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Zwei
religionsgeschichtliche Fragen
nach ungedruckten griechischen Texten
der
Strassburger Bibliothek
R. Reitzenstein.
Mit zwei Tafeln in Lichtdruck.
Strassburg
Verlag von Karl J. Trübner
1901.
1148H.39
M. DuMont-Schauberg, Strassburg.
Meinem lieben Schwager
ERICH KEIL.
Digitized by the Internet Archive
in 2010 witii funding from
University of Toronto
littp://www.arcliive.org/details/zweireligionsgesOOreit
Vorwort.
Der Plan, in Strassburg eine Papyrus-Sammlung zu
gründen und zu versuchen, wie weit sich wenigstens auf
einem engen Gebiet ein Ersatz für die Schätze finden Hesse,
die im Jahre 1870 in Folge eines unglücklichen Zufalls durch
deutsche Kugeln zerstört wurden, ging aus von Prof. Spiegel-
berg. Ich habe mich ihm, in der Hoffnimg der deutschen
Wissenschaft einen Dienst zu thun, freudig angeschlossen;
bei den Leitern der Bibliothek, bei Collegen und Privat-
männern fanden wir dafür so viel Verständniss und Er-
muthigung, dass wii^ es endlich wagten, den Plan dem
Kaiserlichen Statthalter von Elsass-Lothringen, Sr. Durch-
laucht dem Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg vorzutragen,
der in hochherziger Güte eine namhafte Summe zum An-
kauf griechischer und aegyptischer Schriftdenkmäler für
die Strassburger Bibliothek bewilligte. Hierdurch gesichert
sind Prof. Spiegelberg imd ich nach Aegypten gegangen
und haben uns dort der hingehendsten Unterstützung des
Herrn Viceconsuls Dr. C. Reinhardt erfreuen dürfen. Nach
unserm Weggang und seiner Abberufung haben die Herren
Dr. L. Borchardt, Dr. H. Thiersch und Dr. M. Me3'erhof in
opferwilligster und liebenswürdigster Weise Zeit, Wissen
und Erfahrimg in den Dienst des gleichen Zweckes gestellt
und so mit uns eine Sammlung von bisher etwa 2000 Papyrus-
VIII Vorwort.
Worte „R. hätte besser geschwiegen" und dergleichen selber
gesagt. Dilettanten- Arbeit freut ja nur dann, wenn man
nichts Besseres zu thun hat. Aber einmal geschieht es
wohl jedem von uns, dass er schreibt, nicht was er will,
sondern was er muss. Der mir aufgezwomgene Stoff hatte
— so qualvoll unbefriedigend die Arbeit auf fremdem Gebiet
oft war — allmählig über mich Gewalt bekommen.
Strassburg, den 23. Juni 1901.
R. Reitzenstein.
I.
Dass die Frage nach Ursprung vind Bedeutung der
Beschneidung in Israel und damit eine Fülle der wichtigsten
religionsgeschichtlichen Fragen von der Beantwortung der-
selben Frage für das aegyptische Volk abhängig ist, war
die Ueberzeugung der alten Historiographen und ist die
Ueberzeugung wenigstens einer grossen Anzahl unserer
Theologen. So darf jede Urkunde, welche uns über die
aegyptische Sitte näheren Aufschluss bringt, besondere Be-
achtung fordern; nur damit wage ich es zu entschuldigen,
dass ich eine von mir im Fayüm erworbene Urkunde ver-
öffentliche, ohne auf ihren juristischen und antiquarischen
Theil eingehen zu können oder zu wollen.
Fr. Krebs hat in einem inhaltsreichen Aufsatz ,,Aus
dem Tagebuche des römischen Oberpriesters von Aegypten" '
drei Urkunden der Berliner Papyrus-Sammlung mitgetheilt
imd erläutert, welche aegyptischen Vätern die Erlaubniss,
ihre Kinder zu beschneiden, bestätigen,* Dass die dabei
* Philologus LIII 577.
■■^ Die erste lautet '6E i)TTO]nvritiaTia,u[a)v] OuXttiou [Ze]pri[v]iavou toO
KpariOTOu äpxiepeu)?. L i[a]' AuprjXiou 'AvTUJveivou Kaiöapoc; tou Kupiou
Töß[i] Kr)' ^v Meiaqpei. 'HöirciaaTO töv Xa.uirpÖTaxov r|[Ye,uö]va Kai luexä
T[aOT]a upöc; tCu 'Aireiuj TTavecppe|U|ueuui; [Z]toto/-)tio? [veLu]T[ep]ou Zara-
ßoOxoq Tr[pea]ßuT6po[u . . .](; 7rp[o]aaYaTÖvT[oq] uiöv [^auxjoö TTaveqppe|a]u[i]v
Ka[i dEi]ii)aavTO(; luiTpaTTrivai irepiTeueiv autöv ä[v]abövr[o]q [rje xrjv
irepi aüx[o]ö TpaqpeTcfav ^Tn[CTx]o\riv ü[ttö Ila]paTTi[ujvo]q öxpaxiiYoO 'Apa[i]-
voeixou " HpaK[\ei]bo[u |aepi]bo^ b[i]a 'AXeSdvbpou Yy|LivaGiapxri[(Javxo];
[K]6x[p]ovi[ö]]uevriv (?) [e]i<; xö bieXriXueöc; i' L ^aiijqpi c, , Zeprivia[vöc] dirüGcxo
xOüv Trapöv[x]ujv Kopu9a[i]a)v Kai 0[TTOKOpu]cpaiuuv Kai i6poYpa,u.uax6iuv,
ei [a]ri|n[eTo]v ^xoi ö [iraijc. Eittövxujv h.or\\xov aüxöv eivai [OuXttioc] Zepr]-
v[i]a[vö]i; dpxiepeOc; Kai ^iri xOüv iepeujv [cTri|LieiwJö«J|nevo(; xqv dn-iax[o]\riv
^K^Xeuöev xöv •iTai[ba Tr€pix]|uri0f-|vai [Kaxä] xö ?9oi;. 'Av^Y^tuv.
Reitzenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. 1
I. Beschneidung und Priesterordnung.
hervortretende Mitwirkung des staatlichen Beamten bei der
Ertheilung dieser Erlaubniss durch das Verbot der Be-
schneidung: unter Kaiser Hadrian zu erklären ist, hat
Th. Mommsen [Strafvecht 638) erkannt. Nähere Angaben
gerade über diese Mitvvh-kung des cTTparriTÖ? bringt der
Strassburger Papyrus igr. 60) aus dem Ende der Regierung
des Antoninus. Die Urkunde ist kalHgraphisch sehr schön,
inhaltlich sehr flüchtig in drei langen Columnen geschrieben,
von denen sich nur die unteren Hälften und auch sie nur
in trauriger Verstümmelung erhalten haben.
Col. I.
1) (TouTou .... (etwa 50 Buchstaben verloren)
2) ttTTÖ (Judia ... TT ... TO (etsva 30 Buchstaben) . . . [evöq]
3) |Liev uTtep uioö evö(; öe unep [GuTarpiöv ö]id t[ö t^vouc;]
auT[i£iv diTTobei]-
4) Ixc, ' Trapaieöe'iö'eai tuj crTpaT[riT]ai [K]a[i]
KeXeucr9eTa[i Kai dva]-
5) YvuJcr9ei(Ti-|^ emcrToXfiq 'HpaKXdöou cTTpairiToö 'ApaivoTrou
'HpaKXeiöou
6) iLiepiöog ^ KttTd XeHiv auTÜuv 'HpaKXeiöri(; crTpaTriTÖ[q] 'Apffi-
voItou 'Hpa-
7) KXeiöou luepiöot, <t)Xaou[i]a) [M]feX[a]v[i tlu K]paTi[(JTiu] upxiepei
[xjaipeiv.
8) Ol UTTOfeTpamLievoi iepeT(; \\\c, nevTaqpuXfia^ e]eoö |aeTiö"TOu
Z[OKVO]TTai-
9) QU Kai TiJüv cruvvduuv 0eaiv iepou Xotimou Kuj[|u]ri<; Zokvo-
TTttiou v[ri]-
10) crou tTTeöuuKdv uoi ßißXeiöiov ßouXöjuevoi iepaTiKui(g Trepi-
reiaeiv
11) [louq eKJTÖvoug ^ eau[T]ä)v, oi öe ffuvTtvei^ kf. |Lir]Ttpujv tüjv
uTTOT€Tpa|a-
• Lies biä TÖ (tck; toö) Yevouc; aÜTiiJv diTob€ite»^; vgl. Krebs Urk. III
(U. B. M. 82, 6) bid TÖ irapaTceeiöBai T(i<; toö y^vouc; dirobeitK; tlu toö
vöuou ßaöiXiKÜj bmbexoia^vuj Tnv öTpaTriTicv.
* Es ist der U. B. M. 358 (aus dem Jahr 150/151) als biabexö.uevo? Ti'iv
<JTpaTr|T>av erwähnte Beamte.
' Der Raum ist für die Ergänzung etwas klein, vielleicht [tu ^kJY^vouc;?
I. Beschneidung und Priesterordnung.
12) [uejvuuv Ka[TeTe9ei]vT0 ' dvTi[T]p[a]q)[a Kaji* o[i]Kiav d-rro-
Yp[a](p[üj]v Toö \q' L
13) Geoö 'Aöpiavoü eTiecTKemueva e[Tri ijn? eTTiTÖTruuv ßißXioGrjKr)^,
14) b\' r\<;'^ briXoÖTai dTTOTeTpdqpOai tovc; YOveT<; auTÜJV öjq övTa(;
iepariKoö
15) Y^vouq, Kai ö|aoiuj^ dviiYpctcpa Kar' oiKiav dTTOYpacpaiv toö
9' L 'AvTuuvivou
16) Kaicrapo? toö Kupiou, 6i' iLv örj^O'^Tai dTroYeYP«(p9ai Touq
Yovei(; TÜüv^
Col. IL
1) V eK [|uriT]epLuv tüuv kE^q [öri\o]u|uevuuv ....
2) K ov iep[eujq] toö [aij]TOÖ iepei[ou] toö utoö iep[eiJU(; Ka]i
3) d[TroYJeYpd[qp]9ai TOu[q Yoveig] aÖTÜJV T[rj t]ou \<;' L 9eoö
'Aöpiavoö
4) K[aT'] o[iK]iav dTT[oYp]a(pvi t . . (etwa 20) .... apo<;
5) Tou . . . . ou (Juv To[i]<; TTa[i(Ji] Kai t o^ ö . .
Kai TTToXe-
6) )uaioq 'Ovvdiqppeujq (TTo\ia[T]ii(; Kai [b]idöoxo(; TtpoqpriTeia«;
7) Tüuv ev Tri m'iTpoTTÖ[\e]9eu)v [Kai] TTaKucrei Kai rT[a]ve[(pp]e)a-
1 Die Ergänzung schulde ich Prof. VVilcken, der auf Grenfell-Hunt Greeck
Pap. II 68. 12 liiq ev bimoaiLU KaTaKeijuevri (vgl. 76, 21) verweist. Die dvTi-
Ypatpa werden deponirt, bis der Brief des Strategen mit der Gegenzeichnung
des Oberpriesters und dem Aktenstück über die Verhandlung zurückkommt.
2 Schreibe bl' iliv. Mit der Art dieses Beweises vgl. die von Kenyon
Catal. Lond. II 324 (S. 63) veröffentlichte Urkunde, die nach dem ävTiYpaq)OV
kot' oiKiav äTTOYpacpfi(; den Brief enthält : "AviKoq XÖevoüqpioq \r\ ö|UO|uri-
xpiiu luou dbeXqpf) Ta,uO09a xoipeiv. dvabebuuKd aoi xd irpoKiineva dvTi-
Ypa9a tüjv dtroYpaqpuJv, uiv ^-mbeiSu) rd lOa ev KaTaxujpi(J|aCu, 6TT[ö]Tav
Xpeia rjv, eiq duöbeiEiv toO eivai jxe [6]iuo|Li[riT]piöv öou dbeX.qp[ö]v. L Kb' 'Av-
TUJvivou ToO Kupiou, <t)a,uevuj9 kx\. Es ist auffällig, dass die Personalpapiere
der Petenten ebenfalls von den Zeugen vorgelegt werden; diese müssen
also schon vorher eine Verhandlung geführt oder eine Instanz
gebildet haben.
' Ergänze iraibujv. Die Eltern der Zeugen waren oflfenbar nicht mehr
am Leben, als die letzte Volkszählung unter Antoninus 146 stattgefunden hatte;
die Petenten hatten diese Zählung erlebt; ihre Kinder dagegen noch nicht. Da
Antoninus im Anfang des Jahres 161 gestorben ist, können diese Kinder also
schwerlich über 14 Jahre alt sein.
1*
I. Beschneidung und Priesterordnung;.
8) }Jieujq ' TOÜ'Qpou Kai TTevfeüq XTOTonTio<; toO Ztotoiit[io(;] Kai
9) ZTOT01l[Tl]o[(g 2 X]TOTO[ri]TlOq TOU ZT0T0l'-lTl0[q KJai ZiOTofiTig
Ito-
10) TOnno^ TOU TTavecppemnio? Kai XTOTOiriT[i]<g 'OvvuüqppiO(;
11) Toö ZataßoÜToq, oi e' TTpeaßutepoi iepeuuv toö TrpoKei|Lie-
12) vou iepoO ZoKvoTraiou, Kai Te(Jevo[ü]qpiq (TToXidTiiq ebriXuuaav
13) eivai TOU«; uTTOYeTP«,u)aevoug uiouq^ tluv kEr\c, bn-^
Col. III.
1) ßa5 . . .
2) [eJOaeß . . .
3) TieTecp eK )a)iTp[ög] . .
4) 1tot[oiiti]v ek fiiiTpög .... [iepeiai; tüuv aÜTÜJv]
5) OeuDv XTOTOiiTig Teaev[ou(peatg]
6) Tov . . 0 . . . ov TTaKu[cr] uug TT[a]vecp[pe)Li)i] . . .
7) iepeiag tuuv au[T]ä)[v] 6e[üijv Te(Te]vou(pi[?] "Qpou . . .
8) TttTTuuiuioq Tii^ [T]ecrev[oü]qpeuu(; to . . . er Ttap
9) döe\9oO<; IaT[aß]ou[Ta] K[ai Xjtotoiitiv b[i]d tö T[eXeiou5
Kai dm^iaoug eupr)]-
10) Kevai. 0\[dou]iog MeXa^ dpxiepeuq Ka[i oi
TTapovTeg iepeig]
11) TTepiT[eneiv eKeXeu](Tav.
Das Aktenstück giebt eine Verhandlung vor dem
römischen Oberpriester von Aegypten, dem sacralen Stell-
vertreter des Kaisers, * Flavius MeVa. wieder, und zwar giebt
es die gleiche Verhandlimg im vollen Umfang und officiellen
' Lies TTaKÜcfK; TTaveqppeu,ueuj(;.
■■* Lies ZTOTof|Tii;.
3 ÜTTOTe-fpau.uevouc uiou? corrigirt aus UTTOYe-fpaqjGai koi.
« bri[Xou|Li^vuJv]. Die Zeugen scheinen die oben erwähnt auYTeveic ck
, * Die Länge der Zeilen und damit die Ergänzungen von Zeile 9 und 10
sind unsicher; der Name in Zeile 10 ist mit breiteren Spatien geschrieben.
8 Vgl. Wilcken Hermes 23, 601 ff.-, Griech. Ostraka I 398. Die Consequenz
ist, dass zunächst die Ptolemaeer, welche ja die sakrale Gewalt persönlich aus-
üben, und weiter ihre Rechtsvorgänger die Pharaonen ähnlichen Verhandlungen
pra;sidirt haben müssten. Ich darf gleich hinzusetzen, dass in einer noch früheren
Zeit die Priestercollegien selbst die Entscheidung gegeben haben müssen.
I. Beschneidung und Priesterordnung.
Wortlaut, über welche die drei Berliner Urkunden nur in
kurzen, für den persönlichen Gebrauch oder die Akten-
register gemachten Auszügen berichten. Der Wortlaut des
Briefes unterbricht die Construction des sehr langen Satzes,
der nach der Datirung etwa begann OXdouio^ MeXai; dpxiepeu^
Kai erri tüuv iepeuuv evetuxev öeiiSeTcTiv evbc, |uev uTiep
uioO ktX. In der zweiten Columne geht der Brief des Stra-
tegen weiter, in der dritten war entweder zu Anfang die
körperliche Untersuchung, von der die Berliner Urkunden
hauptsächlich berichten, erwähnt, oder wir haben es hier
mit jener Gegenzeichnung des Oberpriesters zu thun, von
der die oben ausgeschriebene Urkunde berichtet, und die-
selbe bestand darin, dass eine Abschrift des Briefes mit dem
entsprechenden Vermerk an das Ortsarchiv zurückging.
Diese hätten wir dann. Die Beschneidung selbst scheint
danach in der Heimat der Kinder, also vor dem CoUegium
der cruYTfeveiq, vor sich zu gehen.
Das erste und wichtigste, was wir aus der Urkunde
lernen. Hegt in den Worten ßouXo^evoi lepariKOKs TrepireiueTv.
Die Beschneidung, oder vielmehr eine bestimmte Art der-
selben * ist also Vorrecht und Kennzeichen des Priester-
standes. Also wird schon von Anfang an unter Hadrian
eine Ausnahme von dem allgemeinen Verbot der Beschnei-
dung für die aegyptischen Priester gemacht sein. Das Ge-
such um Gestattung geht daher zunächst an den Staats-
beamten ; aber dieser darf die Vornahme der Beschneidung
nicht selbst erlauben, sondern erst der Oberpriester. Beide
theilen sich in die Prüfung der beiden Vorbedingungen,
Abstammung aus priesterlichem Geschlecht und körperliche
Reinheit und Makellosigkeit. Der Priester heisst ja in
Aegypten Web, der Reine.
1 Vgl. Horapollon I 14 : Die Priester betrachten den Kynoskephalos-Affen
selbst als Priester (als Reinen), weil er dieselben Speisen, wie sie, vermeidet
Yevvärai xe •ii€piT€T|Lii'i|Lievo? rjv Kai oi icpei«; dTtiTJibeuouai irepiToiuriv. Die
Beschneidung lässt sich in verschiedenen Weisen vollziehen ; eine Beschneidung
aus rein medicinischem Zweck erwähnt im Gegensatz zu der Priesterbeschneidung
Josephos gegen Apion II 13.
I. Beschneidung und Priesterordnung.
Schon hierin liegt meines Erachtens ausgesprochen,
dass eine ähnliche Prüfung auch früher bestand und dass
der staatliche Beamte nur der Controlle halber entweder
einen Theil der Functionen des Oberpriesters oder eines
Rechtes der einzelnen Priestercollegien übernommen
hat. Auch die Art seiner Prüfung lässt darauf schliessen;
für den römischen Staat hätten zum Nachweis der Ab-
stammung aus einem Priestergeschlecht die Akten genügt.
Dass die Verwandten von Mutterseite erscheinen, zu-
nächst ihre eigene Abkunft aus Priestergeschlecht urkund-
lich erhärten und dann die Echtbürtigkeit der Kinder be-
zeugen, ist nur als Ueberbleibsel des ältesten aegyptischen
Familiem-echtes zu verstehen. ' Die Parallelen bietet z. B.
die Aufnahme des Kindes in die Phratrie in Athen, die
Verleihung der toga virilis an den jungen Römer, bei der
ja auch die Verwandten zugegen sind, und anderes mehr.
Klarer wird dies bei der zweiten ^■or dem Oberpriester
vollzogenen Prüfung, die in den Berliner Urkunden allein
hen^ortritt. Ich muss weiter ausholen. Dass es nicht Kinder
im zartesten Alter sind, mit denen die Väter aus den ent-
ferntesten Dörfern des weiten Reiches nach Memphis zu
dem Oberpriester reisen, hat schon Krebs betont. StaatHch
eingetragen als echtbürtige Söhne einer Priesterin sind sie
schon früher,* sie werden in den Listen der priesterlichen
(puXai als dqprjXiKeq geführt ; ' was bringt die Beschneidung
neues imd wesshalb kann nur der Oberpriester sie erlauben?
' Die Reste desselben zeigen sich bekanntlich in der aegyptischen Namen-
gebung (der Name der Mutter rauss zugefügt sein). Wir finden es noch bei den
Erbfürsten der Gaue des mittleren Reiches (Erman Aegypten 224 ff.) und bei
dem religiösen Empfinden dem König gegenüber scheint es noch lange weiter-
gewirkt zu haben (vgl. die eigenthümliche Stelle bei Diodor I 27; eine gewisse
Parallele bietet, wie Prof. Spiegelberg mir zeigt, die sakrale Formel, bezw. der
Name „Horus, Sohn der Isis"). Später tritt, gerade bei den Priestern am aller-
stärksten, das Erbrecht vom Vater dem gegenüber und, wenn auch die Priesterin
trotz der Heirath in der eigenen q)uXri bleibt, die Kinder folgen dem Vater
(Krebs Zeitschr. f. aeg. Sprache 1893 S. 35).
^ Vgl. Krebs ebenda S. 35.
^ Vgl. Krebs ebenda S. 34.
I. Beschneidung und Priesterordnung.
Seine Functionen hat Wilcken erkannt; sie bestehen einer-
seits in der Verwaltung des ungeheuren priesterhchen Ver-
mögens, andrerseits in der Bestellung der Priester.
Diese hatte zu den Rechten der Pharaonen gehört ; die Ptole-
maeer hatten sie übernommen ; * dass der römische Kaiser
sie durch einen Stellvertreter ausüben liess, wird noch be-
greiflicher, wenn wir jetzt annehmen dürfen, dass zu der
ersten Weihe persönliche Vorstellung nothwendig war. ^
Die Bestätigung bietet die Prüfimg selbst : die iepoTpajUfiaTeTq ^,
Kopucpaioi und uTTOKopuqpaToi prüfen, ei xi armeiov exei 6 naic,;
berichten sie dem Oberpriester, dcTimov aiiiöv eivai, so ge-
stattet oder befiehlt er die Beschneidung.
Die Bedeutung dieser Untersuchung wird vielleicht
am ehesten klar, wenn wir die Untersuchung der Thiere
vor dem Opfer vergleichen, die bei den meisten Völkern
des Alterthums vorgenommen, in Aegj^pten aber mit ganz
besonderer Strenge geübt wird. Herodot erzählt bekannt-
lich (n 38) TOU(; öe ßoO? rovq IpGevaq tou 'Eirdcpou eivai voiuiZlouai
Kai TOUTOu eiveKtt ÖOKi)iidZ:ou(Ji auTOU(; ujöe* ipixa fjv Kai iniav löiirai
eireoücTav laeXaivav, ou KaGapöv eivai vo|ni2ei. öiZ;riTai be laOia
eni TOUTUJ TeTaT|uevo(; tujv Tiq ipeuuv* Kai öpGoö ecTTeuuioq tou
1 Dekret von Kanopos Zeile 69 ff. (demotische Fassung) vgl. die unten
S. 15 mitgetheilte Urkunde.
^ Zu der Beförderung des einmal Geweihten zu einem bestimmten Posten
ist sie natürlich nicht nöthig.
' Wohl die zu einem bestimmten Fest vereinigten. Dass die Handlung
nur an bestimmten Festtagen zulässig gewesen sein mag, vermuthet mit Recht
schon Krebs.
* Es ist der .uoaxoaqppaTiCJTr)^ oder iepoLioaxoacppaTi(JT»'-|C, der in den
Urkunden der Kaiserzeit nicht selten erscheint. Von einer Bescheinigung über
eine solche Prüfung haben m. W. nur Grenfell-Hunt Greek Pap. II 64 ein Bruch-
stück veröffentlicht. Ein volleres Exemplar besitzt die Strassburger Sammlung
{Pap.gr. 1105, erworben von Herrn Dr. Thiersch) : [erjoui; bujbeKdTOU aÜTO-
KpciTopo(; Kaioapoc; Tirou AiXiou 'AbpmvoO 'AvTUJveivou Xeßaffxoö Eüaeßoö^
0a,uev(ju0 6' TT[a]TÖaipi(; MappeioO<; iepo|aoaxoaq)paYi[cr]Tri; ^7TeGeu)p»-iaa |liö-
0XOV dvaGuöuevov ^v Iokvo vriö^ üttö TTauaip€UJ(; TTav[o(p]p^,uq)iO(; airö Tf|<;
a Kiij)n(riq) [KJai boKi,udaa(; daqppdYicra, djqgOTivKaBapöi;. Es folgt eine
demotische Unterschrift „geschrieben von Patosiris (so), dem Priester der
Sehmet in " „Priester der Sehmet" ist zugleich eine Bezeichnung der Aerzte.
I. Beschneidung und Priesterordnung.
KTi'iveo? Kai utttIou, Kai inv yXijjacav eHeipucraq, ei KaBapii tujv
7TpOKei)Lievujv (Trmiiiuuv, tä efdi ev dXXuj Xotuj epeuu' Kaiopa öe Kai
Tag Tpixaq Tr\c, ovpf\q, ei Kaxd cpudiv exei necpuKuiag" iiv öe toütuuv
TrdvTUJV fj KttÖapoi;, (Jrmaiverai ßußXai irepi rd Kepea eiXicrcTujv,
Kai eTTeira fr\v crrmavipiöa eTTmXdcra^ emßdXXei töv öaKtuXiov,
KaiouTuu dTtd^ouai. dm'mavTOV 5e öucravTi Gdvaiog r] Ziriiuiri eTTiKeerai.
Genau dieselbe Prüfung bestand in ältester Zeit für
die Menschenopfer, die weit verbreitet waren und an vielen
Stellen erst später durch das Thieropfer verdrängt sind.
Das zeigt sich meines Erachtens am besten darin, dass das
Hieroglyphenzeichen, mit welchem das geprüfte Opferthier
versiegelt wird, den zum Opfer gefesselten und knieenden
Mann und vor ihm das Messer darstellt. ' Hierdurch be-
stätigt sich die Angabe Manethos bei Porphyrios de abstin,
11.55 KareXucre öe Kai ev 'HXiou TiöXei Tn<; Aitutttou töv xfiq avSpiuTro-
KTOviaq voiuov'Auuuaiq, djq ,uapTupeT MaveBuuq ev xuj irepi dpxa'i(T|aoö
Kai eucreßeiaij. eöucvro be tx\ "Hpa Kai eboKiiadZiovio Ka0dTTep
Ol ZjiTOu,uevoi Ka6apoi \x6oxo\ Kai cru(7cppaTi2;6)nevoi. e9u-
ovTO öe Tii^ n.uepaq ipi-\c„ dv9' iLv Kripivoug eKeXeucrev o'Auuucnq
TOu<; \ooMC, emTiGeaOai. Hieraus ist die auch von Krebs be-
sprochene Frage des Oberpriesters, ei aimeia exei, zu ver-
stehen. 2
Die Urkunde entspricht ganz der dritten der Berliner Urkunden, die offenbar
den Eltern die Bestätigung der Erlaubniss ihr Kind zu beschneiden giebt.
* Kastor bei Plutarch (/t? Is. et Osir. 31, vgl. Wiedemann Ilerodots zweites
Buch 182. Ein eigenthümlicher Stempel aus Drah-Abul-Negga, welcher mehrere
Reiben derartig gefesselter Gefangener aufweist, ist durch Prof. Spiegelberg
in die Strassburger aegjptologische Sammlung gekommen. Weitere Beweise lür
den Ersatz des Menschenopfers durch Thieropfer hat Eugene Lefebure Sphinx III
130 zusammengestellt : in einem alten Text, dem Ap-ro (Unas 130), wird der
Stier und andere Opferthiere .als Feinde gefasst. Dasselbe drückt später die
Darstellung in einem thebanischen Grabe aus, wo die abgeschnittenen Häupter
der Opferstiere hieroglyphisch durch Menschenhäupter wiedergegeben sind, u. s.w.
* Dass Herodot irrte, wenn er wirklich annahm, die Priester suchten
an der Zunge des Opferthiers die Zeichen des Apis (vgl. III 27), bemerke ich
wegen Wiedemanns Darstellung beiläufig. Ich selbst glaube, dass der Anfang
des Kapitels lückenhaft ist und dass Herodot vor hatte, an der späteren Stelle
auch über diejenigen körperlichen Male zu sprechen, die unrein machen.
Herodots Angabe über die Bestrafung dessen, der ein unreines Thier opfert,
T. Beschneidung und Priesterordnung.
Hier wie dort kann die Untersuchung nur den Zweck
haben, festzustellen, ob körperliche Male die Uebergabe an
den Gott hindern, mit andern Worten, ob das Opfer rein
ist. Menschenopfer und Beschneidung entsprechen sich in
diesem wichtigsten Zuge, sie müssen also ähnlich erklärt
werden. Nur soll man die letztere nicht als eine Abmilde-
rung der ersteren fassen. Beide beruhen auf der uralten
und bei den meisten Völkern nachweisbaren Doppel-Ent-
wickelung des Opferbegriffes: das Opfer wird entweder
vernichtet oder in den Dienst des Gottes gestellt. * Die Be-
schneidung ist die Uebergabe an einen Gott ; durch sie wird
man Wöb, wird man rein. Es ist die Weihe zum Priester.
Wir müssen es, wie ich nun ohne Weiteres folgere, auch
bei dieser zweiten Prüfung mit einem altaegyptischen Brauch
zu thun haben.
Dies ist denn auch die herrschende Auffassung der
Beschneidung in hellenistischer Zeit; sie spricht Origenes
(in Ep. ad. Roman. 11 495j aus: etenim circumcisio apud
vos, 0 gentiles, ita magni habeUtr, iit non passim vulgo
ignobili, sed solis sacerdotibns et Jiis, qui inter ipsos elec-
tioribns studiis mancipati fiierint, credattir. nam apiid
Aegyptios, qui in super stitionibns vestris et vetustissimi ha-
bentur et eruditissinii, a quibus prope omnes reliqui ritum
sacrorum et cacrimonias miitiiati sunt, apud hos, inquam,
nullus aut geometriae studebat aut astrononiiae, quae apud
illos praecipuae ducuntur, nullus certe astrologiae et genc-
seös, qua nihil divinius putant, secreta rimabatur nisi cir-
cumcisione suscepta. sacerdos apud eos, haruspex aut quo-
rumlibet sacrorum minister vel, ut Uli appellant, propheta
wird durch U. B. M. 250 bestätigt. Die Parallelen im Judenthum sind bekannt;
einzelnes auffälligere hat Wiedemann a. a. O. 180 erwähnt. — Weitere Zeugnisse
für Menschenopfer bietet Wiedemann 214.
1 Bei den Israeliten sind die Zusammenhänge besonders klar noch in
dem späten Bericht von der Weihung (Webung) der Leviten (IV Mos. 8) und in
Jahves Recht auf den erstgeborenen Sohn nachzuweisen. Die Frage, ob er zum
Opfer oder zum Dienst Jahves bestimmt war (vgl. R. Smend alttestavi. Religions-
gesch. I 282), dürfte von hier zu entscheiden sein.
10 I. Beschneidung und Priesterordnung.
onini's cinuDicisus est. liUeras quoqiic saccrdotales veterum
Aegyptiontiu, quas hicroglyphicas appcllant, nano discebat
nisi circuincisus. oniuis liicrophantcs, ouinis vatcs, oiiinis
(^antislcsy ' caeli, ut piitant, infcrniqnc inystcs et conscitis *
aptid cos esse non creditiir, nisi fuerit circiimcisiis. Hoc
igitnr apnd nos ttirpe et ohsccmun iudicatis, quod apiid
vos ita honestiun habetur et magniun, tit caelcstiiiin infer-
nortimque secrcta nonnisi per huitiscemodi insignia flies
initiü) enuntiave vohis posse crcdatis. ^ Von derselben Auf-
fassung der Beschneidung als reXeriT geht die Quelle des
Clemens Alexandi-inus aus, nach welcher Pythagoras u. a.,
um in die Weisheit der aegyptischen Priester eingeweiht zu
werden, sich der Beschneidung unterziehen musste. * Mit
derselben Auffassung hängt endlich die Angabe Diodors
(I 88) zusammen, welcher den Cult des Bockes zu Mendes
mit der Verehrung des Phallos überhaupt zusammenbringt
und hinzufügt Ka9d\ou öe tö aiöoiov ouk AifUTTTiou(; judvov,
dXXd Kai xiliv dWuuv ouk öXiYOuq KaGiepuuKevai Kaid lixc, leXeidq
uj(; aiTiov rfiq TÜJV ^üjuuv Ytveaeuug, roug le iepeig loug TrapaXa-
ßövxa^ Td<; TrarpiKdq lepujcruvaq kut' Ai'tutttov toutuj tlD öeoi
TTpuuTov |Liuei(T0ai. '" Diodor beruft sich ausdrücklich auf
* ßamen ergänzt B. Keil.
2 Das geht, wie bei Origenes zu erwarten stand, auf gute und alte Kenrtniss
zurück. So führt der Oberpriester von Heliopolis im alten Reich den Titel „der
im Schauen Grosse" und die Nebentitel „der das Geheimniss des Himmels
schaut" und „Oberster der Geheimnisse des Himmels" (Erman 393). Auf die Mys-
terien, die Geheimnisse des Thot brauche ich nur zu verweisen (vgl. Erman 464).
3 Danach ist die sinnlose Stelle des Barnabas-Briefes 9, 6 zu verbessern
dXXä Kai tzüc, Xupoq Kai "Apai^ Kai irdvTe? oi iepeic tüjv €ibüj\iuv Kai
(iciXiaxa oi Aiyütttioi (oder nur oi Alf-); vgl. die lat. Uebersetzung. Uebrigens
betont Origenes auch in der V. Homilie zu lerem, (p. 195) die religiöse Bedeutung
der Beschneidung in Aegypten.
* Strom. I 15, 66. Da die Angabe bei lamblich {vit. Pyth. II p. 18
Kiessl.) wiederkehrt, so werden wir die Quelle vielleicht in den Kreisen jener
ersten Neupythagoraeer suchen dürfen, die sich in Alexandria wahrscheinlich
zunächst aus den Priestern recrutirten.
* Als TeXeaxiKÖv wird ja die Antrittsteuer der Priester bezeichnet (Wilcken
Ostraka I 397). Die Vorstellung von den Mysterien des Priesterthums ist uralt.
Da auch für die Prüfung des Opferthieres eine Steuer bezahlt wird, so könnten
I. Beschneidung xind Priesterordnung. 1 1
litterarische Quellen ; Avenn irgend einen Abschnitt, so düi^f en
wir diesen die Rechtfertigung des Thierdienstes enthaltenden
auf Hekataios von Abdera zurückführen ' und haben somit
unsere Auffassung bis in die älteste Ptolemaeerzeit, d. h.
bis an die Grenze der nationalen Entwicklung Aegyptens
zurückverfolgt. Ihre Consequenz ist, dass die Beschneidung
schon seit geraumer Zeit auf die Priester beschränkt war.
Den Vorzug der Neuheit hat diese Behauptung nicht ;
für die spätere Kaiserzeit hat sie schon Krebs ausgesprochen,
und in der medicinischen Litteratur aus dem Anfang des
vorigen Jahrhunderts und demgemäss auch in flüchtigen
Sammlungen neuerer Ethnologen begegnet man bei den
einen auf Grund einer später zu besprechenden Stelle des
Buches Josua, bei den andern ohne jeden Beleg der Be-
hauptung, in Aegypten seien zu aller Zeit nur die Priester
und Krieger beschnitten worden. Dagegen haben die Aegyp-
tologen theils a priori irgendwelche religiöse Bedeutung
der Beschneidung bei den Aegyptern bestritten, theils auf
Grund „ausdrücklicher Zeugnisse" griechischer Schriftsteller
die allgemeine und unbeschränkte Verbreitung dieser Sitte
bis in die römische Zeit hinein behauptet. Ich wende mich
zimächst zu diesen angeblichen Zeugnissen.
Krebs beruft sich für die allgemeine Verbreitung der
Sitte auf Strabo XVII 824 Kai toüto öe tuuv inaXidia Z^nXou-
laevuuv Trap' auToTc; tö Travta Tpeq)eiv xd T£vvuu|neva iraibia Kai
TÖ 7repiTe)nveiv Kai id GriXea eKTejLiveiv, ötrep Kai xoig 'loubaioK;
vdm'iuov Kai outoi b'eiaiv AiTinmoi tö dvtKaOev, KaGdirep eipn-
Kaiaev ev tu) irepi eKeivuuv Xötuj. Danach müsste die Be-
schränkung auf die Priester zwischen der Zeit Strabos und
Josephos' eingetreten sein, der bekanntlich (gegen Apion II 13)
ausdrücklich erklärt, dass nur die Priester beschnitten werden.
Aber diese Annahme führt zu den schwersten Widersprüchen.
Josephos hat sich um die Geschichte des Brauches be-
wir das xeXecVTiKÖv sehr wohl auf die Beschneidung beziehen (vgl. die Stelle
des Origenes), während das eiaKpixiKÖv (Wilcken Ostraka I S. 185) den Eintritt
in eine bestimmte Charge besteuert.
' Vgl. Ed. Schwartz Rhein. Mus. 40, 228; (vgl. auch Horapollon I 48).
12 I. Beschneidung und Priesterordnung.
kümmert, er verwendet dasselbe Argument wie Origenes
in der oben ausgeschriebenen Stelle. War ihm bekannt,
dass noch vor kurzem die Aegypter wie die Juden alle der
Beschneidung" unterworfen waren, so musste er das vor-
biingen. Er berichtet nun ausdrücklich, dass sein Gegner
Apion bis ins höhere Alter unbeschnitten war; Apions Ge-
burt fällt vor die Abfassung des Werkes Strabos; konnte
Apion, der sich vmi die Geschichte des Cultes ebenfalls be-
kümmert hat, die Juden wegen der allgemeinen Beschnei-
dung verhöhnen, wenn sie noch bei seinen Lebzeiten in
AegN^pten ebenso bestanden hatte? Und ist es überhaupt
denkbar, dass Kaiser Tiberius — denn um ihn könnte es
sich ja allein noch handeln — eine derartig gefährliche
und überflüssige Aenderung in der wichtigen imd durchaus
nicht imgefährdeten Provinz eingeführt hat? — Strabo hat
X\T[ 760 nach Poseidonios die Abstammung der Juden von
den Aegyptern behauptet; er erinnert sich jetzt, wo er zu-
gleich Herodot gegen Angriffe vertheidigen will, der früheren
Ausführungen. Darauf, dass der Brauch der Beschneidung
in beiden \^ölkern besteht und religiöse Bedeutung hat,
kommt ihm alles an; über seine Ausbreitung spricht er
nicht und will er nicht sprechen. Genau so steht es mit
den Zeugnissen Philos und Diodors, auf die Wiedemann
und einzelne ihm folgende Theologen sich berufen; man
vgl. Philo de circumcis. 1 TtpdTiia crTToubaZ:6|aevov ou laerpiiu?
Kai TTupd erepoK^ eöveai Kai \xä\\o-xa tüj ArfUTTTiaKip * und Diodor
III 32 TÜ ö'aiöoia TTüvreq oi TpaiYXoöuiai TfapaTrXri(7iuu(; ToTq
AiTUTTrioig TrepiTeiavovTai ttXhv tujv dirö toü cru)UTTTÜü)aaT05 övo-
|biaZ;o|aevuuv KoXoßu'jv. outoi yöP- • • ex viittiou Supoiq dTroTeiuvov-
Ttti TTctv TÖ Toiq dXXoiq ,uepo^ TrepiTO)niiq Tu-fx«vov. Diodor scheidet
verschiedene Stämme der Troglodyten, so die Megabaren
u. a. ; daher ist uüvjtc, zu verstehen. Dafür dass die Be-
' Von der Bedeutung der Sitte sagt seine Quelle später (<Jri,ua(v€i)
beÜTepov Tf]v bi' öXou toO aöiuaTOi; KaeapÖTiira irpö^ tö Äp.uÖTTCiv
TciEei iepuJiJ^vr), irap' ö Kai Eupöivrai rci ötüiaaTa oi dv Aiyutttlu lep^uuv
^■naibec^y. Der Vergleich des ganzen jüdischen Volkes mit den Priestern der
Aegyptcr kehrt immer wieder.
I. Beschneidung und Priesterordnung. lo
schneidung in der Ptolemaeerzeit ausschliesslich bei den
Priestem geübt wurde, dass man dies für eine ursprüngliche
Culteim-ichtung hielt und von keinem Wechsel wusste, giebt
der von Alexander Polyhistor benutzte jüdisch-hellenistische
Geschichts- oder Romanschreiber Artapanos ein bisher über-
sehenes Zeugniss. Er führt den gesammten aegyptischen
Cult auf Moses zurück und sagt u. a. : * oütuj öii lOu^AOiOTrag,
Kairrep övraq 7T-oXe|niou(;, crtepSai tov Mubucrov, üjcrre Kai iriv
TTepiTO)ixriv TÜJV aiboiuuv irap' exeivou juaGeTv. ou )li6vov he Tomov<;,
äWä Kai tolk; iepei(g äTraviaq. Artapanos und Hekataios
stimmen in den Voraussetzungen vollkommen überein ; ein
entgegenstehendes Zeugniss aus jüngerer Zeit giebt es nicht.
So bleibt nur das bekannte Zeugniss Herodots (II 37)
Geocreßee^ be TrepiacTuui^ eövreg fiaXicria TrdvTuuv dvGpiuTTUJV vö-
)Lioi(Ti TOioTcTibe xpe^viai. ek x^^Keiuv TiOTripiujv TrivoucTi, öia-
(T)au)vTe? dvd irdcrav ii)Liepr|v, ouk ö \xiv ö ö'ou, dWd irdvieg.
ei'lLictTa he Xivea cpopeoucn aiei veÖTiXura, emTnbeuovTe? toöto
|LidXi(JTa, rd re aiboTa TrepirdiuvovTai KaOapeiÖTiixoqe'i'veKev, rrpo-
TimÄVTe? KaGapoi eivai i^ euTTpeiredTepoi. oi he ipeeg Hupiüviai irdv
TÖ (TuO|ua öid xpirrig rilLiepn?, i'va inrite qpGeip lanxe dXXo )uu(Japöv
|ur|öev exTivriTai crcpi BepaTTeuoucri touq Beoug- e(J9i]Ta he cpo-
peoucn oi xpeec, Xiveriv jucuviiv Kai uTTOÖri|iiaTa ßußXiva. dXXr|V
he (Jcpi edOnra ouk eHecrti Xaßeiv ouöe urroöiiiaaTa dXXa*
XcOviai he hiq T\]q rmepri? eKdö'Tiig H^uxpu) Kai hlc, eKdö^xriq vu-
Kxög, dXXag xe Opriö'Kniaq eTnxeXeouOi |uupiaq uuq eiireiv Xötuj.
Es scheint mir nicht unmöghch, dass Herodot hier Eigenes
und Fremdes, eine allgemeine Betrachtung über die Ord-
nungen rehgiöser Reinheit und eine Aufzeichnimg über die
Pflichten der Priester verbindet. Doch will ich von dieser
Erklärung keinen Gebrauch machen, sondern einmal zu-
geben, dass er glaubte, die Beschneidung sei nicht auf die
Priester beschränkt.* Dass er über ihre Verbreitung im
Volk weder Untersuchungen angestellt hat noch Aussagen
• Eusebios praep. ev. IX 27,10 = p. 433 a.
2 Die Möglichkeit, dass die Tempelsklaven damals auch schon beschnitten
waren, werden wir später prüfen müssen. Ich lege hier auf sie ebenfalls kein
Gewicht.
14 I. Beschneidung und Priesterordnung.
machen will, dass auch ihn nur die Existenz und Auffassung
der befremdhchen Sitte interessirte, endhch dass seine Ge-
währsmänner gerade hier überwiegend Priester sind, brauche
ich nicht zu betonen. Bei der Stabilität der religiösen Bräuche
in Aeg}'pten halte ich es von vornherein für richtiger, einen
Irrthum Herodots als eine so tiefgehende Aenderung in der
letzten Zeit der persischen Herrschaft anzunehmen —
oder vielmehr eine doppelte Aenderung. Denn dass in
der Zeit des Jeremias die Juden von einer allgemeinen Be-
schneidung in Aeg3'pten nichts wussten, beweist Jeremias
9, 26, der die Aeg}'pter ausdrücklich zu den Unbeschnittenen
rechnet, und eine Erzählung, die vor die letzte Redaction
des Josua-Buches fällt, bestätigt bekanntlich diese Angabe.
So wende ich mich zunächst zu den Einzelheiten der jüngeren
Tradition.
Dass die Kinder nicht in allzujugendlichem Alter die
weite Reise nach Memphis machen mussten, sah, wie er-
wähnt, schon Krebs. Eine feste Angabe bietet bekanntlich
Ambrosius {de Abrah. 11 p. 3-18) denique Aegyptii quarto
dccimo anno ' circnmcidunt mares, et feminae apud eos eo-
dem anno circiimcidi fcnintur, quod ab eo videlicet anno
incipiat ßagrare passio virilis et fcminariim menstrua
suniant cxordia. Nehmen wir hinzu, dass die Vorstellung
vor dem Oberpriester an einem bestimmten Festtage ge-
schieht und die Beschneidung ihr bald nachfolgt, so fällt
als Parallele hierzu das Verleihen der toga virilis in Rom
wohl ohne weiteres in die Augen. Die Wahl des Termins
ist leicht begreiflich, wenn wir uns erinnern, dass bei V^oll-
endung dieses „Jahres der Weisheit,*' wie es in aegyptischen
Quellen heisst, das Kind in späterer Zeit für den Staat
\'ollbürger und in die Steuer- bezw. Dienstlisten eingetragen
wird ; * dass die Priesterweihe, die ja früher alle, später
einen Theil dieser Kinder steuerfrei machte, vorher vor-
genommen wird, ist wohl begreiflich. Es ist also eine Be-
' D. h. bekanntlich „mit 13 Jahren".
* Vgl. Paul Meyer. Das Heerwesen der Ptolemaeer uud Kontier in Aegypten,
•S. llSflF. C. VVessely. Sitzungsber. d. Wiener AkaJ. 1S90 Epikrisis.
I. Beschneidung und Priesterordnung. 15
stätigung meiner Ansicht, wenn es in der Biographie des
Hohenpriesters von Memphis Ps6re-n-Ptah ' heisst, ,,im
Jahre 25 am 21. Phaophi unter der Regierung des Königs und
Landesherren Ptolemaios, des Gottes Soter, des Triumpha-
tors, war der Tag, an welchem ich geboren ward. Ich ver-
lebte 13 Jahre im Angesichte meines Vaters. Es erging
ein Befehl des Königs und Landesherren, des Gottes Philo-
pator Philadelphos Neos-Dionysos, des Sohnes der Sonne
und Herren der Diademe Ptolemaios, dass mir das hohe
Amt eines Hohenpriesters von Memphis übertragen werden
sollte, der ich 14 Jahre alt war." Mit dreizehn bis vierzehn
Jahren trat der Priester damals sein Amt an. * Eine weitere
Bestätigung bietet der zweifellos aus Aegj^pten übernommene,
durchaus hierzu stimmende Brauch der arabischen Stämme,
den Origenes .z;ur Genesis I p. 16 (vgl. 'Euseh.praep. er. VI 293b)
erwähnt tujv 5e ev 'IcriuariXiTaig Toic, Kaid ifiv 'Apaßiav xoiovöe,
ujg TTdvTag TrepiTejuvecröai xpicTKaiöeKaeTeicj. toöto Yctp icTTopn-
xai ixepi auTuJv. Die Angabe ist mit Erinnerung an Genesis
c. 17 geschrieben, stammt aber nicht daher, sondern
empfängt vielmehr von dieser relativ sehr jungen Erzählung
ihre weitere Beglaubigung. Denn natürlich ist dort die an
sich so wenig passende Datirung der Einsetzung der Be-
schneidung nur daher zu erklären, dass der Erzähler die
Sitte der arabischen Stämme kennt und das a'mov für sie
geben will: „Ismael aber, sein Sohn, war dreizehn Jahr alt,
da seines Fleisches Vorhaut beschnitten ward.'' Die Sitte
hat" sich bekanntlich im Islam erhalten ; der Termin ist ver-
schoben. Jetzt werden in Aeg3^pten die Knaben zwischen
dem 5. und 10. Jahre beschnitten.^ Sie werden durch diese
Ceremonie zur Ausübung der Religion befähigt; erst jetzt
dürfen sie beten, erst jetzt die Moschee betreten.
Hierzu passt es, dass eine von Czermak untersuchte
Mumie eines Knaben von etwa 15 Jahren sich als beschnitten
* Brugsch Thesaurus Inscriptionuin Aegyptiacarutn V. p. VIII.
2 Vgl. hierüber auch Revillout, Revue Egypt. II 102 A. 4.
' Klunzinger, Oberaegypten 190; Lane (Sitteti d. Aegypter I 48) giebt
noch 6 — 14 Jahre als Durchschnittsalter an.
16 I. Beschneidung und Priesterordnung.
erwies. ' Hierzu stimmen ferner die Angtiben des Papyrus
XXIV des Bririschen Museums aus dem Jahre 163 v. Chr.'«
Eine Frau, Nephoris, hat von einem Klausner im Serapeion
1300 Drachmen entlehnt, imter dem Vorgeben, ihr Töch-
terchen, Tathemis, das mit ihr im Heiligthum lebt,''
beschneiden und verheirathen zu wollen.* Nephoris gehört
also in irgend welcher Art zu den Priesterinnen ; sie scheint
selbst Klausnerin; ihr Töchterchen kann, gerade wenn die
Beschneidung erst die Aufnahme in den Stand bedeutet,
für jetzt nicht anders bezeichnet werden. Die Geschlechts-
reife tritt nach Dr. Klimzingers Beobachtungen bei den
Mädchen jetzt in dieser Gegend zwischen dem 12. und 14.
Jahr ein, mitunter noch früher. Dass mit ihrem Eintritt
auch die Heirath vollzogen wird, ist bekannthch bei allen
Völkern des Orients überwiegende Sitte, und zwar für beide
Geschlechter.
Bei den Knaben tritt auch in Aegypten die Geschlechts-
reife erheblich später, nämlich durchschnittlich erst zwischen
dem 15. und 18. Jahr ein. * Dennoch muss Ambrosius den
Sinn der Maassregel richtig angegeben haben ; für den Staat
wie den Cult bietet die Geschlechtsreife die natürliche
Grenze des Ti\e\oc, dvi'ip. Sie wird zunächst in jedem einzelnen
Fall festgestellt ; erst später tritt eine gesetzliche Normirung
der Durchschnittsgrenze ein, und diese Normimng wird
allmählich immer weiter nach unten gerückt. Ich brauche
wieder an die ganz analogen Verhältnisse in Rom nur zu
erinnern. So halte ich es nicht für eine" Widerlegung,
sondern für eine Bestätigung meiner Ansicht, dass uns aus
» Wiener Sitzungsber. Math. Cl. 1852 S. 432 ff-
^ Kenyon Caial. I S. 32. Die Kenntniss der Urkunde danke ich Krebs.
3 Toö eufOTpiou . . öuvbiaTpißovToq ^v TU) icpLÜ. Die Trape^voi tüuv
Up^UDV empfangen nach der Ordnung des Dekrets von Kanopos (Z. 69 ff.) dort
vom Tage ihrer Geburt an den Unterhalt.
« TrpoeveTKa>Atvri<; T»iv Ta6niaiv üjpav (Ix^iv, ibq ^Goi; ^ötiv toi^
AiTw^iTTioK; irepiT^^iveaeai (es sind zu aller Zeit auch Griechen unter
den Klausnern). Das Mädchen empfängt zu dem Fest ein neues, bestimmtes
Gewand (wie noch jetzt in Aegypten); die Hauptsumme ist als Mitgift bestimmt.
' Klunzinger a. a. O. 190 ff.
I. Beschneidung und Priesterordnung. 17
älterer Zeit ein Fall bekannt ist, dass ein Knabe erst mit
16 Jahren WSb wird. Es ist der spätere Hohepriester des
Amon Bekenchöns (unter Ramses 11.), der nach seiner Bio-
graphie die ersten 4 Jahre bei seinen Eltern bleibt, dann
12 Jahre eine halb-militärische Erziehung in den Ställen
des Pharao geniesst und hierauf mit 16 Jahren als Web,
als Reiner, in den Dienst des Gottes tritt. *
So bleibt als letztes noch die einzige aegyptische Dar-
stellung der Beschneidung in dem Bild aus dem Tempel des
Chunsu zu Kamak, welche Chabas {Revue archeol. N. S. III
1861 S. 298 ff.) herausgegeben hat." Chabas meint, dass es
sich um zwei Knaben von etsva 8 — 9 Jahren handelt. Das
wäre, selbst wenn es sich um deutsche Knaben handelte,
zu niedrig gegriffen. Wer die schlanken, unentwickelten
Glieder der heutigen Fellachenknaben gesehen hat, wird
ein Alter von etwa 13 Jahren wohl für möglich erklären,
selbst wenn der Künstler nicht, um die Jugendlichkeit zu
betonen, die Schlankheit der GUeder übertrieben hat. ^Mchtig
ist an der ganzen Darstellung nur, dass mehi'ere Kinder
zugleich beschnitten werden, und dass die Mütter bei diesem
Act gegenwärtig sind, ja Hilfe leisten.
Ich Avende mich zunächst zu der zweiten Forderung,
die sich aus dem Strassbui^ger Pap3'rus als nothwendig für
die Aufnahme in den Priesterstand ergiebt, der Ahnenprobe.
Auch hier darf ich zunächst die vorzüglichen Vorarbeiten
von Krebs zu Grunde legen, ^ hoffe aber über sie hinaus-
kommen zu können. Von jenem auf das älteste aeg3^ptische
Recht weisenden Einzelzug, den ich schon fiiiher besprach,
abgesehen, zeigt imser Papyinis nur die auch sonst in dieser
Epoche bezeugte ErbHchkeit des Priesteithums. Nur wess
Vater und Ahn schon Priester waren, kann in diesen Stand
' Vgl. Erman Aegypten 398, Brugsch Aegyptologie 275 ff.
* Der Verbleib des Monuments ist mir unbekannt, mein Unheil also
nur auf die Reproduction begründet, die manches unklar lässt. Sicher scheint
dass zwei Mütter bei der Handlung betheiligt sind; ob zwei Knaben oder ein
Knabe und ein Mädchen muss unentschieden bleiben.
^ Krebs Zeitschr. f. aeg. Spr. 1893, 34 ff.
Reitzenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. 2
18 I. Beschneidung und Priesterordnung.
aufgenommen werden. Dass auch für die Mutter die Priester-
qualität erforderlich war, legt für die älteste Zeit die Be-
ui-theilung der Verwandtschaft nach der Mutter nahe anzu-
nehmen. Für unsere Zeit möchte man es nach Geburts-
anzeigen wie U. B. M. 28 vermuthen;' auch die für mich
leider nicht ergänzbare dritte Columne unserer Urkunde
scheint darauf zu weisen.
Mindestens seit dieser Zeit bildet der Priesterstand
den Adel Aegj^ptens; auch wer nicht selbst Priester ist,
darf mit Stolz erwähnen, dass er aus priesterlichem Ge-
schlechte stammt.* Allein schon Krebs hat erkannt, dass
weder die griechische noch die römische Herrschaft hierin
etwas neues geschaffen haben oder schaffen konnten. Die
Verhältnisse am Eingang der Ptolemaeerzeit sind genau
gleich denen des zweiten Jahrhunderts n. Chr.; das lehrt
das berühmte Dekret von Kanopos. Krebs hätte hinzu-
fügen dürfen, dass auch die persische Herrschaft die straffe
Organisation des Priesterstandes, ^ die er selbst uns am
* Der Vater nennt sich Trapd TTaKÜöK; ZaxaßoÖTO^ xoO TTaveqppe^K;,
HriTp6?lTOTof|Ti(; iepetx; e' qpu\r|(; die Mutter xfi? toütou YuvaiKÖc Taßoö-
TOC r?\q lTOTor)Teuj<; iepiae; a' cpu\f|(;. Dasselbe Princip tritt in den Genea-
logien aus der letzten Ptolemaeerzeit, die Revillout /üevue Egypt. II 95 fF. mit-
theilt, hervor. Freilich wird es nicht ausnahmslos durchgeführt. Der Priester
hat als solcher nur eine rechtmässige Gattin (Diodor I 80), aber er kann sich
daneben Concubinen, ja selbst einen ganzen Harem halten (Erman 220), und der
König kann, besonders beim Fehlen anderer Kinder, ausnahmsweise auch den
Sohn der Concubine dem Vater folgen lassen (Revillout Revue Egypt. II 100, 12).
Für gewöhnlich werden aber neben dem echten Priestersprössling, dem
KoGapö? ^K Kaöapüuv, andere stehen, die nicht in die Phyle gehören. In wie-
weit sie von anderen Berufen ausgeschlossen sind, kann zur Zeit noch Niemand
sagen. Aber das Vorkommen von nichtpriesterlichen Priestersöhnen hätte nie
als Beweis gegen die Existenz einer Priesterkaste angeführt werden dürfen.
Lehrhafte Parallelen geben die priesterlichen Traditionen semitischer Stämme
(z. B. über Isaak und Ismael).
'•* Noch Marinos weiss in dem Leben des Proklos, wenn er von jedem
Lehrer seines Meisters etwas Rühmendes berichten will, den Grammatiker
Orion nicht besser zu loben als Kap. 8 öq fiv ^k toO irctp' AiYUTTTiOK; iepari-
Koö Y^vou? KaraTÖfievo;.
' Den Priesterstand zu stärken, wäre ja auch die grösste politische Thor-
heit für jeden Eroberer gewesen, und für die Herodot vorauslicgende Zeit lässt
I. Beschneidung und Priesterordnung. 19
besten erläutert hat, nicht geschaffen haben kann. Die An-
gaben Herodots über das -^ivoc, iepeuuv sind zunächst aus
dem Dekret von Kanopos zu verstehen.
Die Bestellung der Priester, der Web, vollzieht der
griechische König als Nachfolger der Pharaonen. Er kann
der Gesammtheit der Priester an dem einzelnen Heiligthum,
dem TTXri9o(;, zugesellen, wen er will. Aber die Priester-
schaft ist an allen Heiligthümern in vier Geschlechtsverbände
oder Phylen (aeg. sa]) getheilt. Die Priesterin bleibt beim
Eingehen der Ehe mit einem Priester^ in ihrer Phyle; die
Kinder gehen in die Phyle des Vaters über; der Sohn
(bezw. ein Sohn) hat innerhalb dieser Phyle erbliches
Recht auf das Priesterthum ; ** es ist zugleich das Recht
auf eine lebenslängliche Versorgung ; so wh-d bei dem An-
tritt eine Steuer an den König entrichtet. ^ Verlassen können
die Priester die Ph5'le nicht, wohl aber wahrscheinlich, da
dieselben vier Phylen überall sind, innerhalb der Phjie
avanciren. Sind doch die Heiligthümer nach ihrer Bedeu-
sich ein schroffer Gegensatz zwischen der persischen Regierung und dem
Priesterstand durch die Inschrift von Butos erweisen (vgl. Wachsinuth Rhein.
Mus. 26., 463).
* Vgl. oben S. 18 A. i. Die Geschlechtsverbände haben also unter-
einander das conubiuDi; es wird freilich in der Regel nur innerhalb der Phylen
desselben Heiligthums geübt sein. Auf einen noch älteren Brauch weist die
Geschwister- und Verwandten-Ehe, ursprünglich wohl die äusserste Consequenz
einer auf reine Erhaltung des y^'V'^ gerichteten Strebens.
"■* Projiciren wir diese Ordnung in die ältere Zeit, so erklärt sich ohne
weiteres die Pflicht des Pharao „einen jeden auf den Thron seines Vaters zu
setzen" (Erman Aegypten 226), oder das Gebet des Priesters zu Abydos „ich
bin ein Prophet und Sohn eines Propheten dieses Tempels" (Erman 371; vgl.
für die Zeit des mittleren Reiches Erman 395, Zeitschr. f. aeg. Spr. 1882 S. 171),
so auch die häufige Vererbung einer bestimmten Stelle in einer Familie
(Wiedemann Museo7i V. 99; Revillout a. a. O. 102, 4). In anderen Fällen sehen
wir, dass das Erbrecht in strengem Sinn sich nur auf die Ernennung zum Web
bezieht (Erman 212); eine Anzahl bestimmter Stellen haben die Ptolemaeer wie
die Vertreter der römischen Kaiser an den Meistbietenden versteigert, natürlich
nur unter den Web; das kann, wie B. Keil mir zeigt, auf griechischen Brauch
zurückgehen. Wir müssen die Tempel, die Zeit der Gründung, vielleicht sogar
die Art der Stellen sondern und nicht zu schnell allgemeine Behauptungen wagen.
^ Wilcken Ostraka I S. 185 u. 397.
2*
20 I. Beschneidung und Priesterordnung.
tung in drei Classen geschieden ; eine Ortsveränderung wird
nicht häufig, wohl aber durch den Willen des Königs möglich
gewesen sein. ' Durch das Dekret von Kanopos wird eine
fünfte Phyle eingerichtet * für alle, welche der König bisher zu
Priestern ernannt hat oder bis zu einem bestimmten Termin
noch ernennen wird ; aber die Priester bedingen sich dabei aus
(Zeile 27) rouq be TrpoüTrdpxovTat; iepeiq eujc, toO TrpuÜTOu etou?
eivai ibaauTUJ(; ev laic, amai(; qpuXaiq, ev alq TTpöiepov rjcrav, ouoiiuq
be Kai Touq eK'fövovq auTÜJv cittö toü vOv KaTaxujpiIecr6ai eic, idq
auTot^ qpuXdg, ev alq oi TraTepeq iicrav. Der neuen Ph3ie gehören
also auch die Priestersöhne an, welche der König in den
verflossenen 8 Jahren zu Web hat weihen müssen. Die-
jenigen Personen, welche er jetzt vom 7. T3'bi bis zum
Schluss des Mesore in diese Phyle noch ernennen wird,
sind also sicher nicht Priester söhne. Das Königsrecht
kann gar nicht schärfer ausgesprochen werden. Es folgt
meines Erachtens nothwendig, dass auch die bisher er-
nannten nicht alle Priestersöhne gewesen sind. ^ Da die
' So erklärt sich m. E. am leichtesten, dass in unserer Urkunde zu den
, .Verwandten von Mutterseite" auch der G~oX.icyTr)C in der ,uriTpÖTTO\l^ des
Fayüm (Krokodilopolis) gehört, während die Petenten in dem Dorf Sokno-
paiunesos wohnen. Er ist offenbar ein höherer Priester. Ob das Avancement
sich auf bestimmte Cultkreise beschränkte, wissen wir nicht.
^ Dieselben vier Phylen begegnen uns in den neugefundenen Papyri von
Kahun aus dem mittleren Reich (vgl. Borchardt Zeitschr. f. aeg. Spr. XXXVII
S. 94 ff.); wichtig ist, dass sie hier auf die Laienpriester ausgedehnt sind;
das weist ebenfalls auf alte Geschlechtsverbände.
' Ob sie schon in die vier alten Phylen aufgenommen waren, ist leider
nicht zu sagen. Für die Priestersöhne wäre es selbstverständlich gewesen, falls
nicht etwa eine Periode des Streites und ein passiver Widerstand der Priester-
schaft vorausgegangen ist. Für die homiues tiovi ist eine sofortige Aufnahme
nicht ebenso selbstverständlic|i, und vielleicht lagen für die Behandlung solcher
Fälle schon alte Traditionen vor. Denn das Emennungsrecht des Pharao konnte
mit dem Erbrecht des Adels schon früher coUidirt haben; Versuche, die
Geschlechterherrschaft in dem social und politisch wichtigsten Stande zu
beschränken, können schon früher gemacht sein. Die einfachste Lösung wäre
dann gewesen, den /lomo novus zunächst ausserhalb der Phylen zu belassen und
erst seinen mit einer Priesterin erzeugten Sohn in die Phyle der Mutter aufzu-
nehmen, eine auch bei den semitischen Stämmen bezeugte Form der Aufnahme
in eine Geschlechterhierarchie.
I. Beschneidung und Priesterordnung. 21
neue Phyle die gleiche Vertretung wie die alten empfängt,
wird sie von Anfang an gleich stark oder stärker als jene
constituirt sein. Sie soll von nun an erblich sein, wie die
übrigen, und soll nach ausdrücklicher Bestimmung dieselben
Weihen und Functionen (und also auch Befördenmgen) * auf
sich nehmen wie die übrigen.
Der Vorgang hat sich niemals wiederholt; um so
seltsamer, dass seine politische Bedeutung meines Wissens
noch kaum hervorgehoben ist. Nur Mahaffy bezeichnet das
Dekret kurz als einen Friedensschluss zwischen der National-
partei und dem ausländischen Herrscher und fasst seine An-
ordnungen als vorher zwischen den Priestern und dem König
vereinbart.^ Ich denke, das zeigt sich nirgends deutlicher als in
dieser Bestimmung. Die Auflösung alter Geschlechtsverbände
oder die Gründung neuer neben ihnen ist ja ein herkömmliches
Mittel griechischer Politik zur Verschmelzung verschiedener
Elemente innerhalb desselben Gemeinwesens. Griechisch,
nicht aegyptisch, ist der ganze Gedanke, den der König aus
der Geschichte des benachbarten Kyrene ebensogut wie
aus den Theorien griechischer Lehrer der Staatskunst ent-
nehmen konnte. ^ Es braucht sich dabei durchaus nicht blos
vmi die Wahl ihm persönlich ergebener Männer in diese
neue Adelsclasse gehandelt zu haben; auch die Heran-
ziehung griechischer Geschlechter zu dem national-aeg3^p-
tischen Cult hatte ihre politische Bedeutung. In der That
1 Den griechischen Ausdruck (aYveiai) erklären Chairemon bei Porphyrios
de übst. IV. 6 ff. und Plutarch de Is. et Os. 6. MahafFy {Empire of the Ptolemies 233)
irrt. Die Bestimmung schliesst vieles in sich, was Griechen am Eintritt hindern
konnte (z. B. die Beschneidung) und zeigt insofern ein doppeltes Gesicht.
^ So ist ja auch im Gegensatz zu dem Dekret von Rosette der griechische
Text hier der ursprüngliche, der aegyptische die Uebersetzung.
' Man erinnere sich an Aristoteles' Politik VI 4 = 1319b 19 Bekker :
?Ti be Kai T(i ToiaÖTtt KaxaCKeudaiLiaTa xp^öiina irpöq xrjv brmoKpaxiav Tr)v
TOiaÜTtiv, oiq KXeiaÖevriq xe 'AOriviiaiv i\^x\(5(j.-zo ßouXöuevoi; aüEfiaai t\\v
bii.uoKpaTiav Kai irepi Kuprivrjv oi xöv bfi|uov KaöiarcivTe?. qpuXai re y«P
trepai TTOiriTeai TrXeiou^ Kai cpparpiai kt\. Ich erinnere an die Politik
der letzten Könige Roms. Die Einführung neuer Götter, mit der Ptolemaios
Soter begonnen hatte, entspricht der Einführung griechischer Gottheiten für den
neuen Doppelstaat der Patrizier und Plebejer in Rom.
<i- I. Beschneidung und Priesterordnung.
scheinen griechische Priester schon früh zu begegnen.
Jener Apollonios 6 dpxiepeug XeYO|Li€vo(g scheint dies Amt zu
Letopohs bekleidet zu haben; » characteristisch ist, dass
gerade er über Orpheus und seine Weihen schrieb. Gerade
in Aeg>'pten wird ja — fühlbar im Interesse eines religiösen
Synkretismus — die orphische Litteratur wieder belebt imd
vermehrt. Auch Leon aus Pella* kann sehr wohl Priester
gewesen sein; auch er arbeitet im Sinne einer \^erschmel-
zung. Inschriftlich bezeugt scheint ferner für das zweite
Jahrhundert Eraton, der avrf^vr]q des Königs, dpxiepeüg und
7Tpo(pr|Tr|? einer uns unbekannten Gottheit. ' Im Allgemeinen
wird freilich diese griechische Minorität eine schwere Stel-
limg gehabt haben, wenigstens sobald die Regierung in
der sorgfältigen Ueberwachung der Collegien nachliess.
Die Klagen des Ptolemaios des Sohnes des Glaukias, der,
„weil er Grieche ist," unter den Klausnern des Serapeion
mancherlei Bedrückungen ausgesetzt ist, gestatten darauf
einen Rückschluss. *
Denn freilich schon der mächtigste und kühnste der
Ptolemaeer hat einen vollen Sieg nicht davongetragen ; das
Dekret enthält wirkhch einen Friedenschluss zweier gleich
starker Mächte. Die alten Phylen Hessen lieber ein Grund-
recht ihrer Geschlechterordnung einmal verletzen und ver-
zichteten auf acht Jahrgänge ihres Nachwuchses, als dass
sie die Besetzimg der neuen Phyle ganz in die Willkür des
Königs gestellt hätten. Die spätere Ptolemaeerpolitik beugte
sich bekanntlich vor der nationalen Partei- und nahm die
aegyptischen Traditionen wieder auf. Die Könige haben
innerhalb dieser Traditionen durch Ausübung des Rechtes,
die einflussreichsten Stellen nach ihrer Wahl aus der Reihe
' SusemihI Gesch. J. griech. Litt, in d. Alexandriner zeit I 648.
^ SusemihI a. a. O. 315. Er gehört vsahrscheinlich früherer Zeit an.
' Lenormant Recueil II p. 25. Auch dass innerhalb des Serapeion Griechen
Vorsteher aegyptischer Heiligthümer sind, wie Apollonios der ^TnaTciTr|(; des
Avoußieiov (Faul Meyer S. 72^, darf man wohl hierher ziehen.
♦ Von Paul Meyer sind sie fälschlich als Beweis eines allgemeinen Vor-
gehens der Aegypter gegen die verhassten privilegirten „Griechen" gcfasst (S. 61).
I. Beschneidung und Priesterordnung.
der Web zu besetzen oder einzelne Männer dem ttXiiGo^
der Priester zu aggregiren, den gleichen Zweck besser und
vollständiger erreicht, als Euergetes dmxh seine gewaltsame
Maassregel. Ich werde hierauf in dem zweiten Kapitel
zui'ückkommen.
Für jetzt wird es sich empfehlen, den Gang der Unter-
suchung ein wenig zu unterbrechen und einen Blick auf
den grossen Nachahmer ptolemaeischer Religionspolitik, auf
Caesar, zu werfen. Wenn er jedem der grossen Priester-
thümer je ein sechzehntes Mitghed, zu den Epulonen drei
neue Mitglieder zufügte, so war der Zweck dieser Maass-
regel zunächst, seine Macht zu zeigen. Aber es ist die
Macht des aeg^^ptischen Königs, die Caesar als ungekrönter
Herrscher in Rom ausübte. Wir werden danach auch die
religiösen Ehren, die ihm nicht ohne seine Einwilligung, ja
meines Erachtens nicht ohne sein Zuthun bewilligt werden
konnten, zu beurtheilen haben. Die Aufstellung seines
Bildes in allen Tempeln machte ihn zum ovvvaoc, Qeoq, wie
es der Ptolemaeer durch das Dekret in allen Tempeln seines
Reiches ward, das öffentliche Fest (Opfer) an seinem Ge-
burtstage kehrt ebenfalls im Dekret von Kanopos (als schon
früher eingerichtet) wieder. Die Errichtung einer dritten
Phyle der Litperci, der Lupcrci lulii, erinnert ebenfalls an
die neue Priesterphyle der EuepTtrai 0eoi. Die Aufstellung der
Ehrendekrete an der Basis des Jupiterstandbilds (Dekret von
Kanopos Z. 75 ev tuj eTTiqpavecTTdTUj tottuj tOuv re a' iepüuv Kai tuüv
ß' Kai Tüjv t), die Kalenderordnung und manches andere
liesse sich hier zum Vergleich heranziehen. Für Caesar
nicht direct bezeugt, aber nicht unwahrscheinlich ' ist ferner
die für Augustus später beschlossene Ehrung, dass in die
uralten imd bisher ungeänderten Lieder der Salier Ab-
schnitte zu ihren Ehren aufgenommen werden und in das
Ritual der virgines Vestalcs Gebete für sie eingefügt werden ;
dem entspricht die Anordnung des Dekrets (Z. 68j abeiv ö" ei<;
auTriv Ka6' niaepav Kai ev laiq eopraiq Kai iraviiTupecriv tuüv Xoittujv
' Vgl. Dio 44, 6, I Kai irpoa^Ti Kai euxeaöai üir^p auTOu hri.uoaia Kar'
^Toq eKoarov.
24 I. Beschneidung und Priesterordnung.
öeüüv Toü«; xe ujöouq avbpaq Kai räq -{waiKac,, ovq äv u)avou<g oi iepo-
Ypa)Li,uüTei(g -fpuypavTec, öüjcJiv tlü ujbobiöaaKdXuj, iLv Kai rdvii-
Tpaqpa KaiaxuipicrGricreTai eiq idq iepd? ßußXouq. Es ist,
wenn man auf diese Parallelen einmal geachtet hat, durch-
aus nicht imwahrscheinhch, sondern spricht vielmehr für die
Vorzüglichkeit der Tradition, wenn Dio Cassius 44,7,3 be-
richtet d)Li€\ei Kttl TuvaiHv ÖGa\q dv e9e\ri(Tri cTuveivai oi eroXiaiicrdv
Tive(g eTTiTpevpai, öti TroXXaiq Kai tote eri, Kaiirep TrevTriK0VT0UTri<g üjv,
eXPnTO. Auch das gehörte zu den rehgiösen Vorrechten
der Pharaonen und wird rechtHch auf die Ptolemaeer über-
gegangen sein, und wer die Quelle jener anderen Ehrungen
und Einfühningen kannte, mochte es aus Spott oder über-
triebener Devotion hinzufügen wollen. » Ich kann die Ge-
sammtheit dieser Notizen kaum anders deuten, als dass
Caesar selbst daran dachte, die reUgiöse Stellung des aeg3'p-
tischen Königs in seinem Weltreich füi* sich zu erstreben.
Wie er sich die Vermittlung mit der altheimischen Religion
denken mochte, wird sich uns später ergeben.
Die ludxiMOi erscheinen bei Herodot bekanntlich als
Lehnsträger, Inhaber eines kleinen Gutes von 12 Aruren, das
ihnen auf Lebenszeit überwiesen ist imd auf den Sohn über-
geht. * Es ist dies eine im Orient im Grossen wie im Kleinen
nachweisbare Wirthschaftsform. ^ Eine Bestätigung der An-
gaben Herodots bietet die künsthche Wiederbelebung des
Standes der ladxiuoi diu^ch Ptolemaios Epiphanes, für welche
ims Paul Meyer in seinem verdienstvollen Buch über das
Heerwesen der Ptolemaeer und Römer in Aegj'pten das
• Der aegyptische Gott hat ja unter seinen irdischen Dienerinnen, ver-
heiratheten und unverheiratheten, eine rechtmässige Gemahlin, ein „oberstes
Kebsweib" und einen Harem, Sängerinnen u. s. w. (Erman 400) und „nach einem
uralten heiligen Buche, das das selige Leben des verstorbenen Königs schildert,
wird dem Pharao unter Hinzufügüng einiger nicht gerade anständiger Worte
zugesichert, er werde auch im Himmel die Frauen ihren Gatten nach
Belieben fortnehmen" (Erman 223, vgl. 113).
' Erst Diodor I 73 bringt in einer fühlbar philosophisch überarbeiteten
Stelle die Behauptung, dass alle Söhne wieder Krieger werden; dem wider-
spricht, dass bei Herodot Zahl und Grösse der KXfipoi bestimmt ist.
' Geizer Rhein. Mus. 35, 516.
I. Beschneiduns; und Priesterordnung.
Yerständniss erschlossen hat. So wenig günstig- die Lage
dieser )ndxi|iioi bald wurde, sie galten damals als der zweite
Adelsstand; sie und die Priester bilden zusammen „d^s
aegyptische Volk". Das zeigt besonders die eigenartige
Beschreibung der Königswahl, der dvaKXiiTripia, bei S3mesios
uepi TTpovoiaq I 5 und 6, die viel zu viel richtige und gute De-
tails enthält, um nicht auf eine, wenn auch manchmal missver-
standene und phantastisch ausgemalte Schilderung der ptole-
maeischen dvaKXnTi'ipia zurückzugehen. Man vergleiche :eTT€iöii
ouv. . . TTapfiv 11 Kupia, auveiXexaio )Liev eiq auTi^v, TrdXai TrpojiYopeu-
juevov, eS u-ndoriq iröXeuuq AiTUTTiiag iepeuuv xe öcrai qppfjipai
Kai TÖ (TTpaTiujTiKÖv TÖ auTÖxöov. ouTOi )Liev utt' dvdYKii(; xoO vö|uou'
Td hk dXXa luep»! tüjv &ii)najv eSfiv |uev dneivai, TtapeTvai he. ovbexc,
eipY€TO, 9ea(j6|Lievoi t^v x^ipofoviav, ouk auioi x^ipoTOvricrovTeq.
auqpopßoi öe eipYOvio Tr]c; Qeac,, Kai ögtxc, auxög f] Yevoq dXX6q)u-
Xo? ujv OTrXocpopeT )uicr0(juTÖ<; ArfUTTTioig, Kai toutoi? dTreipiixo |Lifi
Ttapeivai.
Auch hier erhält die Schaar, die sa] jetzt die Be-
deutung eines fingirten Geschlechts verbau des. Das zeigt
einerseits der berühmte Pap3^rus LXIII des Louvre Z. 30
TÖ ö' ö.uolov au)Lißaiveiv Kai toi^ dXXoi«; xoit; ev tlu Y^vei qpepo-
|a evoi^ und noch deutlicher die Bezeichnung der einzelnen
Abtheilimgen des eTriiaYiua: oi ev tlu 'HpaKXeorroXiTri ctuyyc-
vexc, KdToiKoi. ' Auch die schon in dem nationalaegyp-
tischen Reich nachweisbare, bei den Ptolemaeern durch-
geführte Gliederung der Hilfstruppen nach Völkerschaften
mag hiermit zusammenhängen ; sie bilden Cultgemeinschaften,
wie wir dies für die ältere Zeit überwiegend auch an-
nehmen müssen.* Auch hier hat der König das Recht
' Paul Meyer S. 69 A. 238 findet hierfür im Grunde keine Erklärung;
sie bietet sich erst, wenn wir wissen, dass die Abtheilungen der Priester aus
(TUYTCV€l^ bestehen. Auch die häufige Verwendung der Bezeichnung (ibeX9Ö<;
für den Standesgenossen kann wenigstens mit dieser Geschlechterordnung zu-
sammenhängen (Paul Meyer S. 72 A. 253).
* Dem entspricht es, dass auf der Inschrift von Rosette gesagt wird
(Z. 15) dTT^\uae b^ Touq iK xdjv iepiijv ^6vujv toü kut' ^viauröv ei<; 'A\e-
Edvbpeiav KaxdTrXou. Gemeint sind die Vertreter der „Stämme" der Priester-
schaften.
26 I. Beschneidung und Priesterordnung.
der Ergänzung:. Neben die TTepcrai Tri^ eTriTovfics, tur welche
unsere Bibliothek eine Reihe wichtiger Urkunden bietet und
bei denen der Zusammenhalt durch einen bestimmten Cult
besonders bezeugt ist, treten später die TTepcrai oi Trpoa-fpacpoi
(Meyer S. S4). Auch hier herrscht ja an und für sich die
Erblichkeit; aber es erbt nur ein Sohn, der älteste aus
legitimer Ehe. Das ist erklärlich, weil es sich hier um eine
bestimmte Leistung des Staates an die einzelne Familie
handelt. Es wäre an sich denkbar, dass hier auch nicht-
aegyptische Einflüsse einwirken; doch wird ein Rückblick
auf die „Priesterkaste" schon jetzt lehrreich sein.
Wenn ein einzelner Vornehmer sich einen Todtencult
sichern und dazu eine Stiftung machen will „von Aeckern,
von Leuten, von Heerden, von Teichen imd von allerhand
Dingen", so bedingt er von dem zum Priester bestimmten
ausdrücklich „diese Dinge werden nur dem einen deiner
Söhne gehören, von dem du willst, dass er mein Todten-
priester werde vor deinen (anderen; Kindern . . . ohne dass
er es wieder unter seine Kinder theilen darf". ' Aber auch
die Priesterschaft an dem staatUchen Tempel ist mit be-
stimmten Einkünften und Leistungen des Staates verbunden
und kann andrerseits als Pflicht und Leistung der Familie
an den Staat gefasst werden. Es ist mindestens für die
ältere Zeit mit ihren an Zahl sehr beschränkten Priester-
collegien nur wahrscheinlich, dass nicht die Söhne, sondern
' Erman 213. Dass der Priester sich nicht beliebig dem Prieslerdienst
entziehen kann, liegt im Wesen alles Geschlechtercultes. Auch für den |näxi!UO<;,
der ein bestimmtes Stück Land als Staatslehen erhält, wird eine ähnliche Be-
stimmung nicht gefehlt haben; für die zahlreichen unfreien Landarbeiter liegt
sie in der Natur der Sache. Für die „Hirten" (Unfreie oder Nomaden am Rande
des Fruchtlandes) ebenfalls. So erklärt sich die von Isokrates (Busiris 16) her-
vorgehobene Behauptung, dass kein Aegypter seinen Stand ändern kann. Seine
Quelle ist, wie er selbst (17) andeutet, eine sophistische Schrift irepi iroXiTeioiv,
bezw. irepi AuKebaiiaovüuv TroXiTciac;. Derselben scheint, nur mit Umgestaltungen
nach einem philosophischen System, Plato im Timaios zu folgen. Das weist auf
Kritias; beachtenswerth ist die Berührung mit Herodot VI 60. Die Angaben
Strabos sind zu kurz; Diodor I 73-74 (Ilekataios) betont vor allem, mit Recht,
«lie Dreitheilung des bebauten Landes; als Hauptzeuge für die vielbesprochenen
„Kasten" der Aegypter bleibt Herodot.
I. Beschneidung und Priesterordnung. 27
nur ein Sohn erbberechtigt war. Nur hiervon redet übrigens,
trotz der angeblichen Angaben über die „Kaste", Herodot
37: eiredv öerig diroGdvr), toutou 6 Tiaig avTiKaiicTTaTar, einTheilder
Polemik gegen seine Angaben fällt hiermit von selbst fort.
Aber freilich, je mehr der Priesterstand zum einzigen Adel
des Landes wird, um so mehr muss er suchen, seinem Nach-
wuchs möglichst ganz den Titel, wenn auch nicht die äusseren
Vortheile zu sichern. ' Für die römische Zeit ist uns bezeugt,
dass nm- ein Theil der Priester an jedem Heiligthum dieXeig
waren ; den anderen Theil bildeten gewissermaassen Super-
numerare, die an den Rechten des Priesterstandes keinen oder
nur geringen Antheil nahmen. ^ Sollte hiermit auch die Schei-
dung von lepeiq und iepuu|uevoi, oder iepuj)uevoi, Geweihte, W6b,
zu verbinden sein, die wir in einer Wiener Urkunde finden?^
Hierfüi" spricht auch die verhältnissmässig grosse Zahl
der Priester in einem so kleinen Ort wie Soknopaiunesos.
Es müssen nach dem Berliner Priesterverzeichniss, das Krebs
a. a. O. S. 34 erwähnt, mindestens 20 — 30 ordentliche Priester
gewesen sein. Innerhalb dieses Collegiums sind, wie unser
Papyrus zeigt, alle 5 Presbyter und mindestens noch der
cTToXicTTriq den beiden Petenten nahe verwandt — ein hübscher
Beweis für den engen Zusammenhalt der iepd eGvri noch in
dieser Zeit und ein glänzender Beleg dafür, was Herodot
mit dem Y^vog iepeuuv meinte und einzig meinen konnte.
' Wir wissen noch nicht, wann diese Bewegung anfängt. Eine Spur von
ihr glaube ich schon in dem Dekret von Kanopos zu erkennen, nach dem die
Töchter der Priester vom Tage ihrer Geburt an, also ohne Wahl durch den Pharao,
eine halbsakrale Stellung einnehmen. Sehr früh musste die Verallgemeinerung
bei Uebertragungen in ein anderes Volk eintreten, bei dem es eine staatlich
festgesetzte Zahl von Priesterstellen nicht gab. Hier musste das Princip der Erb-
lichkeit zur Bildung von Priesterstämmen in weiterem Sinne führen.
^ Vgl. P. Meyer S. 113. Wilcken Oslraka I 241.
' W. V. Harte] Ueber die Griechischen Papyri Erzherzog Rainer Wien
1886. S. 70 (vom Jahre 231 n. Chr.) larib^va hi TUJv iep^uj[v f|] iepiuiueviuv iv-
KaTa\e\oiTT^vai Tdi; [9p]ri(JKeia(;. Man könnte freilich auch an die Klausner und
an die mannigfaltigen Zwischenstellungen zwischen den eigentlichen Priestern
und den Laien denken. Zum Wortgebrauch vgl. Clemens Strom. V 19 :=/>. 237 S.
Toi<; iepuJiu^voK; tout^öti toii; dvaKeiii^voii; tuj OeCu.
-ö I. Beschneidung und Priesterordnung.
Man hat das Zeugniss Herodots und der im Wesent-
lichen mit ihm übereinstimmenden späteren Autoren dadurch
zu beseitigen versucht, dass man von dem Wort „Kaste"
und dem Begriff der indischen „Kasten" ausgehend durch
eine Anzahl Beobachtungen nachwies, dass solche Kasten
in Aeg3'pten nie bestanden haben, und hat hieraus ohne
weiteres den Schluss gezogen, dass auch in Aegypten der
Jüngling so frei war, sich seinen Stand zu wählen, wie im
modernenStaat,* oder man hat die Erblichkeit des Priester-
thiuns zwar für die älteste Zeit zugeben, für das neue Reich
aber bestreiten wollen;* auch dann wäre Herodots Angabe
vollständig falsch. Einzelne Argumente habe ich schon
früher zu entkräften versucht. Der anscheinend stärkste
Beweis, dass wir nämlich öfters Kinder oder Enkel eines
Priesters in nichtpriesterHchen Stellen und deren Nach-
kommen wieder in Priesterstellen finden, ist durch die Strass-
burger Urkunde völlig entkräftet. Wenn z. B. der Gouverneur
Paser (XIX. Dynastie) Sohn eines Priesters ist und sein Sohn
uns wieder als Priester begegnet, ^ so könnten wir einerseits
annehmen, dass ihn selbst irgend ein körperlicher i\lakel, ein
(Jiiueiov, an der Uebemahme des Priesterthums hinderte; seine
Qualität e5 iepariKoü -(ivovc, brauchte er darum nicht zu ver-
lieren, und sein Sohn konnte, wenn er köi-periich makelfrei
war, das Recht, bezw. die Pflicht, der Familie doch in An-
spruch nehmen. Es ist ferner möghch, dass, Avenn ein Mit-
glied der bevorrechteten Familie kinderlos gestorben war,
nicht darum die ganze Familie ihr Recht einbüsste, sondern
dass sie einen jüngeren Stellvertreter praesentiren konnte oder
praesentiren musste. Wir haben endlich immer mit dem Er-
nennungsrecht des Pharao zu rechnen.
Ich verzichte dai*auf, weitere Erklärimgen für die ver-
einzelten Ausnahmen aufzuführen. Die wahre Kritik an den
Angaben der griechischen Historiker und zugleich an den
Einwendungen, die man in jüngster Zeit gegen sie gemacht
• Wiedemann Z<? Muscon V (1886) S. 79.
■•' Erman S. 395 und 398.
* Erman 398 A. 6, Wiedemann S. 99 ff.
I. Beschneidung und Priesterordnung. 29
hat, scheint mir darin zu Hegen, dass jene Angaben, die so
sicher bezeugte Existenz eines ausgebildeten Beamtenthums
vollkommen ignoriren und dass die Kritik gerade diese Be-
amtenklasse zur Widerlegung benutzt, ganz als ob Herodot
und seine Nachfolger die Beamten als eigene „Kaste" der
Priesterkaste entgegengestellt hätten. Ist es vielleicht diese
Lücke in dem Gesammtsystem, Avelche das ganze Miss-
A^erständniss — denn ein solches liegt ja handgreiflich vor —
erklärt? Die höheren Beamtenstellen, denen sich bei allen
antiken Völkern die höheren militärischen Chargen durchaus
angliedern, finden sich in dem national-aegyptischen Staat
eng mit den Priesterstellen verbunden, oft in einer Person,
oft in einem Geschlecht vereinigt.' Ganz erloschen ist dies
trotz des Aufkommens imd der Vermehnmg des Priester-
standes auch im neuen Reiche nicht; es ist sehr glaublich,
dass der Grieche, der ja auch in den einzelnen Familien
erbliche Priesterthümer kannte, damals sich in Aegypten
weit Aveniger befremdet gefühlt hätte. Er hätte, so darf
man wohl sagen, den Priesterstand ja nur als einen Theil
einer herrschenden Adelsclasse empfunden. Sie hatte, Avie
bei so A'ielen antiken V^ölkem, und besonders bei denen,
die eingCAvandert ein fremdes Volksthum sich unterAvorfen
hatten,* einen Theil des Landes, sie allein hatte die sacra;
durch die Centralisii"ung bildete sich aus den festgeschlossenen
GeschlechterA^erbänden ein BeamtenadeP A^erbunden mit
1 Beispiele bietet Erman und Wiedemann in grosser Zahl; ich hebe als
characteristisch nur die Anrede des Nomarchen an die Priester hervor „Ich
bin ein Priestersohn, wie ein jeder von euch" (Erman 396, vgl. Zeitschr.f. aeg.
Sprache 1882 S. 171).
' Dies dürfen wir ja für Aegypten jetzt fast mit Sicherheit annehmen.
Es ist sehr characteristisch, dass die Griechen den spartanischen Staat mit
seinen drei Bevölkerungsclassen am liebsten zum Vergleich heranzogen.
' Auch für das Beamtenthum gilt ja die Pflicht des Pharao, nach Mög-
lichkeit jeden auf den Thron seines Vaters zu setzen. — Die schärfste Formu-
lirung für diesen Zusammenhang des Priesterthums mit dem Adel finde ich
nachträglich bei Brugsch {Aegyptologie 275) : „Vom König und seiner Gemahlin
an bis zum letzten aegyptischen Edelmann hin war das Priesteramt in -der
Kaste des Adels erblich. Dafür treten bereits die ältesten Te.xte ein. Dies
30 I. Beschneidung und Priesterordnung.
dem Priesteradel. Als die Fremdherrschaft kam, fiel er fort;
in dem Priesteradel blieb die strenge Geschlechterordnung:
und wui-de mit echt - aeg3'ptischer Zähigkeit festgehalten.
So entstand das -(ivoc, iepeuiv, von dem Herodot redet, die
Priesterkaste im Gegensatz zu dem gesammten Laienthum ;
aus ihr entwickelt sich dann der neue rein-priesterliche Adel.
Dass das ganze Beamtenthum in dem Bericht Herodots und
in den Theorien der späteren Autoren so völlig fehlt, scheint
mh- ein Beweis für die Weisheit und Nachdrücklichkeit der
ersten persischen Regierung; es erklärt mir die Leiden-
schaftUchkeit der immer sich erneuenden Aufstände, von
deren einem ein wichtiger aramaeischer Papyrus unserer
Bibliothek demnächst Kunde geben wird ; es erklärt mir
den Hass, der gegen die ersten persischen Könige noch am
Ende des vierten Jahrhunderts in den Nachkommen der
Adelsgeschlechter fortlebte.' Die Angaben Herodots sind
im wesentlichen richtig, aber sie wollen aus der per-
sischen Zeit verstanden sein.
Allein es gibt noch ein anderes Mittel, zu kontrolliren,
ob wir mit Recht die beiden Forderungen, welche in
römischer Zeit nachweisbar an die Priester gestellt werden,
auch für die alte Zeit vorausgesetzt haben. Religiöse An-
schauungen eines entschwundenen Volkes lernt man am
besten durch Vergleichungen kennen, und diese Verglei-
chimgen gewinnen beweisende Kraft, wenn sie sich auf Völker
innerhalb derselben Kultursphaere beschränken. Ich werde
mich nicht auf die Auffassung der Beschneidung bei Malayen
und Südseeinsulaner berufen. Ihre Auffassung bei den
Juden muss ich zum Vergleich heranziehen und bekenne
gern, dass dieser Vergleich mir Zweck und Ziel der ganzen
Arbeit war. Dass zwei räumlich und culturell so eng xer-
bundene Völker denselben Brauch nicht völlig unabhängig
von einander üben, schien der alten Historiographie selbst-
hinderte nicht, dass die betreffenden Personen daneben am Hofe oder im Civil-
und Militärdienst besondere Aemter bekleideten." Man muss nur die Conse-
quenzen im Sinne des antiken Staatslebens und Empfindens ziehen.
' Vgl. VVachsmuth Rhein. Mus. 26, 463 ff.
I. Beschneidung und Priesterordnung. 31
verständlich;' auch unsere wissenschaftliche Theologie er-
kennt es seit langer Zeit an.* So muss ich die vielbe-
sprochenen beiden ältesten Sagen, in denen die Beschneidung
erwähnt wird, noch einmal prüfen. Darüber, dass die Zu-
rückführung des Brauches auf Abraham jung ist, werde
ich kein Wort verlieren.
Die eine findet sich bekanntlich II. Mos. 4, 24 ff. Zu
seinem Propheten und Diener hatjahve Moses erwählt; er
fügt sich nach langem Sträuben und zieht nach Aegypten,
den Stab Gottes in der Hand. Da trifft Jahve ihn unterwegs
und will ihn tödten, aber Zippora, die Tochter des Priesters
Jethro, nimmt ihren jungen Sohn, schneidet ihm mit einem
Steinmesser die Vorhaut ab und berührt (damit) seine Scham ;
dann spricht sie „ein Blut-Bräutigam (Blut- Verwandter) bist
du mir". Nun lässt Jahve von ihm ab. „Sie sprach aber
Blut-Bräutigam um der Beschneidung willen." Die heilige
Handlung, auf welche sich die Formel bezieht, ist offenbar
die Berührung mit dem Blut (der blutigen Vorhaut).
Es befremdet etwas, wenn man so oft noch liest, es
sei unklar, an wem diese Handlung vorgenommen werde.
Des Kindes Scham blutet ja eben, und nur um den Vater
' Ob Herodot an der berühmten Stelle II 104 Ooivuce? be Kai lüpoi
Ol dv Tf) TTaXaiaxivri Kai aüroi öuo\oYeouai irap' Aitutttiijuv |Li6|ua9riKevai
von den Juden spricht, hat Th. Reinach L' Anthropologie 1893 S. 28 zweifelhaft
gemacht. Zwingend ist der von ihm versuchte Gegenbeweis nicht. Der Streit
der späteren Zeit, in welcher alle hellenistischen Autoren die Abhängigkeit der
Juden von den Aegyptern, die Juden (und ihnen folgend ein Theil der Kirchen-
väter) die Abhängigkeit der Aegypter von den Juden behaupten, hat sicher
schon in älterer Zeit bestanden und konnte Herodot auch in Aegypten bekannt
werden. Eine Anwesenheit in Jerusalem setzen seine Worte nicht voraus.
^ Nowack, Lehrbuch d. hebr. Archaeol. I 167 „Immerhin spricht die
höchste Wahrscheinlichkeit dafür, dass innerhalb der alten Culturwelt die Be-
schneidung bei den Aegyptern ihre eigentliche Heimath hatte und dass sie von
da aus zu den Phoeniciern und Israeliten sich verbreitet hat. . . Denn unter
den semitischen Völkern haben die Beschneidung nur die Völker, die irgendwie
mit Aegypten in Berührung gekommen sind." Auch im Folgenden berührt sich,
wie ich nachträglich sehe, meine Darstellung mit der Prof. Nowacks. Ich habe
sie in ihrer ursprünglichen Breite gelassen, weil ich nicht für Theologen schreibe
und weil wir verschiedene Consequenzen ziehen.
32 I. Beschneidung und Priesterordnung.
handelt es sich; er soll durch eine fingirte Beschneidung
gerettet werden. Und wie bei allen Ersatzopfern die ur-
sprüngliche Formel bleibt, der Opfernde die Kuchen Stiere,
die Ziege Mädchen nennt, so spricht auch Zippora die
Formel, die bei der eigentlichen Beschneidung üb-
lich ist. Das sagt die beistehende Glosse fast direct, das
folgt vor allem aus den Worten selbst, die zu der Situation
gar nicht passen ; diese Formel passt, sobald wir bedenken,
dass durch die Beschneidung die Aufnahme in den Bund
der aufftväq geschieht und dass die crufreveia sich auf die
Heirath gründet.' So wird Moses gerettet, indem er in
das priesterliche Geschlecht seines Schwiegervaters aufge-
nommen wird.
Selbstv'erständlich will ich damit nur den Ideenkreis
bezeichnen, in dem der Erzähler befangen ist ; dunkel bleibt
vieles auch dann. Was hindert Zippora den Moses selbst
zu beschneiden? * Wer an leichten Phantasien Gefallen findet,
wird vielleicht bedenken, dass, wenn die Priesterschaft die
cru-f-ftveiq sind, die Aufnahme eines Nicht-cruf-revTii; unmöglich
war. Und doch konnte sie frühzeitig schon in manchen
Fällen wünschenswerth erscheinen. ^ Der natüi'liche Weg
' Auf Beziehungen zwischen dem hebr. Wort hätän „Schwiegersohn"
(Könige II 8, 27) und dem arabischen halana „beschneiden" hat Wellhausen {Reste
des arah. Heidenthums 154 und Prolegom. zur Gesch. Isr. 1886 S. 354; hin-
gewiesen. Da im Hebraeischen holen „Schwiegervater" bedeutet und diese
Form als Participium zu einem nicht mehr erhaltenen Verbum hätan „be-
schneiden" aufgefasst werden kann, so vermuthete Prof. Schwally, dass die
Handlung vielleicht einst von dem Schwiegervater vorgenommen sei — auch
diese Vermuthung gewinnt an Wahrscheinlichkeit, wenn es sich um Priester
und Aufnahme in das Priesterthum handelt. Dass Zippora hier eintritt, erklärt
sich aus der Situation. Die Bedeutung der Aufnahme in die Blutsverwandt-
schaft hat die Beschneidung auch in der Sage Genesis 34.
^ Ich glaubte ursprünglich, dass der Erzähler nur die Kinder-Beschneidung
kenne und nun aus den Vorstellungen von der Stellvertretung bei dem Opfer
(Bestreichen mit dem Blut z. B. im Griechischen) eine ältere Form der Ge-
schichte umgestaltet habe. Mit Recht wendete Prof. Schwally ein, dass die
ganze Geschichte zu alterthümlich in ihrem Gepräge ist. — Dass Moses nicht
beschnitten ist, weil er Prophet nicht werden wollte, ist die Voraussetzung.
' Die Aufnahme eines Fremden unter die Priesterschaft wird in junger
Zeit ausdrücklich mit dem Tode bedroht (IV. Mos. 3, 10).
I. Beschneidung und Priesterordnung. 33
hierzu war, dass der Eintretende ein Weib aus dem Priester-
stamm nahm. * Selbst konnte er dadurch freiHch nicht zum
cru-fTevri(g nach Mutterrecht werden, wohl aber sein Kind.
Es würde dui'chaus nicht ohne ethnologische Parallelen, ja
selbst nicht ohne Rechtfertigung in dem modernen FamiHen-
und Adelsempfinden sein, wenn erst mit der Geburt oder
mit der Aufnahme dieses Kindes in das Geschlecht der Vater
ganz zum Verwandten wurde, das Kind also den Vater adelte.
Möglich, dass dies auch äusserlich zum Ausdruck kam und
mit der Beschneidung des Kindes eine Scheinbeschneidung
des Vaters verbunden wui^de. Die Sage setzt eine Sitte
voraus, die sich auf die Aufnahme eines neuen Priesters
bezieht; nur dann steht auch die Erzählung mit ihrer Um-
gebung im Zusammenhang. Ich verweile bei ihr noch einen
Augenblick. Dass Moses, der die Tochter des Priesters ge-
heirathet hat, seine Söhne nicht beschneidet, ist zunächst
für die Sage offenbar keine Sünde, so lange er nicht selbst
in den Dienst Gottes treten will. Erst mit dem Eintritt
in den persönlichen Dienst Jahves w^ird es seine
Pflicht; das Verhältniss zu Jahve ist nicht durch die Stammes-
zugehörigkeit, sondern durch eine rein persönliche Uebergabe
bedingt. Das ist das Empfinden, unter dem die Sage
sich ausgestaltet hat.
Klarer ist die zweite Stelle (Josua Kap, 5). Die IsraeHten
haben den Jordan überschritten und sind in das von Jahve
verheissene Land eingetreten, das sie mit den Waffen erobern
sollen. Da erneuert Jahve seinen Bund mit ihnen, bezw. mit
Josua, dem er befiehlt, alles Volk zu beschneiden; hierauf
feiern sie das Passah, mit dem die religiöse Weihe des ganzen
Volkes schliesst. Der junge Erzähler sucht sehr sinnreich zu
erklären, warum alle Israeliten damals unbeschnitten waren
' Auch dies wird später ausdrücklich verboten; die Tochter des Priesters
die einen Fremden heiratet, verliert das religiöse Recht, das ihr die Geburt
gab. Wird sie aber Wittwe oder Verstössen und hat keine Nachkommen-
schaft, so darf sie in das Haus ihres Vaters wieder eintreten und gewinnt
die Rechte ihrer Mädchenzeit wieder (III Mos. 22, 12). Die Folgerungen für
eine frühere Zeit liegen auf der Hand.
Reitzenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. 3
o4 I. Beschneidung und Priesterordnung.
(während die Beschneidimg: doch schon durch Abraham ein-
g:eführt war), und vergisst im Eifer ganz, dass durch seine
Erklänmg das Wort Jahves ,, heute habe ich die Schande
{licrpa) Aeg3'ptens von euch gewälzt" sinnlos wird. Dies
Wort setzt, wie schon die älteren Theologen ganz unbefangen
zugaben, voraus, dass nach einem ursprünglicherenBericht
die Israehten damals zum ersten Mal beschnitten ^^*urden und
in Aegj'pten noch unbeschnitten waren; nur dadurch erklärt
sich die Stellung imd Betonung des ganzen Berichtes. Sein
Anhalt ist klar : an dem Ort haftete, wie das Folgende zeigt,
eine Sage, dass hier ein Heer, oder das erste Heer, der
IsraeUten beschnitten wurde ; sie knüpfte an die Et3'mologie
des Namens. Sie benutzte der ursprünghche Erzähler, für den
die Knechtschaft Israels in Aeg\'pten selbstverständhche Vor-
aussetzxmg war. Hätte er ge^^-usst oder geglaubt, dass alle
AegN-pter beschnitten waren, so wäre sein Bericht sinnlos
gewesen. Er hat entsveder, wie Jeremias, die Aeg3'pter im
allgemeinen für unbeschnitten gehalten oder gewusst, dass
bei ihnen nur die Adligen, die Priester, beschnitten waren,
tmd angenommen, dass der Israelit, der Paria, in Aeg^'pten
nie zur Beschneidung zugelassen werden konnte.
Das Wort Jahves verdient noch eine genauere Be-
trachtung. Dass die ältere Deutung „heute habe ich von
euch genommen, was in Aeg\'pten (bei den Aegj'ptern) als
Schande gilt" sachlich und sprachlich unmöglich ist, bedarf
keiner Ausführimg. Auch ein anderer Erklärungsversuch,
nach dem Jahve sagt „heute habe ich die Knechtschaft von euch
genommen, in der keiner von euch zu dieser persönlichen
Uebergabe an Gott kommen konnte," ist mir zu rationaUstisch
imd setzt zu viel voraus. Wir müssen den Anschauungskreis
des älteren Erzählers uns vergegenwärtigen. Ein solcher
besonderer Bund mit Gott ist in Israel ja öfters, besonders
bei drohender Kriegsnoth, geschlossen worden. Eins
der lehrreichsten Beispiele ist wohl Chron. II 30 ; ich hebe
nur die Stelle heraus „und sie schlachteten das Passah . .
und die Priester und Leviten thaten das Unreine ab (wört-
hch: schämten sich, nikhlavi) und heiligten sich". Es
I. Beschneidung und Priesterordnung. 3o
handelt sich hier wohl nicht mehr um Beschneidung, aber
um eine nach der langen Vernachlässigung besonders strenge
Lustration. So werden wir auch in unserer Stelle nicht
mehr suchen dürfen, als die ursprünglichste und strengste
Lustration; die Schande Aegyptens ist „die Unreinheit, die
euch in Aegj'pten anklebte". Das Volk, bezw. das Heer,
ist endlich lustrirt, ist rein, * wie in Aeg}' pten die Jünglinge
durch die Beschneidung zu „Reinen", zu Dienern eines Gottes
werden. Das Volk, bezAV. das Heer, das in den Krieg um
das heilige Land eintritt, weiht sich ganz Jahve. An die
Parallelen in der Tradition anderer Völker, z. B. an das ver
sacrtim, brauche ich kaum zu erinnern, um das Natürliche
und Naheliegende der Vorstellung hervortreten zu lassen.
So weit war ich und erzählte dies meinem gelehrten
Collegen, Herrn Professor Schwally, als er mir zu meiner
grössten Ueberraschung eröffnete, dass er in einem soeben
erscheinenden Buch {Der heilige Krieg! 1901) für eine auch
früher gemachte Beobachtung den ausführlicheren Nachweis
bringe, dass sich nach altsemitischer Vorstellung urspiiinglich
jedes ins Feld rückende Heer Gott weiht, jeder Krieger einen
Theil der religiösen Leistungen des Priesters auf sich nimmt
und der Kriegsmann nasir heisst, wie später der iepuj|uevo?
oder iepuu|Lievo? im bürgerlichen Leben. ^ Ich denke, die un-
abhängig von einander gemachten Beobachtungen bestätigen
sich und ergänzen sich gegenseitig. Den Krieg eröffnen
heisst ihn heiligen und die Krieger nennt Jahve seine Ge-
heiligten (Jes. 13, 3).'' Zu dieser Heiligung der Person gehört
die Beschneidung; ja sie ist zunächst die eigentliche Heihgung.
So erklärt sich die Ortssage von Gilgal ohne weiteres. Wir
können gerade von hier die individuelle EntAvicklung des
Brauches in Israel verstehen, wenn wir uns nur gegemvärtig
* Aehnlich Ebers Acgypten und die Bücher Moses S. 284, vgl. S. 233.
Die Unreinheit auch in der Verletzung der Speisegebote wird nach der dort
citirten Pianchistele graphisch durch das Abbild des Phallus mit determinirt.
Die Unreinheit ist Schande (vgl. Horapollon II 19).
^ Vgl. auch Nowack Lehrbuch d. hebr. Ar eh. II 134.
3 Vgl. R. Smend Altiestamentl. Religionsgesch? S. 146.
3*
I. Beschneidung und Priesterordnung.
halten, dass die Uebemahme sich in Zeiten vollzog, in welchen
ein zahlreicher und ausgebildeter Priesterstand wohl in dem
unkriegerischen Aeg3'pten, nicht aber in Israel bestand, hier
also der Einzelne ganz anders Ursache hatte, sich dem Gotte
unmittelbar zu übergeben. Ob Jahve ursprünglich Kriegsgott
ist, wie Prof. Schwally annimmt, brauche ich nicht zu ent-
scheiden. Gewiss ^\-ürde sich imter dieser Voraussetzung
die Ausbreitung der Beschneidung über das ganze \''olk be-
sonders leicht und glücklich erklären; aber auch hierA'on
abgesehen, bieten schon die viele Generationen währenden
Kriege, in denen das Volk sich zusammenschhesst, einen
genügenden Anhalt. Es hat sich hier wahrscheinlich ziemlich
früh vollzogen, was bei den nomadischen Araberstämmen
sich erst später durchsetzte. Denn dass von Raub und Krieg
lebende Stämme allen Grund hatten, sich möghchst ganz
durch bestimmte Weihung einem Gott zu Eigenthum zu
geben, ist ebenfalls leicht begreiflich. Für Israel musste
später die Vorstellung, das ausenvählte Volk Gottes, das
\'olk des Eigenthums zu sein, zur Ausgestaltung des Brauches
führen. Die Beschneidung ward zum Ausdruck der Zugehörig-
keit zu diesem Volk ; so konnte sich der Zeitpunkt f üi" ihre
Vornahme verschieben. Wir sehen in der Geschichte der
Taufe ja ein lehrhaftes Beispiel. * So darf ich zunächst suchen,
ob ich Spuren desselben Brauches imierhalb derselben
Kultursphaere nachweisen kann.
Die Angaben Sanchuniathons wird man gewiss mit
höchstem Misstrauen betrachten und nur, wenn sie scharfer
Prüfung Stand halten, verwenden. Aus ihm führt bekannthch
Eusebios pracp. cv. I 38rf folgende Sage oder Dichtung an
Xoi^oö be Ttvojaevou Kai cpöopdq töv eauroö jaovofcvn uiöv Kpövo?
' Dass die Beschneidung der Mädchen in Israel nicht geübt wurde oder
frühzeitig abkam (die Angabe des Poseidonios bei Strabo XVI 761 Kai ai irepi-
Touai Kai al ^KTO|aai, vgl. XVII 824 Kai tö TTEpiT^uveiv Kai xä öriXea tKxeiuveiv
wird eher auf falschem Analogieschkiss von den arabischen Stämmen als auf
alter Tradition beruhen), lässt sich aus derselben religiösen Bedeutung der
Beschneidung erklären. Die cultliche Stellung des Weibes ist in Israel eine
ganz andere, und nur ganz geringe Spuren von den sakralen Rechten der Frau
haben sich hier erhalten.
I. Beschneidung und Priesterordnung. o7
Oupavoi TuJ TTttTpi oXoKapTToi, Kai id aiöoia TtepiTeiiiveTai raiiTÖv
TTOirjaai Kttl Tou<; ä|u' auio) cru|U)Lidxou(; KaTavaYKdaaq. Man muss
hiermit sofort die weitere Angabe des Porphyrios de abstin. 11 56
verbinden OoiviKeq hi ev xaig jueYdXai^ au|U9opaT<g r\ TToXejuuuv
r\ XoijLiüüv ri auxiuujv eGuov tujv cpiXidiiJuv Tivd emqpruuiZiovTe«;
Kpovtjj, Kai rrXriprii; be r\ Ooivikikit icriopia tüjv Buddviujv, r|v
ZaYX0uvid6uuv \iiv ir\ Ooivikoiv y^ijutti] auvefPctH^tv, OiXuuv öe 6
BußXiO(; iic, Tr\\i 'EXXdba Y^i^acrav öi' öktuü ßißXiuuv fipiueveucrev.
Historische Vorgänge, die sich oft wiederholt haben, wie
das für das Opfer des Königssohnes ja bei den meisten
Völkern thatsächlich enveisbar ist, sind hier in den Mj'thos
projicirt. Auf alte Anschauung und alte Ueberlieferung
weist besonders die Verbindung der beiden Culthandlungen,
d. h. die Parallele des Menschenopfers und der Beschneidung.*
Zu erwähnen habe ich noch, dass auch die Krieger der
„Libyer", Avelche vonMernptahs Truppen geschlagen werden,
beschnitten sind.* Auch bei diesen Nomadenstämmen kann
sich imabhängig eine ähnliche Fortbildung eines ursprünghch
aeg3'ptischen Brauches vollzogen haben.^
Der Brauch scheint in Israel individuell fortgebildet;
seine Bedeutung bleibt durch alle Zeit der ursprünglichen
nahe, nur dass bald die Uebergabe an Gott, bald die Reinigung
' Die in dem aegyptischen Totenbuch von vielen gefundene Selbstbe-
schneidung des Re (17,29 „es ist das Blut, welches herablief von demPhallos desRe,
nachdem er gegangen war, sich selbst zu schneiden") darf man, wie Prof. Spiegel-
berg mir zeigt, nicht zum Vergleich heranziehen. Gerade der ierminus tecli-
nicus wird hier nicht verwendet, imd ein Vergleich mit Papyrus d'Orb. 7/9
macht es wahrscheinlich, dass es sich hier um eine Selbstverstümmelung und
völlige Abtrennung des Phallos handelt.
^ Vgl. Max Müller Asien und Europa nach altaegyptischen Denkmälern
358. Ich erwähne die Stelle besonders, weil der barbarische Kriegsbrauch, dem
toten Feind den Phallos abzuschneiden, in dem sehr alterthümlichen Ge-
schichtchen, wie David des Königs Tochter zum Weibe gewinnt (Samuel I 18,
25 ff.), wiederkehrt. Es ist ursprünglich wohl eine Art dKpuJTi-ipldleiv, eine
Entsühnung des Mörders.
' Falls nicht etwa die Beschneidung ursprünglich inner -afrikanischen
Culturkreisen angehört (vgl. die Angaben über Aethiopier und Troglodyten)
und sich erst in Aegyten zunächst auf bestimmte Geschlechter be-
schränkt hat.
^ I. Beschneidung und Priesterordnung.
Stärker hervortritt; beide Begriffe sind ja unlöslich mit
einander verbunden. Ich darf nur an die eine Stelle bei
Jeremias 9,26 und die bei den Propheten öfter wiederkehrende
Beschneidung des Herzens und der Ohren erinnern.
Die Probe auf die Richtigkeit einer solchen Annahme
ist stets, ob sie ungezwungen alles erklärt; hier scheint es
mir der Fall. Die Frage nach der ursprünglichen Be-
deutung der Beschneidung, eines Brauches, der in den ver-
schiedensten Völkergruppen imd Culturkreisen unabhängig
auftritt,' darf ich dabei bei Seite lassen; sie sollte man aus
israelitischen oder arabischen Sitten überhaupt nicht zu er-
schhessen suchen. Wohl aber ergibt sich aus dieser Er-
klärung eine neue Frage. Es wäre an sich nicht nothwendig,
dass die IsraeUten auch die mit der Beschneidimg in Aegypten
unlöslich zusammenhängende Geschlechterordnung der
Priester übernahmen; unsere Deutimg der Sage von der
Beschneidung des Moses lässt dies aber annehmen. Sie
w^ird bestätigt werden, wenn sich Spuren dieser Ordnung
auch sonst in der ältesten Tradition nachweisen lassen.*
Dies ist der Fall. Das Priesterthum an der Lade ist nach
durchaus glaubwürdiger Tradition bis in die Königszeit in
einer Familie erblich, angebhch seit dem Auszug aus Aegypten.
Es ist eigenthümhch und sehr der Beachtung werth, dass
sich dieses Priesterhaus auf Offenbarungen in Aegypten
beruft ' und dass in ihm ein aegyptischer Name erblich ist:
» Vgl. Peschel Völker k. 23 ; PIoss Deutsches Archiv für Geschichte der
Mediän VIII 312 fF. Es ist durchaus nicht nöthig, dass der Brauch überall die-
selbe Bedeutung hat. Als Muthprobe erscheint er zugleich bei den Arabern.
^ Die Darstellungen der Entwicklung bei Wellhausen, Nowack und Smend
darf ich als bekannt voraussetzen; für ein Paar eigene Zusätzchen erbitte ich
Nachsicht.
•* I Sam. 2, 27 „Ich habe mich geoffenbaret deines Vaters Hause, da sie
noch in Aegypten waren in Pharaos Hause, und habe ihn daselbst mir erwählet
vor allen Stämmen Israels zum Priesterthum, dass er opfern sollte auf meinem Altar
und Rauchwerk anzünden und den Priesterrock vor mir tragen, und habe deines
Vaters Hause gegeben alle Feuer der Kinder Israel." Das stimmt mit der
späteren Erzählung von Moses nicht gut zusammen, steht aber doch mit der
Zurückführung dieses gesammten älteren Priesterthums auf Moses in Verbindung.
I. Beschneidung und Priesterordnung. o9
der Sohn des Eli heisst nach dem ersten priesteriichen
Besitzer des alten Grundbesitzes der Priesterschaft der Lade
im Gebii^ge Ephraim, dem angeblichen Nachkommen des
Moses, Pinehas.' In diesem Zusammenhang gewinnt die
Thatsache, auf deren Eigenthümlichkeit m.W. zuerst Lagarde
verwiesen hat, ihre Bedeutimg, dass noch die jungen Berichte
von dem Auszug aus Aegypten von einer Anzahl Aegypter
wissen, die sich angeschlossen haben (H Mos. 12,38; IV Mos.
11,4)." Mit Recht betont Lagarde, wie seltsam diese Erfindung
gerade bei den Juden wäre, wenn sie nicht zur Erklärung
thatsächlicher Verhältnisse nothgedrungen gemacht wäre;
er schloss bekanntlich daraus, dass die ersten Priester-
geschlechter Aegypter gewesen seien. Ohne jede Rücksicht
hierauf hat Wellhausen aus dem Bericht über das Geschlecht
des Eli geschlossen: „mit historischer Wahrscheinlichkeit
lässt sich die Familie auf Pinehas zurückführen, der in der
frühen Richterzeit Priester der Lade war;" und ohne jede
Kenntniss beider Ansichten hat Prof. Spiegelberg Pinehas,
ja vielleicht auch Hophni als Aeg3^pter erwiesen. Das Zu-
sammentreffen wird noch seltsamer durch eine Stelle des
Deuteronomion (23, 3—8), auf die mich E. Schwartz zuerst
aufmerksam machte. Moabitern und Ammonitern wird der
Eintritt in die Gemeinde, d. h. die Kirche, auf ewig verwehrt;
den Edomitern nicht, auch nicht den Aeg3^ptern; schon im
dritten Ghede soll ihre Nachkommenschaft (von einer Jüdin)
als echtbürtig gelten.'' Es ist dieselbe Art des Uebertritts
in einen Geschlechterverband, den wir früher bei der Be-
schneidung des Moses besprochen haben. Auch hier scheinen
Reste alter Zusammenhänge sich erhalten zu haben. Ich
selbst bin von der Richtigkeit der Hypothese Lagardes
überzeugt imd werde danach meine Darstellung gestalten;
' Vgl. Lauth und W. Spiegelberg Zeltschr. d. Deutsch. Morg. Ges. 25, 139
und 53, 633. Die Tradition des mehrfach überlieferten Namens zu verdächtigen
liegt kein Anhalt vor.
'^ Abhandl. d. Gott. Ges. d. Wissensch. XXVI Erklärung hebr. iVamen S. 20.
3 Das durch spätere übertriebene Strenge offenbar eingeschränkte conu-
hium wird wunderlich genug durch die „Knechtschaft" in Aegypten begründet.
40 I. Beschneidung und Priesterordnung.
die notwendige Voraussetzuno; ist sie für mich nicht; die
Entlelinung aus dem Aegyptischen, auf die es allein an-
kommt, könnte sich auch auf anderem Wege vollzogen haben.
Die Nachrichten über den Untergang des Hauses Eli
gehen auseinander, vielleicht weil es nicht mehr ausschliess-
lich auf den einen Cult und Punkt zu Silo und später Nob
beschränkt war. Der hier ansässige Hauptstamm, der Sage
nach 85 Männer, eine durch Blutsverwandtschaft unter sich
verbundene Ph3'le, '■ wird bis auf das bekannte unmündige
Kind, den Nothanker späterer Genealogien, von Saul ver-
nichtet (1. Sam. 22).
AehnHch führt die Priesterschaft zu Dan an den Jordan-
quellen sich auf das Geschlecht des Jonathan ben Gerson
ben Mose zurück; es bleibt hier bis zur Fortführung der
Daniten in die assj'rische Gefangenschaft. Die einzelnen
Persönlichkeiten aus diesen Geschlechtern sind viel um-
worben und viel umstritten ; wo sie fehlen, sucht man ander-
weitigen Ersatz; so setzt Micha, bis er eine geeignete
Persönlichkeit aus einem Priestergeschlechte
findet, zunächst seinen Sohn als Priester ein (Richter 17. 18);
das Recht des Priestergeschlechtes und die Erblichkeit wird
damit nicht aufgehoben. Die Opferhandlungen sind, besonders
bei Stämmen, imter denen kein Priestergeschlecht weilt, nicht
an die Existenz eines solchen gebunden. Die Diener femer,
Sklaven oder Kinder, die von den Eltern zum Dienst am
Heiligthum geschenkt sind, wirken bei dem Cult mit, und
das heimische Element konnte auf diese Weise sich allmählich
vordrängen. Es wäre an sich leicht begreiflich, dass es mit
der Einsetzung der Könige zu stärkerer Gewalt kam, und
• Dies zu bezweifeln und an fingirte Verwandtschaft zu denken, liegt hier
nicht der geringste Grund vor. Gerade dass wir später fictive Blutsverwandt-
schaft in dem Cult finden und die Söhne der Propheten nicht leibliche Söhne
zu sein brauchen, verlangt, dass in früherer Zeit wirklicher Geschlechtszusammen-
hang bestand; er wird hier stark betont. Die Zahl der Priester ist offenbar nicht
beschränkt (vgl. oben 27 A. i); zu ihnen gehört, wer vom Vater die geheime
Weisheit ererbt hat; dem Geschlechte gehört die Stadt. Sein furchtbarer
Untergang mussle sich der Volkserinnerung tief einprägen.
I. Beschneidung und Priesterordnung. 41
dass die alten Geschlechter untergingen oder zurückgedrängt
wurden. Eine Erinnerung daran scheint sich in der Ge-
schichte des Samuel, des Sehers und Priesters, bewahrt zu
haben ; nur soll man die Einzelzüge der reizenden Erzählung
von Samuels Jugend und Berufung nicht zu stark betonen;
schon die Fiction, dass an dem Heiligthum nur der greise
Eli, seine beiden nichtsnutzigen Söhne und der fromme junge
Diener leben, trägt die Spuren der Märchendichtung in sich. '
Die Ausgestaltung des Königthums beeinflusst dann das
Priesterthum entscheidend; der König macht an seinen
Heiligthümern zum Priester, wen er will, und mit den Höf-
lingen und Beamten des Königs müssen auch seine Priester
sterben. Dass die alte Geschlechterordnung ganz vergessen
wurde, dürfen Avir darum doch nicht annehmen. Allmählich
dringt sie auch in den neuen Priesterstand ein und wird
Anlass zu der Fiction eines priesterlichen Stammes, in
welchem alle miteinander verwandt sind. Die letzte Stufe
scheint dann unter der Einwirkung politischer Verhältnisse das
Herabdrücken des Haupttheiles dieses Stammes zu blossen
Dienern neben den zu den wichtigsten Culthandlungen allein
berechtigten Familien der jerusalemitanischen Priester. Min-
destens hierin, in der Ausbildung der Hierarchie und in einem
Theil des Rituals wird man erneute aegyptische Einflüsse
suchen dürfen. ^ Sie konnten unter Mitwirkung der politischen
' Eben darum vermag ich kein Gewicht darauf zu legen, dass bei Hanna
das Opfer des Sohnes nicht als etwas durch Sitte oder Gesetz Gefordertes er-
scheint. Die allgemeine Forderung, den Erstgeborenen Jahve zu weihen, steht
auch, w'enn es sich zunächst nicht um Priester im eigentlichen Sinne handelt,
zu dem ausgebildeten Priesterthum in so schneidendem Gegensatz und lässt
sich so wenig von der Anschauung trennen, dass an der Erstgeburt das be-
sondere Verhältniss zu Jahve haftet, dass man der Vermuthung schwer wider-
stehen kann, dass sich hier Reste einer anderen stärker nationalisirten Auffassung
erhalten haben. Noch der fictive Levitenstamm wird später als das allgemeine ein-
malige Erstlingsopfer des Volkes gefasst. Ausgegangen kann ich mir das nur
denken von den sacra des Hauses, der Familie; aber die Erweiterung ist alt.
* Ich erinnere an die strengere, erbliche Ordnung der heiligen Aemter,
das Herabdrücken der blossen Web, der Leviten, gegenüber den eigentlich
amtirenden Priestern; an Einzelheiten wie die linnene Kleidung, das Bescheeren
der Leviten am ganzen Leibe. Ferner an die Beschränkung des Rechtes, das
42 I. Beschneidung und Priesterordnung.
Verhältnisse sich in der letzten Zeit vor dem Exil um so
leichter geltend machen, als es sich nun ja nur um den
Brauch an einem, noch dazu dem König unterstellten
Heiligthum handelt, und sie konnten sich natürUch auch
indirekt durch Vermittlung der stark von Aegv'pten beein-
flussten Nachbarn Israels geltend machen. Sie konnten es
femer um so leichter, da in Vielem die alte auf Aegypten
weisende Tradition den erneuten aeg>'ptischen Einflüssen
geradezu den Weg bereiten musste. So entsteht jene wunder-
hche Verschmelzung von Eigenem und Fremdem, die uns in
der letzten Priesterordnung Israels entgegentritt.
So lange man glauben durfte, die Beschneidung sei bei
den Aegyptern ein gleichgiltiger, bedeutungsloser Brauch
gewesen, konnte man sie von den Israehten übernehmen
lassen, ohne hieraus weitere Schlüsse zu ziehen. Ist die
religiöse Bedeutung und die Grundauffassung der cultlichen
Reinheit mit aus Aegypten übernommen, so muss die Frage
AUerheiligste zu betreten (vgl. Dekret zu Kanopos Zeile 3, Dekret von Rosette
Zeile 7 Koi oi de, tö äbuTOV eiOTropeuöinevGi irpö? töv üToXiaiiöv xüjv BeOJv);
an die Geschlechter der Sänger, an die Stellung der Thürhüter (Borchardt
Zeitschr. f. aeg. Spr. XXXVII 94), an die „Aeltesten" der Priestergeschlechter als
verantwortliche Vorsteher (Jer. 19,1; II Könige 19,2). Es erinnert ungemein an
aegyptische Verhältnisse, wenn sich die Geschlechterordnung der Priester selbst
im Exil erhält und aus diesem zuerst vier Priesterstämme in Stärke von 4289
Köpfen wiederkehren, denen sich allerdings bald zwei weitere zugesellen. Schon
die Zahlen lassen errathen, dass es sich hier mehr um Phylen als um Geschlechter
handelt (einzelne Familien scheiden später als moabitischen Ursprungs aus, und
eine Neuordnung findet statt). Von Einzelheiten erwähne ich besonders das
Heiligen des Priesters, bevor er das Heiligthum betritt (vgl. Erman 371). Vieles
andere ähnelt auf den ersten Blick, doch bedarf es hier eingehenderer Kenntniss
beider Litteraturen, als sie mir zu Gebote steht. Aber schon jetzt begreifen
wir, dass gerade die Cultverhältnisse für Männer wie Poseidonios (bei Strnbo
XVI 760) den Beweis liefern konnten, dass die Juden von den Aegyptern ab-
stammen. Auf die eigenthümliche Aehnlichkeit der Hypothese Lagardes mit
den Traditionen und Fabeln aegyptisch-griechischer und jüdisch-griechischer
Schriftsteller darf der Philologe wohl beiläufig verweisen, ohne in den Verdacht
zu kommen, dass er späten Romandichlungen ohne weiteres Glauben schenkt.
Es sind ja im Grunde nur die letzten, ins Gelehrte und Gezierte übertragenen
Ausläufer einer Volksdichtung, die schon mit der jüdischen Erzählung von der
Aussetzung und Erziehung Moses' beginnt und die offenbar auf aegyptischem
Boden frühzeitig ihr Spiegelbild fand.
I. Beschneidung und Priesterordnung. 43
nach Aegyptens Antheil an der Ausgestaltung der jüdischen
Rehgion neu aufgeworfen werden. Möge sie bald durch
einen Fachmann Behandlung finden. —
Bisher ist dies alles, ja noch viel mehr die ganze
Deutung der Beschneidung und die Behauptung,
sie sei in Aegypten auf den Priesterstand be-
schränkt gewesen, unsichere Hypothese. Die Ent-
scheidung muss eine neue methodische Untersuchimg der
Monumente und vor allem der Mumien geben. Für die
Monumente dürfen, wie ich mich leider überzeugt habe, die
durchschnittlichen Abbildungen überhaupt nicht verwendet
werden; ferner selbstverständlich keine Darstellung göttlicher
Wesen, wie überhaupt keine stark stilisirte oder in ihrer Be-
deutung unklare Darstellung. So viel ich nach Mittheilungen
Herrn Dr. Fouquets imd einiger Freunde ersehen kann, wird
die Untersuchung hier wenig Klarheit bringen. Sicher ist, dass
schon Priester des alten Reiches die Beschneidimg zeigen ; '
so gut wie sicher, dass dies auch einzelne Darstellungen
von Arbeitern und Angehörigen niederer Stände thun. Hier
wird die Untersuchung einzusetzen haben. Es ist eine jedem
Ethnologen bekannte Thatsache, dass die Sklaven eines
Tempels frühzeitig den priesterUchen Dienern des Gottes
angeglichen werden, ja oft für sie eintreten. Wenn wir in
Aegypten bei der Einrichtung eines Tempels lesen „damit sein
Tempel von Kak bestehe mit seinen Sklaven und Sklavinnen
bis in Ewigkeit, Sohn auf Sohn, Erbe auf Erbe", ' so werden
wir an der Möglichkeit gewisser Uebertragungen hier so
wenis: wie in Israel zweifeln. -^ Wichtisrer ist die Untersuchung
* So die Statue eines Priesters (Gizeh-Museum Nr. 20). Ich erwähne das
nur, weil Ebers eine Zeit lang zu glauben schien, dass wir das Vorkommen der Be-
schneidung erst relativ spät nachweisen könnten. Umgekehrt wies mir Prof.
Spiegelberg auch die Darstellung eines unbeschnittenen Aegypters (Stele zu Leiden
Nr. 3 Photogr. Capart; mittleres Reich) nach; er ist sicher kein Priester.
^ Erman S. 214.
^ Vgl. Wellhausen 145 fF. Wir werden für Aegypten femer berücksich-
tigen müssen, dass beschnittene Kriegsgefangene aus Aethiopien, Libyen oder
den semitischen Völkerschaften, bei denen die Krieger beschnitten waren, nicht
gegen, sondern für die Hypothese Zeugniss ablegen.
44 I. Beschneidung und Priesterordnung.
der ]\Iumien. Hier wird man zunächst nur diejenigen in
Betracht ziehen dürfen, deren Identität absolut sicher steht;
man wird also, wie Prof. Spiegelberg mir an den Resultaten
seiner Ausgrabungen zeigte, mindestens in der Thebais aus
den Inschriften eines Grabes auf die priesterUche Qualität
einer etwa darin gefundenen Mumie keine Schlüsse ziehen
dürfen, da die Mehrzahl der Gräber hier in jüngerer Zeit
wieder benutzt ist. ' Auf vereinzelte Fälle des Vorkommens
der Beschneidung bei Laien ist überhaupt nichts zu geben,
da eine Beschneidung aus rein medizinischen Gründen in
später Zeit erweisbar und selbst in frühester nicht unmöglich
ist.* Bei den sicher bezeugten Priestermumien werden wir
zimächst sondern müssen, um welche Götter, welche Heilig-
thümer und um welche Zeit es sich handelt. Dass die Priester
des Jupiter Capitolinus oder des Ptolemaios Soter, ja selbst
die des Serapis nicht beschnitten zu sein brauchten, ist ja
selbstredend. Aber auch für frühere Zeiten ist nicht ohne
weiteres anzunehmen, dass alle Culte gleichgestellt, die
Nationalität der Priester ohne jeden Einfluss ist. Zu be-
achten wird, da wir ja mit dem Ernennungsrecht des Pharao
rechnen müssen, ferner sein, ob der Betreffende Priestersolm
ist, oder ob mit ihm ein neues Geschlecht beginnt. Der
einzelne Fall darf überhaupt nicht zum Beweis allgemeiner
Behauptungen benutzt werden. Gerade die Geschichte des
Priesterthums in Israel zeigt uns ja, wie politische Factoren,
eine Fülle von Einflüssen, die wir in Aegj^pten noch gar
nicht berechnen können, die allgemeinen Regeln störend
durchbrechen. •'' Es ist eine lange, mühselige Untersuchung,
' Wenn z. B. Ebers auf die Trümmer einer im Grabe des Officiers
Amen-em-heb gefundenen Mumie, welche Spuren der Beschneidung zeigt, weit-
gehende Schlüsse baut, so beweist sein eigener Fundbericht, dass daraus schlechter-
dings nichts zu folgern ist {vgl.Zeilschr.d. Deutsch, morgenl. Gesellsch. XXX 409).
2 Vgl. oben S. 12.
' Stand ferner für die Beschneidung ein bestimmtes Alter fest, so ist es
denkbar, dass, wer erst später zum Priester ernannt wurde, selbst nicht mehr
zur Beschneidung (und zum Eintritt in eine Phyle) zugelassen wurde. Fraglich ist
endlich, wenn nur der Pharao kraft seiner sakralen Stellung die Beschneidung
gestatten darf, ob der Usurpator dies Recht ohne weiteres üben konnte.
I. Beschneidung und Priesterordnung. 45
bei welcher der Aegyptologe, wie sich bei der Untersuchung
des Phallos des angeblichen Amen-em-heb ergeben hat, nicht
den Arzt, der Arzt nicht den Aegyptologen entbehren kann.
Niemanden kann man darum bitten, dem man nicht die un-
geheuere Bedeutung der Frage dargelegt hat. Ich habe es
darum für meine Pflicht gehalten, vorzutragen, was sich
aus derUeber liefe rung ergibt, falls eine Untersuchung
aller identificirbaren Mumien sie im Wesentlichen bestätigt.
Dass ich das nicht ganz aufs Blaue hin thun musste, danke
ich der hochherzigen Güte Dr. Fouquets in Kairo, des Mannes,
der zur Zeit wohl die meisten Mumien untersucht hat. Sein
Schreiben, das mir als Weihnachtsgeschenk in den Schooss
fiel, gibt der Frage, die hiermit aufgeworfen sei, wie ich
hoffe, genügendes Recht. Herr Dr. Fouquet bestätigt mir,
dass er bisher keine beschnittene Mumie eines Nichtpriesters
gesehen habe, sowie ferner, dass die von ihm untersuchten
priesterUchen Mumien, besonders die der Priester des Amon,
alle die Beschneidung zeigen bis auf zwei Mumien der
XXL Dynastie, die Mumie des Königs Pinotjem III und die
Mumie des Priesters und Generals Masaherta, beide im
Museum zu Gizeh. * Masaherta — sicher seiner Abstammung
nach kein Aegypter — ist, wie Prof. Spiegelberg mich belehrt,
allerdings Sohn eines Priesters; auf irgendwelche Störung
der Ordnung könnte weisen, dass er zugleich General ist,
was sonst bei Amonspriestern nicht vorkommt. Aber die
ganze Zeit ist die der PriesterrebeUion und des Doppel-
königthums. Man wird, auch wenn man den Grund der
Ausnahme nicht nachweisen kann, aus ihr keine Schlüsse
ziehen dürfen. —
Ich habe der Güte des Freundes, der mich in Aegypten
einführte, und den Erinnerungen einer genussvollen Reise
meinen Zoll bezahlt und vielleicht nur den Beweis geliefert,
' Ausserdem fehlten bei einzelnen sonst trefflich erhaltenen Mumien die
Genitalien ganz; ob ihre Beseitigung vor oder nach dem Tode geschehen sei,
müsse unentschieden bleiben. An die KoXoßoi bei den Troglodyten und die
Selbstverstümmlung des Gottes erinnert man sich unwillkürlich ; aber jeder
Schluss scheint unmöglich.
46 I. Beschneidung und Priesterordnung.
dass man auch als Philologe nicht ungestraft unter Palmen
wandelt. Auf manchen Gebieten kann die Wissenschaft selbst
unsichere Combinationen und H5'pothesen zunächst nicht
entbehren; der Sache werden sie nie schaden, wenn ihr
Urheber nur ehrlich angibt, wie viel oder wie wenig wirklich
beweisbar war. „Im schlimmsten Fall — was liegt daran,
wenn Seifenblasen platzen?" Die schlechte Polemik kann
man verachten und der guten sich freuen, beides, auch wenn
man irrte.
n.
Es ist ein, wie ich gern zugebe, recht äusserliches
Band, welches mit jener Urkunde über die Ernennung der
Priester ein anderes Strassburger Anekdoton, ein Stück halb-
priesterlicher Literatur aus später Zeit verbindet. Aber dem
Philologen wird es hoff entlich Niemand verdenken, wenn er die
Gelegenheit benutzt, sich wenigstens bei einem kurzen Stück
zwar nicht auf eigenem Gebiet, doch aber auf sichererem
Boden zu bcAvegen, als dies in dem vorigen Kapitel möglich
war. Es handelt sich um die Trümmer zweier von mir in
Kairo durch die gütige Vermittelung des Herrn Viceconsuls
Dr. C. Reinhardt von dem Händler Ah in Gizeh erAvorbenen
Blätter aus einer Papyrus-Handschrift des 4. Jahrhunderts. *
Sie enthalten die Reste zweier verschiedener griechischer
Gedichte desselben Verfassers. Die sehr zahlreichen Bruch-
stücke habe ich, so weit es ging, zusammengesetzt; die Schrift
ist z. Th. verloschen, z. Th. abgerieben; an manchen Stellen
werden Andere zweifellos einige Buchstaben mehr erkennen.
Erklärung und Ergänzung wollte ich auf das Nächsthegende
oder Nothwendigste beschränken; gelungen ist es Avohl nicht
überall; bei der letzten Ueberarbeitung haben mir einige
Notizen Prof. Kaibels vorgelegen, die ich hoffenthch in seinem
Sinne benutzt habe. —
Das erste Blatt, Nr. 480 der Strassburger Sammlung,
enthält kärghche Reste einer historischen Dichtung, die uns
die Zeit des Dichters bestimmen lassen. Nach dem ersten
Fragment, dem oberen Theil der Seite, fehlen jedes Mal
etwa 30 Verse. Von der Vorderseite ist erhalten:
' Die Breite der Blätter betrug etwa 16,5 cm., die Höhe des besser er-
haltenen jetzt 21,5. Da nur der (sehr schmale) untere Rand und einige Zeilen fehlen,
wird die Höhe ursprünglich kaum mehr als 25 cm. betragen haben.
48 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Fr. Ir
[ß]ou[\o],uai." [o'i] pa luavevieq inxb 7TXn"fi)criv 'Evuo[ug]
[i]oöÖKOu[5] laev ctTTavTe(g dv[e]Z;uucravTO qpa[p]eT[p]a(;
TÖEa Ö£ xepcriv eKacioq CKapTuvavTo Kai ttix^aij
TTdad T6 [NJiiaain Trebuiiadxog 'itttto«; dTepGii,
5 [ijTTTToq öa[n]<; oub' i'xvog uTiep ttövtoio Geoucriiq
TTpöcOev [i]m ttXujtüjv bp[u]öxu;v JivefKaro Niipeug.
ou Tdp ö(To(g) crTeivuüTTÖ(v) v)7t[ö -rrJTuxa GepiaoTtuXdiuv
Mfiöog'Apiiq i'ix'lö'ev Ü7t[ö crJrpaTiviai AaKLuvuuv,
TÖoaoc, euoig ßacri\eOcr[iv ejm^iev dvTißoXi'icrujv,
10 dXXd TToXu TiXeiLuv le Ka[i d]crx[aXö]a)V utt' [ö|Li]oKXri(S.
MMEV uirep . r|(J
(Juv 6 . . . KLU OoiviKi
Xoipoq d-rraq KdcTiai le [irüXai]
'Apaßirig uttö x^pcTov
15 Oube Kai 'EXXdg ä-avOT[oq
[il]ev d-feipo)aevoio k
. . . ve[T]ai, öv [le] ladXicJTa
}jir\ TÖv ev EußoiT] t
vaujaaxov auxHö'a
20 [nl^'t öiKriv TTepcri;][cri
V. I. Die aufreizende und drohende Rede eines Fürsten schliesst;
Enyo bemächtigt sich der Seelen der Hörer; sie greifen zu den Waffen; die
Zahl ihrer Mannen wird beschrieben. Die Kunde dringt zunächst durch Vorder-
asien, dann nach Griechenland; die römischen Rüstungen schildert die nächste
Seite. — Mit dem Versschluss vgl. O^/. 13,82 öpinriGevTe^ üttö TiXtiftlOiv ijaotoeXri^,
für das Bild Colluth. 44 ßapuIriXoiöiv 'Epic; trXriYriai baiaeiga. 2. Vgl. Od. 21,12
r\bi cpape'Tpn iobÖKOq (Meleag. V 179,2; Christod. 30S). 3. Pindar O/. 13,95
߀\ea KupTÜveiv xepoiv (^KaprüvavTO an derselben Versstelle Apoll. Rhod.
I 510, II 1087). 4. Tiebirmäxo^ Neubildung; ä-{lpQr\ im Versschluss Homer.
5. Gemeint ist die Ueberbrückung des Hellesponls durch Xerxes; vgl. mit dem
bei den Rednern beliebten Gemeinplatz Lukrez III 1029 i//e quoque ipse, viam
(jui quondam per mare maguuin stravit iterque dedii legionibiis ire per alt um
ac pedibus salsas docuit super ire lacunas et conteinsit equis insultans
murmura ponti. Mit der Aufzählung in Vers 12 — 14 vergleicht B. Keil Aristides
/'rt«a//<./. 2i8Dind. 6. Apoll.l723bp«öxou? vriöq. 7. oaovOTeivuJTTOq Papyrus.
ÜTTÖ TTTUxi TTapvriöoio Hom. h. Apoll. 269, //. Merc. 555, vgl. Tryphiodor 194
ÜTTÖ TTTÜxa (//. 20,22). 10. daxaXöujv B. Keil. Ott' ö,U0K\f|(; Hom. //. Cer. 88.
13. Ergänzt von B. Keil. 15. Vgl. Od. 6,127; 4,675. 20. Vgl. Aeschyl. Chocph. 866
Toicxvbe TTciXriv laövoq luv eq)€bpo(; biacroic |aA\ei ixw^ixv.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 49
Hierzu gehören femer die Versschlüsse
Fr. 11^
lag dvTio[(; n\9e]v
TTog dveain
3 e)Li aiöe(j(a)acr6ai
und die Versanfänge
Fr. Ulr Fr. IV^ Fr. V^
[ojub' dp . . . . . . T] . . . Ttt
oarpoii .... [v]aOg xe . . . r]\\ii ....
vei)nav .... aiev ep . . . irve ....
)Lir|TTOTe ... Tf\^ Kai ep . . . beX
5 dvTi |Lii . . . . aKp ....
V€p9e ....
kukXo ....
Auf der Rückseite (480 v) lese ich
Fr. Iv
T[r|]Xe6dovTa KaTriubpitae Kopu|ußuu[v]
[tuj &e KJev 'iTaXiiiöev eTteppuuovTO Kai dXXoi
Koipavoi, ei |Liri töv )nev ['IjßripiKÖq ei'puev "Apiiq,
TuJ be )Li66og vrjcroio B[p]eTavviöo<; d|uqpi&eö»]ei.
5 [oTa] b' 6 laev KpiiriiBev, 6 b'eivaXiri? anb AitXou
eicTi Zevq uirep "OGpuv, 6 [b'] eq TTdYTaiov 'AttöXXuuv,
ToTv be Kopucr(TO|uevoiv ö)aaboq irecppiKe riTdvTiJu[v],
ToTo<; dvaH TTpecrßi(jTO(g [dJYuuv arparöv Aucroviriuuv
dvToXiiiv dqpiKttve G\j[v ojirXoTepiu ßacTiXfii.
lo Kai.Ydp e(j[av inaKdpecrcriv ö])lioiioi, ög |nev eoiKwg
Fr. II 3. aibeaaoöai Papyrus. Iv i. Zu verstehen ist wohl der Sieger-
kranz, den der Kaiser sich soeben nach seinem Siege über Aegypten (vgl. unten)
ins Haar gedrückt hat. 2. dTreppÜJOVTO in der Bedeutung „zuströmen" wie
bei Colluth. loo cpoiTriTtipe<;"Epu)Te(; ^TreppduovTO riGrivr) (vgl. die Versschlüsse
Apoll. II 677; Od. 20, 107; //. I, 529; Apoll. II 661; IV 1633). 4. Vgl.
//. 6, 328 düTri Te irTÖXejLiö^ xe äaxu xöb' dt.uqpib^biie und 12,35; Hesiod
Sc-ui. 62; Apoll. IV 397. |aö9o(; in dieser Bedeutung oft bei Nonnos. 5. Kpr)-
xnöev //. 3, 233 (Arat 31). 7. Vgl. Nonnos II 252 xou be Kopuaao|Li^voio.
10. Der schon abgeschlossene Vergleich wird wie oben I'' 7 noch einmal auf-
genommen; er erweitert sich hier zu einer Schilderung des Gigantenkampfes,
mit dem griechische und römische Dichter offenbar frühzeitig die Kämpfe des
eigenen Herrschers verglichen haben.
Reitzenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. *
50
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
aieepiuj [Ali Kdprog, 6 ö'j 'AttoWujvi KO)Lir|Tri.
npioq dicraoucTa
. . oq djucpi Kapi'-ivuj[v]
['EJ-fKeXdöoio )aavevTo[q]
'5 CTTeKoaiaee xctiTai[(;]
evncTev 'AGiivii
eöecTKe TOKq[og]
ev dTpuTUJv[r|]
6ei uia TuqpuueiK;
^° Keicre öe Aiiuü
hoc, ouveKa tt
Hierzu treten die Fragmente
Fr. Ib Fr. niv
. . . . ö' ev BaX . . KdGrivain
Toü |U£v e . . . . eduuv
ri TTore Tup(T[Tijvo ... ilXoig
[djvttKTeg
5 MHV
nv
a»v
Ol
Das römische Weltreich steht also unter vier Herrschern,
von denen zwei in anderweitigen Kriegen beschäftigt sind,
zwei, der älteste und ein jüngerer, gemeinsam ins Feld rücken.
Die Gegner sind die Perser; das zeigt die Erwähnung des
Ostens, die Art der Bewaffnung, der beständige \^erweis
auf den Zug des Xerxes, die Erwähnung der „nesäischen"
Reiterei. Also kann nur der Krieg, den Diokletian und
Galerius im Jahre 297 gegen die Perser führen, gemeint sein.
Schon im Jahre 296 hatten die persischen Rüstungen be-
gonnen; damals war Constantius Chlorus noch mit der
Niederwerfung Britanniens beschäftigt. Dass Maximian zu
derselben Zeit in Spanien kämpfte, ist meines Wissens sonst
nicht bezeugt; wir lernen es hier.
V. II OTroXXauJVi I'apyrus, verb. v. Kaibel.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 51
Der Umfang' des Gedichtes mag" trotz der längeren
Digression über den Gigantenkampf kein besonders grosser
gewesen sein ; das eigentlich Militärische Avird offenbar wie
bei Claudian sehi^ kurz abgemacht ; ' die Bruchstücke können
ebenso gut einem besonderen Epyllion auf diesen Krieg,
wie einem allgemeineren Panegyrikos auf einen der beiden
Herrscher angehört haben. Jedenfalls war es ein Eintags-
gedicht ; das zeigt das Alter der Handschrift und der schon
unter Constantin nicht mehr mögliche Stoff. Die Sprache
ist — wenn man die überlieferte Missbildung 'ATToWduuvi
beseitigt, was mir nothwendig scheint, damit zu eoiKOTeg eine
nähere Bestimmung treten kann — gewandt und folgt im
allgemeinen der aleximdrinischen Tradition.
Auch für die Composition wird es an Mustern nicht ge-
fehlt haben, wenn uns auch von den hellenistischen Liedern
zum Preise der Kriegsthaten der Herrscher nichts erhalten
ist.* Dürftige Nachrichten bei Suidas treten dafür ein.'*
Eine Vorstellung geben die römischen Nachahmer, Ennius
in den letzten Büchern der Annalen und im Scipio, ja bis
zum gewissen Grade selbst Naevius in dem Bellum Puniatni.
Es ist durchaus die moderne griechische Poesie, die sie in
der Barbarensprache bieten.*
In aller Gelegenheitspoesie bilden sich typische Formen,
die mit grosser Zähigkeit festgehalten werden, und wenn sich
in den Hochzeitsgedichten Claudians die Nachwirkungen
' Da die beiden Blätter in den Rissen und Verlusten eng übereinstimmen,
haben sie offenbar in der Handschrift ganz nahe bei einander gestanden ; nur
ist nicht zu bestimmen, welches Blatt das frühere war.
2 Ueber die dTÜJveq ^YKiu.uiuuv ^ttikuiv giebt Joh. Frey de ccrtaminibus
Thymelkis p. 34 die nöthigen Nachrichten. Für den itXoKaiao^ B6peviKri(; giebt
das bei Lukian Oit^p eiKovuuv 5 erzählte Geschichtchen ein hübsches Gegenstück.
' Von dem Epiker Simonides Y^TP"<pe fäc; 'Avtioxou tou Zu)Tf|po^
TrpdEei^ kui rriv irpöi; raXcixac; IlIÖxIv, öxe jucTd xuiv dXecpdvxuuv Tr)v ittttov
aÜTuuv ^qpGeipev, von Leschides ^ttuiv TTOiriTriq, 8(; öuveaTpäreuaev Eüju^vei
TUJ ßamXei, von Musaios ^Tpa^^ TTeparitboc; ßißXia i' Kai ei? Eü|Li^vri Kai
ATTaXov. Die Fortsetzer sind Archias, Theodoros, Boethos u. s. vv.
* Eine Ausnahme macht nur Livius Andronicus, bei dessen Epos ich
daher nicht aufhören kann, an einen bestimmten praktischen Zweck zu denken.
4*
52 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
hellenistischer Formen nachweisen lassen, • so werden wir
sie in seinen enkomiastischen Gedichten auch voraussetzen
dürfen. In diese Reihe ist unser Fragment zu rücken. —
Erheblich mehr ist aus dem zweiten Blatt (481 j und dem
zweiten Liede zu gewinnen. Eine Kosmogonie will der
Dichter geben; wenig ist zu Anfang verloren, die Beschreibung
des ersten Gottes, Zeus, ferner eine Erwähnung der Materie
(der A'ier Elemente), endlich die Angabe, dass Zeus den Be-
schluss fasst, sie zu einem KÖaiuiog umzugestalten, und zu dem
Zweck aus sich einen zweiten Gott schafft:
' Vgl. Hermes XXXV 90 fF. Es sei gestattet, zu dem dort versuchten
Nachweis, dass Catull c. 64 Uebersetzung eines einheitlichen alexandrinischen
Liedes — des schönsten, das ich kenne — ist, und dass dies Lied eine Fürsten-
hochzeit mit berücksichtigte, einen kurzen Nachtrag zu geben, allerdings nur
eine nicht mathematisch beweisbare Vermuthung. die mir den Genuss des Liedes
erhöht hat. Der Dichter kehrt im Schluss in Anlehnung an Hesiod zu der
Seligpreisung des Heroenzeitalters zurück: damals verkehrten die Götter noch
unmittelbar mit den Menschen Huvai TÖP TÖre baire? laav Euvai be Tpoiirclai
ä0avctTOi0i Geoiai KaTaövriTOiq t' dvöpdnrGi^. Aber die Beispiele, die er
bringt, passen wenig: der schimmernde Tempel des Zeus, in dem dieser am
Jahresfeste gegenwärtig ganze Hekatomben hinsinken sieht, das Theoxenien-
fest zu Delphi, die Orgien des Dionysos gehören der alexandrinischen Gegen-
wart, nicht der Heroenzeit. Damals empfindet beim Feste Kallimachos das
Nahen Apollos und hofft ihn zu sehen, hört er das Schnauben der Rosse der
Pallas. Nicht in der Heroenzeit hat die Nemesis von Rhamnus ein Heer zum
Siege geführt, sondern bei Marathon (vgl. Pausanias I 33, 2). Für das Empfinden
der Zeit darf ich an die Erzählung des Isyllos und die Sage von dem Eingreifen
Pans in der Keltenschlacht erinnern. Gerade bei den Hochzeitsfesten ist es
nun die stehende Versicherung der Dichter, dass sie die Götter sehen: ?v€(Jt'
'AttöWoiv TLJj xopii*' fii«; A.üpri<; dKOÜuj' Kai xi&v 'EpiÜTuuv i^aööuriv ?öti
Kdcppobirr) (Kallim. Fr. 116). So glaube ich, der alexandrinische Dichter schloss
sein Lied „aber auch zu uns steigen die Götter in den Gefahren, steigen sie
vor allem in den frohen Festen nieder, und der Fromme schaut sie". Das war
der richtige Schluss für dies Ilochzeitslied. Für das römische Empfinden passte
er nicht; so rückte Catull auch dies in die Vorzeit und stellte den 10 Versen
der Schilderung in 10 weiteren eine rein rhetorische Schilderung der
eigenen Zeit entgegen, in der selbst die Ruchlosigkeit eines Catilina ihre
Stelle finden konnte. Er hat damit zugleich das für eine bestimmte Gelegen-
heit gedichtete Lied allgemeingiltig gemacht.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 53
481r
[e]Hepucra<; iivd juoTpav k.f]<; TToXueiöeoi; d\K[fig].
Keivoq bx] veo? eafiv e}jibq iraTpiLioq 'Ep|ufi(;.
TÜJ |udXa TTÖW eTTeieXXe Ka)ueiv TrepiKaXXea K[öcr|uov],
ÖÜJKe öe Ol pdßöov xpuö'env öiaKO(y)iAr|Teipav,
T:äcr]<; euepYOio vornuova |ur|Tepa xexvriq.
aüv Tri eßn Aiög v'ibq e[oO] Teveiiipoig e(peT|ur]V
Ttdcav iva Kpnveiev, 6 ö' niuevo? ev TrepiuuTTfj
Tepirero KuöaXi,uou 9rieu,uevoq uieo<; epT«.
aurdp 6 GecTTrecTiriv qpopeujv leipdZ^UYa laopqpiiv
V. I. Wiewohl die Erwähnung der Kräfte an Philo, die Betonung der
Emanation an die Gnosis erinnern könnte, wird es besser sein, an aegj'ptische
priesterliche Formeln und Vorstellungen zu denken. Von dem Gott Tum heisst es
„dein Auswurf ward (wörtlich: du hast dich ausgeworfen, ausgegossen) zum Gotte
Schu und dein Ausguss (Erguss) zur Göttin Tafnut"; von Tauth (Thot?) wird gesagt
„Tauth, du hast Schu aus deinem Munde ausgeworfen", und der göttliche König
ist ein Auswurf des Schu (vgl. Brugsch Religion d. Aeg. 427, 429). Vgl. hiermit
den alten Schöpfungsmythos bei Wiedemann Der Urquell VIII 65. Das Aus-
fliessen und Austräufeln, also die Emanation, einer Gottheit aus der andern
ist altaegyptische Vorstellung. Mit dem Verschluss vgl. Nonnos II 252. 3. Vgl.
z. B. //. 4, 229 TÜJ ,uä\a iTÖW' eirdreWe irapiax^.uev. 5. Vgl. Nonnos
III 127; vgl. ferner Hom. hymn. Merc. 529 ^dßbov xpuöeiriv . . . iTcivTa?
^TTiKpaivouöa Geoüc; ^tt^ujv re Kai ^pYUJV. Die Erfindung kann also alt
sein; doch wirken auf den Dichter sicher jüngere Zaubervorstellungen mit
ein. Man erinnere sich daran, dass bei Artapanos Moses, der mit Hermes,
d. h. Thot, identificirt wird, durch den Zauberstab alle Wunder, so die alljährlich
wiederkehrende Nilschwellung, bewirkt (vgl. den Hymnos auf den Sonnengott
bei Erman 362). Zur Erinnerung an ihn werde ein Stab in allen aegj'ptischen
Tenipeln, besonders den Tempeln der Erdgöttin Isis, aufbewahrt, weil die Erde
auf die Berührung mit dem Stabe alle Wunder hervorgehen lasse (Eusebios
praep. ev. IX 435 d). Vgl. auch Macrobius Sat. I 19, 16 ff. 6. 7. Vgl. z. B.
//. 2, 37 aOv TiL €ßri (vom OKrynTpov) — IL 5, 508 toO b'cKpaiaivev ^q)6T,udi;
— //. 23, 451 noTO YÖP ^KTÖ(; ÖYiövoc; üiTepTaToq ev irepiujTTfi — //. 5, 771
f^Mevo? iv öKOTCiri. 8. Vgl. z. B. Apollon. II 808 örieuiaevoi iXdEovTai an
derselben Versstelle. 9. Texpö^UYa bezieht B. Keil auf die vier Elemente,
und hierfür würden Nonnos 12, 169 repirujXriv öirdffeiaq 8\ai rerpäluYi kÖ(T|Huj
und Philo irepi qpUYdbuJV 562, 23 sprechen ^vbOexai be ö |n^v irpeaßÜTaToq
Toö ovToc, XÖYoq djq ^09fiTa töv köö.ugv. ^r\v Yäp Kai ubujp Kai rä ^k toO-
TUJV ^TtaiairiöxeTai, f\ b'^tri |Li^pou<; vf\}\r\ tö au)|na. Doch wirkt zugleich wohl
auch eine aegyptische Vorstellung mit. Ueber die Bilder des Thot als Sonnen-
gott vgl. Macrobius Sat. I 19, 10.
54 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
!o öq)0aX|iOu[q Kd|ii]|aucre 0)aevn(; urrep ai'xXiK
q eine le f.iOeov.
„[KeKXure ai]9epoq umöc,
[Xrijfeiaevai TTpotepiiq fepiboq (JT0ix6[ia KeXeueiJ.
[bai]|novn;i T:eiOecr0e öiaKpivecrGe (t') [eqperiavi].
15 [X]uj"iT€pri be rxq u)i|ui (juviiXucn[5 ecraei" eTreiia].
TtüSu) Totp cpiXoTHTa Kai ijaepov [d^(plq eoücriv]
i)()a)Lii) laet' dXXi'iXoicTiv dpeioiepi] e[TTi luoipi;]]."
'^Qq eirrdjv xpucrei] pdßbuj Orfev
euKr|Xiu öe Taxicrra KaTeix€[TO Tidvia YaXrivr]]
20 TTauad|aeva (TTOixeia 7ToXua[xiöeujv KarauiTiioiv],
ioir] b' eu6uq eKacTiov ö(p6iX[o)aevuj evi xt-upuu],
^apiaapuTnv
örivairig [be bixocJTaairiq XdOer" dpöiaiiGevia].
Autdp 6 TTaT"ftveTa[o GeoO]
25 TTpüuTa )aev arfXiiev[Ta] .... [aiöepa]
dppriTUJ crTpo{pdXiTT[i] 7T[a]Xiv[ö]i[vi'iTov dva^Kriv]
V. IG. Die Buchstabenreste weisen auf [KaT]d|auöe aK[ebaZ!]ö,uevric, also
wohl auf KÖmuiuae (so Kaibel) und KebaZo|a^vriq. Vgl. Philon von Byblos
bei Eusebios fraep. ev. I 41 c über Thot Kai qp^öiv ö ' Errrieic äXXriYopuiv (ö
övoinaGÖeic irap' auroic |Lie-fi<Jfoc iepoqpdvxriq Kai lepoTpauuaTeüc, öv uexe-
(ppa0ev 'Apeioc ' HpaKXeoTToXiTric) Kaxä XeEiv oütuji;* tö TrpiÜTOv öv öeiö-
xarov öqpK; ^oxlv i^paKO^ exujv uopcpriv ä^av ^TTixapic • öc ei dvaßXevyeie,
q)iuxö(; xö ttüv ^irXripou iv xf) TrpujxoYÖvuj xi^P" aOxoö, ei be Ka.u|nüöeie,
OKÖxoq b^xveio. Es ist das bekannte Bild der geflügelten Sonnenscheibe. Vgl.
auch den Hymnos auf den ungenannten Sonnengott Erman 362 „ich bin der, der,
wenn er die Augen öffnet, so wird es hell, und wenn er die Augen schliesst, so
wird es dunkel". 13. Vgl. //. i, 210; 319; 21, 359 Xfiy' gpiboc. 14. bai)iOviri
B.Keil; da der Raum etwas knapp ist, wäre auch aiuivir) denkbar (zur Messung
vgl. Theokrit 17, loi). — Für x' scheint b' geschrieben. 15. Vgl. Od. i, 376
eib'ünTvboK^eixöbe Xujixepov, 16. Vgl. ö(/. 24, 475 fj irpoxepuj TröXeuöv xe
KaKov Kai (puXomv aivr|v xeüEeic r\ qpiXöxrjTa ,u€x' ä^qpoxepoiai xiÖriGOa.
17. ufiexaXXrjXoiaiv und apeioxeprii Pap. (vgl. 48or fr. IV 4. /<'/</ w//////y/ ist seist
nicht geschrieben). 19. Vgl. Apollon IV 1249 eOKr|Xiy hi Kaxeixexo Ttdvxa foXrivr).
22. Vgl. zu V. 10 ai^Xri;. 24. Vgl. Claudian Ep. 6, 1 1 Koch 1X061 uaTTev^xao
6€o0 irpeaßriiGV ömaa. 26. Vgl. Nonnos II 265 afG^poc öxXiIovxa uaXiv-
bivriTOV ävÜTKnv; Claudian Ep. 6,2 ^fißeßaujc KOö.uoio iraXivbivnxov dvä^Kriv;
Anthol. IX 505, 14 doxpiüriv ^bibaEa TraXivbivrixov dvä-fKriv. Voraus ging also
in V. 25 ein Participium. Vgl. femer Arat. 43 neioxepr] füp iräöa TTCplGxp^qpe-
xai axpoqpdXlYYl (Nonnos II 467). Erst durch diese .schnelle Bewegung des
Aethers bildet sich die Form des Himmels.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 55
oupavöv eaqpaipuucre KaiecTTpacp
eTTTtt öe mv Jluüvaig bieKÖ(j[)aeev, enTd b' emicTav]
aarpouv riT^MOvrieq, aXi] iLv [itipea öivei],
30 dXXou vep[T]epoq dWog, eiTriTp[i)dOi r|Xd(JKOVTe(;].
TrdvToSi b' aiGov ö,uou Tiepi x
jaecranv -fctictv eTT[)i]S[6v] dKi[vi'-iToi(g evi öeffiaoig],
i<; 5' aiöuuva vöt[ov] Kpu)auj[bed t' dpKTOv eieive]
XoSöv dKivrjTOio [KJai f)[cruxou dSovoq oi.uov].
35 Kai TTOVTOU KeXdbovTO^
)aaivo)Lievriv, dxdXivov, dv
dXXd |ae(Jai(g eva koXttov doX[X
l^aKpaiq iiiovecTcri xdpaHe b
f] be TTOXUTTXd'fKTLUV TT
40 vrixcTtti )iTTeipoio KaaiYViiniq e
dHova öe crqpiffouai öuuu ttöXoi [d)LiqpOTepuu0ev].
KUiTTep
11 TTapuKeKXiTai
XÖ«MC^[n]v e[TT]
45 ov 0ivdjöe
60V öXnv
V. 29. ä\r] und dXüJ sind bei den Grammatikern regelmässig durch Tr\ctvr|
und irXaviü erklärt. Vgl. Lukrez V 1210 zuirio motu qiiae Candida sidera verset.
Sachlich vgl. den Hymnos auf den unbekannten Sonnengott Erman 362 „ich bin
der, der den Himmel schuf imd das Geheimniss seines Horizonts, und ich habe
die Seelen der Götter darein gesetzt". 30. eTTr)Tp[iuoi] : p ist unsicher, doch
e (^iTriTeeq) ausgeschlossen. Vgl. an derselben Versstelle Apollon. I 30 ^Eeir^q
OTlXÖUiölv ditfixpiiaoi sowie IV 1455; //. 18, 211 und 552. Vgl. in dem von
Theon erhaltenen Fragment des Alexander von Ephesos über die Sphaeren
(Meineke Anal. Alex. 372) V. i \}y^o\) b' äX\o9ev äWoc, ÜTrepTOTOv eXXaye
kükXov. 31. Die übrigen Sterne beginnen ebenfalls zu leuchten. Hiermit
wird die Schilderung des Himmels kurz abgeschlossen. 33. Vgl. 481V 15.
35 — 40. Da das Meer mit der Erde den Mittelpunkt bildet, wird seine Bildung
zuerst beschrieben (Okeanos und Mittelmeer), ehe die Befestigung der Erde
durch den äEiuv (V. 32) noch einmal erwähnt wird. 40. ffi wird hier zur
Schwester der GdXaooa. 41. Vgl. Arat 24 KUi \i\v ireipaivcuöi büiu ttöXoi
d^q)0T^puJ6ev 43 — 46. Vielleicht Beschreibung der Ufer eines Stromes (?),
vgl. Apollon. IV 1239 r\^p\r\ b' d.uuoi; TrapaKtKXixai (vgl. II 734). Der erste
Theil der Schöpfungsgeschichte ist damit abgeschlossen. Nach dem Format ist
wahrscheinlich, dass nur wenige Zeilen verloren sind.
56 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
481v
[ouTTiu] KUKXoq eriv TTiepiovo*; ouöe Kai auiri
[£(\i]tt(6)öuuv (eiivacrae) ßouüv euXripa ZeXrivr),
[vujg be öiriveKeuug drep rmaioq eppee |iOuvr|
dcTTpuuv XeirraXeiicriv uttö (TTiXßoucra ßoXrjcri.
5 Tot qppoveujv noXioTo b\' i'iepoq eöTixev 'Epiafig
oÜK oio<g, cruv TLu (T)e AÖYog Kiev dYXaö^ uiö<;
Xaiijjripaig TTTepOxecrcri KeKO.(y\xivoq, aiiv dXr|Oriq,
dtvriv dipeKeecTCTiv e'xujv em xtiXeai tteiBiL,
TTttTpiijou KttOapoio voriiLiaTog dffeXoq ujKÜq.
Jo (Tuv Tip eßr| Yaidvbe )ae[T 'Ep|iifi(;]
TraTrT[aivuuv]
V. I. Gesagt muss vorher sein, dass Hermes erwägt, dass zu dem KÖ(T|HO<;
auch belebte Wesen gehören, und dass er sie zu schaffen beschliesst, bevor er
sich in die Sonne verwandelt. Denn nur, wenn der Dichter dies später
erzählen will, kann ich es verstehen, dass hier das Fehlen der Sonne ausdrücklich
hervorgehoben wird, während doch im Folgenden auf ihre künftigen Wirkungen
schon ausdrücklich Bezug genommen wird. Zu vergleichen ist wieder Macrobius
Sai. I. 19, 7 — 9 und 17,5. Im Ausdruck ähnlich ist Ovid. A/e/. 1,10 nullus adhuc
mundo praebebat Itniiina Titan, nee nova crescendo reparabat cornua Phoebe.
2 TiebiDV eupripa (X von derselben Hand) ßoujv euXi-jpa ae\r|vri Pap. Vgl.
//. 23, 481 IxuJv euXripa, Quintus Smyrnaeus IV 508 €uXripa Xütßov, IX 156 Tivcta-
aujv eöXripa (vgl. Apollon. I 753 Tivoiaaujv r^via) 4. Vgl. ApoUon. I 607 ä|u'
fieXioio ßoXai?, II 943 und öfter. 5. Vgl. Apollon. III 275 TÖqppa b' "Ppwi;
TToXioTo bi' n^po? iSev äqpavTOc;. Es ist echt alexandrinisch, dass die entlehnten
Worte hier in anderem Sinne (wie bei Ovid Met. i, 17 lucis egens aer) ver-
wendet werden. 6. öuv Tuibe Pap. Vgl. Od. 15, loo oÖK oXoc, ä|ua tlü y' ' EXevrj
Ki€ (vgl. //. 3, 143; Od. I, 331; 18, 207; 19, 601; //. 2,745; 822; 24, 573; Od. 2, 11).
Es ist wahrscheinlich, dass AÖTO(; sich später in den Mond verwandelt, der ja
im Aegyptischen männHch ist. Genau so gelten Isis und Osiris in der Zeit des
Hekataios als Sonne und Mond und zugleich als die schöpferischen Gottheiten
(Diodor I u). Die V^oraussetzung ist freilich, dass Logos schon früher als
selbständiges göttliches Wesen empfunden ist. 7. Vgl. an derselben Versstelle
^^- 4. 339 '^oi ax) kokoioi böXoiai KeKaö|i^ve; Od. 4, 725; 815; 24, 509; Apollon.
II 816 u. s. w. — Logos, der hier für den aegyptischen Thot eintritt, ist wie dieser
geflügelt; auch aiiv dXriBriq ist nicht müssig; „Thot, welcher ruht auf der Wahr-
heit" sagt eine Inschrift von Dendera (Brugsch Religion d. Aeg. 51), und Plato
erklärt die Doppelgestalt des Pan, den er gleich Xö^o? setzt, daraus, dass der
XÖYO^ sowohl <iXr|6r|q als vjieubric; sein kann; so ist er schön und hässlich, beides
zugleich {Kratylos 408 c). 9. Vgl. Od. 16, 468 äYY£^o<; djKÜc; im Versschluss.
II. Schöpfungsraythen und Logoslehre. 5/
XuJpov [euKpnJTOV öiZiniuevoq, evGa TioXiaaii
dcTTU ecTTOv, 6 Kev TreTTo\i(J)aevov eiri
aHio[v] rjv eucpeTT^ci bexOai.
15 'AXX' [oüj eni Kpu)Liijuöea(; dpKTOu?
Tra |Lioipai(q) xöovöq oüveKa Kcivai^
€ ßaBuq TTepiTTeTTTaiai drjp
[ßa]puv6|Lievo(; viqpdöedcxi,
[ou\]r] ö' eiTeviivoGe Ttdxvri
20 [9v]riTÖv öe|uaq' ouöe Kev au6i
Totin?
. 6e . . . aXuTi
Xicr . . . Xaujv
25 qpu . . . . a
eTTTtti dcTKioq dnp
öuai Katd KÖ(J|Liov eacri
[KJai dKpriToio 06peij"i(;
ai9o|ueva) Trupi Y[ei]TUüV
30 oa TToXucrTTe[peujv T^vog] dvöpüuv
kXhTI . . . YCVOVTO
[KJai dcrrea [x]ujpri0eicrai
[uj]K[e]avoTo
vo)uui(Jiv [e]öo(JKev
V. 12. Vgl. Apollon. IV 1472 ciffTU iroXiaaaq im Versschluss. Es handelt
sich nicht um einen Vergleich. Dass Hermes, bezw. Thot, vor Erschaffung der
Menschen gleich eine Stadt für sie gründet, ist ein eigenthümlicher, auch im
Aegyptischen kaum nachweisbarer Gedanke; ein Grieche scheint die Tradition,
nach welcher der Weltbildner, Thot oder Osiris, auch eine Stadt gegründet hat,
nach seinen Begriffen von der ttöXk; ausgestaltet und mit der Schöpfungssage
verbunden zu haben, um das Alter der aegyptischen Cultur hervorzuheben.
15. Sinn: aber nicht nach Norden wendete er sich. 16. |noipai Pap. 17. Vgl.
Ol/. 6, 45 d.Kkd [uöiX.' a\f\r\ ir^TTTaxai ävicpeXoq, II. 17, 371 TreiTTaTO b' auYH
fieXioio. 19. Vgl. //. 10, 134 oö\n b' eTTevrjvoGe Xdxvrj. Die Benutzung des
bekannten Verses soll in dem Hörer den Gedanken erwecken, dass Schnee und
Reif wie ein dichtes Gewand die Erde bedecken. 20. Wohl Uebergang zu
der zweiten unbewohnbaren Zone ; aber auch im Süden hätte er nicht den
geeigneten Platz gefunden. 26. Ueber eiTTai scheinen einige Buchstaben als
Correctur zugefügt; vielleicht TreiTTaTai öaKio; ärip, vgl. V. 17 und Anm.
30. Vgl. //. 2, 804 iToXuffTTepeaiv dvepuüiraiv und OJ. 11, 365.
ob II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
35 Ol Tüjv Ö6 -fe [|u]e(Jcrog
[Xex]ujiä(g 'QTUfiil x[oO]v
, . OUai Ol TTOT
TÖ öe KXeoq oubeTT . . G. v
dvTiTTepi"|Oev öpoucraq
40 [v]uKTi b'eviiev . tt . Goi
Geov . . . ai
(TaVOT
0U(7lV
n? öiZ^'m
Da unser Lied seiner Ueberlieferung nach von dem-
selben Dichter oder doch aus derselben Zeit wie das erste her-
rührt, so bietet sich die spätgriechische mystische Literatur
natürlich zunächst zum Vergleich. A. Dieterich hat in seinem
verdienstvollen Buche Abraxas einen späten Mythos von der
Weltschöpfung mitgetheilt, • in welchem Hermes zwar nicht
als der erste oder der zweite Gott, wohl aber als derjenige
betrachtet wird, „der das All umfasst, der das Licht und
den Strahl der Sonne erscheinen lässt und der anderen
Sterne hehre Gestalten aufgestellt hat, der mit dem gött-
lichen Lichte die Welt und in ihr alles geschaffen hat". * Er,
der Hermes, h\ ou xd Travta epiuiiveijeTai bi' ou oiKovoiuiiGn
TÖ Trdv, wird ausdrückhch als der Noüg bezeichnet. ' Mit Recht
hebt Dieterich die enge Verbindung dieser Anschauungen
mit der Vorstellung und der Literatur vom 'Ep)aii(; i^\ü\xt^\oioc,
hervor. Auch unser Dichter könnte von ihr beeinflusst scheinen.
Er erzählt, dass seine Ahnen den Hermes besonders verehrt
V.sg.dvTiTT^prieev vgI.Apollon.il 1030,1977; an derselbenVersstellell I174.
' Ich verdanke die erste Erinnerung an diesen Mythos der Güte des
Herrn Vicar Ad. Jacoby in Strassburg.
■•' S. 66; vgl. S. 4; vgl. ferner den S. 64 mitgetheilten Hymnus auf den
Epiufiq KOöiaoKpdxiup.
* Vgl. Macrobius Sat. I 17, 5 'EpjLific; ätrö ToO ^p|ar|veÜ6iv, 19, 9 nam
ijuia meutis potentem Merciirium credimus appellaiumque ita intellegimus dirö
TOÖ 4p^r|veüeiv, et so/ mundi mens eit e. q. s. Es ist mir nicht unwichtig, dass
Brugsch Aegyptologie S. 328 erwiesen hat, dass Macrobius in diesem Abschnitt
eine vorzügliche aegyptische Quelle, jedenfalls die Schrift eines sehr wohl unter-
richteten Priesters, benutzt liat.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 59
haben, 1 d. h. doch wohl Priester des Hermes oder, da dieser
allen Priestern gemeinsam ist, Priester waren, und gibt sich
damit selbst als npocpriTri«; des Gottes ebensowohl in dem
Sinn, den alexandrinische Dichter, als in dem, Avelchen die
Cultsprache damit zu verbinden pflegte. So berührt sich in
dem Mythos, den er bietet, denn auch manches mit den
Hermetischen Schriften. Man erinnere sich, dass Hermes
der Nou? ist, und vergleiche nun mit den Angaben unseres
Dichters über Zeus, Hermes und den Logos Stellen des
Pohnandres, wie p. 3, 12 (Parthey) tö cpoiq eKeivo, ecpii, e'fuj
d\x\, Noö(;, 6 Gbc, 6e6(;, 6 Tipö qpucreujq utp«? Tfji; ek ctkötou?
qpaveicTiiig- 6 hl ek Noöq cpiuxeivö^ AÖTO«; uiöq 0eoö, oder 4, 17
6 be Noü^ ö Q^bc, dppevdöiiXug luv, Ziuui] Kai qpujq uTrdpxujv dTreKuiicre
[(XÖTUJ)] etepov Nouv örmioupTÖv, öq Q^bc, toö nupö? Kai irveujLiaToq
ujv ebi-|)LiioiipTilö't öioiKiiid^ Tiva«; enTd ev kukXuj -rrepiexovTaq töv
aiaOriTÖv koctihov. Kai \\ h\o\K\\(5\c, auiüijv d|uap|uevn KaXeirai.
ETTriöiicTev euGuq ek tuuv Kaxuuqpepuüv aioixeiujv 6 xou 6eou
AÖYoq €15 TÖ Kttöapöv Tfjg (puaeuj(j ÖJHUioupYim« Kai iqvujöri tu>
öriliuoupYLu Nüj- 6)aooL)(Tioq Tdp nv 6 öe örmioupTÖ^ NoO?
auv TÜJ AÖTUJ, 6 Tiepiexujv lobc, KÖcr)aouq Kai öivujv poiZiuj, ecTipenje
td eauTOÖ öriiiuoupTrmaTa Kai eiaae (TtpecpeaBai d-rr' dpxn? dopicTiou
ei? diTepavTOV reXoq. Das zeigt deuthch, in welchem Gedanken-
kreise unser Dichter lebte.
Gewisse Anklänge zeigen auch andere, ausführlichere
Schilderungen der Schöpfung, wie z. B. Poimandrcs 31, 6
11V Tctp cTKÖTog d-rreipov ev dßuacruj Kai ubujp Kai TTveüjna XeiiTÖv
voepöv, öuvd|uei Geia övia ev xdei. dveiBii örj qpujq dfiov, Kai eTidYn
vjtt' d|a)auj eH uYpd(S ouaiaq (JTOixtia, Kai Geoi irdvieq KaiabiaipoöcJi
q)iicreuj<; evcJTTÖpou. döiopicTTuuv be övtuuv dirdviijuv Kai dKaia-
(TKeudaTuuv dTT0Öiujpi(J6r| rd eXaqppd ei(g uq;og Kai xd ßapea e9e-
|LieXiuj9ri uqp' uTpd d'|Li|iiuJ, TTupl tujv öXuuv öiopi(T0evTuuv Kai dva-
Kpeinaö'BtvTUJV TTveu)aaTi öxeicröai. Kai oiqpöii 6 oüpavö^ ev kukXok;
eirrd, Kai Gtoi xai? evdcTTpoKg ibeaiq OTTtavöiLievoi (Jüv xoTg auTuuv
CTiiiLieioK; äTtadi • Kai biripiO^nen id dcripa (Juv ToTq ev auToiq öeoiq •
» 48ir 2 Keivo? \ir\ vioc, ^otiv ^|uÖ(; TTaTpibioq 'Epiif)^; vgl. über die
Bedeutung Lobeck Aglaophamus S. 1333 und Schoemann Opusc Acad. I. 323.
60 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Kai TTepieiXixOn tö irepiKUKXiov depi KUKX.iuj bpo|uri)LiaTi, irveüfLiaTi
9€iiu öxoufievov.^
Allein dieser Vergleich, der sich noch weiter aus-
spinnen Hesse, passt im Grunde nicht ; unser Dichter weicht,
wie schon die kurzen Proben zeigen, weit ab von dem Orakel-
ton dieser religionsmischenden M3'^stik; er will ein Werk
bieten, das der grossen Literatur angehören soll. Dass er
den mächtigen Stoff nicht selbst in sie eingeführt hat, ist von
vornherein anzunehmen, wird duixh Ovids Metamorphosen
erwiesen und wird sich uns bei einer Prüfung der conta-
minirten Stellen des neuen Gedichtes bestätigen. Doch bevor
ich hierauf eingehe, sei es gestattet, den Schluss unseres
Mythos eingehender als dies in Anmerkungen möghch ge-
wesen wäre, zu erklären.
Da Hermes für die Erschaffung des Menschen einen
Xiijpog euKpi-iTO(; sucht, so werden wir annehmen dürfen, dass
der Dichter, der die aegyptische Tradition so gern zu
Grunde legt, diesen Theil der Schöpfung nach Aegypten
verlegt und die Aegypter als die ersten Menschen bezeichnet
hat. Diese Auffassung giebt Tnach Hekataios) bekanntlich
Diodor I 10 wieder qpacri toivuv Aitutttioi Kaid ti^v eE dpxn? tüuv
öXuuv TevecTiv TTpujTOuq dvöpuuTrouq xevecrGai Kaid uiv Aiyutttov
öid Te Ti]V euKpacriav nig xuJpcti; Kai öid niv qpudiv toö NeiXou.
TOÖTOV ydp TToXuYOVOV övTtt Kai idg Tpoq)d<s auToqpueiq Trapexö)Lievov
pabiuui; eKipeqpeiv id ZiujoTovriOevTa. Eine Fülle von weiteren
Vertretern dieser Ansicht nennt das Scholion zu Apollonios IV
262; ich hebe besonders heraus "Ittttu(; öe louq AitutttIou^
TTptJuTOu? crToxd(Tacr9ai Ty\q toü depoq Kpdcreuuq Kai YovimJüTaTOV
1 Nach Inhalt und Ton ist es lehrreich, hiermit die Uebertragung stoischer
Gedanken in eine römische Theologie bei M. Messalla (Consul 53 v.Chr.)
zu vergleichen (Macrob. Sat. I 9, 14): de lano ita incipit: qui cuncta fingit
cadcmqtie regit, aquae terraeque vim ac naturam gravem aique pronam in pro-
fundum dilabentem, igiiis atque animae levein in iinmensum sublime fugientem
copulavit circuindato caclo ; quae vis caeli maxima duas vis dispares copulavit.
Es wäre eine dankenswerthe Arbeit, die verschiedenen F"ragmente dieser zu
Caesars Zeit blühenden Literatur zusammenzustellen und auf ihre Tendenz zu
untersuchen.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 61
eivai TÖ Toö NeiXou uöuup.^ Nun sagt Stephanos von Byzanz (s. v.
Ai'tuttto«;) dXXd Kai 'QTUTia eKaXeiTO. Dadurch erklärt sich 481 v 36;
zu den Woltern tüjv öe ye laecrcroi; bietet Dionysios Periegetes
die Erklärung, Avenn er nach der Schilderung der beiden
Grenzgebirge Aegyptens V. 246 sagt tüjv ^eaa KaXXipooio
KarepxcTai vbaxa NeiXou. Die ganze Stelle ist danach etwa
zu ergänzen tüjv bi -fe [|a]tcrao<; [NeiXog, ZiujoTÖvov be Xex]uJi«<S
'QtuTin x[oO]v [öeKTo]. Der Nil ist der Vater, Aegyptens Erde
die Mutter des Menschengeschlechtes.'^ Ein wichtiger Zug
dieser Kosmogonie ist damit wiedergewonnen, ihr Alter
näher bestimmbar.
Jeder Leser hat zunächst wohl daran Anstoss ge-
nommen, dass in unserem Gedicht Sonne und Mond erst
nach der Erschaffung des Menschengeschlechtes zu leuchten
beginnen, weil die Götter, die in ihnen später wohnen, bei dieser
Schöpfung noch selbst eingreifen. In den altaegyptischen
Mythen kann wenigstens ich diesen Zug nicht nachweisen,
wohl aber erwähnt ihn schon Apollonios von Rhodos, dessen
einer Abschnitt erst jetzt endlich seine Erklärung empfängt
(IV 259— 271 j :
e(JTiv Yotp ttXoo^ äXXoq, öv dOavdTuuv lepqeg
260 TTecppabov, di Giißiiij TpiTuuvibo? eKTCTdamv.
oÖTTiu xeipea rrdvia, id t' oupavuj eiXi(J(T0VTai,
ou bl Ti TTuu Aavaüuv iepöv fivoc, r\ev dKOÖCTai
7Teu9o)nevoi(; • oioi b' ecrav ÄpKdbe<; 'Ambttviiei^,
'ApKdbe!^, di Kai TTp6cr6e aeXrivaiii«; ubeoviai
265 Zujeiv, qpriYÖv ebovreq ev oupeaiv • ou be TTeXacrYi(;
XOujv TÖie KubaXi|noiaiv dvdcrcreTO AeuKaXibr;iaiv,
^^oq öt' 'Hepiii TToXuXniog eKXiiicTTo,
' Vgl. Wilamowitz Hermes XIX 447 ; auch die vorhergehenden Sätze Kai
NiKcivoip öe (dpxaiOTdTOu^ Aitutttiou^ elvai qprjöiv) \i-i\av iv Aitütttuj uptü-
Tov KTiaGr|vai iröXiv Grißaq, Kai auTÖq auinqpuüvcT tiIj 'ApxeMcixtu dv Tai(;
MeTovo|Liaöiai<;. boKei be irpiJuTov Orißriv kot' Ai'yutttov KTiaGfivai, üj<;
qpriöi EevaTÖpa(; ^v a xpövuuv haben für das Folgende Wichtigkeit.
2 Vgl. Horapollon I 25 aTrXaöTov hi ävGpujiTOv -fpäfpovrec; ßctxpaxov
Z!iuoYpaq)oöaiv, ^Treibr] n toütou -f^veöK; ^k xfiq toO TTOTa,uoO i\0o<; üTTOTe-
Xeixai. Eine Fülle weiterer Parallelen bietet Plutarch.
O- II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
luiriTriP Ai'TUTrToq TTpoiepriTeveouv ai2!jiüiv,
Kai TTOTttiaöq Tpitoiv eupuppooq, dj utto irctaa
270 dpöerai 'Hepiri • AiöSev be |aiv outtotc öeuei
ö)aßpoq • äXiq Tipoxoriai b' dvaöTaxuoucTiv dpoupai.
Der Vergleich mit den 'ApKotöeg TTpodeXtivoi zeigt, dass
auch Apollonios meint, die Aegj'pter seien vor Sonne und
Mond entstanden, ' Wenn er hier die Barbarei der Arkader
und die uralte Cultur der Aeg^'pter betont, so müssen wir
uns erinnern, dass ja der Sonnengott Thot zugleich die
Gesetze giebt, also die nöXiq gründet, und das Fruchtland
vermisst. Er wird auch in unserem Gedicht, in welchem
der überredende Logos ihn bei der Schöpfung der Menschen
begleitet, sofort Recht und Frömmigkeit imter den ersten
Menschen begründet haben. Beide, Apollonios und unser
Autor, gehen auf dieselben Vorstellimgen zurück.*
Dieser aegyptisch-griechische Mythos verbindet sich hier
mit der rein-griechischen Lehre von den Zonen, und so breit
scheinen die Ausführungen über die beiden unbewohnbaren
Theile der Erde, dass wenigstens ich in ihnen schon eine
gewisse Polemik zu empfinden meinte, ehe ich noch die
Parallelstellen kannte. Die klarste findet sich bei Justin
n 1, 5: Scythannn gens antiqiiissiina scmpcv habitci, qnmu-
' Vgl. den Xaasscnur-llymnos bei llippolyt V i eixe TTpoöeXrivaiov 'Ap-
Kobia TTeXacTföv AiTutTTiaiv be NeTXo^ i\i)v ^TriXmaivuuv jn^xpi
öriiaepov Zujoyovujv, qprjoiv, ÜYpä aapKoü.ueva GepinöOriTi Ziuä öubinaTa dvabi-
buJöiv. Auf ein Lied scheint auch Clemens Protr. I 86 zu deuten eir' oöv dp-
Xaiouc; toü^ OpuTa; bibäcTKOuaiv aiYe? lauBiKai" eite aij tou; 'ApKdba(; oi
irpoaeXrivouq dva^patpovrei; iroiriTai, eire pr)v au tolk; AiYUTTTiouq oi koi
TTpdiTTiv TOÜTiiv dvoqpövai Tr]v YHV öeouq re Kai dvGpiOirou? öveipiüöaovTcq.
Dieselbe Verbindung bot Pseudo-Hippys, vgl. Stephanos von Byzanz 'ApKobia.
Wilamowitz Hermes XIX 447."
* Da ich hier und im Folgenden auf die Wechselwirkungen aegyp-
tischer und griechischer Vorstellungen hinzuweisen habe, sei beiläufig bemerkt,
dass der beiden gleich gerecht werdenden Preis der Könige in dem ersten
Hymnos des Kallimachos V. 87, 88 4öit^pio<; Keivö(; ye TeXei xd kcv rjpi vor|<jri,
föTTtpioi; TÖ iLi^TiöTO, xd |ui€iova b' euxe voriar) auffällig höfischen Formeln
des neuen Reiches entspricht: ,,du gleichst dem Re (Zeus) in allem, was du
thust; alles was dein Herz will, geschieht. Wenn du nachts dir etwas gewünscht
hast, so ist es bei Tagesanbruch schnell geschehen" (Flrman S. 109).
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 63
quam intcr Scythas et Aegyptios diu contentio de generis
vetustate fiierit Aegyptiis praedicantihus initio rerum, cum
aliae terrae nimio fervore solis arderent, aliae rigerent
frigoris imiiianitaie, ita ttt non modo primae generare ho-
mines, sed iie advenas quidem recipere ac ttieri possent,^
priusquaui adversiis calorem vel frigus velamenta corporis
iuvcnirentur vel locorum vitia qiiaesitis arte remediis molli-
rentur, Aegyptiim ita temperatam semper fuisse, ut neque
hiberna frigora nee aestivi solis ardores incolas eins pre-
merent, solum ita feciindum, ut alimentoriun in usiim ho-
minum nnlla terra feracior fuerit. iure igitur ihi primum
homines natos videri debere, uhi educari facillime possent.^
Die zweite Parallele bietet Diodorlll 2 AiGioTia? xoivuv icTTopoücri
TTpujTOU^ dvGpujTTuuv aTTCtviiJuv YtTOvevai, Kai xct^ dirobeiHeK; toütuuv
eiLicpaveig eivai qpacriv. oti |Liev y«P ouk e7Tri\ube<; eXGövie^, dW
eTTtvei^ övxeq t\\c, x^jpac; öiKaiuj(S auröxOoveq övo|udZ;ovTai, (Tx£Ööv
Trapd TTddi cruiuqpujveicreai • oxi be louq uttö Tr|v laecrniLißpiav oiKOÜvia«;
TTiGavov ecTTi TrpuuTOu«; uttö xiiq Y'K e^uJOTOviicrGai, TTpoqpave^
uirdpxeiv dTradi • iir\<^ ydp Trepi töv fjXiov 6ep|ua(7ia(; dvaSripaivovjcrTi<;
Tiiv Yiiv uYpdv oudav eri Kaid rriv tujv öXuuv Ytvecriv Kai Ziujo-
YovoucTJi?, eiKÖ(; eivai töv erTuidiiJU töttov övia tou i'iXiou TTpuJTOV
eveYKeiv cpücJeK; euv|;uxoug/
1 Vgl. 481V 20 Sv^TÖv be|ua(;.
^ Die folgenden Ausführungen der Scythen wie die der Aethiopen bei
Diodor zeigen in reizender Klarheit, wie derartige Behauptungen wie „die Ae-
gypter sagen" bei den griechischen Historikern noch oft (z. B. auch bei Diodor
I 10, 4) zu beurtheilen sind, aber sie zeigen auch weiter, wie lebhaft sich die
stoische Philosophie schon zu dieser Zeit mit der aegyptischen Lehre beschäf-
tigte. Natürlich hat der Lobredner der Scythen den Autor Diodors vor Augen,
das zeigt Justin 11 i, 14 ff. verglichen mit Diodor I 10, 4; rhetorische Spielerei
ist Diodor III 2 aber nach denselben Quellen und sicher nicht von Diodor selbst.
3 Das Folgende zeigt noch deutlicher, wie dies alles auf willkürlicher
Umkehrung aegyptisch-hellenistischer Theorien beruht; Voraussetzung ist natür-
lich die Lehre des Poseidonios bei Cleomedes (16=/. 56, 27 ed. Ziegler) 0X0-
XaiÖTepov hi, KttOdTTep ^q)a|uev, toö riXiou TrpoaiövToc; toT(; tpottikoT^ Kai
diTOXiwpoOvTO(; Kai biä toOto ijCx irX^ov irepi aÖT0U(; ^YXPOViZiovToq, Kai
oÜK övTiuv doiKriTUJv TUJV u-rr' aöroT<; oube tOuv Iti ^vboTepuu (ri Yäp Xur)vr|
viTTO tCü GepivLÜ KeiTfii kükXiu, x\ b' AiBiOTTia 2ti raüxrii; ^vbcTepoi)
dtTTÖ TOUTuuv TToöeibuüvio^ TÖ ^vböai.uov Xaßuuv kui ttöv tö üttö tö laii-
64 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Es ist für unseren Autor eine arge Ungeschicklichkeit,
dass er vor der Erschaffung der Sonne schon von dem
Lande der schattenlosen Sonnengluth (4SI' 26), das aiOoiitviu
TTupi -feiTuuv ist (481^29), spricht; ich sehe hierin die Er-
weiterung einer ursprünglichen Fassung. Hiermit verbindet
sich ein ZAveites Missverständniss. Fol. 487'" 28 berichtet der
Dichter von den sieben lüJvai, d.h. hier Sphaeren des Himmels,
deren jede von einem Steni und einem Stemgott regii^t
wird; als achte tritt der Fixsternhimmel hinzu, auf den in
y. 31 angespielt wird. Zu den Planeten der sieben Sphaeren
gehören nach aeg>^ptischer Auffassung Sonne und Mond.
Auch dies ist also eine Einlage, die der Dichter nicht recht
verstanden hat; gerade dass er auf die Gestirne in 481' 4
Rücksicht nimmt und, indem er versichert, dass Sonne imd
Mond noch nicht bestanden, hinzufügt, die ewige Nacht sei
acTTpuuv XeTrTaXe,icriv uttö cTTiXßouaa ßoXriai gewesen, zeigt die
Contamination doppelt klar. Ja noch mehi*, während er in
der Beschreibung des d'Hujv die Kugelgestalt der Erde voraus-
setzt, scheint er auf ihr überhaupt nur drei Zonen zu kennen,
welche den drei Jahreszeiten der Aegypter Gepog, x^im^jv
und eap (Zeit der Ueberschwemmung) entsprechen. '
laepivöv KX{|Lia euKparov eivai üireXaße. xai Trevre ZÜJvaq eivai Tr|c •fn(; tuiv
euboKiiaiuv cpuGiKÜJv diroqprivaiLi^vuuv, avTÖq Tf\v Ott' ^Keivujv biaKeKaüaeai,
XeYO,utvriv oiKou]Li^vriv Kai euKparov elvai direqprivaTO. Die strenge Stoa
hatte zu aller Zeit an der Unbewohnbarkeit dieser Zonen festgehalten.
/k^Brugsch Aegypiologie 357. Eine wichtige Parallele bietet der bei
Diodor I 16 erhaltene Hermes-Mythos. In seinen Hauptzügen ist er, wie später
gezeigt werden soll, aegyptisch; aber Hermes als Erfinder der iraXaiaxpa ist
rein griechisch (vgl. Robert Griech. Myth. 415. 416). Auch dass er Erfinder der
Lyra ist, darf als übertragen gelten; nur ist diese Lyra bei Diodor dreisaitig,
das bekannte Instrument im, neuen Reich (Erman 344). Einer Verschmelzung
beider Anschauungen entspringt es, wenn sie kosmisch gedeutet wird, eben auf
die drei Jahreszeiten. Dieselbe kosmische Deutung übernimmt Eratosthenes in dem
Epyllion Hermes, er knüpft an die alte Vorstellung von dem Lobgesang der Urgötter
beim Aufsteigen des Sonnengottes (Brugsch Keligiou J. Aeg. 152. 153), aber er
verbindet sie mit der griechischen Sphaerenlehre und ändert darum das Instrument
des Hermes. Diesen fasst er — von der Uebertragung griechischer Mythen abge-
sehen — dabei ähnlich als jüngeren Gott wie Diodors Quelle, die wahrscheinlich
auch ihm schon vorlag. Es ist, wie wir mit Sicherheit sagen können, Hekataios.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 65
Der Dichter ist weder philosophisch noch naturwissen-
schaftlich geschult und selbständig. Aber was er bietet, ent-
spricht den hellenistischen Lehren relativ früher Zeit, und
am nächsten denen der Stoa. * Dasselbe gilt von den Grund-
gedanken der ersten Hälfte unseres Mythos.
Vorausgesetzt wird, wie Prof. Windelband mich zuerst
erinnerte, die nach Andeutungen Piatos von Aristoteles weiter
ausgeführte Lehre, nach der jedem Element cpuaei eine be-
stimmte Bewegung* und ein bestimmter Platz ^ im KÖcriao«;
zukommt. Aber dem Aether wird hier die kreisförmige Be-
wegung zugeschrieben, die Aristoteles nur der qninta natura
zuerkannt; das heisst, diese Lehre liegt schon in der Um-
gestaltung, die sie bei Zenon und in der älteren Stoa empfing,
vor.^ Weder mit Aristoteles noch mit der Stoa vereinbar,
wohl aber aus beider Lehren entwickelt ist ferner die Vor-
stellung, dass die Elemente ursprünglich in der u\ti vermischt
und erst durch ein zeitlich bestimmtes Eingreifen eines ausser-
halb der ü\r| stehenden Gottes gesondert sind (vgl. Plut. de Is.
et Os. 45). Dieselbe Mischung verschiedener Vorstellungen
liegt der Dichtung Ovids zu Grunde, ja seine Darstellung
wird erst verständlich, wenn wir den von unserem Dichter
schärfer hervorgehobenen Satz, dass jedes Element cpvaei
seinen bestimmten Platz habe, betonen. Wenn er in den
Worten dissoeiata locis concordi pacc ligavit die Scheidung
und Neuvereinigimg so scharf betont, so glaubte ich hier-
nach die Ergänzungen von 481'" 12 — 23 gestalten zu dürfen,
• Vgl. für die aegyptische Lehre von der Entstehung aus dem Wasser,
bezw. dem Urschlamm, Zeno Fr. 113, 112 Pearson; über die Sonne als Gottheit
Zeno Fr. 71, Kleanthes Fr. 29, 28; über die Entstehung des Menschen Zeno Fr. 80, 81.
Für die jüngeren Stoiker vgl. Se.xtus Empiricus adv. Math. IX 28, Tertullian
ad nat. II 5, Cicero de leg. I 24; für die weitere Schöpfungsgeschichte Kleanthes
Fr. 20 Pearson.
2 Vgl. z. B. /. 276 b 9 ed. Bekker.
3 Vgl. z. B. /. 355 a 35 und 277 b 14.
♦ Stobaios Ekl. I 142, 9 Wachsm. oi Ituuikoi büo uev eK töjv Teööd-
puuv öToixeiujv KoOqpa, iröp kuI depo, büo be ßapea, übiup Kai yriv. koö-
qpov -füp UTTCtpxei cpOaei, 8 veöei duö toö ibiou lueaou, ßapü bl tö ei?
ueöov. Koi TÖ |aev TTepi'feiov qpüx; kot' eü0eiav, tö b' aiöepiov irepiqpepiu?
KiveiTOl. Vgl. Cicero Acad. post. I 11, 39.
ReitEenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. O
66 n. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
in denen der Dichter sorglicher, als seinem Werke gut war,
die zeitliche Verschiedenheit beider Handlungen und zugleich
dem mystischen Charakter der qpiXia, welche den köctuo? erst
zum KÖcriLioq macht, betont. Er ist an dieser Erzählung das
^^ichtigste. Nicht um die blosse Annahme eines ursprüng-
hchen Chaos handelt es sich hier, sondern um eine ganz
eigenartige, im letzen Ginrnde auf Empedokles zurückgehende
Vorstellung, nach welcher die Elemente bei ihrer ersten Ver-
mischung im Streit sind; indem der weltschaffende Gott
sie sondert und zugleich den Anstoss der jedem eigenthüm-
lichen Bewegung giebt, schafft er die qpiXia unter ihnen und
damit den KÖa^ioq. Dieser ganz eigenthümliche und indi-
viduelle Gedanke, der in einer späteren Zeit des Griechen-
thums nur noch volksthümUcher oder poetischer Anschauung-
angemessen sein kann, * hegt, wenn wir näher zusehen, auch
bei Ovid zu Gininde. Er bestimmt mich hauptsächlich, eine
gemeinsame letzte Quelle für Ovid und für unser Lied anzu-
nehmen; es kann nur eine poetische sein."
Ein altes Lied von der Erschaffung der Welt, eine
Nachahmung Hesiods und zugleich eine Theogonie vor der
Theogonie, ist in Wahrheit nicht so unwahrscheinlich.
Schon Apollonios von Rhodos macht sie I 496 ff. zum
Gegenstande eines Liedes, das man, weil Orpheus es singt,
in der Regel ohne weiteres orphisch nennt. Auf welche
Vorstellungen die Erwähnung des Ophion (statt Zeus) als
Gemahl der Emynome weist, (vgl. Nonnos IT 573 1,' wage ich
nicht zu entscheiden ; gehören sie wirklich einer orphischen
Theologie an, so handelt es sich bei ihrer Einfügung um eine
leichte orphische Ueberkleidung des ursprünglichen Mythos.
Er selbst stimmt wieder ganz zu dem bisher analysirten:
rieibev b'uj<; yaia kcu oupavöq r\be edXacraa
TÖ irpiv in äXXi'iXoicri laii) auvapnpoia laopqpri
• Für die aeg)-ptische Anschauung späterer Zeit empfahl er sich durch
die zahlreichen Darstellungen der Elemente, deren acht Götter in Frieden und
Ruhe neben dem weltschaffenden Gotte Thot erscheinen; vgl. unten S. 77 ff.
" Auf eine ältere Quelle weist auch das zu 481 r 26 Bemerkte.
^ Vgl. Lobeck A^^^laophamus 397 ff.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 67
veiKeo(;eH öXooTo' bieKpi9ev diacpi^ eKacria'
f\b' ujc, ejUTTeöov aiev ev aiöepi TeKjuap exoviJiv
dCTpa (TeXrivain le Kai rieXioio Ke\eu9oi.
ouped b' wq dveieiXe Kai öj<; TTOiaiLioi KeXdbovTe«;
auTvicTiv vu)aq)ii(Ti Kai epTreid Travi' eYevovio. *
Auch \^ergil hat in der sechsten Ekloge nicht, wie man
früher meinte, stilwidrig einem alexandrinischen Romanzen-
kranz eine von ihm selbst aus Lukrez gebildete Kosmogonie
vorausgestellt, sondern den Stoff eines alexandrinischen
Liedes, das vielleicht schon in römischer Bearbeitung vorlag,
in leichter Umgestaltung geboten. ^ Denselben Stoff überträgt
in die Beschreibung eines Kunstwerkes Claudian de raptn
Proserpinae I 248 — 268; vgl. besonders
hie elementorum sericin sedesqiic patenuis
insignihat acu, veterem qua lege tumiiUmn
discrevit Natura parcns et semina ütstis
discessere loa's.*
Ich nehme daher an, dass die Kosmogonie in der
hellenistischen Poesie oft behandelt ist, seitdem zuerst im
Anfang des dritten Jahrhunderts der Typus für diese Dichtung
geschaffen ist. Wir können ein ähnliches Fortdauern eines
einmal geschaffenen ähnlichen Liederstoffes nachweisen und
zugleich an einem Beispiel zeigen, unter welchen Gesichts-
punkten wenigstens einzelne der grossen alexandrinischen
Dichter schufen. ^ Wie sie dabei das Empfinden der Nation
* Der Scholiast verweist, mit Recht, auf Empedokles; aber auch die
Wahl des Wortes qplXÖTrje; in unserem Liede wird trotz der homerischen Remi-
niscenz auf ihn zurückgehen.
2 Der Unterschied, dass hier Sonne und Mond vor den Thieren und
Menschen erscheinen, wie bei Ovid, dünkt mir nicht gross, da Apollonios hier
wie dieser nothwendig hellenisiren muss. — Die Inhaltsangabe bekannter Lieder im
Lied lehrt uns ja Theokrits VII. Idyll als alexandrinisches Kunststück empfinden.
^ Die Ekloge und die in ihr wiedergegebene Dichtung tritt bei dieser
Annahme in eine eigenthümliche Parallele zu den Metamorphosen (vgl. jetzt
Skutsch Pau/y-M^issowa IV 1347).
* Vgl. besonders ;iuch die Beschreibung der fünf Zonen V. 259 ff.
* In der Wahl des Stoffes characteristisch ist auch das Lied des Kalli-
machos auf Isis (Ft. 561).
5*
68 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
beeinflussten, wird sich uns dann im Fortgang der Unter-
suchung ergeben.
Die Lehre von dem aeg^-ptischen Thot, dem Theiler
und Vermesser der Welt, ' hatte, wie angedeutet, schon
Eratosthenes in dem Epyllion 'Ep|ari<; mit den griechischen
Sagen verbunden. Der zukünftige Lehrer alles Wissens und
aller Geheimnisse der Götter scheint bei ihm den KÖcriaoq
durchwandert zu haben, wie es nach der poetischen Schilde-
rung seiner Anhänger, ja vielleicht schon nach eigenem
Worte Epikur es im Geiste gethan haben soll. * Das führte zu
einer Beschreibung des KÖa^og, die sich in manchem mit
unserem Gedichte berührt:
Fr. 15 Hiller ev be roxq eireai cpaiveiai 6 ctviip ouiog xriv ^ev Yfjv
ectv dKJvriTOv, ev öktuj 5e qpGÖTTOi? TTOiei uttö tiiv tüuv
dTTXavüüv ö"9aTpav rdg tuuv 7TXavu))aevujv CTTtd Kai irdcraq
Kivuüv TTcpi Trjv yriv.
Fr. 17 ÖKTUJ hi] idöe Tidvia CTuv dpinoviiiaiv dpi'ipei,
ÖKTUJ ö'ev ö'qpaipijcn kuXivöcto kOkXuj iövTa
evdTiiv nepi T«iav.
Fr. 18 auTiiv^ ^ev uiv eTCTue inecrnpea Txavrbc; 'OXuuttou,
KevTpou £TTi (jqpaipng' bid b'üzovoq npiipeicTTO.
Fr. 19 TTevTe bi oi Z!üüvai irepieiXdöeq ecTTreipnvTO,
ai öuo \xev f^ctuKoTo KeXaivoTepai Kudvoio,
ri öe ^ia vpaqpapr) Te Kai ck TTupö(; oiov epuBpiy
f] )Liev er|v }jieaäTr\ • eKCKauro öe rrdcra Trepi <TTpö>
TUTTTouevii qpXoTMOicriv, eTiei pd e inalpav ütt' auT^v
K€KXvuev)iv dKTive(; deiöepee^ Ttupöujcriv.
ai be bOuj CKdrepGe ttöXckj TTepmenTiiuiai
aiei qjpiKaXeai, aiei ö'übari ^OYCOudar
Ol) ^ev ubujp, dXX" auTÖq dir' oupavöGev KpuffraXXoq
Keiiai dvdireaxe.* irepiiiiuKTog öe reruKTai.
dXXd rd )aev x^pcraid r'dveiaßard t' dvGpuÜTTOiai.
boiai b'dXXai eacriv ^vaviiai dXXnXaiai
• Pietschmann Iltriius Trismegistos S. 13.
» Lukrez I 72; II 1044 flf., vgl. R. Heinze T. Lucntius Cariis Buch III S. 52.
' Nämlich t^m y^v.
* So Cod., KCl -faiav KpüirrtaKe Hiller.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 69
ILiecJöTiTug 6epe6<; re Kai ueriou KpuaidWou,
dfiacpo) euKpi-|Toi re Kai ö,uttviov aXbi^dKOucrai
KapTTÖv 'E\eu(Jivii'i(; AiHLiriTepog" ev öe |uiv dvöpeq
dvTiTToöe^ vaioucTi. '
Die Fortführungen bei Alexander von Ephesos und
Varro dem Ataciner brauche ich nur zu erwähnen ; Einzel-
' Die älteren Hymnen auf Hermes enthielten im Wesentlichen seine Geburt
und den Rinderraub, mit dem sich das erste Opfer, und den Streit, mit dem sich das
Aufsteigen zum Himmel verbindet. Das hat in hohem Tone Alkaios, in übermüthiger
Laune der ionische Dichter besungen. Für eine spätere Zeit war gerade der
Kernpunkt der Erzählung peinlich genug. So schiebt Eratosthenes vor den
Rinderraub weitere lustige Schelmenstreiche (Fr. i), um den Leser in Stimmung
zu bringen; er berichtet von den Erfindungen, die der Hermesknabe noch auf
Erden, alle in irgend einer Nothlage (Fr. lo, li), macht; er verweilt bei dem Aufstieg
zum Olymp, der hier schon der Himmel ist, und lässt Hermes dort die letzte,
höchste Weisheit gewinnen. So erscheint er als Gott aller iraibici und iraibeia
superis deorum gratus et iinis. Aus ähnlichem Empfinden, nur bei der Kürze
des Liedes mit besonderer Kunst, ist das spielende, graciöse Gedicht des
Horaz I lo gemacht. Der Hymnos des Alkaios ist dem Dichter natürlich bekannt,
aber er ist trotz der ausdrücklichen Angabe der Scholiasten im
wesentlichen nicht nachgebildet. Der Geist des Liedes ist alexandrinisch. Die
Oden des Horaz werden uns nur durch einen beständigen Vergleich mit der al ex an-
drinischen Poesie recht verständlich; nur dadurch lernen wir, was in ihnen
modern, d. h. originell, ist. Die Freude an dem vielbesprochenen Liede Donec
gratus eram tibi ist mir wieder erwacht, als ich gewahrte, dass die zweite
Strophe mit einem Gedanken des Asklepiades spielt Aubr| Kai Y^vo<; ei.ui Kai
oövo|na, Tiijv b' äiTÖ Köbpou öeuvoTep)-! itaaujv eif^i bi' 'AvTiuaxov. Wer freihch
das Gedicht als ein Ständchen vor dem Fenster der Lydia fasst, raubt ihm die
Seele. Zufällig treffen sich beide, sie unterhalten sich höflich und zierlich über
ihr früheres Glück, ein neckender Trotz entwickelt sich, keines will dabei ver-
loren haben, und mitten im Trotzen bricht die alte Liebe durch. Es ist eine
Scene, die noch heut, ohne jede Ahnung von dem Vorgänger, ab und zu ein
Romanschreiber zu schildern versucht. Schon darum kann ich für den Ton
nicht die Eleganz des alexandrinischen Verkehrs, für die Technik nicht die
alexandrinische Ausgestaltung des Wechselgesanges und jene, freilich viel
geringeren Genrebilder in Dialogform, die Philodem bietet, entbehren; auf
alexandrinische Empfindung weist auch die psychologische Feinheit und die an-
muthige Pikanterie des Geplauders. So sehe ich hier eine originelle Schöpfung
des Horaz. Nach dieser Seite bleibt im Horaz noch fast alles zu thun. Die
traurige Jagd nach schlechten oder gar obscönen Wort- und Gedankenspielen oder
das qualvolle Suchen nach einem verborgenen Humor in ernsten oder pathetischen
Liedern mag mitmachen, wer sich und anderen den Dichter verderben will.
/O II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
heiten werden beständig geändert, die Fiction bleibt. Es
ist eigenthümlich, dass dabei die Erfindung eines lernenden
oder lehrenden Hermes und die Sphaerenlehre noch ein Gedicht
der jung-hei-metischen Literatur beeinflussen, vgl. Stobaios
Ekl. I 77, 15 Wachsm. 'Epiaoö
^TTTtt TToXuTtXaveeq Kai' 'ÜXuiamov dcTTepeq oüböv
eiXeOvTai, laerd roiai ö'dei irepivicrcreTai aiuuv.
Den letzten Ausläufer bildet dann das unter dem Namen
des Empedokles erhaltene hexametrische Bruchstück.
Die Veränderungen sind hier stärker; aber das Lied
des Eratosthenes mit seinen Fortbildungen giebt dennoch ein
lehrreiches Gegenstück zu jenem von mir vorausgesetzten
Liede von der Weltschöpfung, dessen späte Nachahmung
unser Pap3'rus erhalten hat, und lässt meine früheren Schlüsse
vielleicht etwas glaublicher erscheinen. Unter dem Zwange
einer einheitlichen, festen Tradition steht auch unser spätes
Lied und gewinnt eben dadurch eine gewisse religions-
geschichtliche Bedeutung. Erscheint in ihm bei der Welt-
schöpfimg ein Gott der Rede und des Wortes betheiligt, so
düi-fen und müssen wir die Frage aufwerfen, auf welche
Quellen das zurückgeht und wie alt diese Erfindung ist.»
Dazu wird es unvermeidlich sein, auf die aegyptischen Ele-
mente in unserm Mythos noch des näheren einzugehen und
nach Möglichkeit zu bestimmen, wann und in welcher Form sie
sich hellenisirten. Ich scheue einzelne Umwege dabei nicht ;
' Eine Contamination verschiedener Auffassungen könnte man allerdings
auch hier empfinden. In dem ersten Theil des Mythos wird der kööuo? durch
das Wort des höchsten Gottes geschaffen. Hermes ist nur sein Bote, verkündet
dies Wort und erfüllt die Einzelaufträge seines Meisters. Dagegen tritt im
zweiten Theil plötzlich, ohne .dass wir von seiner Entstehung gehört haben,
Logos als Sohn neben Hermes und ist uaTpiijou Ka9apoTo vormaTOC äf-feXo?
uükO<;, d. h. er tritt hier zu Hermes genau in dasselbe Verhältniss, wie in dem
ersten Theil dieser zu Zeus. Hermes erscheint also hier mehr als der NoOc.
Doch lässt sich, wie ich schon andeutete, eine Sicherheit in diesen Fragen
schwer gewinnen. Da es sich im Folgenden um die Gründung einer iiöXi?,
(Gesetzgebung und Offenbarung des Gottesdienstes handelte, mochte die Einführung
des Logos dem Griechen besonders nahe liegen. Dass beide Figuren freilich
ursprünglich identisch sind, wird sich uns später ergeben.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 71
das aegyptische Element in dem hellenistischen Geistesleben
ist bisher so wenig hervorgehoben worden, dass jeder Ver-
such hier Resultate bringen muss. In der That lassen sich
alle Hauptzüge des Mythos auch als aegj^ptisch erweisen.
Die älteste aegyptische Kosmogonie hat Maspero dar-
gelegt;' die Schöpfung geschieht duixh das göttliche Wort,
welches Thot, der ursprünglich Sonnengott zu sein scheint,
spricht; ihm hilfreich zur Seite als seine ersten Geschöpfe
stehen vier Götter, aus denen später durch Uebertragung
aus einem anderen Göttermythos vier Paare von Gottheiten,
je eine männliche und eine weibliche, Averden. Dieselbe
Uebertragung stellte bald neben Thot einen anderen Sonnen-
gott, Rß, als den grösseren oder doch ursprünglicheren. So
begegnet Thot nun bald allein als der „ungeborene, der sein
eigener Ursprung ist, der eine Gott" oder als der „allein
einzige, der Herr des Himmels, der Erde und der Tiefe" als der
„Schöpfer und Leiter dessen, was da ist und dessen was noch
nicht ist, Schöpfer des Seienden,"'^ bald, und zwar in eigener
Person oder an andere Götter angeglichen, in Verbindung
mit einem Sonnengott, besonders Re. Er wird dann zum
Mondgott ;^ er wird als Schu-Thot der Sohn des Re, des
eigentlichen Schöpf ers aller Dinge, „der hervorgetreten ist aus
Re,"^ oder, nach aegyptischer Vorstellung dem entsprechend,
ein Glied, das Auge, des Re.
Ich fasse, ehe ich hierauf näher eingehe, die Eigen-
schaften, die ihm in vorgriechischer Zeit zugeschrieben
' Histoire ancienne des peuples de F Orient classlque I I47ff.; Ettides de
Mythologie et d' archiologie egyptiennes II 259. Oriental quart. Review II ser,
tom. III 365 Creation by the voice and the Ennead of Hermopolis ist mir unbekannt.
* Brugsch Religion d. Aeg. 445. Vgl. auch „Du bist der grosse eine
Gott, die Seele des Werdens, Lobpreisung geschieht in deinem Namen unter
den Khmunu" (Göttern der Urstoffe) Pietschmann Hermes Trismegistos S. 15.
' Vgl. z. B. das Gebet auf der Berliner Statuette aus der Zeit Amenophis III
„ich bin zu dir gekommen, Stier unter den Sternen, Thot, Mond, der am Himmel
ist" {Zeitschr. /. aeg. Spr. 1895 ^- 125). Andere Stellen haben Pietschmann Hermes
Trismegistos S. 8 ff. und Wiedemann Herodots zioeites Buch S. 293 zusammen-
getragen ; zu vgl. ist Brugsch Religion d. Aeg. 452 ff.
* Brugsch Religion d. Aeg. 445, vgl. oben Anm. zu 481'' l.
/2 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
werden, kurz zusammen: er ist der Erfinder und Gott des
Maasses und der Zahl, der Schriftzeichen und der Sprache,
„der Anfang der Rede, der Träger der Erkenntniss, der
Eröffner des Verborgenen", der Oberste aller Geheimnisse,
die im Himmel und auf Erden sind, der Spender aller Lehre
von den Göttern, der Schreiber ihrer Thaten, der Geber
des Rechtes und der unverbrüchlichen Gesetze. Aber er
ist auch in späterer Zeit der Herr alles Lebens geblieben:
„ich ging hervor aus den Pflanzen ; ich schuf alle Reptilien,
alles Werdende in ihnen." ' So ist er es, der auch die Toten
wiederbelebt und ihnen hilft in der Unterwelt. Er ist endlich
der Gott alles Zaubers.* So ist es begreiflich, dass er der
Gott des Herzens wird, d. h. des Verstandes und des Willens,
und Horapollon, der Anschauungen und Schreibart der
Ptolemaeerzeit in der Regel gut wiedergiebt, kann (l 36)
sagen Kapbiav ßouXouevoi jpäcpew ißiv ZiujYpaqpoOcri • xö 'fäp lupov
'Epm] ujKeiujTai Ttdariig Kaphiuc, Kai Xonainoö beaTTÖn]. Der
griechische Uebersetzer konnte, je nach seiner philosophischen
Bildung, vouq oder Xotoi; übersetzen; beides ist geschehen. In
dem von Dieterich herausgegebenen Weltschöpfungsmythos
ist also direkt aegyptisch S. 8, 9 eq)dvii voüq — i'i qppeve? —
Kttiexujv Kapbiav Kai eK\ii9>i 'Epiunq, bi ou rä travia )ue9ep-
juriveuaiai, eariv öe etri tujv qppevüJv • öi' ou oikovoiliitGi'i tö ttoIv.
Einen ähnlichen Gedanken drückt, wahrscheinlich nach
Apion, Aelian Hist. an. X 29 aus Kai tuj 'Ep,ui) öe qpacri tüj naipi
Tüuv \ÖYU)V qpiXeixai (n ißiq), enei eoiKe xö eiöo? xri qpuaei xoö
XÖTOu • xd )aev "fdp |ueXava lÜKUTTxepa xlu xe criYuj|uevuj Kai evbov
eiTiaxpeqpoiLievuj Xöylu TiapüßdXXoixo dv, xd öe XeuKd xüj Trpoqpepoinevuj
xe Kai dKOUOjLievuj rjör) Kai uTTripexi] xoü evbov Kai dYTt^MJ, ^% dv
eiTTOK;. So ist es nur erklärlich, wenn in der Ptolemaeerzeit
uns Thot öfters als Herz des Re, vereinzelt auch als
» Wiedemann Der Urquell VIII 68.
* Vgl. Zeitschr. f. aeg. Sprache 18.95 S- 123, Brugsch Religion d. Aeg. 439 ff-.
P'rman Aegyple» 464; Pietschmann Hermes Trisinegislos S. 13 ff. und S. 24. So
wurde der Begründer der Mysterien, der allen Priestern gemeinsame Gott, als er
zum Halbgott herabgedrückt war, mit Orpheus identificirt. Es ist erklärbar, dass
er von jeher für die griechische Phantasie besondere Anziehungskraft hatte.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 73
Wort des Re erscheint.' Auf der Tempelwand zu Dendera
endlich, also in der Zeit des Kaisers Nero, heisst er „Herz
des Re, Zunge des Tum, Kehle des Gottes, dessen Name
verborgen ist" und weiter ,, Offenbarung des Licht-
gottes Re, seiend von Anfang an, Thot, welcher ruht auf
der Wahrheit; was seinem Herzen entquillt, das wird sofort,
und was er ausgesprochen hat, besteht in Ewigkeit."'' Mit
vollem Recht betont Brugsch, dass in der ersten Stelle
Herz, Zunge und Kehle genau ebenso einen einheitlichen
Begriff bilden sollen, wie die drei Figuren des Sonnengottes
R&, Tum und Amon-ranef^; es ist der \6joq, wie ihn der
Stoiker fassen muss, der sich aus dem Gedanken mit Natur-
nothwendigkeit in das Wort überträgt f Diog. La. VII 49).*
Gewiss vergleicht Brugsch mit vollem Recht das grosse
Räthselwort ev dpxvi r\v 6 XÖYog Kai 6 XÖTog r\v npbq töv 6eöv
Kai 0eöq r\v 6 \6joq . ovjoq \\v ev dpxri Tipöq töv 6eöv . -rrdvia öi' aÜTOö
eTCveio Kai xwjpi«; auxoö er^veio ouöe ev, ö Tefovev, aber die That-
sache, dass in Neros Zeit aegyptische Priesterweisheit das
verkündet, was in unserm Evangelium steht, bliebe eine
blosse Curiosität, wenn wir nicht beweisen könnten, dass
die aegyptische Theologie von griechischem Denken be-
einflusst ist und dass sie es schon damals entscheidend be-
einflusst hat, dass die Zersetzung und Hellenisirung der
aegyptischen Religion im Wesentlichen das Werk der Stoa
war und dass sie auch hauptsächlich die Vermittlerin war,
welche aegyptische Gedanken über den Orient nach Griechen-
land und nach Rom übertrug.
Ueber mancherlei eigenthümliche Verschmelzungen
griechischer und aegyptischer Speculation haben uns die
Papyri Auf schluss gebracht; was man am schärfsten betonen
* Brugsch Aegyptologie 170.
2 Brugsch Religion d. Aeg. S. 50 ff. Der letzte Theil der Formel ist alt,
vgl. S. 428 (von dem thebanischen Chonsu-Thot) „es geschieht nach seinem
Willen, was aus seinem Munde ausgeworfen wird, sein Wort wird zur That und
sein Befehl verwirklicht sich."
^ Vgl. Plutarch plac. IV 21,4 tö be q)ujväev (auch qpaivri) . . eöTi TTveö|ua
biaTeivov ÜTTÖ toO riT6|noviKOu (im Herzen) |uexpi q)cipuYYO<; «ai y^^Jutth?.
* Vgl. auch Cornutus Kap. 16.
II. Schöpfungsmythen nnd Logoslehre.
muss, ist dass diese Verschmelzungen unmittelbar mit dem
Diadochenreich einsetzen mussten, dass sie nothwendig
waren von dem Moment an, wo Hellenen es begannen, die
nunmehr ganz anders zugängliche Weisheit der alten Aeg>^pter
ihren Stammesgenossen zu erschliessen, AegN'pter den
Siegern durch Darlegting ihrer alten Tradition und Gedanken-
welt Achtung abnöthigen wollten.' Jeder Versuch der Dar-
stellung — und wäre er auch nur für den priesterlichen
Herrscher bestimmt gewesen — musste zur strengeren Syste-
matisirung, jede Uebersetzung zum Eindringen griechischer
Gedanken führen. Der griechische Forscher aber konnte
gar nicht anders, als ziun Verständniss dieser Theorieen
entweder auf die platonische Philosophie oder auf die kos-
mologischen Theorieen der Stoa zurückgreifen, wenn er das
ihm Erzählte überhaupt verstehen w^oUte. Er handelte da-
mit nicht anders, als es jeder von uns im fremden Lande
auch thut. Er musste oft genug Verschiedenes mischen,
für den Haupttheil aber an die Stoa Anschluss suchen,
deren Theologie der aegyptischen in der That verwandt
war. Hatte sich doch in der aeg\'ptischen Rehgion die Be-
ziehung der Götter auf bestimmte Naturkräfte zum Theil
von Anfang erhalten, zum Theil nachträglich durch priester-
liche Speculation ausgebildet. Innerhalb der einzelnen Sagen-
und Cultsphaeren herrschte seit früher Zeit ein eigenthüm-
licher Pantheismus, der verschiedene Götter jeden als den
einzigen, den grossen, den der alles aus sich erschaffen
hat, dessen Ausfluss, Glieder oder Kinder die andern Götter
sind, zu empfinden wusste. Die verschiedenen Systeme
waren dann wieder in verschiedener Weise vereinigt, die
Götter auf Grund ihrer „physischen" Bedeutung einander
angeglichen. Die symbolische Deutung auf Natur-
* An Manetho und seine Stellung am Hofe des ersten Ptolemaeers, die
sich besonders in seiner Mitwirkung bei der Einführung des Serapis-Cultes
zeigt, brauche ich hier nur zu erinnern, ebenso an die iroWoi tOüv ' EXXrivujv
Tuüv uapaßuXövTUJv \iiv e.ic, räq 0r|ßa^ ^tti TTTo\€uaiou toö Adfou avvra-
tau^vuuv be töi; AiTWTTiaKäc iOTOpiac (Diod. I 46). Schon die Einführung des
Serapis-Cultes musste zu einer Systematisirungund Angleichung beider Gedanken-
kreise führeru
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 75
kräfte herrschte überall. Sie wies den griechischen Aus-
leger besonders auf die Stoa hin; sie musste ihm noth-
wendig alle diese Theosophieen als qpiXoaoqpia erscheinen
lassen. Es ist vollkommen berechtigt, wenn Chairemon in
seiner Schilderung der aegyptischen Priester (bei Porphyrios
de abstin. IV 6 ff.) von einer Philosophie bei ihnen redet. ^
Ich führe zur Probe aus Erman (S. 459 ff.) ein Stück des
Commentars zu dem uralten Liede „vom Hervorgehen am
Tage" an. Schon der Grundgedanke des alten Textes, dass
die Seele nach Verlassen des Leibes, nachdem alles Un-
reine von ihr genommen und nur das Göttliche ihrer Natur
geblieben ist, nun als Gott mit den andern Göttern in das
' Kap. 6 TÖ Toöv kotö touc AifUTTTiout; iepeac Xaipri.uaiv ö otoiiköi; dqpri-
YOÜ|aevoc, ou? Kai qpiXoaöqjouc; üireiXriqpeai 9riai irap' Ai-fUTTTioii;, itr\^i.\xa.\,
üjq TÖTTOv fiev ^EeX^tavTO duqpiXoaoqpfiaai Td iepd . . . Kap. 8 Kai TÖ |aev Kar'
d\rie€iav q)i\oaocpoOv ev t6 -xolc, tTpoqpriTai? fiv Kai iepoöToXiöTaTi; kuI
lepcfpamuaTeöaiv, exi be lupoXÖYOK;. Das ist durchaus keine Idealisirung, wie
die der Therapeuten durch Philo (Wendland Jahrbh. f.Phil. Suppl. XXII 737; 754;
vgl. Ed. Schwartz Pauly-Wissowa III 2026). Der Stoiker konnte so, ja er musste
so sprechen. Genau ebenso spricht Strabo (XVII 787 01 b' iepei? Kai qpiXoaoqpiav
rjOKOUv Kai darpovouiav, vgl. XVII 806); genau so spricht Hekataios (?) bei
Diogenes Laertios Prooein. 10 (zu vergleichen für Alter und Ursprung ist
Prooem. i); genau so Philo (de vita Mos. 84 AI. rriv bld aufaßöXiuv qpiXoöocpiav,
r\yi iv ToT<; Xe-fou^voK; iepoTi; Ypd.ufiaaiv ^TribeiKvuvxai). In der That musste
schon die Hieroglyphenschrift dem Neupythagoreer wie dem Stoiker als eine
Art Philosophie erscheinen, und bei Horapollon wie in den Anklängen bei Arte-
midor und bei Aelian findet sich mancherlei Stoisches. Aber die ganze Auffassung
reicht viel weiter zurück. Sie findet sich schon in der sophistischen Quelle des
isokrateischen Busiris (§ 21 ff.), den mit Chairemon zu vergleichen sehr lehrreich
ist : ToT^ 'fdp iepeOai TTapeöKeüaöev eÜTtopiav \xk.v Tai(; ^k tujv iepüjv TTpooö-
boK, auuqppoöüvriv be xaTc; dYveiai<; xaT? üirö xuiv vö,uu)v irpoaxexaYMe-
vok;.... .ueö' iLv ^KeTvoi ßioxeüovxec xoTq |aev <juu|ua(Tiv laxpiKriv i\r\\i^ov...
xat^ b^ M^uxaic; qpiXoaoqpia? daKrioiv Kax^beiEav, r| Kai vojaoGexfiaai Kai xriv
(puaiv xiüv övxujv Zrixfi0ai büvaxai (vgl. § 30). Auch hier ist die Philosophie
nur für die Aelteren, für die Jüngeren bilden Astronomie, Arithmetik und Geo-
metrie die Vorbereitung. Es ist interessant zu verfolgen, wie sich die ionische
Verherrlichung der Barbaren in den sophistischen Kreisen fortsetzt und durch
die Rhetorik z. Th. ins allgemeine Bewusstsein übergeht. So kann schon Mega-
sthenes von der Philosophie der Barbaren reden. Hieran knüpfen die Hellenisirten
dann selbst. Als Gradmesser für die Entwicklung kann Plutarch dienen; den
Abschluss zeigen lamblich und Proclus.
76 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Himmelsthor tritt, von den \'erklärten empfangen, um mit
dem Sonnengott Atum und den Sternen in ewigem Glanz
zu weilen — schon dieser Gedanke musste dem Griechen
als Philosophie erscheinen, und man darf die Frage wohl
aufwerfen, wie weit sich griechisches Denken von ihm hat
beeinflussen lassen. Der Text beginnt etwa ,,ich bin der Gott
Atum, der ich allein war; ich bin der Gott Re bei seinem
ersten Erglänzen; ich bin der grosse Gott, der sich selbst
schuf und seinen Namen schuf. . . ich war gestern und kenne
das Morgen. . . ich bin der Phoenix. . . der berechnet, was
ist und existirt." ' Der Philosophie gehören die jüngeren
Erweitei-ungen (aus dem neuen Reich) wie „ich bin Atum, der
ich allein war auf dem Himmelsocean*' ebenso wie die
Erklärung der Worte „der grosse Gott, der sich selbst schuf",
durch den Satz ,,das ist das Wasser, der Himmelsocean, der
Göttervater" oder zu den Worten ,,was ist und existirt" die
Erklärung „die Ewigkeit und die unendliche Dauer."- All die
verschiedenen theologischen und kosmologischen Systeme
traten jetzt in Mittheilungen von Priestern und Laien zu
Tage; das bedingte von selbst ihre Beeinflussung durch
griechischen Geist; und sie fielen in eine Zeit, welche auf
die ursprüngliche Offenbarung bei den „Barbaren" zu achten
gelernt hatte, ja bald zu einer Schätzung der Tradition,
der Offenbarung als solcher, fortschritt; das führte noth-
wendig dazu, ihnen Einfluss auf das griechische Denken
zu geben. Die verschiedensten Systeme konnten sich hier-
bei entwickeln, das, was wir Gnosis nennen, in mancherlei
Art sich schon mindestens seit dem ersten Jahrhundert v.
Chr. vorbereiten.
' Die Worte, in welchen die Seele sich mit dem Sonnengott identificirt,
erklären einen Theil der früher von Thot berichteten Lobpreisungen.
* Selbst die Beschränkung dieser Weisheit auf bestimmte Klassen hat
Chairemon sich nicht erfunden. Eine Bestätigung giebt es, wenn Amenhötep,
Sohn des ?Iapu (Erman 464), berichtet, erst nachdem er einen bestimmten Rang
erlangt hatte, sei er eingegangen zu dem Gottesbuche und habe die Vortrefflich-
keiten des Thot geschaut. Dass wenigstens in jüngerer Zeit die Kenntniss der
priesterlichen Schrift nur dem Priester zugänglich war, ist eine überall wieder-
kehrende, glaubliche Tradition.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 77
Wir können die Wechselwirkung an einer Stelle ver-
folgen. Ich erwähnte früher, dass in jenem alten Mythos
Thot, der Weltschöpfer, zunächst aus sich vier Götter
schafft, die dann durch Uebertragung zu vier Götterpaaren
werden. Ihre Namen sind alt und begegnen zum Theil
schon in den Pyramidentexten; die Darstellungen der acht
Götter neben Thot werden in der Ptolemaeerzeit immer
häufiger. Man hat sie früher auf die bekannten vier Ele-
mente gedeutet,^ und zwei Namenspaare entsprechen wirklich
zwei Elementen ; die andern gehören einem andern Begriffs-
kreis. Wohl aber waren schon grössere Gottheiten auch
mit den Elementen in Verbindung gebracht. Dass aus
diesen der KÖcriaoq bestände, war für den Griechen selbst-
verständlich. So entstehen im Anschluss an eine jüngere
Form des Schöpfungsmythus, in welchem statt R6 und Thot
Osiris und Isis als Sonne und Mond erscheinen, die beiden
Systeme, die, vielleicht beide nach Hekataios, Diodor I 11
und Diogenes Laertios I 10 mittheilen; beide stellen neben
die u\r| oder neben das TTveöiaa die griechischen vier Ele-
mente. Dass Hekataios sie den Gliedern des menschlichen
Leibes vergleicht, ist ebensow^ohl stoisch wie aegyptisch ;
aus den Gliedern des R& sind ja die andern Götter ent-
sprossen." Die Ogdoas der wenig bekannten Götter, die
* Lepsius Abhandl. d. Bcrl. Ak. 1856; vgl. dagegen Brugsch Religion d. Aeg.
S. 125 fF. und Maspero Histoire ancienne 1 148.
* In der grundlegenden Abhandlung von Ed. Schwartz über Hekataios
{Rhein. Mus. 40, 239 ff.) tritt das aegyptische Element dabei wohl zu wenig
hervor. Gewiss überträgt Hekataios Anschauungen der Stoa auf die Aegypter,
ähnlich wie Onesikritos die Lehren der Kyniker bei den Gymnosophisten,
Megasthenes die der Stoa bei den Brachmanen wiederfinden will. Wie viel sie
dabei Persönliches hinzuthun und wie weit ihre eigene Ueberzeugung dem ent-
spricht, bleibt eine Frage für sich. Mit den Berichten des Megasthenes und
der unbekannten Quelle der Borysthenitica des Dio ist die Characteristik des
ursprünglichen Judenthums zu vergleichen, die Strabo (XVI 760 ff.) aus Posei-
donios entnommen hat. Ich füge der Wichtigkeit der Sache halber den gewiss
schon von andern erkannten Beweis bei. Auf Benutzung einer Quelle weisen
ungeschickte Zusätze, auf Poseidonios die Betonung der ursprünglich reinen
Gottesverehrung und der Bedeutung, die Träume und Vorzeichen schon in dem
idealen Gottesstaat haben. Als der stoische Zeus erscheint der Gott der Juden
78 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
dem Weltschöpfer zur Seite steht, bHeb zunächst unberück-
sichtigt. Erst als auch in Aegypten die Vierzahl der Ele-
mente allgemein bekannt war, wurden die einzelnen Paare,
je ein Gott und eine Göttin, auf die Elemente gedeutet.
Dass sie das wurden, beweist Seneca, der selbst in
Aeg3'pten war und in Chairemon stets einen vorzüglich
unterrichteten Gewährsmann hatte, und der unt. quaest.
ni 12, 2 sagt: Aegyptii qiiatiior clemcnta fccenint, deinde
ex singtilis hinci, maria et feminea. aerein marem indicant,
qua venttis est, feviinaui, qua nnbilosus et iners. aqnam
virilem vocant tnare, miiliebrem ojuneni aliam. ignein vo-
cant DiasciduDi, qua ardet ßamnia, et fcminam, qua hicet
innoxiiis tactu. tcrvam fortioreni marem vocant, saxa et
cautes; feminae nomen adsignant huic tractahili et cnltae. »
Es war ja ein natürlicher und leicht begreiflicher Gedanke,
schon bei Aristeas (i6 Wendl.) töv Y^p TtdvTUJv ^ttöttttiv küi ktiötjiv 9€Öv
oÜTOi a^ßovToi, ov Kai -rrcivTei;, r\\y^\<:, be, ßaaiXeö, -rrpoaovoudlovTei; drepuuq
Zf|va Kai Aia. oötuu b' oük ävoiKeiuj^ oi -rrpüiToi biean.uavav, bi' öv Iujottoi-
oövToi TÖ irdvTa koi Tivexai, toütujv äirdvTiuv ^Y^icrOai Kai KupieOeiv. Die
Etymologie geht auf Chrysipp zurück (Philodem irepi eO(J. col. II, 13 Comp.);
aus ihr hat ein jüdischer Schriftsteller die Einheit erwiesen, ein Stoiker diese
Behauptung übernommen; von diesem hat Varro seinen Preis der Juden und
seine Angleichung ihres Gottes mit dem Jupiter Capitolinus (vgl. Reinh. Agahd
Jahrhb. f. Piniol. XXIV S. 19 und 163) entlehnt; er giebt sie in dem ersten
Buch der antiquitates verum div'marum, und dies Buch stammt im Wesentlichen
aus Poseidonios (ebenda S. 92). Mit den Worten des Aristeas stimmt in geradezu
wunderbarer Weise das stoische Etymologikon überein, dessen Eingang Jakob
von Edessa übersetzt hat (vgl. mein Buch JM. Tereutius Varro umi Johannes
von Euchaita S. 22). Nun folgert Strabo seine Hauptthese, dass die Juden von
den Aegyptern abstammen, zunächst aus der Mischung der Bevölkerung in diesem
Theile Syriens; hierfür aber liegen ihm Schilderungen des Poseidonios vor
(vgl. p. 764). Das spätere Judenthum scheint freilich bei Poseidonios schlecht
genug weggekommen zu sein, und auch in dem ursprünglichen geht ja nach
ihm die reine Cjotteserkenntniss auf einen aegyptischen Priester zurück, der sich
über den bestehenden oder eingerissenen Thierdienst derartig empört, dass er
lieber mit vielen „gottesfürchtigen" Männern auswandert. Berücksichtigt man
die vorausgehende Litteratur, so zeigt sich eine eigenlhümliche Verschmelzung
einer judenfeindlichen Tendenz mit der Anerkennung, die der Stoiker ihrer
Religion zollen muss.
1 Vgl. die Stellen aus der jüngeren Litteratur bei Lepsius a. a. O.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. /9
als Gehilfen des Weltschöpfers die Götter der Elemente
anzunehmen ; * dass dabei jedes Element doppelte Vertre-
tung empfing", entsprach nur dem Charakter der aegyptischen
Mythologie. Gerade dieser rein-aegyptische Zug wird nun
in die spätere Stoa übernommen; einen gewissen Anhalt
konnte es bieten, dass schon sehr früh Zeus als ai6r|p und
hiernach durch rein et3'mologische Spielerei "Hpa als drip
gedeutet war. Nach diesem Schema \\airden die übrigen
Götterpaare behandelt, und Varro zeigt uns nun Neptun
als obere, Salacia als untere Wasserschicht, Pluto oder
Orcus als obere, Proserpina als die untere Erde.* Aber
bei dem vierten Element ist sogar die aegyptische Scheidung
gebheben und Volcanus ist igitis veheinentissimiis et violcn-
iissiimis inundi, Vesta ignis miindi lenior (levior Codd.),
qui pertinet ad iisus homintim faciles. ' Das ist ein offen-
bar von Aeg3'pten beeinflusstes jung-stoisches System."
Es war nicht einmal das einzige. Dass Varro in den
antiqtiitates rerum divinanun die verschiedensten stoischen
Theorieen neben einander stellte und durch einander mengte
mit demselben Unverstand und Ungeschick wie in den
Büchern de lingiia latina die verschiedenen grammatischen
Theorieen, brauche ich für den, der die Fragmente in Agahds
Ausgabe gelesen hat, ja nicht hervorzuheben. Gerade
darum hilft er uns aber, das Alter einer Reihe dieser
Sj^steme zu bestimmen, und hat für eine Geschichte
der stoischen Theologie entscheidende Bedeutung. Nun
envähnt Augustin de civ. dci IV 10 qiiis enini fcvat, qitod,
cum tantuni honoris et quasi castitatis igni trihiierint, ali-
qiiando Vestam non ertibcscunt etiam Venereni dicere. Die
Erklärung giebt Macrobius Sat. I 21, 1 nam physici fd. h.
* Genau so scheint man in den 7 Taas, die ihm helfen, später die Götter
der 7 Sphaeren gesehen zu haben.
"^ Reinh. Agahd ya/irM>. f. Phil. Suppl. XXIV S. 152 und 215.
^ Agahd S. 210; 219. Mit Recht benutzt er zur Wiederherstellung auch
Augustin de civ. VII 30 qui hominum coetibus, quem focis et luininihus adlii-
berent, ad facillimos usus munus terreni ignis indulsit.
* Schon hieraus darf man mit einiger Wahrscheinlichkeit schliessen, dass
aegyptische Priester sich der stoischen Philosophie anschlössen.
80 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
die Stoiker) terrae siipcriiis hcmisphaeriimi, eiiiits partem
iueoliiniis, Vener/s appellatioiie eolnerunt, inferiiis vero
hemisphaerium terrae Proserpinam voeaveniut und 23,8
wo er 'Ecrria auf die Erde deutet. ' Zwei neue Systeme
lernen \vir hier kennen; das eine verbindet Venus und
Proserpina, das andere Venus und Vesta als obere und
untere Erde; beide sind Fortbildungen jenes von Aegypten
beeinflussten Systems, dass danach erheblich vor Varro
entstanden sein muss. *
Ich nehme, da ich einmal bei den zu Unrecht so wenig
beachteten Büchern \^arros bin, gleich die Stelle voraus,
welche mir für die Ausbildung der christlichen Logos-Lehre
geradezu entscheidende Bedeutung zu haben scheint. Au-
' In dem äusserst interessanten und wichtigen Stück des Macrobius I
17,2 — 23, 22 sind zwei Elemente zu scheiden : ein alter im wesentlichen stoischer
Kern, der erlesenste Citate aus der älteren griechischen Litteratur mit kaum
minder seltenen römischen Angaben verbindet (17, 27 aus Cornelius Epicadus, vgl.
Charisius iio, 3 K. ; 20, 3 vielleicht aus Santra vgl. Scholia Verotiensia p. 95 Keil)
und der wohl auf den auch von Verrius benutzten Stoiker Comificius, den jüngsten
erwähnten Autor, zurückgeht, und eine, übrigens ebenfalls treffliche, aegjptisirende
Ausführung, in der Plotin. Numenios, Porphyrios und Cornelius Labeo erwähnt
werden; wahrscheinlich stammt auch sie aus einer schon lateinischen Quelle.
Das ganze Stück bietet eine lehrhafte Parallele zu den gleich wieder zu
besprechenden Hermetischen Schriften. — Uebrigens hat auch das stoische
System, nach welchem Porphyrios bei Eusebios praep. ev. III 11 die griechische
Theologie darstellt, die Erde durch zwei bezw. drei Göttinnen vertreten
lassen, Hestia für die Erde insgesammt, Rhea für die ireTpibbr]^ KOi öpeioq "fHi
Demeter für die irebivri Kai "föviiiio? (/>. 109 A). Die aegyptische Scheidung ist
also in anderer Form mitberücksichtigt. Wieder anders gewendet ist die
Scheidung von Tellus und Telluino als der zeugenden und gebärenden Kraft
innerhalb des einzelnen Elements bei Varro (Agahd S. 213).
■'' Da es — zum schweren Schaden für unsere Religionsgeschichte — noch
keinerlei Ueberblick über die, 0€o\oYo6^ieva der jüngeren Stoa giebt, erwähne
ich beiläufig ein von Plutarch de Is. et Osir. 40 (/. 367 c) angeführtes System
ixWd TOÜTO \iiv öiLioia Toi(; Otto tüjv Xtiuikiüv GeoXoTOUn^voi? ^ari. koI
■füp ^Keivoi TÖ u^v YÖviuov irveöua Kai Tpöqpiuov Aiövuaov civai X^youoi,
TÖ TT\r)KTiKÖv b^ Kai biaipexiKÖv 'HpaKX^a, tö be btKTiKÖv "Auuujva,
ArjuriTpa b^ Koi Köpr)v t6 biü Tf|(; ■\?\c, Kai xiiv Kapiriüv bif|KOv, TToaeibiüva
b^ TÖ biet öaXdaöri^. Die Erklärung bietet Varro; es sind die partes aniinae
mundi. Aber nicht unwichtig ist mir, dass in ein rein griechisches System auch
hier schon der aegyptische (nicht der kyrenaeische) Gott mit aufgenommen ist.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 81
gustin berichtet de civ. dci \'llj^ : si s c v ni o ip sc di c itur
esse Mercuriiis, sicut quae de illo interpretantur osten-
dunt — neun idco Mercuriiis quasi lucdiiis ciirrcns dicititr
(ippcllatus, quod serino cur rat intcr honiines nicditis ;
idco 'EpiLifiq graece, quod serino vel interpretatio, quae ad
sermonem utique pertinct, ep)Lir|veia dicitur ; idco et mcr-
cibus praecsse, qiiia intcr vendcntcs et cnicntcs senno fit
nicdius; (das eins in capite et pedibiis significare i'oliicreni
ferri per aera serinoneui; nuntium dictum, qiioniaui per
sc r man c ni oninia cogitata eniintiantiir. *
Die Stelle ist schon darum interessant, weil wir das
letzte Vorbild dieser stoischen Erklärung bei Plato im Kratylos
407 E ff. haben: eoiKe rrepi Xö-fov eivai 6 'Epiuiiq, Kai tö epu^vea
eivai Kai tö aTT^^ov Kai tö kXottiköv te Kai tö dTraTiiXöv ev XÖYOig
Kai TÖ dYopadTiKÖv, Tiepi Xöyou büvauiv ecTTiv TrdcTa aÜTii i] TTpax-
fittTeia* ÖTtep ouv Kai ev loxc, irpöcrGev i\kr\Q\x^v, tö ei'peiv Xöyou
Xpeia ecTTi, tö be, oiov Kai "0|uiipo<; TToXXaxoü Xefei, eiuiicraTÖ cpi-jCTiv,
TOUTO be |ur|xavr|(Ta(T0ai eaTiv. eS diacpoTepuuv ouv toutuuv töv tö
XeY^iv Te Kai töv Xöyov |Lii-iad|aevov ktX. Hermogenes antwortet,
sein eigener Name sei falsch, er sei nicht eu)n)ix«voq tou Xöyou.
Die Stelle, auf welche Plato venveist (398 D), leitet den
Namen der Heroen davon ab öti croqpoi ilaav Kai piiTopeg beivoi
Ktti biaXeKTiKoi, ei'peiv iKavoi övTeq • tö Ydp ei'peiv Xefeiv eariv. . .
üjcTTe piiTÖpuuv Kai croqpKJTÜJv Y^voq Y^TveTai tö iipujiKÖv cpöXov.
1 So weit reichen mit Sicherheit Varros Worte; aber schon aus den von
Agahd angeführten Parallelstellen dürfen wir entnehmen, dass Varro die Wahl
offen Hess, diesen ser/ito nur auf die Menschen oder auch auf die Götter und
besonders Jupiter zu beziehen. Hiergegen wendet sich Augustin : Mercurius,
si sermonis etiam deorum potestatetn gcrit, ipsi quoque regi deorutn dotiiinaiur,
si secundum eins arbitrium Jupiter loquitur aut loquendi ab illo accepit facul-
tatem; quod utique absurdutn est. si autein Uli huinani tantuin sermonis potestas
tributa perhibetur e. q. s. Es ist doch echt antike Vorstellung, dass Hermes der
OTfe^Oi;, d. h. nach stoischer Etymologie 6 ciTuiv töv Xöyov, und damit der
XÖYO? des Zeus wird. An die bekannte und oft missbrauchte Stelle der Apostel-
geschichte XIV 12, nach welcher das Volk von Lystra den Barnabas Zeus, den
Paulus aber Hermes nannte, ^ireibri aÜTÖq rjv ö ri"fOÜ|a€vo^ toö Xöyou, brauche
ich nur zu erinnern. So preist der 28. Hymnos des Orpheus den Hermes als
Aiöq ÖYY^^o? und als Xöyou GvriTOiai iTpocpr|Tri<;, daneben aber auch selbst als
■fXtüaariq beivöv önXov, tö öeßdainiov äYÖpiÜTTOiöi (V. 10).
Reitzenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. O
82 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Die Parodie setzt sich dann (408) in der köstlichen Erklärung
des Pan-Xofoq als Sohnes oder Bruders des Hermes fort,
der doppelgestaltig ist, weil jeder Xöfoc, entweder wahr oder
falsch ist. Dass Plato bei diesen bittern Scherzen über die
Sophisten nicht auf eine Volksanschauung Bezug nimmt,
dass er femer nicht von einer Erfindimg der Sprache,
sondern der Redekunst und Beweiskunst spricht, * ist klar.
Aber die Stoa nahm hier wie überall Piatos Worte ernst-
haft und übertrug sie ins Dialektische. Das XeTeiv beruht
für Chrysipp auf dem eVpeiv ; nur wenn die einzelnen Rede-
theile in richtiger Ordnung und \'erbindung erscheinen,
sind sie der volle Ausdruck, die Offenbarung des Ge-
dankens (Varro de lingtta Int. VI 56 i.^ Zum Gott dieses
XoToq, zum sermo, ein Wort, das schon Varro (VI 64j von
severe ableitet, wird hier Hermes, ja es scheint, dass er
hier schon von dem Xö-fog gleich ratio losgelöst ist.
1 Dies wirkt weiter, insofern die Rede überhaupt auch den Beweis ent-
hält; so kann Plutarch de Is. et Osir. 54 p. 373 B sagen toO 'Ep|noö, TOUreari
ToO XÖTOU, |aapTupoOvTO(; Kai beiKVÜovToq. Ganz junge und aus verschiedenen
Bestandtheilen gemischte Vorstellungen giebt das auf den Kratylos bezügliche
Scholion zu Aristides (III 564 Ddf.): ZriTeixai, ttüjc Xlfei TÖv TTäva AÖTov f\
AÖTOU äbeXcpöv. Kifopa^v, ÖTi rä irävTa biä Xöfou avviorr], rä bi irävTa
iOTW ö TTdv. dbeXqpö? dpa 6 TTöv toö Xöyou, ladXXov hi 6 TTdv Aöyo;, biö
Kai'Epiaoö uioq ö Xöto? ö ^vt€Xvo? Kai Trapd 9eou bibö.uevo^ eiq iraibeuaiv.
Die Quelle hierfür wird sich uns in Hermes als Erfinder der fpammoTlKr) und
der verwandten Künste später zeigen. Strabo II 104 sollte man endlich aufhören
für den Hermes XÖYio? anzuführen. Es handelt sich dort ja um den Hermes
des Eratosthenes, der das Weltall und seine unbewohnten Zonen von oben
geschaut hat; daraus erklären sich die geographischen Fragmente.
2 Dass die ganze dort gegebene Scheidung des cogitare, loqui, agere auf
Chrysipp zurückgeht, zeigt trefflich auch Seneca de benef. I 3, 8: Chrysippus ...
qui rei agendae causa loqultur ; Chrysipp und andere Stoiker hatten die Ver-
bindung des Hermes mit den Charitinnen erklärt: quia beneficia ratio commeudat
vel oratio (die Deutung als ratio scheint erst von einem jüngeren Stoiker zu-
gefügt, vgl. Cornutus cap. 16; Seneca benutzt Chrysipp nicht direct). Anders
gewendet ist der Gedanke bei Plutarch irepi ToO dKoOciv 13: dXXd Koi töv
'Ep^ifiv Toic; Xdpiöiv oi iraXaioi aufKaßibpuöav, di<; ladXiöTa toO Xöyou xd
Kexapia^i^vov koI irpoaqpiX^t; dTraiTOÜvxoc;. (Als Gott der ratio, des ordo,
numerus und scientia erscheint Hermes bei Seneca de benef. IV 8; die Quelle ist
stoisch, aber von Aegypten beeinflusst; zu vergleichen ist Macrobius Sat. I 17 ff)-
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 83
Das ist zunächst eine rein-dialektische Construction,
herv'orgegangen aus einem etymologischen Witz. Um so be-
fremdlicher, dass ihr Varro, oder vielmehr seine griechische
Quelle, eine solche Bedeutung zuschreibt, dass er jede Be-
ziehung des Gottes auf den Stern, jede kosmische Bedeu-
tung für ihn leugnet und den Sentio an sich zu einem der
dii selecti macht. ' Die Erklärung kann ich nur gewinnen,
wenn ich annehme, dass im Orient die Rede, die Offen-
barung des Gottes eine neue Bedeutung gewonnen hatte,
und dass eigenthümliche Religionsvorstellungen es hier be-
sonders nahe legten, sie als etwas Persönliches zu fassen.
Ich erinnere jetzt daran, dass schon Maspero bei der Be-
sprechung der Schöpfung durch das Wort darauf aufmerk-
sam gemacht hat, dass dieses Wort dabei als etwas durch-
aus Materielles, Persönliches gefasst wird. Aus dem Munde
des Thot gehen seine ersten vier göttlichen Gefährten her-
vor ; er spricht sie. Aehnlich sagt in einem der Ptolemaeer-
zeit^angehörigen Texte von Edfu der König zu dem Gotte
Tauth (wohl Thot) „Tauth, du hast Schu aus deinem Munde
ausgeworfen — er ist aus deiner Mundspitze herausgekommen
— es haben ihn ausgeworfen deine Lippen"* und ähnlich
heisst es in dem von Wiedemann (Der Urquell VIII 64) her-
ausgegebenen Schöpf imgsmythos ,,die Werdungen, die her-
vorgingen aus meinem Munde''. Dass sich durch jene
stoische Theorie vom Logos-Hermes auch jener wunder-
bare Text von Dendera (oben S. 76) ohne weiteres erklärt,
hat der Leser wohl selbst empfunden. Die Frage darf auf-
geworfen werden, ob wir mit ihr auch unsern EvangeUen-
text in eine gewisse Verbindung rücken und danach prüfen
dürfen. Ich meine damit nicht, ob wir für die Beeinflussung
1 Auf ein zweites System, in welchem die Götter nur die Sterne sind,
verweist Augustin VII 15; er kennt es sicher aus Varro. Bei diesem fand er
auch eine Ablehnung der Verehrung der Zeichen des Thierkreises als Götter,
weil diese ja nicht aus einzelnen Sternen, sondern Sterngruppen bestehen. Die
aegyptische Quelle zeigt Macrobius 5(7/. I 21, 16 ff.; mit dem Haupttheil vgl.
Chairemon (unten S. 96).
2 Vgl. beispielsweise in der Aliercaiio Simonis et Theophili cap. 3:
Christus, dei fiUus, primogenitus, verbo editus, ore pro latus.
6*
84 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
durch Philo, die man meist amiimmt, eine Beeinflussung"
des Evangelisten durch stoische Quellen setzen sollten, und
gedenke zu den vorhandenen Büchern über die Logos-Lehre
in ihrer philosophischen Entwicklung kein neues zu fügen. *
Dass dabei ganz allgemein nur die philosophischen, bezw.
metaph3'sischen Systeme Berücksichtigung finden, ist es
gerade, was mir bedenklich erscheint. Nicht aus ihnen,
sondern aus dem religiösen Empfinden der Zeit wollen reli-
giöse Schriften zunächst beurtheilt sein; ihm kommen wir
am nächsten in den theologischen S^'stemen der Stoa,
die natürlich von dem rein-philosophischen Theil der Lehre
nicht unbeinflusst sind, sich aber mit ihm doch nicht rest-
los decken und ihn gerade in der jüngeren Form bieten, in
der er, wenigstens im Orient, Allgemeingut geworden und in
die Volksempfindung übergetreten ist. Nicht die Lehre vom
Logos, die Lehre vom Hermes ist es zunächst, die ich dabei
ins Auge fassen würde. Dass er so früh schon als die
Rede, als die Offenbarung Gottes gefasst wird, scheint mir
von besonderer Wichtigkeit, weil dies zweifellos die Be-
deutung des Wortes in dem Evangelium ist.
Ich beabsichtige weder einem etwaigen theologischen
Leser etwas Neues zu sagen, noch mich mit der unendlichen
Litteratur, die mir nicht einmal ganz bekannt ist, weit-
läufig auseinander zusetzen, wenn ich kurz andeute, wie
ich als Philologe rein lexicalisch das Wort des Evangeliums
deuten zu müssen glaube. Dass der oft wiederholte Ver-
such, zunächst einen bestimmten philosophischen Begriff
aus Philo oder anderen Quellen zu construiren und ihn dann
gewaltsam dem Evangelium aufzudrängen, sein Missliches
hat, scheint ja immer mehr allgemeine Ueberzeugung zu
werden. Zugegeben ist auch, dass der Logos keines S3'stemes
voll in das Evangelium passt, und wenn man bei Philo
immer noch die geringsten Discrepanzen finden will, so
beruht das zum grossen Theil doch nur darauf, dass eben
Philo gerade in diesem Punkt keinem festen System folgt.
A Die in vielen Punkten beachtenswerlhe Darstellung von Anathon Aall
Der Logos Leipz. 1896 und 1899 ^»be ich erst nachträglich kennen gelernt.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 85
Allgemein zugegeben wird endlich auch, dass der Verfasser
des Evangeliums mit dem Wort einen allen Lesern be-
kannten Begriff verbinden muss, und dass er auf den Anfang
des Schöpfungsberichtes Bezug nimmt. So hat Jannaris *
meines Erachtens Recht, wenn er die Deutimg ratio, die
sich hiermit nui^ gezwungen vereinigen lässt, von vornherein
als unwahrscheinlich betrachtet und nur Xöyo(; als das
Sprechen oder als das Gesprochene in Betracht zieht,*
Unrecht freilich, wenn er hierbei noch zwischen Aussage
und Befehl scheiden will. Beides ist bei dem Sprechen
eines Gottes unlöslich verbunden; wenn Gott durch Moses
und die Propheten redet — und darauf wird ja gleich im
Folgenden verwiesen — so ist Befehl und Aussage gar
nicht zu trennen ; beides schhesst in aller religiösen Sprache
dasselbe Wort imd derselbe Begriff in sich, beides gehört
zur Offenbarung. ^ Dass Christus die vollkommene Off en-
1 Zeitschrift für die neutestatn. Wissenschaft II S. 13 ff. Die eigene
Deutung von lannaris, der XÖYOi; des Eingangs sei eben das Schöpfungswort der
Genesis, scheint mir verfehlt und schon an den Worten Kai 6 \ÖYO<; rjv irpöc;
TÖv 6eöv zu scheitern. Sie können entweder, wie Luther richtig empfand,
bedeuten ,,bei Gott" oder sich aus den Wendungen Xe^eiv irpöq Tiva, XÖYoq
TTpö(; Tiva erklären; hiervon abgesehen, ist elvai irpöi; Tiva „in Beziehung zu
jemand stehen" ohne Zusatz sprachwidrig. Ebenso sprachwidrig oder sinnstörend
sind die anderen vorgeschlagenen Constructionen 6 XÖYOi; ouTQc; r|v iTpöq TÖv
6eöv u. s. w. Aber eine Fülle nützlichen Materials scheint mir lannaris zusammen-
getragen zu haben, das ich mit Dank benutze.
2 Denselben Gebrauch hat Hamack Zeitschr. f. Theol. und Kirche 1892
S. 207 auch für das ganze weitere Evangelium erwiesen. Wenn er freilich dabei
gerade zu der Stelle, in welcher dieser XÖYO<; zugleich als eine Art Persönlich-
keit erscheint (12, 48 6 (iOeTOüv ^|ue Kai \xi\ Xaußctvujv xci ^ri(uaTd |uou ex£i
TÖV Kpivovxa aÜTÖv ö XÖYoq, 8v ^XciX^aa, dKeivoc; Kpivei aüxov ^v xf] ^axäxr)
fm^pa) schliessen will, der Verfasser habe hier nicht vor Augen gehabt, dass
Jesus selbst der XÖYOi; Gottes sei, sonst entstünde eine seltsame Quadrirung
des Begriffes, so scheint er von dem Verfasser eine dialektische Klarheit zu
verlangen, die weder die griechisch-stoische noch die jüdische Mystik (vgl.
unten S. 108 ff.) überhaupt gehabt hat. Sollte nicht hier genau die gleiche Ver-
mischung von Begriff und Person sich wenigstens andeuten, die wir oben in
der Quelle Varros sahen und die sich uns vielleicht auch in dem Prooemium
zeigen wird?
^ Vgl. über die jüdischen Vorstellungen unten S. 109.
86 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. '
barung Gottes ist, ist ja der Grundton, wenn man so will,
die Tendenz des Evangeliums; dafür sucht der erste Theil
des Prooemiums einen dogmatischen Ausdi-uck und zugleich
ein TrjXauTeq irpöcruuTrov. Hierfür bietet sich ein in den reli-
giös interessirten Kreisen der Zeit allgemein übliches Wort
imd mit dem Wort der Begriff, die Formel und der erhaben
dunkele Klang dieser Mystik. Insofern empfinde auch ich das
Hinzimehmen eines nicht ganz homogenen Elements; nur die
Grundanschauung ist die gleiche. Dass die Einleitung zur
Orientining ,, hellenischer Leser" dient, kann ich gern an-
nehmen, wenn wir damit nur in demselben jüdisch-grie-
chischen Leserkreis bleiben wollen, an den auch alles
Weitere sich richtet. Denn darauf weist die Polemik gegen
die Johannes-Jünger und gegen die Juden überhaupt, deren
unlöslichen Zusammenhang mit diesem ersten Theil des
Prooemiums mir nach anderen Baldensperger ' zur Ueber-
zeugung gemacht hat. Nur desswegen scheint mir betont
ev dpxrj iiv 6 X6to(;, um alle die früheren Offenbanmgen nur
als hervorgeflossen aus diesem einen Logos zu bezeichnen.
Wohl hat er seinen frühern Trägern die Erlaubniss, das
Recht gegeben, sich tckvo Geou zu nennen;* aber nur in
dem Einen ist er in seiner Fülle erschienen, in dem )novo-
' £>i'r Prolog des vierten Evangeliums Freiburg 1898. Ueber Einzel-
heiten zu urtheilen, wage ich natürlich nicht.
"^ Der volle schwere Ton liegt auf dem KaXeToGai. Die Beziehungen im
Judenthum hoflfe ich später nachzuweisen.
/(Der Ausdruck erinnert in seiner Grundbedeutung „der Einzigartige"
(Baldensperger S. 33) lebhaft an die in aegyptischen Hymnen immer wieder-
kehrenden Epitheta „der einzig Eine" u. dergl. Bei den weiteren Bildern des
Prooemiums darf ich daran erinnern, dass Thot der Lichtgott, der Strahlende,
und dass er zugleich der Herr alles Lebens ist, dass der Xö^oq aber auch dem
Stoiker als das Licht, die qpoiv»'-) als qpiJüq voO ToO T^iu; KeKpu|a|a^vou (Johannes
von Euchaita V. 178; vgl. die alten stoischen Etymologieen bei Lucius Tarrhaeus
Cramer An. Ox. IV 318, 5), erscheint, und dass in den hermetischen Schriften der
cpujxeivö; Aö-fo; der uiöq Oeoü ist. Doch ist der Vergleich der Rede und des
Lichtes und andrerseits die Vorstellung, dass der öeöq und das Licht die Quelle
alles Lebens ist, viel zu weit verbreitet und zu allgemein menschlich, um aus
solchen Beobachtungen bestimmte Schlüsse zu gestatten.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 87
Diese Auffassung des Aö-foq als der Rede Gottes ist
ja auch bekanntlich die älteste, die wir nachweisen können.
Sehr characteristisch ist die Erwähnung bei Ignatius ad.
Magn. 8, 2 de, Q^öc, ecrriv 6 cpavepuucraq eauxöv biet 'hiaoö Xpiaroö
Toö uioö auToO, ö<; ecrtiv auioO Xb^^oc, änb (Jrf'K TrpoeXGujv^
und Justinus, der manchmal freilich auch den stoischen
öpeö? XÖTog mit hineinlegt, hebt die Aehnlichkeit mit der
A^erbreiteten heidnischen Vorstellung in der bekannten Stelle
hervor (Apol. 21): tlu be Kai töv Aötov, ö eaii TrpujTOV Yevvii|ua
Tou 0eou, dveu emiLiiEia? cpdaKeiv ii^äq '{eji.vvf\oQax 'Irjcroüv Xpi-
ffTÖv TÖV öibdcTKaXo V iTiLiuüv. . . . ou Ttapd Touq rrap' v^xiv Xefo-
ILievouq uioug TLU Ali Kaivöv ti qpepo)aev. TTÖcrou(g "fdp uiouq cpdaKOuai
Toü Aiög Ol irap' u)iiiv Ti|ndj)aevoi CTuTTPCKpei?, eiricTTaaGe" 'Ep)afiv
|aev XÖTOV töv epinriveuTiKÖv Kai TrdvTuuv biödcTKaXov
uiö<; be Geou 6 'liicroO^ \cfb\xevoc,, ei Kai Koivüug luövov dvGpojTrog,
bid aocpiav dHioq vlbq Geou XeYecrGai ei be Kai ibiuuc; Trapd
T)iv KOiviiv TEveaiv Y£T£vvii(T0ai auTÖv eK Geou XeTOjaev Xöyov
Geou, \hq rrpoecpi-mev, koivöv touto ecTTuu ujuiv Toiq töv 'Epfifjv
XoTov töv napd Geou d-fT^XTiKÖv XeYOucTiv. Die Parallele.
die Justin zieht, lässt die Wichtigkeit der Varro-Stelle wohl
noch mehr hervortreten."
Allein für jetzt wird es besser sein, zu jenen kleinen
Beobachtungen über die Entwicklung des Hellenismus zurück-
zukehren, von denen ich zu der Varro-Stelle abgeschweift
bin. Auch eine andere Entwicklung der Auffassung des
Hermes ist für sie nicht ohne Interesse.
Plato erwähnt bekanntlich den aegyptischen Gott
Theuth an zwei Stellen, im Phaidros 274 C und im Philebos
18 B; mit Hermes identificirt er ihn noch nicht. Im
Phaidros hat er offenbar wirklich einen aegyptischen
Mythos vor Augen, welcher den Gott Thot mit Amon
verbindet und ihm die Erfindung alles Rechnens und Messens,
' Vgl. Zahns treffliche Anmerkung. Auffallend stimmt zu den hier
besprochenen Anschauungen auch ad Rom. 8, 2 tö dHJCwbe(; axöua, dv dj 6
irarrip dXdXriaev oiXriGiiJc. Abweichend sind die Anschauungen ad Ephes. 17, 2
eeoö "fviwöiv, ö ^OTiv 'lriaoö(; Xpiaröq und 3, 2 toö TTaxpöi; \\ Yvöifar].
2 Eine Anzahl Parallelstellen bietet Cornutus Kap. 16. Vgl. die von Otto
angeführten Stellen des Clemens Romanus.
88 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
der Geometrie und Astronomie, des Würfel- und Brettspiels,
endlich auch der Ypd|U|LiaTa zuschreibt. Schwieriger ist die
Entscheidung, ob auch im Philebos wirkHch aegj^ptische
Tradition oder griechische \\'eiterbildung vorliegt. Thot,
der hier ein Gott oder ein eeiog dvBpuuTToq ist, hat die Tpd|u-
ILiata auch in dem Klang, in der Sprache gefunden und ge-
schieden ; so wird er zum Erfinder der articulirten Sprache
und weiter der Texvti TpamnaTiKri. Alle Einzelheiten sind hier
sicher griechisch; in der Hauptsache glaube ich dennoch
einen aegj^ptischen Kern annehmen zu dürfen, nicht nur,
weil Thot als der Herr der heiligen Sprache schon früher
begegnet, auch weil er hier nicht mehr als grosser Gott,
sondern als Halbgott oder als Mensch gefasst ist. Dass dies
auch in Aegypten früh geschah, scheint mir aus der früh-
zeitigen Angleichung an Orpheus zu folgen, die wir aller-
dings mehr in der Praxis als in der Theorie erkennen
können. ' Vor allem weist hierauf der oben (S. 64 A. 1) be-
sprochene Abschnitt aus Hekataios (Diodor I 15. 16), in
welchem der aeg^'ptische Hermes ebenfalls als jüngerer
Gott oder Mensch und als der grosse Erfinder erscheint,
der die Sprache articulirt habe. Es ist kaum glaublich,
dass Hekataios, der hier so viel echt Aegyptisches er-
zählt, * Plato nebenbei benutzt haben könnte. Er ist für
' Einen Anhalt für Einzelheiten bei Plato könnte vielleicht die Betonung
und Scheidung der Vokale in den aegyptischen Hymnen geben (Demetrios
irepi ^piLiriveiac; 71, vgl. Dieterich Abraxas S. 42 und 22).
A So ist er z. B. der iepoYpamuaTeOi; des Osiris und der Isis, wie er
in Aegypten der Schreiber der Thaten der ersten Götter wird. Ueberhaupt ist
Hermes in Aegypten frühzeitig mit Isis verbunden worden. Er ist ihr Vater
(Plutarch lie Is. el Osir. cap. 3, vgl. den Hymnos bei Herwerden Miu-i/iosy/te 1888
S. 339 ibq lUÖTOJv äpXHT^Tri? 'EpM»!«; ö -irp^aßu? 'laibo? iraTrip i-^üi) oder ihr
Sohn (vgl. Dieterich Jahrbb. f. Phil. Suppl. XVI S. 802 und 773). Als solcher tritt
er für Horus ein, der ja oft mit Christus identificirt wird. So entsprechen die
Unterweisungen der Isis an ihren Sohn bei Berthelot Collecüon des alchimistes
grecs, Texte 28 — 35 in gewissem Sinne den Lehren des Hermes an seinen Sohn
Tat. Die Zusammenhänge der alchymistischen Litteratur mit der Hermetischen
lohnte es zu verfolgen; wichtig ist, dass in ihr immer wieder die Ptolemaeer-
Bibliothek erwähnt wird (S. 89; 230; 232).
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 89
uns der erste, welcher die beiden Gottheiten identificirt ;
schon er hat diesen Hermes auch nach Griechenland über-
tragen; schon er ihn nach den griechischen Sagen zum
Erfinder der LjTa und der Palaistra gemacht. Die schon
vor Herodots Zeit begonnene Angleichung aegyptischer
und griechischer Lehren hat starke Fortschritte gemacht;
man lehrt: aus dem Wesen des aeg3^ptischen Thot als
epimiveug haben die Griechen sich den Namen ihres Gottes
gebildet. Die dritte Epoche in dieser Entwicklung vertritt
für uns Apollodor, wenn er in seinem nicht für Aegypten
geschriebenen imd m. E. stark von der Stoa beeinflussten
Werke -rrepi OeOuv den griechischen Hermes noch als Kind vor
seinem Aufstieg zu den Göttern vier Dinge erfinden lässt,
Tpa|Li|LiaTa Kai |uoucriK)"iv Kai TiaXaicTTpav Kai fe^^}}J^e^pia^/ [Schol.
Od. 23, 198). Es ist dieselbe Mischung griechischer und
aegyptischer Vorstellungen, die wir bei der Schilderung
des Thot bei Hekataios fanden. In dieser Zeit mag der
griechische Gott auch der scrmonis dator geworden sein
(Kaibel Epigv. gr. 816), der Vielgewandte, qtii feros ciiltiis
homimun recentuiu voce formasti catits et decorac luore
palaestrae. Schon vorher hatte Mnaseas, der Schüler des
Eratosthenes, ihn, vielleicht in euhemeristischem Sinne, als
Erfinder der YpciluMaTa aufgeführt, i
Der Einfluss des aegyptischen auf das griechische
Denken zeigt sich aber ebenso auf rationalistischem wie
auf mystischem Gebiet ; auch hier handelt es sich zunächst
um Bestätigung imd Neubelebung von Vorstellungen, die
im Hellenenthum schon früher aufgetaucht sind. V^on hier
möchte ich vor allem Euhemeros beeinflusst glauben. Nicht
nach Indien, weit eher nach Aegypten weisen die Einzel-
züge seiner Erfindung, so die Scheidung der Kasten, die
weisse, linnene Kleidung der Priester, die Verzeichnung des
iepöq XoYoq auf aTrjXai (das ergab sich für Aegypten von
selbst; die detaillirte Tradition ist freilich jung, aber schon
Lucan III 220 — 224 setzt sie voraus). Der die Erde durch-
' Vgl. Bekker An. gr. II 783, 17; Gramer An. Ox. IV 318, 20.
90 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
wandernde und überallhin Recht und menschlichere Nahi"ung
bringende Zeus erinnert an den Osiris der aegv'ptischen
Sage ; wenn bei Euhemeros die Menschen dem Zeus bringen,
was jeder erfunden hat, und er es prüft, so erscheint auch
dieser Zug früh in der aegyptischen Sage (Hekataios bei
Diodor I 15, 4 ; vgl. den AiTÜTTTioq Xöto«; im Phaidrosj. Wenn
femer die naturphilosophische Seite der aegyptischen Religion
mit dieser rationalistischen in Einklang gebracht werden sollte,
so blieb dazu nur eindergriechischen Anschauung entsprechen-
der Weg, und auch ihn hat Euhemeros betreten: Uranos ist bei
ihm ein sternenkimdiger Mann und hat zuerst die Verehrung
des Himmels und der Gestirne gelehrt; hierfür sind später die
Namen der einzelnen Herrscher eingetreten. Nun kennen wir
einen Schriftsteller, der im engsten Anschluss an die aegyp-
tische Tradition von den Götterdynastien ganz das Gleiche
gelehrt hat und der mit IManetho und Hekataios in enger Be-
rührung steht, Leon von Pella. Auch ihm ist, was er berichtet,
ein iepö? Xoto? (Augustin de civ. detail 11): alle Götter sind
Menschen gewesen. Auch er betont die Erfindungen vor
allem, und wie eine Umkehrung des platonischen Mythos
muthet uns das Geschichtchen von Osiris-Dionysos und
Amon an (H3^gin. Astron. II 20). * Die Götter aber werden
mit den griechischen Hauptgöttern identificirt ; eine Mischung
griechischer und aegyptischer Tradition bildet die älteste
Geschichte. Hier lag eine wirkliche Tradition und ein An-
halt vor; was Euhemeros bietet, i.st eine phantastische
Uebertragung ins strenger-griechische, die doch die Spuren
ihres Ursprungs nicht ganz verleugnet. Die Tendenz wird
freilich bei ihm noch schärfer hervorgetreten sein.
Die aegyptische Tradition bot für die historisch-genea-
logische Betrachtung ' der Göttersage besonderen Anhalt.
So scheinen sich auf aegyptischem Boden auch die Systeme
der ^epicTTiKoi OeoXofoi zu entwickeln, die man gewöhnlich
kurzweg als „euhemeristisch", manchmal gar in dem Sinn
' Isis-Demeter opfert ihren Eltern, wie Zeus den seinigen. Belus ist wie
bei Euhemeros mit eingereiht (Auguslin XII li); auch weitere Berührungen
finden sich, vgl. Minucius Feli.x 2i, 3.
IL Schöpfungsmythen und Logoslehre. 91
von „atheistisch", bezeichnet. Ein gewisser Zusammenhang
ist fühlbar, doch setzen ihre Verfasser im Grunde nur fort,
was schon der ionische Reisende des fünften Jahrhunderts
begonnen hatte, und Varro zeigt, dass auch die religions-
mischende Stoa sich sehr wohl mit dieser Theologie ab-
finden konnte ; bot sie doch zur Beseitigung der unbequemen
Mj'then nur einen anderen Weg als die symbolische Deu-
tung und liess für den Gläubigen die Existenz der eigentlichen
Götter unberührt.! So dient sie später der allgemeinen
synkretistischen Theologie.
Nun kennen schon die Götter-Listen, welche Cicero im
dritten Buch de natura dcorum bietet, zwei aegyp tische
Vertreter des Hermes (III 56) qtiartiis Nilo patrc, quem
Aegyptii nefas habent nominare, quintus quem colunt
Pheneatae, qtii Avgum äicitur interemissc ob eamque causam
Acgyptum profugisse atque Aegyptiis leges et litteras
tradtdisse.' In dem ersten Hermes erkennen wir leicht den
aus dem Urgewässer^ entstandenen Sonnengott und Welt-
schöpfer, den uns der bei Erman S. 360 übersetzte Hymnos
schildert, in dem zweiten die populäre Figur des Thot, an
welche sich die Hellenisiiimg besonders geheftet hatte. Das
zeigt, dass schon zeitig auch die alten Mythen von Thot
wieder ans Licht gezogen wurden und man nun mehrere
Götter in ihm zu scheiden versuchen konnte. Die aegyptische
Anschauung bot ja auch sonst dazu mancherlei Anhalt.
Ich erwähnte schon früher den der Ptolemaeerzeit ange-
hörigen Text von Edfu „Tauth, du hast Schu aus deinem
' So kortnte sich schon die ältere Stoa mit dem Euhemerismus wohl
vertragen, vgl. Persaios bei Diels Doxographi S. 544.
/^Mit dem zweiten identificirt Augustin de civ. dei XVIII 39 den Hermes
Trismegistos, den Erfinder der Philosophie, während Isis bei ihm
(XVIII 37) Erfinderin der Buchstaben ist. Das geht, da Moses hier als Erfinder
der hebräischen Buchstaben erscheint (vgl. unten S. 100 A. i), auf recht alte Zeit
zurück, wahrscheinlich bis auf Varro (vgl. XVIII 40).
3 Diodor I 12 oi T«P Aitütttioi vouiZouaiv 'QKeavöv €ivai töv irap*
auToT(; iroraiuöv NeiXov. Dieselbe, übrigens wirklich aegyptische Angleichung
des Nil und des Urgewässers liegt allen aegyptischen Genealogien dieser |U€pi-
OTlKoi zu Grunde.
92 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
]Munde ausgeworfen — er ist aus deiner Mundspitze hervor-
gegangen — es haben ihn ausgeworfen deine Lippen."
Hier wird Schu zum Sohne des Thot; an anderer Stelle ist
er mit ihm identisch. Es ist ein ähnliches Bestreben zu
differenziren, wenn in den Hermetischen Schriften neben den
lehrenden Hermes ein lernender Tat getreten ist; es zeigt
uns freilich, wie völlig der ursprünglich griechische
Hermes in die aegj'ptische Religion übernommen ist;
der altheimische Name ist ganz verdunkelt. Ganz
das Gleiche ist es, wenn neben den Hermes eine begriffliche
Uebersetzung dieses Gottes, der Logos, tritt.' Aber wir
empfinden doch, dass dies nothwendig früher geschieht, als
für Hermes die zweite philosophische Bezeichnung Noui;
eintritt und Noö(g und Aöfoq nun die Welt schaffen, wie dies
in dem Haupttext der Hermetischen Schriften in der Regel
geschieht.* Auch die Einfühning des Logos widerspricht
meiner früheren Behauptimg, dass der Schöpfungsmythos,
den wir in unserem späten Gedichte finden, im ersten Jahj--
hundert v. Chr. ebenso möglich wäre, nicht.
Ich darf jetzt noch einmal auf die früher angeführten
Stellen aus den Hermetischen Schriften zurückweisen, nicht
um zu untersuchen, was in ihnen aeg3'ptisch und was
griechisch ist — diese Frage würde sich nm* bei einzelnen
Aeusserüchkeiten beantworten lassen — sondern, tun zu
betonen, dass auch in ihnen wenigstens die wichtigen Gedanken
zeitlos, an sich ebenso im ersten Jahrhundert v. Chr. wie im
dritten n. Chr. möglich sind. Scharf hervorzuheben und als
entscheidend festzuhalten ist an diesen Schriften vor allem
• Wie früh das möglich ist, wird sich uns bei dem Einsetzen der Namen
AiKOloCTÜvr], Viveoiq und Xatura für Isis zeigen.
* Eine gewisse Parallele zu diesen Vordoppelungen und halben Aus-
gleichungen kann auch die Bemerkung der aegyptisch-stoischen Quelle des
Porphyrios bieten (Eusebios /;-ö<r/. ev. III 12, 4 = 117a) : ^v be ToT? kut' 'E\eu-
öiva (iuaTtipioii; ö la^v iepoqpdvTtit; 615 6iKÖva]Toö br|uioupYoü ^vaKeudCexai,
baboOxoq hi €(; xriv )-|Xiou- Kai 6 )a€v i-ai tlü ßujuCu ei? tt'iv (je\r|vr|v, ö hi
iepOKfipuE 'Epiaoü (vgl. Kleanthes Fr. 53 Pearson). Einen gewissen Anhalt für
die Popularisining der Vorstellimgen vom Hermes-Logos mögen auch diese
Mysterien später in der That geboten haben.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 93
ihr rein priesterlicher Charakter/ zu betonen daneben die
Fülle des Stoischen, ja dii-ekt auf Poseidonios Weisenden,
die uns überall entgegentritt. Den Hergang erklärt m. E.
eine Betrachtung des von Brandt {Wiener Studien XIII 270 ff.)
ausLactanz de opificio rf^/ reconstruirten Stückes der älteren
Hermetischen Litteratur. Auf Poseidonios als Quelle weist
hier die fast wörtliche Uebereinstimmung mit \'arro und
mehr noch die durchgehende Betonung nicht nur der Zweck-
mässigkeit, sondern auch der Schönheit, die Poseidonios an
dem Menschen, dem zweiten KÖc^^oq, ebenso wie an dem
ersten hervorgehoben haben wird, wenn sich auch nur
noch einzelne Spuren davon bei Cicero finden.- Wohl giebt
Poiniand. 44,10 — 45,12 hiervon nur einen schwachen Nach-
klang, aber er wahrt doch dabei die ursprünglichen Zu-
sammenhänge und beweist hierdurch die Continuität dieser
Litteratur, die in der zu Rom in Caesars Zeit blühenden
theologischen Litteratur ein gewisses Gegenstück hat.
Es war ein Irrthum Zellers,^ wenn er für die Herme-
tische Litteratur überhaupt einen bestimmten, noch dazu
sehr jungen Anfangspunkt suchte ; der Name bedeutet, wie
bekannt, nur die mehr oder minder offizielle priesterliche
Litteratur.* Eine griechische medicinisch-magische Littera-
tur unter diesem Titel bestand schon in der Ptolemaeerzeit
(vgl. Galen Op. XI p. 797 Kühn); für die theologische fehlen
AFür die äussere Form vgl. Dieterich Abraxas S. l6oif.
^ Vgl. in der kurzen Zusammenfassung des Minucius Felix l8, l et necessi-
tatis causa et decoris.
3 Zeller Gesch. d. griech. Philos. III 2 S. 225 ff., vgl. Kroll de oraciilis Chal-
daeis Brest. Abh. VI 68 ff. (Viel zu weit geht — wenn auch auf Grund richtigen
Empfindens — Aall Der Logos II 78, 4, wenn er ohne jeden Beweis die Abfassung
der Hermetischen Litteratur [der uns erhaltenen?] bis in das zweite vorchristliche
Jahrhundert hinaufdatiren und in ihr eine Seitenlinie desselben religionsgeschicht-
lichen Stammes sehen will, wie derjenige, aus welchem die johanneische Theologie
zum wesentlichen Theil entsprossen ist).
* Vgl. Clemens Strom. VI 35 — 38 (zwar, wie die Eintheilung der Priester
zeigt, nicht aus Chairemon, aber aus einer ähnlichen und etwa gleichzeitigen
Quelle; das Schriftenverzeichniss entspricht, wie Bnigsch Religion d. Aeg. 448 ff.
erweist, etwa dem Verzeichniss der Bibliothek eines bestimmten Tempels); vgl.
im übrigen lamblich de inyst. I i; VIII 4; VIII i und Gales Noten.
94 II. Schöpfungsmythen und Logoslehte.
nur zufällig Zeugnisse. Sie ist vorausgesetzt in der von
Hippolyt benutzten Lehrschrift der Peraten; Schriften des
Tauth (über Thierverehrung) erwähnt Philon von Byblos
(Eusebios pracp. cv. I 41b), und Plutarch de Is. et Os. 61
lässt erkennen, dass die frühzeitig versuchten Ausgleichungen
der aeg\-ptischen und griechischen Gottheiten in Hermetischen
Schriften verzeichnet und durch physikalische Deutung ge-
rechtfertigtwaren.' Man erinnert sich unwillkürlich an Varros
antiqiiitates rcrum divinariim\ solche Werke waren für das
griechisch-aegyptische Reich erheblich wichtiger als für die
römische Provinz ; es wäre seltsam, wenn sie gefehlt hätten.
Den OpuYio? Xöto<s und XaXöaiKÖq XÖToq des Demokrit wird
man noch in vorrömische Zeit rücken müssen; für die
Opuf ia TToii-icTig beruft sich damals ein hellenistischer Schwindler
auf einen uralten Thymoites (Diodor III 67); für Aeg3'pten
war der gegebene Gewährsmann Hermes; kein Zweifel, dass
es theologische Hermetische Schriften auch in der Ptole-
maeerzeit gegeben hat.
Wir haben aus dieser Zeit sogar eine Nachahmung, die
Opu-fia Tpa^MOtTa. Cicero erwähnt de deor. nat. III 42 (Hercules)
alter traditiir Nilo nattis Aegyptins, quem aiuut Phrygias
litter as conscripsisse ; er hat, was er in den Listen der
)Liepi(TTiKol GeoXÖTOi fand, offenbar selbst nicht mehr ver-
standen. Die Erklärung giebt Plutarch de Is. et Osir. Kap. 29
OL) -fäp otHiov TTpocrexeiv Toig OpufioK^ Ypamnacriv, ev oig XeTCtai
XdpoTTO(S \xiv Toö 'HpaKXeou? -ftvecreai euYaiiip 'Ictk;, AiaKoO be toö
'HpaKXeoug 6 Tucpuuv.- Es handelte sich offenbar um die Isis-
• ^v hi Tttiq 'Epuoü Xe-foudvaiq ßißXoi; iaropoOm YeTPaqpOai irepi tiüv
iepüüv övouciToiv, öti xrjv laev in\ Tfi(; toO i'iXiou irepicpopä^ xeraYu^vriv
buvamv 'ßpov, "EWnvei; b' 'AiröXXuJva KaXoöar Ti^v b' im. toO TrveüfüiaTO?
ol \xiv 'Oaipiv, ol hi Zcipamv, oi hi ZiJüeiv AiYUTrxiaTi' öriuaivei b^ KÜriöiv
f| TÖ KÜeiv. biö Kai TrapaxpoiTfiq Yevou^vr)^ xoO övö,uaxo(; 'EXXiiviaxi küujv
K^KXrjxai xö äaxpov, ÖTiep ibiov xfi<;'laiboq vo|uiZ!ouaiv. Für die Entstehungs-
zeit spricht die Erwähnung des Serapis. Die Identificirung der Isis mit dem
Hundstern begegnetanzahlreichen jüngeren Stellen, zuerst indem in ptolemaeischer
Zeit geschriebenen Hymnos auf Isis Diodor I 27.
* Mit hoher Wahrscheinlichkeit darf man auf dieselben dem Plutarch
bekannten Bücher auch das bei Eusebios praep. ev. III i, i (/^. 83c) erhaltene
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 95
Sage; der aegyptische Herakles wird, da der Tempel des
Thot-Chonsu zu Theben in der Ptolemaeerzeit als 'HpdKXeiov
bezeichnet wird' und die Schrift in diese Zeit fallen muss,
wahrscheinlich diese Nebenfigur des Hermes sein. Eine
Mischung der aegyptischen, phrygischen und griechischen
Götterwelt werden wir zunächst voraussetzen; die hero-
doteische Tradition, dass die Phr^^ger die ersten Menschen
sind, mag irgendwie eingewirkt haben. Wenn der aeg5^ptische
Gott die Abhängigkeit der Aegypter von den Phrygern
bezeugte, so hatte das denselben Zweck, den die jüdischen
Fälschungen aegyptischer Tradition hatten.'* Einen der-
artigen Zusammenhang lässt mich die Betonimg des Alters
der Phryger und zugleich der religiösen Bedeutung der
Aeg3'pter in der Lehre der Naassener (Hippolyt V 1) errathen;
gerade sie betonen zugleich die Mysterien der Isis. Es ist
mir für das Folgende, nicht ganz gleichgiltig, dass auf
ihre Lehren, ja selbst auf ihren Cult die Stoa schon früh-
zeitig entscheidenden Einfluss geübt hat. Die wichtigste Stelle
hat schon Dieterich {Abraxas S. 71) hervorgehoben, aber
vielleicht nicht genug ausgebeutet. Sie gewinnt an Bedeutung,
wenn man hinzunimmt, dass eine aegyptisch-griechische Quelle
aus dem zweiten Jahrhundert v. Chr. oder dem Beginn
des ersten in der Quelle Hippoh'ts beständig verwendet
war. Porphyrios bei Eusebios praep. ev. III 11 = />. 114 c
erwähnt aus einem älteren stoischen System tou öe Xöfou
Tujv TrdvTUJV TroniTiKoü re Kai epiuriveuTiKoO 6 'Ep^nq TTapaaiaTiKÖi;.
Fragment Plutarchs beziehen; dass er hier den officiellen Titel nicht nennt, liegt
in der Zusammenstellung: ev xoTi; 'OpcpiKoTq ^-iTe0i Koi ToT(; AiYUiTTiaKOii;
Kai OpuYioiq XÖYOiq. Sie enthielten für Plutarch Naturphilosophie unter der
Hülle von Mythen.
• Wiedemann Zweites Buch Herodots S. 200.
^ Ganz andere Wege geht der OpuYio«; XÖYoq bei Diodor III 58, 59, 67;
hier fehlt das aegyptische Element, und nicht Osiris sondern Dionysos herrscht
in Nysa. Auch die weiteren Nachrichten über phrygische Tradition (vgl. Lobeck
Aglaophamus 369, 605 ; O. Gruppe Die griech. Culte und Mythen I 508) zeigen
davon nichts. Dagegen kehren die p7-imigenii Phryges und die prisca doctrina
pollentes Aegyptii bei Apuleius Met. XI 5 wieder; letztere allein kennen den
wahren Namen und Cult der Isis, die als regina caeli und irpövoia gefeiert wird.
96 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
6 bi ivxerapiivoq 'Epimiq öiiXoi rf-jv euToviav, beiKVuai he Kai töv
CTTTepjLiaTiKÖv XÖTOV töv bi^KOvra biet TTCtvTuuv; von anderer,
aber ebenfalls stoischer Auffassung ist Artemidor Oneir.
1, 45 beeinflusst, wenn er sagt (tö aiboiov eoiKe) \6tuj . . . .
Kai Traiöeia, öti YOvi)iujTaTOV -rrdvTuuv tö aiboiöv eaTiv, uucTTTep Kai
6 XÖTO«;. 1 eibov be Kai ev KuXXiivii Ttvouevoq 'Ep)aou d'-faXua oubev
dXXo IT aiboiov bebr|,uioupTimevov Xötlu Tivi 9uaiKLD. A\'enn nun
HippoM V 1 von den Naassenern sagt KuXXriviov be bia(pe-
pövTuug TiiaujvTe? Aö-fiov qpacriv • 6 y«P 'EpMH? ^ctti AÖYoq, oc, kp\xr\-
veuq u)V Kai bii)LiioupYÖ(; tüüv y^TOVotojv b\xo\j Kai Yivojaevuiv Kai
edouevujv rrap' auTOi*; TijLitJüjaevoq ecTTiiKe toioutuj Tivi KexapaKTr)-
picTiaevoq crxrmctTi, öirep iaiiv aiboiov dvGpuÜTTOu dirö tüüv kotuu im
TU dvuu öpiaiiv exov, so können wii" fast mit Händen greifen,
wie eine gelehrte stoische Schrift, welche in üblicher Weise
die Darstellungen des Gottes mit in Betracht zog, Quelle
eines wirklichen Glaubens geworden ist. In der Dar-
stellimg des Hippolyt verräth sich die stoische Quelle noch
stark in der Benutzung Homers.* Aeltere und jüngere
Schichten liegen offenbar übereinander; aber diese ganze
religionsmischende Mystik geht weit über den Beginn unserer
Zeitrechnung hinaus.
Doch zurück zu den Hermetischen Schriften. Bestimmte
Schriften und Lehren der aegyptischen Religion setzt im
Grimde auch Chairemon voraus, wenn er versichert, in der
1 Vgl. Cornutus Kap. i6 oi b' dpxaioi xcO; uev TTpeaßuT^pou? Kai Y^vei-
lüvxa? 'Epnäq öp6ä ^iroiouv xd aiboia exovxaq, xou^ be veuux^pouc; Kai
Xeiouq irapeiu^va, uapiöxctvxec, öxi dv xoTc; irpoßeßriKÖai xaTc riXiKiai? yövilio«;
ö XÖYOC Kai xeXeiöc ^öxiv, ^v be xoi? ddjpoK; äYovo; Kai dxeXiic.
^ Auf diese Quelle weisen auch die immer wiederkehrenden Etymologieen,
besonders deutlich die des AittöXo? bei den Phrygern, der von dem dei kukXciv
Koi iroXeiv genannt ist (vgl.- Plato Kratylos 408 C D). Zahlreich sind auch die
Beziehungen auf aegyptische Anschauungen und verdienten wohl näheres Ein-
gehen. Hermes und Logos werden also hier älter sein, als der mit ihnen natürlich
identificirte Christus. Die Identification erklärt uns übrigens den schon von
Minucius Felix (9, 4) erwähnten Vorwurf gegen die Christen ain eos ferunt
ipsius antistitis ac sacerdotis colere genitalia et quasi parentis sui adorare na-
turam. Es hat solch wimderliche Logosverehrer zweifellos schon in der ersten
Hälfte des zweiten Jahrhunderts gegeben, wenn sie auch Minucius nicht kannte
und selbstverständlich nicht als Christen anerkennen konnte.
IL Schöpfungsmythen und Logoslehre. 97
Lehre der Aegypter nur die stoischen Sterngötter gefunden
zu haben, ' und desselben Glaubens scheint schon sein
Grossvater gewesen zu sein (Strabo XVII 806). In dem
vernachlässigten Heliopolis fand freilich Aelius Gallus die
Priester zu blossen iepofroioi und eEiiTlfcii herabgesunken;
nur die Häuser der grossen Griechen, die hier die wahre Weis-
heit erlernt haben sollten, wusste man noch zu zeigen. Aber
der Priester aus der Hauptstadt machte den Anspruch
Astronom und Philosoph zu sein. Man muss, um die Be-
hauptungen des Chairemon recht zu würdigen, die Schilde-
rungen des Plutarch lesen, der ja den Nachweis erbringen
will, dass sich die Lehren der aegyptischen Priester noch
besser mit der platonischen als mit der stoischen Philo-
sophie verbinden lassen {de Is. et Osir. Kap. 48); auch er
betont die ayveia der priesterlichen Philosophen (Kap. 6); auch
er scheidet zwischen der grossen Masse und den (JoqpuuTepoi
Tüuv iepeujv. Aber die Hauptsache ist doch, dass das Gewirr
der verschiedenen Erklärungen, die er vorbringt, wirklich
eine Art von qpiXodoqpia ist, mehr oder minder von griechi-
schem Denken beeinflusst. Auf eine gewisse Art der Be-
theiligung aegyptischer Priester an der griechischen Philo-
sophie weisen doch auch zwingend jene aegyptischen Einflüsse,
die ich breiter als dem Leser wohl lieb war, nachzuweisen
mich bemühte. Die Person des Philosophen nimmt in der
Kaiserzeit einen eigenthümhch priesterlich -religiösen Zug
an — ist das denkbar, wenn nicht seit langem orientalische
Priester die Philosophen spielten? Was Chairemon über
die Reinheit und Enthaltsamkeit der oberen Priesterclassen
berichtet, soll natürlich ihn selbst, den lepoTpajuiLiaTeu^, ins
rechte Licht stellen; aber es bietet doch auch auffallende
Parallelen zu dem, Avas von Apollonios von Tyana erzählt
wird. Als der jugendhche Seneca als Philosoph solche
d-fveiai auf sich zu nehmen beginnt, muss er den Verdacht,
* Genaueres über seine Lehre bietet Lucan X 194 in der Geheimlehre
des Priesters Acoreus; es ist interessant, dass er in ihrer Einführung fühlbar
auf die romanhafte Einkleidung bei Leon von Pella Bezug nimmt.
Reitzenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. 7
98 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Anhänger aegyptischer Geheimlehren zu sein, fürchten. * An
die Geschichte des Neupythagoreismus brauche ich ja nur
zu erinnern; auf Betheiligung der Priester scheint mir auch
hier die so rasch sich eindrängende jo^reiu zu weisen. Aber
die nächste und natürlichste Verbindung blieb doch die
aegyptischer und stoischer Lehren, mochten auch diese sich
gerade hierbei mit manchen aus anderen Sj^stemen ent-
nommenen Einzelheiten verbinden. Ohne die Voraussetzung
alter Zusammenhänge finde ich die Thatsache, dass schon
unter Claudius einer der höchsten aeg3'ptischen Priester
zugleich üfficieller V^ertreter der stoischen Philosophie ist
und beide Eigenschaften derartig betont wie Chairemon,
so merkwürdig, dass ich mich wundere, wie wenig sie Ver-
wunderung erregt hat. ^ Wü* sehen vor und unter Augustus
zwei namhafte Vertreter der Stoa in Alexandiien in einfluss-
reichen Stellimgen, Areios Didymos und Theon, und wenn die
Nachricht, dass Augustus ersteren zu seinem Stellvertreter
in Aegypten machen AvoUte, etwas besser verbürgt wäre,
begreifhch Aväre der Beschluss sehr wohl gewesen. Die
sacrale Erbschaft der Pharaonen und Ptolemaeer hat Augustus
sofort bei der Eroberimg übernommen, '' ihn hierin zu ver-
treten, war der Stoiker ganz besonders geeignet; die mili-
tärische und politische Verwaltung mochte unter ihm oder
neben ihm ein Beamter von Beruf übernehmen. Dass man
die aegyptische Religion nicht als einen national beschränkten
Kult, sondern als eine Art Philosophie oder stoische Religion
fassen wollte, scheint mir schon danach "wahrscheinHch,
dass der oberste aegyptische Priester, der Vertreter des
Kaisers, von Anfang an ein Römer ist. Es ist immerhin
möglich, dass ein Anhalt hierfür schon von den Ptolemaeern
gegeben war.
• Episi. XVIII 5, 22; Sueton vi/. Tib. 36; Tacitus annal. II 85. Dass er
als Stoiker über den aegyptischen Kult schreibt (wir wissen durchaus nicht,
ob in erster Jugend), verdient ebenfalls wenigstens Erw.ähnung.
* Von den haltlosen und sprachwidrigen Vermutungen Gruppes (S. 435)
darf ich wohl absehen.
» Revillout Revue egypt. II 98 ff. vgl. Wilcken Oslralca I S. 153.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 99
Etwas weiter führt vielleicht eine Betrachtung der Re-
ligionspoHtik Caesars. Hatte er in kleinen und verletzenden
Einzelheiten sich aegyptischen Vorbildern angeschlossen, so
werden wir eine Wirkung eben dieser Vorbilder bei den
grossen und wichtigen Zügen um so lieber annehmen. Gewiss
geschah es zunächst aus rein persönlicher Ueberzeug-ung,
Avenn Q. Mucius Scaevola stoische Lehre und Betrachtungs-
weise auf die römische Religion übertrug und die vereinzelte
Benutzung dieser Betrachtungsweise im praktischen Leben
mag der Interessenpolitik einzelner Kreise angehören, ' bei
Caesar düi'fen wir annehmen, dass er ein richtiges Empfinden
für die Bedürfnisse des Weltreiches und für die politische
Wichtigkeit einer Philosophie hatte, die allen Religionen
gleichmässig gerecht werden konnte, weil sie in allen nur sich
selbst wiederfand. So liess er sich als pontif ex ruaximns
dui'ch Varro ein System der römischen Religion im wesent-
lichen nach der Lehre des Poseidonios zurechtstellen. Der
wunderlich nationalistische Versuch einer Neubelebung der
dii niinuti war dabei unwesentlich genug,* wichtig die
philosophische Rechtfertigung der dii selecti. Wieweit
Varro in seinen Zugeständnissen an den Dictator ging, zeigt
die fast persönlich gefärbte Rechtfertigung der von Caesar
behaupteten götthchen Abstammung:^ solcher Glaube ist
nützlich, ut eo modo animus humanus velut divinae stirpis
fidiiciam gerens res magnas adgrediendas praesmnat
audacius, agat vehementius et ob hoc impleat ipsa sectiri-
tate felicitts.^
1 Der Process über die Steuerfreiheit des Tempelgutes des Amphiaraos,
also des Gottes, den Poseidonios (bei Strabo XVI 762) mit Moses, Orpheus
u. a. als Menschen bezeichnet, mag manches Gegenstück gehabt haben.
'^ Augustus liess sie sofort wieder fallen, vgl. Festus 154 Mutini Titini
sacellum.
•* Agahd a. a. O. 154 (vgl. die Anmerkung).
* Dass Varro im Sinne Caesars arbeitete, hatte schon Mommsen Rom.
Gesch.'' III 494 angedeutet, wenn er auch mehr den conservativen Zug als den
Geist kühner Neuerung in Varros Werk hervorhob. Danach hatte W. Studemund
kurz vor seinem Tode Reinh. Agahd als Ziel bezeichnet, die Religionspolitik
Caesars in Varros Resten nachzuweisen. Ich widersprach damals, da ich in
7*
100 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
In der That, die späteren Ptolemaeer oder ihre Minister
wären blind gewesen, wenn sie die politische Bedeutung der
Stoa gerade für ihr Land nicht erkannt hätten, und da die
Priester-Ernennung und Beförderung in ihrer Hand lag,
konnten sie wenigstens in einzelnen wichtigeren Collegien,
besonders der Hauptstadt, leicht griechisch, d. h. philoso-
phisch gebildete Männer in die einflussreichen Stellungen
bringen. Sie folgten damit nur dem allgemeinen Zuge der
Zeit und einer echt hellenistischen PoHtik.
Ich habe mich gemüht, die für ims so befremdliche
religiöse Vorstellung, dass die Rede an sich zugleich eine
göttUche Persönlichkeit ist, durch die Vereinigung stoischer
und aegyptischer Theorien zu erklären. Dass diese Vorstellung
wenigstens im zweiten Jahrhimdert n. Chr. in der helle-
nistischen Welt verbreitet war, sollte dem Philologen be-
kannt sein. Für ihr höheres .\lter zeugt aber auch Philo ; denn
die wunderlichen Inconsequenzen in seinen Aussagen über
den Logos lassen sich meines Erachtens nur erklären, wenn
religiöse Vorstellungen von diesem schon in verschiedenem
Sinne ausgebildet waren und Philo sie voraussetzen kann
und sich ihnen in verschiedener Weise anpasst. So kehre
ich denn noch einmal zu dem hellenistischenjudenthum zurück.
Wann man begann, den aegyptischen Geber der ewigen
Gesetze Thot und den Geber des jüdischen Gesetzes Moses
mit einander in Verbindung zu biingen, will ich hier nicht
erörtern. Gewiss ist, dass die relativ junge Kindheits-
geschichte Mosis im Alten Testament dem sehr entgegen
kommen musste, falls sie nicht direct A'on einem AifuTrrioq
Xöfog becinflusst ist. Dass Ai'tapanos seinen Moses voll-
ständig mit dem aegyptischen Hermes identificirt, haben wir
ihr nur eine Nachahmung ptolemaeischer Religionspolitik zu finden glaubte;
dass sich beides vereinigen lässt, habe ich erst später gesehen. — Die Rolle,
welche Varros Werk noch in der Zeit "der Kirchenväter spielt, zeigt, dass es
später wieder eine Art officieller Geltung erhalten hat; sie ist aus der dogma-
tischen Bedeutung zu erklären, welche die stoische Theologie an den verschie-
densten Stellen gewinnt.
IL Schöpfungsmythen und Logoslehre. 101
gesehen; selbst die officielle Etymologie 'Epfifjcg änb toö epiuii-
veueiv nimmt er auf. In denselben Vorstellungskreis weist
es uns, wenn Eupolemos den Moses zum Erfinder der Buch-
staben macht. ^ Man soll die Bedeutung und Verbreitung
des Moses-Romans nicht unterschätzen. Noch losephos findet
ihn gut genug bezeugt, um wenigstens die Geschichte des
Aethiopen-Krieges ihm zu entnehmen und in die Berichte
aus dem alten Testament einzusetzen. Wenn er dabei erzählt,
dass jMoses gegen die giftigen Schlangen Aethiopiens die Ibis,
das heilige Thier Thots, in Käfigen mit sich führt und dann
loslässt, so erkennen w^ir Philologen darin sofort eine ältere
Fassung, nach der das heilige Thier des Gottes das Heer
mit Nothwendigkeit begleitet rmd zu seinem Siege beiträgt.
Das weist auf einen von aegyptischem Standpunkt geschrie-
benen Mythos ganz ebenso, wie des Artapanos Bericht,
dass Moses den Kult des Apis ja die ganze aegyptische
Religion gelehrt habe.- Die Nachwirkungen dieses Romanes
sehen wir noch heut in Zeitungsannoncen; durch ihn ist
Moses der grosse Zauberer und Verkünder geheimer Weis-
heit geworden, als den ihn uns zunächst die späten Zauber-
pap3Ti schildern. Aber auch die griechische Philosophie
hat bekanntlich die Auffassung von Moses beeinflusst. Echt
stoisch muthen uns die Sätze des Aristeas an (161) vevoino-
öexritai TTpö<; dXiiöeiav Kai arnueiuucjiv 6p6oü Xotou imd (139j
cruv9eujpiT(Ta(; oöv eKacria aocpög oiv ö vo)uo9eTri<s, uttö Geoö
KaT6crKeua(J|aevo(; ei<; eTTiYvujaiv tüjv dTrdvTuuv.^ Das
' Eusebios praep. ev. IX 26 = 431 c EÜTTÖXe|noi; hi qpiim töv Muuafiv
TTpiiJTOv (joqpöv YGveaÖai Kai Ypoi|u^iaTa Ttapaboövai toTi; 'loubaioK; -irpiu-
Tov, TTapä be 'loubaiujv OoiviKai; uapaXaßciv, "EWrjvac; b^ irapa (Doivikujv,
vö|Liou^ re TtpüJTOv YP^MJCii Mujafjv toT(; 'loubaioK;. Die weitere Erklärung giebt
Augustin de civ. dei XVIII 39. Hieraus wird dann weiter die Behauptung, Mu-
saios habe die Buchstaben erfunden (Gramer Anecd. Ox. IV 318, 16).
/\ Dass losephos in diesen Abschnitten den Artapanos selbst benutzt, ist
wenig glaublich. Moses und den aegyptischen Hermes nennt als die Weisen,
die Gott am nächsten gekommen sind und ihn geschaut haben, das Orakel
bei Buresch Klaras 108; zu ihnen ist Apollonios von Tyana gefügt.
* Vgl. die Assumptio Mos. Kap. I : qui ab initio orbis terrarum praepa-
ratus suvi, ut sim arhiter testamenti illius.
102 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Gegenstück bietet Philo, der in der Biographie des Moses
ihn als den vollkommenen Weisen im Sinne Piatos, aber zu-
gleich in religiös-m3'stischen Farben schildert, xg\. I 1 Muuu-
creujq Toö Kaid laev riva? voiuioOerou tüjv 'loubaiujv, Kaid bi Tivaq
epiLiriveuuq vö)iijuv iepüuv töv ßiov dva-fpavi^ai öievoii8riv — I 28
xdxa bi, 67161 Kai vo|Lio9eTri^ eiaeXXev ecrecrGai, rroXu irpÖTepov auiöq
efiveTO vö.uoq eiivpuxc)? le xai Xo^iköc, 6eia TTpovoia,* fiTi<;
dfvooüvTa auTÖv eiq vo)uo9eTriv ex^ipoTÖvricrev au6i(; — III 39
XpövoK; b'üatepov, eTreibii iriv evOevöe diroiKiav e^ieXXev eiq
oüpavöv (JieXXeaSai Kai töv övriiöv dTroXiTTÜJV ßiov dnaöavaii-
leüQai, ueraKXriOeiq üttö toü TTaTp6<;, bc, auiöv budba övra,
auj^a Kai HJUxriv, de, |Liovdbo<g dvecTTOixeioÖTO (pvaiv, öXov bi'öXuuv
|ae6ap^oZ;ö)aevo^ ei^ voüv rjXi oeibecnaTOV. Wieder von
anderem Standpunkt bespricht Poseidonios bei Strabo (XVI
762) die Thätigkeit des Moses, an dem Philo ja besonders
hervorhebt, dass er als Gesetzgeber nur die Gebote Gottes
und zugleich als Seher die Zukunft verkündet habe, ja dass
er schon als Mensch habe eingehen dürfen in die Wolke,
die den Herrn verhüllt, und im Tode zu ihm zurückgekehrt sei.
Derartiges muss dem Poseidonios auch vorgelegen haben,
wenn er zunächst Minos, den A\öq öapicTTriq, vergleicht und
dann zu Amphiaraos, Trophonios, Orpheus, Musaios und
Zamolxis übergeht, der ja auch jetzt bei den Geten als
Gott gilt, wiewohl er Schüler des P3thagoras war; Seher
imd Gesetzgeber wurden A'on jeher von den Menschen für
Götter gehalten.* Poseidonios selbst thut es in diesem volks-
thümlichen Sinne nicht ; aber er findet als Stoiker diesen Glauben
* Vgl. II I ^Y^veTO irpQvoia 6eo0 u. dergl. Alle Ausdrücke entsprechen
der griechischen Philosophie wie den im Judenthum auch sonst entwickelten
Vorstellungen (vgl. Hamack Dogmengeschichte^ I98); aber sie passen zugleich
für den, der in ihm den philosophisch gefassten Thot-Hermes oder, wenn man
will, den Logos sieht. Ueber Hermes als Sohn der Isis-irpövoia vgl. oben
S. 88 A. 2.
* Strabo, der weniger Sinn für das Mystische hat, erweitert die Reihe
recht ungeschickt und zieht selbst die römischen haruspkes seiner Zeit mit
heran; in die alte Vorlage gehören nur die namhaften Seher und Gesetzgeber.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. lOo
für natürlich iind nützlich. ' Nicht nur aus dem orientalischen
Empfinden, sondern auch aus der hellenistischen Mystik ist
jene Weiterbildtmg zu erklären, die in dem dVfeXoq Geoö eine
Art göttliches, dem ^öjoq entsprechendes Wesen sah.'- Für
ihre Verbreitung" spricht auch der Prolog des Johannes-Evange-
liums. Denn mit Recht macht Baldensperger (a. a. O. S. 81 ff.)
auf den polemischen Charakter der unmittelbar auf die Er-
wähnung des Moses folgenden Worte des Johannes-Pro-
loges aufmerksam 9eöv oüöeiq eujpaKev iranroTe- jaovoYeviiq
uiö<; 6 ujv eiq töv köXttov toö iraTpötg, eKeivoi; k.^TiYfY\üaTO und auf
ihre schwere Wiederholung 6, 46 oux öti töv Trarepa euupaKev
Tiq, ei |ari 6 ujv uapa Geoü- ouToq eojpaKev töv iraTepa und 3, 13 Kai
oubeiq dvaßeßriKev eiq töv oüpavöv, ei |iri 6 ck toö oupavoö xaTa-
ßdq, 6 uiöq TOÖ dvGpujTTou. Mit Recht verweist er zugleich auf die
apokalyptische Litteratur, in der das griechische Element
ja z. Th. sehr stark hervortritt; die Himmelfahrten der
grossen Propheten und ihr Durchwandern der sieben Himmel
finden ihre Parallele in den Hermes-Dichtimgen und beweisen
deren Verbreitung und Wirksamkeit.
Dass ich hier, wo ich doch nur eine Kleinigkeit zu
dem längst von Anderen gesammelten Material hinzufügen
und einen Faktor in der Entwicklung hellenistischer Mystik
etwas stärker hervorheben konnte, meine persönliche Auf-
fassung der Evangelien -Stelle beigefügt habe, möge der
Leser mit der Besorgnis, in diesen Fragen missverstanden zu
werden, entschuldigen. Die weiteren Vorbereitungen der
Logos-Lehre in der jüdischen Litteratur zu verfolgen, vermag
ich nicht. Nur auf eine Einzelheit darf ich bessere Kenner
' Auf die gesteigerte Verehrung des Moses bei den Essenern und den
Therapeuten hat Dieterich Abraxas 145 und 147 aufmerksam gemacht.
2 Vgl. Harnack Doginengeschichie^ 1 98. Wenn in der dort citirten
Stelle der irpooeuxri 'lujarjqf) Jakob von sich sagt äYTtXo(; Beou ei|ai i'^w Koi
uveöiaa dpxiKÖv, so empfinde ich in dem erklärenden Zusatz das Wirken
der hellenistischen Mystik. Was mit Moses geschah, konnte natürlich auch mit
anderen Propheten geschehen und ist wahrscheinlich auch mit Johannes dem
Täufer geschehen, an den sich ja eine eigene Gemeinde angeschlossen hatte.
104 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Aielleicht aufmerksam machen, die uns zugleich zu unserm
Ausgangspunkt, dem Schöpfungsmj^hos, wieder zurückführt.
Schon lange vor der hellenistischen Zeit hatte das
Götterpaar Osiris und Isis sich über ganz Aeg3'pten ver-
breitet und die alten Götter verdrängt oder mit sich ver-
bunden ; auch für Re und Thot waren Osiris und Isis schon
als Sonne und Mond eingetreten und damit folgerichtig
auch als Schöpfer der Welt (Hekataios bei Diodor I 11 1.
Die Osiris-Sage veranlasste die schon vor Herodot voll-
zogene Vergleichung mit Dionysos; sie führte zu der An-
gleichung dieses Kultes mit den orphischen Lehren; aber
sie führte auch zu der früh-hellenistischen Uebertragung
der allgemein bekannten Sage von dem Zuge des Dionysos.
\Me dieser durchwandert Osiris die ganze Erde, die Gaben
der Kultur überallhin tragend; und wie der Osü^is dieser
Sage zieht in der Ptolemaeerzeit, ja zum Theil schon vorher, '
der aeg5'ptische Kaufmann und mit ihm der aeg^'ptische
Priester durch die ^^^elt, überallhin den Kult der beiden
Gottheiten tragend. Denn missionirend tritt wenigstens
seit der Ptolemaeerzeit dieser Kult auf und er verfügte in
seinen M3'sterien über das grosse Mittel, sich allem Einzel-
kult anzupassen, 2 und den grossen Reiz für die offen-
barungsdurstige Welt, während die Mysterien des Thot früh
A'erblasst und schwerlich über Aegypten herausgedinngen
sind. Dass Osiris es sei, der unter anderem Namen unter
verschiedenen Völkern des Orients verehrt werde, ist offen-
bar die Behauptimg, welche Ptolemaios Soter der Ueber-
nahme des Gottes Serapis zu Grunde legte, und im zweiten
Jahrhundert v. Chr. hat sich die \'^erschmelzung der phr}--
gischen und aegyptischen Tradition auf Grund der Isis-
Mj'sterien vollzogen. * Es lag dabei nahe, die Göttin Isis in
• Vgl. die bekannte Inschrift Corp. hiscr. Att. II i68.
* Vgl. besonders Corp. Ivscr. Graec. II 2295 mit den Bemerkungen.
' Vgl. oben S. 94, 95- In Pompeji finden wir, wie B. Keil mir zeigt, schon
kurz vor dem Beginn unserer Aera, eine phrygische Kultgemeinde (ein iroXl-
T€U|Lia, wie es nach Corp. Inscr. Graec. III 5361 die Juden z. B. in Berenike
haben), die nach aegyptischen Jahren rechnet, vgl. Kaibel Corp. Inscr.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 105
ein ähnliches Verhältnis zu Osiiis, dem Spender der Ge-
setze und der Kultur, zu bringen, wie Thot zu Rfi stand.
Als weise Göttin, als Zauberin, als die „klügste aller Götter"
erscheint sie schon in der aegyptischen Litteratur * ; als Erfin-
derin der Hymnen schon bei Plato {leg. II 657 Aj, als die eigent-
liche Gesetzgeberin und zugleich als Lehrerin des Getreidebaus
in der ptolemaeischen Stele bei Diodor I 27. ^ Es ist sehr
beachtenswerth, wie schon auf diesem sicher aegyptischen
Text Osiris ganz ziu-ücktritt. Nicht mehr als die Rolle des
Triptolemos bleibt ihm. So wird Isis bei Hekataios und
Andern zur Arnurinip 96{J|uocpöpoq. =* Aber wie sie auf der
Stele als Schülerin des Hermes erscheint, so kann Plu-
tarch (Kap. 3) von ihr berichten: en ttoWoi |uev 'Epinoö, ttoX-
Xoi öe TTpo|uii9ea)(;^ icriopiiKaaiv auu^v öuYaiepa" iLv töv |uev
eiepov aoqpiaq Kai Tipovoiag, 'Epmiv öe Ypa|H|LiaTiKfjq Kai |uou-
aiKfi^ eupeniv vo)LiiZ;ovTe(S.^ öiö Kai tojv ev 'Epiaoü iröXei Moucrüjv
Trjv TTpoxepav ^IcTiv ä|aa Kai AiKaiocfuvriv KaXoöm, ® 0"o(pr]v oudav,
ujCTirep eipiixai, Kai beiKvuouö'av xd Geia xoTq dXiiBüuq Kai
biKaiujc; iepaqpopoKg Kai lepoaxöXoiq T:poaaYopeuo|U£Voi(;. Sie ist
Graec. Sic. Ital. 701 Faio«; 'loüXio? 'Hqpaiariujvo^ uiöq 'HqpaicJTiuuv iepaTeüöac;
ToO iTo\iTeu|LiaTO(; tüjv OpuYuJv dveöriKe Aia OpÜYiov L kL Kaiaap[oi;] Oap-
|uo0[6i] ZeßaaTf).
* Sie erscheint, wie Thot, als Verfasserin des sacralen „Buches des
Athmens" (W. Spiegelberg Demotische Studien I S. 13).
- Kai öaa i'^yi) ^voiuioOeTricJa, oübei(; aOxd bOvaxai \Oeiv. „Deine Gesetze
sind unverbrüchlich, wie die des Thot" wird der Pharao in Aegypten an-
gesprochen.
^ Vgl. Diod. I 14 und Leon von Pella bei Clemens Strom. I 106.
* So schon Istros bei Clemens Strom. I 106. Zu verstehen aus Aischylos.
•'' Vgl. Augustin de civ. dei XVIII 40, wo sie als Erfinderin der Buch-
staben erscheint.
* Auf das wichtigste Zeugniss Corp. Inscr. Graec. II 2295 macht B. Keil
mich aufmerksam. Schon im Jahre 115/114 v. Chr. (vgl. Kirchner Gott. gel.
Anz. 1900 S. 470) stiftet ein Serapis-Priester auf Delos ein Weihgeschenk "löibi
AiKaiOGUvri. Die Doppelbezeichnung entspricht genau der des 'Ep]ufj^ AÖYO?
und belegt trefflich das Eindringen derartiger Abstractionen in das Gottes-
Empfinden der Zeit.
^ Kaibel Epigr. graec. 1028 V. 51 8aaa b' i\xbc, Yviiif^iuv vÖ0(;, ei(Jlb[e,
Xeipi KpaToOöa] ic, Tr^pa(; löuvai.
106 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
die Weisheit, die eiaig (von eiöevai), also auch die fvuJff»«;.
Wie Hermes femer der Gott alles Lebens und Werdens ist,
so tritt in anderen Fassungen, in denen die Mondgöttin wieder
stärker hervortritt, Isis als Viv^axc, neben den Mondgott
Osiris; von ihr gehen die YevvnxiKai dpxai aus/ Von hier
aus will der junge Isis-Hymnos (bei Kaibel Epigr. gr. 1028)
verstanden werden, wenn er in Isis nicht nur die Erfinderin
der Buchstaben, die Offenbarerin des iepöq Xöto?, die
eeaiaoedxi? laepoTTuuv und die Göttin der Zeugung und Geburt
schildert,- sondern ihr nun auch die Ordnung des Weltalls
in derselben Weise überträgt, wie das neugefundene Lied
dem Hermes:
EicTiq efuiJ TToXußouXoq
Ktti xööva liubaXeav
ic, KpicTiv ujpavioiai ku
dipaTTiTÖv TTXaTKT[fip
XoHoTTopou creXdTecr a Kai TTupoevrujv
deXiov TcdjXuuv dpiTopa cpaivo[T:]a kukXujv
ic, TTÖXov eiGuveaKov, ['i]v' €UKÖcr|Lioi(Ti TTopeiaK;
olHoveg iXiTfoicri uepiKTuiTeovTi bmuXuj
vuKxa biaKpivuucnv dn' iiiaaioq.
' Plutarch (•. 43 ovjtuj Ti\v 'Ooipiboc; büvauiv ^v rf) aeXrivi^ T\Qivx(.c,
xriv ''laiv auTuj -f^veöiv ouöav Guveivai X^*fouöi. biö Kai urjT^pa rriv
aeXnvrjv toO KÖauou KoXoöai... aurriv hi iraXiv €i^ xöv ä^pa upoituevriv
YevvrjTiKÜ^ hpxäc, xai KaTaaireipouaav. Ist doch Isis dem Aegypter „die Spenderin
des Lebens" (Ti-anch), ja das Leben selbst (Anchit), die Göttin des grünen Acker-
feldes (vgl. Brugsch Religion d. Aeg. 649. 653). Als solche gleicht sie sich der
kosmischen Aphrodite an (ebenda 654). Wird doch die Zeugungslust und
Zeugungskraft aller Wesen auf Inschriften mit der Mondgottheit in Verbindung
gebracht (ebenda 335).
2 übe -ffv^eXaq dpxäv dvbpi y^vuiko auvcxYa-fov eO re, aeXdvac ic,
beKÜrav ivveiba, reGoXÖTO^ apriov ^pfou q)^TTO<; ^it' äpTiyovov ßpt'.flpo«;
d-fOTOv. Natio nennt Cicero de deor. nat. III 47 eine Göttin, die hierfür sorgt.
Aber Lukrez, der ja oft genug der Etymologie folgt, meint in dem berühmten
Prooemium 1 21 quae quoniain reruiii naturavi sola guberuas mit dem Wort
natura mehr die -f^veoi^ als die qpuoiq (in altem Sinn) und baut darauf seinen
Schluss. Vgl. Athenag. 28,2 Schwartz "loiboc, »iv qpüöiv atiuvoc;, il f)? irolvTe?
?q)UOav Kai bi' f|q Tcdvxec; eiaiv, X^foucfiv, Apul. XI 5 rerum uaturae parens,
eleinentorum omnium doniinu.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 107
Doch wir gewinnen aus diesem Liede gleich noch etwas
mehr. Die Herausgeber finden zu dem Anfang der Metamor-
phosen wenig zu bemerken ; mich hatte der Vers Mctmn. I 21
haue dciis et inelior litem natura diremit oft gequält, bis ich
erkannte, dass es die Teveaiq, d. h. Isis, ist, die hier mit einem
Gott zusammen, der vielleicht schon in der Quelle Ovids
unbestimmt gelassen war, ' die biaKÖ(j|ari(ji(; vollzieht. Wenn
der Leser früher vielleicht gezweifelt hat, ob Claudian nicht
seine Schilderung, die ich als selbständig betrachtete, einfach
aus 0\A6. entlehnt hat, so genügt es jetzt wohl, auf die Worte
veterem qua lege tiimiiUiim discrevit Natura parens et
semina iustis discessere locis zu verweisen.' Wir erinnern
uns jetzt, dass in dem von Dieterich besprochenen Welt-
schöpftmgsmythos nach Hermes, dem Nouq, die fevva er-
scheint TidvTUJV KpaToöcJa (TTTOpdv, h\ r[<; xd TTdvxa eairdpiT, ^ wie
ja bei Plutarch Isis auch die Tochter des Hermes ist. Schon
1 quisquis fuit ille deoruin. Möglich ist freilich auch, dass Ovid selbst
den aegyptischen Namen nicht nennen wollte; auch natura hat er absichtlich
doppelsinnig gebraucht.
* Auch bei dem grossartigen Bilde de cons. Stil. II 424 ff. und in dem
Vergleich de quarto cons. Hon. 197 spielen Vorstellungen aus den Isis-Mysterien
eine Rolle. Besonders letztere Stelle zeigt, wie lebhaft die Identität der Natura
mit der 'IcTii; AiKaioaüvri empfunden wird. Gerade weil bei Claudian diese
aegyptische Anschauung noch stark hervortritt, darf ich vielleicht beiläufig noch
einmal auf sein (?) griechisches Epigramm auf Christus hinweisen, in welchem
dieser als das Auge des ersten Gottes und als dessen irpuJTÖöiropoc; cptuvr),
als Hüter der weisheitsvollen Schöpfungen des ewigen Feuers, kurz als der
stoisch-aegyptische Hermes gefeiert wird.
' Vgl. Dieterich S. 72ff. , der nicht ganz mit Recht nur an die orphische
Aphrodite denkt. Da die Naassener von den Isis-Mysterien beeinflusst sind,
kommt die Teved auch bei ihnen vor. Die Identificirung von Venus und Vesta,
die ich oben (S. 79) erwähnte, und die Deutung beider Gottheiten auf die Erde
hängt hiermit zusammen. Auch die Tellus oder Mater Magna ber beiden
Gedichte Precatio terrae und Precatio oinnium hcrharum (Baehrens Poet. Lat.
min. I 137 ff.) ist aegyptisch (vgl. Galen Opp. XI 792 Kühn). Tellus heisst hier
rerum naturae parens, wie Isis bei Apuleius; vieles erinnert an Lukrez, dessen
Venus ja auch zunächst eine asiatische Gottheit ist. Isis konnte in Klein-
asien mit den verschiedensten Gottheiten identificirt werden, aber auch stoisch-
mystische Vorstellungen konnten dem Publikum des Lukrez aus der Poesie der
Zeit bekannt sein.
108 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
die von Ovid benutzte poetische Bearbeitung des Schöpfungs-
m}^hos hatte neben Hermes oder Osiris Isis gestellt, neben
den Qeöq also die (joqpia 6eoü. Das kann für die Beurtheilung
der Gnosis immerhin eine gewisse Bedeutung gewinnen. Für
jetzt betone ich nur, dass hiernach Isis-croqpfa in helle-
nistischen Liedern und Berichten mit Hermes-Xo-fo?
wechseln kann und gewechselt hat.
Dass es auch in der jüdisch-hellenistischen Mystik, die
wir doch zunächst immer auf ihren Zusammenhang mit der
aegyptisch-hellenistischen untersuchen müssen, geschehen
ist, weiss wohl jeder; aber da ich nicht für theologische
Leser schreibe, wird es erlaubt sein, die bekanntesten Haupt-
stellen hier in ihrem Zusammenhange zu wiederholen.
Natürlich gilt es dabei nicht, feste Systeme zu suchen, welche
Zeller mit Recht vermisst, sondern aus Sprachgebrauch und
Auswahl der Vorstellungen auf bewusste und unbewusste
Einwirkungen Schlüsse zu machen.
Aegy'ptische Einflüsse würden, wenn die Ausführungen
am Schlüsse des vorigen Kapitels sich bewähren sollten, auch
in der Litteratur nach dem Exil nicht befremden. Dennoch
muss ich, trotz meiner persönlichen Ueberzeugung, es hier
dahingestellt sein lassen, ob das Lied der Weisheit in den
Sprüchen Salomos (Kap. 8) von hier beeinflusst ist. Den Beginn
der Personificirung sehen wir schon hier (V. 22) KÜpio? iKTiae
|ie dpx^v obüjv auToO eiq epya auroö ■ irpö tou aiiJL)V0(; eGeiaeXiujcTe |ae,
ev dpxvi TTpö Toü Tr]v -piv iroinaai Kai irpö xoö idq dßOaaou^ Koniaai,
TTpö TOÜ TTpoeXOeiv Tuq mxfäq tijüv übdtuuv. Trpö tou öpii 4öpa-
(jGfivai, TTpö be TTdvTuuv ßouvajv ^evvq. |ue. Kupio<; eTToiiicre X^J^P"?
Ktti doiKriTOuq Kai dKpa oiKOuiiieva Tr\(; utt' oupavüüv. nviKa riToi|LiaIe
TÖv oupavöv, (JuiaTTapHiaiiv auTüJ, Kai öie dcpübpile töv eauToü Bpövov
feTi' dv£|nujv, Kai 6jq icrxupd eTToiei td dvuu veqp)"), Kai wc, dcrqpaXeiq
€11061 TTr|Td(; läc, utt' oüpavöv, Kai wc, iax^pd eTToiei xd GejaeXia
TH? Tn<3. »IM'lv TTap' aÜTLU dpiaoZioucra. efdj ilMHV, vj TTpoaexaipev.
KttG' fiiaepav b't eucppaivö|ariv tv ttpoctujttlu aüroö ev Travii Kaipuj,
öre ^veuqppaiveto inv oiKouiadvriv auvieXecraq Kai eveuqppaivero
€v uioi^ dvGpujTTou. Eine Ausführung, aber fühlbar in dem
Sinne der bisher besprochenen Mystik, bietet das Lied der
n. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 109
Weisheit bei Sirach 24, 3 — 10; 23, und hier werden jene helle-
nistischen Versuche, einen Begriff für die Offenbarung zu
finden, weit stärker fühlbar: eT^Ju «ttö (JTÖ|aaToq üi^iaiou
iEr\\Qov Ktti uj(; 6|uixXn KaxeKaXuipa Tnv. e\^ ev uipriXoT^ Kaxe-
CTKrivuucra, Kai ö Gpovoq [nou ev aiuXtu vecpeh^c,. yOpov oupavou
eKUK\uj(Ta növi-) Kai ev ßdBei dßucrcruuv TTepieirdTiicra' ev
KuiaacTi eaXdcrcrri«;* Kai ev Trdai] ti] ^x] Kai ev iravTi Xauj Kai eBvei
eKTiiadiaiiv. laetd toutluv irdvTuuv dvdTrauaiv k.Zr]T\]aa Kai ev KXripo-
vo|nia Tivoq auXia0ncro|uai. löie eveteiXaTÖ |aoi 6 kti(Jti-|(; dirdviojv
Kai 6 KTicrac; )ne KaxeiTauae ti^v ctkiiv/iv |liou Kai eiirev " ev 'laKUjß
KaxacfKnvuuaov Kai ev Mcrpai^X KataKXripovoiaiiöiiTi (vgl. Zachar. 8, 3).
TTpö Toö aidjvo(; dir' dpxrj? eKTiae |Lie Kai eujq aiijuv0(; ou }jir]
eKXiTTuu xaÜTa Trdvxa ßißXoc; biaöriKiiq 9eoö uvjjicttou,
vö)uoq, ov eveieiXaro Muju(Jit<^ KXiipovo|Liiav (JuvaYuuYaiq
MaKuuß.'-
Die dritte Stufe vertritt ein Abschnitt der schönsten
aller spätjüdischen Schriften, die von einem vorzüglichen
Kenner hellenischer Poesie geschrieben ist, der sogenannten
Weisheit Salomons, Dass ihr Verfasser die stoischen ^ier
Tugenden, die platonische, bezw. eine platonisirende Ideen-
lehre u. a. kennt, ist oft betont, seltener, dass er eine aeg5^ptisch
beeinflusste Darstellung stoischer Theologie berücksichtigt.
Doch geht dies m. E. zwingend aus 13, 2, der Schilderung
der auffallend mild beurtheilten heidnischen (piXocrocpoi hervor:
dXX' Y\ TTÖp Y] TTveö)aa i^ laxivöv depa ri kukXov dcTTpuuv y] ßiaiov
uöujp 11 cpuüanipaq oupavou, rrpuidveK; k6(J|uou, 9eou(; evömaav. In
den ersten Worten erkennen wir unschwer die etwas ver-
dunkelte aeg3'p tische Theologie des Hekataios (Diod. I 11),
in den folgenden die des Chairemon und seiner Vorgänger;
nur auf sie bezieht sich natürlich die Begründung „entweder
wegen ihrer Schönheit oder wegen ihrer Macht." Hierzu
passt die Herleitung des Bilderdienstes 14, 15 dujpuj tdp trevOei
• Vgl. den Isishymnos V. 58 ^v b' [d]iTep[d]Toi<; ßevGeöiv äaxißea irXaY-
KTÜv öböv, 6UT^ |ae eu|Liö? KopGüar), kXov^cu.
2 Das neue ist im wesentlichen die Identificirung einer göttlichen Person
mit dem Wort, das Gott spricht, und dem Buch seiner Offenbarung, also gerade
der Grundzug jener aegyptisch-griechischen Mystik.
110 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Tpux6)aevoq Tiairip toö raxeoi? dqpaipeOevToq tckvou eiKÖva TTOir|(Ta<;
TÖv TÖie vtKpöv dvöpujTTOV vüv dj? öeöv iripi^ae Kai TrapebuuKe
TOic, uTTOxeipioiq lauarnpia Kai reXeTaq- eiia ev Xpovuj KpaTuv6ev
TÖ dcfeßeq e6o^ djq vö|ao<; eqpuXdxOn Kai Tupdvvuüv e7TiTa-faT<s eOpiv
(jKeueTo xd YXuTrrd. Das gehört in letzter Linie in die Reihe
der griechischen Erzählungen von der Erfindung der Malerei
oder Plastik; die religiöse Quelle zeigt Fulgentius Mythol. I 1,
der die Erfindung nach Aeg3-pten verlegt.^ Auch die
\'erehrung der Thiere war hier erklärt.'- So kann eine
starke Steigerung der hellenistischen Klänge in dem Liede
auf die Weisheit (7, 21) nicht befremden: ii Tdp TrdvTuuv xexviTn;
eöibaEe \xt aocpia. eaii ydp ev amx\ TTveö|aa voepöv, dyiov, |liovo-
■feveq, TToXuuepe<g, XerrTÖv, euKiviiiov . . . TxavTobOvaiaov,
TTaveTTicTKOTrov Kai bid TrdvTuuv xujpoOv TTveu.udTuuv voepüüv, KaBapüüv,
XeTTTOTdTuuv. -^ Tracriiq -fdp Kivi'icreuuq KiviixiKÜJxepov aocpia, öu^Kei be
Kai x^pev bid TTdvTuuv öid niv KaBapöuiTa. 6.j\i\c, ydp fe^Ti niq toü
6eo0 öuvd|aeujq Kai dTiöppoia iiicg toO TTavTOKpdTopo<g höhi\c, eiXi-
Kpivi'i^, 6id TOÖTO oübev laeiaiaia.uevov de, <imr\\ TrapeinTTiTTTei.
dTTaü-faaiaa Ydp eöTi q)uüTÖ^ dibiou . . . Kai Kaid -ftvedcg ei(g
ijjuxdq bö'mc, laeiaßaivoucja cpiXou«; öeoO Kai Trpoqpi'iTaq KatacTKeud-
Ziei ecTTi -fdp aÜTi] euTTpeTreaidpa nXiou Kai uTiep Tcdcrav
dcrtpujv 9e(Jiv opuuTi cruYKpivo|Lievri eupiaKtiai Ttporepa. toöto \xv\i
ydp biabex^Töi vüE, ao9ia(; be ouk dvricrxüei KaKia. Ich brauche
kaum hervorzuheben, wie viel philosophische Definitionen
und Formeln unter die Lobpreisungen mit aufgenommen
sind. Wichtig ist auch 9, 2 xi] aoqpia crou KaTe(JKeijaaa(; dvOpou-
TTOv . . . böq laoi Ti]v Tuüv aöjv Gpövuuv TTdpebpov cToqpiav .... Kai
ILieid (Tou f] aoqpia, »i eibuia xd ep^a aou Kai irapoOaa, öxe eTroiei<s
* Ob der Autor des Citats, Diophantos von Lakedaimon, erfunden ist
oder nicht, bleibt dabei ganz gleichgiltig. Als philosophische Theorie kennt es
auch Minucius Felix 20, 5 sacra facta statt, quae fuerant adsuttipta solacia.
Einen Stoiker, welcher die Bilderverehrung tadelt, benutzt auch Varro (Agahd
S. 164).
* Vgl. II, 16 und öfter.
' Das heisst ipuxOüv. Die vjjuxr) wird auch hier als Ursprung der KivriöK
gefasst. (Vgl. Zenon Fr. 91 Pearson oi b^ öuu|iaTa Kiveiv). Der Vergleich der
aoqpia und des Xöfoi; tritt durch einen Vergleich mit S. Ill Anm. I zu Tage.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 111
TÖv KÖCTiaov .... eEaTTÖCTTeiXov aürriv eH dYiuJV oupavüjv Kai dirö
Gpövuuv ööEiiq crou ttcilivijov auinv . . . oibe yotp eKeivri TrdvTa Kai
6ör|Tn<yti* M£ £v Tai<; irpaHecri |liou cruuqppöva)?. So ist es die loqpia,
welche Adam erhält ^ (10, 1), Noah und Lot rettet, Jakob
leitet (ujbiiYnc^tv 10, 10, vgl. V. 8 cjoqpiav Tdp Trapobeuaavteq);
sie tritt in die Seele des Moses ein,^ sie leitet das Volk
Gottes.* Neben ihr erscheint freilich auch der Logos 18, 15
6 TravTobuva|u6<g aov AoYoq dfi' oupavuuv gk Gpövuuv ßamXeiüJV
dTTOTOnoc; TToXeiuicrTnq eiq \xeoov xn^ öXeBpia«; fiXaxo VK, Hiqjoq
oSu xnv dvuTTOKpixov emxaYnv crou qpepujv, Kai oräq eirXripujae xd
irdvxa öavdxou, Kai oupavoö |Liev fiTTxexo, ßeßriKCi b'eiri jr\q. Die
Einwii-kung griechisch-orientalischer Vorstellungen auf das
wundervolle Bild zeigt am besten das Orakel bei Buresch
Klaros S. 10 upocrBpuücrKei Trebo) Aoi^iöq bucreEdXuKxog xf] ^ev
dfiTTacpüuv TTOivaTov dop xtipi • • • xpuei be irdvxi-) bdirebov evTToXeu-
laevov. Der Schriftsteller überträgt hier das Wort dTiocrxeXüj t\\v
XeTpd ^ou Kai iraxdHa) xouq AiYUTTxiouq^ in seine Vorstellungsart;
1 Dies öbriTeiv wird ursprünglich von dem XÖYOi; gesagt, dessen stoische
Etymologie ja vom im \luov cxYeiv genommen ist. Der von Dieterich heraus-
gegebene Text, der so viel aegyptisch-stoische Sacralformeln bewahrt hat, lässt
(S. 12, 14) Gott zu der vpuxn sprechen: irdvTa Kivriöeii; . . . 'Ep|LioO Ge öbii-
YoOvToi;' toOt' eiirövTOi; toO 6eoö TTdvxa eKiv/iOri Kai ditveuiuaTÜJÖri dKa-
TaöX^xuj(; (vgl. Berthelot a. a. O. 232). An den Logos als 'Ep|af|(; vjJUxaYUJYÖi;
bei den Naassenern brauche ich nur zu erinnern. Auch hierin tritt für Hermes
Isis-Zoqpia ein; sie lenkt das Schiff, wie in der Weisheit Salomons die Zoqpia
die Arche Noahs steuert (10, 4, vgl. den Isis-Hymnos V. 55 ff. und hiermit wieder
Weish. 14,3: die ao(pia hat das Schiff gebaut, ri hi öri, irdTep, biaKußepvql
irp 6 V o i a , öxi ebiuKai; Kai iv 0a\daör) öböv Kai iv Kuiaaai xpißov daqpaXfi
Ö^Xei? hi \xr\ äpYd elvai xd ty\c, Gocpia? öou äpYOi. Das heisst hier die
Schiffe).
* Er nimmt hier, wie bei den Naassenern eine eigenthümlich gesteigerte
Stellung ein (vgl. auch Berthelot a. a. O. 89; 230 — 232).
' IG, 16 eiGfiX.0€v ei^ vj;uxriv OepdTrovxoq Kupiou. Die Formel ist wichtig,
da die Goqpia ja als irveOiua definirt ist.
* IG, 17 dibriYlöev aüxGuq i\ öbiu BaujuaGxf) Kai ^Y^vexG aüxoTc;
eic; GK^irnv )\u^pai; Kai eii; qpXÖYa dGTpiuv xr]v vÜKxa' bießißaGev aüxoOi;
edXaGGav ^puGpdv Kai biriYöYev aOxGÜc; bi' übaxGi; ttgXXoü. ii, i eüdjbiuae
xä epYö aüxiijv dv x^ipi Trpo9rixou dYiGU.
'" Vgl. Aristobul bei Eusebios praep. ev. VIII ig.
112 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
wir dürfen daher auch hier 11, 18 vergleichen oü fäp iirröpei n
TravTobvjva)Liö<; crou x^ip k^i Ktiaaaa töv KÖaiaov eE dinöpqpou üXiiq;
für seine Vorstellungen ist beides dasselbe und auch die
(Tocpia tritt für die beEid Geoö ein, wie sie ja schon bei Sirach
offenbar den Xö-foq bedeutet. Die beiden mystischen Vor-
stellungen erwachsen aus der gleichen Wurzel und
gehen beständig in einander über. Wie Xöfoq und
vöpioc, vielfach einander gleichgestellt werden, so bei unserm
Autor wie bei Sirach crocpia (-fvujffKj) und vö|ioq, und wie die
(Tocpia ist der vö\xo<; selbst das unvergängliche Licht, das
Gott der Welt gegeben hat flS, 4); auf wen sie sich
niedergelassen hat, der wird vibq Geoö; an ihm hat
Gott sein Wohlgefallen (7, 28). • Man muss, wie ich noch
einmal betone, hierin nicht den Ausdruck eines bestimmten
Systems, sondern Formeln für das rehgiöse Empfinden weiter
Kreise sehen, um zu ahnen, wie sie in mannigiacher Weise
zimächst die Anschauungen unserer s3moptischen Evangelien
und in weiterer Steigerung auch die des vierten Evangeliums
und seines Prologes beeinflusst haben.
Wie diese Formeln weiter wirken, scheint mir ein
spätes liturgisches Stück unserer Sammlung zu zeigen, das
mir erst nach Abschluss des Druckes in die Hände fiel, und
das ich seiner Wichtigkeit halber gleich hier mit einzuschieben
wage, ein sehr altes Mariengebet, wenn man will, das erste
Ave Maria. Es findet sich auf einer Thonschcrbe, die Prof.
Spiegelberg im Jahre 1896 in Luxor erwarb, kam zunächst
in das Institut für Aegyptologie und von. hier neuerdings
im Austausch in den Besitz unserer Universitäts- und Landes-
bibliothek. Die Schrift, über welche die beigegebene Tafel
ein Urtheil gestattet, wage ich kaum zu datiren; meinem
Eindruck nach brauchen wir unter das VI. Jahrhundert nicht
herabzugehen. Herr Dr. Crum, den ich um sein Urtheil bat,
verglich zwei datirte Ostraka des VII. und MII. Jahrhunderts
imd fand sie dem ersteren weit ähnlicher.
* Dass auch Christus selbst frühzeitig wie mit dem Aö^oc, so mit der
Zocpla GeoO identificirt wurde, ist bekannt (vgl. z. B. lustin i/id/. cum Tryph.
6i, 62; Alter catio Sitnonis el Theophili 3, 12 u. a.).
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 113
Der rechte Rand ist erhalten und verläuft gradUnig;
links fehlt ein grösseres Stück, und da die Ergänzungen
der Zeilen 4 — 8 ziemlich gleichen Umfangs sein müssen,
werden wir für den ersten Theil gleich lange Zeilen annehmen
dürfen. Dagegen ist im Schluss, sicher von Zeile 19 an,
nur ganz wenig verloren. Der Rand der Scherbe ging hier
in scharfem Bruch von links nach rechts herunter, und nur
ein schmaler, vielleicht ursprünglich überstehender Rand ist
noch nachträglich abgesplittert. Denkt man sich den unteren
schrägen Bruch bis zu dem früheren linken Rand verlängert,
so wiü^de er etwa zwischen Zeile 12 und 15 einmünden;
von hier würde also Avahrscheinlich die Verkürzung der
Zeilen beginnen. Ich habe danach die Ergänzung gestaltet,
muss aber von Anfang an betonen, dass die Ergänzungen
der Zeilen 10 — 19 ganz unsicher sind imd dass auch bei den
vorausgehenden Zeilen manche Ungewissheit bleibt.
Das Gebet dient keinem bestimmten Zweck; jede An-
spielimg auf einen Zauber oder eine Beschwörung fehlt;
auch für eine Verwendung als Amulett ist die Form der
Scherbe kaum geeignet. Als blosse Schreibübung eines
Schülers wird man es ebenfalls nicht betrachten dürfen; es
wäre dabei zwecklos gewesen, die erzählenden Sätze des
Evangeliums wegzulassen. Denn Zeile 1 — 9 geben offenbar
Reden und Gegenreden der Verkündigung Mariae nach
einem Evangelium, Zeile 9 — 24 eine hieran schliessende
liturgische Lobpreisung Mariae. Diese Form tritt uns in
einzelnen Weihnachtspredigten späterer Zeit entgegen, so
in der Predigt des Theodotos von Ankyra in sanctam Dei-
paraiji et Syiuconcni:^ ilKuuiaev rorrapouv euaYujq eTTiTÖvuiavo v,
iiK(ju|u6V xotipovTe(;, {iveu9)"i,uoOvTe(;, öoEoXofouvieg Kai jae-faXüvov-
Te<; TÖ uirep voöv Kai Xö-fov luucrrnpiov, eHdpxovxe^ toö oupavo-
TToXiTou faßpuiX Tüjv Öeiuuv TTpo(Jcp9e-fKTr|piuuv Kai XeYOVie^" X«iP£.
KexapiTuuiLievi-i, 6 Kupioq \xf.iö.ao\). ^eG" ou öeuTepuj(Tuj)Liev x«ipe,
* Ich citire nach Gallandi Bil>l. vet. patrum (IX 460) und muss auch im
Folgenden vielfach ältere Ausgaben benutzen, da die entsprechenden Bände
Mignes mir im Augenblick unzugänglich sind.
Reitzenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. 8
114 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
TÖ eKTTÖGnTOv fiuLÜv eucppavTi'ipiov, X"iP^. TÖ eKKXiiaiaariKÖv dfaX-
XiaiLia ktX. Aehnlich sind die beiden Bestandtheile noch fühlbar
bei Pseudo-Athanasios in dem Schluss der Predigt eiq töv
eva-{fe\\0\xbw jfiq . . GeoTOKOu (IT 342 D cd. Bencd.)-. e'i Tiq
dpern Kai ei iig feTraivoq TTpocrdTetai doi irap' nuiüv Kai irddiiq ir\c,
KTicreuuq Liuvoq tri KexapiTUüuevi], xri Kupia, if) .uiiipi toü 9eo0 Kai
KißuüTiu Toö d-fidcriaaTog. ibou h\\ Kai dirö toü vöv Kai dpxn<; ''m^P«?
flic, d-rrapxriv e-fKU'iuiou upocreTTXeHaTÖ croi KaieTTUJVuiaov eTKUj)iiov 6
dpxd-fft^o? ßoüjv „xotipe, Kex«piTuj)Lievr|, ö KÜpioq laetd cToO". Es
folgen weitere Sprüche aus dem zweiten Kapitel des Lukas ;
dann werden die verschiedenen Abtheilungen der Engel
eingeführt, die entweder mit euXofimevii du ev fuvaiEiv oder
Xaipe, KexapiTuu|Lievr|, 6 KÜpiog ueid aoO beginnen und letzteres
heisst 6 eKq)avTopiKujTaTO(; Kai TrepiXiiTTTiKÜJTaToq u^ivog, der
immer wiederholt wird. • Es folgt ein kurzes eigenes Gebet
des Predigenden. Die Form, welche unser Gebet bietet,
entspricht äusserlich bis zu gewissem Grade den griechischen
H\-mnen; sie wird in den orientalischen Gemeinden früh-
zeitig üblich geworden sein. So dürfen wir unser Ostrakon
wohl als bestimmt für den kirchUchen oder privaten Ge-
brauch armer Leute etwa an dem Feste der Empfängniss
oder Geburt Christi fassen. ^ Ob in den unklaren Zügen
des Anfangs ein blosser Schnörkel oder eine Zahl (i8'
oder e'j steckt, wage ich nicht zu entscheiden. Einschnitte
in der Recitation sind durch ein kleines Kreuz über der Zeile
gekennzeichnet; auch die wagerechten Striche über den
Endsilben KXn9r|creTai (Zeile 4j und eBvuuv (Zeile 12) werden
wir, wie Prof. Keil sah, als liturgische Zeichen für den Auf-
sagenden fassen dürfen. Ich gebe zunächst eine Transscrip-
tion des Erhaltenen; bei der Lesung hat mich Herr Privat-
docent Dr. O. Piasberg freundlichst unterstützt.
' Vgl. aus späterer Zeit z. B. Johannes Damascenus Migne 96 /. 648,
650, 651, 655, 658, 659, 695.
* Minder wahrscheinlich ist für so frühe Zeit t.Hglicher Gebrauch. Immer-
hin könnte die Scherbe vielleicht einen Anhalt für die Vermuthung geben,
dass das Ave Maria aus der griechischen Kirche in das Abendland über-
tragen ist.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 115
10 xciipt KexapiT0|U6vn o kCT lueia oov e^^
Ktti GeoöuuKov Kai aitijuov eupria Toip X^tP^
Ktti KttXeaia to ovo|ua auiou lu outocj
Gncreiai^ öuucre auTuu^ kö o 6cr tov 6
5 Xeuei eiw^ tov oikov laKuuß eicr tov
ouK e(JTe TeXocT* TTOÖev |ue touto T£
eu|ua ayiov eTreXeuffeTai em (Tu Kai
bio Ktti TO Y6vvo|uevov ayio
Xr) KU YeveTO |ae KaTa to pii.u
10 XaXri(Te (Te Kai euaYTC^icrBai ck^
GncTeTai TTacrai ai iraTpiai thct
eGvuuv |ueTa tou apxa'rfe^
TTpocFKuvii •' crojuev auTou tt^
luevi"! tou KU xc'ipe Trapeö^
15 XC"Pt öeoöuuKri r\ a\Ji\xa
u TtepicTTepa x] ayaTuucr
avoucy xai irapGevoioi
Xaipe GeoöuuKri eeo
ev oupavoiö" x«ipe vu
20 cpiicr XüApe ,uapia
napGevoioi ßißX
Ol ßißXog oibi.
qpujTocT x«
Xaip
Ich füge, ehe ich zur Ergänzung schreite, den Text
der Verkündigungsgeschichte bei Lukas 1,26 bei: ev bk tlu
ILirivi TO) e'KTLu dTTecTTaXi-i 6 d'-fTe^oq raßpu^X üttö tou Geoü dq ttöXiv
' T ist nicht sicher, p oder i, ja vielleicht auch v denkbar, u aus-
geschlossen.
^ Für p ist auch i oder v denkbar.
^ nach T ein senkrechter Strich aUT|uü.
* i aus 0 corrigirt.
* K oder i oder ir.
* Y] aus tu corrigirt.
^ TT sehr wahrscheinlich.
" Für e wäre 6 denkbar, doch weist der Rest des folgenden Buchstabens
auf b und e scheint an letzter Stelle ausgeschlossen.
S*
116 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Tiig PaXiXaiag, rj övo,ua NaZiapei, 27 Trpöq TiapGevov e|aviTcrTeu,uevi]v
dvbpi, üj övo)aa 'luuancp, ii oi'Kou Aaueiö, Kai tö övo)aa t)i<; TiapGevou
Mapid)i. 28 Kai eicreXGujv npbc, auiriv 6 äffe\o<; emev xaipe, KexapiTou-
|uevr|' 6 KÜpiog laeid üov. 29 fi 6e im tüj Xöylu bieiapdxOii Kai bieXoYi-
ZiCTO, TTOTaTTÖq ei'n 6 dcrTTa(T|Liög outo(;. 30 Kai eiTrev 6 d-ffeXoq auTr)*
)ari qpoßoü, Mapid)H" eupe<; Tdp xdpiVTiapd tuj GeüJ.Sl Kai iöou auXXi'm-
vpr) ev YctcJTpi, Kai regi] uiöv, Kai KaXecreig tö övo)Lia aÜTOu 'hiaoöv.
32 ouTO^ ecrrai |ue"f«? Kai uicx; uijjicTTOu KXnSi'icreTai, Kai bübcrei auio»
Kupioq 6 0eöq TÖv Opövov Aaueib toO TTaipög auTOÜ. 33 Kai ßaai-
Xeucrei erri töv oikov 'laKiuß eiq Touq aiuuva«;, Kai Tf\q ßacTiXeia^ au-
ToO oÜK edrai leXog. 34 eirrev be Mapid)a TTpöq töv dVfeXov ttok;
ecTTai ()Lioi einzelne Zeugen) toüto, errei dvbpa ou yivujcjkuu; 35 Kai
dTTOKpiBeig 6 ä^-^e\oq eiTiev auTf)' irveOiaa äyiov e-rreXtucreTai em üi,
Kai bOvam? uipicTTOu emcTKidcrei cror biö Kai tö Y€vvuj)Lievov dTiov kXti-
9r|creTai, vlbc, 0eoO. 36 Kai ibou 'EXicrdßeT f] auxT^vig crou Kai auTi]
(juveiXii9ma uiöv ev Ti'ipti ctuTiiq, Kai outoi; ju^v eKTO(; ecrnv auTi) tv)
KaXou)Lievr) (TTeipa, 37 öti ouk dbuvaTr|(Jei Trapd toO Geoü Tidv pt]|ua.
38 eiTTev be Mapid|Lf ibou f-j bouXri Kupiou' jevono )aoi KaTd tö pti|ud
(Tou. Kai dmiXöev dir' auTi]<; 6 ä^feXoq.
Die Ergänzung hat, wie erw^ähnt von Zeile 4 — 8 aus-
zugehen; hier steht wohl sicher: bojcre auTuj KÜpioq ö Qebc, töv
e[pövov Aaueib toö iraTpö^ Kai ßaai]Xeuei em töv oikov MaKuuß
eiq TÖV [aiüüva Kai Tv\q ßaaiXeia^ auToO] ouk eö'Tai TeXoq. nöSev
jae TOÜTO '[e[vy\0€Ta\, eirei dvbpa ou yivojctkuu; TTv]eu,ua d'-fiov ene-
Xeuaerai em cru Kai [bOvauic; uqjiaTou ' emaKidaei croi], biö Kai tö
Yevv6|uievov dYio[v KXiiBi'icTeTai, uiöq Gu. ibou r\ boujXi] Kupiou
YeveTo |Lie KaTd tö pii|a[d aou]. In der folgenden Betrachtung
scheint zunächst die Ergänzung [(Tuu]0iTaeTai ndom ai -rraTpiai
Tf\q [Moubaiac; Kai TidvTa Td y^vii tüüv] eGvuuv im Allgemeinen
sicher; es ist der Inhalt der frohen Botschaft; zu eüaY^feXiaGai
(euaYY6^iö"acrGai?) wird man etwa eKeXeuaev ergänzen müssend
' Nur an Ovp(öTOU könnte man zweifeln ; es ist, wie Hamack (Sitzungsberichte
d. Berliner Akad. 1900 S. 550) erwiesen hat, Lieblingsausdruck des Lukas; möglich
wäre dem Zeilenumfang nach auch toö 6u {= 6eoö). Die Entscheidung lässt
sich erst später treffen.
' Dass in älteren Erzählungen der Verkündigung das Wort eürjYY^XicraTO
vorkam, hat Resch Kindheitsevangelium (Texte und Untersuchungen X 5, 78)
sehr wahrscheinlich gemacht.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 117
Danach wird die Ergänzung von Zeile 3 zu beurtheilen sein.
Die durch Lvikas gebotenen Worte outo«; [ecriai nifaq Kai uiöq
uipiaiou KXi-i]6ri(TeTai würden dem Raum entsprechen und
Niemand kann widerlegt werden, wenn er sie hier einsetzt.
Nur die ^Möglichkeit einer anderen Ergänzung darf man
zunächst betonen. Das fast sichere Wort cruuGricreTai in der
Inhaltsangabe der Botschaft erinnert daran, dass Justin
{Apol. I 33) und das Protevangelium des Jacobus auch in
der Verkündigung an Maria, wie in deren Gegenbild, der
Verkündigiing an Joseph, eine Begründung des Jesus-Namens
gelesen haben: ouroq fap crOucrei töv Xaöv auioO dTiö tüjv äiuap-
TIÜUV auTujv.
In dieser Form nun lässt sich das an unserer Stelle
nicht einfügen, soAvohl des Umfangs als der folgenden Er-
läuterung halber; aber eine abgeleitete Form wie omoc,
[(Jujaei Tou(g Xaouq Kai uiö<; 9u KXiijencreTai wäre an sich nicht
unmöglich, wenn nicht das Lukas-Evangelium, sondern ein
anderes dem Gebet zu Grunde läge. Wir müssen diese Möglich-
keit näher ins Auge fassen.
Zeile 1 und 2 enthalten einen im Lukas-Evangeliimi
fehlenden Zusatz, etwa eY[XeXeT)Lievri cru dj<s dTT^iov * djniaviov]
Kai OeobtÜKOv Kai d"lTl^ov. Dass er erst in der liturgischen
Bearbeitung hinzugekommen ist, darf man zwar nicht als un-
möghch, immerhin aber als minder wahrscheinlich bezeichnen.
Stammt er aus dem benutzten Evangelium, so ist er zweifel-
los zu einer älteren Vorlage hinzugefügt und das Evangelium
in jüngerer Zeit verfasst oder überarbeitet.
In der folgenden Zeile eupiT«; t«P XC'P[iv Trapd tuj 6uu Kai ibou
tcEt] uiöv], Kai KaXecTit^ müssen des Raumes halber nothwendig
die Worte Kai auXXrmnjj;] ev -^aöi^'x gefehlt haben. Ein Grund,
wesshalb der \^erfasser des liturgischen Stückes sie hätte
unterdrücken sollen, ist nicht erfindbar; so ist wahr-
scheinlich, dass sie in dem Evangelium ebenfalls fehlten.
' Auf ÖYT^ lov oder OKeCoc; weisen die folgenden Adjective, vgl. für das
bekannte Bild z. B. Athanasios (?; ei; diroYpaqpnv Tf|(; äyiaq Mapiaq (Tom II 349 C
ed. Bened.). tö toö vni;i(JTOU Geoxüjpnfov OKeüoi;.
llfe II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Weiter fragt Maria nicht wie bei Lukas ttok; larai toOto,
sondern TTÖGev )lioi toüto Teviiaexai. Endlich fehlen Lukas V. 36
und 37 vollständig. Nun wäre es an und für sich gewiss
denkbar, dass der Verfasser des liturgischen Stückes sie
fortliess, weil sie nur der Verknüpfung dieser Scene mit der
folgenden Erzählung dienen und sich für ein Gebet ihrem
Ton nach nicht eignen. Ich habe dies zunächst geglaubt,
und erst eine Prüfung der Zusammenhänge des ganzen
Stückes hat mich zu der Ueberzeugimg gebracht, dass die
letztgenannten drei \"arianten unter einander in enger \''er-
bindung stehen, und dass wir es hier mit einem neuen
EvangeHenbruchstück zu thun haben. Der Text unseres
Ostrakons ist klar und verständlich. Die Worte KexapiTuuiaevn,
eupeq x«piv Ttapot tüj Getu und TeEi,i uiöv muss ^Llria — zumal
nach antiker Sprache und \^orstellungsart — so verstehen,
als trage sie das Kind schon in sich. Die Antwort ttöÖev
|uioi TOÜTO ^ Tevriaerai, e-rrel dvöpa ou yivojctkuu verliert ihren
vollen Sinn, wenn wir vorher Kai iöoü ffuXXiTinqji] ev facTTpi
einschieben und den Engel von einer imbestimmten Zukunft
reden lassen. Man braucht ja nur die modernen Commentare
durchzulesen, um aus den erquälten und zum Theil sprach-
widrigen Interpretationsversuchen die Unmöglichkeit dieser
Verbindung zu erkennen. Auf die Frage iröGev, errei oEvöpa
ou "fivöjaKUj antwortet der Engel richtig rrveOiLia ötiov Kai
buva)Liiq Toü Geou, und an diese stark betonten Worte schliesst
wieder richtig öiö Kai xö Yevvuj|uievov äyiov KXiiGiicreTai, uiöq Geoö -.
Der Engel nimmt dabei auf seine früheren A\^orte Kai
uiöq Geou KXi-iGiicreiai Bezug. Er hat, gerade weil Maria
an etwas schon Geschehenes denkt, zu betonen, dass das
Wunder erst bevorsteht; erst muss ja Maria einwilUgen.
' Auf TitT] uiöv bezüglich.
'■* In einzelnen Commentaren lesen wir freilich, dass YEvvduiaevov ÜYiov
zu verbinden sei, sonst fehle vor uiö? 6eoü ein Kai. Ist das Vorkommen des
Asyndeton in feierlicher Sprache wirklich so unmöglich? Der doppelten Ansage
Trv€Ö|ia äfiov und büvaiiK; toö 6eou entspricht die doppelte Bezeichnung.
Dass wir Lukas V. 35 nicht irgend einer dogmengeschichtlichen Construction
zu Liebe athetiren dürfen, sondern dass auf ihn das ganze Gespräch hinzielt und
er den Kern der Geschichte enthält, dünkt mir schon hiemach klar.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 119
Sie thut es, und damit vollzieht sich für den Erzähler offen-
bar das Wunder. Jedes Wort schliesst hier eng an das andere ;
keines können wir entbehren, keines umgestalten.
Betrachten wir nun den Bericht des Lukas. Nur die
Formulü'ung der Frage TTÜjq eaxai toöto ermöglicht ihm den
Verweis auf Elisabets späte Schwangerschaft und den Satz
ouK dbuvaTiicTei irapöt toö 6eoö irdv pfjina K Er enthält die eine
Antwort, aber sie schleppt ungeschickt nach und ist von
der Frage durch eine zweite, an und für sich voll genügende
Antwort geschieden, und wenn man beide Antworten in
einen inneren Zusammenhang brmgen will, so fällt der Satz
öiö Kai TÖ Yevvuj|Lievov ä^xov KXiiGricreTai, uiöq Geou störend da-
zwischen. Ich selbst glaube auch in dem Ton der Verse 36
und 37 einen starken Abfall gegen die knappe und erhabene
Sprache der Haupterzählung zu finden; aber entscheidend
muss für den Philologen sein, dass die Fassung TTÖGev |uoi toüto
Yevncrexai allem Anschein nach die echte ist und sich doch
wegen des öxi ouk dbuvaTi'icrei bei Lukas nicht einsetzen lässt.
Herr Vicar Jacoby hat in seiner Ausgabe eines neuen
Fragmentes eines koptischen Evangeliums - auf verschiedene
Stellen in gnostischen Schriften aufmerksam gemacht, in
denen Gabriel als der axTe^oq und Xöjoq (bezw. die öuva|ui(;)
6eou mit Christus gleichgesetzt wird; indem er zu Maria
spricht und ihr das göttliche Wort kündet, wird der XÖYocg
in ihr, vollzieht sich das W^under der Empfängniss. Es ist
schade, dass Herr Jacoby diese Vorstellung nicht weiter in
kirchliche Kreise verfolgt hat; ich werde es natürlich nur
in ungenügendem Maasse thun können.
Schon Justin identificirt bekanntlich Apol. I 33 und
Didl. c. Tryph. 105 Ttveöiaa und buva|Lii^, die über Maria kommen
sollen, mit dem Xöro<g-^ der doch zugleich durch sie in ihr
' Eben darum ist |lioi ungeschickter Zusatz aus einer anderen Fassung.
2 Eift neues Evangelien frai^nient Strassburg, 1900. S. 37 ff.
■' Auch Christus, bezw. der Aö"fo^, ist ihm ja iTveü|na. Eine reiche Fülle
weiterer Stellen giebt Resch Kindheitsevangelitiin ( Texte und Untersuchungen X 5)
S. 93 ff. und S. 83 ff. Seine Schlüsse muss ich freilicli ablehnen. Lieber die Art
der Logos-Vorstellung und die „Quadrirung des Begriffes" brauche ich wohl
nicht mehr eingehender zu handeln. ,
120 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
gezeugt wird. Hiermit muss man verschiedene Stellen
jüngerer Kirchenväter, nach denen Christus, bezw. der Aö-fo«;,
sich selbst ankündigt oder für die menschliche Geburt sein
eigener Erzeuger ist, verbinden. In engem Zusammenhang
steht femer die altkirchliche Vorstellung, die Empfängniss
habe sich durch das Ohr vollzogen. * Zu Grunde liegt eine
weitverbreitete und alte Auffassung, nach der die sogenannte
Verkündigung vielmehr die Erzählung des Zeugungswtmders
ist. Das sagt geradezu Origenes:- aiidco quid loqni, quia
et in CO, quod scriptum est „Spiritus dei veniet super tc et
virtus altissimi ohumbrahit te" , principiuni scminis et con-
ceptns fucrit. In der späteren Zeit scheint die Behaupttmg
bei den Worten xaipe KexapiTuu|ievii habe sich die Empfängniss
vollzogen sogar häufiger; die x«pi? wird dabei auf diese
Begnadigung gedeutet. Gegen solche Auffassungen wendet
sich Pseudo-Athanasios tic, töv eua^ffeXicJiaöv tiiq uTrepa-fiaq
GeoTÖKOu (n 338 A cd. Bcned.)^ ohne doch ganz von dieser
Auffassung der Verkündigung loszukommen: iicr-rrdZieTo lauiriv
Xe-fuuv • x«ip£> KexapiTua|uevii • 6 Kupioq laerd aoO. — KaviauBa naXiv
Geiupoü.uev, öxi \\ ]xiv qpuuvii toO drfeXou Kard Trpoqpopdv irveuiaaTog
j dTrrixncreujg auioö biep|Liriveuo|aevr|, oük aürn ht rjv ri xoö uioö
uTTÖaracTig ouöe aurfi -fefove crdpE. dXXd küt' auinv ti^v 9uuviiv erepa
oöcra Kaid ir\v uTTocnaaiv ibiÖTii«; toü Xöyou xai GeoO djuia eTreqpoitii-
(Tev ev Ti] KOiXia ti'ic; TiapGevou. Kai ßXacTcpriiaoöaiv oi XeTOVteq, öti
aOiri ri qpuüvri toü dpxaTfc^ou y\v \-\ uTTÖcriaaiq toü Geou Xö-fou,
h\'o Kai eai'iueiuuö'diaeGa töv töttov, dvaßaXXö|aevoi Tf\c, ßXaacpniaiaq
Ti'iv KaTdKpKJiv. eTcpa toivuv jrapd t^v cpiuvriv toö dpxa-^rfeXou
oucTa f] ÜTTOCTTaaiq toü Xöyou Kai uiou toO GeoO djaa, ujq TTpobiav-
oixGeimiq T\\c, dKonq jx\ci TtapGevou bid tii^ dpxaTfcXiKfic; qpuuvfic;,
eicrfiXGev eiq aürftv x\ Geia roü uioü uTT6(JTaai<;, (.mc, auTi] utv r\
irapGevoq oük oibev, oibe be 6 eiaeXGuüv, öttuu? eiafiXGe. biö Kai oi^ \xi'\
eibuia Tou uucfTiipiou Triv eKßaaiv bieTapdxGii em tüü Xö-fuJ toü dfre-
Xou ktX. Das iboü betont nach ihm den gegenwärtigen Moment.
' Vgl. Hofmann Leben Jesu nach d. Apokryphen S. 77 (daraus Resch
a. a. O. 85); Lehner MarienvereRrung^ 206; Liell Darstellungen der Jungfrau
Maria 35.
» Ilomil. in Luc. XIV Migne III /. 18S7.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 121
Aus dieser Stelle wird sich uns am leichtesten die
Erzählung- des Sibyllenorakels (VlII 457 Rzach) erklären.
Voraus geht ein Bericht über die Weltschöpfung durch den
göttlichen Aoxoq ; ihm entspricht :
ucTTaiioig öe xpo^o^'ä XÖoV dfieivjjaTO Kai ßpaxu«; eXGujv
TiapBevou ck Mapin? XaYovuuv dvexeiXe veov cpuug,
oupavoGev öe luoXdjv ßpoieiiv eveöiKTaro jiiopqpiiv.
[TTpuuTa )Liev ouv FaßpiriX crBevapöv be^ag dyvöv eöeixOii 460
öeuTcpa] Kai Koupiiv amä-j-jeXoq eweTie qpuuvii.^
„öeSai ev dxpdvTOicri Geöv üo\q, rrapGeve, koXttok;."
&(; eiTTiuv ejUTTveuae Qe.bq^ x«Piv jn^oti^i Koup^ic;'',
Tiiv ö' dpa idpßo«; ö)uoö 6d)aßo<; 9' eXev eicraioucrav,
(Ttn b' dp' uTTOTpo|ueou(Ta"* vooq öe oi eTTToinio 465
TTaXXo)Lievj] Kpabinv ütt' dvaiiaroicriv dKOuai(;.
auTiq ö' eucppdvGn Kai idv6r| Keap aubi],
Koupibiov ö' ereXaacrev, eiiv ö' epuöiive Trapeinv
xdpiuaTi T6pTT0|uevn Kai GtXyoiuevii cppevag aiboi,
Kai oi Gdpaog eTTiiXGev.^ erroc;'^ b' eiaeTTTaio vribuv, 470
* qpujvf) die Herausgeber; vgl. Protevang. lac. c. 11 p.2\ ed. Tischendorf
Kai iboO qpaivr) Xe^ouffa" x^iP^ KexapiT(jU|U^vr) ktX. Nur zu dem Nominativ
passt aÖTdYTeXoi; gut.
2 Oeöc bieten alle Handschriften; es ist die auxdYT^^oi; qpujvi'i. Die Heraus-
geber corrigiren den Dichter und den altkirchlichen Glauben durch ihr 6€0U.
SjUTTveuae haben die besseren Handschriften (4>), ^-rrdveuae V. Schon der Ver-
gleich mit der Belebung Adams muss für ^|uiTveua6 sprechen; der Erzähler fasst
Xaipe KexapVTUJjii^vri als das schöpferische Wort.
^ ribaiei Koupr) die Handschriften. Die Conjectur Ludwichs r^ix KOÜpi]
genügt den Buchstaben und verdirbt den Stil; an eine Umschreibung wie eibei
KOÜpric; denkt Br. Keil.
■* Es ist dieselbe Auffassung der Worte y\ be ^ttI tuj Xöylu bieTapdxßii
wie bei Pseudo-Athanasios, nur sinnlich ausgeführt.
5 Vgl. lustin Dial. c. Tryph. c. loo TTiffTiv be Kai xapdv XaßoOaa Mapia y\
irapö^vo^, eüa-fTe^i^oin^vou auxi] Faßpi^X dyT^^ou; Protevang. lacobl 12 xapdv
be Xaßoöau Mapid|U diriei irpöc; 'EXiadßer. Aus der Uebereinstimmung beider hat
Resch a. a. O. 103 geschlossen, ein älteres Evangelium habe diese Worte am
Schluss der Verkündigung (vor oder nach y^voitö |uoi Kard TÖ \>x\\x6. öou)
gehabt.
'^ Nach dem Sinn des Dichters wohl das Zeugungswort XC*iP^ Kexapi-
TiuiLidvri, der Xö'foi;.
122 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
(japKuuÖev öe XPOVUJ Kai facTTepi ZliuoToviiOev
e7T\d(T0ii ßpoteiiv ibir]v Kai KoOpo<; exuxen
TTapGeviKOiq TOKeroT?.^
Dass hier das Wunder der Empfängniss in genauester
Anlchnimg an die \^erkündigungsgeschichte geschildert ist,
hoffe ich durch die Parallelstellen in den Anmerkungen
gezeigt zu haben. Daher kann man in \^. 460, 461 m. E.
nicht eine ursprüngliche zeithche Scheidung der Erscheinung
des verkündigenden Gabriel und der das Wunder bewir-
kenden cpiuvii suchen. ^Möglich wäre, dass der Dichter wie
der Verfasser der Pistis Sophia- den Logos in der Gestalt
Gabriels durch die Himmel niedersteigen und A'on oben
als (puuvri zu Maria sprechen liess. Aber die matten und
ungeschickten Worte lassen mich eher an eine Interpolation
späterer Zeit glauben, deren Verfasser ebenso wie Pseudo-
Athanasios zwei Vorgänge scheiden wollte — entgegen dem
Geist und Zweck der ursprünglichen Erzählung.
Sehen wir diese an, so befremdet zunächst das ^^'ort
beSai ev axpavioim 9eöv croTq, TrapOeve, köKttok^. Es erinnert
mich lebhaft an das leider ja nicht mit Sicherheit herzu-
stellende Wort unseres Ostrakons eK[XeXeTMevi-i au ibq arfeiov
d|iiavTovJ Kai 0eobÖKOv Kai äeiTiiaov. Es wäre denkbar, dass
dasselbe Evangelium benutzt ist; wir können es viel-
leicht noch an anderer Stelle wiederfinden.
Mit der nur aus gnostischen Schriften kurz characteri-
sirten Auffassung von der Verkündigungsgeschichte hatte
Herr Jacoby ein von mir in Gizeh gefundenes, im vierten
oder fünften Jahrhundert niedergeschriebenes Gebet in Zu-
sammenhang gebracht, in welchem es von Christus heisst:
6 eXGüjv biä tou FaßpuiX ev ty] TüCTTpi tnq Mapia^ rnq -rrapGevou,
6 -ftwiiBeii; ev BiiOXeeia Kai rpacpeiq ev Nalapei ö araupuLiSeiq. . .
biü Tu KaiaireTaaiaa toO iepoG eppupi bi' auTov,
ö dvaaidq eK veKpüjv ev tlu idcpuj Tt] Tpiii] toü Gavdrou, ecpdvii
' Als Zeit der Abfassung nimmt Kricdliuh J)h- Si/iyilitiischeti Jl'cissoi^tntgeH
p. LX das Ende des zweiten oder den Anfang des dritten Jahrhunderts n. Chr. an.
2 Vgl. Jacoby a. a. O. 37.
ir. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 123
eauTÖv ev ti] faXiXaia, Kai dveXGuuv em tö \j^)oq tüüv oüpavojv.
Dass diese Lebenserzählung' den Inhalt eines in Aegypten
umlaufenden Evangeliums kurz wiedergeben soll, hatte Herr
Jacoby angenommen ; es ist m. E. der nächstliegende Gedanke,
wenn er auch von theologischer Seite leidenschaftlich bestritten
ist. Einen starken Anhalt, freilich noch nicht den Beweis
für seine Richtigkeit bietet der neue Fund.' Aus dem neuen
Evangelium ergab sich diese Auffassung der Verkündigung
von selbst, bei Lukas widerstritt sie dem Sinn und Plan des
Schriftstellers. Ihn zeigt am besten die kunstvolle Parallel-
stellung der beiden Verkündigungen, die den Leser durchaus
zwingt, auch bei der zweiten nur an die Prophezeiung eines
bevorstehenden Wunders, nicht an die Erzählung des Wunders
selbst zu denken. Der zunächst unscheinbare Zusatz Kai
au\Xri)iv|j»;i ev ^aoipi wird 2, 21 noch einmal hervorgehoben:
Kai eKXi'iGi'i tö övo|ua aÜTOÜ MriCToOi;, tö kX^Gev uttö toö dYT^^ou
TTpö Toü auXXniucpGnvai aÜTÖv ev tv\ KoiXia. Der ganze Sinn
der Geschichte ist umgestaltet, und doch sind die Worte
geblieben. So kommt es, dass die Begründung eirei avöpa
DU Yivuj(JKUj im Munde der bald in die Ehe tretenden Jungfrau,
der eine zukünftige Empfängniss verheissen wird, wie schon
erwähnt, durchaus nicht mehr passen will.' Aber die Ge-
schichte selbst hat auch ihren Zw^eck verloren; man hat
mit Recht betont, dass bei Matthaeus die Verkündigung an
Joseph für die Erzählung wichtig, ja unvermeidlich ist, bei
Lukas die Verkündigung an Maria besser fehlen könnte,
und hat daher Lukas als Nachahmer des Matthaeus gefasst.
1 Erwähnen will ich wenigstens, dass die nicht so sicher aus dem Evan-
gelium stammenden Theile des Gebetes in den Worten oi oupavoi r|u\oYil6i'iaav
Kai fi ff] i.xdpr\, öti dir^aTti öitt' aÖTuuv 6 ^x9pö? eine gewisse Parallele zu
den Sibyllinen-Versen (474. 475) bieten TiKTÖiaevov bt ßp^qpoi; iroxib^EaTO
fr\Qoa\jvr\ x6iijv, oOpctvioi; b' ifiXaaae Gpövoc; Kai dTäWeTO KÖa|Lio<;. Grossen
Werth lege ich nicht darauf.
'^ So will A. Resch (a. a. O. 81) denn für sein Kindheitsevangelium den
Text der Ankündigung gestalten auWru^Tl ^K XÖYOU auxoö, um wenigstens
die Frage thJjc, Sarai toOto zu erklären; aber der Zusatz direi ävbpa oi) YivÜJ(JKiu
wird damit vollständig sinnlos. Der Zusatz ^K XÖYOU auTOÖ in dem Protevan-
gelium spricht nur für die GrundaufTassung der Zeit.
124 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Wir werden jetzt eventuell wieder annehmen, dass beiden eine
ältere Erzählung vorausliegt, die jeder in seiner Weise um-
gestaltete.
Nicht mit Unrecht haben die Kirchenväter immer
wieder bei der Verkündigung auf den Eingang des Johannes^
Evangeliums venviesen. Eine ähnliche Gnmdauffassung, frei-
lich in ganz anderer Ausgestaltung, waltet in beiden Stücken.
Auch der Verkündigungsgeschichte, wie Avir sie in dem
neuen Text finden, hegt der Logos-Glaube und die \^or-
stellung von der Schöpfung durch das Wort zu Grunde.
Ich venveise auf die S. 83 zusammengestellten Zeugnisse
für die eigenthümliche reUgiöse Anschauung, nach der ein
Gott den andern durch sein Sprechen schafft. Aus dieser
Anschauimg hat der erste Erzähler mit mächtiger Gestaltungs-
kraft einen Bericht über die Empfängniss Christi gebildet,
der freilich, so erhaben er ist, doch nothwendig bei vielen
dem Missverständniss verfallen,* viele peinlich berühren
musste, der sich aber, einmal geschaffen, kaum mehr igno-
riren Hess. So hat denn der Verfasser der Kindheitsgeschichte
im Matthaeus-Evangehum das Wunder nur in einem Traum-
gesicht Joseph nachträglich offenbaren, Lukas es nur der Maria
vorausverkündigen lassen.'- Aber die ältere Anschauung ent-
sprach zu sehr dem religiösen Empfinden und der Denkart des
Hellenismus; so hat sie sich neben dem kanonischen Evange-
lium, ja ihm zum Trotz noch durch Jahrhunderte erhalten.
Aber freilich gegen diese Combinationen erhebt sich
ein sehr ernstes Bedenken. Ich habe oben selbst zugegeben,
dass gerade wenn wir die Thätigkeit des liturgischen
Redactors möglichst gering ansetzen, unser Evangelium in
relativ junger Zeit überarbeitet, bezw. interpolirt sein muss.
Verlangt nicht dann die Methode unserer Arbeit, dass wir
die Abweichungen von dem Bericht des Lukas auf dieselbe
' Vgl. Jacoby a. a. O. 38.
* Dass die beiden ersten Kapitel des Lukas-Evangeliums von demselben
Verfasser, wie der Haupttheil, herrühren, hat Harnack {Sitzuiigsber. </. Bc-rl. Akad.
1900 S. 549 ff.) aus stilistischen Gründen erwiesen. Die Quellen scheinen mir
dennoch verschieden.
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 125
Ueberarbeitung zurückführen und aus jener allgemeinen
Auffassung des V^erkündigungsberichtes erklären? Genügt
es nicht einfach den secundären Character dieses Evan-
geliums zu constatiren, um ihm jeden Werth abzusprechen?
Ich möchte das Gewicht dieses Einwandes noch verstärken,
indem ich auf den Character der beigefügten Lobpreisung
etwas näher eingehe. Zweimal begegnet in ihr das \A^ort
6eo56K)-|, also die populäre Form für das nach atticistischem
Vorbilde geformte Wort der Schriftsprache Geoböxe; die Con-
sonanten sind in dem ganzen Gebet rein überliefert, eine Aen-
derung also unmöglich. Dagegen fehlt das Wort, welches wir
zunächst erwarten, GeotÖKe; es lässt sich auch in den Er-
gänzungen nicht leicht imterbiingen, selbst wenn man zu dieser
an sich bedenklichen Ausflucht greifen wollte. Die Abfassungs-
zeit des Hymnos lässt sich danach zwar nicht mit Sicherheit,
aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bestimmen.
Als Nestorios an der Bezeichnung öeoTÖKoq, die schon
seit d^m dritten Jahrhundert allgemeiner üblich geworden
war, Anstoss nahm, setzte er ihr in seinen Predigten die
Bezeichnung 0eoböxo(g entgegen;* das seine Meinung eigentlich
' Vgl. Gallandi VIII 633: dominicae itaque humanitatis susceptionein cola-
mus, incarnationis sacramentum hymnis incessahillbus extollamus, susceptricem
dei virginem cum deo ratiocinemur, cum deo ad divina non elevemus.
Beoböxov dico, non GeoTÖKOV, h litte ram, Oton t, et x> non k expriini volens;
unus est enim, ut ego sectindtcin ipsos dicam, paier deiis GeoTÖKOt;, id est genitor
dei, qui hoc nomen compositum habet. Vgl. ebenda 634: „non dicit" inquiunt
„06OTÖKOV, id est genetricem dei", et hoc est totum, quod nostris sensibus ab
Ulis opponitur. „nemo enim" aiunt „rectum fidei gloriam sequens vocem hatte
aliquando declittavit." multa dogmatum ibi experimenta suppeditant, maxime
quidem quae sunt Apollinaris sectae et Arii vel Eunomii. si investiges, untis-
quisque eorum OeoTÖKOV, id est dei genetricem, appellavit virginem sanctam
scis hoc ApolUnarem dicetttem, scis hatte vocem, id est GeoTÖKOV, apud Arium
plausus maximos excitare, scis hanc quoque apud Eunomium frequentari. Vgl.
Cyrills Brief ebenda 641 : dignare unam locutionem donare offensis auribus, dei
puerperam, id est 6eoTÖKOV, pronutttians virginem sanctam (vgl. ebenda S. 652).
Gegen die Nestorianer wendet sich die Predigt des Pseudo-Athanasius ei«; Triv
•f^veaiv Xpiaroö (II 353 B ed. Bened.): eiud oöv GeoTÖKOv xriv uapG^vov, Kai
\xr\ \i'^e Geoböxov, |uä\\ov hi M'^e öeoböxov Kai OeoTÖKOV. ei <Täp> 6eo-
böxoq, iOTX Kai BeoTÖKOi; kt\.
126 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
ausdrückende Wort war freilich xpicrTOTÖKO(;, Oeoöoxo? offenbar
nur wegen des nahen Anklangs an GeoTÖKoq gewählt. Dennoch
wäre die naheliegende \'ermuthung, dass unser Hymnos
nestorianisch ist, und dass der Evangehentext erst zu dieser
Zei^ interpolirt sei, schwerlich richtig. Enthält doch der
Schluss eine Vergötthchung der Jungfrau, die gerade dem
Nestorianer aufs äusserste widerstreben musste. Man wh'd
umgekehrt folgern dürfen, dass das Gebet entstanden ist,
bevor dieser Streit dem Wort Beoböxoc; eine bestimmte, gegen
den übergrossen Marienkult gerichtete Bedeutung gab, dass
also Nestorios das Wort nicht neu prägte, sondern aus schon
vorhandenem liturgischem Brauch übernahm. So darf man
wohl nach anderer Seite zu suchen, da man der Interpolation
eines Evangelientextes (dem Bild GeobÖKOv drfeiovi doch am
liebsten einen dogmatischen Zweck zuschreiben wird. So
einfach und unanstössig an und für sich dies Bild ist, das die
Kirchenväter aller Zeit ja auch ruhig Aveiter gebrauchen, es
lässt sich in einen gewissen Zusammenhang mit den im zweiten
Jahrhundert beginnenden christologischen Streitigkeiten brin-
gen. Lehrte doch schon \^alentinian, dass Christus durch Maria
ujq bid cruuXfivog gegangen sei. Dass bei einer Beeinflussung
des Evangelientextes ein vieldeutiger Ausdruck wie drfeTov
0eobÖKov bevorzugt wurde, Hesse sich wohl be^-eifen. Wir
würden das Evangelium darnach gegen Ende des zweiten
Jahrhimderts und in Kreisen entstanden, bezw. überarbeitet,
denken, die mit dem Gnosticismus immerhin eine gewisse
Fühlung hatten; wir würden weiter annehmen, dass sich
in einzelnen Kreisen in AegA-pten das nicht-kanonische Evan-
gelium bis ins vierte Jahrhundert, ja darüber hinaus im Ge-
brauch der Gemeinde erhielt. Es läge dann nahe, es mit
dem koptischen Evangelium, dessen Reste Herr Jacoby ver-
öffenthcht hat, in Verbindung zu bringen, doch wäre dies
nur eine auf Fundort und Dauer der Wirkung begründete,
mehr als unsichere Hj'pothese.
Auf Grund eines Bruchstückes eines solchen Evan-
geliums Ansichten über die ältesten Berichte aufzubauen und
an unsern Evangelien Kritik zu üben, hat gewiss sein Be-
II. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 12/
denkliches, und ich würde es — zumal als Laie — vermieden
haben, wenn die Erzählung im Lukas-Evangölium an sich
verständlich wäre und die Spuren der Ueberarbeitung mir
in ihm nicht so handgreiflich zu Tage zu Uegen schienen,
wenn endlich das neue Evangelium nicht gerade das böte,
was sich mü* schon, als Herr Jacoby das Gebet von Gizeh
untersuchte, im wesentUchen als der alte Text dargestellt
hatte '. Die Entscheidung wird in solchen Fragen ja stets
von Temperament und Ueberzeugung des Einzelnen beein-
flusst werden. Aber principiell wird man, wenn die jüngere
Quelle auf alte Tradition zurückgehen kann, nicht ohne
weiteres bei Seite werfen dürfen, was sich aus inneren
Gründen empfiehlt und der Sache einzig angemessen ist.
Weniger fürchte ich den andern Einwand, dass man aus
einem so A'erstümmelten liturgischen Text überhaupt keine
Schlüsse ziehen dürfe, da so viel unberechenbare Factoren
uns über ein Spielen mit Möglichkeiten oder Wahrschein-
lichkeiten kaum hinauskommen lassen. Das ist bequem,
wissenschaftlich oder allein berechtigt ist es nicht. Gerade
weil nur immer einzelne Steinchen und Trümmer aus dem
grossen Mosaikwerk der frühchristlichen Litteratur zu Tage
treten, gilt es, zimächst jedes einzelne aufs peinlichste zu
prüfen, bei jeder ^Möglichkeit der Ergänzung den Grad der
Wahrscheinlichkeit festzustellen, aus jeder Conjectur alle
Consequenzen zu ziehen, um den BHck für die Bestätigung
oder Widerlegung durch weitere Funde offen zu halten. Die
Verdächtigung, der Zweck solchen Thuns sei, durch ein
möglichst werthvolles Etikett die Sächelchen wichtig zu
machen, mag erheben, wer will.
Weniger habe ich über die Ergänzungen des zweiten
Theiles zu sagen. Da es mir nicht gelungen ist, einen an-
nähernd übereinstimmenden Hj-mnos zu finden, fehlt für
X'
Die Voraussetzung für diese Hypothese ist, wie ich nochmals betone,
dass die Logos-Vorstellung nicht erst von dem Verfasser des vierten Evangeliums
aus Philo übernommen und in das Christenthum übertragen ist, sondern dass sie
jene Vorbereitung in dem allgemeinen religiösen Empfinden des Orients hatte,
die ich früher nachzuweisen versuchte.
128 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
sie der rechte Anhalt. In Zeile 13 möchte ich zunächst
für auTÜj einsetzen auii) und die oben erwähnte Stelle des
Pseudo-Athanasios 11 342 F cd. Bcncd. > zum \'ergleich heran-
ziehen: TOiauTtt Kai r\ ipiTii tOuv dpxiliv, drfeXuuv te Kai dpxoY-
YcXuuv iepapxia, KeKeXeu(T)aevii Kai emTeTpauuevii Trapd toö diro-
(yTeiXavTO(; 0eoö ujq öi' evöq dpxaTf^Xou toO faßpiriX eKßodv töv
eKqpavTopiKujTaTOv KaiTTepiXiiirriKubTaTOv ü|ivov dei dvaKpdZ^er x^ipe,
KexapiTuu|ievr| • 6 Kupio«; laerd croO. Demnach wäre etwa zu
lesen: lueid toO dpxaTf£X[ou Kai töjv dTfeXuiv Kai iiu€i(;] Tipo-
(jKuviTCTuJiaev auiri nlävitc,- x«ip£) iVfaTTuuJ.uevn toü ku, x«"ipe» T^dp-
eb[pe Tou un;iaTOu], X(J.\pt, BeobojKii, i] d|i|Lid [toö (JujTfipO(;fi|Liujv]
u TTepiaiepa r\ dfafüü(T[a eE öXeOpou louq] dvoüq.* In Zeile 17
ist xt^i''Tap6evoioi sicher in xai\PeTe> TTap6eveioi zu verbessern,
in Zeile 18 eeo- in 0eo-; da hier nur wenige Buchstaben
fehlen und zu dem zu ergänzenden Adjectiv die Worte ev
oupavoiq gehören müssen, möchte ich in Rücksicht auf das
\'orausgehende schreiben yjü.\p^ 9eobuüKi-|, 6eö[beKTe] ev oupavoiq.
Weiter ist in Zeile 19 20 für vu[)Li]cpri(j offenbar vuiaqpii zu
lesen und oibi in dibi[ou] zu verbessern. Den Schluss bildet
das zweimaHge x"[ip£j. Xttip[€]-
Der Text des ganzen Gebetes mag danach ungefähr
gelautet haben :
Xaipe KexapiTuuuevr)' 6 KijpiO(; uerd dou. eK[XeXeT|uevii <Ju lüq d"f-
YCiov djiiavTOv] Kai GeobÖKOv Kai deiTi)aov.- eupe(g 'fdp X"P[iv irapd
Tuj Seil», Kai iboO retri uiöv], Kai KaXecrei^ tö övo^ia auToü 'lr|(yoö(v).
ouToq [crdicrei toü? Xaoü<; Kai xAbo, 6eoü KXiijBnaeTar buuaei auTÜ)
KupiO(; 6 9eö? töv 0[pövov Aaueib toö iraTpög/Kai ßaai]Xeü(cr)£i
em TÖV oiKOv 'laKÜjß ei<; töv [aiujva, Kai Trj<; ßaffiXeiaq auTOÖ] ouk
earai ii\oc,. — TTÖ6ev faoi toöto Te[vr|creTai, CTiei dvbpa ou yivoj-
(Jkuj; — TTv]eöua dfiov eTreXeucreTai eiri cre, Kai [buvauig tou 6eou
fcTTicTKidaei aoi]. biö Kai tö •f£vvuu|uevov dfio[v KXnOiicreTai, uiö?
Geoö. — iboO n boüjXfi Kupiou' t^voitö )iOi Kard tö pn)ii[d (Jou. —
EuXoTriiaevri ev TuvaiEiv, 6 Kupioig ejXdXiide aoi Kai eüaffeXia9ai
eK[eXeu(Jev öti bid toö uioö crou cr(u]9r)öeTai irdaai ai Trarpiai tii«;
' Der Vergleich Marias mit der Taube des Noah begegnet öfters.
* Vielleicht dei t(uiov?
IL Schöpfungsmythen und Logoslehre. 129
['louöaiaq Kai Travia rd Yevi] tojv] eOvüuv. jueid tou dpxaTTe^[ou
Kai TÜJv 6.j^e\()jv Kai ninei«;] TTpo(JKuvnö'uj)aev auTi] T:[6iVTec,' xo^ip^,
ilYa7T(ju])Liev)-i tou Kupiou, xctip^. Trdpeö[p6 tou ui|»i(JTOu], x^ip^, 0£O-
ÖÖKri, 11 djLiud [tou cruüTiipoq ii|uiJuv], f] TiepidTepa f] dYaTouö'[a eS
öXe0pou T0Ü<;j dv9pujTT0uq. xctKpeTe>, TTap6eveioi , x«ipe
OeobÖKii, Oeö[beKTe] ev oupavoi(;, x^ip^. vu[)Li](pri, xoiTpe, Mapi'a, [ai]
7Tap0ev6ioi ßißXoi, ßißXo(; d'ibi[ou] qpujTÖ^. x«[ipt]. X«ip[t]-
Erst jetzt kann ich nach dem langen Umweg zu jenen
religiösen Formeln zurückkehren, für welche ich weitere
Belege in unserm Texte zu geben versprach. Dass Maria
hier, wie seit früher Zeit öfters, mit der Gocpia 9eou in Ver-
bindung gebracht ist,* hat der Leser schon empfunden, vgl.
Wcish. Seil. 9, 4 öö<; |aoi t)iv tujv aüüv Gpovuüv irdpebpov croqpiav,
10, 4 öl' öv KaTttKXuCo.ueviiv yhv TrdXiv biecTujö'e aoqpia, 5i' eÜTe-
XoOq HuXou töv öiKaiov KußepvrjffacTa, 7, 26 dirauYaaina Yap £^ti
qpuuTÖq diöiou. Schon hiernach wird man die Bezeichnung
als ßißXo? d'ibiou qpuuTÖq nicht ausschliessUch aus der be-
kannten Jesaiasstelle (8, 1-4) erklären: Kai eiire Kupio? "npöc, }xe '
Xaße creauTUj TÖjaov KaivoO |ueYdXou Kai yp^M^ov eiq auTÖv Ypctqpiöi
dv6pubTT0u, ToO öSeax; 7Tpovo|uiiv Ttoincrai (JkuXuuv • irdpeaTi y^P •
Kai ladpTupdg ]ioi TToindov TTiaTOut^ dvGpuuTTOuc;, töv Oupiav Kai
Zaxapiav uiöv Bapaxiou. Kai TtpoCriXBov fTpög ti^v TrpoqpfiTiv, Kai
ev YttCTTpi eXaße, Kai eTeKev uiöv. Kai eiTie Kupiö(; |uoi • KdXecrov
TÖ övo|Lia auToö „Taxeou«; (JKÜXeucrov, öEeujg Ttpovoiaeuaov", öiöti
TTpiv r\ Yvojvai tö Tiaibiov KaXew iraTepa x] |ui"iTepa, XriipeTai buva|Liiv
AaiLiacTKoO Kai Td aKÜXa Zainapeia^ evavTi ßacriXeoiq 'Aaaupiujv.
Die Stelle ist von den Kirchenvätern bekanntUch als messi-
anische Weissagung aufgefasst worden. Das ist für V. 2 ff.
nicht wunderbar und schon vor der Zeit Justins geschehen;
befremdlich ist nur, dass man später auch in V. 1 das neue,
grosse Buch allgemein auf Maria bezogen hat, vgl. Gregor
von Nyssa testim. adv. Jiidneos: - tö\xov ouv Kaivöv vooGiuev
' Die Preislieder auf die (Joqpia 0eoö sind gerade an Marienfesten in
der römisch- wie griechisch-katholischen Liturgie üblich geblieben.
2 Gallandi bibüoih. vet. patrum VI 584. Spätere Zeugnisse giebt z. B.
Johannes Damascenus Migne XCVI /. 671, 692.
Reitzenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. 9
130 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
Tiiv TtapOevov ujcTTiep yäp 6 x^pfn? Kaivö<; ecTTi Ka6ap65, otYpacpo?
ujv, ouTUjq Ktti 11 TTap9evoq dyia äuüiiToq dvbpöq. Breiter führt
dies Epiphcinios adv. Jiacrcs. I 30, 30-31 aus: tÖ|liov bid tö
elvai |uev ifiv TiapOevov £k cTTrepiaaioq dvbpoq, TeiiafiaBai hk. dTTÖ
laiEeuüq dvbpujv , . . ßißXioi ^dp direiKacre t^v mirpav. Weiter führt
uns endlich Theodotos von Ankj'ra in der schon oben citirten
Predigt ' : x^ipoi? dvepiaiiveuTe infitep dKaraXrinjiaq, xo^ipoi"» o
Kaivöq Kaid 'HcTatav TOjaoq Tr\c, veac, o\}yfpa<pr\c„ f]<; fidpiupe«;
TTicTToi dTfeXoi le Kai dvGpuuTTOi, x^ipoi? tö dXdßacrrpov tou dTict-
(TTiKoü laupou ktX. Nur dadurch, dass Maria schon früher mit
der crocpia 0eoö, die ja zugleich das Buch des Alten Testa-
mentes ist, verglichen war, kann ich mir die Deutung des
ersten Verses des Jesaias entstanden denken, und unser
Ostrakon giebt, meine ich, für diese Uebertragung die Be-
stätigimg. Es giebt die volksthümHche Auffassung, den letzten
Grund der Fseudo-Gelehrsamkeit der Kirchenväter. Aber
diese volksthümMche Auffassung selbst ist befremdend genug ;
ich kann sie mir nur erklären, wenn ich an die religiösen
Vorstellimgen und Formeln für Isis denke. Sie ist ja einer-
seits vor allem „die Mutter des Gottes",'" andrerseits die
Weisheit und Vorsehung. Wie oft wir in bildlichen Dar-
stellungen vergebens fragen, ob Isis oder Maria gemeint ist,
hat man mehrfach betont.-^ Die Kunst spiegelt hier nur das
allgemeine Volksempfinden wieder, in dem Maria frülizeitig
eine religiöse Stellung einnimmt. Dass dabei Vorstellungen
aus dem Kult der im ganzen Orient verehrten Göttin mit-
einwirkten, wird man nur natüi'lich finden. Freilich Isis ist
für mich als Buch in Aegypten nicht nachweisbar, nur als
Verfasserin der heiligen Schriften ^ ; wir haben es hier also
zugleich mit einer Weiterbildung der jüdischen \''orstellung
' /ft sanctam deiparam et Syineoncm. Gallandi IX 460.
* Brugsch Kclig. d. Aeg. 645 : Ihre gewöhnliche und höchste Bezeichnung
ist „Mutter des Gottes".
' Vgl. Röscher Lexikon d. griech. Myth. II 428 ff. Für die Darstellungen
der Sophia und Maria vgl. Haseloff Codex purpurcus Rossattensis S. 38 ff., 1 16 ff.,
126 und Tafel XIV.
« Vgl. oben S. 104.
n. Schöpfungsmythen und Logoslehre. 131
von der aocpia 9eoö zu thun. So führt uns das neugefundene
Gebet in den früher besprochenen Anschauungskreis und
zu jener Mystik zui'ück, welche sich aus aeg}-ptischen,
jüdischen und griechischen Elementen hauptsächlich unter
dem Einfluss der Stoa, in ihren Anfängen vielleicht auch
schon unter dem früherer philosophischer Richtungen in
dem griechischen Orient gebildet hat. —
Dass auf die „hellenistischen" Formen und Formeln des
reUgiösen Denkens die Stoa entscheidenden Einfluss geübt
hat, ist altbekannt, aber im Einzelnen noch selten beobachtet;
ihren Einfluss auf das Empfinden der Zeit gilt es in der
Fassimg einzelner M^'then wie in der Wahl der Worte und
in allerhand Kleinigkeiten weiter zu verfolgen, * freilich nicht
so, dass wir an eine reine Uebernahme aus dem Griechischen
denken ; eigentUch schöpferisch ist die Stoa nie. Sie knüpft
immer an vorhandene Vorstellungen an und verfährt dabei
oft wohl nicht viel anders alsEratosthenes, zu dessen Liede ich
im Schluss noch einmal zurückkehre, weil es dem religiösen
Empfinden auch des modernen Forschers auf diesen Gebieten
unbeabsichtigten, aber um so schöneren AusdiTick leiht. Aus
der aegA'ptischen Tradition, dass die Götter der Urstoffe dem
schöpferischen Sonnengotte Thot jeden Morgen und Abend
ihren Lobgesang darbringen, wird ihm durch eine Ueber-
tragung p3'thagoreischer Gedanken das gewaltige Bild, wie
Hermes, der Gott alles Forschens und Wissens, das Lied
belauscht, das erst der Zusammenklang der A^erschieden
tönenden Sphaeren ergiebt, und das dem höchsten Gott, dem
Gotte alles Werdens, der schönste und hebste Lobgesang ist.
Was wir Philologen durch den Strassburger Papyrus
neu gewonnen haben, sind zunächst freiUch nur kärgliche
Reste zweier unbedeutender Gedichte. Aber sie sind datirt
* Ich erwähne beiläufig, um ihr Eingreifen in die Vorstellungen und die
Sprache mit einem ganz fernliegenden Zuge zu belegen, dass z. B. der syrische
Uebersetzer des Eusebios, wie mir Prof. Nestle nachwies, das Wort öperri in
der Regel durch ein Wort übersetzt, welches aipeTTj bedeutet — gemäss der
stoischen Etymologie. Aehnliches wird sich gewiss bei einigem Aufmerken in
Fülle finden lassen; es zeigt die allgemeine Verbreitung stoischer Anschauungen.
9*
lo2 II. Schöpfungsmythen und Logoslehre.
und geben uns einen weiteren Einblick in die Durchschnitts-
leistungen der damaligen Tagespoesie; sie lassen uns ferner
den Stoff einer älteren alexandi^inischen Dichtung erraten;
sie geben endlich einen neuen Anhalt, die Continuität der
hellenistischen Poesie zu erweisen — vielleicht sogar noch
etwas mehr. Man hat es m. W. niemals versucht, die Werke
des letzten grossen römischen Dichters Claudian in Zu-
sammenhang mit der damaligen griechischen Dichtung
seiner Heimath zu bringen und den Dichter von hier aus zu
verstehen. Wohl hat der beste Kenner der alexanch-inischen
Poesie, C. Dilthej^ schon längst ihre Einwirkung auf Claudian
betont, und nützliche Nachweise über sein Verhältniss zu
älteren griechischen Dichtern hat auch Biit (p. LXXIIj ge-
geben. Aber die alexandrinische Dichtung wirkt ja im w^esent-
lichen ungestört in der Osthälfte des Römerreiches weiter.
Ihre Themata, ihre Denk- und Ausdrucksweise sind ge-
blieben; das zeigen imter vielen anderen auch imsere beiden
EpylHen. Gewiss ist Claudian von Statins und anderen
lateinischen Vorbildern stark beeinflusst; aber das Wesent-
liche ist doch, dass er diese fortlebende griechische Poesie
in neuem, starkem Strome in die römische herüberleitet.
Ein griechischer Dichter ist er trotz der lateinischen Sprache,
wie Ennius dereinst, wenn wir auch gern glauben, dass
beide ihren griechisch schreibenden Kimstgenossen an Kraft
imd Frische weit überlegen waren. Sollten nicht auch die
von Spott und Hass erfüllten Epyllien gegen Rufinus und
Eutropius nicht in einer verschollenen römischen Dichtungs-
art, sondern in der Gelegenheitspoesie der spottsüchtigsten
Stadt griechischer Zunge ihre wahren Vorbilder haben?
So mag dies für Philologen bestimmte Buch mit einer
für Philologen aufgeworfenen Frage schliessen.
Nachwort.
Ich weiss, dass ich etwas unter uns Ungewöhnliches
thue und mich und dies Büchlein aufs schwerste schädige,
wenn ich ihm ein persönliches Nachwort mit auf den Weg
gehe und für die vorschnell mit willkürlichen Erfindungen
angegriffene Ehre zweier deutscher Gelehrten selbst gegen
ihren Wimsch aus keinem anderen Grunde eintrete, als weil
ich den Sachverhalt voll zu kennen glaube. Die Entschul-
digung, dass ich es auf Grund meiner persönlichen Be-
ziehungen zu ihnen thue, weise ich weit von mir; ich hege
zu mir das ruhige Zutrauen, dass ich es ebenso für den
Unbekannten und für den Gegner thun würde, Aveil ich das
für Pflicht halte. An den Unterschied zwischen dicttiin und
responsum brauche ich philologische Leser nicht zu erinnern;
weder Sprache noch Geist des Angreifers werde ich nach-
ahmen.
Zu den werthvolleren Stücken unserer Sammlung gehört
ein kurzes Fragment eines koptischen Evangeliums. Zu
einer Zeit, als die Papyri noch zum grossen Theil unauf-
gefaltet in den Kisten lagen, bat Herr Licentiat Dr. C. Schmidt
aus Berlin Prof. Spiegelberg, welchem Recht imd Pflicht der
Publication zunächst zustanden, um die Erlaubniss, den
koptischen Theil der Sammlung durchmustern zu dürfen.
Prof. Spiegelberg, der erkrankt und von Strassburg ab-
wesend war, gewährte leider die ungewöhnliche Bitte; Herr
Oberbibliothekar Euting und ich zeigten in seinem Auftrag
Herrn Schmidt, was wir irgend finden konnten ; er erkannte
in einem von Prof. Spiegelberg noch nicht gesehenen Stück
das Evangelium und durfte gegen das uns beiden gegebene
Versprechen, es nicht ohne Erlaubniss Prof. Spiegelbergs
zu veröffentlichen, Abschrift davon nehmen.
134 Nachwort.
Die Publication übernahm Prof. Spiegelberg' mit einem
Schüler, Herrn Pfarrer A.Jacoby gemeinsam so, dass letzterer
für den theologischen Theil, ersterer für den koptischen
Text die Verantwortung tragen sollte. Auf eine Anregimg
des Herrn Schmidt wurde ein rasch hergestelltes Manuscript
an Herrn Prof. Harnack zur Vorlegimg in einer Sitzung der
Akademie gesendet. Hierfür erschien es diesem zu lang ; er
erbat es mit einer freundlichen Aeusserung über den theo-
logischen Theil sich für die „Texte und Untersuchungen" ; die
Verfasser willigten ein. Eines Tages erhielt nun Herr Jacoby
zu seiner Ueberraschung ein detaillirtes Gutachten Herrn
Schmidts über die Arbeit mit der Aufforderung von Prof. Har-
nack, sich behufs weiterer Aenderungen an Herrn Schmidt
zu wenden. Herr Jacoby weigerte sich. Die breite Darstellung,
w^elche Herr Schmidt neuerdings dieser und der hierauf fol-
genden Correspondenz gewidmet hat, ist mehr als lückenhaft
und einseitig; doch verzichte ich auf jede Berichtigung oder
Schilderung seines gehässigen Treibens seit der Differenz
und glaube auch die Frage, auf welcher Seite zu grosse
Empfindlichkeit, auf welcher stärkere Missverständnisse oder
formelle Missgriffe vorgekommen sind, ruhen lassen zu
können. Für die Wissenschaft macht es wenig aus, wer sich
in solchen Dingen mehr oder mit mehr Recht geärgert hat;
nur die wirkliche Beschuldigung hat auch für sie Wichtigkeit.
Das Resultat war, dass die Verfasser ihre Arbeit zurück-
zogen, Herr Schmidt die Benutzung seines Gutachtens nicht
wünschte, und Prof. Spiegelberg, als die anderweitige Publi-
cation sich noch längere Zeit hinzog, in der peinlichen Lage
war, bei jeder neuen Ergänzungs- oder Aenderungsmöglich-
keit, die ihm auftauchte, sich ängstlich zu fragen, wieviel
davon selbstverständlich oder unabhängig, wieviel durch das
unerbetene Gutachten etwa veranlasst und damit verwehrt
sein könnte. Da wir damals gemeinsam das Aufrollen der
Papyrus übenvachten, haben wir öfters über diese Schwierig-
keit gesprochen.
Als die Arbeit erschienen war, Hess Herr Schmidt
Prof. Spiegelberg durch Herrn Director Euting ausdrücklich
Nachwort. lo5
eine Anklage in einer Zeitschrift wegen widerrechtlichen
Gebrauchs seines Gutachtens ankündigen; den Vorschlag,
seine Anklagen erst einmal vor einem unparteiischen Col-
legen vorzutragen und sich eventuell Aufklärimgen geben zu
lassen, wies er schroff zurück.* Die Anklage erschien in den
Gott. gel. Ans. 1900 S. 481 ff., eine anschliessende Polemik
in der Deutschen Litter atuvscitung 1900 Nr. 45, 49; 1901
Nr. 1; 5 und 13; in neuester Zeit hat Herr Schmidt dazu
ein längeres Büchlein unter dem ansprechenden Titel In
memoriaui gefügt.-
1. Herr Schmidt eröffnete seine Anklage damit, dass
er einen Auszug aus dem letzten Brief Prof. Spiegelbergs
an Prof. Hamack in indirekter Rede wiedergab, in dem
dieser angebUch schrieb, er werde an anderem Ort die Arbeit
unverändert pubüciren. Sonach genügte jede Abweichung
des Druckes von dem vor Monaten nach Berlin gesendeten
Manuscript, die Illoyalität des Verfassers zu ersveisen, und
Herr Schmidt hat davon reichlich Gebrauch gemacht. Das
Wort unverändert war von ihm durch Sperrdi"uck hervor-
gehoben, stand aber weder selbst, noch dem Sinne nach in
dem Briefe. Es stammte, Avie Prof. Harnack auf Befragen
gütigst mittheilte, aus einem ersten, erregten Briefe des
jüngeren Mitarbeiters, Herrn Jacoby, der zu Anfang der
Differenz Prof. Harnack ersucht hatte, A^on der verlangten
Mitwii"kung Herrn Schmidts abzusehen, sonst müsse er seine
Arbeit zurückziehen, um sie an anderem Ort unverändert
zu publiciren. Von dem Brief, der weder für beide \"erfasser
sprach, noch sprechen sollte, hatte er nicht einmal eine
Copie behalten; niu- ein Ent\\iu-f, an dem der Schlusstheil
fehlte, fand sich erheblich später. Von einem Recht der
Redaction auf ein derartiges Versprechen konnte keine Rede
1 Uns dreien ist die Ablehnung in der beleidigendsten Form bekannt
geworden. Hat Herr Schmidt, wie er behauptet, Bedingimgen gestellt, so sind sie
damals so jedenfalls nicht an die Herren gekommen.
"^ Die Schrift ist als Manuscript gedruckt und weit versendet; da der
Autor neue schwere Beschuldigungen erhebt, wird er selbst nichts dagegen ein-
wenden, wenn ich sie hier mit berücksichtige.
136 Nachwort.
sein ; Prof. Harnack gab auch zu, dass es jeden Augenblick
zurückgenommen werden konnte. Bei der Begründung einer
Ehranklage hatte Herr Schmidt also unüberlegt, aber Avohl
bona fidc gehandelt ; er brauchte nur einzuräumen, er habe
sich geirrt, als Herr Spiegelberg in maassvollster Form er-
klärte, das habe er nicht geschrieben und zu A^ersprechen
keinen Anlass gehabt; er habe den Wortlaut jenes ersten
Briefes Herrn Jacobys erst jetzt kennen gelernt. Herr Schmidt
erhob nun neue Beschuldigungen, die ich nur dahin verstehen
kann, dass er dies als unwahr bezeichnete; sonst wüi'de er
auch kaum diesen maasslosen Ton gewählt haben und nicht
so offenbar der Ueberzeugimg sein, dass die Interpolation
des entscheidenden Briefes und der Sperrdruck des inter-
polirten Wortes, auf das alles ankam, berechtigt sei. Dass
Prof. Spiegelberg fast unmittelbar nach jenem Briefe zu mir
ruhig von Aenderungen sprach, bezeuge ich hier nochmals.
2. Als seinen Hauptbeweis bezeichnete Herr Schmidt
ausdrücklich eine Stelle, auf die er in der Recension sogar
mehrfach und später immer wieder zurückgekommen ist.
Prof. Spiegelberg hatte — irre geleitet durch einen Buch-
stabenrest, der als Interpunktion gefasst ^^Tirde — ein Wort
Christi ergänzt „sie liefen hinter mir \\qx ,ivic hinter dem Winde''
dies aber zugleich selbst als grammatisch bedenk-
lich' bezeichnet. Er fühlte sich eben dadurch berechtigt,
das von ihm selbst beanstandete Wort ,, hinter dem Winde"
später fortzulassen und die Stelle unergänzt zu lassen. Hier-
durch mussten auch in dem theologischen Theil einige, für
Sinn und Tendenz des Ganzen gleichgiltige Zeilen fortfallen.
Herr Schmidt schrieb nun in seiner Anklage: „Die grösste
Veränderung haben aber die theologischen Untersuchimgen
erfahren, denn auf Grund dieser Stelle hatte Herr Jacob}-
lange Erörterungen über den „windigen Christus" angestellt
und daraus eine besondere doketische Christologie entwickelt;
Parallelstellen wie Joh. 8, 59; 10, 39; Luc. 4, 30 gaben die
' Oder wie Herr Schmidt in seinem Guiachten schreibt „gegen die
koptische Grammatik, wie auch der Verfasser bemerkt hat". In seiner Recension
sagte er hiervon dem Leser nichts, gründete aber gerade hierauf seine Anklage.
Nachwort. 137
gewünschte Unterlage. Diese seine Ausführungen hat er
uns trotz des angekündigten unveränderten Druckes vor-
enthalten, und mit derselben Entschiedenheit weist er jetzt
jeden doketischen Charakter der Fragmente auf S. 26 zurück,
wie er früher für ihn eingetreten." Prof. Spiegelberg be-
gnügte sich zunächst durch Anführungen aus dem Manuscript
zu constatiren, dass sie vielmehr eine etwaige doketische
Deutung abgelehnt und den Vergleich als sprichwörthche
Redensart erklärt hätten. Herr Schmidt bestritt das nicht,
antwortete aber mit der noch schlimmeren Verdächtigung,
Prof. Spiegelberg habe die entscheidenden Stellen über den
Doketismus mit Geschick unterdrückt. Welche es seien,
oder Avie sich diese Behauptung mit seiner Recension in Ein-
klang bringen liesse, deutete er nicht an. Prof. Spiegelberg
wies nun endlich darauf hin, dass Herr Jacoby seine ganze
Identifizünmg des Evangeliums darauf begründet hatte, dass
es zunächst mit dem Petrus-Evangelium nicht identisch sein
könne, da dies doketisch sei, unser Evangelium aber nicht.
Es war das genau dieselbe Stelle auf S. 26 des Druckes,
welche Herr Schmidt als die schwerste Aenderung bezeichnet
hatte. Herr Schmidt begnügte sich in der Antwort ganz
allgemein von ,, wundervollen Erörterungen des Herrn Jacoby"
zu sprechen imd für sich das Recht in Anspruch zu nehmen,
in uncontrollirbare Mittheilungen aus ungedrucktem Manu-
script des Gegners in Anführungszeichen gesetzte Worte
eigener Prägung zu schieben. Er hatte inzwischen Ge-
legenheit gehabt, das Manuscript, welches bei Prof. Ficker
depönirt war, einsehen zu lassen und davon für andere
Stellen reichlichen Gebrauch gemacht. Mit unendlicher Geduld
beantwortete Prof. Ficker die zahlreichen Fragen und bat
Herrn Schmidt, nur ja sich ruhig zu erkundigen, um ihn von
der Inhaltslosigkeit seiner V^erdächtigungen zu überzeugen.
Nach diesem Punkt hat Herr Schmidt erst nachträglich
gefragt; er behauptet jetzt unentwegt weiter, der doketische
Charakter sei „beton^" gewesen und führt nach Mittheilungen
Prof. Fickers ein paar kleine redactionelle Aenderungen aus
dem Eingange an, die mit dem Doketismus nichts
138 Nachwort.
ZU thun haben. Zehn Seiten weiter lesen wir in einer
Anmerkung: „Ich kann auf diesen strittigen Punkt jetzt
nicht eingehen, da mir das Material fehlt; denn eine Auf-
klärung über meine Behauptung wäre nur dann möghch^
wenn ich einen Einblick in das ganze Manuscript nehmen
dürfte. Ueberdies ist dieser Punkt durchaus neben-
sächlich."* Das war er bei der Anklage durchaus nicht.
Aber ich verstehe Herrn Schmidt auch nicht ganz; er will
doch nicht nach einzelnen Worten, die sich deuteln oder
verdrehen lassen, suchen. Die Frage ist also kurz und ein-
fach: steht in dem ]^Ianuscript der auf S. 26 des Druckes
erhaltene Satz, sind also alle Schlüsse Herrn Jacobys davon
abhängig gemacht, dass das Fragment „nichts von Doke-
tismus merken lasse"? Ist dies der Fall, so hat Herr
Schmidt in einem längere Zeit vorher verkündeten Ehr-
angriff aus unklaren Erinnerungen willkürlich bestimmte
imd detaillirte Beschuldigungen zusammengedichtet und dies
Verfahren später durch neue Verdächtigungen verschleiert.
Leider trifft dies in allenveitestem Umfang zu. Herr Schmidt
will eine besondere doketische Christologie gelesen haben
und muss sich dabei doch etsvas gedacht haben. Nun
hatte Herr Jacoby das Wort „der Geist ist willig, aber das
Fleisch ist schwach" auf Christus selbst gedeutet und die
menschhche Schwäche Christi hier in ganz neuer Art betont
gefunden. Es war der Hauptpunkt seiner ganzen Erörterungen,
imd gerade gegen ihn hatte Herr Schmidt schon in seinem
Gutachten polemisirt. Wie lässt sich wohl damit eine
doketische Christologie und ein entschiedenes Eintreten für
den Doketismus vereinigen? — Ich habe das nach Berlin
gesandte Manuscript zweimal zu verschiedenen Zeiten ge-
prüft und verbürge hier mit meinem Wort, dass nicht nur
die erwähnte klare Zurückweisung alles Doketismus darin
stand, sondern auch, dass ich keine doketische Christologie,
ja nicht einmal zwei der drei Bibelstellen, auf welche
sie nach Herrn Schmidt' aufgebaut sein sollte, gefunden
habe. Nichts von ,, wundervollen Erörterungen", nichts, was
' Von mir gesperrt.
Nachwort. 139
den Ausdruck „windiger Christus" erklären könnte. Nur die
einfache Bemerkung, es sei, wie schon der fehlende Artikel
zeige, ein Sprichwort der Zeit, und Christus sage: „wie die
bisherige Verfolgung Aveiter keinen Erfolg hatte,
als ein Mensch hätte, der hinter demWinde herläuft,
so, meint er, wird es auch fürder im Tode sein."
Dabei stand freihch auch: „die Ergänzung stützt sich auf
Stellen wie Joh. 7, 30; 8, 20; 10, 39 die wunderbaren Ver-
suche der Juden ihn zu greifen, da sie ihn doch nie fangen
können" (Anm.: vgl. Holtzmann NT Theologie II 449 ff.) und
„Der Ausdruck streift allerdings das Doketische bereits
bedenklich". Hieran knüpfte nach einer kurzen, im Druck
wiedergegebenen Unterbrechung: „die menschliche Natur
des Herrn ist ungleich stärker betont, als in dem vierten
Evangelium, cf. das Wort Christi von Fleisch und Geist.
Auf Doketismus könnte nur das Wort vom Winde führen;
doch ist dieses, abgesehen davon, dass es ergänzt, also zu
einem stricten Beweis ungenügend ist,* auch so sehr wohl
verständlich, zumal als Sprichwort". Das ist alles. Die
entscheidende Ablehnung alles Doketismus an der Haupt-
stelle habe ich schon erwähnt.
Ich kann leider mir und dem Leser die Frage nicht er-
sparen, woher Herr Schmidt zwei von jenen drei Bibelstellen
hat, die er in dem Manuscript gelesen haben will. Hier haben
wir ja endHch eine feste Behauptung, die nicht auf Phantasie
und Irrthum zurückgeführt werden kann. So verglich ich
denn Herrn Jacobys Citat : Holtzmann NT Theologie II 449 ff.
Prof. Holtzmann bespricht dort die Eigenthümlichkeit des
Johannes -EvangeHums, dass sich die durch Verfolgungen
der Juden entstehenden Conflikte so oft durch den halb-
mysteriösen Vorgang eines wunderbiiren Entweichens Jesu
lösen. Auf diesen johanneischen Zug hatte Herr Jacoby ver-
wiesen und aus den zahlreichen Stellen di-ei herausgegriffen.
Prof. Holtzmann endete die lange Zusammenstellung, indem
er als die eigenartigsten Stellen auch Joh. 8, 59, den späteren
> Die Ergänzung war, wie erwähnt, sogar als nicht einwandfrei gegeben.
140 Nachwort.
Zusatz aus Lucas 4, 30, und Joh. 10, 39 anführte und bemerkte,
dies könnte auf eine dem basilidianischen Doketismus ver-
wandte Auffassung zurückw^eisen. Falls ich also nicht an-
nehmen soll, Herr Schmidt habe seine Citate aus h'gend einer
Darstellung des Doketismus entnommen und gefälscht,
muss ich wohl vermuthen, dass ihm nur der Verweis auf Holtz-
mann in Erinnerung Avar, er diesen nachschlug tmd auf gutes
Glück die drei Stellen auswählte, bei denen dieser an den
Doketismus erinnert hatte, dass ihn endlich Prof. Holtzmanns
vorsichtige Worte zu der Behauptung veranlassten, er habe
diese drei Stellen als Grundlage einer doketischen Christo-
logie bei Herrn Jacob}- gelesen. Es ist die schonendste mir
mögliche Annahme, doch würde ich dabei begreifen, dass
ihm, sobald die Polemik begann, nicht recht wohl ward
und er die wimderlichen Ausflüchte wählte, die ich jetzt
noch einmal nachzulesen bitte. Ich füge hinzu, dass die
Beschuldigten dies alles zurückhaltend zunächst nur als
gelegentliche Entstellung des Manuscriptes bezeichnet hatten.
3. Als Herr Schmidt die grundlose Verdächtigung be-
züglich des Doketismus das zweite Mal erhob, fügte er hinzu
„vielleicht rechtfertigt er (Prof. Spiegelbergj sich, resp. Herrn
Jacoby ob der stillschweigenden Benutzung meines Hinweises
auf Joh. 15, 20. Herr Jacoby hat nach eigenem Geständnisse
' Der Ausdruck war hier mir und den Collegen, die ich fragte, allen rärhsel-
haft geblieben. Erst während ich jetzt mich quäle, mich in die wunderlichen Ge-
dankengänge Herrn Schmidts hineinzuversetzen, um ihm gerecht zu werden, sehe
ich die Möglichkeit einer Lösung. Die Verfasser hatten, als sie in dem nach ihrer
früheren Annahme sprichwörtlichen Ausdruck „wisset nun : sie liefen hinter
mir her, wie man hinter dem Winde herläuft" die letzten Worte mit vollem
Rechte wegliessen, nicht mehr übersetzt „sie liefen hinter mir her", was
jetzt stilistisch unmöglich war, sondern „wisset, dass man mich verfolgt hat,
wie man verfolgt hat , ." und dann eine Lücke gelassen. Dies Wort
„verfolgt" steht nun in anderer Wendung in Luthers Uebersetzung zur zweiten
Hälfte von Johannes 15, 20 und auf diese hatte Herr Schmidt zuerst verwiesen,
ja sie angeführt. Er hat das wirklich auch in seiner Recension als wichtige An-
klage vorgebracht, und ich hatte vielleicht unrecht, dies bisher nur humoristisch
zu fassen. Sollte er sich deshalb aus der Behauptung: „den ersten Theil habe ich
gekannt" willkürlich ein Geständniss: „im zweiten habe ich Herrn Schmidt
benutzt" gebildet haben ? Er müsste dann freilich im Eifer des Kampfes später selbst
vergessen haben, was er mit dem Worte meinte. Die Vermuthung, dass dann soviel
Nachwort. 141
nur die einführende Formel benutzen können, um dem Vor-
^\^urf der Benutzung zu entgehen". Es handelt sich um dieselbe
Stelle, deren Eingang die Verfasser ergänzt hatten „denket an
das, [was ich gesagt habe] zu euch allen". Zu dieser Formel
hatte sich Herr Jacoby eine Anzahl Parallelstellen notirt,
darunter auch Joh. 15, 20 (ausgeschrieben): ^ivimoveueTe toö
XÖYOu, ou tfih eiTTov u|uiv, sie aber in dem nach Berlin ge-
sandten Manuscript vergessen oder als imwesentlich fort-
gelassen. Nur eine Art Paraphrase „und er erinnert sie an
ein Wort, das er ihnen einst gesagt hat" zeigte, wie Herr
Schmidt jetzt weiss, dass er die Johannesstelle kannte. Herr
Schmidt hatte erkannt, dass sich auch die Fortsetzung" des
Johannes -Spruches mit den folgenden koptischen Resten
nahe berühre, was die Verfasser wegen der früher erwähnten
irrigen Annahme einer Interpunktion und Worttrennung
nicht gesehen hatten. Als das nach Berlin gesandte Manuscript
gedruckt wurde, fügte Herr Jacoby in der zweiten Correctur
bei: „zu der einführenden Formel cf. Joh. 15, 20". Herr
Prof. Spitta fragte gleich nach dem Druck Herrn Jacoby, ob
sich denn nicht auch die weiteren Johannes-Worte mit dem
koptischen Text vereinigen Hessen, imd erhielt die Antwort, das
glaubten die Verfasser jetzt auch, könnten aber davon keinen
Gebrauch machen,daHerrSchmidt in seinem Gutachten hierauf
hingewiesen habe. So wurde mir die Sache wenigstens später
erzählt. Prof. Spitta war von der Loyalität seines Schülers voll
überzeugt. — Da Herr Spiegelberg für die Ehre seines Mit-
arbeiters gegen Herrn Schmidts wiederholte Verdächtigung
eintreten wollte, schrieb er in der Entgegnung kurz: „auch
die Verweisung auf Joh. 15, 20 befindet sich in dem ur-
sprünglichen Manuscript". Herr Jacoby hatte, als Herr
Schmidt seine Beschuldigungen wegen des Doketismus
wiederholte, mir auf meine Bitten sein Manuscript gezeigt
Tinte und Druckerschwärze, soviel Verdächtigung und Beschimpfung an das
Erstreiten dieses „geistigen Eigenthums" gewendet und ernsthafte Männer Monate
lang mit Briefen und Untersuchungen um diese — mild gesprochen — armselige
Quisquilie bemüht werden konnten, ist mir freilich selbst so seltsam, dass ich
sie nicht ganz zu glauben wage.
1 42 Nachwort.
und es dann auf meinen Rath zu Herrn Prof. Ficker getragen,
damit dieser es bewahre und eventuell andern zur Einsicht
zugänghch mache. An diesen schrieb nun Herr Schmidt, ob
die Venveisimg in dem nach Berlin gesandten Manu-
script stünde. Herr Ficker antwortete in diesem Alanuscript,
welches dem Druck zu Grunde gelegen habe, stünde sie nicht,
wohl aber stünde ein Veru^eis auf die einführende Formel zwei
Mal in den Concept- und Collectaneenblättern, die ihm Herr
Jacoby ausserdem übergeben hätte. Um Herrn Schmidt zu
überzeugen, beschrieb er ihre Paginirung und ihr Aussehen
möglichst genau tmd erzählte am Abend mir fröhlich, er
hoffe Herrn Schmidt von seiner Beschuldigung abgebracht
zu haben. Herr Schmidt aber druckte in seinem „letzten
Wort": „Herr Spiegelberg hat die Stirn, weiterhin zu be-
haupten, dass auch die Verweisung auf Joh. 15, 20 sich in
dem ursprünglichen Manuscript befinde, sodass der von mir
gegen Herrn Jacoby geäusserte Vorwurf diesen in keiner
Weise treffe. Ich stehe nicht an, diese Behauptung für eine
Unwahrheit und Irreführung der Leser' zu erklären,
denn auf meine Anfrage bei Prof. Ficker erhalte ich freund-
lichst folgende Ant\vort: „In der Druckvorlage, also
dem nach Berlin gesendeten Manuscript, habe ich
einen Verweis auf Joh. 15, 20 nicht finden können".
So wird meine Behauptung einer stillschweigenden Benutzung
dieses wichtigen Nachweises durch das Manuscript voll-
ständig bestätigt — bei der obigen ganz falschen Ueber-
setzung konnte Herr Jacoby gar nicht auf Joh. 15, 20 ver-
weisen - — und ebenso ist das von mir angegebene Geständniss
des Herrn Jacobys, er habe nur die einführende Formel
benutzen können, um dem Vorwurf der Benutzung zu ent-
gehen, nicht „eine völlig aus der Luft gegriffene neue \rer-
dächtigung",^ sondern eine gesicherte Thatsache, da er dies
• Von Herrn Schmidt durch Fettdruck hervorgehoben.
* Herr Jacoby hatte übersetzt: „denket an das [was ich gesagt habe zu
euch allen]" und hiermit verglichen: lavrjlnoveueTe TOÖ XÖYOU ou i^w eiTTOV ü|aiv.
' Diese Worte hatte Prof. Spiegelberg nicht von diesem angebhchen
Geständniss, sondern von Herrn Schmidts Behauptungen über den Doketismus
Nachwort. 143
ekrliche Geständniss einem Professor der Theologie in
Strassburg gegenüber abgelegt hat. Sollte aber HeiT Jacoby
an der gleichen Gedächtnissschwäche wie Herr Spiegelberg
leiden, so werde ich den Namen des Betreffenden ihm gern
zur \''erfügung stellen". Etwas ganz anderes schien aus
dem „Geständniss" mit einem Mal geworden, und Herr
Prof. Spitta säumte nicht, den hierdurch erweckten Verdacht
energisch zurückweisen zu lassen. So hat Herr Schmidt denn
das von ihm angeblich gehörte Geständniss auch jetzt in seinem
Buch als sachlich durchaus übereinstimmend, mit dem was
Herr Jacoby behauptet (oder wie Herr Schmidt schreibt, ein-
gesteht), bezeichnet. Auch es ist ihm off enbar jetzt ganz neben-
sächHch. Die ^'erkehrung■ der Aeusserungen Prof. Fickers in
das gerade Gegentheil, von dem, was er gemeint hatte, empörte
damals alle Betheiligten. Bei ruhiger Erwägimg wird man
zugeben dürfen, dass, da Prof. Spiegelberg unvorsichtiger
Weise das Wort „urspi-üngliches Manuscript" für den Ent-
wurf gebraucht hatte imd dasselbe, ohne es zu merken,
an einer anderen Stelle für das nach Berlin gesendete
Manuscript im Gegensatz zu Herrn Schmidts Erfindungen ver-
wendet hatte, dieser, der ja sehr leidenschaftlich erregt war,
in gutem Glauben gehandelt haben kann. Für einen ruhig
denkenden Menschen konnte freilich nie ein Zweifel daran
sein, dass Herr Prof. Ficker, wenn er dem Manuscript, nach
dem der Druck erfolgt sei, die CoUectaneen- und Concept-
blätter, die Vorarbeiten entgegenstellte, letztere als die
früheren bezeichnen wollte. Indess Herr Schmidt versichert,
dass er niemals an diese Möglichkeit gedacht habe, und dass
er die ganzen genauen Angaben über die Art der Blätter
für nur der Vollständigkeit halber zugefügt gehalten habe.
Was Herr Schmidt in seiner neusten Schi-ift hinzufügt,
Herr Jacoby habe ein Jahr nach Ausbruch des Streits einen
Prioritätsanspruch erhoben und Concept-Material in eine
wissenschaftliche Debatte eingeführt, was durchaus unstatt-
gebraucht. Des „Geständnisses" war damals mit keinem Wort gedacht. Was
Herr Schmidt durch diese Erfindung erreichte, liegt auf der Hand.
1-+4 Nachwort.
haft, ja sogar rundweg abzulehnen sei, befremdet etwas. Ich
dachte, Herr Schmidt hätte den Prioritätsstreit auf Grund un-
gedruckten Materiales mit den schwersten Verdächtigungen
eröffnet, und ich wüsste nicht, wie man solche anders als
mit ungedrucktem Material zurüclaveisen könnte, wenn man
sie beantAvortet.
Herr Ficker setzte Herrn Schmidt eingehend aus-
einander, was er gemeint hätte, worauf Herr Schmidt erst
Herrn Jacobys Loyahtät anerkennen wollte, dann aber
plötzlich anfing, sich zu erkundigen, ob diese Blätter nicht
doch nachträglich verfertigt sein könnten. Prof. Ficker wider-
sprach lebhaft und legte immer wieder dar, dass und warum
diese Blätter nothwendig vor die endgiltige Gestaltung des
Textes und dessen Sendung nach Berlin fallen müssen. Das
Resultat ist, dass Herr Schmidt in seinem Buch In mnnoriam
eine ganze Sammlung neuer Verdächtigungen A'orbringt.
Natürlich hat Herr Spiegelberg beabsichtigt, dass man imter
dem „ursprünglichen ]\Ianuscript" das nach Berlin gesendete
verstünde (S. 19). Die Worte „schmählicher Missbrauch,
unerhörte Zweideutigkeit" u. s. w. genügen dem \'erf asser
kaimi. Die Concept- und Collectaneen-Blätter sind selbst-
verständlich nach dem Berliner Manuscript und auf Grund
von Herrn Schmidts Gutachten verfasst ; aber Herr Jacoby
hat nicht etAva gefälscht ; er hat nur vergessen, w^ann er sie
geschrieben hat, er hat sie erst nach einem Jahre zufällig
gefunden, hält sie jetzt für älter und beinift sich in Folge
eines Gedächtnissfehlers auf sie. Dass Prof. Ficker das
angesichts der Blätter für unmögHch erklärt, wird wenigstens
nicht verschwiegen; so wird es auch mir nichts helfen, wenn
ich das Zeugniss ablege, dass es ganz unmöglich ist, dass
das entscheidende Blatt mit seinem Durcheinander von
Notizen und Ergänzungsversuchen nach dem Manuscript und
vor dem Druck gefertigt ist. Entweder liegt hier die raffinirteste
Fälschung vor, die je zum Betrüge verwendet ist, oder das Blatt
gehört einem früheren Entwurf an. Aber ich verstehe auch
nicht, wie Herr Schmidt sich den Gedächtniss-Trrthum denkt.
Er behauptete doch früher und hat diese Beschuldigung nicht
Nachwort. 145
etwa zurückgenommen, Herr Jacoby habe sein Gutachten
geplündert und zur Verdeckung dieses seines Verfahrens
den VerAveis auf die einführende Formel beschränkt.^ Und
ziemlich gleichzeitig soll Herr Jacoby den ebenso geformten
Verweis in bestem Glauben auf ein Conceptblatt ge-
schrieben haben? Und noch mehr: jetzt wissen wir endlich,
dass Herr Schmidt schon vor dem Druck seiner Recension
von Prof. Spitta gehört hat, Herr Jacoby behaupte, die Ein-
leitimgsformel schon früher mit Johannes 15, 20 verglichen zu
haben; Herr Schmidt behauptete vom ersten Moment ohne
jeden Grund und Anhalt, dass das wahrheitswidrig sei, und
er findet jetzt ebenso anhaltslos die Behauptung, Herr Jacoby
habe auf Grund seines Gutachtens unmittelbar vorher das
Conceptblatt in bestem Glauben entworfen und sei nach
einem Jahi' dadurch zu einem Gedächtnissfehler verführt
worden.
Da die ganzen Beweiskünsteleien des Herrn Schmidt
darauf fussen, dass dieses Blatt erst nach einem Jahre auf-
getaucht sei, so bezeuge ich hiermit, dass ich fast von dem
Moment ab, wo ich aus den Sommerferien zurückgekehrt,
mit den Verfassern über die Recension des Herrn Schmidt
sprach, nach meiner Erinnerung Ende September, von einem
solchen Blatt als von einem Theil der Vorarbeiten
hörte. Herr Schmidt wird also, wenn er seine anhaltslosen
Beschuldigungen weiter bilden will, jetzt wenigstens drei
Männern Fälschung oder Lüge vorwerfen müssen.
Ich habe damit zugleich alles erwähnt, was Herr
Schmidt in dem einzig zur Discussion gezogenen Hauptpunkt
seiner Anklage den beiden Herren vorgeworfen hatte. Er hat
auf Grund eines an sich begreiflichen eigenen und fremden
Aergers den peinlichsten aller Processe begonnen, den Streit
nicht um eigene bestimmte Gedanken, sondern um An-
1 Er hüb dabei besonders hervor, dass es ein junger Theologe sei,
der so handle; er sprach schon in der ersten Erwiderung von der „hilflosen
Lage", in die seine Gegner durch die Recension versetzt seien; kurz er hat
nichts versäumt, hervorzuheben, dass sich sein Angriff gegen die sittliche Person
des Gegners richte; nur darum habe ich das Wort ergriffen.
Reitzenstein, Zwei relig.-gesch. Fragen. lU
146 Nachwort.
regimgen, die er gegeben und um Fehler, die er verhütet
haben \xi\\. Wie er dabei verfahren ist, hat sich gezeigt.
Ich verzichte darauf, auf einzelne Entstellungen und Selt-
samkeiten einzugehen; in leidenschaftlicher Polemik kommt
mancherlei vor. Die Art, wie Herr Schmidt seinen Haupt-
angriff führte, dürfte in der Geschichte deutscher Wissen-
schaft wenig Vorbilder haben.
Verzeichniss der herausgegebenen Texte.
Evangelienbruchstück und Gebet S. 112 ff., vgl. Tafel II.
Lied auf den Persersieg Diokletians „ 47 ff.
Lied von der Weltschöpfung ,, 52ff. , vgl. Tafel I.
Urkunde über Priesterbeschneidung ,, 2 ff.
Urkunde über Prüfung eines Opferthieres . . „ 7 A. 4.
Register.
Apollodor
Apollonios V. Rhodos I 496 ff.
IV 259 ff.
Apuleius Met. XI 5
Aristeas
Artapanos
Ave Äfarla
89
66
61
95, 2; 106, 2;
107, 3
77, 2; loi
13; 53 A.; 100
113 ff-
Barnabas-Brief 9, 6 10, 3
Beschneidung in Aegypten i ff.
Beschränkung 5 ; 1 1 ff.
Vorbedingungen 5 ff.
Zeit der Vornahme 3,3; 14 ff.
Bedeutung 7 ff. ; 11
bildliche Darstellung 17
Beschneidung von den Israe-
liten übernommen 30
Ursprung!. Beschrän-
kung 31 ff.
Ausbreitung 36
Bedeutung 37
Caesars Religionspolitik 23; 99
Cassius Dio XLIV 7,3 24
Catull c. 64 52,1
Chairemon 75; 83. i ; 93, 4; 96;
97, I ; 98; 109
Chrysipp 82
Cicero de deor. Jiat. III 42 94
Claudian 51; 132
,, de raptu Pros.
I 245 ff. 67; 107
„ epigr. gr. VI 107, 2
Cornificius 80, i
Dekret von Kanopos 18; 20; 21
Diodor I 10 60
,, I 16 64, I
I 88 10
„ III 2 62 ff.
„ III 32 12 ff.
Elemente 77 ff.
Emanationsichre 53 A.
148
Register.
Empedokles 66; 67, i
Empfängniss durch dasWort 119 ff.
Epigrammata graeca ed. Kaibel
1028 105, 7; 106; 109, I ;
111,1
Eratosthenes Hermes 64, i ; 68 ff. ;
82, I ; 103
Erstgeburt 9,1; 27.1; 41,1
Euhemeros 89
Eupolemos loi
Evangelium Luk. 1,26 ff. iisff-
Joh. 1,1 73; 84; 85,1
Fulgentius Myth. 1,1 iio
fevva und Teved 107
Gnosticismus 76; loS; 126
(vgl. Naassener)
Hekataios 11; 26,1; 64, i ;
77, 2; 88; 104
Hermes 56 A.; 57 A.; 58 ff.; 64;
68 ff.; 72; 80; 88; 89;
91 ; 96; 102 ff.
(vgl. Logos und Thot).
Hermetische Schriften 59fF. ; 70;
80, 1 ; 92ff. ;
96 ff.
Herodot 24; 27
II 37 13; 27
II 38 7; 8
» II 104 31, I
III 27 8,2
Hippys ■ 60; 61 ; 62, I
Horapollon 72; 75, i
Horaz c. \ \o 69, i
c. III 9 69, I
loscphos aniiqnit. II 2 loi
losua Kap. 5 33
Isis 88, 2; 91, 2; 92, I ; 95;
104 fl[,; 130
„ TEveaii; 106 ff.
„ biKaioaüvri 105 ff,
,, irpövom 102. I ; 105
,, aoqpia 105; 108; 130
Isis-Hymnos vgl. Epigrammata.
Isokrates Biisiris 26, i ; 75, i
lustin II I 62 ff.
Kallimachos Jiyynn I 87 62, 2
Kasten in Aegypten 26, i ; 28 ff.
Königswahl in Aeg. 25
Krieger in Israel 35
Kriegerkaste in Aeg. 24
Kritias 26, i
Leon von Pella 22; 90
Livius Andronicus 51,4
Logos 56 A.; 70; 72; So — 87;
92; 95ff. ; 102; 119 ff.
Lucan X 194 97, i
Lukrez 107, 2
,, I 21 106, 2
Macrobius6'ö/. I i7,2f. 58,3; 80,1
Manetho irepi üpxai(J|ioö 8
Maria "3 f^-i 125; 129 ff.
Maximian in Spanien 50
IMenschenopfer in Aeg. 8; 9
Messalla, M. 60, i
Minucius Felix 9, 4 96, 2
Moses-Dichtung 41,2; 53 A.;
100 ff.
I Moses 17 15
II Moses 4, 24 ff. 31
V Moses 23, 3 ff. 39
laoaxoaqppa-fKJTi'ie; 7, 4
Mumien 44 ff-
Mutterrecht 6 ff.
Register.
149
Naassener 62,i;95ff.; 107,2; 111,1.2
natura 106, 2; 107
Nestorios 125
Ogygia 61
Origenes in ep.adRovi. II 495 M. 9
Ovid Metam. 1 1—88 56 A ; 60 ; 65 flf.
Metam. I 21 107
Perserherrschaft in Aeg. 18. 30
Philos Logoslehre 100
Philo de vita Mosis 102
de cirawicis. i 12
Philosophie bei den Aeg. 75; 79; 97
0pÜYia YPWMMöTa 94 ff-
Phrygisch-aegyptischer Kult 104
Phylen der Priester 19 ff.; 25,2
Pinehas 39
Plato Phaidr. 274 C 87
Phileb. 18 B 87
Kratyl. 407 E 81
Porphyrios, stoische Quellen 80, i ;
92,2; 95
Poseidonios 41,2; 63,3; 77,2;
93; 99; 102
Prccatio terrae 107,2
Precatio onmium herbarum 107, 2
Priestercollegien in Aeg. 3, 2 ;
4. 6; 6; 27
Bestellung 19
Erblichkeit 26 ff.
Priesterthum in Israel 36
Bestellung 33
Erblichkeit 38 ff.
irpövoia 95i2; 102,1; iii,i
Salomon, Sprichwörter 108
Weisheit 108 ff.
„ Weish. 13, 2 109
18, 15 III
Samuel-Sage 41
Samuel I 18, 25 37, 2
Sanchuniathon 36
Schöpfung des Menschen 60 ff.
der Welt 65 ff.
„ durch das Wort 71 ; 83;
119 — 124
Seneca nat. qtiaest. III 12, 2 78
Sibyllenorakel VIII 457 ff. 121
Sirach 24, 3 ff. 109
Zoqpia 108 ff.; 129 ff.
Strabo XVI 760 — 762 77,2; 102
XVII 824 II
Synesios -rrepi -rrpov. I 5 25
TeXeoTiKÖv 10, 5
GeoTÖKOc; und 6eoböxo(; 125
Thot S3A.; 56A.; 57A; 71 ff;
87; 91 flf.; 100 ff.
(vgl. Hermes)
Totenbuch, aeg. 75 ff.
17,29 37,1
Varro ajitiqu. rer. div. 77,2; 79 ff. ;
99
„ XVI /r. 31 Si
„ „ XVI/r. 64 a 79
„ XVI //-.ÖS 79
Vergil Ed. VI 67
Zoncnlehre
57 A.; 62 ff.
Berichtigung.
S. 105 Anm. 7 gehört zu S. 106 Zeile i von oben.
4J
Papyr, jj:r. 481 v
1^
^^, ;^^f v^-\ t_ ,•
^
7.11 R(.it7,.r.^t..;r, 7,.-^; .-..i;
■"^^W?*~"
^'f%^- l.^f
'^y *
* ^'- ^ß^
Ostr. 669
Zu ,,Reitzenstein, Zwei religions-
geschichtliche Fragen".
Verlag von Karl J. Trübner, Strassburg.
-^*'
Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
Soeben erschien:
GRUNDFRAGEN
DER
SPRACHFORSCHUNG
MIT RÜCKSICHT AUF W. WUNDTS
SPRACHPSYCHOLOGIE ERÖRTERT
VON
B. DELBRÜCK.
8». VII, i8o S. 1901. M. 4.—
Unter der Presse:
Zur Geschiclite des Perikleischen Athen
von
Bruno Keil,
o. Professor an der Universität Strassburg.
8°. ca. 15 Bogen.
Aus Anlass eines durch die Strassburger Univ.- u. Landesbibliothek erwor-
benen Papyrusfundes ergeben sich überaus wichtige und z. T. umwälzende
Aufschlüsse über die Glanzzeit der griechischen Geschichte, die in dieser
Schrift im Zusammenhang dargestellt werden.
In Vorbereitung:
Kurze yergieichende Grammatik
der
indogermanischen Sprachen.
Auf Grund des fünfbändigen Werkes von Brugmann und Delbrück
verfasst von
K. Brugmann.
Das grosse monumentale Werk von K. Brugmann und B. Delbrück
hat mit der Veröffentlichung des fünften Bandes soeben einen glücklichen Ab-
schluss erreicht. Damit ist der Zeitpunkt gekommen, einen Auszug aus diesem
Work für einen grosseren Kreis von philologisch Gebildeten ins Auge zu
fassen. Der eine der beiden Verfasser hat sich bereit erklärt, diese Aufgabe
zu übernehmen. Die <iKurze vergleichende Grammatik» soll die wichtigsten
Thatsachen des grossen Werkes im Zusammenhang darstellen unter besonderer
Berücksichtigung der klassischen Sprachen, des Germanischen, des Slavischen
und des Altindischen und dabei den Umfang eines Bandes von ungefähr 40
Bogen nicht überschreiten.
Verlag von KARL J. TRÜBNER in StrassbURG.
Unter der Presse:
Hand Schriften proben
des sechzehnten Jahrhunderts
nach Strassburger Originalen
herausgegeben von
Lic. Dr. Johannes Ficker ^^^ Dr. Otto Winckelmann
Professor an der Universität Strasslnirg. Archivar der Stadt Strassburg.
Zwei Bände Kleinfolio mit 102 Tafeln in Lichtdruck und 210 Seiten Text.
Subskriptionspreis M. 60. — . Eine Erhöhung des Preises nach Erscheinen des
Werkes bleibt vorbehalten.
Bekanntlich ist die Handschriftenkunde der neueren Zeit ein Gebiet, das
so gut wie gar nicht bis jetzt gepHegt worden ist. Es fehlt vor Allem an einer
umfassenden Sammlung zuverlässiger Proben, wie die Paläographie des Mittel-
alters eine ganze Reihe aufzuweisen hat. In Deutschland ist kaum ein Ansatz
hierzu gemacht worden und in den grossen ausserdeutschen paläographischen
Veröffentlichungen ist nur vereinzelt und in verschwindendem Umfange die
Neuzeit berücksichtigt. Am dringendsten ist das Bedürfnis für das Jahrhundert
des Humanismus, der Reformation und Gegenreformation. Der individuelle
Charakter der Handschriften in diesem Jahrhundert der Persönlichkeiten stellt
dem Leser oft die schwierigsten Aufgaben. Nicht anders lässt die Verstreutheit
des Materials gerade in diesem Zeitalter besonders häufig den Forscher, den
Bibliothekar und Archivar nach sicherer Unterlage verlangen, um den Ursprung
namenloser Schriftstücke festzustellen. Und welche handschriftliche Fülle harrt
noch der Sichtung und der Veröffentlichung!
Das vorliegende Werk will hier eine sichere Grundlage schaffen. Es
bietet auf Grund photographischer Aufnahmen die Handschriftenproben eines
ganzen Jahrhunderts, aller der Persönlichkeiten, die in der reichen Strassburger
Geschichte dieser Zeit hervorgetreten sind, auf allen Gebieten des geistigen
Lebens, in Politik und Verwaltung, in Kirche und Schule, in litterarischer und
künstlerischer Arbeit, dazu aber die Proben der charakteristischen Hände aus
der städtischen und bischöflichen Kanzlei, der Kanzler, der Sekretäre, der
Schreiber. Die drei Strassburger Archive haben hierfür reichen Stoff geliefert,
verschiedene auswärtige Bibliotheken und Archive sind zur Ergänzung heran-
gezogen worden. — Die Lichtdrucke sind von J. Krämer in Kehl mit grösster
Sorgfalt hergestellt. Zum genauen Studieren der Handschrift ist jeder Tafel
eine buchstäblich getreue Transskription gegenübergestellt. Einleitende Be-
merkungen orientieren, wo es nötig und wo es möglich ist, über die Persönlich-
keit und über die Bedeutung des ausgewählten Schriftstücks.
Für historische, theologische und germanistische Seminare, für Biblio-
theken und Archive, für jeden Forscher und Freund der Geschichte, ins-
besondere der Vergangenheit dieses Landes und dieser Stadt, wird das
Werk unentbehrlich sein. Es wird in der Wiedergabe der Handschriften die
Persönlichkeiten der Gegenwart viel näher brmgen und wird der Geschichte
jener grossen Zeit die förderlichsten Dienste erweisen.
Soeben erschien :
RUHLAND, MAX, Die clcu.sini.schcn Göttinnen. Entwickchmg
ihrer Ty[)cn in der attischen Plastik. 4". XI, 108 S. Mit
3 Tafeln und 9 Abbildiinj^fen. 1901. M. 5. —
Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassbirg.
Soeben erschien:
DIE GRIECHISCHE SPRACHE
im
Zeitalter des Hellenismus
Beiträge zur Geschichte und Beurteilung der Koivr].
Von
Albert Thumb
a. o. Professor an der Universität Freiburg i. B.
S«. VIII, 273 S. 1901. M. 7.—.
Die Erforschung der hellenistischen Sprache oder KOivr) hat in den letzten
Jahren einen erfreulichen Aufschwung genommen, der sowohl der biblischen
wie der profanen Graecität zu gut gekommen ist. Dabei ist aber auch recht
fühlbar geworden, wie vieles noch auf diesem erst durch die Inschriften und
Papyri recht erschlossenen Gebiet zu thun ist, bis wir die Geschichte der
griechischen Sprache von Alexander dem Grossen bis zum Ausgang des Alter-
tums völlig überschauen. Das vorliegende Buch hat sich die Aufgabe gestellt,
die Probleme und Desiderata der Koivriforschung zu skizzieren sowie einige
Kapitel aus der Geschichte der koivi'-) auf Grund des bisher Geleisteten zu be-
handeln oder teilweise durch eigene Untersuchungen, die jedoch nur den
Charakter von Stichproben aus dem reichen Quellenmaterial haben, weiterzu-
führen. Der Verfasser hielt es für seine besondere Aufgabe, die innigen Be-
ziehungen zwischen der Koivr) und dem Neugriechischen überall zu betonen
und dadurch für die Forschung methodische Grundsätze aufzustellen, deren
Befolgung für die weitere gedeihliche Arbeit auf diesem Gebiet unerlässlich ist.
Das Buch wendet sich an alle, welche der Geschichte der griechischen Sprache
Interesse entgegenbringen, besonders auch an die Theologen, weiche die Bibel-
forschung in engste Fühlung zu den erörterten Problemen bringt; indem der
Verfasser den heutigen Stand der Koivt'iforschung zusammenfasst und dazu
Stellung nimmt, hofft er nicht nur das erwachte Interesse an diesen Fragen
rege zu erhalten, sondern auch in weiteren Kreisen neues Interesse für den
Gegenstand zu gewinnen. Die Darstellung gliedert sich in folgende 6 Kapitel:
I. Begriff der Koivi^ und Methoden der Forschung. II. Der Untergang der alten
Dialekte. III. Dialektreste in der Koivr). IV. Der Einfluss nichtgriechischer Völker
auf die Entwicklung der hellenistischen Sprache. V. Dialektische Differenzierung
der Koivr); die Stellung der biblischen Graecität innerhalb derselben. VI. Ursprung
und Wesen der Koivr]. — Beigefügt ist ein grammatisches und ein Wortregister.
Früher erschien:
THUMB, DR. ALBERT, HANDBUCH DER NEUGRIECHI-
.schen Volks.sprache. Grammatik, Texte und Glossar. 8". XXV,
240 S. mit einer lithogr. Schrifttafel. 1895. M. 6. — , geb. M. 7. —
«Endlich einmal eine brauchbare Grammatik der neugriechischen
Volkssprache, ein Buch, das nicht jenes aus allen möglichen Formen zu-
sammengebraute Kauderwelsch der Zeitungen und Bücher, sondern die
in gesetzmässiger Entwicklung entstandene lebendige Sprache der Gegen-
wart lehrt! Th. hat es verstanden, den wichtigsten Sprachstoff auf sehr
knappem Räume mitzuteilen, indem er sich auf die Verzeichnung der
Thatsachen mit den unentbehrlichsten Erklärungen beschränkte . . .
Hundertmal bin ich nach einem praktischen Handbuch der neugriechischen
Volkssprache gefragt worden, und stets war ich in Verlegenheit, was ich
den Leuten eigentlich nennen sollte; die gleiche Verlegenheit drückte
mich jedesmal, wenn ich eine Vorlesung über neugriechische Grammatik
hielt und den Zuhörern zur Vereinfachung und Erleichterung des Unter-
richts etwas Gedrucktes in die Hand geben wollte. Wer die Not so an
eigenster Haut gefühlt hat, wird dem Verfasser für seine schöne Arbeit
doppelt dankbar sein ...» Byzantinische Zeitschrift iSgß ^- ^^0-
VERLAG VON KARL J. TRÜßNER in Strassburg.
ColU.gnon, Geschichte der griechischen Plastik (Fortsetzung).
Darstellungen der griechischen Plastik am meisten den Anforderungen der
Gegenwart entspricht, am besten über den Stand der Forschung orientirt und
sich am besten liest. Wenn C. von der deutschen Forschung einen sehr
ausgiebigen Gebrauch macht und ganz vorzugsweise auf deutsche Arbeiten ver-
weist, so kann uns das ja nur freuen; es ist ein Beweis mehr dafür, das 5
wenigstens auf diesem Gebiete keine nationalen Schranken bestehen, sondern
überall gemeinsame Arbeit herrscht . . . Die Ausstattung des Buches ist der
der Originalausgabe durchaus ebenbürtig, und trotzdem ist, ein seltener Fäll,
der Preis nicht unerheblich geringer. . . " Literar. Centralblatt 1897 ^^r. 44.
,,Das vorliegende
Werk bedarf nach den
in diesen Blättern zu-
letzt Band 33 (1897)
S. 498 f. gegebenen
Ausführungen für die
Bibliotheken der Gym-
nasien und Gymna-
siallehrer keiner Em-
pfehlung mehr, doch ist
es erfreulich, die Ver-
breitung desselben an
bayerischenGymnasien
bereits feststellen zu
können, und erwünscht,
nochmals der Hoffnung
Ausdruck zu verleihen,
dass durch die Anschaf-
fung desselben die qual-
volle Leetüre von Over-
becks bekanntem
Buche immer seltener
wird. Denn es bleibt für
jeden billig und unab-
hängig urtheilenden Ar-
chäologen die That-
sache bestehen, dass
die deutsche archäolo-
gische Literatur eine so
sachgemäss, klar und
anregend geschriebene
Darstellung der griechi-
schen Sculptur nicht
aufzuweisen hat und
deshalb gernedas durch
die Freigebigkeit des
Verlegers und die ge-
wissenhafte Mühewal-
tung des Uebersetzers
in seinem Werte er-
höhte Buch des Iranzö-
sischen Gelehrten
Collignon in deutschet
Uebertragung entge-
gennimmt . . ."
Heinrich Ludwig Urlichs, München,
Blätter für das bayr. Gymnasialwesen iSgj Heft Tl\l2.
„ . . . Schon die vier bisher erschienenen Lieferungen lassen die Wahr-
heit des [in der Ankündigung] Gesagten deutlich erkennen; der Herr Verfasser
zeigt sich über das grosse Gebiet, das von der Kunstgeschichte eingenommen
wird, wohl unterrichtet, er weiss einen festen Standpunkt innerhalb der noch
auf- und abwogcndcn Meinungen zu gewinnen und, was er .bietet, mit solcher
Liebenswürdigkeit vorzutragen, dass der Leser sich von ihm gern durch das
Labyrinth der verschiedenen Ansichten hindurchgeleiten lässt . . . Dem Buche ist
weite Verbreitung zu wünschen." Zeitschrift f. d. Gymnasialwesen T897 ^^- 10.
Fortsetzung siehe nächste Seit*.
Probe der Abbildungen.
n. Band, Fig. 235. Dionysos. Marmorkopf aus den
Caracallathermen. (Britisches Museum.)
Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
Collignon, Geschichte der griechischen Plastik (Fortsetzung).
(I. Band i. Lief.). ,, . . . Wir Deutsche besitzen freilich aus der Feder
J. Overbeck's unter gleichem Titel ein Buch, dessen Verbreitung schon durch
das Erscheinen der 4. Auflage hinreichend gekennzeichnet wird. Immerhinkann
daneben das Be-
dürfniss nach einem
handlichen, frisch
und aus einem Guss
entworfenen Werke
desselbenStoffes zu-
gestanden werden.
Collignon's Arbeit
hält zweifellos die
rechte Mitte, ist ge-
schmackvoll und
Heissig durchge-
führt und mit ge-
schickter Auswahl
reich illustrirt, ohne
dadurch besonders
kostspielig zu wer-
den. Thraemer's
Uebersetzung ist
eine wirkliche Ver-
deutschung, wäh-
rend seine Anmer-
kungen nicht nur
die seither hinzuge-
wachsene Literatur
nachtragen, sondern
auch den Stand der
Fragen, wo er sich
etwa verschoben
hatte, sorgsam zu-
recht rücken und
gelegentlich zu för-
dern suchen . .
Die inzwischen
erschienenen Liefe-
rungen 2 und 3 be-
handeln den auf dem
Humus der alten
Culturen triebkräf-
tig emporwachsen-
den . ,, Archaismus"
der griechischen
Plastik. Die Vor-
züge, denen diese
Epoche selberihren
Reiz verdankt: das
Organische, Durch-
sichtige, Strebsame
der Entwickelung,
den Einsatz besten
Könnens, frische
und liebevolle Be-
handlung des Ein-
zelnen, möchte man
auch vorliegender
Darstellung der-
selben nachrühmen.
Auf aussergewöhn-
lich guter Höhe
halten sich auch
die Abbildungen. .."
Deutsche Rimdschau iSgs\96 Ä'r,
II. Band, Fig. 173. Statue des Maussolos vom Mausoleum
(Britisches Museum).
Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
GRIECHISCHE
GESCHICHTE
VON
JULIUS BELOCH.
Erster Band: Bis auf die sophistische Bewegung und den
peloponnesischen Krieg.
Gr. 8°. XII, 637 S. 1893. Broschirt M. 7.50, in Halbfranz geb. M. 9.50
Zweiter Band: Bis auf Aristoteles und die Eroberung Asiens.
Mit Gesamtregister und einer Karte.
Gr. 80. XIII, 720 S. 1897. Brosch. M. 9.—, in Halbfranz geb. M. 11.—
I. u. II. Band complet in 2 Halbfranzbände gebunden M. 20. — .
< . . . Wir haben hier ein Buch vor uns^ das unbedingt zu den bedeut-
samsten Erschoinungen der geschichtlichen Litteratur der letzten Zeit zu rechnen
ist. Beloch betont selbst, dass er das Gebäude fast überall von den Grund-
lagen neu aufgeführt habe und manche Gebiete, wie die Wirtschaftsgeschichte,
bei ihm zum c^-stenmal zu ihrem Recht kommen; ebenso, dass er kein Neben-
einander von Sondergeschichten (athenische, spartanische u. s. w.) biete,
sondern die Entwickelung der ganzen hellenischen Nation von einheitlichen
Gesichtspunkten zu erfassen suche. Dabei hüte er sich, ein Phantasiegcmälde
der ältesten Zeit zu entwerfen, und richte seine Absicht vielmehr darauf, nur ■
das mitzuteilen, was wir auf Grund des archäologischen Befundes, des homer.
Epos, der sprachgeschichtlichen Forschung mit Sicherheit zu erkennen ver-
mögen. Man wird nicht bestreiten können, dass alle diese Züge, in denen
Beloch selbst die charakteristischen Merkmale seiner Art zu forschen und zu
arbeiten erblickt, wirklich in dem Buche hervortreten.
.... Wir hoffen, dass das gediegene Werk den Absatz findet, den es ver-
dient, und wüssten denen, welche sich in verhältnismässiger Kürze über den
jetzigen ungefähren Stand unseres Wissens von griechischer Geschichte unter-
richten wollen, nichts Besseres als Beloch zu empfehlen. In rt Bänden wird
der ganze Stoff völlig bewältigt werden und zwar so, dass neben einem an-
ziehend, manchmal glänzend geschriebenen Text, zahlreiche Anmerkungen
hergehen, die alle wesentlichen Quellen- und Litteraturnachweise darbieten ....
Die Ausstattung des Werkes ist vorzüglich; der Frei*» von 7 M. 50 Pfg. für
40 Bogen ein überaus massiger.»
Pro/. G. Egclhaaf, Würit. Korrespondenzblatt f. Gelehrten- u. Realschulen, 1894 Heftl.
<Dcr eigentliche Vorzug des Werkes liegt auf dem Gebiete der Dar-
stellung d er wirtschaftlichen und socialen Grundlagen des Lebens,
in denen B. die materiellen Grundlagen erkennt, auf denen sich die gross-
artigen Umwälzungen, auch der geistigen und politischen Entwickelung voll-
zogen. Da B. gerade in dieser Beziehung das Material beherrscht, wie nich.«
leicht ein anderer Forscher, so durfte man hierin von seiner Darstellung Aus-
führliches und Vorzügliches erwarten .... Glanzpunkte sind der VII. Abschnitt-
Die Umwälzung im Wirtschaftsleben (vom 7. zum 6. Jahrh.) und der XII.
Der wirtschaftliche Aufschwung nach den Perserkriegen .... Ueber die Be-
Völkerungsverhältnisse, über die Getreideeinfuhr, über das Aufhören dei
Natural- und den Beginn der Gcldwirtschaft, die Erträgnisse -der Industrie und
des Handels, über Zinsen, Arbeitslöhne etc. erhalten wir die eingehendsten
Aufschlüsse und wundern uns, wie diese wichtigen Dinge bei der Dar-
stellung der griechischen Geschichte bisher unberücksichtigt
bleiben konnten. . . , Die Form der Darstellung ist eine ausserordentlich
gewandte und fliessende.» Bl. f. d. Gymnasialschulwesen, XXX. Jahrg. S. 671.
Verlag von KARL |. TRÜBNER in Strassburg.
Soeben erschien:
REALLEXIKON
DEE
INDOGEEMAIISCHElf ALTEETUMSKUIfDE.
GKUNDZÜGE
EINER
KULTUR- UND YÖLKERGESCHICHTE ALTEUKOPAS
VON
O. SCHRADER,
o. Professor an der Universität Jena.
Lex. 8". XL, 1048 S. 1901. Broschirt M. 27. — , in Halbfranz geb. M. 30.
Die indogermanische Altertumskunde will die Ursprünge der Civili-
sation der indogermanischen Völker an der Hand der Sprache und der
Altertümer, sowohl der prähistorischen wie der geschichtlichen, ermitteln.
Was auf diesem an Ergebnissen und Streitfragen reichen Arbeitsgebiet bis
jetzt geleistet worden ist, soll das vorliegende Reallexikon der idg.
Altertumskunde zusammenfassen und weiter ausbauen. Zu diesem
Zwecke stellt sich das Werk auf den Boden der historisch bezeugten
Kultur Alteuropas, wo die Wurzeln und der Schwerpunkt der idg. Völker
liegen, löst dieselbe unter geeigneten Schlagwörtern in ihre Grundbegriffe
auf und sucht bei jedem derselben zu ermitteln, ob und in wie weit die
betreffenden Kulturerschcinungen ein gemeinsames Erbe der idg. Vorzeit
oder einen Neuerwerb der einzelnen Völker, einen selbständigen oder von
aussen entlehnten, darstellen. So kann das Reallexikon zugleich als Grund-
züge einer Kultur- und Völkergeschichte Alteuropas bezeichnet
werden, indem die Rekonstruktion vorgeschichtlicher Zustände nicht so-
wohl Selbstzweck, als Hilfsmittel zum Verständnis der geschichtlichen Ver-
hältnisse sein soll. Im allgemeinen begnügt sich das Werk damit, das
erste Auftreten einer Kulturerscheinung festzustellen und ihre weitere
Geschichte den Altertumskunden der idg. Einzelv()lkcr zu überlassen, für
die das Rcallexikon eine Einleitung und Ergänzung sein möchte. Ein
besonderer Nachdruck ist auf die Terminologie der einzelnen Kultur-
begriffe gelegt worden, da es die Absicht des Werkes ist, den kultur-
historischen Wortschatz der idg. Sprachen, was hier zum ersten Mal ver-
sucht wird, als Ganzes sachlich und übersichtlich zu ordnen, sowie sprachlich
zu erklären. Dabei sind ausser den eigentlichen Kulturbegriffen auch
solche Begriffe als selbständige Artikel in das Reallexikon aufgenommen
worden, welche für die Kulturentwicklung, die Wanderungen, die Rassen-
zugehcirigkeit der idg. V<)lker sowie für die Urheimatsfrage, die einer
erneuten Prüfung unterzogen wird, irgendwie von Bedeutung sein kr)nnen.
lo Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
Soeben erschienen:
I. Leicarraga's
Baskisclie Bücher von 1571
(Neues Testament, Kalender und Abc)
im genauen Abdruck herausgegeben
von
TH. LnSCHMAra und H. SCHIICEARDT.
Mit Unterstützung der Kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien.
16". 87 Bogen. 1900. In Ganzleimvand geb. M. 25. — .
Die wichtigsten und umfangreichsten baskischen Sprachdenkmäler werden
hier zum ersten i\lale nach wissenschaftlichen Grundsätzen veröffentlicht. Eine
ausführliche Einleitung ist beigegeben.
Historische Grammatik
des
Kilikisch -Armenischen
von
Dr. Josef Karst.
8". XXIII, U-i Seiten mit 2 Tafeln. 1901. M. 15.—.
KAUFFMANN, Dr. FRIEDRICH, TEXTE UND UNTER-
SUCHUNGEN ZUR ALTGERMANISCHEN RELI-
GIONSGESCHICHTE. Erster Band: Aus der Schule des
Wuifila. Avxenti Dorostorensis epistvla de fide vita et obitv
Wulfilae im Zusammenhang der Dissertatio Alaximini contra
Ambrosivm. Mit einer Schrifttafel in Heliogravüre. 4". LXV,
135 S. 1899. M. 16.—.
Ankündigung: Der Verfasser hat sich das Ziel gestellt, die
Probleme der deutsclien Altertumskunde in anderer Weise, als es bij-her
geschehen ist, anzufassen und hegt die Hoffnung, dass sich von' der
Keligionsgeschichtc her manche Züge des altgermanischen Wesens und
Lebens, die bi.sher auch nicht einmal geahnt werden konnten, aufhellen
werden. Er sucht die strenge historische Methode, über welche die
Gegenwart verfügt, auf das, was man seither Mythologie genannt hat,
anzuwenden und so ein Forschungsgebiet zu Ehren zu bringen, das seil
den Tagen eines Jacob Grimm fast brach gelegen hat. Er will eine
ganz neue Disziplin der Germanistik crschliessen, die sich am engsten
mit der Geschichte altgermanischer Sitte und altgermanisrhen Rechts
berührt. -- In dem ersten Hand wird ein uralter lateinischer Text aus dem
5. Jahrhundert zum erstenmal vollständig herausgegeben. Derselbe hat
die wichtigste Urkunde über das Leben und Wirken des Gotenbischofs
Wulfila zum Gegenstand.
Verlag von KARL J. TRÜBNER in Strassburg.
Soeben erschien:
@iitc ©rörtcvung bcr ©ntnbpvoblcme bcv ^()ilofopl)ic
üon
Bffu Xieltmanu,
dritte berbeffcrtc unb bcrmel)rte §(iif(Qt3c.
8°. X, 722 ©. 1900. — 5Pvei§: brojd)trt 9Jl. 12.— gebuubcu 0)1. 14.-
;3nljnlt: S^onuort gur brittctt ^luflage. — ^rolccjontcna.
©rftcr 9lbfd&nttt: our Srfcnnlninfritif unb 2:ran§fcenbeutQU'()ilo =
fopI)ic. — :^bcaU§mu§ itnb 9^calt'ontu«o. — lieber bic ^$f)änomcnaIität bc§ 9kume§. —
2(n()aiiö. — Diauindiarafteriftif unb 9ianmbebuctton. — Ucbcr fubjcctiüe, objectiuc unb
abfotutc 3eit. — Ucber relatbc unb abfolutc ^Benjeaung. — 3ur Kjeovic bc§ ©ef)cn§.
(Sn'tcy 5?apttcl. Id. 3rt)eite§ Älapttcl. — 3)ic 2oQxt bcr J()atjnd)en ober (Saufalität unb
ßeitfolgc. — 3}ic O)k^tantorpbofen bc§ 3(prtori.
Btwcitcr Slbfdjnitt: ^nx 9'JaturpI)ilofopf)ic unb ^ji)d)ologte. 23orbe=
trad)tungen. ®r[tc $>Zebitatton. Id. 3"^eitc 9)Zebitation. — Heber bm ;i()tlofopI)tfd)en
SBertl) ber mat()cniattfd}en 9icaturiüil"fenfd}aft. — ßinicje SBortc über ba§ 5(toni. —
t(atom§niu§ unb S)arit)int§ntu§. — 2)a§ Problem bc§ fieben§. — 5(pljori§nicn jur
oSniogonie. (9)h)tboIogie unb 5p()tIol'opbic. A*'^iftonfd)c 3i^Jifd)cnbcnicrfung. 33cbenfen.
©eogontc. ©auf olität unb 3:eleologic. (Siuigc $aHngeucfie. ^bcenorbnung im Uniucr-
fnni.) — Hebev ben 3iifti"ft- — 3)ic 'iJlffociation bcr l^orftctlungcn. — lieber bie ©yiften,^
abftractcr ^öcgriffc. — 9JIcnfd)eu= unb 3;i)icrüerj'tanb. — ®e()irn unb (Seift. — Xk @in()cit
ber 9iatur.
dritter 5tbf*nitt: 3«v 3(eft()etif nnb et()if. - ^bcnl unb 2öirmd)Mt. -
3)a§ nft{)etifd)c ^bcal. — 2)a§ ert)iid)e ^beal.
ttranft^n untr ®Ijaffadjßn-
^^^^ilofopfjifdjc ^((j^ttiiblungcit, ^t^Ijoriömcu luib 8tnbicu
von
©rfter 33anb: 8« Xf, 470 ©. 1899. m. 9.—.
^nf)Q(t. 1. .^^eft: 2)ie 2Irten ber Übtbwenbigfeit. 2)ie nted)anijd)e9?aturer!Iärung.
3bec unb @ntelcd)ic. —2. öcft: ©ebanfen über ■jjatur unb 9Jaturerf'cnntnit";. 1. 9Jatuv
im ?Ü(gcmeincn, 2. (Sefe^e unb Siröfte, 3. 2)ie 3Uomiftif, 4. Drganiidic Tiatnv unb :Ieleo=
(ogic, '). ®ic 9?aturbefec(ung unb bcr @ci)'t. <5d)luf!. — 3. .s^cft: 3)ic 53ilber bcr
^l)nnta|ic. 2)a§ ^citbeiuufUjcin. 2)ic Sprad)fä()igfeit. 5)3ji)d}ologifd)e 5(i.i()oriymcn.
Smxkx SBanb, 1. .§eft: 8». 90 ©. 1901. m. 2.—.
3nt)a(t: (Seift ber Jran§fcenbentQ(pt}ilofüp()ie.
2. ."öeft. 8». S. 91-284. 1901. m. 3.—
:3nf)alt : (5iruubri& ber Stritifd}cn $)}ctapf)i)fif.
Das Werk enthält eine planmässig und methodisch angeordnete Sammking
philosophischer Schriften, die sich auf dem l^aden einer charakteristisch-be-
stimmten Weltauffassung aneinanderreihen, und zwar derjenigen philosophischen
Weltauffassung, die in des Verfassers früherem Werke «Analysis der Wirklich-
keit» ihre wissenschaftliche Begründung erhalten hat. Nach Vollendung des
zweiten Bandes, der wie der erste in einzelnen Heften erscheint, wird sich
die Sammlung über sämtliche Gebiete der Philosophie hinerstrecken.
Verlag von KARL |. TRÜBNER in Strassburg.
Soeben erschien :
tfraetittfdje ^rop^eti^mu^.
xsn fünf SSorträgen für gebilbete Soien gejc^itbevt
bon
Carl ^cinricl) CorniU,
bcr Xbcoloflie imb ijä^ilofop^ic Xoctov, oibeittitdjem ^pvofcffor bcr 2f)eoiociie
an bcr Unii'evntät iBveslau.
Stritte oerbefjerte ?{uf{oge (5. unb 6. 3^oujenb).
Ät. 8°. IV, 184 @. 1900. 93rof^iert m. 1.50, in Seiniüonb
gebunben 9JJ. 2. — .
Snl^alt: I. ^cr ifracnttfc^e ^ropt)eti§mii§ tmrf) Söefen unb Sebeutung. —
II. ®er ifraeütifc^e ^!|srop^cti§nm§ bi» juni lobe §i»!ia'§. — III. 2)er
i)rae(iti)c{)e ^rDpf)eti§nui5 öon DJ^annffe bi§ jur ßerftörung 3erujoIem§. —
IV. Ser ijiaelitijr^e ^;prop'^eti§nui§ luätjrenb be§ bQbi)(onii(f)en @n(§. —
V. ^ie ^luKiiufer be§ ijraelitij^en ^ropf)eti§mu§.
In der Frankfurter Zeitung v. j. Xov. i8g4 Nr. jio urteilt D. Ehlers über das
Schriftchen wie folgt:
„Der Wahrheitsmuth^ die geschichtliche Unbefangenheit, die lebendige Schilderung,
die Schönheit der Form, bei allem Freimuth der Kritik die fromme ehrfurchtsvolle Scheu
vor den Ileiligthümern des alten Testaments, welche die Coniiil'schen Vorträge aus-
zeichnen, lassen den Wunsch entstehen, sie möchten von Tausenden und Tausenden gelesen
werden; sie bieten verständigen Lesern für das Alte Testament einen Schlüssel, der wirklich
aufschliesst."
Soeben erschien :
(^efdjidjte tie^ %\Am ^frnel.
-Sn ac^t 95orträgen bargefteßt
üon
War ^ö|)r,
t)tx Xftcologie unb «JJIjilofop^ic Toctor, a.o. «ßrofcfiov bcr Xfieoloflie in SBreSlo«.
W\i öier harten.
Ä(. 8". Vni, 168 ®. 1900. 93rofrf)tert m. 2.—, in Seinironb
gebunben 9J?. 2.50.
^n()alt: I. ^ic ^t\\. bcr ^Qtriarcl)en. ?(bra^nm. — II. ^er '^(uÄ^ug QU§
?(cgi)pten. ^JJ^ü)c§. —■III. :i:tc eroberimg Äannan«. ^ic 9?id)tcr. —
iV. ^ic n(tc)'tc ^TönigSjeit. 'Sau(. Snüib. 3a(oino. — V. 3)ie
(yeicbirfjte bc^ iVürbreirfjÄ. — VI. Xie 03cjrf)irfitc be§ Sübrcirf)§. —
VII. ^ie 3eit be§ (Sjt(§. — VIII. : ^ie (5ntftc()ung bc§ 3nbent^nm§.
5(ul bem Jöonuort:
„Tic ibrtrnge luoffcn nur ein S^eridit fein über bie nioberne lüiffen-
irfinftlid)c ;yorjrf)uug ,^iir (^}cirfiirf)tc ^sjrnel?, natürlirf) joiueit bereu 9?cjultnte
mir nnnelnuünr cr)cl)eiucn, unb [inb in er[tcr l'inic für einen lueitcren, nici)t=
t()eoIogi)d)en l'e)erhei^ beftiuunt. ^"sür t^eologifd^e ^efcr ()abe irf) ^^(nmerhingcn
beigegeben, meldje tl)ei(§ iiitteraturnad)iüei|e unb iinfl)tige biblifrf)e SöelegfteHen,
tf}ei(§ Inrje ^Kcrfjtfertigungen meiner 3tel(ungnat)me 5U biefer ober jener ^äiwV-
frage u. a. entgolten."
BL Reitzenstein, Richard
619 Zwei
C5R4. religionsgeschichtliche
Fragen
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