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Full text of "Zur Geschichte der düsseldorfer Kunst; insbesondere im XIX. Jahrhundert. Hrsg. von Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen"

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J.V.  Douven  pinx. 


Photograviire  öruckmaim 


JOHANN  WIllll'^.I.M,  KURFÜRST  VON  DER  PF.M.Z. 

Nach  dem  Original  im  Witteisbacher  Palast  in  Mündien. 


ZUR  GESCHICHTE  DER 
DÜSSELDORFER  KUNST 

INSBESONDERE  IM  XIX.  JAHRHUNDERT 
VON  FRIEDRICH  SCHAARSCHMIDT  = 

MIT    EINER    TITELGRAVÜRE,     loo   VOLLBILDERN    UND    150    TEXTBILDERN 


HERAUSGEGEBEN  VOM 
KUNSTVEREIN  FÜR 
DIE  RHEINLANDE 
UND  •  WESTFALEN 
SEINEN  MITGLIEDERN 
ALS  PRÄMIENGABE  ZUR 
JAHRHUNDERTWENDE 
UND  ZUR  FEIER  DER 
DÜSSELDORFER  AUS- 
STELLUNG  GEWIDMET 


VERLAG  DES  KUNSTVEREINS  FÜR  DIE  RHEINLANDE 
UND  WESTFALEN  DÜSSELDORF  1902 

GEDRUCKT  BEI  AUG.  BAGEL,  DÜSSELDORF. 


WD 


DÜSSELDORFER  KUNST 


Der  Traum   der  Wirklichkeit   ist   flücht'ger  Dunst. 
Und   ewig   wahr  bleibt   nur  der   Traum   der  Kunst. 

Immermann. 


Inhalts  -Verzeichnifs 


Seite 

Vorwort i 

EINLEITUNG 
Die  Kunst  in  Düsseldorf  vor  dem  XIX.  Jahrhundert 

Erstes  Kapitel 3 — 21 

Die  Kunst  im  alten  Düsseldorf  bis  zum  Tode  Johann  Wilhelms 

Die  cleve-jülichschen  Herzöge,  Wilhelm  III.,  Bauthätigkeit.  Porträts.  Der  erste 
Düsseldorfer  Hofmaler.  Das  Grabdenkmal  Wilhelms  III.  Die  Neuburger  Herzöge. 
Wolfgang  W^ilhelm.  Der  Maler  Johann  Spilberg.  Kurfürst  Johann  Wilhelm  von 
Pfalz-Neuburg,  als  Begründer  des  Düsseldorfer  Kunstlebens.  Projecte.  Die  Galerie. 
Franz  Douven,  Eglon  v.  d.  Neer.  Holländische  und  italienische  Hofmaler.  Gabriel 
von  Grupello  und  die  Statua  equestre.  Mit  Johann  Wilhelms  Tode  scheint  die 
Düsseldorfer  Kunstblüthe  beendet  zu  sein. 

Zweites  Kapitel 22 — 3g 

Die  kurfürstliche  Akademie 

Kurfürst  Karl  Theodor.  W^ilhelm  Lambert  Krähe.  Die  Gründung  der  Akademie. 
Die  Krahesche  Sammlung.  Die  Akademieprofessoren.  J.  P.  Langer  und  seine 
Schüler.  Der  Verlust  der  Galerie.  Peter  Cornelius.  Goethe  und  die  W^eimarer 
Concurrenzen.  H.  Kolbe,  R.  Langer,  P.  Cornelius  in  Concurrenz.  Düsseldorfer 
Arbeiten  von  Cornelius.  Er  verläfst  Düsseldorf  und  beginnt  in  Frankfurt  die 
Faustzeichnungen.     Es   entsteht  eine  nationale  Kunst. 

ERSTER  THEIL 
Die  Malerei  unter  Cornelius  und  Schadow^ 

Drittes  Kapitel ,     •     ■     40 — 52 

Die  preufsische  Akademie  unter  Cornelius 

Die  preufsische  Regierung  erkundigt  sich  nach  der  Akademie.  Berichte  von 
Schäffer  und  Kortüm.  Cornelius  in  Rom.  Die  alten  Nazarener.  Die  Neigung 
zum  Katholicismus.  Cornelius'  Berufung  nach  Düsseldorf.  Seine  Doppelstellung 
dort  und  in  München.  Arbeiten  in  Düsseldorf  und  der  Umgegend,  die  Fresken 
in  Bonn;  andere  Schülerarbeiten,  die  zumeist  nicht  zur  Ausführung  kommen. 
Cornelius  wird  nach  München  berufen  und  verläfst  endgültig  Düsseldorf. 


Seite 

Viertes  Kapitel 53—7° 

Schadows    Berufung   und    die    Neu  -  Organisation    der    Schule.     Die 
Gründung  des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und  Westfalen 

"Wilhelm  Schadow.  Die  Zustände  auf  der  Akademie.  Die  Lehrer.  Literarische 
und  malerische  Romantik.  Die  Verhältnisse  in  Düsseldorf.  Die  geistreichen 
Leute;  Immermann.  Der  Realismus  der  Romantik.  Die  aesthetischen  Abende 
bei  Schadow  als  Grund  zu  späteren  Zwistigkeiten.  Die  Gründung  des  Kunst- 
vereins.   Seine  Grundsätze  und  Erfolge.    Kurze  Uebersicht  über  seine  Thätigkeit. 

Fünftes  Kapitel 71—105 

Schadow  und  seine  Schule.     Historienmaler  und  Romantiker 

Der  Ruhm  der  Düsseldorfer  Bilder.  Die  einzelnen  Künstler;  Schadow  und 
seine  ersten  Schüler.  Die  Sentimentalität.  Die  Monumentalmalerei  knüpft  bei 
den  Arbeiten  für  Schlofs  Heitorf  wieder  an.  Die  Maler  von  Heitorf  und  Elberfeld. 
Schlofs  Stolzenfels. 

Sechstes  Kapitel 106—132 

Die  von  Schadow  unabhängigen  Historienmaler 

Ausbruch  der  Feindseligkeiten  zwischen  Rheinländern  und  Ostländern.  Literarische 
Fehden.  Verstimmungen  bei  Schadow.  Die  Anfänge  der  Malereien  für  Remagen. 
Secessionisten:  Lessing,  Leutze,  Rethel. 

Siebentes  Kapitel 133 — 151 

Die  katholisch -kirchliche  Malerei 

Die  Heiligenmaler  oder  die  Düsseldorfer  Nazarener.  Die  Apollinariskirche  in 
Remagen  und  ihre  Maler:  Deger,  Carl  und  Andreas  Müller,  Ittenbach.  Deger 
und  die  Kapelle  von  Schlofs  Stolzenfels.  Die  heutigen  katholischen  Heiligenmaler. 

ZWEITER  THEIL 
Die  nichtakademische  Malerei  und  die  Landschaft 

Achtes  Kapitel 152 — 182 

Beginn  und  rasche  Entwicklung  der  Genremalerei 

Es  entwickelt  sich  ein  Gegensatz  zur  historischen  Romantik.  Humor  gegen 
Sentimentalität.  Die  älteren  Genremaler  bleiben  allerdings  klassisch-literarisch 
beeinfiufst,  studiren  aber  energisch  die  Natur  und  die  Landschaft.  Hieronymus 
Jobs  tritt  in  die  Gesellschaft  der  biblischen  und  klassischen  Helden  ein.  Schrödter, 
Hasenclever.  Befreiung  von  der  Literatur.  Zeitgenössische  Volksmalerei  in  aus- 
ländischem Costüm.  Jordan,  Ritter.  Das  Jahr  1848  wird  durch  K.  Hübners 
Tendenzbilder  in  der  Malerei  vorgefühlt,  ein  einheimisches  Bauerngenre  durch 
Jacob  Becker  eingeleitet.  Das  ethnographische  Bauerngenre  wird  durch  Tidemand 
um  Norwegen  bereichert.  Nordische  Maler  in  Düsseldorf.  Die  rheinische 
Romantik  bemächtigt  sich   wieder  des  Genres, 


Sei'e 
Neuntes  Kapitel 183 — 194 

Kritische  Zeiten.     Der  Niedergang  der  akademischen  Kunst 

Die  geistigen  Strömungen  der  Revolutionszeit  machen  sich  auch  in  der  Kunst 
nach  den  verschiedensten  Richtungen  hin  geltend.  Ein  Freiheitsfest  der  Künstler- 
schaft. Gründung  des  ,, Malkasten".  Reibungen  zwischen  der  akademischen 
und  der  freien  Künstlerschaft.  Schlechte  Zeiten.  Gründung  des  „Künstlerunter- 
stützungsvereins" und  der  „Deutschen  Kunstgenossenschaft".  Die  romantische 
Malerei  wird  ein  überwundener  Standpunkt.  Schadow  dankt  ab,  aber  sein 
Nachfolger  arbeitet  im  selben  Sinne  weiter.  Die  Akademie  verfällt  immer  mehr 
der  Altersschwäche.  Ein  allgemeiner  Zug  nach  auswärts  macht  sich  bemerklich. 
Zu  dem  Wechsel  in  der  Wahl  der  Motive  kommt  eine  neue  Malweise.  Die 
Farbenblindheit  der  Romantiker  und  ihre  Technik. 

Zehntes  Kapitel 195 — 224 

Die  Landschaftsmalerei  der  älteren  und  mittleren  Zeit 

Lessing  der  romantische,  Schirmer  der  klassisch-idealistische  Landschaftsmaler. 
Schirmer  begründet  die  Schule.  Seine  ersten  Anhänger.  Seine  Nachfolger.  Die 
beiden  Achenbach.  Anfänge  der  naturalistischen  Landschaftskunst,  die  durch 
Dücker  vollendet  werden. 

Elftes  Kapitel 225 — 246 

Schlachtenmalerei,  Thiermalerei,  Graphische  Künste 

Die  Schlachtenmalerei  als  Rest  der  Historienmalerei,  der  ins  Genrehafte  über- 
geht. Camphausen  und  sein  Kreis.  Die  Thiermalerei.  Jagdmaler,  Pferdemaler, 
Geflügelmaler,  Die  Illustratoren,  Das  Liederbuch  eines  Malers  von  Robert 
Reinik,  Klassiker -Illustrationen,  Steindrucke.  Die  Düsseldorfer  Monatshefte. 
Originallithographie  und  Originalradirung.  Ein  Radirclub,  Die  Mappen  des 
Lucasclub.     Die  Kupferstecher. 

DRITTER  THEIL 
Die  neuere  Kunst 

Zwölftes  Kapitel 247-290 

Die  Blüthe  der  Genremalerei 

Knaus,  Vautier.  Wilhelm  Sohn,  Munkacsy,  Hoff.  Das  Wesen  der  Sohnschule: 
Costüm,  Farbenstimmung,  physiognomischer  Ausdruck.  Ihre  Schwäche.  Auch 
die  unabhängigen  Genremaler  können  sich  dem  Charakter  der  Schule  nicht  ganz 
entziehen.     Der  W^eggang  zahlreicher  junger  Maler  aus  Düsseldorf. 

Dreizehntes  Kapitel 291 — 336 

Die  neue  religiöse  und  historische  Malerei 

Eine  religiöse  Malerei  von  protestantischem  Standpunkt  aus  löst  das  Nazarener- 
thum  ab.  Eduard  v.  Gebhardt  und  seine  Schüler.  Rethels  Erbschaft  wird  an- 
getreten. Es  entwickelt  sich  eine  neue  historische  Monumentalkunst.  Peter 
Janfsen  und  andere  Historienmaler. 


Seite 
Vierzehntes  Kapitel 337 — 374 

Die  neueste  Zeit 

Ausstellungen  und  Secessionen.  Der  moderne  Charakter  in  der  Düsseldorfer 
Kunst  wird  durch  die  alte  Verbindung  der  Figurenmalerei  mit  der  Landschaft 
bestimmt.  Das  Studium  der  Thiermalerei,  Sport  und  Militärmalerei.  Die 
Dückerschule:  Aquarellmalerei.  Die  Janfsenschule.  Historie,  modernes  Genre, 
mythologische  Bilder,  Bildnis,  romantische  Landschaft  u.  s.  w. 

ANHANG 

Fünfzehntes  Kapitel 375     384 

Die  Bildhauerkunst 
Bayerle;  Wittig  und  seine  Schule.     Karl  Janfsen  und  seine  Schule. 


Quellen 


Akten  der  Königlichen  Regierung  zu  Düsseldorf. 

Akten  des  Königlichen  Staatsarchivs  zu  Düsseldorf. 

Akten   der  Königlichen   Kunstakademie  zu   Düsseldorf. 

Becker.  Hermann.      Deutsche  Maler  u.  s.  w.      Leipzig  1888. 

Blanckartz,   Moritz.      Düsseldorfer  Künstler.      Stuttgart  1877. 

Bund.  Ludwig.    Die  Semi-Säcularfeier  der  Königlichen  Kunstakademie  zu  Düsseldorf.    Düsseldorf  1870. 

(Daelen,  E.)     Aus    der  Geschichte    des   Künstlervereins    Malkasten    zur  Jubelfeier   seines    50jährigen 

Bestehens.     Düsseldorf  (1898). 
Deiters,  H.      Festrede  zum   Künstlerjubiläum   von   A.  Achenbach.      Düsseldorf  (1885). 
Ehrhardt,    Adolph.     Jugenderinnerungen    für    Kinder    und    Enkel    aufgezeichnet.      Als    Handschrift 

gedruckt.      Leipzig. 
Fahne,  A.      Die   Düsseldorfer  Malerschule   in  den  Jahren   1834,   1835   und  1836.      Düsseldorf  1837. 

—  —         Meine  Schrift  ..Die  Düsseldorfer  Malerschule"   und  ihre  Gegner.     Düsseldorf  1837. 

—  —         Hasenclevers   Illustrationen  zur  Jobsiade.     Bonn,  Köln  1852. 
Feuerbach,    A.      Ein   Vermächtnifs.      Wien   1885,  IL  Aufl. 

Finke,  H.     Carl  Müller,  sein  Leben  und  künstlerisches   Schaffen.      Köln  1896. 

—  —         Der  Madonnenmaler  Franz  Ittenbach.     Köln  1898. 
Förster,  E.     Peter  von  Cornelius,  ein  Gedenkbuch  u.  s.  w.     Berlin  1874. 
Friedländer,  Julius.     Gottfried  Schadow.     Aufsätze  und  Briefe.     II.   Aufl.     Stuttgart  1890. 
Heinen,   Franz.      Bendemanns   Wandgemälde    in    der    Aula    der    Realschule    zu   Düsseldorf.      Düssel- 
dorf (1866). 

Hermes,  Franz.      Beschreibung  von   Schlofs  Stolzenfels   u.  s.  w.      Coblenz  1892. 

Hübner,  Julius      Schadow  und  seine  Schule.     Bonn  1869. 

Immermann,  Carl.      Düsseldorfer  Anfänge.      Maskengespräche.     Werke,  Hempel.     Band  20. 

Müller  von  Königswinter.     Düsseldorfer  Künstler  aus  den  letzten  25  Jahren.     Leipzig  1854. 

—  —  —  Alfred   Rethel.      Blätter  der  Erinnerung.      Leipzig  1861. 

Nähert,  W.  u.  s.  w.     50   Jahre   Vergangenheit    des    Vereins    Düsseldorfer    Künstler    z.    g.    U.    u.    H. 

Düsseldorf,   i.  Juli  1894. 
Pecht,   F.      Geschichte  der  Münchener  Kunst.     München  1888. 
Püttmann,  H.     Die    Düsseldorfer    Malerschule    und    ihre    Leistungen  u.  s.  w.      Ein    Beitrag  u.  s.  w. 

Leipzig  1839. 
Raczynsky,  A.,   Graf.      Geschichte   der  neueren   deutschen   Kunst,    übersetzt  von   F.   H.   v.   d.  Hagen. 

I.  Band.     Düsseldorf  und  das  Rheinland.     Berlin  1836. 
Riegel,  H.     Peter    Cornelius.    Festschrift   zu    des    grofsen    Künstlers    100.   Geburtstage.     Berlin    1883. 

—  —       Cornelius,  der  Meister  der  deutschen  Malerei.     Hannover  1870. 
Rosenberg,  A.     Die  Berliner  Malerschule.     Berlin  1879. 

—  —       Aus  der  Düsseldorfer  Malerschule.     Leipzig  1890. 

—  —       Ed.  V.   Gebhardt,    Künstlermonographien.     Velhagen  &  Klasing,    Bielefeld  und  Leipzig. 

—  —       Benjamin  Vautier.     Ebenda. 

Rofs,  F.  W.     Rudolf  Jordan,   der  Maler  Helgolands.     Hannover  1900. 

Schaarschmidt,  F.     Gabriel  von  Grupello  und  seine  Bronzestatuette  des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm. 
Festschrift  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins.     Düsseldorf  1896. 
. —     —       Ed.  v.  Gebhardt,  Monographie.     München. 


Schadow,  W.     Jugenderinnerungen.     Kölnische  Zeitung  1891   Nr.   730  ff. 

—     —       Gedanken  über  folgerichtige  Ausbildung  des  Malers.  Beriiner  Kunstblatt  1828  pag.  264-73. 

Der  moderne  Vasari.     Erinnerungen  aus  dem  Künstlerleben,   Novelle.    Berlin  1854. 

Schmidt,  E.     Die  Quadriga,  ihre  Zeit  und   ihre  Meister.     Berlin  1888. 

Schmidt,  M.    Rethel,  Künstlermonographien.     Velhagen  &  Klasing,  Bielefeld  und  Leipzig. 
Scotti,   J.  J.     Die  Düsseldorfer  Malerschule  oder  auch  Kunstakademie.     Düsseldorf  1837. 
Strauven  K.     Ueber  künstlerisches  Leben  und  Wirken  in  Düsseldorf  u.  s.  w.     Düsseldorf  1862. 
Valentin,  Veit.     Alfred  Rethel,  eine  Charakteristik.     Berlin  1892. 
Wiegmann.      Die   Königliche   Kunstakademie  zu  Düsseldorf      Düsseldorf  1856. 
W^oermann,  Carl.     Zur  Geschichte  der  Düsseldorfer  Kunstakademie.     Düsseldorf  1880. 
Der  Hochaltar  in  St.  Remigius  zu  Bonn.     Bonn. 
Beschreibung  der  St.  Apollinariskirche  zu  Remagen.     Bonn. 

Zur  Feier    des    50jährigen  Bestehens    des  Kunstvereins    für    die  Rheinlande    und   Westfalen. 
Düsseldorf  1879. 

Beiträge  zur  Geschichte  des  Niederrheins,  Jahrbuch  des  Düsseldorfer  Geschichtsvereins.     Düsseldorf. 
Jahresberichte  des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und  W^estfalen.     Düsseldorf. 
Verhandlungen  des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  seit  1829.     Düsseldorf.  , 


,,Die  Kunst  für  Alle".     München. 

,,Die  Kunst  unserer  Zeit".     München. 

„Die  Kunsthalle".     Berlin. 

„Zeitschrift  für  bildende  Kunst".     Leipzig. 


Künstler  -  Verzeichnifs 


Achenbach,  Andreas  io6,  185,  196,  203,  204,  205, 
207  ff.,  215,  217,  240,  241,  244.  245,  312,  348,  353. 

Achenbach,  Oswald  207,  209  ff-,  216,  217.  221, 
241,  233,  325,  367. 

Alberti  12. 

Aldegrever,  Heinrich  3,  4. 

Alma  Tadema,  Laurens  267,  364. 

Anschütz,  Hermann  50. 

App,  Peter  Wilhelm  50. 

Appel,  Karl  347,  348. 

Arnz,  Albert  212. 

Askevold,  Anders  Monssen  215. 

Bacharach,  Louis  183. 

Bachmann,  Hans  275. 

Baisch,  Hermann  347. 

Battoni,  Pompeo  22. 

Barthelmess,  Nicolaus  182.   244,  261. 

Baudry,   Friedrich  186. 

Bauke.  Heinrich  382. 

Bäumgen,  Joseph  24,  27,  375. 

Bauer,  August  383. 

Baur,  Albert  242,   272,  277,   388,   319  ff..   333,   334- 

Baur,   Albert  jr.    347. 

Bayerle.  Julius  376. 

Beck.   August  231,   233. 

Becker,  August  201,  203. 

Becker,  Hermann  184,  186. 

Becker,  Hermann  jr.  187. 

Becker,  Jacob    168,  170,  173,  181,  240. 

Becker,  Joseph   82. 

Becker,  Karl  353. 

Becker,  Louis  Hugo  181.  234. 

Beckerath,  Willy  von  368. 

Beckmann,   Ludwig  236,   239. 

Begas,   Reinhold  204. 

Bellucci,  Antonio  16. 

Bendemann,  Eduard  64,  71,  75,  77,  79,  80,  81. 
99.  145.  150,  155.  188,  189,  240,  241,  245,  291, 
292,  293,   295.  306,  307,  325.  326.  327,  329. 

Bergmann,  Julius  348. 

Bernardi.   Antonio   Maria  16. 

Be\ver,   Clemens  jgo. 

Biefve,  Edouard  de  190. 


Blanc.  Louis  153. 

Bleibtreu,  Georg  231. 

Bochmann,   Gregor  von  308.   338.   33g,    341. 

Böcklin,   Arnold  90,   iig,   186,   199,   201. 

Boettcher.  Christian  Eduard    17g,  181,  182. 

Bokelmann.   Christian  Louis  277,  279. 

Böninger.  Robert  368,  369. 

Bosch,  Ernst  244,   265. 

Brekvelt,  Wilhelm  10. 

Brühl,   Alfred  Graf  347. 

Bruillot.  Franz  24,  30. 

Bruillot,  Joseph  Augustin  24. 

Brütt,  Ferdinand  172,   277.  278,  281,  341. 

Buchhorn,   Carl   Ludwig  155. 

Burnier,   Robert  215. 

Buscher,   Clemens  382,  383. 

Calame.   Alexander  204. 

Camphausen.    Wilhelm    168.  187.    223.    226,   227, 

228,   229.  231.   233.   234.   241.  242. 
Carstens,  Asmus   379. 
Cederström,  Thure  von   321. 
Chauvin.   August  90. 
Chavannes,  Alfred  204. 
Clasen,  Carl  148. 

Clasen,   Lorenz   98.   99.   123,   184.   190.   241. 
Commans,  Friedrich  Heinrich  148,  307. 
Cornelius,  Aloys  30,  31. 
Cornelius,  Lambert  31,  3g. 
Cornelius,  Peter    31  ff.,    40  ff.,  50,  52,  53,  54,  55. 

56,  57,   64,   65,   66,    90,  103.   120,   124,  152.   190, 

195,  240.   293,  305,   375,   379. 
Couture.  Thomas  170,  190. 
Courbillier,  Ferdinand  382. 
Cramer,  Friedrich  42. 
Crola.  Hugo  189,   293,  308. 

Daelen,  Eduard  185. 

Dahl,  Hans,  284,   286.   28g. 

Dahlen.   Reiner   212. 

Deger,  Ernst  107,    113,    114,    127,    12g.    133  ff.,    150. 

152,  188,  240,  244,  2g2,  304. 
Deiker,   Carl   Friedrich  232.   234,   244,   347. 
Deiker,  Johann   Christian,   234. 


Deiters,  Heinrich  212. 

Delaroche,  Paul  190. 

Des  Coudres,  Louis  84,  267,  268. 

Desnoyers,  Auguste  244. 

Deusser,  August  367,  368,  369. 

Diez.  Wilhelm  347. 

Dinger.   Fritz  244. 

Dirks.  Andreas  354. 

Döhringer,  Wilhelm  304,  305. 

Douven.  Franz  Bartholomaeus  21. 

Douven,  Johann  Franz  11  ff. 

Dücker,  Eugen    212,    215,  217.  219,  222.  244.  337. 

348,  349.  353.  354- 
Dyk,   Hermann  162. 

Ebel.  Fritz  204. 

Eckenbrecher,  Themistokles   von  325. 

Ehemant,  Friedrich  106. 

Ehrhardt,  Adolph  99. 

Ehrich,  Bruno  304,  305. 

Erdmann,  Otto  265. 

Fagerlin,  Ferdinand  176,   179.  264.  289. 

Fahrbach.   Karl   Ludwig   204,   207.   244. 

Fay,  Joseph  98.  99,  190. 

Feldmann,  Louis  304. 

Fellmann,  Aloys  282,  287. 

Feuerbach.  Anselm  89.   186.   188.   190. 

Fickentscher,  Otto  233. 

Flamm,  Albert  209.  212. 

Flandrin,  Hippolyte  231. 

Flatters,  Johann  Jacob  41. 

Flüggen,  Gisbert  162,  186. 

Forberg.  Ernst  244,   245,  269. 

Forell,  Robert  286. 

Forster,  Franz  244. 

Forster,   Ernst  Joachim   35,    46.   47.    49.    52.    56. 

Frenz,  Alexander  244,  307.  354.  362  ff. 

Frische,   Hermann  382. 

Funk,  Heinrich  106,   201. 

Gallait,  Louis  190. 

Gebhardt,    Eduard    von    13,    244,    267,    272,    275, 
277,  278.  282.  284.    286.  293  ff.,    308,  319.  342. 

365.  368.  369.  372- 
Geertz.  Julius  207.   299. 
Geertz,  Karel  Hendrik  376. 
Gehrts,  Carl  242.  321,  331,  332,  333  ff. 
Gehrts.  Johannes  321. 
Geröme,  Jean  Leon  300. 
Geselschap.  Eduard  89,  loi. 
Geselschap,  Friedrich  loi. 
Geyer,  Carl  265. 
Geyer,  Johann  162. 
Giese,  Ernst  293. 
Glaser,  Goswin  Adam  244. 
Götzenberger,  Jacob  44,  46,  47  ff,  51,  56. 


Grimm,  Hermann  282. 

Gropius.  Karl  Wilhelm  155. 

Grotjohann.   Philipp   242.   244. 

Grüner,  Karl  Franz  32. 

Grupello,  Gabriel  von  17.  18  ff-,  375- 

Guardian,  Peter  27. 

Gude.  Hans  176.  181.   203.   212.  215. 

Günther.  Erwin  353. 

Gussow,  Karl  204.  277.  353. 

Hagen.  Theodor  Joseph  212. 

Hammerschmidt.  Joseph  382. 

Happel,  Friedrich  234. 

Hartmann.  Ernst  319. 

Hartmann.  Ferdinand  32. 

Härtung.  Heinrich  218,  221. 

Hasenclever.  Johann  Peter  156.  160  ff..  183.  247.  372. 

Heichert.   Otto  371.   372,  373. 

Heimes.   Heinrich  354. 

Heine,  J.  Wilhelm  174. 

Heller.  Adolf  368. 

Henke.  Anton  347. 

Hermann.  Carl  Heinrich  46,    47.  49.  56. 

Hermanns.   Hans  351. 

Hermanns.  Heinrich   244   251  ff. 

Hess.  Anton  383. 

Hess.  Carl  Ernst  Christoph  27. 

Hiddemann.  Friedrich  242.  264.   265.  266. 

Hildebrandt.  Eduard  203.  353. 

Hildebrandt.   Ferdinand  Theodor  55.  56.   60.   61, 

81,  82,  84,  85,  101,  102.  159,  170.  174.  179.  201, 

226,  231,  233,  240,  264,  265,  292. 
Hilgers,  Carl  165,  201,   203. 
Hilgers,   Karl  380. 
Hoff.  Carl  244.  266.   268.  275. 
Hoffmann.  August  153. 
Hoffmann,  Joseph  32,  33. 
Hoffmeister,  Heinrich  380. 
Holthausen.  Ludwig  310,  312. 
Hübner,  Carl  Wilhelm  165,  168.  170.  171,  172,  174, 

175,  184,  248.  257.  258. 
Hübner,    Rudolph  Julius  Benno    55,    56,    64.    75, 

76,  81,  99,  170,  240,  244. 
Hummel,  Ludwig  32. 
Hunten.  Johann  Emil  229.   230.  231,  325. 

Irmer.  Carl  212,  215.  244. 

Ittenbach,  Franz  107, 134, 135, 137.  145, 146,  147,  148. 

Jacobsen,  Sophus  215. 

Janfsen.   Carl  375.  377.  379.  380,  381  ff..  383,  384. 
Janfsen,   Gerhardt  244,  254,  369,  370. 
Janfsen,  Theodor  165,  244,  306,  381. 
Janfsen.  Peter  242.  282,  286.  295,  305  ff..  326,  327. 329, 
337,  347.  354.  355.  357-  362.  364.  368,  369.  372,  381. 
Jernberg,   Olav  217,  244,   348  ff..  351. 
Jochmus,  Harry  286. 


Jordan,  Rudolph  165 ff..  174.  176.  184.  247.  258,  262, 

264.   265.   267. 
Jungheim.   Carl  204. 
Jutz.  Carl,  239.  244. 

Kaikreuth.  Stanislaus  Graf,  203. 

Kampf,  Arthur  244.  307,  355  ff.,  360.  362,  364,  367. 

Kampf,  Eugen  244.   350,   351,  '355. 

Kämpffer.  Eduard  307,  355. 

Karsch.  Gerhard  Joseph   22. 

Kaulbach.  Fritz  August  366. 

Kaulbach,  Wilhelm  44,  45,  134. 

Kehren,  Joseph  129.  148.  188.  307.  321. 

Keller,  Joseph  67,  244,  245. 

Keller,  Ludwig  354,  366,  367,  368. 

Kessel,  Johann   van  15. 

Keyser,  Nicaise  de  231. 

Kiedrich,  Paul  Joseph  loi.   123.  186. 

Kiesel.  Conrad  286. 

Kirberg,  Otto  264,  276,   277. 

Klein-Chevalier,  Friedrich  324,   359,   362. 

Kleinenbroich.  "Wilhelm  174. 

Klenze,  Leo  von  45. 

Klingender.  Louis  347. 

Knaus,    Ludwig    176,    179.    241,    246.    247  ff..    260. 

262,   263,   264,  267,  268,  272.  275. 
Knille,   Otto  loi,  i02,  292. 
Köhler.  Christian  64.  73,  80.  81.  83.  84.  187,  188. 

292,  325. 
Kohlschein,  Joseph   244. 
Kolbe.  Carl  Wilhelm  50,  103. 
Kolbe,  Heinrich  54,  55,  56.  84.  103.  121, 196.  207.  375. 
Kolitz,  Louis  212,  233. 

Krähe,  Wilhelm  Lambert  16,  22,  23,  24,  25.  31,  152. 
Krause,   Robert  186. 
Krause,  Wilhelm  203. 
Kretzschmer  63,  153,  240. 
Krafft,   Peter  von  284,  307. 
Kröner.  Christian   234  ff.,  244.  341. 
Küssener,  Auguste  40. 
Küsthardt.   Erwin  368. 

Lange.   Fritz  239. 

Langenhöffel.  Johann  Joseph   24. 

Langer,  Johann  Peter  27  ff.,  31,  32,  35.  36,  52,  152. 

Langer,  Robert  28,  29.  32.  35. 

Lasinsky,   Gustav   103,   201. 

Lasinsky.  Johann  Adolf  201. 

Lauenstein.  Heinrich  142,  146,  150.  151.  304. 

Lefebre.  Charles  Victor,  347. 

Leisten.  Jacobus  244.   275. 

Leilner.  Heinrich  353. 

Lenbach.  Franz  204. 

Lessing.  Carl  Friedr.  55.  96.  97,  98,  107  ff..  119,  120. 
122,  123,  140,  152,  155,  156,  160,  170,  181,  183,  188, 
190,  193, 195,  196,  199.  201,  204,  207,  217,  217,  225, 
226,  227,  233,  234,  240,  242,  268,  292,  299,  34g. 


Leutze,  Emanuel  102,   117,   118,  119.  184,   186. 

Leu,  August  Wilhelm  201,   203. 

Leys,  Henry  231.  300. 

Lieb.    Michael   gen.  Muncacsy    250.    272  ff.    277. 

Liesegang.  Hellmuth   244.   251. 

Lins,  Adolf  341. 

Loefen  Bennewitz   von   Carl  jr.   286. 

Macco,  Georg  349. 

Makart.   Hans  310. 

Malthain,  Johann  5. 

Marx,   Gustav  337,  341. 

Massau,  Eduard  282. 

Massau.  Franz  244. 

Matschass,  Erich  347. 

Meinardus,  Karl  183. 

Meissonier.  Jean  Louis  Erneste  300. 

Meyer,  Paul  372. 

Mengelberg.  E.  Egidius  41. 

Mengelberg,  Otto  123,  148. 

Menzel,  Adolph  207,  227.  240,  370. 

Meyer,   Claus  335,   336,  347- 

Meyn,  van  der  16. 

Michelis.   Alexander  186. 

Milanesi,  Antonio  16. 

Mintrop,  Theodor  89.  90.   91.  loi.  191.   241. 

Mohr,   Christian  376. 

Mosler.   Carl  Ignaz  44.   53,   55,  65.   66. 

Mosler-Pallenberg,  Heinrich   282. 

Mücke.  Carl  275.   277. 

Mücke.  Heinrich  Carl  Anton  93.   94.   95.  96.   98. 

99,   188,  240,  241.   277. 
Mühlig,  Hugo  342. 
Müller,   Andreas   107,   133,   134,   135,   137,   140,   146, 

148,  150.   188.   240,   292,  304. 
Müller,    Carl   73,  107,  127,  133,    134,  135,  137,  138, 

139,  140,  142,   143,   145.  146,  147,   150.  188,  240, 

292.  295.  304.  306. 
Müller,  Carl  Heinz  382. 
Müller,  Franz  142,  146,  150. 
Müller.   Karl   Hubert  Maria  380. 
MüUer-Morten  215. 

Muncacsy.   Michael  de  250,   272  ff..   277. 
Munthe,   Ludwig  221,   222. 
Müsch,   Leo   376.  379. 
Muyden,  Alfred  van  262. 

Nabert,  Wilhelm  188. 
Nahl,  Johann  August  d.  J.   32. 
Neer,  Eglon  van   der  12. 
Neuhaus.   Fritz  278,   282,   285,   324. 
Nickelen.  Jacobe   Maria  16. 
Nickelen.  Jan  16. 
Niessen,  Johannes  90. 
Nikutowsky,  Erich  351. 
Nikutowsky.  J.  A.  S.   188.   233. 
Nordenberg,  Benedict  176. 


Nordenberg,  Henrik  176,  264,   289. 
Normann.  Adelsteen  215. 
Northen.   Adolf  233. 
Nüsser,  Heinrich  244. 
Nüttgens,  Heinrich  304. 

Oeder.  Georg  217,   218,  275. 

Oesterley.   Karl  148. 

Otto,  Heinrich  348. 

Overbeck,  Friedrich    41.  42.  43,  47,  52,  134,  295. 

Paulsen-Mallet,  Erich  24,  25. 

Pauwels,  Ferdinand  277. 

Peerdt  te,  Ernst  275. 

Pellegrini.  Antonio  16. 

Petersen-Angeln,  Heinrich  348. 

Petersen-Flensburg,  Heinrich   348. 

Petersen,  Walther,  355,  365,  366  ff. 

Petit,  Savinien  231. 

Pfannschmidt.  Ernst  Christian  305. 

Philippi.   Peter  372. 

Piloty.  Ferdinand  264,  306.   321.  342,  354. 

Plüddemann.  Hermann  Reinhold  96.  97.  98,  99. 

100.  loi,  123. 
Pohle.   Hermann  207.  362. 
Pohle.  Hermann  Emil  307.  348.  360  ff..  366. 
Pose,  Wilhelm  106.  201. 
Preyer,  Johann  Wilhelm  165. 

Reinick,  Robert  123,  159,  240. 

Reiss,  Anton  Josef  275,   376. 

Rethel,  Alfred  55,  89,  99,  106,  107,  119  ff..  140.  148. 

152,  155,  181,  183,  188.  207.  240.   278.  305.  306. 

307,   319,  325. 
Rietschel.  Ernst  379. 

Ritter.  Henry  165,  168,  171,  185.  229.  241.  242. 
Rocholl.  Theodor  242  ff. 
Röckel.  Wilhelm  44.   50. 
Roeting,  Julius  108,   292.  293,  368. 
Roeber.  Ernst  242,  308,  323,  324,  326,  327  ff. 
Roeber.  Fritz  241.  242.  308.  325,  326,  327,  328  fT.,  348. 
Röttger.  Johannes  383. 
Ruschewey,  Ferdinand  41. 
Rüstige.  Heinrich  106.  264. 
Rutz,   Gustav  383. 
Ruysch.  Rachel  15.  16. 

Salentin,  Hubert  364.  365. 

Sandhaas  44. 

Saussure,  Horace  de  282,  284. 

Schaarschmidt,  Friedrich  i.   370. 

Schadow.   Gottfried  33,  53,  155. 

Schadow.  Rudolf  33. 

Schadow.  Wilhelm  42,  43.  47.  53  ff..  71.  73  ff-, 
106  ff..  129.  133,  134.  140.  145.  148.  152,  155,  162, 
166,  170,  179,  183.  184,  185,  186.  187,  188,  190,  195, 
196,  203,  204,  207,  233,  240,  241,  244.  248,  249. 
262,  264.  265.  292,  305.  306,  325,  354.  375,  376,  379. 


Schäffer,  Anton  23,  24. 

Schäffer.   Carl  Friedrich  16.  30.  39.  40.  55,  207. 

Schalken,   Gottfried  15. 

Scheben,   Gerhard  6,  7. 

Scheins.   Ludwig  201. 

Schennis.  Friedrich   von  222. 

Scheuren.  Caspar  201.   203.  204.  242.  243. 

Schick,   Rudolph   201. 

Schill.   Adolf  304.   314,   353,  382. 

Schirmer,  Johann  Wilhelm  84,  107.  108,  117,  122, 
160,  i8i,  183.  186,  196  ff.,  199,  200,  201,  203, 
204,  207,  215,  217,  234,  240,  242,  244,  268,  299. 

Schlüter,  August  349. 

Schneider-Didam  367  ff. 

Schnitzler,   Fritz  286,  289. 

Schnorr,  Julius  42,  50,  52,  53. 

Schönleber  354. 

Schoonians.  Anton  15. 

Schorn.  Carl  44. 

Schrader,  Julius  102. 

Schreuer.  Wilhelm  370. 

Schrödter,  Adolf  154,  155  ff..  162.  165.  179.  183, 
192,   240,  241.  242,  244,  247,   257,  372. 

Schulten.   A.  201. 

Schulz-Briesen  265. 

Schürmann,  Fritz  347. 

Schüz.  Theodor  264. 

Schwabe.  Emil  172,   286. 

Schweigen,  Peter  174. 

Schweitzer.  Adolf  221. 

Schwiering,  Heinrich  286. 

Schwind,  Moritz  von  321. 

Seel,  Adolf  267. 

Seibels,  Karl  215. 

Seil.  Christian  233. 

Serro  gen.  Kraus  6. 

Seyppel,  Carl  Maria  207. 

Siegert.  Friedrich  loi. 

Simmler.  Wilhelm  325.  326. 

Sinkel.   H.  J.   150. 

Sohn.  Carl  89.  278.  283. 

Sohn,  Carl  Ferdinand  55.  56.  64,  81,  82.  84,  87, 
89,  102,  109,  145,  150,  166,  168,  183,  187.  188, 
190,  227.  231,  233,  240,  241,  242,  249,  265,  267, 
268,  277,  278,  292.  306.  321.  325. 

Sohn,   Richard  89,   265,   278. 

Sohn.  \Ai'ilhelm  89.  245.  264,  265,  267  ff..  275. 
277.  278,  282,  284,  286,  289,  293,  299,  300, 
302.  308.  319.  321,  336.  338.  342,  372. 

Sohn-Rethel  278. 

Sonderland.  Fritz  267. 

Sonderland.  Johann  Baptist  153.   267. 

Sondermann,  Hermann  265, 

Spatz,   Willy  355,  364  ff. 

Spilberg.  Adrian  9. 

Spilberg.  Adriana  9.   12. 

Spilberg,   Gabriel  9. 


Spilberg.  Johann  d.  Ae.  9. 

Spilberg.  Johann   6.   g.   10.  11.  12. 

Spitzweg,  Carl  165. 

Spoerer,  Eduard  215. 

Stang.  Rudolph  244. 

Steifensand,  Xaver  173. 

Steinbrück,  Eduard  90. 

Stern,  Max  372. 

Stilke,  Hermann  44,  50,  103,  104. 105.  123,  148.  240. 

Stehling,  Eduard  27. 

Stuck,  Franz  364. 

Stürmer,  Carl  44,  50.  93.  94,  103. 

Sürdick  282. 

Süss,   Gustav  239. 

Süssnapp  228. 

Suykens,   Henry   286. 

Thelott,   Ernst  Carl   Gottlieb   30,  39.   55.   244. 
Thorwaldsen,  Barthel  174,  183.  375. 
Tidemand,  Adolf  i66,  174.  176,  177,  203,  241,  247. 

264,  289. 
Troost,  Wilhelm  16. 
Troyon,   Constant  215. 
Tüshaus.  Joseph  380.  381.   382  ff. 
Tussmann,  Heinrich   4. 

Ungewitter,  Hugo  369. 

V  autier,  Benjamin  13,  172.  176.  179,  241.  242,  245, 

248,   253  fT.,   267,   268.   275.  382. 
Veit,   Philipp  42.   43,   113,   121. 
Verlat,  Charles  234. 
Vezin,  Fred  244,   284. 
Vogel,  Hugo  284,  290. 


Volkers,   E.  F.  H.   236. 
Volkart.   Max   244,   275. 
Volkart.   Wilhelm   loi,   275. 

Wach,  Karl  Wilhelm  166. 

W^ächter,   Georg  Christoph  23. 

W^agner,   Cornelius  354. 

Wansleben,   Arthur  349. 

W^ebb.   Charles   M.   233. 

Weber,   August  192,   202.   203.   204.   241. 

W^eenix.  Jan  15. 

W^eitsch,  Friedrich   Georg  195. 

Wendung,  Gustav  244,  351. 

Werff,   Adrian  van   der  13,   14.   15.   21. 

Wiegmann,   Rudolf  i.   129.   160,  162,   19g. 

Wilkie,   David  162,   168. 

Wille,  Anton   von   204.  349.  /^a-ci^'^f-  ■ 

W^ille,   Fritz   von  349. 

Wintergerst,  Joseph  44,   55. 

Wislicenus,  Hermann  292,   293. 

Wislicenus,   Max   286. 

■Wittig,   Friedrich  August  292,    293.   376,  379  ff. 

381,   382. 
Wolff,  Joseph  380. 
Wunderlich,  Hermann  150. 

Xeller.   Christian   41. 

Zanetti.   Domenico   16. 
Zick,   Alexander  380. 
Zieger,   Hugo  362. 
Zimmermann,   Adolf  148. 
Zimmermann,   Clemens   2g. 
Zinkeisen,  August  370.  372. 


Zusätze  und  Berichtigungen 


Seite  41,   hinter  Zeile  8  v.  o.   ist  einzufügen: 

Einen  weniger  zuversichtlichen  Eindruck  macht  aber  eine  bald  darauf  abgelassene 
Petition  des  ohne  Zweifel  gescheiten  und  thätigen  Mannes,  in  der  er  wieder  eine  Gehalts- 
zulage nachsucht.  Er  begründet  seine  Bitte  mit  den  Worten:  „ich  darbe".  Und  damit 
dürfte  die  Situation  der  Düsseldorfer  Künstler  in  jener  Zeit  nur  zu  treffend  geschildert  sein. 

Seite  47,  Zeile  11  v.  u.:  Wilhelm  Schadow  statt  W.  von  Schadow. 

Seite  55,  zu  Kolbe:  Er  wurde  1772  in  Düsseldorf  geboren  und  starb  1836  ebenda. 

Seite  63,  Zeile  14  v.   o.:  Kretzschmer  statt  Kretschmer. 

Seite  153,  Zeile  13  v.  o.,  rechts:  Kretzschmer  statt  Kretschmer. 

Seite  207,  zu  Fahrbach:  Er  starb  am  20.  Januar  1902. 

Seite  215,  Zeile  26  v.  u. :   Seibels  statt  Seibers. 

Seite  231,  zu  Hunten:  Er  starb  am  i.  Februar  1902. 

Seite  231,  Savinien  Petit  statt  Larinien  Petit. 

Seite  240,  Zeile  21  v.  o.:   Kretzschmer  statt  Kretschmar. 

Seite  347,  Zeile  27  v.  o.:  L.  Klingender  statt  F.   Klingender. 

Seite  355,  Zeile  11  v.  u.:  Kämpffer  statt  Kämpfer. 

Seite  368,  Zeile  7  v.   0.:  A.  Heller  statt  H.  Heller. 


Vorwort 


N  dem  vorliegenden  Werk,  das  im  Auftrage  des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und 
Westfalen  verfafst  vi^urde,  soll  zum  erstenmal  der  Versuch  gemacht  werden,  einen  allge- 
KW  A  "^^'"^ri  und  umfassenden  Ueberblick  über  den  Entwicklungsgang  der  Düsseldorfer 
jlf"^^  Schule  zu  geben,  und  im  Zusammenhang  die  Veränderungen  und  Umwälzungen,  welche 
die  deutsche  Kunst  während  der  letzten  200  Jahre,  insbesondere  während  des  XIX.  Jahr- 
hunderts durchgemacht  hat,    innerhalb    des  Gebietes    unserer  rheinischen  Kunststadt    zu  verfolgen. 

Düsseldorf  war  ursprünglich  nichts  weniger  als  eine  Kunststadt.  Auf  das  Geheifs  eines 
kunstliebenden  Fürsten  entwickelte  sich  im  XVII.  Jahrhundert  eine  kurze  Blüthezeit,  der  wieder 
eine  längere  Pause  fast  gänzlicher  Unthätigkeit  folgte.  Im  XIX.  Jahrhundert  war  es  wieder  eine 
wohlwollende  Regierung,  welche  durch  Verpflanzung  einer  Reihe  junger  Künstler  aus  dem  Osten 
an  die  Ufer  des  Rheins  und  der  Dussel  hier  die  Akademie  neu  begründete  und  damit  den  Grund 
zu  der  heutigen  Düsseldorfer  Kunstschule  legte.  Der  Ruhm  dieser  zweifellos  etwas  künstlichen 
Gründung  wuchs  bald  aufserordentlich,  bis  die  veränderten  politischen  Verhältnisse  das  Interesse 
zunächst  noch  mehr  nach  Westen,  nach  Paris,  dann  nach  Osten,  nach  Berlin  verschoben,  und 
der  mächtige  Umschwung  im  Verkehrswesen  den  Süden  begünstigte. 

Ebenso  sehr,  wie  die  Düsseldorfer  Kunst  zuerst  überschätzt  worden  war,  wurde  sie  jetzt 
unterschätzt,  bis  in  letzter  Zeit  erst  wieder  eine  gerechtere  Würdigung  der  Verhältnisse  Platz  greift, 
und  man  wieder  anfängt,  die  Solidität  der  Düsseldorfer  Malerei  zu  würdigen,  nachdem  sie  lange 
Zeit  als  philiströs  und   rückschrittlich  gebrandmarkt  worden  war. 

Ein  besonderer  Werth  wurde  in  der  folgenden  Darstellung  auf  die  Entwicklung  der  Düssel- 
dorfer Monumentalmalerei  gelegt.  So  wichtig  und  charakteristisch  dieser  Zweig  der  Malerei  ist, 
so  sehr  ist  er  doch  dem  Uebersehenwerden  ausgesetzt,  besonders  in  der  heutigen  Zeit,  wo  nicht 
nur  der  Kunstfreund,  sondern  zuweilen  auch  der  Forscher  seine  Kenntnisse  lediglich  aus  den  Aus- 
stellungen und  Fachzeitungen  entnehmen  zu  können  glaubt. 

Gerade  auf  dem  Gebiete  der  Monumentalmalerei  liegt  seit  Errichtung  der  preufsischen 
Akademie  ein  grofser  Theil  der  Bedeutung  der  Düsseldorfer  Kunst,  was  freilich  Denjenigen  unbe- 
kannt bleiben  mufs,  die  es  nicht  für  nöthig  halten,  den  einzelnen  Werken  nachzugehen. 

Eine  Reihe  von  günstigen  Umständen  kam  zusammen,  um  dieser  ,,grofsen  Kunst",  die  mehr 
als  jede  andere  von  der  Gunst  ihrer  Auftraggeber  abhängig  ist,  in  Düsseldorf  eine  Pflanzstätte 
ersten  Ranges  zu  schaffen,  und  in  erster  Linie  sind  es  die  Bestrebungen  des  Kunstvereins  für  die 
Rheinlande  und  Westfalen  gewesen,  welchen  hier  die  Entwicklung  einer  Monumentalmalerei  zu 
verdanken  ist,  wie  sie  kaum  eine  andere  moderne  Kunstschule  aufzuweisen  hat. 

Dafs  über  dieser  Berücksichtigung  eines  vielfach  zu  wenig  beachteten  Kunstzweiges  die 
Staffeleimalerei  nicht  aufser  Acht  gelassen  wurde,   ist  selbstverständlich. 

Ist  so  in  Kurzem  gesagt,  was  das  vorliegende  W^erk  will,  so  mag  auch  angedeutet  werden, 
was  es  nicht  will.  Es  will  vor  allem  weder  ein  Verzeichnifs  sämmtlicher  seit  Erschaffung  der 
Welt  in  Düsseldorf  gemalten  Bilder  sein,  noch  eine  Liste  sämmtlicher  Maler,  die  seit  eben  diesem 
Zeitpunkt  hier  gemalt  oder  auch  blofs  gelebt  haben.  Die  vortrefflichen  Bücher  von  Wiegmann 
und  Müller  von  Königswinter,  um  nur  diese  zu  nennen,  sollen  also  in  keiner  Weise  ersetzt  oder 
überflüssig  gemacht  werden,  so  wenig  wie  Demjenigen,  der  sich  über  die  von  W^iegmann  bearbeitete 
Zeit  hinaus  über  Einzelheiten  unterrichten  will,  das  Studium  der  Fachzeitschriften  mit  ihren 
persönlichen  Nachrichten  und  Nekrologen  erspart  werden  kann.  Einigen  führenden  Geistern  ist  in 
dem  vorliegenden  Buch  ein  gröfserer  Raum  gewidmet;  ein  solches  Eingehen  auf  jeden  Einzelnen 
verbot  sich  aber  von  selbst,  und  dafs  die  Ereignisse  der  letzten  15  Jahre  nur  in  gröfster  Kürze 
besprochen  werden,  bedarf  ebenfalls  keiner  Erklärung.  Wenn  irgendwo,  so  gilt  der  Spruch 
,,viventium  non  datur  historia"  in  der  Kunstgeschichte,  und  die  Errungenschaften  dieser  letzten 
Lustren  sind  gerade  auch  in  Düsseldorf  so  reich,  so  vielseitig  und  individuell,  dafs  der  dem 
ganzen  Buche  zugebilligte  Raum  nicht  hinreichen  würde,  diese  Zeit  auch  nur  in  ihren  Haupt- 
vertretern ausführlich  zu  schildern. 

Friedrich  Schaarschmidt. 


I.  Kapitel 

Die  Kunst  im  alten  Düsseldorf  bis  zum  Tode  Johann  Wilhelms 


ES  ist  eine  eigenthumliche  Thatsache,  dafs  die  heutigen 

grofsen  Kunstcentren  Deutschlands,  BerUn,  Düsseldorf 
und  München  erst  seit  verhältnifsmäfsig  kurzer  Zeit 
zu  dieser  ihrer  Bedeutung  gelangt  sind,  dafs  sie  in 
ihrer  Entwicklung  von  den  alten  deutschen  Kunst- 
stätten am  Rhein  und  in  Süddeutschland  unabhängig 
sind,  und  dafs  diese  ihre  einstmals  führende  Stellung 
vollkommen  verloren  haben.  Ist  Letzteres  eine  Folge 
der  kriegerischen  Ereignisse,  die  seit  der  Renaissance- 
zeit Deutschland  zerrissen  und  fast  vernichteten,  so 
mufs  Ersteres  als  ein  Beweis  für  die  unzerstörbare 
geistige  und  künstlerische  Kraft  des  deutschen  Volkes 
betrachtet  werden. 

Vielleicht  am  merkwürdigsten  ist  die  Entwick- 
lung der  neueren  Kunst  in  Düsseldorf.  Das  benach- 
barte Köln,  einstmals  die  künstlerische  Hauptstadt  West- 
Deutschlands,  hatte  ebenso,  wie  so  viele  italienischen 
Kunststädte,  seine  Blüthe  der  Malerei  und  der  Baukunst 
der  Kirche  zu  verdanken  gehabt.  Die  Ereignisse  des 
30jährigen  Krieges  zerstörten  hier  fast  alle  Ausläufer 
einer  künstlerischen  Thätigkeit,  und  als  in  der  kleinen 
bergischen  Residenz  an  der  Dussel  die  ersten  Anfänge 
eines  Interesses  für  Kunst  emporkeimten,  da  kamen 
die  Anregungen  von  überall  her,  nur  nicht  von  Köln. 
Einer  sehr  viel  späteren  Zeit  blieb  es  vorbehalten,  die 
reichen  Schätze  der  alten  kölnischen  Kunst  wieder  ans 
Licht  zu  ziehen,  ohne  dafs  sie  auch  dann  einen 
nennenswerthen  Einflufs  auf  die  junge  Düsseldorfer 
Malerei  ausgeübt  hätten. 
Wenn  Schiller  sagt,  dafs  keines  Mediceers  Güte  der  deutschen  Kunst  gelächelt  habe,  so  gilt 
das  am  wenigsten  für  die  bildende  Kunst  jener  Epoche,  die  Schiller  meint.  Die  deutsche  bildende 
Kunst  verdankt  im  Gegentheil  während  des  XVII.  und  XVIII.  Jahrhunderts  ihre  hauptsächliche, 
um  nicht  zu  sagen  einzige,  Unterstützung  den  zahlreichen  deutschen  Fürsten  und  Regenten.  Die 
Sucht  der  kleinen  Potentaten,  den  prunk-  und  kunstliebenden  französischen  Hof  nachzuahmen,  hat 
wenigstens  den  Erfolg  gehabt,  dafs  in  den  zahlreichen  deutschen  Residenzen  eine  Kunstpflege 
entstand,  die  ohne  diese  fast  gewaltsame  Anregung  niemals  erblüht  wäre. 

Auch  die  neue  deutsche  Kunst  des  XIX.  Jahrhunderts  empfing  ihre  ersten  bedeutenden 
Aufträge  von  deutschen  Fürsten,  unter  denen  der  bayrische  König  Ludwig  I.  an  erster  Stelle 
steht.  In  Preufsen  war  es  die  Regierung,  welche  in  Berlin  und  namentlich  in  Düsseldorf  die 
thatkräftige  Erneuerung  des  Kunstlebens  in  die  Hand  genommen  hat. 


HEINRICH   ALDEGREVER 

Bildnis  des  Herzogs  Wilhelm  III.  von  Jülich-Cleve- 

Berg  nach  dem  Stich   des  Künstlers 


Erst  allmählich  und  erst  durch  die  Kunst  selbst  angeregt,  begann  auch  das  Volk  eine  Antheil- 
nahme  zu  zeigen.  Im  3.  und  4.  Jahrzehnt  des  XIX.  Jahrhunderts  fing  jene  Volkskunst  an  sich  zu 
entwickeln,  mit  welcher  gerade  Düsseldorf  seine  gröfsten  Erfolge  erreicht  hat. 

Die  älteste  Düsseldorfer  Kunst  stand,  soweit  von  einer  solchen  die  Rede  sein  kann,  in 
engstem  Zusammenhang  mit  den  dynastischen  und  politischen  Verhältnissen  des  Landes,  und 
diese  Verhältnisse  waren  allerdings  nicht  sonderlich  geeignet,  eine  bedeutende  Entwicklung  zu 
begünstigen.  Die  Folgen  des  30jährigen  Krieges  und  der  nachfolgenden  Religionsstreitigkeiten 
machten  sich  in  den  cleve-jülischen  Landen  besonders  unangenehm  bemerkbar  und  richteten 
sowohl  das  Interesse  wie  die  Hülfsmittel  der  keineswegs  reichen  Länder  auf  ganz  andere  Dinge, 
als  auf  eine  nachhaltige  Kunstpflege.  Der  schwache  Beginn  einer  solchen  kam,  wie  überall, 
zuerst  der  Architektur  und  zwar  der  kirchlichen  zu  gute,  und  erst  aus  dem  XIV.  und  XV.  Jahr- 
hundert finden  sich  in  der  ältesten  Düsseldorfer  Kirche,  der  jetzigen  Lambertuskirche,  Reste  von 
Wandmalereien,  über  deren  Ausführung  aber  nichts  Näheres  bekannt  ist.  Ein  interessantes  Werk 
architektonischer  Sculptur  ist  das  von  Herzog  W^ilhelm  II.  gestiftete  Sakramentshäuschen,  aber 
ein  des  näheren  nachweisbares  Interesse  für  die  bildende  Kunst  finden  wir  eigentlich  erst  bei 
dem  Herzog  Wilhelm  III.,  der  als  Enkel  des  Herzogs  W^ilhelm  II.  von  Jülich  und  Berg  und  als 
Sohn  des  Herzogs  Johann  III.  von  Cleve  die  drei  Länder  unter  seinem  Scepter  vereinigte,  jedoch 
trotz  seines  Beinamens  ,,der  Reiche"  unter  der  Ungunst  der  politischen  Verhältnisse  auch  noch 
schwer  genug  zu  kämpfen  hatte.  Zuerst  ein  Anhänger  der  Reformation,  trat  er  später  nach  dem 
Verlust  von  Geldern  und  Zütphen  wieder  zur  katholischen  Kirche  über  und  heirathete  die  Erz- 
herzogin Maria,  Tochter  des  deutschen  Königs  Ferdinand  I.  und  Nichte  Karls  V. 

Seine  Bauthätigkeit  richtete  sich  auf  Erweiterungen  des  in  seinen  ersten  Anfängen  aus  dem 
XIII.  Jahrhundert  stammenden  Schlosses,  das  im  Jahre  1510  durch  einen  Brand  schwer  beschädigt 
worden  war.  Dieses  Gebäude  ist  für  die  spätere  Düsseldorfer  Kunst  insofern  von  Bedeutung,  als 
es  nacheinander  in  seinen  Räumen  die  bedeutende  Galerie  des  Kurfürsten  Johann  W^ilhelm  und 
dann  die  Akademie  aufnehmen  sollte,  bis  wiederum  ein  Brand  es  im  Jahre  1872  fast  vollständig 
zerstörte,  so  dafs  von  den  ältesten  Theilen  nur  noch  der  runde  Thurm  übrig  geblieben  ist,  dessen 
Bedachung  seinerzeit  eben  Herzog  Wilhelm  hatte  ausführen  lassen.  Auch  ein  Rathhaus  auf  der 
Stelle  des  jetzigen  liefs  der  Herzog  durch  Meister  Heinrich  Tussmann  von  Duisburg  aufführen. 

Wenn  von  einer  eigentlichen  Pflege  der  Malerei  unter  seiner  Regierung  wohl  nicht  die  Rede 
sein  kann,  so  stand  der  Herzog  doch  zu  einzelnen  Künstlern  in  Beziehungen;  allerdings  beschränkten 
dieselben  sich  fast  nur  auf  Aufträge  zu  Porträtdarstellungen,  jenem  von  Fürsten  und  Bürgern  in 
erster  Linie  bevorzugten,  so  zu  sagen  praktischsten  Zweig  der  Malerei. 

Das  Bildnis  ist  ja  unter  allen  Aeufserungen  der  Kunst  diejenige,  die  den  persönlichen  und 
gewissermafsen  noch  am  wenigsten  künstlerisch  gebildeten  Empfindungen  des  Darstellers  am 
meisten  entgegenkommt,  und  jenes  für  die  Renaissancezeit  charakteristische  Erwachen  der  Persön- 
lichkeit und  der  Freude  an  ihr  und  ihrer  Ausbildung  und  Darstellung  macht  sich  in  dem  lebhaften 
Bedürfnifs  nach  den  zahlreichen  Porträts,  die  gerade  seit  jener  Zeit  entstanden  sind,  auch  am 
Niederrhein  geltend. 

Schon  als  junger  Mann  liefs  sich  Herzog  ^Vilhelm  von  dem  bekannten  Maler  und  Form- 
schneider Heinrich  Aldegrever  von  Soest  zeichnen  und  in  Kupfer  stechen.  Auch  einen  Holzschnitt 
fertigte  dieser  Künstler  von  dem  Porträt  Herzog  W^ilhelms  an,  was  insofern  von  Interesse  ist,  als 
man  von  ihm  überhaupt  nur  drei  Holzschnitte  kennt,  und  dieser  das  einzige  Porträt  unter  ihnen 
ist.  Vielleicht  hat  der  Besuch  Holbeins  in  Cleve,  der  dort  im  Jahre  1539  die  Schwester  des 
Herzogs,  Anna,  im  Auftrage  des  Königs  Heinrich  VIII.  von  England  malte,  die  Anregung  zu 
diesen  Porträtzeichnungen  Aldegrevers  gegeben,  denn  Stich  und  Holzschnitt  entstanden  in  den 
beiden  folgenden  Jahren.  Dafs  Aldegrever  mit  dem  Herzog  in  dauernden  Beziehungen  stand, 
beweist  der  Umstand,  dafs  der  vielseitige  Künstler  zwölf  Jahre  später  für  den  Herzog  von  Cleve 
zwei  Siegel  lieferte,  und  in  seinem  Begleitbriefe  von  einem  in  Arbeit  befindlichen  Ringe  spricht, 
der  dem  Herzog  sicher  gefallen  werde. 

Im  Jahre  1546  hatte  sich  der  Herzog  mit  Maria  von  Oesterreich  vermählt,  und  in  die  Mitte 
der  fünfziger  Jahre  fallen  die  Bildnisse  des  herzoglichen  Paares  in  Lebensgröfse,  die  sich  auf 
Schlofs  Ambras  in  Tirol  befinden.  —  Der  Herzog  ist  hier  mit  einem  langen  braunen  Bart  gemalt, 
wie  er  sich  in  dieser  Gröfse  auf  keinem  andern  Porträt  findet.  In  dem  geschmackvollen  und 
reichen  Costüm  ist  er  ein  Bild  männlicher  Schönheit,  während  die  Herzogin  in  der  steiferen 
Frauentracht  weniger  vortheilhaft  aussieht. 


Von  ihr  besitzt  auch  die  Akademie  ein  Brustbild 
aus  früherer  Zeit,  das  sie  vielleicht  noch  als  Braut 
darstellt,  und  das  künstlerisch  höher  steht  als  das 
Ambraser  Bild.  Zahlreiche  andere  gestochene  und  ge- 
malte Bildnisse  dieses  Fürstenpaares  beweisen,  dafs 
es  die  Kunst  wenigstens  nach  dieser  Richtung  hin  in 
Anspruch  nahm. 

Aus  den  letzten  Regierungsjahren  Herzog  Wilhelms 
ist  sogar  ein  eigener  Hofmaler,  Johann  Malthain,  nach- 
zuweisen, der  als  solcher  in  den  Procefsakten  der 
Herzogin  Jacobe  genannt  wird.  Es  ist  dies  also  der 
erste  namhafte  und  auch  keineswegs  unbedeutende 
Künstler,  der  in  Düsseldorf  gelebt  und  gearbeitet  hat, 
wie  einige  noch  mit  ziemlicher  Sicherheit  ihm  zuzu- 
schreibende treffliche  Porträts  beweisen. 

In  der  Kunstgeschichte  war  Malthain  bisher  nur 
als  der  Zeichner  zweier  von  Swanenburg  gestochenen 
Bildnisse  des  Herzogs  Wilhelm  und  seines  Sohnes 
Johann  bekannt,  aber  wahrscheinlich  ist  er  auch  der 
Urheber  der  beiden  gemalten  Bildnisse  dieser  Fürsten, 
die  sich  im  historischen  Museum  zu  Düsseldorf  be- 
finden.    Auch 


JOHANN   MALTHAIN 
Bildnis  des  Herzogs  Wilhelm  III.  von  Jülich-Cleve-Berg 


das  höchst 
merkwürdige 
grofse      Porträt 
der  unglück- 
lichen  Mark- 
gräfin Jacobe 
von  Baden,   der 
Gemahlin    des    blödsinnigen    Herzogs  Johann,    das    erst    vor 
einigen  Jahren   in  der  Akademie  aufgefunden    und    restaurirt 
worden  ist,  hat  wahrscheinlich  er  um  1590  gemalt.     In  dem 
Verhör,    dem    er,    wie    das    ganze  Hofgesinde  in    dem  gegen 
Jacobe    angestrengten    Processe    unterworfen    wurde,    hat    er 
nämlich    ausgesagt,    dafs    er    den    Herzog    sowohl,    wie    die 
Herzogin  des  öfteren    gemalt   habe,    und    er   nennt   ausdrück- 
lich ein  Bild  der  Herzogin,   das  nach  den  Andeutungen,  die 
er  über  dasselbe  macht,  das  obengenannte  sein  mufs.     Aus 
denselben    Akten    ist    auch    das    bisher    unbekannte   Geburts- 
datum Malthains    bekannt    geworden    und    der   Name    seines 
Vaters.    Ersteres  ist  das  Jahr  1550,  und  die  Form  des  väter- 
lichen   Vornamens    ,, Anthony"    läfst    vermuthen,     dafs    der 
Künstler  niederländischer  Abkunft  ist,  worauf  auch  das  Vor- 
handensein   eines    ihm    neuerdings    zugeschriebenen    Bildes 
in  der  bis  vor  Kurzem  in  Brüssel  befindlichen  Galerie  Aren- 
berg hindeutet. 

Man  sollte  glauben,  dafs  die  Regierungszeit  des  geistes- 
kranken Herzogs  Johann  Wilhelm  fürstlicher  Kunstpflege 
nicht  besonders  günstig  gewesen  wäre,  und  doch  entstand 
während  derselben  das  hervorragendste  Werk  architekto- 
nischer Bildhauerkunst,  das  Düsseldorf  aus  alter  Zeit  über- 
haupt aufzuweisen  hat,  nämlich  das  Grabdenkmal  Herzog 
Wilhelms  III.  von  Jülich,  Cleve  und  Berg  in  der  Lambertus- 
kirche. 

Der  Name  des  ausführenden  Künstlers  war  bis  vor 
Kurzem  noch  unbekannt,  nunmehr  ist  er  durch  die  archiva- 
lischen  Studien    von   Dr.  Küch    festgestellt,    und    die    Kunst- 


JOHANN    MALTHAIN 
Bildnis   der   Herzogin   Jacobe  von  Baden 


JOHANN   SPILBERG 

Bildnis  des  Herzogs  Wolfgang  Wilhelm  von   der 

Pfalz-Neuburg 


geschichte  damit  um  die  Kenntnifs  eines  bisher  voll- 
ständig unbekannten  niederrheinischen  Bildhauers  be- 
reichert worden.  Es  war  Gerhard  Scheben,  der  am 
3.  Januar  1582  das  Bürgerrecht  in  Köln  erwarb  (also 
wohl  auch  kein  geborener  Düsseldorfer  war)  und  im 
Jahre  1595  im  Auftrage  des  herzoglichen  Ministers 
Wilhelm  von  Waldenburg  genannt  Schenkern  das 
Denkmal  für  den  1592  verstorbenen  Herzog  begann. 
Schenkern  ist  als  erbitterter  Gegner  der  Herzogin 
Jacobe  und  als  intellectueller  Urheber  ihrer  Ermordung 
am  2. — 3.  September  1597  nicht  sonderlich  vortheilhaft 
in  der  Geschichte  bekannt,  aber  sein  Charakterbild 
erhält  durch-  die  Thatsache,  dafs  er  seine  Macht- 
stellung benutzte,  um  seinem  alten  Herrn  ein  würdiges 
Denkmal  zu  setzen,  eine  wesentlich  sympathischere 
Beleuchtung. 

Das   Denkmal    stellt    sich    in   seinem   durch    ver- 

schiedenfarbenen    Marmor    zu    malerischer    Wirkung 

gesteigerten    Gesammteindruck    als    ein    vortreffliches 

Werk  jener  Periode  italienischer  Hochrenaissance  dar, 

die  bereits  die  Anfänge  des  Barock  durchiühlen  läfst. 

Von  grofser  Schönheit  und  voll  Leben  ist  die  ruhende 

Gestalt  des  Herzogs,    der  weder  als  Todter,  noch  als 

Schlafender,  sondern  als  ein  von  langer  W^anderschaft 

ausruhender  Kämpe  dargestellt  ist.    In  voller  Rüstung, 

das    blanke    Schwert    zur    Seite,    mit    weitgeöffneten 

Augen  geradeausblickend,  scheint  er  auf  das  Wort  des 

Herrn   zu   warten,    das    ihn   zu   neuen   Thaten   aufruft. 

Mit  dem  Tode  des  kinderlosen    Herzogs  Johann  W^ilhelm    war    der  Mannesstamm   der   cleve- 

schen    Herzöge    erloschen,    und    die    Herzogthümer  Jülich,    Berg    und    Ravenstein    gingen    auf  den 

Schwager  Johann    Wilhelms,    den    Pfalzgrafen    Philipp   Ludwig   von    der  Pfalz -Neuburg    und  nach 

dessen  Tode  1614  auf  dessen  ältesten  Sohn  Wolfgang  Wilhelm  über. 

Wolfgang  Wilhelm  war  protestantisch,  aber  ihm  schien  Düsseldorf  eine  Messe  werth:  er 
wurde  katholisch,  verlegte  seine  Residenz  nach  Düsseldorf  und  trug  hier  bei  seinem  entschie- 
denen Interesse  für  die  Kunst  nicht  wenig  zur  Pflege  derselben  bei.  Freilich  waren  auch  unter 
seiner  Regierung  Zeit-  und  Geldverhältnisse  nicht  danach  angethan,  dafs  er  seinen  Neigungen  in 
vollem  Mafse  hätte  nachgehen  können  oder  von  den  grofsen  Künstlern,  die  seine  Zeitgenossen 
waren,  bedeutende  Werke  hätte  erwerben  können;  aber  dennoch  hat  er  zu  keiner  Zeit  und  unter 
keinen  Umständen  versäumt,  seine  Liebe  zur  Kunst  zu  bethätigen.  Seine  Correspondenzen  mit 
seiner  von  ihm  sehr  verehrten  zweiten  Gemahlin  Catharine  Charlotte  von  Pfalz -Zweibrücken  von 
seinen  vielen  Reisen  aus,  geben  davon  untrügliche  Beweise. 

Zunächst  war  es  die  Architektur,  die  Lieblingskunst  der  Fürsten,  der  auch  er  ein  grofses 
Interesse  widmete;  und  wie  er  in  Neuburg  eine  Kirche  hatte  umbauen  lassen,  so  führte  er  in  den 
Jahren  1622 — 1629  in  Düsseldorf  für  die  von  ihm  begünstigten  Jesuiten  die  Andreaskirche  auf. 

Die  Andreaskirche  verdient  in  mehr  als  einer  Hinsicht  Beachtung.  Gurlitts  Behauptung, 
dafs  dieselbe  unverkennbar  früher  ein  gothischer  Langhausbau  mit  schmalen  Seitenschiffen  ge- 
wesen wäre,  ist  schon  von  Giemen  zurückgewiesen  und  entbehrt  jeder  historischen  Grundlage. 
Auch  erinnert  der  Eindruck  des  Innern  viel  eher  an  romanische  Bauweise.  Es  erscheint  auch 
keineswegs  als  ausgeschlossen,  dafs  der  Architekt,  als  welchen  Küch  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit 
den  Hofarchitekten  Antonio  Serro  genannt  Kraus  vermutet,  die  Jesuitenkirche  in  Neuburg,  welche 
sechs  Jahre  vor  Beginn  von  St.  Andreas  beendet  wurde  und  unverkennbar  auf  einen  romanischen 
dreischiffigen  Bau  in  der  Anlage  zurückgeht,  sich  zum  Muster  genommen  habe.  Die  Aehnlichkeit 
im  Aeufsern  ist  selbst  bis  auf  Kleinigkeiten  festzustellen.  Nur  hat  die  Andreaskirche  statt  des 
grofsen  Thurmes  an  der  Facade,  wie  in  Neuburg,  zwei  Thürme  an  den  Seiten  des  Chores,  und 
diese  Anordnung  stimmt  merkwürdig  zu  einem  Gutachten,  das  W^olfgang  W^ilhelm  früher  zu  dem 
Umbau  der  Neuburger  Kirche  gegeben  hatte.  Er  hatte  gesagt,  man  könnte  mitten  auf  dem  Dache 
eine  Cupola   aufführen,    oder   an   beiden  Seiten   des  Chores   oder  Angesichts   feine  leichte  Thürme 


GERHARD   SCHEBEN 
Grabdenkmal  des  Herzogs  Wilhelm  III.  in  der  Lambertuskirche  zu  Düsseldorf 


machen,  und  wenn  dieser  Vorschlag  in  Neuburg  nicht  zur  Ausführung  kam,  so  sehen  wir  ihn 
dafür  zum   Theil  bei  der  Andreaskirche   verwirklicht. 

Mit  dem  Bau  der  Andreaskirche  hatte  sich  Wolfgang  Wilhelm  aber  keineswegs  begnügt; 
zahlreiche  Klöster  und  Profanbauten,  die  zum  Theil  allerdings  nicht  mehr  vorhanden  sind,  geben 
Zeugnifs  von  dem  Interesse,    das  er  an  der  baulichen  Ausgestaltung  seiner  Residenz  nahm. 

Und  ebenso  sehr  wie  die  Architektur,  pflegte  dieser  unermüdliche  und  um  die  Hebung  seiner 
Länder  wahrhaft  väterlich  besorgte  Fürst  auch  die  Malerei,  allerdings  auch  hier  von  den  engen 
Grenzen,  welche  durch  die  Verhältnisse  bedingt  waren,  an  einer  ausgiebigen  Förderung  behindert. 
Die  Malerei  stand  damals  in  den  benachbarten  Niederlanden  in  der  höchsten  Blüthe.  Rubens  und 
seine  begabten  Schüler  füllten  die  heimischen  Kirchen  und  die  Sammlungen  auswärtiger  Kunst- 
freunde mit  ihren  prächtigen  farbenfrohen  Gemälden,  und  auch  Wolfgang  Wilhelm,  der  auf  keiner 
seiner  zahlreichen  Reisen  in  die  spanischen  Niederlande  versäumte,  seinen  künstlerischen  Interessen 
nachzugehen,  bestellte  bei  dem  berühmten  Malerfürsten  für  seine  Kirche  in  Neuburg  einige  Altar- 
gemälde. Vier  Briefe  des  Künstlers  an  den  Pfalzgrafen  sind  noch  im  hiesigen  Archiv  erhalten 
und  geben  Zeugnifs  von  dem  intimen  Verhältnisse  der  beiden  Männer  zu  einander.  Einige  Jahre 
später  liefs  sich  der  Herzog  von  van  Dyck  porträtiren,  und  dieses  Bild  ist  heute  noch  eine  Zierde 
der  Münchener  älteren   Pinakothek. 

Künstler  wie  Rubens  oder  van  Dyck  an  seinen  Hof  zu  ziehen,  war  W^olfgang  Wilhelm  bei 
seinen  beschränkten  Mitteln  nicht  möglich,  aber  er  liefs  es  sich  doch  nicht  nehmen,  stets  einen 
oder  mehrere  Hofmaler  zu  beschäftigen.  Unter  diesen  ist  denn  auch  Einer,  der,  wenn  nicht 
Hervorragendes,  so  doch  Achtenswerthes  leistete,  und  insofern  für  uns  von  Bedeutung  ist,  als  wir 
in  ihm  einen  der  ältesten  der  in  Düsseldorf  geborenen  namhaften  Maler  zu  verzeichnen  haben. 
Es  ist  Johann  Spilberg,  und  von  den  zahlreichen  Bildnissen,  die  er  während  eines  langen  und, 
wie  es  scheint,  arbeitsreichen  Lebens  schuf,  sind  hier  noch  eine  Anzahl  erhalten  geblieben,  die 
nach  einigen  Irrfahrten  nunmehr  grofsentheils  in  der  Akademie  aufbewahrt  werden. 

Johann  Spilberg,  geboren  1619  in  Düsseldorf,  entstammte  einer  Künstlerfamilie.  Sein  Onkel 
Gabriel,  ebenfalls  ein  Düsseldorfer,  hatte  in  Holland  studirt  und  wurde  Hofmaler  des  Königs  von 
Spanien,  lebte  aber  meist  in  den  Niederlanden.  Dessen  Bruder  Johann  der  Aeltere  wirkte  als 
Maler  in  Düsseldorf  und  war  vielleicht  nach  Malthain  Hofmaler  des  Herzogs  Johann  W^ilhelm. 
Er  zeichnete  für  den  Kupferstecher  und  Maler  C.  de  Passe  sen.  zahlreiche  Bildnisse  für  eine 
Stammtafel  des  Jülicher  Hauses,  die  im  Jahre  1613  herausgegeben  wurde.  Von  seinen  sonstigen 
Arbeiten  ist  nichts  bekannt.  1624  war  er  Diakon  der  reformirten  Gemeinde.  Johann  Spilberg  der 
Jüngere  erfreute  sich  schon  sehr  früh  der  Protection  des  Pfalzgrafen  Wolfgang  Wilhelm,  der  ihn 
zu  Rubens  in  die  Lehre  geben  wollte  und  ihm  einen  eigenhändigen  Empfehlungsbrief  an  diesen 
gegeben  haben  soll.  Spilberg  aber  hatte  sich  schon  1636  an  Govaert  Flinck  in  Amsterdam  gewandt, 
unter  dem  er  eine  Zeit  lang  studirte,  um  dann  sehr  bald  selbständige  Arbeiten  auszuführen. 
Unter  diesen  befindet  sich  eines  der  damals  so  beliebten  Schützenstücke,  das  aber  auch  den  Einflufs 
von  V.  d.  Helst  erkennen  läfst.  Nach  siebenjährigem  Aufenthalt  in  Amsterdam  kehrte  Spilberg  in 
seine  Vaterstadt  zurück,  in  der  er  mit  einigen  Unterbrechungen  bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre 
1690  als  Hofmaler  dreier  Herrscher  thätig  war. 

Seine  Hauptthätigkeit  widmete  er  dem  Bildnis,  wenn  er  auch  einige  historische  und  kirch- 
liche Bilder  malte,  so  z.  B.  ein  Altarblatt  für  die  Remigiuskirche  in  Bonn,  ,,die  Bekehrung  Chlodwigs 
nach  der  Schlacht  bei  Zülpich  und  dessen  Taufe  durch   den  heiligen  Remigius"   darstellend. 

Seine  Porträts,  von  denen  die  aus  seiner  früheren  Zeit  die  besten  sind,  haben  einen  be- 
sonderen historischen  W^erth  deshalb,  weil  sie  meist  fürstliche  Personen  darstellen,  die  in 
Düsseldorf  gelebt  haben. 

So  entstanden  schon  ziemlich  früh,  bald  nach  seiner  Rückkunft  von  Amsterdam,  nämlich  im 
Jahre  1648  die  Bildnisse  des  alten  Pfalzgrafen  und  seiner  Gemahlin,  dann  im  Verlauf  der  Jahre 
grofse  Bilder  von  Wolfgang  Wilhelms  Sohn  und  Nachfolger  Philipp  W^ilhelm,  von  dessen  Ge- 
mahlinnen und  ihrer  zahlreichen  Nachkommenschaft,  meist  lebensgrofse  Gemälde  in  ganzer  Figur, 
von  denen  einige  jetzt  in  der  Sammlung  der  Akademie  aufbewahrt  werden.  Bemerkenswerth  ist 
ein  Bildnis  der  jungen  Prinzessin  Eleonora  Magdalena  als  Braut  des  deutschen  Kaisers  Leopold 
und  ein  Jugendbild  des  Prinzen  Johann  Wilhelm,  des  nachmaligen  Kurfürsten. 

Johann  Spilberg,  der  seit  dem  Jahre  1687  ein  eigenes  Haus  in  der  Ritterstrafse  besafs,  hinter- 
liefs  mehrere  Kinder,  von  denen  sich  ein  Sohn  Adrian  und  eine  Tochter  Adriana,  beide  zu 
Amsterdam  geboren,  in  Düsseldorf  der  Malerei  widmeten,  ohne  dafs  von  ihren  Werken  noch 
etwas  Bemerkenswerthes    übrig   geblieben   wäre.     Adriana  Spilberg   heirathete  auch   einen  Dussel- 


dorfer  Maler  Wilhelm  Brekvelt,    der    schon    im  Alter  von  29  Jahren  starb,    worauf   sie    in    zweiter 
Ehe  den  berühmten  Eglon  van  der  Neer  heirathete. 

Die  Thätigkeit  dieses  letztgenannten  Künstlers  in  Düsseldorf  fällt  aber  schon  in  die  Regie- 
rungszeit des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm.  W^olfgang  W^ilhelms  Sohn  und  Erbe,  Philipp  Wilhelm, 
war  durch  die  kriegerischen  Ereignisse  während  seiner  Regierung,  durch  seine  politischen  Be- 
strebungen und  durch  den  Umstand,  dafs  er  mehr  in  Neuburg  als  in  Düsseldorf  residirte,  kaum 
in  der  Lage,  das  künstlerische  Leben  in  Düsseldorf  beeinflussen  zu  können.  Er  begnügte  sich 
wohl  hauptsächlich  damit,  seine  Gemahlin  und  seine  zahlreichen  Kinder  durch  Spilberg  malen 
zu  lassen,  und  seine  Bauthätigkeit  beschränkte  sich  im  wesentlichen  darauf,  dafs  er  für  die 
Franziskaner  eine  Klosterkirche   an   der  Stelle  der  jetzigen  Maxkirche  errichtete. 


JOHANN   SPILBERG 
Bildnis  des  Herzogs  Philipp   Wilhelm 


JOHANN    SPILBERG 

Bildnis  der  Herzogin  Elisabeth  Amalie  Magdalene  von 

Hessen-Darmstadt,   Gemahlin   Philipp   Wilhelms 


Ist  nun  also  im  Laufe  der  Jahrhunderte  manches  Werk  der  bildenden  Kunst  in  Düsseldorf 
entstanden,  fand  sich  in  Wolfgang  Wilhelm  ein  eifriger  Gönner  der  Malerei  und  hatten  auch  schon 
einzelne  Maler  ihre  W^ohnung  in  der  herzoglichen  Residenz,  so  berechtigt  Alles  das  doch  kaum, 
von  einem  eigentlichen  Kunstleben  zu  sprechen,  denn  das,  was  hier  entstand,  ging  nicht  darüber 
hinaus,  ja  erreichte  kaum  das,  was  in  andern  kleinen  Residenzen  zu  jener  Zeit  gebaut  oder  gemalt 
zu  werden  pflegte. 

Eine  wirkliche,  consequente  Kunstpflege,  die  trotz  ihrer  kurzen  Dauer,  trotz  der  später  ein- 
getretenen langen  Unterbrechung  und  ihrer  immerhin  fragmentarischen  Natur  doch  den  Grund  zu 
der  künstlerischen  Bedeutung  Düsseldorfs  auch  in  unserem  Jahrhundert  gelegt  hat,  beginnt  erst, 
dann  aber  auch  mit  grofser  Energie  unter  dem  Sohn  und  Nachfolger  Philipp  Wilhelms,  unter  dem 
Kurfürsten  Johann  Wilhelm,  der  die  künstlerischen  Neigungen  seines  Grofsvaters  geerbt  und  in 
hohem  Mafse  ausgebildet  hatte. 

Johann  Wilhelm  gebührt  deshalb  der  Ruhm,  der  eigentliche  Gründer  der  Düsseldorfer  Kunst 
zu  sein,  wenn  auch  der  spätere  Entwicklungsgang  andere  und  ungeahnte  W^ege  einschlug. 


10 


Johann  Wilhelm  fand  bei  seinem  Regierungs- 
antritt 1690  zur  Ausführung  seiner  grofsartigen  Pläne 
wenig  genug  Gehülfen  vor.  Spilberg  war  ein  alter 
Mann,  doch  wirkte  neben  ihm  bereits  seit  dem  Jahre 
1682  ebenfalls  als  Hofmaler  ein  überaus  geschickter 
und  energischer  Künstler,  der  in  Roermond  am  2.  März 
1656  geborene  Johann  Franz  Douven,  in  dem  der 
junge  Kurfürst  ein  verständnifsvolles  und  gewandtes 
Werkzeug  für  eine  seiner  Lieblingsideen  fand.  Es 
war  dies  die  Anlage  einer  Bildersammlung  in  grofsem 
Stil,  bei  der  dem  jungen  Fürsten  ebenso,  wie  bei 
einem  anderen  Projecte,  das  ihn  lange,  aber  leider 
vergeblich  beschäftigt  hat,  das  Vorbild  des  Pariser 
Hofes  vorgeschwebt  hatte. 

Bei  dem  Plane  einer  Galeriegründung  mag  den 
Kurfürsten  wohl  auch  das  Gefühl  geleitet  haben,  dafs 
für  eine  Kunstblüthe  als  fruchtbarster  Boden  eine 
Sammlung  anregender  Vorbilder  nöthig  sei,  wie  das 
ja  dem  eklektischen  Charakter  der  ganzen  damaligen 
Cultur  durchaus  entsprach.  Und  so  begann  er  zwei 
Jahre  nach  seiner  Thronbesteigung  durch  Douven  und 
später  durch  zahlreiche  andere  Agenten  in  den  Nieder- 
landen und  in  Deutschland  Bilder  aller  Art  ankaufen 
zu  lassen,  wobei  er  ohne  Zweifel  einen  vortrefflichen 
Geschmack  entwickelte  und  in  überraschend  kurzer 
Zeit  die  berühmte  Düsseldorfer  Galerie  zusammen- 
brachte. Seine  zweite  Vermählung  mit  Maria  Anna 
Louisa  Aloisia  de'  Medici,  Tochter  des  Grofsherzogs 
Cosimo  III.  von  Toscana,  gab  durch  diese  Verbindung 
Düsseldorfs  mit  der  künstlerischen  Hauptstadt  Italiens 
neue  Anregungen  der  verschiedensten  Art.  Nicht  nur  brachte  die  italienische  Prinzessin  ihrem 
Gemahl  eine  Anzahl  werthvoUer  Bilder  als  Brautgabe  mit,  sondern  es  ergab  sich  für  den  Kurfürsten 
durch  die  neugewonnenen  Beziehungen  auch  die  Möglichkeit,  einen  zweiten  Plan  zu  verwirklichen. 
Dies  war  die  Anlage  einer  Sammlung  von  Gipsabgüssen  nach  antiken  Sculpturen,  zu  deren  Abfor- 
mung  in  Italien  er  die  Erlaubnifs  wohl  durch  den  Einflufs  seines  Schwiegervaters  erhielt.  Vier- 
zehn der  geschicktesten  Gipsgiefser  beschäftigten  sich  über  sieben  Jahre  mit  dem  Abformen  einiger 
Hundert  der  hervorragendsten  antiken  Statuen,  Gruppen  und  Reliefs.  Diese  Sammlung  von  Gips- 
abgüssen, die  für  Düsseldorf  von  nicht  geringer  Bedeutung  hätte  sein  können,  hatte  aber  ein 
höchst  klägliches  Schicksal.  Kaum  war  der  geringste  Theil  der  Formen  ausgegossen,  als  Johann 
W^ilhelm  starb,  und  sein  Nachfolger,  der  von  der  Kunstliebe  seiner  Vorgänger  wenig  genug  geerbt 
hatte,  mit  dem  Giefsen  einhalten  liefs.  Später  wurden  die  kostbaren  Formen  und  vielleicht  auch 
ein  Theil  der  gegossenen  Figuren  zum  Ausfüllen  der  Hohlwege  in  der  Umgegend  von  Düsseldorf 
benutzt.     Der  Rest  wurde  unter  Karl  Theodor  nach  Mannheim  gebracht. 

Aber  nicht  nur  Bilder  und  Gipsabgüsse  sammelte  der  kunstliebende  Fürst,  er  war,  was  für 
das  künstlerische  Leben  in  Düsseldorf  jedenfalls  wichtiger  war,  auch  darauf  bedacht,  Künstler  an 
seinen  Hof  zu  ziehen,  und  so  entwickelte  sich  in  Düsseldorf  ein  überaus  reges  Schaffen.  Es  lag 
allerdings  in  der  Natur  der  Sache  und  in  dem  nach  dem  Tode  des  Kurfürsten  eintretenden  jähen 
Wechsel,  dafs  diese  im  Verhältnifs  zu  der  Kleinheit  und  Armuth  der  Stadt  und  des  ganzen 
Landes  übertrieben  umfangreiche  Thätigkeit  zahlreicher  und  unter  sich  sehr  verschiedener  Künstler 
zu  keinem  einheitlichen  Resultat,  vor  allem  nicht  zur  Begründung  einer  eigenen  Schule  führen 
konnte.  Waren  doch  bis  auf  Spilberg  alle  diese  Künstler  aus  der  Fremde  gekommen  und  bis  auf 
wenige  Ausnahmen  nur  darauf  bedacht,  möglichst  schnell  viel  Geld  zu  verdienen,  um  dann  dem 
immerhin  kleinlichen  und  bis  auf  den  Hof,  oder  eigentlich  nur  bis  auf  den  Kurfürsten  der  Kunst 
durchaus  fremd  gegenüberstehenden  Düsseldorf  wieder  den  Rücken  zu  kehren.  Der  Adel  der 
Umgegend  hatte  kaum  ein  Interesse  für  die  Kunst,  und  die  Bürgerschaft  war  zum  allergröfsten 
Theil  viel  zu  arm,  um  sich  ein  solches  gestatten  zu  können.  Die  socialen  Verhältnisse  waren 
überhaupt   zu   jener   Zeit   in    den   Landen   des   Kurfürsten    so   trauriger  Art,    dafs    ihm   selbst   von 


JOHANN   SPILBERG 
Bildnis  Johann  'Wilhelms   als   Prinz 


II 


Standesgenossen  seine  ungeheuren  Aufwendungen  für  die  Kunst  aufs  schwerste  verdacht  wurden 
und  sein  zweiter  Nachfolger  Karl  Theodor  von  Sulzbach  später  die  Bilderrechnungen  verbrennen 
liefs,  damit  die  Nachwelt  nicht  den  gemachten  Aufwand  erfahren  sollte. 

So  sind  denn  auch  die  Spuren  jener  kurzen  Kunstblüthe  in  Düsseldorf  heute  betrübt  geringe; 
bis  auf  einige  Bildnisse  von  Spilberg  und  Douven,  einige  fast  ganz  ruinirte  Wandmalereien  der 
italienischen  Künstler,  welche  wohl  durch  die  Kurfürstin  nach  Düsseldorf  gekommen  waren  und 
fast  nur  für  den  Hof  gearbeitet  hatten,  sowie  einige  plastische  Arbeiten  ist  fast  Alles  wieder 
verschwunden,  denn  auch  das,  was  der  Kurfürst  gesammelt  und  für  seine  Sammlung  hatte  malen 
lassen,  die  berühmte  Galerie,  ging  noch  im  XIX.  Jahrhundert  für  Düsseldorf  auf  immer  verloren. 
Am  wenigsten  Glück  hatte  der  Kurfürst  mit  seinem  grofsartigsten  Plan,  dem  eines  Ungeheuern 
Schlofsbaues,  der  aus  Mangel  an  Geldmitteln  nicht  über  die  papierene  Existenz  hinaus  kam.  Die 
zahlreichen,  zum  Theil  phantastischen  Pläne  des  Kurfürsten,  seine  ungeheueren  Ausgaben  für 
seine  Maler  und  Bildhauer,  für  eine  italienische  Oper  u.  s.  w.  hatten  die  Stände  so  erbittert,  dafs 
sie  rundweg  alle  Mittel  für  den  Schlofsbau  verweigerten,  die  sie  wahrscheinlich  auch  nicht  hätten 
aufbringen  können.  So  fiel  das  Project,  und  der  Kurfürst  mufste  sich  damit  begnügen,  durch 
seinen  Architekten  Alberti  das  kleinere  Schlofs  Bensberg  aufführen  zu  lassen.  Der  im  historischen 
Museum  noch  erhaltene  Plan  des  italienischen  Architekten  von  dem  ersten  Project  giebt  aber  einen 
vollkommenen  Begriff  von  der  Grofsartigkeit  des  Unternehmens,  und  Giemen  sagt  mit  Recht  von 
ihm,  dafs  es  an  Einheitlichkeit  und  Symmetrie  der  Anlage  unter  allen  ScHlofsbauprojecten  der  Zeit 
in  erster  Linie  stehe. 

Mehr  Erfolg  hatte  der  Kurfürst  mit  einem  anderen  Plan,  von  dem  weiter  unten  die  Rede 
sein  wird,  dem  ein  Werk  entstammt,  das  noch  heute  in  Düsseldorf  vorhanden  ist  und  fast  als 
Einziges  das  Andenken  an  den  merkwürdigen  Fürsten  und  seine  Kunstpflege  bis  auf  unsere  Tage 
erhalten  hat  und  hoffentlich  für  alle  Zeiten  erhalten  wird. 

Spilberg  war,  um  auf  die  Malerei  in  Düssel- 
dorf unter  der  Regierung  Johann  W^ilhelms  zurück- 
zukommen, kurz  nach  der  Thronbesteigung  des 
Kurfürsten  gestorben.  Der  spätere  Gatte  seiner 
Tochter,  Eglon  van  der  Neer,  kam  erst  einige 
Jahre  nachher  nach  Düsseldorf,  war  aber  damals 
künstlerisch  schon  ziemlich  heruntergekommen. 
Finanzielle  Bedrängnisse  aller  Art,  und  die  Sorge 
für  eine  überaus  grofse  Familie  hatten  ihn  ge- 
zwungen, um  das  Brot  zu  arbeiten,  und  dies  er- 
klärt zum  Theil  auch  seine  Vielseitigkeit,  die  sich 
gleichermafsen  auf  Landschaftsbilder,  wie  auf 
Porträts  erstreckte,  eine  damals  jedenfalls  un- 
gewöhnliche Erscheinung.  Erwähnenswerth  ist 
ein  Porträt  der  Königin  Maria  Anna,  der  fünften 
Schwester  des  Kurfürsten,  die  1690  den  König 
Karl  II.  von  Spanien  heirathete.  Jedenfalls  war 
es  dies  Bild,  das  dem  Künstler  den  Titel  eines 
spanischen  Hofmalers  eintrug,  ohne  dafs  er  je  in 
Madrid  gewesen  wäre.  Es  befindet  sich  jetzt  in 
der  Königlich  bayrischen  Staatsgalerie  in  Speyer. 
Eglon  van  der  Neer  starb  hochangesehen  im 
Jahre  1703.  Seine  Wittwe,  Adriana  geborene 
Spilberg,  malte  ebenfalls  bis  an  ihr  Lebensende 
in  Düsseldorf. 

Am  fruchtbarsten  war  der  später  zum  Ritter 
erhobene  Johann  Franz  Douven,  der  schon  früh 
für  einen  der  glücklichsten  und  begabtesten  Porträt- 
maler galt  und  namentlich  zahlreiche  fürstliche 
Herrschaften  malte.  Noch  vor  der  Thronbestei- 
gung Johann  Wilhelms  hatte  er  diesen  nach 
EGLON  VAN  DER  NEER  Wien    begleitet,    wo    die    Düsseldorfer   Prinzessin 

Bildnis  der  Prinzessin  Maria  Anna  von  Pfalz-Neuburg        Eleonore  als  Kaiserin  residirte,  und  dort  sie  und 


12 


den  Kaiser  gemalt.  Zahlreiche  Grofse  des  Hofes 
folgten  nach  und  Douven  reiste  nun  mehrmals 
zwischen  Wien  und  Düsseldorf  hin  und  her,  da 
er  an  beiden  Orten  mit  Aufträgen  überhäuft  war. 
So  malte  er  die  Königin  Maria  Sophia,  vierte 
Schwester  Johann  Wilhelms,  als  sie  sich  mit 
dem  König  von  Portugal  verlobte,  ebenso  die 
spätere  Königin  von  Spanien. 

Auch  nach  Modena  und  Florenz  wurde  er 
gesandt,  um  dort  Porträts  zu  malen,  die  seinen 
Ruf  auch  in  diesen  Städten  begründeten.  In 
Florenz  wurde  er  sogar  aufgefordert,  sein  Selbst- 
porträt für  den  dortigen  Malersaal  zu  malen,  eine 
Ehre,  die  bis  auf  unsere  Tage  nur  wenigen  her- 
vorragenden Künstlern  zu  Theil  wird,  aus  Düssel- 
dorf z.  B.  seit  jener  Zeit  erst  wieder  Ed.  von 
Gebhardt  und  Benjamin  Vautier.  Eine  äufserst 
reizvolle  und  interessante  kleine  Skizze  zu  diesem 
Selbstporträt  des  Douven  wurde  vor  einigen 
Jahren  in  der  Sammlung  der  Akademie  entdeckt. 
Sie  ist  auch  insofern  von  Interesse,  als  sie  die 
Porträts  des  Kurfürsten  Johann  W^ilhelm  und 
seiner  zweiten  Gemahlin  enthält.  Douven  mit 
der  Palette  in  der  linken  Hand  weist  auf  die 
beiden  Porträts  hin.  Sie  sind  als  ein  Bild  ge- 
dacht, an  dem  er  eben  arbeitet.  Schliefslich 
nahm  Douven  wieder  festen  Wohnsitz  in  Düssel- 
dorf, nachdem  Johann  Wilhelm  die  österreichische 
Prinzessin  Maria  Anna  Josepha  geheirathet  und 
in  Düsseldorf  als  Statthalter  der  jülich-bergischen 
Lande  seinen  glänzenden  Hofhalt  zu  führen  begonnen  hatte.  Als  zwei  Jahre  nach  dem  1689 
erfolgten  Tode  der  Kurfürstin  Johann  Wilhelm  die  toskanische  Prinzessin  geheirathet  hatte,  malte 
Douven  ein  grofses,  mit  dem  ganzen  Ueberschwang  der  Zeit  aufgefafstes  Doppelporträt  des 
Herrscherpaares  für  Florenz.  Eine  Copie  dieses  Bildes  befindet  sich  im  Düsseldorfer  historischen 
Museum  als  Geschenk  S.  K.  H.  des  Prinzen  Georg  von  Preufsen.  Douven  soll  während  seiner 
langen  Thätigkeit,  er  starb  1727,  drei  Kaiser,  drei  Kaiserinnen,  fünf  Könige  und  sieben  Königinnen 
gemalt  haben,  aufserdem  eine  grofse  Anzahl  von  Prinzen  und  Prinzessinnen.  Aber  auch  für 
Privatleute  war  der  fruchtbare  Künstler  thätig,  und  er  ist  wohl  der  einzige  der  alten  Düssel- 
dorfer Maler,  von  denen  sich  in  Düsseldorfer  Privatbesitz  noch  Bildnisse  mit  einiger  Sicherheit 
nachweisen  lassen,  da  seine  Malerei,  die  leicht  und  elegant  war.  sowie  seine  blühenden,  oft 
etwas  bunten   Farben   ihn  leicht  erkennen  lassen. 

Auch  Blumenstücke  und  Figurenbilder  malte  Douven.  So  befand  sich  in  der  Galerie  des 
Kurfürsten  aufser  einem  grofsen  Reiterporträt  Johann  Wilhelms  und  einem  Bildnis  des  Kapell- 
meisters Abbe   Moratelli   ein  gröfseres  Bild:   ,, Armida  bekränzt  die  Waffen   Rinaldos". 

Im  Jahre  1696  hatte  der  Kurfürst  bei  seiner  Reise  in  den  Haag,  die  er  mit  seiner  ganzen 
Familie  und  grofsem  Hofstaat  unternommen  hatte,  den  Maler  Adrian  van  der  Werff  kennen 
gelernt,   von  dem   er  bereits  ein  Bild  besafs. 

Adrian  van  der  W^erffs  Name  gehört  der  niederländischen  Kunstgeschichte  an.  Bei  Leb- 
zeiten überaus  hochgeschätzt  und  gefeiert,  weist  man  ihm  heute  eine  ziemlich  geringe  Stellung 
an,  die  der  jetzigen  Schätzung  der  damaligen,  dem  Manierismus  verfallenen  holländischen  und  franzö- 
sischen Kunst  entspricht.  Adrian  van  der  Werff  war  unter  diesen  Manieristen  einer  der  elegantesten 
und  deshalb  schlimmsten.  Die  Härte  seiner  Malerei,  der  elfenbeinerne  Glanz  und  die  porzellan- 
artige Glätte  seiner  Farbe,  die  damals  das  Entzücken  seiner  Verehrer  bildete,  unter  denen  sich 
sogar  auch  Friedrich  der  Grofse  befand,  wirkt  heute  wenig  erfreulich :  die  gezierte  Haltung  seiner 
Figuren,  das  Theatermäfsige  ihrer  Gewandung  ist  ebenfalls  ebenso  charakteristisch  für  den  Ge- 
schmack jener  Zeit,  wie  unerquicklich  für  den  heutigen.  Aber  van  der  Werff  war  ein  berühmter 
Mann,    und  dem    Kurfürsten    gefielen    nicht  nur    seine  Bilder    aufserordentlich,    er   hatte    auch    den 


JOHANN   FRANZ  DOUVEN 
Selbstbildnis 


13 


Ehrgeiz,  ihn  an  seinen  Hof  zu  ziehen.    Da  aber  van  der  WerfF  sich  nicht  ganz  von  seiner  Heimath 
trennen  wollte,    so  entstand  ein   Vertrag,    demzufolge    er    die  eine   Hälfte  des  Jahres   in  Düsseldorf 


ADRIAN   VAN    DER  WERFF 
Huldigung  der  Künste  vor  den  Bildnissen   des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm  und   der  Kurfürstin 

und  die  andere  in  Rotterdam  zubringen  sollte,  bis  er  sich  endlich  1703  bewegen  liefs,  für  eine 
längere  Zeit  in  Düsseldorf  zu  bleiben,  als  ihm  nämlich  der  Kurfürst  den  Auftrag  gab,  eine  Serie 
von  15  zusammengehörigen  Bildern,  ,,die  Geheimnisse  des  Rosenkranzes,"  zu  malen. 


14 


Der  Künstler  wurde  von  seinem  fürstlichen 
Gönner  mit  Geld  und  Ehren  überschüttet  und 
so  reichlich  mit  Aufträgen  bedacht,  dafs  er  kaum 
für  andere  Liebhaber  Bilder  malen  konnte.  In 
der  Düsseldorfer  Galerie  befanden  sich  25  Ge- 
mälde von  seiner  Hand,  fast  alle  von  kleineren 
Gröfsenverhältnissen,  darunter  die  Porträts  des 
Kurfürsten  und  der  Kurfürstin  in  ganzer  Figur, 
aber  unter  Lebensgröfse.  Eine  , .Huldigung  der 
Künste"  vor  dem  Bildnifs  des  Kurfürsten,  die 
van  der  Werff  als  Zugabe  zu  den  15  Bildern 
aus  dem  Leben  Jesu  und  der  Maria  gemalt 
hatte,  kam  erst  nach  dem  Tode  Johann  Wilhelms 
nach  Düsseldorf. 

Auch  ein  zweiter  niederländischer  Künstler, 
der  einige  Jahre  in  Düsseldorf  und  auch  in  Bens- 
berg für  den  Kurfürsten  malte,  hat  eine  ehren- 
volle Stelle  in  der  niederländischen  Kunst- 
geschichte, ohne  dafs  er  in  Düsseldorf  irgend 
einen  Schüler  oder  auch  nur  Nachahmer  gefunden 
hätte.  Es  war  dies  der  Jagdmaler  Jan  Weenix, 
der  in  den  Jahren  1712  14  zwei  grofse  Stillleben 
für  die  Galerie  und  etwa  20  gröfsere  und  kleinere 
decorative  Gemälde  für  das  Jagdschlofs  Bens- 
berg malte,  die  jetzt  ebenso,  wie  die  Galerie- 
bilder, sich  in  Bayern  in  verschiedenen  Samm- 
lungen befinden.  Das  Gedächtnifs  an  diese 
Arbeiten    ist    weiteren    Kreisen    durch    die    be- 


JAN   WEENIX 
StüUeben   mit  dem  Pfau 


geisterte  Schilderung  Goethes  erhalten  geblieben,  die 
von  dessen  Besuch  des  Schlosses  am  24.  Juli  1774 
herstammt.  ,,Was  mich  daselbst  über  die  Mafsen 
entzückte,"  schrieb  er  in  .Dichtung  und  Wahrheit', 
„waren  die  Wandverzierungen  durch  Weenix.  Wohl- 
geordnet lagen  alle  Thiere,  welche  die  Jagd  nur 
liefern  kann,  rings  umher  auf  dem  Sockel  einer  grofsen 
Säulenhalle;  über  sie  hinaus  sah  man  in  eine  weite 
Landschaft"  u.  s.  w.  u.  s.  w.  Es  ist  nicht  unmöglich, 
dafs  eine  halbzerstörte  Leinwand,  die  sich  im  Vorrath 
der  Akademie  befindet,  zu  diesen  Wandgemälden  ge- 
hörte und  so  das  einzige  traurige  Ueberbleibsel  dieser 
Herrlichkeit  in  Düsseldorf  bildet. 

Noch  eine  Reihe  von  niederländischen  und  ein- 
heimischen Künstlern  wird  genannt,  aber  ihre  Spuren 
sind  aus  Düsseldorf  verschwunden.  Strauven  bespricht 
in  seinem  kleinen  Buche  ihre  W^irksamkeit  in  ein- 
gehender Weise.  Es  waren  hauptsächlich  Gottfried 
Schalken,  der  vier  gröfsere  Bilder  für  die  Galerie 
malte.  Er  lebte  lange  Zeit  in  einem  Hause  in  der 
Flingerstrafse  in  Düsseldorf,  und  die  Tradition  hat 
seinen  Namen  noch  im  Volke  erhalten.  Antoon 
Schoonians  war  bis  zum  Tode  des  Kurfürsten  in 
Düsseldorf  ansässig.  Die  Galerie  besafs  von  ihm  sieben 
Bilder.  Johann  van  Kessel  war  als  Decorationsmaler 
im  Schlosse  thätig.    Bekannter  als  die  Maler  van  der 


RACHEL  RUYSCH 
Blumenstück 


15 


Meyn  und  Jan  Nickelen,  dieser  mit  seinem  Schwiegersohn  W^.  Troost  und  seiner  Tochter  Jacobe 
Maria,  die  Blumen  malte,  ist  die  Stilllebenmalerin  und  kurfürstliche  Hofmalerin  Rachel  Ruysch, 
an  die  wenigstens  ein  Stillleben  in  der  Sammlung  der  Akademie  noch  erinnert. 

Aufser  diesen  mehr  oder  weniger  hervorragenden  niederländischen  Malern  hatte  der  Kurfürst, 
wohl  infolge  des  Einflusses  seiner  Gemahlin,  der  ja  auch  dem  damaligen  Geschmack  entsprach, 
eine  Anzahl  italienischer  Künstler  an  seinen  Hof  gezogen.  Es  lag  in  der  Natur  der  Sache,  dafs 
diese  in  Düsseldorf  noch  weniger  heimisch  wurden,  als  die  Holländer;  gehörten  sie  doch  zum 
Theil  zu  jenen  Künstlern,  die,  mit  aufserordentlicher  Gewandtheit  und  Fingerfertigkeit  begabt,  von 
Hof  zu  Hof  reisten,  um  in  den  Schlössern  und  Kirchen  Wände  und  Decken  mit  allegorischen 
Bildern  zu  bedeckten.  Man  darf  nun  bei  diesen  Decorationen  nicht  an  die  famosen  Fresken 
Tiepolos  denken,  der  diese  Theatermalerei  später  zur  wirklichen  Kunst  erhob  und  sie  wenigstens 
bis  nach  Süddeutschland  heraufbrachte.  Im  Vergleich  zu  ihm  waren  seine  Vorgänger  Antonio 
Pellegrini  aus  Padua,  A.  Bernardi  aus  Bologna,  Antonio  Milanesi  aus  Mailand  und  einige  Andere, 
die  am  Niederrhein  ihr  Wesen  trieben,  im  Düsseldorfer  Schlofs,  in  Bensberg,  in  einigen  Düssel- 
dorfer Häusern  und  Kirchen.  Decken  und  W^ände  bemalten,  doch  nur  sehr  untergeordnete  Geister, 
und  ihre   Landsleute,  die   sich  mit  Staffeleibildern  begnügten,  standen  nicht  viel  höher. 

Einen  gewissen  Namen  hat  sich  noch  Antonio  Bellucci  aus  Venedig  bewahrt,  von  dem  die 
alte  Galerie  drei  Bilder  besafs.  Ein  ehemals  in  Bensberg  befindliches  hängt  noch  heute  in  der 
Düsseldorfer  Akademie;  das  figurenreiche  Bild  der  sogenannten  Vermählung  Johann  Wilhelms, 
das  vielleicht  auch  in  Düsseldorf  entstand,  befindet  sich  jetzt  in  Augsburg,  stellt  aber  wohl  die 
Vermählung  eines  anderen  Prinzen  des  neuburgischen  Hauses  dar. 

Mehr  noch  malte  Dom^nico  Zanetti,  der  mit  vier  zum  Theil  sehr  grofsen  Bildern  in  der 
Galerie  vertreten  war.  Ein  kleines  Bild  von  ihm  ist  ebenfalls  noch  in  der  Akademie  erhalten 
geblieben,  und  es  ist  sehr  nett  zu  beobachten,  wie  der  Wechsel  der  Zeiten  und  der  Anschauungen 
die  ziemlich  schwache  Skizze  bald  schätzte,  bald  auf  den  Speicher  verbannte,  sie  aber  doch 
verschont  hat  und  nur  der  Benennung  seinen  Stempel  aufdrückte.  Der  Krahesche  Katalog  nennt 
das  Bild  in  der  allegorisirenden  W^eise  jener  Tage  den  ,, Triumph  der  Tugend  über  das  Laster", 
der  Klassicist  Schäffer    sieht    auf  ihm    ,,Amor,  von    den   Göttern  umgeben,    hält   Gericht-'    und    der 


ANTONIO  BELLUCCI 
Vermählung  des  Prinzen  Johann  Wilhelm 


i6 


GABRIEL    VON    GRUPELLO 
Reiterstandbild  des   Kurfürsten  Johann   Wilhelm  zu  Düsseldorf 


fromme  Andreas  Müller    macht    in    einem  Verzeichnifs    aus    dem    „verkappten  Teufel"  Amor   ganz 
im  Sinne  der  Kirche  das  „triumphirende  Christkind". 

Von  dem  Interesse  des  Kurfürsten  für  plastische  Arbeiten  ist  schon  die  Rede  gewesen, 
aber  sein  Ehrgeiz  als  Mäcen  wollte  sich  an  blofsen  Gipsabgüssen  nicht  genügen  lassen.  Ein 
Project.  das  ihn,  wie  es  scheint,  schon  früh  beschäftigte,  legte  ihm  die  Berufung  eines 
bedeutenden  Bildhauers  an  seinen  Hof  nahe,  und  wenn  dieses  Project  mehr  noch  als  irgend  ein 
anderes  von  persönlicher  Eitelkeit  eingegeben  war,  so  ist  es  merkwürdig  genug,  dafs  seine  Aus- 
führung von  alle  dem.  was  unter  der  Herrschaft  des  Kurfürsten  in  Düsseldorf  an  Kunstwerken 
geschaffen  und  gesammelt  wurde,  fast  allein  übrig  geblieben  ist.  Es  ist  das  förmlich  zum  Wahr- 
zeichen Düsseldorfs  gewordene  Reiterstandbild  des  Fürsten  auf  dem  Markte,  das  besser  als  seine 
ehrgeizigen,  zum  Theil  recht  phantastischen  politischen  Pläne  z.  B.  sein  armenisches  Kaiserthum, 
besser  als  seine  unleugbaren  grofsen  Verdienste  als  Kunstfreund  und  Sammler  seinen  Namen, 
seine  Erinnerung  und  sein  Bild  der  Nachwelt  übermittelt  hat  und  sie  nach  menschlichem 
Ermessen  auch  für  weitere  Jahrhunderte  im  Gedächtnifs  des  Volkes  wird  weiterleben  lassen. 

Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dafs  die  Errichtung  eines  Reiterstandbildes  von  Johann  Wilhelm 
schon  sehr  früh,  bald  nach  seiner  Thronbesteigung  ins  Auge  gefafst  worden  ist,  aber  die  erste 
Schwierigkeit  lag  darin,  einen  geeigneten  Mann  für  die  Ausführung  zu  gewinnen.  Die  Zeit  der 
grofsen  Bildhauer  war  ja  eigentlich  vorüber,  und  es  war  fast  noch  mehr,  wie  in  der  Malerei, 
eine  handwerksmäfsige  Routine  in  der  Plastik  an  die  Stelle  wirklicher  Kunst  getreten.  Mit 
Frankreich,  wo  grofse  Aufgaben  eine  Reihe  tüchtiger  Künstler  herangebildet  hatten,  hatte  der 
Kurfürst  keine  Beziehungen  angeknüpft.  Entweder  hatten  die  räuberischen  Einfälle  in  die  Pfalz 
sein  landesväterliches  Gefühl  verletzt,  oder  aber,  was  wahrscheinlicher  ist,  die  Franzosen  ver- 
schmähten es,  den  barbarischen  Norden  aufzusuchen,  solange  sie  in  Paris  doch  lohnendere  Auf- 
träge fanden.  So  richtete  denn  Johann  W^ilhelm  seinen  Blick  wieder  'auf  die  Niederlande  und 
schliefslich  fand  er  in  Brüssel  den  gesuchten  Mann  in  dem  Hofbildhauer  Karls  II.  von  Spanien, 
Gabriel  von  Grupello. 

Grupello  hatte  sich  durch  verschiedene  bedeutende  Arbeiten  nicht  nur  seinen  Titel,  sondern 
auch  einen  bedeutenden  Ruf   als   Künstler    erworben,    und  es  ist  schon  deshalb  anzunehmen,    dafs 

nur  die  Aussicht  auf  eine  ganz  aufserordentliche  Auf- 
gabe ihn  von  Brüssel,  neben  Antwerpen  der  bedeu- 
tendsten Kunststadt  der  südlichen  Niederlande,  nach 
Düsseldorf  locken  konnte,  um  so  mehr,  als  er  schon 
im  vorgerückten  Mannesalter  stand,  als  er  1695  ^^^^ 
Ruf  des  Kurfürsten  folgte. 

Gabriel  Grupello  wurde  geboren  am  22.  Mai  1644 
in  Grammont  als  Sohn  eines  spanischen  Offiziers 
italienischer  Abkunft.  Seine  künstlerischen  Studien 
machte  er  wahrscheinlich  bei  dem  älteren  Quellinus 
in  Antwerpen,  dann  aber  ging  er  nach  Paris,  um 
sich  schliefslich  in  Brüssel  niederzulassen.  Im  Jahre 
1673  wurde  er  Meister  der  Gilde  und.  wie  erwähnt, 
Hofbildhauer  des  Königs  von  Spanien,  des  damaligen 
Herrn  der  südlichen  Niederlande.  Von  den  in  Brüssel 
entstandenen  Arbeiten  ist  eine  der  umfangreichsten 
ein  Marmorbrunnen  für  den  jetzt  verbrannten  Ver- 
sammlungssaal der  Fischergilde  in  Brüssel  (jetzt  im 
dortigen  Museum). 

Nach  seiner  Uebersiedelung  nach  Düsseldorf,  die 
er  wohl  als  eine  endgültige  betrachtet  hat,  begannen 
wahrscheinlich  schon  gleich  die  Vorarbeiten  für  das 
Reiterstandbild  des  Kurfürsten,  das  allerdings  zu  An- 
fang bedeutend  grofsartiger  geplant  war.  Aber  der 
Unstern,  der  über  allen  Plänen  des  Kurfürsten 
schwebte,  liefs  auch  diesen  Plan  nicht  in  der  anfäng- 
GABRIEL  VON  GRUPELLO  liehen  Gestalt  zur  Ausführung  kommen,  und  auch  hier 

„  .       ,  D  ■,     „  ^k;ih  h.=  k-, ..«;„►=,,  wieder   war   es    der   Geldmangel,    die  uralte  deutsche, 

Entwurf  zum  Reiterstanabüd    des   Kuriursten  °      ' 

Johann  Wilhelm  noch    heute    die    Entwicklung    der    Kunst    hemmende 


18 


GABRIEL  VON  GRUPELLO 

Marmorbüste   des   Kurfürsten   Johann   Wilhelm 


Krankheit,  welche  verhinderte,  dafs  Düsseldorf  eines 
der  grofsartigsten  Reiterstandbilder  sein  nennen  sollte. 
Im  Kupferstichcabinet  der  Akademie  befindet  sich 
eine  Reihe  Originalzeichnungen  Grupellos,  die  ohne 
Zweifel  flüchtige  Entwürfe  zu  dem  ersten  Gedanken 
des  Reiterstandbildes  sind  und  im  Verein  mit  ge- 
wissen anderen  Notizen  ein  Bild  von  der  projectirten 
Anlage  ermöglichen.  Hiernach  spielte  der  Unterbau 
des  Denkmals  eine  Hauptrolle,  und  es  scheint,  dafs 
derselbe  als  Brunnen  gedacht  war.  Zwischen  vier 
grofsen,  wohl  halbrund  gestalteten  Becken  sollten  sich 
auf  starken  Voluten  die  Eckpfeiler  des  viereckigen 
Mittelbaues  erheben,  der  nach  oben  bogenförmig  ab- 
schlofs,  um  auf  einer  kuppeiförmigen  Spitze  die 
eigentliche  Reiterstatue  zu  tragen.  Das  Pferd  der- 
selben sollte  in  lebhafter  Stellung,  sich  bäumend,  dar- 
gestellt werden.  Die  Wände  des  Mittelbaues,  die 
vielleicht  zu  Nischen  vertieft  gedacht  waren,  sollten 
unten  von  vier  grofsen  Löwen,  welche  die  , .Haupt- 
laster" unterdrücken,  flankirt  werden  und  darüber  eine 
in  Relief  ausgeführte  oder  ganz  plastische  Gruppe 
erhalten.  Auf 
der  Spitze  der 
in  Rustika  auf- 
geführten Eck- 
pfeiler sollten 
sichAmoretten 
tummeln,    auf 


halber  Höhe  Trophäen  angebracht  und  auf  den  voluten- 
förmigen  Untersätzen  wieder  freischwebende  Figuren  oder 
Gruppen  aufgestellt  werden. 

Wie  weit  dieser  Plan  gediehen  war,  geht  daraus  her- 
vor, dafs  die  Modelle  der  vier  Löwen  schon  hergestellt 
waren  und  noch  nach  der  Aufstellung  des  Denkmals  in 
seiner  bescheideneren  Form  gegossen  und  an  dem  Sockel 
angebracht  werden  sollten.  Diese  Modelle  wurden  noch 
im  Jahre  1774  an  den  vier  Ecken  eines  W^eihers  in  dem 
neuangelegten  Hofgarten  aufgestellt,  ,,aber  es  dauerte  nicht 
lange,  so  fielen  sie  ganz  auseinander",  wie  ein  Zeitgenosse, 
der  Kupferstecher  Langenhöffel,  erzählt. 

Zu  einer  der  Gruppen  oder  Reliefs,  die  sich  nach 
dem  ersten  oben  geschilderten  Entwurf  über  den  Löwen 
befinden  sollten,  ist  ebenfalls  noch  eine  Zeichnung  vor- 
handen, und  mehrere  Blätter  beschäftigen  sich  mit  der 
Statue  selbst,  die  in  verschiedener  Haltung  des  Pferdes 
skizzirt  ist. 

W^ie  s£hon  bemerkt  und  wie  aus  der  heutigen  Ge- 
stalt des  Denkmals  zur  Genüge  bekannt  ist,  kamen  die 
prachtvollen  und  höchst  malerischen  Pläne  nicht  zur  Aus- 
führung, und  der  Kurfürst  mufste  sich  begnügen,  sein 
ehernes  Bild  zu  Pferde  auf  einem  einfachen  Sockel  gleich 
dem  heutigen  aufstellen  zu  lassen.  Wie  über  die  einzelnen 
Phasen  der  Ausführung  keine  näheren  Daten  bekannt  sind, 
so  fehlt  es  auch  an  der  Kenntnifs  des  Jahres  des  end- 
gültigen Abschlusses  und  der  Aufstellung  des  Denkmals. 
Es    geschah    letztere    entweder   1710  oder  1711.     Die  Angabe  Gabriel  von  grupello 

von     1705     ist     in     Anbetracht     der     grofsen     Schwierigkeiten,      Bronzestatuette    des    Kurfürsten    Johann    Wilhelm 


19 


die  zu  überwinden  waren,  wohl  zurückzuweisen.  Immer- 
hin mufs  die  Arbeit  im  Jahre  1708  schon  zur  Zufrieden- 
heit des  Kurfürsten  vorgeschritten  gewesen  sein,  da  er 
damals  seinem  Hofstatuarius  das  Haus  Markt  Nr.  8  zum 
Geschenk  machte,  unter  Befreiung  von  allen  Real-  und 
Personallasten.  Jetzt  befindet  sich  in  diesem  Hause, 
dem  späteren  ,, Gouvernementsgebäude",  das  Polizeiamt, 
aber  die  beiden  allegorischen  Büsten  über  der  Thüre, 
die  zweifellos  aus  Grupellos  Giefserei  stammen,  er- 
innern noch  an  den  einstigen  Besitzer.    Diese  Giefserei 

selbst  hatte 


GABRIEL  VON  GRUPELLO 
Marmorbüste  der  Kurfürstin  Maria  Anna  Louise  Aloysia 


GABRIEL   VON    GRUPELLO 

Kleine  Bronzebüste   der  Kurfürstin  Maria   Anna 

Louise   Aloysia 


an  der 
Stelle  des 

alten 
Theaters, 
desjetzigen 
Rathhaus- 
neubaues, 
gestanden. 
Grupello 
hat  in   den 

beiden 
Decennien, 
die  er  unter 
Johann 
Wilhelm 
in    Düssel- 
dorf zu- 
brachte, 
eineaufser- 
ordentlich 

grofse 
Anzahl  von  Kunstwerken  der  verschiedensten  Art  in 
Bronze,  Marmor  und  Thon  geschaffen,  von  denen 
das  Meiste  verloren  gegangen,  Einiges  in  Mannheim, 
Schwetzingen,  das  Wenigste  in  Düsseldorf  erhalten 
geblieben  ist.  Unter  diesen  letzten  W^erken  sind  von 
grofser  Schönheit  die  beiden  Marmorbüsten  des  Kur- 
fürsten und  seiner  Gemahlin,  die  ehemals  in  der 
Galerie  standen  und  jetzt  die  akademische  Aula 
schmücken.  In  ihrer  lebendigen  Auffassung,  der 
eminent  malerischen  und  decorativen  Anordnung  und 
Auslührung  des  Costüms,  gehören  sie  wohl  zu  dem 
Besten,  was  von  dem  Künstler  noch  bekannt  ist. 
Nicht  minder  interessant  in  Bezug  auf  malerischen 
Aufbau  ist  die  Bronzestatuette  des  Kurfürsten  auf 
hohem,  mit  allegorischem  Beiwerk  etwas  überladenem 
Sockel,  die  sich  jetzt  ebenfalls  in  der  Akademie  be- 
findet. Vielleicht  ist  die  kleine,  mit  grofser  tech- 
nischer Geschicklichkeit  ausgeführte  Arbeit  eine  Skizze 
zu  dem  im  Hofe  der  Kunstgewerbeschule  stehenden 
Standbild,  dessen  Figur  allerdings  nur  handwerks- 
mäfsig  in  Marmor  ausgeführt  ist  und  deren  Sockel 
aus  viel  späterer  Zeit  stammt.  Eine  kleine  Bronze- 
büste der  Kurfürstin  Maria  Louise  de  Medici  ist  merk- 
vi^ürdig  wegen  der  sich  bereits  bemerkbar  machenden 
Stilwandlung. 


20 


Der  am  S.Juni  1716  erfolgte  Tod  des  Kurfürsten  machte  der  lebhaften  und  vielseitigen  künst- 
lerischen Thätigkeit  in  Düsseldorf  ein  jähes  Ende.  Sein  Bruder  und  Nachfolger  Karl  Philipp 
hatte  für  Düsseldorf  und  seine  Kunst  nicht  das  geringste  Interesse.  In  dem  an  und  für  sich 
löblichen  Bestreben,  die  durch  die  verhältnifsmäfsig  grofsen  Ausgaben  seines  Vorgängers  voll- 
kommen zerrütteten  Finanzen  seiner  Länder  wieder,  so  gut  es  gehen  v(/ollte,  zu  verbessern,  entliefs 
er  sämmtliche  Künstler,  machte  alle  Bestellungen  rückgängig  und  schleppte,  da  er  die  Residenz 
von  Düsseldorf  verlegte,  alle  Möbel,  Kostbarkeiten  und  die  meisten  Kunstwerke  aus  Düsseldorf 
fort.  Ein  grofser  Brunnen,  den  Grupello  für  den  Galerieplatz  nahezu  vollendet  hatte,  wurde  nach 
Mannheim  gebracht  und  dort  aufgestellt,  und  selbst  die  Reiterstatue  sollte  auseinander  gesägt  und 
forttransportirt  werden.  Nur  den  flehentlichen  Bitten  der  Bürgerschaft  gelang  es,  dies  zu  ver- 
hindern. Die  Galerie  entging  der  Fortschaffung  nur,  weil  es  in  Neuburg,  Mannheim  oder  Heidel- 
berg, den  drei  Residenzen,  die  Karl  Philipp  nacheinander  bezog,  an  geeigneten  Räumlichkeiten 
für  sie  mangelte. 

Die  zahlreichen  fremden  Künstler,  die  Johann  Wilhelm  um  sich  versammelt  hatte,  stoben 
auseinander,  da  die  Armuth  der  Bürgerschaft  ihnen  keine  Aufträge  versprach.  Van  der  Werff 
befand  sich  schon  in  Rotterdam  und  sandte  nur  noch  das  erwähnte  letzte  Bild,  die  Apotheose 
des  kurfürstlichen  Paares. 

Douven  scheint  allerdings  die  letzten  zehn  Jahre  seines  Lebens  in  Düsseldorf  geblieben  zu 
sein,  wo  er  1727  starb,  aber  sein  Sohn  Franz  Bartholomaeus  ging  in  die  Dienste  des  Kurfürsten 
von  Köln.  Auch  Grupello  blieb  noch  eine  Zeit  lang  in  Düsseldorf,  wo  er  indessen  nichts  mehr 
geschaffen  zu  haben  scheint.  Er  war  allerdings  beim  Tode  seines  Gönners  schon  ein  alter  Mann 
und  zog  sich  auch  bald  auf  ein  seiner  Tochter  gehöriges  Gut  bei  Aachen  zurück,  wo  er  1730  im 
87.  Lebensjahre  starb.  Sogar  die  Kurfürstin  hielt  es  in  dem  verödeten  und  alles  höfischen  Glanzes 
beraubten  Düsseldorf  nicht  lange  mehr  aus  und  ging  1717  nach  Florenz  an  den  Hof  ihres  Vaters 
zurück,  wo  sie  1743  starb. 


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GABRIEL   VON   GRUPELLO 
Bildnis  des   Kurfürsten  Johann  Wilhelm 


21 


II.  Kapitel 

Die  kurfürstliche  Akademie 


EINE  Wendung  zum  Besseren  trat  erst  unter  der  Re- 
gierung des  nächsten  Kurfürsten  Karl  Theodor  von 
Sulzbach  ein,  der  als  Neffe  der  Tochter  seines  ohne 
Nachfolger  gestorbenen  Vorgängers  Karl  Philipp  im 
Jahre  1742  die  Pfalz  und  somit  auch  die  jülich-cleve- 
schen  Lande  erhielt. 

Der  Stadt  Düsseldorf  wohlwollender  gesinnt,  als 
Karl  Philipp,  verlegte  er  seine  Residenz  wenigstens 
zeitweise  hierher,  und  wenn  er  auch  kein  so  ener- 
gisches und  selbständiges  Kunstinteresse  besafs,  wie 
Johann  Wilhelm,  so  fand  doch  unter  seiner  Regie- 
rung die  Gründung  desjenigen  Instituts  statt,  an  das 
die  ganze  spätere  Düsseldorfer  Kunst  anknüpft. 

Die  eigentliche  Seele  dieses  grundlegenden  Vor- 
gehens -war  ein  Maler  und  zwar  ein  geborener  Düssel- 
dorfer; und  so  wenig  er  als  Künstler  bedeutete,  so 
ist  doch  nach  dem  Kurfürsten  Johann  Wilhelm  er  als 
der  zweite  Begründer  der  Düsseldorfer  Kunst  anzu- 
sehen. Wilhelm  (nicht  Johann)  Lambert  Krähe  wurde 
im  Jahre  1712  geboren  und  führte  ein  wechselreiches, 
abenteuerliches  Leben.  Die  Eindrücke  seiner  frühesten 
Kindheit  mögen  ihn  zur  Wahl  des  Malerberufes  be- 
stimmt haben,  dem  er  aber  nur  unter  besonderer 
Unterstützung  verschiedener  Gönner  nachgehen  konnte. 
Im  Gefolge  eines  Adeligen  kam  er  nach  Italien,  wo 
er  gelegentlich  unter  grofsen  Entbehrungen  seinen 
Neigungen  als  Künstler  und  Kunstsammler  nachging. 
Im  Jahre  1755  empfahl  ihn  der  Cardinal  Valenti  dem 
Kurfürsten  von  der  Pfalz,  und  so  kam  Krähe  wieder 
in  seine  Vaterstadt,  um  nun  hier  mit  der  gröfsten 
Zähigkeit  seine  Pläne  zu  verfolgen.  Es  ist  nicht  ganz  klar,  übrigens  auch  ziemlich  gleichgültig, 
inwieweit  ihn  dabei  kunstliebende  Begeisterung  und  weitschauende  Ueberzeugung  von  der  Bedeu- 
tung der  Rheinlande  als  ältesten  deutschen  Kulturbodens  für  eine  zukünftige  deutsche  Kunst  leitete, 
oder  aber  Ruhmsucht  und  —  Gewinnsucht.  Jedenfalls  spielten  auch  diese  keine  kleine  Rolle  bei 
dem  zielbewufsten  Vorgehen  Krahes.  Zunächst  wurde  er  nach  dem  Tode  des  Malers  Gerhard 
Joseph  Karsch,  der  seit  der  Regierung  von  Carl  Philipp  die  Galerie  verwaltet  hatte,  zum  Director 
oder,  wie  der  Titel  lautete,  zum  Inspector  derselben  ernannt,  und  sehr  bald  begann  er  in  Verbin- 
dung mit  der  Galerie  eine  Zeichenschule  auf  eigene  Faust  einzurichten,  bei  der  ein  Theil  der 
grofsen   Sammlungen,   die   er  aus  Italien  mitgebracht   hatte,   als   Studienmaterial   diente. 

Wann  aus   dieser  Zeichenschule  definitiv   die  kurfürstliche  Akademie  geworden  ist,    läfst  sich 
nicht  genau  feststellen.     Zwei  Medaillen    wurden    zur  Feier    dieses  Ereignisses,  die  eine   von    dem 


POMPEO   BATTONI 
Bildnis   des  Kurfürsten   Karl  Theodor 


22 


kurfürstlichen  Hofmedailleur  Anton  Schäffer,  einem  geborenen  Düssel- 
dorfer, entworfen  und  schon  im  Jahre  1769  geschlagen,  und  in  einer 
in  demselben  Jahre  aus  Schwetzingen  datirten  Urkunde  wurde,  wie 
Wörmann  in  seiner  ,, Geschichte  der  Düsseldorfer  Kunstakademie" 
berichtet,  die  Anstalt  als  die  ..alldasige  Akademie  der  Zeichenkunst" 
bezeichnet.  Erst  1774  aber  war  eine  Art  Organisation  vollendet,  und 
die  Statuten,  die  noch  im  Original  vorhanden  sind,  wurden  erst  1777 
gegeben.  Dieses  Datum  zeigt  denn  auch  eines  der  Aulafenster  des 
neuen  Akademiegebäudes  als  das  officielle  Jahr  der  Akademiegründung. 
Auch   sein  grofses  Bildnifs    in  Rüstung  und  Hermelinmantel   schenkte 

der  Kurfürst  der  Akademie. 


GEORG   CHRISTOPH  WÄCHTER 

Medaille    zur  Akademiegründung 

Vorderseite 


Es  war  aber  nur  eine  Copie 

nach  einer  Arbeit  des 
Italieners  Battoni. 

Gleichzeitig  mit  der 
Gründung  der  Akademie 
verwirklichte  Krähe  seinen  zweiten  Plan,  nämlich 
den  Verkauf  seiner  grofsen,  hauptsächlich  in  Italien 
erworbenen  Sammlungen  von  Bildern,  gemalten  Studien, 
Handzeichnungen  und  Kupferstichen  als  Unterrichts- 
material für  die  neue  Schule.  Der  Kurfürst  hatte  den 
Ankauf  befürwortet,  aber  den  geforderten  Preis  von 
31 000  Reichsthalern  auf  22  000  herabgesetzt.  Diese 
Sammlung,  die  also  als  eigentlicher  Grundstock  der 
Akademie  zu  betrachten  ist,  befindet  sich  noch  heute 
ziemlich  unversehrt  in  Düsseldorf.  Die  Bilder  bilden 
einen  Theil  der  akademischen  Galerie.  Die  Hand- 
zeichnungen und  Kupferstiche  werden  in  dem,  seit 
dem  Anfang  des  Jahrhunderts  in  bescheidener  Weise 
weiter  geführten  Kupferstichcabinet  aufbewahrt. 

Das  Widerstreben  des  Statthalters  von  Golt- 
stein  scheint  die  Kraheschen  Projecte  lange  aufge- 
halten zu  haben,  aber  schliefslich  siegte  die  Zähigkeit 
Krahes  doch,  und  in  dem  Hofkammerrath  Jäger,  der 
sich  erbot,  als  Secretär  der  Akademie  beizutreten,  fand 
sich  der  geeignete  Mann,  um  das  Institut  mit  allem 
äufseren  Glanz  auszustatten.  Ein  complicirtes  Statut 
wurde  ausgearbeitet,  sogar  ein  Ceremoniell  erlassen, 
das  den  Professoren  besondere  Uniformen  vorschrieb. 
Beamte  aller  Art  wurden  ernannt  und  eine  grofse 
Zahl  auswärtiger  Mitglieder  gewählt,  deren  Name  und 
Ruf    dem    neuen    Institut 


LAMBERT   KRÄHE 
Heiliger  Antonius 


auch  denjenigen  künstle- 
rischen Glanz  verleihen 
sollte,  auf  den  es  zufolge 
eigener  Leistungen  vorläufig  noch  keinen  Anspruch  hatte.  Leider  war 
davon  auch  für  die  nächste  Zukunft  nicht  viel  zu  erhoffen.  Alles 
war  ja  auf  der  neuen  Düsseldorfer  Akademie  vorhanden,  selbst  einige 
Schüler  hatten  sich  schon  früh  eingefunden,  deren  Zahl  sich  auch 
schnell  und  sogar  durch  viele  Ausländer  vermehrte,  nur  wirkliche 
Künstler  gab  es  nicht  an  ihr,  und  es  lag  an  den  Zeit-  und  Ortsver- 
hältnissen,  dafs   sich   sobald  auch  keine  einfanden. 

So  bietet  ein  Ueberblick  über  das  Wenige,  was  zur  Zeit  der 
kurfürstlichen  Akademie  in  Düsseldorf  geschaffen  wurde,  eigentlich 
nur  eine  Auslese  des  Schwächlichsten,  was  in  jener  ohnehin  künstle- 
risch so  wenig  erfreulichen  Zeit  in  Deutschland  geleistet  wurde.  Es 
ist  kein  Unglück,    dafs    fast  Nichts    mehr   davon    erhalten  ist;    nur  der 


GEORG  CHRISTOPH  WÄCHTER 

Medaille  zur  Akadeniiegründung 
Rückseite 


23 


Specialforscher  wird  sich  versucht  fühlen,  den  Werken  des  „trefflichen 
Kräh'",  wie  ihn  Goethe  nennt,  den  Sculpturen  des  unglücklichen  Bäumgen, 
den  Bildern  und  Kupferstichen  des  talentlosen  Langenhöffel,  kurz  den 
W^erken  jener  kurfürstlichen  Akademiker  nachzugehen. 

Von  Krähe  besitzt  die  Akademie  noch  zwei  Bilder,  die  „Ver- 
suchung des  heiligen  Antonius"  und  „den  trauernden  Petrus",  dann 
sein  Porträt,  gemalt  von  dem  Dänen  Erich  Paulsen,  der  eine  Zeit  lang 
in  Düsseldorf  gearbeitet  hat  und  auch  einer  der  auswärtigen  akade- 
mischen Titularprofessoren  war.  Dem  Bildhauer  Bäumgen,  der  in  dem 
akademischen  Lehrer- 


ANTON   SCHAFFER 

Medaille  zur  Düsseldorfer 

Akademiegründung 

Vorderseite 


coUegium  eme  eigen- 
thümliche  Rolle  ge- 
spielt zu  haben 
scheint,  war  bisher 
nur  der  Sockel  zu 
Grupellos  Marmor- 
standbild des  Kurfürsten  im  Hof  der  jetzigen 
Kunstgewerbeschule  zuzuschreiben.  In  den  letzten 
Jahren  glaubte  man  nicht  ohne  Grund  in  einigen 
Sandsteinfiguren  der  vier  Jahreszeiten  in  einem 
dem  Hofgarten  benachbarten  Garten  Werke  seiner 
Hand  erblicken  zu  sollen.  Nach  urkundlichen 
Nachrichten  hat  nämlich  Bäumgen  in  der  That 
im  Auftrage  der  Regierung  im  Jahre  1774  vier 
gröfsere  Sandsteingruppen,  sowie  1777  zwölf 
Kindergruppen,  die  Monate  darstellend,  für 
den  damals  neu  angelegten  Hofgarten  ange- 
fertigt. Die  Figuren,  noch  in  dem  übermäfsig 
schwulstigen  Stil  des  niederländischen  Rococo, 
entbehren  gleichwohl  nicht  einer  gewissen 
malerischen  W^irkung.  Eine  derselben  fiel  übri- 
gens noch  in  den  letzten  Jahren  dem  allzeit 
lebendigen  Vandalismus  und  Unverständnifs  der 
Epigonen  zum  Opfer,  so  dafs  also  jetzt  nur 
noch   drei  vorhanden  sind. 

Auch  Johann  Joseph  Langenhöffel  war,  wie 
Krähe  und  Bäumgen,  ein  geborener  Düsseldorfer 
und  ein  ebenso  vielseitiger  und  erfolgreicher, 
wie  in  W^ahrheit  kläglicher  Künstler.  Er  malte 
mythologische  Bilder  und  Porträts,  er  radirte 
und   wurde   später  Hofmaler   und  sogar  Galerie- 

director.     Von   seiner 
Hand  stammen  gröfs- 

tentheils  die  zwar 
nicht     ungeschickten, 
aber       charakterlosen 


BAUMGEN 
Der  Sommer 


ANTON  SCHAFFER 

Medaille  zur  Düsseldorfer 

Akademiegründung 

Rückseite 


und  flüchtigen  Radirungen,  die,  zu  einem  Sammelwerk  vereinigt,  die 
hervorragendsten  Handzeichnungen  des  Düsseldorfer  Cabinets  veröffent- 
lichten, ein  Unternehmen,  das  viel  Geld  kostete  und  mit  einer  Art 
Bankrott  abschlofs. 

Neben  Krähe  wirkte  als  Secretär  der  Akademie  der  Maler  Joseph 
Augustin  BruiUot  1739 — 1827,  dessen  Sohn  Franz  Bruillot  Kupferstecher 
und  später  Conservator  des  Kupferstichcabinets  in  München  war;  sein 
„Dictionnaire  des  Monogrammes"  ist  noch  heute  im  Gebrauch. 

Ein  nicht  unbegabter  Künstler  war  ferner  Anton  Wisselinck,  der, 
in  Soest  geboren,  in  Düsseldorf  studirte,  und  späterhin  Porträts, 
Historienbilder    und   Deckengemälde    historischen    Inhalts    malte;    so    in 


24 


ERICH  PAULSEN-MALLET 
Bildnis  des  Akademiedirectors  Lambert  Krähe 


einem  später  verbrann- 
ten Gouvernementsge- 
bäude auf  der  Thomas- 
Bastion,    ferner    in    der 

Bilker  Kirche  und 
Decken  im  Schlofs  Bens- 
berg. Porträts  sind  noch 
in  Privatbesitz  erhalten 
geblieben,  so  ein  Selbst- 
porträt des  Malers, 
etwas  hart  und  steif, 
ein  richtiges  Zopfbild, 
aber  dennoch  nicht  un- 
lebendig. 

Eine    problematische 
Natur  scheint  der  Por- 
trät-Miniatur- und  His- 
torienmaler Eduard 
Strehling    gewesen    zu 
sein.     Er    war    1768    in 
Düsseldorf  geboren,  kam 
nach    London,    von    da 
nach  Mainz  und  Peters- 
burg. Dort  malte  er  für 
den  Zaren,  trieb  grofsen 
Aufwand,  kam  aber 
später   wieder   nach 
Düsseldorf  zurück.  Von 

seinen  Kunstwerken 
ist  nichts  mehr  nachzu- 
weisen. 

Ein  wirklicher  Künst- 
ler neben  diesen  kleinen 
Geistern  war  der  in 
Darmstadt    geborene 
Kupferstecher  Carl  Ernst 

Christoph  Hefs,   der 
zweimal  eine  Zeit  lang 

in  Düsseldorf  weilte, 
dort    als    Professor    an 
der  Akademie  thätigwar 
und    einige    Blätter    des 
genannten      Handzeich- 
nungswerkes,  sowie 
einige  Radirungen  nach 
Rembrandtschen 
Bildern  der  Galerie 


BÄUMGEN 
Der   Frühling 


noch  heute  von  Werth 
sind.  Drei  seiner  Söhne 
widmeten  sich  mit  Er- 
folg der  Malerei,  doch 
ging  ihre  Thätigkeit  in- 
folge der  eingetretenen 
Umwälzungen  für  Düs- 
seldorf verloren.  Sie 
arbeiteten  meist  in  und 
lür  Bayern. 

Immerhin  ist  es  be- 
merkenswerth,  dafs  sie 
Schüler  der  Akademie  in 
Düsseldorf  gewesen  wa- 
ren, wie  denn  überhaupt 
die  Lehrthätigkeit  der 
genannten  Professoren, 
immer  unterBerücksich- 
tigung der  damaligen 
Verhältnisse,  eine  er- 
folgreichere gewesen  zu 
sein  scheint,  als  ihr 
künstlerisches  Wirken. 
Unter  den  Schülern 
dieser  ersten  akade- 
mischen Zeit  wird  auch 
ein  Kapuziner  genannt, 
FraterGuardian,  dereine 
Anbetung  der  Hirten  in 
der  Maxpfarre  malte. 

Eine  weitaus  gröfsere 
Bedeutung,  als  alle  diese, 
erlangte  aber  der  in  Cal- 
cum  1750  geborene  Joh. 
Peter  Langer,  der  als 
Nachfolger  Krahes  in 
Düsseldorf  und  später  als 
Director  der  Akademie 
in  München  gewisser- 
mafsen  den  Uebergang 
aus  dem  XVIII.  in  das 
XIX.  Jahrhundert  ver- 
mittelte, und  in  dem 
Kampf  um  die  ,, neuere 
Kunst"  die  nicht  benei- 
denswerthe  Rolle  des 
Vertreters  der  alten  Zeit 
zu  spielen  hatte. 


radirte,    welch'    letztere 

Langer  ist  ein  höchst  charakteristischer  Typus  des  akademischen  Künstlers  jener  Zeit.  Zweifellos 
mit  grofsem  Talent  begabt,  würde  es  ihm  unter  anderen  Verhältnissen,  in  einer  anderen  Umgebung 
und  zu  einer  anderen  Zeit  vielleicht  gelungen  sein,  Werke  zu  schaffen,  die  sein  Leben  überdauert 
hätten.  Aber  der  Fluch  des  Epigonenthums  und  der  Decadence,  der  auf  der  ganzen  Zeit  ruhte, 
vor  dem  sich  nur  ganz  W^enige  hatten  retten  können,  lastete  auf  seinem  W^erk,  so  dafs  er  heute  zu 
den  fast  vollkommen  Vergessenen  gehört,  ungeachtet  der  grofsen  Rolle,  die  er  im  Leben  gespielt  hat. 

Sicherlich  war  er  nicht  ohne  Verdienst  als  Lehrer  und  Mensch,  wie  auch  sogar  als  Künstler. 
Es  gelang  ihm,  die  Düsseldorfer  Akademie  trotz  der  grofsen  Schwierigkeiten,  trotz  der  traurigen 
Zustände,  die  einer  Entwicklung  der  Kunst    in  ganz  Deutschland    so  überaus   ungünstig  waren,  zu 


27 


ANTON  WISSELINCK 
Selbstbildnis 


einer  gewissen  Höhe  zu  bringen,  ihr  sogar  über  die 
Grenzen  Deutschlands  hinaus  Achtung  und  Ruhm  zu 
verschaffen.  Goethe,  der  ihn  jedenfalls  bei  seinem 
zweiten  längeren  Aufenthalt  in  Düsseldorf  1792  kennen 
gelernt  hatte,  schätzte  ihn,  wie  mehrere  noch  erhal- 
tene Briefe  aus  verschiedener  Zeit  beweisen,  sehr 
hoch.  „In  Düsseldorf",  schreibt  1800  (Propyläen  III.  2) 
der  grofse  Dichter,  der  damals  begonnen  hatte,  sein 
Augenmerk  auf  die  Pflege  zeitgenössischer  Kunst  zu 
richten,  , .zeigt  sich  der  Einflufs  eines  einsichtsvollen, 
geschickten  und  thätigen  Lehrers,  der  eine  Galerie, 
Zeichensammlung  und  antike  Muster  die  Schüler  be- 
nutzen lehrt." 

In    diesen    jedenfalls     höchst    anerkennend     ge- 
meinten Worten  ist  Langer  ja  nun  in  seinem  ganzen 
Verdienst,    aber,    freilich    von    Goethe    vielleicht    un- 
gewollt,    auch     in    seiner    ganzen    Beschränkung    ge- 
schildert.    Einsichtsvoll  war  er  ja  wohl,  aber  nur  im 
Sinne  jener  nachahmenden  Zeit,  geschickt  war  er  ohne 
Zweifel  auch,  vielleicht  nur  zu  sehr,  denn  seine  Bildnisse 
haben   ganz   den  Charakter   der  gewandten,   den  alten 
Meistern  oberflächlich  abgesehenen  Technik,  die  sich 
damals  in  England  und  den  Niederlanden  erhalten  hatte, 
und  thätig  war  Langer  in  hohem  Grade,  das  beweist 
sein  vielseitiges  Schaffen,    das  beweisen  seine  Bemü- 
hungen  um   die  Schule   und  um  gewisse    andere    Be- 
strebungen,   die  auch  nur  an   der  Ungunst   der  Zeiten 
scheiterten  und  ein  besseres  Los  verdient  hätten. 
Dafs    aber  Langer    auch    nur    einen  Funken    wirklich    künstlerischen  Geistes    besessen    hätte, 
der  ihn  befähigte,  sich  über  seine  Zeit  zu  erheben,    etwas  Dauerndes    zu  schafTen    oder   nur  unter 
seinen    vielen    Schülern    den  Einzigen   zu    erkennen,    der    auserwählt    war,    —    davon    konnte   auch 
Goethe  allerdings  nichts  schreiben. 

Man  wird  heute  von  den  Langerschen  Arbeiten,  die  er  in  Düsseldorf  und  München,  den 
beiden  Stätten  seiner  Wirksamkeit,  schuf,  nur  den  Bildnissen  ein  gewisses  Interesse  noch  zu- 
gestehen können.  Sie  zeigen  in  der  That  eine  Leichtigkeit  der  Technik,  eine,  wenn  auch  ober- 
flächhche,  Geschicklichkeit  der  Anordnung  und  der  Auffassung,  die  als  ein  letzter  Rest  der 
niederländischen  Porträtkunst  sich  bis  auf  diese  Zeit  gerettet  hatten,  dann  aber  mit  ihm  zu  Grunde 
gingen,  um  für  nur  zu  lange  Zeit  aus  der  deutschen  Kunst  zu  verschwinden. 

Es  ist  der  alte  Vorwurf,  der  den  verdienten  Neubegründern  der  deutschen  Kunst  allerdings 
nicht  erspart  werden  kann,  dafs  sie  in  übertriebener  Betonung  des  geistigen  Inhalts,  die  technische 
Ausgestaltung  vernachlässigt  und  so  in  Wirklichkeit  die  letzten  Reste  dieser  Tradition  verloren 
haben,  und  es  ist  merkwürdig,  wie  gerade  die  Unterbrechung  der  künstlerischen  Thätigkeit  zu 
Anfang  des  Jahrhunderts  in  Düsseldorf  dieses  Vergessen  und  Verlieren  des  Malenkönnens  ver- 
ursacht zu  haben  scheint. 

Während  nämlich  der  alte  Langer  in  seinen  theilweise  recht  flott  gemalten  Bildnissen  die 
alte  Technik,  soweit  es  seine  Fähigkeiten  überhaupt  gestatteten,  noch  durchaus  beherrschte,  hatte 
sein  Sohn  Robert,  den  er  doch  neben  sich  und  Rafael  als  den  einzigen  grofsen  Künstler  anerkannte, 
das  Malen  thatsächlich  schon  nicht  mehr  gelernt.  Sein  grofses  Bild  in  der  Düsseldorfer  Akademie 
zeigt  keine  Spur  mehr  von  der  gewandten  Pinselführung  und  der  unleugbaren  coloristischen  Ge- 
schicklichkeit, die  den  Porträts  seines  Vaters  nicht  abgesprochen  werden  können.  Es  ist  vielmehr 
bunt  und  hart  in  der  Farbe,  trocken  und  leblos  in  der  Malerei,  ganz  im  Sinne  der  französischen 
Klassicisten,  wenn  auch,  weil  in  München  gemalt,  vielleicht  nicht  ganz  so  schlimm,  wie  die 
Arbeiten  Dieser.  Auch  Kolbe,  der  J.  P.  Langers  Schüler  war,  hat  unter  dem  Einflufs  seines 
Pariser  Aufenthalts  das  wahrscheinlich  in  Düsseldorf  erworbene  Können  verloren  und  es  nicht 
wieder  ganz  zurückerobern  können. 

Von  den  Menschen,  die  Langer  gemalt  hat,  gehören  einige  der  alten  Düsseldorfer  Familie 
Jacobi  an,    in    deren  Hause    der  Akademiedirector  wohl   auch    den  Weimarer  Gast   kennen   gelernt 


28 


hat.  Es  ist  sogar  nicht  ausgeschlossen,  dafs  der  Gedanke  der  Weimarer  Concurrenzen,  von 
denen  noch  die  Rede  sein  wird,  Goethe  von  Langer  eingegeben  worden  ist,  denn  diese  echt 
akademische  Einrichtung  bestand  in  Düsseldorf  schon  seit  längerer  Zeit.  —  In  seinen  Figuren- 
bildern ist  Langer  durchaus  unoriginell  und  steht  ganz  unter  dem  Einflufs  des  Eklekticismus. 
Einige  Skizzen  von  ihm  besitzt  die  Galerie  in  Schleifsheim  und  ein  grofses  Altarbild  die  Carmeliter- 
kirche  in   München. 

Auch  mit  der  Radirung  hat  sich  Langer  beschäftigt,  indem  er  theils  Bilder  alter  Meister, 
theils  eigene  Entwürfe  geätzt  hat.  Eine  Folge  von  Apostelfiguren,  die  er  nach  Rafael  bezw.  Mark 
Anton  ausiührte,  fand  wiederum  durch  Goethe  eine  eingehende  Besprechung,  wenn  auch  nicht 
unbedingtes  Lob.     (Teutscher  Mercur  1789,  IV.  Vierteljahr,  p.  269-277.) 

Um  der  Vielseitigkeit  und  dem  an  und  für  sich  praktischen  Sinne  Langers  gerecht  zu  werden, 
mufs  auch  ein  von  ihm  ins  Leben  gerufenes  Unternehmen  erwähnt  werden,  das  einen  eigentlich 
durchaus    modernen  Gedanken    verfolgte,    leider   aber   auch  keinen   nachhaltigen  Erfolg  errang.     Es 


JOH.  PET.  LANGER 
Bildnis  der  Frau  Arnold  Böninger 


JOH.  PET.  LANGER 
Bildnis  der  Frau  J.  G.  Böninger 


war  die  Einrichtung  des  sogenannten  mechanographischen  Instituts,  d.  h.  einer  Art  Tapetenfabrik, 
die  von  künstlerischen  Gesichtspunkten  aus  geleitet  werden  sollte,  also  eine  angewandte  Kunst  in 
ganz  modernem  Sinne  anstrebte.  Die  Anstah  scheint  in  Duisburg  eingerichtet  worden  zu  sein, 
wenigstens  war  ein  Mitglied  der  Familie  Böninger  dabei  betheiligt,  und  hatte  auch  ein  Gebäude, 
die  sogenannte  Mühle,  zur  Veriügung  gestellt.  Langer  malte  damals  auch  verschiedene  Mitglieder 
dieser  Familie,  und  diese  Bildnisse  gehören  mit  zu  dem  Besten,   was  er  gearbeitet  hat. 

Uebrigens  erwähnt  Goethe  a.  a.  O.  auch  jener  Anstalt,  aber  nicht  gerade  in  günstigem  Sinne, 
er  glaubt  sogar  die  Langerschule  „für  zu  viel  Praktik  und  die  Einwirkung  des  mechanographischen 
Instituts"   warnen  zu  sollen. 

Von  den  bevorzugten  Schülern  Langers  haben  eine  gewisse  Bedeutung  nur  Clemens  Zimmer- 
mann, der  Sohn  des  Directors  Robert  Langer  und  Heinrich  Kolbe  erlangt.  Die  Hauptthätigkeit 
der  beiden  ersteren  tällt  aber  nach  München  und  nur  Kolbe,  der  der  Aelteste  von  ihnen  war, 
hatte  schon  in  Düsseldorf  angelangen,  selbständig  zu  arbeiten;  er  war  unter  anderem  auch  bei  dem 
mechanographischen    Institut    thätig,    verliefs    aber  Düsseldorf   schon  Ende    1800,    um    eine  gröfsere 


29 


Reise  nach  Paris  zu  unternehmen.     Später  kam  er  dann  nach  Köln  und  Düsseldorf  zurück,  wo  er 
an  der  preufsischen  Akademie  eine  ziemlich  traurige  Rolle  spielte. 

Langers  Thätigkeit  hatte  nicht  vermocht,  dauernd  gegen  die  Ungunst  der  Zeiten,  die  unter  den 
kriegerischen  Verhältnissen  sich  immer  schlimmer  gestalteten,  anzukämpfen.  Die  Akademie  verfiel 
immer  mehr,  die  Schülerzahl  wurde  immer  geringer,  und  im  Jahre  1801  sind  nur  noch  Langer  und 
der  alte  1739  geborene  Bruillot,  sowie  der  Kupferstecher  Thelott  als  Lehrer  thätig.  Im  Jahre  1805 
wurde  noch  ein  gewisser  Carl  Friedrich  Schäffer  als  Professor  der  Architektur  angestellt,  aber 
schon  im  nächsten  Jahre  brach  die  Katastrophe  herein,  welche  der  Düsseldorfer  Kunst,  wieder 
einmal  scheinbar  für  alle  Zeiten,  ein  Ende  machen  sollte. 

Die  Veränderungen,  welche  die  europäische  Kunst,  wie  alle  andern  Gebiete,  in  der  Zeit  der 
Jahrhundertwende  durchmachte,  hatten  sich  in  Düsseldorf,  den  Verhältnissen  entsprechend,  nur 
schwach  wiedergespiegelt,  wie  ja  auch  die  ältesten  und  älteren  Bestrebungen  auf  diesem  Gebiete 
in  Düsseldorf  nur  ein  schwaches  Bild  von  den  grofsen  Strömungen  hatten  geben  können.  War 
Johann  Wilhelm  nur  ein  ganz  kleiner  Louis  XIV.  gewesen,  so  ging  die  Zeit  des  Uebergangs  von 
der  Allonge-  zur  Rococoperücke    für  Düsseldorfs  Kunstzeit    ganz  verloren,    und  nur  der  eigentliche 

Zopf  macht   sich    in    der   neugegrün- 
deten Akademie  bemerklich. 

Die  Zeit  Louis'  XV.  mit  ihren 
Anfängen  des  Klassicismus,  die  Re- 
volutionszeit, die  im  Gegensatz  zu 
dem  welschen  eleganten  Rococo  und 
dem  steifen  norddeutschen  Zopf  ihre 
Vorbilder  schon  im  alten  Rom  suchte 
und  so  das  Empire  gewissermafsen 
vorfühlte,  das  Empire  selbst  mit 
seinem  Römerthum,  das  in  Deutsch- 
land bald  zum  spiefsbürgerlichen 
Biedermannsstil  abflaute,  brachte  für 
Düsseldorf  eigentlich  nur  den  lang- 
samen aber  unaufhaltsamen  Nieder- 
gang mit  schwachen  Reflexen,  von 
dem,  was  draufsen  geschah.  Und 
dieser  Niedergang,  der  etwa  seit  dem 
Tode  Carl  Theodors  begonnen  hatte, 
fand  im  Jahre  1805  sein  Ende  mit 
Schrecken. 

In  diesem  Jahre  nämlich  wurde 
die  berühmte  Galerie,  die  der  natür- 
liche Halt  der  ganzen  Kunstschule 
gewesen  war,  zum  drittenmal,  und 
diesmal  auf  Nimmerwiederkehr,  von 
Düsseldorf  weggeführt,  und  zwar 
nach  München;  ihr  folgten  die  Galerie-  und  die  meisten  Akademiebeamten  mit  der  Hoffnung,  in 
dem  neuen  bayrischen  Königreich  von  Napoleons  Gnaden,  ein  neues  Leben  beginnen  zu  können. 
Der  Nachfolger  des  kinderlosen  Carl  Theodor,  Max  Joseph  von  Pfalz-Zweibrücken,  hatte 
zwar  unter  anderm  die  Pfalz  und  Jülich  im  Luneviller  Frieden  an  seine  Bundesgenossen,  die 
Franzosen,  abtreten  müssen,  reclamirte  aber  die  Galerie  und  die  in  Bensberg  befindlichen  Bilder 
als  Familieneigenthum,  damit  sie  nicht  von  den  Preufsen,  die  damals  gegen  die  verbündeten 
Rheinbundmächte  und  Frankreich  kämpften,  geraubt  würden,  und  liefs  sie,  trotz  des  Widerspruchs 
der  Düsseldorfer  Stände,  nach  Kirchheimbolanden  schaffen,  von  wo  Frankreich  sie  seinem  Bundes- 
genossen nach  München  zugehen  liefs.  1806  kam  auch  das  Herzogthum  Berg  an  Frankreich,  aber 
sein  neuer  Herrscher  Murat  gab  dem  zweimaligen  Andrängen  der  Stände  um  Rückforderung  der 
Galerie  so  wenig  Gehör,  wie  es  Max  Joseph  auf  diese  Forderungen  selbst  gethan  hatte. 

Das  späterhin  von  Düsseldorf  aus  an  Preufsen  gestellte  Ansinnen,  die  Rückgabe  der  Galerie 
von  Bayern  durchzusetzen,  gab  Anlafs  zu  langen  Verhandlungen,  die  vielleicht  zu  einem  Rechts- 
streit geführt  hätten,  wenn  nicht  im  Jahre  1871  Kaiser  Wilhelm  entschieden  hätte,  dafs  die  Galerie 
in  Anerkennung  der  von  Bayern  geleisteten  Hülfe  gegen  Frankreich  in  München  verbleiben  sollte. 


ALOYS    CORNELIUS 
Priamus  fordert  die  Leiche  seines  Sohnes  von  Achilles 


30 


Wie  wenig  aussichtsreich  ein  Rechtsstreit  für  Preufsen  gewesen  wäre,  geht  übrigens  u.  a.  auch 
daraus  hervor,  dafs  schon  im  Jahre  1738  die  Erhaltung  der  Galerie  als  Fideicommifsmasse  beim 
Kurhause  von  Seiten  der  Stände  zugestanden  und  1734  die  Ueberlieferung  nach  Mannheim  ver- 
sprochen worden  war.  Auch  die  Franzosen  hätten  die  kostbare  Sammlung  ihrem  Bundesgenossen 
sicher  nicht  wiedergegeben,  wenn  sie  dieselbe  als  Landeseigenthum  erkannt  hätten. 

*  * 

So  schien  es  also,  als  ob  mit  dem  alten  Jahrhundert  für  Düsseldorf  auch  die  Kunst  begraben 
werden  sollte,  aber  dennoch  war  noch  innerhalb  dieses  XVIII.  Jahrhunderts  in  Düsseldorf  der 
Mann  geboren  worden,  der  berufen  war,  nicht  nur  seiner  Vaterstadt,  sondern  dem  ganzen,  damals 
allerdings  noch  den  berüchtigten  geographischen  Begriff  vorstellenden  Vaterlande,  eine  neue,  eine 
ganz  neue,   weil  nationale  Kunst,   wenn  nicht  im  ganzen  Umfange  zu  geben,   so   doch  vorzubereiten. 

Peter  Cornelius  war  der  Sohn  des  kurfürstlichen  Akademie-Inspectors,  aufserordentlichen 
Mitglieds  der  Akademie  und  Lehrers  der  Elementarklasse  Aloys  Cornelius,  und  wurde  als  das 
vierte    Kind    seiner   Eltern    am    23.    September    1783    in    Düsseldorf   geboren.      Sein    Vater    war    ein 


fleifsiger  Künstler,  der  in 
dem  Sinne  der  Krähe  und 
Langer  seine  Bilder  malte. 
Die  ,, Stigmatisation  des 
heiligen  Franziskus"  in 
der  Franziskanerkirche  zu 
Aachen  gilt  als  seine  beste 
Arbeit.  Eine  Handzeich- 
nung, jedenfalls  eine  Con- 
currenzarbeit  zu  dem  ge- 
gebenen Thema  ,,Priamus 
erbittet  die  Leiche  seines 
Sohnes  von   Achilles"   im 

Kupferstich -Cabinet  zu 
Düsseldorf,  gez.  Cornelius 
anno  1789,  ist  jedenfalls 
von  ihm  und  zeigt  ihn  ganz 
im  Banne  des  manierirten 
Klassicismus  jener  Zeit. 
Er  starb  1799,  und  Peter 
Cornelius  hatte  mit  seinem 
älteren  Bruder  Lambert, 
der  späterhin  das  Amt  des 
Vaters  erhielt,  die  Aufgabe, 
seine  zahlreiche  Familie 
zu  unterhalten. 


PETER   CORNELIUS 

Bildnis  des  Herrn   Feltmann 


Peter  Cornelius  war 
damals  unter  Langer 
Akademieschüler,  und  sein 
Lehrer  rieth  der  Mutter 
aufs  Entschiedenste,  den 
Sohn  das  Handwerk  eines 
Goldschmiedes  lernen  zu 
lassen,  ein  Beweis,  dafs 
der  i6jährige  sich  schon 
damals  in  bewufstem  Ge- 
gensatz zu  dem  berühmten 
Akademiedirector  befand, 
und  dafs  dieser  keines- 
wegs imstande  war,  den 
eigenartigen  Geist  seines 
Schülers  zu  erfassen. 

Cornelius  folgte  dem 
guten  Rath  nicht,  sondern 
theilte  in  rastloser  Arbeit 
seine  Zeit  zwischen  selb- 
ständigen künstlerischen 
Entwürfen,  und  zwischen 
Werken,  die  dem  Brot- 
erwerb dienen  mufsten. 
Von  den  letzteren  nennt 
er    selbst     Kalenderzeich- 


nungen, Kirchenfahnen,  Bildnisse,  und  giebt  damit  ein  Bild  dessen,  womit  damals  in  Düsseldorf 
die  jungen  Künstler  sich  ihr  Brot  verdienen  mufsten.  Man  hat  sich  dabei  unter  den  Bildnissen 
keineswegs  immer  Oelgemälde  zu  denken,  sondern  vielfach  wohl  nur  Bleistift-  oder  Kreidezeich- 
nungen. Ein  Porträt  des  Cornelius,  das  er  in  der  Zeit  1804 — i8o5  von  dem  Kaufmann  Feltmann 
nicht  ohne  technische  Gewandtheit  malte,  ist  noch  vorhanden.  Von  den  Kalenderzeichnungen, 
die  nur  in  den  Stichen  erhalten  sind,  stammt  aus  der  früheren  Zeit  nur  das  Titelbild  zu  Krum- 
machers Gedicht  ,,Die  Kinderwelt"  1806,  ,,Sokrates  lehrt  die  Kinder",  das,  von  Thelott  gestochen, 
durchaus  im  klassischen  Almanachstil  gehalten  ist. 

Die  künstlerischen  Arbeiten  aus  der  ersten  Zeit  sind  leider  nicht  alle  mehr  nachweisbar,  doch 
haben  einige  von  ihnen  deshalb  eine  gewisse  Bedeutung,  weil  sie  auch  Cornelius  in  Beziehungen 
zu  Deutschlands  gröfstem  Dichter,  zu  Goethe  zeigen,  und  das  merkwürdige  Schauspiel  bieten,  dafs 
der  Dichter,  der  für  die  nationale  Entwicklung  seines  Volkes  schon  fast  ein  Menschenalter  hindurch 
gearbeitet  hatte,  den  jungen  Künstler,  der  auf  verwandtem  Gebiete  das  Gleiche  erstrebte,  durchaus 
nicht  verstehen  wollte.  Freilich  hatte  Goethe  selbst  damals  dem  Klassicismus,  der  alles  Heil 
bedeutete  und  die  Völker  von  der  Frivolität  des  Rococo  erretten  sollte,  schon  seine  Opfer  dar- 
gebracht.    Auf   den    Götz    war    die    Iphigenia    gefolgt,    und  der  Faust   war    verhältnifsmäfsig   wenig 


31 


beachtet  worden.  In  seinen  Kunstanschauungen  stand  Goethe  mit  seinem  Beirath,  dem  Professor 
Meyer,  ganz  im  Banne  der  französischen  und  seit  Carstens  auch  deutschen  Römer-  und  Griechen- 
malerei   und    auf  dem  Boden    des  freihch    schon  sehr  zurückgegangenen  technischen  Manierismus. 

Das  hatte  ihn  ja  auch  mit  Langer  zusammengeführt,  und  in  diesem  Sinne  wurden  auch  die 
berühmten  Weimarer  Concurrenzen  bearbeitet.  Goethe  hatte  in  der  löblichen  Absicht,  die  Kunst 
zu  unterstützen,  seit  dem  Jahre  1799  den  deutschen  Künstlern  Preisaufgaben  gestellt  und  besprach 
im  Jenaischen  Litteraturblatt  die  preisgekrönten  und  die  besseren  der  eingesandten  Arbeiten.  Die 
Urtheile  sind  in  hohem  Grade  charakteristisch  für  die  Auffassung,  die  Goethe  und  mit  ihm  doch 
also  wohl  die  Elite  der  Kunstverständigen  in  Deutschland  vertrat. 

Wo  es  möglich  ist,  sie  mit  den  gelobten  Arbeiten  zu  vergleichen,  geben  diese  Urtheile  ein 
klares  Bild  von  dem  Standpunkte  des  damaligen  Kunstverständnisses,  und  die  gegebenen  Motive 
zeigen  deutlich  den  herrschenden  Geist.  Es  mögen  deshalb  diese  nach  so  vieler  Richtung  hin, 
besonders  in  den  gestellten  Aufgaben,  interessanten  und  für  die  Zeit  charakteristischen  Preis- 
ausschreiben an  dieser  Stelle  einmal  im  Zusammenhang  verzeichnet  werden,  um  so  mehr  als  sie 
in  den  ersten  Jahren  auch  einen  anderen  Düsseldorfer  Künstler,  den  schon  oben  erwähnten  und 
später  wieder  zu  nennenden  Heinrich  Kolbe  in  hervorragender  W^eise  thätig  zeigen. 

Schon  gleich  bei  dem  ersten  Preisausschreiben  hatte  dieser  nämlich  mit  Hartmann  in  Stutt- 
gart zusammen  den  ersten  Preis  errungen.  Die  Aufgabe  war:  „Aphrodite  führt  dem  Paris  die 
Helena  zu".  Dieser  Erfolg  hat  Kolbe  vielleicht  ermuthigt,  später  ein  Bild  ,, Paris  und  Helena"  zu 
malen,  von  dem  sogar  Nagler  sagt,  dafs  es  im  Kostüm  der  grofsen  Oper  gehalten  sei.  Auch  im 
folgenden  Jahr  errang  Kolbe  mit  der  Lösung  der  beiden  Aufgaben:  „Abschied  des  Hector"  und 
,,Tod  des  Rhesos"  mit  Hartmann  und  Hoffmann  in  Köln  und  dem  famosen  Joh.  Aug.  Nahl  (dem 
Jüngeren)  in  Cassel  zusammen  ein  grofses  Lob,  und  nicht  minder  im  Jahre  1801  (,,Achill  auf  Skyros" 
und  , .Achilles  im  Kampf  mit  den  Flüssen"),  wo  er  von  Paris  aus  mit  concurrirt  und  zwei  Oel- 
gemälde  beigefügt  hatte.  Goethe  fand  in  der  Arbeit  „Achill  auf  Skyros"  eine  gute,  zum  Grofsen 
und  Mächtigen  sich  neigende  Manier;  den  Preis  erhielten  Nahl  und  der  Kölner  Jos.  Hoffmann. 
Das  Jahr  1802  mit  der  Aufgabe  „Perseus  und  Andromeda"  brachte  Kolbe  nur  ein  Lob,  der  Preis 
fiel  an  Ludwig  Hummel  in  Neapel. 

Kolbe  verschwindet  nun  von  der  Bildfläche,  dafür  tritt  aus  Düsseldorf  Peter  Cornelius  mit 
in  den  Wettbewerb,  freilich  ohne  es  jemals  weiter  als  zu  einem  meist  recht  eingeschränkten 
Lobe  zu  bringen.  Im  Jahre  1803  sandte  er  eine  Zeichnung  zu  dem  Thema:  „Odysseus  und  der 
Cyclop",  die  leider  ebenso  wie  die  meisten  anderen  Corneliusschen  Preisarbeiten  verschollen  zu 
sein  scheint,  so  dafs  vorläufig  ein  Vergleich  mit  den  Goetheschen  Bemerkungen  nicht  möglich  ist. 

Wird  man  diesen  Kritiken  nach  Mafsgabe  des  Anderen,  z.  B.  dem  schwächlichen  Kölner 
Hoffmann,  gespendeten  Lobes  nicht  allzuviel  \Verth  beilegen  dürfen,  so  ist  eine  Bemerkung  Goethes, 
den  sein  feiner  Sinn  doch  nicht  gänzlich  im  Stiche  liefs,  interessant.  Nachdem  es  heifst,  dafs 
Zeichnung,  Stil  und  Geschmack  der  Formen  nicht  zu  Lobsprüchen  auffordern,  „hegen  wir  dessen- 
ungeachtet von  den  Fähigkeiten  des  Verfassers  keine  geringe  Meinung,  denn  der  Inhalt  seines 
Bildes  ist  mit  Fleifs  zusammengedacht.  Seine  Gedanken  haben  zwar  eine  für  bildende  Kunst 
nicht  ganz  passende  Richtung,  aber  doch,  so  wie  sie  dargestellt  sind,  innerlichen  Zusammenhang". 
In  diesen  Worten  liegt  etwas,  das  Cornelius  auch  in  seinen  späteren  Werken  treffen  dürfte. 
Schade  nur,  dafs  Goethe  von  der  Gröfse  des  Cornelius  aus  den  jugendlichen  Arbeiten  nichts  heraus- 
gefühlt hat,  sondern  nur  das,  was  seine  Schwäche  vielleicht  schon  war  und  bleiben  sollte.  — 
Schliefslich  werden  dem  jungen  Mann  von  Fähigkeiten  gebildete  Rathgeber  gewünscht,  also  das 
berühmte  Programm:  der  Künstler,  geleitet  von  gebildeten  Rathgebern,  den  Gelehrten,  das,  nach- 
dem es  so  heillosen  Unfug  in  der  deutschen  Kunst  angerichtet  hat,  auch  heute  noch  immer 
nicht  ganz  unschädlich  gemacht  ist. 

Im  nächsten  Jahre  1804  war  die  Aufgabe  endlich  einmal  eine  etwas  reichere  gewesen:  ,,Das 
Menschengeschlecht  vom  Element  des  Wassers  bedrängt",  und  es  ist  bemerkenswerth,  dafs 
Cornelius  hier  nicht  einen  historischen  Vorgang,  wie  etwa  die  Sintfluth,  wählt,  sondern  einen  nahe- 
liegenden genrehaften,  den  Untergang  eines  Schiffes.  Auch  diesmal  ist  die  Anerkennung  sehr 
kühl,  doch  werden  Fortschritte  anerkannt  und  bemerkt,  er  verdiene  Aufmunterung.  Den  Preis 
gewann  ein  Mann  Namens  Grüner,  und  an  zweiter  Stelle  wird  ein  Düsseldorfer  genannt,  aber 
nicht  Cornelius,  sondern  der  junge  Robert  Langer,  der  ,,in  betreff  richtiger  Contour  und  regelmäfsiger 
Gruppirung"  besser  als  einer  der  übrigen  Preisbewerber  befriedigt  habe.  An  dritter  Stelle  kommt 
Hummel    in    Cassel    und    dann    erst    Cornelius.      Fast    zuletzt    wird    ein    junger    Berliner    Bildhauer 

32 


genannt,  der  ein  Basrelief  eingesandt  hatte.  Es  war  Schadow  der  Jüngere  aus  Berlin,  der  älteste 
Sohn  des  Berliner  Akademiedirectors  Gottfried  Schadow,  Rudolf,  der  schon  1822,  37  Jahre  alt,  starb. 

Das  Jahr  1805,  es  sollte  die  letzte  Concurrenz  stattfinden,  hatte  w^ieder  eine  mythologische  Auf- 
gabe gebracht,  nämlich  eine  der  Thaten  des  Herkules.  Cornelius  stellte  den  Heros  dar,  ,,wie  er  dem 
Theseus  und  Peirithous  wehrt,  den  Styx  zu  überschreiten,  die  gekommen  waren,  Proserpina  aus 
der  Unterwelt  zu  entführen".  Es  ging  ihm  nicht  besser  als  früher,  und  den  ersten  Preis  bekam 
wieder  Joseph  HofTmann  in  Köln,  über  den  sich  Cornelius  mit  grofser  Offenheit  und  bitterer  Schärfe 
einmal  ein  Jahr  früher  in  einem  Briefe  an  seinen  Freund  Flemming  ausgesprochen  hatte. 

Da  diese  Arbeit  des  Cornelius,  ein  grofser  Carton,  noch  erhalten  ist  (in  der  Nationalgalerie 
zu    Berlin),     so    ist    die    Beurtheilung    desselben    möglich.     Man    wird    nicht    umhin    können,    der 


PETER   CORNELIUS 
Herkules  in   der  Unterwelt 

freilich  akademisch  klassicistischen  Composition  in  vieler  Beziehung  Anerkennung  zu  zollen. 
Die  nackten  Körper  sind  mit  einem  für  die  Zeit  bemerkenswerthen  Naturgefühl  behandelt.  Die 
Hauptgruppe  ist  einfach,  klar  und  verständlich,  und  wenn  Herkules  etwas  wild  erscheint,  so  hat  die 
statuarische  Ruhe  der  beiden  anderen  Hauptfiguren  etwas  durchaus  Würdiges  und  in  gutem  Sinne 
Klassisches.  Dafs  Goethe  wegen  kleiner  Proportionsfehler  (z.  B.  zu  grofser  Füfse)  ,,die  meisten 
Figuren  mifsgestaltet"  findet,  ist  nur  aus  seinem,  an  der  aus  dem  Rococo  stammenden  zierlichen 
Puppenhaftigkeit  der  Figuren  Anderer,  verbildeten  Geschmack  zu  erklären.  Man  wird  in  diesen 
und  ähnlichen  Uebertreibungen,  von  denen  sich  Cornelius  so  wenig,  wie  Michel  Angelo  jemals 
ganz  frei  gemacht  hat,  eher  ein  Zeichen  überwallenden  Kraftgefühls  finden,  als  einen  Mangel  an 
Verständnifs  und  Können. 


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Begreiflicher  ist,  dafs  Goethe  der  Arbeit  eine  , .falsche  Auslegung"  gegeben  hat.  In  Wirk- 
lichkeit hat  Cornelius  eine  Scene  componirt.  die  der  Mythologie  nicht  entspricht.  Herkules  hat 
in  der  Unterwelt  den  Theseus,  der  wegen  seines  Versuches,  die  Proserpina  zu  befreien,  dort 
angekettet  war,  befreit.  Den  Peirithous  zu  befreien,  mifslang  ihm.  Dafs  Herkules  zu  der  Zeit, 
da  jene  Beiden  ihren  verunglückten  Entführungsversuch  machten,  in  der  Unterwelt  gewesen  wäre, 
und  dafs  er  sie  an  ihrem  Unternehmen  gehindert  habe,  davon  meldet  die  antike  Mythe  nichts. 
Wie  Cornelius  an  diese  ganz  aus  der  Luft  gegriffene  Situation  gekommen  ist,  dürfte  schwer  zu 
sagen  sein.  Seine  mythologischen  Kenntnisse  scheinen  damals  nicht  ganz  einwandfrei  gewesen 
zu  sein.  W^as  Goethe  mit  Meleager  und  der  Medusa  will,  ist  freilich  ebenso  unklar,  und 
E.  Försters  Behauptung,  der  Stoff  sei  aus  dem  14.  Buch  von  Vergils  Aeneis  genommen,  macht 
die  Sache  auch  nicht  besser,  da  die  Aeneis  doch  nun  einmal  nur  zwölf  Bücher  oder  Gesänge 
hat.  Allerdings  beschwert  sich  der  höllische  Fährmann  (Vergil  Aeneis  6.  392  ff.)  über  die  Gewalt- 
thätigkeiten  der  drei  Helden  in  der  Unterwelt,  aber  eine  Situation,  wie  die  von  Cornelius  gezeichnete, 
wird  nicht  geschildert. 

Der  Gewinn  aus  diesen  Goetheschen  Kritiken  war  für  Cornelius  also  ein  sehr  geringer.  Die 
Hinweise  des  grofsen,  an  der  Spitze  der  damaligen  Civilisation  stehenden  Mannes  konnten  ihm  nicht 
einleuchten,  wenn  er  sah,  welchen  Leuten  dieser  die  Palme  zuerkannte.  Der  Jüngling,  der  einem 
Freunde  um  das  Jahr  1803  schrieb,  ,,ich  finde  nach  genauer  Selbstprüfung,  dafs  ich  die  Kunst  auf  einen 
ziemlich  hohen  Grad  bringen  könnte"  —  ,,doch  blofs  das  Höchste,  was  je  alte  und  neuere  Kunst 
hervorbrachten,  müfste  jetzt  das  Muster  meines  täglichen  Lebens  sein",  konnte  sich  unter  des 
pedantischen  Langers  Leitung  nicht  wohl  fühlen.  Und  doch  hatte  Goethe  gerade  diesen  und 
nicht  nur  ihn,  sondern  sogar  den  gleichalterigen  jungen  Langer  dem  Cornelius  als  Vorbilder 
bestimmt,  als  er  Robert  Langer  im  Jahre  1803  schrieb :  ,,W^ürde  Ihr  Herr  Vater,  würden  Sie  sich 
selbst  dieses  jungen  Mannes  (Cornelius)  dergestalt  annehmen,  dafs  er  über  Manches,  was  ihm 
noch  im  W^ege  steht,  leichter  hinüberschritte,  so  würden  Sie  sich  ein  grofses  Verdienst  erwerben. 
Vielleicht  sehe  ich  schon  übers  Jahr  die  Früchte  Ihrer  Einwirkung." 

Aber  Cornelius  liefs  sich  nicht  irre  machen,  und  hatte  der  Kunstkritiker  Goethe  den  Maler 
nicht  verstanden,  so  verstand  der  Maler  den  Dichter  Goethe  desto  besser.  Das  bewies  er  durch 
seine  spätere  Arbeit,  die  an  Goethe  anknüpfte  und  die  für  seine  und  die  ganze  deutsche  Kunst 
von  epochemachender  Bedeutung  werden  sollte. 

Von  den  künstlerischen  Arbeiten  der  ersten  Düsseldorfer  Zeit  sind  die  Concurrenzzeichnungen 
allerdings  gröfstentheils  verloren,  oder  doch  verschollen.  Zwei  Blätter,  die  Förster  als  im  Besitz 
des  Münchener  Kupferstichcabinets  befindlich  nennt  und  beschreibt,  haben  sich  als  Arbeiten  eines 
anderen  Künstlers  herausgestellt  (, .Jacobs  Segen"  und  die  Federzeichnung  des  „Herkules,  Theseus 
und  Peirithous" -Blattes).  ,, Moses  am  Felsenquell"  befindet  sich  ebenfalls  nicht  in  dem 
Münchener  Kupferstichcabinet,  dagegen  sind  als  letzte  Erinnerung  an  die  Neufser  W^andgemälde 
drei  kleine  gezeichnete  Figuren  in  Privatbesitz  noch  vorhanden.  Der  Auftrag,  im  Neufser 
Dom  zu  malen,  fällt  in  die  ersten  Jahre  des  neuen  Jahrhunderts,  ebenso  eine  zu  Grunde 
gegangene  Malerei  für  den  Vater  seines  Freundes  Flemming  in  Neufs.  In  Privatbesitz  wohl 
erhalten  ist  dagegen  die  sorgfältig  ausgeführte  Zeichnung  ,,Aeneas  Vater  weigert  sich  aus  Troja 
zu  fliehen"  nach  Aeneis  2.  634.  Namentlich  die  Gestalt  des  Anchises  ist  ausdrucksvoll  und  von 
grofser  W^ürde. 

Schon  im  Jahre  1803  hatte  Cornelius  die  Bekanntschaft  Boisserees  aus  Köln  gemacht,  der  ihn 
besucht  hatte,  als  er  gerade  an  dem  ,,Odysseus"  für  Goethe  malte,  und  etwa  im  Jahre  1805  lernte 
Cornelius  den  Domcapitular  Walraff  kennen,  der,  neben  Boisseree  einer  der  Hauptsammler  alter 
deutscher  Gemälde,  auf  seine  Anschauungen  von  gröfstem  Einflufs  gewesen  sein  mufs.  Ihm 
verdankte  Cornelius  den  Auftrag,  in  Chor  und  Kuppel  des  Domes  zu  Neufs  die  Gestalten  der 
Evangelisten  und  Apostel  sowie  Engelfiguren  grau  in  grau  zu  malen.  Diese  Arbeiten  sind  leider 
zu  Grunde  gegangen,  doch  sind  sie  immerhin  insofern  bedeutsam,  als  sie  Cornelius  zum  erstenmal 
auf  dem  Gebiete  thätig  zeigen,  das  er  später  mit  so  grofser  Zähigkeit  als  sein  eigentliches  Feld 
behauptet  hat.  Die  Arbeiten  in  Neufs  beschäftigten  ihn  von  1806 — 1808.  1824  waren  sie  noch 
wohlerhalten,  wurden  aber  1865  in,  wie  es  scheint,  ziemlich  pietätloser  W^eise  entfernt  und  durch 
andere  Bilder  ersetzt.  Eine  im  Jahre  1808  für  einen  Baron  von  Grainger  in  Düsseldorf  gemalte 
Bildnisgruppe  scheint  auch  verschollen. 

Glücklicher  erhalten  sind  verschiedene  andere  Oelgemälde,  die  Cornelius  in  jener  Zeit  schuf. 
Zwei  gröfsere  Tafeln  mit  den  14  Nothhelfern  aus  dem  Jahre  1804  hängen  noch  jetzt,  freilich  stark 
nachgedunkelt  und  schlecht  erkennbar,  im  Oratorium  der  barmherzigen  Schwestern  in  Essen.    Ein 

35 


Oelporträt,  die  aufschwebende  Gestalt  eines  Kindes  darstellend,  das  Cornelius  als  Erinnerung  an 
ein  verstorbenes  kleines  Mädchen  im  Jahre  1808  zu  malen  hatte,  befindet  sich  jetzt  in  der  Kunsthalle 
zu  Düsseldorf.  Erfreulicher  als  dieses  in  graugrünen  Tönen  gehaltene  Bild  mit  dem  weinerlichen 
Ausdruck  der  kleinen,  halb  realistischen,  halb  idealistischen  Kinderfigur  ist  das  Oelbild,  das  Cornelius 
im  folgenden  Jahre  im  Auftrage  eines  Fabrikanten  in  Eupen  malte  und  das  ..die  Unterweisung  in 
der  Webekunst  durch  Pallas  Athene"  darstellt.  Dieses  mäfsig  grofse  Bild  ist  nicht  nur  für  den 
Stand  der  damaligen  Düsseldorfer  Kunst  interessant,  sondern  besonders  deshalb,  weil  es  zeigt,  dafs 
Cornelius  zu  der  Zeit  thatsächlich  noch  malen  konnte,  was  man  ihm  später  durchaus  abgesprochen 
hat.  Es  ist  eine  ganz  eigenthümliche.  keineswegs  ungeschickte,  aber  aufserordentlich  zarte,  dünne 
und  blutarme  Malweise,  die  in  fast  raffinirter,  aber  decadenter  Manier  das  Material  benutzt,  eine 
flüssige  und  wirkungsvolle  Behandlung  des  Fleisches  mit  der  gebrochenen,  feingestimmten  Tönung 
der  Gewänder  in  Gegensatz  zu  setzen  versteht,  kurz  eine  technische  Gewandtheit  verräth,  die 
Cornelius  später  durchaus  verloren  hat. 

Die  Auffassung  und  Composition  ist  ganz  im  klassicistischen  Sinne  gehalten.  In  einem  von 
Säulenhallen  begrenzten  Hof  sitzt  in  der  Mitte  eine  weibliche  Gestalt  vor  dem  Webstuhl,  der  aller- 
dings mehr  einem  Stickrahmen  ähnlich  sieht.  Sie  wendet  sich  zu  der  mit  Helm  und  Lanze  steif, 
aber  nicht  ohne  Würde  links  hinter  ihr  stehenden  Pallas.  Eine  Gruppe  von  drei  Mädchen,  alle  in 
antiken  Gewändern,  die  aber  die  damalige  Mode  durchfühlen  lassen,  nimmt  die  rechte  Hälfte  des 
Bildes  ein.  Die  gelungenste  Figur  ist  unstreitig  die  mittelste  dieser  Damen.  Hier  scheint  Cornelius 
sich  ganz  an  ein  hübsches  Modell  gehalten  zu  haben,  das  er  fast  naiv  wiedergegeben  und  in  dem 
kindlich  neugierigen  Ausdruck  des  Gesichtchens,  der  einfachen  Haltung  mit  übereinander  gefaltenen 
Händen  reizvoll  und  lebendig  zu  treffen  verstanden  hat. 

Nichts  in  all'  diesen  Figuren  deutet  auf  den  späteren  Cornelius  hin,  nur  eine  hinter  der  Pallas 
auf  dem  Boden  hockende  und  Wolle  schneidende  Alte  zeigt  in  der  ausdrucksvollen  kräftigen 
Zeichnung  des  Kopfes,  der  allerdings  etwas  an  Rafael  erinnert,  und  der  Hände,  die  Klaue 
des  jungen  Löwen.  In  der  Farbe  ist  das  Bild  zwar  flau,  aber  auch  nicht  ohne  coloristischen 
Reiz.  Es  sind  die  zarten  gebrochenen  Töne,  wie  man  sie  etvi/a  auf  gleichzeitigem  Porzellan  findet, 
ein  wenig  grün,  violet,  viel  weifs  und  etwas  blau,  die  Alte  dunkelroth,  die  Architektur  braungrau, 
aber  das  Ganze  von  durchaus  coloristischer  Wirkung,  die  Cornelius  später  niemals  wieder  in  dem 
Mafse  erreicht  hat. 

Besonders  merkwürdig  ist  die  Malweise,  die  sich  an  die  Langersche  anlehnt  und  sie  gewisser- 
mafsen  noch  übertrumpft.  In  eine  dünne  braungraue  Untermalung  sind  die  kalten  hellen  Töne 
mit  weichem  Pinsel  nafs  in  nafs  hineingemalt,  und  im  Fleisch  ist  jenes  weiche  Lustre  thatsächlich 
noch  erreicht,  das  dann  auf  Jahrzehnte  hinaus  aus  der  Malerei  verschwinden  sollte.  Etwas  derber 
ist  der  theils  eckige,  theils  wulstige,  immer  aber  verständliche  Faltenwurf  behandelt,  wogegen 
die  Haare  in  manchmal  sehr  feiner  Weise  wieder  jene  Sparsamkeit  der  Mittel  bei  guter  Wirkung 
zeigen. 

Man  wird  diesem  Bilde  gegenüber  der  Schulung  Langers  eine  gewisse  Anerkennung  nicht 
versagen  können,  allerdings  es  auch  begreiflich  finden,  dafs  gerade  Cornelius  diese  feminine  Technik 
sobald  als  möglich  von  sich  warf.  —  Leider  hat  er  es  für  unter  seiner  W^ürde  gehalten,  sich 
später  eine  bessere  anzueignen. 

Die  Düsseldorfer  Arbeiten  zeigen  Cornelius  ganz  im  Fahrwasser  des  Klassicismus ;  von  einem 
Gegensatz  zu  Langer  oder  dessen  Schule  kann  eigentlich  gar  nicht  die  Rede  sein,  gewifs  nicht  in 
dem  Mafse,  als  man  aus  der  Antipathie  der  Beiden  gegeneinander  schliefsen  möchte.  Diese  mufs 
vielmehr  auf  persönlichen  Gründen  beruht  haben  und  auf  der  instinctiven  natürlichen  Gegner- 
schaft eines  kleinlichen,  pedantischen  Schulmeisters  gegen  seinen  genialen  Schüler. 

Die  künstlerische  Befreiung  von  der  Langerschule  nicht  nur,  sondern  von  dem  ganzen  Stil 
der  Zeit  vollzog  sich  bei  Cornelius  mit  der  Plötzlichkeit  eines  Naturereignisses.  Cornelius  war 
der  Erste,  dem  es  klar  wurde,  dafs  ein  W^erk,  ..mit  dem  er  vor  die  Nation  treten  wollte",  mit  dem 
er  der  Nation  eine  neue  Kunst  geben  wollte,  denn  kein  geringeres  Ziel  hatte  er  sich  mit  vollem 
Bewufstsein  gesteckt,   ,, deutschen  Ursprunges"  sein  müsse. 

Dafs  er  sich  an  ein  Dichtungswerk  anlehnen  müsse,  um  dem  Verständnifs  der  Zeitgenossen 
entgegenzukommen,  war  ihm  auch  klar  geworden.  Dafs  er  den  Faust  wählte,  war  der  Beweis 
seines  richtigen  Gefühls  für  die  Volksthümlichkeit  und  dichterische  Gröfse  des  Stoffes,  und  dafs 
er  für  seine  Formensprache  die  richtigen  Vorbilder  in  den,  ihm  durch  Boisseree  bekannt  ge- 
wordenen altkölnischen  Bildern,  vor  allem  auch  in  Albrecht  Dürers  Gebetbuch  Kaiser  Maximilians 
fand  —  das  ist  die  That,  durch  die    er    die    neue  Kunst    auf  ihre    alten  nationalen  Vorbilder  unter 

36 


PETER   CORNELIUS 
Erfindung  der   Webekunst 


3* 


Beiseitelassung  alles  Fremden  zurückführte,  damit  sie  sich  von  hier  aus  an  der  Hand  der  Natur 
folgerichtig  weiterbilde.  Also  dasselbe  Princip,  das  ein  halbes  Jahrtausend  früher  die  Renaissance 
schon  einmal  vollzogen  hatte. 

Der  berühmte  Hinweis  Goethes  auf  das  Gebetbuch  erfolgte  erst,  als  Cornelius  die  unter  dem 
Studium  desselben  vollendeten  Blätter  Goethe  vorgelegt  hatte,  und  dafs  Goethe  das  Studium  der 
gleichzeitigen  Italiener  empfahl,  beweist,  dafs  er  auch  damals  noch  die  That  des  Cornelius  gar 
nicht  verstanden  hat. 

Um  aber  die  Gröfse  derselben  zu  begreifen,  braucht  man  sich  nur  der  Weimarer  Con- 
currenzarbeiten  zu  erinnern.  Zwischen  ihnen  und  den  Faustzeichnungen  liegt  in  der  That  für  die 
deutsche  Kunst  die  Jahrhundertwende,  und  mit  den  Faustzeichnungen  beginnt  die  Kunst  des 
XIX.  Jahrhunderts. 

Freilich  mufste  sie  in  der  Folge  noch  manchen  Irrweg,  manche  Spirale  gehen,  aber  ihre 
Richtung  hat  sie  damals  erhalten:  Nationaler  Geist  in  nationaler  Form  an  der  Hand  des  Natürlichen. 

Dafs  Cornelius  selbst,  einem  fast  tragisch  zu  nennenden  Geschick  unterliegend,  sich  von  diesem 
^Vege  wieder  entfernte,  und  zwar  gerade  infolge  des  Studiums  der  ,, gleichzeitigen  Italiener",  dafs 
er  fast  genau  wieder  auf  den  Klassicismus  zurückkam,  das  vermag  sein  Verdienst,  das  er  durch 
die  Faust-  und  Nibelungenzeichnungen  sich  erworben  hat,  nicht  zu  schmälern. 

Die  Faustzeichnungen  wurden  nicht  in  Düsseldorf  selbst  vollendet,  aber  der  geistige  Sprung, 
den  sie  bedeuten,  gehört  noch  der  Düsseldorfer  Zeit  an ;  in  Düsseldorf  entstand  der  Plan  zu  dem 
Werk,  trotz  der  ganzen  Erbärmlichkeit  der  vaterlandslosen  Zeit,  aus  dem  unausrottbaren  deutschen 
Stammesgefühl  des  Rheinländers,    aus  dem  Idealismus  der  Jugend  und  aus  der  Kraft    des   Genies. 

Im  Jahre  1809  hatte  Cornelius  nach  dem  Tode  seiner  Mutter  gewissermafsen  als  Letzter  des 
alten  akademischen  Kreises  die  Vaterstadt,  die  ihm  nichts  mehr  zu  bieten  hatte,  verlassen.  Unwider- 
stehlich zog  es  ihn  hinaus,  aber  die  Verhältnisse  zwangen  ihn,  die  grofsen  Reisepläne  nach  Rom 
oder  Paris  vorläufig  fallen  zu  lassen  und  sich  zunächst  mit  Frankfurt  zu  begnügen.  Dort  hatte 
sich  fast  allein  in  Deutschland  unter  dem  Einflufs  des  geistreichen  Fürstprimas  Dalberg  eine  Art 
künstlerischen  Lebens  erhalten,  und  in  Frankfurt,  der  Geburtsstadt  Goethes,  entstanden  die  meisten 
der  Faustblätter,  um  von  hier  aus  zuerst  zu  Goethe  zu  gehen,  dann  in  Rom  vervollständigt  und 
gestochen  zu  werden. 

Wie  hoch  diese  Arbeiten  rein  künstlerisch  noch  heute  stehen,  das  bewies  ihre  Zusammen- 
stellung mit  allen  seither  geschaffenen  Faust-Illustrationen  auf  der  Düsseldorfer  Goethe-Ausstellung 
von  189g,  von  denen  keine  sich  trotz  aller  Fortschritte  der  Technik,  trotz  allen  Raffinements  der 
Ausführung  auch  nur  im  entferntesten  mit  ihrem  mächtigen  Ernst  und  der  zwingenden  Gewalt 
des  Eindruckes   messen  konnten. 

Wäre  Cornelius  von  den  Einflüssen  Roms,  die  ihn  von  den  deutschen  Stoffgebieten  und 
langsam  auch  von  deutschem  Geiste  abführten,  bewahrt  geblieben,  so  hätte  er  vielleicht  auch 
für  die  späteren  Jahrzehnte  das  sein  können,  was  er  damals  war  und  für  die  nächste  Zeit  blieb : 
ein  Vorbild  und  Bahnbrecher. 

Als  Cornelius  die  Vaterstadt  verliefs,  war  sein  Verhältnifs  zur  Akademie  nur  noch  ein  sehr 
loses  gewesen.  Sein  Bruder  Lambert  fungirte  dort,  wie  früher  sein  Vater,  als  Inspector,  und 
blieb  mit  dem  alten  Thelott  und  Schäffer  als  das  ganze  Lehrpersonal  der  mit  so  grofsem  Pomp 
gestifteten  Anstalt  zurück,  die  vollständig  einschlief,  wie  das  künstlerische  Leben  in  Düsseldorf 
überhaupt. 

Schon  zu  französischer  Zeit  hatte  die  Akademie  ihr  Gebäude  dem  Ministerium  des  Innern 
abgeben  müssen,  und  noch  am  8.  November  1813  erinnerte  man  sich  in  Paris  plötzlich  der  kost- 
baren Sammlungen  von  Handzeichnungen,  die  vor  den  Händen  der  Feinde  auf  das  linke  Rhein- 
ufer gerettet  werden  müfsten.  Diese  Ordre  kam  nun  freilich  etwas  zu  spät,  denn  am  4.  November 
hatten  die  französischen  Behörden  Düsseldorf  verlassen  und  am  14.  November  zogen  die  Truppen 
der  Verbündeten  ein. 

Der  Wiener  Congrefs  1815  sprach  das  Grofsherzogthum  Berg  der  preufsischen  Krone  zu,  und 
Düssedorf  wurde,  nachdem  es  ein  paar  Jahrhunderte  eine  Duodezresidenz  gewesen  war,  Sitz 
eines  preufsischen  Regierungspräsidiums.  Von  der  Rolle,  die  es  in  der  Folge  als  preufsische 
Kunststadt  spielen  sollte,  hatte  noch  Niemand  eine  Ahnung. 


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III.  Kapitel 

Die  preufsische  Akademie  unter  Cornelius 


DIE  Düsseldorfer,  welche  wie  alle  occupirten  Landes- 
kinder dem  preufsischen  Regiment  mit  dem  denkbar 
gröfsten  Mifstrauen  entgegensahen  (diesem  Mifstrauen 
war  ja  in  letzter  Linie  auch  der  Verlust  der  Galerie 
zu  verdanken,  denn  hätten  die  Stände  sie  nicht,  um 
sie  vor  den  Preufsen  in  Sicherheit  zu  bringen,  aus- 
gefolgt, so  wäre  sie  damals  in  Düsseldorf  verblieben 
und  wahrscheinlich  auch  heute  noch  hier),  mochten 
überzeugt  sein,  dafs  es  mit  ihrer  Kunst  nun  gründlich 
und  für  alle  Zeiten  aus  sei.  Aber  die  Regierung, 
w^elche  auch  hier  von  dem  Principe  ausging,  alle 
vorhandenen  Institute,  so  weit  als  möglich,  nicht  in 
sich  verkommen  zu  lassen  oder  aufzuheben,  sondern 
ihnen  im  Gegentheil  neues  Leben  einzuflöfsen,  forderte 
sehr  bald  einen  Bericht  über  die  Verhältnisse  der  dor- 
tigen niemals  formell  aufgehobenen  Akademie.  Dieselbe 
hatte  ja  auch  dem  neuen  Herrn  gegenüber  schon  einige 
schwache  Lebenszeichen  von  sich  gegeben.  Sie  be- 
standen in  dringenden  Gesuchen  der  übrig  gebliebenen 
Lehrer  Thelott  und  Schäffer  um  Gehaltserhöhung;  und 
daraufhin  erging  nun  zunächst  an  Schäffer  die  Auf- 
forderung zu  einem  Bericht  über  den  Stand  der 
Akademie  und  über  seine  Ansichten  zu  einer  Reor- 
ganisation derselben. 

Carl  Friedrich  Schäffer  war  1776  in  Dresden  als 
Sohn  eines  geschätzten  Bildhauers  geboren.  Im  Jahre 
1805  wurde  er  als  Professor  der  Architektur  an  die 
Düsseldorfer  Akademie  berufen  und  hatte  hier  ausgehalten,  wahrscheinlich,  weil  es  ihm  nicht 
gelungen  war,  wie  die  Anderen  in  München  unterzukommen.  Auch  an  den  Director  des 
Gymnasiums  Karl  Wilhelm  Kortüm  wandte  man  sich,  da  man  an  eine  Verbindung  beider 
Anstalten  dachte.* 

Dieser  \var  vernünftig  genug,  den  Gedanken  einer  Verbindung  von  Akademie  und  Gymnasium 
als  unausführbar  zu  bezeichnen,  und  so  blieb  denn  der  sehr  ausführliche  Plan  des  Architekten 
Schäffer  zur  Berücksichtigung. 


AUGUSTE  KUSSENER 

Bildnis  von  Peter  Cornelius 

Nach   dem   Stich    der  Künstlerin 


*  Dieser  Kortüm  ist  übrigens  nicht  mit  dem  Jobsiaden-Dichter  Karl  Arnold  Kortum  zu  verwechseln,  wie  es  ein 
durch  die  Solidität  seiner  Arbeitsweise  und  die  Zuverlässigkeit  seiner  Angaben  sattsam  bekannter  moderner  Kunstliterat 
thut.  Kortum,  der  Vater  des  trefflichen  Jobs,  kann,  von  allem  Andern  abgesehen,  schon  deshalb  nicht  zu  dem  Düsseldorfer 
Kreise  Schadows  gehört  haben,  weil  er  erstens  überhaupt  nicht  in  Düsseldorf  gelebt  hat,  und  zweitens  schon  zwei  Jahre 
todt  war,  als  Schadow  nach  Düsseldorf  kam.  Der  Gymnasialdirector  Kortüm  erhielt  dieses  Amt  im  Jahre  1814,  wurde  1822 
Consistorial-  und  Schulrath  bei  der  Regierung  in  Düsseldorf,  gehörte  als  solcher  später  dem  Curatorium  der  Akademie  an 
und  wurde  1830  in  das  Cultusministerium  nach  Berlin  berufen. 


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Der  umfangreiche  Bericht  giebt  einen  bis  ins  Kleinste  ausgearbeiteten,  in  vieler  Beziehung 
höchst  interessanten  und  geistreichen  Entwurf  zur  Errichtung  einer  Kunstschule,  der  nur  zu  grofs- 
artig  war,  um  mit  den  immerhin  beschränkten  Mitteln  der  preufsischen  Regierung  ausgeführt  zu 
werden. 

Sehr  hübsch  ist  die  Charakteristik  des  Oberdirectors,  wie  ihn  Herr  Schäffer  sich  denkt. 
j.Wäre  ich  nicht  selbst  Architekt,"  bemerkt  er  in  einer  Anmerkung.  ,.so  würde  ich  zu  jeder  Zeit 
einen  Kunstarchitekten  am  geeignetsten  zum  Director  finden,  weil  derselbe  nicht,  ohne  Kunstpolyhistor 
zu  sein,  im   Leben  stehen  kann". 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  weiteren  Verhandlungen,  die  zwischen  den  zwei  oder  drei 
übrig  gebliebenen  Akademielehrern,  der  Regierung  und  dem  Ministerium  gepflogen  wurden,  ein- 
zugehen. Man  hatte  in  Berlin  den  besten  Willen  und  es  fehlte  auch  nicht  an  Leuten,  die  sich 
der  Regierung  als  Lehrer  für  die  neue  Anstalt  zur  Verfügung  stellten.  So  Kolbe.  E.  E.  Mengelberg 
in  Düsseldorf  und  auch  der  in  Rom  lebende  Cornelius,  der  in  einem  Briefe  an  Boisseree  sich, 
Overbeck,  den  Kupferstecher  Ruschewey  und  andere  deutsche  Künstler  zur  Anstellung,  Theilnahme 
und  Mitwirkung  anbot. 

Aber  auch  von  anderer  Seite  war  auf  Cornelius  hmgewiesen  w^orden,  und  vor  allem  war  es 
der  geistreiche  Niebuhr,  der  im  October  1816  als  preufsischer  Gesandter  nach  Rom  gekommen  und 
sehr  bald  auf  Cornelius  aufmerksam  geworden  war.  In  Privatbriefen  an  einflufsreiche  Persönlich- 
keiten, z.  B.  an  Savigny,  dann  aber  in  einem  längeren  Bericht  an  das  Ministerium  hatte  er,  noch 
ohne  von  den  Düsseldorfer  Projecten  Kenntnifs  zu  haben,  in  dringender  Weise  beantragt,  dafs 
dem  trefflichen  Künstler  Unterstützung  zu  theil  werde.  Von  Berlin  aus  hatte  man  auf  dem 
üblichen  Instanzen\A?ege  über  Düsseldorf  dann  auch  mit  Cornelius  und,  es  ist  nicht  bekannt,  auf 
wessen  Veranlassung  hin,  mit  dem  in  Crefeld  geborenen  Bildhauer  Flatters  in  Paris,  Unterhand- 
lungen angeknüpft.  Diese  Verzögerungen  hatten  aber  die  Folge,  dafs  Cornelius  schon  von  einer 
anderen  Seite  in  Anspruch  genommen  wurde  und  beinahe  für  Düsseldorf  vollständig  verloren 
gewesen  wäre. 

Die  Jahre,  welche  Cornelius  aufserhalb  Düsseldorfs  zugebracht  hatte,  sind  ein  merk- 
würdiges und  hinlänglich  bekanntes  Kapitel  der  deutschen  Kunstgeschichte.  Es  mag  an  dieser 
Stelle  auf  die  bedeutsamste  Zeit,  auf  die  in  Rom,  deshalb  kurz  hingewiesen  sein,  weil  die  Eindrücke, 
welche  eine  Reihe  deutscher  Künstler  dort  empfing,  nicht  nur  durch  Cornelius,  sondern  auch  durch 
Andere  für  die  junge  Düsseldorfer  Kunst  höchst  bedeutungsvoll  werden  sollten. 

Der  Frankfurter  Aufenthalt  hatte  Cornelius  einige  Aufträge  des  Fürstprimas  und  Porträtaufträge 
von  Privaten  eingetragen  und  ihm  vor  allem  Gelegenheit  gegeben,  die  ersten  Blätter  seines  ,, Faust" 
zu  zeichnen  und  für  die  ganze  auf  zwölf  Zeichnungen  geplante,  im  Stich  herauszugebende  Arbeit 
einen  Verleger  zu  finden.  Goethen  selbst  hatte  der  junge  Zeichner  die  W^idmung  des  Werkes 
angeboten,  und  der  Dichter  wird  sie  wohl  angenommen  haben,  wenn  auch  seine  darauf  bezügliche 
Aeufserung  nicht  vorhanden  ist. 

Nach  zweijährigem,  durch  eifrige  Arbeit  ausgefülltem  Aufenthalt  in  Frankfurt  sah  sich 
Cornelius  endlich  am  Ziel  seiner  frühesten  Wünsche,  nämlich  in  Rom,  wo  er  mit  seinem  Freunde 
Xeller  am  14.   October  1811  angekommen  war. 

An  Florenz  war  man  gewissermafsen  nur  vorbeigefahren,  doch  gestand  Cornelius  in  Rom, 
dafs  er  den  einzigen  Tag,  den  er  in  Florenz  zugebracht  habe,  nicht  für  viele  Jahre  seines  Lebens 
hingäbe. 

Die  Eindrücke,  die  er  in  Rom  empfing,  waren  verschiedener  Art  und  riefen  in  ihm  zunächst 
das  Gefühl  lebhafter  Enttäuschung  wach.  Er  schreibt  einem  Freunde  die  grofsen  Worte:  ,,Ich 
sage  Dir  und  glaube  es  fest,  ein  deutscher  Maler  sollte  nicht  aus  seinem  Vaterlande  gehen."  Das 
klingt  wie  eine  Ahnung  davon,  dafs  auch  ihm  und  seiner  Kunst  Italien  so  verhängnifsvoll 
werden  sollte. 

Sehr  bald  schlofs  sich  Cornelius  der  Gesellschaft  der  Klosterbrüder  an.  jenem  Kreise  von 
jungen  Leuten,  die  in  engstem  Anschlufs  an  die  kirchliche  Kunst  der  Frührenaissance  und  in  Nach- 
ahmung des  klösterlichen  Lebens,   etwa  eines  Fiesole,   das  Heil  ihrer  Seele  und  ihrer  Kunst  suchten. 

In  dieser  naiven  Vereinigung  künstlerischer  und  menschlicher  Nachahmung  vergangener 
Zeit  nicht  nur,  sondern  auch  überwundener  Verhältnisse  spiegelt  sich  die  ganze  Rathlosigkeit  der 
eine  neue  Kunst  oder  eine  wirkliche  Kunst  überhaupt  suchenden  deutschen  Jünglinge  wieder. 
Und  wenn  man  ihren  W^eg  nicht  als  den  richtigen  anerkennen  kann,  so  wird  man  doch  den 
heiligen  Ernst  und  die  Ueberzeugungstreue  bewundern  müssen,  mit  denen  sie  diesen  Weg  betraten 
und  verfolgten.    Diese  Klosterbrüder,  wie  sie  zunächst  hiefsen,  bekamen  bald  den  Namen  Nazarener, 

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den  ursprünglich  eine  andere  Gruppe  von  deutschthümelnden,  aber  ziemlich  bummligen  Jüng- 
lingen aus  Norddeutschland  erhalten  hatte,  „da  sie  immer  viel  vom  heiligen  Grabe  sprachen". 
Schadow  spricht  von  diesen  in  seinen  Jugenderinnerungen  in  sehr  abfälliger  Weise,  und  sie  sind 
mit  dem  Kreise  der  in  S.  Isidoro  Hausenden  nicht  identisch.  Diesen  wurde  der  fromme  Name 
erst  nur  spottweise  gegeben,  blieb  aber  dann  an  ihnen  hängen,  und  Schadow  mufste  es  sich 
gefallen  lassen,  ihn,  in  Rom  wenigstens,  auch  zu  tragen. 

Diese  wirklich  frommen  und  begeisterten  Nazarener  haben  innerhalb  der  deutschen  Kunst 
des  XIX.  Jahrhunderts  eine  Rolle  gespielt,  die  nicht  unterschätzt  werden  darf.  Das  Schicksal  hat 
den  Kreis  bald  gesprengt  und  seine  Mitglieder  über  ganz  Deutschland  verstreut.  Kaum  Einer 
ist  den  künstlerischen  Grundsätzen,  die  er  damals  angenommen  hatte,  ganz  untreu  geworden,  und 
gerade  in  Düsseldorf  hat  das  Nazarenerthum  eine  Nachblüthe  erlebt,  die  bis  in  unsere  Tage  reicht. 

Der  enge  Anschlufs  der  Nazarener  an  die  kirchliche  Kunst  der  alten  Italiener  beschränkte 
sich  nicht  nur  auf  die  Nachahmung  des  Stofflichen  und  Technischen,  er  suchte  vielmehr  auch 
eine  möglichst  enge  geistige  Aehnlichkeit  mit  den  Vorbildern,  und  der  Uebergang  vom  Mönchischen 
zum  Kirchlichen  war  fast  selbstverständlich. 

So  erlebte  die  Welt  das  wundersame  Schauspiel,  dafs  die  gröfstentheils  aus  dem  protestan- 
tischen Norden  Deutschlands  nach  Rom  gekommenen  Kunstjünger,  Einer  nach  dem  Andern,  nicht 
nur  das  Leben  und  die  Kunst  der  Mönche  nachahmten,  sondern  auch,  soweit  sie  ihr  nicht  von 
Hause  aus  angehörten,  sich  der  Kirche  zuwandten,    der  ihre  Vorbilder  angehört  hatten. 

Freilich  war  aber  dieser  Schritt  kein  so  ganz  origineller  und  aus  eigenster  Initiative  ent- 
sprungener, so  wenig  wie  der  ganze  Zug  der  Klosterbrüder  in  die  Einsamkeit  und  das  Mittelalter 
auf  eigener  Erfindung  beruhte.  Der  Anstofs  war  hier  wie  dort  ein  ästhetisch-litterarischer  gewesen. 
Es  war  dieselbe  Geschichte,  wie  bei  den  Klassicisten.  Jenen  hatte  W^inckelmann  den  Weg  gewiesen, 
diesen  gaben  das  Signal  zur  frommen  W^eltflucht  in  den  Schatten  der  Klostermauern  die  berühmten 
„Herzensergiefsungen  eines  Klosterbruders"  von  Tiecks  Freunde  W^ackenroder  (1797).  Der  roman- 
tische Mysticismus,  der  seit  Friedrich  Wilhelm  II.  sogar  in  der  Stadt  der  Intelligenz  in  weiten 
Kreisen  Schule  gemacht  und  in  der  Litteratur  durch  Tieck,  Novalis  und  die  beiden  Schlegel,  das 
Kokettiren  mit  dem  Katholicismus  fortgesetzt  hatte,  war  durch  den  Uebertritt  zur  katholischen  Kirche 
des  Grafen  Friedrich  Stolberg  1800  in  Münster,  dann  Friedrich  Schlegels  1808  in  Köln,  zuerst  in 
die  Praxis  übersetzt  worden.  Bald  darauf  traten  in  Rom  der  erblich  stark  belastete  Zacharias 
Werner,  sowie  der  Frankfurter  Dr.  Christian  Schlosser,  ein  Neffe  von  Goethes  Schwager, 
1810  bezw.  1811  zum  Katholicismus  über.  Wie  auf  ein  gegebenes  Zeichen  folgten  nun  die 
Protestanten  unter  den  römischen  Klosterbrüdern,  Einer  nach  dem  Andern,  diesem  Beispiel.  Zuerst 
der  Historienmaler  F.  Cramer  aus  Emden,  später  1813  Overbeck,  der  Sohn  eines  angesehenen 
Lübecker  Juristen  aus  einer  alten  Predigerfamilie,  im  nächsten  Jahre  W.  Schadow,  der  Sohn  des 
Berliner  Bildhauers,  der  Werner  und  Schlosser  schon  in  Florenz  kennen  gelernt  hatte,  und  1815 
Philipp  Veit.  Ein  Abbate  Pietro  Ostini,  Professor  der  Kirchengeschichte  am  CoUegio  Romano, 
war  der  geistige  Führer  bei  diesen  und  den  zahlreich  folgenden  Conversionen,  die  namentlich  in 
Deutschland  und  bei  den  Deutschen  in  Rom  ungeheueres  Aufsehen  machten. 

Noch  merkwürdiger  als  dieses  massenhafte  Uebertreten  zur  katholischen  Kirche  selbst  ist  die 
Thatsache,  dafs  gerade  die  beiden  Bedeutenderen  unter  den  Convertiten  jüdischer  Abstammung 
sind.  Das  beweist  nicht  nur  den  weniger  religiösen,  als  vielmehr  ästhetisch -reflectirenden  oder 
romantisch-phantastischen  Charakter  ihres  confessionellen  Ueberganges,  sondern,  was  hier,  namentlich 
bei  Einem  von  ihnen,  wichtiger  ist,  auch  ihrer  damit  im  engsten  Zusammenhang  stehenden  Kunst. 

Veit  war  durch  seine  Mutter  der  Enkel  Moses  Mendelssohns,  und  auch  sein  Vater  war  Jude. 
Schadow  war  mütterlicherseits  der  Enkel  eines  galizischen  Juden  namens  Davideies  aus  Wien. 
Die  Heirathsgeschichte  seines  Vaters  ist  ein  ganzer  Roman,  wie  auch  die  vorherige  Bekehrung 
seiner  Mutter  und  deren  Flucht  aus  einem  Wiener  Kloster.  Dafs  die  gesündesten  und  kraftvollsten 
Erscheinungen  unter  diesen  Klosterbrüdern,  Cornelius  und  Friedrich  Schnorr,  blieben,  was  sie 
von  Hause  aus  waren,  der  Eine  Katholik,  der  Andere  Protestant,  ist  auch  ein  Zeichen  für  die 
fremden  geistigen  und  Rassen-Elemente,  die  der  Kunst  und  dem  Glauben  der  Andern  beigemischt 
waren.  Ganz  folgerichtig  ist  es  auch,  dafs  der  mit  natürlichem  rheinischen  Lebensmuth  und  echt 
künstlerischer  Freude  an  der  Natur,  die  er  mit  entdecken  half,  erfüllte  Cornelius  schliefslich  gegen 
die  Frömmelei  seiner  Genossen  sich  aullehnte,  so  dafs  er,  der  geborene  Katholik,  von  den  Conver- 
titen gewissermafsen  als  Ketzer  angesehen  wurde.  Bekannt  ist  sein  Ausspruch,  dafs,  wenn  der 
letzte  Maler  in  Rom  katholisch  geworden  sein  würde,  er  protestantisch  werden  würde.  Das  hat  nun 
freilich  nicht  verhindert,    dafs   bis    zum  Jahre  1818    noch    eine   ganze  Anzahl  junger  Leute  übertrat. 

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Dennoch  war  Cornelius'  Eintritt  in  den  Kreis  der  Klosterbrüder  künstlerisch  wenigstens  von 
grofser  Bedeutung  gewesen  und  hatte  sogar  eine  förmliche  Revolution  hervorgerufen.  „Er  fiel 
plötzlich  wie  eine  Bombe  in  Rom  ein  und  schofs  gleich  einer  Rakete  unter  die  römischen  Künstler." 
So  erzählt  Schadow,  und  die  beiden  Bilder  passen  trefflich  auf  den  körperlich  kleinen,  aber 
feurigen  Cornelius,  der,  von  unleugbarem  Oppositionsdrang  erfüllt,  eine  viel  zu  kräftige  und  gesunde 
Natur  war,  um  sich  der  weichen  verschwommenen  Stimmung,  als  deren  Hauptrepräsentant 
Overbeck  typisch  ist,  hinzugeben.  Was  ihn  zu  jenem  Kreise  hinzog,  war,  dafs  er  in  ihm  dieselbe 
Begeisterung  und  denselben  guten  Willen,  die  neue  Kunst  zu  begründen,  vorfand,  die  ihn  selbst 
beseelten.  Glaubten  doch  die  Klosterbrüder  alles  Ernstes  auf  ihrem  W^ege  die  deutsche  Kunst 
reformiren  oder  wiedererwecken  zu  können,  was  ja  auch  Cornelius'  heifsester  Wunsch  war.  Die 
gemeinsamen  Studien  nach  der  Natur  —  bei  solchen  nach  dem  weiblichen  Aktmodell  zog  sich 
Overbeck  schamhaft  zurück  —  förderten  Cornelius  nicht  wenig  bei  den  Arbeiten,  die  ihm  zunächst 
am  Herzen  lagen,  wie  diese  ihn  andererseits  vor  den  Phantastereien  und  religiösen  Sentimentali- 
täten der  Anderen  bewahrten.  Es  waren  die  letzten  Blätter  des  Faust  und  des  neu  unternommenen 
Nibelungen -Cyklus.  Die  Wahl  dieses  zweiten  Stoffes  bedeutete  einen  weiteren  Schritt  auf  der 
Bahn  der  nationalen  Kunst.  Auch  Shakespeare,  der  in  jener  Zeit  der  deutschen  Litteratur  und 
damit  der  Welt  gewissermafsen  neugewonnen  wurde,  erweiterte  das  Gebiet  seines  Gedankenkreises. 

Nun  hat  freilich  auf  die  Dauer  auch  Cornelius  nicht  vermocht,  den  Eindrücken,  die  von  allen 
Seiten  auf  ihn  einstürmten,  zu  widerstehen,  und  während  in  Deutschland  die  deutschthümelnde 
Romantik  immer  mehr  an  Boden  gewann,  wandte  sich  Cornelius  in  Rom  mehr  und  mehr 
religiösen  Stoffen  zu,  von  der  unleugbar  richtigen  Ansicht  ausgehend,  dafs  der  Urgrund  aller 
Kunst,  die  ersten  geistigen  und  sogar  praktischen  Anregungen  in  der  Religion  beruhten.  Er 
übersah  dabei  nur,  dafs  die  Kirche  nicht  mehr  in  der  Lage  war,  die  Kunst  wie  früher  zu  pflegen, 
und  dafs  die  Geistesrichtung  im  XIX.  Jahrhundert  eine  andere  geworden  war,  der  sich  die  Kunst, 
ob  zu  ihrem  Vortheil  oder  nicht,  anschliefsen  mufste. 

Es  entstanden  in  dieser  religiösen  Richtung  einige  Bilder  und  Zeichnungen,  bis  ein  gröfserer 
Auftrag  Cornelius  und  seinen  Freunden  die  lang  ersehnte  Gelegenheit  gab,  ihre  Gedanken  ins  Grofse 
und  Monumentale  zu  übersetzen;  denn  auch  darüber  war  Cornelius  in  der  Anschauung  der  Werke 
der  Hochrenaissance  sich  klar  geworden,  dafs  nur  die  monumentale  Kunst  in  Verbindung  mit  der 
decorativen  die  Höhe  des  malerischen  Schaffens  bedeute. 

Die  Geschichte  der  Fresken  in  der  Casa  Bartholdy,  in  deren  Ausführung  sich  Cornelius, 
Overbeck,  W.  Schadow  und  Philipp  Veit  theilten,  ist  bekannt  und  gehört  nicht  hierher. 

Es  schlössen  sich  an  die  Arbeiten  für  die  Villa  Massimi;  und  das  in  diese  Zeit  fallende 
Erscheinen  Niebuhrs  in  Rom  bedeutete  für  Cornelius  die  ersten  Beziehungen  zur  preufsischen 
Regierung.  Leider  wurden  die  Verhandlungen,  welche  Niebuhr  angeregt  hatte,  um  Cornelius  für 
Düsseldorf  zu  gewinnen,  wie  gesagt,  mit  der  üblichen  bureaukratischen  Langsamkeit  geführt,  so 
dafs  ein  anderer  fürstlicher  Kunstmäcen,  der  1818  nach  Rom  kam,  den  Künstler  für  sich  und  seine 
hochfliegenden  Pläne  zu  gewinnen  wufste,  ehe  die  Verhandlungen  mit  Berlin  zum  Abschlufs  ge- 
kommen waren.  Man  darf  dabei  nicht  vergessen,  dafs  Cornelius  in  Rom  mit  äufserstem  Mangel 
und  zuletzt  auch  mit  Krankheit  hatte  kämpfen  müssen,  und  dafs  ein  Wegzug  von  dort  unter 
irgend  welchen  annehmbaren  Bedingungen  für  ihn  und  seinen  seit  kurzem  gegründeten  Hausstand 
eine  Lebensfrage  war.  W^as  ihm  der  Kronprinz  Ludwig  von  Bayern  in  Aussicht  stellte,  war  mehr, 
als  Cornelius  in  seinen  kühnsten  Träumen  hätte  erhoffen  dürfen,  mehr  als  was  ihm  Preufsen 
bieten  konnte.  So  mufste  schon  vor  den  definitiven  Aufträgen  für  die  Münchener  Glyptothek  die 
Arbeit  für  die  Villa  Massimi  zurücktreten,  und  Cornelius  arbeitete  schon  an  den  Cartons  für 
München,  als  man  von  Berlin  aus  noch  Berichte  aus  Düsseldorf  und  von  Niebuhr  über  die 
Fähigkeiten  des  p.  Cornelius,  sowohl  als  Künstler,  wie  als  eventuellen  Leiter  einer  Kunstakademie 
und  seine  eventuelle  Geneigtheit  zu  letzterer  Thätigkeit  forderte.  Und  als  endlich  die  Berufung 
nach  Düsseldorf  für  Cornelius  in  Rom  ankam,  da  war  dieser  auf  den  dringenden  Wunsch  des  Kron- 
prinzen Ludwig  schon  in  München  angelangt,  und  von  hier  aus  machte  er  nun  der  preufsischen 
Regierung  den  Vorschlag,  der  zu  seiner  Doppelstellung  in  den  nächsten  Jahren  führte,  ihn  einen 
Theil  des  Jahres  als  Director  der  Akademie  in  Düsseldorf  beschäftigte,  den  andern  Theil  als 
Maler  der  Glyptothek  in  München. 

Cornelius  brachte  mit  der  Annahme  der  Directorstelle  in  Düsseldorf  ein  um  so  gröfseres 
Opfer,  als  ihm  auch  in  München  die  Direction  der  Akademie  mit  einem  weit  höheren  Gehalt 
angeboten    worden    war.     Und    er    hat    bewiesen,    dafs    es    keine  Redensart    war,    wenn    er    an    die 

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Düsseldorfer  Regierung  schrieb:    „dafs  seine  Liebe  zur  Heimath    und  seine  Anhänglichkeit  an  den 
preufsischen  Staat  die  Hauptbeweggründe  waren,  dem  Ruf  nach  Düsseldorf  zu  folgen". 

Mit  Reisen  zwischen  München,  Berlin,  Dresden  vergingen  noch  etliche  Monate.  Ein  alter 
Freund,  der  Maler  und  Kunsthistoriker  Mosler  aus  Coblenz,  dessen  Anstellung  als  Lehrer  an  der 
Düsseldorfer  Akademie  Cornelius  erbeten  hatte,  brachte  die  Familie  des  Cornelius  nach  Düsseldorf, 
und  im  October  1821  kam  der  Künstler  selbst  nach  zwölfjähriger  Abwesenheit  zum  erstenmal 
wieder  in  seine  Vaterstadt.  Mit  ihm  kamen  einige  Schüler,  so  Stilke,  Stürmer,  Röckel,  Götzen- 
berger,  Sandhaas,  Karl  Schorn  und  Andere,  sowie  der  junge  Wilhelm  Kaulbach.  Und  nun 
begann  trotz  der  häufigen  Abwesenheit  des  neuen  Directors,  der  vertragsmäfsig  für  die  Sommer- 
monate nach  München  beurlaubt  war  und  einen  Theil  seiner  Schüler  zu  den  Arbeiten  dorthin 
mitnahm,  eine  fast  fieberhafte,  wenn  auch  in  gewisser  Beziehung  einseitige  Thätigkeit. 

Cornelius  war  schon  in  Rom  zu  der  Ueberzeugung  gekommen,  dafs  nur  die  Monumental- 
malerei imstande  sei,  die  deutsche  Kunst  wieder  aufwärts  zu  führen,  und  seine  eigenen  schlechten 
Erfahrungen  auf  der  Langerschen  Akademie  hatten  ihm  als  das  Ideal  einer  Heranbildung  junger 
Künstler  die  Mitarbeit  an  den  Werken  des  Meisters  in  der  Art,  wie  sie  im  Mittelalter  und  in  der 
Renaissancezeit  üblich  war,  erscheinen  lassen. 

Das  war  nun  Alles  gut  und  schön,  aber  Cornelius  verkannte  dabei  die  Verschiedenheit,  nicht 
nur  in  dem  Kunstbedürfnifs  des  Volkes,  sondern  auch  in  der  Auffassung  von  den  Zwecken  des 
einzelnen  Kunstwerkes  im  Vergleich  zu  der  Glanzzeit  der  Kunst  in  Italien.  Er  verkannte  femer 
den  neuzeitlichen  Drang  nach  Entwicklung  der  eigenen  Individualität,  der  das  Aufgehen  einer 
ganzen  Künstler- Generation  in  dem  Schaffen  eines  einzelnen  Meisters  nicht  mehr  zuläfst. 

Eine  rein  äufserliche  Einseitigkeit  kam  dazu,  die  aber,  da  sie  technischer  Natur  war,  nicht  nur  auf 
die  ganze  Schule,  sondern  auf  die  spätere  Arbeit  des  Cornelius  von  allergröfster  und  einschneidendster 
Bedeutung  werden  sollte.  In  seiner  Nichtachtung,  um  nicht  zu  sagen  Verachtung  alles  Technischen 
in  der  Kunst,  war  Cornelius  so  weit  gegangen,  dafs  er  keine  Malerei  aufser  dem  Fresco  gelten 
lassen  wollte.  Daraus  folgte  bei  ihm  selbst,  dafs  er  die  noch  in  Düsseldorf  besessene,  von  Langer 
überkommene  Maltechnik  vollkommen  verlor,  ohne  bei  der  merkwürdigen  Gleichgültigkeit,  die  er 
namentlich  auch  der  coloristischen  Seite  der  Malerei  entgegenbrachte,  dafür  eine  eigentliche, 
glänzende  Frescotechnik  einzutauschen  (soweit  es  sich  nämlich  nicht  um  das  rein  Handwerks- 
mäfsige  handelt,    was   ja  gerade    beim  Fresco    weniger    Sache    des  Künstlers,  als  des  Maurers  ist). 

Das  sollte  sich  später  bei  ihm  aufs  bitterste  rächen,  es  war  aber  auch  die  Schuld,  dafs  er 
es  auf  die  Dauer  zu  gar  keiner  Schule,  selbst  im  Sinne  jener  alten  Meister,  gebracht  hat,  geschweige 
denn,  dafs  es  ihm  gelungen  wäre,  in  Düsseldorf  oder  später  in  München  Maler  in  dem  Sinne,  wie 
sie  die  neue  Kunst  verlangte,  auszubilden. 

Es  unterliegt  ja  keinem  Zweifel,  dafs  die  geistige  Conception  und  Ausgestaltung  des  Kunst- 
werkes, die  Gedankenmalerei,  d.  h.  die  Malerei  in  Gedanken,  die  vornehmste  künstlerische  Arbeit 
ist,  und  in  diesem  Sinne  ist  das  Lessingsche  W^ort  zu  verstehen,  dafs  Rafael  der  gröfste  Künstler 
gewesen  sein  würde,  auch  wenn  er  ohne  Hände  geboren  wäre.  Aber  der  Künstler  schafft  doch 
schliefslich  nicht  für  sich  allein,  sondern  für  die  Menschheit,  und  es  ist  keineswegs  gleichgültig, 
in  welcher  Form  er  sein  W^erk  vollendet.  Der  Gedankeninhalt  des  Goetheschen  Faust  liefse  sich 
ja  auch,  sozusagen  im  Carton,  mit  wenigen  W^orten  wiedergeben,  aber  das  könnte  doch  das 
Gedicht  nicht  ersetzen.  Wie  bei  Cornelius  die  Abstraction  von  der  Ausführung  schliefslich  bei 
dem  blofsen  Carton  anlangte,  in  dem  er  sein  letztes  grofses  W^erk,  die  Campo-Santo-Malereien 
niederlegte,  ohne  sich  darüber  grofs  zu  bekümmern,  dafs  er  es  nie  würde  malen  können,  so  mufste 
das  Princip  von  dem  Moment  an,  wo  der  Geist  des  Meisters  nicht  mehr  über  seinen  Schülern 
waltete,  versagen. 

Dazu  kam,  dafs  Cornelius  nicht  daran  dachte,  tüchtige  Künstler  als  Lehrer  neben  sich  zu 
stellen.  So  setzte  er  1822  die  Anstellung  W^intergersts  als  Elementarlehrer  der  Zeichenklasse 
durch,  von  dem  er  selbst  sagte,  dafs  ihm  sein  reges  Streben  nach  den  Höhen  der  Kunst  nicht 
gelungen  sei.  Auch  Kolbe,  der  sich  schon  ganz  im  Anfang  bei  der  Regierung  gemeldet  hatte, 
wurde  Ende  1821  angestellt  und  bekam  eine  Malklasse.  Er  hatte  sich  in  den  letzten  Jahren  in  Köln 
aufgehalten,  wohl,  weil  er  in  Düsseldorf  keine  Aufträge  fand.  Auch  sein  Einflufs  konnte  kein 
erfreulicher  sein,  da  er  einer  der  schlimmsten  Klassicisten  nach  Pariser  Muster  geworden  war. 
Dieses  Besetzen  der  Elementarlehrerstellen  durch  untüchtige  Leute  beruhte  nicht  etwa  auf  Eifer- 
sucht, sondern  lediglich  auf  der  Unterschätzung  von  der  W^ichtigkeit  der  technischen  Vorbildung 
überhaupt. 

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Nebenbei  allerdings  fafste  Cornelius  die  Beschaffung  eines  „mit  weiser  Auswahl  gesammelten 
Gemälde-Cabinets",  das  als  Vorbildersammlung  dienen  sollte,  ins  Auge.  Die  alten  Reste  der 
kurfürstlichen  Akademiesammlung  sollten  durch  Ankäufe  vermehrt  und  ergänzt  werden.  Anfänge 
dazu  wurden  in  der  That  gemacht,  leider  aber  später  nicht  consequent  durchgeführt. 

Ein  glückliches  Geschick  wollte  es,  dafs  für  die  junge  Schule  eine  Reihe  von  Aufträgen 
einliefen,  welche  die  in  den  Zeichenklassen  oder  auch  nur  in  den  abendlichen  Aktstunden  noth- 
dürftig  vorgebildeten  jungen  Leute  sogleich  auf  das  Gerüst  stellten;  aber  von  ihnen  Allen  hat  sich 
eigentlich  nur  Einer,  nämlich  Kaulbach,  zu  eigener  grofser  Künstlerschaft  durchgearbeitet,  und  auch 
er  nur  kraft  seines  elementaren  Talents,  und  weil  er,  recht  bald  von  Düsseldorf  weggezogen, 
wesentlich  andere  Wege  einschlug,  Wege,  die  ihn  denn  auch  von  Cornelius  bis  zum  persönlichen 
Bruch  entfernten.  Aus  seiner  Düsseldorfer  Zeit  sollen  die  Studien  zu  seinem  ,, Irrenhaus"  stammen, 
von  dem  allerdings  die  moderne  Kritik  behauptet,  seine  Gestalten  entsprächen  durchaus  nicht  der 
Wirklichkeit  und  seien  ,,aus  der  Tiefe  des  Gemüths"  geschöpft. 

Im  übrigen  war  vorläufig  das  Zusammenarbeiten  zwischen  dem  jugendlich  feurigen,  in 
kurzer  Zeit  berühmt  gewordenen  Meister  und  seinen  begeisterten  Schülern  nach  der  persönlichen 
Seite  hin  ein  ideales. 

Cornelius  selbst  zeichnete  in  Düsseldorf  an  den  Cartons  für  die  Glyptothek,  bei  denen  ihm 
zu  helfen  als  eine  besondere  Ehre  galt.  In  München  wurde  mit  der  Malerei  des  Göttersaales 
begonnen,  der  schon  October  1823  vollendet  wurde.  Es  folgte  1824  der  Trojanische  Saal,  zu  dem 
der  Meister  schon  fast  nur  die  Cartons  machte.  Die  Schüler  in  Düsseldorf  arbeiteten  unter  seiner 
Aufsicht  an  den  Cartons  zu  verschiedenen  monumentalen  Werken,  die  in  Bonn,  Coblenz,  Heitorf 
und  Eller  bestellt  waren.  Dann  zogen  die  dazu  Bestimmten  gruppenweise  an  Ort  und  Stelle,  um 
die  Ausiührung  im  echten  Fresco,  so  gut  es  ging,  auszuführen. 

Nicht  nur  diese  Schülerarbeiten,  die  in  der  Umgegend  ausgeführt  wurden,  sondern  auch  die 
Cartons  des  Meisters  selbst  für  die  beiden  Säle  der  Glyptothek,  den  Göttersaal  und  den  Heroensaal, 
die  wohl  gröfstentheils  in  Düsseldorf  gezeichnet  wurden,  müssen  als  W^erke  dieser  jungen  Düssel- 
dorfer Schule  betrachtet  werden.  Es  mögen  deshalb  auch  diese  letztgenannten  Werke,  zu  denen 
Kronprinz  Ludwig  die  Motive  selbst  gegeben  hatte,  hier  in  Kürze  erwähnt  sein.  Entsprechend 
dem  Gebäude,  das  zu  einem  Museum  der  antiken  Plastik  bestimmt  war,  sind  sie  der  klassischen 
Mythologie  entnommen,  und  sie  haben  Cornelius  für  seine  künstlerische  Thätigkeit  der  nächsten 
Jahre  eine  Richtung  gegeben,  die  seiner  vorhergegangenen  ziemlich  gerade  entgegengesetzt  ist. 
Es  kann  nichts  nutzen,  sich  darüber  täuschen  zu  wollen,  dafs  seine  reformatorische  Thätigkeit 
innerhalb  der  deutschen  Kunst  und  für  sie  im  Sinne  einer  nationalen  Entwicklung  mit  dem 
Moment  aufhört,  wo  er  veranlafst  war,  wieder  antike  Stoffe,  die  Stoffe  der  Klassicisten  zu  behandeln. 
Sein  Bestreben,  dies  nicht  im  Sinne  und  im  Stil  der  Klassicisten  zu  thun,  sondern  in  der 
coloristischen  und  decorativen  Auffassung  der  Spätrenaissance,  des  Giulio  Romano  etwa,  dessen 
Palazzo  del  T  ihm  vorschwebte,  vermochte  daran  um  so  weniger  zu  ändern,  als  ihm  das  gerade 
eigentlich  nicht  gelungen  ist. 

Schon  mit  den  alttestamentarischen  Darstellungen  in  der  Casa  Bartholdy  hatte  Cornelius  die 
neudeutsche  Romantik  des  Faust  und  der  Nibelungen  verlassen:  seit  den  Glyptothekfresken  wandte 
er  ihr  entschieden  den  Rücken  zu,  und  die  formale  Ausgestaltung  dieser  Bilder  erreichte  ihre 
Vorbilder  noch  weniger,  als  es  die  Bilder  aus  der  Klosterbrüderzeit  gethan  hatten.  Die  Arbeiten 
seiner  Schüler  lassen  ebenfalls  die  Energie,  mit  der  die  Faustzeichnungen  neue  Wege  eingeschlagen 
hatten,  vollkommen  vermissen.  Von  hier  aus  konnte  der  neue  Stil,  die  ersehnte  neue  Kunst  nicht 
mehr  ausgehen.  Glücklicherweise  war  der  Grund,  den  Cornelius  in  seinen  Faust-  und  Nibelungen- 
Zeichnungen  gelegt  hatte,  so  stark,  die  Anregungen,  die  er  gegeben  hatte,  so  mächtig,  dafs  Andere 
in  diesem  Sinne  und  auf  diesem  Grunde  weiter  bauen  konnten,  als  der  Meister  selbst  schon  zum 
einsamen  Grübler  geworden  war,  den  die  W^elt  nicht  mehr  verstand,  so  wenig  wie  er  sie  ver- 
stehen wollte. 

In  der  von  Klenze  neuerbauten  Münchener  Glyptothek  war  zur  Ausmalung  die  Eingangs- 
halle mit  den  beiden  rechts  und  links  anstofsenden  Sälen  bestimmt.  Später  wurde  der  Eingang 
auf  die  entgegengesetzte  Seite  verlegt,  so  dafs  die  drei  Räume  nun  an  der  Hinterwand  des  Gebäudes 
liegen.  Cornelius  bestimmte  für  die  Eingangs-  oder,  wie  sie  jetzt  heifst,  Zwischenhalle  die 
Prometheussage,  die  in  drei  Bildern  behandelt  wurde:  ,,Dem  von  Prometheus  befreiten  Menschen 
giebt  Athene  die  Seele",  ,,Die  Befreiung  des  Prometheus  durch  Herkules"  und  ,,Pandora  öffnet  die 
Büchse,    aus    der    die    Uebel    sich    auf    das    Menschengeschlecht    stürzen".     Der  Saal    links    (vom 

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PETER   CORNELIUS 

Orpheus  im  Hades 

Carton  zu  dem  Wandgemälde  im  Göttersaal  der  Glyptothek  zu  München 

heutigen  Eingang  aus),  der  zu  den  Werken  der  älteren  Plastik  führt,  wurde  zu  Darstellungen  aus 
den  Göttermythen  bestimmt.  Er  bot  für  die  Bemalung  drei  halbkreisförmige  Wandflächen  und 
vier  Gewölbezwickel.  Die  ersteren  zeigen  die  drei  Götterreiche,  die  Unterwelt,  in  der  Orpheus  vom 
Hades  seine  Gattin  Eurydice  erbittet,  die  W^asserwelt  mit  der  Hochzeit  des  Poseidon  und  der 
Amphitrite,  bei  ihm  Arion  und  Thetis,  und  den  Olymp.  Auf  den  Gewölbeabtheilungen  befinden 
sich  Darstellungen  der  vier  Elemente,  die  mit  den  Jahres-  und  Tageszeiten  in  Verbindung  gebracht 
sind.  Also  das  Wasser  mit  Frühling  und  Morgen,  das  Feuer  mit  Sommer  und  Mittag.  Ueber 
dem  Fenster  Licht,  Herbst  und  Abend  und  schliefslich  Erde,  W^inter,  Nacht.  Der  dritte  Saal,  der 
zu  den  Werken  der  späteren  Plastik,  besonders  der  römischen,  führt,  ist  den  Heroenmythen,  ins- 
besondere der  Geschichte  des  trojanischen  Krieges  gewidmet.  Es  sind  hier  nur  drei  Wandbilder 
vorhanden,  ,,der  Streit  des  Achill  mit  Agamemnon  wegen  der  geraubten  Briseis",  „Kampf  um  die 
Leiche  des  Patroclus"  und  ,,die  Zerstörung  Trojas". 

Einer  der  ersten  Aufträge,  der  an  die  junge  Corneliusschule  herantrat,  war  die  Ausmalung 
der  Aula  der  1818  gegründeten  Universität  Bonn.  Die  Regierung  hatte  eine  Zeitlang  geschwankt, 
ob  die  Universität  nach  Düsseldorf  gelegt  werden  sollte  und  die  Akademie  nach  Bonn,  bis  histo- 
rische und  andere  Gründe  den  Ausschlag  zu  der  gewählten  Vertheilung  gab,  aber  es  war  ein 
guter  Gedanke  von  Cornelius,  die  beiden  neuen  Anstalten  in  dieser  W^eise  in  Verbindung  zu 
bringen,  und  die  Regierung  zögerte  nicht,  seinen  dahingehenden  Antrag  zu  genehmigen.  Die 
Freundschaft,  die  Cornelius  mit  dem  Professor  der  Philosophie  Christian  August  Brandis  in  Bonn 
verband,  hatte  wohl  auch  an  dem  Plan  ihr  Theil  gehabt,  der  schon  1821  besprochen  wurde. 

Im  October  1823  übertrug  Cornelius  die  Arbeit  seinen  drei  Schülern  Hermann,  Götzenberger 
und  Förster.  Die  vier  Wände  sollten,  wie  das  ja  nahe  lag,  mit  den  allegorischen  Darstellungen 
der  vier  Facultäten  geschmückt  werden.  Die  Cartons  zu  diesen  Bildern  entstanden  seit  1823,  wo 
die  Bestellung  perfect  wurde  mit  Unterbrechungen,  die  durch  Cornelius'  W^eggang  von  Düsseldorf 
bedingt  waren.  Zuerst  wurde  die  Theologie  in  Angriff  genommen.  Cornelius  selbst  hatte  auf 
Rafael  hingewiesen  und  es  konnte  nicht  ausbleiben,  dafs  die  Anklänge  an  ihn  gröfser  sind,  als 
gerade  nöthig.  Aber  auch  andere  vatikanische  Wandgemälde  scheinen  nicht  ohne  Einflufs  auf 
Götzenberger  gewesen  zu  sein,  der  die  drei  letzten  Bilder  allein  vollendete.  Die  thronenden 
Gestalten  in  der  Mitte  der  Bilder,  welche  die  einzelnen  W^issenschaften  darstellen,  sind  wohl  den 


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PETER   CORNELIUS 

Zeus,  Herrscher  im  Olymp 

Carton   zu   dem   Wandgemälde   im   Göttersaal   der  Glyptothek   in  München 

Wandmalereien  in  der  Torre  Borgia  entnommen,  wie  überhaupt,  namentlich  in  den  drei  späteren 
Bildern  auch  bezüglich  der  Farbe  der  Einflufs  Pinturicchios,  und  zwar  zum  Vortheil  der  Arbeiten, 
unverkennbar  ist.  Es  ist  das  interessant  genug;  auch  O verbeck  weist  gelegentlich  auf  Pinturicchio 
hin,  ein  Beweis,  dafs  dieser  Meister  damals  richtiger  geschätzt  wurde,  als  später.  Auch  sind  die 
Bonner  Fresken  so  Manchem,  was  später,  in  den  40er  Jahren  etwa,  auf  diesem  Gebiete  von 
Düsseldorf  aus  geleistet  wurde,  in  der  Composition  und  auch,  mit  Ausnahme  der  Theologie,  in 
der  Farbe  überlegen. 

1825  war  die  Theologie  in  gemeinsamer  Arbeit  beendigt.  Götzenberger  sollte  die  Jurisprudenz, 
Förster,  der  später  Kunstschriftsteller  wurde,  die  Medicin,  und  Hermann  die  Philosophie  malen, 
später  aber  wurde  die  ganze  Arbeit  Götzenberger  übertragen,  der  während  eines  längeren  Aufent- 
halts in  Italien  seit  1828  die  Cartons  zeichnete  und  die  Bilder  auch  1832 — 34  ausführte.  Ein  hübsches 
Zeitbildchen  entwirft  E.  Förster  aus  der  Zeit  seiner  Arbeit  an  der  Theologie  1824,  wie  er  wegen 
des  Verdachtes,  dem  Jugendbunde  anzugehören,  von  der  Arbeit  fort  und  ins  Gefängnifs  geschleppt 
wurde,  aus  dem  ihn  nur  Niebuhrs  energische  Fürsprache  erlöste,  nachdem  Delinquent  auf  Ehren- 
wort versichert  hatte,  dafs  er  dem  gräfslichen  Jugendbunde  nicht  angehöre.  Die  officielle  Weisung 
zu  seiner  Exhaftirung  lief  aus  Berlin  allerdings  erst  vier  Wochen  später  ein.  Sogar  Cornelius  wurde 
in  München  ähnlicher  Greuel  verdächtigt,  doch  hatte  man  seinen  Namen  nicht  in  den  Unter- 
suchungsakten finden  können,  und  er  blieb  in  München  unbehelligt.  Ernst  Joachim  Förster,  1800 
geboren,  war  zuerst  Schüler  von  W^.  von  Schadow  in  Berlin,  aber  seit  1823  Schüler  von  Cornelius, 
und  ging  nach  Vollendung  der  Theologie  mit  ihm  nach  München.  Dort  entwickelte  er  später 
eine  rege  und  fruchtbare  Thätigkeit  als  Maler  und  Kunstschriftsteller.  Für  die  Kunstgeschichte  ist 
seine  zweibändige  eingehende  Biographie  von  Cornelius  von  gröfstem  W^erthe.  Er  starb  1885  in 
München. 

Karl  Heinrich  Hermann,  geboren  1802  in  Dresden,  verliefs  Düsseldorf  ebenfalls  mit  Cornelius, 
um  1844  von  München  nach  Berlin  überzusiedeln,  und  ebensowenig  blieb  Jacob  Götzenberger  der 
Düsseldorfer  Kunst  erhalten.  Er  war  1800  in  Heidelberg  geboren,  und  seit  1820  Schüler  von 
Cornelius,  dem  er  namentlich  im  Göttersaal  der  Pinakothek  half.  Die  Bonner  Arbeiten  trennten 
ihn  von  dem  Meister,  und  noch  während  der  Arbeit  an  denselben,  im  Jahre  1833  siedelte  er  nach 
Mannheim    über,    wo    er   der   Gemäldegalerie    vorstand    und    auch    als    erster   Colonist    der    Düssel- 


47 


PETER   CORNELIUS 

Hochzeit  des  Poseidon  und   der  Amphitrite 

Carton  zu  dem  Wandgemälde  im  Göttersaal  der  Glyptothek  zu  München 

dorfer  Akademie  eine  Kunstschule  gründete.  In  Mannheim  zeichnete  er  den  Carton  für  das  letzte 
Bonner    Fresco,    das    1834    vollendet    wurde.     Nach  vielfachen  Reisen   starb    er   1866    in  Darmstadt. 

Die  Anordnung  der  vier  Bilder  in  der  Bonner  Aula  ist  derart,  dafs  an  der  den  Fenstern 
gegenüberliegenden  Westwand  die  beiden  kleineren  Bilder  der  Jurisprudenz  und  der  Medicin 
auf  beiden  Seiten  des  Katheders  angebracht  sind.  An  der  linken  Wand  ist  die  Theologie 
dargestellt,  die  also  den  Cyklus  beginnt,  und  rechts  die  Philosophie,  deren  Bild  alle  Zweige  der 
Wissenschaften,  die  aufserhalb  des  Bereiches  der  drei  übrigen  Facultäten  fallen,  und  aufserdem 
die  gesammten  schönen  Künste  umfafst.  Das  erste  Bild,  die  Theologie,  ist  aus  ganz  natürlichen 
Gründen  das  schwächste.  Es  war  der  erste  Versuch  der  drei  unerfahrenen  jungen  Leute,  und 
der  grofse  Unterschied  zwischen  ihm  und  den  nächsten  Bildern  zeigt  deutlich  den  Einflufs,  den 
das  Studium  der  römischen  Wandgemälde  auf  Götzenberger  ausgeübt  hatte.  Die  Composition 
ist  bei  allen  vier  Bildern  ziemlich  gleichartig.  Es  ist  die  seit  Rafael  sattsam  bekannte  Versammlung 
berühmter  Männer,  die  in  einer  Halle  sich  im  Halbkreis  um  eine  im  Mittelpunkt  thronende  alle- 
gorische Dame  gruppiren.  Die  Vorderen  hübsch  sitzend  oder  gar  malerisch  gelagert,  damit  man 
die  im  Hintergrund  befindlichen  Stehenden  auch  gut  sehen  kann.  Halbmythische  und  zeitgenössische 
Geistesheroen  bewegen  sich  in  friedlichem  Nebeneinander;  durch  umgehängte  bunte  Mäntel  ist 
eine  gewisse  Costümeinheitlichkeit  geschaffen,  und  die  Zopfperücken  sind  als  ganz  unmonumental 
nicht  geduldet. 

Ist  die  Theologie  das  schwächste  Bild,  und  zwar  weniger  nach  der  Composition,  als  in  Bezug 
auf  die  Farbe,  so  ist  die  gegenüberliegende  Philosophie  als  das  letzte  wohl  das  beste. 

Bei  der  Theologie  machen  sich  die  grofsen  hellen  Flecken  einzelner  Gewänder  und  ganzer 
Figuren  bemerkbar,  die  in  mangelhafter  Erfahrung  der  Veränderungen,  welche  die  Frescofarben 
beim  Auftrocknen  erleiden,  ihren  Grund  haben  mögen.  Bei  den  späteren  Bildern  ist  Götzenberger 
vorsichtiger  geworden,  leider  scheint  es  aber,  dafs  er  auch  die  verhängnifsvolle  Tempera-Ueber- 
malung  zum  „Retouchiren"  der  Bilder  angewandt  hat,  „die  sich  diese  Frescomaler  immer  er- 
lauben", wie  es  in  einem  etwa  gleichzeitigen  Bericht  über  die  Münchener  Arkadenbilder  heifst. 
Die  Folgen  dieser  Tempera-Uebermalung  in  München  sind  bekannt.  Auch  auf  einzelnen  der  Bonner 
Bilder  beginnt  die  Temperafarbe  sich  in  grofsen  Fetzen  zusammenzurollen   und  abzulösen. 


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In  der  Philosophie  ist  die  Composition  am  ungezwungensten.  Durch  Anbringung  eines 
Springbrunnens  in  der  Mitte  vor  der  thronenden  Gestalt  der  Wahrheit  ist  ein  natürlicher  Mittel- 
punkt geschaffen,  um  den  sich  die  Gestalten  zwangloser  gruppiren,  als  bei  den  anderen  Bildern, 
die  in  der  Mitte  alle  eine  unmotivirte  Lücke  wie  eine  Theaterbühne  zeigen.  Auch  die  farbige 
Gesammtwirkung  wird  von  Bild  zu  Bild  harmonischer  und  angenehmer,  ohne  dafs  der  wohl 
beabsichtigte  und  durch  eine  bunte,  groteskenartige  Umrahmung  gesteigerte  Eindruck  des  Gobelms 
ganz  verschwindet.  Der  tiefrothe  Anstrich  der  Wände  trägt  dazu  bei,  die  unleugbaren  Härten  der 
Malerei  noch  zu  verstärken.  Von  den  beiden  kleineren  Bildern  wirkt  durch  die  Häufung  allzu 
vieler  Gestalten  die  Jurisprudenz  etwas  unruhig,  und  die  Medicin  macht  durch  einen  kuriosen 
ägyptischen  Aufbau,  in  dem  eine  mystisch  beleuchtete  Isis  sitzt,  emen  noch  theaterhafteren 
Eindruck,  als  die  anderen  Bilder. 

Trotz  aller  Schwächen  haben  die  Bonner  Fresken  doch  ein  grofses  Interesse.  Sie  sind  das 
älteste,  umfangreichste  und  auch  bedeutendste  Document  der  von  Cornelius  geplanten  rheinischen 
Monumentalschule,  wenn  man  von  den  Glyptothekbildern,  deren  Cartons  ja  doch  nur  zum  Theil 
in  Düsseldorf  entstanden  sind,  absieht.  Die  Bonner  Wandgemälde  sind  der  erste  und  deutlichste 
Beweis  im  Grofsen  für  die  mit  dem  neuen  Jahrhundert  vollzogene  Stilwandlung,  und  es  wäre  kein 
Schade,  wenn  etwas  von  jener  Strenge,  die  hier  allerdings  noch  wie  Pedanterie  aussieht,  ohne 
die  aber  eine  monumentale  Kunst  undenkbar  ist,  sich  in  einigen  anderen,  späterhin  vollendeten 
Wandbildern  fände,  die  in  romantischer  Weichlichkeit  fast  zu  verschwimmen  scheinen. 

Ihnen,  und  das  gilt  von  den  Bildern,  die  Stilke  in  Stolzenfels  malte,  aber  auch  einigermafsen 
von  den  monumentalen  Arbeiten  der  Nazarener,  wäre  etwas  von  der  Herbheit  der  Bonner  Aula- 
bilder zu  wünschen,  und  es  ist  dabei  nun  ziemlich  gleichgültig,  ob  diese  Herbheit  ein  Zeichen 
der  Unreife  oder  nicht  doch  vielleicht  einer  gewissen  Kraft  ist,  der  späterhin  nur  die  Gelegenheit 
zu  richtiger  Entwicklung  gefehlt  hat. 

So  waren  die  Fresken  der  Bonner  Aula  also  zustande  gekommen,  wenn  auch  anders  als 
Cornelius  es  sich  gedacht  hatte,  und  seiner  Leitung  zuletzt  vollkommen  entzogen;  andere  Aufträge, 
die  der   jungen  Schule    auch  von  Privaten    zugingen,  hatten  keinen  so  glücklichen  Verlauf. 

V.  Lassaulx'  Anregung  zufolge  sollte  in  Coblenz  im  Assisensaal  ein  grofses  W^andbild  des 
jüngsten  Gerichtes  ausgeführt  werden.  Cornelius  betraute  damit  seine  Schüler  Stürmer,  Stilke  und 
Anschütz.  Es  scheint  aber,  dafs  die  jungen  Leute  nicht  recht  mit  der  Arbeit  zustande  kamen, 
so  dafs  das  Bild  nicht  vollendet  wurde. 

Der  Freiherr  von  Stein  wandte  sich  im  Jahre  1823  ebenfalls  an  Cornelius,  um  durch  einen 
seiner  Schüler  in  seinem  Schlosse  Cappenberg  bei  Lünen  in  Westfalen  einen  Saal  ausmalen  zu 
lassen.  Die  Vorwürfe  waren  schon  im  Einzelnen  festgestellt  und  Cornelius'  Schüler  Stilke  hatte 
sich  schon  mit  dem  Minister  in  Verbindung  gesetzt,  als  dieser  sich  zurückzog,  nachdem  Cornelius 
Düsseldorf  verlassen  hatte.  An  Stelle  der  Frescobilder  plante  Stein  späterhin  Oelgemälde 
in  die  Wand  einsetzen  und  nur  eine  Umrahmung  al  Fresco  dazu  malen  zu  lassen.  Aber 
nicht  einmal  dazu  kam  es.  Zwei  Oelgemälde  wurden  allerdings  bestellt,  aber  nicht  von  Düssel- 
dorfern, und  sie  hängen  heute  im  Treppenhause  des  einsamen  Schlosses.  Das  eine,  von  Schnorr 
gemalt,  stellt  den  damals  so  beliebten  „Tod  Barbarossas  im  Flusse  Saleph"  vor,  das  andere,  von 
dem  Berliner  Karl  W^ilhelm  Kolbe,  der  nicht  mit  dem  Düsseldorfer  Kolbe  zu  verwechseln  ist,  ,,die 
Schlacht  Ottos  des  Grofsen   gegen  die  Ungarn". 

Ein  Herr  von  Plessen  hatte  für  sein  Schlofs  in  Eller  ebenfalls  Frescogemälde  bestellt.  Die- 
selben sollen  auch  durch  zwei  sonst  weniger  bekannte  Schüler  des  Cornelius,  Röckel  und  App, 
in  Carton  begonnen  worden  sein,  sind  aber  kaum  gemalt  worden,  da  nach  Cornelius'  Abgang  auch 
Herr  von  Plessen  seinen  Plan  aufgab. 

Ein  gröfserer  und  umfangreicher  Auftrag  wurde  durch  den  Grafen  Franz  von  Spee  der  jungen 
Frescoschule  zu  theil,  dessen  Bedeutung  sich  über  die  Zeit  des  Cornelius  hinaus  erstreckte.  In 
dem  Schlosse  Heitorf  sollte  der  Gartensaal  mit  grofsen  geschichtlichen  Darstellungen  ausgemalt 
werden,  und  wenn  auch  diese  Arbeit  ebenfalls  nach  dem  'Weggang  des  Cornelius  stockte,  so 
wurde  sie  doch  später  unter  Schadow  wieder  aufgenommen  und  bildet  somit  gewissermafsen  die 
Brücke  zwischen  den  beiden  so' verschiedenen  Systemen  und  die  Grundlage  für  die  spätere 
Düsseldorfer  Monumentalmalerei. 

Fast  allen  diesen  Arbeiten  machte  also  die  'Wegberufung  des  Cornelius  nach  München  ein 
Ende.  Cornelius  hatte  seinen  'Weggang  von  Düsseldorf  schon  seit  Längerem  ins  Auge  gefafst, 
wenn  er  auch  gehofft  hatte,  durch  einen  in  seinem  Sinne  weiter  schaffenden  Nachfolger  die 
Schule  sich    auch    in    seinem    Sinne    weiterentwickeln    zu    sehen.     Seine    Doppelstellung,    die    ihn 

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zwang,  zwischen  München  und  Düsseldorf  hin  und  her  zu  reisen,  was  bei  den  damaligen 
Verkehrsverhältnissen  einen  übermäfsigen  Verlust  von  Kraft  und  Zeit  bedeutete,  mufste  auf  die 
Dauer  unhaltbar  werden.  Auch  der  Zustand  seiner  Frau,  die  das  Düsseldorfer  Klima  nicht  vertragen 
konnte,  liefs  ihm  eine  Wendung  dringend  wünschenswerth  erscheinen,  und  so  begrüfste  er  die 
Münchener  Anstellung  als  Director  der  dortigen  Akademie  und  Nachfolger  J.  P.  Langers,  seines 
alten  Lehrers,  als  eine  Befreiung. 

Langer  starb  am  6.  August  1824  und  schon  am  12.  und  13.  bot  König  Ludwig  dem  von  ihm 
so  hochverehrten  Cornelius  dessen  Stelle  an  mit  der  Aussicht  auf  ein  reiches  Feld  auch  malerischer 
Thätigkeit.  In  seinem  Entlassungsgesuch  an  den  preufsischen  Minister  von  Altenstein,  der  sich 
jederzeit  als  ein  warmer  und  verständnifsvoller  Gönner  von  Cornelius  gezeigt  hat,  betont  Cornelius 
freimüthig  gerade  auch  diese  Aussicht,  glaubt  aber  versichern  zu  können,  dafs  das  Wachsthum 
der  Düsseldorfer  Akademie  unter  einem  geeigneten  Nachfolger  gesichert  sei. 

Als  solchen  hatte  er  schon  1821  einmal  Overbeck  ins  Auge  gefafst  und  sogar  bei  diesem 
vertraulich  angefragt,  aber  eine  ablehnende  Antwort  erhalten.  Immerhin  ist  dieser  Gedanke  des 
Cornelius  charakteristisch,  ebensowohl  für  seine  Auffassung  der  Stellung  eines  Akademiedirectors 
gerade  in  Düsseldorf,  wo  nicht  mehr  als  Alles  noch  zu  thun  war,  als  auch  für  die  naive  Menschen- 
unkenntnifs  des  grofsen  Gedankenkünstlers,  dem  die  Natur  schon  damals  in  vieler  Beziehung  nur 
noch  ein  ziemlich  gleichgültiges  Mittel  zum  Zweck  geworden  war.  Der  herzensgute,  aber 
menschenscheue  und  geistig  ganz  unselbständige  Overbeck  wäre  der  Letzte  gewesen,  der  in 
Düsseldorf  etwas  hätte  wirken  können.  Es  war  also  für  alle  Theile  ein  Glück,  dafs  er  den  Vor- 
schlag von  Cornelius  zurückwies,  wahrscheinlich  unter  dem  Einflufs  seiner  Frau,  der  Pflegetochter 
eines  Wiener  Theaterdirectors,  die  sich  auch  späterhin  allen  Versuchen,  Overbeck  aus  Rom,  wo 
er  sehr  unter  dem  Klima  litt,  zu  entfernen,  erfolgreich  widersetzte  und  vor  der  Cornelius  schon 
in  seinen  Briefen  warnen  zu  müssen  glaubt.  Allerdings  vergeblich,  was  aber  hier  nicht  zum 
Schaden  der  Düsseldorfer  Akademie  war.  Immerhin  sind  die  Worte,  die  Cornelius  damals  schrieb, 
so  merkwürdig  und  gerade  für  die  heutige  Zeit  so  interessant,  dafs  sie  hier  angeführt  sein  mögen. 
,,Lafst  die  Weiber",  schrieb  er,  ..nicht  in  die  ernsten  Angelegenheiten  der  Kunst  mit  ihrem 
Kochlöffel  herumrühren.  Die  reine  Beziehung,  das  wahre  Verhältnifs  der  Geschlechter  verwirrt 
sich,  wenn  sie  aus  ihren  eigentlichen  Grenzlinien  hinausschreiten,  und  alles  Hohe,  alle  Begeiste- 
rung wird  zum  Spott,  wenn  sich  Weiber  hineinmischen." 

Das  Entlassungsgesuch  des  Cornelius  aus  preufsischen  Diensten  war  unter  den  obwaltenden 
Umständen  in  aller  Freundschaft  am  10.  December  1824  genehmigt  worden,  und  mit  dem  neuen 
Jahre  trat  Cornelius  in  die  neuen  Verhältnisse  über.  Allerdings  nicht  ohne  eine  Ahnung,  dafs 
auch  hier  seines  Bleibens  nicht  für  immer  sein  werde.  Aeufserte  er  doch  noch  in  Düsseldorf 
zu  seinem  Schüler  und  Biographen  Förster:    ..Auch  München  wird  mich  nicht  für  immer  fesseln." 

Welcher  Art  der  Bruch  sein  würde,  der  ihm  München  verleiden  sollte,  das  konnte  er,  der 
bisher  Despotenlaune  nur  von  ihrer  freundlichsten  Seite  kennen  gelernt  hatte,  freilich  nicht  ahnen. 

Der  preufsischen  Regierung  hatte  Cornelius  im  Interesse  der  Düsseldorfer  Akademie  und 
seiner  Frescoschule  als  seinen  Nachfolger  Julius  Schnorr  aus  Leipzig,  damals  in  Rom,  empfohlen. 
Aber  man  war  in  Berlin  inzwischen  der  Ansicht  geworden,  dafs  es  besser  sei,  in  der  Düsseldorfer 
Schule  die  Frescomalerei  nicht  als  Hauptstudium  zu  betreiben,  und  dafs  bei  der  W^ahl  des  neuen 
Directors  vielmehr  die  allgemeine  Tüchtigkeit  in  Betracht  zu  ziehen  sei,  so  dafs  die  Alfresco- 
Malerei  nur  als  untergeordnet  berücksichtigt  werden  solle. 


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IV.  Kapitel 

Schadows  Berufung  und  die  Neu- Organisation  der  Schule 
Die  Gründung  des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und  Westfalen 


Die   alte   Akademie   in   Düsseldorf 


DIE  Wahl  der  Regierung  fiel  also 
nicht  auf  Schnorr,  sondern  auf  Wil- 
helm Schadow,  der  damals  an  der 
Berliner  Akademie  neben  W^ach  als 
Lehrer  einer  Malklasse  wirkte.  Er 
wurde,  nachdem  Cornelius  1824 
Düsseldorf  verlassen  hatte  und  die 
Leitung  der  Akademie  eine  Zeit 
lang  provisorisch  von  Carl  Joseph 
Ignaz  Mosler  geführt  worden  war, 
im  Jahre  1826  mit  der  Direction  derselben  beauftragt.  Diese  Anstellung  bedeutete  für  Düsseldorf 
nicht  nur  einen  Systemwechsel  in  Bezug  auf  den  Unterricht,  sondern,  wie  die  Folge  lehrte,  eine 
vollständige  Umkehrung  in  Bezug  auf  fast  Alles,  was  Cornelius  bisher  eingerichtet  und  angestrebt 
hatte.  Es  läfst  sich  aber  nach  Mafsgabe  der  Verhältnisse  und  im  Hinblick  auf  die  spätere 
Thätigkeit  von  Cornelius,  wie  auf  die  Erfolge  der  Schadowschen  Mafsnahmen  nicht  leugnen,  dafs 
sich  kaum  ein  passenderer  Mann  hätte  finden  lassen  können. 

Die  Aufgaben,  die  des  neuen  Directors  harrten,  waren  zahlreich  und  verwickelter  Natur, 
und  nur  eine  so  complicirte  und  vielseitige  Persönlichkeit,  wie  Schadow,  konnte  sie  lösen.  Man 
kann  auf  Schadow  und  sein  Gedächtnifs  in  besonderem  Mafse  das  Shakespearesche  Wort  an- 
wenden:  ,,Was  Menschen  Uebles  thun,  das  überlebt  sie,  das  Gute  wird  mit  ihnen  oft  begraben", 
sofern  bei  einem  so  pflichteifrigen  und  strengdenkenden  Menschen  überhaupt  von  Ueblem  die 
Rede  sein,  und  man  nicht  statt  dessen  besser  nur  von  dem  weniger  Guten  reden  darf.  Während 
gewisse  Härten,  zu  denen  er  gezwungen  war,  um  seine  Anschauungen  zur  Geltung  zu  bringen, 
bittere  Aeufserungen  aus  einer  Zeit,  da  er,  krank  und  nervös,  vielfachen  Angriffen  ausgesetzt  war 
und  sehen  mufste,  wie  so  Manches  anders  ging,  als  er  es  gewollt  hatte,  während  solche  Härten 
und  bittere  Aeufserungen  noch  heute  in  der  Tradition  fortleben,  ist  sein  umfassendes  und  in  über- 
raschender Weise  erfolgreiches  Wirken,  als  Leiter  der  jungen  Akademie  und  der  ganzen  jungen 
Kunst,  als  Lehrer  zahlreicher  und  unter  sich  sehr  verschiedener  Schüler  nur  zu  sehr  vergessen. 
Ueber  seine  Bilder,  die  ihn  in  den  Augen  der  selten  objectiv  und  aus  dem  Geist  der  Zeit  heraus 
urtheilenden  Nachwelt  als  einen  schwächeren  Künstler  darstellen,  als  er  in  Wirklichkeit  war, 
vergifst  man  nur  zu  leicht  die  Thatsache,  dafs  seine  Anweisung  auf  zwei  Künstlergenerationen 
eminent  befruchtend  und  anregend  gewirkt  hat,  dafs  ohne  ihn  Düsseldorf  sicherlich  nicht  das 
geworden  wäre,  was  es  geworden  ist. 

Schadow  vereinigte  durch  seine  Abstammung  und  durch  seinen  Studiengang,  dort  als  Mensch, 
hier  als  Künstler,  eine  Reihe  von  scheinbar  einander  widerstrebenden  Eigenschaften.  Sein  Vater 
Gottfried  Schadow,  von  kleinbürgerlicher  berliner  Herkunft,  war  ein  Bildhauer  von  hervorragender 
Bedeutung.  In  der  Zeit  traurigsten  Eklekticimus  hatte  er,  mit  gesundem  Naturgefühl  begabt,  eine 
Reihe  von  Arbeiten  geschaffen,  die  ihm  selbst  unter  den  schwierigen  und  engen  Verhältnissen 
des  damaligen  Berlin  einen  Weltruf  verschafft  hatten. 


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Die  Gattin  des  Bildhauers  war,  wie  schon 
erwähnt,  eine  getaufte  Wiener  Jüdin,  die  aus 
dem  Kloster,  in  das  man  sie  eingesperrt  hatte, 
durch  ihren  Vater  nach  Berlin  geflüchtet  worden 
war.  Wilhelm  Schadow  selbst  hatte  sich  der 
Malerei  zugewandt  und  war  während  seines 
Aufenthaltes  in  Rom  1810 — 1819  mit  den  anderen 
Klosterbrüdern,  denen  er  sich  angeschlossen 
hatte,  katholisch  geworden,  wozu  bei  ihm,  ähn- 
lich wie  bei  Veit,  das  Vorbild  der  Mutter  nicht 
wenig  beigetragen  hatte.  Indessen  hatte  sich 
Schadow  künstlerisch  viel  weniger  dem  welt- 
scheuen Klosterbrüderthum  hingegeben,  wie  die 
meisten  Andern,  in  einer  Hinsicht  sogar  weniger 
als  selbst  Cornelius.  Er  war  der  Einzige,  der 
eine  Verbindung  mit  den  französischen  Akade- 
mikern gesucht  hatte,  durch  deren  Vermittlung 
die  Klosterbrüder  ihren  Zufluchtsort  in  St.  Isidoro 
erhalten  hatten.  Und  dem  Einflufs  der  römischen 
Franzosen  verdankte  er  ohne  Zweifel  die  tech- 
nische Ueberlegenheit,  die  sich  schon  in  den 
Fresken  der  Casa  Bartholdy  geltend  machte 
und,  gelegentlich  der  ersten  Anwesenheit  von 
Cornelius  in  Berlin  bei  der  Ausmalung  des 
Schauspielhauses  durch  Schadow,  zu  einem 
kleinen  Wettkampf  der  Beiden  führte,  in  dem 
Cornelius,  wenigstens  nach  Ansicht  der  Berliner, 
nicht  Sieger  blieb. 

Schadow  hatte  mit  dem  scharfen  Blick  für 
das  Praktische,  den  er  später  bei  verschiedenen 
Gelegenheiten  bewährte,  und  dem  er  nicht  zum 
wenigsten  die  Erfolge  seiner  Schule  in  Düsseldorf 
verdankte,  schon  damals  erkannt,  dafs  mit  dem 
Fresco  allein  die  deutsche  neue  Kunst  nicht 
begründet  werden  könne.  Schon  in  Rom  hatte 
er  den  Grund  zu  dem  Colorismus  gelegt,  dem  seine  Schule  in  Berlin  ihren  Ruhm  verdankte, 
und  der  später  in  Düsseldorf,  für  eine  Zeit  lang  wenigstens,  das  denkbar  Höchste  bedeutete, 
trotzdem  Schadow  selbst  gerade  hier  als  selbstschaffender  Künstler  ziemlich  bald  in  den  Hinter- 
grund treten  mufste. 

Aber  selbst  dann  noch  wirkte  er  fördernd  und  anregend,  weniger  durch  das  eigene  Vorbild, 
als  vielmehr  durch  ein  hervorragendes  künstlerisches  Verständnifs,  das  zuweilen  in  etwas  tyran- 
nischer Weise  aus  jedem  Menschen  und  aus  jedem  Werk  das  herauszuholen  wufste,  was  seiner 
Natur  nach  in  ihm  steckte,  ein  intuitives  Verständnifs,  das  durch  einen  scharfen  Verstand  und 
eine  vielseitige  geistige  Bildung  unterstützt  wurde. 

So  hat  die  Anekdote,  wie  er  als  Lehrer  der  Landschaftsklasse  einem  Schüler,  der  einen 
„warmen  Abend"  gemalt  haben  wollte,  gesagt  haben  soll:  „Machen  Sie  einen  kühlen  Morgen 
daraus",  ihre  epigrammatische  Bedeutung. 

Dafs  späterhin  Verhältnisse  eintraten,  welche  sein  klares  Urtheil  zeitweise  trübten,  darf  dabei 
allerdings  nicht  verschwiegen  werden,  vermag  aber  sein  wirkliches  Verdienst  nicht  zu  schmälern. 
—  Schadow  durchschaute  sehr  bald  die  Verhältnisse  in  Düsseldorf  und  die  Persönlichkeiten,  auf 
die  er  angewiesen  war.  Weder  die  einen,  noch  die  anderen  waren  erfreulicher  Natur,  und 
Schadow  sah  sich  genöthigt,  zunächst  allein  Hand  anzulegen,  bis  es  ihm  gelang,  sich  in 
einigen  seiner  von  Berlin  mitgebrachten  oder  in  Düsseldorf  neugewonnenen  Schüler,  Gehülfen 
und  Lehrer  heranzubilden. 

Und  hier  war  es  wieder  ein  merkwürdiger  Glücksfall,  dafs  sich  unter  diesen  jungen  Leuten 
schon  früh  fast  alle  Die  zusammenfanden,  welche  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahrhunderts  eine 
führende   Rolle    in    der   Düsseldorfer    Kunst   spielen   sollten.     Diejenigen,    die   Schadow    von   Berlin 


HEINRICH   KOLBE 
Goethebildnis 


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mitbrachte  und  die  er  mehrfach  in  erster  Linie  selbst  nennt,  waren:  J.  Hübner,  C.  Sohn, 
Th.  Hildebrandt  und  C.  F.  Lessing,  und  für  Jeden  sollte  sich  bald  Gelegenheit  finden,  in  irgend 
einer  Weise  die  beabsichtigte  neue  Kunst  begründen  zu  helfen.  Das  Lehrpersonal  der  Akademie 
bestand  bei  der  Ankunft  Schadows  in  der  Elementarklasse  aus  dem  Professor  Mosler  und  dem 
Inspector  Wintergerst,  beides  Freunde  von  Cornelius.  Mosler,  geboren  1788  in  Coblenz,  gestorben 
1860  in  Düsseldorf,  ist  als  ausübender  Künstler  nicht  hervorgetreten;  seine  gehaltreichste  Seite  soll 
die  eines  Kunstgelehrten  gevi^esen  sein,  weshalb  er  auch  den  Unterricht  in  der  Kunstgeschichte 
ertheilte,  ohne  dafs  literarische  Arbeiten  ein  Urtheil  über  sein  'Wissen  ermöglichen. 

Seine  Vorträge  scheinen  aber,  wie  das  ja  auch  in  viel  späterer  Zeit  auf  der  Akademie  noch 
vorgekommen  sein  soll,  von  den  Schülern  mehr  gefürchtet,  als  geliebt  und  besucht  worden  zu  sein. 

Aufserdem  fungirte  Mosler  als  Conservator  der  Sammlungen  der  Akademie,  die  aber  so  gut 
wie  gar  nicht  zugänglich  waren.  Joseph  Wintergerst  (1783 — 1867),  der  als  Inspector  das  Rech- 
nungswesen der  Akademie  führte,  bedeutete  als  Künstler  noch  weniger,  wie  als  Zeichenlehrer.  In 
der  Vorbereitungsklasse,  in  welcher  nach  der  Antike  gezeichnet  und  der  Anfang  im  Actmalen 
gemacht  wurde,  war  Heinrich  Kolbe  der  einzige  Lehrer,  und  er  scheint  hier  nach  verschiedener 
Richtung  keinen  günstigen  Einflufs  ausgeübt  zu  haben.  Als  Porträtmaler  hat  er  zweifellos  ge- 
wisse Verdienste  gehabt,  solange  es  ihm  möglich  war,  seine  Bilder  vor  der  Natur  fertig  zu 
malen.  Er  verdankte  einen  grofsen  Theil  seines  damaligen  Rufes,  wie  auch  wohl  seine  heutige 
Stellung  in  der  Kunstgeschichte,  hauptsächlich  seinen  Beziehungen  zu  Goethe.  Diese  stammten 
zwar  noch  aus  seiner  Jugend,  er  hatte  sie  aber  20  Jahre  später  wieder  aufzufrischen  gewufst, 
indem  er  mehrere  Porträts  des  inzwischen  auf  seine  olympische  Höhe  gelangten  Dichterfürsten 
malte,  die  nun  allerdings  künstlerisch  und  im  Vergleich  mit  gleichzeitigen  Porträts  nach  gewöhn- 
lichen Sterblichen  zu  seinen  schwächsten  Arbeiten  gehören.  Seine  Malerei  war  die  sorgfältige, 
aber  geistlose  und  trockene  Manier  der  Pariser  Schule  seit  David,  und  seine  Thätigkeit  als  Lehrer 
der  Maltechnik  gab  den  Anlafs  zu  den  ersten  Differenzen  unter  Schadows  Direction,  denen  Kolbe 
im  Jahre  1831  weichen  mufste.  Seine  eigenen  Schüler  hatten  sich  in  einer  Beschwerde  über  ihn 
an  Schadow  gewandt  und  diesem  die  willkommene  Handhabe  zu  energischem  Einschreiten  ge- 
geben.    Auch  der  junge  Rethel  scheint  sich  von  Kolbe  schlecht  behandelt  gefühlt  zu  haben. 

Die  , .ausübende  Klasse",  deren  Zweck  die  Bild- 
nifsmalerei  in  ihrem  gröfsten  Umfange,  dann  die 
Ausführungen  eigener  Compositionen  war.  übernahm 
Schadow  selbst.  Er  fand  sie,  wie  er  selbst  berichtet. 
,, eigentlich  desorganisirf.  indem  die  Mehrzahl  der 
Schüler  des  Cornelius  theils  mit  diesem  nach 
München,  theils  in  dem  langen  Interregnum  (,,wo 
Mosler  hier  den  Meister  spielte")  in  alle  vier  Winde 
davongegangen  war.  Für  sie  hatte  er  die  ihm  von 
Berlin  gefolgten  und  noch  von  dort  zu  erwartenden 
Schüler  bestimmt.  Es  gab  dann  noch  eine  Kupfer- 
.  Stecherklasse,  in  der  der  alte  Thelott  ohne  Schüler 
ein  beschauliches  Dasein  führte,  und  die  Architektur- 
klasse des  Professors  Schäffer.  der  in  der  Zwischen- 
zeit vergeblich  versucht  hatte,  in  Düsseldorf  aus  den 
Resten  der  akademischen  Galerie  und  sonst  zusammen- 
getriebenen Bildern  ein  ,,Centralmuseum"  zu  gründen. 
Seine  gutgemeinten  und  harmlosen,  vielleicht  etwas 
überschwenglichen  Pläne  hatten  ihm  nur  eine  ener- 
gische Nase  seitens  der  Regierung  und  mehrjährige 
Entziehung  einer  kleinen,  ihm  früher  gewährten  Re- 
muneration eingetragen. 

Schäffer  und  Thelott  führten  gemeinsam  noch 
eine  Sonntagsschule  für  Handwerker,  die  gewisser- 
mafsen  den  Rest  der  verschwundenen  Akademie  dar- 
stellte. 

Es  liegt   auf  der  Hand,    dafs  mit   diesen  Leuten  ernst  thelott 

sich     keine    neue     Kunst    gründen     liefs     und     Schadow  Bildnis  des  Philosophen  Fritz  Heinrich  Jacobi 

also,    wie     gesagt,     auf    sich     selbst    und     seine     Schüler  Nach   dem   Stich   des   Künstlers 


55 


angewiesen  war.  Er  fand  übrigens  bei  der  Düsseldorfer  Regierung,  die,  wie  auch  heute  noch, 
als  Curatorium  der  jungen  Anstalt  fungirte,  in  dem  Geheimen  Rath  Georg  Arnold  Jacobi,  dem 
zweiten  Sohne  von  Goethes  Freundin  Betty  Jacobi,  in  dem  schon  genannten  Kortüm  und  in  dem 
Präsidenten  von  Pestel  verständnifsvolle  und  jederzeit  hülfsbereite  Förderer  seiner  Wünsche  und 
Ansichten.  So  gelang  es  ihm  ziemlich  bald,  den  jungen  Hildebrand  an  die  Stelle  Kolbes  zu 
setzen,  Schirmer  als  Lehrer  der  Landschaftsklasse  anzustellen,  die  er  selbst  während  der  ersten 
Zeit  geleitet  hatte,  und  Carl  Sohn  als  Hülfslehrer  in  die  erste  Klasse  zu  berufen. 

Vorher  schon  hatte  er  den  ganzen  Lehrplan  einer  eingehenden  Umarbeitung  unterzogen, 
so  dafs  nach  dieser  Richtung  hin  bald  Alles  aufs  beste  bestellt  war.  Den  Hauptwerth  legte 
Schadow  mit  Recht  auf  den  Unterricht  im  Malen  in  der  Vorbereitungsklasse,  und  darin  zeigt  sich 
zunächst  schon  ein  äufserlicher  Gegensatz  zu  den  Corneliusschen  Grundsätzen.  Dafs  Schadow 
sich  aber  nicht  scheute,  auch  die  Resultate  der  älteren  Frescomalerei  zu  kritisiren,  beweist  ein 
Bericht,  den  er  bald  nach  seiner  Ankunft  über  den  Zustand  der  Arbeiten  in  der  Bonner  Aula 
abgegeben  hat.  Er  erwähnt  zuerst,  dafs  Goetzenberger  eine  Reise  nach  England  gemacht,  jedoch 
versprochen  habe,  in  diesem  Jahre  zurückzukehren,  dafs  Hermann  nach  München  gegangen  sei 
und  dafs  Ernst  Förster  sich  der  schönen  Literatur  ergeben  habe.  ,, Meine  Schüler  Hübner  und 
Sohn,  welche  ich  zu  diesem  Zwecke  mitbrachte,  haben",  schreibt  er  wörtlich,  „seit  sie  bei  ihrer 
Herreise  die  Bilder  in  Bonn  gesehen,  durchaus  alle  Lust  an  der  Frescomalerei  verloren,  weil  sie 
eigentlich  die  Cartons  im  Bilde  vernichtet  fanden,  so  unvollkommen  ist  die  Ausführung." 

In  diesen  Worten  spricht  sich  der  Systemwechsel  und  der  W^echsel  der  Anschauungen  am 
klarsten  aus.  Die  Bonner  Fresken  wurden  ja  schliefslich  als  letzte  von  den  Cornelianischen 
Arbeiten  bald  darauf  beendet,  aber  damit  schlofs  die  Schule  des  Cornelius  am  Rhein  ab.  Die 
Heltorfer  Fresken  wurden  von  Schadowschülern  vollendet,  und  die  neuere  Monumentalmalerei  ver- 
zichtet, wo  es  ihr  möglich  ist,  auf  eine  Technik,  die  den  modernen  coloristischen  Anschauungen 
so  grofse  Schwierigkeiten  bereitet,  und  nur  gelegentlich  kam  und  kommt  das  echte  Fresco, 
keineswegs  zum  Vortheil  der  darin  ausgeführten  Werke,  in  der  Düsseldorfer  Malerei  noch  zur 
Anwendung. 

Es  ist  merkwürdig,  aber  durchaus  im  Wesen  der  Malerei  begründet,  dafs  die  grofse  Ver- 
schiedenheit zwischen  der  Kunst  der  Cornelianischen  Zeit  und  der  Schadowschen  anfänglich  mehr 
in  diesen  Aeufserlichkeiten  der  Technik  beruhte,  als  in  den  Motiven.  Die  Schüler  des  CorneUus 
standen  weit  mehr,  als  ihr  Meister,  der  auch  um  diese  Zeit  seine  eigenen  W^ege  ging,  innerhalb 
der  Stimmung  ihrer  Zeit,  wenigstens  was  die  Motive  anbelangt,  die  sie  behandelten,  und  unter 
Schadow  hatten  sich  diese  Motive  keineswegs  geändert.  Nur  malte  man  eben  nicht  mehr 
al  Fresco  auf  die  Wände,  sondern  mit  Oelfarbe  auf  Leinwand.  Aber  der  Geist  war  so  ziemlich 
derselbe  geblieben.  Es  war  der  Geist  der  Romantik,  der,  nachdem  er  in  der  Literatur  schon  zu 
Ende  des  XVIIL  Jahrhunderts'  erwacht  war,  nachdem  er  durch  Cornelius  recht  eigentlich  in  die 
bildende  Kunst  eingeführt  worden  war,  nach  kurzen  Unterbrechungen  und  hauptsächlich  gerade 
in  Düsseldorf  zu  vollster  Blüthe  kam. 

Goethe  war  es  gewesen,  der  mit  seinem  Goetz  in  die  Zeit  des  Ritterthums  zurückgegriffen 
und  im  Faust  den  ganzen  Mysticismus  des  dunkeln  Zauber-  und  Hexenwesens  heraufbeschworen 
hatte.  Aber  was  unter  seiner  Hand  zu  kraftvollen  Kunstwerken  wurde,  das  wurde  bei  seinen 
Nachahmern  zu  jener  zerflossenen,  mystisch  sentimentalen  oder  gespensterhaften  Poesie,  wie  sie 
die  norddeutschen  und  die  rheinischen  Romantiker  eben  charakterisirt. 

Die  Flucht  in  die  Vergangenheit,  die  man  sich  besser,  gröfser  und  schöner  vorstellte,  nicht 
nur  als  sie  selbst  gewesen,  sondern  vor  allem  als  die  Gegenwart  war,  lag  unter  den  traurigen 
Verhältnissen  um  die  Jahrhundertwende  nahe.  Dafs  aber  die  grofse  Zeit  der  Freiheitskriege  nicht 
imstande  war,  den  Dichtern  bis  auf  wenige  Ausnahmen  die  Grofse  der  Gegenwart  klar  zu  machen, 
dafs  die  Helden  der  Freiheitskriege  selbst  noch  von  Wassermännern  und  Undinen  träumten  und 
sangen,  das  beweist  eben  nur,  dafs  trotz  des  so  grofsartigen  nationalen  Aufschwungs  der  Begriff 
der  lebendigen  actuellen  Nationalität  im  deutschen  Volke  noch  nicht  lebendig  geworden  war,  und 
die  jämmerliche  Reaction  der  folgenden  Jahrzehnte  war  die  nothwendige  Folge  dieser  Unreife  der 
Völker  und  der  Schwäche  der  Regierungen. 

Das  ganze  deutsche  Volk  ist  immer  mehr  ein  literarisches,  als  ein  künstlerisches  gewesen. 
Nicht  umsonst  war  es  ein  Deutscher  gewesen,  der  die  Buchdruckerkunst  erfunden  hatte,  und 
selbst  die  graphischen  Künste,  die,  wie  das  Klinger  gezeigt  hat,  gewissermafsen  zwischen  Sprache 
und  Malerei  stehen,  sind  vorwiegend  deutschen  Ursprungs. 

56 


Die  Kunst  ist  in  Deutschland  immer  mehr  oder  weniger  von  der  Wissenschaft  abhängig 
gewesen.  Dürer  war  fast  ebensosehr  ein  Gelehrter,  wie  ein  Künstler,  und  kaum  je  hat  ein 
Künstler  solchen  Einfiufs  in  der  Kunst  ausgeübt,  wie  es  seiner  Zeit  der  Gelehrte  \A^inckelmann 
und  der  Kritiker  Lessing  gethan  haben;  so  konnte  es  nicht  ausbleiben,  dafs  die  Romantik  aus  der 
Dichtkunst  in  die  Malerei  überging,  zumal  hier  wie  dort  dieselbe  Ursache  wirksam  war.  Der 
Klassicismus  der  Kunst,  den  Napoleon  in  die  Praxis  und  ins  Leben  hatte  übersetzen  wollen,  hatte 
mit  ihm  abgewirthschaftet.  Cornelius  war  der  Einzige,  der  noch  einmal  zu  ihm  zurückkehrte, 
und  nur  bei  den  Münchener  und  Berliner  Architekten  hielt  er  sich  noch  eine  Zeit  lang,  aber 
selbst  Goethe  hat  der  mystischen  Romantik  des  XIX.  Jahrhunderts  am  Ende  des  erst  so  klassisch- 
renaissancehaft  sich  gebärdenden  II.  Faust  wieder  sein  Opfer  bringen  müssen.  Die  neue  Malerei 
schwamm  mit  vollen  Segeln  in  ihrem  Fahrwasser,  und  wunderlich  pafste  zu  der  Schwärmerei 
für  das  Mittelalter  das  ästhetische  Wohlgefallen  an  der  katholischen  Kirche  mit  ihrem  prunk- 
vollen Gottesdienst,  den  Fahnen  und  dem  Weihrauch  auf  der  einen,  der  sentimentalen  W^eltflucht 
und  dem  Mönchthum   auf  der  andern  Seite. 

Wenn  irgendwo,  so  hat  die  Romantik  ein  historisches  Existenzrecht  am  Rhein.  Am  Rhein 
hat  das  Mittelalter  in  der  That  Spuren  einer  hohen  Cultur  hinterlassen.  Prächtige  Dome  zieren 
hier  die  Städte,  Ritterburgen  krönen  die  Berggipfel,  und  wie  vor  Alters  ziehen  die  Processionen 
durch  die  Strafsen  der  winkligen  alten  Städte.  Hier  sind  sozusagen  die  historischen  Wohnplätze 
all  des  romantischen  Zauber-  und  Hexengesindels,  von  den  Walküren  und  den  Rheintöchtern  bis 
zur  Loreley,  und  von  den  Ritterfräulein  und  Edelknappen  wissen  die  bekannten  ältesten  Leute 
noch  wie  aus  eigener  Anschauung  zu  erzählen. 

Nun  gehört  ja  Düsseldorf  eigentlich  nicht  mehr  so  recht  zum  romantischen  Rheinland.  Berge 
und  hochragende  Ritterburgen  sind  in  der  nächsten  Nähe  nicht  mehr  vorhanden,  aber  dafür  besafs 
die  Akademie  in  ihrem  derzeitigen  Asyl,  dem  alten  Schlofs,  ihr  eigenes  wirkliches  Schlofsgespenst, 
die  Herzogin  Jacobe  von  Baden,  die  des  Nachts  umging  und  allerlei  Unfug  anrichtete. 

So  verstand  es  sich  denn  eigentlich  von  selbst,  dafs  die  in  Berlin  ästhetisch  gezüchteten 
Romantiker  in  Düsseldorf  am  Rhein  so  recht  ihren  Nährboden  fanden,  um  so  mehr  als  in  Berlin 
das  Litterarisch-Aesthetische  doch  allzusehr  überwucherte  und  die  Malerei  auch  ziemlich  bald  dem, 
den  Künsten  ewig  feindlichen,  bureaukratisch-militärischen,  damals  auch  polizeimäfsigen  Geiste  zu 
unterliegen  schien. 

Aufser  diesem  allgemeinen  nationalen  Zuge  und  dem  Zuge  der  Zeit  kam  aber  noch  Eines  hinzu, 
was  den  Umstand  erklärt,  dafs  eine  so  grofse  Anzahl  von  immerhin  hochbegabten  Künstlern 
hartnäckig  an  der  romantischen  Literatur  als  Vorbild  festhielt,  statt  doch  wenigstens  die  Romantik 
in  der  Natur  aufzusuchen,  wie  es  nur  die  Allerwenigsten  thaten.  Das  war  das  programmatisch 
ausgesprochene  Schulprincip  des  Directors  Schadow :  ,,Nur  die  vollkommen  naturgemäfse  Aus- 
führung einer  dichterischen  Idee  in  Form  und  Farbe  giebt  die  beseligende  Erscheinung  eines 
schönen  Kunstwerkes."  Also  nicht  etwa  die  , .Ausführung"  dessen,  was  man  sich  heutzutage  erlaubt, 
einen  künstlerischen  oder  einen  coloristischen  Gedanken  zu  nennen,  sondern  nur  die  Ausführung 
eines  ,, dichterischen".  ,,Das  ist",  wie  Gurlitt  in  seiner  ,, Deutschen  Kunst  des  XIX.  Jahrhunderts" 
bemerkt,  ,,das  Ergebnifs  von  Schellings  Lehre,  nach  welcher  die  schöne  Form  nur  insofern  Werth 
habe,  als  sie  der  Ausdruck  des  Inhaltes  sei;  sonst  wirke  sie  nur  als  Sinnenreiz."  Heute  freilich 
ist  man  zu  der  Ansicht  gelangt,  dafs  dies  ,,nur  als  Sinnenreiz  wirken"  eben  allerdings  der 
Hauptzweck  und  eines  der  Hauptziele  der  Kunst  sei  und  der  Hauptinhalt  gerade  der  gröfsten 
Kunstwerke  aller  Zeiten,  von  der  Venus  von  Milo  über  Tizians  himmlische  und  irdische  Liebe 
bis  zu  Böcklins  fidelen  Ungeheuern.  Es  lag  unter  jenen  Gesichtspunkten  nahe  genug,  dafs  man 
die  Gedanken  der  Poeten  wählte,  um  sie  in  Bilder  zu  übersetzen,  denn  diese  Gedanken,  klar  und 
rund  ausgedrückt  in  der  bequemen  Form  der  Sprache,  begeisterten  und  erfüllten  Alle.  Es  schien 
also,  wie  es  auch  Cornelius  schon  gefunden  und  sogar  ausgesprochen  hatte,  aus  rein  praktischen 
Gründen,  der  allgemeinen  und  bequemeren  Einwirkung  auf  das  Volk  wegen,  selbstverständlich, 
dafs  man  sich  an  die  Dichtung  anlehnte.  Man  bedachte  dabei  nicht  nur  nicht,  dafs  man  die  freie 
Kunst  zu  einer  blofsen  illustrirenden  Nebenrolle  herabwürdigte,  sondern  man  hatte  auch  keine 
Ahnung  von  dem  rein  kunsttechnischen  Irrthum,  den  man  beging. 

Dieser  Irrthum,  der  übrigens  heute  immer  noch  häufig  genug  ist,  besteht  darin,  dafs  man 
glaubt,  das  gute  Werk  einer  Kunst  in  ein  ebenso  gutes  oder  womöglich  noch  besseres  \A^erk  einer 
anderen  Kunst  übersetzen  zu  können,  gerade  als  ob  die  verschiedenen  Künste  etwa  verschiedene 
Sprachen  wären,  in  denen  man  dieselbe  Thatsache  aussprechen  könne.  Das  ist  aber  keineswegs 
der   Fall;    einen    poetischen    oder    philosophischen    oder    theologischen    Gedanken    kann    man    am 

57 


klarsten,  schnellsten  und  schönsten  (schön,  weil  in  möglichst  vollkommener  Weise)  eben  nur  durch 
die  Sprache  ausdrücken,  einen  coloristischen  durch  die  Malerei,  einen  musikalischen,  eine  Melodie 
durch  die  Tonkunst;  und  man  kann  eben  nicht  statt  der  einen  Ausdrucksweise  beliebig  eine 
andere  nehmen.  Wie  tief  dieser  Irrthum  sich  eingefressen  hatte,  beweist  der  Umstand,  dafs,  als 
die  literarische  Romantik  und  die  Anlehnung  an  eine  weniger  romantische  Literatur  (H.  Jobs) 
glücklich  überwunden  schien,  die  Genremalerei,  die  Volkskunst,  statt  sich  nun  energisch  an  die 
Natur  zu  halten,  blofs  von  der  Poesie  zur  Novelle  überging  und  von  der  geschriebenen  Novelle 
nur  zur  selbst  erfundenen  Novelle  oder  zu  den  „Unglückställen".  Letztere  wurden  in  München 
förmlich  zur  Historie  aufgeblasen,  erstere  blieb  in  Düsseldorf  bis  auf  unsere  Tage  im  Gebrauch. 
Goethes  Rath  an  den  Theaterdirector:  ,,Vor  allem  lafst  etwas  geschehen,"  übernahmen  eben  die 
Maler  zu  befolgen.  Kein  W^under,  dafs  die  Malerei,  auch  die  genrehafte,  vielfach  ins  Theatralische 
verfiel.  Und  dafs  gerade  in  Düsseldorf  der  Dichter  und  das  Theater  einen  solchen  Einflufs  aus- 
übten, die  mit  dem  Schadowschen  Princip  Hand  in  Hand  gingen,  das  hatte  nun  auch  wieder 
seine  besonderen  Gründe. 

W^ährend  Schadow  sich  mit  den  angedeuteten  Verwaltungssorgen  und  vielseitigen  Correcturen 
abquälte,  entwickelte  sich  unter  den  jungen  Leuten  ein  so  fröhliches  und  kameradschaftliches 
Schaffen,  dafs  diese  ersten  Jahre  als  das  Ideal  einer  freien  und  lebensvollen  Künstlerthätigkeit 
betrachtet  werden  können.  In  dem  kleinen,  idyllischen  Düsseldorf  mit  seinen  25000  Einwohnern 
wurde  die  Künstlerrepublik  schnell  der  eigentliche  geistige  Mittelpunkt,  um  den  sich  alle  Interessen 
drehten.  Der  Zufall  oder  vielleicht  eine  gewisse  wohlwollende  Absicht  dem  neuerworbenen 
Ländchen  gegenüber  hatte  es  gewollt,  dafs  eine  ganze  Reihe  geistvoller  Männer,  meist  in  amtlichen 
Stellungen,  sich  in  Düsseldorf  zusammengefunden  hatte,  und  alle  diese  schaarten  sich  um  den 
Director  und  die  neue  Kunstschule,  bereit,  ihnen  mit  Rath  und  That  zur  Seite  zu  stehen.  Der 
ästhetische  preufsische  Beamte  war  eine  Figur  jener  Zeit,  die  den  später  gesteigerten  Anforderungen 
des  Dienstes  bald  genug  weichen  mufste.  Sein  klassisches  Prototyp  war  der  famose  Callot- 
Hoffmann  in  Berlin  gewesen,  der  neben  seiner  Thätigkeit  als  Kammergerichtsrath  Opern  compo- 
nirte  und  dirigirte,  phantastische  Zaubermärchen  schrieb,  Caricaturen  zeichnete  (die  ihm  allerdings 
die  Carriere  verdarben)    und  mit  Ludwig  Devrient   bei  Luther    und  Wegener    seine  Orgien  feierte. 

In  Düsseldorf  war  man  nicht  so  ausschweifend,  vielmehr  war  hier  eine  zurückhaltende 
Wohlanständigkeit  erste  Bürgerpflicht  in  der  Gesellschaft  der  geistreichen  Leute,  und  als  einmal 
ein  wirklich  grofses,  allerdings  stark  verkommenes  Genie,  Grabbe,  in  diesen  Kreis  hineinfiel,  da 
fand  sich  für  dasselbe  kein  rechtes  Unterkommen.  Das  war  keines  einzelnen  Mannes  Schuld, 
das  lag  damals  so  in  den  Verhältnissen,  und  diese  Verhältnisse  haben  sich  noch  auf  lange 
Zeit  hinaus  geltend  gemacht.  Dafs  heute  gewisse  literaturprotegirenden  Kreise  Grabbe  für 
Düsseldorf  förmlich  in  Anspruch  nehmen  und  als  einen  der  damals  leitenden  Geister  hinstellen 
möchten,  beruht  auf  gründlicher  Unkenntnifs  der  Verhältnisse. 

Kortüm,  der  ehemalige  Director  des  Gymnasiums,  der  später  zur  Regierung  überging  und 
jahrelang  als  Curator  neben  dem  trefflichen  Regierungspräsidenten  von  Pestel  fungirte,  wurde  schon 
genannt. 

Ebenfalls  bei  der  Regierung  arbeitete  der  Regierungsrath  Sybel,  der  Vater  des  Historikers, 
während  Carl  Schnaase,  der  berühmte  Kunsthistoriker,  Staatsprocurator  war. 

Eine  eigenartige  Rolle  in  dieser  geistig  vornehmen  Gesellschaft  spielte  als  Beirath  der  jungen 
Leute  der  Landgerichtsrath  Friedrich  von  Uechtritz.  Und  wenn  er  auch  keineswegs  zur  Gefolg- 
schaft Schadows  gehörte,  so  wirkte  er  doch  in  ähnlichem  Sinne,  wenn  er  nach  dem  Mittagessen 
den  jungen  Malern  Dichtungen  der  grofsen  oder  auch  kleinen  Poeten,  zu  welch'  letzteren  er  selbst 
gehörte,  vorlas.  Auch  ein  Bild,  das  nur  zu  jener  Zeit  und  nur  in  jenem  Kreis  möglich  war 
und  im  heutigen  Düsseldorf  unrettbar  dem  Fluch  der  Lächerlichkeit  verfallen  würde:  ein  Land- 
gerichtsrath, der  den  Akademikern  nach  dem  Essen  Gedichte  vorliest  ,,und  sie  in  der  Literatur 
auf  dem  Laufenden  hält". 

Ein  ganz  besonderes  Element  brachte  in  das  geistig  angeregte  Leben  jener  Tage,  wie  sie  für 
Düsseldorf  nicht  wieder  kommen  sollten,  im  Herbst  1833  der  junge  Componist  Mendelssohn- 
Bartholdy,  der  Neffe  jenes  Bartholdy,  der  durch  den  Cornelius  in  Rom  gegebenen  Auftrag  der 
neuen  deutschen  Kunst  die  erste  Gelegenheit  verschafft  hatte,  sich  zu  bethätigen.  Felix  Mendels- 
sohn weilte  nicht  lange  genug  in  Düsseldorf,  war  auch  nicht  die  Persönlichkeit,  um  einen  ein- 
dringlichen Einflufs  in  irgend  welcher  Richtung  auszuüben,  aber  die  von  ihm  geleiteten  Musikfeste 
trugen  dazu  bei,  den  künstlerischen  Ruf  Düsseldorfs   auch  nach  dieser  Richtung  hin  zu  erweitern. 

58 


WILHELM   SCHADOW 
Bildnis   des   Dichters   Carl   Immermann 


Den  gröfsten  Einflufs  aber  und  zwar  nicht  nur  auf  die  junge  Malerschule,  sondern  auf  das 
ganze  Düsseldorfer  Leben  einer  gewissen  Zeit  übte  der  auch  Bedeutendste  dieses  Kreises,  Carl 
Immermann  aus.  Er  war  ein  Jahr  nach  Schadows  Uebersiedelung  als  Landgerichtsrath  nach 
Düsseldorf  versetzt  worden  und  bald  im  Schadowschen  Kreise  vertraut  geworden.  Er  berichtet 
selbst  darüber:  „Er  selbst  (Schadow)  führte  mir  einige  seiner  Lieblingsschüler  zu;  durch  ihn 
erhielt  ich  sie,  die  nachher  meine  Freunde  geworden  sind.  Mit  Entzücken  belauschte  ich  das 
Sprossen  der  werdenden  Kunst  in  den  weiten  Ateliers  der  Akademie ;  sie  hörten,  was  bei  mir 
entstand;  von  Kritik  war  gegenseitig  keine  Rede,  uns  erquickte  ein  naives  Empfangen  und 
Geniefsen." 

Immermanns  Bestrebungen  um  das  Theater,  sein  Versuch  einer  Düsseldorfer  Musterbühne 
sind  bekannt.  Sie  fallen  in  die  Mitte  der  30er  Jahre;  damals  waren  die  ersten  Schüler  Schadows 
schon  zu  Meistern  herangereift,  aber  unverkennbar  erscheint  bei  fast  allen  Erzeugnissen  der  Schule 
und  gerade  bei  den  eigentlich  romantischen  Motiven  der  Einflufs  des  Interesses,  das  Immermann 
für  das  Theater  schon  früh  durch  seine  Dichtungen  und  theatralischen  Versuche  im  kleineren 
Kreise  erweckt  hatte.  Der  berühmte  Realismus  der  Düsseldorfer  Romantik  ist  mehr  ein  Realismus 
des  Theaters,  als  dafs  er  auf  einer  gesunden  Anschauung,  einem  energischen  Studium  der  Natur 
beruht,  und  es  ist  nicht  unwichtig,  sich  zu  erinnern,  dafs  die  Leseproben  zu  den  Immermannschen 
Theateraufführungen  in  einem  kleinen  Raum  der  Akademie  stattfanden,  den  Schadow  dem  Dichter 
zur  Verfügung   gestellt  hatte. 

Auch  sonst  fehlte  es  nicht  an  Gelegenheiten,  wo  der  Dichter  und  Theaterdirector  mit  den 
Künstlern  Hand  in  Hand  ging,  so  im  Mai  1833,  wo  er  zu  einer,  von  den  Malern  zu  Ehren  Dürers 
veranstalteten  Feier  ein  Festspiel  ,, Albrecht  Dürers  Traum"  dichtete  und  mit  ihnen  einstudirte.  So 
stammt  die  noch  heute  weltbekannte  Gewandtheit  der  düsseldorfer  Maler,  Feste  zu  feiern  und  mit 
dramatischen  Scherzspielen  zu  würzen,  vielleicht  noch  aus  der  Tradition  jener  Zeiten. 

Aber  schon  früh,  ehe  die  theatralischen  Versuche  Immermanns  beginnen  konnten,  war  er  es 
nicht  zum  geringsten  gewesen,  der  die  Maler  in  der  intensiven  Beschäftigung  mit  der  dramatischen 
Literatur  und  deren  Benutzung  für  die  Malerei  beeinflufst  hatte.  Und  so  wurde  diese  Seite  seines 
Wirkens  für  die  Kunst  viel  wirksamer  als  eine  andere  weitaus  gesundere  seines  eigenen  Schaffens. 
Seine  Theaterneigung  steckte  Alle  an,  aber  die  prächtige  Schilderung  des  westfälischen  Bauernlebens 
im  ,, Oberhof"  blieb  selbst  auf  das  heranwachsende  Genre  zunächst  ganz  ohne  Eindruck,  um 
sich  erst  eine  Generation  später  geltend  zu  machen.  Wunderlich  genug  ist  es  dabei,  dafs  gerade 
Immermann  selbst  das  Ungesunde  und  dabei  Philisterhafte  dieser  Theatermalerei  zuerst  herausfühlte 
und  scharf  genug  kennzeichnete.  ,,Sie  sehen  die  Dinge  zu  natürlich  zugleich  und  zu  unwahr,  die 
rechte  Mitte  ist  hier  noch  nicht  entdeckt,"  schreibt  er  in  den  ,, Düsseldorfer  Anfängen"  (1840). 
Und  an  einer  anderen  Stelle  macht  er  die  berühmte  Bemerkung,  die  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
heute  noch,  wie  vor  60 Jahren  für  den  Durchschnitt  der  Düsseldorfer  Malerei  gilt:  ,,Ich  vermifste 
bei  den  Unsrigen  etwas:  die  geniale  Sicherheit,  das  ä  plomb  der  alten  Meister,  die  überzeugende 
Kraft  und  Nothwendigkeit  der  Gestalten.  Versuche  sah  ich,  höchst  tüchtige  Versuche,  aber 
schwankend  zwischen  der  Kühnheit  des  Individuums,  immer  nur  sich  und  sein  Personellstes 
auszudrücken,  und  der  Scheu,  Fehler  zu  begehen.  Diese  Scheu  vor  gemalten  kühnen  dummen 
Streichen  war  immer  ein  charakteristischer  Zug  der  hiesigen  Schule." 

Und  dabei  war  man  doch  so  stolz  darauf,  dafs  man  die  Natur  so  genau  studire  und  sie  so 
vortrefflich  kenne,  man  hatte  für  sie  ein  grofses,  wenn  auch  herablassendes  Wohlwollen,  wie 
man  es  für  einen  nützlichen,  zuweilen  selbst  unentbehrlichen  Freund  hegt,  der  uns  aber  nicht 
weiter  imponirt.  Man  ,, verstand  dennoch  gar  wohl  die  Natur  zu  seinen  Zwecken  zu  benutzen 
und  schrieb  sie  nicht  etwa  mechanisch  ab,"  wie  ein  Zeitgenosse  in  stolzer  Bescheidenheit  berichtet. 

Und  dann  erzählt  derselbe,  er  war  selbst  ein  Maler,  zum  Zeichen,  auf  wie  gutem  Fufse  man 
mit  der  Natur  stand,  dafs  Hildebrandt  auf  seinem  Bild  des  Kriegers,  den  das  Kind  am  Schnurrbart 
zupft,  das  Panzerhemd,  dessen  naturgetreue  Ausführung  höchlichst  bewundert  wurde,  nach  einer 
kleinen  Stahlbörse,  wie  solche  zu  jener  Zeit  vielfach  im  Gebrauch  waren,  gemalt  habe.  Die 
Stahlbörse  als  Modell  für  den  Panzer  gäbe  ein  gutes  W^appen  oder  Symbol  für  den  Naturalismus 
dieser  in  sich  vergnügten  realistischen  Romantik  oder  des  romantischen  Realismus.  Und  dennoch 
bildete  gerade  dieser  Realismus,  so  bescheiden  er  auch  im  Vergleich  zu  dem  heutigen  auftrat, 
dieses  künstlerische  Philisterthum,  den  Hauptunterschied  zwischen  der  literarischen  Romantik  und 
der  gemalten.  W^ährend  jene  vor  dem  Allerphantastischsten  nicht  zurückschreckte,  ja  das  Tolle 
und  Gespensterhafte  geradezu  aufsuchte,  sich  mit  allen  Mitteln  einer  lebhaften  Phantasie  und  einer 
überzeugenden  Diction  bemühte,  das  Unmögliche  möglich,    das  Unwahrscheinliche  wahrscheinlich 

60 


F.  TH.  HILDEBRANDT 
Der  Krieger  und  sein  Kind 


zu  machen,  Gespenster  in  die  gute  Gesellschaft  einführte,  Thiere  reden  und  Memoiren  schreiben 
liefs  u.  s.  w.,  verliefs  die  Romantik  der  Düsseldorfer  Malerei  den  Boden  des  historisch 
Möglichen  selten  oder  nie,  und  wenn  das  einerseits  eine  grofse  Beschränkung  bedeutete,  so  gab 
es  der  ganzen  Richtung  doch,  wenn  nicht  etwas  Wahres,  so  doch  etwas  Wahrscheinliches,  das 
erst  durch  die  unvermeidliche  Sentimentalität  angekränkelt  wurde.  Dieser  Hang  zum  Wahrschein- 
lichen, Menschenmöglichen  ist  der  Düsseldorfer  Malerei  bis  heute  eigen  geblieben  und  charakterisirt 
sie  nach  ihrer  guten,  wie  nach  ihrer  schwachen  Seite.  Er  ist  der  Grund  zu  jener  Philisterhaftigkeit, 
die  Immermann  erwähnt  und  die  sich  auch  heute  noch  vielfach  constatiren  läfst,  er  ist  aber  auch 
der  Grund,  dafs  gewisse  moderne  Bestrebungen  in  Düsseldorf  niemals  in  dem  Mafse  ausarten 
konnten,  wie  anderswo. 

Damals  ermöglichte  dieser  sogenannte  Realismus  es  denn  auch,  dafs  neben  der  pathetischen 
Romantik  sich  sogleich,  trotz  des  hier  sich  bemerklich  machenden  Unverständnisses  Schadows, 
eine  wenn  auch  zunächst  bescheidene  Genrekunst  entwickeln  konnte,  die  sogar  schon  früh,  wie 
bei  dem  ,,Rothkäppchen'-,  von  Kretschmer  auch  innerhalb  des  Märchens  ziemlich  realistisch  und 
dabei  doch  liebenswürdig  zu  gestalten  wufste. 

Ein  zweites  Moment,  das  die  malerische  Romantik  von  der  literarischen  unterschied,  wenigstens 
von  dem  gröfsten  Theil  derselben,  war  die  Hinneigung  der  ersteren  zu  Motiven  des  italienischen 
Mittelalters  und  der  italienischen  Renaissance,  und  auch  dieser  Eigenthümlichkeit  wird  man  die 
logische  Berechtigung  nicht  absprechen  können,  einmal  wenn  man  bedenkt,  dafs  der  Katholicismus, 
von  dem  Schadow  nun  einmal  ausging,  seine  Wurzeln  immer  jenseits  der  Berge  in  Rom  gehabt  hat, 
dann  aber,  dafs  die  italienische  Uebergangszeit  aus  dem  Mittelalter  in  die  Neuzeit  doch  die  Blüthe- 
zeit  aller  bildenden  Kunst  überhaupt  war,  dafs  sie  es  auch  war,  die  jenen  Naturalismus,  mit  dem 
die  neue  Romantik  nur  kokettirte,  in  vollkommenster  Weise  künstlerisch  verarbeitet  hatte.  So 
wurden  neben  der  Bibel,  welche  Motive  bot,  und  zwar  den  Katholiken  aus  dem  neuen  Testament, 
den  Juden  und  vielfach  den  Protestanten  aus  dem  alten,  das  gewissermafsen  ein  neutraler  Boden 
war,  dessen  Motive  als  die  vornehmsten,  weil  älteren  und  symbolischen,  an  der  Spitze  standen, 
Dante,  Tasso  und  Ariost  bearbeitet.  Und  die  Gestalten  dieser  italienischen  Dichter  waren  den 
Künstlern  ebenso  vertraut,  wie  die  der  Goetheschen  und  namentlich  Uhlandschen  Lyrik:  ent- 
schieden mehr  als  die  Gestalten  der  deutschen,  aber  heidnischen  Nibelungen:  Schiller  und  Shake- 
speare kamen  erst  später  und  in  zweiter  Linie,   als  Immermann  ihre  Dramen  aufzuführen  begann. 

Unleugbar  hat  aber  diese  Kunst  der  Romantik  ihre  culturelle  und  ihre  historische  Bedeutung. 
Die  blaue  Blume  hat  nicht  zum  wenigsten  mitgeholfen,  den  Boden  zu  bereiten,  dafs  aus  ihm 
später  der  Eichbaum  der  deutschen  Einheit  erwachsen  konnte.  Wenn  man  die  Düsseldorfer 
Kunst  jener  Tage,  im  Gegensatz  zu  der  Begeisterung  der  Zeitgenossen  für  sie,  heute  als  eine  Ueber- 
gangskunst  bezeichnen  mufs,  so  ist  zu  bedenken,  einmal,  dafs  sie  in  einer  Uebergangszeit  und  für 
eine  solche  entstanden  war,  in  einer  Zeit  und  für  eine  Zeit,  in  der  sich  in  Deutschland  die  Ab- 
lösung zweier  W^eltanschauungen  nachhaltig  und  endgültig  vollzog,  die  an  der  Jahrhundertwende 
so  stürmisch  begonnen  hatte,  um  doch  noch  einmal  wieder  einzuschlafen.  Dann  aber  ist  zum 
andern  zu  bedenken,  dafs  es  in  der  Kunst  so  wenig,  wie  auf  einem  anderen  Gebiete  geistigen 
Schaffens  eine  letzte  Höhe  giebt,  auf  der  die  menschliche  Thätigkeit  Halt  machen  und  sich  sagen 
kann:  „Siehe,  es  ist  gut  so."  Auch  die  Kunst  geht  mit  den  Anschauungen  der  Menschheit  von 
einer  Ueberzeugung  zu  einer  anderen  über,  und  sie  können  unmöglich  alle  das  einzig  Wahre  sein. 
Es  giebt  keine  Dogmen  in  der  Kunst  und  darf  keine  geben.  Auch  in  ihr  ist  erlaubt,  was  gefällt 
und  so  lange  es  gefällt. 

Die  Romantik  jener  Zeit  war  ja  vielleicht  nicht  rein  malerisch,  jedenfalls  nicht  malerisch 
genug  empfindend,  aber  sie  war  sicher  künstlerisch,  künstlerischer  als  Manches,  was  nach  ihr 
kam  und  gegen  sie  als  das  einzig  Richtige  ausgespielt  wurde,  um  recht  bald  wieder  von  etwas 
Anderem  abgethan  zu  werden.  Diese  Romantik  verlangte  vielleicht  zu  viel  von  der  Malerei,  aber 
ist  das  nicht  am  Ende  besser  und  verdienstlicher,  als  zu  wenig  wollen?  In  der  Beschränkung 
zeig^  sich  der  Meister,  aber  nicht  jeder  Meister  ist  ein  Künstler,  denn  der  zeigt  sich,  das  \Verk 
in  seiner  geistigen  Bedeutung  gefafst,  in  seinem  Streben.  Schlimm  genug  allerdings  für  den 
Künstler,  wenn  er  nicht  auch  gleichzeitig  ein  Meister  ist. 

Unter  geistiger  Anregung  verschiedener  Art  und  emsigem  Schaffen  schien  also  der  Fortgang 
dieser  bunten  Romantik  und  Schadows  Herrschaft  über  die  Geister  gesichert.  Es  war  ihm  ohne 
Zweifel  gelungen,  die  grofsen  Talente,  die  ihm  der  glückliche  Zufall  zugeführt  hatte,  in  verständiger 
Weise    in    ihre  Bahnen    zu  lenken,    und    der  Einflufs,    den  er    als  Lehrer  ausübte,  wurde  gesichert 

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und  verstärkt  durch  die  persönlichen  und  gesellschaftlichen  Beziehungen,  die  er  zwischen  sich, 
den  bedeutenden  Leuten  seines  Kreises  und  seinen  Schülern  knüpfte. 

Aber  so  ideal  das  Streben  jedes  Einzelnen  gewesen  sein  mag,  und  so  schön  diese  gesell- 
schaftlich ästhetischen  Zustände  im  Helldunkel  der  Kunst-  und  Literaturgeschichte  erscheinen 
mögen,  es  lag  in  ihnen  etwas  Treibhausartiges  und  Künstliches,  das  zum  Bruch  lühren  mufste. 
Es  bildete  sich  ein  ästhetisches  Cliquenthum  heraus,  das  sich  mit  dem  rheinischen  Wesen 
durchaus  nicht  vertrug  und  den  Keim  zu  jener  Unzufriedenheit  und  scharfen  Opposition,  die  sich 
namentlich  gegen  Ende  der  30  er  Jahre  in  fast  erbitterter  Weise  Luft  machte,  in  sich  trug.  Schon 
gleich  zu  Anfang  hatte  das  intime  Verhältnifs,  in  dem  Schadow  ganz  natürlicher  Weise  zu  den 
mitgebrachten  Schülern  stand,  die  Eifersucht  der  später  gekommenen,  besonders  rheinischen  Schüler 
erregt  und  die  Anklage  einer  Bevorzugung,  überhaupt  der  von  Osten  Gekommenen,  hervorgerufen. 

Dafs  darin  etwas  Wahres  lag,  kann  wohl  nicht  bezweifelt  werden,  wenn  es  auch  schwer 
sein  mag,  hier  eine  Schuld  zu  finden. 

Schadow  war  gewifs  mit  dem  besten  W^illen  an  den  Rhein  gekommen.  Er  hatte  dort  für 
seine  religiösen  Bedürfnisse,  mit  denen  er  in  Berlin  doch  ziemlich  isolirt  war.  die  günstigsten 
Verhältnisse  erhofft.  Der  Rhein  galt  damals,  wie  auch  heute  noch,  dem  Ost-  und  Norddeutschen 
als  eine  Art  Vorhof  von  Italien,  was  er  in  mancher  Beziehung  und  gerade  in  künstlerischer  und 
religiös-cultureller  thatsächlich  auch  ist.  Aber  Schadow  hatte  nicht  an  die  politische  Empfind- 
lichkeit des  Rheinländers  gedacht,  die  den  Preufsen  als  den  hungerigen  Eroberer  hinstellte  und 
ihm  mit  Mifstrauen  und  Mifsachtung  entgegenkam.  Die  Düsseldorfer,  die  mit  bewundernswerther 
Anpassungsfähigkeit  alle  möglichen  Herrscher  aus  den  verschiedenen  Häusern  in  ihren  Mauern 
begrüfst  hatten,  die  Napoleon  zugejubelt  und  sich  unter  dem  Theaterfürsten  Murat  ganz  wohl 
gefühlt  hatten,  empfanden  es  als  eine  Verletzung  ihrer  heiligsten  Gefühle,  als  ihr  Land  an  Preufsen 
fiel,  als  ihre  zuletzt  überaus  fadenscheinig  gewordene  herzogliche  Residenzherrlichkeit  ein  Ende 
nahm,  und  die  preufsische  Regierung  mit  der  ihr  eigenen  kühlen  Schneid  anfing.  Ordnung  in  den 
verschiedenen  Verwaltungszweigen  zu  stiften.  Man  konnte  es  so  unter  Anderem  eine  ganze 
Weile  überhaupt  nicht  begreifen,  dafs  die  neu  gegründete  Akademie  nicht  eine  rein  düssel- 
dorfische oder  niederrheinische  sein  sollte,  sondern  eine  preufsische,  auf  der  nicht  nur  Düsseldorfer 
und  Rheinländer,  sondern  überhaupt  Jedermann,  sogar  jeder  Preufse  studiren  könne. 

Der  Verlust  der  Galerie,  die  man  seinerzeit  vor  den  Preufsen  geflüchtet  hatte,  nun  aber  von 
ihnen  zurückverlangte,  wurde  ebenfalls  dem  ..Eroberer"  in  die  Schuhe  geschoben. 

Cornelius,  der  erste  Director  der  preufsischen  Akademie,  war  ja  Rheinländer  gewesen,  aber 
um  so  mehr  war  man  geneigt.  Schadow  und  die  mit  ihm  Gekommenen  als  Eindringlinge  zu 
betrachten,  und  hier  half  Schadow  auch  sein  religiöses  Bekenntnifs,  von  dem  man  sich  wohl  die 
günstigste  Wirkung  auf  die  geahnten  Gegensätze  versprochen  hatte,  sehr  wenig,  ein  merkwürdiges 
und  eigenartiges  Beispiel  für  die  damalige  Zerrissenheit  Deutschlands  und  des  auch  heute  noch 
nicht  erloschenen  provinziellen  Particularismus.  Und  zu  den  provinziellen  Unterschieden  kamen 
die  der  verschiedenen  Bildungsgrade  und  Erziehungsweisen.  Schadow  selbst  stammte  aus  jenen 
ästhetischen  Kreisen  Berlins,  über  deren  Bildungsphilisterium  und  sentimentales  Gethue  sich 
selbst  gelegentlich  die  eigenen  Anhänger  lustig  machten.  Die  meisten  seiner  Schüler,  namentlich 
Bendemann,  aber  auch  der  weiche  Julius  Hübner,  Köhler  und  C.  F.  Sohn  fanden  sich  ganz  von 
selbst  in  Düsseldorf  zu  ähnlichem  Thun  im  Hause  des  Meisters  zusammen,  und  es  war  selbstverständ- 
lich, dafs  Schadow  ihnen,  seinen  ältesten  Schülern,  die  er  schon  in  Berlin  gekannt  hatte,  anders 
gegenüberstand,  als  den  später  Hinzugekommenen,  die  sich  nicht  einmal  die  Mühe  gaben,  ein 
ähnliches  Verhältnifs  zu  ihrem  Lehrer  und  Director  herzustellen.  Uechtritz  berichtet  über  diese 
ästhetischen  Zusammenkünfte  bei  Schadow  in  einer  Weise,  die  einer  gewissen  Komik  nicht  entbehrt. 

„Als  ich  im  Jahre  1829  nach  Düsseldorf  kam,"  schreibt  er,  ,, versammelte  der  Director  der 
Akademie  besonders  alle  Sonntage  Abends  die  ihm  näherstehenden  Schüler,  die  damals  noch  fast 
die  ganze  erste  Klasse  der  Anstalt  ausmachten,  in  seinem  Hause.  Immermann,  der  jetzt  in  Berlin 
lebende  Geheime  Regierungsrath  Kortüm.  ich  selbst  und  später  Schnaase,  sowie  einige  Frauen 
von  vorzüglicher  Bildung  nahmen  häufig  an  diesen  Zusammenkünften  theil.  Die  Unbequemlichkeit, 
im  ungewohnten  schwarzen  Frack  erscheinen  zu  müssen,  verbunden  mit  der  Aussicht,  im  weiten 
dunkeln  Kreise  als  stumme  verlegene  Zuhörer  der  Gespräche  der  älteren  Männer  zu  sitzen,  mochte 

den  jungen  Herren  nicht  immer  sehr  anlockend  dünken Aber    der  Wunsch    des  Meisters 

übte  bei  der  nahen  und  väterlichen  Stellung  desselben  einen  halben  Zwang  aus,  der  gewifs  jetzt 
von  den  meisten  der  davon  Betroffenen  als  ein  höchst  wohlthätiger  und  dankenswerther  erkannt 
wird." 

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Das  mag  ja  nun  hier  und  da  der  Fall  gewesen  sein,  aber  es  bedarf  keiner  allzugrofsen 
Phantasie,  um  bei  Berücksichtigung  der  rheinischen  Ungebundenheit  und  eines  gewissen  Selbst- 
gelühls,  das  dem  Rheinländer  nun  einmal  eigen  ist,  ganz  abgesehen  von  dem  Wesen  eines  jungen, 
sich  zum  Höchsten  geboren  glaubenden  Kunstjüngers,  ohne  w^eiteres  einzusehen,  dafs  unter 
diesen  Umständen  eine  Verstimmung,  die  bis  zum  Bruch   führen  mufste,  unausbleiblich  war. 

Mufste  doch  schon  die  stumme,  fast  militärische  Ehrfurcht,  die  dem  Director  in  dessen 
Hause  gezollt  wurde,  den  ungebundenen  und  freien  Rheinländern  ein  Greuel  sein.  Wohl  hatten 
auch  des  Cornelius  Schüler  ihm  eine  ans  Schwärmerische  grenzende  Verehrung  entgegengebracht, 
aber  es  war  doch  ein  anderer,  lebhafterer  Ton  zwischen  ihnen  gewesen,  der  eine  gewisse  Ver- 
traulichkeit und  gelegentlichen  Widerspruch   ermöglichte. 

Die  gesittete  Haltung  in  Frack  und  weifser  Binde,  die  bei  Schadow  von  den  jungen  Leuten 
erwartet  wurde,  gefiel  den  Rheinländern  so  wenig,  wie  ihnen  die  ästhetische  Unterhaltung  über 
Dichtungen   und  Historie  auf  die  Dauer  erträglich,  war. 

Dafs  nun  Schadow  hinwiederum  sich  an  Die  hielt,  die  sich  um  ihn  drängten,  ist  ganz 
natürlich,  und  so  war  der  Grund  zu  dem  tiefgehenden  Spalt,  dessen  letzte  Spuren  selbst  heute 
noch  nicht  verwachsen  sind,  gegeben. 

Diese  Gegensätze  entwickelten  sich  natürlich  nur  allmählich,  und  in  den  ersten  Jahren,  vielleicht 
während  des  ganzen  ersten  Jahrzehnts  schien  in  dem  alten  Schlofs,  das  als  Akademie  eingerichtet 
war,  nichts  als  Friede  und  Freude  zu  sein.  Der  Zusammenschlufs  der  Schüler,  die  bald  zu  Meistern 
wurden  und  nach  überraschend  kurzer  Lehrzeit  ihre  Bilder  zu  malen  anfingen,  war  ein  enger 
und  scheinbar  idealer.  Schadow  waltete  als  oberste  Instanz,  die  jungen  Hülfslehrer,  die  eben 
selbst  noch  Schüler  gewesen  waren,  schienen  nur  seine  Gehülfen  den  noch  jüngeren  gegenüber. 
Eine  gewisse  geistige  Gütergemeinschaft  herrschte,  und  liefs  dieselben  oder  ähnliche  Motive  von  allen 
Seiten  wie  Pilze  aus  dem  Boden  wachsen.  ,, Keiner  dachte  daran,  selbst  wenn  er  in  verschiedener 
Beziehung  nichts  mehr  zu  lernen  hatte,  sein  eigener  Herr  und  Meister  zu  werden,"  schreibt 
W.  Müller,  und  so  schien  es  beinahe,  als  sollte,  nur  romantisch  umgewandelt  die  Klosterbrüder- 
wirthschaft  von  St.  Isidoro  an  den  Ufern  des  Rheins  in  dem  alten  Schlosse  fortgesetzt  werden. 
Zu  diesen  Vorzügen,  denn  als  solche  erschienen  die  Verhältnisse  damals  oder  waren  es 
theilweise  auch  wirklich,  kam  dann  hinzu,  dafs  Schadows  praktischer  Sinn  es  verstand,  nicht  nur 
das  Interesse  weitester  Kreise  für  seine  Schule  wachzurufen,  sondern  auch  eine  Einrichtung 
begründen  zu  helfen,  die  für  das  Wachsthum  und  die  Weiterbildung  der  Düsseldorfer  Kunst  von 
gröfster  Bedeutung  werden  sollte. 

Schadow  hatte  schon  in  Rom  gesehen,  wie  der  beste  Wille  und  das  schönste  Können  brach 
liegen  mufs,  wenn  sich  nicht  Gelegenheit  findet,  es  anzuwenden.  In  Berlin  hatten  die  Bedürfnisse 
der  heranwachsenden  Residenz  das  Interesse  einer  zwar  noch  armen,  aber  wohlmeinenden  Regierung 
und  eines  wenn  auch  noch  so  sparsamen  Hofes  die  Kunst  einigermafsen  gefördert,  aber  in  Düssel- 
dorf fielen  diese  günstigen  Factoren -gröfstentheils  fort.  Andere  zu  gewinnen,  die  das  rege  Schaffen 
unterstützen,  erhalten  und  zu  gesunden  Fortschritten  anspornen  konnten,  mufste  also  Schadows 
erstes  Bemühen  sein.  Und  er  hatte  im  Einzelnen  ja  schon  Manches  erreicht.  Es  war  ihm  gleich 
zu  Anfang  gelungen,  den  Grafen  Spee  zur  Vollendung  des  in  seinem  Schlosse  Heitorf  von  Stürmer 
begonnenen  Frescocyklus  zu  bewegen,  auch  das  Interesse  des  in  Düsseldorf  residirenden  geistvollen 
und  wohlwollenden  Prinzen  Friedrich  von  Preufsen  hatte  Schadow  für  die  neue  Kunst  gewonnen 
und  in  ihm  einen  allezeit  bereiten  Helfer  und  Mäcen,  der  eine  grofse  Anzahl  bedeutender  Werke 
im  Laufe  einiger  Jahre  erwarb  und  der  jungen  Schule  so  ein  thatkräftiger  Gönner  wurde ;  auch  in 
der  Folge  hat  es  Schadow  verstanden,  andere  fürstliche  und  adelige  Auftraggeber  für  zum  Theil 
grofsartige  und  umfangreiche  Arbeiten  zu  gewinnen,  aber  alles  das  hätte  doch  nicht  genügt,  um 
einer,  für  die  kleine  Stadt  bald  unverhältnifsmäfsig  zahlreichen  Künstlerschaft  Arbeit  und  für  die 
Arbeit  Interesse  und  Abnahme  zu  schaffen.  Die  katholische  Kirche,  die  ehemals  die  mächtige 
Förderin  der  Kunst  in  den  Rheinlanden  gewesen  war,  hatte  ihre  dahingehenden  Neigungen  unter 
dem  allgemeinen  Druck  der  Verhältnisse  auch   einschränken  müssen. 

Hier  fand  sich  nun,  hauptsächlich  durch  den  Vorgang  des  Conservators  der  Akademie  Mosler 
ein  Mittel,  das  seinem  Geschäftssinne  ebenso,  wie  seinem  begeisterten  Glauben  an  die  Kunst  der 
jungen  Schule  alle  Ehre  macht.  Und  nicht  nur  für  die  Künstler  sollte  diese  Einrichtung  von 
gröfster  W^ichtigkeit  sein,  sondern  fast  ebensosehr  für  die  Allgemeinheit.  Das  Ideal  einer  Volks- 
kunst, die  mit  weitesten  Schichten  der  Bevölkerung  in  Beziehungen  steht,  auf  sie  einwirkt  und 
von  ihr  wiederum  gesunde  Anregungen  emptängt,  war  damit  im  Princip  angebahnt,  und  in  der 
That  hat  in  den  mehr  als  70  Jahren  ihres  Bestehens  diese  Einrichtung  nach  allen  Seiten  hin  sich 

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in  so  hervorragender  Weise  bewährt,  dafs  durch  sie,  mehr  als  jede  andere  moderne  Schule,  gerade 
die  Düsseldorfer  dem  höchsten  Ideal  der  Kunst  als  dem  vornehmsten  Erziehungsmittel  des  Volkes 
nahe   gekommen  ist. 

Diese  Einrichtung  war  der  im  Jahre  1829  gegründete  „Kunstverein  für  die  Rheinlande  und 
Westfalen". 

Neu  waren  ja  die  Kunstvereine  nicht  mit  ihrem  Bestreben,  durch  gemeinschaftliche  Ver- 
einigungen bedeutende  Kunstwerke  in  Reproductionen,  Kupferstichen  oder  Steindrucken  weiteren 
Kreisen  zugänglich  zu  machen  und  durch  Verloosung  kleiner  Bilder  einen,  wenn  auch  mäfsigen 
Absatz  von  Originalen  herbeizuführen.  Neu  war  bei  dem  Düsseldorfer  Verein  die  ausgesprochene 
Tendenz,  nach  der  ein  grofser  Theil  der  Einnahmen  aus  den  Vereinsbeiträgen  dem  directen  Genufs 
der  Mitglieder  entzogen  und  der  öffentlichen  Kunstpflege,  der  Anlage  monumentaler  Kunstwerke 
zugewandt  werden  sollte. 

Dieser  ebenso  wichtige  wie  folgenschwere  Zusatz  zum  Statut  ist  allein  dem  Conservator 
Mosler,  dem  alten  Freunde  des  Cornelius,  zu  verdanken.  Durch  ihn  wurden  also  mehrere  Jahre 
nach  Cornelius'  Scheiden  (nachdem  die  von  diesem  gegründete  Schule  der  Monumentalmalerei 
eingegangen  zu  sein  schien)  in  geradezu  glänzender  Weise  die  scheinbar  gescheiterten  Pläne  und 
Absichten  seines  alten  Freundes  und  Gesinnungsgenossen  zur  Gründung  einer  monumentalen 
Kunst  wieder  ins  Leben  gerufen.     Mosler  selbst  erzählt  den  Hergang  folgendermafsen : 

„Eines  Tages  kam  Fallenstein  (Regierungssecretär,  später  Regierungsrath)  zu  mir  und  machte 
mir  den  Vorschlag,  einen  ähnlichen  Kunstverein  wie  den  Berliner  gründen  zu  helfen.  Ich  hielt  eine 
reifliche  Erwägung  für  nothwendig,  er  jedoch  nahm  die  Sache  leichter,  entwarf  ein  Statut,  ähnlich 
dem  Berliner,  und  theilte  dies  dem  damaligen  Regierungspräsidenten  von  Pestel  mit,  der  es  mit 
einer  Aufforderung  und  seiner  Unterschrift  versehen  ins  Amtsblatt  einrücken  liefs. 

,,Ich  konnte  nicht  umhin,  Fallenstein  meine  Bedenken  zu  sagen,  ja,  ich  erklärte,  ich  könne 
nimmer  einem  Verein  beitreten,  welcher  in  dieser  Gestalt  nur  zum  Ruin  der  Kunst  dienen  könne. 
Dies  sei  eine  kleinliche  und  nachtheilige  Beförderung  von  solchen  Kunstwerken,  die  nothwendig 
von  den  niedrigsten  Moderücksichten  und  dem  Geschmacke  des  Tages  abhängig  werden  müfsten. 
Es  könne  bei  einem  solchen  Statut  immer  nur  die  Rede  davon  sein,  kleinere,  besonders  Genre- 
Bilder  und  landschaftliche  ins  Publikum  zu  bringen,  Bilder,  denen  ich  ihren  W^erth  nicht  absprechen 
wolle ;  allein  die  grofse  und  ernste  Kunst  würde  auf  diese  Weise  der  Nation  erst  recht  entfremdet. 

„Fallenstein  erstaunte.  ,Aber  was  sollen  wir  thun  ?'  fragte  er.  ,Ich  werde  einen  Aufsatz  ent- 
werfen und  darin  nachweisen,  dafs  es  zum  Heil  der  Kunst  durchaus  nothwendig  ist,  dafs  ein 
Theil  solcher  einzutreibenden  Gelder  für  öffentliche,  für  kirchliche,  für  monumentale  Kunst  verwendet 
werde,'   entgegnete  ich. 

,,Als  ich  diesen  Aufsatz  einige  Tage  später  Schadow  mittheilte,  war  er  ganz  meiner  Meinung. 
,Auf  solche  Art  kann  etwas  Rechtes  daraus  werden,'  sagte  er.  Wie  aber  die  Leute  für  solche 
Anschauung,  für  eine  solche  Aufopferung  zu  gewinnen?  War  hin  und  wieder  der  fast  ganz 
entschlummerte  Kunstsinn  auch  mit  blinzelnden  Augen  erwacht,  so  fehlte  doch  noch  viel  am 
reinen,  klaren  Blick.  Da  übernahm  Schadovi?.  mit  Immermann  und  Kortüm  Rücksprache  zu 
nehmen.  Fallenstein  trug  die  Modification  dem  Regierungspräsidenten  vor.  Endlich  hatten  wir 
unsere  Leute  geworben.  An  einem  schauerlich  kalten  Abend,  der  Rhein  stand  mit  Eis,  und  ich 
wohnte  noch  in  dem  Akademiegebäude,  da  wurde  auf  meiner  Stube  das  Statut  berathen  und  in 
die  Form  gebracht,  welche  es  bis  zur  zweiten  Generalversammlung  behielt." 

Damit  war  nun  aufser  dem  Andern  der  Grund  gelegt  zu  einer  Monumentalmalerei,  wie  sie 
sich  durch  länger  als  ein  Menschenalter  durch  mehrere  Künstlergenerationen  hindurch  zu  einer 
Höhe  entwickelt  hat,  wie  in  keiner  anderen  deutschen  Kunstschule.  Gewifs  sollen  die  Verdienste 
der  Regierung,  die  Anstrengungen  einzelner  kleiner  Gemeinschaften  oder  Kirchengemeinden,  das 
thatkräftige  und  kunstbegeisterte  Interesse  verschiedener  Privaten,  so  u.  A.  die  Stiftung  des  Freiherrn 
von  Biel-Kalkhorst  zur  Pflege  der  Frescomalerei  im  privaten  Leben  nicht  unterschätzt  werden, 
aber  Alles  das  würde  nicht  hingereicht  haben  in  einer  verhältnifsmäfsig  kleinen  Provinzialstadt, 
deren  weiteres  Heranwachsen  ja  erst  den  allerletzten  Decennien  angehört,  eine  so  mächtige,  in 
ihren  Werken  bis  an  die  Grenzen  des  Vaterlandes  reichende  urgesunde  Monumentalkunst  anwachsen 
zu  lassen,  wie  sie  sich  nun  in  Düsseldorf,  anknüpfend  an  die  ersten,  durch  Schadows  und  Moslers 
Initiative  energisch  wiedererweckten  Anfänge  der  Comelianischen  Schule,  folgerichtig  und  constant 
entwickelte,  um  unter  dem  sicheren  Schutz  des  Kunstvereins,  zum  Theil  in  directem  Auftrag 
desselben,  eine  Reihe  der  hervorragendsten  Schöpfungen  entstehen  zu  lassen,  welche  die  gesammte 
deutsche  Kunst  überhaupt  hervorgebracht  hat. 

66 


Es  wird  sich  im  Verlauf  der  Darstellung  Gelegenheit  finden,  die  Thätigkeit  des  Kunstvereins 
nach  dieser  Seite  hin  des  Näheren  zu  würdigen. 

Die  nächste  Folgeerscheinung  für  das  Düsseldorfer  Kunstleben,  welche  aus  dieser  Gründung 
hervorging,  war  die  Einrichtung  der  jährlichen  Ausstellung  des  Kunstvereins,  aus  welcher  die  zur 
Verloosung  bestimmten  Gemälde  ausgewählt  werden  sollten,  die  aber  gleichzeitig  Gelegenheit  gab, 
sowohl  für  die  Künstler  selbst,  als  auch  für  die  fremden  Besucher,  sich  die  Errungenschaften  des 
Jahres  geschlossen  vor  Augen  zu  führen.  In  diesem  Sinne  haben  die  Ausstellungen  des  Kunst- 
vereins, die  bis  zum  Brande  1872  im  grofsen  Saale  der  alten  Akademie  stattfanden,  dann  für  kurze 
Zeit  in  dem  allerdings  nicht  sehr  günstigen  Galeriesaale  der  städtischen  Tonhalle,  um  dann  nach 
Vollendung  der  städtischen  Kunsthalle  in  die  Räume  derselben  verlegt  zu  werden,  für  lange  Zeit 
hinaus  den  Mittelpunkt  des  künstlerischen  Lebens  in  Düsseldorf  gebildet.  In  jenen  ersten  Jahr- 
zehnten waren  sie  ohne  Zweifel  für  die  aufstrebende  Schule  von  gröfster  Bedeutung.  Hier  traten  zum 
erstenmal  jene  Kunstwerke  ans  Licht,  die  ihren  Siegeslauf  durch  ganz  Deutschland  nehmen  und 
die  an  der  Hand  der  gestochenen  Reproductionen.  die  auch  wieder  meist  der  Kunstverein  besorgte, 
eine  dauernde  Popularität  erlangen  sollten,  wie  sie  in  der  Hochfluth  des  heutigen  Kunstschaffens 
nur  sehr  wenig  Bildern  mehr  beschieden  ist,  eine  Popularität,  die  sich  ihre  Lebensdauer  bis  in 
unsere  heutige  Generation  trotz  aller  Wandlungen,  trotz  aller  Opposition  bewahrt  hat.  Und  man 
mag  über  jene  Werke  denken,  wie  man  will,  gerade  ihre  aufserordentliche  Beliebtheit  in  allen 
Kreisen  zeigt  und  beweist,  dafs  auch  sie  den  Besten  ihrer  Zeit  genug  gethan  und  sich  damit 
das  Recht  erworben  haben,  für  alle  Zeit  zu  leben. 

Natürlich  ist  die  Bedeutung  und  die  directe  Kunstförderung  des  Kunstvereins  mit  der  blofsen 
Veranstaltung  der  Ausstellungen  und  mit  der  Unterstützung  und  Pflege  der  Monumentalkunst,  für 
die  er  etwa  ein  Viertel  seiner  Einkünfte  aufwandte,  nicht  erschöpft.  Auf  den  alljährlichen  Ausstel- 
lungen erwarb  er  von  Anfang  an  eine,  mit  der  Zahl  seiner  Mitglieder  stets  wachsende  Zahl  von 
gröfseren  und  kleineren  Staffeleibildern,  unterstützte  damit  nicht  nur  die  jüngeren  und  auch  älteren 
Künstler,  sondern  gab  zahllosen  Privaten  Gelegenheit,  in  den  Besitz  von  wirklichen  Kunstwerken 
zu  kommen,  damit  das  Interesse  und  das  Verständnifs  für  die  Malerei  in  weiteste  Kreise  tragend. 
Im  Laufe  des  nun  abgeschlossenen  Jahrhunderts  wurden  auf  diese  Weise  mehrere  Tausend  Oel- 
gemälde,  Aquarelle  und  Zeichnungen  erworben  und  an  Museen  und  Private  vertheilt  bezw.  ver- 
loost.  Würde  man  alle  diese  Werke  heute  vereinigen  können,  so  würde  daraus  ein  Museum  der 
Düsseldorfer  Malerei  entstehen,  wie  es  grofsartiger  nicht  gedacht  werden  kann. 

Sehr  grofs  ist  auch  die  Bedeutung  des  Kunstvereins  für  die  Kupferstecherkunst  geworden,  von 
der  man  wohl  sagen  kann,  dafs  sie  in  Düsseldorf  hauptsächlich  durch  ihn  gestützt  und  grofsen 
Aufgaben  erhalten  worden  ist.  Im  Auftrag  des  Kunstvereins  wurden  als  Prämienblätter  im  XIX. 
Jahrhundert  fast  100  Lithographien  und  Kupferstiche  angefertigt  und  herausgegeben,  darunter 
Blätter  allerersten  Ranges,  wie  vor  Allem  die  ,,Disputa"  von  Keller.  Man  mufs  zu  einer  gerechten 
W^ürdigung  des  Verdienstes,  den  diese  Stiche  hatten  und  noch  haben,  bedenken,  dafs  von  der 
ungeheueren  Verbreitung  von  mechanischen  Reproductionen,  wie  wir  sie  heute,  keineswegs  immer 
zum  Besten  einer  gesunden  Volkserziehung  besitzen,  damals  noch  keine  Rede  war.  Erst  seit  den 
70er  Jahren  entwickelte  sich  die  Photographie  nach  Originalgemälden.  Das  moderne  Gliche  bringt 
so  viel  Mittelmäfsiges  und  Schlechtes  in  Umlauf,  dafs  es  den  Werth  eines  künstlerisch  ausgeführten 
Stiches  nicht  herunterzusetzen  vermag. 

Bei  der  kurzen  Erwähnung  der  Düsseldorfer  Kupferstecherkunst  wird  sich  Gelegenheit  finden, 
darauf  hinzuweisen,  in  welchem  Mafse  die  einzelnen  Künstler  vom  Kunstverein  für  die  Rheinlande 
und  Westfalen  mit  Aufträgen  bedacht  und  damit  in  ihrer  Production  unterstützt  worden  sind. 

Es  kann  unter  diesen  Verhältnissen  nicht  Wunder  nehmen,  dafs  die  hervorragendsten  Geister 
Düsseldorfs  unter  den  Beamten,  Künstlern  und  Kaufleuten  es  sich  stets  zur  Ehre  gerechnet  haben, 
dem  Vereine  als  Vorstands-  und  Verwaltungsrathsmitglieder  ihre  Hülfe  und  Mitarbeiterschaft  an- 
gedeihen  zu  lassen,  wie  die  Liste  der  Mitglieder  nicht  nur  aus  den  benachbarten  Provinzen, 
sondern  aus  der  ganzen  W^elt  hervorragende  Namen  aus  allen  Ständen  aufweist. 

Was  der  Kunstverein  während  der  71  Jahre  seines  Bestehens  (1829 — 1900)  geleistet  hat.  das 
ergiebt  sich  am  besten  aus  einigen  wenigen  Zahlen,  die  seinem  Jahresbericht  für  1900  ent- 
nommen sind. 

Hiernach  betrug  die  Zahl  seiner  Mitglieder  bezw.  die  der  Actien  8105.  Für  Kunstwerke  zu 
öffentlicher  Bestimmung  wurden  887  020  Mark  ausgegeben,  für  den  Ankauf  zur  Verloosung 
2  047  300  Mark,  für  die  Vereinsblätter,  welche  fast  die  Zahl  100  erreichen,  1 263  614  Mark. 

67 


Die  zu  öffentlichen  Zwecken  gestifteten  und  geförderten  Kunstwerke  mögen  auch  an  dieser 
Stelle  noch  einmal  einzeln  angeführt  sein,  da  sie  auch  eine  Uebersicht  gewähren  über  die  Aus- 
breitung des   Gebiets,  dem  der  Kunstverein  seine  Unterstützung  angedeihen  läfst: 

1.  In  die  St.  Moritzkirche  zu  Halberstadt:    „Christus  und  Petras  auf  dem  Wasser",    Oelgemälde    von    Götting.     1832. 

2.  In  das  städtische  Museum  zu   Köln:   ,, Hebräer  im  Exile",   Oelgemälde  von  Bendemann. 

3.  In  die  evangelische  Kirche  zu  Arnsberg:   „Christi  Auferstehung",   Altargemälde  von  Deger. 

4.  In  die  Pfarrkirche  zu  Königssteele:   „Anbetung  der  Hirten",   Oelgemälde  von  Zimmermann. 

5.  In  die  Aloysiuskapelle  der  Andreaskirche  zu  Düsseldorf:  ,,Die  hl.  Jungfrau  mit  dem  Christuskind  auf  Wolken, 
unten  David,  Johannes  der  Täufer  und  der  hl.  Aloysius",   al  fresco,  von  Mücke. 

6.  In  das  städtische  Museum  zu  Köln;   ,, Löwenkampf",   Oelgemälde  von  S.  Meister. 

7.  In  die  Kirche  zu  Dülmen:   „Christus  im  Schoosse  der  Maria",   Oelgemälde  von  W.  von  Schadow. 

8.  In  die  Pfarrkirche  zu  Treis  a.  d.  Mosel:   „Der  hl.  Martinus  als  Bischof",  Altargemälde  von   Götting. 

9.  In  die  Pfarrkirche  zu  Ehrenbreitstein:   „Die  Kreuzerflndung",  Altargemälde  al  fresco,  von  Settegast. 

10 — II.  In  die  Andreaskirche  zu  Düsseldorf:  „Christus  an  der  Säule",  Altargemälde  von  J.  Hübner;  „Die  Himmels- 
königin mit  dem  Jesuskinde".   Altargemälde  von  Deger. 

12.  Zur  Erneuerung  des  Altars  in  der  Kirche  der  barmherzigen  Schwestern  zu  Coblenz  bei  Aufstellung  des  vom 
Direktor  W.  von   Schadow  geschenkten  Altargemäldes  ,,Die  Himmelskönigin"   ein  Beitrag. 

13.  Zur  Stiftung  des  Bildes:  ,,Die  letzten  syrischen  Christen",  von  Stilke,  in  das  Stadt-Museum  zu  Königsberg  i.  Pr., 
ein  Zuschuss. 

14.  In  die  kathoHsche  Kirche  zu  Wald,  Kreis  SoUngen:  , .Maria  auf  dem  Throne,  umgeben  von  den  Engeln",  Altar- 
getnälde  von  Hermann. 

15.  In  die  katholische  Kirche  zu  Bockhorst,  Kreis  Halle,  Regierungsbezirk  Minden:  „Christus  den  Kelch  segnend" 
Altargemälde  von  Schall. 

16 — 20.    In  den  Galeriesaal  zu  Düsseldorf:    ,,Tasso    und    die    beiden    Leonoren",    Oelgemälde    von    Sohn;    „Italienische 
Waldlandschaft",    Oelgemälde   von  Professor  Schirmer.  1841;    Landschaft  ,,Hardanger  Fjord  im  Bergerstifte  von  Norwegen", 
Oelgemälde  von  Andr.  Achenbach;    „Hagar  und  Ismael",    Oelgemälde  von  Köhler;    „Haugianer  norwegische  Sekttrer",    Oel- 
gemälde von  Tidemand. 

21 — 24.  In  den  Kaisersaal  im  Römer  zu  Frankfurt  a.  M. :  Bild  Kaiser  Conrads  U.,  von  Lorenz  Clasen;  Bild  Kaiser 
Heinrichs  IV.,   von   Otto   Mengelberg;    Bild   Kaiser  Heinrichs  V.,   von  P.  J.  Kiederich;    Bild  Kaiser  Heinrichs  III,,   von   Stilke. 

25.    Für  die  antike  Glasmalerei  in  der  St.  Cunibertskirche  zu   Köln  durch  die  Maler  Fay  und  Mengelberg,  ein  Beitrag. 

z6.    In  die  Apostelnkirche  zu  Köln:   ,.Der  hl.  Michael",  Altarbild  von  Mengelberg. 

27  —  28.  In  die  katholische  Kirche  zu  Rellinghausen,  Kreis  Duisburg:  ,,Die  Himmelskönigin",  Altargemälde  von  Schall; 
„Der  hl.  Petrus",  Altargemälde  von  Karl   Clasen. 

29.  Für  das  Altarflügelbild  in  der  Kirche  des  Hospitals  zu  Cues,  Christi  Dornenkrönung,  Kreuzigung  und  Grablegung 
darstellend,   durch  Busen,   ein  Beitrag. 

30.  In  die  evangeUsche  Kirche  zu  Lennep :    ..Christus    mit    den  Jüngern    zu  Emmaus",    Oelgemälde  von  Zimmermann. 

31.  Hersendung,   Einrahmung  und   Aufstellung  der  Rambouxschen   Aquarellensammlung. 

32.  In  die  Rambouxsche  Aquarellensammlung  zu  Düsseldorf:  ..Verkündigung  Maria",  Zeichnung  nach  Fiesole  von 
Karl    Müller. 

33.  In  die    Pfarrkirche  Unserer  lieben  Frauen  zu  Coblenz:   ein  Crucifix  in   Stein,  von  Bildhauer  Jacob   Schorb   in  Paris. 

34.  Zur  Ausführung  der  Frescomalereien  in  der  Kirche  zu   Weissenthurm  durch   den   Maler  Gassen   ein  Beitrag. 

35.  Die  Ausführung  der  Frescomalereien  im  Rathhaussaale  zu  Elberfeld. 

36.  In  die   Dominikanerkirche  zu   Aachen:    „Himmelfahrt   Maria",   Altargemälde   von   W.   von   Schadow. 

37.  In  die  Maximilians  -  Pfarrkirche  zu  Düsseldorf:  ,,Die  Kreuzigung  Christi",  Altargemälde  nebst  Seitengemäldcn 
al  fresco   von  Joseph   Settegast. 

38.  In  die  katholische  Kirche  zu  Königsberg  in  Pr. :  ,,Der  Heiland  am  Kreuze  im  Beisein  der  Jungfrau  Maria  und 
des   Evangelisten  Johannes",  Altargemälde   von   Fr.   Ittenbach. 

39 — 46.  In  den  grossen  Rathhaussaal  zu  Aachen:  ,, Auffindung  der  Leiche  Karls  des  Grossen",  Frescogemälde  von 
Alfred  Rethel;  ,,Der  Sturz  der  Irmensäule",  Frescogemälde  von  demselben;  ,.Die  Schlacht  bei  Corduba".  Frescogemälde 
von  demselben;  ,,Die  Eroberung  Pavias  im  Jahre  774",  Frescogemälde  von  demselben;  ..Die  Taufe  Wittekinds  und 
Alboins",  Frescogemälde  von  Jos.  Kehren  nach  der  A.  Retheischen  Composition;  ,,Die  Krönung  Karls  des  Grossen  in 
St.  Peter  in  Rom",  Frescogemälde  von  demselben,  nach  der  A.  Retheischen  Composition;  ..Die  Erbauung  des  Aachener 
Münsters",  Frescogemälde  von  demselben,  nach  der  A.  Retheischen  Composition;  ,, Abschied  Karls  und  Krönung  Ludwigs", 
Frescogemälde  von  demselben,  nach  der  A.  Retheischen   Composition. 

47.  In  die  Gamisonkirche  zu  Düsseldorf:   „Die  Taufe  Christi",  Altargemälde  von  Ittenbach. 

48.  In  die  katholische  Kirche  zu  Altena  in  der  Grafschaft  Mark:  „Die  Mutter  Gottes  mit  dem  Jesuskinde",  Altar- 
gemälde von  Karl  Müller. 

49.  In  die  katholische  Kirche  zu  Allendorf,  Kreis  Arnsberg:    ,.Die  hl.  Agatha",   Altargemälde  von  F.  Ittenbach. 

50.  In  das  Fussgestell  des  Hochkreuzes  auf  dem  alten  Kirchhofe  zu  Düsseldorf:  ,,Die  hl.  Jungfrau  als  schmerzensreiche 
Mutter  des  Heilandes",   Statuette  von  Jul.  Bayerle. 

51.  Für  die  Herstellung  der  Flügel  an  dem  in  der  Münsterkirche  zu  Essen  befindlichen  Altargemälde  von  de  Bruyn, 
durch  Busen,  ein  Beitrag. 

52.  In  die  katholische  Kirche  zu  Glottau  bei  Gutstadt  in  Ostpreussen:  „Christus  und  die  beiden  Jünger  zu  Emmaus", 
Altargemälde  von  Kehren. 

53.  In  die  an  der  Haupt-Fa(jade  des  Münsters  zu  Neuss  befindlichen  Nischen:  „Die  Apostel  Petrus  und  Paulus", 
Standbilder  von  Bayerle. 

54.  In  die  katholische  Kirche  zu  Altenkirchen,  Regierungsbezirk  Coblenz:  „Der  Heiland  als  Pastor  bonus",  Altar- 
gemälde von  Kehren. 

55.  In  die  städtische  Gemälde-Galerie  zu  Düsseldorf:  , .Jesus  und  die  Jünger  auf  dem  Meere",  Oelgemälde  von 
Wilh.   Sohn. 

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56.  In   den  Dom  zu  Köln:    „Die   Himmelfahrt  der  hl.   Jungfrau",    Oelgemälde   von   Fr.   Overbeck  in  Rom. 

57.  In  die   evangelische  Friedenskirche  zu  Jauer:    „Christus   am  Oelberge",   Oelgemälde   von   Wilh.   Sohn. 

58.  In     die    katholische    Kirche    zu   Winningen    an     der    Mosel:     „Die    unbefleckte    Empfängnis     der    Jungfrau     Maria" 
Oelgemälde   von   Wilh.    Sohn. 

59.  In  die   katholische   Kirche  zu   Derendorf:   „Die  hl.   Barbara",   Standbild  in   Holz,   von  Bayerle. 

60.  In  die   St.   Rochus-Kapelle  zu  Pempelfort:   ,, Grablegung  Christi",    Oelgemälde  von   Budde. 

61.  Für  den  Herstellungsbau  des  Doms  zu  Speyer  ein  Beitrag. 

62.  Für  den   Herstellungsbau   des  Doms   zu   Worms   ein  Beitrag. 

63.  Bei  der  katholischen  Kirche  zu  Veert  im  Kreise  Geldern  ein  Calvarienberg,  ausgeführt  von  den  Bildhauern 
Bayerle  und   Meinardus. 

64.  In   die   evangelische  Kirche  zu   Oppeln :    ,, Christus   am  Oelberge",   Oelgemälde   von   Otto   Rethel. 

65.  In  die  Lehrhalle  der  Diakonissen-Anstalt  zu  Kaiserswerth :  ,,Der  sitzende  Heiland,  nach  dessen  Schoosse  eine 
weisse  Taube  fliegt",   "Wandgemälde   von  Risse. 

66.  In  die  neue  katholische  Kirche  zu  Marienwerder:  ,, Evangelist  Johannes",  ,, Himmelfahrt  Maria"  und  ,, Christus  als 
guter  Hirt",  Oelgemälde  von  Boeker,   Roegels  und  Budde. 

67  —  68.  In  die  Muttergottes-Kapelle  in  der  St.  Remigius-Pfarrkirche  zu  Bonn:  „Die  Mutter  Gottes  mit  zwei  Seiten- 
figuren, nämlich  dem  hl.  Ludwig  von  Toledo  und  dem  hl.  Remigius",  Oelgemälde  von  F.  Ittenbach;  ,,Der  hl.  Franz  von 
Assisi  und  der  hl.  Hieronymus  und  die  hl.   Clara",   zwei  Oelgemälde,   Seitenflügel  zu  vorgedachtem  Bilde,   von  F.  Ittenbach. 

69.  In   die   evangelische  Kirche    zu  Bolkenhain    in   Schlesien:    ,,Der    auferstandene    Heiland",    Oelgemälde   von   Bertling. 

70.  In  die  Grotte  der  Geburt  des  Heilandes  zu  Bethlehem:  „Der  hl.  Joseph,  indem  ihm  im  Schlafe  ein  Engel 
erscheint,  der  ihn  zur  Flucht  nach  Aegypten  mahnt",   Oelgemälde  von  Budde. 

71.  In  die  Maximilians-Pfarrkirche  zu  Düsseldorf  die  Heiligen:  Maximilian,  Franziskus,  Antonius  von  Padua  und 
Joseph,   Statuetten   in   Sandstein   von  Bayerle  und   Kappenberg. 

72.  In   die  evangelische  Kirche  zu  Hirschberg  in  Schlesien:   „Christus  am  Oelberge",  Oelgemälde  von  Otto  Mengelberg. 

73.  In  die  katholische  Kirche  zu  Werden:  ,,Die  hl.  Maria,  zu  deren  Seiten  die  Heiligen  Benedictus  und  Ludgerus 
knieen",  Oelgemälde   von  Mintrop.     1860. 

74 — 75.  In  die  katholische  Kirche  zu  Heiligenthal  im  Kreise  Heilsberg:  ,,Die  beiden  Heiligen  Cosmas  und  Damian", 
Oelgemälde  von  Fr.   Geselschap;   ,,Die  Himmelfahrt  Maria",   Oelgemälde  von  F.  Ittenbach. 

76.  In  die   katholische   Kirche  zu  Tilsit:    ,,Die   Himmelfahrt   Maria",   Oelgemälde  von   W.  Trellenkamp. 

77.  In  die  neue  evangelische  Kirche  zu  Herzkamp,  Diözese  Hattingen  i.  Westf. :  ,,Ecce  homo",  Oelgemälde  von  Otto 
Mengelberg. 

78.  In  die  evangelische  Kirche  zu  Zippnow:   ,, Segnender  Christus",   Oelgemälde   von  Otto  Rethel. 

79.  In  das  neue  Kreisgerichts-Gebäude  zu  Naumburg  a.  d.  S.:  ,,Der  Tod  Abels",  Oelgemälde  von  Akademie-Director 
E.   Bendemann. 

80.  In  die  evangelische  Kirche  zu  Gütersloh:  ,,Die  Auferstehung  des  Heilandes  und  die  Evangelisten  Matthäus, 
Markus,  Lukas  und  Johannes",  drei  Oelgemälde  von  Otto   Mengelberg. 

81.  In  die  evangelische  Kirche  der  Arbeitsanstalt  zu  Brauweiler:  ,,Die  Auferstehung  des  Heilandes",  Oelgemälde  von 
Professor  Deger. 

82.  In  die   katholische  Kirche   zu   Schwelm:    ,,Salvator  mundi",   Oelgemälde   von   Professor  Deger. 

83.  In  die   Aula   der  Realschule  zu   Düsseldorf:    Wandgemälde   von   Akademie-Director  Bendemann. 

84.  In  den  Rathhaussaal  zu  Münster  i.  W.:  Zwölf  Porträtbilder,  nämlich:  ,, Kaiser  Heinrich  III.  und  Bischof  Ludgerus", 
gemalt  von  F.  Tüshaus  in  Münster;  ,, Bischof  Ludgerus  und  Bürgermeister  Niessing",  von  D.  Mosler  in  Münster;  ,, Rudolf 
von  Langen  und  Gottfried  von  Raesfeld",  von  G.  Stever  in  Düsseldorf;  ,, Hermann  Heerde  und  Bischof  Johann  von  Hoja", 
von  Professor  Adolf  Schmitz  in  Düsseldorf;  ,, Minister  von  Fürstenberg,  von  Stein  und  Clemens  August  von  Droste- 
Vischering",   von   Professor   Clemens  Bewer  in  Düsseldorf;   ,, Bernhard  Overberg",   von  Professor  Roajing   in  Düsseldorf. 

85.  In  die   evangelische  Kirche  zu   Werdohl:   Altarbild   ,,Die   Auferstehung   Christi",   gemalt  von   Bertling  in  Düsseldorf. 

86.  In  die   neuerbaute  Kirche    zu    Gross-Lassowitz:    ,, Christus    am    Oelberge",    gemalt  von  Trellenkamp    in    Düsseldorf. 

87.  In   die   städtische   Gemälde-Galerie    zu   Düsseldorf:    ,, Maria   mit    dem    Christuskinde",    Oelgemälde   von  Th.   Mintrop. 

88.  Beitrag  zur  Erwerbung  des  Oelgemäldes  von  A.  Baur  „Christliche  Märtyrer  bei  römischen  Volksfesten"  für  die 
städtische   Gemälde-Galerie   zu  Düsseldorf. 

89.  Beitrag  zum   Schadow-Denkmal   auf  dem   Schadowplatz  zu  Düsseldorf, 
go.    Beitrag   zum   Cornelius-Denkmal  zu   Düsseldorf  Mark  15000. 

91.  In   den  Rathhaussaal  zu   Krefeld:    Wandgemälde   von  P.   Janssen. 

92.  Beitrag  zur  Erneuerung  des  Wandgemäldes  ,, Christus  mit  der  Taube"  in  die  Lehrhalle  der  Diakonissen-Anstalt 
zu  Kaiserswerth   durch   Robert  Risse. 

93.  Beitrag  für  die   Glasmalereien  in   der   St.  Gertrudkirche   zu   Essen. 

94.  Beitrag  zum  Ankaufe  des  Professor  Bewerschen  Gemäldes  „Herodias'  Tochter"  für  die  städtische  Galerie  zu 
Düsseldorf. 

95.  Beitrag  zu   den   Kosten   einer  Marmorbüste   Carl   Schnaases  für   das   Museum   zu   Berlin. 

96.  In   die   städtische   Gemälde-Galerie   zu  Düsseldorf:    ,,Nach   dem   Kampfe".   Oelgemälde  von   Chr.  Kroener. 

97.  Beitrag  für  das   Altarbill   ,,St.  Joseph"   in   der  katholischen  Pfarrkirche   zu  Zyfflich,   gemalt  von   Prof.  Andr.  Müller. 

98.  Bühnenvorhang  für  das   Stadttheater  zu  Düsseldorf,   gemalt  von   Ernst   Hartmann. 

99.  In  den  Rathhaussaal  zu  Wesel:  ,, Wesel  wird  von  den  Holländern  unter  Johann  van  Gent  und  durch  den 
Beistand  der  Bürger  überrumpelt   und   von   der  Herrschaft   der  Spanier  befreit"   (ig.   August   1629).    Oelgemälde   von  J.   Schex. 

100.    Beitrag  zu   dem   Kriegerdenkmal   zu  Neuss, 
loi.     Beitrag  zum  Mercator-Denkmal   zu  Duisburg. 

102.  Beitrag  für  die   Glasmalereien   in   der  Christuskirche  zu  Bochum. 

103.  Beitrag  zur  Nike   in  Bronze   zu   dem  Kriegerdenkmal   in  Bielefeld. 

104.  In  die  städtische  Gemälde-Galerie  zu  Düsseldorf:   ,,Götz  von  Berlichingen",   Oelgemälde  von  B.  Knüpfer   in   München. 

105.  In  das  Museum  Wallraf-Richartz  zu  Köln:  ,,Aus  der  Sage  Wieland  der  Schmied",  Oelgemälde  von  M.  Grönwold 
in  München. 

5* 
69 


io6.  In  die  Gemälde-Galerie  des  Kunst- Vereins  zu  Barmen:  „Otto  I.  an  der  Leiche  seines  Bruders  Thankmar",  Oel- 
gemälde   von  Professor  A.  Baur. 

107.  In  die  Gemälde-Galerie  des  Westfälischen  Provinzial- Vereins  für  Wissenschaft  und  Kunst  zu  Münster:  „Lavoisiers 
Verhaftung",   Oelgemälde  von  L.  von  Langenmantel  in  München. 

108— m.  In  die  städtische  Gemälde-Galerie  zu  Düsseldorf:  „Scene  aus  dem  Bauernkriege",  Oelgemälde  von  Fritz  Neuhaus. 
1880;  „Zur  Untersuchung".  Oelgemälde  von  Ed.  Schulz-Briesen ;  „Aegyptischer  Harem",  Oelgemälde  von  Ad.  Seel;  „Nach 
durchwachter  Nacht",  Oelgemälde  von  Professor  R.  Jordan. 

112.  Medaillon-Bild  in  Bronze   Sr.  Majestät  des  Kaisers  für  das  Siegesdenkmal  zu  Süchteln. 

113.  Beitrag  für  die  Errichtung  des  Goeben-Denkraals  zu  Coblenz  Mark  5000. 

114.  Beitrag  für  den  Fries  im  Gürzenichsaale  zu  Köln,  den  historischen  Festzug  vom  16.  Oktober  1880  darstellend, 
Mark  10  000. 

ns.  In  die  städtische  Gemälde-Galerie  zu  Düsseldorf:  „Marine  bei  Mondschein",  Oelgemälde  von  Professor  Dr.  A. 
Achenbach  (zum  Gedächtniss  an  dessen  sojähriges  Künstler-Jubiläum). 

116.  In  die  katholische  Kirche  St.  Castor  zu   Coblenz  ein  Wandgemälde  al  fresco  von  J.  Settegast. 

117.  In  die  Gemälde-Galerie  des  Museum- Vereins  zu  Krefeld:  „Tod  des  Grafen  Ernst  zu  Mansfeld",  Oelgemälde  von 
R.  Forell. 

n8.    In  die  katholische  Kirche  zu  Schmallenberg  ein  AltarbUd,  gemalt  von  L.  Feldmann, 
ng.    In  die  evangelische  Kirche  zu  Neuenahr  ein  Altarbild,  gemalt  von  E.  Kaempffer. 
120.    Bühnenvorhang  für  das  Stadttheater  zu  Krefeld,  gemalt  von  W.  Simmler. 

121.  Beitrag  für  die  Restaurirung  der  Wandgemälde  in  der  ehemaligen  Abteikirche  zu  Knechtsteden. 

122.  Beitrag  für  die  Errichtung  eines  Denkmals  weiland  Sr.  Königl.  Hoheit  des  Fürsten  Carl  Anton  von  Hohenzollern 
in  der  Stadt  Sigmaringen  Mark  5000. 

123.  In  die  städtische  Gemälde-Galerie  zu  Düsseldorf:    , .Engelständchen",  Zeichnung  von  Theod.  Mintrop. 

124.  In  die  katholische  Kirche  zu  Ehrenbreitstein  ein  Altarbild,  gemalt  von  L.  Feldmann. 

125.  In  den  Stadtrathsaed  zu  M. -Gladbach:  Wandgemälde  von  Fr.  Klein-Chevalier. 

126.  In  die  städtische  Gemälde-Galerie  zu  Düsseldorf:   „Märkische  Frau",   Oelgemälde  von  E.   Schwabe. 

127.  Bühnenvorhang  für  das  Stadttheater  zu  Elberfeld,  gemalt  von  Fritz  Roeber. 

128.  Beitrag  für  die  Errichtung  eines  Kriegerdenkmals  zu  Düsseldorf  Mark  7500. 

129.  Beitrag  zum  Ankauf  des  Gemäldes  von  H.  Deiters'  ..Westfälische  Haide"  für  die  Sammlungen  des  Westfahschen 
Provinzial-Museums  zu  Münster. 

130.  Beitrag  zu  den  Kosten  für  Errichtung  der  Figurengruppe  des  Vater  Rhein  und  seiner  Nebenflüsse  vor  dem 
Provinzial-Ständehause  der  Rheinprovinz  Mark  40  000. 

131.  In  die  Gemälde-Galerie  des  Kunstvereins  zu  Barmen:  „Hamburger  Hafen",   Oelgemälde  von  Becker  und  Wendung. 
132 — 133.    In  die  städtische  Gemälde-Galerie  zu  Düsseldorf:   ,,Ein  Sänger  am  Rhein",   Oelgemälde  von  Gerhard  Janssen, 

und  „Die  Wasserschöpferin",   Bronzestatuette  von  J.  Götz. 

134.  Für  Ausmalung  des  Chores  der  Liebfrauenkirche  zu  Trier  durch  die  Maler  Döringer  und  Erich  als  Beitrag 
Mark   10  000. 

135.  Für  die  Ausschmückung  des  Düsseldorfer  Rathhaussaales  mit  Wandgemälden   ein  Beitrag  von  Mark  30  000. 

136.  In  das  Museum  zu  Krefeld:   ,,Aus  dem  Mühlthal  bei  Wernigerode",  Oelgemälde  von  Carl  Irmer. 

137.  In  die  städtische  Gemälde-Galerie  zu  Düsseldorf:   „Tischgebet",   Oelgemälde   von  H.   Nordenberg. 

138.  In  das  städtische   Suermondt-Museum  zu  Aachen:   ,, Herbstmorgen  im  Reichswald".   Aquarell  von  Prof.  Chr.  Kröner. 

139.  Für  das  von  Professor  Fritz  Neuhaus  hergestellte  Wandgemälde  „Apotheose"  im  Rathhaussaale  zu  Bochum 
ein  Beitrag  von  Mark  9000. 

140.  In  das  Museum  zu  Krefeld;   ,, Landschaft  am   Oberrhein",   Oelgemälde   von   C.   L.   Fahrbach. 

141.  Für  die  malerische  Ausschmückung  der  Aula  des  Akademiegebäudes  zu  Münster  durch  Professor  Fritz  Roeber 
ein  Beitrag  von  Mark  18  000. 

142.  In  das  Museum  zu  Krefeld:   ,, Grablegung   Christi",   Oelgemälde   von  Professor  Julius  Roeting. 

143.  Für  die  Herstellung  von  Wandgemälden  im  Sitzungssaale  des  Kreishauses  zu  Burtscheid-Aachen  durch  Professor 
Arthur  Kampf  Mark  10  000. 

144.  Für  Herstellung  eines  'Wandgemäldes  in  der  Aula  des  Realgymnasiums  zu  Duisburg  durch  den  Maler  Ludwig 
Keller  ein  Beitrag  von  Mark  6000. 

145.  In  die  evangelische  Kirche  zu  Saargemünd  ,, Auferstehung",   Oelgemälde  von  Willy  von  Beckerath. 

146.  Ausmalung  des  Rittersaales  im   Schlosse  Burg  a.  d.  Wupper  durch  Professor  Claus  Meyer  Mark  50  000. 

147.  Für  die  malerische  Ausschmückung  des  Sitzungssaales  im  Kreishause  zu   Cleve  ein  Beitrag. 

148.  Zu  den  Denkmälern  Carl  Immermanns  und  Felix  Mendelssohn-Bartholdys  in  Düsseldorf  ein  Beitrag. 

149.  Für  ein  Wandgemälde  in  der  Aula  des  Gymnasiums  zu  Moers  ein  Beitrag. 

150.  Für  das  Giebelfeld  über  dem  Hauptportale  des  neuen  Kunstausstellungsgebäudes  in  Düsseldorf  ein  Kunstwerk 
in   Stein  von  Carl  Heinz   Müller. 


70 


EDUARD   BENDEMANN 
Bildnis  des  Akademiedirectors  Wilhelm  Scbadow 


V.  Kapitel 

Schadow  und  seine  Schule 


AST  unwidersprochen  war  jahrzehntelang  der  Ruhm,  den  die  Bilder  der  Schadowschule 
der  Düsseldorfer  Malerei  selbst  in  dem  kritischen  und  eifersüchtigen  Berlin  und  an 
anderen  Orten  errangen.  In  dem  „Berliner  Kunstblatt",  das  die  eingehendsten  und 
günstigsten  Berichte  über  Düsseldorf  und  die  Schadowschule  brachte,  ist  der  directe 
Einflufs  Schadows  unverkennbar,  wie  es  auch  den  richtunggebenden  Aufsatz  von 
Schadow  selbst:  „Meine  Gedanken  über  eine  folgerichtige  Ausbildung  des  Malers"  abdruckte. 
Aber  noch  1839  schrieb  z.  B.  die  „Hannoversche  Zeitung"  über  eine  Ausstellung  Düsseldorfer 
Bilder  u.  A. :  ,,Die  übrigen  uns  neuen"  (vorher  waren  Köhlers  „Poesie"  und  Müllers  ,, Tobias"  er- 
wähnt worden)  „aber  geben  unserer  Ansicht  nach  den  wiederholten  Beweis,  dafs  Düsseldorf 
als  Kunstschule  den  übrigen  deutschen  Akademien  bei  weitem  voranstehe  und  dafs  für  einen 
jungen  Künstler  dieses  der  rechte  Ort  zu  tüchtiger  und  gediegener  Ausbildung  sei.  —  Mit  jeder 
neuen  Ausstellung  sehen  wir  ein  neues  Talent  von  dorther  auftauchen,  und  wenn  auch  nicht 
geleugnet  werden  kann,  dafs  eine  gewisse  Gleichartigkeit  alle  von  dorther  kommenden  Werke  als 
Werke  einer  Schule  charakterisirt  und  erkenntlich  macht,  so  ist  doch  auch  andererseits  nicht  zu 
leugnen,  dafs  diese  Gleichartigkeit  auf  einer  sichern  und  festen,  im  tiefsten  Wesen  der  Kunst  ge- 
gründeten Basis  ruhe,  deren  malerischer  Werth  nie  in  Abrede  gestellt  werden  kann."  Aus  Aachen 
schrieb  man  von  einer  Ausstellung  im  selben  Jahre:  ,,Das  Beste  brachten  die  Düsseldorfer."  Aus 
Berlin  wurde  bei  Gelegenheit  einer  internationalen  Ausstellung  geschrieben:  „Wenn  die  Düssel- 
dorfer Maler  fortfahren  sollten,  wie  diesmal  ihre  Werke  der  Ausstellung  zu  entziehen,  so  würde 
dies  Verfahren  den  Ausstellungen  erheblichen  Nachtheil  bringen"  u.  s.  w.  u.  s.  w. 

Betrachtet  man  das  Schaffen  selbst,  so  ist  in  der  That  schon  die  Schnelligkeit  erstaunlich, 
mit  der  ganz  junge  Leute  eine  Stufe  der  Meisterschaft  erlangten,  die  auch  heute  noch,  wenn  nicht 
mehr  jene  höchste  Bewunderung,  so  doch  alle  Anerkennung  abnöthigt.  Schadow  selbst,  der  trotz 
seiner  vielfachen  Amtsgeschäfte,  trotz  der  von  ihm  gepflegten  ausgebreiteten  Geselligkeit,  fleifsig 
malte,  war  allerdings  schon  als  fertiger  Künstler  nach  Düsseldorf  gekommen,  aber  selbst  eine 
wohlwollende  Beurtheilung  stellte  ihn  hier  bald  schon  nicht  mehr  an  die  erste  Stelle.  So  schreibt 
sein  Freund  Immermann  schon,  er  finde  „das  Hauptverdienst  Schadows  in  seiner  Thätigkeit  als 
Organisator  der  Schule,  als  Lehrer  und  Diplomat",  und  gerade  er  ist  es,  der  den  Beginn  einer 
gewissen  Einseitigkeit  und  Starrheit  in  Schadows  Beurtheilung  seiner  Schüler  schon  in  verhältnifs- 
mäfsig  früher  Zeit,  nach  der  italienischen  Reise  von  1830,  constatiren  zu  können  glaubt,  die  Andere 
freilich  erst  zehn  Jahre  später  beobachten  wollten.  Dabei  war  Schadows  Productivität  keine  ge- 
ringe. Neben  den  Bildnissen,  die  allerdings  bis  auf  wenige  Ausnahmen  der  Oeffentlichkeit  ent- 
zogen sind,  besitzen  zahlreiche  Kirchen,  Museen  und  öffentliche  Anstalten  gröfsere  und  kleinere 
Arbeiten  seiner  Hand. 

Er  hielt  in  seinen  Werken  an  den  Grundsätzen  fest,  die  sich  in  ihm  schon  in  Rom  ent- 
wickelt hatten.  Das  religiöse  Motiv  stand  bei  ihm  in  erster  Linie  als  die  Basis  einer  jeden 
Kunstäufserung,  aber  nicht  lediglich  als  Kirchenbild,  sondern  in  einer  Auffassung,  die  er  im 
Gegensatz  zu  den  Klosterbrüdern  und  den  späteren  Heiligenmalern  seiner  eigenen  Schule  für  eine 
naturalistische  hielt,  die  man  später,  eigentlich  nur  infolge  der  gleichzeitigen  Strömungen,  mit 
dem  nicht  immer  klar  umschriebenen  Begriff  die  ,, romantische"  zu  nennen  sich  gewöhnt  hat. 
In  Rom  war  Schadow  an  den  Fresken  der  Casa  Bartholdy  betheiligt  gewesen.  Die  Bilder 
„Josephs    blutiger    Rock"    und    ,, Joseph    im    Gefängnifs"    sind    von    ihm.     In    Berlin    malte    er    im 

73 


Opernhause  die  Prosceniumdecoration,  ein  Bacchanal  darstellend  in  Oelfarben,  um  dann  in  Düssel- 
dorf sich  fast  ausschliefslich  auf  StafTeleibilder  zu  beschränken,  die  zum  Theil  allerdings  zu  Altar- 
bildern oder  dergleichen  bestimmt  waren.  So  malte  er  1829  für  die  Werdersche  Kirche  in  Berlin 
die  vier  Evangelisten,  zu  denen  die  Cartons  auf  der  Düsseldorfer  Akademie  erhalten  sind. 

Auf  der  ersten  von  Düsseldorf  aus  unternommenen  italienischen  Reise  entstanden  einige 
Studienköpfe,  und  nach  seiner  Rückkehr  ein  , .Christus  am  Oelberg"  für  die  Marktkirche  in 
Hannover  1832,  ,, Christus  und  die  Jünger  in  Emmaus",  und  im  Auftrage  des  Kunstvereins  1836 
für  die  Andreaskirche  in  Düsseldorf  ,, Christus  im  Schofse  der  Maria".  Eine  schwere  und  lang- 
wierige Krankheit,  die  mannigfachen  Erregungen,  die  sein  Amt  mit  sich  brachte,  unterbrachen 
seine  künstlerische  Thätigkeit  für  einige  Jahre,  bis  dann  1842  das  in  Rom  begonnene  Bild 
,,Pietas  und  Vanitas"  vollendet  wurde,  dem  im  selben  Jahre  eine  , .Herodias"  und  im  folgenden 
Jahre  das  grofse  in  Frankfurt  befindliche  Bild  ,,Die  klugen  und  thörichten  Jungfrauen"  folgte.  Eine 
,, Himmelskönigin"  hatte  er  schon  vorher  der  Kirche  der  barmherzigen  Schwestern  in  Coblenz 
geschenkt,  und  der  Kunstverein  hatte  den  Altar,  für  den  das  Bild  bestimmt  war,  erneuern  lassen. 
Für  die  Klosterkirche  auf  der  Brede  bei  Brakel  in  Westfalen  entstand  eine  ,,H1.  Jungfrau"  und 
1845  wiederum  im  Auftrag  des  Kunstvereins  für  die  Dominikanerkirche  in  Aachen  eine  ,, Himmel- 
fahrt". Sein  letztes  und  gröfstes  Werk,  das  er  für  den  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  schuf,  be- 
findet sich  als  Geschenk  des  Königs  in  Düsseldorf  und  zwar  im  Schwurgerichtssaal  des  Land- 
gerichtes. Es  stellt  in  drei  grofsen  Gemälden  , .Paradies",  ,, Fegefeuer"  und  ,, Hölle"  dar,  und  ist 
gewissermafsen  das  religiöse  und  künstlerische  Testament  Schadows,  das  er  übrigens  nebenher 
auch  in  einem  gewissermafsen  den  Commentar  zu  dem  dreitheiligen  Bilde  vorstellenden  Gedicht 
niedergelegt  hat:  ,, Vision  eines  Malers  im  Jahre  1848".  Die  Compositionen  der  drei  Bilder  sind 
einfach  und  verständlich  bis  auf  die  kleinen  grau  in  grau  gemalten  Predellen,  in  denen  der 
Symbolismus  zuweilen  nicht  ohne  weiteres  klar  ist.  —  Schadow  war  1789  in  Berlin  geboren 
und  starb  1862  in  Düsseldorf. 

Ihm  in  vieler  Hinsicht  am  nächsten  verwandt  ist  sein  Schüler  Rudolph  Julius  Benno 
Hübner,  geboren  1806  zu  Oels  in  Schlesien,  und  mit  Schadow,  dessen  Schüler  er  1823  geworden 
war,  nach  Düsseldorf  übergesiedelt.  Vielseitiger  und  auch  weicher  als  Schadow,  zeigt  doch 
auch  er  das  Vorwiegen  der  Reflexion,  des  verstandesmäfsigen  Schaffens,  besonders  in  seinen 
religiösen  Bildern,  in  denen  er,  obwohl  Protestant,  nicht  vermochte,  sich  von  dem  Banne 
der  Schule  freizumachen.  Es  kam  kaum  zu  einem  Compromifs  zwischen  ihr  und  seiner  ab- 
weichenden religiösen  Ueberzeugung.  Uebrigens  malte  Hübner  mehr  noch  als  Schadow  unter  dem 
Einflufs  der  Tieckschen  Romantik  und  Uhlandschen  Lyrik  im  Anfange  Bilder  nicht  religiösen, 
sondern  eben  rein  poetischen  Charakters.  So  1828  den  ,, Fischer"  nach  Goethes  Ballade  und  gleich 
darauf  „Roland  befreit  die  Prinzessin  Isabella  von  Galizien  aus  der  Räuberhöhle"  nach  Ariost,  das 
Prinz  Friedrich  von  Preufsen  erwarb.  Nach  einem  mehrjährigen  Aufenthalt  in  Rom  nach 
Düsseldorf  zurückgekehrt,  malte  er  dann  seine  verschiedenen  biblischen  Bilder,  vor  allem  ein 
Altarblatt  für  die  Kirche  in  Meseritz  und  das  am  meisten  geschätzte:  ,,Hiob  und  seine  Freunde". 
Im  Auftrage  des  Kunstvereins  entstand  im  Jahre  1836  ein  „Ecce  homo"  für  die  Andreaskirche 
in  Düsseldorf.  Julius  Hübner  gehörte  mit  Bendemann  zu  den  Ersten,  welche  die  Errungenschaften 
der  Düsseldorfer  Schule  nach  auswärts  trugen.  Er  wurde  1839  nach  Dresden  an  die  Akademie 
berufen,  wohin  ihm  ein  Jahr  vorher  Bendemann  schon  vorausgegangen  war.  Beide  übten  einen 
entscheidenden  Einflufs  auf  das  dortige  Kunstleben  aus,  wobei  Hübner  seine  vielseitige  Bildung, 
die  ihn  als  Künstler  eher  gestört  als  gefördert  hatte,  zu  statten  kam.  Er  wurde  Professor  und 
später  Director  der  berühmten  Gemäldegalerie.  Auch  als  Dichter  hat  sich  Hübner  versucht  und 
folgte  auch  damit  dem  Beispiel  seines  Lehrers  Schadow  und  dem  Zuge  der  Zeit. 

Eine  gewisse  Aehnlichkeit  der  Kunstauffassung  sowohl,  wie  des  rein  äufserlichen  Lebens- 
ganges verbindet  Hübner  mit  Eduard  Bendemann,  der,  wenige  Jahre  jünger  als  Hübner  (er 
war  1811  in  Berlin  geboren),  kurz  nach  diesem,  nämlich  1828,  in  die  Schadowschule  eintrat,  bald 
sich  dem  ihm  geistesverwandten  Genossen  anschlofs  und  ihn  auch  nach  Dresden,  wohin 
er  Ende  der  30  er  Jahre  berufen  wurde,  nachzog.  Allerdings  kam  Bendemann  20  Jahre  später 
nach  Düsseldorf  zurück,  wo  er  nach  Schadows  Rücktritt  zum  Director  der  Akademie  berufen 
wurde  und  dann  noch  einen  gewissen  Einflufs  als  Lehrer  ausübte.  In  die  Zeit  seines  ersten 
Düsseldorfer  Aufenthaltes  fallen  aber  diejenigen  Werke,  die  für  den  Künstler  sowohl,  wie  für  die 
Zeit  gleichermafsen  wichtig  waren,  und  vielleicht  noch  mehr,  als  die  seiner  Alters-  und  Studien- 
genossen, der  Düsseldorfer  Kunst  ihren  eigenthümlichen  Stempel  aufprägten.  Bendemann  ist  so 
recht    eigentlich    der  Vater  jener  weichlichen  Sentimentalität,    der  sich    kaum  einer    der  damaligen 

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Maler  entzogen  hat,  die  aber  Bendemanns  weicher  Natur  entsprach  und  somit  bei  ihm  die 
markantesten  'Werke  dieser  Richtung  entstehen  Hess.  Diese  Mischung  von  Melancholie  und 
Süfslichkeit.  die,  wie  bei  Schadow,  in  dem  jüdischen  Ursprung  Beider  ihre  physiologische  Er- 
klärung finden  mag,  die  bei  Schadow  durch  den  vom  Vater  ererbten  kritischen  berliner  Geist 
einigermafsen  in  den  Hintergrund  gedrängt  wurde,  kam  bei  Bendemann  zur  vollsten  Geltung. 
Seine  Malerei  hat  in  dieser  Beziehung  viel  Aehnlichkeit  mit  dem  Schaffen  zweier  ihm  stamm- 
verwandten Künstler  jener  Zeit,  mit  der  Dichtung  Heines  und  der  Musik  Meyerbeers. 

Die  Unfähigkeit,  wirkliche  Tragik  darzustellen,  dafür  ein  grofses  Geschick,  an  deren  Stelle 
allerlei  Surrogate  zu  verwenden,  ist  ihnen  Allen  gemeinsam.  Statt  activer  Leidenschaften  finden 
wir  das  Schwelgen  in  passiven  Leiden,  statt  der  künstlerischen  Beherrschung  und  Verwendung 
eines  starken  Gefühls  das  Spielen  mit  schwächlichen  Gefühlen  und  als  das  nie  versagende  Mittel, 
auf  das  Interesse  des  Hörers  oder  Beschauers  zu  wirken,  eine  eminente  technische  Gewandtheit, 
die  dem  oberflächlich   Geniefsenden    den  Mangel    an  innerer   Wahrheit    und  Kraft    verdecken  mufs. 


EDUARD    BENDEMANN 

Jeremias 

Nach   der  Lithographie   von    Carl  Wildt 

Gerade  jener  feigen  Zeit,  der  von  Polizeiwegen  jedes  Aufsichselbstbesinnen,  jede  kraftvolle  Aeufserung 
in  socialen  und  politischen  Dingen  untersagt  war,  mufste  die  sinnliche  aber  haltlose  Lyrik  Heines, 
die  lärmende  aber  hohle  Musik  Meyerbeers  und  die  glänzende  aber  sentimentale  Malerei  Bendemanns 
als  das  höchste  Erreichbare  von  Kraft  und  Können  erscheinen.  So  stellte  Heine  den  grofsen 
Olympier  fast  in  Schatten,  Meyerbeer  verdrängte  beinahe  Beethoven,  und  der  liebenswürdige,  feine, 
aber  in  Allem  schwächliche,  süfsliche  und  äufserliche  Bendemann  galt  sogar  allen  Ernstes  als  der 
Michel  Angelo  der  Düsseldorfer  Kunst. 

Eine  der  ersten  Arbeiten  Bendemanns  in  Düsseldorf  waren  ,,Die  trauernden  Juden",  ,,An 
den  Wassern  von  Babylon  safsen  wir  und  weineten,  wenn  wir  an  Zion  gedachten",  die  im  Jahre 
1832  vollendet  wurden  und  ein  ganz  ungewöhnliches  Aufsehen  machten.  Der  Kunstverein  für  die 
Rheinlande  und  Westfalen  kaufte  das  Bild  für  das  Kölner  Museum,  wie  dann  später  noch  mehrere 
seiner  Bilder  vom  Kunstverein  erworben  und  verloost  wurden. 

In  diesem  Bilde  war  für  die  ganze  thränenreiche  Stimmung  der  Totem  geschaffen,  zu  dem 
noch    jahrelang    die    ganze    Düsseldorfer    Kunst    betete,    den    selbst    Bendemann    nicht    mehr    über- 


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trumpfen  konnte,  auch  nicht  in  seinem  ,,Jere- 
mias  auf  den  Trümmern  von  Jerusalem"  1836, 
den  der  König  kaufte.  Aber  an  diese  „trauernden 
Juden"  knüpfte  später  auch  die  Reaction  an,  als 
sie  die  Caricatur  der  ..trauernden  Lohgerber" 
schuf,  und  auch  das  bekannte  Verschen:  „Da 
Sassen  sie  und  weinten  und  weinten  immer 
mehr,  und '  als  sie  nicht  mehr  weinten,  da 
weinten  sie  nicht  mehr"  ist  wohl  eine  Persiflage 
des  berühmten  Bildes  und  der  ganzen  weiner- 
lichen Stimmung,  von  der  Schadow  (nach  Gurlitt) 
selbst  berichtet,  dafs  seine  Schüler  weinend  in 
den  Ateliers  ihre  Bilder  gemalt  hätten. 

Bendemann  vollendete  aufserdem  in  Düssel- 
dorf noch  eine  Reihe  von  kleineren  Gemälden, 
die  sich  in  derselben  weichen,  thatenlosen  Stim- 
mung bewegen.  So  gleich  am  Anfang  „Boas  und 
Ruth",  später  ,,Die  zwei  Mädchen  am  Brunnen" 
1833,  ,,Die  Töchter  des  Serbenfürsten"  1834,  ,,Die 
Ernte"  1835  und  nach  Uhlandschen  Versen  ,,Hirt 
und  Hirtin",  die  trotz  ihrer  Schwäche  in  Colorit 
und  Zeichnung  wieder  aufserordentliche  Vereh- 
rung fanden.  Uneingeschränkte  Anerkennung 
wird  man  auch  heute  noch  seinen  Bildnissen 
zollen,  die  er  bis  in  sein  Alter  hinein  malte. 
So  ist  das  noch  1861  gemalte  Porträt  des  alten 
Schadow  (im  Besitz  der  Akademie)  eines  seiner 
besten.  Aus  früherer  Zeit  stammt  das  Bildnis 
seiner  Gattin. 

Merkwürdigerweise  zog  es  auch  Bende- 
mann trotz  der  Erfolge  seiner  StafTeleibilder  zur 

Frescomalerei.  Er  malte  in  Berlin  im  Hause  seines  Vaters  ein  Wandgemälde  ..Der  Brunnen  der 
Künste",  eine  echt  romantische  Composition,  und  folgte  dann  einem  Ruf  nach  Dresden,  wo  er  als 
Professor  an  der  Akademie  angestellt  wurde  und  den  Auftrag  erhielt,  die  Säle  des  königl.  Schlosses 
mit  Frescobildern  auszuschmücken.  Ihm  folgte  dorthin  als  Gehülfe  an  diesen  monumentalen  Auf- 
trägen der  Maler  Ehrhardt,  der,  seit  1832  in  Düsseldorf  ansässig,  sich  eng  an  Bendemann  an- 
geschlossen hatte,  was  schon  sein  erstes  Bild  ,,Die  Tochter  Jephtas"  zeigte,  das  ebenfalls  vom 
Kunstverein  erworben  wurde. 

Es  wurde  schon  erwähnt,  wie  bei  dem  engen  Zusammenarbeiten  der  Schadowschüler  die  Ideen 
der  Einzelnen  immer  sehr  bald  Gemeingut  wurden.  So  wandte  sich  den  alttestamentarischen 
Motiven,  die  Bendemann  mit  so  viel  Glück  behandelte,  sehr  bald  auch  ein  anderer  Freund  Hübners 
zu,  der  als  Protestant  ohnehin  für  den  romantischen  Reiz  der  Heiligengeschichten  nicht  so  em- 
pfänglich sein  konnte. 

Es  war  dies  Christian  Köhler,  geboren  1809  in  Werden  in  der  Altmark.  Er  galt  als  Vertreter 
der  heroischen  Richtung  innerhalb  der  Schadowschule,  der  er  bis  1855  ^'^  Inhaber  eines  Meister- 
Ateliers  angehörte.  Dann  wurde  er  Professor  und  Lehrer  der  Antikenklasse.  Die  Bezeichnung 
heroisch  für  seine  Malerei  hat  grofse  Verwandtschaft  mit  der  Benennung  einer  Theater-Primadonna 
als  Heroine,  nicht  nur  wegen  des  auch  bei  ihm  unverkennbaren  theatralischen  Zuges,  sondern 
wegen  seiner  besonderen  Vorliebe  für  weibliche  Figuren,  die  fast  immer  den  Mittelpunkt  und  das 
Hauptmotiv  seiner  Bilder  ausmachen. 

Auch  seine  weiblichen  Porträts  wurden  hoch  geschätzt.  In  seinen  Bildern  macht  er  ebenso- 
wenig, wie  seine  Zeitgenossen  auch  nur  den  Versuch  einer  zeitlichen  oder  costümlichen  Charakte- 
risirung.  Seine  Modelle  sind  die  üblichen  und  seine  Costüme  die  sattsam  bekannten,  welche  nicht 
wenig  zu  der  Gleichartigkeit  der  Düsseldorfer  Bilder  jener  Zeit  beigetragen  haben.  Die  Zeit,  wo 
man  das  Costüm  anfing  nach  den  alten  Denkmälern  oder  bei  Compositionen  aus  späterer  Zeit  nach 
den  Werken  der  alten  Meister  zu  studiren,  war  noch  nicht  gekommen,  und  es  ist  manchmal 
räthselhaft,  was  auf  den  unvermeidlichen  Studienreisen  nach  Italien  und  den  Niederlanden  eigentlich 


EDUARD   BENDEMANN 
Bildnis   der  Frau  Bendemann 


80 


studirt  wurde,  denn  ein  künstlerischer  Einflufs  ist  meist  noch  weniger  bemerkbar.  Köhler  selbst 
war  übrigens  einer  der  sefshaftesten  unter  seinen  Collegen,  er  war  nicht  einmal  in  Italien  gewesen, 
was  sein  Biograph  Wiegmann  als  eine  besondere  Merkwürdigkeit  erwähnt;  ~  ein  Beweis,  wie 
sehr  diese  italienische  Reise  zu  den  unentbehrlichen  Requisiten  der  Schadowschule  gehörte.  Von 
seinen  ziemlich  zahlreichen  Bildern  ist  das  bekannteste  „Mirjams  Lobgesang"  1836,  dem  ein 
grofser  Zug  und  der  gelungene  Ausdruck  der  religiösen  Begeisterung  nicht  abzusprechen  ist. 

Die  beiden  Bilder  „Mosis  Aussetzung"  und  „Auffindung"  interessiren  noch  heute,  trotz  der 
glatten  und  süfslichen  Malerei,  durch  eine  gewisse  Kraft  der  Farbe,  welche  auch  die  stark  Rafael 
nachempfundene  ,, Poesie"  1838  aufzuweisen  hat.    „Die  Auffindung  Mosis"  wurde  1835  für  den  Kunst- 


verein lithographirt  und 
die    ,, Poesie"    1841    von 
Feising,  ebenfalls  als 
Nietenblatt     für    den 
Kunstverein   gestochen. 
Für    die    1846   gestiftete 

Galerie  heimischer 
Meister    in    Düsseldorf 
malte  Köhler  wiederum 
im  Auftrag   des   Kunst- 
vereins ,,Hagar  und 
Ismael",  übrigens  eines 

seiner  schwächeren 
Bilder.  Eine  ,,Semira- 
mis"  malte  er  zweimal 
1843  und  1852  und  in 
einer  ,,Mignon"  schuf 
er  eine  jener  Gestalten, 
die  für  lange  Zeit  förm- 
lich    zum    Typus     und 

immer  wieder  von 
neuem  gemalt  wurden. 
Köhler  war  auch  einer 
der  wenigen  Maler  der 
älteren  Zeit,  die  durch 
die   48  er  Ereignisse   zu 

einer  zeitgemäfsen 
künstlerischen 

Schöpfung  angeregt 
wurden.     Er  malte  da- 
mals eine  ,, erwachende 
Germania,  vor  welcher 
der  Genius  der  Freiheit 

erscheint,   während 
Knechtschaft  und  Zwie- 
tracht  in  den  Abgrund 
stürzen".    Das  Bild,  das 


CARL  FERDINAND    SOHN 

Bildnis   des   Malers   Christian   Köhler 


gelobt  wurde,  kam  nach 
Amerika. 

Köhler  war,  wie  viele 
seiner  Genossen,  z.  B. 
auch  C.  F.  Sohn,  aus 
niederem  Stande  hervor- 
gegangen; dies  und  eine 
natürliche  Zurückhal- 
tung bei  grofser  innerer 

Leidenschaftlichkeit 
liefsen  ihn  als  eine  eigen- 
artige Natur  erscheinen, 
die    eigentlich    nicht   in 
die    sonst    so    wohl- 
erzogene ästhetisch- 
lyrische  Umgebung  der 
Düsseldorfer      Meister- 
ateliers hineinpafste. 
Romanhaft  war  der  Zu- 
fall,   der   ihn    fast   noch 
als    Kind    zu    Schadow 
führte.     Schadow  hatte, 
wie    er    selbst    erzählt, 
noch    in    Berlin    den 
Besuch  des  famosen 
Schriftstellers     Clauren 
bekommen,  der  ihm  von 
der  eigenthümlichen 
Leidenschaft    seines 
kleinen  Pferdeburschen 
für  die  Zeichenkunst  er- 
zählte.   Schadow  inter- 
essirte  der  hübsche 
aber     verschlossene 
Knabe,    der    die    Stiefel 
seines   Herrn,    statt   sie 
zu  putzen,  abgezeichnet 
hatte,  und  er  nahm  ihn 


von    Zeitgenossen    sehr 

in  sein  Atelier  auf.  Nicht  minder  romanhaft  war  später  die  Heirath  Köhlers  mit  einer  reichen, 
aber  nicht  mehr  jungen  Holländerin,  um  deren  Tochter  er  eigentlich  hatte  anhalten  wollen. 
Er  starb  1861. 

Schadow  und  Hübner,  und  vielfach  auch  Bendemann  und  Köhler  hatten  vorzugsweise  biblische 
Stoffe  im  sogenannten  romantischen  Sinne  behandelt;  im  Gegensatz  zu  ihnen  sind  Hildebrandt  und 
Sohn,  die  ebenfalls  mit  Schadow  von  Berlin  kamen,  die  eigentlichen  Begründer  der  romantisch- 
poetischen Malerei  in  Düsseldorf.  Ihre  Bilder  waren  es,  die  in  dieser  Hinsicht  für  die  ganze  Zeit 
am  characteristischsten  sind  und  auf  lange  Zeit  hinaus  stofflich  und  coloristisch  mafsgebend 
blieben.  Dem  Einflufs  des  Immermannschen  Theaters  auf  die  Düsseldorfer  Malerei  war  bei  Hilde- 
brandt schon  in  Berlin  vorgearbeitet  durch  seine  Bekanntschaft  mit  Ludwig  Devrient,   die  ihn  schon 


81 


früh  zur  Behandlung  dichterischer,  insbesondere  theatralischer  Stoffe  geführt  hatte.  Hildebrandt 
war  1804  zu  Stettin  geboren,  wo  er  zunächst  das  Buchbinderhandwerk  erlernte ;  1820  kam  er  nach 
Berlin  zu  Schadow  und  malte  1825  „Faust  und  Gretchen  im  Kerker",  dann  „Lear  um  Cordelia 
trauernd",  den  Lear  in  porträtmäfsiger  Darstellung  Devrients,  und  1827  in  Düsseldorf  „Romeo  und 
Julia";  er  schien  also  ganz  und  gar  in  der  Theaterillustration  aufgehen  zu  wollen,  wie  denn  auch 
„Tancred  und  Clorinde"  1828  das  Ideal  eines  theaterhaften  ,. lebenden  Bildes"  ist,  bis  eine  Reise, 
die  er  1829  mit  Schadow  nach  den  Niederlanden  machte,  ihn  in  günstiger  Weise  beeinflufste. 
Das  machte  sich  besonders  bemerkbar  in  dem  sehr  bekannt  gewordenen  Bilde  ,,Der  Krieger  und 
sein  Kind",  das,  wie  schon  bemerkt,  durch  den  „Realismus",  mit  dem  die  Nebendinge  gemalt 
waren,  Aufsehen  machte.  Immerhin  ist  das  Bild  in  Bezug  auf  Einfachheit  des  Motivs  und  Natürlich- 
keit des  Ausdrucks  eines  der  besten  jener  Zeit:  dafs  ihm  zu  dem  Krieger  ein  wirklicher  Reitersmann, 
nämlich  sein  Freund,  der  Ulanenrittmeister  v.  Sydow  gesessen  hat,  mag  hierzu  beigetragen  haben. 
Dieses  Bild  trug  ihm  dann  auch  trotz  seiner  uns  heute  glatt  und  glasig  erscheinenden  Malerei 
von  selten  Raczynskys  den  Vergleich  mit  van  Dyck  ein;  und  damit  der  ganze  Maler-Parnass  der 
alten  Gröfsen  vollständig  sei,    nannte   man  Carl  Sohn  sehr   bald   den  Tizian   dieses  Kreises.     Auch 

dieser  harmlose  Gröfsenwahn  ist 
bezeichnend  für  die  absolute  Ver- 
ständnifslosigkeit  der  wirklich  grofsen 
Kunst  gegenüber  bei  den  Kunstfreun- 
den, wie  bei  den  Künstlern  selbst. 

Nur  in  die  Nachfolge  Rafaels, 
der  fast  wie  ein  Heiliger  verehrt 
wurde,  mufsten  sich  Mehrere  theilen. 
Ein  Rubens  und  ein  Rembrandt 
kommt  charakteristischerweise  nicht 
vor.  Ein  Vergleich  mit  ihnen  schien 
nicht  der  Mühe  werth. 

,,Die  Märchenerzählerin"  war 
in  demselben  schlichten  Sinne  ge- 
dacht wie  der  ,, Krieger  und  sein 
Kind",  ebenso  ,,Die  singenden  Chor- 
knaben", die  der  Kunstverein  1834 
ankaufte  und  als  Nietenblatt  in  Litho- 
graphie von  J.  Becker  vervielfältigt 
an  seine  Mitglieder  vertheilte.  Diese 
Arbeiten  Hildebrandts  stehen  in  wohl- 
thuendem  Gegensatz  zu  den  späteren, 
in  denen  die  theatralische  Pose  und 
die  Vorliebe  für  ein  buntes,  auch 
nur  vom  Theater  entlehntes  Costüm 
sich  wieder  geltend  machen.  ,,Die 
Ermordung  der  Söhne  Eduards"  läfst 
diese  Schwächen  zwar  noch  nicht  so  sehr  hervortreten,  steht  aber  trotz  des  grofsen  Beifalls, 
den  das  Bild  fand,  hinter  den  früheren  zurück.  Es  folgen  späterhin  wieder  meist  historische 
oder  dichterische  Vorwürfe:  „Wolsey  im  Kloster",  ,, Judith",  „Othello".  ,,Lear  erwacht  aus  dem 
Wahnsinn",  „Julia",  „Arthur  und  de  Burgh",  „Cordelia"  u.  s.  w.  Hildebrandt  malte  aufser  jenen 
Bildern,  die  zum  Theil  im  grofsen  Mafsstab  ausgeführt  waren,  eine  grofse  Anzahl  Porträts,  in 
denen  ein  feiner  coloristischer  Sinn  und  seine  gute  Naturbeobachtung,  die  bei  den  Bildern  durch 
die  romantischen  Motive  in  ihrer  Entfaltung  beeinträchtigt  wurde,  freier  hervortreten  konnten. 
Grofsen  Beifall  fanden  seine  Porträts  des  Prinzen  Friedrich  von  Preufsen,  des  Prinzen  Georg  und 
zahlreicher  anderer  vornehmer  und  hervorragender  Persönlichkeiten.  Seine  Thätigkeit  auf  diesem 
Gebiete  war  von  ebenso  grofsem  und  wohlthätigem  Einflufs  auf  seine  Zeitgenossen,  wie  die 
theatralische  Pose  seiner  Figurenbilder  gelegentlich  bei  seinen  Schülern  und  Nachahmern  Unheil 
anrichtete.  Schon  1832  war  Hildebrandt  Hülfslehrer  an  der  Akademie  geworden  und  1836  Professor. 
Er   hatte  hier  mit  Sohn  den  unbrauchbar  und  mifsliebig  gewordenen  Kolbe  zu  ersetzen. 

Galt  Hildebrandt  als  der  Realist  der  äheren  Schule,  so  wurde  Carl  Ferdinand  Sohn  (geboren 
in    Berlin  1805)    der    Colorist    derselben,    wenn    er    den  Vergleich    mit    Tizian    wohl   auch    nebenbei 


CHRISTIAN   KÖHLER 

Mirjams  Lobgesang 

Nach  dem  Stich   von  Xaver  Steifensand 


82 


dem  Umstand  ver- 
dankte, dafs  er  einer 
der  Ersten  war.  der  es 

wagte,  unbekleidete 
weibliche  Gestalten  in 
Düsseldorf  zu  malen 
und  Liebesscenen  zum 
Motiv  seiner  Werke  zu 
wählen.  Seine  beiden 
ersten  Bilder  ..Rinaldo 

und  Armida"  1827 
(jetzt  in  der  Akademie 

in  Düsseldorf,  als 
Geschenk  des  Prinzen 
Georg)  und  ..Der  Raub 
des  Hylas"  1829  er- 
regten hauptsächlich 
wegen  ihrer  Farbe 
aufserordentliches  Auf- 
sehen. 

Man  wird  diese 
Arbeiten  heute  aller- 
dings anders  bewerthen 
und  bezeichnen.  Von 
einem  wirklichen  Colo- 
rismus  im  Sinne  der 
Venezianer  oder  der 
heutigen  Malerei  w^ar 
damals  überhaupt  noch 
kaum  die  Rede.  Was 
den  Zeitgenossen  bei 
Sohn  so  sehr  impo- 
nirte.  war  ^gentlich 
nur  eine  gröfsere  Hel- 
ligkeit und  ein  gröfserer 
Reichthum  der 


F.  TH.  HILDEBRANDT 

Die    singenden    Chorknaben 
Nach   der  Lithographie   von   J.  Becker 


Palette,  der  sich  in 
prunkvollen  bunten  Ge- 
wändern aussprach  und 

allerdings  einen  ge- 
wissen Gegensatz  zu 
den  stets  etwas  ein- 
tönig und  nach  den- 
selben Rezepten  gefärb- 
ten, aber  vielleicht  ge- 
rade deshalb  zuweilen 
viel  eher  coloristisch 
zu  nennenden  Bildern 
der  Anderen  bildete. 

Für  den  Kunstverein 
malte  Sohn  verschie- 
dene Bilder,  darunter 
seine  einzige 
„Madonna"  und 
späterhin  eines  der 
auch  heute  noch  be- 
kanntesten Bilder 
„Tasso  und  die  beiden 
Leonoren"  1838.  vom 
Kunstverein  der  Düs- 
seldorfer Galerie  zuge- 
wiesen. Schon  vorher 
hatte  er  diese  beiden 
Goetheschen  Frauen- 
gestalten in  einem 
ebenfalls  sehr  berühmt 
gewordenen  Bilde  dar- 
gestellt, das  er  zwei- 
mal malte,  wie  auch 
vom  ,, Tasso"  eine  Re- 
plik für  Privatbesitz 
entstand. 


Von  seinen  mythologischen  Bildern  sind  ,, Diana  im  Bade"  1833.  ..Urtheil  des  Paris"  1836 
und  ..Diana  mit  Nymphen"  1852  zu  nennen.  Wie  Köhler  in  seiner  ..Mignon"  einen  Typus  schuf, 
so  gab  Sohn  noch  1855  in  seiner  ..Loreley"  eine  Verkörperung  dieser  echt  romantischen  Märchen- 
gestalt, die  wohl  für  alle  Zeiten  feststehen  wird.  Hundertfach  reproducirt  ist  das  Bild  eines  von 
denen,  die  Jedermann  kennt,  ohne  noch  nach  dem  Autor  zu  fragen.  Ganz  besonders  geschätzt 
wurde  Sohn  auch  als  Bildnismaler  und  zwar  besonders  als  Frauenmaler,  wie  ja  auch  weibliche 
Gestalten  vielfach  den  Mittelpunkt  seiner  Bilder  ausmachten.  Die  grofse  Zahl  der  Aufträge  zu 
Bildnissen,  die  ihm  auch  aus  dem  Auslande  und  sogar  aus  Amerika  zugingen,  verhinderten  ihn 
in  späteren  Jahren  an  der  Ausführung  von  eigenen  Compositionen. 

Als  Lehrer  war  Sohn  für  die  Schadowschule  von  gröfster  Bedeutung.  Er  wurde  schon  1832 
in  Stellvertretung  Kolbes  mit  Hildebrandt  Lehrer  der  Malklasse,  und  hier  war  er,  mit  einer  mehr- 
jährigen Unterbrechung  in  den  50er  Jahren,  bis  zu  seinem  Tode  1867  in  hervorragender  Weise 
thätig.  Sein  Einflufs  auf  die  coloristische  Seite  der  Düsseldorfer  Malerei  ist  ein  unleugbarer  und 
im  Gegensatz  zu  der  etwas  stumpfen  Farbe  Schadows  auch  wohlthätiger  gewesen,  indem  Sohn 
es  verstanden  hat,  dem  Eindringen  einer  wirklich  coloristischen  Malweise  bei  den  Jüngern  in 
verständnifsvoller  Weise  entgegen  zu  kommen. 

Noch  in  den  letzten  Jahren  des  Schadowschen  Regiments  und  bis  zu  seinem  Tode  war  Sohn 
die  eigentliche  Seele  der  Akademie,  und  seinem  Lehrtalent  hauptsächlich  verdankt  die  spätere 
Generation  ihre  Ausbildung.  Auch  nach  aufserhalb  entwickelte  sich  dieser  Einflufs,  indem  sein 
Schüler  Des  Coudres  (1820  in  Cassel  geboren,  seit  1848  in  Düsseldorf)  von  Schirmer  1855  als 
Professor   nach    Karlsruhe   berufen   wurde.     Persönlich  ist  Sohn  Begründer   einer   ganzen  Künstler- 


84 


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CARL  FERDINAND   SOHN 
Die  beiden  Leonoren 


familie  geworden.  Seine  beiden  Söhne  Richard 
und  Carl  wurden  Maler,  und  sein  Neffe  und 
Schwiegersohn  Wilhelm  Sohn  sollte  später  eine 
ebenfalls  sehr  entscheidende  Lehrthätigkeit  an 
der  Akademie  ausüben,  die  eine  bestimmte 
Richtung  der  späteren  Düsseldorfer  Kunst  ge- 
radezu ins  Leben  gerufen  hat.  Seine  Enkel, 
mütterlicherseits  die  Nachkommen  Alfred  Rethels, 
haben  in  den  letzten  Jahren  angefangen,  mit 
Erfolg  die  Ausstellungen  zu  beschicken. 

Das  eigentliche  Wunderkind  der  Romantik, 
das  im  Anfang  seinen  Ruhm  wohl  ebensosehr 
oder  vielleicht  noch  mehr  seiner  Herkunft  ver- 
dankte, wie  seinen  künstlerischen  Leistungen, 
war  Theodor  Mintrop,  der,  1814  auf  dem  Lande 
bei  Werden  geboren,  bis  zu  seinem  30.  Jahre 
ein  einfacher  Bauer  war,  dann  von  Eduard 
Geselschap  gewissermafsen  entdeckt  und  im 
Triumph  nach  Düsseldorf  geführt  wurde.  Hier 
erregten  seine  naiven  Zeichnungen,  ebenso  wie 
sein  urwüchsiges  biederes  Wesen  die  helle  Be- 
geisterung der  ästhetischen  Kreise,  in  denen  er 
wie  ein  Wunderthier  herumgereicht  wurde.  Ein 
solcher  Giotto,  der  bei  seinen  Ochsen  und  Schafen 
in  aller  Stille  und  Ursprünglichkeit  aufgewachsen 
war,  hatte  blofs  noch  gefehlt,  und  bald  war 
Mintrop  einer  der  Berühmtesten  in  dem  Kreise 
der  Akademiker,  ehe  er  noch  eine  fertige 
Arbeit  geliefert  hatte.  Uebrigens  war  er  schon 
Soldat  gewesen  und  hatte  in  Köln  und  Münster 
Kunstwerke  genug  kennen  gelernt.  So  ganz 
Naturbursche  war  er  also  doch  nicht,  und  des 
jungen  Anselm  Feuerbach  feines  Gefühl  fand  in 
seinem  Wesen  sogar  etwas  von  Pose  heraus.  Noch  als  Schüler  von  Sohn  begann  Mintrop  selb- 
ständig zu  produciren,  was  bei  seinem  Alter  ja  nicht  zu  verwundem  war.  Dennoch  fehlt  auch 
den  besten  und  berühmt  gewordenen  Zeichnungen  aus  dieser  Zeit  das  Naturstudium  doch  in 
einer,  selbst  bei  dieser  Umgebung  auffallenden  Weise.  Mmtrop  hatte  sich  ein  eigenes  Gebiet  ge- 
schaffen, indem  er  seme  Gedanken  durch  Kinderfiguren  gewissermafsen  allegorisch  darstellte,  aber 
seine  Kinder  sind  eigentlich  nur  kleine  fette  Zwerge,  mit  dem  Gebahren  von  Erwachsenen.  Um 
in  das  Wesen  des  Kindes  einzudringen,  dazu  fehlte  es  Mintrop  wie  der  ganzen  Zeit  an  energischer 
Beobachtung,  und  so  bleiben  seine  Werke  auch  künstlerisch  in  der  Arabeske  stecken,  die  er  mit 
Vorliebe  als   äufseren  Rahmen  für  seine  figurenreichen  Kindercompositionen  wählte. 

Eine  der  ersten  dieser  Arbeiten  machte  gleich  ,, ungewöhnliches  Aufsehen".  Es  war  eine 
Allegorisirung  des  Weins  und  seiner  W^irkungen,  wobei  man  die  Wahl  der  Putten  nicht  einmal 
als  besonders  geschmackvoll  wird  bezeichnen  können.  Eine  zweite  Arbeit  ähnlicher  Art  ist  der 
„Winter",  dann  ,,die  Jahreszeiten"  und  Anderes  mehr,  das,  zum  Theil  farbig  reproducirt,  weiteste 
Verbreitung  und  gröfste  Popularität  erlangte;  verschiedene  dieser  Kindercompositionen  hat 
Mintrop,  namentlich  in  Köln,  als  Wandgemälde  ausgeführt. 

Auch  als  Heiligenmaler  versuchte  er  sich ,  was  ihm  sogleich  die  Bezeichnung  eines 
,,Rafaeliden"  eintrug,  dessen  Composition  ,.so  edle,  schöne  Linien  zeigte,  dafs  Rafael  sich  ihrer 
nicht  zu  schämen  brauchte",  und  damals  war  Rafael  doch  noch  das  denkbar  Höchste.  Mintrops 
Oelbilder  dieser  Richtung  sind  in  der  That  nicht  ohne  grofsen  Reiz,  wenn  auch  die  persönliche 
Note  in  ihnen  nicht  so  grofs  ist,  wie  bei  seinen  anderen  Arbeiten.  Vor  den  Bildern  der 
Nazarener,  die  ihn  keineswegs  zu  den  Ihrigen  rechneten,  haben  sie  den  Vorzug  gröfserer  Kraft 
und  Bestimmtheit  in  der  Farbe   und   in   der  Vertheilung  der  Massen. 

Mintrops  zweifellos  grofses  und  originelles  Talent,  das  unter  den  Einflüssen  der  damals  doch  schon 
im  Niedergang  begriffenen  Schadowschule  sich  nicht  vollkommen  entwickeln  konnte,  spricht  sich  in 


CARL   FERDINAND    SOHN 
Bildnis    der  Gräfin   Monts 


89 


seiner  ganzen  Kraft  und  wirklichen  Bedeutung  am  unbehindertsten  in  den  zahlreichen  Zeichnungen 
aus  seinem  Nachlafs  aus,  welche  die  Akademie  besitzt.  Die  Blätter  sind  schnell  und  breit  mit  der 
Rohrfeder  gezeichnet,  leicht  mit  Tusche  getönt  und  umfassen  biblische,  mythologische  und  auch 
genrehafte  Motive,  letztere  allerdings  auch  meist  in  nackten  Figuren.  \Venn  nun  schon  einmal 
verglichen  werden  soll,  so  möchte  man  diesen  Blättern  gegenüber  eher  an  Buonaroti  als  an 
Rafael  denken.  Es  ist  in  ihnen  zuweilen  etwas  Wildes,  Phantastisches,  dabei  Grofsartiges,  das 
man  dem  Autor  der  harmlosen  Kinderspielereien  gar  nicht  zutrauen  möchte.  Mintrop  starb  1870 
nach  längerer  Krankheit,  allgemein  betrauert. 

Nur  vorübergehend  in  Düsseldorf  lebte  Ed.  Steinbrück,  geboren  1803  in  Magdeburg,  der  zuerst 
in  Berlin  bei  Wach  studirt  hatte,  dann  1828  auf  einer  Reise  nach  Italien  über  Düsseldorf  kam 
und  sich  von  dem  Treiben  der  Schadowschule  so  angezogen  fühlte,  dafs  er  nach  seiner  Rückkehr 
von  Rom  sich  hier  niederliefs  und  bis  zum  Jahre  1846  blieb,  worauf  er  wieder  nach  Berlin  zurück- 
kehrte. Die  Bilder  seiner  Düsseldorfer  Zeit  sind  wohl  die  seiner  Natur  am  nächsten  liegenden; 
sie  behandeln  die  romantischen  Stoffe  in  der  Art  Tiecks  in  einer  märchenhaften,  fast  naiven 
Auffassung,  wie  denn  auch  seine  Darstellungen  aus  dem  Kinderleben,  z.  B.  „Die  badenden  Kinder", 
zu  seinen  besten  Arbeiten  gehören.  Auch  seine  „Maria  bei  den  Elfen"  nach  Tiecks  Märchen  ist 
eine  bei  allen  Schwächen  höchst  liebenswürdige  Arbeit  und  hat  auf  allen  ihren  verschiedenen 
Wiederholungen  in  der  Haltung  und  Geberde  der  kleinen  Maria  etwas  so  Natürliches  und  kindlich 
Graziöses,  wie  kaum  eine  andere  Kinderdarstellung  dieser  Zeit.  Seine  „Genovefa"  ist  dagegen  in 
ihrer  Süfslichkeit  heute  schwer  verständlich,  erregte  aber  damals  gröfsten  Beifall.  Uebrigens 
malte  Steinbrück  auch  biblische  Motive  und  später  in  Berlin  sogar  eine  Belagerungsscene  ,, Er- 
stürmung von  Magdeburg".     Er  starb  1882  in  Landeck  in  Schlesien. 

Eine  originelle  Erscheinung  in  diesem  Kreise  war  Joseph  Niessen.  Er  war  im  Jahre  1821  in 
Köln  geboren,  hatte  sich  zum  Lithographen  ausgebildet  und  besuchte  dann  von  1843 — 47  die 
Düsseldorfer  Akademie.  Er  galt  unter  seinen  Genossen  als  ein  grofses  Farbengenie,  und  einige 
kleine  Copien,  die  er  in  der  Folge  in  Paris  und  Venedig  malte,  wurden  sogar  von  der  Akademie 
als  vorbildlich  angekauft,  wie  auch  seine  ersten  Bilder  „Verstofsung  der  Cordelia  durch  Lear" 
und  ,, Herodias  mit  dem  Haupt  Johannis  des  Täufers"  vom  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und 
Westfalen  erworben  wurden.  Auf  seinen  Studienreisen  in  Paris  und  Venedig  malte  er  zahlreiche 
Studien,  die  ebenfalls  wegen  ihrer  kraftvollen  Farbe  Aufsehen  machten.  1859  folgte  er  einem  Ruf 
nach  W^eimar,  wo  er  mit  Böcklin  und  Lenbach  zusammen  an  der  neuorganisirten  Kunstschule 
als  Lehrer  einer  Actklasse  wirkte.  Später  war  er  lange  Jahre  in  seiner  Vaterstadt  als  Conservator 
des  W^alraf-Museums  thätig.  Er  ist  einer  der  Wenigen  aus  jener  Zeit,  die  sich  noch  heute  voller 
Rüstigkeit  erfreuen.  Als  richtiger  Romantiker  ist  er  auch  mit  verschiedenen  Dichtungen  in  die 
Oeffentlichkeit  getreten. 

Auch  August  Chauvin  (geboren  1810  in  Aachen)  hat  in  Düsseldorf  eigentlich  nur  seine  Lehrzeit  und 
später  noch  ein  Jahr  zugebracht.  Er  kam  1832  zu  Schadow,  wurde  dann  Zeichenlehrer  des  Prinzen 
zu  Wied  und  malte,  seit  1841  wieder  in  Düsseldorf  ansässig,  dort  einige  Bilder  biblischen  Inhalts 
ganz  im  Sinne  der  Schadowschule.  So  ,,Das  Gebet  des  Moses"  und  die  originelle  ,, Flucht  nach 
Aegypten",  die  in  einem  Schiff  geschieht,  an  dessen  Steuerruder  ein  Engel  sitzt.  Er  wurde  schon 
1842  nach  Lüttich  als  Director  an  die  dortige  Akademie  berufen,  ein  Beweis,  wie  grofs  der  Ruf 
der  Düsseldorfer  Schule  damals  sogar  in  einem  Lande  war,  dessen  einheimische  Malerei  gerade  im 
Begriff  stand,  eine  so  grofse  Umwälzung  auch  innerhalb  der  deutschen   Kunst  hervorzurufen. 


Unter  der  Führung  hauptsächlich  der  genannten  Künstler  hatte  sich  in  verhältnifsmäfsig 
kurzer  Zeit  die  Düsseldorfer  Oelmalerei  in  einer  Weise  entwickelt,  die  sie  fast  unbestritten  als  die 
bedeutendste  von  ganz  Europa  erscheinen  liefs.  Ein  glücklicher  Zufall  wollte  es  aber,  dafs  auch 
die  Monumentalmalerei,  die  nach  dem  Weggange  von  Cornelius  und  seiner  Schüler  zum  Eingehen 
verurtheilt  schien,  gleich  in  der  allerersten  Zeit  durch  einen  bedeutenden  Auftrag  vor  eine  würdige 
Aufgabe  gestellt  wurde  und,  nachdem  deren  Lösung  über  Erwarten  gelungen  war,  sehr  bald 
weitere  Werke  schaffen  durfte,  an  die  der  Kunstverein  anknüpfend,  auch  die  volle  Berechtigung 
zu  seiner  Pflege  der  monumentalen  Kunst  finden  konnte. 

Noch  unter  Cornelius  hatte  der  Graf  Franz  von  Spee  auf  Schlofs  Heitorf  bei  Angermund, 
drei  Wegestunden  von  Düsseldorf  entfernt,  den  Plan  gefafst,  die  Halle  seines  Schlosses  mit 
historischen  Darstellungen  aus  dem  Leben  Kaiser  Barbarossas  al  Fresco  ausmalen  zu  lassen,  und 

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THEODOR  MINTROP 
Heilige   Familie 


unter  Cornelius'  Leitung  hatte  dessen  Schüler  Carl  Stürmer  den  grofs  gedachten,  aus  vielen  Bildern 
bestehenden  Cyklus  begonnen. 

Die  Halle  ist  ein  fast  quadratischer,  im  Erdgeschofs  liegender  Raum,  der  nach  Norden  mit 
drei  grofsen  Oeffnungen  auf  den  Garten  geht,  an  der  Südseite  die  Eingangsthür,  an  der  Ostseite 
eine  zweite  Thür  hat  und  nur  an  der  Westseite  eine  undurchbrochene  Wandfläche  bietet.  Es 
ergab  sich  hierdurch  zwanglos  die  Eintheilung  in  sieben  grofse  Bilder,  von  denen  Stürmer  das 
links  an  der  Eingangsthür  liegende  noch  zu  Cornelius'  Zeiten  vollendet  hatte.  Stürmer  war 
geborener  Berliner  und  ging  nach  'Vollendung  des  ersten  Heltorfer  Bildes  mit  Cornelius  nach 
München;  seine  fernere  Thätigkeit  dort  und  später  in  Berlin  kommt  für  Düsseldorf  nicht  in  Betracht, 
und  auch  das  einzige  von  ihm  in  Heitorf  ausgeführte  Frescobild  ,,Die  Versöhnung  Barbarossas 
mit  Papst  Alexander  II.  in  'Venedig"  hat  auf  die  späteren  Bilder  keinen  Einflufs  gehabt.  Es  macht 
sich  in  ihm  die  Schule  des  Cornelius,  wie  sie  sich  in  den  Bildern  der  Bonner  Universitäts-Aula 
kennzeichnet,  unverkennbar  bemerklich.  Im  Gegensatz  zu  den  späteren  Bildern  fällt  die  hellere 
Färbung,  das  Streben  nach  Stilisirung  in  Composition  und  Zeichnung  nach  altitalienischen  Vor- 
bildern auf,  wobei  aber  die  Steifheit  der  Figuren  unangenehm  wirkt,  namentlich  einigen  der  späteren 
Arbeiten  gegenüber,  die  allerdings  wiederum  in  der  Bewegung  der  Composition  vielleicht  zu  weit 
gehen.  Das  gilt  besonders  von  den  beiden  Schlachtenbildern  von  Lessing  und  Plüddemann,  deren 
realistisch  gemeinte  Lebhaftigkeit  dem  Charakter  der  Monumentalmalerei  wenig  entspricht. 


HülNKICH   CARL   ANTON    MUCKE 

Die  Krönung   des  Kaisers  Barbarossa 

Wandgemälde  in  Schloss  Heitorf 


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Schon  zu  Ende  der  20  er  Jahre  hatte  Schadow  durch  sein  Zureden,  wie  er  selbst  erzählt,  den 
trefflichen  Grafen  Spee  vermocht,  die  Arbeiten  wieder  aufnehmen  zu  lassen.  Mücke  und  Lessing 
wurden  mit  ihrer  Ausführung  betraut,  doch  trat  Lessing,  der  sich  mit  der  Frescotechnik  nicht 
recht  zu  befreunden  vermochte,  auch  in  seinen  selbstgewählten  Arbeiten  reichlich  Erfolg  und 
Befriedigung  fand,  bald  von  dem  Werke  zurück. 

So  bleibt  der  gröfste  Antheil  nach  Zahl  der  Bilder  sowohl,  wie  künstlerisch  bei  den  Arbeiten 
in  Heitorf  Heinrich  Karl  Anton  Mücke.  Er  war  am  9.  April  1806  in  Breslau  geboren  und  1826 
ebenfalls  mit  Schadow  nach  Düsseldorf  gekommen.  Hier  wurde  er  durch  den  Auftrag  des  Grafen 
Spee  bald  in  Anspruch  genommen  und  vollendete  in  verhältnifsmäfsig  kurzer  Zeit  drei  grofse 
Bilder  der  historischen  Folge,  um  etwa  zehn  Jahre  später  noch  die  beiden  Einzelfiguren  zwischen 
den  Fenstern  der  Gartenseite  auszuführen.  Mückes  Einflufs  ist  bei  dem  ganzen  Werke  ein  un- 
verkennbarer, und  trotzdem  er  in  seinen  späteren  Arbeiten  hinter  Lessing  zurückstehen  mufs, 
übertrifft  er  ihn  hier  doch  in  vielen  Stücken.  Vielleicht  war  dies  auch  mit  ein  Grund  von 
Lessings  Rücktritt. 

Die  Mückeschen  Bilder  behandeln,  an  der  Ostwand  beginnend,  ,,Die  Krönung  Barbarossas 
in  Rom"  1837  gemalt,  ..Die  Unterwerfung  der  Mailänder-'  1833  und  rechts  neben  der  Thür  der 
Südwand  ..Kniefall  Heinrichs  des  Löwen  in  Erfurt",  womit  der  Künstler  begann  und  das  er  1829 
vollendete.  Neben  diesem  Bilde  erstreckt  sich  nun  die  freie  Westwand,  auf  der  Lessing  in  der 
Mitte  mit  der  ..Schlacht  von  Iconium"  begann,  um  dann  die  Ausführung  des  ersten  Bildes  der 
Reihe,  ,,Die  Erstürmung  von  Iconium"  nach  seinem  Carton  Plüddemann  zu  überlassen,  der  dieses 
Fresco  1839  beendete,  um  dann  mit  einer  eigenen  Composition,  der  ,, Auffindung  der  Leiche 
Barbarossas"  1841  den  Cyklus  abzuschliefsen.  Zwischendurch,  um  1840,  hatte  Mücke  zwischen 
den  Fenstern  der  Nordwand  noch  die  Einzelgestalten  des  ,,hl.  Bernhard"  und  des  ,,hl.  Otto  von 
Freising",  des  Biographen  Barbarossas,  ausgeführt. 

Der  Gesammteindruck  des  W^erkes,  das,  da  das  Schlofs  bewohnt  wird,  leider  der  Oeffent- 
lichkeit  fast  ganz  entzogen  ist,  ist  noch  heute  ein  nicht  unbedeutender;  für  die  damalige  Zeit  war 
er  ein  Triumph  der  Schadowschule,  die  damit  bewies,  dafs  sie  trotz  der  vorwiegenden  Ausbildung 
für  das  Staffeleibild  auch  verhältnifsmäfsig  grofse  Flächen  im  Fresco  zu  beherrschen  vermöge. 
Die  weitere  Entwicklung  der  Düsseldorfer  Monumentalmalerei  durch  Unterstützung  des  Kunst- 
vereins und  später  des  Staates  knüpft  ohne  Zweifel  an  diesen  Erfolg  an. 

Allerdings  wird  man  bei  den  Arbeiten  bemerken,  dafs  die  Künstler  gerade  die  technischen 
Vorzüge  des  Fresco  keineswegs  auszunutzen  verstanden  haben.  Der  grofse,  verhältnifsmäfsig  nicht 
hohe  Raum  ist  durch  die  drei  nach  Norden  gelegenen  Fenster  ausreichend,  aber  nicht  gerade 
hervorragend  hell  beleuchtet.  Das  verhindert  schon  der  Umstand,  dafs  er  im  Erdgeschofs  liegt, 
also  nicht  die  directe  Luftbeleuchtung  empfängt.  Anstatt  nun  die  Helligkeit  der  Frescomalerei 
auszunutzen,  liefsen  sich  die  Künstler,  aus  Mangel  an  Uebung  und  durch  die  Gewohnheit  des 
Oelmalens,  verleiten,  das  damals  so  beliebte  Helldunkel  und  Braun  ihrer  Oelbilder  in  die  Fresco- 
farbe  und  auf  die  grofsen  Wandflächen  zu  übertragen,  so  dafs  die  Gesammtwirkung  eine  dunkele 
und  nicht  gerade  besonders  farbige  ist. 

Dazu  kommt  bei  den  Bildern  der  am  besten  beleuchteten  Westwand  die  Unruhe  der  Compo- 
sition, die  Mücke  sehr  wohl  zu  vermeiden  gewufst  hat,  wie  denn  schon  seine  Motive  in  ihrer 
repräsentativen  Ruhe  dem  Charakter  der  Monumentalmalerei  besser  entsprechen,  als  die  Schlachten- 
bilder, die  Lessing  zugefallen  waren. 

Uebrigens  hat  auch  Mücke  mehr  als  die  Anderen  es  verstanden,  eine  coloristische  Wirkung 
bei  seinen  Bildern  zu  erzielen,  und,  wenn  auch  meist  tiefe  grüne  und  blaue  Töne  vorwiegen,  das 
branstige  Roth  und  Braun  zu  vermeiden  gewufst,  das  die  Bilder  der  Westwand  hier  und  da  zeigen. 
Lessing  besonders  bevorzugt  schon  hier,  wie  auch  später  in  seinen  Oelbildern,  namentlich  in  der 
berühmten  „Hussitenpredigt"  einen  gelblichen  Gesammtton,  der  hier  noch  mehr,  wie  dort  die 
coloristische  Wirkung  schädigt.  Die  einzelnen  Bilder  sind  durch  schmale,  gemalte  Groteskenstreifen 
geschieden,  die  namentlich  an  der  Eingangswand  durchaus  den  Einflufs  der  Cornelianischen  W^eise 
bei  derartigen  Decorationen  zeigen  und  zu  den  Motiven  nicht  gerade  sonderlich  gut  passen.  Man 
war  damals  eben  doch  noch  nicht  so  weit,  einen  Raum  einheitlich  stilistisch  und  coloristisch 
behandeln  zu  können. 

Schadow  hatte  mit  dem  Blick,  der  ihn  auszeichnete,  unter  den  jungen  Leuten,  die  er  mit 
der  Heltorfer  Arbeit  betraute,  allerdings  einige  der  hervorragendsten  Talente  seiner  Schule  aus- 
gewählt. Lessings  Stellung  in  der  Folgezeit  wird  besonders  behandelt  werden.  Mücke  zeigte 
sich    m    der  Folge    vielleicht    vielseitiger   als  Lessing,    aber   seine   künstlerische  Persönlichkeit  war 

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Die  Schlacht  bei  Iconium 

Wandgemälde  in   Schloss  Heltort 

doch  nicht  stark  genug,  als  dafs  sein  Ruhm  ihn  lange  überlebt  hätte.  Er  war  zu  sehr  ein  Kind 
seiner  Zeit  und  versuchte  es  in  keiner  Weise,  sich  über  sie  hinaus  zu  erheben,  so  sehr  er  auch 
in  ihr  sich  nach  allen  Seiten  lebhaft  und  mit  grofsem  zeitlichen  Erfolg  bethätigte. 

Noch  vor  der  gänzlichen  Vollendung  der  Heltorfer  Arbeiten,  nämlich  1840,  wurde  er  vom 
Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  mit  einer  zweiten  monumentalen  Arbeit  für  das 
Rathhaus  in  Elberfeld  betraut,  die  er  nach  seinen  Ideen  mit  den  Malern  Fay,  L.  Clasen  und 
Plüddemann  zusammen  in  der  Weise  ausführte,  dafs  Fay  den  ersten  Abschnitt  ,, Sitte  und  Leben 
der  alten  Deutschen"  ausführte,  während  Mücke  und  die  Anderen  den  Rest  des  200  Fufs  langen 
Frescos  übernahmen,  das  ,,Die  Entwicklung  des  Deutschen  Volkes  bis  zur  Einführung  des  Christen- 
thums  durch  den  hl.  Suitbertus  in  Westfalen"  behandelte. 

Die  grofse  Arbeit,  die  für  ihre  Zeit  nicht  ohne  Verdienst  und  Bedeutung  gewesen  zu  sein 
scheint,  ist  heute  spurlos  verschwunden.  Diese  Thatsache,  die  in  der  Geschichte  der  Kunst  wohl 
einzig  dastehen  dürfte,  zeigt  zur  Genüge,  auf  was  für  einen  steinigen  Boden  so  manche  Be- 
strebungen der  Düsseldorfer  Kunst  und  des  Kunstvereins  gefallen  sind.  Zuerst  hatte  man  in 
Elberfeld  den  grofsen  Saal  durch  Zwischenwände  getheilt  und  schliefslich  die  nun  wohl  unver- 
ständlich gewordenen,  weil  in  Stücke  getheilten  Bilder,  sei  es  direct  abgekratzt,  sei  es  übertüncht 
oder  überklebt,  jedenfalls  so  gründlich  aus  der  W^elt  geschafft,  dafs  es  heute  nicht  einmal  möglich 
ist,  blofs  eine  Spur  von  ihnen  oder  auch  nur  die  Stellen,  wo  sie  gewesen  sind,  wieder  zu  finden. 


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Möge  den  Arbeiten,  welche  für  das  dortige  neue  Rathhaus  bestimmt  und  zum  Theil  schon  vollendet 
sind,  eine  pietätvollere  Behandlung  zu  Theil  werden! 

Eine  grofse  Popularität  erlangten  mehrere  der  aufserordentlich  zahlreichen  Staffeleibilder,  die 
Mücke  während  seines  langen  Lebens,  er  starb  1891  in  Düsseldorf,  ausführte.  Vor  allem  jenes 
vielfach  wiederholte  Bild:  ,,Der  Leichnam  der  hl.  Catharina  wird  von  Engeln  zum  Sinai  getragen." 
In  der  That  ist  dieses  Bild  in  der  einfachen  Schlichtheit  der  Zeichnung,  die  ihm  einen  gewissen 
Stil  verleiht,  in  der  überaus  fein  empfundenen  Bewegung  der  schwebenden  Engelsgestalten  und 
in  der  zwar  etwas  harten  aber  doch  dabei  zarten  Färbung  auch  heute  noch  nicht  ohne  grofsen 
Reiz.  Ueberhaupt  wirkte  Mücke  da  am  angenehmsten,  wo  er  seine  Gestalten  in  ruhiger  Bewegung 
zeigt  und  darauf  verzichtet,  allzuviele  Figuren  zu  vereinigen.  Wo  er  dies  versucht,  so  in  der 
,, Einnahme  von  Jerusalem  durch  Gottfried  von  Bouillon",  verliert  er  die  lebendige  Beherrschung 
des  Motivs,  und  es  bleibt  nur  ein  Nebeneinander  von  Gestalten,  denen  der  innere  Zusammen- 
hang fehlt. 

Ganz  im  Sinne  der  sentimentalen  Romantik,  die  zu  dem  Motiv  gerade  recht  wenig  pafst, 
obwohl  merkwürdigerweise  auch  Wagner  später  wieder  etwas  davon  hineingebracht  hat,  ist  das 
kleinere  Bild  ,, Tristan  und  Isolde",  das  aber  dafür  in  der  zarten  Ausführung  und  der  landschaft- 
lichen Stimmung  wieder  seine  Vorzüge  hat. 

Mücke  entnahm  seine  Motive,  wie  man  aus  den  wenigen  angeführten  Beispielen  ersieht,  aus 
der  Geschichte,  der  Heiligengeschichte,  der  Mythe  und  der  Poesie  und  war  auch  darin  ein  echter 
Zögling  der  romantischen  Schule,  der  eigentlich  nur  eben  das  Menschliche  fremd  blieb.  Auch  als 
Illustrator  war  Mücke  thätig;  wie  fast  alle  Düsseldorfer  Künstler  der  Zeit,  entwarf  er  Zeichnungen 
für  die  Cottasche  Ausgabe  der  Werke  Schillers  und  unter  Anderem  auch  Illustrationen  für  das 
Londoner  Art-Journal,  zu  dem  er  Verbindungen  auf  einer  Reise  nach  England  1850  angeknüpft 
hatte.  Schon  1833 — 34  hatte  er  Italien  und  Sicilien  bereist,  was  seinen  Colorismus  sichtlich 
beeinflufste,  so  namentlich  bei  dem  schon  erwähnten  Bilde  der  von  Engeln  getragenen  ,,hl. 
Catharina".  Aufser  dieser  vielseitigen  künstlerischen  Thätigkeit  wirkte  Mücke  seit  1844  als  Lehrer 
der  Anatomie  an  der  Akademie,  der  er  seit  1851  auch  als  Mitglied  des  Lehrercollegiums  angehörte. 

Joseph  Fay,  geboren  1813  in  Köln,  scheint  an  dem  verschwundenen  Elberfelder  Fries  den 
gröfsten  künstlerischen  Antheil  gehabt  zu  haben.  Müller  von  Königswinter  lobt  die  Cartons  in 
den  stärksten  Ausdrücken  und  stellt  sie  neben  Retheische  Arbeiten.  Das  in  Köln  befindliche 
Bild  „Simson  und  Delila"  1840  zeigt  ihn  allerdings  nicht  gerade  von  einer  sehr  vortheilhaften 
Seite.  Es  sind  in  demselben  so  starke  Reminiscenzen  an  die  französischen  Klassicisten,  dafs  man 
sich  die  Entstehungszeit  des  Bildes  ganz  gut  50  Jahre  früher  denken  könnte. 

Fay  studirte  in  Düsseldorf  auf  der  Akademie  von  1833  —  41  und  wurde  dann  Schüler  von 
Delaroche  in  Paris.  Später  kehrte  er  nach  Düsseldorf  zurück,  wo  er  gröfsere  Arbeiten  nicht  mehr 
unternahm.  Er  malte  eine  Reihe  meist  genrehafter  Bilder,  so  eine  stark  theatralische  letzte  Scene 
aus  Goethes  ,, Faust",  die  er  auch  lithographirte,  ,, Badende  Römerinnen"  und  andere  italienische 
Motive.     1875  starb  er. 

Auch  Lorenz  Glasen  soll  in  den  Elberfelder  Fresken  sein  Bestes  geleistet  haben.  1812  zu 
Düsseldorf  geboren,  bezog  er  früh  die  Akademie  und  malte  ganz  im  romantischen  Stil  zuerst 
religiöse,  dann  geschichtliche  Motive.  Nebenher  beschäftigte  er  sich  mit  literarischen  und  poli- 
tischen Dingen  und  verliefs,  nachdem  er  1848  eine  Rolle  gespielt  hatte,  Düsseldorf,  um  sich  ganz 
der  Kunstkritik  und  Tagesschriftstellerei  zu  widmen,  ähnlich  wie  der  Hamburger  Hermann  Becker, 
der,  1817  geboren,  1839  zur  Akademie  kam  und  bei  Sohn  studirte,  aber  nach  vielem  Mifsgeschick 
1866  Berichterstatter  der  „Kölnischen  Zeitung"  wurde  und  als  solcher  der  Düsseldorfer  Kunst  wohl 
mehr  genützt  hat,"  als  durch  die  künstlerischen  Arbeiten  seiner  früheren  Zeit. 

Mücke  nahe  verwandt,  wenn  auch  weniger  vielseitig  und  dafür  technisch  etwas  sorgfältiger, 
erscheint  der  dritte  Künstler  der  Heltorfer  und  Elberfelder  Fresken:  Hermann  Freihold  Plüdde- 
mann,  der,  von  seinen  Zeitgenossen  überschätzt,  jetzt  fast  ganz  vergessen  ist.  Auch  er  war  ,, Ost- 
länder" (er  wurde  1809  in  Colberg  geboren)  und  kam,  nachdem  er  zuerst  in  Magdeburg,  dann  in 
Berlin  bei  Begas  studirt  hatte,  1831  nach  Düsseldorf,  wo  er  im  Vergleich  zu  den  meisten  anderen 
seiner  Kameraden  auffallend  lange  in  den  unteren  akademischen  Klassen  arbeitete.  Erst  1837 
bezog  er  ein  sogenanntes  Meisteratelier,  das  er  dafür  allerdings  auch  fast  während  seiner  ganzen 
Düsseldorfer  Zeit  nicht  verliefs.  Im  Jahre  1848  siedelte  er  nach  Dresden  über,  wo  er  schon 
J.  Hübner,  Bendemann  und  Ad.  Ehrhardt  vorfand. 

Plüddemanns  Kunst  ist  eine  gewisse  abenteuerliche  Richtung  eigen,  die  sich  besonders  in 
einer    Reihe    von    Bildern    zur    Geschichte    des    Columbus    ausspricht.     In    einem    eigenthümHchen 

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Gegensatz  zu  ihr  steht  die  peinliche  Sorgfalt,  mit  der  die  Zeichnung  der  Einzelheiten,  der  theater- 
haften Costüme  und  schliefslich  die  zwar  kräftige,  aber  harte  und  stimmungslose  Färbung  aus- 
geführt ist.  Das  Columbusmotiv  hat  der  Künstler  in  einer  ganzen  Reihe  von  Gemälden  behandelt, 
dann  aber  ebenfalls  in  verschiedenen  Compositionen  sich  der  damals  unvermeidlichen  Gestalt 
Barbarossas  zugewandt.  Seine  Betheiligung  an  der  Arbeit  in  Heitorf,  wo  er  ein  Bild  nach  dem 
Lessingschen  Entwurf,  ein  anderes  ,,Die  Auffindung  der  Leiche"  nach  eigenem  Carton  ausführte, 
gaben  ihm  dazu  die  erste  Anregung.  Das  letztgenannte  Motiv  fesselte  ihn  so  sehr,  dafs  er  noch 
ein  Oelbild  und  eine  Radirung  zu  demselben  ausführte.  Die  Vorliebe  gerade  für  dieses  Motiv  ist 
recht  bezeichnend  für  das  Verwechseln  des  poetisch  oder  historisch  Interessanten  mit  dem 
malerisch  WerthvoUen  einer  Begebenheit,  ein  Mifsverständnifs,  an  dem  gerade  die  deutsche  Kunst 
lange  Zeit,  besonders  aber  damals  gekrankt  hat.  Uebrigens  zeigt  diese  Radirung,  bei  der  also 
die  Farbe  fehlt,  die  ganze  Armseligkeit,  Hohlheit  und  Theaterhaftigkeit  der  Composition,  die 
sich  wie  auf  einer  Treppe  aufbaut  und  deren  Figuren  an  unwahren  Gestikulationen  das  Menschen- 
mögliche leisten.  Auch  an  dem  Elberfelder  Fries  war  Plüddemann  betheiligt,  er  übernahm  in 
demselben  die  Ausführung  des  Mittelalters. 

An  diese  Maler,  die  als  die  Hauptzierden  der  Schule  bald  eines  europäischen  Rufes  sich 
erfreuten,  schlofs  sich  eine  fast  unendliche  Zahl  von  Gesinnungsgenossen,  Nachahmern  und 
Schülern,  die,  freilich  nicht  alle  mit  demselben  Erfolg,  in  die  Fufsstapfen  jener  zu  treten  bemüht 
waren.  Von  ihnen  mögen  einige  Wenige  genannt  werden,  die  sich  bis  heute  noch  einen  Namen 
erhalten  haben. 

Paul  Josef  Kiederich,  in  Köln  i8io  geboren,  kam  1832  zur  Akademie  und  blieb  in  ihr  bis  zu 
seinem  allerdings  frühen  Tode  1850.  Er  malte  Historienbilder  und  hauptsächlich  Porträts.  Von 
ersteren  werden  genannt  „Kaiser  Karl  V.  in  St.  Just"  und  „Kaiser  Friedrich  II.  und  sein  Kanzler 
Peter  de  Vineis". 

Vielseitiger  und  productiver  war  Wilhelm  Volkhart,  geboren  1815  zu  Herdecke  an  der  Ruhr. 
Er  behandelte  Motive  aus  der  Bibel,  aus  der  Geschichte,  von  Maria  Stuart  bis  Coligny  oder 
Wallenstein,  malte  die  Gestalten  der  italienischen  Dichtungen  und  genrehafte  Scenen  aus  dem 
italienischen  Volksleben,  nachdem  er  ein  Jahr  in  Italien  gewesen  war.  Schliefslich  war  er  fast 
ausschliefslich  als  Porträtmaler  thätig,  wie  so  viele  seiner  Zeitgenossen.  Länger  als  Volkhart  hat 
eine  aufserordentliche  Popularität  August  Friedrich  Siegert  bewahrt;  1820  in  Neuwied  geboren, 
begann  er  seine  Studien  schon  1835  auf  der  Akademie,  wurde  Schüler  von  Hildebrandt  und  ging 
dann  als  einer  der  Ersten  1846  nach  Antwerpen,  von  da  nach  Paris,  reiste  durch  Holland,  später 
nach  Wien,  Venedig  und  München.  Schliefslich  kam  er  1851  wieder  nach  Düsseldorf,  wo  er  ein 
akademisches  Atelier  der  Meisterklasse  erhielt,  wohl  das  krasseste  Beispiel  dieser  Meisteratelier- 
wirthschaft. 

Siegert  ist  der  erste  Vertreter  jenes  sogenannten  historischen,  besser  gesagt  Costüm-Genres. 
das  später  noch  einmal  einen  grofsen,  besonders  coloristischen  Aufschwung  nehmen  sollte.  Seine 
Bilder  fanden  den  allergröfsten  Beifall,  und  wo  sie  sich  auf  harmlose  Motive  beschränken,  sind 
sie  nicht  ohne  jene  Gemüthlichkeit,  die  fast  die  ganzen  nächsten  50  Jahre  hindurch  eine  Haupt- 
eigenschaft, und  wenn  man  will,  einen  Vorzug  der  Düsseldorfer  Genremalerei  bilden  sollte.  Die 
Kunstvereine  rissen  sich  förmlich  um  seine  Bilder,  die  meisten  wurden  gestochen  und  zwei  der- 
selben, „Vor  der  Klosterpforte"  und  ,,Der  Liebesdienst",  auch  vom  Rheinisch-Westfälischen  Kunst- 
verein vervielfältigt  und  als  Prämienblätter  vertheilt.     Siegert  starb  1883. 

Eduard  Geselschap,  geboren  1814  in  Amsterdam,  besuchte  die  Akademie  von  1839 — 41,  malte 
ebenfalls  anfänglich  in  romantischen  Stil  zahlreiche  Historienbilder,  ging  aber  dann,  dem  Zug  der 
Zeit  folgend,  zum  Genre  über.  Sein  Name  ist  eng  mit  dem  Mintrops  verknüpft,  da  er  der  Erste 
war,  welcher  dessen  Talent  entdeckte  und  dessen  Eintritt  in  die  Künstlerlaufbahn  vermittelte.  Er 
starb  1874.  Sein  Bruder  (nicht  Sohn,  wie  in  vielen  Lexicis  steht),  Friedrich  Geselschap,  gehörte 
der  Düsseldorfer  Schule  nur  eine  Zeit  lang  an,  während  welcher  er  die  Akademie  besuchte: 
vorher  hatte  er  in  Dresden  studirt.  1835  in  Wesel  geboren,  verliefs  er  schon  1866  Düsseldorf,  um 
dauernd  nicht  wieder  zurückzukehren.  Sein  späteres  Lebenswerk  hat  eine  bei  weitem  gröfsere 
Bedeutung  erlangt,  als  das  seines  älteren  Bruders.  Sein  tragischer  Tod  1898  in  Rom  ist  noch  in 
frischer  Erinnerung. 

Von  den  vielen  Künstlern,  die,  nachdem  sie  sich  in  Düsseldorf  die  Sporen  verdient  hatten, 
die  Stätte  ihrer  ersten  Erfolge  verliefsen  und  ihre  Hauptthätigkeit  aufserhalb  entwickelten,  sind 
an  dieser  Stelle  noch  zu  nennen  Schrader  und  Knille. 

7* 
101 


Schrader  war  1815  in  Berlin  geboren,  hatte  dort  mit  Erfolg  studirt  und  kam  1837  mit  einem 
Regierungsstipendium  nach  Düsseldorf,  um  hier  seine  Studien  fortzusetzen.  Er  wurde  Schüler 
von  Hildebrandt  und  Schadow  und  malte  bis  1845,  wo  er  nach  einem  italienischen  Aufenthalt 
dauernd  wieder  nach  Berlin  zurückkehrte,  einige  Bilder  im  Sinne  der  Schule.  Sehr  bekannt  wurde 
sein  „Kaiser  Friedrich  II.  und  der  Kanzler  Peter  de  Vineis",  auch  sein  , .Gregor  VII."  fand  vielen 
Beifall.  In  Berlin  entwickelte  Schrader  bis  zu  seinem  1900  erfolgten  Tode  eine  höchst  fruchtbare 
Thätigkeit,  die  sich  über  die  verschiedensten  Gebiete  erstreckte  und  namentlich  im  Porträt  Gutes 
leistete. 

Jünger  als  Schrader  war  Otto  Knille,  der,  1832  zu  Osnabrück  geboren,  1848  auf  die  Akademie 
kam,  hier  unter  Sohn,  Schadow  und  Leutze  studirte.  und  ein  Bild  aus  der  Zeit  der  Bauernkriege 
malte,  das  grofsen  Beifall  fand.  1854  verliefs  er  Düsseldorf,  um  sich  nach  längeren  Reisen  in 
Berlin  niederzulassen,  wo  er  Professor  an  der  Akademie  wurde,  und  nach  einer  an  Erfolgen  reichen 
Künstler-  und  Lehrthätigkeit  1898  starb. 

Die  Reihe  dieser  Romantiker,  die  mit  bewundernswerther  Ausdauer  immer  wieder  Loreleys, 
Barbarossas,  Karls  V.,  Tassos  u.  s.  w.  einerseits,  Madonnen  und  Heilige  beiderlei  Geschlechtes 
und  in  allen  Lebenslagen  andererseits  in  die  "Welt  setzten,  liefse  sich  bis  ins  Unendliche  fortsetzen, 
aber  die  Namen  Vieler  sind  schon  heute  fast  verschollen,  und  ihre  Bilder,  die  in  Privatgalerien 
unter  der  Decke  aufgehängt,  in  den  Museen  auf  den  Speichern  oder  in  den  Kellern  aufbewahrt 
zu    sein    pflegen,    zeigen    wohl    den    allgemeinen    Charakter    der    Düsseldorfer    Schule,    die    ebenso 


JULIUS   SCHRADER 

Kaiser  Friedrich  II.   und  der  Kanzler  Peter  de  Vineis 

Nach   dem  Stich  von  Xaver  Steifensand 


102 


bekannten  Motive,  die  bunte  süfsliche  Farbe,  die  meist  überaus  schablonenhafte  Zeichnung,  die 
allbekannte  Composition  und  schliefslich  die  nicht  weniger  zum  Allgemeingut  gewordenen  Gesten 
und  Mienen,  aber  sie  auf  den  Namen,  oder  auf  ein  Jahrzehnt  genau  zu  bestimmen,  dürfte  schon 
heute  kaum  einem  der  noch  lebenden  Zeitgenossen  gelingen. 

Einer  mufs  aus  diesen  Kreisen  noch  genannt  werden,  weil  eine  monumentale  Arbeit,  die  er 
schaffen  durfte,  gewissermafsen  den  Gipfel  der  romantischen  Düsseldorfer  Malerei  darstellt. 
Darüber  hinaus  giebt  es  keine  Steigerung  der  süfslichen  Phantastik,  der  bunten  zarten  Färbung 
und  der  schwärmerischen  Theaterhaftigkeit  mehr.  Und  dennoch  wird  man  gerade  diesen  Bildern 
gegenüber  gestehen  müssen,  dafs  die  Romantik  hier,  obwohl  in  den  letzten  Zügen  liegend,  doch 
noch  ein  Werk  von  vollendetem  Stimmungsgehalt,  den  man  doch  gerade  heute  so  hoch  bewerthet, 
geschafTen  hat. 

Schon  der  Ort,  wo  die  Bilder  an  die  Wand  gemalt  sind,  ist  gewissermafsen  die  Verkörpe- 
rung Alles  dessen,  was  man  sich  unter  rheinischer  Romantik  nur  träumen  kann.  Eine  königliche 
Burg,  die  wie  ein  Dornröschenschlofs  zwischen  dunkeln  Bäumen  sich  hoch  über  den  Fluthen  des 
Rheins  erhebt,  mit  Thürmen  und  Thürmchen,  ,,Saal  an  Sälen,  Hof  an  Höfen",  die  Mauern  mit 
Epheu  und  Rosen  bewachsen,  ein  Burggarten  mit  plätscherndem  Brunnen,  von  Blumen  erfüllt  — 
kurz  der  ganze  Apparat  romantischer  Schlofsherrlichkeit,  dem  auch  das  historische  Fundament 
nicht  fehlt.  Und  im  Innern  des  Rittersaals,  wie  in  der  gothischen  Kapelle  bunte  Bilder,  die  hier 
von  den  edlen  Rittertugenden  erzählen,  dort  die  frommen  Geschichten  des  alten  und  neuen 
Testaments  auf  Goldgrund  verkünden. 

Es  ist  Schlofs  Stolzenfels  bei  Coblenz.  das  als  der  wahre  Hort  der  blauen  Blume  von  dem 
poesiebegeisterten  preufsischen  König,  der  wirklich  mehr  Romantiker  als  Caesar  war,  erbaut  und 
geschmückt  wurde.  Die  Burg  stammt  aus  dem  13.  Jahrhundert;  die  Unbill  der  Zeiten  hatte  sie 
längst  zur  Ruine  werden  lassen,  als  die  Stadt  Coblenz  im  Jahre  1823  sie  dem  Kronprinzen  Friedrich 
Wilhelm  zum  Geschenk  machte.  Dieser  liefs  sie  bis  zum  Jahre  1842  nach  Entwürfen  von  Schinkel 
durch  Stüler  und  Persius  wieder  aufbauen,  schöner  und  reizvoller  als  sie  wahrscheinlich  je 
gewesen  war,  und  mit  All'  dem  ausstatten,  was  der  Geschmack  jener  Zeit  als  Historisch  und 
Künstlerisch  betrachtete;  und  so  ist  sie  heute  ein  merkwürdiges  Denkmal  einer  fürstlichen 
Kunstfreude,  innerhalb  verhältnifsmäfsig  kleiner  und  enger  Verhältnisse,  einer  wahrhaften  und 
poetischen  Begeisterung,  wie  sie  vielleicht  bei  nur  wenigen  der  prunkvollen,  viel  reicheren  und 
vielleicht  auch  künstlerisch  bedeutenderen  Prachtbauten  neuerer  Zeit  den  Hammer  und  den  Pinsel 
geführt  haben  mag. 

Schon  die  nach  dem  Rheine  zu  gehende  Aufsenwand  des  Schlosses  wurde  mit  einem  grofsen 
Frescobild,  einer  Darstellung  aus  der  Geschichte  des  Schlosses  durch  Gustav  Lasinsky  geschmückt. 
..Kurfürst  Werner  von  Trier  empfängt  am  30.  August  1400  den  neugewählten  Deutschen  Kaiser 
Ruprecht  von  der  Pfalz  und  seinen  Neffen,  den  Grafen  von  Hohenzollern,  am  Fufs  der  Burg 
Stolzenfels  als  Gäste".  Das  Bild  ist  durch  Luft  und  Regen  bis  auf  einige  wenige  Farben  aus- 
gewaschen und  läfst  nur  mit  Mühe  die  nicht  ungeschickte  Composition  erkennen. 

Allen  Denen,  welche  das  Fresco  noch  immer  für  eine  zum  Schmuck  von  Aufsenwänden  auch 
in  unserem  Klima  geeignete  Technik  halten,  kann  dieses  Bild  in  seinem  rettungslosen  Verfall  als 
warnendes  Beispiel  dienen. 

In  dem  ganzen  Glänze  ihrer  bunten  Farbenpracht  aber  sind  die  im  sogenannten  kleinen 
Rittersaal  ausgeführten  Wandbilder  von  Stilke  erhalten,  die  der  Künstler  in  den  Jahren  1842 — 1846 
ausführte. 

Auch  Hermann  Stilke  ist  Norddeutscher;  er  wurde  1803  in  Berlin  geboren  und  dort  Schüler 
von  Carl  W.  Kolbe  dem  Aelteren  (der  weder  mit  seinem  Sohne  C.  W^.  Kolbe  dem  Jüngeren,  noch 
mit  dem  Düsseldorfer  H.  Chr.  Kolbe  zu  verwechseln  ist).  1821  ging  er  nach  München  und  von 
da  mit  Cornelius  nach  Düsseldorf.  Ihm  und  Stürmer  wurde  die  Malerei  im  Assisensaal  in 
Coblenz  übertragen,  die  aber  nicht  zu  Ende  geführt  wurde,  da  Stilke  seinem  Meister  nach  München 
folgte,  später  nach  Italien  ging  und  erst  1833  wieder  nach  Düsseldorf  kam.  Hier  arbeitete  er  nun 
ganz  im  Sinne  der  Schadowschule,  doch  zeigt  sich  bei  seinem  ersten  Bilde  ,, Kreuzfahrer  in  der 
Wüste"  ein  bei  den  übrigen  Schadowschülern  jener  Zeit  seltener  Sinn  für  landschaftliche  Stimmung, 
die  wohl  noch  eine  Erinnerung  an  seinen  italienischen  Aufenthalt  war  und  sich  später  nur  zu 
sehr  verlor.  Orientalische  Motive  finden  sich  noch  vielfach  bei  seinen  anderen  in  Düsseldorf 
gemalten  Bildern.  Bilder  aus  der  Geschichte  der  Jungfrau  von  Orleans,  aus  Tasso,  aus  der 
deutschen  Kaisergeschichte  zeigen  ihn  ganz  im  Fahrwasser  der  Düsseldorfer  Romantik,  die  er 
dann  in  den  Bildern  des  Rittersaales  zu  Stolzenfels  zur  letzten  Consequenz  führte. 

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Der  kleine  quadratische  Raum  mit  gothisch  gewölbter  Decke  bietet  aus  zwei  Fenstern  an 
der  Nordseite  eine  entzückende  Aussicht  auf  den  Rhein.  Die  drei  anderen  Wände  sind  mit  den 
bunten  Bildern  über  einer  mannshohen  dunkeln  Holztäfelung  in  sechs  spitzbogig  abschneidenden 
Flächen  geschmückt.  Die  Decke  ist  blau,  so  blau  wie  irgend  möglich,  und  die  Gewölberippen 
sind  vergoldet.  Auf  den  Bildern  schillern  alle  Farben,  und  nur  die  dunkele  Täfelung  bietet  dem 
Auge  eine  ruhige  Fläche  und  dem  ganzen  Interieur  einen  coloristischen  Halt.  Die  Bilder  sollen 
die  sechs  Rittertugenden  in  historischen  Beziehungen  feiern.  ,,Die  Treue"  ist  dargestellt  durch  die 
,, Aufopferung  Hermanns  von  Siebeneichen  lür  Kaiser  Friedrich  Barbarossa",  der  bei  Susa  Nachts 
im  Schlafe  überfallen  wurde.  Das  ist  blofs  eine  Theaterscene  geworden,  oder  noch  nicht  einmal 
das.  Steif  verläfst  der  König  sein  Bett,  gestiefelt  und  gespornt,  das  Schwert  in  der  Hand.  Nur 
die  Gestalt  des  getreuen  Ritters  ist  lebendiger  und  selbst  ausdrucksvoll.  Besser  ist  die  Composition 
der  ,, Tapferkeit",  und  voll  Leben  und  Bewegung,  das  Motiv  freilich  wieder  so  romantisch  und 
künstlerisch  undankbar  als  möglich:  .,Der  blinde  König  Johann  von  Böhmen  läfst  sein  Pferd  mit 
denen  von  zwei  anderen  Rittern  zusammenbinden,  stürzt  sich  in  die  Schlacht  und  findet  den 
Heldentod."  ,,Die  Beharrlichkeit"  ist  wieder  sehr  theatralisch,  aber  doch  nicht  ohne  einen  Zug  ins 
Grofse :  ,, Gottfried  von  Bouillon  in  weifsem  Gewände  legt  mit  seinen  Kriegern  seine  Waffen  am 
hl.  Grabe  nieder."  ,,Die  Gerechtigkeit"  auf  dem  vierten  Bilde  wird  durch  Rudolf  von  Habsburg 
repräsentirt,  der  über  die  Raubritter  am  Rhein  Gericht  hält. 

War  diesen  Bildern  durch  die  dramatischen  geschichtlichen  Begebenheiten  wenigstens  noch 
ein  gewisser  Halt  gegeben,  so  konnte  sich  die  romantische  Phantasie  in  Composition  und  Farbe 
bei  den  beiden  letzten  Bildern  ,, Gesang"  oder  ,, Poesie"  und  ,, Minne"  die  Zügel  schiefsen  lassen. 
Vielleicht  oder  gerade  deshalb  sind  die  Bilder  zwar  die  buntesten  und  süfslichsten,  aber  dabei 
auch  die  für  die  ganze  Romantik  vielleicht  am  allermeisten  charakteristischen.  Das  ist  eben 
jener  Höhepunkt,  über  den  hinaus  es  keine  Steigerung  mehr  gab.  Auf  dem  ,, Gesang"  ist  ., König 
Philipp  von  Schwaben  dargestellt,  der,  mit  seiner  Gemahlin  Irene  auf  einem  Rheinboote  unter 
prunkvollen  Baldachins  sitzend,  sich  an  den  Liedern  des  ihn  umgebenden  Sängerkreises  erfreut" 
und  auf  der  ,, Minne"  empfängt  Kaiser  Friedrich  II.  von  Hohenstaufen  seine  Braut  Isabella  von 
England  auf  der  Burg  Stolzenfels.  Auf  ,, weifsem  Zelter",  wieder  von  einem  Baldachin  geschützt, 
,,mit  züchtigen  verschämten  Wangen"  naht  die  Braut,  mit  ausgebreiteten  Armen  eilt  ihr  der 
Kaiser  entgegen,  rings  herum  blumenstreuende  Kinder,  Frauen,  Prälaten,  Ritter,  Bannerträger  u.  s.  w. 

Stilke  verliefs  bald  nach  Vollendung  dieser  Arbeit  Düsseldorf  und  siedelte  nach  Berlin  über, 
wo  er  noch  eine  Reihe  von  Gemälden  ausführte  und  1860  starb. 


105 


VI.  Kapitel 

Die  von  Schadow  unabhängigen  Historienmaler 


IE  tief  gegründete  Unzufriedenheit  auf  Seiten  der  rheinischen  Akademieschüler,  von  der 
oben  die  Rede  war,  hatte  schliefslich  zu  einer  Art  Katastrophe  geführt,  deren  Er- 
schütterungen lange  nachzitterten.  Man  möchte  fast  glauben,  dafs  der  Explosionsstoff, 
der  sich  zu  Ende  der  30  er  Jahre  am  Rhein  aufgespeichert  hatte,  auch  in  die  scheinbar 
so  weitabgewandten  romantischen  Künstlergemüther  eingedrungen  wäre.  Den  Anlafs 
zu  einem  aufsehenerregenden  Vorgehen  einiger  junger  Leute  auf  der  Akademie  scheint  eine  that- 
sächlich  vorgekommene  Bevorzugung  einzelner  Schüler,  die  in  die  Anstalt  aufgenommen  wurden, 
gegenüber  anderen,  denen  die  Aufnahme  wegen  Platzmangel  verweigert  wurde,  gegeben  zu  haben. 
Andere  Klagen  und  Mifsstimmungen  ähnlicher  Art  kamen  dazu:  z.  B.  man  habe  Rheinländern, 
welche  die  vorgeschriebene  Frist  von  neun  Jahren  auf  der  Akademie  zugebracht  hatten,  das  Atelier 
entzogen,  Ostländer  aber  hätten  länger  bleiben  dürfen  u.  s.  w.  Es  kam  so  weit,  dafs  im  Fremden- 
blatt eine  Anzeige  erschien:  „Es  sind  wieder  neue  Berliner  Pinsel  angekommen,  Vertreiber 
genannt,  welche  in  allen  Sorten  vorräthig  sind,  BurgplaLz  Nr.  283"  (die  damalige  Akademienummer). 
Weiterhin  wurde  behauptet,  der  Kunstverein,  der  damals  ganz  unter  akademischem  Einflufs  stand, 
kaufe  mit  Vorliebe  von  „ostländischen"  Künstlern,  statt  von  Rheinländern,  und  plötzlich  verbreitete 
sich  das  Gerücht,  die  Rheinländer  und  Westfalen  wollten  die  Akademie  in  Düsseldorf  verlassen, 
wo  ihnen  Niemand  helfe.  Aufser  vielen  Anderen  gingen  wirklich  Pose,  Funk,  Ehemant  und 
A.  Achenbach  nach  München,  ebenso  ,,der  brave  und  productive  Genremaler  Rüstige",  und  sogar 
der  junge  Rethel,  „der  zwar  selbst,  wie  viele  Andere,  keinen  Grund  zur  Klage  gehabt  hätte,  aber 
durch  die  Zurücksetzung  seiner  Landsleute  tief  gekränkt  sei",  verliefs  Düsseldorf.  Gerade  bei  ihm 
lagen  freilich  die  wahren  und  berechtigten  Gründe  tiefer. 

Diese  akademische  Bewegung  setzte  sich  in  weitere  Kreise  fort,  und  es  kam  sogar  zu  einer 
literarischen  Polemik,  indem  der  später  auf  der  benachbarten  Fahnenburg  wohnende  Jurist  und 
Historiker  Anton  Fahne  1837  in  einem  eigenen  Werkchen  gegen  die  Akademie  und  den  Kunst- 
verein, insbesondere  gegen  Schadow  polemisirte,  die  oben  genannten  Vorwürfe  gegen  die  Akademie 
erhob  und  dabei  vielerlei  Stadtklatsch  aufwärmte.  Ihm  antwortete,  ebenfalls  in  einem  kleinen 
Buche,  wohl  angeregt  durch  Schadow  oder  den  Kunstverein,  aber  leider  in  etwas  alberner  Form, 
der  Regierungssecretär  Scotti,  indem  er  sich  bemühte,  die  erhobenen  Vorwürfe  zu  entkräften. 
Die  Akademie  selbst  veröffentlichte  in  der  ,, Düsseldorfer  Zeitung"  (Nr.  155,  10.  Juni  1837)  eine 
Erklärung,  in  der  sie  die  gegen  sie  erhobenen  Anschuldigungen  zurückwies,  bezw.  deren  Unhalt- 
barkeit  nachwies. 

Auch  das  Erscheinen  der  mehr  kritischen  Arbeit  des  witzigen  Püttmann,  das  bekannte  Buch 
von  Uechtritz,  die  beide  1839  gedruckt  wurden,  und  Immermanns  „Maskengespräche"  geben  den 
Beweis  für  die  weitgehende  Unruhe,  freilich  aber  auch  für  ein  lebhaftes  Interesse  weiterer  Kreise 
an  der  Entwicklung  der  Düsseldorfer  Kunst. 

Immerhin  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dafs  aus  jenen  Vorkommnissen,  mögen  sie  nun  an 
und  für  sich  auch  harmloser  oder  zufälliger  Natur  gewesen  sein,  und  bei  der  durch  sie  hervor- 
gerufenen Erregung,  jene  Trennung  zwischen  Akademie  und  Künstlerschaft  entsprang,  die  ja  an 
und  für  sich  ganz  natürlich  ist,  in  späteren  Jahren  aber  zuweilen  auch  wieder  eine  feindselige 
Form  annahm,  die  kaum  berechtigt  war.  Natürlich  war  es  durchaus,  dafs,  nachdem  die  ersten 
Schüler  herangereift  waren,  sie  nicht  mehr  nebeneinander  in  den  akademischen  Meisterateliers 
hocken  blieben,    sondern  sich  auf  eigene  Füfse  stellten;    natürlich    und   in  hohem  Grade  erfreulich 

106 


sogar  war  es.  dafs,  nachdem  gewissermafsen  ein  starker  Stamm  erwachsen  war,  nun  wie  Aeste 
eines  Baumes  die  verschiedensten  Richtungen,  Auffassungen  und  Stoffgebiete  sich  nach  allen 
Seiten  entwickelten,  und,  nachdem  eine  gewisse  Gleichartigkeit  der  Düsseldorfer  Bilder  sich  schon 
unangenehm  bemerkbar  gemacht  hatte,  sich  künstlerische  Individualitäten  herauszubilden  begannen. 

Unberechtigt  waren  die  Verdächtigungen  gegen  Schadow  und  seine  Freunde,  sowie  gegen  das 
ganze  Institut.  Hier  wurden  die  eben  entbrannten  Kämpfe  kirchenpolitischer  Natur  auf  ein  Gebiet 
übertragen,  das  jenem  eigentlich  so  fern  wie  möglich  liegen  sollte.  Es  kam  da  eben  wieder  die 
rheinische  Empfindlichkeit  zum  Durchbruch,  die  sich  dem  verhafsten  Preufsen  gegenüber  als 
confessionelles  und  politisches  Märtyrerthum  aufspielte.  Auch  die  schon  damals  beginnenden 
demokratischen  Tendenzen  spielten  mit  hinein  und  trugen  dazu  bei.  die  Gegensätze  zwischen  dem 
mit  dem  kleinen  Düsseldorfer  Hofe  Hirten  Schadow  und  seinen  Freunden  einerseits  und  den 
übrigen  ferner  stehenden  Künstlern  andererseits  zu  verschärfen,  obwohl  auch  diese  späterhin  sich 
thatsächlich  durchaus  conservativ  verhielten  und  höchstens  in  Wort  und  Lied  die  so  streng  ver- 
pönte Freiheit  zu  feiern  sich  unterfingen.  Schadow  selbst,  der  ohnehin  reizbar  und  kränklich 
war,  wurde  durch  die  genannten  Angriffe  und  Streitigkeiten  aufs  empfindlichste  berührt.  Er 
unternahm  eine  längere  Reise  nach  Italien,  und  wenn  es  heifst.  er  sei  von  ihr  schroffer  und  ein- 
seitiger zurückgekehrt,  so  werden  daran  weniger  die  italienischen  Eindrücke  Schuld  haben,  als 
die  schon  auf  die  Reise  mitgenommenen  düsseldorfer. 

Uebrigens  glaubt  Immermann  das  Auftreten  eines  confessionellen  Uebereifers  bei  Schadow 
schon  nach  der  ersten  Reise  1830,  nicht  erst,  wie  Wolfgang  Müller  von  Königswinter  und  seine 
späteren  Ausschreiber  annehmen,  nach  dieser  zweiten  Reise  constatiren  zu  können.  Thatsächlich 
fällt  das  Zerwürfnifs  zwischen  Schadow  und  Lessing,  das  durch  des  letzteren  Hufsbilder  ver- 
ursacht war,  einige  Jahre  vor  die  zweite  Reise. 

Neben  dem  Wunsch,  jenen  Unannehmlichkeiten  aus  dem  W^ege  zu  gehen,  zog  es  aber 
Schadow  vielleicht  auch  deshalb  nach  Italien  und  Rom.  weil  dort  schon  seit  einigen  Jahren 
mehrere  seiner  Schüler  mit  Vorarbeiten  zu  einer  grofsartigen  monumentalen  Arbeit  beschäftigt 
waren.  Von  dieser  Arbeit,  zu  der  Schadow  den  Besteller  wohl  auch  mit  veranlafst  hatte,  ver- 
sprach er  sich  einen  ganz  besonderen  Triumph  seiner  Schule,  da  sie  einem  Gebiete  angehörte, 
das  ihm  und  seiner  Kunst  am  nächsten  lag,  ohne  dafs  es  doch  bisher  aufser  bei  einem  einzigen 
seiner  Schüler  grofsen  Umfang  gewonnen  hätte.  Es  handelte  sich  nämlich  um  die  Ausmalung 
der  Apollinariskirche  al  fresco,  mit  der  ein  adeliger  Kunstfreund  vier  junge  Düsseldorfer  Maler, 
Deger,  A.  Müller,  C.  Müller  und  Ittenbach.  betraut  hatte.  Die  beiden  Ersteren  hatten  sich  infolge 
dieses  Auftrages  schon  1837  nach  Italien  begeben,  die  beiden  Letzteren  waren  1839  dorthin  nach- 
gekommen und  Schadow  mochte  daran  liegen,  sich  von  dem  Vorrücken  der  dort  begonnenen 
Vorarbeiten  zu  überzeugen.  In  der  That  hat  er,  wie  er  mit  Deger  schon  in  lebhaftem  Briefwechsel 
gestanden  hat,  in  Rom  sich  aufs  eingehendste  ihrer  Aller  angenommen,  trotzdem  er  schon  damals 
merken  mufste,   dafs  auch   sie  nicht  geneigt  waren,  in  Allem   seiner  Directive  zu  folgen. 

Die  Vollendung  dieser  Arbeit  an  Ort  und  Stelle  zog  sich  allerdings  noch  länger  als  ein 
Jahrzehnt  hin,  und  die  Scheidung  zwischen  diesen  Malern  und  Schadow  blieb  mehr  unter  der 
Oberfläche.  Aktueller  und  zunächst  wichtiger  war  die  Entwicklung  einiger  Künstler  und  ihre 
offene  Trennung  von  Schadows  Principien,  die  sich  schon  um  das  Ende  der  30er  Jahre  vollzog. 
In  ihr  ist  die  erste  Loslösung  selbständiger  Naturen  von  der  akademischen  Richtung  zu  constatiren 
und  zwar  eine  Loslösung,  deren  tiefster  Grund  nicht  nur  in  den  verschieden  gearteten  künstlerischen 
Individualitäten,  sondern  vor  Allem  auch  in  einer  verschiedenartigen  Anschauung  von  dem  Wesen 
der  Kunst  überhaupt  zu  suchen  ist. 

Diese  Secessionisten.  um  das  moderne  Wort  auf  eine  durchaus  gleichartige  Bewegung  einer 
früheren  Zeit  anzuwenden,  waren  Lessing.  Schirmer  und  die  Begründer  der  Düsseldorfer  Land- 
schaftsmalerei, dann  vor  Allem  Rethel  und  schliefslich  der  grofse  Kreis  der  sogenannten  Genre- 
maler, denen  sich  Schadow  von  vornherein  zwar  nicht  feindlich,  wie  oft  behauptet  worden  ist, 
aber,  wie  das  bei  seiner  Kunstauffassung  nun  einmal  nicht  anders  möglich  war,  doch  kühl 
gegenüber  verhalten  hatte. 

* 

Karl  Friedrich  Lessing  ist  innerhalb  der  Schadowschule,  ja  innerhalb  der  ganzen  damaligen 
Düsseldorfer  Malerei,  die  stärkste  und  eigenartigste  Erscheinung;  und  die  einfachste  Erklärung  für 
diese  seine  künstlerische  Eigenart,  die  sich  unter  dem  aufserordentlichen  und  Alle  beherrschenden 
Einflufs    Schadows    ebensowohl,     wie     innerhalb     der    verschiedenen     geistigen    und    ästhetischen 

107 


Strömungen  ihren  Charakter  zu  bewahren  gewufst  hat.  liegt  in  den  persönhchen  Eigenthumhch- 
keiten  des  Mannes  begründet.  Lessing  war  unter  seinen  Collegen  nicht  nur  der  Stärkste,  sondern 
auch  der  Vielseitigste,  und  er  war  der  Erste,  der  die  Geschichtsmalerei  von  ihrer  remsten  Seite, 
ohne  die  damals  fast  unvermeidliche  Beimischung  von  sentimentalen  und  romantischen  Zuthaten, 
auffafste  und  wiedergab.  Dafs  er  während  einer  gewissen  Zeit  bestimmte  Stoffe,  die  ihm  seiner 
Erziehung  und  seinem  Wesen  nach  am  Herzen  liegen  mufsten,  bevorzugte,  hat  ihm  sogar  den 
Vorwurf   der    Tendenzmalerei    eingetragen,    was    um    so  verwunderlicher    ist,  als  es    doch   niemals 


JULIUS   ROETING 
Bildnis  des  Malers  C.  F.  Lessing 

Jemanden  eingefallen  ist.  Denjenigen,  welche  aut  dem  entgegengesetzten  Standpunkt  standen,    den- 
selben Vorwurf  zu  machen. 

Vor  allen  Dingen  war  das  Naturgefühl  bei  Lessing  von  gröfserer  Stärke  und  Innigkeit,  als  bei  den 
meisten  seiner  Zeitgenossen,  und  es  war  ebenso  ein  selbstverständlicher  Ausflufs  dieses  Naturgefühls, 
wie  eine  Folge  des  Zwanges,  in  den  ihn  der  Stand  der  damaligen  Figurenmalerei  zunächst  gebannt 
hielt,  dafs  er  von  Anfang  an  mit  gröfstem  Erfolg  sich  der  Landschaftsmalerei  widmete  und  mit 
Schirmer  zusammen  als  Hauptbegründer  der  später  so  hochberühmten  Düsseldorfer  Landschaftskunst 
betrachtet  werden  mufs.  Wie  er  dabei  mit  Vorliebe  die  freie  Natur  mit  dem  Menschen  zusammen, 
oder  umgekehrt  den  Menschen  innerhalb  der  Natur  betrachtete,  das  ist  ein  ganz  moderner  Zug,  den 
wir    in    unseren  Tagen    mit    noch    gröfserer    Entschiedenheit    sich    geltend    machen    sehen.     Dieses 


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Naturgefühl  wurde  verstärkt  oder  genährt  durch  einen  Hang  zur  Einsamkeit,  der  Lessing  schon 
frühzeitig  von  dem  gewohnheitsmäfsigen  geselligen  und  ateliermäfsigen  Zusammensein  der  Künstler, 
das  notorisch  die  auffallende  Gleichartigkeit  der  Motive,  der  Farbe,  der  Bildstimmungen  herbeigeführt 
hat,  fern  hielt  und  ihn  seinen  eigenen  Ideen  in  dem  ungestörten  Leben  mit  der  Natur  überliefs. 
Es  lag  ein  gewisser  ritterlicher  Zug  in  seinem  Wesen,  der  ihn  zu  allerlei  körperlichen  Uebungen, 
Jagen,  Reiten,  Schiefsen  u.  s.  w..  welche  die  freie  Natur  zum  Wirkungsfeld  haben  müssen,  antrieb 
und  seinen  Bildern,  die  sich  mit  denselben  Dingen  beschäftigten,  eine  gröfsere  Wahrheit  gab,  als 
sie  denen  der  mehr  reflectirenden  und  aus  der  Tiefe  des  Gemüthes  und  im  Atelier  schaffenden 
Collegen  eigen  war. 

Hand  in  Hand  mit  seinem  Hang  zur  Einsamkeit  ging  seine  vollständige  Abwendung  von  den 
aesthetischen,  womöglich  höfischen  Gesellschaften,  in  denen  Schadow  und  sein  Kreis  sich  wohl- 
fühlte, und  zeitweise  erhielt  diese  Abneigung  Lessings  den  Anschein  des  Oppositionellen  oder 
Revolutionären,  wie  es  damals  genannt  wurde,  ohne  dafs  dies  doch  der  innerlich  friedfertigen  und 
stillen  Natur  des  Künstlers  im  mindesten  entsprochen  hätte. 

Carl  Friedrich  Lessing  wurde  am  15.  Februar  1808  zu  Breslau  geboren,  genau  25  Jahre  nach 
dem  Tode  des  grofsen  Gotthold  Ephraim,  dessen  Grofsneffe  er  war.  Sein  Vater  war  Jurist,  bald 
nach  der  Geburt  des  Sohnes  wurde  er  nach  Polnisch -Wartenberg  an  der  polnischen  Grenze  versetzt, 
und  in  diesem  kleinen  Ort,  in  einer  sandigen,  halb  waldigen,  halb  sumpfigen  Gegend  verlebte  Carl 
Friedrich  mit  einigen  Brüdern  und  Schwestern  seine  Jugend.  Seine  erste  Entwicklung  scheint  eine 
äufserst  langsame  gewesen  zu  sein.  Erst  im  vierten  Jahre  hatte  er  mühsam  Sprechen  gelernt, 
gleichzeitig  mit  der  Sprache  war  aber  schon  der  Drang  zu  künstlerischer  Bethätigung  aufgetreten, 
der  allerdings  wiederum  die  Empfänglichkeit  für  den  Schulunterricht  beschränkte.  Nach  einer  zum 
Theil  in  jener  kleinen  Stadt,  zum  Theil  in  Breslau  verlebten  Jugend  und  unter  einer  von  Seiten  des 
Vaters  ziemlich  harten  Erziehung  sollte  Lessing  sich  dem  Baufach  widmen  und  kam  zu  diesem 
Zweck  nach  Berlin.  Die  Arbeit  auf  dem  Baubureau  mufste  ihm  seiner  ganzen  Natur  nach  aufs 
äufserste  zuwider  sein,  dazu  kam,  dafs  er  bei  einer  Prüfung  durchfiel,  und  so  hängte  er  kurz 
entschlossen,  trotz  des  Widerstandes  seines  Vaters,  die  Architektur  an  den  Nagel,  begab  sich  in 
das  Atelier  der  Professoren  Dähling  und  Kollmann  und  begann  ohne  weiteres  ein  Landschafts- 
bild, das  sowohl  für  seinen  damaligen  Gemüthszustand,  wie  für  seine  Naturauffassung  überhaupt 
bezeichnend  ist.  Es  war  ein  verfallener  Kirchhof  mit  Gewitterstimmung,  also  die  düsterste 
Romantik,  die  aber  für  den  jungen,  noch  knabenhaften  Künstler,  der  mit  seinem  Vater  vorläufig 
zerfallen  war,  eine  recht  ernste  Bedeutung  hatte.  Der  Erfolg,  den  dieses  Bild  hatte,  —  der  Berliner 
Kunstverein  kaufte  es  1826  für  das  Doppelte  des  geforderten  Preises  (so  Etwas  kam  damals  vor, 
heute  soll  zuweilen  das  Gegentheil  passiren),  —  versöhnte  den  Vater  mit  dem  eigenmächtigen  Schritt 
des  Sohnes,  und  dieser  konnte  sich  nun  frei  dem  gewählten  Beruf  widmen. 

Durch  Carl  Sohn  wurde  Lessing  mit  Schadow  bekannt  und  folgte  ihm  nach  Düsseldorf, 
wohin  ihn  der  Ruf  des  Rheins  mit  seinen  Burgen  und  ritterlichen  Reminiscenzen  ziehen  mufste. 
In  der  That  fand  Lessing  hier  durchaus  den  geeigneten  Boden  für  seine  Weiterentwicklung.  Dieselbe 
vollzog  sich  auch  bei  ihm  —  wenigstens  im  Anfang  —  mit  der  überraschenden  Schnelligkeit, 
welche  in  der  Geschichte  der  damaligen  Kunst  bei  so  vielen  Malern  in  Erstaunen  setzt,  da  sie  in 
einem  Alter,  in  welchem  der  heutige  Kunstschüler  noch  die  Bänke  der  unteren  Klassen  der 
Akademie  drückt,  aufsehenerregende  und  für  die  Zeit  in  der  That  hervorragende  Bilder  malten. 
Kein  geringer  Theil  des  Ruhmes  der  Schadowschule  beruht  auf  dieser  Thatsache,  die  vielleicht 
darin  ihre  Erklärung  findet,  dafs  wirklich  auffallend  viel  hervorragende  Talente  sich  damals  der 
Kunst  zuwandten,  die  dann  in  der  Frische  der  Jugend,  unter  dem  Hochdruck  einer  ungewöhnlichen 
Begeisterung,  in  dem  Gefühl,  dafs  Deutschland  von  ihnen  die  Neugeburt  der  Kunst  erwarte, 
thatsächlich  auch  das  Ungewöhnliche  in  Bezug  auf  Frühreife  geleistet  haben,  so  dafs  es  Schadow 
zum  Beispiel  auch  wagen  konnte,  bei  seiner  ersten  Reise  nach  Italien  den  22jährigen  Lessing 
mit  seiner  Vertretung  bei  den  Directionsgeschäften  zu  betrauen. 

In  Düsseldorf  malte  Lessing  auf  Schadows  Rath  zunächst  ein  Selbstporträt  und  begann  dann, 
dem  Zug  der  Schule  folgend,  einen  Carton  ,,Der  junge  Tobias  nimmt  von  seinem  Vater  Abschied". 
Er  führte  denselben  aber  nicht  im  Bilde  aus,  sondern  gerieth  in  einen  eigenthümlichen  Zustand 
des  raschen  Producirens  von  Entwürfen  und  Compositionen,  der  ihn  zur  Ausführung  eines  Bildes 
lange  nicht  kommen  liefs,  bis  er  in  der  Ausführung  einer  Landschaft  „Das  Schlofs  am  Meer"  wieder 
festen  Boden  fand  und  nun  eine  Anzahl  von  Landschaften  hintereinander  vollendete,  in  denen  er 
sowohl  seinen  Natursinn  als  die  romantischen  Einflüsse  der  Leetüre  von  Uhland,  Tieck  und  der 
Nibelungen  bethätigte,  allerdings  in  einer  freieren  Weise,  als  dafs  blofse  gemalte  Illustrationen  von 

109 


Scenen  der  Dichtungen  entstanden  wären.  In  diese  Zeit  fällt  der  Beginn  der  Malerei  in  Schlofs 
Heitorf,  und  Schadow  bot  Lessing  die  Ausführung  dieser  Bilder  mit  Mücke  zusammen  an.  Lessing 
entwarf  sofort  den  Carton  der  „Schlacht  bei  Iconium"  und  als  erstes  Figurenbild  in  Oelfarbe  die 
Farbenskizze  zu  demselben,  die  aber  Schadow  mifsfiel.  Lessing  war  dadurch  so  entmuthigt,  dafs 
er  die  Historienmalerei  überhaupt  aufgeben  und  sich  nur  mehr  der  Landschaft  widmen  wollte, 
um  so  mehr  als  eine  kleine  Landschaft,  „Der  Klosterhof  im  Schnee",  die  er  1830  ausstellte,  wieder 
einen  grofsen  Erfolg  gehabt  hatte.  Das  Verdienst  seines  Freundes  Uechtritz  (der  auch  eine  ein- 
gehende, leider  nicht  vollendete  Lebensskizze  von  Lessing  in  seinem  Werke  „Bhcke  in  das 
Düsseldorfer  Kunst-  und  Künstlerleben"  hinterlassen  hat)  war  es,  dafs  Lessing  von  diesem 
Gedanken  wieder  zurückkam  und  dem  Berliner  Kunstverein,  der  eine  Arbeit  bei  ihm  bestellt 
hatte,  statt  einer  Landschaft,  die  Ausiührung  einer  schon  im  Winter  1828 — 29  vollendeten  Compo- 
sition  „Das  trauernde  Königspaar"  vorschlug,  zu  der  ihn  Uhland  begeistert  hatte. 

Die  Ausführung  dieses  Bildes,  dessen  Inhalt  ja  noch  vollständig  in  den  Bereich  der  Romantik 
fällt,  war  für  Lessings  technische  Entwicklung  von  gröfster  W^ichtigkeit,  indem  er  hier  zum 
erstenmal  gezwungen  war,  ein  gröfseres  Bild  sorgfältiger,  als  dies  bisher  seine  Art  gewesen  und 
als  es  bei  der  Landschaftsmalerei  auch  nöthig  gewesen  war,  auszuführen.  Hier  hatte  Schadow 
seinen  ganzen  Einflufs  und  seine  reiche  Erfahrung  angewandt  und  trotz  der  Opposition  Lessings, 
der  noch  immer  unter  der  Unart  litt,  seine  Bilder  eigentlich  nur  alla  prima  zu  malen,  es  durch- 
gesetzt, dafs  der  junge  Maler  das  grofse  Bild  sorgfältiger  und  eingehender  ausführte.  Der  Erfolg 
desselben  war  ein  aufserordentlicher,  und  es  gehörte  bald  zu  den  berühmtesten  der  Düsseldorfer 
Schule,  das  durch  Reproduction  in  der  ganzen  W^elt  bekannt  wurde. 

Der  Graf  Raczcynsky  erklärte  zum  Beispiel,  dafs  dieses  Bild  das  erste  W^erk  sei,  durch 
welches  sich  das  neue  Zeitalter  ankündige,  das  für  Düsseldorf  sich  eröffnete;  nebenbei  constatirte 
er  die  ,, geschichtlich  merkwürdige  Thatsache",  dafs  Schadow  selbst  für  den  Kopf  des  Königs  als 
Vorbild  gedient  habe.  Immerhin  ein  hübsches  Zeichen  für  das  damalige  Verhältnifs  zwischen 
Lehrer  und  Schüler  und  ein  Beweis,  wie  Schadow  es  verstand,  seine  Theorien  in  die  Praxis  zu 
übersetzen.  Hatte  er  doch  in  seinen  ,, Gedanken  über  die  folgerichtige  Ausbildung  des  Malers"  es 
ausdrücklich  empfohlen,  dafs  der  Maler  bei  der  Ungeschicklichkeit  der  meisten  Modelle,  zur  Gewin- 
nung des  richtigen  Ausdrucks  einen  ,, verständigen  Freund"  bitten  möge,  ihm  als  Modell  zu  dienen. 

Gleich  darauf  malte  Lessing  das  in  Frankfurt  befindliche  ,, Schlofs  Rheinstein",  wie  er  über- 
haupt zur  Landschaftsmalerei  wie  zu  seiner  eigentlichen  Lieblingskunst,  gewissermafsen  als  zur  Er- 
holung immer  wieder  zurückkehrte.  Der  Erfolg  des  ,, Königspaares"  hatte  Lessing  zur  Ausführung 
des  Frescobildes  in  Heitori  im  Sommer  1830  ermuthigt,  das  dann  auch  durch  Frische  und  inneres 
Leben,  wenn  auch  nicht  in  der  Farbe,  sich  auszeichnet.  Die  Beschäftigung  mit  dem  grofsartigen 
historischen  Stoff,  der  Geschichte  des  Kaisers  Barbarossa  und  die  Aussicht,  noch  zwei  der  Bilder 
in  Heitorf  zu  malen,  liefsen  um  dieselbe  Zeit  noch  einige  ähnliche  Compositionen  entstehen, 
obwohl  Lessing  damals  eigentliche  historische  Studien  noch  nicht  gemacht  hatte.  Ob  dies  nun 
gerade  ein  künstlerischer  Mangel  und  nicht  vielmehr  für  die  Lebendigkeit  der  Compositionen,  die 
auf  das  Malerische  mehr  W^erth  legten  als  auf  das  Geschichtliche,  ein  Vortheil  gewesen  ist,  mag 
dahingestellt  bleiben.  Neben  der  ,, Schlacht  bei  Iconium"  entwarf  also  Lessing  die  ,, Erstürmung 
von  Iconium",  bei  welcher  der  Kaiser  nicht  zu  sehen  ist,  sondern  sein  Neffe  Herzog  Friedrich 
von  Schwaben  die  Hauptfigur  bildet.  Lessing  malte  hiervon  nur  eine  Farbenskizze,  nach  der, 
wie  schon  erwähnt,  fast  zehn  Jahre  später  Plüddemann  den  Carton  und  das  Wandgemälde  in 
Heitorf  ausführte.  Etwas  Komisches  hat  das  Schicksal  der  dritten  Barbarossa-Composition,  die 
den  Tod  des  Kaisers  darstellen  sollte,  das  Motiv,  dem  damals  kaum  einer  der  Düsseldorfer 
Maler  entgangen  ist,  nachdem  durch  Raumers  1823  erschienene  Geschichte  der  Hohenstaufen  das 
Interesse  der  ästhetischen  jungen  Maler,  oder  vielmehr  das  ihrer  ästhetischen  Rathgeber,  hier 
Uechtritz',  für  den  sagenhaften,  wie  für  die  Romantik  geschaffenen  Kaiser  Rothbart  überhaupt 
einmal  erregt  war.  Lessing  hatte  sich  mit  der  Thatsache,  dafs  der  Kaiser  als  Leichnam  aus 
dem  Wasser  gezogen  wurde,  nicht  befreunden  können  und  den  alten  Kaiser  nachträglich  am 
Lande  sterben  lassen.  Dies  trug  ihm  aber  von  allen  Seiten  den  berechtigten  Vorwurf  ein,  dafs 
das  geschichtliche  Factum  dadurch  gefälscht  und  die  Scene  somit  auch  ganz  unverständlich  würde. 

Lessing  entschlofs  sich  deshalb  auf  den  Rath  von  Uechtritz,  den  sterbenden  Kaiser  einfach 
in  Friedrich  II.  umzutaufen,  und  unter  diesem  Titel  wurde  von  dem  Grafen  Raczcynski  nach  der 
Zeichnung   das  Bild  bestellt. 

Es  folgte  dann  die  Ausführung  eines  Leonorenbildes.  eines  Motivs  aus  einer  Reihe  von 
Entwürfen,    die    zu    dem    Gedichte    von    Bürger    entstanden    waren.     Während    der    Abwesenheit 


HO 


Schadows  war  Lessing  zu  seiner  alten  flüchtigen  Manier,  ein  grofses  Bild  ohne  genaue  Zeichnung 
anzufangen,  zurückgekehrt,  und  dies  beeinträchtigte  die  Wirkung  der  vollendeten  Arbeit  und  trug 
Lessing  wieder  den  nicht  unverdienten  Tadel  des  aus  Italien  zurückkehrenden  Schadow  ein. 
Dieser  bewirkte  aber  bei  Lessing  diesmal  nicht  eine  Depression,  sondern  hatte  den  Erfolg,  dafs 
er  das  Bild  von  Grund  aus  umarbeitete,  und  somit  hatte  er,  wenn  es  auch  schliefslich  keine 
seiner  besten  Arbeiten  wurde,  daran  gelernt,  in  eingehender  Weise  seine  Motive  zu  behandeln 
und  so  lange  umzuarbeiten,  bis  sie  auch  den  strengsten  Ansprüchen  seiner  Zeitgenossen  gerecht 
wurden,  das  bekannte  akademische  Princip,  das  allerdings  auch  seine  Gefahren  hat  und  einen 
späteren  Künstler  vollständig  zu  Grunde  richten  sollte. 

Ferner  beschäftigten  ihn  um  diese  Zeit  eine  Reihe  von  Entwürfen  zu  einem  altdeutschen 
von  Gustav  Schwab  bearbeiteten  Epos  ..Walter  und  Hildegunde".  Neben  diesen  Gestalten  und 
Motiven,  die  sich  alle  innerhalb  der  allgemein  üblichen  ritterlich-romantischen  Gedankengänge 
der  Schule  bewegten,  wenn  auch  Lessing  sie  in  Verbindung  mit  der  Landschaft  lebendiger  und 
vollblütiger  zu  gestalten  wufste,    beschäftigte  ihn  aber    schon   damals  eine  Figur,    die   zwar  keines- 


wegs aus  dem 
Rahmen  des  auch 
in    der    zeitgenös- 
sischen Poesie 
Vorkommenden 
hinaustrat,     die 
aber  erst  durch  ihn 

in  die  Düssel- 
dorfer  Kunst   ein- 
geführt worden  zu 
sein    scheint    und 
hier     im     Anfang 
geradezu    Epoche 
machte,  dann  frei- 
lich im  Uebermafs 
auftretend  ver- 
flachte und  der 
allgemeinen  Senti- 
mentalität an- 
heimfiel.     Dem 
Maler  war  bei 
seinen  Streifzügen 
am  Mittelrhein  ein 
Volksbuch    in    die 
Hände  gefallen, 
das  dieThaten  der 
damals     noch     in 

frischem   An- 
denken stehenden 

höchst  edlen  Geistern  ihren  poetischen  Ursprung  hatten.  Aufssrdem  pafste  die  platonische  Sympathie 
für  die  edlen  Räuber  ganz  gut  in  den  Rahmen  der  allgemeinen  Sentimentalität  und  Romantik.  Sie 
waren  die  gegebenen  Statisten  oder  die  Folie  für  die  Könige,  Helden  und  Edelfrauen. 

Auch  die  Bewegungen  vom  Jahre  1848  warfen  hier  ihre  Schatten  in  den  Arbeiten  der  sonst 
selbst  doch  so  philisterhaften  Romantiker  vorauf.  Freilich  sind  es  eben  meist  nur  Schatten  geblieben. 
Lessing,  dem  der  Schillersche  Ueberschwang  ebenso  fern  lag,  als  der  Byronsche  höhnische 
Weltschmerz,  schien  es,  als  ob  er  in  dem  freien  Räuberleben  die  innigste  Verbindung  des 
Menschen  mit  der  Natur  gefunden  habe;  in  der  Verachtung  des  Gesetzmäfsigen  lag  etwas, 
das  seinem  eigenen  Kraftgefühl  imponirte,  und  gerade  seine  zurückhaltende,  vornehme  Natur  fand 
in  der  Schilderung  des  Ungebundenen  jenen  geheimen  Reiz  des  Gegensatzes,  der  sich  so  oft 
zwischen  dem  Wesen  eines  Künstlers  und  seinen  Werken  bemerkbar  macht,  insofern  jenes  W^esen 
vielleicht  nur  durch  Vernunft  und  Cultur  anerzogen  ist.  Schon  in  den  20  er  Jahren  entstand  das 
Oelgemälde  eines  Räuberlagers,  und  eine  grofse  Zeichnung  aus  dem  Jahre  1832  führte  das  Motiv 
mit  zahlreichen  Figuren  weiter  aus.     Ein  drittes  Bild,    ..Der  Räuber  und  sein  Sohn",    neigt  schon 


C.  F.  LESSING 

Leonore 

Nach   der  Lithographie   von   F.   Jentzen 


Räuberbanden, 
die  sich  am  Rhein 

gebildet  hatten, 
schilderte.  Da  war 
vor  Allem  der  be- 
rühmte Schinder- 
hannes, der  sogar 
noch  heute  im  An- 
denken des  Volkes 
lebt,  dessen  Aben- 
teuer die  Phantasie 
des  gern  auf  ein- 
samen Wegen 
wandelnden  Jägers 
und  Reiters  ent- 
zündeten, und  es 
entstand  nun  eine 
Reihe  von  gemal- 
ten und  gezeichne- 
ten Darstellungen 
aus  dem  Räuber- 
leben, die  viel- 
leicht ebenso  sehr 
in     den     Schiller- 

schen  Räubern, 
wie  in  dem  Byron- 

schen   Corsaren 
und  sonstigen  aus- 
gestofsenen,    aber 


r 

M 

Z 

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zu  einer  Sentimentalität,  die  nicht  mehr  auf  Beobachtung  beruht,  sondern  in  das  Bild  gewaltsam 
hineincomponirt  ist.  Dafs  gerade  dies  Bild  das  populärste  wurde,  ist  bei  der  Stimmung  des 
damaligen  Publikums  kein  Wunder. 

Möglicherweise  war  es  diese  Räubermalerei,  die  Lessing  zu  einer  Studienreise  in  die  Eifel 
veranlafste,  in  deren  wilder  Natur  er  die  Anregung  zu  zahlreichen  seiner  besten  Landschaften  fand, 
um  so  mehr,  als  er  bei  ihnen  anfing,  mehr  als  vorher  noch  die  natürlichen  Stimmungen  der  Natur 
zu  Studiren,  statt  die  eigenen  in  sie  hineinzutragen.  Vielleicht  stand  diese  Veränderung  in  seiner 
Kunst  im  Zusammenhang  mit  einer  im  reiferen  Alter  bei  ihm  sich  immer  mehr  ausprägenden 
Ruhe  und  Stetigkeit  des  Charakters,  dessen  Entwicklung  sein  Biograph  Uechtritz  wohl  nicht  mit 
Unrecht  mit  seinem  1833  erfolgten  Eintritt  in  die  Armee  als  Einjährig-Freiwilliger  in  Zusammen- 
hang bringt,   „wo  der  Geist  pedantischer  Ordnung  nicht  ohne  Einflufs  auf  ihn  bleiben  konnte." 

Nebenbei  gab  ihm  der  tägliche  Umgang  mit  Pferden  —  er  diente  bei  den  in  Düsseldorf  damals 
schon  stehenden  5.  Ulanen  —  die  Gelegenheit  zu  eingehenden  Studien,  die  er  mit  so  grofsem  Eifer 
pflegte,  dafs  er  von  seiner  nahegelegenen  Wohnung  auch  in  den  dienstfreien  Stunden  häufig  in 
den  Stall  kam,  um  seinen  Gaul  beobachten  und  studiren  zu  können.  Als  eine  Frucht  dieser 
Pferdestudien  ist  vielleicht  ,,Die  Entführung"  anzusehen,  eine  Zeichnung,  die  um  diese  Zeit  entstand 
und  in  Kupfer  gestochen  vom  Kunstverein  als  Prämienblatt  ausgegeben  wurde.  Die  Entführung 
eines  polnischen  Edelmannes  ist  ersichtlich  nur  der  Vorwand  zur  Darstellung  einiger  im  stärksten 
Galopp  dahinsausender  Pferde  gewesen,  obwohl  das  malerische  Costüm  dem  Künstler  von  seiner 
Jugendzeit  her  naheliegen  mochte. 

Das  freundschaftliche  Zusammengehen  Lessings  mit  seinem  Lehrer  Schadow,  das  sich  trotz  aller 
Verschiedenheit  der  Charaktere,  wie  der  Kunstanschauung  bisher  erhalten  hatte  und  für  die  damals 
noch  vorhandene  künstlerische  Toleranz  Schadows,  der  doch  sah,  wie  Lessing  innerhalb  desselben 
Stoffgebietes  thatsächlich  mehr,  als  irgend  ein  anderer  seiner  Schüler  eigene  Wege  ging,  das  ehren- 
vollste Zeugnifs  ablegte,  sollte  aber  bald  einen  herben  Stofs  erleiden,  und  damit  war  ein  neuer 
Grund  gegeben  für  die  immer  weiter  um  sich  greifenden  Spaltungen  in  der  Künstlerschaft. 

Dieser  Bruch  zwischen  Schadow  und  Lessing  wurde  hervorgerufen  durch  des  Letzteren 
Hufsbilder,  durch  die  sich  Schadow  in  seinem  religiösen  Gefühle  verletzt  fühlte.  Diese  bei  einem 
Künstler  ganz  unbegreifliche  Reizbarkeit  ist  vielleicht  auch  zu  erklären  durch  die  allgemeine 
Erregung  der  Gemüther,  welche  damals  durch  die  kirchenpolitischen  Verhältnisse  am  Rhein 
hervorgerufen  war.  Die  zwischen  der  Regierung  und  der  katholischen  Kirche  schon  seit  1825 
bestandenen  Streitigkeiten  wegen  der  gemischten  Ehen  waren  seit  der  Wahl  des  Bischofs  Droste- 
Vischering  zum  Erzbischot  von  Köln  (1835)  wieder  aufs  heftigste  entbrannt  und  in  weiteste  Kreise 
getragen  worden.  Dafs  freilich  Lessing  an  eine  tendenziöse  Ausnutzung  dieser  Stimmungen  nicht 
im  entferntesten  gedacht  hat,  liegt  auf  der  Hand. 

In  dem  W^inter  1832 — 33  hatte  Uechtritz  seinem  Freunde  Lessing  bei  einer  Krankheit  desselben 
die  Geschichte  der  hussitischen  Unruhen  aus  K.  A.  Menzels  ,, Geschichte  der  Deutschen"  vorgelesen, 
und  Lessing  hatte  sich  mit  gröfstem  Interesse  dieser  Motive,  in  denen  er  eine  ganze  Reihe  ver- 
wandter Klänge  vernehmen  mufste,  bemächtigt  und  sie  in  verschiedenen  Compositionen  zu  bearbeiten 
begonnen,  welche  die  Grundlagen  zu  seinen  bedeutendsten  Bildern  werden  sollten. 

Diese  Stoffwahl,  zu  der  Lessing  also  nicht  einmal  von  selbst,  sondern  eigentlich  nur  durch 
Zufall  gekommen  war,  denn  dem  gutmüthigen  Uechtritz  wird  doch  wohl  kein  Mensch  kirchen- 
politische Absichten  unterlegen  wollen,  als  er  Lessing  die  hussitischen  Geschichten  vorlas, 
erbitterte  Schadow  in  dem  Mafse,  dafs  er  sich  weigerte,  das  Atelier  Lessings  wieder  zu  betreten 
und  damit  zwischen  sich  und  seinem  bedeutendsten  Schüler,  besser  gesagt,  dem  bedeutendsten 
Künstler  des  damaligen  Düsseldorf  eine  Scheidewand  errichtete,  die  ihn  und  die  Seinen  mehr  als 
alles  Andere  mit  der  Zeit  isoliren  mufste. 

Schadow  stand  mit  seinem  Verdammungsurtheil  dieser  protestantischen  Tendenzmalerei, 
wie  sie  genannt  wurde,  ja  nicht  allein,  und  wenn  man  sich  der  erwähnten  Ereignisse  jener  Zeit, 
die  in  der  Verhaftung  des  Erzbischofs  von  Köln  ihren  Höhepunkt  erreichten,  erinnert,  so  ist  eine 
Spannung  zwischen  den  streng  kirchlich-katholischen  Künstlern  und  dem  Maler  des  Hufs  ja  an 
und  für  sich    erklärlich. 

Wenn  sie  freilich  derartige  Dimensionen  annahm,  wie  bei  Schadow,  oder  bei  Philipp  Veit, 
der  sein  Amt  als  Museums -Director  in  Frankfurt  am  Main  niederlegte,  als  der  „Hufs  vor  dem 
Conzil"  für  das  Städelsche  Institut  angekauft  wurde,  so  waren  das  doch  Zeichen  künstlerischer 
Engherzigkeit,  die  an  den  Fanatismus  der  Convertiten  denken  lassen,  um  so  mehr  als  zum  Beispiel 
der  fromme  Deger  mit  Lessing  auf  dem  besten  Fufs  blieb.     Bei  Schadow  kam  noch  der  bei  ihm 

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doppelt  verwunderliche  Mangel  an  Menschenkenntnifs  in  diesem  Fall  hinzu.  Dafs  bei  ihm  damals 
auch  sonst  ein  Unvermögen  einzutreten  begann,  die  künstlerische  Ueberzeugung  Anderer  zu  achten 
und  gelten  zu  lassen,  das  beweist  die  Thatsache,  dafs  er  sehr  bald  mit  der  kirchlich -katholischen 
Malerei,  wie  sie  sich  unter  Deger  entwickelte,  ebenfalls  unzufrieden  war,  weil  sie  nicht  seinen 
Ansichten  entsprach.  Natürlich  kam  es  hier  nicht  zum  Bruch,  wie  mit  Lessing,  aber  die  innere 
Verstimmung  war  vielleicht  eine  noch  tiefer  gehende. 

Unbegreiflich  ist  es  nur,  dafs  selbst  heutzutage  noch,  wo  doch  eine  ruhigere  Auffassung  in 
religiösen  Dingen,  namenüich  innerhalb  der  Kunst  hätte  Platz  greifen  können,  wo  Lessings  Kunst 
als  eine  abgeschlossene  und  wohl  auch  überwundene  Richtung  objectiv  betrachtet  werden  sollte, 
dafs  heute  noch  ein  ganz  modernes  Künstler-Lexikon  die  alberne  Phrase  bringt:  „Lessings  Kunst 
habe  öfters  im  Dienst  des  Protestantismus  gestanden".  Es  mufs  energisch  dagegen  protestirt 
werden,  dafs  diese  absolut  falsche  Ansicht  jetzt  nach  mehr  als  einem  halben  Jahrhundert  wieder 
ausgegraben  wird  und  damit  einem  der  vornehmsten  und  am  ausschliefslichsten  seiner  Kunst 
gewidmeten  Männer,  dessen  Name  der  deutschen  Malerei  immer  zur  Zierde  gereichen  wird,  ein 
Makel  angeheftet  wird,  wie  es  der  Vorwurf  irgend  einer  Tendenzmacherei  für  einen  jeden  Künstler 
nun  einmal  ist. 

Was  Lessing  bei  den  Hufsmotiven  so  mächtig  packte,  lag  in  seiner  tiefsten  Natur  begründet. 
Es  vereinigten  sich  bei  ihnen  die  Erinnerungen  seiner  Kindheit,  die  er  an  der  Grenze  eines 
slawischen  Landes  verlebt  hatte,  die  Tradition  seiner  Familie,  die  sie  auf  hussitischen  Ursprung 
zurückführte,  vor  Allem  aber  die  echt  tragischen  und  rein  menschlich  fesselnden  Schicksale  eines 
für  seine  Ueberzeugung  kämpfenden  und  der  Uebermacht  durch  feigen  Verrath  erliegenden  Geistes- 
helden und  schliefslich  Anklänge  an  die  Sympathie  für  die  Auflehnung  freier  Geister  gegen  die 
Schranken  enger  Gesetze  und  unerträglich  gewordener  Conventionen,  wie  sie  damals  nun  einmal 
in  der  Luft  lag.  Zu  alledem  kam  die  Wucht  der  historischen  Thatsachen,  die  auf  eine  im 
Grunde  realistische  und  selbst  gelegentlich  nüchterne  Natur  ganz  anders  wirken  mufste,  als  die 
nebelhaften  Gestalten  der  Poesie  oder  der  verschiedenen  Mythologien,  oder  der  eigenen  Phantasien, 
die  in  den  unruhiger  werdenden  Zeiten  schon  recht  sehr  abzublassen  anfingen. 

Dafs  Lessing,  der  in  einem  Jesuiten-Gymnasium  den  ersten  Unterricht  erhalten  hatte,  zum 
confessionellen  Zeloten  weniger  als  irgend  Jemand  sonst  das  Zeug  hatte,  lag  schon  in  seinem 
religiösen  Indifferentismus,  der  gleichermafsen  eine  Erbschaft  seiner  Familie,  wie  das  Resultat 
seiner  Erziehung  war. 

Uebrigens  liegt  es  auch  absolut  nicht  im  Wesen  des  Protestantismus,  irgend  eine  Kunst 
oder  Wissenschaft  als  ancilla  ecclesiae  in  Dienst  zu  nehmen,  ganz  abgesehen  davon,  dafs  die 
hussitische  Bewegung  doch  nur  in  einem  zeitlich  wie  sachlich  ziemlich  weitläufigen  Zusammen- 
hang mit  dem  Protestantismus  steht.  Schliefslich  —  und  das  dürfte  den  Beweis  liefern,  dafs  es  bei 
Lessing  immer  nur  oder  in  erster  Linie  künstlerische  Beweggründe  waren,  die  ihn  bei  der  Wahl 
seiner  Motive  leiteten,  ist  es  doch  Thatsache,  dafs  er  früher  und  später  häufig  genug  Nonnen  und 
Mönche,  Processionen  und  andere  der  katholischen  Kirche  ausschliefslich  angehörende  Motive  auf 
seinen  Bildern  dargestellt  hat,  wie  dann  seine  Kreuzzugs-Compositionen  ,,Den  Triumph  der  Kirche 
über  die  Ungläubigen"  in  derselben  W^eise  feiern,  wie  ähnliche  Compositionen  gut  katholischer 
CoUegen.  Das  hat  ihm  dann  von  der  anderen  Seite  zu  Zeiten  sogar  den  Vorwurf  eingetragen, 
er  mache  für  den  Katholicismus  Propaganda,  ein  Vorwurf,  der  natürlich  ebenso  lächerlich  ist,  wie 
der  andere.     „Führte  ihn  dort  die  Poesie,"    sagt   Müller   von  Königswinter    ganz  richtig,    ,,so  führt 

ihn  hier    (bei  den  Hufs-  und  Lutherbildem)    die  W^ahrheit Er  steht  hier,    wie    überall    auf 

einem  rein  menschlichen  Standpunkt." 

Sehr  nett  erzählt  auch  Redtenbacher,  wie  mancher  Dorfgeistliche  erschrocken  und  nahe  daran 
war,  sich  zu  bekreuzigen,  wenn  Lessing  bei  dem  Studium  der  Kirchenschätze,  Manuscripte  u.  s.  w. 
sich  vorstellte.  Nachdem  aber  die  Leute  den  Meister  näher  kennen  gelernt  hatten,  zogen  sie 
andere  Saiten  auf  und  Mancher  befreundete  sich  sogar  mit  ihm.  Dafs  die  unruhige  Zeit  kirchlicher 
Kämpfe  und  vor  Allem  die  schwächliche  Haltung  der  Regierung  ganz  ohne  Einflufs  auf  das 
Geistesleben  Lessings  geblieben  wäre,  soll  wahrlich  nicht  behauptet  \verden.  Lessing  fühlte  sich 
gerade  unter  den  italianisirenden  Romantikern  stets  als  Deutscher.  Fast  wie  aus  Opposition 
unterliefs  er  die  traditionelle  Italienfahrt,  und  wenn  ja  ein  aufserkünstlerisches  Interesse  bei  der 
W^ahl  jener  umstrittenen  Motive  ihn  geleitet  hat,  so  war  es  höchstens  ein  deutsch-patriotisches, 
nicht  ein  tendenziös-religiöses. 

Die  Entwürfe  zu  den  drei  Hufsbildern,  die  innerhalb  eines  längeren  Zeitraumes  vollendet 
wurden,  entstanden  si^hon  früh.    Das  erste  Bild,  das  er  1836  vollendete,  war  „Die  Hussitenpredigt", 

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„.  der  nicht  Hufs  selbst,  sondern  irgend  einen  hussitischen  Volksführer  dargestellt  ist,  wie  er,  den 
Kelch  in  der  Hand,  die  ihn  umlagernde  Schaar  zum  Kampf  anspornt.  In  der  Darstellung  des 
wilden  Fanatismus  auf  der  einen,  der  unheimlichen  Ruhe,  die  nur  auf  das  endliche  Zeichen  zum 
Losbruch  wartet,  auf  der  anderen  Seite,  tritt  Lessing  hier  an  eine  Aufgabe  der  bildenden  Kunst 
heran,  die  der  Düsseldorfer  Malerei  bis  dahin  ziemlich   fremd  gewesen  war. 

Es  ist  das  eine  Seelenmalerei,  die  in  der  Vorführung  complicirter  geistiger  Zustände  über  die 
sentimentale  Ruhe  oder  resignirte  Trauer,  wie  sie  die  Düsseldorfer  Existenzbilder  eines  Sohn  oder 
Bendemann  bisher  als  höchsten  geistigen  Inhalt  gekannt  hatten,  weit  hinausgeht  und  einen 
wichtigen  und  einflufsreichen  Gegensatz  gebildet  hat  gegen  die  um  jene  Zeit  von  Belgien  ausgehende 
Repräsentationsmalerei,  die  an  Düsseldorf  fast  spurlos  vorbeigegangen  ist,  während  sie  in  den  übrigen 
deutschen  Kunstschulen,  besonders  in  München,  geradezu  Epoche  gemacht,  das  Technische  dort 
ebenso  gefördert,  wie  das  künstlerische  Niveau  für  lange  Zeit  herabgedrückt  hat.  Es  lag  in  dieser 
Betonung  des  psychologischen  Elementes  etwas  von  dem,  was  in  ihren  guten  Erzeugnissen  auch 
die  Düsseldorfer  Genremalerei  so  vortheilhaft  auszeichnen  sollte,  jener  verfeinerte  Realismus,  dem 
sich  die  allemeuesten  Bestrebungen  wieder  zuzuwenden  beginnen. 

Wie  wenig  Lessing  an  eine  Tendenzmalerei  dachte,  beweist  die  auf  die  Vollendung  dieses 
Bildes  folgende  Ausführung  des  ..Ezzelin  im  Kerker"  1838,  das  den  wilden  Tyrannen  in  der  Gesell- 
schaft zweier  Mönche  zeigt,  von  denen  der  Franziskaner,  ein  finsterer  Fanatiker,  sich  von  dem 
alten  unbeugsamen  Kriegsmann  unwillig  abwendet,  während  der  andere,  ein  Camaldulenser,  voller 
Milde  den  alten  Sünder  noch  zu  bekehren  hofft. 

Nach  Vollendung  des  Ezzelin  beschäftigte  Lessing  eine  gröfsere  geschichtliche  Composition,  die 
ihrem  Motiv  nach  demselben  historischen  Gedankenkreise,  der  wohl  durch  die  Zeitereignisse  mit 
beeinflufst  war,  angehört,  den  Kämpfen  zwischen  Kaiser  und  Papst.  Es  war  ,,Die  Gefangennahme 
des  Papstes  Paschalis  II.  durch  Kaiser  Heinrich  V.",  die  zunächst  allerdings  nur  in  kleinem 
Mafsstab  ausgeführt  wurde. 

Scheint  beim  Ezzelin  das  psychologische  Element  noch  an  gewisse  Typen  gebannt,  so  zeigt 
sich  Lessing  als  ein  Meister  der  Darstellung  feinster  Seelenmalerei  in  seinem  ,.Hufs  vor  dem 
Conzil"  1842  (richtiger  ,,Hufs  im  Verhör").  Statt  Lessing  hier  der  Tendenzmalerei  anzuklagen, 
sollte  man  lieber  die  Objectivität  bewundern,  mit  der  er  die  zahlreichen  Kirchenfürsten  geschildert 
hat,  ohne  auch  nur  bei  einem  Einzigen  Typen  zu  verwenden,  wie  sie  zum  Beispiel  in  modemer 
Zeit  der  gut  katholische  Italiener  Barabino  bei  seiner  „Verspottung  des  Columbus  durch  die 
Geistlichkeit  im  Rath  von  Salamanca"  gewagt  hat.  Kein  einziger  dieser  Lessingschen  Kirchen- 
fürsten, unter  denen  sich  notorisch  doch  recht  zweifelhafte  Existenzen  befanden,  entbehrt  der 
Vornehmheit  und  W^ürde,  und  Hufs  selbst,  der  ohne  Pathos  und  selbst  ohne  eine  Andeutung  von 
Märtyrerthum  seine  Sache  führt,  ist  eine  der  feinsten  Gestalten,  welche  die  bildende  Kunst  der 
damaligen  Zeit  geschaffen  hat. 

In  diesem  Bilde  hat  Lessing  wohl  die  Höhe  seines  Schaffens  auf  dem  Gebiete  der  Historie 
erreicht,  auch  coloristisch  ist  das  Werk  eine  der  besten  Leistungen  der  damaligen  Düsseldorfer 
Malerei  und  blieb  auf  lange  hinaus  auch  in  dieser  Richtung  hin  unerreicht.  Was  heute  an  dem 
Colorit  störend  wirkt,  beruht  auf  den  Eigenthümlichkeiten  der  Malerei  jener  Zeit,  von  denen  noch 
die  Rede  sein  wird.  Sicherlich  müssen  aber  die  so  berühmten  Bilder  von  Gallait  und  Biefve,  die 
damals  ihren  verhängnifsvollen  Triumphzug  durch  die  Welt  begannen,  auch  in  coloristischer 
Hinsicht  bei  weitem  gegen  das  Bild  des  Düsseldorfers  zurückstehen.  Acht  Jahre  später.  1850, 
während  welcher  Zeit  eine  Reihe  von  kleinen  Bildern,  Landschaften  und  Entwürfen  ausgeführt 
wurde,  fällt  die  Vollendung  des  letzten  Hufsbildes.  Von  den  vorher  gemalten  Bildern  seien 
erwähnt:  ,, Heinrich  V.  wird  am  Kloster  Prüfening  der  Einlafs  verwehrt"  1844,  „W^aldgebirge  mit 
brennendem  Kloster",  das  wieder  eine  Staffage  von  flüchtenden  und  rettenden  Mönchen  zeigt, 
„Landsknechte  eine  Höhe  vertheidigend",  das  in  glücklichster  W^eise  Figuren  und  Landschaft 
vereinigt,  und  verschiedene  kleinere  Landschaften. 

,,Hufs  auf  dem  Scheiterhaufen"  vermag  nicht  dasselbe  Interesse  zu  erwecken,  wie  der  ,,Hufs 
im  Verhör",  obwohl  die  nach  den  Regeln  der  Schule  besonders  gelungene  Composition  gerühmt 
wurde.  Dem  Motiv  nach  gehört  es  beinahe  schon  in  das  Gebiet  der  gemalten  historischen 
Unglücksfälle  und  Mordgeschichten,  die  namentlich  in  München  kurz  darauf  eine  so  grofse  Rolle 
spielen  sollten,  als  Piloty  1855  seinen  todten  W^allenstein  gemalt  hatte. 

Vielleicht  war  es  gerade  das  ungeheure  Aufsehen,  das  die  Hufsbilder  machten,  —  das  wieder 
weit  über  die  Grenzen  Deutschlands  hinausging,  wie  schon  bei  der  Predigt,  die  183g  in  Paris 
einen  grofsen  Erfolg  hatte  — ,  und  die  zahlreichen  Angriffe,   die   der  Künstler  deshalb  auszustehen 

116 


hatte,  welche  ihn  reizten,  nun  in  der  Geschichte  der  Reformation  weiter  zu  gehen  und  den  eigent- 
lichen Helden  derselben,  Martin  Luther,  darzustellen.  Es  entstanden,  allerdings  in  einer  grofsen 
Zwischenpause,  zuerst  1858  ,,Die  Verbrennung  der  päpstlichen  Bannbulle  vor  dem  Elsterthor  in 
Wittenberg  durch  Luther"  und  1866  ,,Die  Disputation  zwischen  Luther  und  Eck". 

Das  erste  dieser  Bilder,  das  noch  der  Düsseldorfer  Zeit  angehörte  und  die  letzte  grofse  dort 
ausgeführte  Historie  ist,  wenn  man  von  einer  vergröfserten  Wiederholung  der  ,, Gefangennahme 
Paschalis  II."  1857  absieht,  zeigte  wieder  die  ganze  Kraft  der  klaren  und  lebendigen  Schilderung, 
die  Lessing  eigen  ist,  reichte  aber  bei  dem  mehr  dramatischen  Vorgang  nicht  an  die  psychologische 
Charakterisirung  des  Hufsverhöres  heran. 

Im  Jahre  1858  folgte  Lessing,  der  in  Düsseldorf  kein  Amt  bekleidet  hatte,  einem  Ruf  als 
Director  der  Gemäldegalerie  nach  Karlsruhe.  Dort  entwickelte  sich  unter  seiner  und  Schirmers 
Leitung  eigentlich  erst  diese  Schule  zu  der  Bedeutung,  die  sie  noch  heute  besitzt,  die  sie  aber 
ebenso,  wie  manche  andere,  nur  als  eine  künstlerische  Colonie  von  Düsseldorf  erscheinen  läfst. 
Der  W^eggang  Lessings  von  Düsseldorf  war  durch  die  Umtriebe  seiner  confessionellen  Gegner, 
die  sogar  bis  Berlin  und  an  den  Hof  ihren,  dem  Künstler  hinderlichen  Einflufs  geltend  machten, 
wenn  nicht  direct  verursacht,  so  doch  wesentlich  gefördert  worden.  Er  bedeutete  einen  schweren 
Verlust,  allerdings  mehr  für  den  Ruhm  der  Künstlerschaft,  als  für  ihre  Entwicklung.  Lessings 
indirecter  Einflufs  er  hatte    nur  wenige    Schüler   ausgebildet,    und    mehr    durch    seine   Arbeiten 

und  seine  Persönlichkeit  gewirkt  —  hatte  bereits  seine  Früchte  getragen.  Die  Schadowsche  Richtung 
war  zurückgedrängt  und  ein  anderer  Geist,  dessen  Spuren  sich  bei  den  ersten  Arbeiten  Lessings 
schon  so  energisch  bemerkbar  machten,  war  bei  verschiedenen  Künstlern   lebendig  geworden. 

Lessing  in  mehr  als  einer  Richtung  verwandt  war  vor  Allen  der  Deutschamerikaner  Emanuel 
Leutze,  der  überhaupt  nicht  Schüler  der  Akademie  gewesen  ist,  sondern  unter  der  Führung  Lessings 
sich  ziemlich  früh  auf  eigene  Füfse  stellte.  Er  war  1816  zu  Gmünd  in  Württemberg  geboren  und 
als  Kind  schon  nach  Philadelphia  gekommen.  In  der  ursprünglichen,  gesunden  Atmosphäre  des 
jungen  selbstbewufsten  Landes  erzogen,  kam  er  1841  nach  Düsseldorf,  wo  er  gleich  ein  grofses 
Bild  begann.  Es  begegnen  sich  in  Leutzes  Kunst  verschiedene  Elemente,  die  am  wenigsten  in 
dem  damaligen  Düsseldorf  zu  Hause  waren,  die  vielmehr  ein  Extract  der  damals  in  den  ver- 
schiedenen Kunststädten  aufblühenden  coloristischen  und  stofflichen  Neuerungen  bilden.  So  blieb 
Leutze  in  Düsseldorf  ziemlich  isolirt.  und  seine  Bilder  erschienen  damals,  wie  sie  es  heute  erst 
recht  thun,  als  die  Werke  eines  Ausländers,  der  nur  zufällig  seinen  Sitz  in  Düsseldorf  hat.  Das 
lag  keineswegs  in  den  Motiven,  denn  Columbus,  Cromwell,  Maria  Stuart  waren  der  Düsseldorfer 
Malerei  ganz  vertraute  Gestalten.  Es  lag  vielmehr  in  der  frischen,  durch  keinerlei  Schulzwang 
behinderten  Art  seiner  Composition,  die,  wenn  sie  theatralisch  war,  doch  einer  anderen  Bühne 
anzugehören  schien,  als  der  Immermannschen  Musterbühne  und  ihrer  malerischen  Uebersetzung  etwa 
durch  Hildebrandt.  Es  lag  in  Leutzes  Malweise,  die  coloristischer,  farbiger,  aber  weniger  bunt  wirkte, 
als  die  der  älteren  Historienmaler,  aber  unruhiger  als  die,  welche  Lessing  in  seinen  Figurenbildern 
anwandte,  und  es  lag  vor  Allem  in  der  technischen  Gewandtheit  und  Frische,  mit  welcher  der 
thatkräftige  und  productive  junge  Künstler  in  kurzer  Zeit  eine  grofse  Reihe  von  Bildern  in  die 
Welt  setzte.  Leutze  ist  gewissermafsen  der  Vorläufer  Pilotys  und  ein  verständnifsvoller  Zeitgenosse 
sowohl  der  Belgier,  denen  er  näher  kommt,  als  irgend  ein  anderer  Düsseldorfer,  als  auch  des 
ihm  wesensverwandten  Kaulbach.  Aber  wie  der  Glanz  jener  Künstler  ein  ephemerer  und  ihr 
Ruhm  ein  kurzlebiger  war,  so  hinterliefs  auch  Leutze  keine  Spuren  seiner  künstlerischen  Thätigkeit 
in  Düsseldorf,  was  um  so  verwunderlicher  ist,  als  er  im  gesellschaftlichen  Leben  eine  hervor- 
ragende Rolle  spielte.  Sein  unruhiger  lebhafter  Geist,  in  dem  demokratischen  Amerika  geschult, 
liefs  ihn  als  zum  Volkstribunen  und  Wortführer  in  dem  kleinen  Künstlerstaat  berufen  erscheinen. 
Hier  hat  Leutze  mit  Erfolg  gewirkt.  Er  war  einer  der  Hauptbegründer  und  Mitstifter  der  Deutschen 
Kunstgenossenschaft.  Aber  weder  seine  künstlerischen  noch  gesellschaftlichen  Erfolge  konnten 
verhindern,  dafs  Leutze,  wohl  infolge  verschiedener  Mifshelligkeiten,  die  ihm,  ebenso  wie  Lessing, 
aus  der  freien  Tendenz  einiger  seiner  Bilder  erwachsen  waren,  Düsseldorf  zuerst  1859  und  dann 
nach  kurzem  Aufenthalt  1863  mit  seiner  Familie  für  immer  verliefs. 

Aus  der  grofsen  Zahl  seiner  Bilder,  die  Müller  von  Königswinter  mit  gröfster  Ausführlichkeit 
nach  eigener  Anschauung  beschreibt,  ist  der  ,,Uebergang  über  den  Delaware"  1850  eines  der 
wenigen,  das  in  Deutschland  (Bremen)  verblieben  ist,  und  das,  durch  einen  Stich  von  Girardet 
vervielfältigt,  eine  ähnliche  Popularität  errungen  hat,  wie  die  Bilder  der  Düsseldorfer  Romantiker 
oder  Lessings.  Von  Pose  ist  ja  der  in  der  Mitte  des  durch  die  Eisschollen  sich  hindurch 
schiebenden  Bootes  aufrecht  stehende  W^ashington  auch  keineswegs  frei.    Einer  gewissen  Besorgnifs, 

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EMANUEL   LEUTZE 

Cromwell   bei    Milton 

Nach  dem  Stich  von  F.  Dinger 

dafs  er  beim  Anlaufen  des  Schiffchens  an  eine  Eisscholle  über  Bord  fallen  möchte,  kann  man 
sich  nicht  ganz  erwehren,  dennoch  ist  dem  Bilde  ein  grofser  Stimmungsgehalt  nicht  abzusprechen, 
und  für  jene  Zeit  war  es  eine  aufsergewöhnliche  Leistung.  Grofsen  Beifall  fand  seiner  Zeit  auch 
„Der  Besuch  Cromwells  bei  Milton". 


Lessings  Thätigkeit  als  Mitbegründer  der  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei  wird  an  anderer 
Stelle  besprochen  werden.  Im  Anschlufs  an  seine  Figurenmalerei  mufs  nun  das  Werk  eines 
Künstlers  betrachtet  werden,  über  dessen  Leben  und  Wirken  eine  eigenthümliche  Tragik  schwebt. 

Es  ist  Alfred  Rethel,  der  berufen  war,  die  Düsseldorfer  Kunst  auf  die  höchste  Höhe  zu 
heben,  aber  selbst  in  vollster  Kraft  einem  furchtbaren  Leiden  erliegen  mufste.  Sein  Werk,  das 
innerhalb  des  Ausklingens  der  gemüthvollen  Düsseldorfer  Romantik  und  neben  dem  erwachenden 
Genre  eine  wahrhaft  grofse  und  monumentale  Kunst,  wie  sie  Europa  damals  noch  nicht  kannte, 
bedeutet,  blieb  lange  ohne  eigentlichen  Einflufs,  war  lange  den  Meisten  unbekannt  und  nur  von 
Wenigen  verstanden,  und  konnte  vielfach  sogar  geschmäht,  in  seiner  gröfsten  Schöpfung  kaum 
vor  der  Zerstörung  bewahrt  werden.  Rethels  künstlerisches  Schicksal  ist  das  eines  Genies,  das 
von  der  Mitwelt  nicht  begriffen  wurde,  da  sein  Flug  es  über  das  Verständnifs  der  Zeitgenossen 
hinaus  führte,  dessen  Errungenschaften  nicht  der  mitlebenden,  sondern  erst  einer  späteren  Gene- 
ration nutzbar  und  verständlich  werden  sollte.  Sein  persönliches  Schicksal,  ein  früher  Tod,  ver- 
hinderte ihn,  diese  spätere  Generation  selbst  in  seine  Kunst  einzuführen.  Dasselbe  Schicksal 
hätte  Böcklin  getroffen,    wenn  er  nicht   seine  W^idersacher   und   die  verständnifslosen  Zeitgenossen 


119 


seiner  Jugend  überlebt  hätte.  Dasselbe  Schicksal  traf  den  edlen  Feuerbach,  dessen  Stunde  noch 
immer  nicht  gekommen  ist,  da  nicht  einmal  sein  Gedächtnifs  recht  zur  Gehung  zu  kommen  vermag. 

Vergleicht  man  Rethel  mit  demjenigen  seiner  Zeitgenossen,  der  ihm  nach  mancher  Richtung 
am  nächsten  steht,  mit  Lessing,  so  wird  man  finden,  dafs  vielleicht  gerade  Lessings  Kunst,  dessen 
unleugbar  kraftvolle  Leistungen  den  höchsten  Gipfel  der  Schadowschen  Schule  ausmachten,  dem 
Verständnifs  Rethels  am  meisten  geschadet  hat.  Lessing  entwickelte  auf  dem  Boden  der  Schule 
gerade  dasjenige  Mafs  an  Naturwahrheit  und  Kraft,  das  die  damalige  Menschheit,  soweit  sie  sich 
überhaupt  um  Kunst  kümmerte,  noch  vertragen  konnte.  Rethel,  der  darüber  hinausging,  dessen  Werk 
in  seinen  höchsten  und  originalsten  Aeufserungen  überhaupt  keiner  Schule  mehr  angehört,  der  ganz 
auf  eigenen  Füfsen  steht,  fand  keinen  Platz  mehr  in  der  damaligen  Kunstwelt,  die  in  ihrer  geistigen 
Enge  in  der  That  das  Aeufserste  aufzunehmen  hatte.  Auch  mit  Cornelius  hat  man  Rethel 
zusammengestellt,  obwohl  sich  beide  kaum  je  nahegetreten  sind.  Die  Unterscheidung  des  Trans- 
cedenten  in  Cornelius'  Kunst  von  dem  Immanenten  in  der  Rethels  trifft  wohl  nicht  ganz  die 
Hauptsache.  Rethel  ist  vor  Allem  Realist  in  bestem  Sinne,  selbst  in  seinen  monumentalsten  imd 
in  seinen  phantastischsten  Schöpfungen,  während  Cornelius  die  Natur  nur  zu  früh  verlassen  hat, 
um  sich  einen  Stil  zu  construiren,  der  bei  Rethel  aus  dessen  innerstem  Wesen  hervorging. 
Cornelius  verliefs  den  sicheren  Boden  des  technischen  Könnens  immer  mehr,  um  zuletzt  im 
blofsen  schemenhaften  Carton  seine  Gedanken  niederzulegen.  Rethel  beherrschte  schon  früh  die 
Kunst  des  Malens  in  hervorragendem  Mafse  und  zwang  später  dem  spröden  Fresco  coloristische 
Wirkungen  ab,  die  von  seinen  Zeitgenossen  freilich  kaum  verstanden  wurden.  Ihm  war  der 
Gedanke  Mittel  zur  Kunst,  während  für  Cornelius  die  Kunst  nur  ein  Mittel  war,  seine  religiös- 
philosophischen Phantasien  und  Ideen  niederzulegen. 

Alfred  Rethel  wurde  am  15.  Mai  i8i6  auf  Haus  Diepenbend  bei  Aachen  geboren.  Sein  Vater 
war  geborener  Strafsburger,  und  französischem  Blut  mag  wohl  Rethel  die  Leichtigkeit  und  tech- 
nische Gewandtheit  verdanken,  die  ihn  schon  früh  auszeichnete.  In  der  Jugend  schwächlich, 
wurde  Rethel  vielleicht  durch  eben  diese  Kränklichkeit  frühzeitig  von  den  Knabenspielen  ab-  und 
der  Beschäftigung  mit  der  Kunst  zugeführt.  Schon  in  frühesten  Jahren  war  es  seine  liebste 
Unterhaltung,  Compositionen  von  Schlachten  und  Belagerungen  zu  entwerfen,  zu  denen  die  un- 
ruhigen Zeiten,  etwa  die  Befreiung  Griechenlands,  wohl  die  Anregung  geben  mochten. 

Erst  13  Jahre  alt,  bezog  Rethel  die  Akademie  in  Düsseldorf,  nachdem  die  dort  vorgelegten 
Arbeiten  schon  allgemeine  Anerkennung  gefunden  hatten.  Mit  16  Jahren  malte  er  sein  erstes 
Bild,  einen  ,,Bonifacius",  der  vom  Kunstverein  angekauft  wurde.  W^as  die  meisten  Schöpfungen 
Rethels  auszeichnet  und  ihnen  einen  Charakter  verleiht,  der  von  dem,  was  damals  in  Düsseldorf 
gemalt  wurde,  so  weit  als  möglich  verschieden  ist,  das  ist  ein  gewisser  unerbittlicher  Ernst, 
der  alle  die  kleinen  liebenswürdigen  Gefühle  und  Sentiments  jener  Epoche  ausschliefst.  Dieser 
Ernst,  der  ebensowohl  in  dem  äufseren  Gebahren  seiner  Gestalten,  (kaum  je  hat  Rethel  ein 
lachendes  Gesicht  gezeichnet  oder  gemalt,  und  selbst  der  Ausdruck  der  Freude  behält  bei  ihm 
etwas  Strenges  und  Hoheitsvolles)  als  in  der  Anordnung  seiner  Compositionen,  die  alles  posirende 
Beiwerk  verschmähen,  sich  ausspricht,  ist  der  Grundzug  von  Rethels  Kunst  und  läfst  in  dieser 
Beziehung  auch  bei  ihm  wahrlich  eher  an  Michel  Angelo  denken,  als  bei  dem  sanftmüthigen 
Bendemann.  Dieser  Ernst  ist  es  aber  auch,  der  Rethels  W^erke,  namentlich  die  der  späteren  Zeit, 
bei  aller  Anerkennung  doch  um  das  Verständnifs  seiner  Zeit  brachte,  die  ja  alles  Andere  eher 
vertragen  mochte,  als  wirkliche  Kraft  und  ernsthaftes  Zufassen. 

Dieselben  Eigenschaften  zeigen  ein  zweites  und  drittes  Bonifaciusbild,  die  eine  ,, Predigt" 
des  Heiligen  und  die  „Gründung  einer  Kirche"  durch  ihn  zum  Vorwurf  haben.  Nur  ist  die 
Composition  eine  reiche  mit  vielen  Figuren,  die  hier  allerdings  noch  den  Einflufs  der  Schule  in 
der  Anordnung  und  in  dem  unvermeidlichen  Phantasiecostüm  verrathen.  Dennoch  ist  bei  dem 
letzten  Bilde  Rethel  schon  auf  dem  W^ege  zu  jener  Auffassung  der  Kleidung,  die  sich  von  der 
Theaterschablone  ebenso  fern  hält,  wie  von  dem  archaeologischen  Studium,  das  bald  darauf  in 
Belgien  betrieben  wurde. 

Diese  Bilder,  deren  letztes  1836  von  dem  damals  also  Zwanzigjährigen  vollendet  worden  war, 
hatten  Rethel  zum  berühmten  Manne  und  zum  W^underkind  der  Schadowschule  gemacht.  Aufser 
ihnen  hatte  Rethel  in  unablässiger  Schaffensfreude  eine  grofse  Anzahl  von  Compositionen  der 
verschiedenen  Art  gezeichnet. 

Der  Geschichte  des  Bonifacius  gehören  noch  mehrere  von  ihnen  an,  die  übrigen  be- 
handeln die  allerverschiedensten  Motive,  sind  aber  meist  schon  entschieden  historischer  Art, 
so  vor  Allem    die    berühmten    „Schweizer   vor   Sempach",    dann    verschiedene    Episoden    aus    der 


I20 


deutschen  Kaisergeschichte  und  auch  eine  Anzahl 
von  Blättern  zu  A.  von  Stolterfoths  „Rheinischem 
Sagenkreis".  Hier  ist  ja  eine  Hinneigung  zu  den 
Düsseldorfer  romantischen  Motiven  am  ehesten 
zu  beobachten,  aber  um  so  gröfser  ist  die  Ver- 
schiedenheit in  der  Behandlung.  Die  Strenge  der 
Zeichnung,  die  lebendige  und  dabei  natürlich 
einfache  Composition  stehen  in  wesentlichem 
Gegensatz  zu  der  allgemein  geübten  gezierten 
und  innerlich  unwahren  Manier.  Noch  näher  an 
die  thatenlose  Romantik  grenzt  die  Composition 
zu  der  Sage  von  Carl  dem  Grofsen  und  dem 
Ring  der  Fastrade,  bei  der  ihn  der  unbestreitbare 
mystische  Reiz  einer  geheimnifsvollen  Leiden- 
schaft mehr  gefangen  haben  mag,  als  die  blofse 
Darstellung  des  unthätigen  Hindämmerns,  das  ja 
freilich  für  den  Geschmack  der  Zeit  die  Haupt- 
sache war.  Auch  der  ,, Daniel  in  der  Löwen- 
grube" zeigt  etwas  Passives,  das  Rethel  sonst 
nicht  eigen  ist. 

Rethel  scheint  den  Einflufs  des  Düsseldorfer- 
thums  auf  seine  Natur  gefühlt  zu  haben,  und 
vielleicht  ohne  sich  über  die  innerlichen  Gründe 
Rechenschaft  zu  geben,  fühlte  er  das  dringende 
Bedürfnifs,  dieser  romantisch-gemüthvollen  Atmo- 
sphäre zu  entgehen.  Die  Eindrücke  verschiedener 
Reisen  nach  Frankfurt  1833,  München  und  durch 
Tirol  1835,  scheinen  ihm  das  fernere  Verweilen 
in  Düsseldorf  unerträglich  gemacht  zu  haben, 
während  die  schon  besprochene  Animosität  gegen 
den  Director  Schadow  und  seine  angeblichen 
Günstlinge,  welche  die  Rheinländer  zu  einem 
ostentativen  Verlassen  Düsseldorfs  veranlafste,  bei 
Rethel  nur  ein  Vorwand  sein  konnte.  Gerade  er 
hatte  sich  über  Zurücksetzungen  nicht  zu  beklagen, 
da  er,  wie  gesagt,  als  der  Stolz  und  das  Wunder 
der  Akademie  betrachtet  und  behandelt  wurde. 
Eine  gewisse  Ueberempfindlichkeit  einerseits,  und 

scharfe  Kritik  anderseits  scheinen  allerdings  früh  im  Charakter  des  jungen  Mannes  gelegen  zu 
haben,  da  er  schon  Ende  1831  mit  dem  alten  Kolbe  in  Differenzen  gerathen  war  und  öffentlich 
dessen  Unterricht  in  der  Malerei  als  unzulänglich  bezeichnet  hatte. 

Dem  sei  nun  wie  ihm  wolle,  für  Rethel  war  die  zeitweise  Trennung  von  Düsseldorf  ein 
Bedürfnifs  und  eine  innere  Nothwendigkeit  geworden,  und  er  folgte  einem  glücklichen  Stern,  als 
er  nach  Frankfurt  zu  Veit  ging,  dessen  Arbeiten  schon  bei  seiner  ersten  Reise  dorthin  Eindruck 
auf  ihn  gemacht  hatten.  Schon  1838  schreibt  er  mit  Begeisterung  von  der  verständnifsvollen 
Führung,  die  er  bei  Veit  gefunden  habe,  und  bestätigt  dies  noch  1844  von  Rom  aus.  Es  kann 
nun  nicht  eigentlich  behauptet  werden,  dafs  von  Veits  Kunst  bei  Rethels  fernerem  Schaffen  viel 
zu  merken  ist,  aber  das  ist  sicher,  das  Beste,  was  man  von  Veit  als  Lehrer  sagen  kann,  und  das 
Beste,  was  er  einem  Schüler  wie  Rethel  gewähren  konnte,  war,  dafs  er  ihn  ruhig  seine  Wege 
gehen  liefs,  die  der  junge  Künstler  schon  im  Knabenalter  mit  solcher  Sicherheit  eingeschlagen 
hatte.  Die  ersten  Arbeiten  in  Frankfurt  waren  zunächst  nichts  anderes  als  Ausführungen  älterer 
Düsseldorfer  Entwürfe,  und  gerade  der  ,, Daniel  in  der  Löwengrube",  der  hier  vollendet  wurde, 
zeigt  noch  die  Befangenheit  in  der  weichlichen  Düsseldorfer  Richtung,  deren  Einflufs  Rethel  mit 
Mifsbehagen  bei  sich  selbst  empfunden  hatte.  Man  könnte  glauben,  dafs  er  das  Bild  habe  vollenden 
müssen,  um  den  letzten  Rest  dieser  Einflüsse  sich  von  der  Seele  wegzumalen,  denn  vorher  hatte 
er  schon  das  mächtige  und  ergreifende  Bild  des  von  der  Nemesis  verfolgten  Mörders  geschaffen, 
das  den  ganzen   imponirenden  Ernst   und    die    dämonische  Macht  seiner  Kunst  zeigt.     Wunderbar 


ALFRED  RETHEL 

Bonifacius 


ist  der  Gegensatz  des  in  rasender  Eile  dahinstürzenden  Mörders  und  der  voll  Ruhe,  fast  unbe- 
weglich über  ihm  schwebenden  Gestalt  der  Nemesis,  und  im  Gegensatz  zu  anderen  Auffassungen 
möchte  man  gerade  in  der  unentrinnbaren  ,, friedlichen"  und  leidenschaftslosen  Ruhe  dieser 
Gestalt,  die  sich  von  der  Justitia  des  ersten  Entwurfes  mit  der  flatternden  Wage  unterscheidet, 
die  sie  weit  über  die  schlangenschüttelnden  Erinnyen  eines  modernen  Nachahmers  erhebt,  eine 
Verstärkung  der  Wirkung  und  Erhebung  zum  wahrhaft  Monumentalen  sehen. 

Beide  Bilder  hatten  wieder  den  allergröfsten  Erfolg  und  befestigten  Rethels  Ruf  in  Frankfurt. 
Ihr  günstiger  Verkauf  setzte  ihn  in  Stand,  ein  gröfseres  Bild  zu  beginnen,  dessen  Motiv  allerdings 
von  seinen  sonstigen  Arbeiten  etwas  abliegt.  Es  stellt  ,,Die  Auffindung  der  Leiche  Gustav 
Adolfs"  dar.  Gröfser  im  W^urf  und  Rethels  Natur  entsprechender  ist  das  für  den  Frankfurter 
Kunstverein  gemalte  Bild  ,, Aussöhnung  Ottos  I.  mit  seinem  Bruder  Heinrich". 

In  das  Jahr  1840  fallen  nun  die  Vorverhandlungen  zu  jener  Arbeit,  die  man  sehr  wohl  auch 
als  die  Tragödie  seines  Lebens  bezeichnen  kann,  wenn  sie  auch  die  deutsche  Kunst  mit  einem 
Werk  beschenkte,  wie  sie  es  seither  kaum  besessen  und  gröfser  auch  noch  nicht  wieder  hervor- 
gebracht hat. 

Der  Gemeinderath  der  Stadt  Aachen  hatte  beschlossen,  den  grofsen  Saal  des  Rathhauses, 
das  auf  der  Stelle  eines  karolingischen  Palastes  erbaut  ist,  mit  in  Fresco  gemalten  Darstellungen 
aus  dem  Leben  Karls  des  Grofsen,  des  Begründers  der  Stadt,  ausschmücken  zu  lassen. 

Zusammen  mit  dem  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen,  der  sich  sofort  bereit 
erklärte,  die  Hälfte  der  Kosten  zu  tragen,  wurden  die  nöthigen  Schritte  zur  Ausschreibung  einer 
Concurrenz  gethan,  und  mit  Begeisterung  begann  auch  Rethel  Entwürfe  zu  dieser  Aufgabe,  die 
schon  nach  ihrem  Inhalt  seine  ganze  Künstlernatur  in  lebhafteste  Schwingungen  versetzen  mufste. 
Es  kam  dazu,  dafs  er  als  geborener  Aachener  sich  doppelt  berufen  fühlte,  hier  sein  ganzes  Können 
einzusetzen. 

In  der  That  errangen  seine  Entwürfe  ohne  W^eiteres  den  ersten  Preis,  den  Auftrag  zur  Aus- 
führung, und  Rethel  war  bereit,  Alles  in  Frankfurt  im  Stich  zu  lassen  und  mit  der  riesenhaften 
Arbeit  zu  beginnen,  als  auch  schon  gleich  die  unerfreulichen  Streitigkeiten  begannen,  welche  sich 
sechs  Jahre  hinzogen  und  den  Künstler  zu  qualvollem  W^arten  verurtheilten.  Hindernisse  ver- 
schiedener Art  stellten  sich  dem  Abschlufs  des  Auftrages  entgegen.  Das  wichtigste  war,  dafs 
eine  Partei  in  Aachen  den  Saal  nach  seiner  angeblich  ursprünglichen  Anlage  umbauen  und  auf 
beiden  Längsseiten  Fenster  anbringen  wollte,  womit  dann  die  freien  Wände  der  Südseite  für  die 
Fresken  wegfallen  müfsten  und  die  ganze  Malerei  unmöglich  geworden  sein  würde. 

Es  scheint,  dafs  auch  damals  schon  confessionelle  Fragen  in  der  ohnehin  erregten  Zeit  mit- 
gespielt haben,  und  Schadow  scheint  sich  nicht  mit  der  ihm  sonst  eigenen  Energie  für  Rethel 
ausgesprochen  zu  haben.  Schliefslich  that  Rethel  selbst  einen  entscheidenden  Schritt:  er  wandte 
sich  an  den  König  Friedrich  Wilhelm  IV.,  der  sich  auch  hier  wieder  einmal  als  verständnifs- 
voUer  und  wohlwollender  Förderer  der  Kunst  erwies;  seiner  Fürsprache  ist  es  wohl  zu  ver- 
danken, dafs  die  Aachener  Streitigkeiten  ein  Ende  nahmen  und  1846  endlich  der  definitive  Auftrag 
an  Rethel  erging. 

Die  sechs  Jahre,  die  zwischen  der  Concurrenz  und  dem  Beginn  der  Arbeit  lagen,  waren 
für  Rethel  unruhvolle  und  wechselreiche.  Das  peinvolle  W^arten  mufste  ihn  aufs  äufserste  ver- 
stimmen und  verstärkte  vielleicht  sogar  die  Anlage  zu  der  Krankheit,  der  er  vor  der  Zeit  erlag,  aber 
es  vermochte  doch  nicht  seine  Schaffenskraft  zu  lähmen.  Neben  zahlreichen  Bildern  und  Ent- 
würfen, zwischen  Reisen,  die  für  Rethels  Entwicklung  von  gröfster  Bedeutung  waren  (nach 
Dresden  und  nach  Rom)  ist  es  hauptsächlich  ein  cyklisches  W^erk,  das,  um  1842 — 44  entworfen, 
den  Künstler  noch  lange  beschäftigt  hat,  und,  wenn  es  auch  nur  in  mäfsig  grofsen  aquarellirten 
Zeichnungen  ausgeführt  wurde,  doch  in  der  grandiosen  monumentalen  Art  der  Anlage  sich  dem 
Besten  an  die  Seite  stellt,  was  Rethel  geschaffen  hat.  Es  ist  ,,Der  Zug  Hannibals  über  die  Alpen". 
Freilich  gehört  diese  Arbeit  so  wenig,  wie  die  verschiedenen  Bilder  und  die  zahlreichen  Zeichnungen, 
die  während  des  Frankfurter  Aufenthaltes  entstanden  sind,  es  thun,  streng  genommen  zur  Düssel- 
dorfer Kunst.  Rethel  hatte  gerade  in  dem  Hannibalszug  das,  was  von  den  alten  Düsseldorfer 
Einflüssen  noch  in  ihm  wirkte,  vollkommen  abgestreift  und  zwar  sowohl  was  das  Compositionelle 
anbelangt,  als  auch  was  die  Auffassung  und  Behandlung  der  Landschaft  anbetrifft.  Hier  zeigt  sich 
voll  ausgeprägt  seine  menschliche  Behandlung  des  Historischen,  die  über  Anecdoten  und  Costümen 
erhaben  ist,  dort  ein  Mitfühlen  mit  der  Gröfse  der  Natur,  wie  es  weder  Schirmer  noch  selbst 
Lessing  jemals  in  ihren  besten  Werken  entwickelt  haben.  Als  Zeichen,  wie  mächtig  die  blofse 
Aussicht   auf  die    Aachener   Arbeiten    gewirkt    hat,    ist    dieser    Hannibalszug    überaus    merkwürdig. 

122 


In  die  Jahre  1840 — 42  fällt  die  Ausführung  von  vier  Kaiserporträts  für  den  Römer  in  Frankfurt, 
für  den  der  Düsseldorfer  Kunstverein  um  dieselbe  Zeit  schon  einige  Bildnisse  deutscher  Kaiser 
von  verschiedenen  Künstlern  beigesteuert  hatte,  nämlich  Konrad  II.  von  Lorenz  Glasen,  Heinrich  IV. 
von  Mengelberg  und  Heinrich  V.  von  Kiederich.  Später  kam  dazu  noch  Heinrich  III.  von  Stilke. 
Rethels  Arbeiten  gelten  heute  wohl  widerspruchslos  als  die  besten,  um  nicht  zu  sagen  die 
künstlerisch  einzig  werthvollen,  in  dieser  gutgemeinten  aber  stillosen  Ahnengalerie  des  alten 
Kaisersaals   zu  Frankfurt. 

Sie  stellen  in  freier,  aber  doch  von  historischem  Verständnifs  erfüllter  Auffassung  Philipp 
von  Schwaben  (1842),  Karl  V.,  der  wirkliches  porträtähnliches  Leben  besitzt,  Maximilian  I.,  dessen 
Gestaltung  fast  so  populär  geworden  ist  wie  die  Zeichnung  Dürers,  und  schliefslich  den  etwas 
indifferenten,  aber  wenigstens  decorativ  aufgefafsten  Maximilian  II.  dar. 

Eine  1844  gezeichnete  Composition  des  unglücklichen  düsseldorfischen  Motivs:  ,,Die  Auffindung 
der  Leiche  Barbarossas"  ist  interessant  in  der  Vergleichung  mit  der  Lösung  derselben  Aufgabe 
durch  andere  Düsseldorfer  Künstler,  Lessing  und  namentlich  Plüddemann.  Es  scheint  fast,  als 
ob  Rethel  des  Letzteren  Radirung  gekannt  habe  und  hätte  verbessern  wollen.  In  ihrer  Ein- 
fachheit wirkt  Rethels  Zeichnung  jedenfalls  bedeutender  und  mächtiger,  als  der  figurenreiche  und 
unruhige  Aufbau  von  Plüddemanns  Radirung,  wenn  auch  selbst  Rethel  das  Episodenhafte  des 
Vorfalls  nicht  überwinden  konnte. 

Im  Herbst  1844  trat  Rethel  eine  lang  geplante  Reise  nach  Rom  an,  um  sich  dort  in  der  An- 
schauung der  grofsen  Frescobilder  im  Vatican  für  die  Aachener  Arbeit  würdig  vorzubereiten.  Er 
war  von  der  farbigen  Wirkung  der  Stanzen  überrascht,  da  er  Rafael  nur  in  der  nazarenerhaften 
Verwässerung  kannte  und  sich  über  die  Verdienste  Giulio  Romanos  bei  den  Bildern  nicht  klar 
sein  konnte.  Merkwürdigerweise  äufserte  er  nichts  über  Michel  Angelos  Decke  und  Gericht,  die 
ihm  doch  eigentlich  näher  liegen  mufsten,  als  die  Stanzenbilder.  Sein  richtiges  Gefühl  für  Stil 
und  monumentale  Gröfse  äufserte  sich  in  seinen  Bemerkungen  über  die  Peterskirche,  die  ihm  im 
Gegensatz  zu  den  alten  Basiliken  nicht  imponirte.  Dennoch  ist  Rethel  von  directen  Einflüssen 
auch  in  Rom  durchaus  unberührt  geblieben,  eine  Einwirkung  der  Stanzen  ist  in  den  Aachener 
Bildern  nicht  zu  bemerken,  nicht  einmal  in  der  Farbe,  die  bei  Rethel  strenger  und  harmonischer  ist. 

Die  nachfolgenden  Jahre  verbrachte  Rethel  nun  unter  angestrengtester  Arbeit,  theils  in 
Aachen,  wo  er  im  Sommer  an  den  Wandbildern  arbeitete,  theils  in  Düsseldorf,  theils  in  Dresden, 
wo  er  von  der  Galerie  Anregung  und  Nutzen  erhoffte.  Diese  Unruhe,  zahlreiche  seelische  Er- 
regungen und  nicht  zuletzt  die  rein  physischen  Anstrengungen  der  mit  gröfster  Energie  betriebenen 
Frescomalerei  sollten  für  Rethel  verhängnifsvoll  werden,  und  das  grofsartige  Werk,  das  der  Künstler 
ersehnt  hatte,  um  endlich  frei  seinem  Genius  folgen  zu  können,  wurde  für  ihn  eine  Quelle 
schmerzlichster  Kümmernisse.  Inwieweit  an  dem  tragischen  Ausgang  die  erbärmlichen  und 
kleinlichen  Anfeindungen  und  das  absichtliche  oder  unabsichtliche  Mifsverstehen  seiner  Gröfse 
Schuld  haben,  inwieweit  krankhafte  Anlage  oder  noch  andere  Gründe  die  Katastrophe  vorbereitet 
haben,  wird  sich  wohl  nie  mit  Sicherheit  feststellen  lassen.  Sicherlich  sind  diejenigen  Elemente 
in  Aachen  nicht  von  Schuld  freizusprechen,  die  dem  reizbaren  Künstler  die  Arbeit  erschwert  und 
ihn  durch   die  Nadelstiche   übelwollender  und  unsachlicher  Kritik  das  Leben   verleidet  haben. 

Der  düsteren  Stimmung,  die  Rethel  während  der  Arbeit  in  Aachen  zuweilen  an  sich  selbst 
verzweifeln  liefs,  entspricht  eine  Reihe  von  Zeichnungen,  zu  denen  die  Ereignisse  des  Jahres  1848 
den  äufseren  Anlafs  gaben.  Es  waren  sechs  Blätter  eines  Todtentanzes,  zu  dem  Reinik  die  Verse 
schrieb  und  der  1848  49  in  Dresden  in  Holz  geschnitten  wurde.  Rethel,  der  in  der  Jugend  mit 
Begeisterung  den  Freiheitsideen  der  alten  Demokraten  angehangen  hatte,  zeigt  sich  hier  von  einer 
ganz  anderen  Seite.  Die  brutale  Wirklichkeit  der  Ereignisse  hat  sein  feinfühlendes  Künstlerherz 
abstofsen  und  verletzen  müssen,  und  die  Thatsache,  dafs  die  meisten  Führer  der  Bewegungen  von 
1848  nicht  die  alten,  wahrhaft  begeisterten  Anhänger  der  deutschen  Kaiseridee,  sondern  entweder 
ziellose  Narren  waren,  wie  in  Düsseldorf,  oder  noch  schlimmere  ausländische  Demagogen,  wie 
in  Berlin,  konnte  ihm  nicht  verborgen  bleiben.  So  ist  sein  Todtentanz  eine  furchtbare  Mahnung 
an  das  verführte  Volk,  das  von  dem  Würger  Tod  getäuscht  und  zur  Schlachtbank  geschleppt  wird. 
^Vas  das  Werk  aber  so  mächtig  macht,  ist  die  Thatsache,  dafs  an  ihm  der  Künstler  doch  wieder 
viel  mehr  Theil  hat,  als  der  Politiker.  Rethel  hatte  gerade  von  Dresden  aus  sich  wieder  in 
sympathischer  W^eise  über  den  dortigen  Aufstand  geäufsert,  und  so  ist  sein  Todtentanz,  dessen 
Wirkung  sich  Niemand  entziehen  wird,  ein  merkwürdiges  Beispiel,  um  wieviel  stärker  der 
künstlerische  Gedanke,  als  der  inhaltliche  bei  der  Schöpfung  eines  Kunstwerkes  wirken  kann,  und 

123 


wie  der  inhaltliche  Gedanke  im  wahren  Kunstwerk  nicht  der  Zweck,  sondern  nur  ein  Mittel  sein 
darf,  wenn  eine  mächtige  allgemeine  Wirkung  erzielt  werden  soll. 

Bei  Cornelius  war  es  umgekehrt,  und  so  bleiben  seine  grofsartigen  Cartons  in  Ewigkeit  nur 
gezeichnete  Theosophie,  während  Rethels  reactionäre  politische  Tendenzbilder,  wie  man  sie  dem 
Inhalt  nach  übelwollend  nennen  könnte,  packende,  unwiderstehliche    Kunstwerke  sind. 

Man  hat  in  den  Retheischen  Todtentanz-Blättern  (dem  Revolutions-Cyklus  ging  ein  ähnliches 
Blatt  voran,    und  später  folgten  noch  zwei  nicht  minder  ergreifende  Blätter)   schon  die  Andeutung 
des    künftigen    Leidens    finden    wollen.      Wohl    sehr    mit   Unrecht.     Dafs    mit    Gott   und    der    Welt.; 
und  sich  selbst  zufriedene  Philister,  was  damals  in  Düsseldorf  nun  einmal  nur  allzuviele  Künstler 
geworden  waren,    derlei    Compositionen   nicht   entwerfen,    liegt  ja  auf  der  Hand,   aber  wenn  schon  ^ 
die  Alten    keinen    grofsen  Geist    sich    ohne   ein   Gran  Wahnsinns,   jenes  dichterischen  W^ahnsinns,  ; 


ALFRED   RETHEL 
Aus   dem  Todtentanz 

von  dem  auch  Shakespeare  spricht,  denken  konnten,  so  ist  es  nicht  nöthig,  dafs  man  in  diesen 
künstlerisch  so  klaren  und  mächtigen  Blättern  ein  pathologisches  Element  sucht.  Todtentänze 
sind  zu  allen  Zeiten  entworfen  worden,  und  die  geistige  oder  künstlerische  Beschäftigung  mit 
dem  grandiosesten  und  ernstesten  Motiv  des  Menschenlebens,  seinem  dunkeln  Ende,  braucht 
doch  noch  nicht  das  Zeichen  drohender  Krankheit  zu  sein.  Man  braucht  freilich  auch  nicht,  wie 
ein  neuerer  Biograph  es  thut,  in  den  Todtentanzbildern  Rethels  einen  Zug  des  Modernen,  das  nun 
allerdings  recht  häufig  in  etwas  hysterischer  Weise  mit  diesen  Dingen  kokettirt,  zu  finden.  Die 
Retheischen  Todtentänze  sind  absolut  nicht  moderner  als  etwa  das  wilde  Todtenrittbild  des 
mythischen  Niederländers  aus  dem  XV.  Jahrhundert  im  Palazzo  Sclafani  zu  Palermo  oder  zahl- 
reiche andere  Schöpfungen  dieser  Art  aus  noch  älterer  Zeit,  man  denke  nur  an  die  tanzenden 
Gerippe  aui^  dem  antiken  Silberbecher  aus  Boscoreale,  aber  sie  sind  ohne  Zweifel  das  grandioseste 


124 


und  einzigartige  Werk  eines  mächtigen  Künstlergeistes,  der  sich  über  die  Trivialität  und  das 
selbstzufriedene  Behagen  seiner  Zeitgenossen  wie  ein  Riese  erhebt  und  aufser  dem  Schwert  seines 
Ernstes  auch  die  Geifsel  bitterster  Ironie  zu  führen  weifs. 

Die  sechs  Blätter  des  Todtentanzes  stellen  den  Beutezug  des  Todes  während  der  Revolution 
dar.  Aus  dem  Grabe  erhebt  sich  das  Gerippe,  das  Kreuz  hat  es  umgestürzt;  List,  Eitelkeit  und 
Blutgier  rüsten  es  aus,  die  Tollheit  bringt  das  Pferd  und  die  Lüge  die  Waage,  die  sie  der  ge- 
fesselten Gerechtigkeit  genommen  hat.  Auf  dem  zweiten  Blatt  reitet  der  Tod  mit  grimmigem 
Behagen  durch  die  Herbstlandschaft  einer  Stadt. zu,  die  Raben  krächzen  ihm  zu  und  zwei  Weiber 
entfliehen  voll  Entsetzen.  Das  dritte  Blatt  zeigt  das  Gerippe  als  Demagogen,  der  die  Waage  an 
der  Zunge  hält  und  das  Volk  aufreizt  und  belügt,  im  vierten  Blatt  drängt  es  zur  Katastrophe: 
dem  rasenden  Pöbel  reicht  der  Volksverführer  von  der  Tribüne  das  zweischneidige  Schwert  der 
Volksjustiz.  Seinem  Helfershelfer  wird  bange,  denn  schon  nahen  die  Truppen,  und  dann  auf  dem 
fünften  Blatt  demaskirt  sich  der  Fahnenträger.  W^ie  der  verkleidete  Fürst  in  der  Novelle  schlägt 
er  den  Mantel  zurück,  aber  mit  grimmigem  Hohn  zeigt  er  den  Verlorenen  seine  schauerliche 
Nacktheit.  Und.  so  reitet  er  im  letzten  Blatte,  den  blutigen  dünnen  Siegeslorbeer  um  den  Schädel, 
über  die  leichenbedeckte  Barrikade:  ,,als  Sieger  hoch  zu  Rosse  dort,  zieht  der  Verwesung  Hohn  im 
Blick,  der  Held  der  rothen   Republik". 

Ebenso  grofsartig,  theilweise  noch  stärker  an  Stimmungsreiz,  sind  die  ähnlichem  Gedanken- 
gang entsprossenen  Blätter,  ,,Das  Auftreten  der  Cholera  in  Paris" :  ,,Der  Tod  als  W^ürger"  aus  dem 
Jahre  1847  ^^d  vor  Allem  ,,Der  Tod  als  Freund"  1851.  Hier  löst  sich  der  feindselige  Trotz  gegen 
das  Ende,  die  uneingestandene  und  ewig  menschliche  Furcht  vor  dem  Tode  in  einer  Poesie,  die 
den  Künstler  über  Hafs  und  Furcht  erhebt  und  ihn  die  mächtigsten  Töne  wehmüthiger  Ver- 
söhnung   mit    dem    Unausweichlichen    anschlagen    läfst.     Wie    der    Schwanengesang    des    grofsen 

Geistes,  der  bald,  darauf  in  ewige 
Nacht  versinken  sollte,  muthet  dieses 
Blatt  an,  das  zu  einer  Zeit  entstand, 
da  sich  sein  Schöpfer  auf  der  soge- 
nannten Höhe  menschlichen  Glückes, 
im  Besitz  einer  geliebten  Braut  be- 
fand. Nichts  Gröfseres  hat  Rethel 
mehr  geschaffen,  aber  sein  jüngster 
Biograph  M.  Schmidt  betont  mit 
Recht,  dafs  der  Künstler,  der  Solches 
bilden  konnte,  gesund,  rein  und  klar 
war,  mochte  auch  der  Mensch  schon 
den  Keim  der  Krankheit  in  sich  tragen. 
Ein  drittes  Todtenbild  ist  nicht 
\vie  die  früheren  als  Holzschnitt  er- 
schienen, sondern  Zeichnung  geblie- 
ben. Es  ist  ,,Der  Tod  als  Diener", 
der  einem  Vorleser  den  tödlichen 
Trunk  gereicht  hat.  Zahlreiche  andere 
Blätter,  Zeichnungen  verschiedenster 
Art,  entstanden  innerhalb  der  un- 
ruhigen, arbeits-  und  kummervollen, 
später  von  kurzem  Eheglück  ver- 
schönten Jahre,  während  deren  Rethel 
im  Sommer  in  Aachen  malte,  in  den 
Zwischenpausen  verschiedene  Reisen 
unternahm,  um  auf  der  letzten  in 
Italien  seinem  Schicksal  zu  verfallen. 
Sie  alle  zu  nennen,  ist  hier  nicht  der 
Ort.  Die  ausführliche  treffliche  Bio- 
graphie von  Max  Schmidt  zählt  sie 
in  liebevollem  Eingehen  auf.  Nur  die 
grofsgedachten  Illustrationen  zu  dem 
Lutherlied:  „Eine  feste  Burg  ist  unser 


ALFRED  RETHEL 
Der  Tod  als  Freund 


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Gott"  mögen  noch  genannt  sein,  weil  sie  einen  Einblick  in  das  tief  religiöse  Empfinden  Rethels 
gewähren,  das  ihn,  den  Protestanten,  befähigte,  in  treuer  Freundschaft  zu  den  katholischen 
Kirchenmalern  Deger  und  C.  Müller  zu  halten,  die  gerade  um  jene  Zeit  mit  ihren  Bildern  in  der 
Apollinariskirche  in   Remagen  beschäftigt  waren. 

Von  den  Aachener  Fresken,  dem  Hauptwerk  seines  Lebens  und  dem  Hauptwerk  deutscher 
Monumentalmalerei  überhaupt,  konnte  Rethel  nur  vier  Bilder  selbst  auf  die  Wand  malen,  von 
den  anderen  hat  er  nur  die  Entwürfe  und  Cartons  fertig  stellen  können,  als  ihn  die  Krankheit 
ereilte. 

Bei  der  Concurrenz  hatte  er  sieben  Entwürfe  eingereicht:  den  , .Sturz  der  Irmensäule",  ,,Die 
Schlacht  bei  Cordova",  ,,Die  Taufe  Wittekinds",  „Die  Kirchenversammlung  zu  Frankfurt",  „Karls 
Krönung",  „Die  Uebergabe  der  Kaiserkrone  an  Ludwig"  und  ,,Otto  III.  in  der  Gruft  Karls  des 
Grofsen".  „Die  Kirchenversammlung"  wurde  aus  kirchlichen  Gründen  gestrichen,  statt  dessen 
wurden  zwei  neue  Bilder:  ,,Karl  der  Grofse,  das  Münster  bauend"  und  ,,Die  Gesandtschaft  Harun 
al  Raschid's  bei  Karl  dem  Grofsen"  eingefügt.  Letzteres  wurde  dann  wieder  mit  der  ,, Kirchen- 
versammlung" für  das  Treppenhaus  zurückgestellt  und  statt  ihrer  ,,Der  Einzug  in  Pavia"  componirt, 
so  dafs  also  acht  Bilder  für  die  durch  die  endgültige  Regelung  der  Restaurationsarbeiten  ent- 
standenen acht  spitzbogigen  W^andfelder  fertiggestellt  waren.  Rethel  begann  1847  mit  der  ,, Eröff- 
nung des  Grabes  Karls  des  Grofsen  durch  Otto  III.",  das  wegen  der  darunter  angebrachten  Fenster 
die  kleinsten  Abmessungen  hat.  Vielleicht  ist  dieses  Bild,  in  das  der  Künstler  seine  schon  seit 
Jahren  zurückgedrängte  ganze  Kraft,  wie  ein  Giefsbach,  der  sein  Wehr  zerbricht,  hineingegossen 
hat,  das  grofsartigste.  W^ie  ein  ungeheures  Gespenst  sitzt  die  Leiche  des  grofsen  Königs  im 
Ornat,  die  Krone  auf  dem  Haupt,  die  verfallenen  Züge  durch  einen  Schleier  halb  verhüllt, 
Reichsapfel  und  Scepter  in  den  erstarrten  Händen,  auf  dem  alten  Kaiserstuhl.  Das  Grauen  des 
Todes  umwittert  sie,  und  überwältigt  ist  der  junge  König  auf  die  Kniee  gesunken.  Ehrfurcht,  ge- 
mischt mit  Entsetzen,  hat  seine  Begleiter  ergriffen.  Röthliches  Fackellicht  erfüllt  mit  fahlem 
Schein  und  unheimlichem  Schatten  die  enge  Gruft.  Trübe  und  grau  fällt  nur  geringes  Tageslicht 
durch  die  Bresche.  Das  wirkliche  Licht,  das  durch  die  Fenster  unter  dem  Bilde  eindringt,  erhöht 
den  Grabeseindruck  der  gemalten  Höhle  und  die  vollendete  coloristische  W^irkung. 

Es  folgt!  als  erstes  Bild  des  eigentlichen  Cyklus  ,,Der  Sturz  der  Irmensäule"  und  als  zweites 
,,Die  Schlacht  bei  Cordova",  die  bis  1850  vollendet  waren. 

Ein  ruhiger  Triumph,  der  Sieg  einer  geistigen  Macht,  spricht  aus  dem  ersten  Bilde.  Auf- 
recht in  der  Mitte,  die  Reichsfahne  in  der  Hand,  steht  der  König  da  und  weist  den  erschreckten 
Heiden  die  Ohnmacht  ihres  Götzen.  Der  Erzbischof  neben  ihm  faltet  betend  die  Hände,  aber  er 
tritt  neben  dem  Herrscher  zurück,  wie  ja  auch  die  Bekehrung  der  Sachsen  mehr  eine  politische 
als  eine  religiöse  That  war.  Auf  den  geistigen  Sieg  folgt  der  Triumph  im  Getümmel  der  Schlacht. 
Und  auch  hier  ist  das  Königliche  in  der  Gestalt  des  auf  mächtigem  Rofs  aus  dem  Bilde  hervor- 
ragenden Helden  wunderbar  gewahrt.  Nicht  zum  Hieb,  nicht  zur  Abwehr,  nur  als  Zeichen 
der  Macht  schwingt  er  das  Schwert.  Im  Vorbeireiten  bricht  er  mit  ruhigem  eisernen  Griff  die 
Fahne  von  dem  Streitwagen  des  Feindes.  Dieser,  dessen  mattes  Gelb  einen  merkwürdigen 
coloristischen  Effect  in  der  Mitte  des  Bildes  hervorbringt,  ist  von  weifsen  Stieren  gezogen,  die 
ausbrechend  oder  zusammenstürzend  die  Ohnmacht  des  blinden  Heidenthums  symbolisiren. 
Hinter  der  machtvollen  Gestalt  des  Kaisers,  über  der  sich  ein  heifser,  gewitterschwangerer  Himmel 
wölbt,  tobt  das  Getümmel  der  Schlacht,  ohne  doch  den  Blick  von  der  mächtigen  Mittelgruppe 
abzulenken.  Nur  der  Bischof,  der  das  Kreuz  hochhebt,  ist  im  Hintergrunde  sichtbar,  und  vorn  sind 
es  zwei  Mohren,  die  vergeblich  versuchen,  dem  Vorwärtsstürmenden  sich  entgegenzuwerfen.  Ein 
dritter  bemüht  sich  um  einen  der  wildgewordenen  Stiere  des  Gespanns.  Alle  diese  Figuren  sind 
von  leidenschaftlichem  Leben  erfüllt,  das  in  merkwürdigem  Gegensatz  zu  der  Ruhe  aller  anderen 
Bilder  steht.  Wundervoll  sind  die  Stiere,  die  den  Beweis  liefern,  wie  Rethel  auch  die  Thier- 
gestalt  beherrschte  und  monumental  zu  gestalten  verstand.  Welch  ein  Unterschied  auch  zwischen 
dem  Rofs  des  Kaisers  und  dem  famosen  Schimmel  des  Heltorfschen  Barbarossabildes  von  Lessing. 
Gerade  diese  beiden  Bilder  lassen,  wie  in  der  plötzlichen  Helle  eines  Blitzstrahls,  die  ungeheuere 
Kluft  erkennen,  die  Rethels  Kunst  von  Allem,  was  seine  Zeitgenossen  hervorgebracht  haben, 
scheidet. 

Das  nächste  Bild  neben  der  von  elementarer,  stürmender  Kraft  erfüllten'  ,, Schlacht  zu 
Cordova"  ist  der  mehr  repräsentative  ,, Einzug  in  Pavia",  das  letzte  Bild,  das  Rethel  selbst  in 
Fresco  ausführte  und  im  September  1851  beendete.  Hier  herrscht  wieder  die  majestätische  Ruhe, 
aber  auch  der  Ernst  der  vorangegangenen  Kämpfe    spricht  sich   in  der  Gestalt  des  langsam  durch 

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das  halbzerstörte  Thor  einreitenden,  fast  finster  blickenden  Kaisers  aus,  zittert  in  all'  den  Menschen 
nach,  die,  sei  es  als  Sieger,  sei  es  als  Besiegte,  die  Hauptfigur  des  Triumphators  umgeben.  In 
dem  seitwärts  zu  Pferde  haltenden  Bischof  drückt  sich  Etwas  wie  die  beginnende  Eifersucht  der 
Kirche  auf  das  allzu  mächtig  werdende  Kaiserthum  aus. 

Nach  Vollendung  dieser  Bilder  mufste  Rethel  die  Arbeit  einstellen,  ,,theils  aus  Gesundheits- 
rücksichten, theils  damit  die  von  der  städtischen  Verwaltung  veranlafste  decorative  Aus- 
schmückung des  Saales  bewirkt  werden  konnte".  Er  sollte  seine  Thätigkeit  in  Aachen  nicht 
wieder  aufnehmen. 

Im  Februar  1854  theilte  Wiegmannn,  Lehrer  der  Architektur  an  der  Akademie  und  lang- 
jähriger Secretär  des  Kunstvereins,  den  Aachenern  mit,  dafs  keine  Aussicht  zur  Wiederaufnahme 
der  Arbeit  durch  Rethel  sei.  und  es  wurde  nun  von  einer  Commission,  die  aus  Schadow,  Wieg- 
mann  und  Deger  bestand,  der  Gehülfe  Rethels,  Joseph  Kehren,  vorgeschlagen,  um  die  noch 
fehlenden  vier  Bilder  nach  den  Entwürfen  Rethels  auszuführen.  Bei  dieser  Gelegenheit  zeigte 
sich  das  Unverständnifs  Schadows  für  die  Gröfse  Rethels  in  grellem  Licht.  Nicht  nur  erklärte 
er,  dafs  Kehren  vor  Rethel  das  Talent  einer  schönen  harmonischen  Wirkung  der  Farbe  voraus 
habe,  sondern  er  constatirte  sogar  bei  den  von  Rethel  ausgeführten  Bildern  verschiedene  Mängel. 
Zur  Beseitigung  derselben  schlug  er  Tempera-Retouchen  vor,  welche  diese  Gemälde  zwar  nicht  zu 
ganz  vollkommenen  Kunstwerken  machen  würden,  aber  dieselben  soweit  verbessern  würden,  dafs 
auch  das  nicht  kunstgebildete  Publikum  imstande  sein  werde,  dem  Eindruck  dieser  übrigens  grofs- 
artigen  und  geistvollen  Schöpfung  sich  ungestört  hinzugeben. 

Schadow  hat  damit  den  Beweis  erbracht,  dafs  ihm  damals  der  unbefangene  Blick,  den  seine 
ersten  Schüler  an  ihm  rühmten,  verloren  gegangen  war.  Freilich  konnte  der  Schöpfer  des  drei- 
theiligen  Bildes  ,, Fegfeuer,  Paradies  und  Hölle"  {1852)  auch  kaum  die  gesunde  Kraft  Rethels 
würdigen.  Was  ihm  bei  Kehren  als  ein  Vorzug  erschien,  die  harmonische  Wirkung  der  Farbe, 
das  empfindet  der  Beschauer  heute  im  Rathhaussaal  als  unangenehme  süfse  Buntheit  der  letzten 
vier  Bilder  neben  der  bewufst  beschränkten,  dem  Gegenstand  und  dem  Stil  des  niederen  steinernen 
Saales  angepafsten,  eminent  vornehmen  Coloristik  der  von  Rethel  selbst  gemalten  Bilder,  die  wohl 
kaum  durch   die  Tempera-Retouchen  ihr  Uebergewicht  über   die   anderen  erhalten  haben  werden. 

Von  der  , .Taufe  Wittekinds"  gehört  also  noch  der  Carton  Rethel  an,  während  bei  der  Aus- 
führung der  folgenden  Bilder  sich  Kehren  auf  die  blofsen  Entwürfe  angewiesen  sah.  Hier  über- 
wiegt nun  das  Repräsentative  noch  mehr,  als  bei  dem  ,, Einzug  in  Pavia",  und  zwar  schon  in 
einer  auch  die  Composition  beeinflussenden  Weise.  Bei  der  „Taufe  Wittekinds"  ist  das  hohe 
Podest,  auf  dem  die  Haupthandlung  vor  sich  geht,  eine  künstliche  Vorrichtung,  die  das  Bild  in 
zwei  organisch  nicht  durchaus  zusammenhängende  Theile  scheidet.  Und  dabei  ist  der  untere 
Theil  eigentlich  überflüssig,  da  er  nur  zuschauende  Krieger  und  andere  Statisten  enthält. 

In  der  Krönung  ist  wenigstens  die  W^eihe  des  Momentes,  mag  derselbe  auch  etwas  Ge- 
künsteltes haben,  vortrefflich  zum  Ausdruck  gelangt.  Das  Witzwort  des  Königs  Friedrich 
Wilhelm  IV.:  „Solche  Ueberraschungen  kennt  man",  das  er  bei  der  Betrachtung  des  Entwurfes 
aussprach,  enthält  aber  doch  auch  eine  nur  zu  treffende  Kritik.  Auch  die  Ueberraschung  Karls 
durch  die  Gesandten  des  Papstes,  die  aus  Ravenna  Säulen  für  den  Neubau  des  Aachener  Münsters 
bringen,  gehört  in  diese  Kategorie,  und  die  Thätigkeit  des  Kaisers  selbst,  der  mit  der  Bleiwaage 
hantirt,  hat  etwas  ebenso  Conventionelles,  wie  Unwahrscheinliches.  Nur  das  letzte  Bild  schlägt 
noch  einmal  die  vollen  Accorde  der  mächtigsten  Retheischen  Kunst  an.  Ergreifend  ist  die  Gestalt 
des  greisen  Herrschers,  der  von  zwei  Dienern  gestützt,  aber  in  fast  übermenschlicher  Gröfse  Alle 
überragt  und  auf  den  Thron  wie  auf  das  Symbol  der  unsterblichen  kaiserlichen  Macht  hinweist, 
während  die  schlanke  Gestalt  des  Sohnes  mit  weitausgreifendem  Arm  die  Krone  von  dem  Kissen 
hebt,  um  die  schwere  Last  auf  sein  jugendliches  Haupt  zu  nehmen.  Selbst  im  Entwurf  sind  die 
Züge  des  alten  Herrschers  von  erschütterndem  Ausdruck.  Man  möchte  an  den  Ausdruck  in  dem 
letzten  Bildnifs  unseres  alten  Kaisers  denken,  den  Lenbach  in  so  ergreifender  Treue  festgehalten  hat. 

Die  Entwürfe  der  , .Kirchenversammlung"  und  der  , .Gesandtschaft  Harun  al  Raschids", 
die  im  Treppenhause  Platz  finden  sollten,  geben,  allerdings  den  Motiven  entsprechend,  mehr 
repräsentative  Darstellungen,  die  durch  die  Gleichmäfsigkeit  der  Composition  auffallen,  auf  beiden 
wieder  und  zwar  beide  Male  auf  derselben  Seite  jenes  Podest,  das  nun  einmal  immer  ans  Theater 
erinnert. 

Der  hohe  künstlerische  Werth  der  Fresken  Rethels  beruht  fast  ausschliefslich  auf  denselben 
Eigenschaften,  die  sie  von  der  damaligen  Kunst  und  nicht  blofs  der  Düsseldorfer  grundsätzlich 
unterscheiden,    und    nur    darin    ist    auch    der    Grund    zu    suchen,    weshalb    sie    im    Publikum   mehr 

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Befremden  als  etwas  Anderes,  bei  den  zeitgenössischen  Künstlern  zwar  Bewunderung,  aber  kein 
eigentliches  fruchtbringendes  Verständnifs  fanden.  Die  Entwicklung  der  Menschheit  liebt  eben 
keine  Sprünge,  und  Rethels  Monumentalkunst  war  der  Kunst  ihrer  Zeit  um  fast  ein  Menschen- 
alter, mindestens  um   ein  Künstleralter  voraus. 

Man  kann  den  Werth  eines  Kunstwerkes  wohl  danach  schätzen,  einmal  inwieweit  der  in 
ihm  dargestellte  Gedanke  oder  das  in  ihm  behandelte  Ereignifs  in  prägnantester  Weise  zum 
Verständnifs  und  in  die  Erscheinung  gebracht  worden  ist,  so  dafs  ein  Irrthum  des  menschlichen 
Vorgangs,  selbst  bei  dem  Ungelehrten,  wenn  auch  nicht  Ungebildeten  unmöglich  ist.  Und  es  wird 
sich  der  Künstler  somit  auch  in  der  Wahl  des  Gegenstandes  offenbaren,  insofern  er  keine  Gegen- 
stände erwählt,  die  zu  Mifsverständnissen  Anlafs  geben  oder  überhaupt  malerisch,  d.  h.  verständlich 
nicht  darstellbar  sind,  wie  es  die  zahlreichen  später  und  auch  damals  schon  gemalten  Novellen  sind, 
die  eigentlich  nur  Illustrationen  zu  irgend  einer  mehr  oder  weniger  bekannten  Geschichte  und  an 
und  für  sich,  d.  h.  ohne  Commentar,  kaum  verständlich  sind.  Das  Publikum  hat  übrigens  für  solche 
Bilder  häufig  eine  grofse  Vorliebe,  da  sie  angeblich  ,,zu  denken  geben",  das  Schlimmste,  was  man 
von  einem  Bilde  sagen  kann,  das  nicht  zum  Denken,  sondern  zum  Schauen  anregen  soll  und  sich 
dadurch  von  den  Werken  der  Griffelkunst  sehr  wohl  unterscheidet. 

Dann  aber  wird  das  Kunstwerk  nach  der  Hinsicht  zu  beurtheilen  sein,  inwiefern  die  einzelnen 
Factoren  in  ihm  künstlerisch  verwendet  sind,  und  hier  ist  nun  freilich  das  Urtheil  ein  ungeheuer 
schwieriges.  Die  Ansichten  über  das,  was  künstlerisch  schön  ist,  haben  von  Epoche  zu  Epoche 
oft  in  verblüffendster  Weise  sich  geändert.  Die  Künstler,  die  von  ihren  Zeitgenossen  als  Halb- 
götter gepriesen  wurden,  waren  nach  einem  halben  Jahrhundert  vergessen  oder  mifsachtet  und 
umgekehrt,  und  gerade  bei  Denjenigen,  welche  sich  mit  Kunst  beschäftigten,  sind  diese  Aenderungen 
des  Geschmacks  am  stärksten  zu  beobachten;  der  grofse  Haufe  betet  auch  hier  nur  nach.  Und 
hier  bleiben  zu  Anhaltspunkten  bei  der  Beurtheilung  nur  die  Natur  und  solche  Kunstwerke,  welche 
bei  einer  sehr  eingehenden  Kenntnifs  alles  dessen,  was  die  Menschheit  durch  ihre  verschiedenen 
Völker  und  in  ihren  verschiedenen  Epochen  auf  den  Gebieten  der  verschiedenen  Künste  geschaffen 
hat  und  bei  einer  sehr  vorsichtigen  und  alle  Nebenbeziehungen  berücksichtigenden  Aus\vahl,  als 
die  hervorragendsten  übrig  geblieben  sind. 

Es  ist  wohl  keine  Ueberhebung,  wenn  man  unserer  Zeit  die  Fähigkeit  einer  solchen  Ob- 
jectivität  eher  als  irgend  einer  früheren  zutraut.  Man  wird  dazu  berechtigt  sein  durch  die  That- 
sache,  dafs  niemals  eine  so  eingehende  Kenntnifs  aller  früheren  und  gleichzeitigen  Kunstwerke 
bestanden  hat  und  zufolge  ungünstiger  Verkehrsmittel  und  anderer  Umstände  auch  nicht  bestehen 
konnte,  und  der  Beweis  wird  geliefert  dadurch,  dafs  der  Kunstverständige  heute  Erzeugnisse  der 
verschiedensten  Epochen,  ja  gewisse  Erzeugnisse  in  allen  Epochen  (unabhängig  natürlich  von  dem 
von  Monat  zu  Monat  fast  wechselnden  Modegeschmack  des  Kunsthandels,  der  Presse  und  des 
Secessionismus)  zu  verstehen  und  zu  schätzen  bemüht  und  imstande  ist. 

Also  Natur  und  wirkliche  Kunstwerke,  das  sind  die  Mafsstäbe,  natürlich  nur  insoweit  sie  dem 
immerhin  sterblichen  und  also  dem  Irrthum  unterworfenen  Auge  verständlich  und  zugänglich  sind. 
Legt  man  diese  Mafsstäbe  an  die  Retheischen  Fresken,  —  es  dürfen  hierbei  allerdings  nur  die  vier 
ersten  in  Betracht  kommen  — ,  so  wird  man  finden,  dafs  die  Vergleichung  mit  dem,  was  wir  heute 
als  das  Gröfste  an  monumentaler  Kunst  kennen,  also  etwa  die  Parthenonfiguren,  die  Pisaner 
Campo  santo-Fresken,  die  Stanzen  und  die  Decke  der  Sixtina,  den  Retheischen  Bildern  nicht 
schadet,  dafs  sie  neben  diesen  Werken,  die  wir  heute  als  Hochburgen  in  dem  weiten  Gebiete 
der  Kunst  erkennen  zu  müssen  glauben,  sich  halten  und  an  ihrer  Kraft,  ihrem  seelischen  Eindruck 
nichts  einbüfsen.  Fast  noch  schwieriger  ist  für  den  Laien  die  Vergleichung  mit  der  Natur,  denn 
die  Natur  ist  eben  geheimnifsvoU  am  lichten  Tag,  und  wer  die  W^irklichkeit,  wie  sie  sich  auf  der 
Strafse  zeigt  oder  wie  etwa  der  treffliche  Chodowiecky  sie  so  bieder  dargestellt  hat,  für  Natur 
nehmen  möchte,  der  wird  freilich  vor  den  Retheischen  Bildern  zurückfahren.  Aber  wer  sich 
bemüht  hat,  hinter  den  Schleiern  der  Wirklichkeit,  die  Manche  gerne  für  den  Kern  selber  nehmen, 
diesen  Kern,  die  Natur  selbst  zu  sehen,  der  wird  gerade  bei  Rethel  die  geheimnifsvoUe  Ver- 
bindung von  hoher  Kunst  mit  tiefstem  intuitiven  Natur-  und  Menschenverständnifs  finden.  Nicht 
als  ob  die  Menschen  in  diesen  Momenten  sich  unbedingt  gerade  so  benommen  hätten,  aber  dafs 
der  Moment  durch  lebendige  Menschen  nicht  menschlicher  und  vor  Allem  nicht  verständlicher 
hätte  zur  Erscheinung  gebracht  werden  können. 


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VII.  Kapitel 

Die  katholisch -kirchliche  Malerei 


INE  der  eigenthümlichsten  Erscheinungen  innerhalb  der  neueren  deutschen  Kunst  ist  jene 
Gruppe  von  Künstlern,  die  sich  unbekümmert  um  all'  die  suchenden,  aufstrebenden,  fort- 
schreitenden Strömungen  in  ihrer  Umgebung  zusammenschlofs,  um  noch  ganz  im  Sinne 
von  um  fast  ein  halbes  Jahrhundert  rückwärtsliegenden  Bestrebungen  das  Heil  der  Kunst 
und  gleichzeitig  damit  ihr  Seelenheil  in  einem  bewufsten  Zurückgehen  auf  die  klöster- 
liche Frömmigkeit  und  die  ascetische  Kunst  gewisser  alter  Italiener  zu  suchen.  Diese  Leute 
standen  fast  genau  auf  demselben  Boden,  wie  die  römischen  Nazarener,  sie  besafsen  dieselbe 
Frömmigkeit,  dieselbe  Begeisterung  und  waren  in  Bezug  auf  die  Entwickelung  ihrer  Kunst  fast 
demselben  Irrthum  verfallen,  wie  jene,  nämlich  etwas  Neues  und  Lebensfähiges  im  engsten  An- 
schlufs  an  etwas  Vergangenes,  Abgeschlossenes  und  Fremdländisches  aufbauen  zu  wollen.  Wenn 
es  ihnen  dennoch  gelang,  Achtenswerthes  und  für  Viele,  die  nicht  auf  dem  rein  künstlerischen 
Standpunkt  stehen,  sogar  Bewundernswerthes  zu  schaffen,  so  lag  das  an  der  inneren  Tüchtigkeit 
ihrer  Persönlichkeit,  die  sie  zu  aufopfernder,  überzeugungs-  und  glaubensvoller  Thätigkeit  be- 
fähigte und  an  ihrer  trefflichen  künstlerischen  Erziehung  und  gewissenhaften  Arbeit.  Es  lag  aber 
nicht  zum  wenigsten  auch  an  dem  äufserlichen  Glücksfall,  der  ihnen  am  Anfang  ihrer  Laufbahn 
die  Möglichheit  zur  Ausführung  einer  gemeinsamen,  grofsartigen  Arbeit  gewährte,  in  der  sie  nicht 
nur  selbst  ein  abgeschlossenes  Werk  von  höchstem  und  intimstem  Reiz  schaffen  konnten,  sondern 
auch  eine  Stärkung  ihres  Könnens  und  Wollens  fanden,  die  für  ihr  ganzes  späteres  Leben  und 
Schaffen  von  nachhaltiger  Wirkung  war  und  sie  vor  allen  Bewegungen  und  Schwankungen 
schützte,  die  gerade  ihnen  nur  hätten   verderblich   werden   müssen. 

Es  scheint,  dafs  die  Anregung  zu  der  Ausmalung  der  Apollinariskirche  bei  Remagen  zuerst 
von  Schadow  ausgegangen  ist,  der  zwar  im  Allgemeinen  der  Frescomalerei  nicht  gerade  allzu 
sympathisch  gegenüberstand,  aber  für  Werke  kirchlicher  Kunst  deren  Bedeutung  anerkannte.  Der 
Besitzer  jener  alten  Kirche  war  seit  einigen  Jahren  der  Freiherr  Franz  Egon  von  Fürstenberg, 
ein  ebenso  frommer  wie  kunstliebender  Mann,  der  mit  grofser  Begeisterung  im  Jahre  1838  den 
Plan  einer  Ausmalung  der  Kirche  aufnahm  und  die  Arbeit  den  drei  Schülern  Schadows:  Deger. 
Carl  und  Andreas  Müller  übertrug.  Freilich  wurde  die  Ausführung  noch  verzögert,  weil  bei  einer 
Untersuchung  der  Kirche  sich  herausstellte,  dafs  dieselbe  baufällig  sei.  Der  Besitzer  war  grofs- 
herzig  genug,  den  Vorschlag,  nur  Oelgemälde  in  ihr  aufzuhängen,  abzulehnen,  und  sich  zu  einem 
vollständigen  Neubau  zu  entschliefsen,  der  nach  Plänen  des  Dombaumeisters  Zwirner  sofort  in 
Angriff  genommen  und  1843  soweit  fertig  gestellt  war,  dafs  mit  der  Bemalung  der  Wände  be- 
gonnen werden  konnte.  Von  den  drei  Künstlern,  die  mit  diesem  Werk  betraut  wurden,  war 
Deger  der  älteste  und  schon  damals  das  Haupt  der  kleinen  Künstlergemeinde,  die  sich  in  ihrer 
streng  kirchlichen  Richtung  von  der  grofsen  Schadowschule  abzuzweigen  begonnen  hatte.  Sie 
lehnte  die  ästhetisch -romantischen  Anklänge,  die  der  religiösen  Kunst  nicht  nur  der  Schule, 
sondern  besonders  auch  Schadows  anhafteten,  ab,  und  es  entstand  deshalb  allmählich  auch  zwischen 
ihr  und  Schadow  eine  leise  Spannung,  die  später  wesentlich  dazu  beitrug,  Schadow  auch  nach 
dieser  Seite  hin  zu  isoliren. 

Ernst  Deger  war  am  15.  April  1809  zu  Bokenem  bei  Hildesheim  geboren  und  hatte  zunächst 
die  Akademie  in  Berlin  besucht.  Als  er  dort  aber  die  ersten  Düsseldorfer  Bilder  gesehen  hatte, 
lockte  auch  ihn  die  dort  entstandene  neue  Schule  an  und  er  siedelte  1829  nach  Düsseldorf  über. 
Hier  begann    er    eine    äufserst    angestrengte    und    lediglich    auf  das  Gebiet  rein  kirchlicher  Malerei 


beschränkte  Thätigkeit.  Es  entstand  eine  Reihe  von  Schöpfungen,  die  Degers  Ruhm  in  den 
kirchlichen  Kreisen  bald  befestigten  und  zwar  in  katholischen,  sowohl  wie  in  protestantischen, 
denn  in  jenen  verhältnifsmäfsig  harmlosen  Zeiten  malte  er,  vielfach  im  Auftrage  des  Kunstvereins, 
Altarblätter,  ebensowohl  für  katholische  wie  für  protestantische  Kirchen.  In  seinen  Motiven  be- 
schränkte er  sich  meist  auf  wenige  Figuren  und  es  scheint  fast,  als  ob  er  damals  in  seinem 
Schaffen  mit  einer  gewissen  Schwerfälligkeit  der  Phantasie  zu  kämpfen  gehabt  hätte,  bis  ihm 
gerade  die  monumentalen  Aufgaben  über  diesen  Mangel  hinweghalfen. 

Carl  Müller  war  etwa  zehn  Jahre  jünger  als  Deger.  i8i8  in  Darmstadt  aus  einer  ursprünglich 
rheinischen  Familie  geboren,  war  er  seit  1835  Schüler  der  Sohnschen  Malklasse  in  Düsseldorf  und 
hatte  auch  schon  einige  kleine  Bilder  religiösen  Inhalts  gemalt,  die  meist  der  Kunstverein  ange- 
kauft hatte.  Sein  älterer  Bruder  Andreas,  1811  geboren,  hatte  seine  Studien  in  München  begonnen, 
war  aber  ebenfalls  seit  1834  nach  Düsseldorf  übergesiedelt,  wo  er,  nachdem  sein  erstes  Bild  noch 
dem  romantischen  Stoffkreise  angehört  hatte,  es  war  „Der  Knabe  vom  Berge"  nach  Uhland,  sich 
ebenfalls  der  religiösen  Malerei  zuwandte,  in  der  er  übrigens  gewisse  genrehafte  Züge  niemals 
ganz  verleugnet  hat. 

Deger  und  Andreas  Müller  hatten  Düsseldorf  1837  verlassen,  um  sich  für  die  Arbeit  in 
Remagen  vorzubereiten.  Das  konnte  nach  den  damaligen  Anschauungen  im  Allgemeinen  und 
nach  den  Anschauungen  der  kleinen  Künstlergruppe  im  Besonderen,  eben  nur  in  Rom  geschehen, 
wo  denn  auch  die  Cartons  gröfstentheils  vollendet  wurden.  Freilich  hielt  Florenz  die  beiden 
Reisenden  lange  Zeit  fest,  und  in  der  That  hat  der  Florentiner  Fra  Angelico  die  jungen  Düssel- 
dorfer Heiligenmaler  mehr  beeinflufst,  als  irgend  ein  anderer  Italiener,  und  selbst  in  Rom  werden 
sie  mehr  die  kleine  von  dem  Mönch  gemalte  Capella  Niccolö  V.  studiert  haben,  als  die  Stanzen 
oder  gar  die  Sixtina. 

Im  nächsten  Jahre  folgte  Carl  Müller  nach  Italien.  In  seiner  Begleitung  befand  sich  ein 
vierter  junger  Maler,  der  auf  besonderen  Wunsch  Schadows  zur  Theilnahme  an  der  grofsen  und 
schönen  Arbeit  zugelassen  werden  sollte.  Es  war  dies  Franz  Ittenbach,  der,  1813  in  Königswinter 
geboren,  seit  1832  in  Düsseldorf  studirte  und  auch  schon  einige  Bilder  streng  religiöser  Richtung 
gemalt  hatte,  obwohl  er  unter  dem  Druck  seiner  nicht  glänzenden  Verhältnisse  sich  auch  in  der 
Porträtmalerei  mit  Glück  beschäftigte.  So  durfte  er  den  im  Jahre  1837  in  Minden  internirten 
Kölner  Erzbischof  Clemens  August  Droste  zu  Vischering  in  seiner  Gefangenschaft  malen  und 
vollendete  diese  Arbeit  zu  allseitiger  Zufriedenheit. 

In  Italien,  wohin  diese  Beiden  in  Gesellschaft  Schadows  und  seiner  Familie  hatten  reisen 
können,  begann  ein  überaus  anregendes  und  fruchtbringendes  Zusammenarbeiten  der  vier  Kunst- 
genossen, die  nicht  verfehlt  hatten,  auch  den  noch  in  Rom  lebenden  Overbeck  aufzusuchen  und 
bei  ihm,  der  noch  immer  als  das  Haupt  der  neuen  religiösen  Malerei  überhaupt  galt,  Belehrung 
und  Anregung  zu  suchen.  Ob  gerade  zum  Vortheil,  mag  dahingestellt  bleiben.  Overbeck  war 
damals  schon  in  jene  Richtung  eingetreten,  die  ihn  von  der  lebendigen  Kunst  immer  mehr  zur 
Tendenz  führte.  Es  scheint  aber  auch,  dafs  sein  Einflufs  nur  ein  ziemlich  beschränkter  war, 
denn  dafs  Deger  sich  sogar  der  Kritik  Kaulbachs,  mit  dem  er  in  Rom  in  einem  Hause  gewohnt 
hatte,  ,,mit  grofsem  Nutzen"  unterwarf,  beweist  die  damalige  Unabhängigkeit  der  jungen  Düssel- 
dorfer von  der  ausgesprochenen  Tendenz,  die  Overbeck  damals  schon  beherrschte.  Andererseits 
tauchte  aber  in  ihnen  doch  auch  schon  der  Gedanke  und  die  lebhafte  Hoffnung  auf,  in  Düsseldorf 
eine  echt  christliche  Malerschule  im  Sinne  der  Klosterbrüder  gründen  zu  können. 

Im  W^inter  1843  begannen  die  Arbeiten  in  der  Kirche  selbst,  um  mit  Unterbrechungen,  wie 
sie  in  der  Natur  der  Sache  liegen,  1851  im  figuralen  Theil,  1856  oder  1857  vollständig  auch  in  der 
decorativen  Ausschmückung  vollendet  zu  werden.  1857  wurde  die  Kirche  eingeweiht,  um  von  nun 
an  als  eines  der  interessantesten  Denkmäler  der  neuen  deutschen,  insbesondere  der  kirchlich- 
katholischen Malerei  der  Oeffentlichkeit  übergeben  zu   werden. 

Bei  einer  Beschreibung  des  gesammten  Bilderschmuckes  ist  zunächst  das  Nebeneinander- 
und  Zusammenarbeiten  der  vier,  zwar  demselben  Ziel  zustrebenden,  aber  unter  sich  doch  ver- 
schiedenen Künstler  zu  berücksichtigen.  Bei  der  merkwürdigen  und  in  ihrer  Art  einzigen  seelischen 
Harmonie,  die  unter  ihnen  herrschte,  wirkte  dieses  Zusammenarbeiten  aber  niemals  störend,  und 
man  wird  das  wohl  nicht  mit  Unrecht  der  fast  klösterlichen  Zucht,  die  sie  bei  der  Arbeit,  wie 
bei  einem  Gottesdienst  einhielten,  zuschreiben  können. 

Nicht  ganz  glücklich  erscheint  die  Häufung  und  Eintheilung  der  Motive,  sowie  die  künstlerische 
Anlage  derselben.  Nicht  weniger  als  drei,  oder  wenn  man  will,  vier  Gedanken-  oder  Geschichten- 
reihen   gehn   hier   neben-  und  durcheinander,  und  das   Mittel,    das  gewählt  wurde,  sie  auseinander 

134 


zu  halten,  verschiedene  Gröfse  der  Figuren,  kann  nicht  als  ein  dem  neuzeitlichen  Geschmack 
entsprechendes  bezeichnet  werden.  Freilich  hat  ja  auch  die  Wandmalerei  sowohl  der  frühesten 
Zeit,  als  auch  der  Renaissance  sich  dieses  Aushülfemittels  bedient,  ohne  dafs  es  deshalb  vor- 
bildlich zu  sein  brauchte.  Und  bei  den  alten  Wandgemälden  wird  der  unwirkliche  und  unhar- 
monische Eindruck,  den  Menschen  in  den  verschiedensten  Mafsstäben  auf  derselben  Wand  machen 
müssen,  durch  eine  bewufst  decorative  Behandlung  der  Bildflächen  etwas  verwischt. 

Es  ist  ja  ohne  Zweifel  ein  grofser  Unterschied,  ob  ein  Wandgemälde  lediglich  als  decorativer 
Schmuck  gedacht  ist,  als  aufgehängter  Teppich,  als  Gobelin  oder  selbst  als  ein  auf  der  Wand 
angebrachtes  Bild,  oder  ob  das  Wandgemälde  seiner  Behandlung  und  Ausführung  nach  den  Eindruck 
des  realen  Vorgangs,  den  Eindruck  der  Wirklichkeit  anstrebt.  Letzteres  hat  die  Monumental- 
kunst der  Renaissance  nur  zeitweise  und  in  beschränktem  Umfang  versucht.  Die  ältere  Zeit  hat 
ganz  darauf  verzichtet.  Merkwürdigerweise  allerdings,  aber  eigentlich  ganz  folgerichtig  ist  es  nur 
gerade  Fra  Angelico,  der  in  seinen  Wandgemälden  in  San  Marco,  welche  die  Wunder  Christi  u.  s.  w. 
darstellen,  auf  die  blofs  decorative  Wirkung  verzichtet  und  das  Wunderbare  als  möglichst  wirklich 
darzustellen  versucht.  Auch  bei  den  im  selben  Sinne  meist  realistisch  gemeinten  Bildern  in  der 
Apollinariskirche  fehlt  die  bewufst  stilisirende  Absicht,  und  es  bleibt  der  Gegensatz  zwischen  den 
Verhältnissen  der  Menschen  in  den  einzelnen  Bildern  ungelöst. 

Die  Apollinariskirche  ist  im  gothischen  Stil  über  einem  griechischen  Kreuz  aufgeführt.  Ihrer 
Bestimmung,  ausgemalt  zu  werden,  gemäfs,  eigentlich  aber  keineswegs  im  Sinne  der  Gothik, 
enthält  sie  nur  ein  grofses  Fenster  an  der  Südseite  und  eines  an  der  Westseite  über  dem  Eingang, 
ferner  einige  kleinere  Fenster  und  Oeffnungen  im  Chor.  Die  anderen  Wände  sind  ganz  für  die 
Malereien  vorbehalten  und  bieten  im  Innern  grofse  und  schöne  Flächen.  Die  Anordnung  der  Stoffe 
ist  die,  dafs  im  Mittelschiff  links  und  an  der  Schlufswand  des  linken  Querschiffes  die  Geschichte 
Christi,  rechts  die  Geschichte  der  Maria;  an  den  Längswänden  des  Querschiffes  die  Geschichte 
des  heiligen  Apollinaris  und  im  Chor  Christus  mit  Maria  und  Joseph  (in  der  Wölbung),  unten 
Apostelfiguren  dargestellt  sind.  Entsprechend  den  grofsen  Flächen  der  Wände  im  Langschiff  sind 
die  Figuren  dieser  Bilder  die  gröfsten.  Kleiner  sind  die  der  ApoUinarislegende,  und  unter  diesen 
zieht  sich  noch  eine  Reihe  von  Darstellungen  auf  Goldgrund  aus  der  Passion  und  wieder  aus  der 
Legende  des  Heiligen  in  kleinerem  Mafsstab  mit  noch  kleineren  Figuren  hin.  Bei  der  Vertheilung 
unter  die  Künstler  kamen  auf  Deger  und  C.  Müller  die  Hauptbilder  der  Passion  und  des  Marien- 
lebens; auf  A.  Müller  die  Bilder  der  ApoUinarislegende  und  auf  Ittenbach  und  A.  Müller  die 
kleinen  Darstellungen  aus  der  Jugendgeschichte  und  der  Passion  Christi.  Andreas  Müller  führte 
aufserdem  die  ornamentale  und  decorative  Ausschmückung  der  Umrahmungen  und  der  Architektur- 
theile  aus. 

Auf  der  Eingangswand  befinden  sich  an  der  Orgelbühne  hoch  oben  „König  David"  und  eine 
„Heilige  Cäcilie"  von  A.  Müller,  auf  der  nördlichen  Wand  daneben  ,,Die  Geburt  Christi"  von  Deger, 
eines  der  Hauptbilder  dieses  Künstlers,  an  das  sich  am  Ende  des  linken  Kreuzarms  „Die  Kreuzigung" 
anschliefst,  um  mit  der  ebenfalls  grofsen  ,, Auferstehung"  im  Chor  diese  Reihe  abzuschliefsen. 
Diesen  Bildern  gegenüber  hatte  Carl  Müller  die  Darstellungen  aus  dem  Leben  Maria  übernommen. 
Er  beginnt  mit  der  ,, Geburt"  und  den  „vorbildlichen  Frauen".  An  der  Fensterwand  des  Querschiffes 
folgt  ,,Die  Verkündigung"  in  zwei  kleinen  Figuren  an  den  Seiten  der  Fenster  und  der  Gestalt 
Gottvaters  über  demselben,  und  schliefslich,  gegenüber  der  „Auferstehung  Christi"  von  Deger  ,,Die 
Himmelfahrt  Maria  und  ihre  Krönung".  Unter  diesen  grofsen  sechs  Bildern  befinden  sich  die 
kleinen  Darstellungen  und  zwar  vom  Eingang  an  beginnend,  unter  der  Geburt  Christi :  ,,Die 
Darbringung  im  Tempel"  und  ,,Der  zwölfjährige  Jesus  im  Tempel",  beide  von  Ittenbach.  Unter 
der  Kreuzigung;  „Christus  am  Oelberg",  ,,Die  Geifselung",  ,,Die  Dornkrönung",  ,,Die  Kreuz- 
schleppung"  und  ,, Christus  am  Oelberg"  von  Deger,  in  der  Umrahmung  des  Bildes  Engel  und 
Propheten,  ebenfalls  von  Deger.  Unter  der  Auferstehung:  „Die  Erscheinung  des  Herrn  vor  Maria", 
,, Magdalena  im  Garten"  und  ,, Schlüsselamt  Petri"  von  Ittenbach.  Unter  den  Müllerschen  Bildern 
aus  der  Geschichte  der  Maria  befinden  sich:  unter  der  Geburt  und  den  vorbildlichen  Frauen :  ,,Die 
Begegnung  der  Eltern  der  Maria  an  der  goldenen  Pforte"  und  ,, Maria  steigt  die  Tempelstufen 
hinan"  von  Ittenbach.  Unter  den  Verkündigungsfiguren:  ,,Die  Heimsuchung  Maria  durch  Elisabeth" 
und  „Die  Vermählung  der  Maria  mit  Joseph".  Unter  der  Himmelfahrt  Maria;  „Der  Tod"  und 
,,Das  Begräbnifs  Maria",  beide  wieder  von  Ittenbach. 

Vor  der  Chornische  befinden  sich  links  die  Gestalt  der  Maria  mit  dem  Jesuskind,  rechts  die 
des  Joseph,  von  Deger,  und  auf  dem  Triumphbogen  oben  das  Lamm,  umgeben  von  den  Symbolen 
der  Evangelisten,  und  angebetet  von  aufsteigenden  Engelsgruppen,  von  Carl  Müller.    Ferner  enthält 

135 


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der  Triumphbogen  innen  grau  in  grau  gemalte  Darstellungen  der  sieben  Sakramente  nach  Ent- 
würfen  von  Carl  Müller,  gemalt  von  Ittenbach. 

Im  Chor  an  der  Kuppel  malte  Deger  den  thronenden  Christus  als  Richter,  neben  ihm  Maria 
mit  den  Stammeltern  Adam  und  Eva,  sowie  Noah,  Abraham,  Isaak  u.  s.  w.,  und  auf  der  anderen 
Seite:  Johannes  den  Täufer  mit  Moses  und  den  Propheten.  Unten  sind  die  Gestalten  der  vier 
Evangelisten,   Petrus  und  der  heilige  Apollinaris  von   Ittenbach  gemalt. 

An  diese  biblischen  Darstellungen  reihen  sich  nun  die  vier  Bilder  aus  der  Geschichte  des 
Schutzpatrons  der  Kirche,  des  heiligen  Apollinaris,  an,  die  von  Andreas  Müller  ausgeführt  wurden. 
Nämlich  im  südlichen  Querschiff  an  der  Ostwand  ,,Die  Weihe  des  Heiligen  durch  Petrus  in  Rom", 
gegenüber  ,,Die  Heilung  eines  Kranken  und  andere  Wunder";  im  nördlichen  Querschiff  an  der 
Westwand  ,,Die  Zerstörung  einer  Jupiterstatue  durch  das  Gebet  des  Apollinaris"  und  gegenüber 
,, Apollinaris'  Tod".  Auch  diese  Bilder  haben  als  Predellen  kleinere  Darstellungen  aus  dem  Leben 
des  Heiligen. 

Schon  aus  dieser  Aufzählung  geht  der  für  den  keineswegs  grofsen  Raum  fast  allzu  grofse 
Reichthum  an  Motiven  hervor,  der  ein  Ueberblicken  des  Gedankeninhaltes  unmöglich  macht  und 
infolge    des  Wechsels    der    verschiedenen    Historien    sogar    den    Verfolg    der    einzelnen    erschwert. 


Bewunderns- 
werth  bleibt  nur, 
wie   gesagt,    dafs 
trotz  alledem  und 
trotz  des  Zusam- 
menarbeitens  von 
vier    Malern    der 
künstlerische  Ge- 
sammteindruck 
ein  so  einheit- 
licher,   harmo- 
nischer   und 
durchaus   würde- 
voller ist.     Es 
weist  das  auf  eine 
Einigkeit  und  ein 
Zielbewufstsein 
hin,    das    nicht 
hoch  genug  anzu- 
schlagen ist. 

Bei    einer  ob- 

jectiven  Beurthei- 

lung  der  einzelnen 

Arbeiten  wird 

man  auch  hier 


FRANZ   ITTENBACH 

Der  zwölfjährige  Jesus  im  Tempel 

Wandgemälde   in  der  ApoUinariskirche   zu  Remagen 


wieder  die  zeit- 
lichen und  con- 
fessionellen  Ver- 
hältnisse zu  be- 
rücksichtigen 
haben.  Man  wird 
vor  Allem  nicht 
vergessen  dürfen, 
dafs  diese  Arbeit, 

abgesehen  von 
Cornelius'  Male- 
reien in  der  Lud- 
wigskirche, der 
erste  Versuch 
einer  Gesammt- 
ausschmückung 

eines   Gottes- 
hauses   seit    den 
Zeiten  der  Renais- 
sance in  Italien 
ist,  dafs  auf  deut- 
schem Boden 
nichts   existirte, 
was     den     zum 
Theil    noch    in 


jugendlichem  Alter  stehenden  Künstlern  als  Vorbild   dienen  konnte    und  dafs   sie    alle  Anregungen, 
auch   deshalb   schon  aus  Italien  zu  holen  sich  veranlafst  und  selbst  genöthigt  sahen. 

Sind  so  die  italienischen  Anklänge  überall  nachzuweisen,  so  ist  es  doch  anzuerkennen,  wie 
namentlich  in  den  kleinen  Predellenbildern,  aber  auch  in  den  grofsen  Bildern  aus  dem  Leben  der 
Maria  sich  ein  origineller  Geist  ausspricht,  in  dem  man  Erinnerungen  an  die  alten  deutschen 
Meister,  selbst  an  Dürer  wird  spüren  können. 

Schon  zu  der  Zeit,  als  das  Werk  vollendet  wurde,  galt  Deger  als  das  Haupt  und  die  stärkste 
Kraft  in  der  kleinen  Malergemeinde.  Auch  hierüber  wird  man  heute  ein  anderes  Urtheil  zu  fällen 
geneigt  sein,  um  so  mehr  als  von  Deger  ein  anderes  Werk  monumentaler  Kirchenmalerei  vor- 
handen ist,  das  ihn  auf  einer  bei  weitem  höheren  Stufe  der  Entwicklung  zeigt.  Gerade  die 
berühmtesten  Degerschen  Bilder  in  der  ApoUinariskirche  weisen  Schwächen  auf,  die,  so  erklärlich 
sie  sind,  doch  nicht  übersehen  werden  dürfen.  Es  scheint,  als  ob  Deger  die  grofsen  Flächen,  die 
ihm  für  seine  Bilder  angewiesen  waren,  wenn  auch  künstlerisch,  so  doch  technisch  noch  nicht 
beherrschen  konnte.  Die  Frescomalerei  läfst  die  Farben  anders  auftrocknen,  als  sie  hingestrichen 
werden,  und  hieraus  entstand  vielleicht  eine  gewisse  Leere  in  einzelnen  Partien  der  Degerschen 
Bilder,    die    mehr-  coloristischer    als    compositioneller  Natur  ist,    wie    sie    denn   auch    bei    farblosen 


137 


Reproductionen  viel  weniger  auffällt,  als  bei  den  Originalen.  Deger  hatte  mit  der  figurenreichen 
Kreuzigung  begonnen.  Christus  am  Kreuz  nimmt  die  ganze  Mitte  des  Bildes  ein,  rechts  und  links 
hängen  die  Schacher,  oben  schweben  drei  Engel  mit  Spruchbändern  und  unten  befindet  sich  eine 
aufserordentlich  figurenreiche  Versammlung,  links  Maria,  umgeben  von  Frauen  und  Aposteln,  am 
Fufse  des  Kreuzes  Maria  Magdalena,  die  direct  an  Giotto  erinnert,  und  rechts  Gruppen  von  Juden 
und  Römern. 

Wenn  trotz  dieser  zahlreichen,  gut  componirten,  vielleicht  etwas  zu  ruhig  sich  bewegenden 
Gestalten  das  Bild  viele  leere  Stellen  aufweist,  so  liegt  das  eben,  wie  gesagt,  an  der  farbigen 
Behandlung,  besonders  der  Gewänder,  die  in  ihren  grofsen,  auffallend  und  nicht  immer 
glücklich  gefärbten  Massen  (ein  helles  Roth  überwiegt)  die  decorative  Wirkung  beeinflussen. 
Dasselbe  gilt  von  der  etwas  conventionell  componirten,  von  Deger  zuletzt  gemalten  ,, Geburt 
Christi",  bei  der  die  leere  gelbbraune  W^and  der  offenen  Hütte,  in  welcher  Maria  mit  dem  Kinde 
sitzt,  den  ebenfalls  nicht  sehr  sympathischen  coloristischen  Mittelpunkt  bildet.  Dafs  diese  Bilder 
die  verhältnifsmäfsig  beste  Beleuchtung  auf  der  Nordwand  haben,  scheint  ihnen  eher  zum  Nachtheil 
als  zum  Vortheil  zu  gereichen,  denn  das  in  dem  dunkeleren  Chor  befindliche  Auferstehungsbild, 
das  allerdings  auch  am  interessantesten  componirt  ist,  wirkt  bei  weitem  einheitlicher  und  har- 
monischer in  Farbe  und  Fleckenwirkung.  Stärker  als  Deger  und  unzweifelhaft  als  der  bedeutendste 
Künstler  der  Apollinariskirche  tritt  Carl  Müller  hervor,  und  es  ist  lebhaft  zu  bedauern,  dafs  von 
den  beiden  grofsen  Bildern  dasjenige,  welches  zur  Zeit  seiner  Fertigstellung,  als  die  noch  stehenden 
Gerüste  seine  Betrachtung  erleichterten,  am  meisten  bewundert  wurde,  heute  thatsächlich  in  seinem 
oberen  Theil  fast  unsichtbar  ist,  da  es  sich  an  der  am  schlechtesten  beleuchteten  Wand  des 
Chorarmes  befindet.  Da  auch  sonderbarerweise  von  den  Bildern  der  Apollinariskirche,  die  doch 
widerspruchslos  als  die  hervorragendste  Arbeit  der  neueren  katholischen  Kunst  bezeichnet  werden 
müssen,  nicht  einmal  ausreichende  Reproductionen  existiren,  so  ist  der  Beschauer  bei  der  Beur- 
theilung  Carl  Müllers  in  dem  Remagener  W^erk  auf  das  mühsame  Studium  des  unteren  Theiles 
dieser  Himmelfahrt  und  auf  das  erste  Bild  ,,Die  Geburt  der  Maria"  beschränkt,  denn  auch  die 
übrigen  kleineren  und  nebensächlichen  Figuren  der  „Verkündigung"  an  der  W^estwand  kommen 
nicht  besonders  gut  zur  Anschauung. 

Unter  diesen  Verhältnissen  wird  man  „Die  Geburt  der  Maria"  von  Carl  Müller  als  die 
bedeutendste,  nicht  nur  von  seinen,  sondern  von  sämmtlichen  Fresken  ansehen  müssen.  C.  Müller 
zeigt  sich  hier  coloristisch  sowohl,  wie  in  Bezug  auf  Anordnung  und  Zeichnung  von  einer  Kraft, 
wie  er  sie  selbst  in  späteren  Arbeiten  kaum  wieder  erreicht  hat,  und  es  scheint  fast,  als  ob  Deger 
bei  seinen  Arbeiten  in  Stolzenfels  von  dem  jüngeren  Genossen  gelernt  habe  und  nicht  umgekehrt, 
wie  häufig  angenommen  wird.  Carl  Müller  ist  es  durch  eine  Reihe  von  widrigen  Umständen 
leider  nicht  vergönnt  gewesen,  noch  einmal  ein  grofses  monumentales  Werk  auszuführen.  Zwei 
Projecte  dieser  Art  zerschlugen  sich,  und  wenn  die  damals  so  glänzend  begonnene  katholische 
Monumentalkunst  bei  diesen  Anfängen  schon  stehen  blieb,  so  lag  das  nicht  an  dem  Mangel 
an  Künstlern. 

„Die  Geburt  der  Maria"  bot  in  ihren  Compositionen  grofse  Schwierigkeiten.  Bei  den  grofsen 
Bildern  war  mit  Ausnahme  der  , .Kreuzigung"  eine  Zweitheilung  vorgenommen  vi'orden,  die  sich 
aus  den  Motiven  theils  ziemlich  zwanglos  ergab,  theils  in  der  schon  bemerkten  jugendlichen 
Vorliebe  für  Häufung  des  epischen  Materials  nach  alten  Mustern  ihren  Ursprung  haben  mochte. 
So  sieht  man  bei  der  ,, Geburt  Christi"  unten  die  Anbetung  der  Mutter  mit  dem  Kinde  durch  die 
Hirten,  oben  die  Engelchöre;  bei  der  , .Auferstehung"  unten  den  Engel  vor  dem  Grabe  mit  den 
heiligen  Frauen,  oben  die  Himmelfahrt  Christi;  bei  der  , .Himmelfahrt  oder  Krönung  der  Madonna" 
unten  die  Versammlung  der  Apostel  um  das  leere  Grab,  oben  die  Madonna  selbst. 

Für  die  ,, Geburt  der  Maria"  hatte  Müller  verschiedene  Entwürfe  gemacht.  Es  galt  auch  hier, 
neben  der  mehr  genrehaften  Scene  der  eigentlichen  Geburt  den  kirchlich  symbolischen  Charakter 
des  Motivs  zu  wahren,  und  hierzu  wurde  eine  Versammlung  der  ,, Vorbildlichen  Frauen"  des  alten 
Testamentes  gewählt.  Dafs  Müller  darauf  verzichtete,  diese  Gestalten  in  eine  nähere  Berührung 
mit  der  Hauptscene  zu  bringen,  war  ein  Zeichen  seines  guten  Geschmackes,  und  die  energische, 
geradezu  architektonische  Quertheilung  des  Bildes,  zwar  höchst  gewagt,  aber,  wie  der  Erfolg  zeigte, 
das  einzig  richtige  Mittel,  die  unzusammenhängenden  Theile  durch  architektonische  Gestaltung 
und  Trennung  nicht  inhaltlich,  aber  künstlerisch  zu  einigen.  Indem  er  den  ganzen  oberen  Theil 
des  Bildes  auch  perspectivisch  zurückschob,  wahrte  er  die  reale  Möglichkeit,  die  bei  den  in  der 
Höhe  schwebenden  Gruppen  der  anderen  Bilder  keineswegs  immer  erhalten  geblieben  ist.  Was 
den    Gesammteindruck    des  Bildes    aber   noch    ganz    besonders    bestimmt,    ist    die    überaus  kräftige 

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und  in  ihren  kühlen  ernsten  Tönen  durchaus  harmonische  Färbung  des  Bildes.  Gerade  gegenüber 
der  etwas  bunten  und  wenig  einheitlichen  Malerei  auf  den  gegenüberliegenden  Bildern  Degers 
wirkt  dieses  tief  getönte,  aufs  feinste  abgewogene  Colorit  aufserordentlich  wohlthuend. 

In  den  oberen  Theil  ist  also  die  eigentliche  Geburtsscene  verlegt.  Anna  ruht  auf  einem 
erhöhten,  mit  dem  altdeutschen  Himmel  überdeckten  Bett,  die  kleine  Maria  im  Schofse.  Von 
links  nähert  sich  Joachim,  von  rechts  eine  Gruppe  von  befreundeten  Frauen.  Ein  auf  zwei 
Säulen  ruhender  Gewölbebogen  schliefst  das  Bild  nach  oben  ab.  Der  untere  Theil  ist  gewisser- 
mafsen  als  ein  Vorplatz  vor  der  bühnenartigen  Erhöhung,  auf  welcher  die  oben  genannten 
Gruppen  aufgebaut  sind,  gedacht.  Auf  ihm  befinden  sich  in  zwangloser,  wenig  bewegter  Ver- 
sammlung, im  Einzelnen  aber  aufs  trefflichste  charakterisirt,  die  alttestamentarischen  Frauen, 
welche  die  Gottesmutter  vorbildeten.  Es  sind  Eva,  Sarah  mit  dem  kleinen  Isaak,  Rahel,  Abisaag, 
Esther,  Abigail,  Judith,  Bethsabee.  Von  besonderer  Schönheit  sind  die  drei  Figuren  der  ganz 
links  stehenden  Eva,  die  in  kraftvoller  Gestaltung  sehr  wohl  die  Mutter  des  Menschengeschlechts 
darstellen  kann,  in  der  Mitte  die  zarte  Abisaag  und  ganz  rechts  die  königliche  vornehme 
Bethsabee.  Der  Geburt  der  Maria  künstlerisch  gleichwerthig  erscheint  nur  noch  der  von  Deger 
und  Ittenbach  zusammen  ausgeführte  Chor,  der  allerdings  den  Ungeheuern  Vortheil  der  mit 
Goldgrund  belegten  Wölbung  hat,  aus  dem  die  blauen  Gewandttheile  in  schönster  Wirkung 
hervortreten.  Auch  das  Weifs  und  Gold,  welches  die  Apostelfiguren  von  Ittenbach  umgiebt.  hilft 
den  feierlichen  Eindruck  der  Chornische  erhöhen,  in  der  somit,  der  Bedeutung  des  Ortes  ent- 
sprechend, auch  der  Gipfel  des  coloristischen  Interesses  erreicht  ist. 

Es  fesseln  in  der  Betrachtung  zunächst  wohl  die  vier  grofsen  Scenen  aus  dem  Leben  des 
heiligen  ApoUinaris,  die  Andreas  Müller  ausführte.  Man  ist  versucht,  bei  diesen  Bildern  an 
Ghirlandajo  zu  denken.  In  ihrer  architektonisch  meist  sehr  gelungenen  Anordnung  und  den  zahl- 
reichen genrehaften  Zügen  in  den  einzelnen  Gruppen  zeigt  sich  deutlich  der  Einflufs  dieser 
Florentiner  Kirchenmalerei,  welche  die  naive  malerische  Verbindung  des  Wirklichen  mit  dem 
Wunderbaren  in  so  eigenartiger  Weise  vollzogen  hat. 

In  der  Farbe  ordnen  sich  die  mehr  gobelinartig  als  realistisch  gedachten  Bilder  den  übrigen 
Darstellungen  unter,  ohne  doch  vollständig  auf  eigene  coloristische  Wirkung  zu  verzichten.  Diese 
erscheint  bei  der  „Einweihung  des  ApoUinaris"  vielleicht  am  gelungensten,  wie  dieses  Bild  über- 
haupt vor  den  anderen  manche  Vorzüge  hat.  Die  gegenüberliegende  ,, Heilung  eines  Kranken" 
leidet  wenigstens  etwas  unter  der  Häufung  der  Motive  und  der  Gestalten,  ohne  etwa  durch  ein 
geschlossenes  Colorit  zu  entschädigen.  ,,Das  Wunder  bei  der  Jupiterstatue"  ist  ebenso  wie  der 
gegenüber  befindliche  ,,Tod  des  Heiligen"  etwas  indifferent  im  Ton,  was  aber  vielleicht  durch  die 
scharfe  und  dabei  nicht  mehr  helle  Seitenbeleuchtung  verursacht  wird. 

Die  kleinen  Bilder  unterhalb  der  grofsen,  die  von  Ittenbach,  Deger  und  Andreas  Müller  aus- 
geführt worden  sind,  enthalten  noch  zahlreiche  Schönheiten,  die  freilich  an  Ort  und  Stelle  wenig 
zur  Geltung  kommen.  Coloristisch  ordnen  sie  sich  den  grofsen  Bildern  vollständig  unter,  wie  sie 
denn  theils  auch  auf  Goldgrund  oder  grau  in  grau  gemalt  sind. 

Am  28.  März  1857  wurde  die  Kirche  eingeweiht  und  damit  das  in  seiner  Art  einzige  ^A^erk 
dem  Volke  übergeben  und  der  Kunstgeschichte,  in  der  es  eine  durchaus  eigenartige  Stelle  ein- 
nimmt. Freilich  nicht  nur  eine  eigenartige,  sondern  auch  eine  isolirte  Stellung,  denn,  was  dem 
Rückwärtsschauenden  heute  als  fast  selbstverständlich  erscheint:  an  diesen  ohne  Zweifel  grofsartigen 
und  in  seiner  Einheitlichkeit  doppelt  bewundernswerthen  Anfang  sollte  sich,  wenn  auch  die  eine 
oder  andere  Fortsetzung,  so  doch  kein  weiterer  Fortschritt  anschliefsen.  Die  Düsseldorfer  katholische 
Kunst  stand  bei  ihrem  ersten  Beginn,  beim  Anfang  der  Malerei  in  Remagen,  schon  aufserhalb 
aller  der  lebendigen  Strömungen,  welche  die  übrigen  Künstlerkreise  in  Düsseldorf  bewegten. 
W^ährend  der  Vorarbeiten  und  der  Ausführungen  der  Apollinarisfresken  fanden  in  der  Heimath 
die  eingreifendsten  und  mächtigsten  Bewegungen  statt,  welche  die  neuere  Kunstgeschichte  überhaupt 
kennt.  Von  Schadow  ging  die  Düsseldorfer  Malerei  über  Lessing  zu  Rethel:  eine  ganz  neue 
Landschaftskunst  war  entstanden  und  in  den  Anlangen  der  Genremalerei  eine  Volkskunst,  wie  sie 
seit  den  Zeiten  der  alten  Niederländer  nicht  mehr  bestanden  hatte.  Alles  das  ging  an  den  Meistern 
der  Apollinariskirche  damals  und  auch  später  spurlos  vorüber,  und  nicht  nur  auf  sie  ist  es  ohne 
Einflufs  geblieben,  sogar  ihre  Nachfolger  sind  bis  heute  in  den  künstlerischen  Gedanken-,  Formen- 
und  Farbenkreisen  geblieben,  welche  damals  von  Deger  und  Carl  Müller  gezogen  wurden. 

So  war  diese  Kunst  nicht  ein  Stamm,  der,  weiter  wachsend,  zahlreiche,  verschiedenartige 
kräftige  Aeste  und  Zweige  treiben  konnte,  sie  war  gewissermafsen  nur  eine  zarte  seltene 
Blume,    die,    aus  fremdem  Boden  verpflanzt,    wohl  noch    eine  Zeit  lang  schwächere  Blüthen,    aber 

140 


keine  lebenskräftigen  Triebe  hervorbringen  konnte.  Dies  beweist  vor  Allem  nur  die  Folge.  Aber 
auch  jener  feinsinnigste  Beobachter  der  früheren  Düsseldorfer  Entwicklung,  Immermann,  hatte 
das  richtige  Gefühl  für  diese  zarte  Schwäche,  wenigstens  bei  dem  einen  der  Maler  vom  ApoUinaris- 
berg,  bei  Deger,  schon  früh  in  prägnante  Worte  gefafst,  die  heute  fast  wie  eine  Prophezeiung 
klingen,  die  man  aber  ebensogut  auf  die  anderen  Persönlichkeiten,  oder  auf  das  Schaffen  der 
ganzen  Gruppe  übertragen  kann. 

,, Deger",  schreibt  Immermann  in  den  schon  öfter  genannten  ,, Düsseldorfer  Anlangen, 
Maskengespräche",  „ist  ein  reiner  schöner  Mensch;  er  ist  der  hervorragendste  unter  den  frommen 
Malern,  und  auf  ihn  rechnete  Schadow  wohl  auch  am  meisten  als  Stütze  der  sogenannten 
höheren  Richtung.  Aber  ich  frage:  Tragen  denn  diese  abgedämpften  Farben  des  Lieblings- 
schülers, diese  zärtelnden  Engel,  diese  kindlich  frommen,  oder  mit  dem  hektisch  schmachtenden 
Zuge  um  das  Auge  versehenen  Madonnen  die  Bürgschaft  langen  Lebens  in  sich?  Sieht  man 
sie  sich  nicht  schon  jetzt  müde,  je  länger  man  sie  ansieht?  Spricht  sich  denn  in  dieser  frauen- 
haften Milde  und  Unschuld  der  christliche  Geist  der  jüngsten  Vergangenheit  oder  der  Gegenwart 
aus?  Und  den  mufste  doch  ein  Meister  zu  erfassen  wissen,  wenn  ihm  gelingen  sollte,  einen  neuen 
dauernden  Typus  christlicher  Kunst  zu  finden;  denn  in  den  Leib  seiner  Mutter  kann  Niemand 
zurückkehren,  auch  die  Kunst  nicht.  Sind  nun  nicht  gerade  die  Besten,  die  Wahrhaftigsten  der 
Jetztzeit  durch  allen  Spott  und  Zweifel  der  Heiden  hindurchgegangen,  bevor  sie  zum  Erlöser 
gelangten?  So  möchte  denn  wohl  ein  Paulinisches  Bewufstsein  eher  als  die  legendenhafte  Süfsigkeit 
aus  den  neuen  christlichen  Bildern  blicken  müssen,  sollte  sie  zur  Höhe  der  Zeit  sich  erheben, 
auf  dieser  Höhe  sich  erhalten.  Nicht  die  wimpernsenkende  Madonna,  sondern  der  in  den  leuch- 
tenden Lichtern  des  Himmels  über  den  geistvollen  Verfolger  triumphirende  Christus  scheint  mir 
der  Vorwurf  der  neueren  religiösen  Kunst  zu  sein,  wenn  eine  solche  entstehen  soll.  Deger  nahm 
in  seinen  ersten  Christkindern  dazu  einen  Ansatz;  sie  haben  etwas  Tapferschreitendes,  Siegreich- 
blickendes. Nachher  ist  er  hiervon  wieder  zurückgewichen  in  die  Reminiscenz  an  Fiesole.  Zuletzt 
sah  ich  eine  Zeichnung  von  ihm:  ,,Die  Himmelfahrt".  Der  Erlöser  blickt  wehmüthig  segnend  zu 
den  Aposteln  hinunter.  Also  auch  hier  Empfindsamkeit!  dachte  ich.  Dafs  der  Sohn  sich  setzt 
zur  Rechten  des  Vaters,  das  ist  das  göttliche  Factum,  und  wird  nun  wohl  dessen  erhabene 
Majestät  durch  diese  weiche  Geberde  ausgedrückt?  Man  mufs  erwarten,  wie  den  Künstler  Italien, 
wo  er  sich  jetzt  befindet,  vollenden  wird;   denn  seine  Bahn  ist  ja  noch  nicht  geschlossen." 

Deger  hat  sich  späterhin  über  die  Fresken  von  Remagen  hinaus  gehoben.  Aber  diese  Er- 
hebung war  doch  nicht  stark  genug,  um  seine  Nachfolger  mit  sich  fortzureifsen,  so  wenig  dies 
selbst  dem  von  Natur  kräftigeren  Carl  Müller  gelang. 

Um  zunächst  bei  Deger  zu  bleiben,  so  hatte  derselbe  gleich  nach  Beendigung  seines  letzten 
Bildes  in  Remagen  an  eine  fast  noch  schönere,  weil  einheitlichere  Aufgabe  gehen  können,  die 
ihm  auch  so  werthvoll  erschien,  dafs  er  eine  ihm  angebotene  Professur  in  München  ihr  zu  Liebe 
ausschlug.  Es  war  dies  die  Ausmalung  der  Kapelle  des  Schlosses  Stolzenfels,  das  schon  vorher 
genannt  worden  ist.  Entsprechend  der  Tradition  und  den  Neigungen  des  Königs  und  seiner 
Gemahlin  war  eine  gothische  Kapelle  dicht  neben  dem  Schlofs  aufgeführt  worden,  und  mit  der 
Ausmalung  dieses  kleinen,  'aber  harmonischen  Gotteshauses  wurde  nach  Vollendung  seiner 
Remagener  Arbeiten  Deger  beauftragt.  Hier  war  ihm  eine  Gelegenheit  gegeben,  auf  mäfsig  grofsen, 
interessant  gestalteten  Flächen  allein  ganz  seinen  Ideen  zu  folgen.  Und  in  der  That  schuf  er 
hier  eine  Reihe  von  Kunstwerken,  die,  wenn  auch  einseitiger  in  der  Gesammtwirkung  sowohl 
wie  in  den  einzelnen  Bildern,  coloristisch  und  an  Kraft  des  Ausdrucks  seinen  Remagener  Arbeiten 
überlegen  sind.  Es  waren  zwölf  Bilder  der  verschiedensten  Gröfse,  die,  auf  Goldgrund  gemalt, 
die  Erlösung  des  Menschengeschlechts  behandelten.  Der  Cyklus  beginnt  mit  dem  ,, Paradiese  und 
dem  Sündenfall".  Adam  und  Eva  in  vortrefflich  gezeichneten  nackten  Figuren  (in  jenen  schönen 
kunstfreundlichen  Zeiten  konnte  in  Deutschland  der  frömmste  Maler  unangefochten  in  einer  Kirche 
nackte  menschliche  Gestalten  in  Lebensgröfse  malen,  ohne  dafs  weder  seine  Religiosität,  noch 
seine  Moral  angezweifelt  wurde)  neben  dem  Baum  der  Erkenntnifs.  Auf  der  anderen  Seite  aber 
schon  der  Zorn  Gottvaters,  der  die  Sündigen  anruft.  Gegenüber  —  beide  Bilder  befinden  sich 
auf  der  Orgelbühne,  dem  einzigen  Platz,  von  dem  aus  dem  Besucher  die  Kapelle  sichtbar  ist  — 
„Die  Ermordung  Abels"  und  in  der  Höhe  der  König  David  in  seiner  symbolischen  Beziehung  auf 
Christus  und  als  Sänger  Gottes. 

Es  folgen  in  der  eigentlichen  Kapelle  auf  den  entweder  sehr  schmalen  oder  zwickelartig  aus- 
geschnittenen Feldern  ,,Der  englische  Grufs",  ,,Die  Anbetung  der  Hirten",  „Das  Opfer  Abrahams", 
etwas  gröfser    „Die  Kreuzigung"    und    „Die  Himmelfahrt  Christi"    und    schliefslich    als    die    höchst 

141 


wirkungsvollen  und  mächtigen  Hauptbilder  „Die  Ausgiefsung  des  hl.  Geistes"  und  „Das  jüngste 
Gericht".  Es  scheint,  dafs  die  durch  eine  Console  und  aufstrebende  Gewölberippen  oben  getheilten 
Flächen,  die  für  diese  Bilder  gegeben  waren,  den  Künstler  gerade  zu  der  originellen  und  glück- 
lichen Composition  angeregt  haben.  Bei  der  „Ausgiefsung  des  hl.  Geistes"  befindet  sich  die 
Madonna  im  Mittelpunkt  des  Bildes,  um  sie  her  die  heiligen  Frauen  und  nach  vorn  sich  aus- 
breitend der  Kreis  der  Apostel.  Oben  rechts  auf  Wolken  sitzen  die  prächtigen  Gestalten  Gott- 
vaters und  Christi,  in  mächtiger  und  monumentaler  Bewegung  die  Versammlung  segnend.  Noch 
grofsartiger  ist  das  Bild  des  Gerichtes,  das  man  besser  „Christus  als  Richter"  nennen  würde,  da 
die  Schaaren  der  Gerichteten  fehlen.  In  der  Mitte  sitzt  der  gekrönte  Christus  mit  ernstem  Aus- 
druck, die  Arme  ausbreitend, 
links  und  rechts  in  Anbetung 
Maria  und  Johannes  der  Täufer 
und  an  sie  anschliefsend  in 
tiefen  Gruppen  die  Gestalten 
des  alten  und  neuen  Bundes. 
Von  oben  schweben  zwei 
Engelsschaaren  mit  den  Marter- 
werkzeugen herab,  und  zu 
Christi  Füfsen  schwingen  sich 
zwei  Paare  posaunenblasende 
Engel  auf  die  Erde  hinab. 

Es  ist  in  diesem  Bilde  ein 
so  mächtiger  Ernst,  eine  ver- 
haltene Leidenschaftlichkeit,  wie 
sie  Deger  nicht  wieder  erreicht 
hat  und  wie  sie  seiner  sanften 
Natur  auch  eigentlich  fremd 
sein  mufsten.  Hier  hat  ihn  die 
Gewalt  des  Gegenstandes  mit 
fortgerissen  und  mit  dieser 
Arbeit  hat  er  den  Höhepunkt 
seiner  künstlerischen  Thätigkeit 
erreicht,  wenn  er  auch  in  den 
nachfolgenden  Jahren  seines 
langen  Lebens  noch  eine  grofse 
Reihe  ausschliefslich  religiöser 
Bilder  geschaffen  hat.  Er  wurde 
im  Jahre  i86g  als  Lehrer  der 
religiösen  Historienmalerei  an 
der  Akademie  angestellt,  nach- 
dem er  schon  vorher  Ehren- 
mitglied des  LehrercoUegiums 
geworden  war.  Er  bildete  eine 
grofse  Zahl  von  Schülern  aus, 
ohne  doch  den  Zug,  den  die 
Düsseldorfer  Kunst  auch  in  der 
religiösen  Malerei  nahm,  beein- 
flussen zu  können.  Von  seinen 
Schülern  sind  die  bedeutendsten  H.  Lauenstein  und  Franz  Müller,  welche  die  streng  kirchliche 
Richtung  Degers  fortgesetzt  haben.  Von  ihnen  wird  späterhin  die  Rede  sein.  Deger  lebte  bis 
zum  Jahre  1885  und  war  bis  zu  seinem  Ende  ununterbrochen  thätig.  Seine  ehrwürdige  hohe 
Gestalt  ragte  wie  eine  Erinnerung  aus  früheren  Epochen  in  eine  Zeit  hinein,  die,  abgesehen 
von  den  streng  kirchlichen  Kreisen  und  dem  seiner  Schüler,  ihn  als  Künstler  nicht  mehr  verstehen 
konnte,  so  sehr  sie  ihn  als  Menschen  hochschätzen  mufste. 

Bewegter  war  die  Laufbahn  Carl  Müllers,  der  zwar  im  Anfang  mit  schweren  Widerwärtig- 
keiten zu  kämpfen  hatte,  dann  aber  durch  einige  grofse  Aufträge  in  Stand  gesetzt  wurde,  seiner 
zähen    und    bei    aller    Liebenswürdigkeit    und    W^eichheit    doch    energischen    Natur    entsprechend, 


ERNST  DEGER 
Adam  und  Eva 

Wandgemälde   in   der  Kapelle   des   Schlosses   Stol^enfels 


142 


noch   im   hohen  Alter  Werke    zu    schaffen,    die   ihm   die  Achtung   und  den  Beifall  auch   derjenigen 
seiner  Kunstgenossen  sicherten,  die  längst  auf  anderen   Wegen  wandelten. 

Der  Auftrag  des  Freiherrn  von  Fürstenberg  in  Remagen  fiel  zusammen  mit  einem  äufserst 
lebhaften  Interesse  für  die  religiöse  Kunst  überhaupt.  1842  wurde  in  Düsseldorf  ein  Verein  zur 
Verbreitung  religiöser  Bilder  gegründet,  der  an  Stelle  der  vielfach  fabrikmäfsig  hergestellten  kleinen 
Heiligenbilder  künstlerische  Arbeiten  zu  setzen  bestrebt  war  und  bald  eine  äufserst  rege  Thätigkeit 
entwickelte.  Für  diesen  Ver- 
ein war  Carl  Müller  vielfach 
thätig  und  zeichnete  eine  Reihe 
von  Blättern,  die  so  eine 
aufserordentlich  grofse  Verbrei- 
tung fanden.  Auch  der  Kunst- 
verein liefs  sich  die  thatkräf- 
tige  Hülfe  Carl  Müllers  nicht 
entgehen,  und  namentlich  im 
Aufsichtsrath  dieses  Vereins 
hat  er  in  den  Jahren  1857 — iSG-^ 
eine  hervorragende  Rolle  ge- 
spielt, um  die  damals  auftre- 
tenden Gegensätze  zu  versöhnen. 
Künstlerisch    brachten  ihm  die 

Jahre  nach   Vollendung  der 

Apollinariskirche  allerdings 
schwere  Enttäuschungen.  Ein 
grofser  ihm  von  Marseille  schon 
Ende  der  50er  Jahre  in  Aus- 
sicht gestellter  Auftrag,  die 
Wallfahrtskirche  Notre  dame 
de  la  garde  in  Marseille  aus- 
zumalen, schleppte  sich  lange 
hin,  um  schliefslich  nach  dem 
Kriege  1870 — 71  an  dem  franzö- 
sischen Chauvinismus,  der  die 
niedrigsten  Mittel  nicht  scheute, 
zu  scheitern,  trotzdem  Müller 
schon  eine  Reihe  trefflicher 
Cartons  dafür  gezeichnet  hatte. 
Nicht  viel  besser  ging  es  Carl 
Müller  mit  der  Aussicht,  für 
die  Münsterkirche  in  Bonn  den 
monumentalen  Wandschmuck 
zu  fertigen.  Hier  hatte  sich 
d;r  Erzbischof  Melchers  aus 
stilistischen  Gründen  gegen  eine 
Ausmalung  des  alten  Münsters 
durch  einen  modernen  Maler 
in  moderner,  das  heifst  also 
nicht  im  Smne  der  Zeit  des 
Bauwerkes  stilisirender  Weise 
ausgesprochen  und  so  mit  einem 
Schlage  die  Verhandlungen,  die 

Müller  auch  schon  zu  Entwürfen,  Skizzen  und  Cartons  ermuthigt  hatten,  abgebrochen.  Jetzt 
ist  das  Bonner  Münster  zwar  sehr  stilvoll,  aber  auch  wahrhaftig  nichts  weniger  als  künstlerisch 
ausgemalt  oder  vielmehr  angestrichen.  Es  hat  eben  Jeder  auch  die  Kunst,  die  er  verdient.  Müller 
entband  in  seiner  vornehmen  Weise  den  Martinusverein  in  Bonn,  der  mit  ihm  verhandelt  hatte, 
von  allen  Verpflichtungen  und  protestirte  nur  von  seinem  künstlerisch-ästhetischen  Standpunkt  aus 
gegen  die  Ansicht  des  Erzbischofs,  die  übrigens  ohne  Zweifel  ihre  Berechtigung  hat. 


ERNST  DEGER 

Die  Ausgiefsung  des  hl.  Geistes 

Wandgemälde  in  der  Kapelle   des  Schlosses   Stolzenfels 


143 


ERNST  DEGER 

Das  jüngste   Gericht 

Wandgemälde  in   der  Kapelle   des  Schlosses  Stolzenfels 


Aber  auch  diese  Angelegenheit  hatte  ihn  viel  vergeblich  aufgewandte  Zeit  und  Arbeit 
gekostet.  Hatte  er  den  Entwürfen  doch  seine  beste  Kraft  geopfert  und  gewissermafsen  nur  nebenbei 
eine  Anzahl  von  Oelbildern  und  Cartons  geschaffen.  Aber  namentlich  die  ersteren  haben  in 
Reproductionen  eine  aufserordentliche  Verbreitung  gefunden.  Noch  in  den  50er  Jahren  entstanden 
eine  ,, Verkündigung"  und  ein  „Abendmahl",  von  denen  das  erstere  Bild  später  für  die  Düsseldorfer 
Kunsthalle  vergröfsert  wurde.  Es  folgte  eine  Reihe  meist  kleiner  Oelgemälde.  Im  Jahre  1857 
wurde  C.  Müller  an  Stelle  des  ausgeschiedenen  Chr.  Köhler  die  Lehrerstelle  für  Historienmalerei 
an  der  Akademie  angeboten.  Hier  mufste  er  sogar  auch  eine  Zeit  lang  den  inzwischen  erkrankten 
Schadow  in  der  Malklasse  und  in  den  Directorialgeschäften  vertreten,  bis  ihn  die  Berufung 
Bendemanns  zum  Director  und  die  Uebernahme  der  Malklasse  von  Seiten  Sohns  entlastete.  Seine 
Lehrthätigkeit    behielt    Müller    bis    in    die    80er  Jahre    bei,    ohne    gerade    allzu   grofsen    Einflufs    zu 


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CARL  MÜLLER 

Krönung  der  Jungfrau  und  Engelchöre 

Carton  zu  den  Wandgemälden  für  Marseille 

gewinnen.  Es  fehlte  ihm  dazu  vielleicht  das  Hinreifsende  und  Ueberzeugende  der  Persönlichkeit; 
um  so  verdienter  machte  er  sich  um  die  Verwaltung  der  Akademie,  die  er  von  1883  bis  zu  seinem 
Tode  1893  als  Vorsitzender  des  Lehrercollegiums  leitete. 

Ende  der  60er  und  Anfang  der  70er  Jahre  fallen  diejenigen  Werke,  die  Müllers  Namen 
vielleicht  die  gröfste  Verbreitung  gegeben  haben,  die  in  der  That  auch  zum  Liebenswürdigsten 
und  im  besten  Sinne  des  Wortes  Volksthümlichsten  gehören,  was  in  Düsseldorf  auf  dem  Gebiete 
religiöser  Kunst  geschaffen  worden  ist.  Hier  erhebt  sich  Carl  Müller  über  das  Confessionelle  der 
kirchlichen  Malerei,  das  er  überhaupt  nie  in  dem  Mafse,  wie  etwa  Deger  oder  Ittenbach,  betont 
hat,  zu  einer  Auffassung,  die  so  allgemein  menschlich  religiös  ist,  dafs  diese  Bilder  dieselbe 
Bewunderung  in  katholischen,  wie  in  streng  protestantischen  Kreisen  mit  vollem  Recht  fanden 
und  somit  eine  gesundere  W^iedergeburt  der  religiösen  Kunst  der  Italiener  bedeuteten,  als  sie  die 
Bestrebungen  aller  anderen  Düsseldorfer  Nazarener  vollziehen  konnten. 


145 


Diese  Bilder,  welche  in  Reproductionen  ihren  Weg  durch  die  ganze  Welt  genommen  haben, 
sind  „Die  heilige  Familie  bei  der  Arbeit"  1866  und  „Die  heilige  Familie  auf  der  Rast".  Die 
letztere  Composition,  die  den  gröfsten  Beifall  fand,  hat  Müller  mehrmals  wiederholen  müssen. 
Eine  „Immaculata  conceptio"  folgte,  ohne  trotz  grofser  künstlerischer  Vorzüge  denselben  Eindruck 
zu  machen,  bis  mit  der  grofsen  Zeichnung  einer  „Heiligen  Nacht"  Anfang  1880  Carl  Müller  wieder 
ein  Werk  schuf,  das  die  beiden  oben  genannten  an  Zartheit  und  Vollendung  der  Composition 
beinahe  noch  übertraf  und  sich  in  Vervielfältigungen  dem  Siegeszug  der  anderen  anschlofs. 

Es  war  dem  Künstler  aber  noch  in  hohem  Alter  vergönnt,  auch  ein  grofses  Werk  monumen- 
talen Charakters  wenigstens  in  Angriff  zu  nehmen  und  in  seinen  Haupttheilen  zu  vollenden.  Es 
sind  dies  die  Gemälde  für  die  Remigiuskirche  in  Bonn,  in  deren  Ausführung  Carl  Müller  eine  Art 
Entschädigung  für  die  nicht  zustande  gekommene  Ausmalung  des  Münsters  erblicken  durfte. 

Für  die  Remigiuskirche  hatte  Ittenbach  ein  Altarbild  gemalt,  das  wohl  zu  den  besten  W^erken 
dieses  Künstlers  gehört.  Zwei  andere  Altarbilder  sollten  folgen,  als  ihn  der  Tod  ereilte,  und  nun 
wurde  die  Ausführung  dieser  beiden  Stücke  Carl  Müller  übertragen,  der  in  ihnen  auch  zwei  seiner 
feinsten  Oelbilder  ausführte.  Das  eine  ist  eine  „Erziehung  der  Jungfrau",  das  andere  „Joseph  mit 
dem  kleinen  Jesus".  Aber  damit  war  die  Ausschmückung  der  Kirche,  wie  sie  ihr  Pfarrer, 
der  treffliche  Reinkens,  ein  Bruder  des  ersten  altkatholischen  Bischofs,  sie  sich  gewünscht  hatte, 
noch  nicht  vollendet.  Und  so  entstand  noch  das  grofse  dreitheilige  Altarbild  ,, Christus  in 
Emmaus"  in  der  Mitte,  auf  den  Seitenflügeln  ,,Ehsabeth  und  Vincenz  von  Paul"  einerseits,  ,, Antonius 
von  Padua  und  Gertrud"  andererseits.  In  diesem  Bilde,  das  vielleicht  die  bedeutendste  Leistung 
Müllers  ist,  hat  sich  der  greise  Künstler  noch  einmal  zu  einer  Kraft  und  zu  einem  Ernst  der 
Darstellung,  zu  einer  Tiefe  und  Stärke  der  Farbe  emporgeschwungen,  die  bei  der  Ausstellung  des 
Bildes  in  Düsseldorf  in  einer  Zeit,  die  künstlerisch  doch  so  ganz  anderen  Zielen  zustrebte  und 
die  gerade  auf  dem  Gebiet  der  kirchlichen  Malerei  gewissermafsen  in  eine  ganz  neue  Epoche 
eingetreten  war,  allgemeines  Aufsehen   erregte. 

Es  zeigte  sich  hier  die  merkwürdige  Erscheinung,  dafs  ein  Maler  nach  einem  langen  schaffens- 
reichen Leben  in  hohem  Alter  noch  einmal  in  einem  letzten  Werke  die  ganze  Energie  und  jugend- 
liche Frische  niederlegt,  die  sein  erstes  ,,Die  Geburt  der  Maria"  in  Remagen  ausgezeichnet  hat, 
und  es  dürfte  nicht  leicht  in  der  Kunstgeschichte  ein  Beispiel  ähnlicher  Art  vorhanden  sein. 
Freilich  liegt  darin  auch  der  Beweis  für  die  in  sich  vollendete  Abgeschlossenheit  der  ganzen 
Kunstrichtung  der  Schule,  die  auf  ein  Weiterwachsen  nach  dem  Tode  ihrer  Gründer  nicht  zu 
rechnen  hatte. 

Auch  für  den  Hauptaltar  sollte  Carl  Müller  ein  noch  gröfseres  Bild  in  drei  Theilen  schaffen. 
Er  vollendete  aber  nur  den  Carton,  der  in  etwas  doctrinärer  W^eise  (es  scheint,  als  ob  bei  der 
Fassung  des  Entwurfs  die  Theologen  mehr  zu  ihrem  Recht  gekommen  sind,  als  der  Künstler  zu 
dem  seinen)  „Das  himmlische  Opfer  über  dem  Altar,  d.  h.  den  Gottmenschen  Christus  in  seiner 
gnaden-  und  lebenspendenden  Beziehung   zur  Kirche  als  Haupt"  darstellt. 

Das  Bild  zeigt  oben  den  thronenden  Christus  zwischen  Maria  und  Johannes  dem  Täufer, 
unten  im  Hauptbild  wie  in  den  Seitenbildern  zahlreiche  männliche  Gestalten,  die  Evangelisten 
und  andere  Apostel.  Die  Ausführung  des  Gemäldes  übernahm  nach  dem  vollendeten  Carton  der 
Neffe  des  Künstlers,  Franz  Müller,  der  unter  den  jüngeren  Vertretern  der  Düsseldorfer  Nazarener 
wohl  der  hervorragendste  ist. 

Andreas  Müller,  der  ältere  Bruder  von  Carl,  der  am  längsten  in  Remagen  beschäftigt  war, 
entwickelte  nach  der  Vollendung  dieser  Arbeit  eine  vielseitige  Thätigkeit  nicht  nur  als  Künstler, 
sondern  auch  als  Kunstschriftsteller,  Restaurator  und  namentlich  seit  1855  als  Conservator  des 
Kupferstichcabinets  der  Akademie  in  Düsseldorf.  Die  Sammlung  wurde  durch  ihn  zum  erstenmal 
geordnet  und  die  spätere  Katalogirung  derselben  in  trefflicher  'Weise  vorbereitet.  Auch  als  Lehrer 
der  Elementarklasse  wirkte  A.  Müller  seit  1855  an  der  Akademie,  nachdem  ihm  zu  Anfang  des 
Jahres  der  Professortitel  ertheilt  worden  war. 

Von  seinen  künstlerischen  Arbeiten  waren  die  meisten  für  Kirchen  bestimmt,  so  eine 
„Madonna  mit  Heiligen"  für  die  Pfarrkirche  von  Caub,  eine  „Verkündigung"  und  „Die  vier 
Evangelisten"  für  Budberg  bei  Crefeld  und  Anderes.  Für  den  Kunstsaal  im  Schlofs  zu  Sigma- 
ringen malte  er  unter  Beihülfe  seines  Sohnes  Franz  und  von  H.  Lauenstein  eine  ornamentale 
Decoration  mit  Bildnissen  deutscher  Meister.  Ferner  entwarf  Müller  eine  grofse  Zahl  von  Zeich- 
nungen für  Kanzeln,  Altäre,  Glasmalereien  u.  s.  w.  Es  konnte  freilich  nicht  ausbleiben,  dafs  er 
durch  diese  Vielseitigkeit  seine  Kräfte  auf  Kosten  des  künstlerischen  Werthes  der  einzelnen  Arbeiten 
und    der    Ausbildung    seines    Talentes    zersplitterte.     Als    Kunstschriftsteller    erregte    er    durch    die 

146 


CARL  MÜLLER 
Die  hl.  Familie  bei  der  Arbeit 


Bezeichnung  eines  in  der  Düsseldorfer  Sammlung  befindlichen  Kupferstiches  als  eines  eigenhändigen 
Werkes  von  Rafael  ebensoviel  Aufsehen  als  Widerspruch  bei  den  Fachleuten.  Seit  dem  Jahre 
1881  durch  einen  Schlaganfall  gelähmt,  starb  er  am  29.  März  1890  in  Düsseldorf. 

Ittenbach,  der  jüngste  unter  den  Malern  der  Apollinariskirche,  hat  sich  im  Gegensatz  zu 
Andreas  Müller  in  Erkenntnifs  seiner  Begabung  sehr  bald  auf  ein  ihm  besonders  zusagendes  Gebiet 
der  streng  kirchlichen  Malerei  beschränkt,  und  nicht  mit  Unrecht  nennt  ihn  sein  Biograph, 
H.  Fincke,  den  , .Madonnenmaler".  In  der  frommen  Poesie,  vi^elche  die  Gestalt  der  jungfräulichen 
Gottesmutter  umkleidet,  fand  Ittenbachs  weichere  Natur  das  eigentliche  Feld  seiner  späteren 
Thätigkeit,  die  ihn  bis  an  sein  Ende  (1879)  in  Düsseldorf  festhielt.  Aufser  den  Wandbildern  in 
Remagen  malte  er  für  die  Quirinuskirche  in  Neufs  vier  Altarfresken,  ferner  Altarbilder  für  die 
Remigiuskirche  in  Bonn,  die  St.  Michaelskirche  in  Breslau,  in  der  Schlofskapelle  des  Fürsten 
Liechtenstein  in  \A^ien  u.  s.  w.  Von  diesen  meist  ziemlich  grofsen  Bildern  zeichnet  sich  das 
Bonner  durch  grofsen  Reiz  der  einfachen  Composition  und  einer  vielleicht  etwas  zu  süfslichen, 
zarten  Farbe,  dabei  aber  doch  grofser  und  poesievoller  Harmonie  aus.  Eine  Anlehnung  an  gewisse 
zarte  Madonnenbilder  der  Kölner  Schule  scheint  sich  in  diesem  Bilde  nicht  zu  seinem  Nachtheil 
auszusprechen.  Die  Farbe  bevorzugt  bei  den  wenigen  Figuren  (es  ist  ein  Triptychon,  in  der 
Mitte  „Madonna  mit  Kind  und  dem  heiligen  Remigius  und  Ludwig  von  Toulouse",  auf  den 
Flügeln  je  zwei  Heilige)  fast  ausschliefslich  graue,  braune  und  violette  Töne  in  den  Gewändern, 
nur  die  Madonna  trägt  den  traditionellen  blauen  Mantel  und  das  rosarothe  Gewand.  Das  Bild 
entstand  1858  als  Concurrenzarbeit  im  Auftrage  des  Kunstvereins  für  Rheinland  und  W^estfalen 
und  ist  von  den  gröfseren  Arbeiten  Ittenbachs  vielleicht  die  vollendetste.  Im  Allgemeinen  wurden 
seine  kleineren  Staffeleibilder  günstiger  beurtheilt;  bei  grofsem  Fleifs  schuf  er  trotz  vielfacher 
Krankheit  und  anderer  hindernder  Umstände  eine  grofse  Zahl  von  Bildern,  die  meistens  die  Madonna 
allein  oder  nur  von  wenigen  Gestalten  begleitet,  oder  einzelne  Heilige  darstellen.  Als  Bildnismaler 
hat  sich  Ittenbach  auch  späterhin  noch  mit  Erfolg  bethätigt. 

Zu  dem  Kreise  der  ältesten  Düsseldorfer  Nazarener  gehören  auch  Kehren,  Carl  Glasen  und 
Mengelberg. 

Joseph  Kehren  (1817 — 1880)  malte  zuerst  Kirchenfahnen  und  wurde  dann  als  verständnifsvoller 
Mitarbeiter  von  verschiedenen  Künstlern  zur  Hülfe  bei  grofsen  monumentalen  Arbeiten  hinzugezogen. 
So  half  er  nicht  nur  Rethel  bei  den  Aachener  Wandgemälden,  sondern  durfte  sogar  die  letzten 
Bilder  nach  den  Entwürfen  des  hoffnungslos  Erkrankten  ausführen,  was  ihm  bei  Schadow  grofses 
Lob  eintrug,  weniger  bei  der  Nachwelt,  der  die  süfsliche  bunte  Färbung  und  die  schwächere 
Zeichnung  nicht  behagen  will.  Vorher  hatte  er  schon  Stilke  bei  dessen  Arbeiten  in  Stolzenfels 
geholfen  und  dort  vielleicht  das  bunte  Colorit  angenommen.  Mit  Commans  zusammen  malte  er 
im  Lehrerseminar  zu  Moers  einen  Fries,  der  die  deutsche  Geschichte  bis  zur  Kaiserkrönung  in 
Versailles  behandelte.  Späterhin  malte  Kehren  eine  Reihe  von  Altarbildern,  zwischendurch  auch 
einmal  ein  Historienbild. 

Karl  Clasen,  geboren  1812,  war  Schüler  von  Schadow  und  malte  ebenfalls  religiöse  und  historische 
Bilder  durcheinander;  einige  von  ihnen  kaufte  der  Kunstverein  zur  Verloosung. 

Vielseitiger  war  Otto  Mengelberg  (1817 — 1890).  Er  studirte  seit  1834  unter  Sohn,  wurde  längere 
Zeit  hindurch  an  einer  energischen  Thätigkeit  durch  Krankheit  behindert  und  malte  dann  neben 
zahlreichen  Porträts  verschiedene  biblische  Motive.  Mengelberg  wurde  späterhin  protestantisch, 
eine  eigenthümliche  Erscheinung  in  jenem  Kreise,  blieb  aber  den  religiösen  Motiven  treu,  ohne 
hier  eine  sonderlich  verschiedene  Richtung  einzuschlagen. 

Der  oben  genannte  Commans  hat  sich  durch  seine  Cartons  für  Glasgemälde  in  der  Nicolai- 
kirche in  Hamburg  einen  Namen  gemacht.     Er  malte  späterhin  auch  religiöse  Bilder. 

Aus  der  älteren  Zeit  wären  aufserdem  hier  etwa  noch  Dr.  Oesterley  und  Adolf  Zimmermann 
zu  nennen,  deren  zahlreiche  biblische  Bilder  nicht  den  streng  kirchlichen  Charakter,  den  eigentlich 
nazarenischen  haben,  die  aber  doch  nach  ihrer  ganzen  Kunst  in  diesen  Kreis  gehören.  Sie  haben 
sich   in  Düsseldorf  nur  vorübergehend  aufgehalten. 

Karl  Oesterley,  1805  in  Göttingen  geboren,  hatte  sich  erst  nach  vollendeten  Universitätsstudien 
der  Malerei  gewidmet.  1836 — 37  arbeitete  er  in  Düsseldorf  unter  Schadow,  ebenso  1844.  Dann 
wurde  er  Hofmaler  in  Hannover  und  gleichzeitig  Professor  der  Kunstgeschichte  in  Göttingen.  — 
Ein   Verhältnifs  von  idyllischer  Naivität.      Er  starb  1891. 

Auch  Adolf  Zimmermann,  geboren  1799  in  der  Lausitz,  kam  schon  als  fertiger  Künstler  1835 
nach  Düsseldorf,  wo  er  bis  1845  zahlreiche  biblische  und  romantische  Bilder  zum  Theil  für  den 
Kunstverein  malte.     Später  ging  Zimmermann  nach  Schlesien. 

148 


FRANZ  ITTENBACH 
Unsere  liebe  Frau  vom  heiligsten  Herzen  Jesu 


Es  wurde  schon  gesagt,  dafs  das  Düsseldorfer  Nazarenerthum  in  seinen  ersten  Vertretern 
auch  seine  Vollendung  erreicht  hat.  Es  gab  über  diese  verfeinerte,  schwächliche  Kunst,  die  wie 
der  liebenswürdige  aber  zarte  und  blutarme  letzte  Sprofs  eines  vornehmen  Geschlechts  in  eine 
Zeit  hineinragt,  die  mit  kräftiger  Energie  ganz  andere  Ziele  sucht  und  verlangt,  kein  Weitergehen 
mehr,  und  die  Nachfolger,  die  Schüler  der  ersten  Nazarener  müssen  sich  begnügen,  das  von  den 
Meistern  Geschaffene  zu  wiederholen.  Der  religiösen  Malerei  in  Düsseldorf  erwuchs  in  einem 
ebenso  eigenartigen,  wie  kräftigen  Künstler  von  wesentlich  anderer  Richtung  und  einer  anderen 
Confession  angehörend  diejenige  Erneuerung  und  Kräftigung,  die  ihr  von  den  Nachfolgern  der 
Deger  und  Müller  nicht  gegeben  werden  konnte. 

Immerhin  haben  diese,  wenn  ihrer  auch  nur  wenige  sind,  Achtenswerthes  und  theilweise 
Schönes  geleistet.  Einer  der  strengsten  Degerschüler,  Wunderlich,  ist  leider  durch  Kränklichkeit 
und  widrige  Umstände  verhindert,  der  Kunst  seine  Kraft  so  zu  widmen,  wie  er  es  möchte.  In 
einem  ,, Schweifstuch  der  hl.  Veronika"  versuchte  er,  die  strenger  stilisirende  Art  der  ersten 
Arbeiten  Degers  zu  wiederholen. 

Als  ein  fruchtbarer  und  erfolgreicher  Nachfolger  seiner  Vorbilder  und  Lehrer  ist  dagegen 
Franz  Müller  seit  längerer  Zeit  auf  demselben  Gebiete  thätig.  Geboren  1843  ^u  Düsseldorf, 
arbeitete  er  zunächst  unter  Leitung  seines  Vaters  Andreas  und  seines  Oheims  Carl  Müller.  Er 
war  dann  Schüler  von  Carl  Sohn,  Bendemann  und  Deger.  Es  entstand  im  Laufe  der  Jahre  bei 
dem  regen  Fleifs  des  Künstlers,  trotz  der  sorgfältigen  Ausführung,  die  er  seinen  Arbeiten  zu 
Theil  werden  läfst,  eine  grofse  Reihe  schöner  und  tiefempfundener  Werke  meist  kirchlichen 
Charakters,  aber  auch  eine  Anzahl  gut  aufgefafster  Porträts.  So  malte  er,  um  nur  einige  seiner 
Bilder  zu  nennen,  als  erstes  selbständiges  Werk  eine  „Madonna  mit  Kind  in  Landschaft",  dann 
eine  „Pietä",  die  der  Kunstverein  erwarb.  In  den  60er  Jahren  half  der  junge  Künstler  seinem 
Vater  bei  der  Ausmalung  des  Kunstsaales  für  den  Fürsten  von  Hohenzollern- Sigmaringen  und 
unternahm  dann  eine  halbjährige  Studienreise  nach  Antwerpen. 

Nach  seiner  Rückkehr  vollendete  er  Altarbilder  für  Kevelaer,  eine  ganze  Reihe  von  Bildern 
für  die  Pfarrkirche  von  Hüls  bei  Krefeld,  ein  Herz -Jesu -Bild  für  den  Dom  in  Münster  und  Werke 
derselben  Art  für  verschiedene  andere  Kirchen.  Seit  dem  Tode  Carl  Müllers  vollendete  Franz 
Müller,  wie  bemerkt,  das  grofse  Altarbild  der  Remigiuspfarrkirche  in  Rom  nach  dem  Carton  des 
Oheims  und  ißt  jetzt  noch  mit  der  Ausführung  von  Einzelfiguren  von  Kirchenlehrern  und  Kirchen- 
vätern für  die  Chorwände  derselben  Kirche  beschäftigt. 

Vielseitiger  entwickelte  sich  Heinrich  Lauenstein,  der,  1835  ^^  Hudessum  bei  Hildesheim 
geboren,  1859  in  die  Akademie  eintrat,  dort  Schüler  von  Bendemann  und  Deger  wurde,  und  schon 
seit  1864  als  Lehrer,  seit  1881  als  Professor  an  der  Akademie  thätig  ist.  Im  Jahre  1897  wurde 
ihm,  nachdem  er  bisher  die  Elementarklasse  geleitet  hatte,  der  Lehrstuhl  für  kirchliche  Malerei 
eingeräumt.  In  seiner  Kunst  ist  Lauenstein  nicht  ohne  Erfolg  bestrebt,  die  streng  kirchliche 
Richtung  seines  Lehrers  nach  einer  etwas  genrehaften,  zuweilen  sogar  romantischen  Weise  zu 
erweitern,  wobei  man  vielleicht  an  den  Einflufs  Bendemanns  denken  könnte.  Das  gilt  besonders 
von  einem  seiner  schönsten  Bilder  der  .,H1.  Caecilie  mit  Engeln",  das  etwa  um  1885  entstand. 
Eine  äufserst  fruchtbare  Thätigkeit  als  Bildnismaler  gab  dem  Künstler  Gelegenheit,  immer  mit 
der  Natur  in  engster  Verbindung  zu  bleiben,  was  sich  in  seinen  religiösen  Bildern  denn  auch 
vortheilhaft  bemerkbar  macht.  Als  Bildnismaler  ist  Lauenstein  besonders  in  der  Darstellung  von 
Frauen  und  Kindern  glücklich.  Von  seinen  religiösen  Bildern  seien  genannt:  ,,Der  hl.  Vincenz 
von  Paula",  ,, Christus  am  Kreuz",  angekauft  vom  Kunstverein  für  Rheinland  und  W^estfalen, 
weiter  ein  „Christus  am  Kreuz"  für  die  evangelische  Kirche  in  Schwerin  a.  d.  V/.,  „Hl.  Elisabeth 
und  Hl.  Joseph  und  Christuskind",  zwei  Altarbilder  für  die  Krankenhauskapelle  in  Viersen,  eine 
„Hl.  Familie"  für  die  Pfarrkirche  in  Viersen.  Dann  ein  Bild  von  mehr  phantastischem  Charakter 
und  grofsem  Reiz  der  Auffassung:  ,,Glorification  einer  Verstorbenen"  und  die  schon  erwähnte 
poesievolle  ,,H1.  Caecilie". 

H.  J.  Sinkel,  geboren  1835  in  Almelo,  Holland,  gehörte  in  seinen  Anfängen  als  Schüler  von 
C.  Müller  ebenfalls  zu  den  Nazarenern  und  malte  in  deren  Sinne  verschiedene  Bilder.  Später 
widmete  er  sich  aber  fast  ausschliefslich  der  Bildnifsmalerei,  wobei  er  namentlich  in  seinen 
Damenbildnissen  eine  vom  Publikum  sehr  geschätzte  Weichheit  und  Eleganz  zeigt. 


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VIII.  Kapitel 

Beginn  und  rasche  Entwicklung  der  Genremalerei 


OWOHL  die  ernste  Historienmalerei  Lessings  und  Rethels,  als  die  streng  kirchliche  Kunst 
Degers  und  seines  Kreises  hatten  sich  zwar  in  Abwendung  von  der  eigentlichen  roman- 
tischen Richtung  entwickelt,  waren  aber  doch  aus  derselben  hervorgegangen  und  konnten 
denselben  Ursprung  und  dieselbe  Tendenz  nicht  verleugnen.  Erst  Rethels  letzte  grofsen 
Arbeiten  bedeuteten  die  Befreiung,  die  neue  und  unabhängige  grofse  Kunst,  die  alle 
ästhetischen  Lappen  und  Läppchen  und  alle  Sentimentalitäten  abgeschüttelt  hatte  und  die  Erfül- 
lung dessen  war,  was  Cornelius  versprochen,  aber  nicht  gehalten  hatte.  Sie  war  aus  der  Schadow- 
schule  zwar  hervorgegangen,  hatte  sie  aber  überwunden.  Ganz  im  Gegensatz  zu  Schadow,  zu 
seiner  Kunst  und  zu  seiner  Denkweise,  wenn  auch  freilich  noch  nicht  direct  im  Gegensatz  zu  der 
ästhetisch -literarischen  Motivenwahl  der  Romantiker,  entwickelte  sich  die  Genremalerei,  die  sehr 
bald  neben  der  eigentlichen  romantischen  Schule  ihre  Stellung  behauptete  und  jene  dann  über- 
lebte, um  die  Vorherrschaft  der  Düsseldorfer  Malerei  auf  diesem  Gebiete  bis  in  die  neueste  Zeit 
hinüberzuführen,  hier  noch  mehr  und  für  längere  Zeit  vorbildlich  wirkend,  als  es  die  Romantiker 
für  nur  wenige  Jahrzehnte  gethan  hatten. 

Die  ältere  Genremalerei  war  in  der  That  die  gesunde  und  aus  dem  wirklichen  Volksthum 
hervorgegangene  Gegenströmung  gegen  die  Sentimentalität  und  die  naturwidrige  Ueberstiegenheit 
der  Romantiker,  und  wenn  irgend  etwas  geeignet  ist,  den  Beruf  der  jungen  Düsseldorfer  Schule 
zu  beweisen,  so  ist  es  die  Thatsache,  dafs  diese  Genremalerei  sich  gewissermafsen  aus  sich 
selbst,  ohne  Hülfe  und  ohne  directe  Vorbilder  entwickelte. 

Gerade  die  Zopfzeit,  die  im  Norden  in  Chodowiecky  einen  gesunden  und  fruchtbaren  Schilderer 
des  bürgerlichen  Lebens  gefunden  hatte,  war  für  Düsseldorf  eine  Zeit  der  künstlerischen  Oede 
gewesen.  Nach  Kurfürst  Johann  Wilhelms  Tode  hatte  es  geschienen,  als  ob  die  kurze  Kunstblüthe 
für  immer  geknickt  wäre.  Krabe  und  sein  klassicistischer  Nachfolger,  der  Concurrent  Rafaels, 
J.  P.  Langer,  waren  die  Letzten,  die  in  der  Beobachtung  der  Natur  und  des  Volkes  neue  Kraft 
gefunden  hätten,  und  Cornelius,  der  in  seinem  ,, Faust"  und  in  den  Zeichnungen  zu  dem  ,, Ausflug 
nach  dem  Taunus"  entschieden  genrehafte  Züge  gezeigt  hatte,  wandte  sich  später  bewufst  und 
eigensinnig  von  dieser  Richtung  der  Kunst,  die  seinem  Wesen  allerdings  fern  lag,  ab.  Auch 
Schadow  stand  der  Darstellung  der  Wirklichkeit,  des  Volkes  als  einer  unidealen  direct  und  bewufst 
ablehnend  gegenüber.  Höchstens  die  Landschaft,  aber  auch  diese  nur  idealisirt  und  als  Hintergrund 
oder  Stätte  romantischer  Begebenheiten,  liefs  er  gelten. 

Die  Abneigung  Schadows  gegen  die  Genremalerei  mufs  sich  häufig  genug  Luft  gemacht  haben. 
Es  giebt  kaum  einen  bedeutenderen  Düsseldorfer  Genremaler  der  älteren  Zeit,  von  dem  nicht  erzählt 
wird,  wie  er  als  Schüler  mit  Schadow  in  Conflict  gerathen  sei;  von  Dutzenden  wird  erzählt,  wie 
sie  von  dem  Director  den  Rath  bekommen  hätten,  lieber  Schuster  zu  werden,  da  sie  zur  Kunst 
nicht  taugten,  und  was  dergleichen  volksthümliche  Uebertreibungen  mehr  sind,  die  aber  ohne 
Zweifel  einen  ernsthaften  Hintergrund  haben. 

Man  hat  bei  der  Genremalerei  zwei  sehr  von  einander  verschiedene,  aber  schnell  aufeinander 
folgende  und  ineinander  greifende  Richtungen  zu  unterscheiden,  die  eine,  die  sich  von  dem  literarisch 
poetischen  Charakter  der  Schule  noch  nicht  frei  machen  konnte,  und  die  andere,  die  energisch 
alle  ,, geistigen"  Anregungen  über  Bord  warf  und  sich  an  die  Natur,  an  die  Wirklichkeit,  an  das 
Leben  hielt.  Natürlich  waren  beide  Richtungen  nicht  scharf  getrennt,  und  die  Vertreter  der  ersteren 
gingen  über  kurz  oder  lang  in  das  Lager  der  eigentlichen  Volksmaler  über. 

152 


Es    lag   ja   auf  der 
Hand,   dafs   die   Genre- 
malerei  sich    nicht   auf 
einmal  von  der  grofsen 
Historie,     der     roman- 
tischen gemalten 
Illustration  losreifsen 
konnte.     Zahlreiche 
Künstler  nahmen  nicht 
nur     zeitlich,     sondern 
auch    ihrem    ganzen 
Talent    entsprechend 
eine     Zwischenstellung 
ein,  ähnlich  den  Seelen 
derjenigen,  die.  nach  der 

mohammedanischen 
Sage  für  das  Paradies 
zu  schlecht  und  für  die 
Hölle  nicht  schlecht  ge- 
nug, auf  einer  schmalen 
Mauer  zwischen  beiden 
sitzen  müssen. 

Diesen    Künstlern 
entstammen    die    zahl- 
losen   Edelfrauen     und 
Knappen,    die    Gold- 
schmiedstöchterlein, 
die  bunten  costümirten 
Männlein  und  Weiblein, 
die    sich    wie   Statisten 
um   die  ebenso   bunten 

nur  prätentiöseren 
Helden   und  Heldinnen 
der  Romantik  in  grofser 

Zahl  herumdrücken, 
überall   im  Wege    sind 


LOUIS   BLANC 

Kirchgängerin 

Nach   dem  Stich  von  Hoffmann 


und  ihres  Daseins 
selber  nicht  froh  werden 
können. 

Gelegentlich  schlug 
einmal  ein  solches  Bild 
ein,  d.  h.  es  traf  gerade 
einmal  ganz  besonders 
den  Geschmack  des 
grofsen  Ausstellungs- 
publikums, wie  Blancs 
,, Kirchgängerin"  oder 
die  Märchenbilder  von 
Kretschmer,  der  später 
unter  die  Orientmaler 
ging.  Auch  der  unend- 
lich fruchtbare,  vielfach 
als  Lithograph  thätige 
Job.  Bapt.  Sonderland 
wäre  als  einer  der  ge- 
niefsbarsten  zu  nennen, 
der  sich  auch  sehr  bald 
ganz  und   gar   von    der 

Romantik  losmachte. 
Aber  sie  alle  sind  doch 
der  Vergessenheit  an- 
heimgefallen, da  ihre 
Begabung  nicht  grofs 
genug  war,  um  auch  nur 
technisch  da  Neues  zu 
bringen,  wo  sie  sich  in- 
haltlich begnügten,  das 
tausendmal  Gesagte  bis 

ins  Unendliche   zu 
wiederholen.  Wenn  die 
immer  noch  literarisch 
abhängige    Genrekunst, 


deren  Auftreten  auch  in  einem  gewissen  Zusammenhang  mit  den  schon  erwähnten  Mifshellig- 
keiten  zwischen  den  Ostländern  und  den  Einheimischen  stehen  mochte,  es  dennoch  zu  einigen 
hervorragenden  und  bis  heute  unvergessenen  Leistungen  bringen  konnte,  so  verdankt  sie  das 
hauptsächlich  zwei  grofsen  Talenten,  welche  sich  weit  über  die  Schaar  der  Genossen  erhoben, 
den  akademischen  Zwang  durchbrachen  und  sich  schliefslich  auch  von  den  letzten  literarischen 
Anklängen  frei  machten. 

Ein  grofses  Verdienst  erwarben  sich  aber  auch  gerade  diese  beiden  Künstler  um  die 
Entwicklung  des  malerisch  Technischen  in  der  Genremalerei.  Dafs  dieses  sehr  bald  einen 
wesentlich  anderen  Charakter  annahm,  als  es  ihn  bei  der  romantischen  Historienmalerei  gehabt 
hatte,  ist  eine  viel  zu  wenig  beachtete  Thatsache.  Hier  wurden  sogar  verhältnifsmäfsig  früh  Wege 
eingeschlagen,  die  eigentlich  erst  in  den  allerletzten  Jahrzehnten  wieder  aufgesucht  worden  sind. 
Es  hat  nämlich  einmal,  und  zwar  höchst  wahrscheinlich  nicht  in  Anlehnung  an  fremde  Kunst, 
sondern  aus  einer  naiven  Naturbeobachtung  entsprungen,  eine  Art  Hell-  oder  Freilichtmalerei  in 
Düsseldorf  bestanden,  die  auch  den  Landschafter  Lessing  eine  Zeit  lang  beeinflufst  hat,  die  aber 
von  einem  der  Genremaler  aufgebracht  worden  zu  sein  scheint.  Auch  die  Art,  wie  diese  allerdings 
vereinzelt  gebliebenen  Bilder  ihre  Figuren  in  der  Landschaft  behandeln,  ist  eine  durchaus  moderne, 
und  wir  sehen  somit  in  Schrödter  einen  Vorläufer  der  modernen  Bestrebungen  schon  in  der  ersten 
Zeit  der  Blüthe  der  Düsseldorfer  akademischen  Malerei. 

Dafs  diese  Bestrebungen  zur  Hellmalerei,  die  auch  auf  einzelne  der  Figurenmaler  nicht  ohne 
Einflufs  blieben,  später  in  der  allgemeinen  braunen  Sauce  wieder  untergingen,  lag  nicht  nur  an 
der  Vorliebe,    mit    der    die    Genremaler    in    der    Folge    fast   ausschliefslich    Interieurscenen    malten. 


153 


sondern  auch  an  dem  Geschmack  der  Zeit,  der  sich  allmählich  auch  in  weiteren  Kreisen  für  die 
alten  Meister  zu  begeistern  anfing.  Er  betrachtete  als  eine  unumgängliche  Forderung  für  jedes 
Bild  den  berühmten  altmeisterlichen  Goldton,  ohne  doch  näher  zuzusehen,  woher  er  stammte  und 
was  eigentlich  darunter  steckte.  Wie  diese  Tradition  schliefslich  in  eine  wahre  coloristische 
Finsternifs  geführt  hat,  in  der  nach  Muncacsys  berühmtem  Ausspruch  ,, Beinschwarz  das  schönste 
Roth"  war,  und  wie  endlich  einigermafsen  mit  ihr  gebrochen  wurde,  das  ist  ja  noch  in  Aller 
Gedächtnifs,   und  dennoch  ist  die  Vorliebe    für   die    braune  Sauce   noch  nicht  überall  überwunden. 

Dafs  Schrödter,  der  nicht  nur  einer  der  ältesten,  sondern  auch  einer  der  bedeutendsten 
Düsseldorfer  Genremaler  war,  von  dem  Studium  der  alten  Niederländer,  das  ja  eigentlich  den 
Düsseldorfern  hätte  am  nächsten  liegen  sollen,  nicht  berührt  worden  ist,  beweisen  eben  diese 
seine  hellen  Bilder  seiner  frühesten  Zeit,  und  wenn  er  sich  gelegentlich,  so  in  seinem  geradezu 
klassischen  ,,Don  Quichote  im  Studirzimmer"  in  der  Schönheit  des  Tons  den  besten  holländischen 
Kleinmeistern  nähert,  so  erscheint  das  mehr  als  eine  Folge  natürlicher  Wesensgleichheit,  wie 
eines  bewufsten  Studiums. 

Adolph  Schrödter,  einer  der  frühesten  und  dabei  feinsten  Schilderer  rheinischen  Lebens, 
war  gleichwohl,  wie  die  meisten  seiner  CoUegen,  Norddeutscher  und  liefert  damit  auch  wieder 
einen  Beweis  für  die  häufig  zu  beobachtende  Thatsache,  dafs  nicht  immer  oder  ausschliefslich 
der  Eingeborene  sein  Volk  und  sein  Land  am  genauesten  kennt  oder  am  frischesten  auffafst, 
sondern  der  von  aufserhalb  Gekommene,  eine  Thatsache,  die  von  den  fanatischen  modernen  Wort- 
führern für  eine  eingeborene  Kunst  nur  zu  sehr  aufser  Acht  gelassen  wird,  die  aber  bei  der  alten 
Düsseldorfer  Genrekunst  und  gerade  bei  ihren  berufensten  Vertretern  sehr  häufig  zu  beobachten  ist. 

Schrödter  wurde  1805  zu  Schwedt  in  der  Uckermark  geboren,  als  der  Sohn  eines  Decorations- 
malers, dessen  Handwerk  er  in  Berlin  nach  dem  frühen  Tod  des  Vaters  lernen  sollte.  Der  be- 
rühmte Gropius  hatte  aber  keine  Verwendung  für  den  Fünfzehnjährigen,  und  so  wollte  Schrödter 
es  mit  der  Bildhauerkunst  bei  dem  alten  Schadow  versuchen.  Auch  dieser  hatte  keinen  Platz, 
gab  aber  dem  jungen  Manne  eine  Empfehlung  an  den  Kupferstecher  Buchhorn,  bei  dem  sich 
Schrödter  sieben  Jahre  lang  mit  dem  Grabstichel  herumquälte,  allerdings  nebenbei  die  Akademie 
besuchte.  Dort  fesselte  ihn  am  meisten  das  Componiren  und  Malen,  aber  schliefslich  zog  auch 
ihn  der  Ruf  der  Düsseldorfer  Schule  an  den  Rhein.  Von  der  Versicherung  seines  trefflichen 
Lehrers  in  der  Kupferstecherkunst,  dafs  er  nie  etwas  Ordentliches  leisten  würde,  begleitet,  kam 
er  1829  nach  Düsseldorf,  wo  er  in  Schadow  den  letzten  seiner  vielen  Lehrmeister  fand,  von  dem 
er  zwar  auch  wohl  nicht  viel  gelernt  haben  mag,  bei  dem  er  aber  doch  wenigstens  endlich  die 
Kunst  fand,  in  der  er  sich  aussprechen  konnte.  Sehr  bald  und  in  rascher  Folge  erschienen  nun 
die  Bilder  Schrödters,  die  zuerst  nicht  ohne  Widerspruch  von  Seiten  der  akademischen  Gröfsen 
blieben,  bald  aber  nicht  nur  sich  die  lebhaftesten  Sympathien  der  ganzen  Welt  erwarben,  sondern 
dem  Künstler  auch  eine  unbestrittene  Stellung  neben  den  vornehmen  Heroen  der  Romantik  ver- 
schafften. Das  beweist  am  besten  die  Thatsache,  dafs  die  meisten  seiner  Bilder  vom  Kunst- 
verein angekauft  oder  von  bedeutenden  Sammlern  erworben  wurden.  In  seiner  humorvollen 
Kunst  entstand  der  süfslichen  Romantik  eine  gefährliche  Nebenbuhlerin,  die  sich  bald  als  die 
stärkere  und  gesundere  erweisen  sollte  und  es  wagen  durfte,  mit  souveränem  Humor  sich  über 
Alles,  was  in  der  akademischen  Kunst  theaterhaft,  unwahr  und  sentimental  war,  unbarmherzig 
lustig  zu  machen.  Eine  grofse  Zahl  von  Gesinnungsgenossen  schaarte  sich  um  den  lustigen 
Künstler,  und  während  die  Romantik  an  ihrer  eigenen  Sentimentalität  langsam  hinwelkte,  legte 
die  Genremalerei  schon  den  Grund  zu  einem  thatkräftigen  Weiterwachsen  der  Düsseldorfer  Kunst, 
die  nach  Rethels  frühem  Tode  und  Lessings  Fortgang  sonst  in  sich  selbst  zusammengefallen  und 
auch  durch  Bendemanns  Rückkehr  allein  schwerlich  wieder  aufgerichtet  worden  wäre. 

In  seinem  ersten  Bilde,  ,,Der  sterbende  Abt",  opferte  Schrödter  noch  der  Schultradition, 
aber  schon  das  nächste,  ,,Die  Rheinweinprobe"  1832,  war  ein  kecker  Griff  ins  rheinische  Leben, 
der  neben  dem  damals  üblichen  Genre,  den  Ritterfräuleins,  Edelknaben,  Chorknaben  u.  s.  w.,  Auf- 
sehen erregen  mufste,  ohne  in  der  Charakterisirung  schon  des  Meisters  spätere  Kraft  zu  zeigen. 
Der  dicke  Küfer,  dessen  Gesichtsausdruck  nicht  ganz  gelungen  erscheint,  probt  den  sauren 
30er  Wein;  neben  dem  Fafs  sitzt  ein  Knabe,  der  ihm  lächelnd  zuschaut. 

Nachdem  Schrödter  1832  mit  den  ,, Trauernden  Lohgerbern"  seinen  energischen  künstlerischen 
Protest,  eine  Satire  von  unüberwindlicher  Schärfe  gegen  die  Sentimentalität  der  trauernden 
Könige,  trauernden  Juden,  trauernden  Propheten  u.  s.  w.  in  die  Welt  geschleudert  hatte,  ent- 
stand im  nächsten  Jahre  das  figurenreiche,  wenn  auch  nicht  grofse  ,, Rheinische  W^irthshaus", 
und    hier    eben    zeigt    sich    Schrödter    nicht    nur    als   witzigen    und    humorvollen    Beobachter    des 

155 


täglichen  Lebens,    sondern  auch  als  einen  Landschaftsmaler   von    feinstem  Gefühl    für  die  Farben- 
werthe  der  freien  Luft. 

Schon  im  Jahre  1833  hat  ein  Düsseldorfer  es  gewagt,  violette  Schatten  zu  malen  und  helle 
weifsliche  Sonnenlichter.  Freilich  hat  die  zeitgenössische  Kritik  dies  auch  übel  genug  genommen. 
Der  ästhetische  Graf  Raczcynsky  meint  von  diesem  Bilde,  die  Beleuchtung  sei  zu  verschwende- 
risch darüber  verbreitet.  Uebrigens  blieb  es  bei  Schrödter  und  bei  den  Anderen  hier  auch  nur 
bei  diesen  Anläufen.  Die  letzten  Consequenzen  zu  ziehen,  wie  es  die  moderne  Kunst  gethan, 
dazu  fehlte  den  Düsseldorfern  und  gerade  Schrödter  vor  Allem  die  Technik,  die  Beherrschung  des 
Malhandwerks.  Gerade  er  hat  die  Jugenderziehung,  die  ihm  zuerst  den  spitzen  Grabstichel  in  die 
Hand  gab,  niemals  ganz  überwinden  können,  und  Hasenclever  sowohl,  wie  Lessing,  die  mit  dem 
Impasto  verhältnifsmäfsig  am  freiesten  umgingen,  waren  nur  zu  bald  wieder  in  den  sogenannten 
Ton  der  alten  Meister  gerathen,  der  sogar  die  sonst  so  lebendige  Hussitenpredigt  wie  mit  einem 
gelben  Firnifs  überzieht. 

Dafs  die  Freude  an  der  Landschaft  und  das  Verständnifs  für  die  Lichtwirkung  sich  bei 
Schrödter  lange  genug  erhielt,  beweist  die  1841  gemalte  ,, Waldschmiede"  (in  der  Nationalgalerie), 
eine  der  werthvollsten  Schöpfungen  jener  Zeit,  in  der  sich  eine  so  feine  und  zarte  Ausdrucks- 
fähigkeit ausspricht,  wie  sie  erst  Knaus  und  Vautier  späterhin  wiederfinden  sollten. 

Der  tief  im  Wald  gelegenen  Schmiede,  in  welcher  verschiedene  Gesellen  arbeiten,  nähert 
sich    von    rechts    eine   junge  Bauersfrau,    die    in    neckischer    Haltung   ihr    kleines    Mädchen    anruft; 

dies  läuft  voller  Freude  mit  ausge- 
breiteten Armen  der  Mutter  entgegen. 
Sowohl  die  ruhige,  halb  abwehrende 
Bewegung  der  hübschen  drallen  Frau, 
als  die  stürmische  Freude  des  Kindes 
sind  von  entzückender  Frische  und 
W^ahrheit.  Dafs  die  Beiden  mittel- 
alterliches Costüm  tragen,  ist  die  ein- 
zige Andeutung  des  Einflusses  jener 
Zeit.  Der  landschaftliche  Theil,  das 
frische  Grün  des  Waldes  mit  hellen, 
kalten,  fast  weifsen  Lichtern,  ist  auch 
hier  von  gröfster  und  überraschender 
Naturtreue. 

Aber  schon  in  die  Zeit  vor 
diesem  Bilde  fallen  jene  anderen 
Werke,  die,  berühmter  und  be- 
kannter, dem  Künstler  seine  Stellung 
in  der  Kunstgeschichte  für  alle 
Zeiten  sichern. 

Allerdings  sind  sie  keine  freien 
Schöpfungen,  wie  die  eben  genannten, 
halb  figürlichen,  halb  landschaftlichen 
Bilder.  Der  Einflufs  der  Literatur  auf 
die  Kunst  der  Düsseldorfer  war  ein 
so  mächtiger,  dafs  selbst  der  grofse 
Satiriker  sich  ihm  nicht  entziehen 
konnte.  Nur  wählte  er  andere  Dichter 
zur  Nachschöpfung  als  seine  Kollegen, 
und  gerade  auch  in  dieser  Wahl 
zeigt  sich  der  Unterschied  zwischen 
ihnen  und  ihm.  In  Shakespeare  und 
Cervantes  fand  er  die  Anregung  zu 
seinem  Falstaff  und  vor  Allem  zu 
seinen  Don  Quichote-Bildern.  In  dem 
Ersten  von  diesen,  in  dem  ,,Don 
Quichote  iqi  Studirzimmer"  ent- 
stand schon   1834  jenes  Meisterwerk 


ADOLPH  SCHRÖDTER 

Don  Quichote  und   Sancho  Pansa   reiten  auf  Abenteuer 

Nach   dem   Stich  des  Künstlers 


156 


ADOLPH   SCHRÖDTER 
Don  Quichote  im  Studirzimmer 


deutscher  Genremalerei,  das  über  alle  Schulbeziehungen  sich  erhebt,  zu  dem  Vergleichsobjecte  nur 
in  den  reifsten  Werken  der  holländischen  Kleinmeister  zu  finden  sind. 

Schrödter  hat  hier  an  der  Hand  des  Dichters  einen  Typus  geschaffen,  der  seitdem  für  den 
edlen  Ritter  von  der  traurigen  Gestalt  mafsgebend  geblieben  ist,  den  er  selbst  in  dieser  Feinheit 
nicht  einmal  selbst  hat  übertreffen  können.  Auf  derselben  Höhe  wie  die  psychologische  Tiefe 
des  Ausdrucks,  mit  dem  der  tolle  Idealist  zu  fast  unheimlichem  Leben  erweckt  erscheint,  steht 
die  Ausstattung  der  engen  Klause,  in  der  er,  umgeben  von  seinen  Schmökern,  in  dem  alten 
Lehnstuhl  hockt,  steht  die  malerische  Ausführung,  die  auch  in  der  überzeugenden  und  doch 
discreten  Behandlung  des  Stofflichen  ihrer  Zeit  um  Jahrzehnte  vorauseilt.  Das  geht  noch  über 
die  stählerne  Geldbörse  Hildebrandts  hinaus.  Die  zarte  Technik,  die  anderswo  zuweilen  etwas 
Unsicheres  hat,  fügt  sich  hier  vortrefflich  in  den  dämmernden  feinen  Ton,  der  das  ganze  Gemach 
wie  mit  tanzenden  grauen  Sonnenstäubchen  erfüllt. 

Diesen  Don  Quichote  hat  Schrödter  in  den  zahlreichen  Bildern,  die  er  dem  unsterblichen 
Ritter  widmete,  nicht  wieder  erreicht.  Am  nächsten  kommt  er  ihm  in  dem  zehn  Jahre  später 
gemalten  ,,Don  Quichote  und  Sancho  reiten  auf  Abenteuer"  1845,  ^^^s  er  selbst  auch  für  den 
Kunstverein  auf  Stahl  radirte.  Unzählige  Male  hat  er  seinen  Lieblingshelden  noch  in  den 
verschiedensten  Situationen  gemalt  und  gezeichnet.  Coloristisch  wirksam  ist  ,,Die  Begegnung  Don 
Quichotes  mit  seiner  Dulcinea"   in  der  Düsseldorfer  Kunsthalle. 

Don  Quichote  ist  ein  Ritter,  wenn  auch  ein  trauriger,  aber  Falstaff  ist  ein  Engländer,  wenn 
auch  ein  lustiger,  und  bei  seinen  Falstaffbildern  berührt  Schrödter  nur  zu  häufig  die  Grenze,  wo 
der  Humor  zur  Grimasse  wird.  Vielleicht  entspricht  das  dem,  was  Shakespeare  für  sein  englisches 
Volk  gemeint  hat,  aber  es  entspricht  nicht  dem,  was  der  Künstler  sonst  Besseres  geschaffen  hat. 
Es  scheint  fast,  als  ob  das  Uebertriebene  in  den  Situationen  ihn  hier  auch  zu  Uebertreibungen  in 
der  Farbe  veranlafst  hätte.  Auch  die  1839  gemalte  Scene  aus  Heinrich  V.,  wo  Kapitän  Fluellen 
den  Fähnrich  Pistol  nöthigt,  das  Bündel  Lauch,  das  er  am  Hut  getragen,  aufzuessen,  ist  nicht  nur 
etwas  fratzenhaft  im  Ausdruck  und  bunt  in  der  Farbe,  sondern  auch  unverständlich  in  der 
allerdings  wenig  malerischen  Situation.  Besser  entsprach  Schrödters  deutschem  Naturell,  das  bei 
aller  Satire  doch  des  innerlichen  Humors  nicht  entbehrt,  der  Lügenvater  Münchhausen,  den  er 
in  einigen  Bildern,  die  den  allergröfsten  Beifall  der  Zeitgenossen  fanden,  schildert,  und  schliefslich 
mufste  auch  der  älteste  deutsche  Humorist  und  Schalksnarr  Till  Eulenspiegel  ihm  Vorwürfe  für 
einige  Bilder  liefern. 

Freilich  scheint  hier  das  Mittelalterliche,  Derbe  nicht  ganz  der  Natur  Schrödters  ent- 
sprochen zu  haben;  auch  ist  wenigstens  ,, Eulenspiegel  beim  Bäcker"  1845  in  der  Farbe  nicht 
so  fein  und  wahr,  wie  die  früheren  Bilder  des  Meisters,  die  überhaupt  seine  besseren  sind. 
„Auerbachs  Keller"  1848,  in  dem  Schrödter  sich  dem  vornehmeren  Dichterkreise  wieder  nähert, 
ist  reich  componirt,  läfst  aber  auch   die  Frische  und  den  Humor  früherer  Arbeiten  vermissen. 

Zuweilen  kehrte  Schrödter  von  den  Gestalten  der  Dichter  zu  dem  wirklichen  Leben  zurück, 
das  er  gleich  anfangs  so  lebendig  und  künstlerisch  zu  schildern  begonnen  hatte,  so  in  der 
,, Fischerhütte  auf  Helgoland"  1834,  wozu  ihn  vielleicht  der  im  selben  Jahr  entstandene  ,,Heiraths- 
antrag  auf  Helgoland"  von  Jordan  angeregt  hatte,  in  der  porträtartigen  ,, Jagdgesellschaft  des  Prinzen 
Friedrich  von  Preufsen"  1835.  ,,Uckermärkische  Bauern",  ,,Die  Jäger  in  der  Sommerhitze"  1845, 
,,Der  lustige  Fuhrmann"  1847,   ,,Trinkgelag  im  Keller"  1848  u.  s.  w.   gehören  ebenfalls  hierher. 

Neben  dem  Pinsel  hat  Schrödter  den  Grabstichel,  die  Radirnadel  und  den  Zeichenstift  niemals 
vernachlässigt.  Zwischen  den  Bildern  erschien  eine  grofse  Reihe  von  witzigen  Radirungen  und 
Zeichnungen,  die  sich  über  der  Hochfluth  der  Illustrationen,  die  damals  in  Düsseldorf  anzuschwellen 
begann,  weit  erhoben. 

In  R.  Reiniks  ,, Frühlingsglocken"  radirte  er  verschiedene  Blätter,  zu  Mendelssohns  Oratorium 
,, Paulus"  zeichnete  er  ein  vorzügliches  Titelblatt,  und  unendlich  ist  die  Zahl  seiner  Radirungen,  die 
meist  voller  Humor  in  echt  rheinischer  Weise  W^ein,  Weib  und  Gesang  verherrlichen.  Auch 
Don  Quichote  erscheint  hier  wieder,  aber  die  Krone  des  ganzen  radirten  Werkes  des  Meisters  ist 
die  Allegorie  seines  Künstlersymbols,  des  ,,Propfenziehers",  und  zwischen  Zeichnung  und  Malerei 
steht  die  letzte  gröfsere  Arbeit,  die  er  in  Düsseldorf  ausführte,  ,,Die  Bauernkirmefs",  ein  mit 
Figuren  belebter  Arabeskenfries  auf  Goldgrund,  den  der  Kunstverein  im  Jahre  1847  erwarb  und  in 
Lithographien  im  nächsten  Jahre  unter  seinen  Mitgliedern  als  Vereinsgabe  vertheilte. 

Im  Jahre  1848  siedelte  Schröder  nach  Frankfurt  am  Main  über,  wo  ihn  der  Anblick  des 
Frankfurter  Parlaments  zu  den  klassischen  Zeichnungen  zu  ,,Des  Abgeordneten  Piepmeyers  Leben 
und  Thaten",  die  er  mit  dem  witzigen  und  kunstsinnigen  Advokaten  Detmold  herausgab,  begeisterte. 

159 


ADOLPH  SCHRODTER 

Auerbachs  Keller 
Nach  dem   Stich  von  G.  Lüderitz 

Wiegmann  nennt  diesen  Piepmeyer  „die  einzige  Errungenschaft  jenes  Revolutionsjahres,  deren 
unsere  Nation  sich  wahrhaft  zu  erfreuen  hat".  Er  hat  dabei  jedenfalls  nicht  an  den  „Todtentanz" 
von  Rethel  gedacht,  wie  andererseits  heute  in  der  Unmasse  der  politischen  Tagescaricaturen  der 
„Piepmeyer"  ziemlich  vergessen  ist. 

Bis  zum  Jahre  1854  blieb  Schrödter  in  Frankfurt  und  kehrte  dann  nach  Düsseldorf  zurück. 
Aber  er  fand  sich  hier  sehr  enttäuscht.  Als  der  gefeierte  Besieger  der  Romantik  hatte  er  den  Kampf- 
platz verlassen.  Als  er  wiederkam,  hatten  sich  die  Anderen  längst  in  die  Früchte  dieses  Sieges 
getheilt.  Die  Romantik  war  oder  schien  so  gut  wie  todt.  Andere  hatten  die  Erbschaft  angetreten 
und  ihn,  den  Sieger,  vergessen.  Von  seinen  Verdiensten  war  keine  Rede  mehr.  So  ging  er  bald 
darauf  und  für  immer  nach  Karlsruhe,  wo  er  1859  als  Lehrer  an  der  dortigen  Kunstschule  angestellt 
wurde  und  mit  Schirmer  und  Lessing  zusammen  die  Düsseldorfer  Kunst  nach  Karlsruhe  ver- 
pflanzen half.     Er  starb  dort  im  Jahre  1875. 

Der  zweite  Bahnbrecher  der  Genremalerei  ist  Johann  Peter  Hasenclever,  geboren  1810  in 
Remscheid,  also  einer  der  wenigen  Provinzialen  aus  ältester  Zeit.  Auch  er  kam  zur  Malerei  erst 
auf  Umwegen.  Zuerst  hatte  er  Baumeister  werden  sollen,  da  der  Director  des  Düsseldorfer 
Gymnasiums,  der  in  seinen  Zeichnungen  Talent  entdeckt  hatte,  ihn  zur  Akademie  gewiesen  hatte. 
Von  der  dortigen  Bauklasse  aber  ging  er  in  die  Antikenklasse  über  und  fing  bald  an,  in  Oel  zu 
malen.  Aber  auch  ihm  gelang  es  nicht,  damit  die  Zufriedenheit  Schadows  zu  erwerben,  und 
seine  mythologischen  oder  illustrativen  Compositionen  machten  die  Sache  nicht  besser.    Das  erste 


160 


J.  P.  HASENCLEVER 
Selbstbildnis 


Bildchen,  ein  „Blinder  Violinspieler  mit  seinem  Buben",  erregte  Schadows  Zorn,  und  es  erfolgte 
der  gewöhnliche  gute  Rath,  das  Malen  bleiben  zu  lassen.  Der  Zwist  mit  dem  Lehrer  trieb 
Hasenclever  wieder  nach  Remscheid,  wo  er  sich  eine  Zeit  lang  mit  Porträtmalen  beschäftigte,  um 
dann  doch  wieder  nach  Düsseldorf  zurückzukehren.  Hier  machte  er  einen  neuen  Versuch  mit 
einem  kleinen  Bilde  .,Die  Betschwester",  das  besser  ausfiel  und  vom  Kunstverein  gekauft  wurde. 
Rasch  folgten  einige  andere  und  nun  liefs  sich  auch  Schadow  herbei,  sein  Talent  anzuerkennen. 
Er  rieth  ihm  sogar,  bei  den  humoristischen  Motiven  zu  bleiben.  Diese  behandelte  Hasenclever 
nun  mit  fast  noch  gröfserem  Geschick,  als  sein  älterer  Gesinnungsgenosse  Schrödter  und  vielleicht 
nicht  ohne  Anlehnung  an  niederländische,  oder  gar  schon  englische  Vorbilder,  welch  letztere 
namentlich  späterhin,  wenn  nicht  direct,  so  doch  in  gestochenen  Nachbildungen  einen  mächtigen 
Einflufs  auf  einzelne  Düsseldorfer  Genremaler  ausüben  sollten.  So  entstand  zunächst  ,,Der  Nieser", 
der  mit  der  Dose  in  der  Hand  im  Lehnstuhl  sitzt  und  im  Begriff  scheint,  ,,den  zurückgelegten 
Kopf  nach  vorn  überschnappen  und  eine  Explosion  erfolgen  zu  lassen".  Dann  das  „Milchmädchen", 
„Die  Politiker",  ,,Der  Sackpfeifer". 

Viel  Beifall  fand  auch  ein  genrehaftes  Gruppenporträt,  welches  in  humoristischer  Weise 
mehrere  Kunstgenossen  im  Atelier  vereinigt  darstellt. 

Seinen  ersten  grofsen  Erfolg  aber  fand  selbst  Hasenclever  erst  in  der  Anlehnung  an  einen 
Dichter;  so  tief  hatte  sich  die  geistige  Unselbständigkeit  in  alle  Gemüther  eingefressen,  dafs  eine 
erdichtete  Gestalt  auch  dem  Humoristen  den  Helden  seiner  Hauptwerke  abgeben  mufste.  Aller- 
dings begeisterten  weder  Tasso  noch  Dante,  weder  Uhland  noch  Goethe,  nicht  einmal  Shakespeare 
oder  Cervantes  den  humorvollen  Maler,  es  war  vielmehr  der  treffliche  Kortum  mit  seiner  nicht 
minder  trefflichen  Jobsiade,  der  Hasenclever  zu  unsterblichem  Ruhm  verhelfen  sollte.  So  gehört 
auch  Hasenclever  noch  immer  zu  den  ästhetisch-literarisch  beeinflufsten  Malern,  aber  er  ist  tief 
gesunken:  aus  Armidas  Zaubergärten,  von  den  Wassern  Babylons  und  von  Uhlands  sonnigen 
Höhen  führt  er  den  Kunstfreund  in  die  tabakerfüllte  Philisteratmosphäre  des  ehrlichen  Hieronymus 
Jobs,  um  ihn  hier  vor  immer  neuen  Scenen  festzuhalten.  Da  war  natürlich  grofser  Jammer  in 
,, Neubethlehem"  und  noch  mehr  in  der  ,,Alhambra",  wie  man  die  beiden  hauptsächlich  herrschenden 
Cliquen  in  der  Akademie   zu  nennen  pflegte. 

Schrödter  hatte  man  sich  noch  gefallen  lassen  mit  seinem  Don  Quichote  und  Falstaff,  aber 
der  Jobs  schlug  allen  Idealen  allzusehr  ins  Gesicht.  Die  Illustration  des  ,, unglücklichen  Knittel- 
gedichtes",  wie  der  officielle  akademische  Kunstschreiber  Wiegmann  in  echt  romantischem  Un- 
verständnifs  für  den  gesunden  Humor  Kortums  die  Jobsiade  zu  nennen  beliebt,  war  der  offene 
Bruch  mit  aller  und  jeder  Tradition,  aber  nebenbei  der  Anfang  einer  Kunst,  auch  innerhalb  der 
Akademie,  die,  nun  immer  unabhängiger  werdend,  bald  auch  die  letzten  akademischen  Fesseln 
abschütteln   sollte. 

Hasenclever  hat  sich  von  Jobs  lange  nicht  trennen  können,  wie  es  Schrödter  mit  Don 
Quichote  gegangen  war.  Hieronymus  begleitete  den  Maler  nach  München,  wohin  der  unruhige, 
nach  technischen  Anregungen  Suchende  bald  nach  dem  grofsen  Erfolg  des  ersten  Jobsbildes  für 
die  Zeit  von  1838 — 42  übersiedelte  und  wo  er  auch  in  der  That  mancherlei  Anregung  fand,  wenn 
auch  wahrscheinlich,  wie  das  meist  zu  gehen  pflegt,  in  anderer  W^eise  und  nach  anderer  Richtung 
hin,  als  er  erwartet  oder  gehofft  hatte.  In  München  lagen  gerade  so  und  noch  stärker,  wie  in 
Düsseldorf  die  romantische  und  die  realistische  Richtung  in  Fehde  miteinander,  und  was  man 
in  Düsseldorf  bitter  entbehrte  und  gelegentlich  mit  Ungestüm  herbeiwünschte,  die  herrliche  Galerie 
alter  Meister,  das  blieb  in  München  ziemlich  unbeachtet,  und  nicht  einmal  coloristisch  vermochten 
die  wunderbaren  Rubens,  Rembrandts  u.  s.  w.  Einflufs  auszuüben.  Es  schien,  als  ob  zwischen 
den  alten  Meistern  und  den  Nachgeborenen  alle  Brücken  des  Verständnisses  abgebrochen  wären. 
Dafür  stürzte  man  sich  mit  förmlicher  Wuth  auf  den  Nothsteg,  der  aus  England  herübergesetzt 
wurde,  als  \A^ilkies  Bild,  ,,Die  Testamentseröffnung",  für  die  neue  Pinakothek  angekauft  wurde. 
Nun  studirte  und  imitirte  man  Wilkie,  der  doch  seinerseits,  wie  die  meisten  seiner  Landsleute, 
ganz  bewufst  auf  den  Schultern  der  Alten  stand,  für  die  in  England  aus  verschiedenen  Gründen 
das  Verständnifs  nie  so  ganz  erloschen  war,  wie  in  Deutschland. 

Der  in  München  lebende  Kölner  Flüggen,  dann  Geyer,  Hermann  Dyk  haben  an  der  „Testa- 
mentseröffnung" gelernt,  und  auch  Hasenclever  scheint  sich  dem  Einflufs  dieses  auch  heute  noch 
durchaus  wirksamen  Bildes  nicht  entzogen  zu  haben.  Dann  aber  müssen  auf  ihn,  den  von  auswärts 
Gekommenen,  mehr  als  auf  die  Einheimischen  doch  auch  die  Bildnisse  der  alten  Meister  gewirkt 
haben,  denn  ihre  einfache  Gröfse  zeigt  sich  unverkennbar  nicht  nur  in  dem  lebendigen,  1851  kurz 
vor    seinem  Tode    gemalten    Selbstbildnis,    sondern    vor    Allem    in    dem   monumentalen  Porträt  des 

162 


Malers  Hilgers,  das  sich  an  Wucht  und  Ausdruck  bei  aller  Schlichtheit  der  Farbe  weit  über  alle 
die  zahllosen  guten,  eleganten,  aber  von  der  romantischen  Sentimentalität  angekränkelten  Porträts 
erhebt,  die  damals  in  Düsseldorf  und  auch  in  München  gemalt  wurden.  Auch  der  originelle 
Spitzweg  mit  seinen  Mondschein-  und  Philisterbildern  und  seinem  trockenen  Humor  scheint  nicht 
ohne  Wirkung  auf  den  jungen  rheinischen  Humoristen  geblieben  zu  sein.  In  dem  Nachtwächter 
Jobs  glaubt  man  etwas  von  Spitzwegs  Naturbeobachtung  wiederzufinden.  Vielleicht  am  meisten 
lernte  Hasenclever  in  rein  technischer  Beziehung  von  dem  originellen  kleinen  Stilllebenmaler 
Johann  Wilhelm  Preyer  (geboren  1803  in  Rheydt,  gestorben  i88g  in  Düsseldorf),  mit  dem  er  in 
München  zusammen  wohnte  und  mit  dem  er  von  dort  aus  gemeinsame  Reisen  nach  Oberitalien 
machte.  Preyer  hatte  sich  schon  vorher  durch  das  verständnifsvolle  Studium  der  holländischen 
Galerien  eine  für  seine  Zeit  geradezu  glänzende  Technik  innerhalb  seiner  bescheidenen  Kunst 
erworben,  die  in  Bezug  auf  Naturwahrheit  der  Farbe  bei  weitem  höher  stand,  als  die  Costüm- 
malerei  der  berühmten  Leute  in  Düsseldorf.  Hasenclever,  der  noch  in  Düsseldorf  das  erste  seiner 
Jobsbilder,  ,,den  nach  Hause  zurückkehrenden  Hieronymus"  gemalt  hatte,  empfand  gerade  bei  dem 
Versuch  einer  sorgfältigen  Ausführung  in  diesem  Bilde  die  Mängel  seiner  Technik  und  hat  bei 
dem  kleinen  Preyer  jedenfalls  die  Anregung  zu  einer  ins  kleinste  gehenden  Technik  gefunden, 
dabei  aber  doch  verstanden,  dem  Kleinlichen,  das  den  Bildern  des  Stilllebenmalers  zuweilen 
anhaftet,  aus  dem  Wege  zu  gehen. 

In  München  malte  Hasenclever  zuerst  ,,Das  schmollende  Ehepaar",  dann  aber  den  welt- 
berühmten ,,Jobs  im  Examen",  ein  Motiv,  das,  mehrfach  wiederholt,  seinem  Autor  einen  Weltruf 
und  zwar  einen  durchaus  verdienten  erwerben  sollte.  Hasenclever  hat  noch  verschiedene  Jobs- 
bilder gemalt:  ,,Jobs  als  Schulmeister"  und  als  Nachtwächter,  er  plante  eine  ganze  Serie  von 
Zeichnungen,  die  gestochen  werden  sollten,  an  deren  Ausführung  ihn  aber  sein  früher  Tod  ver- 
hinderte.    Nur  drei  dieser  Blätter  sind  in  trefflichen  Stichen  von  Th.  Janfsen  erschienen. 

In  keinem  seiner  Bilder  aber  und  kaum  bei  einem  der  aus  anderen  Stoffgebieten  entnommenen 
Motive  hat  er  die  rein  künstlerische  Wirkung  erreicht,  wie  im  ,, Examen",  das  er  nach  dem  ersten 
Münchener  Bilde  bedeutend  gröfser  für  Amerika  und  ebenso  für  den  Kunstmäcen  Ravene  in  Berlin 
malte.  Ein  vortrefflicher  Stich  von  seinem  Schwager  Theodor  Janfsen,  der  in  seiner  Art  auch 
ein  sich  über  seine  Zeit  erhebendes  Kunstwerk  ist,  machte  das  Bild  bald  ebenso  populär,  wie 
die  bekanntesten  romantischen  Ritterstücke  der  Schadowschule. 

Hasenclever  hat  sich  im  Examen  über  das  Niveau  der  Illustration  erhoben,  indem  er  sich 
über  den  Gegenstand  erhoben  hat.  Das  ist  nicht  mehr  die  etwas  burleske  Scene  der  Jobsiade,  es 
ist  vielmehr  eine  feine  und  leider  wohl  für  unabsehbare  Zeiten  noch  gültige  Satire  auf  das  ganze 
Chinesenthum  des  Examenwesens.  W^enn  irgend  ein  moderner  Kunstschreiber  irgendwo  sagt,  dafs 
der  hausbackene  Hasenclever  mit  wenig  V/itz  und  viel  Behagen  seine  Bilder  zur  Jobsiade  gemalt 
habe,  so  möchte  man  nur  wünschen,  dies  Bild,  wie  es  z.  B.  bei  Ravene  hängt,  auf  einer  modernen 
Ausstellung  zwischen  den  so  unendlich  bewunderten  Franzosen  oder  Engländern  sehen  zu  können, 
um  dann  entscheiden  zu  lassen,  auf  welcher  Seite  der  gröfsere  W^itz.  auch  der  künstlerische  W^itz 
sein  möchte. 

Nirgendwo  überschreitet  in  diesem  Bilde  Hasenclever  die  Grenze,  die  den  für  das  Kunstwerk 
zulässigen  Humor  von  der  Komik  scheidet,  und  in  Bezug  auf  Colorit,  auf  Zeichnung  und  Arrangement 
ist  er  in  diesem  Bilde  semen  Zeitgenossen  weit  voraus.  Wie  gesagt,  auch  heute  noch  würde  das 
Bild  Aufsehen  machen.  Wäre  nicht  eine  gewisse  Härte  und  Trockenheit  in  der  Behandlung  der 
Fleischfarbe  der  Köpfe,  so  könnte  man  es  auch  nach  der  heute  so  hoch  bewertheten  Frage  der 
Stofflichkeit  ein  modernes  Bild  nennen.  Von  gröfster  coloristischer  Feinheit  ist  der  Klang  des 
dämmernden  Grau  im  Hintergrunde  und  das  Schwarz  der  Talare  der  geistlichen  Herren,  in  dem 
der  grüne  Vorhang  und  die  rothe  Tischdecke  die  abgestuften  farbigen  Effecte  bilden. 

Zwischen  den  Jobsbildern  entstand  noch  eine  Reihe  von  selbständigen  Arbeiten,  in  denen 
sich  der  Künstler  von  jeder  literarischen  Anlehnung  frei  hielt  und  den  Griff  ins  volle  Menschenleben 
that,  wie  ihn  Jordan,  Hübner  und  Ritter  inzwischen  schon  gewagt  hatten.  Die  rheinische 
Trinkerpoesie,  ein  etwas  gefährliches  Thema,  hatte  schon  Schrödter  im  Bilde  gefeiert.  Hasenclever 
folgte  ihm  in  gröfserem  Mafsstabe  hierin  nach,  und  es  entstanden  die  beiden  Kellerbilder  ,,Die 
Rheinweinprobe"  1844  bei  Ravene  und  das  coloristisch  feinere  ,,Die  Zeche  im  W^einkeller"  in  der 
Düsseldorfer  Kunsthalle.  Hier  sind  eigentlich  schon  alle  Elemente  vereinigt,  die  das  Düsseldorfer 
Genrebild  in  seinen  besten  Erscheinungen  auszeichnet.  Ein  sociales  Lebensbild,  aber  ohne  die 
Krafsheit  der  ältesten  Hübnerschen  Arbeiten,  war  das  aus  dem  Geiste  der  Zeit  1849  heraus  gemalte  Bild 
„Arbeiter,  die  vom  Stadtrath  ihre  Rechte  verlangen".     Die  meisten  dieser  und  verschiedene  andere 

II* 
165 


Lebens-  oder  Sittenbilder,  wie  man  den  thörichten  Ausdruck  Genrebild  zu  verdeutschen  versucht 
hat.  wurden  vom  Kunstverein  angekauft  und  gingen  gleich  von  den  Düsseldorfer  Ausstellungen 
aus  in  den  Besitz  der  Kunstfreunde  über.  Ein  früher  Tod  infolge  eines  Nervenfiebers  ereilte  den 
Künstler  im  Jahre  1853. 

Die  vollständige  Befreiung  von  der  Literatur  und  damit  der  Beginn  einer  wirklichen  Volks- 
malerei sollte  aber  dem  Genrebild  von  einer  anderen  Gruppe  von  Künstlern  kommen,  die  sich 
von  vornherein  von  den  ästhetisch-literarischen  Dogmen  Schadows  abwandten  und  entweder  im 
naivsten  Anschlufs  an  das  Volk  selbst  oder  in  Berücksichtigung  der  die  Zeit  bewegenden  socialen 
Fragen  ihre  Werke  schufen.  Zeitlich  an  der  Spitze  steht  hier  Rudolf  Jordan,  der  somit  nicht  mit 
Unrecht  als  der  eigentliche  Begründer  der  Düsseldorfer  Genremalerei  zu  betrachten  ist  und  im 
Besonderen  als  der  Begründer  der  später  so  intensiv  bearbeiteten  Bauernmalerei,  die  gelegentlich 
wie  bei  Tidemand  einen  ethnographischen  Charakter  annahm. 

Rudolf  Jordan,  geboren  1810  in  Berlin  als  Sprofs  einer  hugenottischen  Familie,  hatte  den 
Kampf   mit    der    Romantik    schon    in    Berlin    gegen    Wach    unternommen    und    war    von    diesem 

Gesinnungsgenossen 
Schadows  in  der  üblichen 
W^eise  für  alles  Talentes 
baar  und  der  Kunst  für 
unwürdig  erklärt  worden. 
Sein  erstes  Bild,  das 
Jordan  infolge  der  Ein- 
drücke einer  Reise  nach 
Rügen  1829  gemalt  hatte, 
zeigt  ihn  schon  gleich  in 
seinem  Element  und  auf 
dem  Gebiet,  das  er  später 

fast  ausschliefslich  und 
mit  dem  gröfsten  Erfolg 
pflegen  sollte.  Es  war  eine 
Episode  aus  dem  Fischer- 
leben, und  ermuthigt  durch 
den  Beifall,  den  es  ge- 
funden hatte ,  beschlofs 
Jordan,  das  unterbrochene 
Studium  wieder  aufzu- 
nehmen. Er  ging  nach 
Düsseldorf,  wo  er  bei 
Schadow  immernoch  eher 

Verständnifs  zu  finden 
hoffte,  als  in  Berlin.  In 
der  That  hielt  er  es  auf 
der  Akademie  bis  zum 
Jahre  1848  aus,  als  Schüler  von  Schadow  und  namentlich  von  C.  Sohn,  welch'  letzterer  überhaupt 
durch  seine  gröfsere  künstlerische  W^eitherzigkeit  einen  bedeutenden  erzieherischen  Einflufs  gerade 
auf  die  der  Romantik  weniger  zugeneigten  Künstler  damals,  aber  auch  noch  in  späterer  Zeit 
ausübte. 

Das  erste  Bild,  das  Jordan  in  Düsseldorf  malte,  war  nun  gleich  gewissermafsen  der 
Wendepunkt  in  der  dortigen  Kunst,  und  der  aufserordentliche  Beifall,  den  es  dort,  in  Berlin  und 
bald  in  der  ganzen  Welt  fand,  bewies,  dafs  schon  damals  das  Publikum  der  ewigen  Ritter  und 
Edelfrauen  müde  geworden  war. 

,,Der  Heirathsantrag  auf  Helgoland"  1834  hat  sich  seine  Popularität  fast  bis  auf  den  heutigen 
Tag  bewahrt,  für  die  damalige  Zeit  war  das  an  und  für  sich  harmlose  Bild  ein  Ereignifs. 
Hier  war  zum  erstenmal  ein  einfaches  Motiv  in  seiner  rein  menschlichen  Seite  erfafst  und 
wiedergegeben,  und  was  die  Zeichnung  und  malerische  Technik  etwa  noch  vermissen  liefs,  das 
ersetzte  die  naive  Naturbeobachtung  und  der  harmlose,  weder  carikirte  noch  sentimentale  Humor. 
Jordan  war  durch  dies  Bild  in  jungen  Jahren  mit  einem  Schlage  ein  berühmter  Mann 
geworden,  und  es  lag  nahe,  dafs  er  den  eingeschlagenen  Weg,  die  Schilderung  des  Fischerlebens 


J.   P.  HASENCLEVER 
Die   Weinschmecker 


j66 


an  der  Nordsee,  weiter  verfolgte.  Das  \A;ar  ein  der  Düsseldorfer  Kunst  jener  Zeit  noch  vollständig 
fern  liegendes  Gebiet,  das  durch  Jordan  erschlossen  und  nicht  nur  von  ihm  selbst  während 
eines  langen  arbeitsreichen  Lebens  —  er  starb  1887  —  unermüdlich  bearbeitet  wurde,  sondern 
auch  einer  ganzen  Reihe  von  gleichzeitigen  und  späteren  Künstlern  die  Motive  ihrer  Bilder  gab. 
Es  scheint  sogar,  als  ob  die  Hinneigung  eines  grofsen  Theils  der  Düsseldorfer  Landschaftsmaler 
zur  See   und  zu  den  holländischen  Dünen  —  und  Wiesenmotiven  auf  dem  Vorgange  Jordans  beruht. 

Diese  Holländerei  in  der  Düsseldorfer  Kunst,  die  bis  auf  die  heutige  Zeit  reicht  und  vielleicht 
sogar  über  Düsseldorf  nach  Paris  und  München  gekommen  ist,  zeigt  so  recht  die  Verlegenheit 
einer  Schule,  die  nicht  auf  einer  alten  eingesessenen  Kunstpflege  beruht  und  der  es  nebenbei  an 
Ort  und  Stelle  an  den  Vorbildern  sowohl  eines  originellen  und  ursprünglichen  Volkslebens,  als 
auch  einer  charaktervollen  landschaftlichen  Umgebung  mangelt. 

Auch  das  nächste  bedeutende  und  berühmte  Bild  Jordans,  „Das  Lootsenexamen"  1842,  war 
noch  heiterer  Natur,  es  war  eine  Art  Gegenstück  zu  Hasenclevers  „Jobs  im  Examen",  dann  aber 
wandte  sich  der  Künstler  zu  ernsten  oder  dramatisch  bewegten  Scenen  des  Fischerlebens,  nachdem 
er  mit  der  ,,Lootsenglocke  auf  Helgoland"  schon  1838  einen  Versuch  in  dieser  Richtung  gemacht  hatte. 
"Es  entstand  eine  grofse  Zahl  von  zum  Theil  umfang-  und  figurenreichen  Bildern.  Häufige 
Reisen  nach  Holland,  Belgien  und  Frankreich  stärkten  Jordans  Anschauung  und  liefsen  namentlich 
auch  in  technischer  und  coloristischer  Beziehung  einen  steten  Fortschritt  in  seinen  Arbeiten 
erkennen.  Nur  dadurch  ist  es  erklärlich,  dafs  der  Künstler  während  der  bedeutsamen  Umwälzungen, 
die  in  der  Malerei  vor  sich  gingen,  seine  Stellung  bis  in  sein  hohes  Alter  hinein  behauptete,  nicht 
ungleich  dem  wenig  jüngeren  Achenbach. 

So  gelang  es  ihm,  den  Hang  zu  einem  etwas  conventioneilen  Aufbau  der  Figurengruppen, 
der  sich  hier  und  da  in  seinen  gröfseren  Bildern  der  50er  und  6oer  Jahre  als  letzte  Schulreminiscenz 
bemerklich  macht,  zu  überwinden  und  die  coloristische  Härte  seiner  ersten  Bilder  unter  dem 
Einflufs  eifrigen  Studiums  nach  der  Natur  zu  mildern.  Und  wenn  auch  von  einem  Freilichtstudium 
im  heutigen  Sinne  bei  den  in  der  Landschaft  spielenden  Motiven  nicht  die  Rede  sein  kann,  so 
erreichte  Jordan  doch  schon  früh  einen  grauen,  feinen  Ton,  der  sogar  manchem  seiner  jüngeren 
Genossen  abging. 

Neben  den  hochdramatischen 
Bildern,  wie  ,, Rettung  eines  gefähr- 
deten Schiffes",  , .Betende  Weiber  mit 
dem  Geistlichen  beim  Sturm"  1852, 
malte  Jordan  namentlich  in  späteren 
Jahren  eine  Anzahl  von  gemüthvollen 
Scenen  mit  wenigen  Figuren,  die  sich 
indessen  von  der  Sentimentalität  des 
früheren  romantischen  Genres  ebenso 
entfernt  zu  halten  wufsten,  wie  von 
jener  Familienmalerei,  die  sich  nur 
zu  bald  in  die  Breite  entwickelte  und 
für  die  schon  Püttmann  den  herrlichen 
Ausdruck  des  ,, läppischen  Genres" 
erfunden  hat.  Dieses  läppische  Genre 
ist  es,  das,  von  geringeren  Talenten 
gepflegt,  von  einem  Theil  des  Publi- 
kums widerspruchslos  immer  wieder 
und  wieder  aufgenommen,  sich  an  die 
Spuren  der  hervorragenden  Künstler 
heftet  und  nicht  nur  den  Ruf  der 
Düsseldorfer  Genremalerei  im  Allge- 
meinen schwer  geschädigt,  sondern 
auch  häufig  Mifstrauen  gegen  jene 
Maler  erweckt  hat,  welche  durch  ein 
glückliches  Motiv  unschuldigerweise 
den  Anlafs  zur  Entwicklung  einer 
unendlichen,  bandwurmartigen  Reihe 
von  verflachten  und  versüfsten  Nach- 


RUDOLPH  JORDAN 
Der   Heirathsantrag  auf   Helgoland 


167 


RUDOLPH  JORDAN 

L  otsenexamen 

Nach  dem   Stich  von  W.  Oelschig 


ahmungen  gegeben  haben.  Von  ge- 
wissen alten  Ehepaaren  oder  jungen 
Liebespaaren,  die  Jordan  vor  40  oder 
50  Jahren  gemalt  hat,  stammen  mehr 
oder  weniger  alle  die  alten  und  jungen 
Paare  in  holländischem  Costüm  in 
allen  möglichen  Situationen  und  Be- 
schäftigungen ab,  die  noch  heute  die 
Ausstellungen  unsicher  machen.  Da 
Jordan  zahlreiche  Schüler  hatte  und 
als  Lehrer  ziemlich  einseitig  vorging, 
so  war  eine  derartige  Nachkommen- 
schaft unausbleiblich  und  auch  leicht 
zu  begreifen,  wenn  auch  vielfach 
wenig  erfreulich  und  dem  Ruf  der 
Düsseldorfer  Genremalerei  wenig  zu- 
träglich. 

Nur  in  gewissem  Sinne  ein 
Schüler  Jordans  ist  Henry  Ritter,  der, 
1816  zu  Canada  geboren,  in  Hamburg 
und  seit  1836  in  Düsseldorf  studirt 
hatte.  Ganz  unter  Jordans  Einflufs 
malte  er  ,,den  ertrunkenen  Sohn  des 
Lootsens"  (1844),  ein  Bild,  das  gerade 
in  der  Einfachheit  der  Composition 
und  Farbe  von  packender  Wirkung  ist.  Ritter  war  erst  nach  Düsseldorf  gekommen,  als  die 
Hochfluth  der  Romantik  schon  zu  Ende  ging,  und  so  ist  er  weniger  als  irgend  ein  Anderer,  selbst 
als  Jordan,  von  einer  gewissen  Weichheit,  die  sich  schon  damals  als  eine  Eigenthümlichkeit  der 
Düsseldorfer  Genremalerei  bemerkbar  machte,  angekränkelt.  Dafür  zeigt  sich  bei  ihm,  was  viel- 
leicht aus  seiner  Abstammung  und  seinem  Aufenthalt  in  Hamburg  zu  erklären  ist,  eine  deutliche 
Hinneigung  zu  den  Engländern,  und  eine  seiner  besten  Arbeiten,  eine  grofse  Zeichnung  ,,Die 
Poststube",  die  er  für  seinen  Lehrer  Sohn  angefertigt  hat,  ist  in  der  ganzen  Auffassung,  der 
Composition  und  selbst  in  den  Typen  eigentlich  eine  directe  Fortsetzung  Wilkies  und  der  von 
ihm  abhängigen  englischen  Illustratoren. 

Das  bekannteste  Bild  Ritters  ist  der  kleine  in  Köln  befindliche  Seekadett  „Middys  Predigt" 
(1852)  genannt.  Ein  W^erk  von  gröfster  Frische  der  Farbe,  feiner  Charakteristik  und  voll  gesunden 
Humors,  der  die  Grenze  zum  Grotesken  noch  eben  zu  vermeiden  weifs.  Der  Künstler  wurde 
durch  häufige  Krankheit  und  frühen  Tod  an  der  vollen  Entwicklung  seiner  Begabung  verhindert, 
doch  ist  gerade  er  als  einer  der  originellsten  unter  den  früheren  Düsseldorfer  Genremalern  von 
Bedeutung,  und  sein  ,, Seekadett"  ist  ein  Höhepunkt  in  der  coloristischen  und  fein  humoristischen 
Genremalerei  der  mittleren  Zeit.  Von  hervorragender  Schönheit  sind  die  Lithographien,  die  er 
mit  Camphausen  zusammen  herausgab  als  ,, Schattenseiten  der  Düsseldorfer  Maler  nebst  verkürzten 
Ansichten  ihrer  letzten  Zeichnungen"  (von  H.  Ritter  und  W^m.  Camphausen,  Düsseldorf,  Julius 
Buddeus  1845).  Die  Blätter  sind  als  genrehafte  Porträts  von  gröfster  Stärke  der  Charakteristik. 
Zu  den  älteren  Genremalern,  die  von  der  Romantik  fast  ganz  unbeeinflufst  geblieben  sind, 
gehört  auch  Jacob  Becker.  Er  kam  allerdings  auch  erst  1833  nach  Düsseldorf,  nachdem  er  eine 
Zeit  lang  in  Frankfurt  a.  M.,  das  dem  in  der  Nähe  von  Worms  Geborenen  (1810)  am  nächsten  lag, 
studirt  hatte.  Er  ist  gewissermafsen  der  Erste,  der  die  deutsche  Bauernmalerei  einführte,  die 
von  da  an  eine  immer  gröfsere  Rolle  in  der  Düsseldorfer  Kunst  spielen  sollte,  und  es  ist  bezeich- 
nend, dafs  nicht  nur  die  Malerei,  sondern  auch  die  Literatur  in  diesem  Thema  die  Befreiung  von 
den  romantischen  Gespenstern  erstrebte  und  fand.  Schon  1838  hatte  Immermann  in  seinem 
,, Oberhof"  zum  erstenmal  eine  Schilderung  des  westfälischen  Bauemiebens  gegeben,  die  trotz 
romantischer  oder  vielleicht  besser  gesagt  romanhafter  Anklänge,  die  neue  Zeit  ankündigte.  Wie 
später,  seit  1843  Auerbach  die  Bauerngeschichten  mit  socialen  Fragen  verquickte,  das  erinnert 
lebhaft  an  die  Tendenzmalerei  Carl  Hübners.  Jacob  Becker  und  Immermann  sowohl,  wie 
Auerbach  und  Carl  Hübner  gehen  nebeneinander  her,  und  vielleicht  hat  hier  sogar  die  Literatur 
einmal  von  der  Malerei  die  Anregung  empfangen,  statt  umgekehrt. 


168 


Ohne  Zweifel  lag  in  dem  Studium  und  der  Darstellung  des  Bauernstandes  wohl  die 
gesundeste  Ablenkung  von  der  Romantik,  welche  der  Kunst  zu  Theil  werden  konnte,  wenn  freilich 
auch  hier  einerseits  die  sentimentale  Auffassung,  die  in  der  Zeit  lag.  nur  zu  leicht  und  zu  häufig 
den  Blick  trübte,  andererseits  Oberflächlichkeit  der  Auffassung,  des  Studiums  und  der  im  Atelier 
stattfindenden  Ausführung  nahe  lag.  da  die  düsseldorfer  Gegend  einen  eigentlichen  Bauernstand 
gar  nicht  besiut.  Die  Zeit  der  grofsen  jährlichen  Studienreisen,  auf  denen  die  Bilder  fast  fertig 
gemalt  werden,  war  noch  nicht  gekommen.  Man  begnügte  sich  draufsen  mit  Beobachtungen, 
Studien  nach  Figuren  und  Interieurs,  brachte  einige  Costüme  mit  nach  Hause  und  malte  hier  die 
Düsseldorfer  Modelle.  So  machte  es  Jordan,  so  machen  es  nur  zu  viele  seiner  Nachfolger  bis  in 
unsere  Tage  hinein. 

Beckers  Malerei  hatte  wenigstens  den  Vortheil.  dafs  der  Künstler  die  Bevölkerung  einer  seiner 
Heimath  benachbarten  Gegend  zu  seinen  Modellen  zu  wählen  pflegte,  wodurch  es  ihm  gelang, 
seinen  Bildern  etwas  von  dem  Erdgeruch  zu  geben,  der  in  der  heutigen  Volksmalerei  so  hoch 
geschätzt  wird,  während  ihn  die  damalige  Düsseldorfer  Malerei  meist  nur  zu  sehr  vermissen  läfst. 

Die  Bauern  des  Westerwaldes,  die  Becker  vorzugsweise  studirte,  sind  ein  harmloses  Völkchen 
und  eigentlich  nicht  besonders  malerisch.  Aber  gerade  dieser  Mangel  an  einem  Costüm  kam  der 
Beckerschen  Kunst  zu  gute,  da  sie  den  Künstler  davor  bewahrte,  Costümpuppen  statt  Menschen 
zu  malen.  Eins  seiner  ersten  Bilder  führt  Becker  allerdings  nach  Tyrol:  „Der  Tyroler  und  sein 
Mädchen"  (1835),  und  hier  mochte  wohl  wieder  einmal  Immermanns  Trauerspiel  die  Anregung 
gegeben  haben.  Dann  aber  blieb  er  bei  seinen  heimischen  Bauern.  In  dem  „Wildschützen  auf 
der  Flucht"  (1839)  malte  Becker  ein  Modemotiv,  um  aber  in  dem  grofsen  figurenreichen  Bilde 
„Landleute  vom  Gewitter  erschreckt"  selbständig  und  mit  Erfolg  die  ihm  eigenthümliche  Richtung 
einzuschlagen.  Wenn  auch  dieses  Bild  nicht  ganz  von  Theaterhaftigkeit  freizusprechen  ist,  so 
bedeutet  es  doch  in  der  lebendigen  Composition.  in  der  gelungenen  Verbindung  der  Figuren  mit 
der  Landschaft  einen  bedeutsamen  Fortschritt  in  der  volksthümlichen  und  ernsthaften  Genrekunst, 
die  sich  den  Seebildern  von  Jordan  als  ebenbürtig  an  die  Seite  stellt,  während  es  die  gleichzeitigen 
Bilder  desselben  rein  technisch  übertrifft.  Das  Bild  wurde  vom  Kunstverein  angekauft  und  im 
Stich  als  Prämienblatt  ausgegeben. 

Becker  siedelte  bald  darauf  1840  nach  Frankfurt  über,  wo  er  Lehrer  am  Städelschen  Institut 
wurde  und  in  der  Folge  verschiedene  Bilder  ähnlichen  Genres  malte.  Vor  Allem  machte  „der  vom 
Blitz  erschlagene  Hirt",  den  Becker  1844  malte,  grofsen  Eindruck.  Der  Einflufs  seiner  Kunst  auf 
die  Düsseldorfer  Malerei  ist  ein  unverkennbarer,  wie  die  entschiedene  Wendung  zur  Volks-  und 
Bauernmalerei,  die  in  jenen  Jahren  einsetzt,  beweist. 

Einen  ganz  ähnlichen  Entwicklungsgang  wie  Jacob  Becker,  hatte  Jacob  Dielmann,  und  auch 
in  seinen  Arbeiten  verfolgte  er  ähnliche  Aufgaben,  nur  in  etwas  engerem  Rahmen  —  geistig  und 
auch  räumlich.  Seine  Motive  sind  harmlos  und  wiederholen  sich  häufig,  und  seine  Bilder  sind 
meist  von  geringem  Umfange.  1811  geboren,  kam  Dielmann,  nachdem  er  zuerst  in  Frankfurt  studirt 
hatte,  nach  Düsseldorf,  wo  er  bis  1842  blieb,  dann  aber  seinem  Genossen  Becker  wieder  nach 
Frankfurt  folgte.  Er  lebte  bis  1885  in  Cronberg  im  Taunus.  Er  suchte  seine  Motive  in  Hessen, 
an  der  Lahn,  im  Westerwald;  und  emes  seiner  Bilder  soll  späterhin  Knaus  auf  das  Dörfchen 
ViUingshausen  aufmerksam  gemacht  haben,  das  seitdem  ein  bevorzugter  Studienplatz  der  Düssel- 
dorfer Genremaler  bis  auf  den  heutigen  Tag  geblieben  ist. 

Eine  weniger  harmlose  Tonart  schlug,  wenigstens  in  seinen  ersten  und  auch  besten  Bildern, 
Karl  Wilhelm  Hübner  an.  Er  war  fast  der  einzige  Künstler,  in  dessen  Werken  sich  die  Erregungen 
der  Zeit  und  die  socialen  Fragen,  die  damals  das  Volk  bewegten,  deutlich  wiederspiegeln,  wenn 
man  von  den  sentimentalen  Räubern  Lessings  und  Hildebrandts,  die  mehr  der  Phantasie  und  dem 
Theater  entstammen,  als  der  Beobachtung  und  dem  Naturstudium,  absieht.  Dafs  er  nach  dem 
Jahre  1848  den  Ton  wechselte  und  sich  ganz  dem  gemüthvollen  Genre  widmete,  sowie  der  Umstand, 
dafs  aufser  Hübner  nur  der  Eine  oder  der  Andere  ausnahmsweise  einmal  sich  auf  das  sociale  Gebiet 
wagte,  beweist,  dafs  die  Künstlerschaft  der  48er  Bewegung  innerlich  doch  ziemlich  fern  stand.  Es 
wird  davon  noch  die  Rede  sein. 

Karl  Wilhelm  Hübner  wurde  1814  in  Königsberg  geboren  und  ist  in  keiner  W^eise  verwandt  mit 
dem  Schlesier  Rudolf  Julius  Benno  Hübner,  dem  treuen  Gehülfen  Schadows.  Er  starb  1879  in 
Düsseldorf.  Seit  1837  war  er  Schüler  von  Schadow  und  später  von  Carl  Sohn  gewesen.  Er 
malte  zuerst  einige  harmlose  Bilder  aus  dem  Volksleben,  die  sich  von  den  vielen  anderen  ihrer 
Gattungen  vielleicht  nur  durch  eine  gewisse  Derbheit  in  der  Formensprache  unterscheiden;  dann 
aber    scheinen    ihn    die    traurigen  Verhältnisse    der    schlesischen  Weber,    welche   damals   anfingen, 

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HENRY   RITTER 
Middys   Predigt 


die  Zeitungen  zu  beschäftigen,  auf  sein  eigentliches  Gebiet  geführt  zu  haben.  Sein  erstes  Bild 
dieser  Richtung  „Die  Weber"  (1844),  eine  grofse  und  figurenreiche  Arbeit,  machte  denn  auch 
ungeheueres  Aufsehen. 

Er  stellt  in  einer  für  unsere  heutigen  Begriffe  allerdings  höchst  tendenziösen  Weise  „Die 
Ablieferung  von  Leinwand  durch  die  armen  W^eber  an  die  Fabrikanten"  dar.  Schon  die  Zwei- 
theilung des  Bildes  unterstützt  den  Contrast  zwischen  den  beiden  Gruppen,  der  der  armen  ver- 
hungerten Arbeiter  und  der  reich  gekleideten  hartherzigen  Abnehmer.  Auch  der  Einflufs  englischer 
Bilder  ist  hier  wieder  unverkennbar. 

Es  folgte  im  nächsten  Jahre  das  noch  krassere,  aber  künstlerisch  vielleicht  doch  werthvollere 
,, Jagdrecht",  das  der  Künstler  häufig  wiederholen  mufste.  Ein  W^ilddieb  ist  von  dem  Jagdbesitzer 
auf  der  That  ertappt  und  niedergeschossen  worden.  Der  Sohn  schleppt  den  zu  Tode  getroffenen 
Alten  in  seine  Hütte.  Die  Landschaft,  ein  Kornfeld  am  Waldesrand  mit  der  getödteten  W^ildsau, 
deutet  an,  dafs  der  Bauer  nur,  um  seine  Saat  zu  vertheidigen,  zur  Flinte  gegriffen  hat,  und  ver- 
schärft damit  die  Situation. 

Die  Composition  wirkt  in  ihrer  Einfachheit  —  nur  die  Figuren  der  beiden  Bauern  befinden 
sich  im  Vordergrund,  Jagdherr  und  Förster  erscheinen  ganz  klein  im  Hintergrund  —  zweifellos 
packend  und  ergreifend.  Die  Malweise  ist  energisch,  für  die  Zeit  vielleicht  sogar  etwas  roh  in 
der  Behandlung,  die  landschaftliche  Stimmung  von  grofser  W^ahrheit  und  Schönheit,  ganz  im 
Sinne  Lessings.  Verschiedene  Bilder  von  derselben  ausgesprochenen  Tendenz  folgten  in  den 
nächsten  Jahren.  Es  sind  dieselben  Motive,  die  fast  30  Jahre  später  in  der  sogenannten  Armeleut- 
malerei  wieder  auftauchen  sollten,  und  auch  in  Düsseldorf  von  Vautier,  dann  von  Brütt,  Schwabe 
u.   s.  w.  gelegentlich,  wenn  auch  in  etwas  gemäfsigterer  Weise,  wiederholt  werden. 

Die  damaligen  unruhigen  Zeiten  gaben  den  Bildern  Karl  Hübners  ein  Interesse,  das  vielleicht 
das  rein  künstlerische  übertraf.  Immerhin  ist  nicht  zu  leugnen,  dafs  Hübner  der  Erste  war  und 
dafs  er  Typen  geschaffen  hat,  an  welche  alle  späteren  Tendenzmaler  wohl  oder  übel  anknüpfen 
mufsten.  „Die  Verlassene"  ist  ein  solcher  Typus,  der  aus  der  Genremalerei  niemals,  auch  nicht  aus 
der  modernsten,  ganz  verschwunden  ist,  so  unkünstlerisch  er  auch  sein  mag.  Interessanter  waren 
„Die  Auswanderer"  und  „Die  Auspfändung".  Holzdiebe,  Wilddiebe,  Wucherer  und  dergl.  be- 
zeichnen die  spätere  Zeit    des  Künstlers,    der,   wie  schon   bemerkt,    nach    dem  Jahre   1848    ruhigere 

Bahnen  in  seiner  Kunst 
einschlug,  allerdings  aber 
auch  nicht  mehr  das- 
selbe Aufsehen  mit  seinen 
Bildern  erregte. 

Es  ist  bei  dem  grofsen 
Erfolg,  den  Hübner  mit 
seinen  socialen  Bildern 
hatte,  eigentlich  zu  ver- 
wundern, dafs  nicht  mehr 
Künstler  sich  dem  Gebiete 
dieser  Malerei  anschlössen. 
Es  ist  das  damals  wie 
auch  heute  der  beste  Be- 
weis dafür  einmal,  dafs 
Kunst  und  Tendenz  sich 
nicht  vertragen,  dann  aber 
auch,  dafs  trotz  aller  frei- 
freiheitlichen Redensarten 

zwischen  wirklichen 
Künstlern  und  unzufrie- 
denen Proletariern,  die 
von  gewisser  Seite  so  gern 
als  ,,das  Volk"  ausgespielt 
werden,  eine  Wesensver- 
schiedenheit besteht,  die 
KARL  HÜBNER  sjqj^     weder     wegleugnen 

Die  Weber  noch     Überbrücken     läfst. 


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Zwei  weniger  bedeutende  Künstler,  deren  Werke  auch  fast  ganz  vergessen  sind,  versuchten 
Hübner  nachzuahmen,  es  waren  dies  W.  Kleinenbroich  aus  Köln  und  Peter  Schweigen  aus 
Godesberg. 

Höher  steht  der  in  Düsseldorf  1812  geborene  J.  W.  Heine,  den  ein  früher  Tod,  er  starb 
schon  1839,  in  der  Entwicklung  seines  zweifellos  starken  und  vielversprechenden  Talentes  hinderte. 
Auch  er  widmete  seine  Kunst  den  Enterbten  der  Gesellschaft.  So  malte  er  Wilddiebe,  Schmuggler, 
Landstreicher  u.  s.  w.  Sein  letztes  gröfstes  Werk  zeigt  ein  grofses  Können  und  ist  keineswegs 
ohne  Verdienst.  Es  stellt  einen  „Gottesdienst  im  Gefangenenhause"  dar  und  betritt  damit  ein 
eigentlich  auch  ganz  modernes  Gebiet.  Gewisse  Scenen  aus  Altmännerhäusern  und  dergl.  sind 
diesem  stofflich  wenigstens  nahe  verwandt.  Der  physiognomische  Ausdruck  der  einzelnen  Köpfe 
zeigt  ein  energisches  Streben  nach  Charakteristik,  welche  die  Caricatur  glücklich  zu  vermeiden  weifs. 

Aber  diese  Tendenzmalerei,  wenn  man  sie  einmal  so  nennen  will,  bleibt  doch  das  Gebiet 
nur  vereinzelter  Künstler,  und  im.mer  mehr  bemächtigte  sich  die  einfache  Bauernmalerei  des 
Genres.  Wie  weit  das  mit  dem  damals  erwachenden  socialpolitischen  Interesse  für  den  Bauernstand 
zusammenhängt,  mag  hier  unerörtert  bleiben. 

Eine  eigenartige  Ausbildung  und  Vertiefung  erlebte  dieses  Bauerngenre  durch  den  Norweger 
Adolph  Tidemand.  Er  wurde  1814  in  Mandal,  einer  kleinen  Stadt  des  südlichen  Norwegens,  geboren, 
studirte  zunächst  in  Kopenhagen  und  wurde  durch  den  Ruf  der  Schadowschule  nach  Düsseldorf 
gelockt,  als  Erster  der  vielen  Skandinavier,  die  in  Düsseldorf  späterhin  eine  förmliche  Colonie 
bildeten.  Nachdem  er  zunächst  bei  Hildebrandt  zwei  Historienbilder  aus  der  Geschichte  seiner 
Heimath  gemalt  hatte:  ,, Gustav  W^asa  feuert  die  Bauern  in  Dalekarlien  zum  Kampf  gegen  die 
Dänen  an"  und  ,,Jares  Hakon  wird  von  seinen  Sklaven  ermordet",  bereiste  er  Süddeutschland  und 
Italien,  kehrte  nach  Norwegen  zurück  und  fand  dort  Anlafs,  sich  seinem  eigentlichen  Felde  zuzu- 
wenden. Er  studirte  das  Leben  der  Landleute  und  begann,  nach  Düsseldorf  zurückgekehrt,  das- 
selbe in  einer  Reihe  von  zuweilen  grofsen  und  figurenreichen  Bildern  zu  schildern.  Seine  Thätig- 
keit  brachte  in  die  junge  Düsseldorfer  Genremalerei  eine  neue  eigenthümliche  Note,  die  zum 
grofsen  Theil  allerdings  auf  dem  immerhin  fremdartigen  Volkscharakter  und  Costüm  beruht. 
Jordan  hatte  die  niederländischen  Fischer  und  Schiffer  geschildert,  aber  Holland  war  den  Düssel- 
dorfern immerhin  stamm-  und  geistesverwandt  gewesen.  Die  Beziehungen  zu  Holland  waren 
altgewohnte  und  die  Volkscharaktere  nicht  sonderlich  verschieden.  Die  Nordländer  mit  ihren  eigen- 
thümlichen  Trachten  und  Gebräuchen,  dem  schwermüthigen  Ernst  und  dem  gehaltenen  Wesen 
ihrer  Lebensführung  waren  ein  ganz  neues  Gebiet,  und  so  erschienen  die  Tidemandschen  Bilder 
von  einer  Originalität,  die  mehr  dem  Stoff,  als  ihren  künstlerischen  Eigenschaften  angehörte. 

Dennoch  haben  sie  gerade  in  dem  ernsthaften  Zug,  der  sie  von  den  entweder  etwas  theater- 
haft belebten  oder  leicht  etwas  kindisch-tändelnden  —  um  nicht  den  Ausdruck  läppischen  wieder 
zu  gebrauchen  —  Bildern  so  mancher  Düsseldorfer  Genremaler,  von  den  humoristischen  nicht 
zu  reden,  unterscheidet,  ein  unbestreitbares  Verdienst.  Sie  suchen  Stimmungen  und  physiognomische 
Probleme  auf,  die  der  damaligen  Genrekunst  noch  fremd  waren,  die  sich  ähnlich  vielleicht  nur 
in  den  Hufsbildern  Lessings  finden. 

Auch  der  leise  romantische  Zug,  der  ihnen  anhaftet,  ist  nicht  auf  die  alte  Düsseldorfer 
Romantik  zurückzuführen,  sondern  auf  den  durchaus  eigenartigen  poetischen  Geist  damaliger  und 
auch  mancher  späterer  nordischer  Dichter  und  Künstler.  Es  ist  dieselbe  schwermüthige  Poesie, 
die  sich  zuweilen  bei  Thorwaldsen  findet,  bei  Andersen  und  vor  Allem  bei  den  einheimischen 
Schilderern  des  nordischen  Bauernlebens.  Der  Novellist  Hjalmar  Hjorth  Boyesen  giebt  diesem 
Gefühl  Ausdruck,  wenn  er  schreibt:  ,,In  dem  täglichen  Leben  des  norwegischen  Bauern  liegt  eine 
tiefe,  unbewufste  Romantik." 

Und  diese  , .unbewufste"  Romantik,  die  sich  innerhalb  des  allgemeinen  romantischen  Zuges 
zu  Anfang  des  Jahrhunderts  sehr  wohl  fühlte  und  trefflich  zu  ihm  pafst,  auch  wohl,  namentlich 
bei  Andersen  und  Thorwaldsen,  von  ihm  beeinflufst  ist,  hat  doch  immer  ihre  nationale  Eigenart 
und  die  Zeichen  eines  originellen  Ursprunges  zu  bewahren  gewufst. 

Diesem  unbewufst  romantischen  Bauernleben  eigenthümlich  ist  unter  Anderem  der  pro- 
testantisch-religiöse Charakter,  der  unter  den  Verhältnissen  des  spärlich  bewohnten  Landes  sich 
weniger  im  kirchlichen,  als  im  häuslichen  Leben  ausspricht  und  zu  allerlei  Sektenwesen  und 
privaten  Religionsübungen  geführt  hat. 

Diese  zu  schildern,  war  eine  Lieblingsaufgabe  Tidemands  und  besonders  gelang  es  ihm, 
den  Ausdruck  des  ernsten,  schweigsamen  und  stillen  Fanatismus  darzustellen,  wie  er  sich  bei 
den    Sektirern    des    rauhen    Nordens    herangebildet    hatte.      Hier    entwickelte    sich    aber    auch    der 

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physiognomische  Gegensatz  zu  den  Hufsbildern,  die  den  thatkräftigen  und  kriegerischen  Glaubens- 
eifer der  Böhmen  schildern. 

Tidemand  erwarb  sich  auf  häufigen  Reisen  in  seinem  Vaterland  in  genauen  und  eingehenden 
Studien  nach  der  Natur  eine  ziemlich  eigenartige  Farbe,  die  zwar  von  dem  naturalistischen 
Colorismus  der  modernen  Genremaler  weit  entfernt  ist,  aber  doch  eigenthümliche  und  feinabge- 
wogene Effecte  anstrebt.  Er  übertrifft  hier  zuweilen  an  Reichthum  und  Fülle  seiner  allerdings 
immer  sehr  ruhigen  und  abgestimmten  Farbeneffecte  die  gleichzeitigen  deutschen  Collegen  in 
Düsseldorf,  und  hat  für  die  spätere,  überhaupt  immer  mehr  auf  die  Farbe  losgehende  Richtung  in 
der  Genremalerei  gewissermafsen  bahnbrechend  gewirkt.  Seine  Behandlung  der  Figuren,  wie  des 
Interieurs  läfst  ähnliche  Wirkungen  bei  Vautier  und  selbst  bei  Knaus  vorahnen.  Der  fleifsige 
Künstler  schuf  eine  grofse  Zahl  von  Bildern,  die  zuweilen  zahlreiche  Figuren  enthalten  in  nicht 
immer  origineller,  aber  doch  auch  nicht  schulmäfsiger  Composition,  die  vortrefflich  in  der  Zeich- 
nung und  von  jener  Solidität  der  Durchbildung  sind,  welche  überhaupt  eine  der  achtenswerthesten 
Seiten  der  besseren  Genremalerei  jener  Zeit  war,  wenn  sie  allerdings  leicht  auch  etwas  mehr 
Philisterhaftes  als  Künstlerisches  annahm. 

Den  religiösen  und  ethnographischen  Charakter  seiner  Kunst  bezeichnen  ,,Die  Katechisation", 
„Gottesdienst  in  einer  Bauernkirche",  „Weihnachtsbescheerung",  „Austheilung  des  Abendmahls  in 
einer  Bauernhütte",  „Die  Fanatiker",  dann  ein  nach  jeder  Richtung  hervorragendes  Bild  „Die 
Haugianer"  in  der  Kunsthalle  zu  Düsseldorf.  Es  ist  der  Privatgottesdienst  einer  eigenthümlichen 
Secte,  bei  der  ein  Jeder  das  Recht  hatte,  die  Bibel  auszulegen.  Man  sieht  in  dem  geräumigen 
Innern  eines  norwegischen  Bauernhauses  eine  grofse  Versammlung  von  Landleuten  beiderlei  Ge- 
schlechts und  jeden  Alters.  Ein  junger  Bauer  mit  blassem,  hagerem  Gesicht,  langen  blonden 
Haaren,  etwas  gerötheten,  starr  vor  sich  hinblickenden  Augen,  ist  auf  einen  Schemel  gestiegen 
und  spricht  wie  zu  sich  selbst.  Der  Ausdruck  des  Sprechers  und  der  Zuhörenden  ist  vortrefflich 
in  seiner  gehaltenen  Ruhe,  nirgends  hat  man  das  Gefühl  der  Pose  oder  des  Modells,  da  wie 
absichtlich  alle  originell  scheinenden  Stellungen  vermieden  sind. 

Auch  verschiedene  ,, Leichenbegängnisse"  durften  nicht  fehlen,  die  von  da  an  ebenfalls  zum 
eisernen  Inventar  der  Genremotive  genommen  wurden.  Vortrefflich  ist  das  Todtenmahl  ,,Gravöl 
in  Norwegen"  der  Galerie  Ravene,  sowohl  in  Bezug  auf  die  Farbe  als  auch  auf  den  Ausdruck  der 
Theilnehmer. 

Neben  diesen  ernsthaften  und  stets  packenden  Bildern  malte  Tidemand  eine  grofse  Zahl  von 
harmlosen  Motiven,  wie  sie  sich  aus  der  Betrachtung  des  ländlichen  Lebens  sozusagen  von  selbst 
ergeben.  Das  bedeutendste  Werk  in  dieser  Richtung  ist  ein  Cyklus  von  zehn  Bildern,  den  er  im 
Jahre  1850  für  eine  königliche  Villa  bei  Christiania  malte  und  in  der  er  das  Leben  des  Landmanns 
in  einfachen,  aber  ansprechenden  Darstellungen  schilderte. 

Besonders  eigenartig  war  auch  sein  Zusammenwirken  mit  seinem  Landsmann  Gude,  dem 
Landschafter.  Er  malte  mit  ihm  zusammen  einige  Bilder,  in  denen  Gude  den  landschaftlichen, 
er  den  figürlichen  Theil  übernahm,  und  die  Landsmannschaft  scheint  hier  in  der  That  stark  genug 
gewesen  zu  sein,  Kunstwerke  von  durchaus  einheitlichem  und  erfreulichem  Charakter  entstehen 
zu  lassen. 

Gudes  Hauptthätigkeit  wird  bei  den  Landschaftsmalern  besprochen  werden. 

Ein  anderer  Landsmann,  der  sich  Tidemand  anschlofs,  war  der  Genremaler  Benedict  Norden- 
berg, geboren  1822  in  Kompingkulla  (Provinz  Blekinge),  der  nach  schweren  Kämpfen  sich  zur 
Künstlerlaufbahn  durcharbeitete.  Er  kam  im  Jahre  1851  zum  erstenmal  nach  Düsseldorf,  wo  er  bei 
Th.  Hildebrandt  studirte,  bereiste  dann  Dalekarlien,  studirte  in  Paris  und  Italien  und  liefs  sich 
dann  in  Düsseldorf  dauernd  nieder.  Hier  malte  er,  unabhängig  von  Tidemand,  aber  doch  in  seinem 
Sinne,  eine  Reihe  von  fein  beobachteten  Scenen  aus  seiner  Heimath,  so  eine  „Abendmahlsfeier", 
„Zehent-Ablieferung"  u.  s.  w. 

Aehnliche  Wege  geht  auch  sein  Nefi^e  Henrik  Nordenberg,  der  allerdings  der  jüngeren  Generation 
der  Düsseldorfer  Genremaler  angehört. 

Mehr  dem  Gedankenkreise  Jordans  als  dem  seines  weiteren  Landsmannes  Tidemand  gehört 
Fagerlin  an,  obwohl  er,  jünger  als  Jordan,  bis  heute  noch  thätig  ist. 

Ferdinand  Julius  Fagerlin  wurde  1825  in  Stockholm  geboren,  blieb  bis  1854  in  seiner  Heimath 
und  malte  dort  hauptsächlich  Porträts,  dann  studirte  er  auf  der  Akademie  in  Stockholm,  in 
Düsseldorf  bei  Sohn  und  in  Paris  bei  Couture.  Seine  Ausbildung  schlofs  sich  also  an  das  an, 
was  damals  theils  schon  überwunden,  theils  hochmodern  war,  gleichwohl  führte  ihn  das  Studium 
des  holländischen  Volkslebens  auf  das  Gebiet,    das  durch  Jordan    schon   in  die  Düsseldorfer  Kunst 

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FERDINAND   FAGERLIN 
Hausandacht 


eingeführt  war  und  den 
nationalen  Eigenthümlich- 
keiten  auch  der  Nordländer 
damals  am  meisten  ent- 
sprochen zu  haben  scheint, 
auf     das     Volksgenrebild. 

Dafs  der  feinsinnige 
Schwede  in  Deutschland 
holländische  Genrebilder 
malt,  ist  allerdings  ein 
charakteristisches  Zeichen 
für  den  damals  schon  be- 
ginnenden Internationalis- 
mus im  Genrebild  und 
vielleicht  auch  der  Grund, 
dafs  von  der  Derbheit  des 
holländischen  Volkes  in 
den  Genrebildern  Fagerlins 
nicht  viel  zu  merken  ist. 
Seine  Motive  sind  fast  alle, 
namentlich  in  der  letzten 
Zeit,     aus    dem    Familien- 

und  Liebesleben  der 
Fischer  und  Bauern  ent- 
nommen, und  es  wird 
da  eine  Zartheit  des  Aus- 
drucks und  zuweilen  ein 
neckischer  Humor  ent- 
wickelt,   der    wohl    mehr 

dem  Künstler,  als  der  Natur  angehört.  Coloristisch  hat  Fagerlin  später  Manches  von  Knaus  und 
Vautier  angenommen.  Eine  gewisse  röthliche  Färbung  ist  seinen  feingestimmten  Bildern  zuweilen 
eigen,  hindert  aber  nicht  die  Gesammtwirkung.  „Heirathsantrag",  ,, Eifersucht",  ,, Hausandacht", 
„Abgewiesener  Freier",  ,, Besuch  der  Grofseltern",  sind  einige  seiner  Bilder  genannt,  und  die 
Namen  umfassen  auch  vollkommen  das  Motiv. 

Die  Genremalerei  hatte  sich  ursprünglich  der  Costümromantik  entgegengestellt,  aber  der  nun 
einmal  vorhandene  romantische  Zug  am  Rhein  war  so  stark,  dafs  er  recht  bald  gerade  auf 
feindlichem  Gebiet  wieder  auftauchte,  um  hier  in  gemäfsigter  Form  trotz  allerlei  Wandlungen  bis 
in  unsere  Tage  hinein  nicht  wieder  zu  verschwinden.  Es  entwickelte  sich  innerhalb  der  Genre- 
malerei bald  ein  ausgesprochener  Romantiker,  der  das  rheinische  Leben  von  diesem  Gesichtspunkt 
aus  behandelte  und  bei  wirklichem  grofsen  Stimmungsgehalt  seiner  Bilder  eine  Popularität  erlangte, 
die  den  Beweis  lieferte,  wie  stark  die  Hinneigung  zur  Romantik  im  deutschen  Volke  trotz  Allem 
nun  einmal    ist. 

Christian  Eduard  Böttcher  war,  1818  zu  Imgenbroich  bei  Aachen  geboren,  zuerst  Kunstschüler 
und  Lithograph  in  Stuttgart,  dann  wurde  er  1844--49  Schüler  der  Akademie  in  Düsseldorf  unter 
Hildebrandt  und  Schadow  und  widmete  sich  hier  von  vornherein  dem  idyllischen  Genrebild, 
wie  es  Schadow  eben  gelten  liefs.  Böttcher  folgte  dem  Wege,  den  Schrödter  in  seinem  rhei- 
nischen Wirthshaus  eingeschlagen,  aber  wieder  verlassen  hatte,  und  fand  hier  sehr  bald  ein  Feld, 
das  seiner  Begabung  und  Gemüthsrichtung,  in  der  die  weicheren  Töne  vorherrschten,  aufser- 
ordentlich  entsprach.  Man  kann  wohl  sagen,  dafs  einzelne  Bilder  Böttchers,  die  durch  den  Kupfer- 
stich eine  unendliche  Verbreitung  fanden,  für  gewisse  Seiten  des  rheinischen  Lebens  die  besten 
und  merkwürdigerweise  fast  die  einzigen  malerischen  Dokumente  der  Düsseldorfer  Kunst  sind. 
Hierher  gehören  besonders  die  Bilder  seiner  mittleren  Zeit  ,, Abend  am  Rhein",  ,. Rheinische  Ernte", 
„Sommernacht  am  Rhein",  ,, Auszug  zur  Weinlese",  „Am  Marktbrunnen  einer  rheinischen  Stadt", 
und  noch  aus  der  Mitte  der  70er  Jahre,  als  die  rheinische  Gemüthlichkeit  aus  der  Kunst  immer 
mehr  verschwand,  „Der  Sonntag  am  Rhein".  Böttcher  hat  das  Verdienst,  in  seinen  Bildern,  zwar 
nicht  mit  der  Schärfe  eines  Knaus,  auch  nicht  mit  der  grofsen  Feinheit  eines  Vautier,  aber  doch 
mit  der  ganzen  Liebenswürdigkeit,  die  den  Letzteren  auszeichnet,  rheinisches  Leben  und  rheinischen 


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Humor  nach  seiner  harmlosesten  Seite  geschildert  zu  haben.  Auch  in  der  Verbindung  des  Land- 
schaftlichen mit  den  Figuren  zeigt  sich  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  der  jüngeren  Generation, 
eine  Tendenz,  die  allerdings,  wie  wir  gesehen  haben,  schon  früh  der  Düsseldorfer  Kunst  eigen  war. 
Coloristisch  war  Böttcher  den  zuweilen  schwierigen  und  complicirten  Problemen,  die  er  sich  stellte, 
wie  z.  B.  verschiedener  Beleuchtung,  nicht  ganz  gewachsen,  aber  das  war  vielleicht  mehr  der 
Fehler  seiner  Zeit  und  seiner  Schule,  als  der  einer  mangelnden  Begabung. 

Während  seine  ersten  Bilder,  durch  den  Kunstverein  angekauft,  meist  in  Privatbesitz  über- 
gingen, befinden  sich  die  gröfseren  seiner  besten  Zeit  vielfach  in  Museen,  wo  sie  trotz  einer 
gewissen  Trockenheit  durch  charakteristische  Typen  und  den  Stimmungsgehalt,  der  ihnen  eigen 
ist,  noch  heute  auffallen.     Böttcher  starb  im  Jahre  1889   in  Düsseldorf. 

Eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  ihm  hat  der  zuweilen  mit  Jacob  Becker  verwechselte  Louis 
Hugo  Becker  (geboren  1834  in  Wesel),  der  als  Schüler  von  Schirmer  und  Gude  eigentlich  mehr 
Landschafter  als  Figurenmaler  war,  aber  es  liebte,  seine  feingestimmten  Bilder  mit  gut  gezeichneten 
figürlichen  Staffagen  auszustatten.  ,,Die  W^einlese  an  der  Mosel-'  gilt  als  sein  bedeutendstes  Bild. 
Ein  früher  Tod  (1868)   hinderte   die  vollständige  Ausbildung  seines  schönen  Talentes. 

Die  Entwicklung  der  Düsseldorfer  Genremalerei  ist  eine  ruhigere,  als  die  der  Historienmalerei. 
Sie  trat  da  ein,  wo  jene  in  ihrer  ältesten  Form  abzuwirthschaften  angefangen  hatte,  und  die 
Errungenschaften  Leasings  und  des  epochemachenden  Rethel  gingen,  soweit  das  möglich  war, 
ziemlich  unmerklich  in  sie  über.  Es  liegt  im  Charakter  dieses  nach  seinem  geistigen  Inhalt 
wenigstens  ziemlich  begrenzten  Kunstzweiges,  dafs  heftige  Umwälzungen,  wie  sie  die  Figuren- 
malerei grofsen  Stils  damals  erlebte  und  noch  weiterhin  durchmachen  sollte,  sich  hier  mehr  auf 
Aeufserlichkeiten  beschränken  mufsten.  und  so  findet  man,  und  zwar  nicht  nur  in  Düsseldorf, 
sondern  ebensogut  in  Paris  und  in  München,  dafs  die  allerältesten  Motive  der  Genremalerei  durch 
die  verschiedensten  Epochen  hindurch  unentwegt  und  gottesfürchtig  weiter  gemalt  werden  und 
sich  dauerhafter  erweisen,  als  alle  noch  so  überzeugungsvoll  auftretenden  technischen  und  male- 
rischen Reformationen.  Das  mag  erfreulich  sein  oder  nicht:  es  soll  hier  nur  die  Thatsache 
constatirt  werden. 

Dafs  gerade  Düsseldorf  in  dem  Festhalten  an  einzelnen  thatsächlich  zuweilen  höchst  ,, läppischen" 
Motiven  weiter  gegangen  ist,  als  nöthig,  kann  und  darf  auch  hier  nicht  bestritten  werden.  Es 
zeigt  sich  darin  eine  Schwäche  den  vererbten  Wünschen  des  Publikums  gegenüber,  die  schliefslich 
von  der  Kunst  abführen  mufste.  Anderseits  läfst  sich  nicht  leugnen,  dafs  es  eben  Dinge  im 
menschlichen  Leben  giebt.  die  sich  nun  einmal  überall  und  immer  wiederholen,  zu  allen  Zeiten 
und  unter  allen  Zonen;  und  solange  überhaupt  noch  ,, Motive"  oder  Novellen  oder  Anekdoten  ge- 
malt werden,  —  und  es  ist  kaum  zu  erwarten,  dafs  das  in  absehbarer  Zeit  aufhören  wird  —  so 
lange  werden  sich  eben  diese  gewissen,  mit  dem  Menschenleben  nun  einmal  aufs  innigste  ver- 
knüpften Scenen,  Gefühle  und  Stimmungen  wiederholen,  werden  die  Motive  von  der  „ersten 
Hose"  bis  zum  ., Liebesfrühling",  von  der  ..Gratulation  beim  Grofsvater"  bis  zum  ,,Begräbnifs" 
gemalt  werden.  Der  Fortschritt  wird  sich  eben  gerade  hier  darin  zu  zeigen  haben,  wie  es  ge- 
schieht. Und  dafs  in  diesem  W^ie  sich  gerade  in  Düsseldorf  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jahr- 
hunderts bis  auf  unsere  Tage  ein  steter,  wenn  auch  zuweilen  langsamer  Fortschritt  zeigt,  das 
beweist  die  Geschichte  der  Genremalerei  dieser  letzten  50  Jahre,  die  sich  freilich  an  nur  wenige 
Namen  anknüpft. 

Dafs  diese  W^enigen,  die  vorwärts  schreiten,  von  einer  grofsen  Zahl  Anhänger  und  Nach- 
folger umgeben  sind,  liegt  an  dem  Charakter  dieser  Kunst,  die  mehr  zur  Nachahmung  reizt,  als 
jede  andere.  Dafs  es  nur  ^^^enige  sind,  die  auf  der  Höhe  stehen,  gegenüber  einer  vielleicht  allzu- 
grofsen  Gefolgschaft,  und  dafs  der  Fortschritt  manchmal  zu  stocken  schien,  ist  allerdings  auch 
nicht  zu  leugnen,  war  aber  anderswo  auch   der  Fall. 


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IX.  Kapitel 

Kritische  Zeiten.    Der  Niedergang  der  akademischen  Kunst 


AS  Jahr  1848  ist  der  markanteste  historische  Abschnitt  in  der  Geschichte  Europas  zwischen 
dem  Sturz  Napoleons  und  der  Einigung  Deutschlands,  die  es  angestrebt,  aber  nicht  erreicht 
hatte,  es  kann  auch  als  kunstgeschichtlicher  gelten. 

So  gut  wie  in  der  Politik  und  im  Leben  die  Streitfragen,  welche  im  Jahre  1848  zur 
Verhandlung,  freilich  nicht  zur  Lösung  kamen,  sich  langsam  entwickelt  hatten,  so  gut 
hatten  die  Elemente,  aus  welchen  die  spätere  Düsseldorfer  Kunst  sich  aufbaute,  sich  langsam  an- 
gesammelt, die  geistigen  sowohl  als  die  technischen.  Die  Leitung  der  Akademie  unter  Schadow 
war  eine  autokratische.  In  strenger  Zucht  und  Sitte  wuchsen  unter  der  Aufsicht  ihres  Directors, 
dessen  Lehrer  nur  wie  unverantwortliche  Minister  fungirten,  die  jungen  Historienmaler  heran. 
Aber  wir  haben  auch  gesehen,  dafs  unaufhaltsam  der  junge  Baum  Triebe  nach  allen  Seiten  ent- 
wickelte. Lessing  ging  von  Anfang  an  seine  Wege,  und  Rethel  löschte  gewissermafsen  die  ganze 
Düsseldorfer  Historienmalerei  mit  den  gewaltigen  Zügen  seiner  Aachener  Bilder  und  des  Todten- 
tanzes  aus.  Die  Genremaler,  Hasenclever  und  Schrödter  an  der  Spitze,  machten  sich  in  Wort 
und  Bild  zuerst  lustig  über  die  Romantik,  dann  machten  sie  offene  Opposition  und  bahnten  sich 
den  eigenen  Weg.  Ganz  im  Stillen,  ohne  Spott  und  Kampf,  aber  zielbewufst  hatten  die  Nazarener 
ihre  Arbeit  gethan.  Dafs  diese  keine  Früchte  in  der  späteren  Zeit  trug,  war  nicht  die  Schuld  der 
frommen  und  fleifsigen  Leute.  Die  Landschaft  schliefslich  mufste  sich  der  Natur  der  Sache 
gemäfs  der  akademischen  Zucht  am  ersten  und  selbstverständlichsten  entwinden. 

Es  wäre  Unrecht  zu  behaupten,  dafs  Schadow  selbst  die  langsam  aber  früh  eintretende 
Wendung  der  Dinge  nicht  erkannt  oder  sich  ihr  direct  entgegengestemmt  hätte.  Schon  1830  schuf 
er  für  Schirmer  die  Hültslehrerstelle  in  der  Landschaftsklasse,  er  liefs  es  auch  den  Genremalern 
an  Rath  und  Aufmunterung  nicht  fehlen,  soweit  dies  seine  Natur  ermöglichte,  aber  über  diese 
seine  Natur  hinweg  konnte  eben  auch  er  nicht,  er  am  wenigsten  und  um  so  weniger,  als  Krankheit 
und  Alter  ihn  später  die  doch  erfreuliche  Entwicklung  in  die  Breite  mit  Aerger,  die  Entwicklung 
in  die  Höhe  unter  Rethel  mit  wirklichem  Unverständnifs  betrachten  liefs. 

Das  strenge  Regiment  und  die  gesellschaftliche  Feudalität  Schadows  rächten  sich  in  der  von 
Freiheit,  Gleichheit  und  Brüderlichkeit  schwärmenden  Zeit,  und  so  kann  man  die  Constitution  der 
freien  Künstlerschaft  so  gut,  wie  die  Errichtung  constitutioneller  Regierungen  auf  die  Tendenzen 
zurückführen,  die  im  Jahre  1848  sich  so  breit  machten.  Ein  Irrthum  wäre  es  nun  aber,  wenn 
man  annehmen  wollte,  die  Künstlerschaft  hätte  an  den  wüsten  Ereignissen  der  Revolutionszeit  in 
Düsseldorf  Theil  genommen.     Dazu    lag    gar    kein    Grund    vor,    und    es   war   in    der  That  nicht  so. 

Im  Jahre  1848,  als  die  W^ogen  der  Hoffnung  und  der  Begeisterung  hoch  gingen,  und  noch 
nicht  die  systematische  Verhetzung  der  Volksmassen  begonnen  hatte,  veranstaltete  der  demokra- 
tische Verein  mit  der  Düsseldorfer  Künstlerschaft  zur  Feier  der  Wahl  des  Reichsverwesers  Johann 
von  Oesterreich  in  Frankfurt  ein  Einheitsfest,  dessen  Tendenz  aber  dem  Anlafs  entsprechend 
romantisch  patriotisch  und  keineswegs  revolutionär  war.  Der  Bildhauer  Meinardus  hatte  zu 
diesem  Feste  nach  einem  Entwurf  von  Carl  Sohn  eine  15  Fufs  hohe  Germaniastatue  auf  dem 
Friedrichsplatz  erbaut,  die  nach  dem  allgemeinen  Urtheil  ein  so  herrliches  und  vollendetes  Kunst- 
werk war  „wie  dem  Meifsel  eines  Thorwaldsen  entsprungen".  Sie  bildete  den  Zielpunkt  eines 
von  den  Malern  veranstalteten  costümirten  Festzuges.  Man  sang  das  Arndtsche  Vaterlandslied, 
senkte  die  Banner  der  deutschen  Staaten  vor  der  bengalisch  beleuchteten  Statue  und  führte  ein 
von    Louis    Bacharach    verfafstes    Märchen    von    der   Dame   Germania    auf.     Das   klang   nicht   nach 

183 


Revolution,  es  war  ein  natürlicher  Ausflufs  der  Begeisterung,  die  damals  gerade  die  besten  und 
patriotischsten  Männer  erfafst  hatte.  Der  Plan,  die  Statue  späterhin  in  Marmor  oder  Erz  auszu- 
führen, kam  allerdings  nicht  zustande. 

Bei  den  Ereignissen  der  späteren  unruhigen  Tage  wird  nur  der  Name  eines  einzigen 
Künstlers  genannt,  es  ist  der  des  Historienmalers,  Kunstschriftstellers  und  Stadtrathes  Lorenz 
Clasen,  der  stellvertretender  Chef  der  Bürgerwehr  war.  Aber  ungleich  dem  eigentlichen  Chef, 
dem  Manufakturwaarenhändler  Cantador,  scheint  Clasen  besänftigend  gewirkt  und,  als  ihm  die 
Bewegung  über  den  Kopf  wuchs,  sich  beizeiten  zurückgezogen  zu  haben.  Im  Carneval  1848 
wurde  ferner  noch  beobachtet,  dafs  in  der  Gesellschaft  „Verein"  sich  die  Künstler  von  den 
„Bürgerlichen"  absonderten  und  mit  Offizieren  verkehrten,  wobei  allerdings  zu  vermuthen  ist, 
dafs  es  sich  nur  um  jenen  Theil  der  Künstlerschaft  gehandelt  hat,  der  schon  vorher  in  dem 
Kreise  des  Adels  verkehrte,  also  Schadow  und  sein  Anhang.  Dennoch  hatten  die  48er  Ereignisse, 
zunächst  allerdings  die  freudigen  Erregungen,  die  sich  an  das  Germaniafest  anknüpften,  für  das 
Düsseldorfer  Kunstleben  eine  wichtige  Folge.  Dies  war  die  Gründung  des  Künstlervereins 
,. Malkasten"  und  damit  die  Schaffung  eines,  wenn  auch  nicht  offiziellen  Mittelpunktes,  um  den 
sich  sehr  bald  in  bewufstem,  aber  auch  nicht  unberechtigten  Gegensatz  zu  der  Akademie,  die 
besten  Kräfte  der  Künstlerschaft  sammelten. 

Dafs  ein  solcher  Verein  mit  seinen  gesellschaftlichen  Tendenzen  dem  offiziellen  Lehrinstitut 
gegenübertreten  und  ihm  jahrelang  den  Rang  als  künstlerischen  Mittelpunkt  streitig  machen  konnte, 
war  eine  Folge  der  Verhältnisse,  aber  auch  ein  Zeichen  für  den  Wandel  innerhalb  des  Kunst- 
schaffens selbst.  Die  Akademie  war  stumpf  geworden  und  unglückliche  Combinationen  wollten 
es,  dafs  ihr  nicht  beizeiten  frische  Kräfte  zugeführt  wurden.  Aber  es  lag  auch  in  dem  Wesen 
der  damaligen  Kunst,  in  dem  Wesen  der  Männer,  die  an  die  Spitze  des  Kunstschaffens  treten 
sollten,  dafs  man  sich  von  der  Schule  sobald  als  möglich  frei  machen  wollte.  Man  wollte  nicht 
mehr,  was  früher  als  Ideal  galt,  möglichst  lange  ein  akademisches  Atelier  bewohnen  und  mit  den 
Gesinnungsgenossen  zusammenhocken,  dieselben  romantischen  Motive  nach  denselben  Dichter- 
stellen in  dieselbe  Farbe  umsetzen.  Man  wollte  hinaus,  je  bälder  je  lieber,  man  wollte  sich  seine 
Motive  draufsen  selber  suchen,  seine  Technik  und,  wenn  es  sein  mufste,  seine  Lehrer. 

Man  kann  dieses  Streben  ein  demokratisches  nennen,  aber  es  ging  ähnlich  durch  alle  Kreise. 
Man  kann  es  auch  revolutionär  nennen,  aber  nur  im  künstlerischen  Sinne,  nicht  im  politischen. 
Und  man  mag  es  nennen,  wie  man  will,  es  war  berechtigt,  das  beweisen  die  Folgen. 

Auch  jene  Unruhe,  die  unser  modernes  Leben  kennzeichnet,  fing  damals  an,  mit  dem  be- 
ginnenden Umschwung  in  den  Verkehrsverhältnissen  sich  der  Geister  zu  bemächtigen.  Ein  Hin 
und  Her  begann  von  Kunststadt  zu  Kunststadt,  und  die  Sammelpunkte  bei  flüchtiger  Rast  oder 
bei  regelmäfsiger  Erholung  waren  nicht  mehr  die  ästhetischen  Salons  beim  Herrn  Director  oder 
den  Herren  Professoren,  es  wurden  immer  mehr  die  Stätten,  wo  schon  in  alten  Zeiten  die  Deutschen 
sich  zu  weiser  Berathung,  wie  zu  endlosem  Geschwätz  zu  versammeln  pflegten,  wo  Jeder  Herr 
seines  Wortes  ist,  so  lange  es  die  Geister  des  W^eines  und  des  Bieres  erlauben  —  die  Kneipen. 
Schon  in  den  30er  Jahren  waren  Künstlerkneipen  und  gesellige  Verbände  entstanden,  in  denen, 
wie  seit  1835  im  ,, Familienverein  der  Düsseldorfer  Künstler",  die  führenden  Geister  der  Aesthetik 
und  der  akademischen  Kunst  sich  zusammenfanden,  oder  aber  bei  denen  in  kleinen  vertrauten 
Kreisen  die  Opposition  gegen  den  „Alten"  ein  vorläufig  noch  lichtscheues  Wesen  trieb,  ohne  doch 
die  Sachen  ändern  zu  können,  —  aber  alle  diese  Verbände  waren  entweder  eingegangen  oder  hatten 
eine  Einigung  der  grofsen  Partei  aufserhalb  der  Akademie  nicht  bewirken  können.  Eine  höchst 
wichtige  Vereinigung,  von  der  weiterhin  die  Rede  sein  wird,  war  allerdings  schon  1844  entstanden, 
aber  ihre  Tendenz  war  weder  eine  gesellschaftliche  noch  eine  künstlerische,  sie  war,  und  das  lag 
vielleicht  auch  in  den  Zeitströmungen,  eine  rein  praktische  und  von  eminenter  Tragweite;  es  war 
der  ,, Unterstützungsverein  Düsseldorfer  Künstler".  Ein  gesellschaftlicher  Zusammenschlufs,  eine 
Vereinigung  zu  festlichem  Beisammensein  und  ernster  Berathung  bei  brennenden  Tagesfragen, 
lag  nicht  in  seinem  Wesen,  noch  in  seinen  Absichten. 

Das  zu  erreichen,  war  und  blieb  dem  „Malkasten"  vorbehalten,  der  in  den  Stunden  der 
Begeisterung  nach  dem  Germaniafest  gegründet  wurde.  Die  Maler  Leutze,  K.  W^.  Hübner,  Hermann 
Becker,  Jordan  und  Andere  waren  die  Ersten  gewesen,  welche  die  Idee  eines  Vereins  ,,zu 
geselligem  Künstlerleben"  fafsten  und  in  den  erwähnten  Tagen  mit  zahlreichen  Genossen  zu  seiner 
Gründung  schritten.  Es  waren  die  besten  Namen  aus  der  Künstlerschaft,  welche  am  11.  August 
unter  das  Stiftungsprotokoll  geschrieben  wurden;  fast  Alle,  die  in  jener  Zeit  hervorragten,  waren 
dabei  betheiligt,  nur  von  der  Akademie  fehlten  bedeutsamerweise  einige  Namen  und  das  bezeichnet 

184 


am  besten  die  damalige  Situation.  Und  auch  einzelne  bedeutende  Nichtakademiker  hielten  noch 
mit  ihrem  Beitritt  zurück. 

Aber  auch  diese  Differenzen  sollten,  äufserlich  wenigstens,  bald  ausgeglichen  werden.  Andreas 
Achenbach  und  H.  Ritter  traten  bald  ein,  und  zwei  Jahre  später  auch  Schadow,  was  mit  grofser 
Genugthuung  aufgenommen  wurde,  weil  damit,  wie  Daelen  schreibt,  gewissermafsen  offiziell  ein 
Freundschaftsbündnifs  zwischen  der  Akademie  und  den  freien  Künstlern  geschlossen  wurde. 
Freilich  nur  offiziell,  wie  die  Folge  lehrte.  Wenn  auch  die  Tendenz  des  Malkastens  zunächst 
lediglich  die  eines  gesellig  harmlosen  Zusammenseins  gewesen  war,  so  konnte  es  nicht  ausbleiben, 
dafs  in  den  so  wenig  harmlosen  Zeiten  gelegentlich  die  Geister  aufeinander  platzten  und  die 
Gegensätze  innerhalb  der  Künstlerschaft  auch  hier  zu  Reibungen  führten.  Im  späteren  Verlauf  der 
Revolutionszeit  traten  sogar  Ereignisse  ein,  welche  den  Anschein  eines  politischen  Gegensatzes 
innerhalb  der  Künstlerschaft  heraufbeschworen,  aber  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dafs  die  natür- 
lichen und  erklärlichen  Erregungen  leider  durch  die  in  solchen  Zeiten  unausbleiblichen  ekelhaften 
Erscheinungen  von  Servilismus  und  Denunziantenthum  verstärkt  wurden,  welche  die  Dinge  in 
falschem  oder  absichtlich  entstelltem  Lichte  erscheinen  liefsen  und,  da  sie  gerade  dem  Rheinländer 
besonders  widerwärtig  und  seinem  Naturell  unerträglich  sind,  die  Situation  bedeutend  verschärft 
haben.  Und  diese  Verschärfung  ist  dann  mit  dem  Vorhergegangenen  auch  wohl  schuld  gewesen 
an  der  im  Stillen  lange  fortdauernden  Entfremdung  zwischen  Akademie  und  freier  Künstlerschaft, 
deren  Spuren  sich  noch  heute  nicht  ganz  verloren  haben,  wo  doch  die  künstlerischen  sowohl  wie 
die  politischen  Verhältnisse  ganz  andere  geworden  sind. 

Den  Anlafs  gab  damals  die  Aufnahme  des  revolutionärer  Gesinnung  verdächtigen  Dichters 
Freiligrath  in  den  Malkasten  im  Jahre  1850.  Die  Verhaftung  Freiligraths,  sein  Procefs,  der  mit 
Freisprechung  endigte,  hatten  im  Jahre  1848  in  Düsseldorf  eine  heftige  Erregung  der  Gemüther  zur 
Folge  gehabt.  Die  Aufnahme  des  Dichters  in  den  Künstlerverein  regte  die  kaum  Beruhigten  von 
neuem  auf,  und  die  jämmerliche  Reaction,  die  bereits  wieder  eingesetzt  hatte,  mochte  die  Milch 
der  frommen  Denkungsart  auch  bei  dem  friedlichsten  Malkastenmitgliede  in  das  bekannte  Drachen- 
gift verwandelt  haben. 

Eine  Spaltung  selbst  unter  den  Mitgliedern  stand  bevor;  die  aufserhalbstehenden,  welche 
schon  vorher  den  Malkasten  mit  Mifstrauen  betrachtet  hatten,  erhoben  ihre  warnenden  Stimmen, 
leider,  wie  es  scheint,  eben  nicht  nur  laut  und  öffentlich,  sondern  auch  im  Stillen  an  ,, geeig- 
neter Stelle",  und  es  schien  der  Bürgerkrieg,  wenigstens  im  Künstlerstaat,  wieder  ausbrechen  zu 
wollen,  als  Freiligrath  seinen  Austritt  erklärte,  womit  die  Angelegenheit  äufserlich  wenigstens 
beendet  war. 


Aber  auch  in  anderer  Beziehung  hatte  sich  Manches  geändert.  Als  im  Anfang  die  jungen 
Düsseldorfer,  von  dem  Beifall  fast  der  ganzen  Welt  begrüfst,  ihre  ersten  Bilder  malten,  da  fanden 
sie  zwar  nicht  im  kleinen  Düsseldorf,  aber,  sei  es  durch  den  Kunstverein,  sei  es  durch  die  zahl- 
reichen hochstehenden  oder  zahlungsfähigen  Gönner,  die  Schadow  zu  interessiren  verstanden  hatte, 
einen  bequemen  und  glänzenden  Absatz  ihrer  Bilder. 

Ein  junger  Maler,  der  sein  erstes  grofses  Bild  zur  Kunstvereinsausstellung  sandte,  konnte 
ziemlich  sicher  sein,  dafs  es  dort  zu  einer  für  jene  Zeiten  beträchtlichen  Summe  angekauft  wurde. 
So  war  ihm  der  doppelte  Erfolg,  der  künstlerische  und  der  materielle,  gesichert,  und  aus  den  Kreisen 
der  Gewinner  solcher  Bilder  fanden  sich  neue  Gönner  und  Besteller.  Aber  der  Maler  waren  immer 
mehr  geworden,  und  der  Käufer  wurden  in  den  unruhiger  und  unsicherer  werdenden  Zeitläufen 
immer  weniger.  Das  begann  schon  vor  den  Revolutionsjahren  sich  fühlbar  zu  machen,  und  die 
nächsten  Jahrzehnte  allgemeinen  politischen  und  wirthschaftlichen  Mifstrauens,  der  allzu  schnell 
aufeinander  folgenden  Kriege,  liefsen  in  die  fröhliche  Künstlerstadt  an  der  Dussel  das  Gespenst 
einer  Künstlermisere  erscheinen,  das  den  Kampf  um  die  Kunst  mit  dem  noch  bittereren  Kampf 
ums  Dasein  vergesellschaftete.  Dafs  so  viele  Künstler  die  Stätte  ihrer  Studien  und  ersten  Erfolge 
verliefsen.  um  entweder  Berufungen  an  auswärtige  Lehrinstitute  zu  folgen,  oder  selbständig  ander- 
wärts eine  neue  Existenz  zu  suchen,  das  hatte  recht  häufig  nicht  immer  ausgesprochene,  aber 
nicht  wegzuleugnende  pecuniäre  Gründe.  Auch  manche  der  Jüngeren,  die  eben  erst  gekommen 
waren,  verliefsen  bald  wieder  das  einst  so  ideale  und  idyllische  Düsseldorf,  wo  man  noch  vor 
wenigen  Jahren  nicht  nur  in  kürzester  Zeit  zur  höchsten  Meisterschaft,  sondern  auch  zu  äufseren 
und  materiellen  Erfolgen  kam. 


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Die  Meisterschaft  war  eben  vielfach  nur  eine  scheinbare  gewesen,  und  tiefere  Naturen,  wie 
Feuerbach  oder  Böcklin  brachten  es  in  Düsseldorf  zu  nichts  und  verliefsen  nach  einer  unbefriedigten 
kurzen  oder  längeren  Lehrzeit,  nachdem  ihnen  von  Schadow  oder  Schirmer,  sei  es  das  Talent, 
sei  es  die  „Vernunft"  abgesprochen  war,  Düsseldorf  auf  Nimmerwiedersehen. 

Alle  diese  Zustände,  die  eine  nur  zu  natürliche  Reaction  nach  den  ersten  fast  übernatür- 
lichen Erfolgen  waren,  hauptsächlich  natürlich  die  langsam  beginnende  Verschlechterung  der 
materiellen  Verhältnisse  erklären  auch  die  1844  stattgefundene  Gründung  des  ,, Vereins  Düssel- 
dorfer Künstler  zu  gegenseitiger  Unterstützung  und  Hülfe",  der,  wie  schon  der  Name  andeutet, 
einen  recht  ernsthaften  und  nur  zu  nothwendigen  Zweck  verfolgte.  Im  Anschlufs  an  ein  Früh- 
lingsfest beriefen  Schadow,  Kiederich  und  Baudry  eine  Vorversammlung,  andere  folgten  und 
bald  konnten  die  Statuten  festgestellt  werden.  Eine  Hauptrolle  in  der  geplanten  Thätigkeit  des 
neuen  Vereins  sollten  selbstveranstaltete  Kunstausstellungen  in  Düsseldorf  und  den  umliegenden 
rheinischen  Städten  spielen,  auch  die  Errichtung  einer  Kunsthalle  wurde  schon  geplant.  Der 
wichtigste  Passus  aber  sprach  die  Absicht  aus,  hülfsbedürftige  kranke  Mitglieder  zu  unterstützen. 
Die  Regierung  in  Düsseldorf  und  Berlin  kam  dem  Verein  sympathisch  und  auch  helfend  ent- 
gegen. Die  Ausstellungsfragen  gaben  aber  den  Anlafs,  dafs  auch  hier  der  Gegensatz  zwischen 
der  Akademie  und  der  jüngeren,  der  freien  Künstlerschaft,  sich  bemerkbar  machte,  so  dafs 
Schadow  1853  vom  Vorsitz  des  Vereins  zurücktrat.  Die  Ausstellungen  wurden  immer  weiter,  über 
England,  Frankreich,  Belgien  und  Amerika  ausgedehnt,  und  gerade  Amerika  blieb  seitdem  bis 
in  die  letzten  Jahrzehnte  ein  bedeutendes  Absatzgebiet  für  die  Düsseldorfer  Bilder.  Verloosungen 
von  Bildern  und  Veranstaltungen  verschiedener  Art  wurden  unternommen,  um  das  Vereins- 
vermögen, das  in  aller  Stille,  wie  es  dem  Zweck  entsprach,  aber  leider  immer  häufiger  in  Anspruch 
genommen  wurde,  zu  vermehren  und  die  eigentliche  Bestimmung  des  Vereins  erfüllen  zu  können. 

Auch  um  die  Gründung  der  Nationalgalerie  in  Berlin  machte  sich  der  Verein  verdient  und 
brachte  diese,  wie  auch  die  energische  Förderung  monumentaler  Kunst  bei  dem  Minister  von 
Bethmann-Hollweg  zuerst  in  Anregung.  Auch  hier  verhielt  sich  Schadow  zuerst  ablehnend,  ein 
Zeichen,  wie  sehr  er  angefangen  hatte,  in  unkünstlerischen  Bureaukratismus  zu  verfallen.  Viel 
später  konnte  der  Gründung  einer  Kunsthalle  in  Düsseldorf  näher  getreten  werden.  Als  nach 
dem  französischen  Kriege  Preufsen  auf  die  nach  München  überführte  alte  Galerie  endgültig  ver- 
zichtet hatte  (das  Beste,  was  es  thun  konnte,  denn  ein  Procefs  hätte  nur  die  Unhaltbarkeit  seiner 
Ansprüche  erweisen  können),  wandte  sich  der  Verein  an  den  Kaiser,  um  eine  Entschädigung  zu 
erbitten.  Dieselbe  wurde  auch  in  Gestalt  einer  Geldsumme  zur  Erbauung  einer  Kunsthalle  ge- 
währt und  diese  konnte  nach  etwa  zehn  Jahren  eingeweiht  werden. 

Die  gröfsten  Verdienste  des  Vereins  entziehen  sich  natürlich  der  Oeffentlichkeit,  aber  seine 
rege  Thätigkeit,  die  doch  in  letzter  Linie  jene  edlen  Zwecke  zum  Ziel  hat,  ist  der  beste  Beweis 
für  sein  segensreiches  Wirken,  leider  freilich  auch  für  die  Nothwendigkeit  desselben. 

Die  Gründung  eines  dritten  Vereins  mag  gleich  an  dieser  Stelle  erwähnt  werden,  wenn  sie 
auch  in  etwas  spätere  Zeit  fällt.  Sie  ging  wieder  vom  Malkasten  aus  und  sollte  bald  eine  weit 
über  die  Grenzen  von  Düsseldorf  hinausgehende  Bedeutung  erlangen.  Es  war  ,,die  deutsche 
Kunstgenossenschaft",  die  lange  vor  der  Einigung  Deutschlands  wenigstens  die  deutschen  Künstler 
zu  gemeinsamem  Vorgehen  und  gemeinsamer  Interessen wahrung  vereinigt  hatte  und  die  also 
auch,  von  Düsseldorf  aus  entstanden,  die  Vorherrschaft  der  rheinischen  Kunststadt  um  jene  Zeit 
noch  documentirt. 

Hermann  Becker,  der  die  Seele  dieser  Gründung  gewesen  war,  erzählt  ihre  Entstehung  selbst 
folgendermafsen : 

,,Die  Wirkung  des  Malkastens  nach  aufsen  ist  von  grofser  Bedeutung  gewesen.  Die  engere 
Verbindung  der  Künstler  in  Düsseldorf  mufste  natürlich  den  Gedanken  erregen,  auch  mit  den 
anderen  deutschen  Kunstschulen  in  nähere  Beziehungen  zu  treten,  und  ein  zufälliger  Umstand 
brachte  diesen  Gedanken  zur  Ausführung,  der  Besuch  eines  namhaften  Münchener  Malers,  Gisbert 
Flüggen,  eines  geborenen  Kölners.  Es  war  im  Sommer  1856,  als  in  einer  Unterhaltung  zwischen 
diesem  Gaste,  E.  Leutze,  A.  Michelis,  Robert  Krause  und  Hermann  Becker,  Letzterer  den  Vor- 
schlag machte,  eine  allgemeine  deutsche  Künstlerversammlung  nach  Bingen  zu  berufen.  Der 
Vorschlag  wurde  von  einem  Comite  berathen,  von  dem  Verein  angenommen  und  kam  im 
September  desselben  Jahres  zur  höchst  gelungenen  Ausführung.  Die  Versammlung  in  Bingen  war 
von  Deputirten  aller  deutschen  Kunststädte  und  -Schulen  besucht.  Die  Beschlüsse  derselben 
umfafsten  ungefähr  dieselben  Ziele,  welche  der  Malkasten  für  sich  erstrebt  und  theilweise  erreicht 
hatte;    aufserdem   wurden    aber   auch    deutsch-nationale    Kunstausstellungen    projectirt,    deren    erste 

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im  Jahre    1858    zu  München,    die    zweite  1861    zu  Köln    und    die    dritte  1868    zu  Wien   stattgefunden 
haben,  und  die  für  die  neuere  deutsche  Kunstentwicklung  epochemachend  gewesen  sind." 

Hierzu  berichtet  Becker  jr.,  der  Sohn  des  Vorgenannten,    noch  Folgendes: 

,,Für  die  Spaltung,  die  in  den  damaligen  Düsseldorfer  Kunstkreisen  herrschte,  ist  es  sehr 
bezeichnend,  dafs  fast  nur  Mitglieder  des  Malkastens  sich  an  dieser  Zusammenkunft  betheiligten, 
während  die  Anhänger  der  Akademie  und  die  Professoren  zurückblieben.  Einzelne  ganz  besonders 
Vorsichtige,  die  es  mit  der  neuen  Richtung  nicht  ganz  verderben  wollten,  warteten  zu  Oberwesel 
im  ,,Pfropfenzieher"  der  Dinge,  die  da  kommen  sollten,  unter  Anderen  W.  Camphausen  mit  mehreren 
Genossen,  welche,  als  das  allgemein  .erwartete  Fiasco  nicht  erfolgte,  voller  Begeisterung  nach 
Bingen  eilten,   um   an   dem  Werke  mitzuarbeiten." 

Die  für  Deutschland  und  für  die  ganze  Welt  so  unruhigen  Jahrzehnte  waren  also  auch  für 
Düsseldorf  kritischer  Natur,  und  der  Umschwung  in  den  politischen  und  socialen  Anschauungen, 
der  sich  in  der  grofsen  Welt  vollzog,  fand  sein  Echo  in  den  Zuständen  und  Verhältnissen  der 
Künstlerschaft;  er  mufste  sich  aber,  was  schliefslich  noch  wichtiger  ist,  auch  in  der  Kunst,  in 
den  Werken  reflectiren,  und  in  der  That  ist  dieser  Umschwung  in  den  rein  künstlerischen 
Anschauungen  gerade  in  jener  Zeit  so  grofs,  dafs  er  dazu  berechtigt,  hier  eine  Epoche  auch  in 
der  Düsseldorfer  Malerei  zu  constatiren. 

Die  romantische  Malerei  war  eine  Kunst  für  ästhetische  Aristokraten,  für  Aristokraten  von 
Geburt  und  vom  Gelde  gewesen,  das  Volk  hatte  sie  angestaunt  und  bewundert,  wie  es  ins  Theater 
läuft,  um  sich  an  den  bunten  Puppen  zu  ergötzen,  aber  es  liefs  sie  fallen,  als  es  anfing,  sich  auf 
sich  selbst  zu  besinnen.  Denn,  und  darin  unterscheidet  sich  auch  und  sehr  zu  ihrem  Nachtheil 
die  malende  Romantik  vom  Anfang  des  Jahrhunderts  von  der  litterarischen,  sie  hielt  sich  von 
allem  wirklich  Volksmäfsigen  zurück. 

Für  einen  Brentano,  einen  Tieck  oder  selbst  einen  E.  T.  A.  Hoffmann  hat  die  Düsseldorfer 
romantische  Malerei  nach  dieser  Richtung  keinen  Gleichstehenden  aufzuweisen,  und  darin  liegt 
auch  der  Grund,  dafs  die  romantischen  Schriftsteller  ihren,  wenn  auch  bescheidenen  Platz  noch 
heute  einnehmen  und  ihn  behalten  werden,  während  die  romantischen  Maler  endgültig  abgethan 
sind.  Dieser  Gegensatz  liefse  sich  noch  weiter  verfolgen  bis  in  die  Art  der  Beobachtung  und  die 
Technik  hinein.  Genug,  er  ist  da  und  er  erklärt  die  allmähliche,  aber  unaufhaltsame  Abwendung 
des  Volkes  von  der  romantischen  Malerei,  die  sich  damals  vollzog. 

Natürlich  hörte  die  romantische  Malerei  nicht  mit  einem  Schlage  auf  zu  existiren,  denn  die 
alten  Gröfsen,  an  rastloses  Schaffen  gewohnt,  waren  nicht  gesonnen,  die  Hände  in  den  Schofs  zu 
legen  und  den  Gegnern  das  Schlachtfeld  ohne  Schwertstreich  zu  überlassen.  Schadow  glaubte, 
die  böse  W^elt  noch  um  das  Jahr  1850  bekehren  und  von  der  Mission  der  religiös-mystischen 
Malerei  überzeugen  zu  können.  In  einem  grofsen  dreitheiligen  Bild  legte  er  noch  einmal  die  ganze 
Summe  seiner  Philosophie  und  seiner  Malerei  nieder,  und  es  konnte  damals  sogar  noch  die  Be- 
hauptung gedruckt  werden,  die  neuere  Kunst  habe  kein  Werk  geschaffen,  das  an  Bedeutsamkeit 
des  Inhalts  und  zugleich  an  äufserem  Umfange  sich  mit  dieser  plastischen  Trilogie  messen  dürfte. 
Namentlich  der  Ausdruck  plastisch  ist  bei  dem  glattgemalten  und  geistig  wie  künstlerisch  möglichst 
unplastischen  Bilde  fast  komisch.  Für  Schadow  ist  es  freilich  charakteristisch,  dafs  er  am  Ende 
seiner  Laufbahn,  bei  all  den  Umwälzungen,  welche  die  Welt  und  die  Kunst  erfahren  hatte,  ein 
solch  umfangreiches  Bild  malen  konnte,  das  die  ein  halbes  Jahrhundert  älteren  künstlerischen 
Tendenzen  in  so  prägnanter  Weise  aussprach. 

Wenn  Schadows  Trilogie  selbst  damals  nur  in  seinem  engeren  Kreis  noch  Beifall  erringen 
konnte,  so  fanden  einige  andere  romantische  Bilder  immer  noch  gröfseren  Anklang,  so  die 
,,Semiramis"  und  die  ,,Mignon"  von  Chr.  Köhler,  die  ebenfalls  in  den  50er  Jahren  noch  entstanden, 
aber  gerade  so  gut  20  Jahre  vorher  hätten  gemalt  sein  können,  so  Carl  Sohns  ,,Lorley",  die  1853 
noch  grofses  Entzücken  erregte  und  auch  für  den  Kunstverein  gestochen  wurde;  aber  laut  und 
immer  lauter  wurden  anderseits  die  Stimmen,  die  innerhalb  und  aufserhalb  der  Mauern  diese 
Kunst  für  einen  überwundenen  Standpunkt  erklärten,  und  so  erweiterte  sich  immer  mehr  der  Rifs 
zwischen  Akademie  und  Künstlerschaft  auch  nach  dieser  Richtung,  denn  die  alten  Romantiker 
safsen  fest  auf  ihren  Professorenstühlen  oder  in  den  akademischen  Ateliers,  während  die  Genremaler, 
die  Verkünder  der  neuen  Kunst,  sich  draufsen  herumtummelten  und  die  W^elt  ansahen. 

Schadow  war  alt,  krank  und  durch  die  Veränderungen  im  Kunstleben,  die  er  weder  begreifen, 
noch  anerkennen  wollte  oder  konnte,  erbittert.  Er  legte  zwar  sein  Amt  als  Director  erst  1859 
nieder,  aber  seine  Kraft  und,  was  wichtiger  war,  sein  Einflufs  waren  schon  lange  vorher  ge- 
brochen.    Seine    und    seiner    nächsten    Schüler   Kunst   war,    was  er  übrigens  selbst  ausgesprochen 

187 


hat,  immer  mehr  oder  weniger  eine  Treibhauspflanze  gewesen;  mit  Reminiscenzen,  Anlehnungen 
und  Comödiespielen  vor  sich  selbst  und  der  W^elt,  hatte  man  eine  Kunst  schaffen  wollen,  aber 
unvermerkt  hatten  sich  neben  dem  exotisch  blühenden,  aber  hohlen  Baum,  wilde  Reiser  entwickelt, 
und  als  jener  abzusterben  begann,  waren  sie  zu  Stämmen  erwachsen,  die  aus  festerem  Holze 
waren,  als  die  bunte  Theater-  und  Dogmenkunst  der  Aesthetiker  und  Romantiker  und  Nazarener 
Schadows.  Der  auf  seinen  Wunsch  gewählte  Nachfolger,  sein  alter  Schüler  Bendemann,  den 
man  eigens  von  Dresden  kommen  liefs,  war  der  Letzte,  der  ein  neues  Leben  aus  den  Ruinen 
hätte  erwecken  können,  weder  als  Director  185g — 67,  noch  als  Lehrer,  noch  als  Künstler.  Zart 
und  liebenswürdig,  hat  er  den  tief  eingerissenen  Gegensatz  zwischen  Akademie  und  Künstler- 
schaft sicher  nicht  erweitert,  aber  er  war  auch  ganz  machtlos,  ihn  zu  überbrücken.  Auch  sonst 
war  Niemand  an  der  Akademie,  der  in  dieser  Richtung  hätte  wirken  können.  Deger  und  die 
beiden  Müller  gingen  nicht  aus  ihrem  engen  Kreise  heraus,  Mücke,  der  1852  angestellt  wurde,  gab 
der  Welt  längst  keine  Räthsel  mehr  auf  Köhler,  der  seit  1855  in  das  Lehrercollegium  ebenfalls 
eingetreten  war,  konnte  auch  das  Verhängnifs  nicht  aufhalten.  Der  vortreffliche  Carl  Sohn  war 
eigentlich  noch  die  Hauptstütze  der  Akademie.  Seinem  verständnifsvollen  Gewährenlassen  gegen- 
über dem  ängstlichen  Nörgeln  Bendemanns  verdanken  zahlreiche  auch  der  späteren  Schüler  ihr 
Können,  und  sein  Tod  1867  war  für  die  Akademie  und  die  Schule  der  Figurenmaler  überhaupt  ein 
härterer  Verlust,  als  die  Amtsniederlegung  Bendemanns  im  selben  Jahre.  Allerdings  hatte  Sohn 
schon  1855  einmal  seine  Entlassung  erbeten  und  erhalten,  war  aber  1859  als  Stellvertreter 
Schadows  wieder  in  die  Akademie  eingetreten,  um  seine  Lehrthätigkeit  bis  zu  seinem  Tode  mit 
Hingebung  auszuüben.  Er,  von  dessen  ausgezeichnetem  Lehrtalent  und  von  dessen  einfacher 
natürlicher  Vornehmheit  noch  heute  vortreffliche  Künstler  mit  gröfster  Hochachtung  sprechen,  wäre, 
wenn  nun  einmal  ein  Maler  der  älteren  Richtung  das  Werk  Schadows  hätte  fortsetzen  sollen, 
dazu  jedenfalls  geeigneter  gewesen,  als  Bendemann.  Der  Fehler,  dafs  man  glaubte,  mit  den  Ver- 
tretern einer  abgestorbenen  Richtung  junge  Talente  erziehen  zu  können,  wäre  freilich  derselbe 
geblieben. 

„W^enn  sie  nur  nicht  Alle  so  alt  wären!"  klagt  Feuerbach  schon  1846.  Er  hatte  sich  heimlich 
von  Lessing  corrigiren  lassen,  aber  auch  bei  dem  vermifste  er  die  ,, jugendliche  Seele".  Dafür 
wurde  ihm  dann  auch  noch  zehn  Jahre  später  in  Düsseldorf  der  Nachruf  gewidmet,  dafs  er  einen 
falschen  Weg  einzuschlagen  scheine,  der,  seinen  Düsseldorfer  Studien  diametral  entgegengesetzt, 
zu  keinem  erfreulichen  Resultat  führen  dürfte.  Und  dabei  hatte  er  seinen  ,,Hafis  in  der  Schenke" 
schon  in  Düsseldorf  ausgestellt  und  den  ,,Pietro  Aretino"  gemalt.  Man  nahm  es  aber  schon 
damals  sehr  übel,  wenn  Jemand  aufserhalb  Düsseldorf  sein  Heil  suchte,  und  doch  sollte  nur  zu 
bald  eine  lebhafte  Auswanderung  beginnen,  der  die  Berechtigung  unter  diesen  Verhältnissen  nicht 
abzusprechen  ist.  Die  Akademie  leistete  eben  bis  hoch  in  die  60er  Jahre  hinein  nicht  mehr  viel, 
weder  selbst  schaffend,  noch  lehrend  und  anweisend.  Diejenigen,  welche  dennoch  später  ihren 
Weg  fanden,  thaten  es  nicht  mit  Hülfe,  sondern  trotz  ihrer  Düsseldorfer  akademischen  Lehrer 
und  nur  nach  einem  mehr  oder  weniger  freiwilligen  Bruch  mit  ihnen. 

Die  eigentliche  Historienmalerei,  deren  Hauptvertreter  Rethel  und  Lessing  waren,  war  auch 
nur  neben  der  Akademie  erwachsen,  und  Rethel  war  zu  lange  von  Düsseldorf  entfernt  gewesen, 
um  hier  später  Einflufs  zu  haben.  Seine  Arbeit  in  dem  abliegenden  Aachen,  sein  schon  während 
derselben  beginnender  trauriger  Gesundheitsverfall  und  der  allzu  frühe  Zusammenbruch  seiner 
Kräfte  hatten  dazu  beigetragen,  sein  Werk  den  Zeitgenossen  nicht  näher  kommen  zu  lassen,  ganz 
abgesehen  davon,  dafs  die  Wenigsten  imstande  waren,  es  in  seiner  ganzen  Gröfse  zu  erfassen. 
Man  nörgelte  in  echt  düsseldorfischem,  bis  auf  unsere  Tage  verbliebenem,  übertriebenem,  ja  fast 
krankhaftem  Localpatriotismus  an  den  vier  Aachener  Bildern,  die  Rethel  selbst  ausgeführt  hatte, 
herum,  begeisterte  sich  an  der  schönen  Farbe  der  vier  Kehrenschen  und  wunderte  sich  gelegentlich, 
wenn  französische  oder  belgische  Urtheile  den  Retheischen  Fresken  den  höchsten  Ruhm  spendeten 
und  die  Färbung  der  Kehrenschen  Bilder  abfällig  beurtheilten. 

So  wäre  Lessing  das  eigentliche  Haupt  der  Figurenmalerei  grofsen  Stils  gewesen,  wenn  er 
sich  überhaupt  zum  Führer  geeignet  hätte.  Auch  hatten  seine  Hufsbilder  und  die  sich  daran 
knüpfenden  Controversen  schon  früh  eine  Verstimmung  gegen  ihn  verursacht,  die  ihn  sich  auf 
einen  kleinen  Kreis  beschränken  liefs  und  ihn  schliefslich  von  Düsseldorf  forttrieb. 

Dieser  Wegzug  Lessings,  dem  einige  Schüler  folgten  (Nabert,  Nikutowsky),  war  für  Düsseldorf 
ein  schwerer  Verlust,  weniger  weil  Lessing  einen  grofsen  directen  Einflufs  ausgeübt  hätte,  als 
weil  er  immerhin  der  letzte  Historienmaler  grofsen  Stils  in  Düsseldorf  gewesen  war  und  schon  sein 
Name  den  Fortschritt  gegenüber  den  Romantikern  bedeutete. 

188 


HUGO   CROLA 
Bildnis   des   Directors   Eduard   Bendemann 


Der  neue  Tag  schien  eben  anderswo  anbrechen  zu  wollen  und  lockte  schon  früh  zu  anderen 
Ufern,  als  zu  denen  der  Düssel.  Die  Riesenschinken  von  Biefve  und  Gallait,  die  1842  in  Deutsch- 
land ihren  Triumphzug  hielten,  hatten  in  Düsseldorf  damals  weniger  Eindruck  gemacht,  als 
anderswo.  Die  schneidigen  Kritiken  des  Malers  Lorenz  Glasen  hatten  hier  vielleicht  die  Ueber- 
schätzung  verhindert,  welche  in  diesen  Bildern  anderswo  den  höchsten  Gipfel  realistischer 
Historienmalerei  und  unübertrefflicher  Technik  erblicken  liefs.  Aber  der  allgemeine  Zug  nach 
Belgien  machte  sich  in  der  Folge  doch  auch  in  Düsseldorf  geltend.  Man  fing  auch  von  hier  an, 
nach  Antwerpen  und  Brüssel  zu  gehen  und  dort  überlebensgrofse  grell  beleuchtete  Studienköpfe 
mit  übertriebenem  Gesichtsausdruck  zu  malen.  Oder  man  ging,  gelegentlich  sogar  von  Schadow 
selbst  ermuthigt,  zum  grofsen  Aerger  Lessings,  nach  Paris.  ,,Jehen  Sie  nach  Paris  zu  Delaroche, 
sonst  wird  nischt  aus  Ihnen,"  hatte  Schadow  dem  jungen  Feuerbach  gesagt.  Schon  1841  war 
Clemens  Bewer,  geboren  1820  in  Aachen,  ebenso  wie  Joseph  Fay,  dorthin  gegangen,  und  hatte 
von  dem  grofsen  Manieristen  eine  für  jene  Zeit  blendende  Technik  gelernt.  Seine  dort  gemalten 
Bilder,  namentlich  ,,Die  Flucht  der  Maria  Stuart  von  Lochleven  über  den  See"  1846,  machten  in 
Düsseldorf  Aufsehen  und  reizten  zur  Nachfolge.  Dann  kamen  1848  die  ,, Romains  de  la  decadence" 
von  Couture,  der,  wie  Carl  Sohn,  eines  Schusters  Sohn  war  und  nach  dem  Gesetz  der  Gegensätze 
seine  Ideale  in  einer  phantastisch -grofsartigen  Kunst  fand.  Zu  ihm  strömten  nun  von  allen 
Himmelsrichtungen  die  Kunstjünger,  um  malen  zu  lernen. 

Dafs  man  das  in  Deutschland  nicht  könne,  war  allmählich  ebenso  zum  allgemeinen  Dogma 
geworden,  wie  man  zwanzig  Jahre  vorher  die  feste  Ueberzeugung  gehabt  hatte,  dafs  es  nur  in 
Düsseldorf  möglich  sei.  Und  der  Glaube  an  das  Besser-Malenkönnen  der  Franzosen  ist  ja  heute 
noch  nicht  erstorben.  Nur  ist  er  von  den  Malern  mehr  auf  die  Kunstgelehrten  übergegangen. 
Damals  war  freilich  etwas  daran,  und  die  circenses  des  zweiten  Kaiserreiches  liefsen  dann  bald 
darauf  Paris  immer  mehr  als  Eldorado  einer  wirklichen  Kunstblüthe  erscheinen  und  zogen  immer 
mehr  Künstler  in  die  Hauptstadt  der  Kunst,  der  Eleganz  und  des  Geschmacks,  als  welche  die 
alte  Lutetia  damals  noch  einmal  wieder  auftrat. 

Ein  Umschwung  in  den  Ansichten  über  das  ideale  Wesen  der  Kunst  ist  fast  immer  Hand 
in  Hand  gegangen  mit  einem  Umschwung  in  der  Technik.  Das  ist  natürlich;  andere  Gedanken- 
gänge verlangen  andere  Ausdrucksmittel. 

Cornelius  hatte  sich  von  der  eleganten,  süfslich  flauen  und  oberflächlichen,  aber  zweifellos 
geschickten  Malweise  seiner  Jugend  abgewandt.  Die  asketische  Frescotechnik,  die  nicht  mit  sich 
spielen  läfst,  in  der  man  bei  dem  beschränkten  coloristischen  Reiz,  den  sie  besitzt,  genau  wissen 
mufs,  was  man  thut,  in  der  man  nur  ja  oder  nein  sagen  kann,  schien  ihm  für  seine  theologisch- 
oder  mythologisch -philosophischen  Ideen  das  geeignete  Mittel.  Schadow  bedurfte  für  die  halb 
mystischen,  halb  oratorisch- poetischen  Motive  der  Romantik  wieder  einer  zarten,  bunteren 
Malerei,  die  nicht  in  die  Tiefe  ging,  aber  dem  Auge  schmeichelte.  Die  Genremaler  endlich  und 
später  die  Landschafter,  die  immer  mehr  dem  Leben  nachstrebten,  begannen  erst  den  eigentlichen 
Kampf  mit  dem  Material,  der  noch  heute  nicht  beendet  ist:  den  Kampf  der  materiellen  Farbe 
mit  den  zahllosen  Problemen  in  der  Natur,  den  Problemen  des  wechselnden  Ausdrucks,  der 
schnellen,  momentanen  Bewegungen,  der  wechselnden  Färbungen,  des  Spiels  der  Farbe  auf 
Menschen  und  Dingen,  der  Stofflichkeit  der  Gegenstände,  schliefslich  der  Luft  und  des  Lichtes, 
soweit  es  sich  um  das  objectiv  Vorliegende  handelte,  das  man  immer  genauer,  immer  tiefer 
fassen  wollte.  —  Dann  aber,  soweit  es  sich  um  rein  künstlerische,  innere,  subjective  Fragen 
handelte,  kamen  die  Probleme  der  coloristischen  Bildwirkung,  der  Stimmung  des  Bildes,  des 
Localtons  der  einzelnen  Theile  auf  die  Tagesordnung,  alles  Dinge,  welche  die  ,, vormärzlichen" 
Künstler  in  Düsseldorf  vielleicht  geahnt,  zuweilen  auch  wohl  einmal  unsicher  angestrebt,  aber 
kaum  je  und  dann  nur  zufällig  erreicht  hatten.  Denn  dazu  reichte,  selbst  wenn  sie  schon  Farbe 
sehen  gelernt  hätten,  ihr  Ausdrucksmittel,  ihre  Sprache,  d.  h.  ihre  Malweise,  nicht  aus.  Das 
hatte  der  Nichtmaler  Immermann  sehr  wohl  gefühlt,  wenn  er  in  den  schon  mehrfach  erwähnten 
Maskengesprächen  sagt:  ,,Die  Farbe  fehlt  noch  der  Düsseldorfer  Schule,  die  eigene  selbständig 
erfundene  Farbe.  Sie  ist  nicht  das  Roth  und  Blau,  das  da  klebrig  auf  der  Palette  steht,  sondern 
die  Wandlung,  welche  Zinnober  und  Ultramarin  im  Geiste  des  Künstlers  erleidet." 

Und  diese  Wandlung  war  eben  recht  schwächlicher  Natur.  Thatsächlich  klebte  auch 
Schadow  noch  am  Carton.  Der  Carton  war  immer  noch  eigentlich  die  Hauptsache  beim  Bilde. 
Das  Bild  selbst  wurde  sorgfältig  nach  ihm  aufgezeichnet,  dünn  und  ängstlich  wurde  mit  einem 
braunen  oder  röthlichen  Ton,  Terra  di  Siena,  Beinschwarz  und  dergleichen  untermalt,  und  dann 
ebenfalls   mit   dünner   Farbe    vorsichtig   vom    Licht   aus    in    den    Schatten   modellirt.     Als    Schatten 

igo 


blieb  häufig  die  Untermalung  einfach  stehen.  Die  Hauptsache  war  der  vorsichtige  Farbenauftrag, 
der  im  Fleisch  nur  im  höchsten  Licht  ein  leichtes  Impasto  duldete,  das  aber  unmerklich  an- 
steigen mufste.  Das  Verschmelzen  der  Farbe  war  die  Hauptsache.  Man  unterlag  einem  optischen 
Irrthum.  Weil  in  der  Natur  die  Töne  des  Fleisches  unmerklich  ineinander  übergehen,  glaubte 
man  das  Fleisch  am  besten  auch  so  zu  malen,  dafs  die  Farben  ineinander  übergingen.  Weil  das 
Gesicht  eines  jungen  Mädchens  etwa  glatt  und  ohne  Falten  ist,  glaubte  man  es  am  besten  auch 
so  zu  malen,  dafs  man  es  so  glatt,  so  blank  wie  möglich  zurechtpinselte,  und  was  hier  die 
dünnen  spitzen  Haarpinsel  nicht  vermochten,  das  mufste  der  ,,Vertreiber"  nachholen,  mit  dem  die 
Farben   förmlich    ineinander   getrieben    und  die  geringste  Unebenheit   im  Auftrag  weggefegt  wurde. 

Dabei  blieb  die  Hauptsache,  das  richtige  Erkennen  der  Localfarben,  des  coloristischen  Werthes 
der  Halbtöne  und  Schatten,  aufser  Acht.  Man  hatte  bei  den  alten  Meistern  gesehen  oder  glaubte 
gesehen  zu  haben,  dafs  die  Schatten  warm  und  glühend  waren,  also  wurden  die  Schatten  ohne 
Rücksicht  auf  die  Localfarbe  des  Gegenstandes  warm,  d.  h.  braun  gemalt,  und  da  man  noch  nicht 
so  weit  war,  die  Lichter  kalt  zu  malen,  so  mufsten  die  Schatten  des  Gegensatzes  halber  über- 
mäfsig  warm  gemalt  werden.  So  entstand  als  Gesammtton  ein  charakterloses  Braun,  aus  dem 
alle  wirklichen  Farben,  namentlich  die  kalten  blauen  und  grünen  Töne,  trotz  der  gelben  Lichter, 
mit  denen  man  sie  zu  halten  suchte,  herausfielen. 

Dasselbe  Princip  wurde  bei  der  Fleischmalerei  angewandt;  man  vertrieb  die  hellen  Farben 
in  die  dunkeln,  man  setzte  nicht  die  richtige  Farbe  an  den  richtigen  Fleck  (die  bekannte, 
theoretisch  ja  sehr  einfache  Lösung  des  Problems  der  ganzen  Malerkunst),  sondern  glaubte,  wie 
Licht  und  Schatten  in  der  Natur  ineinander  übergingen,  so  genüge  es  auch,  wenn  die  hellen  und 
die  dunkeln  Farben  ineinander  vertrieben  würden. 

Und  das  Resultat  war  natürlich  das  Gegentheil  von  dem  Gewollten.  Die  so  gemalten  Köpfe 
gaben  in  der  nächsten  Nähe  bestenfalls  einige  Aehnlichkeit  mit  der  rosigen  Haut,  aber  in  der 
geringsten  Entfernung  wurden  sie  entweder  flach  und  hart,  oder  hölzern,  oder  glasig,  und  die 
Stoffe  desgleichen.  Dafs  das  Flimmern  der  Haut,  das  Lüstre  des  lebendigen  Fleisches,  wenn  es 
auf  die  Fläche  der  Leinwand  übertragen  werden  sollte,  und  auf  die  Entfernung,  welche  eine  etwa 
lebensgrofse  Darstellung  nach  den  allerersten  Gesetzen  praktischer  Perspektive  verlangt,  optisch 
richtig  wirken  sollte,  nicht  durch  ein  glattes  Ineinandertreiben  heterogener  Farben  und  durch  ein 
Glattmachen,  sondern  nur  durch  ein  mehr  oder  weniger  mosaikartiges  Nebeneinandersetzen  der 
richtigen  Töne  und  Farben  erzielt  werden  könne,  und  dafs  eine  glatte  Technik  nicht  den  Mangel 
der  richtigen  Halbtöne  ersetzen  könne,  das  war  den  guten  Leuten  nicht  klar  geworden. 

Sie  hatten  noch  nicht  gelernt  Farben  zu  sehen,  da  sie  die  Natur  daraufhin  noch  nicht  studirt 
hatten,  und  auch  die  alten  Meister  brachten  sie  nicht  auf  den  richtigen  Weg.  Sie  sahen  hier 
weder  das  feine  System  der  Localfarben,  der  Halbtöne  und  der  Schatten,  noch  die  sorgsame 
Technik;  weder  bei  Tizian,  den  sie  immer  im  Munde  führten  mit  seiner  pastosen  Untermalung 
und  seiner  rauhen  Leinwand,  die  dem  Schnellmalenden  gelegentlich  das  zeitraubende  Impasto 
ersetzen  mufste,  noch  bei  Rembrandt  und  seinen  aufgemauerten  Farbmassen  und  seinem  Aus- 
spruche: ,,Ich  habe  das  Bild  nicht  gemalt,  damit  man  daran  riechen  soll-',  noch  bei  Franz  Hals, 
den  sie  freilich  nicht  anschauten  mit  seinen  säbelhiebartigen  Pinselstrichen,  die  noch  den  Bildern 
des   80jährigen   den  unheimlich   tollen  Eindruck  besoffener  Lebendigkeit  geben. 

So  kommt  es,  dafs  alle  die  romantischen  Bilder  jeder  technischen  und  coloristischen  Eigenart 
entbehren;  denn,  wie  Müller  von  Königswinter  erzählt,  wenn  ja  einmal  Einer  eine  neue  Wirkung 
von  neuen  Coloristenkünsten  fand,  dann  ging  die  neue  Entdeckung  von  Atelier  zu  Atelier.  — 
Vielleicht  malte  sie  der  glückliche  Erfinder  den  Collegen  selbst  so  lange  in  die  Bilder,  bis  sie  sie 
begriffen  hatten. 

Für  diese  ganze  uncoloristische  Farbenverteilung  ist  die  kleine  Geschichte  bezeichnend,  die 
von  Mintrop  erzählt  wird,  die  aber  jedem  Anderen  ebensogut  hätte  passiren  können.  Er  hatte  eine 
Madonna  auf  der  Staffelei,  deren  Gewandfarbe  nicht  der  Tradition  entsprach,  doch  war  er  zu 
eigensinnig  sie  zu  ändern;  da  malten  ihm,  während  er  auf  einer  Reise  begriffen  war,  seine 
Freunde  das  ganze  Gewand  in  anderer  Farbe  um,  also  statt  gelb  etwa  blau,  und  als  Mintrop 
zurückkam,  merkte  er  es  überhaupt  gar  nicht. 

Köpfe,  Gewänder.  Waffen,  Thiere,  alles  wurde  nach  bestimmter,  aber  immer  nach  möglichst 
uncharakteristischer  Schablone  gemalt,  zuweilen  wurden  Stickereien  und  dergleichen  in  einer  fast 
naiven  Weise,  die  vielleicht  gewissen  alten  Venezianern  abgeguckt  war,  pastoser  aufgesetzt,  oder 
die  Landschafter  versuchten  ein  schwaches,  wohlüberlegtes  und  deshalb  doppelt  langweilig  wir- 
kendes Relief  für  den  ,, Baumschlag",    aber  das  machte    die   Sache    nur    noch    unwahrscheinlicher. 

191 


Die  oben  erwähnte  Art  der  braunen  Untermalung,  die  wie  alle  schlechten  Angewohnheiten 
hartnäckig  festsafs,  war  der  eigentliche  Feind  einer  coloristischen  Entwicklung,  und  als  man 
schon  viel  später  angefangen  hatte,  Farbe  zu  sehen  und  zu  malen,  da  verfiel  man  zum  Unglück 
von  der  harmlosen  Terra  di  Siena  auf  den  gefährlichen  Asphalt,  in  dessen  tiefer  Gluth  alle  Farben 
brillanter  aussahen,  um  desto  sicherer  und  rettungslos  bald  in  dem  Alles  durchfressenden  Pech 
zu  ertrinken. 

Die  ersten  Bestrebungen  einer  naturwahren  und  weniger  conventioneilen  Farbentechnik  mufsten 
sich  an  die  ersten  Bestrebungen  anschliefsen,  nicht  die  Poesie,  sondern  das  Leben  zu  malen,  und 
so  ist  der  erste  gemalte  wirkliche  Stoff  das  zerrissene  Leder  an  Don  Quichotes  Lehnsessel  bei 
Schrödter,    aber    darauf  scheint  Niemand    geachtet  zu  haben,    oder   man  verachtete  es  aufs  tiefste. 

Mit  der  Landschaft  fing  man  an,  eine  Bildstimmung  anzustreben.  Man  ahnte  dunkel,  dafs 
nicht  blofs  draufsen  etwa  ein  Gewitter  sein  könne,  das  das  ganze  Bild  der  Natur  in  einen 
bestimmten  Ton  einhüllt,  sondern  dafs  auch  ein  jedes  gemalte  Bild  seinen  Klang  haben  könne  und 
müsse,  so  wie  das  Bild  der  Natur  in  jedem  Moment  eine  bestimmte  Stimmung  aufweist.  Es 
war  das,  was  die  französische  paysage  intime  auf  die  Höhe  trieb.  Aber  schon  Weber  versuchte 
gelegentlich  statt  der  braunen  Sauce  eine  andere  Farbenstimmung,  eine  schwärzlich  grüne,  die 
gegen  den  zu  dunkel  blau  gemalten  Himmel  doch  in  ziemlich  richtigem  Gegensatz  stand.  Zum 
wirklichen  Grün,  wie  es  die  Franzosen  später  in  Spinatgrün  übertrieben,  und  zu  einem  leuch- 
tenden weifslichen  Himmel  hatte  man  natürlich  noch  nicht  den  Math,  auch  nicht  den  maltech- 
nischen  des  unentbehrlichen  Impasto. 


192 


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13 


X.  Kapitel 

Die  Landschaftsmalerei  der  älteren  und  mittleren  Zeit 


IE  Landschaftsmalerei,  die  für  Düsseldorf  eine  so  grofse  Bedeutung  besitzt,  die  schon  von 
Beginn  an  im  Genre-  und  im  Schlachtenbild  eine  so  hervorragende  Rolle  spielt,  hat  zu 
Anfang  einen  ähnlichen  Entwicklungsgang  gehabt,  wie  die  Historienmalerei.  Nur  erwiesen 
sich  die  Principien,  auf  welche  die  Landschaftskunst  des  XIX.  Jahrhunderts  in  Düssel- 
dorf sich  aufbaute,  als  solider  und  dauerhafter,  als  die  der  Historienmalerei.  Das  lag 
in  der  Natur  der  Sache,  da  die  Landschaftsmalerei  niemals  sich  so  weit  von  dem  Vorbild,  der 
Natur,  der  Wahrheit  draufsen,  entfernen  konnte,  wie  es  die  Figurenmalerei  zu  einer  gewissen  Zeit 
gethan  hat.  So  leitet  die  Betrachtung  der  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei  fast  unmerklich  aus 
den  Anfängen  in  die  neueste  Zeit  über,  wobei  denn  freilich  die  in  der  Geschichte  neuerer  Kunst 
einzig  dastehende  Thatsache  mitwirkt,  dafs  zwei  der  ältesten  Vertreter  bis  auf  unsere  Tage  ihren 
Einflufs  geltend  machen. 

Zur  kurfürstlichen  Zeit  wurde  die  Landschaft  so  gut  wie  gar  nicht  gepflegt.  Der  Klassicismus, 
der  in  Frankreich  und  Italien  immerhin  eine  gewisse  Landschaftskunst  im  engen  Anschlufs  an 
Poussin  und  Claude  Lorrain  hatte  entstehen  lassen,  erwies  sich  am  Niederrhein  für  diesen  Zweig 
der  Malerei  als  ganz  unfruchtbar.  Es  fehlte  eben  hier  ganz  und  gar  an  Vorbildern,  und  die  Natur 
selbst,  die  wirkliche  Landschaft  war  noch  weniger  geeignet,  der  theaterhaft  phantastischen  und 
dabei  doch  dünnen  und  ärmlichen  Prospectmalerei  mit  Ruinen,  Säulen  und  ähnlichen  Versatz- 
stücken, wie  sie  jene  Zeit  liebte,  entgegenzukommen. 

Im  Jahre  1783  besuchte  Friedrich  Georg  Weitsch,  der  Sohn  des  famosen  Pascha  Weitsch, 
die  Düsseldorfer  Akademie.  Er  hatte  sich  unter  seinem  Vater  und  H.  W.  Tischbein  gebildet,  in 
Cassel  Paul  Potter,  den  sehr  modernen  Rosa  di  Tivoli  und  nebenher  wahrscheinlich,  weil  ihm 
der  italianisirte  Frankfurter  zu  derb  war,  die  Gessnerschen  Idyllen  studirt.  Vielleicht  entstand  in 
Düsseldorf,  wo  er  bei  einem  zweiten  Aufenthalt  zum  Mitglied  der  Akademie  ernannt  wurde,  eine 
in  der  akademischen  Sammlung  befindliche  ,, Idylle  auf  den  Tod  des  Rafael  Mengs".  Es  ist  eine 
braune  Landschaft  mit  Bäumen,  in  deren  Mitte  ein  Epitaph  steht,  ganz  im  Gessnerschen  Idyllenstil. 
Jedenfalls  hat  Weitsch  keinen  Einflufs  ausgeübt,  und  was  damals  an  Landschaften  gemalt  wurde, 
erhob  sich  nicht  über  das  Niveau  der  Dosen-  und  Tischplattenmalerei. 

Cornelius  lag  die  Landschaftsmalerei  so  fern  wie  möglich.  Was  er  und  seine  Kunst  von 
der  Landschaft  wollte,  war  nicht  derart,  dafs  es  zu  einer  eigenen  Landschaftsmalerei  hätte  führen 
können,  und  auch  Schadow  hätte  wahrscheinlich  niemals  selbständig  hier  eingewirkt,  wenn  er 
nicht  durch  das  eigenartige  Talent  zweier  seiner  Schüler  dazu  gezwungen  worden  wäre.  Anfangs 
hatte  er  diese  Bestrebungen  nicht  sonderlich  beachtet,  sie  aber  mit  dem  Gewährenlassen,  das 
die  erste  Zeit  seiner  Lehrthätigkeit  charakterisirt,  wenigstens  nicht  unterdrückt,  dann  eine  Zeitlang 
sie  sogar  wohlwollend  gefördert. 

Es  war  C.  F.  Lessing,  der  auch  hier  den  für  Düsseldorf  so  neuen  und  noch  unbekannten 
Weg  zuerst  einschlug.  Er  hatte  ja  mit  der  Landschaftsmalerei  begonnen  und  in  ihr  seine  grofsen 
ersten  Erfolge  errungen,  und  er  hörte  auch  während  der  Düsseldorfer  Schülerzeit  nicht  auf, 
gewissermafsen  zum  Trost  und  zur  Erholung,  zu  dieser  seiner  ersten  Liebe  immer  wieder  zurück- 
zukehren. Auch  ihn  liefs  die  Mutter  Erde,  wie  den  Riesen  der  alten  Fabel,  immer  wieder  zu 
neuer  Kraft  erstarken,  wenn  er,  aus  den  nebeligen  romantischen  Regionen  seiner  ersten  Zeit 
herabgestürzt,  sie  berührt  hatte.     Seine  Thätigkeit  auch  auf  diesem  Gebiete  wurde  schon  gestreift. 

195 


Aber  Lessing  war  keine  lehrhafte  Natur,  seine  Zurückgezogenheit  machte  ihn  zu  einem 
Führer  in  irgend  einem  Sinne  nicht  geeignet,  und  in  seinen  Landschaften  war  das  Persönhche 
zu  stark,  als  dafs  er  in  jener  unpersönlichen  Zeit  und  Schule  etwas  Anderes  als  höchstens  etwa 
Nachahmer  hätte  heranbilden  können.  Was  Lessing  in  dieser  Hinsicht  abging,  das  befafs  dafür 
ein  anderer  junger  Künstler,  den  sein  ganzes  Wesen  ausschliefslich  auf  die  Landschaftsmalerei 
hinwies,  der  im  Anfang  allerdings  durch  Lessing  angeregt  wurde,  dann  aber  seine  eigenen  Wege 
ging  und  bald  als  der  eigentliche  Lehrmeister  und  Gründer  der  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei 
auftreten  konnte,  im  höchsten  Mafse. 

Johann  Wilhelm  Schirmer  war  seit  1825  schon  Schüler  der  Akademie,  hatte  sich  aber  auch 
zunächst  unter  Kolbe,  dann  unter  Schadow  mit  Evangelisten  und  ähnlichen  Dingen  abquälen 
müssen.  Schirmer  war  1807  in  Jülich,  der  alten  Landeshauptstadt,  als  Sohn  eines  Buchbinders 
geboren  und  als  Buchbindergeselle  nach  Düsseldorf  gekommen.  Hier  hatte  ihm  die  Nähe  der 
Akademie  die  Gelegenheit  gegeben,  einem  längst  genährten  Hang  zur  Kunst  nachzugehen,  und 
er  war  ohne  alle  Hülfsmittel  als  Schüler  eingetreten.  W^ährend  er  am  Tage  in  den  Klassen  sein 
Pensum  absolvirte,  zeichnete  er,  durch  Lessing  angeregt,  des  Abends  Landschaften  und  entschlofs 
sich  schliefslich.  unter  Zustimmung  Schadows,  sich  ganz  der  Landschaftsmalerei  zu  widmen. 
Im  Jahre  1828  sandte  er  sein  erstes  grofses  Bild,  einen  „Urwald",  zur  Berliner  Ausstellung,  das 
dort  zwar  anerkannt,  aber  doch  nicht  in  dem  Mafse  gelobt  wurde,  wie  des  schon  berühmten 
Lessings  Arbeiten.  Dafs  es  ein  Urwald  war,  den  der  junge  Mann  an  den  Ufern  der  Dussel  malte, 
ist  schon  recht  bezeichnend  für  sein  ganzes  W^esen.  Man  hat  Lessing  den  romantischen  Landschafts- 
maler genannt.  Schirmer  den  klassisch  idealistischen  und  Andreas  Achenbach,  von  dem  noch  die 
Rede  sein  wird,  einen  Virtuosen.  Damit  war  die  wissenschaftliche  Etiquette  gefunden,  aber  weiter 
auch  nichts.  Etwas  davon  mag  ja  auf  Jeden  zutreffen,  aber  gerade  bei  Schirmer  ist  die  Bezeichnung 
schon  deshalb  zu  eng  und  unrichtig,  weil  er  zu  verschiedenen  Zeiten  sehr  tiefgehende  Wandlungen 
durchgemacht  und  namentlich  im  Anfang  den  verschiedensten  Einflüssen  nachgegeben  hat. 

Lessing  war  allerdings  insofern  Romantiker,  als  er  im  Sinne  der  romantischen  Figurenmalerei 
häufig  einen  poetischen  Gedanken  in  seinen  Landschaften  zum  Ausdruck  zu  bringen  suchte. 
Dazu  war  ihm  aber  die  figürliche  Staffage  meist  unentbehrlich.  W^o  diese  fehlte,  bleibt  als 
romantischer  Rest  eine  subjective  beabsichtigte  Stimmung,  die  nicht  aus  dem  Anblick  und  aus 
der  Vertiefung  in  die  Natur  herausgeholt,  sondern  vom  Künstler  in  sein  Bild  hineingetragen  ist. 
Das  entspricht  ebensosehr  der  Schule,  als  seiner  Individualität.  Lessing  wäre  jedenfalls  auch 
50  Jahre  später  kein  Landschafter  im  modernen  Sinne  geworden,  der  sich  der  Naturstimmung 
hingegeben  und  sie  objectiv  zu  schildern  sich  bequemt  haben  würde,  so  wenig  wie  Schirmer, 
den  man  danach  ebensogut  einen  Romantiker  nennen  könnte. 

Die  Bezeichnung  eines  Klassicisten  verdient  Schirmer  in  denjenigen  Bildern,  bei  denen  er 
im  Anschlufs  an  Claude  oder  Poussin  , .ethnographische"  —  biblische  oder  sonst  orientalische 
Landschaften  zu  malen  versucht,  doch  nur  zum  Theil,  denn  niemals  hat  er  auch  hier  unterlassen, 
sich  stets  mehr  an  die  Natur  und  zwar  an  die  deutsche  anzulehnen,  die  er  häufig  in  ganz  naiver 
Weise  für  seine  biblischen  Bilder  verwendet,  als  an  die  klassischen  Vorbilder.  Und  gerade  in 
diesen  biblischen  Landschaften  und  ihren  Staffagen  ist  etwas,  das  sie  ebensogut  nazarenerhaft 
romantisch  erscheinen  läfst,  wie  klassisch  -  idealistisch.  Die  Hauptsache  ist  wohl,  dafs  auch 
Schirmer  sich  selten  mit  dem  Vorbild  der  Natur  allein  begnügt  hat.  Er  componirte  seine  Land- 
schaften ebenso  sorgfältig,  wie  die  Romantiker  ihre  Historienbilder;  seine  Farben  und  Beleuchtungs- 
stimmungen sind  nicht,  wie  fast  immer  bei  Lessing,  subjectiv  empfunden,  sondern  überlegt,  und 
deshalb  nicht  immer  überzeugend.  Er  ist  Akademiker  und  baut  seine  Landschaften  ganz  consequent 
nach  den  berühmten  drei  Gründen  auf.  Zuweilen  erscheint  er  als  richtiger  Romantiker  auch 
darin,  dafs  er  direct  vom  Theater  beeinflufst  ist.  Manche  seiner  dahingehörigen  Stücke  könnten 
ohne  weiteres  für  Skizzen  zu  Theaterhintergründen  gelten,  und  bei  einigen  seiner  grofsen  Land- 
schaften zeigt  sich  geradezu  das  Princip  der  Coulisse:  zu  beiden  Seiten  grofse  Massen,  die  sich 
oben  vereinigen  und  in  der  Mitte  einen  tiefen  Durchblick  frei  lassen.  Dabei,  und  das  ist  ein 
Kennzeichen  seiner  ganzen  Richtung  und  Schule,  fehlt  ihm  das  stereoskopische  Sehen  sowohl, 
als  das  Festhalten  an  einem  optischen  Mittelpunkt,  den  Lessing  zwar  nicht  in  dem  Mafse,  wie 
die  moderne  Landschaftsmalerei,  aber  doch  intuitiv  bis  zu  einem  gewissen  Grade  festhält. 

Bei  Schirmer  und  den  Seinen  ist  Vordergrund,  Mittelgrund  und  Hintergrund  aufs  genaueste 
durchstudirt,  ebenso  wie  der  für  ,jAussichten"  schwärmende  Spaziergänger  mit  dem  Fernglas  vor 
der  Nase  die  verschiedenen  Weiten  durchnimmt  und  nachher  von  einer  schönen  Aussicht  spricht, 
wenn  er  sich  die  Natur  in  eine  Landkarte  verwandelt  hat. 

196 


J.  W.  SCHIRMER 
Das  Wetterhorn 


13' 


J.  W.   SCHIRMER 
Kleine  Landschaft  mit  Thurm 


Man  kann  in  den  Schirmerschen 
Bildern  die  Blätter  im  Mittelgrund 
noch  ebensogut  zählen,  wie  die  Gras- 
halme im  Vordergrund,  Alles  ist  treff- 
lich gezeichnet  und  sorgsam  gemalt, 
es  fehlt  nicht  einmal  die  farbige  Be- 
tonung der  Luftperspective,  wohl  aber 
die  zeichnerische  und  damit  der  Ein- 
druck der  natürlichen  Stimmung,  den 
selbst  die  braunsten  und  subjectivsten 
Landschaften  von  Lessing  noch  geben. 
Auch  nach  allen  Dimensionen  des 
Bildes  ist  die  Ausführung  die  gleiche 
bis  in  die  äufsersten  Ecken  der  Bilder 
hinein.  Dafs  das  menschliche  Auge 
einen  Kreis  umfafst,  war  Schirmer 
gleichgültig.  Auch  bei  seinen  zahl- 
reichen und  sehr  geschätzten  Radi- 
rungen machen  sich  diese  Eigen- 
heiten bemerkbar,  vielleicht  noch 
mehr  als  bei  den  Bildern,  weil  hier 

die  Manches  ausgleichende  Farbe  fehlt.  Aber  gerade  diese  Sorgsamkeit  in  der  Behandlung 
der  Zeichnung  bis  in  das  Kleinste  liefsen  Schirmer  als  Lehrer  einer  Landschaftsmalerei,  die 
sozusagen  von  vorne  anfangen  mufste,  geeigneter  erscheinen,  als  Lessing,  und  der  ohne  Zweifel 
echt  künstlerische  und  mächtige  Eindruck,  den  seine  Bilder,  namentlich  die  umfangreicheren, 
trotz  alledem  machen,  beruht  eben  hauptsächlich  auf  der  mit  Ueberlegung  aufgebauten 
Composition,  dem  grofsen  Zug  der  Linien  und  der  Massenvertheilung,  die  das  ängstliche  Detail 
vergessen  machen. 

Schirmer  hat  übrigens  keineswegs  mit  der  componirten  Landschaft  begonnen.  Er  malte 
zuerst  einfache  Motive  seiner  Heimath,  Schilfteiche,  Saatfelder  und  dergl.,  und  er  wäre  als 
Autodidakt  vielleicht  ein  Mitbegründer  der  famosen  paysage  intime  geworden,  welche  die  Franzosen 
damals  zu  entdecken  anfingen.  Der  Einflufs  der  Akademie  führte  ihn  zur  Composition,  zu  jenen 
Urwäldern,  die  er  nicht  gesehen  hatte,  die  er  sich  nach  dem  einzelnen  Baume  construirte,  wie 
die  alten  italienischen  Maler  ihre  Gebirge  nach  einem  Stein  malten,  den  sie  mit  ins  Atelier 
nahmen.  Zahlreiche  Reisen,  die  er  später  unternahm,  die  ihn  zuerst  an  den  Rhein,  die  Ahr,  in 
die  Eifel  und  auf  den  Hunsrück  führten,  dann  aber  weiter  ausgedehnt  wurden  nach  Paris  und  in 
die  Normandie,  später  sogar  nach  Italien,  erweiterten  seinen  Gesichtskreis  und  seinen  Motiven- 
schatz. Auch  gelang  es  ihm  späterhin,  den  Charakter  der  Landschaft  in  der  Farbenstimmung 
zu  treffen,  ohne  dafs  er  doch  jemals  unternommen  hätte,  eine  realistische  Landschaft,  wenn  auch 
nur  in  dem  Sinne  zu  malen,  wie  es  etwa  Lessing  späterhin  häufig  genug  gethan  hat. 

Eine  Aufzählung  seiner  Bilder,  wie  sie  etwa  \Viegmann  giebt,  läfst  erkennen,  wie  Schirmer 
in  rastlosem  Fleifs  die  Eindrücke  aller  seiner  Reisen  künstlerisch  verwerthete.  Seit  seiner  ersten 
Schweizer  Reise  malte  er  einige  grofs  angelegte  Schweizerbilder,  von  denen  ,,Das  Wetterhorn" 
seine  Eigenart  nach  jeder  Richtung  mit  am  deutlichsten  erkennen  läfst.  In  der  Art  und  Weise, 
wie  der  im  Sinne  der  Zeit  braun  gemalte  Vorder-  und  Mittelgrund  in  den  auffallend  naturalistisch 
farbigen  Hintergrund  mit  der  Bergmasse  des  Wetterhorns  übergeht,  zeigt  sich  eine  technische  und 
coloristische  Gewandtheit,  welche  die  der  meisten  Historienmaler  jener  Zeit  bei  weitem  übertrifft. 
Merkwürdig  ist  auch  bei  diesem,  wie  bei  manchen  andern  Bildern  jener  Zeit  der  Umstand,  dafs 
Luft  und  Hintergrund  häufig  durchaus  naturalistisch  gefärbt  sind,  während  im  Vordergrund, 
namentlich  im  Laubwerk,  die  braune  Modemalerei  überwiegt.  Grüne  Bäume  und  Wiesen  zu 
malen,  galt  eben  einfach  als  unkünstlerisch.  Grün  war  nicht  schön,  und  nach  dem  berühmten 
Lehrsatz,  dafs  grün  und  blau  nicht  ,, zusammen  stimmt",  wurde  dem  blauen  Himmel  das  Grün 
der  Bäume  geopfert.  Uebrigens  war  ja  auch  ein  Hauptvorwurf,  der  Böcklin  noch  in  den  70er  Jahren 
gemacht  wurde,  der,  dafs  er  die  Wiesen  so  ,, grasgrün"  male.  Ein  Beweis,  dafs  Böcklin  bei  seinem 
kurzen  Aufenthalt  in  Düsseldorf  1846  und  als  Schüler  Schirmers  wohl  sich  dessen  grofsen  Zug 
in  der  componirten  Landschaft  angeeignet,  die  Einseitigkeit  der  Farbe  aber  unter  den  Eindrücken 
seines  späteren  bewegten  Lebens  sehr  bald  gründlich  abgelegt  hat. 


199 


Schirmer  folgte  im  Jahre  1854  einer  Berufung  nach  Karlsruhe,  um  dort  die  Einrichtung  und 
Leitung  einer  Kunstschule  zu  übernehmen,  die  also  ihrem  Ursprung  nach  als  eine  Tochterschule 
der  Düsseldorfer  Akademie  zu  betrachten  ist.  Und  vielleicht  läfst  sich  die  vorzugsweise  Pflege 
der  Landschaftsmalerei  in  Karlsruhe  noch  auf  den  traditionell  gebliebenen  Einflufs  des  ersten 
Directors  zurückführen. 

Von  den  zahlreichen  Schülern,  die  Schirmer  in  Düsseldorf  zurückliefs,  waren  die  meisten 
damals  schon  ihre  eigenen  Wege  gegangen.  Es  liegt  im  Wesen  der  Landschaftsmalerei,  dafs  sie 
sich  auf  die  Dauer  nicht  dem  zwingenden  Einflufs  der  Natur  entziehen  kann.  Unter  den  Land- 
schaftsmalern in  Düsseldorf  bildete  sich  frühzeitig  die  Sitte  aus,  gewisse  Studienplätze  aufzusuchen 
und  festzuhalten.  Das  begünstigte  einerseits  ohne  Zweifel  ein  intimes  Eingehen  auf  die  Natur, 
anderseits  eine  gewisse  Einförmigkeit  in  der  Wahl  der  Motive,  aber  beides  wirkte  zusammen, 
um  die  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei  sehr  bald  jene  Bedeutung  erlangen  zu  lassen,  die  sie 
länger  als  ein  halbes  Jahrhundert  an  der  Spitze  der  deutschen  Landschaftskunst   erhalten  hat. 

Unter  den  ältesten  Mitgliedern  der  Schirmerschule  befindet  sich  gleich  eine  Reihe  von 
Künstlern,  deren  Schaffen  und  Einflufs  bis  in  unsere  Tage  hineinreicht.  Ihnen  allen  gemeinsam 
ist  die  sorgsame  Zeichnung,  die  Vorliebe  für  Composition  in  der  Landschaft,  die  sich  selbst  bei 
sogenannten  Porträtlandschaften  und  Vedouten  wenigstens  im  Anbringen  eines  sogenannten  Vorder- 
grundes, der  häufig  geradezu  typisch  ist  und  als  Vordergrundstudie  eine  besondere  Rolle  in  den 
Vorarbeiten  einnimmt,  ausspricht  und  eine  mehr  oder  weniger  übersetzte  Farbe. 

Der  berühmteste  aller  Schirmerschüler,  Arnold  Böcklin,  geboren  1827  in  Basel,  gestorben  igoi, 
wurde  schon  genannt.  Er  ist  über  das  Mafs  dessen,  was  ihm  bei  seinem  kurzen  Aufenthalt  in 
Düsseldorf  Hildebrandt,  bei  dem  er  zuerst  eintrat,  und  später  Schirmer  bieten  konnten,  weit 
hinausgewachsen  und  sein  Ruhm  begann  erst,  als  Schirmer  und  die  Seinen  fast  vergessen  waren. 
Dennoch  ist  nicht  nur  das  romantisch-phantastische  Element  in  Böcklins  Kunst  der  alten  Düsseldorfer 
Romantik  nahe  verwandt,  es  zeigen  sich  auch  in  seiner  Vorliebe  für  grofse  Züge  in  der  Land- 
schaft, für  mächtige  Baumgruppen,    selbst  in  später  Zeit    noch  die  Spuren  Schirmerschen   Geistes. 

Merkwürdig  ist,  was  Rudolf  Schick  Böcklin  von  seinem  Düsseldorfer  Aufenthalt  erzählen 
läfst,  nämlich,  dafs  er  vom  Neide  seiner  Mitschüler  Aergernifs  zu  erdulden  gehabt  und  dafs  ihm 
Schirmer  selbst  gerathen  habe,  überhaupt  von  Düsseldorf  fortzugehen  nach  Belgien,  ein  Zeichen, 
wie  weit  der  Fremdenhafs  gegangen  ist.  Böcklin  hatte  in  Düsseldorf  ein  Bild  für  etwa  40  Thaler 
verkauft  und  ..das  gab  ihm  Muth";  und  er  verliefs  Düsseldorf  in  der  That  und  für  immer  und 
nicht  zu  seinem  Schaden. 

Von  den  in  Düsseldorf,  sei  es  bis  an  ihr  Lebensende,  sei  es  wenigstens  für  längere  Jahre 
Verbliebenen  sind  Schulten,  Pose,  Scheins,  Funk,  Leu,  Weber,  die  beiden  Lasinsky,  August  Becker, 
Scheuren  und  Hilgers  wohl  die  bekanntesten  Jünger  der  eigentlichen  Schirmerschule.  Ihre  Bilder, 
vielfach  vom  Kunstverein  angekauft  und  verloost,  erfreuen  sich  noch  heute  der  gröfsten  Werth- 
schätzung  ihrer  Besitzer,  und  gerade  einige  der  jüngsten  Bestrebungen  in  der  Landschaftsmalerei, 
wenn  auch  nicht  der  Düsseldorfer,  gehen  wieder  auf  die  poesievolle,  wenn  auch  nicht  immer 
gerade  tiefe  Naturempfindung  der  alten  Düsseldorfer  zurück.  Es  ist  bezeichnend,  dafs,  während 
die  Führer  der  Historie  fast  alle  Ostländer  waren,  die  meisten  der  Landschaftsmaler  bis  auf 
Lessing,  der  ja  auch  hier  eine  gesonderte  Stellung  einnahm,  und  Leu,  Rheinländer  oder  Westfalen 
waren.  Somit  wäre  denn  auch  hierdurch  die  Stellung  der  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei  als 
einer  eingeborenen  Kunst  charakterisirt.  Auch  ist  es  eigenthümlich.  dafs  die  meisten  der  Genannten 
in  demselben  Decennium,  zwischen  1809  und  1819  geboren  wurden,  also  gewissermafsen  eine  alte 
Garde  bildeten,  die  wohl  geeignet  war,  den  Stamm  einer  Schule  zu  bilden. 

Eine  Aufzählung  ihrer  unendlich  zahlreichen  Bilder,  denn  grofse  Productivität  war  damals 
wie  heute  eine  Haupteigenschaft  der  Düsseldorfer  Landschaftsmaler,  ist  bei  ihnen  noch  weniger 
am  Platze,  als  bei  den  Figurenmalern.  Die  glückliche  Angewohnheit  der  modernen  Künstler,  ihren 
Namen  auf  allen  ihren  Bildern  anzubringen,  überhebt  die  Kunstgeschichte  der  undankbaren  und 
höchst  schwierigen  Arbeit,  eine  Charakteristik  der  einzelnen  zu  versuchen.  Höchstens  nach  den 
bevorzugten  Studienplätzen   und  Hauptmotiven  wären  sie  zu  unterscheiden. 

So  liebte  Schulten  W^aldscenen  aus  der  Umgegend  Düsseldorfs  oder  der  bayrischen  Gebirgs- 
seen, die  er  mit  Jagden  oder  Vieh  zu  staffiren  pflegte.  Auch  Pose  malte  Vieles  aus  Bayern,  er 
liefs  sich  schon  ziemlich  früh  auf  Grund  der  Zwistigkeiten  mit  der  Akademie  in  Frankfurt  nieder, 
ebenso  wie  Funk,  der  von  da  aus  als  Professor  nach  Stuttgart  berufen  wurde.  Scheins  war 
Romantiker,  wenn  auch  in  engen  Grenzen.  Er  bevorzugte  Mondschein-.  Gewitter-  und  Schnee- 
stimmungen. 


Eine  Sonderstellung  nahm  August  Weber  insofern  ein,  als  er  erst  verhältnifsmäfsig  spät,  1838, 
nach  Düsseldorf  kam  (er  war  1817  in  Frankfurt  geboren)  und  hier  gewissermafsen  von  neuem  und 
selbständig  eine  stilistische  Richtung  einschlug,  die  vor  der  Schirmersclien  den  Vorzug  gröfserer 
Innigkeit  und  einer  originelleren  Farbe  hat.  Freilich  geht  dieselbe  zuweilen  in  eine  solche  Tiefe, 
dafs  manche  Bilder  heute  fast  schwarz,  oder  doch  unnatürlich  dunkel  erscheinen.  Ob  davon 
Einiges  auf  Rechnung  der  Farbenveränderung  zu  setzen  ist,  mag  dahingestellt  sein. 

Karl  Hilgers,  der  1818  in  Düsseldorf  geboren  war  und  1833  die  Akademie  besucht  hatte,  lebte, 
fast  ununterbrochen  thätig,  bis  zum  Jahre  1890.  Er  war  bis  in  die  letzte  Zeit  einer  der  populärsten 
Landschaftsmaler,  man  sah  seine  Bilder  überall,  und  alle,  selbst  die,  welche  er  später  unter  dem 
Druck  ungünstiger  Verhältnisse  flüchtig  hinmalte,  überraschen  durch  Schönheit  des  Tons  und 
geistreiche  Staffage.  In  seinen  besten  Jahren  malte  Hilgers  grofse  Bilder  von  schöner  Wirkung. 
Holland  mit  seinen  malerischen  Kanälen  und  dem  lustigen,  winterlichen  Treiben  auf  ihnen,  gab 
häufig  die  Motive,  wie  auch  das  Studium  der  alten  holländischen  Meister  bei  Hilgers  unver- 
kennbar ist. 

Der  vielseitigste  und  romantischste  aus  dieser  immerhin  halbromantischen  Gruppe  war 
Joh.  Caspar  Nepomuk  Scheuren,  geboren  zu  Aachen  1810  als  Sohn  eines  Zeichenlehrers  und 
Decorationsmalers,  gestorben  1887.  Mehr  als  irgend  ein  Anderer  verdient  Scheuren  den  Namen 
eines  Stilisten  und  zwar  vorzugsweise  in  den  zahlreichen  leicht  aquarellirten  Zeichnungen  und 
Diplomen,  die  er  zum  grofsen  Beifall  der  Zeitgenossen  entwarf.  Seine  Bilder,  deren  Motive  er 
in  Holland,  Tirol  und  Italien  fand,  suchen  harmonische  Stimmungen,  wie  sie  dem  Charakter  der 
Schirmerschule  entsprechen.  Höchst  originell  sind  die  zwar  stark  manierirten,  aber  in  einem 
gewissen  grofsen  Stil  entworfenen  Landschaftszeichnungen,  die  in  dem  berühmt  gewordenen 
Rheinalbum  ihre  Höhe  erreichten.  In  25  Blättern,  die  zum  Theil  von  grofsem  Stimmungsreiz 
sind,  ist  hier  eine  Schilderung  des  Rheines  gegeben,  die  noch  heute  künstlerisch  unerreicht 
dasteht.  Die  von  Sonderland  gearbeiteten  Lithographien  sind  stellenweise  von  überraschender 
Schönheit  der  Farbe  und  geben  einen  Begriff  von  der  Höhe,  welche  die  später  fast  ganz  vergessene, 
erst  in  den  letzten  Jahren  wieder  zu  Ehren  gekommene  Technik  damals  schon  erreicht  hatte. 

Schirmers  Nachfolger  als  akademischer  Lehrer  wurde  der  Norweger  Hans  F.  Gude.  Etwas 
jünger  als  seine  deutschen  Collegen,  er  war  1825  in  Christiania  geboren,  kam  er  erst  1841  nach 
Düsseldorf,  wo  er  Privatschüler  von  Schirmer  wurde  und  sich  auch  seinem  Landsmann  Tidemand 
anschlofs.  In  den  folgenden  Jahren  machte  er  längere  Studienreisen  in  seine  Heimath,  deren 
Motive  er  fast  ausschliefslich  behandelte.  Als  Schirmer  nach  Karlsruhe  übersiedelte,  wurde  er 
von  Schadow  als  Lehrer  der  Landschaftsklasse  berufen  und  wirkte  als  solcher  bis  1862.  Zwei  Jahre 
später  ging  er  ebenfalls  nach  Karlsruhe  und  von  da  nach  Berlin,  wo  er  noch  heute  lebt.  Gude 
stand  in  seinen  ersten  Bildern  ziemlich  unter  dem  Einflufs  Schirmers,  den  er  nur  an  Helligkeit 
der  Farbe  übertraf.  Er  selbst  beeinflufste  damals  die  Düsseldorfer  Malerei  weniger  nach  der 
künstlerischen  Seite  als  nach  der  inhaltlichen.  Durch  ihn  und  Tidemand  wurde  Norwegen  Mode, 
und  aus  jener  Zeit  stammt  die  Vorliebe  für  Fjorde,  norwegische  Seen-  und  Gebirgsbilder,  die  sich 
bis  heute  erhalten  hat.  Auch  A.  Achenbach  hat  in  der  ersten  Zeit  Norwegen  bevorzugt,  allerdings 
eigenthümlicherweise  schon  bevor  Gude  nach  Düsseldorf  gekommen  war,  so  dafs  den  Norwegern 
schon  der  Boden  in  Düsseldorf  geebnet  war.  Vielleicht  ein  Grund  mehr  für  den  lebhaften  Zuzug 
nordischer  Maler. 

Norwegen  bevorzugte  auch  der  in  Darmstadt  1822  geborene,  seit  1840  in  Düsseldorf  ansässige 
August  Becker.  Er  bereiste  seit  1844  diesen  seinen  Hauptstudienplatz,  ferner  die  Schweiz,  Tirol 
und  das  bayrische  Hochgebirge,  wo  er  überall  Studien  zu  seinen  auf  das  Grofsartige  gerichteten 
Gebirgsscenen  sammelte. 

Er  war  bis  1887  in  Düsseldorf  thätig  und  hatte  noch  in  den  letzten  Jahren  seine  Studienreisen 
bis  nach  Rumänien  ausgedehnt.  Zu  den  norwegischen  Gebirgsmalern  gehört  femer  A.  W.  Leu,  der 
auch  noch  Schüler  von  Schirmer  war  und  in  seinen  Bildern  den  Charakter  der  Gebirgsnatur  wohl 
zu  treffen  wufste,  wenn  er  nicht  durch  eine  etwas  zu  glatte  Malweise  ins  Süfsliche  gerieth.  Er 
war  1818  in  Münster  geboren,  kam  1840  nach  Düsseldorf  und  siedelte  1882  nach  Berlin  über. 

Künstlerisch  stärker  und  in  seinem  W^irken  bedeutender  war  Graf  Stanislaus  Kaikreuth 
(geb.  1821  in  Koznim  in  Posen).  Zuerst  Offizier,  wurde  er  durch  den  Landschaftsmaler  Eduard 
Hildebrandt  an  dessen  Lehrer  W.  Krause  empfohlen,  ging  aber  bald  nach  Düsseldorf,  wo  er  seit 
1846  unter  Schirmer  arbeitete,  bald  selbständig  wurde,  und  sich  auf  grofsen  Studienreisen  nach 
Oberitalien,  Tyrol  und  der  Schweiz  weiterbildete.  Auch  er  ist  vorzugsweise  Gebirgsmaler,  und 
von    den    Genannten    entschieden    derjenige,    dessen    Arbeiten    der    heutigen    Naturbetrachtung    am 

203 


nächsten  kommen.  1860  wurde  er  vom  Grofsherzog  von  Weimar  mit  der  Errichtung  emer  Kunst- 
schule in  Weimar  beauftragt,  die  er  durch  Berufung  hervorragender  Künstler  wie  Böcklin, 
Lenbach,  R.  Begas,-  Gussow  u.  s.  w.  schnell  zu  einer  gewissen  Bedeutung  brachte.  So  ist  auch 
die  heute  noch  angesehene  Weimarer  Schule  eigentlich  eine  Colonie  von  Düsseldorf.  Er  starb 
1894    in    München.      Der   jetzt    als    Akademiedirector    in    Stuttgart    lebende    Maler    dieses    Namens 

ist  sein  Sohn. 

Romantiker  von  reinstem  Wasser  war  August  von  Wille,  1829  in  Cassel  geboren,  und  seit 
1847  mit  Unterbrechungen  in  Düsseldorf  ansässig.  In  seinen  Motiven,  die  er  vielfach  vom  Rhein 
und  der  Mosel  entnahm,  schliefst  er  sich  an  Hilgers  und  mehr  noch  an  Scheuren  an.  mit  denen 
er  auch  an  Stärke  der  Farbe  concurrirt.  Auch  seine  Vielseitigkeit,  die  ihn  Landschaft  und 
Architektur,  aber  auch  Genrescenen  mit  gleicher,  für  die  damalige  Zeit  fast  virtuos  zu  nennender 
Fertigkeit  behandeln  liefs,  erinnert  an  die  Genannten  und  den  romantischen  Zug  der  Genremalerei 
überhaupt.  Als  landschaftlicher  Zeichner  war  von  Wille  entschieden  einer  der  Bedeutendsten 
seiner  Zeit.  Das  beweisen  die  im  Verlage  von  W^.  Otto  herausgegebenen,  mit  der  Rohrfeder 
gezeichneten  Ansichten  „Romantik  des  Rheins  und  der  Mosel"  und  zahlreiche  Illustrationen  von 
seiner  Hand.     Er  starb  1887. 

Fritz  Ebel  hat  für  lange  Zeit  der  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei  älteren  Stils  die  Richtung 
gegeben.  Er  war  1835  in  Oberhessen  geboren,  sudirte  zuerst  in  Darmstadt,  dann  von  1857 — 61  in 
Carlsruhe  unter  Schirmer,  worauf  er  sich  in  Düsseldorf  niederliefs  und  hier  in  bemerkenswerther 
Productivität  seine  meist  auch  Waldmotive  darstellenden  Bilder  malte.  Er  starb  1895.  Vielseitiger 
war  Carl  Jungheim,  geboren  1830  zu  Düsseldorf,  Schüler  von  Schadow  und  Schirmer.  Er  hatte 
zuerst  mit  schwierigen  Verhältnissen  zu  kämpfen,  arbeitete  sich  aber  mit  grofser  Energie  durch 
und  malte  die  verschiedensten  Motive.  Genannt  werden  vorzugsweise  tiroler  Bilder,  ,,W^asser- 
fälle",  „Abendlandschaft  bei  Salzburg",  „W^allenstädter  See",  ,,Gosau-See",  dann  auch  italienische 
Motive,  zu  denen  er  durch  Oswald  Achenbach  angeregt  wurde,  ,,Capri",  ,,Sorrent"  u.  s.  w.  Jungheim 
starb  i886. 

Etwas  abseits  von  diesen  steht  der  hochbegabte,  aber  früh  verstorbene  Alfred  Chavannes, 
der  als  geborener  Schweizer  (1835  geboren  in  Moudon)  zuerst  Schüler  von  Calame  war,  dann  nach 
Düsseldorf  kam,  wo  er  im  Sinne  seines  Lehrers  einige  vortreffliche,  auch  coloristisch  hervor- 
ragende Bilder  malte. 

Bei  allem  Verdienst,  das  jene  Künstler  für  ihre  Zeit  hatten,  gehören  sie  doch  jetzt  fast 
alle    in    ihrer  Kunst    der  Vergangenheit    an.     Ihre   Bilder    bezeichnen    eine    ruhmvolle    Epoche,    sie 

werden  vielleicht  auch  einmal  wieder 
als  kunstgeschichtlich  interessante 
Werke  hervorgesucht  werden,  aber 
wie  jene  Männer  selbst  meist  vom 
Schauplatz  abgetreten  sind,  so  ist  ihre 
Weise,  die  Natur  zu  sehen  und  wieder- 
zugeben, vorläufig  eine  überwundene. 
Lessing  und  Weber  stehen  dem 
heutigen  Empfinden,  das  ja  seit 
einigen  Jahren  wieder  eine  langsame 
W^endung  zum  Romantischen  nimmt, 
vielleicht  noch  am  nächsten. 

Zwei  Künstler,  die  jener  Rich- 
tung angehören,  haben  es  verstanden, 
sich  dem  modernen  Empfinden  anzu- 
bequemen. Sie  sind  beide  Schirmer- 
schüler. Karl  Ludwig  Fahrbach,  ge- 
boren 1835  in  Heidelberg,  studirte 
zuerst  in  Karlsruhe  bei  Schirmer 
und  kam  dann  1867  nach  Düsseldorf, 
wo  er  ganz  im  Sinne  seines  Meisters, 
später  allerdings  in  mehr  natura- 
ANDREAS  ACHENBACH  listischer    Auffassung,     Hochgebirge 

Untergang  des  „Präsident"  und  Waldbilder  malte,  SO  den  ,,Waz- 

(Aus  dem  Besitze  von  Eduard  Schulte,  Düsseldorf,  Berlin  und  Köln)  mann"    1876,    für    den    Malkasten    das 


204 


ANDREAS   ACHENBACH 
Gebirgslandschaft 


grofse,  decorativ  wirkungsvolle  Bild  „Schlofsgraben  in  Heidelberg".  Vier  grofse  Wandbilder  ent- 
standen für  Privatbesitz  in  Bergisch-Gladbach,  und  viele  seiner  Bilder  zieren  öffentliche  Galerien. 
Fahrbach  ist  noch  rüstig  thätig,  während  Hermann  Pohle  (geb.  1831)  im  Jahre  igoi  starb,  nachdem 
er  bis  in  die  letzte  Zeit  nicht  ohne  Glück  seine  liebenswürdigen  und  heiter  gefärbten  Wald-  und 
Parklandschaften  gemalt  hat. 

Die  einzigen  derselben  Zeit  entstammenden  Künstler,  die  eine  geradezu  phänomenale,  in  der 
Kunstgeschichte  fast  einzig  dastehende  Kraft  und  Beweglichkeit  über  den  Wechsel  von  mehr  als 
einem  halben  Jahrhundert  hinweggeführt  und  sie  während  dieser  ganzen  Zeit  an  der  Spitze  von 
fast  drei  Generationen  erhalten  hat,  sind  die  Brüder  Andreas  und  Oswald  Achenbach. 

Bewundernswerth  ist  namentlich  bei  Andreas  Achenbach  die  Vielseitigkeit,  die  gleicher- 
mafsen  ein  Erbtheil  des  Genies,  wie  des  dilettantenhaften  Talents  zu  sein  scheint,  bei  diesem  zu 
unfruchtbarem  Hin-  und  Hertasten  führt,  jenes  aber  auf  den  verschiedensten  Gebieten  Triumphe 
feiern  läfst.  Es  giebt  kaum  ein  Gebiet  der  Landschaftsmalerei,  das  A.  Achenbach  nicht  berührt 
und  auf  dem  er  nicht  Werke  allerersten  Ranges  geschaffen  hat.  Eine  Arbeitskraft  sonder- 
gleichen, die  das  Menzelsche  Wort  ,,Fleifs  ist  Talent"  zu  bestätigen  scheint,  hat  während  seines 
langen  Lebens  eine  fast  unübersehbare  Reihe  von  Bildern  jeder  Grofse  und  von  fast  jeder  Art  der 
Ausführung,  von  dem  bis  ins  Kleinste  durchgearbeiteten  Bilde  bis  zur  flott  hingeworfenen  skizzen- 
artigen Stimmungsstudie  entstehen  lassen.  Allen  seinen  Werken  gemeinsam,  und  das  ist  das 
eigentlich  Charakteristische  bei  A.  Achenbach,  ist  der  eminente  Schwung  der  Darstellung,  eine 
durchaus  persönliche  kraftvolle  Auffassung,  kurz  die  immer  sichtbare  Handschrift  des  Genies,  die 
das  Werk  über  alle  Modeanschauungen  und  das  Gefasel  eines  ephemeren  Journalismus  hinweg- 
hebt. Die  Bilder  Achenbachs  werden  nie  ein  überwundener  Standpunkt  sein.  Man  mag  heute 
von  der  Marinemalerei  die  Lösung  anderer  coloristischen  Aufgaben  fordern,  man  mag  bei 
manchen  Schiffsbildern  Achenbachs  an  der  Takelage  oder  sonstigen,  ähnlich  wichtigen  Sachen 
Fehler  entdecken,  kein  Verständiger  und  Kunstsinniger  wird  sich  dem  Eindruck  entziehen  können, 
dafs  er  dem  W^erk  eines  grofsen  Künstlers  gegenübersteht,  der  über  die  ängstliche  Richtigkeit  des 
Details  ebenso  erhaben  ist,  wie  über  die  Mode  des  Tages.  Wenn  man  eine  Vergleichung  mit 
A.  Achenbach  in  der  Kunstgeschichte  suchen  wollte,  so  würde  man  nur  an  Rubens  denken 
können.  Nur  bei  Rubens  findet  sich  in  gleichem  Mafse  diese  gesunde  Freude  am  Malen  wieder, 
das  Schwelgen  in  mächtigen  Formen,  gewaltigen  Bewegungen  und  durchaus  subjectiven  Compo- 
sitionen.  Nur  dafs.  was  für  Rubens  der  Mensch  war,  für  Achenbach  das  Wasser,  die  Welle  und 
die  Luft  ist. 

Andreas  Achenbach  wurde  geboren  zu  Cassel  1815.  Die  Verhältnisse  führten  die  Familie 
früh  nach  Rufsland  und  von  da  seit  1823  nach  Düsseldorf,  wo  der  Knabe  schon  mit  zwölf  Jahren 
die  Akademie  zu  besuchen  anfing,  da  sein  grofses  Zeichentalent  auf  den  zu  erwählenden  Beruf 
hinwies,  der  bei  dem  sicher  erhofften  und  bald  auch  eintretenden  Aufschwung  der  Malerei  als 
ein  einträglicher  erschien.  Ein  paar  Jahre  mufste  er  sich  freilich  unter  Lehrern  wie  Kolbe  und 
Schäffer  herumquälen,  und  auch  später,  als  er  von  Schadow  und  Schirmer  corrigirt  wurde,  kam 
es  noch  zu  keinen  erfreulichen  Resultaten.  So  begann  Achenbach  frühzeitig  selbständig  zu  malen, 
und  hatte  die  Freude,  eines  seiner  ersten  Bilder  auf  der  Ausstellung  des  eben  gegründeten  Kunst- 
vereins 1829  zu  verkaufen.  Die  nächsten  Jahre  brachten  verschiedene  andere  Erfolge,  durch  die 
mehrere  Studienreisen  ermöglicht  wurden.  Auf  diesen  sah  Achenbach  wieder  das  Meer,  die 
Ostsee,  und  dann  in  Holland  die  Nordsee.  Gleichzeitig  fand  sich  die  Gelegenheit  zu  den  ersten 
Studien  der  alten  holländischen  Landschaftsmaler,  zu  denen  sich  der  junge  Mann  aufs  lebhafteste 
hingezogen  fühlte. 

In  Düsseldorf  besuchte  er  dann  wieder  die  Schirmersche  Klasse,  trotzdem  seine  sich 
mehrenden  Erfolge  ihm  gestattet  hätten,  sich  auf  eigene  Füfse  zu  stellen.  Aber  das  von  den 
Historienmalern  geübte  System,  möglichst  lange  die  akademischen  Ateliers  festzuhalten,  wurde 
vielfach  auch  von  den  Landschaftsmalern  nachgeahmt.  Um  diese  Zeit  traten  aber  die  bekannten 
Reibereien  zwischen  den  Ostländern  und  den  Rheinländern  ein,  und  Achenbach  war  einer  von 
den  Ersten,  die  ebenso,  wie  der  ihm  befreundete  Rethel,  grollend  Düsseldorf  verliefsen.  Er  ging 
zuerst  nach  München,  dann  aber  folgte  er  Rethel  nach  Frankfurt,  wo  er  ein  in  München 
begonnenes  Bild  ,, Seesturm  an  der  norwegischen  Küste",  das  noch  heute  eine  Zierde  der  dortigen 
Sammlung  bildet,  vollendete.  Freilich  hatte  Achenbach  die  norwegischen  Felsen  vorläufig  noch  aus 
der  ,, Tiefe  des  Gemüthes"  gemalt,  da  er  noch  gar  nicht  in  Norwegen  gewesen  war.  Bald  darauf 
entstand  das  in  der  Düsseldorfer  Kunsthalle  befindliche  Bild  ,,Hardanger  Fjord",  das  in  der  Farbe 
und  auch  in  der  Auffassung  eine  deutliche  Anlehnung  an  Lessing  zeigt,  zu  dem  Achenbach  ohnehin 

207 


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in  der  ersten  Zeit  viel 
mehr  hinneigt,  als  zu 
Schirmer.  In  dem  grofsen 
Bilde  „Untergang  des 
Präsidenten"  schuf  er 
dann  das  Werk,  das  ihn 
zum    berühmten    Manne 

machte.  1843  suchte 
Achenbach  Italien  auf  und 
von  jener  Reise  stammen 
eine  Reihe  Bilder  mit 
italienischen  Motiven,  die 
ihn  aber  nicht  lange 
fesselten.  Sehr  eigenartig 
und  in  der  Grofsartigkeit 

der  Behandlung,  den 
mächtigen  Motiven  ent- 
sprechend, sind  zwei 
grofse  decorativ  gehaltene 
Aquarelle  aus  jener  Zeit, 
den  ,, Aetna"  und  den 
,, Monte  Pellegrino"  dar- 
stellend. In  Rom  bereitete 
sich  auch  sein  Uebertritt 
zum  Katholicismus  vor, 
der  freilich  wohl  einer 
anderen  Gemüthsrichtung 
entstammen  mochte,  als 
die  Conversionen  der 
Nazarener. 
In  die  Heimath  zurückgekehrt,  suchte  Achenbach  mit  Vorliebe  immer  wieder  die  Motive 
der  heimischen  Landschaft  und  der  nordischen  Meere  auf  und  entwickelte  sich  so  zu  dem 
Seemaler  par  excellence,  als  welcher  er  seit  einem  halben  Jahrhundert  dieses  Gebiet  behandelt. 
Von  seinem  Beispiel  und  Vorgang  ist  mehr  oder  weniger  die  ganze  deutsche  Marinemalerei 
beeinflufst,  und  besonders  in  Düsseldorf  hat  kaum  ein  Marinemaler  bis  auf  imsere  Tage 
gearbeitet,  der  nicht  bewufst  oder  unbewufst  von  A.  Achenbach  abhängig  gewesen  ist  oder  doch 
von  ihm  gelernt  hat. 

Dennoch  hat  Achenbach  zu  keiner  Zeit  ausschliefslich  Seestücke  gemalt.  Noch  1866  entstand 
die  ,,Erftlandschaft",  ein  Motiv  aus  der  näheren  Umgebung  Düsseldorfs,  in  dem  Achenbach 
gewissermafsen  das  Facit  zog  aus  der  ganzen  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei  und  ein  Werk 
von  unübertroffener  Schönheit  schuf. 

Auch  als  Figurenmaler  ist  Achenbach  mit  Glück  thätig  gewesen.  Nicht  nur  hat  er  die 
Staffagen  seiner  Bilder,  holländische  Fischer  u.  s.  w.,  in  einer  Lebendigkeit  der  Action  und  Voll- 
endung der  Zeichnung  ausgeführt,  die  manchen  Genremaler  beschämen  kann,  er  hat  auch  gelegentlich 
Figurenbilder  von  gröfstem  coloristischem  Reiz  gemalt,  so  eine  Scene  aus  der  Lambertuskirche, 
in  der  er  den  ganzen  mystischen  Prunk  des  katholischen  Gottesdienstes  auf  eine  kleine  Leinwand 
zu  bannen  verstanden  hat. 

Es  ist  fast  selbstverständlich,  dafs  Achenbach  alle  Techniken  der  malenden  und  zeichnenden 
Künste  meisterhaft  beherrscht.  Zeugnifs  davon  geben  zahlreiche  Aquarelle,  von  den  grofsen 
sicilianischen  bis  zu  kleinen  fein  ausgeführten  Blättern.  Ferner  hat  Achenbach  mit  gröfstem 
Erfolg  auf  Stein  gezeichnet  und  radirt,  und  seine  Caricaturen  bilden  noch  jetzt  einen  unüber- 
trefflichen Schatz  von  heiterem  Material  aus  den  Zeiten,  da  der  Künstler  auch  gesellschaftlich  im 
Mittelpunkt  und  an  der  Spitze  der  Düsseldorfer  Künstlerschaft  stand. 

An  Achenbach  sind  die  Wandlungen,  welche  die  Malerei  in  den  letzten  50  Jahren  durch- 
gemacht hat,  keineswegs  spurlos  vorüber  gegangen.  Nicht  in  dem  Sinne,  als  ob  sie  ihn  direct 
beeinflufst  und  jemals  seiijem  innersten  W^esen  untreu  gemacht  hätten.  Aber  Achenbach  ist 
gewissermafsen    gleichzeitig    mit    den    Fortschritten,    die    die    Kunst    gemacht    hat,    gewachsen.     Er 


ANDREAS   ACHENBACH 

Marine 


208 


war  immer  noch  kühner,  als  die  kühnsten  Fortschrittler  und  Secessionisten,  und  als  die  Malerei 
sich  dem  Studium  von  Farben  und  Lichtproblemen  hingab,  da  war  Achenbach  einer  der  Ersten, 
der  mit  den  überraschendsten  Lösungen  der  schwierigsten  Aufgaben  auftrat.  Seine  geradezu 
phänomenale- Productivität  liefs  ihn  mit  der  Zeit  eine  Technik  gewinnen,  die  es  ihm  gestattete, 
alle  jene  Experimente,  die  Andere  mühsam  an  einem  Bilde  versuchten,  immer  an  einer  ganzen 
Reihe  von  vollendeten  Kunstwerken  auszuführen. 

Entsprechend  der  immer  wachsenden  Schnelligkeit,  mit  der  Achenbach  arbeitete,  entwickelte 
sich  seine  Malweise  zu  immer  gröfserer  Breite,  ohne  dafs  dies  die  künstlerische  Vollendung  seiner 
Arbeiten  beeinträchtigt  hätte.  Während  seine  ersten  Bilder  eine  fast  miniaturartige  Feinheit  der 
Ausführung  zeigen,  lernt  er  allmählich  die  malerischen  Wirkungen  einer  breiten  Pinselführung 
und  eines  starken  Impasto  kennen,  welches  er  stellenweise  schon  früh  mit  einem  Raffinement  anzu- 
wenden verstand,  das  ihm  vor  30  Jahren  den  Namen  eines  Virtuosen  eintrug.  Diesen  Namen 
verdient  er  allerdings  nach  der  rein  technischen  Seite,  ohne  dafs  die  unfreundliche  Nebenbedeutung 
eines  blofs  auf  die  Technik  speculirenden,  ohne  eigene  künstlerische  Individualität  und  Tiefe 
arbeitenden  Machers  aui  ihn  Anwendung  finden  kann.  Achenbach  ist  nicht  anders  Virtuose,  als 
wie  es  alle  grofsen  Malkünstler  von  Rubens  bis  Tiepolo  gewesen  sind,  und  dafs  er  seine  Handschrift 
nirgends  verleugnet,  kann  nur  ein  gänzliches  Verkennen  seines  Wesens  mit  Manierismus  bezeichnen, 
denn  Niemand  versteht  es  besser,  die  ,, Manier"  zu  malen,  mit  dem  Gegenstand  in  Einklang  zu 
bringen,  als  Achenbach,  und  das  ist  doch  wohl  gerade  das  Gegentheil  von  Manierismus. 

Trotz  des  ungeheuren  Einflusses,  den  Achenbach  mit  seinen  Werken  ausübte,  hat  er  nur 
ganz  wenige  eigentliche  Schüler  gebildet.  Der  Grund  dazu  liegt  einerseits  in  der  selbst  bis  in 
die  Nächte  hinein  fortgesetzten,  seine  ganze  Zeit  in  Anspruch  nehmenden,  eigenen  schaffenden 
Thätigkeit  des  Meisters,  anderseits  vielleicht  in  einer  gewissen  allzu  grofsen  Schärfe  des  Urtheils, 
die  er  unnachsichtlich,  wie  gegen  sich,    so  gegen  Andere  richtete,  die  ihn  selbst   zu  der  Höhe 

seiner  Künstlerschaft  hat  erwachsen  lassen,  die  aber  auf  Anfänger  und  Schüler  erkältend  und  ab- 
stofsend  wirken  mufste.  Nur  sein  jüngerer  Bruder  Oswald  und  Alb.  Flamm  werden  als  seine 
eigentlichen  Schüler  bezeichnet,  und  in  Oswald  Achenbach  wiederholt  sich  ein  ähnliches  Phänomen 
umfassender  Vielseitigkeit  und  gröfster  Productivität  bei  vollendeter  Künstlerschaft,  wie  bei  Andreas. 

Oswald  Achenbach 
wurde  1827  in  Düsseldorf 
geboren,  besuchte  von 
183g  bis  1841  die  akade- 
mischen Zeichenklassen, 
lernte  aber  das  Malen 
bei  seinem  damals  sich 
schon  eines  grofsen  Rufes 
und  schöner  Erfolge  er- 
freuenden Bruder  und 
förderte  sich  dann  selb- 
ständig auf  vielfachen 
Reisen.  Diese  führten 
ihn  immer  tiefer  in  den 
Süden,  bis  er  in  der 
Gegend  von  Neapel  sein 
eigentliches  Studienfeld 
fand,  das  er  von  nun  an 
zwar  nicht  ausschliefslich, 
aber  sichtlich  mit  der 
gröfsten  und  nie  nach- 
lassender Vorliebe  bear- 
beitete. 

Oswald  Achenbachs 
Künstlernatur  ist  im  Ver- 
gleich zu  der  seines 
älteren  Bruders  weicher, 
in     den     ersten     grofsen  Andreas  achenbach 

Bildern     fast     romantisch  Festtag  in   Ostende 


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ANDREAS    ACHENBACH 
Mondnacht 


oder  selbst  sentimental.  Man  möchte  in  ihnen  die  Liebe  des  Künstlers  zur  Musik  wiederzufinden 
glauben,  vor  allem  in  der  Neigung  für  gewisse  weiche  farbige  Effecte,  die  er  in  zarten,  zuweilen 
selbst  süfslichen  Stimmungen,  wie  sie  allerdings  der  Natur  Süditaliens  hier  und  da  entsprechen, 
behandelt    und    später    erst    zu    stärksten    Contrasten    entwickelt.     Man     hat    Oswald    Achenbach 


vorgeworfen, 
dafs      seine      süd- 
italischen   Motive 
nicht     natura- 
listisch in  der 
Farbe  seien,  selbst 
wenn    er    natura- 
listische  Strafsen- 
scenen,       die      er 
mit    vortrefflichen 
Staffagen      belebt, 
darstellt. 

In  der  That 
steigert  er  gele- 
gentlich die  ohne- 
hin schon  farbigen 
südlichen  Effecte 
bis  fast  zur  Bunt- 
heit. Ein  überaus 
reizbarer  Farben- 
sinn scheint  bei 
ihm  auf  alle  colo- 

ristischen  Ein- 
drücke  stärker  zu 


OSWALD   ACHENBACH 
Grabmal   der    Cäcilia  Metella 


reagiren  als  bei 
Anderen,  aberden- 
noch  hat  kaum  ein 
Künstler  jemals 
eine  eigenartige 
und      unendlich 
malerische    Natur 
so    in    ihrem 
innersten  und 
eigensten    ^A^esen 
erfafst,  wie  Oswald 
Achenbach  die 
süditalienische, 
besonders      die 
neapolitanische 
in  all'    ihren  Ver- 
schiedenheiten, 
von  den  sonnigen, 
zuweilen  fast  har- 
ten blauen  Meeres- 
stimmungen bis 
zu  den  glühenden 

Sonnenunter- 
gängen, wenn  die 


Strahlen  der  sinkenden  Sonne  auf  den  von  weifsem  Staube  erfüllten  Strafsen  die  merkwürdigsten 
Licht-  und  Farbenphänomen  erzeugen.  So  sind  die  besten  Bilder  von  Oswald  Achenbach  in  dem 
Sinne  zuweilen  wahrer,  als  die  Natur  selbst,  als  sie  gewissermafsen  einen  Extract  ihrer  ganzen 
sonnigen  Schönheit  bieten.  Oswald  Achenbach  hat  sich  in  ähnlicher  Vielseitigkeit,  wie  sein 
Bruder,    nicht    auf   Süditalien    beschränkt.      Noch    in    den    letzten   Jahren     sind    eine    grofse    Anzahl 

zarte  duftige 
Poesie  eines  rhei- 
nischen   Sommer- 
tages. Auch  Vene- 
dig, das  in  seiner 
wunderlichen 
Mischung  von 
Wasser  und  Stei- 
nen, von  Kanälen, 
Kirchen    und    Pa- 
lästen    in     seinen 
theils       sonnigen, 
theils  trüben  ocea- 

nischen  Stim- 
mungen, in  seinem 

Durcheinander 
von  höchster  Ele- 
ganz    und     italie- 
nischer Volks- 
armuth     auf     den 
Strafsen,  ein  uner- 
schöpflicher 
Fundort     künstle- 
rischer Motive  ist. 


von  Bildern  ent- 
standen, deren  Mo- 
tive der  Schweiz 
und  selbst  dem 
Mittelrhein  ent- 
nommen sind,  in 
denen  der  grofse 
Colorist  Probleme 
zu  lösen  versucht 
und  auch  wirklich 
löst,  die  den  far- 
bigen Stimmungen 

seiner  italie- 
nischen Bilder  ge- 
radezuentgegenge- 
setzt sind ;  so  wenn 
er  eine  nächtliche 
Schweizergebirgs- 
scene  mit  schnee- 
bedeckten Bergen 
im  Hintergrund, 
über  denen  der 
i^Mond  aufgeht, 
schildert,  oder  die 


OSWALD    ACHENBACH 
Blick  auf   den   Vatican 


211 


hat  Oswald  Achenbach  mit  einer  Wahrheit  gemalt,  wie  keiner  der  zahlreichen  venetianischen 
Maler,  die  sich  unermüdlich  selbst  copiren  und  aus  dem  engen  Zirkel  zwischen  Marcusdom, 
Piazetta,  einem  Kanal  und  einem  Fischerboot  nicht  herauskommen  zu  können  scheinen. 

Oswald  Achenbach  hat  auch  eine  Zeitlang  als  akademischer  Lehrer  gewirkt.  Nach  Gudes 
Abgang  war  Carl  Irmer  vorübergehend  mit  der  Leitung  der  Landschaftsklasse  betraut  und  dann 
Oswald  Achenbach  dafür  gewonnen  worden.  Unter  seinen  Schülern  war  Louis  Kolitz,  der  aller- 
dings die  eigentliche  Landschaftsmalerei  später  verlassen  hat.  wie  er  auch  in  Düsseldorf  nicht 
lange  geblieben  ist,  einer  der  hervorragendsten. 

Albert  Arnz,  geboren  1832  in  Düsseldorf,  und  Albert  Flamm,  geboren  1823  in  Köln,  die  beiden 
Schwäger  Oswald  Achenbachs,  zeigen  in  ihren  italienischen  Landschaften  am  stärksten  den  Einflufs 
ihres  Collegen  und  Lehrers.  Beide  haben  übrigens  auch  deutsche  Landschaften  gemalt,  in  denen 
Flamm  sich  Andreas  Achenbach  nähert,  dessen  Schüler  er  ebenfalls  eine  Zeitlang  war.  Nachdem 
Oswald  Achenbach  einen  langen  Urlaub  angetreten  hatte,  von  dem  er  nicht  wieder  zu  seiner 
akademischen  Lehrthätigkeit  zurückkehrte,  hatte  erst  Th.  Hagen  und  dann  Flamm  den  Unterricht 
in  der  akademischen  Landschaftsklasse  geleitet,  bis  die  Anstellung  von  E.  Dücker  diesen  Zwischen- 
zuständen ein  Ende  machte.  Theodor 
Joseph  Hagen,  ein  geborener  Düssel- 
dorfer (1842),  der  rheinische,  schweizer 
und  italienische  Motive  malte,  verliefs 
seine  Vaterstadt  schon  1871,  um  einem 
Ruf  nach  W^eimar  Folge  zu  leisten,  als 
einer  der  Vielen,  welche  die  Düssel- 
dorfer Schule  nach  auswärts  fort- 
setzten. Als  Schüler  von  A.  Achen- 
bach wäre  hier  noch  Heinrich  Deiters, 
geboren  1840  zu  Münster  in  Westfalen, 
zu  nennen,  obwohl  ihn  seine  spätere 
Entwicklung  andere  meist  heimath- 
liche  Motive  aus  Wald  und  Haide 
wählen  liefs,  die  er  mit  Menschen- 
und  Viehstaffagen  zu  beleben  weifs. 
Neben  der  farbigen,  südliche 
oder  nordische  Land-  und  'Wasser- 
motive aufsuchenden  Kunst  der  beiden 
Achenbach  und  ihres  grofsen  Kreises 
entwickelten  sich  doch  schon  ziem- 
lich früh  einzelne  Vorläufer  der  natura- 
listischen heimathlichen  Landschafts- 
kunst, die  in  den  70er  Jahren  ihre 
heute  ziemlich  unbeschränkte  Herr- 
schaft antreten  sollte.  Einer  der  Ersten, 
der,  abgesehen  von  den  landschaftlichen  Genremalern,  die  Natur  mit  nüchternem  Blick  und  der 
allgemeinen  romantischen  Empfindung  abgewandt,  zu  studiren  versuchte,  war  der  begabte,  wenn 
auch  wunderliche  Reiner  Dahlen,  dessen  Arbeiten  trotz  ihrer  Verdienste  keine  allzugrofse  Anerken- 
nung fanden.  Er  war  1836  in  Köln  geboren  und  anfänglich  Sattler.  Gönner  ermöglichten  ihm  das 
Kunststudium,  und  er  siedelte  nach  Düsseldorf  über,  wo  er  zwar  die  Akademie  besuchte,  aber  sich 
hauptsächlich  durch  eifriges  und  für  jene  Zeit  ungewöhnlich  gewissenhaftes  Naturstudium  weiter- 
bildete. Auf  gröfseren  Reisen  erweiterte  er  seinen  Gesichtskreis,  blieb  aber  der  selbstgefundenen 
realistischen  Auffassung  treu.  Er  belebte  seine  Bilder  gern  mit  figürlichen  oder  Thier- Staffagen. 
Unter  seinen  Bildern  werden  ,, Schäfer  und  Heerde",  ,,Post  im  Schnee",  mit  Auszeichnung  genannt. 
Er  starb  1874. 

Reiner  Dahlen  war  mit  seinen  naturalistischen  Bestrebungen  doch  ziemlich  allein  geblieben, 
und  die  Romantik  in  Form  und  Farbe  wich  nur  sehr  langsam  einer  realistischen  Auffassung,  die 
aber  von  dem  Naturausschnitt  der  modernen  Landschaft  immer  noch  himmelweit  entfernt  war. 
Die  Vordergrundstudie  spielte  ihre  wichtige  Rolle  noch  lange  und  die  drei  Gründe  wurden  mit 
gröfster  Gewissenhaftigkeit  auseinander  gehalten.  Höchstens  die  Marinemaler,  sofern  sie  nicht 
Strandbilder  malten,  setzten  sich  hier  noch  am  ehesten  über  die  Convenienz  hinweg. 


OSWALD   ACHENBACH 
Der  Montblanc 


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Noch  schwerer,  als  bei  jedem  anderen  Zweig  der  Kunst,  ist  es  bei  der  Landschaftsmalerei 
durch  das  blofse  Wort  und  durch  das  Nennen  von  Gemälde-  oder  Künstlernamen  ein  Bild  ihres 
Charakters  zu  geben,  der  wiederum  mehr  als  bei  jedem  anderen  Kunstgebiet  durch  die  modernen 
Bestrebungen  verändert  und  umgestaltet  worden  ist.  Dennoch  müssen  aus  der  unendlichen  Fülle 
der  Namen,  welche  auf  den  Ausstellungen  der  60  er  und  70  er  Jahre  auftauchten,  deren  Träger 
zum  Theil  noch  heute  in  ungeschwächter  Kraft  ungefähr  dieselben  Bilder  malen,  wie  vor  40  Jahren, 
einige  wenigstens  genannt  sein. 

Von  den  vielen  norwegischen  Malern,  die  schon  früh  nach  Düsseldorf  kamen,  ist  vor  allen 
Morten  Müller  zu  nennen,  der,  1828  geboren,  noch  heute  rüstig  schafft  und  sich  mit  bemerkens- 
werther  Frische  den  modernen  Bestrebungen  am  meisten  genähert  hat. 

Anders  Monssen  Askevold,  geboren  1834  in  Sindfjord  (Norwegen),  war  noch  Schüler  von 
Gude,  malte  fast  nur  Motive  seiner  Heimath,  die  er  mit  reicher  Thierstaffage  zu  beleben  pflegte. 
Er  behandelte  dieselbe  mit  grofser  Sorgfalt,  so  dafs  er  ebensogut  zu  den  Thiermalern  zu  rechnen 
wäre.  Er  hatte  zwischendurch  auch  in  Paris  und  München  studirt,  lebte  aber  bis  zu  seinem 
Tode  (1900)  in  Düsseldorf.  Seine  letzten  Lebensjahre  wurden  durch  schwere  Leiden  getrübt,  so 
dafs  seiner  unermüdlichen  Thätigkeit  vor  der  Zeit  ein  Ziel  gesetzt  war.  Auch  Sophus  Jacobsen, 
geboren  1833,  und  A.  Normann,  geboren  1848,  letzterer  allerdings  erst  seit  1869  in  Düsseldorf, 
können  hier  genannt  werden.  Ersterer  ist  durch  seine  Mondscheinlandschaften  bekannt,  während 
letzterer  hauptsächlich  die  Fjorde    seiner  Heimath    in  effectvollen  Beleuchtungen  malt. 

Eine  höchst  eigenartige  Erscheinung  war  der  Holländer  Richard  Burnier,  der.  1826  im  Haag 
geboren,  zuerst  Schüler  von  Schirmer,  dann  von  A.  Achenbach  und  schliefslich  seit  1855  von 
Troyon  in  Paris  wurde.  Nach  verschiedenen  Studienreisen  in  Holland  und  Belgien  liefs  Burnier 
sich  wieder  in  Düsseldorf  nieder,  um  hier  ganz  unbeeinflufst  von  seiner  Umgebung  in  einer  Weise 
zu  arbeiten,  wie  sie  erst  in  den  letzten  Jahren  eigentlich  modern  geworden  ist.  Seinen  meist  mit 
Kühen  staffirten  Landschaften  ist  ein  tiefer  subjectiver  Stimmungsreiz  eigen,  der  sich  mit  einem 
eminenten  Naturgefühl  zu  höchst  künstlerischen  Gesammtwirkungen  vereinigt.  Eine  breite  flotte 
Technik  schied  ihn  ebenfalls  aufs  strengste  von  den  noch  lange  glatt  und  ohne  Handschrift 
malenden  Düsseldorfer  Landschaftern. 

Burnier  würde  heute  zu  den  Modernsten  der  Modernen  zählen,  wenn  er  nicht  1884  gestorben 
und  seine  Bilder  nicht  fast  vergessen  wären. 

Ein  ebensolcher  Aufsenseiter  war  Seibers.  Auch  er  eilte  seiner  Zeit  voraus.  Mit  einer  höchst 
geistreichen  Technik  skizzirte  er  Gebirgslandschaften,  aber  auch  Wasserbilder,  die  er  gelegentlich 
mit  Viehstaffage  belebte.  Ein  früher  Tod  liefs  ihn  nicht  zur  Entwicklung  kommen,  die  ihn  vielleicht 
mit  an  die  Spitze  der  neueren  Bestrebungen  gestellt  hätte. 

Verhältnifsmäfsig  früh  wandte  sich  einer  durchaus  realistischen  Weise  Carl  Irmer,  geboren 
1834,  zu,  der  deshalb  bis  zu  seinem  Tode  (1900)  zu  den  Modernen  zählte,  aber  schon  seit  1855  unter 
Gude  seine  Studien  begann.  In  seinen  meist  einfachen  Motiven  versuchte  er  schon  früh  die 
feineren  Beleuchtungseffecte,  die  Wirkung  von  Licht  und  Luft  wiederzugeben,  und  so  kam  er 
den  späteren  Bestrebungen  als  einer  der  Ersten  entgegen. 

Auch  Spoerer  malte  schon  früh  in  einer  aufserordentlich  naturalistischen  Art,  die  bei  ihm 
wohl  von  Paris,  das  er  häufig  besuchte,  beeinflufst  war,  seine  einfachen  aber  trefflich  beobachteten 
Motive  von  der  bretagnischen  Küste.  Später  entwickelte  er  sich  bezüglich  seiner  Vorwürfe  reicher 
und  vielseitiger,  und  verstärkte  auch  die  farbige  Wirkung  seiner  Bilder.  Er  starb  1898.  Gerade 
er  bildet  den  Uebergang  zu  Dücker,  der  ihn  auch  beeinflufst  hat,  und  zu  dessen  energischem 
Abschlufs  mit  der  älteren  Landschaftskunst. 

Der  Eintritt  Dückers  in  die  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei  fällt  ungefähr  mit  dem  Um- 
schwung zusammen,  der  in  der  Figurenmalerei  zu  Beginn  der  70er  Jahre  eintreten  sollte,  und 
sein  Einflufs,  nicht  nur  auf  seine  Schüler,  sondern  auch  auf  die  Künstlerschaft  überhaupt,  war 
ein  so  bedeutender,  dafs  auf  ihn  auch  die  modernsten  Bestrebungen  zurückzuführen  sind.  Die  Ent- 
wicklung des  Naturalismus  in  der  Landschaftskunst  ist  aber  nicht  nur  der  der  Figurenmalerei 
vorangeeilt,  hat  vielleicht  auch  sie  beeinflufst,  sondern  er  hat  sie  in  mancher  Beziehung  sogar 
überdauert,  da  gerade  die  jüngsten  Landschaftsmaler  noch  immer  energisch  den  naturalistischen 
Standpunkt  vertreten,  der  in  der  Figurenmalerei  keineswegs  so  consequent  durchgeführt  wurde, 
und,   wenn  nicht  Alles  trügt,  die  Höhe  seiner  Herrschaft  bereits  überschritten  hat. 

Eugen  Dücker,  geboren  1841  zu  Arenberg  in  Livland,  kam  1864  nach  Düsseldorf.  Seiner 
.  ganzen    Erziehung    und    seinem    Wesen    nach    bildete    er    den    entschiedensten    Gegensatz    zu    der 

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EUG.  DUCKER 

Am   Ostseestrande 


damals  herrschenden,  immer  noch 
mehr  oder  weniger  romantischen 
Landschaftsmalerei,  die,  vertreten 
von  den  älteren  Landschaftsmalern, 
von  den  beiden  Achenbach  an,  noch 
heute  keineswegs  verschwunden  ist. 
In  Dückers  Kunst  ist  etwas  von  dem 
Rationalismus,  der  sich  in  den  70er 
Jahren  über  alle  Gebiete  auszubreiten 
begann.  Neben  einer  eminenten 
künstlerischen  Feinfühligkeit  besitzt 
Dücker  eine  fast  wissenschaftlich 
secirende  Art,  die  Natur  zu  sehen 
und  wiederzugeben.  Er  beobachtet 
die  Lichteffekte  der  Luft  und  auf 
dem  Wasser  nicht  nur  mit  der 
Intensität  des  Coloristen,  sondern 
auch  mit  dem  berechnenden  Ver- 
ständnifs  des  Meteorologen,  und  seine 

Bilder  vereinigen  höchsten  Stimmungsgehalt  mit  absoluter  Wahrheit  der  Phänomene  und  Effecte. 
Als  Lehrer  an  der  Akademie  wirkte  Dücker  seit  1872  provisorisch,  seit  1874  definitiv  angestellt, 
geradezu  epochemachend.  Wie  mit  einem  Schlage  verschwanden  aus  den  akademischen  Ateliers 
die  überlieferten  Wald-  und  Wiesenbilder,  wie  sie  mit  Anwendung  von  viel  Gemüth  als  alte 
Erbschaft  immer  weiter  gemalt  worden  waren.  Die  See,  die  ja  durch  die  Achenbach  und  die 
Norweger  der  Düsseldorfer  Kunst  vertraut  geworden  war,  wurde  in  einer  ganz  neuen  Weise,  nicht 
in  ihrer  dramatischen  Bewegung,  sondern  in  der  Ruhe,  im  Sonnenglanz,  in  melancholischen 
Sonnenuntergängen  und  schimmernden  Morgenstimmungen  aufs  eingehendste  studirt  und  mit  einer 
ebenso  virtuosen,  wie  sorgfältigen  Technik  gemalt.  Dücker  selbst  bevorzugte  die  einfachen 
„flachen  Motive":  ein  weiter  ununterbrochener  Horizont  entspricht  dem  Ruhebedürfnifs  der 
nervöser  werdenden  Zeit.  Seine  Sonnenbeleuchtungen  verlieren  das  theaterhaft  Prächtige,  das 
selbst  Oswald  Achenbach  liebt,  sie  sind  in  erster  Linie  wahr,  von  der  kühlen  durchsichtigen 
Wahrheit  der  Ostsee,  die  Dücker  mit  Vorliebe  studirt  hat.  Die  Melancholie  seiner  Stimmungen 
hat  nicht  mehr  den  historischen,  durch  Staffage  unterstützten  Charakter,  wie  bei  Lessing,  oder  den 
,,romantisch-klassicistischen".  wie  bei  Schirmer,  sie  ist  objectiv,  wie  die  der  Natur  selbst,  sie 
drängt  sich  nicht  auf,  aber  sie  wirkt  mit  unausweichlicher  Macht,  wie  eben  auch  die  Natur.  Es 
ist  die  berühmte  paysage  intime  der  Franzosen  ins  Nordische,  ins  Helle  übersetzt  und  an  die  See 
verlegt.  Weniger  als  irgend  ein  Landschaftsbild  lassen  sich  die  Gemälde  Dückers  beschreiben, 
und  selbst  die  anspruchslosen  Titel  sind  nicht  viel  mehr  als  Katalogsbezeichnungen.  Motive  aus 
Esthland,  von  Rügen,  von  der  Ostsee  überhaupt,  werden  bevorzugt,  aber  selbst  in  der  Umgegend 
von  Düsseldorf  fand  Dücker  Motive,  die  seiner  Eigenart  entsprachen,  und  wenn  er  auch  selbst 
nicht  das  Hauptgewicht  seiner  Thätigkeit  hierher  verlegte,  so  wies  er  doch  seine  Schüler  auf  die 
heimische  nachbarliche  Natur,  die  der  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei  so  lange  fremd  geblieben 
war,  hin.  So  entstanden  in  seinen  Schülern,  allerdings  auch  in  einem  seiner  Schule  als  solcher 
fernstehenden  Künstler,  Georg  Oeder,  nun  die  Schilderer  ,, unserer  Gegend',  wie  Oeder  selbst 
gelegentlich  eines  seiner  Bilder  nannte,  jene  Künstler,  die  als  die  Modernen  unserer  Tage  den 
Charakter  der  heutigen  Landschaftskunst  bestimmen  und  an  deren  Spitze  seit  etwa  einem  Jahrzehnt 
bis  vor  Kurzem  O.  Jernberg  stand. 

Georg  Oeder  gebührt  das  Verdienst,  diese  Heimathskunst  zuerst  und,  wie  gesagt,  unabhängig, 
energisch  gepflegt  zu  haben.  Er  ist  1846  in  Aachen  geboren  und  widmete  sich  als  Autodidakt 
seit  1868  in  Düsseldorf  der  Malerei.  Diese  Unabhängigkeit  von  jeder  Schule  hat  zweifellos  die 
Originalität  seiner  Naturanschauung  gefördert,  und  wenn  er  auch  keine  Schüler  herangebildet  hat, 
so  ist  doch  sein  Einflufs  auf  zahlreiche  jungen  Maler,  unter  Anderen  auch  auf  Jernberg  und  andere 
Dückerschüler  nicht  zu  verkennen. 

In  seinen   Motiven   liebt  er  die  Uebergangszeiten   des  Vorfrühlings  und  des  Spätherbstes,   wie 

er    auch     das    gebrochene    Licht    des     dämmernden     oder    wolkenbedeckten    Himmels    bevorzugt. 

Sonnige  sommerliche  Landschaften  hat  er  kaum  gemalt,  eher  den  Winter,  aber  auch   ihn  nur  von 

,  der    melancholischen    Seite    gesehen.     Seine    individuelle    Naturauffassung    stellte    Oeder    bei    der 


217 


Spaltung  der  Düsseldorfer  Künstlerschaft  auf  die  Seite  der  Secessionisten  und  Jungen,  zu  denen  er 
seiner  schon  in  die  70er  Jahre  fallenden   Meisterschaft  nach   nicht  eigentlich  gehört. 

Jünger    als    Oeder,    aber    Autodidakt    wie    er,    und    wie    er    eine    Zwischenstufe   zwischen    der 
älteren    und    der  neuesten  Landschaftsmalerei    einnehmend,    ist    Heinrich  Härtung    hier  zu  nennen. 


GEORG  OEDER 
Niederrheinische  Landschaft 

Er  wurde  1851  in  Coblenz  geboren  und  ist  seit  1877  in  Düsseldorf  ansässig.  AuchV'er  hatte  sich 
durch  selbständiges  Naturstudium,  auf  Reisen  nach  Italien,  München  und  Berlin  gebildet  und  ist 
einer  der  sehr  wenigen  jungen  Düsseldorfer  Landschaftsmaler,  die  den  Rhein  als  Studiengebiet 
gewählt  haben  und  mit  wirklicher  Heimathliebe  seine  Schönheiten  schildern.  Freilich  ist  Härtung 
absolut    nicht    mehr  Romantiker,    was    bei    den    älteren  Malern    des   Rheins    unvermeidlich    schien. 


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Er  war  im  Gegentheil  einer  der  Ersten,  der  die  zarten,  duftigen,  zuweilen  selbst  farblosen  oder 
grauen  Stimmungen  der  Mittelrheinlandschaften  mit  gröfster  Treue  schilderte,  und  mit  dem  eigen- 
thümlichen  zarten  Graugrün  der  rheinischen  Frühlingsblüthe  eine  ganz  neue  coloristische  Note  in 
die  Düsseldorfer  Landschaftsmalerei  einführte.  Uebrigens  malte  Härtung  auch  Mosellandschaften 
und  Eifelmotive,  alle  in  durchaus  realistischer,  wenn  auch  vorwiegend  coloristischer  Auffassung. 
Von  den  älteren  Dückerschülern  hat  sich  auch  Adolf  Schweitzer  als  Schilderer  vorwiegend 
winterlicher  Landschaften  eine  gewisse  Specialität  geschaffen.  Mit  Vorliebe  malte  er  den  frischen, 
womöglich  von  der  Sonne  beleuchteten  Schnee  in  Wald  und  Feld  und  findet  hier  zuweilen  einen 
starken  poetischen  Ausdruck.  Geboren  1847  in  Dessau  und  seit  1868  in  Düsseldorf,  war  er  auf 
der  Akademie  noch  Schüler  von  Oswald  Achenbach,  dem  er  vielleicht  seine  Neigung  zu  starken, 
vollen  Farben  und  einer  gewissen  romantischen  Composition  seiner  Bilder  verdankt,  dann  studirte 
er  bei  Dücker.  Von  seinen  zahlreichen  Bildern,  er  ist  einer  der  regelmäfsigsten  Aussteller,  sind 
zu  erwähnen:   der  stimmungsvolle   ,, Wintertag",    in  der  Kunsthalle  zu  Düsseldorf,    ,, Winterabend", 


LUDWIG   MUNTHE 
Mondaufgang 

„Frischer  Schnee",  „Norwegisches  Gebirgsthal",  ..Mondaufgang  in  den  Lofoten",  als  Ergebnifs 
seiner  Studienreisen   in   Norwegen,   und  mehrere  auch  sommerliche  Bilder  aus   dem  Ilsethal. 

Eine  ganz  isolirte  Stellung  nehmen  in  jener  Uebergangszeit  zwei  Landschaftsmaler  ein,  die 
künstlerisch  von  gröfster  Eigenart,  doch  merkwürdigerweise  ohne  den  geringsten  Einflufs  auf  ihre 
Umgebung  geblieben  und  heute  auch  für  die  Düsseldorfer  Kunst  verloren  sind.  Der  eine  ist  der 
Norweger  Ludwig  Munthe,   der  andere  Friedrich   von   Schennis. 

Munthe  ist  1841  in  Aaren  geboren  und  starb  1896  in  Düsseldorf,  wo  er  im  Anfang  Schüler 
von  Flamm  war.  Bei  ihm  entwickelte  sich  eine  ganz  eigenthümliche  coloristische  Feinfühligkeit, 
die  fast  ausschliefslich  in  den  trübsten  Wetterstimmungen  ihre  Anregungen  suchte.  Dunstige 
Sonnenuntergänge  am  Meeresstrande  mit  Schnee  und  Eis,  Regenwetter,  wobei  der  trübe  Schimmer 
der  Strafsenlaternen  sich  in  dem  unergründlich  scheinenden  Schlamm  der  Wege  wiederspiegelt, 
nebelige  Waldinterieurs  in  schwachem  Mondlicht  oder  gespensterhaftem  Morgengrauen,  das  sind 
so  die  Stimmungen,  die  er  liebte  und  mit  einer  ganz  aufserordentlichen,  zuweilen  an  die  sonnigen 
Bilder  O.  Achenbachs  erinnernden  Virtuosität  der  Technik,  und  in  einer  fabelhaften  Productivität 
malte. 


221 


Gerade  Munthe  war  einer  der  zielbewufstesten  Vorläufer  der  modernen  impressionistischen 
Bestrebungen  in  der  Landschaft,  und  selbst  durchaus  Impressionist ;  v.  Schennis  aber,  der,  1854  in 
Elberfeld  geboren,  Anfang  1880  nach  Düsseldorf  kam,  um  es  Ende  der  90er  Jahre,  nach  häufigen 
Reisen,  wie  es  scheint  für  immer  mit  Berlin  zu  vertauschen,  ist  seinem  ganzen  Wesen  nach 
Romantiker  mit  starker  Beimischung  eines  rococohaften  Klassicismus,  der  seinen  Arbeiten  einen 
ganz  besonderen  Stempel  aufprägt.  Er  empfängt  seine  Anregungen  meist  von  der  südlichen 
Natur,  die  er  in  der  Art  Claude  Gellees  oder  Dughets  auffafst,  aber  mit  einer  überaus  capriciösen 
und  nervösen  Technik  wiederzugeben  sucht.  In  dieser  Technik,  wie  auch  in  manchen  Farben- 
stimmungen, wenn  er  das  dunkele  tiefe  Braun  beiseite  läfst  und  in  grau-blauen  und  grünen  Tönen 
schwelgt,  ist  Schennis  nun  freilich  ganz  modern,  und  modern  ist  auch  seine  Thätigkeit  als  Maler- 
radirer,  der  er  mit  seine  schönsten  Erfolge  verdankt. 


EUG.   DUCKER 
Landschaft 


222 


XI.  Kapitel 

Schlachtenmalerei,  Thiermalerei,  Graphische  Künste 


AS  Stärkerwerden  der  Genremalerei  fiel  zusammen  mit  dem  Schwächerwerden  der  grofsen 
romantischen  Historienmalerei.  Aber  es  schiebt  sich  hier  ein  Kunstzweig  ein,  der  in- 
haltlich wie  nach  seiner  äufseren  Anlage,  Historie,  zeitgenössisches  Genre  und  Land- 
schaft verbindet,  der  historische  Ereignisse  des  Tages  in  genrehafter  oder  episodenhafter 
Weise,  nicht  auf  der  Grundlage  einer  künstlerischen,  oder  besser  gesagt  künstlichen 
Composition,  sondern  nach  Beobachtung  der  Wirklichkeit  zu  malen  versucht  bezw.  dazu  gezwungen 
ist,  und  als  äufsere  Brücke  auch  wieder  die  Landschaft,  die  ja  in  der  Genremalerei  von  früh  an 
eine  so  bedeutsame  Rolle  gespielt  hatte,  benutzen  mufs. 

Von  den  Historienmalern  hatten  sich  mit  Ausnahme  Lessings  die  wenigsten  um  die  Land- 
schaft gekümmert.  Wo  sie  sie  nicht  umgehen  konnten,  ,,idealisirten"  sie  sie  noch  mehr,  wie  die 
Figuren.  Lessing,  der  ebenso  hervorragend  als  Figuren-  wie  als  Landschaftsmaler  beide  Kunst- 
zweige miteinander  vereinigte,  und  in  seinen  reich  staffirten  Landschaften  vielleicht  sogar  seine 
besten  und  unvergänglichsten  Werke  hinterlassen  hat,  ist  somit  als  der  Vater  dieser  genrehaften 
Historie,  der  Schlachtenmalerei,  anzusehen,  die  naturgemäfs  ebenso  und  noch  mehr  als  das 
Bauerngenre  der  Landschaft  bedurfte. 

Die  deutsche  Schlachtenmalerei  erfreut  sich  in  der  neueren  Kunstschreibung  einer  fast  allge- 
meinen Mifsachtung,  die  in  letzter  Linie  vielleicht  darauf  beruht,  dafs  man  in  ihr  die  besonders 
kunstfeindliche  Tendenz  einer  unaufrichtigen,  gemachten  Beeinflussung  des  Beschauers,  des  Volkes, 
zum  Patriotismus  vermuthet,  wie  denn  allerdings  kein  anderer  Kunstzweig  der  Versuchung  in  dem 
Mafse  ausgesetzt  ist,  auf  eine  so  billige  und  für  den  Patrioten  nicht  leicht  angreifbare  Weise 
Stimmung  und  Reklame  für  sich  zu  machen. 

Dieser  Verdacht  steht  aber  ohne  Zweifel  im  Zusammenhang  mit  der  heute  in  Deutschland 
wieder  Mode  gewordenen  Furcht,  sich  durch  Patriotismus  lächerlich  zu  machen,  und  ist  wohl 
auch  eine  Folge  des  internationalthuenden,  W^eltbürger  spielenden  Gigerlthums,  das  über  so 
kleinstädtische,  bürgerlich  naive  Gefühle,  wie  Vaterlandsliebe  oder  Nationalgefühl  sind,  hoch 
erhaben  ist.  In  der  wissenschaftlichen  Kunstbetrachtung  mufs  die  Phrase  von  der  Internationalität 
der  Kunst  herhalten.  Als  ob  es  überhaupt  je  eine  grofse  Kunst  gegeben  hätte,  die  nicht  national 
gewesen  wäre,  wie  es  die  aegyptische,  die  griechische,  die  florentiner  im  allerhöchsten  Mafse 
ist.  Eine  Untersuchung,  woher  diese  feige,  bei  keiner  Nation  der  \Velt  sonst  vorkommende 
Perversität  in  letzter  Linie  stammt,  gehört  nicht  hierher.  Thatsache  ist  nur,  dafs  die  deutschen 
concessionirten  Kunstgelehrten  sich  alle  Mühe  geben,  beim  Volk  und  bei  den  sachunverständigen 
Künstlern  in  diesem  traurigen  Sinne  zu  wirken.  Einer  dieser  Herren  beweist,  dafs  die  Kunst 
als  solche  überhaupt  nicht  national  sein  könne;  ein  Anderer,  dem  freilich  seine  verblüffende 
Unwissenheit  und  seine  notorische  Erkrankung  an  literarischer  Kleptomanie  und  dadurch  bedingte 
absolute  Urtheilslosigkeit  als  mildernde  Umstände  zur  Seite  stehen,  erklärt  ganz  vergnügt,  dafs 
es  eine  deutsche  Malerei  nie  gegeben  hat.  So  ist  es  denn  kein  Wunder,  dafs  diesen  Herren  die 
malerische  Darstellung  eines  Motivs  aus  der  neueren  deutschen  Geschichte  im  patriotischen  Sinne 
höchst  unangenehm  sein  mufs  und  von  ihnen  als  Knopfmalerei  oder  als  Unteroffizierthum  in  der 
Kunst  gebrandmarkt  wird.  Geschieht  freilich  das  Entsprechende  von  französischer  oder  englischer 
Seite,  so  ist  die  Bewunderung  stets  eine  grofse  und  uneingeschränkte.  Die  Düsseldorfer  Malerei 
hat  sich  nun  niemals  sonderlich  um  die  von  wissenschaftlicher  Seite  in  Berlin  oder  München 
aufgestellten  Moderegeln  und  Gesetze  gekümmert,    woher    denn    auch    die    ihr  zu  Theil  gewordene 

15 
225 


schlechte  Behandlung  in  der  sogenannten  wissenschaftlichen  Literatur  und  der  Presse  stammen 
mag,  und  namentlich  die  Schlachtenmalerei  hat  sich  hier  schon  früh  ganz  unbekümmert  und 
ungestört  entwickelt  und  blüht  bis  zum  heutigen  Tage.  Dafs  verständige  Leute,  die  es  ja  auch 
unter  den  Kunstgelehrten  giebt,  den  internationalen  und  antideutschen  Cancan  nicht  mitmachen, 
ist  ja  selbstverständlich. 

Gurlitt  z.  B.  vertheidigt  die  patriotischen  Tendenzen  der  Schlachtenmalerei  sehr  emfach  und 
schlagend,  indem  er  fragt:  „Ist's  nicht  idealistische  Forderung,  dafs  die  Kunst  edle  Gefühle  wecken 
soll?  Warum  dann  nicht  die  Vaterlandsliebe."  Und  er  weist  ferner  darauf  hin,  dafs  die  historischen 
Schlachten  versunkener  Völker,  die  mit  Begeisterung  gemalt  wurden,  doch  künstlerisch  nicht  mehr 
Berechtigung  haben,  als  die  heutigen. 


WILHELM   CAMPHAUSEN 
Das   Dragoner-Regiment  Anspach-Baireuth 

Die  Düsseldorfer  Schlachtenmalerei  hat  sich  in  so  einfacher  und  selbstverständlicher  Weise 
entwickelt,  dafs  schon  darin  ein  Beweis  für  ihre  Berechtigung  liegt,  wenn  man  nicht  überhaupt 
einem  jeden  Kunstzweige,  wie  einer  jeden  anderen  geistigen  Erscheinung  diese  Berechtigung  am 
besten  und  einfachsten  aus  der  blofsen  Existenz  heraus  zusprechen  will. 

Im  alten  Düsseldorf,  das  seinen  kleinstaatlichen  particularistischen  Residenzcharakter  lange 
behalten  hat,  war  der  Soldat,  ,,der  Preufs",  allerdings  der  denkbar  verhafsteste  Anblick.  Selbst  die 
Maler,  welche  mit  den  Offizieren  des  schon  damals  hier  liegenden  Ulanenregiments  freundschaftlich 
verkehrten,  dachten  nicht  daran,  sie  aufser  etwa  im  Porträt  darzustellen.  Lessing,  der  seit  seiner 
Einjährigenzeit  mit  Vorliebe  Pferde  studirte,  hat  kein  modernes  Soldatenbild  gemalt.  Die  Anderen, 
Hildebrandt  u.  s.  w.,  schon  gar  nicht. 


226 


WILHELM    CAMPHAUSEN 
Blüchers   Rheinübergang  bei  Caub 

Das  moderne  Schlachtenbild  mufste  den  Umweg  über  das  historische  machen,  und  wurde  erst 
durch  die  gezeichnete  Illustration  der  zeitgenössischen  Ereignisse  diesen  zugeführt. 

An  der  Spitze  dieses  Kunstzweiges  stand  fast  durch  drei  Malergenerationen  hindurch  ein 
Künstler,  der  auch  sonst  für  das  künstlerische  Leben  in  Düsseldorf  eine  Zeitlang  von  grofser 
Bedeutung  war.  Wilhelm  Camphausen  war  1818  in  Düsseldorf  geboren  und  besuchte  seit  1834 
die  Akademie,  auf  der  er  anfangs  unter  C.  Sohns  Leitung  und  mit  einigen  Unterbrechungen  bis 
1850  verblieb.  Seine  Neigung  führte  ihn  schon  sehr  früh  zu  Darstellungen  aus  dem  Reiterleben; 
aber  es  durfte  zunächst  nicht  das  moderne  sein,  sondern  es  mufste  mit  den  historischen  Costümen 
des  30jährigen  Krieges  drapirt  werden.  Tilly  und  Gustav  Adolph  sind  die  Helden,  denen  ver- 
schiedene Bilder  schon  früh  gewidmet  wurden.  In  München,  wo  sich  Camphausen  vorübergehend 
aufhielt,  wurde  er  durch  die  dortige  romantische  Schlachtenmalerei  zu  einem  grofsen  Bilde,  „die 
Schlacht  von  Ascalon"  angeregt,  das  ihn  aber  nicht  befriedigte.  Er  kehrte  also  wieder  zu  seinen 
kleineren  und  der  Zeit  nach  wenigstens  etwas  näher  liegenden  Bildern  zurück.  Der  Einflufs  Leutzes, 
vielleicht  aber  auch  die  Lektüre  des  damals  mit  Gier  verschlungenen  Walter  Scott,  führte  ihn  in 
die  englische  Geschichte  ein,  und  es  entstanden  die  zahlreichen  Bilder  aus  der  Zeit  Karls  I. 
und  Cromwells  mit  ihren  Cavalieren  und  Puritanern,  in  denen  ähnlich,  wie  bei  Lessing,  sich  eine 
glückliche  Verbindung  von  Figuren  und  Landschaft  zeigt. 

Aber  schon  1846  hatte  Camphausen  auch  das  Reitergefecht  eines  preufsischen  Regimentes 
—  I.  Kürassier-Regiments  —  für  den  Prinzen  Friedrich  von  Preufsen  gemalt,  und  seit  der  Mitte 
der  50er  Jahre  wandte  er  sich  energisch  der  vaterländischen,  speciell  der  preufsischen  Schlachten- 
und  Geschichtsmalerei  zu.  Camphausen  war  der  erste  Düsseldorfer,  der  den  alten  Fritz  malte, 
welcher  durch  Adolph  Menzel  längst  in  die  deutsche  Malerei  eingeführt  worden  war.  So  entstanden 
„Friedrich  II.  und  das  Dragoner-Regiment  Baireuth  bei  Hohenfriedberg"  und  ,, Friedrich  der 
Grofse  an   der  Leiche  Schwerins". 


227 


WILHELM    CAMPHAUSEN 

Kaiser  Wilhelms  Einmarsch    in  Frankreich 

Nach   der  Lithographie  von   Süssnapp 

(Mit  Genehmigung  von  Rudolf  Schuster  in   Berlin)  • 


Diese  Bilder  sind  die  ersten  Zeichen,  dafs  auch  in  der  alten  kurfürstlichen  Residenz  am 
Niederrhein  das  Gefühl  der  Zusammengehörigkeit  mit  dem  immer  noch  als  Eroberer  betrachteten 
Preufsen  zu  erwachen  beginnt,  und  es  ist  wichtig,  dafs  Camphausen  nicht  etwa  auch  ein  ,, Ost- 
länder", sondern  ein  richtiger  Düsseldorfer  war.  Die  Ereignisse  der  Gegenwart  und  wohl  auch 
die  Erkenntnifs  der  gesunderen  Zustände  wurden  endlich  stärker  als  das  alte  particularische 
Spiefsbürgerthum. 

Es  folgten  Motive  aus  den  Freiheitskämpfen,  so  vor  Allem  , .Blüchers  Rheinübergang  bei  Caub", 
dann  „Blücher  und  Wellington  bei  Belle  alliance".  Im  Jahre  1864  machte  Camphausen  den  Feld- 
zug gegen  Dänemark  als  Schlachtenzeichner  mit,  und  es  entstanden  die  höchst  populär  gewordenen 
Bilder  „Erstürmung  der  Schanze  II",  ,, Düppel  nach  dem  Sturm",  ,,Uebergang  nach  Alsen",  als 
die  ersten  Darstellungen  der  ersten  preufsischen  Siege  nach  einer  langen  Zeit  trauriger  diplomatischer 
Niederlagen.  Auch  der  bald  darauf  folgende  österreichische  Krieg,  den  Camphausen  im  Haupt- 
quartier des  Kronprinzen  mitmachte,  gab  ihm  Gelegenheit  zu  verschiedenen  bedeutenden  Werken, 
und  nach  1870  entstanden  noch  die  beiden  charakteristischen  Bilder  ,, Napoleon  III.  nach  Sedan" 
und  „Einzug  Kaiser  Wilhelms  in  Berlin".  Alle  diese  Bilder  erlangten  in  Stichen  und  namentlich 
in  Photographien  eine  grofse  Verbreitung,  aber  seinen  Hauptruf  verdankt  Camphausen,  und  zwar 
mit  Recht,  seinen  historischen  Reiterporträts,  die  er  in  verschiedenen  Zeiten  schuf.  Macht  sich 
bei  seinen  früheren  Arbeiten,  den  historischen  Costümbildern,  der  anekdotenhafte  Zug  noch  geltend, 
blieben  die  späteren  Schlachtenbilder  zuweilen  in  dem  militärischen  Schema  hängen,  so  hat 
Camphausen  in  seinen  Reiterporträts  des  ,, alten  Fritz",  ,, Kaiser  Wilhelms",  vor  Allem  aber  in  dem 
prächtigen  Bilde  des  ,,grofsen  Kurfürsten",  W^erke  von  wahrhaft  monumentaler  Wucht  und  histo- 
rischer Gröfse  geschaffen,  die  aus  der  Düsseldorfer  Kunst  nicht  verschwinden  werden. 

Schon  früh  hatte  Camphausen  eifrig  illustrirt  und  gezeichnet,  er  war  einer  der  Begründer 
und  Hauptmitarbeiter  an  den  Düsseldorfer  Monatsheften  und  arbeitete  auch  für  die  Münchener 
, .Fliegenden  Blätter".  Mit  Henry  Ritter  illustrirte  er  Washington  Irving,  sowie  eine  Prachtausgabe 
der  Uhlandschen  Gedichte,  dem  Malkasten  gehörte  Camphausen  seit  dessen  Gründung  als  eines 
der  thätigsten  Mitglieder  an.  Seinen  geselligen  Talenten  verdankte  der  Verein  nicht  zum  wenigsten 
sein  rasches  Aufblühen  und  die  führende  Stellung,  die  er  im  Gegensatz  zur  Akademie  seit  dem 
Anfang  der  60er  Jahre  einzunehmen  begann.    Camphausens,  durch  die  Kriege  und  seine  patriotischen 


EMIL  HUNTEN 

Rekognoscirung  bei  Bois  commun 

(Mit   Genehmigung  von  Franz  Hanfstaengl,  München) 


229 


Bilder  angebahnten  Beziehungen  zum  Königshause,  besonders  auch  zu  dem  ihm  freundschaftlich 
zugethanen  Prinzen  Friedrich  von  Preufsen  und  dem  Kronprinzen  Friedrich  Wilhelm  liefsen  ihn 
selbst  sehr  bald  innerhalb  der  Künstlerschaft  eine  ähnliche  Rolle  spielen,  wie  eine  Generation 
früher  sie  Schadow  gespielt  hatte.  Auch  der  literarisch-ästhetische  Hintergrund  fehlte  nicht,  da 
Camphausen  selbst  dichterisch  und  schriftstellerisch  thätig  und  sein  Haus  der  Mittelpunkt  einer 
für  Musik  und  Theater  begeisterten  Geselligkeit  war. 

Zu  den  letzten  Arbeiten  Camphausens  gehört  das  Wandgemälde  in  der  Ruhmeshalle,  , .Huldigung 
der  schlesischen  Stände  im  Fürstensaal  zu  Breslau",  das  1882  vollendet  wurde.  1885  starb  Camp- 
hausen, nicht  ohne  eine  grofse  Zahl  von  Schülern  und  gleichstrebenden  Nachfolgern  zu  hinterlassen. 

Neben  ihm  stand  der  etwas  jüngere  und  heute  noch  rüstig  schaffende  Emil  Hunten,  der  zwar 
eine  Zeitlang  sein  Schüler  war,  aber  künstlerisch  doch  verhältnifsmäfsig  wenig  von  Camphausen 
beeinflufst  ist.  Während  bei  Camphausen  sich  ein  geringes  romantisches  Element  immer  noch 
geltend  machte,  sei  es,  dafs  es  sich  in  den  Costümbildern  der  älteren  oder  in  den  novellistisch 
zugespitzten  genrehaften  Darstellungen  der  späteren  Zeit  ausspricht,  war  Hunten  von  Anfang  an 
ausschliefslich  der  Schlachtenmaler,  für  den  die  Truppe  als  solche  der  eigentliche  Gegenstand  der 
Darstellung  war.  Man  hat  diese  seine  Auffassung  mit  dem  Ausdruck  der  Episodenmalerei  bezeichnet 
und  in  dieser  Episodenmalerei  gewissermafsen  eine  unkünstlerische  Auffassung  der  Kriegsbilder  sehen 
wollen.  Sehr  mit  Unrecht,  denn  die  moderne  Schlacht  ist  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung,  wenn 
überhaupt  noch,  nur  mit  dem  Fernglas  zu  übersehen,  und  ihre  Darstellung  im  Ganzen  würde  auf  die 
einer  Landkarte  hinauslaufen.  Dem  Beobachter  oder  Mitkämpfer  können  immer  nur  Episoden  zur 
Anschauung  kommen,  und  deren  Darstellung  ist  gewifs  so  berechtigt,  wie  irgend  etwas  Anderes. 
Gelingt  es  dem  Künstler,  eine  wichtige  entscheidende  Episode  künstlerisch  und  wahrheitsgemäfs 
zu  fixiren,  so  wird  ein  solches  Episodenbild  den  Charakter  des  wahren  Geschichtsbildes  haben. 
Schliefslich  sind  doch  auch  die  Schlachtenbilder  aller  Zeiten,  sofern  sie  eben  nicht  langweilige 
Veduten  mit  unendlichen  Hintergründen  sind,  Episoden. 

Johann  Emil  Hunten  war  1827  zu  Paris  als  Sohn  des  Klaviercomponisten  Francois  Hunten 
geboren.  Er  studirte  hier  bei  Larinien  Petit  und  Hippolyte  Flandrin  bis  1848,  ging  1849  nach 
Antwerpen,  wo  er  unter  de  Keyser  und  Leys  studirte,  um  dann  seit  1854 — 55  unter  W.  Camp- 
hausen in  Düsseldorf  weiter  zu  arbeiten,  namentlich  Pferdestudien  zu  machen.  Seine  ersten  Bilder 
behandeln  noch  die  friedericianische  Zeit,  bis  er  1859 — 64  und  66  die  Feldzüge  mitmachte  und 
aus  ihnen  die  Motive  zu  zahlreichen,  höchst  lebendigen  und  unmittelbar  empfundenen  Kriegs- 
scenen  entnahm.  Aus  dem  Schleswiger  Winterfeldzug  stammt  das  berühmt  gewordene  Bild 
,, General  von  Nostitz  bei  Oeversee"  und  „Der  österreichische  Parlamentär  vom  Regiment  Coronini". 
Später  malte  Hunten  den  ,, Sturm  der  Schanzen  IV  und  VI  bei  Düppel".  Der  Feldzug  1870/71  gab 
ihm  weiterhin  Gelegenheit  zu  verschiedenen  hervorragenden  Schilderungen,  von  denen  die  Düssel- 
dorfer Kunsthalle  eine  Scene  aus  den  Kämpfen  des  Niederrheinischen  Füsilierregiments  No.  39  bei 
Gravelotte  besitzt. 

In  die  ältere  Zeit  fällt  noch  das  Schaffen  mehrerer  Künstler,  denen  es  nicht  wie  Hunten 
vergönnt  war,  bis  in  unsere  Tage  thätig  zu  sein.  Sie  alle  sind  mehr  oder  weniger  von  Camphausen 
abhängig,  sei  es,  dafs  sie  mit  ihm  zusammen  arbeiteten,  sei  es,  dafs  sie  direct  seine  Schüler  waren. 
Eine  besondere  Eigenart  hat  nur  Bleibtreu  bewahrt,  der  allerdings  schon  verhältnifsmäfsig  früh, 
1858,  Düsseldorf  verliefs  und  sich  erst  in  Berlin  ausschliefslich  den  Darstellungen  aus  den  bald 
ausbrechenden  Kriegen  widmen  konnte,  in  denen  er  seine  hervorragendsten  Erfolge  fand.  Dennoch 
ist  die  solide  Düsseldorfer  Schulung  auf  ihn  von  gröfstem  und  nachhaltigem  Einflufs  gewesen. 
1828  in  Xanten  geboren,  studirte  er  1845 — 48  auf  der  Düsseldorfer  Akademie.  Trotzdem  er  Schüler 
von  Hildebrandt  war,  hielt  er  sich  von  den  romantischen  Motiven  seines  Lehrers  fern  und  stellte 
als  einer  der  Ersten  die  zeitgenössischen  kriegerischen  Ereignisse  in  Schleswig-Holstein  aus  dem 
Jahre  1848  in  einer  Reihe  lebendiger  Bilder  dar.  Später  ging  er  auf  die  Freiheitskämpfe  zurück, 
denn  die  Ereignisse  der  dänischen  Kriege  waren  doch  nicht  wichtig  genug  gewesen,  um  auf  die 
Dauer  ein  künstlerisches  oder  allgemeines  Interesse  zu  bewahren.  Auch  als  Zeichner  war 
Bleibtreu  schon  damals  thätig,  ohne  doch  in  Düsseldorf  sich  zu  der  Bedeutung  zu  entwickeln,  die 
er  später  in  Berlin  für  die  moderne  Schlachtenmalerei  erwarb. 

Auch  August  Beck  blieb  nicht  lange  in  Düsseldorf.  Er  war  1823  in  Basel  geboren  und  in 
Düsseldorf  Schüler  von  Carl  Sohn.  Er  war  der  eigentliche  Typus  des  zeichnenden  Schlachten- 
bummlers, der  für  illustrirte  Zeitungen  die  verschiedenen  Kriege  in  zahllosen  Zeichnungen  ge- 
schildert hat. 

231 


Nicht  recht  zur  Entwicklung  seiner  grofsen  Anlagen  gelangte  Adolf  Northen,  der,  1828  in 
Hannöv.-Minden  geboren,  1847 — 51  die  Akademie  besuchte  und  hauptsächlich  Scenen  aus  dem 
napoleonischen  Kriege  malte,  aber  auch  die  dänischen  Kämpfe,  die  Kriege  mit  Oesterreich  und  den 
französischen  Krieg  behandelte.  In  der  Verbindung  landschaftlicher  Stimmung  mit  den  kriegerischen 
Scenen  strebt  er  ein  durchaus  modernes  Element  seiner  Kunst  an,  doch  scheinen  technische  Schwierig- 
keiten   ihn   bei    der  Ausbildung   seiner  Arbeiten   gehemmt   zu    haben.     Er  starb  1876   in  Düsseldorf. 

An  demselben  Mangel  einer  nicht  vollständig  ausgebildeten  Technik  litt  auch  Otto  Fickentscher. 
Es  scheint,  dafs  die  illustrative  Thätigkeit  alle  jene  Künstler  verhindert  hat,  sich  in  der  Malerei 
entsprechend  auszubilden,  ohne  dafs  bei  der  Schnelligkeit,  mit  der  sie  ihre  Illustrationen  entwerfen 
mufsten,  ihre  Zeichenkunst  grofse  Vortheile  davon  getragen  hätte. 

So  gewähren  die  Militärbilder,  die  Beck,  Northen  und  Fickentscher  sowie  einige  Andere  gemalt 
haben,  keinen  ungetrübten  Genufs  und  müssen  namentlich  gegen  die  mit  gröfster  Meisterschaft 
gemalten  Genrebilder  derselben  Zeit  zurückstehen. 

Die  zahlreichen  Illustrationen,  die  für  den  Tagesbedarf  entstanden,  wurden  ebenso  schnell 
wieder  vergessen  und  sind  gerade  in  unseren  Tagen  durch  die  veränderten  Illustrationstechniken 
ganz  in  den  Hintergrund  gedrängt  und  ungeniefsbar  geworden.  Was  an  ihnen  Gutes  war,  wurde 
durch  den  allzuschnell  hergestellten  Holzschnitt  noch  verdorben. 

Etwas  aufserhalb  dieses  Kreises,  aber  nach  seinen  bedeutendsten  Werken,  die  allerdings 
nicht  in  Düsseldorf  entstanden  waren,  zu  ihm  gehörig,  steht  J.  A.  S.  Nikutowski.  Er  war  1830 
bei  Königsberg  geboren,  studirte  erst  auf  der  Königsberger  Akademie  und  kam  1847  nach  Düssel- 
dorf. Hier  schlofs  er  sich  Lessing  an,  dem  er  1858  auch  nach  Karlsruhe  folgte,  um  aber  1865 
wieder  nach  Düsseldorf  zurückzukehren.  In  Düsseldorf  hatte  Nikutowski  mit  kleinen  Genrebildern 
begonnen;  so  entstand  hier  das  stimmungsvolle  „Begräbnifs  eines  polnischen  Freiheitskämpfers",  in 
Karlsruhe  aber  malte  er  unter  Lessings  Einflufs  die  beiden  grofsen  und  bedeutenden  Bilder 
„Uebergang  über  die  Beresina"  und  „Ende  der  Schlacht  bei  Leipzig".  In  Düsseldorf  widmete  er 
sich  wieder  dem  Genre,  dem  er  allerdings  gerne  einen  militärischen  Hintergrund  gab,  so  ,,Die 
Rückkehr  der  Krieger",  , .Episode  aus  dem  polnischen  Aufstand",  ..Abschied  des  Landwehr- 
offiziers". Nikutowski  war  seit  den  80er  Jahren  bis  zu  seinem  Tode  1888  Lehrer  der  Anatomie 
an  der  Akademie.  Seine  Bilder  zeichnen  sich  neben  grofser  psychologischer  Vertiefung  durch 
aufs  Aeufserste  getriebene,  fast  wissenschaftliche  Genauigkeit  aus.  Man  erzählte  sich,  dafs  der 
Künstler  selbst  bei  kleinen,  aber  figurenreichen  Bildern,  so  bei  dem  in  seinen  letzten  Jahren  ent- 
standenen ,, Bahnhofsvorplatz"  jede  einzelne  Figur  nach  ihrem  Gröfsenverhältnifs  perspectivisch 
construirt  und,  um  keine  Fehler  in  den  Bewegungen  zu  begehen,  in  jede  das  Skelet  hinein- 
gezeichnet habe.  Seine  Lehrthätigkeit  hatte  Nikutowski  zu  Studien  über  vergleichende  Anatomie 
und  zur  Proportionslehre  veranlafst,  die  leider  nicht  veröffentlicht  wurden. 

Christian  Seil  (1831 — 1883)  entstammt  noch  der  romantischen  Costümmalerei.  Er  war  Schüler 
von  Schadow,  Hildebrandt  und  Sohn  gewesen,  hatte  ebenso  wie  Camphausen  zuerst  Scenen  aus 
dem  30jährigen  Kriege  gemalt  und  war  erst  durch  die  kriegerischen  Ereignisse,  denen  er  1864 
und  1866  beiwohnte,  auf  die  Darstellung  der  Gegenwart  geführt  worden.  Seine  ersten  Bilder 
zeichneten  sich  durch  grofse  Lebendigkeit  aus.  Allmählich  nahm  das  genrehafte  Element  in  ihnen 
aber  immer  mehr  zu,  so  dafs  Seil  schliefslich  mehr  der  Schilderer  des  Krieges  im  Frieden  oder 
der  humoristischen  Seiten  des  Soldatenlebens  wurde.  Wie  alle  anderen  Kriegsmaler,  hat  auch  er 
viel  illustrirt,  besonders  für  die  Gartenlaube,  was  seinen  Bildern  nicht  gerade  immer  zum  Vortheil 
gereichte. 

Ein  Schüler  Camphausens,  der  freilich  den  umgekehrten  Weg  machte  wie  Seil,  war  der 
Holländer  Charles  M.  W^ebb,  geboren  1832  zu  Breda.  Er  studirte  von  1848 — 51  an  der  Düsseldorfer 
Akademie,  wurde  dann  Schüler  von  Camphausen,  dem  er  sich  in  dessen  genrehaften  Motiven  der 
älteren  Zeit  anschlofs,  indem  er  z.  B.  ,, Puritaner  im  W^achtzimmer"  u.  s.  w.  malte.  Später  ging  er 
immer  mehr  zum  Costümgenre,  ohne  kriegerische  Staffage,  über,  das  er  in  lebhafter  und  farbiger 
Weise  durchzubilden  pflegte.  Eine  Zeitlang  lebte  Webb  in  Cleve,  kehrte  aber  später  nach  Düssel- 
dorf zurück,  wo  er  1897  starb. 

Zu  den  Düsseldorfer  Kriegsmalern  gehörte  noch  Louis  Kolitz,  wenn  er  auch  seit  1878  nach 
Cassel  als  Director  der  dortigen  Kunstschule  übersiedelte.  Er  war  1845  '^i  Tilsit  geboren,  wurde 
in  Düsseldorf  1864  Schüler  von  O.  Achenbach  und  versuchte  die  coloristischen  Vorzüge  seines 
Lehrers  auf  das  Kriegsbild  zu  übertragen,  was  ihm  bei  einigen  Bildern  nicht  übel  gelang. 


233 


Hand  in  Hand  mit  dem  Aufkommen  einer  realistischeren  Auffassung  der  Kriegsmalerei  in 
der  Landschaft  ging  die  Entwicklung  der  Thiermalerei,  die,  in  einseitiger  Weise  auf  das  Pferd 
beschränkt,  ja  schon  von  den  Schlachten-  und  Militärmalern  ausgeübt  worden  war.  Lessing  malte 
und  zeichnete  schon  seit  seiner  Militärzeit  eifrig  Pferde  und  Hunde.  Dafs  er  als  eifriger  Jäger 
kein  Wild  gemalt  hat,  ist  eigentlich  zu  verwundern.  Camphausens  Pferde  erfreuten  sich  eines 
wohlverdienten  Ruhmes.  Er  verstand  es,  das  einzelne  Thier  nach  Rasse  und  Individualität  zu 
charakterisiren,  was  bei  den  älteren  Soldatenmalern  noch  kaum  der  Fall  ist.  Eine  eigentliche 
Thiermalerei,  die  sich  auf  Wild  und  Rindvieh  erstreckt,  entwickelte  sich  in  Düsseldorf  auffallend 
spät  und  langsam,  was  um  so  verwunderlicher  ist,  als  die  benachbarte  belgische  und  holländische 
Kunst  zu  allen  Zeiten  mit  Vorliebe  das  „schwer  hinwandelnde"  Hornvieh  zum  Gegenstand  selbst 
lebensgrofser  Bilder  gemacht  hat,  und  Verlat  schon  verhältnifsmäfsig  früh  sogar  lebensgrofse 
Löwen  und  dergleichen  exotische  Bestien  malte. 

Friedrich  Happel,  geboren  1825  zu  Arnsberg,  war  einer  der  Ersten,  welche  das  Wild  im 
Leben  und  im  Tode  malten.  Vor  Allem  wurden  seine  Fuchsbilder  gerühmt,  aber  auch  Hirsche 
und  Rehe  stellte  er  mit  grofsem  Erfolg  dar. 

Einen  wirklich  grofsen  künstlerischen  Zug  brachte  aber  erst  Carl  Friedrich  Deiker.  geboren 
1836  zu  Wetzlar,  in  die  Thiermalerei,  indem  er  zunächst  ganz  entschieden  an  die  alten  Thiermaler 
der  Rubensschule  anknüpfte.  Zuerst  Schüler  von  Schirmer  in  Karlsruhe,  kam  er  1864  nach 
Düsseldorf,  wo  er  gleich  mit  einem  grofsen  Bilde  ..Verfolgter  Hirsch"  grofses  Aufsehen  machte. 
Hier  wie  in  anderen  lebensgrofsen  Bildern  aus  dem  Thierleben,  sei  es,  dafs  es  Jagdstücke  waren, 
wie  die  ,, Sauhatz"  im  Kölner  Museum,  sei  es.  dafs  die  Thiere  unter  sich  geschildert  werden,  wie 
„die  sich  beifsenden  Hunde"  in  der  Düsseldorfer  Kunsthalle,  verstand  es  Deiker,  eine  fast  drama- 
tische Kraft  der  Composition  zu  entwickeln,  die,  verbunden  mit  energischer  Farbe  und  vortreff- 
licher Zeichnung,  diese  Arbeiten  denen  der  alten  Meister  Fyt  und  Snyders  an  die  Seite  stellen. 
In  letzter  Zeit  malte  C.  F.  Deiker  fast  ausschliefslich  Rothwild,  das  er  in  allen  möglichen 
Situationen  stets  mit  grofser  Lebendigkeit  schilderte.  Er  war  ferner  als  Zeichner  für  zahlreiche 
Zeitschriften    bis    an    sein    Ende    1892    unermüdlich    thätig.     Sein    Bruder  Johann   Christian   Deiker, 

geboren  1822,  arbeitete  in  demselben  Sinne  mit 
grofsem  Fleifs  aber  nicht  ganz  demselben  Erfolg. 
Vielseitiger  und  in  mancher  Beziehung  feiner 
ist  Christian  Kröner,  der  heute  unbestritten  das 
Haupt  der  Düsseldorfer  Thiermalerei  ist,  soweit 
es  sich  um  das  jagdbare  Thier  handelt.  Er 
wurde  1838  in  Rinteln  (Hessen)  geboren,  widmete 
sich  aber  erst  im  23.  Jahre  der  Kunst.  Seit  1862 
in  Düsseldorf,  schlofs  er  sich  an  den  Landschafts- 
maler Louis  Hugo  Becker  an,  durch  den  er  viel- 
leicht in  seiner  Vorliebe  für  die  Landschaft, 
der  er  stets  einen  grofsen  Antheil  bei  seinen 
Bildern  einräumt,  beeinflufst  wurde.  Anfangs 
unter  schwierigen  Verhältnissen  schaffend,  brach 
sich  sein  Talent  bald  Bahn,  und  er  erzwang 
sich  die  Anerkennung  weiterer  Kreise  für  seine 
ebenso  lebendigen  Thierscenen,  als  stimmungs- 
vollen Landschaften,  die  er  zu  höchst  eigenartigen 
Bildern  vereinigte.  Vielleicht  war  es  das  Doppel- 
studium des  Thieres  und  der  Landschaft,  das 
Kröner  bei  jedem  eine  besondere  Frische  ver- 
lieh, so  dafs  er  in  der  Auffassung  der  Land- 
schaft schon  früh  einem  gesunden  und  künstle- 
rischen Realismus  huldigte,  der  in  vollem  Ein- 
klang stand  mit  der  ebenso  geistreichen,  als 
malerischen  Behandlung  des  Thieres.  Kröners 
Stoffgebiet  ist  ein  aufserordentlich  reiches,  es 
umfafst  aus  der  Thierwelt  fast  alle  deutschen 
c.  F.  DEIKER  jagdbaren  Thiere.    wenn    auch    der  Künstler    mit 

Sauen  einer  gewissen  Vorliebe   immer  wieder  zu   dem 


234 


CHRISTIAN    KRONER 
^Vinter 


stolzesten  derselben,  dem  Hirsche,  zurückkehrt.  Ihn  zu  schildern  wird  er  nicht  müde,  und  seine 
Hirschbilder  gehören  mit  Recht  nicht  nur  zu  den  Zierden  der  deutschen  Ausstellungen,  sondern 
haben  in  den  Prämienblättern  des  Kunstvereins  eine  ebenso  grofse  Verbreitung  wie  Beliebtheit 
gefunden.  Auch  Kröner  ist  als  Zeichner  überaus  thätig  gewesen  und  seine  Aquarelle  gehören  zu 
dem  Besten,  was  in  dieser  Art  in  Düsseldorf  heute  noch  geschaffen  wird. 

Eine  Sonderstellung  unter  den  Thiermalern  nimmt  E.  F.  H.  Volkers  insofern  ein,  als  er, 
ohne  Schlachten-  oder  Militärmaler  zu  sein,  bei  seinen  Studien  und  Bildern  das  Pferd  bevorzugt 
und  dasselbe  ebensowohl  von  der  rein  künstlerischen  Seite,  als  von  der  des  Sportsmannes 
behandelt.     Seine    Specialität  wurde    somit    das  Pferdeporträt,    die  Darstellung  berühmter  Rassen-, 


CHRISTIAN    KRÖN  ER 
Sauen 

Renn-  und  Circuspferde,  bei  deren  Ausführung  der  Kenner  den  Maler  zuweilen  behindert,  indem 
die  allzugenaue  Wiedergabe  aller  Eigenthümlichkeiten  und  Vorzüge  des  Matadors  den  Künstler 
dann  zu  einer  etwas  harten  und  unmalerischen  Auffassung  verleitet.  Seine  Genrebilder,  bei  denen 
Pferde  eine  Hauptrolle  spielen  und  in  denen  er  seine  Costüm-  und  Volksstudien  aus  Rumänien 
zu  verwerthen  liebt,  stehen  künstlerisch  deshalb  vielleicht  höher.  Volkers  ist  1831  geboren, 
studirte  in  Dresden,  später  in  München  und  lebt  seit  1857  in  Düsseldorf. 

Ludwig  Beckmann  kam  zur  Kunst  auf  Umwegen.  Er  ist  1822  in  Hannover  geboren,  war 
zuerst  Wagenbauer  und  als  solcher  literarisch  in  seinem  Fach  thätig.  Seine  Jägerpassion  führte 
ihn  zum  Studium  des  Thierlebens,  zur  Thiermalerei  und  wieder  auf  dem  Wege  über  die  Literatur 
zur  Thierillustration,  in  der  er  Hervorragendes  leistete.    Von  seinen  Gemälden  werden  als  hervor- 


236 


ragend  gerühmt  seine 
besonders  für  England 
gemalten  Bären-  und 
Schweinsjagden.  Am  be- 
kanntesten wurde  er 
durch  seine  Illustrationen, 
die  er  für  illustrirte 
und  Fach  -  Zeitschriften 
in   grofser  Zahl   entwarf. 

Ein  eigenartiges 
Stoffgebiet  innerhalb  der 
Thiermalerei  hatte  sich 
schon  früh  in  Düsseldorf 
einer  gewissen  Pflege  zu 
erfreuen,  nämlich  die  Ge- 
flügelmalerei, wobei  das 
Beispiel  der  alten  Hol- 
länder schon  früh  seinen 
Einflufs  ausgeübt  haben 
mag. 

Gustav  Süfs,  geboren 
1823,  hatte  sich  seit  1850 
diesem  Fach  gewidmet, 
zuerst  allerdings  in  Ver- 
bindung mit  Kinder- 
scenen.  Immermehraber 
und  ausschliefslicher  kam 
er  auf  die  Malerei  des 
zahmen  Hausgeflügels, 
das  er  zuweilen  in  einer 

wirklich  künstlerischen  Weise  und  in  lebensgrofsen  Bildern  darstellte.  Auch  Carl  Jutz,  1838  zu 
Windschlag  in  Baden  geboren,  seit  1867  in  Düsseldorf,  malt  fast  ausschliefslich  Geflügel,  aber 
in  meist  wenig  umfangreichen,  dafür  desto  sorgsamer  ausgeführten  Bildern,  die  in  ihrer  lebhaften 
Färbung  und  originellen  Haltung  fast  an  die  japanischen  und  chinesischen  Vogelbilder  erinnern. 
Ihm  nahe  verwandt  ist  Fritz  Lange,  geboren  1851  in  Düsseldorf. 

Auf  dem  Umwege  über  die  historische  militärische  Genremalerei,  die  Malerei  des  Menschen 
im  Felde,  des  Pferdes  und  des  Thieres  überhaupt,  ist  die  moderne  Kunst  entstanden,  welche  alle 
diese  heterogenen  Elemente,  die  sich  im  Freien  so  friedlich  beisammen  finden,  auch  ebenso  dar- 
stellt, allerdings  von  ihren  Vertretern  eine  Vielseitigkeit  verlangt,  wie  sie  im  Anfang  nur  besonders 
Begabten  verliehen  zu  sein  schien.  Dafs  viele  dieser  Maler  vom  Studium  der  Landschaft  aus- 
gegangen sind,  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  aber  auch  die  eigentliche  Militärmalerei  stellt 
späterhin  zu  dieser  Gruppe  wieder  ihre  Vertreter. 


CARL  JUTZ 
Unfolgsame  Kinder 


Die  Kunst  der  romantischen  Historienmalerei  und  auch  die  der  Genremaler  bis  in  die  neuere 
Zeit  hinein  war  sozusagen  eine  illustrative.  Als  Motive  zu  den  Bildern  wurden  fast  aus- 
schliefslich Scenen  nicht  sowohl  aus  der  Geschichte,  als  noch  viel  mehr  aus  den  Dichtungen 
aller  Zeiten  und  aller  Völker  gewählt.  Selbst  die  geschichtlichen  und  biblischen  Motive  finden 
ihren  Weg  auf  die  Leinw^and  nicht  nur  aus  der  Bibel  oder  den  Geschichtsquellen  direct,  sondern 
fast  ebensosehr  oder  noch  mehr  auf  dem  Wege  über  den  Roman  und  das  Theater.  Da  lag  es 
denn  nahe,  dafs  auch  ein  umgekehrtes  Verhältnifs  beim  Genufs  der  Dichter  eingeschlagen  wurde. 

Ein  wahrer  Bilderhunger  schien  sich  des  Volkes  bemächtigt  zu  haben;  das  Theater  und  die 
Oelbilder  genügten  ihm  nicht  mehr  zur  Verkörperung  der  Gedanken  der  Dichter,  und  die  Zeich- 
nung mufste  hinzugenommen  werden.  Wie  man  ein  Bild  nicht  ohne  einen  poetischen  Inhalt 
sehen  und  verstehen  konnte,  so  mochte  man  bald  keine  Bücher,  sei  es  in  Prosa,  sei  es  in  Versen 
lesen,    ohne  Bilder    dabei  zu  haben.     Dieses  Verlangen    ist    gerade    beim    deutschen  Volke    so    alt, 


239 


wie  die  Literatur  und  die  Kunst  selbst.  Die  deutsche  Tafelmalerei  ist  vielleicht  aus  der  Buch- 
illustration hervorgegangen,  und  die  deutsche  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  ist  sozusagen  aus 
der  Illustration  entstanden. 

So  begann  schon  früh  das  Illustrationswesen,  das  gerade  in  Düsseldorf  einen  aufserordent- 
lichen  Aufschwung  nahm,  alle  damals  bekannten  vervielfältigenden  Techniken  benutzte  und  die 
Literatur  mit  zahllosen  illustrirten  Ausgaben  und  Prachtwerken  überschwemmte. 

Die  damalige  Bedeutung  der  Düsseldorfer  Kunst  zeigt  sich  auch  darin,  dafs  ihre  Zeichner 
weit  über  die  Grenzen  der  Rheinlande  hinaus  von  Verlegern  beschäftigt  wurden.  Es  kam  seit 
den  30er  Jahren  kaum  ein  illustrirtes  Buch  zur  Ausgabe,  an  dem  nicht  Düsseldorfer  beschäftigt 
waren,  und  eine  ausführliche  Geschichte  der  Düsseldorfer  Buchillustration  würde  ein  ebenso  inter- 
essantes als  umfassendes  Kapitel  vorstellen. 

Die  Thätigkeit  des  Cornelius  auf  diesem  Gebiete  wurde  schon  berührt.  In  der  Schadowzeit 
machte  man  den  Anfang  mit  der  in  Düsseldorf  schon  früher  geübten  Technik  der  Radirung,  und 
das  im  Jahre  1837  erschienene  berühmte  Buch  „Lieder  eines  Malers  mit  Randzeichnungen  seiner 
Freunde",  herausgegeben  und  gedichtet  von  dem  liebenswürdigen  Robert  Reinick,  enthält  die 
ersten  Versuche  der  Romantiker  auf  dem  Gebiete  der  Originalradirung,  und  ist  für  die  ganze 
Stimmung  der  Zeit  und  ihrer  Künstler  ein  wahres   kleines  Compendium  in  ansprechendster  Form. 

Selbst  der  ernste  Schadow  hat  es  nicht  verschmäht,  hier  einen  Beitrag  beizusteuern,  ebenso 
auch  Lessing,  der  sonst,  so  viel  er  auch  zeichnete,  verhältnifsmäfsig  wenig  illustrirt  hat,  und  fast 
alle  die  Anderen  sind  vertreten.  Hildebrandt,  Deger,  Lessing,  Hübner,  Mücke,  Stilke,  Sohn, 
Achenbach,  die  Müller,  selbst  Schrödter  und  der  junge  A.  Rethel,  Kretschmar,  J.  Becker,  Schirmer 
und  viele  Andere  haben  jeder  eines  oder  gar  mehrere  Blätter  radirt,  meist  in  einer  dünnen, 
zeichnenden  Manier,  zuweilen  aber  schon  in  überraschend  farbiger  Wirkung,  vielfach  mit  den 
berühmten  aus  der  Kalligraphie  stammenden  Arabesken  umschlungen,  die  damals  sogar  bis  in 
die  Literatur  hinein  (nannte  doch  Immermann  seinen  Münchhausen  eine  Geschichte  in  Arabesken) 
eine  so  grofse  Rolle  spielen  und  etwa  dasselbe  bedeuteten,  wie  die  heutigen  ebensoviel  genannten 
Ornamente,  oder  die  ganz  modernen  „müden  Linien",  nur  dafs  sie  bedeutend  witziger  und  erfreu- 
licher sind  als  die  letzteren. 

Das  Liederbuch  eines  Malers  wurde  typisch  für  eine  Unzahl  von  Gedichtsammlungen, 
Anthologien,  Klassiker-  und  Nichtklassiker-Ausgaben,  die  von  dem  empfindsamen  Lesepublikum 
verschlungen  wurden.  Sie  lösten  die  Almanachs  ab,  welche  mit  ihren  wenigen  Kupferstichen 
den  Bilderhunger  nicht  mehr  zu  befriedigen  vermochten.  Dafs  Peter  Cornelius  in  seiner  Jugend 
für  diese  Almanachstiche  gezeichnet  hatte,  wurde  schon  erwähnt,  auch  später  hat  er  nicht  ver- 
schmäht, gelegentlich  für  den  Stich,  wenn  auch  nicht  zu  illustrativen  Zwecken,  zu  arbeiten.  Schon 
seine  Faustzeichnungen  sind  nicht  als  Buchillustrationen  gedacht. 

Sehr  bald  trat  der  alte  Holzschnitt  an  die  Stelle  der  Radirung  oder  des  Kupferstiches,  und 
hierin  lag  einerseits  eine  Erleichterung  der  Vervielfältigung,  anderseits  eine  Ursache  des  immer 
niedriger  werdenden  künstlerischen  Niveaus,  den  die  Illustration  den  Originalradirungen  oder 
Steindrucken  gegenüber  (denn  auch  dieser  trat  bald  in  Wettbewerb)  einnahm.  Es  liegt  auf  der 
Hand,  dafs  selbst  der  geschickteste  Holzschneider  in  noch  weit  höherem  Mafse,  als  der  doch 
immerhin  langsamer  arbeitende  und  auch  besser  vorgebildete  Kupferstecher  als  fremdes  Medium 
wirken  mufs,  selbst  wenn  der  Künstler,  was  vor  der  Benutzung  der  Photographie  meist  geschah, 
seine  Zeichnung  selbst  auf  den  Holzstock  entwirft.  Von  einer  Erziehung  zum  Facsimileschnitt, 
wie  ihn  Menzel  in  Berlin  schon  früh  durchsetzte,  war  in  Düsseldorf  keine  Rede,  im  Gegentheil, 
die  Zeichner  gewöhnten  sich  nur  allzuschnell  an  eine  charakterlose  Holzschnittmanier,  welche 
den  später  aufkommenden,  noch  weniger  zeichnungsmäfsigen  Tonschnitt  vorbereitete.  Rethels 
..Todtentanz"  nimmt  hier  eine  rühmliche  Ausnahmestelle  ein,  wie  er  ja  auch  nicht  Illustration  ist, 
sondern  ein  Originalkunstwerk  im  höchsten  Sinne  des  W^ortes.  Nicht  wurden  die  Bilder  zu  den 
Versen  Reinicks  geschaffen,  sondern  umgekehrt,  Reinick  machte  sein  in  aller  Schlichtheit  eigen- 
thümlich  wirkungsvolles  Gedicht  zu  den  Compositionen. 

Zu  den  illustrirten  Ausgaben  kamen  bald  die  illustrirten  Zeitungen,  die  damals  vor  der  Zeit 
des  photographischen  Cliches  ausschliefslich  auf  Nachbildungen  von  Bildern  oder  Original- 
illustrationen angewiesen  waren  und  während  der  Kriege  dadurch  nicht  wenig  zur  Popularisirung 
der  Kriegsmalerei  beitrugen. 

Wie  gesagt,  kaum  einer  der  älteren  und  auch  der  späteren  Düsseldorfer  Maler  hat  sich  der 
Illustration  ganz  entzogen.    J.  Hübner,  der  selbst  Dichter  war,  illustrirte  u.  A.  mit  Bendemann  das 

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„Nibelungenlied"  von  Marbach,  den  „modernen  Vasari"  von  W.  von  Schadow-  berühmt  ist  daraus 
der  Kopf  Schadows;   ferner  die  „Deutsche  Geschichte  in  Bildern"  und  das  „Bilderbrevier". 

Bendemann  iUustrirte  selbständig  „Das  Brautlied"  und  das  „A.  B.  C.  für  grofse  und  kleine 
Kinder".  Mintrop  war  ohnehin  mehr  Zeichner  als  Maler  und  hat  unendlich  viel  —  zu  seinem 
Schaden  —  illustrirt.  Seine  besten  Zeichnungen  sind  nicht  die  Illustrationen  im  engeren  Sinne. 
Berühmt  ist  sein  „Märchen  von  König  Heinzelmanns  Liebe",  das  noch  1875  erschien.  Carl  Sohn 
war  zu  sehr  Colorist,  um  viel  zu  illustriren,  dagegen  entwickelte  der  unermüdliche  und  phantasie- 
volle Mücke  auf  diesem  Gebiete  eine  ebenfalls  höchst  rege  Thätigkeit,  seine  Name  fehlt  kaum  in 
einem   ,, Prachtwerk"  jener  Zeit. 

Einen  besonderen  und  originalen  Charakter  bekam  die  Illustration  wieder  in  den  Revolutions- 
jahren, wo  die  politische  Caricatur,  wie  schon  bei  der  grofsen  Revolution,  eine  bedeutsame  Rolle 
spielte.  Die  Zeichnung  wird  hier  selbständiger  und  mehr  zur  Hauptsache  als  bei  der  Buch- 
illustration, und  man  bedient  sich  nicht  des  Holzschnittes,  sondern  mit  Vorliebe  des  Steindruckes, 
der  eine  schnellere  Handhabung  bei  authentischer  Wiedergabe  ermöglichte.  In  Frankfurt  ent- 
standen des  Düsseldorfer  Schrödter,  der  kurz  vorher  für  den  Kunstverein  seinen  Arabeskenfries  als 
Vereinsgabe  auf  Stein  gezeichnet  hatte,  berühmter  ,, Piepmeyer":  in  Düsseldorf  ,,Der  politische 
Struwelpeter,  ein  Versuch  zu  Deutschlands  Einigung"  von  Henry  Ritter,  ganz  abgesehen  von  der 
lebhaften  Einzelthätigkeit  in  den  politischen  und  unpolitischen  Zeitschriften. 

Die  Befreiung  der  Geister,  einmal  von  der  politischen  Unmündigkeit  durch  die  Revolution, 
dann  aber  von  der  pathetisch-sentimentalen  Romantik  durch  das  Genre,  liefs  nun  in  der  Kunst 
den  lange  doch  nicht  recht  zu  Wort  gekommenen  rheinischen  Humor  üppig  ins  Kraut  schiefsen. 
Die  Bildermalerei  konnte  dem  blitzartigen  Witzfunken  nicht  als  Abieiter  dienen  und  es  entstanden 
im  engsten  Anschlufs  an  die  beiden  Revolutionen,  an  die  politische  und  die  künstlerische,  wie  in 
München  die  ,, Fliegenden  Blätter",  so  in  Düsseldorf  die  berühmten  ,, Düsseldorfer  Monatshefte", 
die,  seit  1848  von  Lorenz  Clasen  redigirt,  sich  bis  1862  hielten.  Es  war  ein  Witzblatt,  nicht  von 
der  Actualität,  der  Schärfe  und  der  gelegentlichen  Frivolität  der  heutigen,  aber  mit  zum  Theil 
vorzüglichen  und  durchaus  künstlerischen  Original-Steinzeichnungen,  zu  denen  fast  alle  namhaften 
Düsseldorfer  Künstler  beitrugen.  Viele  haben  hier  zuerst  den  Schritt  in  die  Oeffentlichkeit 
gewagt.  Und  bald  genügten  die  Monatshefte  nicht  mehr.  Sei  es,  dafs  der  noch  beträchtliche 
Rest  der  Romantik  sich  regte,  sei  es,  dafs  der  caricaturenhafte  Charakter,  der  gewahrt  werden 
mufste,  einer  Mischung  mit  ernsthaften  Bildern  nicht  gewürdigt  werden  sollte,  kurz,  es  entstand 
bald  darauf  1851 — 67,  redigirt  von  W.  Müller  von  Königswinter,  das  ,, Düsseldorfer  Künstleralbum", 
das  neben  Gedichten  und  kleinen  Erzählungen  von  den  ersten  Dichtern  und  Schriftstellern  zahl- 
reiche, zum  Theil  farbige  Originallithographien  brachte. 

Im  Jahre  1867  wechselte  das  Düsseldorfer  Künstleralbum  den  Titel  und  hiefs  von  nun  an 
bis  zu  seinem  Abschlufs  im  Jahre  1877  ..Deutsches  Künstleralbum";  redigirt  wurde  es  zuerst  noch 
von  W.  Müller  von  Königswinter,  der  allerdings  schon  1853  nach  Köln  übergesiedelt  war.  Seit 
1872  leitete  es  Ad.  Ebeling  und  von  da  an  der  Dichter  E.  Scherenberg.  Ein  ,, Neues  Düsseldorfer 
Künstleralbum",  redigirt  von  einem  Dr.  Ellen,  hatte  es  zwischendurch  nur  auf  zwei  Jahrgänge 
gebracht,  ebenso  wie  ein  ,, Düsseldorfer  Jugendalbum",  das  1856  und  1858  erschien.  Anfang 
der  50er  Jahre  gab  das  rührige  lithographische  Institut  von  Arnz  &  Co.  in  drei  Jahrgängen 
,, Aquarelle  Düsseldorfer  Künstler"  heraus,  die  in  farbigen  Lithographien  zum  Theil  höchst  reiz- 
volle Arbeiten  der  bedeutendsten  Düsseldorfer  Maler  enthalten.  Da  sind  die  entzückenden  Stein- 
zeichnuftgen  von  Knaus:  ,,Der  alte  Schmied"  und  „Maskirte  Kinder",  mehrere  treffliche,  fein- 
gezeichnete Blätter  des  jungen  Vautier,  von  A.  und  O.  Achenbach,  Camphausen,  Mintrop,  Tide- 
mand,  Weber:  kurz  alle  Gröfsen  jener  Tage  sind  hier  in  Original-Steinzeichnungen  vertreten,  die 
zum  Theil  auch  in  der  Farbe  durchaus  annehmbar  sind.  In  den  genannten  regelmäfsig  erschienenen 
Werken  ist  ein  Schatz  von  mehr  originalen,  als  illustrativen  Zeichnungen  niedergelegt,  dessen 
Studium  für  die  Kenntnifs  der  damaligen  Kunst  von  gröfster  Wichtigkeit  ist. 

Die  Lithographie  trat  seit  den  60er  Jahren  in  den  Hintergrund,  erst  Fritz  Roeber  lithographirte 
im  Anfang  der  70er  Jahre  wieder  eine  Reihe  grofser  Blätter  mit  biblischen  Compositionen,  und 
in  den  letzten  Jahren  entstanden  von  jungen  Künstlern  infolge  des  neu  erweckten  Interesses  an 
der  Originallithographie  einzelne  interessante,   zum  Theil   farbige  Blätter. 

Neben  dieser  mehr  zeichnerischen  ging  natürlich  die  illustrative  Thätigkeit  ruhig  weiter,  aber 
auch  hier  begann  allmählich  die  realistischere  Entwicklung  der  Kunst  ihren  Einflufs  geltend  zu 
machen.  Die  schablonenhaften  Figuren,  das  theaterhafte  Arrangement,  das  hier,  weil  bequem  und 
sinnfällig,   noch  weit   mehr   als    in    den  Bildern   sich  geltend  machte,    mufsten  einer  eingehenderen 

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Charakterisirung  und  gleichzeitig  damit  einer  freieren  Auffassung  der  Dichterwerke  Platz  machen. 
Henry  Ritter  hatte  zusammen  mit  Camphausen  mit  seinen  trefflichen  Illustrationen  zu  Henry  Irving, 
die  1856  erschienen,  den  Anfang  einer  wirklich  künstlerischen  Illustration  gemacht,  und  war  für 
die  spätere  Generation  vorbildlich  geworden.  Hiddemann  folgte  mit  seinen  Zeichnungen  zu  Reuters 
„Ut  mine  Stromtid",  aber  in  erster  Linie  war  es  dem  Haupte  der  späteren  Düsseldorfer  Genre- 
malerei Benjamin  Vautier  vorbehalten,  hier  Werke  von  so  eigenartigem  Werth  zu  schaffen,  dafs 
sie,  obwohl  durchaus  als  Illustrationen  gedacht,  doch  auch  vom  Text  losgelöst,  ihren  eigenen 
künstlerischen  Reiz  haben  würden.  Es  sind  erstens  die  Zeichnungen  zu  Immermanns  ,, Oberhof", 
die  er  im  Auftrag  des  Verlagsbuchhändlers  A.  Hofmann  in  BerHn  in  der  Mitte  der  60er  Jahre 
schuf  und  sich  damit  in  die  erste  Reihe  der  deutschen  Illustratoren  (und  ihrer  waren  aufserhalb 
Düsseldorfs  nicht  wenige,  die  sich  ausschliefslich  diesem  Fache  widmeten)  stellte.  Der  Erfolg 
dieser  Zeichnungen  war  trotz  der  Hochfluth  solcher  Erscheinungen  ein  aufserordentHcher,  um  so 
mehr,  als  die  Verlagshandlung  einen  verständnifsvoUen  Holzschneider  gefunden  hatte,  der  sich  der 
zarten,  anmuthigen,  aber  dabei  doch  bestimmten  und  bewufsten  Handschrift  des  Künstlers  anzu- 
passen verstand.  Die  zweite  Arbeit  ähnhcher  Art,  eine  Illustration  der  Auerbachschen  Dorf- 
novelle „Barfüfsele",  lag  Vautiers  Kunst  auch  costümlich  noch  näher.  Führte  doch  die  schnell 
berühmt  gewordene  Erzählung  den  Leser  in  das  gemeinsame  Studiengebiet  des  Dichters  und  des 
Künstlers,  in  den  Schwarzwald,  und  der  Maler  war  hier  fast  noch  besser  zu  Hause  als  der 
Schriftsteller. 

Gleichzeitig  illustrirte  Vautier  aufserdem  noch  Goethes  , .Hermann  und  Dorothea"  für  den 
Verlag  von  Vieweg  in  Braunschweig.  Diese  seine  drei  Illustrationscyklen  sind  zum  Besten  zu 
rechnen,  was  die  Düsseldorfer  Buchillustration  geschaffen  hat.  Freilich  gehören  diese  Arbeiten 
nach  dem  Entwicklungsgang  ihres  Schöpfers  in  eine  spätere  Periode.  Sie  mufsten  aber  hier  im 
Zusammenhang  mit  erwähnt  werden,  wie  auch  als  letzter  der  eigentlichen  Buchillustratoren,  der 
aus  der  älteren  Kunst  wenigstens  hervorgegangen  ist,  ein  Künstler  genannt  sein  mag,  der  nur 
wenig  gemalt  und  fast  seine  ganze  Thätigkeit  der  Illustration  gewidmet  hat.  Philipp  Grotjohann, 
geboren  1841  in  Stettin,  war  zuerst  Schlosser,  kam  später  nach  Düsseldorf,  wo  er  Schüler  von 
C.  Sohn  wurde.  Er  illustrirte  für  die  Groteschen  Klassikerausgaben  und  zahlreiche  andere  Bücher. 
Seine  kunstgewerblichen  Entwürfe  und  dekorativen  Wandmalereien  sind  weniger  bekannt  geworden. 
Er  starb  1892. 

Bei  den  meisten  auch  der  jüngeren  Düsseldorfer  Maler  blieb  die  Illustration  beliebt.  Kaum 
einer  der  Vautier  gleichzeitigen  oder  auch  jüngeren  Historien-  oder  Genremaler  hat  es  verschmäht, 
Illustrationen  zu  zeichnen,  so  vor  Allen  Peter  Janfsen,  die  beiden  Roeber,  A.  Baur  und  Carl 
Gehrts.  Immerhin  liefs  die  Entwicklung  der  Photographie  und  der  durch  sie  beeinflufsten  Holz- 
schnitttechnik, des  sogenannten  Tonschnittes,  die  gezeichnete  Illustration  mehr  und  mehr  in  den 
Hintergrund  treten,  bis  das  autotypische  Verfahren  der  neueren  Zeit  hier  wieder  eine  neue  Blüthe 
hat  aufleben  lassen,  von  der  allerdings  für  Düsseldorf  das  Beste  noch  erst  zu  hoffen  ist. 

Sehr  früh  und,  wie  wir  gesehen  haben,  im  Anschlufs  an  die  Illustration,  hatte  sich  die 
Original  radirung  entwickelt.  Bei  dem  ,, Liederbuch"  steht  sie  noch  in  Verbindung  mit  den 
Gedichten,  aber  schon  Schirmer  schuf  selbständige  Originalradirungen;  einige  nach  Bildern  von 
ihm  selbst,  andere  nach  freiem  Entwurf.  Auch  eine  Art  Origmallithographie  wurde  schon  früh 
geübt,  wenn  man  nämlich  die  Reproduction  eines  Bildes  auf  lithographischem  Wege  durch  den 
Künstler  selbst  hierher  rechnen  will.  In  den  Jahren  1829  und  1830  gab  der  Kunstverein  eine 
Serie  von  Stichen  und  Lithographien,  allerdings  meist  nur  in  Umrissen  und  von  recht  primitiver 
Ausführung,  nach  den  von  ihm  angekauften  Bildern  heraus,  die  zum  Theil  von  den  Malern  selbst 
angefertigt  waren.  So  hat  u.  A.  Lessing  eine  ,, Mondscheinlandschaft"  und  den  berühmten 
,, Kirchhof  im  Schnee"  selbst  auf  Stein  gezeichnet.  Schirmer  hat  seine  ,, Betende  Nonne"  radirt 
und  ,,Die  Kapelle  im  Walde"  lithographirt.  Es  ist  nur  zu  bedauern,  dafs  der  Kunstverein  nicht 
consequent  diese  Publication  fortgesetzt  hat,  sie  würde  ein  unersetzliches  Bild  von  der  Entwicklung 
der  Malerei  sowohl,  wie  der  reproducirenden  Künste  gewähren. 

Scheurens  hervorragende  Thätigkeit  in  dieser  Richtung  wurde  schon  erwähnt,  seine  Radi- 
rungen —  26  Blatt  Landschaften  vom  Rhein  —  sind  sehr  geschätzt,  am  berühmtesten  aber  ist 
das  nach  seinen  Aquarellen  farbig  lithographirte  Rheinalbum. 

Neben  Schirmer  steht  als  Radirer  A.  Schrödter  mit  an  der  Spitze.  Ursprünglich  Kupferstecher, 
schuf  er  noch  als  Maler  nicht  nur  treffliche  Originalradirungen,  sondern  auch  die  berühmte  Radi- 
rung nach  seinem  eigenen  Bilde  ,,Don  Quichote",  die  der  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und 
Westfalen  als  Prämienblatt    im  Jahre    1845    vertheilte,    wie  1842    schon  zwei  grofse  landschaftliche 

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Originalradirungen  von  Schirmer.  Schrödters  Radirwerk  umfafst  zahlreiche  Blätter,  in  denen  er 
mit  Vorliebe  wieder  seinen  „Ritter  von  der  traurigen  Gestalt"  in  geistreicher,  zuweilen  an  Adolph 
Menzel  erinnernder  Weise  feiert.  Für  die  ..Monatshefte"  hat  er  zahlreiche,  zum  Theil  sehr  geist- 
reiche Caricaturen  auf  den  Stein  gezeichnet. 

Anfang  der  6oer  Jahre  trat  Andreas  Achenbach,  der  in  seinem  „Untergang  des  Präsident" 
eine  Originallithographie  ersten  Ranges  geschaffen  hatte,  auch  mit  einem  Hefte  flott  radirter 
Blätter  auf.  nachdem  er  schon  20  Jahre  früher  mit  seinem  „Scheveninger  Fischweib"  debutirt  hatte. 

Ende  der  70er  Jahre  bildete  sich  dann,  allerdings  unter  der  Führung  des  Kupferstechers 
E.  Forberg,  der  selbst  einige  hervorragende  Porträt-Originalradirungen,  so  von  E.  v.  Gebhardt  und 
dem  Violinisten  Joachim,  geliefert  hat,  ein  Verein  Düsseldorfer  Künstler,  der  verschiedene  Jahres- 
hefte mit  Originalradirungen  herausgab,  unter  denen  sich  Arbeiten  und  Namen  ersten  Ranges 
befinden,  so  Bosch.  Dücker,  Fahrbach,  Hoff.  Irmer,  Kröner,  Leisten,  Jutz,  Volkhart,  C.  F.  Deiker, 
Vezin,  Grotjohann.  Dennoch  hielt  sich  der  Verein  nur  einige  Jahre  und  es  trat  eine  Pause  ein, 
bis  der  im  Jahre  1889  von  jungen  Künstlern  gegründete  ,, Lucasclub"  sich  auch  der  Originalradirung 
wieder  annahm  und,  nachdem  einige  seiner  Mitglieder,  so  die  beiden  Kampf,  Jernberg,  Liesegang, 
Frenz,  Wendling,  Hermanns,  G.  Janfsen,  schon  vorher  einzelne  Blätter  radirt  hatten,  seit  1892 
einige  Hefte  mit  Originalradirungen  herausgegeben  hat. 

Bei  der  lebhaften  Unterstützung,  welche  der  „Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen" 
der  Kupferstecherkunst  hat  zu  Theil  werden  lassen,  mufs  dieser  Zweig  der  reproducirenden  Kunst- 
thätigkeit  wenigstens  mit  Nennung  seiner  Hauptvertreter  kurz  berührt  werden,  so  wenig  man  die 
Kupferstecherkunst  zu  den  originalen  Künsten  wird  rechnen  können.  Gemäfs  dem  Princip  der 
Kunstvereine,  ihre  bei  den  Verloosungen  von  Gemälden  leer  ausgehenden  Mitglieder,  die  natür- 
lich in  der  grofsen  Mehrzahl  sein  müssen,  schadlos  zu  halten,  war  man  früh  darauf  gekommen, 
ihnen  durch  ein  Werk  der  vervieliältigenden  Kunst,  einen  Stich  oder  eine  Lithographie,  ein 
sogenanntes  Nietenblatt,  den  W^erth  ihres  jährlichen  Beitrages  zu  ersetzen.  Es  liegt  auf  der  Hand, 
dafs  hierin  eine  ungeheuere  Unterstützung  des  Kupferstiches  liegt,  und  es  ist  wohl  nicht  zu  viel 
gesagt,  wenn  man  behauptet,  dafs  ohne  dieses  Vorgehen  auch  des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande 
und  Westfalen    die  Kupferstecherkunst    in  Düsseldorf   heute  wohl    fast   verschwunden    sein  würde. 

Die  schnell  gewachsene  Mitgliederzahl  ermöglichte  hier  schon  früh  die  Herstellung  grofser 
und  wirklich  hervorragender  Blätter  und  somit  die  Erziehung  verschiedener  Stecher  zur  höchsten 
Vollendung  in  ihrer  Kunst. 

Die  ältesten  Stecher  der  kurfürstlichen  Akademie  wurden  schon  zu  Anfang  genannt.  Der 
letzte,  Thelott,  lebte  noch  als  Lehrer  an  der  preufsischen  Akademie,  ohne  auf  die  spätere  Schule 
Einflufs  zu  haben,  da  er  alt  und  arbeitsunfähig  geworden  war.  Von  seinen  zahlreichen  Blättern 
(er  stach  auch  einige  Kalenderbilder  von  Peter  Cornelius)  ist  eines  der  interessantesten,  wenn  auch 
in  hohem  Grade  manierirt,  ,,Die  Kreuzigung  Petri",  nach  dem  Rubensschen  Bilde  in  St.  Peter  in 
Köln.  Ernst  Carl  Gottlieb  Thelott  war  1760  in  Augsburg  geboren  und  starb  1839  in  Düsseldorf. 
Seine  beiden  Söhne,  die  vor  ihm  starben,  waren  Porträtmaler  in  Düsseldorf  und  München.  Die 
Schadowschule  bildete  dann  gleich  einen  Stecher  ersten  Ranges,  den  1811  in  Linz  geborenefi 
Joseph  Keller,  der  dem  Namen  nach  noch  Schüler  von  Thelott  wurde,  als  er  1835  nach  Düssel- 
dorf gekommen  war.  In  der  Hauptsache  bildete  er  sich  aber  als  Autodidakt,  nachdem  er  die 
Anfangsgründe  der  damals  beliebten  Punktirmanier  in  Bonn  in  der  Schulgen -Bettgendorfschen 
Kupferdruckerei  gelernt  hatte.  In  Düsseldorf  wurde  er  durch  den  Kunstverein  gleich  mit  der 
Anfertigung  eines  Stiches  nach  Hübners  , .Befreiung  der  Prinzessin  Isabella  durch  Roland"  betraut 
(Prämienblatt  für  1837),  1838  studirte  er  in  Paris  bei  Desnoyer  und  Forster  und  wurde  1839  Lehrer 
in  seiner  Kunst  an  der  Akademie  in  Düsseldorf. 

Er  stach  nun  neben  einigen  anderen  Sachen  ,,Die  hl.  Dreifaltigkeit"  nach  Rafael  aus 
S.  Severo  in  Perugia  und  dann  als  sein  Hauptwerk  die  ,,Disputa",  die  der  Kunstverein  bestellt  hatte 
und  als  Prämie  für  fünf  Jahre  an  seine  Mitglieder  abgab.  Das  Blatt  ist  einer  der  gröfsten  und 
besten  Kupferstiche  der  neueren  Zeit  und  an  Klarheit  und  einfacher  Schönheit  der  Wirkung  un- 
übertroffen. Für  1863  stach  Keller  als  Prämienblatt  die  ,, Regina  Coeli"  nach  Deger,  und  als  letztes 
Werk   „Rafaels  sixtinische  Madonna",  einen  der  besten  Stiche  nach  diesem  Bilde. 

Keller  ist  der  eigentliche  Begründer  der  Düsseldorfer  Kupferstecherschule,  aus  deren  reicher 
Schülerzahl  Glaser,  Nüsser,  Massau,  Th.  Janfsen,  F.  Dinger,  Barthelmefs,  R.  Stang,  Kohlschein 
genannt  sein  mögen.  Alle  haben  für  den  Kunstverein  gearbeitet,  und  ihre  Blätter  haben  nicht 
wenig  dazu  beigetragen,  den  Ruhm  der  Düsseldorfer  Bilder,  namentlich  in  der  älteren  Zeit,  zu 
verbreiten. 

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Nach  Kellers  Tode  1873  war  die  Stelle  eines  akademischen  Lehrers  der  Kupferstecherkunst 
sechs  und  ein  halbes  Jahr  unbesetzt  geblieben,  bis  1879  Kellers  letzter  Schüler,  Karl  Ernst  Forberg, 
geboren  1844  in  Düsseldorf,  auf  diesen  Posten  berufen  wurde.  Seine  Verdienste  um  die  Original- 
radirung,  die  er  neben  der  Kupferstecherkunst  auch  auf  der  Akademie  lehrt,  wurden  schon 
gewürdigt.  Als  Kupferstecher  hat  er  sich  durch  zahlreiche  Blätter  nach  Rafael  (,, Fischzug"  und 
,, Weide  meine  Schafe"),  Vautier  (,, Strafpredigt"),  Bendemann  (,, Wegführung  der  Juden  in  die 
babylonische  Gefangenschaft"),  A.  Achenbach  {,, Judenviertel  in  Amsterdam"),  W.  Sohn  (,,Consul- 
tation   beim   Rechtsanwalt")  u.  s.  w.  einen  Namen  gemacht. 


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XII.  Kapitel 

Die  Blüthe  der  Genremalerei 


IE  Landschaftsmaler  und  die  früheren  Genremaler  waren  die  Ersten  gewesen,  die  den 
Bann  der  Romantik  gebrochen  hatten.  Die  Genremalerei  der  mittleren  Zeit  sollte  das 
Angefangene  fortführen  und  den  malerischen  Uebergang  von  der  älteren  zur  neueren  Zeit 
vollenden,  den  die  alten  Landschafter  und  Genremaler  angebahnt  hatten.  Hasenclever 
und  Schrödter  waren  leider  nach  den  ersten  vielversprechenden  Anläufen  wieder  in  die 
Braun-  und  Buntmalerei  verfallen.  Tidemand  und  Jordan  fanden  in  der  steten  Wiederholung  aus 
demselben  Motivenkreis    keine  Gelegenheit    zu  grofsen  Variationen    oder   gar  Neuentdeckungen  auf 


LUDWIG   KNAUS 
Leichenzug   im   Walde 


247 


coloristischem  Gebiet.  Es  bedurfte  hier  einer  neuen  Kraft,  eines  originalen  Talents,  und  das  fand 
sich  in  Ludwig  Knaus,  dessen  Aufenthalt  in  Düsseldorf  zu  den  ruhmreichsten  Epochen  der 
nachschadowschen  Kunst  gehört,  gerade  weil  Knaus  in  seiner  ganzen  Persönlichkeit  das  Gegen- 
theil  nicht  nur  der  Schadowschule,  sondern  auch  der  bisherigen  Genremalerei  war.  Er  war  es  so 
sehr,  dafs  sein  Einflufs  auf  seine  Zeitgenossen,  trotz  zweimaligen  langen  Aufenthalts  in  Düsseldorf, 
ein  auffallend  geringer  war,  umgekehrt  wie  das  bei  Vautier,  seinem  Nebenbuhler  in  der  deutschen 
Genrekunst,  der  Fall  ist,  der,  wenn  auch  ebenfalls  Fremder  und  sogar  Ausländer,  doch  seinem 
ganzen  Wesen  nach  so  sehr  der  Düsseldorfer  Genremalerei  entsprach,  dafs  er  und  sein  Werk 
gewissermafsen  als  ihr  Höhepunkt  anzusehen  ist  und  sie  in  allen  ihren  Vertretern  mehr  oder 
weniger  beeinflufst  hat. 

Der  Gegensatz  zwischen  Knaus  und  den  Düsseldorfern  beruhte  dabei  keineswegs  so  sehr  in 
den  Motiven,  die  Knaus  wählte.  Zwei  längst  eingebürgerte  Düsseldorfer,  Dielmann  und  Becker, 
hatten  ihn  gleich  anfänglich  auf  ihre  Studiengebiete  hingewiesen,  und  die  Bauern  und  Zigeuner, 
die  Knaus  malte,  waren  keineswegs  neue  Gestalten  in  der  Düsseldorfer  Genremalerei.  Was  ihn 
aber  von  allen  den  Zeitgenossen  und  Nachfolgern  bis  in  die  letzte  Zeit  hinein  unterscheidet,  das 
ist  der  absolute  Mangel  an  Sentimentalität,  den  selbst  die  Bauernmaler  oder  gerade  sie  aus  der 
Romantik  wie  ein  Contagium  herübergeschleppt  haben  und  nicht  los  werden  können.  Diese  Ge- 
müthsduselei,  die  sich  zur  gemüthlichen  oder  freundlichen  Auffassung  abflaute,  immer  aber  jenes 
Schwächliche,  Süfsliche  zeigt,  das  dem  Publikum  nun  einmal  als  , .reizend"  oder  ,, entzückend" 
oder  ,,nett"  so  sehr  gefällt,  dafs  es  nicht  genug  davon  bekommen  kann,  hat  die  Genremalerei  in 
steter  Wechselwirkung  zwischen  Künstler  und  Publikum,  immer  tiefer  in  diese  Süfsmichelei 
hineingearbeitet. 

Davon  hat  nun  Knaus  keine  Spur,  und  das  brachte  ihm  gerade  bei  denen,  die  damals  schon 
von  der  Düsseldorferei  im  üblen  Sinne  genug  bekommen  hatten,  gleich  den  grofsen  Erfolg.  In 
seinen  Bildern,  allerdings  am  meisten  in  denen  aus  späterer  Zeit,  zeigte  sich  im  Gegentheil  ein 
ganz  neues  Element,  das  ist  eine  Schärfe  des  Humors,  die  sehr  verschieden  ist  von  dem  immer 
noch  gutmüthigen  Witz  der  Schrödter  oder  Hasenclever,  eine  Schärfe,  die  sich  gelegentlich  zum 
Sarkasmus  und  selbst  zum  bitteren  Hohne  steigerte. 

Als  scharfes  Pointiren 
zeigt  sich  dieser  Zug  schon 
in  einem  der  ersten  Bilder, 
die  Knaus  in  Düsseldorf 
malte,  in  den  „Spielern", 
dann  in  dem  ,, Leichenzug 
im  Walde",  wo  die  Proces- 
sion  der  Kinder  und  Leid- 
tragenden an  einem  von 
seinem  W^ächter  beglei- 
teten strolchartigen  Ver- 
brecher vorbeizieht. 

Und  diese  Knaussche 
Schärfe  ist  wiederum  auch 
ganz  etwas  Anderes  als 
die  Ernsthaftigkeit,  mit 
der  Hübner  seine  socialen 
Bilder  malte.  Sie  steigerte 
sich  später  sogar  noch, 
und  man  könnte  versucht 
sein,  darin  auch  eine  Folge 

seines  langen  Pariser 
Aufenthaltes  zu  suchen. 
In  dem  viel  beachteten 
und  viel  angefochtenem 
Bilde  ,, Hinter  den  Coulis- 
sen",  für  das  L.  Pietsch 
LUDWIG  KNAUS  eine    wohl     zu    harmlose 

Die  Spieler  Auslegung  giebt,  ist  etwas 


248 


LUDWIG   KNAUS 
In   tausend  Aengs;en 

von  der  unbarmherzigen  und  bitteren  Beobachtung  Zolas,  und  in  der  „Näscherin"  ist  man  ver- 
sucht, eine  Menschenverachtung  zu  finden,  die  dem  Künstler  bewufst  gewifs  fern  gelegen  hat, 
aber  doch  ein  Element  in  die  Genremalerei  hineinbringt,  das  deutschem  Malerwesen  eigentlich 
bis  heute  fern  lag,  —  dem  harmlosen  Düsseldorfer  von  damals  ganz  besonders. 

Knaus  wurde  1829  zu  Wiesbaden  als  Sohn  eines  Optikers  geboren,  und  kam  nach  einer,  in 
nicht  gerade  besonders  glänzenden  Verhältnissen  verlebten  Jugend  und  nach  mancherlei  Kämpfen 
1845  nach  Düsseldorf,  wo  er  sich  neben  dem  akademischen  Unterricht  bei  C.  F.  Sohn  durch 
Copiren  und  Porträtmalen  durchschlagen  mufste.  Von  Schadow  wurde  ihm,  wie  das  nun  einmal 
in  der  damaligen  Zeit  üblich  war,  das  Talent  abgesprochen,  und  Knaus  verliefs  bald  die  Akademie, 
um  sich  mit  der  Energie,  die  ihn  schon  damals  auszeichnete,  auf  eigene  Füfse  zu  stellen. 

Gleich  sein  erstes  gröfseres  Bild,  ,, Hessischer  Bauerntanz",  vom  Jahre  1850,  brachte  einen 
durchschlagenden  Erfolg,  der  den  Einundzwanzigjährigen  in  die  erste  Reihe  der  Düsseldorfer 
Künstler  stellte.  Der  Kunstverein  kaufte  dieses,  wie  auch  das  nächste  noch  bedeutendere  Bild,  in 
dem  sich  schon  die  erwähnten  Eigenschaften  Knaus'  und  seine  Sonderstellung  aufs  schärfste  aus- 
prägten. Es  waren  die  berühmt  gewordenen  „Spieler",  die  der  Künstler  zweimal  malte,  einmal 
für  die  städtische  Galerie  in  Düsseldorf.  Hier  waren  schon  die  starken,  nicht  dramatischen  oder 
socialen,  aber  psychologischen  Gegensätze,  die  in  dieser  Stärke  der  Ausführung  noch  nicht  gewagt 
worden  waren,  auch  nicht  durch  Lessings  Hufsbilder,  mit  gröfster  Kraft  und  Sicherheit  ausge- 
sprochen. Besonderes  Aufsehen  erregte  ferner  schon  bei  diesem  Bilde  damals  „der  Schmelz  der 
Farbe",  was  heute  einigermafsen  Wunder  nimmt,  da  das  Bild  verhältnifsmäfsig  dunkel  und  in 
ruhigen  tiefen  Tönen  gehalten  erscheint.  Aber  für  jene  Zeit,  die  in  der  Historie  nur  ein  buntes 
und  in  der  Genremalerei  ein  meist  hartes  Nebeneinander  von  Farben  kannte,  war  das  Beobachten 
eines  geschlossenen  Gesammttones  eben  ein  Ereignifs.  Es  scheint  übrigens  nicht  ausgeschlossen, 
dafs  gerade  dieses  Bild  durch  Nachdunkeln  viel  verloren  hat. 


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Es  folgte  nun  schnell  nacheinander  eine  grofse  Zahl  von  Bildern,  von  denen  das  schon 
erwähnte  ,.Leichenbegängnirs  im  Walde"  (1852)  den  Ruhm  des  jungen  Künstlers  über  Düsseldorf 
hinaustrug.  Auch  einen  Ausflug  in  die  Historie  machte  Knaus  mit  ,, Gräfin  Helfenstein  bittet  um 
Schonung  ihres  Gatten",  um  dann  sich  selbst  auf  den  Weg  nach  Paris  zu  machen,  wo  er  nur 
ein  paar  Wochen  verweilen  wollte,  aber  über  acht  Jahre  blieb. 

Paris  wurde  für  Knaus  die  eigentliche  Glanzstätte  seines  Ruhmes  —  kaum  je  hat  ein  fremder 
Künstler  dort  solche  Erfolge  gehabt,  wie  sie  der  junge  Deutsche  bald  zu  verzeichnen  hatte.  Die 
politischen  Gegensätze  bestanden  damals  noch  nicht  in  der  Schärfe,  wie  nach  dem  Kriege.  Der 
junge  Nassauer  wurde  als  Ritter  der  Ehrenlegion  förmlich  in  den  Kreis  der  Unsterblichen  auf- 
genommen,   und  es  ist   nur    aufs  höchste    zu  bewundern,    dafs  Knaus  sich    in  all'    den  Jahren  und 

unter  all'  jenen  Erfolgen  seine  deutsche  Eigen- 
art bis  auf  ganz  geringe  Dinge,  die  aber  auch 
schon  in  seiner  Natur  lagen  und  hier  nur  den 
günstigen  Nährboden  fanden,  bewahrt  hat.  Bei 
der  traurigen  Anpassungsfähigkeit  der  Deutschen, 
die  nicht  einmal  heute  verschwunden  ist,  sollte 
man  das  dem  Menschen  Knaus  ebenso  hoch 
anrechnen,  wie  die  Werke,  die  er  schuf,  dem 
Künstler. 

Von  Paris  aus  ging  Knaus  1862  nach  Berlin, 
wo  er  eines  seiner  Hauptbilder  ,,Der  Taschen- 
spieler im  Dorf"  malte.  Vielleicht  könnte  man 
in  der  Alten,  die  mit  bedenklichen  Gebärden  aus 
der  rechten  Ecke  des  Bildes  abschiebt,  eine, 
wenn  auch  unbewufste,  Reminiscenz  an  Rethel 
erblicken,  der  dieselbe  Alte  im  selben  Sinne 
zweimal,  bei  der  ,, Krönung  Karls  des  Grofsen" 
und  im  ,,Todtentanz"  verwandt  hat.  Das  Bild 
kam  nach  Paris.  Auch  in  Berlin  war  Knaus 
der  Mittelpunkt  der  künstlerischen  W^elt.  Von 
hier  aus  machte  er  aber,  was  für  ihn  von 
grofser  Wichtigkeit  war,  zahlreiche  Reisen  nach 
der  Heimath  und  nach  Tirol.  Gerade  hier  fand 
er  die  Anregung  zu  neuen  und  originellen 
Schöpfungen,  zu  jenen  Motiven,  die,  späterhin  ins 
Unendliche  variirt,  ein  Gemeingut  der  deutschen 
Genremalerei  werden  sollten.  Damals  entstanden 
unter  Anderem  ,,Die  Raufer,  die  vom  Herrn  Pfarrer 
abgekanzelt  werden".  Auch  Zigeunerbilder  malte 
er  hier  wieder,  wie  er  schon  in  Düsseldorf  ge- 
than  hatte.  Nur  Italien  reizte  ihn  verhältnifs- 
mäfsig  wenig,  vielleicht  war  es  bei  ihm  eine 
ähnliche  Opposition,  wie  bei  Lessing  gegen  die 
landläufige  Italienschwärmerei  und  die  damals 
schon  im  Uebermafs  gemalten  Pifferari  und 
Ciocciaren.  Aber  auch  Berlin  konnte  ihn,  damals 
wenigstens,  noch  nicht  dauernd  halten.  Viel- 
leicht war  das  Gefühl,  dafs  die  Grofsstadt  mit  ihren  gesellschaftlichen  Ansprüchen  und  ihren  weniger 
künstlerischen  Porträtaufträgen,  mit  denen  er  überhäuft  wurde,  ihn  vom  Wege  ablenkte,  das 
ihn  nach  dem  immerhin  doch  stilleren  Düsseldorf  zurückführte.  Hier  brachte  er  wiederum  acht 
Jahre  zu,  die  vielleicht  die  Glanzperiode  seines  Schaffens  bilden,  und  es  ist  nur  zu  verwundern, 
wie  wenig  er  trotz  Allem  gerade  damals  die  Düsseldorfer  Malerei  beeinflufst  hat,  im  Gegensatz 
zu  Anderen,  die  ihm  künstlerisch  nicht  gleichkamen.  Nur  Muncacsy  schlofs  sich  damals  näher 
an  ihn  an,  aber  dieser  blieb  wiederum  zu  kurze  Zeit  in  Düsseldorf,  als  dafs  es  für  seine  Ent- 
wicklung hätte  in  Betracht  kommen  können. 

Das  erste  Bild,  das  bei  seinem  zweiten  Aufenthalt  in  Düsseldorf  entweder  entstand,  oder 
doch  vollendet  wurde,    war    eigenartig  genug    und    zeigt    auch  wieder   jene    Schärfe,    die  gerade  in 


LUDWIG  KNAUS 
Der  Freibeuter 


250 


LUDWIG   KNAUS 
Leichenbegängnifs   im   Winter 


Düsseldorf  besonders  auf- 
fallen mufste.  Es  war 
„Hoheit  auf  Reisen",  in 
der  nicht  der  wohlwollende 
Theaterlandesvater,  son- 
dern ein  ziemlich  unan- 
genehmer, feudaler  Herr 
geschildert  ist,  dessen 
Gefolge  recht  von  oben 
herunter  die  versammelten 
Landbewohner  betrachtet. 
Bei  diesen  macht  sich 
wiederum  der  beschränkte 
Unterthanenverstand  sehr 

bemerklich.  Nur  die 
Kleinen  und  Kleinsten  sind 
die  Lichtpunkte  im  Bilde, 
und  in  der  Schilderung 
des  Kinderlebens  sollte 
Knaus  in  einem  Düssel- 
dorfer Werk  bald  eines 
seiner     hervorragendsten, 

sicherlich  das  volks- 
thümlichste    seiner  Bilder 
schaffen.  Dies  war  das  be- 
rahmte ,, Kinderfest",  oder 


BENJAMIN  VAUTIER 

Der   Gast   in    der  Herrenstube 

(Mit   Genehmigung   von   Franz   Hanfstaengl.    München) 


,,Wie  die  Alten  sungen,  so  zwitschern  die  Jungen",  das  der  Künstler  zweimal  malte,  einmal  in 
der  heutigen  Tracht,  ein  zweites  Mal  im  Rococo-Costüm,  das  lür  die  farbige  Wirkung  natürlich 
günstiger  war.  Noch  niemals  vorher  hatte  die  neuere  Kunst  in  so  reizvoller  und  feiner  Weise 
das  Kinderleben  geschildert,  und  selbst  bei  den  alten  Meistern,  welche,  Rubens  nicht  aus- 
genommen, das  Kind  meist  nur  als  Putto  allegorisirten,  dürfte  sich  kaum  eine  ähnliche  Vertiefung 
in  die  Kinderwelt  wiederfinden,  wie  bei  diesem  Bilde,  welches  das  Ungezwungene,  sich  unbeob- 
achtet glaubende  Treiben  des  kleinen  Volkes  in  einer  Weise  schildert,  die  Knaus  selbst  nicht 
mehr  übertreffen  konnte,  und  vielleicht  nicht  einmal  später  selbst  wieder  erreicht  hat:  höchstens 
in  dem  reizenden  Bildchen  ,,In  tausend  Aengsten",  wo  em  kleines  Mädel  von  zwei  Gänsen  bedroht 
wird  und  in  gleicher  Angst  um  sein  Leben,  wie  um  sein  Butterbrot  zu  schweben  scheint,  findet 
sich  diese  Unbefangenheit  und  Naivität  wieder. 

Gerade  diese  nämlich  sind  es,  die  Knaus  bei  manchen  späteren  Bildern  von  jungen  Mädchen 
oder  Frauen,  aber  auch  von  einzelnen  männlichen  Figuren  vermissen  läfst.  Bei  Jenen  geschieht 
es  hauptsächlich  zu  Gunsten  einer  gewissen  Eleganz  und  Feinheit  in  Form  und  Haltung,  die 
vielleicht  auf  Pariser  Einflufs  zurückzuführen  ist.  Dann  aber  zeigt  sich  und  zwar  besonders  in 
Einzelfiguren,  die  er  schon  in  Düsseldorf  zu  malen  anfing,  ein  gewisses  Kokettiren  des  Bildes 
mit  dem  Beschauer,  das  einer  frappanten  ersten  Wirkung  ja  sicher  ist,  aber  auf  die  Dauer  und 
bei  Wiederholungen  fast  verstimmt.  Und  zwar  äufsert  sich  dieses  Rücksichtnehmen  auf  den 
Beschauer  nicht  blofs  in  allerlei  Posen,  die  den  Eindruck  des  Unbeabsichtigten  schon  gar  nicht 
mehr  bezwecken,  sondern  sogar  in  einem  directen  Bezugnehmen  auf  den  Beschauer,  der  angeblickt 
oder  angelächelt,  sozusagen  angeredet  wird.  So  schon  in  dem  „kleinen  Freibeuter",  dann  auch  in 
dem  ,, Schornsteinfeger",  am  stärksten  bei  dem  später  in  Berlin  gemalten  „Judenjüngelchen,  das 
seinen  ersten  Profit   einsteckt". 

Gerade  das,  was  über  den  Begriff  des  Bildes  in  den  des  Porträts  hinübergreift,  hat  mehr 
wie  die  guten  Eigenschaften  Knausscher  Kunst  in  Düsseldorf  Schule  gemacht,  und  von  diesen  Einzel- 
figuren stammen  die  Legionen  von  Schornsteinfegern,  Schusterjungen,  Bauernmädchen,  oder  blofs 
Studienköpfen,  die  den  Beschauer  anlächeln,  anschmachten,  ankokettiren,  als  wollten  sie  sagen: 
,, Kaufe  mich   um  jeden  Preis". 

Das  nächste  bedeutende  Düsseldorfer  Bild  zeigt  den  Meister  wieder  von  einer  ganz  anderen 
und  überaus  ernsthaften  Seite.  Und  wie  das  Kinderfest  den  Glanzpunkt  des  heiteren  und  kindlich- 
frohen Genres  ausmacht,  so  ist  das  ,,Leichenbegängnifs  im  Winter",  1871  vollendet,  das  Bedeutendste, 


253 


was  die  deutsche  Genrekunst  auf  dem  Gebiet  der  erschütternden  „Tragik  des  Alltags"  aufzuweisen  hat. 
In  den  ernsten  Tagen  des  Krieges  gemalt,  die  Knaus  charakteristischerweise  zwar  zu  zahlreichen 
Studien,  aber  nicht  zu  einem  actuellen  Bilde  Gelegenheit  gaben,  reflectirt  sich  gewissermafsen 
in  ihm  der  Ernst  der  Zeit,    welcher    die  Künsterseele   eines  Knaus   nicht  unberührt  lassen  konnte. 

Das  Motiv  des  Bildes,  zu  dem  der  Künstler  das  Costüm  und  wohl  auch  die  Anregung  in 
Hessen  fand,  ist  einfach  genug. 

In  einem  engen  Bauernhof  hat  sich  der  Schullehrer  mit  den  Kindern  zur  Leichenfeier  ver- 
sammelt. Frierend  singen  die  Kleinen  ihren  Choral,  aber  voll  ängstlicher  Scheu  blicken  sie  dabei 
hinauf,  wo  aus  der  engen  Thür    über   schmaler  Treppe    der  Sarg    herausgetragen  wird.     Vor    ihm 


BENJAMIN   VAUTIER 
Die  entzweiten   Schachspieler 

wankt  ein  alter  Bauer    mit  langen  weifsen  Haaren    tastend  die  Stiege    herab.     Ein  jüngerer  Bauer 
scheint  ihn  unten  zu  erwarten. 

Knaus  hat  in  diesem  Bilde  die  starken  Gegensätze,  die  er  so  liebt,  zu  feinster  künstlerischer 
Harmonie  ausgearbeitet.  Hier  das  Alter,  das,  durch  das  Unglück  gebrochen,  gegen  die  Kälte  und 
selbst  gegen  den  Schmerz  des  Augenblicks  unempfindlich  geworden  zu  sein  scheint,  oder  wie  bei 
dem  Schulmeister  ganz  in  der  kleinlichen  Pflichterfüllung  des  Moments  aufgeht,  dort  die  Zuschauer, 
die  in  bäuerlichem  Stumpfsinn  oder  weiblicher  Neugier  den  Chor  der  Dorftragödie  bilden,  und 
drittens  die  Kinder,  die  bevorzugten  Lieblinge  von  Knaus'  Kunst,  in  allen  Stufen  des  Alters,  von 
den  ganz  harmlosen  Kleinen,  die  noch  gar  nicht  wissen,  um  was  es  sich  handelt,  von  den  frierenden 
Buben,  die  lieber  Schneeballen  machten,  bis  zu  den  älteren  Mädchen,  die  in  erwachendem 
Verständnifs   ihre   Rührung   im  Gesang   zu   verbergen  suchen   —   in  jeder  Gestalt,    in  jedem  Kopf 


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eine  Fülle  von  feinster  Beobachtung  und  vornehmster  Haltung  des  Ausdrucks,  die  keine  Gestalt, 
sei  es  zur  Grimasse,  sei  es  zur  blofsen  Staffage  werden  lassen. 

Weder  vorher  noch  nachher  hat  das  genugsam  behandelte,  ja  gewissermafsen  zu  Tode 
gehetzte  Motiv  eine  solche  Ausgestaltung  erhalten,  und  selbst  Knaus  hat  kaum  je  wieder  ein 
Bild  von  solcher  künstlerischen  Geschlossenheit   geschaffen. 

Im  Jahre  1874  folgte  Knaus,  nachdem  er  noch  eine  Reihe  von  hervorragenden  Bildern 
geschaffen  hatte,  so  ,,Die  Hauensteiner  Bauernberathung",  ,, Dorfhexe",  ,, Kindervergnügen'-  u.  a., 
einem  Ruf  an  die  Akademie  nach  Berlin  als  Leiter  eines  Meisterateliers,  und  seine  spätere 
Thätigkeit  blieb  der  Düsseldorfer  Kunst  entzogen.  In  unermüdlicher  Kraft  ist  der  Meister  in  diesen 
fast  drei  Jahrzehnten  thätig  geblieben,  einer  der  wenigen,  vielleicht  der  einzige  Schadowschüler, 
dessen  Kunst  bis  auf  unsere  Tage  dieselbe  und  doch  lebendig  geblieben  ist,  der  beste  Beweis, 
dafs  es   eben  eine  wirkliche  und  in  ihrem  Gebiet  grofse  Kunst  ist,  die  er  ausübt. 

Dafs  Knaus  nie  so  ganz  und  gar  ein  Düsseldorfer  war,  liegt  nicht  sowohl  daran,  dafs  sein 
zweimaliger  dortiger  Aufenthalt  von  je  acht  Jahren  durch  eine  längere  Pause  von  fast  14  Jahren 
unterbrochen  war,  sondern,  wie  gesagt,  hauptsächlich  an  gewissen  Charaktereigenthümlichkeiten, 
die  ihn  von  dem  Geist  der  Düsseldorfer  Genremalerei,  wie  sie  sich  seit  Schrödter  bis  auf  unsere 
Tage  entwickelt  hat,  überhaupt  trennt.  Dieser  Geist,  der  nur  in  den  unruhigsten  Zeiten  durch 
die  tendenziösen  Bilder  Carl  Hübners  etwas  erweitert  wurde,  läfst  sich  vielleicht  am  ehesten  als 
ein  Geist  der  Harmlosigkeit  und  Gemüthlichkeit  bezeichnen,  über  die  selbst  der  Humor  eines 
Hasenclever  oder  Schrödter  nicht  hinausgegangen  ist. 


BENJAMIN    VAUTIER 
Am  Brunnen 


17 


257 


Auch  in  ernsten  Momenten  wird  die  Düsseldorfer  Genremalerei,  immer  Hübner  ausgenommen, 
der  später  allerdings  auch  ganz  zu  ihren  Fahnen  schwor,  wohl  gelegentlich  dramatisch  und  selbst 
tragisch,  aber  nie  herb  und  bitter  oder  gar  ironisch -mokant,  wie  das  Knaus  sehr  wohl  sein 
kann.  Sie  nimmt  ernste  Situationen  entweder  eben  ganz  ernst  oder  sie  verfällt,  namentlich 
später  wieder,  in  die  uralte  Sentimentalität  zurück,  sofern  sie  überhaupt  die  ernste  Empfindung 
in  den  Vordergrund  stellt  und  sich  nicht  mit  liebenswürdigem  Humor,  mit  dem  bekannten  einem 
lächelnden  und  einem  weinenden  Auge  über  das  Unglück  zu  trösten  sucht.  So  fehlt  selbst  in  den 
Schiffbruchbildern  von  Jordan  selten  die  um  ihre  Kleinen  liebevoll  besorgte  Mutter,  das  harmlos 
bei  dem  unverstandenen  Unglück  lächelnde  Kind,  das  den  Beschauer  über  den  Ernst  der  Lage 
hinweg  helfen  soll  und  als  Träger  einer  besseren  Zukunft  seine  wichtige  Rolle  spielt. 


Gleichzeitig  mit  Knaus  trat  nun  aber  ein  zweiter  junger  Künstler  auf,  dessen  Werk  als 
der  eigentliche  Höhepunkt  der  gemüthlichen  und  auch  häufig  wirklich  gemüthvollen  Düsseldorfer 
Genremalerei  anzusehen  ist,  jener  Genremalerei,  die  sich  in  den  Jahren  ihrer  Blüthe  und 
hauptsächlich  eben  in  den  Werken  dieses  Künstlers  die  Herzen  des  ganzen  deutschen  Volkes 
in  der  ganzen  Welt  eroberte  und  sie  lange  widerspruchslos  festhielt,  da  sie  fast  nur  Angenehmes 
zu  sagen  hatte,  oder  das  Traurige  doch  auf  möglichst  angenehme  Weise.  Man  hat  Knaus  und 
Vautier  immer  gerne  nebeneinander  gestellt  und  das  liegt  nahe  genug,  weil  sie  lange  neben- 
einander und  sogar  in  Freundschaft  verbunden  gelebt  haben,  dann  weil  sie  häufig  dieselben 
Motive  in  denselben  Costümen  gemalt  haben;  und  doch  ist  das  Gegensätzliche  bei  Beiden  vielleicht 
gröfser,  als  das  Verwandte.     Und  dies  Gegensätzliche  ist  schon  in  dem  eben  Gesagten  angedeutet. 

Was  die  modernste  Kunstkritik  Beiden  und  nicht  nur  ihnen,  sondern  der  ganzen  Genre- 
malerei und  auch  einem  grossen  Theil  der  Historienmalerei  vorwirft,  ist,  dafs  diese  sogenannte 
Novellenmalerei,  die  Aufgabe  der  bildenden  Kunst  angeblich  verkennend,  statt  blofs  zu  schildern, 
zu  zeigen,  zu  malen,  auch  noch  erzählt,  dafs  sie,  statt  allein  mit  den  malerischen,  bildlichen 
Mitteln  auf  das  Auge,  auf  die  Sinne  des  Beschauers  zu  wirken,  durch  novellistische  Zuthaten,  die 
zuweilen  scheinbar  fast  zur  Hauptsache  werden,  auf  die  Phantasie,  auf  das  Nachdenken,  auf  den 
Verstand  zu  wirken  sucht  und  ein  Interesse  erregt  und  wachhält,  das  eben  nicht  ausschliefslich 
mehr  durch  die  bildende  Kunst  beim  Bilde  geweckt  ist. 

Dafs  gerade  in  der  Genremalerei  die  Novelle  meist  eine  freie  Erfindung  des  Malers  ist, 
erscheint  dabei  nur  als  eine  Erschwerung  des  Genusses  an  dem  Kunstwerk,  da  dem  Beschauer 
hier  unter  Umständen  noch  Räthsel  aufgegeben  werden,  die  seine  Aufmerksamkeit  von  dem  rein 
Künstlerischen  noch  mehr  abziehen  müssen.  Ein  allbekannter  historischer  oder  religiöser  Stoff 
wird  hingegen,  eben  weil  er  bekannt  ist,  den  Charakter  des  etwas  Neues  Erzählenden,  des  Novel- 
listischen in  der  ersten  Bedeutung  des  Wortes  verlieren  und  somit  reiner  malerisch  wirken 
können.  Dafs  gerade  religiöse  Bilder  für  den  NichtChristen  nur  zu  häufig  unverständlich  sein 
würden,  kann  gewifs  nicht  bezweifelt  werden. 

Eine  gewisse  ästhetische  Berechtigung  wird  man  dem  Beanstanden  der  Novellenmalerei 
nicht  absprechen  können,  eine  praktische  aber  doch  eigentlich  nur  dann,  wenn  unter  der  Ver- 
quickung der  Novelle  oder  der  Anekdote  mit  dem  Bilde  die  Kunst  zu  leiden  anfängt,  d.  h.  sobald 
der  Maler  der  W^irkung  seiner  Anekdote  oder  seiner  Novelle  auf  den  Beschauer  so  sicher  ist, 
dafs  er  die  malerischen  Qualitäten  seiner  Arbeit  aufser  Acht  läfst.  und  ganz  besonders,  wenn 
diese  Vernachlässigung  schliefslich  so  weit  geht,  dafs  nicht  einmal  mehr  die  Novelle  oder  die 
Anekdote  aus  den  schlecht  gezeichneten  Gestalten,  aus  den  ausdruckslosen  Köpfen  verständlich 
wird,  sondern  höchstens  nur  noch  aus  der  Unterschrift  des  Bildes,  oder  wenn  anderseits  die 
Anekdote  das  Motiv  so  verbraucht,  so  trivial  und  gemeinplätzig  geworden  ist,  dafs  sogar  sie  auf- 
hört zu  interessiren  und  wenn  dann,  wo  man  wieder  auf  dem  Standpunkt  des  nichts  sagenden, 
aber  auch  nichts  sagen  sollenden  und  wollenden  Bildes,  des  Existenzbildes,  angekommen  sein 
würde,  die  malerische  Ausführung  auf  dem   eben   charakterisirten  Standpunkt  stehen  bleibt. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel  und  es  hat  gar  keinen  Zweck,  sich  darüber  hinwegtäuschen  zu 
wollen,  dafs  in  dieser  Richtung  gerade  hier  in  Düsseldorf  viel  gesündigt  worden  ist,  und  es  ist 
nicht  einmal  in  erster  Linie  das  Novellenhafte,  welche  das  Düsseldorfer  Genrebildchen  so  in  Mifs- 
credit  gebracht  hat,  als  die  nur  allzuhäufig  unkünstlerische  Behandlung,  die  nicht  nur  das  Motiv 
zur  Schablone  hat  werden  lassen,  was  ja  vom  malerischen  Standpunkt  aus  gar  kein  Unglück 
wäre,  sondern  auch  die  Ausführung. 

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Es  kann  wohl  als  feststehend  angenommen  werden,  dafs  die  Erzählung  nicht  Aufgabe  der 
bildenden  Kunst  ist.  Aber  je  inhaltloser  stofflich  ein  Bild  ist,  um  so  inhaltreicher  mufs  es 
künstlerisch  sein;  das  ist  mit  der  bekannten  Behauptung  gemeint,  eine  gut  gemalte  Erdbeere  sei 
künstlerisch  mehr  werth,  als  ein  mangelhaft  gezeichneter  Carton  voll  der  erhabensten  Ideen,  und 
diese  Behauptung  hat  ohne  Zweifel  ihre  Berechtigung. 

Aber  anderseits  wird  ein  trefflich  gemaltes  Bild,  das  aufser  seinen  künstlerischen  Qualitäten 
auch  noch  einen  packenden  Gedanken  veranschaulicht,  dem  Laien  wenigstens,  höher  stehen,  als 
ein  ebensogut  gemaltes  Bild,  das  etwa  eben  nur  Erdbeeren  darstellt.  Den  denkenden  Menschen 
interessirt  nun  einmal  der  Mensch,  und  zwar  der  Mensch,  der  etwas  Menschenwürdiges  thut, 
mehr  als  eine  Frucht,  und  so  wird  man  die  Rembrandtsche  ,, Nachtwache"  höher  stellen  dürfen 
als  ein  Stillleben  von  de  Heem,  und  weil  der  junge,  schöne  und  intelligente  Mensch  interessanter 
ist  als  der  verkommene  Trunkenbold,  so  wird  man  etwa  ,, Christus  und  der  Zinsgroschen"  von 
Tizian  als  Bild,  der  ,,Hille  Bobbe"  vorziehen  dürfen  —  menschlich,  wenn  dem  wahrhaft  Kunst- 
verständigen vielleicht  auch  beide  Bilder  als  charakteristische  Höhepunkte  zweier  verschiedener 
Kunstwelten  gleich  hoch  stehen. 

Nun  sind  aber  nicht  alle  künstlerisch  so  geschult,  dafs  ihnen  der  geistige  Inhalt  eines  Bildes 
ganz  gleichgültig  wäre,  und  nicht  einmal  alle  Künstler  sind  ästhetisch  so  geschult,  dafs  sie  die 
Vermischung  heterogener  ästhetischer  Absichten,  die  sie  in  ihrer  Kunst  aufs  tiefste  verdammen, 
nicht  in  dem  Werke  einer  anderen  Kunst  sich  mit  dem  gröfsten  Vergnügen  gefallen  liefsen. 
Gerade  unsere  modernen  Maler  und  Bilderkritiker,  die  auf  dem  Boden  des  inhaltlosen  Existenzbildes 
stehen,  sind  vielfach  begeisterte  Anhänger  der  Wagnerschen  Musikdramen  oder  der  Straufsschen 
Programmmusik,  die  wieder  dem  klassisch  gebildeten  Musiker  ein  Greuel  ist,  da  sie  darstellerische 
poetische  oder  , .sinnliche"  und  malerische  Elemente  in  seine  , .Tonkunst"  hineinzieht,  trotzdem  auch 
Beethoven  in  seiner  Pastorale  eine  Programmmusik  trotz  einem  Modernen  geschrieben  hat.  Und 
klassische  Musiker  und  moderne  Maler  begeistern  sich  an  manchen  modernen  Dichtungen,  in  denen 
eben  nicht  mehr  viel  gedichtet  oder  gesagt  ist,  sondern  die  sich  lediglich  in  Stimmungseffecten 
oder  Klangspielereien  gefallen,  die  mehr  der  Malerei  und  der  Musik,  als  der  Dichtkunst  angehören. 

Wollte  man  hier  mit  dem  ästhetischen  Beil  alle  Auswüchse  abhauen,  so  würden  vielleicht 
gerade  die  duftenden  Blüthen  fallen  müssen,  und  es  blieben  nur  Stämme  und  Aeste.  Die  venetia- 
nischen  Existenzmaler  haben  gelegentlich  Historien  und  Anekdoten  gemalt  trotz  der  Düsseldorfer 
Romantiker  oder  Genremaler.  Das  Kriterium  liegt  eben  schliefslich  doch  immer  in  dem  „wie" 
es  geschieht,  und  sobald  ein  Bild  gut  gemalt  ist,  ist  es  künstlerisch  gleichgültig,  was  es  darstellt, 
ob  eine  Novelle  oder  eine  blofse  Situation;  menschlich  ist  es  das  freilich  eben  nicht. 

Man  kann  sogar  behaupten,  und  das  fühlt  der  Laie  vielleicht  unbewufst,  dafs  es  schwieriger 
ist  und  eine  gröfsere  künstlerische  Selbstzucht  verlangt,  einen  ,, interessanten"  Gegenstand  malerisch 
ebensoweit  auszugestalten,  als  einen  uninteressanten,  nicht  weil  das  Interesse  (des  Laien)  für  den 
stofflich  auch  interessanten  leichter  zu  erwerben  ist,  sondern  trotzdem.  Der  Maler  wird  sich  hier 
immer  wieder  fragen  müssen,  ob  er  nicht  über  dem  Stofflichen  das  Malerische  vernachlässigt,  er 
wird  sich  über  den  Stoff,  den  er  doch  vollkommen  beherrschen  mufs,  immer  wieder  erheben,  sich 
aus  ihm  heraus  versetzen  müssen,  um  nicht  in  der  künstlerischen  Ausgestaltung  zu  wenig  zu  thun. 

In  Vautier  hat  die  deutsche  Genremalerei  den  Künstler  zu  schätzen,  dem  stofflich  die  an- 
sprechendsten Motive  zu  verdanken  sind,  unter  dessen  vollendeter  und  allgemein  verständlicher 
Darstellung  die  Vollendung  der  künstlerischen  Ausführung  nie  oder  fast  nie  gelitten  hat.  Und 
was  ihn  von  Knaus  wesentlich  unterscheidet,  ist  nicht  das  zuweilen  vielleicht  geringere  technische 
Raffinement  der  Ausführung,  sondern  die  gröfsere  Freundlichkeit  und  Gemüthstiefe,  nicht  nur 
in  der  Wahl,  sondern  vor  Allem  in  der  Auffassung  seiner  Motive,  die  bei  Beiden  zuweilen 
gleichartig  sind.  Wenn  Knaus  zuweilen  herb  wird,  die  Motive  häuft  und  somit  eine  zwar  stärkere, 
aber  härtere  Wirkung  ausübt,  sucht  Vautier  durch  die  Gegensätze  die  Schärfe  des  Motivs  zu 
mildern.     Was  hier  das  Künstlerischere  ist,  dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein. 

Je  nach  der  persönlichen  Anlage,  je  nachdem,  was  der  Einzelne  im  Kunstwerk  sucht,  sei 
es  eine  Befreiung  im  Sinne  des  Dramas,  das  Furcht  und  Mitleid  erregt,  sei  es  im  Sinne  des  freien 
Lustspiels,    das  nur  ein  ästhetisches  Wohlbehagen  hervorruft,    wird  hier  die  Wahl  fallen  müssen. 

Typisch  für  Beide  und  als  Beispiel  für  das  Gesagte  kann  das  von  Beiden  ziemlich  gleichzeitig 
gemalte  ,,Leichenbegängnifs"  gelten.  Bei  Knaus  ist  es  Winter,  das  Local  ist  ein  öder,  ärmlicher 
Bauernhof,  der  Leidtragende  ist  ein  alter,  gebrochener  Mann.  Die  Zuschauer  sind  nur  halb  bei  der 
Sache,  sie  frieren  und  das  ist  ihnen  unangenehmer,  als  der  Todesfall,  wenn  es  vielleicht  auch  nur 
zu  wahr  ist.    Alles  ist  anders  bei  Vautiers  Bilde  „Begräbnifs  auf  dem  Lande".    Ein  wohlhabendes 

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Dorf  liegt  im  Sonnenschein  da,  die  Leidtragenden  und  die  Umstehenden  sind  soweit  ergriffen,  als 
es  sich  mit  ihrem  bäuerlichen  Anstandsgefühl  vereinigen  läfst,  für  die  Kinder  ist  das  Ganze  ein 
Schauspiel,  das  die  Langeweile  des  Tages  angenehm  unterbricht.  Man  sieht,  keinem  von  diesen 
Leuten  ist  das  Herz  gebrochen  und  der  Beschauer  geht  mit  dieser  Beruhigung  von  dem  Bilde 
fort,  während  er  für  die  hoffnungslose  und  einsame  Trauer  des  Alten,  dem  sein  Letztes  gestorben 
ist,  bei  Knaus  keinen  Trost  weifs.  Ein  Bild  wie  „Hinter  den  Coulissen"  würde  Vautier  nie  gemalt 
haben.  Diese  Nachtseiten  des  menschlichen  Lebens  boten  ihm  keine  Motive  für  seine  Kunst,  nicht 
einmal  für  den  ,, Taschenspieler"  mit  seiner  Persiflage  der  bäuerhchen  Dummheit  findet  sich  ein 
Gegenstück  bei  Vautier,  und  Rosenberg,  der  verständnifs-  und  liebevolle  Biograph  Vautiers,  thut  ihm 
einmal  gewifs  Unrecht,  wenn  er  in  dem  harmlosen  Bilde  ,, Abgetrumpft"  dem  würdigen  alten  Haus- 
verwalter, dem  treuen  Diener  mehrerer  Generationen  „em  lüsternes  Begehren  nach  der  frischen  Jugend" 
zuschreibt.  Gewifs  handelt  es  sich  nur  um  eine  harmlose  Neckerei,  denn  das  kleine  Wäschermädel 
schaut  doch  auch  gar  nicht  sittlich  entrüstet,  sondern  recht  vergnügt  über  ihren  eigenen  Witz  drein. 

Selbst  wenn  Vautier  sociale  Fragen  behandelt,  wie  in  dem  Bilde  ,,Vor  dem  Dorfschulzen", 
wo  der  jüdische  W^ucherer  verklagt  wird,  hat  man  doch  das  Gefühl,  dafs  sich  dank  der  Weisheit 
des  Dorfoberhauptes  noch  Alles  zum  Guten  wenden  wird,  dafs  die  Tugend  sich  zu  Tisch  setzt 
und  das  Laster  mit  einem  leichten  und  heilsamen  Vomitiv  davon  kommt. 

■Wie  sich  die  Wesensverschiedenheiten  der  beiden  gröfsten  Düsseldorfer  Genremaler  aus  der 
Abstammung,  der  Erziehung,  dem  späteren  Studiengang,  vor  Allem  aus  den  Charakterverschieden- 
heiten bis  ins  Kleinste  erklären  und  verfolgen  liefsen,  wäre  eine  interessante  Aufgabe  psycho- 
logischer Künstlergeschichte,  für  die  hier  nicht  der  Ort  ist.  Die  Hauptsache  sagen  schliefslich 
die  Bilder,  deren  verschiedener  Charakter  bei  einzelnen  eben  angedeutet  wurde. 
,  Benjamin  Vautier  wurde  1829  in  Morges  am  Genfersee  geboren.     Sein  Vater  war  Pfarramts- 

candidat  und  wurde  später  Pfarrer  in  Noville.  Der  junge  Mann  fand  für  seine  künstlerischen 
Neigungen  nicht  gleich  Gegenliebe  bei  seinen  Eltern,  doch  gelang  es  ihm,  als  sein  Vater  nach 
Frankreich  übersiedelte  und  er  gewissermafsen  der  väterlichen  Aufsicht  entzogen  war,  seinen 
Willen  durchzusetzen  und  sich,  zunächst  allerdings  mit  Rücksicht  auf  den  Broterwerb,  eine 
künstlerische  Beschäftigung  zu  suchen.  Er  konnte  in  Genf  ein  Jahr  lang  Zeichenunterricht 
nehmen  und  arbeitete  dann  zwei  Jahre  bei  einem  Emailmaler.  Nebenher  fand  er  indessen  Zeit, 
sich  weiterzubilden,  und  schliefslich  die  Möglichkeit,  sich  ganz  der  Kunst  zu  widmen.  Der  Genre- 
maler Jacques  Alfred  van  Muyden,  dessen  Einflufs  auf  Vautier  unverkennbar  ist,  gab  ihm  den 
Rath,  zu  seiner  weiteren  Ausbildung  nach  Düsseldorf  zu  gehen,  und  hier  trat  Vautier  im  Jahre 
1850  ein,  um,  wohl  auch  zu  seinem  Glück,  gleich  mit  Schadow  in  Collision  zu  gerathen. 

Ein  späterer  Versuch  mit  der  Akademie  vermochte  ihn  ebensowenig  zu  befriedigen,  und  so 
ging  er  denn  zu  dem  Einzigen,  der  in  Düsseldorf  wirklich  geeignet  war,  sein  Lehrer  zu  werden,  zu 
Jordan,  und  es  vergingen  nun  unter  eifrigen  Studien,  mehreren  Reisen  m  die  Heimath  und  zuletzt 
sogar  nach  Paris,  einige  Jahre,  worauf  gleich  mit  einem  der  ersten  Bilder  ,,In  der  Kirche"  1858  ein 
durchschlagender  Erfolg  den  jungen  Mann  an  die  Spitze  der  jüngeren  Düsseldorfer  Genremaler  stellte, 
nachdem  er  schon  ein  Jahr  vorher  im  Haag  eine  Auszeichnung  davongetragen  hatte.  Der  Kunst- 
verein brachte  das  Bild  des  jungen  Mannes  als  Prämienblatt  noch  vor  den  ..Spielern"  von  Knaus. 
Merkwürdigerweise  wurde  in  München  der  Mangel  an  einem  Motiv  bei  diesem  Bilde,  das 
nur  in  schlichter  lebenswahrer  Darstellung  einen  Theil  der  andächtigen  Sänger  in  der  Kirche 
wiedergiebt,  dem  Künstler  übelgenommen,  von  anderer  Seite  wurde  er  aber  schon  damals 
neben  Knaus  gestellt,  der  ein  durchaus  anders  geartetes  Bild  ,,Die  mit  Katzen  spielende  Grisette" 
aus  Paris  geschickt  hatte.  Ebenso  ging  es  dem  nächsten  Bilde,  einer  Scene  auf  einem  Dampf- 
schiff auf  dem  Genfer  See,  und  es  ist  merkwürdig  genug,  dafs  Vautier  von  dem  freien  Stand- 
punkt, der  nur  nach  dem  ,.W^ie",  nicht  nach  dem  ,.W^as"  fragt,  scheinbar  von  der  dem  Zeit- 
geschmack folgenden  Kritik  geleitet,  abgegangen  ist,  denn  das  folgende  Bild  „Auction  in  einem 
alten  Schlosse"  deutet  schon  den  novellistischen  Hintergrund  an,  den  Vautier  von  nun  an  nicht 
mehr  weggelassen  hat.  Gleichzeitig  mit  dieser  allerdings  vielleicht  durchaus  naturgemäfsen  Wand- 
lung des  Inhaltlichen  fällt  der  W^echsel  in  der  Wahl  der  Umgebung,  aus  der  Vautier  seine 
Motive  schöpfte.  Vielleicht  angeregt  durch  die  Bilder  von  Knaus,  der  mit  ihm  in  Paris  bekannt 
geworden  war  und  der  fortfuhr,  mit  seinen  W^erken  auf  den  deutschen  Ausstellungen  die  gröfsten 
Erfolge  zu  erringen,  vielleicht  auch  durch  die  Dorfgeschichten  Auerbachs,  die  seit  ihrem  ersten 
Erscheinen  1843  einen  noch  immer  wachsenden  Einflufs  auf  die  Literatur  und  die  Kunst  aus- 
übten, wählte  Vautier  als  Studienplatz  statt  seiner  Heimath  den  Schwarzwald,  und  hier  fand  er 
ein    Volksleben,    eine    Natur    und    Verhältnisse,    die    ihm,    dem    Ausländer,    gewissermafsen    wahl- 

262 


verwandt  waren,  aus  denen  er  fast  ausschliefslich  die  unendliche  Fülle  reizender  Motive  schöpfte, 
die  er  in  einer  überaus  fruchtbaren  30jährigen  Thätigkeit  in  zahlreichen  Bildern  niederlegte. 

In  seinem  Lebensgang,  ebenso  wie  in  seiner  künstlerischen  Entwicklung  bildet  Vautier 
insofern  auch  einen  Gegensatz  zu  Knaus,  als  ihm  die  Unrast  des  Letzteren  in  Bezug  auf  die 
Wahl  seines  Aufenthaltsortes  und  der  Wechsel  seiner  künstlerischen  Probleme  fremd  ist. 
Vautier  hat  Düsseldorf  dauernd  nicht  mehr  verlassen,  und  in  seiner  künstlerischen  Entwicklung 
macht  sich  nach  den  ersten  bedeutenden  Werken  weder  eine  Steigerung,  noch  bis  in  die  letzten 
Jahre  eine  Abnahme  bemerklich.  In  seinen  Motiven  hält  er  die  Grenzen  dessen,  was  seiner 
gutmüthigen.  heitern  und  harmonischen  Natur  entspricht,  fast  ausnahmslos  fest.  Nur  selten  schildert 
er  den  Menschen  in  seiner  Leidenschaft  oder  in  seinen  bösen  Instincten,  wie  in  dem  ,, Unter- 
brochenen Streit",  oder  in  den  wenigen  Bildern,  die  sich  mit  Wucherern  und  dergleichen  dunkeln 
Ehrenmännern  beschäftigen.  Auch  die  ,, Verhaftung'-  ist  eine  Ausnahme  in  seinem  W^erk,  und  selbst 
sie  schildert  nur  die  Wirkung  des  Ereignisses  auf  die  Zuschauer,  nicht  das  Unerfreuliche  selbst. 
Der  Kreis  seiner  Schilderungen  umfafst  beinahe  das  ganze  Leben  des  kleinen  Bürgers  und  Bauern 
in  seinen  ernsten,  und  lieber  allerdings  noch  in  seinen  heiteren  Momenten.  Eine  besondere  Eigen- 
thümlichkeit,  die  vielleicht  auf  die  Erinnerungen  der  Kindheit  zurückgeht,  ist  die  Vorliebe,  mit  der 
Vautier,  selbstverständlich  ohne  die  allergeringste  confessionelle  Färbung,  die  Beziehungen  des 
Volkes  zum  Geistlichen, 
zum  Herrn  Pfarrer,  und 
gelegentlich  auch  den 
Verkehr    der    Geistlichen 

untereinander,  beim 
Schachspiel  oder  dergl. 
schildert.  Daran  schliefsen 
sich  die  im  Bauernleben 
so  wichtigen,  aber  weniger 
beliebten  Berührungen  mit 
der  hohen  Obrigkeit,  wo 
dann  der  Künstler  mit 
einem  feinen,  aber  immer 
harmlosen  Spott  nicht  zu- 
rückhält, der  gerade  diesen 
Bildern  einen  eigenen  Reiz 
giebt,  so  vor  Allem  bei 
dem  berühmten  ., Zweck- 
essen auf  dem  Lande". 

Dafs  das  Liebesleben 
von  der  Tanzstunde  bis 
zur  Hochzeit,  von  der 
Werbung    bis    zur    Taufe 

einen  breiten  Raum  in  seinem  Werk  einnimmt,  ist  selbstverständlich,  und  es  ist  kein  geringes 
Verdienst,  dafs  Vautier  hier  im  Gegensatz  zu  nur  allzuvielen  seiner  Nachfolger  (freilich  auch 
Vorgänger  seit  Adams  Zeiten)  das  Süfsliche  und  Triviale  zu  vermeiden  weifs,  sei  es,  indem  er 
die  Töne  einer  wirklichen  tiefen  Empfindung  anschlägt,  sei  es,  dafs  er  auch  hier  jenen  feinen, 
niemals  verletzenden  Humor  walten  läfst,  der  den  Beschauer  sozusagen  in  die  Lage  des  über- 
legenen, aber  wohlwollenden  und  feinsinnigen  Beobachters  versetzt,  ungleich  einem  allerdings 
schon  wieder  überwundenen  Theil  der  modernen  Volkskunst,  die  nur  das  Zulällige  so  objectiv 
wie  möglich  zu  zeichnen  versucht  und  sich  jedes  künstlerischen  selbstthätigen  oder  selbst- 
denkenden Einspruches  enthält.  Die  Bilder  Vautiers  haben  in  vielfachen  Nachbildungen  eine 
Verbreitung  erlangt,  wie  es  kaum  bei  einem  anderen  der  neueren  Künstler  der  Fall  ist.  Der 
Kunstverein  hat  nicht  weniger  als  vier  Bilder  aus  verschiedenen  Zeiten  in  Kupferstich  verviel- 
fältigt. Andere  Stiche  und  namentlich  Photographien  nach  den  Bildern  Vautiers  haben  die  aller- 
meisten derselben  zu  einem  Gemeingut  des  deutschen  Volkes  gemacht,  so  dafs  von  einer  Beschrei- 
bung Aller,  die  ohnehin  einen  kleinen  Band  füllen  würde,  oder  auch  nur  Einzelner,  an  dieser 
Stelle  abgesehen  werden  kann.  Rosenbergs  Monographie  beschreibt  die  hervorragendsten  Bilder 
in  angemessener  Weise,  und  gerade  für  Vautiers  Arbeiten  gilt,  was  für  jedes  Kunstwerk  gelten 
mufs,  dafs  schliefslich  nur  das  Bild  sagen  kann,  was  der  Künstler  gemeint  hat. 


BENJAMIN   VAUTIER 
Die   letzte   Fahrt 


263 


Auch  Vautier  hat  merkwürdigerweise  eine  nennenswerthe  Lehrthätigkeit  nicht  ausgeübt. 
An  der  Akademie  hielt  man  zur  Zeit  noch  an  dem  Schadowschen  Princip  fest,  dafs  ein  Lehrer 
für  das  Genre  nicht  nöthig  sei,  denn  wer  gelernt  habe,  ein  Historienbild  zu  malen,  der  könne  ein 
Genrebild  ganz  von  selber  machen. 

Um  eine  Privatlehrthätigkeit  auszuüben,  war  Vautier  allzusehr  mit  eigenen  Arbeiten  beschäftigt, 
denn  seine  künstlerische  Gewissenhaftigkeit  war  so  grofs,  dafs  er  selbst  in  der  Hochfluth  des 
Kunsthandels  in  den  70er  Jahren,  ungleich  so  manchen  anderen  Künstlern,  niemals  ein  Bild  aus 
der  Hand  gab,  das  er  nicht  mit  der  ihm  eigenen  peinlichen  Sorgfalt  durchgearbeitet  hatte.  Aber 
auch  ohne  Schule  war  sein  Einflufs  auf  die  Düsseldorfer  Genremalerei  ein  ungeheuerer.  Kaum 
ein  Genremaler  jener  30  Jahre,  in  denen  Vautier  rastlos  schaffte,  hat  sich  ihm  entziehen  können, 
mochte  er  nun  der  älteren  Generation  angehören,  oder  der  jüngeren,  die  sich  zu  einem  grofsen 
Theil  geradezu  an  Vautier  gebildet  hatte.  ♦ 

So  grofs  war  nämlich  sein  Einflufs,  dafs  er  gewissermafsen  zwei  Generationen  miteinander 
verschmolzen  hat.  Die  späteren  Bilder  der  älteren  Genremalerei  nähern  sich  nach  Motiven  wie 
nach  der  malerischen  Anschauung  aufserordentlich  denen  der  um  ein  Menschenalter  oder  mehr 
jüngeren  Collegen,  und  zwar  so  sehr,  dafs  ein  Unterschied  der  Schulung  fast  verschwindet. 

Zwischen  den  Bildern  Jordans  aus  seiner  besten  Zeit,  denen  des  greisen  Fagerlin,  die  in 
neueren  Tagen  gemalt  sind,  und  denen,  die  etwa  der  jüngere  Nordenberg  oder  Kirberg,  beides 
Schüler  von  Wilhelm  Sohn,  aber  ersichtlich  von  Vautiers  Kunst  beeinflufst,  malen,  ist  der  Unter- 
schied bis  auf  verhältnifsmäfsig  geringfügige  Aeufserlichkeiten  der  Technik  und  des  Costüms  ein 
aufserordentlich  geringer,  und  darin  liegt  nicht  etwa  eine  Schwäche,  sondern  ein  Beweis  für  die 
gesunde  volksthümliche  Kraft,  die  ungeachtet  mancher  schwächlichen  Leistungen  dem  Düsseldorfer 
Genre  innewohnt,  ein  Beweis  aber  auch  für  den  Einflufs  Vautiers,  denn  er  ist  es,  der,  ohne  es 
zu  wollen,  den  späteren  Werken  seines  Lehrers  Jordan  sowohl,  wie  denen  der  ihm  persönlich 
verhältnifsmäfsig  ferner  stehenden  jüngeren  Genremaler  die  Richtung  gegeben  hat. 

Ihn  übertroffen  hat  Keiner.  Mochte  der  Eine  oder  Andere  eine  kräftigere  Farbe  besitzen, 
oder  in  der  Charakterisirung  einzelner  der  zuweilen  typisch  gewordenen  Gestalten  tiefer  gegangen 
sein,  die  Gesammtstimmung  der  Vautierschen  Bilder,  das  eigenthümliche  Behagen,  das  aus  ihnen 
spricht  und  sich  dem  Beschauer  unwillkürlich  mittheilt,  war  und  blieb  sein  Ateliergeheimnifs. 

Von  den  zahlreichen  Genremalern  dieser  älteren  Schule  sind  Einige  noch  heute  in  bewunderns- 
werther  Frische  künstlerisch  thätig.  Es  ist  ihnen  vielfach  gelungen,  ohne  ihrer  Eigenart  untreu 
zu  werden,  sich  den  späteren  Bestrebungen  mit  Erfolg  anzuschliefsen.  Viele  haben  neben  ihren 
Genrebildern  das  Porträt  gepflegt,  das  damals  nicht  in  dem  Mafse  die  Domäne  Einzelner  war,  die 
sich  ihm  fast  ausschliefslich  widmeten,  wie  dies  heute  der  Fall  ist. 

An  der  Spitze  steht  hier  auch  zeitlich  Hubert  Salentin.  Er  ist  schon  1822  in  Zülpich  geboren 
und  war  zuerst  Nagelschmied,  ehe  er  in  Düsseldorf  Schüler  von  Tidemand  wurde.  Seine  zahl- 
reichen, meist  nicht  umfangreichen  Bilder  zeichnen  sich  durch  lebendige  Beobachtung,  zuweilen 
scharfe  Charakteristik  und  eine  zarte  Färbung  aus,  der  es  aber,  namentlich  in  gröfseren  Bildern, 
an  einer  gesunden  Natürlichkeit  nicht  fehlt,  wie  dies  das  sonnige  Bild  ,, Wallfahrer"  (1866)  im 
Kölner  Museum  beweist. 

Theodor  Schüz,  der  1900  starb  und  bis  zu  seinem  Tode  fleifsig  arbeitete,  hat  manche  Ver- 
wandtschaft mit  Boettcher,  namentlich  in  seiner  Verbindung  der  Figuren  mit  der  Landschaft,  in 
welcher  er  Höhen  mit  weitem  Ausblick  bevorzugt  und  mit  einer  fast  beispiellosen  Sorgfalt  durch- 
führt. Schüz  war  geborener  Württemberger  (1830),  studirte  unter  Rüstige  in  Stuttgart,  dann  in 
München  unter  Piloty,  wovon  allerdings  in  seiner  einfachen  Kunst  nichts  zu  merken  ist,  und  kam 
1866  nach  Düsseldorf.  „Mittag  in  der  Ernte",  „Ostergesang",  ,, Abend  auf  dem  Lande"  sind  einige 
seiner  glücklichsten  Arbeiten. 

Die  beiden  Genannten  waren  verhältnifsmäfsig  spät,  sei  es  zur  Kunst  übergegangen,  sei  es 
nach  Düsseldorf  gekommen;  der  1829  zu  Düsseldorf  geborene  Friedrich  Hiddemann  gehört  dagegen 
noch  ganz  und  gar  zu  der  ältesten  Generation.  Er  war  bis  1856  Schüler  von  Hildebrandt  und 
Schadow  und  malte  zuerst  eine  Scene  aus  König  Lear.  Auf  ausgedehnten  Studienreisen  in 
Deutschland,  Frankreich,  Belgien  und  Holland  fand  er  bald  das  ihm  passende  Gebiet,  das  Genre, 
und  hier  hat  er  ziemlich  unabhängig  verschiedene  hervorragende  Werke  geschaffen,  die  sich 
durch  treffliche  Charakteristik  und  einen  gesunden  Humor  auszeichnen.  Bei  seinen  Bauernbildern 
erinnert  er  zuweilen  in  der  Schärfe  der  Charakterisirung  eher  an  Knaus,  als  an  Vautier.  ,,Die 
Flasche  Sect"  in  der  Düsseldorfer  Kunsthalle  zeigt  ihn  von  seiner  besten  Seite  als  humorvollen 
und  selbst  satirischen  Schilderer.     Sein  Hauptbild  „Preufsische  Werber"  1873  befindet  sich  in  der 

264 


Nationalgalerie.  Als 
Zeichner  machte  er 
sich  einen  Namen 
durch  seine  Illustra- 
tionen zu  Reuters 
,,Ut  mine  Stromtid". 
Er  starb  1892. 

Schulz-Br  lesen,  ge- 
boren 1831  zu  Haus 
Austel,  sollte  zuerst 
Offizier  werden,  be- 
zog aber  1848  die 
Akademie  in  Düssel- 
dorf, wo  er  Schüler 
von    Karl    Sohn    und 

Th.  Hildebrandt 
wurde.  Dann  studirte 

er  in  Antwerpen. 
Paris  und  Berlin  und 

eignete    sich    eine 

äufserst  glänzende 
Technik  an,  die  ihm 
später  bei  seinen  ele- 
ganten Porträts  sehr 
zu  statten  kam.  Seine 
Genrebilder  suchen 
meist  ernstere  Con- 
flicte,  so  das  treff- 
liche Bild  „Die  Ver- 
haftung" in  der  Düs- 
seldorfer Kunsthalle, 
(Motiv  aus  Rothen- 
burg ob  der  Tauber), 

ferner  ,, Verlorene 
Ehre",      , .Gefangene 
Zigeuner"    u.  a.      Er 
starb  1891. 

Dann    verdankt    ihm 
..Aschenbrödel' 


HUBERT   SALENTIN 
Waldinneres 


Hermann  Sonder- 
mann   kam    verhält- 
nifsmäfsig  spät  nach 
Düsseldorf.     1832    zu 

Berlin  geboren, 
malte  er  dort  zuerst 
Porträts,  war  dann 
eine  Zeitlang  in  Ant- 
werpen und  Paris 
und  kam  Ende  der 
50er  Jahre  nach  Düs- 
seldorf, wo  er  sich 
Jordan  anschlofs  und 
ansprechende  Genre- 
bilder harmlosen  und 
gemüthlichen  Inhalts 
malte.    Er  starb  igoi. 

Vielseitiger  ist 
Ernst  Bosch,  der  als 
geborener  Crefelder 
(1834)  schon  1851  nach 
Düsseldorf  kam  und 
auf  der  Akademie  bei 
C.  F.  Sohn,  Hilde- 
brandt und  Schadow 
studirte,  dann  selb- 
ständig   mit    Hidde- 

mann  zusammen 
arbeitete.  Er  verbin- 
det in  seinen  genre- 
haften Darstellungen 
eine  feine  Wieder- 
gabe der  Landschaft 
und  der  Thiere.  und 
hat  so  auch  eine 
Reihe  ansprechender 
Jagdbilder  geschaffen, 
so    ,,Rothkäppchen", 


das  Märchen  verschiedene  reizvolle  Compositionen, 
,,Genovefa",  die  an  die  alte  Romantik  gemahnen.  In  trefflichen  Porträts  hat  er 
seine  sichere  Zeichnung  bewährt,  wie  er  denn  auch  als  Illustrator  (zu  Werthers  Leiden)  und 
Radirer  eifrig  thätig  war  und  ist.  Als  Vorstand  des  ,, Düsseldorfer  Künstler-Unterstützungsvereins" 
hat  er  auch  hier  eine  eifrige  und  erfolgreiche  Thätigkeit  zu  verzeichnen. 

Auch  der  gleichalterige  Otto  Erdmann  (1834  in  Leipzig  geboren)  ist  noch  unermüdlich  thätig 
und  widmet  dabei  einen  Theil  seiner  Zeit  der  Leitung  des  ,, Malkastens",  dem  er  seit  Langem 
bis  in  die  letzte  Zeit  als  Vorstandsmitglied  angehört.  Er  kam  erst  1858  nach  Düsseldorf,  und  so 
nimmt  er  mit  seinen  vielfach  im  Rococo-Costüm  gemalten  Bildern  auch  eine  Sonderstellung  inner- 
halb der  Genremalerei  ein.  Da  seine  Bilder  vielfach  reproducirt  wurden,  gilt  er  in  weitesten 
Kreisen  als  einer  der  verständnifsvollsten  Schilderer  des  Rococo,  ohne  dafs  er  doch  diese  Zeit 
anders,  als  von  ihrer  harmlosesten  Seite  zeigt.  Nur  einmal  in  seiner  ..Verhaftung"  schlug  er 
einen  dramatischen  Ton  an. 

Der  älteste  Sohn  Carl  Ferdinand  Sohns,  Richard,  geboren  1834,  widmete  sich,  nach- 
dem er  zuerst  Schüler  von  Schadow  gewesen  war,  ebenfalls  der  Genremalerei,  schlofs  sich 
Jordan  an  und  malt  —  später  nicht  unbeeinflufst  von  seinem  Vetter  Wilhelm  Sohn  — 
ansprechende  Genrebilder,  so  1862  „Einquartierung  auf  dem  Lande",  „Der  blinde  Geiger  und 
sein  Kind",  ,, Mutterfreude"  u.  s.  w.  Auch  er  ist  noch  rüstig  thätig  und  hat  sich  als 
Bibliothekar  des  Malkastens  mit  dem  Architekten  Geyer  zusammen  grofses  Verdienst  um  dieses 
Institut  erworben. 


265 


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X 

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Fritz  Sonderland,  geboren  1836,  war  der  Sohn  des  Düsseldorfer  Genremalers  Baptist  Sonder- 
land. Er  wurde  Schüler  der  Akademie,  aber  hauptsächlich  von  Hiddemann.  Besonderen  Beifall 
fanden  seine  Kinderbilder,  dann  Einzelbilder  eleganter  Frauenfiguren  im  Renaissance-Costüm,  die 
sich  durch  eine  zwar  etwas  süfsliche,  aber  nicht  unangenehme  Farbe  vielen  Beifall  erwarben. 
Er  starb  1896. 

Der  jüngste  dieses  Kreises  —  und  in  seinen  Bildern,  der  Ausführung  wie  dem  Motiv  nach,  nicht 
ohne  eine  gewisse  kräftige  Note,  die  vielen  seiner  Zeitgenossen  abgeht  ■ —  ist  Julius  Geertz,  geboren 
1837  in  Hamburg.  Er  war  zuerst  seit  1857  Schüler  von  Des  Coudres  in  Karlsruhe,  dann  von  Jordan 
in  Düsseldorf.  Seine  besten  Bilder  fallen  in  die  70er  Jahre,  so  ,,Der  Verbrecher  nach  der  Ver- 
urtheilung",  „Der  letzte  Schmuck",  ,,Das  Mädchen  mit  dem  Vogelnest".  Später  war  Julius  Geertz 
in  Amerika  thätig,  kehrte  aber  häufig  wieder  nach  Düsseldorf  zurück. 

Karl  Maria  Seyppel  mag  im  Anschlufs  an  diese  Reihe  genannt  werden,  obwohl  er  als  Schüler 
von  Knaus  eigentlich  einer  anderen  Generation  angehört.  Er  wurde  1847  i^i  Düsseldorf  geboren 
und  reiste  studienhalber  viel  in  W^estdeutschland  umher.  Seine  meist  humoristischen  Genrebilder 
finden  vielen  Beifall,  eine  Art  Weltruf  aber  erlangten  seine  angeblich  ,, ausgegrabenen"  ägyptischen 
Scherzbücher,  die  er  selbst  gezeichnet  und  gedichtet  hatte. 

Einen  ganz  eigenen  Weg,  der  ihm  vielleicht  durch  die  Pariser  Orientmaler  gewiesen  worden 
war,  schlug  Adolf  Seel  ein,  der,  1829  zu  W^iesbaden  geboren,  von  1844 — 50  unter  Carl  Sohn  auf 
der  Akademie  studirte,  dann  nach  Paris  und  von  da  aus  nach  Italien,  besonders  Venedig,  ging. 
Schon  damals  begann  seine  Vorliebe  für  Architekturen,  die  er  mit  grofsem  malerischen  Reiz  und 
in  feinster  Ausführung  malte,  ohne  dabei  die  reiche  figürliche  Staff"age  zu  vernachlässigen.  Späterhin 
besuchte  er  Spanien  und  den  Orient,  wo  ihm  die  maurischen  und  arabischen  Bauten  reichen 
Stoff  zu  farbigen  und  decorativ  wirkenden  Bildern  gaben.  So  malte  er  die  reizvolle  ,,Haremscene" 
in  der  Kunsthalle  in  Düsseldorf,  „Arabischer  Hof  in  Kairo"  in  der  Nationalgalerie,  ,, Löwenhof  in 
der  Alhambra"  u.  s.  w.  Auch  in  Wasserfarben  begann  er  früh  orientalische  und  spanische 
Architekturen  zu  malen,  wobei  er  das  Material  in  geistreicher  Weise  auszunutzen  verstand. 

Neben  Knaus,  Vautier  und  den  Genannten,  deren  Stoffgebiet  sich  fast  ganz  auf  das  heutige 
Leben  beschränkt,  entwickelt  sich  aber  seit  den  60er  Jahren  eine  zweite  Genreschule  in  Düsseldorf, 
welche  die  verschiedensten  Elemente  in  sich  vereinigt.  Es  ist  die  uralte  Costüm-Genremalerei, 
die,  als  ein  Ueberbleibsel  der  romantischen  Figurenmalerei  allen  Umwälzungen  Trotz  bietend,  sich 
mit  grofser  Zähigkeit  in  der  ganzen  Kunst  erhalten  hatte  und  in  Düsseldorf  durch  Wilhelm  Sohn 
zu  einer  ungeahnten  Höhe   geführt  wurde. 

Die  Verdienste  Sohns  liegen  nach  drei  Seiten.  Die  unwichtigste  ist  die  äufserlich  am 
meisten  in  die  Augen  fallende,  die  costümliche  oder,  wenn  man  so  sagen  soll,  kulturgeschichtlich- 
wissenschaftliche. Sohn  begnügte  sich  nämlich  nicht  damit,  aus  alten  Bildern  Costüme  zu  ent- 
nehmen und  sie  seinen  Gestalten  umzuhängen,  sondern  er  studirte  das  ganze  Milieu  der  alten 
Zeit  mit  einer  Gewissenhaftigkeit,  dafs  kein  Gewandstück,  kein  Möbel,  kein  Teppich  aus  dem 
Gesammtbilde  costümgeschichtlich  herausfiel,  und  wie  Alma  Tadema  für  gewisse  Perioden  des 
antiken  Lebens  archäologisch  genaue  Abbildungen  geschaffen  hat,  so  sind  die  besten  Bilder  der 
Sohnschen  Schule  getreue  Wiedergaben  einer  bestimmten  Epoche  der  niederländischen  Renaissance. 
Wichtiger  als  dieses  culturgeschichtliche  Studium  ist  die  Sorgfalt,  die  von  ihm  der  coloristischen 
Stimmung  zugewandt  wurde.  Hier  wurde  der  Gipfel  jenes  Colorismus  erreicht,  der  sich  seit  der  Zeit 
der  älteren  Genremaler,  Hasenclever  an  der  Spitze,  allmählich  entwickelt  hat.  Die  W^irkung  der 
verschiedenen  Farben  zu  einander  wurde  zu  einem  förmlichen  Studium  erhoben,  das  auf  dem 
Wege  des  Experiments  zu  möglichster  Vollendung  gebracht  wurde.  Das  Bild  war  nicht  mehr 
das  Resultat  einer  rein  künstlerischen  intuitiven  Farbenfreude,  sondern  der  Niederschlag  und 
Extract  einer  manchmal  durch  Jahre  hindurch  fortgesetzten  Reihe  von  Versuchen  durch  Farben-, 
Detail-  und  Gesammtskizzen,  in  denen  zuweilen  die  Elemente  zu  einem  Dutzend  Bildern  vereinigt 
waren.  Diese  Art  zu  arbeiten  war  aber  eine  zu  sehr  individuelle,  setzte  ebensowohl  eine  eiserne, 
unermüdliche  Geduld,  wie  ein  fortwährendes  Verzichtleisten  auf  das  Gefundene  voraus,  das  immer 
wieder  einem  zuweilen  nur  angeblich  Besseren  geopfert  wurde,  als  dafs  sie  auf  die  Dauer  viele 
freiwillige  und  originelle  Anhänger  hätte  finden  können.  Sie  war  auch  streng  genommen  eine 
unkünstlerische,  und  so  bleibt  als  letztes  und  wirklich  bedeutendstes  Element  der  Sohnschen  Kunst 
eine  höchste  Ausbildung  des  physiognomischen  Ausdrucks,  wie  sie  selbst  Knaus  in  Düsseldorf 
und  die  alten  Genremaler  kaum  erreicht,  letztere  jedenfalls  auch  kaum  angestrebt  haben,  als 
deren  Resultat  die  eminente  Charakterschilderung  und  Individualisirungskunst  des  bedeutendsten 
Sohnschülers  Eduard  von  Gebhardt  hervortritt. 

267 


Die  costümliche  Seite  der  Sohnschen  Kunst  hatte  sich  seit  Längerem  in  der  Stille  schon 
vorbereitet.  Die  meisten  der  älteren  Historienmaler  hatten  unter  dem  Druck  des  sich  zum  Genre 
neigenden  Zeitgeschmacks  allmählich  auf  die  grofsen,  streng  historischen  Bilder  verzichten  müssen. 
Man  warf  sogar  schon  Lessing  tadelnd  vor,  dafs  seinen  Hufsbildern  der  grofse  historische  Stil 
mangele,  dafs  er  das  Genre  in  die  Historie  eingeführt,  oder  die  Historie  zum  Genre  erniedrigt 
habe.  Bei  Vielen  blieb  in  der  That  von  dem  Historischen  nur  das  Costüm  übrig  und  bei  diesem 
war  das  Historische  gröfstentheils  auch  nicht  weit  her,  da  es  vielfach  von  dem  gewohnten  roman- 
tischen Theatercostüm  abhängig  blieb.  Die  Zeit  der  Meininger,  welche  die  Culturgeschichte  auch 
auf  das  Theater  anwandten,  war  noch  nicht  gekommen. 

Aber  die  Erleichterungen  des  Verkehrs  machten  allmählich  ein  eingehendes  Studium  der 
alten  Meister,  besonders  in  den  benachbarten  Niederlanden,  möglich  und  nothwendig.  Anstatt  das 
Costüm  der  Mode  anzupassen,  suchte  man  allmählich  einen  besonderen  Reiz  in  gröfserer  Treue, 
und  Hand  in  Hand  damit  gingen  auch  früh  schon  Versuche  einer  Nachahmung  und  eines  genauen 
Studiums  der  coloristischen  Eigenschaften  der  Meister,  deren  Costüm  man  wählte,  so  namentlich 
Terborchs,  Metsüs,  v.  d.  Meers,  P.  de  Hoochs  u.  s.  w.  Das  machte  sich,  wenn  auch  noch  schwach, 
schon  bei  Geselschap  bemerklich,  bei  Camphausens  Puritanerbildern  und  bei  manchen  Anderen. 
Besonders  arbeitete  in  diesem  Sinne  neben  Sohn,  obwohl  ziemlich  unabhängig  von  ihm,  noch  ein 
zweiter  Künstler,  der  Sohn  künstlerisch  vielleicht  überragte,  ohne  dafs  er,  trotz  weit  gröfserer 
Productivität,  sich  ähnlichen  Erfolges  rühmen  konnte. 

Carl  Hoff,  1838  in  Mannheim  geboren,  studirte  zunächst  in  Karlsruhe  unter  Schirmer  und 
des  Coudres  und  kam  dann  nach  Düsseldorf,  wo  er  sich  Vautier  anschlofs.  Dementsprechend 
entnahm  er  die  Motive  seiner  ersten  Bilder  der  Gegenwart,  um  aber  dann  seit  1865  im  Anschlufs 
an  verschiedene  Studienreisen  sich  im  Costüm  und  Charakter  der  Barockzeit  oder  des  Rococos  zu 
bewegen.  Mit  Vautier  gemein  hat  Hoff  die  vornehme  Anmuth,  die  er  seinen  Gestalten,  namentlich 
den  weiblichen,  zu  verleihen  weifs,  doch  entwickelte  er  sich  nach  der  coloristischen  Seite  schon 
früh  kraftvoller  und  durchaus  eigenartig.  So  waren  die  ,, Zigeuner  vor  dem  Ortsvogt",  ,,Der 
Winkeladvokat"  u.  a.  noch  ganz  im  Sinne  Vautiers  und  vielleicht  auch  Knaus'  empfunden.  Mit 
dem  Rococobilde  ,,Auf  der  Flucht"  wandte  er  sich  aber  dem  eigentlichen  coloristischen  Costüm- 
Genre  zu,  das  er  nun  in  einer  grofsen  Reihe  von  Bildern  zu  hoher  Vollendung  brachte,  freilich 
nicht  ohne  immer  ganz  eine  gewisse  theaterhafte  Pose  vermeiden  zu  können.  Sein  Hauptbild 
war  die  1875  vollendete  ,, Taufe  des  Nachgeborenen",  welches  den  farbigen  Prunk  eines  reichen 
Costüms  aus  der  Mitte  des  XVII.  Jahrhunderts  mit  einem  tiefernsten  Stoff  zu  verbinden  strebte. 
Freilich  tritt  gerade  hier  das  anekdotenhaft -novellistische  Element  wieder  aufserordentlich  stark 
in  den  Vordergrund,  so  dafs  das  Bild    ohne  die  Unterschrift    überhaupt   gar  nicht  verständlich  ist. 

Mehr  einen  illustrativen  Ton  schlägt  das  nächste,  ebenfalls  sehr  populär  gewordene  Bild 
„Des  Sohnes  letzter  Grufs"  (1878)  an.  Ein  Soldat  in  der  Tracht  des  30jährigen  Krieges  bringt 
der  Mutter  und  Schwester  eines  gefallenen  Kameraden  die  traurige  Kunde.  Hier  macht  sich  auch 
die  alte  Düsseldorfer  Sentimentalität  wieder  geltend,  die  Vautier  bei  aller  seiner  ^Veichheit  doch 
last  immer  sehr  wohl  zu  vermeiden  gewufst  hat. 

Hoff  wurde  1878  als  Professor  nach  Karlsruhe  berufen,  dort  schrieb  er  seine  vielgenannte 
Streitschrift  „Künstler  und  Kunstschreiber",  in  der  er  die  Rechte  des  Künstlers  zur  Kunstkritik 
und,  was  jedenfalls  anfechtbar  ist,  dessen  Beruf  zur  Kennerschaft  gegenüber  dem  Kunstgelehrten, 
dem  „Kunstschreiber",  vertheidigt.  Der  zartsinnige  Künstler  zeigt  sich  hier  als  recht  scharfen 
Helden  von  der  Feder.  Sonderbarerweise  widerspricht  das,  was  er  schreibt,  eigentlich  dem,  was 
er    gemalt  hat,    wenn  er    gegen    die    Ideenmalerei,    die  er    doch   selbst    ausgeübt    hat,    sich  wendet. 

Die  Bedeutung  Wilhelm  Sohns  als  Colorist,  um  auf  diesen  zurückzukommen,  und  seine  Stellung 
innerhalb  seiner  Zeitgenossen  stehen  in  der  neuen  Kunstgeschichte  wohl  einzig  da.  Ohne  selbst 
mehr  wie  einige  wenige  Bilder  vollendet  zu  haben,  ist  Sohn  auf  kaum  ein  einziges  Bild,  das 
innerhalb  einer  gewissen  Zeit  in  Düsseldorf  entstand,  auf  kaum  einen  einzigen  Künstler  ganz  ohne 
Einflufs  geblieben.  Er  war  zum  Rathgeber  gewissermafsen  prädestinirt  und  sein  eigenes  Schaffen 
hat  darunter  so  sehr  gelitten,  dafs  er  die  letzten  25  Jahre  seines  Lebens  fast  nichts  mehr  producirt 
hat.  Aber  es  war  keineswegs  eine  Uebertreibung,  wenn  er  selbst  gelegentlich  sagte,  er  habe 
nicht,  wie  die  Anderen,  an  einem  Bilde  zu  arbeiten,  sondern  an  einem  ganzen  Dutzend. 

Sein  eigenes  Werk  ist  somit  bald  besprochen.  Er  war  1830  in  Berlin  geboren  und  kam  1847 
nach  Düsseldorf  auf  die  Akademie,  wo  er  Schüler  seines  Oheims  Carl  Ferdinand  wurde.  Ganz 
im  Sinne  der  Schule  malte  er  zuerst  religiöse  Historienbilder,  so  das  grofse  ,, Christus  auf  dem 
sturmbewegten  Meere",    das  weder  in  der    stumpfen  braunen  Farbe,    noch   in  dem  conventioneilen 

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Ausdruck  der  Figuren  auch  nur  im  geringsten  die  spätere  Entwicklung  Sohns  vermuthen  liefs. 
Einige  andere  Bilder  ähnlicher  Art,  z.  B.  ein  unvollendet  gebliebener  „Bonifacius",  folgten,  bis  das 
Studium  der  niederländischen  Kleinmeister  einen  plötzlichen  Umschwung  hervorbrachte,  dem 
eine  Reihe  von  coloristisch  geradezu  epochemachenden  Bildern  entstammte:  ,.Die  Gewissens- 
frage" 1864,  ,,Die  verschiedenen  Lebenswege"  und  vor  allem  sein  Hauptbild  ,,Die  Consultation 
beim  Rechtsanwalt"  1866.  Das  letztere  Bild  wurde  für  lange  Zeit  gewissermafsen  als  der  höchste 
erreichbare  Gipfel  der  Malerei  angesehen  und  es  enthält  in  der  That  nach  jeder  Hinsicht  die 
Ingredienzen,  aus  denen  die  Genremalerei  einige  Jahrzehnte  hindurch  ihre  berühmtesten  Werke 
componirte.  Zunächst  als  Stoff  eine  mehr  oder  weniger  spannende  Situation  im  Stile  der  damals 
beliebten  Familienromane,  die  wie  in  dem  vorliegenden  Falle  nicht  einmal  klar  ausgesprochen  ist; 
an  sie  anknüpfend  die  subtilste  Seelenmalerei,  die  über  die  einfache  Physiognomik  eines  Vautier 
oder  selbst  Knaus  noch  hinausgeht,  allerdings  gerade  auch  hier  wieder  so  auf  die  Spitze  getrieben 
ist,  dafs  sie  mehr  eine  spannende  Erwartung,  als  ein  sofortiges  selbstverständliches  Erkennen  der 
Situation  hervorruft,  und  damit  gerade  hier  unbewufst  einem  Realismus  huldigt,  der  künstlerisch 
vielleicht  anfechtbar  ist.  Im  Leben  giebt  es  ohne  Zweifel  auch  Scenen,  die  aufs  höchste  dramatisch 
zugespitzt  sind,  ohne  für  den  plötzlich  hinzutretenden  Beschauer  sofort  verständlich  zu  sein,  ihm 
vielmehr  die  Frage  ..Was  ist  denn  eigentlich  los?"  auf  die  Lippen  zwingt.  Ob  es  künstlerisch 
vernünftig  ist,  solche  Scenen  ebenso  unverständlich  zu  malen,  wie  die  Wirklichkeit  sie  gelegentlich 
zeigt,  ist  eine  andere  Frage,  die  aber  Sohn  und  zahlreichen  Autoren  ähnlicher  Bilder  jedenfalls 
fern  gelegen  hat. 

Bei  diesen  Bildern  ist  die  Gesammtnovelle  Nebensache,  aber  es  bleibt  für  den  Beschauer 
der  aufserkünstlerische  jedoch  sehr  wohl  beabsichtigte  Reiz,  sich  in  den  Charakter  jeder  einzelnen 
Figur  zu  vertiefen,  der  über  die  Situation  hinaus  interessant  gestaltet  ist,  so  hier  in  den  des 
wichtigthuenden  Rechtsanwaltes,  des  neugierig  lüsternen  Schreibers,  dann  der  sittlich  entrüsteten 
Matrone  und  des  ,,von  den  verschiedensten  Empfindungen  bestürmten"  (wie  es  eben  in  den 
Romanen  heifst,  ohne  dafs  man  deshalb  nun  weifs,  was  das  für  Empfindungen  sind)  bescheiden 
vor  sich  hinblickenden  jungen  Mädchens. 

Das  Costüm  und  das  Interieur  ist  mit  der  gröfsten  culturgeschichtlichen  Genauigkeit  nach 
Bildern  der  dargestellten  Zeit  studirt  das  Colorit  mit  einer  Feinheit  gestimmt,  die  eben  auch 
nur  das  Resultat  einer  vollständigen  Vertiefung  m  die  Werke  der  alten  Genremaler  sein  konnte 
und  einer  vorläufig  rein  empirisch  gewonnenen  Kenntnifs  von  den  coloristischen  Gesetzen,  nach 
welchen  die  alten  Meister  ihre  Wirkungen  erreichten. 

Seit  der  Vollendung  dieses  Bildes  hat  Sohn  neben  einigen  kleinen  Arbeiten  und  einigen 
Porträts,  von  denen  namentlich  das  einer  jungen  Aristokratin  ein  Muster  eleganter  Repräsen- 
tationsmalerei war,  fast  30  Jahre  lang  an  einem  Bilde  gemalt,  das  für  die  Nationalgalerie  bestimmt 
war  und  die  ,, Abendmahlsfeier  einer  Sterbenden  in  einem  protestantischen  Patrizierhause  des 
XVII.  Jahrhunderts"  darstellte.  Das  Bild  ist  unvollendet  geblieben,  zeigt  aber  eine  noch  gröfsere 
Steigerung  der  genannten  Momente  und  erreicht  namentlich  in  dem  Gesichtsausdruck  eines  kleinen 
Mädchens  eine  geradezu  klassische  Höhe. 

Aber  Sohn  war  damals  schon  so  sehr  durch  seine  Lehrthätigkeit  in  Anspruch  genommen, 
dafs  ihm  nicht  sowohl  die  Zeit,  als  vielmehr  die  künstlerische  Concentration  fehlte,  um  das  grofs- 
artig  angelegte  Bild  zu  vollenden.  Ein  Gehirnleiden,  das  vielleicht  in  ursächlichem  Zusammen- 
hang stand  mit  seinem  fabelhaften  Gedächtnifs  und  seiner  Fähigkeit,  förmlich  aus  sich  heraus  zu 
gehen  und  die  Arbeit  und  die  künstlerischen  Gedankengänge  zahlreicher  Schüler  und  Kollegen, 
wie  seine  eigenen  zu  verfolgen,  lähmte  seine  Kraft  schliefslich  vollständig.  Er  starb  1899  im 
März,  nachdem  er  seit  dem  Jahre  1874  als  Professor  eine  Meisterklasse  an  der  Akademie  geleitet 
hatte.  Seine  Lehrthätigkeit  und  sein  Einflufs  reichen  aber  in  viel  frühere  Zeit  zurück,  wie  ihm 
auch  die  Professur  schon  1867  nach  dem  Tode  seines  Oheims  angeboten  worden  war.  Neben 
seiner  akademischen  Klasse  hat  er  noch  eine  stark  besuchte  Damenschule  geleitet. 

Der  Hauptgrund  dieser  eigenthümlichen  künstlerischen  und  Lehr-Thätigkeit,  die  mehr  eine 
reproducirende  als  eine  productive  war,  ist  aus  einer  ganz  einzig  dastehenden  Aufnahmefähigkeit 
und  einem  geradezu  wunderbaren  Auffassungsvermögen  zu  erklären.  Diese  Eigenschaften  be- 
fähigten W.  Sohn,  Alles  was  er  bei  den  älteren  Meistern  fand.  Alles  aber  auch,  was  damals  in 
München  oder  Paris  an  neuen  Moden  oder  Richtungen  aufkam,  in  sich  aufzunehmen,  das  Beste 
daraus  zu  erkennen  und  zu  seinen  Zwecken  zu  verarbeiten.  Sein  kolossales  Gedächtnifs  hielt  alle 
diese  Dinge  fest  und  wurde  so  im  Laufe  der  Jahre  gewissermafsen  ein  Compendium  alles  dessen, 
was  auf  gewissen  Gebieten  der  Malerei,    namentlich  nach  der  coloristischen  Seite  hin,    jemals  bis 

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in  die  Gegenwart  geleistet  worden  war.  Dieses  Gedächtnifs,  das  positive  Wissen,  wie  dieser 
oder  jener  Künstler  dies  oder  jenes  auf  irgend  einem  Bilde  einmal  gemacht  hatte,  ein  dabei  aufs 
höchste  gesteigertes  eigenes  Farbengefühl,  liefsen  Sohn  mit  absoluter  Sicherheit  erkennen  und 
entscheiden,  was  in  irgend  einem  Bilde  an  irgend  einer  Stelle  für  eine  Farbe  oder  für  Ton  ange- 
wandt werden  müsse,  um  jene  blendende,  farbige  und  dabei  harmonische  Wirkung  zu  erreichen, 
für  die  man  damals  den  Namen  „Bouquef  erfand.  Und  so  konnte  es  kommen,  dafs  bald  überhaupt 
kein  Bild  innerhalb  des  Kreises  der  jungen  Maler  vollendet  wurde,  dessen  coloristische  Lösungen 
Sohn  nicht  angegeben  hatte  oder  zu  dem  er  nicht  gerathen  und  durch  seinen  Rath  gewisser- 
mafsen  das  Placet  gegeben  hatte.  Der  Ruf  dieses  übrigens  fälschlich  sogenannten  Lehrtalentes 
hatte  sich  schon  früh  verbreitet,  sogar  schon  zu  einer  Zeit,  als  Sohn  sein  coloristische  Begabung 
selbst  noch  nicht  entdeckt  hatte.  Sonderbarerweise  war  es  ein  Carton  zu  einem  ,, Barbarossa  im 
Kyffhäuser"  gewesen,  der  ihn  zuerst  berühmt  gemacht  und  ihm  die  ersten  Schüler,  vor  allen 
Albert  Baur,  zugeführt  hatte. 

Sohns  Eintritt  in  die  Akademie  schien  für  dieses  Institut  den  Anfang  einer  neuen  Epoche 
zu  bedeuten.  Der  grofse  und  dauernde  Aufschwung,  den  die  Akademie  in  der  That  sehr  bald 
nahm,  ist  aber  nicht  Sohn  allein  zu  verdanken,  denn,  und  das  ist  die  Kehrseite  der  Medaille,  die 
Thätigkeit  Sohns,  der  im  Anfang  ja  allerdings  die  Düsseldorfer  Genremalerei  einen  bedeutenden 
Fortschritt  und  eine  Reihe  neuer  Gesichtspunkte,  die  Ausbildung  einiger  wirkhch  bedeutenden 
Künstler  verdankte,  nahm  sehr  bald  einen  einseitigen  Charakter  an.  Je  mehr  Sohn  wufste,  je 
sicherer  er  auf  Grund  der  Erkenntnifs  der  Principien  der  alten  Meister  ihre  Bildwirkung  zu 
erzielen,  diese  auch  bei  neu  zu  malenden  Bildern  zu  berechnen,  zu  bestimmen  und  anzugeben  ver- 
stand, um  so  unselbständiger  mufsten  seine  Schüler  werden.  Je  berühmter  die  Bilder  seiner 
Schule  wurden,  um  so  gröfser  war  die  Verführung  bei  seinen  Schülern  zu  einer  weniger  originellen, 
weniger  tiefen  und  immer  mehr  receptmäfsig  werdenden  Ausführung.  Man  fing  an,  wozu  ja  eine 
coloristische  Richtung  ohnehin  neigt,  auf  die  Aeufserlichkeiten  allzuviel  W^erth  zu  legen,  an  ihnen 
hängen  zu  bleiben.  Und  wie  aus  der  Historie  das  Genrebild  geworden  war,  so  wurde  allmählich 
aus  dem  Genrebild  sozusagen  ein  Stillleben,  ein  Stillleben  mit  Menschen  allerdings,  die  aber  nur 
mehr  die  Träger  prächtiger  Stoffe,  Puppen  innerhalb  einer  eminent  fein  gestimmten  Umgebung 
voll  schöner,  absolut  echter  Geräthe,  aber  mit  immer  geringer  werdendem  Intellect  waren.  Was 
sich  lernen  liefs,  wurde  eben  gelernt  und  gemalt.  Interieurs  und  Costüme,  Culturgeschichte  und 
Tonwirkung,  aber  das,  was  Sohns  höchste  künstlerischen  Errungenschaften  waren,  die  Erkenntnifs 
der  geschlossenen  coloristischen  Bildwirkung  und  die  Wiedergabe  des  seelischen  Ausdrucks,  die 
eben  beide  eine  wirkliche  hervorragende  künstlerische  Individualität  verlangten,  das  ging  in 
diesem  hohen  Mafse  eigentlich  nur  auf  einen  einzigen  der  Sohnschüler  über,  bezw.  wurde  von  ihm 
weiter  entwickelt.  Dieser  Schüler,  Ed.  v.  Gebhardt,  sollte  späterhin  denn  auch  in  der  Entwicklung 
der  Düsseldorfer  Kunst  seine  besondere  Stellung  einnehmen.  So  manche  von  den  späteren  Sohn- 
schülern aber  blieben  in  den  genannten  Dingen,  die  schliefslich  doch  nur  Aeufserlichkeiten  sind, 
hängen.  Der  Gobelin,  die  Ledertapete  und  die  Mandoline  waren  so  gewissermafsen  schliefslich 
die  Erkennungszeichen  dieses  Genres,  das  ebenso  schnell  und  plötzlich  abgewirthschaftet  hatte, 
als  es  glänzend  und  nicht  ohne  Prätensionen  aufgetaucht  war. 

Im  Anfang  freilich,  etwa  seit  dem  Ende  der  6oer  Jahre,  war  der  Aufschwung,  den  die 
Malerei  durch  Sohn  und  die  Seinen  nahm,  schon  nach  ihrer  technischen  Seite  hin  ein  aufser- 
ordentlicher;  eine  grofse  Zahl  von  Sohnschülern  brachte  gleich  in  ihren  ersten  Bildern  Werke 
ersten  Ranges  und  in  Beziehung  auf  diese  Erfolge  schien  die  Zeit  der  alten  Schadowschule  wieder- 
zukehren. Die  Mehrzahl  dieser  Künstler  hat  sich  auch  dauernd  eine  hervorragende  und  geachtete 
Stellung  in  der  neueren  Genremalerei  gesichert. 

Nicht  unbetheiligt  an  der  coloristischen  Entwicklung,  die  schon  mit  Knaus  begonnen  hatte, 
war  ein  Künstler,  der  zwar  zu  kurz  in  Düsseldorf  geweilt  hat,  um  hier  grofsen  Einflufs  zu 
gewinnen,  der  aber  doch  an  dieser  Stelle  nicht  übergangen  werden  darf,  weil  sein  Weltruf  mit 
seinem  ersten  gröfseren  Bilde  begann,  das  er  in  Düsseldorf  gemalt  hat,  und  zwar  unter  deutlichem 
Einflufs  von  Knaus  und  Vautier.  Es  ist  dies  der  Ungar  Michael  Lieb,  nach  seinem  Geburtsort 
Muncacsy  genannt.  1846  geboren,  war  er  erst  Schreiner,  dann  Decorationsmaler  gewesen,  bis  er 
in  Pest  und  München  sich  der  Kunst  widmen  konnte.  Schon  in  München  malte  er  einige  Bilder, 
aber  erst  mit  ,,den  letzten  Tagen  eines  Verurtheilten",  die  1869  in  Düsseldorf  entstanden,  errang 
er  den  ersten  durchschlagenden  Erfolg.  In  der  Schärfe  der  Charakteristik  erreicht  er  Knaus  hier 
vollkommen,  in  der  Wucht  des  Colorits,  das  allerdings  fast  ganz  aus  tiefem  Schwarz  herausgeholt 
ist,  übertrifft  er  Alles,  was  damals  gemalt  wurde.     Muncacsys  weitere  Laufbahn,    die  1900  ein  so 

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tragisches  Ende  nahm,  gehört  der  allgemeinen  Kunstgeschichte  an.  Er  ging  nach  dem  Kriege 
1870/71  nach  Paris,  aber  der  Eindruck,  den  sein  erstes  Bild  in  Düsseldorf  machte,  ist  heute  noch 
unvergessen. 

Verschiedene  Maler  schlössen  sich,  ähnlich  wie  Hoff,  ohne  direct  Schüler  von  Sohn  gewesen 
zu  sein,  doch  seiner  coloristischen  Richtung  an  und  vermitteln  den  Uebergang  von  dem  Meister 
zu  seinen  Schülern.  Einer  der  vielseitigsten  von  ihnen  ist  Jacobus  Leisten,  der  1845  zu  Düsseldorf 
geboren  wurde.  1861 — 63  die  Akademie  und  das  Atelier  des  Bildhauers  Reifs  besuchte  und  1864  die 
Malerei  begann.  Von  1869 — 73  lebte  er  in  München  und  liefs  sich  dann  dauernd  in  Düsseldorf 
nieder.  Er  theilt  mit  der  Sohnschule  das  glänzende  Colorit,  die  Vorliebe  für  historische  Begeben- 
heiten und  reiche  Costüme,  aber  seine  Vielseitigkeit  liefs  es  bei  diesen  Dingen  nicht  bewenden. 
Mit  ebenso  grofsem  Glück,  wie  das  historische  Costümgenre,  behandelt  er  das  Bauernleben  in 
meist  dramatischen,  tiefempfundenen  Motiven,  und  das  moderne  Genre  in  zuweilen  humoristischen 
Momenten. 

Der  Schweizer  Hans 
Bachmann,  geboren  1852 

in  Winikon  (Kanton 
Luzern),  war  Schüler  von 
Ed.  von  Gebhardt,  dann 
von  Carl  Hoff,  aber  seine 
Bilder  aus  dem  Bauern- 
leben seiner  Heimath 
weisen  ihn  der  durch 
Knaus  und  Vautier  auf 
die  höchste  Höhe  ge- 
brachten Volksmalerei  zu. 

, .Begräbnisse  in  den 
Alpen"  malte  er  mehrfach, 
dann    aber    auch    heitere 
und  gemüthvolle  Scenen 

aus  dem  Volksleben. 
Bachmann  hat  Düsseldorf 
seit  einigen  Jahren  wieder 
verlassen  und  ist  in  seine 
Heimath    zurückgekehrt. 

Der  geistreiche 
te  Peerdt  (geboren  1852  zu 
Tecklenburg),  der  einige 
vortreffliche  Genrebilder 
in  Düsseldorf  gemalt  hat, 
war  lange  von  Düsseldorf 
abwesend  und  scheint 
auch  nach  seiner  Rück- 
kehr nicht  mehr  an  die  Oeffentlichkeit  zu  treten.  Als  Schriftsteller  bethätigte  er  sich  in  dem 
kleinen  Buche  ,,Das  Problem  der  Darstellung  des  Momentes  der  Zeit". 

Auch  Max  Volkhart,  geboren  1848  als  Sohn  des  Malers  Wilhelm  Volkhart,  bearbeitet  mit  Vor- 
liebe das  Costümgenre,  dem  er  gelegentlich,  namentlich  im  Anfang,  einen  historischen  Charakter  zu 
geben  wufste;  er  studirte  auf  der  Akademie  bei  Ed.  v.  Gebhardt,  ging  nach  Belgien,  Holland  und 
Italien  und  blieb  seit  1879  dauernd  in  Düsseldorf.  Aus  den  Erinnerungen  des  Krieges,  den  er 
mitmachte,  entstand  1872  eines  der  ersten  Bilder,  ..Die  Verbandstube  in  Gravelotte",  das  Kaiser 
Wilhelm  I.  erwarb.  Es  folgten  dann  die  meist  heiteren,  zuweilen  leicht  humorvoll  gefärbten  Bilder: 
„Stadtbleiche"  1873,  „Viel  Lärm  um  Nichts",  ,,Nach  der  Sitzung"  und  viele  andere,  die  sich  alle 
durch  feinen  Farbensinn  und  eine  gewissenhafte  Ausführung  auszeichnen.  In  den  letzten  Jahren 
hat  Volkhart  auch  eine  Reihe  bemerkenswerther  Porträts  in  einer  eigenartigen  bildmäfsigen  Auf- 
fassung, die  an  die  bekannten  beiden  Knausporträts  in  der  Nationalgalerie  erinnern,  gemalt.  So 
vor  Allem  das  seines  CoUegen  Oeder,  ferner  eines  bekannten  Kunsthändlers  und  mehrere  andere. 
Als  einer  der  Führer  der  Secession  hat  Volkhart  in  den  letzten  Jahren  eine  rege  Thätigkeit  ent- 
wickelt, obwohl  seine  Kunst  den  modernen  Bestrebungen  nicht  eigentlich  entspricht. 


CARL   MUCKE 

Holländisches   Genrebild 


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Einer  der  Ersten,  die  sich  neben  den  besonders  zu  behandelnden  A.  Baur  und  Ed.  von 
Gebhardt  an  W.  Sohn  als  Schüler  anschlössen,  war  Carl  Mücke,  der  Sohn  des  Historienmalers 
Heinrich  Mücke.  Er  war  1847  geboren,  besuchte  von  1864 — 70  die  Akademie  und  wurde  dann 
Privatschüler  von  W.  Sohn;  bis  1873  machte  er  Studienreisen  in  Holland,  und  dieses  Land,  dem 
die  Düsseldorfer  Genremalerei  fast  mehr  Motive  verdankt,  als  die  holländische  selbst,  blieb  auch 
für  C.  Mücke  das  bevorzugte  Gebiet,  aus  dem  er  seine  meist  freundlichen  und  anmuthigen 
Familienbilder  entnahm.  Von  seinen  Bildern,  die  fast  in  allen  Galerien  zu  finden  sind,  seien 
genannt:  „Die  kleine  Pepita",  „Schmeichelkätzchen",  , .Spielereien",  ,, Sonntagmorgen",  ,,Am 
Heerd",   „Glückliche  Reise",   „Mutterglück"  u.  s.  w. 

Holländische  Motive,  im  Anfang  auch  solche  dramatischer  Natur,  malt  auch  Otto  Karl 
Kirberg,  der,  1850  in  Elberfeld  geboren,  mit  19  Jahren  die  Akademie  bezog,  nach  überstandenem 
Feldzug  bei  Sohn  eintrat  und  auch  eine  Zeitlang  in  Holland  lebte  und  studirte.  Bis  1890  war  er 
in  Düsseldorf  ansässig,  siedelte  dann  nach  München  über,  um  aber  nach  einigen  Jahren  wieder 
nach  Düsseldorf  zurückzukehren.  Gleich  sein  erstes  Bild  ,, Opfer  der  See"  1879  (ein  ertrunkener 
Seemann  wird  in  sein  Haus  gebracht)  machte  aufserordentliches  Aufsehen  und  trug  nicht  wenig 
zum  Ruhm  der  Schule  bei.  Die  Nationalgalerie  erwarb  es,  und  hier  giebt  es  Gelegenheit  zu 
interessanten  Vergleichen  mit  dem  fast  40  Jahre  früher  gemalten  Bilde  von  Ritter,  das  dasselbe 
Motiv  behandelt.  Rasch  folgten  gröfsere  und  kleinere  holländische  Bilder,  so  ,, Holländische 
Kirmes",   „Holländisches  Liebespaar"  und  andere,  die  Kirbergs  Stellung  befestigten. 

Einer  der  originellsten  und  stärksten  Sohnschüler,  überhaupt  einer  der  hervorragendsten 
deutschen  Genremaler  war  Christian  Louis  Bokelmann,  geboren  1844  in  St.  Jürgen  bei  Bremen, 
gestorben  1894  in  Berlin  als  Professor  der  Akademie.  Freilich  hatte  bei  ihm  das  fast  sprich- 
wörtliche Glück  der  Sohnschüler  lange  auf  sich  warten  lassen,  weil  er  einer  der  wenigen  war, 
die  nicht  nur  über  den  immerhin  engen  Rahmen  der  Schule,  sondern  auch  den  der  ganzen 
Düsseldorfer  Malerei  früh  hinausgingen.  Eine  Herbheit  und  Kraft,  die  man  damals  noch  weniger 
als  jetzt  hier  vertragen  konnte,  verhinderte  den  Erfolg  bei  seinen  Bildern,  die  erst  zur  Zeit  des 
energischen  Naturstudiums  anfingen  geschätzt  zu  werden.  Verkannt  und  verbittert,  hatte  sich 
Bokelmann  in  Düsseldorf  von  der  Oeffentlichkeit  fast  ganz  zurückgezogen,  und  als  ihn  endlich 
eine  Berufung  nach  Karlsruhe  und  später  nach  Berlin  aus  der  für  ihn  zu  enge  gewordenen  Um- 
gebung heraushob,  da  ereilte  ihn,  als  er  einen  ihm  zum  50.  Geburtstag  von  seinen  Schülern 
gewidmeten  Lorbeerkranz  aufhängen  wollte,  nach  einem  unglücklichen  Sturz  von  der  Leiter, 
der  Tod. 

Bokelmann  war  einer  der  Wenigen,  die  schon  früh  die  schulmäfsige  Bildwirkung,  den 
berühmten  altmeisterlichen  Ton,  energischen  Natur-  und  Freilichtstudien  opferten.  Er  machte 
eine  ähnliche  coloristische  Wandlung  durch,  wie  die  jüngere  Münchener  Schule,  indem  er 
von  der  süfslichen  Farbe  in  ein  schwärzliches  Braun  eintrat,  vielleicht  beeinflufst  von  Muncacsy, 
den  er,  als  er  1868  nach  Düsseldorf  gekommen  war,  noch  gerade  bei  seinem  ersten  Triumph 
gesehen  hatte.  Dann  aber  begann  er  an  der  Hand  von  meist  im  Norden,  in  Friesland,  an  der  See 
gemalten  Naturstudien  seine  energische  Freilichtbehandlung,  die  sich  in  dem  vortrefflichen  Bilde 
„Nordfriesisches  Begräbnifs"  (Kunsthalle  Düsseldorf)  zu  vollendeter  W^irkung  erhebt,  während  sie 
in  den  Porträts  manchmal  fast  zu  schroff  erscheint.  Auch  in  seinen  Motiven  zeigt  sich  Bokel- 
mann schon  früh  als  ganz  Moderner.  Mit  sicherem  Blick  und  ohne  Sentimentalität  greift  er  die 
ernsten  Seiten  des  Volkslebens  heraus.  ,,Der  Zusammenbruch  einer  Volksbank"  illustrirt  einen 
Vorgang,  wie  er  nach  der  Zeit  des  Gründungsschwindels  nur  zu  häufig  war.  ,,Die  Testaments- 
abfassung", „Die  Testamentseröffnung"  führen  in  die  Familie,  aber  nicht  mit  der  humoristischen 
Harmlosigkeit  des  Mutterglückmalers,  sondern  mit  dem  scharfen  Blick  des  Psychologen,  der  die 
Erbärmlichkeit  des  Reichthums  durch  den  Flitter  erkennt  und  erfafst  hat.  ,.Die  letzten  Augen- 
blicke eines  W^ahlkampfes"  behandeln  wieder  ein  allgemein  sociales  Ereignifs.  „Verhaftung", 
„Abschied",  ,,Ein  Wanderlager  vor  Weihnachten",  ,.Der  Auswanderer-,  ,, Spielbank",  , .Dorfbrand" 
sind  einige  Titel  seiner  späteren,  stets  charaktervollen  und  bedeutenden  Bilder. 

Eine  ähnliche  Natur  wie  Bokelmann,  wenn  auch  jünger  und  weicher,  auch  seit  einer 
bestimmten  Zeit  nicht  ohne  eine  gewisse  Hinneigung  zum  Mystischen,  ist  Ferdinand  Brütt,  der 
leider  auch  seit  einigen  Jahren  Düsseldorf  verlassen  hat,  wie  nur  allzuviele  gerade  der  hoffnungs- 
vollsten Künstler,  deren  Werk  nun  dem  Ruhme  anderer  Kunststädte  zu  gute  kommt,  die  aber,  sei 
es  nach  ihrer  Ausbildung,  sei  es  nach  ihrem  ganzen  Wesen,  durchaus  zu  Düsseldorf  gehören.  Er 
wurde  1849  in  Hamburg  geboren,  studirte  in  W^eimar  unter  Pauwels  und  Gussow,  dessen  glatte 
Malweise  er    aber    keineswegs   annahm,    und    liefs    sich   1876    in    Düsseldorf   nieder,    wo    er,    ohne 

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gerade  Schüler  von  Sohn  zu  sein,  doch  von  dessen  Genreschule  nicht  unbeeinflufst  blieb.  Auch 
er  wird  durch  die  socialen  Fragen  angeregt,  der  Gerichtssaal  giebt  ihm  Motive  zu  ergreifenden 
und  namentlich  malerisch  hervorragenden  Bildern.  So  die  hervorragende  „Verurtheilung"  in  der 
Düsseldorfer  Kunsthalle,  „Freigesprochen",  „Der  Besuch  im  Kerker"  u.  s.  w.  Vorher  hatten  ihm 
die  Ereignisse  der  Kriegsjahre  zu  einem  lebendigen  Bilde  „Die  ersten  Nachrichten  der  französischen 
Kriegserklärung"  Anlafs  gegeben.  Seinen  scharfen  Blick  für  das  Leben  und  Treiben  der  Grofs- 
stadt  bewährte  er  in  dem  trefflichen  Bahnhofsbild,  auf  dem  er  verschiedene  Porträts  anbrachte, 
wie  er  denn  auch  als  Bildnismaler  Hervorragendes  leistet.  In  die  Mitte  der  goer  Jahre  fällt  sein 
Uebergang  auf  ein  mystisch-religiöses  Gebiet,  dem  das  eigenthümliche,  vorzüglich  gemalte,  leben- 
dige und  packende,  wenn  auch  in  der  Vermischung  socialer  und  religiöser  Andeutungen  nicht 
gerade  leicht  verständliche  Bild:  ,,Was  toben  die  Heiden"  u.  s.  w.,  1894,  entstammt.  Eine  Christus- 
gestalt, die  er  für  die  geschmacklose  Christusporträtconcurrenz  eines  Unternehmers  1898  malte, 
und  die  den  Heiland  als  Tröster  der  Kranken  darstellt,  gehörte  zu  dem  Besten  in  dieser  im 
übrigen  ziemlich  unerfreulichen  Sammlung.  Bald  darauf  siedelte  Brütt  nach  Cronberg  im  Taunus 
über  und  Düsseldorf  verlor  in  ihm  einen  seiner  charaktervollsten  Künstler  auf  dem  Gebiet  des 
modernen  Genres. 

Von  allen  älteren  Sohnschülern  seinem  Lehrer  am  nächsten  steht  vielleicht  Carl  Sohn.  Bei 
Carl  Sohn  ist  diese  Verwandtschaft  auch  nicht  blofs  eine  künstlerische,  da  er  der  zweite  Sohn 
des  Professors  Carl  Ferdinand,  also  der  jüngere  Bruder  Richards  und  der  Vetter  und  Schwager 
seines  Lehrers  Wilhelm  ist.  Er  wurde  1845  in  Düsseldorf  geboren  und  schlofs  sich  bald  der 
Schule  seines  Vetters  an,  dessen  elegante  und  geschmackvolle  Coloristik  er  sich  in  hervorragendem 
Mafse  aneignete,  ihn  an  Productivität  bei  weitem  übertreffend.  Er  bevorzugt  wie  jener  das  reiche 
Costüm  der  Renaissance  und  schuf  eine  Reihe  ansprechender  und  glänzend  gemalter  Genrebilder. 
Seine  graziöse  Auffassung  weiblicher  Gestalten  bewies  früh  seinen  Beruf  als  erfolgreichen  Schöpfer 
zahlreicher  eleganter  Damenbildnisse. 

Carl  Sohn  ist  mit  der  einzigen  Tochter  des  grofsen  Alfred  Rethel  verheirathet,  und  dieser 
Ehe  entstammen  drei  Söhne,  die,  alle  Maler,  unter  dem  Namen  Sohn-Rethel  die  bekannte  Künstler- 
familie nunmehr  in  der  dritten  Generation  fortführen. 

Auch  ein  Historienmaler  gröfseren  Stils  ist  aus  der  akademischen  Schule  von  Gebhardt  und 
Sohn  hervorgegangen,  Fritz  Neuhaus,  der  1852  in  Elberfeld  geboren  wurde  und  von  1873 — 1880  die 
Akademie  besuchte. 

Einer  der  ältesten  akademischen  Schüler  von  W.  Sohn,  hat  sich  Neuhaus  doch  bald  von 
der  eigentlichen  Schulmalerei  frei  gemacht,  und  seine  erste  gröfsere  Arbeit  zeigt  in  ihrer  herben 
Lebendigkeit  viel  eher  den  Einflufs  von  Ed.  v.  Gebhardt,  dessen  Malklasse  er,  wie  die  meisten 
Sohnschüler,  besucht  hatte.  Das  wirkungsvolle  Bild,  1879  vollendet,  und  eine  blutige  Scene  aus 
dem  Bauernkrieg,  nämlich  ,,Die  Ermordung  des  Grafen  Helfenstein"  darstellend,  wurde  vom 
Kunstverein  für  die  Galerie  der  Kunsthalle  in  Düsseldorf  erworben  und  machte  ein  grofses  und 
berechtigtes  Aufsehen.  Vorher  hatte  Neuhaus  ein  mehr  genrehaftes  Motiv  gemalt  ,, Ascher- 
mittwoch-Morgen", das  der  Barmer  Kunstverein  erwarb.  Ebenso  lebendig  und  kraftvoll  in  der 
Wirkung  waren  die  nächsten  grofsen  Arbeiten  des  jungen  Künstlers,  die  ihn  als  berufenen  Historien- 
maler zeigen,  so  1880  das  mehr  genrehafte  Bild  ,,Des  Prinzen  erster  Ritt",  dann  1882  das  grofse 
und  figurenreiche,  höchst  lebendige  Bild  „König  Friedrich  Wilhelm  I.  von  Preufsen  begegnet  einem 
Zug  Salzburger  Emigranten",  das  die  Verbindung  für  historische  Kunst  bestellt  hatte  und  dem 
Kölner  Museum  überwies.  „Der  grofse  Kurfürst  im  Haag"  1884  stellt  die  Scene  dar,  wie  der 
junge  Prinz  in  üble  Gesellschaft  gerathen  war  und  sich  ihrer  energisch  erwehrt.  Es  folgten  der 
wieder  genrehafte  ,, junge  Despot"  1886,  „Der  barmherzige  Samariter"  1887,  und  i8gi  „Marschall 
Vorwärts".  Kurz  vorher  hatte  Neuhaus  sich  auch  der  Wandmalerei  zugewandt.  Im  Jahre  1890 
betheiligte  er  sich  an  der  Ausmalung  des  Düsseldorfer  Rathhaussaales,  zu  deren  Kosten  auch 
der  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  beigesteuert  hatte.  Neuhaus  fiel  die  eine 
Schmalwand  zu  und  er  malte  auf  ihr  das  grofse  und  wirkungsvolle  Bild  , .Festspiel  vor  Kaiser 
Wilhelm  I.  im  Malkasten  am  6.  September  1877".  Mit  grofsem  Geschick  überwand  er  die 
Schwierigkeit,  eine  zuschauende  Versammlung  und  eine  Bühne  mit  der  auf  ihr  befindlichen 
Scenerie  darzustellen. 

Ein  gröfserer  Auftrag  beschäftigte  den  Künstler,  der  seit  1884  als  Lehrer  für  figurales  Zeichnen 
und  Malen  an  der  Kunstgewerbeschule  eine  umfassende  Lehrthätigkeit  ausübt,  während  der  letzten 
Jahre,  nämlich  die  Ausmalung  des  Stadtrathssaales  in  Bochum.  Das  erste  dieser  Bilder  ,, Bergbau 
und    Industrie    huldigen    dem    Deutschen    Kaiser"    wurde    im    Auftrage    des    Kunstvereins    für    die 

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FERDINAND    BRÜTT 
Freigesprochen 


Rheinlande    und    Westfalen    ausgeführt,     die    anderen    bestellte    später    die    Stadt,     wiederum    ein 
Beweis,  von  wie  grofsem  Werth  die  erste  künstlerische  Anregung  ist. 

Von  diesen  Bildern  ist  eines  decorativ- allegorischer  Natur:  „Wahrheit,  Kraft  und  Recht", 
die  in  einer  gemalten  Nische  sich  über  dem  Stuhl  des  Rathsvorsitzenden  befinden;  die  beiden 
anderen  zu  beiden  Seiten  aber  enthalten  historische  Motive,  nämlich  „Engelbert  von  der  Mark 
verleiht  auf  Schlofs  Blankenstein  an  der  Ruhr  den  Bochumern  das  Stadtrecht"  und  „Vehmgericht 
vor  Bochum". 

Auch  Eduard  Massau,  geboren  1860  in  Düsseldorf,  begann  mit  ausgesprochen  historischen 
und  sogar  monumental  gedachten  Arbeiten,  um  dann  später  erst  zu  dem  eigentlichen  Costüm- 
Genre,  das  er  in  der  bekannten  Weise  mit  Erfolg  behandelt,  überzugehen.  Seine  erste  Arbeit, 
die  er  noch  als  Akademieschüler  vollendete,  war  ein  Deckenbild  mit  Putten  und  allegorischen 
Figuren  in  einem  Kölner  Privathause,  das  er  schon  1883  vollendete  und  an  das  sich  bald  ein 
Cyklus  aus  der  Localgeschichte  anschlofs,  der  in  mehreren  ebenfalls  decorativ  und  monumental 
gehaltenen  Bildern  für  das  Speisezimmer  eines  Düsseldorfer  Privathauses  ausgeführt  wurde. 

Das  reizvolle  und  merkwürdigerweise  wenig  behandelte  Motiv  war  der  Geschichte  der  Jacobe 
von  Baden  entnommen.  „Hochzeit  und  Trauung  der  unglücklichen  Prinzessin  mit  dem  letzten 
blödsinnigen  Clever  Herzog",  dann  „Die  Erscheinung  der  Ermordeten"  gaben  Gelegenheit  einerseits 
zu  farbig-fröhlichen  Effecten,  andererseits  zu  einer  fast  an  das  Grausige  streifenden  Darstellung  des 
Gespenstes.  Die  Ausmalung  eines  Rococozimmers  schlofs  diese  Thätigkeit  Massaus  ab,  der  sich 
nun  ganz  dem  Staffeleibilde  widmete  und  theils  religiöse,  theils  heitere  Stoffe  aus  früheren  Zeiten, 
bei  denen  das  Costüm  ihn  reizte,  ausführte,  wie  auch  zahlreiche  Porträts  malte. 

Den  beiden  Vorgenannten  in  ihren  historischen  Neigungen  verwandt  ist  Hermann  Grimm, 
der  1860  in  Hamburg  geboren  wurde  und,  nachdem  er  zuerst  die  Holzbildhauerei  erlernt  und  in 
den  Abendstunden  die  Kunstgewerbeschule  in  Hamburg  besucht  hatte,  1881  zur  Akademie  nach 
Düsseldorf  kam,  wo  er  nach  Absolvirung  der  unteren  Klassen  nacheinander  Meisterschüler  von 
Ed.  V.  Gebhardt,  W.  Sohn  und  P.  Janfsen  wurde.  Sohn  glaubt  er  selbst  am  meisten  zu  ver- 
danken, und  seine  Freude  an  Costümen,  an  reichen  Interieurs,  vor  Allem  an  einer  bis  ins  Kleinste 
gehenden  sorgfältigen  Durchführung  entspricht  ja  auch  am  meisten  den  Sohnschen  Einflüssen. 
Sein  erstes  Bild  war  „Der  Satteltrunk"  1893,  nach  einem  Motiv  aus  dem  Hof  des  Musee  Plantin 
in  Antwerpen.  Es  folgte  ,,Der  Contretanz",  der  sich  durch  feine  Gesammtwirkung  auszeichnete, 
und  1897  das  grofse  figurenreiche  Bild  ,, Begegnung  der  Margarethe  von  Parma  mit  fliehenden 
calvinischen  Niederländern  im  Jahre  1567",  das  unter  Peter  Janfsen  vollendet  wurde  und  mit 
gröfster  Sorgsamkeit  in  der  Behandlung  des  Details  eine  grofse  und  farbige  Wirkung  verbindet. 
Zuletzt  entstand  1899  das  im  Biedermannscostüm  gehaltene  kleine  Bild  ,,St.  Martinsabend  im 
alten  Düsseldorf".     Grimm  ist  seit  einigen  Jahren   Assistent  am  Kupferstichkabinet  der  Akademie. 

Einer  der  begabtesten  Sohnschüler  und  ein  berufener  Schilderer  des  Volkslebens  war  der 
leider  zu  früh  verstorbene  Aloys  Fellmann,  geboren  1855  zu  Oberkirch  im  Canton  Luzern,  ge- 
storben 1892.  Er  hat  nicht  viele  Bilder  geschaffen,  da  er  an  seinen  meist  figurenreichen  Composi- 
tionen  lange  und  eingehend  zu  arbeiten  pflegte.  Dabei  waren  sie  aber  nach  allen  Richtungen  in 
einer  Solidität  durchgearbeitet,  wie  sie  eines  der  hervorragendsten  Kennzeichen  der  älteren  Sohn- 
schule war.  Fellmann  war  auch  einer  der  ^A(^enigen,  die  schon  früh  anfingen,  ihre  Bilder  im 
Freien  zu  malen;  das  trug  ihm  dann  aber  freilich  den  Vorwurf  ein,  dafs  sein  Colorit  hart  und 
trocken  sei,  während  es  doch  nur  der  Freilichtwirkung  entsprach.  Schon  sein  erstes  Bild 
„Begräbnifs  im  Canton  Luzern",  1884,  machte  grofses  Aufsehen,  noch  mehr  das  ,, Gelübde  eines 
Benedictinermönches",  das  mit  der  ganzen  Freude  an  dem  kirchlichen  Prunk,  den  farbigen 
Gewändern  und  der  feierlichen  Gesammtstimmung  der  Ceremonie  gemalt  war.  Ein  drittes  figuren- 
reiches grofses  Bild  ,, Osterfest  im  Canton  Luzern"  blieb  unvollendet. 

Ebenfalls  vor  der  Zeit  in  jugendlichem  Alter  starb  der  hochbegabte  Süerdick,  dann 
H.  Mosler-Pallenberg,  dessen  grofses  Bild  ,, Resignation"  eine  Zierde  des  Kölner  Museums  bildet. 
Er  hat  aufserdem  zahlreiche  in  Farbe  und  Auffassung  hervorragende  Porträts  gemalt. 

Noch  zwei  andere  talentvolle  Künstler  gingen  vor  der  Zeit  der  Kunst  verloren,  da  sie, 
wenn  auch  vielleicht  nicht  gestorben  sind,  so  doch  verschollen  scheinen.  Sie  müssen  hier 
genannt  werden,  da  ein  grofses,  freilich  auch  viel  angefochtenes  Werk  ihrer  Hand  in  Düsseldorf 
in  den  Deckenbildern  des  Stadttheaters  erhalten  geblieben  ist,  das  sie  noch  als  akademische 
Schüler  ausführten.  Der  innere  Kreis,  ein  Fest  von  Wassergöttern,  „Hochzeit  der  Amphitrite", 
im  Stile    der    italienischen  Hochrenaissance  und  an  Giulio  Romano  erinnernd,  stammt  von  Horace 

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de    Saussure,    die    eigenartige    Bemalung    der  Voute    mit  Putten    als  Monatsrepräsentanten    ist    von 
Peter  von  Krafft,  der  allerdings  hauptsächlich  Gebhardtschüler  war. 

Durchaus  modern  in  seiner  coloristischen  Auffassung,  aber  auch  in  der  Wahl  der  Motive 
ist  der  in  Philadelphia  1859  geborene  Frederik  Vezin,  der,  nachdem  er  sich  zuerst  technischen 
und  bergbaulichen  Studien  gewidmet  hatte,  1876  die  Düsseldorfer  Akademie  bezog  und  hier  zuletzt 
Schüler  von  W.  Sohn  (bis  1885)  wurde.  Seine  ersten  Arbeiten  waren  einige  höchst  lebendige 
Sportbilder:  „Boston  athletic  Club"  und  „Ruderregatta  auf  der  Themse"  1844,  „Hamburger  Ruder- 
regatta" 1887.  die  auch  grofses  landschaftliches  Verständnifs  verriethen.  1886  entstand  das  farbige 
und  inhaltlich  interessante  Bild  „Ein  Handel",  eine  pikant  gemalte  Haremscene.  In  der  Folge 
malte  Vezin  vielfach  lebensvolle  Porträts  (wie,  nebenbei  gesagt,  fast  alle  der  jüngeren  und  auch 
älteren  Figurenmaler  diesen  immerhin  lucrativen  Kunstzweig  mit  mehr  oder  weniger  künstle- 
rischem Erfolg  pflegen),  dazwischen  Landschaften,  die  er  mit  Costümfiguren  reizvoll  staffirt,  und 
Genrebilder.     Auch  als  Radirer  leistete  er  Gutes. 

Drei  sehr  erfolgreiche  Schüler  der  Sohnschule  müssen  nun  leider  wieder,  als  aus  der 
Düsseldorfer  Kunst  ausgeschieden,  wenigstens  erwähnt  werden,  wenn  sie  glücklicherweise  auch 
noch  zu  den  Lebenden  gehören  und  anderwärts  rüstig  weiter  schaffen.  Sie  haben,  nachdem  sie 
hier  ihre  Studien  beendet  und  die  ersten  Bilder  gemalt  haben,  Düsseldorf  verlassen  und  sind 
nach  Berlin  übergesiedelt,  wo  sie  zum  Theil  hervorragende  Stellungen  in  der  dortigen  Künstler- 
welt einnehmen.  Dieser  allzuhäufige  Wegzug  trefflicher  Künstler,  und  es  wird  noch  von  mehreren 
die  Rede  sein,  die  nach  absolvirtem  Akademiestudium  und  nach  Erringung  der  ersten  Lorbeeren 
Düsseldorf  verlassen,  nicht  etwa  immer,  um  ehrenvollen  Berufungen  zu  folgen,  sondern  weil 
sie  anderwärts  ein  günstigeres  Feld  für  ihre  Thätigkeit,  ein  besseres  Verständnifs  beim  Publikum 
und  in  der  Presse,  deren  Urtheil  in  den  letzten  20  Jahren  zuweilen  leider  eine  verhängnifsvolle 
Rolle  spielt,  zu  finden  hoffen,  ist  eines  der  bedenklichsten  Symptome  in  der  Entwicklung 
der  neueren  Düsseldorfer  Kunst,  um  so  mehr,  als  es  bis  in  die  letzte  Zeit  sich  nur  allzuhäufig 
wiederholt. 

Möge  es  nicht  dahin  kommen,  dafs  das  ständige  erfreuliche  Wachsen  der  Stadt  dem  Künstler 
die  Luft  und  den  Boden  beengt,  möge  im  Gegentheil  die  Kunst  in  der  grofsen  Industriestadt  recht 
bald  wieder  dieselbe  ehrenvolle  Stellung  einnehmen,  die  sie  einst  in  dem  kleinen  Beamtenstädtchen 
eingenommen  hatte  und  die  ihr  gebührt. 

Einer  der  am  meisten  von  Glück  Begünstigten  ist  Hugo  Vogel.  Er  war  1855  zu  Magdeburg 
geboren,  kam  1875  nach  Düsseldorf  und  wurde  bald  Schüler  von  Gebhardt  und  Sohn.  Bei  Letzterem 
malte  er  ,,Die  Predigt  auf  der  Wartburg",  die  ihm  gleich  die  kleine  goldene  Medaille  einbrachte. 
Vogel  tritt  insofern  aus  dem  Rahmen  der  Sohnschule  heraus,  als  er  im  Anfang  sich  hauptsächlich 
der  Historienmalerei  widmete,  in  der  Folge  Genre  und  Porträts  in  ganz  modernem  und  keineswegs 
Sohnschem  Sinne  behandelte,  und  infolge  seiner  grofsen  Vielseitigkeit  auch  auf  dem  Gebiete 
der  Monumentalmalerei  Achtenswerthes  leistet.  In  Düsseldorf  entstand  noch  ,,Die  Aufnahme 
französischer  Refugies  durch  den  grofsen  Kurfürsten".  Mitte  der  80er  Jahre  siedelte  H.  Vogel  nach 
Berlin  über,  wo  er  eine  Zeitlang  als  Lehrer  an  der  Akademie  thätig  war. 

Weniger  vielseitig  als  Vogel,  dafür  aber  origineller  und  seinerzeit  nicht  weniger  genannt, 
war  Hans  Dahl,  auch  noch  einer  der  älteren  Sohnschüler,  der  1888  ebenfalls  nach  Berlin  ver- 
zog. Hans  Dahl  ist  Norweger  (er  wurde  1849  in  Hardanger  geboren),  und  ebenso  wie  seine 
vielen  anderen  Landsleute,  die  im  Auslande  studirten,  ist  er  den  Motiven  seiner  Heimath  treu 
geblieben.  Er  war  einer  der  Ersten,  der  auch  unter  Sohn,  dem  selbst  die  Landschaft  ganz  fern 
lag,  Landschaft  und  Figuren  in  engste  Verbindung  brachte.  Die  Fjorde  und  Berge  Norwegens 
geben  den  Hintergrund  seiner  Bilder,  die  er  mit  dem  heiteren  und  kräftigen  Menschenschlag 
seiner  Heimath  bevölkert.  Ueberhaupt  ist  eine  gesunde  Heiterkeit,  die  wohlthuend  absticht  von 
dem  mystisch  finsteren  Charakter  der  modernen  nordischen  Literatur  und  zu  beweisen  scheint, 
dafs  diese  doch  wohl  nicht  so  ganz  und  gar  dem  Charakter  des  Landes  und  des  Volkes  ent- 
spricht, ein  Hauptkennzeichen  seiner  Kunst,  die  sich  eine  Zeitlang  aufserordentlichen  Ansehens 
und  grofser  Beliebtheit  erfreute. 

Sein  inniger  Zusammenhang  mit  der  Natur  läfst  Dahl  als  einen  der  ersten  Freilichtmaler  in 
Düsseldorf  erscheinen,  und  zwar  erfafste  er  mit  gesundem  Auge  gleich  die  farbige,  sonnige,  nicht 
die  graue  sonnenlose  Seite  dieser  Malweise.  Sonne  und  See  sind  von  der  Erinnerung  seiner 
Bilder  fast  so  unzertrennlich,  wie  die  frischen,  lachenden  Mädchenköpfe.  Schon  während  seines 
Düsseldorfer  Aufenthaltes  hat  Dahl  eine  grofse  Reihe  von  Bildern  gemalt,  und  wenn  er  seit 
seiner  Uebersiedlung    nach  Berlin    sich  von    den  grofsen  Kunstmärkten,  den  Ausstellungen  zurück- 

284 


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gezogen    zu    haben    scheint,    so    bürgt    seine    tüchtige    Natur    dafür,    dafs    er    in    rastlosem    Streben 
weiter  schafft. 

Von  den  Düsseldorfer  Bildern  sind  die  bekanntesten  „Zu  spät",  ,, Hinter  dem  Segel",  ,, Gegen 
Wind  und  Wellen",  ,,Ueber  den  Fjord",  die  alle  Kaiser  Wilhelm  I.  erwarb,  dann  sein  ,, Spiel  der 
Wellen",    ,, Ankunft  zur  Kirche",    ,,W^eibliche  Anziehung"   u.  s.  w. 

Emil  Schwabe  ist  der  dritte  der  nach  Berlin  übergesiedelten  Sohnschüler,  der  ebenfalls, 
wenigstens  im  Anfang,  von  grofsem  Erfolg  begleitet  wurde.  1856  geboren,  kam  er,  der  bis  zum 
25.  Jahre  Buchdrucker  gewesen  war,  erst  verhältnifsmäfsig  spät  (nämlich  1880)  zur  Akademie, 
überwand  rasch  die  unteren  Klassen  und  trat  dann  bei  Sohn  ein,  allerdings  zu  einer  Zeit,  als 
dessen  Kraft  schon  zu  erlahmen  begann.  Dennoch  hat  Schwabe  ihm  noch  viel  zu  verdanken, 
wenn  auch  die  Zeit  der  eigentlichen  Costümbilder  schon  vorüber  war  und  Sohns  Verständnifs 
der  realen  Natur  gegenüber,  wie  sie  Schwabe  malte,  vielfach  versagte.  Schwabes  erste  Bilder 
spiegeln,  wie  schon  so  manche  Düsseldorfer  Genrebilder,  gewisse  sociale  oder  politische  Stim- 
mungen wieder,  und  das  Interesse,  das  sie  erweckten,  -war  nicht  zum  wenigsten  auch  ein  durch 
den  Gegenstand  hervorgerufenes.  Gleich  das  erste  Bild,  obwohl  von  nur  kleinem  Umfang,  machte 
grofses  Aufsehen.  Es  war  betitelt  „Auf  dem  Friedhof"  (1866)  und  stellte  die  ergreifende,  freilich 
etwas  tendentiös  zugespitzte  Scene  dar,  wie  ein  armer  Mann  mit  dem  Sarge  seines  Kindes  am 
Grabe  warten  mufs,  bis  das  prunkvolle  Leichenbegängnifs  irgend  eines  Würdenträgers  im  Hinter- 
grunde beendet  ist. 

Heiterer  war  das  zweite  Bild  „Ungelöste  Fragen"  (1887),  das  für  die  Kunsthalle  in  Düsseldorf 
erworben  wurde.  „Der  Arbeiterausschufs"  1891  war  leider  nur  in  grisailleartiger  Weise  getönt, 
aber  wieder  von  feinster  psychologischer  und  physiognomischer  Wirkung.  Neben  einigen  freund- 
lichen Motiven:  ,, Weihnachtsfreude"  1888,  ,,Aus  dem  Schwarzwald"  1889,  „Aus  der  kleinen  Stadt" 
1890,  die  zum  Theil  auch  die  Landschaft  berücksichtigen,  entstand  1896  noch  das  pessimistische, 
auch  in  der  Farbe  düstere  „Kunst  ohne  Gunst".  Nebenher  und  in  der  Folge  hat  Schwabe  zahl- 
reiche vortreffliche  Porträts  gemalt,  bis  auch  er  i8g8  Düsseldorf  dauernd  verliefs. 

Die  Liste  der  von  Düsseldorf  Fortgezogenen  liefse  sich  übrigens  noch  weiter  ausführen; 
einige  Namen,  die  zum  Theil  nun  in  Berlin  oder  München  guten  Klang  haben,  mögen  wenigstens 
genannt  sein.  So  Conrad  Kiesel.  H.  Jochmus,  R.  Forell.  dessen  grofses  Bild  „Tod  des  Grafen 
Ernst  zu  Mansfeld"  vom  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  erworben  und  dem 
Museum  zu  Crefeld  geschenkt  wurde,  Bennewitz  von  Loefen  der  Jüngere,  H.  Schwiering,  Suykens, 
Max  Wislicenus,  Lehrer  an  der  Kunstschule  in  Breslau,  und  so  manche  Andere. 

Aus  der  grofsen  Zahl 
der  Sohnschüler,  die  in 
Düsseldorf  zurückgeblie- 
ben sind,  mögen  noch 
zwei  genannt  sein,  die, 
in  rüstiger  Manneskraft 
fleifsig  schaffend,  zu  den 
regelmäfsigsten  Gästen  auf 
den  Jahresausstellungen 
gehören. 

Der  ältere  von  ihnen, 
Fritz  Schnitzler,  wurde  1851 
in  Tönnisheide  geboren. 
Er  kam  erst  1875  nach 
Düsseldorf,  nachdem  er 
vorher       das       Handwerk 

seines  Vaters,  eines 
Schmiedes,  gelernt  hatte, 
auf  der  W^anderschaft  ge- 
wesen war  und  seine 
Dienstzeit  bei  der  Garde 
abgemacht  hatte.  Auf  der 
Akademie  arbeitete  er  in 
EMIL  SCHWABE  den    Klassen     von    Peter 

Ungelöste  Fragen  Janfsen,    Ed.    v.    Gebhardt 


286 


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und  dann  zuletzt  bei  Sohn,  ohne  sich  aber  dessen  Manier  anzuschliefsen.  Mit  frischem  Blick 
nimmt  er  seine  Motive  aus  dem  täglichen  Leben.  In  seinem  ersten  Bild  gab  er  der  Costüm- 
richtung  nur  insoweit  nach,  als  er  eine  Bauerntracht  für  sein  grofses  „Schafbad"  wählte,  das  in 
den  Jahren  1884 — 86  entstand  und  eine  Fülle  gut  beobachteter  Einzelscenen  enthält.  In  den 
späteren  Bildern  aber  beschränkt  sich  Schnitzler  meist  auf  die  Motive,  die  ihm  das  städtische 
Strafsenleben  und  vor  Allem  der  Markt  mit  seinem  bunten  Durcheinander  von  Menschen  und 
Dingen  bietet.  Hier  hat  sich  der  mit  gröfster  Energie  die  Natur  studirende  Künstler  eine  originelle 
Specialität  geschaffen,  der  eine  Reihe  trefflicher  Arbeiten  zu  verdanken  ist. 

Carl  Henrik  Nordenberg  ist  der  Neffe  von  Bent  Nordenberg  und  neigt,  wenn  er  auch  erst 
seit  1873  in  Düsseldorf  und  auf  der  Akademie  studirt  (er  ist  1857  in  Provinz  Bleckinge,  Schweden, 
geboren)  in  seinen  Motiven  zu  dem  Genre  seiner  älteren  Landsleute,  etwa  Fagerlins,  wobei  er 
nur  coloristisch  zuweilen  moderne  Klänge  anschlägt.  Dieselbe  Einfachheit  und  Innerlichkeit,  die 
den  Bildern  Tidemands  und  Fagerlins  eigen  ist,  zeigen  auch  seine  zahlreichen,  meist  nicht 
grofsen  Bilder,  die  sich  grofser  Beliebtheit  erfreuen. 


HANS  DAHL 
Hinter  dem  Segel 


289 


XIII.  Kapitel 

Die  neue  religiöse  und  historische  Malerei 


„.  ER  grofse  Krieg  1870  71  gab  Deutschland  die  lang  ersehnte  Einheit  und  auch  politisch 
^jJN  die  Stellung  innerhallj  Europa,  die  es  geistig  schon  eingenommen  hatte.  Einen  Auf- 
m^  Schwung,  wie  er  in  der  Geschichte  unerhört  ist,  brachte  das  letzte  Drittel  des  XIX. 
'^^  Jahrhunderts  dem  deutschen  Volke,  und  es  hätte  allen  Erfahrungen  der  Entwicklung 
'  eines  Individuums,  wie  eines  Gemeinwesens  widersprochen,  wenn  nicht  auch  die 
deutsche  Kunst  an  diesem  Aufschwung  Theil  genommen  hätte,  ihn  nicht  ebenso  in  sich  vor- 
bereitet hätte,  wie  es  andere  geistige  Strömungen  gethan  hatten.  Dazu  bedurfte  es  in  Düsseldorf 
freilich  neuer  Menschen  und  eines  neuen  Lebens,  denn  die  bisher  geschilderten  Richtungen 
gehörten    eben    doch    in    ihren  Vertretern    einer    anderen  Denk-  und  Gefühlsweise   an,    als  sie  von 


EDUARD   BENDEMANN 

Kain   und   Abel 

Wandgemälde  im  Schwurgerichtssaal  zu  Naumburg 


291 


nun  an  Platz  greifen  mufste.  Was  Bendemann  seit  seiner  Rückkehr  nach  Düsseldorf  geschaffen 
hatte,  waren  treffliche  Arbeiten,  die  sich  den  grofsen  Wandgemälden,  mit  denen  er  in  Dresden 
beschäftigt  gewesen  war,  würdig  anschlössen,  aber  vom  Pulsschlag  der  Zeit  war  in  ihnen  nichts 
zu  spüren.  Es  war  zunächst  ein  Fries  in  der  Aula  des  Realgymnasiums  zu  Düsseldorf,  der  in  reiz- 
vollen Kindergestalten  Wissenschaft,  Handel,  Industrie  und  Kunst  personifizirte.  Nicht  ohne  Grofs- 
artigkeit  sind  femer  die  Gemälde  im  Schwurgerichtssaal  zu  Naumburg,  und  in  dem  figurenreichen 
Bilde  „Wegführung  der  Juden  in  die  babylonische  Gefangenschaft",  1872,  fafste  der  greise  Künstler 
noch  einmal  Alles  zusammen,  was  an  theatralischem  Prunk  und  unleugbarer  decorativer  Wirkung 
die  romantische  Historie  leisten  konnte.    Aber  alle  diese  Vorzüge  vermochten  doch  nicht  über  die 

innere    Leere,    über    den    Mangel    des 
inneren  Feuers  hinwegzutäuschen. 

Die  Akademie  machte  in  diesen 
Jahren  eine  doppelte  Krisis  durch,  eine 
innerliche  durch  vielfachen  Wechsel 
ihrer  Lehrer,  eine  äufserliche  durch 
den  Verlust  ihres  Gebäudes,  das  in  der 
Nacht  vom  19.  zum  20.  März  1872  ab- 
brannte. Es  wurde  schon  angedeutet, 
wie  die  Akademie  noch  vor  Schadows 
Rücktritt  ihre  führendeStellung  hatte  ab- 
geben müssen.  Die  Verhältnisse  wollten 
es  aber,  dafs  sie  mehr  in  den  Hinter- 
grund trat,  als  der  Pflanzschule  der 
Düsseldorfer  Kunst  zukam.  Freilich 
war  auf  ihr  endlich  eine  Bildhauer- 
klasse gegründet  worden,  die  dem  Pro- 
fessor A.  Wittig  unterstand  und  von 
der  noch  die  Rede  sein  wird,  aber 
trotzdem  blieb  sie  nicht  nur  hinter 
den  Anforderungen  einer  zeitgemäfs 
geleiteten  Schule,  sondern  auch  hinter 
den  Leistungen  der  freien  Künstler- 
schaft zurück.  Köhler  und  Carl  Sohn 
waren  todt,  Bendemann  und  H.  Mücke 
pensionirt.  Die  beiden  Müller  und  Deger 
wirkten  schöpferisch,  wie  als  Lehrer, 
nur  auf  ihrem  immerhin  sehr  engen 
Gebiete.  Th.  Hildebrandt  war  an  Ge- 
hirnerweichung hoffnungslos  erkrankt. 
(Er  starb  1874.)  Besonders  litt  die 
Landschaftsklasse  unter  fortwährenden 
Personalveränderungen.  Die  Klasse  für 
figürliches  Malen  leitete  der  Dresdener 
Bendemannschüler  Julius  Roeting.  Er 
war  1821  in  Dresden  geboren  und  stu- 
dierte auf  der  dortigen  Akademie.  Ende 
der  50  er  Jahre  kam  er  nach  Düsseldorf, 
wo  er  einige  historische  Bilder  von  grofsem  \Ai^urf  malte.  So  eine  ,, Grablegung"  und  eine  ,, Kreuzigung". 
Bald  aber  fand  er  im  Porträt  sein  eigentliches  Gebiet  und  schuf  nun  fast  ausschliefslich  eine  grofse 
Anzahl  von  Bildnissen,  die  zu  dem  Besten  gehören,  was  in  diesem  Fache  in  Deutschland  damals 
geleistet  wurde.  Berühmt  durch  Vervielfältigung  wurde  das  Porträt  von  E.  M.  Arndt.  Auch  die 
Bildnisse  seiner  Collegen  Schadow,  Knille  und  Lessing,  sowie  eines  seiner  ersten  Bilder,  das  des 
Vergolders  Kraus,  machten  grofses  Aufsehen.  Als  Lehrer  hat  er  eine  fruchtbringende  Thätigkeit  ent- 
wickelt, ohne  doch  den  künstlerischen  Studiengang  seiner  Schüler  zu  beeinflussen.  Roeting  starb  1896. 
Als  Lehrer  der  Monumentalkunst  war  1868  ebenfalls  ein  Dresdener  Bendemannschüler  berufen 
worden,  Hermann  Wislicenus,  der,  1825  zu  Eisenach  geboren,  in  Dresden  studiert  und  verschiedene 
Bilder    von    ansprechender  Composition    und  Färbung    im  Sinne    seines  Meisters   gemalt   hatte.     In 


HERMANN    WISLICENUS 
Wiederherstellung  des  Deutschen  Reiches 
AWandgemälde   inn   Kaiserpalast  zu   Goslar 


292 


Düsseldorf  malte  er  „Die  vier  Jahreszeiten",  eine  „Germania",  „Rhein  und  Loreley",  Wandbilder 
für  Weimar,  um  sich  dann  ausschliefslich  einem  grofsen  Auftrag  für  den  Kaiserpalast  in  Goslar 
zu  widmen.  Diese  Bilder,  die  den  Anfang,  die  Entfaltung,  Ende  und  W^iederaufleben  der 
deutschen  Kaisermacht  darstellen,  sind  das  Hauptwerk  seines  Lebens.  Aber  man  kann  sie,  die 
ausschliefslich  an  Ort  und  Stelle  gemalt  sind  und  zwar  von  einem  Künstler,  der  in  Düsseldorf 
selbst  nur  wenig  studirt  und  geschaffen  hat,  kaum  zur  Düsseldorfer  Kunst  rechnen.  Wislicenus 
war  von  diesen  grofsangelegten,  umfangreichen  W^erken  so  in  Anspruch  genommen,  dafs  er  eine 
Wirksamkeit  als  Lehrer  in  Düsseldorf  nicht  entfalten  konnte. 

Es  konnte  naturgemäfs  schon  nicht  günstig  wirken,  dafs  ein  grofser  Theil  der  Lehrer  als 
Fremde  von  aufsen  gekommen  war  (Roeting,  Wittig,  Wislicenus  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
doch  auch  Bendemann),  aber  andere  Zustände  an  der  Akademie  waren  fast  noch  schlimmer.  Die 
Schule  hatte  nämlich  seit  Bendemanns  Amtsniederlegung  (1867)  keinen  Director  mehr,  sondern  wurde 
von  einem,  aus  dem  Architekten  E.  Giese,  dem  Schöpfer  des  Stadttheaters,  und  H.  Wislicenus 
bestehenden  Directorium  geleitet,  dem  ein  Regierungsrath  nicht  nur  als  Vorsitzender  des  Directoriums, 
sondern  auch  als  Vorsitzender  des  Lehrercollegiums  an  die  Spitze  gestellt  war.  Das  waren  Zustände, 
welche  die  unumschränkte  Herrschaft  des  Cornelius  zu  einer  Zeit  schlimmsten  Bureaukratismus 
und  politischer  Reaction  in  doppelt  hellem  Lichte  erscheinen  lassen.  Freilich,  es  war  eben  kein 
Cornelius  da.  Immerhin  führten  diese  Verhältnisse  dazu,  dafs  selbst  die  Schüler  sich  dagegen 
empörten  und  bei  Gelegenheit  des  unter  Leitung  der  Regierungsbeamten  veranstalteten  Festes  zur 
Halbjahrhundertfeier  der  Akademie  eine  Beschwerde  gegen  diese  Organisation  an  den  Minister 
richteten,  die  wenigstens  den  Erfolg  hatte,  dafs  der  übrigens  wohlwollende  und  verdienstvolle 
Geheimrath   Altgelt  sein   Amt  als  Vorsitzender  der  Akademie  niederlegte. 

In  diese  klägliche  Zeit  fiel  nun  noch  der  Brand  der  Akademie;  aber  wie  so  oft  diente 
dieses  Unglück,  das  die  Kunstschule  für  fast  ein  Jahrzehnt  obdachlos  machte,  dazu,  dafs  nun 
alle  Kräfte  angespannt  wurden,  um  sich  aus  der  Versumpfung  herauszuarbeiten.  Personal- 
wechsel in  den  höchsten  und  höheren  Regierungsstellen  begünstigten  diese  Anstrengungen, 
vor  Allem  aber  waren  es  die  Neuanstellungen  dreier  Künstler,  welche  den  Umschwung  begrün- 
deten.    Und  Zwei  von  diesen  sollten  für  die  heutige  Düsseldorfer  Kunst  mafsgebend  bleiben. 


So  war  die  Zeit  der 
Obdachlosigkeit  der  Akade- 
mie, deren  Klassen  theils 
in  den  übrig  gebliebenen 
Gebäuderesten  neben  der 
Brandstätte,  theils  in  dem 
sogenannten  ,, Wunder- 
bau", einem  curiosen 
Atelierhause,  Unterkunft 
fanden,  eine  Zeit  stiller 
aber  energischer  Refor- 
mation an  Haupt  und 
Gliedern,  und  als  die 
Akademie  1879  das  neue 
Gebäude  am  Rhein  be- 
ziehen konnte,  da  entfaltete 
sich  die  Schule  sehr  bald 
zu  ganz  ungeahnter  Kraft 
und  Wirksamkeit. 

Der  älteste  von  den 
drei  Künstlern,  die  an 
dieser  Umwandlung  Theil 
haben,  war  W.  Sohn,  der 
als  Künstler,  wie  als  Lehrer 
bereits  seinen  Wirkungs- 
und Einflufskreis  besafs 
und  nun  für  die  Akademie 
gewonnen  wurde.  Seine 
Kunst    stand    in    höchster 


HUGO   CROLA 
Bildnis  des  Malers   Eduard  von  Gcbhardt 

293 


Blüthe  und  vermochte  in 
der  neuen  akademischen 
Stellung  nichts  Neues  mehr 
zu  bringen.  Sie  allein  wäre 
also  auch  nicht  im  Stande 
gewesen,  den  Anforde- 
rungen der  neuen  Zeit 
gerecht  zu  werden.  Es 
fehlte  ihr  bei  aller  Fein- 
heit der  physiognomischen 
Darstellung,  bei  allem 
coloristischen  Reiz  der 
Ausführung  doch  der  grofse 
hinreifsende  Zug,  jene  be- 
wufste  Kraft,  wie  sie  Bis- 
marck  in  das  politische 
Leben,  jene  festliche  Freu- 
digkeit und  mächtige  Wir- 
kung, wie  sie  W^agner  in 
die  Musik  eingeführt  hatte, 
und  jener  patriotisch-reli- 
giöse Ernst,  wie  ihn  das 
neue  Kaiserthum  deutscher 
Nation  dem  Volke  wieder- 
zugeben bestrebt  war.  Wie 
die     Kräfte,     welche     die 

siegreichen  Schlachten 
schlugen,     in     der     Stille 
gereift    waren,     wie     der 

19« 


politischen  Ueberlegenheit 
der  deutschen  Nationalität 
durch  die  seit  langem 
thätige  rastlose  Arbeit  eines 
Mannes  gewissermafsen 
die  Wege  gewiesen  waren, 
so  arbeiteten  an  der  neuen 
religiösen  und  monumen- 
talen Kunst  bereits  zwei 
Männer,  an  deren  Schaffen 

die  neue  Düsseldorfer 
Malerei  auf  figürlichem 
Gebiet  von  nun  an  sich 
anschliefsen  sollte:  Eduard 
von  Gebhardt  und  Peter 
Janfsen. 

Die    religiöse   Malerei 
war   seit  der  Reformation 

fast  ausschliefslich  im 
Dienste    der    katholischen 
Kirche   und   somit  in  den 

Händen  katholischer 
Künstler  verblieben.  Das 
war  eine  natürliche  Folge 
der,  wenn  nicht  direct 
kunstfeindlichen,  so  doch 
aus  vielen  Gründen  kunst- 
fremden Tendenzen  des 
Protestantismus  gewesen. 
Auch  die  neue  deutsche 
religiöse  Kunst  seit  Over- 
beck  verblieb   den  Katho- 


EDUARD    VON    GEBHARDT 
Die   Kreuzigung 


liken,  und  sie  nahm  gerade 
bei  einzelnen  Convertiten 
sogar  einen  confessionellen 
Charakter  an,  den  in  dem 
Mafse  selbst  die  Jesuiten- 
kunst der  grofsen  Maler 
des  XVII.  und  XVIII.  Jahr- 
hunderts nicht  gekannt 
hatte.  Die  Düsseldorfer 
religiöse  Malerei  hatte  sich 
von  diesen  Tendenzen  fast 
ganz  frei  zu  halten  gewufst, 
und  so  war  sie,  trotzdem 
sie  fast  ausschliefslich  von 

Katholiken  ausgeübt 
wurde,    bei    der  Toleranz, 
um  nicht  zu  sagen  Gleich- 
gültigkeit,     mit     der     die 

Protestanten  diesen 
äufseren  Dingen  gegenüber 
zu  stehen  pflegen  und  bei 
einem  Kunstwerk  nicht 
nach  der  Confession  des 
Urhebers  fragen,  auch 
von  diesen  freundlich  auf- 
genommen worden.  Die 
Altarbilder  der  Nazarener 
schmückten      gelegentlich 

auch  protestantische 
Kirchen,  und  die  Nachbil- 
dungen nach  den  Gemälden 
Carl  Müllers  sind  in   pro- 
katholischen.     Es    war    also    auch 


testantischen  Familien  ebenso  verbreitet  und  beliebt,  wie  in 
ganz  natürlich  gewesen,  dafs  die  wenigen  Protestanten,  welche  religiöse  Motive  malten,  sich  der 
von  den  katholischen  Malern  geschaffenen  Formensprache  anschlössen,  um  so  mehr,  als  diese 
wiederum  sich,  wenigstens  scheinbar,  auf  die  Tradition  einer  vielhundertjährigen  Kunst  stützten, 
die  vor  die  Trennung  der  Confessionen  fällt  und  für  jeden  Maler  als  unanfechtbares  Vorbild 
gelten  mufste.  Dafs  diese  Formensprache  allerdings  gerade  in  Düsseldorf  mit  der  Zeit  einen 
schwächlichen,  blutarmen  und  degenerirten  Charakter  angenommen  hatte,  wurde  schon  angedeutet, 
und  die  Gründe  dazu  lagen  eben  nicht  in  dem  Mangel  an  gutem  Willen  der  Künstler,  sondern  in 
dem  unausweichlichen  Naturgesetz,  nach  dem  ein  jeder  Organismus,  ein  jedes  Individuum  und 
selbst  eine  jede  geistige  Strömung  einmal  altersschwach  wird  und  eingehen  mufs.  ,,Das  Alte 
stürzt,  es  ändert  sich  die  Zeit"  und  dafür  giebt  es  keine  Hülfsmittel  und  keine  Heilung,  denn  gegen 
den  Tod  ist  eben  kein  Kraut  gewachsen. 

Um  aus  den  Ausläufern  dieser  nazarenerhaft  weichen  Kunst  ein  neues  Leben  erblühen 
zu  lassen,  bedurfte  es  also  einer  Kraft,  die  zufolge  einer  anderen  Anschauung  von  Religion  und 
Kunst  mit  dem  Hergebrachten  energisch  brach  und  an  die  Stelle  des  Antiquirten  Etwas  zu  setzen 
vermochte,    das    dem  Stande  der  modernen  Kunstempfindung  besser  entsprach. 

Es  würde  zu  weit  führen,  nachzuweisen,  wie  der  Realismus,  der  in  der  deutschen  Kunst 
immer  mehr  zur  Geltung  gekommen  war,  dem  Wesen  des  specifisch  nordischen,  kühler  reflectirenden 
und  national  fühlenden  Protestantismus  näher  verwandt  ist,  als  dem  mystischen,  sich  mehr  an  das 
Seelenleben  wendenden  und  dabei  äufserlich  streng  an  dem  Althergebrachten  festhaltenden  Charakter 
der  unnationalen  katholischen  Kirche. 

Und  dem  sei  nun  auch,  wie  ihm  wolle.  Thatsache  ist,  dafs  es  gerade  und  in  erster  Linie 
bei  Ed.  v.  Gebhardt  der  Protestantismus  war,  der  Ihn  zu  der  grundlegenden  Umgestaltung 
und  Neugeburt  der  Düsseldorfer  religiösen  Malerei  befähigte  und  vorweg  bestimmte.  Das  äufsere 
Element,    das    seine    Bilder    so    scharf    von    denen    der    Nazarener   trennt,    die   Anlehnung    in    der 


295 


Gewandung  u.  s.  w.  nicht  an  die  Italiener,  wie  bei  jenen,  sondern  an  die  altniederländischen  und 
altdeutschen  Maler  entspricht  wieder  der  bewufst  nationalen  Seite  seiner  Kunst,  über  die 
Gebhardt  selbst  sich  einmal  folgendermafsen  geäufsert  hat:  ,,Man  hat  oft  die  Frage  an  mich 
gerichtet,  warum  ich  denn  die  biblischen  Bilder  in  altdeutschem  Costüm  male;  ja  wie  denn, 
sollte  ich  etwa  weiter  malen,  wie  die  Nazarener?  Anfangs  dachte  ich  auch  nicht  anders,  aber 
meinen  hausbackenen  Menschen  wollten  die  conventioneilen  Gewänder  durchaus  nicht  passen.  .  .  . 
Ja,  sagten  die  klugen  Menschen,  ich  sollte  es  doch  so  malen,  wie  es  gewesen,  es  ist  doch  im 
Orient  passirt;  das  ist  doch  ein  Anachronismus,  den  ich  begehe.  Merkwürdig!  Noch  nie  hat  ein 
Mensch  es  zustande  gebracht,  in  der  Form  des  Orientbildes  ein  andächtiges  Bild  zu  malen,  warum 
verlangt  man  das  von  mir?  Malen  wir  denn  nicht  als  Deutsche  für  Deutsche?"  Und  so  wählte 
Gebhardt  mit  vollem  Bewufstsein  der  nationalen  Forderung  in  seiner  Kunst  und  in  dem  richtigen 
Gefühl,  das  schon  Schnaase  in  Worte  gefafst  hat,  dafs  nämlich  in  einem  alterthümlichen  Stil 
das  Hauptmittel  zur  Hervorbringung  einer  religiösen  Stimmung  liege,  das  Costüm,  das  Milieu  und 
im  Anfang  selbst  den  Colorismus  der  genannten  nordischen  Meister  sich  zum  Vorbild. 

Was  Gebhardt  im  Gegensatz  zu  den  Gestalten  der  Nazarener  seine  hausbackenen  Menschen 
nennt,  das  ist  nun  freilich  das  Resultat  einer  wohl  noch  wichtigeren  Seite  seiner  Kunst,  die  ihn 
von  der  bisherigen  Heiligenmalerei  noch  schroffer  scheidet.  Es  ist  das  eine  unbefangene  und  energische 
Naturbeobachtung,  wie  sie  die  Düsseldorfer  und  überhaupt  die  deutsche  Malerei  damals  erst  bei 
gewissen  Genremalern  zu  üben  angefangen  hatte,  die  aber  in  die  religiöse  Malerei  überhaupt  noch 
nicht,  in  die  historische  kaum  erst  einzudringen  begonnen  hatte. 

W^ie  Gebhardt  seinen  streng  positiven  Glauben  der  Erziehung  in  dem  väterlichen  Pfarrhause 
verdankt,  so  führt  er  auch  seine  Hinneigung  zu  schärferem  Beobachten  und  treuerer  Wiedergabe 
des  Gesehenen  auf  die  Eindrücke  seiner  frühesten  Umgebung  zurück.  ,,Ich  habe  das  Glück  gehabt", 
schreibt  er  einmal,  ,, unter  Menschen  aufzuwachsen,  deren  Mienenspiel  merkwürdig  ausgebildet  war, 
und  von  diesen  Eindrücken  zehre  ich  noch.  In  den  Gesichtszügen  meiner  Mutter,  Tante  und 
Schwestern  konnte  man  förmlich  lesen". 

Aus  solchen  für  die  Düsseldorfer  religiöse  Malerei  bisher  ziemlich  unbekannten  Elementen 
setzt  sich   also    die  Gebhardtsche  Kunst,    wie    sie  sich    in  nunmehr  fast  40  Jahren  entwickelt  hat, 

zusammen.  Ein  stark  aus- 
geprägtes Nationalgefühl, 
■wie  es  sich  m  den  bal- 
tischen  Stämmen    in   den 

jahrhundertelangen 
Kämpfen  ums  Dasein  gegen 
barbarische  Unkultur  ent- 
wickelt hat,  der  positive 
streng  lutherische  Glauben, 
für  den  es  eine  Madonna 
und  die  Heiligen  als  solche 
nicht  giebt,  in  dessen 
Mittelpunkt  allein  Christus 
steht,  und  ein  energischer, 
selbst  herber  Realismus, 
wie  ihn  in  dem  Mafse 
sogar  Knaus  nicht  besafs. 
E.  von  Gebhardt  ist 
1838  in  Reval  als  Sohn 
eines  lutherischen  Pfarrers 
geboren  und  bezog  1856  die 
Akademie  in  Petersburg. 
Hier  fand  er  einen  tüchtigen 
Unterricht  in  den  Elemen- 
tarfächern, verliefs  aber 
Rufsland,  um  zuerst  in 
Deutschland,  dann  in  Bel- 
gien und  Holland  zu  stu- 
diren  und  sich  schliefslich 


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EDUARD  VON   GEBHARDT 
Der  ungläubige  Thomas 


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EDUARD   VON    GEBHARDT 
Die  Jünger   in   Emaus 


in  Karlsruhe  niederzulassen,  wo  seit 
kurzem  Schirmer  und  Lessing  wirkten. 
Ein  Besuch  in  der  Heimat  machte 
der  Karlsruher  Studienzeit  ein  Ende, 
denn  auf  der  Rückreise  kam  Gebhardt 
i86o  nach  Düsseldorf,  wo  er,  ohne 
es  eigentlich  vorher  beabsichtigt  zu 
haben,  blieb,  um  es  auch  in  der 
Folge,  abgesehen  von  verschiedenen 
Reisen,  auf  längere  Dauer  nicht 
mehr  zu  verlassen. 

Bei  den  damaligen  Zuständen,  der 
Spaltung  zwischen  der  Akademie  und 
der  Künstlerschaft,  bezog  Gebhardt 
nicht  die  Akademie,  sondern  schlofs 
sich  auf  den  Rath  seines  mit  von 
Karlsruhe  hierhergekommenen  Freun- 
des Julius  Geertz  an  Wilhelm  Sohn 
an,  der  bereits  angefangen  hatte,  einen 
Kreis  von  Schülern  und  Anhängern 
um  sich  zu  schaaren.  Zwischen 
W.  Sohn  und  E.  v.  Gebhardt  ent- 
wickelte sich  nun  ein  Verhältnifs, 
das,  von  dem  eines  Lehrers  zum 
Schüler  bald  in  einen  Freundschafts- 
bund übergehend,  für  Gebhardt  nach  seiner  eigenen  Aussage  von  der  allergröfsten  Wichtigkeit 
wurde  und  in  einem  gemeinsamen  eifrigen  Arbeiten  zunächst  seinen  Ausdruck  fand.  Vielleicht 
erklärt  sich  der  grofse  und  fruchtbringende  Einflufs,  den  Sohn  auf  Gebhardt  ausübte,  aus  der 
inneren  Verschiedenheit  der  beiden  Künstler,  die  sich  sowohl  in  ihrer  allgemeinen,  als  auch  in 
ihrer  künstlerischen  Natur  findet.  Nur  durch  diese  Gegensätze  war  es  möglich,  dafs  Gebhardt 
sich  seine  volle  Eigenart  nicht  nur  bewahrte,  was  sonst  den  wenigsten  Sohnschülern  gelungen 
ist,  sondern  auch  sie  ganz  ungestört  entwickelte  und  von  Sohn  gerade  nur  das  empfing  bezw. 
annahm,  was  ihm  für  seine  Kunst  wichtig  war,  nämlich  einmal  eine  W^eiterbildung  seines  colo- 
ristischen  Sinnes,  dann  eine  Verstärkung  seiner  auf  physiognomischen  Ausdruck  gerichteten 
Charakterisirung,  ohne  sich  durch  die.  namentlich  später  sich  geltend  machende  Unstetheit  Sohns, 
die  ihn  selbst  am  Schaffen  hinderte,  beeinHussen  zu  lassen.  Von  grofser  Wichtigkeit  war  ferner 
für  Gebhardt  auch  der  durch  Sohn  erfolgte  Hinweis  auf  das  Studium  der  alten  vlämischen  und 
deutschen  Meister. 

Im  Jahre  1863  entstand  das  erste  Bild  „Christi  Einzug  in  Jerusalem",  das  mit  gröfster  Klarheit 
schon  fast  alle  äufseren  und  inneren  Eigenschaften  der  Gebhardtschen  Kunst  aufweist:  den 
bewufsten  engen  Anschlufs  an  die  alten  deutschen  Meister  in  Bezug  auf  Costüm  und  Umgebung, 
dann  aber,  was  wichtiger  ist,  den  ebenfalls  bewufsten  Gegensatz  zu  der  herrschenden  Gefühls- 
seligkeit und  Symbolistik  der  Nazarener,  zu  der  Süfslichkeit,  von  der  auch  die  Sohnschule 
nicht  ganz  freizusprechen  ist.  Eine  gesunde  und  unbestechliche  Naturbeobachtung,  die  hier 
und  da  freilich  noch  mit  dem  Ausdruck  ringt,  ein  tiefes  und  starkes  Gefühl,  das  zur  deutlichen 
Aussprache  keine  Mittel  scheut,  ein  gelegentlich  bis  zur  Härte  gesteigerter  Widerwille  gegen  alles 
Conventionelle,  das  sind  so  die  Hauptmerkmale  dieses  ersten  Bildes,  Merkmale,  die  von  Bild  zu 
Bild  sich  weiter  ausbildeten  und  sich  allmählich  mit  einem  überaus  eigenartigen,  feinen  Colorismus 
verbanden,  der  nun  freilich  keineswegs  naturalistisch  ist.  Dieser  Colorismus  scheint  sogar  zu  dem 
absoluten,  auch  das  Häfsliche  nicht  scheuenden  W^ahrheitsdrang  in  Bezug  auf  zeichnerischen  Ausdruck 
in  Mienen  und  Gebärden  im  Gegensatz  zu  stehen,  und  ist  somit  recht  eigentlich,  neben  dem  geistigen, 
idealen  Inhalt,  das  künstlerisch-idealistische  Moment  in  der  Kunst  Gebhardts. 

Rasch  folgten  einander  in  den  folgenden  Jahren  gröfsere  und  kleinere  Bilder  meist  biblischen 
Inhalts,  aber  auch  einige  Genrescenen  aus  der  Reformationszeit;  so  schon  1864  ,,Jairi  Töchterlein", 
das  den  Vorgang  in  consequentem  Festhalten  an  dem  angenommenen  Princip  in  eine  altdeutsche 
Bauernstube  verlegt.  Weniger  ausgesprochen  in  dieser  Aeufserlichkeit,  dafür  vielleicht  um  so  stärker 
im  Ausdruck  ist  die  „Kreuzigung"   für  die  Domkirche  in  Reval,  die  1866  entstand,    ein  Motiv,    das 


299 


Gebhardt  noch  zweimal  mit  wesentlichen  Abänderungen  behandelte,  1873  für  die  Hamburger  Galerie 
und  1884  für  die  Kirche  in  Narva.  Etwa  1867  entstand  die  Kreidezeichnung  „Christus  am  Teiche 
Bethesda"  und  ein  überaus  origineller  „armer  Lazarus",  der  sich  jetzt  im  Privatbesitz  in  Californien 
befindet.  Im  Jahre  1871  vollendete  Gebhardt  sein  grofses  ,, Abendmahl",  das,  von  der  National- 
galerie angekauft,  ihn  mit  einem  Schlage  zum  berühmten  Manne  machte  und  zum  Haupt  der 
religiösen  Malerei,  nicht  nur  in  Düsseldorf,  sondern  in  ganz  Deutschland.  Und  diese  religiöse 
Malerei  war  eine  protestantische,  die  gleichwohl  ihren  Einflufs  auf  die  katholische  Kirchenmalerei 
sehr  bald  geltend  machen  sollte. 

In  Bezug  auf  Tiefe  und  Ernst  des  Ausdrucks  hat  Gebhardt  dieses  Bild  lange  Zeit  nicht 
erreicht,  höchstens  etwa  in  der  zehn  Jahre  später  vollendeten,  ebenfalls  von  der  Nationalgalerie 
erworbenen  „Himmelfahrt",  dann  allerdings  in  den  Loccumer  Wandbildern,  die  eine  besondere 
Epoche  in  Gebhardts  Kunst  bedeuten.  Vor  diese  Arbeiten  fallen  neben  religiösen  Bildern  wie 
„Die  Jünger  zu  Emaus"  einige  der  bereits  erwähnten  genrehaften  Gemälde.  So  das  kleine 
Bild  „Hubert  und  Jan  v.  Eyck"  1871,  „Für  die  Zukunft"  1874,  „Disputation"  1875,  und  vor 
Allem  das  höchst  feinsinnige  Bild  ,,Die  Heimführung"  1877,  in  dem  Gebhardt  wohl  zum  ersten-  und 
seitdem  zum  letztenmal  nicht  der  himmlischen,  sondern  der  irdischen  Liebe  ein  künstlerisches 
Opfer  darbringt:  Ein  junges  Paar  auf  der  Heimreise  findet  auf  seiner  Fahrt  durch  den  Wald  ein 
Hindernifs,  das  den  W^agen  aufhält.  Mit  zärtlicher  Sorge  leitet  der  Gatte  sein  junges  Weib  über 
die  im  Wege  liegenden  Baumstämme  und  Zweige.  Von  gröfster  Feinheit  und  Innigkeit  ist  der 
Ausdruck  der  beiden  einander  zugewandten  Gesichter. 

Es  folgten  ,,Aus  der  Reformationszeit"  1877  (Leipziger  Galerie),  ein  „Christus"  im  Brustbild  1878, 
,,Zwei  Klosterschüler"  1882,  ,,Bei  der  Arbeit'  im  selben  Jahr,  1883  die  coloristisch  wieder  höchst 
bedeutende  ,,Pietä"  und  1884  für  die  Kirche  in  Narva  „Christus  auf  dem  Meere",  ein  Bild,  das  zu 
interessanten  Vergleichen  mit  dem  30  Jahre  früher  entstandenen  Bilde  gleichen  Motivs  von 
Gebhardts  Lehrer  W^.  Sohn  in  der  Düsseldorfer  Kunsthalle  Anlafs  giebt.  Eine  ganze  Epoche  der 
Kunstgeschichte  liegt  zwischen  diesen   beiden  Werken. 

Schon  im  Jahre  1874  war  Gebhardt  an  die  Düsseldorfer  Akademie  berufen  worden,  haupt- 
sächlich auf  den  Vorschlag  von  Wilhelm  Sohn  hin,  der  zu  jener  Zeit  ebenfalls  Lehrer  der 
Meisterklasse  an  der  Akademie  geworden  war.  Gebhardt  leitete  zunächst  die  Malklasse,  um  auf 
ausdrücklichen  Wunsch  Sohns  die  Schüler  für  dessen  Meisterklasse  vorzubereiten,  bildete  aber 
in  der  Folge  selbst  einige  Künstler  aus,    die  sich  ihm  angeschlossen  hatten. 

In  das  Jahr  1884  fällt  nun  jener  Auftrag  von  selten  der  Regierung,  der  Gebhardt  Gelegenheit 
gab,  seine  durch  ein  intensives  Studium  der  besten  zeitgenössischen  Meister,  insbesondere  des 
ihm  wesensverwandten  Leys,  aber  auch  an  gewissen  Arbeiten  von  Meissonier  und  Geröme, 
dann  aber  besonders  auf  mehreren  Studienreisen  in  Italien  herangebildeten  Ansichten  über  das 
Verhältnifs  des  Bildes  zum  Raum,  der  Malerei  als  Innendecoration,  praktisch  zu  verwerthen. 

Es  war  die  Aufgabe,  einen  Saal  in  dem  im  Hannoverschen  gelegenen  ehemaligen  Kloster, 
jetzigen  Predigerseminar  Loccum,  mit  Wandgemälden  aus  der  Geschichte  Christi  auszustatten, 
eine  Arbeit,  die  Gebhardt,  wenn  auch  keineswegs  ausschliefslich,  bis  1892  beschäftigte  und  für 
seine  Kunst  und  deren  Weiterentwicklung  von  allergröfster  Bedeutung  werden  sollte,  da  er  hier 
zum  erstenmal  für  eine  vollständige,  nicht  nur  auf  die  Anbringung  von  einzelnen  Gemälden 
beschränkte  Gesammtdecoration  seine  Bilder  entwerfen  konnte. 

Der  mäfsig  grofse,  quadratische  Raum,  der  mit  einem  von  einer  in  der  Mitte  stehenden 
Säule  getragenen  Kreuzgewölbe  bedeckt  ist,  erhielt  an  den  drei  freien  Wänden  je  zwei  oben  halb- 
runde Bilder,  an  der  Fensterwand  noch  drei  ganz  schmale.  Die  Decke  bezw.  die  Gewölbekappen 
tragen  auf  dunkelblauem  gesternten  Grunde  die  streng  stilisirten  Gestalten  von  Patriarchen  und 
Aposteln,  auch  der  Maria  —  der  einzigen  „Madonna",  die  Gebhardt  gemalt  hat,  und  zwar  in  einer 
besonderen,  protestantischen  Auffassung,  nicht  als  Gottesmutter,  sondern  als  die  erste  Frau,  die 
,,alle  diese  Worte  behielt  und  sie  in  ihrem  Herzen  bewegte".  Der  Hauptgedanke,  von  dem  der 
Künstler  bei  der  Wahl  seiner  Motive  und  der  Anordnung  der  Bilder  ausging,  war  der,  entsprechend 
dem  jetzigen  Zweck  des  Klosters  als  Predigerseminar,  solche  Scenen  aus  dem  Leben  Christi  dar- 
zustellen, die  den  Heiland  als  Vorbild  eines  Predigers  darstellen.  So  ist  gleich  beim  Eingang 
links  „Die  Bergpredigt"  gemalt,  die  sich  in  der  Composition  auf  die  von  der  Thür  abgetrennte 
rechte  Wandseite  hinüberzieht,  wo  Johannes,  der  letzte  Mann  des  alten  Bundes,  seine  Jünger 
Christo  zuführt.  Der  Eingangswand  gegenüber  ist  Christus  dargestellt;  links,  wie  er  seines  Vaters 
Haus  von  den  Wechslern  und  Krämern  reinigt,  rechts,  wie  er  bei  der  Hochzeit  zu  Cana  das 
Haus  der  Familie  heiligt.     Die  Bilder    der    den  Fenstern    gegenüberliegenden  Wand   beziehen  sich 

300 


EDUARD   VON    GEBHARDT 

Die  Taufe   im   Jordan 

Wandgemälde  in  der  Friedenskirche  zu  Düsseldorf 


auf  die  Thätigkeit  des  Seelsorgers,  der  Hülfe  in  leiblicher  und  geistiger  Noth  bringt.  Links  „Die 
Heilung  des  Gichtbrüchigen",  wobei  nicht  sowohl  die  körperliche  Heilung  betont  sein  soll,  als 
vielmehr  die  Vergebung  der  Sünden;  rechts  die  Hülfe  in  geistiger  Noth:  „Christus  und  die  Ehe- 
brecherin". Die  Fensterwand  zeigt  Christus,  wie  er  vom  Kreuze  herab  dem  Schacher  die  Ver- 
heifsung  des  ewigen  Lebens  giebt,  und  deutet  damit  auf  die  gröfste  Aufgabe  des  Geistlichen  hin, 
Trost  in  Todesnoth  zu  spenden. 

Die  Arbeiten  in  Loccum  hatten  Gebhardt  nach  jeder  Richtung  hin  gefördert,  ihn  eine 
Freiheit  der  Composition  und  Ausführung  in  seinen  Bildern  gewinnen  lassen,  zu  der  ihn  bisher 
das  in  dem  W^esen  der  Sohnschen  Genremalerei  begründete  Probirsystem  nicht  gelangen  liefs. 
Vor  Allem  hatten  die  Wandgemälde  ihm  aber  eine  Befestigung  seiner  coloristischen  Principien 
verschafft,  die  ihn  befähigte,  mit  erstaunlicher  Schnelligkeit  an  seinen  nun  folgenden  Staffelei- 
bildern  zu  arbeiten  und  von  Bild  zu  Bild  die  farbige  Ausdrucksfähigkeit  zu  steigern.  So  entstanden 
noch  während  des  Fortganges  der  Loccumer  Malereien,  die  erst  1891  ganz  abgeschlossen  wurden, 
„Die  alte  Stadtverfassung",  „Der  ungläubige  Thomas",  „Christus  in  Bethanien",  das  figurenreiche 
Bild  „Christus  und  der  reiche  Jüngling"  und  verschiedene  kleine  Bilder,  in  denen  auch  gelegentlich 
Gebhardts  feinsinnige  Auffassung  der  Landschaft  sich  bemerkbar  macht. 

Wieder  in  das  altdeutsche  Gemach  versetzt  der  Künstler  die  Scene,  wie  der  zwölfjährige 
Jesus  die  Priester  und  Schriftgelehrten  durch  seine  Weisheit  in  Erstaunen  setzt.  Besonders  in  der 
farbigen  Wirkung  bedeutend  war  die  „Auferweckung  des  Lazarus".  Die  Schärfe  der  Charakteristik, 
die  Gebhardt  eigen  ist,  läfst  es  erklärlich  erscheinen,  dafs  der  Künstler  auch  auf  dem  Gebiete  des 
Porträts  Hervorragendes  leistet,  wie  er  ja  auch  gelegentlich  das  nicht -religiöse  Genrebild  mit 
Erfolg  gepflegt  hat,  aber  seine  Bedeutung  liegt  ohne  Widerspruch  in  der  religiösen  Malerei,  die 
allerdings  bei  ihm  nie  zur  ,, Heiligenmalerei"  werden  konnte.  In  den  letzten  Jahren  wurde  Gebhardt 
von  der  preufsischen  Regierung  wiederum  ein  Auftrag  zu  Theil,  der  ihn  in  den  Stand  setzte,  das 
in  Loccum  begonnene  und  erprobte  Werk  zu  vollenden,  nämlich  der  deutschen  Kunst  nicht  nur 
eine  neue  religiöse,  sondern  als  Erster  eine  protestantische  Kirchenmalerei  zu  geben.  Es  wurde 
ihm  nämlich  aufgetragen,  die  neuerbaute  Friedenskirche  in  Düsseldorf  zunächst  mit  zwei  W^and- 
gemälden  zu  schmücken,  denen  möglicherweise  noch  weitere  folgen  werden,  und  den  Chor  aus- 
zumalen. 

Dafs  hier  nicht  geringe  principielle  Bedenken  zu  überwinden  waren  und  noch  sein  werden, 
bedarf  keines  Hinweises.  Der  Protestantismus  hat  sich  des  bildlichen  Schmuckes  in  den  Gottes- 
häusern entwöhnt,  und  es  fragt  sich,  ob  er  allgemein  zu  der  naiven  Kunstfreude  der  ältesten 
christlichen  Kirche  oder  gar  zu  dem  bewufsten  Kunstbedürfnifs  der  Kirche  in  der  Frührenaissance 
wird  zurückkehren  können  und  wollen,  ob  der  blofse  Mangel  an  dogmatischen  Gegengründen 
genügen  wird,  um  die  historischen  Gründe  und  das  seit  der  Reformation  entwickelte  Widerstreben 
bei  Geistlichkeit  und  Laien  allgemein  zu  besiegen.  Von  Seiten  der  Kunst  ist  jedenfalls  der  erste 
Schritt  gethan.  Die  beiden  Hauptbilder  in  der  Friedenskirche  neben  dem  Chor  sind  vollendet, 
ebenso  die  Bemalung  des  Chores  und  des  Triumphbogens.  Die  Decke  und  die  Längswände  sind 
ornamental  bemalt  und  somit  ist  eine  geschlossene  Gesammtwirkung  erzielt,  die  leider  nur  durch 
die  unschöne  Architektur  der  Kirche   beeinträchtigt  wird. 

Die  Motive  der  vollendeten  Bilder  wurden  mit  Rücksicht  auf  den  Plan  einer  Gesammt- 
ausmalung  so  gewählt,  dafs  sie  jedes  als  Abschlufs  einer  Bilderserie  gedacht  sind.  Links  „Die 
Taufe  im  Jordan"  als  Abschlufs  der  alttestamentarischen  Reihe;  rechts  „Die  Verklärung  Christi" 
als  Abschlufs  des  Neuen  Testaments. 

Auch  diese  Bilder  zeigen  wieder  eine  Steigerung  des  künstlerischen  Ausdrucks.  An  Kraft 
der  Composition,  an  Lebendigkeit  der  Gruppen  und  der  Köpfe  übertreffen  sie  fast  noch  die  grofse 
„Himmelfahrt"  in  der  Nationalgalerie  und  die  Loccumer  Bilder.  In  coloristischer  Hinsicht  zeigt 
sich  eine  Weiterentwicklung  des  schon  in  Loccum  Begonnenen,  nämlich  eine  höchst  farbige  und 
monumentale  Anwendung  von  fast  ausschliefslich  hellen,  leuchtenden  Tönen,  die  in  directem 
Gegensatz  stehen  zu  den  tiefgestimmten  Staffeleibildern  der  früheren  Zeit,  aber  Hand  in  Hand 
gehen  mit  der  Gesammtwirkung  des  Interieurs  und  dem  Bestreben  nach  einer  hellen,  überall 
sichtbaren  Bildwirkung. 

Der  Einflufs,  den  Gebhardts  Bilder  in  der  ganzen  Welt  auf  die  religiöse  Kunst  ausübten, 
war  ein  grofser,  und  man  wird  nicht  fehl  gehen,  wenn  man  die  Compositionen  Uhdes 
und  Anderer,  welche  in  mifsverstandenem  Realismus  oder  schwächlichem  Mysticismus  die  Er- 
scheinung Christi    gar    in    die  Jetztzeit    verlegen,    auf   Gebhardts  Vorgehen    zurückführt.     Gebhardt 

302 


EDUARD   VON   GEBHARDT 

Die  Verklärung   Christi 

Wandgemälde  in  der  Friedenskirche  zu   Düsseldorf 


hat  das  Schnaasesche  alterthümliche  Element  sehr  wohl  gewahrt  durch  die  Wahl  des  mittel- 
alterlichen Costüms,  und  als  Protestant  kann  er  auch  ein  Erscheinen  Christi  in  der  Reformations- 
zeit sich  vorstellen,  da  nach  protestantischer  Auffassung  damals  die  reine  Lehre  wieder  gepredigt 
wurde  und  zwar  in  deutscher  Sprache,  wovon  der  Einflufs  auf  sociales  und  geistiges  Leben  auch 
von  den  Gegnern  nicht  geleugnet  werden  kann.  Die  heutigen  Bewohner  der  bayrischen  Hochebene 
hingegen  haben  doch  eigentlich  nichts  gethan,  was  einen  Künstler  berechtigen  könnte,  Christus 
unter  ihnen  wandeln  zu  lassen,  und  ob  sie  gerade  die  idealsten  Repräsentanten  eines  reinen 
Christenthums  sind,  läfst  sich  billig  bezweifeln. 

Es  konnte  nicht  ausbleiben,  dafs  Gebhardts  Einflufs  auf  die  Düsseldorfer  religiöse  Malerei 
von  allergröfster  Bedeutung  wurde.  Er  hat,  allerdings  ohne  Revolution  und  ohne  Härte,  das  alte 
absterbende  Nazarenerthum  einfach  abgelöst.  Das  persönliche  Verhältnifs  Gebhardts  zu  den  Ver- 
tretern dieser  Kunst,  zu  Deger,  den  beiden  Müller  und  Lauenstein,  ist  ein  in  seiner  Art  einziges 
Beispiel  von  dem  versöhnenden  Einflufs  der  Kunst.  Trotzdem  gerade  damals,  als  Gebhardt  begann, 
die  Wogen  des  Culturkampfes  hoch  gingen,  trotzdem  die  Nazarener  in  Gebhardts  Kunst  ein  der 
ihrigen  gerade  entgegengesetztes  Princip  erblicken  mufsten,  war  der  Verkehr  zwischen  den  älteren 
Malern    und   dem  jungen   aufstrebenden,    bald   berühmten   Künstler,    ein   absolut   freundschaftlicher. 

Andreas  Müller  hatte  den  jungen  Mann  stets  auf  die  Kupferstiche  nach  alten  Meistern  hin- 
gewiesen, ihn  aufmerksam  gemacht,  wo  er  glaubte,  dafs  für  Gebhardt  etwas  interessant  sein 
könnte.  Noch  bei  der  Pietä  (1883)  hatte  der  alte  Deger  Gebhardt  einen  Rath  ertheilt,  der  sich 
auf  die  malerische  Wirkung  einer  bestimmten  Stelle  bezog,  und  Gebhardt  hatte  sich  beeilt,  ihn 
zu  befolgen. 

Jene  sahen  in  Gebhardts  Kunst  zwar  die  Abkehr  von  Allem,  was  sie  angestrebt  hatten,  und 
Gebhardt  sah  das  Nazarenerthum  als  einen  absterbenden  Zweig  an,  aber  beide  Theile  schätzten 
sich  als  Menschen,  bald  auch  als  Collegen  und  achteten  sich  als  überzeugungstreue  Künstler,  sehr 
im  Gegensatz  zu  den  modernen  Gepflogenheiten. 

Gerade  dieses  friedliche  Verhältnifs,  dem  jede  Bitterkeit  und  religiöse  Unduldsamkeit  fern 
lag,  ermöglichte  die  merkwürdige  Thatsache,  dafs,  nachdem  Gebhardt  aufser  seiner  Lehrthätigkeit 
in  der  Malklasse  eine  Meisterklasse  übernommen  hatte,  auch  die  jungen  katholischen  Heiligen- 
Maler  seine  Schüler  wurden  und,  soweit  es  ihre  Begabung  zuliefs,  seinen  W^egen  folgten.  So  in 
erster  Linie  Louis  Feldmann,  der,  1856  in  Itzehoe  (Holstein)  geboren,  sich  Gebhardt  schon  1883 
anschlofs.  Er  war  der  erste  Katholik,  welcher  der  Auffassung  des  protestantischen  Lehrers 
folgte  und  ganz  in  dessen  Manier  eine  Reihe  ernster  und  bedeutender  W^erke  ausführte.  So  als 
erstes  Staffeleibild  den  ,, ungläubigen  Thomas",  dann  im  Auftrag  des  Kunstvereins  für  die  Rhein- 
lande und  Westfalen  ein  grofses  Altarbild  für  die  Kreuzkirche  in  Ehrenbreitstein,  ,,Die  Auffindung 
des  Kreuzes  durch  die  h.  Helena'',  ebenso  im  Auftrag  desselben  Vereins  einen  ,,h.  Valentin" 
als  Altarbild  für  die  katholische  Pfarrkirche  in  Schmallenberg.  Es  folgte  eine  Reihe  von  Staffelei- 
bildern ausschliefslich  religiösen  Charakters,  so  der  ,, Jüngling  zu  Nain",  ,, Jesus  und  die  weinenden 
Frauen",  „Der  Lanzenstich",  ,, Maria  Opferung",  „Maria  Heimsuchung"  und  dann  als  gröfsere 
halbmonumentale  Arbeit  wieder  ,,Der  Stationsweg"  in  der  Rochuskirche  zu  Düsseldorf. 

Auch  Heinrich  Nüttgens,  geboren  1866  zu  Aachen,  ist  Katholik.  Er  bezog  1882  die  Akademie 
und  malte  bei  Gebhardt  zuerst  ein  Genrebild  ,,In  der  Kirche",  ging  dann  aber  ganz  zur  religiösen 
Malerei  über.  Ein  Staffeleibild  war  noch  die  von  der  Nationalgalerie  angekaufte  ,, Madonna"  1896. 
Altarbilder  malte  er  dann  für  St.  Jacob  in  Aachen  und  für  den  Frankfurter  Dom,  um  schliefslich 
auch  im  Sinne  der  von  Gebhardt  angebahnten  kirchlichen  Innendecoration  'Wandgemälde  in  der 
W^allfahrtskirche  zu  Gütersloh  und  Telgte  zu  malen,  schliefslich  auch  die  Ausmalung  ganzer  Kirchen 
in  Angermund  und  in  Herford  in  Westfalen  zu  übernehmen. 

Noch  intensiver  arbeiten  im  Sinne  Gebhardts,  allerdings  dabei  doch  in  künstlerisch  origineller 
Weise,  die  beiden  Kirchenmaler  Bruno  Ehrich,  geboren  1861  in  Ratibor  in  Schlesien,  und  'Wilhelm 
Döringer,  geboren  in  Oestrich  am  Rhein  1862.  Beide  studirten,  schon  früh  in  enger  Freundschaft 
verbunden,  zusammen  bei  Gebhardt  und  bei  Adolf  Schill  in  der  von  Letzterem  seit  1880  geleiteten 
akademischen  Klasse  für  Architektur  und  Ornamentik.  Diese  Klasse  wurde  überhaupt  für  das 
Studium  der  Monumentalmalerei  von  grofser  Bedeutung,  wie  Schills  persönliche,  wenn  auch  meist 
stille  Mitarbeiterschaft  an  der  malerischen  Gesammtausstattung  der  Räume,  die  mit  \Vandgemälden 
geschmückt  wurden,  nicht  zu  unterschätzen  ist.  Seit  ihrem  Austritt  aus  der  Akademie  haben  Ehrich 
und  Döringer  gemeinsam  gearbeitet  und  eine  grofse  Reihe  von  protestantischen  und  katholischen 
Kirchen  in  einer,    auf  genauer  Kenntnifs    der    alten  Kirchenkunst   begründeten    Stilistik    ausgemalt. 

304 


So  entstanden  schon  1885  Wandbilder  im  Dom  zu  Münster  in  Westfalen  und  Kuppelgemälde  in 
der  Pfarrkirche  zu  Ehrenbreitstein.  Im  Auftrag  des  Staates  malten  sie  1890  Fresken  im  Chor  der 
Kreuzkirche  in  Berlin;  für  die  Chorfenster  der  Schlofskirche  in  Wittenberg  entwarfen  sie  die  Vor- 
bilder und  so  fort  eine  Reihe  von  Arbeiten  theils  im  Auftrage  des  Staates,  theils  im  Auftrag  des 
Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und  Westfalen.  14  Passionsbilder  in  der  Lambertuskirche  zu 
Düsseldorf  gehören  eher  in  das  Gebiet  des  Staffeleibildes,  sind  aber  ebenfalls  dem  Gesammteindruck 
der  Kirche  geschickt  angepasst.  Der  Berliner  Pfannschmidt,  ein  Sohn  des  bekannten  protestantischen 
religiösen  Malers  und  Corneliusschülers,  wurde  ebenfalls  Schüler  von  Gebhardt  und  schuf  unter 
seiner  Leitung  einige  Bilder,  die  sich  eng  an  die  Weise  des  Meisters  anlehnten,  so  ,, Christus 
lehrend",  eine  kleine  sehr  feine  ,,Pietä"  und  eine  farbig  interessante  ,, Darstellung  im  Tempel". 
Neuerdings  ist  der  Künstler  nach  längerer  Abwesenheit  von  Düsseldorf  damit  beschäftigt,  einen 
Betsaal  in  Düsseldorf  mit  biblischen  Motiven  auszumalen. 


Mit  diesen  Gebhardt- 
schülern  ist  schon  die 
allerneueste  Zeit  berührt 
worden,  deren  Wesen 
nun  allerdings  nicht 
durch  Gebhardts  Kunst 
allein  bestimmt  werden 
konnte,  eine  so  be- 
deutsame Rolle  diese 
auch  in  ihr  spielt.  Es 
bedurfte  dazu  eines 
Factors,  der  umfassen- 
der und  allgemeiner 
packend  sein  mufste, 
als  es  eine  religiöse 
Malerei,  noch  dazu  eine 
theilweise  wenigstens 
confessionelle,  nun  ein- 
mal heutzutage,  wo  die 
Religion  trotz  Allem 
immer  mehr  Privat- 
sache geworden  ist,  sein 
kann.  Und  es  liegt  wohl 
nicht  nur  in  der  Tradi- 
tion der  Düsseldorfer 
Schule  allein,  dafs  dieser 
Factor  nur  das  Wieder- 
aufleben einer  grofsen 
historischen  Kunst  sein 


PETER   JANSSEN 

Selbstbildnis 

Glasgemälde   in   der  Aula   der  Akademie   zu   Düsseldorf 


konnte,      einer     Kunst, 

deren  Gröfse  weder 
allein  in  dem  geistigen 
Inhalt,  noch  in  den  tech- 
nischen Vorzügen  allein 
liegen  konnte,  sondern 
in  dem  Imponderabile 
einer  mächtigen  künstle- 
rischen Persönlichkeit, 
welche,  aus  ihrer  Umge- 
bung   herauswachsend, 

diese  mit  sich  zu 
reifsen  vermag,  weder 
in  träumerischer  Ein- 
samkeit von  ihr  unver- 
standen bleibt,  wie  es 
Feuerbachs  Schicksal 
war,  noch  auch  über  sie 
hinwegragend  den  Zeit- 
genossen unverständ- 
lich bleiben  mufste,  wie 
es  bei  Rethel  der  Fall 
war. 

Um  das  Jahr  1870 
befand  sich  die  Düssel- 
dorfer Historienmalerei 
in  einer  ganz  ähnlichen 
Situation  wie  20  Jahre 
früher.      Damals    schuf 


Rethel  in  aller  Stille  seine  Fresken  in  Aachen,  die  mit  ihrem  mächtigen  Griff  in  die  deutsche 
Geschichte  geeignet  schienen,  den  ganzen  romantischen  Zauberwald  wegzublasen:  aber  die  Zeit 
dazu  war  trotz  1848  noch  lange  nicht  gekommen,  und  Schadow  konnte  noch  ganz  ruhig  und  zu 
grofser  Befriedigung  seiner  Getreuen  sein  , .Paradies"  malen,  mit  Dante,  Beatrice  und  anderen 
romantischen  Schattengestalten.  In  den  Jahren  1870 — 1871,  als  vor  Paris  der  deutsche  Adler  und 
der  gallische  Hahn  um  die  Herrschaft  rangen,  malte  Bendemann  mit  „reicher  Composition  und 
Farbenpracht",  mit  Fleifs  und  Seelenruhe  „Die  Wegführung  der  Juden  in  die  Babylonische 
Gefangenschaft",  natürlich  für  die  Berliner  Nationalgalerie,  aber  glücklicherweise  malte  in  dem 
benachbarten  und  doch  so  abgelegenen  Krefeld  ein  anderer  noch  unbekannter  Künstler  grofse 
Bilder,  die  dem  Empfinden  des  deutschen  Geistes  mehr  entsprachen.  Und  dieser  Andere  war 
kein  todkranker  Mann  wie  damals  Rethel,  der  sein  letztes  grofses  Werk  unvollendet  verlassen 
mufste,  es  war  ein  Jüngling,  der,  eben  der  akademischen  Zucht  entwachsen,  wie  einstmals 
Cornelius  entschlossen  war,  mit  den  Traditionen  derselben  zu  brechen. 


305 


PETER  JANSSEN 

Gebet  der  Schweizerischen   Eidgenossen   vor  Sempach   (Detail) 


Im  Jahre  1867  hatte  der  Kunst- 
verein für  die  Rheinlande  und  West- 
falen, dem  auch  hier  das  Verdienst 
gebührt,  eine  der  bedeutsamsten 
Arbeiten  der  letzten  Jahrzehnte  ins 
Leben  gerufen  zu  haben,  eine  Con- 
currenz  eröffnet  zur  Ausmalung  des 
Rathhaussaales  zu  Krefeld.  Die 
Gegenstände  sollten  möglichst  aus 
der  Geschichte  und  der  ,, Herrlich- 
keit" der  Stadt  Krefeld  entnommen 
sein  und  in  Oel  auf  Leinwand  gemalt 
werden.  Da  aber  die  Herrlichkeit 
der  Stadt  Krefeld  keine  allzu  grofse 
und  die  Geschichte  keine  malerische 
war,  so  kam  es,  dafs  ein  junger 
Akademieschüler,  Peter  Janfsen,  in 
kräftigem  Erfassen  der  vaterländischen 
Ideen  und  der  Hoffnungen,  die  damals 
mächtiger  als  je  Aller  Herzen  erfüllten, 
eine  Reihe  von  Entwürfen  aus  der 
Geschichte  Armins  des  Befreiers  vor- 
legte, auf  Grund  deren  die  erste  Con- 


currenz  einfach  umgestofsen  und  eine  zweite  eröffnet  wurde,  in  der  die  Wahl  der  Gegenstände 
freigestellt  war.  Diese  gewann  Peter  Janfsen  und  schuf  in  den  Jahren  der  politischen  Erhebung 
ein  Kunst-werk,  das  dieser  grofsen  Zeit  würdig  ist. 

Peter  Janfsen  wurde  im  Jahre  1844  geboren  als  erster  Sohn  des  Kupferstechers  T.  W.  Theodor 
Janfsen,  der  auch  naturgemäfs  sein  erster  Lehrer  wurde.  Später  bezog  er,  da  an  seinem  Künstler- 
beruf kein  Zweifel  sein  konnte,  die  Akademie,  um  hier  unter  Schadow,  dann  unter  Müller,  Carl  Sohn 
und  Bendemann  eine  nicht  gerade  sehr  angeregte  Schülerzeit  durchzumachen.  Nur  in  Carl  Sohns 
vornehmer  Natur,  in  seinem  feinsinnigen  Eingehen  auf  das  W^esen  des  Schülers,  fand  der  junge 
Maler  Anregung,  Verständnifs  und  Förderung,  während  Bendemanns  vorsichtige,  ängstliche  Art 
mehr  hemmend  und  einschränkend  auf  ihn  wirken  mufste,  dabei  aber  doch  den  Grund  zu 
gewissenhaftestem  Durchbilden  einer  vorgenommenen  Arbeit  legte,  der  eine  der  Hauptvorzüge  von 
Janfsens  eigener  späteren  Lehrthätigkeit  bilden  sollte. 

Das  erste  Bild  entstand  1869  noch  unter  dem  einengenden  akademischen  Zwang,  es  war  eine 
,, Verleugnung  Petri",  an  der  Janfsen  fast  vier  Jahre  gearbeitet  hatte,  immer  im  Kampf  der  eigenen 
Natur  mit  den  Einflüssen  der  Schule.  Eine  Befreiung  brachten  erst  die  Vorarbeiten  für  Krefeld, 
die  Janfsen  in  München  begann,  ohne  dafs  die  dortige  in  Blüthe  stehende  Pilotyschule  ihn  zu 
beeinflussen  vermochte.  Er  hielt  sich  dort  vielmehr  an  das  urwüchsige  und  gesunde  Volksleben,  das 
zu  der  damals  im  höchsten  Ansehen  stehenden  Theaterkunst  in  so  schreiendem  Gegensatz  steht, 
und  entnahm  wohl  auch  aus  ihm  die  Motive  zu  den  kraft-  und  gesundheitstrotzenden  Bildern,  mit 
denen  er  von  1871 — 1873  die  drei  Wände  des  ziemlich  dunkeln  Rathhaussaales  zu  Krefeld  schmückte. 

Die  beiden  Bilder  der  Längswand  sind,  wenn  auch  durch  eine  Thür  getrennt,  als  ein  Ganzes 
aufzufassen,  als  die  ,, Entscheidungsschlacht  mit  Armins  Sieg  und  der  Legionen  Untergang",  und 
selten  hat  unwiderstehliche  siegende  Macht  eine  unwiderstehlichere  und  hinreifsendere  Schilderung 
gefunden.  Wie  ein  Wettersturm  stürzen  die  deutschen  Kämpfer  vorwärts.  Keinen  fürchtend,  kein 
Hindernifs  beachtend,  wie  ein  Bergstrom,  der  Alles  mit  sich  fortreifst,  alles  Widerstehende  nieder- 
wirft. Es  folgt  auf  der  rechten  Schmalwand  die  vom  Vater  verrathene  „Thusnelda  im  Triumph- 
zuge des  Germanicus",  nicht  pathetisch,  nicht  die  Primadonna  in  ihrem  glänzenden  Abgange,  wie 
bei  Piloty,  sondern  in  schlichtester  und  deshalb  nur  um  so  ergreifenderer  Auffassung,  das  in  der 
Gefangenschaft  geborene  Söhnchen  in  rührender  Bewegung  an  sich  drückend,  und  über  ihm  und 
im  Vertrauen  auf  die  Zukunft  ihres  Volkes  die  unverschuldete  Schmach  vergessend.  Im  letzten 
grofsen  Bilde  der  ,, Leichenfeier  Armins"  klingt  das  ganze  Werk  wie  in  einem  mächtigen  Trauer- 
marsch aus. 

Hier  war  ein  monumentales  Kunstwerk  geschaffen,  wie  es  aufser  Rethels  Bildern  in  deutschen 
Landen  noch  nicht  entstanden  war.     Keine    gemalten    Reflexionen    und  Allegorien,    keine  Theater- 


306 


beiden  in  überlegten  Posen  waren  da  auf  die  Wand  geklebt;  nein  eine  ungestüme  Kraft,  ein 
unbändiges  Leben  spricht  aus  diesen  Bildern,  dafs  man  meint,  ihre  Gestalten  müfsten  den  stillen 
Saal  sprengen  und  über  die  Trümmer  hinaus  ins  Freie  stürmen.  Merkwürdig  ist  die  malerische 
und  coloristische  Behandlung;  in  der  beschränkten  Skala,  deren  Höhepunkte  ein  stumpfes  Roth 
und  ein  feinsinnig  verwandtes  Weifs  sind,  ist  jene  höchst  farbige  Wirkung  erreicht,  wie  sie  die 
allerjüngste  Kunst  in  einfachen  grofsen  Flächen  anstrebt.  Auch  die  Art,  wie  in  der  ,,Todtenfeier 
Armins"  die  ganze  Farbenwirkung  durch  kräftige  Silhouettirung  dunkel  gegen  hell  auf  der  schlecht 
beleuchteten  Wand  erzielt  ist,  erscheint  als  der  erste  und  zweifellos  höchst  gelungene  Versuch 
dieser  Art,    dessen    grofse  Wirkung    durch    keinerlei    andere    Mittel    hätte    erreicht  werden  können. 

Nach  Vollendung  der  Krefelder  Wandbilder  Ende  1873  zählte  der  noch  nicht  30jährige 
Künstler  zu  den  berufensten  deutschen  Historienmalern  grofsen  Stils,  der  seinen  jungen  Ruhm  in 
einem  schon  während  der  Krefelder  Arbeiten  erhaltenen  Auftrage  für  den  grofsen  Saal  der 
Bremer  Börse  aufs  Neue  zu  bethätigen  Gelegenheit  fand.  Auch  hier  war  wieder  die  Wahl  des 
Stoffes  charakteristisch  für  den  sicheren  künstlerischen  Tact,  der  sich  nicht  genügen  läfst  an  der 
äufseren  malerischen  Ausstattung,  sondern  der  auch  den  geistigen  Inhalt  mit  dem  Raum  in  Ein- 
klang zu  bringen  sucht.  Als  Motiv  wurde  die  Gewinnung  der  Ostseeprovinzen  für  die  Cultur 
durch  die  Colonisation  der  Hansestadt  gewählt  und  in  einem  grofsen,  reich  componirten  und 
lebendig  bewegten  Bilde  dargestellt.  Bald  nachher.  Ende  1875,  fällt  die  Vollendung  eines  der  ver- 
hältnifsmäfsig  wenigen  Staffeleibilder,  die  Janfsen  gemalt  hat,  ,,Das  Gebet  der  Schweizer  bei 
Sempach",  das  noch  unter  dem  mächtigen  Einflufs  Rethels  zu  stehen  scheint,  diesen  an  W^ucht 
des    historischen  Eindrucks    fast    erreicht,    an    Wahrheit    der    Gestalten    und    Köpfe    aber    übertrifft. 

Um  diese  Zeit,  im  Juli  1876,  wurde  Janfsen  denn  auch  mit  seinem  ersten  Staatsauftrag 
betraut,  nämlich  mit  der  Aufgabe,  zusammen  mit  seinem  Lehrer  Bendemann  die  Corneliussäle  der 
Nationalgalerie  in  Berlin  mit  einem  Freskenfries  auszustatten,  von  dem  er  für  seinen  Theil  die 
„Prometheusmythe"  wählte;  sie  entsprach  stofflich  den  Glyptothek-Entwürfen,  die  der  ihm  zuge- 
wiesene  Saal  enthalten  sollte. 

Nach  der  Vollendung  des  Prometheusbildes  wurde  Peter  Janfsen  von  der  Regierung  1878 
beauftragt,  in  der  Aula  des  Lehrerseminars  zu  Mors  zwei  Bilder  ,,aushülfsweise"  zu  malen, 
nämlich  aus  dem  Cyklus  der  deutschen  Geschichte,  den  die  Maler  Kehren  und  Commans  be- 
gonnen hatten,  die  Zeit  von  der  Reformation  bis  auf  unsere  Tage.  Confessionelle  Gründe  hatten 
die  genannten  beiden  Maler  bewogen,  von  der  Ausführung  dieser  Abschnitte  der  deutschen 
Geschichte  abzusehen,  und  der  Cyklus  wurde  infolgedessen  durch  zwei  friesartige  Compositionen 
von  Peter  Janfsen  bereichert. 

Im  Jahre  1877  wurde  Peter  Janfsen  zum  Lehrer  an  der  Düsseldorfer  Akademie  ernannt  und 
damit  beginnt  nicht  nur  in  der  Thätigkeit  des  Künstlers,  sondern  vor  Allem  in  der  Geschichte 
der  Anstalt  eine  neue  Epoche.  Er  übernahm  zunächst  den  sogenannten  Antikensaal,  rief  aber 
gleichzeitig  eine  Naturzeichenklasse  ins  Leben,  in  der  nun  die  Schüler  eigentlich  zum  erstenmal 
seit  Errichtung  der  Schule  energisch  auf  die  Natur  hingewiesen  wurden.  Köpfe  und  Acte  wurden 
nicht  mehr  in  monatelanger  Quälerei  durchgetiftelt,  sondern  in  frischem  Erfassen  in  wenigen 
Stunden  hingehauen  und  so  Blick  und  Auge  geschärft  und  vor  Allem  der  künstlerische  Muth 
erweckt  und  gehoben,  der  unter  der  früheren  senilen  Correcturweise  mit  allen  Mitteln  unter- 
drückt worden  war.  Der  Erfolg  von  Janfsens  Unterrichtsmethode  war  ein  beispielloser,  eben  weil 
die  Methode  nichts  Anderes  war.  als  die  Einwirkung  einer  machtvollen  Persönlichkeit,  die  durch 
ihr  Vorbild  und  ihr  Schaffen  mehr  wirkte,  als  durch  W^orte  und  Lehrmethoden,  da  ihr  hauptsäch- 
liches Princip  das  war,  den  Schüler  Alles  selber  machen  zu  lassen. 

In  wenigen  Jahren  waren  die  grofsen  Ateliers  der  Zeichenklassen  in  der  1880  eingeweihten 
neuen  Akademie  überfüllt,  und  die  Arbeiten,  die  hier  von  Kämpffer,  A.  Kampf,  H.  E.  Pöble,  Frenz, 
Sürdick,  v.  Krafft.  um  nur  einige  der  hervorragendsten  Schüler  zu  nennen,  von  denen  freilich 
Einige  ein  früher  Tod  an  der  Entwicklung  ihres  vielversprechenden  Talentes  gehindert  hat,  aus- 
führten, liefsen  erkennen,  welch'  neuer  Geist  in  die  neue  Akademie  eingezogen  war.  Es  war  der 
Geist  des  gesunden  Naturalismus,  dem  sich  nun  endlich  auch  die  ihm  lange  verschlossen 
gebliebenen  akademischen  Ateliers  öffneten. 

Im  Jahre  1885  gründete  Janfsen  eine  Malklasse,  nachdem  er  schon  1882  mit  Kämpffer,  bald 
darauf  mit  A.  Kampf  begonnen  hatte,  ein  Meisteratelier  zu  leiten,  und  so  in  fortlaufender  Führung 
des  Unterrichts  vom  Zeichnen  bis  zum  Bilde  das  Ideal  der  altmeisterlichen  Erziehung  durch 
einen  Lehrer,    soweit    das    unter    den  heutigen  Verhältnissen  möglich  ist,    verwirklicht  hatte.     Zur 

307 


Vorbereitung  der  Neueintretenden  war  der  treffliche  Porträtmaler  Hugo  Crola  gewonnen  worden, 
der  schon  gleich  die  Anfänger  auf  die  malerische  Zeichenweise,  die  Janfsen  eingeführt  hatte, 
hinwies. 

Wenn  auch  nicht  gleich  im  Anfang,  so  entwickelte  sich  doch  sehr  bald  ein  harmonisches 
Zusammenarbeiten  Janfsens  mit  Gebhardt  und  auch  mit  Sohn,  und  aus  diesem  gemeinsamen 
Wirken  ist  die  Düsseldorfer  Kunst,  wie  sie  heute  dasteht,  hervorgegangen,  wobei  allerdings  eine 
Reihe  trefflicher  Altersgenossen  Janfsens  nicht  vergessen  werden  dürfen,  die  theils  als  freie 
Künstler,  wie  Albert  Baur,  Gr.  v.  Bochmann  u.  s.  w.,  theils  als  akademische  Lehrer,  wie  die 
beiden  Roeber,  das  Ihrige  thaten,  um  nach  allen  Richtungen  hin  in  frischer  und  lebendiger  Weise 
die  Kunst  zu  fördern. 

Janfsens  künstlerische  Thätigkeit  hat  unter  seiner  hingebenden  Lehrthätigkeit  nicht  gelitten. 
Gleichzeitig  mit  seiner  Anstellung  an  der  Akademie  wurde  ihm  von  der  Regierung  ein  Auftrag 
zu  Theil,  der  ihm  Gelegenheit  gab,  das  schon  in  Crefeld  Begonnene  weiter  fortzuführen  und  in 
gewisser  Beziehung  zu  vollenden,  nämlich  die  coloristischere  Ausgestaltung  innerhalb  der  Monu- 
mentalmalerei. 

Es  war  die  Ausmalung  des  grofsen  Festsaales  im  Erfurter  Rathhaus,  der,  von  den  bisherigen 
Aufträgen  der  umfangreichste,  dem  Künstler  Anlafs  gab,  in  der  Darstellung  verschiedener  Epochen 
aus  der  Geschichte  der  Stadt  sein  vielseitiges  Können  nach  allen  Richtungen  hin  zu  bethätigen, 
wobei  die  Schwierigkeit  nicht  unterschätzt  werden  darf,  die  in  einem  einheitlichen  Zusammen- 
stimmen von  zeitlich  und  also  auch  costümlich  und  stilistisch  so  weit  auseinander  liegenden 
Motiven  zu  überwinden  war.  Die  Reihe  der  Bilder  beginnt  mit  der  „Bekehrung  Erfurts  zum 
christlichen  Glauben  durch  den  heiligen  Bonifacius  um  das  Jahr  719".  Das  dramatische  Moment 
fand  der  Künstler  in  der  Fällung  der  dem  Götzen  W^oge  geweihten  Eiche  in  dem  jetzigen  Steiger- 
forst bei  Erfurt,  einer  auch  sonst  schon  dargestellten  Begebenheit.  Seine  Originalität  bewies  er  aber  in 
der  Auffassung  des  Bonifacius,  den  er  nicht  als  den  traditionellen,  sanften  Greis  ,,mit  weifsem 
W^allebart",  sondern  als  den  energischen  Bahnbrecher  darstellt,  wie  er  dem  Heidenthum  mit  der 
unerschütterlichen  Ueberzeugung  entgegentritt,  ohne  die  der  Erfolg  sich  in  den  Mysticismus  des 
Wunders  verliert,  an  das  unsere  heutige  Zeit  nicht  mehr  recht  glauben  will.  Neben  und  über 
einer  Thüre  derselben  W^and  in  geschickter  Ausnutzung  des  Raumes  wurden  ,,Der  heilige  Martin", 
dem  in  der  Stadt  zwei  Kirchen  geweiht  sind,  ,,Die  heilige  Elisabeth",  die  berühmten  Schutz- 
heiligen von  Thüringen  und  als  charakteristisches  Kennzeichen  der  religiös-mystischen  Stimmung 
des  Mittelalters  eine  jener  ,, Kinderwallfahrten"  dargestellt,  wie  sie  um  das  Jahr  1212,  oder  nach 
anderem  Bericht  im  Jahre  1237,  auch  in  Thüringen  stattgefunden  hatten. 

Das  zweite  Hauptbild,  das  nach  seinem  Vorwurf  dem  Künstler  wieder  besondere  Gelegenheit 
zu  psychologischer  Durchbildung  gab,  stellt  „Die  Abbitte  Heinrichs  des  Löwen  vor  Kaiser 
Barbarossa"  dar.  Mit  gröfster  Feinheit  ist  die  Rührung  des  grofsen  Kaisers  über  die  Demüthigung 
des  einst  so  mächtigen  Feindes  geschildert,  und  von  mächtiger  Wirkung  die  Gestalt  des  Besiegten. 

Das  folgende  Bild  ist  dem  Andenken  „Rudolfs  von  Habsburg"  gewidmet,  der,  nach  dem 
Interregnum  auf  den  Thron  gelangt,  es  als  seine  nächste  Aufgabe  erkannt  hatte,  dem  in  der 
kaiserlosen  Zeit  eingerissenen  Raubritterthum  zu  steuern.  Er  hatte  in  Erfurt  seinen  Hauptsitz 
genommen  und  erhob  hier  auf  dem  Reichstage  im  Jahre  1290  den  Gottesfrieden  zum  Gesetz. 
Janfsens  Bild  stellt  den  Vorgang  dar,  wie  die  gefangenen  Ritter  und  Knechte  einer  erstürmten 
Burg  gefesselt  abgeführt  werden.  Hier  konnte  der  Künstler  sich  in  den  markigen  Gestalten,  den 
trotzigen  Gesichtern  der  Gefangenen  kaum  genug  thun,  um  das  wilde  Gesindel  zu  schildern. 

Ein  friedlicherer  Vorwurf  war  für  das  nächste  Bild  angenommen,  das  wiederum  von  einer 
Thüre  durchbrochen  ist.  Es  galt  der  Erinnerung  an  die  im  Jahre  1392  eröffnete  Universität  in 
Erfurt,  der  ersten  in  Europa,  die  alle  vier  Facultäten  vereinigte,  aus  der  später  das  gröfste  deutsche 
Geisteswerk,  die  Reformation,  hervorwachsen  sollte.  Hier  mufste  Janfsen,  um  dem  geistigen 
Inhalte  gerecht  zu  werden,  zur  Allegorie  greifen  und  die  alma  mater  in  der  Gestalt  einer  Frau 
darstellen,  deren  Thron  von  den  Repräsentanten  der  vier  Facultäten  umgeben  ist.  Die  theologische 
vertritt  natürlich  Luther,  der  zwar  nicht  ihr  Lehrer,  aber  ihr  gröfster  Schüler  war.  Die  medi- 
cinische  ist  durch  Ratingh  de  Fago  —  genannt  Amblonius  de  Berka,  den  zweiten  Rector,  Leibarzt 
des  Kaisers  Sigismund  —  repräsentirt;  die  juristische  durch  Henning  Göden,  den  Begründer  des 
deutschen  Staatsrechtes;  die  philosophische  durch  Eobanus  Hesse,  den  Naturforscher,  Arzt  und 
Dichter,  vertreten.  In  gröfster  Lebendigkeit  erheben  sich  die  Gestalten  dieser  merkwürdigen  vier 
Männer  neben  der  hoheitsvollen  Academia,  als  der  kraftvollen  Zeugen  des  ungeheueren,  geistigen 
Aufschwungs,  den  die  ganze  Welt  ihnen  verdankt. 

308 


PETER   JANSSEN 

Die   alte  Erfurter  Universität 

Wandgemälde  im  Rathhaussaal  zu  Erfurt 

Das  vierte  Hauptbild  ist  einem  weniger  ruhmvollen  Blatt  aus  der  Geschichte  Erfurts  gewidmet. 
Der  Rath  hatte  durch  Mifswirthschaft  und  eigenmächtiges  Handeln  die  Stadt  in  Schulden  gestürzt. 
Die  Bürgerschaft  empörte  sich  und  nahm  den  Obervierherrn  Heinrich  Kellner,  das  Haupt  der 
Rathspartei,  gefangen,  um  ihn  später  umzubringen.  Janfsen  führt  uns  in  das  Toben  der  Raths- 
versammlung,  wo  Kellner  den  anstürmenden  Spiefsbürgern  zurief,  indem  er  an  seine  Brust  schlug: 
„Wer  ist  die  Gemeinde?     Hier  steht  die  Gemeinde!" 

Mehr  als  loo  Jahre  vor  dem  französischen  Sonnenkönig  hatte  schon  das  Selbstbewufstsein 
eines  deutschen  Bürgermeisters  das  stolze  Wort  „l'etat  c'est  moi"  gefunden,  und  Janfsen  hatte 
mit  dem  sicheren  Blick,  der  ihn  bei  der  Wahl  seiner  Motive  auszeichnet,  diesen  Moment  gewählt, 
als  bezeichnend  für  den  Bürgerstolz,  der  den  Beginn  des  XVI.  Jahrhunderts  in  Deutschland  kenn- 
zeichnet, bis  der  Dreifsigjährige  Krieg  ihn  nur  zu  sehr  niederschlug. 

Eine  Folge  dieser  unglücklichen  Zeit  schildert  das  nächste  grofse  Bild,  nämlich  ,,Die  Unter- 
werfung der  Stadt  unter  die  Herrschaft  des  Kurfürsten  von  Mainz.  Johann  Philipp  von  Schönborn", 
der  am  12.  November  1664  seinen  Einzug  in  die  Stadt  hielt  und  sich  am  28.  desselben  Monats 
von  der  Bürgerschaft  huldigen  liefs.  Beide  Ereignisse  sind  auf  dem  Bilde  zusammengefafst  und 
die  Entfaltung  des  reichen  costümlichen  Prunkes  jener  Zeit  hatte  dem  Maler  Gelegenheit  zu  einer 
höchst  farbigen  W^irkung  gegeben,  die  das  Bild  nach  dieser  Seite  hin  vor  den  anderen  auszeichnet. 
Geschichtlich'-bedeutet  dieser  Moment  für  Erfurt  den  Verlust  aller  Selbständigkeit  und  bisherigen 
Freiheit. 

Das  nächste  Gemälde,  wieder  ein  Thürbild,  zeigt  den  „Besuch  des  Königs  W^ilhelm  III.  von 
Preufsen  und  der  Königin  Louise  im  Jahre  1803  bei  Gelegenheit  des  Ueberganges  Erfurts  an  die 
preufsische  Krone  und  die  Huldigung  der  Stadt",  die  das  Fürstenpaar  mit  gröfstem  Glänze,  wahrer 
Freude  und  echter  Zuneigung  empfangen  hatte. 

Den  Schlufs  bildet  eine  Episode  aus  der  grofsen  Zeit,  da  Deutschland  die  Zwangsherrschaft 
Napoleons  I.  abschüttelte.     Ein  zur  Feier  der  Geburt  des  Königs  von  Rom  im  Jahre  1811  errichteter 


309 


hölzerner  Obelisk  wurde  beim  Einrücken  der  Preufsen  im  Jahre  1814  vom  Volke  verbrannt.  Und 
wie  mit  diesem  Gewaltstreich  die  bewegte  Geschichte  der  Stadt  abschliefst,  die  sich  fortan  in 
Frieden  entwickeln  konnte,  so  findet  in  dieser  lebendigen  Darstellung  der  grofsartige  Gemälde- 
cyklus  seinen  Abschlufs. 

In  den  März  des  Jahres  1884  fällt  die  Vollendung  und  Ausstellung  von  Janfsens  grofsem 
Staffeleibild  ,,Die  Erziehung  des  Bacchus".  Hier  lieferte  der  Künstler  den  vollgültigen  Beweis 
dafür,  dafs  er  nicht  blofs  Monumentalmaler  sei,  sondern  auch  Technik  und  coloristische  Durch- 
bildung eines  grofsen  Atelierbildes  beherrsche.  In  diesem  Bilde  legte  er  gewissermafsen  alle 
coloristischen  Errungenschaften  seiner  bisherigen  Thätigkeit  nieder,  und  die  mächtigen,  in  üppigster 
Schönheit  prangenden,  gleichwohl  aber  von  dem  keuschen  Zauber  hoher  Kunst  umflossenen 
weiblichen  Gestalten  gaben  ihm  Gelegenheit,  mit  dem  damals  noch  als  unerreichbar  angestaunten 
Makart  in  erfolgreiche  Concurrenz  zu  treten.  Das,  was  Makart  fehlte,  die  künstlerische  Gesundheit 
in  Form,  Farbe  und  Auffassung,  das  ist  dem  aus  dem  Vaterlande  des  Rubens  stammenden  rheinischen 
Künstler  im  hohen  Mafse  eigen,  und  so  vermochte  er  den  sinnlichen  Reiz,  der  in  weiteren  Kreisen 
Makarts  Ruf  viel  mehr  begründet  hat,  als  seine  wirklichen  hohen  künstlerischen  Verdienste,  durch 
jene  naive  und  reine  Freude  an  der  schönen  Natur  zu  ersetzen,  wie  sie  die  Antike,  die  Renaissance 

und  ihr  grosser  Schüler  Rubens  aus- 
drücken. Für  die  Düsseldorfer  Malerei 
bedeutete  die  Ausstellung  des  Bacchus 
einen  vollständigen  Umschwung  der 
ganzen  Malweise.  Das  farbige  Element 
wurde  von  nun  an  vollständig  in  den 
Vordergrund  gerückt,  und  hat  sich  seit- 
dem folgerichtig  und  siegreich  weiter 
entwickelt.  Dafs  die  ortsübliche  Prü- 
derie auch  durch  ein  so  vornehmes 
und  in  aller  Heiterkeit  ernstes  Werk 
nicht  auf  die  Dauer  besiegt  werden 
konnte,  ist  bedauerlich,  aber  kein  Fehler 
des  Bildes,  denn  gerade  diese  Prüderie 
gehört  in  erster  Linie  in  das  weite, 
weite  Gebiet  dessen,  womit  auch  die 
Götter  vergeblich  kämpfen. 

Immerhin  hatte  die  „Erziehung  des 
Bacchus"  den  Erfolg,  dafs  Janfsens 
Name,  der  durch  die  ausschliefslich 
monumentalen  Arbeiten  des  Künstlers 
im  gröfseren  Publikum  wenig  genug 
bekannt  worden  war,  nun  auf  einmal 
unter  die  der  ersten  deutschen  Maler 
gezählt  werden  mufste.  Kurz  vor  Vol- 
lendung dieses  Bildes,  das  auf  den 
Ausstellungen  in  Berlin  und  München 
berechtigtes  Aufsehen  erregte,  fällt  der 
Auftrag  der  preufsischen  Regierung, 
für  das  damals  zur  Ruhmeshalle  um- 
gestalteteZeughaus  in  Berlin  drei  Wand- 
gemälde zu  schaffen,  die  in  verhält- 
nifsmäfsig  kurzer  Zeit  in  den  Jahren 
1884,  1888  und  1890  entstanden  sind, 
wobei  zu  bedenken  ist,  dafs  Janfsen 
nicht  nur  seine  umfassende  Lehr- 
thätigkeit  in  ausgiebigstem  Mafse  ver- 
sah, an  anderen  Malereien,  so  denen 
der  Aula  arbeitete,  sondern  allmäh- 
PETER  JANSSEN  lich    auch    als    ständiges,    das    heilst, 

Bildnis  des  Malers  Holthausen  immer  wieder  gewähltes  Mitglied  der 


310 


akademischen    Direction,     einen    grofsen   Theil    der    Leitung    der    Anstalt     hatte    auf   sich    nehmen 

müssen. 

Dem  Charakter  des  Raumes  entsprechend,  waren  es  ausschliefslich  Kriegsbilder,  die  für  das 
Zeughaus  gefordert  wurden,  und  Janfsen  malte  nacheinander  ,,Die  Schlacht  bei  Fehrbellin"  (1884), 
„Die  Begegnung  Friedrichs  des  Grofsen  mit  Ziethen  bei  Torgau"  (1888)  und  „Die  Schlacht  bei 
Hohenfriedberg",  und  diese  drei  Bilder  gehören  ohne  Zweifel  zu  dem  Besten,  was  die  Ruhmes- 
halle an  malerischer  Ausstattung  aufzuweisen  hat. 

Bis  zu  dieser  Zeit  hatte  die  Vaterstadt  des  Künstlers  es  noch  nicht  für  nöthig  befunden,  sich 
den  Besitz  eines  Werkes  von  seiner  Hand  zu  sichern.  Im  Jahre  1890  gab  sie  ihm,  ihrem  gröfsten 
Geschichtsmaler,  den  Auftrag,  ein  Bildnifs  Andreas  Achenbachs  zu  malen.  Schon  früher  hatte  Janfsen 

den  Beweis  geliefert,  dafs 
er  in  seiner  grofsartigen 
Auffassung  des  Menschen 
auch  als  Porträtmaler  das 
Vortrefflichste  zu  leisten 
im  Stande  war.  Das 
Bild  des  alten  Akademie- 
inspectors  Holthausen, 
das  auf  der  grofsen 
Düsseldorfer  Ausstellung 
von  1880  allgemeine  Be- 
wunderung erregte  (jetzt 
im  Besitz  der  Düsseldorfer 
Akademie),  ist  in  seiner 
malerischen  Auffassung 
und  energischen  Charak- 

terisirung  das  Muster 
eines  kraftvollen  Männer- 
bildnisses, wie  es  die  Düs- 
seldorfer Kunst  seit  vielen 
Jahrzehnten  nicht  mehr 
hervorgebracht  hatte. 
Die  Nationalgalerie 
hatte  nicht  lange  darauf, 
1883,  ein  Porträt  des  Feld- 
marschalls Herwarth  von 
Bittenfeld  bestellt,  das 
nicht  weniger  lebendig 
wirkt,  wenn  auch  der 
Kopf  keine  so  besonders 
dankbare  Aufgabe  bot. 
Aber  schon  vor  Vollen- 
dung des  Achenbachpor- 
träts,  das,  trotz  einiger 
Schwierigkeiten,  die  es 
gekostet  hatte,  den  greisen 

Künstler  zu  wenigen  Sitzungen  zu  bewegen,  ebenfalls  als  das  Muster  eines  psychologisch  vertieften 
Künstlerporträts  gelten  kann,  hatte  ein  Düsseldorfer  Bürger,  Herrn  Carl  W^eiler,  zum  Gedächtnifs  der 
Städtegründung  Düsseldorfs,  deren  6oojähriger  Gedenktag  1888  gefeiert  wurde,  dem  Künstler  den 
Auftrag  gegeben,  ,,Die  Schlacht  bei  Worringen"  zu  malen,  an  die  sich  jene  Verleihung  der  Stadt- 
rechte anknüpfte ;  und  im  April  1893  wurde  dieses  grofse  und  mächtig  wirkende  Bild  in  der  Kunst- 
halle, für  die  es  bestimmt  war,  zum  erstenmal  ausgestellt.  Die  Schlacht  bei  Worringen  (ein  kleiner 
Ort  unterhalb  Köln,  jetzt  Eisenbahnstation)  entschied  am  5.  Juni  1288  den  Limburger  Erbfolgekrieg. 
Herzog  Johann  von  Brabant.  die  Grafen  von  Jülich,  Cleve,  Berg  und  Mark  verbündet  mit 
der  Stadt  Köln,  besiegten  dort  den  Grafen  Reinald  von  Geldern  und  den  Erzbischof  Siegfried  von 
Westerburg.  Beide  wurden  gefangen,  das  Schlofs  des  Erzbischofs  zu  Worringen  wurde  zerstört, 
und  der  Brabanter  erstritt  sich    die  Erbschaft    Limburg,    das    seitdem    bei    Brabant    verblieb.     Den 


PETER   JANSSEN 

Malerei  und  Bildhauerei  geführt  von  der  Schönheit 

Deckengemälde  in   der  Aula  der  Akademie  zu  Düsseldorf 


312 


Düsseldorfer  Bürgern,   die  unter  Anführung    des- Mönchs  Walter   Dodde    an    der  Schlacht   thätigen 
Antheil  genommen  hatten,  wurde  zur  Belohnung  ihrer  Dienste  das  Städterecht  gegeben. 

Der  Künstler  stand  bei  dem  gegebenen  Motiv  vor  keiner  leichten  Aufgabe,  denn  abgesehen 
von  dem  doch  nur  localen  Interesse  ist  die  Begebenheit  durch  wenig  oder  nichts  vor  zahllosen 
ähnlichen  Raufereien  des  Mittelalters  ausgezeichnet.  Und  dennoch  gelang  es  Janfsen,  durch  die 
Betonung  des  rein  Menschlichen  in  der  Gestalt  des  fanatischen  Anführers,  durch  eine  mächtige 
Darstellung  der  Begeisterung,  die  der  redegewandte  Dominikaner  bei  den  von  ihm  aufgestachelten 
Landleuten  entflammt,  aus  diesem  so  fernliegenden  Motiv    ein  grofsartiges  Kunstwerk  zu  schaffen. 


PETER   JANSSEN 

Kaiser  Friedrich   11.   entlässt   deutsche   Ordensritter   aus   Marburg  zur   Colonisirung  Preussens 

Wandgemälde  für  die  Aula  der  Universität  zu  Marburg 


3'3 


Es  ist  darin  etwas  von  dem  furor  teutonicus,  von  dem  der  grofse  Kanzler  einmal  gesprochen  hat; 
ein  Sturm  wie  vor  dem  Gewitter,  bevor  die  ersten  heifsen  Tropfen  fallen,  geht  durch  das  Bild, 
eine  Bewegung  von  Kampfesmuth  und  trotzigem  Kraftgefühl,  wie  sie  deutschem  Wesen  seit  Jahr- 
tausenden eigen  sind. 

„Die  Schlacht  bei  Worringen"  brachte  auf  der  Berliner  Ausstellung  1893  dem  Künstler  die 
grofse  goldene  Medaille  ein,  und  im  Jahre  1895  wurde  ihm  dann  endlich  auch  formell  die  Direction 
der  Akademie  übertragen,  deren  Lasten  und  Arbeiten  er  schon  seit  Jahren  fast  ausschliefslich 
getragen  und  erledigt  hatte.  Es  wäre  vielleicht  besser  gewesen,  für  den  Künstler  sowohl  wie 
für  die  Anstalt,  wenn  man  mit  dieser  äufseren  Anerkennung  seiner  Verdienste  und  Erfolge  etwas 
weniger  lange  gezögert  hätte  und  sich  nicht  durch  allerlei  Bedenken  hätte  bewegen  lassen,  das 
nicht  nur  einzig  Richtige,  sondern  auch  Nothwendige  so  lange  aufzuschieben,  bis  gar  keine  andere 
Möglichkeit  mehr  vorhanden  war.  Damit  hatte  die  Akademie  wieder  einen  Leiter  bekommen, 
der  im  Stande  war,  von  grofsen  und  nationalen  Gesichtspunkten  aus  die  Schule  und  somit  die 
Düsseldorfer  Kunst  zu  der  Höhe  zu  führen,  die  sie  jetzt  einnimmt. 

Im  Jahre  1896  wurde  dann  endlich  auch  das  Werk,  nicht  vollendet,  denn  das  war  es  in  der 
Hauptsache  schon  seit  längerer  Zeit,  aber  der  allgemeinen  Betrachtung  zugänglich  gemacht,  an 
dem  Janfsen  während  der  letzten  zehn  Jahre  mit  Unterbrechungen  gearbeitet  hatte.  Es  war  dies 
die  Malerei  in  der  akademischen  Aula,  zu  der  die  preufsische  Regierung  schon  in  den  8oer  Jahren 
den  Auftrag  ertheilt  hatte.  Die  Bedeutung  dieses  W^erkes  beruht  nicht  allein  in  dem  gemalten 
Friese,  der  den  Saal  an  allen  vier  Seiten  umgiebt,  und  in  den  drei  runden  Deckenbildern,  sondern 
nicht  zum  wenigsten  auch  in  der  harmonischen  Ausstattung  des  grofsen  Raumes,  die  in  Deutsch- 
land wohl  zum  erstenmal  wieder  jene  wahrhaft  künstlerische  Gesammtwirkung  erstrebt,  wie  sie 
die  Italiener,  vor  Allem  die  Venezianer  in  ihren  Festräumen  zum  vollendeten  Ausdruck  gebracht 
haben.  In  dem  Architekten  Adolf  Schill  hatte  Janfsen  einen  Helfer  gefunden,  mit  dem  vereint  er 
ein  Werk  schaffen  konnte,  das  sich  würdig  an  jene  Vorbilder  anschliefst. 

Ueber  der  in  zartem  Rothgold  bekleideten  Wand  zieht  sich  das  eigentliche  Kunstwerk,  der 
gemalte  Fries  hin,  dessen  Motiv  das  menschliche  Leben  selbst  ist,  ein  Vorwurf,  wie  ihn  ja  höher 
und  gröfser  kein  Künstler  erdenken  kann,  wie  ihn  zahllose  Dichter  und  Maler  zu  lösen  unter- 
nommen haben,  wie  ihn  Goethe  in  seinem  Faust  poetisch  erschöpft  hat,  wie  er  aber  in  der 
bildenden  Kunst  kaum  je  in  dieser  Weise  aufgefafst  und  durchgeführt  worden  ist. 

Die  farbenreichen  Compositionen,  die  in  einem  fortlaufenden  Bilde  die  Schicksale  und  Thaten 
eines  grofsen  Menschen  darstellen,  beginnen  an  der  östlichen  Schmalwand.  Wir  sehen  das  Kind  an 
der  Brust  der  Mutter,  umgeben  von  Engeln  und  Waldgenien,  noch  unbewufst  des  Lebens,  es  ge- 
niefsend.  Dann  versucht  das  Kind  die  ersten  schwachen  Schritte,  gestützt  und  behütet  von  den 
Schutzgeistern  der  Jugend.  Es  wächst  heran.  In  scherzendem  Spiel  versucht  es  schon  den  Kampf, 
der  es  im  Leben  nicht  verlassen  soll.  Den  erstarkenden  Knaben  lehrt  ein  Engel  ernstere  Thätigkeit. 
Hinter  dem  Ackersmann  führt  er  ihn  her  und  läfst  ihn  die  Saat  beginnen,  in  deren  Ernte  und 
Einbringung  er  die  Arbeit  seines  Lebens  vollenden  soll.  Eine  heitere,  offene  Landschaft  begleitet 
die  Figuren;  reicher  und  üppiger  entwickelt  sie  sich,  denn  des  Menschen  glücklichste  Zeit,  die 
Zeit  kraftvoller  Jugend,  erster  Liebe  naht.  Ein  Kranz  von  Liebesgöttern  umgiebt  ihn  und  die 
Geliebte;  weit  zurück  scheint  alles  Irdische  zu  treten.  Coloristisch  erhebt  sich  die  Darstellung 
hier  vielleicht  zu  ihrer  Höhe.  Ein  Reichthum  von  Schönheit  und  Liebreiz  ist  über  die  beiden  Gestalten 
ausgegossen,  wie  es  der  monumentalen  Kunst  kaum  je  gelungen  ist.  Bald  aber  beginnen  die  Kämpfe 
des  Lebens.  Erst  sind  es  die  Thiere  des  W^aldes,  die  der  Mann  bekämpfen  mufs,  um  die  Seinen 
zu  schirmen,  dann  zieht  es  den  im  Streit  Erprobten  hinaus  auf  ein  gröfseres  Thatenfeld.  Auch 
hier  wird  ihm,  dem  Helden,  der  Sieg,  während  das  gestrandete  Schiff  im  Hintergrund  darauf  hin- 
deutet, dafs  nicht  allen  Sterblichen  Erfolg,  nicht  Allen  Gelingen  zu  Theil  wird,  dafs  aber  hier  nicht 
das  Leben  dargestellt  wird,  wie  es  sich  im  Elend  der  Alltäglichkeit  hinschleppt,  sondern  ein 
Leben,  wie  es  vorbildlich  sein  soll,  ein  Heldenleben.  Hatte  sich  der  Horizont  verdüstert,  als  der 
Mann  mit  den  tückischen  Thieren  der  Wildnifs  kämpfte,  so  loht  ein  W^eltbrand  hinter  dem  heim- 
kehrenden Sieger,  ein  Brand,  der  das  Morsche  und  der  Vernichtung  Anheimgefallene  verzehrt. 
Der  Sieger  bringt  die  Palme  des  Friedens  mit.  Die  Göttinnen,  die  ihn  begleiten,  deuten  vielleicht 
auf  die  Künste  des  gewonnenen  Friedens  und  darauf,  dafs  er  nicht  als  Eroberer  ausgezogen  war, 
sondern  als  Verteidiger  der  höchsten  Güter  der  Menschheit.  Unter  den  Siegeswagen  geworfen, 
erscheinen  die  letzten  Feinde :  das  der  gesunden  Entwicklung  sich  entgegenstemmende  Mittel- 
alter und  die  in  gleifsendes  Gewand  gehüllte  Lüge  und  Heuchelei.  Der  lange  Lauf  des  Lebens 
naht  seinem  Ende.     Noch    eine  kurze  Frist    ist   dem  Alternden  gegeben,    um    sich    der    Ruhe,    des 

3»4 


gewonnenen  Friedens  in  der  Mitte  der  Seinen  zu 
erfreuen.  In  fröhlichem  Kreise  umgeben  ihn  die 
spielenden  Engelsputten,  dann  naht  der  unerbittliche 
Tod.  Trotz  des  ernsten  Tones,  in  den  dieses  Bild 
gestimmt  ist,  leuchtet  auch  aus  ihm  jene  über- 
irdische Heiterkeit,  die  das  Traurige,  ja  selbst 
das  Schreckliche  verklärt.  In  den  goldenen  Tönen 
des  abendlichen  Himmels  ist  coloristisch  der  Ge- 
danke angedeutet,  der  am  Endet  des  Bildes  zur 
Aussprache  kommt  und  zu  den  merkwürdigen 
Bildern  der  Nordwand  überleitet.  Am  Grabe  des 
Verstorbenen  zeigt  sich  der  Engel  der  Verheifsung, 
der  den  Zurückgebliebenen  das  trostreiche  Myste- 
rium kündet,  das  sich  in  den  folgenden  Bildern 
offenbart,  das  Leben  nach  dem  Tode.  Waren  die 
Bilder  der  drei,  im  vollen  Lichte  befindlichen 
Wände  die  färben-  und  formfrohe  Sprache  der 
heiteren,  lebendigen  Kunst,  so  giebt  Peter  Janfsen 
in  den,  wie  von  einem  geheimnifsvollen,  inneren 
Licht  durchleuchteten  Gemälden,  die  auf  den 
dunklen  Wänden  zwischen  den  Fenstern  ange- 
bracht sind,  das  Bekenntnifs  einer  künstlerischen 
Religion,  wie  sie  seit  Michel  Angiolos  Gericht 
in  dieser  Kraft  und  bewufster  Ueberzeugung  kein 
Künstler  mehr  gewagt  hat.  Auferweckung  und 
jüngstes  Gericht  führen  zum  Schauen  des  Aller- 
höchsten. Die  Wände  scheinen  zu  schwinden, 
in  unendliche  Fernen  verliert  sich  der  Blick  des 
Beschauers,  aber  er  vermag  in  die  letzten  Höhen 
nicht  einzudringen.  Im  letzten  Bilde  steigen 
jubelnde  Engeischaaren  zur  Erde  nieder  und 
knüpfen  mit  dem  Evangelium,  der  guten  Botschaft, 
die  sie  den  Hirten  bringen,  an  den  Anfang,  die 
irdische  Geburt  des  Menschen  an. 

Irdisches  und  himmlisches  Leben  hatten  die  Wandgemälde  geschildert.  An  der  Decke  sind 
in  drei  grofsen  Rundbildern  die  grofsen  Mächte  dargestellt,  aus  denen  der  Mensch  stammt,  die 
ihn  begleiten  und  zur  Höhe  führen:  Natur,  Schönheit  und  Phantasie;  die  uralte  Dreiheit  der  Natur, 
Stärke  und  Religion  in  der  Auffassung  des  Künstlers,  der  seine  Religion  in  der  Schönheit,  seine 
Stärke  in  der  Phantasie  findet,  und  eines  durch  das  andere  ergänzt.  In  üppiger  Landschaft  sitzt 
die  Allmutter  Natur,  Alles  was  lebt,  schmiegt  sich  an  sie  und  Allen  lächelt  sie.  Hüllenlos,  in  über- 
wältigender Formenpracht  schwebt  die  Schönheit  aus  dem  mittelsten  Deckenbild  hernieder. 
Malerei  und  Bildhauerkunst  begleiten  sie.  Das  letzte  Bild,  das  auch  das  erste  sein  kann,  zeigt  die 
Phantasie,  die  aus  den  Banden  des  Leiblichen  sich  auf  dem  Fabelwesen  des  Greifen  über  das 
Sinnliche  emporhebend  das  Uebersinnliche  erreicht  und  zu  umfassen  vermag. 

Auch  diese  Deckenbilder,  die,  gleich  wie  die  Bilder  der  Nordseite,  die  höchsten  Ideen  ver- 
körpern, halten  sich  von  frostiger  Allegorie  fern.  Nicht  umsonst  hat  der  Künstler  der  Mutter  Natur 
ein  Bild  gewidmet.  Sie  hat  sein  Auge  gebildet  und  seine  Hand  geführt,  und  so  erscheinen  die 
Gestalten  alle  nicht  als  blutlose  Reflexionen,  sondern  in  lebendiger,  strahlender  Pracht,  blühender 
Schönheit. 

Schon  lange  vor  der  Einweihung  der  Aula  hatte  der  unermüdlich  schaffende  Meister  eine 
neue  grofse  Arbeit  begonnen,  nämlich  einen  Gemäldecyklus  für  die  Universität  Marburg,  der  im 
Ganzen  aus  sieben  Bildern  besteht,  und  aus  sechs  Lunetten,  in  denen  die  Sage  von  Otto  dem 
Schütz  behandelt  ist  Die  Motive  der  W^andbilder  sind  folgende:  „Friedrich  II.  entläfst  deutsche 
Ordensritter  aus  Marburg  zur  Colonisirung  Preufsens  1236".  ,,Die  heilige  Elisabeth,  die  sich  mit 
der  Krankenpflege  gegen  die  Vorschrift  und  über  ihre  Kräfte  hinaus  angestrengt  hat,  wird  von 
ihrem  Beichtvater  und  ,Zuchtmeister'  Konrad  von  Marburg  mit  der  Geifselung  bedroht  1231". 
„Sophie  von  Brabant,    Tochter    der    hl.  Elisabeth,    zeigt    den    Marburgern    den    jungen    Landgrafen 


PETER  JANSSEN 
Scene  in   einer  Kapelle   zu   Murcia 


317 


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Heinrich  das  Kind  1248".  „Die  Schlacht  bei  Lauffen  am  Neckar  zwischen  den  Hessen  unter 
Philipp  dem  Grofsmüthigen  und  den  Kaiserlichen  unter  Philipp  von  der  Pfalz".  „Einzug  der 
Reformatoren  in  Marburg  zum  Zweck  des  Religionsgespräches  zwischen  Zwingli  und  Luther. 
Die  vom  Volke  Begleiteten  werden  durch  Ulrich  von  Württemberg  und  Philipp  den  Grofsmüthigen 
von  Hessen  empfangen".  Ein  sechstes  und  siebentes  Bild  werden  den  Auszug  der  Dominikaner 
aus  dem  Kloster,  welches  zur  Universität  bestimmt  war,  darstellen,  und  die  Begrüfsung  Christian 
Wolffs  durch  die  Marburger  Studentenschaft. 

An  der  Fensterwand  ist  in  Zwickelbildern  die  Sage  von  Otto  dem  Schütz  in  reizvollen,  halb 
genrehaften  Darstellungen  erzählt.  Es  sind  im  Ganzen  sechs  Bilder.  Das  erste  zeigt  seine  Flucht 
aus  der  Burg  des  Vaters,  der  ihn  zum  Geistlichen  bestimmt  hatte.  Ferner:  ,,Er  ist  in  den  Diensten 
des  Herzogs  von  Cleve  als  Hundejunge,  und  es  entspinnt  sich  zwischen  ihm  und  der  Tochter  des 
Herzogs  ein  Liebesverhältnifs".  ,,Auf  der  Jagd  wird  die  Prinzessin  von  einem  Auerochsen  ange- 
griffen, ihr  Pferd  stürzt,  aber  Otto  tödtet  den  Ur  und  rettet  die  Geliebte".  ,,Er  bringt  der  jungen 
Dame  nächtlicherweise  eine  Ständchen  auf  der  Laute".  ,,Ein  Freund  seines  Vaters,  Heinrich  von 
Homburg,  kommt  nach  Cleve  und  erkennt  in  dem  Thorwächter  den  Sohn  seines  Herrn,  theilt  ihm 
den  Tod  seines  Vaters  und  Bruders  mit,  sowie  dafs  er  der  Thronerbe  ist".  ,,Otto  der  Schütz 
führt  seine  Prinzessin  heim  und  übernimmt  die  Herrschaft". 


Das  Zusammenwirken  v.  Gebhardts,  Janfsens  und  in  der  ersten  Zeit  auch  Wilhelm  Sohns 
hatte  der  Düsseldorfer  Figurenmalerei  der  letzten  20  Jahre  die  Richtung  gegeben,  ohne  dafs  von 
den  zahlreichen  Schülern  dieser  drei  Lehrer  ihr  seitdem  neue  Wege  erschlossen  worden  wären, 
von  denen  man  sagen  dürfte,  dafs  sie  zu  neuen  noch  unbetretenen  Gebieten  führen  könnten. 

Neben  Janfsen  und  v.  Gebhardt,  unter  deren  Zeichen  die  Entwicklung  der  Akademie  in  der 
genannten  Zeit  steht,  arbeitete  aber  noch  eine  Reihe  selbständiger  Künstler  auch  auf  dem  Gebiete 
der  Monumentalmalerei  und  des  figürlichen  Staffeleibildes  und  hat  nicht  wenig  dazu  beigetragen, 
die  Stellung  der  freien  Künstlerschaft  auch  auf  diesen,  gerne  sogenannten  akademischen  Gebieten 
zu  befestigen.  Auch  diese  Maler  verdanken  dem  Kunstverein  vielfache  und  reiche  Unterstützung 
bei  ihren  Werken. 

Als  der  an  Jahren  älteste  von  ihnen  mufs  ein  Künstler  genannt  werden,  der  seit  Anfang  der 
70er  Jahre  zwar  in  Düsseldorf  ansässig  war.  aber  der  Schule  nicht  eigentlich  angehört  und  aufser 
einer  einzigen  grofsen  Arbeit,  die  durch  den  Zweck,  den  sie  erfüllt,  zu  den  am  meisten  gesehenen 
Kunstwerken  in  Düsseldorf  gehört,  in  den  dreifsig  Jahren,  die  er  noch  in  Düsseldorf  lebte,  wenig 
mehr  an  die  Oeffentlichkeit  getreten  ist.  Ernst  Hartmann  war  1818  in  Magdeburg  geboren,  er  hatte 
in  Dresden,  Italien  und  in  Antwerpen  studirt.  Eine  Zeitlang  lebte  er  in  Stuttgart,  wo  er  in  der 
Redaction  der  Zeitschrift  ,,Ueber  Land  und  Meer"  thätig  war.  In  Düsseldorf  schuf  er  im  Auftrag 
des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und  W^estfalen  Anfangs  1870  den  Vorhang  des  Stadttheaters, 
der  noch  heute  seinem  Zweck  erhalten  geblieben  ist.  Die  etwas  flaue  Malweise  und  die  nicht 
immer  einwandfreie  Zeichnung  lassen  die  gründliche  Düsseldorfer  Schulung  vermissen,  dennoch 
ist  die  Composition  ,,Die  Wahrheit  enthüllt  sich  dem  Gott  der  Dichtkunst"  von  grofsem  Wurf 
und  nicht  ohne  eine,  wenn  auch  theatralische,  so  doch  feierliche  W^irkung.  Auf  alle  Fälle  beweist 
dieses  Bild  mit  seinen  unbekleideten  Gestalten,  dafs  man  in  Sachen  der  Kunst  vor  einem  Viertel- 
jahrhundert freier  in  Düsseldorf  dachte,  als  heute,  wo  der  Ausstellung  sogenannter  Nuditäten  die 
gröfsten  Hindernisse  in  den  Weg  gelegt  werden.     Hartmann  starb  im  Jahre  1900. 

An  der  Spitze  der  noch  Lebenden  steht  Albert  Baur,  der  in  idealem  Sinne  als  einer  der 
wenigen  Schüler  seines  genialen  Landmannes  Rethel  aufgefafst  werden  kann,  denn  dessen  Bilder 
in  Aachen  gaben  dem  jungen  Manne  (Baur  war  1835  ir>  Aachen  geboren)  den  ersten  äufseren 
Anlafs  und  die  ersten  Anregungen  für  seine  künstlerischen  Neigungen,  die  sonst  in  dem  an  solchen 
Anregungen  damals  nicht  allzureichen  Aachen  vielleicht  noch  lange  geschlummert  hätten.  Aber 
der  Eindruck  der  mächtigen  Werke  war  ein  so  starker,  dafs  er  alle  Schwierigkeiten  überwinden 
half,  und  Baur  setzte  es  durch,  von  der  Universität  Bonn,  die  er  bereits  bezogen  hatte,  1854  auf 
die  Düsseldorfer  Akademie  überzugehen. 

Dieselbe  befand  sich  damals  bereits  in  dem  genugsam  gekennzeichneten  Stadium  des  Nieder- 
ganges, insbesondere  der  Geschichtsmalerei,  der  sich  Baur  zu  widmen  gedachte,  und  vermochte 
dem  von  Rethels    gesundem   Stilgefühl    Begeisterten    keine  Anregung    zu    bieten.     Rethels  Genosse 

319 


und  Gehülfe  Joseph  Kehren,  an  den  sich  Baur  wandte,  war  ebensowenig  die  geeignete  Persönlich- 
keit, um  als  Lehrer  besonders  fördernd  zu  wirken.  So  war  Baurs  Lehrzeit  in  Düsseldorf  keine 
erfreuliche,  bis  er  sich  dem  nur  wenige  Jahre  älteren  Wilhelm  Sohn  anschlofs,  der  schon  damals 
anfing,  sein  merkwürdiges  Lehrtalent  an  seinen  Mitstrebenden  auszuüben,  obwohl  er  künstlerisch 
selbst  noch  ganz  in  der  Conventionellen  Malerei  befangen  war.  Sein  mit  der  Feder  gezeichneter 
Carton  ,, Barbarossa  im  Kyffhäuser"  hatte  aber  bereits  allgemeines  Aufsehen  erregt  und  ihn  zum 
Mittelpunkt  einer  kleinen  Gemeinde  von  Verehrern  und  Schülern  gemacht.  Auch  seine  Studien- 
köpfe, die  er  noch  in  der  Malklasse  seines  Oheims  gemalt  hatte,  erregten  grofses  Aufsehen.  Durch 
ihn  wurde  Baur  soweit  gefördert,  dafs  er  auch  in  die  Malklasse  des  alten  Carl  F.  Sohn  eintreten 
konnte,  und  diesem  vortrefflichen  Lehrer  verdankte  er  ohne  Zweifel,  wie  so  viele  Andere,  die 
Grundlage  seines  technischen  Könnens. 

Dennoch  hielt  es  Baur  im  Jahre  1860  nicht  mehr  in  Düsseldorf;  er  ging  nach  München, 
wo  er  eine  Zeitlang  bei  dem  als  Künstler,  wie  als  Menschen  gleich  originellen  Schwind  arbeitete, 
ohne  doch  von  ihm  sonderlich  beeinflufst  zu  werden.  Eher  haben  die  ersten  Bilder  Pilotys,  die 
gerade  damals  entstanden  waren,  Eindruck  auf  ihn  gemacht,  wenn  derselbe  sich  auch  nur  in  der 
Stoffwahl  seines  ersten  grofsen  Bildes  ,, Ottos  III.  Leiche  wird  aus  Italien  nach  Deutschland 
gebracht",  ausspricht.  Die  Vollendung  dieses  Bildes  fällt  wieder  nach  Düsseldorf,  wohin  Baur 
1862  zurückgekehrt  war.  Schon  der  Carton  zu  dem  Bilde  machte  grofses  Aufsehen,  und  noch 
während  der  Arbeit  an  dem  Bilde  gewann  Baur  eine  Concurrenz  zu  einem  grofsen  Wandgemälde 
im  Schwurgerichtssaal  zu  Elberfeld,  das  „Das  jüngste  Gericht"  darstellte,  in  seiner  Mitte  Christus, 
der  die  Guten  von  den  Bösen  sondert.  Zur  Rechten  Christi  werden  ihm  die  Bufsfertigen  und  die 
von  ihren  Sünden  durch  Gottes  Gnade  Gereinigten  von  Adam  bis  zu  David  und  Petrus,  von  dem 
verlorenen  Sohn  bis  zu  dem  bufsfertigen  Schacher  durch  den  Erzengel  Gabriel  zugeführt,  zur 
Linken  die  dem  Gericht  anheimgefallenen  Sünder  durch  Michael  zurückgetrieben.  Das  grofse 
Bild  zeigte  schon  alle  Vorzüge,  die  der  Künstler  später  noch  weiter  entwickeln  sollte,  eine  klare 
Composition  und  verständige,  malerische  Gliederung  der  einzelnen  Gruppen. 

Es  folgte  der  zweimal  gemalte  ,,Otto  I.  an  der  Leiche  seines  Bruders  Thankmar"  1869  und 
1874  (das  einmal  vom  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  der  Gemäldegalerie  des 
Kunstvereins  in  Barmen  geschenkt  wurde)  und  dann  1870  ein  Bild,  das  Baurs  Ruf  weithin  verbreitete 
und  befestigte  und  der  Düsseldorfer  Kunst  wieder  eines  jener  W^erke  gab,  die  allgemein  bekannt 
und  unvergessen  bleiben  werden:  „Christliche  Märtyrer",  das  mit  Hülfe  eines  Beitrages  von  Seiten 
des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  der  Galerie  der  Kunsthalle  in  Düsseldorf  ge- 
schenkt wurde  und  jetzt  eines  der  hervorragendsten  Bilder  dieser  Sammlung  ist. 

Im  Jahre  1866  schon 
erhielt  Baur  einen  Ruf  als 
Professor  an  die  Kunst- 
schule in  Weimar,  dem 
er  aber  erst,  nachdem  er 
1872  wiederholt  wurde, 
Folge  leistete.  In  Weimar 
entfaltete  er  eine  äufserst 
anregende  Lehrthätigkeit. 
Von  seinen  Schülern,  die 
zum  Theil  später  nach 
Düsseldorf  übersiedelten, 
sind  zu  nennen:  Ferd. 
Brütt,  die  Brüder  Karl 
und  Joh.  Gehrts,  Henseler, 
der  Genremaler  der  Mark 
Brandenburg,  und  Thure 
von  Cederström,  jetzt  in 
München. 

Baur  selbst  wandte 
sich  in  Weimar  einem  in 
Deutschland      wenig     ge- 
pflegten   Gebiet    zu,     das 
in   England    dagegen    sich 


ALBERT  BAUR 
Nach   der   Grablegung 


321 


ALBERT  BAUR 

Franz  I.  von  Frankreich  in  der  von  ihm  begründeten  ersten   Lyoner  Seidenfabrik 

Wandgemälde  in  der  Webeschule  zu  Krefeld 

grofser  Beliebtheit  erfreut,  nämlich  dem  antiken  Genre,  das  er  natürlich  nicht  in  klassicistischer 
Weise,  sondern  auf  Grund  eingehender  archäologischer  Studien  durchaus  malerisch  und  mit 
grofsem  Erfolg  behandelte.  Diese  Motive  entwickelte  er  aber,  nachdem  er  schon  1874  aus  Rück- 
sicht auf  seine  Gattin,  die  das  Klima  in  Weimar  nicht  vertragen  konnte,  wiederum  nach  Düsseldorf 
zurückgekehrt  war,  wieder  zu  einer  mehr  historischen  Auffassung,  der  das  stimmungsvolle  Bild 
„Die  Frauen  am  Grabe  Christi",  dann  ,,Die  Flucht  nach  Aegypten"  und  ,, Herodias'  Tochter"  ent- 
stammen, ohne  dafs  der  Künstler  es  unterliefs,  weitere  kleinere  genrehafte  Bilder  aus  dem  antiken 
Leben  und  auch  vortreffliche  Porträts  zwischendurch  zu  malen. 

W^andmalereien  in  Schalke,  welche  decorative  Darstellungen  aus  der  Grofsindustrie  enthalten, 
führten  ihn  zur  Monumentalmalerei,  der  er  von  jeher  zugestrebt  hatte,  und  bei  der  Ausmalung  des 
Gürzenichsaales  zu  Köln,  zu  welcher  der  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  wiederum 
freigebig  beigesteuert  hatte,  fiel  ihm  der  Mitteltheil  des  darzustellenden  Dombaufestzuges  mit  dem 
Aufzug   der  Kölner  Geschlechter  zu. 

So  vorbereitet,  konnte  er  an  den  ihm  vom  Cultusminister  ertheilten  grofsen  Auftrag,  für  die 
Webeschule    in    Krefeld    einen    Bildercyklus    aus    der    Geschichte    der    Seidenindustrie    zu    malen, 


322 


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herangehen.  Im  Laufe  von  wenigen  Jahren  vollendete  er  die  aus  fünf  grofsen,  bildmäfsigen 
Compositionen  und  einigen  Zwischenfeldern  bestehende  Reihe  monumentaler  Schöpfungen,  die 
einen  hervorragenden  künstlerischen  Schmuck  der  benachbarten  Industriestadt  bedeuten.  Der 
Cyklus  beginnt  mit  dem  Bilde  „Kaiser  Justinian  empfängt  durch  Mönche  die  ersten  Seidenraupen- 
Eier,  die  jene  in  ihren  ausgehöhlten  Stäben  herübergebracht  hatten".  Das  zweite  Bild  stellt  dar, 
wie  „König  Roger  II.  von  Sicilien  gefangene  Seidenweber  in  seine  Heimath  bringt",  das  dritte 
den  „Franz  I.  von  Frankreich  in  der  von  ihm  begründeten  ersten  Lyoner  Seidenfabrik",  das  vierte 
„Den  Besuch  Friedrichs  des  Grofsen  in  Krefeld  im  Hause  eines  Fabrikanten"  und  schliefslich 
„Napoleon  I.  und  der  Erfinder  Jacquard  auf  der  Pariser  Ausstellung  1803".  Ein  sechstes  Bild  ist 
in  Aussicht  genommen,  harrt  aber  noch  der  Ausführung,  da  der  gewünschte  historische  Moment 
sich  noch  nicht  eingestellt  hat. 

Der  Künstler  hat  die  grofse  Schwierigkeit,  solche  ohne  weiteres  nicht  leicht  verständlichen 
Episoden,  die  in  den  verschiedensten  Zeiten  spielen,  künstlerisch  auszugestalten,  vortrefflich  gelöst. 
Ohne  geradezu  zu  stilisiren,  hat  er  doch  eine  Ausdrucksform  gefunden,  die  in  Form  und  Farbe 
an  den  Gobelin  erinnert  und  damit  in  feiner  'Weise  sich  auch  dem  Ort,  für  den  die  Gemälde 
geschaffen  wurden,  anpafst.  Wirkungsvolle  ornamentale  Umrahmungen  halten  die  costümlich 
reich  ausgestatteten,  klar  componirten  Bilder  zusammen  und  vereinigen  sie  mit  den  kleineren 
Zwischenfeldbildern  zu   einer   prächtigen  Gesammtwirkung. 

Hierauf  malte  Baur  im  Rathhause  zu  Düsseldorf  neben  Fritz  Neuhaus  und  Klein-Chevalier 
ein    historisches  Motiv,    nämlich    „Die  Besitzergreifung    der    Stadt   Düsseldorf   durch    den    branden- 


ERNST  ROEBER 
Attaque  des  Leutnants  von  Papen-Köningen  vom  Westfälischen  Ulanen-Regiment  Nr.   5  gegen  französische 

2.  Husaren  bei  Bolchen  vor  Metz 


324 


FRITZ  ROEBER 
Kaiser  Heinrich   IV.   auf  der  Flucht  von  den  Bürgern  Kölns  aufgenommen 

burgischen  Commissar  Stephan  von  Hertefeld"  und  vier  Allegorien,  „Die  bürgerlichen  Tugenden" 
darstellend. 

Seine  letzte  grofse  Arbeit  vollendete  A.  Baur  für  seine  Vaterstadt  Aachen.  Im  Rathhaus 
waren  die  beiden  Felder  im  Treppenhaus,  die  Rethel  noch  hatte  malen  sollen,  frei  geblieben,  und 
ihre  Ausschmückung  wurde  A.  Baur  übertragen.  In  den  letzten  Jahren  schuf  er  hier  zwei  Bilder, 
die  eine  würdige  Einleitung  zu  den  für  den  Jüngling  einst  vorbildlichen  grofsen  Arbeiten  Rethels 
bilden.  Das  erste  derselben  behandelt  das  Motiv,  wie  ,, Kaiser  Barbarossa  den  beiden  Vertretern 
der  Aachener  Bürgerschaft  den  Eid  abnimmt,  ihre  Stadt  in  vier  Jahren  mit  Mauern  und  Thoren 
zu  befestigen",  als  Anfang  der  Blüthezeit  Aachens,  und  zweitens  ,,Die  Entdeckung  der  Aachener 
warmen  Quellen  durch   Granus  Serenus,   Präfecten  von  belgisch   Gallien  zur  Zeit  Trajans". 

Etwas  jünger  als  Baur  ist  der  1840  in  Geisenheim  im  Rheingau  geborene  Wilhelm  Simmler. 
Ein  ebenso  begabter,  wie  vielseitiger  Maler,  ist  er  verhältnifsmäfsig  wenig  an  die  Oeffentlichkeit 
getreten  und  verliefs  1891  Düsseldorf,  um  nach  Berlin  überzusiedeln,  wo  er  verschiedene  grofse 
Arbeiten  monumentalen  Charakters  ausgeführt  hat.  Simmler  war  1857  auf  die  Akademie  gekommen, 
also  etwa  in  derselben  traurigen  Zeit,  wie  Baur.  Er  studirte  bei  Köhler,  C.  Sohn,  Schadow  und 
schliefslich  auch  bei  Bendemann,  wandte  sich  dann  aber  ebenfalls  nach  München,  wie  so  viele 
Andere,  wo  er  von  1861-63  verweilte,  um  dann  ebenfalls  wieder  nach  Düsseldorf  zurückzukehren. 
Hier  entwickelte  er  nun  eine  reiche  Thätigkeit,  die  ihn  auf  fast  alle  Gebiete  der  Malerei  führte. 
Er  malte  Genrescenen  von  zum  Theil  grofser  Kraft  des  Ausdrucks,  so  1873  den  ,, erschossenen 
Wilderer",  Jagdbilder,  decorative  Bilder,  darunter  einige  für  eine  Villa  in  Godesberg;  für  das 
Stadttheater  in  Krefeld  entwarf  er  einen  sehr  wirkungsvollen  Vorhang  im  Auftrage  des  Kunst- 
vereins und  malte  dann  zwei  der  damals  gerade  modern  werdenden  Panoramen.  So  für  Berlin 
mit  E.  Hunten  zusammen  den  ,, Sturm  auf  St.  Privat"  1879.  und  im  folgenden  Jahre  für  Hamburg 
den  ,, Einzug  der  Meccakarawane  in  Kairo",  mit  Themistokles  von  Eckenbrecher,  der  1861 — 63 
Schüler  von  Oswald  Achenbach  gewesen  war  und  dann  längere  Zeit  in  Düsseldorf  selbständig 
gearbeitet  hat. 


325 


Nach  Vollendung  dieser  grofsen  Arbeiten  wurde  Simmler  mit  dem  Auftrage  betraut,  eines 
der  Bilder  für  die  Ruhmeshalle  zu  malen,  und  zwar  „Die  Fahrt  des  grofsen  Kurfürsten  über  das 
Haff",  und  er  schuf  hier  ein  Werk,  das  sich  den  verschiedenen  andern  Düsseldorfer  Arbeiten  an 
dieser  Stelle  würdig  anschlofs.  In  der  Folgezeit  beschäftigte  er  sich  mit  den  Vorarbeiten  für  einen 
grofsen  Auftrag,  nämlich  drei  Bilder  aus  der  preufsischen  Geschichte  im  Rathhaus  zu  Berlin  zu 
malen,  dessen  Ausführung  ihn  dann  endgültig  nach  Berlin  führte.  Hier  ist  er  rüstig  thätig  und 
malt  Scenen  aus  dem  Hochgebirge,  Jagdbilder,  mythologische  Scenen  und  Porträts. 

Etwas  glücklicher  in  Bezug  auf  ihre  Schülerzeit  als  Baur  und  Simmler  trafen  es  die  beiden 
Künstler,  die  fast  ein  und  ein  halbes  Jahrzehnt  später  nach  Düsseldorf  kamen,  da  sie  sich  sogleich 
dem  feinsinnigen  Bendemann  anschlössen,  von  seiner  grofsen  Erfahrung  Nutzen  ziehen  konnten  und 


FRITZ  ROEBER 
Theatervorhang  in  Elberfeld 

schliefslich  in  Peter  Janfsen,  der  damals  schon  Meisterschüler  war  und  seine  kraftvolle  Persönlich- 
keit anfing  geltend  zu  machen,  einen  Freund  und  Genossen  fanden,  der  auf  sie  so  wenig,  wie  auf 
die  ganze  nachfolgende  Generation  ohne  Einflufs  bleiben  konnte. 

Ernst  und  Fritz  Roeber,  1849  bezw.  1851  als  Söhne  des  Dichters  Friedrich  Roeber  in  Elberfeld 
geboren,  kamen  im  Jahre  1868  zur  Akademie  nach  Düsseldorf,  verliefsen  dieselbe  aber,  von  den 
damaligen  unerfreulichen  Verhältnissen  abgestofsen,  sehr  bald  wieder,  um  Privatschüler  Bende- 
manns  zu  werden,  der  damals  gerade  seine  Thätigkeit  als  Lehrer  und  Director  der  Akademie 
niederlegte. 

Die  erste  Lehrzeit  wurde  durch  den  Krieg  1870  71  unterbrochen,  den  beide  Brüder  mitmachten, 
um,    mit  den  Offiziers -Epauletten  geschmückt    und   zu   Männern   gereift,    glücklich   zurückzukehren. 


326 


Das  Verhältnifs  zu  Bendemann,    dessen  Familie  dem  Hause    Roeber   dauernd   freundschaftlich  ver- 
bunden war,  blieb  somit  auch  mehr  ein  freundschaftliches.     Beide  Roeber  durften  unter  Anderem, 


FRITZ  ROEBER 

Die  Naturwissenschaften 

Wandgemälde  in   der  Aula  der  Akademie   zu   Münster 

ebenso   wie   Peter  Janfsen,    dem    stets   hochverehrten  Lehrer  bei  den  Malereien    in    den  Cornelius- 
sälen   der   Nationalgalerie    helfen.     Speciell   Ernst  Roeber    beschäftigte    sich    mit    den    allegorischen 


Figuren    im    vorderen    Saal     und    führte    selbständig    kleinere    Wandmalereien     von     zum    Theil 
sarkastischem  Inhalt    in    der  Nationalgalerie  aus.     In  die  erste  Düsseldorfer  Zeit   fallen   neben   den 


FRITZ  ROEBER 

Die  Theologie 

Wandgemälde  in  der  Aula  der  Akademie   zu  Münster 

unvermeidlichen    Schülerarbeiten    einige    Porträts,    Zeichnungen    und    Cartons    zum    Nibelungenlied, 
welche  auf  die  spätere  ausgiebige  illustrative  Thätigkeit  vorbereiteten. 


328 


Fertige  Oelgemälde  entstanden  noch  nicht,  da  Ernst  Roebers  coloristische  Anlagen  bei  der 
damals  immer  noch  herrschenden  Lehrmethode,  das  Hauptgewicht  auf  den  Carton  zu  legen,  nicht 
zur  Entwicklung  und  Ausbildung  kamen.  Diese  wurden  erst  begünstigt  durch  das  Studium  der 
alten  Meister  in  Dresden,  in  denen  E.  Roeber  die  Brücke  fand,  die  ihn  vom  rein  zeichnerischen 
Ausdruck  zur  Farbe  leitete.  In  Berlin,  wo  er  sich  seit  1874  ständig  aufhielt,  malte  er  die  ersten 
Oelbilder,  so  ,, Nymphen  von  Faunen  überrascht"  und  ,,Faun,  Mädchen  belauschend"  (1878).  An 
Illustrationen  entstanden  damals  die  Zeichnungen  zu  Schillers  Geisterseher,  zu  Macbeth  und  Fritjof 
und  zahlreiche  Entwürfe,  die  allerdings  nicht  herausgegeben  wurden,  aber  die  Unterlage  zu  ver- 
schiedenen farbigen  Studien  und  einem  coloristisch  sehr  interessanten,  allerdings  erst  sehr  viel 
später  vollendeten  Bilde  ,, Faust  und  Helena"  abgaben.  In  Düsseldorf,  wo  sich  Ernst  Roeber  bald 
wieder  ständig  niederliefs,  folgten  nun  eine  grofse  Zahl  von  Oelbildern  (z.  B.  Tochter  der 
Herodias),  Gouachen  meist  antikisirend- erotischen  Inhalts,  Zeichnungen  und  später  auch  die 
Vorarbeiten  zu  mehreren  grofsen  monumentalen  Arbeiten,  welche  der  Künstler  an  verschiedenen 
Orten  ausführte. 

Hierher  gehören  die  \Vandmalereien  mit  lebensgrofsen  Figuren  für  einen  Speisesaal  im 
Hause  des  Herrn  Emil  Weyerbusch  in  Elberfeld,  welche  die  Elemente  als  Erzeuger  aller 
Lebensproducte  darstellen.  Auf  einer  Schmalseite  des  Raumes  waren  bukolische  Scenen 
ausgeführt.  Es  folgten  im  Jahre  1887  ein  grofses  Bild  für  die  Ruhmeshalle  in  Berlin:  ,, Prinz 
Friedrich  Karl  von  Preufsen  und  sein  Generalstab  auf  der  eroberten  Düppeler  Schanze  II" 
und  ebenfalls  im  Staatsauftrag  seit  1890  umfangreiche  Wandgemälde  für  den  grofsen  Sitzungs- 
saal im  Landeshause  zu  Danzig.  Sie  enthalten  auf  den  Langseiten  ,,den  Einzug  der  Ritter 
des  Deutschen  Ordens  in  die  Marienburg",  und  ,,Paul  Beneke,  Admiral  von  Danzig,  wird  vom 
Rath  der  Stadt  bei  seiner  Einfahrt  mit  seiner  Flotte  und  der  eroberten  burgundischen  Galeere 
empfangen".  Auf  den  Schmalseiten  sind  die  vier  Kardinaltugenden,  Stärke,  Weisheit,  Mäfsigung 
und  Treue,  dargestellt. 

Im  Anschlufs  an  diese  Arbeiten  erhielt  E.  Roeber  von  den  Herren  Albert  und  Wilhelm 
Jüncke  in  Danzig  den  Auftrag,  für  das  dortige  Rathhaus  einige  Wandbilder  zu  schaffen,  an  denen 
er  in  den  Jahren  1895 — 97  arbeitete.  Sie  stellen  ,.die  Grundsteinlegung  der  Danziger  Stadtmauer 
durch  die  Grofsmeister  des  Deutschen  Ordens"  und  den  ,, Maienritt  der  Danziger  Bürger  auf  dem 
langen  Markt  in  Danzig"  vor. 

Die  letzten  noch  im  Entstehen  begriffenen,  decorativ  monumentalen  Arbeiten  sind  theils  für 
das  Schlofs  Wacholderhöhe  des  Herrn  Carl  von  der  Heydt  bestimmt  und  behandeln  philosophisch- 
allegorische Darstellungen  des  Lebens,  theils  sind  es  Bilder  aus  der  älteren  Geschichte  Elberfelds. 
welche  das  dortige  Rathhaus  schmücken  werden. 

Aufser  diesen  historisch-romantischen  oder  erotisch-idyllischen  Bildern  behandelt  der  viel- 
seitige Künstler,  der  nebenbei  mit  ganzer  Seele  Reiteroffizier  ist,  in  durchaus  realistischer  Weise 
und  mit  unanfechtbarem  Sachverständnifs  Militärbilder  verschiedenster  Art,  die  ihn  durchaus  als 
berufenen  Schlachtenmaler  erscheinen  lassen.  Es  entstanden  auf  diesem  Gebiet  Reiterporträts, 
Momente  des  Regimentsexercirens  auf  dem  Uebungsplatz,  meist  in  Gouache  gemalt,  und  1899  ein 
gröfseres  höchst  lebendiges  Oelbild  ..Attaque  des  Leutnants  von  Papen-Köningen  vom  W^estfälischen 
Ulanen -Regiment  Nr.  5  gegen  französische  2.  Husaren  bei  Bolchen  vor  Metz",  das  in  über- 
zeugender Wahrheit  und  mit  packendem  Realismus  eine  der  vielen  Heldenthaten  unseres  Heeres 
im  grofsen  Kriege  schildert. 

Von  1891 — igoi  war  Ernst  Roeber  als  Anatomielehrer  an  der  Akademie  thätig,  wozu  er.  der 
sich  ursprünglich  der  medicinischen  Wissenschaft  hatte  widmen  wollen,  ein  besonderes  Interesse 
mitbrachte,  und  seit  1897  leitete  er  aufserdem  eine  akademische  Zeichenklasse.  Auch  er  hat  noch 
1901  seinen  Wohnsitz  in  Düsseldorf  aufgegeben  und  ist  nach  Berlin  übergesiedelt. 

Einen  ganz  ähnlichen  Weg  wie  Ernst  machte  Fritz  Roeber.  nur  dafs  er  Düsseldorf  niemals 
für  längere  Zeit  verlassen  hat.  Nachdem  er,  ebenso  wie  sein  Bruder  und  Peter  Janfsen,  bei  der 
Ausmalung  der  Corneliussäle  Bendemann  geholfen  hatte,  führte  er  einen  Theatervorhang  für 
Elberfeld  aus,  und  ein  bald  darauf  vollendetes  Staffeleibild  rückte  den  jungen  Künstler  in  den 
Vordergrund  eines  nicht  durchaus  freundlichen  Interesses.  Unbekümmert  um  das  Philisterthum 
in  allerlei  Gestalt,  das,  nachdem  sogar  Lessing  ihm  hatte  weichen  müssen,  in  Düsseldorf  ziemlich 
unbeschränkt  herrschte,  malte  Fritz  Roeber  eine  höchst  bedenkliche  Scene  aus  dem  Leben  des 
berüchtigten  Papstes  Johann  XII.  Ein  weiteres  grofses  Historienbild  folgte:  , .Kaiser  Heinrich  IV. 
auf  der  Flucht  von  den  Bürgern  Kölns  aufgenommen". 

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Ein  eigenartiger  Auftrag  der  Rheinprovinz  führte  ihn  alsdann  auf  ein  Gebiet,  dem  er,  fortan 
nicht  allein  selbst  schaffend,  sondern  auch  organisatorisch  wirkend,  einen  grofsen  Theil  seiner 
Kraft  mit  Erfolg  widmen  sollte.  Dem  damaligen  Prinzen  Wilhelm  sollte  zu  seiner  Hochzeit  1882 
ein  Goldpokal  überreicht  werden,  zu  dem  Roeber  den  figürlichen  Schmuck  in  80  Blättern  entwarf 
und  damit  eine  der  ersten  kunstgewerblichen  Arbeiten  am  Rhein  schuf.  Zahlreiche  Adressen  und 
Diplome  gehören  diesem  Theil  seiner  Arbeit  an,  während  er  als  Mitbegründer  und  einer  der 
Leiter  des  aus  der  Gewerbeausstellung  1880  hervorgegangenen  Central-Kunstgewerbevereins  den 
gröfsten  Antheil  an  der  Entwicklung  des  rheinischen   Kunstgewerbes   hat. 

In  die  letzten  zwanzig  Jahre  fallen  dann  jene  grofsen  cyklischen  Werke,  in  denen  sich  Roeber 
als  berufener  Monumentalmaler  auszeichnete.  Zunächst  wurden  ihm  bei  der  Ausschmückung  des 
Kölner  Gürzenichsaales  zwei  Bilder  übertragen.  Der  Grundgedanke  der  ganzen  Decoration  war  die 
Darstellung  des  Dombaufestzuges,  und  Fritz  Roeber  hatte  in  seinen  zwei  Abtheilungen  „Die  Einholung 
des  Domschreines-'  übernommen.  Da  ein  höherer  geistiger  Gehalt  dem  rein  repräsentativen  Motiv 
nicht  abzugewinnen  war,  bemühte  sich  Roeber,  durch  ein  originelles  Colorit,  das  sich  ganz  in 
blauen  Tönen  bewegte,  zu  wirken.     Eigenartiger  und  der  Phantasie  des  Künstlers  mehr  Spielraum 


CARL   GEHRTS 

Die  Kunst   im  Alterthum 

Wandgemälde  in  der  Kunsthalle  zu   Düsseldorf 

lassend,  war  ein  Cyklus  von  Wandgemälden,  den  er  bald  darauf  für  den  Landtagsabgeordneten 
Weyerbusch  in  Elberfeld  ausführte,  welcher  das  Leben  des  Genannten  in  romantischem  Gewände 
schilderte  und  zu   einer  Reihe  reizvoller  Scenen   Gelegenheit  gab. 

Es  folgten  das  grofse  Mosaik  für  die  Düsseldorfer  Kunsthalle  und  ein  historisches  Wandbild  für 
die  Berliner  Ruhmeshalle,  die  der  Düsseldorfer  Wandmalerei  überhaupt  ihre  besten  W^erke  verdankt. 
Der  Gegenstand  hierzu  führte  den  Künstler  aus  dem  von  ihm  sonst  bevorzugten  Mittelalter  in  die 
fridericianische  Zeit:  das  Bild  stellt  „Die  Anrede  des  grofsen  Königs  an  seine  Generale  bei 
Leuthen"  dar. 

Ein  Privatauftrag  des  Herrn  v.  d.  Heydt  für  dessen  Schlofs  Wacholderhöhe  bei  Godesberg 
am  Rhein  gab  in  noch  höherem  Mafse  als  die  genannten  Arbeiten  F.  Roeber  Gelegenheit,  seine 
künstlerischen  Vorzüge,  eine  lebhafte  Coloristik,  eine  reichbewegte,  phantasievolle  Composition  an 
der  Hand  eines  geistreichen  und  tiefsinnigen  Motivs  zu  entfalten.  ,,Der  Untergang  der  altnordischen 
Götterwelt"  aus  den  Gesängen  der  Edda  war  das  Thema  seiner  elf  Bilder,  die  in  einer  künstlerisch 
freien  Weise  die  alten,  unserm  modernen  Empfinden  trotz  Wagner  leider  nur  zu  wenig  vertrauten 
Mythen  im  Sinne  der  christlichen  Bearbeiter  dieser  alten  Sagen  malerisch  behandeln  und  zu 
einem  höchst  eigenartigen  Gesammtwerk   vereinigen. 


331 


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CARL   GEHRTS 

Nixenbesuch 


In  den  letzten  Jahren 
beschäftigte  den  Künstler, 
der  neben  seinen  Wand- 
gemälden noch  eine  ganze 
Reihe  von  Staffeleibildern 
vollendet  hatte,  ein  grofser 
Auftrag  der  Regierung.  Es 
sind  acht  grofse  Gemälde, 
die  im  Auftrag  des  Kultus- 
ministeriums unter  Bei- 
hülfe des  Kunstvereins 
für  die  Rheinlande  und 
Westfalen  für  die  Aula 
der  Akademie  zu  Münster 
bestellt  wurden.  Die  Auf- 
gabe, wie  sie  sich  Roeber, 
abweichend  von  den  viel- 
leicht anfänglich  geplanten 
Ideen,  gestaltet  hatte,  war 
keine  leichte.  Es  sollten 
in  allegorischer  Weise  die  Wissenschaften  dargestellt  werden,  aber  Roeber  verzichtete  auf  die 
Wiederholung  der  symbolischen  Damen,  wie  sie  seit  Rafael  und  Pinturicchio  fast  unvermeidlich 
geworden  sind,  und  entwarf  im  Gegentheil  eine  Symbolisirung  der  Wissenschaften  nach  dem 
ganzen  Umfang  ihrer  Wirksamkeit.  So  entstanden  statt  blofser  Personificationen  lebendige,  farben- 
und  figurenreiche  Compositionen,  die  der  Künstler  mit  dem  ganzen  Reichthum  seiner  Gestaltungs- 
kraft und  seiner  farbenfrohen  Malweise  ausstattete. 

Die  Beschäftigung  mit  diesen  zum  Theil  sehr  umfangreichen  Arbeiten  hatte  Roeber  nicht 
gehindert,  zwischendurch  nicht  nur  zahlreiche  Zeichnungen  (darunter  schon  früh  14  grofse  Bibel- 
compositionen auf  Stein),  Landschaften  und  Porträts  zu  vollenden,  sondern  auch  mehrere  grofse 
Historienbilder  zu  malen,  von  denen  zwei  der  Geschichte  des  grofsen  Kurfürsten  angehören:  ..Bei 
Fehrbellin"  1883  und  ,,Der  letzte  Staatsrath"  1894,  und  deren  eines  wieder  ins  Mittelalter  zurück- 
führt:  „Ein  toller  Tag  König  W^enzels"   1887. 

Ganz  in  das  Gebiet  blauer  Romantik,  für  die  Roeber  als  Sohn  seines  Vaters  von  je  eine 
heimliche  Liebe  hegt,  führt  ein  Aquarellencyklus,  welcher  die  poetische  Legende  der  Rosenburg, 
eines  kleinen  Schlosses  bei  Bonn,  illustrirt. 

Auch  ,, Pygmalion,  der  die  Statue  zum  Leben  erweckt",  war  nicht  in  antikisirender,  sondern 
auch  eher  in  romantischer  Weise  aufgefafst.  und  verschiedene  biblische  Scenen  zeigen  eine  fast 
märchenhafte  Darstellungsweise,  bei   der  die  farbige  Stimmung   eine   Hauptrolle  spielt. 

Sein  räumlich  umfangreichstes  \A^erk  hat  der  Künstler  für  das  Gebäude  der  Ausstellung  1902 
in  Düsseldorf  bestimmt,  nämlich  die  Malerei  des  kolossalen  Frieses,  welcher  die  Kuppel  im  Innern 
umgeben  soll.  Der  eigentliche  Fries,  den  vier  grofse  halbrunde  Bilder  unterbrechen,  stellt  die 
Entwicklung  von  Handel  und  Gewerbe  dar.  Zwei  gröfsere,  ebenfalls  halbrunde  Bilder  unterhalb 
des  Frieses  krönen   die  Hauptdurchgänge  der  Kuppelhalle. 

Abgesehen  von  seiner  reichen  und  vielseitigen  künstlerischen  Thätigkeit  ist  Professor  Roeber 
seit  1894  als  Secretär  und  ordentlicher  Lehrer  an  der  Königlichen  Kunstakademie  thätig  und 
begann  als  solcher  Vorlesungen  über  Costümkunde  zu  halten,  die  sich  des  gröfsten  Zuspruches 
von  Seiten  der  Studirenden  erfreuen. 

In  den  letzten  Jahren  •  haben  aufserdem  die  geschäftlichen  Vorbereitungen  zu  der  grofsen 
Ausstellung  1902  Roeber  stark  in  Anspruch  genommen,  ohne  dafs  bei  seiner  fabelhaft  elastischen 
Natur  ein  Nachlassen  der  künstlerischen  Thätigkeit  bemerkbar  gewesen  wäre,  die  im  Gegentheil, 
zumal  in  seinen  Gemälden  für  Münster,  nach  der  Seite  coloristisch-decorativer  Wirkung  eine  er- 
höhte Stärke  und  vermehrten  Reichthum  zeigt. 

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Eine  von  den  Vorgenannten  wesentlich  verschiedene  Natur  war  der  Hamburger  Carl  Gehrts, 
der,  1853  als  Sohn  eines  Anstreichers  geboren,  seine  Studienjahre  als  Schüler  von  Gussow  und 
A.  Baur  in  Weimar  verlebte  und  namentlich  letzterem  Künstler  wichtige  Anregungen  zu  verdanken 


333 


hatte.  Er  folgte  ihm  auch,  als  Baur  wieder  nach  Düsseldorf  zurückkehrte,  und  liefs  sich  hier 
1876  nieder,  um  eine  ebenso  vielseitige,  wie  fruchtbare  Thätigkeit  zu  entwickeln.  Auch  bei  Gehrts 
machte  sich  die  moderne,  etwas  nervöse  Vielseitigkeit  bemerkbar,  auf  welche  die  jüngeren  Künstler 
ein  vielleicht  übertriebenes  Gewicht  legen.  Als  Illustrator,  als  Schöpfer  von  grofsen  und  kleinen 
StafTeleibildern  in  Aquarell  und  Oel,  als  Ornamentiker  und  Kunstgewerbler,  schliefslich  sogar  als 
Monumentalmaler  ist  Gehrts  unermüdlich  thätig  gewesen  und  fast  auf  allen  Gebieten  hat  er, 
trotzdem  er  schon  vor  der  Zeit,  i8g8,  im  kräftigsten  Mannesalter  und  auf  der  Höhe  des  Erfolges, 
aus  dem  Leben  scheiden  mufste.  Hervorragendes  in  einer  fast  unendlichen  Reihe  von  Arbeiten 
geleistet.  Ein  früher  Auftrag,  nämlich  ein  Gartenhäuschen  auszumalen,  liefs  ihn  jene  kleine  Welt 
der  Gnomen  und  Waldmännchen  gewissermafsen  für  die  Kunst  entdecken,  aus  der  er  zahlreiche 
liebenswürdige  Motive  geschöpft  hat.  Sein  unverwüstlicher  Humor,  seine  reiche  Gestaltungskraft 
und  sein  feiner  coloristischer  Sinn  hat  in  diesen  auch  räumlich  meist  anspruchslosen  Arbeiten 
die  schönsten  Erfolge  zu  verzeichnen.  Kaum  in  Düsseldorf  angekommen,  begann  er  aber  auch  ein 
gröfseres  historisches  Genrebild  im  Auftrag  eines  Kunstfreundes,  , .Minnesänger  in  einer  bürgerlichen 
Familie",  das  grofsen  Beifall  fand  und  ihn  zu  einer  noch  gröfseren  Composition  ,,Das  Gastmahl 
des  Hiero"  1882  ermuthigte,  dessen  Erfolg  von  dem  grausigen  Stoff  —  die  Gäste  werden  ermordet 
und  über  den  Leichen  triumphirt  der  barbarische  Wirth  —  trotz  zahlreicher  zeichnerischer  Vorzüge 
beeinträchtigt  wurde.  Durch  diese  Compositionen,  zu  denen  der  Künstler  die  Studien  unter  Anderem 
auf  der  Wartburg  gemacht  hatte,  entwickelte  sich  m  ihm  eine  Vorliebe  für  den  romanischen  Stil, 
die  ihn  nicht  wieder  verliefs  und  sich  immer  wieder,  auch  in  seinen  theilsweise  reizvoll  orna- 
mentirten  Illustrationen  und  seinen  zahlreichen  Aquarellen,  geltend  machte.  Durch  eine  Composition, 
die,  von  Gehrts  zur  bildmäfsigen  Ausführung  bestimmt,  dem  Besteller  zu  historisch  war  und  dann 
als  Zeichnung  veröffentlicht  wurde,  ,,Die  Ankunft  des  Seeräubers  Störtebecker  in  Hamburg"  wurde 
Gehrts  zur  Illustration  geführt,  und  auch  ihr  hat  er  einen  grofsen  Theil  seiner  künstlerischen 
Thätigkeit  gewidmet.  In  kurzen  Zwischenräumen  entwarf  er  die  zum  Theil  höchst  werthvollen 
Zeichnungen  zu  Thomas  a  Kempis,  Schillers  Demetrius,  Goethes  Reineke  Fuchs,  zu  den  Märchen- 
büchern von  J.  Lohmeyer,  Weddingen,  Luise  Pichler,  zum  Tannhäuser  von  Jul.  Wolff  und  zahl- 
reichen anderen  Werken,  aber  auch  für  Zeitschriften,  vor  Allem  für  die  ,, Fliegenden  Blätter". 
Kleinere  und  gröfsere  Aquarelle,  unter  ihnen  die  reizvolle  ,, Hochzeit  des  Petrucchio",  ,, Gastmahl 
des  Macbeth",  ein  ,,Dornröschen-Cyklus",  die  ,, Versteinerung  des  Zwerges  Alvys"  und  vieles 
Andere;  Diplome  und  Adressen,  Entwürfe  zu  Malkasten-Festen  erscheinen  als  eine  farbige  Aus- 
gestaltung dieser  illustrativen  Kunst,  für  die  Gehrts  entschieden  alle  Vorbedingungen  befafs. 


CARL  GEHRTS 

Die   Kunst   in   der  Renaissance 
Wandgemälde  in  der  Kunsthalle  zu  Düsseldorf 


334 


CLAUS    MEYER 
Gefangennahme   Siegfrieds  von   Westerburg,   Erzbischof  von   Köln,   durch   Graf  Adolf  von   Burg  in   der   Schlacht 

bei  Worringen 
Wandgemälde  im   Festsaal  des   Schlosses  Burg  an   der   Wupper 

In  den  Rahmen  dieser  meist  wenig  umfangreichen  Werke  gehört  auch  das  entzückende 
kleine  Bild  ,, Walther  von  der  Vogelweide",  der.  im  W^alde  liegend,  von  Vögeln  und  kleinem 
Gethier  umgeben,  der  geheimnifsvoUen  Sprache  der  Natur  zu  lauschen  scheint.  Hier  hat  Gehrts 
es  vermocht,  auf  kleinstem  Raum  in  einer  einzelnen  Figur  und  dem  naturalistischen  Beiwerk  die 
ganze  poetische  Kraft  seiner  Kunst  auszudrücken  und  zwar  in  einem  Mafse.  wie  ihm  das  bei 
seinen  grofsen  Arbeiten  kaum  wieder  gelungen  ist. 

Verschiedene  Bestellungen  zu  Wanddecorationen  führten  den  rastlosen  Künstler  bald  auch 
auf  dieses  Gebiet.  Es  entstanden  für  den  Pianofortefabrikanten  Ibach  in  Barmen  vier  mittelalter- 
liche Scenen  in  Wachsfarbe,  für  eine  Privatvilla  ein  grofses  Temperabild  mit  Amoretten  als 
Kamindecoration,  ein  Plafond,  ferner  Wandbilder  im  Hotel  Central  in  Düsseldorf,  die  in  geistreichen 
Kindercompositionen  Kunst  und  Wissenschaft.  Handel  und  Industrie  darstellen  und  vieles  Andere, 
bis  die  Betheiligung  an  der  vom  Staat  ausgeschriebenen  Concurrenz  für  die  Ausmalung  der  Kunst- 
halle in  Düsseldorf  1882  dem  Künstler  einen  Preis  brachte  und  damit  die  langersehnte  Gelegenheit 
in  Aussicht  stellte,  sich  auf  diesem  Gebiete  an  einer  grofsen  Aufgabe  zu  bethätigen.  Leider  war 
die  Freude  an  diesem  Sieg  keine  ungetrübte.  Es  wurde  eine  engere  Concurrenz  ausgeschrieben. 
Die  Freunde  des  Künstlers  erblickten  hierin  eine  Zurücksetzung  von  Gehrts,  und  dieser  selbst 
verfiel,  wohl  mehr  infolge  früherer  Ueberarbeitung,  als  infolge  einer  Kränkung,  die  Niemand 
beabsichtigt  haben  konnte,  in  eine  schwere  Krankheit.  Als  dann  bei  der  engeren  Concurrenz  die 
beiden  anderen  Betheiligten  zurücktraten,  konnte  Gehrts  die  Vorarbeiten  beginnen.  Fast  zehn 
Jahre  rastloser  Arbeit,  aber  damit  wohl  auch  eine  Erschöpfung  seiner  Lebenskraft  hat  ihn  dieses 
Werk  gekostet,  das  als  eine  der  hervorragendsten  monumentalen  Malereien  der  Düsseldorfer  Kunst 
gelten  kann.  Es  besteht  aus  zwei  grofsen  Hauptwandbildern,  vier  schmalen  Seitenbildern  und 
16  Lünetten  im  Treppenhaus  der  Kunsthalle,  die  durch  eine  reich  colorirte  decorative  Umrahmung 
zusammengehalten  sind.  Das  Motiv  sind  ,,die  Schicksale  der  Kunst  im  Wechsel  der  Zeiten",  die 
in  den  grofsen  Bildern  auf  historisch  allegorische,  in  den  Lünetten  auf  märchenhafte  Weise 
geschildert  werden.  Die  Hochbilder  zeigen  nacheinander  die  Kunst,  im  Anfang  in  vorgeschicht- 
licher Zeit,  da  sie  sich  nur  auf  die  Anfertigung  roher  Götzenbilder  beschränken  mufste.  Unter 
Roms  Kaisern  winken  ihr  schon  die  gröfsten  Aufgaben,  und  im  Mittelalter  dient  sie  dem  Christen- 
thum.  Das  letzte  Bild  deutet  in  den  Gestalten  des  lehrenden  V/inckelmann  mit  Asmus  Carstens, 
Thorwaldsen  und  Schinkel  das  Erblühen  der  neuen  Kunst  nach  langem  Verfall  an;  ungern  vermifst 
man  gerade  hier  Peter  Cornelius.  Die  grofsen  Langbilder,  die  den  eigentlichen  Mittelpunkt  und 
künstlerischen  Höhepunkt  der  ganzen  Decoration  bilden,  stellen  die  Blüthe  der  Kunst  im  peri- 
kleischen  Zeitalter  und  in  den  Tagen  der  Hochrenaissance  vor. 

Auf  dem  ersten  Bilde  zeigt  Phidias  auf  weiter,  sonnenglänzender  Terrasse  der  Akropolis 
sein  Modell  der  Zeusstatue.  Perikles  mit  Aspasia,  die  berühmten  Künstler  dieser  Zeit,  ganz  zur 
Seite  Diogenes  und  in  reicher  farbiger  Menge  das  Volk  von  Athen  sind  versammelt,  das  Werk 
zu  bewundern  und  so  der  Kunst   ihre  Huldigung   darzubringen. 

Das  gegenüberliegende  Hauptbild  der  Renaissance  ist  in  der  Farbe  reicher,  aber  auch  etwas 
conventioneller.     In  der  Mitte  thront  auf  einem  Marmorsitz  unter  Lorbeer  und  Oleanderbüschen  die 


335 


Kirche,  als  Protectorin  der  Kunst,  umgeben  von  den  Gestalten  der  grofsen  italienischen,  deutschen, 
niederländischen  Künstler  und  Kunstmäcene.  Fast  noch  reizvoller  als  in  den  grofsen  Bildern  sind 
die  Schicksale  der  Kunst  in  den  i6  Lünetten  behandelt.  Hier  zeigt  sich  der  feine  illustrative 
Sinn  des  Malers  in  den  geistreichen  Beziehungen  und  Anspielungen  aufs  vortheilhafteste. 

In  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  beschäftigten  Gehrts  aufserdem  noch  Concurrenzarbeiten 
für  eine  ebenfalls  monumentale  Malerei  in  dem  Rathhause  zu  Hamburg,  die  aber  infolge  seines 
Ablebens  nicht  über  den  Entwurf  hinausgekommen  sind. 

Carl  Gehrts  wurde  durch  einen  vorzeitigen  Tod  der  Düsseldorfer  Kunst  entrissen;  dafür 
schlofs  sich  der  Monumentalmalerei  ein  Künstler  an,  der,  erst  seit  Kurzem  nach  Düsseldorf  berufen, 
mit  gröfstem  Erfolg  hier  den  von  seinem  bisherigen  Schaffen  so  verschiedenen  Weg  betrat.  Claus 
Meyers  Name  und  Thätigkeit  sind  bekannt.  1856  in  Linden  bei  Hannover  geboren,  studirte  er  in 
Nürnberg  nnd  München  und  schuf  sich  im  engsten  Anschlufs  an  die  niederländischen  Genremaler 
des  XVII.  Jahrhunderts  einen  Genrestil,  der,  auch  hierin  dem  W.  Sohnschen  ähnlich,  geradezu  schule- 
machend wirkte.  Von  München  wurde  er  nach  Karsruhe  berufen  und  von  da  im  Jahre  1896  nach 
Düsseldorf  an  die  Akademie  als  Nachfolger  von  W.  Sohn.  Hier  gewann  er  im  Frühjahr  1898 
durch  seine  hervorragenden,  von  durchaus  monumentalem  Geiste  erfüllten  Entwürfe  die  Concurrenz 
um  die  wiederum  vom  Kunstverein  veranstaltete  Ausmalung  des  Rittersaales  des  neurestaurirten 
Schlosses  Burg  an  der  Wupper.  Die  umfangreiche  Arbeit,  die  Scenen  aus  der  bergischen,  auf 
das  Schlofs  Burg  bezüglichen  Geschichte  darstellt,  ist  noch  nicht  ganz  beendet. 


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CLAUS   MEYER 

Auszug  der  Freiwilligen  des   Bergischen   Landes    zur  Zeit  der  Freiheitskriege 

Wandgemälde  im  Festsäal  des  Schlosses  Burg  an   der  \Vupper 

Allen  diesen  Künstlern,  so  verschieden  sie  auch  unter  sich  sein  mögen,  ist  Eines  gemeinsam, 
das  sie  bei  allem  Realismus  ihres  Naturstudiums  von  der  sogenannten  modernen  Kunst,  wie  sie  sich 
bei  den  meisten  Jüngern  und  Jüngsten  an  der  Hand  der  Landschaftsmalerei  entwickelte,  scheidet 
und  sie  eher  mit  der  älteren  Düsseldorfer  Kunst  einerseits,  der  Sohnschule  andererseits  verbindet, 
und  das  ist  die  alte,  specifisch  rheinische  Hinneigung  zur  Historie  und  zur  Romantik,  die  in  der 
Lust  zum  Erzählen  und  Fabuliren,  in  dem  Interesse  an  vergangenen  Zeiten,  die  man  wie  mit  Fausts 
Schlüsseln  wieder  zu  erschliefsen  strebt,  in  der  Freude  an  bunten  Gewändern,  an  den  vielen  Wundern, 
die  in  alten  Mären  erzählt  sind,  sich  ausspricht  und  durch  allen  Realismus  der  Formengabe 
oder  gelegentlichem  Naturalismus  zwischenfallender  Motive  nicht  auf  die  Dauer  zurückdrängen  läfst. 

Und  wie  diese  romantische  Simmung  trotz  Allem  auch  bei  einigen  jüngeren  Figurenmalern 
immer  wieder  hervorbricht,  ja  in  der  Kühnheit  ihrer  Phantastik  eher  stärker  geworden  zu  sein 
scheint,  das  ist  einer  der  kräftigsten  Beweise  für  die  Gesundheit  der  Düsseldorfer  Malerei,  die 
niemals  in  dem  Mafse  der  öden,  jetzt  eigentlich  überall  schon  längst  überwundenen  Wirklichkeits- 
malerei verfallen  war,  wie  das  anderwärts  der  Fall  gewesen  ist. 


336 


XIV.  Kapitel 

Die  neueste  Zeit 


DIE  neue  und  neueste  Düsseldorfer 
Malerei  wird  zum  gröfsten  Theil 
getragen  von  den  Schülern  Peter 
Janfsens  einerseits,  den  Schülern 
Dückers  andererseits.  Eine  eigent- 
liche „Moderne",  wie  sie  anderwärts 
entweder  auf  energischem  Impressio- 
nismus oder  aber  blofs  auf  haltlosem 
Nachahmen  ausländischer  Kunst  be- 
ruht, besitzt  Düsseldorf  nicht,  und  das 
ist  einer  der  vielen  Gründe,  weshalb 
die  Düsseldorfer  Kunst  aufserhalb 
zuweilen  als  rückständig  bezeichnet 
worden  ist.  Es  kann  nicht  geleugnet 
werden,  dafs  Manches  von  diesen 
neuzeitlichen  Bestrebungen,  ein  inten- 
siveres Farbenstudium,  ein  conse- 
quentes  Freilichtmalen,  vor  Allem  eine 
freiere  und  rücksichtslosere  Motiven- 
wahl, der  Düsseldorfer  Malerei  nur 
zu  sehr  fehlt.  Die  uralte  Furcht  vor 
,, gemalten  kühnen  dummen  Streichen" 
macht  sich  noch  immer  geltend,  und 
wo  sie  Einer  einmal  zu  überwinden 
sich  anschickte,  da  stellten  sich  dem 
kecken  Neuerer  gleich  so  viele  Hinder- 
nisse in  den  Weg,  dafs  er  entweder 
reumüthig  zu  den  altgewohnten  Mo- 
tiven zurückkehrte  oder  Düsseldorf 
verliefs.  Andererseits  blieb  aber 
Düsseldorf  bewahrt  vor  dem  unge- 
sunden nervösen  Hin-  und  Hertasten, 
dem  ziellosen  Experimentiren,  dem  in 
München  und  anderwärts  viele  junge 
Talente  zum  Opfer  gefallen  sind.  Das 
ruhigere  niederrheinische  Tempera- 
ment, das  sich  auch  dem  Hergezogenen 
mittheilt  oder  ihn  doch  mindestens 
beeinflufst,  die  tief  ausgefahrenen 
Geleise  bewahrten  vor  allzu  kecken  Seitensprüngen.  Der  Mangel  an  internationalen,  überhaupt 
umfassenden    Ausstellungen,    der    wahrlich    nicht    als    etwas    Erfreuliches    bezeichnet    werden    soll, 


GUSTAV  MARX 
Bildnis  Kaiser   Wilhelms   II. 


337 


schützte  aber  doch  vor  der  lächerlichen  Ausländerei,  in  die  anderwärts  die  moderne  deutsche 
Kunst  eine  Zeitlang  verfallen  war.  Freilich  ist  hier  der  Rückschlag  bei  den  Künstlern  selbst 
schon  deutlich  bemerkbar,  zum  grofsen  Mifsvergnügen  jener  sogenannten  Kunstgelehrten,  die  den 
Internationalismus  oder  das  Unnationale  in  der  deutschen  Kunst  als  das  einzig  Richtige  predigen. 
Aeufserlich  steht  die  Kunst  der  letzten  zehn  Jahre  allerorts  unter  dem  Zeichen  der  Secessionen 
und  der  Ausstellungen,  und  in  beschränktem  Mafse  gilt  das  auch  für  Düsseldorf.  Auch  Düsseldorf 
mufste  seine  Secession  haben,  deren  Resultat  sich  nach  aufsen  natürlich  in  den  Ausstellungen 
kundgab.  Zuerst  entstand  eine  Vermehrung  der  regelmäfsigen  Ausstellungen  über  die  alte  Pfingst- 
ausstellung  des  Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  hinaus,  dann  eine  Theilung  der 
Künstlerschaft  überhaupt  und  damit  auch  eine  Theilung  der  neuen  Errungenschaft  in  zwei 
„Salons".  Und  bei  dieser  einen  Secession  blieb  es  nicht.  Es  zweigten  sich  im  Laufe  der  Jahre 
von  der  ersten  Secession  der  „Freien  Vereinigung"  noch  etliche  Gruppen  ab,  so  zuerst  der 
Verein  „Lucas",  dann  die  „Künstlergruppe  1899",  und  jede  dieser  Vereinigungen  mufste  alljährlich 
wieder  eine  oder  zwei,  naturgemäfs  kleine  Ausstellungen  veranstalten,  die  immerhin  belebend  auf 
die  Physiognomie  des  Ausstellungslebens  einwirkten.  Interessante  und  werthvolle  Veranstaltungen, 
namentlich  die  graphischen  und  Aquarell-Ausstellungen  des  Kunsthändlers  Bismeyer  kamen  hinzu, 
die  auch  hier  und  da  die  Bekanntschaft  mit  Auswärtigem  und  Ausländischem  vermittelten,  und 
so  bereitete  sich  ganz  naturgemäfs  das  grofse  Unternehmen  vor,  welches  nach  dem  Vorgang  eines 
ähnlichen  im  Jahre  1880,  das  für  die  Kunst  selbst  weniger  folgereich  gewesen  war  als  für  das 
Kunstgewerbe,  die  Jahrhundertwende  in  der  ,, Allgemeinen  nationalen  Ausstellung  1902"  feiern  soll. 
Eine  kritische  Geschichte  der  Kunst  der  letzten  20  Jahre  zu  schreiben,  ist  es  noch  nicht  an 
der  Zeit.  Schon  jetzt  hat  eine  ruhigere  Beurtheilung  über  die  einst  so  aufregend  erscheinenden 
Ereignisse  des  Jahres  1891  Platz  gegriffen,  und  das  nächste  Jahrzehnt  wird  es  erweisen  müssen, 
ob  die  Errungenschaften  der  Secession  von  dauernder  und  einschneidender  Wirkung  sind.  Dafs 
sie  belebend  und  anfeuernd  gewirkt,  manches  Abständige  und  W^elke  beiseite  geschoben  haben, 
steht  jetzt  schon  aufser  Zweifel,  etwas  wirklich  Neues  und  Grofses  haben  sie  aber  auch  hier  vor- 
läufig noch  nicht  entstehen  lassen. 

Ehe  eine  Anzahl  jüngerer  Künstler,  auf  denen  die  Hoffnung  der  Düsseldorfer  Malerei  für  unsere 
Zeit  ruht,  genannt  werden,  müssen  einige  Maler  erwähnt  werden,  die  nach  ihrem  Entwicklungsgange 

ähnlich  wie  verschiedene 
der  schon  früher  ge- 
nannten Landschaftsmaler 
zwischen  den  Alten  und 
den  Jungen  stehen,  die 
nach  Alter,  Stoffgebiet  und 
Malweise  theils  nach 
dieser,  theils  nach  der 
andern  Seite  neigen,  sich 
aber  äufserlich.  soweit  sie 
nicht  von  selbst  zu  ihnen 
gehören,  energisch  den 
Kommenden,  den  Jungen 
angeschlossen,  oder  sie  so- 
gar angetrieben  und  beein- 
flufst  haben.  Sie  stammen 
zum  Theil  aus  der  Sohn- 
Schule,  deren  schon  im 
Allgemeinen  überwundene 
Aeufserlichkeiten  sie  aber 

vollkommen  abgestreift 
haben ;  zum  Theil  haben  sie 
ihre  Studien  nicht  inDüssel- 
dorf gemacht  und  waren 
somitganzbesonders  geeig- 
net, einen  frischen  Luftzug 
GREGOR  VON  BOCHMANN  in  die  hiesigen  Verhältnisse 

Ein  Bettler  ZU  bringen. 


338 


Gregor  von  Bochmann  dürfte  hier  als  Erster  zu  nennen  sein.  Er  ist  1850  in  Esthland  ge- 
boren, besuchte  1868  die  Akademie  in  Düsseldorf  und  wurde  schon  1871  selbständig.  Sein  Stoff- 
gebiet ist  ein  überaus  reiches.  Wenn  er  auch  mit  Vorliebe  immer  wieder  auf  das  Volksleben 
seiner  Heimath  zurückgeht,  so  malt  er  doch  gelegentlich  auch  Motive  aus  Holland  und  Belgien 
oder  auch  aus  der  Umgegend  von  Düsseldorf,  die  er  in  einer  höchst  subjectiven  Farbengebung  zu 
eigenartigen  coloristischen  Meisterwerken  zusammenzustimmen  weifs.  Er  verzichtet  meist  auf 
Naturalismus  in  der  Farbe  und  bevorzugt  eine  feine  braune  oder  selbst  schwärzliche  Gesammt- 
wirkung,  obwohl,  wie  einige  Seestücke  beweisen,  seine  starke  Naturauffassung  ihn  auch  zu 
absolutem  Realismus  befähigt.  Von  seinen  Bildern  mögen  einige  hier  genannt  sein,  da  sie 
wenigstens  die  Reichhaltigkeit  seines  Stoffgebietes  charakterisiren.  So  entstand  schon  1872 
,, Sonntag  bei  der  Kirche  in  Esthland",  ,,An  der  Schleuse"  (Holland)  1875,  ,, Werft  in  Südholland", 
„Am  alten  Fischmarkt  zu  Reval",  , .Holländisches  Strandbild",  „Am  Kruge"  (Esthland),  „Am 
Strande"  (Holland),  , .Holländisches  Strandleben"  u.  s.  w. 

In  der  engen  Verbindung  des  Figürlichen  mit  dem  landschaftlichen  Theil,  wobei  letzterer 
die  Oberhand  behält,  sei  es  infolge  der  Kleinheit  der  Figuren,  sei  es  in  der  starken  Betonung  der 
lediglich  malerischen  Wirkung  einer  Figur  im  Freien,  wobei  auf  das  genrehafte  Motiv,  den  Gesichts- 
ausdruck u.  s.  w.  weniger  'Werth  gelegt  wird,  zeigt  sich  bei  ihm  jene  entschieden  moderne 
Strömung,  von  der  die  Düsseldorfer  Kunst  früher  berührt  wurde,  als  man  im  Allgemeinen  annimmt. 
Auch  verschiedene  andere  von  der  Akademie  ganz  unabhängige  und  meist  aufserhalb  gebildete 
Künstler  haben  in  ähnlichem  Sinne  gearbeitet.  Hand  in  Hand  mit  ihrer,  man  könnte  sagen 
landschaftlichen,  Darstellungsweise  geht  die  grofse  Vielseitigkeit,  welche  sie  auszeichnet  und  sie 
auch  hierdurch  zu  Führern  der  sogenannten  secessionistischen  Bewegung  stempelte,  die  zu  Beginn 
der  90er  Jahre   in  Düsseldorf  auftrat. 

Neben  v.  Bochmann  ist  da  zunächst  Adolf  Lins  zu  nennen,  der  1856  in  Cassel  geboren  wurde 
und  dort  die  Kunstschule  besuchte,  worauf  er  1877  nach  Düsseldorf  übersiedelte  und  ein  Jahr  unter 
der  Correctur  von  Brütt  arbeitete.  Von  1878 — 80  war  er  wieder  in  Cassel  beschäftigt,  um  sich  1880 
selbständig  in  Düsseldorf  niederzulassen.  Lins  malt,  kurz  gesagt.  Alles,  was  er  sieht,  und  zwar 
Alles  mit  derselben  frischen,  gesunden  Natürlichkeit,  Menschen  und  Thiere,  Bäume  und  Häuser, 
Wiesen  und  W^asser.  Sehr  früh  begann  er  Thierbilder  zu  malen,  wobei  er  eine  Zeitlang  zahmes 
Geflügel  bevorzugte,  dazwischen  kamen  Landschaften  mit  figürlicher  und  Thier-Staffage,  dann 
Genrebilder  im  Interieur  und  im  Freien. 

Die  intensive  Führerschaft  bei  der  Secession  hatte  auch  bei  Lins  eine  erstaunliche  Steigerung 
der  künstlerischen  Productivität  zur  Folge.  Es  entstanden  vortreffliche  Porträts,  vorzügliche  Akt- 
studien, fast  lebensgrofse,  höchst  farbige  Thierstücke  (Kuhbilder)  und  sogar  decorativ  monumentale 
Arbeiten,  die  allerdings  durchaus  auf  dem  Boden  genrehafter  Wirklichkeit  blieben.  Von  den 
jungen  Künstlern  wurde  Lins  mit  am  meisten  bei  den  Ankäufen  des  Kunstvereins  berücksichtigt, 
da  seine  Bilder  die  seltene  Eigenschaft  besitzen,  nicht  nur  auf  einem  gesunden  künstlerischen 
Boden  zu  stehen,  sondern  auch  dem  Publikum  zu  gefallen,  und  letzteres  Moment  kann  und  darf 
nun  einmal  bei  den  Ankäufen  des  Vereins  nicht  aufser  Acht  bleiben,  wenn  es  zu  gewissen  Zeiten 
vielleicht  auch  mehr  berücksichtigt  worden  ist.  als  gerade  nothwendig  war. 

Von  ähnlicher  Vielseitigkeit  ist  Gustav  Marx,  der  seine  Hauptstudien  auch  nicht  durchaus 
Düsseldorf  verdankt.  Er  ist  1855  in  Hamburg  geboren  und  mufste  sich  unter  dem  Druck  der 
Verhältnisse  zuerst  mit  der  Lithographie  beschäftigen.  Ein  Stipendium  gewährte  ihm  die  Mög- 
lichkeit, sich  der  Kunst  zu  widmen.  Er  kam  1874  nach  Düsseldorf,  wo  er  Schüler  von  Christian 
Kröner  wurde,  sich  aber  hauptsächlich  durch  Selbststudium  förderte.  Das  geht  schon  daraus 
hervor,  dafs  er  keineswegs  die  Motive  seines  Lehrers  malt,  sondern  statt  des  Wildes  haupt- 
sächlich das  Pferd  studirt.  Bei  aller  Vielseitigkeit,  die  Marx  späterhin  bewies,  zeigt  sich  doch 
eine  bestimmte  Neigung  für  eine  gewisse  Richtung,  die  in  dem  sonst  so  eleganten  Düsseldorf 
merkwürdig  wenig  gepflegt  wird,  nämlich  für  die  Darstellung  des  Pferdesports,  der  Sportswelt, 
der  , .schönen  W^elt"  mit  Allem,  was  zu  ihr  gehört,  überhaupt. 

Aber  diese  Vorliebe  bedeutet  keine  Einschränkung.  Ebenso  häufig,  wie  das  Cavalleriepferd 
oder  das  Reitpferd  mit  seinen  schneidigen  Reitern  und  eleganten  Reiterinnen,  hat  Marx  das  Arbeits- 
pferd gemalt;  ebenso  gerne,  wie  die  Arbeiterin  auf  dem  Felde,  malt  er  die  Dame  im  Salon,  und 
in  zahlreichen  Militärbildern  und  lebensgrofsen  Kaiserporträts  streift  er  das  Gebiet  der  modernen 
Historie.  Verschiedene  Städte  besitzen  solche  Kaiserporträts  zu  Pferde,  in  den  sich  Marx,  ebenso 
wie  in  wirklichen  Schlachtenbildern,  als  verständnifsvoller  Militärmaler  bewährt,  der  aber  über 
der  militärischen  Correctheit  niemals  die  malerische  Wirkung  aufser  Acht  läfst. 

22* 
341 


HUGO  MÜHLIG 
Mittagspause 

Nicht  ganz  so  vielseitig  wie  die  Vorgenannten,  aber  in  der  gleichmäfsig  vortrefflichen  Be- 
handlung der  Figuren,  vi^ie  der  Landschaft,  im  selben  Sinne  schaffend,  ist  Hugo  Mühlig.  Er  wurde 
1854  in  Dresden  geboren,  besuchte  dort  die  Akademie  und  liefs  sich  1881  in  Düsseldorf  nieder,  wo 
er  in  einer  fast  unerreichten  Productivität  mit  seinen  meist  nicht  umfangreichen,  aber  aufs  Feinste 
ausgeiührten  Bildern  die  Ausstellungen  regelmäfsig  beschickt.  Mühlig  liebt  die  Sonne  und  das 
flache  in  Blüthe  stehende  oder  erntereife  Feld.  Erntebilder  sind  fast  seine  Specialität;  aber  auch 
die  Jagd  mit  ihren  belebten  Episoden  im  Winter  und  im  Schnee,  und  auch  sie  am  liebsten  bei 
klarem  Wetter,  das  weite  Ausblicke  gestattet,  malt  er  mit  waidmännischem  Verständnifs,  wobei 
ihm  seine  Kenntnifs  des  Thieres  zu  statten  kommt.  Besonders  geschätzt  sind  seine  Aquarelle, 
oder  besser  gesagt  Gouachebilder,  in  denen  er  mit  spitzem  Pinsel  aber  nicht  geringer  coloristischer 
Auffassung  seine  Motive  niederlegt.     Bilder  seiner  Hand  zieren  die  meisten  Galerien. 

Ausschliefslich  Militärmaler  und  eine  künstlerische  Kraft  ersten  Ranges  ist  Theodor  Rocholl, 
der  eine  etwas  unruhige  Entwicklung  durchgemacht  hat,  ehe  er  das  ihm  zweifellos  am  meisten 
entsprechende  Gebiet  fand. 

Er  ist  geboren  1854  in  Sachsenberg  im  Fürstenthum  Waldeck  als  Sohn  eines  protestantischen 
Geistlichen  und  bezog  zuerst  die  Akademie  in  Dresden,  wo  er  mit  dem  später  ebenfalls  nach 
Düsseldorf  übergesiedelten  H.  Mühlig  befreundet  wurde.  Bald  aber  erkannte  er,  dafs  in  Dresden, 
das  damals  noch  keineswegs  die  moderne  Kunststadt  von  heute  war,  nicht  viel  für  ihn  zu  holen 
wäre,  und  ging  nach  München,  wo  er  1875  Pilotyschüler  wurde.  Hier  malte  er  sein  erstes  Bild 
,,TiIl  Eulenspiegel". 

Die  Einjährigenzeit  brachte  ihn  zuerst  in  Berührung  mit  dem  Militär,  dem  er  später  seine 
Motive  entnehmen  sollte,  aber  vorher  gab  sein  Eintritt  in  die  Düsseldorfer  Akademie,  wo  er 
Schüler  von  Gebhardt  und  nachher  von  Sohn  wurde,  ihm  noch  eine  andere  Richtung.  Bei  Sohn 
entstanden  verschiedene  Bilder,  die  den  Uebergang  aus  dem  historischen  Genre  zum  Reiterbilde 
andeuten,  so  ,, Landsknechte  auf  der  Flucht"  und  ein  grofses,  nicht  ganz  glückliches  Bild  „Germanen- 
wanderung". Kleinere  Militärbilder  entstanden  zwischendurch  und  endlich  als  erste  selbständige 
Arbeit   das   entscheidende  Bild  „Abgesessen",    ein   Trupp    Husaren,    die    an    einer  \Ai^aldwiese   Halt 


342 


THEODOR   ROCHOLL 
Episode    aus   der   Schlacht   bei   Vionviile 


gemacht  haben.  Noch  bedeutender  und  von  gröfster  dramatischer  Kraft  war  der  „Todesritt  von 
Vionville"  1887,  mit  dem  Rocholl  sofort  in  die  erste  Linie  der  deutschen  Kriegsmaler  trat,  die  er 
an  Temperament  und  geistreicher  flotter  Malweise  Alle  übertrifft.  Die  Gelegenheit  zu  eingehendem 
Studium  bei  einem  Kürassierregiment  hatte  ihm  Anregung  zu  diesem  glänzenden  Bilde  gegeben, 
dem  nun  in  rascher  Folge  andere  folgten,  in  denen  Rocholl  die  eminent  malerische,  das  modern 
militärische  Costüm  mit  der  alten  Rittertracht  verbindende  Uniform  der  Kürassiere  bevorzugte.  Den 
,, Todesritt"  erwarb  die  Verbindung  für  historische  Kunst.  Es  folgt  das  in  der  Wirkung  ebenfalls 
überaus  mächtige  ,, Vorbei":  die  Spitze  eines  Kürassierregiments  trifft  auf  die  Leiche  eines  Kameraden, 
und  1888  die  wieder  höchst  bedeutende  Episode  aus  der  Schlacht  bei  Vionville  , .Wachtmeister  Kaiser 
rettet  den  schwerverwundeten  Leutnant  v.  Sierstorff  aus  der  Schlacht". 

Es  folgten  die  ruhiger  gehaltenen  Bilder  ,, Kaiser  Wilhelms  L  letzte  Heerschau"  und  „Kaiser 
Wilhelms  Ritt  um  Sedan",  das  der  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  ^A^estfalen  durch 
Professor  E.  Forberg  als  Prämienblatt  für  1896  radiren  liefs,  dann  aber  1891  ,,Der  Kampf  um  die 
Standarte",  in  der  Rocholl  wieder  seinem  Temperament  die  Zügel  schiefsen  liefs.  Die  Situation 
führt  in  den  Mittelpunkt  der  tobenden  Feldschlacht.  Die  realistische  Darstellung  der  durch- 
einander stürzenden  Menschen  und  Pferde,  der  von  Pulverdampf,  Staub  und  kugelzerfetzten 
Baumzweigen    erfüllten    Luft    läfst    weder    an    Sieg    noch    an    Begeisterung  ^mehr    denken,    sondern 

nur  an   erbittertes  Ringen  

und  wildes  Morden. 

Rocholl  war  mit  diesen 
Bildern  entschieden  an 
die    Spitze    der    deutschen 

Schlachtenmalerei 
getreten,  und  man  brauchte 
seitdem  nichtmehr  darüber 
zu  klagen,  dafs  der  grofse 
Krieg  nur  die  Besiegten 
zu  bedeutenden  Bildern 
begeistert  habe. 

,, Vorpostengefecht"  1891, 
und  1892  der  „Husaren- 
streich" setzten  die  Reihe 
dieser  lebhaft  bewegten 
Bilder  fort.  Schon  der  Vor- 
wurf des  letzteren  Bildes 
ist  ein  fesselnder  und  eigen- 
artiger. In  der  Schlacht 
bei  Vionville  wurden  ver- 
wundete Mannschaften  und 
Offiziere  des  7.  Kürassier- 
Regiments,  unter  ihnen  Rittmeister  von  Heister,  gefangen  genommen  und  in  einem  Gehöft  unweit 
des  späteren  Schlachtfeldes  von  Gravelotte,  der  sogenannten  Ferme  de  Mogodor,  untergebracht. 
Eine  Husarenpatrouille  (15.  Regiment,  Wansbecker)  unter  Rittmeister  von  MöUendorf  überfiel  den 
Hof,  rettete  die  Gefangenen  und  führte  sie  zu  Pferde  und  auf  einem  schnell  requirirten  Leiter- 
wagen fort.  Von  überzeugender  Wahrheit  war  „das  Hoch  auf  den  Kaiser",  von  grofser  Kraft  die 
Gestalt  des  „in  Feindesland"  entschlummerten  Kürassiers  1895,  ^^^  von  einer  fast  gespensterhaften 
Wirkung  das  grofse  Bild,  das  die  Düsseldorfer  Kunsthalle  erwarb,  ,, Nachzügler  bei  siegreicher 
Attaque". 

In  dem  Jahre  1897  machte  Rocholl  den  griechisch-türkischen  Krieg  mit,  der  ihm  Gelegenheit  zu 
zahlreichen  trefflichen  Studien  gab  und  die  Anregung  zu  den  Bildern  ..Tscherkessenritt"  und  , .Schlacht 
von  Domokos";    1900 — 1901    reiste   Rocholl    auf  Einladung    des   Deutschen  Kaisers    mit   nach    China. 

Wie  alle  Schlachtenmaler,  ist  Rocholl  auch  von  Anfang  an  als  Illustrator  thätig.  Aus  einer 
früheren  Zeit  stammen  20  Federzeichnungen  ,,W^aldeinsamkeit",  in  denen  sich  noch  eine  zarte, 
poetische  Empfindung  ausspricht,  später  erschienen  die  Illustrationen  zu  dem  bei  Bruckmann 
erschienenen  Werk  , .Kaiser  W^ilhelm  und  seine  Zeit" ;  als  Erinnerung  an  den  griechisch-türkischen 
Krieg  gab  er  sein  Skizzenbuch  desselben  heraus,  und  zuletzt  stellte  er  zahlreiche  Zeichnungen  zu 
einem  grofsen  Werk  über  das   deutsche  Rofs  aus. 


THEODOR  ROCHOLL 
Nachzügler  bei  siegreicher  Attaque 


345 


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Jünger  als  Rocholl  ist  Erich  Matschafs,  der  ebenfalls  ausgesprochener  Kriegsmaler  ist.  Im 
Jahre  1866  in  Berlin  geboren,  besuchte  er  dort  kurze  Zeit  die  Akademie,  bildete  sich  aber  haupt- 
sächlich als  Autodidakt.  Seit  1895  lebt  er  in  Düsseldorf,  wo  er  verschiedene  gut  aufgefafste  und 
namentlich  auch  in  der  landschaftlichen  Stimmung  werthvolle  Bilder  gemalt  hat.  So  „Die  Fahne 
der  16  er",  „Le  Bourget",  „Die  16er  bei  Beaune  la  Rolande",  dann  verschiedene  kleinere,  zuweilen 
leicht  humoristische  Bilder. 

Ebenfalls  einen  ziemlich  wechselvollen  Studiengang,  der  seiner  Vielseitigkeit  entspricht,  machte 
Albert  Baur  jr.  durch.  Als  Sohn  des  Historienmalers  1868  in  Düsseldorf  geboren,  besuchte  er 
nacheinander  die  Akademien  von  Düsseldorf,  München  und  Karlsruhe,  wo  er  Schüler  von  Peter 
Janfsen,  Wilhelm  Diez  und  Hermann  Baisch  war,  und  ging  dann  nach  Paris,  wo  er  bei  Lefebre 
arbeitete.  Schliefslich  trat  er  noch  einmal  auf  der  Düsseldorfer  Akademie  in  das  Meisteratelier 
des  eben  dorthin  berufenen  Claus  Meyer  ein  und  arbeitet  nun  seit  1898  selbständig. 

Sein  Stoffgebiet  ist  das  des  modernen  Militär-  und  Sportmalers;  er  verschmäht  es  aber  nicht, 
auch  historische  Compositionen  zu  entwerfen  und  sich  an  derartigen  Concurrenzen  eifrig  zu 
betheiligen.  Seine  ersten  Bilder  stammen  aus  der  Zeit  der  napoleonischen  Kriege:  ,, Rufsland  1812" 
war  das  erste;  es  folgte  ein  sehr  lebendiger  und  mit  ebenso  grofser  künstlerischer,  wie  militärischer 
Schneid  ausgeführter  ,,Seidlitz  bei  Rofsbach",  sowie  ein  Blücherbild:  , .Vorwärts  nach  Waterloo". 
Reiterporträts  und  verschiedene  kleinere  Bilder  militärischen  und  sportlichen  Inhalts  entstanden 
zwischendurch,  während  m  der  letzten  Zeit  ein  grofses  Historienbild,  das  er  im  Auftrag  des 
Kunstvereins  ausführt,  den  jungen  Künstler  beschäftigt.  Zum  Gegenstand  hat  es  eine  Scene  aus 
der  älteren  bergischen  Geschichte:  ,,Der  Leiche  des  erschlagenen  Bischofs  Engelbert  von  Köln 
wird  vor  den  Thoren  von  Schlofs  Burg  der  Einlafs  verwehrt". 

Es  mögen  auch  hier  wieder  im  Anschlufs  an  die  Kriegsmaler  die  jüngeren  Thiermaler 
genannt  werden,  die  sich  allerdings  hauptsächlich  auf  das  Wild  beschränken  und  die  Pferdemalerei 
den  Soldatenmalern  überlassen. 

Noch  Schüler  von  C.  F.  Deiker  und  in  seinem  Smne  schaffend,  lebte  bis  anfangs  der  90er  Jahre 
F.  Klingender,  ein  geborener  Engländer,  in  Düsseldorf,  der  neben  vielen  kleinen   und  nicht  immer 
bedeutenden  Bildern  1891   auch  ein  vortreffliches  lebensgrofses  Bild  gemalt  hatte:    ,,Achtzehnender 
Hirsch    von  Wölfen    zer- 
rissen", das  mit  Glück  dem 
grofsen  Wurf  der  älteren 
niederländischen   Jagdbil- 
der nachstrebte.     Er   sie- 
delte später  nach  Cronberg 
im  Taunus  über. 

Ebenfalls  Deikerschüler 
ist  Fritz  Schürmann,  der 
sich  meist  auf  kleinere 
Bilder  beschränkt  und 
gerne  Scenen  aus  dem 
Leben  des  Meister  Rei- 
necke und  seiner  Jagd 
darstellt. 

Bedeutender  als  diese 
Beiden    ist    der    1854    in 

Düsseldorf  geborene 
Henke,  dessen  Jagdbilder 
sich  durch  feines  Colorit. 
vortreffliche  Zeichnung 
und  namentlich  durch  eine 
hervorragende  Durchbil- 
dung der  Landschaft  aus- 
zeichnen. In  letzter  Zeit 
sind  noch  Graf  Brühl  und 
Appel  mit  guten  Thier- 
bildern  in  die  Oeffentlich-  albert  baur  JR. 

keit  getreten.    Letzterer  ist  Seydiitz   bei  Rossbach 


347 


Schüler  von  Julius  Bergmann  (geboren  1861  zu  Nordhausen,  studirte  am  Städelschen  Institut  in 
Frankfurt),  der  1898  an  die  Akademie  berufen  wurde,  um  dort  eine  Thierklasse  zu  gründen,  die 
sich  bereits  eifrigen  Zuspruchs  erfreut.  Bergmanns  hervorragende  Kuhbilder  und  grofse  Land- 
schaften von  feinstem  Stimmungsreiz  dürften  berufen  sein,  ein  neues  Element  in  die  Düsseldorfer 
Kunst  zu  bringen. 

Mehr  Landschaftsmaler  als  Thiermaler  ist  Heinrich  Otto,  der  als  Autodidakt  sich  auch  eine 
Sonderstellung  bewahrt  hat.  Er  liebt  es,  seine  Landschaften  mit  Schafen  oder  Schweinen  zu 
Staffiren.     Besonderen  Werth  haben  seine  feingetönten  farbigen   Lithographien. 

*  * 

* 

Die  grofse  Rolle,  welche  bei  allen  diesen  die  Landschaft  naturgemäfs  spielt,  läfst  an  sie 
zwanglos  die  eigentlichen  Maler  dieses  Faches  der  jüngeren  Generation  anschliefsen.  Fast  alle 
sind  sie  schon  Schüler  von  Dücker  oder  von  dessen  ältestem  Schüler  und  späteren  Hülfslehrer 
O.  Jernberg,  der  auf  die  neueste  Landschaftsmalerei  in  Düsseldorf  von  grofsem  Einflufs  war,  wie 
er  auch  lange  ihr  stärkster  Vertreter  war. 

Was  diese  neueste  Landschaftskunst  charakterisirt,  ist  ein  fast  absoluter  Naturalismus,  der 
meist  auch  auf  subjective  Tonwirkung,  wie  sie  die  Schotten  und  Holländer  anstreben,  verzichtet, 
und  die  Wahl  höchst  einfacher  Motive,  entweder  aus  der  nächsten  Umgebung  Düsseldorfs,  die 
sich  durch  das,  was  man  sonst  wohl  landschaftliche  Schönheit  nennt,  nicht  gerade  auszeichnet, 
oder  aus  dem  benachbarten  Belgien  und  Holland.  Es  ist  sonderbar  genug,  dafs  in  Düsseldorf  einige 
deutsche  junge  Künstler  leben,  die  fast  nur  niederländische  Motive  malen.  Der  Gegensatz  gegen 
die  romantische  Malerei  geht  so  weit,  dafs  man  die  schönen  Motive  etwa  des  Benrather  Parkes, 
oder  auch  des  Hofgartens  fast  ängstlich  vermeidet,  und  hier  ist  es  wieder  nur  ein  einziger  junger 
Figurenmaler,  H.  E.  Pöble,  der  in  ganz  romantischer  Weise  und  breiter  decorativer  Ausführung 
Parklandschaften  von  gröfstem  Stimmungsgehalt  malt,  ganz  so,  wie  es  früher  Fritz  Roeber  gethan 
hatte.  Einige  Marinemaler  schliefsen  sich  ziemlich  eng  an  die  Auffassung  A.  Achenbachs  an,  dem 
sie  in  der  W^ahl  ihrer  meist  stark  coloristischen  und  dramatisch  bewegten  Motive  näher  kommen, 
als  ihrem  Lehrer  Dücker. 

Eine  Charakteristik  der  modernen  Landschafter  ist  fast  noch  schwieriger,  als  die  der  älteren, 
da  das  impressionistische  und  coloristische  Element  in  ihren  Bildern,  die  Vorliebe  für  gewisse, 
kaum  in  Worten  zu  beschreibende  Stimmungen,  weit  wichtiger  ist,  als  die  W^ahl  des  Motivs. 
Verschiedene  Künstler  malen  ganz  harmlos  dasselbe  Motiv,  und  wenn  die  äufseren  Verhältnisse 
dieselben  sind,  so  ist  es  schwer,  die  Urheber  zu  unterscheiden. 

Einer  der  ältesten  Dückerschüler  ist  Heinrich  Petersen-Angeln,  geboren  1850  in  Angeln 
(Schleswig).  Er  studirte  zuerst,  seit  1873,  nachdem  er  den  Feldzug  mitgemacht  hatte,  in  Berlin 
und  kam  dann  (1880 — 84)  zur  Akademie  nach  Düsseldorf,  wo  er  sich  eng  an  Dücker  anschlofs. 
Seine  oft  umfangreichen  Bilder  sind  meist  reicher  componirt  als  die  seines  Lehrers,  dabei  aber 
nicht  so  herb  und  streng  in  der  consequenten  Durchführung.  Petersen  liebt  mehr  die  dämmernden, 
nebeligen,  auch  in  der  Sonne  milde  wirkenden  Momente,  als  die,  selbst  am  Abend  klaren  Be- 
leuchtungen, die  Dücker  so  überzeugend  darstellt.  Das  Meer  mit  seinen  einsamen  Dünen  einerseits, 
mit  dem  Getriebe  kleiner  Häfen  anderseits,  ist  Petersens  Hauptdomäne.  Hier  entwickelt  er  eine 
aufserordentliche  Beobachtungsgabe,  die  sich  aber  immer  gerne  an  interessante,  auch  in  der  Farbe 
reizvolle  Motive  anschliefst.  Seine  Dünenbilder  malt  er  zuweilen  in  einer  höchst  feinen  Sonnen- 
beleuchtung und  staffirt  sie  mit  gut  gezeichneten  Figuren.  Petersen  macht  seine  Studien  in 
Belgien,  Frankreich,  Holland  und  Dänemark. 

Ein  jüngerer  Namensvetter  von  Petersen-Angeln,  Petersen-Flensburg,  1861  in  Aarhus  (Jütland) 
geboren,  nähert  sich  ihm  in  Bezug  auf  die  Wahl  der  Motive  mehr,  als  seine  Altersgenossen.  In 
letzter  Zeit  hat  er  auch  mit  Glück  italienische  Seemotive  gemalt. 

Olaf  Jernberg,  geboren  1855  in  Düsseldorf,  ist  der  stärkste  von  allen  aus  der  Dückerschule 
hervorgegangenen  Künstlern  und  einer  der  eigenartigsten  Vertreter  der  Landschaftsmalerei  in 
Deutschland  überhaupt.  Mit  gröfster  Rücksichtslosigkeit  in  Auffassung,  Behandlung  und  Colorit 
geht  er  vor,  um  das  vor  der  Natur  Empfundene  in  seine  meist  umfangreichen  Bilder  förmlich 
hineinzuzwingen.  Er  malt  fast  Alles,  was  er  sieht,  ohne  je  in  Schablone  zu  verfallen:  das  Meer, 
die  Düne,  die  Haide,  Wald  und  Wiesen.  Eine  Vorliebe  scheint  er  für  gewaltsame,  stürmische, 
gewitterschwere  Lüfte,  die  zuweilen  fast  das  ganze  Bild  ausmachen,  zu  hegen.  Dann  wieder 
reizt  ihn  ein  coloristisches  Problem,  ein  ganz  mit  rothen  Blumen  bedecktes,  oder  ein  nach  dem 
Regen   schwarzbraun    gegen    die    zerrissene  Luft   stehendes  Feld.     Auch    den  Schnee    hat  Jernberg 

348 


OLAF  JERNBERG 
In   den   Feldern 


gemalt,  und  er  ist  einer  der  Wenigen, 
der  es  wagte,  die  Schatten  der  Bäume 
auf  dem  weifsen  Schnee  bei  sonnigem 
Himmel  so  blau  zu  malen,  wie  sie 
sind,  und  dieses  Wagnifs  hat  er  1900 
in  einem  seiner  hervorragendsten 
Bilder,  ,, Sonnige  Landschaft",  sogar 
in  den  Sommer  übertragen  und  ener- 
gisch mit  der  Farblosigkeit  und  recept- 
mäfsigen  ,, Wärme"  der  Schatten  ge- 
brochen. In  zahlreichen  kleinen 
Bildern  begnügt  er  sich  auch  mit 
weicheren  Stimmungen,  indem  er 
sehr  richtig  die  räumliche  Gröfse 
seines  Bildes  nach  dem  dramatischen 
Effect  des  Motivs  einrichtet.  Jernberg 
war  von  1882 — i8g8  Hülfslehrer  in  der 
Akademischen  Landschaftsklasse,  und 
sein  Einflufs  auf  die  Schüler  jener 
wichtigen  Zeit  war  vielleicht  stärker, 
wenn   auch  nicht  so  nachhaltig,    wie 

der  von  Dücker.  Jernberg  war  einer  der  energischen  Führer  der  Secession,  was  bei  der  Schärfe, 
mit  der  seine  Kunst  sich  von  der  älteren  trennt,  ziemlich  selbstverständlich  ist.  Seine  Berufung 
im  Jahre  1901  an  die  Akademie  in  Königsberg  war  für  die  Düsseldorfer  Kunst  ein  schwerer  Verlust. 

Eine  weichere  Natur,  dafür  aber  vielseitiger  als  Jernberg,  ist  August  Schlüter,  geboren  1858 
in  Münster.  Er  war  1882 — 88  Schüler  der  Akademie,  machte  gröfsere  Studienreisen  in  Deutschland, 
der  Schweiz  und  Italien,  und  malt  mit  vielem  Erfolg  Motive  aus  diesen  Ländern.  Besonders 
als  Aquarellmaler  hat  er  sich  ausgezeichnet,  und  seine  zum  Theil  umfangreichen  Blätter  fehlen 
kaum  auf  einer  der  Düsseldorfer  Ausstellungen.  In  seiner  Kunst  ist  noch  ein  Rest  des  alten 
Suchens  nach  landschaftlicher  Schönheit  und  dasselbe  läfst  sich  von  einigen  anderen  Malern 
sagen,  die,  sei  es  nach  den  Motiven,  sei  es  nach  der  Art  der  Behandlung,  noch  zuweilen  ein 
wenig  an  die  ältere  romantische  Richtung  erinnern. 

Bei  Fritz  von  Wille,  geboren  1860  in  W^eimar,  könnte  man  diese  Neigung  vielleicht  auf  das 
Erbe  seines  Vaters  August  von  Wille  zurückführen,  wenn  er  auch  in  der  Energie  der  Farbe  und 
des  Vortrages  hinter  keinem  der  Naturalisten  zurücksteht.  Aber  seine  Vorliebe  für  alte  Burgen, 
für  weite  Ausblicke  und  schöngeformte  Baumgruppen,  die  sich  zuweilen  geltend  macht,  scheidet 
ihn  doch  von  der  Gruppe,  die  sich  um  Jernberg  geschaart  hatte.  Sein  Studiengebiet  sind  der 
Rhein,  und  zwar  der  Ober-  und  Mittelrhein,  nicht  der  , .poesielose"  Niederrhein;  Hessen,  der  Harz, 
die  von  Lessing  einst  bevorzugte  Eifel  und  auch  zuweilen  Italien.  Uebrigens  ist  Wille  einer  der 
wenigen  jungen  Landschaftsmaler,  die  nicht  bei  Dücker  studirt  haben,  da  er  während  seiner 
Akademiezeit   hatte  Figurenmaler  werden  wollen. 

Auch  Macco  erinnert,  wenigstens  nach  der  Wahl  seines  Studiengebietes,  das  er  seit  1887 
bevorzugt,  an  die  Romantiker.  Er  versucht  nämlich  seit  jener  Zeit  mit  grofsem  Glück  die  gewaltige 
Natur  der  Schweizer  Alpen  in  grofsen  Bildern  zu  schildern,  wobei  er  allerdings  in  Farbe  und 
Technik  sich  der  modernen  Auffassung  anschliefst  und  auch  bei  der  Wahl  der  Motive  die  Compo- 
sition  in  der  Landschaft,  wie  sie  bei  Schirmer  und  seinen  Leuten  unerläfslich  war,  vermeidet. 
Macco  ist  1863  in  Aachen  geboren  und  studirte  von  1880 — 87  auf  der  Akademie.  Zuerst  malte  er 
Stimmungsbilder  von  der  Rhön,  bis  er  endgültig  zu  den  Alpen  überging.  Ein  kurzer  Studien- 
aufenthalt in  München  1887 — 88  hat  ihn  kaum  beeinflufst. 

Arthur  Wansleben  vermittelt  gewissermafsen  den  Uebergang  zum  Niederrhein,  der  eine  ganze 
Gruppe  bis  nach  Holland  hineinführt.  In  Krefeld  1861  geboren,  schildert  er  mit  Vorliebe  die 
melancholische  Poesie  abendlicher  Stimmungen  in  den  öden  sumpfigen  Brurhländereien  seiner 
engeren  Heimath,  oder  verwandte  Motive  in  W^estfalen,  das  er  häufig  bereiste.  Der  Stimmungs- 
gehalt seiner  Bilder  ist  noch  ein  bewufster,  subjectiver  und  beabsichtigter,  kein  impressionistischer, 
wie  ihn  die  folgenden  Künstler  festzuhalten   suchen. 

Diese  schliefsen  sich  entschieden  mehr  an  Jernberg  an,  als  an  Dücker,  besonders  in  der 
Technik,  die  rücksichtsloser  und  lediglich  auf  die  Wirkung  hin    in  manchmal  starkem  Impasto  in 


349 


I 


interessanter  Weise  ver- 
werthet  wird.  Hier  steht 
wohl  Eugen  Kampf,  eben- 
falls, wie  so  viele  treff- 
liche Düsseldorfer  Maler 
ein  Aachener  (geboren 
1861),  an  der  Spitze.  Der 
Umstand,  dafs  er  über- 
haupt nicht  Schüler  der 
Düsseldorfer   Malerei   ist, 

sondern  seine  ersten 
Studien  in  Antwerpen 
1878 — 80  und  in  Brüssel 
1883 — 84  machte,  erklärt 
sowohl  die  Wahl  seiner 
Motive,  die  ihn  fast  aus- 
schliefslich  immer  wieder 
nach  Belgien  führt,  als 
auch   die  Eigenart  seiner 

Technik  und  seines 
Colorits,     das     die     Ver- 
wandtschaft mit   der  bel- 
gischen Malerei  nicht  ver- 
leugnen kann. 

Kampf  ist  tiefer,  satter 
und  energischer  in  der 
Farbe,  als  die  meisten 
anderen  Düsseldorfer,  er 
malt  eben  die  starken 
Farben,  wie  sie  die  eigen- 
artigen  klimatischen   und 

Boden -Verhältnisse  in 
Belgien  entstehen  lassen, 
mit  vollstem  Verständnifs 
und  überzeugender  Treue. 
So  sind  auch  seine  Stim- 

Ist  Kampf  der  Colorist,  so  sucht  Liesegang  den  Reiz  seiner  Bilder  in  feinen  grauen,  nebel- 
haften Stimmungen  der  Uebergangszeiten  im  Jahre  und  im  Tage.  Herbst,  Vorfrühling,  dämmernder 
Morgen  und  Abend  sind  die  Zeiten,  in  denen  er  die  Natur  beobachtet,  und  selbst,  wenn  er  den 
sonnigen  Tag  etwa  im  Herbst  malt,  geschieht  er  nie  mit  der  fast  dramatischen  Wucht,  wie  bei 
Jernberg,  oder  der  reichen  Farbe,  wie  bei  E.  Kampf,  sondern  immer  in  einem  zurückhaltenden, 
bleichenden  Licht,  wie  es  ein  farbloser  Himmel  niedersendet. 

In  dieser  Vorliebe  für  helle,  discrete  Farbe  ist  ihm  W^endling  verwandt,  der  nur  eine  gröfsere 
Vielseitigkeit  zeigt.  Er  ist  1862  in  Büddenstedt,  Herzogthum  Braunschweig,  geboren  und  war  seit 
1880  Schüler  der  Akademie.  Die  Vorliebe,  die  alle  die  Vorgenannten  für  das  Wasser  mit  seinem 
landschaftlichen  Reiz  in  Form,  Farbe  und  Stimmung  haben,  führt  bei  ihm  zu  wirklichen  See- 
bildern, die  er  eine  Zeitlang  so  sehr  bevorzugte,  dafs  man  ihn  damals  zu  den  Marinemalern  hätte 
zählen  können.  Vielfache  Reisen  nach  Belgien,  Holland,  Frankreich,  Italien  und  Nordamerika 
erweiterten  seinen  Gesichtskreis  und  gaben  ihm  auch  in  seinen  Arbeiten  einen  gröfseren  Reichthum 
von  Motiven.  So  entstanden  Bilder  aus  der  alten  Seestadt  Dordrecht,  aus  Hamburg;  Winter- 
landschaften aus  Deutschland  und  auch  einige  treffliche,  namentlich  in  der  Farbe  interessante 
genrehafte  Bilder  im  Interieur,  so  ,,In  der  Kirche"  in  der  Kunsthalle  in  Düsseldorf,  1898,  „Bot- 
schaft von  hoher  See",  1897,  und  Anderes. 

Noch  vielseitiger  ist  Heinrich  Hermanns  (geboren  in  Düsseldorf  1862,  auf  der  Akademie 
von  1883 — 92)  und  vielleicht  unter  den  jungen  Düsseldorfer  Landschaftsmalern  der  begabteste.  Er 
begann  mit  holländischen  Motiven,  die  er  anfangs,  ähnlich  wie  der  ehemals  ebenfalls  in  Düsseldorf 
lebende  Hans  Hermanns,    der  später    nach  Berlin  übersiedelte,    reich    mit  Figuren    staffirte   und  in 


GUSTAV    WENDLING 
In  der  Kirche 


mungen  fast  immer  farbig 
und  nicht  grau  gedacht, 
und  selbst  in  seinen  zahl- 
reichen trefflichen  Aqua- 
rellen findet  sich  der  tiefe, 
volle    Ton    seiner    meist 

sommerlichen,  abend- 
lichen oder  regenschweren 
Bilder  mit  den  rothen  flan- 
drischen Ziegeldächern 
und  den  eigenthümlich 
silhouettirten   Bäumen, 
welche  die  einzelnen  Höfe 
umgeben.       Auch     Erich 
Nikutowsky,  der  als  einer 
der  jüngsten  der  Düssel- 
dorfer    Landschaftsmaler 
seit    einigen   Jahren    erst 
ausstellt,  sucht  die  eigen- 
thümlich melancholischen 
Stimmungen  seiner  Eifel- 
dörfer   und    Gebirgsthäler 
naturgemäfs  in  einer  tiefen, 
zuweilen     fast     schwärz- 
lichen Färbung. 

Kampf  am  nächsten 
steht  Hellmuth  Liesegang, 
geboren  1858  in  Duisburg, 
der  nach  seiner  Studien- 
zeit allerdings  durchaus 
Düsseldorfer  ist,  da  er  die 
Akademie  von  1877 — 1886 
besuchte,  seine  Stoffe  aber 
ebenfalls  fast  ausschliefs- 
lich  aus  Holland  oder  vom 
Niederrhein  entnimmt. 


351 


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denen  er  mit  Vorliebe  das  Strandleben  grofser  holländischer  Städte,  besonders  von  Amsterdam, 
schilderte.  Hier  erlangten  die  Figuren  eine  so  grofse  Bedeutung,  dafs  man  zuweilen  von  Genre- 
bildern im  modernen  Sinne  hätte  reden  können.  Das  Leben  und  Treiben  auf  den  Grachten, 
den  Fisch-  und  Blumenmärkten  des  nordischen  Venedig  fand  in  Hermanns  einen  so  eingehenden 
Schilderer,  wie  kaum  in  Holland  selbst.  Eine  längere  Studienreise  nach  Italien  machte  den 
Künstler  mit  den  landschaftlichen  und  architektonischen  Schönheiten  des  Südens  bekannt,  und 
nun  entstand  eine  Anzahl  höchst  geistreicher  Bilder,  in  der  Mehrzahl  Aquarelle,  aus  italienischen, 
neapolitanischen  oder  sicilianischen  Küstenstädtchen,  dann  aber  Kircheninterieurs,  in  denen  dieser 
einstmals  mit  so  grofser  Vorliebe  gepflegte,  dann  aber  fast  für  Jahrhunderte  in  den  Hintergrund 
getretene  Kunstzweig  in  ganz  moderner  Weise  zu  gröfster  künstlerischer,  namentlich  coloristischer 
Wirkung  gebracht  wurde.  Hermanns  verzichtet  bei  seinen  Innenarchitekturen  auf  die  genaue 
fachmännische  Wiedergabe  des  Architektonischen.  Was  ihn  in  den  alten  italienischen,  aber 
zuweilen  auch  niederrheinischen  und  niederländischen  Kirchen  reizt,  ist  das  geheimnifsvolle 
Halbdunkel,  in  dem  der  matte  Schein  der  Mosaike,  die  Lampen  und  Lichter,  wie  farbige  Edel- 
steine hervorschimmern.  Angeregt  wurde  Hermanns  zu  diesen  von  ihm  in  eigenartigster  Weise 
behandelten  Stoffen  vielleicht  durch  die  vortrefflichen  Aquarelle  dieser  Art,  die  von  Zeit  zu  Zeit, 
gewissermafsen  nur  zur  Erholung,  der  Architekt  Adolph  Schill,  Lehrer  der  Ornamentik-Klasse 
an  der  Akademie,  nach  Reisestudien  zu  malen  pflegt. 

Da  eine  Besprechung  der  Architektur  in  dem  Rahmen  dieses  Werkes  nicht  beabsichtigt  ist, 
möge  dem  verdienten  Schöpfer  der  Düsseldorfer  Brücke  und  verschiedener  Privatgebäude,  dem 
unermüdlichen  Berather  der  Düsseldorfer  Monumentalmaler,  wenigstens  als  Maler  seiner  geist- 
reichen und  coloristisch  bedeutenden  Architekturaquarelle  hier  die  ihm  gebührende  Stelle  unter 
den  Düsseldorfer  Malern  gewahrt  sein.  Wenn  er  auch  nach  seiner  sonstigen  Thätigkeit  und  nach 
der  Zeit  seines  Studienganges  nicht  gerade  hier  am  Platze  erscheint,  so  haben  doch  seine 
Aquarelle  entschieden  anregend  auf  die  neuerliche  Ausübung  dieser  Kunst  in  Düsseldorf  gewirkt, 
zumal  alle  Akademieschüler  längere  Zeit  in  seiner  Klasse  gearbeitet  haben. 

Adolph  Schill  ist  1848  in  Stuttgart  geboren,  studirte  dort  an  der  Hochschule  und  bildete 
sich  in  Wien  und  auf  Reisen  in  Italien  u.  s.  w.  in  seinem  Fach  der  Architektur  und  architekto- 
nischen Decoration  weiter.  Seit  1880  wirkt  er  als  Lehrer  für  Decoration  und  Ornamentik  an  der 
Akademie.  Er  baute  verschiedene  palastartige  Gebäude  und  die  Düsseldorfer  Rheinbrücke.  Bei 
der  Ausstellung  1902  hat  er  die  architektonische  Gesammtleitung  übernommen.  In  seinen 
Aquarellen  bevorzugt  er  die  malerische  Innenarchitektur  Italiens,  insbesondere  Venedigs,  dessen 
Dom  ihn  immer  wieder  zu  neuen  feingestimmten  Blättern  anregt. 

Von  den  Holland-  und  Niederrheinmalem  bis  zu  eigentlichen  Seemalern  ist  der  Abstand  kein 
grofser.  Dafs  A.  Achenbach  hier  mit  den  Jüngsten  selbst  heute  noch  rivalisirt,  wurde  schon  gesagt. 
Ohne  ihn  und  das  dramatische,  um  nicht  wieder  zu  sagen  romantische  Element,  das  er  in  die 
Marinemalerei  hineingetragen  hat,  wäre  auch  die  modernste  Ausgestaltung  desselben  in  Düsseldorf 
nicht  denkbar. 

An  der  Spitze  steht  hier  entschieden,  sowohl,  was  Kraft  der  Farbe,  als  auch  was  positive 
Kenntnifs  des  See-  und  Schiffswesens,  und  ohne  diese  ist  in  unserm  realistischen  Zeitalter  auch 
eine  solche  Kunst  nicht  mehr  denkbar,  anbelangt,  Carl  Becker. 

Er  ist  1862  in  Hameln  geboren,  bezog  1885  die  Akademie  in  Düsseldorf,  nachdem  er  zuerst 
in  Hamburg  unter  H.  Leitner  studirt  hatte,  und  ist  seit  1885  dauernd  hier  ansässig.  Er,  wie  der 
ihm  künstlerisch  nah  verwandte  Erwin  Günther  (geboren  in  Hamburg  1864)  haben  in  die  Marine- 
malerei dieselbe  Kraft  und  Energie  der  Farbe  gebracht,  wie  ihr  Lehrer  Jernberg,  der  übrigens  im 
Anfang  auch  wenigstens  Strandbilder  gemalt  hat,  in  die  Landschaft.  Sie  stellen  das  Meer  seltener 
in  der  Ruhe  dar,  wie  es  Dücker  mit  Vorliebe  thut,  sondern  lieber  in  heftiger  Bewegung,  nicht 
vom  Strande  aus,  sondern  von  dem  Standpunkt  eines  auf  hoher  See  befindlichen  Beschauers. 
Becker  insbesondere  liebt  dabei  stark  beleuchtete  Wolkenbildungen,  Sonnenuntergänge  und  farbige 
Abendstimmungen,  die  er  mit  einer  breiten  und  kühnen  Technik  überzeugend  und  in  gröfster 
Wahrheit  darstellt.  Er  malte  u.  A.  grofse  decorative  Wandgemälde  im  deutschen  Schifffahrt- 
pavillon auf  der  Pariser  Weltausstellung  1900. 

Erwin  Günther  ist  in  seinen  Motiven  vielseitiger.  Während  Becker  meist  an  der  Nordsee 
bleibt,  malte  er  gelegentlich  nach  Studien,  die  er  auf  seinen  vielen  Reisen  gemacht  hat,  auch 
Motive  aus  England,  aus  dem  Atlantischen  und  Stillen  Ocean,  wobei  er  die  berühmte  blaue 
Farbe  der  südlichen  Meere,  die  dem  grofsen  Eduard  Hildebrandt  einst  den  billigen  Spott  der 
Berliner  eingetragen  hatte,    nicht  scheut,    sondern   sie   mit   gröfster  Kraft  und  Wahrheit  anwendet. 

23 
353 


Einep  Gegensatz  zu  diesen  Beiden  bildet  Heinrich  Heimes,  der  in  seinen  gut  beobachteten 
Marinen  und  Strandbildern  die  See  am  liebsten  in  der  Ruhe  oder  nur  geringer  Bewegung  zeigt 
und  dabei  ruhige  gedämpfte,  wenn  auch  helle  Stimmungen  liebt.  Auch  er  findet  den  Reiz  des 
Meeres,  ähnlich  wie  Dücker,  in  dem  weiten,  nur  selten  durch  ein  Segel  unterbrochenen  Horizont 
und  der  breiten  aufsteigenden  Wasserfläche,  die  er  in  zarten  und  gebrochenen  Tönen  malt.  Seine 
Motive  entnimmt  er  meist  der  holländischen  Nordseeküste.  Heimes  ist  in  Mayen  in  der  Eifel  1855 
geboren,  war  von  1881 — 1885  an  der  Akademie  in  Düsseldorf,  von  1885 — 1891  dagegen  in  Karlsruhe 
bei  G.  Schönleber,  von  dem  ihm  wohl  die  Vorliebe  für  helle  graue  Töne  überkommen  ist.  Seit 
1891  lebt  er  mit  Unterbrechungen,  die  durch  längere  Studienaufenthalte  in  Holland  verursacht  sind, 
in  Düsseldorf. 

Auch  Andreas  Dirks,  geboren  1866  auf  der  Insel  Sylt  und  Schüler  der  Akademien  in  Weimar 
und  Düsseldorf,  hier  seit  1893,  ist  seit  einigen  Jahren  mit  aufserordentlich  kräftig  empfundenen 
Marinen,  meist  aus  seiner  Heimat,  aufgetreten. 

Der  jüngste  dieser  Seemaler  ist  Cornelius  Wagner,  geboren  1870  in  Dresden,  seit  1887  auf 
der  Akademie,  der  mit  verschiedenen  flott  gemalten  Seestücken  aus  Schottland  und  Italien  an  die 
Oeffentlichkeit  getreten  ist.  Im  Auftrag  des  Staates  malte  er  1901  ,,Die  Landung  des  grofsen 
Kurfürsten  in  Rügen  im  Jahre  1678"  für  das  Ständehaus  der  Provinz  Pommern  in  Stettin. 


Die  Figurenmalerei  grofsen  Stils,  die  man  früher  mit  dem  Sammelnamen  Historie  bezeichnete, 
beruht  in  ihren  jungen  Vertretern  also  hauptsächlich  auf  den  Schülern  Peter  Janfsens.  Bei  einer 
Vergleichung  dieser  Schule  mit  den  beiden  anderen  berühmtesten  Schulen  neuerer  deutscher 
Malerei,  der  von  Schadow  und  der  von  Piloty  in  München,  wird  man  constatiren  können,  dafs 
die  jüngste,  entsprechend  den  individualistischen  Bestrebungen  neuerer  Zeit,  den  geringsten  Einflufs 
auf  die  Richtung  des  Schülers  ausgeübt  und  sich  darauf  beschränkt  hat,  ihn  selbst  seinen  Weg 
suchen  und  finden  zu  lassen,  statt  ihm  einen  bestimmten  und  zwar  den  des  Meisters  anzuweisen. 

Bei  Schadows  Schülern  und  Anhängern  sind  sogar  die  Motive  gemeinsam,  Technik  und 
Auffassung  bei  den  Einzelnen  kaum  zu  unterscheiden.  Bekannt  sind  auch  die  berühmten 
„Unglücksfälle  in  Wasserstiefeln",  von  denen  jeder  Pilotyschüler  mindestens  einen  einmal  gemalt 
haben  mufste,  wenn  sich  auch  nicht  leugnen  läfst,  dafs  die  bedeutenden  Pilotyschüler  später  sich 
nach  den  verschiedensten  Richtungen  selbständig  entwickelt  haben.  Bei  den  Meisterschülern 
Peter  Janfsens  fällt  auch  die  beeinflufste  Schülerarbeit  fort,  und  schon  in  den  Zeichen-  und  Mal- 
klassen kann  und  soll  sich  ein  Jeder  nach  seiner  Weise  ausleben,  sich  seine  Technik,  seine  Auf- 
fassung selbst  erarbeiten,  vom  Lehrer  eigentlich  nur  auf  das  positiv  Fehlerhafte  hier  oder  dort  auf- 
merksam gemacht,  keineswegs  aber  nach  irgend  einer  Seite  gedrängt  oder  von  ihr  ferngehalten 
werden. 

So  könnte  man  das  W^esen  der  Janfsenschen  Schulung  mehr  eine  Erziehung  nennen,  als 
einen  Unterricht.  Es  wird  der  Schüler  nicht  geführt  oder  geleitet,  sondern  es  wird  ihm  bei- 
gebracht, wie  er  selbständig  zu  gehen  und  zu  stehen  hat;  er  wird  nicht  unterrichtet,  aber  belehrt, 
es  wird  ihm  klar  gemacht,  dafs  er  selbst  zu  studiren,  zu  lernen  hat.  Es  wird  ihm  die  Natur 
nicht  gezeigt,  sondern  er  wird  dazu  angehalten,  sie  selbst  zu  suchen,  zu  finden  und  zu  sehen;  es 
wird  ihm  nicht  mit  Rath  und  That  zur  Seite  gestanden,  von  deren  ersterem  schon  Feuerbach 
richtig  sagt,  ,,giebt  dir  Jemand  einen  guten  Rath,  so  thue  das  Gegentheil",  und  deren  letztere 
vielfach  darin  besteht,  dafs  der  Lehrer  des  Schülers  Bild  malt,  sondern  er  mufs  selber  sehen, 
wie  er  mit  sich,  der  Natur  und  der  Kunst  fertig  wird. 

So  findet  sich  innerhalb  der  Janfsenschule,  die,  von  der  Aufnahme  ihres  ältesten  Zöglings 
an  gerechnet,  nunmehr  das  zweite  Jahrzehnt  ihres  Bestehens  vollendet  hat,  eine  so  bunte  Viel- 
seitigkeit, dafs  kein  Ununterrichteter  bei  den  einzelnen  dieser  jungen  Künstler  denselben  Lehrer 
vermuthen  möchte.  So  ist  es  also  nicht  nur  die  Historie  mit  oder  ohne  Costüm,  die  von  den 
Janfsenschülern  gemalt  wird,  sondern  ebensogut,  zuweilen  sogar  von  demselben  Künstler  bearbeitet, 
das  ganz  realistische  moderne  Genre,  nicht  nur  das  Porträt,  sei  es  nach  der  scharf  charakteri- 
sirenden,  sei  es  nach  der  coloristisch  eleganten  Seite  aufgefafst,  sondern  auch  eine  phantastische, 
halb  idyllisch -romantische,  halb  allegorische  Figurenmalerei,  und  sicher  dürften  nie  innerhalb 
einer  und  derselben  Klasse  schon  solche  Gegensätze  entstanden  sein,  wie  sie  etwa  die  Schnaps- 
brüder von  Gerhard  Janssen  und  die  antiken  Schönen  von  A.  Frenz,  oder  die  rücksichtslos  breit 
hingesetzten  Herrenbildnisse  von  Keller   und   die   zarten,   in  Pastell  duftig  angelegten  Damenköpfe 

354 


von  W.  Petersen  bieten.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dafs  gerade  in  dieser  natürlichen,  auf  dem 
verständnifsvoUen  Gewährenlassen  der  einzelnen  Individualitäten  beruhenden  Vielseitigkeit  die 
Stärke  und  die  Lebensfähigkeit  der  Schule  liegt.  Eine  Lebensfähigkeit,  die  sich  unter  Anderem 
schon  darin  ausweist,  dafs  verschiedene  der  Janfsenschüler  selbst  wieder  als  Lehrer  ganz  in 
demselben  Sinne  thätig  sind,  ohne  dafs  von  einer  künstlerischen  Inzucht,  oder  einem  durch  sie 
bedingten  Atavismus  die  Rede  sein  kann.  Die  meisten  dieser  schon  wieder  als  Lehrer  thätigen 
Janfsenschüler  sind  allerdings,  gerade  wie  es  bei  zahlreichen  tüchtigen  Sohnschülern  der  Fall 
war,  der  Düsseldorfer  Kunst  bald  verloren  gegangen;  Ed.  Kämpffer  wirkt  als  Director  der  Kunst- 
schule in  Breslau,  nachdem  er  schon  i8go  Düsseldorf  verlassen  hatte,  A.  Kampf,  einer  der  Erfolg- 
reichsten, folgte  i8g8  einem  Ruf  als  Leiter  eines  Meisterateliers  nach  Berlin,  und  nur  Spatz  wirkt 
als  Lehrer  an  der  Akademie,   die  ihn  ausgebildet  hat. 

Eduard  Kämpffer,  geboren  1859  in  Münster  in  Westfalen,  war  der  erste  sogenannte  Meister- 
schüler P.  Janfsens.  Er  kam  1875  zur  Akademie  in  Düsseldorf,  studirte  die  Maltechnik  1880  81 
in  München  und  trat  dann  wieder  bei  Peter  Janfsen  ein.  Sein  bedeutendes  Talent  kam  nicht  so 
schnell  zur  Entwicklung,  als  seine  Vorarbeiten  hatten  erwarten  lassen.  Die  häufigen  Umwälzungen, 
welche  gerade  damals  in  der  Malerei  sich  bemerklich  machten,  der  Einflufs  der  Franzosen  mit 
ihren  Freilicht-  und  Impressionsproblemen  machten  sich  nach  allen  Seiten  hin  und  auch  bei 
dem  jungen  Kämpffer  geltend,  und  brachten  ihn  in  Widerstreit  mit  den  in  München  gelernten 
coloristischen  Principien.     Seine  aufserordentliche  Vielseitigkeit    erschwerte  ihm    die   ruhige  Wahl 


EDUARD   KÄMPFFER 
Nach   dem    Bacchanal 

eines  Bildmotivs,  und  so  erschienen,  Anfang  der  80er  Jahre,  statt  des  erwarteten  grofsen  Historien- 
bildes neben  den  vorzüglichen  Illustrationen  zu  Scheffels  Eckehardt,  als  erste  Arbeit  ein  mit 
dem  gröfsten  technischen  Geschick  gemaltes,  vortrefflich  aufgefafstes  Löwenbild,  dem  nun  bald 
hintereinander  ein  Altarbild  für  die  evangelische  Kirche  in  Neuenahr,  Porträts,  Landschaften,  ein 
Centaurenbild,  mythologische,  historische  und  monumentale  Entwürfe  folgten. 

Sein  monumentales  Hauptwerk,  die  Ausmalung  des  Erfurter  Rathhauses  mit  Motiven  der 
Tannhäuser-  und  Faustsagen,  der  Geschichte  Luthers  und  des  Grafen  Gleichen,  entstand  gröfsten- 
theils  in  München,  nur  von  den  Graf  Gleichenbildern  waren  einige  noch  in  Düsseldorf  gemalt 
worden.  Trotzdem  erweist  sich  gerade  hier  Kämpfer  in  der  decorativen  Behandlung  der  heterogenen 
Stoffe  als  Schüler  seines  Lehrers,  wie  denn  die  Vorliebe  für  monumentale  Malerei  und  die  rein 
technische  Gewandtheit  bei  ihrer  Ausführung  eines  der  wenigen  äufserlichen  Dinge  zu  sein  scheint, 
die  vom  Meister  auf  seine  Schüler  übergehen  und  bis  in  die  letzte  Zeit  hinein  erfreuliche  W^erke 
dieser  Art  haben  entstehen  lassen.  Vor  seiner  Uebersiedlung  nach  München  malte  Kämpffer  das 
reizvolle  Bacchanal  für  ein  Düsseldorfer  Restaurant,  in  dem  er  wohl  als  Erster  die  in  Düsseldorf 
noch  unbekannte  Freilichtmalerei  mit  Glück  bei  einem  gröfseren,  fast  monumentalen  Bilde  anwandte. 

Fast  demselben  akademischen  Jahrgang  entstammt  eine  Reihe  von  jungen  Malern,  die  heute 
im  Mittelpunkt  der  Düsseldorfer  Kunst  stehen,  deren  bedeutendster,  A.  Kampf,  allerdings  ihr  seit 
einigen  Jahren  entzogen  ist.  Er,  obwohl  der  jüngste,  hat  in  seltener  Frühreife  die  ersten  Erfolge 
zu  verzeichnen  gehabt  und  auch  so  die  Studiengenossen  überholt. 


355 


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73 


ARTHUR  KAMPF 
Rückzug   aus  Russland 

Arthur  Kampf  ist  der  jüngere  Bruder  des  trefflichen  Landschaftsmalers  Eugen  Kampf  und 
im  Jahre  1864,  wie  dieser,  in  Aachen  geboren.  1879  kam  er  zur  Akademie  und  sehr  bald  zu  Peter 
Janfsen,  der  das  grofse  Talent,  die  auf  unablässige  Naturbeobachtung  gestützte  Gestaltungskraft 
des  jungen  Mannes  zu  würdigen  verstand  und  ihm  den  immerhin  noch  recht  langwierigen  aka- 
demischen Studiengang  so  sehr  als  möglich  abkürzte.  So  war  es  möglich,  dafs,  ganz  wie  in  alten 
Zeiten,  der  kaum  Zweiundzwanzigjährige  sein  erstes  grofses  Bild,  ,,Die  letzte  Aussage",  vollenden 
konnte,  ein  Bild,  das  denn  auch  nicht  verfehlte,  nach  allen  Richtungen  hin  das  gröfste  Aufsehen 
zu  machen.  In  theilweise  überlebensgrofsen  Figuren,  mit  einem  damals  in  Düsseldorf  ganz  un- 
erhörten Realismus  des  Ausdrucks,  sowie  der  Formen-  und  Farbensprache,  stellte  es  die  letzten 
Augenblicke  eines  in  irgend  einer  Rauferei  schwer  verletzten  sterbenden  Proletariers  dar.  Alles,  was 
das  Düsseldorfer  Genre,  selbst  bei  seinen  gelegentlichen  ertrunkenen  Fischern  oder  abgeführten  Dorf- 
dieben oder  Begräbnissen  an  dramatischer  Kraft  aufzuweisen  gehabt  hatte,  war  hier  durch  die  fast 
brutale  Schilderung  krassester  Wirklichkeit,  die  durch  Nichts,  aber  auch  gar  Nichts  gemildert, 
durch  die  Grofse  der  Figuren  fast  bis  zur  Täuschung  gesteigert  wurde,  in  Schatten  gestellt,  und 
so  konnte  nicht  ausbleiben,  dafs  in  die  Bewunderung,  die  dem  in  der  Composition,  in  der  breiten, 
unbewufst  virtuosen  Malweise  sich  aussprechenden  eminenten  Talent  gezollt  wurde,  sich  die 
Stimmen  Derer  mischten,  die  nun  den  Verfall  aller  Kunst  unaufhaltsam  hereinbrechen  sahen.  Aber 
Kampf  hütete  sich,  den  Tyrannen  zu  Übertyrannen.  Er  fühlte  sehr  wohl,  dafs  er  auf  diesem 
Gebiete  das  Stärkste  gegeben  hatte,  was  vorläufig  zu  geben  war,  und  indem  er  ruhig  auf  der 
Akademie  bheb,  richtete  er  plötzlich  die  Kraft  seiner  Charakterschilderung  und  seines  technischen 
Könnens    auf  ein    der  Alhäglichkeit    entrücktes    historisches  Gebiet.     Er    hatte    die  Concurrenz    der 


-3 


357 


Biel-Kalkhorstschen  Stiftung  zur  Pflege  monumentaler  Frescomalerei  in  Privathäusern  gewonnen 
und  malte  nun  für  ein  Haus  in  Düren  seinen  „Choral  bei  Leuthen",  die  ergreifende  Scene,  wie 
nach  der  Schlacht  die  siegreichen  Truppen  des  grofsen  Friedrich  das  „Nun  danket  alle  Gott" 
anstimmen.  Damit  begab  sich  Kampf  auf  ein  Gebiet,  bei  dem  er  in  Adolf  Menzel  seinen  gröfsten 
Vorgänger,  wenn  nicht  ein  Vorbild  hatte,  und  in  einer  ganzen  Reihe  von  Bildern  aus  dieser  Zeit  und 
von  diesem  Helden  bewies  er  seinen  Beruf  als  Historienmaler  grofsen  Stils  auf  der  Basis  seines 
gesunden,  zuweilen  vielleicht  sogar  etwas  prosaischen  Realismus,  dem  die  feine  Ironie,  deren  Menzel 
Meister  ist,  noch  fehlt.  Es  entstanden  in  den  folgenden  Jahren:  ,,Bon  soir,  messieurs",  Friedrichs 
des  Grofsen  bekanntes  Abenteuer  nach  der  Schlacht  bei  Leuthen  im  Schlosse  von  Lissa,  „Friedrich 
der  Grofse  und  der  schlafende  Ziethen",  dann  auch  einmal  ein  Bild  von  ,, Friedrichs  des  Grofsen 
Vater,    wie    er    mit  Grumbkow  seine  Gardisten    inspicirt",    ,, Friedrichs   des  Grofsen  Rede  an  seine 

Generale  vor  der  Schlacht  bei  Leuthen". 
Zwischendurch  entstand  aus  dem  Eindruck, 
den  die  Leichenfeier  bei  Kaiser  Wilhelms 
Tode  in  Berlin  auf  den  jungen  Künstler 
gemacht  hatte,  das  in  seiner  Einfachheit 
ergreifende  Bild:  „In  der  Nacht  vom  13. 
zum  14.  März  1888  im  Dome  zu  Berlin", 
das  die  aufgebahrte  Leiche  Wilhelms  I.  dar- 
stellt und  das  Volk,  das  still  an  ihr  vorbei- 
zieht, um  seinen  alten  Kaiser  noch  einmal 
zu  sehen.  Schon  Kampfs  erster  Biograph, 
W.  V.  Oettingen,  knüpft  an  die  Erwähnung 
des  oben  genannten  Bildes  ,,Rede  Friedrichs 
des  Grofsen  vor  der  Schlacht  bei  Leuthen" 
die  Bemerkung,  dafs  die  malerische  Dar- 
stellung solcher  entscheidender  Ansprachen 
für  Kampf  einen  ganz  besonderen  Reiz 
habe,  und  er  verhehlt  sich  auch  nicht  das 
eigentlich  Unmalerische  solcher  gemalten 
Reden.  Was  Kampf  dabei  reizte,  war  viel- 
leicht, die  Spannung  darzustellen,  die  sich 
nicht  nur  in  den  Gesichtern,  sondern  auch 
in  der  ganzen  Haltung  der  Zuhörer,  die 
dramatische  Bewegung  und  die  Explosions- 
kraft, die  sich  beim  Redner  ausspricht,  und 
gerade  diese  Elemente  sind  in  allen  diesen 
Bildern  vortrefflich  zur  Geltung  gekommen. 
Unbewufst  mag  auch  der  Wunsch,  der 
der  Vater  aller  Novellenmalerei  in  weitestem 
Sinne  des  Wortes  ist,  mitgewirkt  haben: 
den  Beschauer  an  der  Wirkung  des  Bildes 
auf  ihn  durch  Erregung  seiner  Neugierde, 
was  da  wohl  gesagt  wird,  und  damit  seine 
Phantasie  mitarbeiten  zu  lassen. 
Diese  drei  von  1890 — 92  entstandenen,  zum  Theil  grofsen  Bilder  waren  „Die  Einsegnung 
von  Freiwilligen  1813",  für  die  Verbindung  für  historische  Kunst  ausgeführt,  dann  „Die  Rede  des 
Professor  Steffens  zu  Gunsten  der  Volkserhebung  in  Breslau  1813".  Diese  Bilder  führten  Kampf 
auch  zum  ersten-,  aber  nicht  zum  letztenmal  in  die  Zeit  der  Freiheitskriege.  Das  vortreffliche 
Bild  „Rede  Friedrichs  des  Grofsen  an  seine  Generale  in  Koben  1759  nach  der  unglücklichen 
Schlacht  bei  Kunersdorf"  fällt  in  dieselbe  Zeit.  ,, Volksopfer"  führt  wieder  in  das  Jahr  1813,  wie 
auch  das  mächtige  ,,Der  Herr  hat  sie  geschlagen"  (1896),  einen  Trupp  französischer  Flüchtlinge  dar- 
stellend. Neben  diesen  und  verschiedenen  kleinen  historischen  Bildern,  so  dem  grausigen  „Kosacken- 
opfer",  hat  aber  Kampf  noch  eine  grofse  Zahl  kleinerer  und  gröfserer  Genrebilder,  meist  ernsten 
Inhalts  gemalt.  Das  Leben  im  Cafehaus,  auf  der  Strafse  schildert  er,  aber  nie  ganz  ohne  eine 
mehr  oder  weniger  scharfe  Pointe;  auch  das  Gebiet  des  Symbolismus  hat  er  betreten  mit  dem 
zwar  wirkungsvollen,  aber  nicht  ganz  unabsichtlichen  ,,Kufs  des  Todes",  eine  sterbende  Arbeiterfrau 


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ARTHUR  KAMPF 
Vor  dem   Gnadenbilde   in  Kevelaer 


358 


darstellend.  „Der  Sündenfall"  in  seiner  Mischung  von  Phantastik  und  Realismus  rief  einigen 
\Viderspruch  hervor,  während  seine  ,,W^allfahrt  nach  Kevelaer"  wieder  ein  Meisterwerk  physio- 
logischer Beobachtung  ist.  Zahlreiche  höchst  lebensvolle  Porträts,  porträtartige  Einzelfiguren,  so 
der  vortreffliche  „Schützenkönig",  Aquarelle,  Gouachen,  Radirungen  und  Steinzeichnungen  entstanden 
in  den  kaum  15  Jahren  von  Kampfs  künstlerischer  Thätigkeit,  die  ihn  jetzt  schon  ein  W^erk  von 
seltenem  Reichthum  nach  allen  Richtungen  hin  schaffen  liefs.  In  letzter  Zeit,  noch  von  Berlin 
aus  war  Kampf  mit  \Vandgemälden  im  Sitzungssaale  des  Kreishauses  zu  Burtscheid-Aachen 
beschäftigt,  die  er  im  Auftrag  des  Kunstvereins  malte. 


HERMANN   EMIL   POHLE 
Damenbildnis 

Seit  1891  war  Kampf  aufserdem  als  Lehrer  an  der  Akademie  thätig,  und  seine  Berufung  nach 
Berlin  war  ein  ebenso  schwerer  Verlust  für  die  Anstalt,  an  der  er,  kaum  selbst  dem  Unterricht 
entwachsen,  schon  eine  bemerkenswerthe  Lehrthätigkeit  ausübte,  wie  für  die  Düsseldorfer  Kunst, 
die  in  ihm  ihre  stärkste  junge  Kraft  zu  schätzen  hatte.  Was  Kampf  vor  Allem  auszeichnet,  ist 
das  unbeirrte  Zielbewufstsein  in  seinem  künstlerischen  Wesen,  das  sich  nicht  nur  in  der  ge- 
schlossenen und  sicheren  Haltung  jedes  einzelnen  Bildes  ausspricht,  sondern  auch  in  der  Schnellig- 
keit und  Solidität,  mit  der  er  ein  grofses  Werk  nach  dem  anderen  vollendete,  und  dieses  Ziel- 
bewufstsein erscheint  durch  seine  eminente  Vielseitigkeit,  die  ihn  gelegentlich  sogar  zur  Plastik 
geführt  hat,  keineswegs  getrübt,  sondern  im  Gegentheil  nur  in  desto  hellerem  Licht. 


360 


Als  eine  ähnliche  Natur  wie  Kampf,  auch  in  Bezug  auf  das,  was  man  mit  Recht  oder 
Unrecht  Glück  zu  nennen  pflegt,  und  das  nach  der  Behauptung  sachverständiger  Zunftgenossen 
nun  einmal  unentbehrlich  sein  soll,  stellt  sich  Klein-Chevalier  dar.  Wenig  älter  als  Kampf,  er 
ist  1862  in  Düsseldorf  geboren,  war  sein  Lehrgang  derselbe  wie  bei  Jenem,  wie  übrigens  bei  den 
meisten  Janfsenschülern,  die  keine  Veranlassung  hatten,  das  Gute  in  der  Ferne  zu  suchen.  Schon 
früh  schuf  sich  Klein  energisch  ein  eigenes  Kunstgebiet,  eine  decorativ- monumentale  Figuren- 
malerei, die  er  in  zwei  grofsen  Bildern  ,, Krieg  und  Frieden"  in  einem  Düsseldorfer  Gasthaus, 
später  in  einem  Theatervorhang  für  Essen  und  in  den  vortrefflichen  Deckengemälden  der  Kuppel 
der  Gewerbeausstellung  in  Berlin,  sowie  in  zahlreichen  kleineren  Arbeiten,  zum  Theil  für  Privat- 
gebäude, bethätigte. 

Bald  brachte  ihm  aber  eine  gewonnene  Concurrenz  den  Auftrag  zu  einem  ganz  modernen 
Historienbild,  das  er  mit  der  ganzen  Frische  und  Lebendigkeit,  die  seine  Bilder  auszeichnen, 
ausiührte.  Es  war  ,,Die  Einweihung  des  Niederwald-Denkmals  in  Gegenwart  Kaiser  Wilhelms  L" 
für  den  Rathhaussaal  in  München-Gladbach. 

Eine  zweite  ähnliche  Aufgabe  war  die  Bemalung  einer  Wand  in  dem  schon  mehrfach 
erwähnten  Rathhaussaal  in  Düsseldorf.  Hier  begab  sich  Klein  auf  das  Gebiet  der  Costümhistorie 
und  stellte  in  nicht  absolut  historisch  treuer,  dafür  malerisch  desto  reizvollerer  Weise  eine 
,, kunstgeschichtliche"  Scene  aus  dem  Leben  des  populären  Gründers  der  Düsseldorfer  Kunstblüthe, 
Johann  Wilhelms,  dar,  wie  er  nämlich  die  Baupläne  zu  dem  grofsen  Schlofsproject  an  Ort  und 
Stelle  prüft.  Im  Auftrag  des  Ministeriums  schmückte  dann  Klein  den  Sitzungssaal  des  Bergamtes 
in  Halle  a.  S.  mit  allegorischen  Darstellungen  über  den  Bergbau  und  malte  darauf  infolge  einer 
Concurrenz    ,,Die  Wiedereinbringung   des  Kurfürsten  Wilhelm   in  Cassel   nach    dessen  Vertreibung 

durch  Jeröme".  Ein  längerer  Studienaufenthalt 
in  Rom  regte  den  Künstler  zu  dem  coloristisch 
höchst  interessanten  Bilde  ,,Tod  der  Agrippina" 
an,  die  auf  Veranlassung  ihres  Sohnes  in  einer 
angebohrten  Galeere  ertränkt  wurde.  Das  decorativ 
wirksam  aufgebaute  Bild  zeigt  den  Moment,  wo 
die  Leiche  an  dem  Sohn  vorübergetragen  wird. 
Modernes  Leben  und  moderne  Menschen  hat 
Klein  in  vielen  genrehaften  Bildern  und  Porträts 
mit  grofser  Lebendigkeit  und  feinster  Beobachtung 
geschildert,  so  vor  Allem  in  dem  ,, Spielsaal  zu 
Ostende",  das  sich  von  ähnlichen  Bildern  wohl- 
thuend  durch  die  Vermeidung  aller  theatralischen 
Effecte  unterscheidet.  In  das  Gebiet  der  mo- 
dernen Historie  fällt  wieder  ,,Der  Besuch  Kaiser 
Wilhelms  II.  im  Stadtverordnetencollegium  zu 
Essen",  den  er  für  das  Rathhaus  dieser  Stadt  malte. 
Klein  hat  Düsseldorf  verlassen  und  ist  nach  Berlin 
übergesiedelt. 

Auch  Hugo  Zieger,  geboren  1864  in  Coblenz, 
zeigt  eine  ähnliche  Vereinigung  realistischer  oder 
genrehafter  Motive  mit  monumentalen  Neigungen 
in  seiner  Kunst.  Er  kam  1884  zur  Akademie  und 
konnte  schon  1893  mit  einem  Frescobilde  für  ein 
Privathaus  sein  Meisterstück  machen.  Im  Jahre 
1895  folgten  gröfsere  Darstellungen  aus  dem  Kohlen- 
bergbau unter  Tag  für  das  Syndikat  in  Essen  an 
der  Ruhr,  und  in  der  Folge  entstanden  zahlreiche 
Porträts,  Landschaften  und  Genrebilder,  die  sich 
durch  lebendige  Farbe  und  frische  natürliche  Auf- 
fassung auszeichnen. 

Als    Dritter    der    eigentlichen    Historienmaler 

ist  Hermann  Emil  Pohle  zu  nennen,  der  1863  als 

ALEXANDER  FRENZ  Sohn  des  Landschaftsmalers  Hermann  Pohle  eben- 

Der  Ruhm  falls  in  Düsseldorf  geboren  wurde.    Auch  er  ver- 


362 


bindet  mit  dem  Verständnifs  für  strenge  Geschichtsmalerei,  die  er  in  seinem  vortrefflichen  1895 
vollendeten  „Friedrich  der  Grofse  nach  der  Schlacht  von  Zorndorf",  später  von  der  Vereinigung  für 
historische  Kunst  angekauft,  vertritt,  eine  starke  Begabung  zu  decorativer  Kunst.  In  diesem  Genre, 
das  er  im  Anschlufs  an  die  Venetianer,  namentlich  an  den  in  der  wissenschaftlichen  Kunstgeschichte 


ALEXANDER   FRENZ 
Der  Frühling  küsst   die  Erde 

immer  noch  ziemlich  unbeliebten  genialen  Tiepolo  pflegt,  malte  er  verschiedene  Deckengemälde  für 
ein  Hotel,  wie  für  Privathäuser  in  Düsseldorf  und  Aachen.  Der  1890  vollendete  „durchgehende 
Viererzug",  ein  zwar  kleines,  aber  von  wildestem  Leben  erfülltes  Bild,  documentirt  seine  Begabung 
für  die  Pferdemalerei,  die  er  in  verschiedenen  Militär-  und  Sportbildern  mit  grofsem  Glück  ausübt. 


363 


WILLY    SPATZ 
Kommt  her  zu  mir  Alle,   die  ihr   mühselig  und  beladen  seid 

Eine  ganz  originelle  Seite  Pohles  ist  seine  Vorliebe  für  romantische  Landschaften,  bei  denen  er 
allen  naturalistischen  Wirkungen  absichtlich  aus  dem  Wege  geht,  dafür  mit  gröfster  Energie  und 
höchstem  coloristischen  Feinsinn  starke  decorative  Effecte  aufsucht.  Belebt  werden  diese  Land- 
schaften mit  ihren  gewitterhaften  W^olkenbildungen,  mit  ihren  schwarzen  Cypressenhainen  und 
phantastischen  Architekturen,  durch  ebenso  phantastische  Centauren  und  Faune  oder  durch  nicht 
minder  märchenhafte  Rococodamen,  die  in  diesen  Traumlandschaften  ihr  idyllisches  Wesen  treiben. 

Die  Vorliebe  für  die  eleganten  Schönen  vergangener  Zeiten  beeinträchtigt  aber  keineswegs 
Pohles  hervorragende  Begabung  für  das  moderne  Damenporträt.  Einige  seiner  Damenbildnisse, 
die  er  merkwürdigerweise  verhältnifsmäfsig  selten  malt,  gehören  zu  dem  Besten,  was  auf  diesem 
Gebiete  bisher  geleistet  worden  ist. 

Noch  stärker  als  bei  Fohle,  ist  das  phantastische  Element  bei  Alexander  Frenz  (geboren  1861 
in  Rheydt)  entwickelt,  bei  dem  es  sogar  den  Grundzug  seines  Schaffens  bildet.  In  ihm  ist  der 
Realismus,  wie  ihn  etwa  sein  Schwager  A.  Kampf  zeigt,  überhaupt  niemals  mächtig  geworden, 
und  Frenz  erscheint  damit  als  einer  der  frühesten  Anhänger  jener  Kunst,  die  in  Franz  Stuck  in 
München  ihren  berühmtesten  Vertreter  gefunden  hat.  Auch  Frenz  greift  wieder  ganz  entschieden 
auf  die  Antike  zurück,  allerdings  nicht  in  der  Weise  der  Klassicisten,  auch  nicht  in  der  archäo- 
logischen Manier  Tademas,  sondern  mdem  er  die  Gestalten  der  antiken  Mythologie  nach  ihrem 
poetischen  Gehalt  in  ganz  moderner  coloristischer  Weise  behandelt,  wie  es  etwa  Peter  Janfsen 
in  der  Erziehung  des  Bacchus  gethan  hatte.  So  war  sein  erstes  grofses  Bild,  ,,Das  goldene  Zeit- 
alter", in  Composition  und  Farbe  von  üppigstem  Leben  erfüllt  und  in  jeder  Beziehung  ein  directer 
Gegensatz  zu  Allem,  was  man  klassicistisch  oder  akademisch  zu  nennen  pflegt.  In  verschiedenen 
folgenden  Bildern  in  Oel,  Pastell  oder  Gouache  verstärkte  sich  das  coloristische  Element,  trotzdem 
Zeichnung  und  Composition  immer  mehr  auf  die  klassischen  Vorbilder  antiker  Werke  hinwiesen, 
die  Frenz  auf  einer  längeren  Studienreise  in  Italien,  in  Rom  und  Neapel  zu  studiren  Gelegenheit 
hatte.  So  entstanden  zu  verschiedenen  Zeiten  „Das  Sirenenlied",  ,,Der  Jüngling  am  Scheidewege", 
„Die  Nacht",  „Geburt  der  Venus",  ,, Krönung  des  Siegers".  Auch  von  der  Poesie  der  W^agnerschen 
Tondramen  wurde  Frenz  beeinflufst,  indem  er  in  verschiedenen  decorativen  Wandgemälden  den 
Parzifal  behandelte,  wie  er  in  der  Folge  auch  eine  Reihe  hervorragender,  zuweilen  durchaus 
symbolischer  Illustrationen  zu  dem  Chamberlainschen  Werke  über  Richard  Wagner  entwarf. 


3^4 


Andere  Wandbilder  malte  er  für  Privathäuser  in  Elberfeld  und  Essen,  für  Elberfeld  auch  im 
dortigen  Theater.  Eine  unerschöpfliche  Phantasie  bewies  Frenz  in  seinen  zahlreichen  Radirungen, 
grofsen  Steinzeichnungen,  Aquarellen,  Diplomen  und  allen  diesen  halbillustrativen  Arbeiten,  wie 
sie  die  moderne  Kunst,  das  gesteigerte  Bedürfnifs  nach  zeichnerischem  und  malerischem  Schmuck 
fordert.  Für  den  Schwurgerichtssaal  in  Essen  malt  Frenz  im  Auftrag  des  Ministeriums  grofse 
allegorische  Wandgemälde,  wie  denn  seine  Entwürfe  bei  keiner  Concurrenz  fehlen  und  stets  in 
erster  Linie  in  Betracht  kommen. 

Der  Künstler  lebt  seit  187g  in  Düsseldorf,  besuchte  die  Akademie  and  ging  dann  ein  Jahr 
nach   München,  ohne  hier  in  seiner  Kunst  beeinflufst  zu  werden. 


WALTER  PETERSEN 
Bildnis  zweier  Damen 

Eine  ganz  eigenthümliche  Ausbildung  fand  die  phantastische  Richtung,  die  man  als  eine 
Art  Düsseldorfer  Neuromantik  bezeichnen  könnte,  bei  Willy  Spatz,  der,  1861  geboren,  von  1879 
bis  1891  die  Akademie  besuchte,  dann  aber  ein  Jahr  in  München  Schüler  von  Carl  Marr  war. 
Er  ist  der  Einzige,  auf  den  der  Münchener  Aufenthalt  einen  wirklichen  Einflufs  ausgeübt  hat, 
sowohl  nach  der  coloristischen,  als  nach  der  inhaltlichen  Seite  seiner  Kunst,  in  der  er  ganz  nach 
Münchener  Manier  religiöse  Motive  in  einer  durchaus  modernen,  genrehaften  W^eise  behandelt. 
Diese  seine  Auffassung  ist  ebenso  verschieden  von  der  der  Nazarener,  als  von  der  Gebhardts,  und 
so  bilden  die  religiösen  Bilder  von  Spatz  gewissermafsen  die  letzte  Consequenz  dieser  Malerei  in 
Düsseldorf.  Es  ist  in  ihr  ein  starkes  lyrisches  Moment,  das  sich  schon  in  der  Wahl  der  Motive 
ausspricht.    Die  ersten  dieser  Bilder  betonen  es  ganz  besonders  auch  in  der  eigenartigen,  durchaus 


365 


unrealistischen,  nur  auf  Stimmung  ausgehenden  Farbe.  So  war  die  „Flucht  der  hl.  Familie"  1893 
ganz  in  einen  grünlichen  Mondscheindämmer  gehüllt,  „Der  Gang  der  Hirten"  strebte  dagegen  eine 
heitere  FreiUchtbeleuchtung  an.  Von  starker  psychologischer  Wirkung  war  „Kommet  her  zu  mir, 
Alle"  1895  und  ,,Ich  bin  bei  Euch  alle  Tage"  i8g6.  Ein  neues  Moment  in  seiner  Kunst,  das  des 
Verhältnisses  zwischen  Mutter  und  Kind,  allerdings  nicht  mehr  in  dem  religiösen  Sinne  der 
Madonna,  sondern  ganz  realistisch,  zeigen  die  verschiedenen  Bilder  die  seit  1896  entstanden:  wie 
„In  treuer  Hut",   „Sorgen"  u.  s.  w. 

Mit  ,, Tristan  und  Isolde"  illustrirte  der  auch  musikalisch  hochbegabte  Künstler  das  Hohelied 
seines  Lieblingscomponisten.  Seit  dem  Jahre  1898  ist  Spatz  infolge  einer  Concurrenz  mit  der 
Ausmalung  der  Kapelle  auf  Schlofs  Burg  an  der  Wupper  beschäftigt,  welche  von  der  Regierung 
in  Auftrag  gegeben  wurde.  Hier  stellt  er  in  drei  Wandgemälden  die  ., Macht  des  Christenthums 
über  der  Menschen  Geist"  dar.  Das  erste  Bild  zeigt  den  Apostel  des  bergischen  Landes,  den 
heil.  Suitbertus,  predigend,  das  zweite,  in  Form  eines  Triptychon,  illustrirt  das  biblische  Wort 
„Ich  will  sie  Alle  zu  mir  ziehen",  und  das  dritte  enthält  „Das  Rosengärtlein  des  himmlischen 
Paradieses". 

Zwischendurch  entstanden  noch  die  Bilder  ,,Die  klugen  und  thörichten Jungfrauen",  „Ver- 
klingende Accorde"  1900  und  ,,Die  da  warten  am  Wege". 

Spatz  ist  seit  1897  als  Professor  an  der  Akademie  angestellt. 

Es  wurde  schon  gesagt,  dafs  alle  diese  jungen  Figurenmaler  auch  gelegentlich  gute,  und, 
wie  Pohle,  recht  hervorragende  Porträts  zu  malen  pflegen ;  das  hinderte  aber  nicht,  dafs  zwei 
Künstler  sich  fast  ausschliefslich  diesem  Kunstzweig  widmeten,  nicht  als  ob  Mangel  an  Gestaltungs- 
kraft sie  auf  ihn  beschränkt  hätte,  sondern  -weil  der  Wunsch  des  Publikums  sie  dazu  gewisser- 
mafsen  zwang.  Das  gilt  besonders  von  W^alther  Petersen,  dessen  Damenbildnisse  zu  den  feinsten 
und  vornehmsten  Aeufserungen  der  jüngeren  Düsseldorfer  Malerei  gehören  und  mit  den  Arbeiten 
von  F.  A.  Kaulbach,  dem  Damenmaler  par  excellence,  in  scharfen  Wettbewerb  treten,  sie  an 
charakteristischer  Auffassung  jedenfalls  übertreffen. 


LUDWIG  KELLER 

Begrüfsung  des  Fürsten  Blücher  und  der  Quadriga  in  Duisburg 

Wandgemälde  in  der  Aula   des  Realgymnasiums  zu   Duisburg 


366 


Petersen  ist  1862  in  Burg  an  der  Wupper  als  Sohn  eines  Pastors  geboren,  kam  1880  zur 
Akademie  und  malte  hier  im  Anfang,  einem  Auftrag  zufolge,  Wandgemälde  mit  Rococo-Motiven 
für  ein  Privathaus  in  Köln;  ein  kleines  Aquarell  „Begräbnifs  bei  Regenwetter"  hatte  einen  aufser- 
gewöhnlichen  Erfolg  und  schien  Petersen  eine  Stelle  neben  Arthur  Kampf  anzuweisen.  Sehr  bald 
aber  mufste  sich  der  junge  Künstler  auf  das  Bildnis  beschränken,  nachdem  seine  ersten  Arbeiten 
auf  diesem  Gebiet  ihm  trotz  der  Ueberfülle,  welche  gerade  hier  producirt  wird,  Auftrag  über 
Auftrag  eingebracht  hatten.  Petersen  ist  in  erster  Linie  Damenmaler;  keiner  seiner  zahlreichen 
jüngeren  Collegen  versteht  wie  er  das  Geheimnifs,  die  moderne  Frau  von  ihrer  liebenswürdigsten 
Seite,  ihre  Kleidung,  das  thörichterweise  so  viel  geschmähte  und  in  Wirklichkeit  so  eminent 
malerische  moderne  Damencostüm  in  seiner  coloristisch  feinsten  Weise  aufzufassen  und  wieder- 
zugeben, wie  er.  Im  Pastell  hat  Petersen  ein  Mittel  gefunden,  das  ihm  für  seine  Zwecke  dienstbarer 
ist  als  die  Oelfarbe,  und  mit  diesem  capriciösen,  rococohaften  Material  hat  er  in  fabelhafter 
Productivität  schon  jetzt  eine  fast  unabsehbare  Reihe  von  Porträts  allerersten  Ranges  geschaffen, 
die  natürlich  der  Oeffentlichkeit  nur  allzuschnell  entzogen  werden. 

In  verschiedenen  männlichen  Bildnissen  beweist  er  übrigens,  dafs  er  auch  dem  schärferen 
Charakter  des  Männerkopfes  gewachsen  ist.  Die  städtische  Galerie  in  Düsseldorf  besitzt  von  ihm 
das  treffliche  Bildnis  eines  alten  beliebten  Arztes,  des  Sanitätsrathes  Dr.  Zimmermann,  und  das 
coloristisch  interessante  Porträt  Oswald  Achenbachs.  Aufserdem  malte  er  den  Erbauer  des 
Reichstagsgebäudes,  Wallot,  und  hatte  auch  das  Glück,  Bismarck  nach  der  Natur  zeichnen  zu 
dürfen.  Im  Anschlufs  an  diese  Studien  schuf  er  dann  einige  Bismarckporträts,  die  vielleicht 
wahrer  sind,  als  die  Lenbachschen,  wenn  auch  der  Cultus,  der  mit  den  letzteren  getrieben  wird, 
den  Erfolg  des  jungen  Düsseldorfers  schmälerte. 

Ebenfalls  vorwiegend  Porträtmaler,  wenn  auch  in  vieler  Beziehung  im  Gegensatz  zu  Petersen, 
ist  Ludwig  Keller,  dessen  Stärke  das  männliche  Bildnis  zu  sein  scheint,  das  er  mit  gröfster 
Energie  und  Schroffheit  bis  zu  frappantester  Lebendigkeit  malt.  Wenn  Petersen  das  Weiche, 
Zarte  und  Duftige  betont,  so  geht  Keller  gerade  auf  das  Gegentheil  los.  Mit  einer  Art  von  Humor 
wählt  er  gelegentlich  seine  Modelle,  von  denen  er  nicht  eine  abgeklärte  Durchschnittshaltung 
giebt,  sondern  nur  eine  momentane,  aber  eben  deshalb  immer  höchst  lebendige  Impression,  wobei 
er  auch  technisch  mit  der  gröfsten  Rücksichtslosigkeit  verfährt  und  zufällige  Beleuchtungseffecte 
betont,  ganz  unbekümmert,  ob  sie  den  Charakter  des  Bildes  als  solches  in  Frage  stellen,  wenn 
sie  nur  malerisch  interessant  sind. 

Uebrigens  hat  Keller  als  Meisterstück  in  der  letzten  akademischen  Klasse  ein  höchst  lebendiges 
und  farbig  interessantes  Bacchanal  gemalt,  und  igoo  in  seiner  Vaterstadt  Duisburg  im  Auftrag  des 
Kunstvereins  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  ein  W^andgemälde  vollendet,  das  ebenfalls  seine 
Qualification  als  Figurenmaler  grofsen  Stils  bewies.  Das  Bild  ist  um  so  interessanter,  als  die 
Wirkung  des  freien  Lichtes  hier  auf  einem  grofsen  Monumentalbilde  mit  aller  Energie  und  zu  bestem 
Erfolg  angewandt  ist.  Das  historische 
Motiv  war  ,,die  Begrüfsung  des  Feld- 
marschalls Blücher  und  der  heimge- 
führten Quadriga  vom  brandenburger 
Thor  in  Berlin  an  den  Thoren  Duis- 
burgs im  Jahre  1814". 

Keller  hat  es  vortrefflich  ver- 
standen, einer  schematischen  Com- 
position,  zu  der  das  Motiv  verführte, 
aus  dem  V/ege  zu  gehen.  In  der 
Charakterisirung  der  echt  spiefs- 
bürgerlichen  Deputirten  glaubt  man 
den  Porträtmaler  wiederzuerkennen. 
Keller  ist  1865  in  Duisburg  geboren 
und  besuchte  von  1884  bis  1894  die 
Akademie  in  Düsseldorf,  an  der  er 
seit  Kurzem  als  Lehrer  angestellt  ist. 

Schneider-Didam  ist  wiederum 
ganz  ausschliefslich  Porträtmaler  und 

zwar  malt  er  mit  dem  gröfsten  Erfolg  AUGUST  deusser 

Herrenbildnisse,   die  er  mit  Kraft  und  im  Felde 


367 


Sicherheit  in  einer  breiten  und  gewandten  Malweise  auf  die  Leinwand  setzt.  Er  hat  viele  seiner 
jüngeren  Collegen  mit  frappanter  Aehnlichkeit  und  scharfer  Charakteristik  gemalt,  wie  das  fast 
ein  halbes  Jahrhundert  früher  auch  sein  Lehrer  Roeting  gethan  hat. 

Studiengenosse  von  Keller  und  ihm  namentlich  nach  der  technischen  Seite  ähnlich  waren 
W.  V.  Beckerath,  der  leider  auch  Düsseldorf  mit  München  vertauschte,  nachdem  er  mit  einer  vor- 
züglichen grofsen  Pietä  und  einem  im  Auftrag  des  Kunstvereins  entstandenen  Altarbild  für  die 
evangelische  Kirche  in  Saargemünd  „Auferstehung"  hervorgetreten  war,  und  H.  Heller,  der,  eben- 
falls nach  München  verzogen,  einige  interessante  Damenbildnisse  ausgestellt  hat.  Nicht  nur 
Düsseldorf  verloren,  sondern  durch  einen  frühen  Tod  der  Kunst  überhaupt  entrissen  ist  Erwin 
Küsthardt.    Er  war  1867  in  Hildesheim  als  Sohn  eines  Bildhauers  geboren,  kam  1885  zur  Akademie 


ROBERT    BÖNINGER 
Idyll 

nach  Düsseldorf  und  wurde  hier  Schüler  von  Peter  Janfsen.  Auch  seine  Kunst  enthielt  ein 
starkes  religiöses  Element,  wie  seine  ersten  Bilder,  ,, Magdalena  an  der  Leiche  Christi",  ,, Pietä", 
„Friede  sei  mit  Euch"  beweisen.  Trotzdem  Küsthardt  Protestant  war,  neigten  diese  Arbeiten 
eher  zu  einer  romantisch-nazarenerhaften  Auffassung,  standen  jedenfalls  der  Gebhardtschen  Auf- 
fassung so  fern  wie  möglich  und  hatten  so  einen  merkwürdig  anachronistischen  Charakter.  Ein 
Wandbild  für  die  Aula  des  Gymnasiums  in  Erfurt  „Ankunft  Kaiser  Wilhelms  L  auf  dem  Pots- 
damer Bahnhof  nach  der  Kriegserklärung  '1870"  war  die  letzte  grofse  Arbeit  des  hochbegabten 
jungen  Künstlers,  der  im  Frühjahr  1901  in   Rom  starb. 

Specifisch  Reiter-  und  Historienmaler  sind  die  wieder  etwas  jüngeren  Ungewitter  und  Deusser, 
der  eine  modern  als  Schlachtenmaler,  der  andere  historischer  im  alten  Sinne,  insofern  er  mit 
Vorliebe  Ritter  und  Panzerreiter  des  Mittelalters,    nebenher  allerdings  mit  nicht  geringerem  Glück 


368 


auch  Feldarbeiter    mit    ihren    Pferden    und    zeitgenössisches   Mihtär    malt.     August  Deusser  wurde 
1870  in  Mülheim  a.  Rh.  geboren  und  ist  seit  1895  Schüler  von  Peter  Janfsen. 

Von  seinen  Bildern  seien  genannt:  „Aus  brandenburgischer  Geschichte",  im  Besitz  der  Ver- 
bindung für  historische  Kunst,  dann  das  vom  Kunstverein  für  die  Rheinlande  und  Westfalen  an- 
gekaufte ,,Im  April",  ferner  ,, Früher  Tag",  ,, Dreigespann",  ,,Scene  aus  Heinrich  IV.",  ,,St.  Georg", 
sowie  Scenen  aus  dem  modernen  Militärleben.  Augenblicklich  ist  Deusser  mit  den  Vorarbeiten 
für  die  Ausschmückung  des  Kreishaussaales  in  Cleve,  die  er  auf  Grund  einer  Concurrenz  gewann, 
beschäftigt.     Ein  Hauptbild  wird  sein:   „Am  Abend  der  Schlacht  von  Cleverham". 

Hugo  Ungewitter  (1869  auf  Haus  Kappel  im  Fürstenthum  Waldeck  geboren)  bezog  1888  die 
Akademie,  die  er  bis  1897  besuchte,  die  letzten  vier  Jahre  als  Meisterschüler  Peter  Janfsens. 
Gleich  sein  erstes  Bild  zeigt  ihn  als  berufenen  Militärmaler  und  zwar  modernster  Richtung,  was 
die  Farbe  anbelangt,  die  auf  eingehenden  Freilichtstudien  beruht.  Es  war  eine  mit  gröfster 
Schneid  gemalte  „Attaque  der  7.  Halberstädter  Kürassiere  bei  Mars  la  Tour".  Darauf  folgt  eine 
Reihe  kleinerer  Militär-  und  Jagdbilder,  so  unter  Anderem  die  coloristisch  interessante  ,,Bosniaken- 
patrouille  im  Schnee",  ,, Tigerjäger"  u.  s.  w.  1897  gewann  Ungewitter  die  Concurrenz  der  Biel- 
Kalkhorstschen  Stiftung  und  erhielt  damit  die  Ausführung  von  drei  Bildern  aus  der  Geschichte  der 
Grafen  von  Stotel  im  Gratenhof  zu  Stotel  bei  Bremerhaven.  Die  Motive  waren:  „Brautzug  einer 
Gräfin  von  Stotel",  ,, Gerichtssitzung  (Vehme)  unter  Vorsitz  eines  Grafen  von  Stotel  in  Hagen",  , .Angriff 
eines  Grafen  von  Stotel  mit  seinen  Mannen  auf  ein  Normannenschiff".  Seit  1898  arbeitet  Ungewitter 
zusammen  mit  Gustav  Wendung  an  dem  Panorama  für  die  Ausstellung  in  Düsseldorf:  „Uebergang 
Blüchers  mit  der  preufsisch-russischen  Armee  über  den  Rhein  bei  Caub  am  i.  Januar  1814". 

Diesem  etwas  jüngeren  Jahrgang  der  Janfsenschüler  gehört  auch  Robert  Böninger  an.  Im 
Jahre  1869  von  deutschen  Eltern  in  London  geboren,  besuchte  er  von  1888  bis  1897  die  Akademie 
und  begann  auch,  ohne  von  E.  von  Gebhardt  beeinflufst  zu  sein,  als  Schüler  Peter  Janfsens  mit 
zwei  grofsen  religiösen  Bildern,  die  sich  durch  eine  fast  altmeisterliche  Tiefe  und  Leuchtkraft  der 
Farbe  auszeichneten.  Das  erste  dieser  Bilder,  jetzt  in  der  Kirche  zu  Muffendorf  bei  Godesberg, 
war  eine  „Auferweckung  des  Lazarus"  (1894)  mit  lebensgrofsen  Figuren,  das  zweite  eine  packende 
Darstellung  der  mystischen 
Scene  des  Kampfes  Abra- 
hams mit  dem  Engel  ,,Ich 
lasse  dich  nicht,  du  segnest 
mich  denn",  das  sich  in 
Auffassung  und  Haltung 
von  dem  Bilde  E.  von 
Gebhardts,  das  denselben 
Gegenstand  behandelt,  so 
weit  als  möglich  entfernte. 
Einem  längeren  Aufent- 
halt in  Süditalien  ent- 
stammt das  1897  vollendete 
grofse  Bild  „Idyll",  das  den 
für  Düsseldorf  unerhörten 
Versuch  macht,  nackte 
Figuren  im  Freien  in  voll- 
stem Sonnenlichte  darzu- 
stellen. W^enn  das  Bild 
auch  vielleicht  nicht  alle 
coloristischen  Schwierig- 
keiten überwunden  hatte, 
so  war  es  doch  auf  dem  Ge- 
biet der  hier  so  wenig  be- 
achteten Freilichtmalerei 
eine  interessante  Leistung. 
Freilich  bietet  der  Nieder- 
rhein mit  seinem  Nebel- 
klima keinen  günstigen  Gerhard  Janssen 
Boden  für  Bilder  dieser  Art.  im  Cafe  chantant 


369 


24 


Auch  der  Schreiber  dieser  Blätter,  Friedrich  Schaarschmidt  (geb.  1863  in  Bonn,  1880— 1889 
auf  der  Akademie),  hat  einige,  meist  in  Süditalien  im  „freien  Licht"  gemalte  Landschaftsbilder 
mit  Figuren  in  antikem  Costüm  ausgestellt,  bis  seine  Beschäftigung  an  der  Akademie  als  Conser- 
vator  der  Sammlungen  und  Lehrer  der  Anatomie  seiner  künstlerischen  Thätigkeit  ein  Ende  machte. 
Einige  Schüler  haben  sich  von  dem  akademischen  Studium  noch  mehr  emancipirt,  indem 
sie,  der  eine  in  einer  fast  an  die  Caricatur  streifenden  Weise,  der  andere  in  illustrativer  Manier 
das  tägliche  Leben  zu  schildern  suchen.  Gerhard  Janfsen,  geboren  1863  in  Calcar,  ist  zweifellos 
eine  der  originellsten  Erscheinungen  in  der  jungen  Düsseldorfer  Malerei.  Er  verbindet  einen 
krassen,  zuweilen  geradezu  übertriebenen  Naturalismus  der  Form  mit  einer  bewufsten  Anlehnung 
an  gewisse  alte  Niederländer  in  der  Farbe.  Seine  Hauptmotive  sind  betrunkene  alte  Weiber  und 
Männer,  im  Genre  der  Hille  Bobbe  von  Hals  oder  des  medicinnehmenden  Bauers  von  Brouwer  in 
Frankfurt  a.  M.  Mit  einer  manchmal  geradezu  unheimlichen  Lebenswahrheit  und  in  einer  fabelhaft 
skizzenhaften,  aber  eminent  sicheren  Technik   setzt   er  seine    fuselseligen  Helden  auf  die  Leinwand, 

zuweilen  sogar,  wenn  es 
sich  um  decorative  Bilder 
für  Wirthshäuser  handelt, 
in  Lebensgröfse.  So  malte 
er  für  verschiedene  Restau- 
rants ,,Kirmes-Klim-Bim", 
„Die  Sänger  vom  Rhein" 
und  Mehreres  der  Art. 
Auch  die  Kunsthalle  erwarb 
ein  kleines  Bild,  einen  grch- 

lenden  Ziehharmonika- 
spieler darstellend.  Sehr 
humoristisch  war  eine  Cafe 
chantant-Scene  zwischen 
einem  alten  Lüstling  und 
einem  jungen  Mädchen,  be- 
titelt: ,,Er  knüpfte  manche 
zarte  Bande",  wie  denn 
ein  etwas  grotesker  Humor 
zuweilen  den  sogenannten 
geistigen  Inhalt  seiner  Bil- 
der ausmacht.  Der  Haupt- 
werth  seiner  Arbeiten  liegt 
in  dem  zuweilen  sehr  sorg- 
fältig gestimmten,  meist  in 
tiefen  Farben  gehaltenen, 
zuweilen  aber  auch  in 
grauen  und  blauen  Tönen 
ausgeführten  Colorit. 
Feiner  und  vielseitiger  als  G.  Janfsen  ist  W.  Schreuer,  geboren  1866  in  Wesel.  Er  begann, 
nachdem  er  1884  die  Akademie  bezogen  hatte,  seine  sorgfältig  beobachteten,  stets  ohne  Modelle, 
nur  mit  Hülfe  eines  aufserordentlichen  Formengedächtnisses  gezeichneten,  entweder  grau  in  grau, 
oder  nur  in  wenigen  Tönen  gehaltenen  Bilder  mit  Militärmotiven  zu  entwerfen,  wobei  seine 
Beobachtung  ihn  beim  Pferde  die,  den  meisten  Menschen  erst  durch  die  Momentphotographie 
bekannt  gewordenen  Bewegungen  vor  der  Natur  erkennen  liefs. 

Es  folgten  Strafsenbilder  der  verschiedensten  Art  und  schliefslich  sogar  historische  Dar- 
stellungen, die,  in  Nachbildungen  zu  einem  Bande  vereinigt,  als  „Bilder  aus  Alt-  und  Neu-Düssel- 
dorf"  weitesten  Kreisen  bekannt  geworden  sind.  Trotz  des  Costüms  ist  der  Eindruck  auch  dieser 
Arbeiten  ein  absolut  naturalistischer,  und  in  dieser  Behandlung  des  Costümlichen  erinnert  Schreuer 
manchmal  geradezu  an  A.  Menzel,  der  es  wie  kein  Anderer  verstanden  hat,  auch  den  uns  un- 
gewohnten Rock  als  den  selbstverständlichen  erscheinen  zu  lassen.  In  letzter  Zeit  malt  Schreuer 
auch  Scenen  aus  der  Gesellschaft,  sowohl  aus  der  modernen,  als  auch  aus  der  eleganten  Zeit  des 
Rococo  oder  Empire.  Bei  seiner  aufserordentlichen  Productivität  dürfte  die  Zahl  seiner  zwar  nicht 
grofsen,  aber  meist  figurenreichen  Arbeiten  das  halbe  Tausend  längst  überschritten  haben. 


AUGUST  ZINKEISEN 
Ein  Dilemma 


370 


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OTTO   REICHERT 
Die  Sterbestunde 


Max  Stern  hat  erst  in  den  letzten 
Jahren  angefangen,  regelmäfsig  aus- 
gestellt. Es  scheint,  dafs  seine  Haupt- 
stärke in  der  Darstellung  des  Volkes, 
des  Arbeiters  liegt.  Ein  grofses  Bild 
,, Pflasterer"  war  kräftig  in  der  Zeich- 
nung und  voll  Leben  in  den  Bewe- 
gungen. Eine  gesunde  Farbe  zeichnete 
auch  seine  anderen  meist  kleineren 
Arbeiten  aus. 

Hier  schliefsen  sich  vielleicht  am 
besten  einige  Schüler  E.  v.  Gebhardts 
an,  die  sich  lediglich  an  den  genre- 
haften Zug  in  der  Kunst  ihres  Lehrers 
hielten  und  keine  religiösen  Bilder 
malen  oder  gemalt  haben.  Ihre 
Arbeiten  zeigen  die  scharfe  Charakte- 
ristik und  strenge  Zeichnung,  die 
Gebhardt  eigen  ist. 

August  Zinkeisen,  1865  in  Fechen- 
heim   bei    Frankfurt    a.    M.    geboren, 
zeichnete    sich    mit   zwei    sehr    origi- 
nellen   Märchenbildern    aus:    „Hansel 
und  Grethel    vor   dem   Pfefferkuchen- 
häuschen"   und    „Das   kleine    Mädchen   mit   den   Streichhölzern".     Sein  erstes  kleineres  Bild   „Der 
Weihnachtsbaum"    war   eine   reizvolle  Studie   nach    dem   Leben;   aufserdem    entwarf  Zinkeisen  die 
originellen  Illustrationen  zu  dem  Märchenbuch  von  B.  Schlegel-Elberfeld. 

Peter  Philippi,  geboren  1866  in  Trier,  hat  sich  in  der  humorvollen  Schilderung  alter  Weiber 
ein  eigenes  Gebiet  geschaffen,  das  er  in  einer  heutzutage  fast  verloren  gegangenen  Feinheit  und 
Ausführlichkeit  der  Technik  behandelt.  Er  erscheint  hier  fast  als  ein  Nachfolger  der  alten 
romantischen  Düsseldorfer  Genremaler,  der  Schrödter  und  Hasenclever,  ohne  vorläufig  eine  gleiche 
Vielseitigkeit  zu  erreichen,  die  er  dafür  aber  durch  gröfsere  Wahrheit  ersetzt. 

Paul  Meyer  aus  Mainz  war  einer  der  frühesten  Gebhardtschüler  und  in  seinen  etwas  capri- 
ciösen  Rococobildern  eine  höchst  originelle  Erscheinung;  er  hat  Düsseldorf  schon  seit  Anfang  der 
90er  Jahre  verlassen. 

Der  Stärkste  unter  der  kleinen  Gruppe,  die  einen  ausgesprochen  genrehaften  Charakter  hat,  ist 
Otto  Heichert.  Er  ist  unter  den  jungen  Düsseldorfer  Figurenmalern  entschieden  der  selbständigste, 
und  es  ist  ihm  in  seinen  letzten  Arbeiten  vollkommen  gelungen.  Alles,  was  an  Schulung  oder 
Localmalerei  erinnert,  abzustreifen.  Seine  eigenthümliche  Art,  zu  arbeiten,  die  ihn  für  seine 
Bilder  nicht  nur  die  Studien  irgendwo  draufsen  malen  läfst,  sondern  ihn  dazu  geführt  hat,  ein 
jedes  Bild  in  seinem  eigenen  Milieu  vollständig  fertig  zu  machen,  giebt  seinen  Arbeiten  den 
eigenartigen  Charakter,  das,  was  man  mit  mehr  oder  weniger  Recht  als  den  Erdgeruch  für  ein 
jedes  Kunstwerk  fordert  und  als  höchste  Errungenschaft  preist. 

Otto  Heichert  ist  geboren  1868  im  Kloster  Groningen  bei  Halberstadt,  besuchte  die  Schule 
in  Magdeburg  und  kam  schon  1883  auf  die  Akademie,  wo  er  sich  von  den  untersten  Klassen  an 
neben  dem  akademischen  Studium  sein  Brot  verdienen  mufste.  Trotz  dieser  Hemmnisse  gelang 
es  ihm,  nachdem  er  Schüler  von  Peter  Janfsen  und  E.  v.  Gebhardt  gewesen  war,  sehr  früh  mit 
einer  ersten  Arbeit,  einer  Zeichnung,  Aufsehen  zu  machen,  die  er  dann  in  der  Meisterklasse  von 
W.  Sohn  zu  einem  ebenfalls  sehr  gelungenen  Bilde  benutzte.  Es  war  ein  altes  Menschenpaar, 
eine  alte  Frau,  die  am  Krankenlager  ihres  Mannes  sitzt  und  ihm  aus  der  Bibel  vorliest.  Ein- 
gehendste Charakteristik  und  feinste  Ausführung  zeichneten  dieses  und  das  nächste,  ebenfalls  rein 
genrehafte  Bild  ,,Die  Dorfältesten"  aus.  Der  dazwischen  liegende  „verwundete  Körner"  war  eine 
nur  gelegentliche  Excursion  auf  das  Gebiet  der  Historie  und  der  Sentimentalität,  ein  letzter  Rest 
des  Sohnschen  Einflusses,  der  sich,  wenigstens  dem  Motiv  nach,  noch  einmal  ein  wenig  in 
dem  ,, sterbenden  Kinde"  und  der  ,,Todtenandacht"  geltend  machte,  und  Heicherts,  übrigens  auch 
aus  seinen  eigenen  frühesten  Beobachtungen  und  Eindrücken  herstammenden  natürlichen  Hang 
zur  Armeleut-  und  Todtenmalerei  zeigt. 


372 


OTTO  HEICHERT 
Veteranenversammlung 

Das  „Pfarridyll",  eine  Familienscene,  die  Heichert  ganz  im  Freien  malte,  brachte  ihm  auch 
coloristisch  die  vollständige  Befreiung  von  der  traditionellen  Malweise  der  Sohnschule,  und  in  den 
folgenden  Bildern  ging  er  nun  immer  energischer  auf  die  impressionistische  Gesammtwirkung  los. 
So  bei  dem  pflügenden  Bauernpaar:  „Im  Schweifse  deines  Angesichts  sollst  du  dein  Brot  essen", 
„Holzsammlerin"  u.  s.  w.  Seine  vorletzte  grofse  Arbeit  ,, Veteranenversammlung",  die  in  lebens- 
grofsen  Figuren  voller  Bewegung  und  Ausdruck,  wenn  auch  freilich  ohne  den  bei  dem  Düsseldorfer 
Genrebild  einstmals  unerläfslichen  erzählenden  Humor,  eine  Sammlung  lebendigster  Charakterköpfe 
giebt,  wurde  von  der  Verbindung  für  historische  Kunst  angekauft. 

„Pflügende  Mönche"  zeigt  bei  allem  Realismus  der  im  blühenden  Gemüsegarten  den  Pflug 
ziehenden  Kuttenmänner  wieder  den  etwas  nachdenklichen,  ernsthaften  Zug,  der  Heicherts  Kunst 
eigen  ist,  und  ihn  in  fast  symbolistischer  Weise  den  Menschen  in  einer  gewissermafsen  gegen- 
sätzlichen Beziehung  zur  Aufsenwelt  darstellen  läfst. 

Dafs  Heichert  bei  seinem  hervorragenden  Charakterisirungsvermögen  nebenher  eine  grofse 
Zahl  trefflicher  Porträts  schuf,  mag  nicht  vergessen  sein.  Er  ist  einer  der  wenigen  jüngeren 
Maler,  der  nicht  einmal  hier  dem  landläufigen  Geschmack  des  Publikums  Concessionen  macht. 
Leider  hat  auch  er  noch  vor  Kurzem  Düsseldorf  verlassen,  um  einem  ehrenvollen  Ruf  als  Professor 
an  die  Königsberger  Akademie  Folge  zu  leisten. 


So  mag  mit  dieser  Aufzählung  jüngerer,  hier  und  da  noch  nach  vollendeter  Ausbildung 
ringender  Maler  die  flüchtige  Besprechung  des  letzten  Jahrzehnts  neuer  Düsseldorfer  Malerei 
abgeschlossen  sein. 


373 


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Wechselreich  und  vielgestaltig  waren  die  Schicksale  der  Düsseldorfer  Kunst  in  dem  ver- 
flossenen Jahrhundert,  und  Niemand  vermag  zu  sagen,  wie  sie,  wie  die  deutsche  Kunst  überhaupt 
sich  in  dem  neuen  entwickeln  wird.  Wenn  man  überblickt,  was  in  diesen  75  Jahren,  denn  mehr 
rechnet  vom  XIX.  Jahrhundert  nicht  für  die  Düsseldorfer  Kunst,  entstanden  ist,  so  wird  man  selbst 
in  den  Zeiten  gröfsten  künstlerischen  Aufschwungs  während  der  Frührenaissance  kaum  ein  ver- 
hältnifsmäfsig  so  reiches  und  vielseitiges  Schaffen  wiederfinden  können,  und  die  heutige  Zeit  bleibt 
nicht  hinter  den  früheren  Jahren  zurück,  wie  der  kurze  Ueberblick  beweist,  der  über  die  Leistungen 
der  jungen  Figuren-  und  Landschaftsmaler  gegeben  wurde. 


374 


XV.  Kapitel 

Die  Bildhauerkunst 


KARL   JANSSEN 
Medusa 


ABERiJbei  all  dieser  regen  Thätigkeit,  dieser  erstaun- 
lichen Vielseitigkeit  innerhalb  der  Malerei,  hatte  es  der 
Düsseldorfer  Kunst  bis  auf  die  letzten  Jahrzehnte  fast 
vollkommen  an  Einem  gemangelt,  und  das  war  eine 
Ausbildung  der  Plastik.  Es  schien,  als  seien  mit  den 
letzten  Resten  von  Grupellos  Nachlafs,  die  in  alle  Winde 
zerstreut  wurden,  auch  die  letzten  Wurzeln  der  Bild- 
hauerkunst aus  dem  niederrheinischen  Boden,  der  ihr 
einst  so  günstig  war,  ausgerottet  worden. 

Schon  die  kurfürstliche  Akademie  hatte  nur  noch 
den  ärmlichen  Bäumgen  besessen,  der  in  einer  Lehrer- 
konferenz sogar  einmal  geprügelt  worden  war. 

Cornelius  hatte  wohl  daran  gedacht,  eine  Bild- 
hauerklasse ins  Leben  zu  rufen,  aber  in  Anbetracht 
der  Persönlichkeit,  die  er  als  Lehrer  ins  Auge  gefafst 
hatte,  wird  man  wohl  kaum  zu  bedauern  brauchen,  dafs  aus  seinem  Plane  nichts  geworden  ist. 
Auch  hier  zeigt  sich  wieder  seine  Nichtachtung  des  Technischen  sowohl,  wie  sein  Mangel  an 
Menschenkenntnifs  in  auffallender  W^eise.  Er  wollte  nämlich  als  Lehrer  der  Bildhauerei  keinen 
Anderen  anstellen,  wie  den  schon  als  Maler  hinreichend  schwachen  Kolbe,  und  er  schrieb  zur 
Begründung  dieser  eigenthümlichen  W^ahl  im  Jahre  1821  wörtlich  an  den  Minister:  ,,Da  es  wohl 
schwer  halten  möchte,  einen  geschickten  Bildhauer  für  unsere  Anstalt  zu  gewinnen,  so  halte  ich 
dafür,  dafs  statt  eines  schlechten  Bildhauers  ein  geschickter  Maler  vorzuziehen  ist.  Der  Fall, 
dafs  ein  guter  Maler  ein  Bildhauer  gewesen,  ist  in  der  Kunstgeschichte  häufiger,  als  der  um- 
gekehrte Fall.  Zum  wenigsten  kann  man  mit  Gewifsheit  annehmen,  dafs  ein  Maler  Lehrer 
der  Bildhauerei  sein  kann  in  dem  Grade,  als  er  Zeichner  ist.  Einen  solchen  Mann  haben  wir 
an  Kolbe"  u.  s.  w. 

Auf  ein  derartiges  Experiment  hatte  man  nun  in  Berlin  nicht  eingehen  wollen,  und  Cornelius 
hatte  späterhin  wohl  nicht  mehr  Zeit  oder  Interesse,  auf  die  Bildhauerklasse  zurückzukommen. 
Aber  auch  Schadow  liefs  die  Sache  auf  sich  beruhen.  Immerhin  wurden,  um  doch  etwas  zu 
thun,  im  akademischen  Reglement  ein  Bildhauer  und  eine  Bildhauerklasse  vorgesehen,  aber  gerade 
Schadow  als  Sohn  eines  Bildhauers  mochte  die  Schwierigkeiten,  mit  welchen  diese  Kunst,  besonders 
unter  den  damaligen  Verhältnissen  zu  kämpfen  hatte,  zu  gut  kennen,  als  dafs  er  es  für  praktisch 
gehalten  hätte,  sie  vorläufig  in  Düsseldorf  wirklich  einzuführen.  Hatte  er  doch  genug  zu  thun, 
um  der  Malerei  die  Wege  zu  ebnen.  Und  dazu  kam  noch  Eines:  Was  man  damals  eben  anfing, 
so  energisch  für  die  Malerei  in  Anspruch  zu  nehmen,  eine  Ausbildung  im  Vaterlande,  das  schien, 
und  allerdings  nicht  ohne  Grund,  für  die  Bildhauerei  noch  nicht  möglich.  Für  sie  war  und  blieb 
vorläufig  Rom  der  gegebene  Studienplatz  und  namentlich  Düsseldorf  gegenüber,  wo  es  an  einer 
Entwicklung  der  Plastik,  wie  etwa  in  Berlin,  ebenso  fehlte,  wie  an  Vorbildern,  denn  der  bronzene 
Johann  Wilhelm  hat  eigentlich  nicht  viel  Begeisterndes  in  seiner  Formengebung;  wo  ferner  fast 
die  einzigen  Besteller  etwa  katholische  Kirchen  sein  konnten,  mufste  Rom  mit  seinen  alten  Vor- 
bildern   und    den  epochemachenden  Leistungen  Thorwaldsens    entschieden  den  Sieg  davon  tragen. 


375 


So  war  denn  lange  nur  gelegentlich  die  Rede  davon,  an  der  Akademie  eine  Bildhauerklasse 
zu  gründen,  und  erst  im  Jahre  1864  wurde  durch  die  Berufung  von  Wittig  dieser  Plan  wenigstens 
äufserlich  ausgeführt. 

Allerdings  hatte  sich  schon  kurz  vorher  in  Düsseldorf  eine  freie,  nicht  akademische  Bildhauerei 
entwickelt,  aber  es  scheint  nicht,  dafs  sie,  mit  ganz  wenigen  Ausnahmen,  über  das  Handwerks- 
mäfsige,  was  zu  allen  Zeiten  und  in  allen  Städten  für  Grabdenkmäler  und  gelegentlichen  archi- 
tektonischen Schmuck  gefordert  und  geleistet  wurde,  hinausgekommen  ist. 

Ein  einzelner  Bildhauer  entstammt  der  Schadowschule  und  wird  als  Schüler  von  Schadow 
selbst,  der  hiernach  seine  Vielseitigkeit  als  Lehrer  auch  auf  das  Gebiet  der  Plastik  ausgedehnt  zu 
haben  scheint,  genannt. 

Julius  Bayerle  war  1826  in  Düsseldorf  geboren  und  lebte  dort  bis  zu  seinem  Tode  1873.  Er 
studirte,  wie  gesagt,  zuerst  unter  Schadow,  dann  unter  Geertz  in  Loewen,  bereiste  Deutschland 
und  Italien  und  entwickelte  dann  in  seiner  Vaterstadt  eine  lebhafte  Thätigkeit.  Im  Auftrag  des 
Kunstvereins  arbeitete  er  schon  früh  für  die  an  der  Hauptfassade  des  Münsters  zu  Neufs  befindlichen 
Nischen  die  grofsen  Standbilder  der  Apostel  Paulus  und  Petrus.  Bei  der  religiösen  Plastik  blieb 
er  aber  nicht  stehen,  sondern  entwarf  eine  Anzahl  allegorischer,  historischer  Darstellungen  und 
namentlich  zahlreiche  Porträts. 

Für  das  Rathhaus  in  Wesel  entstanden  sieben  Statuen,  für  Elberfeld  eine  Kolossalstatue  des 
hl.  Suitbertus,  in  Düsseldorf  sind  von  seiner  Hand  das  kleine  Denkmal  der  Königin  Stephanie 
von  Portugal,  die  Statuen  auf  dem  Justizgebäude  und  Anderes  mehr. 

An  ihn  schlofs  sich,  wenn  auch  in  bescheidenem  Mafse,  eine  Schule  an,  aus  welcher  Anton 
Josef  Reifs,  geboren  1835  in  Düsseldorf,  gestorben  ebenda  igoo,  und  Leo  Müsch,  geboren  1846  eben- 
falls in  Düsseldorf,  zu  nennen  sind. 

Josef  Reifs  entsprach  innerhalb  der  Bildhauerei  dem,  was  die  Nazarener  in  der  Malerei 
bedeuteten.  Seine  Kunst  stand  fast  ausschliefslich  im  Dienste  der  Kirche  und  auch  seine  Formen- 
sprache besafs  die  weiche  gefällige  Schönheit,  welche  die  Kunst  der  Nazarener  anstrebte. 

Von  seinen  W^erken  werden  genannt:  die  Hochaltäre  in  den  katholischen  Kirchen  zu  Gräfrath 
und  Hüls  bei  Krefeld,  zwei  Altäre  im  Dom  zu  Neufs,  ein  in  Holz  geschnitztes  Madonnenbild  für 
die  Pfarrkirche  in  Andernach ;  für  Duisburg  schuf  er  die  hervorragendsten  seiner  profanen  Arbeiten, 
nämlich  das  Mercatorstandbild  und  ein  Kriegerdenkmal,  für  den  Fürsten  Anton  von  Hohenzollern 
führte  er  1864  ein  grofses  Relief  ,,Die  Kunst"  aus. 

Die  meisten  seiner  W^erke  befinden  sich  in  Düsseldorf  selbst,  wo  er  für  die  Lambertuskirche 
eine  Mariensäule  mit  den  Standbildern  der  vier  grofsen  Propheten  und  an  Stelle  des  baufällig 
gewordenen  alten  und  leider  nunmehr  spurlos  verschwundenen  Calvarienberges  einen  neuen  schuf, 
und  die  bildnerischen  Arbeiten  in  der  neuen  Marienkirche  ausführte.  Auch  die  allegorischen 
Figuren  an  der  Fassade  des  Rathhauses  in  Düsseldorf  sind  von  seiner  Hand.  Zu  verschiedenen 
Zeiten  und  für  verschiedene  Auftraggeber,  meist  in  Holland,  entstanden  mehrere  in  Sandstein 
ausgeführte  Pietäs  und  einige  Calvarienberg-Gruppen.  Das  Hauptwerk  seines  Lebens  aber  war 
eine  Pietä,  die  er  im  Auftrag  der  preufsischen  Regierung  für  die  Gereonskirche  in  Köln  arbeitete. 
Durch  eine  in  Holz  geschnitzte  Madonna,  die  Anfangs  der  80er  Jahre  in  Berlin  ausgestellt  war, 
hatte  Reifs  die  Aufmerksamkeit  des  Ministers  Gofsler  auf  sich  gezogen,  und  dieser,  der  die  Kunst 
stets  lebhaft  unterstützte,  dem  namentlich  Düsseldorf  viel  zu  verdanken  hat,  vermittelte  1884  den 
Auftrag  des  Entwurfs  einer  Pietä,  der  den  Künstler  allein  fünf  Jahre  beschäftigte,  während  die 
Vollendung  in  Marmor  sich  bis  zum  Jahre  1897  hinzog. 

Das  vollendete  W^erk  zeigt  den  Künstler  als  verständnifsvollen  Schüler  der  klassischen 
italienischen  Plastik,  der  trotz  seiner  nazarenerhaften  Erziehung  sich  zu  einem  gesunden  Realismus 
der  Form  und  der  Auffassung  bekennt  und  die  Gottesmutter  z.  B.  nicht  in  conventioneller  jung- 
fräulicher Schönheit  zeigt,  sondern  als  eine  Frau  in  vorgerückten  Jahren,  an  der  auch  der  Schmerz 
nicht  spurlos  vorübergegangen  ist. 

Leo  Müsch,  der  mehr  als  zehn  Jahre  jünger  ist  als  Reifs,  ist  noch  immer  in  seiner  Vaterstadt 
thätig  und  verbindet  in  der  Art  der  alten  Meister  künstlerische  Thätigkeit  mit  dem  Betrieb  einer 
auch  nach  altem  Handwerksbrauch  arbeitenden  Werkstätte.  Müsch  studirte  zuerst  bei  Bayerle, 
besuchte  dann  die  Antwerpener  Akademie,  wurde  1866 — 1871  Schüler  von  Professor  C.  Mohr  in 
Köln  und  kurze  Zeit  auch  von  dem  inzwischen  an  der  Düsseldorfer  Akademie  angestellten  Professor 
A.  Wittig. 

Müschs  Thätigkeit  ist  eine  sehr  vielseitige.  Er  begann,  der  Zeit  und  der  Richtung  seiner 
Kunst  entsprechend,  mit  religiösen  Arbeiten.    So  entstanden  in  den  70er  Jahren  ein  ,, kreuztragender 

376 


KARL  JANSSEN 
Kaiser    Wilhelm-Denkmal   m   Düsseldorf 


KARL  JANSSEN 

1806 — 1807 

Relief  am  Kaiser  Wilhelm-Denkmal  in  Düsseldorf 

Christus"  für  St.  Annaberg  in  Oberschlesien,  „Madonna  und  Joseph"  für  Hopsten  in  Westfalen, 
ein  „Schmerzensmann"  für  Binsfeld  bei  Düren.  Dann  folgte  eine  Reihe  von  Kriegerdenkmälern 
für  Wesel,  Neufs,  Steele.  Hamminkeln  u.  s.  w.,  und  ein  Zuccalmaglio-Denkmal  für  Grevenbroich. 
Für  Düsseldorf  sind  von  ihm  der  monumentale  Brunnen  auf  der  Königsallee,  sowie  die  überlebens- 
grofsen  Karyatiden  an  der  Kunsthalle. 

Mit  A.  Wittigs  Anstellung  im  Jahre  1864  sollte  nun  also  die  Bildhauerei  auch  in  den  Lehr- 
plan der  Akademie  aufgenommen  und  ihr  officiell  eine  neue  Blüthe  am  Niederrhein  verschafft 
werden.  Aber  der  Unstern,  der  um  diese  Zeit  über  so  manchen  amtlichen  Mafsnahmen  der 
Akademie  gegenüber  stand,  machte  sich  in  hervorragendem  Mafse    bei  der  Wahl  Wittigs  geltend. 

Der  Künstler,  1826  in  Meifsen  geboren  und  Schüler  von  E.  Rietschel  in  Dresden,  hatte  sich 
lange  in  Rom  aufgehalten,  wo  er  in  einen  gewissen  Gegensatz  zu  der  antikisirenden  Richtung 
trat  und  dafür  die  romantische  einschlug.  In  der  Plastik  begann  damals  eben  derselbe  Uebergang 
sich  geltend  zu  machen,  in  den  die  Malerei  bereits  eingetreten  war  und  den  sie  in  Düsseldorf  schon 
beendet  hatte,  als  W^ittig,  gestützt  auf  den  Namen,  den  seine  zahlreichen  in  München  und  Rom 
vollendeten  W^erke.  verschiedene  Reliefs  (,, Siegfrieds  Abschied  von  Krimhilde",  ,,Charitas". 
„Hagar  und  Ismael"  u.  s.  w.),  ihm  verschafft  hatten,  in  Düsseldorf  eintraf,  wo  er  sich  aber  sehr 
bald  im  Gegensatz  zu  der  fast  fieberhaft  fortschreitenden  Malerei  und  dem  Zug  der  Kunst  über- 
haupt befand. 

Aufserdem  wurde  seine  künstlerische  Thätigkeit  in  Düsseldorf,  wie  es  scheint,  durch  Krankheit 
gehemmt.  Es  entstanden  zwar  zunächst  im  Auftrag  der  Regierung  die  vier  Porträtmedaillons  an 
der  alten  Akademie,    Porträtbüsten    von  Carstens,    Cornelius  und  Schadow,    letztere    für  das    etwas 


379 


KARL  JANSSEN 
Vautier-Denkmal 


ärmliche  Denkmal  des  verdienten  Akademie- 
directors  in  Düsseldorf,  dann  eine  Marmor- 
ausführung der  älteren,  schon  in  Rom  ent- 
standenen Gruppe  ,,Hagar  und  Ismael"  für  die 
Nationalgalerie,  aber  verschiedene  Entwürfe,  so 
eine  Pietä,  an  der  sein  letzter  Schüler  WolfT 
noch  gearbeitet  hatte,  wurden  niemals  vollendet. 

Noch  weniger  gelang  es  Wittig  als  Lehrer, 
den  Hoffnungen,  die  man  auf  eine  akademische 
Bildhauerschule  gesetzt  hat,  zu  entsprechen. 
Hier  mochten  die  complicirten  Verhältnisse  an 
der  Akademie,  der  niedrige  Standpunkt,  auf 
dem  das  Institut  sich  damals  überhaupt  befand, 
vielleicht  auch  ein  der  neuen  Einrichtung  ent- 
gegengebrachtes Mifstrauen  unüberwindliche 
Schwierigkeiten  gemacht  haben.  Inwieweit 
die  noch  ganz  in  romantisch-ästhetischen  An- 
schauungen sich  bev/egende  Richtung  Wittigs 
und  seine  persönlichen  Eigenschaften,  die 
bei  dem  Lehrer  fast  ebenso  sehr  in  Betracht 
kommen,  wie  seine  künstlerischen  Leistungen, 
seine  Lehrmethode,  welche  die  Schüler  jahre- 
lang mit  blofsem  Copiren  nach  der  Antike  be- 
schäftigte, hemmend  gewirkt  haben,  entzieht 
sich  vorläufig  noch  der  öffentlichen  Beurthei- 
lung.  Thatsache  ist  es,  dafs  die  akademische 
Bildhauerklasse  während  der  30  Jahre  ihres 
Bestehens  unter  Wittig  kaum  nennenswerthe 
Resultate  zu  verzeichnen  hatte,  und  dafs  den- 
jenigen von  ihren  Schülern,  welche  sich  zur 
Meisterschaft  durchgearbeitet  haben,  dies  nur 
dadurch  gelang,  dafs  sie  die  Wittigklasse  und 
Düsseldorf  verliefsen  und  ihr  Heil  anderwärts 
suchten. 

Von  den  Schülern  Wittigs  werden  ge- 
nannt Hilgers,  Müller,  Zick,  Hoffmeister,  Tüs- 
haus,  Janfsen.  Hilgers,  ein  geborener  Düssel- 
dorfer, ging  früh  nach  Rom  und  liefs  sich 
später  in  Berlin  nieder.  Von  ihm  ist  das 
Kriegerdenkmal  in  Düsseldorf,  er  kann  aber 
für  die  hiesige  Kunst  weiter  nicht  in  Betracht 
kommen.  Auch  Hoffmeister  war  nicht  lange 
Akademieschüler  in  Düsseldorf  und  lebt  nun 
ebenfalls  in  Berlin.  Zick  wurde  überhaupt  gar 
nicht  Bildhauer,  sondern  widmete  sich,  nach- 
dem er  ebenfalls  Düsseldorf  verlassen  hatte, 
der  Malerei.  Karl  Hubert  Maria  Müller,  geboren 
1844  in  Remagen  als  Sohn  des  Malers  Andreas 
Müller,  ist  eigentlich  der  Einzige,  der  seinen 
ganzen  Studiengang  unter  Wittig  vollendete. 
Der  Fürst  von  Hohenzollern  bestellte  bei  ihm 
eine  Marmorbüste  Kaiser  Wilhelms  I.  Das 
akademische  Museum  in  Düsseldorf  besitzt  von 
seiner  Hand  den  Entwurf  einer  ,, Vertreibung 
aus  dem  Paradiese".  Vieles  arbeitete  er  für 
Nonnenwerth,  und  in  letzter  Zeit  die  Votivtafel 
mit  Büste  für  Aders  im  Rathhaus  zu  Düsseldorf. 


380 


Karl  Janfsen  und  Josef  Tüshaus  haben  die  Wittigklasse  nur  so  lange  besucht,  als  sie  durch 
die  Verhältnisse  dazu  gezwungen  waren.  Ihre  eigentliche  künstlerische  Entwicklung,  welche  die 
in  treuer  Freundschaft  Verbundenen  ziemlich  dieselben  Wege  gehen  liefs,  fanden  auch  sie  erst 
in  Rom. 

Karl  Janfsen  ist  geboren  1855  in  Düsseldorf  als  Sohn  des  Kupferstechers  Theodor  Janfsen 
und  Bruder  des  Malers,  bei  dem  er  die  ersten  Studien  im  Zeichnen  machte,  so  dafs  er  1873  gleich 
in  die  Bildhauerklasse  von  Wittig  eintreten  konnte.  Hier  verblieb  er  nicht  weniger  als  sieben 
Jahre,  ohne  es  doch  zu  eigenem  Schaffen  bringen  zu  können.  Eine  Concurrenzarbeit,  ein  ge- 
zeichneter Fries  zu  einem  Barbarossazuge,  verschaffte  ihm  endlich  mit  einem  Reisestipendium 
die  Möglichkeit,  den  akademischen  Verhältnissen  entkommen  und  in  Italien  seinen  künstlerischen 
Ideen  nachgehen  zu  können.  Bis  1884  war  er  in  Rom  thätig  und  legte  hier  den  Grund  zu  der 
kraftvollen,  dabei  aber  immer  eine  gesunde  Schönheit  bevorzugenden  Auffassung  seiner  Kunst,  die 
eine  Verwandtschaft  mit  der  seines  Bruders  nicht  verleugnet.  Sein  künstlerisches  Debüt  machte 
Janfsen  in  der  Vaterstadt  durch   den  in  wenigen  Wochen  vollendeten  Aufbau  einer  figurenreichen 

Brunnengruppe  ,, Vater 
Rhein  und  seine  Töchter"  ^ 
bei  dem  Feste,  das  im 
Herbst  1884  die  Provinz 
dem  alten  Kaiser  Wilhelm 
im  Ständehause  gab.  Im 
Verein  mit  Tüshaus  ent- 
warf er  das  Denkmal  und 
baute  es  mit  Hülfe  von 
Naturabgüssen  in  aller- 
dings vergänglichem 
Material  in  kürzester  Zeit 
auf.  DerGesammteindruck 
war  aber  ein  so  grofser,  dafs 
die  Stände  beschlossen,  den 
beiden  Künstlern  die  Aus- 
führung des  Denkmals  in 
Bronze  zu  übertragen.  Im 
Jahre  1896  wurde  es  aus 
gemeinsamen  Mitteln  des 
Staates,  der  Rheinprovinz, 
des  Kunstvereins  für  die 
Rheinlande  und  W^estfalen 
und  der  Stadt  Düsseldon 
vollendet  und  gehört  jetzt 
zu  den  schönsten  plasti- 
schen Arbeiten,  die  Düssel- 
dorf aufzuweisen  hat.  Auf 
hohem  Felsen  ruht  der  Vater  Rhein,  umgeben  von  vier  reizvollen  Frauengestalten  und  spielenden 
Putten.  Der  Drache  unten,  der  den  Nibelungenschatz  mit  der  Kaiserkrone  und  dem  Reichs- 
schwert bewacht,  deutet  auf  die  alten  Sagen,  doch  die  Zahl  der  Rheintöchter  übersteigt  die 
übliche.  Aber  sie  stellen  hier  nicht  nur  die  Hauptnebenffüsse  des  Rheins,  sondern  auch  zum 
Theil  modernere  Dinge  dar,  als  sie  das  alte  Nibelungenlied  kannte,  so  vor  Allem  die  beiden 
jüngeren,  welche  Malerei  und  Industrie,  die  Hauptfactoren  niederrheinischen  Fleifses,  repräsentiren. 
An  der  Rückseite  des  Denkmals,  die  nach  dem  offenen  Wasserspiegel  hinausschaut,  befinden  sich 
Acker-  und  W^einbau  und  Fischerei.  Das  Postament  steht  in  einem  grofsen  Becken  von  hellem 
Granit,  an  den  Seiten  sind  Muscheln  mit  wasserspeienden  Fischen  angebracht. 

Während  der  Zeit,  welche  durch  die  Ausführung  der  figurenreichen  Gruppe  in  Anspruch 
genommen  worden  war,  hatte  Janfsen  noch  verschiedene  mehr  oder  weniger  umfangreiche  Bild- 
werke vollendet.  Meist  waren  es  Grabdenkmäler,  die  seit  der  Zeit  der  Antike  und  der  Renaissance 
von  jeher  zu  den  nächstliegenden  Aufgaben  der  Bildhauerkunst  gehört  haben.  So  entstanden  im 
Laufe  der  letzten  15  Jahre  das  Marmordenkmal  Poensgen  in  Düsseldorf,  ein  ebensolches  für  Tielsch 
in  Waidenburg  (Schlesien),    Papst    Schandrin    in    Milwaukee,    Kusenberg    in    Düsseldorf.    KorfT   in 


KARL  JANSSEN 

1870  —  1871 

Relief  am  Kaiser  Wilhelm-Denkmal  in   Düsseldorf 


381 


Neviges,  für  Benjamin  Vautier  in  Düsseldorf,  Oelbermann  in  Köln.  Andere  Arbeiten  waren  das 
Ehrengeschenk  für  den  Minister  Stosch,  das  Janfsen  im  Verein  mit  A.  Schill  in  Holz  und  Silber 
ausführte,  das  Aerztedenkmal  in  Eisenach  und  ein  Relief  in  Bethel  bei  Bieleleld. 

Janfsens  Hauptwerk  aber  ist  bisher  das  Kaiserdenkmal  in  Düsseldorf,  das  ihn,  nachdem  er 
1889  die  Concurrenz  gewonnen  hatte,  fast  sieben  Jahre  beschäftigte,  und  das  im  Herbst  1896  enthüllt 
wurde.  Der  freie  grofse  Zug,  durch  den  sich  alle  Arbeiten  des  jungen  Künstlers  auszeichnen, 
macht  sich  auch  hier  in  vortheilhafter  Weise  und  im  Gegensatz  zu  so  manchen  Conventionellen 
Arbeiten    auf    diesem    allerdings    nur    schwer    noch    mit    neuen    Ideen    zu    behandelnden    Gebiete 


bemerkbar.  Von  den 
Genien  des  siegreichen 
Krieges  und  des  Frie- 
dens begleitet,  schreitet 
das  Rofs  des  Kaisers 
stolz  und  energisch  unter 
seinem  Reiter  vorwärts. 
Dieser  selbst  erscheint 
ruhig  und  mild,  wie  er 
seinem  Volk  in  unaus- 
löschlicher Erinnerung 
geblieben  ist.  Die  drei 
in  Bronze  ausgeiührten 
Figuren  erheben  sich 
auf  hohem  Granitsockel, 
der  wiederum  reich  mit 
bronzenen  Cartouchen, 
■Wappenschildern  und 
Guirlanden  umsponnen 
ist,  und  auf  der  Rück- 
seite noch  zwei  schwe- 
bende Putten  von  grofser 
Schönheit  zeigt.  Anden 

Seitenwänden  des 
Sockels     befinden    sich 
zwei    Flachreliefs,    von 
denen    das    zur   Linken 
den  Untergang  des  alten 

römischen  Reiches 
deutscher    Nation,     der 
durch  Preufsens  Nieder- 
werfung  im  Jahre   1807 

endgültig  besiegelt 
wurde,   in  allegorischer 
Weise    darstellt:       Die 

Kriegsfurie  schreitet 
über  das  niedergewor- 
fene Deutschland  hin- 
weg. Im  Hintergrunde 
ist  die  Flucht  der  Königin 
Louise  nach  Tilsit  dar- 


CLEMENS  BUSCHER 
Ehrengabe   für  Bismarck 


gestellt.  Das  Relief  zur 
Linken  zeigt  die  Krö- 
nung der  auferstandenen 
Germania  durch  die 
Bundesstaaten. 

Im  Jahre  1895, 
nach  dem  Tode  Wittigs, 
wurde  Carl  Janfsen  als 
Lehrer  der  Bildhauerei 
an  der  Akademie  ange- 
stellt, und  in  dieser  Stel- 
lung hat  er  das,  was 
man  von  Wittig  30  Jahre 
lang  vergeblich  erhofft 
hatte,  nun  zu  vielver- 
sprechenden Anfängen 
geleitet,  nämlich  die 
energische  Entwicklung 
der  akademischen  Bild- 
hauerklasse. Eine  grofse 
Zahl  von  Schülern  hat 
sich  um  den  Lehrer  ge- 
schaart,  der  in  thatkräf- 
tiger  Weise  sich  ihre 
Förderung  am  Herzen 
gelegen  sein  läfst.  Schon 
in  der  verhältnifsmäfsig 
kurzen  Zeit  haben  diese 

Schüler  bemerkens- 
werthe,  zum  Theil  vor- 
treffliche Arbeiten  ge- 
liefert, so  Courbillier  die 
decorative  Gruppe  an 
dem  W^assergraben  der 
Königsallee  und  ver- 
schiedene Entwürfe  für 
Burg    an    der    Wupper, 

Hammerschmidt  die 
lustige  Fontäne  im  run- 
den   Weiher    und    Carl 
Heinz   Müller   den   Ent- 


wurf zu  dem  Giebelfeld  des  Kunstausstellungs- Palastes.  Auch  Frische  und  Bauke  haben  sich 
schon  mit  Erfolg  an  verschiedenen  Concurrenzen  betheiligt.  Eine  Beurtheilung  dieser  Werke  mufs 
einer  späteren  Zeit  überlassen  bleiben,  nur  das  läfst  sich  schon  jetzt  constatiren,  dafs  der  frische 
Zug,  der  durch  die  ganze  Düsseldorfer  Kunst  geht,  sich  ganz  besonders  in  der  akademischen 
Bildhauerklasse,  die  30  Jahre  lang  ein  todter  Punkt  war,  bemerkbar  macht. 

Nicht  minder  bedeutend,  wie  Carl  Janfsen,  war  sein  langjähriger  Studiengenosse  Josef  Tüshaus, 
geboren  1857  in  Münster,  gestorben  October  1901,  dem  es  sogar  gelang,  noch  unter  Wittig  eine 
vortreffliche  Arbeit  auszuführen,  nämlich  den  .,hl.  Sebastian"  in  der  Nationalgalerie  in  Berlin.     Er 


382 


ging  mit  Carl  Janfsen  zu- 
sammen nach  Rom  und 
betheiligte  sich  dann  an 
dem  Entwurf  und  der 
späteren  Ausführung  des 
monumentalen  Brunnens 
am  Ständehaus  zu  Düssel- 
dorf. Eine  selbständige 
Arbeit  war  dann  die  alle- 
gorische Gestalt  der 
„Nacht",  die  er  in  Marmor 
lür  eine  Privatgalerie  in 
Essen  schuf.  Grofsen  Bei- 
fall fand  auch  seine  Bronze- 
statuette „Gefesselte  Ama- 
zone".    Seither   hatte   der 

Künstler  hauptsächlich 
Porträtbüsten  ausgeführt, 
bis  ihn  der  Tod  kurz  nach 
Vollendung  des  Moltke- 
denkmals  in  Düsseldorf, 
dessen  Aufstellung  er  nicht 
mehr  erleben  sollte,  ereilte. 

Eine  selbständige  Stel- 
lung innerhalb  der  jungen 
Düsseldorfer  Bildhauerei 
nimmt    Gustav    Rutz    ein. 

der,  in  Köln  1857  geboren,  in  München  unter  Anton  Hefs  studirte  und  seit  1879  in  Düsseldorf 
thätig  ist.  Er  führte  eine  grofse  Zahl  ansprechender  Werke  aus,  unter  denen  besonders  zu  er- 
wähnen sind:  das  Kaiser  Wilhelm-Denkmal  für  Burgsteinfurt,  der  Kaiser  Friedrich-Brunnen  in 
Uerdingen,  HohenzoUern-Brunnen  in  Rheydt,  Sieges-Brunnen  in  Vohwinkel.  Auch  viele  Grab- 
Denkmäler  in  Marmor  und  Bronze  stammen  von  seiner  Hand. 

Neben  der  akademischen  Bildhauerklasse  unter  Carl  Janfsen  hatte  sich  schon  ein  Jahrzehnt  früher 
eine,  allerdings  dem  Charakterder  Schule,  der  sie  angehörte,  entsprechend  mehr  auf  das  Decorative 
gerichtete  Bildhauerklasse  an  der  1881  eingerichteten  Kunstgewerbeschule  entwickelt.  Als  Lehrer 
für  sie  wurde  im  Jahre  1883  Clemens  Buscher,  geboren  1855  in  Gampurg  bei  Wertheim  in  Baden, 
berufen.  Er  war  Schüler  der  Akademie  in  München  gewesen  und  brachte  von  dort  den  malerischen 
und  decorativen  plastischen  Stil  mit,  der  aus  den  damals  so  lebendigen  Bestrebungen  des  Kunst- 
gewerbes in  Süddeutschland  entstanden  war.  Buscher  selbst  ist  übrigens  verhältnifsmäfsig  wenig 
auf  dem  architektonisch -decorativen  Gebiet  thätig  gewesen.  Er  betheiligt  sich  regelmäfsig  an 
den  Concurrenzen  für  Denkmäler  u.  s.  w.  und  errang  den  ersten  Preis,  die  Ausführung  für  das 
Kaiserdenkmal  in  Frankfurt,  in  Mülheim  am  Rhein  und  in  Bochum. 

Für  das  Düsseldorfer  Stadttheater  entwarf  er  in  allerjüngster  Zeit  im  Auftrag  des  Kunst- 
vereins für  die  Rheinlande  und  Westfalen  die  Porträtstatuen  von  Immermann  und  Mendelssohn- 
Bartholdy,  dessen  kaum  zweijährige  Thätigkeit  in  Düsseldorf  und  negatives  Verdienst  um  das 
Theater  auf  diese  Weise  gefeiert  werden  soll. 

Aus  der  Schule  Buschers  gingen  verschiedene  talentvolle  junge  Künstler  hervor.  So  unter 
Anderen  die  Schöpfer  des  Düsseldorfer  Bismarck-Denkmals,  Johannes  Röttger  und  August  Bauer, 
die  allerdings  später  noch  eine  Zeitlang  in  Berlin  studirt  hatten. 


CLEMENS  BUSCHER 
Relief  am  Kaiser   Wilhelm-Denkmal  in  Frankfurt  am  Main 


Wenn  irgend  etwas  geeignet  ist,  die  Gesundheit  und  Lebenskraft  einer  geistigen  Strömung 
zu  beweisen,  so  ist  es  der  Umstand,  dafs  sie  sich  mit  Erfolg  auf  lang  vernachlässigte  Gebiete 
zu  erstrecken  vermag,  und  so  darf  man  den  Aufschwung,  den  die  Bildhauerkunst  in  kurzer  Zeit 
in  Düsseldorf  genommen  hat,  gewissermafsen  als  vielverheifsendes  Symptom  betrachten  für  die 
glückliche  W^eiterentwicklung    der   ganzen  Kunst.     Ueberblickt  man  freilich    die  Schaar   der  erfolg- 


383 


reichen  jungen  Künstler  der  letzten  Jahrzehnte  in  Düsseldorf,  so  möchte  es  scheinen,  als  fehle  es 
noch  an  einer  der  machtvollen  Persönlichkeiten,  ohne  die  kein  Fortschritt  in  irgend  einem 
Zweige  menschlicher  Cultur  möglich  ist,  deren  gerade  die  Düsseldorfer  Kunst  eine  so  stattliche 
Reihe  von  Cornelius  an  aufzuweisen  hatte  und  in  ihrer  älteren  und  ältesten  lebenden  Generation 
noch  aufzuweisen  hat.  Aber  so  lange  eben  diese  noch  in  frischer  Schöpferkraft  thätig  sind, 
mag  der  junge  Nachwuchs  sich  begnügen,  ihren  Spuren  zu  folgen.  Wenn  es  Zeit  ist,  wird  auch 
der  Düsseldorfer  Kunst  des  XX.  Jahrhunderts  der  kommende  Mann  erscheinen.  Vorläufig  hat  sie 
das  Recht,  nicht  auf  den  Lorbeeren  zu  ruhen,  aber  in  ruhiger  Arbeit  die  zahlreichen  und  viel- 
gestaltigen Anfänge  weiter  zu  verfolgen  und  auszubauen.  Drei  Künstler-Generationen  arbeiten  in 
Düsseldorf  nebeneinander,  trotz  aller  unvermeidlichen  Gegensätze,  in  gröfserem  Frieden,  als  in 
irgend  einer  anderen  Kunststadt;  auch  hierin  liegt  eine  Gewähr  für  die  Zukunft.  Das  Moderne 
von  heute  ist  das  Unmoderne  von  morgen.  Gerade  dafs  zahlreiche  Werke  älterer  Düsseldorfer 
Kunst  noch  Freunde  finden,  dafs  alte  Künstler  nach  wie  vor  mit  Erfolg  wirken  können,  das  mag 
den  Jungen  und  Jüngsten  ein  Sporn  sein,  jenen  modernen  Glanz,  der  doch  nur  das  für  den 
Augenblick  Geborene  umkleidet,  zu  meiden,  und  eine  tröstliche  Versicherung,  dafs  dann  auch 
sie  nicht  blofs  für  die  Tagesmode  arbeiten,  ^vie  so  Viele  aufserhalb,  die  ihren  billigen  und  doch 
mit  dem  Theuersten  erkauften  Ruhm  von  gestern  auf  heute  dahinwelken  sehen. 

Es  giebt  keine  Sprünge  in  der  Culturentwicklung  der  Menschheit.  Mit  Phrasen  läfst  sich 
die  Kunst  von  Jahrhunderten  nicht  abthun,  noch  weniger  läfst  sich  eine  neue  aus  dem  Boden 
stampfen.  Auch  das  Genie  mufs  einen  festen  Grund  unter  den  Füfsen  haben,  wenn  es  nicht 
den  Halt  verlieren  und  untergehen  soll. 


KARL  JANSSEN 
Wellen 


384 


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ND      Schaarschmidt,  Friedrich 

536        Zur  Geschichte  der  düssel- 

D8S33   dorfer  Kunst 


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