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GESCHICHTE
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J.V. Douven pinx.
Photograviire öruckmaim
JOHANN WIllll'^.I.M, KURFÜRST VON DER PF.M.Z.
Nach dem Original im Witteisbacher Palast in Mündien.
ZUR GESCHICHTE DER
DÜSSELDORFER KUNST
INSBESONDERE IM XIX. JAHRHUNDERT
VON FRIEDRICH SCHAARSCHMIDT =
MIT EINER TITELGRAVÜRE, loo VOLLBILDERN UND 150 TEXTBILDERN
HERAUSGEGEBEN VOM
KUNSTVEREIN FÜR
DIE RHEINLANDE
UND • WESTFALEN
SEINEN MITGLIEDERN
ALS PRÄMIENGABE ZUR
JAHRHUNDERTWENDE
UND ZUR FEIER DER
DÜSSELDORFER AUS-
STELLUNG GEWIDMET
VERLAG DES KUNSTVEREINS FÜR DIE RHEINLANDE
UND WESTFALEN DÜSSELDORF 1902
GEDRUCKT BEI AUG. BAGEL, DÜSSELDORF.
WD
DÜSSELDORFER KUNST
Der Traum der Wirklichkeit ist flücht'ger Dunst.
Und ewig wahr bleibt nur der Traum der Kunst.
Immermann.
Inhalts -Verzeichnifs
Seite
Vorwort i
EINLEITUNG
Die Kunst in Düsseldorf vor dem XIX. Jahrhundert
Erstes Kapitel 3 — 21
Die Kunst im alten Düsseldorf bis zum Tode Johann Wilhelms
Die cleve-jülichschen Herzöge, Wilhelm III., Bauthätigkeit. Porträts. Der erste
Düsseldorfer Hofmaler. Das Grabdenkmal Wilhelms III. Die Neuburger Herzöge.
Wolfgang W^ilhelm. Der Maler Johann Spilberg. Kurfürst Johann Wilhelm von
Pfalz-Neuburg, als Begründer des Düsseldorfer Kunstlebens. Projecte. Die Galerie.
Franz Douven, Eglon v. d. Neer. Holländische und italienische Hofmaler. Gabriel
von Grupello und die Statua equestre. Mit Johann Wilhelms Tode scheint die
Düsseldorfer Kunstblüthe beendet zu sein.
Zweites Kapitel 22 — 3g
Die kurfürstliche Akademie
Kurfürst Karl Theodor. W^ilhelm Lambert Krähe. Die Gründung der Akademie.
Die Krahesche Sammlung. Die Akademieprofessoren. J. P. Langer und seine
Schüler. Der Verlust der Galerie. Peter Cornelius. Goethe und die W^eimarer
Concurrenzen. H. Kolbe, R. Langer, P. Cornelius in Concurrenz. Düsseldorfer
Arbeiten von Cornelius. Er verläfst Düsseldorf und beginnt in Frankfurt die
Faustzeichnungen. Es entsteht eine nationale Kunst.
ERSTER THEIL
Die Malerei unter Cornelius und Schadow^
Drittes Kapitel , • ■ 40 — 52
Die preufsische Akademie unter Cornelius
Die preufsische Regierung erkundigt sich nach der Akademie. Berichte von
Schäffer und Kortüm. Cornelius in Rom. Die alten Nazarener. Die Neigung
zum Katholicismus. Cornelius' Berufung nach Düsseldorf. Seine Doppelstellung
dort und in München. Arbeiten in Düsseldorf und der Umgegend, die Fresken
in Bonn; andere Schülerarbeiten, die zumeist nicht zur Ausführung kommen.
Cornelius wird nach München berufen und verläfst endgültig Düsseldorf.
Seite
Viertes Kapitel 53—7°
Schadows Berufung und die Neu - Organisation der Schule. Die
Gründung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen
"Wilhelm Schadow. Die Zustände auf der Akademie. Die Lehrer. Literarische
und malerische Romantik. Die Verhältnisse in Düsseldorf. Die geistreichen
Leute; Immermann. Der Realismus der Romantik. Die aesthetischen Abende
bei Schadow als Grund zu späteren Zwistigkeiten. Die Gründung des Kunst-
vereins. Seine Grundsätze und Erfolge. Kurze Uebersicht über seine Thätigkeit.
Fünftes Kapitel 71—105
Schadow und seine Schule. Historienmaler und Romantiker
Der Ruhm der Düsseldorfer Bilder. Die einzelnen Künstler; Schadow und
seine ersten Schüler. Die Sentimentalität. Die Monumentalmalerei knüpft bei
den Arbeiten für Schlofs Heitorf wieder an. Die Maler von Heitorf und Elberfeld.
Schlofs Stolzenfels.
Sechstes Kapitel 106—132
Die von Schadow unabhängigen Historienmaler
Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Rheinländern und Ostländern. Literarische
Fehden. Verstimmungen bei Schadow. Die Anfänge der Malereien für Remagen.
Secessionisten: Lessing, Leutze, Rethel.
Siebentes Kapitel 133 — 151
Die katholisch -kirchliche Malerei
Die Heiligenmaler oder die Düsseldorfer Nazarener. Die Apollinariskirche in
Remagen und ihre Maler: Deger, Carl und Andreas Müller, Ittenbach. Deger
und die Kapelle von Schlofs Stolzenfels. Die heutigen katholischen Heiligenmaler.
ZWEITER THEIL
Die nichtakademische Malerei und die Landschaft
Achtes Kapitel 152 — 182
Beginn und rasche Entwicklung der Genremalerei
Es entwickelt sich ein Gegensatz zur historischen Romantik. Humor gegen
Sentimentalität. Die älteren Genremaler bleiben allerdings klassisch-literarisch
beeinfiufst, studiren aber energisch die Natur und die Landschaft. Hieronymus
Jobs tritt in die Gesellschaft der biblischen und klassischen Helden ein. Schrödter,
Hasenclever. Befreiung von der Literatur. Zeitgenössische Volksmalerei in aus-
ländischem Costüm. Jordan, Ritter. Das Jahr 1848 wird durch K. Hübners
Tendenzbilder in der Malerei vorgefühlt, ein einheimisches Bauerngenre durch
Jacob Becker eingeleitet. Das ethnographische Bauerngenre wird durch Tidemand
um Norwegen bereichert. Nordische Maler in Düsseldorf. Die rheinische
Romantik bemächtigt sich wieder des Genres,
Sei'e
Neuntes Kapitel 183 — 194
Kritische Zeiten. Der Niedergang der akademischen Kunst
Die geistigen Strömungen der Revolutionszeit machen sich auch in der Kunst
nach den verschiedensten Richtungen hin geltend. Ein Freiheitsfest der Künstler-
schaft. Gründung des ,, Malkasten". Reibungen zwischen der akademischen
und der freien Künstlerschaft. Schlechte Zeiten. Gründung des „Künstlerunter-
stützungsvereins" und der „Deutschen Kunstgenossenschaft". Die romantische
Malerei wird ein überwundener Standpunkt. Schadow dankt ab, aber sein
Nachfolger arbeitet im selben Sinne weiter. Die Akademie verfällt immer mehr
der Altersschwäche. Ein allgemeiner Zug nach auswärts macht sich bemerklich.
Zu dem Wechsel in der Wahl der Motive kommt eine neue Malweise. Die
Farbenblindheit der Romantiker und ihre Technik.
Zehntes Kapitel 195 — 224
Die Landschaftsmalerei der älteren und mittleren Zeit
Lessing der romantische, Schirmer der klassisch-idealistische Landschaftsmaler.
Schirmer begründet die Schule. Seine ersten Anhänger. Seine Nachfolger. Die
beiden Achenbach. Anfänge der naturalistischen Landschaftskunst, die durch
Dücker vollendet werden.
Elftes Kapitel 225 — 246
Schlachtenmalerei, Thiermalerei, Graphische Künste
Die Schlachtenmalerei als Rest der Historienmalerei, der ins Genrehafte über-
geht. Camphausen und sein Kreis. Die Thiermalerei. Jagdmaler, Pferdemaler,
Geflügelmaler, Die Illustratoren, Das Liederbuch eines Malers von Robert
Reinik, Klassiker -Illustrationen, Steindrucke. Die Düsseldorfer Monatshefte.
Originallithographie und Originalradirung. Ein Radirclub, Die Mappen des
Lucasclub. Die Kupferstecher.
DRITTER THEIL
Die neuere Kunst
Zwölftes Kapitel 247-290
Die Blüthe der Genremalerei
Knaus, Vautier. Wilhelm Sohn, Munkacsy, Hoff. Das Wesen der Sohnschule:
Costüm, Farbenstimmung, physiognomischer Ausdruck. Ihre Schwäche. Auch
die unabhängigen Genremaler können sich dem Charakter der Schule nicht ganz
entziehen. Der W^eggang zahlreicher junger Maler aus Düsseldorf.
Dreizehntes Kapitel 291 — 336
Die neue religiöse und historische Malerei
Eine religiöse Malerei von protestantischem Standpunkt aus löst das Nazarener-
thum ab. Eduard v. Gebhardt und seine Schüler. Rethels Erbschaft wird an-
getreten. Es entwickelt sich eine neue historische Monumentalkunst. Peter
Janfsen und andere Historienmaler.
Seite
Vierzehntes Kapitel 337 — 374
Die neueste Zeit
Ausstellungen und Secessionen. Der moderne Charakter in der Düsseldorfer
Kunst wird durch die alte Verbindung der Figurenmalerei mit der Landschaft
bestimmt. Das Studium der Thiermalerei, Sport und Militärmalerei. Die
Dückerschule: Aquarellmalerei. Die Janfsenschule. Historie, modernes Genre,
mythologische Bilder, Bildnis, romantische Landschaft u. s. w.
ANHANG
Fünfzehntes Kapitel 375 384
Die Bildhauerkunst
Bayerle; Wittig und seine Schule. Karl Janfsen und seine Schule.
Quellen
Akten der Königlichen Regierung zu Düsseldorf.
Akten des Königlichen Staatsarchivs zu Düsseldorf.
Akten der Königlichen Kunstakademie zu Düsseldorf.
Becker. Hermann. Deutsche Maler u. s. w. Leipzig 1888.
Blanckartz, Moritz. Düsseldorfer Künstler. Stuttgart 1877.
Bund. Ludwig. Die Semi-Säcularfeier der Königlichen Kunstakademie zu Düsseldorf. Düsseldorf 1870.
(Daelen, E.) Aus der Geschichte des Künstlervereins Malkasten zur Jubelfeier seines 50jährigen
Bestehens. Düsseldorf (1898).
Deiters, H. Festrede zum Künstlerjubiläum von A. Achenbach. Düsseldorf (1885).
Ehrhardt, Adolph. Jugenderinnerungen für Kinder und Enkel aufgezeichnet. Als Handschrift
gedruckt. Leipzig.
Fahne, A. Die Düsseldorfer Malerschule in den Jahren 1834, 1835 und 1836. Düsseldorf 1837.
— — Meine Schrift ..Die Düsseldorfer Malerschule" und ihre Gegner. Düsseldorf 1837.
— — Hasenclevers Illustrationen zur Jobsiade. Bonn, Köln 1852.
Feuerbach, A. Ein Vermächtnifs. Wien 1885, IL Aufl.
Finke, H. Carl Müller, sein Leben und künstlerisches Schaffen. Köln 1896.
— — Der Madonnenmaler Franz Ittenbach. Köln 1898.
Förster, E. Peter von Cornelius, ein Gedenkbuch u. s. w. Berlin 1874.
Friedländer, Julius. Gottfried Schadow. Aufsätze und Briefe. II. Aufl. Stuttgart 1890.
Heinen, Franz. Bendemanns Wandgemälde in der Aula der Realschule zu Düsseldorf. Düssel-
dorf (1866).
Hermes, Franz. Beschreibung von Schlofs Stolzenfels u. s. w. Coblenz 1892.
Hübner, Julius Schadow und seine Schule. Bonn 1869.
Immermann, Carl. Düsseldorfer Anfänge. Maskengespräche. Werke, Hempel. Band 20.
Müller von Königswinter. Düsseldorfer Künstler aus den letzten 25 Jahren. Leipzig 1854.
— — — Alfred Rethel. Blätter der Erinnerung. Leipzig 1861.
Nähert, W. u. s. w. 50 Jahre Vergangenheit des Vereins Düsseldorfer Künstler z. g. U. u. H.
Düsseldorf, i. Juli 1894.
Pecht, F. Geschichte der Münchener Kunst. München 1888.
Püttmann, H. Die Düsseldorfer Malerschule und ihre Leistungen u. s. w. Ein Beitrag u. s. w.
Leipzig 1839.
Raczynsky, A., Graf. Geschichte der neueren deutschen Kunst, übersetzt von F. H. v. d. Hagen.
I. Band. Düsseldorf und das Rheinland. Berlin 1836.
Riegel, H. Peter Cornelius. Festschrift zu des grofsen Künstlers 100. Geburtstage. Berlin 1883.
— — Cornelius, der Meister der deutschen Malerei. Hannover 1870.
Rosenberg, A. Die Berliner Malerschule. Berlin 1879.
— — Aus der Düsseldorfer Malerschule. Leipzig 1890.
— — Ed. V. Gebhardt, Künstlermonographien. Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig.
— — Benjamin Vautier. Ebenda.
Rofs, F. W. Rudolf Jordan, der Maler Helgolands. Hannover 1900.
Schaarschmidt, F. Gabriel von Grupello und seine Bronzestatuette des Kurfürsten Johann Wilhelm.
Festschrift des Düsseldorfer Geschichtsvereins. Düsseldorf 1896.
. — — Ed. v. Gebhardt, Monographie. München.
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— — Gedanken über folgerichtige Ausbildung des Malers. Beriiner Kunstblatt 1828 pag. 264-73.
Der moderne Vasari. Erinnerungen aus dem Künstlerleben, Novelle. Berlin 1854.
Schmidt, E. Die Quadriga, ihre Zeit und ihre Meister. Berlin 1888.
Schmidt, M. Rethel, Künstlermonographien. Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig.
Scotti, J. J. Die Düsseldorfer Malerschule oder auch Kunstakademie. Düsseldorf 1837.
Strauven K. Ueber künstlerisches Leben und Wirken in Düsseldorf u. s. w. Düsseldorf 1862.
Valentin, Veit. Alfred Rethel, eine Charakteristik. Berlin 1892.
Wiegmann. Die Königliche Kunstakademie zu Düsseldorf Düsseldorf 1856.
W^oermann, Carl. Zur Geschichte der Düsseldorfer Kunstakademie. Düsseldorf 1880.
Der Hochaltar in St. Remigius zu Bonn. Bonn.
Beschreibung der St. Apollinariskirche zu Remagen. Bonn.
Zur Feier des 50jährigen Bestehens des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen.
Düsseldorf 1879.
Beiträge zur Geschichte des Niederrheins, Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichtsvereins. Düsseldorf.
Jahresberichte des Kunstvereins für die Rheinlande und W^estfalen. Düsseldorf.
Verhandlungen des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen seit 1829. Düsseldorf. ,
,,Die Kunst für Alle". München.
,,Die Kunst unserer Zeit". München.
„Die Kunsthalle". Berlin.
„Zeitschrift für bildende Kunst". Leipzig.
Künstler - Verzeichnifs
Achenbach, Andreas io6, 185, 196, 203, 204, 205,
207 ff., 215, 217, 240, 241, 244. 245, 312, 348, 353.
Achenbach, Oswald 207, 209 ff-, 216, 217. 221,
241, 233, 325, 367.
Alberti 12.
Aldegrever, Heinrich 3, 4.
Alma Tadema, Laurens 267, 364.
Anschütz, Hermann 50.
App, Peter Wilhelm 50.
Appel, Karl 347, 348.
Arnz, Albert 212.
Askevold, Anders Monssen 215.
Bacharach, Louis 183.
Bachmann, Hans 275.
Baisch, Hermann 347.
Battoni, Pompeo 22.
Barthelmess, Nicolaus 182. 244, 261.
Baudry, Friedrich 186.
Bauke. Heinrich 382.
Bäumgen, Joseph 24, 27, 375.
Bauer, August 383.
Baur, Albert 242, 272, 277, 388, 319 ff.. 333, 334-
Baur, Albert jr. 347.
Bayerle. Julius 376.
Beck. August 231, 233.
Becker, August 201, 203.
Becker, Hermann 184, 186.
Becker, Hermann jr. 187.
Becker, Jacob 168, 170, 173, 181, 240.
Becker, Joseph 82.
Becker, Karl 353.
Becker, Louis Hugo 181. 234.
Beckerath, Willy von 368.
Beckmann, Ludwig 236, 239.
Begas, Reinhold 204.
Bellucci, Antonio 16.
Bendemann, Eduard 64, 71, 75, 77, 79, 80, 81.
99. 145. 150, 155. 188, 189, 240, 241, 245, 291,
292, 293, 295. 306, 307, 325. 326. 327, 329.
Bergmann, Julius 348.
Bernardi. Antonio Maria 16.
Be\ver, Clemens jgo.
Biefve, Edouard de 190.
Blanc. Louis 153.
Bleibtreu, Georg 231.
Bochmann, Gregor von 308. 338. 33g, 341.
Böcklin, Arnold 90, iig, 186, 199, 201.
Boettcher. Christian Eduard 17g, 181, 182.
Bokelmann. Christian Louis 277, 279.
Böninger. Robert 368, 369.
Bosch, Ernst 244, 265.
Brekvelt, Wilhelm 10.
Brühl, Alfred Graf 347.
Bruillot. Franz 24, 30.
Bruillot, Joseph Augustin 24.
Brütt, Ferdinand 172, 277. 278, 281, 341.
Buchhorn, Carl Ludwig 155.
Burnier, Robert 215.
Buscher, Clemens 382, 383.
Calame. Alexander 204.
Camphausen. Wilhelm 168. 187. 223. 226, 227,
228, 229. 231. 233. 234. 241. 242.
Carstens, Asmus 379.
Cederström, Thure von 321.
Chauvin. August 90.
Chavannes, Alfred 204.
Clasen, Carl 148.
Clasen, Lorenz 98. 99. 123, 184. 190. 241.
Commans, Friedrich Heinrich 148, 307.
Cornelius, Aloys 30, 31.
Cornelius, Lambert 31, 3g.
Cornelius, Peter 31 ff., 40 ff., 50, 52, 53, 54, 55.
56, 57, 64, 65, 66, 90, 103. 120, 124, 152. 190,
195, 240. 293, 305, 375, 379.
Couture. Thomas 170, 190.
Courbillier, Ferdinand 382.
Cramer, Friedrich 42.
Crola. Hugo 189, 293, 308.
Daelen, Eduard 185.
Dahl, Hans, 284, 286. 28g.
Dahlen. Reiner 212.
Deger, Ernst 107, 113, 114, 127, 12g. 133 ff., 150.
152, 188, 240, 244, 2g2, 304.
Deiker, Carl Friedrich 232. 234, 244, 347.
Deiker, Johann Christian, 234.
Deiters, Heinrich 212.
Delaroche, Paul 190.
Des Coudres, Louis 84, 267, 268.
Desnoyers, Auguste 244.
Deusser, August 367, 368, 369.
Diez. Wilhelm 347.
Dinger. Fritz 244.
Dirks. Andreas 354.
Döhringer, Wilhelm 304, 305.
Douven. Franz Bartholomaeus 21.
Douven, Johann Franz 11 ff.
Dücker, Eugen 212, 215, 217. 219, 222. 244. 337.
348, 349. 353. 354-
Dyk, Hermann 162.
Ebel. Fritz 204.
Eckenbrecher, Themistokles von 325.
Ehemant, Friedrich 106.
Ehrhardt, Adolph 99.
Ehrich, Bruno 304, 305.
Erdmann, Otto 265.
Fagerlin, Ferdinand 176, 179. 264. 289.
Fahrbach. Karl Ludwig 204, 207. 244.
Fay, Joseph 98. 99, 190.
Feldmann, Louis 304.
Fellmann, Aloys 282, 287.
Feuerbach. Anselm 89. 186. 188. 190.
Fickentscher, Otto 233.
Flamm, Albert 209. 212.
Flandrin, Hippolyte 231.
Flatters, Johann Jacob 41.
Flüggen, Gisbert 162, 186.
Forberg. Ernst 244, 245, 269.
Forell, Robert 286.
Forster, Franz 244.
Forster, Ernst Joachim 35, 46. 47. 49. 52. 56.
Frenz, Alexander 244, 307. 354. 362 ff.
Frische, Hermann 382.
Funk, Heinrich 106, 201.
Gallait, Louis 190.
Gebhardt, Eduard von 13, 244, 267, 272, 275,
277, 278. 282. 284. 286. 293 ff., 308, 319. 342.
365. 368. 369. 372-
Geertz. Julius 207. 299.
Geertz, Karel Hendrik 376.
Gehrts, Carl 242. 321, 331, 332, 333 ff.
Gehrts. Johannes 321.
Geröme, Jean Leon 300.
Geselschap. Eduard 89, loi.
Geselschap, Friedrich loi.
Geyer, Carl 265.
Geyer, Johann 162.
Giese, Ernst 293.
Glaser, Goswin Adam 244.
Götzenberger, Jacob 44, 46, 47 ff, 51, 56.
Grimm, Hermann 282.
Gropius. Karl Wilhelm 155.
Grotjohann. Philipp 242. 244.
Grüner, Karl Franz 32.
Grupello, Gabriel von 17. 18 ff-, 375-
Guardian, Peter 27.
Gude. Hans 176. 181. 203. 212. 215.
Günther. Erwin 353.
Gussow, Karl 204. 277. 353.
Hagen. Theodor Joseph 212.
Hammerschmidt. Joseph 382.
Happel, Friedrich 234.
Hartmann. Ernst 319.
Hartmann. Ferdinand 32.
Härtung. Heinrich 218, 221.
Hasenclever. Johann Peter 156. 160 ff.. 183. 247. 372.
Heichert. Otto 371. 372, 373.
Heimes. Heinrich 354.
Heine, J. Wilhelm 174.
Heller. Adolf 368.
Henke. Anton 347.
Hermann. Carl Heinrich 46, 47. 49. 56.
Hermanns. Hans 351.
Hermanns. Heinrich 244 251 ff.
Hess. Anton 383.
Hess. Carl Ernst Christoph 27.
Hiddemann. Friedrich 242. 264. 265. 266.
Hildebrandt. Eduard 203. 353.
Hildebrandt. Ferdinand Theodor 55. 56. 60. 61,
81, 82, 84, 85, 101, 102. 159, 170. 174. 179. 201,
226, 231, 233, 240, 264, 265, 292.
Hilgers, Carl 165, 201, 203.
Hilgers, Karl 380.
Hoff. Carl 244. 266. 268. 275.
Hoffmann. August 153.
Hoffmann, Joseph 32, 33.
Hoffmeister, Heinrich 380.
Holthausen. Ludwig 310, 312.
Hübner, Carl Wilhelm 165, 168. 170. 171, 172, 174,
175, 184, 248. 257. 258.
Hübner, Rudolph Julius Benno 55, 56, 64. 75,
76, 81, 99, 170, 240, 244.
Hummel, Ludwig 32.
Hunten. Johann Emil 229. 230. 231, 325.
Irmer. Carl 212, 215. 244.
Ittenbach, Franz 107, 134, 135, 137. 145, 146, 147, 148.
Jacobsen, Sophus 215.
Janfsen. Carl 375. 377. 379. 380, 381 ff.. 383, 384.
Janfsen, Gerhardt 244, 254, 369, 370.
Janfsen, Theodor 165, 244, 306, 381.
Janfsen. Peter 242. 282, 286. 295, 305 ff.. 326, 327. 329,
337, 347. 354. 355. 357- 362. 364. 368, 369. 372, 381.
Jernberg, Olav 217, 244, 348 ff.. 351.
Jochmus, Harry 286.
Jordan, Rudolph 165 ff.. 174. 176. 184. 247. 258, 262,
264. 265. 267.
Jungheim. Carl 204.
Jutz. Carl, 239. 244.
Kaikreuth. Stanislaus Graf, 203.
Kampf, Arthur 244. 307, 355 ff., 360. 362, 364, 367.
Kampf, Eugen 244. 350, 351, '355.
Kämpffer. Eduard 307, 355.
Karsch. Gerhard Joseph 22.
Kaulbach. Fritz August 366.
Kaulbach, Wilhelm 44, 45, 134.
Kehren, Joseph 129. 148. 188. 307. 321.
Keller, Joseph 67, 244, 245.
Keller, Ludwig 354, 366, 367, 368.
Kessel, Johann van 15.
Keyser, Nicaise de 231.
Kiedrich, Paul Joseph loi. 123. 186.
Kiesel. Conrad 286.
Kirberg, Otto 264, 276, 277.
Klein-Chevalier, Friedrich 324, 359, 362.
Kleinenbroich. "Wilhelm 174.
Klenze, Leo von 45.
Klingender. Louis 347.
Knaus, Ludwig 176, 179. 241, 246. 247 ff.. 260.
262, 263, 264, 267, 268, 272. 275.
Knille, Otto loi, i02, 292.
Köhler. Christian 64. 73, 80. 81. 83. 84. 187, 188.
292, 325.
Kohlschein, Joseph 244.
Kolbe. Carl Wilhelm 50, 103.
Kolbe, Heinrich 54, 55, 56. 84. 103. 121, 196. 207. 375.
Kolitz, Louis 212, 233.
Krähe, Wilhelm Lambert 16, 22, 23, 24, 25. 31, 152.
Krause, Robert 186.
Krause, Wilhelm 203.
Kretzschmer 63, 153, 240.
Krafft, Peter von 284, 307.
Kröner. Christian 234 ff., 244. 341.
Küssener, Auguste 40.
Küsthardt. Erwin 368.
Lange. Fritz 239.
Langenhöffel. Johann Joseph 24.
Langer, Johann Peter 27 ff., 31, 32, 35. 36, 52, 152.
Langer, Robert 28, 29. 32. 35.
Lasinsky, Gustav 103, 201.
Lasinsky. Johann Adolf 201.
Lauenstein. Heinrich 142, 146, 150. 151. 304.
Lefebre. Charles Victor, 347.
Leisten. Jacobus 244. 275.
Leilner. Heinrich 353.
Lenbach. Franz 204.
Lessing. Carl Friedr. 55. 96. 97, 98, 107 ff.. 119, 120.
122, 123, 140, 152, 155, 156, 160, 170, 181, 183, 188,
190, 193, 195, 196, 199. 201, 204, 207, 217, 217, 225,
226, 227, 233, 234, 240, 242, 268, 292, 299, 34g.
Leutze, Emanuel 102, 117, 118, 119. 184, 186.
Leu, August Wilhelm 201, 203.
Leys, Henry 231. 300.
Lieb. Michael gen. Muncacsy 250. 272 ff. 277.
Liesegang. Hellmuth 244. 251.
Lins, Adolf 341.
Loefen Bennewitz von Carl jr. 286.
Macco, Georg 349.
Makart. Hans 310.
Malthain, Johann 5.
Marx, Gustav 337, 341.
Massau, Eduard 282.
Massau. Franz 244.
Matschass, Erich 347.
Meinardus, Karl 183.
Meissonier. Jean Louis Erneste 300.
Meyer, Paul 372.
Mengelberg. E. Egidius 41.
Mengelberg, Otto 123, 148.
Menzel, Adolph 207, 227. 240, 370.
Meyer, Claus 335, 336, 347-
Meyn, van der 16.
Michelis. Alexander 186.
Milanesi, Antonio 16.
Mintrop, Theodor 89. 90. 91. loi. 191. 241.
Mohr, Christian 376.
Mosler. Carl Ignaz 44. 53, 55, 65. 66.
Mosler-Pallenberg, Heinrich 282.
Mücke. Carl 275. 277.
Mücke. Heinrich Carl Anton 93. 94. 95. 96. 98.
99, 188, 240, 241. 277.
Mühlig, Hugo 342.
Müller, Andreas 107, 133, 134, 135, 137, 140, 146,
148, 150. 188. 240, 292, 304.
Müller, Carl 73, 107, 127, 133, 134, 135, 137, 138,
139, 140, 142, 143, 145. 146, 147, 150. 188, 240,
292. 295. 304. 306.
Müller, Carl Heinz 382.
Müller, Franz 142, 146, 150.
Müller. Karl Hubert Maria 380.
MüUer-Morten 215.
Muncacsy. Michael de 250, 272 ff.. 277.
Munthe, Ludwig 221, 222.
Müsch, Leo 376. 379.
Muyden, Alfred van 262.
Nabert, Wilhelm 188.
Nahl, Johann August d. J. 32.
Neer, Eglon van der 12.
Neuhaus. Fritz 278, 282, 285, 324.
Nickelen. Jacobe Maria 16.
Nickelen. Jan 16.
Niessen, Johannes 90.
Nikutowsky, Erich 351.
Nikutowsky. J. A. S. 188. 233.
Nordenberg, Benedict 176.
Nordenberg, Henrik 176, 264, 289.
Normann. Adelsteen 215.
Northen. Adolf 233.
Nüsser, Heinrich 244.
Nüttgens, Heinrich 304.
Oeder. Georg 217, 218, 275.
Oesterley. Karl 148.
Otto, Heinrich 348.
Overbeck, Friedrich 41. 42. 43, 47, 52, 134, 295.
Paulsen-Mallet, Erich 24, 25.
Pauwels, Ferdinand 277.
Peerdt te, Ernst 275.
Pellegrini. Antonio 16.
Petersen-Angeln, Heinrich 348.
Petersen-Flensburg, Heinrich 348.
Petersen, Walther, 355, 365, 366 ff.
Petit, Savinien 231.
Pfannschmidt. Ernst Christian 305.
Philippi. Peter 372.
Piloty. Ferdinand 264, 306. 321. 342, 354.
Plüddemann. Hermann Reinhold 96. 97. 98, 99.
100. loi, 123.
Pohle. Hermann 207. 362.
Pohle. Hermann Emil 307. 348. 360 ff.. 366.
Pose, Wilhelm 106. 201.
Preyer, Johann Wilhelm 165.
Reinick, Robert 123, 159, 240.
Reiss, Anton Josef 275, 376.
Rethel, Alfred 55, 89, 99, 106, 107, 119 ff.. 140. 148.
152, 155, 181, 183, 188. 207. 240. 278. 305. 306.
307, 319, 325.
Rietschel. Ernst 379.
Ritter. Henry 165, 168, 171, 185. 229. 241. 242.
Rocholl. Theodor 242 ff.
Röckel. Wilhelm 44. 50.
Roeting, Julius 108, 292. 293, 368.
Roeber. Ernst 242, 308, 323, 324, 326, 327 ff.
Roeber. Fritz 241. 242. 308. 325, 326, 327, 328 fT., 348.
Röttger. Johannes 383.
Ruschewey, Ferdinand 41.
Rüstige. Heinrich 106. 264.
Rutz, Gustav 383.
Ruysch. Rachel 15. 16.
Salentin, Hubert 364. 365.
Sandhaas 44.
Saussure, Horace de 282, 284.
Schaarschmidt, Friedrich i. 370.
Schadow. Gottfried 33, 53, 155.
Schadow. Rudolf 33.
Schadow. Wilhelm 42, 43. 47. 53 ff.. 71. 73 ff-,
106 ff.. 129. 133, 134. 140. 145. 148. 152, 155, 162,
166, 170, 179, 183. 184, 185, 186. 187, 188, 190, 195,
196, 203, 204, 207, 233, 240, 241, 244. 248, 249.
262, 264. 265. 292, 305. 306, 325, 354. 375, 376, 379.
Schäffer, Anton 23, 24.
Schäffer. Carl Friedrich 16. 30. 39. 40. 55, 207.
Schalken, Gottfried 15.
Scheben, Gerhard 6, 7.
Scheins. Ludwig 201.
Schennis. Friedrich von 222.
Scheuren. Caspar 201. 203. 204. 242. 243.
Schick, Rudolph 201.
Schill. Adolf 304. 314, 353, 382.
Schirmer, Johann Wilhelm 84, 107. 108, 117, 122,
160, i8i, 183. 186, 196 ff., 199, 200, 201, 203,
204, 207, 215, 217, 234, 240, 242, 244, 268, 299.
Schlüter, August 349.
Schneider-Didam 367 ff.
Schnitzler, Fritz 286, 289.
Schnorr, Julius 42, 50, 52, 53.
Schönleber 354.
Schoonians. Anton 15.
Schorn. Carl 44.
Schrader, Julius 102.
Schreuer. Wilhelm 370.
Schrödter, Adolf 154, 155 ff.. 162. 165. 179. 183,
192, 240, 241. 242, 244, 247, 257, 372.
Schulten. A. 201.
Schulz-Briesen 265.
Schürmann, Fritz 347.
Schüz. Theodor 264.
Schwabe. Emil 172, 286.
Schweigen, Peter 174.
Schweitzer. Adolf 221.
Schwiering, Heinrich 286.
Schwind, Moritz von 321.
Seel, Adolf 267.
Seibels, Karl 215.
Seil. Christian 233.
Serro gen. Kraus 6.
Seyppel, Carl Maria 207.
Siegert. Friedrich loi.
Simmler. Wilhelm 325. 326.
Sinkel. H. J. 150.
Sohn. Carl 89. 278. 283.
Sohn, Carl Ferdinand 55. 56. 64, 81, 82. 84, 87,
89, 102, 109, 145, 150, 166, 168, 183, 187. 188,
190, 227. 231, 233, 240, 241, 242, 249, 265, 267,
268, 277, 278, 292. 306. 321. 325.
Sohn, Richard 89, 265, 278.
Sohn. \Ai'ilhelm 89. 245. 264, 265, 267 ff.. 275.
277. 278, 282, 284, 286, 289, 293, 299, 300,
302. 308. 319. 321, 336. 338. 342, 372.
Sohn-Rethel 278.
Sonderland. Fritz 267.
Sonderland. Johann Baptist 153. 267.
Sondermann, Hermann 265,
Spatz, Willy 355, 364 ff.
Spilberg. Adrian 9.
Spilberg. Adriana 9. 12.
Spilberg, Gabriel 9.
Spilberg. Johann d. Ae. 9.
Spilberg. Johann 6. g. 10. 11. 12.
Spitzweg, Carl 165.
Spoerer, Eduard 215.
Stang. Rudolph 244.
Steifensand, Xaver 173.
Steinbrück, Eduard 90.
Stern, Max 372.
Stilke, Hermann 44, 50, 103, 104. 105. 123, 148. 240.
Stehling, Eduard 27.
Stuck, Franz 364.
Stürmer, Carl 44, 50. 93. 94, 103.
Sürdick 282.
Süss, Gustav 239.
Süssnapp 228.
Suykens, Henry 286.
Thelott, Ernst Carl Gottlieb 30, 39. 55. 244.
Thorwaldsen, Barthel 174, 183. 375.
Tidemand, Adolf i66, 174. 176, 177, 203, 241, 247.
264, 289.
Troost, Wilhelm 16.
Troyon, Constant 215.
Tüshaus. Joseph 380. 381. 382 ff.
Tussmann, Heinrich 4.
Ungewitter, Hugo 369.
V autier, Benjamin 13, 172. 176. 179, 241. 242, 245,
248, 253 fT., 267, 268. 275. 382.
Veit, Philipp 42. 43, 113, 121.
Verlat, Charles 234.
Vezin, Fred 244, 284.
Vogel, Hugo 284, 290.
Volkers, E. F. H. 236.
Volkart. Max 244, 275.
Volkart. Wilhelm loi, 275.
Wach, Karl Wilhelm 166.
W^ächter, Georg Christoph 23.
W^agner, Cornelius 354.
Wansleben, Arthur 349.
W^ebb. Charles M. 233.
Weber, August 192, 202. 203. 204. 241.
W^eenix. Jan 15.
W^eitsch, Friedrich Georg 195.
Wendung, Gustav 244, 351.
Werff, Adrian van der 13, 14. 15. 21.
Wiegmann, Rudolf i. 129. 160, 162, 19g.
Wilkie, David 162, 168.
Wille, Anton von 204. 349. /^a-ci^'^f- ■
W^ille, Fritz von 349.
Wintergerst, Joseph 44, 55.
Wislicenus, Hermann 292, 293.
Wislicenus, Max 286.
■Wittig, Friedrich August 292, 293. 376, 379 ff.
381, 382.
Wolff, Joseph 380.
Wunderlich, Hermann 150.
Xeller. Christian 41.
Zanetti. Domenico 16.
Zick, Alexander 380.
Zieger, Hugo 362.
Zimmermann, Adolf 148.
Zimmermann, Clemens 2g.
Zinkeisen, August 370. 372.
Zusätze und Berichtigungen
Seite 41, hinter Zeile 8 v. o. ist einzufügen:
Einen weniger zuversichtlichen Eindruck macht aber eine bald darauf abgelassene
Petition des ohne Zweifel gescheiten und thätigen Mannes, in der er wieder eine Gehalts-
zulage nachsucht. Er begründet seine Bitte mit den Worten: „ich darbe". Und damit
dürfte die Situation der Düsseldorfer Künstler in jener Zeit nur zu treffend geschildert sein.
Seite 47, Zeile 11 v. u.: Wilhelm Schadow statt W. von Schadow.
Seite 55, zu Kolbe: Er wurde 1772 in Düsseldorf geboren und starb 1836 ebenda.
Seite 63, Zeile 14 v. o.: Kretzschmer statt Kretschmer.
Seite 153, Zeile 13 v. o., rechts: Kretzschmer statt Kretschmer.
Seite 207, zu Fahrbach: Er starb am 20. Januar 1902.
Seite 215, Zeile 26 v. u. : Seibels statt Seibers.
Seite 231, zu Hunten: Er starb am i. Februar 1902.
Seite 231, Savinien Petit statt Larinien Petit.
Seite 240, Zeile 21 v. o.: Kretzschmer statt Kretschmar.
Seite 347, Zeile 27 v. o.: L. Klingender statt F. Klingender.
Seite 355, Zeile 11 v. u.: Kämpffer statt Kämpfer.
Seite 368, Zeile 7 v. 0.: A. Heller statt H. Heller.
Vorwort
N dem vorliegenden Werk, das im Auftrage des Kunstvereins für die Rheinlande und
Westfalen verfafst vi^urde, soll zum erstenmal der Versuch gemacht werden, einen allge-
KW A "^^'"^ri und umfassenden Ueberblick über den Entwicklungsgang der Düsseldorfer
jlf"^^ Schule zu geben, und im Zusammenhang die Veränderungen und Umwälzungen, welche
die deutsche Kunst während der letzten 200 Jahre, insbesondere während des XIX. Jahr-
hunderts durchgemacht hat, innerhalb des Gebietes unserer rheinischen Kunststadt zu verfolgen.
Düsseldorf war ursprünglich nichts weniger als eine Kunststadt. Auf das Geheifs eines
kunstliebenden Fürsten entwickelte sich im XVII. Jahrhundert eine kurze Blüthezeit, der wieder
eine längere Pause fast gänzlicher Unthätigkeit folgte. Im XIX. Jahrhundert war es wieder eine
wohlwollende Regierung, welche durch Verpflanzung einer Reihe junger Künstler aus dem Osten
an die Ufer des Rheins und der Dussel hier die Akademie neu begründete und damit den Grund
zu der heutigen Düsseldorfer Kunstschule legte. Der Ruhm dieser zweifellos etwas künstlichen
Gründung wuchs bald aufserordentlich, bis die veränderten politischen Verhältnisse das Interesse
zunächst noch mehr nach Westen, nach Paris, dann nach Osten, nach Berlin verschoben, und
der mächtige Umschwung im Verkehrswesen den Süden begünstigte.
Ebenso sehr, wie die Düsseldorfer Kunst zuerst überschätzt worden war, wurde sie jetzt
unterschätzt, bis in letzter Zeit erst wieder eine gerechtere Würdigung der Verhältnisse Platz greift,
und man wieder anfängt, die Solidität der Düsseldorfer Malerei zu würdigen, nachdem sie lange
Zeit als philiströs und rückschrittlich gebrandmarkt worden war.
Ein besonderer Werth wurde in der folgenden Darstellung auf die Entwicklung der Düssel-
dorfer Monumentalmalerei gelegt. So wichtig und charakteristisch dieser Zweig der Malerei ist,
so sehr ist er doch dem Uebersehenwerden ausgesetzt, besonders in der heutigen Zeit, wo nicht
nur der Kunstfreund, sondern zuweilen auch der Forscher seine Kenntnisse lediglich aus den Aus-
stellungen und Fachzeitungen entnehmen zu können glaubt.
Gerade auf dem Gebiete der Monumentalmalerei liegt seit Errichtung der preufsischen
Akademie ein grofser Theil der Bedeutung der Düsseldorfer Kunst, was freilich Denjenigen unbe-
kannt bleiben mufs, die es nicht für nöthig halten, den einzelnen Werken nachzugehen.
Eine Reihe von günstigen Umständen kam zusammen, um dieser ,,grofsen Kunst", die mehr
als jede andere von der Gunst ihrer Auftraggeber abhängig ist, in Düsseldorf eine Pflanzstätte
ersten Ranges zu schaffen, und in erster Linie sind es die Bestrebungen des Kunstvereins für die
Rheinlande und Westfalen gewesen, welchen hier die Entwicklung einer Monumentalmalerei zu
verdanken ist, wie sie kaum eine andere moderne Kunstschule aufzuweisen hat.
Dafs über dieser Berücksichtigung eines vielfach zu wenig beachteten Kunstzweiges die
Staffeleimalerei nicht aufser Acht gelassen wurde, ist selbstverständlich.
Ist so in Kurzem gesagt, was das vorliegende W^erk will, so mag auch angedeutet werden,
was es nicht will. Es will vor allem weder ein Verzeichnifs sämmtlicher seit Erschaffung der
Welt in Düsseldorf gemalten Bilder sein, noch eine Liste sämmtlicher Maler, die seit eben diesem
Zeitpunkt hier gemalt oder auch blofs gelebt haben. Die vortrefflichen Bücher von Wiegmann
und Müller von Königswinter, um nur diese zu nennen, sollen also in keiner Weise ersetzt oder
überflüssig gemacht werden, so wenig wie Demjenigen, der sich über die von W^iegmann bearbeitete
Zeit hinaus über Einzelheiten unterrichten will, das Studium der Fachzeitschriften mit ihren
persönlichen Nachrichten und Nekrologen erspart werden kann. Einigen führenden Geistern ist in
dem vorliegenden Buch ein gröfserer Raum gewidmet; ein solches Eingehen auf jeden Einzelnen
verbot sich aber von selbst, und dafs die Ereignisse der letzten 15 Jahre nur in gröfster Kürze
besprochen werden, bedarf ebenfalls keiner Erklärung. Wenn irgendwo, so gilt der Spruch
,,viventium non datur historia" in der Kunstgeschichte, und die Errungenschaften dieser letzten
Lustren sind gerade auch in Düsseldorf so reich, so vielseitig und individuell, dafs der dem
ganzen Buche zugebilligte Raum nicht hinreichen würde, diese Zeit auch nur in ihren Haupt-
vertretern ausführlich zu schildern.
Friedrich Schaarschmidt.
I. Kapitel
Die Kunst im alten Düsseldorf bis zum Tode Johann Wilhelms
ES ist eine eigenthumliche Thatsache, dafs die heutigen
grofsen Kunstcentren Deutschlands, BerUn, Düsseldorf
und München erst seit verhältnifsmäfsig kurzer Zeit
zu dieser ihrer Bedeutung gelangt sind, dafs sie in
ihrer Entwicklung von den alten deutschen Kunst-
stätten am Rhein und in Süddeutschland unabhängig
sind, und dafs diese ihre einstmals führende Stellung
vollkommen verloren haben. Ist Letzteres eine Folge
der kriegerischen Ereignisse, die seit der Renaissance-
zeit Deutschland zerrissen und fast vernichteten, so
mufs Ersteres als ein Beweis für die unzerstörbare
geistige und künstlerische Kraft des deutschen Volkes
betrachtet werden.
Vielleicht am merkwürdigsten ist die Entwick-
lung der neueren Kunst in Düsseldorf. Das benach-
barte Köln, einstmals die künstlerische Hauptstadt West-
Deutschlands, hatte ebenso, wie so viele italienischen
Kunststädte, seine Blüthe der Malerei und der Baukunst
der Kirche zu verdanken gehabt. Die Ereignisse des
30jährigen Krieges zerstörten hier fast alle Ausläufer
einer künstlerischen Thätigkeit, und als in der kleinen
bergischen Residenz an der Dussel die ersten Anfänge
eines Interesses für Kunst emporkeimten, da kamen
die Anregungen von überall her, nur nicht von Köln.
Einer sehr viel späteren Zeit blieb es vorbehalten, die
reichen Schätze der alten kölnischen Kunst wieder ans
Licht zu ziehen, ohne dafs sie auch dann einen
nennenswerthen Einflufs auf die junge Düsseldorfer
Malerei ausgeübt hätten.
Wenn Schiller sagt, dafs keines Mediceers Güte der deutschen Kunst gelächelt habe, so gilt
das am wenigsten für die bildende Kunst jener Epoche, die Schiller meint. Die deutsche bildende
Kunst verdankt im Gegentheil während des XVII. und XVIII. Jahrhunderts ihre hauptsächliche,
um nicht zu sagen einzige, Unterstützung den zahlreichen deutschen Fürsten und Regenten. Die
Sucht der kleinen Potentaten, den prunk- und kunstliebenden französischen Hof nachzuahmen, hat
wenigstens den Erfolg gehabt, dafs in den zahlreichen deutschen Residenzen eine Kunstpflege
entstand, die ohne diese fast gewaltsame Anregung niemals erblüht wäre.
Auch die neue deutsche Kunst des XIX. Jahrhunderts empfing ihre ersten bedeutenden
Aufträge von deutschen Fürsten, unter denen der bayrische König Ludwig I. an erster Stelle
steht. In Preufsen war es die Regierung, welche in Berlin und namentlich in Düsseldorf die
thatkräftige Erneuerung des Kunstlebens in die Hand genommen hat.
HEINRICH ALDEGREVER
Bildnis des Herzogs Wilhelm III. von Jülich-Cleve-
Berg nach dem Stich des Künstlers
Erst allmählich und erst durch die Kunst selbst angeregt, begann auch das Volk eine Antheil-
nahme zu zeigen. Im 3. und 4. Jahrzehnt des XIX. Jahrhunderts fing jene Volkskunst an sich zu
entwickeln, mit welcher gerade Düsseldorf seine gröfsten Erfolge erreicht hat.
Die älteste Düsseldorfer Kunst stand, soweit von einer solchen die Rede sein kann, in
engstem Zusammenhang mit den dynastischen und politischen Verhältnissen des Landes, und
diese Verhältnisse waren allerdings nicht sonderlich geeignet, eine bedeutende Entwicklung zu
begünstigen. Die Folgen des 30jährigen Krieges und der nachfolgenden Religionsstreitigkeiten
machten sich in den cleve-jülischen Landen besonders unangenehm bemerkbar und richteten
sowohl das Interesse wie die Hülfsmittel der keineswegs reichen Länder auf ganz andere Dinge,
als auf eine nachhaltige Kunstpflege. Der schwache Beginn einer solchen kam, wie überall,
zuerst der Architektur und zwar der kirchlichen zu gute, und erst aus dem XIV. und XV. Jahr-
hundert finden sich in der ältesten Düsseldorfer Kirche, der jetzigen Lambertuskirche, Reste von
Wandmalereien, über deren Ausführung aber nichts Näheres bekannt ist. Ein interessantes Werk
architektonischer Sculptur ist das von Herzog W^ilhelm II. gestiftete Sakramentshäuschen, aber
ein des näheren nachweisbares Interesse für die bildende Kunst finden wir eigentlich erst bei
dem Herzog Wilhelm III., der als Enkel des Herzogs W^ilhelm II. von Jülich und Berg und als
Sohn des Herzogs Johann III. von Cleve die drei Länder unter seinem Scepter vereinigte, jedoch
trotz seines Beinamens ,,der Reiche" unter der Ungunst der politischen Verhältnisse auch noch
schwer genug zu kämpfen hatte. Zuerst ein Anhänger der Reformation, trat er später nach dem
Verlust von Geldern und Zütphen wieder zur katholischen Kirche über und heirathete die Erz-
herzogin Maria, Tochter des deutschen Königs Ferdinand I. und Nichte Karls V.
Seine Bauthätigkeit richtete sich auf Erweiterungen des in seinen ersten Anfängen aus dem
XIII. Jahrhundert stammenden Schlosses, das im Jahre 1510 durch einen Brand schwer beschädigt
worden war. Dieses Gebäude ist für die spätere Düsseldorfer Kunst insofern von Bedeutung, als
es nacheinander in seinen Räumen die bedeutende Galerie des Kurfürsten Johann W^ilhelm und
dann die Akademie aufnehmen sollte, bis wiederum ein Brand es im Jahre 1872 fast vollständig
zerstörte, so dafs von den ältesten Theilen nur noch der runde Thurm übrig geblieben ist, dessen
Bedachung seinerzeit eben Herzog Wilhelm hatte ausführen lassen. Auch ein Rathhaus auf der
Stelle des jetzigen liefs der Herzog durch Meister Heinrich Tussmann von Duisburg aufführen.
Wenn von einer eigentlichen Pflege der Malerei unter seiner Regierung wohl nicht die Rede
sein kann, so stand der Herzog doch zu einzelnen Künstlern in Beziehungen; allerdings beschränkten
dieselben sich fast nur auf Aufträge zu Porträtdarstellungen, jenem von Fürsten und Bürgern in
erster Linie bevorzugten, so zu sagen praktischsten Zweig der Malerei.
Das Bildnis ist ja unter allen Aeufserungen der Kunst diejenige, die den persönlichen und
gewissermafsen noch am wenigsten künstlerisch gebildeten Empfindungen des Darstellers am
meisten entgegenkommt, und jenes für die Renaissancezeit charakteristische Erwachen der Persön-
lichkeit und der Freude an ihr und ihrer Ausbildung und Darstellung macht sich in dem lebhaften
Bedürfnifs nach den zahlreichen Porträts, die gerade seit jener Zeit entstanden sind, auch am
Niederrhein geltend.
Schon als junger Mann liefs sich Herzog ^Vilhelm von dem bekannten Maler und Form-
schneider Heinrich Aldegrever von Soest zeichnen und in Kupfer stechen. Auch einen Holzschnitt
fertigte dieser Künstler von dem Porträt Herzog W^ilhelms an, was insofern von Interesse ist, als
man von ihm überhaupt nur drei Holzschnitte kennt, und dieser das einzige Porträt unter ihnen
ist. Vielleicht hat der Besuch Holbeins in Cleve, der dort im Jahre 1539 die Schwester des
Herzogs, Anna, im Auftrage des Königs Heinrich VIII. von England malte, die Anregung zu
diesen Porträtzeichnungen Aldegrevers gegeben, denn Stich und Holzschnitt entstanden in den
beiden folgenden Jahren. Dafs Aldegrever mit dem Herzog in dauernden Beziehungen stand,
beweist der Umstand, dafs der vielseitige Künstler zwölf Jahre später für den Herzog von Cleve
zwei Siegel lieferte, und in seinem Begleitbriefe von einem in Arbeit befindlichen Ringe spricht,
der dem Herzog sicher gefallen werde.
Im Jahre 1546 hatte sich der Herzog mit Maria von Oesterreich vermählt, und in die Mitte
der fünfziger Jahre fallen die Bildnisse des herzoglichen Paares in Lebensgröfse, die sich auf
Schlofs Ambras in Tirol befinden. — Der Herzog ist hier mit einem langen braunen Bart gemalt,
wie er sich in dieser Gröfse auf keinem andern Porträt findet. In dem geschmackvollen und
reichen Costüm ist er ein Bild männlicher Schönheit, während die Herzogin in der steiferen
Frauentracht weniger vortheilhaft aussieht.
Von ihr besitzt auch die Akademie ein Brustbild
aus früherer Zeit, das sie vielleicht noch als Braut
darstellt, und das künstlerisch höher steht als das
Ambraser Bild. Zahlreiche andere gestochene und ge-
malte Bildnisse dieses Fürstenpaares beweisen, dafs
es die Kunst wenigstens nach dieser Richtung hin in
Anspruch nahm.
Aus den letzten Regierungsjahren Herzog Wilhelms
ist sogar ein eigener Hofmaler, Johann Malthain, nach-
zuweisen, der als solcher in den Procefsakten der
Herzogin Jacobe genannt wird. Es ist dies also der
erste namhafte und auch keineswegs unbedeutende
Künstler, der in Düsseldorf gelebt und gearbeitet hat,
wie einige noch mit ziemlicher Sicherheit ihm zuzu-
schreibende treffliche Porträts beweisen.
In der Kunstgeschichte war Malthain bisher nur
als der Zeichner zweier von Swanenburg gestochenen
Bildnisse des Herzogs Wilhelm und seines Sohnes
Johann bekannt, aber wahrscheinlich ist er auch der
Urheber der beiden gemalten Bildnisse dieser Fürsten,
die sich im historischen Museum zu Düsseldorf be-
finden. Auch
JOHANN MALTHAIN
Bildnis des Herzogs Wilhelm III. von Jülich-Cleve-Berg
das höchst
merkwürdige
grofse Porträt
der unglück-
lichen Mark-
gräfin Jacobe
von Baden, der
Gemahlin des blödsinnigen Herzogs Johann, das erst vor
einigen Jahren in der Akademie aufgefunden und restaurirt
worden ist, hat wahrscheinlich er um 1590 gemalt. In dem
Verhör, dem er, wie das ganze Hofgesinde in dem gegen
Jacobe angestrengten Processe unterworfen wurde, hat er
nämlich ausgesagt, dafs er den Herzog sowohl, wie die
Herzogin des öfteren gemalt habe, und er nennt ausdrück-
lich ein Bild der Herzogin, das nach den Andeutungen, die
er über dasselbe macht, das obengenannte sein mufs. Aus
denselben Akten ist auch das bisher unbekannte Geburts-
datum Malthains bekannt geworden und der Name seines
Vaters. Ersteres ist das Jahr 1550, und die Form des väter-
lichen Vornamens ,, Anthony" läfst vermuthen, dafs der
Künstler niederländischer Abkunft ist, worauf auch das Vor-
handensein eines ihm neuerdings zugeschriebenen Bildes
in der bis vor Kurzem in Brüssel befindlichen Galerie Aren-
berg hindeutet.
Man sollte glauben, dafs die Regierungszeit des geistes-
kranken Herzogs Johann Wilhelm fürstlicher Kunstpflege
nicht besonders günstig gewesen wäre, und doch entstand
während derselben das hervorragendste Werk architekto-
nischer Bildhauerkunst, das Düsseldorf aus alter Zeit über-
haupt aufzuweisen hat, nämlich das Grabdenkmal Herzog
Wilhelms III. von Jülich, Cleve und Berg in der Lambertus-
kirche.
Der Name des ausführenden Künstlers war bis vor
Kurzem noch unbekannt, nunmehr ist er durch die archiva-
lischen Studien von Dr. Küch festgestellt, und die Kunst-
JOHANN MALTHAIN
Bildnis der Herzogin Jacobe von Baden
JOHANN SPILBERG
Bildnis des Herzogs Wolfgang Wilhelm von der
Pfalz-Neuburg
geschichte damit um die Kenntnifs eines bisher voll-
ständig unbekannten niederrheinischen Bildhauers be-
reichert worden. Es war Gerhard Scheben, der am
3. Januar 1582 das Bürgerrecht in Köln erwarb (also
wohl auch kein geborener Düsseldorfer war) und im
Jahre 1595 im Auftrage des herzoglichen Ministers
Wilhelm von Waldenburg genannt Schenkern das
Denkmal für den 1592 verstorbenen Herzog begann.
Schenkern ist als erbitterter Gegner der Herzogin
Jacobe und als intellectueller Urheber ihrer Ermordung
am 2. — 3. September 1597 nicht sonderlich vortheilhaft
in der Geschichte bekannt, aber sein Charakterbild
erhält durch- die Thatsache, dafs er seine Macht-
stellung benutzte, um seinem alten Herrn ein würdiges
Denkmal zu setzen, eine wesentlich sympathischere
Beleuchtung.
Das Denkmal stellt sich in seinem durch ver-
schiedenfarbenen Marmor zu malerischer Wirkung
gesteigerten Gesammteindruck als ein vortreffliches
Werk jener Periode italienischer Hochrenaissance dar,
die bereits die Anfänge des Barock durchiühlen läfst.
Von grofser Schönheit und voll Leben ist die ruhende
Gestalt des Herzogs, der weder als Todter, noch als
Schlafender, sondern als ein von langer W^anderschaft
ausruhender Kämpe dargestellt ist. In voller Rüstung,
das blanke Schwert zur Seite, mit weitgeöffneten
Augen geradeausblickend, scheint er auf das Wort des
Herrn zu warten, das ihn zu neuen Thaten aufruft.
Mit dem Tode des kinderlosen Herzogs Johann W^ilhelm war der Mannesstamm der cleve-
schen Herzöge erloschen, und die Herzogthümer Jülich, Berg und Ravenstein gingen auf den
Schwager Johann Wilhelms, den Pfalzgrafen Philipp Ludwig von der Pfalz -Neuburg und nach
dessen Tode 1614 auf dessen ältesten Sohn Wolfgang Wilhelm über.
Wolfgang Wilhelm war protestantisch, aber ihm schien Düsseldorf eine Messe werth: er
wurde katholisch, verlegte seine Residenz nach Düsseldorf und trug hier bei seinem entschie-
denen Interesse für die Kunst nicht wenig zur Pflege derselben bei. Freilich waren auch unter
seiner Regierung Zeit- und Geldverhältnisse nicht danach angethan, dafs er seinen Neigungen in
vollem Mafse hätte nachgehen können oder von den grofsen Künstlern, die seine Zeitgenossen
waren, bedeutende Werke hätte erwerben können; aber dennoch hat er zu keiner Zeit und unter
keinen Umständen versäumt, seine Liebe zur Kunst zu bethätigen. Seine Correspondenzen mit
seiner von ihm sehr verehrten zweiten Gemahlin Catharine Charlotte von Pfalz -Zweibrücken von
seinen vielen Reisen aus, geben davon untrügliche Beweise.
Zunächst war es die Architektur, die Lieblingskunst der Fürsten, der auch er ein grofses
Interesse widmete; und wie er in Neuburg eine Kirche hatte umbauen lassen, so führte er in den
Jahren 1622 — 1629 in Düsseldorf für die von ihm begünstigten Jesuiten die Andreaskirche auf.
Die Andreaskirche verdient in mehr als einer Hinsicht Beachtung. Gurlitts Behauptung,
dafs dieselbe unverkennbar früher ein gothischer Langhausbau mit schmalen Seitenschiffen ge-
wesen wäre, ist schon von Giemen zurückgewiesen und entbehrt jeder historischen Grundlage.
Auch erinnert der Eindruck des Innern viel eher an romanische Bauweise. Es erscheint auch
keineswegs als ausgeschlossen, dafs der Architekt, als welchen Küch mit grofser Wahrscheinlichkeit
den Hofarchitekten Antonio Serro genannt Kraus vermutet, die Jesuitenkirche in Neuburg, welche
sechs Jahre vor Beginn von St. Andreas beendet wurde und unverkennbar auf einen romanischen
dreischiffigen Bau in der Anlage zurückgeht, sich zum Muster genommen habe. Die Aehnlichkeit
im Aeufsern ist selbst bis auf Kleinigkeiten festzustellen. Nur hat die Andreaskirche statt des
grofsen Thurmes an der Facade, wie in Neuburg, zwei Thürme an den Seiten des Chores, und
diese Anordnung stimmt merkwürdig zu einem Gutachten, das W^olfgang W^ilhelm früher zu dem
Umbau der Neuburger Kirche gegeben hatte. Er hatte gesagt, man könnte mitten auf dem Dache
eine Cupola aufführen, oder an beiden Seiten des Chores oder Angesichts feine leichte Thürme
GERHARD SCHEBEN
Grabdenkmal des Herzogs Wilhelm III. in der Lambertuskirche zu Düsseldorf
machen, und wenn dieser Vorschlag in Neuburg nicht zur Ausführung kam, so sehen wir ihn
dafür zum Theil bei der Andreaskirche verwirklicht.
Mit dem Bau der Andreaskirche hatte sich Wolfgang Wilhelm aber keineswegs begnügt;
zahlreiche Klöster und Profanbauten, die zum Theil allerdings nicht mehr vorhanden sind, geben
Zeugnifs von dem Interesse, das er an der baulichen Ausgestaltung seiner Residenz nahm.
Und ebenso sehr wie die Architektur, pflegte dieser unermüdliche und um die Hebung seiner
Länder wahrhaft väterlich besorgte Fürst auch die Malerei, allerdings auch hier von den engen
Grenzen, welche durch die Verhältnisse bedingt waren, an einer ausgiebigen Förderung behindert.
Die Malerei stand damals in den benachbarten Niederlanden in der höchsten Blüthe. Rubens und
seine begabten Schüler füllten die heimischen Kirchen und die Sammlungen auswärtiger Kunst-
freunde mit ihren prächtigen farbenfrohen Gemälden, und auch Wolfgang Wilhelm, der auf keiner
seiner zahlreichen Reisen in die spanischen Niederlande versäumte, seinen künstlerischen Interessen
nachzugehen, bestellte bei dem berühmten Malerfürsten für seine Kirche in Neuburg einige Altar-
gemälde. Vier Briefe des Künstlers an den Pfalzgrafen sind noch im hiesigen Archiv erhalten
und geben Zeugnifs von dem intimen Verhältnisse der beiden Männer zu einander. Einige Jahre
später liefs sich der Herzog von van Dyck porträtiren, und dieses Bild ist heute noch eine Zierde
der Münchener älteren Pinakothek.
Künstler wie Rubens oder van Dyck an seinen Hof zu ziehen, war W^olfgang Wilhelm bei
seinen beschränkten Mitteln nicht möglich, aber er liefs es sich doch nicht nehmen, stets einen
oder mehrere Hofmaler zu beschäftigen. Unter diesen ist denn auch Einer, der, wenn nicht
Hervorragendes, so doch Achtenswerthes leistete, und insofern für uns von Bedeutung ist, als wir
in ihm einen der ältesten der in Düsseldorf geborenen namhaften Maler zu verzeichnen haben.
Es ist Johann Spilberg, und von den zahlreichen Bildnissen, die er während eines langen und,
wie es scheint, arbeitsreichen Lebens schuf, sind hier noch eine Anzahl erhalten geblieben, die
nach einigen Irrfahrten nunmehr grofsentheils in der Akademie aufbewahrt werden.
Johann Spilberg, geboren 1619 in Düsseldorf, entstammte einer Künstlerfamilie. Sein Onkel
Gabriel, ebenfalls ein Düsseldorfer, hatte in Holland studirt und wurde Hofmaler des Königs von
Spanien, lebte aber meist in den Niederlanden. Dessen Bruder Johann der Aeltere wirkte als
Maler in Düsseldorf und war vielleicht nach Malthain Hofmaler des Herzogs Johann W^ilhelm.
Er zeichnete für den Kupferstecher und Maler C. de Passe sen. zahlreiche Bildnisse für eine
Stammtafel des Jülicher Hauses, die im Jahre 1613 herausgegeben wurde. Von seinen sonstigen
Arbeiten ist nichts bekannt. 1624 war er Diakon der reformirten Gemeinde. Johann Spilberg der
Jüngere erfreute sich schon sehr früh der Protection des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm, der ihn
zu Rubens in die Lehre geben wollte und ihm einen eigenhändigen Empfehlungsbrief an diesen
gegeben haben soll. Spilberg aber hatte sich schon 1636 an Govaert Flinck in Amsterdam gewandt,
unter dem er eine Zeit lang studirte, um dann sehr bald selbständige Arbeiten auszuführen.
Unter diesen befindet sich eines der damals so beliebten Schützenstücke, das aber auch den Einflufs
von V. d. Helst erkennen läfst. Nach siebenjährigem Aufenthalt in Amsterdam kehrte Spilberg in
seine Vaterstadt zurück, in der er mit einigen Unterbrechungen bis zu seinem Tode im Jahre
1690 als Hofmaler dreier Herrscher thätig war.
Seine Hauptthätigkeit widmete er dem Bildnis, wenn er auch einige historische und kirch-
liche Bilder malte, so z. B. ein Altarblatt für die Remigiuskirche in Bonn, ,,die Bekehrung Chlodwigs
nach der Schlacht bei Zülpich und dessen Taufe durch den heiligen Remigius" darstellend.
Seine Porträts, von denen die aus seiner früheren Zeit die besten sind, haben einen be-
sonderen historischen W^erth deshalb, weil sie meist fürstliche Personen darstellen, die in
Düsseldorf gelebt haben.
So entstanden schon ziemlich früh, bald nach seiner Rückkunft von Amsterdam, nämlich im
Jahre 1648 die Bildnisse des alten Pfalzgrafen und seiner Gemahlin, dann im Verlauf der Jahre
grofse Bilder von Wolfgang Wilhelms Sohn und Nachfolger Philipp W^ilhelm, von dessen Ge-
mahlinnen und ihrer zahlreichen Nachkommenschaft, meist lebensgrofse Gemälde in ganzer Figur,
von denen einige jetzt in der Sammlung der Akademie aufbewahrt werden. Bemerkenswerth ist
ein Bildnis der jungen Prinzessin Eleonora Magdalena als Braut des deutschen Kaisers Leopold
und ein Jugendbild des Prinzen Johann Wilhelm, des nachmaligen Kurfürsten.
Johann Spilberg, der seit dem Jahre 1687 ein eigenes Haus in der Ritterstrafse besafs, hinter-
liefs mehrere Kinder, von denen sich ein Sohn Adrian und eine Tochter Adriana, beide zu
Amsterdam geboren, in Düsseldorf der Malerei widmeten, ohne dafs von ihren Werken noch
etwas Bemerkenswerthes übrig geblieben wäre. Adriana Spilberg heirathete auch einen Dussel-
dorfer Maler Wilhelm Brekvelt, der schon im Alter von 29 Jahren starb, worauf sie in zweiter
Ehe den berühmten Eglon van der Neer heirathete.
Die Thätigkeit dieses letztgenannten Künstlers in Düsseldorf fällt aber schon in die Regie-
rungszeit des Kurfürsten Johann Wilhelm. W^olfgang W^ilhelms Sohn und Erbe, Philipp Wilhelm,
war durch die kriegerischen Ereignisse während seiner Regierung, durch seine politischen Be-
strebungen und durch den Umstand, dafs er mehr in Neuburg als in Düsseldorf residirte, kaum
in der Lage, das künstlerische Leben in Düsseldorf beeinflussen zu können. Er begnügte sich
wohl hauptsächlich damit, seine Gemahlin und seine zahlreichen Kinder durch Spilberg malen
zu lassen, und seine Bauthätigkeit beschränkte sich im wesentlichen darauf, dafs er für die
Franziskaner eine Klosterkirche an der Stelle der jetzigen Maxkirche errichtete.
JOHANN SPILBERG
Bildnis des Herzogs Philipp Wilhelm
JOHANN SPILBERG
Bildnis der Herzogin Elisabeth Amalie Magdalene von
Hessen-Darmstadt, Gemahlin Philipp Wilhelms
Ist nun also im Laufe der Jahrhunderte manches Werk der bildenden Kunst in Düsseldorf
entstanden, fand sich in Wolfgang Wilhelm ein eifriger Gönner der Malerei und hatten auch schon
einzelne Maler ihre W^ohnung in der herzoglichen Residenz, so berechtigt Alles das doch kaum,
von einem eigentlichen Kunstleben zu sprechen, denn das, was hier entstand, ging nicht darüber
hinaus, ja erreichte kaum das, was in andern kleinen Residenzen zu jener Zeit gebaut oder gemalt
zu werden pflegte.
Eine wirkliche, consequente Kunstpflege, die trotz ihrer kurzen Dauer, trotz der später ein-
getretenen langen Unterbrechung und ihrer immerhin fragmentarischen Natur doch den Grund zu
der künstlerischen Bedeutung Düsseldorfs auch in unserem Jahrhundert gelegt hat, beginnt erst,
dann aber auch mit grofser Energie unter dem Sohn und Nachfolger Philipp Wilhelms, unter dem
Kurfürsten Johann Wilhelm, der die künstlerischen Neigungen seines Grofsvaters geerbt und in
hohem Mafse ausgebildet hatte.
Johann Wilhelm gebührt deshalb der Ruhm, der eigentliche Gründer der Düsseldorfer Kunst
zu sein, wenn auch der spätere Entwicklungsgang andere und ungeahnte W^ege einschlug.
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Johann Wilhelm fand bei seinem Regierungs-
antritt 1690 zur Ausführung seiner grofsartigen Pläne
wenig genug Gehülfen vor. Spilberg war ein alter
Mann, doch wirkte neben ihm bereits seit dem Jahre
1682 ebenfalls als Hofmaler ein überaus geschickter
und energischer Künstler, der in Roermond am 2. März
1656 geborene Johann Franz Douven, in dem der
junge Kurfürst ein verständnifsvolles und gewandtes
Werkzeug für eine seiner Lieblingsideen fand. Es
war dies die Anlage einer Bildersammlung in grofsem
Stil, bei der dem jungen Fürsten ebenso, wie bei
einem anderen Projecte, das ihn lange, aber leider
vergeblich beschäftigt hat, das Vorbild des Pariser
Hofes vorgeschwebt hatte.
Bei dem Plane einer Galeriegründung mag den
Kurfürsten wohl auch das Gefühl geleitet haben, dafs
für eine Kunstblüthe als fruchtbarster Boden eine
Sammlung anregender Vorbilder nöthig sei, wie das
ja dem eklektischen Charakter der ganzen damaligen
Cultur durchaus entsprach. Und so begann er zwei
Jahre nach seiner Thronbesteigung durch Douven und
später durch zahlreiche andere Agenten in den Nieder-
landen und in Deutschland Bilder aller Art ankaufen
zu lassen, wobei er ohne Zweifel einen vortrefflichen
Geschmack entwickelte und in überraschend kurzer
Zeit die berühmte Düsseldorfer Galerie zusammen-
brachte. Seine zweite Vermählung mit Maria Anna
Louisa Aloisia de' Medici, Tochter des Grofsherzogs
Cosimo III. von Toscana, gab durch diese Verbindung
Düsseldorfs mit der künstlerischen Hauptstadt Italiens
neue Anregungen der verschiedensten Art. Nicht nur brachte die italienische Prinzessin ihrem
Gemahl eine Anzahl werthvoUer Bilder als Brautgabe mit, sondern es ergab sich für den Kurfürsten
durch die neugewonnenen Beziehungen auch die Möglichkeit, einen zweiten Plan zu verwirklichen.
Dies war die Anlage einer Sammlung von Gipsabgüssen nach antiken Sculpturen, zu deren Abfor-
mung in Italien er die Erlaubnifs wohl durch den Einflufs seines Schwiegervaters erhielt. Vier-
zehn der geschicktesten Gipsgiefser beschäftigten sich über sieben Jahre mit dem Abformen einiger
Hundert der hervorragendsten antiken Statuen, Gruppen und Reliefs. Diese Sammlung von Gips-
abgüssen, die für Düsseldorf von nicht geringer Bedeutung hätte sein können, hatte aber ein
höchst klägliches Schicksal. Kaum war der geringste Theil der Formen ausgegossen, als Johann
W^ilhelm starb, und sein Nachfolger, der von der Kunstliebe seiner Vorgänger wenig genug geerbt
hatte, mit dem Giefsen einhalten liefs. Später wurden die kostbaren Formen und vielleicht auch
ein Theil der gegossenen Figuren zum Ausfüllen der Hohlwege in der Umgegend von Düsseldorf
benutzt. Der Rest wurde unter Karl Theodor nach Mannheim gebracht.
Aber nicht nur Bilder und Gipsabgüsse sammelte der kunstliebende Fürst, er war, was für
das künstlerische Leben in Düsseldorf jedenfalls wichtiger war, auch darauf bedacht, Künstler an
seinen Hof zu ziehen, und so entwickelte sich in Düsseldorf ein überaus reges Schaffen. Es lag
allerdings in der Natur der Sache und in dem nach dem Tode des Kurfürsten eintretenden jähen
Wechsel, dafs diese im Verhältnifs zu der Kleinheit und Armuth der Stadt und des ganzen
Landes übertrieben umfangreiche Thätigkeit zahlreicher und unter sich sehr verschiedener Künstler
zu keinem einheitlichen Resultat, vor allem nicht zur Begründung einer eigenen Schule führen
konnte. Waren doch bis auf Spilberg alle diese Künstler aus der Fremde gekommen und bis auf
wenige Ausnahmen nur darauf bedacht, möglichst schnell viel Geld zu verdienen, um dann dem
immerhin kleinlichen und bis auf den Hof, oder eigentlich nur bis auf den Kurfürsten der Kunst
durchaus fremd gegenüberstehenden Düsseldorf wieder den Rücken zu kehren. Der Adel der
Umgegend hatte kaum ein Interesse für die Kunst, und die Bürgerschaft war zum allergröfsten
Theil viel zu arm, um sich ein solches gestatten zu können. Die socialen Verhältnisse waren
überhaupt zu jener Zeit in den Landen des Kurfürsten so trauriger Art, dafs ihm selbst von
JOHANN SPILBERG
Bildnis Johann 'Wilhelms als Prinz
II
Standesgenossen seine ungeheuren Aufwendungen für die Kunst aufs schwerste verdacht wurden
und sein zweiter Nachfolger Karl Theodor von Sulzbach später die Bilderrechnungen verbrennen
liefs, damit die Nachwelt nicht den gemachten Aufwand erfahren sollte.
So sind denn auch die Spuren jener kurzen Kunstblüthe in Düsseldorf heute betrübt geringe;
bis auf einige Bildnisse von Spilberg und Douven, einige fast ganz ruinirte Wandmalereien der
italienischen Künstler, welche wohl durch die Kurfürstin nach Düsseldorf gekommen waren und
fast nur für den Hof gearbeitet hatten, sowie einige plastische Arbeiten ist fast Alles wieder
verschwunden, denn auch das, was der Kurfürst gesammelt und für seine Sammlung hatte malen
lassen, die berühmte Galerie, ging noch im XIX. Jahrhundert für Düsseldorf auf immer verloren.
Am wenigsten Glück hatte der Kurfürst mit seinem grofsartigsten Plan, dem eines Ungeheuern
Schlofsbaues, der aus Mangel an Geldmitteln nicht über die papierene Existenz hinaus kam. Die
zahlreichen, zum Theil phantastischen Pläne des Kurfürsten, seine ungeheueren Ausgaben für
seine Maler und Bildhauer, für eine italienische Oper u. s. w. hatten die Stände so erbittert, dafs
sie rundweg alle Mittel für den Schlofsbau verweigerten, die sie wahrscheinlich auch nicht hätten
aufbringen können. So fiel das Project, und der Kurfürst mufste sich damit begnügen, durch
seinen Architekten Alberti das kleinere Schlofs Bensberg aufführen zu lassen. Der im historischen
Museum noch erhaltene Plan des italienischen Architekten von dem ersten Project giebt aber einen
vollkommenen Begriff von der Grofsartigkeit des Unternehmens, und Giemen sagt mit Recht von
ihm, dafs es an Einheitlichkeit und Symmetrie der Anlage unter allen ScHlofsbauprojecten der Zeit
in erster Linie stehe.
Mehr Erfolg hatte der Kurfürst mit einem anderen Plan, von dem weiter unten die Rede
sein wird, dem ein Werk entstammt, das noch heute in Düsseldorf vorhanden ist und fast als
Einziges das Andenken an den merkwürdigen Fürsten und seine Kunstpflege bis auf unsere Tage
erhalten hat und hoffentlich für alle Zeiten erhalten wird.
Spilberg war, um auf die Malerei in Düssel-
dorf unter der Regierung Johann W^ilhelms zurück-
zukommen, kurz nach der Thronbesteigung des
Kurfürsten gestorben. Der spätere Gatte seiner
Tochter, Eglon van der Neer, kam erst einige
Jahre nachher nach Düsseldorf, war aber damals
künstlerisch schon ziemlich heruntergekommen.
Finanzielle Bedrängnisse aller Art, und die Sorge
für eine überaus grofse Familie hatten ihn ge-
zwungen, um das Brot zu arbeiten, und dies er-
klärt zum Theil auch seine Vielseitigkeit, die sich
gleichermafsen auf Landschaftsbilder, wie auf
Porträts erstreckte, eine damals jedenfalls un-
gewöhnliche Erscheinung. Erwähnenswerth ist
ein Porträt der Königin Maria Anna, der fünften
Schwester des Kurfürsten, die 1690 den König
Karl II. von Spanien heirathete. Jedenfalls war
es dies Bild, das dem Künstler den Titel eines
spanischen Hofmalers eintrug, ohne dafs er je in
Madrid gewesen wäre. Es befindet sich jetzt in
der Königlich bayrischen Staatsgalerie in Speyer.
Eglon van der Neer starb hochangesehen im
Jahre 1703. Seine Wittwe, Adriana geborene
Spilberg, malte ebenfalls bis an ihr Lebensende
in Düsseldorf.
Am fruchtbarsten war der später zum Ritter
erhobene Johann Franz Douven, der schon früh
für einen der glücklichsten und begabtesten Porträt-
maler galt und namentlich zahlreiche fürstliche
Herrschaften malte. Noch vor der Thronbestei-
gung Johann Wilhelms hatte er diesen nach
EGLON VAN DER NEER Wien begleitet, wo die Düsseldorfer Prinzessin
Bildnis der Prinzessin Maria Anna von Pfalz-Neuburg Eleonore als Kaiserin residirte, und dort sie und
12
den Kaiser gemalt. Zahlreiche Grofse des Hofes
folgten nach und Douven reiste nun mehrmals
zwischen Wien und Düsseldorf hin und her, da
er an beiden Orten mit Aufträgen überhäuft war.
So malte er die Königin Maria Sophia, vierte
Schwester Johann Wilhelms, als sie sich mit
dem König von Portugal verlobte, ebenso die
spätere Königin von Spanien.
Auch nach Modena und Florenz wurde er
gesandt, um dort Porträts zu malen, die seinen
Ruf auch in diesen Städten begründeten. In
Florenz wurde er sogar aufgefordert, sein Selbst-
porträt für den dortigen Malersaal zu malen, eine
Ehre, die bis auf unsere Tage nur wenigen her-
vorragenden Künstlern zu Theil wird, aus Düssel-
dorf z. B. seit jener Zeit erst wieder Ed. von
Gebhardt und Benjamin Vautier. Eine äufserst
reizvolle und interessante kleine Skizze zu diesem
Selbstporträt des Douven wurde vor einigen
Jahren in der Sammlung der Akademie entdeckt.
Sie ist auch insofern von Interesse, als sie die
Porträts des Kurfürsten Johann W^ilhelm und
seiner zweiten Gemahlin enthält. Douven mit
der Palette in der linken Hand weist auf die
beiden Porträts hin. Sie sind als ein Bild ge-
dacht, an dem er eben arbeitet. Schliefslich
nahm Douven wieder festen Wohnsitz in Düssel-
dorf, nachdem Johann Wilhelm die österreichische
Prinzessin Maria Anna Josepha geheirathet und
in Düsseldorf als Statthalter der jülich-bergischen
Lande seinen glänzenden Hofhalt zu führen begonnen hatte. Als zwei Jahre nach dem 1689
erfolgten Tode der Kurfürstin Johann Wilhelm die toskanische Prinzessin geheirathet hatte, malte
Douven ein grofses, mit dem ganzen Ueberschwang der Zeit aufgefafstes Doppelporträt des
Herrscherpaares für Florenz. Eine Copie dieses Bildes befindet sich im Düsseldorfer historischen
Museum als Geschenk S. K. H. des Prinzen Georg von Preufsen. Douven soll während seiner
langen Thätigkeit, er starb 1727, drei Kaiser, drei Kaiserinnen, fünf Könige und sieben Königinnen
gemalt haben, aufserdem eine grofse Anzahl von Prinzen und Prinzessinnen. Aber auch für
Privatleute war der fruchtbare Künstler thätig, und er ist wohl der einzige der alten Düssel-
dorfer Maler, von denen sich in Düsseldorfer Privatbesitz noch Bildnisse mit einiger Sicherheit
nachweisen lassen, da seine Malerei, die leicht und elegant war. sowie seine blühenden, oft
etwas bunten Farben ihn leicht erkennen lassen.
Auch Blumenstücke und Figurenbilder malte Douven. So befand sich in der Galerie des
Kurfürsten aufser einem grofsen Reiterporträt Johann Wilhelms und einem Bildnis des Kapell-
meisters Abbe Moratelli ein gröfseres Bild: ,, Armida bekränzt die Waffen Rinaldos".
Im Jahre 1696 hatte der Kurfürst bei seiner Reise in den Haag, die er mit seiner ganzen
Familie und grofsem Hofstaat unternommen hatte, den Maler Adrian van der Werff kennen
gelernt, von dem er bereits ein Bild besafs.
Adrian van der W^erffs Name gehört der niederländischen Kunstgeschichte an. Bei Leb-
zeiten überaus hochgeschätzt und gefeiert, weist man ihm heute eine ziemlich geringe Stellung
an, die der jetzigen Schätzung der damaligen, dem Manierismus verfallenen holländischen und franzö-
sischen Kunst entspricht. Adrian van der Werff war unter diesen Manieristen einer der elegantesten
und deshalb schlimmsten. Die Härte seiner Malerei, der elfenbeinerne Glanz und die porzellan-
artige Glätte seiner Farbe, die damals das Entzücken seiner Verehrer bildete, unter denen sich
sogar auch Friedrich der Grofse befand, wirkt heute wenig erfreulich : die gezierte Haltung seiner
Figuren, das Theatermäfsige ihrer Gewandung ist ebenfalls ebenso charakteristisch für den Ge-
schmack jener Zeit, wie unerquicklich für den heutigen. Aber van der Werff war ein berühmter
Mann, und dem Kurfürsten gefielen nicht nur seine Bilder aufserordentlich, er hatte auch den
JOHANN FRANZ DOUVEN
Selbstbildnis
13
Ehrgeiz, ihn an seinen Hof zu ziehen. Da aber van der WerfF sich nicht ganz von seiner Heimath
trennen wollte, so entstand ein Vertrag, demzufolge er die eine Hälfte des Jahres in Düsseldorf
ADRIAN VAN DER WERFF
Huldigung der Künste vor den Bildnissen des Kurfürsten Johann Wilhelm und der Kurfürstin
und die andere in Rotterdam zubringen sollte, bis er sich endlich 1703 bewegen liefs, für eine
längere Zeit in Düsseldorf zu bleiben, als ihm nämlich der Kurfürst den Auftrag gab, eine Serie
von 15 zusammengehörigen Bildern, ,,die Geheimnisse des Rosenkranzes," zu malen.
14
Der Künstler wurde von seinem fürstlichen
Gönner mit Geld und Ehren überschüttet und
so reichlich mit Aufträgen bedacht, dafs er kaum
für andere Liebhaber Bilder malen konnte. In
der Düsseldorfer Galerie befanden sich 25 Ge-
mälde von seiner Hand, fast alle von kleineren
Gröfsenverhältnissen, darunter die Porträts des
Kurfürsten und der Kurfürstin in ganzer Figur,
aber unter Lebensgröfse. Eine , .Huldigung der
Künste" vor dem Bildnifs des Kurfürsten, die
van der Werff als Zugabe zu den 15 Bildern
aus dem Leben Jesu und der Maria gemalt
hatte, kam erst nach dem Tode Johann Wilhelms
nach Düsseldorf.
Auch ein zweiter niederländischer Künstler,
der einige Jahre in Düsseldorf und auch in Bens-
berg für den Kurfürsten malte, hat eine ehren-
volle Stelle in der niederländischen Kunst-
geschichte, ohne dafs er in Düsseldorf irgend
einen Schüler oder auch nur Nachahmer gefunden
hätte. Es war dies der Jagdmaler Jan Weenix,
der in den Jahren 1712 14 zwei grofse Stillleben
für die Galerie und etwa 20 gröfsere und kleinere
decorative Gemälde für das Jagdschlofs Bens-
berg malte, die jetzt ebenso, wie die Galerie-
bilder, sich in Bayern in verschiedenen Samm-
lungen befinden. Das Gedächtnifs an diese
Arbeiten ist weiteren Kreisen durch die be-
JAN WEENIX
StüUeben mit dem Pfau
geisterte Schilderung Goethes erhalten geblieben, die
von dessen Besuch des Schlosses am 24. Juli 1774
herstammt. ,,Was mich daselbst über die Mafsen
entzückte," schrieb er in .Dichtung und Wahrheit',
„waren die Wandverzierungen durch Weenix. Wohl-
geordnet lagen alle Thiere, welche die Jagd nur
liefern kann, rings umher auf dem Sockel einer grofsen
Säulenhalle; über sie hinaus sah man in eine weite
Landschaft" u. s. w. u. s. w. Es ist nicht unmöglich,
dafs eine halbzerstörte Leinwand, die sich im Vorrath
der Akademie befindet, zu diesen Wandgemälden ge-
hörte und so das einzige traurige Ueberbleibsel dieser
Herrlichkeit in Düsseldorf bildet.
Noch eine Reihe von niederländischen und ein-
heimischen Künstlern wird genannt, aber ihre Spuren
sind aus Düsseldorf verschwunden. Strauven bespricht
in seinem kleinen Buche ihre W^irksamkeit in ein-
gehender Weise. Es waren hauptsächlich Gottfried
Schalken, der vier gröfsere Bilder für die Galerie
malte. Er lebte lange Zeit in einem Hause in der
Flingerstrafse in Düsseldorf, und die Tradition hat
seinen Namen noch im Volke erhalten. Antoon
Schoonians war bis zum Tode des Kurfürsten in
Düsseldorf ansässig. Die Galerie besafs von ihm sieben
Bilder. Johann van Kessel war als Decorationsmaler
im Schlosse thätig. Bekannter als die Maler van der
RACHEL RUYSCH
Blumenstück
15
Meyn und Jan Nickelen, dieser mit seinem Schwiegersohn W^. Troost und seiner Tochter Jacobe
Maria, die Blumen malte, ist die Stilllebenmalerin und kurfürstliche Hofmalerin Rachel Ruysch,
an die wenigstens ein Stillleben in der Sammlung der Akademie noch erinnert.
Aufser diesen mehr oder weniger hervorragenden niederländischen Malern hatte der Kurfürst,
wohl infolge des Einflusses seiner Gemahlin, der ja auch dem damaligen Geschmack entsprach,
eine Anzahl italienischer Künstler an seinen Hof gezogen. Es lag in der Natur der Sache, dafs
diese in Düsseldorf noch weniger heimisch wurden, als die Holländer; gehörten sie doch zum
Theil zu jenen Künstlern, die, mit aufserordentlicher Gewandtheit und Fingerfertigkeit begabt, von
Hof zu Hof reisten, um in den Schlössern und Kirchen Wände und Decken mit allegorischen
Bildern zu bedeckten. Man darf nun bei diesen Decorationen nicht an die famosen Fresken
Tiepolos denken, der diese Theatermalerei später zur wirklichen Kunst erhob und sie wenigstens
bis nach Süddeutschland heraufbrachte. Im Vergleich zu ihm waren seine Vorgänger Antonio
Pellegrini aus Padua, A. Bernardi aus Bologna, Antonio Milanesi aus Mailand und einige Andere,
die am Niederrhein ihr Wesen trieben, im Düsseldorfer Schlofs, in Bensberg, in einigen Düssel-
dorfer Häusern und Kirchen. Decken und W^ände bemalten, doch nur sehr untergeordnete Geister,
und ihre Landsleute, die sich mit Staffeleibildern begnügten, standen nicht viel höher.
Einen gewissen Namen hat sich noch Antonio Bellucci aus Venedig bewahrt, von dem die
alte Galerie drei Bilder besafs. Ein ehemals in Bensberg befindliches hängt noch heute in der
Düsseldorfer Akademie; das figurenreiche Bild der sogenannten Vermählung Johann Wilhelms,
das vielleicht auch in Düsseldorf entstand, befindet sich jetzt in Augsburg, stellt aber wohl die
Vermählung eines anderen Prinzen des neuburgischen Hauses dar.
Mehr noch malte Dom^nico Zanetti, der mit vier zum Theil sehr grofsen Bildern in der
Galerie vertreten war. Ein kleines Bild von ihm ist ebenfalls noch in der Akademie erhalten
geblieben, und es ist sehr nett zu beobachten, wie der Wechsel der Zeiten und der Anschauungen
die ziemlich schwache Skizze bald schätzte, bald auf den Speicher verbannte, sie aber doch
verschont hat und nur der Benennung seinen Stempel aufdrückte. Der Krahesche Katalog nennt
das Bild in der allegorisirenden W^eise jener Tage den ,, Triumph der Tugend über das Laster",
der Klassicist Schäffer sieht auf ihm ,,Amor, von den Göttern umgeben, hält Gericht-' und der
ANTONIO BELLUCCI
Vermählung des Prinzen Johann Wilhelm
i6
GABRIEL VON GRUPELLO
Reiterstandbild des Kurfürsten Johann Wilhelm zu Düsseldorf
fromme Andreas Müller macht in einem Verzeichnifs aus dem „verkappten Teufel" Amor ganz
im Sinne der Kirche das „triumphirende Christkind".
Von dem Interesse des Kurfürsten für plastische Arbeiten ist schon die Rede gewesen,
aber sein Ehrgeiz als Mäcen wollte sich an blofsen Gipsabgüssen nicht genügen lassen. Ein
Project. das ihn, wie es scheint, schon früh beschäftigte, legte ihm die Berufung eines
bedeutenden Bildhauers an seinen Hof nahe, und wenn dieses Project mehr noch als irgend ein
anderes von persönlicher Eitelkeit eingegeben war, so ist es merkwürdig genug, dafs seine Aus-
führung von alle dem. was unter der Herrschaft des Kurfürsten in Düsseldorf an Kunstwerken
geschaffen und gesammelt wurde, fast allein übrig geblieben ist. Es ist das förmlich zum Wahr-
zeichen Düsseldorfs gewordene Reiterstandbild des Fürsten auf dem Markte, das besser als seine
ehrgeizigen, zum Theil recht phantastischen politischen Pläne z. B. sein armenisches Kaiserthum,
besser als seine unleugbaren grofsen Verdienste als Kunstfreund und Sammler seinen Namen,
seine Erinnerung und sein Bild der Nachwelt übermittelt hat und sie nach menschlichem
Ermessen auch für weitere Jahrhunderte im Gedächtnifs des Volkes wird weiterleben lassen.
Es ist sehr wahrscheinlich, dafs die Errichtung eines Reiterstandbildes von Johann Wilhelm
schon sehr früh, bald nach seiner Thronbesteigung ins Auge gefafst worden ist, aber die erste
Schwierigkeit lag darin, einen geeigneten Mann für die Ausführung zu gewinnen. Die Zeit der
grofsen Bildhauer war ja eigentlich vorüber, und es war fast noch mehr, wie in der Malerei,
eine handwerksmäfsige Routine in der Plastik an die Stelle wirklicher Kunst getreten. Mit
Frankreich, wo grofse Aufgaben eine Reihe tüchtiger Künstler herangebildet hatten, hatte der
Kurfürst keine Beziehungen angeknüpft. Entweder hatten die räuberischen Einfälle in die Pfalz
sein landesväterliches Gefühl verletzt, oder aber, was wahrscheinlicher ist, die Franzosen ver-
schmähten es, den barbarischen Norden aufzusuchen, solange sie in Paris doch lohnendere Auf-
träge fanden. So richtete denn Johann W^ilhelm seinen Blick wieder 'auf die Niederlande und
schliefslich fand er in Brüssel den gesuchten Mann in dem Hofbildhauer Karls II. von Spanien,
Gabriel von Grupello.
Grupello hatte sich durch verschiedene bedeutende Arbeiten nicht nur seinen Titel, sondern
auch einen bedeutenden Ruf als Künstler erworben, und es ist schon deshalb anzunehmen, dafs
nur die Aussicht auf eine ganz aufserordentliche Auf-
gabe ihn von Brüssel, neben Antwerpen der bedeu-
tendsten Kunststadt der südlichen Niederlande, nach
Düsseldorf locken konnte, um so mehr, als er schon
im vorgerückten Mannesalter stand, als er 1695 ^^^^
Ruf des Kurfürsten folgte.
Gabriel Grupello wurde geboren am 22. Mai 1644
in Grammont als Sohn eines spanischen Offiziers
italienischer Abkunft. Seine künstlerischen Studien
machte er wahrscheinlich bei dem älteren Quellinus
in Antwerpen, dann aber ging er nach Paris, um
sich schliefslich in Brüssel niederzulassen. Im Jahre
1673 wurde er Meister der Gilde und. wie erwähnt,
Hofbildhauer des Königs von Spanien, des damaligen
Herrn der südlichen Niederlande. Von den in Brüssel
entstandenen Arbeiten ist eine der umfangreichsten
ein Marmorbrunnen für den jetzt verbrannten Ver-
sammlungssaal der Fischergilde in Brüssel (jetzt im
dortigen Museum).
Nach seiner Uebersiedelung nach Düsseldorf, die
er wohl als eine endgültige betrachtet hat, begannen
wahrscheinlich schon gleich die Vorarbeiten für das
Reiterstandbild des Kurfürsten, das allerdings zu An-
fang bedeutend grofsartiger geplant war. Aber der
Unstern, der über allen Plänen des Kurfürsten
schwebte, liefs auch diesen Plan nicht in der anfäng-
GABRIEL VON GRUPELLO liehen Gestalt zur Ausführung kommen, und auch hier
„ . , D ■, „ ^k;ih h.= k-, ..«;„►=,, wieder war es der Geldmangel, die uralte deutsche,
Entwurf zum Reiterstanabüd des Kuriursten ° '
Johann Wilhelm noch heute die Entwicklung der Kunst hemmende
18
GABRIEL VON GRUPELLO
Marmorbüste des Kurfürsten Johann Wilhelm
Krankheit, welche verhinderte, dafs Düsseldorf eines
der grofsartigsten Reiterstandbilder sein nennen sollte.
Im Kupferstichcabinet der Akademie befindet sich
eine Reihe Originalzeichnungen Grupellos, die ohne
Zweifel flüchtige Entwürfe zu dem ersten Gedanken
des Reiterstandbildes sind und im Verein mit ge-
wissen anderen Notizen ein Bild von der projectirten
Anlage ermöglichen. Hiernach spielte der Unterbau
des Denkmals eine Hauptrolle, und es scheint, dafs
derselbe als Brunnen gedacht war. Zwischen vier
grofsen, wohl halbrund gestalteten Becken sollten sich
auf starken Voluten die Eckpfeiler des viereckigen
Mittelbaues erheben, der nach oben bogenförmig ab-
schlofs, um auf einer kuppeiförmigen Spitze die
eigentliche Reiterstatue zu tragen. Das Pferd der-
selben sollte in lebhafter Stellung, sich bäumend, dar-
gestellt werden. Die Wände des Mittelbaues, die
vielleicht zu Nischen vertieft gedacht waren, sollten
unten von vier grofsen Löwen, welche die , .Haupt-
laster" unterdrücken, flankirt werden und darüber eine
in Relief ausgeführte oder ganz plastische Gruppe
erhalten. Auf
der Spitze der
in Rustika auf-
geführten Eck-
pfeiler sollten
sichAmoretten
tummeln, auf
halber Höhe Trophäen angebracht und auf den voluten-
förmigen Untersätzen wieder freischwebende Figuren oder
Gruppen aufgestellt werden.
Wie weit dieser Plan gediehen war, geht daraus her-
vor, dafs die Modelle der vier Löwen schon hergestellt
waren und noch nach der Aufstellung des Denkmals in
seiner bescheideneren Form gegossen und an dem Sockel
angebracht werden sollten. Diese Modelle wurden noch
im Jahre 1774 an den vier Ecken eines W^eihers in dem
neuangelegten Hofgarten aufgestellt, ,,aber es dauerte nicht
lange, so fielen sie ganz auseinander", wie ein Zeitgenosse,
der Kupferstecher Langenhöffel, erzählt.
Zu einer der Gruppen oder Reliefs, die sich nach
dem ersten oben geschilderten Entwurf über den Löwen
befinden sollten, ist ebenfalls noch eine Zeichnung vor-
handen, und mehrere Blätter beschäftigen sich mit der
Statue selbst, die in verschiedener Haltung des Pferdes
skizzirt ist.
W^ie s£hon bemerkt und wie aus der heutigen Ge-
stalt des Denkmals zur Genüge bekannt ist, kamen die
prachtvollen und höchst malerischen Pläne nicht zur Aus-
führung, und der Kurfürst mufste sich begnügen, sein
ehernes Bild zu Pferde auf einem einfachen Sockel gleich
dem heutigen aufstellen zu lassen. Wie über die einzelnen
Phasen der Ausführung keine näheren Daten bekannt sind,
so fehlt es auch an der Kenntnifs des Jahres des end-
gültigen Abschlusses und der Aufstellung des Denkmals.
Es geschah letztere entweder 1710 oder 1711. Die Angabe Gabriel von grupello
von 1705 ist in Anbetracht der grofsen Schwierigkeiten, Bronzestatuette des Kurfürsten Johann Wilhelm
19
die zu überwinden waren, wohl zurückzuweisen. Immer-
hin mufs die Arbeit im Jahre 1708 schon zur Zufrieden-
heit des Kurfürsten vorgeschritten gewesen sein, da er
damals seinem Hofstatuarius das Haus Markt Nr. 8 zum
Geschenk machte, unter Befreiung von allen Real- und
Personallasten. Jetzt befindet sich in diesem Hause,
dem späteren ,, Gouvernementsgebäude", das Polizeiamt,
aber die beiden allegorischen Büsten über der Thüre,
die zweifellos aus Grupellos Giefserei stammen, er-
innern noch an den einstigen Besitzer. Diese Giefserei
selbst hatte
GABRIEL VON GRUPELLO
Marmorbüste der Kurfürstin Maria Anna Louise Aloysia
GABRIEL VON GRUPELLO
Kleine Bronzebüste der Kurfürstin Maria Anna
Louise Aloysia
an der
Stelle des
alten
Theaters,
desjetzigen
Rathhaus-
neubaues,
gestanden.
Grupello
hat in den
beiden
Decennien,
die er unter
Johann
Wilhelm
in Düssel-
dorf zu-
brachte,
eineaufser-
ordentlich
grofse
Anzahl von Kunstwerken der verschiedensten Art in
Bronze, Marmor und Thon geschaffen, von denen
das Meiste verloren gegangen, Einiges in Mannheim,
Schwetzingen, das Wenigste in Düsseldorf erhalten
geblieben ist. Unter diesen letzten W^erken sind von
grofser Schönheit die beiden Marmorbüsten des Kur-
fürsten und seiner Gemahlin, die ehemals in der
Galerie standen und jetzt die akademische Aula
schmücken. In ihrer lebendigen Auffassung, der
eminent malerischen und decorativen Anordnung und
Auslührung des Costüms, gehören sie wohl zu dem
Besten, was von dem Künstler noch bekannt ist.
Nicht minder interessant in Bezug auf malerischen
Aufbau ist die Bronzestatuette des Kurfürsten auf
hohem, mit allegorischem Beiwerk etwas überladenem
Sockel, die sich jetzt ebenfalls in der Akademie be-
findet. Vielleicht ist die kleine, mit grofser tech-
nischer Geschicklichkeit ausgeführte Arbeit eine Skizze
zu dem im Hofe der Kunstgewerbeschule stehenden
Standbild, dessen Figur allerdings nur handwerks-
mäfsig in Marmor ausgeführt ist und deren Sockel
aus viel späterer Zeit stammt. Eine kleine Bronze-
büste der Kurfürstin Maria Louise de Medici ist merk-
vi^ürdig wegen der sich bereits bemerkbar machenden
Stilwandlung.
20
Der am S.Juni 1716 erfolgte Tod des Kurfürsten machte der lebhaften und vielseitigen künst-
lerischen Thätigkeit in Düsseldorf ein jähes Ende. Sein Bruder und Nachfolger Karl Philipp
hatte für Düsseldorf und seine Kunst nicht das geringste Interesse. In dem an und für sich
löblichen Bestreben, die durch die verhältnifsmäfsig grofsen Ausgaben seines Vorgängers voll-
kommen zerrütteten Finanzen seiner Länder wieder, so gut es gehen v(/ollte, zu verbessern, entliefs
er sämmtliche Künstler, machte alle Bestellungen rückgängig und schleppte, da er die Residenz
von Düsseldorf verlegte, alle Möbel, Kostbarkeiten und die meisten Kunstwerke aus Düsseldorf
fort. Ein grofser Brunnen, den Grupello für den Galerieplatz nahezu vollendet hatte, wurde nach
Mannheim gebracht und dort aufgestellt, und selbst die Reiterstatue sollte auseinander gesägt und
forttransportirt werden. Nur den flehentlichen Bitten der Bürgerschaft gelang es, dies zu ver-
hindern. Die Galerie entging der Fortschaffung nur, weil es in Neuburg, Mannheim oder Heidel-
berg, den drei Residenzen, die Karl Philipp nacheinander bezog, an geeigneten Räumlichkeiten
für sie mangelte.
Die zahlreichen fremden Künstler, die Johann Wilhelm um sich versammelt hatte, stoben
auseinander, da die Armuth der Bürgerschaft ihnen keine Aufträge versprach. Van der Werff
befand sich schon in Rotterdam und sandte nur noch das erwähnte letzte Bild, die Apotheose
des kurfürstlichen Paares.
Douven scheint allerdings die letzten zehn Jahre seines Lebens in Düsseldorf geblieben zu
sein, wo er 1727 starb, aber sein Sohn Franz Bartholomaeus ging in die Dienste des Kurfürsten
von Köln. Auch Grupello blieb noch eine Zeit lang in Düsseldorf, wo er indessen nichts mehr
geschaffen zu haben scheint. Er war allerdings beim Tode seines Gönners schon ein alter Mann
und zog sich auch bald auf ein seiner Tochter gehöriges Gut bei Aachen zurück, wo er 1730 im
87. Lebensjahre starb. Sogar die Kurfürstin hielt es in dem verödeten und alles höfischen Glanzes
beraubten Düsseldorf nicht lange mehr aus und ging 1717 nach Florenz an den Hof ihres Vaters
zurück, wo sie 1743 starb.
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GABRIEL VON GRUPELLO
Bildnis des Kurfürsten Johann Wilhelm
21
II. Kapitel
Die kurfürstliche Akademie
EINE Wendung zum Besseren trat erst unter der Re-
gierung des nächsten Kurfürsten Karl Theodor von
Sulzbach ein, der als Neffe der Tochter seines ohne
Nachfolger gestorbenen Vorgängers Karl Philipp im
Jahre 1742 die Pfalz und somit auch die jülich-cleve-
schen Lande erhielt.
Der Stadt Düsseldorf wohlwollender gesinnt, als
Karl Philipp, verlegte er seine Residenz wenigstens
zeitweise hierher, und wenn er auch kein so ener-
gisches und selbständiges Kunstinteresse besafs, wie
Johann Wilhelm, so fand doch unter seiner Regie-
rung die Gründung desjenigen Instituts statt, an das
die ganze spätere Düsseldorfer Kunst anknüpft.
Die eigentliche Seele dieses grundlegenden Vor-
gehens -war ein Maler und zwar ein geborener Düssel-
dorfer; und so wenig er als Künstler bedeutete, so
ist doch nach dem Kurfürsten Johann Wilhelm er als
der zweite Begründer der Düsseldorfer Kunst anzu-
sehen. Wilhelm (nicht Johann) Lambert Krähe wurde
im Jahre 1712 geboren und führte ein wechselreiches,
abenteuerliches Leben. Die Eindrücke seiner frühesten
Kindheit mögen ihn zur Wahl des Malerberufes be-
stimmt haben, dem er aber nur unter besonderer
Unterstützung verschiedener Gönner nachgehen konnte.
Im Gefolge eines Adeligen kam er nach Italien, wo
er gelegentlich unter grofsen Entbehrungen seinen
Neigungen als Künstler und Kunstsammler nachging.
Im Jahre 1755 empfahl ihn der Cardinal Valenti dem
Kurfürsten von der Pfalz, und so kam Krähe wieder
in seine Vaterstadt, um nun hier mit der gröfsten
Zähigkeit seine Pläne zu verfolgen. Es ist nicht ganz klar, übrigens auch ziemlich gleichgültig,
inwieweit ihn dabei kunstliebende Begeisterung und weitschauende Ueberzeugung von der Bedeu-
tung der Rheinlande als ältesten deutschen Kulturbodens für eine zukünftige deutsche Kunst leitete,
oder aber Ruhmsucht und — Gewinnsucht. Jedenfalls spielten auch diese keine kleine Rolle bei
dem zielbewufsten Vorgehen Krahes. Zunächst wurde er nach dem Tode des Malers Gerhard
Joseph Karsch, der seit der Regierung von Carl Philipp die Galerie verwaltet hatte, zum Director
oder, wie der Titel lautete, zum Inspector derselben ernannt, und sehr bald begann er in Verbin-
dung mit der Galerie eine Zeichenschule auf eigene Faust einzurichten, bei der ein Theil der
grofsen Sammlungen, die er aus Italien mitgebracht hatte, als Studienmaterial diente.
Wann aus dieser Zeichenschule definitiv die kurfürstliche Akademie geworden ist, läfst sich
nicht genau feststellen. Zwei Medaillen wurden zur Feier dieses Ereignisses, die eine von dem
POMPEO BATTONI
Bildnis des Kurfürsten Karl Theodor
22
kurfürstlichen Hofmedailleur Anton Schäffer, einem geborenen Düssel-
dorfer, entworfen und schon im Jahre 1769 geschlagen, und in einer
in demselben Jahre aus Schwetzingen datirten Urkunde wurde, wie
Wörmann in seiner ,, Geschichte der Düsseldorfer Kunstakademie"
berichtet, die Anstalt als die ..alldasige Akademie der Zeichenkunst"
bezeichnet. Erst 1774 aber war eine Art Organisation vollendet, und
die Statuten, die noch im Original vorhanden sind, wurden erst 1777
gegeben. Dieses Datum zeigt denn auch eines der Aulafenster des
neuen Akademiegebäudes als das officielle Jahr der Akademiegründung.
Auch sein grofses Bildnifs in Rüstung und Hermelinmantel schenkte
der Kurfürst der Akademie.
GEORG CHRISTOPH WÄCHTER
Medaille zur Akademiegründung
Vorderseite
Es war aber nur eine Copie
nach einer Arbeit des
Italieners Battoni.
Gleichzeitig mit der
Gründung der Akademie
verwirklichte Krähe seinen zweiten Plan, nämlich
den Verkauf seiner grofsen, hauptsächlich in Italien
erworbenen Sammlungen von Bildern, gemalten Studien,
Handzeichnungen und Kupferstichen als Unterrichts-
material für die neue Schule. Der Kurfürst hatte den
Ankauf befürwortet, aber den geforderten Preis von
31 000 Reichsthalern auf 22 000 herabgesetzt. Diese
Sammlung, die also als eigentlicher Grundstock der
Akademie zu betrachten ist, befindet sich noch heute
ziemlich unversehrt in Düsseldorf. Die Bilder bilden
einen Theil der akademischen Galerie. Die Hand-
zeichnungen und Kupferstiche werden in dem, seit
dem Anfang des Jahrhunderts in bescheidener Weise
weiter geführten Kupferstichcabinet aufbewahrt.
Das Widerstreben des Statthalters von Golt-
stein scheint die Kraheschen Projecte lange aufge-
halten zu haben, aber schliefslich siegte die Zähigkeit
Krahes doch, und in dem Hofkammerrath Jäger, der
sich erbot, als Secretär der Akademie beizutreten, fand
sich der geeignete Mann, um das Institut mit allem
äufseren Glanz auszustatten. Ein complicirtes Statut
wurde ausgearbeitet, sogar ein Ceremoniell erlassen,
das den Professoren besondere Uniformen vorschrieb.
Beamte aller Art wurden ernannt und eine grofse
Zahl auswärtiger Mitglieder gewählt, deren Name und
Ruf dem neuen Institut
LAMBERT KRÄHE
Heiliger Antonius
auch denjenigen künstle-
rischen Glanz verleihen
sollte, auf den es zufolge
eigener Leistungen vorläufig noch keinen Anspruch hatte. Leider war
davon auch für die nächste Zukunft nicht viel zu erhoffen. Alles
war ja auf der neuen Düsseldorfer Akademie vorhanden, selbst einige
Schüler hatten sich schon früh eingefunden, deren Zahl sich auch
schnell und sogar durch viele Ausländer vermehrte, nur wirkliche
Künstler gab es nicht an ihr, und es lag an den Zeit- und Ortsver-
hältnissen, dafs sich sobald auch keine einfanden.
So bietet ein Ueberblick über das Wenige, was zur Zeit der
kurfürstlichen Akademie in Düsseldorf geschaffen wurde, eigentlich
nur eine Auslese des Schwächlichsten, was in jener ohnehin künstle-
risch so wenig erfreulichen Zeit in Deutschland geleistet wurde. Es
ist kein Unglück, dafs fast Nichts mehr davon erhalten ist; nur der
GEORG CHRISTOPH WÄCHTER
Medaille zur Akadeniiegründung
Rückseite
23
Specialforscher wird sich versucht fühlen, den Werken des „trefflichen
Kräh'", wie ihn Goethe nennt, den Sculpturen des unglücklichen Bäumgen,
den Bildern und Kupferstichen des talentlosen Langenhöffel, kurz den
W^erken jener kurfürstlichen Akademiker nachzugehen.
Von Krähe besitzt die Akademie noch zwei Bilder, die „Ver-
suchung des heiligen Antonius" und „den trauernden Petrus", dann
sein Porträt, gemalt von dem Dänen Erich Paulsen, der eine Zeit lang
in Düsseldorf gearbeitet hat und auch einer der auswärtigen akade-
mischen Titularprofessoren war. Dem Bildhauer Bäumgen, der in dem
akademischen Lehrer-
ANTON SCHAFFER
Medaille zur Düsseldorfer
Akademiegründung
Vorderseite
coUegium eme eigen-
thümliche Rolle ge-
spielt zu haben
scheint, war bisher
nur der Sockel zu
Grupellos Marmor-
standbild des Kurfürsten im Hof der jetzigen
Kunstgewerbeschule zuzuschreiben. In den letzten
Jahren glaubte man nicht ohne Grund in einigen
Sandsteinfiguren der vier Jahreszeiten in einem
dem Hofgarten benachbarten Garten Werke seiner
Hand erblicken zu sollen. Nach urkundlichen
Nachrichten hat nämlich Bäumgen in der That
im Auftrage der Regierung im Jahre 1774 vier
gröfsere Sandsteingruppen, sowie 1777 zwölf
Kindergruppen, die Monate darstellend, für
den damals neu angelegten Hofgarten ange-
fertigt. Die Figuren, noch in dem übermäfsig
schwulstigen Stil des niederländischen Rococo,
entbehren gleichwohl nicht einer gewissen
malerischen W^irkung. Eine derselben fiel übri-
gens noch in den letzten Jahren dem allzeit
lebendigen Vandalismus und Unverständnifs der
Epigonen zum Opfer, so dafs also jetzt nur
noch drei vorhanden sind.
Auch Johann Joseph Langenhöffel war, wie
Krähe und Bäumgen, ein geborener Düsseldorfer
und ein ebenso vielseitiger und erfolgreicher,
wie in W^ahrheit kläglicher Künstler. Er malte
mythologische Bilder und Porträts, er radirte
und wurde später Hofmaler und sogar Galerie-
director. Von seiner
Hand stammen gröfs-
tentheils die zwar
nicht ungeschickten,
aber charakterlosen
BAUMGEN
Der Sommer
ANTON SCHAFFER
Medaille zur Düsseldorfer
Akademiegründung
Rückseite
und flüchtigen Radirungen, die, zu einem Sammelwerk vereinigt, die
hervorragendsten Handzeichnungen des Düsseldorfer Cabinets veröffent-
lichten, ein Unternehmen, das viel Geld kostete und mit einer Art
Bankrott abschlofs.
Neben Krähe wirkte als Secretär der Akademie der Maler Joseph
Augustin BruiUot 1739 — 1827, dessen Sohn Franz Bruillot Kupferstecher
und später Conservator des Kupferstichcabinets in München war; sein
„Dictionnaire des Monogrammes" ist noch heute im Gebrauch.
Ein nicht unbegabter Künstler war ferner Anton Wisselinck, der,
in Soest geboren, in Düsseldorf studirte, und späterhin Porträts,
Historienbilder und Deckengemälde historischen Inhalts malte; so in
24
ERICH PAULSEN-MALLET
Bildnis des Akademiedirectors Lambert Krähe
einem später verbrann-
ten Gouvernementsge-
bäude auf der Thomas-
Bastion, ferner in der
Bilker Kirche und
Decken im Schlofs Bens-
berg. Porträts sind noch
in Privatbesitz erhalten
geblieben, so ein Selbst-
porträt des Malers,
etwas hart und steif,
ein richtiges Zopfbild,
aber dennoch nicht un-
lebendig.
Eine problematische
Natur scheint der Por-
trät-Miniatur- und His-
torienmaler Eduard
Strehling gewesen zu
sein. Er war 1768 in
Düsseldorf geboren, kam
nach London, von da
nach Mainz und Peters-
burg. Dort malte er für
den Zaren, trieb grofsen
Aufwand, kam aber
später wieder nach
Düsseldorf zurück. Von
seinen Kunstwerken
ist nichts mehr nachzu-
weisen.
Ein wirklicher Künst-
ler neben diesen kleinen
Geistern war der in
Darmstadt geborene
Kupferstecher Carl Ernst
Christoph Hefs, der
zweimal eine Zeit lang
in Düsseldorf weilte,
dort als Professor an
der Akademie thätigwar
und einige Blätter des
genannten Handzeich-
nungswerkes, sowie
einige Radirungen nach
Rembrandtschen
Bildern der Galerie
BÄUMGEN
Der Frühling
noch heute von Werth
sind. Drei seiner Söhne
widmeten sich mit Er-
folg der Malerei, doch
ging ihre Thätigkeit in-
folge der eingetretenen
Umwälzungen für Düs-
seldorf verloren. Sie
arbeiteten meist in und
lür Bayern.
Immerhin ist es be-
merkenswerth, dafs sie
Schüler der Akademie in
Düsseldorf gewesen wa-
ren, wie denn überhaupt
die Lehrthätigkeit der
genannten Professoren,
immer unterBerücksich-
tigung der damaligen
Verhältnisse, eine er-
folgreichere gewesen zu
sein scheint, als ihr
künstlerisches Wirken.
Unter den Schülern
dieser ersten akade-
mischen Zeit wird auch
ein Kapuziner genannt,
FraterGuardian, dereine
Anbetung der Hirten in
der Maxpfarre malte.
Eine weitaus gröfsere
Bedeutung, als alle diese,
erlangte aber der in Cal-
cum 1750 geborene Joh.
Peter Langer, der als
Nachfolger Krahes in
Düsseldorf und später als
Director der Akademie
in München gewisser-
mafsen den Uebergang
aus dem XVIII. in das
XIX. Jahrhundert ver-
mittelte, und in dem
Kampf um die ,, neuere
Kunst" die nicht benei-
denswerthe Rolle des
Vertreters der alten Zeit
zu spielen hatte.
radirte, welch' letztere
Langer ist ein höchst charakteristischer Typus des akademischen Künstlers jener Zeit. Zweifellos
mit grofsem Talent begabt, würde es ihm unter anderen Verhältnissen, in einer anderen Umgebung
und zu einer anderen Zeit vielleicht gelungen sein, Werke zu schaffen, die sein Leben überdauert
hätten. Aber der Fluch des Epigonenthums und der Decadence, der auf der ganzen Zeit ruhte,
vor dem sich nur ganz W^enige hatten retten können, lastete auf seinem W^erk, so dafs er heute zu
den fast vollkommen Vergessenen gehört, ungeachtet der grofsen Rolle, die er im Leben gespielt hat.
Sicherlich war er nicht ohne Verdienst als Lehrer und Mensch, wie auch sogar als Künstler.
Es gelang ihm, die Düsseldorfer Akademie trotz der grofsen Schwierigkeiten, trotz der traurigen
Zustände, die einer Entwicklung der Kunst in ganz Deutschland so überaus ungünstig waren, zu
27
ANTON WISSELINCK
Selbstbildnis
einer gewissen Höhe zu bringen, ihr sogar über die
Grenzen Deutschlands hinaus Achtung und Ruhm zu
verschaffen. Goethe, der ihn jedenfalls bei seinem
zweiten längeren Aufenthalt in Düsseldorf 1792 kennen
gelernt hatte, schätzte ihn, wie mehrere noch erhal-
tene Briefe aus verschiedener Zeit beweisen, sehr
hoch. „In Düsseldorf", schreibt 1800 (Propyläen III. 2)
der grofse Dichter, der damals begonnen hatte, sein
Augenmerk auf die Pflege zeitgenössischer Kunst zu
richten, , .zeigt sich der Einflufs eines einsichtsvollen,
geschickten und thätigen Lehrers, der eine Galerie,
Zeichensammlung und antike Muster die Schüler be-
nutzen lehrt."
In diesen jedenfalls höchst anerkennend ge-
meinten Worten ist Langer ja nun in seinem ganzen
Verdienst, aber, freilich von Goethe vielleicht un-
gewollt, auch in seiner ganzen Beschränkung ge-
schildert. Einsichtsvoll war er ja wohl, aber nur im
Sinne jener nachahmenden Zeit, geschickt war er ohne
Zweifel auch, vielleicht nur zu sehr, denn seine Bildnisse
haben ganz den Charakter der gewandten, den alten
Meistern oberflächlich abgesehenen Technik, die sich
damals in England und den Niederlanden erhalten hatte,
und thätig war Langer in hohem Grade, das beweist
sein vielseitiges Schaffen, das beweisen seine Bemü-
hungen um die Schule und um gewisse andere Be-
strebungen, die auch nur an der Ungunst der Zeiten
scheiterten und ein besseres Los verdient hätten.
Dafs aber Langer auch nur einen Funken wirklich künstlerischen Geistes besessen hätte,
der ihn befähigte, sich über seine Zeit zu erheben, etwas Dauerndes zu schafTen oder nur unter
seinen vielen Schülern den Einzigen zu erkennen, der auserwählt war, — davon konnte auch
Goethe allerdings nichts schreiben.
Man wird heute von den Langerschen Arbeiten, die er in Düsseldorf und München, den
beiden Stätten seiner Wirksamkeit, schuf, nur den Bildnissen ein gewisses Interesse noch zu-
gestehen können. Sie zeigen in der That eine Leichtigkeit der Technik, eine, wenn auch ober-
flächhche, Geschicklichkeit der Anordnung und der Auffassung, die als ein letzter Rest der
niederländischen Porträtkunst sich bis auf diese Zeit gerettet hatten, dann aber mit ihm zu Grunde
gingen, um für nur zu lange Zeit aus der deutschen Kunst zu verschwinden.
Es ist der alte Vorwurf, der den verdienten Neubegründern der deutschen Kunst allerdings
nicht erspart werden kann, dafs sie in übertriebener Betonung des geistigen Inhalts, die technische
Ausgestaltung vernachlässigt und so in Wirklichkeit die letzten Reste dieser Tradition verloren
haben, und es ist merkwürdig, wie gerade die Unterbrechung der künstlerischen Thätigkeit zu
Anfang des Jahrhunderts in Düsseldorf dieses Vergessen und Verlieren des Malenkönnens ver-
ursacht zu haben scheint.
Während nämlich der alte Langer in seinen theilweise recht flott gemalten Bildnissen die
alte Technik, soweit es seine Fähigkeiten überhaupt gestatteten, noch durchaus beherrschte, hatte
sein Sohn Robert, den er doch neben sich und Rafael als den einzigen grofsen Künstler anerkannte,
das Malen thatsächlich schon nicht mehr gelernt. Sein grofses Bild in der Düsseldorfer Akademie
zeigt keine Spur mehr von der gewandten Pinselführung und der unleugbaren coloristischen Ge-
schicklichkeit, die den Porträts seines Vaters nicht abgesprochen werden können. Es ist vielmehr
bunt und hart in der Farbe, trocken und leblos in der Malerei, ganz im Sinne der französischen
Klassicisten, wenn auch, weil in München gemalt, vielleicht nicht ganz so schlimm, wie die
Arbeiten Dieser. Auch Kolbe, der J. P. Langers Schüler war, hat unter dem Einflufs seines
Pariser Aufenthalts das wahrscheinlich in Düsseldorf erworbene Können verloren und es nicht
wieder ganz zurückerobern können.
Von den Menschen, die Langer gemalt hat, gehören einige der alten Düsseldorfer Familie
Jacobi an, in deren Hause der Akademiedirector wohl auch den Weimarer Gast kennen gelernt
28
hat. Es ist sogar nicht ausgeschlossen, dafs der Gedanke der Weimarer Concurrenzen, von
denen noch die Rede sein wird, Goethe von Langer eingegeben worden ist, denn diese echt
akademische Einrichtung bestand in Düsseldorf schon seit längerer Zeit. — In seinen Figuren-
bildern ist Langer durchaus unoriginell und steht ganz unter dem Einflufs des Eklekticismus.
Einige Skizzen von ihm besitzt die Galerie in Schleifsheim und ein grofses Altarbild die Carmeliter-
kirche in München.
Auch mit der Radirung hat sich Langer beschäftigt, indem er theils Bilder alter Meister,
theils eigene Entwürfe geätzt hat. Eine Folge von Apostelfiguren, die er nach Rafael bezw. Mark
Anton ausiührte, fand wiederum durch Goethe eine eingehende Besprechung, wenn auch nicht
unbedingtes Lob. (Teutscher Mercur 1789, IV. Vierteljahr, p. 269-277.)
Um der Vielseitigkeit und dem an und für sich praktischen Sinne Langers gerecht zu werden,
mufs auch ein von ihm ins Leben gerufenes Unternehmen erwähnt werden, das einen eigentlich
durchaus modernen Gedanken verfolgte, leider aber auch keinen nachhaltigen Erfolg errang. Es
JOH. PET. LANGER
Bildnis der Frau Arnold Böninger
JOH. PET. LANGER
Bildnis der Frau J. G. Böninger
war die Einrichtung des sogenannten mechanographischen Instituts, d. h. einer Art Tapetenfabrik,
die von künstlerischen Gesichtspunkten aus geleitet werden sollte, also eine angewandte Kunst in
ganz modernem Sinne anstrebte. Die Anstah scheint in Duisburg eingerichtet worden zu sein,
wenigstens war ein Mitglied der Familie Böninger dabei betheiligt, und hatte auch ein Gebäude,
die sogenannte Mühle, zur Veriügung gestellt. Langer malte damals auch verschiedene Mitglieder
dieser Familie, und diese Bildnisse gehören mit zu dem Besten, was er gearbeitet hat.
Uebrigens erwähnt Goethe a. a. O. auch jener Anstalt, aber nicht gerade in günstigem Sinne,
er glaubt sogar die Langerschule „für zu viel Praktik und die Einwirkung des mechanographischen
Instituts" warnen zu sollen.
Von den bevorzugten Schülern Langers haben eine gewisse Bedeutung nur Clemens Zimmer-
mann, der Sohn des Directors Robert Langer und Heinrich Kolbe erlangt. Die Hauptthätigkeit
der beiden ersteren tällt aber nach München und nur Kolbe, der der Aelteste von ihnen war,
hatte schon in Düsseldorf angelangen, selbständig zu arbeiten; er war unter anderem auch bei dem
mechanographischen Institut thätig, verliefs aber Düsseldorf schon Ende 1800, um eine gröfsere
29
Reise nach Paris zu unternehmen. Später kam er dann nach Köln und Düsseldorf zurück, wo er
an der preufsischen Akademie eine ziemlich traurige Rolle spielte.
Langers Thätigkeit hatte nicht vermocht, dauernd gegen die Ungunst der Zeiten, die unter den
kriegerischen Verhältnissen sich immer schlimmer gestalteten, anzukämpfen. Die Akademie verfiel
immer mehr, die Schülerzahl wurde immer geringer, und im Jahre 1801 sind nur noch Langer und
der alte 1739 geborene Bruillot, sowie der Kupferstecher Thelott als Lehrer thätig. Im Jahre 1805
wurde noch ein gewisser Carl Friedrich Schäffer als Professor der Architektur angestellt, aber
schon im nächsten Jahre brach die Katastrophe herein, welche der Düsseldorfer Kunst, wieder
einmal scheinbar für alle Zeiten, ein Ende machen sollte.
Die Veränderungen, welche die europäische Kunst, wie alle andern Gebiete, in der Zeit der
Jahrhundertwende durchmachte, hatten sich in Düsseldorf, den Verhältnissen entsprechend, nur
schwach wiedergespiegelt, wie ja auch die ältesten und älteren Bestrebungen auf diesem Gebiete
in Düsseldorf nur ein schwaches Bild von den grofsen Strömungen hatten geben können. War
Johann Wilhelm nur ein ganz kleiner Louis XIV. gewesen, so ging die Zeit des Uebergangs von
der Allonge- zur Rococoperücke für Düsseldorfs Kunstzeit ganz verloren, und nur der eigentliche
Zopf macht sich in der neugegrün-
deten Akademie bemerklich.
Die Zeit Louis' XV. mit ihren
Anfängen des Klassicismus, die Re-
volutionszeit, die im Gegensatz zu
dem welschen eleganten Rococo und
dem steifen norddeutschen Zopf ihre
Vorbilder schon im alten Rom suchte
und so das Empire gewissermafsen
vorfühlte, das Empire selbst mit
seinem Römerthum, das in Deutsch-
land bald zum spiefsbürgerlichen
Biedermannsstil abflaute, brachte für
Düsseldorf eigentlich nur den lang-
samen aber unaufhaltsamen Nieder-
gang mit schwachen Reflexen, von
dem, was draufsen geschah. Und
dieser Niedergang, der etwa seit dem
Tode Carl Theodors begonnen hatte,
fand im Jahre 1805 sein Ende mit
Schrecken.
In diesem Jahre nämlich wurde
die berühmte Galerie, die der natür-
liche Halt der ganzen Kunstschule
gewesen war, zum drittenmal, und
diesmal auf Nimmerwiederkehr, von
Düsseldorf weggeführt, und zwar
nach München; ihr folgten die Galerie- und die meisten Akademiebeamten mit der Hoffnung, in
dem neuen bayrischen Königreich von Napoleons Gnaden, ein neues Leben beginnen zu können.
Der Nachfolger des kinderlosen Carl Theodor, Max Joseph von Pfalz-Zweibrücken, hatte
zwar unter anderm die Pfalz und Jülich im Luneviller Frieden an seine Bundesgenossen, die
Franzosen, abtreten müssen, reclamirte aber die Galerie und die in Bensberg befindlichen Bilder
als Familieneigenthum, damit sie nicht von den Preufsen, die damals gegen die verbündeten
Rheinbundmächte und Frankreich kämpften, geraubt würden, und liefs sie, trotz des Widerspruchs
der Düsseldorfer Stände, nach Kirchheimbolanden schaffen, von wo Frankreich sie seinem Bundes-
genossen nach München zugehen liefs. 1806 kam auch das Herzogthum Berg an Frankreich, aber
sein neuer Herrscher Murat gab dem zweimaligen Andrängen der Stände um Rückforderung der
Galerie so wenig Gehör, wie es Max Joseph auf diese Forderungen selbst gethan hatte.
Das späterhin von Düsseldorf aus an Preufsen gestellte Ansinnen, die Rückgabe der Galerie
von Bayern durchzusetzen, gab Anlafs zu langen Verhandlungen, die vielleicht zu einem Rechts-
streit geführt hätten, wenn nicht im Jahre 1871 Kaiser Wilhelm entschieden hätte, dafs die Galerie
in Anerkennung der von Bayern geleisteten Hülfe gegen Frankreich in München verbleiben sollte.
ALOYS CORNELIUS
Priamus fordert die Leiche seines Sohnes von Achilles
30
Wie wenig aussichtsreich ein Rechtsstreit für Preufsen gewesen wäre, geht übrigens u. a. auch
daraus hervor, dafs schon im Jahre 1738 die Erhaltung der Galerie als Fideicommifsmasse beim
Kurhause von Seiten der Stände zugestanden und 1734 die Ueberlieferung nach Mannheim ver-
sprochen worden war. Auch die Franzosen hätten die kostbare Sammlung ihrem Bundesgenossen
sicher nicht wiedergegeben, wenn sie dieselbe als Landeseigenthum erkannt hätten.
* *
So schien es also, als ob mit dem alten Jahrhundert für Düsseldorf auch die Kunst begraben
werden sollte, aber dennoch war noch innerhalb dieses XVIII. Jahrhunderts in Düsseldorf der
Mann geboren worden, der berufen war, nicht nur seiner Vaterstadt, sondern dem ganzen, damals
allerdings noch den berüchtigten geographischen Begriff vorstellenden Vaterlande, eine neue, eine
ganz neue, weil nationale Kunst, wenn nicht im ganzen Umfange zu geben, so doch vorzubereiten.
Peter Cornelius war der Sohn des kurfürstlichen Akademie-Inspectors, aufserordentlichen
Mitglieds der Akademie und Lehrers der Elementarklasse Aloys Cornelius, und wurde als das
vierte Kind seiner Eltern am 23. September 1783 in Düsseldorf geboren. Sein Vater war ein
fleifsiger Künstler, der in
dem Sinne der Krähe und
Langer seine Bilder malte.
Die ,, Stigmatisation des
heiligen Franziskus" in
der Franziskanerkirche zu
Aachen gilt als seine beste
Arbeit. Eine Handzeich-
nung, jedenfalls eine Con-
currenzarbeit zu dem ge-
gebenen Thema ,,Priamus
erbittet die Leiche seines
Sohnes von Achilles" im
Kupferstich -Cabinet zu
Düsseldorf, gez. Cornelius
anno 1789, ist jedenfalls
von ihm und zeigt ihn ganz
im Banne des manierirten
Klassicismus jener Zeit.
Er starb 1799, und Peter
Cornelius hatte mit seinem
älteren Bruder Lambert,
der späterhin das Amt des
Vaters erhielt, die Aufgabe,
seine zahlreiche Familie
zu unterhalten.
PETER CORNELIUS
Bildnis des Herrn Feltmann
Peter Cornelius war
damals unter Langer
Akademieschüler, und sein
Lehrer rieth der Mutter
aufs Entschiedenste, den
Sohn das Handwerk eines
Goldschmiedes lernen zu
lassen, ein Beweis, dafs
der i6jährige sich schon
damals in bewufstem Ge-
gensatz zu dem berühmten
Akademiedirector befand,
und dafs dieser keines-
wegs imstande war, den
eigenartigen Geist seines
Schülers zu erfassen.
Cornelius folgte dem
guten Rath nicht, sondern
theilte in rastloser Arbeit
seine Zeit zwischen selb-
ständigen künstlerischen
Entwürfen, und zwischen
Werken, die dem Brot-
erwerb dienen mufsten.
Von den letzteren nennt
er selbst Kalenderzeich-
nungen, Kirchenfahnen, Bildnisse, und giebt damit ein Bild dessen, womit damals in Düsseldorf
die jungen Künstler sich ihr Brot verdienen mufsten. Man hat sich dabei unter den Bildnissen
keineswegs immer Oelgemälde zu denken, sondern vielfach wohl nur Bleistift- oder Kreidezeich-
nungen. Ein Porträt des Cornelius, das er in der Zeit 1804 — i8o5 von dem Kaufmann Feltmann
nicht ohne technische Gewandtheit malte, ist noch vorhanden. Von den Kalenderzeichnungen,
die nur in den Stichen erhalten sind, stammt aus der früheren Zeit nur das Titelbild zu Krum-
machers Gedicht ,,Die Kinderwelt" 1806, ,,Sokrates lehrt die Kinder", das, von Thelott gestochen,
durchaus im klassischen Almanachstil gehalten ist.
Die künstlerischen Arbeiten aus der ersten Zeit sind leider nicht alle mehr nachweisbar, doch
haben einige von ihnen deshalb eine gewisse Bedeutung, weil sie auch Cornelius in Beziehungen
zu Deutschlands gröfstem Dichter, zu Goethe zeigen, und das merkwürdige Schauspiel bieten, dafs
der Dichter, der für die nationale Entwicklung seines Volkes schon fast ein Menschenalter hindurch
gearbeitet hatte, den jungen Künstler, der auf verwandtem Gebiete das Gleiche erstrebte, durchaus
nicht verstehen wollte. Freilich hatte Goethe selbst damals dem Klassicismus, der alles Heil
bedeutete und die Völker von der Frivolität des Rococo erretten sollte, schon seine Opfer dar-
gebracht. Auf den Götz war die Iphigenia gefolgt, und der Faust war verhältnifsmäfsig wenig
31
beachtet worden. In seinen Kunstanschauungen stand Goethe mit seinem Beirath, dem Professor
Meyer, ganz im Banne der französischen und seit Carstens auch deutschen Römer- und Griechen-
malerei und auf dem Boden des freihch schon sehr zurückgegangenen technischen Manierismus.
Das hatte ihn ja auch mit Langer zusammengeführt, und in diesem Sinne wurden auch die
berühmten Weimarer Concurrenzen bearbeitet. Goethe hatte in der löblichen Absicht, die Kunst
zu unterstützen, seit dem Jahre 1799 den deutschen Künstlern Preisaufgaben gestellt und besprach
im Jenaischen Litteraturblatt die preisgekrönten und die besseren der eingesandten Arbeiten. Die
Urtheile sind in hohem Grade charakteristisch für die Auffassung, die Goethe und mit ihm doch
also wohl die Elite der Kunstverständigen in Deutschland vertrat.
Wo es möglich ist, sie mit den gelobten Arbeiten zu vergleichen, geben diese Urtheile ein
klares Bild von dem Standpunkte des damaligen Kunstverständnisses, und die gegebenen Motive
zeigen deutlich den herrschenden Geist. Es mögen deshalb diese nach so vieler Richtung hin,
besonders in den gestellten Aufgaben, interessanten und für die Zeit charakteristischen Preis-
ausschreiben an dieser Stelle einmal im Zusammenhang verzeichnet werden, um so mehr als sie
in den ersten Jahren auch einen anderen Düsseldorfer Künstler, den schon oben erwähnten und
später wieder zu nennenden Heinrich Kolbe in hervorragender W^eise thätig zeigen.
Schon gleich bei dem ersten Preisausschreiben hatte dieser nämlich mit Hartmann in Stutt-
gart zusammen den ersten Preis errungen. Die Aufgabe war: „Aphrodite führt dem Paris die
Helena zu". Dieser Erfolg hat Kolbe vielleicht ermuthigt, später ein Bild ,, Paris und Helena" zu
malen, von dem sogar Nagler sagt, dafs es im Kostüm der grofsen Oper gehalten sei. Auch im
folgenden Jahr errang Kolbe mit der Lösung der beiden Aufgaben: „Abschied des Hector" und
,,Tod des Rhesos" mit Hartmann und Hoffmann in Köln und dem famosen Joh. Aug. Nahl (dem
Jüngeren) in Cassel zusammen ein grofses Lob, und nicht minder im Jahre 1801 (,,Achill auf Skyros"
und , .Achilles im Kampf mit den Flüssen"), wo er von Paris aus mit concurrirt und zwei Oel-
gemälde beigefügt hatte. Goethe fand in der Arbeit „Achill auf Skyros" eine gute, zum Grofsen
und Mächtigen sich neigende Manier; den Preis erhielten Nahl und der Kölner Jos. Hoffmann.
Das Jahr 1802 mit der Aufgabe „Perseus und Andromeda" brachte Kolbe nur ein Lob, der Preis
fiel an Ludwig Hummel in Neapel.
Kolbe verschwindet nun von der Bildfläche, dafür tritt aus Düsseldorf Peter Cornelius mit
in den Wettbewerb, freilich ohne es jemals weiter als zu einem meist recht eingeschränkten
Lobe zu bringen. Im Jahre 1803 sandte er eine Zeichnung zu dem Thema: „Odysseus und der
Cyclop", die leider ebenso wie die meisten anderen Corneliusschen Preisarbeiten verschollen zu
sein scheint, so dafs vorläufig ein Vergleich mit den Goetheschen Bemerkungen nicht möglich ist.
Wird man diesen Kritiken nach Mafsgabe des Anderen, z. B. dem schwächlichen Kölner
Hoffmann, gespendeten Lobes nicht allzuviel \Verth beilegen dürfen, so ist eine Bemerkung Goethes,
den sein feiner Sinn doch nicht gänzlich im Stiche liefs, interessant. Nachdem es heifst, dafs
Zeichnung, Stil und Geschmack der Formen nicht zu Lobsprüchen auffordern, „hegen wir dessen-
ungeachtet von den Fähigkeiten des Verfassers keine geringe Meinung, denn der Inhalt seines
Bildes ist mit Fleifs zusammengedacht. Seine Gedanken haben zwar eine für bildende Kunst
nicht ganz passende Richtung, aber doch, so wie sie dargestellt sind, innerlichen Zusammenhang".
In diesen Worten liegt etwas, das Cornelius auch in seinen späteren Werken treffen dürfte.
Schade nur, dafs Goethe von der Gröfse des Cornelius aus den jugendlichen Arbeiten nichts heraus-
gefühlt hat, sondern nur das, was seine Schwäche vielleicht schon war und bleiben sollte. —
Schliefslich werden dem jungen Mann von Fähigkeiten gebildete Rathgeber gewünscht, also das
berühmte Programm: der Künstler, geleitet von gebildeten Rathgebern, den Gelehrten, das, nach-
dem es so heillosen Unfug in der deutschen Kunst angerichtet hat, auch heute noch immer
nicht ganz unschädlich gemacht ist.
Im nächsten Jahre 1804 war die Aufgabe endlich einmal eine etwas reichere gewesen: ,,Das
Menschengeschlecht vom Element des Wassers bedrängt", und es ist bemerkenswerth, dafs
Cornelius hier nicht einen historischen Vorgang, wie etwa die Sintfluth, wählt, sondern einen nahe-
liegenden genrehaften, den Untergang eines Schiffes. Auch diesmal ist die Anerkennung sehr
kühl, doch werden Fortschritte anerkannt und bemerkt, er verdiene Aufmunterung. Den Preis
gewann ein Mann Namens Grüner, und an zweiter Stelle wird ein Düsseldorfer genannt, aber
nicht Cornelius, sondern der junge Robert Langer, der ,,in betreff richtiger Contour und regelmäfsiger
Gruppirung" besser als einer der übrigen Preisbewerber befriedigt habe. An dritter Stelle kommt
Hummel in Cassel und dann erst Cornelius. Fast zuletzt wird ein junger Berliner Bildhauer
32
genannt, der ein Basrelief eingesandt hatte. Es war Schadow der Jüngere aus Berlin, der älteste
Sohn des Berliner Akademiedirectors Gottfried Schadow, Rudolf, der schon 1822, 37 Jahre alt, starb.
Das Jahr 1805, es sollte die letzte Concurrenz stattfinden, hatte w^ieder eine mythologische Auf-
gabe gebracht, nämlich eine der Thaten des Herkules. Cornelius stellte den Heros dar, ,,wie er dem
Theseus und Peirithous wehrt, den Styx zu überschreiten, die gekommen waren, Proserpina aus
der Unterwelt zu entführen". Es ging ihm nicht besser als früher, und den ersten Preis bekam
wieder Joseph HofTmann in Köln, über den sich Cornelius mit grofser Offenheit und bitterer Schärfe
einmal ein Jahr früher in einem Briefe an seinen Freund Flemming ausgesprochen hatte.
Da diese Arbeit des Cornelius, ein grofser Carton, noch erhalten ist (in der Nationalgalerie
zu Berlin), so ist die Beurtheilung desselben möglich. Man wird nicht umhin können, der
PETER CORNELIUS
Herkules in der Unterwelt
freilich akademisch klassicistischen Composition in vieler Beziehung Anerkennung zu zollen.
Die nackten Körper sind mit einem für die Zeit bemerkenswerthen Naturgefühl behandelt. Die
Hauptgruppe ist einfach, klar und verständlich, und wenn Herkules etwas wild erscheint, so hat die
statuarische Ruhe der beiden anderen Hauptfiguren etwas durchaus Würdiges und in gutem Sinne
Klassisches. Dafs Goethe wegen kleiner Proportionsfehler (z. B. zu grofser Füfse) ,,die meisten
Figuren mifsgestaltet" findet, ist nur aus seinem, an der aus dem Rococo stammenden zierlichen
Puppenhaftigkeit der Figuren Anderer, verbildeten Geschmack zu erklären. Man wird in diesen
und ähnlichen Uebertreibungen, von denen sich Cornelius so wenig, wie Michel Angelo jemals
ganz frei gemacht hat, eher ein Zeichen überwallenden Kraftgefühls finden, als einen Mangel an
Verständnifs und Können.
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Begreiflicher ist, dafs Goethe der Arbeit eine , .falsche Auslegung" gegeben hat. In Wirk-
lichkeit hat Cornelius eine Scene componirt. die der Mythologie nicht entspricht. Herkules hat
in der Unterwelt den Theseus, der wegen seines Versuches, die Proserpina zu befreien, dort
angekettet war, befreit. Den Peirithous zu befreien, mifslang ihm. Dafs Herkules zu der Zeit,
da jene Beiden ihren verunglückten Entführungsversuch machten, in der Unterwelt gewesen wäre,
und dafs er sie an ihrem Unternehmen gehindert habe, davon meldet die antike Mythe nichts.
Wie Cornelius an diese ganz aus der Luft gegriffene Situation gekommen ist, dürfte schwer zu
sagen sein. Seine mythologischen Kenntnisse scheinen damals nicht ganz einwandfrei gewesen
zu sein. W^as Goethe mit Meleager und der Medusa will, ist freilich ebenso unklar, und
E. Försters Behauptung, der Stoff sei aus dem 14. Buch von Vergils Aeneis genommen, macht
die Sache auch nicht besser, da die Aeneis doch nun einmal nur zwölf Bücher oder Gesänge
hat. Allerdings beschwert sich der höllische Fährmann (Vergil Aeneis 6. 392 ff.) über die Gewalt-
thätigkeiten der drei Helden in der Unterwelt, aber eine Situation, wie die von Cornelius gezeichnete,
wird nicht geschildert.
Der Gewinn aus diesen Goetheschen Kritiken war für Cornelius also ein sehr geringer. Die
Hinweise des grofsen, an der Spitze der damaligen Civilisation stehenden Mannes konnten ihm nicht
einleuchten, wenn er sah, welchen Leuten dieser die Palme zuerkannte. Der Jüngling, der einem
Freunde um das Jahr 1803 schrieb, ,,ich finde nach genauer Selbstprüfung, dafs ich die Kunst auf einen
ziemlich hohen Grad bringen könnte" — ,,doch blofs das Höchste, was je alte und neuere Kunst
hervorbrachten, müfste jetzt das Muster meines täglichen Lebens sein", konnte sich unter des
pedantischen Langers Leitung nicht wohl fühlen. Und doch hatte Goethe gerade diesen und
nicht nur ihn, sondern sogar den gleichalterigen jungen Langer dem Cornelius als Vorbilder
bestimmt, als er Robert Langer im Jahre 1803 schrieb : ,,W^ürde Ihr Herr Vater, würden Sie sich
selbst dieses jungen Mannes (Cornelius) dergestalt annehmen, dafs er über Manches, was ihm
noch im W^ege steht, leichter hinüberschritte, so würden Sie sich ein grofses Verdienst erwerben.
Vielleicht sehe ich schon übers Jahr die Früchte Ihrer Einwirkung."
Aber Cornelius liefs sich nicht irre machen, und hatte der Kunstkritiker Goethe den Maler
nicht verstanden, so verstand der Maler den Dichter Goethe desto besser. Das bewies er durch
seine spätere Arbeit, die an Goethe anknüpfte und die für seine und die ganze deutsche Kunst
von epochemachender Bedeutung werden sollte.
Von den künstlerischen Arbeiten der ersten Düsseldorfer Zeit sind die Concurrenzzeichnungen
allerdings gröfstentheils verloren, oder doch verschollen. Zwei Blätter, die Förster als im Besitz
des Münchener Kupferstichcabinets befindlich nennt und beschreibt, haben sich als Arbeiten eines
anderen Künstlers herausgestellt (, .Jacobs Segen" und die Federzeichnung des „Herkules, Theseus
und Peirithous" -Blattes). ,, Moses am Felsenquell" befindet sich ebenfalls nicht in dem
Münchener Kupferstichcabinet, dagegen sind als letzte Erinnerung an die Neufser W^andgemälde
drei kleine gezeichnete Figuren in Privatbesitz noch vorhanden. Der Auftrag, im Neufser
Dom zu malen, fällt in die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts, ebenso eine zu Grunde
gegangene Malerei für den Vater seines Freundes Flemming in Neufs. In Privatbesitz wohl
erhalten ist dagegen die sorgfältig ausgeführte Zeichnung ,,Aeneas Vater weigert sich aus Troja
zu fliehen" nach Aeneis 2. 634. Namentlich die Gestalt des Anchises ist ausdrucksvoll und von
grofser W^ürde.
Schon im Jahre 1803 hatte Cornelius die Bekanntschaft Boisserees aus Köln gemacht, der ihn
besucht hatte, als er gerade an dem ,,Odysseus" für Goethe malte, und etwa im Jahre 1805 lernte
Cornelius den Domcapitular Walraff kennen, der, neben Boisseree einer der Hauptsammler alter
deutscher Gemälde, auf seine Anschauungen von gröfstem Einflufs gewesen sein mufs. Ihm
verdankte Cornelius den Auftrag, in Chor und Kuppel des Domes zu Neufs die Gestalten der
Evangelisten und Apostel sowie Engelfiguren grau in grau zu malen. Diese Arbeiten sind leider
zu Grunde gegangen, doch sind sie immerhin insofern bedeutsam, als sie Cornelius zum erstenmal
auf dem Gebiete thätig zeigen, das er später mit so grofser Zähigkeit als sein eigentliches Feld
behauptet hat. Die Arbeiten in Neufs beschäftigten ihn von 1806 — 1808. 1824 waren sie noch
wohlerhalten, wurden aber 1865 in, wie es scheint, ziemlich pietätloser W^eise entfernt und durch
andere Bilder ersetzt. Eine im Jahre 1808 für einen Baron von Grainger in Düsseldorf gemalte
Bildnisgruppe scheint auch verschollen.
Glücklicher erhalten sind verschiedene andere Oelgemälde, die Cornelius in jener Zeit schuf.
Zwei gröfsere Tafeln mit den 14 Nothhelfern aus dem Jahre 1804 hängen noch jetzt, freilich stark
nachgedunkelt und schlecht erkennbar, im Oratorium der barmherzigen Schwestern in Essen. Ein
35
Oelporträt, die aufschwebende Gestalt eines Kindes darstellend, das Cornelius als Erinnerung an
ein verstorbenes kleines Mädchen im Jahre 1808 zu malen hatte, befindet sich jetzt in der Kunsthalle
zu Düsseldorf. Erfreulicher als dieses in graugrünen Tönen gehaltene Bild mit dem weinerlichen
Ausdruck der kleinen, halb realistischen, halb idealistischen Kinderfigur ist das Oelbild, das Cornelius
im folgenden Jahre im Auftrage eines Fabrikanten in Eupen malte und das ..die Unterweisung in
der Webekunst durch Pallas Athene" darstellt. Dieses mäfsig grofse Bild ist nicht nur für den
Stand der damaligen Düsseldorfer Kunst interessant, sondern besonders deshalb, weil es zeigt, dafs
Cornelius zu der Zeit thatsächlich noch malen konnte, was man ihm später durchaus abgesprochen
hat. Es ist eine ganz eigenthümliche. keineswegs ungeschickte, aber aufserordentlich zarte, dünne
und blutarme Malweise, die in fast raffinirter, aber decadenter Manier das Material benutzt, eine
flüssige und wirkungsvolle Behandlung des Fleisches mit der gebrochenen, feingestimmten Tönung
der Gewänder in Gegensatz zu setzen versteht, kurz eine technische Gewandtheit verräth, die
Cornelius später durchaus verloren hat.
Die Auffassung und Composition ist ganz im klassicistischen Sinne gehalten. In einem von
Säulenhallen begrenzten Hof sitzt in der Mitte eine weibliche Gestalt vor dem Webstuhl, der aller-
dings mehr einem Stickrahmen ähnlich sieht. Sie wendet sich zu der mit Helm und Lanze steif,
aber nicht ohne Würde links hinter ihr stehenden Pallas. Eine Gruppe von drei Mädchen, alle in
antiken Gewändern, die aber die damalige Mode durchfühlen lassen, nimmt die rechte Hälfte des
Bildes ein. Die gelungenste Figur ist unstreitig die mittelste dieser Damen. Hier scheint Cornelius
sich ganz an ein hübsches Modell gehalten zu haben, das er fast naiv wiedergegeben und in dem
kindlich neugierigen Ausdruck des Gesichtchens, der einfachen Haltung mit übereinander gefaltenen
Händen reizvoll und lebendig zu treffen verstanden hat.
Nichts in all' diesen Figuren deutet auf den späteren Cornelius hin, nur eine hinter der Pallas
auf dem Boden hockende und Wolle schneidende Alte zeigt in der ausdrucksvollen kräftigen
Zeichnung des Kopfes, der allerdings etwas an Rafael erinnert, und der Hände, die Klaue
des jungen Löwen. In der Farbe ist das Bild zwar flau, aber auch nicht ohne coloristischen
Reiz. Es sind die zarten gebrochenen Töne, wie man sie etvi/a auf gleichzeitigem Porzellan findet,
ein wenig grün, violet, viel weifs und etwas blau, die Alte dunkelroth, die Architektur braungrau,
aber das Ganze von durchaus coloristischer Wirkung, die Cornelius später niemals wieder in dem
Mafse erreicht hat.
Besonders merkwürdig ist die Malweise, die sich an die Langersche anlehnt und sie gewisser-
mafsen noch übertrumpft. In eine dünne braungraue Untermalung sind die kalten hellen Töne
mit weichem Pinsel nafs in nafs hineingemalt, und im Fleisch ist jenes weiche Lustre thatsächlich
noch erreicht, das dann auf Jahrzehnte hinaus aus der Malerei verschwinden sollte. Etwas derber
ist der theils eckige, theils wulstige, immer aber verständliche Faltenwurf behandelt, wogegen
die Haare in manchmal sehr feiner Weise wieder jene Sparsamkeit der Mittel bei guter Wirkung
zeigen.
Man wird diesem Bilde gegenüber der Schulung Langers eine gewisse Anerkennung nicht
versagen können, allerdings es auch begreiflich finden, dafs gerade Cornelius diese feminine Technik
sobald als möglich von sich warf. — Leider hat er es für unter seiner W^ürde gehalten, sich
später eine bessere anzueignen.
Die Düsseldorfer Arbeiten zeigen Cornelius ganz im Fahrwasser des Klassicismus ; von einem
Gegensatz zu Langer oder dessen Schule kann eigentlich gar nicht die Rede sein, gewifs nicht in
dem Mafse, als man aus der Antipathie der Beiden gegeneinander schliefsen möchte. Diese mufs
vielmehr auf persönlichen Gründen beruht haben und auf der instinctiven natürlichen Gegner-
schaft eines kleinlichen, pedantischen Schulmeisters gegen seinen genialen Schüler.
Die künstlerische Befreiung von der Langerschule nicht nur, sondern von dem ganzen Stil
der Zeit vollzog sich bei Cornelius mit der Plötzlichkeit eines Naturereignisses. Cornelius war
der Erste, dem es klar wurde, dafs ein W^erk, ..mit dem er vor die Nation treten wollte", mit dem
er der Nation eine neue Kunst geben wollte, denn kein geringeres Ziel hatte er sich mit vollem
Bewufstsein gesteckt, ,, deutschen Ursprunges" sein müsse.
Dafs er sich an ein Dichtungswerk anlehnen müsse, um dem Verständnifs der Zeitgenossen
entgegenzukommen, war ihm auch klar geworden. Dafs er den Faust wählte, war der Beweis
seines richtigen Gefühls für die Volksthümlichkeit und dichterische Gröfse des Stoffes, und dafs
er für seine Formensprache die richtigen Vorbilder in den, ihm durch Boisseree bekannt ge-
wordenen altkölnischen Bildern, vor allem auch in Albrecht Dürers Gebetbuch Kaiser Maximilians
fand — das ist die That, durch die er die neue Kunst auf ihre alten nationalen Vorbilder unter
36
PETER CORNELIUS
Erfindung der Webekunst
3*
Beiseitelassung alles Fremden zurückführte, damit sie sich von hier aus an der Hand der Natur
folgerichtig weiterbilde. Also dasselbe Princip, das ein halbes Jahrtausend früher die Renaissance
schon einmal vollzogen hatte.
Der berühmte Hinweis Goethes auf das Gebetbuch erfolgte erst, als Cornelius die unter dem
Studium desselben vollendeten Blätter Goethe vorgelegt hatte, und dafs Goethe das Studium der
gleichzeitigen Italiener empfahl, beweist, dafs er auch damals noch die That des Cornelius gar
nicht verstanden hat.
Um aber die Gröfse derselben zu begreifen, braucht man sich nur der Weimarer Con-
currenzarbeiten zu erinnern. Zwischen ihnen und den Faustzeichnungen liegt in der That für die
deutsche Kunst die Jahrhundertwende, und mit den Faustzeichnungen beginnt die Kunst des
XIX. Jahrhunderts.
Freilich mufste sie in der Folge noch manchen Irrweg, manche Spirale gehen, aber ihre
Richtung hat sie damals erhalten: Nationaler Geist in nationaler Form an der Hand des Natürlichen.
Dafs Cornelius selbst, einem fast tragisch zu nennenden Geschick unterliegend, sich von diesem
^Vege wieder entfernte, und zwar gerade infolge des Studiums der ,, gleichzeitigen Italiener", dafs
er fast genau wieder auf den Klassicismus zurückkam, das vermag sein Verdienst, das er durch
die Faust- und Nibelungenzeichnungen sich erworben hat, nicht zu schmälern.
Die Faustzeichnungen wurden nicht in Düsseldorf selbst vollendet, aber der geistige Sprung,
den sie bedeuten, gehört noch der Düsseldorfer Zeit an ; in Düsseldorf entstand der Plan zu dem
Werk, trotz der ganzen Erbärmlichkeit der vaterlandslosen Zeit, aus dem unausrottbaren deutschen
Stammesgefühl des Rheinländers, aus dem Idealismus der Jugend und aus der Kraft des Genies.
Im Jahre 1809 hatte Cornelius nach dem Tode seiner Mutter gewissermafsen als Letzter des
alten akademischen Kreises die Vaterstadt, die ihm nichts mehr zu bieten hatte, verlassen. Unwider-
stehlich zog es ihn hinaus, aber die Verhältnisse zwangen ihn, die grofsen Reisepläne nach Rom
oder Paris vorläufig fallen zu lassen und sich zunächst mit Frankfurt zu begnügen. Dort hatte
sich fast allein in Deutschland unter dem Einflufs des geistreichen Fürstprimas Dalberg eine Art
künstlerischen Lebens erhalten, und in Frankfurt, der Geburtsstadt Goethes, entstanden die meisten
der Faustblätter, um von hier aus zuerst zu Goethe zu gehen, dann in Rom vervollständigt und
gestochen zu werden.
Wie hoch diese Arbeiten rein künstlerisch noch heute stehen, das bewies ihre Zusammen-
stellung mit allen seither geschaffenen Faust-Illustrationen auf der Düsseldorfer Goethe-Ausstellung
von 189g, von denen keine sich trotz aller Fortschritte der Technik, trotz allen Raffinements der
Ausführung auch nur im entferntesten mit ihrem mächtigen Ernst und der zwingenden Gewalt
des Eindruckes messen konnten.
Wäre Cornelius von den Einflüssen Roms, die ihn von den deutschen Stoffgebieten und
langsam auch von deutschem Geiste abführten, bewahrt geblieben, so hätte er vielleicht auch
für die späteren Jahrzehnte das sein können, was er damals war und für die nächste Zeit blieb :
ein Vorbild und Bahnbrecher.
Als Cornelius die Vaterstadt verliefs, war sein Verhältnifs zur Akademie nur noch ein sehr
loses gewesen. Sein Bruder Lambert fungirte dort, wie früher sein Vater, als Inspector, und
blieb mit dem alten Thelott und Schäffer als das ganze Lehrpersonal der mit so grofsem Pomp
gestifteten Anstalt zurück, die vollständig einschlief, wie das künstlerische Leben in Düsseldorf
überhaupt.
Schon zu französischer Zeit hatte die Akademie ihr Gebäude dem Ministerium des Innern
abgeben müssen, und noch am 8. November 1813 erinnerte man sich in Paris plötzlich der kost-
baren Sammlungen von Handzeichnungen, die vor den Händen der Feinde auf das linke Rhein-
ufer gerettet werden müfsten. Diese Ordre kam nun freilich etwas zu spät, denn am 4. November
hatten die französischen Behörden Düsseldorf verlassen und am 14. November zogen die Truppen
der Verbündeten ein.
Der Wiener Congrefs 1815 sprach das Grofsherzogthum Berg der preufsischen Krone zu, und
Düssedorf wurde, nachdem es ein paar Jahrhunderte eine Duodezresidenz gewesen war, Sitz
eines preufsischen Regierungspräsidiums. Von der Rolle, die es in der Folge als preufsische
Kunststadt spielen sollte, hatte noch Niemand eine Ahnung.
39
III. Kapitel
Die preufsische Akademie unter Cornelius
DIE Düsseldorfer, welche wie alle occupirten Landes-
kinder dem preufsischen Regiment mit dem denkbar
gröfsten Mifstrauen entgegensahen (diesem Mifstrauen
war ja in letzter Linie auch der Verlust der Galerie
zu verdanken, denn hätten die Stände sie nicht, um
sie vor den Preufsen in Sicherheit zu bringen, aus-
gefolgt, so wäre sie damals in Düsseldorf verblieben
und wahrscheinlich auch heute noch hier), mochten
überzeugt sein, dafs es mit ihrer Kunst nun gründlich
und für alle Zeiten aus sei. Aber die Regierung,
w^elche auch hier von dem Principe ausging, alle
vorhandenen Institute, so weit als möglich, nicht in
sich verkommen zu lassen oder aufzuheben, sondern
ihnen im Gegentheil neues Leben einzuflöfsen, forderte
sehr bald einen Bericht über die Verhältnisse der dor-
tigen niemals formell aufgehobenen Akademie. Dieselbe
hatte ja auch dem neuen Herrn gegenüber schon einige
schwache Lebenszeichen von sich gegeben. Sie be-
standen in dringenden Gesuchen der übrig gebliebenen
Lehrer Thelott und Schäffer um Gehaltserhöhung; und
daraufhin erging nun zunächst an Schäffer die Auf-
forderung zu einem Bericht über den Stand der
Akademie und über seine Ansichten zu einer Reor-
ganisation derselben.
Carl Friedrich Schäffer war 1776 in Dresden als
Sohn eines geschätzten Bildhauers geboren. Im Jahre
1805 wurde er als Professor der Architektur an die
Düsseldorfer Akademie berufen und hatte hier ausgehalten, wahrscheinlich, weil es ihm nicht
gelungen war, wie die Anderen in München unterzukommen. Auch an den Director des
Gymnasiums Karl Wilhelm Kortüm wandte man sich, da man an eine Verbindung beider
Anstalten dachte.*
Dieser \var vernünftig genug, den Gedanken einer Verbindung von Akademie und Gymnasium
als unausführbar zu bezeichnen, und so blieb denn der sehr ausführliche Plan des Architekten
Schäffer zur Berücksichtigung.
AUGUSTE KUSSENER
Bildnis von Peter Cornelius
Nach dem Stich der Künstlerin
* Dieser Kortüm ist übrigens nicht mit dem Jobsiaden-Dichter Karl Arnold Kortum zu verwechseln, wie es ein
durch die Solidität seiner Arbeitsweise und die Zuverlässigkeit seiner Angaben sattsam bekannter moderner Kunstliterat
thut. Kortum, der Vater des trefflichen Jobs, kann, von allem Andern abgesehen, schon deshalb nicht zu dem Düsseldorfer
Kreise Schadows gehört haben, weil er erstens überhaupt nicht in Düsseldorf gelebt hat, und zweitens schon zwei Jahre
todt war, als Schadow nach Düsseldorf kam. Der Gymnasialdirector Kortüm erhielt dieses Amt im Jahre 1814, wurde 1822
Consistorial- und Schulrath bei der Regierung in Düsseldorf, gehörte als solcher später dem Curatorium der Akademie an
und wurde 1830 in das Cultusministerium nach Berlin berufen.
40
Der umfangreiche Bericht giebt einen bis ins Kleinste ausgearbeiteten, in vieler Beziehung
höchst interessanten und geistreichen Entwurf zur Errichtung einer Kunstschule, der nur zu grofs-
artig war, um mit den immerhin beschränkten Mitteln der preufsischen Regierung ausgeführt zu
werden.
Sehr hübsch ist die Charakteristik des Oberdirectors, wie ihn Herr Schäffer sich denkt.
j.Wäre ich nicht selbst Architekt," bemerkt er in einer Anmerkung. ,.so würde ich zu jeder Zeit
einen Kunstarchitekten am geeignetsten zum Director finden, weil derselbe nicht, ohne Kunstpolyhistor
zu sein, im Leben stehen kann".
Es ist hier nicht der Ort, auf die weiteren Verhandlungen, die zwischen den zwei oder drei
übrig gebliebenen Akademielehrern, der Regierung und dem Ministerium gepflogen wurden, ein-
zugehen. Man hatte in Berlin den besten Willen und es fehlte auch nicht an Leuten, die sich
der Regierung als Lehrer für die neue Anstalt zur Verfügung stellten. So Kolbe. E. E. Mengelberg
in Düsseldorf und auch der in Rom lebende Cornelius, der in einem Briefe an Boisseree sich,
Overbeck, den Kupferstecher Ruschewey und andere deutsche Künstler zur Anstellung, Theilnahme
und Mitwirkung anbot.
Aber auch von anderer Seite war auf Cornelius hmgewiesen w^orden, und vor allem war es
der geistreiche Niebuhr, der im October 1816 als preufsischer Gesandter nach Rom gekommen und
sehr bald auf Cornelius aufmerksam geworden war. In Privatbriefen an einflufsreiche Persönlich-
keiten, z. B. an Savigny, dann aber in einem längeren Bericht an das Ministerium hatte er, noch
ohne von den Düsseldorfer Projecten Kenntnifs zu haben, in dringender Weise beantragt, dafs
dem trefflichen Künstler Unterstützung zu theil werde. Von Berlin aus hatte man auf dem
üblichen Instanzen\A?ege über Düsseldorf dann auch mit Cornelius und, es ist nicht bekannt, auf
wessen Veranlassung hin, mit dem in Crefeld geborenen Bildhauer Flatters in Paris, Unterhand-
lungen angeknüpft. Diese Verzögerungen hatten aber die Folge, dafs Cornelius schon von einer
anderen Seite in Anspruch genommen wurde und beinahe für Düsseldorf vollständig verloren
gewesen wäre.
Die Jahre, welche Cornelius aufserhalb Düsseldorfs zugebracht hatte, sind ein merk-
würdiges und hinlänglich bekanntes Kapitel der deutschen Kunstgeschichte. Es mag an dieser
Stelle auf die bedeutsamste Zeit, auf die in Rom, deshalb kurz hingewiesen sein, weil die Eindrücke,
welche eine Reihe deutscher Künstler dort empfing, nicht nur durch Cornelius, sondern auch durch
Andere für die junge Düsseldorfer Kunst höchst bedeutungsvoll werden sollten.
Der Frankfurter Aufenthalt hatte Cornelius einige Aufträge des Fürstprimas und Porträtaufträge
von Privaten eingetragen und ihm vor allem Gelegenheit gegeben, die ersten Blätter seines ,, Faust"
zu zeichnen und für die ganze auf zwölf Zeichnungen geplante, im Stich herauszugebende Arbeit
einen Verleger zu finden. Goethen selbst hatte der junge Zeichner die W^idmung des Werkes
angeboten, und der Dichter wird sie wohl angenommen haben, wenn auch seine darauf bezügliche
Aeufserung nicht vorhanden ist.
Nach zweijährigem, durch eifrige Arbeit ausgefülltem Aufenthalt in Frankfurt sah sich
Cornelius endlich am Ziel seiner frühesten Wünsche, nämlich in Rom, wo er mit seinem Freunde
Xeller am 14. October 1811 angekommen war.
An Florenz war man gewissermafsen nur vorbeigefahren, doch gestand Cornelius in Rom,
dafs er den einzigen Tag, den er in Florenz zugebracht habe, nicht für viele Jahre seines Lebens
hingäbe.
Die Eindrücke, die er in Rom empfing, waren verschiedener Art und riefen in ihm zunächst
das Gefühl lebhafter Enttäuschung wach. Er schreibt einem Freunde die grofsen Worte: ,,Ich
sage Dir und glaube es fest, ein deutscher Maler sollte nicht aus seinem Vaterlande gehen." Das
klingt wie eine Ahnung davon, dafs auch ihm und seiner Kunst Italien so verhängnifsvoll
werden sollte.
Sehr bald schlofs sich Cornelius der Gesellschaft der Klosterbrüder an. jenem Kreise von
jungen Leuten, die in engstem Anschlufs an die kirchliche Kunst der Frührenaissance und in Nach-
ahmung des klösterlichen Lebens, etwa eines Fiesole, das Heil ihrer Seele und ihrer Kunst suchten.
In dieser naiven Vereinigung künstlerischer und menschlicher Nachahmung vergangener
Zeit nicht nur, sondern auch überwundener Verhältnisse spiegelt sich die ganze Rathlosigkeit der
eine neue Kunst oder eine wirkliche Kunst überhaupt suchenden deutschen Jünglinge wieder.
Und wenn man ihren W^eg nicht als den richtigen anerkennen kann, so wird man doch den
heiligen Ernst und die Ueberzeugungstreue bewundern müssen, mit denen sie diesen Weg betraten
und verfolgten. Diese Klosterbrüder, wie sie zunächst hiefsen, bekamen bald den Namen Nazarener,
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den ursprünglich eine andere Gruppe von deutschthümelnden, aber ziemlich bummligen Jüng-
lingen aus Norddeutschland erhalten hatte, „da sie immer viel vom heiligen Grabe sprachen".
Schadow spricht von diesen in seinen Jugenderinnerungen in sehr abfälliger Weise, und sie sind
mit dem Kreise der in S. Isidoro Hausenden nicht identisch. Diesen wurde der fromme Name
erst nur spottweise gegeben, blieb aber dann an ihnen hängen, und Schadow mufste es sich
gefallen lassen, ihn, in Rom wenigstens, auch zu tragen.
Diese wirklich frommen und begeisterten Nazarener haben innerhalb der deutschen Kunst
des XIX. Jahrhunderts eine Rolle gespielt, die nicht unterschätzt werden darf. Das Schicksal hat
den Kreis bald gesprengt und seine Mitglieder über ganz Deutschland verstreut. Kaum Einer
ist den künstlerischen Grundsätzen, die er damals angenommen hatte, ganz untreu geworden, und
gerade in Düsseldorf hat das Nazarenerthum eine Nachblüthe erlebt, die bis in unsere Tage reicht.
Der enge Anschlufs der Nazarener an die kirchliche Kunst der alten Italiener beschränkte
sich nicht nur auf die Nachahmung des Stofflichen und Technischen, er suchte vielmehr auch
eine möglichst enge geistige Aehnlichkeit mit den Vorbildern, und der Uebergang vom Mönchischen
zum Kirchlichen war fast selbstverständlich.
So erlebte die Welt das wundersame Schauspiel, dafs die gröfstentheils aus dem protestan-
tischen Norden Deutschlands nach Rom gekommenen Kunstjünger, Einer nach dem Andern, nicht
nur das Leben und die Kunst der Mönche nachahmten, sondern auch, soweit sie ihr nicht von
Hause aus angehörten, sich der Kirche zuwandten, der ihre Vorbilder angehört hatten.
Freilich war aber dieser Schritt kein so ganz origineller und aus eigenster Initiative ent-
sprungener, so wenig wie der ganze Zug der Klosterbrüder in die Einsamkeit und das Mittelalter
auf eigener Erfindung beruhte. Der Anstofs war hier wie dort ein ästhetisch-litterarischer gewesen.
Es war dieselbe Geschichte, wie bei den Klassicisten. Jenen hatte W^inckelmann den Weg gewiesen,
diesen gaben das Signal zur frommen W^eltflucht in den Schatten der Klostermauern die berühmten
„Herzensergiefsungen eines Klosterbruders" von Tiecks Freunde W^ackenroder (1797). Der roman-
tische Mysticismus, der seit Friedrich Wilhelm II. sogar in der Stadt der Intelligenz in weiten
Kreisen Schule gemacht und in der Litteratur durch Tieck, Novalis und die beiden Schlegel, das
Kokettiren mit dem Katholicismus fortgesetzt hatte, war durch den Uebertritt zur katholischen Kirche
des Grafen Friedrich Stolberg 1800 in Münster, dann Friedrich Schlegels 1808 in Köln, zuerst in
die Praxis übersetzt worden. Bald darauf traten in Rom der erblich stark belastete Zacharias
Werner, sowie der Frankfurter Dr. Christian Schlosser, ein Neffe von Goethes Schwager,
1810 bezw. 1811 zum Katholicismus über. Wie auf ein gegebenes Zeichen folgten nun die
Protestanten unter den römischen Klosterbrüdern, Einer nach dem Andern, diesem Beispiel. Zuerst
der Historienmaler F. Cramer aus Emden, später 1813 Overbeck, der Sohn eines angesehenen
Lübecker Juristen aus einer alten Predigerfamilie, im nächsten Jahre W. Schadow, der Sohn des
Berliner Bildhauers, der Werner und Schlosser schon in Florenz kennen gelernt hatte, und 1815
Philipp Veit. Ein Abbate Pietro Ostini, Professor der Kirchengeschichte am CoUegio Romano,
war der geistige Führer bei diesen und den zahlreich folgenden Conversionen, die namentlich in
Deutschland und bei den Deutschen in Rom ungeheueres Aufsehen machten.
Noch merkwürdiger als dieses massenhafte Uebertreten zur katholischen Kirche selbst ist die
Thatsache, dafs gerade die beiden Bedeutenderen unter den Convertiten jüdischer Abstammung
sind. Das beweist nicht nur den weniger religiösen, als vielmehr ästhetisch -reflectirenden oder
romantisch-phantastischen Charakter ihres confessionellen Ueberganges, sondern, was hier, namentlich
bei Einem von ihnen, wichtiger ist, auch ihrer damit im engsten Zusammenhang stehenden Kunst.
Veit war durch seine Mutter der Enkel Moses Mendelssohns, und auch sein Vater war Jude.
Schadow war mütterlicherseits der Enkel eines galizischen Juden namens Davideies aus Wien.
Die Heirathsgeschichte seines Vaters ist ein ganzer Roman, wie auch die vorherige Bekehrung
seiner Mutter und deren Flucht aus einem Wiener Kloster. Dafs die gesündesten und kraftvollsten
Erscheinungen unter diesen Klosterbrüdern, Cornelius und Friedrich Schnorr, blieben, was sie
von Hause aus waren, der Eine Katholik, der Andere Protestant, ist auch ein Zeichen für die
fremden geistigen und Rassen-Elemente, die der Kunst und dem Glauben der Andern beigemischt
waren. Ganz folgerichtig ist es auch, dafs der mit natürlichem rheinischen Lebensmuth und echt
künstlerischer Freude an der Natur, die er mit entdecken half, erfüllte Cornelius schliefslich gegen
die Frömmelei seiner Genossen sich aullehnte, so dafs er, der geborene Katholik, von den Conver-
titen gewissermafsen als Ketzer angesehen wurde. Bekannt ist sein Ausspruch, dafs, wenn der
letzte Maler in Rom katholisch geworden sein würde, er protestantisch werden würde. Das hat nun
freilich nicht verhindert, dafs bis zum Jahre 1818 noch eine ganze Anzahl junger Leute übertrat.
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Dennoch war Cornelius' Eintritt in den Kreis der Klosterbrüder künstlerisch wenigstens von
grofser Bedeutung gewesen und hatte sogar eine förmliche Revolution hervorgerufen. „Er fiel
plötzlich wie eine Bombe in Rom ein und schofs gleich einer Rakete unter die römischen Künstler."
So erzählt Schadow, und die beiden Bilder passen trefflich auf den körperlich kleinen, aber
feurigen Cornelius, der, von unleugbarem Oppositionsdrang erfüllt, eine viel zu kräftige und gesunde
Natur war, um sich der weichen verschwommenen Stimmung, als deren Hauptrepräsentant
Overbeck typisch ist, hinzugeben. Was ihn zu jenem Kreise hinzog, war, dafs er in ihm dieselbe
Begeisterung und denselben guten Willen, die neue Kunst zu begründen, vorfand, die ihn selbst
beseelten. Glaubten doch die Klosterbrüder alles Ernstes auf ihrem W^ege die deutsche Kunst
reformiren oder wiedererwecken zu können, was ja auch Cornelius' heifsester Wunsch war. Die
gemeinsamen Studien nach der Natur — bei solchen nach dem weiblichen Aktmodell zog sich
Overbeck schamhaft zurück — förderten Cornelius nicht wenig bei den Arbeiten, die ihm zunächst
am Herzen lagen, wie diese ihn andererseits vor den Phantastereien und religiösen Sentimentali-
täten der Anderen bewahrten. Es waren die letzten Blätter des Faust und des neu unternommenen
Nibelungen -Cyklus. Die Wahl dieses zweiten Stoffes bedeutete einen weiteren Schritt auf der
Bahn der nationalen Kunst. Auch Shakespeare, der in jener Zeit der deutschen Litteratur und
damit der Welt gewissermafsen neugewonnen wurde, erweiterte das Gebiet seines Gedankenkreises.
Nun hat freilich auf die Dauer auch Cornelius nicht vermocht, den Eindrücken, die von allen
Seiten auf ihn einstürmten, zu widerstehen, und während in Deutschland die deutschthümelnde
Romantik immer mehr an Boden gewann, wandte sich Cornelius in Rom mehr und mehr
religiösen Stoffen zu, von der unleugbar richtigen Ansicht ausgehend, dafs der Urgrund aller
Kunst, die ersten geistigen und sogar praktischen Anregungen in der Religion beruhten. Er
übersah dabei nur, dafs die Kirche nicht mehr in der Lage war, die Kunst wie früher zu pflegen,
und dafs die Geistesrichtung im XIX. Jahrhundert eine andere geworden war, der sich die Kunst,
ob zu ihrem Vortheil oder nicht, anschliefsen mufste.
Es entstanden in dieser religiösen Richtung einige Bilder und Zeichnungen, bis ein gröfserer
Auftrag Cornelius und seinen Freunden die lang ersehnte Gelegenheit gab, ihre Gedanken ins Grofse
und Monumentale zu übersetzen; denn auch darüber war Cornelius in der Anschauung der Werke
der Hochrenaissance sich klar geworden, dafs nur die monumentale Kunst in Verbindung mit der
decorativen die Höhe des malerischen Schaffens bedeute.
Die Geschichte der Fresken in der Casa Bartholdy, in deren Ausführung sich Cornelius,
Overbeck, W. Schadow und Philipp Veit theilten, ist bekannt und gehört nicht hierher.
Es schlössen sich an die Arbeiten für die Villa Massimi; und das in diese Zeit fallende
Erscheinen Niebuhrs in Rom bedeutete für Cornelius die ersten Beziehungen zur preufsischen
Regierung. Leider wurden die Verhandlungen, welche Niebuhr angeregt hatte, um Cornelius für
Düsseldorf zu gewinnen, wie gesagt, mit der üblichen bureaukratischen Langsamkeit geführt, so
dafs ein anderer fürstlicher Kunstmäcen, der 1818 nach Rom kam, den Künstler für sich und seine
hochfliegenden Pläne zu gewinnen wufste, ehe die Verhandlungen mit Berlin zum Abschlufs ge-
kommen waren. Man darf dabei nicht vergessen, dafs Cornelius in Rom mit äufserstem Mangel
und zuletzt auch mit Krankheit hatte kämpfen müssen, und dafs ein Wegzug von dort unter
irgend welchen annehmbaren Bedingungen für ihn und seinen seit kurzem gegründeten Hausstand
eine Lebensfrage war. W^as ihm der Kronprinz Ludwig von Bayern in Aussicht stellte, war mehr,
als Cornelius in seinen kühnsten Träumen hätte erhoffen dürfen, mehr als was ihm Preufsen
bieten konnte. So mufste schon vor den definitiven Aufträgen für die Münchener Glyptothek die
Arbeit für die Villa Massimi zurücktreten, und Cornelius arbeitete schon an den Cartons für
München, als man von Berlin aus noch Berichte aus Düsseldorf und von Niebuhr über die
Fähigkeiten des p. Cornelius, sowohl als Künstler, wie als eventuellen Leiter einer Kunstakademie
und seine eventuelle Geneigtheit zu letzterer Thätigkeit forderte. Und als endlich die Berufung
nach Düsseldorf für Cornelius in Rom ankam, da war dieser auf den dringenden Wunsch des Kron-
prinzen Ludwig schon in München angelangt, und von hier aus machte er nun der preufsischen
Regierung den Vorschlag, der zu seiner Doppelstellung in den nächsten Jahren führte, ihn einen
Theil des Jahres als Director der Akademie in Düsseldorf beschäftigte, den andern Theil als
Maler der Glyptothek in München.
Cornelius brachte mit der Annahme der Directorstelle in Düsseldorf ein um so gröfseres
Opfer, als ihm auch in München die Direction der Akademie mit einem weit höheren Gehalt
angeboten worden war. Und er hat bewiesen, dafs es keine Redensart war, wenn er an die
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Düsseldorfer Regierung schrieb: „dafs seine Liebe zur Heimath und seine Anhänglichkeit an den
preufsischen Staat die Hauptbeweggründe waren, dem Ruf nach Düsseldorf zu folgen".
Mit Reisen zwischen München, Berlin, Dresden vergingen noch etliche Monate. Ein alter
Freund, der Maler und Kunsthistoriker Mosler aus Coblenz, dessen Anstellung als Lehrer an der
Düsseldorfer Akademie Cornelius erbeten hatte, brachte die Familie des Cornelius nach Düsseldorf,
und im October 1821 kam der Künstler selbst nach zwölfjähriger Abwesenheit zum erstenmal
wieder in seine Vaterstadt. Mit ihm kamen einige Schüler, so Stilke, Stürmer, Röckel, Götzen-
berger, Sandhaas, Karl Schorn und Andere, sowie der junge Wilhelm Kaulbach. Und nun
begann trotz der häufigen Abwesenheit des neuen Directors, der vertragsmäfsig für die Sommer-
monate nach München beurlaubt war und einen Theil seiner Schüler zu den Arbeiten dorthin
mitnahm, eine fast fieberhafte, wenn auch in gewisser Beziehung einseitige Thätigkeit.
Cornelius war schon in Rom zu der Ueberzeugung gekommen, dafs nur die Monumental-
malerei imstande sei, die deutsche Kunst wieder aufwärts zu führen, und seine eigenen schlechten
Erfahrungen auf der Langerschen Akademie hatten ihm als das Ideal einer Heranbildung junger
Künstler die Mitarbeit an den Werken des Meisters in der Art, wie sie im Mittelalter und in der
Renaissancezeit üblich war, erscheinen lassen.
Das war nun Alles gut und schön, aber Cornelius verkannte dabei die Verschiedenheit, nicht
nur in dem Kunstbedürfnifs des Volkes, sondern auch in der Auffassung von den Zwecken des
einzelnen Kunstwerkes im Vergleich zu der Glanzzeit der Kunst in Italien. Er verkannte femer
den neuzeitlichen Drang nach Entwicklung der eigenen Individualität, der das Aufgehen einer
ganzen Künstler- Generation in dem Schaffen eines einzelnen Meisters nicht mehr zuläfst.
Eine rein äufserliche Einseitigkeit kam dazu, die aber, da sie technischer Natur war, nicht nur auf
die ganze Schule, sondern auf die spätere Arbeit des Cornelius von allergröfster und einschneidendster
Bedeutung werden sollte. In seiner Nichtachtung, um nicht zu sagen Verachtung alles Technischen
in der Kunst, war Cornelius so weit gegangen, dafs er keine Malerei aufser dem Fresco gelten
lassen wollte. Daraus folgte bei ihm selbst, dafs er die noch in Düsseldorf besessene, von Langer
überkommene Maltechnik vollkommen verlor, ohne bei der merkwürdigen Gleichgültigkeit, die er
namentlich auch der coloristischen Seite der Malerei entgegenbrachte, dafür eine eigentliche,
glänzende Frescotechnik einzutauschen (soweit es sich nämlich nicht um das rein Handwerks-
mäfsige handelt, was ja gerade beim Fresco weniger Sache des Künstlers, als des Maurers ist).
Das sollte sich später bei ihm aufs bitterste rächen, es war aber auch die Schuld, dafs er
es auf die Dauer zu gar keiner Schule, selbst im Sinne jener alten Meister, gebracht hat, geschweige
denn, dafs es ihm gelungen wäre, in Düsseldorf oder später in München Maler in dem Sinne, wie
sie die neue Kunst verlangte, auszubilden.
Es unterliegt ja keinem Zweifel, dafs die geistige Conception und Ausgestaltung des Kunst-
werkes, die Gedankenmalerei, d. h. die Malerei in Gedanken, die vornehmste künstlerische Arbeit
ist, und in diesem Sinne ist das Lessingsche W^ort zu verstehen, dafs Rafael der gröfste Künstler
gewesen sein würde, auch wenn er ohne Hände geboren wäre. Aber der Künstler schafft doch
schliefslich nicht für sich allein, sondern für die Menschheit, und es ist keineswegs gleichgültig,
in welcher Form er sein W^erk vollendet. Der Gedankeninhalt des Goetheschen Faust liefse sich
ja auch, sozusagen im Carton, mit wenigen W^orten wiedergeben, aber das könnte doch das
Gedicht nicht ersetzen. Wie bei Cornelius die Abstraction von der Ausführung schliefslich bei
dem blofsen Carton anlangte, in dem er sein letztes grofses W^erk, die Campo-Santo-Malereien
niederlegte, ohne sich darüber grofs zu bekümmern, dafs er es nie würde malen können, so mufste
das Princip von dem Moment an, wo der Geist des Meisters nicht mehr über seinen Schülern
waltete, versagen.
Dazu kam, dafs Cornelius nicht daran dachte, tüchtige Künstler als Lehrer neben sich zu
stellen. So setzte er 1822 die Anstellung W^intergersts als Elementarlehrer der Zeichenklasse
durch, von dem er selbst sagte, dafs ihm sein reges Streben nach den Höhen der Kunst nicht
gelungen sei. Auch Kolbe, der sich schon ganz im Anfang bei der Regierung gemeldet hatte,
wurde Ende 1821 angestellt und bekam eine Malklasse. Er hatte sich in den letzten Jahren in Köln
aufgehalten, wohl, weil er in Düsseldorf keine Aufträge fand. Auch sein Einflufs konnte kein
erfreulicher sein, da er einer der schlimmsten Klassicisten nach Pariser Muster geworden war.
Dieses Besetzen der Elementarlehrerstellen durch untüchtige Leute beruhte nicht etwa auf Eifer-
sucht, sondern lediglich auf der Unterschätzung von der W^ichtigkeit der technischen Vorbildung
überhaupt.
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Nebenbei allerdings fafste Cornelius die Beschaffung eines „mit weiser Auswahl gesammelten
Gemälde-Cabinets", das als Vorbildersammlung dienen sollte, ins Auge. Die alten Reste der
kurfürstlichen Akademiesammlung sollten durch Ankäufe vermehrt und ergänzt werden. Anfänge
dazu wurden in der That gemacht, leider aber später nicht consequent durchgeführt.
Ein glückliches Geschick wollte es, dafs für die junge Schule eine Reihe von Aufträgen
einliefen, welche die in den Zeichenklassen oder auch nur in den abendlichen Aktstunden noth-
dürftig vorgebildeten jungen Leute sogleich auf das Gerüst stellten; aber von ihnen Allen hat sich
eigentlich nur Einer, nämlich Kaulbach, zu eigener grofser Künstlerschaft durchgearbeitet, und auch
er nur kraft seines elementaren Talents, und weil er, recht bald von Düsseldorf weggezogen,
wesentlich andere Wege einschlug, Wege, die ihn denn auch von Cornelius bis zum persönlichen
Bruch entfernten. Aus seiner Düsseldorfer Zeit sollen die Studien zu seinem ,, Irrenhaus" stammen,
von dem allerdings die moderne Kritik behauptet, seine Gestalten entsprächen durchaus nicht der
Wirklichkeit und seien ,,aus der Tiefe des Gemüths" geschöpft.
Im übrigen war vorläufig das Zusammenarbeiten zwischen dem jugendlich feurigen, in
kurzer Zeit berühmt gewordenen Meister und seinen begeisterten Schülern nach der persönlichen
Seite hin ein ideales.
Cornelius selbst zeichnete in Düsseldorf an den Cartons für die Glyptothek, bei denen ihm
zu helfen als eine besondere Ehre galt. In München wurde mit der Malerei des Göttersaales
begonnen, der schon October 1823 vollendet wurde. Es folgte 1824 der Trojanische Saal, zu dem
der Meister schon fast nur die Cartons machte. Die Schüler in Düsseldorf arbeiteten unter seiner
Aufsicht an den Cartons zu verschiedenen monumentalen Werken, die in Bonn, Coblenz, Heitorf
und Eller bestellt waren. Dann zogen die dazu Bestimmten gruppenweise an Ort und Stelle, um
die Ausiührung im echten Fresco, so gut es ging, auszuführen.
Nicht nur diese Schülerarbeiten, die in der Umgegend ausgeführt wurden, sondern auch die
Cartons des Meisters selbst für die beiden Säle der Glyptothek, den Göttersaal und den Heroensaal,
die wohl gröfstentheils in Düsseldorf gezeichnet wurden, müssen als W^erke dieser jungen Düssel-
dorfer Schule betrachtet werden. Es mögen deshalb auch diese letztgenannten Werke, zu denen
Kronprinz Ludwig die Motive selbst gegeben hatte, hier in Kürze erwähnt sein. Entsprechend
dem Gebäude, das zu einem Museum der antiken Plastik bestimmt war, sind sie der klassischen
Mythologie entnommen, und sie haben Cornelius für seine künstlerische Thätigkeit der nächsten
Jahre eine Richtung gegeben, die seiner vorhergegangenen ziemlich gerade entgegengesetzt ist.
Es kann nichts nutzen, sich darüber täuschen zu wollen, dafs seine reformatorische Thätigkeit
innerhalb der deutschen Kunst und für sie im Sinne einer nationalen Entwicklung mit dem
Moment aufhört, wo er veranlafst war, wieder antike Stoffe, die Stoffe der Klassicisten zu behandeln.
Sein Bestreben, dies nicht im Sinne und im Stil der Klassicisten zu thun, sondern in der
coloristischen und decorativen Auffassung der Spätrenaissance, des Giulio Romano etwa, dessen
Palazzo del T ihm vorschwebte, vermochte daran um so weniger zu ändern, als ihm das gerade
eigentlich nicht gelungen ist.
Schon mit den alttestamentarischen Darstellungen in der Casa Bartholdy hatte Cornelius die
neudeutsche Romantik des Faust und der Nibelungen verlassen: seit den Glyptothekfresken wandte
er ihr entschieden den Rücken zu, und die formale Ausgestaltung dieser Bilder erreichte ihre
Vorbilder noch weniger, als es die Bilder aus der Klosterbrüderzeit gethan hatten. Die Arbeiten
seiner Schüler lassen ebenfalls die Energie, mit der die Faustzeichnungen neue Wege eingeschlagen
hatten, vollkommen vermissen. Von hier aus konnte der neue Stil, die ersehnte neue Kunst nicht
mehr ausgehen. Glücklicherweise war der Grund, den Cornelius in seinen Faust- und Nibelungen-
Zeichnungen gelegt hatte, so stark, die Anregungen, die er gegeben hatte, so mächtig, dafs Andere
in diesem Sinne und auf diesem Grunde weiter bauen konnten, als der Meister selbst schon zum
einsamen Grübler geworden war, den die W^elt nicht mehr verstand, so wenig wie er sie ver-
stehen wollte.
In der von Klenze neuerbauten Münchener Glyptothek war zur Ausmalung die Eingangs-
halle mit den beiden rechts und links anstofsenden Sälen bestimmt. Später wurde der Eingang
auf die entgegengesetzte Seite verlegt, so dafs die drei Räume nun an der Hinterwand des Gebäudes
liegen. Cornelius bestimmte für die Eingangs- oder, wie sie jetzt heifst, Zwischenhalle die
Prometheussage, die in drei Bildern behandelt wurde: ,,Dem von Prometheus befreiten Menschen
giebt Athene die Seele", ,,Die Befreiung des Prometheus durch Herkules" und ,,Pandora öffnet die
Büchse, aus der die Uebel sich auf das Menschengeschlecht stürzen". Der Saal links (vom
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PETER CORNELIUS
Orpheus im Hades
Carton zu dem Wandgemälde im Göttersaal der Glyptothek zu München
heutigen Eingang aus), der zu den Werken der älteren Plastik führt, wurde zu Darstellungen aus
den Göttermythen bestimmt. Er bot für die Bemalung drei halbkreisförmige Wandflächen und
vier Gewölbezwickel. Die ersteren zeigen die drei Götterreiche, die Unterwelt, in der Orpheus vom
Hades seine Gattin Eurydice erbittet, die W^asserwelt mit der Hochzeit des Poseidon und der
Amphitrite, bei ihm Arion und Thetis, und den Olymp. Auf den Gewölbeabtheilungen befinden
sich Darstellungen der vier Elemente, die mit den Jahres- und Tageszeiten in Verbindung gebracht
sind. Also das Wasser mit Frühling und Morgen, das Feuer mit Sommer und Mittag. Ueber
dem Fenster Licht, Herbst und Abend und schliefslich Erde, W^inter, Nacht. Der dritte Saal, der
zu den Werken der späteren Plastik, besonders der römischen, führt, ist den Heroenmythen, ins-
besondere der Geschichte des trojanischen Krieges gewidmet. Es sind hier nur drei Wandbilder
vorhanden, ,,der Streit des Achill mit Agamemnon wegen der geraubten Briseis", „Kampf um die
Leiche des Patroclus" und ,,die Zerstörung Trojas".
Einer der ersten Aufträge, der an die junge Corneliusschule herantrat, war die Ausmalung
der Aula der 1818 gegründeten Universität Bonn. Die Regierung hatte eine Zeitlang geschwankt,
ob die Universität nach Düsseldorf gelegt werden sollte und die Akademie nach Bonn, bis histo-
rische und andere Gründe den Ausschlag zu der gewählten Vertheilung gab, aber es war ein
guter Gedanke von Cornelius, die beiden neuen Anstalten in dieser W^eise in Verbindung zu
bringen, und die Regierung zögerte nicht, seinen dahingehenden Antrag zu genehmigen. Die
Freundschaft, die Cornelius mit dem Professor der Philosophie Christian August Brandis in Bonn
verband, hatte wohl auch an dem Plan ihr Theil gehabt, der schon 1821 besprochen wurde.
Im October 1823 übertrug Cornelius die Arbeit seinen drei Schülern Hermann, Götzenberger
und Förster. Die vier Wände sollten, wie das ja nahe lag, mit den allegorischen Darstellungen
der vier Facultäten geschmückt werden. Die Cartons zu diesen Bildern entstanden seit 1823, wo
die Bestellung perfect wurde mit Unterbrechungen, die durch Cornelius' W^eggang von Düsseldorf
bedingt waren. Zuerst wurde die Theologie in Angriff genommen. Cornelius selbst hatte auf
Rafael hingewiesen und es konnte nicht ausbleiben, dafs die Anklänge an ihn gröfser sind, als
gerade nöthig. Aber auch andere vatikanische Wandgemälde scheinen nicht ohne Einflufs auf
Götzenberger gewesen zu sein, der die drei letzten Bilder allein vollendete. Die thronenden
Gestalten in der Mitte der Bilder, welche die einzelnen W^issenschaften darstellen, sind wohl den
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PETER CORNELIUS
Zeus, Herrscher im Olymp
Carton zu dem Wandgemälde im Göttersaal der Glyptothek in München
Wandmalereien in der Torre Borgia entnommen, wie überhaupt, namentlich in den drei späteren
Bildern auch bezüglich der Farbe der Einflufs Pinturicchios, und zwar zum Vortheil der Arbeiten,
unverkennbar ist. Es ist das interessant genug; auch O verbeck weist gelegentlich auf Pinturicchio
hin, ein Beweis, dafs dieser Meister damals richtiger geschätzt wurde, als später. Auch sind die
Bonner Fresken so Manchem, was später, in den 40er Jahren etwa, auf diesem Gebiete von
Düsseldorf aus geleistet wurde, in der Composition und auch, mit Ausnahme der Theologie, in
der Farbe überlegen.
1825 war die Theologie in gemeinsamer Arbeit beendigt. Götzenberger sollte die Jurisprudenz,
Förster, der später Kunstschriftsteller wurde, die Medicin, und Hermann die Philosophie malen,
später aber wurde die ganze Arbeit Götzenberger übertragen, der während eines längeren Aufent-
halts in Italien seit 1828 die Cartons zeichnete und die Bilder auch 1832 — 34 ausführte. Ein hübsches
Zeitbildchen entwirft E. Förster aus der Zeit seiner Arbeit an der Theologie 1824, wie er wegen
des Verdachtes, dem Jugendbunde anzugehören, von der Arbeit fort und ins Gefängnifs geschleppt
wurde, aus dem ihn nur Niebuhrs energische Fürsprache erlöste, nachdem Delinquent auf Ehren-
wort versichert hatte, dafs er dem gräfslichen Jugendbunde nicht angehöre. Die officielle Weisung
zu seiner Exhaftirung lief aus Berlin allerdings erst vier Wochen später ein. Sogar Cornelius wurde
in München ähnlicher Greuel verdächtigt, doch hatte man seinen Namen nicht in den Unter-
suchungsakten finden können, und er blieb in München unbehelligt. Ernst Joachim Förster, 1800
geboren, war zuerst Schüler von W^. von Schadow in Berlin, aber seit 1823 Schüler von Cornelius,
und ging nach Vollendung der Theologie mit ihm nach München. Dort entwickelte er später
eine rege und fruchtbare Thätigkeit als Maler und Kunstschriftsteller. Für die Kunstgeschichte ist
seine zweibändige eingehende Biographie von Cornelius von gröfstem W^erthe. Er starb 1885 in
München.
Karl Heinrich Hermann, geboren 1802 in Dresden, verliefs Düsseldorf ebenfalls mit Cornelius,
um 1844 von München nach Berlin überzusiedeln, und ebensowenig blieb Jacob Götzenberger der
Düsseldorfer Kunst erhalten. Er war 1800 in Heidelberg geboren, und seit 1820 Schüler von
Cornelius, dem er namentlich im Göttersaal der Pinakothek half. Die Bonner Arbeiten trennten
ihn von dem Meister, und noch während der Arbeit an denselben, im Jahre 1833 siedelte er nach
Mannheim über, wo er der Gemäldegalerie vorstand und auch als erster Colonist der Düssel-
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PETER CORNELIUS
Hochzeit des Poseidon und der Amphitrite
Carton zu dem Wandgemälde im Göttersaal der Glyptothek zu München
dorfer Akademie eine Kunstschule gründete. In Mannheim zeichnete er den Carton für das letzte
Bonner Fresco, das 1834 vollendet wurde. Nach vielfachen Reisen starb er 1866 in Darmstadt.
Die Anordnung der vier Bilder in der Bonner Aula ist derart, dafs an der den Fenstern
gegenüberliegenden Westwand die beiden kleineren Bilder der Jurisprudenz und der Medicin
auf beiden Seiten des Katheders angebracht sind. An der linken Wand ist die Theologie
dargestellt, die also den Cyklus beginnt, und rechts die Philosophie, deren Bild alle Zweige der
Wissenschaften, die aufserhalb des Bereiches der drei übrigen Facultäten fallen, und aufserdem
die gesammten schönen Künste umfafst. Das erste Bild, die Theologie, ist aus ganz natürlichen
Gründen das schwächste. Es war der erste Versuch der drei unerfahrenen jungen Leute, und
der grofse Unterschied zwischen ihm und den nächsten Bildern zeigt deutlich den Einflufs, den
das Studium der römischen Wandgemälde auf Götzenberger ausgeübt hatte. Die Composition
ist bei allen vier Bildern ziemlich gleichartig. Es ist die seit Rafael sattsam bekannte Versammlung
berühmter Männer, die in einer Halle sich im Halbkreis um eine im Mittelpunkt thronende alle-
gorische Dame gruppiren. Die Vorderen hübsch sitzend oder gar malerisch gelagert, damit man
die im Hintergrund befindlichen Stehenden auch gut sehen kann. Halbmythische und zeitgenössische
Geistesheroen bewegen sich in friedlichem Nebeneinander; durch umgehängte bunte Mäntel ist
eine gewisse Costümeinheitlichkeit geschaffen, und die Zopfperücken sind als ganz unmonumental
nicht geduldet.
Ist die Theologie das schwächste Bild, und zwar weniger nach der Composition, als in Bezug
auf die Farbe, so ist die gegenüberliegende Philosophie als das letzte wohl das beste.
Bei der Theologie machen sich die grofsen hellen Flecken einzelner Gewänder und ganzer
Figuren bemerkbar, die in mangelhafter Erfahrung der Veränderungen, welche die Frescofarben
beim Auftrocknen erleiden, ihren Grund haben mögen. Bei den späteren Bildern ist Götzenberger
vorsichtiger geworden, leider scheint es aber, dafs er auch die verhängnifsvolle Tempera-Ueber-
malung zum „Retouchiren" der Bilder angewandt hat, „die sich diese Frescomaler immer er-
lauben", wie es in einem etwa gleichzeitigen Bericht über die Münchener Arkadenbilder heifst.
Die Folgen dieser Tempera-Uebermalung in München sind bekannt. Auch auf einzelnen der Bonner
Bilder beginnt die Temperafarbe sich in grofsen Fetzen zusammenzurollen und abzulösen.
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In der Philosophie ist die Composition am ungezwungensten. Durch Anbringung eines
Springbrunnens in der Mitte vor der thronenden Gestalt der Wahrheit ist ein natürlicher Mittel-
punkt geschaffen, um den sich die Gestalten zwangloser gruppiren, als bei den anderen Bildern,
die in der Mitte alle eine unmotivirte Lücke wie eine Theaterbühne zeigen. Auch die farbige
Gesammtwirkung wird von Bild zu Bild harmonischer und angenehmer, ohne dafs der wohl
beabsichtigte und durch eine bunte, groteskenartige Umrahmung gesteigerte Eindruck des Gobelms
ganz verschwindet. Der tiefrothe Anstrich der Wände trägt dazu bei, die unleugbaren Härten der
Malerei noch zu verstärken. Von den beiden kleineren Bildern wirkt durch die Häufung allzu
vieler Gestalten die Jurisprudenz etwas unruhig, und die Medicin macht durch einen kuriosen
ägyptischen Aufbau, in dem eine mystisch beleuchtete Isis sitzt, emen noch theaterhafteren
Eindruck, als die anderen Bilder.
Trotz aller Schwächen haben die Bonner Fresken doch ein grofses Interesse. Sie sind das
älteste, umfangreichste und auch bedeutendste Document der von Cornelius geplanten rheinischen
Monumentalschule, wenn man von den Glyptothekbildern, deren Cartons ja doch nur zum Theil
in Düsseldorf entstanden sind, absieht. Die Bonner Wandgemälde sind der erste und deutlichste
Beweis im Grofsen für die mit dem neuen Jahrhundert vollzogene Stilwandlung, und es wäre kein
Schade, wenn etwas von jener Strenge, die hier allerdings noch wie Pedanterie aussieht, ohne
die aber eine monumentale Kunst undenkbar ist, sich in einigen anderen, späterhin vollendeten
Wandbildern fände, die in romantischer Weichlichkeit fast zu verschwimmen scheinen.
Ihnen, und das gilt von den Bildern, die Stilke in Stolzenfels malte, aber auch einigermafsen
von den monumentalen Arbeiten der Nazarener, wäre etwas von der Herbheit der Bonner Aula-
bilder zu wünschen, und es ist dabei nun ziemlich gleichgültig, ob diese Herbheit ein Zeichen
der Unreife oder nicht doch vielleicht einer gewissen Kraft ist, der späterhin nur die Gelegenheit
zu richtiger Entwicklung gefehlt hat.
So waren die Fresken der Bonner Aula also zustande gekommen, wenn auch anders als
Cornelius es sich gedacht hatte, und seiner Leitung zuletzt vollkommen entzogen; andere Aufträge,
die der jungen Schule auch von Privaten zugingen, hatten keinen so glücklichen Verlauf.
V. Lassaulx' Anregung zufolge sollte in Coblenz im Assisensaal ein grofses W^andbild des
jüngsten Gerichtes ausgeführt werden. Cornelius betraute damit seine Schüler Stürmer, Stilke und
Anschütz. Es scheint aber, dafs die jungen Leute nicht recht mit der Arbeit zustande kamen,
so dafs das Bild nicht vollendet wurde.
Der Freiherr von Stein wandte sich im Jahre 1823 ebenfalls an Cornelius, um durch einen
seiner Schüler in seinem Schlosse Cappenberg bei Lünen in Westfalen einen Saal ausmalen zu
lassen. Die Vorwürfe waren schon im Einzelnen festgestellt und Cornelius' Schüler Stilke hatte
sich schon mit dem Minister in Verbindung gesetzt, als dieser sich zurückzog, nachdem Cornelius
Düsseldorf verlassen hatte. An Stelle der Frescobilder plante Stein späterhin Oelgemälde
in die Wand einsetzen und nur eine Umrahmung al Fresco dazu malen zu lassen. Aber
nicht einmal dazu kam es. Zwei Oelgemälde wurden allerdings bestellt, aber nicht von Düssel-
dorfern, und sie hängen heute im Treppenhause des einsamen Schlosses. Das eine, von Schnorr
gemalt, stellt den damals so beliebten „Tod Barbarossas im Flusse Saleph" vor, das andere, von
dem Berliner Karl W^ilhelm Kolbe, der nicht mit dem Düsseldorfer Kolbe zu verwechseln ist, ,,die
Schlacht Ottos des Grofsen gegen die Ungarn".
Ein Herr von Plessen hatte für sein Schlofs in Eller ebenfalls Frescogemälde bestellt. Die-
selben sollen auch durch zwei sonst weniger bekannte Schüler des Cornelius, Röckel und App,
in Carton begonnen worden sein, sind aber kaum gemalt worden, da nach Cornelius' Abgang auch
Herr von Plessen seinen Plan aufgab.
Ein gröfserer und umfangreicher Auftrag wurde durch den Grafen Franz von Spee der jungen
Frescoschule zu theil, dessen Bedeutung sich über die Zeit des Cornelius hinaus erstreckte. In
dem Schlosse Heitorf sollte der Gartensaal mit grofsen geschichtlichen Darstellungen ausgemalt
werden, und wenn auch diese Arbeit ebenfalls nach dem 'Weggang des Cornelius stockte, so
wurde sie doch später unter Schadow wieder aufgenommen und bildet somit gewissermafsen die
Brücke zwischen den beiden so' verschiedenen Systemen und die Grundlage für die spätere
Düsseldorfer Monumentalmalerei.
Fast allen diesen Arbeiten machte also die 'Wegberufung des Cornelius nach München ein
Ende. Cornelius hatte seinen 'Weggang von Düsseldorf schon seit Längerem ins Auge gefafst,
wenn er auch gehofft hatte, durch einen in seinem Sinne weiter schaffenden Nachfolger die
Schule sich auch in seinem Sinne weiterentwickeln zu sehen. Seine Doppelstellung, die ihn
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zwang, zwischen München und Düsseldorf hin und her zu reisen, was bei den damaligen
Verkehrsverhältnissen einen übermäfsigen Verlust von Kraft und Zeit bedeutete, mufste auf die
Dauer unhaltbar werden. Auch der Zustand seiner Frau, die das Düsseldorfer Klima nicht vertragen
konnte, liefs ihm eine Wendung dringend wünschenswerth erscheinen, und so begrüfste er die
Münchener Anstellung als Director der dortigen Akademie und Nachfolger J. P. Langers, seines
alten Lehrers, als eine Befreiung.
Langer starb am 6. August 1824 und schon am 12. und 13. bot König Ludwig dem von ihm
so hochverehrten Cornelius dessen Stelle an mit der Aussicht auf ein reiches Feld auch malerischer
Thätigkeit. In seinem Entlassungsgesuch an den preufsischen Minister von Altenstein, der sich
jederzeit als ein warmer und verständnifsvoller Gönner von Cornelius gezeigt hat, betont Cornelius
freimüthig gerade auch diese Aussicht, glaubt aber versichern zu können, dafs das Wachsthum
der Düsseldorfer Akademie unter einem geeigneten Nachfolger gesichert sei.
Als solchen hatte er schon 1821 einmal Overbeck ins Auge gefafst und sogar bei diesem
vertraulich angefragt, aber eine ablehnende Antwort erhalten. Immerhin ist dieser Gedanke des
Cornelius charakteristisch, ebensowohl für seine Auffassung der Stellung eines Akademiedirectors
gerade in Düsseldorf, wo nicht mehr als Alles noch zu thun war, als auch für die naive Menschen-
unkenntnifs des grofsen Gedankenkünstlers, dem die Natur schon damals in vieler Beziehung nur
noch ein ziemlich gleichgültiges Mittel zum Zweck geworden war. Der herzensgute, aber
menschenscheue und geistig ganz unselbständige Overbeck wäre der Letzte gewesen, der in
Düsseldorf etwas hätte wirken können. Es war also für alle Theile ein Glück, dafs er den Vor-
schlag von Cornelius zurückwies, wahrscheinlich unter dem Einflufs seiner Frau, der Pflegetochter
eines Wiener Theaterdirectors, die sich auch späterhin allen Versuchen, Overbeck aus Rom, wo
er sehr unter dem Klima litt, zu entfernen, erfolgreich widersetzte und vor der Cornelius schon
in seinen Briefen warnen zu müssen glaubt. Allerdings vergeblich, was aber hier nicht zum
Schaden der Düsseldorfer Akademie war. Immerhin sind die Worte, die Cornelius damals schrieb,
so merkwürdig und gerade für die heutige Zeit so interessant, dafs sie hier angeführt sein mögen.
,,Lafst die Weiber", schrieb er, ..nicht in die ernsten Angelegenheiten der Kunst mit ihrem
Kochlöffel herumrühren. Die reine Beziehung, das wahre Verhältnifs der Geschlechter verwirrt
sich, wenn sie aus ihren eigentlichen Grenzlinien hinausschreiten, und alles Hohe, alle Begeiste-
rung wird zum Spott, wenn sich Weiber hineinmischen."
Das Entlassungsgesuch des Cornelius aus preufsischen Diensten war unter den obwaltenden
Umständen in aller Freundschaft am 10. December 1824 genehmigt worden, und mit dem neuen
Jahre trat Cornelius in die neuen Verhältnisse über. Allerdings nicht ohne eine Ahnung, dafs
auch hier seines Bleibens nicht für immer sein werde. Aeufserte er doch noch in Düsseldorf
zu seinem Schüler und Biographen Förster: ..Auch München wird mich nicht für immer fesseln."
Welcher Art der Bruch sein würde, der ihm München verleiden sollte, das konnte er, der
bisher Despotenlaune nur von ihrer freundlichsten Seite kennen gelernt hatte, freilich nicht ahnen.
Der preufsischen Regierung hatte Cornelius im Interesse der Düsseldorfer Akademie und
seiner Frescoschule als seinen Nachfolger Julius Schnorr aus Leipzig, damals in Rom, empfohlen.
Aber man war in Berlin inzwischen der Ansicht geworden, dafs es besser sei, in der Düsseldorfer
Schule die Frescomalerei nicht als Hauptstudium zu betreiben, und dafs bei der W^ahl des neuen
Directors vielmehr die allgemeine Tüchtigkeit in Betracht zu ziehen sei, so dafs die Alfresco-
Malerei nur als untergeordnet berücksichtigt werden solle.
52
IV. Kapitel
Schadows Berufung und die Neu- Organisation der Schule
Die Gründung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen
Die alte Akademie in Düsseldorf
DIE Wahl der Regierung fiel also
nicht auf Schnorr, sondern auf Wil-
helm Schadow, der damals an der
Berliner Akademie neben W^ach als
Lehrer einer Malklasse wirkte. Er
wurde, nachdem Cornelius 1824
Düsseldorf verlassen hatte und die
Leitung der Akademie eine Zeit
lang provisorisch von Carl Joseph
Ignaz Mosler geführt worden war,
im Jahre 1826 mit der Direction derselben beauftragt. Diese Anstellung bedeutete für Düsseldorf
nicht nur einen Systemwechsel in Bezug auf den Unterricht, sondern, wie die Folge lehrte, eine
vollständige Umkehrung in Bezug auf fast Alles, was Cornelius bisher eingerichtet und angestrebt
hatte. Es läfst sich aber nach Mafsgabe der Verhältnisse und im Hinblick auf die spätere
Thätigkeit von Cornelius, wie auf die Erfolge der Schadowschen Mafsnahmen nicht leugnen, dafs
sich kaum ein passenderer Mann hätte finden lassen können.
Die Aufgaben, die des neuen Directors harrten, waren zahlreich und verwickelter Natur,
und nur eine so complicirte und vielseitige Persönlichkeit, wie Schadow, konnte sie lösen. Man
kann auf Schadow und sein Gedächtnifs in besonderem Mafse das Shakespearesche Wort an-
wenden: ,,Was Menschen Uebles thun, das überlebt sie, das Gute wird mit ihnen oft begraben",
sofern bei einem so pflichteifrigen und strengdenkenden Menschen überhaupt von Ueblem die
Rede sein, und man nicht statt dessen besser nur von dem weniger Guten reden darf. Während
gewisse Härten, zu denen er gezwungen war, um seine Anschauungen zur Geltung zu bringen,
bittere Aeufserungen aus einer Zeit, da er, krank und nervös, vielfachen Angriffen ausgesetzt war
und sehen mufste, wie so Manches anders ging, als er es gewollt hatte, während solche Härten
und bittere Aeufserungen noch heute in der Tradition fortleben, ist sein umfassendes und in über-
raschender Weise erfolgreiches Wirken, als Leiter der jungen Akademie und der ganzen jungen
Kunst, als Lehrer zahlreicher und unter sich sehr verschiedener Schüler nur zu sehr vergessen.
Ueber seine Bilder, die ihn in den Augen der selten objectiv und aus dem Geist der Zeit heraus
urtheilenden Nachwelt als einen schwächeren Künstler darstellen, als er in Wirklichkeit war,
vergifst man nur zu leicht die Thatsache, dafs seine Anweisung auf zwei Künstlergenerationen
eminent befruchtend und anregend gewirkt hat, dafs ohne ihn Düsseldorf sicherlich nicht das
geworden wäre, was es geworden ist.
Schadow vereinigte durch seine Abstammung und durch seinen Studiengang, dort als Mensch,
hier als Künstler, eine Reihe von scheinbar einander widerstrebenden Eigenschaften. Sein Vater
Gottfried Schadow, von kleinbürgerlicher berliner Herkunft, war ein Bildhauer von hervorragender
Bedeutung. In der Zeit traurigsten Eklekticimus hatte er, mit gesundem Naturgefühl begabt, eine
Reihe von Arbeiten geschaffen, die ihm selbst unter den schwierigen und engen Verhältnissen
des damaligen Berlin einen Weltruf verschafft hatten.
53
4*
Die Gattin des Bildhauers war, wie schon
erwähnt, eine getaufte Wiener Jüdin, die aus
dem Kloster, in das man sie eingesperrt hatte,
durch ihren Vater nach Berlin geflüchtet worden
war. Wilhelm Schadow selbst hatte sich der
Malerei zugewandt und war während seines
Aufenthaltes in Rom 1810 — 1819 mit den anderen
Klosterbrüdern, denen er sich angeschlossen
hatte, katholisch geworden, wozu bei ihm, ähn-
lich wie bei Veit, das Vorbild der Mutter nicht
wenig beigetragen hatte. Indessen hatte sich
Schadow künstlerisch viel weniger dem welt-
scheuen Klosterbrüderthum hingegeben, wie die
meisten Andern, in einer Hinsicht sogar weniger
als selbst Cornelius. Er war der Einzige, der
eine Verbindung mit den französischen Akade-
mikern gesucht hatte, durch deren Vermittlung
die Klosterbrüder ihren Zufluchtsort in St. Isidoro
erhalten hatten. Und dem Einflufs der römischen
Franzosen verdankte er ohne Zweifel die tech-
nische Ueberlegenheit, die sich schon in den
Fresken der Casa Bartholdy geltend machte
und, gelegentlich der ersten Anwesenheit von
Cornelius in Berlin bei der Ausmalung des
Schauspielhauses durch Schadow, zu einem
kleinen Wettkampf der Beiden führte, in dem
Cornelius, wenigstens nach Ansicht der Berliner,
nicht Sieger blieb.
Schadow hatte mit dem scharfen Blick für
das Praktische, den er später bei verschiedenen
Gelegenheiten bewährte, und dem er nicht zum
wenigsten die Erfolge seiner Schule in Düsseldorf
verdankte, schon damals erkannt, dafs mit dem
Fresco allein die deutsche neue Kunst nicht
begründet werden könne. Schon in Rom hatte
er den Grund zu dem Colorismus gelegt, dem seine Schule in Berlin ihren Ruhm verdankte,
und der später in Düsseldorf, für eine Zeit lang wenigstens, das denkbar Höchste bedeutete,
trotzdem Schadow selbst gerade hier als selbstschaffender Künstler ziemlich bald in den Hinter-
grund treten mufste.
Aber selbst dann noch wirkte er fördernd und anregend, weniger durch das eigene Vorbild,
als vielmehr durch ein hervorragendes künstlerisches Verständnifs, das zuweilen in etwas tyran-
nischer Weise aus jedem Menschen und aus jedem Werk das herauszuholen wufste, was seiner
Natur nach in ihm steckte, ein intuitives Verständnifs, das durch einen scharfen Verstand und
eine vielseitige geistige Bildung unterstützt wurde.
So hat die Anekdote, wie er als Lehrer der Landschaftsklasse einem Schüler, der einen
„warmen Abend" gemalt haben wollte, gesagt haben soll: „Machen Sie einen kühlen Morgen
daraus", ihre epigrammatische Bedeutung.
Dafs späterhin Verhältnisse eintraten, welche sein klares Urtheil zeitweise trübten, darf dabei
allerdings nicht verschwiegen werden, vermag aber sein wirkliches Verdienst nicht zu schmälern.
— Schadow durchschaute sehr bald die Verhältnisse in Düsseldorf und die Persönlichkeiten, auf
die er angewiesen war. Weder die einen, noch die anderen waren erfreulicher Natur, und
Schadow sah sich genöthigt, zunächst allein Hand anzulegen, bis es ihm gelang, sich in
einigen seiner von Berlin mitgebrachten oder in Düsseldorf neugewonnenen Schüler, Gehülfen
und Lehrer heranzubilden.
Und hier war es wieder ein merkwürdiger Glücksfall, dafs sich unter diesen jungen Leuten
schon früh fast alle Die zusammenfanden, welche in der ersten Hälfte des Jahrhunderts eine
führende Rolle in der Düsseldorfer Kunst spielen sollten. Diejenigen, die Schadow von Berlin
HEINRICH KOLBE
Goethebildnis
54
mitbrachte und die er mehrfach in erster Linie selbst nennt, waren: J. Hübner, C. Sohn,
Th. Hildebrandt und C. F. Lessing, und für Jeden sollte sich bald Gelegenheit finden, in irgend
einer Weise die beabsichtigte neue Kunst begründen zu helfen. Das Lehrpersonal der Akademie
bestand bei der Ankunft Schadows in der Elementarklasse aus dem Professor Mosler und dem
Inspector Wintergerst, beides Freunde von Cornelius. Mosler, geboren 1788 in Coblenz, gestorben
1860 in Düsseldorf, ist als ausübender Künstler nicht hervorgetreten; seine gehaltreichste Seite soll
die eines Kunstgelehrten gevi^esen sein, weshalb er auch den Unterricht in der Kunstgeschichte
ertheilte, ohne dafs literarische Arbeiten ein Urtheil über sein 'Wissen ermöglichen.
Seine Vorträge scheinen aber, wie das ja auch in viel späterer Zeit auf der Akademie noch
vorgekommen sein soll, von den Schülern mehr gefürchtet, als geliebt und besucht worden zu sein.
Aufserdem fungirte Mosler als Conservator der Sammlungen der Akademie, die aber so gut
wie gar nicht zugänglich waren. Joseph Wintergerst (1783 — 1867), der als Inspector das Rech-
nungswesen der Akademie führte, bedeutete als Künstler noch weniger, wie als Zeichenlehrer. In
der Vorbereitungsklasse, in welcher nach der Antike gezeichnet und der Anfang im Actmalen
gemacht wurde, war Heinrich Kolbe der einzige Lehrer, und er scheint hier nach verschiedener
Richtung keinen günstigen Einflufs ausgeübt zu haben. Als Porträtmaler hat er zweifellos ge-
wisse Verdienste gehabt, solange es ihm möglich war, seine Bilder vor der Natur fertig zu
malen. Er verdankte einen grofsen Theil seines damaligen Rufes, wie auch wohl seine heutige
Stellung in der Kunstgeschichte, hauptsächlich seinen Beziehungen zu Goethe. Diese stammten
zwar noch aus seiner Jugend, er hatte sie aber 20 Jahre später wieder aufzufrischen gewufst,
indem er mehrere Porträts des inzwischen auf seine olympische Höhe gelangten Dichterfürsten
malte, die nun allerdings künstlerisch und im Vergleich mit gleichzeitigen Porträts nach gewöhn-
lichen Sterblichen zu seinen schwächsten Arbeiten gehören. Seine Malerei war die sorgfältige,
aber geistlose und trockene Manier der Pariser Schule seit David, und seine Thätigkeit als Lehrer
der Maltechnik gab den Anlafs zu den ersten Differenzen unter Schadows Direction, denen Kolbe
im Jahre 1831 weichen mufste. Seine eigenen Schüler hatten sich in einer Beschwerde über ihn
an Schadow gewandt und diesem die willkommene Handhabe zu energischem Einschreiten ge-
geben. Auch der junge Rethel scheint sich von Kolbe schlecht behandelt gefühlt zu haben.
Die , .ausübende Klasse", deren Zweck die Bild-
nifsmalerei in ihrem gröfsten Umfange, dann die
Ausführungen eigener Compositionen war. übernahm
Schadow selbst. Er fand sie, wie er selbst berichtet.
,, eigentlich desorganisirf. indem die Mehrzahl der
Schüler des Cornelius theils mit diesem nach
München, theils in dem langen Interregnum (,,wo
Mosler hier den Meister spielte") in alle vier Winde
davongegangen war. Für sie hatte er die ihm von
Berlin gefolgten und noch von dort zu erwartenden
Schüler bestimmt. Es gab dann noch eine Kupfer-
. Stecherklasse, in der der alte Thelott ohne Schüler
ein beschauliches Dasein führte, und die Architektur-
klasse des Professors Schäffer. der in der Zwischen-
zeit vergeblich versucht hatte, in Düsseldorf aus den
Resten der akademischen Galerie und sonst zusammen-
getriebenen Bildern ein ,,Centralmuseum" zu gründen.
Seine gutgemeinten und harmlosen, vielleicht etwas
überschwenglichen Pläne hatten ihm nur eine ener-
gische Nase seitens der Regierung und mehrjährige
Entziehung einer kleinen, ihm früher gewährten Re-
muneration eingetragen.
Schäffer und Thelott führten gemeinsam noch
eine Sonntagsschule für Handwerker, die gewisser-
mafsen den Rest der verschwundenen Akademie dar-
stellte.
Es liegt auf der Hand, dafs mit diesen Leuten ernst thelott
sich keine neue Kunst gründen liefs und Schadow Bildnis des Philosophen Fritz Heinrich Jacobi
also, wie gesagt, auf sich selbst und seine Schüler Nach dem Stich des Künstlers
55
angewiesen war. Er fand übrigens bei der Düsseldorfer Regierung, die, wie auch heute noch,
als Curatorium der jungen Anstalt fungirte, in dem Geheimen Rath Georg Arnold Jacobi, dem
zweiten Sohne von Goethes Freundin Betty Jacobi, in dem schon genannten Kortüm und in dem
Präsidenten von Pestel verständnifsvolle und jederzeit hülfsbereite Förderer seiner Wünsche und
Ansichten. So gelang es ihm ziemlich bald, den jungen Hildebrand an die Stelle Kolbes zu
setzen, Schirmer als Lehrer der Landschaftsklasse anzustellen, die er selbst während der ersten
Zeit geleitet hatte, und Carl Sohn als Hülfslehrer in die erste Klasse zu berufen.
Vorher schon hatte er den ganzen Lehrplan einer eingehenden Umarbeitung unterzogen,
so dafs nach dieser Richtung hin bald Alles aufs beste bestellt war. Den Hauptwerth legte
Schadow mit Recht auf den Unterricht im Malen in der Vorbereitungsklasse, und darin zeigt sich
zunächst schon ein äufserlicher Gegensatz zu den Corneliusschen Grundsätzen. Dafs Schadow
sich aber nicht scheute, auch die Resultate der älteren Frescomalerei zu kritisiren, beweist ein
Bericht, den er bald nach seiner Ankunft über den Zustand der Arbeiten in der Bonner Aula
abgegeben hat. Er erwähnt zuerst, dafs Goetzenberger eine Reise nach England gemacht, jedoch
versprochen habe, in diesem Jahre zurückzukehren, dafs Hermann nach München gegangen sei
und dafs Ernst Förster sich der schönen Literatur ergeben habe. ,, Meine Schüler Hübner und
Sohn, welche ich zu diesem Zwecke mitbrachte, haben", schreibt er wörtlich, „seit sie bei ihrer
Herreise die Bilder in Bonn gesehen, durchaus alle Lust an der Frescomalerei verloren, weil sie
eigentlich die Cartons im Bilde vernichtet fanden, so unvollkommen ist die Ausführung."
In diesen Worten spricht sich der Systemwechsel und der W^echsel der Anschauungen am
klarsten aus. Die Bonner Fresken wurden ja schliefslich als letzte von den Cornelianischen
Arbeiten bald darauf beendet, aber damit schlofs die Schule des Cornelius am Rhein ab. Die
Heltorfer Fresken wurden von Schadowschülern vollendet, und die neuere Monumentalmalerei ver-
zichtet, wo es ihr möglich ist, auf eine Technik, die den modernen coloristischen Anschauungen
so grofse Schwierigkeiten bereitet, und nur gelegentlich kam und kommt das echte Fresco,
keineswegs zum Vortheil der darin ausgeführten Werke, in der Düsseldorfer Malerei noch zur
Anwendung.
Es ist merkwürdig, aber durchaus im Wesen der Malerei begründet, dafs die grofse Ver-
schiedenheit zwischen der Kunst der Cornelianischen Zeit und der Schadowschen anfänglich mehr
in diesen Aeufserlichkeiten der Technik beruhte, als in den Motiven. Die Schüler des CorneUus
standen weit mehr, als ihr Meister, der auch um diese Zeit seine eigenen W^ege ging, innerhalb
der Stimmung ihrer Zeit, wenigstens was die Motive anbelangt, die sie behandelten, und unter
Schadow hatten sich diese Motive keineswegs geändert. Nur malte man eben nicht mehr
al Fresco auf die Wände, sondern mit Oelfarbe auf Leinwand. Aber der Geist war so ziemlich
derselbe geblieben. Es war der Geist der Romantik, der, nachdem er in der Literatur schon zu
Ende des XVIIL Jahrhunderts' erwacht war, nachdem er durch Cornelius recht eigentlich in die
bildende Kunst eingeführt worden war, nach kurzen Unterbrechungen und hauptsächlich gerade
in Düsseldorf zu vollster Blüthe kam.
Goethe war es gewesen, der mit seinem Goetz in die Zeit des Ritterthums zurückgegriffen
und im Faust den ganzen Mysticismus des dunkeln Zauber- und Hexenwesens heraufbeschworen
hatte. Aber was unter seiner Hand zu kraftvollen Kunstwerken wurde, das wurde bei seinen
Nachahmern zu jener zerflossenen, mystisch sentimentalen oder gespensterhaften Poesie, wie sie
die norddeutschen und die rheinischen Romantiker eben charakterisirt.
Die Flucht in die Vergangenheit, die man sich besser, gröfser und schöner vorstellte, nicht
nur als sie selbst gewesen, sondern vor allem als die Gegenwart war, lag unter den traurigen
Verhältnissen um die Jahrhundertwende nahe. Dafs aber die grofse Zeit der Freiheitskriege nicht
imstande war, den Dichtern bis auf wenige Ausnahmen die Grofse der Gegenwart klar zu machen,
dafs die Helden der Freiheitskriege selbst noch von Wassermännern und Undinen träumten und
sangen, das beweist eben nur, dafs trotz des so grofsartigen nationalen Aufschwungs der Begriff
der lebendigen actuellen Nationalität im deutschen Volke noch nicht lebendig geworden war, und
die jämmerliche Reaction der folgenden Jahrzehnte war die nothwendige Folge dieser Unreife der
Völker und der Schwäche der Regierungen.
Das ganze deutsche Volk ist immer mehr ein literarisches, als ein künstlerisches gewesen.
Nicht umsonst war es ein Deutscher gewesen, der die Buchdruckerkunst erfunden hatte, und
selbst die graphischen Künste, die, wie das Klinger gezeigt hat, gewissermafsen zwischen Sprache
und Malerei stehen, sind vorwiegend deutschen Ursprungs.
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Die Kunst ist in Deutschland immer mehr oder weniger von der Wissenschaft abhängig
gewesen. Dürer war fast ebensosehr ein Gelehrter, wie ein Künstler, und kaum je hat ein
Künstler solchen Einfiufs in der Kunst ausgeübt, wie es seiner Zeit der Gelehrte \A^inckelmann
und der Kritiker Lessing gethan haben; so konnte es nicht ausbleiben, dafs die Romantik aus der
Dichtkunst in die Malerei überging, zumal hier wie dort dieselbe Ursache wirksam war. Der
Klassicismus der Kunst, den Napoleon in die Praxis und ins Leben hatte übersetzen wollen, hatte
mit ihm abgewirthschaftet. Cornelius war der Einzige, der noch einmal zu ihm zurückkehrte,
und nur bei den Münchener und Berliner Architekten hielt er sich noch eine Zeit lang, aber
selbst Goethe hat der mystischen Romantik des XIX. Jahrhunderts am Ende des erst so klassisch-
renaissancehaft sich gebärdenden II. Faust wieder sein Opfer bringen müssen. Die neue Malerei
schwamm mit vollen Segeln in ihrem Fahrwasser, und wunderlich pafste zu der Schwärmerei
für das Mittelalter das ästhetische Wohlgefallen an der katholischen Kirche mit ihrem prunk-
vollen Gottesdienst, den Fahnen und dem Weihrauch auf der einen, der sentimentalen W^eltflucht
und dem Mönchthum auf der andern Seite.
Wenn irgendwo, so hat die Romantik ein historisches Existenzrecht am Rhein. Am Rhein
hat das Mittelalter in der That Spuren einer hohen Cultur hinterlassen. Prächtige Dome zieren
hier die Städte, Ritterburgen krönen die Berggipfel, und wie vor Alters ziehen die Processionen
durch die Strafsen der winkligen alten Städte. Hier sind sozusagen die historischen Wohnplätze
all des romantischen Zauber- und Hexengesindels, von den Walküren und den Rheintöchtern bis
zur Loreley, und von den Ritterfräulein und Edelknappen wissen die bekannten ältesten Leute
noch wie aus eigener Anschauung zu erzählen.
Nun gehört ja Düsseldorf eigentlich nicht mehr so recht zum romantischen Rheinland. Berge
und hochragende Ritterburgen sind in der nächsten Nähe nicht mehr vorhanden, aber dafür besafs
die Akademie in ihrem derzeitigen Asyl, dem alten Schlofs, ihr eigenes wirkliches Schlofsgespenst,
die Herzogin Jacobe von Baden, die des Nachts umging und allerlei Unfug anrichtete.
So verstand es sich denn eigentlich von selbst, dafs die in Berlin ästhetisch gezüchteten
Romantiker in Düsseldorf am Rhein so recht ihren Nährboden fanden, um so mehr als in Berlin
das Litterarisch-Aesthetische doch allzusehr überwucherte und die Malerei auch ziemlich bald dem,
den Künsten ewig feindlichen, bureaukratisch-militärischen, damals auch polizeimäfsigen Geiste zu
unterliegen schien.
Aufser diesem allgemeinen nationalen Zuge und dem Zuge der Zeit kam aber noch Eines hinzu,
was den Umstand erklärt, dafs eine so grofse Anzahl von immerhin hochbegabten Künstlern
hartnäckig an der romantischen Literatur als Vorbild festhielt, statt doch wenigstens die Romantik
in der Natur aufzusuchen, wie es nur die Allerwenigsten thaten. Das war das programmatisch
ausgesprochene Schulprincip des Directors Schadow : ,,Nur die vollkommen naturgemäfse Aus-
führung einer dichterischen Idee in Form und Farbe giebt die beseligende Erscheinung eines
schönen Kunstwerkes." Also nicht etwa die , .Ausführung" dessen, was man sich heutzutage erlaubt,
einen künstlerischen oder einen coloristischen Gedanken zu nennen, sondern nur die Ausführung
eines ,, dichterischen". ,,Das ist", wie Gurlitt in seiner ,, Deutschen Kunst des XIX. Jahrhunderts"
bemerkt, ,,das Ergebnifs von Schellings Lehre, nach welcher die schöne Form nur insofern Werth
habe, als sie der Ausdruck des Inhaltes sei; sonst wirke sie nur als Sinnenreiz." Heute freilich
ist man zu der Ansicht gelangt, dafs dies ,,nur als Sinnenreiz wirken" eben allerdings der
Hauptzweck und eines der Hauptziele der Kunst sei und der Hauptinhalt gerade der gröfsten
Kunstwerke aller Zeiten, von der Venus von Milo über Tizians himmlische und irdische Liebe
bis zu Böcklins fidelen Ungeheuern. Es lag unter jenen Gesichtspunkten nahe genug, dafs man
die Gedanken der Poeten wählte, um sie in Bilder zu übersetzen, denn diese Gedanken, klar und
rund ausgedrückt in der bequemen Form der Sprache, begeisterten und erfüllten Alle. Es schien
also, wie es auch Cornelius schon gefunden und sogar ausgesprochen hatte, aus rein praktischen
Gründen, der allgemeinen und bequemeren Einwirkung auf das Volk wegen, selbstverständlich,
dafs man sich an die Dichtung anlehnte. Man bedachte dabei nicht nur nicht, dafs man die freie
Kunst zu einer blofsen illustrirenden Nebenrolle herabwürdigte, sondern man hatte auch keine
Ahnung von dem rein kunsttechnischen Irrthum, den man beging.
Dieser Irrthum, der übrigens heute immer noch häufig genug ist, besteht darin, dafs man
glaubt, das gute Werk einer Kunst in ein ebenso gutes oder womöglich noch besseres \A^erk einer
anderen Kunst übersetzen zu können, gerade als ob die verschiedenen Künste etwa verschiedene
Sprachen wären, in denen man dieselbe Thatsache aussprechen könne. Das ist aber keineswegs
der Fall; einen poetischen oder philosophischen oder theologischen Gedanken kann man am
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klarsten, schnellsten und schönsten (schön, weil in möglichst vollkommener Weise) eben nur durch
die Sprache ausdrücken, einen coloristischen durch die Malerei, einen musikalischen, eine Melodie
durch die Tonkunst; und man kann eben nicht statt der einen Ausdrucksweise beliebig eine
andere nehmen. Wie tief dieser Irrthum sich eingefressen hatte, beweist der Umstand, dafs, als
die literarische Romantik und die Anlehnung an eine weniger romantische Literatur (H. Jobs)
glücklich überwunden schien, die Genremalerei, die Volkskunst, statt sich nun energisch an die
Natur zu halten, blofs von der Poesie zur Novelle überging und von der geschriebenen Novelle
nur zur selbst erfundenen Novelle oder zu den „Unglückställen". Letztere wurden in München
förmlich zur Historie aufgeblasen, erstere blieb in Düsseldorf bis auf unsere Tage im Gebrauch.
Goethes Rath an den Theaterdirector: ,,Vor allem lafst etwas geschehen," übernahmen eben die
Maler zu befolgen. Kein W^under, dafs die Malerei, auch die genrehafte, vielfach ins Theatralische
verfiel. Und dafs gerade in Düsseldorf der Dichter und das Theater einen solchen Einflufs aus-
übten, die mit dem Schadowschen Princip Hand in Hand gingen, das hatte nun auch wieder
seine besonderen Gründe.
W^ährend Schadow sich mit den angedeuteten Verwaltungssorgen und vielseitigen Correcturen
abquälte, entwickelte sich unter den jungen Leuten ein so fröhliches und kameradschaftliches
Schaffen, dafs diese ersten Jahre als das Ideal einer freien und lebensvollen Künstlerthätigkeit
betrachtet werden können. In dem kleinen, idyllischen Düsseldorf mit seinen 25000 Einwohnern
wurde die Künstlerrepublik schnell der eigentliche geistige Mittelpunkt, um den sich alle Interessen
drehten. Der Zufall oder vielleicht eine gewisse wohlwollende Absicht dem neuerworbenen
Ländchen gegenüber hatte es gewollt, dafs eine ganze Reihe geistvoller Männer, meist in amtlichen
Stellungen, sich in Düsseldorf zusammengefunden hatte, und alle diese schaarten sich um den
Director und die neue Kunstschule, bereit, ihnen mit Rath und That zur Seite zu stehen. Der
ästhetische preufsische Beamte war eine Figur jener Zeit, die den später gesteigerten Anforderungen
des Dienstes bald genug weichen mufste. Sein klassisches Prototyp war der famose Callot-
Hoffmann in Berlin gewesen, der neben seiner Thätigkeit als Kammergerichtsrath Opern compo-
nirte und dirigirte, phantastische Zaubermärchen schrieb, Caricaturen zeichnete (die ihm allerdings
die Carriere verdarben) und mit Ludwig Devrient bei Luther und Wegener seine Orgien feierte.
In Düsseldorf war man nicht so ausschweifend, vielmehr war hier eine zurückhaltende
Wohlanständigkeit erste Bürgerpflicht in der Gesellschaft der geistreichen Leute, und als einmal
ein wirklich grofses, allerdings stark verkommenes Genie, Grabbe, in diesen Kreis hineinfiel, da
fand sich für dasselbe kein rechtes Unterkommen. Das war keines einzelnen Mannes Schuld,
das lag damals so in den Verhältnissen, und diese Verhältnisse haben sich noch auf lange
Zeit hinaus geltend gemacht. Dafs heute gewisse literaturprotegirenden Kreise Grabbe für
Düsseldorf förmlich in Anspruch nehmen und als einen der damals leitenden Geister hinstellen
möchten, beruht auf gründlicher Unkenntnifs der Verhältnisse.
Kortüm, der ehemalige Director des Gymnasiums, der später zur Regierung überging und
jahrelang als Curator neben dem trefflichen Regierungspräsidenten von Pestel fungirte, wurde schon
genannt.
Ebenfalls bei der Regierung arbeitete der Regierungsrath Sybel, der Vater des Historikers,
während Carl Schnaase, der berühmte Kunsthistoriker, Staatsprocurator war.
Eine eigenartige Rolle in dieser geistig vornehmen Gesellschaft spielte als Beirath der jungen
Leute der Landgerichtsrath Friedrich von Uechtritz. Und wenn er auch keineswegs zur Gefolg-
schaft Schadows gehörte, so wirkte er doch in ähnlichem Sinne, wenn er nach dem Mittagessen
den jungen Malern Dichtungen der grofsen oder auch kleinen Poeten, zu welch' letzteren er selbst
gehörte, vorlas. Auch ein Bild, das nur zu jener Zeit und nur in jenem Kreis möglich war
und im heutigen Düsseldorf unrettbar dem Fluch der Lächerlichkeit verfallen würde: ein Land-
gerichtsrath, der den Akademikern nach dem Essen Gedichte vorliest ,,und sie in der Literatur
auf dem Laufenden hält".
Ein ganz besonderes Element brachte in das geistig angeregte Leben jener Tage, wie sie für
Düsseldorf nicht wieder kommen sollten, im Herbst 1833 der junge Componist Mendelssohn-
Bartholdy, der Neffe jenes Bartholdy, der durch den Cornelius in Rom gegebenen Auftrag der
neuen deutschen Kunst die erste Gelegenheit verschafft hatte, sich zu bethätigen. Felix Mendels-
sohn weilte nicht lange genug in Düsseldorf, war auch nicht die Persönlichkeit, um einen ein-
dringlichen Einflufs in irgend welcher Richtung auszuüben, aber die von ihm geleiteten Musikfeste
trugen dazu bei, den künstlerischen Ruf Düsseldorfs auch nach dieser Richtung hin zu erweitern.
58
WILHELM SCHADOW
Bildnis des Dichters Carl Immermann
Den gröfsten Einflufs aber und zwar nicht nur auf die junge Malerschule, sondern auf das
ganze Düsseldorfer Leben einer gewissen Zeit übte der auch Bedeutendste dieses Kreises, Carl
Immermann aus. Er war ein Jahr nach Schadows Uebersiedelung als Landgerichtsrath nach
Düsseldorf versetzt worden und bald im Schadowschen Kreise vertraut geworden. Er berichtet
selbst darüber: „Er selbst (Schadow) führte mir einige seiner Lieblingsschüler zu; durch ihn
erhielt ich sie, die nachher meine Freunde geworden sind. Mit Entzücken belauschte ich das
Sprossen der werdenden Kunst in den weiten Ateliers der Akademie ; sie hörten, was bei mir
entstand; von Kritik war gegenseitig keine Rede, uns erquickte ein naives Empfangen und
Geniefsen."
Immermanns Bestrebungen um das Theater, sein Versuch einer Düsseldorfer Musterbühne
sind bekannt. Sie fallen in die Mitte der 30er Jahre; damals waren die ersten Schüler Schadows
schon zu Meistern herangereift, aber unverkennbar erscheint bei fast allen Erzeugnissen der Schule
und gerade bei den eigentlich romantischen Motiven der Einflufs des Interesses, das Immermann
für das Theater schon früh durch seine Dichtungen und theatralischen Versuche im kleineren
Kreise erweckt hatte. Der berühmte Realismus der Düsseldorfer Romantik ist mehr ein Realismus
des Theaters, als dafs er auf einer gesunden Anschauung, einem energischen Studium der Natur
beruht, und es ist nicht unwichtig, sich zu erinnern, dafs die Leseproben zu den Immermannschen
Theateraufführungen in einem kleinen Raum der Akademie stattfanden, den Schadow dem Dichter
zur Verfügung gestellt hatte.
Auch sonst fehlte es nicht an Gelegenheiten, wo der Dichter und Theaterdirector mit den
Künstlern Hand in Hand ging, so im Mai 1833, wo er zu einer, von den Malern zu Ehren Dürers
veranstalteten Feier ein Festspiel ,, Albrecht Dürers Traum" dichtete und mit ihnen einstudirte. So
stammt die noch heute weltbekannte Gewandtheit der düsseldorfer Maler, Feste zu feiern und mit
dramatischen Scherzspielen zu würzen, vielleicht noch aus der Tradition jener Zeiten.
Aber schon früh, ehe die theatralischen Versuche Immermanns beginnen konnten, war er es
nicht zum geringsten gewesen, der die Maler in der intensiven Beschäftigung mit der dramatischen
Literatur und deren Benutzung für die Malerei beeinflufst hatte. Und so wurde diese Seite seines
Wirkens für die Kunst viel wirksamer als eine andere weitaus gesundere seines eigenen Schaffens.
Seine Theaterneigung steckte Alle an, aber die prächtige Schilderung des westfälischen Bauernlebens
im ,, Oberhof" blieb selbst auf das heranwachsende Genre zunächst ganz ohne Eindruck, um
sich erst eine Generation später geltend zu machen. Wunderlich genug ist es dabei, dafs gerade
Immermann selbst das Ungesunde und dabei Philisterhafte dieser Theatermalerei zuerst herausfühlte
und scharf genug kennzeichnete. ,,Sie sehen die Dinge zu natürlich zugleich und zu unwahr, die
rechte Mitte ist hier noch nicht entdeckt," schreibt er in den ,, Düsseldorfer Anfängen" (1840).
Und an einer anderen Stelle macht er die berühmte Bemerkung, die bis zu einem gewissen Grade
heute noch, wie vor 60 Jahren für den Durchschnitt der Düsseldorfer Malerei gilt: ,,Ich vermifste
bei den Unsrigen etwas: die geniale Sicherheit, das ä plomb der alten Meister, die überzeugende
Kraft und Nothwendigkeit der Gestalten. Versuche sah ich, höchst tüchtige Versuche, aber
schwankend zwischen der Kühnheit des Individuums, immer nur sich und sein Personellstes
auszudrücken, und der Scheu, Fehler zu begehen. Diese Scheu vor gemalten kühnen dummen
Streichen war immer ein charakteristischer Zug der hiesigen Schule."
Und dabei war man doch so stolz darauf, dafs man die Natur so genau studire und sie so
vortrefflich kenne, man hatte für sie ein grofses, wenn auch herablassendes Wohlwollen, wie
man es für einen nützlichen, zuweilen selbst unentbehrlichen Freund hegt, der uns aber nicht
weiter imponirt. Man ,, verstand dennoch gar wohl die Natur zu seinen Zwecken zu benutzen
und schrieb sie nicht etwa mechanisch ab," wie ein Zeitgenosse in stolzer Bescheidenheit berichtet.
Und dann erzählt derselbe, er war selbst ein Maler, zum Zeichen, auf wie gutem Fufse man
mit der Natur stand, dafs Hildebrandt auf seinem Bild des Kriegers, den das Kind am Schnurrbart
zupft, das Panzerhemd, dessen naturgetreue Ausführung höchlichst bewundert wurde, nach einer
kleinen Stahlbörse, wie solche zu jener Zeit vielfach im Gebrauch waren, gemalt habe. Die
Stahlbörse als Modell für den Panzer gäbe ein gutes W^appen oder Symbol für den Naturalismus
dieser in sich vergnügten realistischen Romantik oder des romantischen Realismus. Und dennoch
bildete gerade dieser Realismus, so bescheiden er auch im Vergleich zu dem heutigen auftrat,
dieses künstlerische Philisterthum, den Hauptunterschied zwischen der literarischen Romantik und
der gemalten. W^ährend jene vor dem Allerphantastischsten nicht zurückschreckte, ja das Tolle
und Gespensterhafte geradezu aufsuchte, sich mit allen Mitteln einer lebhaften Phantasie und einer
überzeugenden Diction bemühte, das Unmögliche möglich, das Unwahrscheinliche wahrscheinlich
60
F. TH. HILDEBRANDT
Der Krieger und sein Kind
zu machen, Gespenster in die gute Gesellschaft einführte, Thiere reden und Memoiren schreiben
liefs u. s. w., verliefs die Romantik der Düsseldorfer Malerei den Boden des historisch
Möglichen selten oder nie, und wenn das einerseits eine grofse Beschränkung bedeutete, so gab
es der ganzen Richtung doch, wenn nicht etwas Wahres, so doch etwas Wahrscheinliches, das
erst durch die unvermeidliche Sentimentalität angekränkelt wurde. Dieser Hang zum Wahrschein-
lichen, Menschenmöglichen ist der Düsseldorfer Malerei bis heute eigen geblieben und charakterisirt
sie nach ihrer guten, wie nach ihrer schwachen Seite. Er ist der Grund zu jener Philisterhaftigkeit,
die Immermann erwähnt und die sich auch heute noch vielfach constatiren läfst, er ist aber auch
der Grund, dafs gewisse moderne Bestrebungen in Düsseldorf niemals in dem Mafse ausarten
konnten, wie anderswo.
Damals ermöglichte dieser sogenannte Realismus es denn auch, dafs neben der pathetischen
Romantik sich sogleich, trotz des hier sich bemerklich machenden Unverständnisses Schadows,
eine wenn auch zunächst bescheidene Genrekunst entwickeln konnte, die sogar schon früh, wie
bei dem ,,Rothkäppchen'-, von Kretschmer auch innerhalb des Märchens ziemlich realistisch und
dabei doch liebenswürdig zu gestalten wufste.
Ein zweites Moment, das die malerische Romantik von der literarischen unterschied, wenigstens
von dem gröfsten Theil derselben, war die Hinneigung der ersteren zu Motiven des italienischen
Mittelalters und der italienischen Renaissance, und auch dieser Eigenthümlichkeit wird man die
logische Berechtigung nicht absprechen können, einmal wenn man bedenkt, dafs der Katholicismus,
von dem Schadow nun einmal ausging, seine Wurzeln immer jenseits der Berge in Rom gehabt hat,
dann aber, dafs die italienische Uebergangszeit aus dem Mittelalter in die Neuzeit doch die Blüthe-
zeit aller bildenden Kunst überhaupt war, dafs sie es auch war, die jenen Naturalismus, mit dem
die neue Romantik nur kokettirte, in vollkommenster Weise künstlerisch verarbeitet hatte. So
wurden neben der Bibel, welche Motive bot, und zwar den Katholiken aus dem neuen Testament,
den Juden und vielfach den Protestanten aus dem alten, das gewissermafsen ein neutraler Boden
war, dessen Motive als die vornehmsten, weil älteren und symbolischen, an der Spitze standen,
Dante, Tasso und Ariost bearbeitet. Und die Gestalten dieser italienischen Dichter waren den
Künstlern ebenso vertraut, wie die der Goetheschen und namentlich Uhlandschen Lyrik: ent-
schieden mehr als die Gestalten der deutschen, aber heidnischen Nibelungen: Schiller und Shake-
speare kamen erst später und in zweiter Linie, als Immermann ihre Dramen aufzuführen begann.
Unleugbar hat aber diese Kunst der Romantik ihre culturelle und ihre historische Bedeutung.
Die blaue Blume hat nicht zum wenigsten mitgeholfen, den Boden zu bereiten, dafs aus ihm
später der Eichbaum der deutschen Einheit erwachsen konnte. Wenn man die Düsseldorfer
Kunst jener Tage, im Gegensatz zu der Begeisterung der Zeitgenossen für sie, heute als eine Ueber-
gangskunst bezeichnen mufs, so ist zu bedenken, einmal, dafs sie in einer Uebergangszeit und für
eine solche entstanden war, in einer Zeit und für eine Zeit, in der sich in Deutschland die Ab-
lösung zweier W^eltanschauungen nachhaltig und endgültig vollzog, die an der Jahrhundertwende
so stürmisch begonnen hatte, um doch noch einmal wieder einzuschlafen. Dann aber ist zum
andern zu bedenken, dafs es in der Kunst so wenig, wie auf einem anderen Gebiete geistigen
Schaffens eine letzte Höhe giebt, auf der die menschliche Thätigkeit Halt machen und sich sagen
kann: „Siehe, es ist gut so." Auch die Kunst geht mit den Anschauungen der Menschheit von
einer Ueberzeugung zu einer anderen über, und sie können unmöglich alle das einzig Wahre sein.
Es giebt keine Dogmen in der Kunst und darf keine geben. Auch in ihr ist erlaubt, was gefällt
und so lange es gefällt.
Die Romantik jener Zeit war ja vielleicht nicht rein malerisch, jedenfalls nicht malerisch
genug empfindend, aber sie war sicher künstlerisch, künstlerischer als Manches, was nach ihr
kam und gegen sie als das einzig Richtige ausgespielt wurde, um recht bald wieder von etwas
Anderem abgethan zu werden. Diese Romantik verlangte vielleicht zu viel von der Malerei, aber
ist das nicht am Ende besser und verdienstlicher, als zu wenig wollen? In der Beschränkung
zeig^ sich der Meister, aber nicht jeder Meister ist ein Künstler, denn der zeigt sich, das \Verk
in seiner geistigen Bedeutung gefafst, in seinem Streben. Schlimm genug allerdings für den
Künstler, wenn er nicht auch gleichzeitig ein Meister ist.
Unter geistiger Anregung verschiedener Art und emsigem Schaffen schien also der Fortgang
dieser bunten Romantik und Schadows Herrschaft über die Geister gesichert. Es war ihm ohne
Zweifel gelungen, die grofsen Talente, die ihm der glückliche Zufall zugeführt hatte, in verständiger
Weise in ihre Bahnen zu lenken, und der Einflufs, den er als Lehrer ausübte, wurde gesichert
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und verstärkt durch die persönlichen und gesellschaftlichen Beziehungen, die er zwischen sich,
den bedeutenden Leuten seines Kreises und seinen Schülern knüpfte.
Aber so ideal das Streben jedes Einzelnen gewesen sein mag, und so schön diese gesell-
schaftlich ästhetischen Zustände im Helldunkel der Kunst- und Literaturgeschichte erscheinen
mögen, es lag in ihnen etwas Treibhausartiges und Künstliches, das zum Bruch lühren mufste.
Es bildete sich ein ästhetisches Cliquenthum heraus, das sich mit dem rheinischen Wesen
durchaus nicht vertrug und den Keim zu jener Unzufriedenheit und scharfen Opposition, die sich
namentlich gegen Ende der 30 er Jahre in fast erbitterter Weise Luft machte, in sich trug. Schon
gleich zu Anfang hatte das intime Verhältnifs, in dem Schadow ganz natürlicher Weise zu den
mitgebrachten Schülern stand, die Eifersucht der später gekommenen, besonders rheinischen Schüler
erregt und die Anklage einer Bevorzugung, überhaupt der von Osten Gekommenen, hervorgerufen.
Dafs darin etwas Wahres lag, kann wohl nicht bezweifelt werden, wenn es auch schwer
sein mag, hier eine Schuld zu finden.
Schadow war gewifs mit dem besten W^illen an den Rhein gekommen. Er hatte dort für
seine religiösen Bedürfnisse, mit denen er in Berlin doch ziemlich isolirt war. die günstigsten
Verhältnisse erhofft. Der Rhein galt damals, wie auch heute noch, dem Ost- und Norddeutschen
als eine Art Vorhof von Italien, was er in mancher Beziehung und gerade in künstlerischer und
religiös-cultureller thatsächlich auch ist. Aber Schadow hatte nicht an die politische Empfind-
lichkeit des Rheinländers gedacht, die den Preufsen als den hungerigen Eroberer hinstellte und
ihm mit Mifstrauen und Mifsachtung entgegenkam. Die Düsseldorfer, die mit bewundernswerther
Anpassungsfähigkeit alle möglichen Herrscher aus den verschiedenen Häusern in ihren Mauern
begrüfst hatten, die Napoleon zugejubelt und sich unter dem Theaterfürsten Murat ganz wohl
gefühlt hatten, empfanden es als eine Verletzung ihrer heiligsten Gefühle, als ihr Land an Preufsen
fiel, als ihre zuletzt überaus fadenscheinig gewordene herzogliche Residenzherrlichkeit ein Ende
nahm, und die preufsische Regierung mit der ihr eigenen kühlen Schneid anfing. Ordnung in den
verschiedenen Verwaltungszweigen zu stiften. Man konnte es so unter Anderem eine ganze
Weile überhaupt nicht begreifen, dafs die neu gegründete Akademie nicht eine rein düssel-
dorfische oder niederrheinische sein sollte, sondern eine preufsische, auf der nicht nur Düsseldorfer
und Rheinländer, sondern überhaupt Jedermann, sogar jeder Preufse studiren könne.
Der Verlust der Galerie, die man seinerzeit vor den Preufsen geflüchtet hatte, nun aber von
ihnen zurückverlangte, wurde ebenfalls dem ..Eroberer" in die Schuhe geschoben.
Cornelius, der erste Director der preufsischen Akademie, war ja Rheinländer gewesen, aber
um so mehr war man geneigt. Schadow und die mit ihm Gekommenen als Eindringlinge zu
betrachten, und hier half Schadow auch sein religiöses Bekenntnifs, von dem man sich wohl die
günstigste Wirkung auf die geahnten Gegensätze versprochen hatte, sehr wenig, ein merkwürdiges
und eigenartiges Beispiel für die damalige Zerrissenheit Deutschlands und des auch heute noch
nicht erloschenen provinziellen Particularismus. Und zu den provinziellen Unterschieden kamen
die der verschiedenen Bildungsgrade und Erziehungsweisen. Schadow selbst stammte aus jenen
ästhetischen Kreisen Berlins, über deren Bildungsphilisterium und sentimentales Gethue sich
selbst gelegentlich die eigenen Anhänger lustig machten. Die meisten seiner Schüler, namentlich
Bendemann, aber auch der weiche Julius Hübner, Köhler und C. F. Sohn fanden sich ganz von
selbst in Düsseldorf zu ähnlichem Thun im Hause des Meisters zusammen, und es war selbstverständ-
lich, dafs Schadow ihnen, seinen ältesten Schülern, die er schon in Berlin gekannt hatte, anders
gegenüberstand, als den später Hinzugekommenen, die sich nicht einmal die Mühe gaben, ein
ähnliches Verhältnifs zu ihrem Lehrer und Director herzustellen. Uechtritz berichtet über diese
ästhetischen Zusammenkünfte bei Schadow in einer Weise, die einer gewissen Komik nicht entbehrt.
„Als ich im Jahre 1829 nach Düsseldorf kam," schreibt er, ,, versammelte der Director der
Akademie besonders alle Sonntage Abends die ihm näherstehenden Schüler, die damals noch fast
die ganze erste Klasse der Anstalt ausmachten, in seinem Hause. Immermann, der jetzt in Berlin
lebende Geheime Regierungsrath Kortüm. ich selbst und später Schnaase, sowie einige Frauen
von vorzüglicher Bildung nahmen häufig an diesen Zusammenkünften theil. Die Unbequemlichkeit,
im ungewohnten schwarzen Frack erscheinen zu müssen, verbunden mit der Aussicht, im weiten
dunkeln Kreise als stumme verlegene Zuhörer der Gespräche der älteren Männer zu sitzen, mochte
den jungen Herren nicht immer sehr anlockend dünken Aber der Wunsch des Meisters
übte bei der nahen und väterlichen Stellung desselben einen halben Zwang aus, der gewifs jetzt
von den meisten der davon Betroffenen als ein höchst wohlthätiger und dankenswerther erkannt
wird."
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Das mag ja nun hier und da der Fall gewesen sein, aber es bedarf keiner allzugrofsen
Phantasie, um bei Berücksichtigung der rheinischen Ungebundenheit und eines gewissen Selbst-
gelühls, das dem Rheinländer nun einmal eigen ist, ganz abgesehen von dem Wesen eines jungen,
sich zum Höchsten geboren glaubenden Kunstjüngers, ohne w^eiteres einzusehen, dafs unter
diesen Umständen eine Verstimmung, die bis zum Bruch führen mufste, unausbleiblich war.
Mufste doch schon die stumme, fast militärische Ehrfurcht, die dem Director in dessen
Hause gezollt wurde, den ungebundenen und freien Rheinländern ein Greuel sein. Wohl hatten
auch des Cornelius Schüler ihm eine ans Schwärmerische grenzende Verehrung entgegengebracht,
aber es war doch ein anderer, lebhafterer Ton zwischen ihnen gewesen, der eine gewisse Ver-
traulichkeit und gelegentlichen Widerspruch ermöglichte.
Die gesittete Haltung in Frack und weifser Binde, die bei Schadow von den jungen Leuten
erwartet wurde, gefiel den Rheinländern so wenig, wie ihnen die ästhetische Unterhaltung über
Dichtungen und Historie auf die Dauer erträglich, war.
Dafs nun Schadow hinwiederum sich an Die hielt, die sich um ihn drängten, ist ganz
natürlich, und so war der Grund zu dem tiefgehenden Spalt, dessen letzte Spuren selbst heute
noch nicht verwachsen sind, gegeben.
Diese Gegensätze entwickelten sich natürlich nur allmählich, und in den ersten Jahren, vielleicht
während des ganzen ersten Jahrzehnts schien in dem alten Schlofs, das als Akademie eingerichtet
war, nichts als Friede und Freude zu sein. Der Zusammenschlufs der Schüler, die bald zu Meistern
wurden und nach überraschend kurzer Lehrzeit ihre Bilder zu malen anfingen, war ein enger
und scheinbar idealer. Schadow waltete als oberste Instanz, die jungen Hülfslehrer, die eben
selbst noch Schüler gewesen waren, schienen nur seine Gehülfen den noch jüngeren gegenüber.
Eine gewisse geistige Gütergemeinschaft herrschte, und liefs dieselben oder ähnliche Motive von allen
Seiten wie Pilze aus dem Boden wachsen. ,, Keiner dachte daran, selbst wenn er in verschiedener
Beziehung nichts mehr zu lernen hatte, sein eigener Herr und Meister zu werden," schreibt
W. Müller, und so schien es beinahe, als sollte, nur romantisch umgewandelt die Klosterbrüder-
wirthschaft von St. Isidoro an den Ufern des Rheins in dem alten Schlosse fortgesetzt werden.
Zu diesen Vorzügen, denn als solche erschienen die Verhältnisse damals oder waren es
theilweise auch wirklich, kam dann hinzu, dafs Schadows praktischer Sinn es verstand, nicht nur
das Interesse weitester Kreise für seine Schule wachzurufen, sondern auch eine Einrichtung
begründen zu helfen, die für das Wachsthum und die Weiterbildung der Düsseldorfer Kunst von
gröfster Bedeutung werden sollte.
Schadow hatte schon in Rom gesehen, wie der beste Wille und das schönste Können brach
liegen mufs, wenn sich nicht Gelegenheit findet, es anzuwenden. In Berlin hatten die Bedürfnisse
der heranwachsenden Residenz das Interesse einer zwar noch armen, aber wohlmeinenden Regierung
und eines wenn auch noch so sparsamen Hofes die Kunst einigermafsen gefördert, aber in Düssel-
dorf fielen diese günstigen Factoren -gröfstentheils fort. Andere zu gewinnen, die das rege Schaffen
unterstützen, erhalten und zu gesunden Fortschritten anspornen konnten, mufste also Schadows
erstes Bemühen sein. Und er hatte im Einzelnen ja schon Manches erreicht. Es war ihm gleich
zu Anfang gelungen, den Grafen Spee zur Vollendung des in seinem Schlosse Heitorf von Stürmer
begonnenen Frescocyklus zu bewegen, auch das Interesse des in Düsseldorf residirenden geistvollen
und wohlwollenden Prinzen Friedrich von Preufsen hatte Schadow für die neue Kunst gewonnen
und in ihm einen allezeit bereiten Helfer und Mäcen, der eine grofse Anzahl bedeutender Werke
im Laufe einiger Jahre erwarb und der jungen Schule so ein thatkräftiger Gönner wurde ; auch in
der Folge hat es Schadow verstanden, andere fürstliche und adelige Auftraggeber für zum Theil
grofsartige und umfangreiche Arbeiten zu gewinnen, aber alles das hätte doch nicht genügt, um
einer, für die kleine Stadt bald unverhältnifsmäfsig zahlreichen Künstlerschaft Arbeit und für die
Arbeit Interesse und Abnahme zu schaffen. Die katholische Kirche, die ehemals die mächtige
Förderin der Kunst in den Rheinlanden gewesen war, hatte ihre dahingehenden Neigungen unter
dem allgemeinen Druck der Verhältnisse auch einschränken müssen.
Hier fand sich nun, hauptsächlich durch den Vorgang des Conservators der Akademie Mosler
ein Mittel, das seinem Geschäftssinne ebenso, wie seinem begeisterten Glauben an die Kunst der
jungen Schule alle Ehre macht. Und nicht nur für die Künstler sollte diese Einrichtung von
gröfster W^ichtigkeit sein, sondern fast ebensosehr für die Allgemeinheit. Das Ideal einer Volks-
kunst, die mit weitesten Schichten der Bevölkerung in Beziehungen steht, auf sie einwirkt und
von ihr wiederum gesunde Anregungen emptängt, war damit im Princip angebahnt, und in der
That hat in den mehr als 70 Jahren ihres Bestehens diese Einrichtung nach allen Seiten hin sich
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65
in so hervorragender Weise bewährt, dafs durch sie, mehr als jede andere moderne Schule, gerade
die Düsseldorfer dem höchsten Ideal der Kunst als dem vornehmsten Erziehungsmittel des Volkes
nahe gekommen ist.
Diese Einrichtung war der im Jahre 1829 gegründete „Kunstverein für die Rheinlande und
Westfalen".
Neu waren ja die Kunstvereine nicht mit ihrem Bestreben, durch gemeinschaftliche Ver-
einigungen bedeutende Kunstwerke in Reproductionen, Kupferstichen oder Steindrucken weiteren
Kreisen zugänglich zu machen und durch Verloosung kleiner Bilder einen, wenn auch mäfsigen
Absatz von Originalen herbeizuführen. Neu war bei dem Düsseldorfer Verein die ausgesprochene
Tendenz, nach der ein grofser Theil der Einnahmen aus den Vereinsbeiträgen dem directen Genufs
der Mitglieder entzogen und der öffentlichen Kunstpflege, der Anlage monumentaler Kunstwerke
zugewandt werden sollte.
Dieser ebenso wichtige wie folgenschwere Zusatz zum Statut ist allein dem Conservator
Mosler, dem alten Freunde des Cornelius, zu verdanken. Durch ihn wurden also mehrere Jahre
nach Cornelius' Scheiden (nachdem die von diesem gegründete Schule der Monumentalmalerei
eingegangen zu sein schien) in geradezu glänzender Weise die scheinbar gescheiterten Pläne und
Absichten seines alten Freundes und Gesinnungsgenossen zur Gründung einer monumentalen
Kunst wieder ins Leben gerufen. Mosler selbst erzählt den Hergang folgendermafsen :
„Eines Tages kam Fallenstein (Regierungssecretär, später Regierungsrath) zu mir und machte
mir den Vorschlag, einen ähnlichen Kunstverein wie den Berliner gründen zu helfen. Ich hielt eine
reifliche Erwägung für nothwendig, er jedoch nahm die Sache leichter, entwarf ein Statut, ähnlich
dem Berliner, und theilte dies dem damaligen Regierungspräsidenten von Pestel mit, der es mit
einer Aufforderung und seiner Unterschrift versehen ins Amtsblatt einrücken liefs.
,,Ich konnte nicht umhin, Fallenstein meine Bedenken zu sagen, ja, ich erklärte, ich könne
nimmer einem Verein beitreten, welcher in dieser Gestalt nur zum Ruin der Kunst dienen könne.
Dies sei eine kleinliche und nachtheilige Beförderung von solchen Kunstwerken, die nothwendig
von den niedrigsten Moderücksichten und dem Geschmacke des Tages abhängig werden müfsten.
Es könne bei einem solchen Statut immer nur die Rede davon sein, kleinere, besonders Genre-
Bilder und landschaftliche ins Publikum zu bringen, Bilder, denen ich ihren W^erth nicht absprechen
wolle ; allein die grofse und ernste Kunst würde auf diese Weise der Nation erst recht entfremdet.
„Fallenstein erstaunte. ,Aber was sollen wir thun ?' fragte er. ,Ich werde einen Aufsatz ent-
werfen und darin nachweisen, dafs es zum Heil der Kunst durchaus nothwendig ist, dafs ein
Theil solcher einzutreibenden Gelder für öffentliche, für kirchliche, für monumentale Kunst verwendet
werde,' entgegnete ich.
,,Als ich diesen Aufsatz einige Tage später Schadow mittheilte, war er ganz meiner Meinung.
,Auf solche Art kann etwas Rechtes daraus werden,' sagte er. Wie aber die Leute für solche
Anschauung, für eine solche Aufopferung zu gewinnen? War hin und wieder der fast ganz
entschlummerte Kunstsinn auch mit blinzelnden Augen erwacht, so fehlte doch noch viel am
reinen, klaren Blick. Da übernahm Schadovi?. mit Immermann und Kortüm Rücksprache zu
nehmen. Fallenstein trug die Modification dem Regierungspräsidenten vor. Endlich hatten wir
unsere Leute geworben. An einem schauerlich kalten Abend, der Rhein stand mit Eis, und ich
wohnte noch in dem Akademiegebäude, da wurde auf meiner Stube das Statut berathen und in
die Form gebracht, welche es bis zur zweiten Generalversammlung behielt."
Damit war nun aufser dem Andern der Grund gelegt zu einer Monumentalmalerei, wie sie
sich durch länger als ein Menschenalter durch mehrere Künstlergenerationen hindurch zu einer
Höhe entwickelt hat, wie in keiner anderen deutschen Kunstschule. Gewifs sollen die Verdienste
der Regierung, die Anstrengungen einzelner kleiner Gemeinschaften oder Kirchengemeinden, das
thatkräftige und kunstbegeisterte Interesse verschiedener Privaten, so u. A. die Stiftung des Freiherrn
von Biel-Kalkhorst zur Pflege der Frescomalerei im privaten Leben nicht unterschätzt werden,
aber Alles das würde nicht hingereicht haben in einer verhältnifsmäfsig kleinen Provinzialstadt,
deren weiteres Heranwachsen ja erst den allerletzten Decennien angehört, eine so mächtige, in
ihren Werken bis an die Grenzen des Vaterlandes reichende urgesunde Monumentalkunst anwachsen
zu lassen, wie sie sich nun in Düsseldorf, anknüpfend an die ersten, durch Schadows und Moslers
Initiative energisch wiedererweckten Anfänge der Comelianischen Schule, folgerichtig und constant
entwickelte, um unter dem sicheren Schutz des Kunstvereins, zum Theil in directem Auftrag
desselben, eine Reihe der hervorragendsten Schöpfungen entstehen zu lassen, welche die gesammte
deutsche Kunst überhaupt hervorgebracht hat.
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Es wird sich im Verlauf der Darstellung Gelegenheit finden, die Thätigkeit des Kunstvereins
nach dieser Seite hin des Näheren zu würdigen.
Die nächste Folgeerscheinung für das Düsseldorfer Kunstleben, welche aus dieser Gründung
hervorging, war die Einrichtung der jährlichen Ausstellung des Kunstvereins, aus welcher die zur
Verloosung bestimmten Gemälde ausgewählt werden sollten, die aber gleichzeitig Gelegenheit gab,
sowohl für die Künstler selbst, als auch für die fremden Besucher, sich die Errungenschaften des
Jahres geschlossen vor Augen zu führen. In diesem Sinne haben die Ausstellungen des Kunst-
vereins, die bis zum Brande 1872 im grofsen Saale der alten Akademie stattfanden, dann für kurze
Zeit in dem allerdings nicht sehr günstigen Galeriesaale der städtischen Tonhalle, um dann nach
Vollendung der städtischen Kunsthalle in die Räume derselben verlegt zu werden, für lange Zeit
hinaus den Mittelpunkt des künstlerischen Lebens in Düsseldorf gebildet. In jenen ersten Jahr-
zehnten waren sie ohne Zweifel für die aufstrebende Schule von gröfster Bedeutung. Hier traten zum
erstenmal jene Kunstwerke ans Licht, die ihren Siegeslauf durch ganz Deutschland nehmen und
die an der Hand der gestochenen Reproductionen. die auch wieder meist der Kunstverein besorgte,
eine dauernde Popularität erlangen sollten, wie sie in der Hochfluth des heutigen Kunstschaffens
nur sehr wenig Bildern mehr beschieden ist, eine Popularität, die sich ihre Lebensdauer bis in
unsere heutige Generation trotz aller Wandlungen, trotz aller Opposition bewahrt hat. Und man
mag über jene Werke denken, wie man will, gerade ihre aufserordentliche Beliebtheit in allen
Kreisen zeigt und beweist, dafs auch sie den Besten ihrer Zeit genug gethan und sich damit
das Recht erworben haben, für alle Zeit zu leben.
Natürlich ist die Bedeutung und die directe Kunstförderung des Kunstvereins mit der blofsen
Veranstaltung der Ausstellungen und mit der Unterstützung und Pflege der Monumentalkunst, für
die er etwa ein Viertel seiner Einkünfte aufwandte, nicht erschöpft. Auf den alljährlichen Ausstel-
lungen erwarb er von Anfang an eine, mit der Zahl seiner Mitglieder stets wachsende Zahl von
gröfseren und kleineren Staffeleibildern, unterstützte damit nicht nur die jüngeren und auch älteren
Künstler, sondern gab zahllosen Privaten Gelegenheit, in den Besitz von wirklichen Kunstwerken
zu kommen, damit das Interesse und das Verständnifs für die Malerei in weiteste Kreise tragend.
Im Laufe des nun abgeschlossenen Jahrhunderts wurden auf diese Weise mehrere Tausend Oel-
gemälde, Aquarelle und Zeichnungen erworben und an Museen und Private vertheilt bezw. ver-
loost. Würde man alle diese Werke heute vereinigen können, so würde daraus ein Museum der
Düsseldorfer Malerei entstehen, wie es grofsartiger nicht gedacht werden kann.
Sehr grofs ist auch die Bedeutung des Kunstvereins für die Kupferstecherkunst geworden, von
der man wohl sagen kann, dafs sie in Düsseldorf hauptsächlich durch ihn gestützt und grofsen
Aufgaben erhalten worden ist. Im Auftrag des Kunstvereins wurden als Prämienblätter im XIX.
Jahrhundert fast 100 Lithographien und Kupferstiche angefertigt und herausgegeben, darunter
Blätter allerersten Ranges, wie vor Allem die ,,Disputa" von Keller. Man mufs zu einer gerechten
W^ürdigung des Verdienstes, den diese Stiche hatten und noch haben, bedenken, dafs von der
ungeheueren Verbreitung von mechanischen Reproductionen, wie wir sie heute, keineswegs immer
zum Besten einer gesunden Volkserziehung besitzen, damals noch keine Rede war. Erst seit den
70er Jahren entwickelte sich die Photographie nach Originalgemälden. Das moderne Gliche bringt
so viel Mittelmäfsiges und Schlechtes in Umlauf, dafs es den Werth eines künstlerisch ausgeführten
Stiches nicht herunterzusetzen vermag.
Bei der kurzen Erwähnung der Düsseldorfer Kupferstecherkunst wird sich Gelegenheit finden,
darauf hinzuweisen, in welchem Mafse die einzelnen Künstler vom Kunstverein für die Rheinlande
und Westfalen mit Aufträgen bedacht und damit in ihrer Production unterstützt worden sind.
Es kann unter diesen Verhältnissen nicht Wunder nehmen, dafs die hervorragendsten Geister
Düsseldorfs unter den Beamten, Künstlern und Kaufleuten es sich stets zur Ehre gerechnet haben,
dem Vereine als Vorstands- und Verwaltungsrathsmitglieder ihre Hülfe und Mitarbeiterschaft an-
gedeihen zu lassen, wie die Liste der Mitglieder nicht nur aus den benachbarten Provinzen,
sondern aus der ganzen W^elt hervorragende Namen aus allen Ständen aufweist.
Was der Kunstverein während der 71 Jahre seines Bestehens (1829 — 1900) geleistet hat. das
ergiebt sich am besten aus einigen wenigen Zahlen, die seinem Jahresbericht für 1900 ent-
nommen sind.
Hiernach betrug die Zahl seiner Mitglieder bezw. die der Actien 8105. Für Kunstwerke zu
öffentlicher Bestimmung wurden 887 020 Mark ausgegeben, für den Ankauf zur Verloosung
2 047 300 Mark, für die Vereinsblätter, welche fast die Zahl 100 erreichen, 1 263 614 Mark.
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Die zu öffentlichen Zwecken gestifteten und geförderten Kunstwerke mögen auch an dieser
Stelle noch einmal einzeln angeführt sein, da sie auch eine Uebersicht gewähren über die Aus-
breitung des Gebiets, dem der Kunstverein seine Unterstützung angedeihen läfst:
1. In die St. Moritzkirche zu Halberstadt: „Christus und Petras auf dem Wasser", Oelgemälde von Götting. 1832.
2. In das städtische Museum zu Köln: ,, Hebräer im Exile", Oelgemälde von Bendemann.
3. In die evangelische Kirche zu Arnsberg: „Christi Auferstehung", Altargemälde von Deger.
4. In die Pfarrkirche zu Königssteele: „Anbetung der Hirten", Oelgemälde von Zimmermann.
5. In die Aloysiuskapelle der Andreaskirche zu Düsseldorf: ,,Die hl. Jungfrau mit dem Christuskind auf Wolken,
unten David, Johannes der Täufer und der hl. Aloysius", al fresco, von Mücke.
6. In das städtische Museum zu Köln; ,, Löwenkampf", Oelgemälde von S. Meister.
7. In die Kirche zu Dülmen: „Christus im Schoosse der Maria", Oelgemälde von W. von Schadow.
8. In die Pfarrkirche zu Treis a. d. Mosel: „Der hl. Martinus als Bischof", Altargemälde von Götting.
9. In die Pfarrkirche zu Ehrenbreitstein: „Die Kreuzerflndung", Altargemälde al fresco, von Settegast.
10 — II. In die Andreaskirche zu Düsseldorf: „Christus an der Säule", Altargemälde von J. Hübner; „Die Himmels-
königin mit dem Jesuskinde". Altargemälde von Deger.
12. Zur Erneuerung des Altars in der Kirche der barmherzigen Schwestern zu Coblenz bei Aufstellung des vom
Direktor W. von Schadow geschenkten Altargemäldes ,,Die Himmelskönigin" ein Beitrag.
13. Zur Stiftung des Bildes: ,,Die letzten syrischen Christen", von Stilke, in das Stadt-Museum zu Königsberg i. Pr.,
ein Zuschuss.
14. In die kathoHsche Kirche zu Wald, Kreis SoUngen: , .Maria auf dem Throne, umgeben von den Engeln", Altar-
getnälde von Hermann.
15. In die katholische Kirche zu Bockhorst, Kreis Halle, Regierungsbezirk Minden: „Christus den Kelch segnend"
Altargemälde von Schall.
16 — 20. In den Galeriesaal zu Düsseldorf: ,,Tasso und die beiden Leonoren", Oelgemälde von Sohn; „Italienische
Waldlandschaft", Oelgemälde von Professor Schirmer. 1841; Landschaft ,,Hardanger Fjord im Bergerstifte von Norwegen",
Oelgemälde von Andr. Achenbach; „Hagar und Ismael", Oelgemälde von Köhler; „Haugianer norwegische Sekttrer", Oel-
gemälde von Tidemand.
21 — 24. In den Kaisersaal im Römer zu Frankfurt a. M. : Bild Kaiser Conrads U., von Lorenz Clasen; Bild Kaiser
Heinrichs IV., von Otto Mengelberg; Bild Kaiser Heinrichs V., von P. J. Kiederich; Bild Kaiser Heinrichs III,, von Stilke.
25. Für die antike Glasmalerei in der St. Cunibertskirche zu Köln durch die Maler Fay und Mengelberg, ein Beitrag.
z6. In die Apostelnkirche zu Köln: ,.Der hl. Michael", Altarbild von Mengelberg.
27 — 28. In die katholische Kirche zu Rellinghausen, Kreis Duisburg: ,,Die Himmelskönigin", Altargemälde von Schall;
„Der hl. Petrus", Altargemälde von Karl Clasen.
29. Für das Altarflügelbild in der Kirche des Hospitals zu Cues, Christi Dornenkrönung, Kreuzigung und Grablegung
darstellend, durch Busen, ein Beitrag.
30. In die evangeUsche Kirche zu Lennep : ..Christus mit den Jüngern zu Emmaus", Oelgemälde von Zimmermann.
31. Hersendung, Einrahmung und Aufstellung der Rambouxschen Aquarellensammlung.
32. In die Rambouxsche Aquarellensammlung zu Düsseldorf: ..Verkündigung Maria", Zeichnung nach Fiesole von
Karl Müller.
33. In die Pfarrkirche Unserer lieben Frauen zu Coblenz: ein Crucifix in Stein, von Bildhauer Jacob Schorb in Paris.
34. Zur Ausführung der Frescomalereien in der Kirche zu Weissenthurm durch den Maler Gassen ein Beitrag.
35. Die Ausführung der Frescomalereien im Rathhaussaale zu Elberfeld.
36. In die Dominikanerkirche zu Aachen: „Himmelfahrt Maria", Altargemälde von W. von Schadow.
37. In die Maximilians - Pfarrkirche zu Düsseldorf: ,,Die Kreuzigung Christi", Altargemälde nebst Seitengemäldcn
al fresco von Joseph Settegast.
38. In die katholische Kirche zu Königsberg in Pr. : ,,Der Heiland am Kreuze im Beisein der Jungfrau Maria und
des Evangelisten Johannes", Altargemälde von Fr. Ittenbach.
39 — 46. In den grossen Rathhaussaal zu Aachen: ,, Auffindung der Leiche Karls des Grossen", Frescogemälde von
Alfred Rethel; ,,Der Sturz der Irmensäule", Frescogemälde von demselben; ,.Die Schlacht bei Corduba". Frescogemälde
von demselben; ,,Die Eroberung Pavias im Jahre 774", Frescogemälde von demselben; ..Die Taufe Wittekinds und
Alboins", Frescogemälde von Jos. Kehren nach der A. Retheischen Composition; ,,Die Krönung Karls des Grossen in
St. Peter in Rom", Frescogemälde von demselben, nach der A. Retheischen Composition; ..Die Erbauung des Aachener
Münsters", Frescogemälde von demselben, nach der A. Retheischen Composition; ,, Abschied Karls und Krönung Ludwigs",
Frescogemälde von demselben, nach der A. Retheischen Composition.
47. In die Gamisonkirche zu Düsseldorf: „Die Taufe Christi", Altargemälde von Ittenbach.
48. In die katholische Kirche zu Altena in der Grafschaft Mark: „Die Mutter Gottes mit dem Jesuskinde", Altar-
gemälde von Karl Müller.
49. In die katholische Kirche zu Allendorf, Kreis Arnsberg: ,.Die hl. Agatha", Altargemälde von F. Ittenbach.
50. In das Fussgestell des Hochkreuzes auf dem alten Kirchhofe zu Düsseldorf: ,,Die hl. Jungfrau als schmerzensreiche
Mutter des Heilandes", Statuette von Jul. Bayerle.
51. Für die Herstellung der Flügel an dem in der Münsterkirche zu Essen befindlichen Altargemälde von de Bruyn,
durch Busen, ein Beitrag.
52. In die katholische Kirche zu Glottau bei Gutstadt in Ostpreussen: „Christus und die beiden Jünger zu Emmaus",
Altargemälde von Kehren.
53. In die an der Haupt-Fa(jade des Münsters zu Neuss befindlichen Nischen: „Die Apostel Petrus und Paulus",
Standbilder von Bayerle.
54. In die katholische Kirche zu Altenkirchen, Regierungsbezirk Coblenz: „Der Heiland als Pastor bonus", Altar-
gemälde von Kehren.
55. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: , .Jesus und die Jünger auf dem Meere", Oelgemälde von
Wilh. Sohn.
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56. In den Dom zu Köln: „Die Himmelfahrt der hl. Jungfrau", Oelgemälde von Fr. Overbeck in Rom.
57. In die evangelische Friedenskirche zu Jauer: „Christus am Oelberge", Oelgemälde von Wilh. Sohn.
58. In die katholische Kirche zu Winningen an der Mosel: „Die unbefleckte Empfängnis der Jungfrau Maria"
Oelgemälde von Wilh. Sohn.
59. In die katholische Kirche zu Derendorf: „Die hl. Barbara", Standbild in Holz, von Bayerle.
60. In die St. Rochus-Kapelle zu Pempelfort: ,, Grablegung Christi", Oelgemälde von Budde.
61. Für den Herstellungsbau des Doms zu Speyer ein Beitrag.
62. Für den Herstellungsbau des Doms zu Worms ein Beitrag.
63. Bei der katholischen Kirche zu Veert im Kreise Geldern ein Calvarienberg, ausgeführt von den Bildhauern
Bayerle und Meinardus.
64. In die evangelische Kirche zu Oppeln : ,, Christus am Oelberge", Oelgemälde von Otto Rethel.
65. In die Lehrhalle der Diakonissen-Anstalt zu Kaiserswerth : ,,Der sitzende Heiland, nach dessen Schoosse eine
weisse Taube fliegt", "Wandgemälde von Risse.
66. In die neue katholische Kirche zu Marienwerder: ,, Evangelist Johannes", ,, Himmelfahrt Maria" und ,, Christus als
guter Hirt", Oelgemälde von Boeker, Roegels und Budde.
67 — 68. In die Muttergottes-Kapelle in der St. Remigius-Pfarrkirche zu Bonn: „Die Mutter Gottes mit zwei Seiten-
figuren, nämlich dem hl. Ludwig von Toledo und dem hl. Remigius", Oelgemälde von F. Ittenbach; ,,Der hl. Franz von
Assisi und der hl. Hieronymus und die hl. Clara", zwei Oelgemälde, Seitenflügel zu vorgedachtem Bilde, von F. Ittenbach.
69. In die evangelische Kirche zu Bolkenhain in Schlesien: ,,Der auferstandene Heiland", Oelgemälde von Bertling.
70. In die Grotte der Geburt des Heilandes zu Bethlehem: „Der hl. Joseph, indem ihm im Schlafe ein Engel
erscheint, der ihn zur Flucht nach Aegypten mahnt", Oelgemälde von Budde.
71. In die Maximilians-Pfarrkirche zu Düsseldorf die Heiligen: Maximilian, Franziskus, Antonius von Padua und
Joseph, Statuetten in Sandstein von Bayerle und Kappenberg.
72. In die evangelische Kirche zu Hirschberg in Schlesien: „Christus am Oelberge", Oelgemälde von Otto Mengelberg.
73. In die katholische Kirche zu Werden: ,,Die hl. Maria, zu deren Seiten die Heiligen Benedictus und Ludgerus
knieen", Oelgemälde von Mintrop. 1860.
74 — 75. In die katholische Kirche zu Heiligenthal im Kreise Heilsberg: ,,Die beiden Heiligen Cosmas und Damian",
Oelgemälde von Fr. Geselschap; ,,Die Himmelfahrt Maria", Oelgemälde von F. Ittenbach.
76. In die katholische Kirche zu Tilsit: ,,Die Himmelfahrt Maria", Oelgemälde von W. Trellenkamp.
77. In die neue evangelische Kirche zu Herzkamp, Diözese Hattingen i. Westf. : ,,Ecce homo", Oelgemälde von Otto
Mengelberg.
78. In die evangelische Kirche zu Zippnow: ,, Segnender Christus", Oelgemälde von Otto Rethel.
79. In das neue Kreisgerichts-Gebäude zu Naumburg a. d. S.: ,,Der Tod Abels", Oelgemälde von Akademie-Director
E. Bendemann.
80. In die evangelische Kirche zu Gütersloh: ,,Die Auferstehung des Heilandes und die Evangelisten Matthäus,
Markus, Lukas und Johannes", drei Oelgemälde von Otto Mengelberg.
81. In die evangelische Kirche der Arbeitsanstalt zu Brauweiler: ,,Die Auferstehung des Heilandes", Oelgemälde von
Professor Deger.
82. In die katholische Kirche zu Schwelm: ,,Salvator mundi", Oelgemälde von Professor Deger.
83. In die Aula der Realschule zu Düsseldorf: Wandgemälde von Akademie-Director Bendemann.
84. In den Rathhaussaal zu Münster i. W.: Zwölf Porträtbilder, nämlich: ,, Kaiser Heinrich III. und Bischof Ludgerus",
gemalt von F. Tüshaus in Münster; ,, Bischof Ludgerus und Bürgermeister Niessing", von D. Mosler in Münster; ,, Rudolf
von Langen und Gottfried von Raesfeld", von G. Stever in Düsseldorf; ,, Hermann Heerde und Bischof Johann von Hoja",
von Professor Adolf Schmitz in Düsseldorf; ,, Minister von Fürstenberg, von Stein und Clemens August von Droste-
Vischering", von Professor Clemens Bewer in Düsseldorf; ,, Bernhard Overberg", von Professor Roajing in Düsseldorf.
85. In die evangelische Kirche zu Werdohl: Altarbild ,,Die Auferstehung Christi", gemalt von Bertling in Düsseldorf.
86. In die neuerbaute Kirche zu Gross-Lassowitz: ,, Christus am Oelberge", gemalt von Trellenkamp in Düsseldorf.
87. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: ,, Maria mit dem Christuskinde", Oelgemälde von Th. Mintrop.
88. Beitrag zur Erwerbung des Oelgemäldes von A. Baur „Christliche Märtyrer bei römischen Volksfesten" für die
städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf.
89. Beitrag zum Schadow-Denkmal auf dem Schadowplatz zu Düsseldorf,
go. Beitrag zum Cornelius-Denkmal zu Düsseldorf Mark 15000.
91. In den Rathhaussaal zu Krefeld: Wandgemälde von P. Janssen.
92. Beitrag zur Erneuerung des Wandgemäldes ,, Christus mit der Taube" in die Lehrhalle der Diakonissen-Anstalt
zu Kaiserswerth durch Robert Risse.
93. Beitrag für die Glasmalereien in der St. Gertrudkirche zu Essen.
94. Beitrag zum Ankaufe des Professor Bewerschen Gemäldes „Herodias' Tochter" für die städtische Galerie zu
Düsseldorf.
95. Beitrag zu den Kosten einer Marmorbüste Carl Schnaases für das Museum zu Berlin.
96. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: ,,Nach dem Kampfe". Oelgemälde von Chr. Kroener.
97. Beitrag für das Altarbill ,,St. Joseph" in der katholischen Pfarrkirche zu Zyfflich, gemalt von Prof. Andr. Müller.
98. Bühnenvorhang für das Stadttheater zu Düsseldorf, gemalt von Ernst Hartmann.
99. In den Rathhaussaal zu Wesel: ,, Wesel wird von den Holländern unter Johann van Gent und durch den
Beistand der Bürger überrumpelt und von der Herrschaft der Spanier befreit" (ig. August 1629). Oelgemälde von J. Schex.
100. Beitrag zu dem Kriegerdenkmal zu Neuss,
loi. Beitrag zum Mercator-Denkmal zu Duisburg.
102. Beitrag für die Glasmalereien in der Christuskirche zu Bochum.
103. Beitrag zur Nike in Bronze zu dem Kriegerdenkmal in Bielefeld.
104. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: ,,Götz von Berlichingen", Oelgemälde von B. Knüpfer in München.
105. In das Museum Wallraf-Richartz zu Köln: ,,Aus der Sage Wieland der Schmied", Oelgemälde von M. Grönwold
in München.
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io6. In die Gemälde-Galerie des Kunst- Vereins zu Barmen: „Otto I. an der Leiche seines Bruders Thankmar", Oel-
gemälde von Professor A. Baur.
107. In die Gemälde-Galerie des Westfälischen Provinzial- Vereins für Wissenschaft und Kunst zu Münster: „Lavoisiers
Verhaftung", Oelgemälde von L. von Langenmantel in München.
108— m. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: „Scene aus dem Bauernkriege", Oelgemälde von Fritz Neuhaus.
1880; „Zur Untersuchung". Oelgemälde von Ed. Schulz-Briesen ; „Aegyptischer Harem", Oelgemälde von Ad. Seel; „Nach
durchwachter Nacht", Oelgemälde von Professor R. Jordan.
112. Medaillon-Bild in Bronze Sr. Majestät des Kaisers für das Siegesdenkmal zu Süchteln.
113. Beitrag für die Errichtung des Goeben-Denkraals zu Coblenz Mark 5000.
114. Beitrag für den Fries im Gürzenichsaale zu Köln, den historischen Festzug vom 16. Oktober 1880 darstellend,
Mark 10 000.
ns. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: „Marine bei Mondschein", Oelgemälde von Professor Dr. A.
Achenbach (zum Gedächtniss an dessen sojähriges Künstler-Jubiläum).
116. In die katholische Kirche St. Castor zu Coblenz ein Wandgemälde al fresco von J. Settegast.
117. In die Gemälde-Galerie des Museum- Vereins zu Krefeld: „Tod des Grafen Ernst zu Mansfeld", Oelgemälde von
R. Forell.
n8. In die katholische Kirche zu Schmallenberg ein AltarbUd, gemalt von L. Feldmann,
ng. In die evangelische Kirche zu Neuenahr ein Altarbild, gemalt von E. Kaempffer.
120. Bühnenvorhang für das Stadttheater zu Krefeld, gemalt von W. Simmler.
121. Beitrag für die Restaurirung der Wandgemälde in der ehemaligen Abteikirche zu Knechtsteden.
122. Beitrag für die Errichtung eines Denkmals weiland Sr. Königl. Hoheit des Fürsten Carl Anton von Hohenzollern
in der Stadt Sigmaringen Mark 5000.
123. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: , .Engelständchen", Zeichnung von Theod. Mintrop.
124. In die katholische Kirche zu Ehrenbreitstein ein Altarbild, gemalt von L. Feldmann.
125. In den Stadtrathsaed zu M. -Gladbach: Wandgemälde von Fr. Klein-Chevalier.
126. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: „Märkische Frau", Oelgemälde von E. Schwabe.
127. Bühnenvorhang für das Stadttheater zu Elberfeld, gemalt von Fritz Roeber.
128. Beitrag für die Errichtung eines Kriegerdenkmals zu Düsseldorf Mark 7500.
129. Beitrag zum Ankauf des Gemäldes von H. Deiters' ..Westfälische Haide" für die Sammlungen des Westfahschen
Provinzial-Museums zu Münster.
130. Beitrag zu den Kosten für Errichtung der Figurengruppe des Vater Rhein und seiner Nebenflüsse vor dem
Provinzial-Ständehause der Rheinprovinz Mark 40 000.
131. In die Gemälde-Galerie des Kunstvereins zu Barmen: „Hamburger Hafen", Oelgemälde von Becker und Wendung.
132 — 133. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: ,,Ein Sänger am Rhein", Oelgemälde von Gerhard Janssen,
und „Die Wasserschöpferin", Bronzestatuette von J. Götz.
134. Für Ausmalung des Chores der Liebfrauenkirche zu Trier durch die Maler Döringer und Erich als Beitrag
Mark 10 000.
135. Für die Ausschmückung des Düsseldorfer Rathhaussaales mit Wandgemälden ein Beitrag von Mark 30 000.
136. In das Museum zu Krefeld: ,,Aus dem Mühlthal bei Wernigerode", Oelgemälde von Carl Irmer.
137. In die städtische Gemälde-Galerie zu Düsseldorf: „Tischgebet", Oelgemälde von H. Nordenberg.
138. In das städtische Suermondt-Museum zu Aachen: ,, Herbstmorgen im Reichswald". Aquarell von Prof. Chr. Kröner.
139. Für das von Professor Fritz Neuhaus hergestellte Wandgemälde „Apotheose" im Rathhaussaale zu Bochum
ein Beitrag von Mark 9000.
140. In das Museum zu Krefeld; ,, Landschaft am Oberrhein", Oelgemälde von C. L. Fahrbach.
141. Für die malerische Ausschmückung der Aula des Akademiegebäudes zu Münster durch Professor Fritz Roeber
ein Beitrag von Mark 18 000.
142. In das Museum zu Krefeld: ,, Grablegung Christi", Oelgemälde von Professor Julius Roeting.
143. Für die Herstellung von Wandgemälden im Sitzungssaale des Kreishauses zu Burtscheid-Aachen durch Professor
Arthur Kampf Mark 10 000.
144. Für Herstellung eines 'Wandgemäldes in der Aula des Realgymnasiums zu Duisburg durch den Maler Ludwig
Keller ein Beitrag von Mark 6000.
145. In die evangelische Kirche zu Saargemünd ,, Auferstehung", Oelgemälde von Willy von Beckerath.
146. Ausmalung des Rittersaales im Schlosse Burg a. d. Wupper durch Professor Claus Meyer Mark 50 000.
147. Für die malerische Ausschmückung des Sitzungssaales im Kreishause zu Cleve ein Beitrag.
148. Zu den Denkmälern Carl Immermanns und Felix Mendelssohn-Bartholdys in Düsseldorf ein Beitrag.
149. Für ein Wandgemälde in der Aula des Gymnasiums zu Moers ein Beitrag.
150. Für das Giebelfeld über dem Hauptportale des neuen Kunstausstellungsgebäudes in Düsseldorf ein Kunstwerk
in Stein von Carl Heinz Müller.
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EDUARD BENDEMANN
Bildnis des Akademiedirectors Wilhelm Scbadow
V. Kapitel
Schadow und seine Schule
AST unwidersprochen war jahrzehntelang der Ruhm, den die Bilder der Schadowschule
der Düsseldorfer Malerei selbst in dem kritischen und eifersüchtigen Berlin und an
anderen Orten errangen. In dem „Berliner Kunstblatt", das die eingehendsten und
günstigsten Berichte über Düsseldorf und die Schadowschule brachte, ist der directe
Einflufs Schadows unverkennbar, wie es auch den richtunggebenden Aufsatz von
Schadow selbst: „Meine Gedanken über eine folgerichtige Ausbildung des Malers" abdruckte.
Aber noch 1839 schrieb z. B. die „Hannoversche Zeitung" über eine Ausstellung Düsseldorfer
Bilder u. A. : ,,Die übrigen uns neuen" (vorher waren Köhlers „Poesie" und Müllers ,, Tobias" er-
wähnt worden) „aber geben unserer Ansicht nach den wiederholten Beweis, dafs Düsseldorf
als Kunstschule den übrigen deutschen Akademien bei weitem voranstehe und dafs für einen
jungen Künstler dieses der rechte Ort zu tüchtiger und gediegener Ausbildung sei. — Mit jeder
neuen Ausstellung sehen wir ein neues Talent von dorther auftauchen, und wenn auch nicht
geleugnet werden kann, dafs eine gewisse Gleichartigkeit alle von dorther kommenden Werke als
Werke einer Schule charakterisirt und erkenntlich macht, so ist doch auch andererseits nicht zu
leugnen, dafs diese Gleichartigkeit auf einer sichern und festen, im tiefsten Wesen der Kunst ge-
gründeten Basis ruhe, deren malerischer Werth nie in Abrede gestellt werden kann." Aus Aachen
schrieb man von einer Ausstellung im selben Jahre: ,,Das Beste brachten die Düsseldorfer." Aus
Berlin wurde bei Gelegenheit einer internationalen Ausstellung geschrieben: „Wenn die Düssel-
dorfer Maler fortfahren sollten, wie diesmal ihre Werke der Ausstellung zu entziehen, so würde
dies Verfahren den Ausstellungen erheblichen Nachtheil bringen" u. s. w. u. s. w.
Betrachtet man das Schaffen selbst, so ist in der That schon die Schnelligkeit erstaunlich,
mit der ganz junge Leute eine Stufe der Meisterschaft erlangten, die auch heute noch, wenn nicht
mehr jene höchste Bewunderung, so doch alle Anerkennung abnöthigt. Schadow selbst, der trotz
seiner vielfachen Amtsgeschäfte, trotz der von ihm gepflegten ausgebreiteten Geselligkeit, fleifsig
malte, war allerdings schon als fertiger Künstler nach Düsseldorf gekommen, aber selbst eine
wohlwollende Beurtheilung stellte ihn hier bald schon nicht mehr an die erste Stelle. So schreibt
sein Freund Immermann schon, er finde „das Hauptverdienst Schadows in seiner Thätigkeit als
Organisator der Schule, als Lehrer und Diplomat", und gerade er ist es, der den Beginn einer
gewissen Einseitigkeit und Starrheit in Schadows Beurtheilung seiner Schüler schon in verhältnifs-
mäfsig früher Zeit, nach der italienischen Reise von 1830, constatiren zu können glaubt, die Andere
freilich erst zehn Jahre später beobachten wollten. Dabei war Schadows Productivität keine ge-
ringe. Neben den Bildnissen, die allerdings bis auf wenige Ausnahmen der Oeffentlichkeit ent-
zogen sind, besitzen zahlreiche Kirchen, Museen und öffentliche Anstalten gröfsere und kleinere
Arbeiten seiner Hand.
Er hielt in seinen Werken an den Grundsätzen fest, die sich in ihm schon in Rom ent-
wickelt hatten. Das religiöse Motiv stand bei ihm in erster Linie als die Basis einer jeden
Kunstäufserung, aber nicht lediglich als Kirchenbild, sondern in einer Auffassung, die er im
Gegensatz zu den Klosterbrüdern und den späteren Heiligenmalern seiner eigenen Schule für eine
naturalistische hielt, die man später, eigentlich nur infolge der gleichzeitigen Strömungen, mit
dem nicht immer klar umschriebenen Begriff die ,, romantische" zu nennen sich gewöhnt hat.
In Rom war Schadow an den Fresken der Casa Bartholdy betheiligt gewesen. Die Bilder
„Josephs blutiger Rock" und ,, Joseph im Gefängnifs" sind von ihm. In Berlin malte er im
73
Opernhause die Prosceniumdecoration, ein Bacchanal darstellend in Oelfarben, um dann in Düssel-
dorf sich fast ausschliefslich auf StafTeleibilder zu beschränken, die zum Theil allerdings zu Altar-
bildern oder dergleichen bestimmt waren. So malte er 1829 für die Werdersche Kirche in Berlin
die vier Evangelisten, zu denen die Cartons auf der Düsseldorfer Akademie erhalten sind.
Auf der ersten von Düsseldorf aus unternommenen italienischen Reise entstanden einige
Studienköpfe, und nach seiner Rückkehr ein , .Christus am Oelberg" für die Marktkirche in
Hannover 1832, ,, Christus und die Jünger in Emmaus", und im Auftrage des Kunstvereins 1836
für die Andreaskirche in Düsseldorf ,, Christus im Schofse der Maria". Eine schwere und lang-
wierige Krankheit, die mannigfachen Erregungen, die sein Amt mit sich brachte, unterbrachen
seine künstlerische Thätigkeit für einige Jahre, bis dann 1842 das in Rom begonnene Bild
,,Pietas und Vanitas" vollendet wurde, dem im selben Jahre eine , .Herodias" und im folgenden
Jahre das grofse in Frankfurt befindliche Bild ,,Die klugen und thörichten Jungfrauen" folgte. Eine
,, Himmelskönigin" hatte er schon vorher der Kirche der barmherzigen Schwestern in Coblenz
geschenkt, und der Kunstverein hatte den Altar, für den das Bild bestimmt war, erneuern lassen.
Für die Klosterkirche auf der Brede bei Brakel in Westfalen entstand eine ,,H1. Jungfrau" und
1845 wiederum im Auftrag des Kunstvereins für die Dominikanerkirche in Aachen eine ,, Himmel-
fahrt". Sein letztes und gröfstes Werk, das er für den König Friedrich Wilhelm IV. schuf, be-
findet sich als Geschenk des Königs in Düsseldorf und zwar im Schwurgerichtssaal des Land-
gerichtes. Es stellt in drei grofsen Gemälden , .Paradies", ,, Fegefeuer" und ,, Hölle" dar, und ist
gewissermafsen das religiöse und künstlerische Testament Schadows, das er übrigens nebenher
auch in einem gewissermafsen den Commentar zu dem dreitheiligen Bilde vorstellenden Gedicht
niedergelegt hat: ,, Vision eines Malers im Jahre 1848". Die Compositionen der drei Bilder sind
einfach und verständlich bis auf die kleinen grau in grau gemalten Predellen, in denen der
Symbolismus zuweilen nicht ohne weiteres klar ist. — Schadow war 1789 in Berlin geboren
und starb 1862 in Düsseldorf.
Ihm in vieler Hinsicht am nächsten verwandt ist sein Schüler Rudolph Julius Benno
Hübner, geboren 1806 zu Oels in Schlesien, und mit Schadow, dessen Schüler er 1823 geworden
war, nach Düsseldorf übergesiedelt. Vielseitiger und auch weicher als Schadow, zeigt doch
auch er das Vorwiegen der Reflexion, des verstandesmäfsigen Schaffens, besonders in seinen
religiösen Bildern, in denen er, obwohl Protestant, nicht vermochte, sich von dem Banne
der Schule freizumachen. Es kam kaum zu einem Compromifs zwischen ihr und seiner ab-
weichenden religiösen Ueberzeugung. Uebrigens malte Hübner mehr noch als Schadow unter dem
Einflufs der Tieckschen Romantik und Uhlandschen Lyrik im Anfange Bilder nicht religiösen,
sondern eben rein poetischen Charakters. So 1828 den ,, Fischer" nach Goethes Ballade und gleich
darauf „Roland befreit die Prinzessin Isabella von Galizien aus der Räuberhöhle" nach Ariost, das
Prinz Friedrich von Preufsen erwarb. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Rom nach
Düsseldorf zurückgekehrt, malte er dann seine verschiedenen biblischen Bilder, vor allem ein
Altarblatt für die Kirche in Meseritz und das am meisten geschätzte: ,,Hiob und seine Freunde".
Im Auftrage des Kunstvereins entstand im Jahre 1836 ein „Ecce homo" für die Andreaskirche
in Düsseldorf. Julius Hübner gehörte mit Bendemann zu den Ersten, welche die Errungenschaften
der Düsseldorfer Schule nach auswärts trugen. Er wurde 1839 nach Dresden an die Akademie
berufen, wohin ihm ein Jahr vorher Bendemann schon vorausgegangen war. Beide übten einen
entscheidenden Einflufs auf das dortige Kunstleben aus, wobei Hübner seine vielseitige Bildung,
die ihn als Künstler eher gestört als gefördert hatte, zu statten kam. Er wurde Professor und
später Director der berühmten Gemäldegalerie. Auch als Dichter hat sich Hübner versucht und
folgte auch damit dem Beispiel seines Lehrers Schadow und dem Zuge der Zeit.
Eine gewisse Aehnlichkeit der Kunstauffassung sowohl, wie des rein äufserlichen Lebens-
ganges verbindet Hübner mit Eduard Bendemann, der, wenige Jahre jünger als Hübner (er
war 1811 in Berlin geboren), kurz nach diesem, nämlich 1828, in die Schadowschule eintrat, bald
sich dem ihm geistesverwandten Genossen anschlofs und ihn auch nach Dresden, wohin
er Ende der 30 er Jahre berufen wurde, nachzog. Allerdings kam Bendemann 20 Jahre später
nach Düsseldorf zurück, wo er nach Schadows Rücktritt zum Director der Akademie berufen
wurde und dann noch einen gewissen Einflufs als Lehrer ausübte. In die Zeit seines ersten
Düsseldorfer Aufenthaltes fallen aber diejenigen Werke, die für den Künstler sowohl, wie für die
Zeit gleichermafsen wichtig waren, und vielleicht noch mehr, als die seiner Alters- und Studien-
genossen, der Düsseldorfer Kunst ihren eigenthümlichen Stempel aufprägten. Bendemann ist so
recht eigentlich der Vater jener weichlichen Sentimentalität, der sich kaum einer der damaligen
75
Maler entzogen hat, die aber Bendemanns weicher Natur entsprach und somit bei ihm die
markantesten 'Werke dieser Richtung entstehen Hess. Diese Mischung von Melancholie und
Süfslichkeit. die, wie bei Schadow, in dem jüdischen Ursprung Beider ihre physiologische Er-
klärung finden mag, die bei Schadow durch den vom Vater ererbten kritischen berliner Geist
einigermafsen in den Hintergrund gedrängt wurde, kam bei Bendemann zur vollsten Geltung.
Seine Malerei hat in dieser Beziehung viel Aehnlichkeit mit dem Schaffen zweier ihm stamm-
verwandten Künstler jener Zeit, mit der Dichtung Heines und der Musik Meyerbeers.
Die Unfähigkeit, wirkliche Tragik darzustellen, dafür ein grofses Geschick, an deren Stelle
allerlei Surrogate zu verwenden, ist ihnen Allen gemeinsam. Statt activer Leidenschaften finden
wir das Schwelgen in passiven Leiden, statt der künstlerischen Beherrschung und Verwendung
eines starken Gefühls das Spielen mit schwächlichen Gefühlen und als das nie versagende Mittel,
auf das Interesse des Hörers oder Beschauers zu wirken, eine eminente technische Gewandtheit,
die dem oberflächlich Geniefsenden den Mangel an innerer Wahrheit und Kraft verdecken mufs.
EDUARD BENDEMANN
Jeremias
Nach der Lithographie von Carl Wildt
Gerade jener feigen Zeit, der von Polizeiwegen jedes Aufsichselbstbesinnen, jede kraftvolle Aeufserung
in socialen und politischen Dingen untersagt war, mufste die sinnliche aber haltlose Lyrik Heines,
die lärmende aber hohle Musik Meyerbeers und die glänzende aber sentimentale Malerei Bendemanns
als das höchste Erreichbare von Kraft und Können erscheinen. So stellte Heine den grofsen
Olympier fast in Schatten, Meyerbeer verdrängte beinahe Beethoven, und der liebenswürdige, feine,
aber in Allem schwächliche, süfsliche und äufserliche Bendemann galt sogar allen Ernstes als der
Michel Angelo der Düsseldorfer Kunst.
Eine der ersten Arbeiten Bendemanns in Düsseldorf waren ,,Die trauernden Juden", ,,An
den Wassern von Babylon safsen wir und weineten, wenn wir an Zion gedachten", die im Jahre
1832 vollendet wurden und ein ganz ungewöhnliches Aufsehen machten. Der Kunstverein für die
Rheinlande und Westfalen kaufte das Bild für das Kölner Museum, wie dann später noch mehrere
seiner Bilder vom Kunstverein erworben und verloost wurden.
In diesem Bilde war für die ganze thränenreiche Stimmung der Totem geschaffen, zu dem
noch jahrelang die ganze Düsseldorfer Kunst betete, den selbst Bendemann nicht mehr über-
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trumpfen konnte, auch nicht in seinem ,,Jere-
mias auf den Trümmern von Jerusalem" 1836,
den der König kaufte. Aber an diese „trauernden
Juden" knüpfte später auch die Reaction an, als
sie die Caricatur der ..trauernden Lohgerber"
schuf, und auch das bekannte Verschen: „Da
Sassen sie und weinten und weinten immer
mehr, und ' als sie nicht mehr weinten, da
weinten sie nicht mehr" ist wohl eine Persiflage
des berühmten Bildes und der ganzen weiner-
lichen Stimmung, von der Schadow (nach Gurlitt)
selbst berichtet, dafs seine Schüler weinend in
den Ateliers ihre Bilder gemalt hätten.
Bendemann vollendete aufserdem in Düssel-
dorf noch eine Reihe von kleineren Gemälden,
die sich in derselben weichen, thatenlosen Stim-
mung bewegen. So gleich am Anfang „Boas und
Ruth", später ,,Die zwei Mädchen am Brunnen"
1833, ,,Die Töchter des Serbenfürsten" 1834, ,,Die
Ernte" 1835 und nach Uhlandschen Versen ,,Hirt
und Hirtin", die trotz ihrer Schwäche in Colorit
und Zeichnung wieder aufserordentliche Vereh-
rung fanden. Uneingeschränkte Anerkennung
wird man auch heute noch seinen Bildnissen
zollen, die er bis in sein Alter hinein malte.
So ist das noch 1861 gemalte Porträt des alten
Schadow (im Besitz der Akademie) eines seiner
besten. Aus früherer Zeit stammt das Bildnis
seiner Gattin.
Merkwürdigerweise zog es auch Bende-
mann trotz der Erfolge seiner StafTeleibilder zur
Frescomalerei. Er malte in Berlin im Hause seines Vaters ein Wandgemälde ..Der Brunnen der
Künste", eine echt romantische Composition, und folgte dann einem Ruf nach Dresden, wo er als
Professor an der Akademie angestellt wurde und den Auftrag erhielt, die Säle des königl. Schlosses
mit Frescobildern auszuschmücken. Ihm folgte dorthin als Gehülfe an diesen monumentalen Auf-
trägen der Maler Ehrhardt, der, seit 1832 in Düsseldorf ansässig, sich eng an Bendemann an-
geschlossen hatte, was schon sein erstes Bild ,,Die Tochter Jephtas" zeigte, das ebenfalls vom
Kunstverein erworben wurde.
Es wurde schon erwähnt, wie bei dem engen Zusammenarbeiten der Schadowschüler die Ideen
der Einzelnen immer sehr bald Gemeingut wurden. So wandte sich den alttestamentarischen
Motiven, die Bendemann mit so viel Glück behandelte, sehr bald auch ein anderer Freund Hübners
zu, der als Protestant ohnehin für den romantischen Reiz der Heiligengeschichten nicht so em-
pfänglich sein konnte.
Es war dies Christian Köhler, geboren 1809 in Werden in der Altmark. Er galt als Vertreter
der heroischen Richtung innerhalb der Schadowschule, der er bis 1855 ^'^ Inhaber eines Meister-
Ateliers angehörte. Dann wurde er Professor und Lehrer der Antikenklasse. Die Bezeichnung
heroisch für seine Malerei hat grofse Verwandtschaft mit der Benennung einer Theater-Primadonna
als Heroine, nicht nur wegen des auch bei ihm unverkennbaren theatralischen Zuges, sondern
wegen seiner besonderen Vorliebe für weibliche Figuren, die fast immer den Mittelpunkt und das
Hauptmotiv seiner Bilder ausmachen.
Auch seine weiblichen Porträts wurden hoch geschätzt. In seinen Bildern macht er ebenso-
wenig, wie seine Zeitgenossen auch nur den Versuch einer zeitlichen oder costümlichen Charakte-
risirung. Seine Modelle sind die üblichen und seine Costüme die sattsam bekannten, welche nicht
wenig zu der Gleichartigkeit der Düsseldorfer Bilder jener Zeit beigetragen haben. Die Zeit, wo
man das Costüm anfing nach den alten Denkmälern oder bei Compositionen aus späterer Zeit nach
den Werken der alten Meister zu studiren, war noch nicht gekommen, und es ist manchmal
räthselhaft, was auf den unvermeidlichen Studienreisen nach Italien und den Niederlanden eigentlich
EDUARD BENDEMANN
Bildnis der Frau Bendemann
80
studirt wurde, denn ein künstlerischer Einflufs ist meist noch weniger bemerkbar. Köhler selbst
war übrigens einer der sefshaftesten unter seinen Collegen, er war nicht einmal in Italien gewesen,
was sein Biograph Wiegmann als eine besondere Merkwürdigkeit erwähnt; ~ ein Beweis, wie
sehr diese italienische Reise zu den unentbehrlichen Requisiten der Schadowschule gehörte. Von
seinen ziemlich zahlreichen Bildern ist das bekannteste „Mirjams Lobgesang" 1836, dem ein
grofser Zug und der gelungene Ausdruck der religiösen Begeisterung nicht abzusprechen ist.
Die beiden Bilder „Mosis Aussetzung" und „Auffindung" interessiren noch heute, trotz der
glatten und süfslichen Malerei, durch eine gewisse Kraft der Farbe, welche auch die stark Rafael
nachempfundene ,, Poesie" 1838 aufzuweisen hat. „Die Auffindung Mosis" wurde 1835 für den Kunst-
verein lithographirt und
die ,, Poesie" 1841 von
Feising, ebenfalls als
Nietenblatt für den
Kunstverein gestochen.
Für die 1846 gestiftete
Galerie heimischer
Meister in Düsseldorf
malte Köhler wiederum
im Auftrag des Kunst-
vereins ,,Hagar und
Ismael", übrigens eines
seiner schwächeren
Bilder. Eine ,,Semira-
mis" malte er zweimal
1843 und 1852 und in
einer ,,Mignon" schuf
er eine jener Gestalten,
die für lange Zeit förm-
lich zum Typus und
immer wieder von
neuem gemalt wurden.
Köhler war auch einer
der wenigen Maler der
älteren Zeit, die durch
die 48 er Ereignisse zu
einer zeitgemäfsen
künstlerischen
Schöpfung angeregt
wurden. Er malte da-
mals eine ,, erwachende
Germania, vor welcher
der Genius der Freiheit
erscheint, während
Knechtschaft und Zwie-
tracht in den Abgrund
stürzen". Das Bild, das
CARL FERDINAND SOHN
Bildnis des Malers Christian Köhler
gelobt wurde, kam nach
Amerika.
Köhler war, wie viele
seiner Genossen, z. B.
auch C. F. Sohn, aus
niederem Stande hervor-
gegangen; dies und eine
natürliche Zurückhal-
tung bei grofser innerer
Leidenschaftlichkeit
liefsen ihn als eine eigen-
artige Natur erscheinen,
die eigentlich nicht in
die sonst so wohl-
erzogene ästhetisch-
lyrische Umgebung der
Düsseldorfer Meister-
ateliers hineinpafste.
Romanhaft war der Zu-
fall, der ihn fast noch
als Kind zu Schadow
führte. Schadow hatte,
wie er selbst erzählt,
noch in Berlin den
Besuch des famosen
Schriftstellers Clauren
bekommen, der ihm von
der eigenthümlichen
Leidenschaft seines
kleinen Pferdeburschen
für die Zeichenkunst er-
zählte. Schadow inter-
essirte der hübsche
aber verschlossene
Knabe, der die Stiefel
seines Herrn, statt sie
zu putzen, abgezeichnet
hatte, und er nahm ihn
von Zeitgenossen sehr
in sein Atelier auf. Nicht minder romanhaft war später die Heirath Köhlers mit einer reichen,
aber nicht mehr jungen Holländerin, um deren Tochter er eigentlich hatte anhalten wollen.
Er starb 1861.
Schadow und Hübner, und vielfach auch Bendemann und Köhler hatten vorzugsweise biblische
Stoffe im sogenannten romantischen Sinne behandelt; im Gegensatz zu ihnen sind Hildebrandt und
Sohn, die ebenfalls mit Schadow von Berlin kamen, die eigentlichen Begründer der romantisch-
poetischen Malerei in Düsseldorf. Ihre Bilder waren es, die in dieser Hinsicht für die ganze Zeit
am characteristischsten sind und auf lange Zeit hinaus stofflich und coloristisch mafsgebend
blieben. Dem Einflufs des Immermannschen Theaters auf die Düsseldorfer Malerei war bei Hilde-
brandt schon in Berlin vorgearbeitet durch seine Bekanntschaft mit Ludwig Devrient, die ihn schon
81
früh zur Behandlung dichterischer, insbesondere theatralischer Stoffe geführt hatte. Hildebrandt
war 1804 zu Stettin geboren, wo er zunächst das Buchbinderhandwerk erlernte ; 1820 kam er nach
Berlin zu Schadow und malte 1825 „Faust und Gretchen im Kerker", dann „Lear um Cordelia
trauernd", den Lear in porträtmäfsiger Darstellung Devrients, und 1827 in Düsseldorf „Romeo und
Julia"; er schien also ganz und gar in der Theaterillustration aufgehen zu wollen, wie denn auch
„Tancred und Clorinde" 1828 das Ideal eines theaterhaften ,. lebenden Bildes" ist, bis eine Reise,
die er 1829 mit Schadow nach den Niederlanden machte, ihn in günstiger Weise beeinflufste.
Das machte sich besonders bemerkbar in dem sehr bekannt gewordenen Bilde ,,Der Krieger und
sein Kind", das, wie schon bemerkt, durch den „Realismus", mit dem die Nebendinge gemalt
waren, Aufsehen machte. Immerhin ist das Bild in Bezug auf Einfachheit des Motivs und Natürlich-
keit des Ausdrucks eines der besten jener Zeit: dafs ihm zu dem Krieger ein wirklicher Reitersmann,
nämlich sein Freund, der Ulanenrittmeister v. Sydow gesessen hat, mag hierzu beigetragen haben.
Dieses Bild trug ihm dann auch trotz seiner uns heute glatt und glasig erscheinenden Malerei
von selten Raczynskys den Vergleich mit van Dyck ein; und damit der ganze Maler-Parnass der
alten Gröfsen vollständig sei, nannte man Carl Sohn sehr bald den Tizian dieses Kreises. Auch
dieser harmlose Gröfsenwahn ist
bezeichnend für die absolute Ver-
ständnifslosigkeit der wirklich grofsen
Kunst gegenüber bei den Kunstfreun-
den, wie bei den Künstlern selbst.
Nur in die Nachfolge Rafaels,
der fast wie ein Heiliger verehrt
wurde, mufsten sich Mehrere theilen.
Ein Rubens und ein Rembrandt
kommt charakteristischerweise nicht
vor. Ein Vergleich mit ihnen schien
nicht der Mühe werth.
,,Die Märchenerzählerin" war
in demselben schlichten Sinne ge-
dacht wie der ,, Krieger und sein
Kind", ebenso ,,Die singenden Chor-
knaben", die der Kunstverein 1834
ankaufte und als Nietenblatt in Litho-
graphie von J. Becker vervielfältigt
an seine Mitglieder vertheilte. Diese
Arbeiten Hildebrandts stehen in wohl-
thuendem Gegensatz zu den späteren,
in denen die theatralische Pose und
die Vorliebe für ein buntes, auch
nur vom Theater entlehntes Costüm
sich wieder geltend machen. ,,Die
Ermordung der Söhne Eduards" läfst
diese Schwächen zwar noch nicht so sehr hervortreten, steht aber trotz des grofsen Beifalls,
den das Bild fand, hinter den früheren zurück. Es folgen späterhin wieder meist historische
oder dichterische Vorwürfe: „Wolsey im Kloster", ,, Judith", „Othello". ,,Lear erwacht aus dem
Wahnsinn", „Julia", „Arthur und de Burgh", „Cordelia" u. s. w. Hildebrandt malte aufser jenen
Bildern, die zum Theil im grofsen Mafsstab ausgeführt waren, eine grofse Anzahl Porträts, in
denen ein feiner coloristischer Sinn und seine gute Naturbeobachtung, die bei den Bildern durch
die romantischen Motive in ihrer Entfaltung beeinträchtigt wurde, freier hervortreten konnten.
Grofsen Beifall fanden seine Porträts des Prinzen Friedrich von Preufsen, des Prinzen Georg und
zahlreicher anderer vornehmer und hervorragender Persönlichkeiten. Seine Thätigkeit auf diesem
Gebiete war von ebenso grofsem und wohlthätigem Einflufs auf seine Zeitgenossen, wie die
theatralische Pose seiner Figurenbilder gelegentlich bei seinen Schülern und Nachahmern Unheil
anrichtete. Schon 1832 war Hildebrandt Hülfslehrer an der Akademie geworden und 1836 Professor.
Er hatte hier mit Sohn den unbrauchbar und mifsliebig gewordenen Kolbe zu ersetzen.
Galt Hildebrandt als der Realist der äheren Schule, so wurde Carl Ferdinand Sohn (geboren
in Berlin 1805) der Colorist derselben, wenn er den Vergleich mit Tizian wohl auch nebenbei
CHRISTIAN KÖHLER
Mirjams Lobgesang
Nach dem Stich von Xaver Steifensand
82
dem Umstand ver-
dankte, dafs er einer
der Ersten war. der es
wagte, unbekleidete
weibliche Gestalten in
Düsseldorf zu malen
und Liebesscenen zum
Motiv seiner Werke zu
wählen. Seine beiden
ersten Bilder ..Rinaldo
und Armida" 1827
(jetzt in der Akademie
in Düsseldorf, als
Geschenk des Prinzen
Georg) und ..Der Raub
des Hylas" 1829 er-
regten hauptsächlich
wegen ihrer Farbe
aufserordentliches Auf-
sehen.
Man wird diese
Arbeiten heute aller-
dings anders bewerthen
und bezeichnen. Von
einem wirklichen Colo-
rismus im Sinne der
Venezianer oder der
heutigen Malerei w^ar
damals überhaupt noch
kaum die Rede. Was
den Zeitgenossen bei
Sohn so sehr impo-
nirte. war ^gentlich
nur eine gröfsere Hel-
ligkeit und ein gröfserer
Reichthum der
F. TH. HILDEBRANDT
Die singenden Chorknaben
Nach der Lithographie von J. Becker
Palette, der sich in
prunkvollen bunten Ge-
wändern aussprach und
allerdings einen ge-
wissen Gegensatz zu
den stets etwas ein-
tönig und nach den-
selben Rezepten gefärb-
ten, aber vielleicht ge-
rade deshalb zuweilen
viel eher coloristisch
zu nennenden Bildern
der Anderen bildete.
Für den Kunstverein
malte Sohn verschie-
dene Bilder, darunter
seine einzige
„Madonna" und
späterhin eines der
auch heute noch be-
kanntesten Bilder
„Tasso und die beiden
Leonoren" 1838. vom
Kunstverein der Düs-
seldorfer Galerie zuge-
wiesen. Schon vorher
hatte er diese beiden
Goetheschen Frauen-
gestalten in einem
ebenfalls sehr berühmt
gewordenen Bilde dar-
gestellt, das er zwei-
mal malte, wie auch
vom ,, Tasso" eine Re-
plik für Privatbesitz
entstand.
Von seinen mythologischen Bildern sind ,, Diana im Bade" 1833. ..Urtheil des Paris" 1836
und ..Diana mit Nymphen" 1852 zu nennen. Wie Köhler in seiner ..Mignon" einen Typus schuf,
so gab Sohn noch 1855 in seiner ..Loreley" eine Verkörperung dieser echt romantischen Märchen-
gestalt, die wohl für alle Zeiten feststehen wird. Hundertfach reproducirt ist das Bild eines von
denen, die Jedermann kennt, ohne noch nach dem Autor zu fragen. Ganz besonders geschätzt
wurde Sohn auch als Bildnismaler und zwar besonders als Frauenmaler, wie ja auch weibliche
Gestalten vielfach den Mittelpunkt seiner Bilder ausmachten. Die grofse Zahl der Aufträge zu
Bildnissen, die ihm auch aus dem Auslande und sogar aus Amerika zugingen, verhinderten ihn
in späteren Jahren an der Ausführung von eigenen Compositionen.
Als Lehrer war Sohn für die Schadowschule von gröfster Bedeutung. Er wurde schon 1832
in Stellvertretung Kolbes mit Hildebrandt Lehrer der Malklasse, und hier war er, mit einer mehr-
jährigen Unterbrechung in den 50er Jahren, bis zu seinem Tode 1867 in hervorragender Weise
thätig. Sein Einflufs auf die coloristische Seite der Düsseldorfer Malerei ist ein unleugbarer und
im Gegensatz zu der etwas stumpfen Farbe Schadows auch wohlthätiger gewesen, indem Sohn
es verstanden hat, dem Eindringen einer wirklich coloristischen Malweise bei den Jüngern in
verständnifsvoller Weise entgegen zu kommen.
Noch in den letzten Jahren des Schadowschen Regiments und bis zu seinem Tode war Sohn
die eigentliche Seele der Akademie, und seinem Lehrtalent hauptsächlich verdankt die spätere
Generation ihre Ausbildung. Auch nach aufserhalb entwickelte sich dieser Einflufs, indem sein
Schüler Des Coudres (1820 in Cassel geboren, seit 1848 in Düsseldorf) von Schirmer 1855 als
Professor nach Karlsruhe berufen wurde. Persönlich ist Sohn Begründer einer ganzen Künstler-
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CARL FERDINAND SOHN
Die beiden Leonoren
familie geworden. Seine beiden Söhne Richard
und Carl wurden Maler, und sein Neffe und
Schwiegersohn Wilhelm Sohn sollte später eine
ebenfalls sehr entscheidende Lehrthätigkeit an
der Akademie ausüben, die eine bestimmte
Richtung der späteren Düsseldorfer Kunst ge-
radezu ins Leben gerufen hat. Seine Enkel,
mütterlicherseits die Nachkommen Alfred Rethels,
haben in den letzten Jahren angefangen, mit
Erfolg die Ausstellungen zu beschicken.
Das eigentliche Wunderkind der Romantik,
das im Anfang seinen Ruhm wohl ebensosehr
oder vielleicht noch mehr seiner Herkunft ver-
dankte, wie seinen künstlerischen Leistungen,
war Theodor Mintrop, der, 1814 auf dem Lande
bei Werden geboren, bis zu seinem 30. Jahre
ein einfacher Bauer war, dann von Eduard
Geselschap gewissermafsen entdeckt und im
Triumph nach Düsseldorf geführt wurde. Hier
erregten seine naiven Zeichnungen, ebenso wie
sein urwüchsiges biederes Wesen die helle Be-
geisterung der ästhetischen Kreise, in denen er
wie ein Wunderthier herumgereicht wurde. Ein
solcher Giotto, der bei seinen Ochsen und Schafen
in aller Stille und Ursprünglichkeit aufgewachsen
war, hatte blofs noch gefehlt, und bald war
Mintrop einer der Berühmtesten in dem Kreise
der Akademiker, ehe er noch eine fertige
Arbeit geliefert hatte. Uebrigens war er schon
Soldat gewesen und hatte in Köln und Münster
Kunstwerke genug kennen gelernt. So ganz
Naturbursche war er also doch nicht, und des
jungen Anselm Feuerbach feines Gefühl fand in
seinem Wesen sogar etwas von Pose heraus. Noch als Schüler von Sohn begann Mintrop selb-
ständig zu produciren, was bei seinem Alter ja nicht zu verwundem war. Dennoch fehlt auch
den besten und berühmt gewordenen Zeichnungen aus dieser Zeit das Naturstudium doch in
einer, selbst bei dieser Umgebung auffallenden Weise. Mmtrop hatte sich ein eigenes Gebiet ge-
schaffen, indem er seme Gedanken durch Kinderfiguren gewissermafsen allegorisch darstellte, aber
seine Kinder sind eigentlich nur kleine fette Zwerge, mit dem Gebahren von Erwachsenen. Um
in das Wesen des Kindes einzudringen, dazu fehlte es Mintrop wie der ganzen Zeit an energischer
Beobachtung, und so bleiben seine Werke auch künstlerisch in der Arabeske stecken, die er mit
Vorliebe als äufseren Rahmen für seine figurenreichen Kindercompositionen wählte.
Eine der ersten dieser Arbeiten machte gleich ,, ungewöhnliches Aufsehen". Es war eine
Allegorisirung des Weins und seiner W^irkungen, wobei man die Wahl der Putten nicht einmal
als besonders geschmackvoll wird bezeichnen können. Eine zweite Arbeit ähnlicher Art ist der
„Winter", dann ,,die Jahreszeiten" und Anderes mehr, das, zum Theil farbig reproducirt, weiteste
Verbreitung und gröfste Popularität erlangte; verschiedene dieser Kindercompositionen hat
Mintrop, namentlich in Köln, als Wandgemälde ausgeführt.
Auch als Heiligenmaler versuchte er sich , was ihm sogleich die Bezeichnung eines
,,Rafaeliden" eintrug, dessen Composition ,.so edle, schöne Linien zeigte, dafs Rafael sich ihrer
nicht zu schämen brauchte", und damals war Rafael doch noch das denkbar Höchste. Mintrops
Oelbilder dieser Richtung sind in der That nicht ohne grofsen Reiz, wenn auch die persönliche
Note in ihnen nicht so grofs ist, wie bei seinen anderen Arbeiten. Vor den Bildern der
Nazarener, die ihn keineswegs zu den Ihrigen rechneten, haben sie den Vorzug gröfserer Kraft
und Bestimmtheit in der Farbe und in der Vertheilung der Massen.
Mintrops zweifellos grofses und originelles Talent, das unter den Einflüssen der damals doch schon
im Niedergang begriffenen Schadowschule sich nicht vollkommen entwickeln konnte, spricht sich in
CARL FERDINAND SOHN
Bildnis der Gräfin Monts
89
seiner ganzen Kraft und wirklichen Bedeutung am unbehindertsten in den zahlreichen Zeichnungen
aus seinem Nachlafs aus, welche die Akademie besitzt. Die Blätter sind schnell und breit mit der
Rohrfeder gezeichnet, leicht mit Tusche getönt und umfassen biblische, mythologische und auch
genrehafte Motive, letztere allerdings auch meist in nackten Figuren. \Venn nun schon einmal
verglichen werden soll, so möchte man diesen Blättern gegenüber eher an Buonaroti als an
Rafael denken. Es ist in ihnen zuweilen etwas Wildes, Phantastisches, dabei Grofsartiges, das
man dem Autor der harmlosen Kinderspielereien gar nicht zutrauen möchte. Mintrop starb 1870
nach längerer Krankheit, allgemein betrauert.
Nur vorübergehend in Düsseldorf lebte Ed. Steinbrück, geboren 1803 in Magdeburg, der zuerst
in Berlin bei Wach studirt hatte, dann 1828 auf einer Reise nach Italien über Düsseldorf kam
und sich von dem Treiben der Schadowschule so angezogen fühlte, dafs er nach seiner Rückkehr
von Rom sich hier niederliefs und bis zum Jahre 1846 blieb, worauf er wieder nach Berlin zurück-
kehrte. Die Bilder seiner Düsseldorfer Zeit sind wohl die seiner Natur am nächsten liegenden;
sie behandeln die romantischen Stoffe in der Art Tiecks in einer märchenhaften, fast naiven
Auffassung, wie denn auch seine Darstellungen aus dem Kinderleben, z. B. „Die badenden Kinder",
zu seinen besten Arbeiten gehören. Auch seine „Maria bei den Elfen" nach Tiecks Märchen ist
eine bei allen Schwächen höchst liebenswürdige Arbeit und hat auf allen ihren verschiedenen
Wiederholungen in der Haltung und Geberde der kleinen Maria etwas so Natürliches und kindlich
Graziöses, wie kaum eine andere Kinderdarstellung dieser Zeit. Seine „Genovefa" ist dagegen in
ihrer Süfslichkeit heute schwer verständlich, erregte aber damals gröfsten Beifall. Uebrigens
malte Steinbrück auch biblische Motive und später in Berlin sogar eine Belagerungsscene ,, Er-
stürmung von Magdeburg". Er starb 1882 in Landeck in Schlesien.
Eine originelle Erscheinung in diesem Kreise war Joseph Niessen. Er war im Jahre 1821 in
Köln geboren, hatte sich zum Lithographen ausgebildet und besuchte dann von 1843 — 47 die
Düsseldorfer Akademie. Er galt unter seinen Genossen als ein grofses Farbengenie, und einige
kleine Copien, die er in der Folge in Paris und Venedig malte, wurden sogar von der Akademie
als vorbildlich angekauft, wie auch seine ersten Bilder „Verstofsung der Cordelia durch Lear"
und ,, Herodias mit dem Haupt Johannis des Täufers" vom Kunstverein für die Rheinlande und
Westfalen erworben wurden. Auf seinen Studienreisen in Paris und Venedig malte er zahlreiche
Studien, die ebenfalls wegen ihrer kraftvollen Farbe Aufsehen machten. 1859 folgte er einem Ruf
nach W^eimar, wo er mit Böcklin und Lenbach zusammen an der neuorganisirten Kunstschule
als Lehrer einer Actklasse wirkte. Später war er lange Jahre in seiner Vaterstadt als Conservator
des W^alraf-Museums thätig. Er ist einer der Wenigen aus jener Zeit, die sich noch heute voller
Rüstigkeit erfreuen. Als richtiger Romantiker ist er auch mit verschiedenen Dichtungen in die
Oeffentlichkeit getreten.
Auch August Chauvin (geboren 1810 in Aachen) hat in Düsseldorf eigentlich nur seine Lehrzeit und
später noch ein Jahr zugebracht. Er kam 1832 zu Schadow, wurde dann Zeichenlehrer des Prinzen
zu Wied und malte, seit 1841 wieder in Düsseldorf ansässig, dort einige Bilder biblischen Inhalts
ganz im Sinne der Schadowschule. So ,,Das Gebet des Moses" und die originelle ,, Flucht nach
Aegypten", die in einem Schiff geschieht, an dessen Steuerruder ein Engel sitzt. Er wurde schon
1842 nach Lüttich als Director an die dortige Akademie berufen, ein Beweis, wie grofs der Ruf
der Düsseldorfer Schule damals sogar in einem Lande war, dessen einheimische Malerei gerade im
Begriff stand, eine so grofse Umwälzung auch innerhalb der deutschen Kunst hervorzurufen.
Unter der Führung hauptsächlich der genannten Künstler hatte sich in verhältnifsmäfsig
kurzer Zeit die Düsseldorfer Oelmalerei in einer Weise entwickelt, die sie fast unbestritten als die
bedeutendste von ganz Europa erscheinen liefs. Ein glücklicher Zufall wollte es aber, dafs auch
die Monumentalmalerei, die nach dem Weggange von Cornelius und seiner Schüler zum Eingehen
verurtheilt schien, gleich in der allerersten Zeit durch einen bedeutenden Auftrag vor eine würdige
Aufgabe gestellt wurde und, nachdem deren Lösung über Erwarten gelungen war, sehr bald
weitere Werke schaffen durfte, an die der Kunstverein anknüpfend, auch die volle Berechtigung
zu seiner Pflege der monumentalen Kunst finden konnte.
Noch unter Cornelius hatte der Graf Franz von Spee auf Schlofs Heitorf bei Angermund,
drei Wegestunden von Düsseldorf entfernt, den Plan gefafst, die Halle seines Schlosses mit
historischen Darstellungen aus dem Leben Kaiser Barbarossas al Fresco ausmalen zu lassen, und
90
THEODOR MINTROP
Heilige Familie
unter Cornelius' Leitung hatte dessen Schüler Carl Stürmer den grofs gedachten, aus vielen Bildern
bestehenden Cyklus begonnen.
Die Halle ist ein fast quadratischer, im Erdgeschofs liegender Raum, der nach Norden mit
drei grofsen Oeffnungen auf den Garten geht, an der Südseite die Eingangsthür, an der Ostseite
eine zweite Thür hat und nur an der Westseite eine undurchbrochene Wandfläche bietet. Es
ergab sich hierdurch zwanglos die Eintheilung in sieben grofse Bilder, von denen Stürmer das
links an der Eingangsthür liegende noch zu Cornelius' Zeiten vollendet hatte. Stürmer war
geborener Berliner und ging nach 'Vollendung des ersten Heltorfer Bildes mit Cornelius nach
München; seine fernere Thätigkeit dort und später in Berlin kommt für Düsseldorf nicht in Betracht,
und auch das einzige von ihm in Heitorf ausgeführte Frescobild ,,Die Versöhnung Barbarossas
mit Papst Alexander II. in 'Venedig" hat auf die späteren Bilder keinen Einflufs gehabt. Es macht
sich in ihm die Schule des Cornelius, wie sie sich in den Bildern der Bonner Universitäts-Aula
kennzeichnet, unverkennbar bemerklich. Im Gegensatz zu den späteren Bildern fällt die hellere
Färbung, das Streben nach Stilisirung in Composition und Zeichnung nach altitalienischen Vor-
bildern auf, wobei aber die Steifheit der Figuren unangenehm wirkt, namentlich einigen der späteren
Arbeiten gegenüber, die allerdings wiederum in der Bewegung der Composition vielleicht zu weit
gehen. Das gilt besonders von den beiden Schlachtenbildern von Lessing und Plüddemann, deren
realistisch gemeinte Lebhaftigkeit dem Charakter der Monumentalmalerei wenig entspricht.
HülNKICH CARL ANTON MUCKE
Die Krönung des Kaisers Barbarossa
Wandgemälde in Schloss Heitorf
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Schon zu Ende der 20 er Jahre hatte Schadow durch sein Zureden, wie er selbst erzählt, den
trefflichen Grafen Spee vermocht, die Arbeiten wieder aufnehmen zu lassen. Mücke und Lessing
wurden mit ihrer Ausführung betraut, doch trat Lessing, der sich mit der Frescotechnik nicht
recht zu befreunden vermochte, auch in seinen selbstgewählten Arbeiten reichlich Erfolg und
Befriedigung fand, bald von dem Werke zurück.
So bleibt der gröfste Antheil nach Zahl der Bilder sowohl, wie künstlerisch bei den Arbeiten
in Heitorf Heinrich Karl Anton Mücke. Er war am 9. April 1806 in Breslau geboren und 1826
ebenfalls mit Schadow nach Düsseldorf gekommen. Hier wurde er durch den Auftrag des Grafen
Spee bald in Anspruch genommen und vollendete in verhältnifsmäfsig kurzer Zeit drei grofse
Bilder der historischen Folge, um etwa zehn Jahre später noch die beiden Einzelfiguren zwischen
den Fenstern der Gartenseite auszuführen. Mückes Einflufs ist bei dem ganzen Werke ein un-
verkennbarer, und trotzdem er in seinen späteren Arbeiten hinter Lessing zurückstehen mufs,
übertrifft er ihn hier doch in vielen Stücken. Vielleicht war dies auch mit ein Grund von
Lessings Rücktritt.
Die Mückeschen Bilder behandeln, an der Ostwand beginnend, ,,Die Krönung Barbarossas
in Rom" 1837 gemalt, ..Die Unterwerfung der Mailänder-' 1833 und rechts neben der Thür der
Südwand ..Kniefall Heinrichs des Löwen in Erfurt", womit der Künstler begann und das er 1829
vollendete. Neben diesem Bilde erstreckt sich nun die freie Westwand, auf der Lessing in der
Mitte mit der ..Schlacht von Iconium" begann, um dann die Ausführung des ersten Bildes der
Reihe, ,,Die Erstürmung von Iconium" nach seinem Carton Plüddemann zu überlassen, der dieses
Fresco 1839 beendete, um dann mit einer eigenen Composition, der ,, Auffindung der Leiche
Barbarossas" 1841 den Cyklus abzuschliefsen. Zwischendurch, um 1840, hatte Mücke zwischen
den Fenstern der Nordwand noch die Einzelgestalten des ,,hl. Bernhard" und des ,,hl. Otto von
Freising", des Biographen Barbarossas, ausgeführt.
Der Gesammteindruck des W^erkes, das, da das Schlofs bewohnt wird, leider der Oeffent-
lichkeit fast ganz entzogen ist, ist noch heute ein nicht unbedeutender; für die damalige Zeit war
er ein Triumph der Schadowschule, die damit bewies, dafs sie trotz der vorwiegenden Ausbildung
für das Staffeleibild auch verhältnifsmäfsig grofse Flächen im Fresco zu beherrschen vermöge.
Die weitere Entwicklung der Düsseldorfer Monumentalmalerei durch Unterstützung des Kunst-
vereins und später des Staates knüpft ohne Zweifel an diesen Erfolg an.
Allerdings wird man bei den Arbeiten bemerken, dafs die Künstler gerade die technischen
Vorzüge des Fresco keineswegs auszunutzen verstanden haben. Der grofse, verhältnifsmäfsig nicht
hohe Raum ist durch die drei nach Norden gelegenen Fenster ausreichend, aber nicht gerade
hervorragend hell beleuchtet. Das verhindert schon der Umstand, dafs er im Erdgeschofs liegt,
also nicht die directe Luftbeleuchtung empfängt. Anstatt nun die Helligkeit der Frescomalerei
auszunutzen, liefsen sich die Künstler, aus Mangel an Uebung und durch die Gewohnheit des
Oelmalens, verleiten, das damals so beliebte Helldunkel und Braun ihrer Oelbilder in die Fresco-
farbe und auf die grofsen Wandflächen zu übertragen, so dafs die Gesammtwirkung eine dunkele
und nicht gerade besonders farbige ist.
Dazu kommt bei den Bildern der am besten beleuchteten Westwand die Unruhe der Compo-
sition, die Mücke sehr wohl zu vermeiden gewufst hat, wie denn schon seine Motive in ihrer
repräsentativen Ruhe dem Charakter der Monumentalmalerei besser entsprechen, als die Schlachten-
bilder, die Lessing zugefallen waren.
Uebrigens hat auch Mücke mehr als die Anderen es verstanden, eine coloristische Wirkung
bei seinen Bildern zu erzielen, und, wenn auch meist tiefe grüne und blaue Töne vorwiegen, das
branstige Roth und Braun zu vermeiden gewufst, das die Bilder der Westwand hier und da zeigen.
Lessing besonders bevorzugt schon hier, wie auch später in seinen Oelbildern, namentlich in der
berühmten „Hussitenpredigt" einen gelblichen Gesammtton, der hier noch mehr, wie dort die
coloristische Wirkung schädigt. Die einzelnen Bilder sind durch schmale, gemalte Groteskenstreifen
geschieden, die namentlich an der Eingangswand durchaus den Einflufs der Cornelianischen W^eise
bei derartigen Decorationen zeigen und zu den Motiven nicht gerade sonderlich gut passen. Man
war damals eben doch noch nicht so weit, einen Raum einheitlich stilistisch und coloristisch
behandeln zu können.
Schadow hatte mit dem Blick, der ihn auszeichnete, unter den jungen Leuten, die er mit
der Heltorfer Arbeit betraute, allerdings einige der hervorragendsten Talente seiner Schule aus-
gewählt. Lessings Stellung in der Folgezeit wird besonders behandelt werden. Mücke zeigte
sich m der Folge vielleicht vielseitiger als Lessing, aber seine künstlerische Persönlichkeit war
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C. F. LESSING
Die Schlacht bei Iconium
Wandgemälde in Schloss Heltort
doch nicht stark genug, als dafs sein Ruhm ihn lange überlebt hätte. Er war zu sehr ein Kind
seiner Zeit und versuchte es in keiner Weise, sich über sie hinaus zu erheben, so sehr er auch
in ihr sich nach allen Seiten lebhaft und mit grofsem zeitlichen Erfolg bethätigte.
Noch vor der gänzlichen Vollendung der Heltorfer Arbeiten, nämlich 1840, wurde er vom
Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen mit einer zweiten monumentalen Arbeit für das
Rathhaus in Elberfeld betraut, die er nach seinen Ideen mit den Malern Fay, L. Clasen und
Plüddemann zusammen in der Weise ausführte, dafs Fay den ersten Abschnitt ,, Sitte und Leben
der alten Deutschen" ausführte, während Mücke und die Anderen den Rest des 200 Fufs langen
Frescos übernahmen, das ,,Die Entwicklung des Deutschen Volkes bis zur Einführung des Christen-
thums durch den hl. Suitbertus in Westfalen" behandelte.
Die grofse Arbeit, die für ihre Zeit nicht ohne Verdienst und Bedeutung gewesen zu sein
scheint, ist heute spurlos verschwunden. Diese Thatsache, die in der Geschichte der Kunst wohl
einzig dastehen dürfte, zeigt zur Genüge, auf was für einen steinigen Boden so manche Be-
strebungen der Düsseldorfer Kunst und des Kunstvereins gefallen sind. Zuerst hatte man in
Elberfeld den grofsen Saal durch Zwischenwände getheilt und schliefslich die nun wohl unver-
ständlich gewordenen, weil in Stücke getheilten Bilder, sei es direct abgekratzt, sei es übertüncht
oder überklebt, jedenfalls so gründlich aus der W^elt geschafft, dafs es heute nicht einmal möglich
ist, blofs eine Spur von ihnen oder auch nur die Stellen, wo sie gewesen sind, wieder zu finden.
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Möge den Arbeiten, welche für das dortige neue Rathhaus bestimmt und zum Theil schon vollendet
sind, eine pietätvollere Behandlung zu Theil werden!
Eine grofse Popularität erlangten mehrere der aufserordentlich zahlreichen Staffeleibilder, die
Mücke während seines langen Lebens, er starb 1891 in Düsseldorf, ausführte. Vor allem jenes
vielfach wiederholte Bild: ,,Der Leichnam der hl. Catharina wird von Engeln zum Sinai getragen."
In der That ist dieses Bild in der einfachen Schlichtheit der Zeichnung, die ihm einen gewissen
Stil verleiht, in der überaus fein empfundenen Bewegung der schwebenden Engelsgestalten und
in der zwar etwas harten aber doch dabei zarten Färbung auch heute noch nicht ohne grofsen
Reiz. Ueberhaupt wirkte Mücke da am angenehmsten, wo er seine Gestalten in ruhiger Bewegung
zeigt und darauf verzichtet, allzuviele Figuren zu vereinigen. Wo er dies versucht, so in der
,, Einnahme von Jerusalem durch Gottfried von Bouillon", verliert er die lebendige Beherrschung
des Motivs, und es bleibt nur ein Nebeneinander von Gestalten, denen der innere Zusammen-
hang fehlt.
Ganz im Sinne der sentimentalen Romantik, die zu dem Motiv gerade recht wenig pafst,
obwohl merkwürdigerweise auch Wagner später wieder etwas davon hineingebracht hat, ist das
kleinere Bild ,, Tristan und Isolde", das aber dafür in der zarten Ausführung und der landschaft-
lichen Stimmung wieder seine Vorzüge hat.
Mücke entnahm seine Motive, wie man aus den wenigen angeführten Beispielen ersieht, aus
der Geschichte, der Heiligengeschichte, der Mythe und der Poesie und war auch darin ein echter
Zögling der romantischen Schule, der eigentlich nur eben das Menschliche fremd blieb. Auch als
Illustrator war Mücke thätig; wie fast alle Düsseldorfer Künstler der Zeit, entwarf er Zeichnungen
für die Cottasche Ausgabe der Werke Schillers und unter Anderem auch Illustrationen für das
Londoner Art-Journal, zu dem er Verbindungen auf einer Reise nach England 1850 angeknüpft
hatte. Schon 1833 — 34 hatte er Italien und Sicilien bereist, was seinen Colorismus sichtlich
beeinflufste, so namentlich bei dem schon erwähnten Bilde der von Engeln getragenen ,,hl.
Catharina". Aufser dieser vielseitigen künstlerischen Thätigkeit wirkte Mücke seit 1844 als Lehrer
der Anatomie an der Akademie, der er seit 1851 auch als Mitglied des Lehrercollegiums angehörte.
Joseph Fay, geboren 1813 in Köln, scheint an dem verschwundenen Elberfelder Fries den
gröfsten künstlerischen Antheil gehabt zu haben. Müller von Königswinter lobt die Cartons in
den stärksten Ausdrücken und stellt sie neben Retheische Arbeiten. Das in Köln befindliche
Bild „Simson und Delila" 1840 zeigt ihn allerdings nicht gerade von einer sehr vortheilhaften
Seite. Es sind in demselben so starke Reminiscenzen an die französischen Klassicisten, dafs man
sich die Entstehungszeit des Bildes ganz gut 50 Jahre früher denken könnte.
Fay studirte in Düsseldorf auf der Akademie von 1833 — 41 und wurde dann Schüler von
Delaroche in Paris. Später kehrte er nach Düsseldorf zurück, wo er gröfsere Arbeiten nicht mehr
unternahm. Er malte eine Reihe meist genrehafter Bilder, so eine stark theatralische letzte Scene
aus Goethes ,, Faust", die er auch lithographirte, ,, Badende Römerinnen" und andere italienische
Motive. 1875 starb er.
Auch Lorenz Glasen soll in den Elberfelder Fresken sein Bestes geleistet haben. 1812 zu
Düsseldorf geboren, bezog er früh die Akademie und malte ganz im romantischen Stil zuerst
religiöse, dann geschichtliche Motive. Nebenher beschäftigte er sich mit literarischen und poli-
tischen Dingen und verliefs, nachdem er 1848 eine Rolle gespielt hatte, Düsseldorf, um sich ganz
der Kunstkritik und Tagesschriftstellerei zu widmen, ähnlich wie der Hamburger Hermann Becker,
der, 1817 geboren, 1839 zur Akademie kam und bei Sohn studirte, aber nach vielem Mifsgeschick
1866 Berichterstatter der „Kölnischen Zeitung" wurde und als solcher der Düsseldorfer Kunst wohl
mehr genützt hat," als durch die künstlerischen Arbeiten seiner früheren Zeit.
Mücke nahe verwandt, wenn auch weniger vielseitig und dafür technisch etwas sorgfältiger,
erscheint der dritte Künstler der Heltorfer und Elberfelder Fresken: Hermann Freihold Plüdde-
mann, der, von seinen Zeitgenossen überschätzt, jetzt fast ganz vergessen ist. Auch er war ,, Ost-
länder" (er wurde 1809 in Colberg geboren) und kam, nachdem er zuerst in Magdeburg, dann in
Berlin bei Begas studirt hatte, 1831 nach Düsseldorf, wo er im Vergleich zu den meisten anderen
seiner Kameraden auffallend lange in den unteren akademischen Klassen arbeitete. Erst 1837
bezog er ein sogenanntes Meisteratelier, das er dafür allerdings auch fast während seiner ganzen
Düsseldorfer Zeit nicht verliefs. Im Jahre 1848 siedelte er nach Dresden über, wo er schon
J. Hübner, Bendemann und Ad. Ehrhardt vorfand.
Plüddemanns Kunst ist eine gewisse abenteuerliche Richtung eigen, die sich besonders in
einer Reihe von Bildern zur Geschichte des Columbus ausspricht. In einem eigenthümHchen
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Gegensatz zu ihr steht die peinliche Sorgfalt, mit der die Zeichnung der Einzelheiten, der theater-
haften Costüme und schliefslich die zwar kräftige, aber harte und stimmungslose Färbung aus-
geführt ist. Das Columbusmotiv hat der Künstler in einer ganzen Reihe von Gemälden behandelt,
dann aber ebenfalls in verschiedenen Compositionen sich der damals unvermeidlichen Gestalt
Barbarossas zugewandt. Seine Betheiligung an der Arbeit in Heitorf, wo er ein Bild nach dem
Lessingschen Entwurf, ein anderes ,,Die Auffindung der Leiche" nach eigenem Carton ausführte,
gaben ihm dazu die erste Anregung. Das letztgenannte Motiv fesselte ihn so sehr, dafs er noch
ein Oelbild und eine Radirung zu demselben ausführte. Die Vorliebe gerade für dieses Motiv ist
recht bezeichnend für das Verwechseln des poetisch oder historisch Interessanten mit dem
malerisch WerthvoUen einer Begebenheit, ein Mifsverständnifs, an dem gerade die deutsche Kunst
lange Zeit, besonders aber damals gekrankt hat. Uebrigens zeigt diese Radirung, bei der also
die Farbe fehlt, die ganze Armseligkeit, Hohlheit und Theaterhaftigkeit der Composition, die
sich wie auf einer Treppe aufbaut und deren Figuren an unwahren Gestikulationen das Menschen-
mögliche leisten. Auch an dem Elberfelder Fries war Plüddemann betheiligt, er übernahm in
demselben die Ausführung des Mittelalters.
An diese Maler, die als die Hauptzierden der Schule bald eines europäischen Rufes sich
erfreuten, schlofs sich eine fast unendliche Zahl von Gesinnungsgenossen, Nachahmern und
Schülern, die, freilich nicht alle mit demselben Erfolg, in die Fufsstapfen jener zu treten bemüht
waren. Von ihnen mögen einige Wenige genannt werden, die sich bis heute noch einen Namen
erhalten haben.
Paul Josef Kiederich, in Köln i8io geboren, kam 1832 zur Akademie und blieb in ihr bis zu
seinem allerdings frühen Tode 1850. Er malte Historienbilder und hauptsächlich Porträts. Von
ersteren werden genannt „Kaiser Karl V. in St. Just" und „Kaiser Friedrich II. und sein Kanzler
Peter de Vineis".
Vielseitiger und productiver war Wilhelm Volkhart, geboren 1815 zu Herdecke an der Ruhr.
Er behandelte Motive aus der Bibel, aus der Geschichte, von Maria Stuart bis Coligny oder
Wallenstein, malte die Gestalten der italienischen Dichtungen und genrehafte Scenen aus dem
italienischen Volksleben, nachdem er ein Jahr in Italien gewesen war. Schliefslich war er fast
ausschliefslich als Porträtmaler thätig, wie so viele seiner Zeitgenossen. Länger als Volkhart hat
eine aufserordentliche Popularität August Friedrich Siegert bewahrt; 1820 in Neuwied geboren,
begann er seine Studien schon 1835 auf der Akademie, wurde Schüler von Hildebrandt und ging
dann als einer der Ersten 1846 nach Antwerpen, von da nach Paris, reiste durch Holland, später
nach Wien, Venedig und München. Schliefslich kam er 1851 wieder nach Düsseldorf, wo er ein
akademisches Atelier der Meisterklasse erhielt, wohl das krasseste Beispiel dieser Meisteratelier-
wirthschaft.
Siegert ist der erste Vertreter jenes sogenannten historischen, besser gesagt Costüm-Genres.
das später noch einmal einen grofsen, besonders coloristischen Aufschwung nehmen sollte. Seine
Bilder fanden den allergröfsten Beifall, und wo sie sich auf harmlose Motive beschränken, sind
sie nicht ohne jene Gemüthlichkeit, die fast die ganzen nächsten 50 Jahre hindurch eine Haupt-
eigenschaft, und wenn man will, einen Vorzug der Düsseldorfer Genremalerei bilden sollte. Die
Kunstvereine rissen sich förmlich um seine Bilder, die meisten wurden gestochen und zwei der-
selben, „Vor der Klosterpforte" und ,,Der Liebesdienst", auch vom Rheinisch-Westfälischen Kunst-
verein vervielfältigt und als Prämienblätter vertheilt. Siegert starb 1883.
Eduard Geselschap, geboren 1814 in Amsterdam, besuchte die Akademie von 1839 — 41, malte
ebenfalls anfänglich in romantischen Stil zahlreiche Historienbilder, ging aber dann, dem Zug der
Zeit folgend, zum Genre über. Sein Name ist eng mit dem Mintrops verknüpft, da er der Erste
war, welcher dessen Talent entdeckte und dessen Eintritt in die Künstlerlaufbahn vermittelte. Er
starb 1874. Sein Bruder (nicht Sohn, wie in vielen Lexicis steht), Friedrich Geselschap, gehörte
der Düsseldorfer Schule nur eine Zeit lang an, während welcher er die Akademie besuchte:
vorher hatte er in Dresden studirt. 1835 in Wesel geboren, verliefs er schon 1866 Düsseldorf, um
dauernd nicht wieder zurückzukehren. Sein späteres Lebenswerk hat eine bei weitem gröfsere
Bedeutung erlangt, als das seines älteren Bruders. Sein tragischer Tod 1898 in Rom ist noch in
frischer Erinnerung.
Von den vielen Künstlern, die, nachdem sie sich in Düsseldorf die Sporen verdient hatten,
die Stätte ihrer ersten Erfolge verliefsen und ihre Hauptthätigkeit aufserhalb entwickelten, sind
an dieser Stelle noch zu nennen Schrader und Knille.
7*
101
Schrader war 1815 in Berlin geboren, hatte dort mit Erfolg studirt und kam 1837 mit einem
Regierungsstipendium nach Düsseldorf, um hier seine Studien fortzusetzen. Er wurde Schüler
von Hildebrandt und Schadow und malte bis 1845, wo er nach einem italienischen Aufenthalt
dauernd wieder nach Berlin zurückkehrte, einige Bilder im Sinne der Schule. Sehr bekannt wurde
sein „Kaiser Friedrich II. und der Kanzler Peter de Vineis", auch sein , .Gregor VII." fand vielen
Beifall. In Berlin entwickelte Schrader bis zu seinem 1900 erfolgten Tode eine höchst fruchtbare
Thätigkeit, die sich über die verschiedensten Gebiete erstreckte und namentlich im Porträt Gutes
leistete.
Jünger als Schrader war Otto Knille, der, 1832 zu Osnabrück geboren, 1848 auf die Akademie
kam, hier unter Sohn, Schadow und Leutze studirte. und ein Bild aus der Zeit der Bauernkriege
malte, das grofsen Beifall fand. 1854 verliefs er Düsseldorf, um sich nach längeren Reisen in
Berlin niederzulassen, wo er Professor an der Akademie wurde, und nach einer an Erfolgen reichen
Künstler- und Lehrthätigkeit 1898 starb.
Die Reihe dieser Romantiker, die mit bewundernswerther Ausdauer immer wieder Loreleys,
Barbarossas, Karls V., Tassos u. s. w. einerseits, Madonnen und Heilige beiderlei Geschlechtes
und in allen Lebenslagen andererseits in die "Welt setzten, liefse sich bis ins Unendliche fortsetzen,
aber die Namen Vieler sind schon heute fast verschollen, und ihre Bilder, die in Privatgalerien
unter der Decke aufgehängt, in den Museen auf den Speichern oder in den Kellern aufbewahrt
zu sein pflegen, zeigen wohl den allgemeinen Charakter der Düsseldorfer Schule, die ebenso
JULIUS SCHRADER
Kaiser Friedrich II. und der Kanzler Peter de Vineis
Nach dem Stich von Xaver Steifensand
102
bekannten Motive, die bunte süfsliche Farbe, die meist überaus schablonenhafte Zeichnung, die
allbekannte Composition und schliefslich die nicht weniger zum Allgemeingut gewordenen Gesten
und Mienen, aber sie auf den Namen, oder auf ein Jahrzehnt genau zu bestimmen, dürfte schon
heute kaum einem der noch lebenden Zeitgenossen gelingen.
Einer mufs aus diesen Kreisen noch genannt werden, weil eine monumentale Arbeit, die er
schaffen durfte, gewissermafsen den Gipfel der romantischen Düsseldorfer Malerei darstellt.
Darüber hinaus giebt es keine Steigerung der süfslichen Phantastik, der bunten zarten Färbung
und der schwärmerischen Theaterhaftigkeit mehr. Und dennoch wird man gerade diesen Bildern
gegenüber gestehen müssen, dafs die Romantik hier, obwohl in den letzten Zügen liegend, doch
noch ein Werk von vollendetem Stimmungsgehalt, den man doch gerade heute so hoch bewerthet,
geschafTen hat.
Schon der Ort, wo die Bilder an die Wand gemalt sind, ist gewissermafsen die Verkörpe-
rung Alles dessen, was man sich unter rheinischer Romantik nur träumen kann. Eine königliche
Burg, die wie ein Dornröschenschlofs zwischen dunkeln Bäumen sich hoch über den Fluthen des
Rheins erhebt, mit Thürmen und Thürmchen, ,,Saal an Sälen, Hof an Höfen", die Mauern mit
Epheu und Rosen bewachsen, ein Burggarten mit plätscherndem Brunnen, von Blumen erfüllt —
kurz der ganze Apparat romantischer Schlofsherrlichkeit, dem auch das historische Fundament
nicht fehlt. Und im Innern des Rittersaals, wie in der gothischen Kapelle bunte Bilder, die hier
von den edlen Rittertugenden erzählen, dort die frommen Geschichten des alten und neuen
Testaments auf Goldgrund verkünden.
Es ist Schlofs Stolzenfels bei Coblenz. das als der wahre Hort der blauen Blume von dem
poesiebegeisterten preufsischen König, der wirklich mehr Romantiker als Caesar war, erbaut und
geschmückt wurde. Die Burg stammt aus dem 13. Jahrhundert; die Unbill der Zeiten hatte sie
längst zur Ruine werden lassen, als die Stadt Coblenz im Jahre 1823 sie dem Kronprinzen Friedrich
Wilhelm zum Geschenk machte. Dieser liefs sie bis zum Jahre 1842 nach Entwürfen von Schinkel
durch Stüler und Persius wieder aufbauen, schöner und reizvoller als sie wahrscheinlich je
gewesen war, und mit All' dem ausstatten, was der Geschmack jener Zeit als Historisch und
Künstlerisch betrachtete; und so ist sie heute ein merkwürdiges Denkmal einer fürstlichen
Kunstfreude, innerhalb verhältnifsmäfsig kleiner und enger Verhältnisse, einer wahrhaften und
poetischen Begeisterung, wie sie vielleicht bei nur wenigen der prunkvollen, viel reicheren und
vielleicht auch künstlerisch bedeutenderen Prachtbauten neuerer Zeit den Hammer und den Pinsel
geführt haben mag.
Schon die nach dem Rheine zu gehende Aufsenwand des Schlosses wurde mit einem grofsen
Frescobild, einer Darstellung aus der Geschichte des Schlosses durch Gustav Lasinsky geschmückt.
..Kurfürst Werner von Trier empfängt am 30. August 1400 den neugewählten Deutschen Kaiser
Ruprecht von der Pfalz und seinen Neffen, den Grafen von Hohenzollern, am Fufs der Burg
Stolzenfels als Gäste". Das Bild ist durch Luft und Regen bis auf einige wenige Farben aus-
gewaschen und läfst nur mit Mühe die nicht ungeschickte Composition erkennen.
Allen Denen, welche das Fresco noch immer für eine zum Schmuck von Aufsenwänden auch
in unserem Klima geeignete Technik halten, kann dieses Bild in seinem rettungslosen Verfall als
warnendes Beispiel dienen.
In dem ganzen Glänze ihrer bunten Farbenpracht aber sind die im sogenannten kleinen
Rittersaal ausgeführten Wandbilder von Stilke erhalten, die der Künstler in den Jahren 1842 — 1846
ausführte.
Auch Hermann Stilke ist Norddeutscher; er wurde 1803 in Berlin geboren und dort Schüler
von Carl W. Kolbe dem Aelteren (der weder mit seinem Sohne C. W^. Kolbe dem Jüngeren, noch
mit dem Düsseldorfer H. Chr. Kolbe zu verwechseln ist). 1821 ging er nach München und von
da mit Cornelius nach Düsseldorf. Ihm und Stürmer wurde die Malerei im Assisensaal in
Coblenz übertragen, die aber nicht zu Ende geführt wurde, da Stilke seinem Meister nach München
folgte, später nach Italien ging und erst 1833 wieder nach Düsseldorf kam. Hier arbeitete er nun
ganz im Sinne der Schadowschule, doch zeigt sich bei seinem ersten Bilde ,, Kreuzfahrer in der
Wüste" ein bei den übrigen Schadowschülern jener Zeit seltener Sinn für landschaftliche Stimmung,
die wohl noch eine Erinnerung an seinen italienischen Aufenthalt war und sich später nur zu
sehr verlor. Orientalische Motive finden sich noch vielfach bei seinen anderen in Düsseldorf
gemalten Bildern. Bilder aus der Geschichte der Jungfrau von Orleans, aus Tasso, aus der
deutschen Kaisergeschichte zeigen ihn ganz im Fahrwasser der Düsseldorfer Romantik, die er
dann in den Bildern des Rittersaales zu Stolzenfels zur letzten Consequenz führte.
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Der kleine quadratische Raum mit gothisch gewölbter Decke bietet aus zwei Fenstern an
der Nordseite eine entzückende Aussicht auf den Rhein. Die drei anderen Wände sind mit den
bunten Bildern über einer mannshohen dunkeln Holztäfelung in sechs spitzbogig abschneidenden
Flächen geschmückt. Die Decke ist blau, so blau wie irgend möglich, und die Gewölberippen
sind vergoldet. Auf den Bildern schillern alle Farben, und nur die dunkele Täfelung bietet dem
Auge eine ruhige Fläche und dem ganzen Interieur einen coloristischen Halt. Die Bilder sollen
die sechs Rittertugenden in historischen Beziehungen feiern. ,,Die Treue" ist dargestellt durch die
,, Aufopferung Hermanns von Siebeneichen lür Kaiser Friedrich Barbarossa", der bei Susa Nachts
im Schlafe überfallen wurde. Das ist blofs eine Theaterscene geworden, oder noch nicht einmal
das. Steif verläfst der König sein Bett, gestiefelt und gespornt, das Schwert in der Hand. Nur
die Gestalt des getreuen Ritters ist lebendiger und selbst ausdrucksvoll. Besser ist die Composition
der ,, Tapferkeit", und voll Leben und Bewegung, das Motiv freilich wieder so romantisch und
künstlerisch undankbar als möglich: .,Der blinde König Johann von Böhmen läfst sein Pferd mit
denen von zwei anderen Rittern zusammenbinden, stürzt sich in die Schlacht und findet den
Heldentod." ,,Die Beharrlichkeit" ist wieder sehr theatralisch, aber doch nicht ohne einen Zug ins
Grofse : ,, Gottfried von Bouillon in weifsem Gewände legt mit seinen Kriegern seine Waffen am
hl. Grabe nieder." ,,Die Gerechtigkeit" auf dem vierten Bilde wird durch Rudolf von Habsburg
repräsentirt, der über die Raubritter am Rhein Gericht hält.
War diesen Bildern durch die dramatischen geschichtlichen Begebenheiten wenigstens noch
ein gewisser Halt gegeben, so konnte sich die romantische Phantasie in Composition und Farbe
bei den beiden letzten Bildern ,, Gesang" oder ,, Poesie" und ,, Minne" die Zügel schiefsen lassen.
Vielleicht oder gerade deshalb sind die Bilder zwar die buntesten und süfslichsten, aber dabei
auch die für die ganze Romantik vielleicht am allermeisten charakteristischen. Das ist eben
jener Höhepunkt, über den hinaus es keine Steigerung mehr gab. Auf dem ,, Gesang" ist ., König
Philipp von Schwaben dargestellt, der, mit seiner Gemahlin Irene auf einem Rheinboote unter
prunkvollen Baldachins sitzend, sich an den Liedern des ihn umgebenden Sängerkreises erfreut"
und auf der ,, Minne" empfängt Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen seine Braut Isabella von
England auf der Burg Stolzenfels. Auf ,, weifsem Zelter", wieder von einem Baldachin geschützt,
,,mit züchtigen verschämten Wangen" naht die Braut, mit ausgebreiteten Armen eilt ihr der
Kaiser entgegen, rings herum blumenstreuende Kinder, Frauen, Prälaten, Ritter, Bannerträger u. s. w.
Stilke verliefs bald nach Vollendung dieser Arbeit Düsseldorf und siedelte nach Berlin über,
wo er noch eine Reihe von Gemälden ausführte und 1860 starb.
105
VI. Kapitel
Die von Schadow unabhängigen Historienmaler
IE tief gegründete Unzufriedenheit auf Seiten der rheinischen Akademieschüler, von der
oben die Rede war, hatte schliefslich zu einer Art Katastrophe geführt, deren Er-
schütterungen lange nachzitterten. Man möchte fast glauben, dafs der Explosionsstoff,
der sich zu Ende der 30 er Jahre am Rhein aufgespeichert hatte, auch in die scheinbar
so weitabgewandten romantischen Künstlergemüther eingedrungen wäre. Den Anlafs
zu einem aufsehenerregenden Vorgehen einiger junger Leute auf der Akademie scheint eine that-
sächlich vorgekommene Bevorzugung einzelner Schüler, die in die Anstalt aufgenommen wurden,
gegenüber anderen, denen die Aufnahme wegen Platzmangel verweigert wurde, gegeben zu haben.
Andere Klagen und Mifsstimmungen ähnlicher Art kamen dazu: z. B. man habe Rheinländern,
welche die vorgeschriebene Frist von neun Jahren auf der Akademie zugebracht hatten, das Atelier
entzogen, Ostländer aber hätten länger bleiben dürfen u. s. w. Es kam so weit, dafs im Fremden-
blatt eine Anzeige erschien: „Es sind wieder neue Berliner Pinsel angekommen, Vertreiber
genannt, welche in allen Sorten vorräthig sind, BurgplaLz Nr. 283" (die damalige Akademienummer).
Weiterhin wurde behauptet, der Kunstverein, der damals ganz unter akademischem Einflufs stand,
kaufe mit Vorliebe von „ostländischen" Künstlern, statt von Rheinländern, und plötzlich verbreitete
sich das Gerücht, die Rheinländer und Westfalen wollten die Akademie in Düsseldorf verlassen,
wo ihnen Niemand helfe. Aufser vielen Anderen gingen wirklich Pose, Funk, Ehemant und
A. Achenbach nach München, ebenso ,,der brave und productive Genremaler Rüstige", und sogar
der junge Rethel, „der zwar selbst, wie viele Andere, keinen Grund zur Klage gehabt hätte, aber
durch die Zurücksetzung seiner Landsleute tief gekränkt sei", verliefs Düsseldorf. Gerade bei ihm
lagen freilich die wahren und berechtigten Gründe tiefer.
Diese akademische Bewegung setzte sich in weitere Kreise fort, und es kam sogar zu einer
literarischen Polemik, indem der später auf der benachbarten Fahnenburg wohnende Jurist und
Historiker Anton Fahne 1837 in einem eigenen Werkchen gegen die Akademie und den Kunst-
verein, insbesondere gegen Schadow polemisirte, die oben genannten Vorwürfe gegen die Akademie
erhob und dabei vielerlei Stadtklatsch aufwärmte. Ihm antwortete, ebenfalls in einem kleinen
Buche, wohl angeregt durch Schadow oder den Kunstverein, aber leider in etwas alberner Form,
der Regierungssecretär Scotti, indem er sich bemühte, die erhobenen Vorwürfe zu entkräften.
Die Akademie selbst veröffentlichte in der ,, Düsseldorfer Zeitung" (Nr. 155, 10. Juni 1837) eine
Erklärung, in der sie die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zurückwies, bezw. deren Unhalt-
barkeit nachwies.
Auch das Erscheinen der mehr kritischen Arbeit des witzigen Püttmann, das bekannte Buch
von Uechtritz, die beide 1839 gedruckt wurden, und Immermanns „Maskengespräche" geben den
Beweis für die weitgehende Unruhe, freilich aber auch für ein lebhaftes Interesse weiterer Kreise
an der Entwicklung der Düsseldorfer Kunst.
Immerhin unterliegt es keinem Zweifel, dafs aus jenen Vorkommnissen, mögen sie nun an
und für sich auch harmloser oder zufälliger Natur gewesen sein, und bei der durch sie hervor-
gerufenen Erregung, jene Trennung zwischen Akademie und Künstlerschaft entsprang, die ja an
und für sich ganz natürlich ist, in späteren Jahren aber zuweilen auch wieder eine feindselige
Form annahm, die kaum berechtigt war. Natürlich war es durchaus, dafs, nachdem die ersten
Schüler herangereift waren, sie nicht mehr nebeneinander in den akademischen Meisterateliers
hocken blieben, sondern sich auf eigene Füfse stellten; natürlich und in hohem Grade erfreulich
106
sogar war es. dafs, nachdem gewissermafsen ein starker Stamm erwachsen war, nun wie Aeste
eines Baumes die verschiedensten Richtungen, Auffassungen und Stoffgebiete sich nach allen
Seiten entwickelten, und, nachdem eine gewisse Gleichartigkeit der Düsseldorfer Bilder sich schon
unangenehm bemerkbar gemacht hatte, sich künstlerische Individualitäten herauszubilden begannen.
Unberechtigt waren die Verdächtigungen gegen Schadow und seine Freunde, sowie gegen das
ganze Institut. Hier wurden die eben entbrannten Kämpfe kirchenpolitischer Natur auf ein Gebiet
übertragen, das jenem eigentlich so fern wie möglich liegen sollte. Es kam da eben wieder die
rheinische Empfindlichkeit zum Durchbruch, die sich dem verhafsten Preufsen gegenüber als
confessionelles und politisches Märtyrerthum aufspielte. Auch die schon damals beginnenden
demokratischen Tendenzen spielten mit hinein und trugen dazu bei. die Gegensätze zwischen dem
mit dem kleinen Düsseldorfer Hofe Hirten Schadow und seinen Freunden einerseits und den
übrigen ferner stehenden Künstlern andererseits zu verschärfen, obwohl auch diese späterhin sich
thatsächlich durchaus conservativ verhielten und höchstens in Wort und Lied die so streng ver-
pönte Freiheit zu feiern sich unterfingen. Schadow selbst, der ohnehin reizbar und kränklich
war, wurde durch die genannten Angriffe und Streitigkeiten aufs empfindlichste berührt. Er
unternahm eine längere Reise nach Italien, und wenn es heifst. er sei von ihr schroffer und ein-
seitiger zurückgekehrt, so werden daran weniger die italienischen Eindrücke Schuld haben, als
die schon auf die Reise mitgenommenen düsseldorfer.
Uebrigens glaubt Immermann das Auftreten eines confessionellen Uebereifers bei Schadow
schon nach der ersten Reise 1830, nicht erst, wie Wolfgang Müller von Königswinter und seine
späteren Ausschreiber annehmen, nach dieser zweiten Reise constatiren zu können. Thatsächlich
fällt das Zerwürfnifs zwischen Schadow und Lessing, das durch des letzteren Hufsbilder ver-
ursacht war, einige Jahre vor die zweite Reise.
Neben dem Wunsch, jenen Unannehmlichkeiten aus dem W^ege zu gehen, zog es aber
Schadow vielleicht auch deshalb nach Italien und Rom. weil dort schon seit einigen Jahren
mehrere seiner Schüler mit Vorarbeiten zu einer grofsartigen monumentalen Arbeit beschäftigt
waren. Von dieser Arbeit, zu der Schadow den Besteller wohl auch mit veranlafst hatte, ver-
sprach er sich einen ganz besonderen Triumph seiner Schule, da sie einem Gebiete angehörte,
das ihm und seiner Kunst am nächsten lag, ohne dafs es doch bisher aufser bei einem einzigen
seiner Schüler grofsen Umfang gewonnen hätte. Es handelte sich nämlich um die Ausmalung
der Apollinariskirche al fresco, mit der ein adeliger Kunstfreund vier junge Düsseldorfer Maler,
Deger, A. Müller, C. Müller und Ittenbach. betraut hatte. Die beiden Ersteren hatten sich infolge
dieses Auftrages schon 1837 nach Italien begeben, die beiden Letzteren waren 1839 dorthin nach-
gekommen und Schadow mochte daran liegen, sich von dem Vorrücken der dort begonnenen
Vorarbeiten zu überzeugen. In der That hat er, wie er mit Deger schon in lebhaftem Briefwechsel
gestanden hat, in Rom sich aufs eingehendste ihrer Aller angenommen, trotzdem er schon damals
merken mufste, dafs auch sie nicht geneigt waren, in Allem seiner Directive zu folgen.
Die Vollendung dieser Arbeit an Ort und Stelle zog sich allerdings noch länger als ein
Jahrzehnt hin, und die Scheidung zwischen diesen Malern und Schadow blieb mehr unter der
Oberfläche. Aktueller und zunächst wichtiger war die Entwicklung einiger Künstler und ihre
offene Trennung von Schadows Principien, die sich schon um das Ende der 30er Jahre vollzog.
In ihr ist die erste Loslösung selbständiger Naturen von der akademischen Richtung zu constatiren
und zwar eine Loslösung, deren tiefster Grund nicht nur in den verschieden gearteten künstlerischen
Individualitäten, sondern vor Allem auch in einer verschiedenartigen Anschauung von dem Wesen
der Kunst überhaupt zu suchen ist.
Diese Secessionisten. um das moderne Wort auf eine durchaus gleichartige Bewegung einer
früheren Zeit anzuwenden, waren Lessing. Schirmer und die Begründer der Düsseldorfer Land-
schaftsmalerei, dann vor Allem Rethel und schliefslich der grofse Kreis der sogenannten Genre-
maler, denen sich Schadow von vornherein zwar nicht feindlich, wie oft behauptet worden ist,
aber, wie das bei seiner Kunstauffassung nun einmal nicht anders möglich war, doch kühl
gegenüber verhalten hatte.
*
Karl Friedrich Lessing ist innerhalb der Schadowschule, ja innerhalb der ganzen damaligen
Düsseldorfer Malerei, die stärkste und eigenartigste Erscheinung; und die einfachste Erklärung für
diese seine künstlerische Eigenart, die sich unter dem aufserordentlichen und Alle beherrschenden
Einflufs Schadows ebensowohl, wie innerhalb der verschiedenen geistigen und ästhetischen
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Strömungen ihren Charakter zu bewahren gewufst hat. liegt in den persönhchen Eigenthumhch-
keiten des Mannes begründet. Lessing war unter seinen Collegen nicht nur der Stärkste, sondern
auch der Vielseitigste, und er war der Erste, der die Geschichtsmalerei von ihrer remsten Seite,
ohne die damals fast unvermeidliche Beimischung von sentimentalen und romantischen Zuthaten,
auffafste und wiedergab. Dafs er während einer gewissen Zeit bestimmte Stoffe, die ihm seiner
Erziehung und seinem Wesen nach am Herzen liegen mufsten, bevorzugte, hat ihm sogar den
Vorwurf der Tendenzmalerei eingetragen, was um so verwunderlicher ist, als es doch niemals
JULIUS ROETING
Bildnis des Malers C. F. Lessing
Jemanden eingefallen ist. Denjenigen, welche aut dem entgegengesetzten Standpunkt standen, den-
selben Vorwurf zu machen.
Vor allen Dingen war das Naturgefühl bei Lessing von gröfserer Stärke und Innigkeit, als bei den
meisten seiner Zeitgenossen, und es war ebenso ein selbstverständlicher Ausflufs dieses Naturgefühls,
wie eine Folge des Zwanges, in den ihn der Stand der damaligen Figurenmalerei zunächst gebannt
hielt, dafs er von Anfang an mit gröfstem Erfolg sich der Landschaftsmalerei widmete und mit
Schirmer zusammen als Hauptbegründer der später so hochberühmten Düsseldorfer Landschaftskunst
betrachtet werden mufs. Wie er dabei mit Vorliebe die freie Natur mit dem Menschen zusammen,
oder umgekehrt den Menschen innerhalb der Natur betrachtete, das ist ein ganz moderner Zug, den
wir in unseren Tagen mit noch gröfserer Entschiedenheit sich geltend machen sehen. Dieses
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Naturgefühl wurde verstärkt oder genährt durch einen Hang zur Einsamkeit, der Lessing schon
frühzeitig von dem gewohnheitsmäfsigen geselligen und ateliermäfsigen Zusammensein der Künstler,
das notorisch die auffallende Gleichartigkeit der Motive, der Farbe, der Bildstimmungen herbeigeführt
hat, fern hielt und ihn seinen eigenen Ideen in dem ungestörten Leben mit der Natur überliefs.
Es lag ein gewisser ritterlicher Zug in seinem Wesen, der ihn zu allerlei körperlichen Uebungen,
Jagen, Reiten, Schiefsen u. s. w.. welche die freie Natur zum Wirkungsfeld haben müssen, antrieb
und seinen Bildern, die sich mit denselben Dingen beschäftigten, eine gröfsere Wahrheit gab, als
sie denen der mehr reflectirenden und aus der Tiefe des Gemüthes und im Atelier schaffenden
Collegen eigen war.
Hand in Hand mit seinem Hang zur Einsamkeit ging seine vollständige Abwendung von den
aesthetischen, womöglich höfischen Gesellschaften, in denen Schadow und sein Kreis sich wohl-
fühlte, und zeitweise erhielt diese Abneigung Lessings den Anschein des Oppositionellen oder
Revolutionären, wie es damals genannt wurde, ohne dafs dies doch der innerlich friedfertigen und
stillen Natur des Künstlers im mindesten entsprochen hätte.
Carl Friedrich Lessing wurde am 15. Februar 1808 zu Breslau geboren, genau 25 Jahre nach
dem Tode des grofsen Gotthold Ephraim, dessen Grofsneffe er war. Sein Vater war Jurist, bald
nach der Geburt des Sohnes wurde er nach Polnisch -Wartenberg an der polnischen Grenze versetzt,
und in diesem kleinen Ort, in einer sandigen, halb waldigen, halb sumpfigen Gegend verlebte Carl
Friedrich mit einigen Brüdern und Schwestern seine Jugend. Seine erste Entwicklung scheint eine
äufserst langsame gewesen zu sein. Erst im vierten Jahre hatte er mühsam Sprechen gelernt,
gleichzeitig mit der Sprache war aber schon der Drang zu künstlerischer Bethätigung aufgetreten,
der allerdings wiederum die Empfänglichkeit für den Schulunterricht beschränkte. Nach einer zum
Theil in jener kleinen Stadt, zum Theil in Breslau verlebten Jugend und unter einer von Seiten des
Vaters ziemlich harten Erziehung sollte Lessing sich dem Baufach widmen und kam zu diesem
Zweck nach Berlin. Die Arbeit auf dem Baubureau mufste ihm seiner ganzen Natur nach aufs
äufserste zuwider sein, dazu kam, dafs er bei einer Prüfung durchfiel, und so hängte er kurz
entschlossen, trotz des Widerstandes seines Vaters, die Architektur an den Nagel, begab sich in
das Atelier der Professoren Dähling und Kollmann und begann ohne weiteres ein Landschafts-
bild, das sowohl für seinen damaligen Gemüthszustand, wie für seine Naturauffassung überhaupt
bezeichnend ist. Es war ein verfallener Kirchhof mit Gewitterstimmung, also die düsterste
Romantik, die aber für den jungen, noch knabenhaften Künstler, der mit seinem Vater vorläufig
zerfallen war, eine recht ernste Bedeutung hatte. Der Erfolg, den dieses Bild hatte, — der Berliner
Kunstverein kaufte es 1826 für das Doppelte des geforderten Preises (so Etwas kam damals vor,
heute soll zuweilen das Gegentheil passiren), — versöhnte den Vater mit dem eigenmächtigen Schritt
des Sohnes, und dieser konnte sich nun frei dem gewählten Beruf widmen.
Durch Carl Sohn wurde Lessing mit Schadow bekannt und folgte ihm nach Düsseldorf,
wohin ihn der Ruf des Rheins mit seinen Burgen und ritterlichen Reminiscenzen ziehen mufste.
In der That fand Lessing hier durchaus den geeigneten Boden für seine Weiterentwicklung. Dieselbe
vollzog sich auch bei ihm — wenigstens im Anfang — mit der überraschenden Schnelligkeit,
welche in der Geschichte der damaligen Kunst bei so vielen Malern in Erstaunen setzt, da sie in
einem Alter, in welchem der heutige Kunstschüler noch die Bänke der unteren Klassen der
Akademie drückt, aufsehenerregende und für die Zeit in der That hervorragende Bilder malten.
Kein geringer Theil des Ruhmes der Schadowschule beruht auf dieser Thatsache, die vielleicht
darin ihre Erklärung findet, dafs wirklich auffallend viel hervorragende Talente sich damals der
Kunst zuwandten, die dann in der Frische der Jugend, unter dem Hochdruck einer ungewöhnlichen
Begeisterung, in dem Gefühl, dafs Deutschland von ihnen die Neugeburt der Kunst erwarte,
thatsächlich auch das Ungewöhnliche in Bezug auf Frühreife geleistet haben, so dafs es Schadow
zum Beispiel auch wagen konnte, bei seiner ersten Reise nach Italien den 22jährigen Lessing
mit seiner Vertretung bei den Directionsgeschäften zu betrauen.
In Düsseldorf malte Lessing auf Schadows Rath zunächst ein Selbstporträt und begann dann,
dem Zug der Schule folgend, einen Carton ,,Der junge Tobias nimmt von seinem Vater Abschied".
Er führte denselben aber nicht im Bilde aus, sondern gerieth in einen eigenthümlichen Zustand
des raschen Producirens von Entwürfen und Compositionen, der ihn zur Ausführung eines Bildes
lange nicht kommen liefs, bis er in der Ausführung einer Landschaft „Das Schlofs am Meer" wieder
festen Boden fand und nun eine Anzahl von Landschaften hintereinander vollendete, in denen er
sowohl seinen Natursinn als die romantischen Einflüsse der Leetüre von Uhland, Tieck und der
Nibelungen bethätigte, allerdings in einer freieren Weise, als dafs blofse gemalte Illustrationen von
109
Scenen der Dichtungen entstanden wären. In diese Zeit fällt der Beginn der Malerei in Schlofs
Heitorf, und Schadow bot Lessing die Ausführung dieser Bilder mit Mücke zusammen an. Lessing
entwarf sofort den Carton der „Schlacht bei Iconium" und als erstes Figurenbild in Oelfarbe die
Farbenskizze zu demselben, die aber Schadow mifsfiel. Lessing war dadurch so entmuthigt, dafs
er die Historienmalerei überhaupt aufgeben und sich nur mehr der Landschaft widmen wollte,
um so mehr als eine kleine Landschaft, „Der Klosterhof im Schnee", die er 1830 ausstellte, wieder
einen grofsen Erfolg gehabt hatte. Das Verdienst seines Freundes Uechtritz (der auch eine ein-
gehende, leider nicht vollendete Lebensskizze von Lessing in seinem Werke „Bhcke in das
Düsseldorfer Kunst- und Künstlerleben" hinterlassen hat) war es, dafs Lessing von diesem
Gedanken wieder zurückkam und dem Berliner Kunstverein, der eine Arbeit bei ihm bestellt
hatte, statt einer Landschaft, die Ausiührung einer schon im Winter 1828 — 29 vollendeten Compo-
sition „Das trauernde Königspaar" vorschlug, zu der ihn Uhland begeistert hatte.
Die Ausführung dieses Bildes, dessen Inhalt ja noch vollständig in den Bereich der Romantik
fällt, war für Lessings technische Entwicklung von gröfster W^ichtigkeit, indem er hier zum
erstenmal gezwungen war, ein gröfseres Bild sorgfältiger, als dies bisher seine Art gewesen und
als es bei der Landschaftsmalerei auch nöthig gewesen war, auszuführen. Hier hatte Schadow
seinen ganzen Einflufs und seine reiche Erfahrung angewandt und trotz der Opposition Lessings,
der noch immer unter der Unart litt, seine Bilder eigentlich nur alla prima zu malen, es durch-
gesetzt, dafs der junge Maler das grofse Bild sorgfältiger und eingehender ausführte. Der Erfolg
desselben war ein aufserordentlicher, und es gehörte bald zu den berühmtesten der Düsseldorfer
Schule, das durch Reproduction in der ganzen W^elt bekannt wurde.
Der Graf Raczcynsky erklärte zum Beispiel, dafs dieses Bild das erste W^erk sei, durch
welches sich das neue Zeitalter ankündige, das für Düsseldorf sich eröffnete; nebenbei constatirte
er die ,, geschichtlich merkwürdige Thatsache", dafs Schadow selbst für den Kopf des Königs als
Vorbild gedient habe. Immerhin ein hübsches Zeichen für das damalige Verhältnifs zwischen
Lehrer und Schüler und ein Beweis, wie Schadow es verstand, seine Theorien in die Praxis zu
übersetzen. Hatte er doch in seinen ,, Gedanken über die folgerichtige Ausbildung des Malers" es
ausdrücklich empfohlen, dafs der Maler bei der Ungeschicklichkeit der meisten Modelle, zur Gewin-
nung des richtigen Ausdrucks einen ,, verständigen Freund" bitten möge, ihm als Modell zu dienen.
Gleich darauf malte Lessing das in Frankfurt befindliche ,, Schlofs Rheinstein", wie er über-
haupt zur Landschaftsmalerei wie zu seiner eigentlichen Lieblingskunst, gewissermafsen als zur Er-
holung immer wieder zurückkehrte. Der Erfolg des ,, Königspaares" hatte Lessing zur Ausführung
des Frescobildes in Heitori im Sommer 1830 ermuthigt, das dann auch durch Frische und inneres
Leben, wenn auch nicht in der Farbe, sich auszeichnet. Die Beschäftigung mit dem grofsartigen
historischen Stoff, der Geschichte des Kaisers Barbarossa und die Aussicht, noch zwei der Bilder
in Heitorf zu malen, liefsen um dieselbe Zeit noch einige ähnliche Compositionen entstehen,
obwohl Lessing damals eigentliche historische Studien noch nicht gemacht hatte. Ob dies nun
gerade ein künstlerischer Mangel und nicht vielmehr für die Lebendigkeit der Compositionen, die
auf das Malerische mehr W^erth legten als auf das Geschichtliche, ein Vortheil gewesen ist, mag
dahingestellt bleiben. Neben der ,, Schlacht bei Iconium" entwarf also Lessing die ,, Erstürmung
von Iconium", bei welcher der Kaiser nicht zu sehen ist, sondern sein Neffe Herzog Friedrich
von Schwaben die Hauptfigur bildet. Lessing malte hiervon nur eine Farbenskizze, nach der,
wie schon erwähnt, fast zehn Jahre später Plüddemann den Carton und das Wandgemälde in
Heitorf ausführte. Etwas Komisches hat das Schicksal der dritten Barbarossa-Composition, die
den Tod des Kaisers darstellen sollte, das Motiv, dem damals kaum einer der Düsseldorfer
Maler entgangen ist, nachdem durch Raumers 1823 erschienene Geschichte der Hohenstaufen das
Interesse der ästhetischen jungen Maler, oder vielmehr das ihrer ästhetischen Rathgeber, hier
Uechtritz', für den sagenhaften, wie für die Romantik geschaffenen Kaiser Rothbart überhaupt
einmal erregt war. Lessing hatte sich mit der Thatsache, dafs der Kaiser als Leichnam aus
dem Wasser gezogen wurde, nicht befreunden können und den alten Kaiser nachträglich am
Lande sterben lassen. Dies trug ihm aber von allen Seiten den berechtigten Vorwurf ein, dafs
das geschichtliche Factum dadurch gefälscht und die Scene somit auch ganz unverständlich würde.
Lessing entschlofs sich deshalb auf den Rath von Uechtritz, den sterbenden Kaiser einfach
in Friedrich II. umzutaufen, und unter diesem Titel wurde von dem Grafen Raczcynski nach der
Zeichnung das Bild bestellt.
Es folgte dann die Ausführung eines Leonorenbildes. eines Motivs aus einer Reihe von
Entwürfen, die zu dem Gedichte von Bürger entstanden waren. Während der Abwesenheit
HO
Schadows war Lessing zu seiner alten flüchtigen Manier, ein grofses Bild ohne genaue Zeichnung
anzufangen, zurückgekehrt, und dies beeinträchtigte die Wirkung der vollendeten Arbeit und trug
Lessing wieder den nicht unverdienten Tadel des aus Italien zurückkehrenden Schadow ein.
Dieser bewirkte aber bei Lessing diesmal nicht eine Depression, sondern hatte den Erfolg, dafs
er das Bild von Grund aus umarbeitete, und somit hatte er, wenn es auch schliefslich keine
seiner besten Arbeiten wurde, daran gelernt, in eingehender Weise seine Motive zu behandeln
und so lange umzuarbeiten, bis sie auch den strengsten Ansprüchen seiner Zeitgenossen gerecht
wurden, das bekannte akademische Princip, das allerdings auch seine Gefahren hat und einen
späteren Künstler vollständig zu Grunde richten sollte.
Ferner beschäftigten ihn um diese Zeit eine Reihe von Entwürfen zu einem altdeutschen
von Gustav Schwab bearbeiteten Epos ..Walter und Hildegunde". Neben diesen Gestalten und
Motiven, die sich alle innerhalb der allgemein üblichen ritterlich-romantischen Gedankengänge
der Schule bewegten, wenn auch Lessing sie in Verbindung mit der Landschaft lebendiger und
vollblütiger zu gestalten wufste, beschäftigte ihn aber schon damals eine Figur, die zwar keines-
wegs aus dem
Rahmen des auch
in der zeitgenös-
sischen Poesie
Vorkommenden
hinaustrat, die
aber erst durch ihn
in die Düssel-
dorfer Kunst ein-
geführt worden zu
sein scheint und
hier im Anfang
geradezu Epoche
machte, dann frei-
lich im Uebermafs
auftretend ver-
flachte und der
allgemeinen Senti-
mentalität an-
heimfiel. Dem
Maler war bei
seinen Streifzügen
am Mittelrhein ein
Volksbuch in die
Hände gefallen,
das dieThaten der
damals noch in
frischem An-
denken stehenden
höchst edlen Geistern ihren poetischen Ursprung hatten. Aufssrdem pafste die platonische Sympathie
für die edlen Räuber ganz gut in den Rahmen der allgemeinen Sentimentalität und Romantik. Sie
waren die gegebenen Statisten oder die Folie für die Könige, Helden und Edelfrauen.
Auch die Bewegungen vom Jahre 1848 warfen hier ihre Schatten in den Arbeiten der sonst
selbst doch so philisterhaften Romantiker vorauf. Freilich sind es eben meist nur Schatten geblieben.
Lessing, dem der Schillersche Ueberschwang ebenso fern lag, als der Byronsche höhnische
Weltschmerz, schien es, als ob er in dem freien Räuberleben die innigste Verbindung des
Menschen mit der Natur gefunden habe; in der Verachtung des Gesetzmäfsigen lag etwas,
das seinem eigenen Kraftgefühl imponirte, und gerade seine zurückhaltende, vornehme Natur fand
in der Schilderung des Ungebundenen jenen geheimen Reiz des Gegensatzes, der sich so oft
zwischen dem Wesen eines Künstlers und seinen Werken bemerkbar macht, insofern jenes W^esen
vielleicht nur durch Vernunft und Cultur anerzogen ist. Schon in den 20 er Jahren entstand das
Oelgemälde eines Räuberlagers, und eine grofse Zeichnung aus dem Jahre 1832 führte das Motiv
mit zahlreichen Figuren weiter aus. Ein drittes Bild, ..Der Räuber und sein Sohn", neigt schon
C. F. LESSING
Leonore
Nach der Lithographie von F. Jentzen
Räuberbanden,
die sich am Rhein
gebildet hatten,
schilderte. Da war
vor Allem der be-
rühmte Schinder-
hannes, der sogar
noch heute im An-
denken des Volkes
lebt, dessen Aben-
teuer die Phantasie
des gern auf ein-
samen Wegen
wandelnden Jägers
und Reiters ent-
zündeten, und es
entstand nun eine
Reihe von gemal-
ten und gezeichne-
ten Darstellungen
aus dem Räuber-
leben, die viel-
leicht ebenso sehr
in den Schiller-
schen Räubern,
wie in dem Byron-
schen Corsaren
und sonstigen aus-
gestofsenen, aber
r
M
Z
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zu einer Sentimentalität, die nicht mehr auf Beobachtung beruht, sondern in das Bild gewaltsam
hineincomponirt ist. Dafs gerade dies Bild das populärste wurde, ist bei der Stimmung des
damaligen Publikums kein Wunder.
Möglicherweise war es diese Räubermalerei, die Lessing zu einer Studienreise in die Eifel
veranlafste, in deren wilder Natur er die Anregung zu zahlreichen seiner besten Landschaften fand,
um so mehr, als er bei ihnen anfing, mehr als vorher noch die natürlichen Stimmungen der Natur
zu Studiren, statt die eigenen in sie hineinzutragen. Vielleicht stand diese Veränderung in seiner
Kunst im Zusammenhang mit einer im reiferen Alter bei ihm sich immer mehr ausprägenden
Ruhe und Stetigkeit des Charakters, dessen Entwicklung sein Biograph Uechtritz wohl nicht mit
Unrecht mit seinem 1833 erfolgten Eintritt in die Armee als Einjährig-Freiwilliger in Zusammen-
hang bringt, „wo der Geist pedantischer Ordnung nicht ohne Einflufs auf ihn bleiben konnte."
Nebenbei gab ihm der tägliche Umgang mit Pferden — er diente bei den in Düsseldorf damals
schon stehenden 5. Ulanen — die Gelegenheit zu eingehenden Studien, die er mit so grofsem Eifer
pflegte, dafs er von seiner nahegelegenen Wohnung auch in den dienstfreien Stunden häufig in
den Stall kam, um seinen Gaul beobachten und studiren zu können. Als eine Frucht dieser
Pferdestudien ist vielleicht ,,Die Entführung" anzusehen, eine Zeichnung, die um diese Zeit entstand
und in Kupfer gestochen vom Kunstverein als Prämienblatt ausgegeben wurde. Die Entführung
eines polnischen Edelmannes ist ersichtlich nur der Vorwand zur Darstellung einiger im stärksten
Galopp dahinsausender Pferde gewesen, obwohl das malerische Costüm dem Künstler von seiner
Jugendzeit her naheliegen mochte.
Das freundschaftliche Zusammengehen Lessings mit seinem Lehrer Schadow, das sich trotz aller
Verschiedenheit der Charaktere, wie der Kunstanschauung bisher erhalten hatte und für die damals
noch vorhandene künstlerische Toleranz Schadows, der doch sah, wie Lessing innerhalb desselben
Stoffgebietes thatsächlich mehr, als irgend ein anderer seiner Schüler eigene Wege ging, das ehren-
vollste Zeugnifs ablegte, sollte aber bald einen herben Stofs erleiden, und damit war ein neuer
Grund gegeben für die immer weiter um sich greifenden Spaltungen in der Künstlerschaft.
Dieser Bruch zwischen Schadow und Lessing wurde hervorgerufen durch des Letzteren
Hufsbilder, durch die sich Schadow in seinem religiösen Gefühle verletzt fühlte. Diese bei einem
Künstler ganz unbegreifliche Reizbarkeit ist vielleicht auch zu erklären durch die allgemeine
Erregung der Gemüther, welche damals durch die kirchenpolitischen Verhältnisse am Rhein
hervorgerufen war. Die zwischen der Regierung und der katholischen Kirche schon seit 1825
bestandenen Streitigkeiten wegen der gemischten Ehen waren seit der Wahl des Bischofs Droste-
Vischering zum Erzbischot von Köln (1835) wieder aufs heftigste entbrannt und in weiteste Kreise
getragen worden. Dafs freilich Lessing an eine tendenziöse Ausnutzung dieser Stimmungen nicht
im entferntesten gedacht hat, liegt auf der Hand.
In dem W^inter 1832 — 33 hatte Uechtritz seinem Freunde Lessing bei einer Krankheit desselben
die Geschichte der hussitischen Unruhen aus K. A. Menzels ,, Geschichte der Deutschen" vorgelesen,
und Lessing hatte sich mit gröfstem Interesse dieser Motive, in denen er eine ganze Reihe ver-
wandter Klänge vernehmen mufste, bemächtigt und sie in verschiedenen Compositionen zu bearbeiten
begonnen, welche die Grundlagen zu seinen bedeutendsten Bildern werden sollten.
Diese Stoffwahl, zu der Lessing also nicht einmal von selbst, sondern eigentlich nur durch
Zufall gekommen war, denn dem gutmüthigen Uechtritz wird doch wohl kein Mensch kirchen-
politische Absichten unterlegen wollen, als er Lessing die hussitischen Geschichten vorlas,
erbitterte Schadow in dem Mafse, dafs er sich weigerte, das Atelier Lessings wieder zu betreten
und damit zwischen sich und seinem bedeutendsten Schüler, besser gesagt, dem bedeutendsten
Künstler des damaligen Düsseldorf eine Scheidewand errichtete, die ihn und die Seinen mehr als
alles Andere mit der Zeit isoliren mufste.
Schadow stand mit seinem Verdammungsurtheil dieser protestantischen Tendenzmalerei,
wie sie genannt wurde, ja nicht allein, und wenn man sich der erwähnten Ereignisse jener Zeit,
die in der Verhaftung des Erzbischofs von Köln ihren Höhepunkt erreichten, erinnert, so ist eine
Spannung zwischen den streng kirchlich-katholischen Künstlern und dem Maler des Hufs ja an
und für sich erklärlich.
Wenn sie freilich derartige Dimensionen annahm, wie bei Schadow, oder bei Philipp Veit,
der sein Amt als Museums -Director in Frankfurt am Main niederlegte, als der „Hufs vor dem
Conzil" für das Städelsche Institut angekauft wurde, so waren das doch Zeichen künstlerischer
Engherzigkeit, die an den Fanatismus der Convertiten denken lassen, um so mehr als zum Beispiel
der fromme Deger mit Lessing auf dem besten Fufs blieb. Bei Schadow kam noch der bei ihm
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doppelt verwunderliche Mangel an Menschenkenntnifs in diesem Fall hinzu. Dafs bei ihm damals
auch sonst ein Unvermögen einzutreten begann, die künstlerische Ueberzeugung Anderer zu achten
und gelten zu lassen, das beweist die Thatsache, dafs er sehr bald mit der kirchlich -katholischen
Malerei, wie sie sich unter Deger entwickelte, ebenfalls unzufrieden war, weil sie nicht seinen
Ansichten entsprach. Natürlich kam es hier nicht zum Bruch, wie mit Lessing, aber die innere
Verstimmung war vielleicht eine noch tiefer gehende.
Unbegreiflich ist es nur, dafs selbst heutzutage noch, wo doch eine ruhigere Auffassung in
religiösen Dingen, namenüich innerhalb der Kunst hätte Platz greifen können, wo Lessings Kunst
als eine abgeschlossene und wohl auch überwundene Richtung objectiv betrachtet werden sollte,
dafs heute noch ein ganz modernes Künstler-Lexikon die alberne Phrase bringt: „Lessings Kunst
habe öfters im Dienst des Protestantismus gestanden". Es mufs energisch dagegen protestirt
werden, dafs diese absolut falsche Ansicht jetzt nach mehr als einem halben Jahrhundert wieder
ausgegraben wird und damit einem der vornehmsten und am ausschliefslichsten seiner Kunst
gewidmeten Männer, dessen Name der deutschen Malerei immer zur Zierde gereichen wird, ein
Makel angeheftet wird, wie es der Vorwurf irgend einer Tendenzmacherei für einen jeden Künstler
nun einmal ist.
Was Lessing bei den Hufsmotiven so mächtig packte, lag in seiner tiefsten Natur begründet.
Es vereinigten sich bei ihnen die Erinnerungen seiner Kindheit, die er an der Grenze eines
slawischen Landes verlebt hatte, die Tradition seiner Familie, die sie auf hussitischen Ursprung
zurückführte, vor Allem aber die echt tragischen und rein menschlich fesselnden Schicksale eines
für seine Ueberzeugung kämpfenden und der Uebermacht durch feigen Verrath erliegenden Geistes-
helden und schliefslich Anklänge an die Sympathie für die Auflehnung freier Geister gegen die
Schranken enger Gesetze und unerträglich gewordener Conventionen, wie sie damals nun einmal
in der Luft lag. Zu alledem kam die Wucht der historischen Thatsachen, die auf eine im
Grunde realistische und selbst gelegentlich nüchterne Natur ganz anders wirken mufste, als die
nebelhaften Gestalten der Poesie oder der verschiedenen Mythologien, oder der eigenen Phantasien,
die in den unruhiger werdenden Zeiten schon recht sehr abzublassen anfingen.
Dafs Lessing, der in einem Jesuiten-Gymnasium den ersten Unterricht erhalten hatte, zum
confessionellen Zeloten weniger als irgend Jemand sonst das Zeug hatte, lag schon in seinem
religiösen Indifferentismus, der gleichermafsen eine Erbschaft seiner Familie, wie das Resultat
seiner Erziehung war.
Uebrigens liegt es auch absolut nicht im Wesen des Protestantismus, irgend eine Kunst
oder Wissenschaft als ancilla ecclesiae in Dienst zu nehmen, ganz abgesehen davon, dafs die
hussitische Bewegung doch nur in einem zeitlich wie sachlich ziemlich weitläufigen Zusammen-
hang mit dem Protestantismus steht. Schliefslich — und das dürfte den Beweis liefern, dafs es bei
Lessing immer nur oder in erster Linie künstlerische Beweggründe waren, die ihn bei der Wahl
seiner Motive leiteten, ist es doch Thatsache, dafs er früher und später häufig genug Nonnen und
Mönche, Processionen und andere der katholischen Kirche ausschliefslich angehörende Motive auf
seinen Bildern dargestellt hat, wie dann seine Kreuzzugs-Compositionen ,,Den Triumph der Kirche
über die Ungläubigen" in derselben W^eise feiern, wie ähnliche Compositionen gut katholischer
CoUegen. Das hat ihm dann von der anderen Seite zu Zeiten sogar den Vorwurf eingetragen,
er mache für den Katholicismus Propaganda, ein Vorwurf, der natürlich ebenso lächerlich ist, wie
der andere. „Führte ihn dort die Poesie," sagt Müller von Königswinter ganz richtig, ,,so führt
ihn hier (bei den Hufs- und Lutherbildem) die W^ahrheit Er steht hier, wie überall auf
einem rein menschlichen Standpunkt."
Sehr nett erzählt auch Redtenbacher, wie mancher Dorfgeistliche erschrocken und nahe daran
war, sich zu bekreuzigen, wenn Lessing bei dem Studium der Kirchenschätze, Manuscripte u. s. w.
sich vorstellte. Nachdem aber die Leute den Meister näher kennen gelernt hatten, zogen sie
andere Saiten auf und Mancher befreundete sich sogar mit ihm. Dafs die unruhige Zeit kirchlicher
Kämpfe und vor Allem die schwächliche Haltung der Regierung ganz ohne Einflufs auf das
Geistesleben Lessings geblieben wäre, soll wahrlich nicht behauptet \verden. Lessing fühlte sich
gerade unter den italianisirenden Romantikern stets als Deutscher. Fast wie aus Opposition
unterliefs er die traditionelle Italienfahrt, und wenn ja ein aufserkünstlerisches Interesse bei der
W^ahl jener umstrittenen Motive ihn geleitet hat, so war es höchstens ein deutsch-patriotisches,
nicht ein tendenziös-religiöses.
Die Entwürfe zu den drei Hufsbildern, die innerhalb eines längeren Zeitraumes vollendet
wurden, entstanden si^hon früh. Das erste Bild, das er 1836 vollendete, war „Die Hussitenpredigt",
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„. der nicht Hufs selbst, sondern irgend einen hussitischen Volksführer dargestellt ist, wie er, den
Kelch in der Hand, die ihn umlagernde Schaar zum Kampf anspornt. In der Darstellung des
wilden Fanatismus auf der einen, der unheimlichen Ruhe, die nur auf das endliche Zeichen zum
Losbruch wartet, auf der anderen Seite, tritt Lessing hier an eine Aufgabe der bildenden Kunst
heran, die der Düsseldorfer Malerei bis dahin ziemlich fremd gewesen war.
Es ist das eine Seelenmalerei, die in der Vorführung complicirter geistiger Zustände über die
sentimentale Ruhe oder resignirte Trauer, wie sie die Düsseldorfer Existenzbilder eines Sohn oder
Bendemann bisher als höchsten geistigen Inhalt gekannt hatten, weit hinausgeht und einen
wichtigen und einflufsreichen Gegensatz gebildet hat gegen die um jene Zeit von Belgien ausgehende
Repräsentationsmalerei, die an Düsseldorf fast spurlos vorbeigegangen ist, während sie in den übrigen
deutschen Kunstschulen, besonders in München, geradezu Epoche gemacht, das Technische dort
ebenso gefördert, wie das künstlerische Niveau für lange Zeit herabgedrückt hat. Es lag in dieser
Betonung des psychologischen Elementes etwas von dem, was in ihren guten Erzeugnissen auch
die Düsseldorfer Genremalerei so vortheilhaft auszeichnen sollte, jener verfeinerte Realismus, dem
sich die allemeuesten Bestrebungen wieder zuzuwenden beginnen.
Wie wenig Lessing an eine Tendenzmalerei dachte, beweist die auf die Vollendung dieses
Bildes folgende Ausführung des ..Ezzelin im Kerker" 1838, das den wilden Tyrannen in der Gesell-
schaft zweier Mönche zeigt, von denen der Franziskaner, ein finsterer Fanatiker, sich von dem
alten unbeugsamen Kriegsmann unwillig abwendet, während der andere, ein Camaldulenser, voller
Milde den alten Sünder noch zu bekehren hofft.
Nach Vollendung des Ezzelin beschäftigte Lessing eine gröfsere geschichtliche Composition, die
ihrem Motiv nach demselben historischen Gedankenkreise, der wohl durch die Zeitereignisse mit
beeinflufst war, angehört, den Kämpfen zwischen Kaiser und Papst. Es war ,,Die Gefangennahme
des Papstes Paschalis II. durch Kaiser Heinrich V.", die zunächst allerdings nur in kleinem
Mafsstab ausgeführt wurde.
Scheint beim Ezzelin das psychologische Element noch an gewisse Typen gebannt, so zeigt
sich Lessing als ein Meister der Darstellung feinster Seelenmalerei in seinem ,.Hufs vor dem
Conzil" 1842 (richtiger ,,Hufs im Verhör"). Statt Lessing hier der Tendenzmalerei anzuklagen,
sollte man lieber die Objectivität bewundern, mit der er die zahlreichen Kirchenfürsten geschildert
hat, ohne auch nur bei einem Einzigen Typen zu verwenden, wie sie zum Beispiel in modemer
Zeit der gut katholische Italiener Barabino bei seiner „Verspottung des Columbus durch die
Geistlichkeit im Rath von Salamanca" gewagt hat. Kein einziger dieser Lessingschen Kirchen-
fürsten, unter denen sich notorisch doch recht zweifelhafte Existenzen befanden, entbehrt der
Vornehmheit und W^ürde, und Hufs selbst, der ohne Pathos und selbst ohne eine Andeutung von
Märtyrerthum seine Sache führt, ist eine der feinsten Gestalten, welche die bildende Kunst der
damaligen Zeit geschaffen hat.
In diesem Bilde hat Lessing wohl die Höhe seines Schaffens auf dem Gebiete der Historie
erreicht, auch coloristisch ist das Werk eine der besten Leistungen der damaligen Düsseldorfer
Malerei und blieb auf lange hinaus auch in dieser Richtung hin unerreicht. Was heute an dem
Colorit störend wirkt, beruht auf den Eigenthümlichkeiten der Malerei jener Zeit, von denen noch
die Rede sein wird. Sicherlich müssen aber die so berühmten Bilder von Gallait und Biefve, die
damals ihren verhängnifsvollen Triumphzug durch die Welt begannen, auch in coloristischer
Hinsicht bei weitem gegen das Bild des Düsseldorfers zurückstehen. Acht Jahre später. 1850,
während welcher Zeit eine Reihe von kleinen Bildern, Landschaften und Entwürfen ausgeführt
wurde, fällt die Vollendung des letzten Hufsbildes. Von den vorher gemalten Bildern seien
erwähnt: ,, Heinrich V. wird am Kloster Prüfening der Einlafs verwehrt" 1844, „W^aldgebirge mit
brennendem Kloster", das wieder eine Staffage von flüchtenden und rettenden Mönchen zeigt,
„Landsknechte eine Höhe vertheidigend", das in glücklichster W^eise Figuren und Landschaft
vereinigt, und verschiedene kleinere Landschaften.
,,Hufs auf dem Scheiterhaufen" vermag nicht dasselbe Interesse zu erwecken, wie der ,,Hufs
im Verhör", obwohl die nach den Regeln der Schule besonders gelungene Composition gerühmt
wurde. Dem Motiv nach gehört es beinahe schon in das Gebiet der gemalten historischen
Unglücksfälle und Mordgeschichten, die namentlich in München kurz darauf eine so grofse Rolle
spielen sollten, als Piloty 1855 seinen todten W^allenstein gemalt hatte.
Vielleicht war es gerade das ungeheure Aufsehen, das die Hufsbilder machten, — das wieder
weit über die Grenzen Deutschlands hinausging, wie schon bei der Predigt, die 183g in Paris
einen grofsen Erfolg hatte — , und die zahlreichen Angriffe, die der Künstler deshalb auszustehen
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hatte, welche ihn reizten, nun in der Geschichte der Reformation weiter zu gehen und den eigent-
lichen Helden derselben, Martin Luther, darzustellen. Es entstanden, allerdings in einer grofsen
Zwischenpause, zuerst 1858 ,,Die Verbrennung der päpstlichen Bannbulle vor dem Elsterthor in
Wittenberg durch Luther" und 1866 ,,Die Disputation zwischen Luther und Eck".
Das erste dieser Bilder, das noch der Düsseldorfer Zeit angehörte und die letzte grofse dort
ausgeführte Historie ist, wenn man von einer vergröfserten Wiederholung der ,, Gefangennahme
Paschalis II." 1857 absieht, zeigte wieder die ganze Kraft der klaren und lebendigen Schilderung,
die Lessing eigen ist, reichte aber bei dem mehr dramatischen Vorgang nicht an die psychologische
Charakterisirung des Hufsverhöres heran.
Im Jahre 1858 folgte Lessing, der in Düsseldorf kein Amt bekleidet hatte, einem Ruf als
Director der Gemäldegalerie nach Karlsruhe. Dort entwickelte sich unter seiner und Schirmers
Leitung eigentlich erst diese Schule zu der Bedeutung, die sie noch heute besitzt, die sie aber
ebenso, wie manche andere, nur als eine künstlerische Colonie von Düsseldorf erscheinen läfst.
Der W^eggang Lessings von Düsseldorf war durch die Umtriebe seiner confessionellen Gegner,
die sogar bis Berlin und an den Hof ihren, dem Künstler hinderlichen Einflufs geltend machten,
wenn nicht direct verursacht, so doch wesentlich gefördert worden. Er bedeutete einen schweren
Verlust, allerdings mehr für den Ruhm der Künstlerschaft, als für ihre Entwicklung. Lessings
indirecter Einflufs er hatte nur wenige Schüler ausgebildet, und mehr durch seine Arbeiten
und seine Persönlichkeit gewirkt — hatte bereits seine Früchte getragen. Die Schadowsche Richtung
war zurückgedrängt und ein anderer Geist, dessen Spuren sich bei den ersten Arbeiten Lessings
schon so energisch bemerkbar machten, war bei verschiedenen Künstlern lebendig geworden.
Lessing in mehr als einer Richtung verwandt war vor Allen der Deutschamerikaner Emanuel
Leutze, der überhaupt nicht Schüler der Akademie gewesen ist, sondern unter der Führung Lessings
sich ziemlich früh auf eigene Füfse stellte. Er war 1816 zu Gmünd in Württemberg geboren und
als Kind schon nach Philadelphia gekommen. In der ursprünglichen, gesunden Atmosphäre des
jungen selbstbewufsten Landes erzogen, kam er 1841 nach Düsseldorf, wo er gleich ein grofses
Bild begann. Es begegnen sich in Leutzes Kunst verschiedene Elemente, die am wenigsten in
dem damaligen Düsseldorf zu Hause waren, die vielmehr ein Extract der damals in den ver-
schiedenen Kunststädten aufblühenden coloristischen und stofflichen Neuerungen bilden. So blieb
Leutze in Düsseldorf ziemlich isolirt. und seine Bilder erschienen damals, wie sie es heute erst
recht thun, als die Werke eines Ausländers, der nur zufällig seinen Sitz in Düsseldorf hat. Das
lag keineswegs in den Motiven, denn Columbus, Cromwell, Maria Stuart waren der Düsseldorfer
Malerei ganz vertraute Gestalten. Es lag vielmehr in der frischen, durch keinerlei Schulzwang
behinderten Art seiner Composition, die, wenn sie theatralisch war, doch einer anderen Bühne
anzugehören schien, als der Immermannschen Musterbühne und ihrer malerischen Uebersetzung etwa
durch Hildebrandt. Es lag in Leutzes Malweise, die coloristischer, farbiger, aber weniger bunt wirkte,
als die der älteren Historienmaler, aber unruhiger als die, welche Lessing in seinen Figurenbildern
anwandte, und es lag vor Allem in der technischen Gewandtheit und Frische, mit welcher der
thatkräftige und productive junge Künstler in kurzer Zeit eine grofse Reihe von Bildern in die
Welt setzte. Leutze ist gewissermafsen der Vorläufer Pilotys und ein verständnifsvoller Zeitgenosse
sowohl der Belgier, denen er näher kommt, als irgend ein anderer Düsseldorfer, als auch des
ihm wesensverwandten Kaulbach. Aber wie der Glanz jener Künstler ein ephemerer und ihr
Ruhm ein kurzlebiger war, so hinterliefs auch Leutze keine Spuren seiner künstlerischen Thätigkeit
in Düsseldorf, was um so verwunderlicher ist, als er im gesellschaftlichen Leben eine hervor-
ragende Rolle spielte. Sein unruhiger lebhafter Geist, in dem demokratischen Amerika geschult,
liefs ihn als zum Volkstribunen und Wortführer in dem kleinen Künstlerstaat berufen erscheinen.
Hier hat Leutze mit Erfolg gewirkt. Er war einer der Hauptbegründer und Mitstifter der Deutschen
Kunstgenossenschaft. Aber weder seine künstlerischen noch gesellschaftlichen Erfolge konnten
verhindern, dafs Leutze, wohl infolge verschiedener Mifshelligkeiten, die ihm, ebenso wie Lessing,
aus der freien Tendenz einiger seiner Bilder erwachsen waren, Düsseldorf zuerst 1859 und dann
nach kurzem Aufenthalt 1863 mit seiner Familie für immer verliefs.
Aus der grofsen Zahl seiner Bilder, die Müller von Königswinter mit gröfster Ausführlichkeit
nach eigener Anschauung beschreibt, ist der ,,Uebergang über den Delaware" 1850 eines der
wenigen, das in Deutschland (Bremen) verblieben ist, und das, durch einen Stich von Girardet
vervielfältigt, eine ähnliche Popularität errungen hat, wie die Bilder der Düsseldorfer Romantiker
oder Lessings. Von Pose ist ja der in der Mitte des durch die Eisschollen sich hindurch
schiebenden Bootes aufrecht stehende W^ashington auch keineswegs frei. Einer gewissen Besorgnifs,
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EMANUEL LEUTZE
Cromwell bei Milton
Nach dem Stich von F. Dinger
dafs er beim Anlaufen des Schiffchens an eine Eisscholle über Bord fallen möchte, kann man
sich nicht ganz erwehren, dennoch ist dem Bilde ein grofser Stimmungsgehalt nicht abzusprechen,
und für jene Zeit war es eine aufsergewöhnliche Leistung. Grofsen Beifall fand seiner Zeit auch
„Der Besuch Cromwells bei Milton".
Lessings Thätigkeit als Mitbegründer der Düsseldorfer Landschaftsmalerei wird an anderer
Stelle besprochen werden. Im Anschlufs an seine Figurenmalerei mufs nun das Werk eines
Künstlers betrachtet werden, über dessen Leben und Wirken eine eigenthümliche Tragik schwebt.
Es ist Alfred Rethel, der berufen war, die Düsseldorfer Kunst auf die höchste Höhe zu
heben, aber selbst in vollster Kraft einem furchtbaren Leiden erliegen mufste. Sein Werk, das
innerhalb des Ausklingens der gemüthvollen Düsseldorfer Romantik und neben dem erwachenden
Genre eine wahrhaft grofse und monumentale Kunst, wie sie Europa damals noch nicht kannte,
bedeutet, blieb lange ohne eigentlichen Einflufs, war lange den Meisten unbekannt und nur von
Wenigen verstanden, und konnte vielfach sogar geschmäht, in seiner gröfsten Schöpfung kaum
vor der Zerstörung bewahrt werden. Rethels künstlerisches Schicksal ist das eines Genies, das
von der Mitwelt nicht begriffen wurde, da sein Flug es über das Verständnifs der Zeitgenossen
hinaus führte, dessen Errungenschaften nicht der mitlebenden, sondern erst einer späteren Gene-
ration nutzbar und verständlich werden sollte. Sein persönliches Schicksal, ein früher Tod, ver-
hinderte ihn, diese spätere Generation selbst in seine Kunst einzuführen. Dasselbe Schicksal
hätte Böcklin getroffen, wenn er nicht seine W^idersacher und die verständnifslosen Zeitgenossen
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seiner Jugend überlebt hätte. Dasselbe Schicksal traf den edlen Feuerbach, dessen Stunde noch
immer nicht gekommen ist, da nicht einmal sein Gedächtnifs recht zur Gehung zu kommen vermag.
Vergleicht man Rethel mit demjenigen seiner Zeitgenossen, der ihm nach mancher Richtung
am nächsten steht, mit Lessing, so wird man finden, dafs vielleicht gerade Lessings Kunst, dessen
unleugbar kraftvolle Leistungen den höchsten Gipfel der Schadowschen Schule ausmachten, dem
Verständnifs Rethels am meisten geschadet hat. Lessing entwickelte auf dem Boden der Schule
gerade dasjenige Mafs an Naturwahrheit und Kraft, das die damalige Menschheit, soweit sie sich
überhaupt um Kunst kümmerte, noch vertragen konnte. Rethel, der darüber hinausging, dessen Werk
in seinen höchsten und originalsten Aeufserungen überhaupt keiner Schule mehr angehört, der ganz
auf eigenen Füfsen steht, fand keinen Platz mehr in der damaligen Kunstwelt, die in ihrer geistigen
Enge in der That das Aeufserste aufzunehmen hatte. Auch mit Cornelius hat man Rethel
zusammengestellt, obwohl sich beide kaum je nahegetreten sind. Die Unterscheidung des Trans-
cedenten in Cornelius' Kunst von dem Immanenten in der Rethels trifft wohl nicht ganz die
Hauptsache. Rethel ist vor Allem Realist in bestem Sinne, selbst in seinen monumentalsten imd
in seinen phantastischsten Schöpfungen, während Cornelius die Natur nur zu früh verlassen hat,
um sich einen Stil zu construiren, der bei Rethel aus dessen innerstem Wesen hervorging.
Cornelius verliefs den sicheren Boden des technischen Könnens immer mehr, um zuletzt im
blofsen schemenhaften Carton seine Gedanken niederzulegen. Rethel beherrschte schon früh die
Kunst des Malens in hervorragendem Mafse und zwang später dem spröden Fresco coloristische
Wirkungen ab, die von seinen Zeitgenossen freilich kaum verstanden wurden. Ihm war der
Gedanke Mittel zur Kunst, während für Cornelius die Kunst nur ein Mittel war, seine religiös-
philosophischen Phantasien und Ideen niederzulegen.
Alfred Rethel wurde am 15. Mai i8i6 auf Haus Diepenbend bei Aachen geboren. Sein Vater
war geborener Strafsburger, und französischem Blut mag wohl Rethel die Leichtigkeit und tech-
nische Gewandtheit verdanken, die ihn schon früh auszeichnete. In der Jugend schwächlich,
wurde Rethel vielleicht durch eben diese Kränklichkeit frühzeitig von den Knabenspielen ab- und
der Beschäftigung mit der Kunst zugeführt. Schon in frühesten Jahren war es seine liebste
Unterhaltung, Compositionen von Schlachten und Belagerungen zu entwerfen, zu denen die un-
ruhigen Zeiten, etwa die Befreiung Griechenlands, wohl die Anregung geben mochten.
Erst 13 Jahre alt, bezog Rethel die Akademie in Düsseldorf, nachdem die dort vorgelegten
Arbeiten schon allgemeine Anerkennung gefunden hatten. Mit 16 Jahren malte er sein erstes
Bild, einen ,,Bonifacius", der vom Kunstverein angekauft wurde. W^as die meisten Schöpfungen
Rethels auszeichnet und ihnen einen Charakter verleiht, der von dem, was damals in Düsseldorf
gemalt wurde, so weit als möglich verschieden ist, das ist ein gewisser unerbittlicher Ernst,
der alle die kleinen liebenswürdigen Gefühle und Sentiments jener Epoche ausschliefst. Dieser
Ernst, der ebensowohl in dem äufseren Gebahren seiner Gestalten, (kaum je hat Rethel ein
lachendes Gesicht gezeichnet oder gemalt, und selbst der Ausdruck der Freude behält bei ihm
etwas Strenges und Hoheitsvolles) als in der Anordnung seiner Compositionen, die alles posirende
Beiwerk verschmähen, sich ausspricht, ist der Grundzug von Rethels Kunst und läfst in dieser
Beziehung auch bei ihm wahrlich eher an Michel Angelo denken, als bei dem sanftmüthigen
Bendemann. Dieser Ernst ist es aber auch, der Rethels W^erke, namentlich die der späteren Zeit,
bei aller Anerkennung doch um das Verständnifs seiner Zeit brachte, die ja alles Andere eher
vertragen mochte, als wirkliche Kraft und ernsthaftes Zufassen.
Dieselben Eigenschaften zeigen ein zweites und drittes Bonifaciusbild, die eine ,, Predigt"
des Heiligen und die „Gründung einer Kirche" durch ihn zum Vorwurf haben. Nur ist die
Composition eine reiche mit vielen Figuren, die hier allerdings noch den Einflufs der Schule in
der Anordnung und in dem unvermeidlichen Phantasiecostüm verrathen. Dennoch ist bei dem
letzten Bilde Rethel schon auf dem W^ege zu jener Auffassung der Kleidung, die sich von der
Theaterschablone ebenso fern hält, wie von dem archaeologischen Studium, das bald darauf in
Belgien betrieben wurde.
Diese Bilder, deren letztes 1836 von dem damals also Zwanzigjährigen vollendet worden war,
hatten Rethel zum berühmten Manne und zum W^underkind der Schadowschule gemacht. Aufser
ihnen hatte Rethel in unablässiger Schaffensfreude eine grofse Anzahl von Compositionen der
verschiedenen Art gezeichnet.
Der Geschichte des Bonifacius gehören noch mehrere von ihnen an, die übrigen be-
handeln die allerverschiedensten Motive, sind aber meist schon entschieden historischer Art,
so vor Allem die berühmten „Schweizer vor Sempach", dann verschiedene Episoden aus der
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deutschen Kaisergeschichte und auch eine Anzahl
von Blättern zu A. von Stolterfoths „Rheinischem
Sagenkreis". Hier ist ja eine Hinneigung zu den
Düsseldorfer romantischen Motiven am ehesten
zu beobachten, aber um so gröfser ist die Ver-
schiedenheit in der Behandlung. Die Strenge der
Zeichnung, die lebendige und dabei natürlich
einfache Composition stehen in wesentlichem
Gegensatz zu der allgemein geübten gezierten
und innerlich unwahren Manier. Noch näher an
die thatenlose Romantik grenzt die Composition
zu der Sage von Carl dem Grofsen und dem
Ring der Fastrade, bei der ihn der unbestreitbare
mystische Reiz einer geheimnifsvollen Leiden-
schaft mehr gefangen haben mag, als die blofse
Darstellung des unthätigen Hindämmerns, das ja
freilich für den Geschmack der Zeit die Haupt-
sache war. Auch der ,, Daniel in der Löwen-
grube" zeigt etwas Passives, das Rethel sonst
nicht eigen ist.
Rethel scheint den Einflufs des Düsseldorfer-
thums auf seine Natur gefühlt zu haben, und
vielleicht ohne sich über die innerlichen Gründe
Rechenschaft zu geben, fühlte er das dringende
Bedürfnifs, dieser romantisch-gemüthvollen Atmo-
sphäre zu entgehen. Die Eindrücke verschiedener
Reisen nach Frankfurt 1833, München und durch
Tirol 1835, scheinen ihm das fernere Verweilen
in Düsseldorf unerträglich gemacht zu haben,
während die schon besprochene Animosität gegen
den Director Schadow und seine angeblichen
Günstlinge, welche die Rheinländer zu einem
ostentativen Verlassen Düsseldorfs veranlafste, bei
Rethel nur ein Vorwand sein konnte. Gerade er
hatte sich über Zurücksetzungen nicht zu beklagen,
da er, wie gesagt, als der Stolz und das Wunder
der Akademie betrachtet und behandelt wurde.
Eine gewisse Ueberempfindlichkeit einerseits, und
scharfe Kritik anderseits scheinen allerdings früh im Charakter des jungen Mannes gelegen zu
haben, da er schon Ende 1831 mit dem alten Kolbe in Differenzen gerathen war und öffentlich
dessen Unterricht in der Malerei als unzulänglich bezeichnet hatte.
Dem sei nun wie ihm wolle, für Rethel war die zeitweise Trennung von Düsseldorf ein
Bedürfnifs und eine innere Nothwendigkeit geworden, und er folgte einem glücklichen Stern, als
er nach Frankfurt zu Veit ging, dessen Arbeiten schon bei seiner ersten Reise dorthin Eindruck
auf ihn gemacht hatten. Schon 1838 schreibt er mit Begeisterung von der verständnifsvollen
Führung, die er bei Veit gefunden habe, und bestätigt dies noch 1844 von Rom aus. Es kann
nun nicht eigentlich behauptet werden, dafs von Veits Kunst bei Rethels fernerem Schaffen viel
zu merken ist, aber das ist sicher, das Beste, was man von Veit als Lehrer sagen kann, und das
Beste, was er einem Schüler wie Rethel gewähren konnte, war, dafs er ihn ruhig seine Wege
gehen liefs, die der junge Künstler schon im Knabenalter mit solcher Sicherheit eingeschlagen
hatte. Die ersten Arbeiten in Frankfurt waren zunächst nichts anderes als Ausführungen älterer
Düsseldorfer Entwürfe, und gerade der ,, Daniel in der Löwengrube", der hier vollendet wurde,
zeigt noch die Befangenheit in der weichlichen Düsseldorfer Richtung, deren Einflufs Rethel mit
Mifsbehagen bei sich selbst empfunden hatte. Man könnte glauben, dafs er das Bild habe vollenden
müssen, um den letzten Rest dieser Einflüsse sich von der Seele wegzumalen, denn vorher hatte
er schon das mächtige und ergreifende Bild des von der Nemesis verfolgten Mörders geschaffen,
das den ganzen imponirenden Ernst und die dämonische Macht seiner Kunst zeigt. Wunderbar
ALFRED RETHEL
Bonifacius
ist der Gegensatz des in rasender Eile dahinstürzenden Mörders und der voll Ruhe, fast unbe-
weglich über ihm schwebenden Gestalt der Nemesis, und im Gegensatz zu anderen Auffassungen
möchte man gerade in der unentrinnbaren ,, friedlichen" und leidenschaftslosen Ruhe dieser
Gestalt, die sich von der Justitia des ersten Entwurfes mit der flatternden Wage unterscheidet,
die sie weit über die schlangenschüttelnden Erinnyen eines modernen Nachahmers erhebt, eine
Verstärkung der Wirkung und Erhebung zum wahrhaft Monumentalen sehen.
Beide Bilder hatten wieder den allergröfsten Erfolg und befestigten Rethels Ruf in Frankfurt.
Ihr günstiger Verkauf setzte ihn in Stand, ein gröfseres Bild zu beginnen, dessen Motiv allerdings
von seinen sonstigen Arbeiten etwas abliegt. Es stellt ,,Die Auffindung der Leiche Gustav
Adolfs" dar. Gröfser im W^urf und Rethels Natur entsprechender ist das für den Frankfurter
Kunstverein gemalte Bild ,, Aussöhnung Ottos I. mit seinem Bruder Heinrich".
In das Jahr 1840 fallen nun die Vorverhandlungen zu jener Arbeit, die man sehr wohl auch
als die Tragödie seines Lebens bezeichnen kann, wenn sie auch die deutsche Kunst mit einem
Werk beschenkte, wie sie es seither kaum besessen und gröfser auch noch nicht wieder hervor-
gebracht hat.
Der Gemeinderath der Stadt Aachen hatte beschlossen, den grofsen Saal des Rathhauses,
das auf der Stelle eines karolingischen Palastes erbaut ist, mit in Fresco gemalten Darstellungen
aus dem Leben Karls des Grofsen, des Begründers der Stadt, ausschmücken zu lassen.
Zusammen mit dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, der sich sofort bereit
erklärte, die Hälfte der Kosten zu tragen, wurden die nöthigen Schritte zur Ausschreibung einer
Concurrenz gethan, und mit Begeisterung begann auch Rethel Entwürfe zu dieser Aufgabe, die
schon nach ihrem Inhalt seine ganze Künstlernatur in lebhafteste Schwingungen versetzen mufste.
Es kam dazu, dafs er als geborener Aachener sich doppelt berufen fühlte, hier sein ganzes Können
einzusetzen.
In der That errangen seine Entwürfe ohne W^eiteres den ersten Preis, den Auftrag zur Aus-
führung, und Rethel war bereit, Alles in Frankfurt im Stich zu lassen und mit der riesenhaften
Arbeit zu beginnen, als auch schon gleich die unerfreulichen Streitigkeiten begannen, welche sich
sechs Jahre hinzogen und den Künstler zu qualvollem W^arten verurtheilten. Hindernisse ver-
schiedener Art stellten sich dem Abschlufs des Auftrages entgegen. Das wichtigste war, dafs
eine Partei in Aachen den Saal nach seiner angeblich ursprünglichen Anlage umbauen und auf
beiden Längsseiten Fenster anbringen wollte, womit dann die freien Wände der Südseite für die
Fresken wegfallen müfsten und die ganze Malerei unmöglich geworden sein würde.
Es scheint, dafs auch damals schon confessionelle Fragen in der ohnehin erregten Zeit mit-
gespielt haben, und Schadow scheint sich nicht mit der ihm sonst eigenen Energie für Rethel
ausgesprochen zu haben. Schliefslich that Rethel selbst einen entscheidenden Schritt: er wandte
sich an den König Friedrich Wilhelm IV., der sich auch hier wieder einmal als verständnifs-
voUer und wohlwollender Förderer der Kunst erwies; seiner Fürsprache ist es wohl zu ver-
danken, dafs die Aachener Streitigkeiten ein Ende nahmen und 1846 endlich der definitive Auftrag
an Rethel erging.
Die sechs Jahre, die zwischen der Concurrenz und dem Beginn der Arbeit lagen, waren
für Rethel unruhvolle und wechselreiche. Das peinvolle W^arten mufste ihn aufs äufserste ver-
stimmen und verstärkte vielleicht sogar die Anlage zu der Krankheit, der er vor der Zeit erlag, aber
es vermochte doch nicht seine Schaffenskraft zu lähmen. Neben zahlreichen Bildern und Ent-
würfen, zwischen Reisen, die für Rethels Entwicklung von gröfster Bedeutung waren (nach
Dresden und nach Rom) ist es hauptsächlich ein cyklisches W^erk, das, um 1842 — 44 entworfen,
den Künstler noch lange beschäftigt hat, und, wenn es auch nur in mäfsig grofsen aquarellirten
Zeichnungen ausgeführt wurde, doch in der grandiosen monumentalen Art der Anlage sich dem
Besten an die Seite stellt, was Rethel geschaffen hat. Es ist ,,Der Zug Hannibals über die Alpen".
Freilich gehört diese Arbeit so wenig, wie die verschiedenen Bilder und die zahlreichen Zeichnungen,
die während des Frankfurter Aufenthaltes entstanden sind, es thun, streng genommen zur Düssel-
dorfer Kunst. Rethel hatte gerade in dem Hannibalszug das, was von den alten Düsseldorfer
Einflüssen noch in ihm wirkte, vollkommen abgestreift und zwar sowohl was das Compositionelle
anbelangt, als auch was die Auffassung und Behandlung der Landschaft anbetrifft. Hier zeigt sich
voll ausgeprägt seine menschliche Behandlung des Historischen, die über Anecdoten und Costümen
erhaben ist, dort ein Mitfühlen mit der Gröfse der Natur, wie es weder Schirmer noch selbst
Lessing jemals in ihren besten Werken entwickelt haben. Als Zeichen, wie mächtig die blofse
Aussicht auf die Aachener Arbeiten gewirkt hat, ist dieser Hannibalszug überaus merkwürdig.
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In die Jahre 1840 — 42 fällt die Ausführung von vier Kaiserporträts für den Römer in Frankfurt,
für den der Düsseldorfer Kunstverein um dieselbe Zeit schon einige Bildnisse deutscher Kaiser
von verschiedenen Künstlern beigesteuert hatte, nämlich Konrad II. von Lorenz Glasen, Heinrich IV.
von Mengelberg und Heinrich V. von Kiederich. Später kam dazu noch Heinrich III. von Stilke.
Rethels Arbeiten gelten heute wohl widerspruchslos als die besten, um nicht zu sagen die
künstlerisch einzig werthvollen, in dieser gutgemeinten aber stillosen Ahnengalerie des alten
Kaisersaals zu Frankfurt.
Sie stellen in freier, aber doch von historischem Verständnifs erfüllter Auffassung Philipp
von Schwaben (1842), Karl V., der wirkliches porträtähnliches Leben besitzt, Maximilian I., dessen
Gestaltung fast so populär geworden ist wie die Zeichnung Dürers, und schliefslich den etwas
indifferenten, aber wenigstens decorativ aufgefafsten Maximilian II. dar.
Eine 1844 gezeichnete Composition des unglücklichen düsseldorfischen Motivs: ,,Die Auffindung
der Leiche Barbarossas" ist interessant in der Vergleichung mit der Lösung derselben Aufgabe
durch andere Düsseldorfer Künstler, Lessing und namentlich Plüddemann. Es scheint fast, als
ob Rethel des Letzteren Radirung gekannt habe und hätte verbessern wollen. In ihrer Ein-
fachheit wirkt Rethels Zeichnung jedenfalls bedeutender und mächtiger, als der figurenreiche und
unruhige Aufbau von Plüddemanns Radirung, wenn auch selbst Rethel das Episodenhafte des
Vorfalls nicht überwinden konnte.
Im Herbst 1844 trat Rethel eine lang geplante Reise nach Rom an, um sich dort in der An-
schauung der grofsen Frescobilder im Vatican für die Aachener Arbeit würdig vorzubereiten. Er
war von der farbigen Wirkung der Stanzen überrascht, da er Rafael nur in der nazarenerhaften
Verwässerung kannte und sich über die Verdienste Giulio Romanos bei den Bildern nicht klar
sein konnte. Merkwürdigerweise äufserte er nichts über Michel Angelos Decke und Gericht, die
ihm doch eigentlich näher liegen mufsten, als die Stanzenbilder. Sein richtiges Gefühl für Stil
und monumentale Gröfse äufserte sich in seinen Bemerkungen über die Peterskirche, die ihm im
Gegensatz zu den alten Basiliken nicht imponirte. Dennoch ist Rethel von directen Einflüssen
auch in Rom durchaus unberührt geblieben, eine Einwirkung der Stanzen ist in den Aachener
Bildern nicht zu bemerken, nicht einmal in der Farbe, die bei Rethel strenger und harmonischer ist.
Die nachfolgenden Jahre verbrachte Rethel nun unter angestrengtester Arbeit, theils in
Aachen, wo er im Sommer an den Wandbildern arbeitete, theils in Düsseldorf, theils in Dresden,
wo er von der Galerie Anregung und Nutzen erhoffte. Diese Unruhe, zahlreiche seelische Er-
regungen und nicht zuletzt die rein physischen Anstrengungen der mit gröfster Energie betriebenen
Frescomalerei sollten für Rethel verhängnifsvoll werden, und das grofsartige Werk, das der Künstler
ersehnt hatte, um endlich frei seinem Genius folgen zu können, wurde für ihn eine Quelle
schmerzlichster Kümmernisse. Inwieweit an dem tragischen Ausgang die erbärmlichen und
kleinlichen Anfeindungen und das absichtliche oder unabsichtliche Mifsverstehen seiner Gröfse
Schuld haben, inwieweit krankhafte Anlage oder noch andere Gründe die Katastrophe vorbereitet
haben, wird sich wohl nie mit Sicherheit feststellen lassen. Sicherlich sind diejenigen Elemente
in Aachen nicht von Schuld freizusprechen, die dem reizbaren Künstler die Arbeit erschwert und
ihn durch die Nadelstiche übelwollender und unsachlicher Kritik das Leben verleidet haben.
Der düsteren Stimmung, die Rethel während der Arbeit in Aachen zuweilen an sich selbst
verzweifeln liefs, entspricht eine Reihe von Zeichnungen, zu denen die Ereignisse des Jahres 1848
den äufseren Anlafs gaben. Es waren sechs Blätter eines Todtentanzes, zu dem Reinik die Verse
schrieb und der 1848 49 in Dresden in Holz geschnitten wurde. Rethel, der in der Jugend mit
Begeisterung den Freiheitsideen der alten Demokraten angehangen hatte, zeigt sich hier von einer
ganz anderen Seite. Die brutale Wirklichkeit der Ereignisse hat sein feinfühlendes Künstlerherz
abstofsen und verletzen müssen, und die Thatsache, dafs die meisten Führer der Bewegungen von
1848 nicht die alten, wahrhaft begeisterten Anhänger der deutschen Kaiseridee, sondern entweder
ziellose Narren waren, wie in Düsseldorf, oder noch schlimmere ausländische Demagogen, wie
in Berlin, konnte ihm nicht verborgen bleiben. So ist sein Todtentanz eine furchtbare Mahnung
an das verführte Volk, das von dem Würger Tod getäuscht und zur Schlachtbank geschleppt wird.
^Vas das Werk aber so mächtig macht, ist die Thatsache, dafs an ihm der Künstler doch wieder
viel mehr Theil hat, als der Politiker. Rethel hatte gerade von Dresden aus sich wieder in
sympathischer W^eise über den dortigen Aufstand geäufsert, und so ist sein Todtentanz, dessen
Wirkung sich Niemand entziehen wird, ein merkwürdiges Beispiel, um wieviel stärker der
künstlerische Gedanke, als der inhaltliche bei der Schöpfung eines Kunstwerkes wirken kann, und
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wie der inhaltliche Gedanke im wahren Kunstwerk nicht der Zweck, sondern nur ein Mittel sein
darf, wenn eine mächtige allgemeine Wirkung erzielt werden soll.
Bei Cornelius war es umgekehrt, und so bleiben seine grofsartigen Cartons in Ewigkeit nur
gezeichnete Theosophie, während Rethels reactionäre politische Tendenzbilder, wie man sie dem
Inhalt nach übelwollend nennen könnte, packende, unwiderstehliche Kunstwerke sind.
Man hat in den Retheischen Todtentanz-Blättern (dem Revolutions-Cyklus ging ein ähnliches
Blatt voran, und später folgten noch zwei nicht minder ergreifende Blätter) schon die Andeutung
des künftigen Leidens finden wollen. Wohl sehr mit Unrecht. Dafs mit Gott und der Welt.;
und sich selbst zufriedene Philister, was damals in Düsseldorf nun einmal nur allzuviele Künstler
geworden waren, derlei Compositionen nicht entwerfen, liegt ja auf der Hand, aber wenn schon ^
die Alten keinen grofsen Geist sich ohne ein Gran Wahnsinns, jenes dichterischen W^ahnsinns, ;
ALFRED RETHEL
Aus dem Todtentanz
von dem auch Shakespeare spricht, denken konnten, so ist es nicht nöthig, dafs man in diesen
künstlerisch so klaren und mächtigen Blättern ein pathologisches Element sucht. Todtentänze
sind zu allen Zeiten entworfen worden, und die geistige oder künstlerische Beschäftigung mit
dem grandiosesten und ernstesten Motiv des Menschenlebens, seinem dunkeln Ende, braucht
doch noch nicht das Zeichen drohender Krankheit zu sein. Man braucht freilich auch nicht, wie
ein neuerer Biograph es thut, in den Todtentanzbildern Rethels einen Zug des Modernen, das nun
allerdings recht häufig in etwas hysterischer Weise mit diesen Dingen kokettirt, zu finden. Die
Retheischen Todtentänze sind absolut nicht moderner als etwa das wilde Todtenrittbild des
mythischen Niederländers aus dem XV. Jahrhundert im Palazzo Sclafani zu Palermo oder zahl-
reiche andere Schöpfungen dieser Art aus noch älterer Zeit, man denke nur an die tanzenden
Gerippe aui^ dem antiken Silberbecher aus Boscoreale, aber sie sind ohne Zweifel das grandioseste
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und einzigartige Werk eines mächtigen Künstlergeistes, der sich über die Trivialität und das
selbstzufriedene Behagen seiner Zeitgenossen wie ein Riese erhebt und aufser dem Schwert seines
Ernstes auch die Geifsel bitterster Ironie zu führen weifs.
Die sechs Blätter des Todtentanzes stellen den Beutezug des Todes während der Revolution
dar. Aus dem Grabe erhebt sich das Gerippe, das Kreuz hat es umgestürzt; List, Eitelkeit und
Blutgier rüsten es aus, die Tollheit bringt das Pferd und die Lüge die Waage, die sie der ge-
fesselten Gerechtigkeit genommen hat. Auf dem zweiten Blatt reitet der Tod mit grimmigem
Behagen durch die Herbstlandschaft einer Stadt. zu, die Raben krächzen ihm zu und zwei Weiber
entfliehen voll Entsetzen. Das dritte Blatt zeigt das Gerippe als Demagogen, der die Waage an
der Zunge hält und das Volk aufreizt und belügt, im vierten Blatt drängt es zur Katastrophe:
dem rasenden Pöbel reicht der Volksverführer von der Tribüne das zweischneidige Schwert der
Volksjustiz. Seinem Helfershelfer wird bange, denn schon nahen die Truppen, und dann auf dem
fünften Blatt demaskirt sich der Fahnenträger. W^ie der verkleidete Fürst in der Novelle schlägt
er den Mantel zurück, aber mit grimmigem Hohn zeigt er den Verlorenen seine schauerliche
Nacktheit. Und. so reitet er im letzten Blatte, den blutigen dünnen Siegeslorbeer um den Schädel,
über die leichenbedeckte Barrikade: ,,als Sieger hoch zu Rosse dort, zieht der Verwesung Hohn im
Blick, der Held der rothen Republik".
Ebenso grofsartig, theilweise noch stärker an Stimmungsreiz, sind die ähnlichem Gedanken-
gang entsprossenen Blätter, ,,Das Auftreten der Cholera in Paris" : ,,Der Tod als W^ürger" aus dem
Jahre 1847 ^^d vor Allem ,,Der Tod als Freund" 1851. Hier löst sich der feindselige Trotz gegen
das Ende, die uneingestandene und ewig menschliche Furcht vor dem Tode in einer Poesie, die
den Künstler über Hafs und Furcht erhebt und ihn die mächtigsten Töne wehmüthiger Ver-
söhnung mit dem Unausweichlichen anschlagen läfst. Wie der Schwanengesang des grofsen
Geistes, der bald, darauf in ewige
Nacht versinken sollte, muthet dieses
Blatt an, das zu einer Zeit entstand,
da sich sein Schöpfer auf der soge-
nannten Höhe menschlichen Glückes,
im Besitz einer geliebten Braut be-
fand. Nichts Gröfseres hat Rethel
mehr geschaffen, aber sein jüngster
Biograph M. Schmidt betont mit
Recht, dafs der Künstler, der Solches
bilden konnte, gesund, rein und klar
war, mochte auch der Mensch schon
den Keim der Krankheit in sich tragen.
Ein drittes Todtenbild ist nicht
\vie die früheren als Holzschnitt er-
schienen, sondern Zeichnung geblie-
ben. Es ist ,,Der Tod als Diener",
der einem Vorleser den tödlichen
Trunk gereicht hat. Zahlreiche andere
Blätter, Zeichnungen verschiedenster
Art, entstanden innerhalb der un-
ruhigen, arbeits- und kummervollen,
später von kurzem Eheglück ver-
schönten Jahre, während deren Rethel
im Sommer in Aachen malte, in den
Zwischenpausen verschiedene Reisen
unternahm, um auf der letzten in
Italien seinem Schicksal zu verfallen.
Sie alle zu nennen, ist hier nicht der
Ort. Die ausführliche treffliche Bio-
graphie von Max Schmidt zählt sie
in liebevollem Eingehen auf. Nur die
grofsgedachten Illustrationen zu dem
Lutherlied: „Eine feste Burg ist unser
ALFRED RETHEL
Der Tod als Freund
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Gott" mögen noch genannt sein, weil sie einen Einblick in das tief religiöse Empfinden Rethels
gewähren, das ihn, den Protestanten, befähigte, in treuer Freundschaft zu den katholischen
Kirchenmalern Deger und C. Müller zu halten, die gerade um jene Zeit mit ihren Bildern in der
Apollinariskirche in Remagen beschäftigt waren.
Von den Aachener Fresken, dem Hauptwerk seines Lebens und dem Hauptwerk deutscher
Monumentalmalerei überhaupt, konnte Rethel nur vier Bilder selbst auf die Wand malen, von
den anderen hat er nur die Entwürfe und Cartons fertig stellen können, als ihn die Krankheit
ereilte.
Bei der Concurrenz hatte er sieben Entwürfe eingereicht: den , .Sturz der Irmensäule", ,,Die
Schlacht bei Cordova", ,,Die Taufe Wittekinds", „Die Kirchenversammlung zu Frankfurt", „Karls
Krönung", „Die Uebergabe der Kaiserkrone an Ludwig" und ,,Otto III. in der Gruft Karls des
Grofsen". „Die Kirchenversammlung" wurde aus kirchlichen Gründen gestrichen, statt dessen
wurden zwei neue Bilder: ,,Karl der Grofse, das Münster bauend" und ,,Die Gesandtschaft Harun
al Raschid's bei Karl dem Grofsen" eingefügt. Letzteres wurde dann wieder mit der ,, Kirchen-
versammlung" für das Treppenhaus zurückgestellt und statt ihrer ,,Der Einzug in Pavia" componirt,
so dafs also acht Bilder für die durch die endgültige Regelung der Restaurationsarbeiten ent-
standenen acht spitzbogigen W^andfelder fertiggestellt waren. Rethel begann 1847 mit der ,, Eröff-
nung des Grabes Karls des Grofsen durch Otto III.", das wegen der darunter angebrachten Fenster
die kleinsten Abmessungen hat. Vielleicht ist dieses Bild, in das der Künstler seine schon seit
Jahren zurückgedrängte ganze Kraft, wie ein Giefsbach, der sein Wehr zerbricht, hineingegossen
hat, das grofsartigste. W^ie ein ungeheures Gespenst sitzt die Leiche des grofsen Königs im
Ornat, die Krone auf dem Haupt, die verfallenen Züge durch einen Schleier halb verhüllt,
Reichsapfel und Scepter in den erstarrten Händen, auf dem alten Kaiserstuhl. Das Grauen des
Todes umwittert sie, und überwältigt ist der junge König auf die Kniee gesunken. Ehrfurcht, ge-
mischt mit Entsetzen, hat seine Begleiter ergriffen. Röthliches Fackellicht erfüllt mit fahlem
Schein und unheimlichem Schatten die enge Gruft. Trübe und grau fällt nur geringes Tageslicht
durch die Bresche. Das wirkliche Licht, das durch die Fenster unter dem Bilde eindringt, erhöht
den Grabeseindruck der gemalten Höhle und die vollendete coloristische W^irkung.
Es folgt! als erstes Bild des eigentlichen Cyklus ,,Der Sturz der Irmensäule" und als zweites
,,Die Schlacht bei Cordova", die bis 1850 vollendet waren.
Ein ruhiger Triumph, der Sieg einer geistigen Macht, spricht aus dem ersten Bilde. Auf-
recht in der Mitte, die Reichsfahne in der Hand, steht der König da und weist den erschreckten
Heiden die Ohnmacht ihres Götzen. Der Erzbischof neben ihm faltet betend die Hände, aber er
tritt neben dem Herrscher zurück, wie ja auch die Bekehrung der Sachsen mehr eine politische
als eine religiöse That war. Auf den geistigen Sieg folgt der Triumph im Getümmel der Schlacht.
Und auch hier ist das Königliche in der Gestalt des auf mächtigem Rofs aus dem Bilde hervor-
ragenden Helden wunderbar gewahrt. Nicht zum Hieb, nicht zur Abwehr, nur als Zeichen
der Macht schwingt er das Schwert. Im Vorbeireiten bricht er mit ruhigem eisernen Griff die
Fahne von dem Streitwagen des Feindes. Dieser, dessen mattes Gelb einen merkwürdigen
coloristischen Effect in der Mitte des Bildes hervorbringt, ist von weifsen Stieren gezogen, die
ausbrechend oder zusammenstürzend die Ohnmacht des blinden Heidenthums symbolisiren.
Hinter der machtvollen Gestalt des Kaisers, über der sich ein heifser, gewitterschwangerer Himmel
wölbt, tobt das Getümmel der Schlacht, ohne doch den Blick von der mächtigen Mittelgruppe
abzulenken. Nur der Bischof, der das Kreuz hochhebt, ist im Hintergrunde sichtbar, und vorn sind
es zwei Mohren, die vergeblich versuchen, dem Vorwärtsstürmenden sich entgegenzuwerfen. Ein
dritter bemüht sich um einen der wildgewordenen Stiere des Gespanns. Alle diese Figuren sind
von leidenschaftlichem Leben erfüllt, das in merkwürdigem Gegensatz zu der Ruhe aller anderen
Bilder steht. Wundervoll sind die Stiere, die den Beweis liefern, wie Rethel auch die Thier-
gestalt beherrschte und monumental zu gestalten verstand. Welch ein Unterschied auch zwischen
dem Rofs des Kaisers und dem famosen Schimmel des Heltorfschen Barbarossabildes von Lessing.
Gerade diese beiden Bilder lassen, wie in der plötzlichen Helle eines Blitzstrahls, die ungeheuere
Kluft erkennen, die Rethels Kunst von Allem, was seine Zeitgenossen hervorgebracht haben,
scheidet.
Das nächste Bild neben der von elementarer, stürmender Kraft erfüllten' ,, Schlacht zu
Cordova" ist der mehr repräsentative ,, Einzug in Pavia", das letzte Bild, das Rethel selbst in
Fresco ausführte und im September 1851 beendete. Hier herrscht wieder die majestätische Ruhe,
aber auch der Ernst der vorangegangenen Kämpfe spricht sich in der Gestalt des langsam durch
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das halbzerstörte Thor einreitenden, fast finster blickenden Kaisers aus, zittert in all' den Menschen
nach, die, sei es als Sieger, sei es als Besiegte, die Hauptfigur des Triumphators umgeben. In
dem seitwärts zu Pferde haltenden Bischof drückt sich Etwas wie die beginnende Eifersucht der
Kirche auf das allzu mächtig werdende Kaiserthum aus.
Nach Vollendung dieser Bilder mufste Rethel die Arbeit einstellen, ,,theils aus Gesundheits-
rücksichten, theils damit die von der städtischen Verwaltung veranlafste decorative Aus-
schmückung des Saales bewirkt werden konnte". Er sollte seine Thätigkeit in Aachen nicht
wieder aufnehmen.
Im Februar 1854 theilte Wiegmannn, Lehrer der Architektur an der Akademie und lang-
jähriger Secretär des Kunstvereins, den Aachenern mit, dafs keine Aussicht zur Wiederaufnahme
der Arbeit durch Rethel sei. und es wurde nun von einer Commission, die aus Schadow, Wieg-
mann und Deger bestand, der Gehülfe Rethels, Joseph Kehren, vorgeschlagen, um die noch
fehlenden vier Bilder nach den Entwürfen Rethels auszuführen. Bei dieser Gelegenheit zeigte
sich das Unverständnifs Schadows für die Gröfse Rethels in grellem Licht. Nicht nur erklärte
er, dafs Kehren vor Rethel das Talent einer schönen harmonischen Wirkung der Farbe voraus
habe, sondern er constatirte sogar bei den von Rethel ausgeführten Bildern verschiedene Mängel.
Zur Beseitigung derselben schlug er Tempera-Retouchen vor, welche diese Gemälde zwar nicht zu
ganz vollkommenen Kunstwerken machen würden, aber dieselben soweit verbessern würden, dafs
auch das nicht kunstgebildete Publikum imstande sein werde, dem Eindruck dieser übrigens grofs-
artigen und geistvollen Schöpfung sich ungestört hinzugeben.
Schadow hat damit den Beweis erbracht, dafs ihm damals der unbefangene Blick, den seine
ersten Schüler an ihm rühmten, verloren gegangen war. Freilich konnte der Schöpfer des drei-
theiligen Bildes ,, Fegfeuer, Paradies und Hölle" {1852) auch kaum die gesunde Kraft Rethels
würdigen. Was ihm bei Kehren als ein Vorzug erschien, die harmonische Wirkung der Farbe,
das empfindet der Beschauer heute im Rathhaussaal als unangenehme süfse Buntheit der letzten
vier Bilder neben der bewufst beschränkten, dem Gegenstand und dem Stil des niederen steinernen
Saales angepafsten, eminent vornehmen Coloristik der von Rethel selbst gemalten Bilder, die wohl
kaum durch die Tempera-Retouchen ihr Uebergewicht über die anderen erhalten haben werden.
Von der , .Taufe Wittekinds" gehört also noch der Carton Rethel an, während bei der Aus-
führung der folgenden Bilder sich Kehren auf die blofsen Entwürfe angewiesen sah. Hier über-
wiegt nun das Repräsentative noch mehr, als bei dem ,, Einzug in Pavia", und zwar schon in
einer auch die Composition beeinflussenden Weise. Bei der „Taufe Wittekinds" ist das hohe
Podest, auf dem die Haupthandlung vor sich geht, eine künstliche Vorrichtung, die das Bild in
zwei organisch nicht durchaus zusammenhängende Theile scheidet. Und dabei ist der untere
Theil eigentlich überflüssig, da er nur zuschauende Krieger und andere Statisten enthält.
In der Krönung ist wenigstens die W^eihe des Momentes, mag derselbe auch etwas Ge-
künsteltes haben, vortrefflich zum Ausdruck gelangt. Das Witzwort des Königs Friedrich
Wilhelm IV.: „Solche Ueberraschungen kennt man", das er bei der Betrachtung des Entwurfes
aussprach, enthält aber doch auch eine nur zu treffende Kritik. Auch die Ueberraschung Karls
durch die Gesandten des Papstes, die aus Ravenna Säulen für den Neubau des Aachener Münsters
bringen, gehört in diese Kategorie, und die Thätigkeit des Kaisers selbst, der mit der Bleiwaage
hantirt, hat etwas ebenso Conventionelles, wie Unwahrscheinliches. Nur das letzte Bild schlägt
noch einmal die vollen Accorde der mächtigsten Retheischen Kunst an. Ergreifend ist die Gestalt
des greisen Herrschers, der von zwei Dienern gestützt, aber in fast übermenschlicher Gröfse Alle
überragt und auf den Thron wie auf das Symbol der unsterblichen kaiserlichen Macht hinweist,
während die schlanke Gestalt des Sohnes mit weitausgreifendem Arm die Krone von dem Kissen
hebt, um die schwere Last auf sein jugendliches Haupt zu nehmen. Selbst im Entwurf sind die
Züge des alten Herrschers von erschütterndem Ausdruck. Man möchte an den Ausdruck in dem
letzten Bildnifs unseres alten Kaisers denken, den Lenbach in so ergreifender Treue festgehalten hat.
Die Entwürfe der , .Kirchenversammlung" und der , .Gesandtschaft Harun al Raschids",
die im Treppenhause Platz finden sollten, geben, allerdings den Motiven entsprechend, mehr
repräsentative Darstellungen, die durch die Gleichmäfsigkeit der Composition auffallen, auf beiden
wieder und zwar beide Male auf derselben Seite jenes Podest, das nun einmal immer ans Theater
erinnert.
Der hohe künstlerische Werth der Fresken Rethels beruht fast ausschliefslich auf denselben
Eigenschaften, die sie von der damaligen Kunst und nicht blofs der Düsseldorfer grundsätzlich
unterscheiden, und nur darin ist auch der Grund zu suchen, weshalb sie im Publikum mehr
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Befremden als etwas Anderes, bei den zeitgenössischen Künstlern zwar Bewunderung, aber kein
eigentliches fruchtbringendes Verständnifs fanden. Die Entwicklung der Menschheit liebt eben
keine Sprünge, und Rethels Monumentalkunst war der Kunst ihrer Zeit um fast ein Menschen-
alter, mindestens um ein Künstleralter voraus.
Man kann den Werth eines Kunstwerkes wohl danach schätzen, einmal inwieweit der in
ihm dargestellte Gedanke oder das in ihm behandelte Ereignifs in prägnantester Weise zum
Verständnifs und in die Erscheinung gebracht worden ist, so dafs ein Irrthum des menschlichen
Vorgangs, selbst bei dem Ungelehrten, wenn auch nicht Ungebildeten unmöglich ist. Und es wird
sich der Künstler somit auch in der Wahl des Gegenstandes offenbaren, insofern er keine Gegen-
stände erwählt, die zu Mifsverständnissen Anlafs geben oder überhaupt malerisch, d. h. verständlich
nicht darstellbar sind, wie es die zahlreichen später und auch damals schon gemalten Novellen sind,
die eigentlich nur Illustrationen zu irgend einer mehr oder weniger bekannten Geschichte und an
und für sich, d. h. ohne Commentar, kaum verständlich sind. Das Publikum hat übrigens für solche
Bilder häufig eine grofse Vorliebe, da sie angeblich ,,zu denken geben", das Schlimmste, was man
von einem Bilde sagen kann, das nicht zum Denken, sondern zum Schauen anregen soll und sich
dadurch von den Werken der Griffelkunst sehr wohl unterscheidet.
Dann aber wird das Kunstwerk nach der Hinsicht zu beurtheilen sein, inwiefern die einzelnen
Factoren in ihm künstlerisch verwendet sind, und hier ist nun freilich das Urtheil ein ungeheuer
schwieriges. Die Ansichten über das, was künstlerisch schön ist, haben von Epoche zu Epoche
oft in verblüffendster Weise sich geändert. Die Künstler, die von ihren Zeitgenossen als Halb-
götter gepriesen wurden, waren nach einem halben Jahrhundert vergessen oder mifsachtet und
umgekehrt, und gerade bei Denjenigen, welche sich mit Kunst beschäftigten, sind diese Aenderungen
des Geschmacks am stärksten zu beobachten; der grofse Haufe betet auch hier nur nach. Und
hier bleiben zu Anhaltspunkten bei der Beurtheilung nur die Natur und solche Kunstwerke, welche
bei einer sehr eingehenden Kenntnifs alles dessen, was die Menschheit durch ihre verschiedenen
Völker und in ihren verschiedenen Epochen auf den Gebieten der verschiedenen Künste geschaffen
hat und bei einer sehr vorsichtigen und alle Nebenbeziehungen berücksichtigenden Aus\vahl, als
die hervorragendsten übrig geblieben sind.
Es ist wohl keine Ueberhebung, wenn man unserer Zeit die Fähigkeit einer solchen Ob-
jectivität eher als irgend einer früheren zutraut. Man wird dazu berechtigt sein durch die That-
sache, dafs niemals eine so eingehende Kenntnifs aller früheren und gleichzeitigen Kunstwerke
bestanden hat und zufolge ungünstiger Verkehrsmittel und anderer Umstände auch nicht bestehen
konnte, und der Beweis wird geliefert dadurch, dafs der Kunstverständige heute Erzeugnisse der
verschiedensten Epochen, ja gewisse Erzeugnisse in allen Epochen (unabhängig natürlich von dem
von Monat zu Monat fast wechselnden Modegeschmack des Kunsthandels, der Presse und des
Secessionismus) zu verstehen und zu schätzen bemüht und imstande ist.
Also Natur und wirkliche Kunstwerke, das sind die Mafsstäbe, natürlich nur insoweit sie dem
immerhin sterblichen und also dem Irrthum unterworfenen Auge verständlich und zugänglich sind.
Legt man diese Mafsstäbe an die Retheischen Fresken, — es dürfen hierbei allerdings nur die vier
ersten in Betracht kommen — , so wird man finden, dafs die Vergleichung mit dem, was wir heute
als das Gröfste an monumentaler Kunst kennen, also etwa die Parthenonfiguren, die Pisaner
Campo santo-Fresken, die Stanzen und die Decke der Sixtina, den Retheischen Bildern nicht
schadet, dafs sie neben diesen Werken, die wir heute als Hochburgen in dem weiten Gebiete
der Kunst erkennen zu müssen glauben, sich halten und an ihrer Kraft, ihrem seelischen Eindruck
nichts einbüfsen. Fast noch schwieriger ist für den Laien die Vergleichung mit der Natur, denn
die Natur ist eben geheimnifsvoU am lichten Tag, und wer die W^irklichkeit, wie sie sich auf der
Strafse zeigt oder wie etwa der treffliche Chodowiecky sie so bieder dargestellt hat, für Natur
nehmen möchte, der wird freilich vor den Retheischen Bildern zurückfahren. Aber wer sich
bemüht hat, hinter den Schleiern der Wirklichkeit, die Manche gerne für den Kern selber nehmen,
diesen Kern, die Natur selbst zu sehen, der wird gerade bei Rethel die geheimnifsvoUe Ver-
bindung von hoher Kunst mit tiefstem intuitiven Natur- und Menschenverständnifs finden. Nicht
als ob die Menschen in diesen Momenten sich unbedingt gerade so benommen hätten, aber dafs
der Moment durch lebendige Menschen nicht menschlicher und vor Allem nicht verständlicher
hätte zur Erscheinung gebracht werden können.
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VII. Kapitel
Die katholisch -kirchliche Malerei
INE der eigenthümlichsten Erscheinungen innerhalb der neueren deutschen Kunst ist jene
Gruppe von Künstlern, die sich unbekümmert um all' die suchenden, aufstrebenden, fort-
schreitenden Strömungen in ihrer Umgebung zusammenschlofs, um noch ganz im Sinne
von um fast ein halbes Jahrhundert rückwärtsliegenden Bestrebungen das Heil der Kunst
und gleichzeitig damit ihr Seelenheil in einem bewufsten Zurückgehen auf die klöster-
liche Frömmigkeit und die ascetische Kunst gewisser alter Italiener zu suchen. Diese Leute
standen fast genau auf demselben Boden, wie die römischen Nazarener, sie besafsen dieselbe
Frömmigkeit, dieselbe Begeisterung und waren in Bezug auf die Entwickelung ihrer Kunst fast
demselben Irrthum verfallen, wie jene, nämlich etwas Neues und Lebensfähiges im engsten An-
schlufs an etwas Vergangenes, Abgeschlossenes und Fremdländisches aufbauen zu wollen. Wenn
es ihnen dennoch gelang, Achtenswerthes und für Viele, die nicht auf dem rein künstlerischen
Standpunkt stehen, sogar Bewundernswerthes zu schaffen, so lag das an der inneren Tüchtigkeit
ihrer Persönlichkeit, die sie zu aufopfernder, überzeugungs- und glaubensvoller Thätigkeit be-
fähigte und an ihrer trefflichen künstlerischen Erziehung und gewissenhaften Arbeit. Es lag aber
nicht zum wenigsten auch an dem äufserlichen Glücksfall, der ihnen am Anfang ihrer Laufbahn
die Möglichheit zur Ausführung einer gemeinsamen, grofsartigen Arbeit gewährte, in der sie nicht
nur selbst ein abgeschlossenes Werk von höchstem und intimstem Reiz schaffen konnten, sondern
auch eine Stärkung ihres Könnens und Wollens fanden, die für ihr ganzes späteres Leben und
Schaffen von nachhaltiger Wirkung war und sie vor allen Bewegungen und Schwankungen
schützte, die gerade ihnen nur hätten verderblich werden müssen.
Es scheint, dafs die Anregung zu der Ausmalung der Apollinariskirche bei Remagen zuerst
von Schadow ausgegangen ist, der zwar im Allgemeinen der Frescomalerei nicht gerade allzu
sympathisch gegenüberstand, aber für Werke kirchlicher Kunst deren Bedeutung anerkannte. Der
Besitzer jener alten Kirche war seit einigen Jahren der Freiherr Franz Egon von Fürstenberg,
ein ebenso frommer wie kunstliebender Mann, der mit grofser Begeisterung im Jahre 1838 den
Plan einer Ausmalung der Kirche aufnahm und die Arbeit den drei Schülern Schadows: Deger.
Carl und Andreas Müller übertrug. Freilich wurde die Ausführung noch verzögert, weil bei einer
Untersuchung der Kirche sich herausstellte, dafs dieselbe baufällig sei. Der Besitzer war grofs-
herzig genug, den Vorschlag, nur Oelgemälde in ihr aufzuhängen, abzulehnen, und sich zu einem
vollständigen Neubau zu entschliefsen, der nach Plänen des Dombaumeisters Zwirner sofort in
Angriff genommen und 1843 soweit fertig gestellt war, dafs mit der Bemalung der Wände be-
gonnen werden konnte. Von den drei Künstlern, die mit diesem Werk betraut wurden, war
Deger der älteste und schon damals das Haupt der kleinen Künstlergemeinde, die sich in ihrer
streng kirchlichen Richtung von der grofsen Schadowschule abzuzweigen begonnen hatte. Sie
lehnte die ästhetisch -romantischen Anklänge, die der religiösen Kunst nicht nur der Schule,
sondern besonders auch Schadows anhafteten, ab, und es entstand deshalb allmählich auch zwischen
ihr und Schadow eine leise Spannung, die später wesentlich dazu beitrug, Schadow auch nach
dieser Seite hin zu isoliren.
Ernst Deger war am 15. April 1809 zu Bokenem bei Hildesheim geboren und hatte zunächst
die Akademie in Berlin besucht. Als er dort aber die ersten Düsseldorfer Bilder gesehen hatte,
lockte auch ihn die dort entstandene neue Schule an und er siedelte 1829 nach Düsseldorf über.
Hier begann er eine äufserst angestrengte und lediglich auf das Gebiet rein kirchlicher Malerei
beschränkte Thätigkeit. Es entstand eine Reihe von Schöpfungen, die Degers Ruhm in den
kirchlichen Kreisen bald befestigten und zwar in katholischen, sowohl wie in protestantischen,
denn in jenen verhältnifsmäfsig harmlosen Zeiten malte er, vielfach im Auftrage des Kunstvereins,
Altarblätter, ebensowohl für katholische wie für protestantische Kirchen. In seinen Motiven be-
schränkte er sich meist auf wenige Figuren und es scheint fast, als ob er damals in seinem
Schaffen mit einer gewissen Schwerfälligkeit der Phantasie zu kämpfen gehabt hätte, bis ihm
gerade die monumentalen Aufgaben über diesen Mangel hinweghalfen.
Carl Müller war etwa zehn Jahre jünger als Deger. i8i8 in Darmstadt aus einer ursprünglich
rheinischen Familie geboren, war er seit 1835 Schüler der Sohnschen Malklasse in Düsseldorf und
hatte auch schon einige kleine Bilder religiösen Inhalts gemalt, die meist der Kunstverein ange-
kauft hatte. Sein älterer Bruder Andreas, 1811 geboren, hatte seine Studien in München begonnen,
war aber ebenfalls seit 1834 nach Düsseldorf übergesiedelt, wo er, nachdem sein erstes Bild noch
dem romantischen Stoffkreise angehört hatte, es war „Der Knabe vom Berge" nach Uhland, sich
ebenfalls der religiösen Malerei zuwandte, in der er übrigens gewisse genrehafte Züge niemals
ganz verleugnet hat.
Deger und Andreas Müller hatten Düsseldorf 1837 verlassen, um sich für die Arbeit in
Remagen vorzubereiten. Das konnte nach den damaligen Anschauungen im Allgemeinen und
nach den Anschauungen der kleinen Künstlergruppe im Besonderen, eben nur in Rom geschehen,
wo denn auch die Cartons gröfstentheils vollendet wurden. Freilich hielt Florenz die beiden
Reisenden lange Zeit fest, und in der That hat der Florentiner Fra Angelico die jungen Düssel-
dorfer Heiligenmaler mehr beeinflufst, als irgend ein anderer Italiener, und selbst in Rom werden
sie mehr die kleine von dem Mönch gemalte Capella Niccolö V. studiert haben, als die Stanzen
oder gar die Sixtina.
Im nächsten Jahre folgte Carl Müller nach Italien. In seiner Begleitung befand sich ein
vierter junger Maler, der auf besonderen Wunsch Schadows zur Theilnahme an der grofsen und
schönen Arbeit zugelassen werden sollte. Es war dies Franz Ittenbach, der, 1813 in Königswinter
geboren, seit 1832 in Düsseldorf studirte und auch schon einige Bilder streng religiöser Richtung
gemalt hatte, obwohl er unter dem Druck seiner nicht glänzenden Verhältnisse sich auch in der
Porträtmalerei mit Glück beschäftigte. So durfte er den im Jahre 1837 in Minden internirten
Kölner Erzbischof Clemens August Droste zu Vischering in seiner Gefangenschaft malen und
vollendete diese Arbeit zu allseitiger Zufriedenheit.
In Italien, wohin diese Beiden in Gesellschaft Schadows und seiner Familie hatten reisen
können, begann ein überaus anregendes und fruchtbringendes Zusammenarbeiten der vier Kunst-
genossen, die nicht verfehlt hatten, auch den noch in Rom lebenden Overbeck aufzusuchen und
bei ihm, der noch immer als das Haupt der neuen religiösen Malerei überhaupt galt, Belehrung
und Anregung zu suchen. Ob gerade zum Vortheil, mag dahingestellt bleiben. Overbeck war
damals schon in jene Richtung eingetreten, die ihn von der lebendigen Kunst immer mehr zur
Tendenz führte. Es scheint aber auch, dafs sein Einflufs nur ein ziemlich beschränkter war,
denn dafs Deger sich sogar der Kritik Kaulbachs, mit dem er in Rom in einem Hause gewohnt
hatte, ,,mit grofsem Nutzen" unterwarf, beweist die damalige Unabhängigkeit der jungen Düssel-
dorfer von der ausgesprochenen Tendenz, die Overbeck damals schon beherrschte. Andererseits
tauchte aber in ihnen doch auch schon der Gedanke und die lebhafte Hoffnung auf, in Düsseldorf
eine echt christliche Malerschule im Sinne der Klosterbrüder gründen zu können.
Im W^inter 1843 begannen die Arbeiten in der Kirche selbst, um mit Unterbrechungen, wie
sie in der Natur der Sache liegen, 1851 im figuralen Theil, 1856 oder 1857 vollständig auch in der
decorativen Ausschmückung vollendet zu werden. 1857 wurde die Kirche eingeweiht, um von nun
an als eines der interessantesten Denkmäler der neuen deutschen, insbesondere der kirchlich-
katholischen Malerei der Oeffentlichkeit übergeben zu werden.
Bei einer Beschreibung des gesammten Bilderschmuckes ist zunächst das Nebeneinander-
und Zusammenarbeiten der vier, zwar demselben Ziel zustrebenden, aber unter sich doch ver-
schiedenen Künstler zu berücksichtigen. Bei der merkwürdigen und in ihrer Art einzigen seelischen
Harmonie, die unter ihnen herrschte, wirkte dieses Zusammenarbeiten aber niemals störend, und
man wird das wohl nicht mit Unrecht der fast klösterlichen Zucht, die sie bei der Arbeit, wie
bei einem Gottesdienst einhielten, zuschreiben können.
Nicht ganz glücklich erscheint die Häufung und Eintheilung der Motive, sowie die künstlerische
Anlage derselben. Nicht weniger als drei, oder wenn man will, vier Gedanken- oder Geschichten-
reihen gehn hier neben- und durcheinander, und das Mittel, das gewählt wurde, sie auseinander
134
zu halten, verschiedene Gröfse der Figuren, kann nicht als ein dem neuzeitlichen Geschmack
entsprechendes bezeichnet werden. Freilich hat ja auch die Wandmalerei sowohl der frühesten
Zeit, als auch der Renaissance sich dieses Aushülfemittels bedient, ohne dafs es deshalb vor-
bildlich zu sein brauchte. Und bei den alten Wandgemälden wird der unwirkliche und unhar-
monische Eindruck, den Menschen in den verschiedensten Mafsstäben auf derselben Wand machen
müssen, durch eine bewufst decorative Behandlung der Bildflächen etwas verwischt.
Es ist ja ohne Zweifel ein grofser Unterschied, ob ein Wandgemälde lediglich als decorativer
Schmuck gedacht ist, als aufgehängter Teppich, als Gobelin oder selbst als ein auf der Wand
angebrachtes Bild, oder ob das Wandgemälde seiner Behandlung und Ausführung nach den Eindruck
des realen Vorgangs, den Eindruck der Wirklichkeit anstrebt. Letzteres hat die Monumental-
kunst der Renaissance nur zeitweise und in beschränktem Umfang versucht. Die ältere Zeit hat
ganz darauf verzichtet. Merkwürdigerweise allerdings, aber eigentlich ganz folgerichtig ist es nur
gerade Fra Angelico, der in seinen Wandgemälden in San Marco, welche die Wunder Christi u. s. w.
darstellen, auf die blofs decorative Wirkung verzichtet und das Wunderbare als möglichst wirklich
darzustellen versucht. Auch bei den im selben Sinne meist realistisch gemeinten Bildern in der
Apollinariskirche fehlt die bewufst stilisirende Absicht, und es bleibt der Gegensatz zwischen den
Verhältnissen der Menschen in den einzelnen Bildern ungelöst.
Die Apollinariskirche ist im gothischen Stil über einem griechischen Kreuz aufgeführt. Ihrer
Bestimmung, ausgemalt zu werden, gemäfs, eigentlich aber keineswegs im Sinne der Gothik,
enthält sie nur ein grofses Fenster an der Südseite und eines an der Westseite über dem Eingang,
ferner einige kleinere Fenster und Oeffnungen im Chor. Die anderen Wände sind ganz für die
Malereien vorbehalten und bieten im Innern grofse und schöne Flächen. Die Anordnung der Stoffe
ist die, dafs im Mittelschiff links und an der Schlufswand des linken Querschiffes die Geschichte
Christi, rechts die Geschichte der Maria; an den Längswänden des Querschiffes die Geschichte
des heiligen Apollinaris und im Chor Christus mit Maria und Joseph (in der Wölbung), unten
Apostelfiguren dargestellt sind. Entsprechend den grofsen Flächen der Wände im Langschiff sind
die Figuren dieser Bilder die gröfsten. Kleiner sind die der ApoUinarislegende, und unter diesen
zieht sich noch eine Reihe von Darstellungen auf Goldgrund aus der Passion und wieder aus der
Legende des Heiligen in kleinerem Mafsstab mit noch kleineren Figuren hin. Bei der Vertheilung
unter die Künstler kamen auf Deger und C. Müller die Hauptbilder der Passion und des Marien-
lebens; auf A. Müller die Bilder der ApoUinarislegende und auf Ittenbach und A. Müller die
kleinen Darstellungen aus der Jugendgeschichte und der Passion Christi. Andreas Müller führte
aufserdem die ornamentale und decorative Ausschmückung der Umrahmungen und der Architektur-
theile aus.
Auf der Eingangswand befinden sich an der Orgelbühne hoch oben „König David" und eine
„Heilige Cäcilie" von A. Müller, auf der nördlichen Wand daneben ,,Die Geburt Christi" von Deger,
eines der Hauptbilder dieses Künstlers, an das sich am Ende des linken Kreuzarms „Die Kreuzigung"
anschliefst, um mit der ebenfalls grofsen ,, Auferstehung" im Chor diese Reihe abzuschliefsen.
Diesen Bildern gegenüber hatte Carl Müller die Darstellungen aus dem Leben Maria übernommen.
Er beginnt mit der ,, Geburt" und den „vorbildlichen Frauen". An der Fensterwand des Querschiffes
folgt ,,Die Verkündigung" in zwei kleinen Figuren an den Seiten der Fenster und der Gestalt
Gottvaters über demselben, und schliefslich, gegenüber der „Auferstehung Christi" von Deger ,,Die
Himmelfahrt Maria und ihre Krönung". Unter diesen grofsen sechs Bildern befinden sich die
kleinen Darstellungen und zwar vom Eingang an beginnend, unter der Geburt Christi : ,,Die
Darbringung im Tempel" und ,,Der zwölfjährige Jesus im Tempel", beide von Ittenbach. Unter
der Kreuzigung; „Christus am Oelberg", ,,Die Geifselung", ,,Die Dornkrönung", ,,Die Kreuz-
schleppung" und ,, Christus am Oelberg" von Deger, in der Umrahmung des Bildes Engel und
Propheten, ebenfalls von Deger. Unter der Auferstehung: „Die Erscheinung des Herrn vor Maria",
,, Magdalena im Garten" und ,, Schlüsselamt Petri" von Ittenbach. Unter den Müllerschen Bildern
aus der Geschichte der Maria befinden sich: unter der Geburt und den vorbildlichen Frauen : ,,Die
Begegnung der Eltern der Maria an der goldenen Pforte" und ,, Maria steigt die Tempelstufen
hinan" von Ittenbach. Unter den Verkündigungsfiguren: ,,Die Heimsuchung Maria durch Elisabeth"
und „Die Vermählung der Maria mit Joseph". Unter der Himmelfahrt Maria; „Der Tod" und
,,Das Begräbnifs Maria", beide wieder von Ittenbach.
Vor der Chornische befinden sich links die Gestalt der Maria mit dem Jesuskind, rechts die
des Joseph, von Deger, und auf dem Triumphbogen oben das Lamm, umgeben von den Symbolen
der Evangelisten, und angebetet von aufsteigenden Engelsgruppen, von Carl Müller. Ferner enthält
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der Triumphbogen innen grau in grau gemalte Darstellungen der sieben Sakramente nach Ent-
würfen von Carl Müller, gemalt von Ittenbach.
Im Chor an der Kuppel malte Deger den thronenden Christus als Richter, neben ihm Maria
mit den Stammeltern Adam und Eva, sowie Noah, Abraham, Isaak u. s. w., und auf der anderen
Seite: Johannes den Täufer mit Moses und den Propheten. Unten sind die Gestalten der vier
Evangelisten, Petrus und der heilige Apollinaris von Ittenbach gemalt.
An diese biblischen Darstellungen reihen sich nun die vier Bilder aus der Geschichte des
Schutzpatrons der Kirche, des heiligen Apollinaris, an, die von Andreas Müller ausgeführt wurden.
Nämlich im südlichen Querschiff an der Ostwand ,,Die Weihe des Heiligen durch Petrus in Rom",
gegenüber ,,Die Heilung eines Kranken und andere Wunder"; im nördlichen Querschiff an der
Westwand ,,Die Zerstörung einer Jupiterstatue durch das Gebet des Apollinaris" und gegenüber
,, Apollinaris' Tod". Auch diese Bilder haben als Predellen kleinere Darstellungen aus dem Leben
des Heiligen.
Schon aus dieser Aufzählung geht der für den keineswegs grofsen Raum fast allzu grofse
Reichthum an Motiven hervor, der ein Ueberblicken des Gedankeninhaltes unmöglich macht und
infolge des Wechsels der verschiedenen Historien sogar den Verfolg der einzelnen erschwert.
Bewunderns-
werth bleibt nur,
wie gesagt, dafs
trotz alledem und
trotz des Zusam-
menarbeitens von
vier Malern der
künstlerische Ge-
sammteindruck
ein so einheit-
licher, harmo-
nischer und
durchaus würde-
voller ist. Es
weist das auf eine
Einigkeit und ein
Zielbewufstsein
hin, das nicht
hoch genug anzu-
schlagen ist.
Bei einer ob-
jectiven Beurthei-
lung der einzelnen
Arbeiten wird
man auch hier
FRANZ ITTENBACH
Der zwölfjährige Jesus im Tempel
Wandgemälde in der ApoUinariskirche zu Remagen
wieder die zeit-
lichen und con-
fessionellen Ver-
hältnisse zu be-
rücksichtigen
haben. Man wird
vor Allem nicht
vergessen dürfen,
dafs diese Arbeit,
abgesehen von
Cornelius' Male-
reien in der Lud-
wigskirche, der
erste Versuch
einer Gesammt-
ausschmückung
eines Gottes-
hauses seit den
Zeiten der Renais-
sance in Italien
ist, dafs auf deut-
schem Boden
nichts existirte,
was den zum
Theil noch in
jugendlichem Alter stehenden Künstlern als Vorbild dienen konnte und dafs sie alle Anregungen,
auch deshalb schon aus Italien zu holen sich veranlafst und selbst genöthigt sahen.
Sind so die italienischen Anklänge überall nachzuweisen, so ist es doch anzuerkennen, wie
namentlich in den kleinen Predellenbildern, aber auch in den grofsen Bildern aus dem Leben der
Maria sich ein origineller Geist ausspricht, in dem man Erinnerungen an die alten deutschen
Meister, selbst an Dürer wird spüren können.
Schon zu der Zeit, als das Werk vollendet wurde, galt Deger als das Haupt und die stärkste
Kraft in der kleinen Malergemeinde. Auch hierüber wird man heute ein anderes Urtheil zu fällen
geneigt sein, um so mehr als von Deger ein anderes Werk monumentaler Kirchenmalerei vor-
handen ist, das ihn auf einer bei weitem höheren Stufe der Entwicklung zeigt. Gerade die
berühmtesten Degerschen Bilder in der ApoUinariskirche weisen Schwächen auf, die, so erklärlich
sie sind, doch nicht übersehen werden dürfen. Es scheint, als ob Deger die grofsen Flächen, die
ihm für seine Bilder angewiesen waren, wenn auch künstlerisch, so doch technisch noch nicht
beherrschen konnte. Die Frescomalerei läfst die Farben anders auftrocknen, als sie hingestrichen
werden, und hieraus entstand vielleicht eine gewisse Leere in einzelnen Partien der Degerschen
Bilder, die mehr- coloristischer als compositioneller Natur ist, wie sie denn auch bei farblosen
137
Reproductionen viel weniger auffällt, als bei den Originalen. Deger hatte mit der figurenreichen
Kreuzigung begonnen. Christus am Kreuz nimmt die ganze Mitte des Bildes ein, rechts und links
hängen die Schacher, oben schweben drei Engel mit Spruchbändern und unten befindet sich eine
aufserordentlich figurenreiche Versammlung, links Maria, umgeben von Frauen und Aposteln, am
Fufse des Kreuzes Maria Magdalena, die direct an Giotto erinnert, und rechts Gruppen von Juden
und Römern.
Wenn trotz dieser zahlreichen, gut componirten, vielleicht etwas zu ruhig sich bewegenden
Gestalten das Bild viele leere Stellen aufweist, so liegt das eben, wie gesagt, an der farbigen
Behandlung, besonders der Gewänder, die in ihren grofsen, auffallend und nicht immer
glücklich gefärbten Massen (ein helles Roth überwiegt) die decorative Wirkung beeinflussen.
Dasselbe gilt von der etwas conventionell componirten, von Deger zuletzt gemalten ,, Geburt
Christi", bei der die leere gelbbraune W^and der offenen Hütte, in welcher Maria mit dem Kinde
sitzt, den ebenfalls nicht sehr sympathischen coloristischen Mittelpunkt bildet. Dafs diese Bilder
die verhältnifsmäfsig beste Beleuchtung auf der Nordwand haben, scheint ihnen eher zum Nachtheil
als zum Vortheil zu gereichen, denn das in dem dunkeleren Chor befindliche Auferstehungsbild,
das allerdings auch am interessantesten componirt ist, wirkt bei weitem einheitlicher und har-
monischer in Farbe und Fleckenwirkung. Stärker als Deger und unzweifelhaft als der bedeutendste
Künstler der Apollinariskirche tritt Carl Müller hervor, und es ist lebhaft zu bedauern, dafs von
den beiden grofsen Bildern dasjenige, welches zur Zeit seiner Fertigstellung, als die noch stehenden
Gerüste seine Betrachtung erleichterten, am meisten bewundert wurde, heute thatsächlich in seinem
oberen Theil fast unsichtbar ist, da es sich an der am schlechtesten beleuchteten Wand des
Chorarmes befindet. Da auch sonderbarerweise von den Bildern der Apollinariskirche, die doch
widerspruchslos als die hervorragendste Arbeit der neueren katholischen Kunst bezeichnet werden
müssen, nicht einmal ausreichende Reproductionen existiren, so ist der Beschauer bei der Beur-
theilung Carl Müllers in dem Remagener W^erk auf das mühsame Studium des unteren Theiles
dieser Himmelfahrt und auf das erste Bild ,,Die Geburt der Maria" beschränkt, denn auch die
übrigen kleineren und nebensächlichen Figuren der „Verkündigung" an der W^estwand kommen
nicht besonders gut zur Anschauung.
Unter diesen Verhältnissen wird man „Die Geburt der Maria" von Carl Müller als die
bedeutendste, nicht nur von seinen, sondern von sämmtlichen Fresken ansehen müssen. C. Müller
zeigt sich hier coloristisch sowohl, wie in Bezug auf Anordnung und Zeichnung von einer Kraft,
wie er sie selbst in späteren Arbeiten kaum wieder erreicht hat, und es scheint fast, als ob Deger
bei seinen Arbeiten in Stolzenfels von dem jüngeren Genossen gelernt habe und nicht umgekehrt,
wie häufig angenommen wird. Carl Müller ist es durch eine Reihe von widrigen Umständen
leider nicht vergönnt gewesen, noch einmal ein grofses monumentales Werk auszuführen. Zwei
Projecte dieser Art zerschlugen sich, und wenn die damals so glänzend begonnene katholische
Monumentalkunst bei diesen Anfängen schon stehen blieb, so lag das nicht an dem Mangel
an Künstlern.
„Die Geburt der Maria" bot in ihren Compositionen grofse Schwierigkeiten. Bei den grofsen
Bildern war mit Ausnahme der , .Kreuzigung" eine Zweitheilung vorgenommen vi'orden, die sich
aus den Motiven theils ziemlich zwanglos ergab, theils in der schon bemerkten jugendlichen
Vorliebe für Häufung des epischen Materials nach alten Mustern ihren Ursprung haben mochte.
So sieht man bei der ,, Geburt Christi" unten die Anbetung der Mutter mit dem Kinde durch die
Hirten, oben die Engelchöre; bei der , .Auferstehung" unten den Engel vor dem Grabe mit den
heiligen Frauen, oben die Himmelfahrt Christi; bei der , .Himmelfahrt oder Krönung der Madonna"
unten die Versammlung der Apostel um das leere Grab, oben die Madonna selbst.
Für die ,, Geburt der Maria" hatte Müller verschiedene Entwürfe gemacht. Es galt auch hier,
neben der mehr genrehaften Scene der eigentlichen Geburt den kirchlich symbolischen Charakter
des Motivs zu wahren, und hierzu wurde eine Versammlung der ,, Vorbildlichen Frauen" des alten
Testamentes gewählt. Dafs Müller darauf verzichtete, diese Gestalten in eine nähere Berührung
mit der Hauptscene zu bringen, war ein Zeichen seines guten Geschmackes, und die energische,
geradezu architektonische Quertheilung des Bildes, zwar höchst gewagt, aber, wie der Erfolg zeigte,
das einzig richtige Mittel, die unzusammenhängenden Theile durch architektonische Gestaltung
und Trennung nicht inhaltlich, aber künstlerisch zu einigen. Indem er den ganzen oberen Theil
des Bildes auch perspectivisch zurückschob, wahrte er die reale Möglichkeit, die bei den in der
Höhe schwebenden Gruppen der anderen Bilder keineswegs immer erhalten geblieben ist. Was
den Gesammteindruck des Bildes aber noch ganz besonders bestimmt, ist die überaus kräftige
138
und in ihren kühlen ernsten Tönen durchaus harmonische Färbung des Bildes. Gerade gegenüber
der etwas bunten und wenig einheitlichen Malerei auf den gegenüberliegenden Bildern Degers
wirkt dieses tief getönte, aufs feinste abgewogene Colorit aufserordentlich wohlthuend.
In den oberen Theil ist also die eigentliche Geburtsscene verlegt. Anna ruht auf einem
erhöhten, mit dem altdeutschen Himmel überdeckten Bett, die kleine Maria im Schofse. Von
links nähert sich Joachim, von rechts eine Gruppe von befreundeten Frauen. Ein auf zwei
Säulen ruhender Gewölbebogen schliefst das Bild nach oben ab. Der untere Theil ist gewisser-
mafsen als ein Vorplatz vor der bühnenartigen Erhöhung, auf welcher die oben genannten
Gruppen aufgebaut sind, gedacht. Auf ihm befinden sich in zwangloser, wenig bewegter Ver-
sammlung, im Einzelnen aber aufs trefflichste charakterisirt, die alttestamentarischen Frauen,
welche die Gottesmutter vorbildeten. Es sind Eva, Sarah mit dem kleinen Isaak, Rahel, Abisaag,
Esther, Abigail, Judith, Bethsabee. Von besonderer Schönheit sind die drei Figuren der ganz
links stehenden Eva, die in kraftvoller Gestaltung sehr wohl die Mutter des Menschengeschlechts
darstellen kann, in der Mitte die zarte Abisaag und ganz rechts die königliche vornehme
Bethsabee. Der Geburt der Maria künstlerisch gleichwerthig erscheint nur noch der von Deger
und Ittenbach zusammen ausgeführte Chor, der allerdings den Ungeheuern Vortheil der mit
Goldgrund belegten Wölbung hat, aus dem die blauen Gewandttheile in schönster Wirkung
hervortreten. Auch das Weifs und Gold, welches die Apostelfiguren von Ittenbach umgiebt. hilft
den feierlichen Eindruck der Chornische erhöhen, in der somit, der Bedeutung des Ortes ent-
sprechend, auch der Gipfel des coloristischen Interesses erreicht ist.
Es fesseln in der Betrachtung zunächst wohl die vier grofsen Scenen aus dem Leben des
heiligen ApoUinaris, die Andreas Müller ausführte. Man ist versucht, bei diesen Bildern an
Ghirlandajo zu denken. In ihrer architektonisch meist sehr gelungenen Anordnung und den zahl-
reichen genrehaften Zügen in den einzelnen Gruppen zeigt sich deutlich der Einflufs dieser
Florentiner Kirchenmalerei, welche die naive malerische Verbindung des Wirklichen mit dem
Wunderbaren in so eigenartiger Weise vollzogen hat.
In der Farbe ordnen sich die mehr gobelinartig als realistisch gedachten Bilder den übrigen
Darstellungen unter, ohne doch vollständig auf eigene coloristische Wirkung zu verzichten. Diese
erscheint bei der „Einweihung des ApoUinaris" vielleicht am gelungensten, wie dieses Bild über-
haupt vor den anderen manche Vorzüge hat. Die gegenüberliegende ,, Heilung eines Kranken"
leidet wenigstens etwas unter der Häufung der Motive und der Gestalten, ohne etwa durch ein
geschlossenes Colorit zu entschädigen. ,,Das Wunder bei der Jupiterstatue" ist ebenso wie der
gegenüber befindliche ,,Tod des Heiligen" etwas indifferent im Ton, was aber vielleicht durch die
scharfe und dabei nicht mehr helle Seitenbeleuchtung verursacht wird.
Die kleinen Bilder unterhalb der grofsen, die von Ittenbach, Deger und Andreas Müller aus-
geführt worden sind, enthalten noch zahlreiche Schönheiten, die freilich an Ort und Stelle wenig
zur Geltung kommen. Coloristisch ordnen sie sich den grofsen Bildern vollständig unter, wie sie
denn theils auch auf Goldgrund oder grau in grau gemalt sind.
Am 28. März 1857 wurde die Kirche eingeweiht und damit das in seiner Art einzige ^A^erk
dem Volke übergeben und der Kunstgeschichte, in der es eine durchaus eigenartige Stelle ein-
nimmt. Freilich nicht nur eine eigenartige, sondern auch eine isolirte Stellung, denn, was dem
Rückwärtsschauenden heute als fast selbstverständlich erscheint: an diesen ohne Zweifel grofsartigen
und in seiner Einheitlichkeit doppelt bewundernswerthen Anfang sollte sich, wenn auch die eine
oder andere Fortsetzung, so doch kein weiterer Fortschritt anschliefsen. Die Düsseldorfer katholische
Kunst stand bei ihrem ersten Beginn, beim Anfang der Malerei in Remagen, schon aufserhalb
aller der lebendigen Strömungen, welche die übrigen Künstlerkreise in Düsseldorf bewegten.
W^ährend der Vorarbeiten und der Ausführungen der Apollinarisfresken fanden in der Heimath
die eingreifendsten und mächtigsten Bewegungen statt, welche die neuere Kunstgeschichte überhaupt
kennt. Von Schadow ging die Düsseldorfer Malerei über Lessing zu Rethel: eine ganz neue
Landschaftskunst war entstanden und in den Anlangen der Genremalerei eine Volkskunst, wie sie
seit den Zeiten der alten Niederländer nicht mehr bestanden hatte. Alles das ging an den Meistern
der Apollinariskirche damals und auch später spurlos vorüber, und nicht nur auf sie ist es ohne
Einflufs geblieben, sogar ihre Nachfolger sind bis heute in den künstlerischen Gedanken-, Formen-
und Farbenkreisen geblieben, welche damals von Deger und Carl Müller gezogen wurden.
So war diese Kunst nicht ein Stamm, der, weiter wachsend, zahlreiche, verschiedenartige
kräftige Aeste und Zweige treiben konnte, sie war gewissermafsen nur eine zarte seltene
Blume, die, aus fremdem Boden verpflanzt, wohl noch eine Zeit lang schwächere Blüthen, aber
140
keine lebenskräftigen Triebe hervorbringen konnte. Dies beweist vor Allem nur die Folge. Aber
auch jener feinsinnigste Beobachter der früheren Düsseldorfer Entwicklung, Immermann, hatte
das richtige Gefühl für diese zarte Schwäche, wenigstens bei dem einen der Maler vom ApoUinaris-
berg, bei Deger, schon früh in prägnante Worte gefafst, die heute fast wie eine Prophezeiung
klingen, die man aber ebensogut auf die anderen Persönlichkeiten, oder auf das Schaffen der
ganzen Gruppe übertragen kann.
,, Deger", schreibt Immermann in den schon öfter genannten ,, Düsseldorfer Anlangen,
Maskengespräche", „ist ein reiner schöner Mensch; er ist der hervorragendste unter den frommen
Malern, und auf ihn rechnete Schadow wohl auch am meisten als Stütze der sogenannten
höheren Richtung. Aber ich frage: Tragen denn diese abgedämpften Farben des Lieblings-
schülers, diese zärtelnden Engel, diese kindlich frommen, oder mit dem hektisch schmachtenden
Zuge um das Auge versehenen Madonnen die Bürgschaft langen Lebens in sich? Sieht man
sie sich nicht schon jetzt müde, je länger man sie ansieht? Spricht sich denn in dieser frauen-
haften Milde und Unschuld der christliche Geist der jüngsten Vergangenheit oder der Gegenwart
aus? Und den mufste doch ein Meister zu erfassen wissen, wenn ihm gelingen sollte, einen neuen
dauernden Typus christlicher Kunst zu finden; denn in den Leib seiner Mutter kann Niemand
zurückkehren, auch die Kunst nicht. Sind nun nicht gerade die Besten, die Wahrhaftigsten der
Jetztzeit durch allen Spott und Zweifel der Heiden hindurchgegangen, bevor sie zum Erlöser
gelangten? So möchte denn wohl ein Paulinisches Bewufstsein eher als die legendenhafte Süfsigkeit
aus den neuen christlichen Bildern blicken müssen, sollte sie zur Höhe der Zeit sich erheben,
auf dieser Höhe sich erhalten. Nicht die wimpernsenkende Madonna, sondern der in den leuch-
tenden Lichtern des Himmels über den geistvollen Verfolger triumphirende Christus scheint mir
der Vorwurf der neueren religiösen Kunst zu sein, wenn eine solche entstehen soll. Deger nahm
in seinen ersten Christkindern dazu einen Ansatz; sie haben etwas Tapferschreitendes, Siegreich-
blickendes. Nachher ist er hiervon wieder zurückgewichen in die Reminiscenz an Fiesole. Zuletzt
sah ich eine Zeichnung von ihm: ,,Die Himmelfahrt". Der Erlöser blickt wehmüthig segnend zu
den Aposteln hinunter. Also auch hier Empfindsamkeit! dachte ich. Dafs der Sohn sich setzt
zur Rechten des Vaters, das ist das göttliche Factum, und wird nun wohl dessen erhabene
Majestät durch diese weiche Geberde ausgedrückt? Man mufs erwarten, wie den Künstler Italien,
wo er sich jetzt befindet, vollenden wird; denn seine Bahn ist ja noch nicht geschlossen."
Deger hat sich späterhin über die Fresken von Remagen hinaus gehoben. Aber diese Er-
hebung war doch nicht stark genug, um seine Nachfolger mit sich fortzureifsen, so wenig dies
selbst dem von Natur kräftigeren Carl Müller gelang.
Um zunächst bei Deger zu bleiben, so hatte derselbe gleich nach Beendigung seines letzten
Bildes in Remagen an eine fast noch schönere, weil einheitlichere Aufgabe gehen können, die
ihm auch so werthvoll erschien, dafs er eine ihm angebotene Professur in München ihr zu Liebe
ausschlug. Es war dies die Ausmalung der Kapelle des Schlosses Stolzenfels, das schon vorher
genannt worden ist. Entsprechend der Tradition und den Neigungen des Königs und seiner
Gemahlin war eine gothische Kapelle dicht neben dem Schlofs aufgeführt worden, und mit der
Ausmalung dieses kleinen, 'aber harmonischen Gotteshauses wurde nach Vollendung seiner
Remagener Arbeiten Deger beauftragt. Hier war ihm eine Gelegenheit gegeben, auf mäfsig grofsen,
interessant gestalteten Flächen allein ganz seinen Ideen zu folgen. Und in der That schuf er
hier eine Reihe von Kunstwerken, die, wenn auch einseitiger in der Gesammtwirkung sowohl
wie in den einzelnen Bildern, coloristisch und an Kraft des Ausdrucks seinen Remagener Arbeiten
überlegen sind. Es waren zwölf Bilder der verschiedensten Gröfse, die, auf Goldgrund gemalt,
die Erlösung des Menschengeschlechts behandelten. Der Cyklus beginnt mit dem ,, Paradiese und
dem Sündenfall". Adam und Eva in vortrefflich gezeichneten nackten Figuren (in jenen schönen
kunstfreundlichen Zeiten konnte in Deutschland der frömmste Maler unangefochten in einer Kirche
nackte menschliche Gestalten in Lebensgröfse malen, ohne dafs weder seine Religiosität, noch
seine Moral angezweifelt wurde) neben dem Baum der Erkenntnifs. Auf der anderen Seite aber
schon der Zorn Gottvaters, der die Sündigen anruft. Gegenüber — beide Bilder befinden sich
auf der Orgelbühne, dem einzigen Platz, von dem aus dem Besucher die Kapelle sichtbar ist —
„Die Ermordung Abels" und in der Höhe der König David in seiner symbolischen Beziehung auf
Christus und als Sänger Gottes.
Es folgen in der eigentlichen Kapelle auf den entweder sehr schmalen oder zwickelartig aus-
geschnittenen Feldern ,,Der englische Grufs", ,,Die Anbetung der Hirten", „Das Opfer Abrahams",
etwas gröfser „Die Kreuzigung" und „Die Himmelfahrt Christi" und schliefslich als die höchst
141
wirkungsvollen und mächtigen Hauptbilder „Die Ausgiefsung des hl. Geistes" und „Das jüngste
Gericht". Es scheint, dafs die durch eine Console und aufstrebende Gewölberippen oben getheilten
Flächen, die für diese Bilder gegeben waren, den Künstler gerade zu der originellen und glück-
lichen Composition angeregt haben. Bei der „Ausgiefsung des hl. Geistes" befindet sich die
Madonna im Mittelpunkt des Bildes, um sie her die heiligen Frauen und nach vorn sich aus-
breitend der Kreis der Apostel. Oben rechts auf Wolken sitzen die prächtigen Gestalten Gott-
vaters und Christi, in mächtiger und monumentaler Bewegung die Versammlung segnend. Noch
grofsartiger ist das Bild des Gerichtes, das man besser „Christus als Richter" nennen würde, da
die Schaaren der Gerichteten fehlen. In der Mitte sitzt der gekrönte Christus mit ernstem Aus-
druck, die Arme ausbreitend,
links und rechts in Anbetung
Maria und Johannes der Täufer
und an sie anschliefsend in
tiefen Gruppen die Gestalten
des alten und neuen Bundes.
Von oben schweben zwei
Engelsschaaren mit den Marter-
werkzeugen herab, und zu
Christi Füfsen schwingen sich
zwei Paare posaunenblasende
Engel auf die Erde hinab.
Es ist in diesem Bilde ein
so mächtiger Ernst, eine ver-
haltene Leidenschaftlichkeit, wie
sie Deger nicht wieder erreicht
hat und wie sie seiner sanften
Natur auch eigentlich fremd
sein mufsten. Hier hat ihn die
Gewalt des Gegenstandes mit
fortgerissen und mit dieser
Arbeit hat er den Höhepunkt
seiner künstlerischen Thätigkeit
erreicht, wenn er auch in den
nachfolgenden Jahren seines
langen Lebens noch eine grofse
Reihe ausschliefslich religiöser
Bilder geschaffen hat. Er wurde
im Jahre i86g als Lehrer der
religiösen Historienmalerei an
der Akademie angestellt, nach-
dem er schon vorher Ehren-
mitglied des LehrercoUegiums
geworden war. Er bildete eine
grofse Zahl von Schülern aus,
ohne doch den Zug, den die
Düsseldorfer Kunst auch in der
religiösen Malerei nahm, beein-
flussen zu können. Von seinen
Schülern sind die bedeutendsten H. Lauenstein und Franz Müller, welche die streng kirchliche
Richtung Degers fortgesetzt haben. Von ihnen wird späterhin die Rede sein. Deger lebte bis
zum Jahre 1885 und war bis zu seinem Ende ununterbrochen thätig. Seine ehrwürdige hohe
Gestalt ragte wie eine Erinnerung aus früheren Epochen in eine Zeit hinein, die, abgesehen
von den streng kirchlichen Kreisen und dem seiner Schüler, ihn als Künstler nicht mehr verstehen
konnte, so sehr sie ihn als Menschen hochschätzen mufste.
Bewegter war die Laufbahn Carl Müllers, der zwar im Anfang mit schweren Widerwärtig-
keiten zu kämpfen hatte, dann aber durch einige grofse Aufträge in Stand gesetzt wurde, seiner
zähen und bei aller Liebenswürdigkeit und W^eichheit doch energischen Natur entsprechend,
ERNST DEGER
Adam und Eva
Wandgemälde in der Kapelle des Schlosses Stol^enfels
142
noch im hohen Alter Werke zu schaffen, die ihm die Achtung und den Beifall auch derjenigen
seiner Kunstgenossen sicherten, die längst auf anderen Wegen wandelten.
Der Auftrag des Freiherrn von Fürstenberg in Remagen fiel zusammen mit einem äufserst
lebhaften Interesse für die religiöse Kunst überhaupt. 1842 wurde in Düsseldorf ein Verein zur
Verbreitung religiöser Bilder gegründet, der an Stelle der vielfach fabrikmäfsig hergestellten kleinen
Heiligenbilder künstlerische Arbeiten zu setzen bestrebt war und bald eine äufserst rege Thätigkeit
entwickelte. Für diesen Ver-
ein war Carl Müller vielfach
thätig und zeichnete eine Reihe
von Blättern, die so eine
aufserordentlich grofse Verbrei-
tung fanden. Auch der Kunst-
verein liefs sich die thatkräf-
tige Hülfe Carl Müllers nicht
entgehen, und namentlich im
Aufsichtsrath dieses Vereins
hat er in den Jahren 1857 — iSG-^
eine hervorragende Rolle ge-
spielt, um die damals auftre-
tenden Gegensätze zu versöhnen.
Künstlerisch brachten ihm die
Jahre nach Vollendung der
Apollinariskirche allerdings
schwere Enttäuschungen. Ein
grofser ihm von Marseille schon
Ende der 50er Jahre in Aus-
sicht gestellter Auftrag, die
Wallfahrtskirche Notre dame
de la garde in Marseille aus-
zumalen, schleppte sich lange
hin, um schliefslich nach dem
Kriege 1870 — 71 an dem franzö-
sischen Chauvinismus, der die
niedrigsten Mittel nicht scheute,
zu scheitern, trotzdem Müller
schon eine Reihe trefflicher
Cartons dafür gezeichnet hatte.
Nicht viel besser ging es Carl
Müller mit der Aussicht, für
die Münsterkirche in Bonn den
monumentalen Wandschmuck
zu fertigen. Hier hatte sich
d;r Erzbischof Melchers aus
stilistischen Gründen gegen eine
Ausmalung des alten Münsters
durch einen modernen Maler
in moderner, das heifst also
nicht im Smne der Zeit des
Bauwerkes stilisirender Weise
ausgesprochen und so mit einem
Schlage die Verhandlungen, die
Müller auch schon zu Entwürfen, Skizzen und Cartons ermuthigt hatten, abgebrochen. Jetzt
ist das Bonner Münster zwar sehr stilvoll, aber auch wahrhaftig nichts weniger als künstlerisch
ausgemalt oder vielmehr angestrichen. Es hat eben Jeder auch die Kunst, die er verdient. Müller
entband in seiner vornehmen Weise den Martinusverein in Bonn, der mit ihm verhandelt hatte,
von allen Verpflichtungen und protestirte nur von seinem künstlerisch-ästhetischen Standpunkt aus
gegen die Ansicht des Erzbischofs, die übrigens ohne Zweifel ihre Berechtigung hat.
ERNST DEGER
Die Ausgiefsung des hl. Geistes
Wandgemälde in der Kapelle des Schlosses Stolzenfels
143
ERNST DEGER
Das jüngste Gericht
Wandgemälde in der Kapelle des Schlosses Stolzenfels
Aber auch diese Angelegenheit hatte ihn viel vergeblich aufgewandte Zeit und Arbeit
gekostet. Hatte er den Entwürfen doch seine beste Kraft geopfert und gewissermafsen nur nebenbei
eine Anzahl von Oelbildern und Cartons geschaffen. Aber namentlich die ersteren haben in
Reproductionen eine aufserordentliche Verbreitung gefunden. Noch in den 50er Jahren entstanden
eine ,, Verkündigung" und ein „Abendmahl", von denen das erstere Bild später für die Düsseldorfer
Kunsthalle vergröfsert wurde. Es folgte eine Reihe meist kleiner Oelgemälde. Im Jahre 1857
wurde C. Müller an Stelle des ausgeschiedenen Chr. Köhler die Lehrerstelle für Historienmalerei
an der Akademie angeboten. Hier mufste er sogar auch eine Zeit lang den inzwischen erkrankten
Schadow in der Malklasse und in den Directorialgeschäften vertreten, bis ihn die Berufung
Bendemanns zum Director und die Uebernahme der Malklasse von Seiten Sohns entlastete. Seine
Lehrthätigkeit behielt Müller bis in die 80er Jahre bei, ohne gerade allzu grofsen Einflufs zu
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CARL MÜLLER
Krönung der Jungfrau und Engelchöre
Carton zu den Wandgemälden für Marseille
gewinnen. Es fehlte ihm dazu vielleicht das Hinreifsende und Ueberzeugende der Persönlichkeit;
um so verdienter machte er sich um die Verwaltung der Akademie, die er von 1883 bis zu seinem
Tode 1893 als Vorsitzender des Lehrercollegiums leitete.
Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre fallen diejenigen Werke, die Müllers Namen
vielleicht die gröfste Verbreitung gegeben haben, die in der That auch zum Liebenswürdigsten
und im besten Sinne des Wortes Volksthümlichsten gehören, was in Düsseldorf auf dem Gebiete
religiöser Kunst geschaffen worden ist. Hier erhebt sich Carl Müller über das Confessionelle der
kirchlichen Malerei, das er überhaupt nie in dem Mafse, wie etwa Deger oder Ittenbach, betont
hat, zu einer Auffassung, die so allgemein menschlich religiös ist, dafs diese Bilder dieselbe
Bewunderung in katholischen, wie in streng protestantischen Kreisen mit vollem Recht fanden
und somit eine gesundere W^iedergeburt der religiösen Kunst der Italiener bedeuteten, als sie die
Bestrebungen aller anderen Düsseldorfer Nazarener vollziehen konnten.
145
Diese Bilder, welche in Reproductionen ihren Weg durch die ganze Welt genommen haben,
sind „Die heilige Familie bei der Arbeit" 1866 und „Die heilige Familie auf der Rast". Die
letztere Composition, die den gröfsten Beifall fand, hat Müller mehrmals wiederholen müssen.
Eine „Immaculata conceptio" folgte, ohne trotz grofser künstlerischer Vorzüge denselben Eindruck
zu machen, bis mit der grofsen Zeichnung einer „Heiligen Nacht" Anfang 1880 Carl Müller wieder
ein Werk schuf, das die beiden oben genannten an Zartheit und Vollendung der Composition
beinahe noch übertraf und sich in Vervielfältigungen dem Siegeszug der anderen anschlofs.
Es war dem Künstler aber noch in hohem Alter vergönnt, auch ein grofses Werk monumen-
talen Charakters wenigstens in Angriff zu nehmen und in seinen Haupttheilen zu vollenden. Es
sind dies die Gemälde für die Remigiuskirche in Bonn, in deren Ausführung Carl Müller eine Art
Entschädigung für die nicht zustande gekommene Ausmalung des Münsters erblicken durfte.
Für die Remigiuskirche hatte Ittenbach ein Altarbild gemalt, das wohl zu den besten W^erken
dieses Künstlers gehört. Zwei andere Altarbilder sollten folgen, als ihn der Tod ereilte, und nun
wurde die Ausführung dieser beiden Stücke Carl Müller übertragen, der in ihnen auch zwei seiner
feinsten Oelbilder ausführte. Das eine ist eine „Erziehung der Jungfrau", das andere „Joseph mit
dem kleinen Jesus". Aber damit war die Ausschmückung der Kirche, wie sie ihr Pfarrer,
der treffliche Reinkens, ein Bruder des ersten altkatholischen Bischofs, sie sich gewünscht hatte,
noch nicht vollendet. Und so entstand noch das grofse dreitheilige Altarbild ,, Christus in
Emmaus" in der Mitte, auf den Seitenflügeln ,,Ehsabeth und Vincenz von Paul" einerseits, ,, Antonius
von Padua und Gertrud" andererseits. In diesem Bilde, das vielleicht die bedeutendste Leistung
Müllers ist, hat sich der greise Künstler noch einmal zu einer Kraft und zu einem Ernst der
Darstellung, zu einer Tiefe und Stärke der Farbe emporgeschwungen, die bei der Ausstellung des
Bildes in Düsseldorf in einer Zeit, die künstlerisch doch so ganz anderen Zielen zustrebte und
die gerade auf dem Gebiet der kirchlichen Malerei gewissermafsen in eine ganz neue Epoche
eingetreten war, allgemeines Aufsehen erregte.
Es zeigte sich hier die merkwürdige Erscheinung, dafs ein Maler nach einem langen schaffens-
reichen Leben in hohem Alter noch einmal in einem letzten Werke die ganze Energie und jugend-
liche Frische niederlegt, die sein erstes ,,Die Geburt der Maria" in Remagen ausgezeichnet hat,
und es dürfte nicht leicht in der Kunstgeschichte ein Beispiel ähnlicher Art vorhanden sein.
Freilich liegt darin auch der Beweis für die in sich vollendete Abgeschlossenheit der ganzen
Kunstrichtung der Schule, die auf ein Weiterwachsen nach dem Tode ihrer Gründer nicht zu
rechnen hatte.
Auch für den Hauptaltar sollte Carl Müller ein noch gröfseres Bild in drei Theilen schaffen.
Er vollendete aber nur den Carton, der in etwas doctrinärer W^eise (es scheint, als ob bei der
Fassung des Entwurfs die Theologen mehr zu ihrem Recht gekommen sind, als der Künstler zu
dem seinen) „Das himmlische Opfer über dem Altar, d. h. den Gottmenschen Christus in seiner
gnaden- und lebenspendenden Beziehung zur Kirche als Haupt" darstellt.
Das Bild zeigt oben den thronenden Christus zwischen Maria und Johannes dem Täufer,
unten im Hauptbild wie in den Seitenbildern zahlreiche männliche Gestalten, die Evangelisten
und andere Apostel. Die Ausführung des Gemäldes übernahm nach dem vollendeten Carton der
Neffe des Künstlers, Franz Müller, der unter den jüngeren Vertretern der Düsseldorfer Nazarener
wohl der hervorragendste ist.
Andreas Müller, der ältere Bruder von Carl, der am längsten in Remagen beschäftigt war,
entwickelte nach der Vollendung dieser Arbeit eine vielseitige Thätigkeit nicht nur als Künstler,
sondern auch als Kunstschriftsteller, Restaurator und namentlich seit 1855 als Conservator des
Kupferstichcabinets der Akademie in Düsseldorf. Die Sammlung wurde durch ihn zum erstenmal
geordnet und die spätere Katalogirung derselben in trefflicher 'Weise vorbereitet. Auch als Lehrer
der Elementarklasse wirkte A. Müller seit 1855 an der Akademie, nachdem ihm zu Anfang des
Jahres der Professortitel ertheilt worden war.
Von seinen künstlerischen Arbeiten waren die meisten für Kirchen bestimmt, so eine
„Madonna mit Heiligen" für die Pfarrkirche von Caub, eine „Verkündigung" und „Die vier
Evangelisten" für Budberg bei Crefeld und Anderes. Für den Kunstsaal im Schlofs zu Sigma-
ringen malte er unter Beihülfe seines Sohnes Franz und von H. Lauenstein eine ornamentale
Decoration mit Bildnissen deutscher Meister. Ferner entwarf Müller eine grofse Zahl von Zeich-
nungen für Kanzeln, Altäre, Glasmalereien u. s. w. Es konnte freilich nicht ausbleiben, dafs er
durch diese Vielseitigkeit seine Kräfte auf Kosten des künstlerischen Werthes der einzelnen Arbeiten
und der Ausbildung seines Talentes zersplitterte. Als Kunstschriftsteller erregte er durch die
146
CARL MÜLLER
Die hl. Familie bei der Arbeit
Bezeichnung eines in der Düsseldorfer Sammlung befindlichen Kupferstiches als eines eigenhändigen
Werkes von Rafael ebensoviel Aufsehen als Widerspruch bei den Fachleuten. Seit dem Jahre
1881 durch einen Schlaganfall gelähmt, starb er am 29. März 1890 in Düsseldorf.
Ittenbach, der jüngste unter den Malern der Apollinariskirche, hat sich im Gegensatz zu
Andreas Müller in Erkenntnifs seiner Begabung sehr bald auf ein ihm besonders zusagendes Gebiet
der streng kirchlichen Malerei beschränkt, und nicht mit Unrecht nennt ihn sein Biograph,
H. Fincke, den , .Madonnenmaler". In der frommen Poesie, vi^elche die Gestalt der jungfräulichen
Gottesmutter umkleidet, fand Ittenbachs weichere Natur das eigentliche Feld seiner späteren
Thätigkeit, die ihn bis an sein Ende (1879) in Düsseldorf festhielt. Aufser den Wandbildern in
Remagen malte er für die Quirinuskirche in Neufs vier Altarfresken, ferner Altarbilder für die
Remigiuskirche in Bonn, die St. Michaelskirche in Breslau, in der Schlofskapelle des Fürsten
Liechtenstein in \A^ien u. s. w. Von diesen meist ziemlich grofsen Bildern zeichnet sich das
Bonner durch grofsen Reiz der einfachen Composition und einer vielleicht etwas zu süfslichen,
zarten Farbe, dabei aber doch grofser und poesievoller Harmonie aus. Eine Anlehnung an gewisse
zarte Madonnenbilder der Kölner Schule scheint sich in diesem Bilde nicht zu seinem Nachtheil
auszusprechen. Die Farbe bevorzugt bei den wenigen Figuren (es ist ein Triptychon, in der
Mitte „Madonna mit Kind und dem heiligen Remigius und Ludwig von Toulouse", auf den
Flügeln je zwei Heilige) fast ausschliefslich graue, braune und violette Töne in den Gewändern,
nur die Madonna trägt den traditionellen blauen Mantel und das rosarothe Gewand. Das Bild
entstand 1858 als Concurrenzarbeit im Auftrage des Kunstvereins für Rheinland und W^estfalen
und ist von den gröfseren Arbeiten Ittenbachs vielleicht die vollendetste. Im Allgemeinen wurden
seine kleineren Staffeleibilder günstiger beurtheilt; bei grofsem Fleifs schuf er trotz vielfacher
Krankheit und anderer hindernder Umstände eine grofse Zahl von Bildern, die meistens die Madonna
allein oder nur von wenigen Gestalten begleitet, oder einzelne Heilige darstellen. Als Bildnismaler
hat sich Ittenbach auch späterhin noch mit Erfolg bethätigt.
Zu dem Kreise der ältesten Düsseldorfer Nazarener gehören auch Kehren, Carl Glasen und
Mengelberg.
Joseph Kehren (1817 — 1880) malte zuerst Kirchenfahnen und wurde dann als verständnifsvoller
Mitarbeiter von verschiedenen Künstlern zur Hülfe bei grofsen monumentalen Arbeiten hinzugezogen.
So half er nicht nur Rethel bei den Aachener Wandgemälden, sondern durfte sogar die letzten
Bilder nach den Entwürfen des hoffnungslos Erkrankten ausführen, was ihm bei Schadow grofses
Lob eintrug, weniger bei der Nachwelt, der die süfsliche bunte Färbung und die schwächere
Zeichnung nicht behagen will. Vorher hatte er schon Stilke bei dessen Arbeiten in Stolzenfels
geholfen und dort vielleicht das bunte Colorit angenommen. Mit Commans zusammen malte er
im Lehrerseminar zu Moers einen Fries, der die deutsche Geschichte bis zur Kaiserkrönung in
Versailles behandelte. Späterhin malte Kehren eine Reihe von Altarbildern, zwischendurch auch
einmal ein Historienbild.
Karl Clasen, geboren 1812, war Schüler von Schadow und malte ebenfalls religiöse und historische
Bilder durcheinander; einige von ihnen kaufte der Kunstverein zur Verloosung.
Vielseitiger war Otto Mengelberg (1817 — 1890). Er studirte seit 1834 unter Sohn, wurde längere
Zeit hindurch an einer energischen Thätigkeit durch Krankheit behindert und malte dann neben
zahlreichen Porträts verschiedene biblische Motive. Mengelberg wurde späterhin protestantisch,
eine eigenthümliche Erscheinung in jenem Kreise, blieb aber den religiösen Motiven treu, ohne
hier eine sonderlich verschiedene Richtung einzuschlagen.
Der oben genannte Commans hat sich durch seine Cartons für Glasgemälde in der Nicolai-
kirche in Hamburg einen Namen gemacht. Er malte späterhin auch religiöse Bilder.
Aus der älteren Zeit wären aufserdem hier etwa noch Dr. Oesterley und Adolf Zimmermann
zu nennen, deren zahlreiche biblische Bilder nicht den streng kirchlichen Charakter, den eigentlich
nazarenischen haben, die aber doch nach ihrer ganzen Kunst in diesen Kreis gehören. Sie haben
sich in Düsseldorf nur vorübergehend aufgehalten.
Karl Oesterley, 1805 in Göttingen geboren, hatte sich erst nach vollendeten Universitätsstudien
der Malerei gewidmet. 1836 — 37 arbeitete er in Düsseldorf unter Schadow, ebenso 1844. Dann
wurde er Hofmaler in Hannover und gleichzeitig Professor der Kunstgeschichte in Göttingen. —
Ein Verhältnifs von idyllischer Naivität. Er starb 1891.
Auch Adolf Zimmermann, geboren 1799 in der Lausitz, kam schon als fertiger Künstler 1835
nach Düsseldorf, wo er bis 1845 zahlreiche biblische und romantische Bilder zum Theil für den
Kunstverein malte. Später ging Zimmermann nach Schlesien.
148
FRANZ ITTENBACH
Unsere liebe Frau vom heiligsten Herzen Jesu
Es wurde schon gesagt, dafs das Düsseldorfer Nazarenerthum in seinen ersten Vertretern
auch seine Vollendung erreicht hat. Es gab über diese verfeinerte, schwächliche Kunst, die wie
der liebenswürdige aber zarte und blutarme letzte Sprofs eines vornehmen Geschlechts in eine
Zeit hineinragt, die mit kräftiger Energie ganz andere Ziele sucht und verlangt, kein Weitergehen
mehr, und die Nachfolger, die Schüler der ersten Nazarener müssen sich begnügen, das von den
Meistern Geschaffene zu wiederholen. Der religiösen Malerei in Düsseldorf erwuchs in einem
ebenso eigenartigen, wie kräftigen Künstler von wesentlich anderer Richtung und einer anderen
Confession angehörend diejenige Erneuerung und Kräftigung, die ihr von den Nachfolgern der
Deger und Müller nicht gegeben werden konnte.
Immerhin haben diese, wenn ihrer auch nur wenige sind, Achtenswerthes und theilweise
Schönes geleistet. Einer der strengsten Degerschüler, Wunderlich, ist leider durch Kränklichkeit
und widrige Umstände verhindert, der Kunst seine Kraft so zu widmen, wie er es möchte. In
einem ,, Schweifstuch der hl. Veronika" versuchte er, die strenger stilisirende Art der ersten
Arbeiten Degers zu wiederholen.
Als ein fruchtbarer und erfolgreicher Nachfolger seiner Vorbilder und Lehrer ist dagegen
Franz Müller seit längerer Zeit auf demselben Gebiete thätig. Geboren 1843 ^u Düsseldorf,
arbeitete er zunächst unter Leitung seines Vaters Andreas und seines Oheims Carl Müller. Er
war dann Schüler von Carl Sohn, Bendemann und Deger. Es entstand im Laufe der Jahre bei
dem regen Fleifs des Künstlers, trotz der sorgfältigen Ausführung, die er seinen Arbeiten zu
Theil werden läfst, eine grofse Reihe schöner und tiefempfundener Werke meist kirchlichen
Charakters, aber auch eine Anzahl gut aufgefafster Porträts. So malte er, um nur einige seiner
Bilder zu nennen, als erstes selbständiges Werk eine „Madonna mit Kind in Landschaft", dann
eine „Pietä", die der Kunstverein erwarb. In den 60er Jahren half der junge Künstler seinem
Vater bei der Ausmalung des Kunstsaales für den Fürsten von Hohenzollern- Sigmaringen und
unternahm dann eine halbjährige Studienreise nach Antwerpen.
Nach seiner Rückkehr vollendete er Altarbilder für Kevelaer, eine ganze Reihe von Bildern
für die Pfarrkirche von Hüls bei Krefeld, ein Herz -Jesu -Bild für den Dom in Münster und Werke
derselben Art für verschiedene andere Kirchen. Seit dem Tode Carl Müllers vollendete Franz
Müller, wie bemerkt, das grofse Altarbild der Remigiuspfarrkirche in Rom nach dem Carton des
Oheims und ißt jetzt noch mit der Ausführung von Einzelfiguren von Kirchenlehrern und Kirchen-
vätern für die Chorwände derselben Kirche beschäftigt.
Vielseitiger entwickelte sich Heinrich Lauenstein, der, 1835 ^^ Hudessum bei Hildesheim
geboren, 1859 in die Akademie eintrat, dort Schüler von Bendemann und Deger wurde, und schon
seit 1864 als Lehrer, seit 1881 als Professor an der Akademie thätig ist. Im Jahre 1897 wurde
ihm, nachdem er bisher die Elementarklasse geleitet hatte, der Lehrstuhl für kirchliche Malerei
eingeräumt. In seiner Kunst ist Lauenstein nicht ohne Erfolg bestrebt, die streng kirchliche
Richtung seines Lehrers nach einer etwas genrehaften, zuweilen sogar romantischen Weise zu
erweitern, wobei man vielleicht an den Einflufs Bendemanns denken könnte. Das gilt besonders
von einem seiner schönsten Bilder der .,H1. Caecilie mit Engeln", das etwa um 1885 entstand.
Eine äufserst fruchtbare Thätigkeit als Bildnismaler gab dem Künstler Gelegenheit, immer mit
der Natur in engster Verbindung zu bleiben, was sich in seinen religiösen Bildern denn auch
vortheilhaft bemerkbar macht. Als Bildnismaler ist Lauenstein besonders in der Darstellung von
Frauen und Kindern glücklich. Von seinen religiösen Bildern seien genannt: ,,Der hl. Vincenz
von Paula", ,, Christus am Kreuz", angekauft vom Kunstverein für Rheinland und W^estfalen,
weiter ein „Christus am Kreuz" für die evangelische Kirche in Schwerin a. d. V/., „Hl. Elisabeth
und Hl. Joseph und Christuskind", zwei Altarbilder für die Krankenhauskapelle in Viersen, eine
„Hl. Familie" für die Pfarrkirche in Viersen. Dann ein Bild von mehr phantastischem Charakter
und grofsem Reiz der Auffassung: ,,Glorification einer Verstorbenen" und die schon erwähnte
poesievolle ,,H1. Caecilie".
H. J. Sinkel, geboren 1835 in Almelo, Holland, gehörte in seinen Anfängen als Schüler von
C. Müller ebenfalls zu den Nazarenern und malte in deren Sinne verschiedene Bilder. Später
widmete er sich aber fast ausschliefslich der Bildnifsmalerei, wobei er namentlich in seinen
Damenbildnissen eine vom Publikum sehr geschätzte Weichheit und Eleganz zeigt.
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VIII. Kapitel
Beginn und rasche Entwicklung der Genremalerei
OWOHL die ernste Historienmalerei Lessings und Rethels, als die streng kirchliche Kunst
Degers und seines Kreises hatten sich zwar in Abwendung von der eigentlichen roman-
tischen Richtung entwickelt, waren aber doch aus derselben hervorgegangen und konnten
denselben Ursprung und dieselbe Tendenz nicht verleugnen. Erst Rethels letzte grofsen
Arbeiten bedeuteten die Befreiung, die neue und unabhängige grofse Kunst, die alle
ästhetischen Lappen und Läppchen und alle Sentimentalitäten abgeschüttelt hatte und die Erfül-
lung dessen war, was Cornelius versprochen, aber nicht gehalten hatte. Sie war aus der Schadow-
schule zwar hervorgegangen, hatte sie aber überwunden. Ganz im Gegensatz zu Schadow, zu
seiner Kunst und zu seiner Denkweise, wenn auch freilich noch nicht direct im Gegensatz zu der
ästhetisch -literarischen Motivenwahl der Romantiker, entwickelte sich die Genremalerei, die sehr
bald neben der eigentlichen romantischen Schule ihre Stellung behauptete und jene dann über-
lebte, um die Vorherrschaft der Düsseldorfer Malerei auf diesem Gebiete bis in die neueste Zeit
hinüberzuführen, hier noch mehr und für längere Zeit vorbildlich wirkend, als es die Romantiker
für nur wenige Jahrzehnte gethan hatten.
Die ältere Genremalerei war in der That die gesunde und aus dem wirklichen Volksthum
hervorgegangene Gegenströmung gegen die Sentimentalität und die naturwidrige Ueberstiegenheit
der Romantiker, und wenn irgend etwas geeignet ist, den Beruf der jungen Düsseldorfer Schule
zu beweisen, so ist es die Thatsache, dafs diese Genremalerei sich gewissermafsen aus sich
selbst, ohne Hülfe und ohne directe Vorbilder entwickelte.
Gerade die Zopfzeit, die im Norden in Chodowiecky einen gesunden und fruchtbaren Schilderer
des bürgerlichen Lebens gefunden hatte, war für Düsseldorf eine Zeit der künstlerischen Oede
gewesen. Nach Kurfürst Johann Wilhelms Tode hatte es geschienen, als ob die kurze Kunstblüthe
für immer geknickt wäre. Krabe und sein klassicistischer Nachfolger, der Concurrent Rafaels,
J. P. Langer, waren die Letzten, die in der Beobachtung der Natur und des Volkes neue Kraft
gefunden hätten, und Cornelius, der in seinem ,, Faust" und in den Zeichnungen zu dem ,, Ausflug
nach dem Taunus" entschieden genrehafte Züge gezeigt hatte, wandte sich später bewufst und
eigensinnig von dieser Richtung der Kunst, die seinem Wesen allerdings fern lag, ab. Auch
Schadow stand der Darstellung der Wirklichkeit, des Volkes als einer unidealen direct und bewufst
ablehnend gegenüber. Höchstens die Landschaft, aber auch diese nur idealisirt und als Hintergrund
oder Stätte romantischer Begebenheiten, liefs er gelten.
Die Abneigung Schadows gegen die Genremalerei mufs sich häufig genug Luft gemacht haben.
Es giebt kaum einen bedeutenderen Düsseldorfer Genremaler der älteren Zeit, von dem nicht erzählt
wird, wie er als Schüler mit Schadow in Conflict gerathen sei; von Dutzenden wird erzählt, wie
sie von dem Director den Rath bekommen hätten, lieber Schuster zu werden, da sie zur Kunst
nicht taugten, und was dergleichen volksthümliche Uebertreibungen mehr sind, die aber ohne
Zweifel einen ernsthaften Hintergrund haben.
Man hat bei der Genremalerei zwei sehr von einander verschiedene, aber schnell aufeinander
folgende und ineinander greifende Richtungen zu unterscheiden, die eine, die sich von dem literarisch
poetischen Charakter der Schule noch nicht frei machen konnte, und die andere, die energisch
alle ,, geistigen" Anregungen über Bord warf und sich an die Natur, an die Wirklichkeit, an das
Leben hielt. Natürlich waren beide Richtungen nicht scharf getrennt, und die Vertreter der ersteren
gingen über kurz oder lang in das Lager der eigentlichen Volksmaler über.
152
Es lag ja auf der
Hand, dafs die Genre-
malerei sich nicht auf
einmal von der grofsen
Historie, der roman-
tischen gemalten
Illustration losreifsen
konnte. Zahlreiche
Künstler nahmen nicht
nur zeitlich, sondern
auch ihrem ganzen
Talent entsprechend
eine Zwischenstellung
ein, ähnlich den Seelen
derjenigen, die. nach der
mohammedanischen
Sage für das Paradies
zu schlecht und für die
Hölle nicht schlecht ge-
nug, auf einer schmalen
Mauer zwischen beiden
sitzen müssen.
Diesen Künstlern
entstammen die zahl-
losen Edelfrauen und
Knappen, die Gold-
schmiedstöchterlein,
die bunten costümirten
Männlein und Weiblein,
die sich wie Statisten
um die ebenso bunten
nur prätentiöseren
Helden und Heldinnen
der Romantik in grofser
Zahl herumdrücken,
überall im Wege sind
LOUIS BLANC
Kirchgängerin
Nach dem Stich von Hoffmann
und ihres Daseins
selber nicht froh werden
können.
Gelegentlich schlug
einmal ein solches Bild
ein, d. h. es traf gerade
einmal ganz besonders
den Geschmack des
grofsen Ausstellungs-
publikums, wie Blancs
,, Kirchgängerin" oder
die Märchenbilder von
Kretschmer, der später
unter die Orientmaler
ging. Auch der unend-
lich fruchtbare, vielfach
als Lithograph thätige
Job. Bapt. Sonderland
wäre als einer der ge-
niefsbarsten zu nennen,
der sich auch sehr bald
ganz und gar von der
Romantik losmachte.
Aber sie alle sind doch
der Vergessenheit an-
heimgefallen, da ihre
Begabung nicht grofs
genug war, um auch nur
technisch da Neues zu
bringen, wo sie sich in-
haltlich begnügten, das
tausendmal Gesagte bis
ins Unendliche zu
wiederholen. Wenn die
immer noch literarisch
abhängige Genrekunst,
deren Auftreten auch in einem gewissen Zusammenhang mit den schon erwähnten Mifshellig-
keiten zwischen den Ostländern und den Einheimischen stehen mochte, es dennoch zu einigen
hervorragenden und bis heute unvergessenen Leistungen bringen konnte, so verdankt sie das
hauptsächlich zwei grofsen Talenten, welche sich weit über die Schaar der Genossen erhoben,
den akademischen Zwang durchbrachen und sich schliefslich auch von den letzten literarischen
Anklängen frei machten.
Ein grofses Verdienst erwarben sich aber auch gerade diese beiden Künstler um die
Entwicklung des malerisch Technischen in der Genremalerei. Dafs dieses sehr bald einen
wesentlich anderen Charakter annahm, als es ihn bei der romantischen Historienmalerei gehabt
hatte, ist eine viel zu wenig beachtete Thatsache. Hier wurden sogar verhältnifsmäfsig früh Wege
eingeschlagen, die eigentlich erst in den allerletzten Jahrzehnten wieder aufgesucht worden sind.
Es hat nämlich einmal, und zwar höchst wahrscheinlich nicht in Anlehnung an fremde Kunst,
sondern aus einer naiven Naturbeobachtung entsprungen, eine Art Hell- oder Freilichtmalerei in
Düsseldorf bestanden, die auch den Landschafter Lessing eine Zeit lang beeinflufst hat, die aber
von einem der Genremaler aufgebracht worden zu sein scheint. Auch die Art, wie diese allerdings
vereinzelt gebliebenen Bilder ihre Figuren in der Landschaft behandeln, ist eine durchaus moderne,
und wir sehen somit in Schrödter einen Vorläufer der modernen Bestrebungen schon in der ersten
Zeit der Blüthe der Düsseldorfer akademischen Malerei.
Dafs diese Bestrebungen zur Hellmalerei, die auch auf einzelne der Figurenmaler nicht ohne
Einflufs blieben, später in der allgemeinen braunen Sauce wieder untergingen, lag nicht nur an
der Vorliebe, mit der die Genremaler in der Folge fast ausschliefslich Interieurscenen malten.
153
sondern auch an dem Geschmack der Zeit, der sich allmählich auch in weiteren Kreisen für die
alten Meister zu begeistern anfing. Er betrachtete als eine unumgängliche Forderung für jedes
Bild den berühmten altmeisterlichen Goldton, ohne doch näher zuzusehen, woher er stammte und
was eigentlich darunter steckte. Wie diese Tradition schliefslich in eine wahre coloristische
Finsternifs geführt hat, in der nach Muncacsys berühmtem Ausspruch ,, Beinschwarz das schönste
Roth" war, und wie endlich einigermafsen mit ihr gebrochen wurde, das ist ja noch in Aller
Gedächtnifs, und dennoch ist die Vorliebe für die braune Sauce noch nicht überall überwunden.
Dafs Schrödter, der nicht nur einer der ältesten, sondern auch einer der bedeutendsten
Düsseldorfer Genremaler war, von dem Studium der alten Niederländer, das ja eigentlich den
Düsseldorfern hätte am nächsten liegen sollen, nicht berührt worden ist, beweisen eben diese
seine hellen Bilder seiner frühesten Zeit, und wenn er sich gelegentlich, so in seinem geradezu
klassischen ,,Don Quichote im Studirzimmer" in der Schönheit des Tons den besten holländischen
Kleinmeistern nähert, so erscheint das mehr als eine Folge natürlicher Wesensgleichheit, wie
eines bewufsten Studiums.
Adolph Schrödter, einer der frühesten und dabei feinsten Schilderer rheinischen Lebens,
war gleichwohl, wie die meisten seiner CoUegen, Norddeutscher und liefert damit auch wieder
einen Beweis für die häufig zu beobachtende Thatsache, dafs nicht immer oder ausschliefslich
der Eingeborene sein Volk und sein Land am genauesten kennt oder am frischesten auffafst,
sondern der von aufserhalb Gekommene, eine Thatsache, die von den fanatischen modernen Wort-
führern für eine eingeborene Kunst nur zu sehr aufser Acht gelassen wird, die aber bei der alten
Düsseldorfer Genrekunst und gerade bei ihren berufensten Vertretern sehr häufig zu beobachten ist.
Schrödter wurde 1805 zu Schwedt in der Uckermark geboren, als der Sohn eines Decorations-
malers, dessen Handwerk er in Berlin nach dem frühen Tod des Vaters lernen sollte. Der be-
rühmte Gropius hatte aber keine Verwendung für den Fünfzehnjährigen, und so wollte Schrödter
es mit der Bildhauerkunst bei dem alten Schadow versuchen. Auch dieser hatte keinen Platz,
gab aber dem jungen Manne eine Empfehlung an den Kupferstecher Buchhorn, bei dem sich
Schrödter sieben Jahre lang mit dem Grabstichel herumquälte, allerdings nebenbei die Akademie
besuchte. Dort fesselte ihn am meisten das Componiren und Malen, aber schliefslich zog auch
ihn der Ruf der Düsseldorfer Schule an den Rhein. Von der Versicherung seines trefflichen
Lehrers in der Kupferstecherkunst, dafs er nie etwas Ordentliches leisten würde, begleitet, kam
er 1829 nach Düsseldorf, wo er in Schadow den letzten seiner vielen Lehrmeister fand, von dem
er zwar auch wohl nicht viel gelernt haben mag, bei dem er aber doch wenigstens endlich die
Kunst fand, in der er sich aussprechen konnte. Sehr bald und in rascher Folge erschienen nun
die Bilder Schrödters, die zuerst nicht ohne Widerspruch von Seiten der akademischen Gröfsen
blieben, bald aber nicht nur sich die lebhaftesten Sympathien der ganzen Welt erwarben, sondern
dem Künstler auch eine unbestrittene Stellung neben den vornehmen Heroen der Romantik ver-
schafften. Das beweist am besten die Thatsache, dafs die meisten seiner Bilder vom Kunst-
verein angekauft oder von bedeutenden Sammlern erworben wurden. In seiner humorvollen
Kunst entstand der süfslichen Romantik eine gefährliche Nebenbuhlerin, die sich bald als die
stärkere und gesundere erweisen sollte und es wagen durfte, mit souveränem Humor sich über
Alles, was in der akademischen Kunst theaterhaft, unwahr und sentimental war, unbarmherzig
lustig zu machen. Eine grofse Zahl von Gesinnungsgenossen schaarte sich um den lustigen
Künstler, und während die Romantik an ihrer eigenen Sentimentalität langsam hinwelkte, legte
die Genremalerei schon den Grund zu einem thatkräftigen Weiterwachsen der Düsseldorfer Kunst,
die nach Rethels frühem Tode und Lessings Fortgang sonst in sich selbst zusammengefallen und
auch durch Bendemanns Rückkehr allein schwerlich wieder aufgerichtet worden wäre.
In seinem ersten Bilde, ,,Der sterbende Abt", opferte Schrödter noch der Schultradition,
aber schon das nächste, ,,Die Rheinweinprobe" 1832, war ein kecker Griff ins rheinische Leben,
der neben dem damals üblichen Genre, den Ritterfräuleins, Edelknaben, Chorknaben u. s. w., Auf-
sehen erregen mufste, ohne in der Charakterisirung schon des Meisters spätere Kraft zu zeigen.
Der dicke Küfer, dessen Gesichtsausdruck nicht ganz gelungen erscheint, probt den sauren
30er Wein; neben dem Fafs sitzt ein Knabe, der ihm lächelnd zuschaut.
Nachdem Schrödter 1832 mit den ,, Trauernden Lohgerbern" seinen energischen künstlerischen
Protest, eine Satire von unüberwindlicher Schärfe gegen die Sentimentalität der trauernden
Könige, trauernden Juden, trauernden Propheten u. s. w. in die Welt geschleudert hatte, ent-
stand im nächsten Jahre das figurenreiche, wenn auch nicht grofse ,, Rheinische W^irthshaus",
und hier eben zeigt sich Schrödter nicht nur als witzigen und humorvollen Beobachter des
155
täglichen Lebens, sondern auch als einen Landschaftsmaler von feinstem Gefühl für die Farben-
werthe der freien Luft.
Schon im Jahre 1833 hat ein Düsseldorfer es gewagt, violette Schatten zu malen und helle
weifsliche Sonnenlichter. Freilich hat die zeitgenössische Kritik dies auch übel genug genommen.
Der ästhetische Graf Raczcynsky meint von diesem Bilde, die Beleuchtung sei zu verschwende-
risch darüber verbreitet. Uebrigens blieb es bei Schrödter und bei den Anderen hier auch nur
bei diesen Anläufen. Die letzten Consequenzen zu ziehen, wie es die moderne Kunst gethan,
dazu fehlte den Düsseldorfern und gerade Schrödter vor Allem die Technik, die Beherrschung des
Malhandwerks. Gerade er hat die Jugenderziehung, die ihm zuerst den spitzen Grabstichel in die
Hand gab, niemals ganz überwinden können, und Hasenclever sowohl, wie Lessing, die mit dem
Impasto verhältnifsmäfsig am freiesten umgingen, waren nur zu bald wieder in den sogenannten
Ton der alten Meister gerathen, der sogar die sonst so lebendige Hussitenpredigt wie mit einem
gelben Firnifs überzieht.
Dafs die Freude an der Landschaft und das Verständnifs für die Lichtwirkung sich bei
Schrödter lange genug erhielt, beweist die 1841 gemalte ,, Waldschmiede" (in der Nationalgalerie),
eine der werthvollsten Schöpfungen jener Zeit, in der sich eine so feine und zarte Ausdrucks-
fähigkeit ausspricht, wie sie erst Knaus und Vautier späterhin wiederfinden sollten.
Der tief im Wald gelegenen Schmiede, in welcher verschiedene Gesellen arbeiten, nähert
sich von rechts eine junge Bauersfrau, die in neckischer Haltung ihr kleines Mädchen anruft;
dies läuft voller Freude mit ausge-
breiteten Armen der Mutter entgegen.
Sowohl die ruhige, halb abwehrende
Bewegung der hübschen drallen Frau,
als die stürmische Freude des Kindes
sind von entzückender Frische und
W^ahrheit. Dafs die Beiden mittel-
alterliches Costüm tragen, ist die ein-
zige Andeutung des Einflusses jener
Zeit. Der landschaftliche Theil, das
frische Grün des Waldes mit hellen,
kalten, fast weifsen Lichtern, ist auch
hier von gröfster und überraschender
Naturtreue.
Aber schon in die Zeit vor
diesem Bilde fallen jene anderen
Werke, die, berühmter und be-
kannter, dem Künstler seine Stellung
in der Kunstgeschichte für alle
Zeiten sichern.
Allerdings sind sie keine freien
Schöpfungen, wie die eben genannten,
halb figürlichen, halb landschaftlichen
Bilder. Der Einflufs der Literatur auf
die Kunst der Düsseldorfer war ein
so mächtiger, dafs selbst der grofse
Satiriker sich ihm nicht entziehen
konnte. Nur wählte er andere Dichter
zur Nachschöpfung als seine Kollegen,
und gerade auch in dieser Wahl
zeigt sich der Unterschied zwischen
ihnen und ihm. In Shakespeare und
Cervantes fand er die Anregung zu
seinem Falstaff und vor Allem zu
seinen Don Quichote-Bildern. In dem
Ersten von diesen, in dem ,,Don
Quichote iqi Studirzimmer" ent-
stand schon 1834 jenes Meisterwerk
ADOLPH SCHRÖDTER
Don Quichote und Sancho Pansa reiten auf Abenteuer
Nach dem Stich des Künstlers
156
ADOLPH SCHRÖDTER
Don Quichote im Studirzimmer
deutscher Genremalerei, das über alle Schulbeziehungen sich erhebt, zu dem Vergleichsobjecte nur
in den reifsten Werken der holländischen Kleinmeister zu finden sind.
Schrödter hat hier an der Hand des Dichters einen Typus geschaffen, der seitdem für den
edlen Ritter von der traurigen Gestalt mafsgebend geblieben ist, den er selbst in dieser Feinheit
nicht einmal selbst hat übertreffen können. Auf derselben Höhe wie die psychologische Tiefe
des Ausdrucks, mit dem der tolle Idealist zu fast unheimlichem Leben erweckt erscheint, steht
die Ausstattung der engen Klause, in der er, umgeben von seinen Schmökern, in dem alten
Lehnstuhl hockt, steht die malerische Ausführung, die auch in der überzeugenden und doch
discreten Behandlung des Stofflichen ihrer Zeit um Jahrzehnte vorauseilt. Das geht noch über
die stählerne Geldbörse Hildebrandts hinaus. Die zarte Technik, die anderswo zuweilen etwas
Unsicheres hat, fügt sich hier vortrefflich in den dämmernden feinen Ton, der das ganze Gemach
wie mit tanzenden grauen Sonnenstäubchen erfüllt.
Diesen Don Quichote hat Schrödter in den zahlreichen Bildern, die er dem unsterblichen
Ritter widmete, nicht wieder erreicht. Am nächsten kommt er ihm in dem zehn Jahre später
gemalten ,,Don Quichote und Sancho reiten auf Abenteuer" 1845, ^^^s er selbst auch für den
Kunstverein auf Stahl radirte. Unzählige Male hat er seinen Lieblingshelden noch in den
verschiedensten Situationen gemalt und gezeichnet. Coloristisch wirksam ist ,,Die Begegnung Don
Quichotes mit seiner Dulcinea" in der Düsseldorfer Kunsthalle.
Don Quichote ist ein Ritter, wenn auch ein trauriger, aber Falstaff ist ein Engländer, wenn
auch ein lustiger, und bei seinen Falstaffbildern berührt Schrödter nur zu häufig die Grenze, wo
der Humor zur Grimasse wird. Vielleicht entspricht das dem, was Shakespeare für sein englisches
Volk gemeint hat, aber es entspricht nicht dem, was der Künstler sonst Besseres geschaffen hat.
Es scheint fast, als ob das Uebertriebene in den Situationen ihn hier auch zu Uebertreibungen in
der Farbe veranlafst hätte. Auch die 1839 gemalte Scene aus Heinrich V., wo Kapitän Fluellen
den Fähnrich Pistol nöthigt, das Bündel Lauch, das er am Hut getragen, aufzuessen, ist nicht nur
etwas fratzenhaft im Ausdruck und bunt in der Farbe, sondern auch unverständlich in der
allerdings wenig malerischen Situation. Besser entsprach Schrödters deutschem Naturell, das bei
aller Satire doch des innerlichen Humors nicht entbehrt, der Lügenvater Münchhausen, den er
in einigen Bildern, die den allergröfsten Beifall der Zeitgenossen fanden, schildert, und schliefslich
mufste auch der älteste deutsche Humorist und Schalksnarr Till Eulenspiegel ihm Vorwürfe für
einige Bilder liefern.
Freilich scheint hier das Mittelalterliche, Derbe nicht ganz der Natur Schrödters ent-
sprochen zu haben; auch ist wenigstens ,, Eulenspiegel beim Bäcker" 1845 in der Farbe nicht
so fein und wahr, wie die früheren Bilder des Meisters, die überhaupt seine besseren sind.
„Auerbachs Keller" 1848, in dem Schrödter sich dem vornehmeren Dichterkreise wieder nähert,
ist reich componirt, läfst aber auch die Frische und den Humor früherer Arbeiten vermissen.
Zuweilen kehrte Schrödter von den Gestalten der Dichter zu dem wirklichen Leben zurück,
das er gleich anfangs so lebendig und künstlerisch zu schildern begonnen hatte, so in der
,, Fischerhütte auf Helgoland" 1834, wozu ihn vielleicht der im selben Jahr entstandene ,,Heiraths-
antrag auf Helgoland" von Jordan angeregt hatte, in der porträtartigen ,, Jagdgesellschaft des Prinzen
Friedrich von Preufsen" 1835. ,,Uckermärkische Bauern", ,,Die Jäger in der Sommerhitze" 1845,
,,Der lustige Fuhrmann" 1847, ,,Trinkgelag im Keller" 1848 u. s. w. gehören ebenfalls hierher.
Neben dem Pinsel hat Schrödter den Grabstichel, die Radirnadel und den Zeichenstift niemals
vernachlässigt. Zwischen den Bildern erschien eine grofse Reihe von witzigen Radirungen und
Zeichnungen, die sich über der Hochfluth der Illustrationen, die damals in Düsseldorf anzuschwellen
begann, weit erhoben.
In R. Reiniks ,, Frühlingsglocken" radirte er verschiedene Blätter, zu Mendelssohns Oratorium
,, Paulus" zeichnete er ein vorzügliches Titelblatt, und unendlich ist die Zahl seiner Radirungen, die
meist voller Humor in echt rheinischer Weise W^ein, Weib und Gesang verherrlichen. Auch
Don Quichote erscheint hier wieder, aber die Krone des ganzen radirten Werkes des Meisters ist
die Allegorie seines Künstlersymbols, des ,,Propfenziehers", und zwischen Zeichnung und Malerei
steht die letzte gröfsere Arbeit, die er in Düsseldorf ausführte, ,,Die Bauernkirmefs", ein mit
Figuren belebter Arabeskenfries auf Goldgrund, den der Kunstverein im Jahre 1847 erwarb und in
Lithographien im nächsten Jahre unter seinen Mitgliedern als Vereinsgabe vertheilte.
Im Jahre 1848 siedelte Schröder nach Frankfurt am Main über, wo ihn der Anblick des
Frankfurter Parlaments zu den klassischen Zeichnungen zu ,,Des Abgeordneten Piepmeyers Leben
und Thaten", die er mit dem witzigen und kunstsinnigen Advokaten Detmold herausgab, begeisterte.
159
ADOLPH SCHRODTER
Auerbachs Keller
Nach dem Stich von G. Lüderitz
Wiegmann nennt diesen Piepmeyer „die einzige Errungenschaft jenes Revolutionsjahres, deren
unsere Nation sich wahrhaft zu erfreuen hat". Er hat dabei jedenfalls nicht an den „Todtentanz"
von Rethel gedacht, wie andererseits heute in der Unmasse der politischen Tagescaricaturen der
„Piepmeyer" ziemlich vergessen ist.
Bis zum Jahre 1854 blieb Schrödter in Frankfurt und kehrte dann nach Düsseldorf zurück.
Aber er fand sich hier sehr enttäuscht. Als der gefeierte Besieger der Romantik hatte er den Kampf-
platz verlassen. Als er wiederkam, hatten sich die Anderen längst in die Früchte dieses Sieges
getheilt. Die Romantik war oder schien so gut wie todt. Andere hatten die Erbschaft angetreten
und ihn, den Sieger, vergessen. Von seinen Verdiensten war keine Rede mehr. So ging er bald
darauf und für immer nach Karlsruhe, wo er 1859 als Lehrer an der dortigen Kunstschule angestellt
wurde und mit Schirmer und Lessing zusammen die Düsseldorfer Kunst nach Karlsruhe ver-
pflanzen half. Er starb dort im Jahre 1875.
Der zweite Bahnbrecher der Genremalerei ist Johann Peter Hasenclever, geboren 1810 in
Remscheid, also einer der wenigen Provinzialen aus ältester Zeit. Auch er kam zur Malerei erst
auf Umwegen. Zuerst hatte er Baumeister werden sollen, da der Director des Düsseldorfer
Gymnasiums, der in seinen Zeichnungen Talent entdeckt hatte, ihn zur Akademie gewiesen hatte.
Von der dortigen Bauklasse aber ging er in die Antikenklasse über und fing bald an, in Oel zu
malen. Aber auch ihm gelang es nicht, damit die Zufriedenheit Schadows zu erwerben, und
seine mythologischen oder illustrativen Compositionen machten die Sache nicht besser. Das erste
160
J. P. HASENCLEVER
Selbstbildnis
Bildchen, ein „Blinder Violinspieler mit seinem Buben", erregte Schadows Zorn, und es erfolgte
der gewöhnliche gute Rath, das Malen bleiben zu lassen. Der Zwist mit dem Lehrer trieb
Hasenclever wieder nach Remscheid, wo er sich eine Zeit lang mit Porträtmalen beschäftigte, um
dann doch wieder nach Düsseldorf zurückzukehren. Hier machte er einen neuen Versuch mit
einem kleinen Bilde .,Die Betschwester", das besser ausfiel und vom Kunstverein gekauft wurde.
Rasch folgten einige andere und nun liefs sich auch Schadow herbei, sein Talent anzuerkennen.
Er rieth ihm sogar, bei den humoristischen Motiven zu bleiben. Diese behandelte Hasenclever
nun mit fast noch gröfserem Geschick, als sein älterer Gesinnungsgenosse Schrödter und vielleicht
nicht ohne Anlehnung an niederländische, oder gar schon englische Vorbilder, welch letztere
namentlich späterhin, wenn nicht direct, so doch in gestochenen Nachbildungen einen mächtigen
Einflufs auf einzelne Düsseldorfer Genremaler ausüben sollten. So entstand zunächst ,,Der Nieser",
der mit der Dose in der Hand im Lehnstuhl sitzt und im Begriff scheint, ,,den zurückgelegten
Kopf nach vorn überschnappen und eine Explosion erfolgen zu lassen". Dann das „Milchmädchen",
„Die Politiker", ,,Der Sackpfeifer".
Viel Beifall fand auch ein genrehaftes Gruppenporträt, welches in humoristischer Weise
mehrere Kunstgenossen im Atelier vereinigt darstellt.
Seinen ersten grofsen Erfolg aber fand selbst Hasenclever erst in der Anlehnung an einen
Dichter; so tief hatte sich die geistige Unselbständigkeit in alle Gemüther eingefressen, dafs eine
erdichtete Gestalt auch dem Humoristen den Helden seiner Hauptwerke abgeben mufste. Aller-
dings begeisterten weder Tasso noch Dante, weder Uhland noch Goethe, nicht einmal Shakespeare
oder Cervantes den humorvollen Maler, es war vielmehr der treffliche Kortum mit seiner nicht
minder trefflichen Jobsiade, der Hasenclever zu unsterblichem Ruhm verhelfen sollte. So gehört
auch Hasenclever noch immer zu den ästhetisch-literarisch beeinflufsten Malern, aber er ist tief
gesunken: aus Armidas Zaubergärten, von den Wassern Babylons und von Uhlands sonnigen
Höhen führt er den Kunstfreund in die tabakerfüllte Philisteratmosphäre des ehrlichen Hieronymus
Jobs, um ihn hier vor immer neuen Scenen festzuhalten. Da war natürlich grofser Jammer in
,, Neubethlehem" und noch mehr in der ,,Alhambra", wie man die beiden hauptsächlich herrschenden
Cliquen in der Akademie zu nennen pflegte.
Schrödter hatte man sich noch gefallen lassen mit seinem Don Quichote und Falstaff, aber
der Jobs schlug allen Idealen allzusehr ins Gesicht. Die Illustration des ,, unglücklichen Knittel-
gedichtes", wie der officielle akademische Kunstschreiber Wiegmann in echt romantischem Un-
verständnifs für den gesunden Humor Kortums die Jobsiade zu nennen beliebt, war der offene
Bruch mit aller und jeder Tradition, aber nebenbei der Anfang einer Kunst, auch innerhalb der
Akademie, die, nun immer unabhängiger werdend, bald auch die letzten akademischen Fesseln
abschütteln sollte.
Hasenclever hat sich von Jobs lange nicht trennen können, wie es Schrödter mit Don
Quichote gegangen war. Hieronymus begleitete den Maler nach München, wohin der unruhige,
nach technischen Anregungen Suchende bald nach dem grofsen Erfolg des ersten Jobsbildes für
die Zeit von 1838 — 42 übersiedelte und wo er auch in der That mancherlei Anregung fand, wenn
auch wahrscheinlich, wie das meist zu gehen pflegt, in anderer W^eise und nach anderer Richtung
hin, als er erwartet oder gehofft hatte. In München lagen gerade so und noch stärker, wie in
Düsseldorf die romantische und die realistische Richtung in Fehde miteinander, und was man
in Düsseldorf bitter entbehrte und gelegentlich mit Ungestüm herbeiwünschte, die herrliche Galerie
alter Meister, das blieb in München ziemlich unbeachtet, und nicht einmal coloristisch vermochten
die wunderbaren Rubens, Rembrandts u. s. w. Einflufs auszuüben. Es schien, als ob zwischen
den alten Meistern und den Nachgeborenen alle Brücken des Verständnisses abgebrochen wären.
Dafür stürzte man sich mit förmlicher Wuth auf den Nothsteg, der aus England herübergesetzt
wurde, als \A^ilkies Bild, ,,Die Testamentseröffnung", für die neue Pinakothek angekauft wurde.
Nun studirte und imitirte man Wilkie, der doch seinerseits, wie die meisten seiner Landsleute,
ganz bewufst auf den Schultern der Alten stand, für die in England aus verschiedenen Gründen
das Verständnifs nie so ganz erloschen war, wie in Deutschland.
Der in München lebende Kölner Flüggen, dann Geyer, Hermann Dyk haben an der „Testa-
mentseröffnung" gelernt, und auch Hasenclever scheint sich dem Einflufs dieses auch heute noch
durchaus wirksamen Bildes nicht entzogen zu haben. Dann aber müssen auf ihn, den von auswärts
Gekommenen, mehr als auf die Einheimischen doch auch die Bildnisse der alten Meister gewirkt
haben, denn ihre einfache Gröfse zeigt sich unverkennbar nicht nur in dem lebendigen, 1851 kurz
vor seinem Tode gemalten Selbstbildnis, sondern vor Allem in dem monumentalen Porträt des
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Malers Hilgers, das sich an Wucht und Ausdruck bei aller Schlichtheit der Farbe weit über alle
die zahllosen guten, eleganten, aber von der romantischen Sentimentalität angekränkelten Porträts
erhebt, die damals in Düsseldorf und auch in München gemalt wurden. Auch der originelle
Spitzweg mit seinen Mondschein- und Philisterbildern und seinem trockenen Humor scheint nicht
ohne Wirkung auf den jungen rheinischen Humoristen geblieben zu sein. In dem Nachtwächter
Jobs glaubt man etwas von Spitzwegs Naturbeobachtung wiederzufinden. Vielleicht am meisten
lernte Hasenclever in rein technischer Beziehung von dem originellen kleinen Stilllebenmaler
Johann Wilhelm Preyer (geboren 1803 in Rheydt, gestorben i88g in Düsseldorf), mit dem er in
München zusammen wohnte und mit dem er von dort aus gemeinsame Reisen nach Oberitalien
machte. Preyer hatte sich schon vorher durch das verständnifsvolle Studium der holländischen
Galerien eine für seine Zeit geradezu glänzende Technik innerhalb seiner bescheidenen Kunst
erworben, die in Bezug auf Naturwahrheit der Farbe bei weitem höher stand, als die Costüm-
malerei der berühmten Leute in Düsseldorf. Hasenclever, der noch in Düsseldorf das erste seiner
Jobsbilder, ,,den nach Hause zurückkehrenden Hieronymus" gemalt hatte, empfand gerade bei dem
Versuch einer sorgfältigen Ausführung in diesem Bilde die Mängel seiner Technik und hat bei
dem kleinen Preyer jedenfalls die Anregung zu einer ins kleinste gehenden Technik gefunden,
dabei aber doch verstanden, dem Kleinlichen, das den Bildern des Stilllebenmalers zuweilen
anhaftet, aus dem Wege zu gehen.
In München malte Hasenclever zuerst ,,Das schmollende Ehepaar", dann aber den welt-
berühmten ,,Jobs im Examen", ein Motiv, das, mehrfach wiederholt, seinem Autor einen Weltruf
und zwar einen durchaus verdienten erwerben sollte. Hasenclever hat noch verschiedene Jobs-
bilder gemalt: ,,Jobs als Schulmeister" und als Nachtwächter, er plante eine ganze Serie von
Zeichnungen, die gestochen werden sollten, an deren Ausführung ihn aber sein früher Tod ver-
hinderte. Nur drei dieser Blätter sind in trefflichen Stichen von Th. Janfsen erschienen.
In keinem seiner Bilder aber und kaum bei einem der aus anderen Stoffgebieten entnommenen
Motive hat er die rein künstlerische Wirkung erreicht, wie im ,, Examen", das er nach dem ersten
Münchener Bilde bedeutend gröfser für Amerika und ebenso für den Kunstmäcen Ravene in Berlin
malte. Ein vortrefflicher Stich von seinem Schwager Theodor Janfsen, der in seiner Art auch
ein sich über seine Zeit erhebendes Kunstwerk ist, machte das Bild bald ebenso populär, wie
die bekanntesten romantischen Ritterstücke der Schadowschule.
Hasenclever hat sich im Examen über das Niveau der Illustration erhoben, indem er sich
über den Gegenstand erhoben hat. Das ist nicht mehr die etwas burleske Scene der Jobsiade, es
ist vielmehr eine feine und leider wohl für unabsehbare Zeiten noch gültige Satire auf das ganze
Chinesenthum des Examenwesens. W^enn irgend ein moderner Kunstschreiber irgendwo sagt, dafs
der hausbackene Hasenclever mit wenig V/itz und viel Behagen seine Bilder zur Jobsiade gemalt
habe, so möchte man nur wünschen, dies Bild, wie es z. B. bei Ravene hängt, auf einer modernen
Ausstellung zwischen den so unendlich bewunderten Franzosen oder Engländern sehen zu können,
um dann entscheiden zu lassen, auf welcher Seite der gröfsere W^itz. auch der künstlerische W^itz
sein möchte.
Nirgendwo überschreitet in diesem Bilde Hasenclever die Grenze, die den für das Kunstwerk
zulässigen Humor von der Komik scheidet, und in Bezug auf Colorit, auf Zeichnung und Arrangement
ist er in diesem Bilde semen Zeitgenossen weit voraus. Wie gesagt, auch heute noch würde das
Bild Aufsehen machen. Wäre nicht eine gewisse Härte und Trockenheit in der Behandlung der
Fleischfarbe der Köpfe, so könnte man es auch nach der heute so hoch bewertheten Frage der
Stofflichkeit ein modernes Bild nennen. Von gröfster coloristischer Feinheit ist der Klang des
dämmernden Grau im Hintergrunde und das Schwarz der Talare der geistlichen Herren, in dem
der grüne Vorhang und die rothe Tischdecke die abgestuften farbigen Effecte bilden.
Zwischen den Jobsbildern entstand noch eine Reihe von selbständigen Arbeiten, in denen
sich der Künstler von jeder literarischen Anlehnung frei hielt und den Griff ins volle Menschenleben
that, wie ihn Jordan, Hübner und Ritter inzwischen schon gewagt hatten. Die rheinische
Trinkerpoesie, ein etwas gefährliches Thema, hatte schon Schrödter im Bilde gefeiert. Hasenclever
folgte ihm in gröfserem Mafsstabe hierin nach, und es entstanden die beiden Kellerbilder ,,Die
Rheinweinprobe" 1844 bei Ravene und das coloristisch feinere ,,Die Zeche im W^einkeller" in der
Düsseldorfer Kunsthalle. Hier sind eigentlich schon alle Elemente vereinigt, die das Düsseldorfer
Genrebild in seinen besten Erscheinungen auszeichnet. Ein sociales Lebensbild, aber ohne die
Krafsheit der ältesten Hübnerschen Arbeiten, war das aus dem Geiste der Zeit 1849 heraus gemalte Bild
„Arbeiter, die vom Stadtrath ihre Rechte verlangen". Die meisten dieser und verschiedene andere
II*
165
Lebens- oder Sittenbilder, wie man den thörichten Ausdruck Genrebild zu verdeutschen versucht
hat. wurden vom Kunstverein angekauft und gingen gleich von den Düsseldorfer Ausstellungen
aus in den Besitz der Kunstfreunde über. Ein früher Tod infolge eines Nervenfiebers ereilte den
Künstler im Jahre 1853.
Die vollständige Befreiung von der Literatur und damit der Beginn einer wirklichen Volks-
malerei sollte aber dem Genrebild von einer anderen Gruppe von Künstlern kommen, die sich
von vornherein von den ästhetisch-literarischen Dogmen Schadows abwandten und entweder im
naivsten Anschlufs an das Volk selbst oder in Berücksichtigung der die Zeit bewegenden socialen
Fragen ihre Werke schufen. Zeitlich an der Spitze steht hier Rudolf Jordan, der somit nicht mit
Unrecht als der eigentliche Begründer der Düsseldorfer Genremalerei zu betrachten ist und im
Besonderen als der Begründer der später so intensiv bearbeiteten Bauernmalerei, die gelegentlich
wie bei Tidemand einen ethnographischen Charakter annahm.
Rudolf Jordan, geboren 1810 in Berlin als Sprofs einer hugenottischen Familie, hatte den
Kampf mit der Romantik schon in Berlin gegen Wach unternommen und war von diesem
Gesinnungsgenossen
Schadows in der üblichen
W^eise für alles Talentes
baar und der Kunst für
unwürdig erklärt worden.
Sein erstes Bild, das
Jordan infolge der Ein-
drücke einer Reise nach
Rügen 1829 gemalt hatte,
zeigt ihn schon gleich in
seinem Element und auf
dem Gebiet, das er später
fast ausschliefslich und
mit dem gröfsten Erfolg
pflegen sollte. Es war eine
Episode aus dem Fischer-
leben, und ermuthigt durch
den Beifall, den es ge-
funden hatte , beschlofs
Jordan, das unterbrochene
Studium wieder aufzu-
nehmen. Er ging nach
Düsseldorf, wo er bei
Schadow immernoch eher
Verständnifs zu finden
hoffte, als in Berlin. In
der That hielt er es auf
der Akademie bis zum
Jahre 1848 aus, als Schüler von Schadow und namentlich von C. Sohn, welch' letzterer überhaupt
durch seine gröfsere künstlerische W^eitherzigkeit einen bedeutenden erzieherischen Einflufs gerade
auf die der Romantik weniger zugeneigten Künstler damals, aber auch noch in späterer Zeit
ausübte.
Das erste Bild, das Jordan in Düsseldorf malte, war nun gleich gewissermafsen der
Wendepunkt in der dortigen Kunst, und der aufserordentliche Beifall, den es dort, in Berlin und
bald in der ganzen Welt fand, bewies, dafs schon damals das Publikum der ewigen Ritter und
Edelfrauen müde geworden war.
,,Der Heirathsantrag auf Helgoland" 1834 hat sich seine Popularität fast bis auf den heutigen
Tag bewahrt, für die damalige Zeit war das an und für sich harmlose Bild ein Ereignifs.
Hier war zum erstenmal ein einfaches Motiv in seiner rein menschlichen Seite erfafst und
wiedergegeben, und was die Zeichnung und malerische Technik etwa noch vermissen liefs, das
ersetzte die naive Naturbeobachtung und der harmlose, weder carikirte noch sentimentale Humor.
Jordan war durch dies Bild in jungen Jahren mit einem Schlage ein berühmter Mann
geworden, und es lag nahe, dafs er den eingeschlagenen Weg, die Schilderung des Fischerlebens
J. P. HASENCLEVER
Die Weinschmecker
j66
an der Nordsee, weiter verfolgte. Das \A;ar ein der Düsseldorfer Kunst jener Zeit noch vollständig
fern liegendes Gebiet, das durch Jordan erschlossen und nicht nur von ihm selbst während
eines langen arbeitsreichen Lebens — er starb 1887 — unermüdlich bearbeitet wurde, sondern
auch einer ganzen Reihe von gleichzeitigen und späteren Künstlern die Motive ihrer Bilder gab.
Es scheint sogar, als ob die Hinneigung eines grofsen Theils der Düsseldorfer Landschaftsmaler
zur See und zu den holländischen Dünen — und Wiesenmotiven auf dem Vorgange Jordans beruht.
Diese Holländerei in der Düsseldorfer Kunst, die bis auf die heutige Zeit reicht und vielleicht
sogar über Düsseldorf nach Paris und München gekommen ist, zeigt so recht die Verlegenheit
einer Schule, die nicht auf einer alten eingesessenen Kunstpflege beruht und der es nebenbei an
Ort und Stelle an den Vorbildern sowohl eines originellen und ursprünglichen Volkslebens, als
auch einer charaktervollen landschaftlichen Umgebung mangelt.
Auch das nächste bedeutende und berühmte Bild Jordans, „Das Lootsenexamen" 1842, war
noch heiterer Natur, es war eine Art Gegenstück zu Hasenclevers „Jobs im Examen", dann aber
wandte sich der Künstler zu ernsten oder dramatisch bewegten Scenen des Fischerlebens, nachdem
er mit der ,,Lootsenglocke auf Helgoland" schon 1838 einen Versuch in dieser Richtung gemacht hatte.
"Es entstand eine grofse Zahl von zum Theil umfang- und figurenreichen Bildern. Häufige
Reisen nach Holland, Belgien und Frankreich stärkten Jordans Anschauung und liefsen namentlich
auch in technischer und coloristischer Beziehung einen steten Fortschritt in seinen Arbeiten
erkennen. Nur dadurch ist es erklärlich, dafs der Künstler während der bedeutsamen Umwälzungen,
die in der Malerei vor sich gingen, seine Stellung bis in sein hohes Alter hinein behauptete, nicht
ungleich dem wenig jüngeren Achenbach.
So gelang es ihm, den Hang zu einem etwas conventioneilen Aufbau der Figurengruppen,
der sich hier und da in seinen gröfseren Bildern der 50er und 6oer Jahre als letzte Schulreminiscenz
bemerklich macht, zu überwinden und die coloristische Härte seiner ersten Bilder unter dem
Einflufs eifrigen Studiums nach der Natur zu mildern. Und wenn auch von einem Freilichtstudium
im heutigen Sinne bei den in der Landschaft spielenden Motiven nicht die Rede sein kann, so
erreichte Jordan doch schon früh einen grauen, feinen Ton, der sogar manchem seiner jüngeren
Genossen abging.
Neben den hochdramatischen
Bildern, wie ,, Rettung eines gefähr-
deten Schiffes", , .Betende Weiber mit
dem Geistlichen beim Sturm" 1852,
malte Jordan namentlich in späteren
Jahren eine Anzahl von gemüthvollen
Scenen mit wenigen Figuren, die sich
indessen von der Sentimentalität des
früheren romantischen Genres ebenso
entfernt zu halten wufsten, wie von
jener Familienmalerei, die sich nur
zu bald in die Breite entwickelte und
für die schon Püttmann den herrlichen
Ausdruck des ,, läppischen Genres"
erfunden hat. Dieses läppische Genre
ist es, das, von geringeren Talenten
gepflegt, von einem Theil des Publi-
kums widerspruchslos immer wieder
und wieder aufgenommen, sich an die
Spuren der hervorragenden Künstler
heftet und nicht nur den Ruf der
Düsseldorfer Genremalerei im Allge-
meinen schwer geschädigt, sondern
auch häufig Mifstrauen gegen jene
Maler erweckt hat, welche durch ein
glückliches Motiv unschuldigerweise
den Anlafs zur Entwicklung einer
unendlichen, bandwurmartigen Reihe
von verflachten und versüfsten Nach-
RUDOLPH JORDAN
Der Heirathsantrag auf Helgoland
167
RUDOLPH JORDAN
L otsenexamen
Nach dem Stich von W. Oelschig
ahmungen gegeben haben. Von ge-
wissen alten Ehepaaren oder jungen
Liebespaaren, die Jordan vor 40 oder
50 Jahren gemalt hat, stammen mehr
oder weniger alle die alten und jungen
Paare in holländischem Costüm in
allen möglichen Situationen und Be-
schäftigungen ab, die noch heute die
Ausstellungen unsicher machen. Da
Jordan zahlreiche Schüler hatte und
als Lehrer ziemlich einseitig vorging,
so war eine derartige Nachkommen-
schaft unausbleiblich und auch leicht
zu begreifen, wenn auch vielfach
wenig erfreulich und dem Ruf der
Düsseldorfer Genremalerei wenig zu-
träglich.
Nur in gewissem Sinne ein
Schüler Jordans ist Henry Ritter, der,
1816 zu Canada geboren, in Hamburg
und seit 1836 in Düsseldorf studirt
hatte. Ganz unter Jordans Einflufs
malte er ,,den ertrunkenen Sohn des
Lootsens" (1844), ein Bild, das gerade
in der Einfachheit der Composition
und Farbe von packender Wirkung ist. Ritter war erst nach Düsseldorf gekommen, als die
Hochfluth der Romantik schon zu Ende ging, und so ist er weniger als irgend ein Anderer, selbst
als Jordan, von einer gewissen Weichheit, die sich schon damals als eine Eigenthümlichkeit der
Düsseldorfer Genremalerei bemerkbar machte, angekränkelt. Dafür zeigt sich bei ihm, was viel-
leicht aus seiner Abstammung und seinem Aufenthalt in Hamburg zu erklären ist, eine deutliche
Hinneigung zu den Engländern, und eine seiner besten Arbeiten, eine grofse Zeichnung ,,Die
Poststube", die er für seinen Lehrer Sohn angefertigt hat, ist in der ganzen Auffassung, der
Composition und selbst in den Typen eigentlich eine directe Fortsetzung Wilkies und der von
ihm abhängigen englischen Illustratoren.
Das bekannteste Bild Ritters ist der kleine in Köln befindliche Seekadett „Middys Predigt"
(1852) genannt. Ein W^erk von gröfster Frische der Farbe, feiner Charakteristik und voll gesunden
Humors, der die Grenze zum Grotesken noch eben zu vermeiden weifs. Der Künstler wurde
durch häufige Krankheit und frühen Tod an der vollen Entwicklung seiner Begabung verhindert,
doch ist gerade er als einer der originellsten unter den früheren Düsseldorfer Genremalern von
Bedeutung, und sein ,, Seekadett" ist ein Höhepunkt in der coloristischen und fein humoristischen
Genremalerei der mittleren Zeit. Von hervorragender Schönheit sind die Lithographien, die er
mit Camphausen zusammen herausgab als ,, Schattenseiten der Düsseldorfer Maler nebst verkürzten
Ansichten ihrer letzten Zeichnungen" (von H. Ritter und W^m. Camphausen, Düsseldorf, Julius
Buddeus 1845). Die Blätter sind als genrehafte Porträts von gröfster Stärke der Charakteristik.
Zu den älteren Genremalern, die von der Romantik fast ganz unbeeinflufst geblieben sind,
gehört auch Jacob Becker. Er kam allerdings auch erst 1833 nach Düsseldorf, nachdem er eine
Zeit lang in Frankfurt a. M., das dem in der Nähe von Worms Geborenen (1810) am nächsten lag,
studirt hatte. Er ist gewissermafsen der Erste, der die deutsche Bauernmalerei einführte, die
von da an eine immer gröfsere Rolle in der Düsseldorfer Kunst spielen sollte, und es ist bezeich-
nend, dafs nicht nur die Malerei, sondern auch die Literatur in diesem Thema die Befreiung von
den romantischen Gespenstern erstrebte und fand. Schon 1838 hatte Immermann in seinem
,, Oberhof" zum erstenmal eine Schilderung des westfälischen Bauemiebens gegeben, die trotz
romantischer oder vielleicht besser gesagt romanhafter Anklänge, die neue Zeit ankündigte. Wie
später, seit 1843 Auerbach die Bauerngeschichten mit socialen Fragen verquickte, das erinnert
lebhaft an die Tendenzmalerei Carl Hübners. Jacob Becker und Immermann sowohl, wie
Auerbach und Carl Hübner gehen nebeneinander her, und vielleicht hat hier sogar die Literatur
einmal von der Malerei die Anregung empfangen, statt umgekehrt.
168
Ohne Zweifel lag in dem Studium und der Darstellung des Bauernstandes wohl die
gesundeste Ablenkung von der Romantik, welche der Kunst zu Theil werden konnte, wenn freilich
auch hier einerseits die sentimentale Auffassung, die in der Zeit lag. nur zu leicht und zu häufig
den Blick trübte, andererseits Oberflächlichkeit der Auffassung, des Studiums und der im Atelier
stattfindenden Ausführung nahe lag. da die düsseldorfer Gegend einen eigentlichen Bauernstand
gar nicht besiut. Die Zeit der grofsen jährlichen Studienreisen, auf denen die Bilder fast fertig
gemalt werden, war noch nicht gekommen. Man begnügte sich draufsen mit Beobachtungen,
Studien nach Figuren und Interieurs, brachte einige Costüme mit nach Hause und malte hier die
Düsseldorfer Modelle. So machte es Jordan, so machen es nur zu viele seiner Nachfolger bis in
unsere Tage hinein.
Beckers Malerei hatte wenigstens den Vortheil. dafs der Künstler die Bevölkerung einer seiner
Heimath benachbarten Gegend zu seinen Modellen zu wählen pflegte, wodurch es ihm gelang,
seinen Bildern etwas von dem Erdgeruch zu geben, der in der heutigen Volksmalerei so hoch
geschätzt wird, während ihn die damalige Düsseldorfer Malerei meist nur zu sehr vermissen läfst.
Die Bauern des Westerwaldes, die Becker vorzugsweise studirte, sind ein harmloses Völkchen
und eigentlich nicht besonders malerisch. Aber gerade dieser Mangel an einem Costüm kam der
Beckerschen Kunst zu gute, da sie den Künstler davor bewahrte, Costümpuppen statt Menschen
zu malen. Eins seiner ersten Bilder führt Becker allerdings nach Tyrol: „Der Tyroler und sein
Mädchen" (1835), und hier mochte wohl wieder einmal Immermanns Trauerspiel die Anregung
gegeben haben. Dann aber blieb er bei seinen heimischen Bauern. In dem „Wildschützen auf
der Flucht" (1839) malte Becker ein Modemotiv, um aber in dem grofsen figurenreichen Bilde
„Landleute vom Gewitter erschreckt" selbständig und mit Erfolg die ihm eigenthümliche Richtung
einzuschlagen. Wenn auch dieses Bild nicht ganz von Theaterhaftigkeit freizusprechen ist, so
bedeutet es doch in der lebendigen Composition. in der gelungenen Verbindung der Figuren mit
der Landschaft einen bedeutsamen Fortschritt in der volksthümlichen und ernsthaften Genrekunst,
die sich den Seebildern von Jordan als ebenbürtig an die Seite stellt, während es die gleichzeitigen
Bilder desselben rein technisch übertrifft. Das Bild wurde vom Kunstverein angekauft und im
Stich als Prämienblatt ausgegeben.
Becker siedelte bald darauf 1840 nach Frankfurt über, wo er Lehrer am Städelschen Institut
wurde und in der Folge verschiedene Bilder ähnlichen Genres malte. Vor Allem machte „der vom
Blitz erschlagene Hirt", den Becker 1844 malte, grofsen Eindruck. Der Einflufs seiner Kunst auf
die Düsseldorfer Malerei ist ein unverkennbarer, wie die entschiedene Wendung zur Volks- und
Bauernmalerei, die in jenen Jahren einsetzt, beweist.
Einen ganz ähnlichen Entwicklungsgang wie Jacob Becker, hatte Jacob Dielmann, und auch
in seinen Arbeiten verfolgte er ähnliche Aufgaben, nur in etwas engerem Rahmen — geistig und
auch räumlich. Seine Motive sind harmlos und wiederholen sich häufig, und seine Bilder sind
meist von geringem Umfange. 1811 geboren, kam Dielmann, nachdem er zuerst in Frankfurt studirt
hatte, nach Düsseldorf, wo er bis 1842 blieb, dann aber seinem Genossen Becker wieder nach
Frankfurt folgte. Er lebte bis 1885 in Cronberg im Taunus. Er suchte seine Motive in Hessen,
an der Lahn, im Westerwald; und emes seiner Bilder soll späterhin Knaus auf das Dörfchen
ViUingshausen aufmerksam gemacht haben, das seitdem ein bevorzugter Studienplatz der Düssel-
dorfer Genremaler bis auf den heutigen Tag geblieben ist.
Eine weniger harmlose Tonart schlug, wenigstens in seinen ersten und auch besten Bildern,
Karl Wilhelm Hübner an. Er war fast der einzige Künstler, in dessen Werken sich die Erregungen
der Zeit und die socialen Fragen, die damals das Volk bewegten, deutlich wiederspiegeln, wenn
man von den sentimentalen Räubern Lessings und Hildebrandts, die mehr der Phantasie und dem
Theater entstammen, als der Beobachtung und dem Naturstudium, absieht. Dafs er nach dem
Jahre 1848 den Ton wechselte und sich ganz dem gemüthvollen Genre widmete, sowie der Umstand,
dafs aufser Hübner nur der Eine oder der Andere ausnahmsweise einmal sich auf das sociale Gebiet
wagte, beweist, dafs die Künstlerschaft der 48er Bewegung innerlich doch ziemlich fern stand. Es
wird davon noch die Rede sein.
Karl Wilhelm Hübner wurde 1814 in Königsberg geboren und ist in keiner W^eise verwandt mit
dem Schlesier Rudolf Julius Benno Hübner, dem treuen Gehülfen Schadows. Er starb 1879 in
Düsseldorf. Seit 1837 war er Schüler von Schadow und später von Carl Sohn gewesen. Er
malte zuerst einige harmlose Bilder aus dem Volksleben, die sich von den vielen anderen ihrer
Gattungen vielleicht nur durch eine gewisse Derbheit in der Formensprache unterscheiden; dann
aber scheinen ihn die traurigen Verhältnisse der schlesischen Weber, welche damals anfingen,
• 170
HENRY RITTER
Middys Predigt
die Zeitungen zu beschäftigen, auf sein eigentliches Gebiet geführt zu haben. Sein erstes Bild
dieser Richtung „Die Weber" (1844), eine grofse und figurenreiche Arbeit, machte denn auch
ungeheueres Aufsehen.
Er stellt in einer für unsere heutigen Begriffe allerdings höchst tendenziösen Weise „Die
Ablieferung von Leinwand durch die armen W^eber an die Fabrikanten" dar. Schon die Zwei-
theilung des Bildes unterstützt den Contrast zwischen den beiden Gruppen, der der armen ver-
hungerten Arbeiter und der reich gekleideten hartherzigen Abnehmer. Auch der Einflufs englischer
Bilder ist hier wieder unverkennbar.
Es folgte im nächsten Jahre das noch krassere, aber künstlerisch vielleicht doch werthvollere
,, Jagdrecht", das der Künstler häufig wiederholen mufste. Ein W^ilddieb ist von dem Jagdbesitzer
auf der That ertappt und niedergeschossen worden. Der Sohn schleppt den zu Tode getroffenen
Alten in seine Hütte. Die Landschaft, ein Kornfeld am Waldesrand mit der getödteten W^ildsau,
deutet an, dafs der Bauer nur, um seine Saat zu vertheidigen, zur Flinte gegriffen hat, und ver-
schärft damit die Situation.
Die Composition wirkt in ihrer Einfachheit — nur die Figuren der beiden Bauern befinden
sich im Vordergrund, Jagdherr und Förster erscheinen ganz klein im Hintergrund — zweifellos
packend und ergreifend. Die Malweise ist energisch, für die Zeit vielleicht sogar etwas roh in
der Behandlung, die landschaftliche Stimmung von grofser W^ahrheit und Schönheit, ganz im
Sinne Lessings. Verschiedene Bilder von derselben ausgesprochenen Tendenz folgten in den
nächsten Jahren. Es sind dieselben Motive, die fast 30 Jahre später in der sogenannten Armeleut-
malerei wieder auftauchen sollten, und auch in Düsseldorf von Vautier, dann von Brütt, Schwabe
u. s. w. gelegentlich, wenn auch in etwas gemäfsigterer Weise, wiederholt werden.
Die damaligen unruhigen Zeiten gaben den Bildern Karl Hübners ein Interesse, das vielleicht
das rein künstlerische übertraf. Immerhin ist nicht zu leugnen, dafs Hübner der Erste war und
dafs er Typen geschaffen hat, an welche alle späteren Tendenzmaler wohl oder übel anknüpfen
mufsten. „Die Verlassene" ist ein solcher Typus, der aus der Genremalerei niemals, auch nicht aus
der modernsten, ganz verschwunden ist, so unkünstlerisch er auch sein mag. Interessanter waren
„Die Auswanderer" und „Die Auspfändung". Holzdiebe, Wilddiebe, Wucherer und dergl. be-
zeichnen die spätere Zeit des Künstlers, der, wie schon bemerkt, nach dem Jahre 1848 ruhigere
Bahnen in seiner Kunst
einschlug, allerdings aber
auch nicht mehr das-
selbe Aufsehen mit seinen
Bildern erregte.
Es ist bei dem grofsen
Erfolg, den Hübner mit
seinen socialen Bildern
hatte, eigentlich zu ver-
wundern, dafs nicht mehr
Künstler sich dem Gebiete
dieser Malerei anschlössen.
Es ist das damals wie
auch heute der beste Be-
weis dafür einmal, dafs
Kunst und Tendenz sich
nicht vertragen, dann aber
auch, dafs trotz aller frei-
freiheitlichen Redensarten
zwischen wirklichen
Künstlern und unzufrie-
denen Proletariern, die
von gewisser Seite so gern
als ,,das Volk" ausgespielt
werden, eine Wesensver-
schiedenheit besteht, die
KARL HÜBNER sjqj^ weder wegleugnen
Die Weber noch Überbrücken läfst.
172
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Zwei weniger bedeutende Künstler, deren Werke auch fast ganz vergessen sind, versuchten
Hübner nachzuahmen, es waren dies W. Kleinenbroich aus Köln und Peter Schweigen aus
Godesberg.
Höher steht der in Düsseldorf 1812 geborene J. W. Heine, den ein früher Tod, er starb
schon 1839, in der Entwicklung seines zweifellos starken und vielversprechenden Talentes hinderte.
Auch er widmete seine Kunst den Enterbten der Gesellschaft. So malte er Wilddiebe, Schmuggler,
Landstreicher u. s. w. Sein letztes gröfstes Werk zeigt ein grofses Können und ist keineswegs
ohne Verdienst. Es stellt einen „Gottesdienst im Gefangenenhause" dar und betritt damit ein
eigentlich auch ganz modernes Gebiet. Gewisse Scenen aus Altmännerhäusern und dergl. sind
diesem stofflich wenigstens nahe verwandt. Der physiognomische Ausdruck der einzelnen Köpfe
zeigt ein energisches Streben nach Charakteristik, welche die Caricatur glücklich zu vermeiden weifs.
Aber diese Tendenzmalerei, wenn man sie einmal so nennen will, bleibt doch das Gebiet
nur vereinzelter Künstler, und im.mer mehr bemächtigte sich die einfache Bauernmalerei des
Genres. Wie weit das mit dem damals erwachenden socialpolitischen Interesse für den Bauernstand
zusammenhängt, mag hier unerörtert bleiben.
Eine eigenartige Ausbildung und Vertiefung erlebte dieses Bauerngenre durch den Norweger
Adolph Tidemand. Er wurde 1814 in Mandal, einer kleinen Stadt des südlichen Norwegens, geboren,
studirte zunächst in Kopenhagen und wurde durch den Ruf der Schadowschule nach Düsseldorf
gelockt, als Erster der vielen Skandinavier, die in Düsseldorf späterhin eine förmliche Colonie
bildeten. Nachdem er zunächst bei Hildebrandt zwei Historienbilder aus der Geschichte seiner
Heimath gemalt hatte: ,, Gustav W^asa feuert die Bauern in Dalekarlien zum Kampf gegen die
Dänen an" und ,,Jares Hakon wird von seinen Sklaven ermordet", bereiste er Süddeutschland und
Italien, kehrte nach Norwegen zurück und fand dort Anlafs, sich seinem eigentlichen Felde zuzu-
wenden. Er studirte das Leben der Landleute und begann, nach Düsseldorf zurückgekehrt, das-
selbe in einer Reihe von zuweilen grofsen und figurenreichen Bildern zu schildern. Seine Thätig-
keit brachte in die junge Düsseldorfer Genremalerei eine neue eigenthümliche Note, die zum
grofsen Theil allerdings auf dem immerhin fremdartigen Volkscharakter und Costüm beruht.
Jordan hatte die niederländischen Fischer und Schiffer geschildert, aber Holland war den Düssel-
dorfern immerhin stamm- und geistesverwandt gewesen. Die Beziehungen zu Holland waren
altgewohnte und die Volkscharaktere nicht sonderlich verschieden. Die Nordländer mit ihren eigen-
thümlichen Trachten und Gebräuchen, dem schwermüthigen Ernst und dem gehaltenen Wesen
ihrer Lebensführung waren ein ganz neues Gebiet, und so erschienen die Tidemandschen Bilder
von einer Originalität, die mehr dem Stoff, als ihren künstlerischen Eigenschaften angehörte.
Dennoch haben sie gerade in dem ernsthaften Zug, der sie von den entweder etwas theater-
haft belebten oder leicht etwas kindisch-tändelnden — um nicht den Ausdruck läppischen wieder
zu gebrauchen — Bildern so mancher Düsseldorfer Genremaler, von den humoristischen nicht
zu reden, unterscheidet, ein unbestreitbares Verdienst. Sie suchen Stimmungen und physiognomische
Probleme auf, die der damaligen Genrekunst noch fremd waren, die sich ähnlich vielleicht nur
in den Hufsbildern Lessings finden.
Auch der leise romantische Zug, der ihnen anhaftet, ist nicht auf die alte Düsseldorfer
Romantik zurückzuführen, sondern auf den durchaus eigenartigen poetischen Geist damaliger und
auch mancher späterer nordischer Dichter und Künstler. Es ist dieselbe schwermüthige Poesie,
die sich zuweilen bei Thorwaldsen findet, bei Andersen und vor Allem bei den einheimischen
Schilderern des nordischen Bauernlebens. Der Novellist Hjalmar Hjorth Boyesen giebt diesem
Gefühl Ausdruck, wenn er schreibt: ,,In dem täglichen Leben des norwegischen Bauern liegt eine
tiefe, unbewufste Romantik."
Und diese , .unbewufste" Romantik, die sich innerhalb des allgemeinen romantischen Zuges
zu Anfang des Jahrhunderts sehr wohl fühlte und trefflich zu ihm pafst, auch wohl, namentlich
bei Andersen und Thorwaldsen, von ihm beeinflufst ist, hat doch immer ihre nationale Eigenart
und die Zeichen eines originellen Ursprunges zu bewahren gewufst.
Diesem unbewufst romantischen Bauernleben eigenthümlich ist unter Anderem der pro-
testantisch-religiöse Charakter, der unter den Verhältnissen des spärlich bewohnten Landes sich
weniger im kirchlichen, als im häuslichen Leben ausspricht und zu allerlei Sektenwesen und
privaten Religionsübungen geführt hat.
Diese zu schildern, war eine Lieblingsaufgabe Tidemands und besonders gelang es ihm,
den Ausdruck des ernsten, schweigsamen und stillen Fanatismus darzustellen, wie er sich bei
den Sektirern des rauhen Nordens herangebildet hatte. Hier entwickelte sich aber auch der
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physiognomische Gegensatz zu den Hufsbildern, die den thatkräftigen und kriegerischen Glaubens-
eifer der Böhmen schildern.
Tidemand erwarb sich auf häufigen Reisen in seinem Vaterland in genauen und eingehenden
Studien nach der Natur eine ziemlich eigenartige Farbe, die zwar von dem naturalistischen
Colorismus der modernen Genremaler weit entfernt ist, aber doch eigenthümliche und feinabge-
wogene Effecte anstrebt. Er übertrifft hier zuweilen an Reichthum und Fülle seiner allerdings
immer sehr ruhigen und abgestimmten Farbeneffecte die gleichzeitigen deutschen Collegen in
Düsseldorf, und hat für die spätere, überhaupt immer mehr auf die Farbe losgehende Richtung in
der Genremalerei gewissermafsen bahnbrechend gewirkt. Seine Behandlung der Figuren, wie des
Interieurs läfst ähnliche Wirkungen bei Vautier und selbst bei Knaus vorahnen. Der fleifsige
Künstler schuf eine grofse Zahl von Bildern, die zuweilen zahlreiche Figuren enthalten in nicht
immer origineller, aber doch auch nicht schulmäfsiger Composition, die vortrefflich in der Zeich-
nung und von jener Solidität der Durchbildung sind, welche überhaupt eine der achtenswerthesten
Seiten der besseren Genremalerei jener Zeit war, wenn sie allerdings leicht auch etwas mehr
Philisterhaftes als Künstlerisches annahm.
Den religiösen und ethnographischen Charakter seiner Kunst bezeichnen ,,Die Katechisation",
„Gottesdienst in einer Bauernkirche", „Weihnachtsbescheerung", „Austheilung des Abendmahls in
einer Bauernhütte", „Die Fanatiker", dann ein nach jeder Richtung hervorragendes Bild „Die
Haugianer" in der Kunsthalle zu Düsseldorf. Es ist der Privatgottesdienst einer eigenthümlichen
Secte, bei der ein Jeder das Recht hatte, die Bibel auszulegen. Man sieht in dem geräumigen
Innern eines norwegischen Bauernhauses eine grofse Versammlung von Landleuten beiderlei Ge-
schlechts und jeden Alters. Ein junger Bauer mit blassem, hagerem Gesicht, langen blonden
Haaren, etwas gerötheten, starr vor sich hinblickenden Augen, ist auf einen Schemel gestiegen
und spricht wie zu sich selbst. Der Ausdruck des Sprechers und der Zuhörenden ist vortrefflich
in seiner gehaltenen Ruhe, nirgends hat man das Gefühl der Pose oder des Modells, da wie
absichtlich alle originell scheinenden Stellungen vermieden sind.
Auch verschiedene ,, Leichenbegängnisse" durften nicht fehlen, die von da an ebenfalls zum
eisernen Inventar der Genremotive genommen wurden. Vortrefflich ist das Todtenmahl ,,Gravöl
in Norwegen" der Galerie Ravene, sowohl in Bezug auf die Farbe als auch auf den Ausdruck der
Theilnehmer.
Neben diesen ernsthaften und stets packenden Bildern malte Tidemand eine grofse Zahl von
harmlosen Motiven, wie sie sich aus der Betrachtung des ländlichen Lebens sozusagen von selbst
ergeben. Das bedeutendste Werk in dieser Richtung ist ein Cyklus von zehn Bildern, den er im
Jahre 1850 für eine königliche Villa bei Christiania malte und in der er das Leben des Landmanns
in einfachen, aber ansprechenden Darstellungen schilderte.
Besonders eigenartig war auch sein Zusammenwirken mit seinem Landsmann Gude, dem
Landschafter. Er malte mit ihm zusammen einige Bilder, in denen Gude den landschaftlichen,
er den figürlichen Theil übernahm, und die Landsmannschaft scheint hier in der That stark genug
gewesen zu sein, Kunstwerke von durchaus einheitlichem und erfreulichem Charakter entstehen
zu lassen.
Gudes Hauptthätigkeit wird bei den Landschaftsmalern besprochen werden.
Ein anderer Landsmann, der sich Tidemand anschlofs, war der Genremaler Benedict Norden-
berg, geboren 1822 in Kompingkulla (Provinz Blekinge), der nach schweren Kämpfen sich zur
Künstlerlaufbahn durcharbeitete. Er kam im Jahre 1851 zum erstenmal nach Düsseldorf, wo er bei
Th. Hildebrandt studirte, bereiste dann Dalekarlien, studirte in Paris und Italien und liefs sich
dann in Düsseldorf dauernd nieder. Hier malte er, unabhängig von Tidemand, aber doch in seinem
Sinne, eine Reihe von fein beobachteten Scenen aus seiner Heimath, so eine „Abendmahlsfeier",
„Zehent-Ablieferung" u. s. w.
Aehnliche Wege geht auch sein Nefi^e Henrik Nordenberg, der allerdings der jüngeren Generation
der Düsseldorfer Genremaler angehört.
Mehr dem Gedankenkreise Jordans als dem seines weiteren Landsmannes Tidemand gehört
Fagerlin an, obwohl er, jünger als Jordan, bis heute noch thätig ist.
Ferdinand Julius Fagerlin wurde 1825 in Stockholm geboren, blieb bis 1854 in seiner Heimath
und malte dort hauptsächlich Porträts, dann studirte er auf der Akademie in Stockholm, in
Düsseldorf bei Sohn und in Paris bei Couture. Seine Ausbildung schlofs sich also an das an,
was damals theils schon überwunden, theils hochmodern war, gleichwohl führte ihn das Studium
des holländischen Volkslebens auf das Gebiet, das durch Jordan schon in die Düsseldorfer Kunst
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3
FERDINAND FAGERLIN
Hausandacht
eingeführt war und den
nationalen Eigenthümlich-
keiten auch der Nordländer
damals am meisten ent-
sprochen zu haben scheint,
auf das Volksgenrebild.
Dafs der feinsinnige
Schwede in Deutschland
holländische Genrebilder
malt, ist allerdings ein
charakteristisches Zeichen
für den damals schon be-
ginnenden Internationalis-
mus im Genrebild und
vielleicht auch der Grund,
dafs von der Derbheit des
holländischen Volkes in
den Genrebildern Fagerlins
nicht viel zu merken ist.
Seine Motive sind fast alle,
namentlich in der letzten
Zeit, aus dem Familien-
und Liebesleben der
Fischer und Bauern ent-
nommen, und es wird
da eine Zartheit des Aus-
drucks und zuweilen ein
neckischer Humor ent-
wickelt, der wohl mehr
dem Künstler, als der Natur angehört. Coloristisch hat Fagerlin später Manches von Knaus und
Vautier angenommen. Eine gewisse röthliche Färbung ist seinen feingestimmten Bildern zuweilen
eigen, hindert aber nicht die Gesammtwirkung. „Heirathsantrag", ,, Eifersucht", ,, Hausandacht",
„Abgewiesener Freier", ,, Besuch der Grofseltern", sind einige seiner Bilder genannt, und die
Namen umfassen auch vollkommen das Motiv.
Die Genremalerei hatte sich ursprünglich der Costümromantik entgegengestellt, aber der nun
einmal vorhandene romantische Zug am Rhein war so stark, dafs er recht bald gerade auf
feindlichem Gebiet wieder auftauchte, um hier in gemäfsigter Form trotz allerlei Wandlungen bis
in unsere Tage hinein nicht wieder zu verschwinden. Es entwickelte sich innerhalb der Genre-
malerei bald ein ausgesprochener Romantiker, der das rheinische Leben von diesem Gesichtspunkt
aus behandelte und bei wirklichem grofsen Stimmungsgehalt seiner Bilder eine Popularität erlangte,
die den Beweis lieferte, wie stark die Hinneigung zur Romantik im deutschen Volke trotz Allem
nun einmal ist.
Christian Eduard Böttcher war, 1818 zu Imgenbroich bei Aachen geboren, zuerst Kunstschüler
und Lithograph in Stuttgart, dann wurde er 1844--49 Schüler der Akademie in Düsseldorf unter
Hildebrandt und Schadow und widmete sich hier von vornherein dem idyllischen Genrebild,
wie es Schadow eben gelten liefs. Böttcher folgte dem Wege, den Schrödter in seinem rhei-
nischen Wirthshaus eingeschlagen, aber wieder verlassen hatte, und fand hier sehr bald ein Feld,
das seiner Begabung und Gemüthsrichtung, in der die weicheren Töne vorherrschten, aufser-
ordentlich entsprach. Man kann wohl sagen, dafs einzelne Bilder Böttchers, die durch den Kupfer-
stich eine unendliche Verbreitung fanden, für gewisse Seiten des rheinischen Lebens die besten
und merkwürdigerweise fast die einzigen malerischen Dokumente der Düsseldorfer Kunst sind.
Hierher gehören besonders die Bilder seiner mittleren Zeit ,, Abend am Rhein", ,. Rheinische Ernte",
„Sommernacht am Rhein", ,, Auszug zur Weinlese", „Am Marktbrunnen einer rheinischen Stadt",
und noch aus der Mitte der 70er Jahre, als die rheinische Gemüthlichkeit aus der Kunst immer
mehr verschwand, „Der Sonntag am Rhein". Böttcher hat das Verdienst, in seinen Bildern, zwar
nicht mit der Schärfe eines Knaus, auch nicht mit der grofsen Feinheit eines Vautier, aber doch
mit der ganzen Liebenswürdigkeit, die den Letzteren auszeichnet, rheinisches Leben und rheinischen
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Humor nach seiner harmlosesten Seite geschildert zu haben. Auch in der Verbindung des Land-
schaftlichen mit den Figuren zeigt sich eine gewisse Verwandtschaft mit der jüngeren Generation,
eine Tendenz, die allerdings, wie wir gesehen haben, schon früh der Düsseldorfer Kunst eigen war.
Coloristisch war Böttcher den zuweilen schwierigen und complicirten Problemen, die er sich stellte,
wie z. B. verschiedener Beleuchtung, nicht ganz gewachsen, aber das war vielleicht mehr der
Fehler seiner Zeit und seiner Schule, als der einer mangelnden Begabung.
Während seine ersten Bilder, durch den Kunstverein angekauft, meist in Privatbesitz über-
gingen, befinden sich die gröfseren seiner besten Zeit vielfach in Museen, wo sie trotz einer
gewissen Trockenheit durch charakteristische Typen und den Stimmungsgehalt, der ihnen eigen
ist, noch heute auffallen. Böttcher starb im Jahre 1889 in Düsseldorf.
Eine gewisse Aehnlichkeit mit ihm hat der zuweilen mit Jacob Becker verwechselte Louis
Hugo Becker (geboren 1834 in Wesel), der als Schüler von Schirmer und Gude eigentlich mehr
Landschafter als Figurenmaler war, aber es liebte, seine feingestimmten Bilder mit gut gezeichneten
figürlichen Staffagen auszustatten. ,,Die W^einlese an der Mosel-' gilt als sein bedeutendstes Bild.
Ein früher Tod (1868) hinderte die vollständige Ausbildung seines schönen Talentes.
Die Entwicklung der Düsseldorfer Genremalerei ist eine ruhigere, als die der Historienmalerei.
Sie trat da ein, wo jene in ihrer ältesten Form abzuwirthschaften angefangen hatte, und die
Errungenschaften Leasings und des epochemachenden Rethel gingen, soweit das möglich war,
ziemlich unmerklich in sie über. Es liegt im Charakter dieses nach seinem geistigen Inhalt
wenigstens ziemlich begrenzten Kunstzweiges, dafs heftige Umwälzungen, wie sie die Figuren-
malerei grofsen Stils damals erlebte und noch weiterhin durchmachen sollte, sich hier mehr auf
Aeufserlichkeiten beschränken mufsten. und so findet man, und zwar nicht nur in Düsseldorf,
sondern ebensogut in Paris und in München, dafs die allerältesten Motive der Genremalerei durch
die verschiedensten Epochen hindurch unentwegt und gottesfürchtig weiter gemalt werden und
sich dauerhafter erweisen, als alle noch so überzeugungsvoll auftretenden technischen und male-
rischen Reformationen. Das mag erfreulich sein oder nicht: es soll hier nur die Thatsache
constatirt werden.
Dafs gerade Düsseldorf in dem Festhalten an einzelnen thatsächlich zuweilen höchst ,, läppischen"
Motiven weiter gegangen ist, als nöthig, kann und darf auch hier nicht bestritten werden. Es
zeigt sich darin eine Schwäche den vererbten Wünschen des Publikums gegenüber, die schliefslich
von der Kunst abführen mufste. Anderseits läfst sich nicht leugnen, dafs es eben Dinge im
menschlichen Leben giebt. die sich nun einmal überall und immer wiederholen, zu allen Zeiten
und unter allen Zonen; und solange überhaupt noch ,, Motive" oder Novellen oder Anekdoten ge-
malt werden, — und es ist kaum zu erwarten, dafs das in absehbarer Zeit aufhören wird — so
lange werden sich eben diese gewissen, mit dem Menschenleben nun einmal aufs innigste ver-
knüpften Scenen, Gefühle und Stimmungen wiederholen, werden die Motive von der „ersten
Hose" bis zum ., Liebesfrühling", von der ..Gratulation beim Grofsvater" bis zum ,,Begräbnifs"
gemalt werden. Der Fortschritt wird sich eben gerade hier darin zu zeigen haben, wie es ge-
schieht. Und dafs in diesem W^ie sich gerade in Düsseldorf in der zweiten Hälfte des Jahr-
hunderts bis auf unsere Tage ein steter, wenn auch zuweilen langsamer Fortschritt zeigt, das
beweist die Geschichte der Genremalerei dieser letzten 50 Jahre, die sich freilich an nur wenige
Namen anknüpft.
Dafs diese W^enigen, die vorwärts schreiten, von einer grofsen Zahl Anhänger und Nach-
folger umgeben sind, liegt an dem Charakter dieser Kunst, die mehr zur Nachahmung reizt, als
jede andere. Dafs es nur ^^^enige sind, die auf der Höhe stehen, gegenüber einer vielleicht allzu-
grofsen Gefolgschaft, und dafs der Fortschritt manchmal zu stocken schien, ist allerdings auch
nicht zu leugnen, war aber anderswo auch der Fall.
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IX. Kapitel
Kritische Zeiten. Der Niedergang der akademischen Kunst
AS Jahr 1848 ist der markanteste historische Abschnitt in der Geschichte Europas zwischen
dem Sturz Napoleons und der Einigung Deutschlands, die es angestrebt, aber nicht erreicht
hatte, es kann auch als kunstgeschichtlicher gelten.
So gut wie in der Politik und im Leben die Streitfragen, welche im Jahre 1848 zur
Verhandlung, freilich nicht zur Lösung kamen, sich langsam entwickelt hatten, so gut
hatten die Elemente, aus welchen die spätere Düsseldorfer Kunst sich aufbaute, sich langsam an-
gesammelt, die geistigen sowohl als die technischen. Die Leitung der Akademie unter Schadow
war eine autokratische. In strenger Zucht und Sitte wuchsen unter der Aufsicht ihres Directors,
dessen Lehrer nur wie unverantwortliche Minister fungirten, die jungen Historienmaler heran.
Aber wir haben auch gesehen, dafs unaufhaltsam der junge Baum Triebe nach allen Seiten ent-
wickelte. Lessing ging von Anfang an seine Wege, und Rethel löschte gewissermafsen die ganze
Düsseldorfer Historienmalerei mit den gewaltigen Zügen seiner Aachener Bilder und des Todten-
tanzes aus. Die Genremaler, Hasenclever und Schrödter an der Spitze, machten sich in Wort
und Bild zuerst lustig über die Romantik, dann machten sie offene Opposition und bahnten sich
den eigenen Weg. Ganz im Stillen, ohne Spott und Kampf, aber zielbewufst hatten die Nazarener
ihre Arbeit gethan. Dafs diese keine Früchte in der späteren Zeit trug, war nicht die Schuld der
frommen und fleifsigen Leute. Die Landschaft schliefslich mufste sich der Natur der Sache
gemäfs der akademischen Zucht am ersten und selbstverständlichsten entwinden.
Es wäre Unrecht zu behaupten, dafs Schadow selbst die langsam aber früh eintretende
Wendung der Dinge nicht erkannt oder sich ihr direct entgegengestemmt hätte. Schon 1830 schuf
er für Schirmer die Hültslehrerstelle in der Landschaftsklasse, er liefs es auch den Genremalern
an Rath und Aufmunterung nicht fehlen, soweit dies seine Natur ermöglichte, aber über diese
seine Natur hinweg konnte eben auch er nicht, er am wenigsten und um so weniger, als Krankheit
und Alter ihn später die doch erfreuliche Entwicklung in die Breite mit Aerger, die Entwicklung
in die Höhe unter Rethel mit wirklichem Unverständnifs betrachten liefs.
Das strenge Regiment und die gesellschaftliche Feudalität Schadows rächten sich in der von
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit schwärmenden Zeit, und so kann man die Constitution der
freien Künstlerschaft so gut, wie die Errichtung constitutioneller Regierungen auf die Tendenzen
zurückführen, die im Jahre 1848 sich so breit machten. Ein Irrthum wäre es nun aber, wenn
man annehmen wollte, die Künstlerschaft hätte an den wüsten Ereignissen der Revolutionszeit in
Düsseldorf Theil genommen. Dazu lag gar kein Grund vor, und es war in der That nicht so.
Im Jahre 1848, als die W^ogen der Hoffnung und der Begeisterung hoch gingen, und noch
nicht die systematische Verhetzung der Volksmassen begonnen hatte, veranstaltete der demokra-
tische Verein mit der Düsseldorfer Künstlerschaft zur Feier der Wahl des Reichsverwesers Johann
von Oesterreich in Frankfurt ein Einheitsfest, dessen Tendenz aber dem Anlafs entsprechend
romantisch patriotisch und keineswegs revolutionär war. Der Bildhauer Meinardus hatte zu
diesem Feste nach einem Entwurf von Carl Sohn eine 15 Fufs hohe Germaniastatue auf dem
Friedrichsplatz erbaut, die nach dem allgemeinen Urtheil ein so herrliches und vollendetes Kunst-
werk war „wie dem Meifsel eines Thorwaldsen entsprungen". Sie bildete den Zielpunkt eines
von den Malern veranstalteten costümirten Festzuges. Man sang das Arndtsche Vaterlandslied,
senkte die Banner der deutschen Staaten vor der bengalisch beleuchteten Statue und führte ein
von Louis Bacharach verfafstes Märchen von der Dame Germania auf. Das klang nicht nach
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Revolution, es war ein natürlicher Ausflufs der Begeisterung, die damals gerade die besten und
patriotischsten Männer erfafst hatte. Der Plan, die Statue späterhin in Marmor oder Erz auszu-
führen, kam allerdings nicht zustande.
Bei den Ereignissen der späteren unruhigen Tage wird nur der Name eines einzigen
Künstlers genannt, es ist der des Historienmalers, Kunstschriftstellers und Stadtrathes Lorenz
Clasen, der stellvertretender Chef der Bürgerwehr war. Aber ungleich dem eigentlichen Chef,
dem Manufakturwaarenhändler Cantador, scheint Clasen besänftigend gewirkt und, als ihm die
Bewegung über den Kopf wuchs, sich beizeiten zurückgezogen zu haben. Im Carneval 1848
wurde ferner noch beobachtet, dafs in der Gesellschaft „Verein" sich die Künstler von den
„Bürgerlichen" absonderten und mit Offizieren verkehrten, wobei allerdings zu vermuthen ist,
dafs es sich nur um jenen Theil der Künstlerschaft gehandelt hat, der schon vorher in dem
Kreise des Adels verkehrte, also Schadow und sein Anhang. Dennoch hatten die 48er Ereignisse,
zunächst allerdings die freudigen Erregungen, die sich an das Germaniafest anknüpften, für das
Düsseldorfer Kunstleben eine wichtige Folge. Dies war die Gründung des Künstlervereins
,. Malkasten" und damit die Schaffung eines, wenn auch nicht offiziellen Mittelpunktes, um den
sich sehr bald in bewufstem, aber auch nicht unberechtigten Gegensatz zu der Akademie, die
besten Kräfte der Künstlerschaft sammelten.
Dafs ein solcher Verein mit seinen gesellschaftlichen Tendenzen dem offiziellen Lehrinstitut
gegenübertreten und ihm jahrelang den Rang als künstlerischen Mittelpunkt streitig machen konnte,
war eine Folge der Verhältnisse, aber auch ein Zeichen für den Wandel innerhalb des Kunst-
schaffens selbst. Die Akademie war stumpf geworden und unglückliche Combinationen wollten
es, dafs ihr nicht beizeiten frische Kräfte zugeführt wurden. Aber es lag auch in dem Wesen
der damaligen Kunst, in dem Wesen der Männer, die an die Spitze des Kunstschaffens treten
sollten, dafs man sich von der Schule sobald als möglich frei machen wollte. Man wollte nicht
mehr, was früher als Ideal galt, möglichst lange ein akademisches Atelier bewohnen und mit den
Gesinnungsgenossen zusammenhocken, dieselben romantischen Motive nach denselben Dichter-
stellen in dieselbe Farbe umsetzen. Man wollte hinaus, je bälder je lieber, man wollte sich seine
Motive draufsen selber suchen, seine Technik und, wenn es sein mufste, seine Lehrer.
Man kann dieses Streben ein demokratisches nennen, aber es ging ähnlich durch alle Kreise.
Man kann es auch revolutionär nennen, aber nur im künstlerischen Sinne, nicht im politischen.
Und man mag es nennen, wie man will, es war berechtigt, das beweisen die Folgen.
Auch jene Unruhe, die unser modernes Leben kennzeichnet, fing damals an, mit dem be-
ginnenden Umschwung in den Verkehrsverhältnissen sich der Geister zu bemächtigen. Ein Hin
und Her begann von Kunststadt zu Kunststadt, und die Sammelpunkte bei flüchtiger Rast oder
bei regelmäfsiger Erholung waren nicht mehr die ästhetischen Salons beim Herrn Director oder
den Herren Professoren, es wurden immer mehr die Stätten, wo schon in alten Zeiten die Deutschen
sich zu weiser Berathung, wie zu endlosem Geschwätz zu versammeln pflegten, wo Jeder Herr
seines Wortes ist, so lange es die Geister des W^eines und des Bieres erlauben — die Kneipen.
Schon in den 30er Jahren waren Künstlerkneipen und gesellige Verbände entstanden, in denen,
wie seit 1835 im ,, Familienverein der Düsseldorfer Künstler", die führenden Geister der Aesthetik
und der akademischen Kunst sich zusammenfanden, oder aber bei denen in kleinen vertrauten
Kreisen die Opposition gegen den „Alten" ein vorläufig noch lichtscheues Wesen trieb, ohne doch
die Sachen ändern zu können, — aber alle diese Verbände waren entweder eingegangen oder hatten
eine Einigung der grofsen Partei aufserhalb der Akademie nicht bewirken können. Eine höchst
wichtige Vereinigung, von der weiterhin die Rede sein wird, war allerdings schon 1844 entstanden,
aber ihre Tendenz war weder eine gesellschaftliche noch eine künstlerische, sie war, und das lag
vielleicht auch in den Zeitströmungen, eine rein praktische und von eminenter Tragweite; es war
der ,, Unterstützungsverein Düsseldorfer Künstler". Ein gesellschaftlicher Zusammenschlufs, eine
Vereinigung zu festlichem Beisammensein und ernster Berathung bei brennenden Tagesfragen,
lag nicht in seinem Wesen, noch in seinen Absichten.
Das zu erreichen, war und blieb dem „Malkasten" vorbehalten, der in den Stunden der
Begeisterung nach dem Germaniafest gegründet wurde. Die Maler Leutze, K. W^. Hübner, Hermann
Becker, Jordan und Andere waren die Ersten gewesen, welche die Idee eines Vereins ,,zu
geselligem Künstlerleben" fafsten und in den erwähnten Tagen mit zahlreichen Genossen zu seiner
Gründung schritten. Es waren die besten Namen aus der Künstlerschaft, welche am 11. August
unter das Stiftungsprotokoll geschrieben wurden; fast Alle, die in jener Zeit hervorragten, waren
dabei betheiligt, nur von der Akademie fehlten bedeutsamerweise einige Namen und das bezeichnet
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am besten die damalige Situation. Und auch einzelne bedeutende Nichtakademiker hielten noch
mit ihrem Beitritt zurück.
Aber auch diese Differenzen sollten, äufserlich wenigstens, bald ausgeglichen werden. Andreas
Achenbach und H. Ritter traten bald ein, und zwei Jahre später auch Schadow, was mit grofser
Genugthuung aufgenommen wurde, weil damit, wie Daelen schreibt, gewissermafsen offiziell ein
Freundschaftsbündnifs zwischen der Akademie und den freien Künstlern geschlossen wurde.
Freilich nur offiziell, wie die Folge lehrte. Wenn auch die Tendenz des Malkastens zunächst
lediglich die eines gesellig harmlosen Zusammenseins gewesen war, so konnte es nicht ausbleiben,
dafs in den so wenig harmlosen Zeiten gelegentlich die Geister aufeinander platzten und die
Gegensätze innerhalb der Künstlerschaft auch hier zu Reibungen führten. Im späteren Verlauf der
Revolutionszeit traten sogar Ereignisse ein, welche den Anschein eines politischen Gegensatzes
innerhalb der Künstlerschaft heraufbeschworen, aber es unterliegt keinem Zweifel, dafs die natür-
lichen und erklärlichen Erregungen leider durch die in solchen Zeiten unausbleiblichen ekelhaften
Erscheinungen von Servilismus und Denunziantenthum verstärkt wurden, welche die Dinge in
falschem oder absichtlich entstelltem Lichte erscheinen liefsen und, da sie gerade dem Rheinländer
besonders widerwärtig und seinem Naturell unerträglich sind, die Situation bedeutend verschärft
haben. Und diese Verschärfung ist dann mit dem Vorhergegangenen auch wohl schuld gewesen
an der im Stillen lange fortdauernden Entfremdung zwischen Akademie und freier Künstlerschaft,
deren Spuren sich noch heute nicht ganz verloren haben, wo doch die künstlerischen sowohl wie
die politischen Verhältnisse ganz andere geworden sind.
Den Anlafs gab damals die Aufnahme des revolutionärer Gesinnung verdächtigen Dichters
Freiligrath in den Malkasten im Jahre 1850. Die Verhaftung Freiligraths, sein Procefs, der mit
Freisprechung endigte, hatten im Jahre 1848 in Düsseldorf eine heftige Erregung der Gemüther zur
Folge gehabt. Die Aufnahme des Dichters in den Künstlerverein regte die kaum Beruhigten von
neuem auf, und die jämmerliche Reaction, die bereits wieder eingesetzt hatte, mochte die Milch
der frommen Denkungsart auch bei dem friedlichsten Malkastenmitgliede in das bekannte Drachen-
gift verwandelt haben.
Eine Spaltung selbst unter den Mitgliedern stand bevor; die aufserhalbstehenden, welche
schon vorher den Malkasten mit Mifstrauen betrachtet hatten, erhoben ihre warnenden Stimmen,
leider, wie es scheint, eben nicht nur laut und öffentlich, sondern auch im Stillen an ,, geeig-
neter Stelle", und es schien der Bürgerkrieg, wenigstens im Künstlerstaat, wieder ausbrechen zu
wollen, als Freiligrath seinen Austritt erklärte, womit die Angelegenheit äufserlich wenigstens
beendet war.
Aber auch in anderer Beziehung hatte sich Manches geändert. Als im Anfang die jungen
Düsseldorfer, von dem Beifall fast der ganzen Welt begrüfst, ihre ersten Bilder malten, da fanden
sie zwar nicht im kleinen Düsseldorf, aber, sei es durch den Kunstverein, sei es durch die zahl-
reichen hochstehenden oder zahlungsfähigen Gönner, die Schadow zu interessiren verstanden hatte,
einen bequemen und glänzenden Absatz ihrer Bilder.
Ein junger Maler, der sein erstes grofses Bild zur Kunstvereinsausstellung sandte, konnte
ziemlich sicher sein, dafs es dort zu einer für jene Zeiten beträchtlichen Summe angekauft wurde.
So war ihm der doppelte Erfolg, der künstlerische und der materielle, gesichert, und aus den Kreisen
der Gewinner solcher Bilder fanden sich neue Gönner und Besteller. Aber der Maler waren immer
mehr geworden, und der Käufer wurden in den unruhiger und unsicherer werdenden Zeitläufen
immer weniger. Das begann schon vor den Revolutionsjahren sich fühlbar zu machen, und die
nächsten Jahrzehnte allgemeinen politischen und wirthschaftlichen Mifstrauens, der allzu schnell
aufeinander folgenden Kriege, liefsen in die fröhliche Künstlerstadt an der Dussel das Gespenst
einer Künstlermisere erscheinen, das den Kampf um die Kunst mit dem noch bittereren Kampf
ums Dasein vergesellschaftete. Dafs so viele Künstler die Stätte ihrer Studien und ersten Erfolge
verliefsen. um entweder Berufungen an auswärtige Lehrinstitute zu folgen, oder selbständig ander-
wärts eine neue Existenz zu suchen, das hatte recht häufig nicht immer ausgesprochene, aber
nicht wegzuleugnende pecuniäre Gründe. Auch manche der Jüngeren, die eben erst gekommen
waren, verliefsen bald wieder das einst so ideale und idyllische Düsseldorf, wo man noch vor
wenigen Jahren nicht nur in kürzester Zeit zur höchsten Meisterschaft, sondern auch zu äufseren
und materiellen Erfolgen kam.
185
Die Meisterschaft war eben vielfach nur eine scheinbare gewesen, und tiefere Naturen, wie
Feuerbach oder Böcklin brachten es in Düsseldorf zu nichts und verliefsen nach einer unbefriedigten
kurzen oder längeren Lehrzeit, nachdem ihnen von Schadow oder Schirmer, sei es das Talent,
sei es die „Vernunft" abgesprochen war, Düsseldorf auf Nimmerwiedersehen.
Alle diese Zustände, die eine nur zu natürliche Reaction nach den ersten fast übernatür-
lichen Erfolgen waren, hauptsächlich natürlich die langsam beginnende Verschlechterung der
materiellen Verhältnisse erklären auch die 1844 stattgefundene Gründung des ,, Vereins Düssel-
dorfer Künstler zu gegenseitiger Unterstützung und Hülfe", der, wie schon der Name andeutet,
einen recht ernsthaften und nur zu nothwendigen Zweck verfolgte. Im Anschlufs an ein Früh-
lingsfest beriefen Schadow, Kiederich und Baudry eine Vorversammlung, andere folgten und
bald konnten die Statuten festgestellt werden. Eine Hauptrolle in der geplanten Thätigkeit des
neuen Vereins sollten selbstveranstaltete Kunstausstellungen in Düsseldorf und den umliegenden
rheinischen Städten spielen, auch die Errichtung einer Kunsthalle wurde schon geplant. Der
wichtigste Passus aber sprach die Absicht aus, hülfsbedürftige kranke Mitglieder zu unterstützen.
Die Regierung in Düsseldorf und Berlin kam dem Verein sympathisch und auch helfend ent-
gegen. Die Ausstellungsfragen gaben aber den Anlafs, dafs auch hier der Gegensatz zwischen
der Akademie und der jüngeren, der freien Künstlerschaft, sich bemerkbar machte, so dafs
Schadow 1853 vom Vorsitz des Vereins zurücktrat. Die Ausstellungen wurden immer weiter, über
England, Frankreich, Belgien und Amerika ausgedehnt, und gerade Amerika blieb seitdem bis
in die letzten Jahrzehnte ein bedeutendes Absatzgebiet für die Düsseldorfer Bilder. Verloosungen
von Bildern und Veranstaltungen verschiedener Art wurden unternommen, um das Vereins-
vermögen, das in aller Stille, wie es dem Zweck entsprach, aber leider immer häufiger in Anspruch
genommen wurde, zu vermehren und die eigentliche Bestimmung des Vereins erfüllen zu können.
Auch um die Gründung der Nationalgalerie in Berlin machte sich der Verein verdient und
brachte diese, wie auch die energische Förderung monumentaler Kunst bei dem Minister von
Bethmann-Hollweg zuerst in Anregung. Auch hier verhielt sich Schadow zuerst ablehnend, ein
Zeichen, wie sehr er angefangen hatte, in unkünstlerischen Bureaukratismus zu verfallen. Viel
später konnte der Gründung einer Kunsthalle in Düsseldorf näher getreten werden. Als nach
dem französischen Kriege Preufsen auf die nach München überführte alte Galerie endgültig ver-
zichtet hatte (das Beste, was es thun konnte, denn ein Procefs hätte nur die Unhaltbarkeit seiner
Ansprüche erweisen können), wandte sich der Verein an den Kaiser, um eine Entschädigung zu
erbitten. Dieselbe wurde auch in Gestalt einer Geldsumme zur Erbauung einer Kunsthalle ge-
währt und diese konnte nach etwa zehn Jahren eingeweiht werden.
Die gröfsten Verdienste des Vereins entziehen sich natürlich der Oeffentlichkeit, aber seine
rege Thätigkeit, die doch in letzter Linie jene edlen Zwecke zum Ziel hat, ist der beste Beweis
für sein segensreiches Wirken, leider freilich auch für die Nothwendigkeit desselben.
Die Gründung eines dritten Vereins mag gleich an dieser Stelle erwähnt werden, wenn sie
auch in etwas spätere Zeit fällt. Sie ging wieder vom Malkasten aus und sollte bald eine weit
über die Grenzen von Düsseldorf hinausgehende Bedeutung erlangen. Es war ,,die deutsche
Kunstgenossenschaft", die lange vor der Einigung Deutschlands wenigstens die deutschen Künstler
zu gemeinsamem Vorgehen und gemeinsamer Interessen wahrung vereinigt hatte und die also
auch, von Düsseldorf aus entstanden, die Vorherrschaft der rheinischen Kunststadt um jene Zeit
noch documentirt.
Hermann Becker, der die Seele dieser Gründung gewesen war, erzählt ihre Entstehung selbst
folgendermafsen :
,,Die Wirkung des Malkastens nach aufsen ist von grofser Bedeutung gewesen. Die engere
Verbindung der Künstler in Düsseldorf mufste natürlich den Gedanken erregen, auch mit den
anderen deutschen Kunstschulen in nähere Beziehungen zu treten, und ein zufälliger Umstand
brachte diesen Gedanken zur Ausführung, der Besuch eines namhaften Münchener Malers, Gisbert
Flüggen, eines geborenen Kölners. Es war im Sommer 1856, als in einer Unterhaltung zwischen
diesem Gaste, E. Leutze, A. Michelis, Robert Krause und Hermann Becker, Letzterer den Vor-
schlag machte, eine allgemeine deutsche Künstlerversammlung nach Bingen zu berufen. Der
Vorschlag wurde von einem Comite berathen, von dem Verein angenommen und kam im
September desselben Jahres zur höchst gelungenen Ausführung. Die Versammlung in Bingen war
von Deputirten aller deutschen Kunststädte und -Schulen besucht. Die Beschlüsse derselben
umfafsten ungefähr dieselben Ziele, welche der Malkasten für sich erstrebt und theilweise erreicht
hatte; aufserdem wurden aber auch deutsch-nationale Kunstausstellungen projectirt, deren erste
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im Jahre 1858 zu München, die zweite 1861 zu Köln und die dritte 1868 zu Wien stattgefunden
haben, und die für die neuere deutsche Kunstentwicklung epochemachend gewesen sind."
Hierzu berichtet Becker jr., der Sohn des Vorgenannten, noch Folgendes:
,,Für die Spaltung, die in den damaligen Düsseldorfer Kunstkreisen herrschte, ist es sehr
bezeichnend, dafs fast nur Mitglieder des Malkastens sich an dieser Zusammenkunft betheiligten,
während die Anhänger der Akademie und die Professoren zurückblieben. Einzelne ganz besonders
Vorsichtige, die es mit der neuen Richtung nicht ganz verderben wollten, warteten zu Oberwesel
im ,,Pfropfenzieher" der Dinge, die da kommen sollten, unter Anderen W. Camphausen mit mehreren
Genossen, welche, als das allgemein .erwartete Fiasco nicht erfolgte, voller Begeisterung nach
Bingen eilten, um an dem Werke mitzuarbeiten."
Die für Deutschland und für die ganze Welt so unruhigen Jahrzehnte waren also auch für
Düsseldorf kritischer Natur, und der Umschwung in den politischen und socialen Anschauungen,
der sich in der grofsen Welt vollzog, fand sein Echo in den Zuständen und Verhältnissen der
Künstlerschaft; er mufste sich aber, was schliefslich noch wichtiger ist, auch in der Kunst, in
den Werken reflectiren, und in der That ist dieser Umschwung in den rein künstlerischen
Anschauungen gerade in jener Zeit so grofs, dafs er dazu berechtigt, hier eine Epoche auch in
der Düsseldorfer Malerei zu constatiren.
Die romantische Malerei war eine Kunst für ästhetische Aristokraten, für Aristokraten von
Geburt und vom Gelde gewesen, das Volk hatte sie angestaunt und bewundert, wie es ins Theater
läuft, um sich an den bunten Puppen zu ergötzen, aber es liefs sie fallen, als es anfing, sich auf
sich selbst zu besinnen. Denn, und darin unterscheidet sich auch und sehr zu ihrem Nachtheil
die malende Romantik vom Anfang des Jahrhunderts von der litterarischen, sie hielt sich von
allem wirklich Volksmäfsigen zurück.
Für einen Brentano, einen Tieck oder selbst einen E. T. A. Hoffmann hat die Düsseldorfer
romantische Malerei nach dieser Richtung keinen Gleichstehenden aufzuweisen, und darin liegt
auch der Grund, dafs die romantischen Schriftsteller ihren, wenn auch bescheidenen Platz noch
heute einnehmen und ihn behalten werden, während die romantischen Maler endgültig abgethan
sind. Dieser Gegensatz liefse sich noch weiter verfolgen bis in die Art der Beobachtung und die
Technik hinein. Genug, er ist da und er erklärt die allmähliche, aber unaufhaltsame Abwendung
des Volkes von der romantischen Malerei, die sich damals vollzog.
Natürlich hörte die romantische Malerei nicht mit einem Schlage auf zu existiren, denn die
alten Gröfsen, an rastloses Schaffen gewohnt, waren nicht gesonnen, die Hände in den Schofs zu
legen und den Gegnern das Schlachtfeld ohne Schwertstreich zu überlassen. Schadow glaubte,
die böse W^elt noch um das Jahr 1850 bekehren und von der Mission der religiös-mystischen
Malerei überzeugen zu können. In einem grofsen dreitheiligen Bild legte er noch einmal die ganze
Summe seiner Philosophie und seiner Malerei nieder, und es konnte damals sogar noch die Be-
hauptung gedruckt werden, die neuere Kunst habe kein Werk geschaffen, das an Bedeutsamkeit
des Inhalts und zugleich an äufserem Umfange sich mit dieser plastischen Trilogie messen dürfte.
Namentlich der Ausdruck plastisch ist bei dem glattgemalten und geistig wie künstlerisch möglichst
unplastischen Bilde fast komisch. Für Schadow ist es freilich charakteristisch, dafs er am Ende
seiner Laufbahn, bei all den Umwälzungen, welche die Welt und die Kunst erfahren hatte, ein
solch umfangreiches Bild malen konnte, das die ein halbes Jahrhundert älteren künstlerischen
Tendenzen in so prägnanter Weise aussprach.
Wenn Schadows Trilogie selbst damals nur in seinem engeren Kreis noch Beifall erringen
konnte, so fanden einige andere romantische Bilder immer noch gröfseren Anklang, so die
,,Semiramis" und die ,,Mignon" von Chr. Köhler, die ebenfalls in den 50er Jahren noch entstanden,
aber gerade so gut 20 Jahre vorher hätten gemalt sein können, so Carl Sohns ,,Lorley", die 1853
noch grofses Entzücken erregte und auch für den Kunstverein gestochen wurde; aber laut und
immer lauter wurden anderseits die Stimmen, die innerhalb und aufserhalb der Mauern diese
Kunst für einen überwundenen Standpunkt erklärten, und so erweiterte sich immer mehr der Rifs
zwischen Akademie und Künstlerschaft auch nach dieser Richtung, denn die alten Romantiker
safsen fest auf ihren Professorenstühlen oder in den akademischen Ateliers, während die Genremaler,
die Verkünder der neuen Kunst, sich draufsen herumtummelten und die W^elt ansahen.
Schadow war alt, krank und durch die Veränderungen im Kunstleben, die er weder begreifen,
noch anerkennen wollte oder konnte, erbittert. Er legte zwar sein Amt als Director erst 1859
nieder, aber seine Kraft und, was wichtiger war, sein Einflufs waren schon lange vorher ge-
brochen. Seine und seiner nächsten Schüler Kunst war, was er übrigens selbst ausgesprochen
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hat, immer mehr oder weniger eine Treibhauspflanze gewesen; mit Reminiscenzen, Anlehnungen
und Comödiespielen vor sich selbst und der W^elt, hatte man eine Kunst schaffen wollen, aber
unvermerkt hatten sich neben dem exotisch blühenden, aber hohlen Baum, wilde Reiser entwickelt,
und als jener abzusterben begann, waren sie zu Stämmen erwachsen, die aus festerem Holze
waren, als die bunte Theater- und Dogmenkunst der Aesthetiker und Romantiker und Nazarener
Schadows. Der auf seinen Wunsch gewählte Nachfolger, sein alter Schüler Bendemann, den
man eigens von Dresden kommen liefs, war der Letzte, der ein neues Leben aus den Ruinen
hätte erwecken können, weder als Director 185g — 67, noch als Lehrer, noch als Künstler. Zart
und liebenswürdig, hat er den tief eingerissenen Gegensatz zwischen Akademie und Künstler-
schaft sicher nicht erweitert, aber er war auch ganz machtlos, ihn zu überbrücken. Auch sonst
war Niemand an der Akademie, der in dieser Richtung hätte wirken können. Deger und die
beiden Müller gingen nicht aus ihrem engen Kreise heraus, Mücke, der 1852 angestellt wurde, gab
der Welt längst keine Räthsel mehr auf Köhler, der seit 1855 in das Lehrercollegium ebenfalls
eingetreten war, konnte auch das Verhängnifs nicht aufhalten. Der vortreffliche Carl Sohn war
eigentlich noch die Hauptstütze der Akademie. Seinem verständnifsvollen Gewährenlassen gegen-
über dem ängstlichen Nörgeln Bendemanns verdanken zahlreiche auch der späteren Schüler ihr
Können, und sein Tod 1867 war für die Akademie und die Schule der Figurenmaler überhaupt ein
härterer Verlust, als die Amtsniederlegung Bendemanns im selben Jahre. Allerdings hatte Sohn
schon 1855 einmal seine Entlassung erbeten und erhalten, war aber 1859 als Stellvertreter
Schadows wieder in die Akademie eingetreten, um seine Lehrthätigkeit bis zu seinem Tode mit
Hingebung auszuüben. Er, von dessen ausgezeichnetem Lehrtalent und von dessen einfacher
natürlicher Vornehmheit noch heute vortreffliche Künstler mit gröfster Hochachtung sprechen, wäre,
wenn nun einmal ein Maler der älteren Richtung das Werk Schadows hätte fortsetzen sollen,
dazu jedenfalls geeigneter gewesen, als Bendemann. Der Fehler, dafs man glaubte, mit den Ver-
tretern einer abgestorbenen Richtung junge Talente erziehen zu können, wäre freilich derselbe
geblieben.
„W^enn sie nur nicht Alle so alt wären!" klagt Feuerbach schon 1846. Er hatte sich heimlich
von Lessing corrigiren lassen, aber auch bei dem vermifste er die ,, jugendliche Seele". Dafür
wurde ihm dann auch noch zehn Jahre später in Düsseldorf der Nachruf gewidmet, dafs er einen
falschen Weg einzuschlagen scheine, der, seinen Düsseldorfer Studien diametral entgegengesetzt,
zu keinem erfreulichen Resultat führen dürfte. Und dabei hatte er seinen ,,Hafis in der Schenke"
schon in Düsseldorf ausgestellt und den ,,Pietro Aretino" gemalt. Man nahm es aber schon
damals sehr übel, wenn Jemand aufserhalb Düsseldorf sein Heil suchte, und doch sollte nur zu
bald eine lebhafte Auswanderung beginnen, der die Berechtigung unter diesen Verhältnissen nicht
abzusprechen ist. Die Akademie leistete eben bis hoch in die 60er Jahre hinein nicht mehr viel,
weder selbst schaffend, noch lehrend und anweisend. Diejenigen, welche dennoch später ihren
Weg fanden, thaten es nicht mit Hülfe, sondern trotz ihrer Düsseldorfer akademischen Lehrer
und nur nach einem mehr oder weniger freiwilligen Bruch mit ihnen.
Die eigentliche Historienmalerei, deren Hauptvertreter Rethel und Lessing waren, war auch
nur neben der Akademie erwachsen, und Rethel war zu lange von Düsseldorf entfernt gewesen,
um hier später Einflufs zu haben. Seine Arbeit in dem abliegenden Aachen, sein schon während
derselben beginnender trauriger Gesundheitsverfall und der allzu frühe Zusammenbruch seiner
Kräfte hatten dazu beigetragen, sein Werk den Zeitgenossen nicht näher kommen zu lassen, ganz
abgesehen davon, dafs die Wenigsten imstande waren, es in seiner ganzen Gröfse zu erfassen.
Man nörgelte in echt düsseldorfischem, bis auf unsere Tage verbliebenem, übertriebenem, ja fast
krankhaftem Localpatriotismus an den vier Aachener Bildern, die Rethel selbst ausgeführt hatte,
herum, begeisterte sich an der schönen Farbe der vier Kehrenschen und wunderte sich gelegentlich,
wenn französische oder belgische Urtheile den Retheischen Fresken den höchsten Ruhm spendeten
und die Färbung der Kehrenschen Bilder abfällig beurtheilten.
So wäre Lessing das eigentliche Haupt der Figurenmalerei grofsen Stils gewesen, wenn er
sich überhaupt zum Führer geeignet hätte. Auch hatten seine Hufsbilder und die sich daran
knüpfenden Controversen schon früh eine Verstimmung gegen ihn verursacht, die ihn sich auf
einen kleinen Kreis beschränken liefs und ihn schliefslich von Düsseldorf forttrieb.
Dieser Wegzug Lessings, dem einige Schüler folgten (Nabert, Nikutowsky), war für Düsseldorf
ein schwerer Verlust, weniger weil Lessing einen grofsen directen Einflufs ausgeübt hätte, als
weil er immerhin der letzte Historienmaler grofsen Stils in Düsseldorf gewesen war und schon sein
Name den Fortschritt gegenüber den Romantikern bedeutete.
188
HUGO CROLA
Bildnis des Directors Eduard Bendemann
Der neue Tag schien eben anderswo anbrechen zu wollen und lockte schon früh zu anderen
Ufern, als zu denen der Düssel. Die Riesenschinken von Biefve und Gallait, die 1842 in Deutsch-
land ihren Triumphzug hielten, hatten in Düsseldorf damals weniger Eindruck gemacht, als
anderswo. Die schneidigen Kritiken des Malers Lorenz Glasen hatten hier vielleicht die Ueber-
schätzung verhindert, welche in diesen Bildern anderswo den höchsten Gipfel realistischer
Historienmalerei und unübertrefflicher Technik erblicken liefs. Aber der allgemeine Zug nach
Belgien machte sich in der Folge doch auch in Düsseldorf geltend. Man fing auch von hier an,
nach Antwerpen und Brüssel zu gehen und dort überlebensgrofse grell beleuchtete Studienköpfe
mit übertriebenem Gesichtsausdruck zu malen. Oder man ging, gelegentlich sogar von Schadow
selbst ermuthigt, zum grofsen Aerger Lessings, nach Paris. ,,Jehen Sie nach Paris zu Delaroche,
sonst wird nischt aus Ihnen," hatte Schadow dem jungen Feuerbach gesagt. Schon 1841 war
Clemens Bewer, geboren 1820 in Aachen, ebenso wie Joseph Fay, dorthin gegangen, und hatte
von dem grofsen Manieristen eine für jene Zeit blendende Technik gelernt. Seine dort gemalten
Bilder, namentlich ,,Die Flucht der Maria Stuart von Lochleven über den See" 1846, machten in
Düsseldorf Aufsehen und reizten zur Nachfolge. Dann kamen 1848 die ,, Romains de la decadence"
von Couture, der, wie Carl Sohn, eines Schusters Sohn war und nach dem Gesetz der Gegensätze
seine Ideale in einer phantastisch -grofsartigen Kunst fand. Zu ihm strömten nun von allen
Himmelsrichtungen die Kunstjünger, um malen zu lernen.
Dafs man das in Deutschland nicht könne, war allmählich ebenso zum allgemeinen Dogma
geworden, wie man zwanzig Jahre vorher die feste Ueberzeugung gehabt hatte, dafs es nur in
Düsseldorf möglich sei. Und der Glaube an das Besser-Malenkönnen der Franzosen ist ja heute
noch nicht erstorben. Nur ist er von den Malern mehr auf die Kunstgelehrten übergegangen.
Damals war freilich etwas daran, und die circenses des zweiten Kaiserreiches liefsen dann bald
darauf Paris immer mehr als Eldorado einer wirklichen Kunstblüthe erscheinen und zogen immer
mehr Künstler in die Hauptstadt der Kunst, der Eleganz und des Geschmacks, als welche die
alte Lutetia damals noch einmal wieder auftrat.
Ein Umschwung in den Ansichten über das ideale Wesen der Kunst ist fast immer Hand
in Hand gegangen mit einem Umschwung in der Technik. Das ist natürlich; andere Gedanken-
gänge verlangen andere Ausdrucksmittel.
Cornelius hatte sich von der eleganten, süfslich flauen und oberflächlichen, aber zweifellos
geschickten Malweise seiner Jugend abgewandt. Die asketische Frescotechnik, die nicht mit sich
spielen läfst, in der man bei dem beschränkten coloristischen Reiz, den sie besitzt, genau wissen
mufs, was man thut, in der man nur ja oder nein sagen kann, schien ihm für seine theologisch-
oder mythologisch -philosophischen Ideen das geeignete Mittel. Schadow bedurfte für die halb
mystischen, halb oratorisch- poetischen Motive der Romantik wieder einer zarten, bunteren
Malerei, die nicht in die Tiefe ging, aber dem Auge schmeichelte. Die Genremaler endlich und
später die Landschafter, die immer mehr dem Leben nachstrebten, begannen erst den eigentlichen
Kampf mit dem Material, der noch heute nicht beendet ist: den Kampf der materiellen Farbe
mit den zahllosen Problemen in der Natur, den Problemen des wechselnden Ausdrucks, der
schnellen, momentanen Bewegungen, der wechselnden Färbungen, des Spiels der Farbe auf
Menschen und Dingen, der Stofflichkeit der Gegenstände, schliefslich der Luft und des Lichtes,
soweit es sich um das objectiv Vorliegende handelte, das man immer genauer, immer tiefer
fassen wollte. — Dann aber, soweit es sich um rein künstlerische, innere, subjective Fragen
handelte, kamen die Probleme der coloristischen Bildwirkung, der Stimmung des Bildes, des
Localtons der einzelnen Theile auf die Tagesordnung, alles Dinge, welche die ,, vormärzlichen"
Künstler in Düsseldorf vielleicht geahnt, zuweilen auch wohl einmal unsicher angestrebt, aber
kaum je und dann nur zufällig erreicht hatten. Denn dazu reichte, selbst wenn sie schon Farbe
sehen gelernt hätten, ihr Ausdrucksmittel, ihre Sprache, d. h. ihre Malweise, nicht aus. Das
hatte der Nichtmaler Immermann sehr wohl gefühlt, wenn er in den schon mehrfach erwähnten
Maskengesprächen sagt: ,,Die Farbe fehlt noch der Düsseldorfer Schule, die eigene selbständig
erfundene Farbe. Sie ist nicht das Roth und Blau, das da klebrig auf der Palette steht, sondern
die Wandlung, welche Zinnober und Ultramarin im Geiste des Künstlers erleidet."
Und diese Wandlung war eben recht schwächlicher Natur. Thatsächlich klebte auch
Schadow noch am Carton. Der Carton war immer noch eigentlich die Hauptsache beim Bilde.
Das Bild selbst wurde sorgfältig nach ihm aufgezeichnet, dünn und ängstlich wurde mit einem
braunen oder röthlichen Ton, Terra di Siena, Beinschwarz und dergleichen untermalt, und dann
ebenfalls mit dünner Farbe vorsichtig vom Licht aus in den Schatten modellirt. Als Schatten
igo
blieb häufig die Untermalung einfach stehen. Die Hauptsache war der vorsichtige Farbenauftrag,
der im Fleisch nur im höchsten Licht ein leichtes Impasto duldete, das aber unmerklich an-
steigen mufste. Das Verschmelzen der Farbe war die Hauptsache. Man unterlag einem optischen
Irrthum. Weil in der Natur die Töne des Fleisches unmerklich ineinander übergehen, glaubte
man das Fleisch am besten auch so zu malen, dafs die Farben ineinander übergingen. Weil das
Gesicht eines jungen Mädchens etwa glatt und ohne Falten ist, glaubte man es am besten auch
so zu malen, dafs man es so glatt, so blank wie möglich zurechtpinselte, und was hier die
dünnen spitzen Haarpinsel nicht vermochten, das mufste der ,,Vertreiber" nachholen, mit dem die
Farben förmlich ineinander getrieben und die geringste Unebenheit im Auftrag weggefegt wurde.
Dabei blieb die Hauptsache, das richtige Erkennen der Localfarben, des coloristischen Werthes
der Halbtöne und Schatten, aufser Acht. Man hatte bei den alten Meistern gesehen oder glaubte
gesehen zu haben, dafs die Schatten warm und glühend waren, also wurden die Schatten ohne
Rücksicht auf die Localfarbe des Gegenstandes warm, d. h. braun gemalt, und da man noch nicht
so weit war, die Lichter kalt zu malen, so mufsten die Schatten des Gegensatzes halber über-
mäfsig warm gemalt werden. So entstand als Gesammtton ein charakterloses Braun, aus dem
alle wirklichen Farben, namentlich die kalten blauen und grünen Töne, trotz der gelben Lichter,
mit denen man sie zu halten suchte, herausfielen.
Dasselbe Princip wurde bei der Fleischmalerei angewandt; man vertrieb die hellen Farben
in die dunkeln, man setzte nicht die richtige Farbe an den richtigen Fleck (die bekannte,
theoretisch ja sehr einfache Lösung des Problems der ganzen Malerkunst), sondern glaubte, wie
Licht und Schatten in der Natur ineinander übergingen, so genüge es auch, wenn die hellen und
die dunkeln Farben ineinander vertrieben würden.
Und das Resultat war natürlich das Gegentheil von dem Gewollten. Die so gemalten Köpfe
gaben in der nächsten Nähe bestenfalls einige Aehnlichkeit mit der rosigen Haut, aber in der
geringsten Entfernung wurden sie entweder flach und hart, oder hölzern, oder glasig, und die
Stoffe desgleichen. Dafs das Flimmern der Haut, das Lüstre des lebendigen Fleisches, wenn es
auf die Fläche der Leinwand übertragen werden sollte, und auf die Entfernung, welche eine etwa
lebensgrofse Darstellung nach den allerersten Gesetzen praktischer Perspektive verlangt, optisch
richtig wirken sollte, nicht durch ein glattes Ineinandertreiben heterogener Farben und durch ein
Glattmachen, sondern nur durch ein mehr oder weniger mosaikartiges Nebeneinandersetzen der
richtigen Töne und Farben erzielt werden könne, und dafs eine glatte Technik nicht den Mangel
der richtigen Halbtöne ersetzen könne, das war den guten Leuten nicht klar geworden.
Sie hatten noch nicht gelernt Farben zu sehen, da sie die Natur daraufhin noch nicht studirt
hatten, und auch die alten Meister brachten sie nicht auf den richtigen Weg. Sie sahen hier
weder das feine System der Localfarben, der Halbtöne und der Schatten, noch die sorgsame
Technik; weder bei Tizian, den sie immer im Munde führten mit seiner pastosen Untermalung
und seiner rauhen Leinwand, die dem Schnellmalenden gelegentlich das zeitraubende Impasto
ersetzen mufste, noch bei Rembrandt und seinen aufgemauerten Farbmassen und seinem Aus-
spruche: ,,Ich habe das Bild nicht gemalt, damit man daran riechen soll-', noch bei Franz Hals,
den sie freilich nicht anschauten mit seinen säbelhiebartigen Pinselstrichen, die noch den Bildern
des 80jährigen den unheimlich tollen Eindruck besoffener Lebendigkeit geben.
So kommt es, dafs alle die romantischen Bilder jeder technischen und coloristischen Eigenart
entbehren; denn, wie Müller von Königswinter erzählt, wenn ja einmal Einer eine neue Wirkung
von neuen Coloristenkünsten fand, dann ging die neue Entdeckung von Atelier zu Atelier. —
Vielleicht malte sie der glückliche Erfinder den Collegen selbst so lange in die Bilder, bis sie sie
begriffen hatten.
Für diese ganze uncoloristische Farbenverteilung ist die kleine Geschichte bezeichnend, die
von Mintrop erzählt wird, die aber jedem Anderen ebensogut hätte passiren können. Er hatte eine
Madonna auf der Staffelei, deren Gewandfarbe nicht der Tradition entsprach, doch war er zu
eigensinnig sie zu ändern; da malten ihm, während er auf einer Reise begriffen war, seine
Freunde das ganze Gewand in anderer Farbe um, also statt gelb etwa blau, und als Mintrop
zurückkam, merkte er es überhaupt gar nicht.
Köpfe, Gewänder. Waffen, Thiere, alles wurde nach bestimmter, aber immer nach möglichst
uncharakteristischer Schablone gemalt, zuweilen wurden Stickereien und dergleichen in einer fast
naiven Weise, die vielleicht gewissen alten Venezianern abgeguckt war, pastoser aufgesetzt, oder
die Landschafter versuchten ein schwaches, wohlüberlegtes und deshalb doppelt langweilig wir-
kendes Relief für den ,, Baumschlag", aber das machte die Sache nur noch unwahrscheinlicher.
191
Die oben erwähnte Art der braunen Untermalung, die wie alle schlechten Angewohnheiten
hartnäckig festsafs, war der eigentliche Feind einer coloristischen Entwicklung, und als man
schon viel später angefangen hatte, Farbe zu sehen und zu malen, da verfiel man zum Unglück
von der harmlosen Terra di Siena auf den gefährlichen Asphalt, in dessen tiefer Gluth alle Farben
brillanter aussahen, um desto sicherer und rettungslos bald in dem Alles durchfressenden Pech
zu ertrinken.
Die ersten Bestrebungen einer naturwahren und weniger conventioneilen Farbentechnik mufsten
sich an die ersten Bestrebungen anschliefsen, nicht die Poesie, sondern das Leben zu malen, und
so ist der erste gemalte wirkliche Stoff das zerrissene Leder an Don Quichotes Lehnsessel bei
Schrödter, aber darauf scheint Niemand geachtet zu haben, oder man verachtete es aufs tiefste.
Mit der Landschaft fing man an, eine Bildstimmung anzustreben. Man ahnte dunkel, dafs
nicht blofs draufsen etwa ein Gewitter sein könne, das das ganze Bild der Natur in einen
bestimmten Ton einhüllt, sondern dafs auch ein jedes gemalte Bild seinen Klang haben könne und
müsse, so wie das Bild der Natur in jedem Moment eine bestimmte Stimmung aufweist. Es
war das, was die französische paysage intime auf die Höhe trieb. Aber schon Weber versuchte
gelegentlich statt der braunen Sauce eine andere Farbenstimmung, eine schwärzlich grüne, die
gegen den zu dunkel blau gemalten Himmel doch in ziemlich richtigem Gegensatz stand. Zum
wirklichen Grün, wie es die Franzosen später in Spinatgrün übertrieben, und zu einem leuch-
tenden weifslichen Himmel hatte man natürlich noch nicht den Math, auch nicht den maltech-
nischen des unentbehrlichen Impasto.
192
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13
X. Kapitel
Die Landschaftsmalerei der älteren und mittleren Zeit
IE Landschaftsmalerei, die für Düsseldorf eine so grofse Bedeutung besitzt, die schon von
Beginn an im Genre- und im Schlachtenbild eine so hervorragende Rolle spielt, hat zu
Anfang einen ähnlichen Entwicklungsgang gehabt, wie die Historienmalerei. Nur erwiesen
sich die Principien, auf welche die Landschaftskunst des XIX. Jahrhunderts in Düssel-
dorf sich aufbaute, als solider und dauerhafter, als die der Historienmalerei. Das lag
in der Natur der Sache, da die Landschaftsmalerei niemals sich so weit von dem Vorbild, der
Natur, der Wahrheit draufsen, entfernen konnte, wie es die Figurenmalerei zu einer gewissen Zeit
gethan hat. So leitet die Betrachtung der Düsseldorfer Landschaftsmalerei fast unmerklich aus
den Anfängen in die neueste Zeit über, wobei denn freilich die in der Geschichte neuerer Kunst
einzig dastehende Thatsache mitwirkt, dafs zwei der ältesten Vertreter bis auf unsere Tage ihren
Einflufs geltend machen.
Zur kurfürstlichen Zeit wurde die Landschaft so gut wie gar nicht gepflegt. Der Klassicismus,
der in Frankreich und Italien immerhin eine gewisse Landschaftskunst im engen Anschlufs an
Poussin und Claude Lorrain hatte entstehen lassen, erwies sich am Niederrhein für diesen Zweig
der Malerei als ganz unfruchtbar. Es fehlte eben hier ganz und gar an Vorbildern, und die Natur
selbst, die wirkliche Landschaft war noch weniger geeignet, der theaterhaft phantastischen und
dabei doch dünnen und ärmlichen Prospectmalerei mit Ruinen, Säulen und ähnlichen Versatz-
stücken, wie sie jene Zeit liebte, entgegenzukommen.
Im Jahre 1783 besuchte Friedrich Georg Weitsch, der Sohn des famosen Pascha Weitsch,
die Düsseldorfer Akademie. Er hatte sich unter seinem Vater und H. W. Tischbein gebildet, in
Cassel Paul Potter, den sehr modernen Rosa di Tivoli und nebenher wahrscheinlich, weil ihm
der italianisirte Frankfurter zu derb war, die Gessnerschen Idyllen studirt. Vielleicht entstand in
Düsseldorf, wo er bei einem zweiten Aufenthalt zum Mitglied der Akademie ernannt wurde, eine
in der akademischen Sammlung befindliche ,, Idylle auf den Tod des Rafael Mengs". Es ist eine
braune Landschaft mit Bäumen, in deren Mitte ein Epitaph steht, ganz im Gessnerschen Idyllenstil.
Jedenfalls hat Weitsch keinen Einflufs ausgeübt, und was damals an Landschaften gemalt wurde,
erhob sich nicht über das Niveau der Dosen- und Tischplattenmalerei.
Cornelius lag die Landschaftsmalerei so fern wie möglich. Was er und seine Kunst von
der Landschaft wollte, war nicht derart, dafs es zu einer eigenen Landschaftsmalerei hätte führen
können, und auch Schadow hätte wahrscheinlich niemals selbständig hier eingewirkt, wenn er
nicht durch das eigenartige Talent zweier seiner Schüler dazu gezwungen worden wäre. Anfangs
hatte er diese Bestrebungen nicht sonderlich beachtet, sie aber mit dem Gewährenlassen, das
die erste Zeit seiner Lehrthätigkeit charakterisirt, wenigstens nicht unterdrückt, dann eine Zeitlang
sie sogar wohlwollend gefördert.
Es war C. F. Lessing, der auch hier den für Düsseldorf so neuen und noch unbekannten
Weg zuerst einschlug. Er hatte ja mit der Landschaftsmalerei begonnen und in ihr seine grofsen
ersten Erfolge errungen, und er hörte auch während der Düsseldorfer Schülerzeit nicht auf,
gewissermafsen zum Trost und zur Erholung, zu dieser seiner ersten Liebe immer wieder zurück-
zukehren. Auch ihn liefs die Mutter Erde, wie den Riesen der alten Fabel, immer wieder zu
neuer Kraft erstarken, wenn er, aus den nebeligen romantischen Regionen seiner ersten Zeit
herabgestürzt, sie berührt hatte. Seine Thätigkeit auch auf diesem Gebiete wurde schon gestreift.
195
Aber Lessing war keine lehrhafte Natur, seine Zurückgezogenheit machte ihn zu einem
Führer in irgend einem Sinne nicht geeignet, und in seinen Landschaften war das Persönhche
zu stark, als dafs er in jener unpersönlichen Zeit und Schule etwas Anderes als höchstens etwa
Nachahmer hätte heranbilden können. Was Lessing in dieser Hinsicht abging, das befafs dafür
ein anderer junger Künstler, den sein ganzes Wesen ausschliefslich auf die Landschaftsmalerei
hinwies, der im Anfang allerdings durch Lessing angeregt wurde, dann aber seine eigenen Wege
ging und bald als der eigentliche Lehrmeister und Gründer der Düsseldorfer Landschaftsmalerei
auftreten konnte, im höchsten Mafse.
Johann Wilhelm Schirmer war seit 1825 schon Schüler der Akademie, hatte sich aber auch
zunächst unter Kolbe, dann unter Schadow mit Evangelisten und ähnlichen Dingen abquälen
müssen. Schirmer war 1807 in Jülich, der alten Landeshauptstadt, als Sohn eines Buchbinders
geboren und als Buchbindergeselle nach Düsseldorf gekommen. Hier hatte ihm die Nähe der
Akademie die Gelegenheit gegeben, einem längst genährten Hang zur Kunst nachzugehen, und
er war ohne alle Hülfsmittel als Schüler eingetreten. W^ährend er am Tage in den Klassen sein
Pensum absolvirte, zeichnete er, durch Lessing angeregt, des Abends Landschaften und entschlofs
sich schliefslich. unter Zustimmung Schadows, sich ganz der Landschaftsmalerei zu widmen.
Im Jahre 1828 sandte er sein erstes grofses Bild, einen „Urwald", zur Berliner Ausstellung, das
dort zwar anerkannt, aber doch nicht in dem Mafse gelobt wurde, wie des schon berühmten
Lessings Arbeiten. Dafs es ein Urwald war, den der junge Mann an den Ufern der Dussel malte,
ist schon recht bezeichnend für sein ganzes W^esen. Man hat Lessing den romantischen Landschafts-
maler genannt. Schirmer den klassisch idealistischen und Andreas Achenbach, von dem noch die
Rede sein wird, einen Virtuosen. Damit war die wissenschaftliche Etiquette gefunden, aber weiter
auch nichts. Etwas davon mag ja auf Jeden zutreffen, aber gerade bei Schirmer ist die Bezeichnung
schon deshalb zu eng und unrichtig, weil er zu verschiedenen Zeiten sehr tiefgehende Wandlungen
durchgemacht und namentlich im Anfang den verschiedensten Einflüssen nachgegeben hat.
Lessing war allerdings insofern Romantiker, als er im Sinne der romantischen Figurenmalerei
häufig einen poetischen Gedanken in seinen Landschaften zum Ausdruck zu bringen suchte.
Dazu war ihm aber die figürliche Staffage meist unentbehrlich. W^o diese fehlte, bleibt als
romantischer Rest eine subjective beabsichtigte Stimmung, die nicht aus dem Anblick und aus
der Vertiefung in die Natur herausgeholt, sondern vom Künstler in sein Bild hineingetragen ist.
Das entspricht ebensosehr der Schule, als seiner Individualität. Lessing wäre jedenfalls auch
50 Jahre später kein Landschafter im modernen Sinne geworden, der sich der Naturstimmung
hingegeben und sie objectiv zu schildern sich bequemt haben würde, so wenig wie Schirmer,
den man danach ebensogut einen Romantiker nennen könnte.
Die Bezeichnung eines Klassicisten verdient Schirmer in denjenigen Bildern, bei denen er
im Anschlufs an Claude oder Poussin , .ethnographische" — biblische oder sonst orientalische
Landschaften zu malen versucht, doch nur zum Theil, denn niemals hat er auch hier unterlassen,
sich stets mehr an die Natur und zwar an die deutsche anzulehnen, die er häufig in ganz naiver
Weise für seine biblischen Bilder verwendet, als an die klassischen Vorbilder. Und gerade in
diesen biblischen Landschaften und ihren Staffagen ist etwas, das sie ebensogut nazarenerhaft
romantisch erscheinen läfst, wie klassisch - idealistisch. Die Hauptsache ist wohl, dafs auch
Schirmer sich selten mit dem Vorbild der Natur allein begnügt hat. Er componirte seine Land-
schaften ebenso sorgfältig, wie die Romantiker ihre Historienbilder; seine Farben und Beleuchtungs-
stimmungen sind nicht, wie fast immer bei Lessing, subjectiv empfunden, sondern überlegt, und
deshalb nicht immer überzeugend. Er ist Akademiker und baut seine Landschaften ganz consequent
nach den berühmten drei Gründen auf. Zuweilen erscheint er als richtiger Romantiker auch
darin, dafs er direct vom Theater beeinflufst ist. Manche seiner dahingehörigen Stücke könnten
ohne weiteres für Skizzen zu Theaterhintergründen gelten, und bei einigen seiner grofsen Land-
schaften zeigt sich geradezu das Princip der Coulisse: zu beiden Seiten grofse Massen, die sich
oben vereinigen und in der Mitte einen tiefen Durchblick frei lassen. Dabei, und das ist ein
Kennzeichen seiner ganzen Richtung und Schule, fehlt ihm das stereoskopische Sehen sowohl,
als das Festhalten an einem optischen Mittelpunkt, den Lessing zwar nicht in dem Mafse, wie
die moderne Landschaftsmalerei, aber doch intuitiv bis zu einem gewissen Grade festhält.
Bei Schirmer und den Seinen ist Vordergrund, Mittelgrund und Hintergrund aufs genaueste
durchstudirt, ebenso wie der für ,jAussichten" schwärmende Spaziergänger mit dem Fernglas vor
der Nase die verschiedenen Weiten durchnimmt und nachher von einer schönen Aussicht spricht,
wenn er sich die Natur in eine Landkarte verwandelt hat.
196
J. W. SCHIRMER
Das Wetterhorn
13'
J. W. SCHIRMER
Kleine Landschaft mit Thurm
Man kann in den Schirmerschen
Bildern die Blätter im Mittelgrund
noch ebensogut zählen, wie die Gras-
halme im Vordergrund, Alles ist treff-
lich gezeichnet und sorgsam gemalt,
es fehlt nicht einmal die farbige Be-
tonung der Luftperspective, wohl aber
die zeichnerische und damit der Ein-
druck der natürlichen Stimmung, den
selbst die braunsten und subjectivsten
Landschaften von Lessing noch geben.
Auch nach allen Dimensionen des
Bildes ist die Ausführung die gleiche
bis in die äufsersten Ecken der Bilder
hinein. Dafs das menschliche Auge
einen Kreis umfafst, war Schirmer
gleichgültig. Auch bei seinen zahl-
reichen und sehr geschätzten Radi-
rungen machen sich diese Eigen-
heiten bemerkbar, vielleicht noch
mehr als bei den Bildern, weil hier
die Manches ausgleichende Farbe fehlt. Aber gerade diese Sorgsamkeit in der Behandlung
der Zeichnung bis in das Kleinste liefsen Schirmer als Lehrer einer Landschaftsmalerei, die
sozusagen von vorne anfangen mufste, geeigneter erscheinen, als Lessing, und der ohne Zweifel
echt künstlerische und mächtige Eindruck, den seine Bilder, namentlich die umfangreicheren,
trotz alledem machen, beruht eben hauptsächlich auf der mit Ueberlegung aufgebauten
Composition, dem grofsen Zug der Linien und der Massenvertheilung, die das ängstliche Detail
vergessen machen.
Schirmer hat übrigens keineswegs mit der componirten Landschaft begonnen. Er malte
zuerst einfache Motive seiner Heimath, Schilfteiche, Saatfelder und dergl., und er wäre als
Autodidakt vielleicht ein Mitbegründer der famosen paysage intime geworden, welche die Franzosen
damals zu entdecken anfingen. Der Einflufs der Akademie führte ihn zur Composition, zu jenen
Urwäldern, die er nicht gesehen hatte, die er sich nach dem einzelnen Baume construirte, wie
die alten italienischen Maler ihre Gebirge nach einem Stein malten, den sie mit ins Atelier
nahmen. Zahlreiche Reisen, die er später unternahm, die ihn zuerst an den Rhein, die Ahr, in
die Eifel und auf den Hunsrück führten, dann aber weiter ausgedehnt wurden nach Paris und in
die Normandie, später sogar nach Italien, erweiterten seinen Gesichtskreis und seinen Motiven-
schatz. Auch gelang es ihm späterhin, den Charakter der Landschaft in der Farbenstimmung
zu treffen, ohne dafs er doch jemals unternommen hätte, eine realistische Landschaft, wenn auch
nur in dem Sinne zu malen, wie es etwa Lessing späterhin häufig genug gethan hat.
Eine Aufzählung seiner Bilder, wie sie etwa \Viegmann giebt, läfst erkennen, wie Schirmer
in rastlosem Fleifs die Eindrücke aller seiner Reisen künstlerisch verwerthete. Seit seiner ersten
Schweizer Reise malte er einige grofs angelegte Schweizerbilder, von denen ,,Das Wetterhorn"
seine Eigenart nach jeder Richtung mit am deutlichsten erkennen läfst. In der Art und Weise,
wie der im Sinne der Zeit braun gemalte Vorder- und Mittelgrund in den auffallend naturalistisch
farbigen Hintergrund mit der Bergmasse des Wetterhorns übergeht, zeigt sich eine technische und
coloristische Gewandtheit, welche die der meisten Historienmaler jener Zeit bei weitem übertrifft.
Merkwürdig ist auch bei diesem, wie bei manchen andern Bildern jener Zeit der Umstand, dafs
Luft und Hintergrund häufig durchaus naturalistisch gefärbt sind, während im Vordergrund,
namentlich im Laubwerk, die braune Modemalerei überwiegt. Grüne Bäume und Wiesen zu
malen, galt eben einfach als unkünstlerisch. Grün war nicht schön, und nach dem berühmten
Lehrsatz, dafs grün und blau nicht ,, zusammen stimmt", wurde dem blauen Himmel das Grün
der Bäume geopfert. Uebrigens war ja auch ein Hauptvorwurf, der Böcklin noch in den 70er Jahren
gemacht wurde, der, dafs er die Wiesen so ,, grasgrün" male. Ein Beweis, dafs Böcklin bei seinem
kurzen Aufenthalt in Düsseldorf 1846 und als Schüler Schirmers wohl sich dessen grofsen Zug
in der componirten Landschaft angeeignet, die Einseitigkeit der Farbe aber unter den Eindrücken
seines späteren bewegten Lebens sehr bald gründlich abgelegt hat.
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Schirmer folgte im Jahre 1854 einer Berufung nach Karlsruhe, um dort die Einrichtung und
Leitung einer Kunstschule zu übernehmen, die also ihrem Ursprung nach als eine Tochterschule
der Düsseldorfer Akademie zu betrachten ist. Und vielleicht läfst sich die vorzugsweise Pflege
der Landschaftsmalerei in Karlsruhe noch auf den traditionell gebliebenen Einflufs des ersten
Directors zurückführen.
Von den zahlreichen Schülern, die Schirmer in Düsseldorf zurückliefs, waren die meisten
damals schon ihre eigenen Wege gegangen. Es liegt im Wesen der Landschaftsmalerei, dafs sie
sich auf die Dauer nicht dem zwingenden Einflufs der Natur entziehen kann. Unter den Land-
schaftsmalern in Düsseldorf bildete sich frühzeitig die Sitte aus, gewisse Studienplätze aufzusuchen
und festzuhalten. Das begünstigte einerseits ohne Zweifel ein intimes Eingehen auf die Natur,
anderseits eine gewisse Einförmigkeit in der Wahl der Motive, aber beides wirkte zusammen,
um die Düsseldorfer Landschaftsmalerei sehr bald jene Bedeutung erlangen zu lassen, die sie
länger als ein halbes Jahrhundert an der Spitze der deutschen Landschaftskunst erhalten hat.
Unter den ältesten Mitgliedern der Schirmerschule befindet sich gleich eine Reihe von
Künstlern, deren Schaffen und Einflufs bis in unsere Tage hineinreicht. Ihnen allen gemeinsam
ist die sorgsame Zeichnung, die Vorliebe für Composition in der Landschaft, die sich selbst bei
sogenannten Porträtlandschaften und Vedouten wenigstens im Anbringen eines sogenannten Vorder-
grundes, der häufig geradezu typisch ist und als Vordergrundstudie eine besondere Rolle in den
Vorarbeiten einnimmt, ausspricht und eine mehr oder weniger übersetzte Farbe.
Der berühmteste aller Schirmerschüler, Arnold Böcklin, geboren 1827 in Basel, gestorben igoi,
wurde schon genannt. Er ist über das Mafs dessen, was ihm bei seinem kurzen Aufenthalt in
Düsseldorf Hildebrandt, bei dem er zuerst eintrat, und später Schirmer bieten konnten, weit
hinausgewachsen und sein Ruhm begann erst, als Schirmer und die Seinen fast vergessen waren.
Dennoch ist nicht nur das romantisch-phantastische Element in Böcklins Kunst der alten Düsseldorfer
Romantik nahe verwandt, es zeigen sich auch in seiner Vorliebe für grofse Züge in der Land-
schaft, für mächtige Baumgruppen, selbst in später Zeit noch die Spuren Schirmerschen Geistes.
Merkwürdig ist, was Rudolf Schick Böcklin von seinem Düsseldorfer Aufenthalt erzählen
läfst, nämlich, dafs er vom Neide seiner Mitschüler Aergernifs zu erdulden gehabt und dafs ihm
Schirmer selbst gerathen habe, überhaupt von Düsseldorf fortzugehen nach Belgien, ein Zeichen,
wie weit der Fremdenhafs gegangen ist. Böcklin hatte in Düsseldorf ein Bild für etwa 40 Thaler
verkauft und ..das gab ihm Muth"; und er verliefs Düsseldorf in der That und für immer und
nicht zu seinem Schaden.
Von den in Düsseldorf, sei es bis an ihr Lebensende, sei es wenigstens für längere Jahre
Verbliebenen sind Schulten, Pose, Scheins, Funk, Leu, Weber, die beiden Lasinsky, August Becker,
Scheuren und Hilgers wohl die bekanntesten Jünger der eigentlichen Schirmerschule. Ihre Bilder,
vielfach vom Kunstverein angekauft und verloost, erfreuen sich noch heute der gröfsten Werth-
schätzung ihrer Besitzer, und gerade einige der jüngsten Bestrebungen in der Landschaftsmalerei,
wenn auch nicht der Düsseldorfer, gehen wieder auf die poesievolle, wenn auch nicht immer
gerade tiefe Naturempfindung der alten Düsseldorfer zurück. Es ist bezeichnend, dafs, während
die Führer der Historie fast alle Ostländer waren, die meisten der Landschaftsmaler bis auf
Lessing, der ja auch hier eine gesonderte Stellung einnahm, und Leu, Rheinländer oder Westfalen
waren. Somit wäre denn auch hierdurch die Stellung der Düsseldorfer Landschaftsmalerei als
einer eingeborenen Kunst charakterisirt. Auch ist es eigenthümlich. dafs die meisten der Genannten
in demselben Decennium, zwischen 1809 und 1819 geboren wurden, also gewissermafsen eine alte
Garde bildeten, die wohl geeignet war, den Stamm einer Schule zu bilden.
Eine Aufzählung ihrer unendlich zahlreichen Bilder, denn grofse Productivität war damals
wie heute eine Haupteigenschaft der Düsseldorfer Landschaftsmaler, ist bei ihnen noch weniger
am Platze, als bei den Figurenmalern. Die glückliche Angewohnheit der modernen Künstler, ihren
Namen auf allen ihren Bildern anzubringen, überhebt die Kunstgeschichte der undankbaren und
höchst schwierigen Arbeit, eine Charakteristik der einzelnen zu versuchen. Höchstens nach den
bevorzugten Studienplätzen und Hauptmotiven wären sie zu unterscheiden.
So liebte Schulten W^aldscenen aus der Umgegend Düsseldorfs oder der bayrischen Gebirgs-
seen, die er mit Jagden oder Vieh zu staffiren pflegte. Auch Pose malte Vieles aus Bayern, er
liefs sich schon ziemlich früh auf Grund der Zwistigkeiten mit der Akademie in Frankfurt nieder,
ebenso wie Funk, der von da aus als Professor nach Stuttgart berufen wurde. Scheins war
Romantiker, wenn auch in engen Grenzen. Er bevorzugte Mondschein-. Gewitter- und Schnee-
stimmungen.
Eine Sonderstellung nahm August Weber insofern ein, als er erst verhältnifsmäfsig spät, 1838,
nach Düsseldorf kam (er war 1817 in Frankfurt geboren) und hier gewissermafsen von neuem und
selbständig eine stilistische Richtung einschlug, die vor der Schirmersclien den Vorzug gröfserer
Innigkeit und einer originelleren Farbe hat. Freilich geht dieselbe zuweilen in eine solche Tiefe,
dafs manche Bilder heute fast schwarz, oder doch unnatürlich dunkel erscheinen. Ob davon
Einiges auf Rechnung der Farbenveränderung zu setzen ist, mag dahingestellt sein.
Karl Hilgers, der 1818 in Düsseldorf geboren war und 1833 die Akademie besucht hatte, lebte,
fast ununterbrochen thätig, bis zum Jahre 1890. Er war bis in die letzte Zeit einer der populärsten
Landschaftsmaler, man sah seine Bilder überall, und alle, selbst die, welche er später unter dem
Druck ungünstiger Verhältnisse flüchtig hinmalte, überraschen durch Schönheit des Tons und
geistreiche Staffage. In seinen besten Jahren malte Hilgers grofse Bilder von schöner Wirkung.
Holland mit seinen malerischen Kanälen und dem lustigen, winterlichen Treiben auf ihnen, gab
häufig die Motive, wie auch das Studium der alten holländischen Meister bei Hilgers unver-
kennbar ist.
Der vielseitigste und romantischste aus dieser immerhin halbromantischen Gruppe war
Joh. Caspar Nepomuk Scheuren, geboren zu Aachen 1810 als Sohn eines Zeichenlehrers und
Decorationsmalers, gestorben 1887. Mehr als irgend ein Anderer verdient Scheuren den Namen
eines Stilisten und zwar vorzugsweise in den zahlreichen leicht aquarellirten Zeichnungen und
Diplomen, die er zum grofsen Beifall der Zeitgenossen entwarf. Seine Bilder, deren Motive er
in Holland, Tirol und Italien fand, suchen harmonische Stimmungen, wie sie dem Charakter der
Schirmerschule entsprechen. Höchst originell sind die zwar stark manierirten, aber in einem
gewissen grofsen Stil entworfenen Landschaftszeichnungen, die in dem berühmt gewordenen
Rheinalbum ihre Höhe erreichten. In 25 Blättern, die zum Theil von grofsem Stimmungsreiz
sind, ist hier eine Schilderung des Rheines gegeben, die noch heute künstlerisch unerreicht
dasteht. Die von Sonderland gearbeiteten Lithographien sind stellenweise von überraschender
Schönheit der Farbe und geben einen Begriff von der Höhe, welche die später fast ganz vergessene,
erst in den letzten Jahren wieder zu Ehren gekommene Technik damals schon erreicht hatte.
Schirmers Nachfolger als akademischer Lehrer wurde der Norweger Hans F. Gude. Etwas
jünger als seine deutschen Collegen, er war 1825 in Christiania geboren, kam er erst 1841 nach
Düsseldorf, wo er Privatschüler von Schirmer wurde und sich auch seinem Landsmann Tidemand
anschlofs. In den folgenden Jahren machte er längere Studienreisen in seine Heimath, deren
Motive er fast ausschliefslich behandelte. Als Schirmer nach Karlsruhe übersiedelte, wurde er
von Schadow als Lehrer der Landschaftsklasse berufen und wirkte als solcher bis 1862. Zwei Jahre
später ging er ebenfalls nach Karlsruhe und von da nach Berlin, wo er noch heute lebt. Gude
stand in seinen ersten Bildern ziemlich unter dem Einflufs Schirmers, den er nur an Helligkeit
der Farbe übertraf. Er selbst beeinflufste damals die Düsseldorfer Malerei weniger nach der
künstlerischen Seite als nach der inhaltlichen. Durch ihn und Tidemand wurde Norwegen Mode,
und aus jener Zeit stammt die Vorliebe für Fjorde, norwegische Seen- und Gebirgsbilder, die sich
bis heute erhalten hat. Auch A. Achenbach hat in der ersten Zeit Norwegen bevorzugt, allerdings
eigenthümlicherweise schon bevor Gude nach Düsseldorf gekommen war, so dafs den Norwegern
schon der Boden in Düsseldorf geebnet war. Vielleicht ein Grund mehr für den lebhaften Zuzug
nordischer Maler.
Norwegen bevorzugte auch der in Darmstadt 1822 geborene, seit 1840 in Düsseldorf ansässige
August Becker. Er bereiste seit 1844 diesen seinen Hauptstudienplatz, ferner die Schweiz, Tirol
und das bayrische Hochgebirge, wo er überall Studien zu seinen auf das Grofsartige gerichteten
Gebirgsscenen sammelte.
Er war bis 1887 in Düsseldorf thätig und hatte noch in den letzten Jahren seine Studienreisen
bis nach Rumänien ausgedehnt. Zu den norwegischen Gebirgsmalern gehört femer A. W. Leu, der
auch noch Schüler von Schirmer war und in seinen Bildern den Charakter der Gebirgsnatur wohl
zu treffen wufste, wenn er nicht durch eine etwas zu glatte Malweise ins Süfsliche gerieth. Er
war 1818 in Münster geboren, kam 1840 nach Düsseldorf und siedelte 1882 nach Berlin über.
Künstlerisch stärker und in seinem W^irken bedeutender war Graf Stanislaus Kaikreuth
(geb. 1821 in Koznim in Posen). Zuerst Offizier, wurde er durch den Landschaftsmaler Eduard
Hildebrandt an dessen Lehrer W. Krause empfohlen, ging aber bald nach Düsseldorf, wo er seit
1846 unter Schirmer arbeitete, bald selbständig wurde, und sich auf grofsen Studienreisen nach
Oberitalien, Tyrol und der Schweiz weiterbildete. Auch er ist vorzugsweise Gebirgsmaler, und
von den Genannten entschieden derjenige, dessen Arbeiten der heutigen Naturbetrachtung am
203
nächsten kommen. 1860 wurde er vom Grofsherzog von Weimar mit der Errichtung emer Kunst-
schule in Weimar beauftragt, die er durch Berufung hervorragender Künstler wie Böcklin,
Lenbach, R. Begas,- Gussow u. s. w. schnell zu einer gewissen Bedeutung brachte. So ist auch
die heute noch angesehene Weimarer Schule eigentlich eine Colonie von Düsseldorf. Er starb
1894 in München. Der jetzt als Akademiedirector in Stuttgart lebende Maler dieses Namens
ist sein Sohn.
Romantiker von reinstem Wasser war August von Wille, 1829 in Cassel geboren, und seit
1847 mit Unterbrechungen in Düsseldorf ansässig. In seinen Motiven, die er vielfach vom Rhein
und der Mosel entnahm, schliefst er sich an Hilgers und mehr noch an Scheuren an. mit denen
er auch an Stärke der Farbe concurrirt. Auch seine Vielseitigkeit, die ihn Landschaft und
Architektur, aber auch Genrescenen mit gleicher, für die damalige Zeit fast virtuos zu nennender
Fertigkeit behandeln liefs, erinnert an die Genannten und den romantischen Zug der Genremalerei
überhaupt. Als landschaftlicher Zeichner war von Wille entschieden einer der Bedeutendsten
seiner Zeit. Das beweisen die im Verlage von W^. Otto herausgegebenen, mit der Rohrfeder
gezeichneten Ansichten „Romantik des Rheins und der Mosel" und zahlreiche Illustrationen von
seiner Hand. Er starb 1887.
Fritz Ebel hat für lange Zeit der Düsseldorfer Landschaftsmalerei älteren Stils die Richtung
gegeben. Er war 1835 in Oberhessen geboren, sudirte zuerst in Darmstadt, dann von 1857 — 61 in
Carlsruhe unter Schirmer, worauf er sich in Düsseldorf niederliefs und hier in bemerkenswerther
Productivität seine meist auch Waldmotive darstellenden Bilder malte. Er starb 1895. Vielseitiger
war Carl Jungheim, geboren 1830 zu Düsseldorf, Schüler von Schadow und Schirmer. Er hatte
zuerst mit schwierigen Verhältnissen zu kämpfen, arbeitete sich aber mit grofser Energie durch
und malte die verschiedensten Motive. Genannt werden vorzugsweise tiroler Bilder, ,,W^asser-
fälle", „Abendlandschaft bei Salzburg", „W^allenstädter See", ,,Gosau-See", dann auch italienische
Motive, zu denen er durch Oswald Achenbach angeregt wurde, ,,Capri", ,,Sorrent" u. s. w. Jungheim
starb i886.
Etwas abseits von diesen steht der hochbegabte, aber früh verstorbene Alfred Chavannes,
der als geborener Schweizer (1835 geboren in Moudon) zuerst Schüler von Calame war, dann nach
Düsseldorf kam, wo er im Sinne seines Lehrers einige vortreffliche, auch coloristisch hervor-
ragende Bilder malte.
Bei allem Verdienst, das jene Künstler für ihre Zeit hatten, gehören sie doch jetzt fast
alle in ihrer Kunst der Vergangenheit an. Ihre Bilder bezeichnen eine ruhmvolle Epoche, sie
werden vielleicht auch einmal wieder
als kunstgeschichtlich interessante
Werke hervorgesucht werden, aber
wie jene Männer selbst meist vom
Schauplatz abgetreten sind, so ist ihre
Weise, die Natur zu sehen und wieder-
zugeben, vorläufig eine überwundene.
Lessing und Weber stehen dem
heutigen Empfinden, das ja seit
einigen Jahren wieder eine langsame
W^endung zum Romantischen nimmt,
vielleicht noch am nächsten.
Zwei Künstler, die jener Rich-
tung angehören, haben es verstanden,
sich dem modernen Empfinden anzu-
bequemen. Sie sind beide Schirmer-
schüler. Karl Ludwig Fahrbach, ge-
boren 1835 in Heidelberg, studirte
zuerst in Karlsruhe bei Schirmer
und kam dann 1867 nach Düsseldorf,
wo er ganz im Sinne seines Meisters,
später allerdings in mehr natura-
ANDREAS ACHENBACH listischer Auffassung, Hochgebirge
Untergang des „Präsident" und Waldbilder malte, SO den ,,Waz-
(Aus dem Besitze von Eduard Schulte, Düsseldorf, Berlin und Köln) mann" 1876, für den Malkasten das
204
ANDREAS ACHENBACH
Gebirgslandschaft
grofse, decorativ wirkungsvolle Bild „Schlofsgraben in Heidelberg". Vier grofse Wandbilder ent-
standen für Privatbesitz in Bergisch-Gladbach, und viele seiner Bilder zieren öffentliche Galerien.
Fahrbach ist noch rüstig thätig, während Hermann Pohle (geb. 1831) im Jahre igoi starb, nachdem
er bis in die letzte Zeit nicht ohne Glück seine liebenswürdigen und heiter gefärbten Wald- und
Parklandschaften gemalt hat.
Die einzigen derselben Zeit entstammenden Künstler, die eine geradezu phänomenale, in der
Kunstgeschichte fast einzig dastehende Kraft und Beweglichkeit über den Wechsel von mehr als
einem halben Jahrhundert hinweggeführt und sie während dieser ganzen Zeit an der Spitze von
fast drei Generationen erhalten hat, sind die Brüder Andreas und Oswald Achenbach.
Bewundernswerth ist namentlich bei Andreas Achenbach die Vielseitigkeit, die gleicher-
mafsen ein Erbtheil des Genies, wie des dilettantenhaften Talents zu sein scheint, bei diesem zu
unfruchtbarem Hin- und Hertasten führt, jenes aber auf den verschiedensten Gebieten Triumphe
feiern läfst. Es giebt kaum ein Gebiet der Landschaftsmalerei, das A. Achenbach nicht berührt
und auf dem er nicht Werke allerersten Ranges geschaffen hat. Eine Arbeitskraft sonder-
gleichen, die das Menzelsche Wort ,,Fleifs ist Talent" zu bestätigen scheint, hat während seines
langen Lebens eine fast unübersehbare Reihe von Bildern jeder Grofse und von fast jeder Art der
Ausführung, von dem bis ins Kleinste durchgearbeiteten Bilde bis zur flott hingeworfenen skizzen-
artigen Stimmungsstudie entstehen lassen. Allen seinen Werken gemeinsam, und das ist das
eigentlich Charakteristische bei A. Achenbach, ist der eminente Schwung der Darstellung, eine
durchaus persönliche kraftvolle Auffassung, kurz die immer sichtbare Handschrift des Genies, die
das Werk über alle Modeanschauungen und das Gefasel eines ephemeren Journalismus hinweg-
hebt. Die Bilder Achenbachs werden nie ein überwundener Standpunkt sein. Man mag heute
von der Marinemalerei die Lösung anderer coloristischen Aufgaben fordern, man mag bei
manchen Schiffsbildern Achenbachs an der Takelage oder sonstigen, ähnlich wichtigen Sachen
Fehler entdecken, kein Verständiger und Kunstsinniger wird sich dem Eindruck entziehen können,
dafs er dem W^erk eines grofsen Künstlers gegenübersteht, der über die ängstliche Richtigkeit des
Details ebenso erhaben ist, wie über die Mode des Tages. Wenn man eine Vergleichung mit
A. Achenbach in der Kunstgeschichte suchen wollte, so würde man nur an Rubens denken
können. Nur bei Rubens findet sich in gleichem Mafse diese gesunde Freude am Malen wieder,
das Schwelgen in mächtigen Formen, gewaltigen Bewegungen und durchaus subjectiven Compo-
sitionen. Nur dafs. was für Rubens der Mensch war, für Achenbach das Wasser, die Welle und
die Luft ist.
Andreas Achenbach wurde geboren zu Cassel 1815. Die Verhältnisse führten die Familie
früh nach Rufsland und von da seit 1823 nach Düsseldorf, wo der Knabe schon mit zwölf Jahren
die Akademie zu besuchen anfing, da sein grofses Zeichentalent auf den zu erwählenden Beruf
hinwies, der bei dem sicher erhofften und bald auch eintretenden Aufschwung der Malerei als
ein einträglicher erschien. Ein paar Jahre mufste er sich freilich unter Lehrern wie Kolbe und
Schäffer herumquälen, und auch später, als er von Schadow und Schirmer corrigirt wurde, kam
es noch zu keinen erfreulichen Resultaten. So begann Achenbach frühzeitig selbständig zu malen,
und hatte die Freude, eines seiner ersten Bilder auf der Ausstellung des eben gegründeten Kunst-
vereins 1829 zu verkaufen. Die nächsten Jahre brachten verschiedene andere Erfolge, durch die
mehrere Studienreisen ermöglicht wurden. Auf diesen sah Achenbach wieder das Meer, die
Ostsee, und dann in Holland die Nordsee. Gleichzeitig fand sich die Gelegenheit zu den ersten
Studien der alten holländischen Landschaftsmaler, zu denen sich der junge Mann aufs lebhafteste
hingezogen fühlte.
In Düsseldorf besuchte er dann wieder die Schirmersche Klasse, trotzdem seine sich
mehrenden Erfolge ihm gestattet hätten, sich auf eigene Füfse zu stellen. Aber das von den
Historienmalern geübte System, möglichst lange die akademischen Ateliers festzuhalten, wurde
vielfach auch von den Landschaftsmalern nachgeahmt. Um diese Zeit traten aber die bekannten
Reibereien zwischen den Ostländern und den Rheinländern ein, und Achenbach war einer von
den Ersten, die ebenso, wie der ihm befreundete Rethel, grollend Düsseldorf verliefsen. Er ging
zuerst nach München, dann aber folgte er Rethel nach Frankfurt, wo er ein in München
begonnenes Bild ,, Seesturm an der norwegischen Küste", das noch heute eine Zierde der dortigen
Sammlung bildet, vollendete. Freilich hatte Achenbach die norwegischen Felsen vorläufig noch aus
der ,, Tiefe des Gemüthes" gemalt, da er noch gar nicht in Norwegen gewesen war. Bald darauf
entstand das in der Düsseldorfer Kunsthalle befindliche Bild ,,Hardanger Fjord", das in der Farbe
und auch in der Auffassung eine deutliche Anlehnung an Lessing zeigt, zu dem Achenbach ohnehin
207
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in der ersten Zeit viel
mehr hinneigt, als zu
Schirmer. In dem grofsen
Bilde „Untergang des
Präsidenten" schuf er
dann das Werk, das ihn
zum berühmten Manne
machte. 1843 suchte
Achenbach Italien auf und
von jener Reise stammen
eine Reihe Bilder mit
italienischen Motiven, die
ihn aber nicht lange
fesselten. Sehr eigenartig
und in der Grofsartigkeit
der Behandlung, den
mächtigen Motiven ent-
sprechend, sind zwei
grofse decorativ gehaltene
Aquarelle aus jener Zeit,
den ,, Aetna" und den
,, Monte Pellegrino" dar-
stellend. In Rom bereitete
sich auch sein Uebertritt
zum Katholicismus vor,
der freilich wohl einer
anderen Gemüthsrichtung
entstammen mochte, als
die Conversionen der
Nazarener.
In die Heimath zurückgekehrt, suchte Achenbach mit Vorliebe immer wieder die Motive
der heimischen Landschaft und der nordischen Meere auf und entwickelte sich so zu dem
Seemaler par excellence, als welcher er seit einem halben Jahrhundert dieses Gebiet behandelt.
Von seinem Beispiel und Vorgang ist mehr oder weniger die ganze deutsche Marinemalerei
beeinflufst, und besonders in Düsseldorf hat kaum ein Marinemaler bis auf imsere Tage
gearbeitet, der nicht bewufst oder unbewufst von A. Achenbach abhängig gewesen ist oder doch
von ihm gelernt hat.
Dennoch hat Achenbach zu keiner Zeit ausschliefslich Seestücke gemalt. Noch 1866 entstand
die ,,Erftlandschaft", ein Motiv aus der näheren Umgebung Düsseldorfs, in dem Achenbach
gewissermafsen das Facit zog aus der ganzen Düsseldorfer Landschaftsmalerei und ein Werk
von unübertroffener Schönheit schuf.
Auch als Figurenmaler ist Achenbach mit Glück thätig gewesen. Nicht nur hat er die
Staffagen seiner Bilder, holländische Fischer u. s. w., in einer Lebendigkeit der Action und Voll-
endung der Zeichnung ausgeführt, die manchen Genremaler beschämen kann, er hat auch gelegentlich
Figurenbilder von gröfstem coloristischem Reiz gemalt, so eine Scene aus der Lambertuskirche,
in der er den ganzen mystischen Prunk des katholischen Gottesdienstes auf eine kleine Leinwand
zu bannen verstanden hat.
Es ist fast selbstverständlich, dafs Achenbach alle Techniken der malenden und zeichnenden
Künste meisterhaft beherrscht. Zeugnifs davon geben zahlreiche Aquarelle, von den grofsen
sicilianischen bis zu kleinen fein ausgeführten Blättern. Ferner hat Achenbach mit gröfstem
Erfolg auf Stein gezeichnet und radirt, und seine Caricaturen bilden noch jetzt einen unüber-
trefflichen Schatz von heiterem Material aus den Zeiten, da der Künstler auch gesellschaftlich im
Mittelpunkt und an der Spitze der Düsseldorfer Künstlerschaft stand.
An Achenbach sind die Wandlungen, welche die Malerei in den letzten 50 Jahren durch-
gemacht hat, keineswegs spurlos vorüber gegangen. Nicht in dem Sinne, als ob sie ihn direct
beeinflufst und jemals seiijem innersten W^esen untreu gemacht hätten. Aber Achenbach ist
gewissermafsen gleichzeitig mit den Fortschritten, die die Kunst gemacht hat, gewachsen. Er
ANDREAS ACHENBACH
Marine
208
war immer noch kühner, als die kühnsten Fortschrittler und Secessionisten, und als die Malerei
sich dem Studium von Farben und Lichtproblemen hingab, da war Achenbach einer der Ersten,
der mit den überraschendsten Lösungen der schwierigsten Aufgaben auftrat. Seine geradezu
phänomenale- Productivität liefs ihn mit der Zeit eine Technik gewinnen, die es ihm gestattete,
alle jene Experimente, die Andere mühsam an einem Bilde versuchten, immer an einer ganzen
Reihe von vollendeten Kunstwerken auszuführen.
Entsprechend der immer wachsenden Schnelligkeit, mit der Achenbach arbeitete, entwickelte
sich seine Malweise zu immer gröfserer Breite, ohne dafs dies die künstlerische Vollendung seiner
Arbeiten beeinträchtigt hätte. Während seine ersten Bilder eine fast miniaturartige Feinheit der
Ausführung zeigen, lernt er allmählich die malerischen Wirkungen einer breiten Pinselführung
und eines starken Impasto kennen, welches er stellenweise schon früh mit einem Raffinement anzu-
wenden verstand, das ihm vor 30 Jahren den Namen eines Virtuosen eintrug. Diesen Namen
verdient er allerdings nach der rein technischen Seite, ohne dafs die unfreundliche Nebenbedeutung
eines blofs auf die Technik speculirenden, ohne eigene künstlerische Individualität und Tiefe
arbeitenden Machers aui ihn Anwendung finden kann. Achenbach ist nicht anders Virtuose, als
wie es alle grofsen Malkünstler von Rubens bis Tiepolo gewesen sind, und dafs er seine Handschrift
nirgends verleugnet, kann nur ein gänzliches Verkennen seines Wesens mit Manierismus bezeichnen,
denn Niemand versteht es besser, die ,, Manier" zu malen, mit dem Gegenstand in Einklang zu
bringen, als Achenbach, und das ist doch wohl gerade das Gegentheil von Manierismus.
Trotz des ungeheuren Einflusses, den Achenbach mit seinen Werken ausübte, hat er nur
ganz wenige eigentliche Schüler gebildet. Der Grund dazu liegt einerseits in der selbst bis in
die Nächte hinein fortgesetzten, seine ganze Zeit in Anspruch nehmenden, eigenen schaffenden
Thätigkeit des Meisters, anderseits vielleicht in einer gewissen allzu grofsen Schärfe des Urtheils,
die er unnachsichtlich, wie gegen sich, so gegen Andere richtete, die ihn selbst zu der Höhe
seiner Künstlerschaft hat erwachsen lassen, die aber auf Anfänger und Schüler erkältend und ab-
stofsend wirken mufste. Nur sein jüngerer Bruder Oswald und Alb. Flamm werden als seine
eigentlichen Schüler bezeichnet, und in Oswald Achenbach wiederholt sich ein ähnliches Phänomen
umfassender Vielseitigkeit und gröfster Productivität bei vollendeter Künstlerschaft, wie bei Andreas.
Oswald Achenbach
wurde 1827 in Düsseldorf
geboren, besuchte von
183g bis 1841 die akade-
mischen Zeichenklassen,
lernte aber das Malen
bei seinem damals sich
schon eines grofsen Rufes
und schöner Erfolge er-
freuenden Bruder und
förderte sich dann selb-
ständig auf vielfachen
Reisen. Diese führten
ihn immer tiefer in den
Süden, bis er in der
Gegend von Neapel sein
eigentliches Studienfeld
fand, das er von nun an
zwar nicht ausschliefslich,
aber sichtlich mit der
gröfsten und nie nach-
lassender Vorliebe bear-
beitete.
Oswald Achenbachs
Künstlernatur ist im Ver-
gleich zu der seines
älteren Bruders weicher,
in den ersten grofsen Andreas achenbach
Bildern fast romantisch Festtag in Ostende
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209
ANDREAS ACHENBACH
Mondnacht
oder selbst sentimental. Man möchte in ihnen die Liebe des Künstlers zur Musik wiederzufinden
glauben, vor allem in der Neigung für gewisse weiche farbige Effecte, die er in zarten, zuweilen
selbst süfslichen Stimmungen, wie sie allerdings der Natur Süditaliens hier und da entsprechen,
behandelt und später erst zu stärksten Contrasten entwickelt. Man hat Oswald Achenbach
vorgeworfen,
dafs seine süd-
italischen Motive
nicht natura-
listisch in der
Farbe seien, selbst
wenn er natura-
listische Strafsen-
scenen, die er
mit vortrefflichen
Staffagen belebt,
darstellt.
In der That
steigert er gele-
gentlich die ohne-
hin schon farbigen
südlichen Effecte
bis fast zur Bunt-
heit. Ein überaus
reizbarer Farben-
sinn scheint bei
ihm auf alle colo-
ristischen Ein-
drücke stärker zu
OSWALD ACHENBACH
Grabmal der Cäcilia Metella
reagiren als bei
Anderen, aberden-
noch hat kaum ein
Künstler jemals
eine eigenartige
und unendlich
malerische Natur
so in ihrem
innersten und
eigensten ^A^esen
erfafst, wie Oswald
Achenbach die
süditalienische,
besonders die
neapolitanische
in all' ihren Ver-
schiedenheiten,
von den sonnigen,
zuweilen fast har-
ten blauen Meeres-
stimmungen bis
zu den glühenden
Sonnenunter-
gängen, wenn die
Strahlen der sinkenden Sonne auf den von weifsem Staube erfüllten Strafsen die merkwürdigsten
Licht- und Farbenphänomen erzeugen. So sind die besten Bilder von Oswald Achenbach in dem
Sinne zuweilen wahrer, als die Natur selbst, als sie gewissermafsen einen Extract ihrer ganzen
sonnigen Schönheit bieten. Oswald Achenbach hat sich in ähnlicher Vielseitigkeit, wie sein
Bruder, nicht auf Süditalien beschränkt. Noch in den letzten Jahren sind eine grofse Anzahl
zarte duftige
Poesie eines rhei-
nischen Sommer-
tages. Auch Vene-
dig, das in seiner
wunderlichen
Mischung von
Wasser und Stei-
nen, von Kanälen,
Kirchen und Pa-
lästen in seinen
theils sonnigen,
theils trüben ocea-
nischen Stim-
mungen, in seinem
Durcheinander
von höchster Ele-
ganz und italie-
nischer Volks-
armuth auf den
Strafsen, ein uner-
schöpflicher
Fundort künstle-
rischer Motive ist.
von Bildern ent-
standen, deren Mo-
tive der Schweiz
und selbst dem
Mittelrhein ent-
nommen sind, in
denen der grofse
Colorist Probleme
zu lösen versucht
und auch wirklich
löst, die den far-
bigen Stimmungen
seiner italie-
nischen Bilder ge-
radezuentgegenge-
setzt sind ; so wenn
er eine nächtliche
Schweizergebirgs-
scene mit schnee-
bedeckten Bergen
im Hintergrund,
über denen der
i^Mond aufgeht,
schildert, oder die
OSWALD ACHENBACH
Blick auf den Vatican
211
hat Oswald Achenbach mit einer Wahrheit gemalt, wie keiner der zahlreichen venetianischen
Maler, die sich unermüdlich selbst copiren und aus dem engen Zirkel zwischen Marcusdom,
Piazetta, einem Kanal und einem Fischerboot nicht herauskommen zu können scheinen.
Oswald Achenbach hat auch eine Zeitlang als akademischer Lehrer gewirkt. Nach Gudes
Abgang war Carl Irmer vorübergehend mit der Leitung der Landschaftsklasse betraut und dann
Oswald Achenbach dafür gewonnen worden. Unter seinen Schülern war Louis Kolitz, der aller-
dings die eigentliche Landschaftsmalerei später verlassen hat. wie er auch in Düsseldorf nicht
lange geblieben ist, einer der hervorragendsten.
Albert Arnz, geboren 1832 in Düsseldorf, und Albert Flamm, geboren 1823 in Köln, die beiden
Schwäger Oswald Achenbachs, zeigen in ihren italienischen Landschaften am stärksten den Einflufs
ihres Collegen und Lehrers. Beide haben übrigens auch deutsche Landschaften gemalt, in denen
Flamm sich Andreas Achenbach nähert, dessen Schüler er ebenfalls eine Zeitlang war. Nachdem
Oswald Achenbach einen langen Urlaub angetreten hatte, von dem er nicht wieder zu seiner
akademischen Lehrthätigkeit zurückkehrte, hatte erst Th. Hagen und dann Flamm den Unterricht
in der akademischen Landschaftsklasse geleitet, bis die Anstellung von E. Dücker diesen Zwischen-
zuständen ein Ende machte. Theodor
Joseph Hagen, ein geborener Düssel-
dorfer (1842), der rheinische, schweizer
und italienische Motive malte, verliefs
seine Vaterstadt schon 1871, um einem
Ruf nach W^eimar Folge zu leisten, als
einer der Vielen, welche die Düssel-
dorfer Schule nach auswärts fort-
setzten. Als Schüler von A. Achen-
bach wäre hier noch Heinrich Deiters,
geboren 1840 zu Münster in Westfalen,
zu nennen, obwohl ihn seine spätere
Entwicklung andere meist heimath-
liche Motive aus Wald und Haide
wählen liefs, die er mit Menschen-
und Viehstaffagen zu beleben weifs.
Neben der farbigen, südliche
oder nordische Land- und 'Wasser-
motive aufsuchenden Kunst der beiden
Achenbach und ihres grofsen Kreises
entwickelten sich doch schon ziem-
lich früh einzelne Vorläufer der natura-
listischen heimathlichen Landschafts-
kunst, die in den 70er Jahren ihre
heute ziemlich unbeschränkte Herr-
schaft antreten sollte. Einer der Ersten,
der, abgesehen von den landschaftlichen Genremalern, die Natur mit nüchternem Blick und der
allgemeinen romantischen Empfindung abgewandt, zu studiren versuchte, war der begabte, wenn
auch wunderliche Reiner Dahlen, dessen Arbeiten trotz ihrer Verdienste keine allzugrofse Anerken-
nung fanden. Er war 1836 in Köln geboren und anfänglich Sattler. Gönner ermöglichten ihm das
Kunststudium, und er siedelte nach Düsseldorf über, wo er zwar die Akademie besuchte, aber sich
hauptsächlich durch eifriges und für jene Zeit ungewöhnlich gewissenhaftes Naturstudium weiter-
bildete. Auf gröfseren Reisen erweiterte er seinen Gesichtskreis, blieb aber der selbstgefundenen
realistischen Auffassung treu. Er belebte seine Bilder gern mit figürlichen oder Thier- Staffagen.
Unter seinen Bildern werden ,, Schäfer und Heerde", ,,Post im Schnee", mit Auszeichnung genannt.
Er starb 1874.
Reiner Dahlen war mit seinen naturalistischen Bestrebungen doch ziemlich allein geblieben,
und die Romantik in Form und Farbe wich nur sehr langsam einer realistischen Auffassung, die
aber von dem Naturausschnitt der modernen Landschaft immer noch himmelweit entfernt war.
Die Vordergrundstudie spielte ihre wichtige Rolle noch lange und die drei Gründe wurden mit
gröfster Gewissenhaftigkeit auseinander gehalten. Höchstens die Marinemaler, sofern sie nicht
Strandbilder malten, setzten sich hier noch am ehesten über die Convenienz hinweg.
OSWALD ACHENBACH
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14
Noch schwerer, als bei jedem anderen Zweig der Kunst, ist es bei der Landschaftsmalerei
durch das blofse Wort und durch das Nennen von Gemälde- oder Künstlernamen ein Bild ihres
Charakters zu geben, der wiederum mehr als bei jedem anderen Kunstgebiet durch die modernen
Bestrebungen verändert und umgestaltet worden ist. Dennoch müssen aus der unendlichen Fülle
der Namen, welche auf den Ausstellungen der 60 er und 70 er Jahre auftauchten, deren Träger
zum Theil noch heute in ungeschwächter Kraft ungefähr dieselben Bilder malen, wie vor 40 Jahren,
einige wenigstens genannt sein.
Von den vielen norwegischen Malern, die schon früh nach Düsseldorf kamen, ist vor allen
Morten Müller zu nennen, der, 1828 geboren, noch heute rüstig schafft und sich mit bemerkens-
werther Frische den modernen Bestrebungen am meisten genähert hat.
Anders Monssen Askevold, geboren 1834 in Sindfjord (Norwegen), war noch Schüler von
Gude, malte fast nur Motive seiner Heimath, die er mit reicher Thierstaffage zu beleben pflegte.
Er behandelte dieselbe mit grofser Sorgfalt, so dafs er ebensogut zu den Thiermalern zu rechnen
wäre. Er hatte zwischendurch auch in Paris und München studirt, lebte aber bis zu seinem
Tode (1900) in Düsseldorf. Seine letzten Lebensjahre wurden durch schwere Leiden getrübt, so
dafs seiner unermüdlichen Thätigkeit vor der Zeit ein Ziel gesetzt war. Auch Sophus Jacobsen,
geboren 1833, und A. Normann, geboren 1848, letzterer allerdings erst seit 1869 in Düsseldorf,
können hier genannt werden. Ersterer ist durch seine Mondscheinlandschaften bekannt, während
letzterer hauptsächlich die Fjorde seiner Heimath in effectvollen Beleuchtungen malt.
Eine höchst eigenartige Erscheinung war der Holländer Richard Burnier, der. 1826 im Haag
geboren, zuerst Schüler von Schirmer, dann von A. Achenbach und schliefslich seit 1855 von
Troyon in Paris wurde. Nach verschiedenen Studienreisen in Holland und Belgien liefs Burnier
sich wieder in Düsseldorf nieder, um hier ganz unbeeinflufst von seiner Umgebung in einer Weise
zu arbeiten, wie sie erst in den letzten Jahren eigentlich modern geworden ist. Seinen meist mit
Kühen staffirten Landschaften ist ein tiefer subjectiver Stimmungsreiz eigen, der sich mit einem
eminenten Naturgefühl zu höchst künstlerischen Gesammtwirkungen vereinigt. Eine breite flotte
Technik schied ihn ebenfalls aufs strengste von den noch lange glatt und ohne Handschrift
malenden Düsseldorfer Landschaftern.
Burnier würde heute zu den Modernsten der Modernen zählen, wenn er nicht 1884 gestorben
und seine Bilder nicht fast vergessen wären.
Ein ebensolcher Aufsenseiter war Seibers. Auch er eilte seiner Zeit voraus. Mit einer höchst
geistreichen Technik skizzirte er Gebirgslandschaften, aber auch Wasserbilder, die er gelegentlich
mit Viehstaffage belebte. Ein früher Tod liefs ihn nicht zur Entwicklung kommen, die ihn vielleicht
mit an die Spitze der neueren Bestrebungen gestellt hätte.
Verhältnifsmäfsig früh wandte sich einer durchaus realistischen Weise Carl Irmer, geboren
1834, zu, der deshalb bis zu seinem Tode (1900) zu den Modernen zählte, aber schon seit 1855 unter
Gude seine Studien begann. In seinen meist einfachen Motiven versuchte er schon früh die
feineren Beleuchtungseffecte, die Wirkung von Licht und Luft wiederzugeben, und so kam er
den späteren Bestrebungen als einer der Ersten entgegen.
Auch Spoerer malte schon früh in einer aufserordentlich naturalistischen Art, die bei ihm
wohl von Paris, das er häufig besuchte, beeinflufst war, seine einfachen aber trefflich beobachteten
Motive von der bretagnischen Küste. Später entwickelte er sich bezüglich seiner Vorwürfe reicher
und vielseitiger, und verstärkte auch die farbige Wirkung seiner Bilder. Er starb 1898. Gerade
er bildet den Uebergang zu Dücker, der ihn auch beeinflufst hat, und zu dessen energischem
Abschlufs mit der älteren Landschaftskunst.
Der Eintritt Dückers in die Düsseldorfer Landschaftsmalerei fällt ungefähr mit dem Um-
schwung zusammen, der in der Figurenmalerei zu Beginn der 70er Jahre eintreten sollte, und
sein Einflufs, nicht nur auf seine Schüler, sondern auch auf die Künstlerschaft überhaupt, war
ein so bedeutender, dafs auf ihn auch die modernsten Bestrebungen zurückzuführen sind. Die Ent-
wicklung des Naturalismus in der Landschaftskunst ist aber nicht nur der der Figurenmalerei
vorangeeilt, hat vielleicht auch sie beeinflufst, sondern er hat sie in mancher Beziehung sogar
überdauert, da gerade die jüngsten Landschaftsmaler noch immer energisch den naturalistischen
Standpunkt vertreten, der in der Figurenmalerei keineswegs so consequent durchgeführt wurde,
und, wenn nicht Alles trügt, die Höhe seiner Herrschaft bereits überschritten hat.
Eugen Dücker, geboren 1841 zu Arenberg in Livland, kam 1864 nach Düsseldorf. Seiner
. ganzen Erziehung und seinem Wesen nach bildete er den entschiedensten Gegensatz zu der
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EUG. DUCKER
Am Ostseestrande
damals herrschenden, immer noch
mehr oder weniger romantischen
Landschaftsmalerei, die, vertreten
von den älteren Landschaftsmalern,
von den beiden Achenbach an, noch
heute keineswegs verschwunden ist.
In Dückers Kunst ist etwas von dem
Rationalismus, der sich in den 70er
Jahren über alle Gebiete auszubreiten
begann. Neben einer eminenten
künstlerischen Feinfühligkeit besitzt
Dücker eine fast wissenschaftlich
secirende Art, die Natur zu sehen
und wiederzugeben. Er beobachtet
die Lichteffekte der Luft und auf
dem Wasser nicht nur mit der
Intensität des Coloristen, sondern
auch mit dem berechnenden Ver-
ständnifs des Meteorologen, und seine
Bilder vereinigen höchsten Stimmungsgehalt mit absoluter Wahrheit der Phänomene und Effecte.
Als Lehrer an der Akademie wirkte Dücker seit 1872 provisorisch, seit 1874 definitiv angestellt,
geradezu epochemachend. Wie mit einem Schlage verschwanden aus den akademischen Ateliers
die überlieferten Wald- und Wiesenbilder, wie sie mit Anwendung von viel Gemüth als alte
Erbschaft immer weiter gemalt worden waren. Die See, die ja durch die Achenbach und die
Norweger der Düsseldorfer Kunst vertraut geworden war, wurde in einer ganz neuen Weise, nicht
in ihrer dramatischen Bewegung, sondern in der Ruhe, im Sonnenglanz, in melancholischen
Sonnenuntergängen und schimmernden Morgenstimmungen aufs eingehendste studirt und mit einer
ebenso virtuosen, wie sorgfältigen Technik gemalt. Dücker selbst bevorzugte die einfachen
„flachen Motive": ein weiter ununterbrochener Horizont entspricht dem Ruhebedürfnifs der
nervöser werdenden Zeit. Seine Sonnenbeleuchtungen verlieren das theaterhaft Prächtige, das
selbst Oswald Achenbach liebt, sie sind in erster Linie wahr, von der kühlen durchsichtigen
Wahrheit der Ostsee, die Dücker mit Vorliebe studirt hat. Die Melancholie seiner Stimmungen
hat nicht mehr den historischen, durch Staffage unterstützten Charakter, wie bei Lessing, oder den
,,romantisch-klassicistischen". wie bei Schirmer, sie ist objectiv, wie die der Natur selbst, sie
drängt sich nicht auf, aber sie wirkt mit unausweichlicher Macht, wie eben auch die Natur. Es
ist die berühmte paysage intime der Franzosen ins Nordische, ins Helle übersetzt und an die See
verlegt. Weniger als irgend ein Landschaftsbild lassen sich die Gemälde Dückers beschreiben,
und selbst die anspruchslosen Titel sind nicht viel mehr als Katalogsbezeichnungen. Motive aus
Esthland, von Rügen, von der Ostsee überhaupt, werden bevorzugt, aber selbst in der Umgegend
von Düsseldorf fand Dücker Motive, die seiner Eigenart entsprachen, und wenn er auch selbst
nicht das Hauptgewicht seiner Thätigkeit hierher verlegte, so wies er doch seine Schüler auf die
heimische nachbarliche Natur, die der Düsseldorfer Landschaftsmalerei so lange fremd geblieben
war, hin. So entstanden in seinen Schülern, allerdings auch in einem seiner Schule als solcher
fernstehenden Künstler, Georg Oeder, nun die Schilderer ,, unserer Gegend', wie Oeder selbst
gelegentlich eines seiner Bilder nannte, jene Künstler, die als die Modernen unserer Tage den
Charakter der heutigen Landschaftskunst bestimmen und an deren Spitze seit etwa einem Jahrzehnt
bis vor Kurzem O. Jernberg stand.
Georg Oeder gebührt das Verdienst, diese Heimathskunst zuerst und, wie gesagt, unabhängig,
energisch gepflegt zu haben. Er ist 1846 in Aachen geboren und widmete sich als Autodidakt
seit 1868 in Düsseldorf der Malerei. Diese Unabhängigkeit von jeder Schule hat zweifellos die
Originalität seiner Naturanschauung gefördert, und wenn er auch keine Schüler herangebildet hat,
so ist doch sein Einflufs auf zahlreiche jungen Maler, unter Anderen auch auf Jernberg und andere
Dückerschüler nicht zu verkennen.
In seinen Motiven liebt er die Uebergangszeiten des Vorfrühlings und des Spätherbstes, wie
er auch das gebrochene Licht des dämmernden oder wolkenbedeckten Himmels bevorzugt.
Sonnige sommerliche Landschaften hat er kaum gemalt, eher den Winter, aber auch ihn nur von
, der melancholischen Seite gesehen. Seine individuelle Naturauffassung stellte Oeder bei der
217
Spaltung der Düsseldorfer Künstlerschaft auf die Seite der Secessionisten und Jungen, zu denen er
seiner schon in die 70er Jahre fallenden Meisterschaft nach nicht eigentlich gehört.
Jünger als Oeder, aber Autodidakt wie er, und wie er eine Zwischenstufe zwischen der
älteren und der neuesten Landschaftsmalerei einnehmend, ist Heinrich Härtung hier zu nennen.
GEORG OEDER
Niederrheinische Landschaft
Er wurde 1851 in Coblenz geboren und ist seit 1877 in Düsseldorf ansässig. AuchV'er hatte sich
durch selbständiges Naturstudium, auf Reisen nach Italien, München und Berlin gebildet und ist
einer der sehr wenigen jungen Düsseldorfer Landschaftsmaler, die den Rhein als Studiengebiet
gewählt haben und mit wirklicher Heimathliebe seine Schönheiten schildern. Freilich ist Härtung
absolut nicht mehr Romantiker, was bei den älteren Malern des Rheins unvermeidlich schien.
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Er war im Gegentheil einer der Ersten, der die zarten, duftigen, zuweilen selbst farblosen oder
grauen Stimmungen der Mittelrheinlandschaften mit gröfster Treue schilderte, und mit dem eigen-
thümlichen zarten Graugrün der rheinischen Frühlingsblüthe eine ganz neue coloristische Note in
die Düsseldorfer Landschaftsmalerei einführte. Uebrigens malte Härtung auch Mosellandschaften
und Eifelmotive, alle in durchaus realistischer, wenn auch vorwiegend coloristischer Auffassung.
Von den älteren Dückerschülern hat sich auch Adolf Schweitzer als Schilderer vorwiegend
winterlicher Landschaften eine gewisse Specialität geschaffen. Mit Vorliebe malte er den frischen,
womöglich von der Sonne beleuchteten Schnee in Wald und Feld und findet hier zuweilen einen
starken poetischen Ausdruck. Geboren 1847 in Dessau und seit 1868 in Düsseldorf, war er auf
der Akademie noch Schüler von Oswald Achenbach, dem er vielleicht seine Neigung zu starken,
vollen Farben und einer gewissen romantischen Composition seiner Bilder verdankt, dann studirte
er bei Dücker. Von seinen zahlreichen Bildern, er ist einer der regelmäfsigsten Aussteller, sind
zu erwähnen: der stimmungsvolle ,, Wintertag", in der Kunsthalle zu Düsseldorf, ,, Winterabend",
LUDWIG MUNTHE
Mondaufgang
„Frischer Schnee", „Norwegisches Gebirgsthal", ..Mondaufgang in den Lofoten", als Ergebnifs
seiner Studienreisen in Norwegen, und mehrere auch sommerliche Bilder aus dem Ilsethal.
Eine ganz isolirte Stellung nehmen in jener Uebergangszeit zwei Landschaftsmaler ein, die
künstlerisch von gröfster Eigenart, doch merkwürdigerweise ohne den geringsten Einflufs auf ihre
Umgebung geblieben und heute auch für die Düsseldorfer Kunst verloren sind. Der eine ist der
Norweger Ludwig Munthe, der andere Friedrich von Schennis.
Munthe ist 1841 in Aaren geboren und starb 1896 in Düsseldorf, wo er im Anfang Schüler
von Flamm war. Bei ihm entwickelte sich eine ganz eigenthümliche coloristische Feinfühligkeit,
die fast ausschliefslich in den trübsten Wetterstimmungen ihre Anregungen suchte. Dunstige
Sonnenuntergänge am Meeresstrande mit Schnee und Eis, Regenwetter, wobei der trübe Schimmer
der Strafsenlaternen sich in dem unergründlich scheinenden Schlamm der Wege wiederspiegelt,
nebelige Waldinterieurs in schwachem Mondlicht oder gespensterhaftem Morgengrauen, das sind
so die Stimmungen, die er liebte und mit einer ganz aufserordentlichen, zuweilen an die sonnigen
Bilder O. Achenbachs erinnernden Virtuosität der Technik, und in einer fabelhaften Productivität
malte.
221
Gerade Munthe war einer der zielbewufstesten Vorläufer der modernen impressionistischen
Bestrebungen in der Landschaft, und selbst durchaus Impressionist ; v. Schennis aber, der, 1854 in
Elberfeld geboren, Anfang 1880 nach Düsseldorf kam, um es Ende der 90er Jahre, nach häufigen
Reisen, wie es scheint für immer mit Berlin zu vertauschen, ist seinem ganzen Wesen nach
Romantiker mit starker Beimischung eines rococohaften Klassicismus, der seinen Arbeiten einen
ganz besonderen Stempel aufprägt. Er empfängt seine Anregungen meist von der südlichen
Natur, die er in der Art Claude Gellees oder Dughets auffafst, aber mit einer überaus capriciösen
und nervösen Technik wiederzugeben sucht. In dieser Technik, wie auch in manchen Farben-
stimmungen, wenn er das dunkele tiefe Braun beiseite läfst und in grau-blauen und grünen Tönen
schwelgt, ist Schennis nun freilich ganz modern, und modern ist auch seine Thätigkeit als Maler-
radirer, der er mit seine schönsten Erfolge verdankt.
EUG. DUCKER
Landschaft
222
XI. Kapitel
Schlachtenmalerei, Thiermalerei, Graphische Künste
AS Stärkerwerden der Genremalerei fiel zusammen mit dem Schwächerwerden der grofsen
romantischen Historienmalerei. Aber es schiebt sich hier ein Kunstzweig ein, der in-
haltlich wie nach seiner äufseren Anlage, Historie, zeitgenössisches Genre und Land-
schaft verbindet, der historische Ereignisse des Tages in genrehafter oder episodenhafter
Weise, nicht auf der Grundlage einer künstlerischen, oder besser gesagt künstlichen
Composition, sondern nach Beobachtung der Wirklichkeit zu malen versucht bezw. dazu gezwungen
ist, und als äufsere Brücke auch wieder die Landschaft, die ja in der Genremalerei von früh an
eine so bedeutsame Rolle gespielt hatte, benutzen mufs.
Von den Historienmalern hatten sich mit Ausnahme Lessings die wenigsten um die Land-
schaft gekümmert. Wo sie sie nicht umgehen konnten, ,,idealisirten" sie sie noch mehr, wie die
Figuren. Lessing, der ebenso hervorragend als Figuren- wie als Landschaftsmaler beide Kunst-
zweige miteinander vereinigte, und in seinen reich staffirten Landschaften vielleicht sogar seine
besten und unvergänglichsten Werke hinterlassen hat, ist somit als der Vater dieser genrehaften
Historie, der Schlachtenmalerei, anzusehen, die naturgemäfs ebenso und noch mehr als das
Bauerngenre der Landschaft bedurfte.
Die deutsche Schlachtenmalerei erfreut sich in der neueren Kunstschreibung einer fast allge-
meinen Mifsachtung, die in letzter Linie vielleicht darauf beruht, dafs man in ihr die besonders
kunstfeindliche Tendenz einer unaufrichtigen, gemachten Beeinflussung des Beschauers, des Volkes,
zum Patriotismus vermuthet, wie denn allerdings kein anderer Kunstzweig der Versuchung in dem
Mafse ausgesetzt ist, auf eine so billige und für den Patrioten nicht leicht angreifbare Weise
Stimmung und Reklame für sich zu machen.
Dieser Verdacht steht aber ohne Zweifel im Zusammenhang mit der heute in Deutschland
wieder Mode gewordenen Furcht, sich durch Patriotismus lächerlich zu machen, und ist wohl
auch eine Folge des internationalthuenden, W^eltbürger spielenden Gigerlthums, das über so
kleinstädtische, bürgerlich naive Gefühle, wie Vaterlandsliebe oder Nationalgefühl sind, hoch
erhaben ist. In der wissenschaftlichen Kunstbetrachtung mufs die Phrase von der Internationalität
der Kunst herhalten. Als ob es überhaupt je eine grofse Kunst gegeben hätte, die nicht national
gewesen wäre, wie es die aegyptische, die griechische, die florentiner im allerhöchsten Mafse
ist. Eine Untersuchung, woher diese feige, bei keiner Nation der \Velt sonst vorkommende
Perversität in letzter Linie stammt, gehört nicht hierher. Thatsache ist nur, dafs die deutschen
concessionirten Kunstgelehrten sich alle Mühe geben, beim Volk und bei den sachunverständigen
Künstlern in diesem traurigen Sinne zu wirken. Einer dieser Herren beweist, dafs die Kunst
als solche überhaupt nicht national sein könne; ein Anderer, dem freilich seine verblüffende
Unwissenheit und seine notorische Erkrankung an literarischer Kleptomanie und dadurch bedingte
absolute Urtheilslosigkeit als mildernde Umstände zur Seite stehen, erklärt ganz vergnügt, dafs
es eine deutsche Malerei nie gegeben hat. So ist es denn kein Wunder, dafs diesen Herren die
malerische Darstellung eines Motivs aus der neueren deutschen Geschichte im patriotischen Sinne
höchst unangenehm sein mufs und von ihnen als Knopfmalerei oder als Unteroffizierthum in der
Kunst gebrandmarkt wird. Geschieht freilich das Entsprechende von französischer oder englischer
Seite, so ist die Bewunderung stets eine grofse und uneingeschränkte. Die Düsseldorfer Malerei
hat sich nun niemals sonderlich um die von wissenschaftlicher Seite in Berlin oder München
aufgestellten Moderegeln und Gesetze gekümmert, woher denn auch die ihr zu Theil gewordene
15
225
schlechte Behandlung in der sogenannten wissenschaftlichen Literatur und der Presse stammen
mag, und namentlich die Schlachtenmalerei hat sich hier schon früh ganz unbekümmert und
ungestört entwickelt und blüht bis zum heutigen Tage. Dafs verständige Leute, die es ja auch
unter den Kunstgelehrten giebt, den internationalen und antideutschen Cancan nicht mitmachen,
ist ja selbstverständlich.
Gurlitt z. B. vertheidigt die patriotischen Tendenzen der Schlachtenmalerei sehr emfach und
schlagend, indem er fragt: „Ist's nicht idealistische Forderung, dafs die Kunst edle Gefühle wecken
soll? Warum dann nicht die Vaterlandsliebe." Und er weist ferner darauf hin, dafs die historischen
Schlachten versunkener Völker, die mit Begeisterung gemalt wurden, doch künstlerisch nicht mehr
Berechtigung haben, als die heutigen.
WILHELM CAMPHAUSEN
Das Dragoner-Regiment Anspach-Baireuth
Die Düsseldorfer Schlachtenmalerei hat sich in so einfacher und selbstverständlicher Weise
entwickelt, dafs schon darin ein Beweis für ihre Berechtigung liegt, wenn man nicht überhaupt
einem jeden Kunstzweige, wie einer jeden anderen geistigen Erscheinung diese Berechtigung am
besten und einfachsten aus der blofsen Existenz heraus zusprechen will.
Im alten Düsseldorf, das seinen kleinstaatlichen particularistischen Residenzcharakter lange
behalten hat, war der Soldat, ,,der Preufs", allerdings der denkbar verhafsteste Anblick. Selbst die
Maler, welche mit den Offizieren des schon damals hier liegenden Ulanenregiments freundschaftlich
verkehrten, dachten nicht daran, sie aufser etwa im Porträt darzustellen. Lessing, der seit seiner
Einjährigenzeit mit Vorliebe Pferde studirte, hat kein modernes Soldatenbild gemalt. Die Anderen,
Hildebrandt u. s. w., schon gar nicht.
226
WILHELM CAMPHAUSEN
Blüchers Rheinübergang bei Caub
Das moderne Schlachtenbild mufste den Umweg über das historische machen, und wurde erst
durch die gezeichnete Illustration der zeitgenössischen Ereignisse diesen zugeführt.
An der Spitze dieses Kunstzweiges stand fast durch drei Malergenerationen hindurch ein
Künstler, der auch sonst für das künstlerische Leben in Düsseldorf eine Zeitlang von grofser
Bedeutung war. Wilhelm Camphausen war 1818 in Düsseldorf geboren und besuchte seit 1834
die Akademie, auf der er anfangs unter C. Sohns Leitung und mit einigen Unterbrechungen bis
1850 verblieb. Seine Neigung führte ihn schon sehr früh zu Darstellungen aus dem Reiterleben;
aber es durfte zunächst nicht das moderne sein, sondern es mufste mit den historischen Costümen
des 30jährigen Krieges drapirt werden. Tilly und Gustav Adolph sind die Helden, denen ver-
schiedene Bilder schon früh gewidmet wurden. In München, wo sich Camphausen vorübergehend
aufhielt, wurde er durch die dortige romantische Schlachtenmalerei zu einem grofsen Bilde, „die
Schlacht von Ascalon" angeregt, das ihn aber nicht befriedigte. Er kehrte also wieder zu seinen
kleineren und der Zeit nach wenigstens etwas näher liegenden Bildern zurück. Der Einflufs Leutzes,
vielleicht aber auch die Lektüre des damals mit Gier verschlungenen Walter Scott, führte ihn in
die englische Geschichte ein, und es entstanden die zahlreichen Bilder aus der Zeit Karls I.
und Cromwells mit ihren Cavalieren und Puritanern, in denen ähnlich, wie bei Lessing, sich eine
glückliche Verbindung von Figuren und Landschaft zeigt.
Aber schon 1846 hatte Camphausen auch das Reitergefecht eines preufsischen Regimentes
— I. Kürassier-Regiments — für den Prinzen Friedrich von Preufsen gemalt, und seit der Mitte
der 50er Jahre wandte er sich energisch der vaterländischen, speciell der preufsischen Schlachten-
und Geschichtsmalerei zu. Camphausen war der erste Düsseldorfer, der den alten Fritz malte,
welcher durch Adolph Menzel längst in die deutsche Malerei eingeführt worden war. So entstanden
„Friedrich II. und das Dragoner-Regiment Baireuth bei Hohenfriedberg" und ,, Friedrich der
Grofse an der Leiche Schwerins".
227
WILHELM CAMPHAUSEN
Kaiser Wilhelms Einmarsch in Frankreich
Nach der Lithographie von Süssnapp
(Mit Genehmigung von Rudolf Schuster in Berlin) •
Diese Bilder sind die ersten Zeichen, dafs auch in der alten kurfürstlichen Residenz am
Niederrhein das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit dem immer noch als Eroberer betrachteten
Preufsen zu erwachen beginnt, und es ist wichtig, dafs Camphausen nicht etwa auch ein ,, Ost-
länder", sondern ein richtiger Düsseldorfer war. Die Ereignisse der Gegenwart und wohl auch
die Erkenntnifs der gesunderen Zustände wurden endlich stärker als das alte particularische
Spiefsbürgerthum.
Es folgten Motive aus den Freiheitskämpfen, so vor Allem , .Blüchers Rheinübergang bei Caub",
dann „Blücher und Wellington bei Belle alliance". Im Jahre 1864 machte Camphausen den Feld-
zug gegen Dänemark als Schlachtenzeichner mit, und es entstanden die höchst populär gewordenen
Bilder „Erstürmung der Schanze II", ,, Düppel nach dem Sturm", ,,Uebergang nach Alsen", als
die ersten Darstellungen der ersten preufsischen Siege nach einer langen Zeit trauriger diplomatischer
Niederlagen. Auch der bald darauf folgende österreichische Krieg, den Camphausen im Haupt-
quartier des Kronprinzen mitmachte, gab ihm Gelegenheit zu verschiedenen bedeutenden Werken,
und nach 1870 entstanden noch die beiden charakteristischen Bilder ,, Napoleon III. nach Sedan"
und „Einzug Kaiser Wilhelms in Berlin". Alle diese Bilder erlangten in Stichen und namentlich
in Photographien eine grofse Verbreitung, aber seinen Hauptruf verdankt Camphausen, und zwar
mit Recht, seinen historischen Reiterporträts, die er in verschiedenen Zeiten schuf. Macht sich
bei seinen früheren Arbeiten, den historischen Costümbildern, der anekdotenhafte Zug noch geltend,
blieben die späteren Schlachtenbilder zuweilen in dem militärischen Schema hängen, so hat
Camphausen in seinen Reiterporträts des ,, alten Fritz", ,, Kaiser Wilhelms", vor Allem aber in dem
prächtigen Bilde des ,,grofsen Kurfürsten", W^erke von wahrhaft monumentaler Wucht und histo-
rischer Gröfse geschaffen, die aus der Düsseldorfer Kunst nicht verschwinden werden.
Schon früh hatte Camphausen eifrig illustrirt und gezeichnet, er war einer der Begründer
und Hauptmitarbeiter an den Düsseldorfer Monatsheften und arbeitete auch für die Münchener
, .Fliegenden Blätter". Mit Henry Ritter illustrirte er Washington Irving, sowie eine Prachtausgabe
der Uhlandschen Gedichte, dem Malkasten gehörte Camphausen seit dessen Gründung als eines
der thätigsten Mitglieder an. Seinen geselligen Talenten verdankte der Verein nicht zum wenigsten
sein rasches Aufblühen und die führende Stellung, die er im Gegensatz zur Akademie seit dem
Anfang der 60er Jahre einzunehmen begann. Camphausens, durch die Kriege und seine patriotischen
EMIL HUNTEN
Rekognoscirung bei Bois commun
(Mit Genehmigung von Franz Hanfstaengl, München)
229
Bilder angebahnten Beziehungen zum Königshause, besonders auch zu dem ihm freundschaftlich
zugethanen Prinzen Friedrich von Preufsen und dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm liefsen ihn
selbst sehr bald innerhalb der Künstlerschaft eine ähnliche Rolle spielen, wie eine Generation
früher sie Schadow gespielt hatte. Auch der literarisch-ästhetische Hintergrund fehlte nicht, da
Camphausen selbst dichterisch und schriftstellerisch thätig und sein Haus der Mittelpunkt einer
für Musik und Theater begeisterten Geselligkeit war.
Zu den letzten Arbeiten Camphausens gehört das Wandgemälde in der Ruhmeshalle, , .Huldigung
der schlesischen Stände im Fürstensaal zu Breslau", das 1882 vollendet wurde. 1885 starb Camp-
hausen, nicht ohne eine grofse Zahl von Schülern und gleichstrebenden Nachfolgern zu hinterlassen.
Neben ihm stand der etwas jüngere und heute noch rüstig schaffende Emil Hunten, der zwar
eine Zeitlang sein Schüler war, aber künstlerisch doch verhältnifsmäfsig wenig von Camphausen
beeinflufst ist. Während bei Camphausen sich ein geringes romantisches Element immer noch
geltend machte, sei es, dafs es sich in den Costümbildern der älteren oder in den novellistisch
zugespitzten genrehaften Darstellungen der späteren Zeit ausspricht, war Hunten von Anfang an
ausschliefslich der Schlachtenmaler, für den die Truppe als solche der eigentliche Gegenstand der
Darstellung war. Man hat diese seine Auffassung mit dem Ausdruck der Episodenmalerei bezeichnet
und in dieser Episodenmalerei gewissermafsen eine unkünstlerische Auffassung der Kriegsbilder sehen
wollen. Sehr mit Unrecht, denn die moderne Schlacht ist in ihrer ganzen Ausdehnung, wenn
überhaupt noch, nur mit dem Fernglas zu übersehen, und ihre Darstellung im Ganzen würde auf die
einer Landkarte hinauslaufen. Dem Beobachter oder Mitkämpfer können immer nur Episoden zur
Anschauung kommen, und deren Darstellung ist gewifs so berechtigt, wie irgend etwas Anderes.
Gelingt es dem Künstler, eine wichtige entscheidende Episode künstlerisch und wahrheitsgemäfs
zu fixiren, so wird ein solches Episodenbild den Charakter des wahren Geschichtsbildes haben.
Schliefslich sind doch auch die Schlachtenbilder aller Zeiten, sofern sie eben nicht langweilige
Veduten mit unendlichen Hintergründen sind, Episoden.
Johann Emil Hunten war 1827 zu Paris als Sohn des Klaviercomponisten Francois Hunten
geboren. Er studirte hier bei Larinien Petit und Hippolyte Flandrin bis 1848, ging 1849 nach
Antwerpen, wo er unter de Keyser und Leys studirte, um dann seit 1854 — 55 unter W. Camp-
hausen in Düsseldorf weiter zu arbeiten, namentlich Pferdestudien zu machen. Seine ersten Bilder
behandeln noch die friedericianische Zeit, bis er 1859 — 64 und 66 die Feldzüge mitmachte und
aus ihnen die Motive zu zahlreichen, höchst lebendigen und unmittelbar empfundenen Kriegs-
scenen entnahm. Aus dem Schleswiger Winterfeldzug stammt das berühmt gewordene Bild
,, General von Nostitz bei Oeversee" und „Der österreichische Parlamentär vom Regiment Coronini".
Später malte Hunten den ,, Sturm der Schanzen IV und VI bei Düppel". Der Feldzug 1870/71 gab
ihm weiterhin Gelegenheit zu verschiedenen hervorragenden Schilderungen, von denen die Düssel-
dorfer Kunsthalle eine Scene aus den Kämpfen des Niederrheinischen Füsilierregiments No. 39 bei
Gravelotte besitzt.
In die ältere Zeit fällt noch das Schaffen mehrerer Künstler, denen es nicht wie Hunten
vergönnt war, bis in unsere Tage thätig zu sein. Sie alle sind mehr oder weniger von Camphausen
abhängig, sei es, dafs sie mit ihm zusammen arbeiteten, sei es, dafs sie direct seine Schüler waren.
Eine besondere Eigenart hat nur Bleibtreu bewahrt, der allerdings schon verhältnifsmäfsig früh,
1858, Düsseldorf verliefs und sich erst in Berlin ausschliefslich den Darstellungen aus den bald
ausbrechenden Kriegen widmen konnte, in denen er seine hervorragendsten Erfolge fand. Dennoch
ist die solide Düsseldorfer Schulung auf ihn von gröfstem und nachhaltigem Einflufs gewesen.
1828 in Xanten geboren, studirte er 1845 — 48 auf der Düsseldorfer Akademie. Trotzdem er Schüler
von Hildebrandt war, hielt er sich von den romantischen Motiven seines Lehrers fern und stellte
als einer der Ersten die zeitgenössischen kriegerischen Ereignisse in Schleswig-Holstein aus dem
Jahre 1848 in einer Reihe lebendiger Bilder dar. Später ging er auf die Freiheitskämpfe zurück,
denn die Ereignisse der dänischen Kriege waren doch nicht wichtig genug gewesen, um auf die
Dauer ein künstlerisches oder allgemeines Interesse zu bewahren. Auch als Zeichner war
Bleibtreu schon damals thätig, ohne doch in Düsseldorf sich zu der Bedeutung zu entwickeln, die
er später in Berlin für die moderne Schlachtenmalerei erwarb.
Auch August Beck blieb nicht lange in Düsseldorf. Er war 1823 in Basel geboren und in
Düsseldorf Schüler von Carl Sohn. Er war der eigentliche Typus des zeichnenden Schlachten-
bummlers, der für illustrirte Zeitungen die verschiedenen Kriege in zahllosen Zeichnungen ge-
schildert hat.
231
Nicht recht zur Entwicklung seiner grofsen Anlagen gelangte Adolf Northen, der, 1828 in
Hannöv.-Minden geboren, 1847 — 51 die Akademie besuchte und hauptsächlich Scenen aus dem
napoleonischen Kriege malte, aber auch die dänischen Kämpfe, die Kriege mit Oesterreich und den
französischen Krieg behandelte. In der Verbindung landschaftlicher Stimmung mit den kriegerischen
Scenen strebt er ein durchaus modernes Element seiner Kunst an, doch scheinen technische Schwierig-
keiten ihn bei der Ausbildung seiner Arbeiten gehemmt zu haben. Er starb 1876 in Düsseldorf.
An demselben Mangel einer nicht vollständig ausgebildeten Technik litt auch Otto Fickentscher.
Es scheint, dafs die illustrative Thätigkeit alle jene Künstler verhindert hat, sich in der Malerei
entsprechend auszubilden, ohne dafs bei der Schnelligkeit, mit der sie ihre Illustrationen entwerfen
mufsten, ihre Zeichenkunst grofse Vortheile davon getragen hätte.
So gewähren die Militärbilder, die Beck, Northen und Fickentscher sowie einige Andere gemalt
haben, keinen ungetrübten Genufs und müssen namentlich gegen die mit gröfster Meisterschaft
gemalten Genrebilder derselben Zeit zurückstehen.
Die zahlreichen Illustrationen, die für den Tagesbedarf entstanden, wurden ebenso schnell
wieder vergessen und sind gerade in unseren Tagen durch die veränderten Illustrationstechniken
ganz in den Hintergrund gedrängt und ungeniefsbar geworden. Was an ihnen Gutes war, wurde
durch den allzuschnell hergestellten Holzschnitt noch verdorben.
Etwas aufserhalb dieses Kreises, aber nach seinen bedeutendsten Werken, die allerdings
nicht in Düsseldorf entstanden waren, zu ihm gehörig, steht J. A. S. Nikutowski. Er war 1830
bei Königsberg geboren, studirte erst auf der Königsberger Akademie und kam 1847 nach Düssel-
dorf. Hier schlofs er sich Lessing an, dem er 1858 auch nach Karlsruhe folgte, um aber 1865
wieder nach Düsseldorf zurückzukehren. In Düsseldorf hatte Nikutowski mit kleinen Genrebildern
begonnen; so entstand hier das stimmungsvolle „Begräbnifs eines polnischen Freiheitskämpfers", in
Karlsruhe aber malte er unter Lessings Einflufs die beiden grofsen und bedeutenden Bilder
„Uebergang über die Beresina" und „Ende der Schlacht bei Leipzig". In Düsseldorf widmete er
sich wieder dem Genre, dem er allerdings gerne einen militärischen Hintergrund gab, so ,,Die
Rückkehr der Krieger", , .Episode aus dem polnischen Aufstand", ..Abschied des Landwehr-
offiziers". Nikutowski war seit den 80er Jahren bis zu seinem Tode 1888 Lehrer der Anatomie
an der Akademie. Seine Bilder zeichnen sich neben grofser psychologischer Vertiefung durch
aufs Aeufserste getriebene, fast wissenschaftliche Genauigkeit aus. Man erzählte sich, dafs der
Künstler selbst bei kleinen, aber figurenreichen Bildern, so bei dem in seinen letzten Jahren ent-
standenen ,, Bahnhofsvorplatz" jede einzelne Figur nach ihrem Gröfsenverhältnifs perspectivisch
construirt und, um keine Fehler in den Bewegungen zu begehen, in jede das Skelet hinein-
gezeichnet habe. Seine Lehrthätigkeit hatte Nikutowski zu Studien über vergleichende Anatomie
und zur Proportionslehre veranlafst, die leider nicht veröffentlicht wurden.
Christian Seil (1831 — 1883) entstammt noch der romantischen Costümmalerei. Er war Schüler
von Schadow, Hildebrandt und Sohn gewesen, hatte ebenso wie Camphausen zuerst Scenen aus
dem 30jährigen Kriege gemalt und war erst durch die kriegerischen Ereignisse, denen er 1864
und 1866 beiwohnte, auf die Darstellung der Gegenwart geführt worden. Seine ersten Bilder
zeichneten sich durch grofse Lebendigkeit aus. Allmählich nahm das genrehafte Element in ihnen
aber immer mehr zu, so dafs Seil schliefslich mehr der Schilderer des Krieges im Frieden oder
der humoristischen Seiten des Soldatenlebens wurde. Wie alle anderen Kriegsmaler, hat auch er
viel illustrirt, besonders für die Gartenlaube, was seinen Bildern nicht gerade immer zum Vortheil
gereichte.
Ein Schüler Camphausens, der freilich den umgekehrten Weg machte wie Seil, war der
Holländer Charles M. W^ebb, geboren 1832 zu Breda. Er studirte von 1848 — 51 an der Düsseldorfer
Akademie, wurde dann Schüler von Camphausen, dem er sich in dessen genrehaften Motiven der
älteren Zeit anschlofs, indem er z. B. ,, Puritaner im W^achtzimmer" u. s. w. malte. Später ging er
immer mehr zum Costümgenre, ohne kriegerische Staffage, über, das er in lebhafter und farbiger
Weise durchzubilden pflegte. Eine Zeitlang lebte Webb in Cleve, kehrte aber später nach Düssel-
dorf zurück, wo er 1897 starb.
Zu den Düsseldorfer Kriegsmalern gehörte noch Louis Kolitz, wenn er auch seit 1878 nach
Cassel als Director der dortigen Kunstschule übersiedelte. Er war 1845 '^i Tilsit geboren, wurde
in Düsseldorf 1864 Schüler von O. Achenbach und versuchte die coloristischen Vorzüge seines
Lehrers auf das Kriegsbild zu übertragen, was ihm bei einigen Bildern nicht übel gelang.
233
Hand in Hand mit dem Aufkommen einer realistischeren Auffassung der Kriegsmalerei in
der Landschaft ging die Entwicklung der Thiermalerei, die, in einseitiger Weise auf das Pferd
beschränkt, ja schon von den Schlachten- und Militärmalern ausgeübt worden war. Lessing malte
und zeichnete schon seit seiner Militärzeit eifrig Pferde und Hunde. Dafs er als eifriger Jäger
kein Wild gemalt hat, ist eigentlich zu verwundern. Camphausens Pferde erfreuten sich eines
wohlverdienten Ruhmes. Er verstand es, das einzelne Thier nach Rasse und Individualität zu
charakterisiren, was bei den älteren Soldatenmalern noch kaum der Fall ist. Eine eigentliche
Thiermalerei, die sich auf Wild und Rindvieh erstreckt, entwickelte sich in Düsseldorf auffallend
spät und langsam, was um so verwunderlicher ist, als die benachbarte belgische und holländische
Kunst zu allen Zeiten mit Vorliebe das „schwer hinwandelnde" Hornvieh zum Gegenstand selbst
lebensgrofser Bilder gemacht hat, und Verlat schon verhältnifsmäfsig früh sogar lebensgrofse
Löwen und dergleichen exotische Bestien malte.
Friedrich Happel, geboren 1825 zu Arnsberg, war einer der Ersten, welche das Wild im
Leben und im Tode malten. Vor Allem wurden seine Fuchsbilder gerühmt, aber auch Hirsche
und Rehe stellte er mit grofsem Erfolg dar.
Einen wirklich grofsen künstlerischen Zug brachte aber erst Carl Friedrich Deiker. geboren
1836 zu Wetzlar, in die Thiermalerei, indem er zunächst ganz entschieden an die alten Thiermaler
der Rubensschule anknüpfte. Zuerst Schüler von Schirmer in Karlsruhe, kam er 1864 nach
Düsseldorf, wo er gleich mit einem grofsen Bilde ..Verfolgter Hirsch" grofses Aufsehen machte.
Hier wie in anderen lebensgrofsen Bildern aus dem Thierleben, sei es, dafs es Jagdstücke waren,
wie die ,, Sauhatz" im Kölner Museum, sei es. dafs die Thiere unter sich geschildert werden, wie
„die sich beifsenden Hunde" in der Düsseldorfer Kunsthalle, verstand es Deiker, eine fast drama-
tische Kraft der Composition zu entwickeln, die, verbunden mit energischer Farbe und vortreff-
licher Zeichnung, diese Arbeiten denen der alten Meister Fyt und Snyders an die Seite stellen.
In letzter Zeit malte C. F. Deiker fast ausschliefslich Rothwild, das er in allen möglichen
Situationen stets mit grofser Lebendigkeit schilderte. Er war ferner als Zeichner für zahlreiche
Zeitschriften bis an sein Ende 1892 unermüdlich thätig. Sein Bruder Johann Christian Deiker,
geboren 1822, arbeitete in demselben Sinne mit
grofsem Fleifs aber nicht ganz demselben Erfolg.
Vielseitiger und in mancher Beziehung feiner
ist Christian Kröner, der heute unbestritten das
Haupt der Düsseldorfer Thiermalerei ist, soweit
es sich um das jagdbare Thier handelt. Er
wurde 1838 in Rinteln (Hessen) geboren, widmete
sich aber erst im 23. Jahre der Kunst. Seit 1862
in Düsseldorf, schlofs er sich an den Landschafts-
maler Louis Hugo Becker an, durch den er viel-
leicht in seiner Vorliebe für die Landschaft,
der er stets einen grofsen Antheil bei seinen
Bildern einräumt, beeinflufst wurde. Anfangs
unter schwierigen Verhältnissen schaffend, brach
sich sein Talent bald Bahn, und er erzwang
sich die Anerkennung weiterer Kreise für seine
ebenso lebendigen Thierscenen, als stimmungs-
vollen Landschaften, die er zu höchst eigenartigen
Bildern vereinigte. Vielleicht war es das Doppel-
studium des Thieres und der Landschaft, das
Kröner bei jedem eine besondere Frische ver-
lieh, so dafs er in der Auffassung der Land-
schaft schon früh einem gesunden und künstle-
rischen Realismus huldigte, der in vollem Ein-
klang stand mit der ebenso geistreichen, als
malerischen Behandlung des Thieres. Kröners
Stoffgebiet ist ein aufserordentlich reiches, es
umfafst aus der Thierwelt fast alle deutschen
c. F. DEIKER jagdbaren Thiere. wenn auch der Künstler mit
Sauen einer gewissen Vorliebe immer wieder zu dem
234
CHRISTIAN KRONER
^Vinter
stolzesten derselben, dem Hirsche, zurückkehrt. Ihn zu schildern wird er nicht müde, und seine
Hirschbilder gehören mit Recht nicht nur zu den Zierden der deutschen Ausstellungen, sondern
haben in den Prämienblättern des Kunstvereins eine ebenso grofse Verbreitung wie Beliebtheit
gefunden. Auch Kröner ist als Zeichner überaus thätig gewesen und seine Aquarelle gehören zu
dem Besten, was in dieser Art in Düsseldorf heute noch geschaffen wird.
Eine Sonderstellung unter den Thiermalern nimmt E. F. H. Volkers insofern ein, als er,
ohne Schlachten- oder Militärmaler zu sein, bei seinen Studien und Bildern das Pferd bevorzugt
und dasselbe ebensowohl von der rein künstlerischen Seite, als von der des Sportsmannes
behandelt. Seine Specialität wurde somit das Pferdeporträt, die Darstellung berühmter Rassen-,
CHRISTIAN KRÖN ER
Sauen
Renn- und Circuspferde, bei deren Ausführung der Kenner den Maler zuweilen behindert, indem
die allzugenaue Wiedergabe aller Eigenthümlichkeiten und Vorzüge des Matadors den Künstler
dann zu einer etwas harten und unmalerischen Auffassung verleitet. Seine Genrebilder, bei denen
Pferde eine Hauptrolle spielen und in denen er seine Costüm- und Volksstudien aus Rumänien
zu verwerthen liebt, stehen künstlerisch deshalb vielleicht höher. Volkers ist 1831 geboren,
studirte in Dresden, später in München und lebt seit 1857 in Düsseldorf.
Ludwig Beckmann kam zur Kunst auf Umwegen. Er ist 1822 in Hannover geboren, war
zuerst Wagenbauer und als solcher literarisch in seinem Fach thätig. Seine Jägerpassion führte
ihn zum Studium des Thierlebens, zur Thiermalerei und wieder auf dem Wege über die Literatur
zur Thierillustration, in der er Hervorragendes leistete. Von seinen Gemälden werden als hervor-
236
ragend gerühmt seine
besonders für England
gemalten Bären- und
Schweinsjagden. Am be-
kanntesten wurde er
durch seine Illustrationen,
die er für illustrirte
und Fach - Zeitschriften
in grofser Zahl entwarf.
Ein eigenartiges
Stoffgebiet innerhalb der
Thiermalerei hatte sich
schon früh in Düsseldorf
einer gewissen Pflege zu
erfreuen, nämlich die Ge-
flügelmalerei, wobei das
Beispiel der alten Hol-
länder schon früh seinen
Einflufs ausgeübt haben
mag.
Gustav Süfs, geboren
1823, hatte sich seit 1850
diesem Fach gewidmet,
zuerst allerdings in Ver-
bindung mit Kinder-
scenen. Immermehraber
und ausschliefslicher kam
er auf die Malerei des
zahmen Hausgeflügels,
das er zuweilen in einer
wirklich künstlerischen Weise und in lebensgrofsen Bildern darstellte. Auch Carl Jutz, 1838 zu
Windschlag in Baden geboren, seit 1867 in Düsseldorf, malt fast ausschliefslich Geflügel, aber
in meist wenig umfangreichen, dafür desto sorgsamer ausgeführten Bildern, die in ihrer lebhaften
Färbung und originellen Haltung fast an die japanischen und chinesischen Vogelbilder erinnern.
Ihm nahe verwandt ist Fritz Lange, geboren 1851 in Düsseldorf.
Auf dem Umwege über die historische militärische Genremalerei, die Malerei des Menschen
im Felde, des Pferdes und des Thieres überhaupt, ist die moderne Kunst entstanden, welche alle
diese heterogenen Elemente, die sich im Freien so friedlich beisammen finden, auch ebenso dar-
stellt, allerdings von ihren Vertretern eine Vielseitigkeit verlangt, wie sie im Anfang nur besonders
Begabten verliehen zu sein schien. Dafs viele dieser Maler vom Studium der Landschaft aus-
gegangen sind, liegt in der Natur der Sache, aber auch die eigentliche Militärmalerei stellt
späterhin zu dieser Gruppe wieder ihre Vertreter.
CARL JUTZ
Unfolgsame Kinder
Die Kunst der romantischen Historienmalerei und auch die der Genremaler bis in die neuere
Zeit hinein war sozusagen eine illustrative. Als Motive zu den Bildern wurden fast aus-
schliefslich Scenen nicht sowohl aus der Geschichte, als noch viel mehr aus den Dichtungen
aller Zeiten und aller Völker gewählt. Selbst die geschichtlichen und biblischen Motive finden
ihren Weg auf die Leinw^and nicht nur aus der Bibel oder den Geschichtsquellen direct, sondern
fast ebensosehr oder noch mehr auf dem Wege über den Roman und das Theater. Da lag es
denn nahe, dafs auch ein umgekehrtes Verhältnifs beim Genufs der Dichter eingeschlagen wurde.
Ein wahrer Bilderhunger schien sich des Volkes bemächtigt zu haben; das Theater und die
Oelbilder genügten ihm nicht mehr zur Verkörperung der Gedanken der Dichter, und die Zeich-
nung mufste hinzugenommen werden. Wie man ein Bild nicht ohne einen poetischen Inhalt
sehen und verstehen konnte, so mochte man bald keine Bücher, sei es in Prosa, sei es in Versen
lesen, ohne Bilder dabei zu haben. Dieses Verlangen ist gerade beim deutschen Volke so alt,
239
wie die Literatur und die Kunst selbst. Die deutsche Tafelmalerei ist vielleicht aus der Buch-
illustration hervorgegangen, und die deutsche Erfindung der Buchdruckerkunst ist sozusagen aus
der Illustration entstanden.
So begann schon früh das Illustrationswesen, das gerade in Düsseldorf einen aufserordent-
lichen Aufschwung nahm, alle damals bekannten vervielfältigenden Techniken benutzte und die
Literatur mit zahllosen illustrirten Ausgaben und Prachtwerken überschwemmte.
Die damalige Bedeutung der Düsseldorfer Kunst zeigt sich auch darin, dafs ihre Zeichner
weit über die Grenzen der Rheinlande hinaus von Verlegern beschäftigt wurden. Es kam seit
den 30er Jahren kaum ein illustrirtes Buch zur Ausgabe, an dem nicht Düsseldorfer beschäftigt
waren, und eine ausführliche Geschichte der Düsseldorfer Buchillustration würde ein ebenso inter-
essantes als umfassendes Kapitel vorstellen.
Die Thätigkeit des Cornelius auf diesem Gebiete wurde schon berührt. In der Schadowzeit
machte man den Anfang mit der in Düsseldorf schon früher geübten Technik der Radirung, und
das im Jahre 1837 erschienene berühmte Buch „Lieder eines Malers mit Randzeichnungen seiner
Freunde", herausgegeben und gedichtet von dem liebenswürdigen Robert Reinick, enthält die
ersten Versuche der Romantiker auf dem Gebiete der Originalradirung, und ist für die ganze
Stimmung der Zeit und ihrer Künstler ein wahres kleines Compendium in ansprechendster Form.
Selbst der ernste Schadow hat es nicht verschmäht, hier einen Beitrag beizusteuern, ebenso
auch Lessing, der sonst, so viel er auch zeichnete, verhältnifsmäfsig wenig illustrirt hat, und fast
alle die Anderen sind vertreten. Hildebrandt, Deger, Lessing, Hübner, Mücke, Stilke, Sohn,
Achenbach, die Müller, selbst Schrödter und der junge A. Rethel, Kretschmar, J. Becker, Schirmer
und viele Andere haben jeder eines oder gar mehrere Blätter radirt, meist in einer dünnen,
zeichnenden Manier, zuweilen aber schon in überraschend farbiger Wirkung, vielfach mit den
berühmten aus der Kalligraphie stammenden Arabesken umschlungen, die damals sogar bis in
die Literatur hinein (nannte doch Immermann seinen Münchhausen eine Geschichte in Arabesken)
eine so grofse Rolle spielen und etwa dasselbe bedeuteten, wie die heutigen ebensoviel genannten
Ornamente, oder die ganz modernen „müden Linien", nur dafs sie bedeutend witziger und erfreu-
licher sind als die letzteren.
Das Liederbuch eines Malers wurde typisch für eine Unzahl von Gedichtsammlungen,
Anthologien, Klassiker- und Nichtklassiker-Ausgaben, die von dem empfindsamen Lesepublikum
verschlungen wurden. Sie lösten die Almanachs ab, welche mit ihren wenigen Kupferstichen
den Bilderhunger nicht mehr zu befriedigen vermochten. Dafs Peter Cornelius in seiner Jugend
für diese Almanachstiche gezeichnet hatte, wurde schon erwähnt, auch später hat er nicht ver-
schmäht, gelegentlich für den Stich, wenn auch nicht zu illustrativen Zwecken, zu arbeiten. Schon
seine Faustzeichnungen sind nicht als Buchillustrationen gedacht.
Sehr bald trat der alte Holzschnitt an die Stelle der Radirung oder des Kupferstiches, und
hierin lag einerseits eine Erleichterung der Vervielfältigung, anderseits eine Ursache des immer
niedriger werdenden künstlerischen Niveaus, den die Illustration den Originalradirungen oder
Steindrucken gegenüber (denn auch dieser trat bald in Wettbewerb) einnahm. Es liegt auf der
Hand, dafs selbst der geschickteste Holzschneider in noch weit höherem Mafse, als der doch
immerhin langsamer arbeitende und auch besser vorgebildete Kupferstecher als fremdes Medium
wirken mufs, selbst wenn der Künstler, was vor der Benutzung der Photographie meist geschah,
seine Zeichnung selbst auf den Holzstock entwirft. Von einer Erziehung zum Facsimileschnitt,
wie ihn Menzel in Berlin schon früh durchsetzte, war in Düsseldorf keine Rede, im Gegentheil,
die Zeichner gewöhnten sich nur allzuschnell an eine charakterlose Holzschnittmanier, welche
den später aufkommenden, noch weniger zeichnungsmäfsigen Tonschnitt vorbereitete. Rethels
..Todtentanz" nimmt hier eine rühmliche Ausnahmestelle ein, wie er ja auch nicht Illustration ist,
sondern ein Originalkunstwerk im höchsten Sinne des W^ortes. Nicht wurden die Bilder zu den
Versen Reinicks geschaffen, sondern umgekehrt, Reinick machte sein in aller Schlichtheit eigen-
thümlich wirkungsvolles Gedicht zu den Compositionen.
Zu den illustrirten Ausgaben kamen bald die illustrirten Zeitungen, die damals vor der Zeit
des photographischen Cliches ausschliefslich auf Nachbildungen von Bildern oder Original-
illustrationen angewiesen waren und während der Kriege dadurch nicht wenig zur Popularisirung
der Kriegsmalerei beitrugen.
Wie gesagt, kaum einer der älteren und auch der späteren Düsseldorfer Maler hat sich der
Illustration ganz entzogen. J. Hübner, der selbst Dichter war, illustrirte u. A. mit Bendemann das
240
„Nibelungenlied" von Marbach, den „modernen Vasari" von W. von Schadow- berühmt ist daraus
der Kopf Schadows; ferner die „Deutsche Geschichte in Bildern" und das „Bilderbrevier".
Bendemann iUustrirte selbständig „Das Brautlied" und das „A. B. C. für grofse und kleine
Kinder". Mintrop war ohnehin mehr Zeichner als Maler und hat unendlich viel — zu seinem
Schaden — illustrirt. Seine besten Zeichnungen sind nicht die Illustrationen im engeren Sinne.
Berühmt ist sein „Märchen von König Heinzelmanns Liebe", das noch 1875 erschien. Carl Sohn
war zu sehr Colorist, um viel zu illustriren, dagegen entwickelte der unermüdliche und phantasie-
volle Mücke auf diesem Gebiete eine ebenfalls höchst rege Thätigkeit, seine Name fehlt kaum in
einem ,, Prachtwerk" jener Zeit.
Einen besonderen und originalen Charakter bekam die Illustration wieder in den Revolutions-
jahren, wo die politische Caricatur, wie schon bei der grofsen Revolution, eine bedeutsame Rolle
spielte. Die Zeichnung wird hier selbständiger und mehr zur Hauptsache als bei der Buch-
illustration, und man bedient sich nicht des Holzschnittes, sondern mit Vorliebe des Steindruckes,
der eine schnellere Handhabung bei authentischer Wiedergabe ermöglichte. In Frankfurt ent-
standen des Düsseldorfer Schrödter, der kurz vorher für den Kunstverein seinen Arabeskenfries als
Vereinsgabe auf Stein gezeichnet hatte, berühmter ,, Piepmeyer": in Düsseldorf ,,Der politische
Struwelpeter, ein Versuch zu Deutschlands Einigung" von Henry Ritter, ganz abgesehen von der
lebhaften Einzelthätigkeit in den politischen und unpolitischen Zeitschriften.
Die Befreiung der Geister, einmal von der politischen Unmündigkeit durch die Revolution,
dann aber von der pathetisch-sentimentalen Romantik durch das Genre, liefs nun in der Kunst
den lange doch nicht recht zu Wort gekommenen rheinischen Humor üppig ins Kraut schiefsen.
Die Bildermalerei konnte dem blitzartigen Witzfunken nicht als Abieiter dienen und es entstanden
im engsten Anschlufs an die beiden Revolutionen, an die politische und die künstlerische, wie in
München die ,, Fliegenden Blätter", so in Düsseldorf die berühmten ,, Düsseldorfer Monatshefte",
die, seit 1848 von Lorenz Clasen redigirt, sich bis 1862 hielten. Es war ein Witzblatt, nicht von
der Actualität, der Schärfe und der gelegentlichen Frivolität der heutigen, aber mit zum Theil
vorzüglichen und durchaus künstlerischen Original-Steinzeichnungen, zu denen fast alle namhaften
Düsseldorfer Künstler beitrugen. Viele haben hier zuerst den Schritt in die Oeffentlichkeit
gewagt. Und bald genügten die Monatshefte nicht mehr. Sei es, dafs der noch beträchtliche
Rest der Romantik sich regte, sei es, dafs der caricaturenhafte Charakter, der gewahrt werden
mufste, einer Mischung mit ernsthaften Bildern nicht gewürdigt werden sollte, kurz, es entstand
bald darauf 1851 — 67, redigirt von W. Müller von Königswinter, das ,, Düsseldorfer Künstleralbum",
das neben Gedichten und kleinen Erzählungen von den ersten Dichtern und Schriftstellern zahl-
reiche, zum Theil farbige Originallithographien brachte.
Im Jahre 1867 wechselte das Düsseldorfer Künstleralbum den Titel und hiefs von nun an
bis zu seinem Abschlufs im Jahre 1877 ..Deutsches Künstleralbum"; redigirt wurde es zuerst noch
von W. Müller von Königswinter, der allerdings schon 1853 nach Köln übergesiedelt war. Seit
1872 leitete es Ad. Ebeling und von da an der Dichter E. Scherenberg. Ein ,, Neues Düsseldorfer
Künstleralbum", redigirt von einem Dr. Ellen, hatte es zwischendurch nur auf zwei Jahrgänge
gebracht, ebenso wie ein ,, Düsseldorfer Jugendalbum", das 1856 und 1858 erschien. Anfang
der 50er Jahre gab das rührige lithographische Institut von Arnz & Co. in drei Jahrgängen
,, Aquarelle Düsseldorfer Künstler" heraus, die in farbigen Lithographien zum Theil höchst reiz-
volle Arbeiten der bedeutendsten Düsseldorfer Maler enthalten. Da sind die entzückenden Stein-
zeichnuftgen von Knaus: ,,Der alte Schmied" und „Maskirte Kinder", mehrere treffliche, fein-
gezeichnete Blätter des jungen Vautier, von A. und O. Achenbach, Camphausen, Mintrop, Tide-
mand, Weber: kurz alle Gröfsen jener Tage sind hier in Original-Steinzeichnungen vertreten, die
zum Theil auch in der Farbe durchaus annehmbar sind. In den genannten regelmäfsig erschienenen
Werken ist ein Schatz von mehr originalen, als illustrativen Zeichnungen niedergelegt, dessen
Studium für die Kenntnifs der damaligen Kunst von gröfster Wichtigkeit ist.
Die Lithographie trat seit den 60er Jahren in den Hintergrund, erst Fritz Roeber lithographirte
im Anfang der 70er Jahre wieder eine Reihe grofser Blätter mit biblischen Compositionen, und
in den letzten Jahren entstanden von jungen Künstlern infolge des neu erweckten Interesses an
der Originallithographie einzelne interessante, zum Theil farbige Blätter.
Neben dieser mehr zeichnerischen ging natürlich die illustrative Thätigkeit ruhig weiter, aber
auch hier begann allmählich die realistischere Entwicklung der Kunst ihren Einflufs geltend zu
machen. Die schablonenhaften Figuren, das theaterhafte Arrangement, das hier, weil bequem und
sinnfällig, noch weit mehr als in den Bildern sich geltend machte, mufsten einer eingehenderen
16
241
Charakterisirung und gleichzeitig damit einer freieren Auffassung der Dichterwerke Platz machen.
Henry Ritter hatte zusammen mit Camphausen mit seinen trefflichen Illustrationen zu Henry Irving,
die 1856 erschienen, den Anfang einer wirklich künstlerischen Illustration gemacht, und war für
die spätere Generation vorbildlich geworden. Hiddemann folgte mit seinen Zeichnungen zu Reuters
„Ut mine Stromtid", aber in erster Linie war es dem Haupte der späteren Düsseldorfer Genre-
malerei Benjamin Vautier vorbehalten, hier Werke von so eigenartigem Werth zu schaffen, dafs
sie, obwohl durchaus als Illustrationen gedacht, doch auch vom Text losgelöst, ihren eigenen
künstlerischen Reiz haben würden. Es sind erstens die Zeichnungen zu Immermanns ,, Oberhof",
die er im Auftrag des Verlagsbuchhändlers A. Hofmann in BerHn in der Mitte der 60er Jahre
schuf und sich damit in die erste Reihe der deutschen Illustratoren (und ihrer waren aufserhalb
Düsseldorfs nicht wenige, die sich ausschliefslich diesem Fache widmeten) stellte. Der Erfolg
dieser Zeichnungen war trotz der Hochfluth solcher Erscheinungen ein aufserordentHcher, um so
mehr, als die Verlagshandlung einen verständnifsvoUen Holzschneider gefunden hatte, der sich der
zarten, anmuthigen, aber dabei doch bestimmten und bewufsten Handschrift des Künstlers anzu-
passen verstand. Die zweite Arbeit ähnhcher Art, eine Illustration der Auerbachschen Dorf-
novelle „Barfüfsele", lag Vautiers Kunst auch costümlich noch näher. Führte doch die schnell
berühmt gewordene Erzählung den Leser in das gemeinsame Studiengebiet des Dichters und des
Künstlers, in den Schwarzwald, und der Maler war hier fast noch besser zu Hause als der
Schriftsteller.
Gleichzeitig illustrirte Vautier aufserdem noch Goethes , .Hermann und Dorothea" für den
Verlag von Vieweg in Braunschweig. Diese seine drei Illustrationscyklen sind zum Besten zu
rechnen, was die Düsseldorfer Buchillustration geschaffen hat. Freilich gehören diese Arbeiten
nach dem Entwicklungsgang ihres Schöpfers in eine spätere Periode. Sie mufsten aber hier im
Zusammenhang mit erwähnt werden, wie auch als letzter der eigentlichen Buchillustratoren, der
aus der älteren Kunst wenigstens hervorgegangen ist, ein Künstler genannt sein mag, der nur
wenig gemalt und fast seine ganze Thätigkeit der Illustration gewidmet hat. Philipp Grotjohann,
geboren 1841 in Stettin, war zuerst Schlosser, kam später nach Düsseldorf, wo er Schüler von
C. Sohn wurde. Er illustrirte für die Groteschen Klassikerausgaben und zahlreiche andere Bücher.
Seine kunstgewerblichen Entwürfe und dekorativen Wandmalereien sind weniger bekannt geworden.
Er starb 1892.
Bei den meisten auch der jüngeren Düsseldorfer Maler blieb die Illustration beliebt. Kaum
einer der Vautier gleichzeitigen oder auch jüngeren Historien- oder Genremaler hat es verschmäht,
Illustrationen zu zeichnen, so vor Allen Peter Janfsen, die beiden Roeber, A. Baur und Carl
Gehrts. Immerhin liefs die Entwicklung der Photographie und der durch sie beeinflufsten Holz-
schnitttechnik, des sogenannten Tonschnittes, die gezeichnete Illustration mehr und mehr in den
Hintergrund treten, bis das autotypische Verfahren der neueren Zeit hier wieder eine neue Blüthe
hat aufleben lassen, von der allerdings für Düsseldorf das Beste noch erst zu hoffen ist.
Sehr früh und, wie wir gesehen haben, im Anschlufs an die Illustration, hatte sich die
Original radirung entwickelt. Bei dem ,, Liederbuch" steht sie noch in Verbindung mit den
Gedichten, aber schon Schirmer schuf selbständige Originalradirungen; einige nach Bildern von
ihm selbst, andere nach freiem Entwurf. Auch eine Art Origmallithographie wurde schon früh
geübt, wenn man nämlich die Reproduction eines Bildes auf lithographischem Wege durch den
Künstler selbst hierher rechnen will. In den Jahren 1829 und 1830 gab der Kunstverein eine
Serie von Stichen und Lithographien, allerdings meist nur in Umrissen und von recht primitiver
Ausführung, nach den von ihm angekauften Bildern heraus, die zum Theil von den Malern selbst
angefertigt waren. So hat u. A. Lessing eine ,, Mondscheinlandschaft" und den berühmten
,, Kirchhof im Schnee" selbst auf Stein gezeichnet. Schirmer hat seine ,, Betende Nonne" radirt
und ,,Die Kapelle im Walde" lithographirt. Es ist nur zu bedauern, dafs der Kunstverein nicht
consequent diese Publication fortgesetzt hat, sie würde ein unersetzliches Bild von der Entwicklung
der Malerei sowohl, wie der reproducirenden Künste gewähren.
Scheurens hervorragende Thätigkeit in dieser Richtung wurde schon erwähnt, seine Radi-
rungen — 26 Blatt Landschaften vom Rhein — sind sehr geschätzt, am berühmtesten aber ist
das nach seinen Aquarellen farbig lithographirte Rheinalbum.
Neben Schirmer steht als Radirer A. Schrödter mit an der Spitze. Ursprünglich Kupferstecher,
schuf er noch als Maler nicht nur treffliche Originalradirungen, sondern auch die berühmte Radi-
rung nach seinem eigenen Bilde ,,Don Quichote", die der Kunstverein für die Rheinlande und
Westfalen als Prämienblatt im Jahre 1845 vertheilte, wie 1842 schon zwei grofse landschaftliche
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Originalradirungen von Schirmer. Schrödters Radirwerk umfafst zahlreiche Blätter, in denen er
mit Vorliebe wieder seinen „Ritter von der traurigen Gestalt" in geistreicher, zuweilen an Adolph
Menzel erinnernder Weise feiert. Für die ..Monatshefte" hat er zahlreiche, zum Theil sehr geist-
reiche Caricaturen auf den Stein gezeichnet.
Anfang der 6oer Jahre trat Andreas Achenbach, der in seinem „Untergang des Präsident"
eine Originallithographie ersten Ranges geschaffen hatte, auch mit einem Hefte flott radirter
Blätter auf. nachdem er schon 20 Jahre früher mit seinem „Scheveninger Fischweib" debutirt hatte.
Ende der 70er Jahre bildete sich dann, allerdings unter der Führung des Kupferstechers
E. Forberg, der selbst einige hervorragende Porträt-Originalradirungen, so von E. v. Gebhardt und
dem Violinisten Joachim, geliefert hat, ein Verein Düsseldorfer Künstler, der verschiedene Jahres-
hefte mit Originalradirungen herausgab, unter denen sich Arbeiten und Namen ersten Ranges
befinden, so Bosch. Dücker, Fahrbach, Hoff. Irmer, Kröner, Leisten, Jutz, Volkhart, C. F. Deiker,
Vezin, Grotjohann. Dennoch hielt sich der Verein nur einige Jahre und es trat eine Pause ein,
bis der im Jahre 1889 von jungen Künstlern gegründete ,, Lucasclub" sich auch der Originalradirung
wieder annahm und, nachdem einige seiner Mitglieder, so die beiden Kampf, Jernberg, Liesegang,
Frenz, Wendling, Hermanns, G. Janfsen, schon vorher einzelne Blätter radirt hatten, seit 1892
einige Hefte mit Originalradirungen herausgegeben hat.
Bei der lebhaften Unterstützung, welche der „Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen"
der Kupferstecherkunst hat zu Theil werden lassen, mufs dieser Zweig der reproducirenden Kunst-
thätigkeit wenigstens mit Nennung seiner Hauptvertreter kurz berührt werden, so wenig man die
Kupferstecherkunst zu den originalen Künsten wird rechnen können. Gemäfs dem Princip der
Kunstvereine, ihre bei den Verloosungen von Gemälden leer ausgehenden Mitglieder, die natür-
lich in der grofsen Mehrzahl sein müssen, schadlos zu halten, war man früh darauf gekommen,
ihnen durch ein Werk der vervieliältigenden Kunst, einen Stich oder eine Lithographie, ein
sogenanntes Nietenblatt, den W^erth ihres jährlichen Beitrages zu ersetzen. Es liegt auf der Hand,
dafs hierin eine ungeheuere Unterstützung des Kupferstiches liegt, und es ist wohl nicht zu viel
gesagt, wenn man behauptet, dafs ohne dieses Vorgehen auch des Kunstvereins für die Rheinlande
und Westfalen die Kupferstecherkunst in Düsseldorf heute wohl fast verschwunden sein würde.
Die schnell gewachsene Mitgliederzahl ermöglichte hier schon früh die Herstellung grofser
und wirklich hervorragender Blätter und somit die Erziehung verschiedener Stecher zur höchsten
Vollendung in ihrer Kunst.
Die ältesten Stecher der kurfürstlichen Akademie wurden schon zu Anfang genannt. Der
letzte, Thelott, lebte noch als Lehrer an der preufsischen Akademie, ohne auf die spätere Schule
Einflufs zu haben, da er alt und arbeitsunfähig geworden war. Von seinen zahlreichen Blättern
(er stach auch einige Kalenderbilder von Peter Cornelius) ist eines der interessantesten, wenn auch
in hohem Grade manierirt, ,,Die Kreuzigung Petri", nach dem Rubensschen Bilde in St. Peter in
Köln. Ernst Carl Gottlieb Thelott war 1760 in Augsburg geboren und starb 1839 in Düsseldorf.
Seine beiden Söhne, die vor ihm starben, waren Porträtmaler in Düsseldorf und München. Die
Schadowschule bildete dann gleich einen Stecher ersten Ranges, den 1811 in Linz geborenefi
Joseph Keller, der dem Namen nach noch Schüler von Thelott wurde, als er 1835 nach Düssel-
dorf gekommen war. In der Hauptsache bildete er sich aber als Autodidakt, nachdem er die
Anfangsgründe der damals beliebten Punktirmanier in Bonn in der Schulgen -Bettgendorfschen
Kupferdruckerei gelernt hatte. In Düsseldorf wurde er durch den Kunstverein gleich mit der
Anfertigung eines Stiches nach Hübners , .Befreiung der Prinzessin Isabella durch Roland" betraut
(Prämienblatt für 1837), 1838 studirte er in Paris bei Desnoyer und Forster und wurde 1839 Lehrer
in seiner Kunst an der Akademie in Düsseldorf.
Er stach nun neben einigen anderen Sachen ,,Die hl. Dreifaltigkeit" nach Rafael aus
S. Severo in Perugia und dann als sein Hauptwerk die ,,Disputa", die der Kunstverein bestellt hatte
und als Prämie für fünf Jahre an seine Mitglieder abgab. Das Blatt ist einer der gröfsten und
besten Kupferstiche der neueren Zeit und an Klarheit und einfacher Schönheit der Wirkung un-
übertroffen. Für 1863 stach Keller als Prämienblatt die ,, Regina Coeli" nach Deger, und als letztes
Werk „Rafaels sixtinische Madonna", einen der besten Stiche nach diesem Bilde.
Keller ist der eigentliche Begründer der Düsseldorfer Kupferstecherschule, aus deren reicher
Schülerzahl Glaser, Nüsser, Massau, Th. Janfsen, F. Dinger, Barthelmefs, R. Stang, Kohlschein
genannt sein mögen. Alle haben für den Kunstverein gearbeitet, und ihre Blätter haben nicht
wenig dazu beigetragen, den Ruhm der Düsseldorfer Bilder, namentlich in der älteren Zeit, zu
verbreiten.
244
Nach Kellers Tode 1873 war die Stelle eines akademischen Lehrers der Kupferstecherkunst
sechs und ein halbes Jahr unbesetzt geblieben, bis 1879 Kellers letzter Schüler, Karl Ernst Forberg,
geboren 1844 in Düsseldorf, auf diesen Posten berufen wurde. Seine Verdienste um die Original-
radirung, die er neben der Kupferstecherkunst auch auf der Akademie lehrt, wurden schon
gewürdigt. Als Kupferstecher hat er sich durch zahlreiche Blätter nach Rafael (,, Fischzug" und
,, Weide meine Schafe"), Vautier (,, Strafpredigt"), Bendemann (,, Wegführung der Juden in die
babylonische Gefangenschaft"), A. Achenbach {,, Judenviertel in Amsterdam"), W. Sohn (,,Consul-
tation beim Rechtsanwalt") u. s. w. einen Namen gemacht.
i6*
245
XII. Kapitel
Die Blüthe der Genremalerei
IE Landschaftsmaler und die früheren Genremaler waren die Ersten gewesen, die den
Bann der Romantik gebrochen hatten. Die Genremalerei der mittleren Zeit sollte das
Angefangene fortführen und den malerischen Uebergang von der älteren zur neueren Zeit
vollenden, den die alten Landschafter und Genremaler angebahnt hatten. Hasenclever
und Schrödter waren leider nach den ersten vielversprechenden Anläufen wieder in die
Braun- und Buntmalerei verfallen. Tidemand und Jordan fanden in der steten Wiederholung aus
demselben Motivenkreis keine Gelegenheit zu grofsen Variationen oder gar Neuentdeckungen auf
LUDWIG KNAUS
Leichenzug im Walde
247
coloristischem Gebiet. Es bedurfte hier einer neuen Kraft, eines originalen Talents, und das fand
sich in Ludwig Knaus, dessen Aufenthalt in Düsseldorf zu den ruhmreichsten Epochen der
nachschadowschen Kunst gehört, gerade weil Knaus in seiner ganzen Persönlichkeit das Gegen-
theil nicht nur der Schadowschule, sondern auch der bisherigen Genremalerei war. Er war es so
sehr, dafs sein Einflufs auf seine Zeitgenossen, trotz zweimaligen langen Aufenthalts in Düsseldorf,
ein auffallend geringer war, umgekehrt wie das bei Vautier, seinem Nebenbuhler in der deutschen
Genrekunst, der Fall ist, der, wenn auch ebenfalls Fremder und sogar Ausländer, doch seinem
ganzen Wesen nach so sehr der Düsseldorfer Genremalerei entsprach, dafs er und sein Werk
gewissermafsen als ihr Höhepunkt anzusehen ist und sie in allen ihren Vertretern mehr oder
weniger beeinflufst hat.
Der Gegensatz zwischen Knaus und den Düsseldorfern beruhte dabei keineswegs so sehr in
den Motiven, die Knaus wählte. Zwei längst eingebürgerte Düsseldorfer, Dielmann und Becker,
hatten ihn gleich anfänglich auf ihre Studiengebiete hingewiesen, und die Bauern und Zigeuner,
die Knaus malte, waren keineswegs neue Gestalten in der Düsseldorfer Genremalerei. Was ihn
aber von allen den Zeitgenossen und Nachfolgern bis in die letzte Zeit hinein unterscheidet, das
ist der absolute Mangel an Sentimentalität, den selbst die Bauernmaler oder gerade sie aus der
Romantik wie ein Contagium herübergeschleppt haben und nicht los werden können. Diese Ge-
müthsduselei, die sich zur gemüthlichen oder freundlichen Auffassung abflaute, immer aber jenes
Schwächliche, Süfsliche zeigt, das dem Publikum nun einmal als , .reizend" oder ,, entzückend"
oder ,,nett" so sehr gefällt, dafs es nicht genug davon bekommen kann, hat die Genremalerei in
steter Wechselwirkung zwischen Künstler und Publikum, immer tiefer in diese Süfsmichelei
hineingearbeitet.
Davon hat nun Knaus keine Spur, und das brachte ihm gerade bei denen, die damals schon
von der Düsseldorferei im üblen Sinne genug bekommen hatten, gleich den grofsen Erfolg. In
seinen Bildern, allerdings am meisten in denen aus späterer Zeit, zeigte sich im Gegentheil ein
ganz neues Element, das ist eine Schärfe des Humors, die sehr verschieden ist von dem immer
noch gutmüthigen Witz der Schrödter oder Hasenclever, eine Schärfe, die sich gelegentlich zum
Sarkasmus und selbst zum bitteren Hohne steigerte.
Als scharfes Pointiren
zeigt sich dieser Zug schon
in einem der ersten Bilder,
die Knaus in Düsseldorf
malte, in den „Spielern",
dann in dem ,, Leichenzug
im Walde", wo die Proces-
sion der Kinder und Leid-
tragenden an einem von
seinem W^ächter beglei-
teten strolchartigen Ver-
brecher vorbeizieht.
Und diese Knaussche
Schärfe ist wiederum auch
ganz etwas Anderes als
die Ernsthaftigkeit, mit
der Hübner seine socialen
Bilder malte. Sie steigerte
sich später sogar noch,
und man könnte versucht
sein, darin auch eine Folge
seines langen Pariser
Aufenthaltes zu suchen.
In dem viel beachteten
und viel angefochtenem
Bilde ,, Hinter den Coulis-
sen", für das L. Pietsch
LUDWIG KNAUS eine wohl zu harmlose
Die Spieler Auslegung giebt, ist etwas
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LUDWIG KNAUS
In tausend Aengs;en
von der unbarmherzigen und bitteren Beobachtung Zolas, und in der „Näscherin" ist man ver-
sucht, eine Menschenverachtung zu finden, die dem Künstler bewufst gewifs fern gelegen hat,
aber doch ein Element in die Genremalerei hineinbringt, das deutschem Malerwesen eigentlich
bis heute fern lag, — dem harmlosen Düsseldorfer von damals ganz besonders.
Knaus wurde 1829 zu Wiesbaden als Sohn eines Optikers geboren, und kam nach einer, in
nicht gerade besonders glänzenden Verhältnissen verlebten Jugend und nach mancherlei Kämpfen
1845 nach Düsseldorf, wo er sich neben dem akademischen Unterricht bei C. F. Sohn durch
Copiren und Porträtmalen durchschlagen mufste. Von Schadow wurde ihm, wie das nun einmal
in der damaligen Zeit üblich war, das Talent abgesprochen, und Knaus verliefs bald die Akademie,
um sich mit der Energie, die ihn schon damals auszeichnete, auf eigene Füfse zu stellen.
Gleich sein erstes gröfseres Bild, ,, Hessischer Bauerntanz", vom Jahre 1850, brachte einen
durchschlagenden Erfolg, der den Einundzwanzigjährigen in die erste Reihe der Düsseldorfer
Künstler stellte. Der Kunstverein kaufte dieses, wie auch das nächste noch bedeutendere Bild, in
dem sich schon die erwähnten Eigenschaften Knaus' und seine Sonderstellung aufs schärfste aus-
prägten. Es waren die berühmt gewordenen „Spieler", die der Künstler zweimal malte, einmal
für die städtische Galerie in Düsseldorf. Hier waren schon die starken, nicht dramatischen oder
socialen, aber psychologischen Gegensätze, die in dieser Stärke der Ausführung noch nicht gewagt
worden waren, auch nicht durch Lessings Hufsbilder, mit gröfster Kraft und Sicherheit ausge-
sprochen. Besonderes Aufsehen erregte ferner schon bei diesem Bilde damals „der Schmelz der
Farbe", was heute einigermafsen Wunder nimmt, da das Bild verhältnifsmäfsig dunkel und in
ruhigen tiefen Tönen gehalten erscheint. Aber für jene Zeit, die in der Historie nur ein buntes
und in der Genremalerei ein meist hartes Nebeneinander von Farben kannte, war das Beobachten
eines geschlossenen Gesammttones eben ein Ereignifs. Es scheint übrigens nicht ausgeschlossen,
dafs gerade dieses Bild durch Nachdunkeln viel verloren hat.
249
Es folgte nun schnell nacheinander eine grofse Zahl von Bildern, von denen das schon
erwähnte ,.Leichenbegängnirs im Walde" (1852) den Ruhm des jungen Künstlers über Düsseldorf
hinaustrug. Auch einen Ausflug in die Historie machte Knaus mit ,, Gräfin Helfenstein bittet um
Schonung ihres Gatten", um dann sich selbst auf den Weg nach Paris zu machen, wo er nur
ein paar Wochen verweilen wollte, aber über acht Jahre blieb.
Paris wurde für Knaus die eigentliche Glanzstätte seines Ruhmes — kaum je hat ein fremder
Künstler dort solche Erfolge gehabt, wie sie der junge Deutsche bald zu verzeichnen hatte. Die
politischen Gegensätze bestanden damals noch nicht in der Schärfe, wie nach dem Kriege. Der
junge Nassauer wurde als Ritter der Ehrenlegion förmlich in den Kreis der Unsterblichen auf-
genommen, und es ist nur aufs höchste zu bewundern, dafs Knaus sich in all' den Jahren und
unter all' jenen Erfolgen seine deutsche Eigen-
art bis auf ganz geringe Dinge, die aber auch
schon in seiner Natur lagen und hier nur den
günstigen Nährboden fanden, bewahrt hat. Bei
der traurigen Anpassungsfähigkeit der Deutschen,
die nicht einmal heute verschwunden ist, sollte
man das dem Menschen Knaus ebenso hoch
anrechnen, wie die Werke, die er schuf, dem
Künstler.
Von Paris aus ging Knaus 1862 nach Berlin,
wo er eines seiner Hauptbilder ,,Der Taschen-
spieler im Dorf" malte. Vielleicht könnte man
in der Alten, die mit bedenklichen Gebärden aus
der rechten Ecke des Bildes abschiebt, eine,
wenn auch unbewufste, Reminiscenz an Rethel
erblicken, der dieselbe Alte im selben Sinne
zweimal, bei der ,, Krönung Karls des Grofsen"
und im ,,Todtentanz" verwandt hat. Das Bild
kam nach Paris. Auch in Berlin war Knaus
der Mittelpunkt der künstlerischen W^elt. Von
hier aus machte er aber, was für ihn von
grofser Wichtigkeit war, zahlreiche Reisen nach
der Heimath und nach Tirol. Gerade hier fand
er die Anregung zu neuen und originellen
Schöpfungen, zu jenen Motiven, die, späterhin ins
Unendliche variirt, ein Gemeingut der deutschen
Genremalerei werden sollten. Damals entstanden
unter Anderem ,,Die Raufer, die vom Herrn Pfarrer
abgekanzelt werden". Auch Zigeunerbilder malte
er hier wieder, wie er schon in Düsseldorf ge-
than hatte. Nur Italien reizte ihn verhältnifs-
mäfsig wenig, vielleicht war es bei ihm eine
ähnliche Opposition, wie bei Lessing gegen die
landläufige Italienschwärmerei und die damals
schon im Uebermafs gemalten Pifferari und
Ciocciaren. Aber auch Berlin konnte ihn, damals
wenigstens, noch nicht dauernd halten. Viel-
leicht war das Gefühl, dafs die Grofsstadt mit ihren gesellschaftlichen Ansprüchen und ihren weniger
künstlerischen Porträtaufträgen, mit denen er überhäuft wurde, ihn vom Wege ablenkte, das
ihn nach dem immerhin doch stilleren Düsseldorf zurückführte. Hier brachte er wiederum acht
Jahre zu, die vielleicht die Glanzperiode seines Schaffens bilden, und es ist nur zu verwundern,
wie wenig er trotz Allem gerade damals die Düsseldorfer Malerei beeinflufst hat, im Gegensatz
zu Anderen, die ihm künstlerisch nicht gleichkamen. Nur Muncacsy schlofs sich damals näher
an ihn an, aber dieser blieb wiederum zu kurze Zeit in Düsseldorf, als dafs es für seine Ent-
wicklung hätte in Betracht kommen können.
Das erste Bild, das bei seinem zweiten Aufenthalt in Düsseldorf entweder entstand, oder
doch vollendet wurde, war eigenartig genug und zeigt auch wieder jene Schärfe, die gerade in
LUDWIG KNAUS
Der Freibeuter
250
LUDWIG KNAUS
Leichenbegängnifs im Winter
Düsseldorf besonders auf-
fallen mufste. Es war
„Hoheit auf Reisen", in
der nicht der wohlwollende
Theaterlandesvater, son-
dern ein ziemlich unan-
genehmer, feudaler Herr
geschildert ist, dessen
Gefolge recht von oben
herunter die versammelten
Landbewohner betrachtet.
Bei diesen macht sich
wiederum der beschränkte
Unterthanenverstand sehr
bemerklich. Nur die
Kleinen und Kleinsten sind
die Lichtpunkte im Bilde,
und in der Schilderung
des Kinderlebens sollte
Knaus in einem Düssel-
dorfer Werk bald eines
seiner hervorragendsten,
sicherlich das volks-
thümlichste seiner Bilder
schaffen. Dies war das be-
rahmte ,, Kinderfest", oder
BENJAMIN VAUTIER
Der Gast in der Herrenstube
(Mit Genehmigung von Franz Hanfstaengl. München)
,,Wie die Alten sungen, so zwitschern die Jungen", das der Künstler zweimal malte, einmal in
der heutigen Tracht, ein zweites Mal im Rococo-Costüm, das lür die farbige Wirkung natürlich
günstiger war. Noch niemals vorher hatte die neuere Kunst in so reizvoller und feiner Weise
das Kinderleben geschildert, und selbst bei den alten Meistern, welche, Rubens nicht aus-
genommen, das Kind meist nur als Putto allegorisirten, dürfte sich kaum eine ähnliche Vertiefung
in die Kinderwelt wiederfinden, wie bei diesem Bilde, welches das Ungezwungene, sich unbeob-
achtet glaubende Treiben des kleinen Volkes in einer Weise schildert, die Knaus selbst nicht
mehr übertreffen konnte, und vielleicht nicht einmal später selbst wieder erreicht hat: höchstens
in dem reizenden Bildchen ,,In tausend Aengsten", wo em kleines Mädel von zwei Gänsen bedroht
wird und in gleicher Angst um sein Leben, wie um sein Butterbrot zu schweben scheint, findet
sich diese Unbefangenheit und Naivität wieder.
Gerade diese nämlich sind es, die Knaus bei manchen späteren Bildern von jungen Mädchen
oder Frauen, aber auch von einzelnen männlichen Figuren vermissen läfst. Bei Jenen geschieht
es hauptsächlich zu Gunsten einer gewissen Eleganz und Feinheit in Form und Haltung, die
vielleicht auf Pariser Einflufs zurückzuführen ist. Dann aber zeigt sich und zwar besonders in
Einzelfiguren, die er schon in Düsseldorf zu malen anfing, ein gewisses Kokettiren des Bildes
mit dem Beschauer, das einer frappanten ersten Wirkung ja sicher ist, aber auf die Dauer und
bei Wiederholungen fast verstimmt. Und zwar äufsert sich dieses Rücksichtnehmen auf den
Beschauer nicht blofs in allerlei Posen, die den Eindruck des Unbeabsichtigten schon gar nicht
mehr bezwecken, sondern sogar in einem directen Bezugnehmen auf den Beschauer, der angeblickt
oder angelächelt, sozusagen angeredet wird. So schon in dem „kleinen Freibeuter", dann auch in
dem ,, Schornsteinfeger", am stärksten bei dem später in Berlin gemalten „Judenjüngelchen, das
seinen ersten Profit einsteckt".
Gerade das, was über den Begriff des Bildes in den des Porträts hinübergreift, hat mehr
wie die guten Eigenschaften Knausscher Kunst in Düsseldorf Schule gemacht, und von diesen Einzel-
figuren stammen die Legionen von Schornsteinfegern, Schusterjungen, Bauernmädchen, oder blofs
Studienköpfen, die den Beschauer anlächeln, anschmachten, ankokettiren, als wollten sie sagen:
,, Kaufe mich um jeden Preis".
Das nächste bedeutende Düsseldorfer Bild zeigt den Meister wieder von einer ganz anderen
und überaus ernsthaften Seite. Und wie das Kinderfest den Glanzpunkt des heiteren und kindlich-
frohen Genres ausmacht, so ist das ,,Leichenbegängnifs im Winter", 1871 vollendet, das Bedeutendste,
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was die deutsche Genrekunst auf dem Gebiet der erschütternden „Tragik des Alltags" aufzuweisen hat.
In den ernsten Tagen des Krieges gemalt, die Knaus charakteristischerweise zwar zu zahlreichen
Studien, aber nicht zu einem actuellen Bilde Gelegenheit gaben, reflectirt sich gewissermafsen
in ihm der Ernst der Zeit, welcher die Künsterseele eines Knaus nicht unberührt lassen konnte.
Das Motiv des Bildes, zu dem der Künstler das Costüm und wohl auch die Anregung in
Hessen fand, ist einfach genug.
In einem engen Bauernhof hat sich der Schullehrer mit den Kindern zur Leichenfeier ver-
sammelt. Frierend singen die Kleinen ihren Choral, aber voll ängstlicher Scheu blicken sie dabei
hinauf, wo aus der engen Thür über schmaler Treppe der Sarg herausgetragen wird. Vor ihm
BENJAMIN VAUTIER
Die entzweiten Schachspieler
wankt ein alter Bauer mit langen weifsen Haaren tastend die Stiege herab. Ein jüngerer Bauer
scheint ihn unten zu erwarten.
Knaus hat in diesem Bilde die starken Gegensätze, die er so liebt, zu feinster künstlerischer
Harmonie ausgearbeitet. Hier das Alter, das, durch das Unglück gebrochen, gegen die Kälte und
selbst gegen den Schmerz des Augenblicks unempfindlich geworden zu sein scheint, oder wie bei
dem Schulmeister ganz in der kleinlichen Pflichterfüllung des Moments aufgeht, dort die Zuschauer,
die in bäuerlichem Stumpfsinn oder weiblicher Neugier den Chor der Dorftragödie bilden, und
drittens die Kinder, die bevorzugten Lieblinge von Knaus' Kunst, in allen Stufen des Alters, von
den ganz harmlosen Kleinen, die noch gar nicht wissen, um was es sich handelt, von den frierenden
Buben, die lieber Schneeballen machten, bis zu den älteren Mädchen, die in erwachendem
Verständnifs ihre Rührung im Gesang zu verbergen suchen — in jeder Gestalt, in jedem Kopf
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eine Fülle von feinster Beobachtung und vornehmster Haltung des Ausdrucks, die keine Gestalt,
sei es zur Grimasse, sei es zur blofsen Staffage werden lassen.
Weder vorher noch nachher hat das genugsam behandelte, ja gewissermafsen zu Tode
gehetzte Motiv eine solche Ausgestaltung erhalten, und selbst Knaus hat kaum je wieder ein
Bild von solcher künstlerischen Geschlossenheit geschaffen.
Im Jahre 1874 folgte Knaus, nachdem er noch eine Reihe von hervorragenden Bildern
geschaffen hatte, so ,,Die Hauensteiner Bauernberathung", ,, Dorfhexe", ,, Kindervergnügen'- u. a.,
einem Ruf an die Akademie nach Berlin als Leiter eines Meisterateliers, und seine spätere
Thätigkeit blieb der Düsseldorfer Kunst entzogen. In unermüdlicher Kraft ist der Meister in diesen
fast drei Jahrzehnten thätig geblieben, einer der wenigen, vielleicht der einzige Schadowschüler,
dessen Kunst bis auf unsere Tage dieselbe und doch lebendig geblieben ist, der beste Beweis,
dafs es eben eine wirkliche und in ihrem Gebiet grofse Kunst ist, die er ausübt.
Dafs Knaus nie so ganz und gar ein Düsseldorfer war, liegt nicht sowohl daran, dafs sein
zweimaliger dortiger Aufenthalt von je acht Jahren durch eine längere Pause von fast 14 Jahren
unterbrochen war, sondern, wie gesagt, hauptsächlich an gewissen Charaktereigenthümlichkeiten,
die ihn von dem Geist der Düsseldorfer Genremalerei, wie sie sich seit Schrödter bis auf unsere
Tage entwickelt hat, überhaupt trennt. Dieser Geist, der nur in den unruhigsten Zeiten durch
die tendenziösen Bilder Carl Hübners etwas erweitert wurde, läfst sich vielleicht am ehesten als
ein Geist der Harmlosigkeit und Gemüthlichkeit bezeichnen, über die selbst der Humor eines
Hasenclever oder Schrödter nicht hinausgegangen ist.
BENJAMIN VAUTIER
Am Brunnen
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Auch in ernsten Momenten wird die Düsseldorfer Genremalerei, immer Hübner ausgenommen,
der später allerdings auch ganz zu ihren Fahnen schwor, wohl gelegentlich dramatisch und selbst
tragisch, aber nie herb und bitter oder gar ironisch -mokant, wie das Knaus sehr wohl sein
kann. Sie nimmt ernste Situationen entweder eben ganz ernst oder sie verfällt, namentlich
später wieder, in die uralte Sentimentalität zurück, sofern sie überhaupt die ernste Empfindung
in den Vordergrund stellt und sich nicht mit liebenswürdigem Humor, mit dem bekannten einem
lächelnden und einem weinenden Auge über das Unglück zu trösten sucht. So fehlt selbst in den
Schiffbruchbildern von Jordan selten die um ihre Kleinen liebevoll besorgte Mutter, das harmlos
bei dem unverstandenen Unglück lächelnde Kind, das den Beschauer über den Ernst der Lage
hinweg helfen soll und als Träger einer besseren Zukunft seine wichtige Rolle spielt.
Gleichzeitig mit Knaus trat nun aber ein zweiter junger Künstler auf, dessen Werk als
der eigentliche Höhepunkt der gemüthlichen und auch häufig wirklich gemüthvollen Düsseldorfer
Genremalerei anzusehen ist, jener Genremalerei, die sich in den Jahren ihrer Blüthe und
hauptsächlich eben in den Werken dieses Künstlers die Herzen des ganzen deutschen Volkes
in der ganzen Welt eroberte und sie lange widerspruchslos festhielt, da sie fast nur Angenehmes
zu sagen hatte, oder das Traurige doch auf möglichst angenehme Weise. Man hat Knaus und
Vautier immer gerne nebeneinander gestellt und das liegt nahe genug, weil sie lange neben-
einander und sogar in Freundschaft verbunden gelebt haben, dann weil sie häufig dieselben
Motive in denselben Costümen gemalt haben; und doch ist das Gegensätzliche bei Beiden vielleicht
gröfser, als das Verwandte. Und dies Gegensätzliche ist schon in dem eben Gesagten angedeutet.
Was die modernste Kunstkritik Beiden und nicht nur ihnen, sondern der ganzen Genre-
malerei und auch einem grossen Theil der Historienmalerei vorwirft, ist, dafs diese sogenannte
Novellenmalerei, die Aufgabe der bildenden Kunst angeblich verkennend, statt blofs zu schildern,
zu zeigen, zu malen, auch noch erzählt, dafs sie, statt allein mit den malerischen, bildlichen
Mitteln auf das Auge, auf die Sinne des Beschauers zu wirken, durch novellistische Zuthaten, die
zuweilen scheinbar fast zur Hauptsache werden, auf die Phantasie, auf das Nachdenken, auf den
Verstand zu wirken sucht und ein Interesse erregt und wachhält, das eben nicht ausschliefslich
mehr durch die bildende Kunst beim Bilde geweckt ist.
Dafs gerade in der Genremalerei die Novelle meist eine freie Erfindung des Malers ist,
erscheint dabei nur als eine Erschwerung des Genusses an dem Kunstwerk, da dem Beschauer
hier unter Umständen noch Räthsel aufgegeben werden, die seine Aufmerksamkeit von dem rein
Künstlerischen noch mehr abziehen müssen. Ein allbekannter historischer oder religiöser Stoff
wird hingegen, eben weil er bekannt ist, den Charakter des etwas Neues Erzählenden, des Novel-
listischen in der ersten Bedeutung des Wortes verlieren und somit reiner malerisch wirken
können. Dafs gerade religiöse Bilder für den NichtChristen nur zu häufig unverständlich sein
würden, kann gewifs nicht bezweifelt werden.
Eine gewisse ästhetische Berechtigung wird man dem Beanstanden der Novellenmalerei
nicht absprechen können, eine praktische aber doch eigentlich nur dann, wenn unter der Ver-
quickung der Novelle oder der Anekdote mit dem Bilde die Kunst zu leiden anfängt, d. h. sobald
der Maler der W^irkung seiner Anekdote oder seiner Novelle auf den Beschauer so sicher ist,
dafs er die malerischen Qualitäten seiner Arbeit aufser Acht läfst. und ganz besonders, wenn
diese Vernachlässigung schliefslich so weit geht, dafs nicht einmal mehr die Novelle oder die
Anekdote aus den schlecht gezeichneten Gestalten, aus den ausdruckslosen Köpfen verständlich
wird, sondern höchstens nur noch aus der Unterschrift des Bildes, oder wenn anderseits die
Anekdote das Motiv so verbraucht, so trivial und gemeinplätzig geworden ist, dafs sogar sie auf-
hört zu interessiren und wenn dann, wo man wieder auf dem Standpunkt des nichts sagenden,
aber auch nichts sagen sollenden und wollenden Bildes, des Existenzbildes, angekommen sein
würde, die malerische Ausführung auf dem eben charakterisirten Standpunkt stehen bleibt.
Es unterliegt keinem Zweifel und es hat gar keinen Zweck, sich darüber hinwegtäuschen zu
wollen, dafs in dieser Richtung gerade hier in Düsseldorf viel gesündigt worden ist, und es ist
nicht einmal in erster Linie das Novellenhafte, welche das Düsseldorfer Genrebildchen so in Mifs-
credit gebracht hat, als die nur allzuhäufig unkünstlerische Behandlung, die nicht nur das Motiv
zur Schablone hat werden lassen, was ja vom malerischen Standpunkt aus gar kein Unglück
wäre, sondern auch die Ausführung.
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Es kann wohl als feststehend angenommen werden, dafs die Erzählung nicht Aufgabe der
bildenden Kunst ist. Aber je inhaltloser stofflich ein Bild ist, um so inhaltreicher mufs es
künstlerisch sein; das ist mit der bekannten Behauptung gemeint, eine gut gemalte Erdbeere sei
künstlerisch mehr werth, als ein mangelhaft gezeichneter Carton voll der erhabensten Ideen, und
diese Behauptung hat ohne Zweifel ihre Berechtigung.
Aber anderseits wird ein trefflich gemaltes Bild, das aufser seinen künstlerischen Qualitäten
auch noch einen packenden Gedanken veranschaulicht, dem Laien wenigstens, höher stehen, als
ein ebensogut gemaltes Bild, das etwa eben nur Erdbeeren darstellt. Den denkenden Menschen
interessirt nun einmal der Mensch, und zwar der Mensch, der etwas Menschenwürdiges thut,
mehr als eine Frucht, und so wird man die Rembrandtsche ,, Nachtwache" höher stellen dürfen
als ein Stillleben von de Heem, und weil der junge, schöne und intelligente Mensch interessanter
ist als der verkommene Trunkenbold, so wird man etwa ,, Christus und der Zinsgroschen" von
Tizian als Bild, der ,,Hille Bobbe" vorziehen dürfen — menschlich, wenn dem wahrhaft Kunst-
verständigen vielleicht auch beide Bilder als charakteristische Höhepunkte zweier verschiedener
Kunstwelten gleich hoch stehen.
Nun sind aber nicht alle künstlerisch so geschult, dafs ihnen der geistige Inhalt eines Bildes
ganz gleichgültig wäre, und nicht einmal alle Künstler sind ästhetisch so geschult, dafs sie die
Vermischung heterogener ästhetischer Absichten, die sie in ihrer Kunst aufs tiefste verdammen,
nicht in dem Werke einer anderen Kunst sich mit dem gröfsten Vergnügen gefallen liefsen.
Gerade unsere modernen Maler und Bilderkritiker, die auf dem Boden des inhaltlosen Existenzbildes
stehen, sind vielfach begeisterte Anhänger der Wagnerschen Musikdramen oder der Straufsschen
Programmmusik, die wieder dem klassisch gebildeten Musiker ein Greuel ist, da sie darstellerische
poetische oder , .sinnliche" und malerische Elemente in seine , .Tonkunst" hineinzieht, trotzdem auch
Beethoven in seiner Pastorale eine Programmmusik trotz einem Modernen geschrieben hat. Und
klassische Musiker und moderne Maler begeistern sich an manchen modernen Dichtungen, in denen
eben nicht mehr viel gedichtet oder gesagt ist, sondern die sich lediglich in Stimmungseffecten
oder Klangspielereien gefallen, die mehr der Malerei und der Musik, als der Dichtkunst angehören.
Wollte man hier mit dem ästhetischen Beil alle Auswüchse abhauen, so würden vielleicht
gerade die duftenden Blüthen fallen müssen, und es blieben nur Stämme und Aeste. Die venetia-
nischen Existenzmaler haben gelegentlich Historien und Anekdoten gemalt trotz der Düsseldorfer
Romantiker oder Genremaler. Das Kriterium liegt eben schliefslich doch immer in dem „wie"
es geschieht, und sobald ein Bild gut gemalt ist, ist es künstlerisch gleichgültig, was es darstellt,
ob eine Novelle oder eine blofse Situation; menschlich ist es das freilich eben nicht.
Man kann sogar behaupten, und das fühlt der Laie vielleicht unbewufst, dafs es schwieriger
ist und eine gröfsere künstlerische Selbstzucht verlangt, einen ,, interessanten" Gegenstand malerisch
ebensoweit auszugestalten, als einen uninteressanten, nicht weil das Interesse (des Laien) für den
stofflich auch interessanten leichter zu erwerben ist, sondern trotzdem. Der Maler wird sich hier
immer wieder fragen müssen, ob er nicht über dem Stofflichen das Malerische vernachlässigt, er
wird sich über den Stoff, den er doch vollkommen beherrschen mufs, immer wieder erheben, sich
aus ihm heraus versetzen müssen, um nicht in der künstlerischen Ausgestaltung zu wenig zu thun.
In Vautier hat die deutsche Genremalerei den Künstler zu schätzen, dem stofflich die an-
sprechendsten Motive zu verdanken sind, unter dessen vollendeter und allgemein verständlicher
Darstellung die Vollendung der künstlerischen Ausführung nie oder fast nie gelitten hat. Und
was ihn von Knaus wesentlich unterscheidet, ist nicht das zuweilen vielleicht geringere technische
Raffinement der Ausführung, sondern die gröfsere Freundlichkeit und Gemüthstiefe, nicht nur
in der Wahl, sondern vor Allem in der Auffassung seiner Motive, die bei Beiden zuweilen
gleichartig sind. Wenn Knaus zuweilen herb wird, die Motive häuft und somit eine zwar stärkere,
aber härtere Wirkung ausübt, sucht Vautier durch die Gegensätze die Schärfe des Motivs zu
mildern. Was hier das Künstlerischere ist, dürfte schwer zu entscheiden sein.
Je nach der persönlichen Anlage, je nachdem, was der Einzelne im Kunstwerk sucht, sei
es eine Befreiung im Sinne des Dramas, das Furcht und Mitleid erregt, sei es im Sinne des freien
Lustspiels, das nur ein ästhetisches Wohlbehagen hervorruft, wird hier die Wahl fallen müssen.
Typisch für Beide und als Beispiel für das Gesagte kann das von Beiden ziemlich gleichzeitig
gemalte ,,Leichenbegängnifs" gelten. Bei Knaus ist es Winter, das Local ist ein öder, ärmlicher
Bauernhof, der Leidtragende ist ein alter, gebrochener Mann. Die Zuschauer sind nur halb bei der
Sache, sie frieren und das ist ihnen unangenehmer, als der Todesfall, wenn es vielleicht auch nur
zu wahr ist. Alles ist anders bei Vautiers Bilde „Begräbnifs auf dem Lande". Ein wohlhabendes
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Dorf liegt im Sonnenschein da, die Leidtragenden und die Umstehenden sind soweit ergriffen, als
es sich mit ihrem bäuerlichen Anstandsgefühl vereinigen läfst, für die Kinder ist das Ganze ein
Schauspiel, das die Langeweile des Tages angenehm unterbricht. Man sieht, keinem von diesen
Leuten ist das Herz gebrochen und der Beschauer geht mit dieser Beruhigung von dem Bilde
fort, während er für die hoffnungslose und einsame Trauer des Alten, dem sein Letztes gestorben
ist, bei Knaus keinen Trost weifs. Ein Bild wie „Hinter den Coulissen" würde Vautier nie gemalt
haben. Diese Nachtseiten des menschlichen Lebens boten ihm keine Motive für seine Kunst, nicht
einmal für den ,, Taschenspieler" mit seiner Persiflage der bäuerhchen Dummheit findet sich ein
Gegenstück bei Vautier, und Rosenberg, der verständnifs- und liebevolle Biograph Vautiers, thut ihm
einmal gewifs Unrecht, wenn er in dem harmlosen Bilde ,, Abgetrumpft" dem würdigen alten Haus-
verwalter, dem treuen Diener mehrerer Generationen „em lüsternes Begehren nach der frischen Jugend"
zuschreibt. Gewifs handelt es sich nur um eine harmlose Neckerei, denn das kleine Wäschermädel
schaut doch auch gar nicht sittlich entrüstet, sondern recht vergnügt über ihren eigenen Witz drein.
Selbst wenn Vautier sociale Fragen behandelt, wie in dem Bilde ,,Vor dem Dorfschulzen",
wo der jüdische W^ucherer verklagt wird, hat man doch das Gefühl, dafs sich dank der Weisheit
des Dorfoberhauptes noch Alles zum Guten wenden wird, dafs die Tugend sich zu Tisch setzt
und das Laster mit einem leichten und heilsamen Vomitiv davon kommt.
■Wie sich die Wesensverschiedenheiten der beiden gröfsten Düsseldorfer Genremaler aus der
Abstammung, der Erziehung, dem späteren Studiengang, vor Allem aus den Charakterverschieden-
heiten bis ins Kleinste erklären und verfolgen liefsen, wäre eine interessante Aufgabe psycho-
logischer Künstlergeschichte, für die hier nicht der Ort ist. Die Hauptsache sagen schliefslich
die Bilder, deren verschiedener Charakter bei einzelnen eben angedeutet wurde.
, Benjamin Vautier wurde 1829 in Morges am Genfersee geboren. Sein Vater war Pfarramts-
candidat und wurde später Pfarrer in Noville. Der junge Mann fand für seine künstlerischen
Neigungen nicht gleich Gegenliebe bei seinen Eltern, doch gelang es ihm, als sein Vater nach
Frankreich übersiedelte und er gewissermafsen der väterlichen Aufsicht entzogen war, seinen
Willen durchzusetzen und sich, zunächst allerdings mit Rücksicht auf den Broterwerb, eine
künstlerische Beschäftigung zu suchen. Er konnte in Genf ein Jahr lang Zeichenunterricht
nehmen und arbeitete dann zwei Jahre bei einem Emailmaler. Nebenher fand er indessen Zeit,
sich weiterzubilden, und schliefslich die Möglichkeit, sich ganz der Kunst zu widmen. Der Genre-
maler Jacques Alfred van Muyden, dessen Einflufs auf Vautier unverkennbar ist, gab ihm den
Rath, zu seiner weiteren Ausbildung nach Düsseldorf zu gehen, und hier trat Vautier im Jahre
1850 ein, um, wohl auch zu seinem Glück, gleich mit Schadow in Collision zu gerathen.
Ein späterer Versuch mit der Akademie vermochte ihn ebensowenig zu befriedigen, und so
ging er denn zu dem Einzigen, der in Düsseldorf wirklich geeignet war, sein Lehrer zu werden, zu
Jordan, und es vergingen nun unter eifrigen Studien, mehreren Reisen m die Heimath und zuletzt
sogar nach Paris, einige Jahre, worauf gleich mit einem der ersten Bilder ,,In der Kirche" 1858 ein
durchschlagender Erfolg den jungen Mann an die Spitze der jüngeren Düsseldorfer Genremaler stellte,
nachdem er schon ein Jahr vorher im Haag eine Auszeichnung davongetragen hatte. Der Kunst-
verein brachte das Bild des jungen Mannes als Prämienblatt noch vor den ..Spielern" von Knaus.
Merkwürdigerweise wurde in München der Mangel an einem Motiv bei diesem Bilde, das
nur in schlichter lebenswahrer Darstellung einen Theil der andächtigen Sänger in der Kirche
wiedergiebt, dem Künstler übelgenommen, von anderer Seite wurde er aber schon damals
neben Knaus gestellt, der ein durchaus anders geartetes Bild ,,Die mit Katzen spielende Grisette"
aus Paris geschickt hatte. Ebenso ging es dem nächsten Bilde, einer Scene auf einem Dampf-
schiff auf dem Genfer See, und es ist merkwürdig genug, dafs Vautier von dem freien Stand-
punkt, der nur nach dem ,.W^ie", nicht nach dem ,.W^as" fragt, scheinbar von der dem Zeit-
geschmack folgenden Kritik geleitet, abgegangen ist, denn das folgende Bild „Auction in einem
alten Schlosse" deutet schon den novellistischen Hintergrund an, den Vautier von nun an nicht
mehr weggelassen hat. Gleichzeitig mit dieser allerdings vielleicht durchaus naturgemäfsen Wand-
lung des Inhaltlichen fällt der W^echsel in der Wahl der Umgebung, aus der Vautier seine
Motive schöpfte. Vielleicht angeregt durch die Bilder von Knaus, der mit ihm in Paris bekannt
geworden war und der fortfuhr, mit seinen W^erken auf den deutschen Ausstellungen die gröfsten
Erfolge zu erringen, vielleicht auch durch die Dorfgeschichten Auerbachs, die seit ihrem ersten
Erscheinen 1843 einen noch immer wachsenden Einflufs auf die Literatur und die Kunst aus-
übten, wählte Vautier als Studienplatz statt seiner Heimath den Schwarzwald, und hier fand er
ein Volksleben, eine Natur und Verhältnisse, die ihm, dem Ausländer, gewissermafsen wahl-
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verwandt waren, aus denen er fast ausschliefslich die unendliche Fülle reizender Motive schöpfte,
die er in einer überaus fruchtbaren 30jährigen Thätigkeit in zahlreichen Bildern niederlegte.
In seinem Lebensgang, ebenso wie in seiner künstlerischen Entwicklung bildet Vautier
insofern auch einen Gegensatz zu Knaus, als ihm die Unrast des Letzteren in Bezug auf die
Wahl seines Aufenthaltsortes und der Wechsel seiner künstlerischen Probleme fremd ist.
Vautier hat Düsseldorf dauernd nicht mehr verlassen, und in seiner künstlerischen Entwicklung
macht sich nach den ersten bedeutenden Werken weder eine Steigerung, noch bis in die letzten
Jahre eine Abnahme bemerklich. In seinen Motiven hält er die Grenzen dessen, was seiner
gutmüthigen. heitern und harmonischen Natur entspricht, fast ausnahmslos fest. Nur selten schildert
er den Menschen in seiner Leidenschaft oder in seinen bösen Instincten, wie in dem ,, Unter-
brochenen Streit", oder in den wenigen Bildern, die sich mit Wucherern und dergleichen dunkeln
Ehrenmännern beschäftigen. Auch die ,, Verhaftung'- ist eine Ausnahme in seinem W^erk, und selbst
sie schildert nur die Wirkung des Ereignisses auf die Zuschauer, nicht das Unerfreuliche selbst.
Der Kreis seiner Schilderungen umfafst beinahe das ganze Leben des kleinen Bürgers und Bauern
in seinen ernsten, und lieber allerdings noch in seinen heiteren Momenten. Eine besondere Eigen-
thümlichkeit, die vielleicht auf die Erinnerungen der Kindheit zurückgeht, ist die Vorliebe, mit der
Vautier, selbstverständlich ohne die allergeringste confessionelle Färbung, die Beziehungen des
Volkes zum Geistlichen,
zum Herrn Pfarrer, und
gelegentlich auch den
Verkehr der Geistlichen
untereinander, beim
Schachspiel oder dergl.
schildert. Daran schliefsen
sich die im Bauernleben
so wichtigen, aber weniger
beliebten Berührungen mit
der hohen Obrigkeit, wo
dann der Künstler mit
einem feinen, aber immer
harmlosen Spott nicht zu-
rückhält, der gerade diesen
Bildern einen eigenen Reiz
giebt, so vor Allem bei
dem berühmten ., Zweck-
essen auf dem Lande".
Dafs das Liebesleben
von der Tanzstunde bis
zur Hochzeit, von der
Werbung bis zur Taufe
einen breiten Raum in seinem Werk einnimmt, ist selbstverständlich, und es ist kein geringes
Verdienst, dafs Vautier hier im Gegensatz zu nur allzuvielen seiner Nachfolger (freilich auch
Vorgänger seit Adams Zeiten) das Süfsliche und Triviale zu vermeiden weifs, sei es, indem er
die Töne einer wirklichen tiefen Empfindung anschlägt, sei es, dafs er auch hier jenen feinen,
niemals verletzenden Humor walten läfst, der den Beschauer sozusagen in die Lage des über-
legenen, aber wohlwollenden und feinsinnigen Beobachters versetzt, ungleich einem allerdings
schon wieder überwundenen Theil der modernen Volkskunst, die nur das Zulällige so objectiv
wie möglich zu zeichnen versucht und sich jedes künstlerischen selbstthätigen oder selbst-
denkenden Einspruches enthält. Die Bilder Vautiers haben in vielfachen Nachbildungen eine
Verbreitung erlangt, wie es kaum bei einem anderen der neueren Künstler der Fall ist. Der
Kunstverein hat nicht weniger als vier Bilder aus verschiedenen Zeiten in Kupferstich verviel-
fältigt. Andere Stiche und namentlich Photographien nach den Bildern Vautiers haben die aller-
meisten derselben zu einem Gemeingut des deutschen Volkes gemacht, so dafs von einer Beschrei-
bung Aller, die ohnehin einen kleinen Band füllen würde, oder auch nur Einzelner, an dieser
Stelle abgesehen werden kann. Rosenbergs Monographie beschreibt die hervorragendsten Bilder
in angemessener Weise, und gerade für Vautiers Arbeiten gilt, was für jedes Kunstwerk gelten
mufs, dafs schliefslich nur das Bild sagen kann, was der Künstler gemeint hat.
BENJAMIN VAUTIER
Die letzte Fahrt
263
Auch Vautier hat merkwürdigerweise eine nennenswerthe Lehrthätigkeit nicht ausgeübt.
An der Akademie hielt man zur Zeit noch an dem Schadowschen Princip fest, dafs ein Lehrer
für das Genre nicht nöthig sei, denn wer gelernt habe, ein Historienbild zu malen, der könne ein
Genrebild ganz von selber machen.
Um eine Privatlehrthätigkeit auszuüben, war Vautier allzusehr mit eigenen Arbeiten beschäftigt,
denn seine künstlerische Gewissenhaftigkeit war so grofs, dafs er selbst in der Hochfluth des
Kunsthandels in den 70er Jahren, ungleich so manchen anderen Künstlern, niemals ein Bild aus
der Hand gab, das er nicht mit der ihm eigenen peinlichen Sorgfalt durchgearbeitet hatte. Aber
auch ohne Schule war sein Einflufs auf die Düsseldorfer Genremalerei ein ungeheuerer. Kaum
ein Genremaler jener 30 Jahre, in denen Vautier rastlos schaffte, hat sich ihm entziehen können,
mochte er nun der älteren Generation angehören, oder der jüngeren, die sich zu einem grofsen
Theil geradezu an Vautier gebildet hatte. ♦
So grofs war nämlich sein Einflufs, dafs er gewissermafsen zwei Generationen miteinander
verschmolzen hat. Die späteren Bilder der älteren Genremalerei nähern sich nach Motiven wie
nach der malerischen Anschauung aufserordentlich denen der um ein Menschenalter oder mehr
jüngeren Collegen, und zwar so sehr, dafs ein Unterschied der Schulung fast verschwindet.
Zwischen den Bildern Jordans aus seiner besten Zeit, denen des greisen Fagerlin, die in
neueren Tagen gemalt sind, und denen, die etwa der jüngere Nordenberg oder Kirberg, beides
Schüler von Wilhelm Sohn, aber ersichtlich von Vautiers Kunst beeinflufst, malen, ist der Unter-
schied bis auf verhältnifsmäfsig geringfügige Aeufserlichkeiten der Technik und des Costüms ein
aufserordentlich geringer, und darin liegt nicht etwa eine Schwäche, sondern ein Beweis für die
gesunde volksthümliche Kraft, die ungeachtet mancher schwächlichen Leistungen dem Düsseldorfer
Genre innewohnt, ein Beweis aber auch für den Einflufs Vautiers, denn er ist es, der, ohne es
zu wollen, den späteren Werken seines Lehrers Jordan sowohl, wie denen der ihm persönlich
verhältnifsmäfsig ferner stehenden jüngeren Genremaler die Richtung gegeben hat.
Ihn übertroffen hat Keiner. Mochte der Eine oder Andere eine kräftigere Farbe besitzen,
oder in der Charakterisirung einzelner der zuweilen typisch gewordenen Gestalten tiefer gegangen
sein, die Gesammtstimmung der Vautierschen Bilder, das eigenthümliche Behagen, das aus ihnen
spricht und sich dem Beschauer unwillkürlich mittheilt, war und blieb sein Ateliergeheimnifs.
Von den zahlreichen Genremalern dieser älteren Schule sind Einige noch heute in bewunderns-
werther Frische künstlerisch thätig. Es ist ihnen vielfach gelungen, ohne ihrer Eigenart untreu
zu werden, sich den späteren Bestrebungen mit Erfolg anzuschliefsen. Viele haben neben ihren
Genrebildern das Porträt gepflegt, das damals nicht in dem Mafse die Domäne Einzelner war, die
sich ihm fast ausschliefslich widmeten, wie dies heute der Fall ist.
An der Spitze steht hier auch zeitlich Hubert Salentin. Er ist schon 1822 in Zülpich geboren
und war zuerst Nagelschmied, ehe er in Düsseldorf Schüler von Tidemand wurde. Seine zahl-
reichen, meist nicht umfangreichen Bilder zeichnen sich durch lebendige Beobachtung, zuweilen
scharfe Charakteristik und eine zarte Färbung aus, der es aber, namentlich in gröfseren Bildern,
an einer gesunden Natürlichkeit nicht fehlt, wie dies das sonnige Bild ,, Wallfahrer" (1866) im
Kölner Museum beweist.
Theodor Schüz, der 1900 starb und bis zu seinem Tode fleifsig arbeitete, hat manche Ver-
wandtschaft mit Boettcher, namentlich in seiner Verbindung der Figuren mit der Landschaft, in
welcher er Höhen mit weitem Ausblick bevorzugt und mit einer fast beispiellosen Sorgfalt durch-
führt. Schüz war geborener Württemberger (1830), studirte unter Rüstige in Stuttgart, dann in
München unter Piloty, wovon allerdings in seiner einfachen Kunst nichts zu merken ist, und kam
1866 nach Düsseldorf. „Mittag in der Ernte", „Ostergesang", ,, Abend auf dem Lande" sind einige
seiner glücklichsten Arbeiten.
Die beiden Genannten waren verhältnifsmäfsig spät, sei es zur Kunst übergegangen, sei es
nach Düsseldorf gekommen; der 1829 zu Düsseldorf geborene Friedrich Hiddemann gehört dagegen
noch ganz und gar zu der ältesten Generation. Er war bis 1856 Schüler von Hildebrandt und
Schadow und malte zuerst eine Scene aus König Lear. Auf ausgedehnten Studienreisen in
Deutschland, Frankreich, Belgien und Holland fand er bald das ihm passende Gebiet, das Genre,
und hier hat er ziemlich unabhängig verschiedene hervorragende Werke geschaffen, die sich
durch treffliche Charakteristik und einen gesunden Humor auszeichnen. Bei seinen Bauernbildern
erinnert er zuweilen in der Schärfe der Charakterisirung eher an Knaus, als an Vautier. ,,Die
Flasche Sect" in der Düsseldorfer Kunsthalle zeigt ihn von seiner besten Seite als humorvollen
und selbst satirischen Schilderer. Sein Hauptbild „Preufsische Werber" 1873 befindet sich in der
264
Nationalgalerie. Als
Zeichner machte er
sich einen Namen
durch seine Illustra-
tionen zu Reuters
,,Ut mine Stromtid".
Er starb 1892.
Schulz-Br lesen, ge-
boren 1831 zu Haus
Austel, sollte zuerst
Offizier werden, be-
zog aber 1848 die
Akademie in Düssel-
dorf, wo er Schüler
von Karl Sohn und
Th. Hildebrandt
wurde. Dann studirte
er in Antwerpen.
Paris und Berlin und
eignete sich eine
äufserst glänzende
Technik an, die ihm
später bei seinen ele-
ganten Porträts sehr
zu statten kam. Seine
Genrebilder suchen
meist ernstere Con-
flicte, so das treff-
liche Bild „Die Ver-
haftung" in der Düs-
seldorfer Kunsthalle,
(Motiv aus Rothen-
burg ob der Tauber),
ferner ,, Verlorene
Ehre", , .Gefangene
Zigeuner" u. a. Er
starb 1891.
Dann verdankt ihm
..Aschenbrödel'
HUBERT SALENTIN
Waldinneres
Hermann Sonder-
mann kam verhält-
nifsmäfsig spät nach
Düsseldorf. 1832 zu
Berlin geboren,
malte er dort zuerst
Porträts, war dann
eine Zeitlang in Ant-
werpen und Paris
und kam Ende der
50er Jahre nach Düs-
seldorf, wo er sich
Jordan anschlofs und
ansprechende Genre-
bilder harmlosen und
gemüthlichen Inhalts
malte. Er starb igoi.
Vielseitiger ist
Ernst Bosch, der als
geborener Crefelder
(1834) schon 1851 nach
Düsseldorf kam und
auf der Akademie bei
C. F. Sohn, Hilde-
brandt und Schadow
studirte, dann selb-
ständig mit Hidde-
mann zusammen
arbeitete. Er verbin-
det in seinen genre-
haften Darstellungen
eine feine Wieder-
gabe der Landschaft
und der Thiere. und
hat so auch eine
Reihe ansprechender
Jagdbilder geschaffen,
so ,,Rothkäppchen",
das Märchen verschiedene reizvolle Compositionen,
,,Genovefa", die an die alte Romantik gemahnen. In trefflichen Porträts hat er
seine sichere Zeichnung bewährt, wie er denn auch als Illustrator (zu Werthers Leiden) und
Radirer eifrig thätig war und ist. Als Vorstand des ,, Düsseldorfer Künstler-Unterstützungsvereins"
hat er auch hier eine eifrige und erfolgreiche Thätigkeit zu verzeichnen.
Auch der gleichalterige Otto Erdmann (1834 in Leipzig geboren) ist noch unermüdlich thätig
und widmet dabei einen Theil seiner Zeit der Leitung des ,, Malkastens", dem er seit Langem
bis in die letzte Zeit als Vorstandsmitglied angehört. Er kam erst 1858 nach Düsseldorf, und so
nimmt er mit seinen vielfach im Rococo-Costüm gemalten Bildern auch eine Sonderstellung inner-
halb der Genremalerei ein. Da seine Bilder vielfach reproducirt wurden, gilt er in weitesten
Kreisen als einer der verständnifsvollsten Schilderer des Rococo, ohne dafs er doch diese Zeit
anders, als von ihrer harmlosesten Seite zeigt. Nur einmal in seiner ..Verhaftung" schlug er
einen dramatischen Ton an.
Der älteste Sohn Carl Ferdinand Sohns, Richard, geboren 1834, widmete sich, nach-
dem er zuerst Schüler von Schadow gewesen war, ebenfalls der Genremalerei, schlofs sich
Jordan an und malt — später nicht unbeeinflufst von seinem Vetter Wilhelm Sohn —
ansprechende Genrebilder, so 1862 „Einquartierung auf dem Lande", „Der blinde Geiger und
sein Kind", ,, Mutterfreude" u. s. w. Auch er ist noch rüstig thätig und hat sich als
Bibliothekar des Malkastens mit dem Architekten Geyer zusammen grofses Verdienst um dieses
Institut erworben.
265
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X
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Fritz Sonderland, geboren 1836, war der Sohn des Düsseldorfer Genremalers Baptist Sonder-
land. Er wurde Schüler der Akademie, aber hauptsächlich von Hiddemann. Besonderen Beifall
fanden seine Kinderbilder, dann Einzelbilder eleganter Frauenfiguren im Renaissance-Costüm, die
sich durch eine zwar etwas süfsliche, aber nicht unangenehme Farbe vielen Beifall erwarben.
Er starb 1896.
Der jüngste dieses Kreises — und in seinen Bildern, der Ausführung wie dem Motiv nach, nicht
ohne eine gewisse kräftige Note, die vielen seiner Zeitgenossen abgeht ■ — ist Julius Geertz, geboren
1837 in Hamburg. Er war zuerst seit 1857 Schüler von Des Coudres in Karlsruhe, dann von Jordan
in Düsseldorf. Seine besten Bilder fallen in die 70er Jahre, so ,,Der Verbrecher nach der Ver-
urtheilung", „Der letzte Schmuck", ,,Das Mädchen mit dem Vogelnest". Später war Julius Geertz
in Amerika thätig, kehrte aber häufig wieder nach Düsseldorf zurück.
Karl Maria Seyppel mag im Anschlufs an diese Reihe genannt werden, obwohl er als Schüler
von Knaus eigentlich einer anderen Generation angehört. Er wurde 1847 i^i Düsseldorf geboren
und reiste studienhalber viel in W^estdeutschland umher. Seine meist humoristischen Genrebilder
finden vielen Beifall, eine Art Weltruf aber erlangten seine angeblich ,, ausgegrabenen" ägyptischen
Scherzbücher, die er selbst gezeichnet und gedichtet hatte.
Einen ganz eigenen Weg, der ihm vielleicht durch die Pariser Orientmaler gewiesen worden
war, schlug Adolf Seel ein, der, 1829 zu W^iesbaden geboren, von 1844 — 50 unter Carl Sohn auf
der Akademie studirte, dann nach Paris und von da aus nach Italien, besonders Venedig, ging.
Schon damals begann seine Vorliebe für Architekturen, die er mit grofsem malerischen Reiz und
in feinster Ausführung malte, ohne dabei die reiche figürliche Staff"age zu vernachlässigen. Späterhin
besuchte er Spanien und den Orient, wo ihm die maurischen und arabischen Bauten reichen
Stoff zu farbigen und decorativ wirkenden Bildern gaben. So malte er die reizvolle ,,Haremscene"
in der Kunsthalle in Düsseldorf, „Arabischer Hof in Kairo" in der Nationalgalerie, ,, Löwenhof in
der Alhambra" u. s. w. Auch in Wasserfarben begann er früh orientalische und spanische
Architekturen zu malen, wobei er das Material in geistreicher Weise auszunutzen verstand.
Neben Knaus, Vautier und den Genannten, deren Stoffgebiet sich fast ganz auf das heutige
Leben beschränkt, entwickelt sich aber seit den 60er Jahren eine zweite Genreschule in Düsseldorf,
welche die verschiedensten Elemente in sich vereinigt. Es ist die uralte Costüm-Genremalerei,
die, als ein Ueberbleibsel der romantischen Figurenmalerei allen Umwälzungen Trotz bietend, sich
mit grofser Zähigkeit in der ganzen Kunst erhalten hatte und in Düsseldorf durch Wilhelm Sohn
zu einer ungeahnten Höhe geführt wurde.
Die Verdienste Sohns liegen nach drei Seiten. Die unwichtigste ist die äufserlich am
meisten in die Augen fallende, die costümliche oder, wenn man so sagen soll, kulturgeschichtlich-
wissenschaftliche. Sohn begnügte sich nämlich nicht damit, aus alten Bildern Costüme zu ent-
nehmen und sie seinen Gestalten umzuhängen, sondern er studirte das ganze Milieu der alten
Zeit mit einer Gewissenhaftigkeit, dafs kein Gewandstück, kein Möbel, kein Teppich aus dem
Gesammtbilde costümgeschichtlich herausfiel, und wie Alma Tadema für gewisse Perioden des
antiken Lebens archäologisch genaue Abbildungen geschaffen hat, so sind die besten Bilder der
Sohnschen Schule getreue Wiedergaben einer bestimmten Epoche der niederländischen Renaissance.
Wichtiger als dieses culturgeschichtliche Studium ist die Sorgfalt, die von ihm der coloristischen
Stimmung zugewandt wurde. Hier wurde der Gipfel jenes Colorismus erreicht, der sich seit der Zeit
der älteren Genremaler, Hasenclever an der Spitze, allmählich entwickelt hat. Die W^irkung der
verschiedenen Farben zu einander wurde zu einem förmlichen Studium erhoben, das auf dem
Wege des Experiments zu möglichster Vollendung gebracht wurde. Das Bild war nicht mehr
das Resultat einer rein künstlerischen intuitiven Farbenfreude, sondern der Niederschlag und
Extract einer manchmal durch Jahre hindurch fortgesetzten Reihe von Versuchen durch Farben-,
Detail- und Gesammtskizzen, in denen zuweilen die Elemente zu einem Dutzend Bildern vereinigt
waren. Diese Art zu arbeiten war aber eine zu sehr individuelle, setzte ebensowohl eine eiserne,
unermüdliche Geduld, wie ein fortwährendes Verzichtleisten auf das Gefundene voraus, das immer
wieder einem zuweilen nur angeblich Besseren geopfert wurde, als dafs sie auf die Dauer viele
freiwillige und originelle Anhänger hätte finden können. Sie war auch streng genommen eine
unkünstlerische, und so bleibt als letztes und wirklich bedeutendstes Element der Sohnschen Kunst
eine höchste Ausbildung des physiognomischen Ausdrucks, wie sie selbst Knaus in Düsseldorf
und die alten Genremaler kaum erreicht, letztere jedenfalls auch kaum angestrebt haben, als
deren Resultat die eminente Charakterschilderung und Individualisirungskunst des bedeutendsten
Sohnschülers Eduard von Gebhardt hervortritt.
267
Die costümliche Seite der Sohnschen Kunst hatte sich seit Längerem in der Stille schon
vorbereitet. Die meisten der älteren Historienmaler hatten unter dem Druck des sich zum Genre
neigenden Zeitgeschmacks allmählich auf die grofsen, streng historischen Bilder verzichten müssen.
Man warf sogar schon Lessing tadelnd vor, dafs seinen Hufsbildern der grofse historische Stil
mangele, dafs er das Genre in die Historie eingeführt, oder die Historie zum Genre erniedrigt
habe. Bei Vielen blieb in der That von dem Historischen nur das Costüm übrig und bei diesem
war das Historische gröfstentheils auch nicht weit her, da es vielfach von dem gewohnten roman-
tischen Theatercostüm abhängig blieb. Die Zeit der Meininger, welche die Culturgeschichte auch
auf das Theater anwandten, war noch nicht gekommen.
Aber die Erleichterungen des Verkehrs machten allmählich ein eingehendes Studium der
alten Meister, besonders in den benachbarten Niederlanden, möglich und nothwendig. Anstatt das
Costüm der Mode anzupassen, suchte man allmählich einen besonderen Reiz in gröfserer Treue,
und Hand in Hand damit gingen auch früh schon Versuche einer Nachahmung und eines genauen
Studiums der coloristischen Eigenschaften der Meister, deren Costüm man wählte, so namentlich
Terborchs, Metsüs, v. d. Meers, P. de Hoochs u. s. w. Das machte sich, wenn auch noch schwach,
schon bei Geselschap bemerklich, bei Camphausens Puritanerbildern und bei manchen Anderen.
Besonders arbeitete in diesem Sinne neben Sohn, obwohl ziemlich unabhängig von ihm, noch ein
zweiter Künstler, der Sohn künstlerisch vielleicht überragte, ohne dafs er, trotz weit gröfserer
Productivität, sich ähnlichen Erfolges rühmen konnte.
Carl Hoff, 1838 in Mannheim geboren, studirte zunächst in Karlsruhe unter Schirmer und
des Coudres und kam dann nach Düsseldorf, wo er sich Vautier anschlofs. Dementsprechend
entnahm er die Motive seiner ersten Bilder der Gegenwart, um aber dann seit 1865 im Anschlufs
an verschiedene Studienreisen sich im Costüm und Charakter der Barockzeit oder des Rococos zu
bewegen. Mit Vautier gemein hat Hoff die vornehme Anmuth, die er seinen Gestalten, namentlich
den weiblichen, zu verleihen weifs, doch entwickelte er sich nach der coloristischen Seite schon
früh kraftvoller und durchaus eigenartig. So waren die ,, Zigeuner vor dem Ortsvogt", ,,Der
Winkeladvokat" u. a. noch ganz im Sinne Vautiers und vielleicht auch Knaus' empfunden. Mit
dem Rococobilde ,,Auf der Flucht" wandte er sich aber dem eigentlichen coloristischen Costüm-
Genre zu, das er nun in einer grofsen Reihe von Bildern zu hoher Vollendung brachte, freilich
nicht ohne immer ganz eine gewisse theaterhafte Pose vermeiden zu können. Sein Hauptbild
war die 1875 vollendete ,, Taufe des Nachgeborenen", welches den farbigen Prunk eines reichen
Costüms aus der Mitte des XVII. Jahrhunderts mit einem tiefernsten Stoff zu verbinden strebte.
Freilich tritt gerade hier das anekdotenhaft -novellistische Element wieder aufserordentlich stark
in den Vordergrund, so dafs das Bild ohne die Unterschrift überhaupt gar nicht verständlich ist.
Mehr einen illustrativen Ton schlägt das nächste, ebenfalls sehr populär gewordene Bild
„Des Sohnes letzter Grufs" (1878) an. Ein Soldat in der Tracht des 30jährigen Krieges bringt
der Mutter und Schwester eines gefallenen Kameraden die traurige Kunde. Hier macht sich auch
die alte Düsseldorfer Sentimentalität wieder geltend, die Vautier bei aller seiner ^Veichheit doch
last immer sehr wohl zu vermeiden gewufst hat.
Hoff wurde 1878 als Professor nach Karlsruhe berufen, dort schrieb er seine vielgenannte
Streitschrift „Künstler und Kunstschreiber", in der er die Rechte des Künstlers zur Kunstkritik
und, was jedenfalls anfechtbar ist, dessen Beruf zur Kennerschaft gegenüber dem Kunstgelehrten,
dem „Kunstschreiber", vertheidigt. Der zartsinnige Künstler zeigt sich hier als recht scharfen
Helden von der Feder. Sonderbarerweise widerspricht das, was er schreibt, eigentlich dem, was
er gemalt hat, wenn er gegen die Ideenmalerei, die er doch selbst ausgeübt hat, sich wendet.
Die Bedeutung Wilhelm Sohns als Colorist, um auf diesen zurückzukommen, und seine Stellung
innerhalb seiner Zeitgenossen stehen in der neuen Kunstgeschichte wohl einzig da. Ohne selbst
mehr wie einige wenige Bilder vollendet zu haben, ist Sohn auf kaum ein einziges Bild, das
innerhalb einer gewissen Zeit in Düsseldorf entstand, auf kaum einen einzigen Künstler ganz ohne
Einflufs geblieben. Er war zum Rathgeber gewissermafsen prädestinirt und sein eigenes Schaffen
hat darunter so sehr gelitten, dafs er die letzten 25 Jahre seines Lebens fast nichts mehr producirt
hat. Aber es war keineswegs eine Uebertreibung, wenn er selbst gelegentlich sagte, er habe
nicht, wie die Anderen, an einem Bilde zu arbeiten, sondern an einem ganzen Dutzend.
Sein eigenes Werk ist somit bald besprochen. Er war 1830 in Berlin geboren und kam 1847
nach Düsseldorf auf die Akademie, wo er Schüler seines Oheims Carl Ferdinand wurde. Ganz
im Sinne der Schule malte er zuerst religiöse Historienbilder, so das grofse ,, Christus auf dem
sturmbewegten Meere", das weder in der stumpfen braunen Farbe, noch in dem conventioneilen
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Ausdruck der Figuren auch nur im geringsten die spätere Entwicklung Sohns vermuthen liefs.
Einige andere Bilder ähnlicher Art, z. B. ein unvollendet gebliebener „Bonifacius", folgten, bis das
Studium der niederländischen Kleinmeister einen plötzlichen Umschwung hervorbrachte, dem
eine Reihe von coloristisch geradezu epochemachenden Bildern entstammte: ,.Die Gewissens-
frage" 1864, ,,Die verschiedenen Lebenswege" und vor allem sein Hauptbild ,,Die Consultation
beim Rechtsanwalt" 1866. Das letztere Bild wurde für lange Zeit gewissermafsen als der höchste
erreichbare Gipfel der Malerei angesehen und es enthält in der That nach jeder Hinsicht die
Ingredienzen, aus denen die Genremalerei einige Jahrzehnte hindurch ihre berühmtesten Werke
componirte. Zunächst als Stoff eine mehr oder weniger spannende Situation im Stile der damals
beliebten Familienromane, die wie in dem vorliegenden Falle nicht einmal klar ausgesprochen ist;
an sie anknüpfend die subtilste Seelenmalerei, die über die einfache Physiognomik eines Vautier
oder selbst Knaus noch hinausgeht, allerdings gerade auch hier wieder so auf die Spitze getrieben
ist, dafs sie mehr eine spannende Erwartung, als ein sofortiges selbstverständliches Erkennen der
Situation hervorruft, und damit gerade hier unbewufst einem Realismus huldigt, der künstlerisch
vielleicht anfechtbar ist. Im Leben giebt es ohne Zweifel auch Scenen, die aufs höchste dramatisch
zugespitzt sind, ohne für den plötzlich hinzutretenden Beschauer sofort verständlich zu sein, ihm
vielmehr die Frage ..Was ist denn eigentlich los?" auf die Lippen zwingt. Ob es künstlerisch
vernünftig ist, solche Scenen ebenso unverständlich zu malen, wie die Wirklichkeit sie gelegentlich
zeigt, ist eine andere Frage, die aber Sohn und zahlreichen Autoren ähnlicher Bilder jedenfalls
fern gelegen hat.
Bei diesen Bildern ist die Gesammtnovelle Nebensache, aber es bleibt für den Beschauer
der aufserkünstlerische jedoch sehr wohl beabsichtigte Reiz, sich in den Charakter jeder einzelnen
Figur zu vertiefen, der über die Situation hinaus interessant gestaltet ist, so hier in den des
wichtigthuenden Rechtsanwaltes, des neugierig lüsternen Schreibers, dann der sittlich entrüsteten
Matrone und des ,,von den verschiedensten Empfindungen bestürmten" (wie es eben in den
Romanen heifst, ohne dafs man deshalb nun weifs, was das für Empfindungen sind) bescheiden
vor sich hinblickenden jungen Mädchens.
Das Costüm und das Interieur ist mit der gröfsten culturgeschichtlichen Genauigkeit nach
Bildern der dargestellten Zeit studirt das Colorit mit einer Feinheit gestimmt, die eben auch
nur das Resultat einer vollständigen Vertiefung m die Werke der alten Genremaler sein konnte
und einer vorläufig rein empirisch gewonnenen Kenntnifs von den coloristischen Gesetzen, nach
welchen die alten Meister ihre Wirkungen erreichten.
Seit der Vollendung dieses Bildes hat Sohn neben einigen kleinen Arbeiten und einigen
Porträts, von denen namentlich das einer jungen Aristokratin ein Muster eleganter Repräsen-
tationsmalerei war, fast 30 Jahre lang an einem Bilde gemalt, das für die Nationalgalerie bestimmt
war und die ,, Abendmahlsfeier einer Sterbenden in einem protestantischen Patrizierhause des
XVII. Jahrhunderts" darstellte. Das Bild ist unvollendet geblieben, zeigt aber eine noch gröfsere
Steigerung der genannten Momente und erreicht namentlich in dem Gesichtsausdruck eines kleinen
Mädchens eine geradezu klassische Höhe.
Aber Sohn war damals schon so sehr durch seine Lehrthätigkeit in Anspruch genommen,
dafs ihm nicht sowohl die Zeit, als vielmehr die künstlerische Concentration fehlte, um das grofs-
artig angelegte Bild zu vollenden. Ein Gehirnleiden, das vielleicht in ursächlichem Zusammen-
hang stand mit seinem fabelhaften Gedächtnifs und seiner Fähigkeit, förmlich aus sich heraus zu
gehen und die Arbeit und die künstlerischen Gedankengänge zahlreicher Schüler und Kollegen,
wie seine eigenen zu verfolgen, lähmte seine Kraft schliefslich vollständig. Er starb 1899 im
März, nachdem er seit dem Jahre 1874 als Professor eine Meisterklasse an der Akademie geleitet
hatte. Seine Lehrthätigkeit und sein Einflufs reichen aber in viel frühere Zeit zurück, wie ihm
auch die Professur schon 1867 nach dem Tode seines Oheims angeboten worden war. Neben
seiner akademischen Klasse hat er noch eine stark besuchte Damenschule geleitet.
Der Hauptgrund dieser eigenthümlichen künstlerischen und Lehr-Thätigkeit, die mehr eine
reproducirende als eine productive war, ist aus einer ganz einzig dastehenden Aufnahmefähigkeit
und einem geradezu wunderbaren Auffassungsvermögen zu erklären. Diese Eigenschaften be-
fähigten W. Sohn, Alles was er bei den älteren Meistern fand. Alles aber auch, was damals in
München oder Paris an neuen Moden oder Richtungen aufkam, in sich aufzunehmen, das Beste
daraus zu erkennen und zu seinen Zwecken zu verarbeiten. Sein kolossales Gedächtnifs hielt alle
diese Dinge fest und wurde so im Laufe der Jahre gewissermafsen ein Compendium alles dessen,
was auf gewissen Gebieten der Malerei, namentlich nach der coloristischen Seite hin, jemals bis
271
in die Gegenwart geleistet worden war. Dieses Gedächtnifs, das positive Wissen, wie dieser
oder jener Künstler dies oder jenes auf irgend einem Bilde einmal gemacht hatte, ein dabei aufs
höchste gesteigertes eigenes Farbengefühl, liefsen Sohn mit absoluter Sicherheit erkennen und
entscheiden, was in irgend einem Bilde an irgend einer Stelle für eine Farbe oder für Ton ange-
wandt werden müsse, um jene blendende, farbige und dabei harmonische Wirkung zu erreichen,
für die man damals den Namen „Bouquef erfand. Und so konnte es kommen, dafs bald überhaupt
kein Bild innerhalb des Kreises der jungen Maler vollendet wurde, dessen coloristische Lösungen
Sohn nicht angegeben hatte oder zu dem er nicht gerathen und durch seinen Rath gewisser-
mafsen das Placet gegeben hatte. Der Ruf dieses übrigens fälschlich sogenannten Lehrtalentes
hatte sich schon früh verbreitet, sogar schon zu einer Zeit, als Sohn sein coloristische Begabung
selbst noch nicht entdeckt hatte. Sonderbarerweise war es ein Carton zu einem ,, Barbarossa im
Kyffhäuser" gewesen, der ihn zuerst berühmt gemacht und ihm die ersten Schüler, vor allen
Albert Baur, zugeführt hatte.
Sohns Eintritt in die Akademie schien für dieses Institut den Anfang einer neuen Epoche
zu bedeuten. Der grofse und dauernde Aufschwung, den die Akademie in der That sehr bald
nahm, ist aber nicht Sohn allein zu verdanken, denn, und das ist die Kehrseite der Medaille, die
Thätigkeit Sohns, der im Anfang ja allerdings die Düsseldorfer Genremalerei einen bedeutenden
Fortschritt und eine Reihe neuer Gesichtspunkte, die Ausbildung einiger wirkhch bedeutenden
Künstler verdankte, nahm sehr bald einen einseitigen Charakter an. Je mehr Sohn wufste, je
sicherer er auf Grund der Erkenntnifs der Principien der alten Meister ihre Bildwirkung zu
erzielen, diese auch bei neu zu malenden Bildern zu berechnen, zu bestimmen und anzugeben ver-
stand, um so unselbständiger mufsten seine Schüler werden. Je berühmter die Bilder seiner
Schule wurden, um so gröfser war die Verführung bei seinen Schülern zu einer weniger originellen,
weniger tiefen und immer mehr receptmäfsig werdenden Ausführung. Man fing an, wozu ja eine
coloristische Richtung ohnehin neigt, auf die Aeufserlichkeiten allzuviel W^erth zu legen, an ihnen
hängen zu bleiben. Und wie aus der Historie das Genrebild geworden war, so wurde allmählich
aus dem Genrebild sozusagen ein Stillleben, ein Stillleben mit Menschen allerdings, die aber nur
mehr die Träger prächtiger Stoffe, Puppen innerhalb einer eminent fein gestimmten Umgebung
voll schöner, absolut echter Geräthe, aber mit immer geringer werdendem Intellect waren. Was
sich lernen liefs, wurde eben gelernt und gemalt. Interieurs und Costüme, Culturgeschichte und
Tonwirkung, aber das, was Sohns höchste künstlerischen Errungenschaften waren, die Erkenntnifs
der geschlossenen coloristischen Bildwirkung und die Wiedergabe des seelischen Ausdrucks, die
eben beide eine wirkliche hervorragende künstlerische Individualität verlangten, das ging in
diesem hohen Mafse eigentlich nur auf einen einzigen der Sohnschüler über, bezw. wurde von ihm
weiter entwickelt. Dieser Schüler, Ed. v. Gebhardt, sollte späterhin denn auch in der Entwicklung
der Düsseldorfer Kunst seine besondere Stellung einnehmen. So manche von den späteren Sohn-
schülern aber blieben in den genannten Dingen, die schliefslich doch nur Aeufserlichkeiten sind,
hängen. Der Gobelin, die Ledertapete und die Mandoline waren so gewissermafsen schliefslich
die Erkennungszeichen dieses Genres, das ebenso schnell und plötzlich abgewirthschaftet hatte,
als es glänzend und nicht ohne Prätensionen aufgetaucht war.
Im Anfang freilich, etwa seit dem Ende der 6oer Jahre, war der Aufschwung, den die
Malerei durch Sohn und die Seinen nahm, schon nach ihrer technischen Seite hin ein aufser-
ordentlicher; eine grofse Zahl von Sohnschülern brachte gleich in ihren ersten Bildern Werke
ersten Ranges und in Beziehung auf diese Erfolge schien die Zeit der alten Schadowschule wieder-
zukehren. Die Mehrzahl dieser Künstler hat sich auch dauernd eine hervorragende und geachtete
Stellung in der neueren Genremalerei gesichert.
Nicht unbetheiligt an der coloristischen Entwicklung, die schon mit Knaus begonnen hatte,
war ein Künstler, der zwar zu kurz in Düsseldorf geweilt hat, um hier grofsen Einflufs zu
gewinnen, der aber doch an dieser Stelle nicht übergangen werden darf, weil sein Weltruf mit
seinem ersten gröfseren Bilde begann, das er in Düsseldorf gemalt hat, und zwar unter deutlichem
Einflufs von Knaus und Vautier. Es ist dies der Ungar Michael Lieb, nach seinem Geburtsort
Muncacsy genannt. 1846 geboren, war er erst Schreiner, dann Decorationsmaler gewesen, bis er
in Pest und München sich der Kunst widmen konnte. Schon in München malte er einige Bilder,
aber erst mit ,,den letzten Tagen eines Verurtheilten", die 1869 in Düsseldorf entstanden, errang
er den ersten durchschlagenden Erfolg. In der Schärfe der Charakteristik erreicht er Knaus hier
vollkommen, in der Wucht des Colorits, das allerdings fast ganz aus tiefem Schwarz herausgeholt
ist, übertrifft er Alles, was damals gemalt wurde. Muncacsys weitere Laufbahn, die 1900 ein so
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tragisches Ende nahm, gehört der allgemeinen Kunstgeschichte an. Er ging nach dem Kriege
1870/71 nach Paris, aber der Eindruck, den sein erstes Bild in Düsseldorf machte, ist heute noch
unvergessen.
Verschiedene Maler schlössen sich, ähnlich wie Hoff, ohne direct Schüler von Sohn gewesen
zu sein, doch seiner coloristischen Richtung an und vermitteln den Uebergang von dem Meister
zu seinen Schülern. Einer der vielseitigsten von ihnen ist Jacobus Leisten, der 1845 zu Düsseldorf
geboren wurde. 1861 — 63 die Akademie und das Atelier des Bildhauers Reifs besuchte und 1864 die
Malerei begann. Von 1869 — 73 lebte er in München und liefs sich dann dauernd in Düsseldorf
nieder. Er theilt mit der Sohnschule das glänzende Colorit, die Vorliebe für historische Begeben-
heiten und reiche Costüme, aber seine Vielseitigkeit liefs es bei diesen Dingen nicht bewenden.
Mit ebenso grofsem Glück, wie das historische Costümgenre, behandelt er das Bauernleben in
meist dramatischen, tiefempfundenen Motiven, und das moderne Genre in zuweilen humoristischen
Momenten.
Der Schweizer Hans
Bachmann, geboren 1852
in Winikon (Kanton
Luzern), war Schüler von
Ed. von Gebhardt, dann
von Carl Hoff, aber seine
Bilder aus dem Bauern-
leben seiner Heimath
weisen ihn der durch
Knaus und Vautier auf
die höchste Höhe ge-
brachten Volksmalerei zu.
, .Begräbnisse in den
Alpen" malte er mehrfach,
dann aber auch heitere
und gemüthvolle Scenen
aus dem Volksleben.
Bachmann hat Düsseldorf
seit einigen Jahren wieder
verlassen und ist in seine
Heimath zurückgekehrt.
Der geistreiche
te Peerdt (geboren 1852 zu
Tecklenburg), der einige
vortreffliche Genrebilder
in Düsseldorf gemalt hat,
war lange von Düsseldorf
abwesend und scheint
auch nach seiner Rück-
kehr nicht mehr an die Oeffentlichkeit zu treten. Als Schriftsteller bethätigte er sich in dem
kleinen Buche ,,Das Problem der Darstellung des Momentes der Zeit".
Auch Max Volkhart, geboren 1848 als Sohn des Malers Wilhelm Volkhart, bearbeitet mit Vor-
liebe das Costümgenre, dem er gelegentlich, namentlich im Anfang, einen historischen Charakter zu
geben wufste; er studirte auf der Akademie bei Ed. v. Gebhardt, ging nach Belgien, Holland und
Italien und blieb seit 1879 dauernd in Düsseldorf. Aus den Erinnerungen des Krieges, den er
mitmachte, entstand 1872 eines der ersten Bilder, ..Die Verbandstube in Gravelotte", das Kaiser
Wilhelm I. erwarb. Es folgten dann die meist heiteren, zuweilen leicht humorvoll gefärbten Bilder:
„Stadtbleiche" 1873, „Viel Lärm um Nichts", ,,Nach der Sitzung" und viele andere, die sich alle
durch feinen Farbensinn und eine gewissenhafte Ausführung auszeichnen. In den letzten Jahren
hat Volkhart auch eine Reihe bemerkenswerther Porträts in einer eigenartigen bildmäfsigen Auf-
fassung, die an die bekannten beiden Knausporträts in der Nationalgalerie erinnern, gemalt. So
vor Allem das seines CoUegen Oeder, ferner eines bekannten Kunsthändlers und mehrere andere.
Als einer der Führer der Secession hat Volkhart in den letzten Jahren eine rege Thätigkeit ent-
wickelt, obwohl seine Kunst den modernen Bestrebungen nicht eigentlich entspricht.
CARL MUCKE
Holländisches Genrebild
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Einer der Ersten, die sich neben den besonders zu behandelnden A. Baur und Ed. von
Gebhardt an W. Sohn als Schüler anschlössen, war Carl Mücke, der Sohn des Historienmalers
Heinrich Mücke. Er war 1847 geboren, besuchte von 1864 — 70 die Akademie und wurde dann
Privatschüler von W. Sohn; bis 1873 machte er Studienreisen in Holland, und dieses Land, dem
die Düsseldorfer Genremalerei fast mehr Motive verdankt, als die holländische selbst, blieb auch
für C. Mücke das bevorzugte Gebiet, aus dem er seine meist freundlichen und anmuthigen
Familienbilder entnahm. Von seinen Bildern, die fast in allen Galerien zu finden sind, seien
genannt: „Die kleine Pepita", „Schmeichelkätzchen", , .Spielereien", ,, Sonntagmorgen", ,,Am
Heerd", „Glückliche Reise", „Mutterglück" u. s. w.
Holländische Motive, im Anfang auch solche dramatischer Natur, malt auch Otto Karl
Kirberg, der, 1850 in Elberfeld geboren, mit 19 Jahren die Akademie bezog, nach überstandenem
Feldzug bei Sohn eintrat und auch eine Zeitlang in Holland lebte und studirte. Bis 1890 war er
in Düsseldorf ansässig, siedelte dann nach München über, um aber nach einigen Jahren wieder
nach Düsseldorf zurückzukehren. Gleich sein erstes Bild ,, Opfer der See" 1879 (ein ertrunkener
Seemann wird in sein Haus gebracht) machte aufserordentliches Aufsehen und trug nicht wenig
zum Ruhm der Schule bei. Die Nationalgalerie erwarb es, und hier giebt es Gelegenheit zu
interessanten Vergleichen mit dem fast 40 Jahre früher gemalten Bilde von Ritter, das dasselbe
Motiv behandelt. Rasch folgten gröfsere und kleinere holländische Bilder, so ,, Holländische
Kirmes", „Holländisches Liebespaar" und andere, die Kirbergs Stellung befestigten.
Einer der originellsten und stärksten Sohnschüler, überhaupt einer der hervorragendsten
deutschen Genremaler war Christian Louis Bokelmann, geboren 1844 in St. Jürgen bei Bremen,
gestorben 1894 in Berlin als Professor der Akademie. Freilich hatte bei ihm das fast sprich-
wörtliche Glück der Sohnschüler lange auf sich warten lassen, weil er einer der wenigen war,
die nicht nur über den immerhin engen Rahmen der Schule, sondern auch den der ganzen
Düsseldorfer Malerei früh hinausgingen. Eine Herbheit und Kraft, die man damals noch weniger
als jetzt hier vertragen konnte, verhinderte den Erfolg bei seinen Bildern, die erst zur Zeit des
energischen Naturstudiums anfingen geschätzt zu werden. Verkannt und verbittert, hatte sich
Bokelmann in Düsseldorf von der Oeffentlichkeit fast ganz zurückgezogen, und als ihn endlich
eine Berufung nach Karlsruhe und später nach Berlin aus der für ihn zu enge gewordenen Um-
gebung heraushob, da ereilte ihn, als er einen ihm zum 50. Geburtstag von seinen Schülern
gewidmeten Lorbeerkranz aufhängen wollte, nach einem unglücklichen Sturz von der Leiter,
der Tod.
Bokelmann war einer der Wenigen, die schon früh die schulmäfsige Bildwirkung, den
berühmten altmeisterlichen Ton, energischen Natur- und Freilichtstudien opferten. Er machte
eine ähnliche coloristische Wandlung durch, wie die jüngere Münchener Schule, indem er
von der süfslichen Farbe in ein schwärzliches Braun eintrat, vielleicht beeinflufst von Muncacsy,
den er, als er 1868 nach Düsseldorf gekommen war, noch gerade bei seinem ersten Triumph
gesehen hatte. Dann aber begann er an der Hand von meist im Norden, in Friesland, an der See
gemalten Naturstudien seine energische Freilichtbehandlung, die sich in dem vortrefflichen Bilde
„Nordfriesisches Begräbnifs" (Kunsthalle Düsseldorf) zu vollendeter W^irkung erhebt, während sie
in den Porträts manchmal fast zu schroff erscheint. Auch in seinen Motiven zeigt sich Bokel-
mann schon früh als ganz Moderner. Mit sicherem Blick und ohne Sentimentalität greift er die
ernsten Seiten des Volkslebens heraus. ,,Der Zusammenbruch einer Volksbank" illustrirt einen
Vorgang, wie er nach der Zeit des Gründungsschwindels nur zu häufig war. ,,Die Testaments-
abfassung", „Die Testamentseröffnung" führen in die Familie, aber nicht mit der humoristischen
Harmlosigkeit des Mutterglückmalers, sondern mit dem scharfen Blick des Psychologen, der die
Erbärmlichkeit des Reichthums durch den Flitter erkennt und erfafst hat. ,.Die letzten Augen-
blicke eines W^ahlkampfes" behandeln wieder ein allgemein sociales Ereignifs. „Verhaftung",
„Abschied", ,,Ein Wanderlager vor Weihnachten", ,.Der Auswanderer-, ,, Spielbank", , .Dorfbrand"
sind einige Titel seiner späteren, stets charaktervollen und bedeutenden Bilder.
Eine ähnliche Natur wie Bokelmann, wenn auch jünger und weicher, auch seit einer
bestimmten Zeit nicht ohne eine gewisse Hinneigung zum Mystischen, ist Ferdinand Brütt, der
leider auch seit einigen Jahren Düsseldorf verlassen hat, wie nur allzuviele gerade der hoffnungs-
vollsten Künstler, deren Werk nun dem Ruhme anderer Kunststädte zu gute kommt, die aber, sei
es nach ihrer Ausbildung, sei es nach ihrem ganzen Wesen, durchaus zu Düsseldorf gehören. Er
wurde 1849 in Hamburg geboren, studirte in W^eimar unter Pauwels und Gussow, dessen glatte
Malweise er aber keineswegs annahm, und liefs sich 1876 in Düsseldorf nieder, wo er, ohne
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gerade Schüler von Sohn zu sein, doch von dessen Genreschule nicht unbeeinflufst blieb. Auch
er wird durch die socialen Fragen angeregt, der Gerichtssaal giebt ihm Motive zu ergreifenden
und namentlich malerisch hervorragenden Bildern. So die hervorragende „Verurtheilung" in der
Düsseldorfer Kunsthalle, „Freigesprochen", „Der Besuch im Kerker" u. s. w. Vorher hatten ihm
die Ereignisse der Kriegsjahre zu einem lebendigen Bilde „Die ersten Nachrichten der französischen
Kriegserklärung" Anlafs gegeben. Seinen scharfen Blick für das Leben und Treiben der Grofs-
stadt bewährte er in dem trefflichen Bahnhofsbild, auf dem er verschiedene Porträts anbrachte,
wie er denn auch als Bildnismaler Hervorragendes leistet. In die Mitte der goer Jahre fällt sein
Uebergang auf ein mystisch-religiöses Gebiet, dem das eigenthümliche, vorzüglich gemalte, leben-
dige und packende, wenn auch in der Vermischung socialer und religiöser Andeutungen nicht
gerade leicht verständliche Bild: ,,Was toben die Heiden" u. s. w., 1894, entstammt. Eine Christus-
gestalt, die er für die geschmacklose Christusporträtconcurrenz eines Unternehmers 1898 malte,
und die den Heiland als Tröster der Kranken darstellt, gehörte zu dem Besten in dieser im
übrigen ziemlich unerfreulichen Sammlung. Bald darauf siedelte Brütt nach Cronberg im Taunus
über und Düsseldorf verlor in ihm einen seiner charaktervollsten Künstler auf dem Gebiet des
modernen Genres.
Von allen älteren Sohnschülern seinem Lehrer am nächsten steht vielleicht Carl Sohn. Bei
Carl Sohn ist diese Verwandtschaft auch nicht blofs eine künstlerische, da er der zweite Sohn
des Professors Carl Ferdinand, also der jüngere Bruder Richards und der Vetter und Schwager
seines Lehrers Wilhelm ist. Er wurde 1845 in Düsseldorf geboren und schlofs sich bald der
Schule seines Vetters an, dessen elegante und geschmackvolle Coloristik er sich in hervorragendem
Mafse aneignete, ihn an Productivität bei weitem übertreffend. Er bevorzugt wie jener das reiche
Costüm der Renaissance und schuf eine Reihe ansprechender und glänzend gemalter Genrebilder.
Seine graziöse Auffassung weiblicher Gestalten bewies früh seinen Beruf als erfolgreichen Schöpfer
zahlreicher eleganter Damenbildnisse.
Carl Sohn ist mit der einzigen Tochter des grofsen Alfred Rethel verheirathet, und dieser
Ehe entstammen drei Söhne, die, alle Maler, unter dem Namen Sohn-Rethel die bekannte Künstler-
familie nunmehr in der dritten Generation fortführen.
Auch ein Historienmaler gröfseren Stils ist aus der akademischen Schule von Gebhardt und
Sohn hervorgegangen, Fritz Neuhaus, der 1852 in Elberfeld geboren wurde und von 1873 — 1880 die
Akademie besuchte.
Einer der ältesten akademischen Schüler von W. Sohn, hat sich Neuhaus doch bald von
der eigentlichen Schulmalerei frei gemacht, und seine erste gröfsere Arbeit zeigt in ihrer herben
Lebendigkeit viel eher den Einflufs von Ed. v. Gebhardt, dessen Malklasse er, wie die meisten
Sohnschüler, besucht hatte. Das wirkungsvolle Bild, 1879 vollendet, und eine blutige Scene aus
dem Bauernkrieg, nämlich ,,Die Ermordung des Grafen Helfenstein" darstellend, wurde vom
Kunstverein für die Galerie der Kunsthalle in Düsseldorf erworben und machte ein grofses und
berechtigtes Aufsehen. Vorher hatte Neuhaus ein mehr genrehaftes Motiv gemalt ,, Ascher-
mittwoch-Morgen", das der Barmer Kunstverein erwarb. Ebenso lebendig und kraftvoll in der
Wirkung waren die nächsten grofsen Arbeiten des jungen Künstlers, die ihn als berufenen Historien-
maler zeigen, so 1880 das mehr genrehafte Bild ,,Des Prinzen erster Ritt", dann 1882 das grofse
und figurenreiche, höchst lebendige Bild „König Friedrich Wilhelm I. von Preufsen begegnet einem
Zug Salzburger Emigranten", das die Verbindung für historische Kunst bestellt hatte und dem
Kölner Museum überwies. „Der grofse Kurfürst im Haag" 1884 stellt die Scene dar, wie der
junge Prinz in üble Gesellschaft gerathen war und sich ihrer energisch erwehrt. Es folgten der
wieder genrehafte ,, junge Despot" 1886, „Der barmherzige Samariter" 1887, und i8gi „Marschall
Vorwärts". Kurz vorher hatte Neuhaus sich auch der Wandmalerei zugewandt. Im Jahre 1890
betheiligte er sich an der Ausmalung des Düsseldorfer Rathhaussaales, zu deren Kosten auch
der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen beigesteuert hatte. Neuhaus fiel die eine
Schmalwand zu und er malte auf ihr das grofse und wirkungsvolle Bild , .Festspiel vor Kaiser
Wilhelm I. im Malkasten am 6. September 1877". Mit grofsem Geschick überwand er die
Schwierigkeit, eine zuschauende Versammlung und eine Bühne mit der auf ihr befindlichen
Scenerie darzustellen.
Ein gröfserer Auftrag beschäftigte den Künstler, der seit 1884 als Lehrer für figurales Zeichnen
und Malen an der Kunstgewerbeschule eine umfassende Lehrthätigkeit ausübt, während der letzten
Jahre, nämlich die Ausmalung des Stadtrathssaales in Bochum. Das erste dieser Bilder ,, Bergbau
und Industrie huldigen dem Deutschen Kaiser" wurde im Auftrage des Kunstvereins für die
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FERDINAND BRÜTT
Freigesprochen
Rheinlande und Westfalen ausgeführt, die anderen bestellte später die Stadt, wiederum ein
Beweis, von wie grofsem Werth die erste künstlerische Anregung ist.
Von diesen Bildern ist eines decorativ- allegorischer Natur: „Wahrheit, Kraft und Recht",
die in einer gemalten Nische sich über dem Stuhl des Rathsvorsitzenden befinden; die beiden
anderen zu beiden Seiten aber enthalten historische Motive, nämlich „Engelbert von der Mark
verleiht auf Schlofs Blankenstein an der Ruhr den Bochumern das Stadtrecht" und „Vehmgericht
vor Bochum".
Auch Eduard Massau, geboren 1860 in Düsseldorf, begann mit ausgesprochen historischen
und sogar monumental gedachten Arbeiten, um dann später erst zu dem eigentlichen Costüm-
Genre, das er in der bekannten Weise mit Erfolg behandelt, überzugehen. Seine erste Arbeit,
die er noch als Akademieschüler vollendete, war ein Deckenbild mit Putten und allegorischen
Figuren in einem Kölner Privathause, das er schon 1883 vollendete und an das sich bald ein
Cyklus aus der Localgeschichte anschlofs, der in mehreren ebenfalls decorativ und monumental
gehaltenen Bildern für das Speisezimmer eines Düsseldorfer Privathauses ausgeführt wurde.
Das reizvolle und merkwürdigerweise wenig behandelte Motiv war der Geschichte der Jacobe
von Baden entnommen. „Hochzeit und Trauung der unglücklichen Prinzessin mit dem letzten
blödsinnigen Clever Herzog", dann „Die Erscheinung der Ermordeten" gaben Gelegenheit einerseits
zu farbig-fröhlichen Effecten, andererseits zu einer fast an das Grausige streifenden Darstellung des
Gespenstes. Die Ausmalung eines Rococozimmers schlofs diese Thätigkeit Massaus ab, der sich
nun ganz dem Staffeleibilde widmete und theils religiöse, theils heitere Stoffe aus früheren Zeiten,
bei denen das Costüm ihn reizte, ausführte, wie auch zahlreiche Porträts malte.
Den beiden Vorgenannten in ihren historischen Neigungen verwandt ist Hermann Grimm,
der 1860 in Hamburg geboren wurde und, nachdem er zuerst die Holzbildhauerei erlernt und in
den Abendstunden die Kunstgewerbeschule in Hamburg besucht hatte, 1881 zur Akademie nach
Düsseldorf kam, wo er nach Absolvirung der unteren Klassen nacheinander Meisterschüler von
Ed. V. Gebhardt, W. Sohn und P. Janfsen wurde. Sohn glaubt er selbst am meisten zu ver-
danken, und seine Freude an Costümen, an reichen Interieurs, vor Allem an einer bis ins Kleinste
gehenden sorgfältigen Durchführung entspricht ja auch am meisten den Sohnschen Einflüssen.
Sein erstes Bild war „Der Satteltrunk" 1893, nach einem Motiv aus dem Hof des Musee Plantin
in Antwerpen. Es folgte ,,Der Contretanz", der sich durch feine Gesammtwirkung auszeichnete,
und 1897 das grofse figurenreiche Bild ,, Begegnung der Margarethe von Parma mit fliehenden
calvinischen Niederländern im Jahre 1567", das unter Peter Janfsen vollendet wurde und mit
gröfster Sorgsamkeit in der Behandlung des Details eine grofse und farbige Wirkung verbindet.
Zuletzt entstand 1899 das im Biedermannscostüm gehaltene kleine Bild ,,St. Martinsabend im
alten Düsseldorf". Grimm ist seit einigen Jahren Assistent am Kupferstichkabinet der Akademie.
Einer der begabtesten Sohnschüler und ein berufener Schilderer des Volkslebens war der
leider zu früh verstorbene Aloys Fellmann, geboren 1855 zu Oberkirch im Canton Luzern, ge-
storben 1892. Er hat nicht viele Bilder geschaffen, da er an seinen meist figurenreichen Composi-
tionen lange und eingehend zu arbeiten pflegte. Dabei waren sie aber nach allen Richtungen in
einer Solidität durchgearbeitet, wie sie eines der hervorragendsten Kennzeichen der älteren Sohn-
schule war. Fellmann war auch einer der ^A(^enigen, die schon früh anfingen, ihre Bilder im
Freien zu malen; das trug ihm dann aber freilich den Vorwurf ein, dafs sein Colorit hart und
trocken sei, während es doch nur der Freilichtwirkung entsprach. Schon sein erstes Bild
„Begräbnifs im Canton Luzern", 1884, machte grofses Aufsehen, noch mehr das ,, Gelübde eines
Benedictinermönches", das mit der ganzen Freude an dem kirchlichen Prunk, den farbigen
Gewändern und der feierlichen Gesammtstimmung der Ceremonie gemalt war. Ein drittes figuren-
reiches grofses Bild ,, Osterfest im Canton Luzern" blieb unvollendet.
Ebenfalls vor der Zeit in jugendlichem Alter starb der hochbegabte Süerdick, dann
H. Mosler-Pallenberg, dessen grofses Bild ,, Resignation" eine Zierde des Kölner Museums bildet.
Er hat aufserdem zahlreiche in Farbe und Auffassung hervorragende Porträts gemalt.
Noch zwei andere talentvolle Künstler gingen vor der Zeit der Kunst verloren, da sie,
wenn auch vielleicht nicht gestorben sind, so doch verschollen scheinen. Sie müssen hier
genannt werden, da ein grofses, freilich auch viel angefochtenes Werk ihrer Hand in Düsseldorf
in den Deckenbildern des Stadttheaters erhalten geblieben ist, das sie noch als akademische
Schüler ausführten. Der innere Kreis, ein Fest von Wassergöttern, „Hochzeit der Amphitrite",
im Stile der italienischen Hochrenaissance und an Giulio Romano erinnernd, stammt von Horace
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de Saussure, die eigenartige Bemalung der Voute mit Putten als Monatsrepräsentanten ist von
Peter von Krafft, der allerdings hauptsächlich Gebhardtschüler war.
Durchaus modern in seiner coloristischen Auffassung, aber auch in der Wahl der Motive
ist der in Philadelphia 1859 geborene Frederik Vezin, der, nachdem er sich zuerst technischen
und bergbaulichen Studien gewidmet hatte, 1876 die Düsseldorfer Akademie bezog und hier zuletzt
Schüler von W. Sohn (bis 1885) wurde. Seine ersten Arbeiten waren einige höchst lebendige
Sportbilder: „Boston athletic Club" und „Ruderregatta auf der Themse" 1844, „Hamburger Ruder-
regatta" 1887. die auch grofses landschaftliches Verständnifs verriethen. 1886 entstand das farbige
und inhaltlich interessante Bild „Ein Handel", eine pikant gemalte Haremscene. In der Folge
malte Vezin vielfach lebensvolle Porträts (wie, nebenbei gesagt, fast alle der jüngeren und auch
älteren Figurenmaler diesen immerhin lucrativen Kunstzweig mit mehr oder weniger künstle-
rischem Erfolg pflegen), dazwischen Landschaften, die er mit Costümfiguren reizvoll staffirt, und
Genrebilder. Auch als Radirer leistete er Gutes.
Drei sehr erfolgreiche Schüler der Sohnschule müssen nun leider wieder, als aus der
Düsseldorfer Kunst ausgeschieden, wenigstens erwähnt werden, wenn sie glücklicherweise auch
noch zu den Lebenden gehören und anderwärts rüstig weiter schaffen. Sie haben, nachdem sie
hier ihre Studien beendet und die ersten Bilder gemalt haben, Düsseldorf verlassen und sind
nach Berlin übergesiedelt, wo sie zum Theil hervorragende Stellungen in der dortigen Künstler-
welt einnehmen. Dieser allzuhäufige Wegzug trefflicher Künstler, und es wird noch von mehreren
die Rede sein, die nach absolvirtem Akademiestudium und nach Erringung der ersten Lorbeeren
Düsseldorf verlassen, nicht etwa immer, um ehrenvollen Berufungen zu folgen, sondern weil
sie anderwärts ein günstigeres Feld für ihre Thätigkeit, ein besseres Verständnifs beim Publikum
und in der Presse, deren Urtheil in den letzten 20 Jahren zuweilen leider eine verhängnifsvolle
Rolle spielt, zu finden hoffen, ist eines der bedenklichsten Symptome in der Entwicklung
der neueren Düsseldorfer Kunst, um so mehr, als es bis in die letzte Zeit sich nur allzuhäufig
wiederholt.
Möge es nicht dahin kommen, dafs das ständige erfreuliche Wachsen der Stadt dem Künstler
die Luft und den Boden beengt, möge im Gegentheil die Kunst in der grofsen Industriestadt recht
bald wieder dieselbe ehrenvolle Stellung einnehmen, die sie einst in dem kleinen Beamtenstädtchen
eingenommen hatte und die ihr gebührt.
Einer der am meisten von Glück Begünstigten ist Hugo Vogel. Er war 1855 zu Magdeburg
geboren, kam 1875 nach Düsseldorf und wurde bald Schüler von Gebhardt und Sohn. Bei Letzterem
malte er ,,Die Predigt auf der Wartburg", die ihm gleich die kleine goldene Medaille einbrachte.
Vogel tritt insofern aus dem Rahmen der Sohnschule heraus, als er im Anfang sich hauptsächlich
der Historienmalerei widmete, in der Folge Genre und Porträts in ganz modernem und keineswegs
Sohnschem Sinne behandelte, und infolge seiner grofsen Vielseitigkeit auch auf dem Gebiete
der Monumentalmalerei Achtenswerthes leistet. In Düsseldorf entstand noch ,,Die Aufnahme
französischer Refugies durch den grofsen Kurfürsten". Mitte der 80er Jahre siedelte H. Vogel nach
Berlin über, wo er eine Zeitlang als Lehrer an der Akademie thätig war.
Weniger vielseitig als Vogel, dafür aber origineller und seinerzeit nicht weniger genannt,
war Hans Dahl, auch noch einer der älteren Sohnschüler, der 1888 ebenfalls nach Berlin ver-
zog. Hans Dahl ist Norweger (er wurde 1849 in Hardanger geboren), und ebenso wie seine
vielen anderen Landsleute, die im Auslande studirten, ist er den Motiven seiner Heimath treu
geblieben. Er war einer der Ersten, der auch unter Sohn, dem selbst die Landschaft ganz fern
lag, Landschaft und Figuren in engste Verbindung brachte. Die Fjorde und Berge Norwegens
geben den Hintergrund seiner Bilder, die er mit dem heiteren und kräftigen Menschenschlag
seiner Heimath bevölkert. Ueberhaupt ist eine gesunde Heiterkeit, die wohlthuend absticht von
dem mystisch finsteren Charakter der modernen nordischen Literatur und zu beweisen scheint,
dafs diese doch wohl nicht so ganz und gar dem Charakter des Landes und des Volkes ent-
spricht, ein Hauptkennzeichen seiner Kunst, die sich eine Zeitlang aufserordentlichen Ansehens
und grofser Beliebtheit erfreute.
Sein inniger Zusammenhang mit der Natur läfst Dahl als einen der ersten Freilichtmaler in
Düsseldorf erscheinen, und zwar erfafste er mit gesundem Auge gleich die farbige, sonnige, nicht
die graue sonnenlose Seite dieser Malweise. Sonne und See sind von der Erinnerung seiner
Bilder fast so unzertrennlich, wie die frischen, lachenden Mädchenköpfe. Schon während seines
Düsseldorfer Aufenthaltes hat Dahl eine grofse Reihe von Bildern gemalt, und wenn er seit
seiner Uebersiedlung nach Berlin sich von den grofsen Kunstmärkten, den Ausstellungen zurück-
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gezogen zu haben scheint, so bürgt seine tüchtige Natur dafür, dafs er in rastlosem Streben
weiter schafft.
Von den Düsseldorfer Bildern sind die bekanntesten „Zu spät", ,, Hinter dem Segel", ,, Gegen
Wind und Wellen", ,,Ueber den Fjord", die alle Kaiser Wilhelm I. erwarb, dann sein ,, Spiel der
Wellen", ,, Ankunft zur Kirche", ,,W^eibliche Anziehung" u. s. w.
Emil Schwabe ist der dritte der nach Berlin übergesiedelten Sohnschüler, der ebenfalls,
wenigstens im Anfang, von grofsem Erfolg begleitet wurde. 1856 geboren, kam er, der bis zum
25. Jahre Buchdrucker gewesen war, erst verhältnifsmäfsig spät (nämlich 1880) zur Akademie,
überwand rasch die unteren Klassen und trat dann bei Sohn ein, allerdings zu einer Zeit, als
dessen Kraft schon zu erlahmen begann. Dennoch hat Schwabe ihm noch viel zu verdanken,
wenn auch die Zeit der eigentlichen Costümbilder schon vorüber war und Sohns Verständnifs
der realen Natur gegenüber, wie sie Schwabe malte, vielfach versagte. Schwabes erste Bilder
spiegeln, wie schon so manche Düsseldorfer Genrebilder, gewisse sociale oder politische Stim-
mungen wieder, und das Interesse, das sie erweckten, -war nicht zum wenigsten auch ein durch
den Gegenstand hervorgerufenes. Gleich das erste Bild, obwohl von nur kleinem Umfang, machte
grofses Aufsehen. Es war betitelt „Auf dem Friedhof" (1866) und stellte die ergreifende, freilich
etwas tendentiös zugespitzte Scene dar, wie ein armer Mann mit dem Sarge seines Kindes am
Grabe warten mufs, bis das prunkvolle Leichenbegängnifs irgend eines Würdenträgers im Hinter-
grunde beendet ist.
Heiterer war das zweite Bild „Ungelöste Fragen" (1887), das für die Kunsthalle in Düsseldorf
erworben wurde. „Der Arbeiterausschufs" 1891 war leider nur in grisailleartiger Weise getönt,
aber wieder von feinster psychologischer und physiognomischer Wirkung. Neben einigen freund-
lichen Motiven: ,, Weihnachtsfreude" 1888, ,,Aus dem Schwarzwald" 1889, „Aus der kleinen Stadt"
1890, die zum Theil auch die Landschaft berücksichtigen, entstand 1896 noch das pessimistische,
auch in der Farbe düstere „Kunst ohne Gunst". Nebenher und in der Folge hat Schwabe zahl-
reiche vortreffliche Porträts gemalt, bis auch er i8g8 Düsseldorf dauernd verliefs.
Die Liste der von Düsseldorf Fortgezogenen liefse sich übrigens noch weiter ausführen;
einige Namen, die zum Theil nun in Berlin oder München guten Klang haben, mögen wenigstens
genannt sein. So Conrad Kiesel. H. Jochmus, R. Forell. dessen grofses Bild „Tod des Grafen
Ernst zu Mansfeld" vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen erworben und dem
Museum zu Crefeld geschenkt wurde, Bennewitz von Loefen der Jüngere, H. Schwiering, Suykens,
Max Wislicenus, Lehrer an der Kunstschule in Breslau, und so manche Andere.
Aus der grofsen Zahl
der Sohnschüler, die in
Düsseldorf zurückgeblie-
ben sind, mögen noch
zwei genannt sein, die,
in rüstiger Manneskraft
fleifsig schaffend, zu den
regelmäfsigsten Gästen auf
den Jahresausstellungen
gehören.
Der ältere von ihnen,
Fritz Schnitzler, wurde 1851
in Tönnisheide geboren.
Er kam erst 1875 nach
Düsseldorf, nachdem er
vorher das Handwerk
seines Vaters, eines
Schmiedes, gelernt hatte,
auf der W^anderschaft ge-
wesen war und seine
Dienstzeit bei der Garde
abgemacht hatte. Auf der
Akademie arbeitete er in
EMIL SCHWABE den Klassen von Peter
Ungelöste Fragen Janfsen, Ed. v. Gebhardt
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und dann zuletzt bei Sohn, ohne sich aber dessen Manier anzuschliefsen. Mit frischem Blick
nimmt er seine Motive aus dem täglichen Leben. In seinem ersten Bild gab er der Costüm-
richtung nur insoweit nach, als er eine Bauerntracht für sein grofses „Schafbad" wählte, das in
den Jahren 1884 — 86 entstand und eine Fülle gut beobachteter Einzelscenen enthält. In den
späteren Bildern aber beschränkt sich Schnitzler meist auf die Motive, die ihm das städtische
Strafsenleben und vor Allem der Markt mit seinem bunten Durcheinander von Menschen und
Dingen bietet. Hier hat sich der mit gröfster Energie die Natur studirende Künstler eine originelle
Specialität geschaffen, der eine Reihe trefflicher Arbeiten zu verdanken ist.
Carl Henrik Nordenberg ist der Neffe von Bent Nordenberg und neigt, wenn er auch erst
seit 1873 in Düsseldorf und auf der Akademie studirt (er ist 1857 in Provinz Bleckinge, Schweden,
geboren) in seinen Motiven zu dem Genre seiner älteren Landsleute, etwa Fagerlins, wobei er
nur coloristisch zuweilen moderne Klänge anschlägt. Dieselbe Einfachheit und Innerlichkeit, die
den Bildern Tidemands und Fagerlins eigen ist, zeigen auch seine zahlreichen, meist nicht
grofsen Bilder, die sich grofser Beliebtheit erfreuen.
HANS DAHL
Hinter dem Segel
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XIII. Kapitel
Die neue religiöse und historische Malerei
„. ER grofse Krieg 1870 71 gab Deutschland die lang ersehnte Einheit und auch politisch
^jJN die Stellung innerhallj Europa, die es geistig schon eingenommen hatte. Einen Auf-
m^ Schwung, wie er in der Geschichte unerhört ist, brachte das letzte Drittel des XIX.
'^^ Jahrhunderts dem deutschen Volke, und es hätte allen Erfahrungen der Entwicklung
' eines Individuums, wie eines Gemeinwesens widersprochen, wenn nicht auch die
deutsche Kunst an diesem Aufschwung Theil genommen hätte, ihn nicht ebenso in sich vor-
bereitet hätte, wie es andere geistige Strömungen gethan hatten. Dazu bedurfte es in Düsseldorf
freilich neuer Menschen und eines neuen Lebens, denn die bisher geschilderten Richtungen
gehörten eben doch in ihren Vertretern einer anderen Denk- und Gefühlsweise an, als sie von
EDUARD BENDEMANN
Kain und Abel
Wandgemälde im Schwurgerichtssaal zu Naumburg
291
nun an Platz greifen mufste. Was Bendemann seit seiner Rückkehr nach Düsseldorf geschaffen
hatte, waren treffliche Arbeiten, die sich den grofsen Wandgemälden, mit denen er in Dresden
beschäftigt gewesen war, würdig anschlössen, aber vom Pulsschlag der Zeit war in ihnen nichts
zu spüren. Es war zunächst ein Fries in der Aula des Realgymnasiums zu Düsseldorf, der in reiz-
vollen Kindergestalten Wissenschaft, Handel, Industrie und Kunst personifizirte. Nicht ohne Grofs-
artigkeit sind femer die Gemälde im Schwurgerichtssaal zu Naumburg, und in dem figurenreichen
Bilde „Wegführung der Juden in die babylonische Gefangenschaft", 1872, fafste der greise Künstler
noch einmal Alles zusammen, was an theatralischem Prunk und unleugbarer decorativer Wirkung
die romantische Historie leisten konnte. Aber alle diese Vorzüge vermochten doch nicht über die
innere Leere, über den Mangel des
inneren Feuers hinwegzutäuschen.
Die Akademie machte in diesen
Jahren eine doppelte Krisis durch, eine
innerliche durch vielfachen Wechsel
ihrer Lehrer, eine äufserliche durch
den Verlust ihres Gebäudes, das in der
Nacht vom 19. zum 20. März 1872 ab-
brannte. Es wurde schon angedeutet,
wie die Akademie noch vor Schadows
Rücktritt ihre führendeStellung hatte ab-
geben müssen. Die Verhältnisse wollten
es aber, dafs sie mehr in den Hinter-
grund trat, als der Pflanzschule der
Düsseldorfer Kunst zukam. Freilich
war auf ihr endlich eine Bildhauer-
klasse gegründet worden, die dem Pro-
fessor A. Wittig unterstand und von
der noch die Rede sein wird, aber
trotzdem blieb sie nicht nur hinter
den Anforderungen einer zeitgemäfs
geleiteten Schule, sondern auch hinter
den Leistungen der freien Künstler-
schaft zurück. Köhler und Carl Sohn
waren todt, Bendemann und H. Mücke
pensionirt. Die beiden Müller und Deger
wirkten schöpferisch, wie als Lehrer,
nur auf ihrem immerhin sehr engen
Gebiete. Th. Hildebrandt war an Ge-
hirnerweichung hoffnungslos erkrankt.
(Er starb 1874.) Besonders litt die
Landschaftsklasse unter fortwährenden
Personalveränderungen. Die Klasse für
figürliches Malen leitete der Dresdener
Bendemannschüler Julius Roeting. Er
war 1821 in Dresden geboren und stu-
dierte auf der dortigen Akademie. Ende
der 50 er Jahre kam er nach Düsseldorf,
wo er einige historische Bilder von grofsem \Ai^urf malte. So eine ,, Grablegung" und eine ,, Kreuzigung".
Bald aber fand er im Porträt sein eigentliches Gebiet und schuf nun fast ausschliefslich eine grofse
Anzahl von Bildnissen, die zu dem Besten gehören, was in diesem Fache in Deutschland damals
geleistet wurde. Berühmt durch Vervielfältigung wurde das Porträt von E. M. Arndt. Auch die
Bildnisse seiner Collegen Schadow, Knille und Lessing, sowie eines seiner ersten Bilder, das des
Vergolders Kraus, machten grofses Aufsehen. Als Lehrer hat er eine fruchtbringende Thätigkeit ent-
wickelt, ohne doch den künstlerischen Studiengang seiner Schüler zu beeinflussen. Roeting starb 1896.
Als Lehrer der Monumentalkunst war 1868 ebenfalls ein Dresdener Bendemannschüler berufen
worden, Hermann Wislicenus, der, 1825 zu Eisenach geboren, in Dresden studiert und verschiedene
Bilder von ansprechender Composition und Färbung im Sinne seines Meisters gemalt hatte. In
HERMANN WISLICENUS
Wiederherstellung des Deutschen Reiches
AWandgemälde inn Kaiserpalast zu Goslar
292
Düsseldorf malte er „Die vier Jahreszeiten", eine „Germania", „Rhein und Loreley", Wandbilder
für Weimar, um sich dann ausschliefslich einem grofsen Auftrag für den Kaiserpalast in Goslar
zu widmen. Diese Bilder, die den Anfang, die Entfaltung, Ende und W^iederaufleben der
deutschen Kaisermacht darstellen, sind das Hauptwerk seines Lebens. Aber man kann sie, die
ausschliefslich an Ort und Stelle gemalt sind und zwar von einem Künstler, der in Düsseldorf
selbst nur wenig studirt und geschaffen hat, kaum zur Düsseldorfer Kunst rechnen. Wislicenus
war von diesen grofsangelegten, umfangreichen W^erken so in Anspruch genommen, dafs er eine
Wirksamkeit als Lehrer in Düsseldorf nicht entfalten konnte.
Es konnte naturgemäfs schon nicht günstig wirken, dafs ein grofser Theil der Lehrer als
Fremde von aufsen gekommen war (Roeting, Wittig, Wislicenus und bis zu einem gewissen Grade
doch auch Bendemann), aber andere Zustände an der Akademie waren fast noch schlimmer. Die
Schule hatte nämlich seit Bendemanns Amtsniederlegung (1867) keinen Director mehr, sondern wurde
von einem, aus dem Architekten E. Giese, dem Schöpfer des Stadttheaters, und H. Wislicenus
bestehenden Directorium geleitet, dem ein Regierungsrath nicht nur als Vorsitzender des Directoriums,
sondern auch als Vorsitzender des Lehrercollegiums an die Spitze gestellt war. Das waren Zustände,
welche die unumschränkte Herrschaft des Cornelius zu einer Zeit schlimmsten Bureaukratismus
und politischer Reaction in doppelt hellem Lichte erscheinen lassen. Freilich, es war eben kein
Cornelius da. Immerhin führten diese Verhältnisse dazu, dafs selbst die Schüler sich dagegen
empörten und bei Gelegenheit des unter Leitung der Regierungsbeamten veranstalteten Festes zur
Halbjahrhundertfeier der Akademie eine Beschwerde gegen diese Organisation an den Minister
richteten, die wenigstens den Erfolg hatte, dafs der übrigens wohlwollende und verdienstvolle
Geheimrath Altgelt sein Amt als Vorsitzender der Akademie niederlegte.
In diese klägliche Zeit fiel nun noch der Brand der Akademie; aber wie so oft diente
dieses Unglück, das die Kunstschule für fast ein Jahrzehnt obdachlos machte, dazu, dafs nun
alle Kräfte angespannt wurden, um sich aus der Versumpfung herauszuarbeiten. Personal-
wechsel in den höchsten und höheren Regierungsstellen begünstigten diese Anstrengungen,
vor Allem aber waren es die Neuanstellungen dreier Künstler, welche den Umschwung begrün-
deten. Und Zwei von diesen sollten für die heutige Düsseldorfer Kunst mafsgebend bleiben.
So war die Zeit der
Obdachlosigkeit der Akade-
mie, deren Klassen theils
in den übrig gebliebenen
Gebäuderesten neben der
Brandstätte, theils in dem
sogenannten ,, Wunder-
bau", einem curiosen
Atelierhause, Unterkunft
fanden, eine Zeit stiller
aber energischer Refor-
mation an Haupt und
Gliedern, und als die
Akademie 1879 das neue
Gebäude am Rhein be-
ziehen konnte, da entfaltete
sich die Schule sehr bald
zu ganz ungeahnter Kraft
und Wirksamkeit.
Der älteste von den
drei Künstlern, die an
dieser Umwandlung Theil
haben, war W. Sohn, der
als Künstler, wie als Lehrer
bereits seinen Wirkungs-
und Einflufskreis besafs
und nun für die Akademie
gewonnen wurde. Seine
Kunst stand in höchster
HUGO CROLA
Bildnis des Malers Eduard von Gcbhardt
293
Blüthe und vermochte in
der neuen akademischen
Stellung nichts Neues mehr
zu bringen. Sie allein wäre
also auch nicht im Stande
gewesen, den Anforde-
rungen der neuen Zeit
gerecht zu werden. Es
fehlte ihr bei aller Fein-
heit der physiognomischen
Darstellung, bei allem
coloristischen Reiz der
Ausführung doch der grofse
hinreifsende Zug, jene be-
wufste Kraft, wie sie Bis-
marck in das politische
Leben, jene festliche Freu-
digkeit und mächtige Wir-
kung, wie sie W^agner in
die Musik eingeführt hatte,
und jener patriotisch-reli-
giöse Ernst, wie ihn das
neue Kaiserthum deutscher
Nation dem Volke wieder-
zugeben bestrebt war. Wie
die Kräfte, welche die
siegreichen Schlachten
schlugen, in der Stille
gereift waren, wie der
19«
politischen Ueberlegenheit
der deutschen Nationalität
durch die seit langem
thätige rastlose Arbeit eines
Mannes gewissermafsen
die Wege gewiesen waren,
so arbeiteten an der neuen
religiösen und monumen-
talen Kunst bereits zwei
Männer, an deren Schaffen
die neue Düsseldorfer
Malerei auf figürlichem
Gebiet von nun an sich
anschliefsen sollte: Eduard
von Gebhardt und Peter
Janfsen.
Die religiöse Malerei
war seit der Reformation
fast ausschliefslich im
Dienste der katholischen
Kirche und somit in den
Händen katholischer
Künstler verblieben. Das
war eine natürliche Folge
der, wenn nicht direct
kunstfeindlichen, so doch
aus vielen Gründen kunst-
fremden Tendenzen des
Protestantismus gewesen.
Auch die neue deutsche
religiöse Kunst seit Over-
beck verblieb den Katho-
EDUARD VON GEBHARDT
Die Kreuzigung
liken, und sie nahm gerade
bei einzelnen Convertiten
sogar einen confessionellen
Charakter an, den in dem
Mafse selbst die Jesuiten-
kunst der grofsen Maler
des XVII. und XVIII. Jahr-
hunderts nicht gekannt
hatte. Die Düsseldorfer
religiöse Malerei hatte sich
von diesen Tendenzen fast
ganz frei zu halten gewufst,
und so war sie, trotzdem
sie fast ausschliefslich von
Katholiken ausgeübt
wurde, bei der Toleranz,
um nicht zu sagen Gleich-
gültigkeit, mit der die
Protestanten diesen
äufseren Dingen gegenüber
zu stehen pflegen und bei
einem Kunstwerk nicht
nach der Confession des
Urhebers fragen, auch
von diesen freundlich auf-
genommen worden. Die
Altarbilder der Nazarener
schmückten gelegentlich
auch protestantische
Kirchen, und die Nachbil-
dungen nach den Gemälden
Carl Müllers sind in pro-
katholischen. Es war also auch
testantischen Familien ebenso verbreitet und beliebt, wie in
ganz natürlich gewesen, dafs die wenigen Protestanten, welche religiöse Motive malten, sich der
von den katholischen Malern geschaffenen Formensprache anschlössen, um so mehr, als diese
wiederum sich, wenigstens scheinbar, auf die Tradition einer vielhundertjährigen Kunst stützten,
die vor die Trennung der Confessionen fällt und für jeden Maler als unanfechtbares Vorbild
gelten mufste. Dafs diese Formensprache allerdings gerade in Düsseldorf mit der Zeit einen
schwächlichen, blutarmen und degenerirten Charakter angenommen hatte, wurde schon angedeutet,
und die Gründe dazu lagen eben nicht in dem Mangel an gutem Willen der Künstler, sondern in
dem unausweichlichen Naturgesetz, nach dem ein jeder Organismus, ein jedes Individuum und
selbst eine jede geistige Strömung einmal altersschwach wird und eingehen mufs. ,,Das Alte
stürzt, es ändert sich die Zeit" und dafür giebt es keine Hülfsmittel und keine Heilung, denn gegen
den Tod ist eben kein Kraut gewachsen.
Um aus den Ausläufern dieser nazarenerhaft weichen Kunst ein neues Leben erblühen
zu lassen, bedurfte es also einer Kraft, die zufolge einer anderen Anschauung von Religion und
Kunst mit dem Hergebrachten energisch brach und an die Stelle des Antiquirten Etwas zu setzen
vermochte, das dem Stande der modernen Kunstempfindung besser entsprach.
Es würde zu weit führen, nachzuweisen, wie der Realismus, der in der deutschen Kunst
immer mehr zur Geltung gekommen war, dem Wesen des specifisch nordischen, kühler reflectirenden
und national fühlenden Protestantismus näher verwandt ist, als dem mystischen, sich mehr an das
Seelenleben wendenden und dabei äufserlich streng an dem Althergebrachten festhaltenden Charakter
der unnationalen katholischen Kirche.
Und dem sei nun auch, wie ihm wolle. Thatsache ist, dafs es gerade und in erster Linie
bei Ed. v. Gebhardt der Protestantismus war, der Ihn zu der grundlegenden Umgestaltung
und Neugeburt der Düsseldorfer religiösen Malerei befähigte und vorweg bestimmte. Das äufsere
Element, das seine Bilder so scharf von denen der Nazarener trennt, die Anlehnung in der
295
Gewandung u. s. w. nicht an die Italiener, wie bei jenen, sondern an die altniederländischen und
altdeutschen Maler entspricht wieder der bewufst nationalen Seite seiner Kunst, über die
Gebhardt selbst sich einmal folgendermafsen geäufsert hat: ,,Man hat oft die Frage an mich
gerichtet, warum ich denn die biblischen Bilder in altdeutschem Costüm male; ja wie denn,
sollte ich etwa weiter malen, wie die Nazarener? Anfangs dachte ich auch nicht anders, aber
meinen hausbackenen Menschen wollten die conventioneilen Gewänder durchaus nicht passen. . . .
Ja, sagten die klugen Menschen, ich sollte es doch so malen, wie es gewesen, es ist doch im
Orient passirt; das ist doch ein Anachronismus, den ich begehe. Merkwürdig! Noch nie hat ein
Mensch es zustande gebracht, in der Form des Orientbildes ein andächtiges Bild zu malen, warum
verlangt man das von mir? Malen wir denn nicht als Deutsche für Deutsche?" Und so wählte
Gebhardt mit vollem Bewufstsein der nationalen Forderung in seiner Kunst und in dem richtigen
Gefühl, das schon Schnaase in Worte gefafst hat, dafs nämlich in einem alterthümlichen Stil
das Hauptmittel zur Hervorbringung einer religiösen Stimmung liege, das Costüm, das Milieu und
im Anfang selbst den Colorismus der genannten nordischen Meister sich zum Vorbild.
Was Gebhardt im Gegensatz zu den Gestalten der Nazarener seine hausbackenen Menschen
nennt, das ist nun freilich das Resultat einer wohl noch wichtigeren Seite seiner Kunst, die ihn
von der bisherigen Heiligenmalerei noch schroffer scheidet. Es ist das eine unbefangene und energische
Naturbeobachtung, wie sie die Düsseldorfer und überhaupt die deutsche Malerei damals erst bei
gewissen Genremalern zu üben angefangen hatte, die aber in die religiöse Malerei überhaupt noch
nicht, in die historische kaum erst einzudringen begonnen hatte.
W^ie Gebhardt seinen streng positiven Glauben der Erziehung in dem väterlichen Pfarrhause
verdankt, so führt er auch seine Hinneigung zu schärferem Beobachten und treuerer Wiedergabe
des Gesehenen auf die Eindrücke seiner frühesten Umgebung zurück. ,,Ich habe das Glück gehabt",
schreibt er einmal, ,, unter Menschen aufzuwachsen, deren Mienenspiel merkwürdig ausgebildet war,
und von diesen Eindrücken zehre ich noch. In den Gesichtszügen meiner Mutter, Tante und
Schwestern konnte man förmlich lesen".
Aus solchen für die Düsseldorfer religiöse Malerei bisher ziemlich unbekannten Elementen
setzt sich also die Gebhardtsche Kunst, wie sie sich in nunmehr fast 40 Jahren entwickelt hat,
zusammen. Ein stark aus-
geprägtes Nationalgefühl,
■wie es sich m den bal-
tischen Stämmen in den
jahrhundertelangen
Kämpfen ums Dasein gegen
barbarische Unkultur ent-
wickelt hat, der positive
streng lutherische Glauben,
für den es eine Madonna
und die Heiligen als solche
nicht giebt, in dessen
Mittelpunkt allein Christus
steht, und ein energischer,
selbst herber Realismus,
wie ihn in dem Mafse
sogar Knaus nicht besafs.
E. von Gebhardt ist
1838 in Reval als Sohn
eines lutherischen Pfarrers
geboren und bezog 1856 die
Akademie in Petersburg.
Hier fand er einen tüchtigen
Unterricht in den Elemen-
tarfächern, verliefs aber
Rufsland, um zuerst in
Deutschland, dann in Bel-
gien und Holland zu stu-
diren und sich schliefslich
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Der ungläubige Thomas
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EDUARD VON GEBHARDT
Die Jünger in Emaus
in Karlsruhe niederzulassen, wo seit
kurzem Schirmer und Lessing wirkten.
Ein Besuch in der Heimat machte
der Karlsruher Studienzeit ein Ende,
denn auf der Rückreise kam Gebhardt
i86o nach Düsseldorf, wo er, ohne
es eigentlich vorher beabsichtigt zu
haben, blieb, um es auch in der
Folge, abgesehen von verschiedenen
Reisen, auf längere Dauer nicht
mehr zu verlassen.
Bei den damaligen Zuständen, der
Spaltung zwischen der Akademie und
der Künstlerschaft, bezog Gebhardt
nicht die Akademie, sondern schlofs
sich auf den Rath seines mit von
Karlsruhe hierhergekommenen Freun-
des Julius Geertz an Wilhelm Sohn
an, der bereits angefangen hatte, einen
Kreis von Schülern und Anhängern
um sich zu schaaren. Zwischen
W. Sohn und E. v. Gebhardt ent-
wickelte sich nun ein Verhältnifs,
das, von dem eines Lehrers zum
Schüler bald in einen Freundschafts-
bund übergehend, für Gebhardt nach seiner eigenen Aussage von der allergröfsten Wichtigkeit
wurde und in einem gemeinsamen eifrigen Arbeiten zunächst seinen Ausdruck fand. Vielleicht
erklärt sich der grofse und fruchtbringende Einflufs, den Sohn auf Gebhardt ausübte, aus der
inneren Verschiedenheit der beiden Künstler, die sich sowohl in ihrer allgemeinen, als auch in
ihrer künstlerischen Natur findet. Nur durch diese Gegensätze war es möglich, dafs Gebhardt
sich seine volle Eigenart nicht nur bewahrte, was sonst den wenigsten Sohnschülern gelungen
ist, sondern auch sie ganz ungestört entwickelte und von Sohn gerade nur das empfing bezw.
annahm, was ihm für seine Kunst wichtig war, nämlich einmal eine W^eiterbildung seines colo-
ristischen Sinnes, dann eine Verstärkung seiner auf physiognomischen Ausdruck gerichteten
Charakterisirung, ohne sich durch die. namentlich später sich geltend machende Unstetheit Sohns,
die ihn selbst am Schaffen hinderte, beeinHussen zu lassen. Von grofser Wichtigkeit war ferner
für Gebhardt auch der durch Sohn erfolgte Hinweis auf das Studium der alten vlämischen und
deutschen Meister.
Im Jahre 1863 entstand das erste Bild „Christi Einzug in Jerusalem", das mit gröfster Klarheit
schon fast alle äufseren und inneren Eigenschaften der Gebhardtschen Kunst aufweist: den
bewufsten engen Anschlufs an die alten deutschen Meister in Bezug auf Costüm und Umgebung,
dann aber, was wichtiger ist, den ebenfalls bewufsten Gegensatz zu der herrschenden Gefühls-
seligkeit und Symbolistik der Nazarener, zu der Süfslichkeit, von der auch die Sohnschule
nicht ganz freizusprechen ist. Eine gesunde und unbestechliche Naturbeobachtung, die hier
und da freilich noch mit dem Ausdruck ringt, ein tiefes und starkes Gefühl, das zur deutlichen
Aussprache keine Mittel scheut, ein gelegentlich bis zur Härte gesteigerter Widerwille gegen alles
Conventionelle, das sind so die Hauptmerkmale dieses ersten Bildes, Merkmale, die von Bild zu
Bild sich weiter ausbildeten und sich allmählich mit einem überaus eigenartigen, feinen Colorismus
verbanden, der nun freilich keineswegs naturalistisch ist. Dieser Colorismus scheint sogar zu dem
absoluten, auch das Häfsliche nicht scheuenden W^ahrheitsdrang in Bezug auf zeichnerischen Ausdruck
in Mienen und Gebärden im Gegensatz zu stehen, und ist somit recht eigentlich, neben dem geistigen,
idealen Inhalt, das künstlerisch-idealistische Moment in der Kunst Gebhardts.
Rasch folgten einander in den folgenden Jahren gröfsere und kleinere Bilder meist biblischen
Inhalts, aber auch einige Genrescenen aus der Reformationszeit; so schon 1864 ,,Jairi Töchterlein",
das den Vorgang in consequentem Festhalten an dem angenommenen Princip in eine altdeutsche
Bauernstube verlegt. Weniger ausgesprochen in dieser Aeufserlichkeit, dafür vielleicht um so stärker
im Ausdruck ist die „Kreuzigung" für die Domkirche in Reval, die 1866 entstand, ein Motiv, das
299
Gebhardt noch zweimal mit wesentlichen Abänderungen behandelte, 1873 für die Hamburger Galerie
und 1884 für die Kirche in Narva. Etwa 1867 entstand die Kreidezeichnung „Christus am Teiche
Bethesda" und ein überaus origineller „armer Lazarus", der sich jetzt im Privatbesitz in Californien
befindet. Im Jahre 1871 vollendete Gebhardt sein grofses ,, Abendmahl", das, von der National-
galerie angekauft, ihn mit einem Schlage zum berühmten Manne machte und zum Haupt der
religiösen Malerei, nicht nur in Düsseldorf, sondern in ganz Deutschland. Und diese religiöse
Malerei war eine protestantische, die gleichwohl ihren Einflufs auf die katholische Kirchenmalerei
sehr bald geltend machen sollte.
In Bezug auf Tiefe und Ernst des Ausdrucks hat Gebhardt dieses Bild lange Zeit nicht
erreicht, höchstens etwa in der zehn Jahre später vollendeten, ebenfalls von der Nationalgalerie
erworbenen „Himmelfahrt", dann allerdings in den Loccumer Wandbildern, die eine besondere
Epoche in Gebhardts Kunst bedeuten. Vor diese Arbeiten fallen neben religiösen Bildern wie
„Die Jünger zu Emaus" einige der bereits erwähnten genrehaften Gemälde. So das kleine
Bild „Hubert und Jan v. Eyck" 1871, „Für die Zukunft" 1874, „Disputation" 1875, und vor
Allem das höchst feinsinnige Bild ,,Die Heimführung" 1877, in dem Gebhardt wohl zum ersten- und
seitdem zum letztenmal nicht der himmlischen, sondern der irdischen Liebe ein künstlerisches
Opfer darbringt: Ein junges Paar auf der Heimreise findet auf seiner Fahrt durch den Wald ein
Hindernifs, das den W^agen aufhält. Mit zärtlicher Sorge leitet der Gatte sein junges Weib über
die im Wege liegenden Baumstämme und Zweige. Von gröfster Feinheit und Innigkeit ist der
Ausdruck der beiden einander zugewandten Gesichter.
Es folgten ,,Aus der Reformationszeit" 1877 (Leipziger Galerie), ein „Christus" im Brustbild 1878,
,,Zwei Klosterschüler" 1882, ,,Bei der Arbeit' im selben Jahr, 1883 die coloristisch wieder höchst
bedeutende ,,Pietä" und 1884 für die Kirche in Narva „Christus auf dem Meere", ein Bild, das zu
interessanten Vergleichen mit dem 30 Jahre früher entstandenen Bilde gleichen Motivs von
Gebhardts Lehrer W^. Sohn in der Düsseldorfer Kunsthalle Anlafs giebt. Eine ganze Epoche der
Kunstgeschichte liegt zwischen diesen beiden Werken.
Schon im Jahre 1874 war Gebhardt an die Düsseldorfer Akademie berufen worden, haupt-
sächlich auf den Vorschlag von Wilhelm Sohn hin, der zu jener Zeit ebenfalls Lehrer der
Meisterklasse an der Akademie geworden war. Gebhardt leitete zunächst die Malklasse, um auf
ausdrücklichen Wunsch Sohns die Schüler für dessen Meisterklasse vorzubereiten, bildete aber
in der Folge selbst einige Künstler aus, die sich ihm angeschlossen hatten.
In das Jahr 1884 fällt nun jener Auftrag von selten der Regierung, der Gebhardt Gelegenheit
gab, seine durch ein intensives Studium der besten zeitgenössischen Meister, insbesondere des
ihm wesensverwandten Leys, aber auch an gewissen Arbeiten von Meissonier und Geröme,
dann aber besonders auf mehreren Studienreisen in Italien herangebildeten Ansichten über das
Verhältnifs des Bildes zum Raum, der Malerei als Innendecoration, praktisch zu verwerthen.
Es war die Aufgabe, einen Saal in dem im Hannoverschen gelegenen ehemaligen Kloster,
jetzigen Predigerseminar Loccum, mit Wandgemälden aus der Geschichte Christi auszustatten,
eine Arbeit, die Gebhardt, wenn auch keineswegs ausschliefslich, bis 1892 beschäftigte und für
seine Kunst und deren Weiterentwicklung von allergröfster Bedeutung werden sollte, da er hier
zum erstenmal für eine vollständige, nicht nur auf die Anbringung von einzelnen Gemälden
beschränkte Gesammtdecoration seine Bilder entwerfen konnte.
Der mäfsig grofse, quadratische Raum, der mit einem von einer in der Mitte stehenden
Säule getragenen Kreuzgewölbe bedeckt ist, erhielt an den drei freien Wänden je zwei oben halb-
runde Bilder, an der Fensterwand noch drei ganz schmale. Die Decke bezw. die Gewölbekappen
tragen auf dunkelblauem gesternten Grunde die streng stilisirten Gestalten von Patriarchen und
Aposteln, auch der Maria — der einzigen „Madonna", die Gebhardt gemalt hat, und zwar in einer
besonderen, protestantischen Auffassung, nicht als Gottesmutter, sondern als die erste Frau, die
,,alle diese Worte behielt und sie in ihrem Herzen bewegte". Der Hauptgedanke, von dem der
Künstler bei der Wahl seiner Motive und der Anordnung der Bilder ausging, war der, entsprechend
dem jetzigen Zweck des Klosters als Predigerseminar, solche Scenen aus dem Leben Christi dar-
zustellen, die den Heiland als Vorbild eines Predigers darstellen. So ist gleich beim Eingang
links „Die Bergpredigt" gemalt, die sich in der Composition auf die von der Thür abgetrennte
rechte Wandseite hinüberzieht, wo Johannes, der letzte Mann des alten Bundes, seine Jünger
Christo zuführt. Der Eingangswand gegenüber ist Christus dargestellt; links, wie er seines Vaters
Haus von den Wechslern und Krämern reinigt, rechts, wie er bei der Hochzeit zu Cana das
Haus der Familie heiligt. Die Bilder der den Fenstern gegenüberliegenden Wand beziehen sich
300
EDUARD VON GEBHARDT
Die Taufe im Jordan
Wandgemälde in der Friedenskirche zu Düsseldorf
auf die Thätigkeit des Seelsorgers, der Hülfe in leiblicher und geistiger Noth bringt. Links „Die
Heilung des Gichtbrüchigen", wobei nicht sowohl die körperliche Heilung betont sein soll, als
vielmehr die Vergebung der Sünden; rechts die Hülfe in geistiger Noth: „Christus und die Ehe-
brecherin". Die Fensterwand zeigt Christus, wie er vom Kreuze herab dem Schacher die Ver-
heifsung des ewigen Lebens giebt, und deutet damit auf die gröfste Aufgabe des Geistlichen hin,
Trost in Todesnoth zu spenden.
Die Arbeiten in Loccum hatten Gebhardt nach jeder Richtung hin gefördert, ihn eine
Freiheit der Composition und Ausführung in seinen Bildern gewinnen lassen, zu der ihn bisher
das in dem W^esen der Sohnschen Genremalerei begründete Probirsystem nicht gelangen liefs.
Vor Allem hatten die Wandgemälde ihm aber eine Befestigung seiner coloristischen Principien
verschafft, die ihn befähigte, mit erstaunlicher Schnelligkeit an seinen nun folgenden Staffelei-
bildern zu arbeiten und von Bild zu Bild die farbige Ausdrucksfähigkeit zu steigern. So entstanden
noch während des Fortganges der Loccumer Malereien, die erst 1891 ganz abgeschlossen wurden,
„Die alte Stadtverfassung", „Der ungläubige Thomas", „Christus in Bethanien", das figurenreiche
Bild „Christus und der reiche Jüngling" und verschiedene kleine Bilder, in denen auch gelegentlich
Gebhardts feinsinnige Auffassung der Landschaft sich bemerkbar macht.
Wieder in das altdeutsche Gemach versetzt der Künstler die Scene, wie der zwölfjährige
Jesus die Priester und Schriftgelehrten durch seine Weisheit in Erstaunen setzt. Besonders in der
farbigen Wirkung bedeutend war die „Auferweckung des Lazarus". Die Schärfe der Charakteristik,
die Gebhardt eigen ist, läfst es erklärlich erscheinen, dafs der Künstler auch auf dem Gebiete des
Porträts Hervorragendes leistet, wie er ja auch gelegentlich das nicht -religiöse Genrebild mit
Erfolg gepflegt hat, aber seine Bedeutung liegt ohne Widerspruch in der religiösen Malerei, die
allerdings bei ihm nie zur ,, Heiligenmalerei" werden konnte. In den letzten Jahren wurde Gebhardt
von der preufsischen Regierung wiederum ein Auftrag zu Theil, der ihn in den Stand setzte, das
in Loccum begonnene und erprobte Werk zu vollenden, nämlich der deutschen Kunst nicht nur
eine neue religiöse, sondern als Erster eine protestantische Kirchenmalerei zu geben. Es wurde
ihm nämlich aufgetragen, die neuerbaute Friedenskirche in Düsseldorf zunächst mit zwei W^and-
gemälden zu schmücken, denen möglicherweise noch weitere folgen werden, und den Chor aus-
zumalen.
Dafs hier nicht geringe principielle Bedenken zu überwinden waren und noch sein werden,
bedarf keines Hinweises. Der Protestantismus hat sich des bildlichen Schmuckes in den Gottes-
häusern entwöhnt, und es fragt sich, ob er allgemein zu der naiven Kunstfreude der ältesten
christlichen Kirche oder gar zu dem bewufsten Kunstbedürfnifs der Kirche in der Frührenaissance
wird zurückkehren können und wollen, ob der blofse Mangel an dogmatischen Gegengründen
genügen wird, um die historischen Gründe und das seit der Reformation entwickelte Widerstreben
bei Geistlichkeit und Laien allgemein zu besiegen. Von Seiten der Kunst ist jedenfalls der erste
Schritt gethan. Die beiden Hauptbilder in der Friedenskirche neben dem Chor sind vollendet,
ebenso die Bemalung des Chores und des Triumphbogens. Die Decke und die Längswände sind
ornamental bemalt und somit ist eine geschlossene Gesammtwirkung erzielt, die leider nur durch
die unschöne Architektur der Kirche beeinträchtigt wird.
Die Motive der vollendeten Bilder wurden mit Rücksicht auf den Plan einer Gesammt-
ausmalung so gewählt, dafs sie jedes als Abschlufs einer Bilderserie gedacht sind. Links „Die
Taufe im Jordan" als Abschlufs der alttestamentarischen Reihe; rechts „Die Verklärung Christi"
als Abschlufs des Neuen Testaments.
Auch diese Bilder zeigen wieder eine Steigerung des künstlerischen Ausdrucks. An Kraft
der Composition, an Lebendigkeit der Gruppen und der Köpfe übertreffen sie fast noch die grofse
„Himmelfahrt" in der Nationalgalerie und die Loccumer Bilder. In coloristischer Hinsicht zeigt
sich eine Weiterentwicklung des schon in Loccum Begonnenen, nämlich eine höchst farbige und
monumentale Anwendung von fast ausschliefslich hellen, leuchtenden Tönen, die in directem
Gegensatz stehen zu den tiefgestimmten Staffeleibildern der früheren Zeit, aber Hand in Hand
gehen mit der Gesammtwirkung des Interieurs und dem Bestreben nach einer hellen, überall
sichtbaren Bildwirkung.
Der Einflufs, den Gebhardts Bilder in der ganzen Welt auf die religiöse Kunst ausübten,
war ein grofser, und man wird nicht fehl gehen, wenn man die Compositionen Uhdes
und Anderer, welche in mifsverstandenem Realismus oder schwächlichem Mysticismus die Er-
scheinung Christi gar in die Jetztzeit verlegen, auf Gebhardts Vorgehen zurückführt. Gebhardt
302
EDUARD VON GEBHARDT
Die Verklärung Christi
Wandgemälde in der Friedenskirche zu Düsseldorf
hat das Schnaasesche alterthümliche Element sehr wohl gewahrt durch die Wahl des mittel-
alterlichen Costüms, und als Protestant kann er auch ein Erscheinen Christi in der Reformations-
zeit sich vorstellen, da nach protestantischer Auffassung damals die reine Lehre wieder gepredigt
wurde und zwar in deutscher Sprache, wovon der Einflufs auf sociales und geistiges Leben auch
von den Gegnern nicht geleugnet werden kann. Die heutigen Bewohner der bayrischen Hochebene
hingegen haben doch eigentlich nichts gethan, was einen Künstler berechtigen könnte, Christus
unter ihnen wandeln zu lassen, und ob sie gerade die idealsten Repräsentanten eines reinen
Christenthums sind, läfst sich billig bezweifeln.
Es konnte nicht ausbleiben, dafs Gebhardts Einflufs auf die Düsseldorfer religiöse Malerei
von allergröfster Bedeutung wurde. Er hat, allerdings ohne Revolution und ohne Härte, das alte
absterbende Nazarenerthum einfach abgelöst. Das persönliche Verhältnifs Gebhardts zu den Ver-
tretern dieser Kunst, zu Deger, den beiden Müller und Lauenstein, ist ein in seiner Art einziges
Beispiel von dem versöhnenden Einflufs der Kunst. Trotzdem gerade damals, als Gebhardt begann,
die Wogen des Culturkampfes hoch gingen, trotzdem die Nazarener in Gebhardts Kunst ein der
ihrigen gerade entgegengesetztes Princip erblicken mufsten, war der Verkehr zwischen den älteren
Malern und dem jungen aufstrebenden, bald berühmten Künstler, ein absolut freundschaftlicher.
Andreas Müller hatte den jungen Mann stets auf die Kupferstiche nach alten Meistern hin-
gewiesen, ihn aufmerksam gemacht, wo er glaubte, dafs für Gebhardt etwas interessant sein
könnte. Noch bei der Pietä (1883) hatte der alte Deger Gebhardt einen Rath ertheilt, der sich
auf die malerische Wirkung einer bestimmten Stelle bezog, und Gebhardt hatte sich beeilt, ihn
zu befolgen.
Jene sahen in Gebhardts Kunst zwar die Abkehr von Allem, was sie angestrebt hatten, und
Gebhardt sah das Nazarenerthum als einen absterbenden Zweig an, aber beide Theile schätzten
sich als Menschen, bald auch als Collegen und achteten sich als überzeugungstreue Künstler, sehr
im Gegensatz zu den modernen Gepflogenheiten.
Gerade dieses friedliche Verhältnifs, dem jede Bitterkeit und religiöse Unduldsamkeit fern
lag, ermöglichte die merkwürdige Thatsache, dafs, nachdem Gebhardt aufser seiner Lehrthätigkeit
in der Malklasse eine Meisterklasse übernommen hatte, auch die jungen katholischen Heiligen-
Maler seine Schüler wurden und, soweit es ihre Begabung zuliefs, seinen W^egen folgten. So in
erster Linie Louis Feldmann, der, 1856 in Itzehoe (Holstein) geboren, sich Gebhardt schon 1883
anschlofs. Er war der erste Katholik, welcher der Auffassung des protestantischen Lehrers
folgte und ganz in dessen Manier eine Reihe ernster und bedeutender W^erke ausführte. So als
erstes Staffeleibild den ,, ungläubigen Thomas", dann im Auftrag des Kunstvereins für die Rhein-
lande und Westfalen ein grofses Altarbild für die Kreuzkirche in Ehrenbreitstein, ,,Die Auffindung
des Kreuzes durch die h. Helena'', ebenso im Auftrag desselben Vereins einen ,,h. Valentin"
als Altarbild für die katholische Pfarrkirche in Schmallenberg. Es folgte eine Reihe von Staffelei-
bildern ausschliefslich religiösen Charakters, so der ,, Jüngling zu Nain", ,, Jesus und die weinenden
Frauen", „Der Lanzenstich", ,, Maria Opferung", „Maria Heimsuchung" und dann als gröfsere
halbmonumentale Arbeit wieder ,,Der Stationsweg" in der Rochuskirche zu Düsseldorf.
Auch Heinrich Nüttgens, geboren 1866 zu Aachen, ist Katholik. Er bezog 1882 die Akademie
und malte bei Gebhardt zuerst ein Genrebild ,,In der Kirche", ging dann aber ganz zur religiösen
Malerei über. Ein Staffeleibild war noch die von der Nationalgalerie angekaufte ,, Madonna" 1896.
Altarbilder malte er dann für St. Jacob in Aachen und für den Frankfurter Dom, um schliefslich
auch im Sinne der von Gebhardt angebahnten kirchlichen Innendecoration 'Wandgemälde in der
W^allfahrtskirche zu Gütersloh und Telgte zu malen, schliefslich auch die Ausmalung ganzer Kirchen
in Angermund und in Herford in Westfalen zu übernehmen.
Noch intensiver arbeiten im Sinne Gebhardts, allerdings dabei doch in künstlerisch origineller
Weise, die beiden Kirchenmaler Bruno Ehrich, geboren 1861 in Ratibor in Schlesien, und 'Wilhelm
Döringer, geboren in Oestrich am Rhein 1862. Beide studirten, schon früh in enger Freundschaft
verbunden, zusammen bei Gebhardt und bei Adolf Schill in der von Letzterem seit 1880 geleiteten
akademischen Klasse für Architektur und Ornamentik. Diese Klasse wurde überhaupt für das
Studium der Monumentalmalerei von grofser Bedeutung, wie Schills persönliche, wenn auch meist
stille Mitarbeiterschaft an der malerischen Gesammtausstattung der Räume, die mit \Vandgemälden
geschmückt wurden, nicht zu unterschätzen ist. Seit ihrem Austritt aus der Akademie haben Ehrich
und Döringer gemeinsam gearbeitet und eine grofse Reihe von protestantischen und katholischen
Kirchen in einer, auf genauer Kenntnifs der alten Kirchenkunst begründeten Stilistik ausgemalt.
304
So entstanden schon 1885 Wandbilder im Dom zu Münster in Westfalen und Kuppelgemälde in
der Pfarrkirche zu Ehrenbreitstein. Im Auftrag des Staates malten sie 1890 Fresken im Chor der
Kreuzkirche in Berlin; für die Chorfenster der Schlofskirche in Wittenberg entwarfen sie die Vor-
bilder und so fort eine Reihe von Arbeiten theils im Auftrage des Staates, theils im Auftrag des
Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen. 14 Passionsbilder in der Lambertuskirche zu
Düsseldorf gehören eher in das Gebiet des Staffeleibildes, sind aber ebenfalls dem Gesammteindruck
der Kirche geschickt angepasst. Der Berliner Pfannschmidt, ein Sohn des bekannten protestantischen
religiösen Malers und Corneliusschülers, wurde ebenfalls Schüler von Gebhardt und schuf unter
seiner Leitung einige Bilder, die sich eng an die Weise des Meisters anlehnten, so ,, Christus
lehrend", eine kleine sehr feine ,,Pietä" und eine farbig interessante ,, Darstellung im Tempel".
Neuerdings ist der Künstler nach längerer Abwesenheit von Düsseldorf damit beschäftigt, einen
Betsaal in Düsseldorf mit biblischen Motiven auszumalen.
Mit diesen Gebhardt-
schülern ist schon die
allerneueste Zeit berührt
worden, deren Wesen
nun allerdings nicht
durch Gebhardts Kunst
allein bestimmt werden
konnte, eine so be-
deutsame Rolle diese
auch in ihr spielt. Es
bedurfte dazu eines
Factors, der umfassen-
der und allgemeiner
packend sein mufste,
als es eine religiöse
Malerei, noch dazu eine
theilweise wenigstens
confessionelle, nun ein-
mal heutzutage, wo die
Religion trotz Allem
immer mehr Privat-
sache geworden ist, sein
kann. Und es liegt wohl
nicht nur in der Tradi-
tion der Düsseldorfer
Schule allein, dafs dieser
Factor nur das Wieder-
aufleben einer grofsen
historischen Kunst sein
PETER JANSSEN
Selbstbildnis
Glasgemälde in der Aula der Akademie zu Düsseldorf
konnte, einer Kunst,
deren Gröfse weder
allein in dem geistigen
Inhalt, noch in den tech-
nischen Vorzügen allein
liegen konnte, sondern
in dem Imponderabile
einer mächtigen künstle-
rischen Persönlichkeit,
welche, aus ihrer Umge-
bung herauswachsend,
diese mit sich zu
reifsen vermag, weder
in träumerischer Ein-
samkeit von ihr unver-
standen bleibt, wie es
Feuerbachs Schicksal
war, noch auch über sie
hinwegragend den Zeit-
genossen unverständ-
lich bleiben mufste, wie
es bei Rethel der Fall
war.
Um das Jahr 1870
befand sich die Düssel-
dorfer Historienmalerei
in einer ganz ähnlichen
Situation wie 20 Jahre
früher. Damals schuf
Rethel in aller Stille seine Fresken in Aachen, die mit ihrem mächtigen Griff in die deutsche
Geschichte geeignet schienen, den ganzen romantischen Zauberwald wegzublasen: aber die Zeit
dazu war trotz 1848 noch lange nicht gekommen, und Schadow konnte noch ganz ruhig und zu
grofser Befriedigung seiner Getreuen sein , .Paradies" malen, mit Dante, Beatrice und anderen
romantischen Schattengestalten. In den Jahren 1870 — 1871, als vor Paris der deutsche Adler und
der gallische Hahn um die Herrschaft rangen, malte Bendemann mit „reicher Composition und
Farbenpracht", mit Fleifs und Seelenruhe „Die Wegführung der Juden in die Babylonische
Gefangenschaft", natürlich für die Berliner Nationalgalerie, aber glücklicherweise malte in dem
benachbarten und doch so abgelegenen Krefeld ein anderer noch unbekannter Künstler grofse
Bilder, die dem Empfinden des deutschen Geistes mehr entsprachen. Und dieser Andere war
kein todkranker Mann wie damals Rethel, der sein letztes grofses Werk unvollendet verlassen
mufste, es war ein Jüngling, der, eben der akademischen Zucht entwachsen, wie einstmals
Cornelius entschlossen war, mit den Traditionen derselben zu brechen.
305
PETER JANSSEN
Gebet der Schweizerischen Eidgenossen vor Sempach (Detail)
Im Jahre 1867 hatte der Kunst-
verein für die Rheinlande und West-
falen, dem auch hier das Verdienst
gebührt, eine der bedeutsamsten
Arbeiten der letzten Jahrzehnte ins
Leben gerufen zu haben, eine Con-
currenz eröffnet zur Ausmalung des
Rathhaussaales zu Krefeld. Die
Gegenstände sollten möglichst aus
der Geschichte und der ,, Herrlich-
keit" der Stadt Krefeld entnommen
sein und in Oel auf Leinwand gemalt
werden. Da aber die Herrlichkeit
der Stadt Krefeld keine allzu grofse
und die Geschichte keine malerische
war, so kam es, dafs ein junger
Akademieschüler, Peter Janfsen, in
kräftigem Erfassen der vaterländischen
Ideen und der Hoffnungen, die damals
mächtiger als je Aller Herzen erfüllten,
eine Reihe von Entwürfen aus der
Geschichte Armins des Befreiers vor-
legte, auf Grund deren die erste Con-
currenz einfach umgestofsen und eine zweite eröffnet wurde, in der die Wahl der Gegenstände
freigestellt war. Diese gewann Peter Janfsen und schuf in den Jahren der politischen Erhebung
ein Kunst-werk, das dieser grofsen Zeit würdig ist.
Peter Janfsen wurde im Jahre 1844 geboren als erster Sohn des Kupferstechers T. W. Theodor
Janfsen, der auch naturgemäfs sein erster Lehrer wurde. Später bezog er, da an seinem Künstler-
beruf kein Zweifel sein konnte, die Akademie, um hier unter Schadow, dann unter Müller, Carl Sohn
und Bendemann eine nicht gerade sehr angeregte Schülerzeit durchzumachen. Nur in Carl Sohns
vornehmer Natur, in seinem feinsinnigen Eingehen auf das W^esen des Schülers, fand der junge
Maler Anregung, Verständnifs und Förderung, während Bendemanns vorsichtige, ängstliche Art
mehr hemmend und einschränkend auf ihn wirken mufste, dabei aber doch den Grund zu
gewissenhaftestem Durchbilden einer vorgenommenen Arbeit legte, der eine der Hauptvorzüge von
Janfsens eigener späteren Lehrthätigkeit bilden sollte.
Das erste Bild entstand 1869 noch unter dem einengenden akademischen Zwang, es war eine
,, Verleugnung Petri", an der Janfsen fast vier Jahre gearbeitet hatte, immer im Kampf der eigenen
Natur mit den Einflüssen der Schule. Eine Befreiung brachten erst die Vorarbeiten für Krefeld,
die Janfsen in München begann, ohne dafs die dortige in Blüthe stehende Pilotyschule ihn zu
beeinflussen vermochte. Er hielt sich dort vielmehr an das urwüchsige und gesunde Volksleben, das
zu der damals im höchsten Ansehen stehenden Theaterkunst in so schreiendem Gegensatz steht,
und entnahm wohl auch aus ihm die Motive zu den kraft- und gesundheitstrotzenden Bildern, mit
denen er von 1871 — 1873 die drei Wände des ziemlich dunkeln Rathhaussaales zu Krefeld schmückte.
Die beiden Bilder der Längswand sind, wenn auch durch eine Thür getrennt, als ein Ganzes
aufzufassen, als die ,, Entscheidungsschlacht mit Armins Sieg und der Legionen Untergang", und
selten hat unwiderstehliche siegende Macht eine unwiderstehlichere und hinreifsendere Schilderung
gefunden. Wie ein Wettersturm stürzen die deutschen Kämpfer vorwärts. Keinen fürchtend, kein
Hindernifs beachtend, wie ein Bergstrom, der Alles mit sich fortreifst, alles Widerstehende nieder-
wirft. Es folgt auf der rechten Schmalwand die vom Vater verrathene „Thusnelda im Triumph-
zuge des Germanicus", nicht pathetisch, nicht die Primadonna in ihrem glänzenden Abgange, wie
bei Piloty, sondern in schlichtester und deshalb nur um so ergreifenderer Auffassung, das in der
Gefangenschaft geborene Söhnchen in rührender Bewegung an sich drückend, und über ihm und
im Vertrauen auf die Zukunft ihres Volkes die unverschuldete Schmach vergessend. Im letzten
grofsen Bilde der ,, Leichenfeier Armins" klingt das ganze Werk wie in einem mächtigen Trauer-
marsch aus.
Hier war ein monumentales Kunstwerk geschaffen, wie es aufser Rethels Bildern in deutschen
Landen noch nicht entstanden war. Keine gemalten Reflexionen und Allegorien, keine Theater-
306
beiden in überlegten Posen waren da auf die Wand geklebt; nein eine ungestüme Kraft, ein
unbändiges Leben spricht aus diesen Bildern, dafs man meint, ihre Gestalten müfsten den stillen
Saal sprengen und über die Trümmer hinaus ins Freie stürmen. Merkwürdig ist die malerische
und coloristische Behandlung; in der beschränkten Skala, deren Höhepunkte ein stumpfes Roth
und ein feinsinnig verwandtes Weifs sind, ist jene höchst farbige Wirkung erreicht, wie sie die
allerjüngste Kunst in einfachen grofsen Flächen anstrebt. Auch die Art, wie in der ,,Todtenfeier
Armins" die ganze Farbenwirkung durch kräftige Silhouettirung dunkel gegen hell auf der schlecht
beleuchteten Wand erzielt ist, erscheint als der erste und zweifellos höchst gelungene Versuch
dieser Art, dessen grofse Wirkung durch keinerlei andere Mittel hätte erreicht werden können.
Nach Vollendung der Krefelder Wandbilder Ende 1873 zählte der noch nicht 30jährige
Künstler zu den berufensten deutschen Historienmalern grofsen Stils, der seinen jungen Ruhm in
einem schon während der Krefelder Arbeiten erhaltenen Auftrage für den grofsen Saal der
Bremer Börse aufs Neue zu bethätigen Gelegenheit fand. Auch hier war wieder die Wahl des
Stoffes charakteristisch für den sicheren künstlerischen Tact, der sich nicht genügen läfst an der
äufseren malerischen Ausstattung, sondern der auch den geistigen Inhalt mit dem Raum in Ein-
klang zu bringen sucht. Als Motiv wurde die Gewinnung der Ostseeprovinzen für die Cultur
durch die Colonisation der Hansestadt gewählt und in einem grofsen, reich componirten und
lebendig bewegten Bilde dargestellt. Bald nachher. Ende 1875, fällt die Vollendung eines der ver-
hältnifsmäfsig wenigen Staffeleibilder, die Janfsen gemalt hat, ,,Das Gebet der Schweizer bei
Sempach", das noch unter dem mächtigen Einflufs Rethels zu stehen scheint, diesen an W^ucht
des historischen Eindrucks fast erreicht, an Wahrheit der Gestalten und Köpfe aber übertrifft.
Um diese Zeit, im Juli 1876, wurde Janfsen denn auch mit seinem ersten Staatsauftrag
betraut, nämlich mit der Aufgabe, zusammen mit seinem Lehrer Bendemann die Corneliussäle der
Nationalgalerie in Berlin mit einem Freskenfries auszustatten, von dem er für seinen Theil die
„Prometheusmythe" wählte; sie entsprach stofflich den Glyptothek-Entwürfen, die der ihm zuge-
wiesene Saal enthalten sollte.
Nach der Vollendung des Prometheusbildes wurde Peter Janfsen von der Regierung 1878
beauftragt, in der Aula des Lehrerseminars zu Mors zwei Bilder ,,aushülfsweise" zu malen,
nämlich aus dem Cyklus der deutschen Geschichte, den die Maler Kehren und Commans be-
gonnen hatten, die Zeit von der Reformation bis auf unsere Tage. Confessionelle Gründe hatten
die genannten beiden Maler bewogen, von der Ausführung dieser Abschnitte der deutschen
Geschichte abzusehen, und der Cyklus wurde infolgedessen durch zwei friesartige Compositionen
von Peter Janfsen bereichert.
Im Jahre 1877 wurde Peter Janfsen zum Lehrer an der Düsseldorfer Akademie ernannt und
damit beginnt nicht nur in der Thätigkeit des Künstlers, sondern vor Allem in der Geschichte
der Anstalt eine neue Epoche. Er übernahm zunächst den sogenannten Antikensaal, rief aber
gleichzeitig eine Naturzeichenklasse ins Leben, in der nun die Schüler eigentlich zum erstenmal
seit Errichtung der Schule energisch auf die Natur hingewiesen wurden. Köpfe und Acte wurden
nicht mehr in monatelanger Quälerei durchgetiftelt, sondern in frischem Erfassen in wenigen
Stunden hingehauen und so Blick und Auge geschärft und vor Allem der künstlerische Muth
erweckt und gehoben, der unter der früheren senilen Correcturweise mit allen Mitteln unter-
drückt worden war. Der Erfolg von Janfsens Unterrichtsmethode war ein beispielloser, eben weil
die Methode nichts Anderes war. als die Einwirkung einer machtvollen Persönlichkeit, die durch
ihr Vorbild und ihr Schaffen mehr wirkte, als durch W^orte und Lehrmethoden, da ihr hauptsäch-
liches Princip das war, den Schüler Alles selber machen zu lassen.
In wenigen Jahren waren die grofsen Ateliers der Zeichenklassen in der 1880 eingeweihten
neuen Akademie überfüllt, und die Arbeiten, die hier von Kämpffer, A. Kampf, H. E. Pöble, Frenz,
Sürdick, v. Krafft. um nur einige der hervorragendsten Schüler zu nennen, von denen freilich
Einige ein früher Tod an der Entwicklung ihres vielversprechenden Talentes gehindert hat, aus-
führten, liefsen erkennen, welch' neuer Geist in die neue Akademie eingezogen war. Es war der
Geist des gesunden Naturalismus, dem sich nun endlich auch die ihm lange verschlossen
gebliebenen akademischen Ateliers öffneten.
Im Jahre 1885 gründete Janfsen eine Malklasse, nachdem er schon 1882 mit Kämpffer, bald
darauf mit A. Kampf begonnen hatte, ein Meisteratelier zu leiten, und so in fortlaufender Führung
des Unterrichts vom Zeichnen bis zum Bilde das Ideal der altmeisterlichen Erziehung durch
einen Lehrer, soweit das unter den heutigen Verhältnissen möglich ist, verwirklicht hatte. Zur
307
Vorbereitung der Neueintretenden war der treffliche Porträtmaler Hugo Crola gewonnen worden,
der schon gleich die Anfänger auf die malerische Zeichenweise, die Janfsen eingeführt hatte,
hinwies.
Wenn auch nicht gleich im Anfang, so entwickelte sich doch sehr bald ein harmonisches
Zusammenarbeiten Janfsens mit Gebhardt und auch mit Sohn, und aus diesem gemeinsamen
Wirken ist die Düsseldorfer Kunst, wie sie heute dasteht, hervorgegangen, wobei allerdings eine
Reihe trefflicher Altersgenossen Janfsens nicht vergessen werden dürfen, die theils als freie
Künstler, wie Albert Baur, Gr. v. Bochmann u. s. w., theils als akademische Lehrer, wie die
beiden Roeber, das Ihrige thaten, um nach allen Richtungen hin in frischer und lebendiger Weise
die Kunst zu fördern.
Janfsens künstlerische Thätigkeit hat unter seiner hingebenden Lehrthätigkeit nicht gelitten.
Gleichzeitig mit seiner Anstellung an der Akademie wurde ihm von der Regierung ein Auftrag
zu Theil, der ihm Gelegenheit gab, das schon in Crefeld Begonnene weiter fortzuführen und in
gewisser Beziehung zu vollenden, nämlich die coloristischere Ausgestaltung innerhalb der Monu-
mentalmalerei.
Es war die Ausmalung des grofsen Festsaales im Erfurter Rathhaus, der, von den bisherigen
Aufträgen der umfangreichste, dem Künstler Anlafs gab, in der Darstellung verschiedener Epochen
aus der Geschichte der Stadt sein vielseitiges Können nach allen Richtungen hin zu bethätigen,
wobei die Schwierigkeit nicht unterschätzt werden darf, die in einem einheitlichen Zusammen-
stimmen von zeitlich und also auch costümlich und stilistisch so weit auseinander liegenden
Motiven zu überwinden war. Die Reihe der Bilder beginnt mit der „Bekehrung Erfurts zum
christlichen Glauben durch den heiligen Bonifacius um das Jahr 719". Das dramatische Moment
fand der Künstler in der Fällung der dem Götzen W^oge geweihten Eiche in dem jetzigen Steiger-
forst bei Erfurt, einer auch sonst schon dargestellten Begebenheit. Seine Originalität bewies er aber in
der Auffassung des Bonifacius, den er nicht als den traditionellen, sanften Greis ,,mit weifsem
W^allebart", sondern als den energischen Bahnbrecher darstellt, wie er dem Heidenthum mit der
unerschütterlichen Ueberzeugung entgegentritt, ohne die der Erfolg sich in den Mysticismus des
Wunders verliert, an das unsere heutige Zeit nicht mehr recht glauben will. Neben und über
einer Thüre derselben W^and in geschickter Ausnutzung des Raumes wurden ,,Der heilige Martin",
dem in der Stadt zwei Kirchen geweiht sind, ,,Die heilige Elisabeth", die berühmten Schutz-
heiligen von Thüringen und als charakteristisches Kennzeichen der religiös-mystischen Stimmung
des Mittelalters eine jener ,, Kinderwallfahrten" dargestellt, wie sie um das Jahr 1212, oder nach
anderem Bericht im Jahre 1237, auch in Thüringen stattgefunden hatten.
Das zweite Hauptbild, das nach seinem Vorwurf dem Künstler wieder besondere Gelegenheit
zu psychologischer Durchbildung gab, stellt „Die Abbitte Heinrichs des Löwen vor Kaiser
Barbarossa" dar. Mit gröfster Feinheit ist die Rührung des grofsen Kaisers über die Demüthigung
des einst so mächtigen Feindes geschildert, und von mächtiger Wirkung die Gestalt des Besiegten.
Das folgende Bild ist dem Andenken „Rudolfs von Habsburg" gewidmet, der, nach dem
Interregnum auf den Thron gelangt, es als seine nächste Aufgabe erkannt hatte, dem in der
kaiserlosen Zeit eingerissenen Raubritterthum zu steuern. Er hatte in Erfurt seinen Hauptsitz
genommen und erhob hier auf dem Reichstage im Jahre 1290 den Gottesfrieden zum Gesetz.
Janfsens Bild stellt den Vorgang dar, wie die gefangenen Ritter und Knechte einer erstürmten
Burg gefesselt abgeführt werden. Hier konnte der Künstler sich in den markigen Gestalten, den
trotzigen Gesichtern der Gefangenen kaum genug thun, um das wilde Gesindel zu schildern.
Ein friedlicherer Vorwurf war für das nächste Bild angenommen, das wiederum von einer
Thüre durchbrochen ist. Es galt der Erinnerung an die im Jahre 1392 eröffnete Universität in
Erfurt, der ersten in Europa, die alle vier Facultäten vereinigte, aus der später das gröfste deutsche
Geisteswerk, die Reformation, hervorwachsen sollte. Hier mufste Janfsen, um dem geistigen
Inhalte gerecht zu werden, zur Allegorie greifen und die alma mater in der Gestalt einer Frau
darstellen, deren Thron von den Repräsentanten der vier Facultäten umgeben ist. Die theologische
vertritt natürlich Luther, der zwar nicht ihr Lehrer, aber ihr gröfster Schüler war. Die medi-
cinische ist durch Ratingh de Fago — genannt Amblonius de Berka, den zweiten Rector, Leibarzt
des Kaisers Sigismund — repräsentirt; die juristische durch Henning Göden, den Begründer des
deutschen Staatsrechtes; die philosophische durch Eobanus Hesse, den Naturforscher, Arzt und
Dichter, vertreten. In gröfster Lebendigkeit erheben sich die Gestalten dieser merkwürdigen vier
Männer neben der hoheitsvollen Academia, als der kraftvollen Zeugen des ungeheueren, geistigen
Aufschwungs, den die ganze Welt ihnen verdankt.
308
PETER JANSSEN
Die alte Erfurter Universität
Wandgemälde im Rathhaussaal zu Erfurt
Das vierte Hauptbild ist einem weniger ruhmvollen Blatt aus der Geschichte Erfurts gewidmet.
Der Rath hatte durch Mifswirthschaft und eigenmächtiges Handeln die Stadt in Schulden gestürzt.
Die Bürgerschaft empörte sich und nahm den Obervierherrn Heinrich Kellner, das Haupt der
Rathspartei, gefangen, um ihn später umzubringen. Janfsen führt uns in das Toben der Raths-
versammlung, wo Kellner den anstürmenden Spiefsbürgern zurief, indem er an seine Brust schlug:
„Wer ist die Gemeinde? Hier steht die Gemeinde!"
Mehr als loo Jahre vor dem französischen Sonnenkönig hatte schon das Selbstbewufstsein
eines deutschen Bürgermeisters das stolze Wort „l'etat c'est moi" gefunden, und Janfsen hatte
mit dem sicheren Blick, der ihn bei der Wahl seiner Motive auszeichnet, diesen Moment gewählt,
als bezeichnend für den Bürgerstolz, der den Beginn des XVI. Jahrhunderts in Deutschland kenn-
zeichnet, bis der Dreifsigjährige Krieg ihn nur zu sehr niederschlug.
Eine Folge dieser unglücklichen Zeit schildert das nächste grofse Bild, nämlich ,,Die Unter-
werfung der Stadt unter die Herrschaft des Kurfürsten von Mainz. Johann Philipp von Schönborn",
der am 12. November 1664 seinen Einzug in die Stadt hielt und sich am 28. desselben Monats
von der Bürgerschaft huldigen liefs. Beide Ereignisse sind auf dem Bilde zusammengefafst und
die Entfaltung des reichen costümlichen Prunkes jener Zeit hatte dem Maler Gelegenheit zu einer
höchst farbigen W^irkung gegeben, die das Bild nach dieser Seite hin vor den anderen auszeichnet.
Geschichtlich'-bedeutet dieser Moment für Erfurt den Verlust aller Selbständigkeit und bisherigen
Freiheit.
Das nächste Gemälde, wieder ein Thürbild, zeigt den „Besuch des Königs W^ilhelm III. von
Preufsen und der Königin Louise im Jahre 1803 bei Gelegenheit des Ueberganges Erfurts an die
preufsische Krone und die Huldigung der Stadt", die das Fürstenpaar mit gröfstem Glänze, wahrer
Freude und echter Zuneigung empfangen hatte.
Den Schlufs bildet eine Episode aus der grofsen Zeit, da Deutschland die Zwangsherrschaft
Napoleons I. abschüttelte. Ein zur Feier der Geburt des Königs von Rom im Jahre 1811 errichteter
309
hölzerner Obelisk wurde beim Einrücken der Preufsen im Jahre 1814 vom Volke verbrannt. Und
wie mit diesem Gewaltstreich die bewegte Geschichte der Stadt abschliefst, die sich fortan in
Frieden entwickeln konnte, so findet in dieser lebendigen Darstellung der grofsartige Gemälde-
cyklus seinen Abschlufs.
In den März des Jahres 1884 fällt die Vollendung und Ausstellung von Janfsens grofsem
Staffeleibild ,,Die Erziehung des Bacchus". Hier lieferte der Künstler den vollgültigen Beweis
dafür, dafs er nicht blofs Monumentalmaler sei, sondern auch Technik und coloristische Durch-
bildung eines grofsen Atelierbildes beherrsche. In diesem Bilde legte er gewissermafsen alle
coloristischen Errungenschaften seiner bisherigen Thätigkeit nieder, und die mächtigen, in üppigster
Schönheit prangenden, gleichwohl aber von dem keuschen Zauber hoher Kunst umflossenen
weiblichen Gestalten gaben ihm Gelegenheit, mit dem damals noch als unerreichbar angestaunten
Makart in erfolgreiche Concurrenz zu treten. Das, was Makart fehlte, die künstlerische Gesundheit
in Form, Farbe und Auffassung, das ist dem aus dem Vaterlande des Rubens stammenden rheinischen
Künstler im hohen Mafse eigen, und so vermochte er den sinnlichen Reiz, der in weiteren Kreisen
Makarts Ruf viel mehr begründet hat, als seine wirklichen hohen künstlerischen Verdienste, durch
jene naive und reine Freude an der schönen Natur zu ersetzen, wie sie die Antike, die Renaissance
und ihr grosser Schüler Rubens aus-
drücken. Für die Düsseldorfer Malerei
bedeutete die Ausstellung des Bacchus
einen vollständigen Umschwung der
ganzen Malweise. Das farbige Element
wurde von nun an vollständig in den
Vordergrund gerückt, und hat sich seit-
dem folgerichtig und siegreich weiter
entwickelt. Dafs die ortsübliche Prü-
derie auch durch ein so vornehmes
und in aller Heiterkeit ernstes Werk
nicht auf die Dauer besiegt werden
konnte, ist bedauerlich, aber kein Fehler
des Bildes, denn gerade diese Prüderie
gehört in erster Linie in das weite,
weite Gebiet dessen, womit auch die
Götter vergeblich kämpfen.
Immerhin hatte die „Erziehung des
Bacchus" den Erfolg, dafs Janfsens
Name, der durch die ausschliefslich
monumentalen Arbeiten des Künstlers
im gröfseren Publikum wenig genug
bekannt worden war, nun auf einmal
unter die der ersten deutschen Maler
gezählt werden mufste. Kurz vor Vol-
lendung dieses Bildes, das auf den
Ausstellungen in Berlin und München
berechtigtes Aufsehen erregte, fällt der
Auftrag der preufsischen Regierung,
für das damals zur Ruhmeshalle um-
gestalteteZeughaus in Berlin drei Wand-
gemälde zu schaffen, die in verhält-
nifsmäfsig kurzer Zeit in den Jahren
1884, 1888 und 1890 entstanden sind,
wobei zu bedenken ist, dafs Janfsen
nicht nur seine umfassende Lehr-
thätigkeit in ausgiebigstem Mafse ver-
sah, an anderen Malereien, so denen
der Aula arbeitete, sondern allmäh-
PETER JANSSEN lich auch als ständiges, das heilst,
Bildnis des Malers Holthausen immer wieder gewähltes Mitglied der
310
akademischen Direction, einen grofsen Theil der Leitung der Anstalt hatte auf sich nehmen
müssen.
Dem Charakter des Raumes entsprechend, waren es ausschliefslich Kriegsbilder, die für das
Zeughaus gefordert wurden, und Janfsen malte nacheinander ,,Die Schlacht bei Fehrbellin" (1884),
„Die Begegnung Friedrichs des Grofsen mit Ziethen bei Torgau" (1888) und „Die Schlacht bei
Hohenfriedberg", und diese drei Bilder gehören ohne Zweifel zu dem Besten, was die Ruhmes-
halle an malerischer Ausstattung aufzuweisen hat.
Bis zu dieser Zeit hatte die Vaterstadt des Künstlers es noch nicht für nöthig befunden, sich
den Besitz eines Werkes von seiner Hand zu sichern. Im Jahre 1890 gab sie ihm, ihrem gröfsten
Geschichtsmaler, den Auftrag, ein Bildnifs Andreas Achenbachs zu malen. Schon früher hatte Janfsen
den Beweis geliefert, dafs
er in seiner grofsartigen
Auffassung des Menschen
auch als Porträtmaler das
Vortrefflichste zu leisten
im Stande war. Das
Bild des alten Akademie-
inspectors Holthausen,
das auf der grofsen
Düsseldorfer Ausstellung
von 1880 allgemeine Be-
wunderung erregte (jetzt
im Besitz der Düsseldorfer
Akademie), ist in seiner
malerischen Auffassung
und energischen Charak-
terisirung das Muster
eines kraftvollen Männer-
bildnisses, wie es die Düs-
seldorfer Kunst seit vielen
Jahrzehnten nicht mehr
hervorgebracht hatte.
Die Nationalgalerie
hatte nicht lange darauf,
1883, ein Porträt des Feld-
marschalls Herwarth von
Bittenfeld bestellt, das
nicht weniger lebendig
wirkt, wenn auch der
Kopf keine so besonders
dankbare Aufgabe bot.
Aber schon vor Vollen-
dung des Achenbachpor-
träts, das, trotz einiger
Schwierigkeiten, die es
gekostet hatte, den greisen
Künstler zu wenigen Sitzungen zu bewegen, ebenfalls als das Muster eines psychologisch vertieften
Künstlerporträts gelten kann, hatte ein Düsseldorfer Bürger, Herrn Carl W^eiler, zum Gedächtnifs der
Städtegründung Düsseldorfs, deren 6oojähriger Gedenktag 1888 gefeiert wurde, dem Künstler den
Auftrag gegeben, ,,Die Schlacht bei Worringen" zu malen, an die sich jene Verleihung der Stadt-
rechte anknüpfte ; und im April 1893 wurde dieses grofse und mächtig wirkende Bild in der Kunst-
halle, für die es bestimmt war, zum erstenmal ausgestellt. Die Schlacht bei Worringen (ein kleiner
Ort unterhalb Köln, jetzt Eisenbahnstation) entschied am 5. Juni 1288 den Limburger Erbfolgekrieg.
Herzog Johann von Brabant. die Grafen von Jülich, Cleve, Berg und Mark verbündet mit
der Stadt Köln, besiegten dort den Grafen Reinald von Geldern und den Erzbischof Siegfried von
Westerburg. Beide wurden gefangen, das Schlofs des Erzbischofs zu Worringen wurde zerstört,
und der Brabanter erstritt sich die Erbschaft Limburg, das seitdem bei Brabant verblieb. Den
PETER JANSSEN
Malerei und Bildhauerei geführt von der Schönheit
Deckengemälde in der Aula der Akademie zu Düsseldorf
312
Düsseldorfer Bürgern, die unter Anführung des- Mönchs Walter Dodde an der Schlacht thätigen
Antheil genommen hatten, wurde zur Belohnung ihrer Dienste das Städterecht gegeben.
Der Künstler stand bei dem gegebenen Motiv vor keiner leichten Aufgabe, denn abgesehen
von dem doch nur localen Interesse ist die Begebenheit durch wenig oder nichts vor zahllosen
ähnlichen Raufereien des Mittelalters ausgezeichnet. Und dennoch gelang es Janfsen, durch die
Betonung des rein Menschlichen in der Gestalt des fanatischen Anführers, durch eine mächtige
Darstellung der Begeisterung, die der redegewandte Dominikaner bei den von ihm aufgestachelten
Landleuten entflammt, aus diesem so fernliegenden Motiv ein grofsartiges Kunstwerk zu schaffen.
PETER JANSSEN
Kaiser Friedrich 11. entlässt deutsche Ordensritter aus Marburg zur Colonisirung Preussens
Wandgemälde für die Aula der Universität zu Marburg
3'3
Es ist darin etwas von dem furor teutonicus, von dem der grofse Kanzler einmal gesprochen hat;
ein Sturm wie vor dem Gewitter, bevor die ersten heifsen Tropfen fallen, geht durch das Bild,
eine Bewegung von Kampfesmuth und trotzigem Kraftgefühl, wie sie deutschem Wesen seit Jahr-
tausenden eigen sind.
„Die Schlacht bei Worringen" brachte auf der Berliner Ausstellung 1893 dem Künstler die
grofse goldene Medaille ein, und im Jahre 1895 wurde ihm dann endlich auch formell die Direction
der Akademie übertragen, deren Lasten und Arbeiten er schon seit Jahren fast ausschliefslich
getragen und erledigt hatte. Es wäre vielleicht besser gewesen, für den Künstler sowohl wie
für die Anstalt, wenn man mit dieser äufseren Anerkennung seiner Verdienste und Erfolge etwas
weniger lange gezögert hätte und sich nicht durch allerlei Bedenken hätte bewegen lassen, das
nicht nur einzig Richtige, sondern auch Nothwendige so lange aufzuschieben, bis gar keine andere
Möglichkeit mehr vorhanden war. Damit hatte die Akademie wieder einen Leiter bekommen,
der im Stande war, von grofsen und nationalen Gesichtspunkten aus die Schule und somit die
Düsseldorfer Kunst zu der Höhe zu führen, die sie jetzt einnimmt.
Im Jahre 1896 wurde dann endlich auch das Werk, nicht vollendet, denn das war es in der
Hauptsache schon seit längerer Zeit, aber der allgemeinen Betrachtung zugänglich gemacht, an
dem Janfsen während der letzten zehn Jahre mit Unterbrechungen gearbeitet hatte. Es war dies
die Malerei in der akademischen Aula, zu der die preufsische Regierung schon in den 8oer Jahren
den Auftrag ertheilt hatte. Die Bedeutung dieses W^erkes beruht nicht allein in dem gemalten
Friese, der den Saal an allen vier Seiten umgiebt, und in den drei runden Deckenbildern, sondern
nicht zum wenigsten auch in der harmonischen Ausstattung des grofsen Raumes, die in Deutsch-
land wohl zum erstenmal wieder jene wahrhaft künstlerische Gesammtwirkung erstrebt, wie sie
die Italiener, vor Allem die Venezianer in ihren Festräumen zum vollendeten Ausdruck gebracht
haben. In dem Architekten Adolf Schill hatte Janfsen einen Helfer gefunden, mit dem vereint er
ein Werk schaffen konnte, das sich würdig an jene Vorbilder anschliefst.
Ueber der in zartem Rothgold bekleideten Wand zieht sich das eigentliche Kunstwerk, der
gemalte Fries hin, dessen Motiv das menschliche Leben selbst ist, ein Vorwurf, wie ihn ja höher
und gröfser kein Künstler erdenken kann, wie ihn zahllose Dichter und Maler zu lösen unter-
nommen haben, wie ihn Goethe in seinem Faust poetisch erschöpft hat, wie er aber in der
bildenden Kunst kaum je in dieser Weise aufgefafst und durchgeführt worden ist.
Die farbenreichen Compositionen, die in einem fortlaufenden Bilde die Schicksale und Thaten
eines grofsen Menschen darstellen, beginnen an der östlichen Schmalwand. Wir sehen das Kind an
der Brust der Mutter, umgeben von Engeln und Waldgenien, noch unbewufst des Lebens, es ge-
niefsend. Dann versucht das Kind die ersten schwachen Schritte, gestützt und behütet von den
Schutzgeistern der Jugend. Es wächst heran. In scherzendem Spiel versucht es schon den Kampf,
der es im Leben nicht verlassen soll. Den erstarkenden Knaben lehrt ein Engel ernstere Thätigkeit.
Hinter dem Ackersmann führt er ihn her und läfst ihn die Saat beginnen, in deren Ernte und
Einbringung er die Arbeit seines Lebens vollenden soll. Eine heitere, offene Landschaft begleitet
die Figuren; reicher und üppiger entwickelt sie sich, denn des Menschen glücklichste Zeit, die
Zeit kraftvoller Jugend, erster Liebe naht. Ein Kranz von Liebesgöttern umgiebt ihn und die
Geliebte; weit zurück scheint alles Irdische zu treten. Coloristisch erhebt sich die Darstellung
hier vielleicht zu ihrer Höhe. Ein Reichthum von Schönheit und Liebreiz ist über die beiden Gestalten
ausgegossen, wie es der monumentalen Kunst kaum je gelungen ist. Bald aber beginnen die Kämpfe
des Lebens. Erst sind es die Thiere des W^aldes, die der Mann bekämpfen mufs, um die Seinen
zu schirmen, dann zieht es den im Streit Erprobten hinaus auf ein gröfseres Thatenfeld. Auch
hier wird ihm, dem Helden, der Sieg, während das gestrandete Schiff im Hintergrund darauf hin-
deutet, dafs nicht allen Sterblichen Erfolg, nicht Allen Gelingen zu Theil wird, dafs aber hier nicht
das Leben dargestellt wird, wie es sich im Elend der Alltäglichkeit hinschleppt, sondern ein
Leben, wie es vorbildlich sein soll, ein Heldenleben. Hatte sich der Horizont verdüstert, als der
Mann mit den tückischen Thieren der Wildnifs kämpfte, so loht ein W^eltbrand hinter dem heim-
kehrenden Sieger, ein Brand, der das Morsche und der Vernichtung Anheimgefallene verzehrt.
Der Sieger bringt die Palme des Friedens mit. Die Göttinnen, die ihn begleiten, deuten vielleicht
auf die Künste des gewonnenen Friedens und darauf, dafs er nicht als Eroberer ausgezogen war,
sondern als Verteidiger der höchsten Güter der Menschheit. Unter den Siegeswagen geworfen,
erscheinen die letzten Feinde : das der gesunden Entwicklung sich entgegenstemmende Mittel-
alter und die in gleifsendes Gewand gehüllte Lüge und Heuchelei. Der lange Lauf des Lebens
naht seinem Ende. Noch eine kurze Frist ist dem Alternden gegeben, um sich der Ruhe, des
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gewonnenen Friedens in der Mitte der Seinen zu
erfreuen. In fröhlichem Kreise umgeben ihn die
spielenden Engelsputten, dann naht der unerbittliche
Tod. Trotz des ernsten Tones, in den dieses Bild
gestimmt ist, leuchtet auch aus ihm jene über-
irdische Heiterkeit, die das Traurige, ja selbst
das Schreckliche verklärt. In den goldenen Tönen
des abendlichen Himmels ist coloristisch der Ge-
danke angedeutet, der am Endet des Bildes zur
Aussprache kommt und zu den merkwürdigen
Bildern der Nordwand überleitet. Am Grabe des
Verstorbenen zeigt sich der Engel der Verheifsung,
der den Zurückgebliebenen das trostreiche Myste-
rium kündet, das sich in den folgenden Bildern
offenbart, das Leben nach dem Tode. Waren die
Bilder der drei, im vollen Lichte befindlichen
Wände die färben- und formfrohe Sprache der
heiteren, lebendigen Kunst, so giebt Peter Janfsen
in den, wie von einem geheimnifsvollen, inneren
Licht durchleuchteten Gemälden, die auf den
dunklen Wänden zwischen den Fenstern ange-
bracht sind, das Bekenntnifs einer künstlerischen
Religion, wie sie seit Michel Angiolos Gericht
in dieser Kraft und bewufster Ueberzeugung kein
Künstler mehr gewagt hat. Auferweckung und
jüngstes Gericht führen zum Schauen des Aller-
höchsten. Die Wände scheinen zu schwinden,
in unendliche Fernen verliert sich der Blick des
Beschauers, aber er vermag in die letzten Höhen
nicht einzudringen. Im letzten Bilde steigen
jubelnde Engeischaaren zur Erde nieder und
knüpfen mit dem Evangelium, der guten Botschaft,
die sie den Hirten bringen, an den Anfang, die
irdische Geburt des Menschen an.
Irdisches und himmlisches Leben hatten die Wandgemälde geschildert. An der Decke sind
in drei grofsen Rundbildern die grofsen Mächte dargestellt, aus denen der Mensch stammt, die
ihn begleiten und zur Höhe führen: Natur, Schönheit und Phantasie; die uralte Dreiheit der Natur,
Stärke und Religion in der Auffassung des Künstlers, der seine Religion in der Schönheit, seine
Stärke in der Phantasie findet, und eines durch das andere ergänzt. In üppiger Landschaft sitzt
die Allmutter Natur, Alles was lebt, schmiegt sich an sie und Allen lächelt sie. Hüllenlos, in über-
wältigender Formenpracht schwebt die Schönheit aus dem mittelsten Deckenbild hernieder.
Malerei und Bildhauerkunst begleiten sie. Das letzte Bild, das auch das erste sein kann, zeigt die
Phantasie, die aus den Banden des Leiblichen sich auf dem Fabelwesen des Greifen über das
Sinnliche emporhebend das Uebersinnliche erreicht und zu umfassen vermag.
Auch diese Deckenbilder, die, gleich wie die Bilder der Nordseite, die höchsten Ideen ver-
körpern, halten sich von frostiger Allegorie fern. Nicht umsonst hat der Künstler der Mutter Natur
ein Bild gewidmet. Sie hat sein Auge gebildet und seine Hand geführt, und so erscheinen die
Gestalten alle nicht als blutlose Reflexionen, sondern in lebendiger, strahlender Pracht, blühender
Schönheit.
Schon lange vor der Einweihung der Aula hatte der unermüdlich schaffende Meister eine
neue grofse Arbeit begonnen, nämlich einen Gemäldecyklus für die Universität Marburg, der im
Ganzen aus sieben Bildern besteht, und aus sechs Lunetten, in denen die Sage von Otto dem
Schütz behandelt ist Die Motive der W^andbilder sind folgende: „Friedrich II. entläfst deutsche
Ordensritter aus Marburg zur Colonisirung Preufsens 1236". ,,Die heilige Elisabeth, die sich mit
der Krankenpflege gegen die Vorschrift und über ihre Kräfte hinaus angestrengt hat, wird von
ihrem Beichtvater und ,Zuchtmeister' Konrad von Marburg mit der Geifselung bedroht 1231".
„Sophie von Brabant, Tochter der hl. Elisabeth, zeigt den Marburgern den jungen Landgrafen
PETER JANSSEN
Scene in einer Kapelle zu Murcia
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Heinrich das Kind 1248". „Die Schlacht bei Lauffen am Neckar zwischen den Hessen unter
Philipp dem Grofsmüthigen und den Kaiserlichen unter Philipp von der Pfalz". „Einzug der
Reformatoren in Marburg zum Zweck des Religionsgespräches zwischen Zwingli und Luther.
Die vom Volke Begleiteten werden durch Ulrich von Württemberg und Philipp den Grofsmüthigen
von Hessen empfangen". Ein sechstes und siebentes Bild werden den Auszug der Dominikaner
aus dem Kloster, welches zur Universität bestimmt war, darstellen, und die Begrüfsung Christian
Wolffs durch die Marburger Studentenschaft.
An der Fensterwand ist in Zwickelbildern die Sage von Otto dem Schütz in reizvollen, halb
genrehaften Darstellungen erzählt. Es sind im Ganzen sechs Bilder. Das erste zeigt seine Flucht
aus der Burg des Vaters, der ihn zum Geistlichen bestimmt hatte. Ferner: ,,Er ist in den Diensten
des Herzogs von Cleve als Hundejunge, und es entspinnt sich zwischen ihm und der Tochter des
Herzogs ein Liebesverhältnifs". ,,Auf der Jagd wird die Prinzessin von einem Auerochsen ange-
griffen, ihr Pferd stürzt, aber Otto tödtet den Ur und rettet die Geliebte". ,,Er bringt der jungen
Dame nächtlicherweise eine Ständchen auf der Laute". ,,Ein Freund seines Vaters, Heinrich von
Homburg, kommt nach Cleve und erkennt in dem Thorwächter den Sohn seines Herrn, theilt ihm
den Tod seines Vaters und Bruders mit, sowie dafs er der Thronerbe ist". ,,Otto der Schütz
führt seine Prinzessin heim und übernimmt die Herrschaft".
Das Zusammenwirken v. Gebhardts, Janfsens und in der ersten Zeit auch Wilhelm Sohns
hatte der Düsseldorfer Figurenmalerei der letzten 20 Jahre die Richtung gegeben, ohne dafs von
den zahlreichen Schülern dieser drei Lehrer ihr seitdem neue Wege erschlossen worden wären,
von denen man sagen dürfte, dafs sie zu neuen noch unbetretenen Gebieten führen könnten.
Neben Janfsen und v. Gebhardt, unter deren Zeichen die Entwicklung der Akademie in der
genannten Zeit steht, arbeitete aber noch eine Reihe selbständiger Künstler auch auf dem Gebiete
der Monumentalmalerei und des figürlichen Staffeleibildes und hat nicht wenig dazu beigetragen,
die Stellung der freien Künstlerschaft auch auf diesen, gerne sogenannten akademischen Gebieten
zu befestigen. Auch diese Maler verdanken dem Kunstverein vielfache und reiche Unterstützung
bei ihren Werken.
Als der an Jahren älteste von ihnen mufs ein Künstler genannt werden, der seit Anfang der
70er Jahre zwar in Düsseldorf ansässig war. aber der Schule nicht eigentlich angehört und aufser
einer einzigen grofsen Arbeit, die durch den Zweck, den sie erfüllt, zu den am meisten gesehenen
Kunstwerken in Düsseldorf gehört, in den dreifsig Jahren, die er noch in Düsseldorf lebte, wenig
mehr an die Oeffentlichkeit getreten ist. Ernst Hartmann war 1818 in Magdeburg geboren, er hatte
in Dresden, Italien und in Antwerpen studirt. Eine Zeitlang lebte er in Stuttgart, wo er in der
Redaction der Zeitschrift ,,Ueber Land und Meer" thätig war. In Düsseldorf schuf er im Auftrag
des Kunstvereins für die Rheinlande und W^estfalen Anfangs 1870 den Vorhang des Stadttheaters,
der noch heute seinem Zweck erhalten geblieben ist. Die etwas flaue Malweise und die nicht
immer einwandfreie Zeichnung lassen die gründliche Düsseldorfer Schulung vermissen, dennoch
ist die Composition ,,Die Wahrheit enthüllt sich dem Gott der Dichtkunst" von grofsem Wurf
und nicht ohne eine, wenn auch theatralische, so doch feierliche W^irkung. Auf alle Fälle beweist
dieses Bild mit seinen unbekleideten Gestalten, dafs man in Sachen der Kunst vor einem Viertel-
jahrhundert freier in Düsseldorf dachte, als heute, wo der Ausstellung sogenannter Nuditäten die
gröfsten Hindernisse in den Weg gelegt werden. Hartmann starb im Jahre 1900.
An der Spitze der noch Lebenden steht Albert Baur, der in idealem Sinne als einer der
wenigen Schüler seines genialen Landmannes Rethel aufgefafst werden kann, denn dessen Bilder
in Aachen gaben dem jungen Manne (Baur war 1835 ir> Aachen geboren) den ersten äufseren
Anlafs und die ersten Anregungen für seine künstlerischen Neigungen, die sonst in dem an solchen
Anregungen damals nicht allzureichen Aachen vielleicht noch lange geschlummert hätten. Aber
der Eindruck der mächtigen Werke war ein so starker, dafs er alle Schwierigkeiten überwinden
half, und Baur setzte es durch, von der Universität Bonn, die er bereits bezogen hatte, 1854 auf
die Düsseldorfer Akademie überzugehen.
Dieselbe befand sich damals bereits in dem genugsam gekennzeichneten Stadium des Nieder-
ganges, insbesondere der Geschichtsmalerei, der sich Baur zu widmen gedachte, und vermochte
dem von Rethels gesundem Stilgefühl Begeisterten keine Anregung zu bieten. Rethels Genosse
319
und Gehülfe Joseph Kehren, an den sich Baur wandte, war ebensowenig die geeignete Persönlich-
keit, um als Lehrer besonders fördernd zu wirken. So war Baurs Lehrzeit in Düsseldorf keine
erfreuliche, bis er sich dem nur wenige Jahre älteren Wilhelm Sohn anschlofs, der schon damals
anfing, sein merkwürdiges Lehrtalent an seinen Mitstrebenden auszuüben, obwohl er künstlerisch
selbst noch ganz in der Conventionellen Malerei befangen war. Sein mit der Feder gezeichneter
Carton ,, Barbarossa im Kyffhäuser" hatte aber bereits allgemeines Aufsehen erregt und ihn zum
Mittelpunkt einer kleinen Gemeinde von Verehrern und Schülern gemacht. Auch seine Studien-
köpfe, die er noch in der Malklasse seines Oheims gemalt hatte, erregten grofses Aufsehen. Durch
ihn wurde Baur soweit gefördert, dafs er auch in die Malklasse des alten Carl F. Sohn eintreten
konnte, und diesem vortrefflichen Lehrer verdankte er ohne Zweifel, wie so viele Andere, die
Grundlage seines technischen Könnens.
Dennoch hielt es Baur im Jahre 1860 nicht mehr in Düsseldorf; er ging nach München,
wo er eine Zeitlang bei dem als Künstler, wie als Menschen gleich originellen Schwind arbeitete,
ohne doch von ihm sonderlich beeinflufst zu werden. Eher haben die ersten Bilder Pilotys, die
gerade damals entstanden waren, Eindruck auf ihn gemacht, wenn derselbe sich auch nur in der
Stoffwahl seines ersten grofsen Bildes ,, Ottos III. Leiche wird aus Italien nach Deutschland
gebracht", ausspricht. Die Vollendung dieses Bildes fällt wieder nach Düsseldorf, wohin Baur
1862 zurückgekehrt war. Schon der Carton zu dem Bilde machte grofses Aufsehen, und noch
während der Arbeit an dem Bilde gewann Baur eine Concurrenz zu einem grofsen Wandgemälde
im Schwurgerichtssaal zu Elberfeld, das „Das jüngste Gericht" darstellte, in seiner Mitte Christus,
der die Guten von den Bösen sondert. Zur Rechten Christi werden ihm die Bufsfertigen und die
von ihren Sünden durch Gottes Gnade Gereinigten von Adam bis zu David und Petrus, von dem
verlorenen Sohn bis zu dem bufsfertigen Schacher durch den Erzengel Gabriel zugeführt, zur
Linken die dem Gericht anheimgefallenen Sünder durch Michael zurückgetrieben. Das grofse
Bild zeigte schon alle Vorzüge, die der Künstler später noch weiter entwickeln sollte, eine klare
Composition und verständige, malerische Gliederung der einzelnen Gruppen.
Es folgte der zweimal gemalte ,,Otto I. an der Leiche seines Bruders Thankmar" 1869 und
1874 (das einmal vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen der Gemäldegalerie des
Kunstvereins in Barmen geschenkt wurde) und dann 1870 ein Bild, das Baurs Ruf weithin verbreitete
und befestigte und der Düsseldorfer Kunst wieder eines jener W^erke gab, die allgemein bekannt
und unvergessen bleiben werden: „Christliche Märtyrer", das mit Hülfe eines Beitrages von Seiten
des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen der Galerie der Kunsthalle in Düsseldorf ge-
schenkt wurde und jetzt eines der hervorragendsten Bilder dieser Sammlung ist.
Im Jahre 1866 schon
erhielt Baur einen Ruf als
Professor an die Kunst-
schule in Weimar, dem
er aber erst, nachdem er
1872 wiederholt wurde,
Folge leistete. In Weimar
entfaltete er eine äufserst
anregende Lehrthätigkeit.
Von seinen Schülern, die
zum Theil später nach
Düsseldorf übersiedelten,
sind zu nennen: Ferd.
Brütt, die Brüder Karl
und Joh. Gehrts, Henseler,
der Genremaler der Mark
Brandenburg, und Thure
von Cederström, jetzt in
München.
Baur selbst wandte
sich in Weimar einem in
Deutschland wenig ge-
pflegten Gebiet zu, das
in England dagegen sich
ALBERT BAUR
Nach der Grablegung
321
ALBERT BAUR
Franz I. von Frankreich in der von ihm begründeten ersten Lyoner Seidenfabrik
Wandgemälde in der Webeschule zu Krefeld
grofser Beliebtheit erfreut, nämlich dem antiken Genre, das er natürlich nicht in klassicistischer
Weise, sondern auf Grund eingehender archäologischer Studien durchaus malerisch und mit
grofsem Erfolg behandelte. Diese Motive entwickelte er aber, nachdem er schon 1874 aus Rück-
sicht auf seine Gattin, die das Klima in Weimar nicht vertragen konnte, wiederum nach Düsseldorf
zurückgekehrt war, wieder zu einer mehr historischen Auffassung, der das stimmungsvolle Bild
„Die Frauen am Grabe Christi", dann ,,Die Flucht nach Aegypten" und ,, Herodias' Tochter" ent-
stammen, ohne dafs der Künstler es unterliefs, weitere kleinere genrehafte Bilder aus dem antiken
Leben und auch vortreffliche Porträts zwischendurch zu malen.
W^andmalereien in Schalke, welche decorative Darstellungen aus der Grofsindustrie enthalten,
führten ihn zur Monumentalmalerei, der er von jeher zugestrebt hatte, und bei der Ausmalung des
Gürzenichsaales zu Köln, zu welcher der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen wiederum
freigebig beigesteuert hatte, fiel ihm der Mitteltheil des darzustellenden Dombaufestzuges mit dem
Aufzug der Kölner Geschlechter zu.
So vorbereitet, konnte er an den ihm vom Cultusminister ertheilten grofsen Auftrag, für die
Webeschule in Krefeld einen Bildercyklus aus der Geschichte der Seidenindustrie zu malen,
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herangehen. Im Laufe von wenigen Jahren vollendete er die aus fünf grofsen, bildmäfsigen
Compositionen und einigen Zwischenfeldern bestehende Reihe monumentaler Schöpfungen, die
einen hervorragenden künstlerischen Schmuck der benachbarten Industriestadt bedeuten. Der
Cyklus beginnt mit dem Bilde „Kaiser Justinian empfängt durch Mönche die ersten Seidenraupen-
Eier, die jene in ihren ausgehöhlten Stäben herübergebracht hatten". Das zweite Bild stellt dar,
wie „König Roger II. von Sicilien gefangene Seidenweber in seine Heimath bringt", das dritte
den „Franz I. von Frankreich in der von ihm begründeten ersten Lyoner Seidenfabrik", das vierte
„Den Besuch Friedrichs des Grofsen in Krefeld im Hause eines Fabrikanten" und schliefslich
„Napoleon I. und der Erfinder Jacquard auf der Pariser Ausstellung 1803". Ein sechstes Bild ist
in Aussicht genommen, harrt aber noch der Ausführung, da der gewünschte historische Moment
sich noch nicht eingestellt hat.
Der Künstler hat die grofse Schwierigkeit, solche ohne weiteres nicht leicht verständlichen
Episoden, die in den verschiedensten Zeiten spielen, künstlerisch auszugestalten, vortrefflich gelöst.
Ohne geradezu zu stilisiren, hat er doch eine Ausdrucksform gefunden, die in Form und Farbe
an den Gobelin erinnert und damit in feiner 'Weise sich auch dem Ort, für den die Gemälde
geschaffen wurden, anpafst. Wirkungsvolle ornamentale Umrahmungen halten die costümlich
reich ausgestatteten, klar componirten Bilder zusammen und vereinigen sie mit den kleineren
Zwischenfeldbildern zu einer prächtigen Gesammtwirkung.
Hierauf malte Baur im Rathhause zu Düsseldorf neben Fritz Neuhaus und Klein-Chevalier
ein historisches Motiv, nämlich „Die Besitzergreifung der Stadt Düsseldorf durch den branden-
ERNST ROEBER
Attaque des Leutnants von Papen-Köningen vom Westfälischen Ulanen-Regiment Nr. 5 gegen französische
2. Husaren bei Bolchen vor Metz
324
FRITZ ROEBER
Kaiser Heinrich IV. auf der Flucht von den Bürgern Kölns aufgenommen
burgischen Commissar Stephan von Hertefeld" und vier Allegorien, „Die bürgerlichen Tugenden"
darstellend.
Seine letzte grofse Arbeit vollendete A. Baur für seine Vaterstadt Aachen. Im Rathhaus
waren die beiden Felder im Treppenhaus, die Rethel noch hatte malen sollen, frei geblieben, und
ihre Ausschmückung wurde A. Baur übertragen. In den letzten Jahren schuf er hier zwei Bilder,
die eine würdige Einleitung zu den für den Jüngling einst vorbildlichen grofsen Arbeiten Rethels
bilden. Das erste derselben behandelt das Motiv, wie ,, Kaiser Barbarossa den beiden Vertretern
der Aachener Bürgerschaft den Eid abnimmt, ihre Stadt in vier Jahren mit Mauern und Thoren
zu befestigen", als Anfang der Blüthezeit Aachens, und zweitens ,,Die Entdeckung der Aachener
warmen Quellen durch Granus Serenus, Präfecten von belgisch Gallien zur Zeit Trajans".
Etwas jünger als Baur ist der 1840 in Geisenheim im Rheingau geborene Wilhelm Simmler.
Ein ebenso begabter, wie vielseitiger Maler, ist er verhältnifsmäfsig wenig an die Oeffentlichkeit
getreten und verliefs 1891 Düsseldorf, um nach Berlin überzusiedeln, wo er verschiedene grofse
Arbeiten monumentalen Charakters ausgeführt hat. Simmler war 1857 auf die Akademie gekommen,
also etwa in derselben traurigen Zeit, wie Baur. Er studirte bei Köhler, C. Sohn, Schadow und
schliefslich auch bei Bendemann, wandte sich dann aber ebenfalls nach München, wie so viele
Andere, wo er von 1861-63 verweilte, um dann ebenfalls wieder nach Düsseldorf zurückzukehren.
Hier entwickelte er nun eine reiche Thätigkeit, die ihn auf fast alle Gebiete der Malerei führte.
Er malte Genrescenen von zum Theil grofser Kraft des Ausdrucks, so 1873 den ,, erschossenen
Wilderer", Jagdbilder, decorative Bilder, darunter einige für eine Villa in Godesberg; für das
Stadttheater in Krefeld entwarf er einen sehr wirkungsvollen Vorhang im Auftrage des Kunst-
vereins und malte dann zwei der damals gerade modern werdenden Panoramen. So für Berlin
mit E. Hunten zusammen den ,, Sturm auf St. Privat" 1879. und im folgenden Jahre für Hamburg
den ,, Einzug der Meccakarawane in Kairo", mit Themistokles von Eckenbrecher, der 1861 — 63
Schüler von Oswald Achenbach gewesen war und dann längere Zeit in Düsseldorf selbständig
gearbeitet hat.
325
Nach Vollendung dieser grofsen Arbeiten wurde Simmler mit dem Auftrage betraut, eines
der Bilder für die Ruhmeshalle zu malen, und zwar „Die Fahrt des grofsen Kurfürsten über das
Haff", und er schuf hier ein Werk, das sich den verschiedenen andern Düsseldorfer Arbeiten an
dieser Stelle würdig anschlofs. In der Folgezeit beschäftigte er sich mit den Vorarbeiten für einen
grofsen Auftrag, nämlich drei Bilder aus der preufsischen Geschichte im Rathhaus zu Berlin zu
malen, dessen Ausführung ihn dann endgültig nach Berlin führte. Hier ist er rüstig thätig und
malt Scenen aus dem Hochgebirge, Jagdbilder, mythologische Scenen und Porträts.
Etwas glücklicher in Bezug auf ihre Schülerzeit als Baur und Simmler trafen es die beiden
Künstler, die fast ein und ein halbes Jahrzehnt später nach Düsseldorf kamen, da sie sich sogleich
dem feinsinnigen Bendemann anschlössen, von seiner grofsen Erfahrung Nutzen ziehen konnten und
FRITZ ROEBER
Theatervorhang in Elberfeld
schliefslich in Peter Janfsen, der damals schon Meisterschüler war und seine kraftvolle Persönlich-
keit anfing geltend zu machen, einen Freund und Genossen fanden, der auf sie so wenig, wie auf
die ganze nachfolgende Generation ohne Einflufs bleiben konnte.
Ernst und Fritz Roeber, 1849 bezw. 1851 als Söhne des Dichters Friedrich Roeber in Elberfeld
geboren, kamen im Jahre 1868 zur Akademie nach Düsseldorf, verliefsen dieselbe aber, von den
damaligen unerfreulichen Verhältnissen abgestofsen, sehr bald wieder, um Privatschüler Bende-
manns zu werden, der damals gerade seine Thätigkeit als Lehrer und Director der Akademie
niederlegte.
Die erste Lehrzeit wurde durch den Krieg 1870 71 unterbrochen, den beide Brüder mitmachten,
um, mit den Offiziers -Epauletten geschmückt und zu Männern gereift, glücklich zurückzukehren.
326
Das Verhältnifs zu Bendemann, dessen Familie dem Hause Roeber dauernd freundschaftlich ver-
bunden war, blieb somit auch mehr ein freundschaftliches. Beide Roeber durften unter Anderem,
FRITZ ROEBER
Die Naturwissenschaften
Wandgemälde in der Aula der Akademie zu Münster
ebenso wie Peter Janfsen, dem stets hochverehrten Lehrer bei den Malereien in den Cornelius-
sälen der Nationalgalerie helfen. Speciell Ernst Roeber beschäftigte sich mit den allegorischen
Figuren im vorderen Saal und führte selbständig kleinere Wandmalereien von zum Theil
sarkastischem Inhalt in der Nationalgalerie aus. In die erste Düsseldorfer Zeit fallen neben den
FRITZ ROEBER
Die Theologie
Wandgemälde in der Aula der Akademie zu Münster
unvermeidlichen Schülerarbeiten einige Porträts, Zeichnungen und Cartons zum Nibelungenlied,
welche auf die spätere ausgiebige illustrative Thätigkeit vorbereiteten.
328
Fertige Oelgemälde entstanden noch nicht, da Ernst Roebers coloristische Anlagen bei der
damals immer noch herrschenden Lehrmethode, das Hauptgewicht auf den Carton zu legen, nicht
zur Entwicklung und Ausbildung kamen. Diese wurden erst begünstigt durch das Studium der
alten Meister in Dresden, in denen E. Roeber die Brücke fand, die ihn vom rein zeichnerischen
Ausdruck zur Farbe leitete. In Berlin, wo er sich seit 1874 ständig aufhielt, malte er die ersten
Oelbilder, so ,, Nymphen von Faunen überrascht" und ,,Faun, Mädchen belauschend" (1878). An
Illustrationen entstanden damals die Zeichnungen zu Schillers Geisterseher, zu Macbeth und Fritjof
und zahlreiche Entwürfe, die allerdings nicht herausgegeben wurden, aber die Unterlage zu ver-
schiedenen farbigen Studien und einem coloristisch sehr interessanten, allerdings erst sehr viel
später vollendeten Bilde ,, Faust und Helena" abgaben. In Düsseldorf, wo sich Ernst Roeber bald
wieder ständig niederliefs, folgten nun eine grofse Zahl von Oelbildern (z. B. Tochter der
Herodias), Gouachen meist antikisirend- erotischen Inhalts, Zeichnungen und später auch die
Vorarbeiten zu mehreren grofsen monumentalen Arbeiten, welche der Künstler an verschiedenen
Orten ausführte.
Hierher gehören die \Vandmalereien mit lebensgrofsen Figuren für einen Speisesaal im
Hause des Herrn Emil Weyerbusch in Elberfeld, welche die Elemente als Erzeuger aller
Lebensproducte darstellen. Auf einer Schmalseite des Raumes waren bukolische Scenen
ausgeführt. Es folgten im Jahre 1887 ein grofses Bild für die Ruhmeshalle in Berlin: ,, Prinz
Friedrich Karl von Preufsen und sein Generalstab auf der eroberten Düppeler Schanze II"
und ebenfalls im Staatsauftrag seit 1890 umfangreiche Wandgemälde für den grofsen Sitzungs-
saal im Landeshause zu Danzig. Sie enthalten auf den Langseiten ,,den Einzug der Ritter
des Deutschen Ordens in die Marienburg", und ,,Paul Beneke, Admiral von Danzig, wird vom
Rath der Stadt bei seiner Einfahrt mit seiner Flotte und der eroberten burgundischen Galeere
empfangen". Auf den Schmalseiten sind die vier Kardinaltugenden, Stärke, Weisheit, Mäfsigung
und Treue, dargestellt.
Im Anschlufs an diese Arbeiten erhielt E. Roeber von den Herren Albert und Wilhelm
Jüncke in Danzig den Auftrag, für das dortige Rathhaus einige Wandbilder zu schaffen, an denen
er in den Jahren 1895 — 97 arbeitete. Sie stellen ,.die Grundsteinlegung der Danziger Stadtmauer
durch die Grofsmeister des Deutschen Ordens" und den ,, Maienritt der Danziger Bürger auf dem
langen Markt in Danzig" vor.
Die letzten noch im Entstehen begriffenen, decorativ monumentalen Arbeiten sind theils für
das Schlofs Wacholderhöhe des Herrn Carl von der Heydt bestimmt und behandeln philosophisch-
allegorische Darstellungen des Lebens, theils sind es Bilder aus der älteren Geschichte Elberfelds.
welche das dortige Rathhaus schmücken werden.
Aufser diesen historisch-romantischen oder erotisch-idyllischen Bildern behandelt der viel-
seitige Künstler, der nebenbei mit ganzer Seele Reiteroffizier ist, in durchaus realistischer Weise
und mit unanfechtbarem Sachverständnifs Militärbilder verschiedenster Art, die ihn durchaus als
berufenen Schlachtenmaler erscheinen lassen. Es entstanden auf diesem Gebiet Reiterporträts,
Momente des Regimentsexercirens auf dem Uebungsplatz, meist in Gouache gemalt, und 1899 ein
gröfseres höchst lebendiges Oelbild ..Attaque des Leutnants von Papen-Köningen vom W^estfälischen
Ulanen -Regiment Nr. 5 gegen französische 2. Husaren bei Bolchen vor Metz", das in über-
zeugender Wahrheit und mit packendem Realismus eine der vielen Heldenthaten unseres Heeres
im grofsen Kriege schildert.
Von 1891 — igoi war Ernst Roeber als Anatomielehrer an der Akademie thätig, wozu er. der
sich ursprünglich der medicinischen Wissenschaft hatte widmen wollen, ein besonderes Interesse
mitbrachte, und seit 1897 leitete er aufserdem eine akademische Zeichenklasse. Auch er hat noch
1901 seinen Wohnsitz in Düsseldorf aufgegeben und ist nach Berlin übergesiedelt.
Einen ganz ähnlichen Weg wie Ernst machte Fritz Roeber. nur dafs er Düsseldorf niemals
für längere Zeit verlassen hat. Nachdem er, ebenso wie sein Bruder und Peter Janfsen, bei der
Ausmalung der Corneliussäle Bendemann geholfen hatte, führte er einen Theatervorhang für
Elberfeld aus, und ein bald darauf vollendetes Staffeleibild rückte den jungen Künstler in den
Vordergrund eines nicht durchaus freundlichen Interesses. Unbekümmert um das Philisterthum
in allerlei Gestalt, das, nachdem sogar Lessing ihm hatte weichen müssen, in Düsseldorf ziemlich
unbeschränkt herrschte, malte Fritz Roeber eine höchst bedenkliche Scene aus dem Leben des
berüchtigten Papstes Johann XII. Ein weiteres grofses Historienbild folgte: , .Kaiser Heinrich IV.
auf der Flucht von den Bürgern Kölns aufgenommen".
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Ein eigenartiger Auftrag der Rheinprovinz führte ihn alsdann auf ein Gebiet, dem er, fortan
nicht allein selbst schaffend, sondern auch organisatorisch wirkend, einen grofsen Theil seiner
Kraft mit Erfolg widmen sollte. Dem damaligen Prinzen Wilhelm sollte zu seiner Hochzeit 1882
ein Goldpokal überreicht werden, zu dem Roeber den figürlichen Schmuck in 80 Blättern entwarf
und damit eine der ersten kunstgewerblichen Arbeiten am Rhein schuf. Zahlreiche Adressen und
Diplome gehören diesem Theil seiner Arbeit an, während er als Mitbegründer und einer der
Leiter des aus der Gewerbeausstellung 1880 hervorgegangenen Central-Kunstgewerbevereins den
gröfsten Antheil an der Entwicklung des rheinischen Kunstgewerbes hat.
In die letzten zwanzig Jahre fallen dann jene grofsen cyklischen Werke, in denen sich Roeber
als berufener Monumentalmaler auszeichnete. Zunächst wurden ihm bei der Ausschmückung des
Kölner Gürzenichsaales zwei Bilder übertragen. Der Grundgedanke der ganzen Decoration war die
Darstellung des Dombaufestzuges, und Fritz Roeber hatte in seinen zwei Abtheilungen „Die Einholung
des Domschreines-' übernommen. Da ein höherer geistiger Gehalt dem rein repräsentativen Motiv
nicht abzugewinnen war, bemühte sich Roeber, durch ein originelles Colorit, das sich ganz in
blauen Tönen bewegte, zu wirken. Eigenartiger und der Phantasie des Künstlers mehr Spielraum
CARL GEHRTS
Die Kunst im Alterthum
Wandgemälde in der Kunsthalle zu Düsseldorf
lassend, war ein Cyklus von Wandgemälden, den er bald darauf für den Landtagsabgeordneten
Weyerbusch in Elberfeld ausführte, welcher das Leben des Genannten in romantischem Gewände
schilderte und zu einer Reihe reizvoller Scenen Gelegenheit gab.
Es folgten das grofse Mosaik für die Düsseldorfer Kunsthalle und ein historisches Wandbild für
die Berliner Ruhmeshalle, die der Düsseldorfer Wandmalerei überhaupt ihre besten W^erke verdankt.
Der Gegenstand hierzu führte den Künstler aus dem von ihm sonst bevorzugten Mittelalter in die
fridericianische Zeit: das Bild stellt „Die Anrede des grofsen Königs an seine Generale bei
Leuthen" dar.
Ein Privatauftrag des Herrn v. d. Heydt für dessen Schlofs Wacholderhöhe bei Godesberg
am Rhein gab in noch höherem Mafse als die genannten Arbeiten F. Roeber Gelegenheit, seine
künstlerischen Vorzüge, eine lebhafte Coloristik, eine reichbewegte, phantasievolle Composition an
der Hand eines geistreichen und tiefsinnigen Motivs zu entfalten. ,,Der Untergang der altnordischen
Götterwelt" aus den Gesängen der Edda war das Thema seiner elf Bilder, die in einer künstlerisch
freien Weise die alten, unserm modernen Empfinden trotz Wagner leider nur zu wenig vertrauten
Mythen im Sinne der christlichen Bearbeiter dieser alten Sagen malerisch behandeln und zu
einem höchst eigenartigen Gesammtwerk vereinigen.
331
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CARL GEHRTS
Nixenbesuch
In den letzten Jahren
beschäftigte den Künstler,
der neben seinen Wand-
gemälden noch eine ganze
Reihe von Staffeleibildern
vollendet hatte, ein grofser
Auftrag der Regierung. Es
sind acht grofse Gemälde,
die im Auftrag des Kultus-
ministeriums unter Bei-
hülfe des Kunstvereins
für die Rheinlande und
Westfalen für die Aula
der Akademie zu Münster
bestellt wurden. Die Auf-
gabe, wie sie sich Roeber,
abweichend von den viel-
leicht anfänglich geplanten
Ideen, gestaltet hatte, war
keine leichte. Es sollten
in allegorischer Weise die Wissenschaften dargestellt werden, aber Roeber verzichtete auf die
Wiederholung der symbolischen Damen, wie sie seit Rafael und Pinturicchio fast unvermeidlich
geworden sind, und entwarf im Gegentheil eine Symbolisirung der Wissenschaften nach dem
ganzen Umfang ihrer Wirksamkeit. So entstanden statt blofser Personificationen lebendige, farben-
und figurenreiche Compositionen, die der Künstler mit dem ganzen Reichthum seiner Gestaltungs-
kraft und seiner farbenfrohen Malweise ausstattete.
Die Beschäftigung mit diesen zum Theil sehr umfangreichen Arbeiten hatte Roeber nicht
gehindert, zwischendurch nicht nur zahlreiche Zeichnungen (darunter schon früh 14 grofse Bibel-
compositionen auf Stein), Landschaften und Porträts zu vollenden, sondern auch mehrere grofse
Historienbilder zu malen, von denen zwei der Geschichte des grofsen Kurfürsten angehören: ..Bei
Fehrbellin" 1883 und ,,Der letzte Staatsrath" 1894, und deren eines wieder ins Mittelalter zurück-
führt: „Ein toller Tag König W^enzels" 1887.
Ganz in das Gebiet blauer Romantik, für die Roeber als Sohn seines Vaters von je eine
heimliche Liebe hegt, führt ein Aquarellencyklus, welcher die poetische Legende der Rosenburg,
eines kleinen Schlosses bei Bonn, illustrirt.
Auch ,, Pygmalion, der die Statue zum Leben erweckt", war nicht in antikisirender, sondern
auch eher in romantischer Weise aufgefafst. und verschiedene biblische Scenen zeigen eine fast
märchenhafte Darstellungsweise, bei der die farbige Stimmung eine Hauptrolle spielt.
Sein räumlich umfangreichstes \A^erk hat der Künstler für das Gebäude der Ausstellung 1902
in Düsseldorf bestimmt, nämlich die Malerei des kolossalen Frieses, welcher die Kuppel im Innern
umgeben soll. Der eigentliche Fries, den vier grofse halbrunde Bilder unterbrechen, stellt die
Entwicklung von Handel und Gewerbe dar. Zwei gröfsere, ebenfalls halbrunde Bilder unterhalb
des Frieses krönen die Hauptdurchgänge der Kuppelhalle.
Abgesehen von seiner reichen und vielseitigen künstlerischen Thätigkeit ist Professor Roeber
seit 1894 als Secretär und ordentlicher Lehrer an der Königlichen Kunstakademie thätig und
begann als solcher Vorlesungen über Costümkunde zu halten, die sich des gröfsten Zuspruches
von Seiten der Studirenden erfreuen.
In den letzten Jahren • haben aufserdem die geschäftlichen Vorbereitungen zu der grofsen
Ausstellung 1902 Roeber stark in Anspruch genommen, ohne dafs bei seiner fabelhaft elastischen
Natur ein Nachlassen der künstlerischen Thätigkeit bemerkbar gewesen wäre, die im Gegentheil,
zumal in seinen Gemälden für Münster, nach der Seite coloristisch-decorativer Wirkung eine er-
höhte Stärke und vermehrten Reichthum zeigt.
t- *
Eine von den Vorgenannten wesentlich verschiedene Natur war der Hamburger Carl Gehrts,
der, 1853 als Sohn eines Anstreichers geboren, seine Studienjahre als Schüler von Gussow und
A. Baur in Weimar verlebte und namentlich letzterem Künstler wichtige Anregungen zu verdanken
333
hatte. Er folgte ihm auch, als Baur wieder nach Düsseldorf zurückkehrte, und liefs sich hier
1876 nieder, um eine ebenso vielseitige, wie fruchtbare Thätigkeit zu entwickeln. Auch bei Gehrts
machte sich die moderne, etwas nervöse Vielseitigkeit bemerkbar, auf welche die jüngeren Künstler
ein vielleicht übertriebenes Gewicht legen. Als Illustrator, als Schöpfer von grofsen und kleinen
StafTeleibildern in Aquarell und Oel, als Ornamentiker und Kunstgewerbler, schliefslich sogar als
Monumentalmaler ist Gehrts unermüdlich thätig gewesen und fast auf allen Gebieten hat er,
trotzdem er schon vor der Zeit, i8g8, im kräftigsten Mannesalter und auf der Höhe des Erfolges,
aus dem Leben scheiden mufste. Hervorragendes in einer fast unendlichen Reihe von Arbeiten
geleistet. Ein früher Auftrag, nämlich ein Gartenhäuschen auszumalen, liefs ihn jene kleine Welt
der Gnomen und Waldmännchen gewissermafsen für die Kunst entdecken, aus der er zahlreiche
liebenswürdige Motive geschöpft hat. Sein unverwüstlicher Humor, seine reiche Gestaltungskraft
und sein feiner coloristischer Sinn hat in diesen auch räumlich meist anspruchslosen Arbeiten
die schönsten Erfolge zu verzeichnen. Kaum in Düsseldorf angekommen, begann er aber auch ein
gröfseres historisches Genrebild im Auftrag eines Kunstfreundes, , .Minnesänger in einer bürgerlichen
Familie", das grofsen Beifall fand und ihn zu einer noch gröfseren Composition ,,Das Gastmahl
des Hiero" 1882 ermuthigte, dessen Erfolg von dem grausigen Stoff — die Gäste werden ermordet
und über den Leichen triumphirt der barbarische Wirth — trotz zahlreicher zeichnerischer Vorzüge
beeinträchtigt wurde. Durch diese Compositionen, zu denen der Künstler die Studien unter Anderem
auf der Wartburg gemacht hatte, entwickelte sich m ihm eine Vorliebe für den romanischen Stil,
die ihn nicht wieder verliefs und sich immer wieder, auch in seinen theilsweise reizvoll orna-
mentirten Illustrationen und seinen zahlreichen Aquarellen, geltend machte. Durch eine Composition,
die, von Gehrts zur bildmäfsigen Ausführung bestimmt, dem Besteller zu historisch war und dann
als Zeichnung veröffentlicht wurde, ,,Die Ankunft des Seeräubers Störtebecker in Hamburg" wurde
Gehrts zur Illustration geführt, und auch ihr hat er einen grofsen Theil seiner künstlerischen
Thätigkeit gewidmet. In kurzen Zwischenräumen entwarf er die zum Theil höchst werthvollen
Zeichnungen zu Thomas a Kempis, Schillers Demetrius, Goethes Reineke Fuchs, zu den Märchen-
büchern von J. Lohmeyer, Weddingen, Luise Pichler, zum Tannhäuser von Jul. Wolff und zahl-
reichen anderen Werken, aber auch für Zeitschriften, vor Allem für die ,, Fliegenden Blätter".
Kleinere und gröfsere Aquarelle, unter ihnen die reizvolle ,, Hochzeit des Petrucchio", ,, Gastmahl
des Macbeth", ein ,,Dornröschen-Cyklus", die ,, Versteinerung des Zwerges Alvys" und vieles
Andere; Diplome und Adressen, Entwürfe zu Malkasten-Festen erscheinen als eine farbige Aus-
gestaltung dieser illustrativen Kunst, für die Gehrts entschieden alle Vorbedingungen befafs.
CARL GEHRTS
Die Kunst in der Renaissance
Wandgemälde in der Kunsthalle zu Düsseldorf
334
CLAUS MEYER
Gefangennahme Siegfrieds von Westerburg, Erzbischof von Köln, durch Graf Adolf von Burg in der Schlacht
bei Worringen
Wandgemälde im Festsaal des Schlosses Burg an der Wupper
In den Rahmen dieser meist wenig umfangreichen Werke gehört auch das entzückende
kleine Bild ,, Walther von der Vogelweide", der. im W^alde liegend, von Vögeln und kleinem
Gethier umgeben, der geheimnifsvoUen Sprache der Natur zu lauschen scheint. Hier hat Gehrts
es vermocht, auf kleinstem Raum in einer einzelnen Figur und dem naturalistischen Beiwerk die
ganze poetische Kraft seiner Kunst auszudrücken und zwar in einem Mafse. wie ihm das bei
seinen grofsen Arbeiten kaum wieder gelungen ist.
Verschiedene Bestellungen zu Wanddecorationen führten den rastlosen Künstler bald auch
auf dieses Gebiet. Es entstanden für den Pianofortefabrikanten Ibach in Barmen vier mittelalter-
liche Scenen in Wachsfarbe, für eine Privatvilla ein grofses Temperabild mit Amoretten als
Kamindecoration, ein Plafond, ferner Wandbilder im Hotel Central in Düsseldorf, die in geistreichen
Kindercompositionen Kunst und Wissenschaft. Handel und Industrie darstellen und vieles Andere,
bis die Betheiligung an der vom Staat ausgeschriebenen Concurrenz für die Ausmalung der Kunst-
halle in Düsseldorf 1882 dem Künstler einen Preis brachte und damit die langersehnte Gelegenheit
in Aussicht stellte, sich auf diesem Gebiete an einer grofsen Aufgabe zu bethätigen. Leider war
die Freude an diesem Sieg keine ungetrübte. Es wurde eine engere Concurrenz ausgeschrieben.
Die Freunde des Künstlers erblickten hierin eine Zurücksetzung von Gehrts, und dieser selbst
verfiel, wohl mehr infolge früherer Ueberarbeitung, als infolge einer Kränkung, die Niemand
beabsichtigt haben konnte, in eine schwere Krankheit. Als dann bei der engeren Concurrenz die
beiden anderen Betheiligten zurücktraten, konnte Gehrts die Vorarbeiten beginnen. Fast zehn
Jahre rastloser Arbeit, aber damit wohl auch eine Erschöpfung seiner Lebenskraft hat ihn dieses
Werk gekostet, das als eine der hervorragendsten monumentalen Malereien der Düsseldorfer Kunst
gelten kann. Es besteht aus zwei grofsen Hauptwandbildern, vier schmalen Seitenbildern und
16 Lünetten im Treppenhaus der Kunsthalle, die durch eine reich colorirte decorative Umrahmung
zusammengehalten sind. Das Motiv sind ,,die Schicksale der Kunst im Wechsel der Zeiten", die
in den grofsen Bildern auf historisch allegorische, in den Lünetten auf märchenhafte Weise
geschildert werden. Die Hochbilder zeigen nacheinander die Kunst, im Anfang in vorgeschicht-
licher Zeit, da sie sich nur auf die Anfertigung roher Götzenbilder beschränken mufste. Unter
Roms Kaisern winken ihr schon die gröfsten Aufgaben, und im Mittelalter dient sie dem Christen-
thum. Das letzte Bild deutet in den Gestalten des lehrenden V/inckelmann mit Asmus Carstens,
Thorwaldsen und Schinkel das Erblühen der neuen Kunst nach langem Verfall an; ungern vermifst
man gerade hier Peter Cornelius. Die grofsen Langbilder, die den eigentlichen Mittelpunkt und
künstlerischen Höhepunkt der ganzen Decoration bilden, stellen die Blüthe der Kunst im peri-
kleischen Zeitalter und in den Tagen der Hochrenaissance vor.
Auf dem ersten Bilde zeigt Phidias auf weiter, sonnenglänzender Terrasse der Akropolis
sein Modell der Zeusstatue. Perikles mit Aspasia, die berühmten Künstler dieser Zeit, ganz zur
Seite Diogenes und in reicher farbiger Menge das Volk von Athen sind versammelt, das Werk
zu bewundern und so der Kunst ihre Huldigung darzubringen.
Das gegenüberliegende Hauptbild der Renaissance ist in der Farbe reicher, aber auch etwas
conventioneller. In der Mitte thront auf einem Marmorsitz unter Lorbeer und Oleanderbüschen die
335
Kirche, als Protectorin der Kunst, umgeben von den Gestalten der grofsen italienischen, deutschen,
niederländischen Künstler und Kunstmäcene. Fast noch reizvoller als in den grofsen Bildern sind
die Schicksale der Kunst in den i6 Lünetten behandelt. Hier zeigt sich der feine illustrative
Sinn des Malers in den geistreichen Beziehungen und Anspielungen aufs vortheilhafteste.
In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigten Gehrts aufserdem noch Concurrenzarbeiten
für eine ebenfalls monumentale Malerei in dem Rathhause zu Hamburg, die aber infolge seines
Ablebens nicht über den Entwurf hinausgekommen sind.
Carl Gehrts wurde durch einen vorzeitigen Tod der Düsseldorfer Kunst entrissen; dafür
schlofs sich der Monumentalmalerei ein Künstler an, der, erst seit Kurzem nach Düsseldorf berufen,
mit gröfstem Erfolg hier den von seinem bisherigen Schaffen so verschiedenen Weg betrat. Claus
Meyers Name und Thätigkeit sind bekannt. 1856 in Linden bei Hannover geboren, studirte er in
Nürnberg nnd München und schuf sich im engsten Anschlufs an die niederländischen Genremaler
des XVII. Jahrhunderts einen Genrestil, der, auch hierin dem W. Sohnschen ähnlich, geradezu schule-
machend wirkte. Von München wurde er nach Karsruhe berufen und von da im Jahre 1896 nach
Düsseldorf an die Akademie als Nachfolger von W. Sohn. Hier gewann er im Frühjahr 1898
durch seine hervorragenden, von durchaus monumentalem Geiste erfüllten Entwürfe die Concurrenz
um die wiederum vom Kunstverein veranstaltete Ausmalung des Rittersaales des neurestaurirten
Schlosses Burg an der Wupper. Die umfangreiche Arbeit, die Scenen aus der bergischen, auf
das Schlofs Burg bezüglichen Geschichte darstellt, ist noch nicht ganz beendet.
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CLAUS MEYER
Auszug der Freiwilligen des Bergischen Landes zur Zeit der Freiheitskriege
Wandgemälde im Festsäal des Schlosses Burg an der \Vupper
Allen diesen Künstlern, so verschieden sie auch unter sich sein mögen, ist Eines gemeinsam,
das sie bei allem Realismus ihres Naturstudiums von der sogenannten modernen Kunst, wie sie sich
bei den meisten Jüngern und Jüngsten an der Hand der Landschaftsmalerei entwickelte, scheidet
und sie eher mit der älteren Düsseldorfer Kunst einerseits, der Sohnschule andererseits verbindet,
und das ist die alte, specifisch rheinische Hinneigung zur Historie und zur Romantik, die in der
Lust zum Erzählen und Fabuliren, in dem Interesse an vergangenen Zeiten, die man wie mit Fausts
Schlüsseln wieder zu erschliefsen strebt, in der Freude an bunten Gewändern, an den vielen Wundern,
die in alten Mären erzählt sind, sich ausspricht und durch allen Realismus der Formengabe
oder gelegentlichem Naturalismus zwischenfallender Motive nicht auf die Dauer zurückdrängen läfst.
Und wie diese romantische Simmung trotz Allem auch bei einigen jüngeren Figurenmalern
immer wieder hervorbricht, ja in der Kühnheit ihrer Phantastik eher stärker geworden zu sein
scheint, das ist einer der kräftigsten Beweise für die Gesundheit der Düsseldorfer Malerei, die
niemals in dem Mafse der öden, jetzt eigentlich überall schon längst überwundenen Wirklichkeits-
malerei verfallen war, wie das anderwärts der Fall gewesen ist.
336
XIV. Kapitel
Die neueste Zeit
DIE neue und neueste Düsseldorfer
Malerei wird zum gröfsten Theil
getragen von den Schülern Peter
Janfsens einerseits, den Schülern
Dückers andererseits. Eine eigent-
liche „Moderne", wie sie anderwärts
entweder auf energischem Impressio-
nismus oder aber blofs auf haltlosem
Nachahmen ausländischer Kunst be-
ruht, besitzt Düsseldorf nicht, und das
ist einer der vielen Gründe, weshalb
die Düsseldorfer Kunst aufserhalb
zuweilen als rückständig bezeichnet
worden ist. Es kann nicht geleugnet
werden, dafs Manches von diesen
neuzeitlichen Bestrebungen, ein inten-
siveres Farbenstudium, ein conse-
quentes Freilichtmalen, vor Allem eine
freiere und rücksichtslosere Motiven-
wahl, der Düsseldorfer Malerei nur
zu sehr fehlt. Die uralte Furcht vor
,, gemalten kühnen dummen Streichen"
macht sich noch immer geltend, und
wo sie Einer einmal zu überwinden
sich anschickte, da stellten sich dem
kecken Neuerer gleich so viele Hinder-
nisse in den Weg, dafs er entweder
reumüthig zu den altgewohnten Mo-
tiven zurückkehrte oder Düsseldorf
verliefs. Andererseits blieb aber
Düsseldorf bewahrt vor dem unge-
sunden nervösen Hin- und Hertasten,
dem ziellosen Experimentiren, dem in
München und anderwärts viele junge
Talente zum Opfer gefallen sind. Das
ruhigere niederrheinische Tempera-
ment, das sich auch dem Hergezogenen
mittheilt oder ihn doch mindestens
beeinflufst, die tief ausgefahrenen
Geleise bewahrten vor allzu kecken Seitensprüngen. Der Mangel an internationalen, überhaupt
umfassenden Ausstellungen, der wahrlich nicht als etwas Erfreuliches bezeichnet werden soll,
GUSTAV MARX
Bildnis Kaiser Wilhelms II.
337
schützte aber doch vor der lächerlichen Ausländerei, in die anderwärts die moderne deutsche
Kunst eine Zeitlang verfallen war. Freilich ist hier der Rückschlag bei den Künstlern selbst
schon deutlich bemerkbar, zum grofsen Mifsvergnügen jener sogenannten Kunstgelehrten, die den
Internationalismus oder das Unnationale in der deutschen Kunst als das einzig Richtige predigen.
Aeufserlich steht die Kunst der letzten zehn Jahre allerorts unter dem Zeichen der Secessionen
und der Ausstellungen, und in beschränktem Mafse gilt das auch für Düsseldorf. Auch Düsseldorf
mufste seine Secession haben, deren Resultat sich nach aufsen natürlich in den Ausstellungen
kundgab. Zuerst entstand eine Vermehrung der regelmäfsigen Ausstellungen über die alte Pfingst-
ausstellung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen hinaus, dann eine Theilung der
Künstlerschaft überhaupt und damit auch eine Theilung der neuen Errungenschaft in zwei
„Salons". Und bei dieser einen Secession blieb es nicht. Es zweigten sich im Laufe der Jahre
von der ersten Secession der „Freien Vereinigung" noch etliche Gruppen ab, so zuerst der
Verein „Lucas", dann die „Künstlergruppe 1899", und jede dieser Vereinigungen mufste alljährlich
wieder eine oder zwei, naturgemäfs kleine Ausstellungen veranstalten, die immerhin belebend auf
die Physiognomie des Ausstellungslebens einwirkten. Interessante und werthvolle Veranstaltungen,
namentlich die graphischen und Aquarell-Ausstellungen des Kunsthändlers Bismeyer kamen hinzu,
die auch hier und da die Bekanntschaft mit Auswärtigem und Ausländischem vermittelten, und
so bereitete sich ganz naturgemäfs das grofse Unternehmen vor, welches nach dem Vorgang eines
ähnlichen im Jahre 1880, das für die Kunst selbst weniger folgereich gewesen war als für das
Kunstgewerbe, die Jahrhundertwende in der ,, Allgemeinen nationalen Ausstellung 1902" feiern soll.
Eine kritische Geschichte der Kunst der letzten 20 Jahre zu schreiben, ist es noch nicht an
der Zeit. Schon jetzt hat eine ruhigere Beurtheilung über die einst so aufregend erscheinenden
Ereignisse des Jahres 1891 Platz gegriffen, und das nächste Jahrzehnt wird es erweisen müssen,
ob die Errungenschaften der Secession von dauernder und einschneidender Wirkung sind. Dafs
sie belebend und anfeuernd gewirkt, manches Abständige und W^elke beiseite geschoben haben,
steht jetzt schon aufser Zweifel, etwas wirklich Neues und Grofses haben sie aber auch hier vor-
läufig noch nicht entstehen lassen.
Ehe eine Anzahl jüngerer Künstler, auf denen die Hoffnung der Düsseldorfer Malerei für unsere
Zeit ruht, genannt werden, müssen einige Maler erwähnt werden, die nach ihrem Entwicklungsgange
ähnlich wie verschiedene
der schon früher ge-
nannten Landschaftsmaler
zwischen den Alten und
den Jungen stehen, die
nach Alter, Stoffgebiet und
Malweise theils nach
dieser, theils nach der
andern Seite neigen, sich
aber äufserlich. soweit sie
nicht von selbst zu ihnen
gehören, energisch den
Kommenden, den Jungen
angeschlossen, oder sie so-
gar angetrieben und beein-
flufst haben. Sie stammen
zum Theil aus der Sohn-
Schule, deren schon im
Allgemeinen überwundene
Aeufserlichkeiten sie aber
vollkommen abgestreift
haben ; zum Theil haben sie
ihre Studien nicht inDüssel-
dorf gemacht und waren
somitganzbesonders geeig-
net, einen frischen Luftzug
GREGOR VON BOCHMANN in die hiesigen Verhältnisse
Ein Bettler ZU bringen.
338
Gregor von Bochmann dürfte hier als Erster zu nennen sein. Er ist 1850 in Esthland ge-
boren, besuchte 1868 die Akademie in Düsseldorf und wurde schon 1871 selbständig. Sein Stoff-
gebiet ist ein überaus reiches. Wenn er auch mit Vorliebe immer wieder auf das Volksleben
seiner Heimath zurückgeht, so malt er doch gelegentlich auch Motive aus Holland und Belgien
oder auch aus der Umgegend von Düsseldorf, die er in einer höchst subjectiven Farbengebung zu
eigenartigen coloristischen Meisterwerken zusammenzustimmen weifs. Er verzichtet meist auf
Naturalismus in der Farbe und bevorzugt eine feine braune oder selbst schwärzliche Gesammt-
wirkung, obwohl, wie einige Seestücke beweisen, seine starke Naturauffassung ihn auch zu
absolutem Realismus befähigt. Von seinen Bildern mögen einige hier genannt sein, da sie
wenigstens die Reichhaltigkeit seines Stoffgebietes charakterisiren. So entstand schon 1872
,, Sonntag bei der Kirche in Esthland", ,,An der Schleuse" (Holland) 1875, ,, Werft in Südholland",
„Am alten Fischmarkt zu Reval", , .Holländisches Strandbild", „Am Kruge" (Esthland), „Am
Strande" (Holland), , .Holländisches Strandleben" u. s. w.
In der engen Verbindung des Figürlichen mit dem landschaftlichen Theil, wobei letzterer
die Oberhand behält, sei es infolge der Kleinheit der Figuren, sei es in der starken Betonung der
lediglich malerischen Wirkung einer Figur im Freien, wobei auf das genrehafte Motiv, den Gesichts-
ausdruck u. s. w. weniger 'Werth gelegt wird, zeigt sich bei ihm jene entschieden moderne
Strömung, von der die Düsseldorfer Kunst früher berührt wurde, als man im Allgemeinen annimmt.
Auch verschiedene andere von der Akademie ganz unabhängige und meist aufserhalb gebildete
Künstler haben in ähnlichem Sinne gearbeitet. Hand in Hand mit ihrer, man könnte sagen
landschaftlichen, Darstellungsweise geht die grofse Vielseitigkeit, welche sie auszeichnet und sie
auch hierdurch zu Führern der sogenannten secessionistischen Bewegung stempelte, die zu Beginn
der 90er Jahre in Düsseldorf auftrat.
Neben v. Bochmann ist da zunächst Adolf Lins zu nennen, der 1856 in Cassel geboren wurde
und dort die Kunstschule besuchte, worauf er 1877 nach Düsseldorf übersiedelte und ein Jahr unter
der Correctur von Brütt arbeitete. Von 1878 — 80 war er wieder in Cassel beschäftigt, um sich 1880
selbständig in Düsseldorf niederzulassen. Lins malt, kurz gesagt. Alles, was er sieht, und zwar
Alles mit derselben frischen, gesunden Natürlichkeit, Menschen und Thiere, Bäume und Häuser,
Wiesen und W^asser. Sehr früh begann er Thierbilder zu malen, wobei er eine Zeitlang zahmes
Geflügel bevorzugte, dazwischen kamen Landschaften mit figürlicher und Thier-Staffage, dann
Genrebilder im Interieur und im Freien.
Die intensive Führerschaft bei der Secession hatte auch bei Lins eine erstaunliche Steigerung
der künstlerischen Productivität zur Folge. Es entstanden vortreffliche Porträts, vorzügliche Akt-
studien, fast lebensgrofse, höchst farbige Thierstücke (Kuhbilder) und sogar decorativ monumentale
Arbeiten, die allerdings durchaus auf dem Boden genrehafter Wirklichkeit blieben. Von den
jungen Künstlern wurde Lins mit am meisten bei den Ankäufen des Kunstvereins berücksichtigt,
da seine Bilder die seltene Eigenschaft besitzen, nicht nur auf einem gesunden künstlerischen
Boden zu stehen, sondern auch dem Publikum zu gefallen, und letzteres Moment kann und darf
nun einmal bei den Ankäufen des Vereins nicht aufser Acht bleiben, wenn es zu gewissen Zeiten
vielleicht auch mehr berücksichtigt worden ist. als gerade nothwendig war.
Von ähnlicher Vielseitigkeit ist Gustav Marx, der seine Hauptstudien auch nicht durchaus
Düsseldorf verdankt. Er ist 1855 in Hamburg geboren und mufste sich unter dem Druck der
Verhältnisse zuerst mit der Lithographie beschäftigen. Ein Stipendium gewährte ihm die Mög-
lichkeit, sich der Kunst zu widmen. Er kam 1874 nach Düsseldorf, wo er Schüler von Christian
Kröner wurde, sich aber hauptsächlich durch Selbststudium förderte. Das geht schon daraus
hervor, dafs er keineswegs die Motive seines Lehrers malt, sondern statt des Wildes haupt-
sächlich das Pferd studirt. Bei aller Vielseitigkeit, die Marx späterhin bewies, zeigt sich doch
eine bestimmte Neigung für eine gewisse Richtung, die in dem sonst so eleganten Düsseldorf
merkwürdig wenig gepflegt wird, nämlich für die Darstellung des Pferdesports, der Sportswelt,
der , .schönen W^elt" mit Allem, was zu ihr gehört, überhaupt.
Aber diese Vorliebe bedeutet keine Einschränkung. Ebenso häufig, wie das Cavalleriepferd
oder das Reitpferd mit seinen schneidigen Reitern und eleganten Reiterinnen, hat Marx das Arbeits-
pferd gemalt; ebenso gerne, wie die Arbeiterin auf dem Felde, malt er die Dame im Salon, und
in zahlreichen Militärbildern und lebensgrofsen Kaiserporträts streift er das Gebiet der modernen
Historie. Verschiedene Städte besitzen solche Kaiserporträts zu Pferde, in den sich Marx, ebenso
wie in wirklichen Schlachtenbildern, als verständnifsvoller Militärmaler bewährt, der aber über
der militärischen Correctheit niemals die malerische Wirkung aufser Acht läfst.
22*
341
HUGO MÜHLIG
Mittagspause
Nicht ganz so vielseitig wie die Vorgenannten, aber in der gleichmäfsig vortrefflichen Be-
handlung der Figuren, vi^ie der Landschaft, im selben Sinne schaffend, ist Hugo Mühlig. Er wurde
1854 in Dresden geboren, besuchte dort die Akademie und liefs sich 1881 in Düsseldorf nieder, wo
er in einer fast unerreichten Productivität mit seinen meist nicht umfangreichen, aber aufs Feinste
ausgeiührten Bildern die Ausstellungen regelmäfsig beschickt. Mühlig liebt die Sonne und das
flache in Blüthe stehende oder erntereife Feld. Erntebilder sind fast seine Specialität; aber auch
die Jagd mit ihren belebten Episoden im Winter und im Schnee, und auch sie am liebsten bei
klarem Wetter, das weite Ausblicke gestattet, malt er mit waidmännischem Verständnifs, wobei
ihm seine Kenntnifs des Thieres zu statten kommt. Besonders geschätzt sind seine Aquarelle,
oder besser gesagt Gouachebilder, in denen er mit spitzem Pinsel aber nicht geringer coloristischer
Auffassung seine Motive niederlegt. Bilder seiner Hand zieren die meisten Galerien.
Ausschliefslich Militärmaler und eine künstlerische Kraft ersten Ranges ist Theodor Rocholl,
der eine etwas unruhige Entwicklung durchgemacht hat, ehe er das ihm zweifellos am meisten
entsprechende Gebiet fand.
Er ist geboren 1854 in Sachsenberg im Fürstenthum Waldeck als Sohn eines protestantischen
Geistlichen und bezog zuerst die Akademie in Dresden, wo er mit dem später ebenfalls nach
Düsseldorf übergesiedelten H. Mühlig befreundet wurde. Bald aber erkannte er, dafs in Dresden,
das damals noch keineswegs die moderne Kunststadt von heute war, nicht viel für ihn zu holen
wäre, und ging nach München, wo er 1875 Pilotyschüler wurde. Hier malte er sein erstes Bild
,,TiIl Eulenspiegel".
Die Einjährigenzeit brachte ihn zuerst in Berührung mit dem Militär, dem er später seine
Motive entnehmen sollte, aber vorher gab sein Eintritt in die Düsseldorfer Akademie, wo er
Schüler von Gebhardt und nachher von Sohn wurde, ihm noch eine andere Richtung. Bei Sohn
entstanden verschiedene Bilder, die den Uebergang aus dem historischen Genre zum Reiterbilde
andeuten, so ,, Landsknechte auf der Flucht" und ein grofses, nicht ganz glückliches Bild „Germanen-
wanderung". Kleinere Militärbilder entstanden zwischendurch und endlich als erste selbständige
Arbeit das entscheidende Bild „Abgesessen", ein Trupp Husaren, die an einer \Ai^aldwiese Halt
342
THEODOR ROCHOLL
Episode aus der Schlacht bei Vionviile
gemacht haben. Noch bedeutender und von gröfster dramatischer Kraft war der „Todesritt von
Vionville" 1887, mit dem Rocholl sofort in die erste Linie der deutschen Kriegsmaler trat, die er
an Temperament und geistreicher flotter Malweise Alle übertrifft. Die Gelegenheit zu eingehendem
Studium bei einem Kürassierregiment hatte ihm Anregung zu diesem glänzenden Bilde gegeben,
dem nun in rascher Folge andere folgten, in denen Rocholl die eminent malerische, das modern
militärische Costüm mit der alten Rittertracht verbindende Uniform der Kürassiere bevorzugte. Den
,, Todesritt" erwarb die Verbindung für historische Kunst. Es folgt das in der Wirkung ebenfalls
überaus mächtige ,, Vorbei": die Spitze eines Kürassierregiments trifft auf die Leiche eines Kameraden,
und 1888 die wieder höchst bedeutende Episode aus der Schlacht bei Vionville , .Wachtmeister Kaiser
rettet den schwerverwundeten Leutnant v. Sierstorff aus der Schlacht".
Es folgten die ruhiger gehaltenen Bilder ,, Kaiser Wilhelms L letzte Heerschau" und „Kaiser
Wilhelms Ritt um Sedan", das der Kunstverein für die Rheinlande und ^A^estfalen durch
Professor E. Forberg als Prämienblatt für 1896 radiren liefs, dann aber 1891 ,,Der Kampf um die
Standarte", in der Rocholl wieder seinem Temperament die Zügel schiefsen liefs. Die Situation
führt in den Mittelpunkt der tobenden Feldschlacht. Die realistische Darstellung der durch-
einander stürzenden Menschen und Pferde, der von Pulverdampf, Staub und kugelzerfetzten
Baumzweigen erfüllten Luft läfst weder an Sieg noch an Begeisterung ^mehr denken, sondern
nur an erbittertes Ringen
und wildes Morden.
Rocholl war mit diesen
Bildern entschieden an
die Spitze der deutschen
Schlachtenmalerei
getreten, und man brauchte
seitdem nichtmehr darüber
zu klagen, dafs der grofse
Krieg nur die Besiegten
zu bedeutenden Bildern
begeistert habe.
,, Vorpostengefecht" 1891,
und 1892 der „Husaren-
streich" setzten die Reihe
dieser lebhaft bewegten
Bilder fort. Schon der Vor-
wurf des letzteren Bildes
ist ein fesselnder und eigen-
artiger. In der Schlacht
bei Vionville wurden ver-
wundete Mannschaften und
Offiziere des 7. Kürassier-
Regiments, unter ihnen Rittmeister von Heister, gefangen genommen und in einem Gehöft unweit
des späteren Schlachtfeldes von Gravelotte, der sogenannten Ferme de Mogodor, untergebracht.
Eine Husarenpatrouille (15. Regiment, Wansbecker) unter Rittmeister von MöUendorf überfiel den
Hof, rettete die Gefangenen und führte sie zu Pferde und auf einem schnell requirirten Leiter-
wagen fort. Von überzeugender Wahrheit war „das Hoch auf den Kaiser", von grofser Kraft die
Gestalt des „in Feindesland" entschlummerten Kürassiers 1895, ^^^ von einer fast gespensterhaften
Wirkung das grofse Bild, das die Düsseldorfer Kunsthalle erwarb, ,, Nachzügler bei siegreicher
Attaque".
In dem Jahre 1897 machte Rocholl den griechisch-türkischen Krieg mit, der ihm Gelegenheit zu
zahlreichen trefflichen Studien gab und die Anregung zu den Bildern ..Tscherkessenritt" und , .Schlacht
von Domokos"; 1900 — 1901 reiste Rocholl auf Einladung des Deutschen Kaisers mit nach China.
Wie alle Schlachtenmaler, ist Rocholl auch von Anfang an als Illustrator thätig. Aus einer
früheren Zeit stammen 20 Federzeichnungen ,,W^aldeinsamkeit", in denen sich noch eine zarte,
poetische Empfindung ausspricht, später erschienen die Illustrationen zu dem bei Bruckmann
erschienenen Werk , .Kaiser W^ilhelm und seine Zeit" ; als Erinnerung an den griechisch-türkischen
Krieg gab er sein Skizzenbuch desselben heraus, und zuletzt stellte er zahlreiche Zeichnungen zu
einem grofsen Werk über das deutsche Rofs aus.
THEODOR ROCHOLL
Nachzügler bei siegreicher Attaque
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Jünger als Rocholl ist Erich Matschafs, der ebenfalls ausgesprochener Kriegsmaler ist. Im
Jahre 1866 in Berlin geboren, besuchte er dort kurze Zeit die Akademie, bildete sich aber haupt-
sächlich als Autodidakt. Seit 1895 lebt er in Düsseldorf, wo er verschiedene gut aufgefafste und
namentlich auch in der landschaftlichen Stimmung werthvolle Bilder gemalt hat. So „Die Fahne
der 16 er", „Le Bourget", „Die 16er bei Beaune la Rolande", dann verschiedene kleinere, zuweilen
leicht humoristische Bilder.
Ebenfalls einen ziemlich wechselvollen Studiengang, der seiner Vielseitigkeit entspricht, machte
Albert Baur jr. durch. Als Sohn des Historienmalers 1868 in Düsseldorf geboren, besuchte er
nacheinander die Akademien von Düsseldorf, München und Karlsruhe, wo er Schüler von Peter
Janfsen, Wilhelm Diez und Hermann Baisch war, und ging dann nach Paris, wo er bei Lefebre
arbeitete. Schliefslich trat er noch einmal auf der Düsseldorfer Akademie in das Meisteratelier
des eben dorthin berufenen Claus Meyer ein und arbeitet nun seit 1898 selbständig.
Sein Stoffgebiet ist das des modernen Militär- und Sportmalers; er verschmäht es aber nicht,
auch historische Compositionen zu entwerfen und sich an derartigen Concurrenzen eifrig zu
betheiligen. Seine ersten Bilder stammen aus der Zeit der napoleonischen Kriege: ,, Rufsland 1812"
war das erste; es folgte ein sehr lebendiger und mit ebenso grofser künstlerischer, wie militärischer
Schneid ausgeführter ,,Seidlitz bei Rofsbach", sowie ein Blücherbild: , .Vorwärts nach Waterloo".
Reiterporträts und verschiedene kleinere Bilder militärischen und sportlichen Inhalts entstanden
zwischendurch, während m der letzten Zeit ein grofses Historienbild, das er im Auftrag des
Kunstvereins ausführt, den jungen Künstler beschäftigt. Zum Gegenstand hat es eine Scene aus
der älteren bergischen Geschichte: ,,Der Leiche des erschlagenen Bischofs Engelbert von Köln
wird vor den Thoren von Schlofs Burg der Einlafs verwehrt".
Es mögen auch hier wieder im Anschlufs an die Kriegsmaler die jüngeren Thiermaler
genannt werden, die sich allerdings hauptsächlich auf das Wild beschränken und die Pferdemalerei
den Soldatenmalern überlassen.
Noch Schüler von C. F. Deiker und in seinem Smne schaffend, lebte bis anfangs der 90er Jahre
F. Klingender, ein geborener Engländer, in Düsseldorf, der neben vielen kleinen und nicht immer
bedeutenden Bildern 1891 auch ein vortreffliches lebensgrofses Bild gemalt hatte: ,,Achtzehnender
Hirsch von Wölfen zer-
rissen", das mit Glück dem
grofsen Wurf der älteren
niederländischen Jagdbil-
der nachstrebte. Er sie-
delte später nach Cronberg
im Taunus über.
Ebenfalls Deikerschüler
ist Fritz Schürmann, der
sich meist auf kleinere
Bilder beschränkt und
gerne Scenen aus dem
Leben des Meister Rei-
necke und seiner Jagd
darstellt.
Bedeutender als diese
Beiden ist der 1854 in
Düsseldorf geborene
Henke, dessen Jagdbilder
sich durch feines Colorit.
vortreffliche Zeichnung
und namentlich durch eine
hervorragende Durchbil-
dung der Landschaft aus-
zeichnen. In letzter Zeit
sind noch Graf Brühl und
Appel mit guten Thier-
bildern in die Oeffentlich- albert baur JR.
keit getreten. Letzterer ist Seydiitz bei Rossbach
347
Schüler von Julius Bergmann (geboren 1861 zu Nordhausen, studirte am Städelschen Institut in
Frankfurt), der 1898 an die Akademie berufen wurde, um dort eine Thierklasse zu gründen, die
sich bereits eifrigen Zuspruchs erfreut. Bergmanns hervorragende Kuhbilder und grofse Land-
schaften von feinstem Stimmungsreiz dürften berufen sein, ein neues Element in die Düsseldorfer
Kunst zu bringen.
Mehr Landschaftsmaler als Thiermaler ist Heinrich Otto, der als Autodidakt sich auch eine
Sonderstellung bewahrt hat. Er liebt es, seine Landschaften mit Schafen oder Schweinen zu
Staffiren. Besonderen Werth haben seine feingetönten farbigen Lithographien.
* *
*
Die grofse Rolle, welche bei allen diesen die Landschaft naturgemäfs spielt, läfst an sie
zwanglos die eigentlichen Maler dieses Faches der jüngeren Generation anschliefsen. Fast alle
sind sie schon Schüler von Dücker oder von dessen ältestem Schüler und späteren Hülfslehrer
O. Jernberg, der auf die neueste Landschaftsmalerei in Düsseldorf von grofsem Einflufs war, wie
er auch lange ihr stärkster Vertreter war.
Was diese neueste Landschaftskunst charakterisirt, ist ein fast absoluter Naturalismus, der
meist auch auf subjective Tonwirkung, wie sie die Schotten und Holländer anstreben, verzichtet,
und die Wahl höchst einfacher Motive, entweder aus der nächsten Umgebung Düsseldorfs, die
sich durch das, was man sonst wohl landschaftliche Schönheit nennt, nicht gerade auszeichnet,
oder aus dem benachbarten Belgien und Holland. Es ist sonderbar genug, dafs in Düsseldorf einige
deutsche junge Künstler leben, die fast nur niederländische Motive malen. Der Gegensatz gegen
die romantische Malerei geht so weit, dafs man die schönen Motive etwa des Benrather Parkes,
oder auch des Hofgartens fast ängstlich vermeidet, und hier ist es wieder nur ein einziger junger
Figurenmaler, H. E. Pöble, der in ganz romantischer Weise und breiter decorativer Ausführung
Parklandschaften von gröfstem Stimmungsgehalt malt, ganz so, wie es früher Fritz Roeber gethan
hatte. Einige Marinemaler schliefsen sich ziemlich eng an die Auffassung A. Achenbachs an, dem
sie in der W^ahl ihrer meist stark coloristischen und dramatisch bewegten Motive näher kommen,
als ihrem Lehrer Dücker.
Eine Charakteristik der modernen Landschafter ist fast noch schwieriger, als die der älteren,
da das impressionistische und coloristische Element in ihren Bildern, die Vorliebe für gewisse,
kaum in Worten zu beschreibende Stimmungen, weit wichtiger ist, als die W^ahl des Motivs.
Verschiedene Künstler malen ganz harmlos dasselbe Motiv, und wenn die äufseren Verhältnisse
dieselben sind, so ist es schwer, die Urheber zu unterscheiden.
Einer der ältesten Dückerschüler ist Heinrich Petersen-Angeln, geboren 1850 in Angeln
(Schleswig). Er studirte zuerst, seit 1873, nachdem er den Feldzug mitgemacht hatte, in Berlin
und kam dann (1880 — 84) zur Akademie nach Düsseldorf, wo er sich eng an Dücker anschlofs.
Seine oft umfangreichen Bilder sind meist reicher componirt als die seines Lehrers, dabei aber
nicht so herb und streng in der consequenten Durchführung. Petersen liebt mehr die dämmernden,
nebeligen, auch in der Sonne milde wirkenden Momente, als die, selbst am Abend klaren Be-
leuchtungen, die Dücker so überzeugend darstellt. Das Meer mit seinen einsamen Dünen einerseits,
mit dem Getriebe kleiner Häfen anderseits, ist Petersens Hauptdomäne. Hier entwickelt er eine
aufserordentliche Beobachtungsgabe, die sich aber immer gerne an interessante, auch in der Farbe
reizvolle Motive anschliefst. Seine Dünenbilder malt er zuweilen in einer höchst feinen Sonnen-
beleuchtung und staffirt sie mit gut gezeichneten Figuren. Petersen macht seine Studien in
Belgien, Frankreich, Holland und Dänemark.
Ein jüngerer Namensvetter von Petersen-Angeln, Petersen-Flensburg, 1861 in Aarhus (Jütland)
geboren, nähert sich ihm in Bezug auf die Wahl der Motive mehr, als seine Altersgenossen. In
letzter Zeit hat er auch mit Glück italienische Seemotive gemalt.
Olaf Jernberg, geboren 1855 in Düsseldorf, ist der stärkste von allen aus der Dückerschule
hervorgegangenen Künstlern und einer der eigenartigsten Vertreter der Landschaftsmalerei in
Deutschland überhaupt. Mit gröfster Rücksichtslosigkeit in Auffassung, Behandlung und Colorit
geht er vor, um das vor der Natur Empfundene in seine meist umfangreichen Bilder förmlich
hineinzuzwingen. Er malt fast Alles, was er sieht, ohne je in Schablone zu verfallen: das Meer,
die Düne, die Haide, Wald und Wiesen. Eine Vorliebe scheint er für gewaltsame, stürmische,
gewitterschwere Lüfte, die zuweilen fast das ganze Bild ausmachen, zu hegen. Dann wieder
reizt ihn ein coloristisches Problem, ein ganz mit rothen Blumen bedecktes, oder ein nach dem
Regen schwarzbraun gegen die zerrissene Luft stehendes Feld. Auch den Schnee hat Jernberg
348
OLAF JERNBERG
In den Feldern
gemalt, und er ist einer der Wenigen,
der es wagte, die Schatten der Bäume
auf dem weifsen Schnee bei sonnigem
Himmel so blau zu malen, wie sie
sind, und dieses Wagnifs hat er 1900
in einem seiner hervorragendsten
Bilder, ,, Sonnige Landschaft", sogar
in den Sommer übertragen und ener-
gisch mit der Farblosigkeit und recept-
mäfsigen ,, Wärme" der Schatten ge-
brochen. In zahlreichen kleinen
Bildern begnügt er sich auch mit
weicheren Stimmungen, indem er
sehr richtig die räumliche Gröfse
seines Bildes nach dem dramatischen
Effect des Motivs einrichtet. Jernberg
war von 1882 — i8g8 Hülfslehrer in der
Akademischen Landschaftsklasse, und
sein Einflufs auf die Schüler jener
wichtigen Zeit war vielleicht stärker,
wenn auch nicht so nachhaltig, wie
der von Dücker. Jernberg war einer der energischen Führer der Secession, was bei der Schärfe,
mit der seine Kunst sich von der älteren trennt, ziemlich selbstverständlich ist. Seine Berufung
im Jahre 1901 an die Akademie in Königsberg war für die Düsseldorfer Kunst ein schwerer Verlust.
Eine weichere Natur, dafür aber vielseitiger als Jernberg, ist August Schlüter, geboren 1858
in Münster. Er war 1882 — 88 Schüler der Akademie, machte gröfsere Studienreisen in Deutschland,
der Schweiz und Italien, und malt mit vielem Erfolg Motive aus diesen Ländern. Besonders
als Aquarellmaler hat er sich ausgezeichnet, und seine zum Theil umfangreichen Blätter fehlen
kaum auf einer der Düsseldorfer Ausstellungen. In seiner Kunst ist noch ein Rest des alten
Suchens nach landschaftlicher Schönheit und dasselbe läfst sich von einigen anderen Malern
sagen, die, sei es nach den Motiven, sei es nach der Art der Behandlung, noch zuweilen ein
wenig an die ältere romantische Richtung erinnern.
Bei Fritz von Wille, geboren 1860 in W^eimar, könnte man diese Neigung vielleicht auf das
Erbe seines Vaters August von Wille zurückführen, wenn er auch in der Energie der Farbe und
des Vortrages hinter keinem der Naturalisten zurücksteht. Aber seine Vorliebe für alte Burgen,
für weite Ausblicke und schöngeformte Baumgruppen, die sich zuweilen geltend macht, scheidet
ihn doch von der Gruppe, die sich um Jernberg geschaart hatte. Sein Studiengebiet sind der
Rhein, und zwar der Ober- und Mittelrhein, nicht der , .poesielose" Niederrhein; Hessen, der Harz,
die von Lessing einst bevorzugte Eifel und auch zuweilen Italien. Uebrigens ist Wille einer der
wenigen jungen Landschaftsmaler, die nicht bei Dücker studirt haben, da er während seiner
Akademiezeit hatte Figurenmaler werden wollen.
Auch Macco erinnert, wenigstens nach der Wahl seines Studiengebietes, das er seit 1887
bevorzugt, an die Romantiker. Er versucht nämlich seit jener Zeit mit grofsem Glück die gewaltige
Natur der Schweizer Alpen in grofsen Bildern zu schildern, wobei er allerdings in Farbe und
Technik sich der modernen Auffassung anschliefst und auch bei der Wahl der Motive die Compo-
sition in der Landschaft, wie sie bei Schirmer und seinen Leuten unerläfslich war, vermeidet.
Macco ist 1863 in Aachen geboren und studirte von 1880 — 87 auf der Akademie. Zuerst malte er
Stimmungsbilder von der Rhön, bis er endgültig zu den Alpen überging. Ein kurzer Studien-
aufenthalt in München 1887 — 88 hat ihn kaum beeinflufst.
Arthur Wansleben vermittelt gewissermafsen den Uebergang zum Niederrhein, der eine ganze
Gruppe bis nach Holland hineinführt. In Krefeld 1861 geboren, schildert er mit Vorliebe die
melancholische Poesie abendlicher Stimmungen in den öden sumpfigen Brurhländereien seiner
engeren Heimath, oder verwandte Motive in W^estfalen, das er häufig bereiste. Der Stimmungs-
gehalt seiner Bilder ist noch ein bewufster, subjectiver und beabsichtigter, kein impressionistischer,
wie ihn die folgenden Künstler festzuhalten suchen.
Diese schliefsen sich entschieden mehr an Jernberg an, als an Dücker, besonders in der
Technik, die rücksichtsloser und lediglich auf die Wirkung hin in manchmal starkem Impasto in
349
I
interessanter Weise ver-
werthet wird. Hier steht
wohl Eugen Kampf, eben-
falls, wie so viele treff-
liche Düsseldorfer Maler
ein Aachener (geboren
1861), an der Spitze. Der
Umstand, dafs er über-
haupt nicht Schüler der
Düsseldorfer Malerei ist,
sondern seine ersten
Studien in Antwerpen
1878 — 80 und in Brüssel
1883 — 84 machte, erklärt
sowohl die Wahl seiner
Motive, die ihn fast aus-
schliefslich immer wieder
nach Belgien führt, als
auch die Eigenart seiner
Technik und seines
Colorits, das die Ver-
wandtschaft mit der bel-
gischen Malerei nicht ver-
leugnen kann.
Kampf ist tiefer, satter
und energischer in der
Farbe, als die meisten
anderen Düsseldorfer, er
malt eben die starken
Farben, wie sie die eigen-
artigen klimatischen und
Boden -Verhältnisse in
Belgien entstehen lassen,
mit vollstem Verständnifs
und überzeugender Treue.
So sind auch seine Stim-
Ist Kampf der Colorist, so sucht Liesegang den Reiz seiner Bilder in feinen grauen, nebel-
haften Stimmungen der Uebergangszeiten im Jahre und im Tage. Herbst, Vorfrühling, dämmernder
Morgen und Abend sind die Zeiten, in denen er die Natur beobachtet, und selbst, wenn er den
sonnigen Tag etwa im Herbst malt, geschieht er nie mit der fast dramatischen Wucht, wie bei
Jernberg, oder der reichen Farbe, wie bei E. Kampf, sondern immer in einem zurückhaltenden,
bleichenden Licht, wie es ein farbloser Himmel niedersendet.
In dieser Vorliebe für helle, discrete Farbe ist ihm W^endling verwandt, der nur eine gröfsere
Vielseitigkeit zeigt. Er ist 1862 in Büddenstedt, Herzogthum Braunschweig, geboren und war seit
1880 Schüler der Akademie. Die Vorliebe, die alle die Vorgenannten für das Wasser mit seinem
landschaftlichen Reiz in Form, Farbe und Stimmung haben, führt bei ihm zu wirklichen See-
bildern, die er eine Zeitlang so sehr bevorzugte, dafs man ihn damals zu den Marinemalern hätte
zählen können. Vielfache Reisen nach Belgien, Holland, Frankreich, Italien und Nordamerika
erweiterten seinen Gesichtskreis und gaben ihm auch in seinen Arbeiten einen gröfseren Reichthum
von Motiven. So entstanden Bilder aus der alten Seestadt Dordrecht, aus Hamburg; Winter-
landschaften aus Deutschland und auch einige treffliche, namentlich in der Farbe interessante
genrehafte Bilder im Interieur, so ,,In der Kirche" in der Kunsthalle in Düsseldorf, 1898, „Bot-
schaft von hoher See", 1897, und Anderes.
Noch vielseitiger ist Heinrich Hermanns (geboren in Düsseldorf 1862, auf der Akademie
von 1883 — 92) und vielleicht unter den jungen Düsseldorfer Landschaftsmalern der begabteste. Er
begann mit holländischen Motiven, die er anfangs, ähnlich wie der ehemals ebenfalls in Düsseldorf
lebende Hans Hermanns, der später nach Berlin übersiedelte, reich mit Figuren staffirte und in
GUSTAV WENDLING
In der Kirche
mungen fast immer farbig
und nicht grau gedacht,
und selbst in seinen zahl-
reichen trefflichen Aqua-
rellen findet sich der tiefe,
volle Ton seiner meist
sommerlichen, abend-
lichen oder regenschweren
Bilder mit den rothen flan-
drischen Ziegeldächern
und den eigenthümlich
silhouettirten Bäumen,
welche die einzelnen Höfe
umgeben. Auch Erich
Nikutowsky, der als einer
der jüngsten der Düssel-
dorfer Landschaftsmaler
seit einigen Jahren erst
ausstellt, sucht die eigen-
thümlich melancholischen
Stimmungen seiner Eifel-
dörfer und Gebirgsthäler
naturgemäfs in einer tiefen,
zuweilen fast schwärz-
lichen Färbung.
Kampf am nächsten
steht Hellmuth Liesegang,
geboren 1858 in Duisburg,
der nach seiner Studien-
zeit allerdings durchaus
Düsseldorfer ist, da er die
Akademie von 1877 — 1886
besuchte, seine Stoffe aber
ebenfalls fast ausschliefs-
lich aus Holland oder vom
Niederrhein entnimmt.
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denen er mit Vorliebe das Strandleben grofser holländischer Städte, besonders von Amsterdam,
schilderte. Hier erlangten die Figuren eine so grofse Bedeutung, dafs man zuweilen von Genre-
bildern im modernen Sinne hätte reden können. Das Leben und Treiben auf den Grachten,
den Fisch- und Blumenmärkten des nordischen Venedig fand in Hermanns einen so eingehenden
Schilderer, wie kaum in Holland selbst. Eine längere Studienreise nach Italien machte den
Künstler mit den landschaftlichen und architektonischen Schönheiten des Südens bekannt, und
nun entstand eine Anzahl höchst geistreicher Bilder, in der Mehrzahl Aquarelle, aus italienischen,
neapolitanischen oder sicilianischen Küstenstädtchen, dann aber Kircheninterieurs, in denen dieser
einstmals mit so grofser Vorliebe gepflegte, dann aber fast für Jahrhunderte in den Hintergrund
getretene Kunstzweig in ganz moderner Weise zu gröfster künstlerischer, namentlich coloristischer
Wirkung gebracht wurde. Hermanns verzichtet bei seinen Innenarchitekturen auf die genaue
fachmännische Wiedergabe des Architektonischen. Was ihn in den alten italienischen, aber
zuweilen auch niederrheinischen und niederländischen Kirchen reizt, ist das geheimnifsvolle
Halbdunkel, in dem der matte Schein der Mosaike, die Lampen und Lichter, wie farbige Edel-
steine hervorschimmern. Angeregt wurde Hermanns zu diesen von ihm in eigenartigster Weise
behandelten Stoffen vielleicht durch die vortrefflichen Aquarelle dieser Art, die von Zeit zu Zeit,
gewissermafsen nur zur Erholung, der Architekt Adolph Schill, Lehrer der Ornamentik-Klasse
an der Akademie, nach Reisestudien zu malen pflegt.
Da eine Besprechung der Architektur in dem Rahmen dieses Werkes nicht beabsichtigt ist,
möge dem verdienten Schöpfer der Düsseldorfer Brücke und verschiedener Privatgebäude, dem
unermüdlichen Berather der Düsseldorfer Monumentalmaler, wenigstens als Maler seiner geist-
reichen und coloristisch bedeutenden Architekturaquarelle hier die ihm gebührende Stelle unter
den Düsseldorfer Malern gewahrt sein. Wenn er auch nach seiner sonstigen Thätigkeit und nach
der Zeit seines Studienganges nicht gerade hier am Platze erscheint, so haben doch seine
Aquarelle entschieden anregend auf die neuerliche Ausübung dieser Kunst in Düsseldorf gewirkt,
zumal alle Akademieschüler längere Zeit in seiner Klasse gearbeitet haben.
Adolph Schill ist 1848 in Stuttgart geboren, studirte dort an der Hochschule und bildete
sich in Wien und auf Reisen in Italien u. s. w. in seinem Fach der Architektur und architekto-
nischen Decoration weiter. Seit 1880 wirkt er als Lehrer für Decoration und Ornamentik an der
Akademie. Er baute verschiedene palastartige Gebäude und die Düsseldorfer Rheinbrücke. Bei
der Ausstellung 1902 hat er die architektonische Gesammtleitung übernommen. In seinen
Aquarellen bevorzugt er die malerische Innenarchitektur Italiens, insbesondere Venedigs, dessen
Dom ihn immer wieder zu neuen feingestimmten Blättern anregt.
Von den Holland- und Niederrheinmalem bis zu eigentlichen Seemalern ist der Abstand kein
grofser. Dafs A. Achenbach hier mit den Jüngsten selbst heute noch rivalisirt, wurde schon gesagt.
Ohne ihn und das dramatische, um nicht wieder zu sagen romantische Element, das er in die
Marinemalerei hineingetragen hat, wäre auch die modernste Ausgestaltung desselben in Düsseldorf
nicht denkbar.
An der Spitze steht hier entschieden, sowohl, was Kraft der Farbe, als auch was positive
Kenntnifs des See- und Schiffswesens, und ohne diese ist in unserm realistischen Zeitalter auch
eine solche Kunst nicht mehr denkbar, anbelangt, Carl Becker.
Er ist 1862 in Hameln geboren, bezog 1885 die Akademie in Düsseldorf, nachdem er zuerst
in Hamburg unter H. Leitner studirt hatte, und ist seit 1885 dauernd hier ansässig. Er, wie der
ihm künstlerisch nah verwandte Erwin Günther (geboren in Hamburg 1864) haben in die Marine-
malerei dieselbe Kraft und Energie der Farbe gebracht, wie ihr Lehrer Jernberg, der übrigens im
Anfang auch wenigstens Strandbilder gemalt hat, in die Landschaft. Sie stellen das Meer seltener
in der Ruhe dar, wie es Dücker mit Vorliebe thut, sondern lieber in heftiger Bewegung, nicht
vom Strande aus, sondern von dem Standpunkt eines auf hoher See befindlichen Beschauers.
Becker insbesondere liebt dabei stark beleuchtete Wolkenbildungen, Sonnenuntergänge und farbige
Abendstimmungen, die er mit einer breiten und kühnen Technik überzeugend und in gröfster
Wahrheit darstellt. Er malte u. A. grofse decorative Wandgemälde im deutschen Schifffahrt-
pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1900.
Erwin Günther ist in seinen Motiven vielseitiger. Während Becker meist an der Nordsee
bleibt, malte er gelegentlich nach Studien, die er auf seinen vielen Reisen gemacht hat, auch
Motive aus England, aus dem Atlantischen und Stillen Ocean, wobei er die berühmte blaue
Farbe der südlichen Meere, die dem grofsen Eduard Hildebrandt einst den billigen Spott der
Berliner eingetragen hatte, nicht scheut, sondern sie mit gröfster Kraft und Wahrheit anwendet.
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Einep Gegensatz zu diesen Beiden bildet Heinrich Heimes, der in seinen gut beobachteten
Marinen und Strandbildern die See am liebsten in der Ruhe oder nur geringer Bewegung zeigt
und dabei ruhige gedämpfte, wenn auch helle Stimmungen liebt. Auch er findet den Reiz des
Meeres, ähnlich wie Dücker, in dem weiten, nur selten durch ein Segel unterbrochenen Horizont
und der breiten aufsteigenden Wasserfläche, die er in zarten und gebrochenen Tönen malt. Seine
Motive entnimmt er meist der holländischen Nordseeküste. Heimes ist in Mayen in der Eifel 1855
geboren, war von 1881 — 1885 an der Akademie in Düsseldorf, von 1885 — 1891 dagegen in Karlsruhe
bei G. Schönleber, von dem ihm wohl die Vorliebe für helle graue Töne überkommen ist. Seit
1891 lebt er mit Unterbrechungen, die durch längere Studienaufenthalte in Holland verursacht sind,
in Düsseldorf.
Auch Andreas Dirks, geboren 1866 auf der Insel Sylt und Schüler der Akademien in Weimar
und Düsseldorf, hier seit 1893, ist seit einigen Jahren mit aufserordentlich kräftig empfundenen
Marinen, meist aus seiner Heimat, aufgetreten.
Der jüngste dieser Seemaler ist Cornelius Wagner, geboren 1870 in Dresden, seit 1887 auf
der Akademie, der mit verschiedenen flott gemalten Seestücken aus Schottland und Italien an die
Oeffentlichkeit getreten ist. Im Auftrag des Staates malte er 1901 ,,Die Landung des grofsen
Kurfürsten in Rügen im Jahre 1678" für das Ständehaus der Provinz Pommern in Stettin.
Die Figurenmalerei grofsen Stils, die man früher mit dem Sammelnamen Historie bezeichnete,
beruht in ihren jungen Vertretern also hauptsächlich auf den Schülern Peter Janfsens. Bei einer
Vergleichung dieser Schule mit den beiden anderen berühmtesten Schulen neuerer deutscher
Malerei, der von Schadow und der von Piloty in München, wird man constatiren können, dafs
die jüngste, entsprechend den individualistischen Bestrebungen neuerer Zeit, den geringsten Einflufs
auf die Richtung des Schülers ausgeübt und sich darauf beschränkt hat, ihn selbst seinen Weg
suchen und finden zu lassen, statt ihm einen bestimmten und zwar den des Meisters anzuweisen.
Bei Schadows Schülern und Anhängern sind sogar die Motive gemeinsam, Technik und
Auffassung bei den Einzelnen kaum zu unterscheiden. Bekannt sind auch die berühmten
„Unglücksfälle in Wasserstiefeln", von denen jeder Pilotyschüler mindestens einen einmal gemalt
haben mufste, wenn sich auch nicht leugnen läfst, dafs die bedeutenden Pilotyschüler später sich
nach den verschiedensten Richtungen selbständig entwickelt haben. Bei den Meisterschülern
Peter Janfsens fällt auch die beeinflufste Schülerarbeit fort, und schon in den Zeichen- und Mal-
klassen kann und soll sich ein Jeder nach seiner Weise ausleben, sich seine Technik, seine Auf-
fassung selbst erarbeiten, vom Lehrer eigentlich nur auf das positiv Fehlerhafte hier oder dort auf-
merksam gemacht, keineswegs aber nach irgend einer Seite gedrängt oder von ihr ferngehalten
werden.
So könnte man das W^esen der Janfsenschen Schulung mehr eine Erziehung nennen, als
einen Unterricht. Es wird der Schüler nicht geführt oder geleitet, sondern es wird ihm bei-
gebracht, wie er selbständig zu gehen und zu stehen hat; er wird nicht unterrichtet, aber belehrt,
es wird ihm klar gemacht, dafs er selbst zu studiren, zu lernen hat. Es wird ihm die Natur
nicht gezeigt, sondern er wird dazu angehalten, sie selbst zu suchen, zu finden und zu sehen; es
wird ihm nicht mit Rath und That zur Seite gestanden, von deren ersterem schon Feuerbach
richtig sagt, ,,giebt dir Jemand einen guten Rath, so thue das Gegentheil", und deren letztere
vielfach darin besteht, dafs der Lehrer des Schülers Bild malt, sondern er mufs selber sehen,
wie er mit sich, der Natur und der Kunst fertig wird.
So findet sich innerhalb der Janfsenschule, die, von der Aufnahme ihres ältesten Zöglings
an gerechnet, nunmehr das zweite Jahrzehnt ihres Bestehens vollendet hat, eine so bunte Viel-
seitigkeit, dafs kein Ununterrichteter bei den einzelnen dieser jungen Künstler denselben Lehrer
vermuthen möchte. So ist es also nicht nur die Historie mit oder ohne Costüm, die von den
Janfsenschülern gemalt wird, sondern ebensogut, zuweilen sogar von demselben Künstler bearbeitet,
das ganz realistische moderne Genre, nicht nur das Porträt, sei es nach der scharf charakteri-
sirenden, sei es nach der coloristisch eleganten Seite aufgefafst, sondern auch eine phantastische,
halb idyllisch -romantische, halb allegorische Figurenmalerei, und sicher dürften nie innerhalb
einer und derselben Klasse schon solche Gegensätze entstanden sein, wie sie etwa die Schnaps-
brüder von Gerhard Janssen und die antiken Schönen von A. Frenz, oder die rücksichtslos breit
hingesetzten Herrenbildnisse von Keller und die zarten, in Pastell duftig angelegten Damenköpfe
354
von W. Petersen bieten. Es liegt auf der Hand, dafs gerade in dieser natürlichen, auf dem
verständnifsvoUen Gewährenlassen der einzelnen Individualitäten beruhenden Vielseitigkeit die
Stärke und die Lebensfähigkeit der Schule liegt. Eine Lebensfähigkeit, die sich unter Anderem
schon darin ausweist, dafs verschiedene der Janfsenschüler selbst wieder als Lehrer ganz in
demselben Sinne thätig sind, ohne dafs von einer künstlerischen Inzucht, oder einem durch sie
bedingten Atavismus die Rede sein kann. Die meisten dieser schon wieder als Lehrer thätigen
Janfsenschüler sind allerdings, gerade wie es bei zahlreichen tüchtigen Sohnschülern der Fall
war, der Düsseldorfer Kunst bald verloren gegangen; Ed. Kämpffer wirkt als Director der Kunst-
schule in Breslau, nachdem er schon i8go Düsseldorf verlassen hatte, A. Kampf, einer der Erfolg-
reichsten, folgte i8g8 einem Ruf als Leiter eines Meisterateliers nach Berlin, und nur Spatz wirkt
als Lehrer an der Akademie, die ihn ausgebildet hat.
Eduard Kämpffer, geboren 1859 in Münster in Westfalen, war der erste sogenannte Meister-
schüler P. Janfsens. Er kam 1875 zur Akademie in Düsseldorf, studirte die Maltechnik 1880 81
in München und trat dann wieder bei Peter Janfsen ein. Sein bedeutendes Talent kam nicht so
schnell zur Entwicklung, als seine Vorarbeiten hatten erwarten lassen. Die häufigen Umwälzungen,
welche gerade damals in der Malerei sich bemerklich machten, der Einflufs der Franzosen mit
ihren Freilicht- und Impressionsproblemen machten sich nach allen Seiten hin und auch bei
dem jungen Kämpffer geltend, und brachten ihn in Widerstreit mit den in München gelernten
coloristischen Principien. Seine aufserordentliche Vielseitigkeit erschwerte ihm die ruhige Wahl
EDUARD KÄMPFFER
Nach dem Bacchanal
eines Bildmotivs, und so erschienen, Anfang der 80er Jahre, statt des erwarteten grofsen Historien-
bildes neben den vorzüglichen Illustrationen zu Scheffels Eckehardt, als erste Arbeit ein mit
dem gröfsten technischen Geschick gemaltes, vortrefflich aufgefafstes Löwenbild, dem nun bald
hintereinander ein Altarbild für die evangelische Kirche in Neuenahr, Porträts, Landschaften, ein
Centaurenbild, mythologische, historische und monumentale Entwürfe folgten.
Sein monumentales Hauptwerk, die Ausmalung des Erfurter Rathhauses mit Motiven der
Tannhäuser- und Faustsagen, der Geschichte Luthers und des Grafen Gleichen, entstand gröfsten-
theils in München, nur von den Graf Gleichenbildern waren einige noch in Düsseldorf gemalt
worden. Trotzdem erweist sich gerade hier Kämpfer in der decorativen Behandlung der heterogenen
Stoffe als Schüler seines Lehrers, wie denn die Vorliebe für monumentale Malerei und die rein
technische Gewandtheit bei ihrer Ausführung eines der wenigen äufserlichen Dinge zu sein scheint,
die vom Meister auf seine Schüler übergehen und bis in die letzte Zeit hinein erfreuliche W^erke
dieser Art haben entstehen lassen. Vor seiner Uebersiedlung nach München malte Kämpffer das
reizvolle Bacchanal für ein Düsseldorfer Restaurant, in dem er wohl als Erster die in Düsseldorf
noch unbekannte Freilichtmalerei mit Glück bei einem gröfseren, fast monumentalen Bilde anwandte.
Fast demselben akademischen Jahrgang entstammt eine Reihe von jungen Malern, die heute
im Mittelpunkt der Düsseldorfer Kunst stehen, deren bedeutendster, A. Kampf, allerdings ihr seit
einigen Jahren entzogen ist. Er, obwohl der jüngste, hat in seltener Frühreife die ersten Erfolge
zu verzeichnen gehabt und auch so die Studiengenossen überholt.
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ARTHUR KAMPF
Rückzug aus Russland
Arthur Kampf ist der jüngere Bruder des trefflichen Landschaftsmalers Eugen Kampf und
im Jahre 1864, wie dieser, in Aachen geboren. 1879 kam er zur Akademie und sehr bald zu Peter
Janfsen, der das grofse Talent, die auf unablässige Naturbeobachtung gestützte Gestaltungskraft
des jungen Mannes zu würdigen verstand und ihm den immerhin noch recht langwierigen aka-
demischen Studiengang so sehr als möglich abkürzte. So war es möglich, dafs, ganz wie in alten
Zeiten, der kaum Zweiundzwanzigjährige sein erstes grofses Bild, ,,Die letzte Aussage", vollenden
konnte, ein Bild, das denn auch nicht verfehlte, nach allen Richtungen hin das gröfste Aufsehen
zu machen. In theilweise überlebensgrofsen Figuren, mit einem damals in Düsseldorf ganz un-
erhörten Realismus des Ausdrucks, sowie der Formen- und Farbensprache, stellte es die letzten
Augenblicke eines in irgend einer Rauferei schwer verletzten sterbenden Proletariers dar. Alles, was
das Düsseldorfer Genre, selbst bei seinen gelegentlichen ertrunkenen Fischern oder abgeführten Dorf-
dieben oder Begräbnissen an dramatischer Kraft aufzuweisen gehabt hatte, war hier durch die fast
brutale Schilderung krassester Wirklichkeit, die durch Nichts, aber auch gar Nichts gemildert,
durch die Grofse der Figuren fast bis zur Täuschung gesteigert wurde, in Schatten gestellt, und
so konnte nicht ausbleiben, dafs in die Bewunderung, die dem in der Composition, in der breiten,
unbewufst virtuosen Malweise sich aussprechenden eminenten Talent gezollt wurde, sich die
Stimmen Derer mischten, die nun den Verfall aller Kunst unaufhaltsam hereinbrechen sahen. Aber
Kampf hütete sich, den Tyrannen zu Übertyrannen. Er fühlte sehr wohl, dafs er auf diesem
Gebiete das Stärkste gegeben hatte, was vorläufig zu geben war, und indem er ruhig auf der
Akademie bheb, richtete er plötzlich die Kraft seiner Charakterschilderung und seines technischen
Könnens auf ein der Alhäglichkeit entrücktes historisches Gebiet. Er hatte die Concurrenz der
-3
357
Biel-Kalkhorstschen Stiftung zur Pflege monumentaler Frescomalerei in Privathäusern gewonnen
und malte nun für ein Haus in Düren seinen „Choral bei Leuthen", die ergreifende Scene, wie
nach der Schlacht die siegreichen Truppen des grofsen Friedrich das „Nun danket alle Gott"
anstimmen. Damit begab sich Kampf auf ein Gebiet, bei dem er in Adolf Menzel seinen gröfsten
Vorgänger, wenn nicht ein Vorbild hatte, und in einer ganzen Reihe von Bildern aus dieser Zeit und
von diesem Helden bewies er seinen Beruf als Historienmaler grofsen Stils auf der Basis seines
gesunden, zuweilen vielleicht sogar etwas prosaischen Realismus, dem die feine Ironie, deren Menzel
Meister ist, noch fehlt. Es entstanden in den folgenden Jahren: ,,Bon soir, messieurs", Friedrichs
des Grofsen bekanntes Abenteuer nach der Schlacht bei Leuthen im Schlosse von Lissa, „Friedrich
der Grofse und der schlafende Ziethen", dann auch einmal ein Bild von ,, Friedrichs des Grofsen
Vater, wie er mit Grumbkow seine Gardisten inspicirt", ,, Friedrichs des Grofsen Rede an seine
Generale vor der Schlacht bei Leuthen".
Zwischendurch entstand aus dem Eindruck,
den die Leichenfeier bei Kaiser Wilhelms
Tode in Berlin auf den jungen Künstler
gemacht hatte, das in seiner Einfachheit
ergreifende Bild: „In der Nacht vom 13.
zum 14. März 1888 im Dome zu Berlin",
das die aufgebahrte Leiche Wilhelms I. dar-
stellt und das Volk, das still an ihr vorbei-
zieht, um seinen alten Kaiser noch einmal
zu sehen. Schon Kampfs erster Biograph,
W. V. Oettingen, knüpft an die Erwähnung
des oben genannten Bildes ,,Rede Friedrichs
des Grofsen vor der Schlacht bei Leuthen"
die Bemerkung, dafs die malerische Dar-
stellung solcher entscheidender Ansprachen
für Kampf einen ganz besonderen Reiz
habe, und er verhehlt sich auch nicht das
eigentlich Unmalerische solcher gemalten
Reden. Was Kampf dabei reizte, war viel-
leicht, die Spannung darzustellen, die sich
nicht nur in den Gesichtern, sondern auch
in der ganzen Haltung der Zuhörer, die
dramatische Bewegung und die Explosions-
kraft, die sich beim Redner ausspricht, und
gerade diese Elemente sind in allen diesen
Bildern vortrefflich zur Geltung gekommen.
Unbewufst mag auch der Wunsch, der
der Vater aller Novellenmalerei in weitestem
Sinne des Wortes ist, mitgewirkt haben:
den Beschauer an der Wirkung des Bildes
auf ihn durch Erregung seiner Neugierde,
was da wohl gesagt wird, und damit seine
Phantasie mitarbeiten zu lassen.
Diese drei von 1890 — 92 entstandenen, zum Theil grofsen Bilder waren „Die Einsegnung
von Freiwilligen 1813", für die Verbindung für historische Kunst ausgeführt, dann „Die Rede des
Professor Steffens zu Gunsten der Volkserhebung in Breslau 1813". Diese Bilder führten Kampf
auch zum ersten-, aber nicht zum letztenmal in die Zeit der Freiheitskriege. Das vortreffliche
Bild „Rede Friedrichs des Grofsen an seine Generale in Koben 1759 nach der unglücklichen
Schlacht bei Kunersdorf" fällt in dieselbe Zeit. ,, Volksopfer" führt wieder in das Jahr 1813, wie
auch das mächtige ,,Der Herr hat sie geschlagen" (1896), einen Trupp französischer Flüchtlinge dar-
stellend. Neben diesen und verschiedenen kleinen historischen Bildern, so dem grausigen „Kosacken-
opfer", hat aber Kampf noch eine grofse Zahl kleinerer und gröfserer Genrebilder, meist ernsten
Inhalts gemalt. Das Leben im Cafehaus, auf der Strafse schildert er, aber nie ganz ohne eine
mehr oder weniger scharfe Pointe; auch das Gebiet des Symbolismus hat er betreten mit dem
zwar wirkungsvollen, aber nicht ganz unabsichtlichen ,,Kufs des Todes", eine sterbende Arbeiterfrau
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ARTHUR KAMPF
Vor dem Gnadenbilde in Kevelaer
358
darstellend. „Der Sündenfall" in seiner Mischung von Phantastik und Realismus rief einigen
\Viderspruch hervor, während seine ,,W^allfahrt nach Kevelaer" wieder ein Meisterwerk physio-
logischer Beobachtung ist. Zahlreiche höchst lebensvolle Porträts, porträtartige Einzelfiguren, so
der vortreffliche „Schützenkönig", Aquarelle, Gouachen, Radirungen und Steinzeichnungen entstanden
in den kaum 15 Jahren von Kampfs künstlerischer Thätigkeit, die ihn jetzt schon ein W^erk von
seltenem Reichthum nach allen Richtungen hin schaffen liefs. In letzter Zeit, noch von Berlin
aus war Kampf mit \Vandgemälden im Sitzungssaale des Kreishauses zu Burtscheid-Aachen
beschäftigt, die er im Auftrag des Kunstvereins malte.
HERMANN EMIL POHLE
Damenbildnis
Seit 1891 war Kampf aufserdem als Lehrer an der Akademie thätig, und seine Berufung nach
Berlin war ein ebenso schwerer Verlust für die Anstalt, an der er, kaum selbst dem Unterricht
entwachsen, schon eine bemerkenswerthe Lehrthätigkeit ausübte, wie für die Düsseldorfer Kunst,
die in ihm ihre stärkste junge Kraft zu schätzen hatte. Was Kampf vor Allem auszeichnet, ist
das unbeirrte Zielbewufstsein in seinem künstlerischen Wesen, das sich nicht nur in der ge-
schlossenen und sicheren Haltung jedes einzelnen Bildes ausspricht, sondern auch in der Schnellig-
keit und Solidität, mit der er ein grofses Werk nach dem anderen vollendete, und dieses Ziel-
bewufstsein erscheint durch seine eminente Vielseitigkeit, die ihn gelegentlich sogar zur Plastik
geführt hat, keineswegs getrübt, sondern im Gegentheil nur in desto hellerem Licht.
360
Als eine ähnliche Natur wie Kampf, auch in Bezug auf das, was man mit Recht oder
Unrecht Glück zu nennen pflegt, und das nach der Behauptung sachverständiger Zunftgenossen
nun einmal unentbehrlich sein soll, stellt sich Klein-Chevalier dar. Wenig älter als Kampf, er
ist 1862 in Düsseldorf geboren, war sein Lehrgang derselbe wie bei Jenem, wie übrigens bei den
meisten Janfsenschülern, die keine Veranlassung hatten, das Gute in der Ferne zu suchen. Schon
früh schuf sich Klein energisch ein eigenes Kunstgebiet, eine decorativ- monumentale Figuren-
malerei, die er in zwei grofsen Bildern ,, Krieg und Frieden" in einem Düsseldorfer Gasthaus,
später in einem Theatervorhang für Essen und in den vortrefflichen Deckengemälden der Kuppel
der Gewerbeausstellung in Berlin, sowie in zahlreichen kleineren Arbeiten, zum Theil für Privat-
gebäude, bethätigte.
Bald brachte ihm aber eine gewonnene Concurrenz den Auftrag zu einem ganz modernen
Historienbild, das er mit der ganzen Frische und Lebendigkeit, die seine Bilder auszeichnen,
ausiührte. Es war ,,Die Einweihung des Niederwald-Denkmals in Gegenwart Kaiser Wilhelms L"
für den Rathhaussaal in München-Gladbach.
Eine zweite ähnliche Aufgabe war die Bemalung einer Wand in dem schon mehrfach
erwähnten Rathhaussaal in Düsseldorf. Hier begab sich Klein auf das Gebiet der Costümhistorie
und stellte in nicht absolut historisch treuer, dafür malerisch desto reizvollerer Weise eine
,, kunstgeschichtliche" Scene aus dem Leben des populären Gründers der Düsseldorfer Kunstblüthe,
Johann Wilhelms, dar, wie er nämlich die Baupläne zu dem grofsen Schlofsproject an Ort und
Stelle prüft. Im Auftrag des Ministeriums schmückte dann Klein den Sitzungssaal des Bergamtes
in Halle a. S. mit allegorischen Darstellungen über den Bergbau und malte darauf infolge einer
Concurrenz ,,Die Wiedereinbringung des Kurfürsten Wilhelm in Cassel nach dessen Vertreibung
durch Jeröme". Ein längerer Studienaufenthalt
in Rom regte den Künstler zu dem coloristisch
höchst interessanten Bilde ,,Tod der Agrippina"
an, die auf Veranlassung ihres Sohnes in einer
angebohrten Galeere ertränkt wurde. Das decorativ
wirksam aufgebaute Bild zeigt den Moment, wo
die Leiche an dem Sohn vorübergetragen wird.
Modernes Leben und moderne Menschen hat
Klein in vielen genrehaften Bildern und Porträts
mit grofser Lebendigkeit und feinster Beobachtung
geschildert, so vor Allem in dem ,, Spielsaal zu
Ostende", das sich von ähnlichen Bildern wohl-
thuend durch die Vermeidung aller theatralischen
Effecte unterscheidet. In das Gebiet der mo-
dernen Historie fällt wieder ,,Der Besuch Kaiser
Wilhelms II. im Stadtverordnetencollegium zu
Essen", den er für das Rathhaus dieser Stadt malte.
Klein hat Düsseldorf verlassen und ist nach Berlin
übergesiedelt.
Auch Hugo Zieger, geboren 1864 in Coblenz,
zeigt eine ähnliche Vereinigung realistischer oder
genrehafter Motive mit monumentalen Neigungen
in seiner Kunst. Er kam 1884 zur Akademie und
konnte schon 1893 mit einem Frescobilde für ein
Privathaus sein Meisterstück machen. Im Jahre
1895 folgten gröfsere Darstellungen aus dem Kohlen-
bergbau unter Tag für das Syndikat in Essen an
der Ruhr, und in der Folge entstanden zahlreiche
Porträts, Landschaften und Genrebilder, die sich
durch lebendige Farbe und frische natürliche Auf-
fassung auszeichnen.
Als Dritter der eigentlichen Historienmaler
ist Hermann Emil Pohle zu nennen, der 1863 als
ALEXANDER FRENZ Sohn des Landschaftsmalers Hermann Pohle eben-
Der Ruhm falls in Düsseldorf geboren wurde. Auch er ver-
362
bindet mit dem Verständnifs für strenge Geschichtsmalerei, die er in seinem vortrefflichen 1895
vollendeten „Friedrich der Grofse nach der Schlacht von Zorndorf", später von der Vereinigung für
historische Kunst angekauft, vertritt, eine starke Begabung zu decorativer Kunst. In diesem Genre,
das er im Anschlufs an die Venetianer, namentlich an den in der wissenschaftlichen Kunstgeschichte
ALEXANDER FRENZ
Der Frühling küsst die Erde
immer noch ziemlich unbeliebten genialen Tiepolo pflegt, malte er verschiedene Deckengemälde für
ein Hotel, wie für Privathäuser in Düsseldorf und Aachen. Der 1890 vollendete „durchgehende
Viererzug", ein zwar kleines, aber von wildestem Leben erfülltes Bild, documentirt seine Begabung
für die Pferdemalerei, die er in verschiedenen Militär- und Sportbildern mit grofsem Glück ausübt.
363
WILLY SPATZ
Kommt her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid
Eine ganz originelle Seite Pohles ist seine Vorliebe für romantische Landschaften, bei denen er
allen naturalistischen Wirkungen absichtlich aus dem Wege geht, dafür mit gröfster Energie und
höchstem coloristischen Feinsinn starke decorative Effecte aufsucht. Belebt werden diese Land-
schaften mit ihren gewitterhaften W^olkenbildungen, mit ihren schwarzen Cypressenhainen und
phantastischen Architekturen, durch ebenso phantastische Centauren und Faune oder durch nicht
minder märchenhafte Rococodamen, die in diesen Traumlandschaften ihr idyllisches Wesen treiben.
Die Vorliebe für die eleganten Schönen vergangener Zeiten beeinträchtigt aber keineswegs
Pohles hervorragende Begabung für das moderne Damenporträt. Einige seiner Damenbildnisse,
die er merkwürdigerweise verhältnifsmäfsig selten malt, gehören zu dem Besten, was auf diesem
Gebiete bisher geleistet worden ist.
Noch stärker als bei Fohle, ist das phantastische Element bei Alexander Frenz (geboren 1861
in Rheydt) entwickelt, bei dem es sogar den Grundzug seines Schaffens bildet. In ihm ist der
Realismus, wie ihn etwa sein Schwager A. Kampf zeigt, überhaupt niemals mächtig geworden,
und Frenz erscheint damit als einer der frühesten Anhänger jener Kunst, die in Franz Stuck in
München ihren berühmtesten Vertreter gefunden hat. Auch Frenz greift wieder ganz entschieden
auf die Antike zurück, allerdings nicht in der Weise der Klassicisten, auch nicht in der archäo-
logischen Manier Tademas, sondern mdem er die Gestalten der antiken Mythologie nach ihrem
poetischen Gehalt in ganz moderner coloristischer Weise behandelt, wie es etwa Peter Janfsen
in der Erziehung des Bacchus gethan hatte. So war sein erstes grofses Bild, ,,Das goldene Zeit-
alter", in Composition und Farbe von üppigstem Leben erfüllt und in jeder Beziehung ein directer
Gegensatz zu Allem, was man klassicistisch oder akademisch zu nennen pflegt. In verschiedenen
folgenden Bildern in Oel, Pastell oder Gouache verstärkte sich das coloristische Element, trotzdem
Zeichnung und Composition immer mehr auf die klassischen Vorbilder antiker Werke hinwiesen,
die Frenz auf einer längeren Studienreise in Italien, in Rom und Neapel zu studiren Gelegenheit
hatte. So entstanden zu verschiedenen Zeiten „Das Sirenenlied", ,,Der Jüngling am Scheidewege",
„Die Nacht", „Geburt der Venus", ,, Krönung des Siegers". Auch von der Poesie der W^agnerschen
Tondramen wurde Frenz beeinflufst, indem er in verschiedenen decorativen Wandgemälden den
Parzifal behandelte, wie er in der Folge auch eine Reihe hervorragender, zuweilen durchaus
symbolischer Illustrationen zu dem Chamberlainschen Werke über Richard Wagner entwarf.
3^4
Andere Wandbilder malte er für Privathäuser in Elberfeld und Essen, für Elberfeld auch im
dortigen Theater. Eine unerschöpfliche Phantasie bewies Frenz in seinen zahlreichen Radirungen,
grofsen Steinzeichnungen, Aquarellen, Diplomen und allen diesen halbillustrativen Arbeiten, wie
sie die moderne Kunst, das gesteigerte Bedürfnifs nach zeichnerischem und malerischem Schmuck
fordert. Für den Schwurgerichtssaal in Essen malt Frenz im Auftrag des Ministeriums grofse
allegorische Wandgemälde, wie denn seine Entwürfe bei keiner Concurrenz fehlen und stets in
erster Linie in Betracht kommen.
Der Künstler lebt seit 187g in Düsseldorf, besuchte die Akademie and ging dann ein Jahr
nach München, ohne hier in seiner Kunst beeinflufst zu werden.
WALTER PETERSEN
Bildnis zweier Damen
Eine ganz eigenthümliche Ausbildung fand die phantastische Richtung, die man als eine
Art Düsseldorfer Neuromantik bezeichnen könnte, bei Willy Spatz, der, 1861 geboren, von 1879
bis 1891 die Akademie besuchte, dann aber ein Jahr in München Schüler von Carl Marr war.
Er ist der Einzige, auf den der Münchener Aufenthalt einen wirklichen Einflufs ausgeübt hat,
sowohl nach der coloristischen, als nach der inhaltlichen Seite seiner Kunst, in der er ganz nach
Münchener Manier religiöse Motive in einer durchaus modernen, genrehaften W^eise behandelt.
Diese seine Auffassung ist ebenso verschieden von der der Nazarener, als von der Gebhardts, und
so bilden die religiösen Bilder von Spatz gewissermafsen die letzte Consequenz dieser Malerei in
Düsseldorf. Es ist in ihr ein starkes lyrisches Moment, das sich schon in der Wahl der Motive
ausspricht. Die ersten dieser Bilder betonen es ganz besonders auch in der eigenartigen, durchaus
365
unrealistischen, nur auf Stimmung ausgehenden Farbe. So war die „Flucht der hl. Familie" 1893
ganz in einen grünlichen Mondscheindämmer gehüllt, „Der Gang der Hirten" strebte dagegen eine
heitere FreiUchtbeleuchtung an. Von starker psychologischer Wirkung war „Kommet her zu mir,
Alle" 1895 und ,,Ich bin bei Euch alle Tage" i8g6. Ein neues Moment in seiner Kunst, das des
Verhältnisses zwischen Mutter und Kind, allerdings nicht mehr in dem religiösen Sinne der
Madonna, sondern ganz realistisch, zeigen die verschiedenen Bilder die seit 1896 entstanden: wie
„In treuer Hut", „Sorgen" u. s. w.
Mit ,, Tristan und Isolde" illustrirte der auch musikalisch hochbegabte Künstler das Hohelied
seines Lieblingscomponisten. Seit dem Jahre 1898 ist Spatz infolge einer Concurrenz mit der
Ausmalung der Kapelle auf Schlofs Burg an der Wupper beschäftigt, welche von der Regierung
in Auftrag gegeben wurde. Hier stellt er in drei Wandgemälden die ., Macht des Christenthums
über der Menschen Geist" dar. Das erste Bild zeigt den Apostel des bergischen Landes, den
heil. Suitbertus, predigend, das zweite, in Form eines Triptychon, illustrirt das biblische Wort
„Ich will sie Alle zu mir ziehen", und das dritte enthält „Das Rosengärtlein des himmlischen
Paradieses".
Zwischendurch entstanden noch die Bilder ,,Die klugen und thörichten Jungfrauen", „Ver-
klingende Accorde" 1900 und ,,Die da warten am Wege".
Spatz ist seit 1897 als Professor an der Akademie angestellt.
Es wurde schon gesagt, dafs alle diese jungen Figurenmaler auch gelegentlich gute, und,
wie Pohle, recht hervorragende Porträts zu malen pflegen ; das hinderte aber nicht, dafs zwei
Künstler sich fast ausschliefslich diesem Kunstzweig widmeten, nicht als ob Mangel an Gestaltungs-
kraft sie auf ihn beschränkt hätte, sondern -weil der Wunsch des Publikums sie dazu gewisser-
mafsen zwang. Das gilt besonders von W^alther Petersen, dessen Damenbildnisse zu den feinsten
und vornehmsten Aeufserungen der jüngeren Düsseldorfer Malerei gehören und mit den Arbeiten
von F. A. Kaulbach, dem Damenmaler par excellence, in scharfen Wettbewerb treten, sie an
charakteristischer Auffassung jedenfalls übertreffen.
LUDWIG KELLER
Begrüfsung des Fürsten Blücher und der Quadriga in Duisburg
Wandgemälde in der Aula des Realgymnasiums zu Duisburg
366
Petersen ist 1862 in Burg an der Wupper als Sohn eines Pastors geboren, kam 1880 zur
Akademie und malte hier im Anfang, einem Auftrag zufolge, Wandgemälde mit Rococo-Motiven
für ein Privathaus in Köln; ein kleines Aquarell „Begräbnifs bei Regenwetter" hatte einen aufser-
gewöhnlichen Erfolg und schien Petersen eine Stelle neben Arthur Kampf anzuweisen. Sehr bald
aber mufste sich der junge Künstler auf das Bildnis beschränken, nachdem seine ersten Arbeiten
auf diesem Gebiet ihm trotz der Ueberfülle, welche gerade hier producirt wird, Auftrag über
Auftrag eingebracht hatten. Petersen ist in erster Linie Damenmaler; keiner seiner zahlreichen
jüngeren Collegen versteht wie er das Geheimnifs, die moderne Frau von ihrer liebenswürdigsten
Seite, ihre Kleidung, das thörichterweise so viel geschmähte und in Wirklichkeit so eminent
malerische moderne Damencostüm in seiner coloristisch feinsten Weise aufzufassen und wieder-
zugeben, wie er. Im Pastell hat Petersen ein Mittel gefunden, das ihm für seine Zwecke dienstbarer
ist als die Oelfarbe, und mit diesem capriciösen, rococohaften Material hat er in fabelhafter
Productivität schon jetzt eine fast unabsehbare Reihe von Porträts allerersten Ranges geschaffen,
die natürlich der Oeffentlichkeit nur allzuschnell entzogen werden.
In verschiedenen männlichen Bildnissen beweist er übrigens, dafs er auch dem schärferen
Charakter des Männerkopfes gewachsen ist. Die städtische Galerie in Düsseldorf besitzt von ihm
das treffliche Bildnis eines alten beliebten Arztes, des Sanitätsrathes Dr. Zimmermann, und das
coloristisch interessante Porträt Oswald Achenbachs. Aufserdem malte er den Erbauer des
Reichstagsgebäudes, Wallot, und hatte auch das Glück, Bismarck nach der Natur zeichnen zu
dürfen. Im Anschlufs an diese Studien schuf er dann einige Bismarckporträts, die vielleicht
wahrer sind, als die Lenbachschen, wenn auch der Cultus, der mit den letzteren getrieben wird,
den Erfolg des jungen Düsseldorfers schmälerte.
Ebenfalls vorwiegend Porträtmaler, wenn auch in vieler Beziehung im Gegensatz zu Petersen,
ist Ludwig Keller, dessen Stärke das männliche Bildnis zu sein scheint, das er mit gröfster
Energie und Schroffheit bis zu frappantester Lebendigkeit malt. Wenn Petersen das Weiche,
Zarte und Duftige betont, so geht Keller gerade auf das Gegentheil los. Mit einer Art von Humor
wählt er gelegentlich seine Modelle, von denen er nicht eine abgeklärte Durchschnittshaltung
giebt, sondern nur eine momentane, aber eben deshalb immer höchst lebendige Impression, wobei
er auch technisch mit der gröfsten Rücksichtslosigkeit verfährt und zufällige Beleuchtungseffecte
betont, ganz unbekümmert, ob sie den Charakter des Bildes als solches in Frage stellen, wenn
sie nur malerisch interessant sind.
Uebrigens hat Keller als Meisterstück in der letzten akademischen Klasse ein höchst lebendiges
und farbig interessantes Bacchanal gemalt, und igoo in seiner Vaterstadt Duisburg im Auftrag des
Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen ein W^andgemälde vollendet, das ebenfalls seine
Qualification als Figurenmaler grofsen Stils bewies. Das Bild ist um so interessanter, als die
Wirkung des freien Lichtes hier auf einem grofsen Monumentalbilde mit aller Energie und zu bestem
Erfolg angewandt ist. Das historische
Motiv war ,,die Begrüfsung des Feld-
marschalls Blücher und der heimge-
führten Quadriga vom brandenburger
Thor in Berlin an den Thoren Duis-
burgs im Jahre 1814".
Keller hat es vortrefflich ver-
standen, einer schematischen Com-
position, zu der das Motiv verführte,
aus dem V/ege zu gehen. In der
Charakterisirung der echt spiefs-
bürgerlichen Deputirten glaubt man
den Porträtmaler wiederzuerkennen.
Keller ist 1865 in Duisburg geboren
und besuchte von 1884 bis 1894 die
Akademie in Düsseldorf, an der er
seit Kurzem als Lehrer angestellt ist.
Schneider-Didam ist wiederum
ganz ausschliefslich Porträtmaler und
zwar malt er mit dem gröfsten Erfolg AUGUST deusser
Herrenbildnisse, die er mit Kraft und im Felde
367
Sicherheit in einer breiten und gewandten Malweise auf die Leinwand setzt. Er hat viele seiner
jüngeren Collegen mit frappanter Aehnlichkeit und scharfer Charakteristik gemalt, wie das fast
ein halbes Jahrhundert früher auch sein Lehrer Roeting gethan hat.
Studiengenosse von Keller und ihm namentlich nach der technischen Seite ähnlich waren
W. V. Beckerath, der leider auch Düsseldorf mit München vertauschte, nachdem er mit einer vor-
züglichen grofsen Pietä und einem im Auftrag des Kunstvereins entstandenen Altarbild für die
evangelische Kirche in Saargemünd „Auferstehung" hervorgetreten war, und H. Heller, der, eben-
falls nach München verzogen, einige interessante Damenbildnisse ausgestellt hat. Nicht nur
Düsseldorf verloren, sondern durch einen frühen Tod der Kunst überhaupt entrissen ist Erwin
Küsthardt. Er war 1867 in Hildesheim als Sohn eines Bildhauers geboren, kam 1885 zur Akademie
ROBERT BÖNINGER
Idyll
nach Düsseldorf und wurde hier Schüler von Peter Janfsen. Auch seine Kunst enthielt ein
starkes religiöses Element, wie seine ersten Bilder, ,, Magdalena an der Leiche Christi", ,, Pietä",
„Friede sei mit Euch" beweisen. Trotzdem Küsthardt Protestant war, neigten diese Arbeiten
eher zu einer romantisch-nazarenerhaften Auffassung, standen jedenfalls der Gebhardtschen Auf-
fassung so fern wie möglich und hatten so einen merkwürdig anachronistischen Charakter. Ein
Wandbild für die Aula des Gymnasiums in Erfurt „Ankunft Kaiser Wilhelms L auf dem Pots-
damer Bahnhof nach der Kriegserklärung '1870" war die letzte grofse Arbeit des hochbegabten
jungen Künstlers, der im Frühjahr 1901 in Rom starb.
Specifisch Reiter- und Historienmaler sind die wieder etwas jüngeren Ungewitter und Deusser,
der eine modern als Schlachtenmaler, der andere historischer im alten Sinne, insofern er mit
Vorliebe Ritter und Panzerreiter des Mittelalters, nebenher allerdings mit nicht geringerem Glück
368
auch Feldarbeiter mit ihren Pferden und zeitgenössisches Mihtär malt. August Deusser wurde
1870 in Mülheim a. Rh. geboren und ist seit 1895 Schüler von Peter Janfsen.
Von seinen Bildern seien genannt: „Aus brandenburgischer Geschichte", im Besitz der Ver-
bindung für historische Kunst, dann das vom Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen an-
gekaufte ,,Im April", ferner ,, Früher Tag", ,, Dreigespann", ,,Scene aus Heinrich IV.", ,,St. Georg",
sowie Scenen aus dem modernen Militärleben. Augenblicklich ist Deusser mit den Vorarbeiten
für die Ausschmückung des Kreishaussaales in Cleve, die er auf Grund einer Concurrenz gewann,
beschäftigt. Ein Hauptbild wird sein: „Am Abend der Schlacht von Cleverham".
Hugo Ungewitter (1869 auf Haus Kappel im Fürstenthum Waldeck geboren) bezog 1888 die
Akademie, die er bis 1897 besuchte, die letzten vier Jahre als Meisterschüler Peter Janfsens.
Gleich sein erstes Bild zeigt ihn als berufenen Militärmaler und zwar modernster Richtung, was
die Farbe anbelangt, die auf eingehenden Freilichtstudien beruht. Es war eine mit gröfster
Schneid gemalte „Attaque der 7. Halberstädter Kürassiere bei Mars la Tour". Darauf folgt eine
Reihe kleinerer Militär- und Jagdbilder, so unter Anderem die coloristisch interessante ,,Bosniaken-
patrouille im Schnee", ,, Tigerjäger" u. s. w. 1897 gewann Ungewitter die Concurrenz der Biel-
Kalkhorstschen Stiftung und erhielt damit die Ausführung von drei Bildern aus der Geschichte der
Grafen von Stotel im Gratenhof zu Stotel bei Bremerhaven. Die Motive waren: „Brautzug einer
Gräfin von Stotel", ,, Gerichtssitzung (Vehme) unter Vorsitz eines Grafen von Stotel in Hagen", , .Angriff
eines Grafen von Stotel mit seinen Mannen auf ein Normannenschiff". Seit 1898 arbeitet Ungewitter
zusammen mit Gustav Wendung an dem Panorama für die Ausstellung in Düsseldorf: „Uebergang
Blüchers mit der preufsisch-russischen Armee über den Rhein bei Caub am i. Januar 1814".
Diesem etwas jüngeren Jahrgang der Janfsenschüler gehört auch Robert Böninger an. Im
Jahre 1869 von deutschen Eltern in London geboren, besuchte er von 1888 bis 1897 die Akademie
und begann auch, ohne von E. von Gebhardt beeinflufst zu sein, als Schüler Peter Janfsens mit
zwei grofsen religiösen Bildern, die sich durch eine fast altmeisterliche Tiefe und Leuchtkraft der
Farbe auszeichneten. Das erste dieser Bilder, jetzt in der Kirche zu Muffendorf bei Godesberg,
war eine „Auferweckung des Lazarus" (1894) mit lebensgrofsen Figuren, das zweite eine packende
Darstellung der mystischen
Scene des Kampfes Abra-
hams mit dem Engel ,,Ich
lasse dich nicht, du segnest
mich denn", das sich in
Auffassung und Haltung
von dem Bilde E. von
Gebhardts, das denselben
Gegenstand behandelt, so
weit als möglich entfernte.
Einem längeren Aufent-
halt in Süditalien ent-
stammt das 1897 vollendete
grofse Bild „Idyll", das den
für Düsseldorf unerhörten
Versuch macht, nackte
Figuren im Freien in voll-
stem Sonnenlichte darzu-
stellen. W^enn das Bild
auch vielleicht nicht alle
coloristischen Schwierig-
keiten überwunden hatte,
so war es doch auf dem Ge-
biet der hier so wenig be-
achteten Freilichtmalerei
eine interessante Leistung.
Freilich bietet der Nieder-
rhein mit seinem Nebel-
klima keinen günstigen Gerhard Janssen
Boden für Bilder dieser Art. im Cafe chantant
369
24
Auch der Schreiber dieser Blätter, Friedrich Schaarschmidt (geb. 1863 in Bonn, 1880— 1889
auf der Akademie), hat einige, meist in Süditalien im „freien Licht" gemalte Landschaftsbilder
mit Figuren in antikem Costüm ausgestellt, bis seine Beschäftigung an der Akademie als Conser-
vator der Sammlungen und Lehrer der Anatomie seiner künstlerischen Thätigkeit ein Ende machte.
Einige Schüler haben sich von dem akademischen Studium noch mehr emancipirt, indem
sie, der eine in einer fast an die Caricatur streifenden Weise, der andere in illustrativer Manier
das tägliche Leben zu schildern suchen. Gerhard Janfsen, geboren 1863 in Calcar, ist zweifellos
eine der originellsten Erscheinungen in der jungen Düsseldorfer Malerei. Er verbindet einen
krassen, zuweilen geradezu übertriebenen Naturalismus der Form mit einer bewufsten Anlehnung
an gewisse alte Niederländer in der Farbe. Seine Hauptmotive sind betrunkene alte Weiber und
Männer, im Genre der Hille Bobbe von Hals oder des medicinnehmenden Bauers von Brouwer in
Frankfurt a. M. Mit einer manchmal geradezu unheimlichen Lebenswahrheit und in einer fabelhaft
skizzenhaften, aber eminent sicheren Technik setzt er seine fuselseligen Helden auf die Leinwand,
zuweilen sogar, wenn es
sich um decorative Bilder
für Wirthshäuser handelt,
in Lebensgröfse. So malte
er für verschiedene Restau-
rants ,,Kirmes-Klim-Bim",
„Die Sänger vom Rhein"
und Mehreres der Art.
Auch die Kunsthalle erwarb
ein kleines Bild, einen grch-
lenden Ziehharmonika-
spieler darstellend. Sehr
humoristisch war eine Cafe
chantant-Scene zwischen
einem alten Lüstling und
einem jungen Mädchen, be-
titelt: ,,Er knüpfte manche
zarte Bande", wie denn
ein etwas grotesker Humor
zuweilen den sogenannten
geistigen Inhalt seiner Bil-
der ausmacht. Der Haupt-
werth seiner Arbeiten liegt
in dem zuweilen sehr sorg-
fältig gestimmten, meist in
tiefen Farben gehaltenen,
zuweilen aber auch in
grauen und blauen Tönen
ausgeführten Colorit.
Feiner und vielseitiger als G. Janfsen ist W. Schreuer, geboren 1866 in Wesel. Er begann,
nachdem er 1884 die Akademie bezogen hatte, seine sorgfältig beobachteten, stets ohne Modelle,
nur mit Hülfe eines aufserordentlichen Formengedächtnisses gezeichneten, entweder grau in grau,
oder nur in wenigen Tönen gehaltenen Bilder mit Militärmotiven zu entwerfen, wobei seine
Beobachtung ihn beim Pferde die, den meisten Menschen erst durch die Momentphotographie
bekannt gewordenen Bewegungen vor der Natur erkennen liefs.
Es folgten Strafsenbilder der verschiedensten Art und schliefslich sogar historische Dar-
stellungen, die, in Nachbildungen zu einem Bande vereinigt, als „Bilder aus Alt- und Neu-Düssel-
dorf" weitesten Kreisen bekannt geworden sind. Trotz des Costüms ist der Eindruck auch dieser
Arbeiten ein absolut naturalistischer, und in dieser Behandlung des Costümlichen erinnert Schreuer
manchmal geradezu an A. Menzel, der es wie kein Anderer verstanden hat, auch den uns un-
gewohnten Rock als den selbstverständlichen erscheinen zu lassen. In letzter Zeit malt Schreuer
auch Scenen aus der Gesellschaft, sowohl aus der modernen, als auch aus der eleganten Zeit des
Rococo oder Empire. Bei seiner aufserordentlichen Productivität dürfte die Zahl seiner zwar nicht
grofsen, aber meist figurenreichen Arbeiten das halbe Tausend längst überschritten haben.
AUGUST ZINKEISEN
Ein Dilemma
370
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OTTO REICHERT
Die Sterbestunde
Max Stern hat erst in den letzten
Jahren angefangen, regelmäfsig aus-
gestellt. Es scheint, dafs seine Haupt-
stärke in der Darstellung des Volkes,
des Arbeiters liegt. Ein grofses Bild
,, Pflasterer" war kräftig in der Zeich-
nung und voll Leben in den Bewe-
gungen. Eine gesunde Farbe zeichnete
auch seine anderen meist kleineren
Arbeiten aus.
Hier schliefsen sich vielleicht am
besten einige Schüler E. v. Gebhardts
an, die sich lediglich an den genre-
haften Zug in der Kunst ihres Lehrers
hielten und keine religiösen Bilder
malen oder gemalt haben. Ihre
Arbeiten zeigen die scharfe Charakte-
ristik und strenge Zeichnung, die
Gebhardt eigen ist.
August Zinkeisen, 1865 in Fechen-
heim bei Frankfurt a. M. geboren,
zeichnete sich mit zwei sehr origi-
nellen Märchenbildern aus: „Hansel
und Grethel vor dem Pfefferkuchen-
häuschen" und „Das kleine Mädchen mit den Streichhölzern". Sein erstes kleineres Bild „Der
Weihnachtsbaum" war eine reizvolle Studie nach dem Leben; aufserdem entwarf Zinkeisen die
originellen Illustrationen zu dem Märchenbuch von B. Schlegel-Elberfeld.
Peter Philippi, geboren 1866 in Trier, hat sich in der humorvollen Schilderung alter Weiber
ein eigenes Gebiet geschaffen, das er in einer heutzutage fast verloren gegangenen Feinheit und
Ausführlichkeit der Technik behandelt. Er erscheint hier fast als ein Nachfolger der alten
romantischen Düsseldorfer Genremaler, der Schrödter und Hasenclever, ohne vorläufig eine gleiche
Vielseitigkeit zu erreichen, die er dafür aber durch gröfsere Wahrheit ersetzt.
Paul Meyer aus Mainz war einer der frühesten Gebhardtschüler und in seinen etwas capri-
ciösen Rococobildern eine höchst originelle Erscheinung; er hat Düsseldorf schon seit Anfang der
90er Jahre verlassen.
Der Stärkste unter der kleinen Gruppe, die einen ausgesprochen genrehaften Charakter hat, ist
Otto Heichert. Er ist unter den jungen Düsseldorfer Figurenmalern entschieden der selbständigste,
und es ist ihm in seinen letzten Arbeiten vollkommen gelungen. Alles, was an Schulung oder
Localmalerei erinnert, abzustreifen. Seine eigenthümliche Art, zu arbeiten, die ihn für seine
Bilder nicht nur die Studien irgendwo draufsen malen läfst, sondern ihn dazu geführt hat, ein
jedes Bild in seinem eigenen Milieu vollständig fertig zu machen, giebt seinen Arbeiten den
eigenartigen Charakter, das, was man mit mehr oder weniger Recht als den Erdgeruch für ein
jedes Kunstwerk fordert und als höchste Errungenschaft preist.
Otto Heichert ist geboren 1868 im Kloster Groningen bei Halberstadt, besuchte die Schule
in Magdeburg und kam schon 1883 auf die Akademie, wo er sich von den untersten Klassen an
neben dem akademischen Studium sein Brot verdienen mufste. Trotz dieser Hemmnisse gelang
es ihm, nachdem er Schüler von Peter Janfsen und E. v. Gebhardt gewesen war, sehr früh mit
einer ersten Arbeit, einer Zeichnung, Aufsehen zu machen, die er dann in der Meisterklasse von
W. Sohn zu einem ebenfalls sehr gelungenen Bilde benutzte. Es war ein altes Menschenpaar,
eine alte Frau, die am Krankenlager ihres Mannes sitzt und ihm aus der Bibel vorliest. Ein-
gehendste Charakteristik und feinste Ausführung zeichneten dieses und das nächste, ebenfalls rein
genrehafte Bild ,,Die Dorfältesten" aus. Der dazwischen liegende „verwundete Körner" war eine
nur gelegentliche Excursion auf das Gebiet der Historie und der Sentimentalität, ein letzter Rest
des Sohnschen Einflusses, der sich, wenigstens dem Motiv nach, noch einmal ein wenig in
dem ,, sterbenden Kinde" und der ,,Todtenandacht" geltend machte, und Heicherts, übrigens auch
aus seinen eigenen frühesten Beobachtungen und Eindrücken herstammenden natürlichen Hang
zur Armeleut- und Todtenmalerei zeigt.
372
OTTO HEICHERT
Veteranenversammlung
Das „Pfarridyll", eine Familienscene, die Heichert ganz im Freien malte, brachte ihm auch
coloristisch die vollständige Befreiung von der traditionellen Malweise der Sohnschule, und in den
folgenden Bildern ging er nun immer energischer auf die impressionistische Gesammtwirkung los.
So bei dem pflügenden Bauernpaar: „Im Schweifse deines Angesichts sollst du dein Brot essen",
„Holzsammlerin" u. s. w. Seine vorletzte grofse Arbeit ,, Veteranenversammlung", die in lebens-
grofsen Figuren voller Bewegung und Ausdruck, wenn auch freilich ohne den bei dem Düsseldorfer
Genrebild einstmals unerläfslichen erzählenden Humor, eine Sammlung lebendigster Charakterköpfe
giebt, wurde von der Verbindung für historische Kunst angekauft.
„Pflügende Mönche" zeigt bei allem Realismus der im blühenden Gemüsegarten den Pflug
ziehenden Kuttenmänner wieder den etwas nachdenklichen, ernsthaften Zug, der Heicherts Kunst
eigen ist, und ihn in fast symbolistischer Weise den Menschen in einer gewissermafsen gegen-
sätzlichen Beziehung zur Aufsenwelt darstellen läfst.
Dafs Heichert bei seinem hervorragenden Charakterisirungsvermögen nebenher eine grofse
Zahl trefflicher Porträts schuf, mag nicht vergessen sein. Er ist einer der wenigen jüngeren
Maler, der nicht einmal hier dem landläufigen Geschmack des Publikums Concessionen macht.
Leider hat auch er noch vor Kurzem Düsseldorf verlassen, um einem ehrenvollen Ruf als Professor
an die Königsberger Akademie Folge zu leisten.
So mag mit dieser Aufzählung jüngerer, hier und da noch nach vollendeter Ausbildung
ringender Maler die flüchtige Besprechung des letzten Jahrzehnts neuer Düsseldorfer Malerei
abgeschlossen sein.
373
M'
Wechselreich und vielgestaltig waren die Schicksale der Düsseldorfer Kunst in dem ver-
flossenen Jahrhundert, und Niemand vermag zu sagen, wie sie, wie die deutsche Kunst überhaupt
sich in dem neuen entwickeln wird. Wenn man überblickt, was in diesen 75 Jahren, denn mehr
rechnet vom XIX. Jahrhundert nicht für die Düsseldorfer Kunst, entstanden ist, so wird man selbst
in den Zeiten gröfsten künstlerischen Aufschwungs während der Frührenaissance kaum ein ver-
hältnifsmäfsig so reiches und vielseitiges Schaffen wiederfinden können, und die heutige Zeit bleibt
nicht hinter den früheren Jahren zurück, wie der kurze Ueberblick beweist, der über die Leistungen
der jungen Figuren- und Landschaftsmaler gegeben wurde.
374
XV. Kapitel
Die Bildhauerkunst
KARL JANSSEN
Medusa
ABERiJbei all dieser regen Thätigkeit, dieser erstaun-
lichen Vielseitigkeit innerhalb der Malerei, hatte es der
Düsseldorfer Kunst bis auf die letzten Jahrzehnte fast
vollkommen an Einem gemangelt, und das war eine
Ausbildung der Plastik. Es schien, als seien mit den
letzten Resten von Grupellos Nachlafs, die in alle Winde
zerstreut wurden, auch die letzten Wurzeln der Bild-
hauerkunst aus dem niederrheinischen Boden, der ihr
einst so günstig war, ausgerottet worden.
Schon die kurfürstliche Akademie hatte nur noch
den ärmlichen Bäumgen besessen, der in einer Lehrer-
konferenz sogar einmal geprügelt worden war.
Cornelius hatte wohl daran gedacht, eine Bild-
hauerklasse ins Leben zu rufen, aber in Anbetracht
der Persönlichkeit, die er als Lehrer ins Auge gefafst
hatte, wird man wohl kaum zu bedauern brauchen, dafs aus seinem Plane nichts geworden ist.
Auch hier zeigt sich wieder seine Nichtachtung des Technischen sowohl, wie sein Mangel an
Menschenkenntnifs in auffallender W^eise. Er wollte nämlich als Lehrer der Bildhauerei keinen
Anderen anstellen, wie den schon als Maler hinreichend schwachen Kolbe, und er schrieb zur
Begründung dieser eigenthümlichen W^ahl im Jahre 1821 wörtlich an den Minister: ,,Da es wohl
schwer halten möchte, einen geschickten Bildhauer für unsere Anstalt zu gewinnen, so halte ich
dafür, dafs statt eines schlechten Bildhauers ein geschickter Maler vorzuziehen ist. Der Fall,
dafs ein guter Maler ein Bildhauer gewesen, ist in der Kunstgeschichte häufiger, als der um-
gekehrte Fall. Zum wenigsten kann man mit Gewifsheit annehmen, dafs ein Maler Lehrer
der Bildhauerei sein kann in dem Grade, als er Zeichner ist. Einen solchen Mann haben wir
an Kolbe" u. s. w.
Auf ein derartiges Experiment hatte man nun in Berlin nicht eingehen wollen, und Cornelius
hatte späterhin wohl nicht mehr Zeit oder Interesse, auf die Bildhauerklasse zurückzukommen.
Aber auch Schadow liefs die Sache auf sich beruhen. Immerhin wurden, um doch etwas zu
thun, im akademischen Reglement ein Bildhauer und eine Bildhauerklasse vorgesehen, aber gerade
Schadow als Sohn eines Bildhauers mochte die Schwierigkeiten, mit welchen diese Kunst, besonders
unter den damaligen Verhältnissen zu kämpfen hatte, zu gut kennen, als dafs er es für praktisch
gehalten hätte, sie vorläufig in Düsseldorf wirklich einzuführen. Hatte er doch genug zu thun,
um der Malerei die Wege zu ebnen. Und dazu kam noch Eines: Was man damals eben anfing,
so energisch für die Malerei in Anspruch zu nehmen, eine Ausbildung im Vaterlande, das schien,
und allerdings nicht ohne Grund, für die Bildhauerei noch nicht möglich. Für sie war und blieb
vorläufig Rom der gegebene Studienplatz und namentlich Düsseldorf gegenüber, wo es an einer
Entwicklung der Plastik, wie etwa in Berlin, ebenso fehlte, wie an Vorbildern, denn der bronzene
Johann Wilhelm hat eigentlich nicht viel Begeisterndes in seiner Formengebung; wo ferner fast
die einzigen Besteller etwa katholische Kirchen sein konnten, mufste Rom mit seinen alten Vor-
bildern und den epochemachenden Leistungen Thorwaldsens entschieden den Sieg davon tragen.
375
So war denn lange nur gelegentlich die Rede davon, an der Akademie eine Bildhauerklasse
zu gründen, und erst im Jahre 1864 wurde durch die Berufung von Wittig dieser Plan wenigstens
äufserlich ausgeführt.
Allerdings hatte sich schon kurz vorher in Düsseldorf eine freie, nicht akademische Bildhauerei
entwickelt, aber es scheint nicht, dafs sie, mit ganz wenigen Ausnahmen, über das Handwerks-
mäfsige, was zu allen Zeiten und in allen Städten für Grabdenkmäler und gelegentlichen archi-
tektonischen Schmuck gefordert und geleistet wurde, hinausgekommen ist.
Ein einzelner Bildhauer entstammt der Schadowschule und wird als Schüler von Schadow
selbst, der hiernach seine Vielseitigkeit als Lehrer auch auf das Gebiet der Plastik ausgedehnt zu
haben scheint, genannt.
Julius Bayerle war 1826 in Düsseldorf geboren und lebte dort bis zu seinem Tode 1873. Er
studirte, wie gesagt, zuerst unter Schadow, dann unter Geertz in Loewen, bereiste Deutschland
und Italien und entwickelte dann in seiner Vaterstadt eine lebhafte Thätigkeit. Im Auftrag des
Kunstvereins arbeitete er schon früh für die an der Hauptfassade des Münsters zu Neufs befindlichen
Nischen die grofsen Standbilder der Apostel Paulus und Petrus. Bei der religiösen Plastik blieb
er aber nicht stehen, sondern entwarf eine Anzahl allegorischer, historischer Darstellungen und
namentlich zahlreiche Porträts.
Für das Rathhaus in Wesel entstanden sieben Statuen, für Elberfeld eine Kolossalstatue des
hl. Suitbertus, in Düsseldorf sind von seiner Hand das kleine Denkmal der Königin Stephanie
von Portugal, die Statuen auf dem Justizgebäude und Anderes mehr.
An ihn schlofs sich, wenn auch in bescheidenem Mafse, eine Schule an, aus welcher Anton
Josef Reifs, geboren 1835 in Düsseldorf, gestorben ebenda igoo, und Leo Müsch, geboren 1846 eben-
falls in Düsseldorf, zu nennen sind.
Josef Reifs entsprach innerhalb der Bildhauerei dem, was die Nazarener in der Malerei
bedeuteten. Seine Kunst stand fast ausschliefslich im Dienste der Kirche und auch seine Formen-
sprache besafs die weiche gefällige Schönheit, welche die Kunst der Nazarener anstrebte.
Von seinen W^erken werden genannt: die Hochaltäre in den katholischen Kirchen zu Gräfrath
und Hüls bei Krefeld, zwei Altäre im Dom zu Neufs, ein in Holz geschnitztes Madonnenbild für
die Pfarrkirche in Andernach ; für Duisburg schuf er die hervorragendsten seiner profanen Arbeiten,
nämlich das Mercatorstandbild und ein Kriegerdenkmal, für den Fürsten Anton von Hohenzollern
führte er 1864 ein grofses Relief ,,Die Kunst" aus.
Die meisten seiner W^erke befinden sich in Düsseldorf selbst, wo er für die Lambertuskirche
eine Mariensäule mit den Standbildern der vier grofsen Propheten und an Stelle des baufällig
gewordenen alten und leider nunmehr spurlos verschwundenen Calvarienberges einen neuen schuf,
und die bildnerischen Arbeiten in der neuen Marienkirche ausführte. Auch die allegorischen
Figuren an der Fassade des Rathhauses in Düsseldorf sind von seiner Hand. Zu verschiedenen
Zeiten und für verschiedene Auftraggeber, meist in Holland, entstanden mehrere in Sandstein
ausgeführte Pietäs und einige Calvarienberg-Gruppen. Das Hauptwerk seines Lebens aber war
eine Pietä, die er im Auftrag der preufsischen Regierung für die Gereonskirche in Köln arbeitete.
Durch eine in Holz geschnitzte Madonna, die Anfangs der 80er Jahre in Berlin ausgestellt war,
hatte Reifs die Aufmerksamkeit des Ministers Gofsler auf sich gezogen, und dieser, der die Kunst
stets lebhaft unterstützte, dem namentlich Düsseldorf viel zu verdanken hat, vermittelte 1884 den
Auftrag des Entwurfs einer Pietä, der den Künstler allein fünf Jahre beschäftigte, während die
Vollendung in Marmor sich bis zum Jahre 1897 hinzog.
Das vollendete W^erk zeigt den Künstler als verständnifsvollen Schüler der klassischen
italienischen Plastik, der trotz seiner nazarenerhaften Erziehung sich zu einem gesunden Realismus
der Form und der Auffassung bekennt und die Gottesmutter z. B. nicht in conventioneller jung-
fräulicher Schönheit zeigt, sondern als eine Frau in vorgerückten Jahren, an der auch der Schmerz
nicht spurlos vorübergegangen ist.
Leo Müsch, der mehr als zehn Jahre jünger ist als Reifs, ist noch immer in seiner Vaterstadt
thätig und verbindet in der Art der alten Meister künstlerische Thätigkeit mit dem Betrieb einer
auch nach altem Handwerksbrauch arbeitenden Werkstätte. Müsch studirte zuerst bei Bayerle,
besuchte dann die Antwerpener Akademie, wurde 1866 — 1871 Schüler von Professor C. Mohr in
Köln und kurze Zeit auch von dem inzwischen an der Düsseldorfer Akademie angestellten Professor
A. Wittig.
Müschs Thätigkeit ist eine sehr vielseitige. Er begann, der Zeit und der Richtung seiner
Kunst entsprechend, mit religiösen Arbeiten. So entstanden in den 70er Jahren ein ,, kreuztragender
376
KARL JANSSEN
Kaiser Wilhelm-Denkmal m Düsseldorf
KARL JANSSEN
1806 — 1807
Relief am Kaiser Wilhelm-Denkmal in Düsseldorf
Christus" für St. Annaberg in Oberschlesien, „Madonna und Joseph" für Hopsten in Westfalen,
ein „Schmerzensmann" für Binsfeld bei Düren. Dann folgte eine Reihe von Kriegerdenkmälern
für Wesel, Neufs, Steele. Hamminkeln u. s. w., und ein Zuccalmaglio-Denkmal für Grevenbroich.
Für Düsseldorf sind von ihm der monumentale Brunnen auf der Königsallee, sowie die überlebens-
grofsen Karyatiden an der Kunsthalle.
Mit A. Wittigs Anstellung im Jahre 1864 sollte nun also die Bildhauerei auch in den Lehr-
plan der Akademie aufgenommen und ihr officiell eine neue Blüthe am Niederrhein verschafft
werden. Aber der Unstern, der um diese Zeit über so manchen amtlichen Mafsnahmen der
Akademie gegenüber stand, machte sich in hervorragendem Mafse bei der Wahl Wittigs geltend.
Der Künstler, 1826 in Meifsen geboren und Schüler von E. Rietschel in Dresden, hatte sich
lange in Rom aufgehalten, wo er in einen gewissen Gegensatz zu der antikisirenden Richtung
trat und dafür die romantische einschlug. In der Plastik begann damals eben derselbe Uebergang
sich geltend zu machen, in den die Malerei bereits eingetreten war und den sie in Düsseldorf schon
beendet hatte, als W^ittig, gestützt auf den Namen, den seine zahlreichen in München und Rom
vollendeten W^erke. verschiedene Reliefs (,, Siegfrieds Abschied von Krimhilde", ,,Charitas".
„Hagar und Ismael" u. s. w.), ihm verschafft hatten, in Düsseldorf eintraf, wo er sich aber sehr
bald im Gegensatz zu der fast fieberhaft fortschreitenden Malerei und dem Zug der Kunst über-
haupt befand.
Aufserdem wurde seine künstlerische Thätigkeit in Düsseldorf, wie es scheint, durch Krankheit
gehemmt. Es entstanden zwar zunächst im Auftrag der Regierung die vier Porträtmedaillons an
der alten Akademie, Porträtbüsten von Carstens, Cornelius und Schadow, letztere für das etwas
379
KARL JANSSEN
Vautier-Denkmal
ärmliche Denkmal des verdienten Akademie-
directors in Düsseldorf, dann eine Marmor-
ausführung der älteren, schon in Rom ent-
standenen Gruppe ,,Hagar und Ismael" für die
Nationalgalerie, aber verschiedene Entwürfe, so
eine Pietä, an der sein letzter Schüler WolfT
noch gearbeitet hatte, wurden niemals vollendet.
Noch weniger gelang es Wittig als Lehrer,
den Hoffnungen, die man auf eine akademische
Bildhauerschule gesetzt hat, zu entsprechen.
Hier mochten die complicirten Verhältnisse an
der Akademie, der niedrige Standpunkt, auf
dem das Institut sich damals überhaupt befand,
vielleicht auch ein der neuen Einrichtung ent-
gegengebrachtes Mifstrauen unüberwindliche
Schwierigkeiten gemacht haben. Inwieweit
die noch ganz in romantisch-ästhetischen An-
schauungen sich bev/egende Richtung Wittigs
und seine persönlichen Eigenschaften, die
bei dem Lehrer fast ebenso sehr in Betracht
kommen, wie seine künstlerischen Leistungen,
seine Lehrmethode, welche die Schüler jahre-
lang mit blofsem Copiren nach der Antike be-
schäftigte, hemmend gewirkt haben, entzieht
sich vorläufig noch der öffentlichen Beurthei-
lung. Thatsache ist es, dafs die akademische
Bildhauerklasse während der 30 Jahre ihres
Bestehens unter Wittig kaum nennenswerthe
Resultate zu verzeichnen hatte, und dafs den-
jenigen von ihren Schülern, welche sich zur
Meisterschaft durchgearbeitet haben, dies nur
dadurch gelang, dafs sie die Wittigklasse und
Düsseldorf verliefsen und ihr Heil anderwärts
suchten.
Von den Schülern Wittigs werden ge-
nannt Hilgers, Müller, Zick, Hoffmeister, Tüs-
haus, Janfsen. Hilgers, ein geborener Düssel-
dorfer, ging früh nach Rom und liefs sich
später in Berlin nieder. Von ihm ist das
Kriegerdenkmal in Düsseldorf, er kann aber
für die hiesige Kunst weiter nicht in Betracht
kommen. Auch Hoffmeister war nicht lange
Akademieschüler in Düsseldorf und lebt nun
ebenfalls in Berlin. Zick wurde überhaupt gar
nicht Bildhauer, sondern widmete sich, nach-
dem er ebenfalls Düsseldorf verlassen hatte,
der Malerei. Karl Hubert Maria Müller, geboren
1844 in Remagen als Sohn des Malers Andreas
Müller, ist eigentlich der Einzige, der seinen
ganzen Studiengang unter Wittig vollendete.
Der Fürst von Hohenzollern bestellte bei ihm
eine Marmorbüste Kaiser Wilhelms I. Das
akademische Museum in Düsseldorf besitzt von
seiner Hand den Entwurf einer ,, Vertreibung
aus dem Paradiese". Vieles arbeitete er für
Nonnenwerth, und in letzter Zeit die Votivtafel
mit Büste für Aders im Rathhaus zu Düsseldorf.
380
Karl Janfsen und Josef Tüshaus haben die Wittigklasse nur so lange besucht, als sie durch
die Verhältnisse dazu gezwungen waren. Ihre eigentliche künstlerische Entwicklung, welche die
in treuer Freundschaft Verbundenen ziemlich dieselben Wege gehen liefs, fanden auch sie erst
in Rom.
Karl Janfsen ist geboren 1855 in Düsseldorf als Sohn des Kupferstechers Theodor Janfsen
und Bruder des Malers, bei dem er die ersten Studien im Zeichnen machte, so dafs er 1873 gleich
in die Bildhauerklasse von Wittig eintreten konnte. Hier verblieb er nicht weniger als sieben
Jahre, ohne es doch zu eigenem Schaffen bringen zu können. Eine Concurrenzarbeit, ein ge-
zeichneter Fries zu einem Barbarossazuge, verschaffte ihm endlich mit einem Reisestipendium
die Möglichkeit, den akademischen Verhältnissen entkommen und in Italien seinen künstlerischen
Ideen nachgehen zu können. Bis 1884 war er in Rom thätig und legte hier den Grund zu der
kraftvollen, dabei aber immer eine gesunde Schönheit bevorzugenden Auffassung seiner Kunst, die
eine Verwandtschaft mit der seines Bruders nicht verleugnet. Sein künstlerisches Debüt machte
Janfsen in der Vaterstadt durch den in wenigen Wochen vollendeten Aufbau einer figurenreichen
Brunnengruppe ,, Vater
Rhein und seine Töchter" ^
bei dem Feste, das im
Herbst 1884 die Provinz
dem alten Kaiser Wilhelm
im Ständehause gab. Im
Verein mit Tüshaus ent-
warf er das Denkmal und
baute es mit Hülfe von
Naturabgüssen in aller-
dings vergänglichem
Material in kürzester Zeit
auf. DerGesammteindruck
war aber ein so grofser, dafs
die Stände beschlossen, den
beiden Künstlern die Aus-
führung des Denkmals in
Bronze zu übertragen. Im
Jahre 1896 wurde es aus
gemeinsamen Mitteln des
Staates, der Rheinprovinz,
des Kunstvereins für die
Rheinlande und W^estfalen
und der Stadt Düsseldon
vollendet und gehört jetzt
zu den schönsten plasti-
schen Arbeiten, die Düssel-
dorf aufzuweisen hat. Auf
hohem Felsen ruht der Vater Rhein, umgeben von vier reizvollen Frauengestalten und spielenden
Putten. Der Drache unten, der den Nibelungenschatz mit der Kaiserkrone und dem Reichs-
schwert bewacht, deutet auf die alten Sagen, doch die Zahl der Rheintöchter übersteigt die
übliche. Aber sie stellen hier nicht nur die Hauptnebenffüsse des Rheins, sondern auch zum
Theil modernere Dinge dar, als sie das alte Nibelungenlied kannte, so vor Allem die beiden
jüngeren, welche Malerei und Industrie, die Hauptfactoren niederrheinischen Fleifses, repräsentiren.
An der Rückseite des Denkmals, die nach dem offenen Wasserspiegel hinausschaut, befinden sich
Acker- und W^einbau und Fischerei. Das Postament steht in einem grofsen Becken von hellem
Granit, an den Seiten sind Muscheln mit wasserspeienden Fischen angebracht.
Während der Zeit, welche durch die Ausführung der figurenreichen Gruppe in Anspruch
genommen worden war, hatte Janfsen noch verschiedene mehr oder weniger umfangreiche Bild-
werke vollendet. Meist waren es Grabdenkmäler, die seit der Zeit der Antike und der Renaissance
von jeher zu den nächstliegenden Aufgaben der Bildhauerkunst gehört haben. So entstanden im
Laufe der letzten 15 Jahre das Marmordenkmal Poensgen in Düsseldorf, ein ebensolches für Tielsch
in Waidenburg (Schlesien), Papst Schandrin in Milwaukee, Kusenberg in Düsseldorf. KorfT in
KARL JANSSEN
1870 — 1871
Relief am Kaiser Wilhelm-Denkmal in Düsseldorf
381
Neviges, für Benjamin Vautier in Düsseldorf, Oelbermann in Köln. Andere Arbeiten waren das
Ehrengeschenk für den Minister Stosch, das Janfsen im Verein mit A. Schill in Holz und Silber
ausführte, das Aerztedenkmal in Eisenach und ein Relief in Bethel bei Bieleleld.
Janfsens Hauptwerk aber ist bisher das Kaiserdenkmal in Düsseldorf, das ihn, nachdem er
1889 die Concurrenz gewonnen hatte, fast sieben Jahre beschäftigte, und das im Herbst 1896 enthüllt
wurde. Der freie grofse Zug, durch den sich alle Arbeiten des jungen Künstlers auszeichnen,
macht sich auch hier in vortheilhafter Weise und im Gegensatz zu so manchen Conventionellen
Arbeiten auf diesem allerdings nur schwer noch mit neuen Ideen zu behandelnden Gebiete
bemerkbar. Von den
Genien des siegreichen
Krieges und des Frie-
dens begleitet, schreitet
das Rofs des Kaisers
stolz und energisch unter
seinem Reiter vorwärts.
Dieser selbst erscheint
ruhig und mild, wie er
seinem Volk in unaus-
löschlicher Erinnerung
geblieben ist. Die drei
in Bronze ausgeiührten
Figuren erheben sich
auf hohem Granitsockel,
der wiederum reich mit
bronzenen Cartouchen,
■Wappenschildern und
Guirlanden umsponnen
ist, und auf der Rück-
seite noch zwei schwe-
bende Putten von grofser
Schönheit zeigt. Anden
Seitenwänden des
Sockels befinden sich
zwei Flachreliefs, von
denen das zur Linken
den Untergang des alten
römischen Reiches
deutscher Nation, der
durch Preufsens Nieder-
werfung im Jahre 1807
endgültig besiegelt
wurde, in allegorischer
Weise darstellt: Die
Kriegsfurie schreitet
über das niedergewor-
fene Deutschland hin-
weg. Im Hintergrunde
ist die Flucht der Königin
Louise nach Tilsit dar-
CLEMENS BUSCHER
Ehrengabe für Bismarck
gestellt. Das Relief zur
Linken zeigt die Krö-
nung der auferstandenen
Germania durch die
Bundesstaaten.
Im Jahre 1895,
nach dem Tode Wittigs,
wurde Carl Janfsen als
Lehrer der Bildhauerei
an der Akademie ange-
stellt, und in dieser Stel-
lung hat er das, was
man von Wittig 30 Jahre
lang vergeblich erhofft
hatte, nun zu vielver-
sprechenden Anfängen
geleitet, nämlich die
energische Entwicklung
der akademischen Bild-
hauerklasse. Eine grofse
Zahl von Schülern hat
sich um den Lehrer ge-
schaart, der in thatkräf-
tiger Weise sich ihre
Förderung am Herzen
gelegen sein läfst. Schon
in der verhältnifsmäfsig
kurzen Zeit haben diese
Schüler bemerkens-
werthe, zum Theil vor-
treffliche Arbeiten ge-
liefert, so Courbillier die
decorative Gruppe an
dem W^assergraben der
Königsallee und ver-
schiedene Entwürfe für
Burg an der Wupper,
Hammerschmidt die
lustige Fontäne im run-
den Weiher und Carl
Heinz Müller den Ent-
wurf zu dem Giebelfeld des Kunstausstellungs- Palastes. Auch Frische und Bauke haben sich
schon mit Erfolg an verschiedenen Concurrenzen betheiligt. Eine Beurtheilung dieser Werke mufs
einer späteren Zeit überlassen bleiben, nur das läfst sich schon jetzt constatiren, dafs der frische
Zug, der durch die ganze Düsseldorfer Kunst geht, sich ganz besonders in der akademischen
Bildhauerklasse, die 30 Jahre lang ein todter Punkt war, bemerkbar macht.
Nicht minder bedeutend, wie Carl Janfsen, war sein langjähriger Studiengenosse Josef Tüshaus,
geboren 1857 in Münster, gestorben October 1901, dem es sogar gelang, noch unter Wittig eine
vortreffliche Arbeit auszuführen, nämlich den .,hl. Sebastian" in der Nationalgalerie in Berlin. Er
382
ging mit Carl Janfsen zu-
sammen nach Rom und
betheiligte sich dann an
dem Entwurf und der
späteren Ausführung des
monumentalen Brunnens
am Ständehaus zu Düssel-
dorf. Eine selbständige
Arbeit war dann die alle-
gorische Gestalt der
„Nacht", die er in Marmor
lür eine Privatgalerie in
Essen schuf. Grofsen Bei-
fall fand auch seine Bronze-
statuette „Gefesselte Ama-
zone". Seither hatte der
Künstler hauptsächlich
Porträtbüsten ausgeführt,
bis ihn der Tod kurz nach
Vollendung des Moltke-
denkmals in Düsseldorf,
dessen Aufstellung er nicht
mehr erleben sollte, ereilte.
Eine selbständige Stel-
lung innerhalb der jungen
Düsseldorfer Bildhauerei
nimmt Gustav Rutz ein.
der, in Köln 1857 geboren, in München unter Anton Hefs studirte und seit 1879 in Düsseldorf
thätig ist. Er führte eine grofse Zahl ansprechender Werke aus, unter denen besonders zu er-
wähnen sind: das Kaiser Wilhelm-Denkmal für Burgsteinfurt, der Kaiser Friedrich-Brunnen in
Uerdingen, HohenzoUern-Brunnen in Rheydt, Sieges-Brunnen in Vohwinkel. Auch viele Grab-
Denkmäler in Marmor und Bronze stammen von seiner Hand.
Neben der akademischen Bildhauerklasse unter Carl Janfsen hatte sich schon ein Jahrzehnt früher
eine, allerdings dem Charakterder Schule, der sie angehörte, entsprechend mehr auf das Decorative
gerichtete Bildhauerklasse an der 1881 eingerichteten Kunstgewerbeschule entwickelt. Als Lehrer
für sie wurde im Jahre 1883 Clemens Buscher, geboren 1855 in Gampurg bei Wertheim in Baden,
berufen. Er war Schüler der Akademie in München gewesen und brachte von dort den malerischen
und decorativen plastischen Stil mit, der aus den damals so lebendigen Bestrebungen des Kunst-
gewerbes in Süddeutschland entstanden war. Buscher selbst ist übrigens verhältnifsmäfsig wenig
auf dem architektonisch -decorativen Gebiet thätig gewesen. Er betheiligt sich regelmäfsig an
den Concurrenzen für Denkmäler u. s. w. und errang den ersten Preis, die Ausführung für das
Kaiserdenkmal in Frankfurt, in Mülheim am Rhein und in Bochum.
Für das Düsseldorfer Stadttheater entwarf er in allerjüngster Zeit im Auftrag des Kunst-
vereins für die Rheinlande und Westfalen die Porträtstatuen von Immermann und Mendelssohn-
Bartholdy, dessen kaum zweijährige Thätigkeit in Düsseldorf und negatives Verdienst um das
Theater auf diese Weise gefeiert werden soll.
Aus der Schule Buschers gingen verschiedene talentvolle junge Künstler hervor. So unter
Anderen die Schöpfer des Düsseldorfer Bismarck-Denkmals, Johannes Röttger und August Bauer,
die allerdings später noch eine Zeitlang in Berlin studirt hatten.
CLEMENS BUSCHER
Relief am Kaiser Wilhelm-Denkmal in Frankfurt am Main
Wenn irgend etwas geeignet ist, die Gesundheit und Lebenskraft einer geistigen Strömung
zu beweisen, so ist es der Umstand, dafs sie sich mit Erfolg auf lang vernachlässigte Gebiete
zu erstrecken vermag, und so darf man den Aufschwung, den die Bildhauerkunst in kurzer Zeit
in Düsseldorf genommen hat, gewissermafsen als vielverheifsendes Symptom betrachten für die
glückliche W^eiterentwicklung der ganzen Kunst. Ueberblickt man freilich die Schaar der erfolg-
383
reichen jungen Künstler der letzten Jahrzehnte in Düsseldorf, so möchte es scheinen, als fehle es
noch an einer der machtvollen Persönlichkeiten, ohne die kein Fortschritt in irgend einem
Zweige menschlicher Cultur möglich ist, deren gerade die Düsseldorfer Kunst eine so stattliche
Reihe von Cornelius an aufzuweisen hatte und in ihrer älteren und ältesten lebenden Generation
noch aufzuweisen hat. Aber so lange eben diese noch in frischer Schöpferkraft thätig sind,
mag der junge Nachwuchs sich begnügen, ihren Spuren zu folgen. Wenn es Zeit ist, wird auch
der Düsseldorfer Kunst des XX. Jahrhunderts der kommende Mann erscheinen. Vorläufig hat sie
das Recht, nicht auf den Lorbeeren zu ruhen, aber in ruhiger Arbeit die zahlreichen und viel-
gestaltigen Anfänge weiter zu verfolgen und auszubauen. Drei Künstler-Generationen arbeiten in
Düsseldorf nebeneinander, trotz aller unvermeidlichen Gegensätze, in gröfserem Frieden, als in
irgend einer anderen Kunststadt; auch hierin liegt eine Gewähr für die Zukunft. Das Moderne
von heute ist das Unmoderne von morgen. Gerade dafs zahlreiche Werke älterer Düsseldorfer
Kunst noch Freunde finden, dafs alte Künstler nach wie vor mit Erfolg wirken können, das mag
den Jungen und Jüngsten ein Sporn sein, jenen modernen Glanz, der doch nur das für den
Augenblick Geborene umkleidet, zu meiden, und eine tröstliche Versicherung, dafs dann auch
sie nicht blofs für die Tagesmode arbeiten, ^vie so Viele aufserhalb, die ihren billigen und doch
mit dem Theuersten erkauften Ruhm von gestern auf heute dahinwelken sehen.
Es giebt keine Sprünge in der Culturentwicklung der Menschheit. Mit Phrasen läfst sich
die Kunst von Jahrhunderten nicht abthun, noch weniger läfst sich eine neue aus dem Boden
stampfen. Auch das Genie mufs einen festen Grund unter den Füfsen haben, wenn es nicht
den Halt verlieren und untergehen soll.
KARL JANSSEN
Wellen
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ND Schaarschmidt, Friedrich
536 Zur Geschichte der düssel-
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