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Full text of "Analekten zur Naturwissenschaft und Heilkunde : gesammelt auf einer Reise durch Italien, im Jahre 1828"

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V 


w* 


Analekten 


zur 


Naturwissenschaft 


und 


Heilkunde. 


Seiner  Königlichen  Hoheit 

Friedrich  August, 


Herzoge  zu  Sachsen, 


in  dankbarer  Verehrung  und   Unterthänigkcit 


gewidmet 


V  e  r  f  a  s  s 


e  r 


Inhalt. 


Seite 

I.  V  on  den  vulkanischen  Phänomenen  in  Unter-Italien  und 

von  dem  vulkanischen  Bildungstypus  insbesondere     .     .       1 

II.  Fragmente  über  die  Vegetation  in  Italien  im   Allgemei- 

nen und  den  Anbau  des  Oelbaumes  insbesondere  ...     26 

III.  Bemerkungen    zur    Naturwissenschaft    und  Heilkunde , 

und  zu  deren  gegenwärtigem  Stande  in  Italien       ...     47 

IV.  lieber  die  Stimmungswerkzeuge  der  italiänischen  Cicaden  141 

V.  Ueber  das  Licht  der  italiänischen  Leuchtkäfer   .     .     .       169 


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I. 

Von    den    vulkanischen    Phänomenen  in  Unter 

Italien  und  von  dem  vulkanischen  Bildungs- 

typus  insbesondere. 


C  Gelesen  in   der  zur  Feier  der   Decennalien  der  Gesellschaft  für 

Natur-  und  Heilkunde   zu  Dresden   gehaltenen  öffentlichen 

Sitzung,  am  15.  Oktober  1323.) 

Indem  ich  beabsichtige,  dieser  verehrten  Versamm- 
lung einige  Bemerkungen  vorzulegen,  zu  welchen  mir 
eine  im  verflossnen  Sommer  im  Gefolge  Sr.  Königl. 
Hoheit  des  Prinzen  Friedrich  gemachte  Reise  Gele- 
genheit gegeben,  so  bitte  ich  mir  zu  gestatten,  dass 
jch  unter  den  vielfältigen  so  höchst  merkwürdigen 
Phänomenen,  welche  Italien  dem  Fremden  darbietet, 
heute  bei  denjenigen  verweile,  von  welchen  eigne 
lebendige  Anschauung  erhalten  zu  haben,  mir,  unter 
vielem  Merkwürdigen,  in  naturwissenschaftlicher  Hin- 
sicht die  merkwürdigste  Ausbeute  dieser  Reise  gewe- 
sen ist.  Ich  meine  die  vulkanischen  Phänomene,  wel- 
che Italien,  noch  abgesehen  von  Sicilien,  in  allen 
ihren  verschiedenen  Abstufungen  zur  Anschauung 
bringt.  — ■  Will  man  einen  Vulkan  in  Thätigkeit  sehen, 
das  Kochen  seiner  aus  unermessnen  Tiefen  heraufstei- 
genden geschmolzenen  Massen  gewahren,  der  Vesuv 
bietet  es  dar;  will  man  den  halb  erstorbenen  Vulkan 
beobachten,  der  nur  noch  die  flüchtigeren  Substanzen, 
Schwefel,  Chlorsalze  und  Gassarten  ausstösst,  dessen 

1 


noch  immer  erhitzter  Krater  aber  schon  mit  lockern 
erdigten  Schichten  bedeckt  ist  und  der  Vegetation  zu- 
gänglich wird,  die  Solfatara  bietet  es  dar;  will  man 
den  in  sich  zusammengestürzten  Krater,  welcher,  nur 
noch  wenig  in  seinen  Wandungen  erhitzt,  sich  mit 
Süsswasser  erfüllt  hat,  der  See  von  Agnano  bietet  es 
dar;  will  man  den  ganz  erloschenen,  nicht  mehr  vul- 
kanische Wärme  ausstrahlenden,  zum  See  gewordnen 
Krater,  die  Seen  von  Nemi,  Albano,  Vico,  und  an- 
dere bieten  es  dar ;  will  man  Emporhebungen  des  Bo- 
dens sehen  durch  vulkanische  oder  plutonische  Kräfte 
in  wunderbar  kurzer  Zeit  bewirkt,  so  betrachte  man 
den  Monte  nuovo  bei  Pozzuoli,  welcher  1538  im  Sep- 
tember mit  Erdbeben  und  heftigem  Ungewitter,  Feuer- 
und  Steinauswürfen  sich  plötzlich  hervorhob.  Fragt 
man  nach  Lavaströmen ,  die  schwarzen,  erstarrten, 
zackigen  Flüsse  vom  \  esuv  nach  Torre  del  Greco  und 
vom  Epomeo  auf  Ischia  bis  ins  Meer  herab  lassen 
auch  diese  gewaltigen  Erscheinungen  in  ihrer  ganzen 
Ausdehnung  überblicken,  und  will  man  endlich  die 
Trümmer  ungeheurer  Krateren  erforschen,  welche 
schon  in  den  frühesten  Epochen  der  Bildung  des  Pla- 
neten in  sich  zusammengestürzt  sind  und  den  Mee- 
resfluthen  freien  Eintritt  vergönnt  haben,  so  überzeugt 
sich  der  aufmerksam  vergleichende  Beobachter  bald, 
dass  der  ganze  Golf  von  Neapel  auf  diese  Weise  ent- 
standen ist,  dass  die  schroffen  Wandungen  des  Tuffo 
am  Pausilipp  und  die  jähen  Abstürze  gegenüber  an 
Sorrento ,  die  zackigen  Felsen  von  Capri  und  der  noch 
innerlich  arbeitende  Epomeo  auf  Ischia,  die  ausge- 
brochnen  Ränder  eines  Ungeheuern  Kraters  bildeten. 
—  Hatte  ich  aber  sofort  Gelegenheit,  die  verschiede- 
nen Zustände  des  vulkanischen  Erdlebens  in  manchen 
merkwerthen  Beispielen  begreifen  zu  lernen,  so  musste 
der  traurige  Anblick  des   erst  im  März  dieses  Jahres 


durch  Erdbeben  zerstörten»  Fleckens  auf  Ischia  Casa- 
micciola  genannt,  zu  manchen  Betrachtungen  über  die 
Einwirkung  solcher  Revolutionen  auf  menschliche  Ver- 
hältnisse veranlassen. 

Wie  es  nun  aber  unverkennbar  ist,  dass  bei  Ver- 
ständniss  der  grossen  geologischen  Naturerscheinungen 
gerade  der  enge,  beschränkte,  menschliche  Gesichts- 
kreis uns  an  der  wesentlichen  Erkenntniss  der  Eigen- 
thümlichkeit  grösserer  Erdtheile  hindern  muss,  so  dass 
wir  nöthig  haben,  auf  alle  Weise  den  Blick  auszudeh- 
nen, und  das  geistige  Auge  zu  Hülfe  zu  nehmen,  wo 
das  leibliche  nicht  ausreicht ;  wie  man  sich  überzeu- 
gen muss,  dass  namentlich  nur  auf  solche  Weise  die 
grossen  Resultate  erlangt  werden  konnten,  welche 
Leopold  v.  Buch  und  Alexander  v.  Humboldt 
über  die  verschiedenen  Systeme  von  Vulkanen  uns 
mitgetheilt  haben,  so  ist  es  auch  um  die  Eigenthüm- 
lichkeiten  des  vulkanischen  Erdlebens  in  Italien  auf- 
zufassen, nicht  überflüssig,  einen  Blick  auf  die  Ver- 
hältnisse des  Bodens  in  ganz  Europa  zuwerfen.  Rit- 
ter sagt  schon  sehr  richtig:  „Europa  selbst  ist  durch 
ein-  und  ausspringende  Küstenbegrenzungen  und  Mee- 
resbuchten vielfacher ,  als  irgend  ein  anderer  Theil 
der  Erde ,  unter  sich  in  Glieder  getheilt ,  und  zwar 
immer  mehr  und  mehr,  je  weiter  es  von  seinem  brei- 
ten Zusammenhange  mit  Asien  sich  entfernt"  und  wei- 
terhin :  „  So  bietet  sich  in  der  auf  dem  kleinern  Räu- 
me am  weitesten  vorgeschrittenen  Theilung  und  phy- 
sischen Entwickelung  der  festen  und  flüssigen  Formen 
dieses  Erdtheiles,  und  in  der  Ueberschaulichkeit  die- 
ses Erdindividuums,  in  Beziehung  der  auf  den  Kreis- 
lauf des  Jahres  angewiesenen  Natur  -  und  Völkerver- 
hältnisse, der  eigenthümliche  Charakter  des  europäi- 
schen Erdtheils  in  der  alten  Welt  dar,  durchweichen 
er  schon  von  der  Naturseite  aus   betrachtet,   zu  einer 

1* 


andern  Bestimmung  als  derjenige ,  mit  welchem  er  wie- 
der auf  eine  ganz  eigentümliche  \A  eise  zusammenge- 
stellt ist,  vom  Anfang  an  berufen  zu  seyn  scheint." 

So  gewiss  es  nun  ist,  dass  gerade  durch  die  schö- 
nen Gliederungen  seines  terrestriscl.en  Baues  Europa 
die  geistige  Entwickelung  der  seinen  Boden  bewoh- 
nenden Völkerschaften  begünstigen  musste,  A  ölker- 
scl  aften,  welche  nur  gerade  bei  solchen  Begünstigun- 
gen zu  jener  Höhe  der  geistigen  Bildung  sich  erheben 
konnten,  welche  für  die  ganze  Erde  den  Mittelpunkt 
der  Cultur  hieher  verlegen  halfen,  so  wenig  ist  doch 
noch  im  Einzelnen  die  wirklich  schön  und  organisch 
gegliederte,  und  was  hiervon  die  Folge  ist,  symme- 
trisch gebildete  Form  dieses  Erdtheils  beachtet  wor- 
den. Ohne  nun  hier  auf  einen  so  weitschichtigen  Ge- 
genstand näher  eingehen  zu  können,  gebe  ich  nur  zu 
bedenken ,  wie  schön  und  regelmässig  Europa  von  der 
Kette  seiner  Hochgebirge  seiner  Länge  nach  von 
Osten  nach  "W  esten  durchzogen  wird ,  wie  gleichmäs- 
sig  die  Wässer  zu  beiden  Seiten  nach  Norden  und 
Süden  abfiiessen,  so  dass  zwar  die  grössere  Zahl  star- 
ker Flüsse  auf  die  Nord!  älfte,  die  gross te  Länge  und 
Stärke  eines  einzelnen  fDonau)  aber  auf  die  Südhälfte 
fällt,  bis  am  portugiesischen  Ende  des  Welttheils  ganz 
symmetrisch  zwei  Ströme  nördlich  (Tajo  und  Duero) 
und  zwei  Ströme  südlich  Guadiana  und  Guadalquivir) 
die  \A  asserentladungen  beschliessen ;  ferner  wie  die 
Landausstrahlungen  nach  Norden  und  Süden  symme- 
trisch sich  ansetzen,  wie  das,  was  als  Dänemark  mit 
Norwegen  und  Schweden  sich  nördlich  ausdehnt,  süd- 
lich durch  die  Erstrecknngen  der  europäischen  Türkei 
und  Griechenlands  compensirt  wird,  wenn  hingegen 
zur  Ausdehnung  von  Italien  mit  Sardinien,  Corsica 
und  Sicilien,  Britannien  mit  Irland  und  Island  das  Ge- 
gengewicht bildet,    ein    Gegengewicht,    welches,    wie 


sehr  es  auch  in  jeder  andern  Beziehung,  in  ganz  ent- 
gegengesetzter geistiger  Entwickelung  z.  B  ,  sich  nach- 
weisen lässt,  hier  kaum  berührt  werden  kann.  Nicht 
minder  zeigen  die  Meere  und  Meeresbuchten  diese  Ge- 
gensätze; denn  wenn  die  Spitze  Europa's  vom  Atlan- 
tischen Ocean  bespühlt  wird,  so  drängt  er  sich  südlich 
als  Mittelmeer  zwischen  Europa  und  Africa  wie  nörd- 
lich als  Ocean  und  Eismeer  zwischen  Europa  und  Asien. 
Wenn  östlich  von  England  die  Fortsetzung  des  Ocean's 
die  Nordsee  bildet,  so  buchtet  östlich  von  Italien  das 
Mittelmeer  sich  als  adriatisches  Meer  ein.  Wenn  end- 
lich südlich  der  griechische  Archipel  bis  zum  schwar- 
zen Meere  sic'i  ausdehnt,  so  finden  wir  nördlich  die 
Ausdehnungen  des  Cattegat  bis  zur  Ostsee.  —  Doch 
zu  weit  schon  habe  ich  ein  Feld  verfolgt,  dessen 
•Inhalt  nur  von  Einer  Seite  uns  hier  bemerklich  wer- 
den sollte ,  nämlich  um  darauf  aufmerksam  zu  machen, 
wie  auch  die  einzigen  noch  lebensthätigen  euro- 
päischen Vulkane  in  symmetrischem  Verhältniss  nörd- 
lich und  südlich  vom  Festlande  Europa's  gelagert  sind, 
denn  die  Basaltmassen  von  Schottland,  als  Resultate 
feuriger  Processe,  die  basaltischen  Inseln  der  Nord- 
see bis  hinauf  zu  dem  ganz  vulkanischen  Island  mit 
noch  thätigen  Feuerbergen,  stehen  rein  gegenüber  den 
vulkanischen  Bildungen  Italiens  mit  dem  dem  Erlö- 
schen schon  nähern  Vesuv  und  dem  noch  kräftig  wirk- 
samen Aetna  Siciliens. 

Sagte  ich  nun  aber  vorher  im  Allgemeinen,  dass 
Italien,  indem  es  eine  so  merkwürdige  Reihenfolge 
vulkanischer  Erscheinungen  darbietet,  dem  Reisenden 
ein  besonderes  Interesse  darbieten  müsse,  so  kommt 
es  mir  jetzt  zu,  diess  im  Einzelnen  näher  darzulegen. 
—  Seit  uns  nämlich  die  Arbeiten  eines  Laplace, 
Freisleben  und  Cordier  über  die  in  grössern  Tie- 
fen um  so  mehr  zunehmende   Wärme    im  Innern   der 


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Erde  (nach  Cordier's  Beobachtungen  und  Berech- 
nungen, welcher  für  25  Metres  1°  Wärme-Zunahme 
fand,  Hegt  die  Temperatur  des  siedenden  "Wassers 
schon  2503  Metres  unter  Paris),  seit  die  bessern  Be- 
obachtungen über  Vulkane,  so  Avie  die  Arbeiten  eines 
Mitscherlich  über  die  feurige  Entstehung  mehrerer 
auf  Gängen  vorkommenden  Krystallisationen  die  im 
Feuer  thätigen  Naturkräfte  als  die  wesentlichsten  Zeu- 
gungskräfte für  diesen  Boden  nachgewiesen  und  das, 
was  ein  Leibnitz  und  Buffon  nur  als  Hypothesen 
geben  konnten,  zur  wohlbegründeten  Theorie  erhoben 
haben,  seit  endlich  die  Chemie  durch  Entdeckung  der 
den  Kalien  und  Erden  zu  Grunde  liegenden  Metalle 
und  ihrer  Neigung,  unter  Feuererscheinungen  in  die 
Irdenform  überzugehen,  einen  wichtigen  Aufschluss 
über  die  Quellen  dieses  Feuers  gegeben  hat,  muss  die» 
Kenntniss  alles  dessen,  was  auf  innere  tellurische 
Feuerscheinungen  Bezug  hat,  Jedem,  der  einigermas- 
sen  sich  über  das  Leben  der  Erde  unterrichten  will, 
von  höchstem  Interesse  seyn.  — >  Nun  ist  aber  früher 
schon  erwähnt  worden,  wie  wenig  der  Mensch  bei  der 
Enge  und  Kürze  seines  Gesichtskreises  der  unmittel- 
baren Anschauung  eines  im  Räume,  wie  in  der  Zeit 
Ungeheuern  tellurischen  Processes  fähig  sey  :  will  er 
sich  daher  diesen  Erscheinungen  näher  bringen ,  so 
muss  er  sie  zuerst  da  zu  fassen  suchen,  wo  sie  in 
beschränktem!  Räume  und  in  kürzerer  Zeit  sich  gleich- 
sam mehr  übersichtlich  darbieten.  Auf  diese  Weise  ist 
es  sehr  lehrreich,  neu  entstandene  Anschwemmungen, 
Kies  -  und  Erdschichten  in  ihrer  Lagerung  zu  beach- 
ten,  die  Wirkung  der  Wasserzüge  auf  solche  beweg- 
liche Schichten  zu  studiren,  um  die  Bildungsgeschichte 
der  Ungeheuern  Lagerungen  von  Flötzgebirgen ,  wel- 
che, aus  uralten  Wasserbedeckungen  hervorgegangen, 
so  wesentlichen  Antheil  an  der  eigenthümlichen  Phy- 


siognomie  der  Erdfläche  haben,  sich  verständlicher  zu 
machen.  —  Auf  dieselbe  Weise  aber  ist  es  auch  un- 
umgänglich nothwendig,  die  vulkanische  Thätigkeit  in 
übersichtlichem  Räume  lebendig  aufgefasst  zu  haben, 
um  die  Wirkungen  derselben  auch  da  zu  erkennen, 
wo  die  Thätigkeit  selbst  bereits  längst  erloschen  und 
durch  tausenderlei  andere  Phänomene  des  Erdlebens 
gleichsam  maskirt  ist.  „Videre  est  nosse"  dürfen 
wir  auch  hier  sagen,  wie  bei  so  vielem  andern,  und 
die  weitläufigste  Beschreibung  wird  das  nicht  geben, 
was  eine  einzige  deutliche  Sinnesanschauung  gewährt. 
—  Führe  man  doch  zum  Beispiel  den  unvorbereiteten 
Fremden  an  die  reizenden  Ufer  des  Sees  von  Albano, 
wo  die  Ufer  mit  den  kräftigsten  immergrünen  und 
Stein-Eichen,  Rüstern  und  Ahorn  umlaubt  sind,  wo 
Pinien  und  Cypressen  aufragen,  das  Kloster  Pallazuolo 
und  Castell  Gandolfo  die  trefflichsten  Aussichten  dar- 
bieten ,  an  grasreichen  Abhängen  Ziegenheerden  wei- 
den, während  oft  über  dem  grünlichblauen  Spiegel  des 
Sees  ein  Mövenpaar  ihre  Kreise  zieht,  und  nun  trete 
man  zu  ihm,  der  in  einen  noch  thätigen  vulkanischen 
Krater  nie  hinabgeblickt,  und  sage  ihm:  diese  sanf- 
ten Abhänge  waren  die  Wände  eines  furchtbaren  Kra- 
ters ;  an  der  Stelle  dieses  schönen  Wasserspiegels 
tobten  einst  die  feurigen  Wellen  geschmolzener  La- 
ven, und  diese  klare  Luft  war  einst  von  Rauch  und 
Steinauswürfen  geschwärzt;  und  unser  Fremder  wird 
mit  skeptischen  Blicken  diese  Hypothese  kalt  anhö- 
ren, wie  so  Yiele  kalt  auf  ausgesprochene  Erkennt- 
nisse herabsehen,  wenn  in  ihrem  eignen  Innern  das 
Licht  selbstthätiger  Erkenntniss  sich  noch  nicht  er- 
schlossen hat.  —  Wie  doppelt  merkwürdig  wird  dage- 
gen, wenn  das  Auge  sich  einmal  für  Wahrnehmung 
der  gewaltigen  Wirkungen  der  vulkanischen  Kräfte 
des  Erdlebens  geöffnet  hat,     der  Boden  Italiens  und 


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jedes  Landes,  wo  diese  primitiven  Kräfte  weniger 
durch  die  Erscheinungen  nachfolgender  Wasserbede- 
ckungen versteckt  sind!  —  Es  würde  auch  nicht  feh- 
len, dass  diese  Seite  Italiens  häufiger,  als  bisher  ge- 
schehen, beachtet  worden  wäre,  würde  nicht  durch 
so  grossen  Reichthum  an  anderm  Merkwürdigen  und 
Sehenswerthen  hier  die  Aufmerksamkeit  des  Reisen- 
den mehr  als  in  andern  Ländern  gefesselt. 

Man  erlaube  mir  denn  hier  zuvörderst  über  das 
organische  Princip  in  der  Gestaltung  vulkanischer  Ge- 
genden im  Allgemeinen  einige  Bemerkungen  voraus- 
zuschicken und  dann  die  Eigenthümlichkeiten  etwas 
näher  zu  schildern,  welche  an  den  vulkanischen  Um- 
gegenden von  Neapel  und  Rom  mir  vorzüglich  bemer- 
kenswerth  geschienen  haben. 

Was  das  Princip  vulkanischer  Gestaltungen  be- 
trifft, so  erinnere  man  sich,  dass,  inwiefern  es  sich 
auch  hier  von  Gestaltung  aus  einem  flüssigen,  ge- 
schmolzenen Zustande  zum  festen  handelt ,  sogleich 
sich  wieder  das  bedeutungsvolle  Gesetz  bewähren 
müsse,  „x\lle  erste  organische  Gestaltung,  welche  aus 
einem  räumlich  Unbegränzten  zum  räumlich  Begränz- 
ten  übergeht,  muss  zuerst  im  Typus  der  Kugel  er- 
scheinen," So  zeigt  das  schon  in  der  geineinen  Tem- 
peratur der  Atmosphäre  geschmolzene  Quecksilber  in 
jeder  noch  flüssigen  Absonderung ,  gleich  allen  Flüs- 
sigkeiten, die  Kugelfonn,  so  erstarrt  der  Tropfen  ei- 
nes andern  geschmolzenen  Metalls,  indem  er  aus  be- 
trächtlicher Höhe  herabfällt,  zur  festen  Kugel,  und  so 
zeigt  auch  eine  geschmolzene  Masse,  wenn  innerhalb 
derselben  Gasarten  oder  Dämpfe  sich  entwickeln  und 
aufsteigend,  die  Masse  aufblähend,  einzelne  Theile 
absondern  wollen,  die  kugliche  Oberfläche,  die  Bla- 
senform, und  wäre  das  Aufstreben  des  eingeschlossenen 
Dämpfe  so  mächtig,  dass  sie  die  einschliessende  Masse 


9 

gänzlich  loszureisseri  und  fortzuführen  vermöchte,  so 
Würde  diese  Masse  nur  in  der  Forin  der  Hohlkugel, 
als  Ballon,  aufsteigen;  (so  steigt  z.  B.  eine  Seifen- 
blase mit  Wasserstoffgas  auf;)  überwiegt  dagegen  der 
Zusammenhang  der  Blase  mit  ihrer  Hauptmasse ,  so 
wird  entweder  durch  immer  weiteres  Aufstreben  die 
Halbkugel  sich  zum  Kegel  ausdehnen,  oder  sie  wird 
an  der  Spitze  sich  öffnen  und  das  eingeschlossene 
Flüchtige  entweichen  lassen,  wobei  denn  die  Wan- 
dungen entweder  Festigkeit  genug  haben,  sich  zuhal- 
ten, oder  bei  mangelnder  Festigkeit  in  sich  zusam- 
mensinken und  den  kreisförmigen  Rand  der  Blase  stec- 
hen lassen  (so  z.  B.  die  Blasen,  welche  Schlacken  an 
ihrer  Oberfläche  aufwerfen).  Können  nun  von  diesem 
Standpunkte  aus  über  die  Gestalt  der  Erde  im  Allge- 
meinen wichtige  Aufschlüsse  sich  entnehmen  lassen, 
so  ist  dagegen  hier  insbesondere  hervorzuheben ,  wie 
wichtig  die  Berücksichtigung  dieser  Ur-Phänomene  für 
die  Erklärung  der  Physiognomie  vulkanischer  Gegen- 
den wird,  denn  man  sieht  leicht  ein,  dass  die  Erhe- 
bung in  Kegelform  und  der  Krater,  als  die  beiden  ei- 
gentlichen Grundgestalten  vulkanischer  Gegenden,  ganz 
auf  jene  Urphänomene  zurückgeführt  werden  können, 
und  dass  die  kleinen  Oeffnungen  an  der  Spitze  einer 
Schlackenblase,  und  der  zackige  Kreisrand  einer  an- 
dern in  sich  zusammengesunkenen,  im  Wesentlichen 
dasselbe  ist,  was  die  Kraterenöffnung  eines  Vulkans, 
oder  das  Ringgebirge,  welches  von  einem  zusammen- 
gestürzten ,  oft  nun  zum  See  gewordenen  Vulkan  übrig 
geblieben  ist;  so  wie  die  kegliche  Erhebung  der  nicht 
geplatzten  Schlackenblase  dasselbe ,  was  der  ohne 
Auswurfsöffnung  gebliebene  gewaltig  emporgehobene 
vulkanische  Kegelberg*).    Man  darf  es  daher  ausspre- 


*)  Sehr  deutlich  gestalten  sich  in  dieser  halbkuglichen  Bla- 


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chen,  das 8  der  Typus  der  Kugel  und  der  von 
ihr  abgeleiteten  Formen,  der  Halbkugel  und 
des  daraus  hervorgehenden  Kegels  und  Krei- 
ses das  eigentliche  Gestaltungsprincip  je- 
der vulkanischen  Gegend  sei,  und  wie  nun  ein 
geAvisser  Typus,  welcher  als  Grundgestalt  für  irgend 
ein  Individuelles  anerkannt  ist,  nie  etwa  allein  in  der 
äusserlichen  Forin  herrschen  kann,  sondern  sie  innig 
durchdringen  nmss,  so  dass  er  sich  in  ihren  einzelnen 
Theilen  immer  wieder  und  immer  in  mannigfaltigem 
und  feinern  Modifikationen  und  Combinationen  wieder- 
holt, so  ist  es  von  höchster  Merkwürdigkeit,  wie  jene 
immer  zuletzt  aus  der  Kugelform  hervorgehende  Bil- 
dung, welche  wir  im  Ganzen  als  charakteristisch  für 
vulkanische  Erdtheile  erkannt  haben,  sich  hier  nun 
vom  Grössern  ins  Kleinere  in  höchster  Mannigfaltig- 
keit zu  wiederholen  strebt  und  wirklich  wiederholt. 
So  wie  daher  der  Typus  des  Kegels  und  Ringgebirges 
sich  dergestalt  zu  wiederholen  pflegt,  dass  an  grosse 
oft  viele  Meilen  im  Durchmesser  haltende  Gebirgs- 
kreise  sich  kleinere  und  an  diese  wieder  kleinere  an- 
schliessen,  welche  in  ihren  Kraterenöffnungen  dann 
immer  neue  Wiederholungen  jener  Grundform  darstel- 
len, so  wird  der  kugliche  Typus  selbst  in  der  Erstar- 
rung der  ausgeflossenen  geschmolzenen  Massen  oft 
genug  deutlich  erkennbar,  wovon  namentlich  Zeugniss 
geben  die  basaltischen  Kugeln ,  welche  sowohl  im  Klei- 
nen, als  in  enormer  Grösse  (man  sehe  z.  B.  die  Ab- 
bildung des  kuglichen  Basaltberges  in  Göthes  Heften 
zur  Naturwissenschaft  Bd.  2.  Heft  2.  Tafel  2.  3.)  nicht 


scnforni  auch  die  Erhebungen  der  Schlammvulkane  ,  wie  diess 
Dolomieu  (  Reise  nach  den  Liparischen  Inseln,  deutsch  von 
Lichtenberg,  Leipzig  1783,  S.  164)  vom  Macaluba  in  Sici- 
lien  sehr  ausführlich  beschrieben  hat. 


11 

selten  angetroffen  werden.  —  Unterlassen  kann  ich 
übrigens  nicht  zu  bemerken,  erstens:  dass  einer  der 
interessantesten  Ueberblicke  der  in  verschiedenen  Po- 
tenzen aneinandergereihten  Wiederholungen  des  pri- 
mitiven vulkanischen  Typus  durch  Betrachtung  der 
Oberfläche  des  Mondes  erlangt  werden  kann,  dessen 
Ringgebirge  mit  neuen  kleinern  Ringgebirgen  in  der 
Peripherie  jener,  und  abermals  erhobenen,  becherför- 
mig geöffneten  Kegeln  in  Mitten  dieser,  die  erwähn- 
ten Fortbildungen  auf  das  Deutlichste  zeigen,  eine 
Betrachtung,  welche  um  so  wichtiger  ist,  da  ich  über- 
zeugt bin,  dass  auf  der  Erdfläche,  wenn  wir  die  spä- 
tem neptunischen  Bildungen  uns  überall  wegdenken 
können ,  ein  ganz  ähnlicher  Typus  als  der  herrschende 
gefunden  wird,  und  selbst,  so  wie  er  jetzt  ist,  der 
untere  Theil  von  Italien ,  in  einer  guten  Situations- 
zeichnung aufgenommen,  auffallend  gleiche  Physiogno- 
mie mit  manchen  Mondgegenden,  wie  wir  sie  auf 
Lohrmanns  trefflichen  Situationszeichnungen  vom 
Monde  sehen,  haben  würde. —  Zweitens,  wie  merk- 
werth  es  sey,  dass  dieselbe  primitive  Gestaltung,  wel- 
che wir  als  Grundlage  aller  organischen  Einzelwesen 
anerkennen  müssen,  d.  i.  die  Kugel,  welche  im  Ei, 
im  Blutkügelchen ,  Nervenknoten  und  ersten  Knochen- 
punkt*) wie  im  Fruchtkeim,  Knospe  und  Knolle  sich 
stets  wiederholt,  zugleich  die  Grundgestalt  dieser  Re- 
sultate der  Ur-  Phänomene  des  Erdlebens  sämmtlich 
bedingt. 

Wenn  es  übrigens  schon  im  Wesen  eines  Bil- 
diingsgesetzes  liegt,  dass  dadurch  nicht  blos  an  einer 
Stelle  etwa  Gestaltung  geregelt  werde,    sondern   dass 


*)  Ueber  die  merkwürdigen  Umbildungen  und  Fortbildungen 
der  Kugel  im  Knochensystem  s.  meine  Schrift  von  den  Ur-Thei- 
len  des  Knochen-  und  Schalengerüstes.   Leipzig,  1828.  fol. 


12 

dessen  Wirksamkeit  das  Ganze  der  Gestaltung  aussen 
und  innen  durchdringe,  so  ist  in  den  vulkanischen 
Gebirgen  die  Nothwendigkeit  der  Wiederholung  der 
Kugel-  und  Kreisform  vom  Grossen  ins  immer  Klei- 
nere an  sich  schon  deutlich ,  indess  lässt  sich  diese 
Nothwendigkeit  der  oben  geschilderten  Wiederholun- 
gen einer  und  derselben  Grundform  hier  auch  noch 
auf  eine  andere  Weise  darthun  : 

Bedenken  "wir  nämlich ,  dass  jene  blasenförmigen 
Erhebungen  yi  einer  geschmolzenen  Masse  Statt 
finden  müssen,  und  dass  jedes  Mal  die  am  heftigsten 
erhitzte  Stelle  auch  die  stärkste  Erhebung  machen 
werde,  so  lässt  sich  wohl  begreifen,  dass,  wenn  ein 
grosses  Lager  entzündlicher  Stoffe,  z.  B.  Irdmetalle, 
in  Schmelzung  geräth,  zuerst  die  Stelle,  von  welcher 
aus  die  Entzündung  sich  excentrisch  verbreitete,  also 
der  Mittelpunkt,  sich  auch  am  stärksten  erheben  werde. 
Erlischt  oder  mässigt  sich  nun  aber  hier  auch  zuerst 
der  Entzündungsprozess  im  Produkt  der  Eruption,  so 
wird  dagegen  im  Umfange,  wohin  die  Krisis  der  mitt- 
lem Eruption  nicht  gewirkt  hat,  die  Tendenz  vorhan- 
den bleiben,  durch  eigene  peripherische  Eruptionen 
sich  gleichfalls  zu  entladen,  deren  jede  abermals  als 
Mitte  erscheinen  wird,  in  deren  Peripherie  sich  noch- 
mals neue  Eruptionen  bilden  werden;  eine  Kette,  die 
nun  bis  zum  völligen  Abbrennen  alles  Entzündungs- 
stoffes fortwirken  muss,  und  aus  welcher  es  sich  zu- 
gleich erklärt,  warum  immer  (wovon  hier  mehrere 
Beispiele  beigebracht  werden)  die  Mitten  der  Kratern 
diejenigen  Gegenden  sind ,  wo  die  Entzündung  zuerst 
erlöscht,  wenn  dagegen  in  den  Wänden  die  Feuerpro- 
zesse noch  am  längsten  fortdauern. 

Was  nun  die  Anwendung  der  obigen  Grundsätze 
auf  die  Umgegend  von  Neapel  betrifft,  so  kann  hier 
zuvörderst   dem   aufmersamen  Beobachter  nicht  entge- 


13 

hen,  wie  im  Allgemeinen,  je  weiter  man  in  Italien 
gen  Süden  hin  von  der  Kette  der  Urgebirge  der 
Schweitz  sich  entfernt,  um  so  deutlicher  die  vulkani- 
schen Phänomene  hervortreten ,  so  dass  auf  den  nur 
einzelne  vulkanische  Erscheinungen  zeigenden  Boden 
der  Lombardey  und  Toscana's ,  der  schon  grösstentheils 
vulkanische  Boden  Roms  folgt,  an  welchen  sich  endlich 
das  fast  ganz  vulkanische  Gebiet  Neapels  anschliesst. 
Wobei  man  beachten  möge,  dass  fast  auf  gleiche 
Weise  in  dem  jenseits  des  Continents  entgegenstehen- 
den England  und  Schottland  bis  Island  hinauf,  der 
Vulkanismus  so  mehr  hervortritt,  jemehr  man  gen 
Norden  vom  Hochrücken  von  Europa  abweicht;  eine 
Bemerkung,  welche  das,  was  oben  über  die  polaren 
Bildungsverhältnisse  von  Europa  gesagt  ist,  noch  mehr 
ins  Licht  stellen  kann. —  Betrachtet  man  nun  auf  einer 
hinreichend  grossen  und  genauen  Karte  die  Gebirgs- 
züge des  untern  Italiens,  so  bemerkt  man  unter  der 
Menge  von  ringförmigen  oder  halbringförmigen  Ge- 
birgszügen und  Buchten,  in  welche  das  ganze  untere 
Italien  zu  zerfallen  scheint,  zuvörderst  den  Halbmond 
eines  gewaltigen  40  —  45  deutsche  Meilen  im  Durch- 
messer haltenden  Kreises  von  Gebirgen,  welcher  ober- 
halb Salerno,  vom  Capo  di  campanella  anfangend, 
gegen  Eboli  Cosenza,  bis  zur  Meerenge  von  Messina, 
und  auf  Sicilien  von  Messina  durch  Val  Demona  bis 
Corleone  und  Palermo  sich  erstreckt,  so  dass  dann 
das  Kreissegment  von  Palermo  wieder  bis  Cap  Cam- 
panella vom  Meere  bedeckt  wird,  wie  der  Halbmond 
selbst  durch  die  Meerenge  von  Messina  einmal  durch- 
schnitten ist.  In  diesem  colossalen  Ringgebirge ,  wel- 
ches indess  im  Verhältniss  zur  Erde  immer  noch  nicht 
so  gross  ist,  als  etwa  das  22  Meilen  im  Durchmesser 
haltende  Mondringgebirge  des  Ptolomäus  zum  Mon- 
de,   ragen  noch  Trümmer  des  in  seiner  Mitte  in  der 


14 

Urzeit  aufstrebenden  vulkanischen  Kegels  als  soge- 
nannte Liparische  Inseln  herauf,  und  noch  herrscht 
auf  mehrern  derselben  in  eigenen ,  aus  den  Rändern 
dieses  primitiven  Kegels  sich  entwickelt  habenden 
Krateren  lebhafte  vulkanische  Thätigkeit.  So  auf 
Volcano  und  "Stromboli.  —  In  der  Peripherie  jenes 
colossalen  Ringgebirges,  vom  Meere  zwischen  Cala- 
brien  und  Sicilien  erfüllt,  zeigen  sich  nun  mehrere 
untergeordnete  Kegel  und  Gebirgskreise  ,  wir  wollen 
sie  hier  Ringgebirge  und  Krateren  zweiter  Formation 
nennen.  Hierher  gehört  der  an  die  Kette  des  Yalde- 
mona  sich  anschliessende  so  hoch  heraufgehobeno 
Aetna  selbst ,  dann  wahrscheinlich  die  Felsenkessel, 
welche  den  See  zwischen  Romagnano  und  Contursi, 
und  den  südlicher  gelegenen  Lago  negro  umgeben, 
hierher  endlich  muss  auch  der  Gebirgskreis  gerechnet 
werden,  dessen  wieder  zum  Theil  vom  Meere  zer- 
störte oder  wenigstens  überdeckte  Felsmauern  den 
Golf  von  Neapel  einschliessen ,  eine  Kette  von  Ge- 
birgen, welche  wieder  mit  Capo  Campanella  beginnt, 
an  Sorrento  bis  zum  Monte  Sant'  Angelo  sich  hinzieht, 
hinter  Sarno  und  Avella  sich  fortsetzt  und  dann  durch 
das  Thal  von  Acerra  unterbrochen,  zum  Pausilippo 
und  Capo  Miseno  fortgeht,  wo  sie  dann,  wieder  durch 
Meeresarme  getrennt,  in  den  Höhen  von  Nisida,  Pro- 
cida  und  Ischia  bemerklich  wird,  und  endlich  durch 
die  lange  Felsmauer  von  Capri  sich  wieder  gen  Capo 
Campanella  herumbiegt.  Dieses  ungefähr  5,  und  in 
der  grössten  Weite  etwa  8  Meilen  im  Durchmesser 
haltende  Ringgebirge  (es  ist  also  noch  kleiner  als  das 
Ringgebirge  des  Aristillus  auf  dem  Monde,  welches 
nach  Lohrmann  überhaupt  acht  Meilen  Durchmesser 
hat)  ist  wieder  in  seiner  Peripherie  mit  abermaligen 
Wiederholungen  vulkanischer  Einsenkungen  und  Er- 
hebungen umgeben.     Zu  diesen,  die  wir  mit  dem  Na- 


15 

men  der  dritten  Formationsreihe  bezeichnen  wollen, 
gehören  die  Erhebungen  des  Epomeo  auf  Ischia,  der 
Krater  des  Sees  von  Agnano ,  Astruni  und  die  Solfa- 
tara  (in.  s.  d.  Plan  der  Campi  Flegrei  von  Hamil- 
ton), dahin  gehört  der  Avieder  mit  Meereswasser  ge- 
füllte Golf  von  Bajä,  das  Mare  morto  und  der  Vesuv 
selbst,  welcher  mit  dem  Monte  Somma  als  ein  Gan- 
zes betrachtet  werden  muss ,  von  welchem  dann  die 
westliche  den  Krater  des  eigentlichen  Vesuvs  bildende 
Erhebung  wieder  eine  untergeordnete  Bildung  vierter 
Formation  darstellt,  ähnlich  etwa  der  des  Seitenkraters, 
welcher  am  östlichen  Rande  des  Epomeo  vor  mehr 
als  4  Jahrhunderten  den  grossen  noch  sichtbaren  La- 
vastrom zum  Meere  sendete.  Es  ist  daher,  was  den 
Vesuv  b e trifft  j  sehr  lehrreich,  auf  die  aufsteigenden 
Linien  zu  achten,  welche  den  Fuss  desselben  begren- 
zen, namentlich  wenn  er  von  Neapel  oder  vom  Pau- 
silipp  aus  gesehen  wird,  inwiefern  diese  Linien,  ihrer 
Neigung  gegeneinander  nach ,  auf  eine  2  bis  3fach 
höhere  Spitze  als  die  jetzige  deuten,  welche  indess 
nicht  nur  selbst  schon  seit  undenklichen  Zeiten  fehlt, 
sondern  wo  sogar  von  den  übrig  gebliebenen  Rändern 
der  eine,  jetzt  ausschli essend  der  Kegel  des  Vesuvs 
genannte  ,  fast  mit  jedem  bedeutenden  Ausbruche  nie- 
driger geworden  ist ,  wie  schon  die  verschiedenen, 
wenn  auch  mangelhaften  Darstellungen,  welche  Ha- 
milton in  den  60er  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts 
vom  Vesuv  stechen  liess ,  bezeugen.  —  Muss  man  je- 
doch somit  den  äussern  Krater  des  Vesuvs,  dessen 
Umfang  etwa  4  Stunden  geschätzt  werden  mag,  als 
Ringgebirge  4ter  Formation  betrachten,  so  sind  dage- 
gen die  kleinen  Nebenkrateren,  welche  mit  ihren  ke- 
gelförmigen Erhebungen  ganz  die  Form  des  grossen 
Aschenkegels  wiederholen ,  zu  einer  5ten  Formations- 
reihe gehörig,     indess    Nebenöffnungen    der    letztern, 


le 

Fummajuoli  (Essen)  nennt  man  sie  dort,  sogar  eine 
Cte  Darbildung  jenes  primitiven  Typus  geben  können. 

Hat  man  nun  einmal  aus  diesem  Gesichtspunkte 
die  Gegend  von  Neapel  betrachten  lernen,  so  ist  es 
höchst  interessant,  die  gleichartigen  Glieder  aus  ver- 
schiedenen Formationsreihen  untereinander  zu  verglei- 
chen. So  z.  B.  ist  es  höchst  auffallend,  wie  die  schrof- 
fen innern  Wände  des  äussern  grossen  Kraters  vom 
Vesuv  in  ihren  wellenförmigen ,  aus  kleinern  und 
grössern  Lavastücken  und  vulkanischer  Asche  gebil- 
deten Schichtungen  ihrer  ganzen  Physiognomie  nach 
den  Schichtungen  gleichen,  welche  man  an  den  senk- 
recht abgestürzten  Tuff- Wänden  des  Pausilipp ,  der 
Insel  Nisida  u.  s.  w.,  als  Stücken  der  Wände  des  gros- 
sen Ringgebirges  vom  Golf  von  Neapel ,  wahrnimmt. 
—  Ferner  ist  es  merkwürdig,  eine  gleiche  Ordnung 
im  Erlöschen  der  vulkanischen  Prozesse  und  im  Er- 
kalten bei  den  vulkanischen  Gebirgskreisen  sowohl 
der  ersten  als  zweiten,  dritten  und  vierten  Formation 
Statt  finden  zu  sehen,  eine  Ordnung,  welche  sich 
darin  ausspricht,  dass  besonders  in  den  Wandungen 
der  Krateren  die  Feuerprozesse  noch  lange  sich  be- 
merklich machen ,  selbst  Avenn  sie  in  der  Mitte  durch 
Verschüttung  oder  Eindringen  des  Wassers  unkennt- 
lich geworden  sind.  So  ist  es  am  Vesuv  auffallend, 
wenn  man  sich  am  Rande  des  grossen  äussern  Kra- 
ters befindet,  wo  man  die  kochende,  rauchende  Lava, 
durch  die  5  bis  600  Fuss  tiefer  liegende  Oeffnung  des 
innern  kleinern  Kraters  unter  sich  erblickt,  doch 
den  so  weit  entfernten  Rand  des  Aschenkegels  an  vie- 
len Stellen  so  heiss  zu  finden,  dass,  sobald  die  Ther- 
mometerkugel in  eine  kleine  Vertiefung  weggescharr- 
ter Asche  gehalten  wurde ,  sogleich  das  Quecksilber 
auf  28  bis  30  und  35°  R.  stieg.  — 

Eben  so  ist  am  Krater  von  Agnano ,  obwohl  seine 


17 

Mitte  gänzlich  von  einem  grossen  nnd  kalten  See  ausge- 
füllt wird,  die  Seitenwandung  noch  so  thätig,  dass  sich 
nicht  allzuweit  von  der  bekannten  Grotta  del  cane  die 
im  Felsen  ausgehauenen  Schwitzbäder  von  St.  Ger- 
mano  finden,  wo  die  lebhaftesten  Wärme-  und  Dampf- 
entwickelungen dem  Gesunden  kaum  einen  momenta- 
nen Aufenthalt  gestatten.  Dasselbe  wiederholt  sich  in 
dem  kleinen  Ringgebirge  des  Golfs  von  Bajä,  wo  nicht 
nur  die  nicht  allzusehr  verjährte  Erhebung  des  Monte 
nuovo  und  die  ältere  des  Monte  Barbaro,  sondern 
auch  die  fürchterlich  heissen  Schwitzbäder  des  Nero 
bei  Bajä  auf  fortgesetzte  Thätigkeit  in  diesem  alten 
Kraterrande  deuten.  Nicht  minder  ist  in  dem  Ringge- 
birge des  gesammten  neapolitanischen  Golfs  nicht  zu 
verkennen,  dass  die  vulkanische  Thätigkeit  wieder 
nur  an  seinen  Rändern  noch  als  lebendig  erscheint, 
da  sie  hingegen  in  diesem  ungeheuren  Kessel  selbst 
bis  in  unergründliche  Tiefen  zurückgezogen  ist,  und 
nur  selten  sich  noch  durch  unterseeische  Erdbeben 
oder  plötzliche  Wärmeentwickelungen  zu  erkennen 
giebt. 

Ein  Phänomen  der  letzteren  Art  war  es,  als  im 
Jahre  1804  gleichzeitig  mit  einem  stärkern  Ausbruche 
des  Vesuvs  der  Seeboden  vom  Golf  von  Neapel  plötz- 
lich so  erhitzt  wurde,  dass  die  Fische  schaarenweise 
an  die  Oberfläche  und  gegen  das  Ufer  hinschwammen, 
um  sich  dieser  Wärme  zu  entziehen ,  und  ein  herauf- 
gewundener Anker  noch  heiss  an  die  Oberfläche  des 
Meeres  kam.  —  Es  sey  mir  erlaubt ,  bei  dieser  Gele- 
genheit noch  des  Phänomens  der  Thalbildung  in  Folge 
vulkanischer  Erhebungen  und  Erschütterungen  des  Bo- 
dens zu  gedenken,  welches  an  einem  der  Ränder  des 
Ringgebirges  vom  Golf  von  Neapel,  d.  i.  auf  Ischia, 
mit  besonderer  Deutlichkeit  sich  bemerklich  macht. 
Steigt  man  nämlich  an  der  westlichen  Seite  der  Insel 

2 


18 

von  Furi  aus  gegen  den  Epomeo  auf,  so  trifft  man  in 
der  mittleren  Höhe  des  Berges  eine  wohlbebaute,  mit 
Weinbergen  und  grössern  Bäumen  gezierte  Gegend, 
welche  von  den  gewaltigsten  Schluchten  zerrissen  ist. 
Diese  Schluchten  selbst  befinden  sich  in  einer  lockern 
Tuffart ,  welche  schichtenweise  aus  zusammengesetz- 
ten Massen  von  vulkanischer  Asche  und  Rapilli  gebil- 
det ist ,  und  nur  durch  ihren  festern  Zusammenhang 
sich  wesentlich  von  den  Aschen-  und  Rapilli -Schich- 
ten unterscheidet,  welche  die  neuern  Bedeckungen 
von  Pompeji  ausmachen.  Erwägt  man  nun  die  ver- 
schiedenartigen Richtungen  und  das  Entsprechende  der 
gegenseitigen  Wände  dieser  Schluchten,  so  wird  man 
bald  die  entschiedene  Ueberzeugung  erhalten,  dass  die 
Entstehung  derselben  sich  nur  begreifen  lässt ,  wenn 
man  der  ursprünglichen  Heraufhebung  des  Epomeo 
selbst  gedenkt,  und  bedenkt,  dass  eine  schon  fest  zu- 
sammengesetzte Masse  nothwendig  Risse  und  Spalten 
bekommen  müsse ,  wenn  sie  an  irgend  einer  Stelle  von 
einer  unter  ihr  wirkenden  Kraft  gewaltsam  zu  einer 
gewissen  Höhe  heraufgehoben  wird.  Ich  gestehe,  dass 
mir  die  Betrachtung  dieser  Thäler  um  so  merkwürdi- 
ger gewesen,  je  mehr  sie  mich  an  die  Spalten  und 
Schluchten  der  in  unserer  Nähe  vorkommenden  Sand- 
steinlager erinnerte.  So  sehr  mir  nämlich  auch  die 
Anschauung  dieser  letztern  es  früher  schon  deutlich 
gemacht  hatte ,  dass  hier  nicht  bloss  von  Auswaschun- 
gen durch  Wasser  die  Rede  seyn  könne,  so  deutlich 
an  vielen  Orten  diese  Thäler  durch  das  Entsprechende 
ihrer  Wände  ,  durch  die  Abstürzungen  von  Felsmas- 
sen, welche  in  der  Art,  wie  ihre  Blöcke,  an  Abhän- 
gen herabgeschüttelt  sind,  die  Wirkungen  gewaltiger 
unterirdischer  Erschütterungen  verrathen,  so  konnte 
doch  nur  erst  die  Anschauung  verwandter  Bildungen, 
neben  welchen  die    Ursache  noch  wahrhaft  in  Thätig- 


19 

keit  sich  befand,  mir  deutlichere  Vorstellungen  geben. 
Dort  aber,  wenige  Meilen  von  jenen  über  Furi  gele- 
genen Schluchten,  hatte  ich  ja  die  ganz  neuen  zer- 
trümmernden Wirkungen  eines  nur  geringen  Erdbe- 
bens auf  die  Gebäude  von  Casamicciola  gesehen;  die 
vulkanische  Erhebung  des  Epomeo  war  unleugbar, 
grosse  Lavaströme  waren  nicht  allzu  entfernt ,  und  so ' 
gab  diess  mir  nun  gleichsam  den  Muth,  auch  jene 
Sandsteinschluchten  unserer  Gegenden  in  ihrer  Ent- 
stehung zu  denken,  wobei  dann  die  Ueberzeugung  des 
Heraufhebens  der  mächtigen  Basaltmassen  des  Winter- 
berges, des  Heilsberges,  der  Walthersdorfer  Basalt- 
berge u.  s.  w.  das  Verständniss  noch  mehr  aufklären 
musste.  —  Wie  sehr  aber  die  Erhebungen  und  Er- 
schütterungen des  Bodens  nicht  blos  auf  die  feste  Erd- 
fläche, sondern  auch  auf  den  Stand  des  Meeres  Ein- 
fluss  geübt  haben,  wird  insbesondere  im  Umkreise  des 
Nebenringgebirges  vom  Golf  von  Neapel,  d.  i.  am 
Golf  von  Bajä  sichtlich,  indem  hier  bei  Pozzuoli  die 
bekannten  merkwürdigen  Trümmer  des  Serapistem- 
pels stehen,  dessen  Säulen,  jetzt  einige  hundert  Schritt 
vom  Meere  gelegen,  weit  über  Mannshöhe  mit  den 
durch  eingebohrte  Pholaden  (Modiola  lithophaga)  ent- 
standenen Löchern  bezeichnet  sind,  zum  unleugbaren 
Beweise,  dass  diese  Ruinen  einst  bis  zu  solcher  Höhe 
unter  Seewasser  gestanden  haben.  Interessant  ist  es 
mir  hierbei  gewesen,  von  einem  englischen  Gelehrten, 
welchem  zu  ausführlichen  Untersuchungen  dort  die 
nöthige  Zeit  vergönnt  war,  zu  vernehmen,  dass  er 
auch  unterhalb  Pozzuoli,  gegen  Neapel  hin,  an  den 
dem  Meere  nahen  Felsen,  in  gleichem  Niveau  mit  den 
Pholadenlöchern  jener  Säulen,  dieselben  Pholadenlö- 
cher,  zuweilen  noch  mit  inliegenden  Muschelschalen 
des  Thieres ,  ziemlich  häufig  angetroffen  habe ,  wor- 
aus hervorgeht,  dass  diess  Ansteigen  des  Meeres  und 


20 

zeitweise  Erhaltung  desselben  in  so  hohem  Stande, 
nicht  etwa  blos  auf  eine  einzelne  Stelle ,  wo  durch 
Stürme  ins  Land  geworfenes  Meerwasser  vielleicht 
hinter  Mauern  und  Trümmerhaufen  einige  Zeit  zu- 
rückgehalten seyn  konnte,  sondern  auf  eine  weite 
Ausdehnung  dieser  Küste  sich  bezogen  haben  müsse. 
Dass  übrigens  diese  Anschwellung  mit  den  grossen  Revo- 
lutionen, deren  Folge  die  Erhebung  des  nicht  Aveit 
von  Pozzuoli  gelegenen  Monte  nuovowar,  zusammen- 
gehangen haben  möge,  ist  jedenfalls  mindestens  als 
eine  sehr  wahrscheinliche  Hypothese  zu  betrachten. 

Ist  nun  nach  allem  diesen  die  Umgegend  von  Nea- 
pel in  vielen  Stellen  noch  Zeuge  lebensthätiger ,  vul- 
kanischer Zustände,  so  sind  dagegen  die  Umgebungen 
von  Rom  mehr  der  Schauplatz  längst  erloschener  vul- 
kanischer Vorgänge,  und  mehr  mit  anderen,  ja  mit 
deutlichem,  zum  Theil  jetzt  noch  fortgehenden  Süss- 
wasserbildungen  überlagert.  Je  weiter  aber  die  vul- 
kanischen Vorgänge  in  der  Urzeit  zurück  liegen,  je 
mehr  seitdem  andere ,  und  namentlich  neptunische 
Vorgänge  sich  ereignet  haben ,  desto  unkenntlicher 
müssen  auch  die  Gestalten  geworden  seyn,  welche 
vulkanische  Gegenden  bezeichnen,  und  zwar  um  so 
unkenntlicher,  je  weiter  zurück  die  Zeit  ihrer  Bil- 
dung fällt.  Nun  ist  aber  aus  dem  Frühern  klar,  dass 
die  Ungeheuern  Ringgebirge,  welche  wir  die  erste 
Formation  nannten,  eben  sowohl  früherer  Entstehung 
seyn  müssen,  als  z.  B.  der  eigentliche  Kegel  des  Ve- 
suvs älter  ist,  als  seine  Seitenauswurfskegel,  und  eben 
desshalb  werden  wir  das  grosse  Ringgebirge  ,  dessen 
Peripherie  die  Gegend  von  Rom  etwa  eben  so  zur 
Hälfte  einschliesst,  wie  das  berührte  grosse,  einige 
40  Meilen  im  Durchmesser  haltende,  Ringgebirge  bei 
Neapel  die  liparischen  Inseln,  hier  mehr  verwüstet 
finden  und    mit  geringerer   Deutlichkeit   als    andersMo 


21 

zu  erkennen  im  Stande  seyn.  Es  scheint  jedoch  al- 
lerdings, als  ob  der  Kreisabschnitt  von  Gebirgen,  wel- 
cher mit  dem  noch  ganz  inselmässig  abgesonderten  Capo 
Circello  südlich  anfängt,  über  die  Lateiner-Gebirge 
bis  Tivoli,  und  dann,  vom  Tiberthal  durchschnitten, 
bis  an  die  Höhen  von  Viterbo  sich  hinzieht,  wo  er 
endlich  gegen  das  Meer  vor  Crvita  vecchia  sich  ver- 
liert, der  Rest  des  uralten  vulkanischen  Gebirges  sey, 
in  dessen  Peripherie  nun  eine  Menge  späterer  vul- 
kanischer Erhebungen ,  Gebirgskreise  zweiter  Forma- 
tion, und  kleinere,  noch  jetzt  erkennbare  Krateren 
sich  gebildet  haben.  Zu  diesen  peripherischen  Bil- 
dungen können  gerechnet  werden  die  Berge ,  welche 
den  See  von  Vico  einschliessen ,  und  in  deren  Mitte 
noch  deutlich  eine  centrale  kegelförmige  Erhebung 
als  ehemaliger  Aschenkegel  aus  dem  See  heraufragt; 
hierher  gehört  der  Soracte,  hierher  der  Monte  cavo, 
als  die  Mitte  des  ganz  vulkanischen  und  isolirten 
Albanergebirges  mit  den  beiden  in  seiner  mittleren 
Höhe  liegenden  gewaltigen  Krateren,  dem  See  von 
Neini  und  dem  See  von  Albano,  in  welche  beide 
vom  Monte  cavo  herab,  man  wie  in  zwei  neben  ein- 
ander eingemauerte  Kessel  verschiedener  Grösse  her- 
absieht. Ja  vielleicht  ist  noch  der  höher  in  den  Apen- 
ninen  gelegene  See  von  Celano,  nebst  so  vielen  an- 
dern, mir  gleich  diesem  unbekannt  gebliebenen  Ge- 
birgskreisen  und  Erhebungen,  hierhin  zu  rechnen. 

Betrachtet  man  nun  die  eingeschlossene  Fläche 
vor  jenem  grossen  Halbkreise,  so  wird  zuerst  bemerk- 
lich, dass  diese  Fläche  nicht  mehr  so  weit,  wie  jene 
Halbmonde  von  Neapel  und  Bajä,  vom  Meere  ausge- 
füllt sey,  welches  wieder  auf  höheres  Alter  dieser 
Erdbildungen  zu  deuten  ist,  indem  sichtlich  theils 
Anhäufungen  vulkanischer  Asche ,  als  Peperin  oder 
vulkanischer  Tuff,   theils  Niederschläge  aus  Süsswas- 


22 

ser,  welche  um  Tivoli  und  Terni  noch  täglich  sich 
fortbilden,  theils  Anschwemmungen  von  Meeressand 
diese  ursprüngliche  Bucht  völlig  ausgefüllt  haben,  da 
in  die  ähnlichen  von  Neapel  und  Bajä  das  Meer  noch 
frei  hereinfluthet.  Betrachten  wir  nun  nach  diesen 
Vorbegriffen  die  Campagna  von  Rom  (diesen  Namen 
in  weiterer  Ausdehnung  genommen,  so  dass  es  die 
Flächen  von  Civita  vecchia  bis  zu  den  pontinischen 
Sümpfen  mit  einbegreift)  von  diesem  Standpunkte  aus, 
so  wird  uns  vieles  im  Charakter  dieser  Gegend  ver- 
ständlich werden.  Zuvörderst  ihre  geringe  Erhebung 
über  das  Meer.  So  ist  der  Boden  von  Rom  am  Fusse 
der  Trajans-Säule  nur  40  Fuss  über  der  doch  noch 
7  Stunden  entfernten  Meeresfiäche,  und  selbst  die  Höhe 
des  Capitols  ist  nur  l4i  Fuss  über  dem  Meere  erha- 
ben. Ferner  die  Neigung  zum  Versumpfen  in  dieser 
ganzen  Fläche;  denn  der  ponlinischen  Sümpfe  nicht  zu 
gedenken,  welche  seit  Pius  VI.  grossentheils  in  üp- 
pige Wiesen  und  Felder  verwandelt  sind  (wenn  auch 
die  dort  aufgerichtete  Inschrift:  olim  palus  ponlina 
nunc  ager  pontinus  noch  etwas  zu  zeitig  ist),  so  zeigt 
Brocchi  in  seiner  Schrift:  Sul  stato  fisico  del  suolo 
di  Roma.  Rom.  1820. ,  dass  im  alten  Rom,  selbst  in  der 
Nähe  der  Tiber.,  4  bedeutende  Sümpfe  waren,  welche 
Velabrum  majus,  Velabrum  minus  mit  dem  Lacus  Cur- 
tii,  Palus  Capraea  und  Vada  Terenti  genannt  wurden, 
und  noch  heutiges  Tages  ist  die  Campagna  di  Roma 
mit  vielen  sumpfigen  Stellen  unterbrochen.  Ferner, 
als  Folge  von  jetzt  nicht  mehr  vorhandenen  beträcht- 
lichen Aufstauungen  süssen  kalkhaltigen  Wassers 
die  beträchtlichen  Lager  von  aus  solchem  Gewässer 
niedergeschlagenen  Kalktuff.  Eine  merkwürdige  Stelle 
dieser  Art  ist  der  sogenannte  Lago  di  tartaro  zwi- 
schen Rom  und  Tivoli ,  wo  man  in  einer  beträchtli- 
chen Ausdehnung  den  Boden  init  zackigen  Massen  die- 


23 

ses  Gesteins  bedeckt  sieht,  welches  noch  durch  tau- 
sendfältig modificirte  Röhrenbildung  beweist,  dass  es 
sich  einst  um  Sumpfpflanzen,  namentlich  um  Schilf- 
rohre niederschlug.  Endlich  hängt  hiermit  selbst  die, 
auf  die  physische  Constitution  der  Eimvohner  der  Cam- 
pagna  so  eigentümlich  einwirkende  Beschaffenheit 
der  Atmosphäre  zusammen,  welche,  als  Afia  cattiva 
gefürchtet,  das  Heer  von  Fiebern  erzeugt,  welche  im 
hohen  Sommer  viele  Einwohner  Roms  und  der  Cam- 
pagna  in  die  Berge  von  Albano  und  Tivoli  treiben, 
und  dessen  ungeachtet  Epidemieen  erzeugen,  welche 
veranlassen,  dass  in  dem  eigends  für  diesen  Zweck, 
obwohl  nicht  eben  vortheilhaft  eingerichteten  und  zur 
übrigen  Zeit  leer  stehenden  Ospedale  S.  Carlo ,  zu- 
weilen gegen  und  über  tausend  Fieberkranke  sich  be- 
finden ,  so  z.  B.  im  Jahre  1819.  —  Um  es  übrigens  be- 
greiflich zu  finden,  wie  eine  halbmondförmige  Fläche, 
wie  die  im  Halbkreis  eingeschlossene  zwischen  Capo 
circello  und  Civita  vecchia  (eine  gerade  Entfernung 
von  etwa  18  deutschen  Meilen )  von  vulkanischen 
Aschenauswürfen  erfüllt  werden  könne,  welche  durch 
Wasser  gebunden  zu  den  in  dieser  ganzen  Gegend 
herrschenden  Tuffbildungen  erstarrten,  muss  man  der 
in  neuern  Zeiten  beobachteten  Eruptionen  z.  B.  der 
Americanischen  Vulkane  gedenken,  wo  z.  B.  im 
J.  1797  eine  Eruption  solcher  mit  Wasser  vermengten 
vulkanischen  Asche  die  Gegend  von  Pelileo  in  solchem 
Umfange  bedeckte ,  dass  gegen  40,000  Menschen  dabei 
umkamen,  oder  bei  dem  Ausbruch  und  Einsturz  des 
Carguazo  am  Chimborasso  im  J.  1698,  wo  18  Quadrat- 
meilen mit  vulkanischem  Schlamm  (D'Aubuisson  sagt 
mit  Recht,  man  könne  diess  aufgeschwemmte  vulka- 
nische Gebirge  nennen)  überdeckt  wurden.  —  Dass 
übrigens  der  Boden  Roms  und  der  Umgegend  eine  von 
solchen  vulkanischen  Aschen  erfüllte  Meeresbucht  ge- 


24 

wesen,  wird  auch  aus  der  Menge  aufgefundener  calcinir- 
ter  Muscheln  und  Schneckenschalen  deutlich,  von  wel- 
chen man  auf  der  unter  Aufsicht  des  Prof.  Carpi  stehen- 
den Sammlung  der  Universität  oder  sogen.  Sapienza  zu 
Rom  eine  schöne  Reihenfolge  wahrnimmt,  eben  so  wie 
anderntheils  die  vulkanische  Beschaffenheit  des  Bodens 
auch  den  weniger  Achtsamen  bemerklich  werden  muss, 
sowohl  durch  die  überall  dem  Boden  beigemengten  vul- 
kanischen Krystalltheilchen  von  Leucit,  Augit  u.  s.  w., 
welche  auf  allen  Wegen  ein  Flimmern  der  Erdfläche  im 
Sonnenlicht,  wie  von  Glassplitterchen,  veranlassen,  als 
auch  durch  die  Lava-Platten  des  Steinpflasters  vom 
alten  Rom,  welches  gewöhnlich  etwa  in  der  Tiefe 
vonlOFuss  unter  dem  jetzigen  Pflaster  gefunden  wird, 
so  wie  durch  die  ähnlichen  Platten  der  alten  via  Ap- 
pia  und  der  via  triumphalis  auf  dem  Monte  cavo.  — 
Und  so  gelangen  wir  denn  zur  Begründung  der  merk- 
würdigen Thatsache,  dass  Rom,  dieser  politische  Vul- 
kan, der  zu  verschiedenen  Zeiten  und  auf  verschiedne 
Weise  das  gesammte  alte  Festland  erschütterte,  eben 
so  wie  es  in  der  Geschichte  des  Menschheitlebens  drei 
grosse  Perioden  durchlaufen  hat,  die  Periode  der  That- 
kraft  der  alten  Republik,  die  Periode  schwelgerischer 
ausgebreiteter  Despotie  der  Kaiser  und  die  Periode 
geistlicher  Gewalt  unter  den  Päbsten,  so  auch  seinem 
Boden  nach  durch  drei  gewaltige  Lebenskräfte  der  Erde 
begründet  sey ;  nämlich  zu  unterst  durch  die  Unge- 
heuern 'Feuerkräfte  jetzt  längst  erloschner  Vulkane, 
sodann  durch  die  Anschwemmungen  der  beweglichen 
Wogen  des  alten  Meeres ,  und  drittens  durch  die  noch 
heutiges  Tages  fortwirkenden  Absetzungen  süsser  kalk- 
haltiger Gewässer;  Bildungen,  welche  in  Rom  selbst 
dergestalt  sich  vertheilen,  dass  die  sieben  Hügel  des 
alten  Roms,  der  mons  Capitolinus,  Palatinus,  Aven- 
tinus,  Caelius,    Esquilinus,   Viminalis  und  Quirinalis, 


25 

so  wie  der  neuerlich  angebaute  Monte  Pincio  aus  vul- 
kanischem Tuff  mit  untermengtem  Bimstein  bestehen, 
wenn  hingegen  der  Mons  Janiculus  von  Meeressand 
überlagert  ist,  während  die  von  der  Tiber  durch- 
strömte Ebene  zwischen  diesen  Hügeln  und  nament- 
lich das  alte  Marsfeld,  welches  den  bessern  Theil  des 
neuen  Roms  trägt,  Kalk-,  selten  Kieselsandlager  ist, 
und  Entstehung  aus  Anschwemmung  durch  Fluss Was- 
ser anzeigt. 


II. 


Fragmente  über  die  Vegetation  in  Italien  im  All- 
gemeinen  und   den   Anbau   des    Oelbaumes 
insbesondere. 


(  Vorgelesen  am  9.  Decbr.  1828.   in  der  Gesellschaft  der  Flora 
zu  Dresden.) 

"er  Weg  des  Deutschen  zu  den  schönen  Gefilden 
des  eigentlichen  Italiens,  führt,  kann  man  sagen, 
durch  drei  Pforten.  Mit  jeder  dieser  Pforten  hebt  eine 
wesentliche  Veränderung  an  in  der  Natur  des  Bo- 
dens und  in  den  Einflüssen  des  Klimas,  mit  jeder  än- 
dert sich  die  Physiognomie  der  Vegetation  und  der 
Thierwelt,  ja  selbst  eine  neue  Eigentümlichkeit  des 
bewohnenden  Menschenstammes  macht  sich  dem  auf- 
merksamen Beobachter  kenntlich.  Als  solche  drei 
Pforten  bezeichnen  wir:  zum  ersten  die  Pässe  über 
die  hohen  Mauern  der  Alpen;  zum  andern,  den  Weg 
über  die  Höhenzüge  der  Apenninen,  welche  das  weite 
Thal  des  Po  vom  übrigen  Italien  absondern,  und  zum 
dritten,  den  schmalen  Pass,  welcher  zwischen  Meer 
und  Felsen  sich  hinziehend ,  dem  von  Rom  kommen- 
den Wanderer  das  Königreich  beider  Sicilien  eröff- 
net. —  Insonderheit  merklich  ist  der  Unterschied  zwi- 


27 

sehen  der  verlassenen  und  der  nun  betretenen  Umge- 
bung, wenn  man  über  das  Joch  der  Alpen  in  das  Thal 
der  Lombardei,  oder  in  das  Friaul  herabsteigt.  Schon 
ist  das  Blau  des  Himmels  reiner,  die  Kraft  der  Sonne 
grösser,  die  Luft  milder;  und  geschieht  es,  dass  man 
diese  Glänzen  im  Frühjahr  überschreitet,  so  wird  es 
stets  sehr  merklich  seyn,  um  wie  viel  weiter  hier  die 
Vegetation  sich  vorgeschritten  findet.  Noch  aber  ist 
die  Pflanzenwelt  selbst  nicht  zu  auffallend  in  ihrem 
Charakter  von  der  jenseits  der  Alpen  verlassenen  ver- 
schieden. Die  reichere  Ausbreitung  des  Weinstockes, 
die  langen  Anpflanzungen  der  Maulbeerbäume,  das 
freiere  Wachsthum  der  Feigen-  und  der  Mandelbäume, 
die  üppigen  Behänge  des  Epheus,  nebst  den  an  Ber- 
gesabhängen vorkommenden  Castanienwaldungen,  ge- 
ben noch  am  entschiedensten  den  neuen  Himmelsstrich 
kund.  Nichts  desto  weniger  fühlt  der  Fremdling  schon 
eine  mildere  Natur,  so  dass  es  ihm  halb  und  halb  wie 
eine  Ungerechtigkeit  klingt,  wenn  er  am  Fusse  der 
Apenninen,  wie  ich  in  Bologna,  aussprechen  hört, 
dass  Italien  erst  jenseits  dieser  Berge  beginne.  Und 
doch  wie  sehr  muss  man  diesen  Ausspruch  rechtferti- 
gen, wenn  man  nach  den  überstiegenen  Höhenzügen 
von  Pietra  mala  in  das  Thal  des  Arno  eintritt,  oder 
später  über  die  Gebirgsrücken  des  Santa  Fiore  und 
Radicofani,  ja  zuletzt  über  die  alten  erloschenen  Vul- 
kane von  Viterbo  in  die  Campagna  von  Rom  herab- 
steigt. Obwohl  das  Thal  des  Arno  noch  nicht  jener 
Klarheit  und  Milde  der  Luft  geniesst,  welche  einen 
wesentlichen  Buchstaben  in  der  Zauberformel  der  al- 
ten Roma  bildet,  so  begrüsst  doch  den  Eintretenden 
zuerst  um  Florenz  die  unendliche  Verbreitung  des 
Oelbaumes,  welche  der  Physiognomie  der  Vegetation 
im  Grossen  sogleich  einen  ganz  neuen  und  südlichen 
Charakter  aufdrückt.     Ich    werde  den  Eindruck  nicht 


28 

vergessen,  den  es  auf  mich  machte,  als  ich  am  18ten 
April  1828  bei  einem  von  leichtem  Gewölk  umflohrten 
Himmel,  angenehm  warmer  Luft,  und  bei  feinem  vor- 
sommerlichen Regen  in  das  anmuthige  Thal  herabfuhr; 
mit  Lust  erblickt  das  Auge  die  weit  hingestreckten, 
abgerundeten  Hügel  sämmtlich  mit  dem  Silberlaube 
dieses  der  Minerva  geheiligten  Baumes  bekleidet, 
unter  welchem ,  einen  dunkeln  Gegensatz  bildend, 
Massen  und  Reihen  von  bald  gespitzten,  bald  tannen- 
artig ausgebreiteten  Cypressen  emporragen.  Nicht 
minder  beurkunden  Castanien,  immergrüne  Eichen, 
Feigen,  Mandelbäume,  und  unendlich  ausgebreitete 
Anpflanzungen  des  Weinstockes  die  grössere  Fülle  der 
Vegetation,  während  um  die  noch  so  kleinen  Häuser 
der  Landleute  nie  die  Anpflanzungen  der  schönblättri- 
gen Artischocken  fehlen.  Rechnet  man  nun  hinzu, 
den  Anblick  der  im  Grunde  des  Thaies  gelegenen  al- 
ten, um  Künste  und  Wissenschaften  so  hoch  verdien- 
ten Stadt,  die  unzähligen,  die  Hügel  bedeckenden 
und  in  der  Fortsetzung  des  Thaies  gelegenen  Land- 
häuser und  kleinern  Ortschaften,  so  ergiebt  sich  ein 
Gemälde,  dessen  Anmuth  von  Manchem  erst  dann 
recht  erkannt  wird,  wenn  er  längst  oder  vielleicht  für 
immer  davon  geschieden  ist.  Die  grössern  Begünsti- 
gungen der  Vegetation  in  diesem  Klima  empfinden 
insbesondere  auch  die  Gärten,  und  namentlich  die  bo- 
tanischen Gärten,  wo  so  vieles  frei  und  fröhlich  im 
Lande  gedeiht,  was  bei  uns  mühsam  in  Treibhäusern 
gezogen  werden  muss.  Auch  verschaffte  P.  A.  Mi- 
cheli  bereits  im  Anfange  des  achtzehnten  Jahrhun- 
derts dem  botanischen  Garten  zu  Florenz  einen  unge- 
wöhnlichen Ruf,  und  im  botanischen  Garten  zu  Pisa 
fand  ich  mich,  ausser  durch  eine  im  Allgemeinen  rei- 
chere Pflanzenkultur,  gleich  am  Eingange  durch  drei 
Bäume  von  1t  —  3  Fuss  Durchmesser  überrascht,  von 


29 

denen  der  eine  eine  hochstämmige  mit  schön  sich  entfal- 
tenden Aesten  prangende  Ginko  oder  Salisburia  war, 
während  ich  in  dem  zweiten  eine  nicht  minder  grosse 
mit  schönen  Blüthen  bedeckte  Magnolia ,  und  in  dem 
dritten  die  Ceder  des  Libanon  erkannte,  welche  in 35 
Jahren  einen  Durchmesser  des  Stammes  von  3  Fuss 
erreicht  hatte.  Ausserdem  ist  die  mit  ihren  feder- 
buschartigen  Blüthen  geschmückte  Acacia  Julibrisin, 
die  kleine  Fächerpalme  (Chamaerops  humilis),  die 
Aloe,  die  uneigentlich  sogenannte  Stechpalme  (Yucca), 
der  Granatbaum,  der  Lorbeer,  Viburnum  Tinus,  der 
Kirschlorbeer  (Prunus  Laurocerasus) ,  die  letztern  ge- 
wöhnlich zu  hohen  Hecken  und  Boskets  geordnet,  ei- 
ne sehr  häufige  Zierde  der  Gärten,  Avährend  die  im- 
mergrüne Eiche  (Quercus  Hex)  und  die  Pinie  (Pinus 
Pinea)  schon  gleichsam  allgemeines  Bürgerrecht  auf 
diesem  Boden  sich  erworben  haben.  Ich  will  bei  die- 
ser Gelegenheit  bemerken,  dass  jetzt  Professor  Tar- 
gioni  Tozzetti  in  Florenz  in  dem  Coli egio  zu  Santa 
Maria  nuova,  und  Professor  Sa  vi  der  Vater  zu  Pisa 
die  Botanik  vortragen,  während  an  dem  mit  dem 
Museo  di  storia  naturale  verbundenen  botanischen 
Garten  zu  Florenz  der  Aufseher  desselben  Piccioli 
durch  Herausgabe  einiger  botanischer  Kupferwerke 
bekannt  ist,  und  ausserdem  zu  Florenz  ein  der  hie- 
sigen Gesellschaft  der  Flora  ähnlicher  Verein,  unter 
dem  Namen  Imp.  e  R.  Accademia  economico  -  agraria 
dei  Georgofili  di  Firenze  besteht. 

Was  die  Umgebung  von  Rom  betrifft,  so  scheint 
hier  trotz  des  unendlich  klaren  Himmels  die  Natur, 
gleichsam  als  ob  sie  über  eine  grosse  Vergangenheit 
trauerte,  in  der  Ueppigkeit  der  Vegetation  einen  Rück- 
schritt gemacht  zu  haben.  Weite  Strecken  der  Cam- 
pagna  di  Roma  sieht  man  blos  mit  dem  melancholi- 
schen   Adlerfarrenkraut    (Pteris    aquilina)   überzogen, 


30 

und  selbst  der  häufige  zu  hohen  Büschen  mit  armstar- 
ken Stämmen  anschiessende  Ginster  (Spartium  scopa- 
rium),  giebt  der  Gegend,  wenn  man  ihn  gerade  nicht 
in  Blüthe  trifft,  ein  steppenartiges  Ansehn,  welches 
nur  durch  den,  in  den  ersten  Tagen  des  Maies  in 
lustiger  Blüthe  stehenden  Asphodelus  ramosus,  wel- 
cher oft  grosse  Flecken  überdeckt,  und  an  die  zu  den 
Schatten  der  Unterwelt  führende  Asphodeluswiese 
beim  Homer  erinnert,  am  meisten  aber  freilich ,  durch 
das  unendlich  heitere  Sonnenlicht  gemildert ,  ja  ver- 
schönert Avird.  Freundlicher  hingegen,  und  selbst  die 
Toscanische  übertreffend,  ist  die  Vegetation  auf  den 
Gebirgen  der  Umgebung  von  Rom.  Hier  wechseln 
wieder  Olivengärten,  gleichzeitig  Wein  und  Getreide 
tragend,  mit  Castanienwaldungen,  deren  Bäume  ich 
nirgends  von  so  ehrwürdigem  Alter  und  von  solcher 
Stärke  gefunden  habe,  wie  bei  Rocca  di  Papa  in  der 
Umgegend  des  Sees  von  Albano,  einer  überhaupt  durch 
herrliche  Bewaldungen  von  immergrünen  und  Steinei- 
chen, Ahorn,  Ulmen  und  Platanen  reich  gesegneten 
Landschaft.  Zugleich  werden  die  windenden  Pflanzen, 
wie  Epheu  uud  wilder  Wein,  immer  wuchernder,  und 
üherziehn  mit  ungemeiner  Ueppigkeit  Mauerwerk  und 
Stämme,  während  in  den  Wäldern  der  Gebirge  die 
zierlichsten  Blüthenpflanzen,  wie  Orchideen  (z.B.  Sa- 
tyrium  abortivum  und  Orchis  fusca),  wohlriechende 
Narcissen  (Narcissus  poeticus)  Anemonen  und  andere 
häufig  sich  finden.  Was  die  Hesperideen  betrifft,  so 
ist  für  sie  auch  Rom  noch  kein  recht  heimathlicher 
Boden,  da  nur  die  kleinern  bittern  Orangen  im  Win- 
ter ohne  weitere  Sorge  aushalten,  und  die  edlern  Sor- 
ten noch  immer  die  Pflege  des  Gärtners  sehr  in  An- 
spruch nehmen.  Professor  der  Botanik  in  Rom  ist 
Mauri,  welcher  jetzt  mit  Vollendung  einer  Flora  von 
Rom  sich  beschäftigt. 


31 

Hie  und  da  kündigt  nun  schon  zu  Rom  eine  ein- 
zelne Dattelpalme  (Phoenix  dactylifera),  jedoch  hier 
noch  nie  Früchte  bringend,  den  dritten  Abschnitt  Ita- 
liens an,  und  abermals  wird  der  Fremde  betroffen, 
wenn  ihm  gesagt  wird,  wie  es  mir  zu  Rom  geschah, 
dass  das  rechte  und  eigentliche  Italien  erst  bei  Ter- 
racina,  als  jener  früher  bezeichneten  dritten  Pforte, 
anfange.  Auf  dem  Wege  dahin,  wo  dieser  sich  hinter 
Velletri  in  die  pontinischen  Sümpfe  herabsenkt,  ver- 
liert man  die  bisher  zur  Gewohnheit  gewordenen  Oli- 
vengärten allmählich  ganz  aus  den  Augen.  Erst  durch 
mit  Eichen  bewaldete  Hügel ,  mit  Farrenkraut  und  Gin- 
ster unterwachsen,  durch  Wiesen  häufig  mit  Cistus- 
röschen  (Cistus  albidus)  bedeckt,  gelangt  man  in  das 
grosse  sumpfige ,  durch  Abzugsgräben  entwässerte  Ter- 
rain, welches  unter  dem  Namen  der  pontinischen 
Sümpfe  bekannt  ist,  und  wo  eine  Vegetation  beginnt, 
welche  der  unserer  fetten,  feuchten  Wiesenländer 
nicht  unähnlich  ist.  Während  des  Durchfahrens  im 
Monat  May  sah  ich  die  ganzen  weiten  Wiesenfiä- 
chen  mit  gelben  Ranukeln  bedeckt,  und  am  Wege 
Doldenpflanzen,  wie  Chaerophyllum  hirsuturn,  unter- 
mischt mit  Galega  officinalis ,  Ampferarten  etc. ,  so  wie 
an  den  Gräben  Schilfarten  und  Schwerdtlilien  mit 
ausserordentlicher  Ueppigkeit  wuchern.  Jetzt  aber 
öffnet  sich  die  dritte  Pforte ,  welche  die  dem  südlichen 
Italien  eigne  Natur  aufschliesst,  und  ausserordentlich 
scharf  abgeschnitten ,  ändert  sich  der  Charakter  der 
Gegend  und  der  Vegetation,  so  wie  man  Terracina 
erreicht.  Auf  den  felsigen  Anhöhen  über  der  Stadt, 
welche  die  Ruinen  der  Burg  des  Theodorich  tra- 
gen und  denen  das  reizende  Vorgebirge  der  Circe 
gegenüber  liegt,  fühlt  man  sich  allerdings  zuerst  in 
einer  ganz  anderen  Natur.  Gräser,  Blüthenpflan- 
zen  und  Bäume,    alles  ist  anders;  Myrthensträucher, 


32 

Johannisbrodbäume  (Ceratonia  siliqua),  baumartige 
Wolfsmilcharten  (Euphorbia  dendroides)  üppige  Acan- 
thusstauden,  nicht  windende  Convolvulusarten  (Con- 
volvulus  altheoides  und  cantabrica) ,  Psoralea  palesti- 
na,  Orobanche  elatior  und  hundert  andere  mir  noch 
neue  Pflanzenformen  schimmerten  im  heitersten  Son- 
nenlicht, während  der  Fuss  dieser  Felsen,  mit  Cactus 
Opuntia,  Anlagen  von  Citronen  und  süssen  Orangen- 
bäumen, Oel-  und  Feigenbäumen,  so  wie  mit  mehre- 
ren Dattelpalmen  geziert  war.  Auf  den  Rücken  die- 
ser Felsen  war  es  auch,  wo  ich  am  dritten  May  zum 
erstenmale  dem  Einsammeln  der  reifen  Oliven  begeg- 
nete, indem  Landleute  mit  grossen  flachen  Körbender 
schwarzblauen,  fast  schleeenähnlichen  Oliven  heran- 
kamen, welche  man  hier  länger  als  nöthig  auf  den 
Bäumen  zu  lassen  scheint,  da  doch  selbst  in  den  obern 
Gegenden  Italiens,  Ende  Aprils,  diese  Erndte  schon 
überall  vorbei  war,  ja  weiter  hinunter  gegen  Itri  und 
Mola  di  Gaeta  zuweilen  Bäume  gesehn  wurden,  schon 
wieder  mit  neuen  Blüthen  bedeckt,  während  darneben 
andere  noch  mit  den  schwarzen  Früchten  in  Menge 
behangen  waren. —  Sei  es  mir  erlaubt,  um  wenigstens 
über  einen  Gegenstand  einige  speciellere  Bemerkun- 
gen mitzutheilen,  hierzu  den  durch  graues  Alterthum 
geheiligten,  und  von  Griechenland  in  diese  Gegenden 
eingewanderten  Anbau  des  Oelbaums  zu  wählen.  Ich 
werde  hierbei  theils  das,  was  ich  selbst  gesehen  und 
erfahren  habe,  theils  die  Bemerkungen,  welche  Carl 
Ulysses  von  Salis  Marschlins  in  seinen  Reisen 
durch  die  verschiedenen  Provinzen  des  Königreichs 
Neapel  (Zürich  und  Leipzig  1793.)  mitgetheilt  hat, 
benutzen,  theils  einen  Auszug  aus  den  interessanten 
Osservazioni  su  gl'insetti  dell  olivo  e  delle 
olive,  von  Oronzo  Gabriele  Costa,  einem  vor- 
züglichen Entomologen  Neapels,  geben:  — 


33 

Nicht  unberücksichtigt  kann  es  aber  zuerst  blei- 
ben, dass  von  dem  Oelbaum,  so  wie  von  den  meisten 
Obstbäumen,  eine  Menge  Varietäten  existiren,  wel- 
che theils  Grimaldi,  theils  Giovani  Presta  in 
eigenen  Schriften  beschrieben  haben,  und  von  denen 
ich  hier  nur,  als  die  wichtigsten  Varietäten,  den  ver- 
wilderten Oelbaum  (Olivastro)  und  die  beiden  culti- 
virten  Arten  Oliarola  und  Cellina ,  deren  erstere  man 
zum  Anbau  am  vortheilhaftesten  hält,  namhaft  machen 
will.  Die  Vermehrung  des  Oelbaumes  betreffend,  so 
geschieht  sie  entweder  durch  Veredeln  alter  verwilder- 
ter Stämme ,  durch  Oculiren  nutzbarer  Arten ,  oder 
indem  man  abgeschnittene  Aeste  oder  kleine  Wasser- 
schösslinge  guter  Art ,  in  fruchtbares  Land  eingegra- 
ben, unter  sorgfältigem  Begiessen,  nach  und  nach  zu 
selbstständigen  Bäumen  erzieht,  so  dass  dieser  Baum, 
der  in  seinem  ganzen  Habitus  mit  unsern  Weiden 
manches  ähnliche  hat,  auch  rücksichtlich  der  Vermeh- 
rungsfähigkeit mittelst  abgeschnittener  Zweige  mit 
ihnen  übereinstimmt.  — 

Die  Arbeiten,  welche  an  den  Olivenbäumen  vor- 
genommen werden,  bestehen  theils  in  dem  im  Anfange 
des  Jahres  vorgenommenen  Umhacken  der  Erde  in  der 
Nähe  des  Stammes,  und  der  damit  verbundenen  Dün- 
gung, welche  schon  Columella  empfahl,  und  Avelche 
nur  von  einigen  Neuern,  als  dem  Geschmacke  des 
Oels  nachtheilig  verworfen  wird;  ferner  in  dem  vor- 
sichtigen Ausschneiden  desselben.  —  Dieses  Beschnei- 
den pflegt  gewöhnlich  im  ersten  Frühjahr  vorgenom- 
men zu  werden.  In  Florenz  fand  ich  die  Leute  in  den 
Olivengärten  in  der  zweiten  Hälfte  des  Aprils  damit 
beschäftigt,  erfuhr,  dass  man  es  sich  zur  Hauptauf- 
gabe machte,  die  Bäume  in  der  Mitte  auszulichten, 
und  die  Krone  mehr  in  die  Breite  zu  ziehn,  und  sah 
hierbei  ein  sehr  zweckdienliches  15  bis  16    Zoll  lan- 

3 


34 

ges  Werkzeug  benutzen ,  welches ,  eine  Vereinigung 
vom  grossem  Gartenmesser  und  Beil  darstellend,  sich 
sehr  bequem  beim  Besteigen  des  Baumes,  mittelst  ei- 
nes Hakens  am  Gürtel  anhängen  lässt ,  und  dessen 
ohngefähre  Zeichnung  ich  hier  beifüge. 


~U 


Nur  in  Calabrien  soll  das  Schneiden  der  Oelbäu- 
me  ungewöhnlich,  ja  das  Volk  überzeugt  seyn,  dass 
sich  der  des  Kirchenbannes  schuldig  mache  ,  der  einen 
einzigen  Ast  vom  Olivenbaume  abhaue  ;  weshalb  man 
dort  auch  die  ehrwürdigsten,  obgleich  Aveniger  nutz- 
baren Olivenwaldungen  vorfindet.  Das  Blühen  der 
Olivenbäume  fällt  im  Monat  May  und  Juny,  und  es 
gewähren  dann  die  gelblichen  Blüthentrauben  unter 
dem  silberfarbenen  Laube  einen  angenehmen  Anblick. 
Im  Oktober  fangen  die  Früchte  an  zu  reifen,  sind  in- 
dess  noch  grün,  werden  aber  auch  so  bereits  in  Menge 
gesammelt,  eingesetzt,  und  dienen  in  dieser  Gestalt, 
als  eine  häufige  auf  den  öffentlichen  Plätzen  ausgebo-, 
tene,  und  fast  auf  allen  Tischen  vorkommende  Speise, 
welcher  man  eine  die  Verdauung  stärkende  Kraft  zu- 
schreibt. Schon  bei  den  alten  Römern  war  der  Ge- 
nuss  dieser  etwas  herben  Kost  sehr  gewöhnlich,  und 
Marschlins  hat  mit  Sorgfalt  die  Stellen  aus  Colu- 
mella,  Cato,  Varro  und  Palladius*)  gesammelt, 


*)  Palladius  Lib.  XII.  Cap.  22.  Columbares  Olivae  fiunt 
sie :  Alternis  cratibus  olivarum  pulejum  spargis  et  mel  et  acetunt 
et  sales  modice  stratura  intercedente  suffundes.  Item  sternes 
olivas  supra  surcülos  foeniculi  vel   aneti   sive  lentisci   et  ramis 


35 

in  welchen  sie  das  Einmachen  der  Oliven  beschrei- 
ben. Auch  ein  eigenes  Oel  (Olio  onfacino  oder  Oleum 
strictivum  bei  den  Alten)  kann  um  diese  Zeit  aus  den 
Oliven  gepresst  werden.  —  Eigentliche  Reife  erlangt 
diese  Frucht  erst  im  December,  und  von  hier  an  bis 
zum  März  oder  April  pflegt  das  Einsammeln  derselben 
und  zwar  auf  verschiedene  Weise  zu  geschehn ,  in- 
dem von  sorgfältigem  Anbauern  sie  vorsichtig  abgele- 
sen werden,  während  von  Nachlässigem  das  freiwil- 
lige Abfallen  abgewartet  wird,  so  dass  dann  das  Ein- 
tragen oft  erst  im  May,  ja  im  Juny  (wie  namentlich 
in  Calabrien)  geschieht,  welches  jedoch  keineswegs 
zum  Vortheil  der  Oelbereitung  gereichen  soll.  Der 
Geschmack  der  reifen  Oliven  ist  ein  widerlich  fetti- 
ges Bitter,  und  was  die  Benutzung  derselben  zur  Oel- 
bereitung anbelangt,  so  erfordert  sie  einen  doppelten 
Process :  nehmlich, 

1)  die  Zerquetschung  der  Oliven  zu  einem  hin- 
reichend geschmeidigen  Teige,  und 

2)  das  Auspressen  dieses  Teiges  entweder  an  und 
für  sich  oder  je  nachdem  derselbe  mit  warmem  Was- 
ser überschüttet  worden  ist. 

Die  Vorrichtungen  zur  Quetschung  der  Oliven, 
oder  die  Oelmühlen  (Trappeti)  bestehen  gewöhnlich 
in  einem  grössern  ausgehöhlten  steinernen  Behälter, 
in  welchem  ein  einziger  mühlsteinartiger  Stein,  und 
zwar  aufrechtstehend,  an  einem,  einer  beweglichen 
Spindel  angefügten  Querarme,  sich  im  Kreis  herum- 
bewegt, oder  wohl  auch  zwei  halbkugliche  Mahlsteine 
zugleich ,  durch  eine  ähnliche  Vorrichtung  herumge- 
trieben werden.  Um  das  Auspressen  der  Oliven  zu 
bewerkstelligen,    wird  der  gequetschte  Teig  in  Cylin- 


olivae  subditis  aceti  heminam  et  muriam  suffundis ,    et  has  con- 
structiones  usque  ad  vasculi  plenitudinem  patieris  insurgere. 

3* 


36 

der  gethan,  die  aus  auf  einander  gesetzten  Stroh  - 
oder  Binsenringen  (Fischioli)  aufgebaut  sind,  und  de- 
ren mehrere  zugleich  unter  einem  starken  Pressbau- 
me dergestalt  zusammengedrückt  werden,  dass  das 
Oel  zu  den  Seiten  dieser  Cylinder  hervorläuft.  Das 
erste  am  leichtesten  ausfliessende  Oel  ist  dann  das 
beste,  während  das  erst  mit  Beihülfe  des  warmen 
Wassers  ausgeschiedene  schon  um  vieles  geringer  ist, 
und  das  letzte  nebst  dem  Satz  nur  zu  dem  gemeinsten 
Gebrauch,  z.  B.  für  die  Seifenfabriken  anwendbar  ist. 
Zum  Auspressen  des  Oeles  hat  neuerlich  übrigens  der 
Grossherzog  von  Toscana,  auf  einigen  seiner  Güter, 
die  Brama'sche  Wasserpresse  in  Anwendung  bringen 
lassen,  und  es  war  mir  höchst  interessant,  mich,  an 
einer  zu  Florenz  selbst  gebauten  sehr  schönen  Ma- 
schine dieser  Art  von  der  Ungeheuern  Kraft  dieses 
doch  so  einfachen  Werkzeuges  überzeugen  zu  können. 
Man  wird  sich  von  dieser  Kraft  eine  Vorstellung  ma- 
chen können,  wenn  ich  anführe,  dass  ein  zwei  und 
einen  halben  Fuss  langes  Stück  eines  12  bis  13  Zoll 
im  Durchmesser  haltenden  alten  Olivenstammes,  trotz 
der  ausnehmenden  Festigkeit  und  Trockenheit  seines 
Holzes,  mittelst  einer  solchen  Presse  seiner  Länge 
nach  um  einen  ganzen  Zoll  zusammengedrückt  wor- 
den war. 

Was  nun  die  dem  Oelbaum  feindlichen  Insekten 
betrifft;  so  beschreibt  Costa  in  der  oben  erwähnten, 
im  Jahre  1827  gedruckten  Abhandlung,  zuerst  den 
Coccus  oleae,  welcher  nach  der  Weise  der  an  unserer 
Orangerie  so  häufig  vorkommendeu  Coccusart,  seinen 
höchst  einfachen  Lebenslauf,  doch  nicht  ohne  Nach- 
theil des  Baumes  und  der  Zweige,  vollführt.  Merk- 
würdig ist  es  insbesondere,  wie  das  Weibchen  mit 
seinem  grössern  Schilde,  über  der  davon  beschirmten 
Eiermasse  abstirbt,   und  den  Winter  über  mit  seinem 


37 

Leichnam  die  Brut  des  künftigen  Jahres  fortwährend 
bedeckend,  endlich  als  unnütze  Hülle  abfällt,  wenn 
die,  von  Costa  zuerst  ausführlich  beschriebenen  und 
abgebildeten  Jungen  herauszukommen  beginnen.  Wie 
indess  in  der  Natur,  und  so  oft  auch  im  menschlichen 
Leben  nichts  so  klein  ist,  das  nicht  seinen  noch 
kleinern  Feind  hätte;  so  berichtet  auch  Costa  noch 
von  einigen  fast  microscopischen  Schlupfwespen  (einer 
dem  Ichneumon  coccorum  Fab.  verwandten  Art,  und 
einem  neuen  Cinips),  welche  diesen  Coccus  wieder, 
wie  andere  Schlupfwespen  etwa  unsere  Raupenarten 
anstechen,  Eier  hineinlegen,  deren  ausgekrochene 
Larven  den  Coccus  auszehren  und  tödten,  sich  selbst 
aber  unterhalb  seines  Schildes  zu  Puppen  verwandeln, 
und  endlich  als  vollkommene  Insecten  den  Coccus 
durchbrechend,  davon  fliegen.  Ausser  jenem  Coccus 
erwähnt  Costa  noch  eine  besondere,  den  Blüthen 
und  ersten  Fruchtkeimen  gefährliche  Noctua,  so  wie 
er  den,  von  Angelini  und  Briganti  beschriebenen 
Arten :  Tinea  olaeella  und  Tinea  olivella  noch  eine 
dritte  Art  Tinea  zuzählt,  wrelche  er  zwar  gleich  jener 
Noctua  beschreibt,  ohne  sie  jedoch  mit  besondern 
Namen  zu  bezeichnen.  Endlich  werden  noch,  ausser 
den  Larven  des  Nashorn-  und  Maikäfers,  der  Hyle- 
sinus  oleae ,  Bostrichus  Oleiperda  nebst  einem  Curcu- 
lio,  einer  Coconiella,  und  einer  Altica,  als  gefährli- 
che Feinde  dieses  nützlichen  Baumes  durch  Costa 
aufgeführt. 

Doch  es  ist  Zeit,  dass  ich  von  dieser  Digression 
zurückkehre,  um  die  letzten  Striche  zu  diesen  Um- 
rissen einer  Charakteristik  italienischer  Vegetation 
hinzuzufügen,  welche  von  Terracina  an,  wo  man  in 
näherer  Berührung  mit  dem  Meere  bleibt,  nicht  mehr 
als  blosse  Vegetation  des  Landes  i  sondern  zugleich  als 
Vegetation  der  Gewässer  erscheint.  —  Findet  man  es 


38 

daher  auch  nur  als  eine  Fortsetzung  der  Vegetation 
von  Terracina,  wenn  auf  dem  Wege  nach  Neapel  um 
Fondi  und  Mola  di  Gaeta  dichtere  Orangen-Boskets 
vorkommen,  wenn  eine  neue  mit  schönen  Cistusarten 
untermengte  Bergflora  die  Engpässe  bei  Itri  ziert,  hin- 
ter Mola  di  Gaeta  die  Felder  mit  grossen  Agavestau- 
den (von  den  Neapolitanern  Sempreviva  genannt)  ein- 
gefasst  sind,  und  in  der  Campagna  felice  bei  minder 
grosser  landschaftlicher  Schönheit  der  Gegend,  die 
ausserordentlichste  Fruchtbarkeit  des  Bodens  erfreut, 
als  welche  immer  auf  einem  und  demselben  Boden 
wenigstens  drei  Erndten  zugleich  gewährt,  so  eröffnet 
sich  doch  schon  auf  der  letzten  Station  vor  Neapel, 
von  wo  an  zugleich  mit  einemmale  die  Dächer  von 
den  Häusern  verschwinden,  wenn  auch  nicht  eine  neue 
Flora,  doch  eine  neue  eigenthümliche  Art  der  Bebau- 
ung des  Landes.  Sind  wir  nämlich  bei  uns  gewohnt 
die  Getreidefelder  frei  in  weiten  Flächen  sich  hinstrek- 
ken  zu  sehen ,  und  sieht  man  sie  im  obern  Italien  nur 
mit  niedrigen  Bäumen  bepflanzt,  so  sehen  wir  sie  hier 
mit  hochstämmigen  Ulmen  und  Obstbäumen  überall 
besetzt,  in  deren  Wipfel  hinauf  Weinstöcke  sich  schlin- 
gen, welche  in  weiten  Gehängen  über  dem  wallenden 
Weitzen  und  üppigen  Maispflanzungen  schweben ,  um 
durch  ihren  Schatten  die  Austrocknung  des  Bodens 
wenigstens  in  etwas  zu  mindern.  Was  aber  die  Ve- 
getation des  Meeres  betrifft,  so  wird  sie  in  doppelter 
Hinsicht  merkwürdig,  einmal  weil  sie  in  den  mannig- 
faltigen Ulven,  Zonarien  und  Fucusarten,  so  höchst 
eigenthümliche  Gestaltungen,  und  die  zierlichsten, 
vorzüglich  glänzend  violettblauen  und  grünlichen  Fär- 
bungen enthält,  und  ein  andermal  weil  sie  sich  auf 
das  innigste  mit  den  niedrigsten  Formen  des  Thier- 
reichs,  den  Gorgonien,  Sertularien,  Acetabuln  und 
Corallen  durchdringt  und  verbindet. 


39 

Wie  sehr  endlich  die  allgemeine  Ueppigkeit  der 
Vegetation  in  und  um  Neapel  auch  den  Gärten  wieder 
zu  Gute  komme,  bedarf  nach  dem  Vorhergehenden 
kaum  der  Bemerkung,  und  ich  erlaube  mir  nur  noch 
über  den  botanischen  Garten  zu  Neapel  einige  Worte 
beizufügen.  Es  ist  aber  derselbe  ohnfehlbar  als  eins 
der  schönsten  Institute  seiner  Art  zu  betrachten,  und 
sein  würdiger  sehr  kenntnissvoller,  und  insbesondere 
um  die  Flora  von  Neapel  sehr  verdienter  Director, 
Prof.  Tenor e  geniesst  die  Freude  ein  Werk  jetzt  im 
eigentlichen  Sinn  in  schönster  Blüthe  zu  erblicken, 
zu  welchem  er  den  Plan  zuerst  entworfen  und  dessen 
Entwickelung  er  geleitet  hat.  In  einer  sehr  bedeuten- 
den Ausdehnung  und  bei  geschmackvoller  eleganter 
Anlage  erfüllt  dieser  Garten  einen  doppelten  Zweck, 
einmal  in  seinen  weitläuftigen  offnen  Gängen  einen 
angenehmen  Spaziergang  dem  Publicum  zu  bieten,  ein 
anderesmal  in  verschlossenen  Gehegen  und  einem 
schön  ja  grossartig  angelegten  Treibhause  eine  grosse 
Menge  merkwürdiger  Pflanzen  zu  ziehn.  Für  den  Nord- 
länder ist  es  eine  besondere  Freude,  eine  Menge  Pflan- 
zen ,  welche  bei  uns  nur  unter  mühseliger  Pflege  in 
Treibhäusern  aufkommen,  unter  diesem  milden  Him- 
mel freudig  im  Lande  gedeihen  zu  sehn,  so  dass  denn 
eben  dadurch  der  Umfang  des  Treibhauses ,  welches 
trotz  seiner  Geräumigkeit  doch  nach  unserm  Maass- 
stabe viel  zu  klein  für  eine  Anlage  dieser  Art  er- 
scheinen müsste,  eine  grosse  Beschränkung  zulässt. 
Wie  schön  standen  nicht  in  einem  besondern  Gehege 
die  neuholländischen  Bäume  und  Sträucher :  Metroside- 
ros,  Casuarina,  Accacia,  Eugenia,  Eucalyptus  und 
dergleichen,  grösstentheils  in  Blüthe,  wie  interessant 
war  es  nicht,  unweit  davon  mehrere  von  Tenore 
als  neu  beschriebene  und  benannte  neapolitanische 
Bäume,    Alnus  cordata,  Acer  neapolitanum,  Acer  Lo- 


40 

belii,  und  dann  wieder  ganz  fremdartige  wie  Styrax 
officinale,  Laurus  Camphora  und  dergleichen  kräftig 
sich  ausbreiten  zu  sehen,  während  in  dem  schon  jetzt 
im  May  längst  ganz  offnen  Hallen  des  Treibhauses 
eine  Reihe  Caffeesträucher  voll  reifer  Beeren  hing, 
und  auf  der  andern  Seite  des  Hauses  ein  Paar  grosse 
Pisangbäume  ihre  saftigen  Früchte  von  fast  feigenar- 
tigem Geschmacke  darboten.  Ist  dagegen  auch  etwas, 
dessen  Pflege  auch  hier  einigermaassen  Mühe  kostet, 
so  sind  es  die  nördlichen,  und  die  Pflanzen  aus  hö- 
hern Gebirgen,  und  ich  war  nicht  wenig  verwundert, 
als  mir  Tenore  z.  B.  ein  massiges  Exemplar  von 
Rhododendron  ponticum  in  Blüthe  als  eine  besondere 
Merkwürdigkeit  vorzeigte. 

Doch  es  sei  genug  dieser  fragmentarischen  nur  zu 
unvollkommenen  Schilderungen!  und  nur  eins  will  ich 
am  Schlüsse  noch  erwähnen ,  wie  nämlich  doch  der 
höchste  Reiz  dieser  neapolitanischen  Gefilde  die 
schöne  Klarheit  des  Himmels ,  mit  ihrer  milden  gleich- 
massig  erwärmten  Luft  und  der  unendlichen  Fülle  des 
herrlichen  Sonnenlichtes  sei;  denn  diese  ist  es,  wel- 
che jedem  Empfänglichen  die  Wahrheit  von  Göthe's 
Ausspruch  verständlich  machen  muss,  nämlich:  „ dass 
es  unmöglich  sei,  dass  der  Mensch  ganz  unglücklich 
werde ,  dem  die  Erinnerung  von  Neapel  bleibend  ge- 
worden ist." 


41 

Verzeichniss  einiger  auf  der  Reise  durch  Italien 
,     gesammelten  und  eingelegten  Pflanzen*)  als 
Anhang  zu  obiger  Vorlesung. 


Ober-Italien. 

Hyacynthus  comosus    ....  Verona 

Leucoium  aestivum       ....  Mestre. 

Tnula  salicina       Lago  di  Como. 

Bupthalnium  salicifolium       .     .  — 

Chlora  perfoliata      .....  — 

Scolopendrium  officinarum         .  — 

Cyclamen  europaeum    ....  Lago  maggiore. 
Saxifraga  Burseriana  .     .     .     .  ^  Buonterra. 

Rosa  arvensis Domo  d'Ossola. 

Phytolacca  decandra     ....  Magadino. 

Anthericum  Liliago.      ....  — 

Ulva  intestinalis Venedig. 

—     lactuca    .......  — 


Mittel-Italien. 


Florenz. 


Iris  florentina       ... 

Gnaphalium  augustifolium 

Prunella  laciniata    .     .     . 

Erysimum  diffusum       .     . 

Oenanthe  pimpinelloides 

Parietaria  judaica    .     .     . 

Vinca  major 

Hordeum  vulgare  var.  steril.     .  — 

(das  zum  Strohflechten,    als  einer  wichtigen  Industrie 
Toscana's ,  benöthigte  Material  liefernd. ) 


*)  Durch  Herrn  Hofrath  und  Prof.  Reichenbach   syste- 
matisch bestimmt. 


42 


Sonchus  tenerrimus 
Trifolium  angustifoliuni 
Centaurea  Calcitrapa 
Lotus  hirsutus     .     . 
Sisymbrium  tenuifolium 
Ophrys  arachnites 
Stachys  silvatica 
Laurus  nobilis     . 
Viburnum  Tinus 
Quercus  Cerris   . 
Andromeda  arborea 
Asplenium  Adiantum  nigrum 
Ceterach  officinalis 
Asplenium  trichomanes 
Sedum  cepaea 
Ajuga  Chamaepitis 
Xanthium  italicum 
Statice  sinuata    . 
Orobanche  elatior 
Hyoseris  radiata 
Bupthalmum  spinosum 
Calendula  stellata    . 
Anthemis  tinctoria  . 
Anacyclus  tomentosus 
Arnopogon  Dalecampii 
Linaria  spuria 
Fumaria  capreolata 
Centaurium  Erithraea 
Heliotropium  europaeum 
Verbascum  sinuatum 
Scabiosa  setifera 
Echium  italicum 
Cineraria  maritima 
Poterium  hybridum 
Tordvlium  officinale 


Florenz. 


—  (bort.) 

—  (hört ) 

—  (hört ) 


Fiesole. 


43 


flor.  lut. 


Gladiolus  segetum  . 
Polygala  comosa  var. 
Cochlearia  Drapa     . 
Onobrychis  sativa    . 
Lathyrus  silvestris 
Arum  italicum     .     . 
Sambucus  Ebulus     . 
Erica  arborea      .     . 
Aristolochia  rotunda 
Euphorbia  neapolitana 
Cistus  albidus      .     . 
Galium  purpureum 
Thymus  vulgaris 
Narcissus  poeticus 
Asphodelus  ramosus 
Valantia  muralis 
Coronilla  securidaca 
Teucrium  chamaedrys 

—  flavum 

Punica  Granatum     . 
Ziziphus  vulgaris     . 
Quercus  austriaca    . 
Melia  Azedarach 
Adiantum  capillus  Veneris 
Stachys  hirta 
Acanthus  mollis  . 
Campanula  Erinus 
Melissa  officinalis 
Lotus  corniculatus  var 
Orchis  fusca   .     .     . 
Satyrium  abortivum 
Satureja  Juliana 
Ferula  nodiflora  .     . 
Smyrnium  Olusatrum 
Olea  europaea     .     . 


Montefiascone. 


vill. 


Siena. 


Bolsena. 

Lucca. 
Viterbo. 

Rom. 


—  (hört.) 

—  (hört.) 


Terni. 


44 

Lavatera  Olbia Albano. 

Iris  spuria — 

Serapias  rubra Orvieto. 

Anemone  hortensis       ....  — 

Galega  officinalis Pont.    Sümpfe. 


Unter-Italien 


Allium  hirsutum       .     . 
Trifolium  ligusticum    . 
Convolvulus  altheoides 
—  cantabrica 

Stachys  maritima     .     . 
Chrysanthemum  coronarium 
Astragalus  monspessulanus 
Juniperus  Lycia 
Buxus  sempervirens 
Myrthus  communis 
Cerinthe  aspera 
Briza  maxima     .    > 
Ceramium  rubrum    . 
Fucus  selaginoides 
Pelargonium  longicaule 
Acer  opulifolium 

—  neapolitanum 

—  Lobelii       „     . 
Styrax  officinalis 
Alnus  neapolitana  . 
Metrosideros  lanceolata 
CofFea  arabica     .     . 
Quercus  Hex       .     . 
Asparagus  tenuifolius 
Fucus  foeniculaceus 

—     natans    .     .     . 
Delesseria  membranacea 


Terracina. 


Neapel. 

—  (hört.) 

—  (hört.) 


45 


Zonaria  pavonica    ..    .     . 

Neapel. 

Campanula  speculum   .     . 

Pompeji 

Doroconium  herbaceum    . 

— 

Ornithopus  scorpioides    . 

— 

Anagallis  coerulea  .     .     . 

Vesuv. 

Paestum. 

III. 


Bemerkungen   zur   Naturwissenschaft   und   Hei! 

künde,  und  zu  deren  gegenwärtigem  Stande 

in  Italien. 


W  enn  ich  es  unternehme  hier  zusammenzustellen,  was 
in  obgenannter  Beziehung  bei  einem  kurzen  Aufent- 
halte in  Florenz,  Born,  Neapel  und  einigen  anderen 
Orten  Italiens  mir  wichtig  geschienen  hat,  so  ge- 
schieht diess  zunächst  um  in  der  Erinnerung  in  ein 
überschaubares  Bild  zu  vereinigen,  was  in  der  Wirk- 
lichkeit nur  in  Bruchstücken  ergriffen  und  aufgezeich- 
net werden  konnte ,  eben  aber  in  diesem  fragmentari- 
schen Zustande  am  wenigsten  festzuhalten  gewesen 
wäre.  —  Die  Beise  an  sich,  so  wie  meine  Stellung  auf 
derselben,  hatte  allerdings  einen  ganz  andern  Zweck 
als  wissenschaftliche  und  gründliche  Untersuchungen 
anzustellen,  und  es  musste  mir  bei  einem  so  schnellen 
Durchzuge  offenbar  mehr  als  Aufgabe  erscheinen,  we- 
nigstens von  der  Gesammteigenthümlichkeit  dieser 
schönern  südlichen  Natur ,  dieses  merkwürdigen  Bo- 
dens und  dieser  anders  lebenden  Menschen  eine  mög- 
lichst deutliche  Vorstellung  mir  einzuprägen,  als  dass 
ich  hätte  glauben  dürfen  zu  dem  Vielen,  was  über  Ita- 
lien auch  in  wissenschaftlicher  Beziehung  gearbeitet 
worden  ist,  wirklich  neue  und  bedeutende  Beiträge  ge- 
ben zu  können.  —  Ich  Averde  daher  hier  nur  ganz  ein- 


47 

fach  aus  meinen  Tagebüchern  ausziehen,  was  in  den 
genannten  Kreis  von  Gegenständen  gehört  und  mir  in- 
teressant erschienen  oder  früher  nicht  bekannt  gewor- 
den war,  und  sollte  darunter  Einer  oder  der  Andere 
etwas  auch  ihn  ansprechendes  oder  sonst  merkwerthes 
finden,  so  gebrauche  er  es  mit  mir,  und  begünstigt  ihn 
die  Gelegenheit,  so  suche  er  es  zu  vervollständigen 
oder  auch,  wo  es  dessen  bedürfen  sollte,  zu  berichtigen. 
Der  erste  Ort,  an  welchem  mir  nur  einige  Zeit 
vergönnt  war  mich  um  Gegenstände  medicinischen 
Wissens  zu  bekümmern,  war  Parma.  Wohnend  im 
Pallast  Ihro  Kaiserl.  Hoheit  der  Erzherzogin  Maria 
Luise,  wurde  es  mir  leicht  eine  Stunde  zu  finden ,  um 
die  Einrichtung  der  Hofapotheke ,  welche  gleich  Biblio- 
thek, Gallerie,  Akademie  der  Künste,  Theater  u.  s.  w. 
mit  in  den  weitläufigen  Gebäuden  des  Pallastes  be- 
griffen ist,  etwas  näher  kennen  zu  lernen,  und  den 
Mittheilungen  eines  mit  der  Leitung  derselben  beauf- 
tragten Deutschen,  Namens  Lange,  welcher  seine 
Studien  in  Prag  gemacht  hat,  verdanke  ich  mehrere 
belehrende  Bemerkungen :  —  So  ist  z.  B.  schon  für  den 
fremden  Arzt,  welcher  aus  einer  italiänischen  Officin 
Arzneyen  verordnet,  die  Beachtung  der  Verschieden- 
heit des  Gewichtes  unerlässlich ,  da  das  italiänische 
Gewicht  um  so  viel  kleiner  ist,  dass  der  Gran  nur 
ohngefähr  4  des  deutschen  Gran  beträgt,  indem  der 
Scrupel  zu  24  gr,  statt  zu  20  gerechnet  wird,  und  12 
Unzen  italiänischen  Gewichts  nur  etwa  9  Unzen  3 
Quentchen  österreichischen  Gewichts  gleichkommen. 
—  Nächstdem  ist  besondere  Aufmerksamkeit  des  Arz- 
tes auf  gehörigen  Gebrauch  der  Medicamente  zu  rich- 
ten, da  es  durchaus  nicht  üblich  ist,  die  Medicamente, 
wie  sie  aus  den  Apotheken  verabfolgt  werden,  weder 
mit  gehörigen  Signaturen  zu  versehen,  noch  überhaupt 
sorgfältig  zu  verwahren. 


48 

Obwohl  diese  unter  einem  Deutschen  stehende 
Apotheke  eine  der  am  besten  eingerichteten  war ,  die 
mir  in  Italien  vorgekommen ,  so  wurden  doch  z.  B.  die 
Mixturen  in  dünnhälsigen  Gläsern  blos  mit  etwas  Pa- 
pier oder  Baumwolle  verstopft  und  ohne  alle  Signatur 
über  Gebrauch  und  Person,  für  welche  das  Mittel  be- 
stimmt war,  verabfolgt.  Eben  so  die  Pillen  und  Pul- 
ver, und  zwar  gewöhnlich  nur  in  Papier  eingepackt. 
Von  den  Nachlässigkeiten,  welche  überdiess  in  andern 
italiänischen  Apotheken  bei  Bereitung  der  Arzneyen 
häufig  vorfallen ,  werde  ich  weiter  unten  einige  Bei- 
spiele anführen  können.  Unter  den  bei  uns  weniger 
oder  gar  nicht  üblichen,  dort  aber  häufig  angewende- 
ten Mitteln  erwähne  ich  insbesondre  die  Datisca  can- 
nabina,  welche  als  Ueblichkeit,  Brechen  und  Abfüh- 
rung erregendes  Mittel  bei  gastrischen,  scrophulösen 
und  ähnlichen  Krankheiten  öfters  gegeben  wird  und 
zwar  zu  3  bis  7  oder  8  Gran ,  z.  B.  nach  folgender  Formel : 

R.  Folior.  Cannabinae  gr.  iij. 
Sulphat.  martis  gr.  ij. 
Electuar.  lenitiv  q.  s.  ut  f.  bolus,  dent.  tal. 

dos.  Nr.  XII.  •) 
Die  Pflanze  pflegt  daher  zum  Arzneygebrauch  in 
botanischen  Gärten  gezogen  zu  werden.  —  Eben  so 
wird  die  Murias  calcis  nicht  selten  als  inneres  Mittel 
angewendet,  und  zwar  insbesondere  bei  scrophulösen 
Zufällen  in  destillirtem  Wasser  aufgelöst  zu  6  bis  10 
Gran  täglich  etwa.  Ein  Mittel,  mit  welchem  übrigens 
häufig  das  Decoct  der  Blätter  des  Wallnussbaumes 
(etwa  3  Drachmen  auf  1  Pfund  Wasser)  verbunden  zu 
werden   pflegt.  —    Vor  weniger  als   einem  Jahre  war 


*)  Die  Form  des  Bolus  und  grösserer  Pillen  von  4  bis  6 
Gran,  welche  nur  Aveich  bereitet  und  in  kleinen  Quantitäten  ver- 
schrieben werden  ,  wird  überhaupt  besonders  beliebt. 


49 

ausserdem  ein  Anhang  zur  eingeführten  Pharmakopoe 
erschienen  (Additamenta  codici  medicamentario  Par- 
mensi,  Parmae  1827)  in  welchem  folgende  Mittel  noch 
gesetzlich  eingeführt  werden:  —  Borussias  Potassae 
et  ferri  s.  Ferrocyanas  potassae,  Coeruleum  beroli- 
nense,  Jodium,  Morphium,  Acetas  morphinae,  Acidum 
hydrocyanicum  juxta  method.  Gay-Lussac. ,  Acidum 
hydrocyanicum  alcoholicum,  Cyanuretumpotassii,  Cya- 
nuretum  hydrargyri,  Acidum  hydriiodicum,  Hydriiodas 
Potassae,  Hydriiodas  joduratus  Potassae,  Pomata  cum 
hydriiodate  Potassae,  Pomata  cum  Jodio.,  Jodas  potas- 
sae, Hydras  deutoxydi  Potassii,  Emetina,  Strychnina, 
Extractum  alcoholicum  nucis  vomicae,  Extractum  opii 
sine  narcotina.  —  Unterzeichnet  ist  dieser  Nachtrag 
von  zwölf  Medicinalpersonen,  theils  Medicinalräthen, 
theils  Professoren  der  Medicin,  Chirurgen  und  Phar- 
maceuten.  Ihre  Namen  sind:  Antonio,  Cajetano, 
Morigi,  Guidotti,  Gottardi,  Mazza,  Toschi, 
Lorenzini,  Saglia,  Rasori,  Basili  undFragni. 
—  Was  Mineralwasser  betrifft,  so  werden  von  Parma 
aus  namentlich  der  Brunnen  von  Reccoaro  unweit 
Vicenza,  welcher  wesentlich  Kohlensäure,  Eisen  und 
schwefelsaure  Magnesie  enthält  und  blos  getrunken 
wird,  so  wie  die  warmen  schwefelig-salzigen  Quel- 
len von  Abano  (sie  brechen  in  einer  Temperatur  von 
60  bis  97°  R.  hervor,  und  waren  unter  dem  Namen 
Aquae  Aponi  schon  den  Römern  sehr  bekannt)  zu 
Wasser-  und  Schlammbädern  benutzt,  häufig  besucht. 
Als  blos  abführendes  Wasser  pflegt  das  Bitterwasser 
von  Corvi  bei  Piacenza  getrunken  zu  werden.  — :  So- 
viel ich  aus  einer  Unterhaltung  mit  dem  Professor  der 
höhern  Chirurgie  und  Intendanten  der  Spitäler  Mo- 
rigi abnehmen  konnte,  finden  sich  auch  in  Parma 
einzelne  Aerzte  dem  homoiopathischen  Verfahren  nicht 
abgeneigt.  — 

4 


50 

Eine  andere  Gelegenheit,  um  Gegenstände  der  Na- 
tur- und  Heilkunde  mich  näher  zu  bekümmern,  fand 
ich  in  Bologna,  einer  bekanntlich  dein  Kirchenstaat 
angehörigen  Stadt,  wo  somit  die  Universität  unter  die 
speciellste  Aufsicht  der  höhern  Geistlichkeit  gestellt 
ist,  ein  Verhältniss,  welches  namentlich  bei  Kranken- 
anstalten fast  in  ganz  Italien  herrschend  ist,  und  die- 
sen nicht  eben  zum  besondern  Vortheil  gereicht.  Ich 
besuchte  die  dortige  aus  der  ersten  Hälfte  des  öten 
Jahrhunderts  ihre  Begründung  datirende  Universität  am 
17.  April.  Das  Gebäude  ist  sehr  anständig.  Im  Vor- 
zimmer der  physikalischen  Sammlung  erblickt  man  das 
Bild  des  gelehrten  Pabstes  Benedict  XIV  (Lam- 
bertini) in  Mosaik.  Die  physikalische  Sammlung 
selbst,  welche  unter  Orioli's  Aufsicht  steht,  ist  sehr 
reich.  Weniger  bedeutend  und  nach  zum  Theil  noch 
vorlinneeischen  Ansichten  geordnet  ist  die  Natura- 
lien-Gallerie.  Sie  muss  nur  in  so  fern  die  Aufmerk- 
samkeit des  Fremden  fesseln,  als  sie  noch  grossentheils 
das  Werk  des  alten  zu  seiner  Zeit  um  Zoologie  wohl- 
verdienten Aldrovandi  ist.  —  Wichtiger  wieder  ist 
das  Cabinet  für  physiologische  und  pathologische  Anato- 
mie ,  welches  schöne  Wachspräparate  enthält.  —  Unter 
den  pathologischen  Präparaten  hatte  ich  mir  als  bemer- 
kenswerth  aufgezeichnet :  ein  Exemplar  eines  ausseror- 
dentlich grossen  Schädels,  an  welchem  fast  alles  in  Rip- 
penbogen (so  Oberkiefer  und  Jochbogen)  und  Gliedmas- 
senbildung (so  Unterkiefer)  aufging,  da  hingegen  die  ei- 
gentliche Wirbelbildung  keinesweges  in  hohem  Grade 
entwickelt  war.  Nie  habe  ich  ähnliche  Fortsätze  zur 
Muskelanheftung,  gleiche  Dicke  und  Breite  der  Ant- 
litzknochen als  hier  in  diesem  ganz  zum  Thierischen 
sich  hinneigenden  Kopfskelet  gesehen.  Ferner  ver- 
diente Beachtung  der  aufbewahrte  offene  Magen  einer 
Frau,    welche  mehrere  Jahre  mit  einem  Loch  im  Ma- 


51 

gen  gelebt  hatte.  —  Wie  doch  der  Organismus  Abnor- 
mitäten unter  gewissen  Umständen  lange  erträgt,  wel- 
che unter  andern  ihm  augenblicklichen  Tod  bringen ! 
—  Auch  ein  fast  gänzlich  verknöchertes  Herz,  enorm 
vergrösserte  Ovarien  u.  dergl.  enthielt  die  Sammlung. 
Ich  wandte  mich  dann  zur  Klinik,  welche  Toma- 
sini *)  leitet,  und  folgte  fast  zwei  Stunden  hindurch 
seinem  Vortrage  am  Krankenbette. —  Eine  solche  ita- 
lienische Klinik  unterscheidet  sich  in  Manchem  von 
deutschen  ähnlichen  Anstalten;  schon  das  immer  ge- 
wissermassen  klösterliche  mit  Kruzifix  und  Weihwas- 
ser versehene  Lokal ,  die  Reihen  von  Betten  mit  ihren 
Betthimmeln,  der  Arzt  und  die  Assistenten  mit  ihren 
Wärter-Schürzen,  die  einfachen  nie  signirten  Medica- 
mente geben  eine  andere  Physiognomie.  Tomasini 
spricht  am  Krankenbett  mit  einer  angenehmen  Elo- 
quenz, welche  überhaupt  in  Italien  eine  häufigere  Gabe 
der  Lehrer  ist  als  bei  uns,  und  leitet  seine  Schüler 
nicht  ohne  Umsicht;  nur  ist  es  mir  erschienen,  als  ob 
er  weniger  hinführe  auf  die  Erkenntniss ,  wie  gewisse 
Systeme  und  Organe  in  einzelnen,  namentlich  chroni- 
schen Krankheiten  leiden,  mehr  bei  allgemeinen  Dis- 
cussionen  über  Sensibilität  und  Irritabilität  (als  womit 
man  sich  gern  herumträgt,  wenn  man  zur  Erkenntniss  des 
Erkrankens  einzelner  Gebilde  noch  nicht  durchgedrun- 
gen ist)  verweile,  und  sein  Heilverfahren  aus  der  Theo- 
rie von  Broussais  und  der  des  Contrastimolo 
zusammensetze. —  Die  chirurgische  Klinik  unter  Ven- 
turoli  habe  ich  nicht  besucht,  und  eben  so  wenig 
Gelegenheit  gehabt  Rotati  welcher  Pathologie ,  Bar- 
tolini  welcher  Botanik,  und  Medici,  welcher  Phy- 


*)  Er  ist  neuerdings,  so  wie  Prof.  Orioli,  seines  Postens 
entsetzt  worden,  und  zwar  wegen  freimaurerischer  Verbin- 
dungen, 

4* 


52 

siologie  lehrt,  kennen  zu  lernen.  Dagegen  habe  ich 
theils  des  Mondini,  welcher  Professor  der  Anatomie, 
theils  des  Alessandrini,  welcher  vergleichende  Ana- 
tomie und  die  leider!  in  Italien  immer  damit  vereinte 
Veterinärkunde  vorträgt,  Bekanntschaft  gemacht.  Letz- 
terer insbesondre  ist  mir  als  ein  äusserst  wissen- 
schaftlicher, mit  der  Literatur,  sogar  mit  der  deutschen, 
fortgeschrittener  Mann  erschienen.  Die  Sammlung  für 
vergleichende  Anatomie,  welche  er  in  einer  kleinen 
Reihe  von  Jahren  zusammengebracht  hat,  ist  für  mich 
vom  höchsten  Interesse  gewesen,  da  ich  nicht  nur  die 
ausnehmend  schöne  und  saubere  Aufstellung  der  Prä- 
parate ,  sondern  auch  zum  Theil  ihre  Seltenheit  bewun- 
dern musste.  Eine  besondere  Geschicklichkeit  sah  ich 
namentlich  bewährt  im  trocknen  Aufstellen  der  Einge- 
weide z.  B.  vomKameel,  Strauss,  Delphin,  Schildkrö- 
ten u.  s.  w.  von  Fetushüllen  u.  dergl.  Alle  diese  Sa- 
chen werden  hier  vor  dem  Autstellen  in  Auflösung  des 
Sublimat  (5iß  auf  ftbj  Wasser)  geweicht ,  auch  wohl  mit 
solcher  mit  Essig  versetzten  Sublimatlösung  bestrichen, 
und  halten  sich  trefflich.  Dass  man  sie  nach  dem 
Trocknen  und  vor  dem  Firnissen  mit  ihren  natürlichen 
Farben  wieder  hie  und  da  anmalt,  ist  in  rein  wissen- 
schaftlichem Sinne  allerdings  zu  tadeln ,  indess  zum 
Gebrauch  des  Vorzeigens  bei  Vorlesungen  oftmals  sehr 
instruktiv.  —  Schöner  Wallfisch-  und  Nilpferdschädel 
so  wie  ein  schönes  Straussenskelett  können  nicht  un- 
angemerkt  bleiben. 

Unter  den  pathologischen  Präparaten  war  mir  ein 
Fall  vollkommner  Melanose  am  Hirn,  und  einer 
Kalbsmissgeburt  an  welcher  das  Hintertheil  mit  sei- 
nen Extremitäten  ganz  ohne  Rückenmarkende,  Ner- 
ven und  Muskeln  sich  entwickelt  hatte,  von  besondrer 
Wichtigkeit. 

In  der  Nähe  dieser  ausgezeichneten  Sammlung,  zu 


53 

welcher  dem  Professor  mehr  Aufmunterung  und  Un- 
terstützung zu  wünschen  wäre  als  er  geniesst,  befin- 
det sich  noch  eine  Sammlung  alter  obstetricischer 
Wachs-Präparate,  welche  indess  äusserst  dürftig  und 
um  so  unzureichender  genannt  werden  muss,  da  sie 
eine  geburtshülfliche  Klinik,  welche  gar  nicht  existirt, 
ersetzen  soll. 

Ich  kann  nicht  umhin  bei  Bologna  noch  zu  bemer- 
ken, dass  ich  das  Vergnügen  hatte  hier  an  der  Tafel 
Ihro  Kaiserl.  Hoheit  der  verwittweten  Grossherzogin 
von  Toscana  die  Bekanntschaft  des  als  Sprachgenie 
bekannten  als  Bibliothekar  angestellten  Abbate  Mez- 
zofanti  zu  machen,  welcher  durch  die  Gewandtheit, 
so  er  sich  in  36  theils  altern  theils  neuern  Sprachen 
erworben  hat,  aufs  neue  beweist,  dass  dem  Italiäner 
immer  noch  jener  Fond  von  Geisteskraft  einwohnt, 
welcher  angewendet  auf  irgend  einen  entschiedenen 
Punkt,  häufig  die  ausserordentlichsten  Resultate  her- 
vorbringt. 

Der  Ort  auf  welchen  unser  längster  Aufenthalt 
fiel,  war  Florenz.  Es  besteht  zwar  in  Florenz  keine 
eigentliche  Universität  mehrerer  Facultäten,  sondern 
nur  eine  Art  von  Collegium  medico-chirurgicum.  Aber 
die  Aerzte  der  Universität  von  Pisa  müssen  hier  ihren 
zweijährigen  Cursus  als  eine  Art  von  Staatsprüfung 
machen*),  da  hingegen  in  Siena,  der  zweiten  Univer- 
sität Toscana's ,  ein  eigenes  Collegium  medicum  für  die- 
sen Zweck  festgesetzt  ist.  In  dem  florentiner  Colle- 
gium med.  chir.  studiren  etwa  gegen  100  Chirurgen 
und  Aerzte,  und  aus  diesen  werden  eine  Anzahl  in  dem 


*)  Bei  einem  Examen ,  welchem  ich  hier  beiwohnte ,  sah  ich 
die  Fragen,  welche  für  jeden  Examinator  zum  Thema  des  Exa- 
mens dienten,  als  Loose  aus  einem  Vorrath  von  vielen  ähnlichen 
gezogen  werden. 


54 

grossen  Arcispedale  di  Santa  Maria  nnova,  in  dessen 
Locale  zugleich  die  Hörsäle  enthalten  sind ,  als  Sti- 
pendiaten zum  Krankendienst  gestellt.  Die  Mitglieder 
des  Collegiura,  deren  Bekanntschaft  ich  gemacht  und 
deren  Vorträge,  in  wiefern  sie  zugleich  Professoren  zu 
Santa  Maria  nuova  sind,  ich  grösstentheils  besucht 
habe,  waren:  1)  Dr.  Fr.  Torrigiani,  Leibarzt  Sr. 
Kaiserl.  Hoheit  des  Grossherzogs  und  vorsitzendes 
Mitglied  des  Collegii,  ein  bejahrter  etwas  schwer- 
höriger Mann,  dem  weit  vorgerückte  Jahre  eine  sehr 
eingreifende  Thätigkeit  erschweren.  2)  Targioni 
Tozzetti,  Professor  der  Botanik  und  Materia  medica, 
ebenfalls  sehr  bejahrt ;  die  Vorträge  desselben  habe 
ich  nicht  gehört.  3)  Giov.  Bigeschi,  Prof.  der  Ge- 
burtshülfe,  Director  der  Maternität  und  Hebammen- 
lehre ,  ein  thätiger ,  umsichtiger  Mann  mit  klarem 
Vortrage  für  seine  Schülerinnen.  4)  Luigi  Ma- 
gheri,  Professor  der  Physiologie  und  Pathologie,  mit 
sehr  rhetorischem  Vortrage.  5)  Nespoli,  Prof.  der 
Klinik,  sehr  beschäftigter  praktischer  Arzt.  (Diese 
fünf  von  der  medicinischen  Facultät).  —  6)  Nicc. 
Bruni,  nicht  Professor  sondern  Arzt  des  Irren-  und 
Krankenhauses  S.  Bonifacio,  ein  Mann  welchen  ich 
noch  später  erwähnen  werde.  7)  VincenzMiche- 
1  a  c  c  i ,  Professor  der  Geburtshülfe ,  etwas  ältlich  und 
von  etwas  vagem  Vortrage,  in  welchem  mancherlei 
eingestreute  Erzählungen  einzelner  Fälle  doch  keine 
feste  Aufmerksamkeit  der  Zuhörer  herbeiführen  konnten. 
8)Filippo  Uccelli,  Professor  der  Anatomie,  trug  ge- 
rade die  Nerven  des  Rückens  vor,  und  ich  war  nicht 
wenig  verwundert,  auch  am  18.  Juni  bei  bedeutender 
Wärme  alles  an  frischen  Präparaten  vorzeigen  zu  se- 
hen, welche,  eben  weil  sie  von  den  im  Spital  Ver- 
storbenen immer  neu  genommen  werden  können,  gleich 
Behufs  der  Vorlesung  zwar  etwas  roh ,  doch   deutlich 


55 

präparirt  waren.  9)  Giov.  Battist.  Mazzoni,  Prof. 
der  gerichtlichen  Arzneykunde ,  welche  er  nach  Foder e 
vorträgt.  Seinen  Vortrag  habe  ich  nicht  gehört,  ihn 
selbst  aber  als  einen  lebhaften  auch  sehr  beschäftigten 
Mann  kennen  lernen.  10)  Vincenz  Andreini,  Pro- 
fessor der  operativen  Chirurgie,  ein  sehr  regsamer,  de- 
terminirter  und  kenntnissreicher  Mann,  dessen  guter 
Einfluss  auf  seine  Zuhörer  sich  in  fertigen  Antworten 
und  gutem  Operiren  '  derselben  am  Leichnam,  deren 
Menge  auch  hier  zu  Statten  kommt,  sehr  wohl  dar- 
stellte. Ein  von  demselben  im  verflossenen  Jahre  ge- 
machter Kaiserschnitt  an  einer  sehr  rhachitischen 
Person,  welche  bei  einer  einfachen  Nachbehandlung 
mit  häufigen  Blutentziehungen  glücklieh  geheilt  wurde, 
so  dass  sie  am  32.  Tage  entlassen  werden  konnte, 
wird  von  ihm  in  einer  kleinen  Schrift  geschildert, 
welche  den  Titel  führt:  Di  una  operazione  cesarea 
relazione  del  Dr.  V.  Andreini.  Firenze  1827.  (Lei- 
der war  das  Kind  schon  längere  Zeit  vorher  abge- 
storben, und  man  vermisst  eine  genaue  Angabe  darü- 
ber, ob  dasselbe  nicht  vielleicht  doch  durch  Perforation 
hätte  geboren  werden  können.  Eigentliche  Messungen 
des  Beckens  wurden,  wie  es  scheint,  gar  nicht  ange- 
gestellt.)—  11)  Pietro  Betti,  Prof.  der  Chirurgie,  *) 


*)  Er  ist  zugleich  Chirurgo  fiscale,  und  hatte  vor  einigen 
Jahren  als  solcher  beigetragen  eine  Betrügerei  zu  entlarven,  wel- 
che über  vorgeblich  durch  ein  Wunder  bewirkte  Heilung  einer 
Taubstummheit  von  einer  Frauensperson  angesponnen  worden 
war.  M.  s.  Betti  sopra  una  pretesa  sanazione  istantanea  da 
congenita  sordo-muta.  Voto  medico-forense.  Firenze  1822.  Nicht 
minder  verdient  eine  andere  kleine  Abhandlung  desselben  Beach- 
tung, welche  er  unter  dem  Titel  Sul  croup  dei  bovi,  me- 
moria del  D.  P.  Betti  socio  ord.  dell'Accad.  dei  Georgofili  letta 
il  di  3.  Settembr.  1823.  hat  drucken  lassen.  Er  beschreibt  hier 
einen  wirklichen  Croup  bei  einem  Ochsen,  wobei  nach  in  die  Na- 


56 

welchen  ich  die  Lehre  von  den  Hernien  sehr  klar  und 
geordnet  vortragen  hörte,  und  welchen  ich  überhaupt 
als  kenntnissvollen  Arzt  und  sehr  geachteten  und  ge- 
fälligen Mann  habe  schätzen  lernen.  (Diese  fünf  von 
der  chirurgischen  Facultät.) —  Giuseppe  Gazzeri, 
Prof.  der  Chemie ,  dessen  Vorträge  von  einer  grossen 
Anzahl  Zuhörer  verschiedener  Klassen,  auch  von 
Geistlichen,  besucht  werden.  Sein  Vortrag  ist  äusserst 
klar  und  bündig,  und  seine  Ansichten  scheinen  von 
dem  Veralteten  eben  so  als  von  dem  Allerneuesten 
entfernt  zu  seyn.  (Er  gehört  der  dritten,  nämlich  der 
pharmaceutischen  Facultät  an.)  — 

Es  veranlasst  mich  diese  Aufzählung,  sogleich  hier 
eine  nähere  Betrachtung  der  Florentiner  Spitäler  ein- 
treten zu  lassen.  Das  grösste  unter  diesen  ist  das 
schon  erwähnte  Arcispedale  di  St.  Maria  nuova,  des- 
sen Geschichte  und  ganze  Einrichtung  man  findet  in: 
Regolamento  del  Regio  Arcispedale  di  St.  Maria  nuova 
di  Firenze.  Firenze  1783.  4.  Es  wurde  durch  eine 
fromme  Stiftungeines  gewissen  Folco  di  Ricovero 
Portinari  am  23  Juni  1288  begründet;  ein  Mann, 
welcher  ausser  durch  seine  Frömmigkeit  und  seinen 
Reichthum  noch  dadurch  berühmt  ist  dass  er  der  Va- 
ter war  jener  Beatrice,  welche  der  Leitstern  für 
Dantes  unsterbliche  Werke  gewesen  ist.  Da  nun 
iiberdiess  Beatrice  in  ihrem  26.  Jahre  im  Juni  1290 
verstorben  ist,  so  wäre  es  nicht  unmöglich,  dass  viel- 
leicht schon  ein  früheres  Erkranken  dieses  geliebten 
Kindes  den  Vater  zur  Stiftung  jener  Kirche  und  Kran- 
kenpflege bestimmt  hätte ,  in  welchem  Falle  denn  Flo- 
renz nächst  dem  berühmtesten  Dichterwerke   auch  die 


senlöcher  eingegossenem  Essig  eine  membranöse  Concretion  aus- 
geworfen wurde,  welche  die  Form  der  Luftröhrenverästung  hatte, 
worauf  das  Thier  genass. 


57 

grösste  wohlthätigste  Krankenanstalt  dieser  Beatrice 
verdanken  würde. 

Von  jener  Zeit  an  allmählig  -immer  mehr  erwei- 
tert und.  bereichert,  erhielt  endlich  diese  Anstalt  ihren 
gegenwärtigen  Umfang,  Plan  und  Bau  durch  den  Erz- 
herzog Peter  Leopold  I  um  das  Jahr  1780.  Gele- 
gen an  der  Strasse  della  Pergola,  nimmt  sie  sich  mit 
ihren  bedeutenden  Arkaden  gut  aus,  und  verpflegte  um 
die  Zeit  als  ich  sie  besuchte  gegen  900  Personen, 
(doch  sollen  über  2000  Kranke  aufgenommen  werden 
können;)  24  Aerzte  und  Unterärzte  und  12  Chirurgen 
und  Unterchirurgen  sind  zur  Besorgung  dieser  Kran- 
ken bestimmt,  wobei  Nespoli  die  eigentliche  Klinik, 
Ucelli  und  Andreini  die  chirurgische  Klinik  leiten, 
während  Michelacci  die  Aufsicht  über  die  ebenfalls 
hier  Zuflucht  findenden  Schwangern,  Kreisenden  und 
Wöchnerinnen  führt.  —  Wie  in  allen  italienischen 
Spitälern ,  findet  man  auch  hier  die  Kranken  in  gros- 
sen kaum  abzusehenden  Sälen  vereint,  welche  nur 
durch  ihre  Höhe  und  ihre  hochangebrachten,  fast  stets 
offen  erhaltenen  Fenster  eine  reine  Luft  erhalten  kön- 
nen. Kirchliche  Anstalten,  Altäre,  Capuciner  und 
geistliche  Commissarien  sind  auch  hier  mit  den  rein 
medicinischen  Einrichtungen  verflochten.  Reinlichkeit 
könnte  strenger  gehandhabt  werden;  zumal  vermisste 
ich  sie  in  der  Apotheke.  Unter  den  vielfältigen  Krank- 
heiten kommt  auch  in  Florenz  wie  überhaupt  in  Ita- 
lien ziemlich  häufig  die  Steinkrankheit  vor,  und  ein 
schöner  lithotriptischer  Apparat  von  Civiale  war 
durch  die  Munifizenz  des  Grossherzogs  angeschafft, 
indess  noch  nicht  in  Gebrauch  gesetzt  worden.  —  Ei- 
nige merkwürdige  Fälle ,  deren  Mittheilung  ich  der 
Güte  des  Professor  Betti  verdanke,  scheinen  mir 
hier  nicht  unerwähnt  bleiben  zu  dürfen.  So  sah  ich 
z.  B.  die  Schädeldecke  eines  Mannes,  welche  in  ihrer 


58 

ganzen  Scheitelfläche,  und  zwar  im  länglichen  Umfange 
einer  Manneshand  durch  Nekrosis  zerstört ,  und  in  die- 
ser Ausdehnung  sonach  blos  durch  eine  aus  harter 
Hirnhaut  und  sehniger  Kopfdecke  gebildete  Haut  ge- 
schlossen war,  wobei  nichts  desto  weniger,  nach  auf- 
hörender Eiterung,  das  Leben  bei  ziemlichem  Unge- 
störtsein aller  Funktionen  noch  14  Jahre  bestanden 
hatte.  Nicht  minder  interessant  für  Nachweisung  der 
unter  gewissen  Bedingungen  grossen  Unempfindlich- 
keit  des  Hirns  gegen  äussere  Schädlichkeiten  war  ein 
zweiter  Fall :  —  Ein  Mann  war  durch  den  Stoss  eines 
dreischneidigen  Stilets  am  Schädel  verwundet  worden ; 
die  Wunde  heilte  jedoch  nach  einiger  Zeit,  und  er 
lebte  10  Jahre  ohne  irgend  über  besondere  Zufälle  zu 
klagen.  Als  er  späterhin  an  einer  fieberhaften  Krank- 
heit verstarb,  wurde  eine  Sektion  vorgenommen,  und 
zwar  ohne  weitere  Rücksicht  auf  jene  frühere  Ver- 
letzung. Als  der  Chirurg  jedoch  die  Kopfhöhle  öffnete, 
wurde  man  auf  eine  vorstehende  scharfe  Spitze  an  der 
innern  Schädelhöhle  aufmerksam,  und  erkannte  darin 
alsbald  die  abgebrochene  4  Zoll  vorragende  Stilet- 
spitze,  wekhe  durch  das  linke  Os  bregmatis  hindurch 
gedrungen,  und  noch  im  Knochen  festsitzend,  sonach 
tief  in  die  Hemisphäre  des  grossen  Hirns  hereingeragt 
hatte,  ohne  dessungeachtet  besondere  Lebensstörun- 
gen zu  erzeugen. —  Merkwürdig  war  mir,  an  dem  mit 
dem  Knochenstück  aufbewahrten  Eisen  keine  Spur 
von  Zerstörung  durch  Rost  zu  finden.  —  Derselbe 
Betti  hatte  noch  den  Fall  eines  Hirnbruchs  in  Be- 
handlung, welcher  bei  einem  geistig  vollkommen  ent- 
wickelten, aber  an  Epilepsie  leidenden  Kinde  Statt 
fand,  und  beobachtete  dabei  die  merkwürdige  Erschei- 
nung, dass  jedesmal  dem  Eintreten  der  Anfälle  ein 
Hervortreten  des  Hirnbruchs  vorausging,  und  dass  er 
nach  dem  Anfalle  ganz  zurückging.    Eine  Erscheinung, 


59 

die ,  wenn  sie  mehreremale  Statt  finden  sollte ,  zu  man- 
chen Folgerungen  über  das  Wesen  der  Epilepsie  ver- 
anlassen müsste.  —  Zu  derselben  Zeit  wurde  eine  merk- 
würdige Sektion  einer  in  der  Anstalt  verstorbenen 
Frau  gemacht,  deren  Uterus  durch  steatomatöse  Ver- 
grösserung  die  Grösse  *  eines  8monatlich  schwangern 
Uterus  erreicht  hatte,  wobei  mir  auffiel,  dass  die  birn- 
förmige  Gestalt  dieses  Organs,  trotz  der  enormen 
Vergrösserung,  ziemlich  dieselbe  wie  im  Normalzu- 
stände geblieben  war.  Endlich  gedenke  ich  des  merk- 
würdigen Skelets  eines  neugebornen  Kindes,  mit  all- 
gemeiner Verdickung  der  langen  Knochen,  wodurch 
die  Gliedmassen  ein  fast  Elephantenfuss-ähnliches  An- 
sehen erhielten,  so  wie  einer  fractura  femoris  spon- 
tanea,  in  Folge  eiteriger  Zerstörung  des  Knochens, 
letzterer  besonders  wegen  der  trefflichen  Nachbildung 
dieses  Präparates  in  Wachs,  indem  ich  überhaupt 
meine  Ueberzeugung  ausspreche,  dass  es  zu  wünschen 
sei,  die  Kunst  anatomische  Präparate  in  Wachs  dar- 
zustellen, welche  in  Italien  so  vollkommen  geübt  wird, 
sei  am  besten  zum  Zweck  der  Nachbildung  pathologi- 
scher Präparate  zu  verwenden,  da  die  Anatomie  des 
Gesunden  doch,  um  wissenschaftlich  betrieben  zu  wer- 
den ,  die  Natur  selbst  fordert.  Jeder  pathologische  Fall 
hingegen  ist  an  sich  eigenthümlich ,  kann  aber  auf 
solche  Weise  zur  Belehrung  nicht  nur  vervielfältigt, 
sondern  auch  seinem  eigenthümlichen  Ansehn ,  seiner 
Färbung  und  Oberfläche  nach,  erhalten  werden,  wel- 
ches beim  Aufbewahren  von  vielen  Verbildungen  ganz 
verschwindet. 

Was  die  Hörsäle  zu  Santa  Maria  nuova  betrifft, 
so  sind  sie  hinlänglich  geräumig,  einfach  und  passend 
mit  der  Büste  des  sorgfältigen  Beschützers  aller  die- 
ser Anstalten,  des  Grossherzog  Leopold  II.,  verziert, 
auch  gegen  die  Hitze  durch  hoch   oder   in  der  Decke 


60 

angebrachte  Fenster ,  steinerne  oft  besprengte  Fussbö- 
den  und  Abhaltung  des  Sonnenlichts  geschützt.  Nur 
der  Hörsal  für  Chemie ,  obwohl  'gerade  der  besuch- 
teste, ist  weniger  zu  loben.  Beim  Beginn  der  Vorle- 
sungen findet  jedesmal  ein  Verlesen  der  Zuhörer  Statt, 
welches,  durch  einen  alten  Custode  verrichtet,  zu 
manchen  Neckereyen  Anlass  giebt.  Ueberhaupt  herrscht 
nicht  immer  gerade  grosse  Ordnung  unter  den  Zuhö- 
rern ,  und  es  kommt  einem  Deutschen  etwas  sonderbar 
vor,  die  Studenten,  selbst  zuhörende  Geistliche  (wie 
bei  Gazzeri)  mit  grossen  Fächern  in  den  Vorlesun- 
gen sitzen  und  wedeln  zu  sehen,  ein  Instrument,  wel- 
ches meistens  auch  der  Professor  neben  sich  liegen 
hat.  Selbst  die  langen,  grauen,  oft  ziemlich  unrein- 
lichen Oberröcke,  welche  das  Dienstkleid  der  als  As- 
sistenten angestellten  Hospital- Chirurgen  sind,  bei 
überhaupt  sehr  nachlässiger  Kleidung,  missfallen  den 
an  grössere  Ordnung  gewöhnten  Deutschen.  Der  Vor- 
trag geschieht  meistens  frei;  nachgeschrieben  wird  we- 
nig, dahingegen  Repetitionen  nicht  vernachlässigt  sind, 
und  ich  selbst  verschiedene  aufgerufene,  junge  Leute, 
besonders  im  anatomischen  und  chirurgischen  Fache, 
sehr  gute  und  von  Kenntniss  zeugende  Antworten  ge- 
ben hörte,  wie  denn  überhaupt  nicht  zu  läugnen  war, 
dass  die  mehr  expressiven ,  geistreichern  Gesichter  und 
schärfer  blickenden  Augen  der  Zuhörer  mir  wieder 
andeuteten,  es  sei  in  diesem  Volke  allerdings  noch 
jene  geistige  Energie  vorhanden,  welche  im  Mittelal- 
ter in  Italien  eine  neue  Fackel  für  Europa  aufsteckte, 
und  welche  jetzt  nur  freieren  Raum  zur  Entfaltung 
und  grössere  Pflege  forderte,  um  immerfort  die  schön- 
sten Blüthen  und  Früchte  zu  tragen. 

Ich  wende  mich  nun  zum  Ospizio  S.  Bonifazio; 
eine  Anstalt,  welche  in  mehrern  zusammenhängenden 
Gebäuden  die  Irrenanstalt,  die  Verpflegungsanstalt  für 


61 

alte  gebrechliche  Leute  und  Unheilbare  (Invalid!  e 
Incurabili),  ferner  die  Heilanstalt  für  Ausschlagskrank- 
heiten, namentlich  Scabiosi,  und  zum  Theil  auch  für 
kranke  Soldaten  umfasst.  Sie  steht  unter  Direction 
des  Dr.  Bruni,  eines  sehr  thätigen,  kräftigen  Man- 
nes, dem  auch  die  deutsche  Literatur  nicht  fremd  ist, 
durch  welchen  namentlich  für  die  bessere  Einrichtung 
der  Irrenanstalt  bereits  manches  geschehen  ist,  und 
von  welchem,  unter  einem  für  alles  Gute  gern  wirk- 
samen Regenten,  noch  grössere  Verbesserungen  zu 
hoffen  stehen.  Das  Local,  welches  der  Irrenanstalt 
bestimmt  wurde,  ist  ein  ehemaliger  Pallast,  in  wel- 
chem der  grossartige  Eintritt  mit  schönen  Treppen, 
die  vielfältigen ,  reinlich  gehaltenen  Gänge ,  die  unter- 
mischten Freiplätze  und  ein  anstossender  Garten  einen 
guten  Eindruck  machen.  —  Was  dagegen  eine  weit 
bessere  Einrichtung  erhalten  sollte,  sind  die  Zellen 
für  einzelne  Kranke,  zumal  da  diese  als  die  einzige 
hiesige  Irrenanstalt,  auch  Kranke  aus  höhern  Ständen 
aufnimmt,  welche  an  grössere  Bequemlichkeit  gewöhnt 
sind.  Man  denke  sich  einen  massig  grossen,  vier- 
eckigen Raum  mit  vier  kahlen  geweissten  Wänden, 
durch  eine  schwere,  eisenbeschlagene  Thüre  und  ein 
mit  einem  ähnlichen  Laden  versehenes  Gitterfenster 
mit  dem  Corridor  in  Verbindung  gesetzt,  und  ein 
zweites,  mit  gleichem  Laden  versehenes,  hoch  ange- 
brachtes Gitterfenster  (jedoch  wie  das  vorige  ohne 
alle  Scheibenflügel,  eigentlich  eine  blosse  Maueröff- 
nung) gegen  Hof  oder  Garten,  darin  einen  vorragen- 
den Mauerstein  als  Tisch,  und  in  der  Wand  eine  Art 
offen  stehender  Gussstein ,  welcher  als  Abtritt  dient, 
so  wie  ein  Bett  mit  Strohmatratze  und  wollener  Decke, 
und  man  hat  gewiss  weit  mehr  ein  Gefängniss  als  ein 
Krankenzimmer  vor  sich.  Ich  werde  nicht  vergessen, 
wie  in  einer  solchen,  durch  SchHessen  des  obern  La- 


62 

dens  verfinsterten  Zelle  eine  alte  hässliche  halb- 
nackte Frau,  die  weissen  Haare  gleich  einer  Furie  um 
den  Kopf  hängend,  aus  dem  Dunkel  an  das  Gitter  zum 
Corridor  hervorsprang,  mit  wüthender  Gebehrde  die 
Eisenstangen  fasste  ,  schreiend  „  io  son  un  serpente, 
io  son  un  serpente ! "  —  Kurz  die  Kranken  sind  wirk- 
lich in  diesen  Zellen  mehr  gleich  wilden  Thieren  oder 
Verbrechern,  als  gleich  Personen,  die  unsers  Mitleids 
im  höchsten  Grade  bedürfen,  eingesperrt.  Uebrigens 
bringen  sie  bei  ruhigem  Zuständen  allerdings  meistens 
ihre  Tageszeit  auf  den  Gängen  und  den  Freiplätzen 
zu,  und  essen  auch  grossentheils  in  bestimmten  Ab- 
theilungen  zusammen  ;  immer  aber  fehlt  es  auch  hier 
an  Mitteln,  sie  auf  eine  angemessene  Weise  zu  be- 
schäftigen. Noch  ist  zu  bemerken,  dass  die  Ge- 
schlechter vollkommen  gesondert  sind,  dass  es  an 
Krankenwärtern  nicht  zu  fehlen  scheint,  und  Ketten 
und  körperliche  Züchtigungen  gänzlich  verbannt  sind. 
Die  angewendeten  Zwangsmittel  bestehen  in  umgeleg- 
ten Zwangsriemen  und  Gürteln ,  im  Einbinden  der  Wü- 
thenden  im  Bette,  Einschliessen  derselben  in  ein  ganz 
finsteres  ,  überall  ausgepolstertes  Zimmer,  und  einer 
Drehmaschine,  welche  namentlich  für  solche,  welche 
hartnäckig  sich  weigern  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen, 
bestimmt  ist  und,  wie  mir  Bruni  versicherte,  selten 
ihren  Zweck  verfehlt. —  Ich  sah  die  Listen,  welche 
über  die  Anstalt  geführt  werden,  und  fand,  dass  im 
Jahre  1827  im  Ganzen  428  Geisteskranke  verpflegt 
worden  waren.  Entlassen  hatte  man  48  Männer,  52 
Frauen,  gestorben  waren  40 Männer,  33  Frauen.  Wel- 
che ungemein  grosse  Sterblichkeit  für  ein  Irrenhaus! 
—  Lob  verdienen  die  zweckmässig  eingerichteten  Ba- 
deanstalten, dagegen  wurden  Vorrichtungen  zum  Ab- 
halten der  Winterkälte,  welche  bei  dem  Mangel  an 
Glasfenstern  und  bei  dem  steinernen  Fussboden  selbst 


63 

in  dem  geringeren  Grade,  in  welchem  sie  hier  vor- 
kommt, empfindlich  genug  seyn  muss,  fast  gänzlich 
vermisst. 

Was  die  übrigen  Anstalten  bei  S.  Bonifazio, 
z.B.  für  Alte,  Gebrechliche  und  Unheilbare,*)  betrifft, 
so  tragen  sie  mehr  die  gewöhnliche  Physiognomie  der 
italiänischen  Spitäler,  und  die  Kranken  scheinen  durch- 
aus einer  gesunden  Luft ,  reinlicher  Umgebung  und 
guter  Pflege  und  Nahrung  sich  zu  erfreuen. 

Eine  andere  wichtige  Anstalt  ist  die  Maternita 
und  das  damit  verbundene  Ospizio  degli  innocenti, 
beide  unter  Bigeschi's  Leitung  gestellt.  Die  Ent- 
bindungsanstalt der  Maternitä  ist  sehr  einfach  und 
klein;  6  bis  8  Niederkünften  kommen  etwa  monatlich 
vor ,  und  6  Betten  bestehen  zur  Aufnahme  der  Schwan- 
gern und  Wöchnerinnen.  Das  von  Bigeschi  con- 
struirte  und  benutzte  Geburtsbett  hat  die  grösste  Aehn- 
lichkeit  von  dem  von  Faust  bekannt  gemachten  Ge- 
burtslager, und  theilt  dessen  Vorzüge  und  Nachtheile. 
12  lernende  Hebammen  aus  der  Provinz  geniessen 
hier  Nahrung  und  Wohnung,  und  zwar  auf  Kosten 
ihrer  respectiven  Ortsbehörden;  ihr  Lehrcursus  dauert 
gegen  5  Monat ,  jedoch  hat  eine  Jede  diesen  Cursüs 
dreimal  durchzumachen.  Ueberhaupt  finden  sich  ei- 
gentliche Hebammenschulen  in  Toscana  fünf,  nämlich 
in  Arezzo,  Pistoja,  Pisa,  Portoferraio  und  Firenze; 
nur  in  letzterer  ist  jedoch  eine  Entbindungsanstalt  da- 


*)  Unter  diesen  befand  sich  damals  ein  merkwürdiges  leben- 
des, pathologisches  Präparat,  eine  gegen  60  Jahre  alte,  kleine, 
skeletartig  abgemagerte  Frauensperson ,  welche  durch  jahrelange 
Krämpfe  dergestalt  zusammengezogen  und  in  allen  Gelenken  ver- 
dreht war,  dass  ich  mich,  etwas  Aehnliches  gesehen  zu  haben, 
nicht  erinnere.  Merkwürdigerweise  bestand  bei  völlig  physischer 
Unbehülflichkeit  eine  grosse  Integrität  der  geistigen  Verrich- 
tungen. 


64 

mit  verbunden.  Die  Stadthebammen  von  Florenz  wer- 
den übrigens  durch  Bigeschi  besonders,  und  zwar 
im  Local  von  Santa  Maria  nuova  unterrichtet.  —  Ich 
habe  einem  seiner  Vorträge  in  der  Maternitä  beige- 
wohnt und  von  einigen  Schülerinnen  des  2.  oder  3. 
Cursus  sehr  gute  Antworten  geben  hören.  Bemerkens- 
werth  ist  übrigens,  dass  den  Hebammen  in  der  Provinz 
Wendung  und  Nachgeburtsoperationen  gelehrt  werden, 
so  wie  ihnen  der  Gebrauch  von  mehrern  Arzneimitteln, 
auch  der  leichten  Abführungen  und  des  Seeale  cornu- 
tum  (ein  von  B.  sehr  gerühmtes  Mittel)  gestattet  ist. 
Den  Stadthebammen  werden  jene  Operationen  nicht 
gelehrt.  Ich  hörte  ihn  die  Behandlung  der  Wöchne- 
rinnen vortragen,  und  fand  auch  hier,  wie  überhaupt 
in  Italien,  die  stärkende  Diät  der  Wöchnerinnen  eben 
so  allgemein  empfohlen,  als  bei  uns  die  magere  Kost 
gerühmt  zu  werden  pflegt.  —  Als  Hülfsmittel  für  den 
Unterricht  werden  mehrere  schöne  Wachspräparate,  *) 
Pelviarien  und  Fantome,  nebst  einer  nicht  eben  sehr 
besonderen  Präparatensammlung,  benutzt.  Nützlich 
für  Versinnlichung  mancher  normalen  und  abnormen 
Verhältnisse  des  Uterus  erschien  mir  ein  kleines  von 
B.  gebrauchtes  Fantom,  bestehend  in  einem  weibli- 
chen Becken,  in  welchem  ein  lederner  Uterus  mit  sei- 
nen Ligamenten  und  der  aufgeschnittenen  .Vagina  be- 
weglich hereingehangen  war,    an  welchem  sich  sofort 


*)  Was  den  Preis  dieser  Arbeiten  betrifft,  so  will  ich  be- 
merken ,  dass  ein  junger ,  sehr  geschickter  Mann ,  Namens  R  i  c- 
ci,  welcher  für  S.  Maria  nuova  arbeitet,  am  billigsten  ist.  Man 
erhält  von  ihm  z.  B.  ein  Präparat  über  die  Bauchhöhle  mit 
schwangerm  Uterus ,  alles  zum  Auseinandernehmen ,  für  38  Duca- 
ten;  ein  Präparat  des  Beckens  mit  seinen  Weichgebilden  und 
schwangerem  Uterus  für  26  Ducaten;  Brusthöhle  und  ihre  Ein- 
geweide für  26  Ducaten  u.  s.  w. 


65 

namentlich  die  mancherlei  Lagenänderungen  des  nicht 
schwangern  Uterus  sogleich  sehr  deutlich  darstellen 
liessen. 

Mit  der  Maternitä  in  Verbindung  steht  das  Ospi- 
zio  degli  Innocenti,  eigentlich  ein  Findelhaus,  wo  in 
der  Vorhalle,  neben  dem  Eingange  zu  der  damit  ver- 
bundenen Kirche,  sich  ein  Gitterfenster  befindet,  in 
welchem  eine  Quadratöffnung  der  Eisenstangen  den 
Dimensionen  des  Kopfes  eines  starken,  neugebornen 
Kindes  entspricht.  Hier,  durch  die  von  vielem  Ge- 
brauch ganz  abgerundeten  und  polirten  Eisen,,  wer- 
den zur  Nachtzeit  Kinder  eingeschoben  und  man  sagte 
mir,  dass  nicht  leicht  eine  Nacht  verginge,  wo  nicht 
3  bis  6  Kinder  gebracht  würden.  Legitime  Kinder 
können  auch  am  Tage  dorthin  gebracht  werden  und 
alle  werden  ohne  Widerrede  angenommen,  und  der 
Staat  übernimmt  nun  die  Pflicht,  für  ihre  Ernährung 
zu  sorgen.  Es  geschieht  diess  ,  indem  die  Kinder  so- 
gleich auf  das  Land  vertheilt  werden,  so  dass  die  An- 
stalt gewöhnlich  gegen  oder  über  2000  dergleichen 
Kostgänger  bei  Landleuten  ernährt.  —  Zur  Zeit  drin- 
gender Feldarbeit  unterbleibt  oft  das  Abholen  der  Kin- 
der, und  dann  müssen  80  bis  100  Kinder  in  der  An- 
stalt selbst  verpflegt  werden,  welches  durch  gemie- 
thete  Ammen  geschieht.  —  Auch  eine  Abtheilung  für 
kranke  Kinder  ist  vorhanden,  in  welche  die  auf  dem 
Lande  erkrankten  Kinder  wieder  zurückgebracht  und 
weiter  verpflegt  werden.  Skropheln  und  Rhachitis 
machten  auch  hier  die  gangbarsten  Leiden  aus.  Au- 
genentzündungen  sind  nicht  häufig.  Die  Zahl  der  To- 
desfälle ist,  nach  Bigeschi's  Angabe,  in  der  Anstalt 
5,  ausser  der  Anstalt  30  vom  100.  Die  aufwachsen- 
den Kinder  werden,  ohne  viel  besondere  Aufmerk- 
samkeit auf  ihren  Unterricht  zu  Avenden,  zu  Hand- 
und  Feldarbeiten   oder   zum   Gesindedienst   gebraucht. 

5 


66 

—  Ich  musste  übrigens  von  Bigeschi  vielfältige,  wie 
es  schien,  nicht  ungegründete  Klagen  über  den  ihm 
vorgesetzten  geistlichen  Comniissarius  hören,  und  es 
ist  wahr,  dass  manche  Seiten  dieser,  einmal  dem  Staate 
so  bedeutenden  Aufwand  verursachenden  Anstalt,  wohl 
auf  eine  würdigere  Weise  sich  darstellen  sollten. 

Indem  ich  nun  einige  kleinere  Krankenanstalten, 
so  wie  die  nicht  eben  zu  lobenden  Krankensäle  des 
grossen  Arbeitshauses  für  Arme,  eine  Anstalt,  in  wel- 
cher zwischen  6  und  700  Personen  beschäftigt  werden, 
übergehe,  erlaube  ich  mir  zuvörderst  noch  über  das  Apo- 
thekerwesen in  Florenz  einige  Bemerkungen  und  wen- 
de mich  dann  zu  den  naturwissenschaftlichen  Institu- 
ten. —  Die  Apotheken  betreffend  so  befinden  sich  hier 
auf  eine  Zahl  von  circa  80,000  Einwohnern  nicht  we- 
niger als  53  Apotheken,  abgerechnet  noch  die  Fon- 
derie  mehrerer  Klöster,  in  welchen,  wie  zu  S.  Marco 
und  S.  Maria  novella  eine  Menge  Arzneimittel,  Li- 
queure,  Parfüms,  Schönheitsmittel  u.  dergl.  öffentlich 
von  den  Mönchen  verkauft  werden.  —  \A  ie  wenig  nun, 
bei  dieser  Menge ,  die  einzelnen  Apotheken  vorzüglich 
sein  können,  lässt  sich  wohl  erachten,  und  in  Wahr- 
heit haben  auch  die  meisten  bei  weitem  mehr  das  An- 
sehen kleiner  Droguerei-Gewölbe  oder  schlechter  Cafe's, 
als  wohleingerichteter  Officinen.  —  Die  beste  Anstalt 
dieser  Art  scheint  die  Hofapotheke  zu  seyn ,  welche 
in  der  Nähe  des  Palazzo  Pitti  sich  befindet  und  ein 
schönes  geräumiges  Lokal  hat;  auch  hat  der  Sohn  des 
Besitzers  einige  Zeit  in  Wien  conditionirt,  um  sich 
mit  der  Einrichtung  deutscher  Officinen  bekannt  zu 
machen.  Nichts  desto  weniger  war  auch  hier  nicht  zu 
erlangen  eine  selbst  auf  dem  Recepte  bemerkte  Signa- 
tur dem  Medicamente  beizufügen,  und  bei  wenigen 
Verordnungen,  die  ich  dorthin  gegeben,  fiel  die  Ver- 
mengung von  Dingen  vor,    die  gesondert  verschrieben 


67 

worden  waren,  auch  wurden  die  Medicamente  nie  ge- 
hörig verwahrt  oder  versiegelt  verahfolgt,  so  dass  ich 
z.B.  nicht  vergessen  werde,  wie  verschriebene  Pillen 
mit  einer  Menge  Magnesie,  in  welche  sie  geworfen 
waren  (anstatt  sie  mit  dem  verordneten,  aber  in  die- 
sen Apotheken  fast  nie  zu  findenden  Semen  lycopodii 
zu  bestreuen)  in  einer  schlecht  schliessenden,  unor- 
dentlich mit  buntem  Papiere  beklebten  Pappschachtel 
aus  dieser  Hofapotheke  mir  zugeschickt  wurden.  — 
Interessant  war  es  mir  übrigens  die  dem  Besitzer  der 
Hofapotheke  gehörigen  Pflanzungen  von  Iris  florentina 
zu  besuchen.  Gegen  die  gewöhnliche  Annahme,  der 
zu  Folge  diese  Iris  weiss  blüht,  fand  ich  sie  alle  (in 
der  zweiten  Hälfte  des  April)  blau  blühend  und  ihrer 
ganzen  Physiognomie  nach  von  der  Iris  germanica  nicht 
unterscheidbar.  Ich  lernte  dass  die  Wurzelknollen, 
wenn  sie  stark  genug  geworden  sind,  allezeit  erst  im 
Herbst  ausgegraben  werden ,  dass  sie  frisch  noch  ganz 
geruchlos  sind  (eine  frisch  ausgestochene  Wurzel  über- 
zeugte mich  davon),  und  dass  der  liebliche  Veilchen- 
geruch erst  nach  und  nach  beim  Trocknen  sich  ein- 
stellt. *) 

Wie  ganz  Italien  (eben  seines  vulkanischen  Bo- 
dens wegen)  so  ist  auch  Toscana  reich  an  Mineral- 
quellen, von  welchen  die  meisten  von  P.  Paganini 
(Notizia  compendiata  di  tutte  le  acque  minerali  e  bagni 


*)  Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  noch  einer  Pflanze  erwäh- 
nen, welche  um  Florenz  viel  gebaut  eine  sehr  veränderte  Phy- 
siognomie zeigt,  ohne  docli  in  Wahrheit  von  der  unsern  Gegen- 
den angehörigen  sich  zu  unterscheiden:  diess  ist  die  Gerste 
( Horduni  vulgare ) ,  Avelche  zur  Fabrikation  der  feinen  Stroh- 
hüte auf  den  schlechtesten  Boden  gesät,  die  Aehren  fast  ganz  ver- 
liert, am  meisten  als  Sommersaat  (Grano  marzuolo)  im  März 
gesät  wird,  um  im  Anfang  Juni  grün  ausgerauft,  gebleicht  und 
verarbeitet  zu  werden. 

5* 


68 

d'Italia  con  ricerehe  analitiche  sulla  loro  natura  e  sulla 
medicinale  loro  applicazione.  Milano  1827.)  aufgezählt 
worden  sind;  ich  will  hier  nur  noch  bemerken,  dass 
neuerlich  mehreres  von  der  Regierung  geschehen  ist, 
um  die  auch  von  den  Römern  schon  gebrauchten  Bä- 
der von  Rosselle  wieder  in  Aufnahme  zu  bringen.  Man 
sehe  hierüber  die  kleine  Schrift  von  D.  Gualberto 
Uccelli:  Saggio  sulle  terme  Rosselaiie.  Firenze  1826. 
Nach  dieser  ist  die  Temperatur  29  °  R.  Das  AVasser 
ist  klar,  schwach  salzig  und  enthält  wenig  kohlensau- 
res Gas.  Die  Bestandtheile  in  10  Pfund  AVasser: 
schwefelsaurer  Kalk  21\  gr. ,  kohlensaurer  Kalk  814- 
gr. ,  salzsaure  Soda  33|  gr. ,  kohlensaure  Magnesia 
13ygr. ,  schwefelsaure  Magnesie  11^  gr. ,  schwefelsaure 
Soda  4|  gr. ,  salzsaurer  Kalk  2  gr. ,  salzsaure  Magne- 
sia 1^  gr.  —  Gelegenheitlich  führe  ich  auch  an ,  dass 
J.  Laur.  Cantu  (essai  de  l'existence  du  Jode  dans 
les  eaux  mineraux  sulphureuses ,  particulierement  dans 
Celles  de  Cas'anovo  d'Asti  (Memorie  della  Accad.  d. 
Turino.  Vol.  29.  pag.  221)  die  Jode  als  wesentlichen 
Bestandtheil  aller  schwefeligen  Mineralwasser  auf- 
stellt. 

Ich  komme  nun  zu  dem  grossen  Museum  für  Phy- 
sik, Astronomie  und  Naturwissenschaften  überhaupt, 
(Museo  di  fisica  e  d'istoria  naturale),  welches  von  der 
damit  verbundenen  Sternwarte  gewöhnlich  la  Specola 
genannt  zu  werden  pflegt,  und  unter  der  Direction 
des  Conte  Bardi  steht,  eines  kenntnissvollen  Man- 
nes, welcher  mit  grösster  Bereitwilligkeit  und  Unei- 
gennützigkeit  mich  in  meinen  ZAvecken  unterstützt  hat, 
und  welchem  ich  mich  für  viele  Gefälligkeiten  sehr 
verbunden  fühle.  —  Diese  Anstalt  begann  unter  dem 
französischen  Gouvernement  als  Unterrichtsmittel  für 
akademische  Vorträge  benutzt  zu  werden ;  eigene  Pro- 
fessoren der  Physik,    Astronomie,   Zoologie,    verglei- 


69 

chenden  Anatomie  wurden  ernannt  und  die  schönen, 
vorhandenen  Sammlungen  erhielten  dadurch  eine  ge- 
wisse lebenvolle  Bedeutung.  Mit  Herstellung  der 
frühern  Regierung  fand  man  indess  gut,  diese  Einrich- 
tungen wieder  erlöschen  zu  lassen,  und  so  dienen  jetzt 
diese  reichen  Vorträge  nur  dazu,  die  oft  ziemlich  un- 
nütze Neugier  der  Fremden  und  Einheimischen  zu  stil- 
len ,  indem  an  gewissen  Tagen  die  Säle  dem  Publi- 
kum geöffnet  werden.  —  Die  Umsicht  und  der  Sinn 
für  Förderung  der  Wissenschaft,  welche  den  gegen- 
wärtigen Regenten  Toscana's  beseelen,  lassen  indess 
hoffen,  dass  auch  hierin  bald  eine  Aenderung  eintre- 
ten und  man  diesen  Sammlungen  wieder  einmehr-wis- 
senschaftliches  Leben  verschaffen  werde.  Was  das 
in  mittelbarer  Verbindung  mit  dem  Pallast  Pitti  ste- 
hende Local  desselben  betrifft,  so  wäre  auch  dieses 
mancher  Verbesserungen  fähig,  da  die  meisten  Zim- 
mer klein  und  ziemlich  heiss  sind ,  so  dass  namentlich 
die  hier  aufgestellten  trefflichen  Wachspräparate  all- 
mählig  leiden  müssen.  Schon  während  meiner  Anwe- 
senheit geschah  indess  auch  hierfür  manches ,  wie  denn 
z.  B.  im  Erdgeschoss  eine  schöne  Zimmerreihe  herge- 
stellt wurde,  um  ein  Kabinet  fossiler  Ergebnisse  des 
Bodens  von  Toscana  aufzunehmen.  —  Die  beträchtliche 
Ausdehnung  der  Anstalt,  mit  welcher  auch  ein  eige- 
ner botanischer  Garten  verbunden  ist,  ergiebt  sich 
übrigens  schon  einigermaassen  aus  dem  dabei  besol- 
deten Personal,  indem  ausser  dem  Director  ein  Pre- 
fetto,  der  als  Zoolog  und  Mineralog  geschätzte  Dr.  Fi- 
lippo  Nesti,  ein  Conservatore,  Dr.  C.  Passerini, 
ein  Astronom,  der  als  Kometenentdecker  bekannte 
Professor  Giov.  Luigi  Pons,  ein  Mechanikus,  Fe- 
iice Gori,  ein  Arbeiter  in  Wachs,  Francesco 
Calenzoli,  ein  botanischer  Gärtner,  Guis.  Pic- 
cioli,     nebst  Rechnungsführer,     Copisten,     Gehülfen 


70 

Hnd  mehrern  Aufwärtern  angestellt  sind.  —  Was  die 
Sammlungen  selbst  betrifft,  so  zerfallen  sie  in  mehrere 
Abtheilungen;  es  sind:  —  1)  das  Cabinet  physikali- 
scher Instrumente  mit  einer  der  grössten  elektrischen 
und  einer  dergl.  galvanischen  Batterie,  vielfältigen, 
hydraulischen  und  pneumatischen  Apparaten,  Mikro- 
skopen, Teleskopen  (hierauch  ein  altes  Fernrohr  aus 
dem  Nachlasse  des  Galilei  als  merkwerthe  Antiqui- 
tät) u.  s.  W;  2)  Eine  allerdings  nicht  gerade  ausge- 
zeichnet eingerichtete,  jedoch  mit  mehrern  schönen 
Instrumenten  versehene  Sternwarte.  3)  Eine  zoologi- 
sche Sammlung,  Avelche  namentlich  eine  interessante, 
grösstentheils  ^urch  Risso  erlangte  und  bestimmte 
Suite  von  Fischen,  nebst  mancherlei  Merkwürdigem 
aus  den  übrigen  Klassen,  obwohl  meistens  nach  alten 
Bestimmungen  enthält.  *)  4)  Eine  nicht  unwichtige 
Skeletsammlung  (z.  B.  das  Skelet  eines  jungen  Ele- 
phanten  enthaltend ) ,  nebst  einem  Anfange  zu  einer 
Nachbildung  frischer  Präparate  zur  vergleichenden 
Anatomie  in  Wachs ,  unter  welchen  sich  die  Anatomie 
des  Seidenwurms  und  seine  Entwickelungsgeschichte, 
die  Anatomie  der  Sepie,  des  Huhns  und  der  Sinnes- 
organe höherer  Thiere  vortheilhaft  auszeichnen.  5) 
Die  weitberühmte,  ausserordentlich  grosse,  eine  lange 
Reihe  von  Zimmern  füllende  Sammlung  anatomischer 
Wachspräparate,  zur  Erläuterung  des  innern  mensch- 
lichen Baues.  Sie  ist  grösstentheils  unter  Fontana 
von    demente    Susini   während    einer  Reihe   von 


*)  Dabei  kann  ich  nicht  unterlassen,  zu  bemerken,  dass  da- 
mals eine  interessante  Sammlung  lebender  Säugethiere  und  Vö- 
gel auf  der  Villa  Dimidoff  bei  Florenz  unterhalten  wurde ,  wel* 
ehe  jedoch  nach  dem  Tode  ihres  Besitzers  zerstreut  seyn  mag. 
Ich  fand  daselbst  besonders  einige  schöne  Antilopen  (Antilope 
oryx,  A.  gibbosa,  Dorcas  gazella;. 


71 

30  Jahren  gearbeitet,  enthält  jedoch  auch  noch  die 
für  die  Geschichte  dieser  Kunst  Avichtigen  Arbeiten 
des  Sicilianers  Zummo,  welche  das  Fortschreiten  der 
Fäulniss  darstellen  und  noch  unter  den  Medicäern  ge- 
macht wurden.  —  Alle  Systeme  des  Körpers  sind  hier 
durchgegangen,  die  Organe,  wo  es  nöthig,  in  ver- 
größertem Maasstabe  dargestellt,  und  auf  eine  oft 
Erstaunen  erregende  Weise  die  verschlungensten  Netze 
feiner  Gefässe  und  Nerven  nachgearbeitet.  Darüber 
aufgehangene  Zeichnungen  mit  Beschreibung  vermeh- 
ren noch  die  Gelegenheit  zur  Belehrung,  und  wenn 
auch  diese  Präparate  sonach,  wie  schon  oben  bemerkt, 
keineswegs  zum  gründlichen  Studium  der  Anatomie 
allein  ausreichen  können,  so  gewähren  sie  doch  zur 
Repetition,  wie  zur  allgemeinen  Uebersicht  unbestreit- 
bar eine  vortreffliche  Gelegenheit.  Am  mangelhafte- 
sten dürfte  die  Darstellung  der  ersten  Entwickelung 
des  Fetus  seyn,  so  wie  zu  tadeln  ist,  dass  häufig  bei 
diesen  schönen  Arbeiten  mehr  Abbildungen,  als  die 
Natur  selbst,    zu  Vorbildern  genommen  worden  sind. 

6)  Eine  bedeutende  Mineraliensammlung  nach  Hauy 
geordnet,  an  welche  sich  eine  schöne  Suite  fossiler 
Knochen,  namentlich  aus  dem  Val  d'Arno  anschliesst. 

7)  Eine  Sammlung  in  Wachs  nachgebildeter  fettblät- 
teriger nicht  wohl  einzulegender  Pflanzen  und  Pilze. 

8)  Der  Anfang  einer  ethnographischen  Sammlung. 
Fehlt  es  nun  sonach  in  Florenz  keinesweges  an  Samm- 
lungen, welche  als  Material  für  die  Thätigkeit  einer 
grösseren  Universität  dienen  könnten,  und  denen  eben- 
desshalb  eine  lebendigere  Benutzung  zu  wünschen  wäre, 
so  sind  auch  literarische  Hülfsmittel  in  reichem  Maasse 
vorhanden,  da  ausser  den  drei  öffentlichen  Bibliothe- 
ken, der  Lorenzischen,  Maruccellischen  und  Magliabec- 
chianischen  (zum  Theil  durch  ihre  merkwürdigen  Codi- 
ces berühmt)  eine  Privat-Bibliothek  Sr.  Kais  Höh.  des 


72 

Grossherzogs  sich  im  Pallast  Pitti  befindet ,  welche 
gegen  300,000  Bände  geschätzt  werden  mag  und  be- 
sonders durch  ihren  Reichthum  an  neu  er  n  Prachtwer- 
ken ,  die  Menge  naturhistorischer,  geographischer  und 
Gesellschaftsschriften ,  dem  Gelehrten  eine  Fundgrube 
darbietet,  welche  um  so  mehr  zu  ehren  ist,  davon  der 
Liberalität  des  erhabenen  Besitzers  die  Erlaubniss  zur 
Benutzung  derselben  so  leicht  zu  erhalten  ist. 

Ich  kann  die  Aufzeichnungen  von  Florenz  nicht 
beschliessen,  ohne  einen  Blick  auf  dessen  gelehrte 
Gesellschaften  zu  werfen,  welche  hier,  wie  in  Italien 
überhaupt,  viel  zum  Aufblühen  der  Wissenschaften 
beigetragen  haben.  (M.  s.  Tiraboschi  Storia  della 
letteratura  italiana,  welche  circa  170  dergl.  Gesell- 
schaften aufzählt.)  Noch  jetzt  besteht  aber  in  Florenz 
eine  der  ältesten  und  berühmtesten  dieser  Gesellschaf- 
ten, die  Academia  della  crusca,  welche  1572  durch 
Bern.  Canigiani,  Giambatista  Deti,  Anto- 
francesco  Grazini,  Bern.  Zanchini  und  Bapt. 
dei  Rossi  gegründet  wurde ,  mit  welchen  sich  Lion. 
Salviati  verband,  welcher  die  Gesetze  derselben 
entworfen,  hat.  Es  war  mir  merkwürdig  im  Sitzungs- 
säle dieses  namentlich  um  die  italiänische  Sprache  so 
verdienten  Vereins  die  Namen  und  Symbole  ihrer  Mit- 
glieder auf  vergoldeten  Wurfschaufeln  geschrieben  und 
gemalt,  und  überhaupt  in  allen  Verzierungen  sogar  der 
Sessel  die  Allegorien  auf  ihren  Namen  beibehalten  zu 
finden. —  Von  einer  andern,  um  physikalische  Wissen- 
schaft sehr  verdienten,  aber  nur  kurze  Zeit  bestande- 
nen Verbindung  war  es  mir  interessant,  die  hand- 
schriftlichen Aufzeichnungen  auf  der  Bibliothek  des 
Grossherzogs  neuerlich  angekauft  und  somit  gerettet 
zu  finden;  diess  war  die  Accademia  delcimento,  wel- 
che den  19.  Jan.  1657  durch  Leopold  dei  Medici 
gestiftet  wurde,  nachdem   Ferdinand  II.  schon  1651 


73 

den  Grund  dazu  gelegt  hatte.  Sie  entstand  somit  drei 
Jahre  früher  als  die  Akademie  der  Wissenschaften  zu 
London  und  neun  Jahre  früher  als  die  von  Paris.  Ein 
Borelli,  Renaldini,  Redi  und  Andere  machten 
sie  durch  ihre  Arbeiten  berühmt,  und  1666  erschienen 
Saggi  di  naturali  sperienze  fatte  nell'  Accademia  del 
cimento,  welche  von  Muschenbroek  mit  Anmer- 
kungen übersetzt  wurden.  Dieser  schöne  Verein  hielt 
seine  Sitzungen  im  Pallast  des  Medicäers,  ihres  Stif- 
ters, erlosch  aber  leider,  als  dieser  Cardinal  wurde 
und  Florenz  verlies.  Im  Ganzen  steht  zu  vermuthen, 
dass  er  durch  eine  andere  merkwürdige  Verbindung 
veranlasst  worden  sei,  welcjhe  den  18.  Aug.  1603  in 
Rom  unter  dem  Vorsitze  eines  für  die  Wissenschaf- 
ten begeisterten  jungen  Fürsten  Federigo  Cesi 
Marchese  di  S.  Angelo  eDuca  di  Aqua  Sparta 
durch  Francesco  Stelluti  di  Fabrioni,  Ana- 
stasi o  de  Filiis  aus  Terni  und  Joh.  Eik  aus  De- 
venter  gegründet  worden  war  und  den  Namen  Acca- 
demia de'  Lincei  annahm.  Hier  sollte  ein  von  allem 
nichtigen  zurückgezogenes  Leben  in  den  durch  den 
Fürsten  gegebenen  Gebäuden  geführt,  gelehrte  Arbei- 
ten und  Reisen  gemacht  und  der  grössten  Reinheit  des 
Lebens  und  der  Wissenschaft  nachgestrebt  werden. 
Jeder  der  Mitglieder  erhielt  von  dem  Fürsten  einen 
Ring,  auf  welchem  das  Symbol  der  Gesellschaft,  der 
Luchs ,  und  der  Name  des  Mitgliedes  eingegraben  war, 
und  noch  wird  in  der  Familie  Nelli  der  aus  diesem 
Verein  stammende  Ring  des  Galilei  aufbewahrt.  — 
Es  hat  mich  sehr  interessirt  auch  über  diesen  Verein 
ein  altes  Manuscript  unter  dem  Titel  Lyceographum 
auf  der  Bibliothek  des  Grossherzogs  vorzufinden,  und 
ich  kann  mich  nicht  enthalten  ein  Paar  Stellen  der 
Gesetze,  welche  beweisen,  wie  grossartig  die  Mei- 
nung hei  Gründung  dieses  Vereins  gewesen,  hier  bei- 


71 

Eilfugen.  —  Es  heisst  hier  von  den  Lynceis :  „  Corpore 
„  menteque  sani,  aetate  decem  et  octo  annis  non  mi- 
„  nores  nee  majores  triginta  qui  scientiis  solununodo 
„  initiati  fuerint,  doctissimi  vero  quavis  majori  aetate, 
„  praesertim  si  lynceis  posterisque  plurimum  prodesse 
„  possint.  Laborum  amici ,  otii  praeterquam  literarii 
„  minime.  — 

„  Solitudini  magis  quam  nimiis  conversationibus, 
„et  praesertim  vulgaribus,  silentio  quam  multiloquio 
„  obnoxii. 

„Lucro,  ludis,  crapulae  deliciis,  venereis  volu- 
„ptatibus,  rixis,  similibusque  profanis  nullo  pacto  de- 
„  diti. 

„  Fortes ,  non  facile  in  actionibus  metuentes ,  opes- 
„  que  propriaque  commoda  non  magni  facientes. 

„  Dent  operam  ergo  omnibus  scientiis  aptis  serio, 
„  in  iisque  sedulo  versentur ,  ut  sapientiam  perfecte 
„  adipiscantur. "  *)  —  Der  Prinz  starb  im  J.  1630,  und 
nach  der  Herausgabe  einer  Naturgeschichte  von  Me- 
xiko durch  Stell uti  im  J.  1651  findet  man  keine 
weitern  Spuren  von  Thätigkeit  dieser  Gesellschaft. 
Nur  erst  neuerlich  hat  sich  in  Rom  wieder  ein  Verein 
unter  diesem  Namen  gebildet,  von  dessen  Wirksamkeit 
mir  indess  keine  weitern  Notizen  zugekommen   sind. 

Von  dieser  Digression  zurückkehrend  bemerke 
ich,  dass  allerdings  Vereine  jener  strengen  Art  in  Flo- 
renz jetzt  nicht  blühen,    dagegen    beschäftigt  sich  auf 


*)  Unter  der  fast  zu  grossen  Menge  der  übrigen  Gesetze 
will  ich  doch  noch  eines  bemerklich  machen,  welches  jedem,  der 
da  für  sich  ein  Lynceus  zu  seyn  beabsichtigt,  wohl  zu  empfeh- 
len ist ,  nämlich  allezeit  und  überall  mit  einem  Blatt  und  Stift 
zur  Aufzeichnung  von  irgend  etwas  Merkwerthem  versehen  zu 
seyn.  Mehr  von  der  Geschichte  und  den  Mitgliedern  der  Lyn- 
ceorum  s.  m.  in  Fabi  Columnae  <[vroßuoavos  cui  accessit  vita 
Fabi  et  Lynceorum  notitia  Jan.  Planco  auet.  Florent.  1744.  4. 


75 

eine  dem  Lande  manniehfach  nützliche  Weise  die  Ac- 
cademia  de'  Georgofili,  deren  einer  Sitzung  ich  bei- 
gewohnt habe,  mit  Förderung  der  Agricultur,  Garten- 
kunst und  damit  verbundener  Kenntnisse  ,  so  wie  für 
Medicin  insbesondre  sich  eine  ärztliche  Gesellschaft 
gebildet  hat,  Avelche  in  einem  eigenen  Local  in-  und 
ausländische  medicinische  Zeitschriften  gemeinschaft- 
lich ankaufen  und  lesen,  auch  dort  zugleich  eine  Samm- 
lung von  pathologischen  Präparaten  angelegt  haben, 
welche  als  Ergebnisse  aus  der  Praxis  einer  Menge  sehr 
beschäftigter  Aerzte  bereits  sehr  merkwürdige  Präpa- 
rate enthält;  wie  ich  denn  unter  andern  einen  der 
voluminösesten  Fälle  von  Scyrrhus  pylori  dort  gese- 
hen zu  haben  mich  erinnere. 

Die  beiden  eigentlichen  Universitäten  Toscana's, 
Siena  und  Pisa,  habe  ich  bei  sehr  kurzem  Aufent- 
halte nur  im  Allgemeinen,' ihrer  Oertlichkeit  und  ihren 
auffallendsten  Merkwürdigkeiten  nach  kennen  lernen, 
so  dass  ich  über  wissenschaftliche  Institute  derselben 
nur  wenig  mir  aufzeichnen  konnte.  Namentlich  von 
Siena  mussten  mir  bei  eiliger  Fortsetzung  der  Reise 
die  academischen  Anstalten  ganz  fremd  bleiben,  und 
nur  durch  besondere  Veranlassung  Sr.  Kaiserl.  Höh. 
des  Grossherzogs  geschah  es ,  dass  ich  bei  einem  Be- 
suche ,  welcher  in  dem  wohl  eingerichteten  Lyceum 
von  Siena  gemacht  wurde  (einer  Anstalt,  in  welcher 
die  Söhne  vieler  adlicher  Familien  Toscana's,  so  auch 
zu  jener  Zeit  der  Sohn  des  ehemaligen  Königs  ,von 
Westphalen,  Jerome  Buonaparte,  erzogen  wer- 
den), zur  Bekanntschaft  "eines  würdigen  alten  Geist- 
lichen Namens  Ricca  gelangte,  welcher  daselbst  Leh- 
rer der  Physik  ist  und  eine  interessante  naturhistori- 
sche Sammlung,  namentlich  für  Mineralogie  und  Geo- 
gnosie,  besitzt.  Es  war  mir  merkwürdig,  auf  diese 
Weise  wenigstens  einen  Ueberblick  dieser  durch  ihre 


76 

häufigen  Erdbeben  berüchtigten  Gegend  zu  erhalten, 
welche,  wie  viele  andere  Italiens,  jene  sonderbare 
Vermischung  vulkanischer  und  neptunischer  Producte 
darbietet,  in  deren  Folge,  mitten  in  vulkanischen 
Aschen,  unendliche  Trümmer  von  Kalkschalen  unter- 
gegangener Meeresbewohner  sich  darbieten  Ich  er- 
hielt von  Herrn  Ricca  aus  dem  Valle  di  Elza  aus 
dem  Flussbett  der  Staggia  und  einem  dritten  nahe  bei 
Siena  gelegenen  Fundorte ,  so  wie  aus  der  Gegend 
von  Volterra  Proben  solcher  vulkanischen  Aschen, 
welche  unglaubliche  Mengen  von  Muschelschalentrüm- 
mern ,  kleine  fast  mikroskopische  Schneckengehäuse 
und  dergleichen  in  calcinirtem,  oft  auch  wie  halb- 
gebrannt aussehendem  Zustande,  vermischt  mit  grauen 
oder  gelblichen  vulkanischen  Aschen  enthalten.  Eben 
so  auch  Kieselsinter  in  Hyalit  übergehend ,  kalkige 
Bruchstücke  mit  einer  glasigen  traubigen  Masse  über- 
ziehend, als  deutliches  Produkt  heisser  vulkanischer 
Quellen  ,  wie  eine  dergleichen  zu  S.  Filippo  hinter  Ra- 
dicofani  (einem  von  Siena  aus  schon  sichtbaren  vul- 
kanischen Berge  an  der  Gränze  des  Kirchenstaats ) 
noch  jetzt  in  Menge  absetzt ,  so  dass  dort  Abdrücke 
von  Gemmen  und  Münzen  in  nicht  allzulanger  Zeit 
durch  Ablagernlassen  dieses  Kieselsinters  (Thermo- 
phyt)  erhalten  werden.  Eine  Erscheinung,  in  welcher 
sich  wieder  die  Produkte  Islands  und  Italiens  begeg- 
nen. *)  —  Um  übrigens  doch  etwas  von  dem  medicini- 
schen  und  naturwissenschaftlichen  Theile  der  Univer- 
sität anzumerken,  will  ich  hier  die  Professoren  dieser 
Fächer,  wie  sie  im  Almanacco  della  Toscana  per  l'an- 
no  1827  namhaft  gemacht  sind,  aufzeichnen.  Klini- 
sche Medicin  —  D.  Stanislao  Grotanelli;  Anato- 
mie  und  Physiologie  —   Giov.    Battista   Vaselli; 


*)  S.  die  erste  Vorlesung  S.  5. 


77 

klinische  Chirurgie  —  Bened.  Sabbatini;  medici- 
nische  Institutionen  —  Ant.  Mattei;  chirurgische 
Institutionen  und  gerichtliche  Medicin  —  Gasp. 
Mazzi;  Geburtshülfe  —  Giov.  B.  Vannini;  Expe- 
rimentalphysik—  Maxim.  Ricca;  Chemie —  Pietr. 
Tommi;  Botanik  und  Naturgeschichte  —  Guis.  Giuli. 
Kaum  etwas  ausführlicher  als  Siena  habe  ich  Pisa 
kennen  lernen,  diesen  angenehmen  etwa  zwei  Stun- 
den vom  Meere  gelegenen  Ort",  welcher  von  Osten 
nach  Westen  vom  Arno  durchzogen  wird  und  des 
milden  Clima's  wegen,  dessen  man  namentlich  an 
dem  immer  den  Sonnenstrahlen  ausgesetzten  nördlich 
des  Arno  gelegenen  Theile  der  Stadt  auch  im  Winter 
geniesst,  der  Aufenthalt  vieler  Fremden  ist,  die  ihrer 
Gesundheit  halber  einen  längern  Aufenthalt  in  Italien 
machen.  —  Ich  hatte  gehofft  hier  die  persönliche  Be- 
kanntschaft des  als  gründlichen  Zoologen  auch  im  Aus- 
lande geschätzten  Prof.  Paolo  Savi  zumachen,  fand 
ihn  jedoch  abwesend  und  sah-  mich  an  dessen  Statt 
vom  Prof.  Cajetano  Savi,  dem  Vater  des  erstem 
und  Prof.  der  Botanik,  sehr  freundlich  aufgenommen 
und  in  den  Sammlungen  des  naturhistorischen  Museums 
und  des  botanischen  Gartens  orientirt.  Beide  sind  von 
grossem  Interesse  und  namentlich  ist  die  zoologische 
Sammlung  die  einzige  ,  welche  ich  in  Italien  auf  eine 
dem  gegenwärtigen  Stande  der  Wissenschaft  ange- 
messene Weise  geordnet  und  bestimmt  gefunden  habe. 
Sie  beginnt  mit  systematischer  sehr  übersichtlicher 
Aufstellung  der  versteinerten  oder  calcinirten  Reste 
einer  durch  frühe  Revolutionen  der  Erdfläche  unterge- 
gangenen Thierwelt  und  enthält  sehr  viele  und  sehr 
merkwürdige  namentlich  aus  dem  Lande  selbst  ent- 
nommene Stücke.  Vorzüglich  interessirten  mich  die 
grossen  Bruchstücke  der  Knochen -Breccien  von  Oli- 
veto,     welche    hauptsächlich   aus  Knochen  von  Nage- 


78 

thieren  und  Wiederkäuern   bestehen,     und  ferner  die 
von    Savi   in   der   Höhle    von    Ca.ssana    aufgefundenen 
und   beschriebenen   Höhlenbärenknochen,     die    ersten, 
welche  in  Italien   angetroffen   worden.     Auch    sah   ich 
hier  zuerst   die  interessanten  Gypsmodelle  aufgestellt, 
welche  Dessalines  d' Orbig ny  nach  den  mikrosko- 
pischen   im    Meeressande    enthaltenen    Cephalopoden- 
Schalen  im  vergrösserten  Maasstabe   hat  fertigen    las- 
sen.      Conchylien,     Polymeirien    und     Insekten    sind 
lehrreich   und  nett  aufgestellt ,     und  wenn  die  Samm- 
lung   von    Fischen,     Vögeln    und    Säugethieren   noch 
nicht  sehr  zahlreich  ist,  so  muss  man    bedenken  dass 
fast  diess  alles  erst  das  Werk  von  P.  Savi  ist,  des- 
sen  Eifer   und  Kenntnissen  man  eine  rasche  Vervoll- 
ständigung   zutrauen   darf.     Nichts   destoweniger   fan- 
den  sich    auch   in   den  höheren  Klassen  merkwürdige 
Sachen.     So  sind  z.  B.  die  Vögel ,     deren  namentlich 
die   weite   hie   und  da  sumpfige  Maremhie  viele  Arten 
darbietet,    fleissig  und  mit  Eiern  und  Nestern  gesam- 
melt; ich  fand  z.  B.  dort  nebst   ihren   Bewohnern   das 
schön  gewebte  Nest  der  Sylvia  cisticola  und  das  zwi- 
schen Rohrstengeln  verschiebbar  aufgehangene  und  so 
immer  (auch  bei  wechselndem  Wasserstande)  auf  dem 
Wasserspiegel    bleibende    Nest    der   Sylvia   turdoides. 
Dann  sah  ich  ein  schönes  Exemplar  der  Aquila  impe- 
rialis  von  der  Insel  Elba,   welches  zwei  Jahre  lebend 
hier  erhalten  worden  war  u.  s.  w.  —    Unter  den  Säu- 
gethieren war  mir  am  merkwürdigsten  das  grosse  wohl- 
erhaltene Skelet  eines  im  J.  1824  am  Forte  di  Marmi 
auf  Elba  gestrandeten  Hyperodon  dentulus.    Der  Ueber- 
gang ,  den  hier  die  Kopfform  des  Wallfisches  durch  2 
im    Zwischenkiefer    erscheinende    spitze    Zähne    zum 
Delphin  macht ,  ist  höchst  bemerkenswerth.    Das  Ske- 
let  Hess  7  Halswirbel,    9  rippentragende   und  28  rip- 
penlose Wirbel  zählen,    indem  von  den  9  Rippenpaa- 


79 

ren  8  zu  dem  breiten  Brustbeine  sich  vereinigten. 
Auch  ein  paar  schöne  Exemplare  des  Argali  oder 
Mufflon  (O.  Ammon),  welches  als  Stammrasse  unserer 
Zuchtschafe  betrachtet  wird  und  auf  den  Gebirgen  von 
Corsica  noch  wild  umherschweift,  sah  ich  hier  ausge- 
stopft, so  wie  ich  sie  später  auf  der  Villa  Marli  bei 
Lucca  lebend  gehalten  fand.  Als  eine  nicht  unzweck- 
mässige  Anordnung  erwähne  ich  noch ,  dass  im  Mu- 
seum die  Liste  der  jährlich  erhaltenen  Geschenke  mit 
dem  Namen  der  Geber  stets  aufgehangen  bleibt.  — 
Was  die  botanischen  Gärten  dieser  südlichen  Gegen- 
den betrifft,  so  erfreut  es  den  Nordländer  immer,  eine 
Menge  von  Pflanzen,  welche  bei  uns  nur  mühsam  in 
Treibhäusern  gepflegt  werden  können,  frei  und  fröh- 
lich im  Lande  gedeihen  zu  sehen,  und  wie  sehr  diess 
auch  von  dem  botanischen  Garten  zu  Pisa  gilt,  davon 
habe  ich  in  den  Fragmenten  über  die  Vegetation  Ita- 
liens gesprochen. 

Was  die  eigentlich  medicinischen  Institute  der 
Universität  betrifft,  so  haben  sie  durch  den  Tod  von 
Vacca  Berlingheri  (Profess.  der  Chirurgie)  einen 
empfindlichen  noch  nicht  ersetzten  Verlust  erlitten 
und  scheinen  in  keinerlei  Hinsicht  besonders  ausge- 
zeichnet Studiati,  Barzelloti,  Morelli,  sind 
die  Professoren,  welche  über  Therapie  lesen,  indess 
der  letztere  zugleich  in  Ospizio  St.  Clara  Klinik  hält; 
die  Anatomie  wird  von  Peretti,  die  Physiologie  und 
gerichtliche  Medicin  von  Polydori,  die  Geburtshülfe 
von  Menici  vorgetragen.  —  Auch  die  vielbesuchten 
vier  Miglien  vor  der  Stadt  liegenden  Bäder  zu  sehen 
fehlte  es  mir  an  Zeit;  dagegen  gelang  es  noch  das 
Dromedar-Gestüt  zu  besuchen,  welches  gegen  das  Meer 
hin,  noch  aus  den  Zeiten  der  Kreuzzüge  abstammend, 
besteht.  —  Vierzig  gezähmte,  zum  Lasttragen  benutzte 
Thiere  weiden   in  der  Nähe  des   Gestütes,     während 


80 

über  sechzig  frei  durch  die  Maremme  umherstreifen. 
Die  Gestütwärter  gaben  zwanzig  Jahr  als  das  gewöhn- 
lich äusserste  Alter  dieser  sonderbaren  Thiere  an. 
Nach  derselben  Angabe  fällt  die  Brunstzeit  vom  De- 
cember  bis  März,  die  Tragezeit  ist  ein  Jahr.  Castri- 
ren  der  Hengste  ist  jetzt  nicht  gewöhnlich.  Das  Vor- 
treiben der  rothen  drüsigen  Gaumenblase  war  beim 
Niederknieen  eines»  Hengstes  deutlich  wahrnehmbar. 
Es  ist  offenbar  eine  Duplicatur  der  Schleimhaut  der 
Mundhöhle,  am  Gaumensegel,  entsprechend  den  viel- 
fältigen Duplicaturen  und  Falten  der  unteren  Theile 
des  Dauungskanals  ,  welche  dieses  ganze  Geschlecht 
charakterisiren.  — 

Die  Fortsetzung  der  Reise  führte  mich  von  Pisa 
in  das  nur  einige  Meilen  entfernte  Livorno,  und  wenn 
es  daselbst  für  mich  schon  von  besonderem  Interesse 
seyn  musste  die  verschiedenen  Quarantaineanstalten 
kennen  zu  lernen,  so  hatte  dagegen  das  Besuchendes 
Militairspitals  für  Augenkranke  noch  einen  besondern 
Zweck,  dessen  ich  später  gedenken  werde.  Die  Qua- 
rantaineanstalten betreffend,  so  besitzt  Livorno  deren 
drei.  Die  erste  ist  für  Schiffe  bestimmt,  welche  über- 
haupt von  Orten  kommen,  in  welchen  die  Pest  und 
ähnliche  Krankheiten  öfter  vorzukommen  pflegen: 
die  zweite  für  Schiffe,  welche  von  Orten  kommen  wo 
der  Verdacht  besteht,  dass  daselbst  wohl  dergleichen 
Krankheiten  zur  Zeit  vorkommen  möchten;  und  die 
dritte  für  Schiffe  aus  Orten  in  denen  die  Pest  zur 
Zeit  wirklich  herrscht.  Die  letztere  liegt  ziemlich 
entfernt  von  der  Stadt  und  wird  auch  durch  ein  eige- 
nes kleines  Fort  S.  Rocca  vertheidigt.  In  alle  gehen 
Kanäle  vom  Meere  herein,  um  das  Ausschiffen  der 
Mannschaft  und  Effekten  möglich  zu  machen,  ja  an 
der  ersten  grössern  Anstalt  befindet  sich  eine  am  Ka- 
näle gelegene  Kapelle,    an  welche  der  Geistliche  von 


81 

der  Stadt  aus  hinanfahren  kann,  um  die  heiligen 
Funktionen  dort  im  Angesicht  des  vor  der  Kapelle 
versammelten  eingeschlossenen  Schiffsvolkes  zu  voll- 
bringen, ohne  desshalb  mit  ihnen  in  nähere  Berüh- 
rung treten  zu  müssen.  Die  Gesetze  zur  Unterhaltung 
strengster  Absonderung  werden  auf  das  genaueste  ge- 
handhabt, und  es  reicht  hin  (namentlich  in  der  zwei- 
ten oder  dritten  Anstalt)  einen  der  Eingeschlossenen 
nur  berührt  zu  haben,  um  selbst  die  Quarantaine  (näm- 
lich wirklich  40  Tage)  aushalten  zu  müssen.  Einrich- 
tung zur  Absonderung  von  Personen,  welche  mit  den 
in  der  Contumaz  Begriffenen  zu  verkehren  haben,  An- 
stalten zum  Waschen  des  Geldes  und  Durchräuchern 
der  Briefe  u.  s.  w.  sind  Gegenstände,  welche  sämmtlich, 
als  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  höchst  wichtig, 
mich  mannichfaltig  interessirt  haben.  —  Was  die  Be- 
sichtigung des  Spitals  für  Augenkranke  betrifft,  so  ge- 
schah diese  durch  folgende  Veranlassung.  Bereits  in 
Florenz  hatten  Sr.  Kaiserl.  Höh.  der  Grossherzog  mit 
mir  über  ein  häufiges  Vorkommen  der  contagiösen 
Augenentzündungen  unter  dem  Militair  gesprochen  und, 
nachdem  ich  der  vielfachen,  durch  ähnliches  Vorkom- 
men veranlassten  deutschen  Arbeiten  über  diesen  Ge- 
genstand gedacht  hatte,  den  Wunsch  geäussert,  dass 
ich  die  Verpflegungsanstalten  für  diese  Kranken  in  Flo- 
renz und  in  Livorno  besuchen  möge,  um  so  mehr,  da 
D.  Paoli  in  Livorno  eine  besondere  von  mehrern  flo- 
rentiner  Äerzten  keinesweges  gebilligte  Curmethode 
anwende.  —  Ich  erfuhr  ferner,  dass  diese  Krankheit 
bereits  seit  mehreren  Jahren  bestehe  und  unter  dem 
kleinen  Heere  von  etwa  3000  Dienstthuenden  sich 
schon  gegen  90  Erblindete  auf  den  Pensionslisten  be- 
fänden. —  Da  es  mich  sehr  interessiren  musste  ,  eine 
Krankheit,  welche  früher  meine  Aufmerksamkeit  na- 
mentlich wegen  ihrer  Aehnlichkeit  mit  der  bösartigen 

6 


82 

oft  auch  epidemischen  Augenlidentzündung  der  Neu- 
gebornen  erregt  hatte,  in  der  Natur  zu  beobachten, 
so  ergriff  ich  gern  diese  Gelegenheit  mich  hierüber 
näher  zu  unterrichten,  und  stelle  desshalb  jetzt  das 
zusammen,  was  mir  in  den  beiden  Militairspitäleru 
für  Augenkranke  in  Florenz*  (wo  ich  früher  es  dess- 
halb absichtlich  unerwähnt  gelassen)  und  Livorno,  be- 
merklich geworden  ist.  —  In  Florenz  besuchte  ich  dies 
Spital  am  8  Juli  in  den  Vormittagsstunden,  in  Beglei- 
tung des  Prof.  Betti.  Es  ist  befindlich  innerhalb  der 
nördlich  von  Florenz  gelegenen  Citadelle  und  von  sehr 
mangelhafter  Einrichtung.  Die  blos  mit  Läden  ge- 
schlossenen Fensteröffnungen,  die  ärmlichen  Lagerstät- 
ten ,  das  in  den  obern  Sälen  unmittelbar  die  Decke 
bildende  Sparrwerk  des  Dach's ,  so  wie  das  wüste  An- 
sehen und  rohe  Mauerwerk  in  den  untern  Sälen  ge- 
ben ihm  mehr  das  Ansehen  eines  in  der  Eile  auf  Bö- 
den und  in  geräumten  Ställen  eingerichteten  Feldspi- 
lals,  als  einer  stehenden  Heilanstalt  für  Augenkranke. 
Ueberdiess  fand  ich  die  Krankensäle  völlig  verfinstert, 
welches  allerdings  gleich  der  nicht  genügsamen  Son- 
derung und  Ordnung  der  Wasch  -  und  Reinigungsap- 
parate für  die  einzelnen  Kranken  zu  missbilligen  war. 
Die  Zahl  der  eigentlichen  Kranken  war  21,  und  aus- 
serdem wurden  noch  22  als  suspect,  worunter  noch 
einige  Dienstthuende,  hier  zurückgehalten.  Der  Zu- 
stand der  einzelnen  Kranken  war  meist  übel,  die 
Krankheit  schon  durch  viele  Monate,  ja  durch  Jahre, 
andauernd,  und  hatte  in  den  Mehrsten  entweder  gänz- 
liche oder  doch  theilweise  Zerstörung  und  Verbildung 
der  Sehorgane  herbeigeführt.  Ueber  die  Einzelnen 
werden  folgende  Notizen  Auskunft  geben: 

Nr.  1.  Bereits  seit  2  Monaten  in  leichterm  Grade 
krank,  seit  14  Tagen  heftig  leidend,  seit  8  Tagen 
kann    er  die   Atigen   nicht  mehr  öffnen.     Die   Conjun- 


83 

ctiva  ungeheuer  geschwollen ,  fortwährend  abtrÖpfelnder 
Eiterabfluss. 

Nr.  2.  Krank  seit  dem  Anfang  des  Jahres,  seit 
14  Tagen  in  demselben  Zustande  wie  der  vorige. 

Nr.  3.  Seit  1  Monat  leidend.  Auf  der  Conjunctrva 
bulbi  beider  Augen  sind  Eiterpusteln. 

Nr.  4.  War  schon  9  Monat  in  Livorno  leidend ; 
hier  recidiv  geworden  und  seit  20  Tagen  im  Spital. 
Conjunctiva  sehr  geschwollen. 

Nr.  5.  Seit  22.  Tagen  krank ,  in  leichterm  Grade. 

Nr.  6.  Schon  früher  war  ihm  durch  eine  heftige 
Ophthalmie  das  rechte  Auge  verdunkelt,  welches  jetzt 
bei  neu  eingetretener  ziemlich  heftiger  Entzündung 
sich  etwas   aufgehellt. 

Nr.  7.  Seit  37  Tagen  krank,  besonders  das  rechte 
Auge  heftig  ergriffen. 

Nr.  8.  Leicht. 

Nr.  9.  Seit  3  Monat  leidend,  einen  Monat  hin- 
durch äusserst  heftig,  20  Tage  konnte  er  die  Augen 
nicht  Öffnen.  Man  sieht  Staphylome  auf  beiden  Augen. 

Nr.  10.  Seit  22  Monaten  theils  hier,  theils  in  Li- 
vorno krank.  Das  rechte  Auge  ist  schon  früher  ge- 
borsten und  ganz  zerstört,  das  linke  noch  heftig  ent- 
zündet. , 

Nr.  11.  War  38  Tage  sehr  krank,  jetzt  ziemlich 
geheilt. 

Nr.  12.  Seit  18  Monaten  dreimal  rückfällig,  der 
letzte  jetzt  beschwichtigte  Anfall  sehr  heftig,  aber 
Trübung  der  Cornea  beider  Augen. 

Nr.  13.  Bereits  15  Monat  in  Livorno  krank  gewe- 
sen. Seit  2  Monaten  ist  er  hier.  Das  rechte  Auge 
ist  getrübt. 

Nr.  14.  Auch  schon  früher  an  Ophthalmie  leidend, 
jetzt  seit  3  Monaten  hier ,  das  linke  Auge  ist  ver- 
loren. 

6* 


84 

Nr.  15.  Befindet  sich  seit  10  Monaten  hier  in  Be- 
handlung, während  av elcher  Zeit  fünf  Rückfälle.  Ist 
früher  syphilitisch  gewesen.  Auch  bei  ihm  sind  Fle- 
cken auf  der  Hornhaut. 

Xr.  16.  Krankt  seit  23  Monaten ,  ist  abwechselnd 
hier,  in  Pistoja  und  in  seiner  Heimath  gewesen.  Jetzt 
seit  2  Monaten  hier  in  Behandlung  und  ist  jetzt  Re- 
convalescent. 

Nr.  17.  Hat  10  Monate  in  den  Spitälern  von  Li- 
vorno  verbracht  und  befindet  sich  seit  20  Tagen  hier. 
Die  Krankheit  leicht. 

Nr.  18.  Ist  zu  Portoferrajo  mehrern  sehr  acuten 
Ophthalmien  unterworfen  gewesen.  Das  rechte  Auge 
ist  getrübt,  übrigens  in  der  Convalescenz. 

Nr.  19  —  21.  waren  nur  leicht  afficirt. 

Was  die  Zahl  der  22  Suspekten  betraf,  so  zeig- 
ten die  Augen  der  Meisten  noch  einen  eigentümli- 
chen aufgelockerten  Zustand  der  Conjunctiva  palpe- 
bralis ,  so  wie  auch  die  Venen  der  Bindehaut  des  Aug- 
apfels eine  eigene  schmutzig  gelbliche  Farbe  hatten 
und  theilweise  -erweitert  waren.  Mehrere  darunter 
waren  noch  wirklich  krank,  und  ein  übrigens  Geheil- 
ter hatte  sogar  ein  grosses  Staphylom,  und  hätte  somit 
längst  verabschiedet  seyn  sollen. 

Rücksichtlich  der  Behandlung  war  wenig  rühmli- 
ches zu  bemerken ,  ein  nicht  eben  vorsichtig  bereite- 
tes und  reingehaltenes  Malvendekokt  zum  "Waschen, 
einige  Pilulae  laxantes ,  zuweilen  Blutentziehung,  aber 
ohne  gehörige  Consequenz  und  Kraft  (so  hatte  man 
z.  B.  bei  Nr.  3.  an  jeden  Process.  mastoideus  4  Blut- 
egel gelegt),  und  viel  zu  seltne  Anwendung  der  Ab- 
leitungsmitrel  war  das  Hauptsächliche  der  Cur.  —  Bei 
der  suspekten  Klasse  pflegte  das  Malvendekokt  mit 
etwas  Essig  vernetzt  zu  werden. 

Am  10.  Juli  sah  ich  hierauf  das  Militairspital  der 


85 

Augenkranken  in  Livorno  in  Begleitung  des  D.  Paoli. 
Es  ist  in  einigen  ebenfalls  höchst  unzulänglichen  Ge- 
bäuden, welche  von  einem  der  Aussenwerke  der  Fe- 
stung gegen  die  Landseite,  umschlossen  werden,  be- 
findlich. Die  Säle  hatten  mit  denen  in  Florenz  das- 
selbe Aeussere,  doch  schien  eine  grössere  Ordnung 
der  Krankenpflege  zu  herrschen,  und  die  Räume  waren 
nicht  in  dem  Grade  verfinstert.  Im  Ganzen  fanden 
sich  70  Kranke  vor,  von  denen  30  im  ersten  Saal, 
36  im  zweiten  Saal,  und  4  in  zwei  kleinen  abgesonder- 
ten Gebäuden  verweilten.  Unter  allen  diesen  fanden 
sich  nur  2  mit  höhern  Graden  der  Entzündung  und 
ein  schon  früher  öfters  an  Ophthalmie  Leidender  mit 
beginnender  Catarrhacta  vor,  die  übrigen  waren  theils. 
schon  ziemlich  genesen,  theils  nur  im  ersten  Stadio 
der  Krankheit,  welches  Paoli  auf  seine  Weise  *) 
durch  sehr  schwache  Sublimatauflösung,  nach  seiner 
Versicherung  und  nach  dem  Ergebnisse  seiner  Tabel- 
len fast  immer  so  glücklich  behandelt,  dass  das  Ueber- 
gehen  in  höhere  Grade  nicht  leicht  vorkommt.  —  In 
Wahrheit  ergaben  die  mir  vorgelegten  Bücher  das  Re- 
sultat, dass  vom  11.  März  bis  zu  dem  Tage,  wo  ich 
das  Spital  sah,  299  Kranke  aufgenommen  Worden  wa- 
ren, von  welchen  nur  6  von  einer  gefährlichen  Form 
der  Entzündung  ergriffen  worden  waren,  indess  keiner 
von  allen  erblindet  war.  Was  das  Allgemeine  der 
Behandlung  betrifft,  so  legt  Paoli  besonderes  Ge- 
wicht auf  öftere   Waschungen  mit  reinem  Wasser**). 


*)  Von  ihm  beschrieben  in :  Süll'  ottalmia  che  hanno  sofferto 
i  militari  di  Livorno  osservazioni  di  Ludovico  Paoli,  Chi- 
rurgo  maggiore  di  Reggimento  etc.  Livorno  1824.  Eine  kleine 
Schrift,  die  ich  nicht  ohne  Interesse  gelesen  habe  und  die  einen 
klaren ,  umsichtigen  Blick  des  Verf.  ausspricht. 

**)  Hierüber  führt  Paoli  eine  interessante  Stelle  aus  Virey 
an,  avo  esheisst;  „J'ai entendu  dire  au  General  Bonaparte  ,  qu'il 


86 

An  den  Eingängen  der  Säle  fanden  sich  jedesmal  zwei 
grosse  Wassergefässe,  ein  oberes  mit  reinem  Wasser, 
wozu  ein  Schöpflöffel,  um  Wasser  in  die  hohle  Hand 
zu  giessen  und  diess  zum  Waschen  zu  benutzen,  wo- 
bei denn  das  Wasser  in  das  andere  untergestellte 
Gefäss  ablief.  Ausserdem  wird  einigemal  des  Tages 
die  aufgelockerte  Conjunctiva  (deren  gleichsam  wolli- 
ges oder  sammtiges  Ansehen  er  überhaupt  als  charak- 
teristisches Zeichen  dieser  contagiösen  Augenentzün- 
dung ansieht)  mit  der  Auflösung  des  Quecksilbersubli- 
mats  (gr.  j  bis  jj  auf  1  Pf.  dest.  Wasser)  mittelst  ei- 
nes weichen  Haarpinsels  überfahren,  schwächere  Diät 
und  Schonung  des  angegriffenen  Organes  angeordnet, 
und  so  gross tentheils  die  Krankheit  auf  ihrer  ersten 
Stufe  zur  Heilung  gebracht.  Bei  heftigen  Graden  tritt 
dann  noch  die  in  jenem  Schriftchen  erörterte  antiphlo- 
gistische Behandlung  ein,  welche  von  der  gewöhnli- 
chen nicht  wesentlich  abweicht.  —  Ich  habe  allerdings 
die  Resultate  dieser  Behandlung  nicht  genug  im  Detail 
verfolgen  können,  um  ein  entscheidendes  Urtheil  dar- 
über zu  haben,  halte  sie  jedoch  der  Aufmerksamkeit 
Her  Aerzte  überhaupt,  und  insbesondere  derer,  welche 
die  epidemische  contagiöse  Ophthalmie  zu  behandeln 
haben ,  im  höchsten  Grade  würdig.  —  Was  das  Anste- 
ckende dieser  auch  von  Paoli  von  Egypten  hergelei- 
teten und  in  Livorno  zuerst  im  März  1817  erschiene- 
nen Krankheit  betrifft,  so  werden  darüber  vielfältige 
unläugbare  Beispiele  angeführt,  und  ich  habe  selbst 
nicht  unterlassen  alle  diese  Kranken  mit  grosser  Vor- 
sicht zu  sehen,  wobei  ich  nicht  verschweigen  darf, 
trotz  dem  6  —  8  Tage  nach  diesem  Besuche  noch  ein 
eigenes    Gefühl   von   Druck  und  Spannung  in  den  Au- 


s'etait  pri'serve  de    inaux    d'yeux   en    Egypte ,     en    se  Ics  lavant 
avee  l'eau  acidinVe  par  l'acide  du  citron. " 


87 

genlidern  behalten  zu  haben,  welches  mich  um  so 
mehr  etwas  beunruhigen  durfte,  da  ein  „incommodo 
peso  sul  sopraciglio  e  dentro  la  palpebra  superiore  u 
als  eins  der  ersten  Zeichen  der  Krankheit  gilt. 

Und  so  weit  denn  diese  Aufzeichnungen  über  Na- 
turwissenschaft und  Heilkunde  in  Toskana!  ich  kom- 
me nun  zu  dem,  was  während  eines  dreiwöchentli- 
chen Aufenthalts  mitten  unter  vielfältigen  andern  Be- 
trachtungen in  der  alma  Roma  über  dergleichen  Ge- 
genstände mir  bemerklich  werden  konnte.  Es  ist  aber 
hier  bekanntlich  der  Sitz  der  andern  von  den  beiden  grös- 
sern Universitäten  des  Kirchenstaates ,  und  obwohl  die 
theoretischen  medicinischen  Studien  auch  zu  Mace- 
rato,  Perugia,  Camerino  oder  Urbino,  als  die  soge- 
nannten kleinern  Universitäten  oder  Collegien  gemacht 
werden  können  (wozu,  sie  mögen  dort  oder  auf  den 
grössern  Universitäten  gemacht  werden,  4  Jahre  ge- 
hören), so  ist  doch  ein  zweijähriges  Verfolgen  des 
praktischen  Cursus  zu  Rom  oder  Bologna  noch  uner- 
lässlich ,  um  den  Doctorgrad  nehmen  zu  dürfen.  Die 
römische  Universität  führt  den  Beinamen  della  Sa- 
pienza,  und  besteht  innerhalb  eines  grossen  und  schö- 
nen, nur  wie  die  meisten  römischen  Palläste  nicht 
ehen  sauber  gehaltenen  Gebäudes.  Für  die  Heilkunde 
sind  fünfzehn  Lehrstühle  bestimmt.  Die  Anatomie 
lehrt  Lupi,  die  Physiologie  Bomba,  zugleich  einer 
der  ersten  und  am  meisten  beschäftigten  Aerzte  Roms, 
die  Chemie  Morichini,  bekannt  durch  seine  interes- 
santen Beobachtungen  über  die  magnetisirenden  Wir- 
kungen des  blauen  und  violetten  Lichtstrahles ,  und 
sich  mit  Bomba  in  die  erste  Praxis  der  Stadt  thei- 
lend.  Seiner  freundschaftlichen  Aufnahme  und  beson- 
dern Gefälligkeit  verdanke  ich  mehrere  mir  Avichtige 
Mittheilungen,  und  ich  zweifle  nicht,  dass  seine  viel- 
fachen  Kenntnisse    so   wie  sein  durchaus  wohlwollen- 


88 

und  humanes  Aeusserc  ihn  zu  einem  glücklichen  Prak- 
tiker machen.  Die  Botanik  lehren  Poggioli  und 
Mauri.  Indem  ich  des  letztern  persönliche  Bekannt- 
schaft «naehte,  erfuhr  ich  dass  er  mit  Bearbeitung  ei- 
ner Flora  von  Rom  beschäftigt  sei,  hörte  ihn  jedoch 
gleich  den  mehrsten  Naturforschern ,  namentlich  Un- 
teritaliens, über  das  Abgeschnittensein  von  der  Lite- 
ratur des  Auslandes  klagen,  welches  davon  abhängt, 
dass  der  Buchhändler -Verkehr  überhaupt  in  Italien 
sehr  unvollkommen  ist  und  die  Bibliotheken  auf  An- 
schaffung neuerer  Werke,  und  naturwissenschaftlicher 
insbesondere ,  gar  keinen  Bedacht  nehmen.  Hierzu 
kommt  nun  noch  die  allgemeine  Unkenntniss  der  deut- 
schen Sprache,  welche,  so  viel  mir  bekannt  gewor- 
den ist,  kein  einziger  der  römischen  oder  neapolita- 
nischen Aerzte  und  Naturforscher  gründlich  versteht, 
und  es  stellt  sich  somit  dar,  dass,  was  in  den  genann- 
ten Fächern  hier  gearbeitet  wird ,  nicht  wohl  dem 
Stande  der  Wissenschaft  in  dem  übrigen  Europa  ent- 
sprechen könne,  obwohl  hiermit  nicht  in  Abrede  ge- 
stellt werden  soll,  dass  zuweilen  gerade  dadurch,  und 
bei  dem  eigenthümlichen  Genius  der  Italiäner,  ihre 
Arbeiten  wieder  eine  besondere  und  nicht  selten  sehr 
interessante  Physiognomie  erhalten  müssen.  Allgemeine 
Pathologie  trägt  Celi,  Hygiene,  allgemeine  Thera- 
pie und  Materia  medica  Folchi  vor.  Ueber  theore- 
tisch-praktische JYIedicin  liest  Valentini,  über  Staats- 
arzneykunde  Falcioni.  Die  medicinische  Klinik  hal- 
ten abwechselnd  Tagliabö  und  de  Matthaeis  im 
Ospedale  St.  Spirito.  Während  meines  Aufenthaltes 
leitete  der  letztere  die  Klinik  und  ich  werde  hierauf 
bei  jenem  Spitale  zurückkommen,  während  der  erstere 
das  Spedale  degli  Incurabili  besorgte.  Die  verglei- 
chende Anatomie  wird  auch  hier,  wie  in  den  andern 
italiänjschen  Universitäten  ,  auf  das  Unpassendste  mit 


89 

der  Veterinärwissenschaft  verbunden  und  von  Me- 
taxa,  dem  auch  die  Aufsicht  über  das  noch  später  zu 
erwähnende  zoologische  Cabinet  zusteht,  vorgetragen. 
Theoretische  Chirurgie  lehrt  Trasmondi,  Geburts- 
hülfe  Manni,  während  der  schon  sehr  bejahrte  S i s c o 
im  Spedale  degli  Incurabili  die  chirurgische  Klinik 
hält,  und  der  geschickte,  namentlich  mit  der  neuern 
französischen  Literatur  vertraute  Chemiker  Peretti 
die  praktische  Pharmacie  vorträgt.  —  Hierzu  kommen 
rtbch  aus  der  philosophischen  Facultät  die  Experimen- 
talphysik, welche  vonBarlocci,  dem  ein  wohlge- 
ordnetes physikalisches  Cabinet  auf  der  Sapienza  zu 
Gebote  steht,  vorgetragen  wird,  und  die  Mineralogie, 
welche  Carpi  lehrt,  ein  noch  jüngerer  und  sehr 
kenntnissvoller  Mann,  dem  zugleich  die  Aufsicht  über 
das  reiche  und  gutgeordnete  oryktognostische  und  geo- 
gnostische  Cabinet  auf  der  Sapienza  übertragen  ist. 
Der  Gebrauch  ist  in  den  Vorlesungen  lateinisch  die 
Hauptsachen  zu  dictiren,  und  italiänisch  dann  darüber 
erklärend  zu  sprechen.  Die  Professoren  scheinen 
übrigens  die  Verpflichtung  zu  haben,  ihre  Hefte  selbst 
dem  Druck  zu  übergeben  *). 

Eine  theils  für  die  Einheimischen ,  namentlich  aber 
auch  für  die  Fremden  äusserst  angenehme  Einrichtung 
ist  es,  welche  die  meisten  der  Genannten  und  meh- 
rere andere  Gelehrte  unter  sich  getroffen  haben,  näm- 
lich einen  gemeinschaftlichen  Versammlungsort  zu  wäh- 
len, wo  sie  die  einfachen  gegen  Abend  bei  diesem 
warmen  Klima  immer  ein  Bedürfniss  ausmachenden 
Erfrischungen  nehmen.  —    Dieser  Ort  ist  der  Cafe  al 


*)  Die  Lectionsverzeichnisse  enthalten  desshalb  bei  der  An- 
kündigung jeder  Vorlesung  den  Zusatz  „Textus:  Scripta  ejusdem 
Professoris  intra  triennium  (  oder  biennium )  typis  evulganda. " 
Doch  geschieht  es  wohl  selten. 


90 

nionte  citorio,  wo  man  Abends  nach  dem  Ave  Maria 
(gegen  und  nach  8  Uhr)  sicher  ist,  immer  einen  Cirkel 
unterrichteter  Männer  zu  finden,  und  wo  der  Fremde 
schneller  als  in  anderen  Städten  zur  Bekanntschaft 
der  einheimischen  Gelehrten  gelangt.  Ich  verdanke 
diesem  Cirkel,  wo  der  würdige  Morichini  eine  Art 
von  ungenirendem  Präsidium  führte,  und  jeder  geht, 
kommt,  auch  wegbleibt,  wie  es  ihm  gerade  angenehm 
ist,  mehrere  sehr  angenehme  und  unterrichtende 
Abende. 

Indem  ich  nun  die  im  Einzelnen  gemachten  Bemer- 
kungen mitzutheilen  unternehme ,  gedenke  ich  zuerst  der 
Besuche  in  verschiedenen  der  wichtigern  Krankenan- 
stalten, und  werde  später  das  ,  was  über  andere  Gegen- 
stände noch  aufgezeichnet  worden  ist,  folgen  lassen. 

Die  erste  dieser  Anstalten,  die  ich  ausführlich 
gesehen  habe,  war  das  Spedale  di  St.  Spirito  ,  am 
rechten  Ufer  der  Tiber ,  nicht  allzuweit  von  der  En- 
gelsburg gelegen.  —  Die  Einrichtung  desselben  unter- 
scheidet sich  im  Ganzen  durchaus  nicht  von  der  der 
Florentiner  Spitäler.  Es  enthält  gewöhnlich  ungefähr 
300  männliche  Kranke  in  den  grossen  Krankensälen 
(in  welchen  übrigens  in  der  Regel  chirurgische  und 
syphilitische  Kranke  nicht  aufgenommen  Werden,  als 
für  welche  das  Spedale  degli  Incurabili  bestimmt  ist ) 
und  ausserdem  einige  für  die  therapeutische  Klinik 
bestimmte  Zimmer,  in  welchen  12  männliche  und  6 
weibliche  Kranke  zum  Behufe  des  Unterrichts  der 
Studirenden  verpflegt  werden.  Director  der  Klinik 
war  gegenwärtig  de  Matthaeis,  ausser  welchem 
jedoch  noch  4  Primarärzte  und  10  Praktikanten  zum 
Dienste  der  Kranken  geschäftig  sind.  Ich  folgte  dem 
Director  in  der  Behandlung  seiner  Kranken,  und  fand 
dabei  die  Einrichtung  in  so  fern  von  andern  Kliniken 
z.  B.  der  zu  Bologna  abweichend ,     als    am    Kranken- 


91 

bett  nur  ganz  kurze  Krankenexamina  angestellt  und 
die  nöthigsten  Anordnungen  gemacht  wurden ,  worauf 
dann  der  Lehrer  mit  den  Zuhörern  in  das  nahe  ansto- 
ßende Auditorium  sich  verfügte ,  um  dort  nun  erst  aus- 
führlich über  die  vorgekommenen  Fälle  sich  zu  ver- 
breiten. Als  ich  seinem  Vortrage  beiwohnte,  sprach 
er  insbesondere  über  die  Behandlung  der  hier,  na- 
mentlich im  Sommer,  ausnehmend  häufigen  Wechsel- 
fieber und  den  damit  verbundenen  Zufällen  von  Gelb- 
suchten, Milz-  und  Gallenkrankheiten,  wobei  er,  die 
Meinung  von  lange  nothwendiger  Anwendung  vorbe- 
reitender und  resolvirender  Mittel  bestreitend,  insbe- 
sondere darauf  drang,  die  kräftige  Anwendung  der 
Specifisch  antifebril i sehen  Mittel,  der  China  und  des 
Chinins,  nie  zu  lange  zu  verschieben  und  stets  als 
Hauptsache  zu  betrachten.  In  welcher  Menge  denn 
auch  diese  Mittel  hier,  namentlich  während  bedeuten- 
der Epidemieen  verbraucht  werden ,  erhellt  schon  aus 
der  nöthig  gewordenen  Anlegung  einer  eigenen  China- 
Mühle,  welche  im  Stande  ist  in  6  Stunden  30  Pfund 
des  feinsten  Chinapulvers  zu  bereiten.  Ueberhaupt 
scheint  die  Officin  und  das  Laboratorium  dieses  Ho- 
spitals in  ziemlich  gutem  Zustande.  Eine  Einrichtung 
die  Helme  der  Destillirapparate  durch  laufendes  Was- 
ser abzukühlen,  war  nicht  minder  sinnreich  als  jene 
Mühle;  Dinge,  bei  welchen  der  gewandte  praktische 
Sinn  für  das  gerade  Zweckmässige ,  welchen  die  Ita- 
liäner  in  so  vielem  andern  beurkunden,  sehr  kennt- 
lich wird.  —  Dieses  Spital  besitzt  ausserdem  eine  ganz 
zweckmässig  nach  der  Tiber  hin  angelegte  anatomi- 
sche Anstalt,  mit  Marmortafeln  als  Secirtischen,  Vor- 
richtungen zum  Ablauf  des  Wassers,  Oefen  nebst  nö- 
thigen  Apparaten  zum  Injiciren  u.  s.  w. ;  einzig  und 
allein  zu  grosse  Sonnenwärme  mag  oft  die  Arbeiten 
stören,  welche  übrigens  häufig  genug  sein  mögen,  da, 


92 

wie  mir  wenigstens  versichert  Ward,  alle  Leichen  ge- 
öffnet werden.  Ferner  befindet  sich  hier  eine  nicht 
unbedeutende,  aber  sehr  nach  alter  Art  und  Weise  auf- 
gestellte anatomische  Sammlung.  —  Einen  besonders 
merkwürdigen  Fall  unter  den  pathologischen  Präpara- 
ten etwas  näher  anzuführen,  kann  ich  nicht  unterlas- 
sen ,  zumal  da  er  einen  vollkommenen  Pendant  zu  dem 
bei  Florenz  angeführten  Falle  von  Betti  abgiebt.  Es 
Avar  die  Schädeldecke  eines  Mannes  von  40  bis  50  Jah- 
ren, in  deren  Sichelfortsatze  der  harten  Hirnhaut  eine 
starke  Nähnadel  perpendikular  dergestalt  eingewach- 
sen war,  dass  die  Spitze  noch  gegen  4  Zoll  her- 
vorragte und  offenbar  in  den  Hirnbalken  eingedrun- 
gen gewesen  sein  musste.  Der  Mann  selbst  hatte 
auch  hier  durchaus  keine  Zufälle  besondern  Hirnlei- 
dens gehabt,  und  da  aussen  der  Schädel  vollkommen 
geschlossen  war ,  auch  die  Nadel  der  Gegend  der  gros- 
sen Fontanelle  entsprach,  so  konnte  man  nicht  anders 
als  annehmen,  dass  diesem  Menschen  als  neugebornem 
Kinde  die  Nadel  in  den  Kopf  gestossen  worden  sei, 
wahrscheinlich  um  ihn  zu  tödten  ,  dass  jedoch  diess 
fehlgeschlagen  und  die  Nadel  auf  diese  merkwürdige 
Weise,  ohne  wesentliche  Störungen  zu  machen,  ver- 
wachsen sei.  —  Nur  da  wo  sie  den  Blutleiter  durch- 
bohrte ,  war  sie  mit  einem  bräunlichen  Ansatz  wie 
Rost  und  angelegtes  geronnenes  Blut  umgeben.  — 
Auch  unter  den  Skeleten  war  das  einer  kleinen 
menschlichen  Doppelmissgeburt,  wegen  den  ganz  nahe 
neben  einander  verlaufenden  und  doch  nicht  verwach- 
senen Rückgrat- Wirbelsäulen  ,  einer  mittlem  Clavi- 
kel  und  einem  einzigen  kreisrunden  und  platten  Ster- 
nalknochen  (fast  wie  bei  gewissen  Amphibien)  merk- 
würdig. —  Endlich  ist  mit  dem  Spedale  St.  Spirito 
auch  eine  dem  Gebrauche  der  Studirenden  offen  ste1 
hende,  von  dem  ehemaligen  päpstlichen  Leibarzteden 


93 

Namen  führende  Biblioteca  Lancisiana  vereinigt,  in 
welcher  doch  auch  noch  einige  neuere  italiänische, 
französische  oder  lateinisch  geschriebene  Schriften 
nachgekauft  werden. 

Mehrere  nahe  liegende  besondere ,  und  nur  zum 
Theil,  namentlich  durch  Entnehmen  ihrer  Medicamen- 
te, mit  dem  genannten  Spital  vereinigte  Anstalten 
sind :  das  Spedale  S.  Carlo ,  das  Conservatorio  für  Er- 
ziehung unehlich  geborner  Kinder  weiblichen  Ge- 
schlechts ,  und  das  Spedale  S.  Boiiifazio  für  Aufnahme 
der  Geisteskranken  bestimmt. —  Was  das  Spedale  S. 
Carlo  betrifft,  so  liegt  es  dem  Spedale  St.  Spirito  ge- 
rade gegenüber  und  ist  vorzüglich  bestimmt  die  Fie- 
berkranken aufzunehmen,  welche  aus  der  Campagna 
di  Koma  und  aus  den  ungesunden  Stadtth eilen  Roms 
selbst,  im  Sommer  in  ausserordentlicher  Menge  sich 
einfinden.  Den  Winter  über  und  zu  jeder  Zeit,  wo 
nicht  die  Influenza  die  Zahl  der  Kranken  häuft,  ste- 
hen desshalb  diese  Ungeheuern,  in  mehrerer  Hinsicht 
doch  nicht  sehr  zweckmässig  angelegten  Krankensäle 
ganz  leer,  und  so  fand  ich  sie  noch  am  Ende  des  Monat 
Mai ;  dahingegen  im  Sommer  1819  an  1000  Fieberkranke 
hier  auf  einmal  verpflegt  worden  sind.  —  Das  Conser- 
vatorio für  die  unehlichen  Mädchen  konnte  ich  damals 
nicht  sehen ,  da  eine  besondere  Erlaubniss  dazu  erfor- 
dert wird ,  welche  zu  nehmen  es  mir  an  Zeit  fehlte ; 
doch  wurde  über  sehr  schlechten  Zustand,  namentlich 
wegen  schlechter  Verwaltung  der  an  sich  bedeutenden 
Fonds  geklagt. —  Dagegen  habe  ich,  obwohl  auch  mit 
einigen  Schwierigkeiten ,  '  den  Zutritt  zu  dem  Irren- 
hause S.  Bonifazio  erlangt.  —  Gleich  der  Eintritt  in 
den  mit  gewaltigen,  gefängnissmässigen  Thüren  ver- 
wahrten Hof  gab  ein  abschreckendes  Bild  von  dem 
Zustande  dieses  Spitals.  —  Unter  den  Bogengängen 
gingen  oder  lagen  in   schmutzige  Lumpen  gehüllt  ein 


94 

Theil  der  Kranken  umher,  während  gegenüber  dem 
Einlange  ein  Wahnsinniger,  mit  Ketten  an  eine  Säule 
gefesselt,  gleich  einem  Hunde  an  seinen  Banden  zerr- 
te. Dahei  drang  ein  mephitischer  amoniakalischer 
Dunst  dem  Eintretenden  entgegen,  und  lies,  verbun- 
den mit  dem  Anblicke  selbst  darauf  schliessen ,  wie 
weit  man  hier  von  Bedachtnahme  auf  Erhaltung 
einer  gehörigen  Reinlichkeit  und  Ordnung  entfernt 
sey.  Die  Zahl  der  Kranken,  welche  hier  eingesperrt 
sind,  beträgt  gewöhnlich  ohngefähr  350,  und  auf  diese 
bedeutende  Zahl  sind  nur  sechzehn  Wärter  gerechnet. 
Ich  konnte  nur  die  für  die  männlichen  Kranken  be- 
stimmten Zimmer  (wenn  man  diese  leeren  Räume,  wo 
weder  Stuhl  noch  Tisch,  sondern  nur  auf  dem  viel- 
fach verunreinigten  Estrich  des  Fussbodens  hie  und 
da  hingeworfene  Strohsäcke  als  Lagerstätten  erblickt 
werden,  mit  solchem  Namen  belegen  darf)  durchge- 
hen ,  da  zu  den  weiblichen  Kranken  der  Zutritt  ver- 
weigert wurde,  aus  dem  Grunde,  „es  werde  ihnen 
eben  Messe  gelesen!!" —  Bei  einem  Lokale  solcher 
Art  nun  die  Kranken  selbst,  im  äussersten  Schmutz, 
oft  nur  zur  Hälfte  bekleidet  und  ganz  unbeschäftigt 
hie  und  da  sich  herumtreiben  oder  hingestreckt  zu 
sehen,  dort  von  ihren  Zudringlichkeiten,  hier  von 
ihren  tückischen  Gesichtern  sich  verfolgt  zu  finden, 
machte  einen  höchst  peinlichen  Eindruck.  Besonderes 
Mitleid  aber  erregte  mir  ein  melancholischer  Englän- 
der, welcher  durch,  ich  konnte  nicht  erfahren  welches 
Missgeschick  in  dieses  Inferno  gerathen  war,  und  mit 
stieren  Augen  unter  diesen  auch  noch  im  Wahnsinn 
eigenthümlichen  Physiognomieen  des  Landes  einher- 
ging. —  Endlich  werde  ich  nicht  vergessen,  durch 
welchen  Gestank  und  Schmutz  ich  zu  passiren  hatte, 
um  ein  höchst  dürftiges  Lokal  für  Bäder  zu  sehen,  -r- 
Man  dankt  dem  Himmel ,     wenn    man   das  verriegelte 


95 

Hofthor  wieder  im   Rücken  hat   nnd  sich   von   Anbli- 
cken solcher  Art  befreit  findet !  — 

Am  3.  Juni  besuchte  ich  das  Spedale  S.  Giacoino 
dei  Incurabili,  welches  sowohl  weibliche  als  männli- 
che Kranke,  auch  chirurgische  und  syphilitische  Fälle 
aufnimmt,  und  zwischen  zwei  und  dreihundert  Kranke 
gewöhnlich  verpflegt.  Prof.  Tagliabö  behandelt  die 
innern,  Prof.  Sisco  die  chirurgischen  Kranken.  Die 
Säle  sind  auf  die  gewöhnliche  Weise  für  eine  Menge 
Kranke  zugleich  bestimmt,  und  die  Betten  sogar  in 
mehrere  Reihen  nebeneinander  gestellt.  Die  Luft 
fand  ich  ziemlich  rein,  obwohl  sonst  die  Säle  nichts 
weniger  als  schön  sind.  —  Ich  begleitete  den  Prof. 
Tagliabö  auf  seinen  Visiten  und  bemerkte  eine  äus- 
serst einfache,  wenig  abwechselnde  Anordnung  von 
Mitteln.  Als  eben  vorliegende  merkwürdige  Fälle 
machte  er  unter  andern  mir  eine  Frau  mit  Bauchwas- 
sersucht bemerklich,  welche  bereits  40mal  die  Opera- 
tion der  Paracentese  ausgestanden  hatte,  vor  6  Ta- 
gen abermals  operirt  worden  war,  und  schon  von  Neu- 
em eine  ausserordentliche  Wasseransammlung  wahrneh- 
men Hess.  Ferner  ein  Mädchen  von  etwa  14  Jahren 
mit  einer  Sackwassersucht  in  der  Lebergegend,  wel- 
che durch  einen  Abscess  nach  aussen  sich  entleert 
hatte ,  so  dass  noch  jetzt  fortwährend  aus  der  Oeff- 
nung  ein  schlechtes  Eiter  ausfloss,  und  die  höchst  ab- 
gemagerte Kranke  ihrem  Ende  entgegenging.  Die 
Bandwurmkrankheit  (Bothriocephalus  latus)  soll  ziem- 
lich häufig  vorkommen.  Die  Granatbaumrinde  hatte 
sich  auch  hier  unwirksam  gezeigt.  Eben  so  erzählte 
mir  Prof.  Sisco,  dass  auch  hier  die  Fälle  von  Stein- 
krankheit sehr  häufig  vorkommen,  dass  er  bereits  in 
diesem  Jahre  in  dem  Spital  7  Operationen  dieser  Art 
gemacht  habe ,  von  welchen  nur  eine ,  und  zwar  bei 
einer  Frau,  wo  man  den  Stein  adhärirend  fand,   tödt>- 


96 

lieh  ablief.  Die  Abnahme  einer  skirrhösen  Brust  hatte 
er  mit  Nutzen  ohne  alle  Unterbindung  der  Gefässe 
verrichtet,  und  kürzlich  ein  merkwürdiges  Aneurysma 
der  Aorta  descendens,  welches  blos  durch  seinen  Druck 
getödtet  hatte,  beobachtet.  Die  Anstalt  enthält  übri- 
gens eine  wohlversehene  Apotheke,  zwei  zum  Behuf e 
der  chirurgischen  Klinik  recht  wohl  eingerichtete 
Zimmer,  und  einige  zu  Sektionen  und  anatomischen 
Präparationen  eingerichtete  Kammern,  jedoch  keine 
Sammlung  pathologischer  Präparate,  so  leicht  eine 
solche  auch  gerade  hier  anzulegen  wäre. 

Eine  Krankenanstalt  von  besonders  vorzüglicher 
äusserer  Einrichtung  ist  das  auf  dem  rechten  Ufer  der 
Tiber  gelegene  Spedale  S.  Gallicano.  Es  ist  nament- 
lich für  Aufnahme  der  an  chronischen  Hautkrankhei- 
ten Leidenden  bestimmt ;  und  es  finden  sich  desshalb 
die  Schlafstellen  sowohl  als  die  Bäder  nach  drei  Ab- 
theilungen :  Tinea ,  Lepra  und  Scabies  unterschieden. 
Fratocchi  leitet  die  chirurgische  oder  äussere  Be- 
handlung, indess  bei  innern  Krankheitszuständen,  na- 
mentlich Fiebern,  D.  Bern  ardin  i  die  Cur  dirigirt. 
Einige  Primar-Assistenten  und  Studirende ,  in  der  weib- 
lichen Abtheilung  aber  Klosterfrauen  sind  zur  beson- 
dern Aufsicht  der  Kranken  bestimmt,  so  wie  auch  ei- 
nige bejahrte  Geistliche  den  Unterricht  der  in  der  An- 
stalt oft  sehr  lange  verweilenden  kranken  Kinder  be- 
sorgen. Die  Architektur  des  ganzen  Hospitals  ist  präch- 
tig zu  nennen.  Zwei  gewaltige  Säle,  der  eine  für 
männliche,  der  andere  für  weibliche  Kranke  bestimmt, 
jeder  ohngefähr  60  schöne  eiserne  Bettgestelle  mit  guten 
Matratzen  von  den  dünnhäutigen  Hüllen  der  Maisähre 
gestopft,  enthaltend,  stossen  dergestalt  an  einander, 
dass  sie  nur  durch  eine  Kapelle  getrennt  sind,  so 
durch  grosse  Glassfenster  gegen  beide  Säle  sich  öff- 
net.  Die  Kranken  beider  Säle  sehen  auf  diese  Weise 


97 

den  Messe  lesenden  Priester  und  verrichten  in  den 
Sälen  selbst  ihre  Andacht.  —  Sehr  schön  ferner  sind 
die  mit  weissen  Marmorwannen  versehenen  Bäder, 
ein  Garten  dient  zur  Bewegung  in  freier  Luft,  grosse 
von  den  Klosterfrauen  sehr  ordentlich  gehaltene  Wäsch- 
und  Kleidermagazine  fehlen  keinesweges ,  und  so  ist 
auch  die  sehr  geräumige  Küche  und  der  grosse  zweck- 
mässig eingerichtete  Waschapparat,  alles  im  Ueber- 
fluss  mit  Zuleitungen  laufenden  Wassers  versehen  (in 
der  Küche  treibt  sogar  das  in  einer  Röhre  strömende 
Wasser  den  Bratenwender,  fiiesst  von  selbst  in  die 
Kessel  des  Heerdes  u.  s.  w.)  sehr  zu  loben.  Noch  ist 
zu  bemerken ,  dass  zur  Seite  des  Saales  für  männliche 
Kranke  eine  eigene  etwa  30  Betten  fassende  Abthei- 
lung für  die  mit  Tinea  behafteten  Knaben  besteht,  so 
wie  dass  auch  hier  eine  eigene  Apotheke  sich  befindet, 
welche  jedoch,  gleich  den  übrigen  Apotheken  der  Spi- 
täler, aus  dem  Laboratorio  von  S.  Spirito  ihre  Präpa- 
rate bezieht.  Besonders  bemerkenswerth  hat  mir  die 
seit  vielen  Jahren  hier  übliche  Behandlung  des  Kopf- 
grindes geschienen,  namentlich  deshalb,  weil  bei  die- 
ser zwar  langen,  ein  halbes  Jahr  bis  2  Jahr  Zeit  brau- 
chenden Behandlung  doch  das  Ansehen  der  Kinder  so 
blühend  und  kräftig  war ,  dass  man  eine  wohlthätige 
Einwirkung  auf  den  Gesammi-Organismus  annehmen 
durfte,  obwohl  es  keinen  Zweifel  leidet,  dass  dersel- 
be Zweck  auf  eine  kürzere  und  angemessenere  Weise 
auch  erreicht  Averden  könnte.  —  Die  Cur  wird  aber 
auf  folgende  Weise  vorgenommen:  —  denen  mit  Tinea 
behafteten  Kindern  werden  zuerst  die  kranken  Stellen 
des  Kopfes  mit  Oel  aufgeweicht  und  gereinigt,  dann 
wird  der  ganze  Kopf  geschoren  und  nun  mit  einer 
kleinen  breiten  Zange  alle  Kopfhaare  nach  und  nach 
ausgerissen.  Diese  Dienste  erweisen  sich  die  Kran- 
ken wechselseitig,    und  es  war  merkwürdig,    wie  ein 

7 


98 

solcher  kleiner  Kranke  sich  dem  andern  in  den  Schoos 
legte,  um  mit  besonderer  Fertigkeit  solchergestalt  sich 
rupfen  zu  lassen,  welches  übrigens  nicht  auf  einmal, 
sondern  stellenweis  geschieht,  bis  nach  ein  oder  zwei 
Wochen  der  ganze  Kopf  kahl  ist.  Ist  der  Kranke  so 
weit,  so  wird  von  nun  an  alle  acht  Tage  der  ge- 
sammte  vorher  behaarte  Kopftheil  scarificirt.  Auch 
diess  verrichten  die  Kranken  wechselseitig,  und  es  be- 
durfte nur  eines  Wortes  vom  Primar-Assistenten ,  um 
einen  Knaben  zu  vermögen,  diese  Operation  sich  von 
einem  andern  verrichten  zu  lassen.  Es  geschieht  diess 
in  dem  Waschzimmer ,  wo  mehrere  in  der  Wand  an- 
gebrachte Hähne  reichliches  Wasser  ergiessen,  wel- 
ches von  dem  steinernen  geneigten  Fussboden  schnell 
wieder  abläuft.  Mit  grosser  Ruhe  stellte  sich  der  Auf- 
gerufene vorwärtsgebückt  vor  den  wenig  grösseren 
Operateur ,  welcher  mit  gewetztem  kurzen  Scheer- 
messer  nun  in  grosser  Schnelligkeit  über  den  ganzen 
Kopf  eine  Menge  leichte  Schnitte  machte,  aus  denen 
ein  dickliches  Blut  reichlich  tropfenweise  hervorquoll. 
Ein  gewisser  ich  möchte  sagen  variköser  Zustand  der 
Hautgefässe  dieser  Fläche  war  übrigens  als  Ursache 
jener  chronischen  die  Tinea  bedingenden  Entzündun- 
gen unverkennbar.  —  So  lässt  man  nun  die  Scarifica- 
tionen  ausbluten,  der  Kopf  wird  fleissig  mit  frischem 
Wasser  gewaschen,  mit  Butter  bestrichen  und  mit 
einem  Stück  Thierblase  wie  mit  einer  Mütze  für  be- 
ständig bedeckt.  Selten  wird  etwas  Unguentum  oxy- 
genatum  zu  Hülfe  genommen ,  und  wenn  nun  diese 
Methode  den  Krankheitszustand  endlich  völlig  besei- 
tigt hat,  so  bildet  sich  auch  ein  sehr  gesunder  Haar- 
wuchs wieder  aus. 

Gelegentlich  hatte  ich  mich  auch  nach  dem  Vor- 
kommen des  Aussatzes  als  Lepra  oder  Elephantiasis 
erkundigt,  erfuhr  aber  durch  Morien  ini,  dass  er  in 


99 

Rom  fast  gar  nicht  mehr  gesehen  werde,  und  nur  in 
Comachio  unter  den  Fischern  eine  ihm  einigermassen 
verwandte  Hautkrankheit,  als  Schuppenkrankheit  (Ich- 
thyosis) vorkomme. 

Ich  wende  mich  nun  zu  dem  ausschliesslich  zur 
Aufnahme  von  chirurgischen  Kranken,  namentlich  für 
alle  Arten  von  Verletzungen,  bestimmten  Spedale  a 
la  Consolazione ,  welches  zwischen  dem  capitolini- 
schen  und  palatinischen  Berge  in  der  Gegend  des  al- 
ten Lacus  Curtii  gelegen,  keiner  sehr  guten  Luft  ge- 
messt und  zur  Entwickelung  der  endemischen  Fieber 
leicht  Veranlassung  giebt.  —  Die  Anstalt  besteht  in 
einem  etwas  grösseren  Gebäude  für  männliche ,  und 
einem  kleineren  für  weibliche  Kranke.  Der  ersteren 
waren  62,  der  letzteren  22  anwesend.  Das  Local  selbst 
ist  schön  und  die  Ordnung  zu  loben,  nur  fehlt  es  an 
manchen  den  Kranken  sonst  sehr  zur  Erleichterung 
gereichenden  Apparaten.  Ich  rechne  dahin  nament- 
lich die  Vorrichtungen  zum  Aufheben  der  Kranken 
und  zum  Selbstaufheben  derselben,  Vorrichtungen, 
welche  an  einer  Anstalt,  wo  so  viele  Knochenbrüche 
vorkommen,  sicher  nicht  fehlen  sollten.  —  Erster 
Wundarzt  der  Anstalt  ist  Prof.  Trasmondi,  während 
D.  Lupi  als  Arzt  für  innere  Krankheitszustände  an- 
gestellt ist,  und  ausserdem  4  Assistenten,  so  wie  8  als 
Praktikanten  angesehene  und  auch  in  der  Anstalt  woh- 
nende Studirende,  nebst  6  Wärtern  und  Wärterinnen, 
zum  Dienste  der  Kranken  bestimmt  sind.  Dass  die 
alte  Neigung  zur  Selbsthülfe  bei  den  Römern  noch 
nicht  erloschen  ist ,  bewiesen  vier  damals  vorhandene 
Kranke,  welche  durch  Messerstiche  mehr  oder  weni- 
ger gefährlich  verletzt  waren.  Ein  merkwürdiger  Fall 
von  anhaltendem  Tetanus  durch  den  Bruch  eines  Fin» 
gergliedes  veranlasst,  war  kürzlich  vorgekommen,  wo 


100 

die   Heilung   durch  Amputation    des    Fingers,     Opium 
und  Bäder  erreicht  worden  war. 

Die  letzte  der  von  mir  besuchten  römischen  Kran- 
kenanstalten war  das  Spedale  S.  Giovanni,  welches 
blos  zur  Aufnahme  weihlicher  Kranken  bestimmt  ist 
und  ebenfalls  zwei  Häuser  begreift.  Es  ist  dieses  ei- 
nes der  ältesten  hiesigen  Spitäler ,  und  eine  Menge 
Inschriften  und  Wappen  zeigen  in  dem  grossen  Saale, 
in  welchen  man  zuerst  eintritt ,  die  zu  verschiedenen 
Zeiten  demselben  gemachten  Schenkungen  an.  Dr. 
Mucchielli  und  D.  Testa  sind  die  Aerzte,  D.  Le- 
on ardi  der  Wundarzt  des  Spitals,  ein  Marchese  del 
Drago  ist  mit  der  Direction  der  Verwaltung  beauf- 
tragt. Die  Zahl  der  Anwesenden  soll  ohngefähr  50 
chronische  und  100  Fieberkranke  betragen ,  indess  be- 
finden sich  unter  den  letztern  auch  noch  viele,  mehr 
zu  den  chronischen  Uebeln  zu  rechnende  Fälle.  Zwei 
obere  und  zwei  untere  Assistenten,  nebst  4  Prakti- 
kanten aus  den  Studirenden  finden  sich  auch  hier  zum 
Dienste  der  Kranken  geordnet.  Ausserdem  verweilte 
in  jedem  Saale  unter  den  Wärterinnen  eine  Nonne, 
welche  zugleich  zur  Ausübung  der  niedern  chirurgi- 
schen Hülfsleistungen  bis  zum  Aderlassen  unterrichtet 
ist.  Alle  6  Stunden  erfolgt  das  Ablösen  der  Wachha- 
benden. —  Die  Säle '  sind  hoch  und  sehr  geräumig. 
Einige  derselben  stehen  immer  leer,  um  Wechseln 
derselben  für  die  Kranken  möglich  zu  machen,  wor- 
auf die  geräumten  dann  sorgfältig  gereinigt  werden. 
Die  Hektischen,  so  wie  die  Kranken  mit  anstecken- 
den Fiebern  werden  abgesondert;  dass  sie  indess  dann 
nicht  immer  sehr  sorgfältig  gepflegt  sind,  bewies  mir 
eine  mit  Petechien  behaftete  irreredende  Tvphuskran- 
ke ,  welche  wir  ganz  allein  fanden.  Die  Pocken  sind 
auch  hier  wieder  bemerkt  worden,  ja  bei  einer  im 
Stadio  des  Ausbruchs  Verstorbenen  wollte  man   sogar 


101 

(leren  im  Darmkanale  beobachtet  haben.  —  Die  herge- 
brachte Ordnung  führt  es  übrigens  mit  sich,  dass, 
nachdem  die  Kranken  gegen  11  Uhr  ihr  Mittagessen 
erhalten  haben  ,  die  Fensterläden  geschlossen  und  die 
Säle  verdunkelt  werden,  bis  gegen  5  Uhr,  nach  vor- 
übergegangener Zeit  der  Sieste  ,  man  sie  wieder  er- 
öffnet. 

Wende  ich  mich  nun  zu  andern  Gegenständen  der 
Natur-  und  Heilkunde,  so  ist  zuerst  wieder  der  Ein- 
richtung des  Apothekerwesens  zu  gedenken.  Auch 
hier  ist  die  Menge  der  Apotheken  sehr  gross ;  in  Rom 
allein  sind  54  Apotheken  ,  ausserdem  dass  nicht  nur 
die  Spitäler,  sondern  auch  mehrere  Klöster  ihre  ei- 
genen Apotheken  haben  und  ungescheut  Arzneyen  aus- 
geben *).  Von  besonderer  medicinischer  Polizei  ist 
überhaupt  nicht  die  Rede,  denn  bestände  nur  einige 
mit  executiver  Gewalt  versehene  Aufsicht  dieser  Art, 
so  würde  das  Begraben  in  den  Kirchen,  welches  man- 
chen Antheil  an  Erzeugung  der  verrufenen  Aria  catti- 
va  haben  mag,  sicher  nicht  Statt  finden,  um  so  mehr, 
da  hier  nicht  bloss  vom  Beisetzen  in  Erbbegräbnissen 
die  Rede  ist,  sondern  in  den  meisten  Kirchen  sich 
grosse  unterirdische  Gewölbe  finden,  durch  deren 
Decke,  mittelst  einer  mit  einer  Steinplatte  im  Fuss- 
boden  der  Kirche  zu  verschliessenden  Oeffnung,  die 
Leichen  geringerer  Personen  geradezu  hinuntergelas- 
sen oder  gestürzt  werden.  —  Zwar  hatte  man  zur  Zeit 
des  französischen  Gouvernements  ein  Campo  santo 
(Kirchhof)  ausserhalb  der  Stadt  angelegt,  allein  nur 
gezwungen   wurde    es   benutzt ,    und    alsbald   nach  der 


*)  Nur  das  Verkaufen  der  Gifte  ist  untersagt,  und  selbst  als 
ich  nach  einem  Recept  Arsenicum  album  zum  Ausstreuen  einer 
abgezogenen  Thierhaut  verlangen  Hess,  wurde  der  Verkauf  ver- 
weigert. 


102 

Wiederherstellung  der  alten  Herrschaft  kehrte  man 
zum  Begraben  in  den  Kirchen  zurück.  —  Merkwürdig 
ist  auch  die  Ordnung  oder  vielmehr  Unordnung,  wel- 
che bei  den  Preisbestimmungen  der  Arzneymittel  Statt 
rindet,  da  es  ganz  gewöhnlich  ist,  dass  ein  Apotheker 
eine  sehr  hochangesetzte  Rechnung  giebt,  und  dann  es 
sich  gefallen  lässt,  dass  man  ^  ja  -3-  davon  abhandelt. 
Man  sagte  mir,  dass  sogar  bei  der  Apothekertaxe, 
welche  öfters  erneuert  wird,  auf  dieses  Abhandeln  vom 
Preise  Rücksicht  genommen  sei,  weshalb  die  Preise 
höher  als  verhältnissmässig  nach  den  Waarenpreisen 
im  Handel  allein  gestellt  werden.  Es  liegt  mir  die 
übrigens  noch  eine  Menge  obsoleter  Dinge  enthaltende 
Taxe  vom  J.  1820  vor,  welche  den  Titel  führt:  Ta- 
riffa  de'  prezzi  costituiti  alli  medicinali  e  robe  di  Spe- 
zeria  fuori  di  Roma ,  e  suo  distretto,  dal  Protomedico 
e  suoi  consiglieri  avanti  l'eminentissimo  e  reverendis- 
simo  signor  Cardinal  Bartolomeo  Pacca,  Camer- 
lengo di  santa  chiesa.  Hiernach  sollen  sich  bei  20 
Scudi  Strafe  alle  Apotheker  richten,  und  bei  10  Scudi 
Strafe  diesen  Tarif  in  ihren  Officinen  vorräthig  haben. 
Es  scheint  mir  nicht  uninteressant  die  Preise  ei- 
niger Arzneymittel  nach  dieser  Taxe  mit  den  Preisen 
nach  unserer  Taxe  zu  vergleichen,  woraus  sich  erge- 
ben wird,  dass  allerdings  die  mehrcsten  Mittel  dort 
bedeutend  theurer  angesetzt  sind  (zumal  wenn  man 
das  kleinere  Gewicht  berücksichtigt),  dass  jedoch  keine 
völlige  Consequenz  besteht,  da  einige  auch  wieder 
offenbar  wohlfeiler  gestellt  sind. 


103 


Acetum  rosarum 
—     scilliticum 
Alumen  ustum 
Aloe  soccotarina 
Aqua  Rabelii 
Asa  foetida 
Extractum  aconiti 

—       rhei 
Galbanum 
Gummi  arabicum  pul- 

veratum 
Cortex  Chinae  rubrae 

pulveratus 
Liehen  Island,  electus 
Mercurius  vivus  depu- 

ratus 
Mercurius  praeeipita- 

tus  albus 

*)  Das  B  und  Q  bedeu 
macht,  dahingegen  5  Quat 

äs 

9 

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che  Taxe  1823. 

Pfen-  1  ^  *n  aer  ^chs. 

. 1  oder  Römischen 

n,Se'  |       theurer? 

ZK 

gl  5ö      50      53  ^     '50      5d5ö5d5ö5J5ö5ö5«cy! 

»    o:         o:         O:  £:         ©•"         ©•"  o:  ©:  o:  O:  ©:  o:  £:  CS 

E5        S        B   ET       »        B53t:B5SS:tsi3-cr 

50 

104 

Uebrigens  ist  die  Behandlungsweise  der  römi- 
schen Aerzte  in  der  Regel  sehr  einfach  und  nicht  von 
der  Art,  dem  Apotheker  die  Bereitung  sehr  compli- 
cirter  Mittel  zuzumuthen.  Limonaden,  Eiswasser,  Ge- 
frornes verschiedener  Art,  etwas  Ricinus-  oder  Man- 
delöl, Blutlassen  und  China,  diess  ist  so  ziemlich 
der  Heilapparat,  mit  welchem  die  meisten  Krankheiten 
bekämpft,  und  grossentheils  glücklich  bekämpft  wer- 
den.—  Selbst  Krankheiten,  welche  wir  mit  stark  küh- 
lenden Dingen  nicht  leicht  zu  behandeln  pflegen,  wie 
Diarrhöen ,  Coliken  u.  dergl. ,  vertragen  nicht  nur  die 
Limonaden  und  Sorbetti  gut,  sondern  werden  dadurch 
gewöhnlich  bald  gebessert.  Ein  Mittel,  welches  bei 
chronischen  Zuständen,  namentlich  in  Rom,  noch  häu- 
fig angewendet  zu  werden  pflegt,  ist  das  Decoct  von 
Vipern.  Man  lässt  etwa  31J  bis  5ÜJ&  des  frischen  Vi- 
pernfleisches *)  auf  5VJ  bis  5VÜJ  Wasser-Rückstand 
kochen  und  allein  oder  mit  Kräuter  Zusätzen  vermischt 
täglich  verbrauchen.  Dieses  Dekokt  macht,  nach  Mo- 
richini's  Versicherung,  bei  gelähmten  Zuständen, 
chronischen  Hautübeln  u.  dergl.  sehr  gute  Wirkung. 
—  Dass  die  stehende  Krankheitsform  von  Rom  die 
Wechselfieber  seien,  ist  eine  bekannte  Sache,  obwohl 
die  Entstehung  derselben  und  namentlich  der  Ausbruch 
oft  so  sehr  heftiger  Epidemieen  **)  dieser  Art  gerade 
in  den  trockensten  warmen  Sommermonaten  viel 
Räthselhaftes  hat,  um  so  mehr,  da  der  Boden  des  jet- 
zigen Roms  und  seiner  nächsten  Umgebungen  nicht 
eigentlich  sumpfig  genannt  werden  kann,  und  sonach 
mehr  auf  die,  in  dem  Aufsatze  über  die  vulkanischen 


*)  Vom  getrockneten  ist  etwas  mehr  zu  nehmen. 

**)  Nach  Valentin  (s.  Heusingers  Zeitschrift  f.  organ. 
Physik  Bd.  I.  S.  552)   dürfte   man  die  Zahl  der  auf  der  ganzen" 
Westküste  Italiens  durch  solche  Fieber  Verstorbenen  auf  60,000 
jahrlich  berechnen. 


105 

Gegenden  Italiens  angedeutete,  ehemalige  Beschaffen- 
heit desselben  und  die  eigenthümliche  Natur  des  aus 
Meeressand  und  vulkanischen  Aschen  gemischten  Bo- 
dens Rücksicht  genommen  werden  muss,  von  welchen 
sich  vielleicht  auch  die  Ausströmungen  von  gekohltem 
Wasserstoffgas  aus  dem  Boden,  welche  Gonel  beob- 
achtet haben  will,  und  denen  er  wesentlichen  Antheil 
an  Entstehung  dieser  Miasmen  zuschreibt ,  herleiten 
liesse. —  Merkwürdig  bleibt  es  indess,  dass  aus  äl- 
teren Zeiten,  wo  gerade  die  Versumpfung,  sogar  in 
Rom's  Umfange,  stärker  gewesen  ist,  keine  Kenntniss 
von  so  bestimmtem  endemischen  Fiebercharakter  uns 
zugekommen  ist,  als  Avovon  die  Ursache  gewiss  weni- 
ger mit  Lancisi  im  Niederhauen  der  heiligen  Wäl- 
der angenommen  werden  kann,  dahingegen  Beachtung 
verdient,  was  in  dem  Discorso  sulla  condizione  dell' 
aria  di  Roma  negli  antichi  tempi  (Brocchi  sull  stato 
fisico  del  suolo  di  Roma  p.  215)  angeführt  wird.'  Es 
ist  hier  nämlich  bemerklich  gemacht,  wie  wichtig  für 
die  Erhaltung  der  Gesundheit  beiden  Alten  ihre  wol- 
lene.Kleidung  gewesen  sei,  als  wodurch  der  Kör- 
per gegen  die  häufigen,  gerade  in  diesem  wärmeren 
Clirna  so  leicht  möglichen  Erkältungen  am  meisten  ge- 
sichert wurde,  eine  Bekleidung,  welche  auch  jetzt 
noch  von  vorsichtigen  Fremden,  welche  längere  Zeit 
in  Rom  leben  (insbesondere  an  den  Füssen)  nicht  ver- 
absäumt wird,  und  durch  welche  auch  erklärlich  wird, 
warum  unter  den  Klostergeistlichen ,  welchen  stätes 
Tragen  wollener  Kutten  zur  Pflicht  gemacht  ist,  diese 
Fieber  weniger  herrschen  *).  —    Die    Zeit,    in  welche 


*)  Manche  interessante  Bemerkungen  über  diese  Fieber  fin- 
den sich  übrigens  noch  in  Bailly  traite  anatomico-pathologique 
des  fievres  intermittentes.  Im  Auszuge  in  Heusinger's  Zeit- 
schrift f.  org.  Physik  I.  Bd,  S.  528. 


106 

unser  dreiwöchentlicher  Aufenthalt  zu  Rom  fiel  (Ende 
Mai  und  Anfang  Juni),  wird,  nächst  der  zweiten  Hälfte 
des  Decembers  ,  für  eine  der  gesündesten  gehalten; 
dessenungeachtet  war  die  Hitze  schon  bedeutend.  Den 
3.  Juni  Nachmittags  4^  Uhr  war  ein  sehr  genaues 
Reisethermometer  noch  im  Schatten  22  °  R. ,  den  4. 
Juni  Mittags  i\  Uhr  im  Schatten  24°.  —  Dabei  die 
Luft  sehr  mild  und  die  Abende  von  ausserordentlicher 
Schönheit  —  Es  ist  auch  mir  sehr  wahrscheinlich, 
was  Clark  (über  Südeuropa  in  climatischer  Hinsicht 
deutsch  von  Fischer,  Hamm  1826.  p.  22)  von  dem 
römischen  Clima  behauptet,  nämlich  dass  es  für 
Schwindsüchtige,  namentlich  der  ausnehmend  schönen 
und  milden  Wintermonate  wegen ,  besonders  empfoh- 
len zu  werden  verdiene ,  und  selbst  der  Anblick  der 
kräftigen  wohlgebauten  Gestalten  der  Römer  und  ins- 
besondere der  Römerinnen  scheint  einen  Beleg  mehr 
hierfür  abzugeben.  —  In  Wahrheit  unterscheidet  sich 
der  hiesige  Menschenschlag  sehr  von  dem  schwächli- 
chen und  ich  möchte  sagen  nervösen  Charakter  der 
Florentiner,  und  hinsichtlich  der  Frauen  wurde  es  mir 
als  eine  allgemeine  Erfahrung  dargestellt,  dass  sie 
nach  mehreren  Wochenbetten  und  dem  gewöhnlich  1| 
bis  2  Jahr  und  länger  fortgesetzten  Stillen,  anstatt  zu 
veralten  und  abzumagern,  immer  völliger  und  stärker 
würden. 

Es  ist  jetzt  noch  nachzutragen ,  was  ich  über  die 
physikalischen  und  naturwissenschaftlichen  Sammlun- 
gen auf  dem  Universitätsgebäude  mir  aufgezeichnet 
habe.  Zuerst  gedenke  ich  des  zoologischen  Cabinets, 
welches  Prof.  Metaxa  vielfältig  bereichert  und  auf 
zweckmässige  Weise  aufgestellt  hat.  Derselbe  hat 
sich  namentlich  mit  Untersuchung  der  Schlangen  in 
der  Campagna  von  Rom  beschäftigt ,  und  er  hatte  die 
Gefälligkeit   die   dort   vorkommenden  und  hier  zusam- 


107 

mengestellten  Arten  mir  selbst  vorzuzeigen.  Es  wa- 
ren nach  seiner  Bestimmung:**)  Coluber  quadrilinea- 
tus  (sie  wird  am  grössten,  ist  dabei  etwas  träger  als 
die  übrigen,  und  es  gelang  mir,  ein  ziemlich  grosses 
42"  langes  Exemplar  dieser  Art  mit  nach  Dresden  zu 
führen,  wo  es  jetzt,  nach  6  Monaten,'  noch  lebt.) 
Colub.  atrovirens  (die  häufigste,  ist  sehr  lebhaft  und 
bissig,  obwohl  nicht  giftig ;  ein  lebendes  Exemplar 
derselben  starb  mir  auf  der   Reise).     Colub.   Aescula- 


*)  Eine  kleine  Abhandlung  desselben :  Monografia  de*  ser- 
pentrdi  Roma  e  suoi  contorni.  Roma  1823.  enthält  hierüber  man- 
che dankenswerthe  Bemerkung.  Ich  gedenke  hierbei  zugleich 
einer  andern  Abhandlung  desselben  Verfassers  über  die  Heu- 
schrecken der  römischen  Gegend,  welche  erschien  unter  dem 
Titel:  Osservazioni  naturali  intorno  alle  cavalette  nocive  della 
campagna  Romana.  Roma  1825.  Es  werden  hier  nicht  nur  die 
verschiedenen  Invasionen  dieser  Gegend  geschichtlich  aufgeführt, 
sondern  es  wird  auch  nachgewiesen,  wie  irrigerweise  man  seit 
Plinius  angenommen  habe,  dass  diese  Heuschreckenschwärme 
von  Afrika  herüberkämen,  da  sie  doch  vielmehr,  ohngefähr  gleich 
den  Maikäfern  in  Deutschland,  sich  nur  zu  gewissen  Zeiten  mit 
einemmale  in  ungeheurer  Menge  an  gewissen  Orten  entwickeln. 
Die  Jahre,  welche  durch  diese  Landplage  um  Rom  sich  in  den 
letztern  Jahrhunderten  vorzüglich  ausgezeichnet  haben ,  sind : 
1577,  1612,  1653  bis  55,  worauf  dann  1656  die  Pest  folgte, 
1637,  1717,  1807,  1815,  1321.  Die  Thiere  der  letztern  Invasion, 
welche  der  Verf.  als  Acrydium  italicum  bestimmt  (obwohl  wahr- 
scheinlich mehrere  Species  dahin  gehören)  machen  den  Gegen- 
stand dieser  Abhandlung. 

Endlich  hat  Prof  Metaxa  als  Lehrer  der  Veterinärkunde, 
und  oftmals  mit  Untersuchung  von  Epizootien  beauftragt,  auch 
über  hierhin  gehörige  Gegenstände  manche  interessante  Bemer- 
kung gesammelt.  Merkwürdig  war  mir  vorzüglich  seine  Behaup- 
tung, dass  die  Büffel  (Bos  bubalus),  diese  aus  den  heissen  Ge- 
genden Indiens  und  Africa's  in  Italien  acclimatisirten  wasserlie- 
benden Thiere  nicht  der  Ansteckung  durch  die  Rinderpest  aus- 
gesetzt seyen,  wohl  aber  häufig  an  Anthrax  und  eigenthüml Lehen 
Drüsenübeln  litten. 


108 

pii,  C.  viperinus,  C.  natrix  (scheint  doch  auch  von 
der  unsrigen  noch  verschieden).  C.  gabinus  (Metaxa), 
C.  Riccioli  (Metaxa) ,  C.  Austriacus  (selten  und  klein). 
Von  dem  Genus  Vipera  kommen  berus ,  aspis,  Redi, 
chersea  vor,  und  werden  gleichmässig  alle  zum  Arz- 
neygebrauch  Verwendet.  Von  Gekonen  ist  der  Fasci- 
cularis  der  häufigste,  und  es  werden  ihm  gemeinhin 
giftige  Eigenschaften  zugeschrieben.  Von  Schildkröten 
kömmt  Testudo  graeca  am  häufigsten  vor.  —  Unter 
den  im  Meere  an  römischen  Küsten  gefangenen  und 
gesammelten  Fischen  interessirte  mich  besonders  die 
sonst  nur  bei  den  Antillen  vorkommende,  aber  diess 
Jahr  hier  gefangene  Raja  cephaloptera,  von  welcher 
indess  nur  der  ziemlich  1  Fuss  breite  Kopf  aufbewahrt 
worden  war. 

Mit  nicht  minderer  Gefälligkeit  als  Pr.  Metaxa 
die  naturhistorische,  zeigten  mir  Prof.  Barlocci*)  die 
physikalische,  Prof.  Carpi  die  mineralogische,  und 
Peretti  die  pharmaceutische  Sammlung.  —  Das  phy- 
sikalische Cabinet  ist  mit  Instrumenten  ziemlich  reich- 
lich ausgerüstet  und  man  zeigte  mir  bei  dieser  Gele- 
genheit als  mittleren  Barometerstand  von  Rom  die  Hö- 
he von  28",  als  mittlere  Abweichung  der  Magnetnadel 
17f  ° ,  als  mittlere  Inclination  derselben  58y  °  an.  — 
Von  besonderem  Interesse  war  für  mich  das  minera- 
logische Cabinet,  da  es  ausser  einer  nach  Hauy  ge- 
ordneten, sehr  zweckmässig  und  ziemlich  vollständig 
(wenn  auch  meistens  nur  in  kleineren  Exemplaren) 
aufgestellten  oryktognostischen  Sammlung,  sehr  merk- 
würdige geognostische  Folgereihen  der  fossilen  Pro- 
ducte  des  Bodens  in  der  Umgegend  von  Rom  enthielt: 


*)  Es  hat  sich  derselbe  neuerlich  viel  mit  dem  Elektro-Mag- 
netismus  beschäftigt,  worüber  man  seine  Schrift  sehe:  Saggio  di 
Elcttio-Magnetismo.  Roma  1826.  8. 


109 

Folgereihen,  welche  namentlich  für  die  Ausarbeitung 
des  angeführten  freilich  immer  noch  sehr  unzulängli- 
chen Werkes  von  Brocchi  über  den  Boden  von 
Rom  die  Materialien  geliefert  haben.  Die  grosse  Man-, 
nichfaltigkeit  der  vulkanischen  Produkte  (zu  welchen 
auch  die  schönen  Melaniten  von  Frascati,  so  wie 
eine  vom  Prof.  Carpi  neuerlich  unter  dem  Namen 
Gismundina  oder  Abrazites  beschriebene,  und  bei  Tre 
fontane  vorkommende  Lavenart  *)  gehört) ,  so  wie  die 
Reihen  verschiedener,  mehr  calcinirter  als  versteiner- 
ter, fossiler  tConchylien,  verdienen  ein  ausführliches 
Studium. 

Auch  das  pharmaceutische  Cabinet  habe  ich  dem 
neuern  Stande  der  Wissenschaft  entsprechend  gefun- 
den und  mit  Interesse  die  vom  Prof.  Peretti  gezoge- 
nen Resultate  der  Untersuchung  mehrerer  arzneylicher 
und  Farbesubstanzen  erfahren.  Es  hat  derselbe  na- 
mentlich eine  ausführliche  Arbeit  über  die  Bestand- 
teile der  Rhabarber  unternommen,  und  aus  derselben 
insbesondere  das  Harz ,  als  den  eigentlich  abführend 
wirkenden  Bestandtheil,  sehr  rein  dargestellt.  Was 
die  Natur  der  vegetabilischen  Farbestoffe  betrifft,  na- 
mentlich derjenigen,  welche,  wie  Lackmus,  durch 
Säuren  und  Alkalien  geändert  werden,  so  hielt  er, 
nach  Beobachtungen  über  Einwirkungen  der  galvani- 
schen Säule  auf  jene  Flüssigkeiten,  dafür,  dass  eine 
durch  Alkalien  neutralisirte  Säure  das  eigentliche  fär- 
bende Princip  derselben  ausmache  **). 

Ich  wende  mich  nun  zu  den  Bemerkungen,  welche 


*)  Die  Bestandteile  derselben  sind:  Kieselerde  41,  Kalk  48 
Theile,  ausserdem  Thon-  und  Talkerde  und  etwas  Eisen. 

**)  Peretti  hat  von  diesen  Untersuchungen  eine  Notiz  gev 
geben  in  einer  gedruckten  Lettera  diretta  alli  Signori  Redattori 
del  Giornale  di  farmacia  di  Parigi. 


110 

in  hier  zu  beachtenden  Beziehungen  über  Neapel, 
während  eines  leider  nur  vierzehntägigen,  noch  dazu 
von  mehreren  Excursionen  unterbrochenen  Aufenthal- 
tes aufgezeichnet  wurden.  Auch  in  Neapel  besteht  eine 
Universität,  in  welcher  jährlich  ein  achtmonatlicher 
Cursus  in  den  vier  Facultäten  gelesen  werden  soll 
(obwohl  in  Wahrheit  wenig  Collegia  wirklich  gelesen 
werden),  während  die  Zeit  vom  Ende  Juni  bis  Mitte 
.November  den  Ferien  bestimmt  ist.  Nach  dem  Le- 
ctionskatalog  sollten  damals  lesen:  Tondi  über  Ory- 
ktognosie  und  Oreognosie,  Scotti  über  die  Fieber, 
Ferrara  über  Geschichte  der  Medicin,  Santoro, 
Mancini,  Boccanera  und  de  Horatiis  über  Chi- 
rurgie, Briganti  und  Macri  über  Arzneimittellehre, 
Monticelli  (bekannt  durch  seine  Beobachtungen  und 
Sammlungen  über  den  Vesuv  und  die  vulkanische  Um- 
gegend Neapels  überhaupt)  Anthropologie,  de  Furno 
Toxicologie ,  N  a  z  a  r  i  u  s  über  des  Hippokrates  Apho- 
rismen, Ruggiero  über  Pathologie,  Prof.  Quadri 
( dessen  Klinik  für  Augenkranke  *)  in  grosser  Achtung 
steht)  über  Augenkrankheiten,  Sementini  und  Lan- 
cellotti  über  Chemie,  Prof.  Antonucci  über  Thera- 
pie (hält  zugleich  das  Klinikum  für  innere  Krankhei- 
ten), Pinto  und  Folinea  über  Anatomie,  Prof.  Cat- 
tolica  über  Geburtshülfe ,  Prof.  Gambale  über  Ex- 
perimental-Physik,  Prof.  Tenore,  Director  des  schö- 
nen botanischen  Gartens,  über  Botanik,  Prof.  Pe- 
tagna  über  Zoologie  (nach  Linne!).  Ausserdem  ge- 
hören der  Leibmedicus  Dr.  Ronchi  und  mehrere  ad- 
jungirte    Professoren    der    niedicinischen    Facultät    an. 


*)  INI.  s.  hierüber  Annotazioni  pratiche  sulle  malattie  degli 
occhi  racc.  e  ord.  da  GB.  Quadri  nella  R.  scuola  clinica  di  Na- 
poli.  Vol.  I.  Nap.  1819,  dem  späterhin  noch  mehrere  Bände  ge- 
folgt sind. 


111 

Der  Ort,  wo  das  therapeutische,  chirurgische,  ge- 
burtshülfliche  und  ophthalmologische  Klinikum  gehal- 
ten werden,  ist  das  Spedale  dei  Incurabili,  mit  wel- 
chem noch  ein  eigenes  medicinisch-chirurgisches  Col- 
legium  verbunden  ist,  worin  gegen  30  bis  40  Studenten 
Wohnung  und  Kost  gegen  den  sehr  geringen  monatli- 
chen Beitrag  von  10,  ja  selbst  nur  von  5  Ducati  (1  Du- 
cato  =s=  1  Thlr.  3  Gr.  3  Pf.)  gemessen,  und- dabei  zu- 
gleich ihre  Vorlesungen  hören  und  ihre  Studien  so 
weit  vollenden,  dass  sie  zu  Doctoren  promovirt  wer- 
den können,  jedoch  während  der  Studien  sich  in  dem 
Collegio  wie  in  einem  Kloster  eingeschlossen  finden 
und  es  ohne  besondere  Erlaubniss  nicht  verlassen  dür- 
fen. Was  das  Spital  selbst  betrifft,  so  ist  es  von 
grossem  Umfange  und  grösstenteils  sehr  vortheilhaf- 
ter  Einrichtung.  Gewöhnlich  werden  hier  gegen  1000 
Kranke  auf  einmal  verpflegt,  und  ausserdem  wird  es 
vielen  Kranken,  welche  sich,  da  die  Anstalt  eines 
grossen  Zutrauens  geniesst,  dorthin  wenden  um  blos 
einen  ärztlichen  Rath  zu  verlangen,  nützlich.  Auch 
hier  sind  die  Kranken  in  grosse  meist  gewölbte 
Säle  vereinigt,  in  welchen  gewöhnlich  ein  oder  zwei 
steinerne  Vasen  zum  Anzünden  von  etwas  Räucher- 
werk befindlich  sind.  Die  Krankheiten  sind  übrigens 
keinesweges  gesondert ,  und  chronische  und  fieberhafte 
Kranke  jeder  Art,  einzig  und  allein  mit  Ausnahme  der 
Phthisischen,  welche  in  besondere  Säle  vereinigt  sind, 
liegen  hier  neben  einander.  - —  Merkwürdig  ist  das  sehr 
häufige  Vorkommen  der  Steinkrankheit,  und  zwar  na- 
mentlich auch  bei  Kindern  sogar  schon  im  vierten 
Jahre.  Ich  selbst  fand  dort  einen  Knaben  von  6  Jah- 
ren vor,  welcher  vor  kurzem  durch  den  Seitenschnitt 
von  einem  ziemlich  grossen  Steine  befreit  worden  und 
wo  die  Operationswunde  bereits  grösstentheils  geheilt 
war.    Ueber  die  Ursachen  dieser  häufigen  Steinerzeu- 


112 

gung  scheinen  auch  die  dortigen  Aerzte  nicht  im  Reinen 
zu  sein,  doch  sind  sie  nicht  abgeneigt,  einengrossen 
Antheil  hiervon  der  groben  Nahrung  und  dem  Genüsse 
von  vielem  Käse  insbesondere,  so  wie  der  hieraus  sich 
entwickelnden  Scrophelkrankheit  zuzuschreiben.  Kran- 
ke dieser  Art  werden  übrigens,  namentlich  im  Mai  und 
Oktober,  zur  Operation  aufgenommen.  —  Das  Spital, 
wie  es  im  Allgemeinen  zur  Aufnahme  von  Kranken 
jedes  Geschlechts  und  Alters  bestimmt  ist,  hat  auch 
eine  eigene  Abtheilung  kleinerer,  jedoch  weniger  or- 
dentlich gehaltener  Zimmer  für  Schwangere  und  Ge- 
bärende, in  welchen  gewöhnlich  ohngefähr  30  Betten 
besetzt  sind.  —  Abschreckend  hing  gleich  im  ersten 
Zimmer  dieser  Reihe  das  in  Oel  gemalte  lebens- 
grosse  Bild  einer  nackt  dargestellten,  höchst  verkrüp- 
pelten rhachitischen  Schwangern ,  an  welcher  der  Kai- 
serschnitt, jedoch  mit  tödtlichem  Ausgange  für  sie 
selbst  verrichtet  worden  war.  Neuerlich  war  auch  der 
Schamfugenschnitt  zweimal  gemacht  worden.  —  Ein 
kleiner  zwischen  den  Gebäuden  des  Krankenhauses 
eingeschlossener  botanischer  Garten  verdient  kaum 
erwähnt  zu  werden. 

Die  übrigen  Krankenhäuser  der  Stadt  genauer 
kennen  zu  lernen,  hinderte  mich  die  Kürze  der  Zeit, 
und  ich  musste  zufrieden  sein ,  dass  sich  ein  Tag  aus- 
mitteln  Hess,  um  mit  Dr.  Vulpes,  einem  sehr  unter- 
richteten und  gefälligen  Arzte*),    die  Fahrt  nach  dem 


*)  Er  ist  Profess.  an  dem  bereits  erwähnten  Collegio  med.- 
chir.  und  unter  Dr.  Ronchi  besorgender  Arzt  des  Irrenhauses 
zu  Aversa.  Es  sind  von  ihm:  „ Institutiones  pathologicae  in 
usuni  regii  Ephebei  medici  atque  chirurgici  (latine  redditae  a 
Dom.  Minichini)  zu  Neapel  1820  erschienen,  desgleichen  ein 
Discorso  per  la  solenne  inaugurazione  del  busto  in  marmo  di 
Dom.  Cotugno.  Nap.  1824.,  -worin  das  Leben  und  die  Ver- 
dienste dieses  ausgezeichneten  Arztes  geschildert  «erden. 


113 

eine  Poststation  entfernten  Aversa  (dem  Atella  der  Al- 
ten) zu  machen,  wohin  mich  der  Ruf  der  daselbst  be- 
stehenden Irrenanstalt  zog,  als  welche  mich  um  so 
mehr  interessiren  musste,  da  so  verschiedene  Urtheile 
über  dieselbe  mir  vorgekommen  waren. 

Es  zerfällt  aber  diese  Anstalt  in  drei  Abtheilun- 
gen, von  welchen  die  eine,  innerhalb  der  Stadt  in  ei- 
nem ehemaligen  Kloster  befindliche  die  Frauen  ent- 
hält, während  eine  zweite,  nahe  vor  der  Stadt  gele- 
gene den  männlichen  Kranken  bestimmt  ist  und  die 
Abtheilung  ausmacht,  welche  als  die  äusserlich  am 
meisten  verschönerte ,  den  Fremden  in  der  Regel  al- 
lein gezeigt  zu  werden  pflegt.  Die  dritte  Abtheilung 
ist  den  Epileptischen  und  Unheilbaren  angewiesen, 
liegt  mehrere  Miglien  von  der  Stadt  entfernt,  und  hier- 
hin geführt  zu  werden  wurde  auch  mir  verweigert.  — 
Man  scheint  übrigens  das  Unzweckmässige  einer  sol- 
chen Zersplitterung  und  der  so  weiten  Entfernung  von 
der  Hauptstadt,  aus  welcher  der  eigentliche  Arzt  nur 
etwa  zweimal  Avöchentlich  hinauskommt,  sehr  zu  füh- 
len, und  es  ist  nach  einer  Aeusserung  des  Dr.  Vul- 
pes  im  Werke,  in  Neapel  selbst  eine  grosse  Irren- 
anstalt einzurichten  und  dann  die  von  Aversa  ganz 
aufzuheben.  —  Die  jetzt  noch  seit  dem  Jahre  1813  be- 
stehende Einrichtung  rührt  namentlich  von  dem  nun 
auch  verstorbenen  Cav.  Linguiti  her,  welcher,  ohne 
selbst  Arzt  zu  sein,  die  Anwendung  einer  mehr  psy- 
chischen Behandlung  einführen  wollte ,  und  insbesondre 
auf  die  Heilkraft  der  Musik  einen  grossen  Werth 
legte.  —  Versuche  ich  nun  zusammenzustellen,  wie 
mir  diese  Anstalt  erschienen,  so  muss  ich  immer  der 
männlichen  Abtheilung  (Casa  della  Maddalena)  das 
Lob  ertheilen,  sie  als  eine  der  am  besten  gehaltenen, 
reinlichsten  und  ihrem  Lokale  nach  angemessensten 
Irrenanstalten  Italiens  gefunden  zu  haben.    Schon  von 

8 


114 

aussen  machen  die  von  Gärten  umgebenen  Gebäude 
einen  angenehmen  Eindruck ,  und  wenn  man  statt  der 
gewöhnlichen  Eisengitter  vor  den  Fenstern  buntge- 
malte ,  von  dickem  Eisenblech  ausgeschnittene  Blumen- 
töpfe und  Blumen  angebracht  hat,  um  einen  noch 
freundlichem  Eindruck  zu  gewähren,  so  ist  nur  zu 
bedauern,  dass  die  Eingesperrten  selbst  von  Innen 
nichts  als  das  schwarze  Eisen  gewahr  werden,  wäh- 
rend die  bunten  Farben  blos  den  Vorübergehenden  zu 
gelten  scheinen;  eine  Anordnung,  welche  in  mancher 
Hinsicht  eine  Allegorie  auf  mehrere  andere  Einrich- 
tungen der  Anstalt  genannt  werden  könnte.  —  Was 
die  einzelnen  Zellen  betrifft ,  so  sind  die  vorzüglichem 
denen  Kranken  bestimmt,  deren  Familien  für  ihren 
dortigen  Aufenthalt  bezahlen.  Die  Einrichtung  aller 
Zellen,  in  welchen  gewöhnlich  immer  einige  Kranke 
zusammenschlafen,  so  wie  die  der  Betten  selbst,  fand 
ich  sehr  einfach  aber  doch  reinlich,  und  erstere  nicht 
von  so  gefängnissartigem  Ansehen  wie  in  Florenz.  Am 
Tage  findet  man  die  meisten  Kranken  in  den  Hofräu- 
men unter  den  Arkaden  und  in  den  Sälen  des  Par- 
terres ,  wo  auch  gemeinschaftlich  gegessen  wird ,  ver- 
sammelt. An  eine  gewisse  regelmässige  Beschäftigung 
derselben  ist  auch  hier  nicht  zu  denken ,  da  man  es 
nicht  dahin  rechnen  wird,  wenn  einzelne  Kranke  dann 
und  wann  Musik  treiben  und  einige  derselben,  unter 
Leitung  ihres  Maestro  di  capella  dem  Fremden  eine 
nicht  sehr  harmonische  Militair- Musik  hören  lassen. 
Ein  im  Gartensale  eingerichtetes  kleines  Theater  und 
ähnliche  oft  zu  kindisch  ausfallende  Zerstreuungen 
(wohin  z.  B.  die  Aufstellung  einer  Menge  hölzerner 
Puppen  zu  rechnen)  bleiben  jetzt  billig  unbenutzt.  — 
Die  meisten  Irren  treiben  sich  nach  Gefallen  unter 
einander  herum,  schreien  und  gesticuliren  oder  mur- 
meln  für  sich   hin ,     wie   es   die  Natur  ihres  Leidens 


115 

mit  sich  bringt,  und  ich  bemerkte  hier,  was  dem  ru- 
higen Beobachter  noch  für  ein  weites  Feld  auch  darin 
offen  stehe,  nachzuweisen,  wie  die  Eigenthümlichkeit 
des  Landes  und  der  Nation  sich  in  besondern  Formen 
der  Geisteskrankheit  offenbare;  ja  wie  selbst  nach 
den  verschiedenen  Nationen  die  Verhältnisse  der  Zahl 
von  Kranken,  weiblichen  oder  männlichen  Geschlechts, 
verschieden  sind,  da  man  z.  B.  hier  gewöhnlich  zwei 
Drittel  männliche  und  nur  ein  Drittel  weibliche  See- 
lenkranke zählt,  während  in  Frankreich  ziemlich  das 
umgekehrte  Verhältniss ,  in  England  aber  eine  ziem- 
liche Gleichzahl  der  Geschlechter  unter  den  Kranken 
vorkommen  soll.  —  Die  tägliche  Besorgung  der  Kran* 
ken  wird  durch  einige  in  Aversa  selbst  wohnhafte  As- 
sistenzärzte geleitet,  und  in  der  Anstalt  finden  sich 
eine  genügende  Anzahl  Krankenwärter,  welche  mit 
den  Kranken  auf  eine  sehr  humane  Weise  umzugehen 
scheinen.  Von  Zwangsmitteln  für  Tobsüchtige  u.  s.  w. 
werden  vorzüglich  Zwangs  westen  und  Einschnallen  der 
Kranken  im  Bette  angewendet;  auch  existirt  eine  fin- 
stere ausgepolsterte  Kammer,  und  zuweilen  wird  ein 
Schreckbad  angewendet ,  welches  in  einem  im  Boden 
eines  Parterre-Zimmers  angebrachten ,  mit  Wasser  ger- 
füllten Bassin  besteht,  über  welches  ein  starker  Tep- 
pich gebreitet  ist;  man  führt  dann)  dem  Kranken  in 
diess  Zimmer,  bringt  ihn  auf  den  Teppich,  welcher 
plötzlich  frei  gelassen  wird  und  lässt  ihn  so  in  kaltes 
oder  laues  Wasser  stürzen ,  aus  welchem  er  leicht 
wieder  hexvorgezogen  werden  kann. —  Ausserdem  wer- 
den den  leichtern  Kranken  Spaziergänge  in  der  Um- 
gegend unter  Begleitung  eines  Krankenwärters,  ja 
selbst  Spazierfahrten  nach  Neapel  nicht  versagt,  xind 
überhaupt,  wenn  man  die  neuerlich  über  Behandlung 
der  Irren  gegebenen  Anordnungen  durchgeht  (s.  d.  R«- 
golamento  per  la  direzione  sanitaria  delle  Reali  Case 

8* 


116 

de'  Matti  nel  Regno  di  IVapoli.  Nap.  1826),  so  sieht 
man,  dass  es  überhaupt  an  zweckmässigen  Maassre- 
geln nicht  fehlt,  und  dass'  die  Anstalt  mehr  dadurch 
leidet,  dass  diese  Maassregeln  nicht  durchgängig  ge- 
hörig in  Ausübung  gebracht  werden.  Würde  daher 
ein  thätiger,  menschenfreundlicher,  durch  Kenntniss 
ausländischer  Anstalten  gebildeter  Arzt,  wie  Dr.  Vul- 
pes,  zu  stäter  Aufsicht  an  Ort  und  Stelle  gesetzt, 
würde  für  eine  regelmässige  angemessene  Beschäfti- 
gung der  Kranken  mehr  Sorge  getragen,  und  für  die 
einzelnen  Kranken  ein  umsichtig  eingeleiteter  Curpl an 
mit  mehr  Bestimmtheit  verfolgt,  so  würde  sicher  der 
Zweck  einer  ähnlichen  wirklichen  Heilanstalt  auch 
mit  lobensAverther  Vollständigkeit  hier  erreicht  werden. 

Was  ich  indess  jetzt  über  die  Abtheilung  der 
männlichen  Kranken  bemerkt  habe,  gilt  keinesweges 
von  der  der  weiblichen  Kranken  oder  der  Casa  di 
Montevergine.  Diese  Anstalt,  in  welche  man  eigent- 
lich auch  nicht  gern  Fremde  zuzulassen  scheint,  fand 
ich  im  Allgemeinen  unreinlich,  und  die  Locale  für 
die  einzelnen  Kranken  weit  unfreundlicher  als  in  der 
männlichen  Abtheilung.  Die  Kranken  selbst,  meistens 
alte  Weiber  mit  schmutzigen  unvollständigen  Anzügen 
und  verwirrten  Haaren,  drängten  sich  in  den  Höfen 
schreiend  unter  einander,  und  nirgends  waren  jene 
sorgfältigem  auf  Heilung  der  Kranken  abzweckenden 
Einrichtungen  sichtbar,  welche  in  der  Casa  della  Mad- 
dalena  doch  nicht  verkannt  werden  dürfen. 

Nach  dem  gedruckten  Berichte  über  die  Thätig- 
keit  der  Anstalt  im  Jahr  1826  ( Giornale  del  Real  sta- 
bilimento  de'  folli  in  Aversa,  per  l'anno  1826.  dalla 
Tipografia  dello  Stabilimento  1827.)  theile  ich  hier 
noch  einige  Angaben  über  die  Zahlenverhältnisse  der 
Kranken  mit ,  inwiefern  man  daraus  die  Wirksamkeit 
der  Anstalt  besser  beurtheilen  kann. 


117 

Es  war  aber  den  1.  Januar  1826  der  Bestand  der 
Anstalt  408  Männer  und  236  Frauen,  also  im  Ganzen 
644  Personen.  Von  den  Männern  waren  Maniaci  122, 
Melancholici  163,  Blödsinnige  87,  Epileptische  (wel- 
che wieder  in  Maniaci,  Melancholici  und  Stupidi  ein- 
geteilt werden)  36.  —  Von  den  Frauen  waren  Ma- 
niacae  69,  Melancholicae  120,  Stupidae  33,  Epilepti- 
cae  14.  —  Hinzugekommen  sind  im  Laufe  des  Jahres 
1826  an  Männern  156,  nämlich  Maniaci  49,  Melan- 
cholici 79,  Stupidi  17,  Epileptici  11.  —  Unter  dieser 
Summe  waren  25  Rückfällige.  —  An  Weibern  63,  näm- 
lich Maniacae  23,  Melancholicae  31,  Stupidae  8,  Epi- 
leptica  i.  —  Unter  dieser  Summe  waren  19  Rückfäl- 
lige. —  Entlassen  wurden  im  Laufe  des  Jahres  von 
den  Männern  96  als  geheilt,  21  als  gebessert,  in 
Summa  117;  von  den  Weibern  45  als  geheilt,  21  als 
gebessert,  in  Summa  66.  Gestorben  sind  von  den 
Männern  33,  von  den  Weibern  14,  in  Summa  47. 
Also  von  863  überhaupt  Verpflegten  sind  141  als  ge- 
heilt, 42  als  gebessert  entlassen  worden,  47  gestorben 
und  633  in  der  Behandlung  geblieben.  Resultate ,  wel- 
che, verglichen  mit  denen  anderer  Anstalten ,  nament- 
lich der  von  Florenz,  immer  günstig  zu  nennen  sind. 

Eine  von  den  an  sich  nicht  unpassenden  Vorschrif- 
ten des  Regolamento  von  Aversa  ist  auch:  dass  alle 
Kranke,  bevor  sie  in  die  Anstalt  selbst  kommen,  zu- 
erst in  Neapel  in  ein  zu  ihrer  Beobachtung  geeignetes 
Local  gebracht  werden  sollen,  um  erst  dann,  wenn 
das  Avirkliche  Bestehen  einer  Geisteskrankheit  und  die 
Art  derselben  sattsam  ausgemittelt  worden  ist,  in  die 
Anstalt  versetzt  zu  werden.  Indess  auch  davon,  dass 
diese  Maassregel  öfters  auf  eine  sehr  unzweckmässige 
Weise  ausgeführt  wird,  konnte  ich  mich  überzeugen, 
da  eine  merkwürdige  Kranke  mir  Veranlassung  gab, 
jenen  Aufbewahrungsort   in  Neapel  zu  besuchen.     Es 


118 

war  diess  eine  höchst  unglückliche  junge  Frau,  wel- 
che durch  langwierigen  Kummer  und  leidenschaftliche 
Qual  in  eine  Art  von  starrsüchtiger  Melancholie  ver- 
fallen war,  in  welcher  sie  unter  andern,  nach  mehre- 
ren verhinderten  anderweitigen  Versuchen  sich  das 
Leben  zu  nehmen,  hartnäckig  Nahrung  zu  sich  zu  neh- 
men verweigerte.  Als  Wahnsinnige  wurde  sie  nun 
dem  Irrenhause  bestimmt  und  zuvörderst  in  die  Casa 
di  Osservazione  in  Napoli  gebracht.  Bereits  mehrere 
Tage  zuvor  hatte  sie  schon  ohne  jede  Art  von  Nah- 
rung in  starrem  vor  sich  Hinbrüten  zugebracht  und 
Dr.  Vulpes  fand  sie  demnach  in  einem  höchst  abge- 
magerten, elenden,  ja  bedenklichen  Zustande.  Da 
alle  Mittel  ihr  Nahrung  beizubringen  fruchtlos  blieben, 
so  entschloss  sich  jetzt  der  genannte  Arzt  ihr  mittels 
der  Magenspritze  von  Bush  kräftigen  Bouillon  gerade- 
zu in  den  Magen  einzuspritzen.  Diess  wurde  sofort 
ausgeführt  und  achtzehn  Tage  war  sie,  als  ich  sie  sah, 
bereits  dadurch  ernährt  worden ,  dass  man  ihr  täglich 
einmal  eine  Schale  voll  Bouillon  und  etwas  Wein  auf 
diesem  Wege  zuführte.  Das  Experiment  wurde  in 
meiner  Gegenwart  wiederholt;  das  eine  ausgiessende 
elastische  Rohr  wurde  durch  einen  Nasenkanal  leicht 
bis  in  den  Magen  geführt,  das  andere  einsaugende 
hing  in  den  untergehaltenen  Napf  Bouillon  oder  Wein, 
und  mit  Leichtigkeit  schaffte  nun  die  Bewegung  des 
Stempels  die  ganze  Flüssigkeit  in  Zeit  von  etwa  fünf 
Minuten  in  den  Magen;  eine  Operation,  während  wel- 
cher die  Kranke  ohne  alle  Regung  starr  auf  ihrem 
Stuhle  sitzen  blieb  > —  Vergebens  jedoch  fragte  ich 
nach  andern  zur  Heilung  dieser  Starrsucht  angestellten 
Versuchen  ,  und  gewiss  konnte  auch  von  dergleichen 
in  dem  Locale,  wo  ich  die  Kranke  sah,  nicht  die 
Rede  seyn.  Sie  befand  sich  nämlich  in  einem  Stadt- 
Cefängniss,     wo  erkrankte  Arrestanten    und   ange- 


119 

steckte  öffentliche  Dirnen  verwahrt  werden ,  San  Fran- 
cesco genannt,  mitten  unter  zum  Theil  auch  wahnsin- 
nigen oder  wegen  andrer  Krankheiten  hier  eingesperr- 
ten Weibern,  in  einem  schmutzigen,  engen  und  heis« 
sen  Gefängniss ,  mehr  geeignet  um  Gesunde  verwirrt 
als  Verwirrte  gesund  zu  machen  —  Dass  nun  eine 
solche  Casa  di  Osservazione  ihrem  Zwecke  nicht  ent- 
sprechen könne,,  liegt  am  Tage.  —  Kurz  es  bestätigt 
sich  bei  allen  mit  dem  Irrenhause  von  Aversa  zusam- 
menhängenden Einrichtungen,  was  in  so  vielen  andern 
Dingen  wahrzunehmen,  dass  die  Anordnungen  allein 
Avenig  Gutes  bewirken  können,  wenn  es  an  einer  ge- 
nauen und  kräftigen  Ausführung  fehlt. 

Es  bleibt  mir  jetzt  noch  übrig  von  der  anatomi- 
schen Sammlung  des  Prof.  Nanola,  von  der  minera- 
logischen Sammlung  der  Universität,  und  von  dem 
grossen  botanischen  Garten,  welcher  unter  Aufsicht 
des  Prof.  Tenor e  steht,  einige  Bemerkungen  mitzu- 
theilen.  Die  erste  ist  erwähnenswerth ,  schon  weil 
sie  manches  Interessante  enthaltend  das  Werk  eines 
einzigen  Mannes  ist,  und  dann  weil  sie  beim  Mangel 
eines  eigentlichen  anatomischen  Theaters  im  deutschen 
Sinn  hier  die  einzige,  etwas  beträchtlichere  anatomi- 
sche Sammlung  genannt  werden  muss. 

Nächst  einer  Reihe  instructiver  und  meistens  gut 
aufgestellter  Präparate  aus  der  physiologischen  und 
selbst  aus  der  vergleichenden  Anatomie  finden  sich 
manche  interessante  pathologische  Fälle.  Besonders 
merkwürdig  und  eine  ausführliche  Untersuchung  in 
hohem  Grade  verdienend  ist  ein  fünfmonatlicher  Fe- 
tus, welchem  die  Reste  eines  andern,  kleinen,  sehr 
unvollkommen  entwickelten  Fetus  vom  Gaumen  her- 
abhängen. Der  Fall  war  mir  besonders  wichtig,  weil 
er  abermals  beweist,  wie  sehr  das  Gaumengewölbe 
mit  dem  Rippengewölbe  der  Brust  gleichbedeutend  sei, 


120 

und  in  ihm  sich  eben  so  die  von  den  Kopfgliedmaas- 
sen ,  d.  i.  den  beiden  Unterkieferästen,  umfasste  Vor- 
derfläche der  animalen  Leibesliälfte  sich  darstelle, 
wie  die  Vorderfläche  der  vegetativen  Leibeshälfte  (vor 
welcher  die  in  ihren  Enden  getrennten  Rumpf-Glied- 
maassenpaare  sich  eben  so  vereinen  können),  durch 
Brust,  Bauch  und  Schambogenfläche.  Da  es  nun  klar 
ist,  dass,  wenn  zwei  zugleich  erzeugte  Embryonen  mit 
einander  verwachsen ,  d.  i.  sich  einander  theilweise  in 
sich  aufnehmen,  diess  namentlich  in  der  Linie  ge- 
schehen müsse,  wohin  die  vereinende  (synthetische) 
Bildungsthätigkeit  vorzüglich  wirkt,  d.  i.  in  der  Vor- 
der- oder  Hinter-Mittellinie ,  so  muss  auch,  je  länger 
in  diesen  Linien  die  Vereinigung  zögert,  um  so  leich- 
ter das  in  sich  Aufnehmen  eines  andern  Körpers  ge- 
schehen können.  Nun  wird  aber  die  volle  Einigung 
(Synthesis)  früher  an  der  Rücken  -  oder  ursprünglichen 
Lichtseite,  wo  das  die  Einheit  repräsentirende  Mark 
liegt,  geschehen,  als  an  der  Bauch-  oder  Erdseite, 
wo  die  vegetativen  Gebilde  vorherrschen ,  und  wie  wir 
daher  das  Offenbleiben  oder  die  sogenannten  Spaltun- 
gen letzterer  Fläche  (als  Oberkiefer-  und  Gaumen- 
spalte, biosliegendes  Herz,  Bauch-  und  Schambogen- 
spalte)  am  häufigsten  wahrnehmen,  so  kommt  auch 
das  völlige  oder  theilweise  Hineinwachsen  eines  Fetus 
in  den  andern  durchaus  nur  an  der  Vorderfläche  vor, 
und  wenn  man  gesehen,  dass  ein  Kind  die  Reste  ei- 
nes andern  im  Scrotum  oder  in  der  Bauchhöhle  trug, 
oder  sah,  dass  der  Thorax  des  einen  den  Oberkörper 
des  andern  so  aufgenommen  hatte,  dass  nur  Becken 
und  Unter-Gliedmaassen  des  kleinern  aus  der  Herz- 
grube ngegend  hervorhingen,  so  sieht  man  nun,  wie 
sehr  diess  in  Parallele  steht  mit  dem  Falle  bei  Na- 
nola  ,  wo  der  kleinere  Fetus  zum  Theil  vom  Thorax 
des   Kopfes,   d.   i.  vom  Gaumengewölbe,   umschlossen 


121 

war,  so  dass  der  übrige  Theil  hier  eben  so  vor  dem 
Unterkiefer  herabhängt,  wie  man  zuweilen  halb  in 
dem  Bauche  eingeschlossene  Fetus  vor  den  Schenkeln 
herabhängen  sieht  *).  Ein  anderes  merkwürdiges  Prä- 
parat ist  der  Schädel  eines  Blödsinnigen,  wegen  des 
ungleichen  Verwachsens  der  Nähte,  welche  auf  einer 
seitlichen  Kopfhälfte  offen  geblieben  sind,  während 
sie  sich  auf  der  andern  auf  das  Vollkommenste  ge- 
schlossen haben.  —  Endlich  muss  ich  auch  ein  Blut- 
konkrement  aus  der  Herzkammer  eines  Mannes,  in 
dessen  Leichnam  eine  Menge  widernatürlicher  Verknö- 
cherungen gefunden  wurden,  deshalb  anführen,  weil 
dasselbe  selbst  mit  einer  Knochenrinde  umschlossen 
war,  und  die  Bildung  von  frei  liegenden  Verknöche- 
rungen im  Herzen  zu  den  seltensten  Erscheinun- 
gen gehört.  —  Das  Local  dieser  Sammlung  ist  ein 
Saal  im  Erdgeschoss  von  der  erwähnten  Casa  di  S. 
Francesco. 

Was  das  Mineralienkabinet  der  Universität  be- 
trifft, so  ist  es  mehr  durch  ein  sehr  schönes  Local 
und  eine  Reihe  ausgezeichneter  Prachtstücke  einzel- 
ner Fossilien,  als  durch  grosse  Vollständigkeit  und 
eine  dem  neuern  Standpunkte  der  Wissenschaft  an- 
gemessene Aufstellung  ausgezeichnet. 

Hinsichtlich  des  botanischen  Gartens  (orto  bota- 
nico)  endlich,  beziehe  ich  mich  auf  das  in  den  Frag- 
menten über  die  Vegetation  von  Italien  Mitgetheilte. 

Neapel  hat,  wie  es  der  vulkanische  Boden  wohl 
erklärlich  macht,  eine  Menge  mineralischer  Quel- 
len und  ausgezeichnete  natürliche  Dampfbäder.     Nahe 


*)  Ich  kann  nicht  umhin,  über  die  auch  in  medicinischer  Hin- 
sicht so  äusserst  wichtige  Parallele  zwischen  Kopf  und  Rumpf 
auf  mein  grösseres  Werk  über  die  Ur-Theile  des  Knochen  -  und 
Schalengerüstes.  Leipzig  1828.  fol.  zu  verweisen. 


122 

an  dem  schönen  Casino  Reale  an  Chiaüamone ,  in 
welchem  wir  wohnten,  entsprangen  dicht  am  Ufer  des 
Meeres  mehrere  Mineralwässer,  welche  vom  Volke 
häufig  benutzt  AVerden.  Hierhin  gehören  die  Quellen 
am  Castello  dell'  uovo,  von  welchen  die  eine  in  der 
Temperatur  17°  R.  hält  und  eisenhaltig  ist,  während 
die  andere  15  °  hat  und  salinische  und  schwefliche  Be- 
stamitheile  enthält.  Desgleichen  ist  unweit  davon  an 
St.  Lucia  eine  warme  salinische  schwefliche  Quelle, 
und  alle  werden  namentlich  gegen  passive  Profluvien, 
herpetische  Ausschläge,  Drüsenleiden  und  Stockungen 
häufig  getrunken.  Ferner  ziehen  in  der  heissen  Jah- 
reszeit eine  Menge  der  wohlhabenden  neapolitanischen 
Familien  nach  dem  jenseits  des  Golfs  gelegenen  fri- 
schere Seeluft  erhaltenden  Castellamare,  avo  ebenfals 
warme  sulphurisch-salinische  Quellen  sich  finden ,  wel- 
che dann  häufig  zur  Cur  getrunken  werden.  Die  Be- 
standteile der  am  meisten  gebrauchten  sind  nach 
Andria  Schwefelwasserstoffgas,  kohlensaurer  Kalk, 
salzsaurer  Kalk,  salzsaurer  Talk  und  salzsaures  Na- 
tron. Die  Temperatur  ist  30  °  R.  —  Wie  in  den  gros- 
sen Bädern  bei  uns  hört  man  dort  Klagen  über  Man- 
gel an  Unterkommen  und  fast  unerschwingliche  Theu- 
rung  der  Wohnungen  —  Auch  die  warmen  Quellen 
von  Ischia ,  deren  16  auf  der  Insel  gezählt  werden, 
sind  häufig  zum  Baden  im  Gebrauche.  Die  wichtig- 
sten sind  Giurgitella,  eine  halbe  Miglie  von  Casamic- 
ciola  (der  grosse  Badesaal  mit  einer  Menge  von  stei- 
nernen Wannen,  welche,  in  den  Boden  eingelassen 
längs  der  Wände  wie  die  Betten  der  italiänischen 
Spitäler  gereiht  sind,  gewährt  einen  sonderbaren  An- 
blick), Cappone,  Olmitello  und  Citara. —  Diese  Quel- 
len sind  namentlich  von  Andria,  Lancelloti  und 
Pitaro  untersucht  worden,  und  enthalten  vorzüglich 
kohlensaures    und    salzsaures    Natron ,     kohlensauren 


123 

Kalk,  schwefelsauren  Kalk  und  Talk  und  kohlensau- 
res Gas.  —  Endlich  werden  auch  die  Mineralwässer 
von  Pozzuolo  häufig  von  dem  nahen  Neapel  aus  be- 
nutzt. —  Die  wichtigsten  dortigen  Quellen  sind:  1) 
Aqua  della  pietra  von  26°  R.  Wärme.  2)  Aqua  dei 
Cavalcanti  von  30°  R.  Wärme.  3)  Aqua  Subveniho- 
mini  von  31  °  R.  4)  Aqua  dal  Cantarello  24  bis  25  ° 
R  und  5)  die  Quelle  in  dem  wegen  ihrer  Pholaden- 
durchbohrten  Säulen  so  berühmten  Tempel  des  Sera- 
pis, von  31  bis  35°  R.  Letztere,  welche  einen  deut- 
lichen Schwefelgeruch  hat,  enthält:  kohlensaures  Gas, 
kohlensauren  Kalk,  Talk,  Thon,  Eisen  und  Natron, 
salzsaures  Natron,  schwefelsauren  Kalk  und  Kiesel- 
erde. —  Endlich  enthält  auch  Salerno  eine  Mineral- 
quelle, einen  eisenhaltigen  Säuerling;  mehr  jedoch  als 
dieserhalb  interessirte  mich  der  Ort  seiner  Bedeut- 
samkeit für  die  Geschichte  der  Medicin  wegen,  und 
es  war  mir  wichtig  diesen  Namen  endlich  einmal  mit 
dem  Bilde  sinnlicher  Anschauung  und  noch  dazu  einer 
so  reitzenden  vereinen  zu  können.  Wirklich  liegt  es 
an  dem  blauen  Spiegel  des  Meeres  höchst  anmuthig 
gegen  die  Berge  hinan,  dieses  Salerno;  Orangenbäume 
und  Dattelpalmen  spriessen  in  seiner  Umgebung,  ein 
normannisches  altes  Kastell  ragt  vor  seinen  Mauern  auf, 
und  prachtvoll  zieht  sich  die  Bergkette  östlich  von 
ihm  über  Amalfi  gegen  Capo  di  campanello  am  Meere 
hinaus.     Es  zählt  jetzt  ohngefähr  10,000  Einwohner. 

Was  Dampfbäder  betrifft,  so  würden  die  Grotten, 
welche  am  Rande  des  See's  von  Agnano  mit  dem  Na- 
men der  Bäder  von  St.  Germano  benannt  werden,  wo 
die  stärksten  Dämpfe  sich  entwickeln  und  die  Hitze 
von  31  bis  32  °  in  der  Nähe  der  Wände,  den  Gesunden 
bald  zurücksckreckt,  sich  mit  einiger  Sorgfalt  zu  den 
trefflichsten  Dampfbädern  einrichten  lassen,  obwohl 
sie  auch  in  gegenwärtiger  unvollkommener  Gestalt  vom 


124 

Volke  häufig  benutzt  werden      Dasselbe   gilt  von  den 
Schwitzbädern  des  Nero  unterhalb  Bajä*). 

Sehr  hätte  ich  gewünscht,  über  die  im  Volke  am 
meisten  herrschenden  Krankheiten,  über  die  gewöhn- 
lichen Curmethoden  der  Aerzte  und  dergl.  Erfahrungen 
einsammeln  zu  können,  jedoch  reichte  hierzu  die  Zeit 
durchaus  nicht  hin.  Indess  will  ich  doch  einige  mir 
genugsam  bestätigte  Bemerkungen ,  welche  gewisse 
Eigentümlichkeiten  in  der  Behandlung  der  Wöchnerin- 
nen betreffen,  initzutheilen  nicht  unterlassen.  Zuvör- 
derst nämlich  erlaubt  man  sogleich  nach  der  Entbin- 
dung unbedenklich  den  Genuss  von  Eiswasser,  und  ich 
glaube  allerdings  ,  dass  hieraus  auch  um  so  weniger 
Nachtheil  entstehen  wird,  da  die  starken  innern  Ab- 
kühlungen durch  Gefrornes ,  Eiswasser  und  dergl.  in 
einem  Clima,  wo  die  Haut  immer  offen  und  thätig 
bleibt,  wie  mir  eigene  Erfahrung  oft  bewiesen  hat,  in 
der  Regel  durchaus  nicht  nachtheilig  wirken,  da  plötz- 
liche Unterdrückungen  der  Hautthätigkeit  hingegen  so 
leicht  und  schnell  Krankheiten  hervorrufen.  —  Eben 
so  wenig  fürchtet  man  bei  Wöchnerinnen  bald  eine 
kräftigere  Nahrung  eintreten  zu  lassen,  hütet  sie  da- 
gegen (eben  so  wie  Menstruirende)  auf  das  ängst- 
lichste vor  Wohlgerüchen,  namentlich  Blumengerü- 
chen, und  pflegt  wohl  gleichsam  als  Schutz  gegen  der- 
gleichen hier  ein  Sträuschen  Raute ,  wie  in  Mailand 
einen  aus  Juchtenleder  künstlich  gefertigten  Blumen- 
straus  unter  das  Kopfkissen  zu  legen.  —  Es  wurde  mir 
ein  Fall  erzählt  und  verbürgt,  wo  eine  junge  Wöch- 
nerin, zu  welcher  eine  besuchende  Dame  mit  einem 
schönen  starkriechenden  Bouquet  eintrat,  ihr  zurief: 
,,  Ihr  habt  mir  den   Tod  gebracht ! "  von   der   Zeit  an 


*)  S.  Michele  Attumonelli  delle  acque  minerali  di  Na- 
poli,  de'  bagni  a  vapori  etc.  Nap.  1808. 


125 

Krämpfe  und  Fieber  bekam  und  wirklich  starb.  — 
Diese  Abneigung  gegen  stärkere  Wohlgerüche  ist  übri- 
gens im  italiänischen  Volke  allgemein.  —  Die  Frauen 
pflegen  auch  hier  ihre  Kinder  meistens  selbst,  und 
gewöhnlich  sehr  lange,  2  ja  3  Jahr,  zu  stillen.  Sehr 
selten  entschliessen  sie  sich  zu  Ammen. 

Ich  kann  bei  diesen  Bemerkungen  über  Neapel 
nicht  unterlassen,  auch  der  jetzt  in  der  Accademia 
Reale  degli  Studii,  früher  aber  inPortici,  verwahrten 
Ausgrabungen  aus  Pompeji,  Herkulanum  und  Stabiae 
zu  gedenken,  und  zwar  hier  in  doppelter  Hinsicht. 
Einmal  ist  das  Ansehen  der  ausgegrabenen  Bronzen 
(Lampen,  tragbare  Heerde,  Dreifüsse  u.  dergl.)  we- 
gen der  Veränderung  des  Metalls  selbst  höchst  merk- 
würdig und  einer  genauem  Untersuchung  werth.  Da 
nämlich,  wo,  wie  vorzüglich  bei  den  ausgegrabenen 
Gegenständen  aus  Herkulanum,  die  Hitze  der  vulka- 
nischen Auswürfe  lebhafter  eingewirkt  hat,  so  dass 
mitunter  ganze  Massen  von  Rapilli  oder  bimssteinar- 
tigen Auswürflingen  an  das  Metall  angeschmolzen  ge- 
funden werden,  zeigte  sich  oft,  insbesondere  bei 
Kupfergehalt  der  Metallmischung,  die  äusserliche 
Fläche  völlig  vom  krystallinischen  Ansehen  der  bun- 
ten Kupferlasur  oder  des  Malachits,  und  zwar  so  täu- 
schend, dass  ein  einzelnes  Fragment  einer  solchen 
Bronze  gewiss  unbedenklich  für  jene  Fossilien  selbst 
anerkannt  werden  würde.  Inwiefern  nun  aber  hier 
die  Entstehung  durch  Verwandlung  des  Metalls  auf 
dem  Wege  des  Feuers  unverkennbar  ist,  so  lässt  diess 
offenbar  auch  einen  Schluss  zu  auf  die  Entstehung 
jener  Fossilien  selbst,  und  könnte  als  ein  Beitrag  zur 
Lehre  von  den  durch  Mitscher  lieh  neuerlich  künst- 
lich erlangten  Nachbildungen  anderer  fossiler  Kry- 
stalle  auf  dem  Wege  des  Feuers  sehr  wohl  angese- 
hen werden. 


126 

Eine  andere  Rücksicht,  welche  mir  diese  Ausgra- 
bungen äusserst  merkwerth  machte ,  waren  die  hier 
aufbewahrten  chirurgischen  Instrumente  der  Alten. 
Mehrere  lange  Fächer  eines  grossen  Schrankes  sind 
fast  ganz  mit  diesen  Gegenständen  angefüllt.  Die  zum 
Theil  erst  neuerlich  ausgegrabenen  Instrumente  sehr 
verschiedener  Art,  Lanzetten,  Pincetten,  Katheter, 
Spatel,  Brenneisen  u.  s.  w.  sind  grösstentheils  mehrfach 
beschrieben  worden.  Was  mich  betraf,  so  interessirte 
mich  insbesondere  ein  Werkzeug,  welches  mir  der 
kenntnissvolle  und  sehr  gefällige  Aufseher  dieser  Samm- 
lung, Abbate  Jurio,  als  ein  geburtshülfliches  Instru- 
ment bemerklich  machte.  —  Die  Form  desselben ,  wie 
ich  mir  sie  im  Vorübergehen  flüchtig  in  meiner  Schreib- 
tafel angeben  konnte,  ist  ohngefähr  folgende,  und  die 
Grösse  desselben  etwa  die  der  kleinen  ßoer'schcn 
Geburtszange  :  — 


Man  sieht  hieraus,  dass  dieses  Werkzeug,  wel- 
ches im  Wesentlichen  völlig  die  Construction  hat,  so 
wir  an  dem  altern  von  Osiander  beschriebenen  und 
abgebildeten  Speculum  uteri  noch  vorfinden  ,  als  ein 
Erweiterungswerkzeug  (Dilatatorium)  muss  gebraucht 
worden   sein,    indem  je  mehr  die  Schraube  «  zurück- 


127 

gedreht  wird,  um  so  mehr  drei  im  rechten  Winkel 
aufgerichtete  Blätter  b  sich  von  einander  entfernen 
müssen,  da  sie  im  Gegentheil  bei  vorwärts  gedrehter 
Schraube  dicht  an  einander  schliessen.  Ob  dies  Werk- 
zeug indess  gerade  zu  geburtshülflichen  Zwecken 
oder  ob  es  nicht  zugleich  oder  hauptsächlich  zu  Er- 
weiterungen bei  Krankheiten  am  Intestino  recto  u.  s.  w. 
benutzt  worden  ist,  lässt  sich  natürlich  nicht  mehr 
genügend  ausmitteln  *) 

Von  den  öffentlichen  Versergungs-  und  Armenan- 
stalten, deren  Neapel  viele,  jedoch,  wie  die  Menge 
der  die  Landstrassen  belagernden  Bettler  zeigt,  im- 
mer noch  nicht  genug  besitzt,  habe  ich  bei  so  kur- 
zem Aufenthalte  nur  die  grösste  und  schönste,  nämlich 
das  Reale  Albergo  de'  Poveri  (auch  Reclusorio  ge- 
nannt) sehen  können.  In  Wahrheit  ist  dieses  von 
Carl  III.  gestiftete  Regium  totius  regni  pauperum 
hospitium  (wie  es  die  Inschrift  nennt)  eins  der  grössten 
Gebäude  in  Europa  und  von  trefflicher  grossartiger 
Architektur.  Am  24.  Mai  war  die  Zahl  der  darin  ver- 
pflegten Kinder  und  Erwachsenen  2200  Personen  männ- 
lichen Geschlechts ,  worunter  29  Taubstumme ,  und  1112 
Personen  weiblichen  Geschlechts,  worunter  7  Taub- 
stumme. Als  gesunde  Anwesende  wurden  von  dieser 
Zahl  1948  männliche  und  927  weibliche  Individuen 
aufgeführt,  während  33  als  Beurlaubte,  63  als  in  Spi- 
täler geschickte,  und  die  übrigen  338  (worunter  die 
Taubstummen  sämmtlich  begriffen)  als  anwesende 
Kranke  aufgeführt  waren.  —  Besonderes  Lob  würde 
überall,  muss  aber  namentlich  in  Italien,  wo  man  sie 


*)  In  den  „Wanderungen  durch  Pompeji  von  L.  Goro  von 
Agyagfalva,  Wien  1825.  Seite  91"  ist  dieses  Werkzeug  als  zur 
Ausziehung  des  Fetus  bestimmt  erwähnt,  wozu  es  indess  kei- 
nesweges  gedient  haben  kann. 


1» 

so  oft  vermisst,  die  im  Innern  dieser  Anstalt  herr- 
schende Ordnung  und  Reinlichkeit  verdienen.  Die 
Art,  wie  man  diess  hier  erreicht  hat,  ist  die  Einführung 
einer  durchaus  militairischen  Disciplin,  und  es  war 
mir  merkwürdig,  unter  Anführung  eines  ehemaligen 
Militairs,  welcher  mit  Napoleon' s  Heeren  auch  un- 
sere Gegenden  durchzogen  hatte  und  dem  der  alte 
französische  Pli  noch  anhing,  eine  lange  Schaar  von 
kleinern  und  grössern  Knaben,  Tambour  und  Pfei- 
fer voraus,  zu  Tische  marschiren  zu  sehen.  Uebri- 
gens  ist  freilich  das  Resultat  einer  solchen  Behand- 
lung nur  eine  gewisse  oberflächliche  Dressur,  wozu 
dann  die  eingeführte  Bell-Lancastersche  Methode  das 
Ihrige  beiträgt.  —  Mit  dem  Albergo  Reale  stehen  übri- 
gens noch  folgende  Anstalten  in  Verbindung  und  unter 
gemeinsamer  Aufsicht,  von  welchen  ich  indess  nur 
die  Anzahl  der  an  demselben  Tage  in  ihnen  ver- 
pflegten Personen  mittheilen  kann,  da  ich  sie  selbst 
nicht  gesehen.  Sie  sind  u)  S.  Francesco  Sales  mit  50 
männlichen,  484  weiblichen  Individuen;  b)  das  Hospi- 
tal Cesarea  mit  41  Kranken ;  c)  S.  Maria  del'  Arco 
mit  316  Männern;  d)  S.  Giuseppa  e  Lucia  oder  Casa 
dei  Ciechi  mit  177  Blinden;  e)  S.  Maria  della  Fede  mit 
287  Bettlerinnen  und  284  weiblichen  Kranken  (na- 
mentlich Syphilitischen)  und  23  Züchtungen;  f)  Car- 
cere  provisorio  mit  282  Personen;  g)  S.  Maria  di  Lo- 
reto  mit  458  Männern  und  125  Frauen.  —  Im  Ganzen 
also  war  der  Bestand  der  in  diesen  verschiedenen 
Versorgungsanstalten  Verpflegten  am  24.  Mai  5839.  — 
Zu  den  in  naturwissenschaftlicher  Beziehung  in- 
teressantesten Bekanntschaften,  so  ich  in  Neapel  ma- 
chenkonnte, rechne  ich  ausser  Tenore,  dessen  schon 
oben  rühmlichst  gedacht  worden  ist,  den  Prof.  Ste- 
fano delle  Chiaje  und  D.  Costa.  Der  erste,  ein 
Schüler  des  trefflichen  Poli,   hat   sich  durch  mehrere 


129 

Schriften  und  einzelne  Abhandlungen  *) ,  vorzüglich  im 
Felde  der  vergleichenden  Anatomie  bekannt  gemacht, 
und  zwar  auch  in  Deutschland ,  nämlich  durch  die 
Mittheilungen  des  D.  Albert  v.  Schönberg,  wel- 
cher zehn  Jahre  in  Neapel  als  praktischer  Arzt  und 
von  der  Regierung  für  bedeutende  Zweige  des  Medi- 
cinalwesens  Angestellter  gelebt  hat,  dem  auch  ich 
während  meines  dortigen  Aufenthaltes  manche  schätz- 
bare Mittheilung  verdanke,  und  Avelcher  sich  gerade 
damals  anschickte  Neapel  zu  verlassen,  auch  es  bald 
nachher  wirklich  verlassen  hat.  Von  delle  Chiaje 
haben  wir  jetzt  die  Fortsetzung  der  Testacea  utrius- 
que  Siciliae  zu  erwarten,  welche  unter  dem  Titel  er- 
scheinen wird :  „  Poli  Testac.  utr.  Sic.  Tom.  III.  cum 
additamentis  et  annotationibus  Stephan  i  delle 
Chiaje.  Unter  den  für  diesen  Zweck  bereits  gemach- 
ten Vorarbeiten  hat  mich  eine  Tafel  über  die  Gestalt, 
Anatomie  und  Eier  der  Argonauta  Argo  besonders 
desshalb  interessirt,  weil  sie  am  Embryo  innerhalb 
des  Eies  bereits  das  Schalen -Rudiment  nachweist, 
wodurch  denn  die  Frage ,  ob  die  zarte  Schale ,  in  wel- 
cher das  Thier  lebt,  sein  eigen  oder  ein  fremdes  Ge- 
häuse sei ,  am  bestimmtesten  entschieden  wird,  — 
Costa  betreffend ,     so  zeichnet  sich  dieser  insbeson- 


*)  Wir  zählen  hiervon  auf:  Iconografia  ad  uso  delle  piante 
medicinali  osia  trattato  di  farmacologia  vegetabile.  2  Theile.  P. 
mit  10  Kupfern  4.  Nap.  1824.  Memoria  sul  ciclamino  Poliano.  8. 
Nap.  1824.  Compendio  di  Elmintografia  umana,  Nap.  1825.  mit 
einem  Heft  Kupf.  Sunto  del  Fascicolo  III.  e  IV.  delle  memorie 
su  la  storia  e  notomia  degli  animali  scnza  vertebre  nel  Regno 
di  Napoli.  Nap.  1824.  Memorie  sulla  storia  e  notomia  degli  ani- 
mali senza  vertebre  del  Regno  di  Napoli.  4.  Fase.  I.  IV.  Nap. 
1823.  mit  einem  Heft  Kupfer.  De  Vita  praestantiss.  equit.  Jos. 
Xav.  Polii  Plinii  Neapolit.  fol.  Neap.  1826.  Osservazioni  su 
la  struttura  della  epidermide  umana.   4.  Nap.  1827. 

9 


130 

dere  durch  schärfere  systematische  Kenntniss  der  in 
dortigen  Gegenden  vorkommenden  niederen  Thiere 
(insbesondere  Weichthiere,  Krabben  und  Kerfe)  aus, 
besitzt  eine  von  ihm  selbst  mit  grosser  Sorgfalt  ange- 
legte bedeutende  zoologische  Sammlung,  und  ist  Frem- 
den und  Auswärtigen  auch  desshalb  insbesondre  wich- 
tig, weil  man  von  ihm  theils  richtigere  systematische 
Bestimmung  der  dort  vorkommenden  niedern  Thiere, 
theils  für  massige  Preise  *)  schön  erhaltene  Exemplare 
von  dergleichen  Naturalien  bekommen  kann.  Auch 
verdankt  man  Costa  mehrere  interessante  Abhand- 
lungen, von  welchen  die  eine  über  die  Insekten  an 
den  Oliven  früher  erwähnt  Avorden  ist. 

Ueberhaupt  wenn  nicht  gerade  der  Reichthum  so 
oft  den  Menschen  nachlässig  und  bequem  machte  ,  so 
müsste  man  mit  Recht  darüber  erstaunen,  dass  in 
Neapel,  wo  Meer  und  Land  durch  die  Fülle  seiner 
Erzeugnisse  zu  den  vielfachsten  Forschungen  unabläs- 
sig einladet ,  nicht  mehr  in  dieser  Beziehung  gethan 
wird.  Wie  höchst  merkwürdig  ist  es  nicht  für  mich 
gewesen,  alle  die  Stunden,  welche  Avährend  unseres 
kurzen  Aufenthaltes  mir  für  dergleichen  Studien  irgend 
gegönnt  sein  konnten,  der  Beobachtung  und  Untersu- 
chung der  mannichfaltigen  niedern  Seethiere  (Frutti  di 
mare  von  den  Fischern  genannt)  zu  widmen,  unter 
welchen,  so  wie  unter  den  Fischen,  viele  Formen 
vorkommen,   welche  ich  hier  zuerst  in  ihrem  frischen 


*)  AVie  wenig  man  anderwärts  in  Italien  bei  solchen  Gegen- 
ständen auf  dergleichen  rechnen  kann ,  bewies  mir  ein  Natura- 
liensammler  und  Händler  in  Rom,  Namens  Riccioli,  welcher 
ohne  alle  systematische  Kenntnisse  eine  Masse  der  heterogensten 
Gegenstände  zusammengebracht  hat ,  und  mir  für  ein  in  Spiritus 
aufbewahrtes  Exemplar  einer  weniger  häufigen  Coluberart  aus 
der  Gegend  von  Rom  die  Summe  von  li  Zechinen  (42  Thalern) 
abverlangte. 


131 

und  lebendigen  Zustande  gewahr  wurde,  ein  Zustand, 
mit  dessen  langer  und  wiederholter  Anschauung  eigent- 
lich die  Kenntniss  eines  solchen  Thieres  allemal  be- 
ginnen sollte,  dahingegen  wir  gewöhnlich  mit  dürfti- 
gen Abbildungen,  dürren  Beschreibungen  und  Betrach- 
tung ärmlicher  Exuvien  oder  zusammengeschrumpfter 
Exemplare  dieser  Geschöpfe  in  unsern  Sammlungen 
den  Anfang  machen.  —  Welch'  einen  andern  Begriff 
als  durch  Zeichnungen  und  Beschreibungen  erhält  man 
von  der  Daseinsform  eines  Rhizostoma  Cuvieri  (ei- 
gentlich ist  jedoch  die  grosse  Meduse,  Avelche  um 
Neapel  unter  dem  Namen  Capello  di  mare  vorkommt, 
durch  deutliche  Kennzeichen  von  dem  an  den  franzö- 
sischen Küsten  vorkommenden  Bh.  C. ,  dessen  Anato- 
mie Eichwald  in  den  Actis  nat.  cur.  Acad.  Leopold, 
so  schön  gegeben  hat,  wesentlich  verschieden,  und 
verdiente  nach  ihrem  ersten  Beschreiber  den  Namen 
Rhizostoma  Macri),  wenn  man  diese  grosse  Gallert- 
glocke mit  ihren  herrlichen  violetten  und  orangegelben 
Zeichnungen  und  ihren  wunderbaren  Armen  und  Fran- 
sen lebendig  vor  sich  im  Kübel  voll  Seewasser  schwim- 
mend beobachtet,  oder  einer  Holothuria  tubulosa, 
wenn  man  sie  mit  ihrem  gleich  Sehneckenfühlfäden 
ausgestreckten  Fühlerkranze  und  den  unzähligen  am 
Körper  vortretenden  Röhrchen  im  Becken  mit  See- 
wasser umherkriechen  sieht,  und  plötzlich  bei  einer 
oder  der  andern  auf  einigermaassen  unsanfte  Berüh- 
rung das  freiwillige  Auswerfen  des  ganzen  Darmka- 
nals und  halben  Athemwerkzeugs  gewahr  wird;  oder 
einer  Actinie,  wenn  sie,  gleich  Blumen  ihre  Staub- 
fäden, so  ihre  in  einigen  schön  meergrün  und  violett 
gefärbten  Arme  ausbreiten!  Dann  nun  die  die  Kanten 
der  Felsen  nahe  unter  dem  Wasserspiegel  bedecken- 
den Balanen,  welche  ausser  ihren  hornigen  geglie- 
derten  Fühlfäden    auch   dadurch  ihre  Annäherung   an 

9* 


132 

die  allmählig  zur  Luftathmung  sich  entwickelnden 
Gliederthiere  beweisen,  dass  sie  schon  lange  ausser- 
halb des  Wassers  fortleben ,  wie  ich  denn  Thiere  die- 
ser Art,  welche  schon  acht  bis  neun  Tage  trocken  im 
Zimmer  lagen ,  immer  noch  ihre  ans  der  offenen  Spitze 
des  pyramidalen  Gehäuses  vorragenden  Arme  lebhaft 
bewegen  sah.  Ferner  die  auf  dem  Meeresboden  wie 
unsere  Wegschnecken  auf  dem  Lande  herumkriechen- 
den Aplasien,  welche  oft  eine  Menge  eines  so  dun- 
keln Purpursaftes  (wenn  man  das  Thier  mit  etwas 
Seewasser  auf  einer  flachen  Schüssel  hält)  von  sich 
geben,  dass  ich  mich  des  Gedankens  nicht  erwehren 
konnte,  es  müsse  die  Jodine  einen  wesentlichen  Be- 
standteil desselben  ausmachen;  worüber  chemische 
Untersuchungen  zu  wünschen  wären.  Dann  nun  die 
Asterien  und  Echiniden  mit  dem  sonderbaren 
schwer  nach  der  Organisation  anderer  Thiere  zu  ver- 
stehenden Mechanismus  ihrer  Bewegung,  wobei  ich 
noch  bemerken  muss,  dass  ich  am  Echinus  edulis  in 
demjenigen  zarthäutigen  Zellgeweb-  und  Wasserröhren- 
Gewebe,  welches  den  Raum  zwischen  den  äusserst 
feinen  Löcherchen  der  Fühlergänge  (Ambulacra)  innen 
bekleidet,  eine  merkwürdige  Circulation  wahrgenom- 
men habe ,  welche  zu  erwähnen  und  zu  weiterer  Beob- 
achtung zu  empfehlen  ich  auf  keine  Weise  unterlas- 
sen darf*).  Löst  man  nämlich  aus  dem  frisch  aufgebro- 
chenen und  dadurch  von  dem  Seewasser ,  so  er  ent- 
hält, entleerten  Seeigel  ein  Stück  des  beschriebenen 
Gewebes  los ,  um  es  unter  das  Mikroskop  zu  bringen, 
so  zeigt  schon  die  Vergrösserung  von  etwa  zwanzig- 
mal   im   Durchmesser    eine  Menge   in   den    nierenför- 


*)  In  dem  kürzlich  erschienenen  II.  Vol.  der  erwähnten  Me- 
morie  des  Delle  Chiaje  beschreibt  auch  dieser  Seite  341  den 
Kreislauf  von  Blutkügelchen  im  Echinus. 


133 

migen  Anschwellungen  dieser  Gewebe  lebhaft  kreisen- 
der Kügelchen,  welche  (und  diess  ist  das  Sonderbare) 
nicht  einem  grössern  Kreislaufe  anzugehören,  sondern 
in  jeder  Rand-Anschwellung  ihren  besondern  Kreis  zu 
vollenden  scheinen.  Dadurch  dass  solche  Kreisbewe- 
gung selbst  in  kleinen  abgerissenen  Stückchen  dieses 
Gewebes  eine  Zeitlang  fortdauert,  nähert  sich  das  Phä- 
nomen sehr  dem,  was  Schultz  im  Schöllkraut  gese- 
hen haben  will;  auf  welche  Weise  indess  hier  eine 
solche  Bewegung  in  die  innere  Oekonomie  des  Thie- 
res  eingreife,  ob  es  nicht  blos  eine  Anziehung  und 
Abstossung  der  aufgesaugten  Theilchen  des  im  Thiere 
enthaltenen  Meerwassers  sei  u.  s.  av.  ,  darüber  müssen 
fernere  vielfach  Aviederholte  Beobachtungen  Aufschluss 
geben,  zu  welchen  mir  leider  keine  Zeit  vergönnt  war, 
da  es  mich  schon  freuen  musste ,  wenigstens  eine 
ziemlich  interessante  Auswahl  von  Echinodermen, 
Mollusken ,  Polymerien  und  Fischen  sammeln  ,  wohl- 
verwahren und  mitnehmen  zu  können. 

Und  so  weit  denn  meine  hierher  gehörigen  Auf- 
zeichnungen über  Neapel!  —  Es  bleibt  mir  jetzt  nur 
noch  übrig,  von  dem  auf  der  Rückreise  berührten  Mai- 
land einige  Worte  über  dort  gesehene  medicinische 
Anstalten  beizufügen,  und  hiermit  diese  Bemerkungen 
überhaupt  zu  schliessen. 

Es  war  mir  erfreulich,  bei  meinem  diessmaligen 
Aufenthalte  in  Mailand  die  persönliche  Bekanntschaft 
des  D.  Omodei  zu  machen,  welcher  durch  Heraus- 
gabe seiner  auch  von  ausgebreiteter  Kenntniss  der  aus- 
ländischen medicinischen  Literatur  zeugenden  Annalen 
einen  wichtigen  Einfluss  auf  den  Stand  der  italiäni- 
schen  Heilkunde  gewonnen  hat.  Er  selbst  ist  ein  leb- 
hafter umsichtiger  Mann ,  dem  ich  mich  durch  seine 
besondere,  mir  bewiesene  Gefälligkeit  sehr  verpflich- 
tet fühle,   und  welchem  ich  vorzüglich  die  Begleitung 


134 

zu  der  im  Auslande  wenig  gekannten  sehr  zweckmäs- 
sigen Irrenanstalt  des  D.  Lombard i  verdanke.  Xicht 
minder  erfreute  ich  mich  seiner  Begleitung  bei  der 
wiederholten  Besichtigung  des  grossen  Spitals  (Spe- 
dale  maggiore),  welches  ich  gegen  das  Jahr  1821,  wo 
ich  es  zum  erstenmale  sah,  in  mehrerer  Hinsicht  ver- 
bessert gefunden  habe.  —  Die  bedeutende  Grösse  und 
allgemeine  Einrichtung  dieses  Spitals  ist  so  oft  be- 
schrieben worden,  dass  ich  hier  nur  einige  specielle 
Angaben  über  die  Zahl  der  verpflegten  Kranken  auf- 
führen will,  welches  die  beste  Uebersicht  über  die 
ausserordentliche  Masse  hier  verpflegter  Kranken 
gewähren  wird:  —  Es  wurden  aber  am  15.  Juli  1828 
in  den  Sälen  für  innere  Krankheiten  verpflegt:  Män- 
ner 544,  Frauen  717;  in  den  Sälen  für  chirurgische 
Krankheiten  Männer  222,  Frauen  141.  Hierzu  noch 
48  weibliche  Geisteskranke,  giebt  für  einen  Tag  die 
Summe  von  1672  Kranken ,  unter  welchen  sich  46 
syphilitische  befanden.  Eingetreten  waren  an  diesem 
Tage  73,  entlassen  72,  gestorben  1. —  Von  den  Zah- 
lenverhältnissen eines  ganzen  Jahres  giebt  folgende 
mir  mitgetheilte  Tabelle  über  das  Jahr  1827  einen 
bestimmtem  U eberblick:  — 


135 


1827. 


Mesi  di 


Gennajo 

Febbrajo 

Marzo 

Aprile 

Maggio 

Giugno 

Luglio 

Agosto 

Settembre 

Ottobre 

Norefiibre 

Decembre 

Totale 


Entrati. 


üo-    ,Don-|   To- 
mini,     ne.      tale. 


748 

706 

85? 

819 

821 

829 

1165 

1754 

1329 

967 

826 

712 


11533 


488 
419 
559 
479 
543 
632 
849 
1023 
763 
634 
572 
451 


7412 


1236 
1125 
1416 
1298 
1364 
1461 
2014 
2777 
2092 
1601 
1398 
1163 


18945 


Sortiti. 


Uo- 

mini. 


iüon-1 
ne. 


To- 
tale. 


515 

559 

769 
692 
728 
720 
898 
1434 
1463 
977 
662 
634 


10151 


303 

324 
424 
459 
463 
409 
630 
883 
856 
590 
482 
394 


815 
883 
1193 
1151 
1191 
1129 
1578 
2367 
2319 
1567 
1144 
1078 


Morti. 


6264  16415 


Uo- 
mini. 

iDon- 
ne. 

113 

105 

125 

89 

125 

86 

124 

72 

91 

67 

90 

67 

101 

84 

95 

81 

125 

95 

104 

81 

129 

118 

127 

125 

1349 

1070 

To- 
tale. 


218 

214 
211 
196 
158 
157 
185 
176 
220 
185 
247 
252 

2419 


Die  österreichische  Regierung  hatte  seit  Kurzem 
dieser  Anstalt  einen  neuen  Director ,  in  der  Person 
des  aus  dem  Friaul  dorthin  versetzten  Dr.  Lucca  ge- 
geben, welcher  für  Herstellung  grösserer  Reinlichkeit, 
Zuführung  reinerer  Luft  in  die  Krankensäle,  bessere 
Vertheilung  der  Kranken  und  angemessnere  Einrich- 
tung der  Bäder  bereits  mehrere  zweckmässige  Anord- 
nungen getroffen  hatte.  Bei  alledem  bleibt  noch  man- 
ches zu  thun  übrig ,  und  freilich  bei  einer  so  unge- 
heuren Anstalt,  deren  Gebäude  einen  ausnehmend 
grossen  mittlem,  und  acht  Seitenhöfe  umschliessen, 
ist  die  Arbeit  nicht  gering,  mit  Aenderungen  und  Ver- 
besserungen, welche  ins  Wesentliche  eingreifen, 
durchzudringen.  Wie  aber  überhaupt  eine  der  schwäch- 
sten Seiten  der  italiänischen  Medicin  das  Apotheker- 
wesen ist,  so  war  ich  begierig  zu  erfahren,  wie  die 
Apotheke  des  Spitals,    welche  oft  täglich  gegen  2000 


136 

Verordnungen  besorgen  muss  (da  sie  auch  das  Gebar-, 
Findel-  und  Irrenhaus  versieht)  jetzt  eingerichtet  sei, 
fand  indess  wenig  oder  keine  Veränderungen  vor, 
Xoch  immer  stand  eine  lange  Reihe  von  grossen  offe- 
nen (!!)  Kübeln  mit  verschiedenen  Aufgüssen  von 
Dekokten  von  Valeriana,  Flor.  Chamomillae,  Senega, 
Sarsaparilla,  China,  Quassia  u.  s.  w.  im  Laboratorio 
aufgestellt,  aus  welchen  dann  nach  Ermessen  geschöpft 
und  die  Mixturen  zusammengefüllt  werden.  Ja  als 
ich  mich  nach  den  üblichen  Pillenmaschinen  erkun- 
digte, und  der  Director  D.  Lucca  dieselben  vorzei- 
gen lies,  fand  sich's,  dass  die  bloss  messingenen  Ma- 
schinen wahrscheinlich  seit  mehreren  Monaten  nicht 
gereinigt,  und  folglich  noch  mit  den  vertrockneten 
Resten  aller  indess  bereiteten  Pillen  bedeckt  waren. 

Im  Spital  selbst  fanden  sich  auch  diessmal  eine 
beträchtliche  Anzahl  am  Pellagra  Leidender  vor,  jener 
bekannten  endemischen  Krankheit  Ober-Italiens,  deren 
Entstehung  gewöhnlich,  und  auch  nach  Dr.  Lucca's 
Ansicht,  den  schlechten  Nahrungsmitteln,  insbesondre 
der  Polenta  und  dem  schlechten  Brode  der  Landbe- 
wohner zugeschrieben  wird.  Der  genannte  Arzt  wav 
noch  insbesondre  der  Meinung,  dass  dieser  Zustand 
im  Wesentlichen  auf  einer  von  jenen  schlechten  Nah- 
rungsmitteln veranlassten  Gastroenteritis  beruhe,  eine 
Meinung,  welche  vielleicht  etwas  zu  sehr  nach  der 
neuern  französischen  Schule  schmeckt,  und  welcher 
ich,  wenn  irgend  einem  an  solchen  Fällen  nur  Vorü- 
bergehenden ein  Lrtheil  erlaubt  sein  kann,  lieber  die 
Ansicht  substituiren  möchte,  dass  durch  dergleichen 
Einflüsse,  Unreinlichkeit  und  allgemeines  Elend,  ein 
Zustand  krankhafter  Mischung  und  Bewegung,  ja 
chronischer  Entzündung  in  den  Lymphdrüsen  und 
Lymphgefässen ,  kurz  eine  besondere,  in  eigenthümli- 
chen  Hautleiden  sich  äusserlich    anzeigende   Modiüca- 


137 

tion  des  skrofulösen  Uebels  erzeugt  werde,  welches 
durch  Untergrabung  der  allgemeinen  Vegetation  end- 
lich allerdings  tödtlich  werden  muss. 

Nicht  umgehen  kann  ich  noch  zu  erwähnen,  dass 
mir  mitgetheilt  wurde,  wie  man  in  der  syphilitischen 
Abtheilung  jetzt  beschäftigt  sei,  über  die  Anwendung 
der  Heilmethode  von  Dzondi  Versuche  zu  veranstal- 
ten, welches  als  nähere  Beachtung  einer  deutschen 
Lehrmeinung  und  Erfahrung  schon  nebst  vielen  andern 
den  Fremden  bemerken  lässt,  wie  er  sich  selbst  hier 
bereits  halb  auf  deutschem  Boden  befinde.  — ;  Auch  ist 
gelegentlich  zu  erwähnen,  dass  die  Zwangsmaassregeln 
zur  Kuhpocken-Impfung,  welche  durch  das  ehemalige 
französische  Gouvernement  eingeführt  worden  sind, 
unter  dem  gegenwärtigen  in  voller  Kraft  fortbestehen. 

Mit  dem  grossen  Spital  stehen  noch  das  Gebär- 
und  Findelhaus  St.  Caterina  della  Ruota  und  die  Irren- 
Anstalt  (La  Senavra)  dergestalt  in  Verbindung,  dass 
sie  auch  ihre  Medicamente  von  jenem  beziehen.  Beide 
ihrer  Einrichtung  nach  nicht  sehr  zu  lobenden  Anstal- 
ten habe  ich  diessmal  nicht  besuchen  können ,  füge 
jedoch  die  Angabe  über  die  an  einem  Tage  in  beiden 
verpflegten  Personen  hier  bei,  um  einen  Ueberblick 
ihrer  Wirksamkeit  zu  gestatten. 

Was  die  Anstalt  St.  Caterina  alla  Ruota  betrifft, 
so  verpflegte  sie  den  15.  Juli  1828:  Säuglinge  114, 
Ammen  44,  Knaben  83,  Mädchen  bis  und  über  15  Jahre 
86,  Dienstpersonal  53,  Kranke  14,  Schwangere  27, 
Wöchnerinnen  18,  lernende  Hebammen  37,  mit  chro- 
nischen Ausschlägen  (Tignosi),  männliche  Individuen 
13,  weibliche  14,  Knaben  über  7  Jahre  in  S.  Anto- 
nino  14,  also  in  Summa  520.  (8  Kinder  waren  allein 
an  diesem  Tage  im  Drehkorbe  des  Findelhauses  aus- 
gesetzt und  in  die  Anstalt  aufgenommen  worden.) 

In  dem  Irrenhause   (La   Senavra),     von  welchem 


138 

Loder  schon  1811  ein  ausführliches  nicht  eben  er- 
freuliches Bild  entworfen  hat,  welches  nach  erhalte- 
nen Angaben  auch  grösstenteils  noch  jetzt  passen 
mag,  haben  sich  am  15.  Juli  1828  befunden :  260  Män- 
ner, von  welchen  52  noch  ausserdem  an  andern  Krank- 
heiten litten,  und  208  Frauen,  unter  welchen  37  an- 
derweitig Erkrankte.  —  Gerade  die  in  mehrerer  Be- 
ziehung fühlbare  Mangelhaftigkeit  dieser  Anstalt  hat 
indess  Veranlassung  gegeben  zu  Errichtung  einer  Pri- 
vat-Irren-Anstalt,  deren  Einrichtung  kennen  gelernt  zu 
haben  mir  um  so  wichtiger  gewesen  ist,  je  mehr  ich 
sie  nicht  nur  für  die  beste  Anstalt  dieser  Art  in  Ita- 
lien, sondern  für  eine  der  besten  Irren-Anstalten  über- 
haupt erklären  muss.  Da  ich  sie  nun  in  den  Berich- 
ten von  Loder,  Morgan,  Otto  ganz  übergangen 
finde,  so  wird  eine  etwas  nähere  Angabe  über  dieselbe 
hoffentlich  nicht  unerwünscht  sein: —  Es  wurde  aber 
dieselbe  vor  ohngefähr  40  Jahren  durch  einen  geAvis- 
sen  Andrea  Rossi  gestiftet,  welcher  jedoch,  da  er 
selbst  nicht  Arzt  war,  sie  mehr  als  einen  auf  humane 
Weise  eingerichteten  Aufenthalts-  und  Verpflegungs- 
ort für  Geisteskranke  anlegte.  Im  Mai  1823,  nach- 
dem Rossi  selbst  hochbejahrt  geworden,  und  über- 
diess  die  Regierung  angeordnet  hatte,  dass  nur  Aerzten 
die  Direction  von  Anstalten  solcher  Art  gestattet  sein 
solle ,  überlies  der  Stifter  das  Ganze  an  den  gegen- 
wärtigen Director  D.  Pietro  Lombardi,  wobei  je- 
doch die  Tochter  des  erstem,  Marg.  Rossi,  die  be- 
sondere Aufsicht  über  moralische  Behandlung  der  weib- 
lichen Abtheilung  beibehalten  hat.  Was  das  seit  die- 
ser Zeit  ebenfalls  erweiterte  *)  und  verbesserte  Local 
anbetrifft,     so  hat   es  eine  sehr  gesunde  Lage  in  der 


*)  Noch  -während  meiner   Anwesenheit  war  eben  wieder  ein 
neu  angebautes  Haus  beendigt  worden. 


139 

Vorstadt,  zwischen  Gärten  mit  anstossenden  Feldern. 
Die  nur  ein  bis  zwei  Gestock  hohen  Gebäude  haben 
selbst  mehr  das  Ansehen  von  freundlichen  Gartenwoh- 
nungen als  von  Spitälern,  und  umschliessen  mehrere 
mit  Bäumen  und  Blumenbeeten  bepflanzte  Höfe.  Männ- 
liche und  weibliche  Abtheilung  sind  vollkommen  ge- 
schieden, wohleingerichtete  warme  und  kalte  Bäder, 
mit  Vorrichtungen  zur  Douche  sind  vorhanden,  und 
die  hübsche  Einrichtung  der  kleinen  Wohn  -  und 
Schlafzimmer  der  Kranken,  jedes  mit  anständigen 
Meubles  und  Betten  versehen,  die  mit  bunten  Tape- 
ten verzierten  Unterhai tungs -  und  Speisezimmer,  alles 
trägt  dazu  bei,  das  Elend  eines  Irrenhauses  wenig 
fühlbar  zu  machen. —  Der  D.  Lombardi  selbst,  ein 
gebildeter  Mann  in  mittlem  Jahren,  behandelt  die 
Kranken  auf  so  schonende  und  vorsichtige  Weise, 
dass  ich  bei  mannichfaltigen  Gesprächen  nie  das  nö- 
thige  Vertrauen,  noch  die  nöthige  Achtung  vermisste. 
—  Mit  besonderer  Zweckmässigkeit  aber  sind  die 
Wärter  und  Wärterinnen  unter  die  Kranken  vertheilt, 
so  zwar,  dass  sie  sich  äusserlich,  z.  B.  in  Kleidung, 
durchaus  nicht  von  den  Kranken  unterscheiden,  doch 
aber  in  jeder  grösseren  Abtheilung  immer  mehrere  an- 
wesend sind,  um,  sobald  sie  gebraucht  werden ,  gleich 
zur  Hand  sein  zu  können.  —  Vortheilhaft  für  die  Er- 
haltung besserer  Ordnung  und  einer  zweckmässigem 
Behandlung  eines  jeden  Einzelnen  ist  es  freilich, 
dass  die  Masse  der  aufgenommenen  Kranken  nicht 
zu  gross  ist  (etwa  50  bis  80),  und  dass  bei  einer 
vom  Director  nicht  nur  geführten,  sondern  auch  auf 
sein  Risico  bestehenden  Anstalt  ihm  selbst  immer 
noch  besonders  daran  liegen  muss ,  die  möglichst  guten 
Resultate  der  Behandlung  zu  erlangen;  auch  ist  die 
Einrichtung  sehr  lobenswerth,  dass  es  den  Angehört 
gen  der  Kranken  frei  steht,     zur  Mitbehandlung  der- 


140 

selben  in  der  Anstalt  einen  oder  mehrere  andere  Aerzte 
zu  Rathe  zu  ziehen,  ja  sogar  die  gesammte  ärztliche 
Behandlung  eines  solchen  einem  andern  Arzte  zu  über- 
geben, und  nur  die  Sorge  für  Verpflegung  und  zweck- 
mässige moralische  Behandlung  dem  Director  zu  über- 
lassen, obwohl  letzteres,  da  D.  Lombardi  auch  nach 
dem  Zeugnisse  Omodei's  vielen  Vertrauens  geniesst 
und  viele  glückliche  Resultate  seiner  Behandlung  be- 
reits erhalten  hat,  gewiss  selten  vorkommen  wird. 

Die  Bedingungen,  unter  welchen  die  Kranken 
aufgenommen  werden  ,  sind  übrigens  sehr  billig  ange- 
setzt, indem  für  die  erste  Klasse  der  Verpflegten, 
wo  jeder  ein  besonderes  wohleingerichtetes  Zimmer 
und  eine  sehr  gute  Kost  erhält,  3  Convent.  Gulden 
täglich,  für  die  zweite,  wo  jeder  Kranke  ein  eigenes, 
obwohl  etwas  weniger  gutes  Zimmer  und  immer  noch 
recht  gute  Kost  erhält,  2  Conv.  Gulden  täglich,  und 
für  die  dritte ,  in  welcher  zuweilen  zwei  in  einem  Zim- 
mer wohnen  und  ordinairere  Kost  erhalten ,  1  Conv. 
Gulden  täglich  bezahlt  werden,  welches,  da  medici- 
nische  und  chirurgische  Behandlung,  so  wie  Bäder, 
dabei  einbegriffen  sind ,  äusserst  gering  genannt  wer- 
den muss. 

Es  bedarf  nach  dem  Vorhergehenden  endlich  kaum 
der  Erwähnung,  dass  zur  Erheiterung  und  Zerstreu- 
ung der  Kranken  es  nicht  an  mannichfaltigen  Unter- 
haltungen, Spielen,  Büchern  und  Arbeiten  fehlt,  so 
wie  dass  Spaziergänge  im  Freien  und  nach  der  Stadt, 
in  Begleitung  des  Directors  oder  zuverlässiger  Aufse- 
her fleissig  benutzt  werden,  um  die  Irren  wieder  nach 
und  nach  in  den  Kreis  des  gewöhnlichen  Lebens  ein- 
zuführen ,  und  es  macht  mir  somit  wahre  Freude,  hier, 
nachdem  ich  der  Mangelhaftigkeit  so  vieler  italiäni- 
scher  wissenschaftlicher  und  insbesondre  medicinischer 
Institute  habe  gedenken  müssen,    mit  der  Aufführung 


141 

einer   Anstalt    schliessen    zu  können,     welche  vielen 
Ausländischen  zum  Muster  empfohlen  werden  kann. 


Schriften  über  italienische  Medicin. 

J.  Chr.  G.  Seh  äff  er,  Briefe  auf  einer  Reise  durch  Frankreich, 

England,    Holland  und  Italien,    geschrieben  in  den  Jahren 

1787  und  88.  Regensburg,  1794. 
Ed.   v.   Loder,    Bemerkungen   über  ärztliche   Verfassung  und 

Unterricht  in  Italien  während  des  Jahres  1811.  Leipzig  i812. 
Italy  by  Lady  Morgan  in  II.  Vol.  —  I.  Vol.  London  1821.  p.  Sil 

Dr.   Ch.   Morgan,   Appendix  on  the  State  of  medecine  in 

Italy,    with  brief  notices   of  some   of  the  universities  and 

hospitals. 
D.  C.  Otto,    Reise  durch  die  Scbweitz ,    Italien,    Frankreich, 

Gross-Brittannien  und  Holland,    mit  besonderer  Rücksicht 

auf  Spitäler  u.  s.  w.  Hamburg  1825. 


IV. 

Ueber   die   Stimmwerkzeuge  der  italiänischen 
Cicaden. 

W  enn  der  Verfasser  der  interessanten  Abhandlung 
über  den  Charakter  der  Vegetation  auf  den  Inseln  des 
Indischen  Archipels  *)  im  Eingange  jener  Mittheilung 
sagt:  „Es  giebt  darum  wohl  kein  Land,  das  auch 
nur  einen  einzigen  deutlichen  lautsprechenden  Cha- 
rakter von  seinen  Thieren  erhält",  so  scheint  dieser 
Satz  nur  darauf  zu  deuten,  dass  dem  Verfasser,  ver- 
möge seiner  individuellen  Neigung,  das  eigenthümliche 
Leben  der  Thierwelt  weit  weniger  Interesse,  als  das 
Leben  der  Pflanzenwelt  eingeflöst  hat.  Wir  aber  kön- 
nen diesen  Satz  hier  um  so  weniger  gelten  lassen,  je 
mehr  wir  eben  im  Begriff  sind ,  unsere  Aufmerksam- 
keit auf  eine  Gattung  von  Thieren  zu  wenden,  welche 
den  südeuropäischen  Gegenden  und  namentlich  Italien, 
wenn  auch  nicht  einen  lautsprechenden,  doch 
wenigstens  einen  nur  zu  sehr  hörbaren  Charakter  auf- 
drücken. —  Denn  gewiss,  wer  in  diesen  Gegenden 
einige  Zeit  gelebt  hat,  wird  uns  zugestehen,  dass  das 
Eigenthümliche   eines    italiänischen    Sommer-Nachmit- 


*)  C.  Rein  war  dt  über  den  Charakter  der  Vegetation  auf 
den  Inseln  d.  Ind.  Archip.  Vorlesung  in  der  Versammlung  deut- 
scher Naturforscher  und  Aerzte.  Berlin  1328.  4.  S.  1. 


143 

tags  oder  Sommer- Abends  in  freier  Natur,  ohne  das 
laute  Geschrill  der  Cicaden  eben  so  wenig  gerade 
diesen  Charakter  haben  würde,  als  die  einbrechende 
Nacht  dortiger  Gegenden  ohne  das  tausendfache  blit- 
zende Leuchten  der  Leuchtkäfer,  von  welchen  im 
nächsten  Aufsatze  die  Rede  sein  wird.  —  Wer  aber 
endlich  müsste  nicht  zugestehen,  dass  die  hochnord- 
lichen  Inseln ,  zum  grössten  Theil  von  aller  Vegeta- 
tion entblöst ,  von  den  gleich  Blättern  an  Bäumen  an 
ihnen  in  den  dichtesten  Schwärmen  haftenden  und  sie 
gleich  Wolken  umschwebenden  Wasservögeln  einen 
entschiedenem  Charakter  bekommen,  als  irgend  ein 
anderes  Land  durch  seine  Pflanzenwelt?  —  Indem  wir 
somit  hoffen,  dass  man  uns  rechtfertigen  werde,  wenn 
wir  die  Cicaden  und  ihre  hellen  Stimmen  als  einen 
wesentlichen  Charakter  des  italienischen  Bodens  mit 
annehmen,  so  wenden  wir  uns,  nach  einigen  Vorbe- 
merkungen über  die  Kenntnisse ,  welche  die  Alten  von 
den  Cicaden  hatten,  zu  dem,  was  eine  nähere  Unter- 
suchung uns  MerkAverthes  an  diesen  sonderbaren 
Thierchen  zu  zeigen  vermag. 

In  Wahrheit  ist  aber  merkwürdig ,  wie  häufig  die- 
ser Sänger  in  den  Schriften  der  Alten  Erwähnung  ge- 
schieht, ja  zu  wie  viel  besondern  Bemerkungen,  Ver- 
gleichungen  und  Fabeln  sie  Veranlassung  gegeben  ha- 
ben.—  Einiges  hiervon  hat  bereits  Rössel  (Insekten- 
belustigungen Thl.  2.  Bd.  2.  S.  160  u.  f.)  gesammelt, 
auch  einige  wenig  erspriessliche  Versuche  über  die 
Etymologie  des  Wortes  Cicada  (z.  B.  nach  Beck- 
mann von  „yJ^xco  «Je«/,"  auf  einer  Schale,  einer 
Fruchthülse  singen,  oder  gar  von  „quod  cito  cadat!") 
beigefügt.  Ein  weiteres  Nachsuchen  hat  mich  nun  in 
der  altern  Literatur  über  diese  Thierchen  noch  Man- 
cherlei finden  lassen,  wovon  ich  einen  kurzen  Aus- 
zug mitzutheilen  nicht  für  unpassend  halte.  —  So  muss 


144 

es  z,  B.  allerdings  dem  Reisenden  in  Italien  nicht  sel- 
ten auffallen,  dass  in  gewissen  Gegenden  ein  so  gewalti- 
ger Lärm  dieser  Thierchen  gehört  wird ,  während  in  an- 
dern, nicht  weit  von  den  vorigen  entfernten,  sie  ganz 
schweigen.  Da  erzählt  denn  Antigonus  (liistoriarum 
mirahilium  collectanea  Cap.  II. ) ,  dass  um  Rhegium 
(dem  heutigen  Reggio)  die  Cicaden  stumm  seien,  wäh- 
rend sie  in  dem  nur  durch  den  Fluss  Alex  getrennten 
Gebiete  der  Lokrier  um  so  lauter  sich  hören  Hessen, 
und  wie  das  erstere  von  den  Verwünschungen  des  einst 
dort  ruhenden  und  durch  Cicadengeschrill  am  Schlafe 
gehinderten  Herkules  herrühre.  —  So  beobachtet  man 
immer  noch,  dass  die  Cicaden  nur  im  hohen  Sommer  um 
die  Sonnenwende  sich  lebhaft  hören  lassen,  und  so 
sagt  schon  Plinius  Hist.  nat.  Lib.  XI.  cap.  29.  „Lo- 
custae  stridorem  edunt  circa  duo  aequinoctia  maxime, 
sicut  cicadae  circa  solstitium,"  und  eben  so  der 
Pseudo-Aristoteles  (de  mirabilibus  auscultationi- 
bus  Cap.  65:)  „  Soxovoi  de  y.ui  61  rernyig  adeiv  (.itrü 
TQonüg.  —  Auf  das  Obige  bezieht  sich  ferner  die  von 
Strabo  (Lib.  VI.)  erzählte  und  vom  Antigonus 
(Cap.  I.)  wiederholte  artige  Geschichte  vom  Wettstreit 
zu  Delphi  zwischen  dem  Ariston  aus  Rhegium  und 
dem  Lokrier  Eunomos.  Der  letztere,  der  dem  Ari- 
ston schon  vorgeworfen,  dass  in  seinem  Lande  ja  so 
wenig  Musik  sei,  dass  nicht  einmal  die  Cicaden  Stim- 
me hätten,  gewann  den  Preis  noch  dadurch,  dass,  als 
ihm  eine  Saite  gesprungen  war,  eine  Cicade  auf  seine 
Lyra  flog,  um  mit  ihrem  Gesänge  den  fehlenden  Ton 
zu  ersetzen.  Eine  Statue  soll  dem  Eunomos  des- 
halb im  Vaterlande  errichtet  worden  sein,  an  wel- 
cher die  Cicade  der  Lyra  nicht  fehlte;  ja  auf  3Iün- 
zen  der  Lokrier  wurde  die  Cicade  gefunden,  und 
wenn  schon  hieraus  hervorgeht,  dass  von  den  Alten 
dieses  Thierchen  gern  als  Gegenstand  der  Poesie  be- 


145 

trachtet  worden  sei  (so  trugen  auch  die  Athenienser 
goldne  Cicaden,  weil  man  meinte,  die  Cicaden  ent- 
ständen aus  der  Erde,  jener  Stamm  aber  sich  ähnli- 
chen Ursprungs  glaubte),  so  erscheint  jene  poetische 
Bedeutung  noch  mehr  in  der  zierlichen  43.  Ode  des 
Anakreon,  welcher  man  hier  immer  noch  einmal 
eine  Stelle  vergönnen  möge: 

„  Glücklich  nenn'  ich  dich ,   Cicade , 
Dass  du  auf  den  höchsten  Bäumen, 
Von  ein  wenig  Thau  Degeistert, 
Aehnlich  einem  König  singest : 
Dein  gehöret  all'  und  jedes, 
Was  du  in  den  Feldern  schauest, 
Was  die  Jahreszeiten  bringen: 
Dir  sind  Freund  die  Landbebauer, 
Weil  du  keinem  lebst  zu  Leide; 
Und  die  Sterblichen  verehren 
Dich ,  des  Sommers  holden  Boten ; 
Und  es  lieben  dich  die  Musen , 
Und  es  liebt  dich  Phöbus  selber; 
Er  gab  dir  die  klare  Stimme, 
Und  das  Alter  dich  nicht  dränget, 
Seher,  Erdgeborne,  Sänger! 
Leidenlos,   ohn'  Blut  im  Fleische  — 
Schier  bist  du  den  Göttern  ähnlich!'' 

Endlich  können  wir  nicht  umhin  anzuführen,  wie 
auch  der  göttliche  Piaton  der  Cicaden  rühmlich  ge- 
denkt, und  setzen  die  darauf  sich  beziehende  Stelle 
aus  dem  Phädros  her: —  „Man  sagt  nämlich,  diese 
wären  Menschen  gewesen  aus  der  Zeit,  ehe  noch  die 
Musen  waren.  Als  aber  diese  erzeugt  worden  und 
der  Gesang  erschienen,  wären  Einige  von  den  Dama- 
ligen so  entzückt  worden  von  dieser  Lust,  dass  sie 
singend  Speise  und  ,Trank  vergessen,  und  so,  ohne 
dessen  wahrzunehmen,  gestorben  wären.  Aus  welchen 
nun  seitdem   das   Geschlecht  der  Cicaden    entstanden 

10 


146 

wäre,  mit  dieser  Gabe  von  den  Musen  ausgestattet, 
dass  sie  von  der  Geburt  an  keiner  Nahrung  bedürfen, 
sondern  ohne  Speise  und  Trank  sogleich  singen  bis 
sie  sterben ,  dann  aber  zu  den  Musen  kommen  und 
ihnen  verkündigen ,  wer  hier  jede  von  ihnen  verehrt. 
Der  Terpsichore  melden  und  empfehlen  sie  die, 
welche  sie  in  Chören  verehren;  der  Erato,  die  sie 
durch  Liebesgesänge  feiern ,  und  so  den  übrigen ,  jeder 
nach  der  ihr  eigentümlichen  Verehrung." 

Es  war  übrigens  den  Alten  sehr  wohl  bekannt, 
dass  nur  die  männlichen  Cicaden  singen,  sodass  Xe- 
narchos  beim  Athenaeus  sie  im  Scherz  glücklich 
preist,  als  solche,  bei  denen  die  Weiber  keine  Stimme 
hätten.  Eben  deshalb  wurden  auch  die  Männchen 
uxtrai,  die  Tönenden  genannt,  *)  und  es  ist  sinnreich, 
dass  man  hier  gerade  dieses  Wort  wählte,  welches 
abgeleitet  ist  von  tj/hov  (eine  Art  von  Pauke  oder 
auch  ein  Instrument  zur  Verstärkung  des  Schalles), 
indem  wir  bald  finden  werden,  dass  die  Stimme  der 
Cicaden  wirklich  durch  kleine  paukenartige  Organe 
erzeugt  wird. 

Was  nun  aber  das  Feinere  in  der  Bildung  der 
Stimmwerkzeuge  der  Cicaden  betrifft,  so  findet  man 
freilich  darüber  bei  den  Alten  noch  keine  ausreichende 
Vorstellung.  Was  Aristoteles  davon  gewusst  hat, 
möchte  aus  folgenden  beiden  Stellen  zu  entnehmen 
sein:  „quae  canorae  (achetae)  appellantur,  ad  prae- 
cincturae  locum  divisae  (apertae)  sunt,  membranamque 


*)  Wie  Schneider  in  den  (anonymen)  Anmerkungen  über 
den  Anakreon,  Leipzig  1770  S.  63  anführt ,  darf  Acheta  bei 
den  Alten  nicht  als  besondere  Gattung  angesehen  werden,  ob- 
wohl die  Stelle  bei  Aristoteles  (hist.  animal.  Lib.  IV.  c.  7,7.) 
auf  einen  Gattungsunterschied  deutet,  und  auch  wir  jetzt  eine 
eigene  Gattung  dieses  Namens  aufstellen. 


147 

habent  conspicuam"  (de  animal.  hist.  Lib.  IV.  c.  7,  7.), 
und:  „Igitur  insecta  neque  vocem  neque  sermonem 
edunt,  sed  interiore  spiritu  sonant,  non  exteriore;  si 
quidem  eorum  nullum  spirat,  sed  partim  murraurare 
dicuntur,  ut  apes  et  alia  alata;  partim  canere,  ut  ci- 
cadae:  quae  omnia  sonum  cient  membrana,  quae  ob- 
tenta  est  ad  praecincturae  aperturam,  quemadmodum 
cicadae  aliquae  attritu  Spiritus."  (1.  cit.  c.  9,  2.).  — 
Eben  so  unzureichend  ist,  was  im  Plinius  hierüber 
vorkommt,  indem  er  sich  darauf  beschränkt  zu  sa- 
gen: „Pectus  ipsum  fistulosum:  hoc  canunt  achetae. " 
(Hist.  nat.  Lib.  XI.  c.  XXVI ).  Dagegen  ist  es  merk- 
würdig, dass  gleich  hierauf  die  Stelle  folgt:  '„de  ce- 
tero  in  ventre  nihil  est,"  da  wir  späterhin  finden 
werden,  dass  wirklich  der  ganze  Hinterleib  der  Männ- 
chen, namentlich  bei  Testigonia  orni,  zu  einer  leeren 
luftgefüllten  Blase  austrocknet. 

Unter  den  Naturforschern  im  Mittelalter  ist  es  jeden- 
falls zuerst  der  scharfsichtige  Julius  Casserius  zu 
nennen ,  welcher  in  seinem  Werke :  De  vocis  auditusque 
organis,  Ferrara  1600.  auch  den  Stimmwerkzeugen  der 
Cicaden  seine  Aufmerksamkeit  zuwendet,  und  für  die-da- 
malige  Zeit  sie  sehr  gut  und  richtig  beschreibt  und  abbil- 
det (p.  116  Tab.  XXI.).  Er  spricht  zuerst  ganz  bestimmt 
aus:  die  trockne,  muschelförmige ,  durch  einen  Muskel 
eingezogene  Muschelhaut  erzeuge  den  Ton  ohngefähr 
so  wie  das  Rauschen  des  Rauschgoldes  durch  Ein- 
und  Herausdrücken  erzeugt  wird  („BracteaKs  membra- 
na soni  auctor"  p.  117)  —  Des  Casserius  Untersu- 
chungen scheinen  jedoch  bald  vergessen  worden  zu 
sein ,  da  die  spätem  Forscher  wieder  weit  unvoll- 
kommnere  Kenntniss  dieser  Stimmbildung  verrathen. 

Was  aber  diese  spätere  Zeit  betrifft,  so  ist  der 
Schriftsteller,  welcher  wohl  am  ausführlichsten  sich 
mit  diesen Thierchen  beschäftigt  hat,  Ul.  Adrovandi 

10* 


148 

in  seinem  Werke  de  animalibus  insectis  (Bonon.  1638), 
wo  von  S.  307  bis  341  auf  35  Folio-Seiten  alles,  was 
dem  Verf.  nur  irgend  über  diesen  Gegenstand  bekannt 
geworden  war,  aber  freilich  weit  weniger  von  eigent- 
licher Anatomie  und  Physiologie  des  Thieres  selbst 
zusammengetragen  ist.  —  Sehr  dürftig  fällt  auch  hier 
aus ,  was  S.  317  und  318  über  das  Hervorbringen  des 
Gesanges  gesagt  wird,  indem  es  sich  in  der  Haupt- 
sache ganz  auf  dasselbe  zurückführen  lässt,  was 
Aristoteles  und  Plinius  angeben,  nämlich  dass 
die  später  zu  beschreibenden  zarten  Membranen,  wel- 
che in  der  Form  von  ein  paar  Trommelhäutchen  am 
Vorderrande  des  Hinterleibes  gefunden  werden,  der 
Sitz  der  Klangbildung  seien,  und  das  Einzige  ist  zu 
erwähnen,  dass  nach  Cardanus  und  Alb.  Magnus 
angeführt  wird,  die  Cicade  sänge  auch  noch  einige 
Zeit,  nachdem  man  ihr  den  Kopf  abgeschnitten  habe, 
welches  beweise,  wie  irrig  der  von  Horus  angeführte 
Glaube  der  Aegypter  sei,  die  Cicade  bringe  ihren  Ge- 
sang durch  den  Saugstadhel ,  gleichwie  mittels  eines 
Plectrum  hervor.  Ferner  hatten  Pontedera  und 
Laurenti,  nebst  einigen  andern  italiänischen  Gelehr- 
ten ihre  Aufmerksamkeit  diesem  Gegenstande  zugewen- 
det; allein  nach  dem,  was  ich  in  dem  Auszuge  aus 
ihren  Arbeiten  verzeichnet  finde  (de  Bononiensi  scien- 
tiar.  et  art.  instituto  atque  academia  Commentarii. 
Bonon.  1731.  Vol.  I.  p.  80.)  ist  doch  auch  durch  ihre 
Bemühungen  die  Kenntniss  der  Stimmwerkzeuge  nicht 
wesentlich  gefördert  worden,  denn  auch  hier  sind  die 
erwähnten  Trommelhäutchen  als  die  stimmbildenden 
Organe  beschrieben,  obwohl  sie  in  Wahrheit  nicht  als 
solche  betrachtet  werden  dürfen. 

Man  darf  daher  wohl  sagen,  dass  es  zuerst  dem 
trefflichen  Beobachter  und  Zergliederer  der  Insekten, 
Reaumur,  gelungen  sei,   das,  was  Casserius  be- 


149 

gönnen  hatte,  zu  vervollständigen,  und  es  ist,  dass 
ihm  diess  so  vollkommen  gelungen ,  um  so  rühmlicher, 
da  er  von  den  Cicaden  sagt:  „je  me  suis  trouve  en- 
gage  a  ecrire  leur  histoire  sans  en  avoir  jamais  en- 
tendu  chanter  une ,  et  sans  en  avoir  jamais  possede 
une  en  vie. "  (Memoires  pour  servir  ä  l'histoire  des 
insectes.  T.  V.  p.  I.  Amsterdam  1741.  p.  186.) —  In 
Wahrheit,  als  ich  während  meines  Aufenthaltes  zu 
Florenz,  nach  vielfältigen  Zergliederungen  und  Beob- 
achtungen lebender  und  todter  Cicaden ,  ohne  noch 
von  den  Arbeiten  der  Vorgänger  Kenntniss  genommen 
zu  haben ,  endlich  dahin  gelangte ,  mir  den  Mechanis- 
mus und  die  physiologische  Beziehung  dieser  Stimm- 
bildung völlig  deutlich  zu  machen ,  und  nun  die  frü- 
hern Arbeiten  Anderer  zu  vergleichen  begann,  so  fand 
ich  die  Untersuchungen  von  Reaumur  so  genau  und 
schön,  dass  ich  die  Bekanntmachung  meiner  eigenen 
Arbeit  für  ganz  überflüssig  gehalten  haben  würde, 
wäre  ihm  nicht  theils  doch  noch  Einiges  in  der  Bil- 
dung dieser  Theile  entgangen,  und  hätte  mir  nicht 
die  Nachweisung  der  Beziehung  dieser  Stimmbildung 
auf  den  Stand  der  Athmungsfunktion  bei  diesen  Thie- 
ren  einer  grossen  Vervollständigung  fähig  geschienen. 
Nicht  minder  hat  unser  trefflicher  Rösel  (a.  a.  O.) 
die  Cicaden  ausführlich  beschrieben,  ihr  Stimmorgan 
zergliedert  und  ziemlich  gut  abgebildet;  auch  er  hatte 
indess  nur  todte,  vertrocknete  Cicaden  zur  Unter- 
suchung vor  sich,  und  daher  kommt  es,  dass  er  eines 
Theils  nur  wiederholen  konnte,  was  Reaumur  ge- 
sagt hat,  anderntheils  hat  er  sogar  die  richtige  Dar- 
stellung seines  Vorgängers  wieder  etwas  verdunkelt, 
indem  er  an  den  muschelförmigen  Schallhäuten  die 
Muskelsehne  nicht  mehr  angeheftet  fand,  und  nun  die 
Vermuthung  aufstellte ,  diese  harte  Sehne  könne  wohl 
auch  wie  ein  „Federkiel ,  mit  welchem  man  die  Saiten 


150 

einer  Zither  erklingen  macht"  auf  jene  gefaltete  Schall- 
haut wirken. —  Eine  irrige  Ansicht,  welche  neuerlich 
auch  Oken  (Zoologie  Bd.  I.  S.  432)  als  eine  gleich- 
wahrscheinliche Ansicht  neben  die  des  Reaumur  ge- 
stellt hat,  so  dass  also  auch  in  Hinsicht  dieses  Zwei- 
fels eine  auf  neue  Untersuchungen  an  lebenden  Thie- 
ren  gegründete  Entscheidung  nicht  unerwünscht  sein 
wird. 

Nachdem  ich  somit  dem  Leser  eine  Uebersicht 
des  Wissenswürdigsten  aus  frühem  Untersuchungen 
über  den  fraglichen  Gegenstand  gegeben  zu  haben 
glaube,  wird  es  Zeit  sein  zur  Geschichte  der  von  mir 
selbst  unternommenen  Untersuchungen  überzugehen. 

Inwiefern  es  mir  aber  Hauptaufgabe  gewesen  ist, 
zur  Vervollständigung  der  Anatomie  und  Physiologie 
dieser  Thiere  beizutragen,  konnte  mich  das  Aufsuchen 
sämmtlicher  um  Florenz  vorkommenden  Specierum 
weniger  beschäftigen,  und  ich  bemerke  daher  hier  nur, 
dass  Tettigonia  orni  (abgebildet  bei  I. )  und  Tettigo- 
nia  plebeja  (abgebildet  bei  VII.),  die  vorzüglich  in 
grosser  Menge  dort  vorkommenden  Arten  sind ,  und 
daher  hauptsächlich  den  Gegenstand  dieser  Untersu- 
chungen ausgemacht  haben  ,  dass  jedoch  auch  Tetti- 
gonia sanguinea  häufig  vorkommt  und  ebenfalls  der 
Zergliederung  unterworfen  wurde  (bei  XV  ).  —  Uebri- 
gens  ist  es  sehr  merkwürdig,  wie  übereinstimmend  die 
Stimmwerkzeuge  der  Cicaden  selbst  in  den  verschie- 
densten Arten  sind:  denn  an  zwei  sehr  grossen  Arten 
südamerikanischer  Tettigonien,  welche  ich  vor  mir 
habe,  so  wie  an  kleinern  Arten  aus  Java,  welche  ich 
vergleichen  konnte,  erscheint  der  Bau  dieser  Organe 
im  Wesentlichen  mit  dem  der  italiänischen  gleich. 

Eben  so  scheinen  die  Stimmwerkzeuge  der  nord- 
amerikanischen Cicaden  (im  Staate  Ohio  und  Neu- 
York)  wesentlich  dieselben  zu  sein,   wie  die  der  hier 


151 

erwähnten.  Es  geht  dies  wenigstens  hervor  aus  den 
Abhandlungen  von  Hildreth  und  Booth  (s.  Fro- 
riep  Notizen  für  Natur-  und  Heilkunde  1828.  August 
Nr.  465.,  September  468.,  nach  Aufsätzen  in  Silli- 
mann's  Journal  Nr.  22.  und  Revue  britannique  Nr. 
34.  1828.  April),  welche  beide  des  am  Männchen  un- 
ter den  Flügeln  befindlichen  Stimmwerkzeugs  geden- 
ken. Jene  Beobachter  wollen  übrigens  gefunden  ha- 
ben, dass  nur  alle  17  Jahre  grosse  Schwärme  dieser 
Cicaden  aus  der  Erde  hervorkommen,  welches  auf  ein 
so  langes  Leben  der  Larve  in  der  Erde  schliessen 
liesse.  Booth  hat  deshalb  den  schwerlich  zu  billi- 
genden Namen  Cicada  septemdecim  für  dieselbe  in 
Vorschlag  gebracht. 

Es  wird  nun  am  zweckmässigsten  sein,  zuerst  den 
Bau  der  Organe,  welche  der  Sitz  der  Stimmbildung 
sind,  zu  beschreiben,  dann. aber  den  physiologisch 
merkwürdigen  Zusammenhang,  welcher  zwischen  die- 
sen Bildungen  und  dem  Stande  der  Athmungswerk- 
zeuge  Statt  findet,  zu  entwickeln,  ein  Verhältniss, 
welches  von  den  bisherigen  Beobachtern  gänzlich  über- 
sehen worden  ist. 

I.  Beschreibung  der  Stimmwerkzeuge. 

Wenn  man  eine  männliche  Cicade  (denn  nur  diese 
sind  die  Tönenden,  die  Achetae  der  Alten)  in  der 
Gegend,  wo  Brust  und  Unterleib  sich  verbinden,  auf- 
merksam betrachtet,  so  gewahrt  man  alsbald  jederseits 
zwei  besondere  Organe,  welche  dem  weiblichen  Thiere 
beinahe  ganz  fehlen,  von  denen  eins  jederseits  ander 
Bauchfläche,  eins  an  der  Seitenfläche  unter  den  Flü- 
geln gelegen  ist,  und  welche  beide  innerhalb  des 
ersten  und  zweiten  der  9  Hinterleibsringe  sich  befin- 
den oder  vielmehr  Theile  derselben  ausmachen.  — 
Das   Paar  der   an   der  Bauchfläche   liegenden   Organe 


152 

(Fig.  VII.  b  und  a  b1,  Fig.  XV.  a,  Fig.  X.  a  a)  hat 
folgenden  Bau:  —  Zwischen  dem  ersten  und  zweiten 
Hinterleibsringe  bleiben,  gleichsam  als  wären  diese 
Ringe  durch  eine  innere  Gewalt  von  einander  getrie- 
ben ,  rechts  und  links  je  eine  Lücke  von  ovalem  Uia- 
fange  (aa  Fig.  X  ),  welche  mit  einem  sehr  zarten,  ganz 
trocknen,  in  schönen  entoptischen  Farbenkreisen 
schimmernden  Häutchen  überzogen  sind,  so  dass  sie 
schon  von  altern  Schriftstellern  mit  zwei  Fensterchen, 
welche  in  das  Innere  des  Thieres  blicken  lassen, 
schicklich  verglichen  worden  sind.  Auch  wir  wer- 
den sie  der  Kürze  halber  künftig  die  eirunden  Fen- 
ster nennen.  Ihre  Grösse  ist  nach  der  Art  verschie- 
den ;  bei  den  grossen  südamerikanischen  Arten  sind 
sie  verhältnissmässig  sehr  klein.  —  Von  aussen  wer- 
den diese  Häutchen  geschützt  durch  zwei  Hornblätter, 
welche  Fortsetzungen  des  letzten  Brustringes  sind  und 
sich  demselben  unmittelbar  hinter  dem  letzten  Fuss- 
paare  anfügen  (Fig.  VII.  b,  das  linke  b'  ist  losgebro- 
chen ,  um  das  darunter  verborgene  Fensterchen  zu  zei- 
gen).—  Bemerkenswerth  ist,  dass  unter  diesen  grös- 
sern Hornklappen  (wie  wir  sie  künftig  bezeich- 
nen wollen)  noch  ein  Paar  kleinere  (Fig.  VII.  XV. 
b")  vorragen,  welche  dicht  vor  der  Wurzel  der  hin- 
tern Fusspaare  ausgehen,  und  bei  den  verschiedenen 
Arten  in  einem  Gegensatze  mit  jenen  zu  stehen  schei- 
nen, so  dass  z.  B.  bei  Tettigonia  sanguinea,  wo  die 
erstem  sehr  klein  werden  (Fig.  XV.  b),  die  letztern 
an  Grösse  beträchtlich  gewinnen  (£",),  bei  Tettigonia 
orni  sind  es  dagegen  nur  ein  Paar  nadeiförmige  Spitzen. 
—  Uebrigens  bemerkt  man  noch,  dass  zwischen  dem 
hintersten  Brustringe  und  vordersten  Hinterleibsringe 
unmittelbar  vor  den  eirunden  Fensterchen  eine  weiche 
muskulöse  Haut  besteht  (Fig.  VII.  XV.  «'))  welche 
die  Verbindung  und  Bewegung    zwischen    Brust    und 


i5a 

Hinterleib  wesentlich  bedingt,  so  dass  man  nur,  wenn 
der  Hinterleib  stark  aufwärts  gebogen  wird  (wie  bei 
XV.),  sie  deutlich  zu  Gesicht  bekommt.  —  Und  so 
weit  von  diesen  untern  Organen,  welche  von  altern 
Schriftstellern  oftmals  für  die  eigentlichen  Stimmor- 
gane gehalten  worden  sind,  denen  aber  höchstens,  und 
zwar  mittels  jener  straffen  elastischen  Membranen  der 
eirunden  Fenster,  die  Wirkung  Schall  verstärkender 
Organe  beigelegt  werden  kann. 

Wir  kommen  nun  zur  Betrachtung  der  seitlichen, 
unterhalb  der  Flügel  gelegenen  Organe ,  welche  der 
wahre  Sitz  der  Stimmbildung  sind,  und  einen  sehr  zu- 
sammengesetzten Bau  zeigen.  Der  erste  sehr  schmale 
Ring  des  Hinterleibes  nämlich ,  zeigt  sich  fast  eben  so 
nach  beiden  Seiten  aus  einander  getrieben  und  in  die- 
ser von  oben  nach  unten  ovalen  Lücke  mit  einer  tro- 
ckenen feinen  Membran  ausgefüllt,  wie  wir  dies  an 
seiner  Grundfläche  bemerkt  hatten,  nur  dass  die  Sei- 
tenmembran auswärts  convex  und  in  sich  selbst  gefal- 
tet ist,  da  jene  der  eirunden  Fenster  eben  und  spie- 
gelglatt ist.  Wir  wollen  diese  convexe  Membran, 
welche  eigentlich  den  Schall  giebt,  und  welche  von 
Casserius  membrana  bractealis  genannt  wird,  die 
Trommelhaut  nennen.  Sie  liegt  in  einigen  Arten 
ziemlich  frei ,  so  bei  Tettigonia  orni  (Fig.  I.  IV.  c)  und 
sanguinea  (Fig.  XV.  c),  in  andern  wird  sie  eben  so 
durch  ein  vom  zweiten  Hinterleibsringe  nach  oben  und 
vorwärts  vorragendes  Hornblatt  (Fig.  XIV.  d  Fig.  X.  d) 
überwölbt,  wie  die  eirunden  Fenster  von  den  grössern 
Hornklappen  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten 
bedeckt  werden.  Auf  diese  Weise  entsteht  nament- 
lich bei  Tettigonia  plebeja  eine  Art  von  Schallhöhle 
(Fig.  XIV.  ist  sie  bei  e  durch  Wegbrechen  des  über- 
wölbenden Hornblattes,  welches  wir  hinführo  Deck- 
blatt nennen  werden,     geöffnet )3     welche   nur  nach 


154 

abwärts  mit  einer  geräumigen  Mündung  ausgeht  (Fig. 
X.  e').  Bei  T.  sanguinea  fällt  das  Deckblatt  bis  auf 
eine  kleine  Andeutung  (Fig.  XV.  d)  ganz  weg,  bei 
T.  orni  hingegen  ist  es  grösser ,  lässt  jedoch  eben 
sowohl  als  unten  freien  Zutritt  zur  Trommelhaut  (g. 
Fig.  III.  IV.  d).  —  Bricht  man  den  die  Trommelhaut 
enthaltenden  Seitentheil  des  ersten  Hinterleibringes 
los,  so  sieht  man  deutlich,  wie  diese  convexe  gefal- 
tete Membran  in  eine  ringförmige  Erweiterung  der 
Hornsubstanz  förmlich  eingefasst  ist  (s.  Fig.  V.  und 
XI ) ;  dieser  Hornring  selbst  ist  dann  durch  eine  Fort- 
setzung jener  schon  erwähnten  weichen  Muskelhaut 
an  die  Seitentheile  des  hintersten  Brustringes  gehef- 
tet, und  es  wird  diese  Stelle  insbesondere  dadurch 
merkwürdig,  dass  hier  eine  eigene  Athemmündung 
(Stigma)  sich  befindet  (welches  weder  von  Reaumur 
noch  sonst  erwähnt  wird),  von  welcher  später  die 
Rede  sein  wird  (sie  ist  Fig.  XVI.  XVII.  durch  die 
Sonde  bezeichnet  und  Fig.  XVIII.  vergrössert  darge- 
stellt). —  Die  Trommelhaut  selbst  ist  von  sehr  zartem 
unter  dem  Mikroskop  (Fig.  VI,  XIII.)  punktförmig 
erscheinenden  Gewebe  und  bei  T.  plebeja  unterschei- 
det man  in  deren  Substanz  selbst  feine  Luftröhrenver- 
zweigungen (XIII.)  Bei  ihrer  Convexität  und  Tro- 
ckenheit hat  sie  die  Eigenschaft,  wenn  eine  Stelle  an 
ihr  einwärts  gedrückt  wird,  sie  elastisch  alsbald  wie- 
der herausspringen  zu  lassen,  welches  dann,  wie  eine 
ähnliche  Bewegung  an  einer  dünnen  Metallplatte,  einen 
Klang  giebt,  und  auf  diese  Weise  wird  sie,  wie 
Casserius  zuerst  richtig  und  deutlich  bemerkt  hat, 
der  eigentliche  Sitz  der  Stimmbildung,  Avelche  Stimme 
dann  durch  die  Schallhaut  der  eirunden  Fenster,  durch 
die  Höhlen  unter  den  Deckplatten ,  am  meisten  aber 
durch  die  innern  Atheiuhöhlen  verstärkt  wird  —  Was 
nun  den  innern  Mechanismus   betrifft,     welcher  jenes 


155 

Einziehen  und  Ausspringen  einer  Stelle  der  Trommel- 
haut vermittelt,  so  besteht  er  in  folgendem:  —  von 
einer  einwärts  etwas  vorspringenden  scharfen  Horn- 
kante  an  der  untern  Mittellinie  des  ersten  und  zwei- 
ten Hinterleibringes,  gleichwie  von  einem  Abdominal- 
Sternum  entspringen,  inwendig  zwei  starke,  nach  den 
beiden  Wirbeln,  an  denen  sie  entspringen,  in  zwei 
Portionen  getheilte,  ziemlich  unter  rechtem  Winkel 
auseinanderweichende,  jeder  nach  einer  Seite  schief- 
aufwärts  laufende  Muskeln  (Fig.  II.,  IX.,  X  ,  XVI., 
XVII.  ff.),  welche  auf  höchst  merkwürdige  Weise 
jeder  an  einer  frei  liegenden  ovalen  Hornplatte  (gg) 
sich  endigen,  welche  mittelst  einer  feinen  aber  der- 
ben Sehne  (hh)  an  die  Trommelhaut  sich  oberwärts 
anheften.  Diese  Muskeln  also  (wir  wollen  sie  Span- 
ner der  Trommelhaut  nennen)  sind  es,  deren  Zusam- 
menziehungen zu  beiden  Seiten  zugleich  die  Trommel- 
haut da,  wo  die  Sehne  (h)  in  sie  eingewachsen  ist, 
einwärts  ziehen  und  bei  ihrer  Erschlaffung  durch  ei- 
gene Elasticität  jener  Membran  sie  auswärts  springen 
machen  und  so  den  Schall  erzeugen,  dessen  Wieder- 
hall die  Felder  Italiens  im  Sommer  erfüllt.  *)  Inwie- 
fern jedoch  eine  vollkommene  Trockenheit  der  Trom- 
melhaut nöthig  ist,  wenn  sie  den  Klang  erzeugen  soll, 
ist  es  erforderlich,  dass  sie  innerlich  sowohl  als  äus- 
serlich  nur  von  Luft  umgeben  sei  und  mit  keinen  von 
Saftmasse  durchdrungenen  Organen  in  Berührung 
komme.     Es   setzt  dieses   sonach   eine  besondere  Bil- 


*)  Es  ist  übrigens  ganz  richtig,  dass  man  auch  an  einer  tod- 
ten  Cicade  durch  Ziehen  dieser  Muskeln  mittels  einer  Pincette 
ganz  denselben  Ton  hervorbringen  kann,  welchen  die  lebende 
hören  lässt.  Eben  daher  auch  das  Forttönen  der  lebendig  zer- 
schnittenen Cicade,  selbst  nach  abgetrenntem  Kopfe,  so  lange 
nur  jene  Muskeln  noch  zittern. 


156 

düng  der  innern  Luft-  oder  Athemorgane  voraus,  zu 
deren  Betrachtung  wir  nun  übergehen. 

Es  ist  aber  zuvörderst  zu  bemerken ,  dass  bei  den 
Orthoptern  überhaupt  eine  ausserordentliche  Entwicke- 
lung  der  Athemorgane  im  Hinterleibe  eine  gewöhnli- 
che Erscheinung  ist;  man  kennt  die  Menge  von  Luft- 
säcken, welche  den  Hinterleib  der  Locusten  ausfüllen, 
und  bereits  vor  11  Jahren  habe  ich  (Lehrbuch  der 
Zootomie  S.  478)  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie 
bei  Locusta  verrucivora  wirklich  eine  deutliche  Athem- 
bewegung  der  Urwirbelbögen  des  Hautskelets  am  Hin- 
terleibe, völlig  der  Bewegung  der  Rippen  höherer 
Thiere  vergleichbar,  Statt  finde.  —  Auf  ähnliche  Weise 
verhält  sich's  nun  bei  den  Tettigonien,  und  nament- 
lich bei  den  männlichen,  von  welchen  jetzt  einzig  die 
Rede  ist. 

Es  besteht  nämlich  der  Hinterleib  dieser  Thiere, 
wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  aus  9  Ringen.  Yon 
diesen  sind  die  6  mittlem  am  einfachsten  und  voll- 
ständigsten in  der  gewöhnlichen  Form  der  Urwirbel- 
ringe  des  hornigen  Hautskelets,  oberwärts  stark  ge- 
wölbt, unterwärts  etwas  abgeflachter,  ja  an  den  Sei- 
ten einwärts  gebogen,  entwickelt;  die  beiden  vorder- 
sten Ringe  oder  Urwirbel  sind  am  meisten  zusammen- 
geschoben und  enthalten  die  beschriebenen  Stimmor- 
gane, während  der  letzte  der  kleinste  wird  und  sich 
unter  dem  achten  verbirgt  (dahingegen  im  weiblichen 
Thiere  gerade  dieser  auf  die  Geschlechtsglieder  sich 
beziehende  Wirbel  an  Grösse  bedeutend  gewinnt,  und 
den  vorletzten  eben  so  sehr  übertrifft,  als  er  im  Männ- 
chen von  ihm  übertroffen  Avird).  —  An  den  6  mittlem 
Ringen  gewahrt  man  auf  der  unteren  Fläche  durch- 
gängig und  nur  mit  Ausfall  des  hintersten  oder  im 
Ganzen  achten  Ringes,  zu  beiden  Seiten  an  den  ge- 
wöhnlichen Stellen  die  sehr  kleinen  Stigmata  (s.  Fig.  IX.) 


157 

Merkwürdiger  Weise  zeigen  sich  jedoch  diese  Stig- 
mata so  von  einer  weisslichen  faserigen  Substanz  ver- 
stopft, dass  man  schwerlich  einen  wirklichen  Luftzu- 
tritt durch  dieselben  annehmen  darf;  selbst  bei  den 
grossen  südamerikanischen  Arten,  bei  deren  einer  der 
Hinterleib  allein  ziemlich  einen  pariser  Zoll  misst, 
entdeckt  man  keine  eigentliche  Oeffnung,  oder  sieht 
sie  vielmehr  durch  die  erwähnte  weisse  Substanz  ver- 
schlossen. Oeffnet  man  jedoch  das  Thier,  so  sieht 
man  nichts  destoweniger  von  jedem  Stigma  innerlich 
baumartig  verzweigte  Trachäen  an  den  seitlichen  Ab- 
dominalwänden aufsteigen.  Was  ferner  die  vordersten 
beiden  Ringe  betrifft,  so  scheint  der  hintere  und  brei- 
tere von  beiden  beim  ersten  Anblick  ohne  alle  Spur 
eines  Stigma  zu  sein,  man  müsste  denn  annehmen, 
dass  jene  beschriebenen  eirunden  Fenster  Metamor- 
phosen derselben  wären.  Untersucht  man  jedoch  ge- 
nauer, so  findet  man  äusserlich  neben  jedem  eirunden 
Fenster  in  der  Grube,  nach  welcher  der  Buchstabe  o 
Fig.  X.  hinzeigt,  ein  ziemlich  grosses  Stigma,  dessen 
trichterförmige  Vertiefung  weniger  als  bei  den  übrigen 
verschlossen  scheint,  und  einem  ziemlich  bedeutenden 
Trachäenstamme  den  Ursprung  gewährt.  Auch  am  vor- 
dersten, als  Ring  am  schwächsten  entwickelten  Ur- 
wirbel  gewahrt  man  bei  erster,  auch  sorgfältiger  Be- 
trachtung nicht  leicht  die  Stigmata;  sieht  man  jedoch 
recht  genau  nach ,  so  findet  man  vor  der  Trommelhaut 
allerdings  jederseits,  wie  bereits  oben  beiläufig  be- 
merkt wurde ,  ein  wirklich  offenes  Stigma ,  dessen 
stark  vergrösserte  Abbildung  von  der  innern  Fläche 
Fig.  XVIII.  gegeben  ist,  so  wie  die  Sonden  Fig.  XVI. 
m  und  XVII.  m  seine  Lage  anschaulich  machen.  — 
Dieses  Paar  von  Stigmaten,  welches  äusserlich  durch 
eine  Reihe  feiner  stachlicher  Haare  geschirmt  wird 
(s.  Fig.-  XVIII.  r) ,    ist  nun  vorzüglich  dadurch  merk- 


158 

würdig,  dass  es  innen  nicht  zu  einem  besondern  Tra- 
chäenstamm  sich  fortsetzt,    sondern   sogleich  zu  einer 
lungenähnlichen   Blase    oder  einem  Luftsacke  sich  er- 
weitert   (Fig.    XVIII.    n  Anfang    dieser    Blasenhaut), 
welcher  mehr  und   mehr   sich    vergrössernd    mit  dem 
gegenüberliegenden    sich    vereinigt    und    eine    grosse 
Lufthöhle  bildet,     welche  etwas  gegen  die  Brust  hin- 
ein sich  ausdehnt,     vorzüglich   aber,     indem   sie  sich 
zwischen    den    starken    Muskeln    der    Trommelhäute 
durchdrängt,     einen  beträchtlichen   Theil   des  Hinter- 
leibes ausfüllt,  welcher  dadurch  sonach  endlich  gröss- 
tentheils  als  lufthohl  erscheinen  muss.  (Fig.  XVI.  p  q 
zeigt   die    Ausdehnung    dieser    grossen    Lufthöhle    bei 
Tettigonia  plebeja,  Fig.  XVII.  p  q  bei  Tett.  orni,  die 
punktirte  Linie  q  Fig.  XV.  bei  Tett.  sanguinea.)    Die 
Wandungen  dieses  Luftsackes  bestehen  aus  einer  zar- 
ten Haut  (/*  Fig.  IX.  X.),   welche  ursprünglich,    wie 
alle  innere  Organe  der  Kerfe,     feucht  und  weich  ist, 
jedoch,    indem  sie  sich  ausdehnt,    zuvörderst  an  eini- 
gen Stellen ,     wo    sie  mit  der  äussern  Luft  in  Berüh- 
rung tritt,     trocknet  und   spröde  wird,     endlich  aber, 
wenn  sie  den  Leib  (wie  namentlich  bei  Tett.  orni)  im 
höchsten  Grade  ausgedehnt  hat,     nicht   nur  selbst  die 
Trockenheit  eines  feinen  Papierblattes  überall  annimmt, 
sondern    den  ganzen   Abdominalwandungen  sie  in  sol- 
chem Maasse  mittheilt,     dass    das   Abdomen  wie  eine 
hohle  trockne  leere  Blase  erscheint,  wenn  man  es  am 
lebenden  oder  am  ebengetödteten  Thiere  aufschneidet. 
—  Die  Vergrösserung  dieser  Blasen  scheint  mit   dem 
Entleeren   der   Samengefässe    durch  die  Begattung  zu- 
sammenzuhängen, weshalb  schon  die  Alten  die  männ- 
lichen  Cicaden   nach  der  Begattung    als    Speise  ver- 
warfen ,  indem  sie  dann  leer  seien ;  und  so  findet  man 
denn   auch    die   verschlungenen    Gefässe,     welche   die 
innern  Geschlechtsorgane  darstellen  (*  Fig.  IX.  X\I. 


159 

XVII.),  um  so  mehr  gegen  die  Spitze  des  Hinterlei- 
bes zurückgedrängt  oder  zusammengezogen,  je  mehr 
jene  Luftblase  sich  ausgedehnt  hat. —  Die  Stellen,  wo 
nun  die  Haut  der  sich  auftreibenden  Athemblase  am 
ersten  mit  der  äussern  Luft  in  Berührung  tritt,  sind 
jene  auseinandergetriebenen  Gegenden  der  Hornringe, 
welche  als  eirunde  Fenster  und  Trommelhäute  be- 
schrieben worden  sind,  und  namentlich  ist  das  spie- 
gelnde Häutchen,  welches  die  eirunden  Fenster  aus- 
füllt, durchaus  nichts  anderes  als  ein  getrocknetes 
Stückchen  jener  Lungenblase,  und  man  sieht  an  ge- 
trockneten Thieren  deutlich,  dass,  wo  man  im  Innern 
etwas  von  der  Wand  dieser  Luftblase  ablösen  kann, 
es  sogar  auch  dieselbe  farbenschillernde  Beschaffen- 
heit hat,  welche  wir  an  den  Häuten  der  eirunden 
Fenster  gewahr  werden.  Was  die  Trommelhäute  be- 
trifft, so  sind  diese  dicker  auch  gelblich  gefärbt,  und 
deuten  hierdurch ,  so  wie  durch  ihre  Faltung  darauf, 
dass  sie  durch  Zusammentreten  der  Blasenhaut  mit 
den  äussern  Hautbedeckungen  gebildet  werden.  Höchst 
merkwürdig  ist  es  nun  bei  dieser  Ungeheuern  Ausdeh- 
nung von  zwei  in  eine  zusammenfliessenden  Trachäen- 
blasen  das  Verhalten  der  übrigen  Hinterleibs -Einge- 
weide zu  beobachten.  Es  finden  sich  nämlich  Magen 
(man  sieht  dessen  Durchschnitt  bei  k  Fig.  IX ),  Darm, 
Ganglienkette,  Rückengefäss,  Gallgefässe  und  Luft- 
röhrenverzweigungen durch  die  aufgetriebene  Blase 
dicht  an  die  Wandungen  des  Hinterleibes  angepresst, 
und  im  Zustande,  wenn  auch  nicht  vollkommner,  doch 
angehender  Vertrocknung,  während  die  entleerten  Sa- 
mengefässe  der  Geschlechtsorgane  sich  noch  am  läng- 
sten einigermassen  feucht  erhalten ,  und  auch  die  star- 
ken saftigen  Muskeln ,  welche  durch  die  Luftblasen- 
haut einen  feinen  äussern  Ueberzug  bekommen,  ob- 
wohl sie  mitten  in  der  Lufthöhle  liegen  und   sich  be- 


160 

wegen,  im  lebenden  Thiere  nie  im  völlig  trocknen 
Zustande  angetroffen  werden.  —  Kurz  wir  können  als 
Resultat  dieser  Betrachtungen  aussprechen,  dass  die 
Athemorgane  hier  ein  so  ausserordentliches  Ueberge- 
wicht  über  die  übrigen  Eingeweide  erhalten  ,  wie  uns 
sonst,  sogar  bei  den  im  Allgemeinen  durch  ein  sol- 
ches Uebergewicht  bezeichneten  Kerfen,  nirgends  be- 
kannt geworden  ist. 

Bevor  ich  nun  diese  Beschreibungen  schliesse, 
wird  es  unerlässlich ,  nachdem  wir  im  Vorhergehenden 
immer  nur  das  männliche  Thier  im  Auge  behalten  hat- 
ten, auch  der  Organisation  der  weiblichen  Individuen 
zu  gedenken.  —  Betrachtet  man  aber  das  Weibchen 
z.  B.  von  Tettig.  plebeja  an  der  untern  Fläche  des 
Hinterleibes,  so  bemerkt  man  wieder  die  9  Hinter- 
leibsringe, von  welchen  jedoch  der  7.  und  8.  unter- 
wärts zu  einer  Querplatte  verschmolzen  sind  (welche 
Vereinigung  übrigens  auch  im  Männchen  Statt  findet), 
und  der  hier  sehr  breite  9.  Ring  durch  den  vortreten- 
den Lagestachel  gespalten  wird.  Der  2.  bis  7.  Ring 
haben  feine  kaum  sichtbare  Stigmata,  und  wieder  ist 
das  Paar  des  2.  Ringes  neben  den  Rudimenten  der 
eirunden  Fenster  verborgen,  an  sich  aber  am  bedeu- 
tendsten. Ferner  bemerkt  man  deutlich  die  Rudimente 
der  vom  hintern  Brustringe  ausgehenden  Hornklappen, 
von  Avelchen  jedoch  die,  welche  wir  die  grössern  ge- 
nannt haben,  hier  sehr  klein  erscheinen,  dahingegen 
die,  welche  wir  die  kleinern  nannten,  hier  eben  so 
antagonistisch,  wie  es  schon  von  dem  Verhalten  in 
verschiedenen  Arten  angegeben  wurde,  grösser  als  im 
Männchen  gefunden  werden.  —  Von  alle  dem  hinge- 
gen, was  wir  im  Männchen  als  eigentliche  Stimm- 
werkzeuge beschrieben  haben,  also  von  den  Trom- 
melhäuten und  ihren  Deckblättern,  und  von  den  Span- 
nern der  Trommelhaut  mit  ihren  Hornplatten  und  Seh- 


161 

nen ,  findet  sich  im  Weibchen  keine  Spur,  und  nur  die 
eirunden  Fenster  sind,  jedoch  sehr  verkümmert,  vor- 
handen und  auch  hier  mit  ihren  feinen  Spiegelhäutchen 
überzogen  (s.  Fig.  VIII.  a"  a"). 

Was  die  Verhältnisse  der  innern  Organe  betrifft, 
so  finden  sich  allerdings  auch  beim  Weibchen  die  bei- 
den grossen  Luftblasen,  welche  bei  den  Männchen,  zu 
einer  verschmelzend,  so  ausserordentliche  Ausdehnung 
annehmen,  allein  hier  in  weit  geringerem  Umfange, 
und  so,  dass  die  Scheidewand  zwischen  beiden,  so 
viel  ich  gesehen  habe,  bleibend  ist,  ja  noch  im  tod- 
ten  trocknen  Thiere  deutlich,  und  ganz  von  derselben 
Beschaffenheit,  wie  die  in  den  Rudimenten  der  eirun- 
den Fenster  befindlichen,  erkannt  Avird. —  Es  ist  übri- 
gens sehr  wahrscheinlich,  dass  auch  im  Weibchen 
sich  der  Umfang  der  Luftblasen  etwas  vergrössert, 
sobald  die  Ovarien  von  den  zahlreichen  ziemlich  gros- 
sen Eiern  entleert  werden ;  indess  habe  ich  in  dieser 
Hinsicht  nicht  genügsame  in  gewisser  Ordnung  sich 
einander  folgende  Untersuchungen  anstellen  können, 
so  wie  namentlich  auch  über  das  allmählige  stärkere 
Ausbilden  der  Athmungsorgane  im  Uebergange  vom 
Larvenzustande  zum  Zustande  des  vollkommnen  In- 
sekts noch  eine  sehr  merkwürdige  Folgereihe  von  Un- 
tersuchungen angestellt  werden  könnte,  welche  ins- 
besondre auch  über  die  eigentliche  Genesis  der  Stimm- 
werkzeuge, auf  deren  Art  und  Weise  wir  jetzt  nur 
schliessen  können,  sehr  interessante  Erscheinungen 
enthüllen  würde. 

II.     Physiologische     Bemerkungen    über   Ei- 

genthümlichkeit  von  Stimm-  und  Ath- 

mungswerkzeugen  der  Cicaden. 

Es  ist  jedenfalls  eine  höchst  beachtenswerthe  Er- 
scheinung,    dass   überhaupt   bei  den  Kerfen  das  Ver- 

11 


162 

mögen  Töne  von  sich  zn  geben  oder  Stimme  zu  er- 
zeugen ,  zuerst  in  der  Thierreihe  vorkommt ,  um  so 
beachtenswerther,  weil  die  Stimmbildung  in  ihrer 
höchsten,  d.  i.  menschlichen  Vollkommenheit  genau 
an  die  Respirationsorgane  geknüpft  ist,  und  die  Kerfe 
die  erste  grosse  Abtheilung  des  Thierreiches  bilden, 
wo  die  Respiration  als  Luftathmung  eine  grössere 
Ausdehnung  erlangt.  —  Es  würde  daher  schon  man- 
nichfaches  Interesse  gewähren,  die  verschiedenen  Ar- 
ten von  Stimmbildungen  bei  den  Kerfen  sämmtlich 
zusammenzustellen  und  untereinander  zu  vergleichen, 
inwiefern  die  Stimme  der  Kerfe  wirklich  in  verschie- 
denen Gattungen  auf  sehr  verschiedene  Weise  hervor- 
gebracht wird.  So  geben  die  Grillen  ihren  dem  der 
Cicaden  einigermassen  ähnlichen  Ton  durch  Reiben 
der  Flügeldecken  von  sich ,  so  erzeugt  bei  verschiede- 
nen Käfern  das  Reiben  der  Hautskelettheile  von  Brust 
und  Bauch  den  eigenthümlichen  Klang,  so  scheint  gar 
bei  Sphinx  atropos  ein  besonderes  Organ  am  Kopfe 
das  eigenthümliche,  ziemlich  laute  Geschrei  dieses 
Thieres  zu  erregen  *).  Das  Stimmorgan  der  Cicaden 
steht  indess  wohl  unter  allen  diesen  deshalb  unwider- 
sprechlich  oben  an,  Aveil  dasselbe  wirklich  einen  inte- 
grirenden  Theil  der  inneren  Respirationsorgane  aus- 
macht, und  die  Muskulatur,  welche  eigends  diesem 
Stimmorgane  bestimmt  ist,  allerdings  zugleich  der  zum 
Athemholen  bestimmten  Bewegung  dienen  mnss.  —  In- 
wiefern nun  überdies  ,    wie  wir  gefunden  haben  ,    nir- 


*)  S.  hierüber  Passerini's  Bemerkungen  in  Heusinger 's 
Zeitschrift  für  die  organische  Physik.  2.  Bd.  Hft.  4.  S.  442.  — 
Dass  es  wenigstens  gewiss  nicht,  wie  man  angenommen  hat, 
durch  das  Reiben  des  Rüssels  entsteht,  davon  habe  ich  mich  an 
zwei  lebenden  Individuen  überzeugt,  indem  ich  den  Rüssel  mit 
einer  Nadel  aufrollte  und  ausdehnte,  und  das  Geschrei  doch 
fortdauerte. 


163 

gends  unter  den  Kerfen  das  Reich  der  Luft  im  Innern 
des  Körpers  eine  solche  Ausdehnung  erlangt  als  hier, 
so  stimmt  dies  auf  eine  sehr  merkwürdige  Weise  mit 
dem  auch  in  dieser  Gattung  am  vollkommensten  ent- 
wickelten Organe  zur  Stimmerzeugung  überein. 

Ferner  steht  die  Vertrocknung ,  welche  die  Hin- 
terleibseingeweide durch  die  Ausdehnung  der  zu  den 
Stimmwerkzeugen  gehörigen  Respirationsblasen  erlei- 
den, ganz  in  Verhältniss  zu  dem,  was  auch  in  ande- 
rer Reziehung,  und  namentlich  hinsichtlich  des  Blut- 
systems  bei  der  allmähligen  Ausbildung  des  vollkom- 
menen Kerfs  überhaupt  Statt  findet.  Ich  habe  näm- 
lich früher  in  meiner  Schrift:  „Entdeckung  eines  ein- 
fachen, vom  Herzen  aus  beschleunigten  Blutkreislau- 
fes in  den  Larven  netzflügelicher  Insekten,  Leipzig 
1827."  S.  33  u.  f.  mich  über  das  Verschwinden  des 
Blutkreislaufes  antagonistisch  dem  Hervortreten  stär- 
kerer Athmung  ausführlich  ausgesprochen ,  und  wie 
es  sich  da  ergab,  dass  durch  das  Ausdehnen  des  Ath- 
mungsprocesses  und  das  damit  verbundene  Trocken- 
werden (z.  B.  der  Flügel  und  ihrer  kiemenartigen  Ge- 
fässe)  der  Blutlauf  aufhöre  und  seine  Gefässe  er- 
starren (woraus  wir  dort  schon  die  Kürze  des  Kerf- 
lebens und  das  nicht  mehr  Wachsen  und  Regeneriren 
des  fertigen  Kerfs  ableiteten),  so  sehen  wir  hier  so- 
gar das  erste  Ernährungsgefäss  des  Körpers ,  den 
Darmkanal,  an  die  Wand  der  Abdominalringe  gleich- 
sam antrocknen  und  alle  Funktion  aufgeben,  Avovon 
denn  der  bald  nach  der  vollkommenen  Entwickelung 
eintretende  Tod  eine  nothwendige  Folge-  sein  muss.  — 
Es  ist  diese  Erscheinung  um  so  beachtenswerther,  da 
sie  auch  rückwärts  wieder  die  Richtigkeit  jener  frü- 
her am  angeführten  Orte  angegebenen  Thatsache  hin- 
sichtlich des  Verhaltens  des  Kreislaufes  in  helleres 
Licht  zu  setzen  dient. 

11* 


164 

Den  Bau  dieser  Stimmorgane  genauer  ins  Auge 
fassend,  kann  sodann  auch  eine  merkwürdige  Aehn- 
lichkeit  nicht  unerwähnt  bleiben,  welche  zwischen 
ihnen,  den  vollkommensten  Stimmorganen  der  Thiere 
ohne  Hirn  und  Rückenmark,  und  den  vollkommnein 
Hörwerkzeugen  der  Thiere  mit  Hirn  und  Rückenmark 
besteht.  Wie  bei  diesen  eine  lufterfüllte  Höhle,  mit 
elastischer  Haut  geschlossen,  das  Wesen  des  Hörap- 
parats macht,  und  festere,  in  die  elastische  Haut  ver- 
wachsene Körper  durch  Muskeln  und  Sehnen  regiert 
werden,  so  auch  bei  jenen.  Ist  es  nun  auch  gewiss, 
dass  diese  Aehnlichkeit,  welche  wir  schon  durch  die 
gewählten  Namen  suchten  deutlich  zu  machen,  uns 
nicht  verleiten  darf,  zu  glauben,  dass  in  der  Fortbil- 
dungsreihe der  Organe  das  Hörorgan  der  höheren 
Thiere  durch  Metamorphose  dieser  Stimmorgane  ent- 
stände (so  wenig  als  etwa  die  Hörknöchelchen  der 
Säugethiere  aus  den  von  Weber  beschriebenen  Rip- 
penrudimenten, welche  bei  den  Fischen  zwischen 
Schwimmblase  und  Ohr  liegen,  hervorgehn),  so  ist 
doch  die  Beachtung  der  Analogie,  welche  die  Natur 
bei  verwandten  Funktionen  auch  durch  verwandte  Bil- 
dung der  Organe  ausspricht,  sehr  interessant,  um  so 
mehr,  da  die  Gehörhöhle  des  Kopfes  in  den  höheren 
Thieren  wirklich  die  Bedeutung  der  hinteren  Ath- 
mungshöhle  des  Kopfes  hat,  und  somit  der  hinteren, 
d.  i.  Abdominal- Athmungsgegend  des  Rumpfes  parallel 
gegenüber  steht.  (S.  hierüber  S.  55  in  meinem  Werke 
von  den  Ur-Theilen  des  Knochen-  und  Schalenge- 
rüstes   Leipzig,  1828.) 

Wie  sehr  übrigens  wirklich  die  zur  Stimmerzeu- 
gung nöthige  Bewegung  mit  der  Athmungsbewegung, 
welche  man  am  Hintcrleibe  der  Locusten  wahrnimmt, 
übereinstimme,  wird  bei  Beobachtung  eines  lebenden 
und    tönenden    Thieres    sehr   auffallend.  —    Betrachtet 


165 

man  nämlich  ein  solches  (wie  ich  dies  an  den  warmen 
Abenden  in  den  Olivengärten  bei  Florenz  so  häufig 
gethan  habe),  so  sieht  man,  wie  das  etwa  auf  einem 
Zweiglein  sitzende  Insekt  bei  jedem  Klange ,  den  es 
ausstösst,  das  Abdomen  etwas  erhebt  (welches  die 
Wirkung  der  Contraktion  von  den  starken  Spannern 
der  Trommelhaut  ist)  um  es  gleich  darauf  wieder  sin- 
ken zu  lassen,  eine  Bewegung,  welche  immer  rascher 
sich  folgt,  um  dann  in  ein  sehr  schnelles  Erzittern 
überzugehen,  wobei  der  Ton  in  ein  blosses  Schwirren 
sich  verliert,  mit  welchem  es  endlich  aufhört,  und  so 
auch  der  Körper  zur  Ruhe  zurückkehrt.  Inwiefern 
nun  jede  Zusammenziehung  jener  Muskeln ,  welche 
wir  Trommelhautspanner  genannt  haben,  eine  gewisse 
Verengerung  der  grossen  Lufthöhle  des  Abdomens  be- 
wirken muss,  indem  sie  die  Trommelhaut  einwärts 
und  die  Grundfläche  des  ersten  und  zweiten  Bauch- 
ringes aufwärts  hebt,  und  inwiefern  auf  diese  Veren- 
gerung, bei  dem  Nachlass  der  Zusammenziehung,  eine 
Erweiterung  der  Lufthöhle  folgt,  so  kann  und  muss 
das  Ganze  eine  wahre  Athmungsbewegung  genannt 
werden,  welche  in  rhythmischer  Verengerung  und  Er- 
weiterung der  Athmungshöhle  besteht,  und  es  findet 
hier  nur  das  Eigenthümliche  Statt ,  dass  jede  Ath- 
mungsbewegung, welche  man  bei  Locusten  blos  sieht, 
hier  gehört  wird,  da  der  Nachlass  jeder  Muskelcon- 
traktion  mit  dem  klingenden  Zurückspringen  des  ela- 
stischen Blattes  des  Trommelhäutchens  verbunden  ist. 
—  Man  könnte  demnach  sagen:  das  Singen  der 
Cicaden  ist  ein  gleichsam  fieberhaft  schnel- 
les klingendes  Athemholen,  während  wel- 
chem der  Bereich  der  Athmung  im  Innern 
des  Thieres  sich  dergestalt  ausdehnt,  dass 
das  fortbildende  Leben  des  Individuums 
damit   nur  kurze    Zeit    bestehen   kann,     und, 


166 

nach  begründeter  Fortbildung  der   Gattung 
erlöschen  muss. 


Erklärung  der   Abbildungen,   Fig.  I.  bis  XVIII. 
(Die  Buchstaben  gelten  für  alle  Figuren  gleich.) 

Fig.  I.  Die  Eschen-Cicade  (Tettigonia  orni).  Ein 
Männchen  von  der  Seite,  mit  aufgehobenen  linken  Flü- 
geln gezeichnet  um  die  Trommelhaut  zu  zeigen. 

Fig.  II.  Erster  und  zweiter  Hinterleibsring  des- 
selben Thieres  etwas  vergrössert  und  von  den  Brust- 
ringen aus  gesehen. 

Fig.  III.  Dieselben  Ringe  in  Verbindung  mit  3. 
und  4.,  von  oben  gesehen. 

Fig.  IV.  Dieselben  Ringe  einzeln,  von  der  linken 
Seite  gesehen,  um  die  Lage  der  Trommelhaut  zu  zeigen. 

Fig.  V.  Ein  Theil  des  ersten  Ringes ,  an  welchem 
die  Trommelhaut  befindlich,  von  der  linken  Seite  ge- 
sehen und  stärker  vergrössert 

(Das  Maass  der  natürlichen  Grosse  ist  diesen  4 
Figuren  zur  Seite  gestellt.) 

Fig.  VI.  Mikroskopisch  dargestellt  ein  Theil  der 
Trommeln  aut  Fig.  V. 

Fig.  VII.  Die  gemeine  Cicade  (Tettigonia  plebeja). 
Ein  Männchen  von  der  Bauchseite  gezeichnet,  um  die 
Lage  der  eirunden  Fenster  mit  ihren  Hornklappen, 
von  denen  die  linke  grössere  abgebrochen  und  ent- 
fernt ist,  darzustellen. 

Fig.  VIII.  Erster  und  zweiter  Bauchring  der  weib- 
lichen gemeinen  Cicade,  um  die  daran  befindlichen 
Rudimente  von  eirunden  Fenstern  mit  ihren  Spiegel- 
häutchen  zu  zeigen. 

Fig.  IX.  Der  etwas  vergrössert  gezeichnete  Hin- 
terleib der  männlichen,  gemeinen  Cicade  von  unten, 
geöffnet,     um  die   Trommelhautspanner,     so    wie    die 


167 

grosse  Trachäenblase  und  die  Geschlechtsorgane  in 
ihrer  Lage  zu  zeigen. 

Fig.  X.  Erster  und  zweiter  Hinterleibsring  des- 
selben Thieres  von  den  Brustringen  aus ,  mit  den  in 
ihnen  enthaltenen  Organen  vergrössert  gezeichnet. 

Fig.  XI.  Die  linke  Trommelhaut  desselben  Thie- 
res.    Das  natürliche  Maass  daneben  XII. 

Fig.  XIII.  Ein  mikroskopisch  vergrößerter  Theil 
dieser  Trommelhaut. 

Fig.  XIV.  Hinterleib  der  männlichen  Tettigonia 
plebeja,  etwas  vergrössert,  von  oben  gesehen.  Auf 
der  linken  Seite  ist  das  Deckblatt  weggebrochen,  um 
die  Trommelhaut  zu  zeigen. 

Fig.  XV.  Hintere  Brustringe  und  Abdominal- 
ringe von  der  männlichen  blutigen  Cicade  (Tettigo- 
nia sanguinea),  stark  vergrössert,  um  die  freiliegende 
Trommelhaut  zu  zeigen. 

Fig.  XVI.  Rumpf  und  Kopf  von  der  männlichen 
gemeinen  Cicade  (Tettigonia  plebeja) ,  der  Länge  nach 
senkrecht  durchschnitten  und  etwas  vergrössert  ge- 
zeichnet, um  die  Ausdehnung  der  Lufthöhle  zu 
zeigen. 

Fig.  XVII.  Dieselbe  Darstellung  von  der  Eschen- 
Cicade  (Tettigonia  orni). 

Fig.  XVIII.  Das  Stigma  neben  der  Trommelhaut 
von  der  gemeinen  Cicade  (Fig.  XVI.  m)  mikrosko- 
pisch vergrössert  von  Innen  gezeichnet. 


a  Eirundes  Fenster  mit  seinem  Spiegelhäutchen 
«'  Weiche  Verbindungshaut  von  Brust  und  Abdomen. 
a"  Eirunde  Fenster  im  Weibchen,  b  Grosse  Horn- 
klappe;  b'  dieselbe  losgebrochen;  b"  kleine  Horn- 
klappe.     c  Trommelhaut.    d  Deckblatt,    e  Höhle  unter 


168 

dem  Deckblatt,  e'  dieselbe  geöffnet,  f  Spanner  der 
Trommelhaut,  an  welchem  jederseits  zwei  Portionen 
zu  unterscheiden:  g  deren  Hornplatte;  h  deren  Sehne. 
k  Magen,  m  Stigma  neben  der  Trommelhaut.  »Wand 
der  inneren  grossen  Luftblase,  o  Stelle,  wo  sich  das 
Stigma  neben  den  eirunden  Fenstern  befindet,  p  Vor- 
derer Raum  der  inneren  Lufthöhle,  q  hinterer  Raum 
derselben,  r  Borsten  am  Eingange  des  grossen  Stig- 
ma, s  Hinterleibseingeweide,  namentlich  Hoden  und 
Samenkanäle.  1  bis  9  Hinterleibsringe. 


V. 

Ueber  das  Licht  der  italiänischen  Leuchtkäfer. 


His  tandem  studiis  transegimus  hyemcm  illam, 
Ver  rediit,  jam  sylva  viret,  jam  vinea  frondcs, 
Jam  spicata  Ceres,  jam  cogitat  hordea  messor, 
Splendidulis  jam  nocte  volant  lampyrides  alis. 

Baptista  Mantuanas  vid.  Ul.   Aldrovandi 
lib.  d.  lnsectis  p.  497. 


JCis  war  am  dritten  Mai  zu  Terracina,  wo  bei  schö- 
nem, warmem  und  durch  Wolkenbedeckung  ziemlich 
dunklem  Abende  uns  zuerst  das  Phänomen  des  eigen- 
thümlichen  Leuchtens  dieser  Leuchtkäfer  bemerklich 
wurde,  ein  Phänomen,  welches  sich  späterhin  immer 
häufiger  darbot,  und  namentlich  bei  unserer  Rückkehr 
nach  Rom  und  dann  nach  Florenz ,  und  während  des 
Aufenthaltes  an  diesen  Orten  im  Monat  Mai  und  Juni 
uns  jeden  Abend  zu  Gesichte  kam.  Insbesondre  wa- 
ren die  Adlerfarrenkrautbüsche  in  der  Campagna  um 
Rom  ausserordentlich  belebt  von  diesen  Thierchen, 
und  nicht  minder  manche  schattige  Gänge  um  Florenz, 
wo  sie  sich  jedoch  im  Anfange  des  Monat  Juli  anfin- 
gen seltener  zu  zeigen.  —  Die  Species  war  fast  durch- 
gängig Lampyris  italica  (dort  Lucciola  genannt) ,  durch 
ihre  bräunlichen  oder  glänzend  schwarzen  Flügeldecken 
und  das  rothe  Brustschild  ausgezeichnet.  Einigemal 
habe   ich  auch  Lampyris   splendidula  erhalten,     doch 


170 

sind  die  Beobachtungen  über  das  eigentümliche 
blitzende  Leuchten  alle  an  Lampyris  italica  gemacht, 
von  welcher  Fig.  XIX.  *)  eine  um  das  Doppelte  vergrös- 
serte  Abbildung,  und  Fig.  XX.  das  ebenfalls  um  das 
Doppelte  vergrösserte  Abdomen  von  der  Unterseite, 
an  welcher  sich  die  beiden  letzten  leuchtenden  Ringe 
bemerklich  machen ,  darstellt.  —  Auch  bemerke  ich, 
dass  ich  um  Rom  und  Florenz  einzelne  vollkommen 
entwickelte,  aber  flügellose  Lampyriden-Weibchen  ge- 
funden hatte,  welche  mit  eben  dem  ruhigen  Lichte 
leuchten,  als  in  unseren  Gegenden. 

Es  wird  nun  zuerst  nöthig  sein,  das  Phänomen 
des  blitzenden  Leuchtens  selbst,  wodurch  es  sich  von 
dem  Leuchten  der  Lampyriden  unserer  Gegenden  un- 
terscheidet, dem  Leser  deutlich  zu  beschreiben,  und 
dann  erst  über  Ursache  und  Bedeutung  dieser  Erschei- 
nung die  weiteren  Erörterungen  beizufügen. 

In  ersterer  Hinsicht  beachte  man  zunächst,  dass 
nicht  blos  wie  bei  unserer  Lampyris  splendidula,  eine 
kleine  Stelle  der  hinteren  Abdominalringe,  sondern 
die  ganze  untere  Hälfte  der  letzten  beiden  leuchtet; 
wenn  daher  bei  der  deutschen  Art  die  kleinen  leuch- 
tenden Stellen  «chon  dadurch  verändert  und  fast  ganz 
verdunkelt  werden  können ,  dass  das  Thier  die  Hin- 
terleibsringe zusammenzieht  und  so  die  leuchtende 
Stelle  eines  Ringes  grossentheils  unter  dem  anderen 
zunächstliegenden  Ringe  verbirgt,  so  ist  diess  hier, 
wo  das  ganze  hintere  Drittheil  des  Abdomens  an  der 
unteren  Fläche  leuchtend  ist,  nicht  wohl  möglich,  und 
die  Bewegungen  des  Abdomens  haben  sonach  hier  auf 


*)  Die  gewöhnlich  citirte  Abbildung  des  De  Geer  (Menioi- 
res  sur  les  insectes  T.  IV.  Tab.  XVII.  Fig.  9.  10.)  ist  so  uenig 
genau,  dass  ich  eine  eigene  Abbildung  nicht  für  überflüssig  ge- 
halten habe. 


171 

das  Leuchten  wenig  oder  gar  keinen  unmittelbaren 
Einfluss.  Hält  man  nun  etwa  Abends  im  Dunkeln  ein 
lebendes  Insekt  an  den  Flügeldecken  so  vor  sich,  dass 
die  Bauchseite  uns  zugekehrt  ist,  und  beobachtet  man 
die  unteren  leuchtenden  Ringe  entAveder  mit  blossen 
Augen  oder  noch  besser  mittels  einer  Lupe,  so  ist 
der  Anblick  ohngefähr  der,  als  ob  man  hinter  einer 
Hornscheibe  oder  einem  Milchglase  ein  Licht  brennen 
sähe,  in  welches  immer  von  Zeit  zu  Zeit  Semen  ly- 
copodii  geworfen  würde ,  so  dass  die  Flamme  hellauf- 
schlagen und  weit  stärker  durch  das  Glas  leuchten 
müsste.  Es  ist  jedoch  bald  wahrzunehmen,  dass,  je 
mehr  das  Thier  sich  eingezwängt  und  geängstigt  fühlt, 
dieses  Aufleuchten  des  inneren  Lichtes  unordentlicher 
und  ungleicher  erfolgt,  und  dass  überhaupt  die  Ener- 
gie des  Lichtes  mit  der  Energie  des  Lebens  immer 
mehr  abnimmt,  obwohl  ein  gleichmässiges  schwaches 
Leuchten  selbst  noch  eine  Zeit  lang  nach  dem  Tode 
fortdauert.  Beobachtet  man  dagegen  einen  solchen 
Leuchtkäfer  während  eines  ruhigen  Fluges  oder  beim 
langsamen  Fortkriechen  auf  einem  Zweige,  so  sind 
die  stärkeren  Lichtausstrahlungen  weit  gleichförmiger, 
rhythmischer,  und  man  kann  ohngefähr  45  bis  55  auf 
eine  Minute  rechnen.  —  Es  ergiebt  sich  also  leicht, 
dass,  wenn  in  der  Dunkelheit  mehrere  dergleichen 
Insekten  herumfliegen,  das  abwechselnde  Ausstrahlen 
ihres  Lichtes  ein  sehr  zierliches  Schauspiel  gewäh- 
ren müsse. 

Ich  gestehe,  dass,  als  ich  die  ersten  Beobachtun- 
gen über  dieses  innerlich  hell  aufflammende  Leuchten 
gemacht  habe,  es  mir  sehr  auffallend  gewesen  ist, 
hierüber  von  frühern  Beobachtern  italiänischer  Leucht- 
käfer keine  Wahrnehmungen  aufgezeichnet  gefunden 
zu  haben,  und  es  scheint  hierin  fast  so  wie  bei  vie- 
len andern  Gegenständen  in  der  Physik  und  Physiolo- 


172 

gie  gegangen  zu  sein,  dass  man  nämlich,  anstatt  wie 
man  immer  thun  sollte,  erst  der  vollkommensten  An- 
schauung des  sinnlich  erkennbaren,  reinen  Naturphä- 
nomens nachzustreben ,  sogleich  zu  einer  Menge  com- 
plicirter  Experimente  übergegangen  ist,  welche  häufig 
mehr  irre  machen  als  aufklären,  wenn  jene  Anschau- 
ung nicht  vorausgegangen  ist. —  Wie  mir  scheint,  sind 
diese  Bemerkungen  grossentheils,  und  nur  bald  mehr, 
bald  weniger  anwendbar  auf  die  von  J.  Murray  *) 
und  die  von  J.  Macaire**)  angestellten  Untersuchun- 
gen über  das  Leuchten  der  Leuchtkäfer,  und  gelten 
auch  von  den  Untersuchungen  des  Theodor  von 
Grotthuss  *{"),  welcher  letztere  gerade  an  Lampyris 
italica  seine  Beobachtungen  anstellte ,  und  doch  des 
merkwürdigen,  oben  beschriebenen  Phänomens  nicht 
gedacht  hat.  —  Eine  einzige  Andeutung  einer  solchen 
Wahrnehmung  habe  ich  bei  einem  altern  Schriftsteller, 
Fougeroux  de  Bondaroy  ~\"\~)  gefunden,  indem  er 
von  der  römischen  Lucciola  sagt:  „il  jette  un  trait 
de  lumiere  a  chaque  coup  d'ailes , "  womit  das  rhyth- 
mische Lichtausstrahlen  gemeint  zu  sein  scheint,  ob- 
wohl es  keineswegs  jedem  Flügelschlage  entspricht. 

Nachdem  ich  nun  die  obigen  Beobachtungen  viel- 
fältig wiederholt  und  mir  das  Phänomen  selbst  wohl 
eingeprägt  hatte,  musste  mich  natürlich  die  Frage  be- 


*)  Ueber  das  Licht  und  die  leuchtende  Materie  der  Lam- 
pyris noctiluca  aus  den  Experimental  Researches  des  Verf.  in 
Heusingers  Zeitschr.  f.  organ.  Physik  II.  Bd.  I.  Hft.  S.  94. 

**)  Ueber  die  Phosphorescenz  der  Leuchtkäfer  übers,  von 
Kunze  in  Gilberts  Annalen  der  Physik  J.  1822.  3.  St. 

f)  Physisch-chemische  Forschungen.  Nürnberg  1820. I.Band. 
Seite  111. 

-{■-{-)  Histoire  de  l'Academie  royale  des  sciences.  An.  1766. 
p.  343,  wobei  auch  eine  nicht  üble,  doch  immer  noch  nicht  ganz 
naturgetreue  Abbildung  gegeben  ist. 


173 

schäftigen:     1)  von  welchem  Einflüsse,     von  dem  des 
Nerven-  oder  des  Gefässsystemes  wohl  diese  Bewegun- 
gen des  Lichtes  geleitet   würden?     und  2)  durch  wel- 
ches Medium  nun  in  der   leuchtenden   Substanz  seihst 
das   stärkere   Leuchten  hervorgerufen  werde?  —   Die 
erste  Frage  betreffend,    so   sprach  allerdings  der  Um- 
stand, dass  der  natürliche  und  der  geängstigte  Zustand 
des  Thieres  einen  auffallenden  Einfluss  auf  die  Licht- 
ausstrahlungen   hatte,    für    eine   deutliche  Einwirkung 
des  Nervensystems  ;    bedenkend  jedoch ,     dass  ausser- 
dem    dergleichen    rhythmisch    geregelte    Bewegungen 
weit  mehr  dem  vegetativen  Leben  des  Thieres  als  sei- 
nem Nervenleben  eigen  zu  sein  pflegen,  und  mich  er- 
innernd, wie  ganz  auf  ähnliche  Weise  der  Pulsschlag 
in  höheren  Thieren  durch  den  Einfluss   der   Gemüths- 
zustände  perturbirt  wird,   musste  mir  alsbald  der  Ge- 
danke kommen,     ob  nicht  das   Gefässsystem,     dessen 
Thätigkeit,  wie  mir  aus  andern  und  frühern  Beobach- 
tungen bekannt  war ,    gerade  in  den  Lampyriden  und 
zwar  in  deren  völlig  entwickeltem  Zustande  noch  sehr 
lebhaft  ist,    der  wesentlichste  Factor  für  die  Erschei- 
nung dieser  rhythmischen  Lichtentwickelungen  sei?  — 
Nachdem  ich  nämlich  zuerst   meine   „Entdeckung 
eines  einfachen  vom  Herzen  aus  beschleunigten  Kreis- 
laufes in  den  Larven  netzflüglicher  Insekten"    (Leip- 
zig bei  Voss,  1827)  bekannt  gemacht,   und  auch  dort 
bereits    das    Uebrigbleiben    dieses    durch    Pulsschläge 
bewegten  Kreislaufes    in   einigen  vollkommen    entwi- 
ckelten Insekten  beschrieben   hatte,     gelang    es    mir 
bald  nachher  das  rhythmisch   pulsirende    Fortströmen 
des  Blutes  mit  grösster  Deutlichkeit   in   den  Flügel- 
decken von  Lampyris  noctiluca  wahrzunehmen,  woran 
sich  dann  Wahrnehmungen  ähnlicher  Blutbewegung  in 
andern  Käfern  anschloss    (m.   s.  hierüber  meine  Mit- 
theilung  an   die    Versammlung    der    Naturforscher    zu 


174 

München,  Isis  1828.  S.  477.).  —  Es  war  natürlich, 
dass  ich  mich  jetzt  bei  diesen  pulsirenden  Lichtaus- 
strahlungen,  der  pulsirenden  Blutströmungen,  die  ich 
in  den  Flügeldecken  unserer  Leuchtkäfer  gesehen  hatte, 
erinnern  musste,  und  es  war  daher  meine  erste  Ar- 
beit in  Neapel,  nachdem  ich  mich  nur  etwas  einge- 
richtet und  mein  Mikroskop  aufgestellt  hatte,  die  in 
Terracina  gesammelten,  lebenden  Leuchtkäfer  diesen 
Untersuchungen  zu  unterwerfen.  Ich  fand  sehr  bald, 
dass  die  Sache  bei  Lampyris  italica  sich  ganz  eben  so 
wie  bei  unserer  Lampyris  noctiluca  verhielt,  die  Flü- 
geldecken zeigten  auch  hier  sehr  starke  Adernetze, 
und  deutlich  pulsirend  bewegte  sich  die  Blutmasse  in 
den  arteriösen  Gefässen  vorwärts,  wobei  nicht  zu  ver- 
kennen war,  dass  der  Rhythmus  der  Pulsschläge  mit 
dem,  nach  welchem  Abends  das  Ausstrahlen  des  Lich- 
tes wahrgenommen  wurde,  sehr  übereinstimmte,  da 
auch  hier  etwa  fünfzig  Pulsationen  in  der  Minute  zu 
zählen  waren.  Den  strengsten  Beweiss  indess  dafür 
zu  führen,  dass  stärkere  Lichtausstrahlung  und  Puls- 
schlag vollkommen  synchronisch  sei,  und  die  erstere 
durch  die  andere  bedingt  werde,  dies  hätte  freilich 
erfordert,  dass  man  beides  zugleich  zu  beobachten  im 
Stande  gewesen  wäre. —  Eine  Aufgabe,  welche  jedoch 
überall  schwer  zu  erfüllen  sein  wird ,  und  für  mich  bei 
geringen  Vorrichtungen  gar  nicht  zu  erfüllen  war,  da 
das  eine  Phänomen  nur  im  Dunkeln,  das  andere  nur 
im  hellsten  Tages-  oder  Lampenlichte,  und  nur  unter 
dem  Mikroskope  wahrgenommen  werden  kann.  — 

Um  daher  noch  auf  andere  Weise  zu  versuchen 
darzuthun ,  dass  die  Lichtausstrahlungen  wirklich  von 
den  Pulsschlägen  des  Gefässsystems  bedingt  Averden, 
gehe  ich  jetzt  zur  Beantwortung  der  zweiten  oben 
aufgestellten  Frage  über,  und  es  wird  sich  dabei  Zei- 
gen,    dass    auch    die  Eigenschaften    der    leuchtenden 


175 

Substanz  selbst  die  Wahrscheinlichkeit  des  Einflusses 
von  Blutausströmung  in  dieselbe  auf  stärkere  Licht- 
entwickelung bezeuge,  und  es  so  wohl  zur  Gewissheit 
erheben  müsse,  dass  jene  Lichtblitze  von  den  Puls- 
schlägen des  Herzens  abhängen.  —  Eine  genauere  Un- 
tersuchung der  leuchtenden  Substanz  selbst  war  sofort 
mein  erstes  Augenmerk!  —  Die  bisherigen  Kenntnisse 
über  Eigenschaften  derselben  lassen  sich  aber  ziem- 
lich auf  folgende  Sätze  reduciren,  welche  die  Resul- 
tate der  von  Macaire  gegebenen  und  oben  angeführ- 
ten Abhandlung  ausmachen :  — 

i)  Die  leuchtende  Substanz  besteht  hauptsächlich 
aus  Eiweiss. 

2)  Alle  Substanzen,  welche  Eiweiss  coaguliren, 
entziehen  der  phosphorescirenden  Materie  die  leuch- 
tende Eigenschaft. 

3)  Ein  gewisser  Wärmegrad  ist  erforderlich  zum 
Leuchten. 

4)  Mehr  Wärme  erregt  das  Leuchten,  zu  viel  zer- 
stört es  unwiederbringlich. 

5)  Leuchten  findet  nur  Statt  in  Gas,  welches  freien 
oder  schwach  gebundenen  Sauerstoff  enthält. 

6)  Das  Leuchten  wird  durch  die  Voltaische  Säule 
erregt,  aber  nicht  durch  Elektricität. 

Um  eine  genügende  Menge  der  leuchtenden  Sub- 
stanz zu  erhalten,  öffnete  ich  mehrere  dieser  Insekten. 
—  Wie  bei  den  unsrigen,  nur  in  einer  grösseren  An- 
häufung, liegt  die  weisse,  zähe  Substanz  unmittelbar 
auf  den  beiden  unteren  Segmenten  der  beiden  letzten 
Hornringe  des  Abdomens  auf,  und  wie  bei  den  un- 
srigen besteht  sie ,  wenn  man  sie  unter  dem  Mikroskop 
betrachtet,  aus  einer  Anhäufung  feiner  Kügelchen, 
zwischen  welchen  einzelne  Trachäenästchen  sich  ver- 
breiten. —  Als  ich  nun  aber  diese  Substanz  ferner  nn- 


176 

ter  mancherlei  Verhältnissen  im  hellen  und  dunklen, 
warmen  und  kalten,  trocknen  und  feuchten  zu  be- 
trachten fortfuhr,  bemerkte  ich  eine  Eigenschaft,  wel- 
che für  die  Erklärung  jenes  blitzenden  Leuchtens  von 
einem  besonders  wichtigen  Einflüsse  ist.  Streicht  man 
nämlich  jene  leuchtende  Substanz  auf  Glas ,  so  be- 
merkt man,  dass,  so  lange  sie  noch  feucht  ist,  man 
allerhand  Figuren  und  Schriftzüge  damit  ziehen  kann, 
welche  im  Dunkeln  mit  einem  angenehmen ,  hellen, 
grünlichen  Lichte  leuchten,  sobald  indess  die  Substanz 
anfängt  zu  vertrocknen,  so  wird  auch  das  Licht 
schwächer  und  hört  beim  völligem  Vertrocknen  ganz 
auf.  —  Um  es  indess  von  neuem  zu  erregen,  bedarf 
es  nichts  weiter ,  als  die  Glastafel  und  die  Leuchtsub- 
stanz mit  Wasser  anzufeuchten:  —  ein  Versuch, 
welchen  man  mehreremale  wiederholen  kann,  bis  end- 
lich nach  zu  langer  Austrocknung  das  Leuchtvermö- 
gen dieser  Substanz  völlig  erlischt.  —  Es  ging  also 
aus  diesem  Phänomen  mit  Bestimmtheit  hervor,  dass 
Anfeuchtung  der  Leu  cht  Substanz  eine  not- 
wendige Bedingung  ist,  wenn  überhaupt 
Leuchten  erfolgen  soll,  Austrocknen  der- 
selben hingegen  das  Leuchten  aufhebt. 

Auch  dieser,  weder  von  Macaire  noch  Grott- 
huss  gedachten  Erscheinung  fand  ich  späterhin  von 
dem  angeführten  älteren  Beobachter  Fougeroux  de 
Bondaroy  schon  Erwähnung  gethan,  welcher  (a  a. 
O.  S.  344)  sagt:  „im  papier  frotte  avec  le  corps  de 
cet  insecte,  donne  de  la  lumiere.  En  mouillant  le 
papier  qui  ne  luit  plus,  la  lumiere  reparait  pour  dis- 
paraitre  ensuite  totalement.  " 

Bedenkt  man  nun,  dass  die  Leuchtsubstanz  dieser 
Insekten  gerade  an  der  Stelle  liegt,  wo  die  Pulsation 
der  Rückenader  bei  den  Insekten  überhaupt  am  stärk- 
sten ist,    und  von  wo  aus,   gegen  den  Kopf  hin,     sie 


177 

beginnt,  dass  also  hier  auch  ein  besonders  lebhaftes 
Einströmen  von  Blutmasse  in  die  Leuchtsubstanz  bei 
jedem  Pulsschlage  sehr  wohl  angenommen  werden 
kann  und  muss ,  da  selbst  in  so  entfernten  Organen 
als  die  Flügeldecken,  das  Pulsiren  der  Gefässe  noch 
so  deutlich  ist,  und  beachtet  man  ferner,  dass  gerade 
das  Anfeuchten  der  Leuchtsubstanz  allemal  das  Leuch- 
ten derselben  hervorruft,  welches  aus  den  obigen 
Versuchen  hervorgeht,  so  bleibt  wohl  kaum  ein  Zwei- 
fel übrig,  dass  das  rhythmisch  aufblitzende  Leuchten 
nur  die  Folge  der  stärkeren  Bluteinströmung,  oder 
mit  anderen  Worten ,  dass  es  ein  leuchtender  Puls- 
schlag ist. 

Es  ist  übrigens  wohl  keinem  Zweifel  unterwor- 
fen, dass  das  Einströmen  des  Blutes  in  die  Leucht- 
substanz noch  auf  eine  mehr  erregende  Weise  wirken 
muss,  als  blosses  Anfeuchten  mit  Wasser;  einmal 
wirkt  hierzu  wohl  nothwendig  der  vitale  Einfluss  einer 
zur  Ernährung  des  Körpers  überhaupt  bestimmten 
Flüssigkeit,  ein  andermal  wäre  nicht  unmöglich,  dass 
die  Säuerung,  welche  den  Säften  der  Insekten  über- 
haupt zukommt,  auch  als  chemisches  Agens  diePhos- 
phorescenz  dieses  Leuchtstoffes  erhöhte.  Es  stimmt 
wenigstens  damit  die  von  Theod.  von  Grotthuss 
(a.  a.  O.  S.  112)  angegebene  Wirkung  der  rauchenden 
Salpetersäure  überein ,  deren  Dampf  auch  an  dem 
todten  Leuchtkäfer  die  lebhafteste  Phosphorescenz  her- 
vorruft. —  Was  nun  aber  den  Umstand  betrifft,  dass 
unsere  Leuchtkäfer,  in  welchen  doch,  wie  die  mikro- 
skopische Beobachtung  der  Flügeldecken  zeigt,  der 
Blutumlauf  ebenfalls  so  lebhaft  ist,  jenes  blitzende 
Leuchten  nicht  zeigen,  so  scheint  diess  mir  theils 
darin  begründet,  dass  hier  die  leuchtende  Masse  selbst 
von  sehr  geringem  Umfange,  und  schon  deshalb  in 
weniger  genauer  Berührung  mit  dem  Rückengefäss  ist, 

12 


178 

iheils  darin,  dass  bei  der  geringeren  Wärme  unserer 
Gegenden  und  dem  Leben  dieser  Insekten  an  feuchten 
schattigen  Orten  ihr  Körper  immerfort  so  vollsaftig 
bleibt,  dass  die  Blutwelle  kein  besonderes  Erhöhen 
des  Lichtes  in  der  Leuchtsubstanz  hervorbringen  kann 
—  Ueberhaupt  erkennt  man  aus  der  durch  den  obigen 
Versuch  dargethanen  Notwendigkeit  der  Feuchtigkeit 
zur  Lichterzeugung,  theils  wie  innig  die  Phospho- 
rescenz  dieser  Thiere  mit  ihrer  Lebensweise  zusam- 
menhängt, zu  Folge  welcher  sie  sich  dem  Tageslichte 
entziehen  und  im  Feuchten  und  Schattigen,  unter  Gras 
und  Laub,  im  Moos  u.  dergl.  sich  aufhalten;  theils 
warum  die  ungeflügelten  Lampyriden- Weibchen ,  eben 
weil  sie  sich  von  der  feuchten  Erde  gar  nicht  entfer- 
nen, überhaupt  mit  besonders  hellem  Licht  leuchten 
und  warum  sie  selbst  unter  dem  warmen  italienischen 
Himmel  nicht  mit  einem  pulsirenden  Lichte  leuchten; 
eben  weil  in  ihrem  überhaupt  grösseren  und  mehr 
saftigen  Körper  die  Blutwelle  keinen  so  lichterhöhen- 
den Einfluss  haben  kann,  wie  in  einem  übrigens  tro- 
ckenen Körper;  theils  und  endlich,  warum  nach  dem 
Zeugnisse  mehrerer  Beobachter  das  Licht  der  Leucht- 
käfer am  Tage  nicht  blos  abnimmt,  sondern  oft  ganz 
erlöscht,  wo  der  Einfluss  von  Sonnenlicht  und  Wärme 
wahrscheinlich  durch  Austrocknung  die  Phospho- 
rescenz  schwächt,  Umstände,  über  welche  ich  mir  noch 
genauere  Versuche  mit  den  hieländischen  Leuchtkä- 
fern zu  machen  vorbehalte. 

Sehr  wünschenswerth  würde  es  sein,  über  die 
aussereuropäischen ,  z.  B.  amerikanischen  Leuchtin- 
sekten  genauere  Beobachtungen  angestellt  zu  sehen, 
indem  dieselben  theils  ihrer  Grösse,  theils  ihres  star- 
ken Lichtes  wegen  zu  mannichfaltigen  Versuchen 
Raum  geben.  —  Was  das  pulsirende  Leuchten  betrifft, 
so    ist   wenigstens   vom    Elater  noctilucus    (der  Feuer- 


179 

fliege  Westindiens,  wie  er  von  J.  Curtis*)  genannt 
wird),  dessen  Leuchten  eben  Curtis  und  Fouge- 
r o u x  de  B o n d a r o y  **)  ausführlicher  beschrieben 
haben,  ein  dergleichen  rhythmisches  Ausstrahlen  nicht 
bekannt,  vielleicht  deshalb,  Aveil  hier  die  vorzüglich- 
ste Anhäufung  der  Leuchtsubstanz  an  zwei  Punkten 
der  Oberfläche  des  Thorax,  also  an  einer  von  der 
eigentlichen  Herzgegend  sehr  entfernten  Stelle  Statt 
findet. 


*)  Zoological  Journal  1827  Nr.  XI.'  p.  379  und  Heusinger 
Zeitschrift  für  organische  Physik  III.  Bd.  1.  Heft  S.  137. 

**)  A.  a.  O.  Er  hatte  einen  sonderbarer  Weise  in  Paris  ein- 
gefangenen  Leuchtkäfer  dieser  Art  längere  Zeit  lebend  zu  beob- 
achten Gelegenheit.  Wahrscheinlich  war  die  Larve  in  einer 
oder  der  andern  von  Pariser  Ebenisten  verarbeiteten  Holzart,  in 
welcher  sie  lebt,  mit  nach  Europa  gekommen. 


Auszug  aus  dem  Cataloge  der  Verlagshandlung. 


Medicin  und  Naturwissenschaft. 

Amman ,  Dr.  F.  A.  v. ,  die  ersten  Mutterpflichten  und  die  erste 
Kindespflege  zur  Belehrung  junger  Frauen  und  Mütter  dar- 
gestellt. 8.  1827.  1  Thlr. 

—  —  Brunnendiätetik,  oder  Anweisung  zum  zweckmässigen 
Gebrauche  der  Mineralwasser.  Nebst  einem  Anhange  über 
den  zweckmässigen  Gebrauch  der  Mineralbäder.  2te  verb. 
Aufl.  8.  1828.  20  gr. 

Carus,  Dr.  Carl  Gustav,  Grundzüge  der  vergleichenden  Anato- 
mie und  Physiologie.     3  Bändchen.     Mit  Kupfern.     8.  1828. 

1  Thlr.  3  gr. 

Choulant,  Dr.  Ludwig,  Anthropologie  oder  Lehre  von  der  Natur 
des  Menschen  für  Nichtärzte  fasslich  dargestellt.  2  ßdchen. 
8.  1828.  18  gr. 

Dupuytren' s,  G.,  allgemeine  operative  Chirurgie,  herausgege- 
ben von  L.  J.  Sanson ,  Doktor  der  Chirurgie  der  medic.  Fa- 
kultät zu  Paris ,  Hülfswundarzte  des  dritten  Dispensaire,  und 
L.  J.  Begin,  Oberwundarzte  an  dem  Lehr-Militairhospitale 
zu  Metz.  Aus  dem  Französischen  übersetzt,  mit  Anmer- 
kungen und  Zusätzen  begleitet  von  Dr.  Carl  Christian  Hille. 

Auch  unter  dem  Titel: 

Sabatier's,  R.  B.,  operative  Chirurgie.  Neue  Ausgabe,  un- 
ter Dupuytren's  Leitung  herausgegeben  von  L.  J.  Sanson 
und  L.  J.  Begin.  Aus  dem  Französischen  übersetzt,  mit 
Anmerkungen  und  Zusätzen  begleitet  von  Dr.  C.  Chr.  Hille. 
lr  Th.  gr.  8.  1826.  2  Thlr.  8  gr. 

Ficinus ,  Dr.  Heinrich,  Optik  oder  Versuch  eines  folgerechten 
Umrisses  der  gesammten  Lehre  vom  Licht,  wie  sie  dem  ge- 
genwärtigen Stande  unserer  physiologischen  und  physikali- 
schen Kenntnisse  angemessen  ist.  Mit  Kupfern.  8.  18iJ8.  12  gr. 

Physik,  allgemein  fasslich  dargestellt,  ls  u.  2s  Bändchen. 

Mit  Kupfern.  8.  1828.  18  gr. 

Chemie.  8. 

Himmer,  E.  W. ,  über  die  Verschleimung  als  Ursache  vieler 
Krankheiten ,  durch  Krankheitsgeschichten  erläutert.  Nebst 
einer  Abhandlung  über  die  eigentliche  Bedeutung,    den  Um- 


fang  und  die  Bedingungen  der  sogenannten  gastrischen    Me- 
thode, von  F.  L.  Kreisig.  8.  182ö.  1  Thlr. 

Klose,  Dr.  Friedr.  Aug.,  Sammlung  physiologischer,  pathologi- 
scher und  therapeutischer  Abhandlungen  über  die  Sinne.  Js 
Heft.  8.  1821.  16  gr. 

Reichenbach,  H.  O.  L.,  Taschenbuch  für  Gartenfreunde.  Eine 
Erläuterung  von  1960  Zierpflanzen,  nach  natürlichen  Fami- 
lien geordnet  und  mit  Nachweisungen  zu  ihrer  Cultur  be- 
gleitet. 8.  1827.  2  Thlr. 

-    -  Zoologie.  1s  und  2s  Bändchen.  8.  1328.  18  gr. 

Botanik.  8. 

Taschenbibliothek,   allgemeine,   der  Naturwissenschaften.     Erste 
.Lieferung,  1  —  10s  Bändchen.  8.  1828.  Pränumerationspreis 
n.  2  Thlr.  12  gr. 

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cinus.  ls  und  2s  Bdch.  Ladenpr.  18  gr.  Optik  oder  Versuch 
eines  folgerechten  Umrisses  der  gesammten  Lehre  vom  Licht, 
wie  sie  dem  gegenwärtigen  Stande  unserer  physiologischen 
und  physikalischen  Kenntnisse  angemessen  ist,  vom  Dr.  Fi- 
cinus.  Ladenpr.  12  gr.  Anthropologie  oder  Lehre  von  der 
Natur  des  Menschen  für  Nichtärzte  fasslich  dargestellt  vom 
Dr.  Ludwig  Choulant,  in  2  Bdch.  Ladenpr.  18  gr.  Grund- 
züge der  vergleichenden  Anatomie  und  Physiologie,  in  3 
Bdchn. ,  vom  Hofrath  Dr.  Carus.  Ladenpr  1  Thlr.  3  gr. 
Zoologie,  ls  und  2s  Bändch. ,  vom  Hofrath  Reichenbach. 
Ladenpr.  18  gr. 

TaiiBcher,  A.  HI.,  Parallelismus  und  Antagonismus  der  zerstören- 
den und  schaffenden  Naturkräfte  in  Absicht  auf  Entstehn 
und  Vergehn  des  Erdkörpers.  10  gr. 

Heber  die  Erhaltung  der  Lebenskräfte  in  Hinsicht  des  Zeugungs- 
triebes. Ein  Verwahrungsmittel  für  Eheliche  und  Ehelose. 
8.  broch.  4  gr. 


Erdbeschreibung. 

Beschreibung  des  Plauischen  Grundes  bei  Dresden,  mit  6  Kupf. 
in  q.  Folio.  1  Thlr. 

Hullock,  W.,  sechs  Monate  in  Mexiko,  oder  Bemerkungen  über 
den  gegenwärtigen  Zustand  Neu-Spaniens.  Aus  dem  Engli- 
schen übersetzt   von  Friedrich   Schott.     2  Bände.   8.    1825. 

2  Thlr.  8  gr. 

Cannabich,  J.  G.  Fr.,  statistisch-geographische  Beschreibung  des 
Königreichs  Preussen.  6  Bändchen.   8.  1827  —  28.      2  Thlr. 


Cannabich,  J.  O.  Fr.,  statistisch-geographische  Beschreibung  des 
Königreichs  Würtemberg.  2  Bändchen.  8.  1828.  16  gr. 

Chateaubriand,  F.  A.von,  Erinnerungen  aus  Italien,  England  und 
Amerika.  Aus  dem  Französischen  übersetzt  von  W.  A.  Lin- 
dau. 8.  1816.  1  Thlr. 

Heusinger,  J.  H.  G.,  Professor,  die  Elementar-Geographie,  oder 
die  Topogi'aphie  des  Erdbodens  als  Grundlage  jeder  beson- 
deren Geographie  dargestellt,  und  sowohl  zum  Gebrauchan 
Schulanstalten  als  zum  Selbstgebrauche  eingerichtet.  Mit 
einem  Atlas  von  16  Blättern.  8.  1826.  1  Thlr.  18  gr. 

Hunter,  J.  D.,  der  Gefangene  unter  den  Wilden,  oder  Denk- 
würdigkeiten seines  Aufenthaltes  unter  den  Wilden  in  Nord- 
Amerika,  von  seiner  Kindheit  bis  zu  seinem  neunzehnten 
Jahre ,  nebst  einer  Schilderung  der  Sitten  und  Gebräuche 
der  westlich  vom  Missisippi  wohnenden  Stämme.  Aus  dem 
Englischen  übersetzt  von  W.  A.  Lindau.   3  Theile.   8.    1824. 

2  Thlr.  20  gr. 

Lisclike,  P.  M. ,  Morea  und  seine  Bewohner,  nebst  einigen  Be- 
merkungen über  Konstantinopel.  Aus  den  neuesten  Quellen 
gesammelt.  8.  1827.  14  gr. 

Lüdemann ,  Wilhelm  v. ,  Neapel  wie  es  ist.  8.  1827.  1  Thlr.  12  gr. 

—  —    Stambul   oder  Konstantinopel    wie    es   ist.     8.   1827. 

1  Thlr.  12  gr. 

—  —     Venedig ,    wie    es    war   und    wie    es    ist.    8.    1828. 

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Plan  der  königlich  sächsischen  Haupt  -  und  Residenz-Stadt  Dres- 
den mit  der  Neustadt,  Friedrichstadt  und  den  übrigen  Vor- 
städten, nebst  dem  neuen  Anbau,  den  Scheunen-Höfen  und 
einem  Theile  des  grossen  Gartens.  In  9  grossen  Folio-Blät- 
tern. (Commission.)  n.  3  Thlr.  18  gr. 

Santo- Domingo,  Verfasser  Rom's  wie  es  ist,  Paris  wie  es  ist. 
Für  deutsche  Leser  bearbeitet  vom  Dr.  F.  Philippi.  8.  1826. 

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Spaziergänge  in  Rom.  Aus  dem  Englischen  mit  Zusätzen  und  Er- 
weiterungen ,     bearbeitet   von    W.  von  Lüdemann.    8.  1828. 

1  Thlr.  12  gr. 

Stein,  Dr.  Christ.  Gottf.  Dan. ,  statistisch-geographische  Beschrei- 
bung des  Königreichs  Sachsen.  2  Bdchen.  8.  1827.        16  gr. 

Tagebuch  eines  Invaliden,  auf  einer  Reise  durch  Portugal,  Ita- 
lien, die  Schweiz- und  Frankreich,  in  den  Jahren  1817,  1818 
und  1819.  Aus  dem  Englischen  des  Hrn.  Matthews,  Esq., 
2  Theile,  2.  Auflage.  8.  1825.  2  Thlr.  16  gr. 

Taschenbibliothek,  allgemeine  geographisch-statistische,  d.  i.  Dar- 
stellungen der  merkwürdigsten  europäischen  und  aussereuro- 


päischen  Staaten  und  Reiche,  im  Lichte  der  Gegenwart, 
nach  ihrer  geographischen  und  volklichen  Grundmacht,  Cul- 
tur,  Verfassung,  Verwaltung,  politischen  Stellung  und  Ge- 
sammtheit  aller  geltenden  Verträge.  Erste  Lieferung.  1  —  5s 
Bändchen.  8.  1827.  Pränumerationspreis  n.  1  Thlr.  6  gr. 
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Sachsen,    in  2  Bändchen,   vom  Dr.  Daniel  Gottfried   Stein. 

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Statistisch-geographische  Beschreibung  des  Königreichs  Preus- 
sen,  1  —  3s  Bdchen,  v.  J.  G.  Fr.  Cannabick.     Ldnpr.  1  Thlr. 

Zweite  Lieferung,  6  —  lOtes  Bändchen.  8.  1828. 

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reichs Preussen.  4  —  6tes  Bändchen ,  von  J.  G.  Ff.  Canna- 
bick. Ladenpr.  1  Thlr. 
Statistisch-geographische  Beschreibung  des  Königreichs  Wür- 
temberg,  in  2  Bdchen,  v.  J.  G.  Fr.  Cannabick.  Ldnpr.  16  gr. 

Weinart»,  topographische  Geschichte  der  Stadt  Dresden  und  der 
um  dieselbe  herumliegenden  Gegenden,  8  Hefte  mit  28  Ku- 
pfern. 1777  —  81.  6  Thlr.  16  gr. 


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