die Rolle einer Nebenhöhle spielenden Keil-
beinhöhle, es nimmt vielmehr das vordere Keilbein geradezu den
hinteren Theil der Regio olfactoria in sich auf.
Die anfangs ganz einfachen Knorpelröhren geben alsbald an
ihrer inneren Oberfläche Fortsätze ab , welche die schon früher
entstandenen aber noch weichen Muscheln stützen. Ferner zeigen
die Röhren an verschiedenen Stellen ihrer Wandung eine auffal-
lende Dickenzunahme und zwar vorzüglich in ihrer lateralen Wand,
wozu sich jedoch alsbald eine von den Nasenhöhlen aus ge-
schehende Einschmelzung hinzugesellt. Die laterale Knorpelwand
erscheint dann ausgebuchtet und umschliesst einen mit den Nasen-
höhlen communicirenden Hohlraum oder Nebenhöhle (Sinus maxil-
laris) ; in ähnlicher Weise bilden sich auch die Anfänge der Stirn-
höhlen. Ferner verdanken auch die Siebbeinzellen einer solchen
Wucherung der lateralen Knorpelröhrenwand ihre Entstehung.
Durch nachträgliche auf verschiedene Stellen beschränkte Ein-
schmelzungen bilden sich dann in einem ursprünglich soliden knorp-
lichen Labyrinth die späteren Siebbeinzellen (Taf. VIII, Fig. 5, v).
Bei den Säugethieren ist diese Gegend wie später so auch in
ihrer Entwicklung viel complicirter , da hier die meisten der so-
genannten Siebbeinzellen den Muscheln ähnliche Vorsprünge der
Nasenhöhlenwand sind. Wir finden daher auch später nicht wie
bei dem Menschen nur eine einfache obere Muschel, sondern die-
selbe ist gleichsam in eine grosse Anzahl kleinerer gewundener
198
Knochenplättchen zerfallen. Da diese zugleich von der untern
Fläche der Siebbeinplatte abgehen , so können sie als die weiter
entwickelten und selbstsändig gewordenen Kanälchen angesehen
werden, die im menschlichen Siebbein sich finden und die Foramina
cribrosa fortsetzen.
Die obere Wand der Nasenknorpclröhren ist zugleich, soweit
sie dem Schädel anliegt, knorpliche Schädelbasis (Lamina cribrosa)
und steht hier mit einer lateralwärts in das Augenhöhlendach sich
ausbreitenden Knorpelplatte, die ich Orbitalflügel des knorplichen
Siebbeins nannte, in ununterbrochenem Zusammenhang. Der den
Hirnschädel nach vorn überragende Abschnitt der Nasenknorpel-
röhren ist die knorpliche Grundlage der äusseren Nase.
Unterdessen entstehen die Gesichtsknochen, umlagern das sie
stützende Nasenknorpelgerüste (Taf. V, Fig. 13) und bilden sich
zum Theil auf Kosten desselben weiter aus. Abgesehen von dem
Unterkiefer erscheint am frühesten der Oberkieferknochen, welcher
in Gestalt einer kleinen dünnen Scherbe an der Aussenseite der
Knorpelplatte der Nasenseitenwand sich ablagert und zwar an der
unteren Hälfte derselben (Taf. III, Fig. 3, e und Fig. 4). Diese
Scherbe umwächst alsbald mit einem lateralen Schenkel die late-
ralwärts liegende, die Zahnanlagen enthaltende Gegend und bildet
so die Anlage des knöchernen Alveolarfortsatzes. Es scheint, dass
der laterale Schenkel des Alveolarfortsatzes, aus welchem auch der
Processus zygomatico - orbitalis (He nie) hervorwächst, gesondert
und selbst früher sich bilden kann , als die mediane der Nasem
seitenwand anliegende Knochenscherbe (Taf. IV, Fig. 14, d, Fig.
15, d; Taf. VII, Fig. 11, lateralwärts von f). Von den übrigen
Knochen erscheinen alsbald in ähnlicher Weise als Deckknochen
der unteren Fläche des Nasenknorpelgerüstes die Zwischenkiefer-
knochen, das Pflugscharbein, die Keilbeinmuscheln (auch Keilbein-
tuten genannt), sowie als vordere und seitliche Deckknochen die
Nasenbeine und Thränenbeine. Die Oberkieferknochen nehmen
rasch an Umfang und Höhe zu und verlängern sich auch median-
wärts in die Gaumenplatten. So wird dann schliesslich das
Knorpelgerüstc der Nasenhöhle von Knochen mehr oder weniger
vollständig umlagert (Taf. V, Fig. 13; Taf. VII, Fig. 5).
Im Gebiete der äusseren Nase ist mit Ausnahme des vor-
199
dersten auch später knorplich bleibenden Abschnittes die Um-
lagerung durch die Zwischenkiefer- und Oberkieferknochen sowie
durch die Nasenbeine ganz vollständig. Weiter hinten dagegen
hält sich die obere die Riechgegend enthaltende, somit in das Sieb-
bein sich umwandelnde Partie des Knorpelgerüstes, abgesehen von
der Thränenbeingegend , grösstenteils frei , während die untere
von den Oberkieferknochen gedeckt werden (Taf. VII, Fig. 9,
10, 11; Taf. IX, Fig. 7; Taf. V, Fig. 7; vergl. auch Taf. IV).
Später jedoch wird die Siebbeingegend des Nasenknorpelgerüstes
nicht blos durch das Thränenbein gedeckt , sondern auch das
Stirnbein und das Keilbein sowie das Gaumenbein und die Keil-
beinmuscheln (Cornua sphen.) suchen allmählig die noch freie
Knorpelfläche mehr und mehr zu uniwachsen, was bei den Säuge-
thieren mit Ausnahme der Siebbeinplatte vollständig gelingt; bei
dem Menschen jedoch erhält sich wenigstens die Gegend der
späteren Lamina papyracea ungedeckt. — Bei dieser Gelegenheit
will ich noch bemerken, dass es viel richtiger wäre, die Keilbein-
muscheln den Gesichtsknochen beizuzählen; für diese meine
Ansicht spricht entschieden ihre Entwicklung , ihre Lage,
ihre Beziehung zur Nasenhöhle und der Umstand, dass bei den
Säugethieren diese Knochen mit dem Pflugscharbein zu Einem
Stück verschmelzen. Wenn die Keilbeintuten bei dem Menschen
später mit dem Keilbein verschmelzen, so hat dies seinen Grund
in dem von den Säugethieren abweichenden Verhalten der hin-
tersten Partie der Nasenhöhle , wie ich oben auseinanderge-
setzt habe.
Das von den Säugern abweichende Verhalten der Riech-
gegend des Menschen bedingt auch eine Verschiedenheit der Be-
ziehungen der Gaumenbeine zu dem Nasenknorpelgerüste. Es
entwickelt sich nämlich bei den Säugern das Gaumenbein nebst
dem Flügelbein unterhalb des die Riechgegend allseitig umschlies-
senden Nasenknorpelgerüstes und unterhalb des Keilbeins in der
Seitenwand und dem Boden des Nasenrachenganges (Taf. IV,
Fig. 12 und 13; Taf. V, Fig. 14 und 15) ; es entsteht das Gaumen-
bein ohne knorpliche Stütze in dem an die Schädelbasis gehefteten
hinteren Abschnitt des ehemaligen Oberkieferfortsatzes. Allmählig
erreicht das obere Ende seiner senkrechten Platte den untern Um-
200
fang des in das Siebbein sich umwandelnden Nasenknorpelgerüstes
(Taf. IV, Fig. 13) und aus diesem Grunde kann auch das Gaumen-
bein den Deckknochen des Nasenknorpelgerüstes beigezählt werden;
es deckt, wie diese Figur zeigt, einen Theil der Aussenseite der
die Riechgegend nach unten abschliessenden Knorpelpatten.
Bei dem Menschen dagegen fehlt der Riechgegend (abgesehen
von den Sinus sphenoidales) ein solcher von der Regio respira-
toria sie abschliessender Knorpelboden , indem die knorplichen
Seitenplatten (Taf. VII, Fig. 11, k i) mit ihrem untern Ende nicht
wie bei den Säugethieren medianwärts sich umrollen, sondern mit
einer abgerundeten Anschwellung endigen. Hier finde ich nun
merkwürdiger Weise die senkrechten Gaumenbeinplatten an der
inneren Oberfläche der knorplichen Seitenplatten (i), sind daher
innere Deckknochen der knorplichen Nase und werden dadurch
von den aussen liegenden Oberkieferknochen geschieden. Indem
sie an Höhe zunehmen, trennen sie den Knorpel der unteren und
später auch der mittleren Muscheln von den knorplichen Seiten-
platten ab (Fig. 11, rechte Seite); ähnliches zeigt auch Fig. 12.
Trifft dagegen der Frontalschnitt die Gegend des Nasenrachen-
ganges , so verhält sich diese hintere Partie der Gaumenbeine
wiederum ebenso wie bei Säugethieren.
Während in der angegebenen Weise das Nasenknorpelgerüste
von Knochenplatten umwachsen wird, verschwinden wiederum ge-
wisse Abschnitte desselben oder geben vielmehr ihre knorpliche
Beschaffenheit auf, indem sie in Folge des Dickenwachsthums der
anliegenden Knochenplatten in den Verknöcherungsprocess herein-
gezogen werden. Diese Art der Verknöcherung ist daher keine
selbständige , dem Nasenknorpelgerüste eigenthümliche und unter-
scheidet sich dadurch von der späteren von den Deckknochen
unabhängigen Verknöcherung des Siebbeins und der unteren
Muscheln.
Wie man aus den auf Taf. VII abgebildeten Frontalschnitten
ersieht, so sind an einem 8 Ctm. langen menschlichen Fötus die
Oberkieferbeine mit den Zwischenkieferknochen bereits verschmol-
zen. Der in Fig. 5 abgebildete Frontalschnitt zeigt, dass auch
in dem Gebiete der äussern Nase nicht blos die Nasenbeine, wie
bisher gelehrt wurde, sondern auch die Oberkiefer und Zwischen-
201
kiefer eine knorpliche Unterlage besitzen. Ueberhaupt ist ur-
sprünglich die ganze innere Oberfläche der Oberkieferknochen von
einer Fortsetzung der seitlichen Nasenknorpelplatten überzogen,
welche zum Theil wieder schwindet, zum Theil aber sich erhält
und verknöchert (Proc. maxillaris, ethmoidalis und lacrymalis der
untern Muschel, Proc. uncinatus des Siebbeinlabyrinthes).
An einem 8 Ctm. langen menschlichen Fötus (Taf. VII) ist
der hinter dem Processus frontalis folgende Körper des Oberkiefer-
knochens sehr niedrig, so dass er an dem in Fig. 10 abgebildeten
Frontalschnitt einstweilen nur eine den Boden der späteren knö-
chernen Highmorshöhle darstellende fast horizontale Knochenplatte
darstellt, welche abwärts in den Zahnfortsatz und medianwärts in
den Gaumenfortsatz übergeht. Er trägt den untern Abschnitt
einer knorplichen Nasenseitenplatte, welche bereits die erste Anlage
der Highrnor'shöhle enthält (i , h). Die nächste Aufgabe eines
Oberkieferknochens besteht nur darin , die über ihm liegende
knorpliche Highrnor'shöhle zu umwachsen. Es geschieht dies, wie
man aus Taf. IX, Fig. 7 ersieht, mit Hülfe zweier vertikaler aus
dem ursprünglichen Körper nach oben wachsender Knochenplatten,
welche die noch knorpliche Highrnor'shöhle zwischen sich fassen.
Die dickere laterale Knochenplatte (e) gewinnt alsbald eine be-
trächtliche Höhe , so dass sie die Augenhöhlenwand erreicht und
die knorpliche Highrnor'shöhle von aussen deckt. Der Oberkiefer
besitzt von nun an eine noch dicke äussere Wand, welche zugleich
mit ihrem oberen Ende den noch schmalen knöchernen Boden der
Augenhöhlen darstellt. Was die mediane Knochenplatte betrifft,
so bleibt diese nur ganz niedrig und besitzt einen obern zuge-
schärften Rand, welcher mit dem Processus maxillaris der unteren
Muschel sich verbindet und die dem Oberkiefer eigenthümliche
mediane Wand der Highrnor'shöhle darstellt. Es zeigt jetzt der
Oberkieferknochen eine die knorpliche Higmor'shöhle aufnehmende
Grube, welche somit nicht, wie bisher gelehrt wurde, durch Schwund
bereits vorhandenen Knochengewebes , sondern in Folge einer
nachträglichen Umwachsung der knorplich präformirten Highrnor's-
höhle von Seite des Oberkieferknochens entsteht. Von dem knö-
chernen Sinus maxillaris ist daher zuerst nur der mit dem Zahn-
202
fortsatz verbundene Boden vorhanden und erst allmählig bildet
sich seine mediane und laterale Wand.
Legt man an einem 8 Ctm. langen menschlichen Fötus den
Frontalschnitt durch den hintern Theil der Oberkieferanlage an
(Taf. VII, Fig. 11), so endigt jede knorpliche Seitenplatte der
Nasenhöhle mit einem kolbig angeschwollenen Rand (i), welcher
sich zwischen zweiK.nochenplatten einschiebt. Die laterale Knochen-
platte (e) ist eine Fortsetzung des Oberkieferknochens , die wir
oben (Taf. IX, Fig. 7, e) als laterale Wand des Sinus maxillaris
haben kennen lernen ; sie ist zugleich wegen ihrer schrägen Stel-
lung die Anlage der medianen Hälfte des spätem knöchernen
Augenhöhlenbodens. Lateralwärts davon liegt eine tiefe mit dem
Grunde auf den Zahnfortsatz stossende Aushöhlung (Canalis in-
fraorbitalis) , welche den N. infraorbitalis (f) enthält und nach
aussen von einer etwas unterbrochenen Fortsetzung des Ober-
kieferknochens begrenzt wird (Proc. zygomatico-oi'bitalis, Hen le).
Die mediane Knochenplatte (h) schliesst sich als mediane Wand
des Sinus maxillaris an die oben beschriebene mediane Knochen-
platte des Oberkiefers an (Taf. IX, Fig. 7) und ist die Pars per-
pendicularis des Gaumenbeins. Der zwischen beiden Knochen-
platten liegende dicke Knorpel (i) ist die noch solide Anlage der
hintern Partie der knorplichen Highmor'shöhle. Interessant ist an
diesem Frontalschnitt das von unten nach oben fortschreitende
Höhenwachsthum der senkrechten Gaumenbeinplatte (h) , wobei
sie allmählig die Knorpel der unteren und mittleren Muschel von
der knorplichen Seitenplatte abtrennt.
Untersucht man die Oberkiefer- und Siebbeingegend an Frontal-
schnitten eines 2 Ctm. langen menschlichen Fötus (Taf. VIII), so
wird der vordere Abschnitt der Highmor'shöhle ringsum noch von
Knorpel umfasst (Fig. 4) und zeigt in dieser der Crista galli ent-
sprechenden Gegend erst wenige verknöcherte Stellen. — An einein
tieferen hinter der Crista galli liegenden Frontalschnitt dagegen
hat sich vieles geändert. (Fig. 5). Die knorplichen Seitenplatten
der Nasenhöhlen sind nämlich in ihrer unteren Partie verschwun-
den, so dass die lateralen Knochenplatten der Oberkieferbeine nur
noch an ihrem oberen Ende (t) eine knorpliche Unterlage besitzen.
Es hat daher auch die Highmor'shöhle (s und d) ihre Knorpel-
203
hülle verloren und ihre Schleimhautwand zeigt einen Kranz rund-
licher Drüsenanlagen , die sich auch auf beide Flächen der
unteren Muschel und noch auf die untere Fläche der mittleren
Muschel fortsetzen. Vergleicht man die rechte Seite dieses Frontal-
schnittes (b c f h e) mit derselben Seite des auf Taf. IX, Fig. 7
dargestellten Schnittes , so ist die die Highmor'shöhle (d) auf-
nehmende Oberkiefergrube enger geworden. Auch bemerkt man,
dass die laterale knöcherne Begrenzungsplatte des Sinus maxillaris
dem noch übrig gebliebenen dicken Reste der knorplichen Nasen-
seitenwandplatte bis zur unmittelbaren Berührung sich genähert
hat, während in Fig. 7, Taf. IX ein beträchtlicher Zwischenraum
sich findet. Es schreitet nämlich die Verknöcherung des Ober-
kiefers auf Kosten des diesen Zwischenraum erfüllenden Gewebes
gegen den Knorpel vor , so dass dieser seinen früheren dunklen
das Perichondrium darstellenden Grenzsaum verliert und schliesslich
ebenfalls dem von dem Oberkieferknochen eingeleiteten Verknöche-
rungsprocess unterliegt. Sehr deutlich zeigt dieses auf Kosten des
Knorpelgewebes geschehende Dickenwachsthum des Oberkiefers
der auf Taf. V, Fig. 12, h abgebildete Frontalschnitt eines Rinds-
embryo. Dasselbe gilt nach meinen Erfahrungen für alle Deck-
knochen des Nasenknorpelgerüstes , wie man z. B. deutlich an
dem auf Taf. IX, Fig. 4 dargestellten Durchschnitt der Nasen-
scheidewand und des Pflugscharbeins eines 2 Dem. langen mensch-
lichen Fötus bemerkt. Der an jüngeren Embryonen so mächtige
untere Endkolben des Nasenscheidewandknorpels, dessen früherer
Contur durch eine punktirte Linie angedeutet ist, dient zur wei-
teren Ausbildung der anliegenden Seitenplatte des Vomer (c).
Ebenso verdicken sich auch die Partes orbitales des Stirnbeins
auf Kosten der Orbitalflügel des Siebbeins. Ein ähnliches Ver-
halten fand ich auch zwischen den vorderen Enden der Unter-
kieferhälften und den Meckel'schen Knorpeln, wie ich schon früher
näher auseinander gesetzt habe.
Kehren wir nun wieder zu dem in Rede stehenden Frontal-
schnitt (Taf. VIII , Fig. 5) zurück , so hat also der Oberkiefer-
knochen auf Kosten des die Highmor'shöhle umfassenden Knorpels
an Masse gewonnen und ist dadurch die Anlage des knöchernen
Sinus maxillaris etwas enger geworden. Die bisherige Lehre, dass
204
die Highinor'shöhle sowie überhaupt alle Nebenhöhlen der Nasen-
höhle durch Resorption der betreffenden Knochen nachträo-lich
entstandene Lücken seien, für welche dann die Nasenschleimhaut
Ausstülpungen bilde , ist somit für die erste Anlage dieser Höhlen
nicht richtig.
Nachdem auf die angegebene Weise der Knorpel der High-
mor'shöhlen verschwunden ist, so wird die davon abgehende
Knorpelwurzel der unteren Muschel frei und setzt sich, indem sie
verknöchert , als Processus maxillaris conchae inf. mit der me-
dianen senkrechten Knochenplatte des Oberkiefers zur Vervoll-
ständigung der medianen Wand des Siuus maxillaris in Verbindung
(Taf. VIII, Fig. 5). Auf der linken Seite des genannten Schnittes
ist die Verknöcherung dieser Muschelwurzel bereits eingetreten
und ist dem Gesagten zufolge ein direct verknöcherter Eest der
ursprünglichen Knorpelkapsel der Highmor'shöhle. An demselben
Embryo ist auch bereits in der unteren Partie der Seitentheile des
knorplichen Siebbeins und in den davon abgehenden mittleren
Muscheln die Verknöcherung eingetreten. Darüber sowie über
die untern Muscheln vergleiche man auch die folgende Figur 6.
Was das Gaumenbein betrifft, so habe ich bereits angegeben,
dass dessen vertikaler Theil von dem Oberkiefer durch eine Fort-
setzung der Knorpelplatte der Nasenseitenwand geschieden wird,
woraus das hintere Ende der Highmor'shöhle hervorgeht (Taf. VII,
Fig. 11). Auch an dem folgenden Schnitt (Fig. 12), welcher
hinter die Anlage der Highmor'shöhle fällt, bemerkt man noch
einen die laterale Seite der vertikalen Gaumenbeinplatte deckenden
Fortsatz der genannten Knorpelplatte; allmählig jedoch verdickt
sich das Gaumenbein auf Kosten der letztern, die dann von unten
nach oben schwindet (e). Vergleicht man damit den Durchschnitt
eines älteren menschlichen Fötus (Taf. VIII, Fig. 7), so ist auf
diese Weise der frühere zwischen Gaumenbein (n) und Oberkiefer
(o) befindliche Knorpel verschwunden; dass sich aber hier eine
Fortsetzung der Knorpelplatte der Nasenseitenwand befand, er-
giebt sich aus der Vergleichung mit den Durchschnitten jüngerer
Embryonen sowie aus dem Umstand , dass hier die Knorpelachse
der untern Muschel isolirt ist , während sie früher von der ge-
nannten Knorpelplatte abging. Bald wird auch durch das Gaumen-
205
bein die Knorpelwurzel der mittleren Muschel abgelöst. — An
demselben Frontalsclinitt bemerkt man auch am obern Rand der
Pflugscharbeinflügel den Durchschnitt eines besonderen kleinen
Knochens (e) , welcher nach meinen diese Gegend betreffenden
Erfahrungen die Keilbeinmuschel ist, die man bisher erst nach
der G-eburt entstehen Hess. Die folgende Figur 8 zeigt ebenfalls
die Knochenkerne dieser Muscheln (b), von welchen der der linken
Seite doppelt erscheint; sie liegen hier an der unteren Seite der
knorplichen Anlagen der Sinus sphenoidales (o). Ich finde übri-
gens die knöchernen Anfänge der Keilbeinmuscheln bereits an
einem 8 Ctm. langen menschlichen Fötus (Taf. VII , Fig. 14).
Betrachtet man die auf Taf. VIII, Fig. 7 und 8 dargestellte Lage
der Keilbeinmuscheln am oberen Rand der Pflugscharbeinflügel, so
erinnere ich dabei an meine bereits früher geinachte Angabe, dass
an Schädeln von Kindern der Vomer ganz ebenso in Verbindung
mit den ihm aufsitzenden Keilbeinmuscheln ausgelöst werden kann.
Was das vordere Keilbein des Menschen betrifft, so habe ich
darüber schon einige Bemerkungen vorausgeschickt. Es bildet
das Nasengerüste mit der knorplichen Schädelbasis ein zusammen-
hängendes Ganze. Verfolgt man den medianen Abschnitt der
knorplichen Schädelbasis von dem Hinterhauptsloch nach vorn
zum vorderen Ende der knorplichen Nasenscheidewand, so zeigt
sich abgesehen von der durch das Hypophysenloch bedingten je-
doch alsbald wieder verschwindenden Unterbrechung nirgends eine
Spur einer Absetzung oder Abgliederung ; ganz allmählig geht der
hintere Theil der Schädelbasis in den vordem und in die Nasen-
scheidewand über, wobei er an Breite ab-, aber an Höhe zunimmt.
Es bildet daher der mediane Theil der knorplichen Schädelbasis
vom Hinterhauptsloch bis zum vordem Rand der knorplichen
Nasenscheidewand die ungegliederte in ihrem vordem Abschnitt
seitlich comprimirte Fortsetzung der knorplichen Wirbelsäule.
Es hängen aber auch bei dem Menschen die lateralen Theile
der knorplichen Schädelbasis continuirlich mit den Seitentheilen
des Nasenknorpelgerüstes zusammen und zwar durch Vermittlung
der Orbitalplatten. Unter einer knorplichen Orbitalplatte im All-
gemeinen verstehe ich das knorpliche Augenhöhlendach, dessen
hintere Partie durch Vermittlung der knorplichen Seitenhälften
206
des Jugum sphenoidale mit dem knorplichen Keilbeinkörper sich
verbindet (Taf. VII, Fig. 12, 13, 14 und 15). Die vordere Partie
der Orbitalplatten verbindet sich durch Vermittlung der knorp-
lichen Seitenhälften der Siebplatte mit dem betreifenden Theil der
knorplichen Nasenscheidewand (Lamina perpendicularis des Sieb-
beins, Taf. VII, Fig. 10 und 11; Taf. VIII, Fig. 4; Taf. IX,
Fig. 2 und 7). Eine Orbitalplatte bildet daher die gemeinsame
laterale flügeiförmige Ausbreitung des Keilbeins und Siebbeins und
kann daher in seiner hinteren Partie „Orbitalflügel des Keilbeins",
in seiner vorderen Partie „Orbitalflügel des Siebbeins" genannt
werden. Betrachtet man nun den medianen Abschnitt des vor-
dem knorplichen Keilbeins als einen Wirbelkörper, sowie dessen
Orbitalflügel als Wirbelbogentheile , so kann darüber nach dem
bisher Gesagten kein Zweifel sein, dass auch die primitive knorp-
liche Nasenscheidewand einen Wirbelkörper , sowie deren das
Hirn tragender Orbitalflügel einen Wirbelbogen darstelle. Auch
sieht man hieraus, dass zur Entscheidung solcher Fragen nur die
Entwicklungsgeschichte den Ausschlag geben kann , da mit dem
Eintritt der Verknöcherung der ursprüngliche Typus mehr oder
weniger verwischt wird,' so schwinden z. B. die knorplichen Or-
bitalflügel des Siebbeins, indem die darunter entstehenden Deck-
knochen (Partes orbitales des Stirnbeins) sich auf ihreKosten verdicken.
Betrachten wir die Orbitalflügel des Keilbeins etwas näher,
so gehen sie zwar medianwärts ohne Unterbrechung in den knorp-
lichen Keilbeinkörper über, verlassen dabei aber das Gebiet der
Augenhöhlendächer und liegen oberhalb der hinteren Enden der
knorplichen Nasenhöhlen (Sinus sphenoidales , vergl. Taf. VII,
Fig. 12, 13, 14 und 15); es ist daher dieses der hintern Nasen-
gegend angehörige Wurzelstück der Orbitalplatten die knorpliche
Anlage einer Seitenhälfte des Jugum. — Auch die Orbitalflügel
des Siebbeins besitzen ein solches nicht mehr den Augenhöhlen
sondern den Nasenhöhlen angehöriges Wurzelstück (Lamina cribrosa).
Das Nasenknorpelgerüste besitzt auch noch absteigende ursprüng-
lich sehr einfache Knorpelplatten, welche von dem Grenzgebiet
der Orbitalflügel und ihres Wurzelstücks abgehen und sich in der
ganzen Länge der Seitenwand der Nasenhöhlen ausbreiten. Nach
dieser Auseinandersetzung können die Siebbeinlabyrinthe, die sich
207
nachträglich aus diesen Platten entwickeln, nicht mehr mit hin-
teren Wirbelbogen verglichen werden , die sich bauchwärts umge-
schlagen hätten; viel eher könnte an eine Vergleichung mit der
knorplichen Lamina externa des ebenfalls in der Nasenseitenwand
herabsteigenden Proc. pterygoideus des Keilbeins gedacht werden.
Wie ich nun gezeigt habe , so zeigt bei dem Menschen das
Nasenknorpelgerüste die Eigenthümlichkeit, dass beim Anschluss
an das Keilbein die knorpliche Siebplatte nicht continuirlich in
das knorpliche Jugum sphenoidale sich fortsetzt, wie es bei den
Säugethieren der Fall ist, sondern sich tiefer stellt und. sogar
noch eine Strecke weit von den knorplichen Seitenhälften des
Jugum überragt wird (Taf. VII, Fig. 12; vergl. auch S. 193). Die
absteigenden Seitenplatten (e) folgen dieser Lageänderung, nicht aber
die Orbitalflügel (b), welche ihren Zusammenhang mit ihrer früheren
Wurzel aufgeben und continuirlich nach hinten in die knorplichen
Orbitalflügel des Keilbeins und in dessen Jugum sich fortsetzen.
Eine weitere den Menschen betreffende Eigenthümlichkeit be-
steht darin , dass die unter das Jugum sphenoidale sich schie-
benden hinteren Enden der knorplichen Nasenhöhlenplatten rasch
an Höhe abnehmen, in Verbindung mit dem Reste der Siebplatte
von dem medianen Knorpel sich ablösen (Taf. VII, Fig. 13) und
schliesslich zur völligen Unischliessung der hintersten Nasenhöhlen-
enden (Sinus sphenoidales) sich einrollen (Fig. 14). Die Figuren
14 und 15 treffen den zwischen den beiden Augenhöhlen liegenden
Abschnitt des vorderen Keilbeins und es zeigt sich , dass der
Keilbeinkörper sich auf die Gegend des spätem knöchernen
Septum sin. sphen. beschränkt und an seinem obern Rand zwei
die Anlage des Jugum darstellende Platten abgiebt. Die übrige
den Raum zwischen den beiden Nasenhöhlen einnehmende und
die knorpliche Anlage der Sin. sphen. umfassende Bildungsmasse
ist ein noch weiches Gewebe, welches niemals verknorpelt, son-
dern eine mächtige faserige Umhüllung der gesammten knorp-
lichen Keilbeinanlage und der knorplichen Sinus abgiebt (Taf. VIII,
Fig. 9, 10 und 11). Es hat diese Periostschichte eine solche Dicke,
dass dadurch z. B. an dem Frontalschnitt Fig. 1 1 der vierseitige
Contur des späteren knöchernen vorderen Keilbeinkörpers deutlich
vorgezeichnet wird. Was nun die Verknöcherung des vorderen
208
Keilbeins betrifft, so besitzt dessen knorplich vorgebildeter Körper
weder bei Säugethieren nocji bei dem Menschen einen besondern
ihm eigenthümlichen Knochenkern, sondern die Orbitalflügel sind
es, deren Knochenkerne von beiden Seiten her gegen die medianen
Knorpel vordringen, um theils über ihm medianwärts sich zu ver-
einigen (knöchernes Jugum), theils am lateralen Umfang des Keil-
beinknorpels auf Kosten der mächtigen Periostlage hinabwuchern
und auch die knorplichen Sinus sphenoidales oben und seitlich
umfassen. Alsbald gesellt sich zu den Hauptknochenkernen der
Orbitalflügel auf jeder Seite noch ein zweiter in der untern Wurzel
der kleinen Keilbeinflügel auftretender Knochenkern, welche dann
mit einander verschmelzend den Canalis opticus umgeben. Zwi-
schen dieser oben und seitlich ihn umfassenden Knochenmasse
erhält sich der ursprüngliche mediane Knorpel noch lange Zeit
und bleibt dabei in ununterbrochener Verbindung mit der knorp-
lichen Nasenscheidewand. Sein unterer Rand (die knorpliche Crista
sphenoidalis inferior) wird von dem Vomer gedeckt und zu beiden
Seiten liegen die Keilbeinmuscheln, welche den noch freien un-
teren Umfang der knorplichen Sinus sphen. umfassen. Wenn
nun später in Folge der von der Peripherie nach dem Centrum
fortschreitenden Verknöcherung sämmtliche Knorpel verschwunden
sind , so werden von nun an die von einer Schleimhaut ausge-
kleideten kleinen Anlagen der Sinus sphenoidales direct von
Knochenmasse umgeben und vergrössern sich später auf Kosten
derselben, während der ursprüngliche knorplich präformirte Keil-
beinkörper der Lamina perpendicularis des Siebbeins als Septum
sin. sphen. sich anschliesst. Die auf Taf. VIII abgebildeten Frontal-
schnitte eines 2 Dem. langen menschlichen Fötus (Fig. 8, 9,
10 und 11) zeigen die von den kleinen Keilbeinflügeln median-
wärts vordringenden Knochen kerne , sowie die accessorischen
Knochenkerne in der untern Wand des Canalis opticus (Fig.
9 und 10). — Taf. IX, Fig. 1 giebt den Frontalschnitt des hin-
teren Endes des vordem Keilbeinkörpers von demselben Fötus
und zeigt dessen dicke Periosthülle sowie die mit diesem zu-
sammenhängende nicht knorplich präformirte Lamina interna (d)
des Processus pterygoideus.
Nach diesen von mir über das Keilbein des menschlichen
209
Fötus mitgetheilten Beobachtungen muss auch das vordere Keil-
bein des Erwachsenen vom Standpunkte der Entwicklungsgeschichte
aus in einer andern als in der bisher üblichen Weise aufgefasst
werden. Die mit geräumigen Sinus versehene vordere Partie des
vordem Keilbeinkörpers des Erwachsenen darf nicht in ihrer Ge-
sammtheit , sondern nur in ihrem medianen Abschnitt (Septum,
Crista sphenoidalis ant. et inf.) als Keilbeinkörper oder Wirbel-
körper angesehen werden. Die zu beiden Seiten liegenden Höhlen
dagegen sind die ursprünglichen hinteren Enden der Regio olfac-
toria der Nasenhöhlen, die somit nicht i n , sondern neben dem
Keilbeinkörper liegen. Die einen Sinus deckende Seitenhälfte des
Jugum ist daher, wie ich auch durch die Entwicklungsgeschichte
nachgewiesen habe, die Wurzel des Orbitalflügels des Keilbeins,
somit der Anfang oder die Wurzel eines Wirbelbogens. Die la-
terale Wand eines Sinus ist eine bauchwärts absteigende Fort-
setzung des Orbitalflügels zur Begrenzung des genannten hinteren
Nasenhöhlenendes und schliesst sich deshalb nach vorn genau der
Seitenplatte der Nasenhöhle (Lamina papyracea) an ; sie erinnert
an das Verhältniss des absteigenden Keilbeinflügels zum Temporal-
flügel, von welchen jener ebenfalls zurBegrenzung der Nasenhöhle
dient. Die untere und vordere Wand ist ebenfalls kein dem
Keilbeinkörper eigenthümlicher Theil, sondern entwickelt sich aus
einem dem knorplichen Labyrinthe anliegenden Deckknochen.
Bedenkt man nun die Kleinheit der ursprünglichen Sinus sphenoi-
dales, welche einen nur sehr kleinen Raum neben dem knorplichen
Keilbeinkörper beanspruchen , so wird es begreiflich , warum die
von den Orbitalflügeln absteigenden Seitentheile dem medianen
Körper sich anlegen und mit ihm verschmelzen, so dass dadurch
der ursprüngliche Bildungsplan verwischt und erst durch die
spätere Ausdehnung der Sinus einigermaassen wieder hergestellt wird.
Viel ausgeprägter dagegen und schon von Anfang an leicht
erkennbar erscheinen diese Verhältnisse bei Säugethieren. Hier
treten, wie ich schon früher auseinander gesetzt habe, die hinteren
Enden der Regio olfactoria der Nasenhöhlen in viel grösserer
Ausdehnung in den vorderen Keilbeinkörper ein. Entfernt man
daher an dem Schädel eines erwachsenen Säugethieres das Sieb-
bein , so enthält die vordere Partie des vorderen Keilbeins zwei
Dursy, Entwicklgsgesch. 14
210
geräumige von den Nasenhöhlen nicht abgeschiedene Höhlen,
deren ziemlich dickes Septum von dem ursprünglichen Keilbein-
körper dargestellt wird. Auch die übrigen Wandungen haben
dieselbe Bedeutung, wie ich sie oben für den Menschen angegeben
habe, jedoch mit dem Unterschied, dass eine vordere Wand völlig
mangelt , indem die mit dem Vomer verschmolzenen Keilbein-
muscheln sich auf den Boden beschränken. Ferner ist hervorzu-
heben, dass der von den Keilbeintuten gebildete Boden sowie die
Seitenwände dieser Höhlen noch eine beträchtliche Strecke weit
entlang dem Siebbein sich vorschieben. Ueberhaupt gewinnt diese
ganze Partie des vorderen Keilbeins bei Säugethieren im Einklang
mit der stärkeren Ausbildung der Riechgegend eine sehr bedeu-
tende Längenausdehnung, und zwar ragt am weitesten nach vorn
der Boden , dann folgen die Seitenwände und am kürzesten sind
die in neuerer Zeit auch als kleinste Keilbeinflügel bezeichneten
am vorderen Rande ausgeschweiften oberen Wände.
Von den Keilbeinmuscheln habe ich schliesslich noch zu be-
merken , dass dieselben , wie auch H e n 1 e lehrt, mit ihren vor-
deren Rändern zur Vervollständigung der Crista sphenoid. ant.
und des Rostrum dienen, indem sie sich medianwärts verbinden
und dadurch die Lamina perpendicularis von dem knöchernen
Keilbeinkörper völlig abtrennen. Eine derartige Scheidung kann
dem Gesagten zufolge bei den Säugethieren nicht vorkommen
und finde ich hier an einem mir gerade vorliegenden macerirten
Hundsschädel eine Lücke.
Was den in das Siebbein und die Muscheln sich umwandeln-
den Theil des Nasenknorpelgerüstes betrifft, so zeigt der auf
Taf. VIII, Fig. 5 abgebildete Frontalschnitt eines 2 Dem. langen
menschlichen Fötus , dass die Verknöcherung in der unteren und
mittleren Muschel , sowie in der unteren Hälfte der Labyrinthe
■ ihren Anfang nimmt. Was zuerst die untere und mittlere Muschel
betrifft, so sind deren Knorpel an jüngeren Embryonen ganz ein-
fache, am Ende etwas kolbig angeschwollene und an ihrer Ober-
fläche ebene Fortsätze der knorplichen Seitenplatten der Nasen-
höhlen (Taf. VII, Fig. 10 und 11). An älteren Embryonen geben
diese Knorpel eine Anzahl einfacher und getheilter Fortsätze oder
Nebenblätter ab (Taf. IX, Fig. 8 ; Taf. VIII, Fig. 5 und 6). Das
211
mit dem Eintritt der Verknöcherung zuerst daraus entstehende
Balkenwerk einer mittleren Muschel zeigt der auf Taf. IX, Fig. 3
abgebildete Durchschnitt.
Auch ein Siebbeinlabyrinth ist, wie die Abbildungen jün-
gerer menschlicher Embryonen zeigen , zuerst eine einfache
dicke solide Knorpelplatte, worin später durch stellenweise Ein-
schmelzung grössere Höhlen oder die Anlagen der Siebbeinzellen
entstehen (Taf. VIII, Fig. 5, v). Von demselben 2 Dem. langen
menschlichen Fötus ist auf Taf. IX, Fig. 2 ein stärker vergrös-
serter Frontalschnitt eines noch völlig knorplichen Labyrinthes
abgebildet , welches oben durch die Siebplatte mit einem Stück
der Nasenscheidewand zusammenhängt und an seinem unteren
Ende die ebenfalls noch rein knorpliche obere Muschel abgiebt.
Man bemerkt in dem Labyrinth eine Anzahl weiter zur Aufnahme
von Riechfäden bestimmter Hohlräume, welche mit engerem Halse
in die dicke Schleimhaut der Nasenhöhlenwand sich öffnen. Daraus
entstehen die späteren die Riechfäden enthaltenden Knochen-
kanälchen und Rinnen der inneren Labyrinthwand. Es erinnern
an diesem Durchschnitt die zwischen den Gängen schräg und
etwas gebogen herabhängenden Knorpelfortsätze an die knorp-
lichen Muscheln und in der That erscheinen sie dem hier sicht-
baren Knorpel der oberen Muschel (h) nicht unähnlich. Würde
sich auch noch die darüber liegende Schleimhaut entsprechend
aus- und einbuchten, so hätte man den sogenannten Siebbeinzellen
der Säuger ganz ähnliche Bildungen, somit eine bedeutende Ver-
vielfältigung der Riechmuscheln. Es ist daher die früher von mir
geäusserte Ansicht, dass die Knochenkanälchen des menschlichen
Labyrinthes bei Säugethieren zu besonderen muschelartigen Fort-
sätzen sich weiter bilden, nicht unbegründet.
Zur Entwicklungsgeschichte der Zähne.
Zum Schlüsse reihe ich hier noch einige die Bildungsge-
schichte der Zähne betreffende Beobachtungen an , zu welchen
mich meine Untersuchungen über die Entwicklung des Gaumens
führten ; sie beziehen sich auf die Zahnanlagen der schon öfters
14*
212
genannten Säugethiere und des Menschen. Da ich hier nur einige
meiner eigenen Beobachtungen mittheile , so lasse ich mich auf
eine Erwähnung oder Besprechung anderer Angaben nicht ein,
obgleich ich in manchen Dingen davon abweiche. Nur die Be-
merkung will ich vorausschicken , dass die Zahnbildung sowohl
bei dem Menschen als auch bei den Säugern mit dem Auftreten
einer wirklich offenen und in die Mundhöhle mündenden Furche
beginnt, wie zuerst von Fr. Arnold und Goodsir richtig an-
gegeben wurde ; auch noch andere von diesen Forschern gemachte
Angaben sind im Wesentlichen richtig und können daher nicht
als überwunden und veraltet übergangen werden.
Untersucht man an Frontalschnitten jüngerer Rindsembryonen
(Taf. II), bei welchen die Zunge noch in ihrer ganzen Breite der
Nasenscheidewand anliegt und zu beiden Seiten von den noch
senkrecht stehenden Gaumenplatten umfasst wird, so bemerkt man
bereits den Beginn der Zahnbildung. Lateralwärts von den dicken
Enden der neben der Zunge absteigenden Gaumenplatten zeigt die
Oberkiefergegend eine ursprünglich sehr flache Furche (Zahnfurche).
Die davon betroffene aus rundlichen Elementen bestehende Schleim-
haut bildet hier einen bei durchfallendem Licht dunklen Hof
(Fig. 1, d) , woraus die Zahnsäckchen und die Zahnpapillen ent-
stehen , darüber macht sich ein viel grösserer hellerer Hof be-
merklich (Fig. 1 und 2) , welcher den N. infraorbitalis enthält
(Fig. 1, c). Das in der Zeichnung durch eine dicke dunkle Linie
dargestellte Mundhöhlenepithel ist noch dünn und kleidet ganz
gleichmässig auch die Zahnfurche aus. Eine dieser Zahnfurche
entsprechende flache Rinne der Oberkiefergegend lässt sich übri-
gens schon an viel jüngeren Embryonen bemerken , wie die auf
Taf. I, Fig. 1 — 14 gegebenen Abbildungen eines 1,9 Ctm. langen
Rindsembryo zeigen. Ich betrachte sie nicht als eine von der
Mundhöhle aus in den Oberkieferfortsatz eindringende Bildung,
sondern sie entsteht vielmehr dadurch , dass die anfangs mehr
gleichförmige Mundhöhlenfläche des Oberkieferfortsatzes in ihrem
weiteren Wachsthum sich ungleich verhält (Taf. I, Fig. 4 zwischen
m und k; Fig. 13, zwischen b und d).
Aus dem Gesagten geht hervor, dass die in die Zahnsäckchen
und die Zahnpapillen sich umwandelnde Schleimhautpartie , die
213
sich schon bei noch völlig offener Zahnrinne an Durchschnitten in
Gestalt eines dunklen Hofes markirt, ein von dem Mundhöhlen-
epithel überzogener Theil der übrigen Mundschleimhaut ist, welche
in Folge eines rascheren Dickenwachsthums der Umgebung all-
mählig die Gestalt einer nach der Mundhöhle offenen Furche an-
nimmt. Sie wird daher um so tiefer, je weiter die lateral wärts
und medianwärts anstossenden Theile in die Mundhöhle hinab-
wachsen (Taf. II, Fig. 3 und 7), und es vermehren sich zugleich
die den oberflächlichen Lagen angehörigen runden Zellen des
Mundhöhlenepithels im Grunde der Rinne (Fig. 3, f und Fig. 7).
Schliesslich wird sie dadurch völlig erfüllt und nur an ihrem Ein-
gang erhält sich noch eine rinnenförmige mehr oder weniger tiefe
Einsenkung (Fig. 4,5,7 und 8); vergl. ferner für das Schwein
Taf. IV, Fig. 1 4 und für das Schaf Taf. III. Von n\Äi an erscheint
die Zahnfurche an Frontalschnitten in Gestalt einer tiefen von
einem soliden Epitheliumszapfen erfüllten Schleimhauteinsenkung.
Es ist dieser Zapfen oder der Schmelzkeim eine unmittelbare
Fortsetzung des gesammten Mundhöhlenepithels und besteht
daher aus einer bei durchfallendem Licht dunkleren peripherischen
oder Rindenschichte und aus einer helleren Achse (Kernmasse).
Jene ist die der Schleimhaut anliegende Fortsetzung der tiefsten
Epitheliumslagen , diese besteht aus den helleren und rundlichen
Zellen der oberflächlichen Schichten des Mundhöhlenepithels.
In der ersten Zeit ist die von Epithel erfüllte Schleimhaut-
furche noch ziemlich weit; an dem auf Taf. II, Fig. 5 und 6 dar-
gestellten Fötus erscheint sie von ungewöhnlicher Breite und zu-
gleich hat sich hier an sämmtlichen Schnitten der mächtige Epithel-
zapfen oder der Schmelzkeim von der Schleimhaut der Zahnfurche
völlig abgelöst, so dass ein heller ungleich breiter Zwischenraum
entstand. Allmählig nähern sich die Schleimhautränder der tiefer
geworden Zahnfurche einander , die Furche wird enger und es
schwinden dabei mehr und mehr die Zellen der Kernmasse des
Schmelzkeims , während dessen Rindenschicht die ursprüngliche
Dicke noch beibehält (Taf. II , Fig. 4). Es verhält sich jedoch
von nun an in dieser Beziehung die Zahnfurche an verschiedenen
Stellen verschieden , je nachdem man eine Stelle trifft , welche
wirklich zu einem Zahn wird, oder eine Stelle, die zwischen zwei
214
Zähnen oder, wie z. B. beim Rind, in der zahnlosen Gegend des
Kiefers liegt.
Trifft der Schnitt die Zahnrinne an einer Stelle, die nicht zur
Zahnbildung bestimmt ist, so können sich deren Schleimhautwände
einander so bedeutend nähern, dass die Kernmasse des Schmelz-
keims völlig schwindet und derselbe im Durchschnitt als ein
schmaler aus Zellen der tiefsten Lage des Mundhöhlenepithels be-
stehender Strang erscheint (Taf. IV, Fig. 15; Taf. V, Fig. 12
zwischen u und v; Fig. 13). Zugleich bemerkt man an dieser
Stelle, dass der oben erwähnte dunkle Schleimhauthof, welcher
als Vorläufer des Zahnsäckchens und der Zahnpapille den Grund
der Zahnfurche umfasst, an jüngeren Embryonen auch hier nicht
fehlt und eine halbmondförmige Gestalt angenommen hat (Taf. IV,
Fig. 15). An älteren Embryonen dagegen verschwindet er wieder
an dieser Stelle. Daraus geht hervor, dass ähnlich wie die Zahn-
furche , so auch dieser Vorläufer oder die Uranlage des Zahn-
säckchens und der Zahnpapille ursprünglich ohne Unterbrechung
die ganze Länge der Kiefergegend durchzieht. — An einem
8 Ctm. langen menschlichen Embryo sieht man diesen strang-
förmigen Schmelzkeim auf Taf. VII, Fig. 13 und Fig. 8, und auch
hier ist der erwähnte dunklere Schleimhauthof noch zu bemerken.
Sehr lehrreich in dieser Beziehung ist auch die Vergleichung der
auf Taf. IV nebeneinander stehenden bei gleicher Vergrösserung
gezeichneten Figuren 14 und 15 von einem Schweins- und einem
Rindsfötus. — Taf. III, Fig. 1 — 8 zeigt die Zahnfurche mit dem
Schmelzkeim von einem Schafsfötus, dessen Gaumen im Schlies-
sungsprocess begriffen war; auffallend daran ist die Weite der
Furche und daher auch die Breite der hellen Kernmasse des
Schmelzkeims an allen Schnitten, die somit an den zahnlosen
Stellen beim Schafe um diese späte Zeit noch vorhanden ist.
Trifft dagegen der Schnitt die zur Zahnbildung bestimmten
Stellen der Zahnfurche , so nähern sich die Schleimhautwände
nicht in der ganzen Länge , sondern erst in einiger Entfernung
von dem Grunde der Rinne, der somit weit bleibt und seinen aus
einer Fortsetzung des gesammten Mundhöhlenepithels gebil-
deten früheren Inhalt beibehält. An einem Frontalschnitt (Taf. II,
Fig. 8) besitzt daher der Schmelzkeim eine keulenförmige Gestalt
215
und man nennt sein dickeres Ende „Schmelzorgan". Dasselbe
erfüllt den weit bleibenden und mit der Zeit sich noch mehr aus-
dehnenden Grund der Zahnfurche , welcher einst ganz flach und
offen war und einen Theil der Oberfläche der Mundhöhle dar-
stellte. An dem vorliegenden Durchschnitt (Fig. 8) ist er aus
dem oben angegebenen Grunde in die Tiefe gerückt , wird von
Epithel völlig ausgefüllt und sucht sich zu einem geschlossenen
Säckchen abzuschnüren. Es geschieht dies durch die erwähnte
Annäherung der Schleimhautwände , deren völlige Verwachsung
jedoch noch lange Zeit hindurch durch den Schmelzkeim gehindert
wird. Indem sich die Schleimhautwände einander zur Schliessung
nähern , zeigt der dazwischen eingeklemmte Schmelzkeim anfangs
seine helle aus oberflächlichen Epithelzellen bestehende Kernmasse;
bald aber wird er bis auf einen strangförmigen Rest der tiefen
Epithelzellen eingepresst , welcher wie ein Stiel das unterdessen
grösser gewordene Schmelzorgan mit der tiefsten Schichte des
Mundhöhlenepithels verbindet.
Was die Zahnpapille betrifft, so erhebt sich dieselbe in der
bekannten Weise am Grunde der noch offenen und von dem
Schmelzkeim und dem Schmelzorgan erfüllten Zahnrinne , wobei
sie das Schmelzorgan napfförmig einstülpt. — An einem auf Taf. III,
Fig. 9 dargestellten Schafsembryo fand ich diese Papillen schon
sehr frühe, bevor noch der Gaumen sich geschlossen hatte. Die
Schleimhautränder der Zahnfurche haben sich an dem offenen
von Epithel ausgefüllten Ende der Zahnrinne zwar einander ge-
nähert, stehen aber noch beträchtlich von einander ab. Der weiter
gewordene Zahnfurchengrund enthält das aus dem gesammten
Mundhöhlenepithel bestehende durch die Zahnpapille eingestülpte
Schmelzorgan. Auch die übrigen auf derselben Tafel abgebildeten
Frontalschnitte eines Schafsembryo (Fig. 1 — 8) zeigen den Beginn des
Abschnürungsprocesses des Schmelzkeims und Schmelzorganes, be-
stehend aus einer dunklen Rindenschichte, welche von der tiefsten
Lage des Mundhöhlenepitheliums abstammt , und einer aus hellen
rundlichen oberflächlichen Epithelzellen bestehenden Ausfüllung oder
Kernmasse. — Abbildungen über das Schmelzorgan und den Schmelz-
keim von Schweins- und Rindsembryonen finden sich auf Taf. IV
und Taf. V. Der in Fig. 14, Taf. V abgebildete Frontalschnitt
216
eines Rindsembryo zeigt den von Kölliker als secundären
Schinelzkeim bezeichneten Anhang. Ferner giebt der auf Taf. V,
Fig. 14 abgebildete Schmelzkeirn noch eine Anzahl kleinerer Fort-
sätze ab , die ich besonders schön entwickelt auch an mensch-
lichen Embryonen finde (Taf. IX, Fig. 7 und 8) ; sie erinnern an
die von Kölliker entdeckten Epithelialfortsätze des äusseren
Epithels des Schmelzorgans.
Allmählig schliesst sich das Zahnsäckchen vollständig ab , in-
dem die den Zahnfurchengrund umgebende Schleimhaut über
diesem Grunde und seinem Inhalte verwächst und dadurch den
Schmelzkeim von dem Schmelzorgan völlig abtrennt; auf dieser
Bildungsstufe befinden sich die auf Taf. VIII, Fig. 5, 6, 7 und 8
abgebildeten Frontalschnitte eines 2 Dem. langen menschlichen
Fötus und es endigt das abgeschnürte Ende des Schmelzkeims
mit einem Knöpfchen.
Die Uranlage des Zahnsäckchens und der Papille erschien,
wie wir gesehen haben, als ein den Zahnfurchengrund umgebender
bei durchfallendem Licht dunkler Schleimhauthof (Taf. II, Fig. 1
und 2). Alsbald jedoch und mit Hülfe stärkerer Vergrösserung
unterscheidet man daran eine dichtere und daher dunklere äussere
sowie eine hellere innere Zone (Fig. 3 — 8; vergl. auch Kölliker
„Gewebelehre" 1867, S. 38). Nimmt nun unterdessen die Zahn-
furche an Tiefe zu , so erscheint an Durchschnitten der dunkle
Hof als ein auf den Zahnfurchengrund beschränkter Halbmond,
dessen Hörner später über dem Zahnfurchengrund zur Bildung
eines nur durch den Schmelzkeim unterbrochenen dunklen Kreises
sich einander nähern, während aus dem mittleren dickeren Theil
des Halbmondes die Zahnpapille sich erhebt (Taf. V, Fig. 14).
Wie ich oben angegeben habe, so ist die Zahnfurche zuerst
ganz flach und gewinnt ihre spätere Tiefe durch stärkeres gegen
die Mundhöhle gerichtetes Wachsthum der umgebenden Oberkiefer-
gegend. Wenn sich nun die Schleimhautwände der Zahnfurche
einander nähern, um schliesslich mit Ausnahme der die Schmelz-
keime und Papillen enthaltenden Stellen zu verschmelzen, so habe
ich damit zugleich die Scheidewandbildung zwischen den Zahn-
säckchen erklärt. Untersucht man nun die durch den Schmelz-
keim erfüllte Einmündung der Zahnfurche in die Mundhöhle, so
217
wachsen allmählig die begrenzenden Schleimhautwände lippenartig
über die Schleirahautfläche der Mundhöhle hervor, wofür ich die
Bezeichnung „Zahnfurchenlippen" gebrauchen will (Taf. III,
Fig. 7, cd; Taf. IV, Fig. 14 und 15). An älteren Fötus treten
diese Lippen deutlicher hervor (Taf. V, Fig. 12, u v; Taf. VIII,
Fig. 5, k i).
Die aus den oberflächlichen Schichten des Mundhöhlenepithels
gebildeten sogenannten Zahnwälle sind an den auf Taf. II dar-
gestellten jüngeren Rindsenibryonen noch nicht zu bemerken; von
einem älteren Fötus habe ich sie auf Taf. V dargestellt; sie be-
decken die Gegend der lateralen Zahnfurchenlippe, so dass die
Zahnfurche selbst nebst ihrer medianen Lippe nur von dem all-
mählig abfallenden inneren Umfang eines Zahnwalles überschritten
wird. Aehnlich verhalten sich die Zahnwälle auch bei dem Schaf.
An älteren Schweinsembryonen (Taf. IV) sind zwar die ober-
flächlichen Schichten des Mundhöhlenepithels in dieser Gegend
ebenfalls verdickt, aber nicht in dem Maasse, bilden daher keine
besonderen Zahnwälle, sondern gehen an Dicke zunehmend all-
mählig in das mächtige Epithelium des Mundhöhlenvorhofs über.
Was die Unterkiefergegend betrifft , so tritt hier schon sehr
frühe die Anlage des Processus alveolaris als ein in die Mund-
höhle vorspringender Wulst hervor (Taf. II, Fig. 1, g). Aufseiner
anfangs platten Oberfläche bildet sich alsbald in Folge eines un-
gleichen Höhenwachsthums eine anfangs sehr flache Aushöhlung,
die Zahnfurche. Indem sich dieselbe vertieft, wird sie ganz ebenso
wie die obere Zahnfurche von dem oberflächlichen Mundhöhlen-
epithel ausgefüllt und von einem dunklen Schleimhauthof oder
der Anlage des Zahnsäckchens und der Zahnpapille umfasst
(Fig. 7 und Fig. 8). Die noch weit aus einander stehenden oberen
Ränder der die Zahnfurche begrenzenden Wände nenne ich wie-
derum Zahnfurchenlippen. Der Zahnfortsatz des Unterkiefers mit
seiner Zahnfurche steht nicht den gleichen Gebilden des Ober-
kiefers gegenüber , sondern liegt bedeutend mehr einwärts. Da
nun der Zahnfortsatz lateralwärts durch ein tiefes Thal von dem
spätem Vestibulum oris sich abscheidet (Fig. 2 , e ; Fig. 5, g ;
Fig. 7, d und Fig. 8) und da ferner dieses Thal der obern Zahn-
furche gerade gegenüber steht , so bleibt hier ein grösserer im
218
Durchschnitt ungefähr rautenförmiger Raum zwischen oberer und
unterer Mundhöhlenwand zurück. Es ist dieser Raum an den
genannten Durchschnitten jüngerer Embryonen um so auffallender,
weil er wegen der noch geringen Mächtigkeit des Mundhöhlen-
epithels völlig leer ist, während im Uebrigen die Mundhöhlenwände
bis zur Berührung in einander eingreifen. An älteren Embryonen
wird dieser Raum völlig von Epithelium erfüllt und bei Rinds-
embryonen bilden sich hier die Zahnwälle. Mau könnte dieses
Thal des Mundhöhlenbodens „falsche Zahnfurche" nennen, weil es
an jüngeren Embryonen wegen seiner Lage gegenüber der obern
Zahnfurche leicht als untere Zahnfurche angesprochen werden
kann. Sie unterscheidet sich aber von letzterer durch den
Mangel einer ausfüllenden aus oberflächlichen Epithelzellen be-
stehenden Kernmasse, sowie durch den Mangel des charak-
teristischen dunklen Halbmondes , welcher die wahre Zahnfurche
umfasst.
Lehrreich in Beziehung auf das besprochene Verhalten der
Mundhöhle und der Zahnanlagen sind die auf Taf. IV, Fig. 14
und 15 abgebildeten Durchschnitte eines Schweins- und eines Rinds-
fötus aus der Zeit der beginnenden Gaumenschliessung. An
älteren Rindsembryonen greifen die unterdessen entstandenen epi-
thelialen Zahnwälle so in einander ein , dass die unteren von den
oberen umfasst werden , wie überhaupt auch die unteren Zahn-
anlagen der Medianebene näher stehen als die oberen (Taf. V,
Fig. 13). — Bei Schweinsembryonen bilden sich auch keine un-
teren Zahnwälle und es gilt über das hier befindliche mächtige
Epithelium dasselbe, was ich bereits für die Oberkiefergegend an-
gegeben habe (Taf. IV, Fig. 9).
Der Mensch, dessen Zahnbildung im Wesentlichen ganz in
derselben Weise wie bei Säugern erfolgt, zeigt doch einige wenn
auch untergeordnete Eigentümlichkeiten der oberen Zahngegend.
Zunächst macht sich hier ein bei den übrigen von mir unter-
suchten Säugethieren nicht vorkommender Wulst bemerklich (Taf. VII,
Fig. 8, m und Fig. 11, g; Taf. VIII, Fig. 5, m; Taf. IX, Fig. 6, h);
derselbe entwickelt sich aus dem lateralen Theil der Gaumen-
schleimhaut und grenzt unmittelbar an die Gegend der erst all-
mählig herabwachsenden Alveolarfortsätze des Oberkiefers an.
219
Zwischen dem Gaumenwulst und der gegenüber liegenden lateralen
Mundhöhlenwand findet sich ein geräumiger hoher Zwischenraum,
also ein weites tiefes Thal (Taf. VII , Fig. 8 zwischen m und n),
welches ich das primitive Vestibulum oris nennen will. Es
ist dieser Vorhof verhältnissmässig viel geräumiger als der
spätere Vorhof, da an seiner oberen Wand die Zahnfurchenlippen
noch nicht herabgewachsen sind ; vorläufig ist es daher der
Gaumenwulst, welcher seine mediane Begrenzung bildet. Das in
der übrigen Mundhöhle nur dünne Epithel setzt sich in den primi-
tiven Vorhof fort , nimmt aber dabei in seinen oberflächlichen
Lagen an Mächtigkeit so bedeutend zu, dass es den Vorhof fast
oder an manchen Durchschnitten selbst völlig erfüllt (vergl. auch
Taf. IX , Fig. 6 und 7). An manchen Durchschnitten erzeugt
dieses Epithel einen von der obern Wand des primitiven Vorhofes
herabhängenden mächtigen Kegel, dem Zahnwall der Wiederkäuer
vergleichbar (Taf. VII, Fig. 8 , 9, 11 und 13). In der hinteren
Partie der Mundhöhle wird der Gaumenwulst niedriger (Taf, VII,
Fig. 12, g; Fig. 13, h; Fig. 14 und 15). Die dem primitiven
Vorhof zugekehrte Fläche des Gaumenwulstes ist durch sehr stark
entwickelte und lange Papillen ausgezeichnet, zwischen welchen
das Mundhöhlenepithel mit entsprechenden Fortsätzen eingreift
(Taf. IX, Fig. 6, 7 und 9).
An den auf Taf. IX, Fig. 6, 7 und 9 abgebildeten Frontal-
schnitten eines 1,08 Dem. langen menschlichen Fötus dringt das
Epithelium des primitiven Vorhofes fast horizontal oberhalb des
Gaumenwulstes medianwärts in den Oberkiefer ein und ver-
schmälert sich allmählig zu einem mit zahlreichen kurzen Aus-
wüchsen versehenen Strang oder Schraelzkeim (Fig. 6, g), welcher
mit dem durch die Zahnpapille halbmondförmig eingestülpten
Schmelzorgan noch ununterbrochen zusammenhängt. In Fig. 6
sieht man dabei noch den Zusammenhang des Schmelzkeims mit
einem Stück Schmelzorgan des benachbarten Zahnes. — Fig. 9
zeigt ein Stück der Zahnanlage desselben Embryo bei stärkerer
Vergrösserung. Oberhalb des Gaumenwulstes dringt das den
Vorhof erfüllende MundhöUenepithel als Schmelzkeim (b) in den
Oberkiefer ein und hängt noch mit dem Schmelzorgan zusammen,
von welchem ein kleines Stück (c) erhalten ist. Mit a d ist die
220
über dem Gaumenwulst liegende Partie der Oberkieferschleimhaut
bezeichnet, welche dann später zum weichen Processus alveolaris
auswächst. Was den Schmelzkeim betrifft ; so besteht derselbe
noch in seiner ganzen Länge aus einer bei durchfallendem Licht
dunklen Rinde und einer helleren Kernmasse. Letztere ist eine
Fortsetzung der oberflächlichen Lagen des Mundhöhlenepithels und
enthält merkwürdige Nester abgeplatteter kleinerer fester ver-
bundener Zellen, wie ich solche auch in dem Vorhofsepithel selbst
finde (f). Aehnliche Epitheliumsnester werden zwar auch in der
Schleimhaut selbst gefunden und sind abgeschnürte Reste des
Schmelzkeimes (Kölliker), jedoch ist mir nicht bekannt, dass
solche auch an den von mir bezeichneten Stellen bisher gesehen
worden wären. — Verfolgt man den Schmelzkeim (b) gegen das
Schmelzorgan (c) , so wird es dünner, indem seine Kernmassc
mehr und mehr verschwindet; in den Schmelzorganen dagegen
haben sich diese Zellen nicht blos erhalten, sondern auch an Zahl
zugenommen und aus ihnen , also aus den Zellen der oberfläch-
lichen Schichten des Mundhöhlenepithels bildet eich das hier ab-
gebildete Gallertgewebe des Schmelzorgans.
Betrachtet man die auf Taf. VIII abgebildeten Frontalschnitte
eines älteren 2 Dem. langen menschlichen Fötus, so wird in Fig. 5
der frühere primitive Vorhof (der zwischen 1 h befindliche Raum)
durch einen von oben herabwachsenden mächtigen Wulst (k i) in
einen lateralen Abschnitt (g, oberer Abschnitt des eigentlichen
Vestibulum oris) und in eine enge mediane Spalte (zwischen 1 k)
getheilt. Der in den Vorhof hinabtretende Wulst enthält den
dünnen strangförmigen mit einem Endknöpfchen versehenen Schmelz-
keim und es sind daher die ^dadurch geschiedenen ungleichen
Hälften des Schleimhautwulstes die nachträglich hervorgewachsenen
Ränder der Schleimhautwände der früheren Zahnfurche, die ich
oben bei den Säugethieren Zahnfurchenlippen nannte. Der er-
wähnte Schmelzkeimrest hindert die wirkliche Verschmelzung beider
Lippen, so dass sie leicht von einander abgezogen werden können.
Von den beiden Zahnlippen der Oberkiefergegend ist in der
grössern vordem Hälfte der Mundhöhle- die innere Lippe so schmal
und niedrig, dass sie an einer Flächenansicht des Mundhöhlen-
daches (Taf. VI, Fig. 15) von dem dicht angrenzenden Gaumen-
221
wulst (c) völlig verdeckt wird und nur die äussere Lippe (nach
aussen von i) sichtbar bleibt. Im hintern Theil der Mundhöhle
dagegen nimmt auch die innere Lippe an Breite und Höhe so
rasch zu , dass sie zwischen Gaumenwulst und äusserer Lippe
wie ein ganz neuer Wulst an die Oberfläche gelangt (einwärts
von b). Daraus ergiebt sich, dass im vorderen Abschnitt der
Mundhöhle die mit i bezeichnete Furche nicht die wirkliche Zahn-
furche ist, sondern diese erst in der Tiefe sich als besondere Furche
abzweigt. Bei den Säugern vermisse ich einen besonderen Gaumen-
wulst, es fällt derselbe gleichsam mit der inneren Zahnfurchen-
lippe zusammen , daher auch hier die Verhältnisse einfacher sind,
wie man aus den beigegebenen Abbildungen von Frontalschnitten
ersieht; auch zeigt die auf Taf. III, Fig. 13 abgebildete Flächen-
ansicht der Mundhöhlendecke eines Rindsfötus, dass die den Zahn-
wulst halbirende Furche (g) in ihrer ganzen Länge einfach bleibt
und den Eingang in die Zahnfurche bedeutet.
Nachtrag.
Ueber den Primitivstreif des Hühnchens (s. Vorbemerkung).
Vergleicht man meine in der Abhandlung über den Primitivstreif
des Hühnchens (Lahr, 1867) gegebenen die Bildung der Leibesform
betreffenden Flächenbilder der Keimscheibe mit denen von Remak,
dem man bisher bekanntlich allgemein folgte, so fällt der wesent-
liche Unterschied sofort in die Augen. Nach Remak erscheint
in der Mittellinie des Embryonalschildes der Primitivstreif (Achsen-
platte) und in diesem eine helle Rinne; so weit stimmen wir im
Wesentlichen mit einander überein. Vergleicht man aber unsere
Abbildungen des nächstfolgenden Stadiums, so nimmt der Remak'-
sche Primitivstreif an Länge und Breite zu und im Grunde seiner
hellen Rinne liegt ein mächtiger Strang mit spindelförmig ver-
dicktem hinteren Ende, die Chorda. Meine Abbildungen dagegen
zeigen den Primitivstreif noch immer in seiner früheren Gestalt,
höchstens etwas länger geworden, und in der Mitte seiner Rinne
erscheint ein höchst feiner nur aus einer einfachen Reihe dunkler
Körnchen bestehender Faden (Achsenfaden, m), der an beiden
Enden in ein kleines rundes Knöpfchen ausläuft.
Was nun die folgenden Entwicklungsstufen betrifft , so er-
scheinen nach Remak die Urwirbel in dem Primitivstreif, zu
beiden Seiten der im Boden seiner hellen Rinne liegenden Chorda
und zwar in der Mitte seiner Länge, während die vordere Hälfte
des Primitivstreifs ungegliedert bleibt und den Kopf bildet. Meine
Abbildungen dagegen, wie ich überdies an aufgehobenen Präpa-
raten demonstriren kann, zeigen auch in den nächstfolgenden Sta-
dien den Primitivstreif noch unverändert und der in seiner Rinne
liegende ebenfalls unveränderte Achsenfaden markirt auch für spä-
tere Zeiten mit seinen Endknöpfchen die ursprünglichen Enden
des Primitivstreifs. Ferner zeigen meine Abbildungen einen aus
dem Kopfende des Primitivstreifs hervorwachsenden Strang, den
Remak nicht kannte, der die vor dem Primitivstreif liegende
Partie des Embryonalschildes halbirt und im Boden einer im
223
frischen Zustande völlig durchsichtigen glashellen Rinne aufge-
nommen wird. Ich fand somit, was Remak nicht wusste, zwei
hinter einander liegende durch das abgerundete dicke Kopfende
des Primitivstreifs geschiedene und auch durch ihre Breite und
den Grad der Durchsichtigkeit leicht zu unterscheidende Rinnen,
von welchen ich die vordere „Rückenrinne", die hintere „Rinne
des Primitivstreifs" nannte. Die Rückenrinne enthält den er-
wähnten aus dem Kopfende des Primitivstreifs hervorgewachsenen
Strang, von dem ich nachwies, dass er die Chorda darstellt und
an seinem Kopfende eine mit der Bildung der Hypophyse in Be-
ziehung stehende Anschwellung zeigt 1). Da nun bekanntlich die
Urwirbel zu beiden Seiten der Chorda entstehen, so liegen sie so-
mit nicht, wie man bisher mit v. B a e r und Remak glaubte, in
dem Primitivstreif zu beiden Seiten von dessen Rinne , sondern,
wie meine Abbildungen lehren, vor dem Primitivstreif zu beiden
Seiten der Rückenrinne. Was dagegen die Rinne des Primitiv-
streifs betrifft, so zeigt diese , wenn auch bereits eine Anzahl von
Urwirbeln entstanden ist, noch immer ihr früheres Aussehen, d. h.
sie enthält nicht die von Remak hineingezeichnete mächtige
Chorda mit spindelförmiger Anschwellung , sondern noch immer
meinen unveränderten Achsenfaden, dessen vorderes Endknöpfchen
das ursprüngliche vordere Ende des Primitivstreifs markirt (vergl.
auch die in vorliegender Abhandlung befindliche Taf. II).
Ferner lehren meine Abbildungen, dass mit der Zunahme der
Urwirbelzahl auch die vordere Partie des Embryonalschildes rasch
an Länge zunimmt, wobei der Priraitivstreif allmählig sich ver-
kürzt und mit seinem vorderen Ende sich zurückzieht. Schliesslich
verschwindet er mit seinem räthselhaften Achsenfaden, bevor noch
die Urwirbelbildung im hinteren Ende des Embryonalschildes Platz
gegriffen hat.
Nach dieser Auseinandersetzung, welche zeigt, dass die von
Baer und Remak aufgestellte Lehre der Gliederung der Keim-
scheibe durch mich eine wesentliche Umänderung erfahren hat,
1) Vergl. meine Abhandlung über den Primitivstreif des Hühnchens,
Lahr 1867, S. 49, sowie meine »Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Ge-
hirnanhanges« im Centralblatt f. med. Wissenschaft. 1868. Nr. 8.
224
wende ich mich zu einer Beleuchtung des in dem neuesten Werke
über den Entwicklungsplan der Wirbelthiere von H i s über meine
Leistungen erstatteten Berichtes. Da ich diese Abhandlung erst
vor wenigen Wochen erhielt und ich gerade mit dem Schluss der
vorliegenden Schrift über die Entwicklung des Kopfes beschäftigt
war, so blieben mir nur wenige Tage zur Durchsicht übrig, wes-
halb ich auf die von His vorgenommenen Umänderungen des
Entwicklungsplanes erst bei einer anderen Gelegenheit eingehen
werde.
Die von His S. 50 meiner den Primitivstreif des Hühnchens
betreffenden Schrift zu Theil gewordene Besprechung beginnt mit
dem Vorwurfe, dass ich R e m a k den Rücken zukehre. Nachdem
ich aber nachgewiesen habe, dass R e m a k sich in Beziehung auf
den Primitivstreif sowie auch noch in anderen Dingen (z. B. Ur-
wirbelhöhle , Kopfplatten , Kopfende , Chorda) im Irrthum befand
und wenn ich ferner in dem His 'sehen Werke sowie namentlich
auf dessen 12. Tafel der Abbildungen meine Verbesserungen, wenn
auch meist ohne Erwähnung meines Antheils , wieder finde , so
kann ich mir diesen Vorwurf schon gefallen lassen.
Auf die Keimblätter, meint His, scheine ich wenig Gewicht
zu legen. Nun besteht aber meine gegen die Remak'sche Keim-
blättertheorie vorgebrachte Einwendung darin , dass ich zur Zeit
vor dem Erscheinen der Primitivrinne nur zwei Keimblätter wahr-
nehmen konnte, und auch darin giebt His (S. 57) mir ausdrücklich
Recht. Wenn ich die beiden ursprünglichen Keimblätter des Em-
bryonalschildes nicht als die gesammte Uranlage des Embryo an-
erkannte, da mir die Herkunft des Darmdrüsenblattes zweifelhaft
erschien , wie kann dann H i s daraus auf eine Verachtung der
Keimblätter überhaupt schliessen, da er ja selbst die beiden Keim-
blätter nicht als Gesammtanlage des Leibes anerkennt und einen
Theil desselben aus dem Dotter nachträglich einwandern lässt?
Die histologischen Gesichtspunkte , sagt der Bericht , wären
mir ganz fern gelegen. Zuerst aber muss man doch das Gebäude
kennen, dessen einzelne Bausteine man untersuchen will und da
meine Schrift über den Primitivstreif sich mit der Keimscheibe
befasst, so konnte es sich zunächst doch nur um morphologische
Verhältnisse handeln. Ueberhaupt griff ich ja nur den morpholo-
225
gischen Theil der bisherigen Lehre des Entwicklungsplanes an
und wenn ich dabei zu neuen Resultaten gelangte, so war die mir
gestellte Aufgabe erfüllt und ein neuer Boden auch für histologische
Forschungen geschaffen.
Ferner berichtet His, dass ich aus dem Embryonalschild die
Rücken- und Baucliplatten , sowie aus dem vordem Ende des
Primitivstreifen die Achsengebilde (!) des Embryo hervorgehen
lasse. His nimmt also keinen Anstand, mich Dinge sagen zu
lassen, deren Gegentheil ich gerade durch meine Schrift über den
Primitivstreif zu beweisen suchte. Die bisherige Annahme, dass
aus dem Primitivstreif die Achsengebilde (Centralnervensystem,
Schädel , Wirbelsäule) entstehen , verwarf ich und verlegte deren
Uranlage in die ausserhalb des Primitivstreifs in dem Embryonal-
schilde enthaltenen Rückenplatten, während ich aus dem Primitiv-
streif selbst die embryonale Achse, also die Chorda dorsalis, her-
vorwachsen lasse (vergl. meine Abh. über den Primitivstreif S. 4
und S. 65). Dabei hat His noch das Unglück, den Widerspruch
zu übersehen, wenn er mich sagen lässt, dass in dem Embryonal-
schild die Rückenplatten (also die Achsengebilde) entstehen und aus
dem vordem Ende desPrimitivstreif's die Achsengebilde (also zweimal !).
Schärfer als irgend einer seiner Vorgänger, lautet wieder der
Bericht, hebt Dursy die Thatsache hervor, dass die ganze vor-
dere Hälfte der embryonalen Anlage dem Kopfe angehört, auch
einige andere Einzeln-Beobachtungen sind bei ihm neu. Dies
klingt wie Lob, leider wird jedoch die Spitze meiner Entdeckung,
dass der Kopf vor dem Primitivstreif sich bilde , verschwiegen,
während die Angabe , dass die vordere Hälfte der embryonalen
Anlage dem Kopfe angehöre , schon längst bekannt ist und auch
hinlänglich hervorgehoben wurde. Ich hätte wenigstens bei dieser
Gelegenheit von His die Erwähnung dieses von mir festgestellten
merkwürdigen Verhältnisses des Kopfes zum Primitivstreif um so
mehr erwartet, weil er doch selbst diese Thatsache seiner Lehre
von der Gliederung der Keimscheibe zu Grunde legt, wobei er
freilich meine vorausgegangene Schrift einfach übergeht. — Was
meine anderen Einzeln-Beobachtungen betrifft, so finde ich zwar
dieselben in dem His 'sehen Werke ebenfalls aufgenommen, muss
aber hervorheben, dass gerade bei den wichtigeren derselben
Dursy, Entwicklgsgesch. 1 5
226
(z.B. Remak'sche Urwirbelhöhle, Kopfanschwellung der Chorda,
Beziehung dieser Anschwellung zur Bildung der Hypophyse, des
Trichters und der Rathke'schen Tasche l), Verhalten der Medullar-
platten zu den Urwirbeln und zur Schwanzanschwellung der Chorda)
ineine zu demselben Resultate gelangten Leistungen übergangen
wurden. Ich würde mich darüber nicht so auffallend beschweren,
wenn ich nicht dazu durch die His'sche Besprechung meiner
Schrift, durch die ich einfach bei Seite geschoben werden soll, ge-
nöthigt worden wäre.
In seinen Deutungen dagegen , sagt H i s , ist D u r s y nicht
glücklich, hauptsächlich deshalb, weil er zu wenig Durchschnitts-
bilder und Flächenbilder mit einander cumbinirt hat. — Selbst-
verständlich können Durchschnittsbilder die von mir gegebenen
Flächenbilder der Keimscheibe nicht ändern und es weichen die-
selben von den bisher bekannten Flächenbildern so wesentlich ab,
dass diese meine Leistung nicht mehr übergangen werden kann.
Ich suchte aber auch , wie schon aus meiner Schrift über den
Primitivstreif hervorgeht, an der Hand theils der Remak'schen
theils eigener Durchschnitte meine Deutungen zu unterstützen und
gelangte zu dem Resultate , dass der aus dem Kopfende des
Primitivstreifs hervorwachsende Strang — die Wirbelsaite ist.
Diese Wahrnehmung gab mir den Schlüssel zum Verständniss des
von mir gefundenen Flächenbildes der Keimscheibe und bildet
den wesentlichsten Theil meiner Lehre. Davon spricht nun H i s
in seinem Berichte kein Wort, sagt vielmehr von mir, dass ich
aus dem Kopfende des Primitivstreifs successive die Achs en-
ge b i 1 d e (!) des Embryo entstehen lasse. Meine Verwunderung
darüber stieg, als ich die His'sche Taf. XII ansah und sofort
in allen betreffenden Figuren meine von dem Kopfende des Primitiv-
streifs abgehende Chorda und die ebenfalls vor dem Primitivstreif
liegenden Urwirbel (vergl. namentlich Fig. 16) erkannte. Sagte
ich daher, dass die Bildung nicht blos des Kopfes, sondern auch
der Urwirbel vor dem Primitivstreif beginne, so ist doch diese
meine Deutung ganz richtig. Wenn nun aber noch überdies His
im Texte seines Werkes selbst die Erklärung abgiebt , dass ich
1) Centralblatt f. med. Wissensch. 1868. Nr. 8, sowie meine Schrift über
den Primitivstreif, S. 49.
227
die Bedeutung des aus dem Kopfende des Primitivstreifs hervor-
wachsenden Fortsatzes für die Bildung der Chorda richtig erkannt
hätte (S. G9 in einer winzigen Anmerkung) , wie kann man in
einem Berichte über mich ohne alle Einschränkung die Behauptung
aufstellen, dass ich in der Deutung des Gesehenen unglücklich
gewesen wäre ? Ferner fasse ich, wie II i s , den Primitivstreif als
Wurzel der Chorda auf (vergl. m. Abh. üb. d. Primitivstr. S. 5) ;
ist dies falsch gedeutet ?
Wenn ich an verschiedenen Stellen meiner Abhandlung über
den Primitivstreif gesagt habe, dass der Embryo vor dem Primitiv-
streif entstehe , so geschah dies , um einen kurzen Ausdruck zu
haben, welcher sofort den Unterschied zwischen meiner und der
früheren Lehre hervorheben sollte. An anderen Stellen dagegen
drücke ich mich vollständiger aus und auch aus der ganzen Dar-
legung sowie aus meinen beigegebenen Tafeln geht klar hervor,
dass die hintere den Primitivstreif enthaltende Partie des Em-
bryonalschildes den hintern Theil der Leibesanlage enthalte, welchen
die Embryologen im Gegensatz zu dem Kopfende „das Schwanz-
ende" der embryonalen Anlage nennen, wobei jedoch nicht an
den wirklichen Schwanz gedacht werden darf, der erst viel später
aus diesem hinteren Leibesende hervorwächst. Auch gab ich auf
Seite 65 meiner genannten Schrift noch einen Rückblick, welcher
die wesentlichen Punkte meiner Lehre zusammenfasst und sage
daselbst wörtlich „dass der Primitivstreif mit den zu beiden Seiten
liegenden Theilen des Embryonalschildes das hintere Ende
des Embryo darstellt". Das Resultat meiner Abhandlung ist,
dass der Primitivstreif sich nicht in der bisher vor-
getragenen Weise an der Bildung des embryonalen
Leibes bet heiligt, und dafür finde ich in dem H i s 'sehen
Werk nur eine Bestätigung.
H i s legt die von mir gefundene Gliederung der Keimscheibe
seinem Werke zu Grund , wie z. B. der von ihm auf S. 45 ge-
gebene Holzschnitt zeigt und es besteht der Unterschied zwischen
diesem Schema und dem meinigen in der Abänderung der Be-
zeichnungen. Wir erblicken daran in der Mitte der Keimscheibe
den abwärts oval gewordenen Embryonalschild und in dessen hin-
terer Hälfte den mit einer Rinne versehenen Primitivstreif. Ich
228
habe nun gezeigt, dass die Rückenplatten nicht, wie man bisher
mit v. Baer und Remak annahm, in dem Primitivstreif oder der
Remak'schen Achsenplatte entstehen, sondern in der den Primitiv-
streif umgebenden dickeren Schildmitte , die man bisher für die
Anlage der Bauchplatten hielt , und in welche Gegend Remak
seine Seitenplatten verlegte. Dieser Forscher übersah , dass der
Embryonalschild selbst, abgesehen von der Achsenplatte oder dem
Primitivstreif, aus zwei durch ihre Dicke sich unterscheidende
Zonen besteht , von welchen ich die äussere „Schildmitte", die
innere „Schildperipherie" nannte. In jene verlegte ich die Bauch-
platten, in diese die Rückenplatten, während ich der Achsenplatte
die in der bisherigen Weise angenommene Betheiligung an der
Bildung des Leibes absprach.
Diese von mir durchgeführte Umänderung der Lehre von der
Gliederung der Keimscheibe zeigt auch der Hi s'sche Holzschnitt,
nur anders bezeichnet. Den um den Embryonalschild liegenden
Rest der Area pellucida nennt His „Aussenzone", meine Schild-
peripherie nennt er Parietalzone und verlegt ebenfalls dahin die
Bauchplatten. Meine Schildmitte nennt er Stammzone und erkennt
sie ebenfalls wie ich als die Anlage der Rückenplatten an. Den
in der Achse der Stammzone liegenden Primitivstreif bezeichnet
er zwar nicht, bildet ihn aber ab und nennt die in ihm enthaltene
Rinne „Primitivrinne". An verschiedenen anderen Stellen dagegen
und in seinen Tafeln nennt er den Primitivstreif „Achsenstreif"
oder „Achse".
Durch eine punktirte von dem Kopfende des Primitivstreifs
nach vorn verlaufende mediane Linie (c. Cr.) deutet His die Ge-
gend an, in welcher eine zweite Rinne, nämlich meine Rücken-
rinne, entsteht, die er centrale Längsrinne nennt. Wir haben also
hier zwei hinter einander liegende durch das geschlossene Kopf-
ende des Pritnitivstreifs von einander geschiedene Rinnen, welches
Vorkommen von mir nachgewiesen wurde, während man bisher
nur von Einer Rinne sprach. Gesehen hat man sie zwar , aber
mit einander verwechselt, indem man immer nur eine und dieselbe
Rinne, nämlich die Primitivrinne, vor sich zu haben glaubte. Wie
ich jedoch gezeigt habe , so bildet sich vor dem Kopfende des
Primitivstreifs eine zweite Rinne (meine Rückenrinne), welche mit
229
der vordem Hälfte des Embryonalschildes rasch an Länge zu-
nimmt, während der Primitivstreif mit seiner Rinne zurückbleibt.
Auch lässt H i s ebenso wie ich in der vor dem Primitivstreif
liegenden neuen Rinne eine neue Achse entstehen, welche aus der
ursprünglichen oder dem Primitivstreif nachträglich hervorwächst
und deutet ihn wie ich als Chorda dorsalis.
Ferner erblickt man in dem Schema von His eine punktirte
den vordem Rand des Primitivstreifs treffende Querlinie (c. Qr.),
in welcher Gegend ebenfalls eine Rinne entsteht, die er centrale
Querrinne nennt. Er betrachtet sie als eine Wiederholung der
Primitivrinne (!), welche somit ebenso wie diese, bei durchfallen-
dem Licht als ein heller von zwei dunklen Säumen begrenzter
Streif erscheinen. Auch ich habe diese Gegend in meiner Schrift
über den Primitivstreif beschrieben und daselbst auf Taf. I, Fig. 8
abgebildet. Nach meinen Beobachtungen entstehen jedoch in
diesem Grenzgebiet der vorderen und hinteren Schildhälfte zu
beiden Seiten des Kopfrandes des Primitivstreifs zwei symmetrische
helle, die Rückenplatten etwas schräg durchsetzende von dunklen
Säumen umfasste Streifen , welche die Bildung der Urwirbel ein-
leiten. Was die dazwischen liegende vor dem Kopfrande des
Primitivstreifs befindliche Gegend betrifft, woselbst die Chorda
hervorwächst, so zeigt diese niemals bei richtiger Behandlung der
Keimscheibe oder an Durchschnitten von in situ erhärteten Em-
bryonen die Gestalt einer engen von zwei dunklen Säumen um-
fassten Rinne , sondern ist eine flache Einsenkimg , die dadurch
entsteht, dass das verdickte Kopfende des Primitivstreifs über die
Oberfläche hervorragt. Nach vorn dagegen geht diese EinSenkung
ganz allmählig in die dorsalwärts convexe Krümmung des em-
bryonalen Leibes über. Wie man auf Taf. II, Fig. 2 meiner
Schrift über den Primitivstreif, sowie in der vorliegenden Abhand-
lung über die Entwicklung des Kopfes Taf. II, Fig. 10 und 11
sieht, so bildet sich in der Gegend vor dem Primitivstreif allmählig
ein die ganze Breite des embryonalen Leibes einnehmendes flaches
Thal, welches die dorsalwärts gewölbten hinteren und vorderen
Leibesgegenden von einander scheidet. Es erhält dadurch der
Leib die bekannte leierförmige Gestalt; er erscheint daselbst ein-
230
gezogen und hier liegen die Unvirbel J). An den sagittalen Durch-
selinitten von II i s ist eine schmale Querrinne allerdings zu sehen,
es liegen jedoch diese Schnitte, wie aus der Erklärung hervorgeht,
nicht median, sondern in einiger Entfernung neben der Achse, also
neben dem Primitivstreif, es treffen dann diese Schnitte die von
mir auf Taf. I, Fig. 8 abgebildeten hellen Querstreifen, also Ein-
senkungen, welche die in der Bildung begriffenen ersten Urwirbel
von einander scheiden.
Nach dieser Auseinandersetzung kann ich keinen wesentlichen
Unterschied zwischen meiner und der His'schen Darlegung der
Keimscheibengliederung finden.
Was die späteren Veränderungen der Keimscheibe betrifft, so
weicht H i s von meiner Lehre, jedoch nur scheinbar, insofern ab,
als er nur einen kleineren Abschnitt des Leibes, ich dagegen einen
viel grösseren vor dem Primitivstreif entstehen lasse. H i s ist
nämlich der Meinung, dass in der Richtung einer durch den vor-
deren Rand des Primitivstreifs gezogenen Querlinie (S. 45 , Holz-
schnitt c. Qr) die Grenze zwischen Kopf und Rumpf gegeben sei
(S. 44). Darnach würde nur der Kopf vor dem Primitivstreif
entstehen. S. 80 dagegen lässtHisauch die ersten Urwirbel vor
dem Primitivstreif entstehen, wie ich es ebenfalls thue; besonders
lehrreich in dieser Beziehung ist die Vergleichung seiner Taf. XII,
Fig. 16 und meiner Taf. I, Fig. 9 in der Schrift über den Primitiv-
streif. Fast alle Figuren seiner Taf. XII wurden , wie aus der
Figurenerklärung hervorgeht, im Sommer 1867 angefertigt, wäh-
rend meine Schrift über den Primitivstreif im Anfang desselben
Jahres ausgegeben wurde. Ich führe diesen Umstand deshalb an,
weil vor dieser Zeit H i s in Beziehung auf den Ort der Entste-
hung der ersten Urwirbel noch der früheren Lehre huldigte, wie
man aus seiner im September 1866 gezeichneten Figur 9 seiner
Taf. XII sowie auf S. 71 seines Textes erfährt. Die in dieser
Figur sichtbaren Absetzungen in den sonst continuirlichen Seiten-
theilen des Primitivstreifs kommen nur ganz ausnahmsweise vor
und finden sich mitunter auch an anderen Gebilden des embryonalen
Leibes. So bemerkt man z. B. hie und da einen Zerfall eines
1) Vergl. auch meinen Aufsatz »über Messungen an Hühnerembryonen etc.
in Heule's u. Pfeufer's Zeitschrift«.
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Urwirbels in zwei getrennte Seitenhälften und eben dahin gehört auch
die von H i s auf Taf. XII, Fig. 8 abgebildete ungewöhnliche Ab-
gliederung der Chorda dorsalis von dem Kopfende des Primitivstreifs.
Nachdem ich gezeigt habe , dass H i s sowohl im Texte wie
in Fig. 16, Taf. XII die drei ersten Urwirbel jederseits vor dem
Primitivstreif entstehen lässt , so findet er sich damit in Wider-
spruch mit seiner Angabe , dass eine das Kopfende des Primitiv-
streifs schneidende Querrinne die Grenze zwischen Kopf und Rumpf
markire. His muss daher zugeben, dass auch die Bildung der
Halswirbel vor dem Primitivstreif geschieht.
Betrachtet man den in meiner üb. d. Pr. Taf. I, Fig. 9 ab-
gebildeten Embryo , so liegen die zuerst entstandenen Urwirbel
zwar vor dem Primitivstreif, jedoch noch in geringer Entfernung
von demselben. Das abgerundete Kopfende des letzteren bildet
mit dem breiten Anfang der davor liegenden Chorda eine auf-
fallende Anschwellung, welche ich Schwanzanschwellung der Chorda
nannte. Durch diese Anschwellung sowie durch das obere End--
knöpfchen meines von His gänzlich übersehenen Achsenfadens
ist das Kopfende des Primitivstreifs auch in späteren Zeiten hin-
länglich markirt. Ueberblickt man nun die auf der zweiten Tafel
meiner genannten Schrift stehenden Figuren, so bemerkt man, dass
die Entfernung zwischen den hintersten Urwirbeln und dem Kopf-
ende des Primitivstreifs (Schwanzanschwellung der Chorda) mehr
und mehr zunimmt. Es zieht sich eben das Kopfende des Primitiv-
streifs, indem letzterer allmählig sich verkürzt, zurück und nähert
sich mehr und mehr dem hintern Leibesende , während zugleich
die hinter den Urwirbeln liegenden noch ungegliederten Urwirbel-
platten an Länge zunehmen. Gliedern sich dann die letzteren
von vorn nach hinten in Urwirbel ab, so liegen diese doch immer
vor dem Primitivstreif und dessen Rinne , wie ich es auch bei
His finde. Da ich schliesslich, bevor noch die Urwirbelbildung
das hintere Ende des Leibes erreicht, von einem Primitivstreif als
einer besonderen Bildung nichts mehr wahrnehmen konnte, so war
die mir in meiner Abhandlung gestellte Aufgabe erfüllt. Ich zeigte
gegen v. Baer und Reraa k, dass die Urwirbel nebst der zwischen
ihnen befindlichen Chorda, so lange ein Primitivstreif überhaupt wahr-
genommen wird, nicht in diesem, sondern vor ihm entstehen. Auch
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sehe ich mich weder durch den Text noch durch die Tafeln von H i s
genöthigt, von diesen meinen Angaben abzustehen, indem ich in
dessen Werk viel mehr eine Bestätigung als eine "Widerlegung finde.
Ferner wundert sich His (S. 51) über meine Vorstellung,
wonach Kopf- und Schwanzende des Embryo sich ursprünglich
berühren (?) und dann durch den dazwischen auftretenden (?) Rumpf
keilförmig aus einander getrieben werden sollen. Es bezieht sich
dies auf den Schluss meiner Schrift (Rückblick), worin ich jedoch
sage, dass anfangs der zwischen dem Primitivstreif und der An-
lage des Kopfes liegende Rumpftheil , worin die ersten Urwirbel
entstehen , sehr kurz sei , alsbald aber rasch an Länge zunehme
und gleichsam wie ein Keil das Kopf- und Schwanzende des Em-
bryo von einander entferne (S. 65 u. 66). Die Angabe von His,
dass nach meiner Lehre Kopf- und Schwanzende des Embryo ur-
sprünglich sich berühren (!) und dann durch den dazwi-
schen auftretenden Rumpf (!) keilförmig aus einander ge-
trieben werden sollen, hat somit wiederum keinen Grund.
In ähnlicher Stimmung, in welcher His seinen Bericht über
meine Leistungen schrieb, bespricht er auch S. 180 u. f. meine
Untersuchungsmethode. Der Darlegung dieser meiner Methode
widmete ich in meiner Schrift acht volle Seiten. Zur Untersuchung
frischer Embryonen empfahl ich Salzwasser mit einer Lösung
von Gummi arabicum. Eine zweite von mir empfohlene Me-
thode bestand darin, das Ei nicht unter Wasser zu öffnen,
sondern frei und machte dabei auf meine Methode der Erhärtung
des Embryo in Situ aufmerksam; ferner bespreche ich ausführlich
meine Präparations- und Aufbewahrungsmethode.
Von H i s erfahren wir nun S. 80, dass die älteren Beobachter
die Eier stets unter Wasser öffneten, ein Verfahren, welches in
neuester Zeit auch von Moleschott und Dursy angenommen
worden sei. S. 181 sagt His: Er dl empfiehlt warmes Salz-
wasser, auch Moleschott und Dursy scheinen (!) kein besseres
Untersuchungsmedium als circa 1 °/o Salzwasser zu kennen ! Das
ist Alles , was H i s von meiner Untersuchungsmethode zu sagen
weiss und dieses Wenige ist nicht ganz richtig.
Hiermit schliesse ich meine durch das gerügte Verfahren mir
abgenöthigte vorläufige Erwiederung.
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